Carsten Rennhak (Hrsg.) Herausforderung Kundenbindung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Carsten Rennhak(Hrsg.)
Herausfor...
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Carsten Rennhak (Hrsg.) Herausforderung Kundenbindung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Carsten Rennhak(Hrsg.)
Herausforderung Kundenbindung
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
1. Auflage Juni2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutztwerden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheSlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0400-X ISBN-13 978-3-8350-0400-9
Vorwort Die Bedeutung des Themenkomplexes „Kundenbindung" hat seit den 80er Jahren in Wissenschaft und Praxis stark zugenommen. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass Unternehmen aktuell die Kundenbindung als wichtigsten Erfolgsfaktor im IVlarketing ansehen. In der aktuellen Wettbewerbssituation iiaben die Unternehmen jedoch Schwierigkeiten, tatsachlich bindende Leistungsvorteile zu vermittein - die klassischen Instrumente des IVIarketing-Mix sind erschopft. Anbieter versuchen nun dieser Herausforderung zu begegnen, indem sie ein mannigfaltiges Spektrum von Programmen zum Einsatz bringen, urn ihre Kunden zu binden. Die spektakularen Erfolge von Kartenprogrammen wie IVIiles&More oder auch Payback erhohen in vielen Fallen den Druck auf das Management, auch ein eigenes, nach aufien weithin sichtbares Programm aufzulegen. Diese instrumentenfokussierten Ansatze grelfen in der Regel jedoch deutlich zu kurz, um der umfassenden und komplexen Natur der ..Herausforderung Kundenbindung" gerecht zu werden. Wahrend das transaktionsorientierte Marketing auf den Absatz von Produkten und Diensten abzielt, befasst sich das Beziehungsmarketing - oder neudeutsch Relationship Marketing - mit dem Erhalt und der Steuerung von Kundenbeziehungen. Beziehungsmarketing umfasst entsprechend MaHnahmen der Analyse, Planung, Durchfuhrung und Kontrolle, die dazu dienen, die Kundenbeziehung zu initiieren, zu stabilisieren, zu intensivieren und wiederaufzunehmen. Der ..Herausforderung Kundenbindung" macht eine Ablosung der Produktsichtweise durch eine kundenfokussierte Ausrichtung notwendig. Dazu ist zum einen eine Optimierung der Vermarktungsfahigkeiten durch verstarkte Nutzung neuer Vertriebswege, optimierte Kundensegmentierung und zielgruppenspezifische Marketingprogramme sowie ein verbesserter Service zwingend. Eine auf den Kunden ausgerichtete Strategie und kundenorientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind entscheidende Voraussetzungen fur eine Qualitatsleistung, die Kunden an Unternehmen binden kann. Kundenzufriedenheit basiert nicht nur darauf, wie individuell Unternehmen ihre Produkte auf die Kundenbedurfnisse maflschneidern konnen, sondern auch wie bequem sie fur den einzelnen Kunden erreichbar sind. Zum anderen muss parallel zu diesen Anstrengungen der Kunde in das Zentrum samtlicher Anstrengungen rijcken; oberste Prioritat ist dabei die Weiterentwicklung des bestehenden Kundenstammes. Die ..Herausforderung Kundenbindung" besteht darin, ein Maximum des Geschaftsvolumens der jeweiligen Kunden auf das eigene Unternehmen zu vereinen. Mit welchen Produkten und Diensten dies geschieht, ist zweitrangig. Der Band richtet sich an Studierende und Wissenschaftler aller Fachrichtungen, die sich mit den Themen Kundenzufriedenheit oder -bindung befassen; Praktiker im BeV
reich Marketing, die Kundenzufriedenheit messen, Motive illoyaler Kunden verstehen Oder CRM-Systeme implementieren wollen und uber den Einsatz von Kundenbindungsprogrammen nachdenken, erhalten wertvolle Hinweise. In der vorliegenden Aufsatzsammlung wird der Komplexltat und Vielschichtigkeit des Themas Kundenbindung durch eine systematische Herangehensweise Rechnung getragen, die die Unternehmenspraxis noch zu oft vermissen lasst. Zunachst werden in der Einfuhrung mit dem Beitrag „Kundenbindung - Grundlagen und Begrifflichkeiten" von Amparo Galinanes Garcia und Carsten Rennhak die notwendigen definitorischen und inhaJtJiciien Grundlagen fur das Verstandnis des Problemfeldes gelegt. Mit dem Beitrag „Kundenwert von Marion Halfmann und Carsten Rennhak \N\r6 dann der Mafistab eingefuhrt, an dem sich alle Kundenbindungsaktivitaten ausrichten und messen lassen mussen: dem Beitrag des Kunden zum Unternehmenswert Das Kapitel schliefit mit einer Betrachtung der (engen) rechtlichen Grenzen, denen die Kundenbindung in Deutschland unterliegt. Stefan Strassner erlautert in seinem Beitrag Jndividuelle Kundenansprache aus rechtlicher Sicht" die rechtlichen Rahmenbedingungen der individuellen werblichen Ansprache des Kunden, die zu den wichtigsten Instrumenten der Kundengewinnung und Kundenbindung gehort. Das nachfolgende Kapitel Kundenverstandnis befasst sich mit der viel zu selten betrachteten Grundlage, auf der Kundenbindung eigentlich basieren sollte: der Analyse des Kunden. Zunachst arbeiten Jurgen Kaschube und Rosina Gasteiger in ihrem Beitrag ..Psychologische Grundlagen des Kundenverstandnisses" den besonderen Blick psychologischer Ansatze auf den Kunden und sein Verhalten heraus. Der darauf folgende Beitrag „Marktsegmentierung als Voraussetzung fur Kundenverstandnis" von Tobias Kesting, Carsten Rennliak und Tobias Scliutz untersucht die theoretischen Moglichkeiten der Marktsegmentierung und die tatsachliche praktische Umsetzung in Deutschland: Kundenbindung setzt in der Theorie voraus, dass Unternehmen ihre Produkte individuell auf die Kundenbedurfnisse maiischneidern konnen - in der Praxis verbleiben hier noch einige Verbesserungspotenziale. Der Beitrag „Kundenzufriedenheitsmessung bei Low-lnvolvement-Produkten" von Zoltan Bakay und Carsten Renntiak befasst sich dann mit der Messung von Kundenzufriedenheit als Basis einer echten Kundenbindung. Hierzu wird zunachst die Eignung verschiedener Mefimethoden im Rahmen einer Fragebogenerhebung am Beispiel des LowInvolvement-Produkts Strom diskutiert. Im Anschluss werden die Moglichkeiten der Kundenzufriedenheitsmessung auf der Basis von Mystery Shopping-Methoden im Beitrag ..Kundenzufriedenheitsmessung mittels Mystery Shopping" von Diana-Nadine Bohm, Christian FischI und Carsten Rennhak eriautert: Wahrend mittels Kundenzufriedenheitsanalysen die subjektive Kundenzufriedenheit gemessen werden soil, zielt
VI
Mystery Shopping auf die Messung der objektiven Servicequalitat ab. Das Themenfeld „Kundenzufriedenheitsmessung" runden Zoltan Bakay und Carsten Rennhak mit ihrem Beitrag „Treiber der Zufriedenheit von Stromkunden" ab. Die abschliefienden drei Beitrage in diesem Kapitel befassen sich mit den Motiven illoyaler Kunden: Carsten Rennhak und Marion Halfmann untersuchen „Das Wechselverhalten von Privathaushalten im Strommarkt". Markus Zinnbauer, Zoltan Bakay und Carsten Rennhak fuhren „Eine Sequenzanalyse der Informationspfade illoyaler CommodityKunden" durch. Markus Zinnbauer, Zoltan Bakay und Carsten Rennhak untersuchen schliefllich in ihrem Beitrag „Generationenfrage Kundenloyalitat?" nach Zusammenhangen soziodemographischer Variablen und Loyalitat. Die Kundeninformationen, deren muhsame Gewinnung im Kapitel ..Kundenverstandnis" beschrieben wird, sollen fur ein aktives Kundenbeziehungsmanagement zur Verfijgung stehen - die Herausforderungen in diesem Bereich sind Gegenstand des folgenden Kapitels Kundendaten. Insbesondere die Unternehmen sind erfolgreich bei der Bindung ihrer Kunden, die einerseits ihre Ressourcen gezielt und bestandig auf die Pflege des Kundenstammes ausrichten und andererseits integrierte Kundeninformationssysteme und Data Mining professionell einsetzen. Fehlende oder fehlerhafte Kundeninformationen sowie mangelhafte Systeme zu deren gezielter Auswertung gehoren zu den wesentlichen Herausforderungen bei der Kundenbindung, mit denen sich die Beitrage in diesem Kapitel auseinandersetzen. Amparo Galinanes Garcia, Carsten Rennhak und Gunter Seidel befassen sich dazu einfuhrend mit „CRM und Kundenbindung". Amparo Galinanes Garcia, Carsten Rennhak und Daniel Simonovich diskutieren in ihrem Beitrag ..Datenqualitat als kritischer Erfolgsfaktor von CRM-Losungen" den erfolgskritischen Einfluss der Datengute auf CRM-Anwendungen und Kundenbindung. Markus Zinnbauer und Markus Eberl setzen sich in ihrem Aufsatz „Eine KPI-orientierte Methode zur Steigerung der CRM-Umsetzungsstarke" mit der wohl kritischsten Phase von CRM-Projekten - der Implementierung auseinander. Markus Eberl und Markus Zinnbauer befassen sich schliedlich im Rahmen ihres Beitrags „Zielgruppenspezifisches Gebrauchsgutermarketing" mit einer CRM-Anwendung aus der Automobilindustrie. Das abschliefiende Kapitel Fallstudien befasst sich mit den verschiedenen Herausforderungen bei der konkreten Umsetzung von Kundenbindungsmafinahmen und -programmen in der Unternehmenspraxis. Als B2C-Beispiele werden in diesem Kapitel die deutsche Bankenindustrie, Fernsehsender, Sportartikelhersteller, Mobilfunkanbieter betrachtet. Carsten Rennhak und Wolfgang Zirus beschaftigen sich mit „Kundenbindungsmafinahmen von Banken im Privatkundensegment". Carsten Rennhak, Siegfried Numberger und Marion Halfmann zeigen in ihrem Beitrag „Wie setzen Banken das Thema Kundenbindung um?" die Ergebnisse einer umfangreichen Feldstudie zur Kundenbindung bei deutschen Banken. Matthias Hitzfeld, VII
Carsten Rennhak und Dieter Nickles diskutieren in „Kundenbindung bei Femsehsender - Potenziale jnteraktjver TV-Anwendungen" die Herausforderungen, denen sich Femsehsender bei der Kundenbindung gegenubersehen. Gerd Nufer erlautert in „Event-Marketing und Kundenbindung - Fallstudie adidas" die Moglichkeiten der Kundenbindung durch Events. Sonja Kapfelsberger diskutiert in ..Couponing im Mobilfunk" die IVIoglichkeiten und Grenzen der Kundenbindung durch Coupons. Weniger weit fortgeschritten als im B2C-Bereich sind Forschung und Praxis bei den Herausforderungen, denen sich B2B-Anbieter im Bereich der Kundenbindung gegenubersehen. Diana-Nadine Bohm, Carsten Rennhak und Tara Ebert fokussieren in ihrem Aufsatz ..Kundenbindung in B2B-Beziehungen" auf loyalitatssteigernde iVIafinahmen, die in der Beziehung Hersteller-Handler initiiert werden konnen. Stefan Boots, Marion IHaifmann und IHolger Statil konzentrieren sich in ihrem Beitrag ..Kundenbindung durch Auflendienstmanagement - das Konzept der Lekkerland GmbH & Co. KG" auf kundenbindungsrelevante Aktivitaten im Rahmen des Aufiendienstmanagements. Abgeschlossen werden das Kapitel und die vorliegende Aufsatzsammlung mit einer branchenubergreifenden Analyse von Kristina Brodersen zum Thema „Die Faszination als Mittel der Kundenbindung". Ich mochte dieses Vorwort nicht schliefien, ohne meinen besonderen Dank all denjenigen auszusprechen, die durch ihre Beitrage die vorliegende Aufsatzsammlung erst moglich gemacht haben. Dieser Dank gilt der Kollegin Kristina Brodersen und den Kollegen Gerd Nufer und Daniel Simonovich an der Hochschule Reutlingen ebenso dem MBA-Studenten Tobias Kesting. Danken mochte ich ebenso meinen, Kollegen Stefan Strassner und Wolfgang Zirus von der Munich Business School sowie meinem ehemaligen Studenten dort, Christian FischI und Matthias Hitzfeld. Weiterhin mochte ich meinen ehemaligen Kolleginnen Tara Ebert und Rosina Gasteiger und den ehemaligen Kollegen Markus Eberl, Jurgen Kaschube und Siegfried Numberger an der Ludwig-Maximilians Universitat in Munchen danken. Bin besonderes Dankeschon gilt selbstverstandlich auch meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von Booz Allen Hamilton Marion Halfmann Qetzt FH Koln) und ihrem Studenten Holger Stahl sowie Gunter Seidel. Ganz besonders erfreut bin ich, dass sich so viele Praktikerinnen und Praktiker bereit erklart haben, zur vorliegenden Aufsatzsammlung beizutragen. Mein Dank gilt hier Zoltan Bakay (DaimlerChrysler), DianaNadine Bohm (Google), Stefan Boots (Lekkerland), Amparo Galifianes Garcia (O2), Matthias Hitzfeld (T.E.A.M. Marketing), Sonja Kapfelsberger (O2), Dieter Nickles (Premiere), Tobias Schutz (Mercer Management Consulting) und Markus Zinnbauer (Vivaldi Partners).
Carsten Rennhak
VIII
Inhalt 1 Einfuhrung Amparo Galihanes Garcia/Carsten Rennhak Kundenbindung - Grundlagen und Begrifflichkeiten
1 3
Marion Halfmann/Carsten Rennhak Kundenwert
15
Stefan Strassner Individuelle Kundenansprache aus rechtlicher Sicht
25
2 Kundenverstandnis
39
Jurgen Kaschube/Rosina Gasteiger Psychologische Grundlagen des Kundenverstandnisses
41
Tobias Kesting/Carsten Rennhak/Tobias Schutz Marktsegmentierung als Voraussetzung fur Kundenverstandnis
53
Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Kundenzufriedenheitsnnessung bei Low-lnvolvement-Produkten
79
Diana-Nadine Bohm/ Christian FischI/ Carsten Rennhak Kundenzufriedenheitsmessung mittels Mystery Shopping
87
Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Treiber der Zufriedenheit von Stronnkunden
95
Carsten Rennhak/Marion Halfmann Das Wechselverhalten von Privathaushalten im Strommarkt
105
Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Eine Sequenzanalyse der Informationspfade illoyaler Commodity-Kunden
113
Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Generationenfrage Kundenloyalitat?
119
IX
3 Kundendaten
127
Amparo Galihanes Garcia/Carsten Rennhak/Gunter Seidel CRM und Kundenbindung
129
Amparo Galihanes Garcia/Carsten Rennhak/Daniel Simonovich Datenqualitat als kritischer Erfolgsfaktor von CRM-Losungen
141
Markus Zinnbauer/Markus Eberl Erne KPI-orientierte Methode zur Steigerung der CRM-Umsetzungsstarke Markus Eberl/Markus Zinnbauer Zielgruppenspezifisches Gebrauchsgutermarketing
4 Fallstudien
153
171
187
Carsten RennhakAA/olfgang Zirus Kundenbindungsmalinahmen von Banken im Privatkundensegment
189
Carsten Rennhak/Siegfried Numberger/Marion Halfmann Wie setzen Banken das Thema Kundenbindung urn?
201
Matthias Hitzfeld/Carsten Rennhak/Dieter Nickles Kundenbindung bei Fernsehsender - Potenziale interaktiver TVAnwendungen
211
Gerd Nufer Event-i\/larketing und Kundenbindung - Fallstudie adidas
221
Sonja Kapfelsberger Couponing im Mobilfunk
249
Diana-Nadine Botim/Carsten Renniiak/Tara Ebert Kundenbindung in B2B-Beziehungen
261
Stefan Boots/Marion l-lalfmann/IHolger Stahl Kundenbindung durch AuSendienstmanagement - das Konzept der Lekkerland GmbH & Co. KG
273
Kristina Brodersen Die Faszination als Mittel der Kundenbindung
283
Autoren
293
1
Einfiihrung
Kundenbindung - Grundlagen und Begrifflichkeiten Amparo Galinanes Garcia/Carsten Rennhak Die Bedeutung der Kundenbindung hat im Rahmen des Relationship Marketings seit den 80er Jahren in der Wissenschaft und Praxis zugenommen.^ Nach einer begrifflichen Definition eriautert dieser Abschnitt zunachst die Faktoren, die zur Kundenbindung fuhren, ihren Nutzen und ihre Kosten sowie das Konzept des Kundenlebenszyklus. Abschliefiend werden die Faktoren beleuchtet, die zu einer erfolgreichen Implementierung eines Kundenbindungsprogrannms fuhren.
Definition und Begriffsabgrenzung In der Literatur findet man den Begriff der Kundenbindung unterschiedlich definiert. Meffert gibt zwei Sichtwelsen von Kundenbindung an, die kaufverhalten- und managementbezogen sind.2 Die kaufverhaltenbezogene Perspektive sieht die Kundenbindung als die Bereitschaft des Kunden zu Folgekaufen an. Hierbei ist Kundenbindung der „Grad, zu dem private oder institutionelle Nachfrager aufgrund faktischer oder emotionaler Bindungen beim Wiederkauf eine identische Entscheidung bei der Wahl einer Leistung, einer Marke, eines Anbieters oder einer Geschaftsstatte treffen."^ Dagegen fasst die managementbezogene Sichtweise die Kundenbindung als Aktivitat auf. „Kundenbindung umfasst alle Aktivitaten, die auf die Herstellung oder Intensivierung faktischer oder emotionaler Bindungen aktueller Kunden gerichtet ist.""^ Hierbei sind faktische Beziehungen als solche vertraglicher, technisch-funktionaler oder okonomischer Natur zu verstehen.^ Die Zufriedenheit der Kunden mit den Leistungen ist ein zentrales Element der emotionalen Bindung.
'
Das Relationship Marketings ist ein Konzept, das seit den 80er Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Dies iiegt in der Kritik an einem rein transaktionsorientierten IVIarketing begrundet. Wahrend der Zweck eines transaktionsorientierten Marketings uberwiegend in der Akquisition von Kunden Iiegt, befasst sich das Relationship Marketing mit dem Erhalt und der Steuerung von Kundenbeziehungen. Das Relationship Marketing enthalt Mafinahmen der Analyse, Planung, Durchfuhrung und Kontrolle, die dazu dienen, die Geschaftsbeziehung zu den Anspruchsgruppen insbesondere zu den Kunden - zu initiieren, stabilisieren, intensivieren und wiederaufzunehmen (vgl. Bruhn 2001 und Payne/Rapp 2003, S. 4).
2
Vgl. Meffert (2003), S. 129f.
3 4 ^
Me/fert (2003), S. 129. Meffert (2003), S. 129. Vgl. Meffert (2003), S. 138.
Die Definition von Homburg/Bruhn ist dagegen verhaitensorientiert. Sie betrachtet Kundenbindung als iVIaflnahme eines Unternehmens, die dazu dient, die bisherigen Verhaitensweisen und die zukunftigen Verhaltensabsichten eines Kunden gegenijber einem Anbieter oder dessen Leistung positiv zu gestalten. Das Ziel ist, die Beziehung zu diesem Kunden zu stabiJisieren.^ Aufbauend auf diese Definition stellt sich das Kundenbindungsmanagement als „die systematische Analyse, Planung, Durchfuhrung sowie Kontrolle sanntlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Mafinahmen dar, mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschaftsbeziehungen aufrechterhalten oder intensiver pflegen."^ Schliefilich setzt Stauss die Transaktionsmerkmale der Geschaftsbeziehung in den Mittelpunkt seiner Definition von Kundenbindung. Er argumentiert so, dass Kundenbindung nur dann vorliegt, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraumes wiederholte Transaktionen zwischen zwel Geschaftspartnern stattgefunden haben oder geplant sind.^ Gaulik et al. (2002, S. 25) gehen auch auf die Transaktionsmerkmale der Geschaftsbeziehung bei ihrer Definition von Kundenbindung ein. Fur sie bezieht sIch die Kundenbindung auf den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Geschaftsbeziehung als einer Folge von Transaktionen zwischen Anbieter und Kunde. Im Vordergrund steht nicht die einzelne Transaktion, sondern der langfristige Verlauf der Geschaftsbeziehung. Der vorliegende Beitrag definiert Kundenbindung wie folgt: Kundenbindung aus Kundensicht meint eine positive Einstellung und Verhaltensabsicht in Form von Folgetransaktionen gegenuber den Produkten bzw. Dienstleistungen eines Unternehmens. Kundenbindung aus Unternehmenssicht umfasst alle Aktivitaten, die auf die Herstellung oder Intensivierung der Bindung von Kunden gerichtet sind, um eine Stabilisierung und Ausweltung der Beziehung zu den Kunden fur die Zukunft zu errelchen.
Determinanten der Kundenbindung Homburg/Bruhn beschreiben die Determinanten, die zur Kundenbindung fuhren, in einem Modell.^ Sie stellen eine klasslsche Wirkungskette dar, die zur Kundenbindung und zum okonomischen Erfolg fiJhrt. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, steht in der ersten Phase der Erstkontakt des Kunden mit dem Anbieter im Vordergrund.
^ 7
Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 8.
^
Die Transaktionen l
9
Homburg/Bruhn (2003), S. 8.
Nach dem Erstkontakt bewertet der Kunde die Situation und bildet in der zweiten Phase sein persbniiches Zufriedenheitsurteii.^^ Im Falle einer positiven Bewertung kann in der dritten Phase Kundenloyalitat entstehen, die durch ein Vertrauensverhaltnis, eine positive Einstellung und die Akzeptanz des Kunden bezuglich der Leistungsfahigkeit des Anbieters charakterisiert ist. Zu diesem Zeitpunkt zeigt der Kunde eine verringerte Wechselbereitschaft und beabsichtigt, in der nachsten Konsumsituation wieder das gleiche Produkt auszuwahlen. Eine Kundenbindung in Phase vier kommt zustande, wenn die Absicht aus Phase drei sich in einem Wiederkaufoder Cross-Buying-Verhalten^^ niederschlagt oder der Kunde Weiterempfehlungen an andere potentielle Kunden weitergibt. Eine Steigerung des okonomischen Erfolges am Ende der Prozesse wird schliefilich erreicht. Externe und interne Faktoren beeinflussen den Ablauf dieser Kette, und haben daher positive oder negative Auswirkungen auf diese.^^
Unternehmensexterne moderierende Faktoren • Variety-Seeking-Motive • Image •Alternativenzahl • Bequemlichkeit des Kunden
• Heterogenitat der Kundenerwartungen • Marktbezogene Dynamik • Marktbezogene Komplexitat Kundenzufriedenheit •Kauf • Inanspruchnahme einer bestimmten / Leistung /
\
" Bewertung durch Soll-lst-Vergleich
Phase 1
• Erfolgspotenzial der Kunden • Leistungsbedurfnis der Kunden • Preisrestriktionen • Kundenfluktuation
Kundenloyalitat
Kundenbindung
•Akzeptanz •Vertrauen • Positive Einstellungen
• Wiederkauf • Cross-Buying • Weiterempfehlung/
dkonomischer Erfolg
Phase 3
• IndividualitSt der Leistung • Heterogenitat des Leistungsspektrums • Leistungskonnplexitat
•Ausgestaltung der kundenbezogenen Informationspolitik • PersOnliche Beziehungen • Mitarbeitermotivation
•Wechselbarrieren, z.B. vertragliche Bindung •FunktionalerVerbund der angebotenen Leistungen
Unternehmenslnterne moderierende Faktoren
Abbildung 1: Wirkungskette der Kundenbindung ^^
10
Hamburg et al. (2003) bezeichnen die Kundenzufriedenheit als eine wesentiiciie Vorstufe zur Kundenbindung. Zwischen Kundenzufriedenineit und Kundenbindung besteht ein positiver Zusammenhang. Je starl<er die Zufriedeniieit mit der Leistung eines Anbieters, desto starl^er die Bindung des Kunden an diesen Anbieter.
11
Wiederi^auf-Veriialten bezeiciinet den erneuten Kauf desselben Produktes oder derselben Dienstleistung. Cross-Buying-Veriialten bezeichnet den Kauf von untersciiiedliciien Produl^ten Oder Dienstleistungen derselben Marke oder desselben Unternehmens (vgl. Homburg/Bruhn 2003, S. 9).
12
Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 9f.
13
In Aniehnung an Homburg/Bruhn (2003), S. 10.
Weiterhin wjrd zwischen zwei Arten der Kundenbindung differenziert: verbundenheitsgetriebene und gebundenheitsgetriebene Kundenbindung. ^"^ Bei der Verbundenheit wind eine freiwillige Kundenbindung hervorgerufen. Der Kunde sieht hierbei die Vorteile, die die Bezieiiung zum Unternehmen mit sich bringen. Dem stellt er die Nichtexistenz dieser Beziehung und/oder Beziehungen zu anderen Unternehmen gegenuber. Zwei Einflussfaktoren, die sich auf diese Verbundenheit auswirken, sind Transaktionsqualitat und Beziehungsqualitat.^5 Bei der Transaktion kommt es innerhalb eines Zeitraumes zum Austausch von Leistungen zwischen Anbieter und Nachfrager. Der Kunde beurteilt die Qualitat der Transaktion.^^ Bei der Beziehungsqualitat handelt es sich um die Fahigkeit eines Beziehungspartners, „die Komplexitat der Transaktionen zwischen den Beziehungspartnern und die Unsicherheit des jeweiligen Beziehungspartners zu reduzieren sowie die Interaktionseffizienz zu erhohen."^7 Gebundenheit ist ein Bindungszustand, der fur einen bestimmten Zeitraum fixiert ist.^^ Der Kunde kann in diesen Zustand freiwillig eintreten. Er ist aber innerhalb dieses Zeitraumes aufgrund von bestimmten Parametern (z. B. Vertrag) in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Nutzung von Leistungen des Anbieters eingeschrankt. Durch die Gebundenheit versucht der Anbieter, Wechselbarrieren aufzubauen, um den Kunden am frijhzeitigen Beenden der Geschaftsbeziehung zu hindern. Bei der gebundenheitsbezogenen Kundenbindung sind drei Formen zu unterscheiden (siehe Abbildung 2).^^
^^ ^5
Vgl. Georgi (2003),S. 226ff. Vgl. Georgi (2003), S. 227ff.
^^
Die Beurteilung der Transaktionsqualitat hat vier Dimensionen: die Leistungsqualitat (z. B. die Korrektheit der Ausfuhrung von Banktransaktionen), die Informationsqualitat (z. B. Information uber den Stand einer Transaktion), die finanzbezogene Qualitat (z. B. das Preis-Leistungs-Verhaltnis einer Transaktion) und die soziale Qualitat (z. B. das Vertrauen des Kunden in den Anbieter). Vgl. dazu z. B. Georg/(2003), S. 228.
^7'
Vgl. Georgi (2003), S. 228.
^^
Georg/(2003). S. 230.
^^
l-lomburg/Bruhn (2003, S. 11) fuhren zwei weitere Ursachen auf, warum sich ein Kunde an ein Unternehmen bindet. Bei der situativen Bindung steht der gunstigste Standort eines Anbieters aus Sicht des Kunden im Mittelpunkt. Zu der psychologischen Bindung zahlen die Kundenzufriedenheit sowie die personlichen Beziehungen und Gewohnheiten des Kunden. Weiterhin argumentiert Stauss (2003, S. 311), dass die Zufriedenheit eines Kunden mit einer Beschwerde auch zur Erhaltung oder Starkung der Kundenbindung fuhren kann.
Beschreibung
Form der Kundenbindung
dkonomische Gebundenheit
Okonomische Gebundenheit resultiert aus der Errichtung okonomischer Wechselbarrieren, die bei der Abwanderung einen finanziellen Verlust fur den Kunden bedeuten. Beispiele sind Rabatte, Kundenkarten und Abonnennents.
Technisch-funktionale Gebundenheit
Technisch-funktionale Gebundenheit kommt zustande, wenn technisch-funktionale Wechselbarrieren errichtet sind. Ein Kunde kann Leistungen des Anbieters nur sinnvoll nutzen, wenn er zusatzlich eine andere Leistung desselben Anbieters in Anspruch nimmt.
Vertragliche Gebundenheit
Vertragliche Gebundenheit resultiert aus der Errichtung juristischer Wechselbarrieren. Hierbei verpflichtet sich der Kunde uber einen bestimmten Zeitraum, die Leistungen des Anbieters in Anspruch zu nehmen.
Abbildung 2: Former) der gebundenheitsbezogenen Kundenbindung 20
Nutzen der Kundenbindung Bruhn/Georgi definieren den Nutzen der Kundenbindung folgendermafien: „Der Nutzen des Kundenbindungsmanagennents stellt das bewertete Mafi der Zielerreichung durch Aktivitaten des Kundenbindungsmanagements dar."^^ Sie zeigen Kategorien des Kundenbindungsnutzens auf (siehe Abbildung 3). Der Nutzen der Kundenbindung unterscheldet sich nach beziehungsbezogenem und beziehungsneutralem Kundenbindungsnutzen.22 Der bezlehungsbezogene Nutzen folgt aus dem Bezieiiungserhaltungsnutzen im Falle des Nichtabbrechens der Kundenbeziehung. Ferner aus denn Beziehungsintensivierungsnutzen, der auf Seiten des Kunden eine gesteigerte Preisbereitschaft, eine erhohte Kauffrequenz und ein iioheres Cross-Buying-Potenzial nach sich zieht. Die fuhrt zu einer Sicherung und Steigerung von Absatz und Umsatz. Die Bezlehungserhaltung und -intensivierung hat eine direkte Erioswirkung und eine indirekte Kostensenkungswirkung zur Folge. Der beziehungs-neutrale Nutzen folgt aus dem Komnriunikationsnutzen. Eine positive sowie eine negative Komnnunikation konnen auch eine indirekte Erioswirkung auslosen.
20 21 22
In Aniehnung an Georgi (2003), S. 234. Bruhn/Georgi {^Q9Sl S. 420. Vgl. Bruiin/Georgi{^998), S. 421f.
Nutzen des Kundenbindungsmanagements
X
1_
Beziehungsbezogener Kundenbindungsnutzen
Beziehungsneutraler Kundenbindungsnutzen
X Beziehungserhaltungsnutzen
Wiederwahlnutzen
Beziehungsintensivierungsnutzen
einzelieistungsbezogen
gesamtangebotsbezogen
Preisbereitschaftsnutzen
Kauffrequenznutzen
CrossBuyingNutzen
i
I
Kommunikationsnutzen
Positiver Kommunikationsnutzen
Negativer Kommunikationsnutzen
Direkte Erl5swirkung Indirekte Erloswirkung Indirekte Kostensenkungswirkung
Abbildung 3: Nutzenkategorien des Kundenbindungsmanagement
^^
Zudem verdeutlicht Reichheld in einer empirischen Untersuchung, dass mit zunehmender Dauer der Kundenbeziehung auch der daraus resultierende Gewinn ansteigt (siehe Abbildung 4).2^ Gewinn aus Preisaufsciilagen Gewinn aufgrund von Weiterempfehlung
I
Gewinn aufgrund geringerer Vertriebs- und Verwaltungskosten Gewinn aus erhohter Kauffrequenz und gestiegenen Reclinungsbeitragen Grundgewinn I Akquisitionsl
Dauer der Kundenbeziehung Abbildung 4: Entwicklung von Nutzenkategorien im Verlauf einer Kundenbeziehung 25
23 24 25
In Aniehnung an Bruhn/Georgi{^998), S. 421. Vgl. Reichheld {1997), S. 52ff. In Aniehnung an Reichheld (1997), S. 52.
Die hohen anfanglichen Investitionen^^ zum Aufbau der Kundenbeziehung sowie die laufenden Kosten fur deren Erhalt und Ausbau lohnen sich mit zunehmender Dauer. Die Grunde hierfiJr sind folgende:^^ •
Die Preiselastizitat nimmt mit steigender Kundenbindung ab, so dass Kunden eher bereit sind, einen hoheren Preis zu bezahlen.
•
Loyale Kunden neigen dazu, ein Unternehmen, mit dem sie zufrieden sind, weiterzuempfehlen und positive IVIund-zu-Mund-Propaganda zu betreiben.
•
Eine langfristige Kundenorientierung fuhrt eher zu einer Kostensenkung als eine kurzfristige Transaktionsorientierung. Eine lange Kundenbeziehung verursacht weniger Kosten als die Akquisition neuer Kunden.
•
Je mehr ein Kunde mit einem Produkt bzw. einer Dienstleistung vertraut ist und je zufriedener er mit den damit verbundenen Zusatzleistungen ist, desto haufiger wird er dieses Produkt oder diese Leistung nutzen. Es kommt zu Folgekaufen und zur Ausschopfung von Cross- und Up-Seliing-Potenziaien.^s
Kundenlebenszyklus als Instrument der Kundenbindung Die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden weisen einen dynamischen Charakter auf, der sich in unterschiedlichen Phasen zeigt. Fur eine Analyse dieser Phasen stellt Bruhn das Lebenszykluskonzept vor, dem ein Kundenbedarfslebenszyklus und ein Kundenbeziehungslebenszyklus zugrunde liegen.29 Der Kundenbedarfslebenszyklus stellt die Bedurfnisse der Kunden in den Vordergrund und zeigt sich in zwei Funktionen.^^ Zum einen hat er eine gegenwartsorientierte Steuerungsfunktion, welche die aktuelle Ausnutzung der Kundenpotenziale uberpruft. Zum anderen kommt eine zukunftsorientierte Steuerungsfunktion hinzu, bei der das mittel2^
Wahrend in der Literatur die Nutzenpotenziale der Kundenbindung haufig zu finden sind, werden die Kosten des Kundenbindungsmanagements nur selten besciirieben. Bruhn/Georgi (1998, S. 415) definieren Kundenbindungskosten als „den bewerteten Guterverzehr, der durch Aktivitaten zur Steuerung der Kunden im Hinblick auf die Erhaltung bezieiiungsweise den Ausbau ihrer Beziehung zum Unternehmen entsteht." Sie unterscheiden zwischen zwei Arten von Kundenbindungskosten: Einzel- und Gemeinkosten. Wahrend Einzelkosten sich den einzelnen Geschaftsbeziehungen direkt zuordnen lassen, wie z. B. Ausgaben fur kundenspezifischen Service und die individuelle Betreuung eines Kaufers, lassen sich die Gemeinkosten den einzelnen Kundenbeziehungsprozessen nicht direkt zuordnen. Sie umfassen z. B. Schulungskosten fur Servicemitarbeiter.
27
Vgl. Reichheld (1997), S. 52 ff.
25
Mit Cross-Selling bezeichnet man den Verkauf von verschiedenen Produkten derselben Marke Oder desselben Unternehmens. Unter Up-Selling versteht man den Wechsel eines Kunden zu einem hoherwertigen Produkt derselben Marke oder desselben Unternehmens (vgl. Hippner 2004, S. 26). Vgl. 8rtv/7A7 (2001), S.43f. Vgl. 8rt//?A7 (2001), S.44f.
29 ^0
bis langfristige Erfolgspotenzial eines Kunden aus seinen Bedurfnissen in den verschiedenen Lebensphasen abgeleitet wird. Dagegen stellt der Kundenbeziehungslebenszyklus die Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager in den Vordergrund.^^ Er zeigt die verschiedenen Phasen einer Kundenbeziehung auf, in dem die Beziehungsdauer in Relation zu der Beziehungsintensitat gesetzt wird. Nach Bruhn beschreibt der Kundenbeziehungslebenszyklus Jdeal-typische Gesetzmafligkeiten im zeitlichen Verlauf einer Kundenbeziehung, die in verschiedenen Phasen einer Kundenbeziehung resultieren und aufgrund der Intensitat der Kundenbeziehung Schlussfolgerungen fur das Relationship Marketing zulassen."^2 zur Erklarung des Begriffes Beziehungsintensitat unterscheidet er zwischen drei Arten von Indikatoren (siehe Abbildung 5). Indikator
Beschreibung
Psychologische Indikatoren
Psychologische Indikatoren konnen die Beziehungsqualitat aus Kundensicht und das Vertrauen des Kunden in den Anbieter sein.
Verhaltensorientierte Indikatoren
Verhaltensorientierte Indikatoren umfassen das Kaufverhalten (z. B. Kauffrequenz), das Informationsverhalten (z. B. Grad der Suche nach Informationen uber Konkurrenzleistungen) und das Kommunikationsverhalten des Kunden (z. B. Mund-zu-MundKommunikation uber den Anbieter).
Okonomische Indikatoren
Okonomische Indikatoren umfassen den Kundendeckungsbeitrag und den Kundenwert (Customer Lifetime Value).
Abbildung 5: Indikatoren der
Beziehungsintensitat^
Der Beziehungslebenszyklus lasst sich in drei Kernphasen unterteilen:^^ •
Kundenakquisitionsphase,
•
Kundenbindungsphase,
•
Kundenruckgewinnungsphase.
Die Kundenakquisitionsphase bezeichnet die Aufnahme der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. Wahrend der Anbahnungsphase holt der Kunde Informationen uber den Anbieter ein und der Anbieter ergreift Mafinahmen zur Kundenakquisitlon. Zu diesem Zeitpunkt findet keine guteraustauschbezogene Transaktion zwischen den beiden beteiligten Parteien statt. Diese Anbahnung fuhrt zur Sozia-
31 32 33 34
10
Vg\. Bruhn {200^),S.46f. Bruhn {200^),S. 46.
In Aniehnung an Bruhn (2001), S. 46. Vgl. 8riv/?r7(2001), 8. 47ff.
lisation, in der der Kunde erste Erfahrungen mit der Leistung des Anbieters sammelt und der Anbieter Informationen uberden Kunden gewinnt. Die Kundenbindungsphase ist gekennzeichnet durch eine Intensivierung der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager.^^ in der Wachstunnsphase steigt zunachst die Leistungsnutzung durch den Kunden. In der Reifephase konnen dann die Potenziale des Kunden ausgeschopft werden. Schliefilich tritt die Kundenruckgewinnungsphase ein, die die Beendigung von Kundenbeziehungen durch den Kunden bezeichnet und die Gefahrdungsphase, die Auflosungsphase sowie die Abstinenzphase umfasst.^^ Die Identifikation unterschiedlicher Phasen im Kundenbeziehungszyklus ist von grofier Bedeutung fur die Entscheidung, wie, wann und mit welchen IVIitteIn der Kunde angesprochen werden kann.^'' Somit dient dieses Konzept des Kundenbeziehungszyklus dem CRM als wertvolle Basis.
Maflnahmen zur Implementierung eines Kundenbindungsmanagements Zur Implementierung eines Kundenbindungsprogramms mussen folgende Madnahmen ergriffen werden: der Aufbau von Systemen, die Vereinfachung der Strukturen und die Entwicklung der Kultur (siehe Abbildung 6).^^ Fur ein erfolgreiches Kundenbindungsmanagement ist insbesondere beim Aufbau von Systemen ein DatabaseManagement eine bedeutende Grundlage. Unter Database-Management versteht man „die Gewinnung, Verarbeltung und Verwaltung von Kundeninformationen [...] mit dem Ziel, aus einer Vielzahl von Kundendaten die erfolgsversprechenden Kunden herauszufiltern und mit Hilfe des bestgeeigneten Marketing-Mix langfristig eine moglichst profitable Beziehung aufzubauen."^^
^5
Vgl. Bruhn (2001), S. 48ff.
^^
In der Gefahrdungsphase spielt der Kunde mit denn Gedanken, die Leistung des Anbieters zukunftig nicht mehr in Anspruch zu nehnnen. In der Aufl6sungsphase trifft der Kunde die Entscheidung, den Anbieter nicht mehr zu nutzen und endet die Beziehung. In der Abstinenzphase nutzt der Kunde keine Leistungen des Anbieters (vgl. Bruhn 2001, S. 50f.).
^^ 2S 39
Vgl. Stauss (2004). Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 25ff. Link/Hildebrand (1995), S. 36.
11
Bergmann ist der Meinung, dass das bei der Implementierung des Kundenbindungsmanagements dem Database-Marketing eine Schliisselrolle zukommt.'^^ Ein Database-Management hat folgende Vorteile:"^^ •
Die Identifizierung rentabler Kunden auf der Basis von Kundenwerten.
•
Die Gewinnung von Kenntnissen der Kundenprofile, urn auf die individuellen Bedurfnisse des Kunden einzugehen. So kann z. B. anhand von Informationen uber die Position des Kunden im Lebenszyklus der zukunftige Bedarf erkannt werden, der Kontakt rechtzeitig aufgenommen und Verkaufschancen anderer Leistungen aufgetan werden.
•
Die Festlegung von kundenspezifischen Marketinginstrumenten.
•
Die Identifikation von Markttrends anhand der Analyse von Kundendaten.
•
Die Identifikation abwandernder Kunden, die durch Wiedergewinnungsmafinahmen erneut an das Unternehmen gebunden werden konnen.
MaRnahmen zur Implementierung eines Kundenblndungsmanagements
'' Systeme
Strukturen
Aufbau von Systemen
Vereinfachung von Strukturen
Database-Management Kundenorientiertes Rechnungswesen (Kundenwert) Kontinuierliche Zufriedenheitsanalysen
Kurze Kommunikationswege Zugriff auf Kundendaten
Kultur
Kulturentwicklung Leitlinien zur Kundenorientierung Strukturierung der internen Kommunikation Trainingsmalinahmen
Abbildung 6: MaHnahmen zur Implementierung des Kundenblndungsmanagements
40 41 42
12
Vgl. Bergmann (1998), S. 75ff. Vgl. Bergmann (1998), S. 76f. In Aniehnung an Homburg/Bruhn (2003), S. 25.
^^
Database-Management gehort zu den wesentlichen Techniken zur aktiven Gestaltung von Kundenbeziehungen."^^ Nur wenn die kaufverhaltensrelevanten Merkmale der Kunden bekannt sind, kann das Unternehmen gezielt diejenigen Marketinginstrumente einsetzen, die den Kunden zufrieden stellen und eine Bindung an die Leistung wahrscheinlich machen. Beim Aufbau von Systemen ist die regelmafiige Durcinfuhrung von Kundenzufriedenheitsanalysen wichtig.'^'^ Kunden werden hinsichtlich iiirer Zufriedeniieit und ihrer Bindung an das Produkt Oder an die Dienstleistung im Rahmen der Marktforschung befragt. Hieraus konnen Ruckschlusse auf neue Entwicklungen in den Bereichen Zufriedenheit und Kundenbindung gezogen werden. Daruber hinaus ist ein kundenorientiertes Rechnungswesen eine notwendige Voraussetzung fur die Implementierung des Kundenbindungsmanagement.'^^ Zuletzt ist die Evaluierung der Attraktivitat von Kunden und ihres Potenzials von Bedeutung.'^^ Strukturelle iVIafinahnnen sind auch fur die Implementierung eines Kundenbindungsmanagements notwendig.'^^ Diese umfassen die Gestaltung der Geschaftsbeziehungen zwischen Kunden und Anbieter. Hierbei geht es darunn, den Dialog und die Interaktion mit der Kundenbindungszielgruppe zu gestalten und die interne Kommunikation zu verbessern. Zudem ist ein problemloser Zugriff auf Kundendaten, wie z. B. ijber Call Center, notwendig. Schliefilich muss der Wille zur standigen Anpassung und Veranderung in der Unternehmenskultur verankert und die Bedeutung der Kundenbindung allgemein bekannt und anerkannt sein.'^s Dies ist moglich durch die Erarbeitung von Unternehmensleitlinien, die Restrukturierung der internen Kommunikation und das Angebot von Schulungen und Training fur Mitarbeiter.
^^ ^"^
Vgl. Bergmann (1998), S. 76f. Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 25ff.
^5
Vgl. K6/?/er (2003).
^^ ^'^ ^^
Vgl. Homburg/Bruhn (2003). S. 26. Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 26. Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 27.
13
Literatur Bergmann, K. (1998): Angewandtes Kundenbindungsmanagement, Frankfurt/Main. Bruhn, M. (2001): Relationship Marketing - Das Management von Kundenbindung, Munchen. Bruhn, M.; Georgi, D. (1998): Wirtschaftlichkeit des Kundenbindungsmanagements. In: Bruhn M./Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 411-439. Gaulik, T./Kellner, J./Seifert, D. (2002): Effiziente Kundenbindung mit CRM, Bonn. Georgi, D. (2003): Kundenbindungsmanagement im Kundenbeziehungslebenszyklus. In: Bruhn M./Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 223 243. Hippner, H. (2004): CRM - Grundlagen, Ziele und Konzepte. In: Hippner, H./Wilde, K. (Hrsg.): Grundlagen des CRM - Konzepte und Gestaltung, Wiesbaden, S. 13-41. Hippner, H./Wilde, K. (2003): CRM - Ein Uberblick. In: Helmke S./Uebel M./Dangelnfiaier W. (Hrsg.): Effektives Customer Relationship Management, 3. Aufl., Wiesbaden, S. 4-37. Homburg, Chr./Bruhn, M. (2003): Kundenbindungsmanagement - Eine EinfCihrung in die theoretischen und praktischen Problemstellung. In: Bruhn M./Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 3-37. Homburg, Chr./Giering, A./Hentschei, F. (2003): Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. In: Bruhn M./Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 91-121. Kohler, R. (2003): Kundenorientiertes Rechnungswesen als Voraussetzung des Kundenbindungsmanagements. In: Bruhn M./Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 391-422. Link, J.; Hildebrand, V. (1995): Mit IT immer naher zum Kunden. In: Harvard Business Manager, 3/1995,8.30-38. Meffert, H. (2003): Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien. In: Bruhn M./Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 125-145. Payne, A./Rapp, R. (2003): Relationship Marketing - Ein ganzheitliches Verstandnis vom Marketing. In: Payne, A./Rapp, R. (Hrsg.): Handbuch Relationship Marketing - Konzeption und erfolgreiche Umsetzung, 2. Aufl., Munchen, S. 3-16. Reichheld, F. (1997): Der Loyaiitatseffekt - Die verborgene Kraft hinter Wachstum und Gewinnen und Unternehmenswert, Frankfurt. Stauss, B. (2003): Kundenbindung durch Beschwerdemanagement. In: Bruhn M./Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 309-336. Stauss, B. (2004): Grundlagen und Phasen der Kundenbeziehung: Der Kundenbeziehungslebenszyklus. In: Hippner, H./Wilde, K. (Hrsg.): Grundlagen des CRM - Konzepte und Gestaltung, Wiesbaden, S. 339-360.
14
Kundenwert Marion Halfmann/Carsten Rennhak Die Begriffe Kundenwert, Customer Equity oder auch Customer Lifetime Value fassen den Kunden als immateriellen Vermogensteil eines Unternehmens auf - ahnlich dem Wert von Patenten oder Marken. Die Kundenbeziehung wird als Investitionsprojekt betrachtet, dessen Bewertung sich auf die gesamte vorausslchtliche Dauer der Geschaftsbeziehung mit dem Kunden beziehen muss. Aus dieser Perspektive erscheinen gangige Bewertungsansatze der Praxis, beispielsweise die Bewertung von Kunden(-gruppen) nach Umsatzgesichtspunkten oder nach dem Absatzvolumen, hochst fragwurdig. Diese Verfahren sind ausschlieRlich retrospektiv ausgerichtet und vernachlassigen zudem Kosten und Investitionsvolumen. Kundenwert sollte vielmehr als der indivlduelle direkte und indirekte Beitrag eines Kunden zur Zielerrelchung eines Unternehmens definiert werden. Der Begriff Kunde umfasst dabei im engeren Sinn alle tatsachlichen, im weiteren Sinn sInd auch alle potenziellen Kunden von Unternehmensleistungen.
Analyse der Kundenwertpotenziale Ausgangspunkt fur die Ermittlung des Kundenwerts ist die Identlfikation und Analyse der tatsachlichen Quellen der Wertsch6pfung. Die okonomische Bedeutung eines Kunden fur das Unternehmen beschrankt sich nicht auf den Ertrag, der aus der Kundenbeziehung generiert werden kann. Der Beitrag des Kunden zum Unternehmenserfolg gestaltet sich in der Regel deutlich komplexer: Beispielsweise kann er durch sein Weiterempfehlungsverhalten die Neukundengewinnung positiv beeinflussen Oder als Informationslieferant den Innovationsprozess unterstutzen. Diese vielfaltigen Funktionen lassen sich im wesentlichen auf zwei Aspekte reduzleren (vgl. Abbildung 1): Erstens sind die monetaren Potenziale zu berucksichtigen, die aus der Geschaftsbeziehung mit dem Kunden resultieren; zweitens muss eine umfassende Bewertung auch die Faktoren mit einschlieRen, die nicht unmittelbar monetar messbar sind wie z. B. die Moglichkeit durch Mitwirkung bestimmter Kundengruppen die Produktentwicklung zu verbessern oder die Option durch Weiterempfehlungen zusatzliche Kundschaft anzuzlehen. Man unterscheidet somit monetare und nicht-monetare Kundenwertpotenziale, die die Grundlage der Ermittlung des Kundenwertes bilden. Neben diesen Kategorlen ist die Kundenloyalitat ein nicht zu vernachl^ssigender Aspekt, der sowohl auf die Kunden monetare als auch auf die nicht-monetare Seite Einfluss nimmt, denn der Grad der Kundenloyalitat bestimmt die Dauer der Kundenbeziehung und damit die Lange der Zeitspanne, in der monetare und nicht monetare Beitrage uberhaupt entstehen konnen.
15
Kundenwertpotenziale
Monetare Kundenwertpotenziale
Nicht-Monetare Kundenwertpotenziale
Referenzpotenzlal Eridspotenzial Informationspotential Cross- & Up-Selling-Potenzial -
Innovationspotenzial
-
Synerglepotenzial
• Kundenloyaiitat
Abbildung 1: Kundenwertpotenziale nach Tewes
Das Eridspotenzial ist der aktuelle Beitrag eines Kunden oder einer Kundengruppe zum Untemehmenserfolg. Eine geeignete Kennzahl, um diesen Erfolgsbeitrag zu messen, ist der Kundendeckungsbeitrag, der sich typischerweise nach folgendem Schema ermittein lasst (vgl. Abbildung 2): Kunden-Bruttoeri5se pro Periode - ErlOsschmaierungen (Rabatte, Skonti) : Kunden-Nettoerldse pro Periode Kosten der vom Kunden bezogenen Produkte : Kundendeckungsbeitrag I Eindeutig kundenbedingte Auftragskosten : Kundendeckungsbeitrag II Eindeutig kundenbedingte Besuchskosten Sonstige Kundeneinzelkosten pro Periode - Kundendeckungsbeitrag III Kundengruppenbezogene Fixkosten = Kundendeckungsbeitrag IV Abbildung 2:
Ernrtittlung des
Kundendeckungsbeitrags
In der Unternehmenspraxis gestaltet sich die Ermittlung der KenngroBe des Kundendeckungsbeitrags des Ofteren als problematisch. Eine verursachergerechte Zurechnung der z. B. durch unterschiedliche Bestellrhythmen und -volumina, varilerende
16
Kontaktfrequenz etc. anfallenden Kosten ist schon auf Kundengruppenebene schwierig und auf Einzelkundenebene ist fur viele Untemehmen eine kaum zu losende Herausforderung. Variierende Eriose lassen sich beispielsweise auf unterschiedliche Stuckpreise, Absatzvolumina und den Produkt-Mix des Kunden zuruckfuhren. Die Maflgrofle Kundendeckungsbeitrag ist aber - ausgehend von den zuvor gemachten Aussagen - bei weitem nicht ausreichend, den Wert eines Kunden fur das Untemehmen zu erfassen; trotzdem bildet sie in der Unternehmenspraxis haufig die alleinige Basis fur das Treffen von Investitionsentscheidungen auf Kundenebene. Jedoch hangt das Entwicklungspotenzial zusatzlich eng mit seinem Cross- und UpSelling-Potenzial zusammen. Dieses erfasst alio Mehr- bzw. Zusatzkaufe, d. h. zusatzliche und unabiiangige Gesciiafte, die der Kunde innerhalb des Zeitraumes der aktiven Kundenbeziehung in anderen als den bisJierigen Geschaftsbereichen tatigt. Der Faktor des Cross- und Up-Selling-Potenzials wird in vielen Branciien bereits in seiner Bedeutung erkannt, jedoch haufig noch nicht adaquat bewertet und umgesetzt. Finanzdienstleister, die giinstige Kontoverbindungen fur Studenten anbieten urn an kunftigen, potenziell lukrativeren Transaktionen der angehenden Akademiker mit zu verdienen, stellen nur ein Beispiel einer Branche dar, die auf die Moglichkeiten des Cross- und Upselling setzt. Auch Mobilfunkanbieter investieren anfanglich stark in jede neue Kundenbeziehung und vertrauen darauf, durch Cross- und Upselling in spateren Perioden der Kundenbeziehung Kostendeckung zu erreichen. Neben den Kundenbedurfnissen ist die Cross-Buying-Bereitschaft der ausschlagebende Punkt fur die Hohe der sich ergebenden Moglichkeiten: Ein Kunde, der eine grofiere Unabhangigkeit von einem bestimmten Anbieter wunscht, weist entsprechend eine niedrigere Cross-Buying-Bereitschaft auf. Neben monetaren Kundenwertpotenzialen sind als nicht-monetar messbare Grolien vor allem Referenz- und Informationspotenzial von Kundengruppen oder Einzelkunden einzubeziehen. Das Referenzpotenzial eines Kunden (oder einer Kundengruppe) wird durch die Anzahl potenzieller weiterer Kunden bestimmt, die aufgrund seines Weiterempfehlungsverhaltens beeinflusst werden konnen. Ein Kunde kann dabei potenzielle weitere Kunden sowohl mit positiven, neutralen als auch negativen Informationen ijber einen Anbieter oder ein Produkt entsprechend beeinflussen. Die Bedeutung von Referenzen hangt in hohem Mafie von der Bedeutung von Vertrauenseigenschaften beim Kauf ab. Weiterempfehlungen spielen beispielsweise beim Konsum von personlichen Dienstleistungen oder Finanzdienstleistungen eine ijberragende Rolle.
17
Das Informationspotenzial des Kunden umfasst samtliche Informationen, die der Kunde dem Anbieter liefern kann und die dieser fiir seine Zwecke nutzen kann. Die Abgrenzung zum Referenzpotenzial ergibt sich uber die Richtung des Informationsstroms: Das Informationspotenzial bezieht sich immer auf Informationsstrome vom Kunden zum Untemehmen. Im Gegensatz dazu ist beim Referenzpotenzial die Kommunikation des Kunden auf sein Umfeld ausgerichtet. Die Quellen des Informationspotenzials sind vielfaltig: Die in der Unternehmenspraxis wohl am haufigsten eingesetzte Methode ist die der Kundenbefragung. Viele Unternehmen haben In den letzten Jahren Befragungen zum Thema Kundenzufriedenheit etabliert. KundenWorkshops sind geeignet, um themenbezogene Kundeninformationen zu generieren. In der Unternehmenspraxis hilft zudem ein aktives Beschwerdemanagement, derartige Informationspotenziale kontinuierlich zu nutzen. Die ubiichen Marktforschungsmethoden sind bei der Suche nach Produktinnovationen, Kundenbedijrfnissen und Anforderungen oft nur eine sehr begrenzte Hilfe: Durchschnittskunden sind durch existlerende Realitaten mental gebunden, konnen neue BediJrfnisse kaum artikulieren und haben auch keinen dringenden Bedarf nach neuen Produkten. Deshalb konzentrieren sich Unternehmen bei der Ausschopfung von Innovationspotenzialen auf Lead User, d. h. Kunden, deren heutige Bedurfnisse reprasentativ fur die allgemeinen Bedurfnisse von morgen sind. Synergiepotenziale ergeben sich durch die Integration von Kunden in die Wertschopfungskette des Anbieters. Die Anwendungsfelder sind zahlreich und finden sich entlang der gesamten Wertschopfungskette, beispielswelse in Forschung und Entwicklung (der Kunde als Trager von Innovatlonen), Produktion (z. B. Do-It-Yourself-Produkte), Logistik, Organisation und Marketing. Im Zuge der zunehmenden Verschiebung der Wertschopfungskette zum Kunden hin finden sich derartige Kooperationspotenzlale vor allem im Dienstleistungsbereich, da hier Kunde und Anbieter oft gleichzeitig am Leistungserstellungsprozess beteiligt sind; und im Extremfall der Prozess gar nicht ohne den Kunden stattfinden kann. So sind etwa Banken bei der Einfuhrung ihres Online-Angebots vom Synergiepotenzial des Kunden abhangig. Dazu gehoren zum einen das Wollen des Kunden - Im Sinn seiner Technologieaffinltat - und zum anderen das Konnen, das heiflt seine technische Ausstattung aber auch sein fachliches Know-how. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass fiir die aktive Ausschopfung von Synergiepotenzialen der Anbieter im Rahmen des Kundenwertmanagements dem Kunden aufzeigen muss, wie er sich in die Wertschopfung einbringen kann.
18
Verfahren der Kundenwertermittlung Zur Ermittlung des Kundenwertes sind eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, die eine unterschiedliche Zahl von Kundenwertpotenzialen in den Vordergrund stellen. Je nach Fokus unterscheidet man zwischen ein- und mehrdimensionalen Methoden (vgl. Abbildung 3), wobei die Gruppe der eindimensionalen sich durch ihre einfaciie Anwendbarkeit auszeichnet, wahrend die mehrdimensionalen Verfahren durch eine groflere Realitatsnahe gekennzeichnet sind.
Kundenbewertungsmodeile
Eindimensional
Mehrdimensional
1 Monetar
ABCAnalyse
Nicht-M onetar
Deckungsbeitrag
1
Customer Lifetime Value
Kundenzufriedenheitsstudien
1
Kaufhaufigkeitsanalysen
ScoringModelle
Portfolioanalyse
RFMRModell
Abbildung 3:
Verfahren zur Ermittlung des Kundenwertes
Eindimensionale Verfahren stellen jeweils nur einen Faktor des Kundenwertpotenzials in den Vordergrund, der entweder monetarer Oder nicht-monetarer Art sein kann. Bei den monetaren Verfahren dominieren neben der bereits erwahnten Kundendeckungsbeitragsrechnung die ABC-Analyse und der Customer Lifetime Value, die primar das Eriospotenzials des Kunden in die Bewertung einbeziehen. Bei der ABC-Analyse kann das beispielsweise dadurch geschehen, in dem zwei mogliche Indikatoren des Eriospotenzials identifiziert werden (z. B. Umsatz und Deckungsbeitrag) und in einem Folgeschritt die Kunden(-gruppen) hinsichtlich der Indikatoren bewertet werden. Je nach Bewertungsergebnis werden auf dieser Basis die Kundengruppen den Gruppen A, B oder C zugeordnet, wobei durch jahrliche Folgebewertungen Trends in der Kundenprioritat deutlich werden (vgl. Abbildung 4).
19
A-Kunden
O)
SS 'o Ui D) C 3
(Jahr '\)y'
B-Kunden (Jahr2K Jahr3)
U 0) Q
j
\ C-Kunden
Umsatz Abbildung 4: Beispiel einer kundenwertbezogenen ABC-Analyse
Das Ergebnis der ABC-Analyse legt unterschiedliche Handlungsoptionen fiir die ermjttelten Kundengruppen nahe: Wahrend A-Kunden eine relativ hohe Umsatzrentabilitat aufweisen und daher besondere Prioritat in der Betreuung genieflen, sind BKunden mit dem spezifischen Ziel der Deckungsbeitragssteigerung zu bearbeiten. CKunden sollten durch gezleltes Marketing mittelfristig entweder hinsichtlich Umsatz und vor allem Deckungsbeitrag gestarkt werden und ansonsten nur wenig Betreuungsleistungen erhalten. Die Grenzen dieses Modells liegen damit unmittelbar auf der Hand: Aufgrund der Eindimensionalitat werden Aspekte wie z. B. das Crossund Upselling-Potenzial bestimmter Kunden nicht berucksichtigt. Problematisch ist sicher auch die relativ grobe Zuordnung in die Cluster A, B und C sowie die ausschliefllich vergangenheitsgerichtete Sicht (zumindest bei Zugrundelegung der Grofien Umsatz und Deckungsbeitrag wie in oben dargestelltem Beispiel). Der Customer Lifetime Value uben/vindet den zuletzt genannten Kritikpunkt der Vergangenheitsorientlerung und stellt explizit die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben uber den gesamten Zeitraum der Kundenbeziehung dar. Analog der Ermittlung des Kapitalwerts in der Investitionsrechnung ergibt sich der Customer Lifetime
20
Value aus der Summe der abdiskontierten und saldierten Einnahmen und Ausgaben ijber die Dauer der Kundenbeziehung: ^ E —A Monetdrer Kundenwert = V —^ mit E: Kundeneinzahlungen A: Kundenauszahlungen i '.Diskontierungszinssatz T : Dauer der gesamten Kundenbeziehung Typischerweise ist der Saldo der Ein- und Auszahlungen zu Beginn der Kundenbeziehung negativ und wird mit fortschreitender Zeit positiv, denn zunachst fallen Akquisitionskosten an, die in den Folgeperioden durch die Differenz zwischen Eriosen und Kosten der Bedienung des Kunden amortisiert werden (vgl. Abbildung 5).
Dauer der Kundenbeziehung Kunden- (gruppen-) spezifische Bedienungskosten
Kumulierte Marge Customer Lifetime Value
Netto-Marge Kunden- (gruppen-) spezifische Erlose
Akquisitionskosten
Abbildung 5: Praxisorientierte Ermittlung des Customer Lifetime Value
Das Konzept der Customer Lifetime Value ist eingangig aufgebaut, aber seine Umsetzung Ist von einigen Bedingungen abhangig. So miissen beispielsweise alle Einund Auszahlungen auf einem sehr detaillierten Level fur die Dauer der gesamten Kundenbeziehung geschatzt werden. Hinzu kommt, dass letztere auf der Ebene ebenfalls zu prognostizieren ist, so dass zumindest auf Kundengruppenebene detaillierte Informationen uber das Kundigungsverhalten in der Vergangenheit vorliegen mijssen, damit entsprechende Fortschreibungen vorgenommen werden konnen. Im Gegensatz zu den dargestellten Verfahren greifen mehrdimensionale Verfahren auf eine Mehrzahl von Kundenwertpotenzialen zuruck, um zu einer Bewertung zu kommen. Im Rahmen von mehrdimensionalen Verfahren sind Scoring-Verfahren besonders verbreitet, die im Prinzip die Einbeziehung von Kriterien beliebiger Potenzialkategorien eriauben. Nachdem die bewertungsrelevanten Kriterien ermittelt und gewichtet wurden, werden im Scoring-Verfahren die relevanten Kunden(-gruppen) 21
anhand der Kriterien auf einer einheitlichen Skala bewertet. Der Kundenwert ergibt sich aus der Multiplikation von Bewertung und Gewicht pro Kriterium und der Aufsummierung der einzelnen Werte (vgl. beispielhaft Abbildung 6).
Kriterium
Gewichtungsfaktor
Umsatz
0.15
10
1.5
7
1.05
7
1.05
Umsatzpotenzial
0.05
9
0.45
8
0.4
7
0.35
DB
0.3
5
1.5
8
2.4
10
0.3
OB-Potenzial
0.1
4
0.4
7
0.7
9
0.9
Liquiditatspotenzial
0.1
1
0.1
7
0.7
3
0.3
Cross-Selling
0.1
5
0.5
4
0.4
3
0.3
Referenzen
0.12
7
0.84
6
0.72
5
0.6
Informationen
0.08
10
0.8
8
0.64
7
0.56
Kunde 1
Kunde 2
Kunde 3
Summe
6.09
7.01
7.06
Ranking
III.
II.
1.
Abbildung 6:
Beispiel eines Scoring-Modells zur
Kundenwertermittlung
Eine spezielle Variante eines Scoring-Modells zur Ermittlung des Kundenwertes stent die RMFR-Analyse dar. Grundgedanke der RMFR-Analyse ist der Zusammenhang, dass sich der Wert eines Kunden (oder einer Kundengruppe) anhand von wenigen Kennzahlen ermittein lasst, die neben dem Eriospotenzial auch die Kaufhaufigkeit und das Datum des letzten Kaufes in Betracht Ziehen. Der Kundenwert berechnet sich im Detail aus der Multiplikation von Kauftaktualitat (Recency), Kaufhaufigkeit (Frequency) und durchschnittlichem Umsatz pro Kauf (Monetary Ratio) (vgl. Abbildung 7). Kriterium
Gegenstand
Beispiel
Interpretation
Punktwert(1-5)
Recency
Zeit seit dem letzten Kauf
174 Tage
gering
1
Frequency
Kaufe pro Periode (abzuglich Retouren)
17p.a.
sehr hoch
5
Monetary Ratio
Umsatz pro Kauf
1.240,90 €
hoch
4
Gesamtwert
Abbildung 7:
22
Vorgehensweise der RFMR-Analyse
10
Scoring-Verfahren zur Kundenwertermittlung sind in der Praxis verbreitet aufgrund ihrer - zumindest vordergrundig - einfachen Anwendbarkeit. Tatsachlich ist ihre Aussagekraft jedoch an eine Fulle beachtenswerter Aspekte gekoppelt, wie beispielswelse an das Gebot der Uberschneidungsfreiheit der definierten Kriterien, eine klare und einheitliche Interpretation der verwendeten Leistungsskala sowie die Tatsache, dass das Bewertungsergebnis jeweils einen dimensionslosen Punktwert darstellt.
Fazit - Praxisorientierte Ansatzpunkte der Kundenwertsteigerung Das Phanomen der Kundenwertermittlung ist vielschichtig, da eine Mehrzahl von Kundenwertpotenzialen zu betrachten ist, die durch verschiedene Verfahren in unterschiedlicher Weise in den Vordergrund gerijckt werden. Unabhangig von der Methode der Wertermittlung stellt sich als typische Aufgabe des Marketings die Ableitung strategischer Handlungsimplikationen aus der Kundenbewertung. Prinzipiell bieten sich funf strategische Stodrichtungen an, mit denen sich der Kundenwert steigern lasst: •
Erobern neuer Kunden: Durch die Akquisition neuer, margentrachtiger Kunden lasst sich das Gesamtbild des Kundenwertes innerhalb einer Kundengruppe positiv beeinflussen.
•
Starkere Nutzung der bisherigen Kundenbasis: Die Zielrichtung ist hier die Erhohung des Umsatzes pro Kunde (beispielsweise durch Verkauf zusatzlicher Dienste).
•
Verstarkte Kundenbindung: Durch eine starkere Kundenbindung erhohen sich die Dauer der Kundenbeziehung und damit die Zeitspanne, in der positive EinzahlungsiJberschusse durch den Kunden erwirtschaftet werden konnen.
•
Senkung der Bedienungskosten: Hohere Einnahmenuberschusse pro Kunde und Periode lassen sich auch erzielen, indem die Bedienungskosten pro Kunde gesenkt werden z. B. durch Realisation von Selbstbedienungselementen Oder die Innplementierung von Electronic Commerce.
•
Senkung der Akquisitionskosten: Eine Senkung der Akquisitionskosten tragt ebenfalls zu einem gesteigerten Kundenwert bei, da dadurch die Anfangsauszahlungen weniger hoch ausfallen. In der Praxis kann dieser Effekt erreicht werden durch die Zusammenarbeit mit neuen, kostengunstigeren Vertriebspartnern oder die Vereinfachung der Vertragsschlieftung.
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Festzuhalten bleibt, dass das Verstandnis des Kundenwertpotenzials, die Analyse des Kundenwertes sowie die Ableitung der strategischen Implikationen anhand der dargestellten funf StoUrichtungen eine wesentliche Grundlage zur Gestaltung erfolgreicher Kundenbeziehungen darstellen. Bislang praktizieren nur wenige Unternehmen ein Marketingcontrolling, das primar den Kunden in den Vordergrund stellt. Der zunehmende Wettbewerb in vielen Branchen fordert jedoch ein konsequent kundenorientiertes Denken und Handein, so dass die dargestellten Zusammenhange kunftig noch an Bedeutung gewinnen werden. Literatur Booz Allen Hamilton (2000): Customer Lifetime Value. Insight, Jg. 6, Ausgabe 1. o.O. GQnter, B./Helm, S. (2001) (Hrsg.): Kundenwert: Grundlagen - innovative Konzepte - praktische Umsetzungen, Wiesbaden Homburg, Chr./Krohmer, H. (2003): Marketingmanagement - Strategie, Instrumente, Umsetzung, Wiesbaden. KOhler, R. (1993): Beitrage zum Marketing-Management - Planung, Organisation, Controlling, 3. Auflage, Stuttgart. Krafft, M. (1999): Der Kunde im Fokus: Kundenn^he, Kundenzufriedenheit, Kundenblndung und Kundenwert? In: Die Betriebswirtschaft, 59. Jg., S. 511-530. Krafft, M. (2002): Kundenblndung und Kundenwert, Heidelberg. Tewes, M. (2003): Der Kundenwert Im Marketing - Theoretlsche HIntergrunde und UmsetzungsmOglichkeiten einer wert- und marktorlentierten UnternehmensfQhrung, Wiesbaden.
24
Individuelle Kundenansprache aus rechtlicher Sicht Stefan Strassner Die individuelle werbliche Ansprache des Kunden gehort zu den wichtigsten Instrumenten der Kundengewinnung und Kundenbindung. Dabei nehmen neben der Haustur-Werbung und Brief-Werbung als klassische Formen der Individualwerbung insbesondere die Telefon-, Telefax- und E-Mail-Werbung an Bedeutung zu. Allerdings gibt es hier ein „kleines" rechtliches Problem: Das Wettbewerbsrecht verbietet „Wettbewerbshandlungen", die „unlauter" sind. Jede Individualwerbung ist eine Wettbewerbshandlung. Damit stellt sich im Hinblick auf das mit jeder Werbung mehr oder weniger verbundene „Belastigungspotentlal" grundsatzlich fur alle Formen der Individualwerbung die wettbewerbsrechtliche Frage ihrer Lauterkeit bzw. Unlauterkeit. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909, das in Deutschland bis zum 3. Juli 2004 gait, enthielt zu dieser Frage keine spezielle Regelung. Der bisherige § 1 UWG erklarte vielmehr - ganz allgemein - solche Wettbewerbshandlungen fur unlauter, „die gegen die guten Sitten verstoflen". Der Reichsgesetzgeber hatte die von ihm missbilligten Wettbewerbshandlungen bewusst so allgemein umschrieben, well er davon ausging, dass die unubersehbare Vielfalt mogllcher Verhaltensweisen im geschaftlichen Wettbewerb die Bildung eines erschopfenden Kataloges von Einzeltatbestanden grundsatzlich nicht zulasse. Damit war es letztlich Aufgabe des Richters, selbst zu „normieren", welche Wettbewerbshandlungen im Einklang mit den guten Sitten standen und welche wegen Sittenverstofies im Sinne des § 1 UWG zu untersagen waren. Unter der Geltung des Grundgesetzes bedeutete dies fijr die Rechtsprechung, im Rahmen einer umfassenden Guter- und Interessenabwagung unter besonderer Berucksichtigung der Grundrechte zum einen dem Prinzip der Marktfreiheit hinreichend Rechnung zu tragen, zum anderen aber auch die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit zu gewahrleisten. Die im zweiten Abschnitt auszugsweise wiedergegebenen Urtelle des Bundesgerichtshofs (BGH) belegen eindrucksvoll diesen Weg der richterlichen „Normsetzung", soweit es die hier interessierende Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulassigkeit einer individuellen Kundenansprache betrifft. Gleichzeitlg bilden diese Urteile auch die Grundlage zum Verstandnis der Regelung des § 7 UWG („Unzumutbare Belastigungen"), die vom Bundesgesetzgeber in das neue UWG vom 3. Juli 2004 eingefijgt wurde und die uns im dritten Abschnitt naher beschaftigen wird.
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Individuelle Kundenansprache als „Sittenversto(l" Im Rahmen seiner Rechtsprechung zum alten § 1 UWG hatte sich der Bundesgerjchtshof in den letzten Jahrzehnten in einer grofien Zahl von Entscheidungen mit alien wesentiichen Formen der indivldualwerbung in alien mogliclien Konsteiiationen, also gegenuber Verbrauchern oder Unternelinnern in oder aufierlialb einer Kundenbeziehung, auseinanderzusetzen. Bei den nachfolgenden Entscheidungen handelt es sich also ledlglich urn die jeweiligen Grundsatzurteile zur Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulassigkeit einer Telefon-, Telex-, Telefax-, E-Mail-, Haustur- oder Briefwerbung. Das Grundsatzurteil zur Telefon-Werbung Dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vonn 19. Juni 1970 "^^ zur wettbewerbsrechtlichen Zulassigkeit einer individuellen werblichen Ansprache uber das Telefon lag der Fall zugrunde, dass ein Zeitungsverlag Privatpersonen anrufen lies, urn diesen ein Probeabonnement anzubieten. Das OLG Hamm als Berufungsgericht hatte darin eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung gesehen und dem Verlag die Telefonwerbung gemafi § 1 UWG verboten. Der Verlag ging in die Revision. „Nach der standigen Rechtsprechung - so der Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung - verstofit ein Verhalten im Wettbewerb nicht nur dann gegen die guten Sitten, wenn es dem Anstandsgefuhl der beteiligten Verkehrskreise, also dem Anstandsgefuhl des redlichen und verstandlichen Durchschnittsgewerbetreibenden des betreffenden Gewerbezweiges, widersprecht, sondern auch dann, wenn die fragliche wettbewerbliche Maflnahme von der Allgemeinheit missbilligt und fur untragbar angesehen wird; denn § 1 UWG will nicht nur den Mitbewerber vor unlauterem Wettbewerb, sondern auch die Allgemeinheit vor Auswuchsen des Wettbewerbs bewahren ... Als Mafistab fur das, was der Allgemeinheit nicht mehr zumutbar ist, sind die dem verfassungsgemafien Schutz des privaten Bereichs des einzelnen dienenden En/vagungen heranzuzlehen. Im Vordergrund steht der Schutz der Individualsphare gegenuber dem wirtschaftlichen Gewlnnstreben Dritter... Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass der Inhaber eines Telefonanschlusses sich diesen hat legen lassen, um seinerseits nach Belieben von dessen Vorteilen Gebrauch zu machen, und weiterhin, um von solchen Personen auf diesem Weg errelcht zu werden, bei denen nach allgemeiner Anschauung ein anerkennenswertes Bedurfnis fur die Benutzung des Telefons zum Zwecke der Ansprache des Anschlussinhabers bejaht werden kann. Entgegen der Auffassung der Revision eroffnet der Inhaber eines Telefonanschlusses nicht sich und sein Heim unbe-
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Vgl. BGH GRUR, 1970, S. 523ff.
schrankt der grofien Welt, sondern nur dem, der zu dem Inhaber in solchen Beziehungen steht, die die Inanspruchnahme gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei ist zu berijcksichtigen, dass die technische Eigenart des Telefons ein unkontrollierbares Eindringen In die Privatsphare des Anschlusslnhabers ermoglicht. Es Ist nicht erkennbar, wer anruft; der Anschlusslnhaber ist daher genotlgt, das Gesprach anzunehmen, da es sich urn fur ihn wichtlge Anrufe handein kann. Auch mit der Annahme des Gesprachs bleibt zunachst die Ungewlsshelt uber den Anrufer und den Zweck des Anrufs bestehen; so wird die Nennung des Namens des Anrufenden bel dem Angerufenen In der Regel zunachst den Gedanken wachrufen, der Anrufende sei ein Bekannter und habe etwas den Angerufenen Berijhrendes zu sagen; auch wenn der Anrufer alsbald erklart, er rufe im Auftrage der Beklagten an, beseitlgt dies nicht ohne weiteres die Ungewlsshelt uber den Zweck des Anrufs. Nimmt man hinzu, dass Namen bel der telefonlschen Durchgabe haufig erst nach Ruckfrage, biswellen sogar mehrfacher Ruckfrage, verstanden werden, so wird der Angerufene In der Regel genotlgt, sich intensiv mit dem Anrufer zu befassen, bevor Ihm der Zweck des Anrufs klar wird und er seine Entscheidung treffen kann, ob er das Gesprach fortsetzen will oder nicht. Dass der Anrufende sehr hoflich auftritt, andert nichts; im Gegenteil wird der Angerufene sich nur um so sicherer uber den Zweck des Anrufs vergewissern wollen, well Hoflichkelt in der Regel ebenso Hoflichkeit auslost, der Grad der Belastlgung des Angerufenen dadurch aber nicht verringert wird. Dem Berufungsgericht Ist demnach zu folgen, wenn es schon in dem Anruf als solchem einen MIssbrauch des Telefonanschlusses zum Nachteil des Inhabers sleht, der diese Wettbewerbsmethode als unzulassig erscheinen lasst. Es ist welter zu berucksichtlgen, dass eine Werbemethode auch dann unlauter ist, wenn sie den Keim zu einem welteren Umslchgreifen in sich tragt und damit zu einer Verwilderung der Wettbewerbssltten fuhrt, well die Mitbewerber aus Wettbewerbsgrunden gezwungen waren, diese Wettbewerbsmethode nachzuahmen. Im Streitfall kommt diesem Gesichtspunkt deshalb eine besondere Bedeutung zu, well die Werbung durch Telefonanruf auf eine Vielzahl von Gewerbezweigen, auf die Werbung fur Waren, fur Dienstleistungen, fur Geschafte besonderer Art erstreckt werden kann, die Gefahr einer untragbaren Belastlgung und Beunruhigung des privaten Lebensbereichs daher nahe liegt.
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Diese Gefahr ist auch deswegen besonders grofi, weil es sich um eine wirtschaftlich nicht besonders aufwendige Methode handelt, die eine kaum zu ubertreffende Nahe des Werbenden zu den angesprochenen Personen mit einer optimalen Zeltausnutzung verbindet ..."^^ Das Grundsatzurteil zur Telex-Werbung Wenige Jahre nach dem grundlegenden Urteii zur Telefon-Werbung hatte der Bundesgerichtshof uber die Frage der Zulassigkeit einer Kundenansprache mittels Fernschreibers zu entscheiden. Die Entscheidung vom 6. Oktober 1972 ^^ betraf den Fail, dass ein Biiroartikelanbieter Inhabern von Telexanschlussen unaufgefordert Werbeangebote ubermlttelt hatte. Nachdem das OLG Karlsruhe dem Buroartikelanbieter dies als wettbewerbswidrig verboten hatten, legte dieser hiergegen Revision zum Bundesgerichtshof ein. „Das Berufungsgericht - so der Bundesgerichtshof- hat zutreffend ausgefuhrt, dass sich die Erwagungen, die zum Verbot der Telefonwerbung gefuhrt haben, nicht uneingeschrankt auf die rechtliche Beurteilung der Telex-Werbung ubertragen lassen. Da Fernschreibanschlusse uberwiegend Oder ausschlieftlich dem geschaftlichen Verkehr dienen, kommt hier dem Schutz der Individualsphare gegenuber dem Gewinnstreben Drifter, der bei dem Verbot der Telefonwerbung im Vordergrund stand, eine gerlngere Bedeutung zu. Es fehit an dem unmlttelbaren Kontakt des Werbenden zum Adressaten; die unerfreulichen Begleiterscheinungen, die mit einem Werbeanruf verbunden sein konnen, scheiden hier aus. Die von Werbefernschreiben tangierten Belange des Telex-Kunden sind indes nicht weniger schutzwurdlg. Wer sich dem Fernschreibnetz anschlieflt, tut dies, um den bei ihm anfallenden Schriftverkehr zu rationalisieren, seine Geschaftspartner schnell und zuverlasslg errelchen zu konnen und fur an ihn selbst gerichtete Mitteilungen schnell erreichbar zu sein, ohne - wie beim Telefonverkehr - auf einen schriftlichen Beleg uber die jeweilige Mitteilung verzichten zu mussen. Da die Fernschreibanlage zur gleichen Zeit nur Jewells ein Schreiben empfangen oder absenden kann, hat der Anschlussinhaber ein berechtigtes Interesse daran, die Aniage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten, die deren bestimmungsgemafte Funktion beeintrachtigt. Die Grenzen der zumutbaren Inanspruchnahme mogen Im EInzelfall nicht lelcht zu Ziehen sein. Keinesfalls kann jedoch davon ausgegangen werden, der Inhaber eines Telex-Anschlusses sei schlechthin damit einverstanden, dass ihm uber den Fern50
BGH a. a. O.
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Vgl. BGHGRUR 1973, S. 21 Off.
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schreiber Werbeschreiben jedweder Art ubermittelt werden. Gegen ein generelles Einverstandnis spricht nicht nur die Beeintrachtigung durch die mit der Durchgabe von Werbesclireiben bedingte zeitweilige Blockierung der Aniage. Eine ebenso empfindliciie Beeintrachtigung des Geschaftsbetriebs des Empfangers kann sich nach Durchgabe des Werbeschreibens ergeben. Das Schreiben muss in den Geschaftsgang geleitet werden. Dabei wird sich oft das Werbeschreiben nicht sogleich als seiches erkennen lassen ... Die Folge ist, dass nach einem entsprechenden Geschaftsvorgang (etwa Anforderung eines Angebots) geforscht und damit unnijtz Zeit vertan wird. Je nach Organisation des Betriebs und der dem zustandigen Angestellten gegebenen Anweisungen wird das Schreiben moglicherweise auch ungelesen an die Geschaftsleitung weitergeleitet, die sich in der Regel mit Werbeschreiben uberhaupt nicht befasst und hier unnotig belastet wird. Dem Telex-Werbeschreiben wird somit oft mit erheblichem Arbeits- und Zeitaufwand, moglicherweise unter Einschaltung unzustandiger Betriebsangehoriger, wesentlich mehr Beachtung geschenkt werden als einem mit der Briefpost eingehenden Werbeschreiben, das in der Regel sofort, oder aber - wenn es im verschlossenen Umschlag versandt wird - nach Offnung des Umschlags durch die Posteingangsstelle als seiches erkannt wird. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausfuhrt, mogen die bei dem Adressaten anfallenden Paplerkosten gering sein; sie konnten indes bei einer Ausweitung der Werbemethode durchaus ins Gewicht fallen. Mancher Anschlussteilnehmer konnte sogar zur Anschaffung zusatzlicher Aniagen gezwungen sein, well die Kapazitat der bisherigen Aniagen wegen der Inanspruchnahme durch die Telex-Werbung nicht mehr ausreicht. Die durch den Klageantrag erfasste Werbung ist aus den dargelegten Grunden mit den Regein des eriaubten Wettbewerbs nicht vereinbar und aus § 1 UWG zu untersagen. Auch eine auf die verkehrsarme Zeit, etwa auf die Nacht, beschrankte TelexWerbung der angegriffenen Art ist entgegen der Auffassung der Revision unzulassig. Sie muss schon deshalb unterbleiben, well sie bei der zu befurchtenden Ausweitung der Telex-Werbung wegen der unterschiedlichen Ortszeiten den Gberseeverkehr mit den Anschlussteilnehmern empfindlich blockieren konnte. Das Verbot hindert die Beklagte nicht, die beanstandete Werbung bei Fernschreibteilnehmern aufzunehmen Oder fortzusetzen, die mit dieser Werbung einverstanden sind. Es bleibt ihr unbenommen, sich durch Ruckfragen im Einzelfall entsprechend abzusichern ..."^^
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BGHa. a. O.
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Das Grundsatzurteil zur Telefax-Werbung Ein uber Telefax verschickte Werbung eines Zeitschriftenherausgebers gab dem Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 25. Oktober 1995 ^^ die Moglichkeit, die in der Telex-Entscheidung entwickelte Argumentationslinie auf die Telefax-Werbung zu ubertragen. In der Entscheidung heldt es hierzu: "Ebenso wie bei der Benutzung von Telex-Geraten dient auch das Telefax-System dazu, den anfallenden Schriftverkehr zu ratlonalisieren, Geschaftspartner schnell und zuverlasslg zu erreichen und fur Mitteilungen ohne Verzogerung erreichbar zu sein, ohne auf einen schriftlichen Beleg uber die jeweilige Mitteilung verzichten zu mtissen. Da die Aniage zur gleichen Zeit nur Jewells ein Schreiben empfangen oder absenden kann, hat der Anschlussinhaber ein berechtigtes Interesse daran, die Aniage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten, die deren bestimmungsgemafie Funktion beeintrachtigt. Es kann daher nicht generell angenommen werden, dass ein Teilnehmer mit der Installation eines Telefax-Gerats sein Einverstandnis damit erklart habe, mittels dieses Gerats von jedwedem Gewerbetreibenden zu Werbezwecken angesprochen zu werden. Ebenso wie beim Telex-Verfahren ist auch das Telefax-Gerat bei dem Einlauf von Werbeschreiben blockiert. Eine weitere Storung des Betriebsablaufs tritt dann ein, wenn das Schreiben in den Geschaftsgang geleitet wird, wobei solchen Schreiben erfahrungsgemafi mehr Bedeutung geschenkt wird als Werbeschreiben, die mit der Briefpost eingehen. Zudem werden sich Telefax-Werbeschreiben haufig nIcht sogleich als Werbung erkennen lassen. Je nach der Organisation des Betriebs und der Behandlung von Telefax-Eingangen wird das Schreiben moglicherweise auch ungelesen an die Geschaftsleitung weitergeleitet, die sich in der Regel mit Werbeschreiben nicht befasst. Telefax-Schreiben werden deshalb nicht selten einen mehr als nur unerheblichen Arbeits- und Zeitaufwand in Anspruch nehmen. Es kommt hinzu, dass infolge des jederzeitlgen Zugangs der Mitteilungen anders als bei Postsendungen eine Arbeitsunterbrechung stattfindet. Die sich aus alledem ergebenden belastigenden Auswirkungen von Telefax-Werbeschreiben fur den Empfanger mogen zwar Im Einzelfall geringer sein als bei der Telefonwerbung im geschaftllchen Verkehr. Sie fuhren aber gleichwohl zu den genannten, wettbewerbsrechtlich nicht zu billigenden Beeintrachtigungen des Betriebsablaufs des Empfangers. Dabei ist auch zu berucksichtigen, dass dem Empfanger der Telefax-Werbung Kosten aufgeburdet werden, namlich Papier-, Toner- und Stromkosten sowie antellige Kosten fur die Wartung des Gerats, die nach dem Grad der Benutzung unterschiedlich ausfallen.
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Vgl. BGH GRUR 1996, S. 208ff.
Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Werbung mittels Telefax-Schreiben ist ferner zu bedenken, dass bei der weiten Verbreitung von Telefax-Geraten und der insoweit zu beobachtenden zunehmenden Tendenz der Kreis von Unternehnnen wieter wachst, die diese Gerate zum Zweck der Werbung einsetzen. Dabei ist auch an die automatisierte Versendung von Telefax-Schreiben mit Hilfe von Computern zu denken, so dass eine zeit- und kostengunstige Werbung moglich ist, die aus Sicht der Werbenden noch den Vorteil der sciineilen und Kosten sparenden Ubertragung hat. Es liegt deshalb die Annahme nahe, dass sich Trager der Werbewirtschaft bei zunehmender Verbreitung von Telefax-Geraten dieses Mitteilungssystems zunehmend bedienen werden, und dass dann auch solche Mitbewerber, die auf diesem Weg bislang nicht geworben haben, sich aus Wettbewerbsgrunden zu einer Nachahmung veranlasst sehen konnen ... Ist das aber der Fall, muss jedenfalls fur die Zukunft mit einer nicht unerheblichen Zahl von Werbemitteilungen unter Zuhilfenahme von Telefax-Geraten gerechnet werden. Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesgerlchtshofs ist jedoch eine Werbeart dann als unlauter zu beurteilen, wenn sie den Keim zu einem Immer weiteren Umsichgreifen in sich tragt und damit zu einer nach § 1 UWG unzulassigen Belastigung fuhrt... Wie in den Fallen der Telefonwerbung im geschaftlichen Verkehr kann daher auch die Telefax-Werbung wettbewerbsrechtlich grundsatzlich nicht gebilligt werden. Fur zulassig erachtet werden kann sie - ausnahmsweise - nur dann, wenn der Gewerbetreibende mit dem Erhalt von Telefax-Werbeschreiben ausdrucklich oder konkludent einverstanden ist ..."^"^ Das Grundsatzurtell zur E-Mail-Werbung Die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 11. Marz 2004^^ die den Fall einer Zusendung unverlangter ..Newsletter" per E-Mail betraf, gab dem Gericht noch wenige Monate vor Verabschiedung des neuen UWG die Moglichkeit, grundsatzlich auch zur Zulassigkeit einer E-Mail-Werbung Stellung zu nehmen und dabei seine restriktive Haltung gegenuber einer individuellen Kundenansprache mittels elektronischer Massenmedien zu bestatigen. "Unerbetene Telefonwerbung ist - so der Bundesgerichtshof unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung - grundsatzlich unzulassig ... Entsprechende Grundsatze gelten fur die Werbung durch Telefaxschreiben ... Allerdings sind die Grunde fur das regelmafiige Verbot unerbetener Telefon- und Telefaxwerbung nicht ohne weiteres auf die E-Mail-Werbung ubertragbar. Denn anders als der Telefonteilneh54 55
BGHa.a.O. Vgl. BGH GRUR 2004, S. 517 ff.
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mer kann der E-Mail-Empfanger selbst bestimmen, wann er an ihn gesandte E-Mails abrufen will, sodass die unverlangte Zusendung von E-Mails nicht mit der Beeintrachtigung der Privatsphare vergleichbar ist, wie sie bei der unerbetenen Telefonwerbung eintritt. Und die Kosten, die mit dem Abruf einer einzelnen E-Mail verbunden sind, sind ebenfalls nur gering. Gleichwohl entsteht durch die Zusendung von EMails zu Werbezwecken eine Belastigung fur den Empfanger, die dieser nicht hinzunehmen braucht. Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der E-Mail-Werbung ist mafigeblich darauf abzustellen, dass das Internet eine weite Verbreitung gefunden hat und durch die Ubermlttlung per E-Mail eine billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmoglichkeit besteht. Diese Werbeart ist daher, soweit sie nicht ohnehin schon einen erheblichen Umfang erreicht hat, auf ein immer weiteres Umsichgreifen angelegt. Denn ohne Einschrankungen der E-Mail-Werbung ist auf Grund ihrer Vorteilhaftigkeit fur den Werbenden mit einem Nachahmungseffekt bei denjenigen Mitbewerbern zu rechnen, die bislang nicht mittels E-Mail geworben haben, sich aus Wettbewerbsgrunden jedoch hierzu gezwungen sehen. Eine Werbeart ist aber auch dann als unlauter anzusehen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich tragt und zu einer daraus folgenden unzumutbaren Belastigung fuhrt. Fur den Empfang der E-Mail muss eine Onlineverbindung zum Provider hergestellt werden, fur die Telefongebuhren und, falls nicht ein festes Entgelt vereinbart ist, eine Nutzungsgebuhr fur den Provider anfallen. Hinzu kommt der Arbeitsaufwand, der mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails verbunden Ist... Glelches gilt fur den mit dem Loschen einer E-Mail verbundenen Zeitaufwand, wenn bereits aus der Angabe im „Betreff" der E-Mail ersichtlich ist, dass es sich um Werbung handelt und deshalb eine nahere Befassung mit der E-Mail nicht erforderlich ist. Diese Beurteilung fallt jedoch bei einer groderen Anzahl unerbetener E-Mails ganz anders aus. In der Rechtsprechung ist die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung daher ganz uberwiegend unter dem Gesichtspunkt belastigender Werbung zu Recht als unzulassig angesehen worden ..."^^
^^
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BGH a. a. O. unter Hinweis auf die erstinstanzlichen Entscheidungen der Landgerichte Traunstein, NJW 1998, S. 1648f., Hamburg, WRP 1999, S. 250f. und Ellwangen, MMR 1999, S. 675f.
Das Grundsatzurteil zur Haustur-Werbung Der Kundenbesuch gehort zu den altesten Formen der Individualwerbung. Er entstammt noch Zeiten, in denen es keine elektronischen Massenmedien gab. Dementsprechend hatte vor dem Bundesgerichtshof bereits das Reichsgericht uber die wettbewerbsrechtliche Zulassigkeit dieser Werbeform zu entscheiden. Das Reichsgericht erkiarte in zwei Entscheidungen^^ die Haustur-Werbung auch ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Adressaten grundsatzlich fur zulassig. Dieser Beurteiiung schloss sich der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 5. Mai 1994^^, die den haufigen Fall des Besuchs eines Versicherungsvertreters betraf, mit folgender, relativ kurzer Begrundung an: „Das Berufungsgericht - so der Bundesgerichtshof - ist zutreffend davon ausgegangen, dass Vertreterbesuche, bei denen Verbraucher ohne vorherige Kontaktaufnahme im hauslichen Bereich angesprochen werden, wettbewerbsrechtlich seit jeher als zulassig angesehen worden sind. Vertreterbesuche liegen im Rahmen einer traditionell zulassigen gewerblichen Betatigung. Davon gehen sowohl die Gewerbeordnung (§§ 55ff. GewO) als auch das Gesetz uber den Widerruf von Hausturgeschaften und ahnlichen Geschaften aus. Unangekundigte Hausbesuche von Vertretern sind ubiich und, wie angefiJhrt, auch wettbewerbsrechtlich grundsatzlich zulassig. Eine Anderung dieser Beurteiiung ware ein erheblicher Eingriff in die Berufsausubung nicht lediglich der Versicherungsgesellschaften, sondern auch der Versicherungsvertreter. Ein solcher Eingriff in die Berufsausubungsfreiheit liefie sich aber nach Art. 12 GG nur rechtfertigen, wenn dafur ausreichende Grunde des Gemeinwohls bestunden und der Grundsatz der Verhaltnismafiigkeit beachtet ware, wenn also das Mittel eines Verbots dieser Werbung zur Erreichung des verfolgten Zwecks, eine Belastigung der Umworbenen als Kriterium fur die Sittenwidrigkeit solchen Wettbewerbsverhaltens zu vermeiden, geeignet und erforderlich ware und wenn bei einer Gesamtabwagung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Grunde ein Verbot die Grenze der Zumutbarkeit noch wahren wurde ... Die mit jedem Besuch im Privatbereich notwendigerweise verbundene Storung oder Belastigung reicht jedoch dafur allein nicht aus ..." ^^
57 58 59
Vgl. RG GRUR 1935, S. 686ff. und RG GRUR 1940, S. 54ff. Vgl. BGH GRUR 1994, S. 818ff. BGH a. a. O.
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Das Grundsatzurteil zur Brief-Werbung Ein weiteres klassisches Mittel zur individuellen werblichen Ansprache des Kunden ist die Brief-Werbung, deren rechtliche Beurteilung Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Februar 1973 ^^ war. Ein Automobilhersteller hatte hier personlich gehaltene Werbeschreiben an 147.000 Halter von Konkurrenzfahrzeugen gerichtet und dabei in^i Abstand von jeweils acht Tagen sechs (!) Briefe verschickt. Einer der Adressaten der Werbeschreiben hatte gegen diese Briefflut geklagt, weil er darin eine Verletzung seines Personlichkeitsrechts sah.^^ Das Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen und der Klager hiergegen Revision eingelegt. „Soweit das Berufungsgericht - so der Bundesgerichtshof - zu dem Ergebnis kommt, Werbeaktionen der beanstandeten Art stellten weder nach Unnfang noch Aufmachung einen unzulassigen Eingriff in Rechte der Umworbenen dar, ist ihm zuzustimmen. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass Werbesendungen, die sich in ihrer aufieren Aufmachung vollig als Privatbriefe tarnen und deren Werbecharakter erst nach naherem Befassen erkennbar ist, durchaus eine unzumutbare Belastigung des Adressaten darstellen konnen. Wer werben will, soil sich dazu auch eindeutig bekennen und nicht dadurch, dass er der Werbesendung den Anstrich eines Privatschreibens gibt, eine Aufmerksamkeit erwecken, die er ohne diesen Irrefuhrenden Vorspann nicht zu erzielen vermochte. Die angegriffene Werbung der Beklagten halt sich jedoch nach Aufmachung und Umfang noch im Rahmen des Zumutbaren. Nach den aus Rechtsgrijnden nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts musste der Klager spatestens nach Offnen des ersten mit der Absenderangabe versehenen Werbebriefs angesichts des dem Begleitschreiben beigefugten Informationsmaterials erkennen, dass es sich um eine Werbesendung handelte. Auch der Umfang der auf eine moglichst erschopfende Information abgestellten sechs im Abstand von einer Woche zugesandten Werbebriefe kann noch hingenommen werden, zumal der Klager, wie das Berufungsgericht feststellt, durch die erste Sendung auf weitere Sendungen vorbereitet war und diese ungelesen wegwerfen konnte.
^0
Vgl. BGH GRUR 1973, S. 552 ff.
^^
Die in dieser Entsclieidung im Rahmen des § 823 BGB entwickelte Argumentationslinie des eingeschrankten Schutzes des Personlichkeitsrechts im Falle einer Brief-Werbung wurde spater vom Bundesgerichtshof u. a. in der Entscheidung vom 5. Dezember 1991, GRUR 1992, S. 316ff., ausdrucklich ins Wettbewerbsrecht ijbernommen.
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In seiner Entscheidung vom 6. Oktober 1972 hat sich der Senat mit der Zulassigkeit der Fernschreib-Werbung befasst und ausgefuhrt, dass jene Werbung dann nicht zu beanstanden sei, wenn hierzu das Einverstandnis der Betroffenen eingeholt werde, da an einer solchen Werbung die Fernschreib-TeiJneiimer durciiaus Interesse haben konnten. Wegen der jener Werbung ihrer Natur nacii anhaftenden Unzutraglichkeiten konne jedoch ein solches Einverstandnis nicht stillschweigend vorausgesetzt werden. Bei der Briefpost-Werbung ist die Interessenlage eine andere. Hier ist die Gefahr einer unzumutbaren Belastigung erheblich geringer und kann - abgesehen von Werbeauswijchsen - gegenuber den Interessen der werbenden Wirtschaft an einer gezielten Individualwerbung und in Anbetracht der Tatsache, dass viele Umworbene an einer Information durch derartige Werbeschriften ein berechtigtes Interesse haben, vernachlassigt werden. Bei der Post-Werbung kann somit nicht von vornherein angenommen werden, der Umworbene lehne diese Art der Werbung ab. Widerspricht er aber dieser Werbung ausdrucklich, so kann in der Missachtung seiner Willensaufierung durchaus eine Personlichkeitsrechtsverletzung liegen. Grundsatzlich ist in einem solchen Fall eine Fortsetzung dieser Werbung unzulassig ..."^^
Individuelle Kundenansprache als „unzumutbare Belastigung" Wenn man die Gesetze gegen den unlauteren Wettbewerb von 1909 und 2004 miteinander vergleicht, fallt zunachst auf, dass auch das neue UWG eine wettbewerbsrechtliche Generalklausel enthalt. Unter Verzicht auf den etwas antiquierten Begriff der „guten Sitten" bestimmt nunmehr § 3 UWG ganz allgemein, dass „unlautere Wettbewerbshandlungen ... unzulassig sind". Allerdings - und dies unterscheidet das neue von dem alten Gesetz - wird § 3 UWG in den § § 4 - 7 UWG um Spezlalregelungen erganzt, die als ..Beispielstatbestande" zur Generalklausel dienen und dabei in weiten Teilen eine Kodifikation der Rechtsprechung zum bisherigen UWG belnhalten. So enthalt das neue UWG nunmehr folgende Spezialregelung: § 7 Unzumutbare Belastigungen (1) Unlauter im Sinne von § 3 handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belastigt. (2) Eine unzumutbare Belastigung ist insbesondere anzunehmen 1. bei einer Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der Empfanger diese Werbung nicht wunscht;
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8GH a.a.O.
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2. bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenuber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenuber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaHliche Einwilligung; 3. bei einer Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeraten oder elektronischer Post, ohne dass eine Einwilligung der Adressaten vorliegt; 4. bei einer Werbung mit Nachrichten, bei der die Identitat des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht ubermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gultige Adresse vorhanden ist, an die der Empfanger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfur andere als die Obermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. (3) Abweichend von Absatz 2 Nr. 3 ist eine unzumutbare Belastigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn 1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, 2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung fur eigene ahnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, 3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und 4. der Kunde bei Erhebung der Adresse und beijeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfur andere als die Obermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. Mit der Regelung des neuen § 7 UWG wird im Wesentlichen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtsiiofs zur Zulassigkeit einer individuellen werblichen Kundenansprache gesetzlich festgeschrieben. Danach gilt weiterhin: •
Haustur-Werbung und Brief-Werbung sind auch in Zukunft ohne Einwilligung, d. h. ohne im Voraus erteilte Zustimmung des Werbeadressaten, zulassig. Hierfur spricht nicht nur die bisherige liberale Haltung der hochstrichterlichen Rechtsprechung in dieser Frage, sondern auch der Umkehrschluss aus § 7 (2) Nr. 2 - 3 UWG. Gibt ein Werbeadressat allerdings zu erkennen, dass er keine Werbung wunscht („Vertreterbesuche nicht erwunscht"; „Bitte keine Werbung einwerfen), sind diese Werbeformen gemafi § 7 (2) Nr. 1 UWG verboten.
•
Telefax-Werbung ist ohne Einwilligung ausnahmslos verboten. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 7 (2) Nr. 3 UWG und - im Umkehrschluss
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- aus § 7 (3) UWG, der nur bei „elektronischer Post" vom Erfordernis der Einwilligung eine Ausnahme macht. •
Bin Telefonanruf beim Verbraucher erfordert nach dem Wortlaut des § 7 (2) Nr. 2 UWG stets, also sowohl innerhalb als auch aufierhalb einer Kundenbeziehung, eine Einwilligung. Handelt es sich bei dem Angerufenen urn einen Unternehmer („sonstiger Marktteilnehmer"), kann die Einwilligung nach dieser Vorschrift ausnahmsweise durch eine - im Zweifelsfall von dem Anrufer zu beweisende - mutmafiliche Einwilligung ersetzt werden.
•
Die E-Mall-Werbung schliefilich bedarf ebenso wie die Telefax-Werbung gemafl § 7 (2) Nr. 3 UWG zu ihrer Zulassigkeit stets einer Einwilligung des Adressaten, wobei es insoweit keine Rolle spielt, ob der Adressat ein Alt- oder Neukunde bzw. ein Verbraucher oder Unternehmer ist. Innerhalb einer bestehenden Kundenbeziehung mit einem Verbraucher oder Unternehmer ist die Einwilligung des Werbeadressaten aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn alle (!) Voraussetzungen des § 7 (3) UWG erfullt sind.
Zusammenfassend lasst sich dies in einem Schaubild wie folgt darstellen: Grundsatzlich ohne Einwilligung des Adressaten zulassig ...
HausturWerbung
BriefWerbung
TelefonWerbung
TelefaxWerbung
E-MailWerbung
... auflerhalb einer Kundenbeziehung gegenijber einem Verbraucher
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein
... auderhalb einer Kundenbeziehung gegenuber einem Unternehmer
Ja
Ja
Nein*
Nein
Nein
... innerhalb einer Kundenbeziehung gegenuber einem Verbraucher
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein**
... innerhalb einer Kundenbeziehung gegenuber einem Unternehmer
Ja
Ja
Nein*
Nein
Nein**
Die mutmafiiiche Einwilligung reicht gemafl § 7 (2) UWG aus. Die Einwilligung ist unter den Voraussetzungen des § 7 (3) UWG entbehrlich.
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Kundenverstandnis
Psychologische Grundlagen des Kundenverstandnisses Jurgen Kaschube/Rosina Gasteiger Kunden sind selbstbewusst geworden: Sie entwickein Ware Vorstellungen von akzeptablen Preisen und einzuhaltenden Qualitatsstandards und sind daruber hinaus bereit, diese Vorstellungen vehement von den Produzenten von Waren und Dienstleistungen einzufordern. Im Laufe des letzten Jahrzehnts hat sich daher in unterschiedlichsten Organisationen aus nahezu alien Branchen ein deutlicher Wandel des Qualitatsverstandnisses eingestellt. Wahrend zuvor die Qualitat der Arbeit vor allem an der Erfullung interner Kriterien gemessen wurde, wird heute verstarkt auf die Erwartungen der Abnehmer der eigenen Leistungen geachtet. Dies gilt gleichermafien fur so unterschiedliche Branchen wie die Automobilproduktion oder das Gesundheitswesen, in denen zumindest schrittweise die Erkenntnis Einzug halt, dass der Bau eines technisch perfekten Autos oder die korrekte Diagnose und Therapie einer Krankheit nicht alleiniger Mafistab fur die Qualitat der beruflichen Arbeit sein kann. Der vorliegende Beitrag wird vier der fur die Praxis bedeutsamen Fragestellungen kurz aufgreifen und wesentliche Positionen und Erkenntnisse aus psychologischer Sicht zu diesen Themen zusammenfassen. Im Einzelnen geht es um die Fragen: •
Welche Vorstellungen vom Kunden pragen psychologische Ansatze?
•
Welche Prozesse in der Interaktion zwischen Organisation und Kunden werden dabei betrachtet?
•
Welche Faktoren beeinflussen die Ergebnisse dieser Prozesse (Kundenzufriedenheit und Kundenbindung)?
•
Welche Handlungsmoglichkeiten bestehen fur Organisationen, um die Orientierung an Kundenbedurfnissen sicherzustellen?
Grundlage der weiteren Betrachtung muss es also sein, den besonderen Blick psychologischer Ansatze auf den Kunden und sein Verhalten heraus zu arbeiten. Am besten scheint dafur ein umfassendes Modell der Dienstleistungsqualitat geeignet zu sein.
Der Blick auf den Kunden: Dienstleistungsqualitat Die Betrachtung der Erwartungen und des Verhaltens von Kunden hat sich inzwischen in alien Branchen etabliert. Die Wurzel des intensiven Blicks auf den Kunden liegt aber eindeutig im Bereich der Erforschung der Qualitat von Dienstleitungen, da hier offensichtiich nicht allein die Prufqualitaten eines greifbaren Pro41
duktes fur die Bewertung durch den Kunden entscheidend sind, sondern vielmehr auch die so genannten Erfahrungs- und Vertrauensqualitaten.^^ In der Regel konzentriert sich die Betrachtung auf einen Abgleich zwischen den mitgebrachten Erwartungen von Kunden an den Standard einer DIenstleistung und der Erfijiiung dieser Erwartung durch die Organisation. Das meist diskutierte Model! der Dienstleitungsqualitat stannmt von Parasuraman et al. (1985), die funf Lucken zwischen erwartetem und eriebtem Service identifizieren und daraus Handlungsmoglichkeiten fur Organisationen ableiten (vgl. Abbildung 1). Im wesentlichen konzentrieren sich Parasuraman et al. auf die auftretenden Differenzen zwischen einerseits den innerhalb der Organisation wahrgenommenen Erwartungen von Kunden und den daraus abgeleiteten Vorgaben fur innerorganisationale Prozesse sowie den Versprechungen des externen Marketing an sie (Lucken 1 bis 4) und andererseits der Gestaltung der Geschaftsraume und dem Verhalten des Kundenkontaktpersonals (Lucke 5). Personliche Bedurfnisse
Mundliche Empfehlungen 1
Bisherige Erfahrungen
1
i
0>
Erwarteter Service
C 3
Lucke i '
I
T Eriebter Service k
,
Lucke 4 Geleisteter Service
Lucke 1
s
.1
Liicke C
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''
i Normen fur Servlcequalitat
|S
*^ (0 c
0) Q
Lucke:>•
I
DienstleisterKommunikation nach auften (versprochener Service)
t
Vorsteilungen des IVlanagements von Kundenerwartungen
Abbildung 1: Das Modell der Dienstleistungsqualitat von Parasuraman et al.^^
63 64
42
Kotler/Bliemel {^99^). Nach ZeithamI et al. (1992), S. 62.
Ohne die Feinheiten des Modells zu diskutieren^^ vvird schnell klar, dass als entscheidende Lucke das Zuruckbleiben der Leistungen des Servicepersonals hinter den gegebenen Versprechen der Organisation und den Erwartungen des Kunden gesehen wird. Empirisch identifizierten Parasuraman et al. Dimensionen wie u. a. Zuverlassigkeit der AusfiJhrung versprochener Dienstleistungen, mangelndes Entgegenkommen und Eingehen auf Kundenwunsche, zu geringe allgemeine Freundlichkeit und schwache kommunikative Fahigkeiten des Dienstleisters sowie die Erreichbarkeit des Servicepersonals. Wahrgenommene Dienstleistungsqualitat und damit Kundenzufriedenheit entsteht im Sinne dieses Modells allein im Kopf des Kunden ijber den Abgleich der Erwartungen mit dem real Eriebten. Als mogliche Folgen prognostizieren Parasuraman et al. wie auch Bitner (^990) entweder Kundenbindung und Weiterempfehlungen, wenn die Erwartungen ubertroffen werden, oder Warnungen vor dem Anbieter und Wechsel des Dienstleisters, wenn sich die Hoffnungen auf einen guten Service nicht erfullen. Auf der Basis der Annahmen der Modelle zur Dienstleistungsqualitat wurde eine Vielzahl am Kunden orientierter Marketingmafinahmen entwickelt, so zum Beispiel: •
die Idee eines klar strukturierten Kundenbindungsmanagements,^^ welches Voraussagen daruber macht, welche Kunden aufgrund ihrer Attraktivitat fur die Organisation mit welchen Mittein gehalten werden sollen und welche eher zu vernachlassigen sind,
•
die Steuerung der Kundenzufriedenheit^'^ uber die Veranderung der Erwartungen und des Eriebens vor allem in der Nachkaufphase,
•
die Einfuhrung eines Beschwerdemanagements,^^ welches zur (Wieder)-Herstellung der Kundenzufriedenheit nach negativen Eriebnissen und zur Sammlung von Informationen uber mogliche Probleme dient, und
•
eine starke Standardisierung von Geschaftsraumen und Dienstleistungsablaufen,^9 die bei global agierenden Organisationen oder Franchise-Unternehmen alien Kunden uberall identische Leistungsstandards garantiert und somit Enttauschungen vorbauen will.
Wo liegen mogliche Probleme dieser Betrachtungsweise und der von ihr abgeleiteten Maflnahmen? Grundsatzlich wurde haufig diskutiert, dass eine Gleichsetzung von Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualitat zu einer zirkularen Betrach-
^5
Vgl. hierzu Nerdinger (1994).
^^ ^7 ^^ ^^
Diller/Mullner {^99S). Wimmer/Roleff {^ 998). Sfaivss (1998). Blumelhuber {^998).
43
tungsweise fuhren mtisse. So konnten bei extrem niedrigen Kundenerwartungen auch eher schlechte Dienstleistungen zu Kundenzufriedenheit fuhren, wenn die erwarteten Katastrophen ausbleiben; umgekehrt fuhren steigende Erwartungen automatisch zu einer verschlechterten Dienstleistungsqualitat bei real gleich bleibendem Standard - es kommt zu einer sich hochschraubenden EnA^artungs-Wahrnehmungsspirale/^ Aus psychologischer Sicht erscheint allerdings wesentlich zentraler, dass in einem stark ergebnisorlentierten Ansatz die Qualitat der Interaktion zwischen Dienstleister und Kunden nur unzureichend abgebildet wird und dass die Konzentration auf eine Standardisierung des Dienstleistungsprozesses die Position des Dienstleisters unnotig schwache. Drei Argumente konnen dies belegen. Erstens ist fur die Erbringung gerade qualitativ hochwertiger und kostenintensiver Dienstleistungen die permanente Mitarbeit des Kunden bei der Leistungserstellung erforderlich. NIcht nur der Patient muss den Arzt durch sein eigenes Verhalten (Benennung der Probleme, Mitarbeit bei therapeutischen Mafinahmen) unterstiitzen, auch bei Beratungs- und Verkaufsprozessen hangt die Qualitat der Losung und die Zufriedenheit mit dem erworbenen Produkt eindeutig mit der Fahigkeit zusammen, sich des eigenen Bedarfs bewusst zu sein und ihn der Situation angemessen benennen zu konnen. Die Qualitat der Dienstleistung hangt damit nicht unwesentlich von der Motivation des Kunden zur Mitarbeit und der Fahigkeit des Dienstleisters diese Motivation aufrecht zu erhalten und auszuschopfen ab. Zweitens zeigten bereits erste qualitative Studien von Parasuraman et al. selbst, dass fur das Erieben von Dienstleistungsqualitat und Zufriedenheit auf Seiten der Kunden gerade das Abweichen von standardisierten Prozessen (Entgegenkommen, Erfullen besonderer Wunsche, echte statt routinisierter Freundlichkeit) nicht unbedeutend ist, wahrend viele der oben genannten Marketingmafinahmen auf ein hohes Mali an Verlasslichkeit durch Standardisierung setzen. Abweichungen von Dienstleistungsstandards im Interesse des Kunden werden fur den Dienstleister schnell zur doppelten Bedrohung. Einerseits riskieren Sie Unzufriedenheit und Beschwerden des Kunden, wenn sie im Sinne ihrer Standards arbeiten, andererseits drohen ihnen Sanktionen der Organisation, wenn sie vorgegebene Standards, die nicht immer eindeutig formuliert vorliegen, verletzen/^
7^
Nerdinger {2003).
7^
Vgl. Kaschube/Koch (2005).
44
Drittens konnen eine vorgeschriebene Standardisierung der Prozesse und die Versprechungen des extemen Marketing zu unrealistischen Erwartungen seitens der Kunden fuliren, die Dienstleister .ausbaden' mussen, ohne die notigen Ressourcen zu besitzen. Werbeslogans wie ,Leben Sie, wie kummern uns urn die Details!' suggerieren dem Kunden, dass er erstens nahezu alles verlangen kann und zweitens sich gerade die fiir eine qualitativ hochwertige Dienstleistung notige Mitarbeit bei der Problemlosung sparen kann. Die eben genannten Argumente sprechen dafur, dass eine En^/eiterung des Qualitatsbegriffes urn eine prozessorientierte Facette eine sinnvolle Erganzung darstellen konnte. Ausgehend von diesen Gedanken lolint es sich zunachst, eine Klassifikation der direkten Interaktion von Kunden und Dienstleistern zu betrachten.
Interaktion zwischen Dienstleister und Kunden - Begegnungen und Beziehungen Nerdinger (^994, S. 54) definierte Dienstleistungen als .Problemiosetatigkeiten, die es erfordern, dass Dienstleister in face-to-face Interaktion zu Bedienten treten, mit denen sie nichts welter verbindet als der Tausch 'Leistung gegen Geld'. Unter dem Begriff der Dienstleistung wird nach dieser Definition eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungen zusammengefasst, die auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam haben. Der Kinobesuch mit dem Kauf einer Karte und der Vorfuhrung eines Films, Beratung und Verkauf eines mehr oder minder komplexen Produkts oder der Besuch eines Friseursalons mit einer vielfaltigen Veranderung des eigenen Aussehens, konnen gleichermafien als Dienstleistungen gesehen werden, da ihnen alien eine irgendwie geartete Form des Kundenkontaktes und der Interaktion zwischen Kunde und Dienstleister (so genannte .service encounters'''2) zugrunde liegt. Die Schwierigkeit einer Klassifikation wird deutlich, wenn man betrachtet, wie unterschiedlich selbst ahnliche Formen der Dienstleistungsinteraktion in ahnlichen Settings ablaufen konnen. Ein Restaurantbesuch kann sich in einem breiten Spektrum vom Fast-FoodRestaurant uber den .Italiener um die Ecke' bis hin zum Gourmettempel abspielen, der Besuch einer Bankfiliale verlauft unterschiedlich, wenn eine der zunehmend seltener werdenden einfachen Transaktionen ansteht oder wenn die Finanzierung einer Immobilie besprochen werden soil.
^"2
Czep/e/ef a/. (1985).
45
Aus Sicht des Kunden lassen sich diese unterschiedlichen Situationen klar differenzieren. Sie sind verbunden mit einem unterschiedlichem Mali an Engagement und Beteiligungsbereitschaft seitens des Kunden, klar differenzierten Erwartungen an die Kompetenz des Dienstleisters sowie einer deutlich unterschiedlichen Risikowahmehmung hinsichtlich der Verluste, die eintreten, wenn die Qualitat der Dienstleistung nicht den EnA/artungen entspricht. Nicht zuletzt treten sie in der Regel nicht gleich haufig auf. Komplexe und risikoreiche Interaktionen sind eher selten und die Kunden konnen weniger auf direkte personliche Vorerfahrungen zuruckgreifen. Eine umso grofiere Rolle spielt in solchen Situationen das dem Dienstleister entgegen gebrachte Vertrauen. Gutek et al. (^999y^ haben auf dieser Basis eine klare Differenzierung von Dienstleistungsinteraktionen in .service encounters' und .service relationships' und .pseudo-relationships' propagiert. Wahrend sie unter .service encounters' singulare Interaktionen zwischen Kunden und individuell austauschbaren Dienstleistern ohne gemeinsame Vorerfahrungen verstehen, sind .Service relationships' als langerfristige Beziehungen zu sehen, in denen der Dienstleister durch den haufigeren Kontakt mit dem Kunden ein Wares Eigeninteresse an einer langerfristigen und positiven Beziehung entwickelt hat, die sich auch auf seine Gestaltung der einzelnen Begegnung auswirken kann. Der Ablauf von Interaktionen in .service relationships' ist gepragt durch die Kenntnis von Rahmenbedingungen des Kunden und die Bereitschaft des Dienstleisters, starker von routinisierten Ablaufen abzuweichen. Diese enge Bindung mit hoher Kundenzufriedenheit kann als allgemeine Kundenbindung fur die Organisation von Nutzen sein, aufgrund der Verpflichtung des Dienstleisters gegenuber dem Kunden kann sie aber auch als Gefahr wahrgenommen werden, dass der Dienstleister - zum Beispiel in Form von Rabatten unokonomisch und zu stark im Interesse des Kunden handelt. Zur Reduzierung derartiger Risiken bemuhen sich viele Organisationen um die Etablierung von Dienstleistungsprozessen als .pseudo-relationships'. Diese dritte Form der Beziehung von Dienstleistern und Kunden ist durch den Versuch der Organisation gekennzeichnet, die Beziehung mit einem individuellen Dienstleister durch die Beziehung mit der Gesamtorganisation zu ersetzen und eine intensive Kundenbindung herzustellen, ohne von der Leistung eines Dienstleisters abhangig zu sein. Zwar ist in .pseudo-relationships' die Person des Dienstleisters nicht bekannt, die Ablaufe der Organisation sind dem Kunden aber durchaus vertraut. Auch seine personlichen Daten werden uber Kundenkarten oder Datenbanken (z. B. in Call-
7^
46
Vgl. auch Kennedy et al. (2002).
Centern) so verfugbar gehalten, dass jeder Kontaktpartner schnell darauf zugreifen und Vertrauthejt mit den Problemen des Kunden signalisieren kann. Erste empirische Studien auf dem US-amerikanischen Markt^"^ zeigen, dass solche .pseudo-relationships' unabhangig von der Art der Dienstleistung nicht das Niveau der Kundenzufriedenheit von echten .service relationships' erreichen, sondern aus Sicht der Kunden eher wie .service encounters' wahrgenommen werden. Der Schlijssel zu einer hohen Kundenzufriedenheit und Kundenblndung scheint also durchaus in der direkten Interaktion zwischen Dienstleistern und Kunden und nicht allein in einer gelungenen Standardisierung von Prozessen zu liegen. Der nachste Abschnitt versucht daher, das Wissen urn Einflussfaktoren auf Kundenzufriedenheit und Kundenblndung zusammenzufassen.
Kundenzufriedenheit und Kundenbindung - zentrale Einflussfaktoren In Modellen der DIenstleistungsqualitat wird Kundenzufriedenheit vor allem als Ergebnis der Erfullung oder Ubererfullung (.confirmatlon-disconfirmation') der Kundenerwartungen gesehen. Eine neuere Meta-Analyse empirischer Studlen^^ stutzt diesen Befund. Insbesondere zeigen die Ergebnisse, dass eher langfristige Vorstellungen von einem gerechten Austausch von Geben und Nehmen In einer Dienstleistungsbeziehung als einzelne Interaktionen fur ein Gefuhl der Zufriedenheit beim Kunden verantwortlich sind. Diese langfristige Orientierung der Kunden in der Bewertung der Dienstleistungsinteraktion ist dabei eng verknupft mit einer hohen Bereitschaft zur Bindung an den Anbieter der Dienstleistung. Hohe Bedeutung scheint dabei auflergewohnliches Handein des Service-Personals in der Interaktion mit den Kunden zu besitzen; es ist damit eInem technisch perfekten Service, wie er in stark standardisierten Prozessen angestrebt wird, deutllch uberlegen. Welche spezifischen Prozesse bewirken nun, dass Dienstleister bereit sind, die Kundenerwartungen zu ubertreffen? Bisherige Forschungen deuten auf vielfaltige Faktoren in der Person des Dienstleisters und in seinen Arbeitsbedingungen hin. Eine zentrale Rolle spielen die Personlichkeit der Dienstleister - so sind ein gewisses Mali an Offenheit und an emotionaler Stabilitat fur Aufgaben im Dienstlelstungsbereich unverzichtbarsowie gutes dienstleistungsspezifischen Fachwissen und sozial-interaktive Kompetenzen7^ Drei weitere wesentliche Faktoren werden hier beispielhaft genannt:
7^ ^5 ^^
Guteket al. {^999). Szymanski/Henard (2001). \/Q\. Nerdinger {2003).
47
•
Mitarbeiterzufriedenheit Zufriedene Mitarbeiter geben dieses positive Gefuhl ijber ihre Leistungen an die Kunden weiter. Insbesondere gilt dies fur Dienstleister-Kunden-Beziehungen, die auf einer haufigen Interaktion und auf eine intensive Einbeziehung des Kunden in die Dienstleistung selbst aufbauen/^ Umgekehrt wirkt sich Mitarbeiterunzufriedenheit negativ auf das Erieben der Kunden aus7^
•
Kundenorientierte Handlungsspielraume und Partizipationsmoglichkeiten: Dienstleister, denen von ihrer Organisation die Moglichkeit eingeraumt wird, im Interesse der Kunden ihren Arbeitsablauf zu gestalten und selbst auf Ablaufe und Ziele ihrer Arbeit einzuwirken, erhohen ihren Arbeitseinsatz und orientieren sich im Arbeitsalltag starker an den aktuell wahrgenommenen Bedurfnissen ihres Gegenubers/^ Eine starke Standardisierung von Dienstleistungsprozessen, die nicht als Unterstutzung bei haufig wiederkehrenden Arbeitsprozessen wahrgenommen wird, limitiert dagegen eher den personlichen Einsatz. Zusatzlich erieichtern gegebene Handlungsspielraume (.empowerment') es den Dienstleistern, Interessenkonflikte zwischen Organisation und Kunden direkt zu losen; dies beschleunigt Prozesse und fordert bei Dienstleister und Kunden das Erieben von Kompetenz.
•
Organisationale Dienstleistungsorientierung und Dienstleistungsklima: Uber die Gestaltung einzelner Arbeitsplatze hinaus muss fur Dienstleister und Kunden die Ausrichtung der gesamten Organisation an Kundenbedurfnissen erfahrbar sein.^^ Dies schliefit auch Mitarbeitergruppen ein, die keinen direkten Kundenkontakt haben, aber ihr Arbeitsverhalten direkt an den Bedurfnissen des eigentlichen Service-Personals ausrichten. Der Kunde registriert diese interne Kundenorientierung (.customer mind-set'^0 s's reibungslosen Ablauf von Prozessen und als Erfullung der vom Marketing gegebenen Versprechen, wahrend sie Dienstleistern dabei hilft, sich auf ihre Kernaufgabe zu konzentrieren und nicht Fehler des Systems ausbugein zu mussen.
Die Ursachen des direkten Zusammenhangs zwischen innerorganisationalen Gestaltungsregeln, Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit sind nicht abschliessend zu klaren. Plausibel ist jedoch, dass alle internen Spannungen einer Organisation sich den Kunden auf drel Wegen erschlieden.^^ Erstens erfahren sie keine aus77 7S 79
Homburg/Stock (2004). Dormann/Kaiser (2002). Dormann et al. (2003).
^0
Schneider/Bowen (1985).
S^ ^2
Kennedy et al. (2002). Vgl. auch Dormann/Kaiser {2002).
48
reichende Zuwendung durch den Dienstleister, der offensichtlich keine klaren Angebote und Zusagen machen kann. Zweitens konnen sie ihre Wunsche und Ziele im Prozess der Dienstleistung nur ungenau formulieren und ihren Beitrag zum Gelingen nicht beisteuern. Drittens vergleichen Kunden nicht nur Erwartungen einer optimalen Ergebnisqualitat mit dem real Eriebten, sondern sie besitzen auch aufgrund ihrer eigenen beruflichen Erfahrung genugend Wissen daruber, wie funktionale Prozesse und Arbeitsbedingungen aussehen, die zu einem gutem Ergebnis fuhren konnen. Es genugt ihnen nicht, eine gute Qualitat des Ergebnisses wahrzunehmen, sondern sie beziehen den Umgang der Organisation mit ihren DIenstleistern in ihre Bewertung mit ein. Ein hoher Stellenwert des Service-Personals spricht fur einen hohen Stellenwert des Kunden.
Handlungsmoglichkeiten der Organisation: Kundenorientierung Welche Handlungsmoglichkeiten besitzen Organisationen, um ein positives Dlenstleistungsklima und eine klare Kundenorientierung zu fordern? Nerdinger (2003) benennt eine breite Palette an Handlungsfeldern (vgl. Tabelle 1), die teilweise (besonders die Unterstutzung der Begegnung) im vorherigen Abschnitt bereits erwahnt wurden. Kundenorientierung der Organisation IVIerl^male des Systems
Unterstutzung der Begegnung
•
Verhinderung von Beseitigung von Fehlern
•
Behandlung der Kunden
•
Technologie
•
Empowerment der Mitarbeiter
•
Kommunikation von Standards
Fijhrungspraxis
Personalarbeit
•
Kundenorientierte Fuhrung
•
Training
•
Vision
•
Belohnungen
Tabelle 1: Dimensionen der
Kundenorientierung^^
Unter Merkmalen des Systems sind technische Prozesse und Verhaltens-Standardisierungen zu verstehen, die ihre Berechtigung daraus beziehen, dass sie Dienstleister bei ihrer Aufgabenerfullung entlasten und klare Ablaufe fur einfache, immer wiederkehrende Prozesse vorgeben. Technische Systemunterstutzung dient der von vielen Kunden erwarteten Prozessbeschleunigung und kann Transparenz uber innerorganisationale Vorgange schaffen. So reduziert die Moglichkeit, den Stand von Lieferungen uber das Internet zu verfolgen, eine VIelzahl von Kundenanfragen, die
^^
Nerdinger (2003), S. 57 in Anieiinung an Lytle et al. (1998).
49
dem Service-Personal Freiraume fur spezifische Beratungs- und Service-Leistungen geben. Die Fuhrungspraxis sollte durch eine vom Top-Management entwickelte klare und offen kommunizierte Vorstellung von gelebter Kundenorientierung gepragt sein, die auf der anderen Seite die Alltagserfahrungen des Service-Personals mit den Kundenerwartungen widerspiegelt. Fur die einzelne Fuhrungskraft bedeutet dies, ein erwartetes Verhalten vorzuleben und somit durch ein positives Beispiel die Mitarbeiter, aber gleichzeitig nicht alle Handlungswege vorzugeben. Wahrend neue Mitarbeiter von Unterstutzungsleistungen der Fuhrungskrafte stark profitieren, brauchen erfahrene Mitarbeiter die Moglichkeit, ihre Prozesse selbst zu gestalten, urn ein hohes Mafi an Leistung und Kundenzufriedenheit zu erreichen.^'^ Fur den Bereich der Personalarbeit empfehlen sich neben an Dienstleistungserfordernissen angepassten Rekrutierungs- und Auswahlstrategien vor allem Trainingsmafinahmen, die kundenorientiertes Verhalten (soziale Kompetenzen: Herausarbeiten des zu losenden Problems, geschicktes Einbeziehen des Kunden in den Problemlosungsprozess) und die Verarbeitung schwieriger und belastender Alltagssituationen (schwierige Kunden, Umgang mit Zeitdruck) erieichtern. Das Belohnungssystem muss dabei die Vision der Kundenorientierung widerspiegein und nicht nur Ergebnisse wie Umsatz belohnen, sondern auch prozessuale Komponenten wie L6sungen spezieller Kundenprobleme einbeziehen. Zusammenfassend ergibt sich daraus ein Bild von Kundenorientierung, in dem sowohl die Standardisierung von Prozessen als auch ihre Individualisierung ihre Berechtigung besitzt. Bei einer Ausbalancierung der unterschiedlichen Handlungsansatze wird eine optimale Konzentration auf die aus psychologischer Perspektive besonders wichtige Interaktion des Dienstleisters mit dem Kunden ermoglicht.
^"^
50
Ahearne et al. (2005).
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51
Marktsegmentierung als Voraussetzung fur Kundenverstandnis Tobias Kesting/Carsten Rennhak/Tobias Schutz Als wichtige Triebkraft fur die steigende Bedeutung von Marktsegmentierungsstrategien ist ein Paradigmenwechsel anzufuhren, der sich auf eine veranderte Sichtweise von Anbietern bezieht. Customer Relationship Management (CRM) gewinnt daher immer mehr an Bedeutung. Zielsetzung dieses kundenorientierten Beziehungsmanagements ist die Erhohung der Kundenloyalitat zur Steigerung der Kundenprofitabilitat.^5 Mittels modemer CRM-Systeme lasst sich jeder Geschaftsvorgang zur Gewinnung zusatzlicher Kundeninformationen nutzen,^^ u. a. zur Identifizierung von Kaufverhaltensmustern.^^ Marktsegmentierungen liefern in diesem Zusammenhang zusatzliche und detaillierte Informationen uber Markte und Kaufer und ermoglichen so auch eine leichtere Identifizierung von Kundenbedurfnissen. Dementsprechend bilden Segmentierungsanalysen und aus ihnen ermittelte Kundenprofile die Grundlage fur ein erfolgreiches CRM.s^
Marktsegmentierung In den funfziger Jahren des letzten Jahrhunderts sind die ersten Artikel uber Marktsegmentierungen erschienen.^9 Seitdem gab es zahlreiche unterschiedliche Ansatze^^ zu diesem Thema, die jedoch folgende Grundidee gemeinsam haben: Sie gehen von einem Gesamtmarkt aus, der sich aus einer grofien Anzahl tatsachlicher und potenzieller Kaufer zusammensetzt, die unterschiedliche Bedurfnisse in Bezug auf die angebotenen Produkte aufweisen. Vor diesem Hintergrund empfiehit sich eine Aufteilung des Gesamtmarktes anhand bestimmter Kaufermerkmale, so dass spezifischen Bedurfnisstrukturen von Teilmarkten durch differenzlerte Marktleistungen gezielt Rechnung getragen werden kann. Eine derartlge Ausrichtung der Unternehmenstatlgkeit an den Vorstellungen der Nachfrager spiegelt den Grundgedanken des Marketings wider.^^ Unter Marktsegmentierung wird somit die Aufteilung eines Gesamtmarktes in bezuglich ihrer Marktreaktion intern homogene und untereinander heterogene Untergruppen (sog. Marktsegmente) sowie die Bearbeitung eines Oder
^5
vgl. Becker (2001), S. 908f.
S^
Vgl.8ec/cer(2001), S. 908.
S''
Vgl. Bagozzi, et al. (2000), S. 293f.
SS
Vgl. Backer et al. (2004), S. 50.
S9 ^0 9^
Vgl. hierzu Hummel (1954), S. 34ff. und Smith (1956), S. 3ff. Vgl. hierzu Horst (1988), S. 350ff., Bauer (1989), S. 46ff. und Backhaus (1999), S. 210ff. Vgl. Meffert (2000), S. 181.
53
mehrerer dieser Marktsegmente verstanden.^2 Hauptziel der Marktsegmentierung ist dje Realisierung eines moglichst hohen Identitatsgrades zwischen dem Angebot und den spezjellen Bediirfnissen der anvisierten Kaufergruppen.^^ Somit dient sie „ (...) ejnerseits der Marktidentifizierung (...) sowie andererseits der besseren Befriedigung der Konsumentenbedurfnisse durch den differenzierten Einsatz der Marketinginstrumente."^'^ Aufgrund der Tatsache, dass das Angebot gezielt auf die Bedurfnisse bestjmmter Kaufergruppen abgestimmt werden kann, lasst sich wesentlich leichter ein Kundenstannm aufbauen, der sich mit der angebotenen Leistung identifiziert. Zudem sind Nachfrager auch eher bereit, mehr fur ein Produkt zu bezahlen, das ihren speziellen Vorstellungen und Wunschen Rechnung tragt.^^ Aufierdem kann der Wettbewerbsdruck in Segmenten geringer sein als auf einem undifferenzierten Massenmarkt. In diesem Zusammenhang empflehit sich auch eine Konzentration des Anbieters auf die fur ihn attraktivsten Segmente. Damit kann die Gefahr reduziert werden, in einigen Teilmarkten einer ubermaflig starken Konkurrenz gegenuber zu stehen, die moglicherweise uber substanzielle Wettbewerbsvorteile verfugt.^^ Gerade diese Uberlegungen verdeutlichen, dass die IViarktsegmentierung ein wesentlich flexibleres Konzept darstellt als das klassische Massenmarketing und dem Anwender somit erheblich mehr Handlungsspielraum eroffnet. Zudem ermoglichen Segmentierungsstrategien eine Verlagerung des Wettbewerbs von der reinen Preis- auf die Qualitatsebene. Dies kann sich besonders in Zeiten stagnierender Markte mit zunehmendem Verdrangungswettbewerb als bedeutsam erweisen.9^ Abgesehen davon erhohen Segmentierungsaktivitaten auch den Informationsstand uber Gesetzmafiigkeiten und Strukturen des jeweils betrachteten Marktes, denn durch eine Aufteilung in Segmente konnen Marktentwicklungen besser prognostiziert werden. Dies wiederum eriaubt eine zieladaquatere Verwendung des zur Verfugung stehenden Marketingbudgets.^^
^2
Meffert (2000), S. 181. Diese auch als Marktsegmentierung im weiteren Sinne bezeiciinete Sichtweise hat sich in der Marketingliteratur durchgesetzt (vgl. hierzu z. B. Freter 1983, S. 18 und Kotler/Bliemel 2001, S. 415). Sie umfasst demnach nicht nur die Aufteilung des Marktes, sondern auch die gezielte individuelle Bearbeitung von Teilsegmenten mittels eines auf sie abgestimmten segmentspezifischen Marketing-Mix (vgl. Freter 1983, S. 18). Unter Marktsegmentierung im engeren Sinne hingegen versteht man lediglich den Vorgang der Marktaufteilung durch Bildung von Segmenten. Diese Interpretation des Begriffes Segmentierung als blolie Aufteilung des Gesamtmarktes wurde in den siebziger Jahren des ietzten Jahrhunderts vereinzelt vertreten (vgl. Walters/Paun970, S. 61ff. und Boyd/Massy 1972, S. 87ff.).
^^ 94 95
Vgl. Meffert (2000), S. 183. Me^erf (2000), S. 183. Vgl. Bansch (1998), S. 88f.
96 97 9S
Vgl. Kotler/Bliemel{200^), S. 415 und 419. Vgl. Becker (2001), S. 289. Vgl. Meffert (2000), S. 183.
54
Obwohl sie Unternehmen grundsatzlich hohe Erfolgschancen bietet, weist auch die Marktsegmentierungsstrategie gewisse Grenzen auf. So erfordert sie meiirere, auf die jeweiligen Segmente abgestimmte, spezifische Marketing-Konzepte, was zwangslaufig mit erheblichem zeitiiciiem und finanziellem Aufwand verbunden ist. DariJber hinaus erschwert die segmentspezifische Produktdifferenzierung die iVIoglichkeit der Massenproduktion und den damit verbundenen Vorteilen. Da aus zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Grunden eine Bearbeitung aller Segmente oft nicht moglich ist, fuhrt die Auswahl bestimmter Teilmarkte letztlich zu einer Beschrankung der Marktabdeckung.^^ Konzentrieren sich segmentierende Unternehmen in diesem Zusammenhang nur auf einen oder sehr wenige Ausschnitte des Marktes, begeben sie sich in eine starke Abhangigkeit von der Marktsituation in den betreffenden Segmenten. Zur Risikostreuung bietet sich in solchen Fallen eventuell eine Kombination der Segmentierungsstrategie mit einer Diversifizierungsstrategie an.^oo Aufierdem ist noch auf zwei Gefahren hinzuweisen, die infolge unzureichend ausgearbeiteter Segmentierungskonzepte auftreten konnen. Wird ein Markt kijnstlich zu stark unterteilt, so spricht man von einer Oversegmentation. Abgesehen davon besteht noch die Gefahr, dass sich Unternehmen zu stark auf ein Segment konzentrieren und dabei gleichzeitig andere vernachlassigen. Durch diese Overconcentration wird letztlich Marktpotenzial verschenkt.^^^
Segmentierungskriterien und -ansatze Kriterien zur Segmentierung mussen bestimmte Bedingungen erfullen. In der Literatur werden ubiicherweise sechs Anforderungen an sie gestellt,^^^ dje u. a. dazu dienen, die Zweckmafiigkeit der Marktaufteilung zu gewahrleisten (vgl. Abbildung 1).^^^
99 Vgl. Pepe/s (1995), S. 127. 100 Vgl. B^nsch (1998), S. 89. '^01 Vgl.Bec/cer(2001), S. 291. ^02 Vgl. u. a. Prefer (1983), S. 43f. und Meffert {2000), S. 186f. 103 Vgl./We^eAt (2000), S. 186.
55
Anforderungen an Segmentierungskriterien Kaufverhaitensrelevanz
Messbarkeit (Operationalitat)
Erreichbarkeit bzw. Zuganglichkeit
Handlungsfahigkeit
Geeignete Indikatoren fur zukunftiges Kaufverhalten Messbar und erfassbar mit den vorhandenen Marktforschungsmethoden Gewahrleistung einer gezielten Ansprache der gebildeten Segmente Gewahrleistung des gezielten Einsatzes des Marketinginstrumentariums
Wirtschaftiichkeit
Nutzen der Erhebung sollte groRer sein als die dafur anfallenden Kosten
Zeitliche Stabilitat
Langerfristige Gultigkeit der mittels der Kriterien erhobenen Informationen
Abbildung 1: Anforderungen an
Segmentierungskriterien''^^
Die geographische Segmentierung gilt als die alteste Form der Marktsegmentierung.^^5 Dies ist zum einen auf die raumliche Verteilung der Bevolkerung zuruckzufuhren und zum anderen darauf, dass sich in bestimmten Regionen eine eigenstandige Kultur mit spezifischen Verhaltensmustem entwickelt. ^^^ Daruber hinaus konnen auch klimatische Bedingungen einen Einfluss auf das Kaufverhalten haben.^'o^ Die klassische geographische Segmentierung unterteilt den Markt in verschledene regionale Einheiten.^^^ Der Vorteil des geographischen Segmentierungsansatzes liegt in erster Linie in der leichten Verfugbarkeit der benotigten Daten. Eine Segmentierung nach geographischen Kriterien erscheint vor allem bei Produktgruppen sinnvoll, bei denen spezlfische regionale Praferenzen der Kaufer zu erkennen sind. Somit bietet dieser Segmentierungsansatz durchaus wertvolle Anregungen fur die Konzeption regionaler Marketingprogramme, was allerdings so nur fur eine
^04 vgl. Meffert {2000), S. 186ff. 105 Vgl. Bagozzi et al. (2000), 8. 304. 106 Vgl. Prefer (1983), S. 52. 107 Vgl. Bagozzi et al. (2000), 8. 304. 108 Vgl. Kotler/Bliemel (2001), 8. 432. Grofle international agierende Unternehmen segmentieren haufig nach Landern oder grofleren geographischen Regionen. Tendenziell widmen sie inzwischen aber auch den geographischen Einheiten innerhalb eines Landes mehr Aufmerksamkeit (vgl. z. B. Bagozzi et al. 2000, 8. 304). Dies konnen u. a. Bundeslander, 8tadte, Landkreise oder Gemeinden sein. Fur den deutschen Markt wird haufig die bekannte Einteilung in Nielsen-Gebiete herangezogen (vgl. hierzu Meffert 2000 8. 189f.). Dieses Konzept des Marktforschungsinstitutes ACNielsen unterteilt das Bundesgebiet in Regionen, die sich an den Bundeslandern orientieren. Daruber hinaus werden auch die bedeutsamsten Ballungsraume berucksichtigt und separat betrachtet (vgl. www.acnielsen.de).
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sehr begrenzte Anzahl von Produktgruppen gjlt.^^^ Eine weitere Form der klassischen Segmentierung stellt neben dem geographischen Ansatz die soziodemographische Segmentierung dar.^^^ Hierbei unterscheidet man ubiichen/veise zwischen demographischen und soziookonomischen Kriterien (vgl. Abbildung 2). Soziodemographische Segmentierungskriterien Soziookonomische Kriterien
Demographische Kriterien •
Geschlecht
•
Schulabschluss
Alter
•
Ausbildung Beruf
•
Familienstand
•
Anzahl und Alter der Kinder
•
Einkommen
•
Haushaltsgrofie
•
Staatsangehorigkeit
•
Religionszugehdrigkeit
Abbildung 2: Soziodemographische
Segmentierungskriterien'^'^'^
Die soziodemographische Segmentierung bedient sich Populationscharakteristika zur Abgrenzung von Konsumentengruppen. Sie geht von einer starken Korrelation der Konsumpraferenzen mit den von ihr eingesetzten Variablen aus.^^2 Soziodemographischen Kriterien fallt im Rahmen der IVIarktsegmentierung quasi eine Schlusseirolle zu. Selbst in den Fallen, in denen nur Segmentierungskriterien aus anderen Kategorien zum Einsatz kommen, werden sie zur Beschreibung gebildeter Segmente herangezogen.^^^ Der Hauptvorteil des soziodemographischen Segmentierungsansatzes liegt In der leichten Erfass- und Messbarkeit der Kriterien.^^"^ Allerdings beinhalten sie keine direkten Informationen in Bezug auf Praferenzen und Motive der Kaufer. Sie sagen daher nur sehr begrenzt etwas uber Gewohnheiten, Einstellungen und Werte der Nachfrager aus.^^^ Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Relevanz zur Prognose des Kaufverhaltens sowie ihrer eingeschrankten Aussagefahigkeit im Hinblick auf die Gestaltung des '^^^ Vgl. Vossebein (2000), S. 23f. Aulierdem stellt die makrogeographische Segmentierung lediglich einen indirekten bzw. groben Bezug zum tatsachlichen Kaufverhalten her (vgl. Meffert 2000, 8. 189). Folglich liefert eine ausschliefllich nach geographischen Gesichtspunkten durchgefuhrte Segmentierung nur relativ begrenzte Informationen daruber, inwieweit reale Unterschiede hinsichtlich der Einstellungen, Werte und PrSferenzen von Kunden bestehen (vgl. Bagozzi et al. 2000, S. 304). ^^0 Vgl. Srtvns (2000), S. 50. ^^^ Vgl. Meffert (2000), 8. 188 und Vossebein (2000), 8. 25. ^^2 Vgl. Bagozzi etal. (2000), 8. 300. ^^^ Vgl. Bagozzi et al. (2000), 8. 300. Sie ermoglichen u. a. Einschatzungen im Hinblick auf die Marktgrdde und die Erreichbarkeit der Nachfrager fvgl. Kotleret al. 2003, 8. 456). "^^"^ Zudem gelten die Segmentierungsergebnisse als zeitlich stabil (vgl. Meffert 2000, 8. 194). ^^5 Vgl. Bagozzi etal. (2000), 8. 300.
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Marketinginstrumentariums verliert der ausschlieliliche Einsatz soziodemographischer Segmentierungskriterien zunehmend an Bedeutung. Stattdessen werden sie verstarkt mit Kriterien aus anderen Kategorien kombiniert.^^^ Der psychographische Segmentierung bezweckt die Definition von Kaufergruppen anhand von Merkmalen, die zur Bildung gleichartiger, psychisch verwandter Gruppierungen fuhren.^^^ Psychographische Kriterien tragen somit u. a. der Tatsache Rechnung, dass Individuen trotz ihrer Zugehorigkeit zur gleichen demographischen Gruppierung teilweise vollig unterschiedliche Ansichten und Einstellungen haben konnen.^^^ Nach wie vor besteht allerdings keine einheitliche Auffassung^^^ darijber, welche Merkmale man nun konkret unter dem Begriff der psychographischen Segmentierung zusammenfasst.^20 Dennoch lasst sich diesbezuglich zumindest eine grundsatzliche Untergliederung in allgemeine Personlichkeitsmerkmale^^y un^ ppoduktspezifische IVIerkmale vornehmen (vgl. Abbildung 3). Insbesondere die produktspezifischen Variablen der psychographischen Segmentierung lassen konkretere Aussagen im Hinblick auf das tatsachliche Konsumverhalten zu.^22 Einzelne IVIotive stellen ebenfalls einen konkreteren Bezug zum Kaufverhalten her. iViotive sind jedoch durchaus auch in Bezug auf die Markenwahl von Bedeutung, und zwar dann, wenn gewisse Marken einer Produktart in unterschiedlich hohem IVIafle dafur geeignet sind, bestimmte Bedurfnisse zu befriedigen.^23 |n diesem Zusammenhang spielen auch Praferenzen eine mafigebliche Rolle. Ein Konsument bewertet verschiedene Produkte und entwickelt dabei Praferenzen fur eine bestimmte Mar-
^^^ Vgl. Meffert (2000), S. 194f. ^^7 Vgl. 8ec/cer(2001), S.255f. ^^S Vgl. Kotleret al. (2003), S. 459. ^^9 So sind z. B. bei Bohler (1977, S. 83ff.), Freter (1983, S. 58ff.) und Kotler/Bliemel (2001, S. 438ff.) jeweils unterschiedliche Systematisierungen der Segmentierung nach psychographischen Kriterien zu finden. ^20 Vgl. Bec/cer (2001), S. 256. ^2^ Die Personlichkeit eines Menschen spiegelt sich in Charakterzugen wie Kontaktfahigkeit, Ehrgeiz Oder Risikofreude wider. Allerdings sind derartige Merkmale nur schwer messbar. Abgesehen davon ist ihr Bezug zum Kaufverhalten eher gering (vgl. Bohler ^977, S. 85ff. und Meffert 2000, S. 199). Allgemeine Einstellungen bilden ebenfalls keine besonders gute Ausgangsbasis fur verlassliche Prognosen hinsichtlich eines bestimmten Kaufverhaltens (vgl. Meffert 2000, S. 196). ^22 Dementsprechend bieten sie bessere Anhaltspunkte fur die Ausgestaltung des Marketinginstrumentariums. Sie konnen fur bestimmte Produktgruppen oder Produkte erhoben werden (vgl. G/er/1989, S. 766ff.). ^23 Vgl. Freter (1983), S. 61. Grundsatzlich ist es auch moglich, Konsumenten mit ahniichen produktspezifischen Wahrnehmungen zu Segmenten zusammenzufassen. Dies bietet sich insbesondere bei einer Aufteilung des Marktes anhand von Idealmarkenvorstellungen an. Letztere spiegein die subjektiven Kombinationen von als ideal empfundenen Eigenschaftsauspragungen wider (vgl. Freter 1983, S. 72).
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ke.^24 Kaufabsichten konnen als letzte Vorstufe zur eigentlichen Kaufhandlung angesehen werden.^25 Psychographische Segmentierungskriterien Allgemeine Personlichkeitsmerkmale •
Soziale Orientierung
Produktspezifische Merkmale •
Spezifische Einstellungen Motive
•
Risikofreudigkeit
•
•
Allgemeine Einstellungen
•
Wahrnehmungen
•
Praferenzen
•
Kaufabsichten
Abbildung 3: Psychographische
Segmentierungskriterien^^^
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Kaufverhaltensrelevanz produktspezifischer psychographischer Merkmale wesentlich hoher einzuschatzen ist als die von allgemeinen Personlichkeitsmerkmalen. Gleiches gilt fur die Aussagekraft in Bezug auf die Gestaltung des Marketinginstrumentariums. Es darf aber nicht aufier Acht gelassen werden, dass die Messung psychographischer Kriterien nicht unproblematisch ist und in der Regel relativ aufwandige Primarerhebungen erfordert.^27 Wahrend geographische, soziodemographische und psychographische Segmentierungskriterien lediglich Hintergrundcharakteristika der Nachfrager beschreiben.^^s spiegein verhaltensorientierte Segmentierungskriterien das Ergebnis von Kaufentscheidungsprozessen wider. Analog zu den vier Marketinginstrumenten lasst sich bei diesem Segmentierungsansatz eine Untergliederung in produkt-, preis-, kommunikations-, und vertriebsbezogene Merkmale vornehmen (vgl. Abbildung 4).^29
^24 Vgl. Kotler/Bliemel (2001), S. 360f. ^25 Vg\.Howard/Sheth {^969),S.4^6. ^26 ^27 ^28 ^29
Vgl. Prefer (1983), S. 46 und l^effert (2000), S. 188. Vgl. Bec/cer (2001), S.292f. Vgl. Bagozzi et al. (2000), S. 299. Vgl. Prefer (1983), S. 87.
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Verhaltensorientierte Segmentierungskriterien
Produktwahl
Preisverhalten
•
Kaufer/Nichtkaufer der Produktart
•
Markenwahl
'
Kaufvolumen
•
Preisklassen
'
Reaktion auf Sonderangebote Art und Zahl der Medien
Mediennutzung
Intensitat der Nutzung Betriebsformen
Wahl der Einkaufsstatten
GeschaftstreueZ-wechsel
Abbildung 4: Verhaltensorientierte
Segmentierungskriterien^^^
Im Hinblick auf die Produktwahl werden insbesondere drei Aspekte beleuchtet. Zunachst einmal ist von Interesse, ob Verbraucher bestimmte Produktarten kaufen Oder nicht. Mogliche Ansatzpunkte zur Marktsegmentierung in Bezug auf die Markenwahl konnen Markenkaufer bestimmter Marken oder Konsumenten von Marken bestimmter Marktschichten wie Premiummarken sein. Ein weiterer relevanter Aspekt ist das Kaufvolumen oder die Verbrauchsintensitat.^^^ EIne verhaltensorientierte Segmentierung bietet sich auch Im Hinblick auf das Preisverhalten an. Von Interesse sind hier insbesondere Parameter wie der Kauf in gewissen Preisklassen oder die Reaktion von Konsumenten auf Sonderangebote.^^2 Mittels einer Analyse im Hinblick auf Art und Anzahl der verwendeten Medien sowie deren Nutzungsintensitat konnen Werbetrager gezielt fur die verschiedenen Teilsegmente festgelegt werden. ^^^ Relevante Kriterien im Hinblick auf die Einkaufsstattenwahl sind in erster
^^0 In Aniehnung an Freter (1983), S. 46. ^^"^ Darunter versteht man die Kaufmenge, die Konsumenten inneriiaib eines bestimmten Zeitraums im Durciischnitt kaufen bzw. verbrauciien. Anhand dieser Angaben lassen sie sich in bestimmte Segmente wie Viel-, Normal- oder Wenig-Kaufer gliedern (vgl. Freter 1983, S. 88ff. und Becker 2001.S. 270ff.). "^^2 Allerdings mussen die ermittelten Ergebnisse zeitlich einigermaflen stabil sein, wenn daraus auf zukunftiges Kaufverhalten geschlossen werden soil (vgl. Meffert 2000, S. 210). Segmentierungen nach dem beobachtbaren Preisverhalten konnen sowohl produktbezogen als auch personenbezogen erfolgen. Ebenfalls denkbar ist eine Kombination beider Erfassungskonzepte (vgl. Bec/cer2001, 8.273). 133 \j\j\^^ daruber hinaus auch noch die interpersonelle Kommunikation beleuchtet, lasst sich zudem eine Unterteilung in Meinungsfuhrer und Meinungsfolger vornehmen (vgl. Vossebein 2000, S. 34).
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Linie Praferenzen bezuglich bestimmter Betriebstypen sowie die Geschaftstreue.^^"^ Verhaltensorientierte Kriterien weisen im Grolien und Ganzen eine vergleichsweise hohe Kaufverhaltensrelevanz auf und sind zudem relativ leicht messbar. Letzteres trifft insbesondere auf die IVIediennutzung zu, fur die gute Sekundarstatistiken verfijgbar sind.^^^ Insgesamt gelten verhaltensorientierte Segmentierungen als wirtschaftiiciier als der psychographische Ansatz,^^^ erfassen allerdings die Entstehung von Kaufentscheidungsprozessen nicht.^^^ Im Folgenden werden nun die auf Basis der oben beschriebenen Segmentierungskriterien entwickelten Sonderformen aggregierter Segmentierung im B2C-Bereich vorgestellt. Sie zeigen auf, inwieweit Trennscharfe und Aussagekraft von Segmentierungen durch spezifische Kriterienkombinationen substanziell erhoht werden konnen. Das Konzept der sozialen Schichtung ist als Sonderfall der soziodemographischen Segmentierung anzusehen.^^^ Der sozialen Schichtung liegt ubiicherweise eine Kombination der soziookonomischen Kriterien Einkommen, Beruf und Ausbildung zugrunde.^3^ Obwohl soziale Schichten anhand der drei herangezogenen
^34 Oft werden sie in Verbindung mit psychographischen Merkmalen zur Bildung einer Einkaufsstattentypologie herangezogen (vgl. Heinemann 1989), da sich eine direkte Ansprache spezifischer Konsumentengruppen als sehr schwierig erweist, falls die Wahl der Einkaufsstatte als isoliertes Segmentierungskriterium zum Einsatz kommt (vgl. Vossebein 2000, S. 35). ^^5 Vgl. Prefer (1983), S.93ff. ^^^ Vgl. Becker (2001), S. 293. ^^^ Dementsprechend lassen sie meist keine RCickschlusse darauf zu, wie lange das beobachtete Kaufverhalten anhalt, da es keine Hinweise darauf gibt, welche der verwendeten Variablen darauf konkret Einfluss haben. Somit bietet der alleinige Einsatz verhaltensorientierter Kriterien nur eine eingeschrankte Aussagekraft zur Identifizierung homogener Segmente und gewahrleistet haufig deren gezielte Ansprache nicht. Als sinnvoller erweist sich daher der Einsatz verhaltensorientierter Merknnale in Verbindung mit Kriterien aus anderen Kategorien (vgl. Scharfet al. 1996, S. 60ff. und Meffert 2000, S. 210). "^38 Unter einer sozialen Schicht versteht man eine grolie Anzahl von Einzelpersonen oder Haushalten, die durch denselben sozialen Status sowie durch gleichartige Lebensumstande gekennzeichnet ist. Daraus abgeleitet unterstellt man eine weitgehende Einheitlichkeit bezuglich des Konsumverhaitens (vgl. Pepels 2000, S. 70). ^^^ Vgl. u. a. Meffert (2000), S. 193f. und Berekoven et al. (2004), S. 245. Konsumenten unterer Schichten zeichnen sich im Allgemeinen durch eine leichte Praferenz fiir preiswertere Geschafte mit sozialen Kontaktmoglichkeiten aus. Angehorige hoherer Schichten hingegen weisen gewohniich ein anderes Kaufverhalten auf. Sie informieren sich besser und entscheiden eher rationaler und uberlegter (vgl. Kuhlmanr) 2001, S. 1514f.).
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Variablen relativ stabile homogene Gruppierungen verkorpern, verliert das Schichtenkonzept zunehmend an Bedeutung.^"^^ Eine weitere Sonderform der soziodemographischen Segmentierung stellt der so genannte Familien-Lebenszyklus 6ar.^^^ Gemafi dem Familien-Lebenszyklus wird das Leben von Konsumenten in mehrere Abschnitte unterteilt, denen jeweils ein spezifisches Konsumverhalten zugeordnet wird.^'^^ Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass die Stellung im Familien-Lebenszyklus stark mit dem Kauf bestimmter Produkte und Dienstleistungen korreliert, die in gewissen Lebensphasen verstarkt nachgefragt werden. Somit ist eine gewisse Aussagekraft im Hinblick auf Kaufe in der Produktart gegeben.^'^^ Wesentlich schwieriger ist allerdings eine trennscharfe Abgrenzung einzelner Segmente, die sich durch spezifische Bedurfnisse und unterschiedliche Reaktionen auf Marketing-Stimuli auszeichnen.^^^^ Analog zur sozialen Schichtung wird somit auch der Kaufverhaltensbezug dieses Konzepts dadurch eingeschrankt, dass lediglich Kriterien aus dem soziodemographischen Berelch zur Segmentbildung herangezogen werden. Die mikrogeographische Segmentierung ist eine Weiterentwicklung des herkommlichen makrogeographischen Segmentlerungsansatzes, der nur vage Bezuge zum Kaufverhalten herstellt^'^^ upd daher oft nicht aussagekraftig genug ist, um
^^^ Vgl. Becker (2001), S. 254. Fruher war es aufgrund eines viel starker ausgepragten Rollenverhaltens in der Gesellschaft wesentlich aussagekraftiger (vgl. Berekoven et al. 2004, S. 245). Das Verhalten von Konsumenten ist inzwischen jedoch verstarkt durch Individualisierungs- und Polarisierungstendenzen gekennzeichnet (vgl. Meffert 2000, S. 194) und insbesondere in nivellierten Mitteistandsgesellschaften weist die Schichtenzugehorigkeit einen eher geringen Bezug zu tatsachlichen Kaufhandlungen auf (vgl. Kuhlmann 2001, S. 1514f.). Somit fuhrt eine Segmentierung auf Basis der sozialen Schichtung oft zu Abgrenzungsproblemen und ermoglicht inzwischen nur noch selten die Bildung eindeutiger Marktsegmente zur Klassifizierung von Kaufern mit ahnlicher Lebensweise und gleichartigen Verhaltensmustern (vgl. Meffert 2000, S. 194). 'f^'f
Der Begriff Lebenszyklus bezeichnet den in mehrere Phasen eingeteilten Lebensablauf von Personen. Im vorliegenden Fall bildet die Familie das Bezugsobjekt fur diesen Lebensablauf (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 449f.). "^•^2 Der Familien-Lebenszyklus kombiniert mehrere demographische Merkmale zu einem Gesamtkonstrukt und macht dadurch Unterschiede im Kaufverhalten besser deutlich als eine herkommliche Segmentierung auf Basis einzelner soziodemographischer Angaben (vgl. Muller-Hagedorn 2001, S. 466). Als gSngige Kriterien werden hierfur der Familienstand, die Zahl der Kinder sowie das Alter der Haushaltsmitglieder bzw. Ehepartner herangezogen (vgl. u. a. Freter 1983, S. 54 und Meffert 2000, S. 193). Das Modell von Wells/Gubar (1966, S. 355ff.) unterscheidet z. B. neun Phasen im Familien-Lebenszyklus. ^^^ Vgl. Freter (1983), S. 55f. Dieser Zusammenhang ermoglicht bei vielen Produkten die Ableitung der Marktgrolie aus der Position von Personen im Familien-Lebenszyklus (vgl. Vossebein 2000, S. 27). '^^^ Vgl. Freter (1983), S. 56. Abgesehen davon wird die Aussagekraft dieses Segmentierungsansatzes zunehmend dadurch beeintrachtigt, dass immer mehr Verbraucher trotz unterschiedlicher Stellung im Familien-Lebenszyklus dasselbe Konsumverhalten hinsichtlich bestimmter Produktgruppen aufweisen (vgl. Vossebein 2000, S. 27f.). ^^5 Vgl. Me/feAt (2000), S. 189.
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eindeutig voneinander abgrenzbare Segmente zu erhalten. Die hinter dem mikrogeographischen Konzept stehende Grundidee ist die so genannte NeighbourhoodAffinitat, die von der Pramisse ausgeht, dass sich Personen mit ahnlichem Lebensstil und Sozialstatus sowie vergleichbarem Kaufverhalten raumlich konzentrieren.^'^^ Der mikrogeographische Segmentierungsansatz wurde in Deutschland in erster Linie fur Direktmarketing-Aktivitaten entwickelt,^'^'^ da Informationen uber (potenzielle) Kunden in diesem Bereicii die Grundlage fur die Segmentierung und Auswaiij von Zielgruppen bilden.^'^s IVIikrogeographische Konzepte konnen fur eine Vielzahl von Marketing-Aufgaben eingesetzt werden, u. a. fiir IVIarkt- und Kundenanalysen, fur Bewertungen von Interessenten und Kunden sowie zur Optimierung von Kommunikationsmafinahmen.^'^^ Ein professionell betriebenes Database-IVIarketing ist unabdingbare Voraussetzung fur eine erfoigreiciie iVIikrosegmentierung. Durch kontinuierliche Aktualisierung des Datenbestandes kann eine hinreichende Kaufwahrscheinlichkeit fur bestimmte Produkte vorliergesagt werden. Somit stellt die mikrogeographische Segmentierung einen wesentlich deutlicheren Bezug zum Kaufverhalten her als der herkommliche makrogeographische Ansatz und bietet dementsprechend auch sehr gute Anhaltspunkte fur einen gezielten Einsatz der IVlarketinginstrumente.^5^ Ihre Aussagekraft steigt dabei mit dem Grad der Feingliederung, mit der sich haufig auch der Homogenitatsgrad der einzelnen Segmente erhoht.^^t Der Haupt-
'^^^ Vgl. Meyer (1989), S. 343. Daher erfolgt im Rahmen dieses Segmentierungsansatzes eine raumiiciie Aufteilung der Endverbraucher in mciglichst kleine Wohngebietszeilen (vgl. Meffert 2000, S. 189). Zu diesem Zwecl< bildet man regionaie Bezugseinheiten wie Woiingebietstypen und konkretisiert sie mittels zusatziiciier demographischer und verhaltensorientierter Daten der Bewohner sowie Angaben uber die Ausstattung dieser geographischen Raume. Zur Gewinnung der hierfur benotigten informationen konnen neben Daten des Statistisciien Bundesamtes u. a. aucli Kundendaten von Telekommunikationsdiensten, Verlagen Oder Versandiiausern iierangezogen werden. Im Anschluss daran wird aus dem gesammelten Datenmaterial eine Regionaltypologie erstellt. Auch psychographische Daten aus Untersuchungen von Marktforschungsinstituten konnen hierfur mit berucksichtigt werden, denn je breiter das Spektrum an vorhandenen Informationen ist, desto besser lasst sich die Bevolkerung in den gebildeten Parzellen charakterisieren (vgl. Vossebein 2000, S. 127 und 130f. sowie Spintig 2001, S. 1128f.). Die Regionaltypologie kann mit unternehmensinternen Kundendaten kombiniert werden, so dass sich durch Zuordnung der Kunden zu Wohngebietstypen Ruckschlusse uber die Kundenverteilung innerhalb der Typologie Ziehen lassen (vgl. Meffert 2000, S. 191). Insgesamt bildet das mikrogeographische Konzept somit eine gute Ausgangsbasis zur „(...) optimalen Selektion von Zielgruppen durch die direkte und gezielte Bedienung derjenigen Gebiete Oder Adressen, in denen Kunden mit einem spezifischen Konsumverhalten zu erwarten sind" {Spintig 200^, S. 1129). ^^^ Vgl. Holland (1993), S. 83. ^"^^ Vgl. Holland (2000), S. 133. ^^^ Vgl. Holland (2000), S. 140ff. Bekannte Anbieter von Marketing-Dienstleistungen wie die Schober Information Group (www.schober.de), Acxiom Deutschland (www.acxiom.de) oder die AZ Direct GmbH (www.az-direct.com/site) fuhren umfangreiche Servicepakete zur Durchfuhrung mikrogeographischer Segmentierungen in ihrem Programm. ^50 Vgl. Meffert {2000), S. 189, 192. ^5^ Vgl. Martin (1993), S. 164ff.
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nachteil der mikrogeographischen Segmentierung ist jedoch der hohe erforderliche Aufwand in Bezug auf die Datenbeschaffung und -pfiege.^52 Das Lifestyle-Konzept beruht auf der Erkenntnis, dass die isolierte Verwendung psychographischer Segmentierungskriterien nur beschrankte Aussagen uber kaufrelevante Marktsegmente zulasst. Es knupft am Lebensstil der Konsumenten an,^53 der eine umfassende Beschreibung daruber liefert, wie Menschen ihr Leben fuhren, ihr Geld ausgeben und ihre Zeit verbringen-^^"^ Lifestyle-Untersuchungen basieren auf einem kaufertypologischen Ansatz, also der Beschreibung von Menschen anhand mehrerer Merkmale, so dass sich ahnelnde Konsumenten zu bestimmten Typen zusammengefasst werden konnen.^^s Derartige Typologien sind in erster Linie als Welterentwicklung der psychographischen Segmentierung zu verstehen.^^^ Die gangigen Kaufertypologien „(...) unterscheiden sich im wesentlichen durch die Kombination verschiedener Lebensstil-Merkmale sowie durch die Zielsetzung und das Aggregationsniveau der Typologie."^^^ Obwohl Lifestyle-Typologien in der Praxis grolien Anklang finden, existieren nur wenige etablierte Grundmodelle, die von Verlagen und Marktforschungsinstituten konzipiertwurden.^^^ Die so genannte Nutzensegmentierung (Benefit Segmentation) basiert auf dem Grundgedanken, dass das Kaufverhalten von den Nutzenerwartungen gelenkt wird,
^52 vgl. Vossebein (2000), S. 25. ^53 Vgl. Bec/cer (2001), S. 257. '^^^ Vgl. Freter (2001), S. 900. Zur Messung des Lebensstils existieren zwei unterschiedliche Vorgehensweisen. Einerseits kann er anhand der Produkte erfasst werden, die Personen erwerben. Dieses Konzept geht also davon aus, dass das Konsumverhalten die Personlichkeit und den Lebensstil von Verbrauchern widerspiegelt. Wesentlich bedeutsamer fOr Segmentierungszwecke ist allerdings der zweite Ansatz. Demnach verkOrpert der Lebensstil ein Beziehungssystem aus Aktivitaten, Interessen und Meinungen von Individuen (vgl. Frank et al. 1972, S. 58ff. und Wind/Green 1974, 8. 99ff.). ^55 Vgl. Bec/cer (2001), S. 257. ^^^ Vgl. Berekoven et al. (2004), 8. 245f. 8ie konnen jedoch - und dies ist in der Tat bei vielen neueren Typologie-Modellen auch der Fall - zus^tzlich demographische und verhaltensorientierte Variablen mit einbeziehen (vgl. Bec/cer 2001, 8. 258), wodurch sich ihre Aussagekraft deutlich erhohen lasst. ^^^ Meffert (2000), 8. 200. Der Bezugsrahmen des Lebensstilkonzepts kann dabei entweder allgemein gehalten Oder gezielt auf bestimmte Produktkategorien ausgerichtet sein. Dementsprechend unterscheidet nnan zwischen produktunabhangigen und produktbezogenen Typologien (vgl. Bec/cer 2001, S. 262ff.). Erstere bieten aufgrund der Verwendung produktunabhangiger Kriterien eine vergleichsweise hohe zeitliche Stabilitat, verfugen dafur aber nur uber eine eingeschrankte Kaufverhaltensrelevanz. Produktbezogene Typologien liefern hingegen detaillierte branchenspezifische Informationen, wahrend ihre Erhebungsergebnisse eine geringere zeitliche Stabilitat aufweisen, zumal auch Kaufmotive bei der Konzeption dieser Typologien eine bedeutsame Rolle spielen (vgl. Bauer etal. 2003, 8. 37ff.). 158 Vgl. Bauer et al (2003), S. 36ff.: Als Beispiele fur gangige Typologisierungsansatze lassen sich u. a. das 8inus Milieu-Modell von 8inus Sociovision, die Pkw-KSufer-Typoiogie von BauerMedia, die Euro-8ocio-8tyles der Gesellschaft fur Konsumforschung, die Typologie der Wunsche des Burda Advertising Center sowie die Outfit-5-Typologie des Spiegel-Verlags anfuhren.
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die Nachfrager im Hinblick auf ein bestimmtes Angebot hegen.^^p Der von (potenziellen) Kunden wahrgenommene Nutzen eines Produktes bzw. einer Dienstleistung wird dabei als Ausgangsbasis zur Bildung von Segmenten herangezogen.^^^ Indem sie unmittelbar an der Praferenzbildung der Konsumenten ansetzt, weist die Nutzensegmentierung einen vergleichsweise hohen Bezug zur Erklarung und Prognose des Kaufveriialtens auf^^^ und bietet dementsprechend auch wertvolle Anhaltspunkte fur einen zielgruppenspezifischen Einsatz des iVIarketinginstrumentariums.^^^ Ein auf NutzenenA/artungen beruhendes Segmentierungskonzept ermoglicht somit eine bessere Abstimmung des Angebots auf die Vorstellungen potenzieller Kaufer. Daruber hinaus konnen Unternehmen auch ihre Kommunikationspolitik gezielt auf den speziellen Nutzen ausrichten. Aufierdem lasst sich erkennen, inwieweit das eigene Produkt und die Angebote der Konkurrenz tatsachlich den Wunschen und Erwartungen der Kunden entspreciien.^^^ Ein weiteres Segmentierungskonzept ist der Single-Source-Ansatz auf Basis des Verbraucherpanels.^^^ Fur Segmentierungszwecke lassen sich im Rahmen des Verbraucherpanels verhaltensbezogene Variablen mit anderen Kriterienkategorien kombinieren, die gemafi dem Single-Source-Prinzip alle aus derselben Erhebungsquelle - also von den Panelteilnehmern - stammen. Gangige Verhaltensmerkmale sind in diesem Zusammenhang die Einkaufs- bzw. Verwendungsintensitat, das Markenwahlverhalten, das Preisverhalten, die Einkaufsstattenpraferenz und teilweise auch die Mediennutzung. Diese regeimafiig erhobenen Informationen lassen sich mit
^59 Vgl.Bec/cer(2001). S. 275f. ^^^ Vgl. Perrey/Holscher (2003), S. 8. Der Nutzen kann sich sowohl direkt auf Eigenschaften und Funktionen des Angebots beziehen als auch an das Gesamtimage und Prestige bestimmter Produkte gekoppelt sein (vgl. Bagozzi et al. 2000, S. 310). Die Nutzenmessung kann grundsatzlich auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Der kompositionelle Ansatz erfasst den Gesamtnutzenwert auf Basis merkmalsspezifischer Einzelbeurteilungen, die anschlieflend addiert werden. Im Gegensatz dazu bilden bei der dekonnpositionellen Erfassungsweise Gesamtnutzenurteile den Ausgangspunkt. Aus diesen werden dann die Nutzenbeitrage der einzelnen Komponenten ermittelt (vgl. Gutsche 1995, S. 75). Kompositionelle Verfahren sind zwar vergleichsweise leicht anwendbar, weisen dafur allerdings erhebiiche Nachteile auf. Zum einen tendieren die Befragten dazu, ijbermafiig viele Eigenschaften als besonders wichtig zu beurteilen. Zum anderen wird der Prozess der Kaufentscheidung infolge isolierter Merkmalsbetrachtungen nicht realitatsnah abgebildet. Abgesehen davon berucksichtigt die kompositionelle Erfassungsweise keine Wahlentscheidungen zwischen konkurrierenden Angeboten (vgl. Balderjahn 1993, S. 76f. und Gutsche 1995, S. 76). Da mit dem dekompositionellen Ansatz die angefuhrten Nachteile weitgehend vermieden werden konnen, etabliert er sich nach und nach als Standardansatz zur Nutzenmessung (vgl. Meffert 2000, S. 205). ^^^ Vgl. Giyfsc/7e(1995), S. 4 1 . ^^2 Vgl. Meffert (2000), S. 207. ^^3 Vgl. Kotleret al. (2003), S. 463. '^^'^ Die Bezeichnung „Single Source" bedeutet, dass alle Informationen einer einzigen Quelle entnommen sind, da die gesamten Daten von Panelteilnehmern stammen (vgl. Berekoven et al. 2004, S. 250).
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den Strukturdaten der Panelteilnehmer koppeln.^^^ Aufgrund des Single-SourcePrinzips lasst sich vor allem sehr gut nachvollziehen, ob sich geaufierte Ejnstellungen und Meinungen der Panelteilnehmer tatsachlich in einem entsprechenden Kaufverhalten niederschlagen.^^® Panelerhebungen unterliegen jedoch auch gewissen Einschrankungen. Zum einen ist hier die so genannte Panelsterblichkeit zu nennen, zum anderen wirkt sich auch das Phanomen des Paneleffekts negativ auf die Aussagekraft des Single-SourceAnsatzes aus. Dariiber hinaus ist noch die Panelerstarrung anzufuhren.^^^ Aus diesen GriJnden bedurfen Panels regelmafllger und umfassender Kontrollen sowie kontinuierlicher Auffrischungen.^^^ Die Ausfuhrungen zu den Segmentierungsansatzen zeigen, dass Untemehmen zur Blldung von Marktsegmenten auf eine ganze Reihe unterschiedllcher Konzepte zurijckgreifen konnen. Besonders vielversprechend erscheinen dabei diejenigen Ansatze, die Segmentierungsknterien aus mehreren verschiedenen Kategorien miteinander kombinieren. Die dadurch erzielbare hohere Aussagekraft bringt jedoch auch mehr Aufwand mit sich. Regelmafiige Datenpflege und -aktualisierung ist daher fur eine erfolgreiche Nutzung spezieller Segmentierungskonzepte unverzichtbar, zumal insbesondere beim Einsatz verhaltenspsychologisch orientierter Ansatze wie Nutzen- Oder Lebensstil-Segmentierungen schon nach relativ kurzer Zeit mit einem Einstellungs- und Verhaltenswandel der Nachfrager zu rechnen ist.^^^ Weiterhin ist deutlich geworden, dass fortgeschrittene Segmentierungskonzepte haufig die Inanspruchnahme externer Dienstlelstungen erfordern. Nichtsdestotrotz ist es aber zur Generierung elgenen Know-hows unabdingbar, dass auch in den Unternehmen selbst adaquate Rahmenbedingungen fur Marktsegmentierungsaktivitaten geschaffen werden. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Bereitstellung von geeigneten Kundendatenbanken eine wichtige Rolle. Auf diese Weise verfugen Unternehmen nicht nur uber eine gute Ausgangsbasis fur ihren zukunftigen Markterfolg, sondern konnen sich so auch selbst einen besseren Uberblick uber Nutzen und
"^^^ Daruber hinaus konnen uber Paneleinfragen zusatzlich Auskunfte uber Einstellungen oder das Verbrauchs- und Verwendungsverhalten der Teilnehmer ermittelt werden. Durch die Verknupfung all dieser Daten bietet das Panel somit eine wertvolle Ausgangsbasis fur Erfolg versprechende Segmentierungsaktivitaten. ^^^ Vgl. Berekoven etal. (2004), S. 250. ^^^ Diese tritt im Laufe der Zeit aufgrund von Veranderungen soziodemographischer Merkmale wie Alter, Familienstand und Einkommen auf und fuhrt letztendlich dazu, dass die Panelstrichprobe nicht mehr der Grundgesanntheit entspricht und dadurch ihre statistische Reprasentativitat einbufit (vgl. Rogge 1981, S. 122ff. und Hansen 1982, S. 107ff.). ^^^ Vgl. Berekoven/Spintig (2001), S. 1243. ^^^ Vgl. eec/cer (2001), S. 291.
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Potenzial ihrer Segmentierungen verschaffen. Gleichzeitig reduzieren sie dadurch auflerdem ihre Abhangigkeit von extemen Dienstleistungsanbietern.
Stand der Forschung Im vorangegangenen Abschnitt zu den Segmentierungskriterien und -ansatzen^^^ wurde gezeigt, dass Unternehmen zur Bildung von Marktsegmenten viele verschiedene Moglichkeiten offen stehen. Ob diese Konzepte in der Untemehmenspraxis jedoch tatsachlich Verwendung finden, ist damit allerdings noch nicht geklart. Bis dato liegen nur wenige Forschungsergebnisse vor, die sich mit dem Segmentierungsveriiaiten von Unternehmen befasst haben. Exemplarisch werden im Folgenden die Arbeiten von Cross et al. (1990), Danneels (1996) und Sausen/Tomczak (2003) kurz vorgestellt.^^y Cross et al. (1990) konzentrieren sicii in ilirer Studie auf die praktische Umsetzung von Segmentierungsansatzen und berucksiclitigen in diesem Zusammenhang auch, dass die Unternehmensumwelt einen madgebiiciien Einfluss auf die verwendeten Segmentierungsansatze ausubt. Im Rahmen ihrer Untersuchung fuhren die Autoren 32 explorative Telefoninterviews mit Marketing- und Produktmanagern aus den Branchen KonsumgiJter, Investitionsguter sowie Dienstleistungsanbietern aus dem B2B- und B2C-Bereich durch. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Unternehmen unterschiedliche Schwerpunkte bei ihren Segmentierungsaktivitaten setzen, je nachdem, ob sie Outer oder Dienstleistungen anbieten bzw. dem B2B- oder dem B2C-Bereich zuzuordnen sind. So bilden im B2B-Bereich Firmencharakteristika (85%) und im B2C-Bereich demographische Merkmale (82%) die wichtigsten Segmentierungsvariablen. In Bezug auf die Kriterien zur Segmentbildung kommt der praktischen Durchfuhrbarkeit einer Marketingaktion insgesamt die groflte Bedeutung zu (77%). Als wichtigstes Kriterium zur Auswahl von Zielsegmenten dient insgesamt die Marktgrofie eines Segments (86%), wobei dieser Aspekt insbesondere bei Anbietern von B2B-Dienstleistungen mit einem Anteil von 93% eine uberragende Bedeutung einnimmt. Was die jeweilige Oestaltung des Marketing-Mix zur Bearbeitung der verschiedenen Segmente betrifft, zeigt sich, dass spezifische Werbebotschaften und -medien sowie segmentspezlfische Produkt- bzw. Dienstleistungsgestaltung in der Oesamtbetrachtung als wichtigste Komponenten der Kundenansprache gelten, wo-
"^^^ Auf die verschiedenen multivariaten Methoden zur Segmentierung von Markten wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Der interessierte Leser sei hierzu auf die einschiagige Literatur (z. B. Backhaus et al. 2003) verwiesen. ^^^ Weitere vergieiciibare Studien finden sich bei Meadows/Dibb (1998, S. 266ff.), Dibb/Simkin (2001, S. 609ff.) und Sausen (2003).
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bei die Einzelwerte je nach Unternehmenskategorie stark voneinander abweichen. So ist ein segmentspezjfjsches Produkt- und Dienstleistungsangebot im B2CBereich wesentlich bedeutsamer als im B2B-Bereich. Die Autoren bemangein in ihrem Fazit u. a., dass die theoretischen Segmentierungsansatze den Einfluss der Unternehmensorganisation auf das Segmentierungsverhalten nicht erfassen und die Kosten fur die Verwendung der verschiedenen Ansatze von den Praktikern nur schwer abzuschatzen sind. Danneels (1996) analysiert das Segmentierungsverhalten im beigischen Bekleidungseinzelhandel. Zu diesem Zweck wurde eine Stichprobe von insgesamt 22 Einzelhandlern ausgewahlt. Die Durchfuhrung der Untersuchung erfolgte mittels teilstandardisierten Tiefeninterviews, in denen die Teilnehmer ihre Sichtweisen und Praktiken in Bezug auf IVlarktsegmentierungen darlegten. Die Ergebnisse zeigen, dass im beigischen Bekleidungseinzelhandel die Schritte Segmentierung, Zielmarktbestimmung und Positlonierung tendenziell nicht in einer chronologischen Abfolge stattfinden, sondern vielmehr im Rahmen eines iterativen Feedback-Prozesses miteinander verknijpft sind. Diese Erkenntnis trifft sowohl auf kleinere als auch auf grofiere Geschafte zu. So lauft beispielsweise die Gestaltung des Geschaftskonzepts bei den untersuchten Unternehmen sehr unkonventionell ab - im Gegensatz zum normativen Segmentierungsmodell fijhrte kein Unternehmen aus der Stichprobe vor der Entwicklung seines Geschaftskonzepts eine formale Segmentlerungsstudle durch. Auch die Definition der Zielmarkte erfolgt nicht nach einem bestimmten Schema. Grundsatzlich erkennen die Befragten zwar, dass sie nicht alle Kundengruppen bedienen konnen, eine genaue Festlegung auf bestimmte Zielgruppen findet jedoch in Regel nicht statt. Die Befragten fuhren als Begrundung an, dass sie ihren Absatz maximieren wollten. Markt- und Segmentierungsforschung wird im beigischen Bekleidungseinzelhandel vor allem post hoc durchgefuhrt: Solange entworfene Geschaftskonzepte die erwunschten Umsatze bringen, werden derartige Aktivitaten nicht in Betracht gezogen. Danneels kritisierte abschliefiend die mangelnde Flexibilitat des klassischen wissenschaftlichen Segmentierungsmodells, das eine strikte Schrittfolge unterstellt, ohne dabei in Betracht zu Ziehen, dass praktisches Segmentierungsverhalten offenbar eher den Charakter eines kontinuierlichen Lern- und Verbesserungsprozesses aufweist, der im direkten Gegensatz zu einem chronologischen Vorgehen steht. Die Studie von Sausen/Tomczak (2003) tragt wie die Studie von Cross et al. (1990) der Tatsache Rechnung, dass die Segmentierungsaktivitaten stark vom Umfeld des jeweiligen Unternehmens gepragt sind. Die Autoren untersuchen - getrennt nach den Branchen Dienstleistungen, Konsumguter und Handel/Distribution - das Segmentierungsverhalten von Schweizer Unternehmen. Die Untersuchungsziele fokussieren auf die Vorgehensweise bei der Segmentbildung sowie die Kriterien zur Seg68
mentierungsbewertung. Die Autoren wahlen die Erhebungsmethode der schriftlichen Befragung und erhalten Antworten von 62 Fuhrungskraften aus den Bereiclien Marketing und Vertrieb. Im Ergebnis zeigt sich, dass je nach Branche unterschiedliche Schwerpunkte bei der Marktsegmentierung gesetzt werden. So ist zu konstatieren, dass Konsumguterhersteller tendenziell intensiver segmentieren als Dienstleistungs- und Handelsunternehmen. Des Weiteren wird deutlich, dass alle Unternehmen die Segmentierungsmoglichkeiten nur in begrenztenn Mafie ausschopfen. Nur 69% der untersuchten Schweizer Dienstleistungsunternehmen setzen geographische Kriterien zur Marktsegmentierung ein, 56% von ihnen verwenden verhaltensorientierte Kriterien; der Methode der sozialen Schichtung bedienen sich 42%. Psychographisciie Merkmale werden im Konsumguterbereich wesentlich intensiver genutzt als in den beiden anderen untersuchten Branchen. Sausen/ Tomczak nehmen hier jeweils eine differenziertere Abstufung vor, indem sie zwischen allgemeinen und produktbezogenen Kriterien unterschieden. 79% der Schweizer Konsumguterhersteller setzen produktbezogene und 29% allgemeine psychographische Merkmale ein. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich nur sehr wenige Studien mit Fragestellungen praktischer Marktsegmentierungen auseinandersetzen. Grundsatzlich besteht also weiterhin erheblicher Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Segmentierungspraxis. Speziell fur den deutschen Markt liegen nach Kenntnis der Autoren bislang noch keine derartigen Untersuchungen vor. Dies ist umso kritischer als die vorgestellten Studien darauf hin deuten, dass sich die Vorgehensweise bei der Segmentierung je nach Geographie und betrachteter Branche doch deutlich unterscheiden kann. Der vorliegende Beitrag liefert mit seiner Untersuchung des Segmentierungsverhaltens deutscher B2C-Unternehmen einen ersten Ansatz, diese Forschungslucke zu schliefien.
Feldstudie In Aniehnung an die von Sausen/Tomczak (2003) durchgefuhrte Studie zum Stand der Marktsegmentierung in Schweizer Unternehmen untersuchen die Autoren in Deutschland ansasslge Konsumguterhersteller und Dienstleistungsunternehmen in Bezug auf gangige Segmentierungskriterien und -ansatze sowie die praktische Bedeutung multivariater Methoden zur Marktsegmentierung. Dieser Theorie-PraxisVergleich soil Aufschluss uber das Segmentierungsverhalten im deutschen B2C-Bereich geben und zielt diesbezuglich auch darauf ab, ungenutztes Segmentierungspotenzial zu identiflzieren. Als Erhebungsmethode wird aus Grunden der Erhebungsokonomie die schriftliche Befragung per E-Mail gewahlt. Abbildung 5 gibt einen Uberblick uber die Befragungsschwerpunkte. 69
Zwischen dem 12. und 25. April 2005 wurde der Fragebogen per E-Mail an 509 in Deutschland ansassige Konsumguter- und Dienstleistungsuntemehmen aus verschiedenen Branchen^'^2 verschickt. Die Rucklaufquote betrug 11,2%.^^^ Von den Teilnehmern an der Umfrage gehoren uber 84,2% der Konsumguterindustrie und knapp 15,8% der Dienstleistungsbranche an; fast 59,7% der befragten Unternehmen beschaftigen zwischen 50 und 1.000 und 31,5% der befragten Unternehmen beschaftigen mehr als 1.000 Personen; die restlichen 8,8% Prozent entfallen auf Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern. Befragungsschwerpunkte
Einsatz von Segmentierungskriterien
Einsatz spezieller Segmentierungsansatze
Einsatz muitivariater Methoden
•
Verwendung geographischer, soziodemographischer, psychographischer und verhaltensorientierter Segmentierungskriterien
•
Art und Anzahl der in der Praxis verwendeten Kriterienkategorien
•
Verwendung von sozialer Schichtung, Fannilien-Lebenszyklus, mikrogeographischer Segmentierung, Lifestyle-Typologien, Nutzensegmentierung und Single-Source-Ansatzen
•
Verwendung von Faktorenanalyse, Clusteranaiyse, Multidimensionaler Skalierung, Neuronalen Netzen, Kontrastgruppenanalyse, Diskriminanzanalyse und Conjoint Measurement
Abbildung 5: Befragungsschwerpunkte
Uber 85% der Befragten nehmen sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Dienstleistungen fur Segmentierungszwecke in Anspruch. Lediglich knapp 15% greifen ausschliefilich auf interne bzw. externe Dienste zuruck.
"^^2 Dje untersuchten Branchen umfassen Automobil, Elektro- und HaushaltsgerSte, Haushaltswaren, Mobel, Telekommunikation, Photographie, Schuh- und Bekleidungsindustrie, Sport und Freizeit, Spielwaren, Zeitsciiriften und Verlage, alkoholfreie Getranke, Tee und Kaffee, Brauereiprodukte, Milchprodukte, Suflwaren und Snacks, Lebensmittel allgemein, Korperpflege und Kosmetik, Pharmaprodukte, Tourismus, Banken und Versicherungen. 173 Im Folgenden werden die Ergebnisse auf Basis der 57 beantworteten Fragebogen dargestellt.
70
Art der Dienstleistungen zur Segmentierung n = 55
47,3%
50% n
38.2%
40% 30% 20% -
9,1% 10%n% -
5,5%
1
1
Ausschliel^lich externe
Uberwiegend externe Uberwiegend interne Ausschlielilich interne
Abbildung 6: Art der Dienstleistungen zur Segmentierung
Diejenigen Untemehmen, die beide Arten von Dienstleistungen verwenden, haben bessere Voraussetzungen zur Durchfuhrung erfolgreicher Marktsegmentlerungen, da sie nicht nur eigenes Know-how einsetzen, sondern daruber hinaus auch die Kompetenz externer Anbieter fur ihre Segmentierungsaktivitaten nutzen. Durch eine bedarfsgerechte Kombination beider Arten von Serviceleistungen kann das Spektrum an Segmentierungsmoglichkeiten definitiv besser ausgeschopft werden als bei einseitiger Konzentration auf nur eine Dienstleistungsart. Auffallend hoch ist die praktische Relevanz soziodennographischer Segmentierungskriterien, die bei uber 80% der Befragten zum Einsatz kommen. Dieses Ergebnis unterstreicht den in der Fachliteratur hervorgehobenen hohen Stellenwert soziodennographischer Informationen, die in ihrer Zusatzfunktion als segmentbeschreibende Variablen auch dann herangezogen werden, wenn inn Endeffekt nach anderen Kriterien segmentlert wird. Mit ebenfalls uber 80% Nutzungshaufigkeit erfahren auch geographische Kriterien eine breite Anwendung In der Unternehmenspraxis. Im Gegensatz dazu setzt weniger als die Halfte der Umfrageteilnehmer psychographische Segmentierungskriterlen ein. Auch den verhaltensorientlerten Kriterien konnnnt in der Segmentierungspraxis im Vergleich zu geographischen und soziodemographischen Merkmalen eine eher untergeordnete Bedeutung zu - sie werden lediglich von knapp 55% der Befragten eingesetzt (vgl. Abbildung 7).
71
Einsatz von Segmentierungskriterien n = 57
100,00%!
80,00% -
60,00% -
40,00% -
82,5%
80.7%
Soziodemographische Kriterien
Geographische Kriterien
54,4% 45,6%
20,00%-
0,00% Verhaltensorientierte Kriterien
Psychographische Kriterien
Abbildung 7: Einsatz von Segmentierungskriterien
Die Frage nach der Art der verwendeten Segmentierungskriterien ermoglicht auch eine Analyse daruber, wie viele Kriterlenkategorien bei den befragten Unternehmen kombiniert zum Einsatz kommen. Die Auswertung ergibt, dass 54,4% mindestens drel Gruppen von Kriterien heranzlehen. 33,3% der Befragten verwenden zumindest zwei Kriteriengruppen, wahrend bei den restlichen 12,3% hochstens ein Segmentierungskriterium eingesetzt wird. Grundsatzlich zeigen diese Ergebnisse aber, dass die Mehrheit der Unternehmen nach mehreren verschiedenen Kriterlenkategorien segmentiert und dadurch die Mogllchkeit wahrnimmt, aussagekraftigere Segmentierungsresultate zu erzlelen. Bel den spezlellen Segmentlerungsansatzen erweist sich die (Llfestyle-)Typologie in der deutschen Unternehmenspraxis als der mit Abstand bedeutsamste Segmentierungsansatz. 73,7% der Befragten grelfen auf dieses Konzept zuruck.^74 An zweiter Stelle folgt der Single-Source-Ansatz mittels Verbraucherpanel mit einer Anwendungshauflgkeit von knapp 52,6%. Die sozlale Schichtung (49,1%) und der FamillenLebenszyklus (47,4%) werden Jewells fast ebenso haufig wie der Slngle-Source-
^^^ Dieser Wert ist vergleichbar mit den Ergebnissen von Drieseberg (1992, 8. 18ff.), der angibt, dass 96% der von ihm befragten Unternehmen Lifestyle-Typologien kennen und immerhin 76% diese auch fur ihre MarketingaktivitSten heranzlehen.
72
Ansatz fur Marktsegmentierungen herangezogen, obwohl die Aussagekraft beider Konzepte im Vergleich zu anderen Segmentierungsansatzen aufgrund der ausschliefilichen Verwendung soziodemographischer Kriterien vergleichsweise begrenzt jst. Erheblich weniger Anklang in der Praxis findet hingegen die Nutzensegmentierung, die lediglich 38,6% der Befragten einsetzen.^^s Auffallend gering ist die Nutzungshaufigkeit der mikrogeographischen Segmentierung, die bei lediglich 21,1% der Befragten zum Einsatz kommt (vgl. Abbildung 8). Im Hinblick auf die VenA/endung multivariater Analysemethoden ist zunachst einmal feststellen, dass die Clusteranalyse ihrer in der Literatur hervorgehobenen hohen Bedeutung fur Marktsegmentierungen gerecht wird - dieses Verfahren kommt bei 59,7% der Umfrageteilnehmer zum Einsatz. Eine vergleichsweise hohe Praxisrelevanz kommt auch der Faktorenanalyse zuteil, die bei 49,1% der Befragten Anwendung findet. Weitaus weniger verbreitet in der Segmentlerungspraxis sind hingegen die Multidimensionale Skalierung sowie das Conjoint Measurement. Beide Methoden werden jeweils von lediglich 22,8% der Umfrageteilnehmer verwendet.^''^ Noch weniger Anklang in der Segmentlerungspraxis finden die Kontrastgruppenanalyse (15,8%) und die Diskriminanzanalyse (14,0%). Die mit Abstand geringste praktische Bedeutung unter den abgefragten multivariaten Analysemethoden weisen allerdings Neuronale Netze auf (5,3%).
'^^^ Dieses Ergebnis bestatigt die von Perrey/Holscher (2003), S. 8 angefijhrte „(...) Praxiszuruckhaltung in der Anwendung nutzenorientierter Segmentierungskonzepte (...)". Die Autoren fuhren als Begrundung hierfijr u. a. die Schwierigkeit einer vollstandigen und validen Erfassung des Kundennutzens an und weisen in diesem Zusammeniiang darauf hin, dass Nutzensegmentierungen oft wenig konkret und damit zu abstrakt seien. Dies verhindere eine Einbeziehung der Segmentierungsergebnisse in Strategien und Mafinahmen zur Marktbearbeitung (vgl. Perrey/ Holscher 2003, S.dff.). ^^^
Die geringe praktische Bedeutung der Conjoint Analyse bestatigt auch die Aussagen von Perrey/Holscher (2003, 8. 9), die die hohe Komplexitat der verschiedenen Conjoint-Verfahren kritisieren, die dazu fuhrt, dass Unternehmen aus Zeit- und Kostengriinden haufig auf deren Einsatz verzichten.
73
Einsatz spezielle r Segmentierungsansatze n = 57
100% 90% 80% • 70% • 60% 50% 40% 30% -
73,7% 52,6%
20% -
47,4%
38,6%
49,1%
21,1%
10% 0% Verbrauch erpanel
Nutzensegmentierung
(Lifestyle -) Typologien
Abbildung 8: Einsatz spezieller
Mikrogeographische Segmentlerung
FamilienLebenszyklus
Soziale 1 Schichtung 1
Segmentierungsansatze
Die Auswertung macht somit deutlich, dass multivariate Analysemethoden - abgesehen von der Faktoren- und der Clusteranalyse - in der Praxis nur selten fur Segmentierungszwecke eingesetzt werden. Tendenziell erfolgt der Einsatz dieser Verfaiiren in grofieren Unternehmen, wie die Befragung zeigt. Grunde fur die zuruckiiaitende Nutzung dieser Verfaiiren konnten u. a. Vorbeiiaite gegenuber mathematischen Darstellungen oder mangelnde Kenntnisse der iVIethoden und ihrer Moglichkeiten sein, wie Backhaus et al. (2003, S. 2) anfuhren.
74
Verwendung multivariater Methoden zur Marktsegmentierung n = 57
100% -
80%59,7% 60%-
49,1%
40%22,8%
22,8% 14,0%
20%-
15,8% 5,3%
1 1
0% •
Conjoint
Diskriminanz-
Kontrast-
Neuronale
Multidi-
Ouster-
Faktoren-
Measurennent
analyse
gruppen-
Netze
nnensionale
analyse
analyse
analyse
Skalierung
Abbildung 9: Verwendung multivariater Methoden zur
Marktsegmentierung
Fazit Untemehmen sehen sich heutzutage enormen Herausforderungen bei der Sicherstellung ihres Markterfolges gegenuber. Markt- und Kundenorientierung spielt hierbei eine immer wichtigere Rolle. Marktsegmentierung ist eine unabdingbare Voraussetzung fur Untemehmen, ihr Kundenverstandnis zu optimieren. Unternehmen steht zur Bildung von Marktsegmenten eine ganze Reihe unterschiedlicher Konzepte zur Verfugung. Besonders vielversprechend erscheinen dabei diejenigen Ansatze, die Segmentierungskriterien aus mehreren verschiedenen Kategorien miteinander kombinieren. Zur Umsetzung dieser Konzepte in der Unternehmenspraxis liegen bislang nur relativ wenige Forschungsarbeiten vor. Der vorliegende Beitrag liefert erste Erkenntnisse uber das Segmentierungsverhalten von B2C-Unternehmen in Deutschland. Die Analyse zeigt, dass die Mehrheit der in der Fachliteratur als bedeutsam beschriebenen Kriterien, Ansatze und multivariaten Methoden zur Marktsegmentierung im B2C-Bereich grundsatzlich auch in der Praxis oft zum Einsatz kommt. Nichts-
75
destotrotz liegt definitiv noch erhebliches Segmentierungspotenzial brach. Wahrend die Anwendung der gangigen Segmentierungskriterien inzwischen verhaltnismaflig weit verbreitet ist, kommen in der Fachliteratur als sehr aussagekraftig gelobte Ansatze wie die Nutzensegmentierung Oder die mikrogeographische Segmentierung in der Unternehmenspraxis dagegen vergleichsweise selten zum Einsatz. Das groftte ungenutzte Potenzial wurde jedoch im Bereich der multivariaten Analysemethoden identifiziert. Abgeselien von der Cluster- und der Faktorenanalyse spielen derartige Verfahren in der Segmentierungspraxis kaunn eine Rolle. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind gefordert, den notwendigen Transfer in die Unternehmenspraxis zu leisten. Mogliche Grunde fur den zurijckhaitenden praktischen Einsatz bestimmter Kriterienkategorien, Segmentierungsansatze und multivariater Analysemetiioden sind im Rahmen zukunftiger Forschungsarbeiten zum Thema zu klaren.
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Kundenzufriedenheitsmessung bei Low-lnvolvement-Produkten Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Vor der Liberalisierung des Strom ma rktes 1998 war die deutsche ElektrJzitatswirtschaft durch monopolistische Versorgungsstrukturen gekennzeichnet. Energieversorgungsunternehmen hatten fur vertraglich abgegrenzte Versorgungsgebiete das alleinige Recht, aber auch die Pflicht einer sicheren und moglichst kostengunstigen Versorgung. Es wurde zwischen den Mitgliedsstaaten der Europaischen Union immer wieder diskutiert, den Energiemarkt fur den Wettbewerb zu offnen. Im Dezember 1996 konnte dann durch die Richtlinie „betreffend gemeinsame Vorschriften fur den Elektrizitatsbinnenmarkt" Einigung erzielt werden. Sie wurde in Deutschland am 29.April 1998 durch eine Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes umgesetzt. Ziel dieser Richtlinie war die Einfuhrung weitreichender Wettbewerbselemente. So konnten beispielsweise Stromkunden von nun an den Anbieter frei wahlen.^^'' Durch die Liberalisierung werden Fragen zu Kundenbindung und Kundenzufriedenheit auch fur Energieversorger relevant. Die Tatsache, dass das Produkt Strom den Low-lnvolvement-Gutern zuzuordnen ist,^''^ hat Implikationen fur die Entstehung und insbesondere die Messung von Kundenzufriedenheit. Eine Analyse der in der Literatur gebrauchlichen Messtechniken zeigt, dass sie den Charakteristika des Low-lnvolvement-Produkts Strom nicht in alien Berelchen gerecht werden. Aus diesem Grund werden im Folgenden alternative Vorgehensweisen untersucht. Hierzu wird zunachst eine Zufrledenheitsstudie mit privaten Stromkunden durchgefuhrt. Auf Grundlage dieser Analyse wird dann die Messeignung verschiedener Skalen diskutiert.
Probleme der Messung von Kundenzufriedenheit mit dem Produkt Strom In der Literatur sind zahlreiche Instrumente zur Erfassung von Kundenzufriedenheit zu flnden.^79 ES besteht jedoch weitgehende Ubereinstimmung, dass eine valide Messung nur subjektive Verfahren gewahrleisten konnen. Aus diesem Grund werden diese im Folgenden kurz eriautert. Subjektive Verfahren ermittein die interindividuell unterschiedlich ausgepragte Zufriedenheit. Es werden somit keine direkt beobachtbaren Grolien, sondern das vom Kunden empfundene Zufriedenheitsurteil erfasst.^^^ Besondere Aufmerksamkeit gehort in diesem Bereich den expllziten Verfahren. Die^^7 Vgl. Fritz/Konig (2000), S. 3ff. ^^S Vgl. Bakay (2003), S. 57ff. ^''^ Vgl. Ka/ser(2002), S. 108ff. ^^^ Vgl. Homburg/Rudolph (1998), S. 48.
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se beinhalten die direkte Befragung der Kunden.^^^ Es wird dabei in eindimensionale und mehrdimensionale (multiattributive) Techniken unterschieden: Eindimensionale Verfahren erfassen die Kundenzufriedenheit mit nur einer Frage. Daraus resultiert ein globales Kundenurteil. Problematisch hierbei ist, dass diese IVIesstechnik keinerlei Handlungsempfehlungen fur das Untemehmen zulasst.^^^ ^yf der anderen Seite konnen durch die Messung der Globalzufriedenheit - vorausgesetzt die Messung wird wiederholt durchgefuhrt - Veranderungen im Zeitablauf beobachtet werden. Auf die Erhebung der Globalzufriedenheit sollte demzufolge nicht verzichtet werden, zumal das Wissen urn eine Veranderung dieser Grofie in der Praxis einen hohen Stellenwert hat.^^^ Demgegenuber steht die multiattributive Messung von Kundenzufriedenheit. Hierbei werden Zufriedenheitswerte zu einzelnen Leistungsattributen eines Unternehmens erhoben. Fur das Ableiten konkreter Handlungsempfehlungen aus der Zufriedenheitsanalyse sind Kenntnisse hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen Leistungsparameter unverzichtbar. Aus diesem Grund sollte Im Rahmen eines Zweikomponentenansatzes die Wichtigkeit der Teilleistungen separat erfragt werden.^^"^ Die Anwendung der multiattributiven Messtechnik im Strommarkt erscheint jedoch nicht unproblematisch. Bel Low-lnvolvement-Gutern stutzen Kunden ihr Zufriedenheitsurteil in der Regel auf sehr wenige Teilleistungen.^^^ Ein weiteres wichtiges Problem der Kundenzufriedenheitsmessung im Strommarkt ist die mangelnde kognitive Beschaftigung vieler Stromkunden mit dem Produkt. Aus diesem Grund wird die Zufriedenheitsanalyse in dieser Studie um alternative Modelle erweitert. Auf diesem Weg sollen den Befragten konkrete Anhaltspunkte fur eine bessere Produktbeurteilung gegeben werden. •
(Un-)Zufriedenheit entsteht durch die (Nicht-)Erfullung von Erwartungen: Diese Uberlegung basiert auf dem in der Kundenzufriedenheitsforschung viel beachteten Confirmation/Disconfirmation-Paradigma. Diese Theorie beinhaltet einen Vergleichsprozess zwischen der subjektiv wahrgenommenen Leistung (Ist-Leistung) und einem Vergleichsstandard (Soll-Leistung). Hierbei werden vor allem Erwartungen als Anspruchsniveau angenommen. Entspricht die Leistung dem gewahlten Anspruch, resultiert Zufriedenheit, ebenso bei posi-
^^^ Vgl. Werner {^998), S. 150. ^^2 Vgl. Topfer (1999), S. 307. ^^2 Vgl. Scharioth (1995), S. 3 1 . ^^^ Vgl. Topfer (1999), 8. 317. ^^^ Vgl. Matzler (1997), 8. 211. Diesem Sachverhalt wird jedoch eine Messung im Rahmen eines Zweikomponentenansatzes gerecht. Auf diesem Weg konnen die entscheidenden Leistungsattribute identifiziert werden.
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tiver Diskonfirmation. Eine negative Erwartungsdiskonfirmation bewirkt hingegen Unzufriedenheit.^s^ •
(Un-)Zufriedenheit resultiert aus einer gefuhlsbetonten Einschatzung: Kundenzufriedenheit wird als affektive Reaktion auf ein wahrgenommenes Konsumerlebnis verstanden.^^^ Dieses Modell stellt somit die emotionale Komponente der Zufriedenheit in den Vordergrund.
•
(Un-)Zufriedenheit entsteht durch das Abwagen von Vor- und Nachteilen gegenuber alternativen Anbietern: Dieses Modell beinhaltet einen rationalen Vergleich zwischen verschiedenen Stromversorgungsunternehnnen.
Studiendesign und Ergebnisse Die Erhebung wird mittels eines strukturierten Fragebogens durchgefuhrt. Dieser umfasst zunachst eine traditionelle Globalbeurteilung. Des Weiteren werden globale Zufriedenheitswerte im Rahmen der vorgestellten alternativen Modelle erhoben. Hierzu werden funfstufige Ratingskalen einschliefilich einer „kann ich nicht beurteilen"-Kategorie verwendet.^^^ Die Erfassung der ennotional gepragten Zufriedenheit erfolgt durch die Kunin-Skala, eine affektiv-grafische Skala zur Messung von Kundenzufriedenheit.^^9 Im zweiten Abschnitt des Fragebogens wird die Zufriedenheit mit einzelnen Teilleistungen eines Stronnversorgers multiattributiv erfasst. Parallel erfolgt hier die Abfrage der Wichtigkeit jedes Leistungsnnerkmals im SInne des Zweikomponentenansatzes. Anschlieftend wird ermlttelt, welche Zufriedenheitsmodelle fur die Beurteilung der einzelnen Teilleistungen angenommen werden konnen. Hierzu werden die Befragten gebeten, bel jedem Leistungsattribut ihre Bewertungsgrundlage anzugeben. Analog zu Abschnitt eins konnen sie neben der „keine Angabe"-Kategorie zwischen der Erwartungsdiskonfirmation, der gefuhlsbetonten Einschatzung und der Beurteilung durch einen rationalen Vergleich wahlen. Der Abschnitt Soziodemographika umfasst Fragen nach Geschlecht und Alter, sowie eine Frage zum Beschaftigungsverhaltnis. Die Datenerhebung erfolgte im August 2003. Es wurden 170 Fragebogen an Privathaushalte versandt, nach Ausschluss der fehlerhaft oder unvollstandig beantworteten Bogen bilden 100 die Datenbasis. Die Stichprobe ist durch folgende soziodemographische Struktur gekennzeichnet: An der Befragung haben uberwiegend Manner
^^^ Vgl. Homburg/Rudolph (1998), S. 38.
^^7 Vgl. 0//Ver (1989), S. Iff. ^^^ Die Entscheidung fur eine ungerade Skala basiert auf der Uberlegung, den Befragten auch ein Urteil der Indifferenz zu ermoglichen. ^S9 Vgl. Matzler/Bailom (1999), S. 171.
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teilgenommen (76%). Die Altersverteilung zeigt eine hohe Konzentration auf die Altersklasse von 30 bis 59 Jahre (73%). Weitere 18% der Probanden sind alter als 59 Jahre, 9% sind zwischen 20 und 29 Jahre alt. Der Grofiteil der Befragten befindet sich in einem Angestelltenverhaltnis (50%). Weitere 22% der Teilnehmer arbeiten selbststandig. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass aufgrund der typischen Stichprobenauswahl keinerlei Anspruch auf Reprasentativitat erhoben werden kann. Die Haufigkeitsverteilung der traditionellen Globalfragestellung zeigt, dass die Befragten im Durchschnitt mit ihrem Stromversorger zufrieden sind. Es wurde ein arithmetischer Mittelwert von 2,20 bei einer Standardabweichung von 0,622 berechnet. Die Analyse der Frage, wie die Probanden ihren Anbieter im Vergleich zu ihren Erwartungen einschatzen, zeigt ein anderes Bild. Uber drei Viertel der Befragten beurteilen ihren Versorger als „ungefahr so wie erwartet". Der Mittelwert dieser Verteilung liegt bei 2,93 bei vergleichsweise geringer Standardabweichung von 0,416. Die Struktur der emotionalen Beurteilung ist durch eine hohere Streuung gekennzeichnet.^^o 40% der Befragten geben hier die mittlere Antwortkategorie an. Dies kann als neutrales Empfinden interpretiert werden. 47% haben hingegen ihrem Stromversorger gegenuber eher positive Gefiihle. Dies ergibt einen arithmetischen Mittelwert von 2,53. Bei der vierten Globalfrage nach dem Ausmafi wahrgenommener Vor- oder Nachteile gegenuber alternativen Anbietern liegt der Modus der Verteilung bei der mittleren Kategorle. 49% der Befragten sehen hier weder Vor- noch Nachteile. Der arithmetische Mittelwert betragt 2,77.^^^ Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass durch die vier Fragestellungen deutlich unterscheidbare Zufriedenheitsverteilungen auf globaler Ebene zu Stande kamen. Fur die korrekte Interpretation der Kundenzufriedenheit mit dem Produkt Strom gilt es nun, die geeignete Skala zu identifizieren. Hierzu werden zunachst die Bewertungsgrundlagen der einzelnen Teilleistungen untersucht, anschliefiend wird die globale Eignung der Fragestellungen diskutiert. Die Zufriedenheit mit den einzelnen Leistungsparametern wurde multiattributiv erfasst. GemaB dem Zweikomponentenansatz wurde parallel dazu die Bedeutung der Teilleistungen erfragt. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1, geordnet nach der geauderten Wichtigkeit, dargestellt.
s = 0,705. 191 s = 0,851.
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Leistung Zuverlassigkeit der Versorgung Korrektheit der Stromrechnung Preis-Leistungsverhaltnis Zugige Bearbeitung von Beschwerden Erreichbarkeit des Ansprechpartners Verstandlichkeit der Tarifmodelle Informationen zum Stromsparen Beratungsqualitat Freundlichkeit des Ansprechpartners Image des Versorgers
n 100 97 92 52 85 93 95 76 73 79
Zufriedenheit Streuung Mitteiwert 0,764 1,61 2,02 0,790 2.88 0,823 2,62 0,796 0,854 2,48 0,827 2,89 1,020 3,49 0,873 2,89 2,37 0,717 2,56 0,655
Abbildung 1: Zufriedenheit mit den einzelnen
Bedeutung Streuung Mitteiwert 0,545 1,19 1,25 0,479 1,68 0,723 1,97 0,969 1,98 0,932 0,772 1,99 2,16 1,032 2,22 0.949 2,32 0,942 3,29 1,149
Leistungsparametern
Bei der Betrachtung der Wichtigkeit der Teilleistungen wird deutlich, dass die zuverlassige Stromversorgung und die Korrektheit der Stromrechnung den groftten wahrgenonnmenen Stellenwert haben. Aufgrund der sehr geringen Streuung lasst sich festhalten, dass diese Aspekte sehr einheitlich als die Kernleistungen eines Stromversorgers erkannt werden. Die Analyse der Bewertungsgrundlagen dieser Leistungsattribute ist in Abbildung 2 dargestellt. Leistung
Zuverlassiglceit der Versorgung
Korrel^theit der Stromreclinung
Bewertungsgrundlage
Prozentsatz
(Nicht-) Erfullung von Erwartungen
63%
Abwagen von Vor- und Nachteilen
14%
Gefuhlsbetonte Einschatzung
22%
Keine Angabe
1%
(Nicht-) Erfullung von Erwartungen
76%
Abwagen von Vor- und Nachteilen
11%
Gefuhlsbetonte Einschatzung
8%
Keine Angabe
5%
(Nicht-) Erfullung von Erwartungen
22%
Abwagen von Vor- und Nachteilen
55%
Gefuhlsbetonte Einschatzung
18%
Keine Angabe
5%
Preis-Leistungsverhaitnis
Abbildung 2: Analyse der Bewertungsgrundlagen
Leistungsattribute
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Bei diesen Leistungsattributen erkennt eine deutliche Mehrheit der Befragten die (NJcht-) Erfullung von Erwartungen als Grundlage fur das Zufriedenheitsurteil. Aus diesem Grund sollte die IVIessung der Zufriedenheit mit diesen Aspekten auch durch die Erhebung von Erwartungsabweichungen erfolgen. Auch dem Preis-Leistungsverhaltnis gehort ein sehr hoher Aufmerksamkeitswert. Die Verteilung der geauderten Bewertungsgrundlagen ist durch folgende Struktur gekennzeichnet: Es zeigt sich, dass die IVIehrzahl der Befragten hierbei durch ein Abwagen von Vor- und Nachteilen gegeniiber alternativen Anbietern zu ihrem Urteil gelangen. Vor dem Hintergrund, dass das Konsumentenverhalten in vielen Situationen von Preisvergleichen gepragt ist, erscheint die Abfrage wahrgenommener Vorund Nachteile als geeignete Skala zur Erfassung der Zufriedenheit mit diesem Leistungsaspekt. Bei den Teilleistungen im mittleren Bedeutungsbereich fallt die Entscheidung fur eine geeignete Skala schwer. Mit Ausnahme des Items „Beratungsqualitat" uberwiegt bei alien Aspekten die (Nicht-)Erfullung von Erwartungen als Bewertungsgrundlage. Jedoch ist keine klare Dominanz des Modells festzustellen. Insbesondere bei interaktionsbezogenen Teilleistungen, wie die Freundlichkeit der Angestellten und die Beratungsqualitat, geben etwa ein Drittel der Befragten an, ihr Urteil auf emotionaler Grundlage getroffen zu haben. Das Image eines Stromversorgers erfahrt von den Befragten nur geringe Bedeutung. Bei diesem Aspekt uberwiegt die gefuhlsbetonte Einschatzung als Bewertungsgrundlage (43%). 23% der Teilnehmer gelangen bei dieser Teilleistung durch einen ratlonalen Vergleich gegeniiber anderen Anbietern zu ihrem Urteil. Zusammenfassend lasst sich an dieser Stelle festhalten, dass fur eine umfassende Kundenzufriedenheitsanalyse im Rahmen des multiattributiven Ansatzes eine Kombination der Skalen erforderlich ist. Fur die wahrgenommenen Hauptleistungen eines Stromversorgers, die Versorgungssicherheit und die korrekte Abwicklung der Zahlungsmodalitaten, erscheint die Messung von Erwartungsabweichungen als geeignetes Instrument. Die Zufriedenheit mit Aspekten, die mit dem Preis des Produktes zusammenhangen, sollte hingegen durch die Erfassung wahrgenommener Vor- und Nachteile gegenuber anderen Unternehmen erhoben werden. Fur interaktionsbezogene Teilleistungen ist der hohe Stellenwert der gefuhlsbetonten Einschatzung zu beachten. Hierfur ware eine Kombination der Messung von Erwartungsabweichungen und der Messung der emotionalen Beurteilung denkbar. Die Zufriedenheit mit dem Image eines Versorgers kann durch eine emotional-affektive Skala wohl am besten erhoben werden.
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Abschliefiend stellt sich die Frage nach einer geeigneten Globalskala. Aufgrund der Dominanz bei der Beurteilung der Teilleistungen erscheint hier zunachst die Messung von Erwartungsabweichungen geeignet. Es zeigte sich aber auch, dass einige Parameter deutlich auf anderem Weg beurteilt werden. Legt man der Analyse jedoch die Annaiime zugrunde, dass vor allem im Low-lnvolvement-Produktbereich die Befragten ihr Urteil auf nur sehr wenige Leistungsaspekte stutzen, erscheint es sinnvoll, die Teilleistungen mit dem hochsten Aufmerksamkeitswert zu betrachten. Fur die Leistungsparameter ..Versorgungssicherheit" und „Korrektheit der Stromrechnung" wurde deutlich die Erwartungsabweichung als Messinstrument identifiziert. Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass eine solche Skala zur Globalbeurteilung den Charakteristika des Produkts Strom am ehesten gerecht wird.
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Kundenzufriedenheitsmessung mittels Mystery Shopping Diana-Nadine Bohm/ Christian FischI/ Carsten Rennliak Steigender Wettbewerbsdruck, Sattigungserscheinungen des Marktes und ein hohes Anspruchsniveau der Kunden stellen fur viele Untemehmen aktuelle Herausforderungen dar. „Der Wettbewerb in Handel, Gastronomie und Dienstleistung ist gnadenlos. Viele Produkte sind weitgehend standardisiert, die Kunden immer schwerer zu fassen".^92 per Aufbau und die Gestaltung der Beziehungen zum Kunden sind zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor geworden. Die Qualitat von Service und Dienstleistung steht meist unter besonderer Beobachtung und kann daher einen direkt wahrnehmbaren und ausschlaggebenden Wettbewerbsvorteil fur das Unternehmen bedeuten. Das Produktangebot allein reicht nicht mehr aus, urn Kunden an das Unternehmen zu binden; Fokus ist vielmehr das Denken in Kundenproblemen und die optimale Befriedigung samtlicher Kundenbedurfnisse.^^^ Da eine Differenzierung der Angebote fur den Kunden kaum noch erkennbar ist, kommt der Servicequalitat am Point of Sales eine erhebliche Bedeutung zu. Der Kunde erwartet nicht nur ein bedarfsgerechtes Leistungsangebot, sondern auch zuvorkommende und qualitativ hochwertige Bedienung und Beratung. Diese personlichen Kontaktpunkte Oder „moments of truth" spielen eine entscheidende Rolle.^^"^ Wenn es nun darum geht, Zufriedenheit und Praferenzen von Kunden zu erforschen, bietet die klassische Marktforschung mit Kundenbefragungen, Fokusgruppen etc. ideale Methoden an. Soil allerdings die Qualitat des Kundenkontakts selbst, also die Qualitat der Beratung, Betreuung und die am Point of Sales gelebte Kundenorientierung erfasst werden, helfen diese Methoden nicht weiter. Doch gerade in diesem Bereich wird der Vertriebserfolg realisiert - Oder eben nicht. Urn diesen Erfolg zu maximieren, setzen viele Unternehmen auf die Einfuhrung von Service Standards, urn ihren MItarbeitern Leitfaden fur den optimalen Umgang mit dem Kunden zu geben. „Wenn die Augenblicke der Wahrheit unkontrolliert verstreichen, verkummert die Servicequalitat zu Mittelma(iigkeit."^95 pur Unternehmen ist die kontinuierliche Uberprufung der Servicequalitat somit besonders kritlsch. In den USA ist das Thema Mystery Shopping schon seit langerem vor allem bei groflen Unternehmen wie McDonald's Oder Toys "R" Us etabliert. In diesem Beitrag mochten wir mit „Mystery Shopping"
^92 vgl. Dostert (2005). S. 28. ^^^ Vgl. Simon/Homburg (1998), S. 17ff. ^9^ Vgl. Degies (1992), S.85f. ^95 Albrecht/Zemke (1987), S. 34.
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eine hierfur geeignete Methode darstellen, die „in Deutschland stark im Kommen isf.^96
Mystery Shopping - Was ist das? „Unter Mystery Shopping^^^ versteht man eine verdeckt teilnehnnende Beobachtung, durch die subjektiv wahrgenommene Sachverhaite nnoglichst objektiv erfasst werden. Bezogen auf eine Kaufsituation heifit das, dass ein Testkaufer, der fur den Verkaufer nicht als solcher zu erkennen ist, Interesse am Kauf eines Produktes bzw. Dienstleistung simuliert und sich diesbezuglich beraten lasst. Auf diese Weise vollzieht sich eine quasi-reale Verkaufssituation, die man durch die Befragung des IVIystery Shoppers und/oder apparativ erheben kann/'^^s Wahrend mittels Kundenzufriedenheitsanalysen die subjektive Kundenzufriedenheit gemessen werden soli, zielt IVIystery Shopping auf die Messung der objektiven Servicequalitat ab (vgl. Abbildung 1).
Objektive Servicequalitat
Subjektive Kundenzufriedenheit
Mystery Shopping
Kundenzufrledenlieitsbefragung
Abbildung 1: Abgrenzung Mystery Shopping und
Kundenzufhedenlieitsanalyse
^^^ Vgl. Dostert (2005), S. 28. ^^^ Synonym werden auch die Bezeichnungen ..Secret Shopping", ..Phantom Shopping". ..Mystery Consumer". ..Anonymous Consumer Shoppers", ..Silent Shopper", ..Mystery Customer Research", ..ScheinkSufe". ..Kontrollkaufe" und ..Testkunden" verwendet (vgl. Drees/Schiller 2003, S. 161). ^^S Haas (2002), S. 279.
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Kundenzufriedenheitsbefragungen basieren meist auf Kundenwahrnehmungen und konnen somit die Qualitat der Dienstleistung objektiv nur verzerrt erfassen. In die subjektive Zufriedenheit des Kunden gehen nicht nur die objektiven Leistungen, sondern auch das iangfristig gepragte Image und bestlmmte Erwartungshaltungen gegenijber dem Unternehmen ein. Diese Einstellungen sind stark von der Auflendarstellung des Unternehmens sowie Entwicklungen des Marktes und der Gesellschaft abhangig. Die fijr die Durchfuhrung von Mystery Shopping speziell geschulten Mystery Shopperi99 versuchen entweder personlich Oder telefonisch eine Momentaufnahme zu erheben und Hinweise auf Verbesserungsmoglichkeiten in der Leistungserstellung zu bekommen.200 Mittels Mystery Shopping kann eine Reihe unterschiedlicher Z\e\e^oi verfolgt werden: •
Uberprijfung von Service- und Qualitatsstandards,
•
Ermittlung von Schwachstellen und Verbesserungspotential,
•
Benchmarking mit Unternehmen der eigenen oder fremder Branchen oder
•
Sensibilisierung und Motivation von Mitarbeitern zu kundenorientiertem Verhalten.
Mystery Shopping Untersuchungen konnen als personliche Testkaufe (Mystery Shopping i.e.S.), telefonische Testkaufe (Mystery Calls), schriftliche Testkaufe oder internet-basierende Testkaufe (Mystery E-Shopping) durchgefuhrt werden.202 So sind schriftliche Tests beispielsweise Beschwerdebriefe oder Bestellungen, in denen Abwicklungs- und Kommunikationsqualitat getestet werden. Im Falle einer telefonischen Analyse werden sowohl die Erreichbarkeit als auch die Kommunikation bezuglich Freundlichkeit und Hoflichkeit uberpruft. Neben der schriftllchen und der telefonischen Erhebung hat die personliche Erhebung die grofite Bedeutung, da hier nicht nur Kommunikationsaspekte, sondern auch Kompetenzaspekte evaluiert werden konnen. Die Erscheinungsformen des Mystery Shopping richten sich Im Wesentlichen nach den Anforderungen, die an die Tester gestellt werden.203 Diesbezuglich kann zwischen drei Arten von Mystery Shoppern unterschleden werden: Checker,
'^^^ Die speziell geschulten Testkaufer, auch „Mystery Clients" genannt, agieren meist im Auftrag von Marktforschungsinstituten und spezialisierten Agenturen und treten verdeckt als Dienstleistungskunden auf, wobei sie eine reale Kauf- oder Beratungssituation simulieren. Im Anschluss werden diese Situationen anhand von Fragebogen bewertet und analysiert, was Mangel im Leistungserstellungsprozess ersichtlich machen soil. 200 vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 33. 20t Vgl. Platzek (1997), S. 364f. 202 Vgl. Kt7^neAt/RaAT7me(1998). S. 71ff. ^^3 Vgl. Drees/Schiller {2003), S. 162.
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Experten und Kunden. Checker sind autorisierte Mitarbeiter, die als Silent Shopper entweder unternehmensintern oder als Wettbewerbstester eingesetzt werden, urn ihre Kollegen bzw. Mitbewerber anonym beobachten und bewerten zu konnen.^o^ Als problematisch erweist sich jedoch, dass sich Checker im Zweifelsfall nicht wie Durchschnittskunden verhalten, deren En/vartungen falsch einschatzen und somit das Untersuchungsziel verzerren konnen. Externe Shopper, die in Bereichen eingesetzt werden, in denen eine erhebliche fachliche Kompetenz zur Uberprufung der Servicequalitat notig ist, werden Experten genannt.205 Prinzipiell setzen diese, ahnlich wie die Checker, andere Maflstabe als der durchschnittliche Kunde. Urn den Verzerrungen durch den Einsatz von Checkern und Experten entgegenzuwirken, kann die Untersuchung mittels tatsachlicher Kunden durchgefuhrt werden.206
Vorgehen beim Mystery Shopping Der Ablauf eines Mystery Shopping-Projekts lasst sich in funf Teilphasen untergliedern (vgl. Abblldung 2).
Problemdefinition
Erstellung Beobachtungskatalog
Auswahl und Schuiung Tester
Datenerhebung
Auswertung Ergebnisse
• Konkretisierung des Untersuchungsziels • Festlegung der Untersuchungsorganisation • Operationalisierung • Erstellung Stichprobenplan
• Feinabstimmung Zielgruppen • Produkt- und Prozess-Schulung
• Durchfijhrung Mystery Shopping • Messung Servicequalitat
• Auswertung Datenmaterial • Ableitung Handlungsempfehlungen
^ ^ ^ - - - ^ - - ^ ^ ^ Abbildung 2: Projektablauf Mystery Shopping
204 Vgl. Drees/ScMer (2003), S. 162. 205 Vgl. Drees/Schiller {200Z), S. 162f. 206 Vgl. /ngo/d (1994), S. 132.
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Wahrend der ersten Phase ist es wichtig, das zu untersuchende Problem im Detail zu definieren und entsprechende UntersuchungszJele abzuleiten. Die ermittelten Ziele mussen dann in einem Zielkatalog festgehalten werden. Aus den Untersuchungszielen wird ein Beobachtungskatalog abgeleitet, dessen GiJte die Erkenntnisqualitat bestimnnt.207 Dazu werden die definierten Untersuchungsziele in messbare Indikatoren uberfuhrt. Im Stichprobenplan werden die Anzahl der Scheinkaufe, die Anzahl der Filialen und der Zeitraum, in dem das Mystery Shopping durchgefuhrt wird, festgelegt.208 in der dritten Phase erfolgt die Auswahl und Schulung der Testpersonen. Hierbei ist entscheidend, dass die Testpersonen dem Anforderungsprofil und der relevanten Zielgruppe des Auftraggebers entsprechen. Ferner sind kommunikative Fahigkeiten, Auftreten und Authentizitat fur eine adaquate Untersuchung unerlasslich. Im nachsten Schritt, der eigentlichen Simulation, werden die Daten erhoben. Die Testpersonen verhalten sich so, wie es die im Voraus definierte Sachlage vorgibt.209 Unmittelbar nach Verlassen des Shops wird der Beobachtungskatalog ausgefullt. Dies gewahrleistet eine genauere Protokollierung der Daten. In der abschllefienden Phase werden die Daten analysiert, ausgewertet und ein Ergebnisbericht erstellt. Mit Hilfe der gewonnenen Ergebnisse ist es nun moglich, innerbetriebliche Vergleiche, Vergleiche mit Wettbewerbern oder Zeitrelhenanalysen durchzufuhren.2^0
Grenzen des Mystery Shopping Mystery Shopping ist ein hervorragendes Instrument, um die Servicequalitat objektiv messen zu konnen.^^^ Mystery Shopping generiert handfeste Ergebnisse bezuglich der Zielerreichung, bietet eine klare Beurteilungsgrundlage aufgrund vorher definierter Standards und ermoglicht die Aufdeckung von Optlmierungspotenzialen.2^2 Mystery Shopping fungiert daruber hinaus auch als Motivationsinstrument, da Mitarbeiter in der Regel im Vorfeld einer Studie von derselben in Kenntnis gesetzt werden und sich somit generell engagierter verhalten. Eine eindeutige kundenspezifische Positionierung und fundierte analytische Detailkenntnisse der Kunden liefert die mogliche Verbindung von Mystery Shopping und Kundenzufriedenheitsun-
207 Vgl.Hess/er (1999), 3 . 6 1 . 208 vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 34. 209 Vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 34. 2^0 Vgl. Drees/Schiller {2003), S. 171. 2^^ Vgl. ESOMAR (1990). 2^2 Vgl. Platzek (1997), 8. 366.
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tersuchungen.2^3 Mystery Shopping ist somit in Verbindung mit professionellem Qualitats- und Produktmanagement sowie Kundenzufriedenheitsanalysen ein zentraler Erfolgsfaktor. Mystery Shopping birgt allerdings auch eine Reihe von problematischen Aspekten, diese konnen inhaltlicher, formaler oder ethisch-rechtlicher Natur sein.^^^ Die Vollstandigkeit der Messung wird durch die mangelnde Erfassung des nonverbalen Verhaltens der Verkaufer erschwert.2^5 Zudem ist Mystery Shopping nicht in der Lage, die subjektive Wichtigkeit einzelner Kriterien aus Kundensicht zu erfassen. Dementsprechend sind beide Instrumente erganzend anzuwenden, urn alle Dimensionen der Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen zu erforschen. Aus formaler Sicht ergeben sich Grenzen im Hinblick auf Objektivitat, Reliabllitat und Validitat.2^6 Rechtliche und ethische Hemmnisse erschweren den Einsatz von Mystery Shopping ebenfalls. Entschliefit sich ein Unternehmen, Scheinkaufe durchzufuhren, ist z. B. fur die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsatze fur Mitarbeiter die Zustimmung des Betriebsrates notwendig.^^^ Daruber hinaus werden ethische und geschaftliche Restriktionen im internationalen Kodex fur die Praxis der Markt- und Sozialforschung und in den Richtlinien zur Durchfuhrung von Scheinkaufen regiementiert.^^s Als instrument des Qualitatscontrollings liefert Mystery Shopping Daten fur eine objektive Analyse der Prozesse an der Kundenschnittstelle, um daraus gezielt kundenorientierte Verbesserungen ableiten zu konnen. Mystery Shopping stellt somit eine optimale Erganzung zu der Kundenzufriedenheitsbefragung dar, bei der die subjektive Qualitatswahrnehmung der Kunden im Fokus steht. Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass professionell eingesetztes Mystery Shopping eine effektive Moglichkelt zur Kontrolle der Servicequalitat bietet. Jedoch ist ein kontinuierlicher Einsatz fur eine nachhaltige Optimierung und Sicherstellung der Servicequalitat notwendig. Ein einmaliger Einsatz im Sinne eines Einzelprojekts kann allenfalls punktuell auf Verbesserungspotenziale hinweisen.
2^3 vgl. Hohner/Schaper {2004), S. 36. 214 2^5 216 2^7" 218
92
Vgl. Haas (2002), 8. 279ff. Mystery Shopping bietet z. B. keine Ansatze zur Messung der Gesichts- und Korpersprache. Vgl. P/afze/c(1997), 8. 366. Gemafl § 94 Betriebsverfassungsgesetz. Vgl ESOMAR {^994).
Literatur Albrecht, K./Zemke, R. (1987): Service-Strategien. Deges, F. (1992): Der Einsatz von Testkunden im Einzelhandel. In: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 38. Jg.,1/1992, S. 85-100. Dostert, E. (2005): Noten vom Detektiv. In: Suddeutsche Zeitung vom 12./13.3.2005, Nr. 59, S. 28. Drees, N./Schiller, S. (2003): Mystery Shopping. Ein Instrument zur systematischen Optimierung von Kundenzufriedenheit im Dienstleistungsbereich. In: Kamenz, U. (Hrsg.): Applied Marketing, S. 159172. European Society of Opinion and Marketing Research (1990): ESOMAR - Guidelines Mystery Shopping, Amsterdam, 1990. European Society of Opinion and Marketing Research (1994): Neubearbeitung des ESOMAR Kodex fur die Praxis der Markt- und Soziaiforschung, 1994, S. 1-4. Haas, A. (2002): Analyse von Verkaufssituationen. Mit Mystery Shopping. In: Jahrbuch der Absatzund Verbrauchsforschung, 48. Jg., 3/2002, S. 277-294. Hessler, A. (1999): Mystery Shopping - Was lauft falsch im Verkaufsgesprach? In: absatzwirtschaft, 42. Jg., 11/1999, S. 61-66. Hohner, J./Schaper, C. (2004): Vom Kundenfrust zur Kundenlust - Mystery Research als Instrument zur Messung der Servicequalitat am Point of Sales. In: planung&analyse , 31. Jg., 4/2004, S. 32-39. Ingold, D. (1994): Individuelle Beobachtungstests - Eine neue Art der Informationsbeschaffung. In: Tomczak, T. (Hrsg.): Thexis - Fachbuch fur Marketing, S. 128-133. Kuhnert, B./Ramme, I. (1998): So managen Sie Ihre Servicequalitat - Messung und Umsetzung fur erfolgreiche Dienstleister. Platzek, T. (1997): Mystery Shopping. „Verdeckte Ermittler" im Kampf um mehr Kundenbindung. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 1997, Band 26, Nr. 7, S. 364-366. Simon, H./Homburg, Chr. (1998): Kundenzufriedenheit als strategischer Erfolgsfaktor. Einfuhrende Uberlegungen. In: Simon, H./Homburg, Chr. (Hrsg.): Kundenzufriedenheit. Konzepte - Methoden Erfahrungen, 3. uberarb. Aufl., S. 17-31.
93
Treiber der Zufriedenheit von Stromkunden Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Die Analyse der Kundenzufriedenheit gilt bereits seit vielen Jahren als wichtige Fragestellung der marketingorientierten Konsumentenforschung. In vielen Landern haben sich Instrunnente zur regelnnafligen Erfassung der Kundenzufriedenheit etabliert; Kundenzufriedenheit gilt gemeinhin als ein zentraler Bestandteil des kundenorientierten Marketingmanagements. Mit Beginn der Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland spielte naturgemali auch fur neue und etablierte Anbieter das Thema Kundenzufriedenheit eine wichtige Rolle. Aus Branchenstudien ist bekannt, dass die hochsten Zufriedenheitswerte v.a. bei der Versorgungssicherheit erreicht werden.2^9 Vergleichsweise niedrige Werte erreichen Stromversorger z. B. in den Bereichen Problembearbeitung, Umweltberatung und Unnweltschutz.220 Bedeutet ein besonders gutes Ergebnis beim Leistungsattribut „Zuverlassigkeit", dass der Kunde ein hochst motivierter, treuer Kunde ist? Lohnt es sich (zu) niedrige Zufriedenheitswerte ijber spezielle Mafinahmen bewusst anzugehen? Gibt es Unterschiede zwischen gewechselten und nicht-gewechselten Kunden? Diesen und ahnlichen Fragen widnnet sich der vorliegende Beitrag. Insbesondere gilt es zu ermittein, welche Zufriedenheit stiftenden Merkmale besonders geeignet sind, im Rahmen von Kunden bezogenen Mafinahmen beeinflusst zu werden.
Problemstellung Allgemein ergibt sich die hohe Bedeutung der Kundenzufriedenheit aufgrund ihrer in zahllosen empirischen Untersuchungen nachgewiesenen - verstarkenden Wirkung auf nachgelagerte Aspekte wie z. B. die Kundenbindung und die Loyalitat.22^ Gemafl aktuellen Forschungserkenntnissen spielt dabei vor allem die ubergrelfend wirkende Gesamtzufriedenheit eine ausschlaggebende Rolle.222 Diese wird wiederum in entscheidendem Mafle von der Zufriedenheit mit einzelnen Leistungsmerkmalen bestimnnt.223 Als Besonderheit ist dabei im Strommarkt zu beachten, dass sich der Kunde voraussichtlich nur am Rande fur die eigentliche Kernleistung interessiert.224 Entsprechend
2^9 2. B. ServiceBarometer AG (2001), 8. 4. 220 2. B. VDEW {2000), S. 17ff. 22^ z. B. Garbarino/Johnson (1999), S. 74; l/Va/fer(1997), S. 267. ^^^ Ba/cay(2003), S. 67ff. 2^3 Peter (1997), S. 170ff. 22"^ ea/cay(2003), S. 57ff.
95
hat der Abnehmer haufig nur diffuse Vorstellungen uber einzelne Leistungen,225 was umgekehrt dazu fuhrt, dass der Zusammenhang zwischen der Gesamtzufriedenheit und Einzelzufriedenheiten moglicherweise relativ schwach ausgepragt ist bzw. dass nur sehr wenige Leistungen als Treiber der Gesamtzufriedenheit wahrgenommen werden. Zur Identifizierung tatsachlich bedeutsamer Zufriedenheitstreiber bedarf es demnach gerade im Strommarkt der Analyse von Zusammenhangen zwischen Einzelzufriedenheiten und der Gesamtzufriedenheit.
Aufbau der Studio Datenbasis dieser Untersuchung ist eine bundesweite telefonische Befragung von 591 Haushalten aus dem Jahr 2002. Aus dem breiten Spektrum moglicher Leistungsattribute zur Erfassung der Kundenzufriedenheit wurden 10 Items selektiert, denen nach Expertenmeinung eine besonders hohe Bedeutung im Strommarkt zukommt. Bei der Analyse der Befragungsergebnisse wurde zwischen internen (nur neuer Vertrag) und externen (neuer Versorger) Wechslern sowie Verharrern (weder neuer Vertrag noch neuer Versorger) differenziert.226 Diese Unterscheidung soil dazu beitragen, die voraussichtlich etwas klareren Meinungsbilder bereits gewechselter Kundensegmente herauszustellen, woraus sich unter Umstanden Hinweise fur zukunftige Entwicklungen absehen lassen. Zur Identifizierung der Zufriedenheitstreiber, wurden sog. Zufriedenheitsportfolios227' erstellt. Dieses in Forschung und Praxis gleichermafien anerkannte und verbreitete Instrument besteht aus einem 4-Felder-Tableau, an dessen Achsen zum einen die Wichtigkeiten der Leistungsattribute, zum anderen die Korrelation der Zufriedenheit mit diesen Merkmalen mit der Gesamtzufriedenheit abgetragen werden. Die Korrelationen zeigen auf, in welchem Ausmad die Gesamtzufriedenheit mit einzelnen Merkmalen zusammenhangt. Die Wichtigkeitsabfrage legt offen, welche Bedeutung der Kunde einem Merkmal direkt beimisst. Die vier Felder eriauben eine Einteilung der Leistungsmerkmale in vier Treiberkategorien (vgl. Abbildung 1).
225 Dies zeigt sich z. B. in den allgemein recht hohen Anteilen von „wei(l nicht"-Antworten in Branchenstudien (z. B. VDEW 2000, S. 17ff.). 226 Ba/cay (2003), S. 146ff. ^^^ Das dargestellte Zufriedenheitsportfolio ahnelt dem von Infratest Burke entwickelten, in der Praxis weit verbreiteten Tri:M Grid {NFO World Group 2001, S. 3).
96
Hygienefaktoren
Motivatoren
Zwar haben diese Merkmale nur geringen Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit, der Kunde schatzt sie jedoch als wichtig ein. Diese Merkmale setzt der Kunde unabhSngig von seiner Gesamtzufriedenheit immer als zu erfullend voraus.
Hierbei handelt es sich urn Aspekte, die der Kunde als wichtig einschatzt und die gleichsam fur die Globalzufriedenheit von hoher Bedeutung sind. Unternehmen soliten bestrebt sein, besonders diese Aspekte zu pflegen.
Einsparmoglichkeiten
Versteckte Chancen Diese Attribute sind dem Kunden zwar nicht wichtig, sie tragen aber dennoch in hohem Mafie zur Globalzufriedenheit bei. Sie konnen u.U. als Ansatzpunkt fur neue Themen im Zufriedenheitsmanagement dienen.
Diese Leistungsmerkmale werden vom Kunden weder als wichtig wahrgenommen, noch tragen sie zur Erhohung der Gesamtzufriedenheit bei. Es ergeben sich hier u.U. Mdglichkeiten zur Kosteneinsparung.
Korrelation mit der Gesamtzufriedenheit niedrig Abbildung 1: Grundstruktur des
• hoch
Zufriedenheitsportfolios^^^
Zur Analyse auf Basis der Zufriedenheitsportfolios sei vermerkt, dass sich Korreiationen in diesem Fall auf den Bereich zwischen 0 und +1 beschranken. Negative Zusammenhange zwischen einzelnen Zufriedenheitsattributen und der Gesamtzufriedenheit sollten bei gleichartiger Polung der Fragen nicht vorkommen. Sollte dies bei einzelnen Leistungsattributen dennoch der Fall sein, waren gesonderte Analysen angebracht. Wichtig erscheint es ferner zu vermerken, dass es bei der Wichtigkeitsabfrage haufig zu dem Phanomen der Anspruchsinflation kommt.229 Dabei wird die Bedeutung einzelner Leistungsmerkmale von den Befragten uberschatzt („alles ist wichtig"), wodurch die Leistungsattribute haufig in den oberen Bereich der Darstellung fallen, was bei der Interpretation berucksichtigt werden sollte. Bei den im Folgenden dargestellten Ergebnissen ist zu beachten, dass bei starker Oberlappung einzelner Leistungsmerkmale die graphische Darstellung manuell nachbearbeitet wurde, wodurch sich in Einzelfallen minimale Abweichungen zwischen den Portfoliodarstellungen und den exakten Koordinatenwerten ergeben. Obwohl die durchschnittlichen Zufriedenheitswerte eigentlich nicht Bestandteil der Darstellung sind, wurde zur Veranschaulichung der relativen Zufriedenheit mit einzelnen Leistungsattributen in der Darstellung zwischen unterdurchschnittlichen, durchschnittlichen und uberdurchschnittlichen Zufriedenheitsauspragungen differenziert.
228 In Aniehnung an Scharioth (1993), S. 23. 229 Meffert/Schwetje (1998), S. 79.
97
Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass Aussagen auf Basis durchsciinittiicher Zufriedenheitswerte insofern nur bedingt aussagekraftig sind, als relative Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmaien voraussichtllch von den jeweils abgefragten Themengebiete mitbestimmt werden. Typischerweise ware z. B. zu erwarten, dass die relative Zufriedenheit mit dem Preis-Leistungsverhaltnis nledriger ausfallt als mit der Zuverlassigkeit der Versorgung (Preise sind immer zu hoch, Versorgungsausfalle sind meist ganzlich unbekannt). Die Frage, ob ein bestimnnter Zufriedenheitswert (zu) niedrig Oder sehr hoch ist, lasst sich daher kaum beantworten.
Ergebnisse Hygienefaktoren
.
A
Motivatoren
Legende
\ Einsparmoglichkeiten
Zufriedenheitswert
Wichtigkeit
Preis/Leistungs-Verhaitnis
0,487
1,37
2
Zuverlassigkeit der Versorgung
0,222
1,21 1,85
3
Erreichbarkeit von IVIitarbeitern
0,393
4
Freundlichkeit der MItarbeiter
0,401
1,85
5
Kompetenz der IVlitarbeiter
0.409
1,45
6
Schnelligkeit der Stoaingsbehandlung
0,255
1,28
7
Verstandlichkeit der Stromrecliung
0,316
1,52
8
Korrektheit der Stromrechung
0,417
1,14
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0,301
1,89
10
Tipps des Stromversorgers zur Stronneinsparung
0,318
1,97
1 +0,5
• • niedrig
Korr. mit GZ
1
Versteckte Cha ncen +0,75
Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
D unterdurchschnittlich O durchsclinittlich
A uberdurchschnittlich
Abbildung 2: Zufriedenheitsportfolio fur die Gesamtstichprobe
Wie das Portfolio der Gesamtstichprobe (ebenso wie alle weiteren Portfolios) dokumentiert, bestatigt sich die vermutete Tendenz, alle Leistungsmerkmale als wichtig einzustufen. Relativ erscheinen dabei die Items 3, 4, 9 und 10 am unbedeutendsten. Bis auf das Prels-Leistungsverhaltnis werden alle Leistungsattrlbute deutlich als Hygienefaktoren identifiziert, wobei diese Eigenschaft am deutlichsten bei der Zuver-
98
lassigkeit der Versorgung und der Schnelligkeit der Storungsbehandlung zu Tage tritt. Neben dem Preis-Leistungsverhaltnis tendieren vor allem jene Aspekte in Richtung des Motivatorenfeldes, die mit der direkten Interaktion zwischen Kunde und EVU zu tun haben (Erreichbarkeit, Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter sowie die Korrektheit der Stromrechung). Dies kann als schwacher Hinweis betrachtet werden, dass es sich fur Versorger - neben der Vermittlung des Gefuhls eines gunstigen Preis-Leistungsveriiaitnisses - noch am ehesten lohnen konnte, in Aspekte der direkten Kundeninteraktion zu investieren. Tiefergeiiende Erkenntnisse konnten diesbezijgiich im Rahmen von Kontaktpunktanalysen fur einzelne EVU gewonnen werden. Es bleiben ubergreifend folgende Empfehlungen festzuhalten: •
Stromkunden lassen sich am ehesten durch ein gutes Preis-Leistungsverhaltnis motivieren. Ubergreifend sollten EVUs daher bestrebt sein, dieses Thema kommunikativ aufzugreifen und fur alle Kundengruppen greifbar umzusetzen.
•
Die Zuverlassigkeit der Versorgung mit Strom bzw. die reibungslose Behebung von Storungen sind Aspekte, die - relativ betrachtet - am wenigsten zur Steigerung der Gesamtzufriedenheit beitragen. Wie die hohen Wichtigkeitswerte belegen, konnen diese Aspekte aber auf keinem Fall vernachlassigt werden. Es handelt sich daher um typische Hygienefaktoren, die ein EVU zwar erfijllen muss, die aber nicht wirklich dazu beitragen, die Gesamtzufriedenheit in entscheidendem Umfang zu steigern.
99
Hygienefaktoren
A
Motivatoren
'—(ToJW Korr. mit GZ Preis/Leistungs-Verhaitnis
0,463
1,40
2
Zuveriassigkeit der Versorgung
0,202
1.24
3
Erreichbarkeit von Mitarbeitern
0,338
1,85
4
Freundlichkeit der Mitarbeiter
0,331
1,87
5
Kompetenz der Mitarbeiter
0,343
1,48
6
Schnelligkeit der Stdrungsbehandlung
0,228
1,30
7
Verstandlichkeit der Stromrechung
0,287
1,50
8
Korrektheit der Stromrechung
0,396
1,16
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0,314
1,87
10
Tipps des Stromversorgers zur Stromeinsparung
0,322
1,95
1
Einsparmoglichkeite +0,25 ^ niedrig
Zufriedenheitswert
Wichtigkeit
1
Versteckte Chancen
+0,5 Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
D unterdurchschnittlich O durchschnittlich
hoch ^
A uberdurchschnittlich
Abbildung 3: Zufriedenheitsportfolio der Verharrer
Vergleicht man das Portfolio der Verharrer mit dem der Gesamtstichprobe lassen sich kaum nennenswerte Unterschiede Identifizieren, was angesichts der immerhin 179 Wechsler In der Stichprobe nicht zwangslaufig zu erwarten gewesen ware. Insofern erubrlgt sich eine ausfuhrlich WIederholung der zuvor gemachten Aussagen. Auffallig ist ledlglich der Umstand, dass bel dieser Gruppe gerade die drei mitarbeiterbezogenen Items 3, 4 und 5 in ihrer Bedeutung recht deutllch zuruckfallen. Dies kann als Indiz einer relativ gleichgultigen Haltung gegeniiber dem Versorger gedeutet werden, woraus folgende Schlusse gezogen werden konnen: •
EVUs mit hohen Verharreranteilen sollten insbesondere Anstrengungen zur Erhohung der Wahrnehmung von Leistungen unternehmen. Bei der Gestaltung von Kommunikationsinhalten bletet es sich am ehesten an, das Preis-Leistungsverhaltnis und die Korrektheit der Stromrechnung herauszustellen.
•
Ferner konnte es sich gerade bel diesen EVU anbleten, die Aufmerksamkelt der Kunden von den eher wenlger beachteten Leistungsmerkmalen auf ubergreifend wirkende Aspekte wie z. B. die Unternehmensreputation, die reglonale Zusammengehorlgkeit oder sozlales Engagement zu lenken. 100
Hygienefaktoren
Motivatoren
W 1 .2* u
"E
® 0
Korr. mit GZ
Wichtigkeit
Preis/Leistungs-Verhaitnis
0,631
1,37
2
Zuveriassigkeit der Versorgung
0,285
1,18
3
Erreichbarkeit von Mitarbeitern
0.537
1,80
4
Freundlichkeit der Mitarbeiter
0.593
1,78
5
Kompetenz der Mitarbeiter
0,485
1,54
6
Sclinelligkeit der Stomngsbehandlung
0.332
1,30
7
Verstandlichkeit der Stromrecliung
0.416
1,73
8
Korrektiieit der Stromrechung
0,592
1.22
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0.289
2,10
10
Tipps des Stromversorgers zur Stromeinsparung
0.411
2.12
1
+0,25 • • niedrig
®
1
Einsparm&glichkeite n 0
T H
Versteckte Chancen hoch -^
Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
Zufriedenheitswert
[
| unterdurclischnittlich
Q_) durchsclinittlich
+1
+0,75
+0,5
/\
uberdurchschnittlich
Abbildung 4: Zufriedenheitsportfolio intemer Wechsler
VerglJchen mit dem Verharrer-Portfolio zeigt sich, dass die beiden IVIitarbeiter bezogenen Items 4 und 5 deutlicii starker in RIchtung des Motivatorenfeldes geiagert sind und aucli das Preis-Leistungsverhaitnis in seiner Bedeutung fur die Gesamtzufriedenheit zugenommen hat. Voraussichtlich handelt es sich daher um das etwas preissensitivere, etwas anspruchsvollere Kundesegment. Dennoch lassen sich auch bei dieser Gruppe kaum echte Motivatoren identifizieren. Vor diesem Hintergrund beschranken sich die Handlungsempfehlungen auf die bereits bei den Verharrern diskutierten Aspekte.
101
Hygienefaktoren
A .
A
® 0 zP
A A
Motivatoren
b
Legende
Korr. mit GZ
Wichtigkeit
1
PreisA-eistungs-Verhaitnis
0.509
1,31
2
Zuveriassigkeit der Versorgung
0,301
1,16
3
Erreichbarkeit von Mitarbeitern
0,269
1,87
4
Freundlichkeit der Mitarbeiter
0.430
1,85
5
Kompetenz der Mitarbeiter
0,440
1.46
6
Schnelligkeit der Storungsbehandlung
0,349
1,20
7
Verstandlichkeit der Stromrechung
0,289
1,53
8
Korrekthelt der Stromrechung
0.301
1.09
9
Umweltorientierung des Stromversorgers
0,291
1,88
10
Tipps des Stromversorgers zur Stromeinsparung
0.206
1,98
Einsparmoglichkeite n
Versteckte Chancen |
1
+0,25 ^ niedrig
Korrelation mit Gesamtzufriedenheit
Zufriedenlieitswert
|
| unterdurchsclinittiich
Q_) durchschnittlich
hoch ^ l\
uberdurchschnittlich
Abbildung 5: Zufriedenheitsportfolio externe Wechsler
Im Gegensatz zu den bislang diskutierten Portfolios ergibt sich fur jene Kunden, die bereits einen Versorgerwechsel hinter sich haben, ein ganz anderes Bild. Neben dem Preis-Leistungsverhaltnis wirkt sich die motivierende Kraft der Mitarbeiter bzw. Kontakt bezogenen Leistungsattribute 3, 4, 5 und 8 hier wesentlich deutlicher aus. Offensichtlich ist die Verbindung zwischen der Gesamtzufriedenheit und einzelnen Leistungsmerkmalen hier starker ausgepragt, was aufgrund der vermutlich bewusst getroffenen Entscheidung fur einen neuen Versorger auch wenig uberrascht. Als Empfehlungen fur Anbieter die hohen Anteilen an neuen, d. h. von anderen Anbietern abgeworbenen Kunden, konnen folgende Aspekte festgehalten werden: •
Neben der herausragenden Stellung des Preis-Leistungsverhaltnisses sollten Anbieter besonders jene Aspekte der Kundenbeziehung kommunikativ und operativ pflegen, bei denen der unmittelbare Kontakt zum Unternehmen wichtig ist (Service Center, Telefonbetreuung und Hotlines, Internetauftritt, Hausbesuche, Rechnungsstellung)
102
Die bereits zuvor bestatigte Rolle der Zuverlassigkeit der Versorgung und die der reibungslosen Storungsbehandlung zeigt sich auch hier, diese Aspekte konnen kommunikativ zurijckgestellt werden, ebenso wie der Aspekt der Umweltorientierung.
Fazit Insgesamt dokumentieren die Ergebnisse - auch wenn sich dies bei den Verharrern bzw. internen Wechslern weitaus weniger deutlich zeigt - dass, neben einem gunstigen Preis-Leistungsverhaltnis, Leistungsmerkmale an der Kontaktschwelle zum Kunden (Items 3 bis 5, z.T. Item 8) die wesentllchen Treiber der Zufriedenheit im liberalisierten Strommarkt sind. Insbesondere stechen dabei die Erreichbarkeit und Freundlichkeit der Mitarbeiter (Items 3 und 4) heraus, die uber verglelchsweise einfache Maflnahmen wie z. B. Mitarbeiterschulungen und organisatorische Feinabstimmung verbessert werden konnen. Speziell die Resultate bei den gewechselten Stromkunden belegen, dass entsprechende Maflnahmen auch tatsachlich wahrgenommen und vom Kunden positiv registriert werden. Die In vielen Studlen ermlttelte hohe Zufriedenheit mit der Versorgungssicherheit (bzw. damit zusammenhangend Schnelligkeit der Storungsbehandlung) erweist sich als typischer Hyglenefaktor, ein Leistungsmerkmal also, dass in jedem Fall erfijllt sein muss, letztendlich aber nicht wirklich dazu beitragt, den Kunden zu motlvieren und damit an sich zu binden. Als uberraschend wenig bedeutsam erwelsen sich die in den Items 9 und 10 berucksichtigten Umweltschutzaspekte. Ihre relativ zu den ubrigen Lelstungsmerkmalen untergeordnete Bedeutung deutet darauf, dass diese Themen voraussichtlich nur in beschranktem Mafie (bzw. eventuell nur fur bestimmte Zielgruppen) geeignete Differenzierungsmerkmaledarstellen. Fur einzelne Versorger bieten die dargestellten Ergebnisse sicherlich einen ersten Ansatzpunkt zur Steuerung ihres Kundenzufriedenheitsmanagements. Die Analyse einzelner Unternehmen wurde in diesem Zusammenhang wesentliche aussagekraftigere Schlussfolgerungen ermoglichen, insbesondere wenn die entsprechenden Daten im Zeitablauf erhoben wurden, um die Wirksamkeit des Zufriedenheitsmanagements zu verfolgen.
103
Literatur Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden - Ermittlung zentraler Determinanten, Wiesbaden 2003. Garbarino, E./Johnson, M.S. (1999): The Different Roles of Satisfaction, Trust, and Commitment in Customer Relationships. In: Journal of Marketing, Vol. 63, 1999, April, S. 70-87. Meffert, H./Schwetje, T. (1998): Messprobleme der Kundenzufriedenheit: Erfahrungen aus einem Marktforschungsprojekt. In: Erichson, B./Hammann, P./Hildebrandt, L. (Hrsg.): Probleme und Trends in der Marketingforschung, Stuttgart 1998, S. 73-93. NFO World Group (Hrsg.) (2001): NFO TRI:M - Your Roadmap to Success, o.O. 2001. Peter, I. (1997): Kundenbindung als Marketingziel: Identifikation und Analyse zentraler Determinanten, Wiesbaden 1997. Scharioth, J. (1993): Wie Sie Kunden durch Kommunikation binden. In: Gablers Magazin, 1993, Heft 1,S. 22-24. ServiceBarometer AG (Hrsg.) (2001): Kundenmonitor Deutschland 2001, Branchenanalyse Stromversorgungsunternehmen, Munchen 2001 VDEW (Verband der Elektrizitatswirtschaft e.V.) (Hrsg.) (2000): Kundenzufriedenheit von Haushaltskunden - Ergebnisbericht des VDEW-Kundenfokus Haushalte 2000, Frankfurt a.M. u. a. 2001. Walter, A. (1999): Der Beziehungspromotor: Gestalter erfolgreicher Geschaftsbeziehungen - Eine theoretische und empirische Analyse. In: Marketing Zeitschrift fur Forschung und Praxis, 4. Quartal 1999. Heft 4, S. 267-283.
104
Das Wechselverhalten von Privathaushalten im Strommarkt Carsten Rennhak/Marion Halfmann Im Gegensatz zu der Euphorie, die nach dem 1.1.1998 auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt herrschte und dem damit einhergehenden Boom von Call-by-Call-Produkten, zeigen sich private Haushalte in Deutschland beim Wechsel Ihres Stromversorgers trotz aufwendiger Werbemafinahmen und offensichtlicher Preisvorteile noch sehr zuruckhaltend. Im Rahmen einer von den Autoren durchgefuhrten Marktstudie nannten 80% der befragten Privathaushalte^^o den Preis als ausschlaggebend fur einen moglichen Wechsel - dennoch gaben trotz zahlreicher Billiganbieter auf dem Markt nur 5,2 % der Interviewten an, tatsachlich bereits den Anbieter gewechselt zu haben. Das Ergebnis zeigt, dass neben moglichen Einsparpotentialen im Privatkundenmarkt noch weitere Kriterien fur einen Wechsel mafigeblich sind; unsere Untersuchung stellt neben dem Aspekt des "Preisbewusstseins" so auch die Faktoren "Bedeutung von Kundenservice" und "Fortschrittlichkeit" als potenzielle kaufrelevante Kriterien in den Mittelpunkt.
Untersuchungsdesign Aus der angefuhrten Studie wurden fur ein LISREL-Modell^^^' elf Indikatoren zur Operationalisierung der genannten Faktoren ausgewahit Abbildung 1 gibt einen Uberblick Ciber die einbezogenen Fragestellungen und deren Kurzbezeichnungen bei der Verwendung der LISREL-Software.232
230 Datenbasis ist eine telefonische Befragung von 600 zufallig ausgewahlten Privathaushalten. 23^ LISREL (Linear Structural Relations) ist ein konformatorisches Verfahren der Kovarianzstrukturanalyse und untersucht kausale Zusammenhange zwischen latenten, d. h. nicht direkt beobachtbaren Variablen. Der Ansatz beruht gedanklich auf der Faktoren- sowie der Regressionsanalyse und fugt diese beiden Verfahren in einem Konzept zusammen. Vgl. dazu z. B. Joreskog/Sorbom (1988). 232 Variablen werden zur besseren Verstandlichkeit durch Namen abgekurzt.
105
Frage Planen Sie, Ihren Stromanbieter noch in diesem Jahr zu wechsein? Haben Sie bereits Ihren Stromanbieter gewechselt?
Kurzbezeichnung pl_wech
ha_wech
Antwortmoglichkeiten -
Nein(1)
-
Eventuell (2)
-
Ja (3)
-
Nein(1)
-
Ja (2) Vollig unwichtig (1)
Wie wichtig ware (bzw. war) Kundenservice bei der Entscheidung den Anbieter zu wechsein?
Eher unwichtig (2)
ser_gru
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4) Vollig unwichtig (1)
Wie wichtig ist Ihnen ein Energieberatungsangebot durch Ihren Stromversorger?
Eher unwichtig (2)
wi_bera
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4) Vollig unwichtig (1)
Wie wichtig ist Ihnen regelmafJige Betreuung durch Ihren Stromversorger (z. j B. Kundenzeltschrift)?
Eher unwichtig (2)
wi_betr
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4)
|
Vollig unwichtig (1) Wie wichtig ware (bzw. war) der Preis bei der Entscheidung den Anbieter zu wechsein?
Eher unwichtig (2)
pre_gru
Eher wichtig (3) Sehr wichtig (4) -
Sind Sie prinzipiell bereit, einen Stromvertrag am Telefon abzuschliefien?
Sind Sie prinzipiell bereit, einen Stromvertrag per Internet abzuschlieflen?
Nutzen Sie alternative Telefonanbieter?
ber_tel
berjnt
altjel
Nutzen Sie das Internet?
int_nutz
Haben Sie sich bereits im Internet iiber Stromversorger und Tarife informiert?
infojnt
Abbildung 1: Uberblick uberdie verwendeten
|
Nein(1)
-
Eventuell (2)
-
Ja (3) Nein(1)
-
Eventuell (2)
-
Ja (3)
-
Nein(1)
-
Ja (2)
-
Nein(1)
-
Ja (2)
-
Nein(1)
-
Ja (2)
Fragestellungen
Auf Basis der vorgestellten Fragen sowie aufgrund erster Hypothesen zu den grundlegenden Zusammenhangen, lassen sich die vermuteten Zusammenhange graphisch mittels eines Pfaddiagramms darstellen (vgl. Abbildung 2).
106
Service als Wechselgrund
(ser_gru) -
Wichtigkeit Beratung
(wi_ber) -
Wichtigkeit Betreuung
(wi_betr) -
Preis als Wecliselgrund
(pre_gru) -
Akzeptanz Telefonvertrieb
(berjel) -
Bedeutung Service
Bedeutung Preis
(bed_pr)
Wechselbereitschaft
Akzeptanz Internetvertrieb Nutzung alternativer Telefonanbieter
Bedeutung Fortschrittlichkeit
Nutzung Internet genereli
(int_nutz)-
Nutzung des Internet zur Preisinformation
(infojnt) -
Abbildung 2: Pfaddiagramm zu den vermuteten
Zusammenhangen
Auf der Grundlage des dargestellten Pfaddiagramms lassen sich die Beziehungen zwischen den eingefuhrten Indikatorvariablen durch lineare Gleichungen modellieren und so erste Losungen zur Starke des Zusammenhangs zwischen den Variablen ermitteln. Da alle elf Indikatoren ordinal skaliert sind, wird die zu analysierende Inputmatrix in Fornn einer Korrelationsmatrix bestimmt.233. ojes bedeutet gleichzeitig, dass die Indikatoren in standardisierter Form in der Analyse verwendet werden. Die Korrelationsmatrix234 zeigt Abbildung 3.
23^ Zur Schatzung der Inputmatrix wurde das PRELIS-Programm verwendet, das in der LISRELSoftware enthalten ist. Zweck dieses Progamms ist die Erzeugung von geeigneten Inputmatrizen fur das eigentliche LiSREL-Programm. 2^"^ Fur die Korrelation zwischen pl_wech und ha_wech wurde ein Wert von 0,9983 bestimmt. Gleichzeitig weist PRELIS darauf hin, dass der Wert fur diese Korrelation nicht konvergierte und somit nicht richtig sein konnte.
107
pl_wech 1 pl_wech
ha_wech
ser_gru
wi_bera
pre_gru
ber_tel
berjnt altjel lnt_nutz lnfo_int
1.00
1 Ha_wech
1.00
1.00
ser_gru
-0.05
-0.25
1.00
1 wi bera
0.17
0.08
0.26
1.00
wi_betr
0.00
0.03
0.29
0.56
1
wl_betr
1.00
pre_gru
0.20
0.13
0.30
0.20
0.11
1.00
ber_tel
0.29
0.14
0.00
0.07
-0.15
0.00
1.00
berjnt
0.03
-0.29
0.06
0.61
1.00
0.32
0.13
-0.07
altjel
0.17
0.14
0.13
0.04
-0.01
0.07
0.35
0.32
1.00
lnt_nutz
0.22
0.13
0.00
-0.05
-0.17
0.01
0.33
0.64
0.26
1.00
info_int
0.33
0.33
0.06
-0.03
-0.11
0.00
0.23
0.52
0.18
0.67
i.oo|
Abbildung 3: Empirische Korrelationsmatrix
Auffallig in Abbildung 3 sind die negativen Korrelationen zwischen ser_gru (Service als Wechselgrund) und den beiden Indikatoren der latenten Vahablen „Wechselbereitschaft". Dies deutet darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen „Bedeutung Kundenservice" und „Wechselbereitschaft" sogar leicht negativ sein konnte.
Ergebnisse Auf der Grundlage der ermittelten Korrelationen lassen sich Aussagen zum Zusamnnenhang zwischen den eingefuhrten Indikatoren, den Bedeutungen von Service, Preis und Fortschrittlichkeit sowie schliefilich dem Wechselverhalten machen. Eingetragen in das vorgestellte Pfaddlagrannm, stellt sich die ernnlttelte Losung dar, wie in Abbildung 4 veranschaulicht.
108
Service als Wechselgrund
(ser_gru) -
Wichtigkeit Beratung
(wi_ber) -
0,0473
Wichtigkeit Betreuung
Bedeutung Service
(bed_ser)
Bedeutung Preis
(bed_pr)
(wi_betr) -
0,1335
Preis als Wechselgrund Akzeptanz Telefonvertrieb
0,5654
Akzeptanz Internetvertrieb
0,8576
Nutzung alternativer Telefonanbieter
0,3784
Nutzung Internet generell
0,7470
Nutzung des Internet zur Preisinformation
0,6864
—
Wechselbereitschaft
0,3215
Bedeutung Fortschrittiichkeit
(fort)
'
Abbildung 4: Pfaddiagramm (komplett-standardisierte Losung)
Bei der Beurteilung des Modells darf nicht vergessen werden, dass bei dem angewendeten ULS-Verfahren Werte unter Normalverteilungsannahmen berechnet wurden. Diese Kriterien sind also nur bedingt zur Messung des Modellfits geeignet. Auflerdem wurde zur Analyse eine Korrelationsmatrix verwendet. Dies ist ein zweiter Grund, wieso diese Groden mit Vorsicht interpretiert werden mussen. •
Unter Berucksichtigung dieser Einschrankungen ergeben sich auf Basis des LISREL-Modells interessante Interpretationen hinsichtlich des Wechselverhaltens von Privatkunden:
•
Den starksten Einfluss unter den einbezogenen Variablen hat die hier als "Bedeutung Fortschrittiichkeit" bezeichnete Variable. "Fortschrittiichkeit" kann in diesem Zusammenhang als Konstrukt verstanden werden, dass die Aufgeschlossenheit von privaten Kunden fur neue Kommunikationstechnologien umreifit. Bislang sind derartige Gesichtspunkte nur selten bei Untersuchungen zum Wechselverhalten explizit berucksichtigt worden; urn so mehr uberrascht der in dieser Studie ermittelte starke Zusammenhang zum Wechselverhalten, der sogar die Bedeutung von Preisunterschieden zwischen den Anbietern ubertrifft.
109
Auf der Grundlage des Modellergebnisses ergibt sich, dass der Einfluss des Kundenservice auf das Wechselverhalten von Privatkunden eher gering ist. Vor diesem Hintergrund sind die Bemuhungen vieler Anbieter, durch Servicevorteile verstarkt Neukunden zu gewinnen, kritisch zu beurteilen. Investitionen in einen verbesserten Kundenservice haben vielmehr Berechtigung zur Bindung der bestehenden Kunden; als Argument fur einen Anbieterwechsel kommt Serviceaspekten jedoch nur untergeordnete Relevanz zu. Insgesamt sind alle drei Variablen (Bedeutung des Kundenservices, Bedeutung des Preises, Bedeutung Fortschrittlichkeit) eher schlecht zur Erklarung des Wechselverhaltens geeignet. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass neben den drei angefuhrten Aspekten noch weitere Kriterien eine Rolle spielen, urn Kunden zu einem Anbieterwechsel zu bewegen. Derartige Kriterien, die Bestandteil weitergehender Untersuchungen sein konnten, sind beispielsweise die Zufriedenheit mit dem bisherigen Anbieter oder die Hohe der monatlichen/jahrlichen Stromkosten fur den EInzelnen. Bei der Interpretation des Ergebnisses bleibt aulierdem die Grofle der zugrunde liegenden Stichprobe zu beachten: Zwar sind insgesamt 579 private Stromkunden befragt worden, jedoch haben von den 579 Interviewten erst 31 Personen tatsachlich ihren Stromversorger gewechselt; weitere 55 planten einen Wechsel. Somit konnen nur 84 Befragte als wechselwillig eingestuft werden, so dass sich hier ein weiterer Grund fur die relativ geringen Auswirkungen der Variablen auf das Wechselverhalten ergibt.
Fazit Trotz genannter Einschrankungen formaler Natur zeigt die Analyse jedoch, dass das Wechselverhalten von privaten Haushalten im deutschen Strommarkt nur unwesentlich durch einen uberragenden Kundenservice bedingt wird. Auch spielen Preisunterschiede zwischen Anbietern augenscheinlich nur eine gerlngftigige Rolle. Lediglich die ..Fortschrittlichkeit" der Verbraucher vermag bisheriges Wechselverhalten zu erklaren. Auf Basis dieser Erkenntnisse ergeben sich entsprechende Konsequenzen fur die erfolgreiche Neukundengewinnung von Stromanbietern: •
Intelligente Produktbiindel (z. B. Strom kombiniert mit Telekommunikations-/ Internetprodukten) konnen die Attraktivitat des Angebots fur die Zielgruppe der Fortschrittsbegeisterten erhohen und so den Wechsel zu einem neuen Anbieter erieichtern. Die immer haufigeren Multi-Utility-Angebote von Versorgern sind daher als ein Schritt in die richtige Richtung zu verstehen und helfen, am Markt erfolgreich zu bestehen.
110
Einer professionellen Preisgestaltung kommt in mehrfacher Hinsicht Bedeutung zu: Zum einen kann durch attraktive Bundelpreise der parallele Absatz von Kommunikations-Zlntemetprodukten und Stromangeboten erhoht werden und so die Wechselbereitschaft vieler Kunden erhoht werden. Zum anderen ist durch eine entsprechende Preispolitik sicherzustellen, dass gewonnen Kunden nach erfolgtem Wechsel langfristig dem neu gewahlten Versorger treu bleiben. Letzteres erfordert, den Preis als Kundenbindungsinstrument so einzusetzen, dass gerade fur die sehr wechselwilligen, zukunftsoffenen Stromkunden langfristige Nutzenvorteile entstehen. In dieser Hinsicht kann beispielsweise ein Kundenbindungsprogramm, das langfristige Kunden durch Flugmeilen belohnt als positiv eingestuft werden, da fortschrittliche Kunden in der Regel besonders haufig auf das Flugzeug als Verkehrsmittel zurijckgreifen. Fur die Kommunikationspolitik gilt es, gezlelt die Medien zu nutzen, mit denen technikaffine und zukunftsaufgeschlossene Kunden angesprochen werden konnen. Werbung via Internet, Radio, TV und zielgruppenentsprechenden Publikumszeitschriften erscheint daher besonders geeignet. Selbstverstandlich ist auch durch die Wahl adaquater Werbebotschaften der Adressatenkreis der fortschrittlichen Nutzer systematisch anzusprechen. Die Bedeutung von E-Commerce als Vertriebskanal und Customer-Care-Instrument nimmt auch Im Strommarkt stark zu. Anbieter, die die Innovativen Medien so fruh wie moglich nutzen, werden die fortschrittlichen Kunden uberzeugen und gewinnen konnen. Insgesamt sind die einzusetzenden Vertriebskanale danach auszuwahlen, ob durch sie die identifizierte Zielgruppe der fortschrittlichen Kaufer erreicht werden kann. Der Vertrieb uber traditionelle Einzelhandelsketten und Versandhandler mit haufig stark gemischten Kauferpotential ist vor diesem Hintergrund eher kritisch zu beurteilen, wahrend etwa ein kooperativer Absatz mit einem als modern geltenden Unternehmen mit tendenziell eher jijngerem und aufgeschlossenerer Kundenbasis (z. B. Telekommunikations- Oder auch Finanzdienstleister) sehr positiv auf das Wechselverhalten wirken kann.
Literatur Joreskog, K. G./Sorbom, D (1988): LISREL 7 - A Guide to the Program and applications, 2. Auflage, Chicago.
111
Eine Sequenzanalyse der Informationspfade illoyaler CommodityKunden Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Auf Grund der Homogenitat und Komplexitat ist der Strommarkt im Bereich der Privatkunden bislang von nur geringen Wechselaktivitaten gepragt. Kunden befinden sich zumeist in Unklarheit uber Moglichkeiten und Risiken eines Wechsels. Neuere Erkenntnisse deuten aber daraufhin, dass jungere Zielgruppen diese Unklarheiten verstarkt durch Informationssuche reduzieren. Urn nun derart wechselaffine Kunden moglichst effizient in der Marketing- und Kommunikationsarbeit zu adressieren, ist das Wissen unn das Informationsverhalten dieser Zielgruppe unerlasslich. Neben einer allgemeinen Analyse der Informationsquellen an Hand zweier empirischer Studien werden deshalb haufige Informationspfade nriit Hilfe einer Sequenzanalyse extrahiert.
Wechselverhalten im Strommarkt Im Privatkundensegment waren bislang seit der Liberalisierung des Strommarktes nur geringe Wechselaktivitaten zu verzeichnen, obwohl bei vielen Nachfragern zunachst eine grundsatzliche Bereitschaft zu einem Anbleterwechsel bestand und auch noch besteht. Von den anfanglich immerhin 37% Wechselbereiten^^s haben allerdings je nach Energieversorger nur 2 bis 5% der Kunden dieses bekundete Verhalten in tatsachliches umgesetzt.^^e Dies liegt bei Stromkunden, wie empirisch nachgewiesen, u. a. daran, dass Strom als homogenes Low-lnvolvement-Produkt fur den Verbraucher nur schwer differenzierbar ist und auf Grund der Informationsfulle Unklarheit aber auch eine gewisse Handlungstragheit ausl6st.237 Allerdings weisen jungste Erkenntnisse darauf hin, dass jungere Zielgruppen diese derzeit stagnierende Marksituation auf dem Haushaltsstrommarkt kunftig nachhaltig dynamisieren werden. Dies lasst sich darauf zuruckfuhren, dass jungere Alterskohorten einerseits mit einer hoheren Informationsintensitat ~ nicht zuletzt durch die alltagliche Internetverwendung bedingt - aufgewachsen sind und sich andererseits auch auf anderen Markten, wie z. B. dem Mobilfunksektor, generell durch eine geringere Anbieterloyalitat auszeichnen.
235 Grunthal{200^), S. 12. 236 prangenberg (2003). 237 Bakay/Schwaiger {2004), S. 24.
113
Um dies speziell bezogen auf die Wechselthematik zu beleuchten, wurde in einer Untersuchung mit 200 Teilnehmem neben einer Reihe weiterer wechseireievanter Themen auch das grundsatzlich empfundene Wechselhsiko abgefragt. Bei einer getrennten Untersuchung nach Aiterskiassen^^s zeigt sich nun, dass jungere Kunden das Risiko eines AnbietenA/echsels als deutlich geringer einschatzen als altere Zielgruppen. 40% 35% 30% -j 25% -| D bis 30 Jahre Suber30 Jahre
20%
• 1
15% 10% 5%
Zim
0% sehrgering
gering
mittel
groa
sehrgroft
Abbildung 1: Empfundenes Risiko eines Anbieterwechsels 2004
Ein t-Test weist den IVIittelwertunterschied bei einer 5-stufigen Skaia^^^ von 1,2 in der Altersgruppe bis 30 zu 1,86 in der Altersgruppe uber 30 Jahre als hochsignifikant240aus. Daher ist zu erwarten, dass mittelfristig Kundenbindung und Neukundenakquisition bei Energieversorgern wieder zu einem Marketingthema hoherer Prioritat avancieren wird. Die Kundenbindung umfasst grundsatzlich samtliche Mafinahmen von Anbietern, mit denen Kunden zur Aufrechterhaltung der Geschaftsbeziehung bewegt werden.24^ Neben einer erzwungenen Bindungssituation durch den Aufbau von Wech-
235 Jungere Stromkunden bis 30 Jahre und altere uber 30 Jahre. 239 1 =sehr gering bis 5=sehr hoch. 2^^ p < 0,000. 24^ z.B. Krafft {2002).
114
selkosten242 (^ B. langfristige Vertragsbindung oder spezifische Investitionskosten auf Nachfragerseite) kommt auch der Bindung durch positive Erfahrungen mit dem Anbieter und dessen Reputation eine entscheidende Rolle im CRM zu.2^^ Urn Marketing- und Komnnunikationsmafinahmen effizient zu steuern, ist es dementsprechend von Interesse das Informationsverhalten von Stromkunden und die informationspfade von Wechslern zu untersuchen. Die Ergebnisse der oben angefuhrten Studie sowie einer weiteren Untersuchung werden dazu im Folgenden dargestellt.
Informationsverhalten von (potenziellen) Wechslern In einer von den Autoren durchgefiJhrten Untersuchung, bei der 1000 bundesdeutsche Haushaltsvorstande rein zufaliig ausgewahit wurden.^^^^ zeigte sich, dass 88,6% der Befragten uber die generelle Moglichkeit, den Stromanbieter zu wechsein, informiert waren. Zum damaligen Zeitpunkt wurden als erste Informationsquellen zum Thema der generellen Wechselmoglichkeit v.a. Printanzelgen, Fernsehspots und die redaktionelle Berichterstattung genutzt. Auch von den Energieversorgungsunternehmen vertriebene Broschuren spielten in diesenri Zusammenhang eine Rolle, wahrend Internet und Plakate fur die Erstinformation eher selten als Infornnationsquellen genannt wurden. Die Internet-Erstinformation war im Ubrigen auch nach einem Aufbruch der Stichprobe nach Internetnutzern bzw. NIchtnutzern in beiden Untergruppen deutlich unterreprasentiert. Die Detailanalyse bezuglich der Beschaffung weiterer Informationen zu Tarifen und Leistungen verschiedener Stromanbieter zeigte, dass sich bereits 54,5% der befragten Personen intensiver mit dem Thema des Stromanbieterwechsels auseinandergesetzt hatte. Wechselwillige Kunden versuchen also strukturiert, die zunachst empfundene Unklarheit gegenuber dem Thema Stromanbieter zu reduzieren. Die Quellen fur diese tiefer gehende kognitive Informationssuche lleflen sich in objektive redaktionelle Quellen,^^^ relativ objektive Quellen des sozialen Umfeldes wie Freunde Oder Bekannte und anbieterseitige Quellen wie Werbung, Internetauftritt, oder Call Center unterscheiden. Auffallend war allerdings eine Verschiebung des Schwerpunkts im Vergleich mit den zuvor diskutierten Erstinformationsquellen; denn dem Internet und Meinungsfuhrern wie Freunden und Bekannten, kam bei der Suche nach weitergehender Information eine weit grofiere Bedeutung zu als zuvor. Daraus lasst sich schliefien, dass das Medium Internet v.a. fur die gezielte Informations-
2^2 Sa/cay(2003), S. 3 1 . 24^ Schwaiger/Zinnbauer (2003) 2^"^ Die Rucklaufquote betrug 10,5%. 2^5 Tageszeitungen und Zeitschriften, Radio/TV, allgemeinen Intemetinformationsdienste.
115
suche eingesetzt wird und die Energieversorgungsunternehmen die entsprechenden Details zu Tarifen und Leistungen In leicht verstandllcher Form auf Ihren Internetselten publlzleren sollten, wahrend allgemelne Werbung im Internet eher unbeachtet b\e\b{246
Konkrete Informationspfade vor einem Wechsel Die eben dargestellte Studie offenbarte nun zunachst allgemeine Informationsquellen und deckte auf, dass speziell vor einem Wechsel andere Quellen praferiert werden als zur allgemelnen Basisinformation. Fur Unternehmen der Energieversorgungsbranche ist es nun von besonderem Interesse die Reihenfolge in der bestimmte Informatlonsquellen verwendet werden zu kennen und Insbesondere bestimmte Muster in dieser Reihenfolge zu Identifizleren. Dies ermoglicht eine zlelgerichtete und damit effiziente Kommunikation. Schliefillch ist zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem eine Informatlonsquelle zum Einsatz kommt, mit einem wahrschelnlich prasenten Vorwissen eines potenziellen Wechslers zu rechnen. Um Aufschluss uber konkrete Informationspfade, also die Reihenfolge, in der bestimmte Informatlonsquellen in Anspruch genommen werden, zu erhalten, wurden dazu In einer aktuellen Folgeuntersuchung 200 Probanden zum Wechselverhalten befragt. Zur Analyse spezifischer Informatlonsmuster wurden daruber hinaus 111 Wechsler oder wechselwllllge und bereits iiber einen moglichen Wechsel informlerte Personen zu ihren Informationsschrltten befragt. Dazu wurden die Nennungen kodiert und dann je Informationsschritt aggregiert. In einem zweiten Auswertungsschritt wurden die Pfade aggregiert. Um diese Informatlonsmuster zu analysieren, wurde mit Hilfe der Datamlnlng-Software SAS Enterprise Miner eine Sequenzanalyse durchgefuhrt, bei der zeitliche Abfolgen erfasst und auf Abhangigkelten untersucht werden. Die gesuchten Muster sind also zeitliche Muster, so genannte Sequenzen, die haufig wiederkehrende Abfolgen in den Daten beschreiben.2^'^ In der nachfolgenden Abbildung 2 sind die zehn haufigsten Informationspfade geordnet nach Haufigkeit des Auftretens dargestellt.
246
zinnbauer{200^),S.247.
'^^'^ Vgl. zur Sequenzanalyse z. B. Han/Kamber {2000).
116
Supp. %
Confid. %
Schritt 1
Schritt 2
Schritt 3
20,72
47.92
Objektive Intemetseiten
Anbieter (Internet/Call Center)
Freunde/Bekannte
19,82
45,83
Objektive Intemetseiten
Freunde/Bekannte
Anbieter (Internet/Call Center)
16,22
27,27
Freunde/Bekannte
Anbieter (Internet/Call Center)
-
13,51
26,79
Anbieter (Internet/Call Center)
Freunde/Bekannte
-
8,11
33,33
Freunde/Bekannte
Anbieterwerbung
Anbieter (Internet/Call Center)
4,50
30,00
Anbieterwerbung
Anbieter (Internet/Call Center)
-
4,50
50,00
Tageszeitung/ Zeitschriften
Freunde/Bekannte
Anbieter (Internet/Call Center)
3,60
50,00
Freunde/Bekannte
Objektive Intemetseiten
Anbieter (Internet/Call Center)
2,70
60,00
Anbieter (Internet/Call Center)
Objektive Intemetseiten
Freunde/Bekannte
2,70
60,00
Objektive Intemetseiten
Tageszeitung/ Zeitschriften
Freunde/Bekannte
Abbildung 2: Die 10 wichtigsten Informationspfade illoyaler
Haushaltsstromkunden
Besonders fallt die Bedeutung objektiver Intemetseiten als zumeist erstem Schritt zur Detaiiinformation auf. Dies spiegelt auch die Erkenntnisse aus der Untersuchung aus dem Jahr 2001 wider. Schliefiiicii werden auch direkt Informationen von den Anbietern via Internet oder Call Center angefordert sowie Freunde und Bekannte urn Rat gefragt. Alle vier Kernpfade beinhalten zunnindest zwel dieser drei Informationsmoglichkeiten, wobei eine Detailanalyse offenbart, dass Webseiten objektiver Infornnationsdienste im Internet zusatzlich zumeist von jungeren Zielgruppen genutzt werden. In jedem Fall werden aber Anbieterinformationen uber das soziale Umfeld validiert. Meinungsfuhrer ubemehmen hier offensichtlich die entscheidende Funktion eines Lotsen durch das „Anbieter-Dickicht". Als statistische Made fur die Relevanz von den aufgefundenen Pfaden werden Support und Confidence herangezogen: So beruhen beispielsweise 13,51% (Support) aller erfassten Muster auf der Sequenz „Anbieterinformationen => Freunde/ Bekannte". Wenn man ausschliefilich diejenigen Personen betrachtet, die Informationen bei einem Anbieter einholen, werden 26,79 % davon (Confidence) danach noch Informationen ijber Freunde und Bekannte einholen.
117
Fazit Resumierend kann festgehalten werden, dass Unterschjede bezuglich der Wahrnehmung der Wechselrisiken bei unterschiedlichen Altersgruppen festgestellt werden konnten. Daher dijrfte die zunehmende Bedeutung dieser Zielgruppen als Haushaltsstromkunden mittelfristig zu einer Re-Dynamisierung der Marktanteilssituation auf dem Haushaltsstrommarkt fuhren. Um wechselaffine Kunden von Wettbewerbern abzuwerben bzw. eigene wechselgefahrdete Kunden zu binden, ist das Wissen um die Informationspfade derartiger Kunden auRerst bedeutsam. Als erste Kerninformationsquelle werden zumeist objektive Internetseiten zum Anbietervergieicii herangezogen. Danach werden Informationen von den relevanten Anbietern selbst sowie vom sozialen Umfeld aufgenonnmen. In der Produktkommunikation sollten Unternehmen deshalb berucksichtigen, dass in den allermeisten Fallen potenziell wechselnde Kunden bereits vor einem Abruf von anbieterseitig offerierten Informationen andere Quellen genutzt haben und dementsprechend erhaltene Informationen mittels ihres Vorwissens objektivieren.
Literatur Bakay, Z. (2003): Kundenbindung von Haushaltsstromkunden, Munchen 2003. Bakay, Z./Schwaiger, M. (2004): Kundenbindung von privaten Stromkunden - Ermittlung zentraler Treiber. In: EnergiewirtschaftlicheTagesfragen, 54. Jg., 1-2/2004, S. 22-25. Grunthal, R. (2001): Der Strom-Markt: Marken, Wechselbereitschaft, alternative Energiequellen. In STERN Trendprofile, 9/2001,. Han, J./Kamber, M. (2000): Data Mining: Concepts and Techniques, New York, 2000. Krafft, M. (2002): Kundenbindung und Kundenwert, Heidelberg 2002. Prangenberg, 13/2003.
G. (2003): Verbraucher sind mit Stadtwerken zufrieden, in: vku-Pressemeldung,
Schwaiger, M.; Zinnbauer, M. (2003): Unternehmensreputation: Treiber der Kundenbindung auch bei mitteistandischen EVUs. In: Zeitschrift fur Energiewirtschaft, 27. Jg., 4/2003, S. 275-280. Zinnbauer, M. (2001): Cross-Selling-Potenziale bei Energieversorgungsunternehmen durch Bundling. In Zeitschrift fur Energiewirtschaft, 25. Jg., 4/2001, S. 243-252
118
Generationenfrage Kundenloyalitat? Markus Zinnbauer/Zoltan Bakay/Carsten Rennhak Seit ijber sechs Jahren ist der deutsche Strommarkt vollstandig liberalisiert; Stromkunden konnen seither ihren Anbieter frei wahlen, machen jedoch von dieser Moglichkeit nur selten Gebrauch - je nach EVU ist in Deutschland von einer Wechselquote im Bereich zwischen 2% und 5% auszugehen.^^^ Empirische Studien zeigen, dass Stromkunden sich nicht fur einen AnbietenA^echsel interessieren und entsprechend auch nur unzureichend uber die Materie informiert sind.2^^ Eine mogliche Erklarung dafur ist darin zu sehen, dass sicli das Gros der Kunden in angestammten Versorgerbeziehungen befindet, die noch aus der Zeit vor der Marktoffnung stammen - die Versorgung mit Stronn ist fur die moisten Kunden vollkommen erlebensfern.250 Dies wird dadurch verstarkt, dass die einst gesetzlich geregelten Gebietsmonopole den Kunden uber lange Jahre von einer Beschaftigung nnit dem Thema AnbietenA/echsei abgehalten haben. Daran konnte auch die Marktoffnung nur kurzfristig etwas andern.25^ So haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass die niedrige Wechselquote in Deutschland weniger auf die Uberzeugungskraft der Angebote als vielmehr auf das nach wie vor dominierende Desinteresse der Kunden zuruckgeht.252 Wie aber gestaltet sich diese Haltung bei jungeren Altersgruppen? HIer sind zwei bedeutende Faktoren zu berucksichtigen: Einerseits verfugt dieser Personenkreis uber weniger Erfahrungen aus der Zeit vor der Liberalisierung des Strommarktes, andererseits ist der Umgang mit neuen Medien wie dem Internet und der Mobiltelefonie hier starker verwurzelt. Die Mobiltelefonie unterlag von Beginn an einem relativ gut funktionierenden Wettbewerb. Entsprechend ist davon auszugehen, dass insbesondere die - in der Werbung traditionell besonders stark angesprochene - Zielgruppe Jugendliche in signifikantem Ausmali das Thema Anbieterwechsel verinnerlicht hat. Die Nutzung des Internets als Informationsquelle gehort bei Jugendlichen heute faktisch zum Alltag und die hohe Verbreitung von Produktvergleichsinformationen im Netz tragt daher zu einer hoheren Markttransparenz bei, von der naturgemad am ehesten jungere Altersgruppen profitieren, die dieses Medium am starksten nutzen.
248 Prangenberg (2003) und o.V. (2003). 249 Bakay (2003), S. 175f., Bakay/Schwaiger (2004), S. 22ff., Verlagsgruppe Bauer (2000), S. 6f.; Focus (2000), S. 23; VDEW{200^), S. 40. 250 Bakay (2003), S. 146; ifm (1999), S. 12ff. u. 22ff. 251 Grunthal {200^). 252 Bakay/Schwaiger {2004), S. 25.
119
Wir gehen in der vorliegen Studie deshalb der Frage nach, ob sich die vermutete hohere Wechselaffinitat dieser Zieigruppe auch in Punkto Stromanbieter nachweisen lasst.
Empirische Studie Datengrundlage der voriiegenden Untersuchung ist eine schriftliche Erhebung aus dem Zeitraum November bis Dezember 2003, im Rahnnen derer bundesweit 329 Personen befragt wurden. 53% der Befragten waren 30 oder junger, 49% weiblich.253
Kundenbindung wird gemeinhin als Oberbegriff von Loyaiitat^^^ und Treue^^s aufgefasst.256 indikatoren zur Erfassung des Konstrukts umfassen zumeist verhaltensnahe Gr6(ien.257 Daneben haben wir zwei eng mit der Bindung von Kunden zusammenhangende Indikatoren erfasst, die als maflgebliche Bestimmungsfaktoren gefestigter Bindungszustande gelten: die Kundenzufriedenheit und die Risikowahrnehmung der Wechselsituation.258 Die nachfolgende Grafik zeigt die von uns ermittelten Mittelwertunterschiede, die sich nach Durchfuhrung eines t-Tests allesamt als statistisch signifikant erwiesen:
253 Zur Altersverteilung ist anzumerken, dass die Verteilung in diesem Fall gestaucht ist, um der fur Vergleichszweck notwendigen Ubergewichtung jungerer Altersgruppen Rechnung zu tragen. 254 Inn Sinne einer Einstellung. 255 Im Sinne von Wiederkaufverhalten.
256
Peter{^997),S.9f.
257 D h vergangenes und geplantes Verhalten (vgl. Homburg et al. 2000, S. 88). 258 Ba/cay (2003), 8. 175f.
120
4,53 H 16-30 D 31-90
3,14
2,31
2,29
2,24
2 A
..^"
X--"
<^'^
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^^
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^•^.r
.#" Abbildung 1: Vergleich bekannter
Bindungsindikatoren
Ubergreifend zeigt sich dabei, dass jiingere Altersgruppen in deutlich geringerem Umfang an ihre Versorger gebunden sind als altere. Da sie auch das Wechselrisiko als niedriger einstufen, ist sowohl ihre Wechselbereitschaft als auch ihre subjektiv angenommene Wahrscheinlichkeit eines Anbieterwechsels hoher als bei den uber 30-jahrigen. Als nachstes gehen wir der Frage nach, ob jiingere Kunden so genannte „SmartShopper"-Merknnale aufweisen. Die entsprechenden Items wurden in Aniehnung an yWaA7o/E///of (1997, S. 508) gewahit:
121
5n
I a 16-30! In 31-901 4 H
3,62 3,21
3,19 2,56
2,55
2,42
2,4
2,35 2.38 2,04
2 H
A^
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^^ .^^
^^^
%"
^o0 ^
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/
^^^
y ^^^ ./
Abbildung 2: Vergleich von
NT
^^^
Smart-Shopping-Einstellungsindikatoren
Wie Abbildung 2 zeigt, sind jungere Befragte starker am Thema Sparangebote interessiert, wobei sie signifikant haufiger nach gijnstigen Angeboten suchen. Offenbar spielt der Preis bei ihnen eine wichtigere Rolle als der Service. Klar bestatigt sich dabei die Vermutung, dass jungere Personen weitaus starker auf das Internet zur Durchfuhrung von Preisvergleichen zuruckgreifen.259 Dies kann moglicherweise damit zu tun haben, dass altere Personen zwar ahnlich stark am Preis interessiert sind, ihre Auswahlentscheidung - moglicherweise auch aufgrund ihres hoheren Einkommens - aber auch auf andere Kriterien stutzen. Dennoch erweisen sich jungere Personen ubergreifend als die charakteristischeren „Smart-Shopper". Zur weiteren Analyse werden drei Indikatoren des realisierten Wechselverhaltens bei subskriptlonsartigen Anbieterbeziehungen betrachtet: der Wechsel von Kfz-Versicherungen, Mobilfunkanbietern und von Stromanbieter. Die Ergebnisse sind in Abbildung 3 dargestellt.
259 oie Bedeutung des Internets fiir das Smart-Shopping-Verhalten wurde auch von Ravindran et al. (1996) bestatigt. Lediglich bei der Nutzung von Tests und Preisvergleichen konnte kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Bei alien ubrigen Variablen konnten auf Basis eines t-Tests Mittelwertunterschiede auf einem Signifikanzniveau von p < 0,05 festgestellt werden.
122
Produkt
Altersgruppe
Anteil Wechsler
16-30 Jahre (n = 75)
39%
31-90 Jahre (n = 90)
23%
16-30 Jahre (n = 60)
8%
31-90 Jahre (n = 77)
17%
16-30 Jahre (n = 69)
6%
31-90 Jahre (n = 80)
4%
Mobilfunk
Kfz-Versicherung
Strom
Abbildung 3: Haben Sie in den letzten drei Jahren ihre(n).. .gewechselt?
Im Ergebnis zeigt sich, dass jungere Kunden lediglich im Bereich Mobilfunk signifikant haufiger ihren Anbieter gewechselt haben.260 Auf den ersten Blick mag dieses Ergebnis uberraschen, halt man sich allerdings die konkreten Lebensumstande jiingerer und alterer Alterskohorten vor Augen, erscheinen die Resultate verstandlich. Im Gegensatz zur Nutzung von Mobilfunkangeboten ist die Nutzung der beiden Vergleichskategorien in gewissem Umfang altersabhangig. Die Wahrscheinlichkeit mit der ein Kunde seine Kfz-Versicherung in den letzten drei Jahren gewechselt hat ist naturgemafi bei alteren Personen hoher, da viele der jCingeren Befragten in dieser Zeit womoglich noch gar keinen PKW besafien bzw. die Versicherung uber die Eltern lief. Ahnlich verhalt es sich beim Thema Stromanbieterwechsel, da viele der unter 30-jahrigen noch nicht Oder erst seit kurzem uber einen eigenen Haushalt verfijgen. Beachtlich ist hingegen der Mobilfunkbereich, der - vor dem Hintergrund der zumeist recht fruhzeitigen, eigenverantwortlichen Nutzungserfahrungen von Handynutzern - wesentlich vergleichbarer erscheint: hier zeigt sich bei den jungeren Alterskohorten ein deutlich aktiveres Wechselverhalten. Neben der Betrachtung des realisierten Wechselverhaltens in den vergangenen drei Jahren interessiert an dieser Stelle auch die Frage, wie oft Anbieterwechsel insgesamt vollzogen wurden.
2^^ Dieses Ergebnis wurde auf Basis eines Kontingenztests ermittelt. Fur den Wechsel des Mobilfunkanbieters ergab sich ein Zusammenhang mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von iiber 95%. Der Zusammenhang ist mit einem Kontingenzkoeffizienten von 0,164 als moderat zu bezeichnen.
123
2,5
Q16-30 031-90
J^ -i*
^' Abbildung 4: Mittlere HSufigkeit eines neuen
Vertragsabschlusses
Im Ergebnis zeigt sich, dass Stromanbieter wenn uberhaupt nur sehr selten gewechselt werden, wobei die Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen nur marginal sind. Hinsichtlich der beiden anderen Vertragsbeziehungen ergeben sich deutliche Unterschiede, wobei wiederum bei der Kfz-Versicherung zu beachten ist, dass hier die Vergleichbarkeit der beiden Stichproben nur bedingt gegeben ist. Beim vergleichbareren Thema Mobilfunkanbieten^^echsel bestatigt sich hingegen das zuvor ernnittelte Bild einer deutlich hoheren WechselaffinitSt jungerer Kundensegmente.^^^
Fazit Unsere Studie zeigt, dass die bislang eher stagnierende Situation des Haushaltsstromkundensektors in den nachsten Jahren wohl eine zunehnnende Dynanriisierung erfahren wird. Jungere, nunmehr als Kunden nachruckende Altersgruppen weisen ein grundsatzlich weniger loyales Verhalten auf, was die Treue gegenuber Anbietern von Subskriptionsleistungen betrifft. Die Ergebnisse haben eindrucklich gezeigt, dass die Wechselbereitschaft bei den bis 30-jahrigen Probanden im Vergleich zu den alteren, befragten Stromkunden deutlich hoher, gleichzeitig die Zufriedenheit mit
2^^ Die Mittelwerte unterscheiden sich auf Basis eines t-Tests fur die Bereiche Mobilfunk und KfzVersicherung signifikant (Vertrauenswahrscheinlichkeit uber 99%).
124
dem Anbieter niedriger und das Risiko eines Wechsels als signifikant geringer eingeschatzt wird. Daruber hinaus zeigt das Einstellungsprofil dieser jungeren Alterskohorte ein in nahezu alien Fallen signifikant starker ausgepragtes Smart-Shoppingverhalten. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass das Thenna der Kundenbindung im Bereich privater Haushaltskunden auf Grund veranderter Praferenzen nachruckender Alterskohorten wieder mafigeblich an Bedeutung gewinnen wird. Konzepte zur aktiven und passiven Bindung von Kunden sowie zum Controlling der Bindungsstarke auf dem Low-lnvolvement-Markt Strom wurden von Bakay (2003, S. 189ff.) sowie Schwaiger/Zinnbauer (2003, S. 275ff.) diskutiert und stehen somit zur Verfugung. Eine entsprechende Implementierung einer aktiven bzw. passiven Strategle sollte je nach unternehmensspezifischen Notwendigkeiten erfolgen, wobei auf Grund der sich offensichtlich wandelnden Kundenpraferenzen mittelfristig den aktiveren Strategien der Vorzug zu geben ist.
125
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126
Kundendaten
CRM und Kundenbindung Amparo Galinanes Garcla/Carsten Rennhak/Gunter Seidel Customer Relationship IVIanagement (CRM) ist ein Instrument, das dazu dient, die Bindung der Kunden an das Unternehmen zu verstarken.262 Nach einer begrifflichen Definition werden seine Ziele und Aufgabenbereiche eriautert. Abschliefiend wird auf die Wettbewerbsvorteile eines CRM-Systems und seiner Erfolgsfaktoren naher eingegangen.
Definition und Begriffsabgrenzung Die Literatur definiert den Begriff CRM unterschiedlich. Sie beschrankt sich haufig auf die technologlsche Komponente.263 CRM Ist hierbei mit CRM-Systemen gleichgesetzt, wobel die Sammlung und Auswertung von Kundendaten und die Automatisierung von Prozessen im Vordergrund stehen. Diese starke IT-Orientierung birgt die Gefahr in sich, die notwendigen Rahmenbedingungen fur eine erfolgreiche CRMUmsetzung unbeachtet zu lassen.264 Pur diesen Beitrag erscheint daher die Definition von Hippner geeigneter: „CRM ist eine kundenorientierte Unternehmensstrategie, die mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien versucht, auf lange Sicht profitable Kundenbeziehungen durch ganzheitliche und individuelle Marketing-, Vertriebs- und Servicekonzepte aufzubauen und zu festigen."265 Rapp sieht CRM ebenfalls als eine kundenorientierte Unternehmensstrategie: „CRM ist eine ubergreifende Strategie zur Verbesserung der Kundenkontaktqualitat im Verkauf, Support und Marketing mit dem Ziel einer optimierten Kundenzufriedenheit, optimierten Kundenloyalitat und gesteigerten Profitabilitat."266 Nach diesen Definitionen umfasst CRM zwei zentrale Gestaltungsbereiche.^^^ Zum einen erfordert CRM den Einsatz von integrierten Informationssystemen (reine Softwarelosung).268 zum anderen steht CRM auch fur eine kundenorientierte Unterneh-
262 Vgl. H/jopner (2004). S.20f. 263 Vgl. Schwede (2000) und Schwetz (2000). 264 Vgl. H/ppner (2004), S. 15. 2^^
Hippner/Wilde {2003), S. 6.
266 Rapp (2000), S. 56. ^^'^ Vgl. Hippner/Wilde (2003), S. 6. 268 Dje integrierten Informationssysteme umfasst die Zusammenfuhrung aller kundenbezogenen Informationen und die Synchronisation aller Kommunikationskanale. Sie eriauben eine ganzheitliche Abbildung des Kunden und eine differenzierte Kundenansprache (vgl. HippnerAA/ilde 2003, S. 6).
129
mensstrategie.269 Damit ist CRM mehr als ein IT-System. Die Informationstechnologie „stellt dabei aber nur einen ,Enabler' dar, der die notwendigen Voraussetzungen fur eine effektivere und effizjentere Gestaltung der Kundenbeziehungen schafft, ohne diese automatisch sicher zu stellen."27'o Nach Rapp ist die Aufgabe der Informationstechnologie dabei, „Daten zu liefern, die es ermoglichen, die Unternehmen bei ihrer Wertschopfung zu unterstutzen."^^^ In der Praxis fehit es haufig an einer Abgrenzung des Begriffs CRM von anderen Begriffen wie Beziehungsmanagement (Relationship Management), Beziehungs-marketing (Relationship Marketing) und Kundenbindungsmanagement (CRM). Daher ist es wesentlich, die Abgrenzung dieser Begriffe zu eriautern (siehe auch Abbildung 1). Zunachst beschrankt sich das Beziehungsnnanagement nicht auf Kundenbeziehungen, sondern wird als umfassendes Konzept verstanden, das horizontale (z. B. Vertriebsgemeinschaften), vertikale (z. B. Zuliefererbeziehungen), laterale (z. B. Beziehung zu Behorden) Oder unternehmensinterne Bezlehungen (z. B. zum Personal) einbezieht.272 Beim Beziehungsmarketing steht die Kundenseite im Vordergrund, aber schllefit die Beziehungen zu den Lieferanten auch mit ein.273 Das Kundenbindungsmanagement betrachtet ausschliefillch die aktuellen, bereits bestehenden Kundenbeziehungen.27^ Es schlieflt die Gewinnung von Neukunden sowie die Ruckgewinnung abgewanderter Kunden nicht mIt ein. Zuletzt beschrankt sich das Kundenbeziehungsmanagement nur auf die Gestaltung der Beziehung zum Kunden.275
Der CRM-Ansatz dient zur Unterstutzung der Kundenbindung. Ausschlaggebend sind seine kundenprozessorientierte Perspektive und sein langfristiger Unternehmenswert generierender Ansatz.^^e
2^^ Eine kundenorientierte Unternehmensstrategie umfasst eine Neuausrichtung samtlicher Geschaftsprozesse und Verantwortliciikeiten auf den Kunden (vgl. Hippner/Wilde 2003, S. 6). 2/^0 H/ppner. (2004), S. 31. 27"^ Rapp (2000), S. 56. ^'^2 Vgl. D/7/er (1995). 273 Vgl. Berry (1983) und Kd/7/er (2001). 274 Vgl. Homburg/Bruhn (2003), S. 5f. ^'^^ Vgl. H/ppner (2004), S.36f. 2'^^ Vgl. Rapp (2001), S. 43.
130
Beziehungsmanagement
Bezieliungsmarketing
Sonstige externe Beziehungen
Sonstige vertikale Beziehungen
Customer Relationship IVIanagement
Kundenbindungsmanagement
Sonstige interne Beziehungen
Potenzielie Kunden
Al(tuelle Kunden
Verlorene Kunden
Abbildung 1: Abgrenzung des CRM von verwandten Begriffen 277
Ziele und Aufgabenbereiche des CRM-Ansatzes CRM verfolgt das Ziel, den Unternehmenswert durch hohere Kundenzufriedenheit und -bindung zu steigern.278 um dieses zu erreichen, sind untergeordnete Ziele zu verwirklichen (siehe Abbildung 2). Zunachst ist die Qualitat der Kundenbearbeitung durch eine Differenzierung und durch ein Angebot an Mehrwertdiensten zu erhohen. Zudem sind die internen und externen Bearbeitungsprozesse so zu optimleren, dass die Schnittstelle zum Kunden optimal gestaltet ist.279 Ferner sind neue Technologien einzusetzen, unn das Kundendatenmanagement und die Schnittstellen zum Kunden zu verbessern. Eine Ausrichtung in den Marketing-, Vertriebs- und Kundenserviceabteilungen sind durchzusetzen.
277 In Aniehnung an H/ppner (2004), S. 18. 278 vgl. Dangelmaier et al. (2004), S. 5f.
279 Vgl. Dangelmaier et al. (2004), S. 5f.
131
1 Hdhere Quaiitdt der Kundenbearbeitung •
Differenzierung
•
Mehrwertdienste
1 Verbesserung der internen Prozesse • Workflows •
Ziele
Prozesskennzahlen
1 Verbessertes Kundendatenmanagement •
Datenintegration
\ \ 1 / /
Steigerung des Unternehmenswerts durch hdhere Kundenzufriedenheit und -bindung 1
• Anwendungsorientierte Auswertung
1 Optimierung Kundenschnittstelle •
Reklamationsbearbeitung
• Kundenhistorie, Kundenprofile 1
Abbildung 2: Ziele des CRM-Ansatzes ^^^
Nach HippnerAA/ilde verfolgt das CRM-Konzept mit der Fokussierung auf profitable Kunden^s^, dem Aufbau und der Pflege sowie der Differenzierung von Kundenbeziehungen282 und der Integration von Kontaktpunkten zwischen Unternehmen und Kunde vier weitere Ziele.28^ Zudem sind langfristige Kundenbezlehungen aufzubauen und zu festigen.284 Nicht nnehr Kundenneugewinnung, sondern die kontinuierliche Pflege bereits bestehender Kundenbezlehungen nimmt eine zentrale Rolle ein, urn eine dauerhafte Kundenbindung zu erzielen. Es ist erwiesen, dass es kostenlnten-
250 In Aniehnung an Dangelmaier (2004), S. 5. 2S^ HippnerAA/ilde (2003, S. 7f.) messen die Kundenprofitabilitat uber den Anteil der Kaufkraft eines Kunden, der beim Unternehmen verbleibt (Share of Wallet). Die meisten Unternehmen erzielen mit nur wenigen Kunden einen grofien Teil ihres Gewinns. 252 Zum anderen ist eine Differenzierung der Kundenbezlehungen uber die Leistungs- und Kommunikationsebenen anzustreben, d. h. uber die Produkte, Dienstleistungen und den Dialog mit dem Kunden. Der Begriff der Differenzierung grenzt sich von dem der Individualisierung. Eine Individualisierung einer Kundenbeziehung ist eine Personalisierung des Kundenkontakts uber wenige Kommunikationskanale. So kann z. B. ein Aufiendienstmitarbeiter, der uber eine langere Zeit eine uberschaubare Anzahl von Kunden betreut, zu diesen eine personalisierte Beziehung aufbauen. In Markten mit Millionen von Kunden ist dies jedoch nicht moglich. Hier konnen die Kunden in homogenen Gruppen segmentiert werden, um ihren Bedurfnissen und Erwartungen entsprechend differenziert ansprechen zu konnen (vgl. HippnerAA/ilde 2003, S. 9f.). 253 Vgl. HippnerAA/ilde (2003), S. 7ff.
254 Vgl. H/ppnerAV//c/e (2003), S. 10ff.
132
siver ist, neue Kunden zu gewinnen als bestehende zu halten.285 Schlielilich soil eine Integration der einzelnen Kontaktpunkte zwischen Kunden und Unternehmen (Customer Touch Points) erzielt werden, urn dem Kunden ein einheitliches Bild zu prasentieren („one face to the customer").286 Eine Integration von Marketing, Vertrieb, Service, etc. ist daruber hinaus bedeutend, urn ein Wares Bild vom Kunden und seiner Geschaftsbeziehung zu erhalten („one face of the customer"). Die Aufgabenbereiche der CRM-Systeme lassen sich in kollaboratives (oder kommunikatives), operatives und analytisches CRM unterteilen.287 Abbildung 3 zeigt diese drei Aufgabenbereiche mit den jeweiligen Komponenten.
ema 1 Internet Persdnlich(5r Kontakt
Telefon
Mailings
WAP
^ —
(
J
Customer Interaction Center
^~"""\
TV/Radio
Front Office
Marketing Automation
Service Automation
Sales Automation
t Closed Loop Architecture
Data Mining
^—\r—
FCH^
OLAP
I
custome>r Data W<srehc>use
Abbildung 3: Aufgabenbereiche und Komponente einer CRM-Losung 2^8
Das kollaborative CRM (oder kommunikatives CRM) umfasst die Synchronisation sowie die Steuerung und Unterstutzung aller Kommunikationskanale zum Kunden
255 vgl. Stoye/c (2000), S. 42. 25^ Nachdem der Dialog mit dem Kunden differenziert ist, sollen an den einzelnen Kontaktpunkten moglichst alle Informationen vorliegen, die der Kunde im Unternehmen hinterlassen hat. Nur so konnen die Bedurfnisse und Erwartungen des Kunden in kurzer Zeit erfullt werden (vgl. Hippner/Wilde 2003, S. 12). 287 Vgl. Hippner/Wilde (2003), S. 14ff. 288 In Aniehnung an Hippner/Wilde (2003), S. 14.
133
(Telefonie, Internet, Email, Mailings, etc.).2^9 Diese werden so eingesetzt, dass sie eine Kommunikation in zwei Richtungen zwischen Kunden und Unternehmen ermoglichen. Dabei steht die Integration eines Customer Interaction Center (CIC) als multimediale Kommunikationsschnittstelle im Mittelpunkt.^^o Oer Kunde hat durch die Integration der verschledenen Kommunikationskanale einen Zugang in das Unternehmen, das dadurch den Ansatz „one face to the customer" unterstutzen kann.29^ Das operative CRM umfasst alle Anwendungen, die im direkten Kontakt mit dem Kunden stehen (Front Office).292 ES beinhaltet Losungen zur Marketing-, Sales- und Service-Automation. Es unterstutzt den Dialog zwischen Kunden und Unternehmen, sowie die dazu erforderlichen Geschaftsprozesse mit Anblndung an Back-Office-Losungen.293 Kunden erfahren Betreuung von der Anfrage bis hin zur Reklamation, wobei sie im zeitlichen Ablauf verschiedene Rollen einnehmen und unterschiedlich Kommunikations- und Vertriebskanale nutzen. Wahrend beim kollaboratlven und operativen CRM die kundenbezogenen Geschaftsprozesse (z. B. Verkaufsgesprache, Kundendienstleistungen, etc.) im Mlttelpunkt stehen, werden Im analytischen CRM Kundenkontakte und Kundenreaktionen systematisch aufgezeichnet (Customer Data Warehouse)^^^ und zur Optimierung der kundenbezogenen Geschaftsprozesse ausgewertet (OLAP^^s^ Data Mining) 296 Ziel ist „der Aufbau eines lernenden Systems (Closed Loop Architecture), um Kundenreaktionen systematisch zu verwerten und daruber die Leistungen und die Kommunikation kontinuierlich an die individuellen Kundenbedurfnisse anpassen zu konnen."297
2S9 vgl. Gaulik et al. (2002), S. 55ff. und Hippner/Wilde (2003), S. 14ff. 290 Ein CIC integriert samtliche Kommunikationskanale wie z. B. Internet, Email, Fax, Post und SMS, die bisher isoliert voneinander arbeiten (vgl. Gaulik et al. 2002, S. 57). 29^ Vgl. Gaulik et al. (2002), S. 58. ^^2 Vgl. Hippner/Wilde (2003), S. 14f. 295 Back-Office-Losungen sind Anwendungen, die nicht im direkten Kontakt mit dem Kunden stehen, sondem unternehmensintem sind (vgl. HippnerAA/ilde 2003, S. 14). 29*4 Das Ziel eines Data Warehouses ist die Integration aller Geschaftsdaten in einer einzigen Datenbank, die fur Abfragen und Analysen fur verschiedene Anwender entlang der Wertschopfungskette zuganglich sind. Damit ist es moglich, den Aufwand der Datenerfassung und Datenverarbeitung zu reduzieren, die Datenspeicherung effektiver zu gestalten und die Ubertragungsgeschwindigkeit von Informationen zu erhohen (vgl. Gaulik et al. 2002, S. 40ff.). 295 Das Online Analytical Processing (OLAP) dient der Versorgung des Managements und der Fachabteiiungen mit integrierten, konsistenten Daten (vgl. Gaulik etal. (2002), S. 44). 2^^
Data Mining untersucht die Interdependenzen zwischen den in einem Data Warehouse gespeicherten Informationen. Verschiedene statistische Verfahren werden angewendet, um unerkannte Zusammenhange aufdecken zu konnen (vgl. Gaulik et al. 2002, S. 44ff.). 297 Qaulik et al. (2002), S. 39.
134
Diese drei Aufgabenbereiche ermoglichen es, aus dem noch unbewerteten gesammelten Datenmaterial der Bereiche Marketing, Vertrieb und Service (Front Office) wertvolles Wissen uber die Kunden und Interessenten zu generieren.298
Wettbewerbsvorteile durch CRM Link/Hildebrand zeigen die typischen Wettbewerbsvorteile kundenorientierter Informationssysteme (siehe Abbildung 4).2^9 Ein Vorteil liegt darin, die Erfolg versprechenden Kunden leichter auszumachen. So kann auf die individuellen Kundenbedurfnisse eingegangen und jeder einzelne Kunde personlich angesprochen werden. Zunachst kommt es zu einer sciineJieren Angebotserstellung und Auftragsbearbeitung sowie einer Friiherkennung von IVlarktchancen. PrSferenz durch Individualisierung Besseres Eingehen auf Kundenwunsche Individuelle Ansprache Kundenindividuelle Produkte
Praferenz durch Schnelligkeit Friiherkennung von Marktchancen HShere Reaktionsfahigkeit
Wiederholungskaufe Erkennen von Ersatzbedurfnissen Kundenbetreuung After-Sales-Service
Raschere Angebotserstellung
Up- und Cross-Selling • Aufspijren neuer Verkaufschancen und/oder zusatzlicher Dienstleistungsangebote
Loyalitdtsanreize
Hohere Beratungskompetenz
Rationalislerung Einsparungen bei weniger investitionswurdigen Kunden Geringere Streuverluste Lerneffekte durch Interaktion Personaleinsparung durch Automatisierung
Uberzeugende Presentation
Abbildung 4: Kosten- und Nutzenvorteile durch CRM ^^^
298 vgl. Kahle/Hasler (2001), S. 221. 299 Vgl. Link/Hildebrand {"[^95], S. 17ff. 300 In Aniehnung an Link/Hildebrand (1995), S. 18.
135
Durch eine individuelle Kundenbetreuung und Kundenbindung sowie ein fruhzeitiges Erkennen von Ersatzbedurfnissen, werden Kunden zu Wiederholungskaufen und Cross-Buying angeregt.^^^ Fur den Anbieter bedeutet dies eine Absatz- und Umsatzsteigerung pro Kunde. Letztendlich kommt es zu einem Rationalisierungspotenzial.^^2 Kosten sinken durch den Ausschluss weniger rentabler Kunden. Die Direktansprache Erfolg versprecliender Kunden reduziert wiederum Streuverluste von Werbungsmafinahmen in der Kommunikationspolitik. Durch die zunehmende Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen entstehen Lerneffekte, die zu einer Senkung der Kundenbetreuungskosten fuhren.^^^ Schliefilich tragt die Automatisierung von Prozessen zur Kostensenkung bei. Die obengenannten Kosten- und Nutzenvorteile geben Unternehmen mit einem CRIVI-Ansatz einen Wettbewerbsvorsprung. Weitere Wettbewerbsvorteile sind die Effizienz- und Effektivitatssteigerung.^^^ Diese resultieren beispielsweise aus einer Vereinfachung dertaglichen administrativen Arbeit durch Prozessoptimierungen, aus einer systematischen Datenintegration und -verteilung oder einer gezielten Analyse dieser Daten.
Erfolgsfaktoren im CRM Die Implementierung von CRIVI-Systemen bringt zahlreiche Probleme mit sich. In der Literatur und in Berichten aus der Praxis werden mehrere Problembereiche benannt. im Folgenden werden lediglich einige ausgewahlte Problembereiche erlautert:^^^ •
Daten sind haufig weder aktuell, korrekt noch redundanzfrei.^^^ Dies fuhrt zur inkorrekten Ansprache von Kunden und ungenauen Datenauswertungen fur die Erstellung von Analysen und Prognosen.
•
Viele CRM-Systeme sind isoliert und konnen somit das vorhandene Datenmaterial anderer Unternehmensbereiche nicht nutzen.^^^ Es fehit an einer vollstandigen Integration von CRM-Systemen. Hierbei ist die Gestaltung der Datenbanken bedeutend. Zum einen besteht keine gemeinsame Datenbank,
30^ 302 303 304
Vgl. Link/Hildebrand Vgl. Link/Hildebrand Vgl. Link/Hildebrand Vgl. Holland (2004),
(1995), S. 18. (1995). S. 18. {^995), S. 18. S. 181.
305 In der Literatur werden zahlreiche Problembereiche bei der Implementierung von CRM-Systemen diskutiert. Dazu gehort u. a. eine falsche CRM-Strategie und CRM-Philosophie, Fehler bei der Implementierung von CRM-Systemen und die Verwendung der falschen CRM-Software (vgl. z. B. Dangelmaier et al. 2004, S. 12ff. und Schaller et al. 2004, S. 71 ff.). 306 Vgl. Rich (2004), S. 36ff. 307 Vgl. Rapp (2000), S. 74 und Zellner {2002), S. 8.
136
sondern es bestehen verschiedene Datensysteme im Vertrieb, im Kundenservice oder in der Buchhaltung. Zum anderen sind die Datenbanken nicht einheitlich gestaltet. Die Daten liegen in multimedialen Formen vor, als strukturierte Daten, als Flielitest, als graphische Darstellung oder als Bilder. •
Die Funktionalitaten von CRM-Systemen sind hoch komplex und es besteht eine niedrige Nutzenakzeptanz.^^^
•
Die Kundenprozesse sind mit weiteren unternehmensinternen Prozessen (wie z. B. In der Buchhaltung, Produktion und Logistik) nicht Integriert.
•
Die EInbindung der Mitarbeiter wahrend und nach der Einfuhrung von CRMSystemen ist nicht ausrelchend.
Urn die obengenannten Problembereiche zu umgehen, sind die folgenden Erfolgsfaktoren bei der Einfuhrung von CRM-Systemen zu beachten (siehe Abbildung 5). Erfolgsfaktor
Beschreibung
Qualitat der Daten
Die Daten mussen aktuell, korrekt und redundanzfrei sein, um eine genaue Datenauswertung zu erreichen.
Systemarchitektur
Eine vollstandige Integration von CRM-Systemen ist essenzieil, um ein unternehmensweites System und entsprechende Prozesse zu etablieren.
CRM-Prozesse
Die Integration des Kundenprozesses uber alle Kundenkontaktpunkte und alle Kanaie hinweg ist der Zweck von CRM.
Organisation
Die Anpassung der Organisation an die neue Zielsetzung ist notwendig. Die Aufbauorganisation und die Arbeitsabl^ufe richten sicii an den neuen Prozessen aus und werden durch neue Technologien unterstotzt.
Kultur
Es sollte eine fruhere Einbindung der Mitarbeiter bei der Entwicklung des CRM-Systems geben, die sich mit dem System befassen mussen. Eine Etablierung des aiigemeinen Verst^ndnisses fur die Mitarbeiter, die nicht direkt davon betroffen sind, ist wichtig.
Abbildung 5: Erfolgsfaktoren bei der Einfuhrung von CRM-Systemen ^^^ Von besonderer Bedeutung fur den erfolgreichen Einsatz eines CRM-Systems ist sicherlich die Datenqualitat, denn wie fur alle anderen EDV-Anwendungen gilt auch hier: „Garbage in, garbage out". Um die Effizienzpotenziale des CRM tatsachlich realisieren zu konnen, ist eine vollstandige Integration essentiell - Medienbruche o.a. sind entsprechend zu vermeiden. Des Weiteren ist eine Abstimmung von Organi-
^08 Vgl. ZeZ/ner (2002), S. 8. 309 In Aniehnung an Homburg/Sieben (2003), S. 442ff. und Pusctimann/Alt (2002), S. 34ff.
137
sation und Prozessen an die CRM-Landschaft ist notwendig. Daruber hinaus sollte eine fruhere Einbindung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgen, denn nur diese kann den notwendigen Buy-In garantieren - die neue CRM-Welt kann nur erfoigreich sein, wenn sie auch von der Organisation gelebt wird.
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Datenqualitat als kritischer Erfolgsfaktor von CRM-Losungen Amparo Galinanes Garcia/Carsten Rennhak/Daniel Simonovich Eine der entscheidenden Grunde fur das Scheitern vieler CRM-Konzepte ist mangelnde Datenqualitat. Inkorrekte, redundante, unvollstandige und veraltete Daten werden erfasst und in den Datenbanken gespeichert. Daruber hinaus entstehen Fehler in der Datenubertragung und -integration. Zusatzlich erfolgt haufig eine mangelnde Datenpflege. Die inkorrekte Kundenansprache durch falsche Daten erhoht dann das Risiko von Kundenabwanderungen. Weiterhin werden Analysen durchgefijhrt, die auf mangelhaften Datenwerten basieren, was zu Fehlentscheidungen im Unternehmen bezuglich des Produktportfolios, der Preis-, der Kommunikatlons- oder der Distributionspolitik fuhren kann. Dies alles kann direkt oder indirekt zur Beeintrachtigung des Unternehmensabsatzes und -unnsatzes beitragen. Datenqualitat gilt deshalb neben Systemarchitektur, Prozessen und organisatorischer Einbettung als wesentlicher Erfolgsfaktor fur eine umfassende Losung der CRM-Herausforderung in Unternehmen. Urn die enorme Bedeutung der Datenqualitat besser einordnen zu konnen, werden im vorliegenden Beltrag die Ursachen mangelnder Datenqualitat und die Konzepte eines pro- und reaktiven Datenqualitatsmanagement dargestellt. Zunachst werden aber wichtige Begriffsdefinitionen und die unterschiedlichen Ansatzen der Datenqualitat eriautert.
Definition und Begriffsabgrenzung In der Literatur kommen die Begriffe Wissen, Informationen und Daten uberwiegend synonym zur Anwendung. Eine Abgrenzung dieser Begriffe ist daher notwendig. Wissen ist Jede Form der Reprasentation von Teilen der realen oder gedachten (d. h. vorgestellten) Welt In einem materiellen Tragemedium."^^^ Kennzeichnend dafur Ist die Reprasentation einer Menge von Aussagen uber eine reale Welt. Dagegen sind Informationen „Wissensbestandteile, die in Form menschlicher Sprache reprasentiert sind."^^^ Hierbei wandelt sich Wissen in Informationen um, wenn zwlschen Menschen eine Ubermittlung von Wissen stattflndet. Zuletzt sind Daten Informationen, „deren sprachliche Reprasentationsform und materielle Trager auf eine
^^0 Socfe(1997), S. 458. 2^^ Socye(1997), S. 459.
141
maschinelle Verarbeitung gerichtet sind."^^^ Somit sind Daten maschinenverarbeitbare Informationen.^^^ Der Datenbegriff ist umfassend. Diese Arbeit betrachtet ausschliefilich Kundendaten. Sie lassen sich vier Datenkategorjen zuordnen (siehe Abbildung 1). Beschreibung
Datenkategorien Stammdaten
Stammdaten enthalten langfristig gleichbleibende und von Angeboten des Untemehmens unabhangige Informationen (z. B. Name, Vorname, Geburtstag, Anschrift und Wohnort).
Aktionsdaten
Aktionsdaten sind Informationen uber kundenbezogene Mafinahmen des Untemehmens, die an die entsprechende Person gerichtet wurden (z. B. die Zahl der verschickten Werbebriefe an einen Kunden).
Reaktionsdaten
Reaktionsdaten enthalten Informationen uber die Reaktionen der Kunden auf die kundenbezogenen Maflnahmen des Untemehmens (z. B. Anfragen und Reklamationen).
Potenziai- oder Bewegungsdaten
Potenziai- Oder Bewegungsdaten sind Informationen uber das Nachfrageverhalten und daruber, welche Produkte der Kunde wann nachgefragt hat (z. B. im Falle eines Automobilherstellers, das Datum des letzten Kaufs, die Kilometerleistung und der Wiedermotorisierungszeitpunkt). Sie sind langfristig nicht gleichbleibende Informationen und von den Angeboten des Untemehmens abhangig. Abbildung 1: Datenkategorien -^^^
Weiterhin wird hier der Begriff Qualitat untersucht, den die Literatur als vielseitig und komplex darstellt. Eine allgemein akzeptierte Begriffsbeschreibung ist die DIN-Norm 55 350. Danach ist die Qualitat die Gesamtheit von Eigensciiaften und iVIerkmalen eines Produktes oder einer Tatigkeit. Sie bezieht sich auf die Erfuliung gegebener Erfordernisse.^^5 Qarvin untersciieidet zwischen funf Qualitatssichten (siehe Abbildung 2).
2^2 Bode (1997), S. 460. ^^^ Dieser Beitrag fokussiert ausschliefilich auf Daten. ^^^ In Aniehnung an Linli/l-lildebrand (1995), S. 9. Fur den weiteren Verlauf dieses Beitrags konzentrieren wir uns auf Stamm- und Bewegungsdaten. 3^5 Vgl.o.\/. (1995a).
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Qualitatsperspektive
Beschreibung
Transzendenter Ansatz
Der transzendente Ansatz kennzeichnet Qualitat als vorgegebene Vortrefflichkeit, Einzigartigkeit oder Superlative. Qualitat ist ein Synonym fur hohe Standards und Anspruche.
Produktbezogener Ansatz
Beim produktbezogenen Ansatz bestimmen die materiellen Eigenschaften die Qualitat eines Produktes. Qualitat ist nach diesem Verstandnis prazise messbar und eine spezifische Eigenschaft des Produktes selbst.
Anwenderbezogener Ansatz
Beim anwenderbezogenen Ansatz herrscht die Auffassung vor, dass Qualitat durch den Produktnutzer und weniger durch das Produkt selbst bestimmt wird. Ein Produkt ist von hoher Qualitat, wenn es dem Zweck der Benutzung durch den Kunden dient. Die individuellen Bedurfnisse des Kunden sind dabei bestimmend.
Prozessbezogener Ansatz
Nach diesem Ansatz bedeutet Qualitat die Einhaltung von Spezifikationen und die Abwesenheit von Fehlern. Ziel ist die Einhaltung der Produktspezifikation durch kontroliierte Produktionsprozesse.
Wertbezogener Ansatz
Der wertbezogene Ansatz betrachtet Qualitat unter Kostengesichtspunkten. Ein Produkt ist dann von hoher Qualitat, wenn die Kosten und die empfangene Leistung in einem akzeptablen Verhaltnis stehen.
Abbildung 2: Qualitatssichten nach Garvin ^^^
Ansatze zum Begriff der Datenqualitat Es gilt nun, aus den obigen allgemeinen Daten- und Qualitatsdefinitionen den Begriff der Datenqualitat abzuleiten. Die Literatur bietet keine allgemeine Begriffsdefinition. Der Begriff wird durch verschiedene Qualitatsmerkmale konkretisiert, die in unterschiedlichen Ansatzen eriautert werden.^^'' Im Folgenden werden ledlglich einige ausgewahlte Ansatze eriautert. Der Ansatz von WandAA/ang fokussiert auf die interne Ebene eines Informationssystems.^^^ Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass ein Systemnutzer das Informationssystem mit der realen Welt vergleicht. Inkonsistenzen zwischen dem Informationssystem und der realen Welt fuhren zu Datenqualitatsmangeln. Die obengenannten Autoren identifizieren vier Fehlertypen, aus denen innere Datenqualitatsmerkmale abgeleitet werden.^^^ Die Merkmale sind Vollstandigkeit, Eindeutigkelt, Bedeutung und Korrektheit. Eine von Wang/Strong durchgefuhrte empirische Untersuchung stellt Genauigkeit und Korrektheit als die wichtigsten Datenqualitatsmerk-
316 In Aniehnung an Garvin (1988), S. 40. In der Betrachtung von Qualitat der Kundendaten fokussiert dieser Beitrag auf den anwenderbezogenen sowie den prozessbezogenen Ansatz. 317 In der Literatur wird der Begriff der Datenqualitat meist synonym zum Begriff der Informationsquaiitat genutzt. 318 Vgl. Wand/Wang (1996), S. 87ff. 3^9 Vgl. Wand/Wang (1996), S. 93f.
143
male dar.^^o Ergebnis dieser Untersuchung sind vier Kategorien mit zugeordneten Qualitatsmerkmalen (siehe Abbildung 3). Datenqualitatsmerkmale
Kategorie Innere Datenqualitat Kontextabhangige Datenqualitat Darstellungsqualitat Zugangsqualitat
Glaubwurdigkeit, Genauigkeit, Objektivitat, Vertrauenswurdigkeit Zusatznutzen, Relevanz, Aktualitat, Vollstandigkeit, angemessenes Datenvolumen Interpretierbarkeit, Verstandlichkeit, konsistente Darstellung, knappe Darstellung Zugriffsmoglichkeit, Zugriffssicherheit
Abbildung 3: Datenqualitatsmerkmale nach Wang und Strong ^2^
Helfert untergliedert die Datenqualitatsmerkmale In zwei Kategorien: Datenschema und Datenwerte.^22 AIS wichtigste Qualitatsmerkmale bezogen auf das Datenschema ergeben sich Interpretierbarkeit und die Nutzlichkeit der Daten (siehe Abbildung 4). Kategorie
Merkmal
Interpretierbarkeit
Semantik, identifizierbarkeit, Synonyme, zeitlicher Bezug, Reprasentation fehlender Werte
Nutzlichkeit (zweckbezogen)
Vollstandigkeit, Erforderlichkeit, Granularitat, Prazision der Wertebereichsdefinition
Abbildung 4: Qualitatsmerkmale bezogen auf das Datenschema von Helfert ^^^
Hinsichtlich der Datenwerte sind fur Helfert (2002, S. 84) die Glaubwurdigkeit, der zeitliche Bezug, die Nutzlichkeit sowie die Verfugbarkeit wesentliche Datenqualitatsmerkmale (siehe Abbildung 5). Die dargestellten Ansatze zeigen die Vielschichtigkeit des Begriffs der Datenqualitat. Die Qualitat von Daten ist sehr subjektiv, da jedes Unternehmen, jedes System oder jede Person unterschiedliche Daten benotlgt.
320 vgl. Wang/Strong (1996, S. 20f. 32^ In Aniehnung an Wang/Strong (1996), S. 20. ^22 Das Datenschema beschreibt das Datenmodell (vgl. Helfert 2002, S. 82ff.). ^23 In Aniehnung an Helfert (2002), S. 83.
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Merkmal
Kategorie Glaubwurdigkeit
Korrektheit, Datenherkunft, Vollstandigkeit, Widerspruchsfreiheit, syntaktische Korrektheit, Zuverlassigkeit
Zeitlicher Bezug
Aktualitat, zeitliche Konsistenz, Volatilitat
Nijtziichkeit Verfugbarkeit
Relevanz, zeitlicher Bezug Zeitliche Verfugbarkeit, Systemverfugbarkeit, Transaktionsverfugbarkeit, Zugriffsrechte
Abbildung 5: Qualitatsmerkmale bezogen aufdie Datenwerte von Helfert (2002, S. 84)
Nutzen und Kosten von Datenqualitat In der Wissenschaft und Praxis wird uberwiegend von einem direkten positiven Wirkungszusammenhang zwischen Datenqualitat und CRM diskutiert.^24 Eine Verbesserung der Datenqualitat fuhrt zur Verbesserung der Kundenorientierung und damit der Kundenbeziehung. Eine genauere Zielgruppenidentifizierung und -differenzierung ist dadurch moglich. Daruber hinaus kommt es zu einer effektiveren Umsetzung von Marketingmafinahmen. Heinrich/Helfert (2003, S. 18) fechten diesen Standpunkt an. Sie sind der Meinung, dass die Mafinahmen zur Sicherung der Datenqualitat nicht immer zwingend zu einer Verbesserung der Geschaftsbeziehung aus Anbietersicht fuhren mussen. Kunden sollten einen Nutzen aus z. B. einer unkomplizierten Transaktionsabwicklung aufgrund der Speicherung und Aufbereitung seiner Daten unter Qualitatsgesichtspunkten Ziehen. Zudem muss der generierte Nutzen einen gewissen Grad an Signifikanz erreichen, damit die Wirkung der Datenqualitatsmafinahmen nicht negativ ist, sondern zu einer intensiveren Beziehung fuhren kann. Kundendatenqualitatsmangel konnen wiederunn unterschiedliche negative Auswirkungen mit sich bringen. Die Literatur diskutiert uber eine Vielfalt von negativen Auswirkungen mangelnder Kundendatenqualitat.225 Abbildung 6 zeigt eine Kategorisierung dieser Auswirkungen anhand einiger Beispiele.
324 Vgl. K/?a////Harcar (1999). 325 Vgl. Helfert (2002), S. 3f.
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Kategorie
Zusatzaufwand
Interne Akzeptanz
Beispiele Aufwendige Suche nach den richtigen Werten, Doppelerfassungen, Nachtraglicher Aufwand beim Erstellen von Analysen und Berichten Aufwendige Transformationslogik (Entwicklungs- und Betriebsaufwand) Unglaubwurdigkeit, Intemer Imageverlust, Erwarteter Nutzen wird nicht erreicht, nur von Spezialisten nutzbar
Unterstutzung operativer Prozesse
Kundenbeschwerden, Kundenabwanderungen, Ansprache der falschen Zielgruppe, Ungenutzte Cross-Selling-Mdglichkeiten, Falsche Provisions- und Pramienberechnungen
Entscheidungsprozesse
Ansammlung unerwunschter Risiken, Falsche Tarif- und Preiskaikulation, Ungenaue Rentabilitatsberechnungen, Falsche strategische Ausrichtung
Abbildung 6: Auswirkungen mangelnder Datenqualitat ^^6
Die Suche nach den richtigen Werten erfordert durch Doppelerfassungen Oder durch nachtragliches Erstellen von Analysen und Berichten mit den richtigen Werten einen Zusatzaufwand.^27 AuRerdem ergibt sich eine geringe interne Akzeptanz aufgrund des Vertrauensverlustes der Datennutzer. Hinzu kommt eine unzureichende Unterstutzung der operativen Geschaftsprozesse, well die falsche Zielgruppe identifiziert und angesprochen wird. Schliefilich kommt es zu mangelhaften Entscheidungen, so dass beispielsweise falsche Kundensegmente ausgewahit werden.^28 Zuletzt ist der Erfolg des Beschwerdemanagements auf eine gute Kundendatenqualitat zuruckzufijhren. Bei inkorrekten Daten besteht die Gefahr, dass eine Unzufriedenheit bei den Kunden nach einer Beschwerde entsteht.
Ursachen fur mangeinde Datenqualitat Die Ursachen fur Datenqualitatsmangel sind vielfaltig und liegen u. a. in der Datenerfassung, in der Datenubertragung von den Datenquellen zu Datenbanken, in der Datenintegration und in der Datenhaltung (siehe Abbildung 7). Bei der Datenerfassung konnen die Daten nicht nur irrelevant und veraltet, sondern die Angaben auch redundant und unvollstandig sein.^29 Hier besteht ein Hindernis, das in der Datenqualitat nur schwer zu umgehen ist. Kunden sind uberwiegend nicht
^26 In Aniehnung an Helfert (2002), S. 4. 327 vgl. Helfert (2002), S. 3f. 328 Vgl. Hinrichs (2002), S. 7. 329 Es bestehen weitere Ursachen fur Fehler bei der Datenerfassung, wie beispielsweise die mangeinde Konzentration oder Motivation sowie die bewusste Verfalschung (vgl. Hinrichs 2002, S. 34f.). Diese Ursachen werden im vorliegenden Beitrag nicht naher betrachtet.
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bereit, Daten uber jhre Interessen und Bedurfnisse prejszugeben. Die Studie von Hippner et al. (2004, S. 150f.) bestatigt diese Annahme. 76% der befragten Personen sind nicht bereit, Daten uber Interessen und/oder Bedurfnisse zur Verfugung zu stellen. Nur 22% sind bereit, ihre personlichen Daten anzugeben. Des Weiteren konnen bei der Datenubertragung und in den Datenverarbeitungsprozessen Fehler auftreten. Zudem konnen die Transformations- und Bearbeitungsprozesse zur Datenintegration fehlerhaft sein. Ein weiteres Problemfeld kann die mangelhafte Aktualisierung von Daten bilden. Kategorie
Datenquaiitatsmangei
Datenerfassung
Inkorrekte Angaben verursacht durch Eingabefehler (Buchstabierfehler, fehlerhafte Orthographie und Verwendung von Synonymen), Phonetische Fehler, Fehlende Angaben, Widerspruchliche Angaben, Tippfehler, Redundante Datenerfassung, Veraltete Datenattribute, Unvollstandige Angaben, Irrelevante Datenattribute
Datenubertragung
Datenintegration Datenhaltung
Technische Fehler bei der Ubertragung von Datenbestanden von den Datenquellen zu Datenbanken (z. B. in Form von fehlerhaften Datentragern), Fehlerhafte Datenverarbeitungsprozesse zur Vorbzw. Nachbereitung der Ubermittlung (z. B. Export aus einer Datenbank) Fehlerhafte Transformations- und Bereinigungsprozesse zur Vereinheitlichung und Konsolidierung von Daten (keine Vermeidung von Dubletten)^^^ Veraltete Datenattribute
Abbildung 7: Typische Ursachen fur Datenquaiitatsmangei
^^^
Konzept des pro- und reaktiven Datenqualitatsmanagements Seit Mitte der neunziger Jahre gibt es in der Literatur eine Diskussion daruber, dass Datenqualitat eine IVIanagementaufgabe ist.^^^ Nach DIN ist Datenqualitatsmanagement „die Gesamtiieit aller Tatigkeiten der Gesamtfuhrungsaufgabe, welche die Datenqualitatspolitik, die Datenqualitatsziele und die Verantwortung fur die Datenqualitat festlegt."^^^ Dieses Konzept zieht pro-aktive gegenuber reaktiven Malinahmen zur Verbesserung der Datenqualitat vor.^^"^ Wahrend reaktive Mafinahmen lediglich die Erkennung von Fehlern und die notwendigen Korrekturen umfassen, konzentrieren sich pro-aktive Mafinahmen auf die Vermeidung von Fehlern im Vorfeld. Der 330 Eine Dublette kommt vor, wenn ein und derselbe Kunde mehrfach in verschiedenen Systemen und unter unterschiedlichen Namensvarianten gespeichert wird. 331 In Aniehnung an Helfert (2002), S. 90f. und Hinrichs (2002), S. 32ff. 332 vgl. Helfert (2002), S. 96ff. und Hinrichs (2002), S. 37ff.
333 o.U. (1995b). 334 Vgl. Rec/man (1996), S.SOff.
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optimale Einsatz der verschledenen Mafinahmen hangt von der Anderungshaufigkeit und der Bedeutung der Daten ab (siehe Abbildung 8).
niedrig Bedeutung der Daten
Abbildung 8: Maflnahmenportfolio nach verschledenen Kriten'en ^^^
Fijr wichtige und sich nur selten andernde Daten eignen sich die reaktiven (oder Korrektur-) Malinahmen.^^^ Sie setzen direkt bei den Daten an und beheben Qualitatsmangel, ohne jedoch deren Ursache zu beseitigen. Zwei grundsatzliche Verfahren kommen in Betracht: manuelle und maschinelle Korrekturverfahren. Wahrend das manuelle Vorgehen zeitaufwendig ist, ist das maschinelle Vorgehen schneller in der systematischen Erkennung eines Fehlers. Fur wichtige und sich haufig andernde Daten bieten sich dagegen pro-aktive (oder Praventiv-) Mafinahmen an.^^'' Sie umfassen die Suche nach den Ursachen der Fehler und die Beseitigung dieser Fehler. Im Vergleich zu den Korrekturmaflnahmen sind sie langfristig kostengunstiger. Fur weniger und sich selten andernde Daten ist das „Laissez Faire"-Prinzip geeignet.^^^ ^ ^ ^ In Aniehnung an Redman (1996), S. 30. 32^ Vgl. Redman (1996), 8. 30f. ^^'^ yg\. Redmann {^996), S. 30t ^^^ Beim „Laissez-Faire"-Prinzip geht es urn die Malinahmen, die vom Kunden selbst und nicht vom Unternehmen initiiert werden. Aus der Fehlerentdeckung und Beschwerde seitens des Kunden, kommt es zu einer Ausbesserung der Fehler. Der Nachteil dieser Mafinahme liegt daran, dass der Kunde die Fehler entdeckt. Dies kann zu einem Vertrauensverlust des Kunden zum Unternehmen fuhren (vgl. Redmann 1996, S. 30f.).
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Die Literatur, die sich mit dem Konzept des Datenqualitatsmanagements befasst, stellt die pro-aktiven Mafinahmen in den Mittelpunkt. Nach Helfert (2002, S. 4f.) sind Ursachen mangelnder Datenqualitat zu identifizieren und adaquate Maflnahmen zur Qualitatsverbesserung zu ermitteln. Die Identifikation der Ursachen nnangelnder Datenqualitat wird durch die „Betrachtung des Gesamtprozesses der Datenentstehung bis hin zur Datenverwendung mit alien damit zusammenhangenden Aktivitaten hinsichtlich qualitativer Zielsetzung"^^^ ermoglicht. Bereinigungsmaflnahmen sind nur bedingt fur die Verbesserung von inkorrekten oder zeitlich inkonsistenten Daten einzusetzen. Dieser Ansatz des Datenqualitatsmanagements baut auf dem aus der Produktion stammenden Ansatz des Total Quality Managements und auf dem Ansatz des Total Data Quality Management auf.^"^^ Sie bilden den Ausgangspunkt fur die qualitative Betrachtung der Daten in der Wissenschaft. Das TQM stellt eine Verankerung der Qualitatsuberzeugung in der Unternehmenskultur in den Mittelpunkt.^"^^ Ein kontinuierlicher Prozesskreislauf aus den Einzelprozessen Definieren, Messen, Analysieren und Verbessern ermoglicht eine Qualitatsverbesserung, die auf Datenqualitat ijbertragbar ist.^'^^ Das Total Data Quality Management konzentriert sich zunachst auf eine einheitliche Vorgehensweise zur kontinuierlichen Verbesserung der Datenqualitat.^"^^ Es umfasst eine Ablauforganisation,^"^"^ bestehend aus der Definition und der Festlegung von Datenqualitatsanforderungen, der Datenqualitatsbestimmung, der Datenbereinigung und -umstrukturierung sowie der Verbesserung der Informationsprozessqualitat.^'^^ Es beinhaltet auch die Vermittlung des Wertes qualitativer Daten durch die Schaffung einer Datenqualitatskultur im Unternehmen. Der vom Institut fur Wirtschaftsinformatik der Universitat St. Gallon entwickelte Ansatz des methodenbasierten Datenqualitatsmanagements umfasst den Prozesskreislauf vom TQM und die im Total Data Quality Management verankerte Ablauforganisation.^"^^ Zusatzlich entwickelt er eine Aufbauorganisation sowie geeignete Methoden und Empfehlungen fur Standards und Normen, die alle Phasen und Bereiche der Datenversorgung und -bearbeitung methodisch unterstutzt (siehe Abbildung 9). Die Aufbauorganisation umfasst die Etablierung einer allgemeinen Quali-
^^9 He/fert (2002), S. 4. ^"^0 vgl. English (1999), S. 52ff., Helfert {2000), S. 66ff. und Wang (1998). S. 59. 3"^^ Vgl. He/ferf (2000), S. 66. ^^2 Vgl. Wang (1998), S. 60. ^"^^ Vgl. Eng//s/7 (1999), S.70ff. ^^^
Die Ablauforganisation untersucht die organisatorische Gestaltung einzelner Arbeitsprozesse (vgl./We^eAt 2000, S. 1065). 5^5 Vgl. Eng//s/7 (1999), S.70f. 2^^ Vgl. Helfert (2000), S. 67f.
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tatsphilosophie und Unternehmenskultur fur die Forderung qualitativ hochwertiger Daten sowie fur die Anpassung der Organisationsstruktur an das Qualitatsmanagementsystem.^'^^
Aufbauorganisation mit Regelung von Verantwortlichkeiten
Ablauforganisation
Standards und Normen
Abbildung 8: Methodenbasiertes Datenqualitatsmanagement
Methoden, MaBnahmen, Werkzeuge, Hilfsmittel
^^^
Dieser Ansatz zeigt den notwendigen Umfang eines Datenqualitatsmanagements im Unternehmen auf. Fur die Eriialtung und Steigerung der Datenqualitat in CRM-Systemen sind umfassende Anpassungen in der Ablauf- und Aufbauorganisation durclizufijliren. Daneben ist der Einsatz von abgestimmten Standards und Methoden wesentlich.^'^^ Im Berelch der Leistungserstellung sind diese Veranderungen im Zuge der Implementierung von TQIVI schon langst Realitat. Im Rahmen der Kundenbindungsphilosophie lost das Management der Kundenschnittstelle die Transaktion von physischen Produkten und Services als Prioritat ab - insofern wird es hochste Zeit fur ein entsprechendes Qualitatsmanagement an dieser Stelle.
5^7 Vgl. Me^ert (2000), S. 1065. ^"^^ In Aniehnung an Helfert (2000), S. 68. ^^^
Eine Anpassung der Aufbauorganisation fuhrt nicht direkt zur Erhaltung und Steigerung der Kundendatenqualitat. Sie dient dazu, die Ablauforganisation zu unterstutzen (vgl. Helfert 2002,
S. 68).
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Eine KPI-orientierte Methode zur Steigerung der CRM-Umsetzungsstarke Markus Zinnbauer/Markus Eberl Auf Grund der oft zitierten Dynamisierung und Globalisierung der Markte, wodurch auf Unternehmensseite einerseits ein hoherer Wettbewerbsdruck zu verzeichnen \s{350 und andererseits auf Kundenseite eine zunehmende Reizuberflutung bis hin zum Information Overload einsetzt^^f^ stellt heutzutage die Pflege und das Management von Kundenbezlehungen eine der wesentlichen Herausforderungen an Unternehmen dar.^52 Eine konzeptionelle Folge dieser kundenzentrierten Strategie ist im Customer Relationship Management (CRM) zu sehen. CRM basiert damit auf dem Gedanken, dass erfolgreiche Kundenbezlehungen einschliefilich der damit verbundenen Interaktionen und wiederholten Transaktionen - eine Voraussetzung fur bessere Bearbeitung von Kundenwunschen darstellen und damit zum Aufbau strategischer Wettbewerbsvorteile beltragen.^^^ Dies geht bis zur Einbeziehung des Kunden in Kernprozesse (z. B. Produktentwicklung, -optimierung).^5^ Aus der dementsprechend in der theoretischen als auch anwendungsnahen Marketingliteratur haufig geforderten Implementierung eines CRM-Konzepts erwachst allerdings auch das Problem des Controllings und der Evaluation der CRM-Aktivitaten. Speziell die Thematik der Umsetzungsqualitat von CRM-Maflnahmen, respektive das Problem der moglichst validen Analyse der tatsachllchen Umsetzung, sind in der Literatur allerdings bislang noch unerforscht. Deshalb soil im Rahmen dieses Beitrags am Beispiel des deutschen Automobilmarktes ein in der Grundkonzeption moglichst branchenubergreifend einsetzbares Mess- und Beurteilungsinstrument entwickelt werden. Damit soil es moglich sein, die Leistungsfahigkeit der von Unternehmensseite proaktiv gepflegten Beziehung zum Kunden beim Neuwagenkauf zu messen, um daraus Key Performance Indicators (KPI) ableiten zu konnen. Eine derartige Evaluation wird sinnvoller Weise nicht fur ein Unternehmen alleine, sondern zu komparativen Zwecken uber die gesamte strategische Gruppe, branchenweit oder ggf. sogar dem erweiterten Benchmarkinggedanken folgend
550 Vgl. z.B. Peter (1998), S. 74. 351 Vgl. Meyer (1998), S. 202. 552 vgl. /Wtyf/?er(2001), S. 12f. 553 Vgl. L/n/c (2001), S.31. 554 Vgl. Holland et al. (2001), S. 57.
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branchenubergreifend durchgefuhrt. Da Kundenorientierung und -beziehungsmanagement naturgemafi ein dynamischer Prozess ist, der einer standigen Uberprufung bedarf, soil das Tool auch periodisch eingesetzt werden konnen, urn Entwicklungen beobachten zu konnen. Urn die erhobenen Werte moglichst klar und schnell fur ein Unternehmen im Branchenvergleich uberblicken zu konnen, wird in diesem Beitrag auch ein Visualisierungsinstrument in Form der CRM Scorecard vorgestellt. Bisherige Applikationen einer CRM-Scorecard beziehen sich zumeist auf harte Messgrofien, wie Neukundenumsatz und haben als Ziel eine ROI-getriebene Betrachtung der CRM-Aktivitaten. Unser Ansatz verfolgt im Gegensatz dazu eine innovative Messung des Ausmafies der CRM-Aktivitaten in alien relevanten Feldern und schlieflt damit eine Lucke, ist allerdings gleichzeitig komplementar oder als Basis fijr andere kosten/nutzenbezogene Ansatzen einsetzbar. Im folgenden Abschnitt wird nun zunachst der Begriff Customer Relationship Management definiert und kurz seine Relevanz fur den Automobilmarkt eriautert. Des Weiteren werden die im vorliegenden Beitrag betrachteten CRM-Grundfahigkeiten identifiziert und definiert. Aufbauend darauf wird ein Messinstrument einschlielilich darin enthaltener Gewichtungsfaktoren entwickelt, bevor das Reportingtool der CRM Scorecard vorgestellt wird.
Customer Relationship IVIanagement Zunachst soil der Begriff des CRM definiert werden und auch im Hinblick auf die Fokussierung des vorliegenden Beitrags auf den Automobilsektor eingegliedert werden. Aufierdem gilt es die Kernfahigkeiten, d. h. die Core Capabilities festzulegen, die fur CRM-Aktivitaten auf dem Neuwagenmarkt relevant sind. Der Begriff des Relationship Managements taucht erstmals 1983 in der Literatur auf, wobei Berry (1983, S. 25) das Thema mit ..attracting, maintaining and [..] enhancing customer relationships" erfasst.^^s Die zunehmende Bedeutung des Beziehungsaspekts wurde auch als neues Marketing-Paradigma beschrleben^^e^ da mit der Etablierung des Beziehungsmarketings eine Neuausrichtung der Zielorientierung einsetzte: Statt der reinen Kundenakquisition, der Maximierung der Anzahl von Verkaufen und anonymen Kundenauffassung wurde die Bindung des Kunden zur Prioritat. Die klassische Stimulus-Response-Perspektive ging somit in eine interaktionsbezogene Sichtweise uber.^^^ Aus Unternehmenssicht werden hierzu als Teilziele Kundenzufriedenheit, Kundentreue und -bindung sowie Kunden(ruck)gewinnung und ^55 Ein Uberblick uber die maligebiichen Definitionen findet sicii bei Wirtz (2001), S. 495.
356 vgl. Bauer et al. (1999), 8. 284. 357 Vgl. Peter (1997), S. 58.
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Cross-Selling verfolgt.^^s Durch die Umwandlung der Sichtweise von der Objektorientierung zur Prozessorientierung verlieren die klassischen Marketinginstrumente wie Preis oder Produkt nicht an Bedeutung; Aktivitaten mussen sich nun jedoch auf den gesamten Geschaftsprozess und nicht mehr auf einzelne Parameter beziehen.^59 (Jrsprunglich lag der Schwerpunkt des Kundenbeziehungsmanagements lediglich auf der „Zero-Migration", dem Streben nach Bindung gewinnbringender Kunden.^^^ Bliemel/Eggert (1998, S. 39ff.) differenzieren zwischen den Bindungszustanden „Verbundenheit durch Zufriedenheit" und ..Gebundenheit durch Wechselbarrieren". Dagegen finden sich heute vier zentrale Perspektiven zur Ausgestaltung der Kundenbeziehung: Selektion, Individualisierung, Interaktion und Integration.^^^ Der Aspekt der Selektion halt auf Grund der an mehrperiodischen Ein- bzw. Auszahlungsstromen ausgerichteten Betrachtungsweise am Streben nach langfristig ausgelegten aussichtsreichen Geschaftsbeziehungen fest. Das Prinzip der Individualisierung fordert marketingtechnische Bemiihungen zur Befriedigung der BediJrfnisse des einzelnen Kunden. Die Interaktion, also der direkte und intensive Kontakt zum Kunden, stellt wohl das Hauptziel des Relationship Marketing dar. Durch eine breit gefacherte Kundenansprache konnen Einblicke in Verhaltnisse des Kunden und Grijnde fur Beziehungsschwierigkeiten gewonnen werden und damit die Chancen zur Verwirklichung der Bezlehungsziele erhoht werden. Somit umfasst der Interaktions-Aspekt neben dem „ln-Beziehung-Treten" auch die Aktivierung des Kunden, mit dem Unternehmen Kontakt aufzunehmen. Mit der vierten Saule des Beziehungsmarketings, der Integration, vollzieht sich schliefilich der Einbezug des Kunden in den Leistungserstellungsprozess, der in mehrmaliger Hinsicht und an verschiedensten Stellen der Herstellung aktiv wird.
Relevanz von CRM fur den Automobilmarkt Im Zuge von Produkthomogenisierung und abnehmendem Prestige-Empfangnis (und damit verbundenem Anstieg der Preis-Reagibilitat) der Kunden sieht sich nun die Automobilbranche einem starken Veranderungsprozess unterworfen.^^2 ist Kostenfuhrerschaft zum Teil zwar noch das erklarte Ziel, lasst sich jedoch auf Grund moderner Produktionstechnologien wie Lean Production und Total Quality Manage-
^58 Vgl. Meyer (2002), S. 8. 259 ^^0 2^^ 2^2
Vgl. Gronroos (1990), 8. 3. Vgl. Reichheld/Sasser{^99^), S. 108f. Vgl. hierzu und im Folgenden bspw. D/7/er(1995), 8. 443f. oder Filler {^998), 8. 103ff. Vgl. Freter/Barzen (1988), 8. 87 und Herrmann et al. (2001), S. 571.
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ment eine Differenzierung vom Wettbewerb uber gunstigere Preise nicht aufrechterhalten.^^^ Hinzu kommt die Stellung der Handelsbetriebe, da in nur wenigen Branchen der Absatzmittler eine so bedeutende Schlusselstellung beim Verkauf des Produkts einnimmt. Das momentane System ist gepragt von einem ein- bis zweistufigen Handlersystenn, durch welches der Handler rechtllch selbststandig blelbt, jedoch vertraglich an einen Hersteller gebunden ist.^^"^ Ausnahmen hierzu bilden lediglich die werkseigenen, vollstandig in den Absatzkanal integrierten Niederlassungen. Die Verfolgung des Ziels, Wettbewerbsvorsprunge durch Kundenorientierung zu realisieren, impllziert eine Umstrukturierung der bisherigen Absatzkanale. Handler mijssen dann starker nach qualitativen Mafistaben (u. a. Kundenbindung) beurteilt und entlohnt werden.2^5 Eine weitere einschneidende Veranderung in der Distributionspolitik setzte zudem mit dem Fall der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) am 30. September 2002 ein.^^^ Diese war bisher die rechtliche Grundlage fur die Oligopolstellung der Automobillndustrie, welche dadurch den Vertrieb exklusiv uber ausgewahlte Handler selektieren konnte. Im Rahmen der neuen Verordnung konnen Handler in der von den meisten Herstellern gewahlten selektiven Vertriebsform in Zukunft unabhangig von ihrem bisherigen Verkaufsgebiet agieren. Somit ist kunftig mit einem verstarkten Jntra-Brand-Wettbewerb" unter den Vertragshandlern einer Marke zu rechnen. Die von Burmann (1991, S. 250) festgestellte Beziehung, dass Markenloyalitat die Voraussetzung fur Handlerloyalitat darstellt, befindet sich insofern in Auflosung. Dadurch fuhrt CRM im Automobilsektor und insbesondere beim Neuwagengeschaft zu einem entscheidenden und schwer kopierbaren Wettbewerbsvortell.^^^ Auf lange Sicht wirkt sich Kundenbindung gewinnsteigernd aus, da die Gewinnmarge aus der Kundenbeziehung durch Nach- und Wiederkaufe sowie Cross- und Up-Selling und Weiterempfehlung mit steigender Beziehungsdauer auch in der Automobilbranche zunimmt.^^s
^ ^ ^ Vgl. Dt/cyen/?6feA-(1997), S. 5ff. ^^"^ Vgl. He/3 (1997), S.25f. 2^5 Vgl. V. d. Oelsnitz (2001), S. 429f. 3^^ Vgl. z. B. Diez (2002). ^ ^ ^ Vgl./Wi///er (1997), S. 45. ^^^ Vgl. Meinig (1994), S. 94 sowie Anderson et al. (1994), 8. 54f.
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KPI im Customer Relationship Management Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, die Umsetzung von CRM-Aktivitaten messbar zu machen und ubersichtlich zu prasentieren. Normative Mefilatte hierzu sind mithin der Theorie entnommene Anforderungen an Unternehmen. Dies erscheint jedoch unkritisch, da auch der Kunde nur ein unternehmensextern beobachtbares Ergebnis wahrzunehmen imstande ist, weswegen fur die Unternehmen die wahrgenommene CRM-Qualitat einzige ZieJgrofie sein kann und sein muss. Der Begriff der „subjektiven Qualitat"^^^ darf im Sinne der allgemeinen wie marketingspezifischen Qualitatsliteratur^^^ ebenso im Bereich CRIVI als gultig angenommen werden. Insofern werden also Fahigkeiten gemessen und beurteilt, die bei einem Unternehmen im Allgemeinen und bei Automobilherstellern im Spezlellen vorhanden sein mussen, damit die o.g. Ziele des CRM erreicht werden konnen. Bill et al. (2002, S. 4) unterscheiden in diesem Zusammenhang drei zentrale Fahigkeiten (so genannte Core Capabilities): Customer Interaction, Customer Insight und Customer Offer. Diese Strukturierung soil nun auch im Weiteren, u. a. in der Operationsabgrenzung zu Grunde gelegt werden. Parvatiyar/Sheth (1994, S.1) sehen eine Core Capability zur Wertsteigerung von Kundenbeziehungen darin, „close interactions with selected customers" zu entwickeln, also eine sinnvoll gestaltete, wechselseitige Abfolge von verbalen oder nonverbalen Mitteilungen.^^^ Im ersten Schritt, der Phase der Anbahnung, findet allerdings noch keinerlei Interaktion statt. In dieser Stufe wird der Kanal festgelegt, auf welchem dem Kunden die Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen ermoglicht wird.^'^2 Die Interaktion entsteht erst durch eine erfolgrelch zustande gekommene verbale oder nonverbale Kommunikation^^^, wobei Kommunikation regelmafiig eine potenzielle Verhaltenswirksamkeit besitzt. Je nach dem Individualisierungsgrad der Kommunikation muss hierbei allerdings zwischen der indirekten und der direkten Kundeninteraktion unterschieden werden: Als Indirekte Marktkommunikation bezeichnet Neff (2000, S. 346) „alle Erscheinungsformen in Massenmedien, die nicht adressiert bzw. personalisiert sind, jedoch in ihrem Aufbau so beschaffen sind, dass sie Reaktionen durch eine klare Handlungsaufforderung generieren". Indirekte Kommunikation charakterisiert somit eine mittelbare Verbindung zwischen Kommunikatoren und Rezipienten, wobei eine Vermittlungsinstanz die Aufgabe der Formall-
3^9 ^T'O 37t 372 373
Hentec/?e/(1990), S.232f. vgl. insbesondere ZeithamI (1988) sowie Garvin (1984), 8. 27. Vgl. Sfa/7/(1996), S. 38. Vgl. Klingenberg (2000), S. 74. Vgl. ert;/?n (1997), 8. 654.
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sierung und Kanalisierung einer Aussage ubernimmt.^^^ Besonders Printmedien lassen sich durch einseitige Verwendung von Technik auf der Senderseite charakterjsieren.^75 Innerhalb dieser Mediengattung konnen die Werbetrager-Segmente Tageszeitungen, Publikumszeitschriften, Broschuren sowie Postwurfsendungen differenziert werden, wobei je nach Gestaltung der Anzeigenschaltung auffordernde Oder konkrete Response-Moglichkeiten denkbar sind.^^^ Die direkte Kundeninteraktion findet dagegen beim personlichen Handlerbesuch sowie bei telefonischen Kontaktaufnahmen statt. Der Handler kann sich sowohl an die breite Masse als auch an einzelne Kunden wenden. In der Tendenz wird direkter Kommunikation, also Individualitat und Interaktivitat, fur die Zukunft die weltaus groHere Bedeutung zugeschrieben.^^^ Deshalb wird zunehmend versucht auch indirekte Kommunikation starker zu individualisieren, z. B. durch zielgruppenspezifische mehrstufige Mailings oder personalisierte Webseiten. Da die Literatur keine klare Abgrenzung des Ubergangs von der indirekten zur direkten Interaktion aufzeigt, werden in dieser Arbeit Werbeanzeigen, Broschuren, E-Mail/Brief, Website und Newsletter der indirekten Kundeninteraktion zugeordnet. Die Kommunikationskanale Call Center und personlicher Besuch beim Handler werden der direkten Kommunikation zugerechnet. Customer Insight werden diejenigen Informationen genannt, die das Unternehmen Liber seine Kunden besitzt und die fur seine Situation im Markt relevant sind. Ziel ist ein moglichst klares Bild des Kunden in Bezug auf Bedijrfnlsstruktur und Verhalten. Somit wird vor allem die Speicherung, Weitergabe und Verarbeitung von Kundendaten zwischen den Kommunikations- und Interaktionskanalen und im Verlauf der Kundenbeziehung zum Untersuchungsgegenstand. Ein Teil der Customer Insight Fahigkeiten wie z. B. die Art der verwendeten Segmentierungsansatze, die Berucksichtigung der Kundenprofitabilitat oder die Verwendung von Kundenfeedback bei der Produktentwicklung kann aus SIcht des einzelnen Kunden nur schwer beurteilt werden. Sichtbar wird der Kenntnisstand des Unternehmens uber den Kunden jedoch anhand der Konsistenz zwischen den Kontaktkanalen, denn ein Kunde will unabhangig vom Kommunikationsinstrument immer dieselben Informationen vom Automobilhersteller erhalten. Dabei ist natijrlich darauf zu achten, dass die Aussagen gegenuber einem Kunden an den verschiedenen Kontaktpunkten regelmaflig koordlniert und synchronisiert erfolgen.^'^^
374 Vgl. Brty/7A7(1997), S. 654f. 575 Vgl. Picot et al. (2000), S. 64. 376 Vgl. z. B. Meffert (2000), S. 760. 377 \/Q\.Diez/Brachat{200^),S.567. 378 Vgl Fleischer et al. (2001), S. 62.
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Unter Customer Offer soil im Weiteren der Grad der Individualitat verstanden werden, in dem ein kundenspezifisches, also individuell zugeschnittenes Angebot zur Verfugung steht bzw. proaktiv angeboten wind. Eine Individualisierung im Produktbereich kann sich auf Aspekte der Produktgestaltung und der Produktauswahl beziehen. Die Moglichkeit, individuelle Produkte im Sinne mafigeschneiderter Einzelanfertigungen anzubieten, wird dabei neben der zumeist ohnehin hochgradig individuellen Zusatzleistung zunehmend wichtiger. So bietet Ford USA bereits ab Werk kundenindividuelle Automobile an^''^ - dies ganz im Gegensatz zur ursprtinglichen Philosophie des Firmengrunders Henry Ford: "You can have any color car you want as long as it's black".^^^ Gleichwohl wird fur die vorliegende Messung allerdings nicht von einer unrealistischen Maximalauspragung in Form von absolut individuellen Automobilen ausgegangen. Vielmehr findet eine Individualisierung des Produktangebots bereits durch ein entsprechend breites Angebot von Aufbau-, Motor- und Ausstattungsvarianten statt.
Design des Erhebungsinstruments Die genannten Aspekte des Customer Relationship Management sind freilich je nach Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt unterschiedlich stark ausgepragt. Im Folgenden wird dementsprechend ein Messmodell entwickelt, welches das Aktivitatsmafi innerhalb der Core Capabilities messen soil. Auf Grund der fehlenden unmittelbaren Messbarkeit der theoretischen Konstrukte Customer Interaction, Customer Insight und Customer Offer mussen zur Operationalisierung direkt beobachtbare sowie messbare Grofien (Indikatoren) bestimmt werden. Naturgemafl sollen dabel die maflgeblichen Gutekriterien der empirischen Forschung, namllch Objektivitat, Reliabilitat und Validitat, Beachtung finden.^^^ Um das Tool moglichst universell und praktikabel zu halten, wurde ein Scoring-Modell gewahlt. Dabei werden die Konstrukte in Ober- und Unterkriterien bis hin zu messbaren Indikatoren unterteilt. Diese werden dann bewertet und mittels expertenvalidierter Gewichtungsfaktoren wieder modulweise bis zur hochsten Ebene aggregiert. Dadurch wird die relative Bedeutung einzelner Faktoren fur die Beurteilung der CRM-Aktivitaten einzelner Automobilhersteller berucksichtigt und das Aktivitatsmafl kann auf jeder gewunschten Ebene des Kriterienkatalogs bestimmt werden. Da im Rahmen der vorliegenden Studie lediglich ermittelt werden soil, inwieweit die
379 Vgl. o.\/. (1999), S. 21. 3^0 P/ne(1993), 8. 7. 3^^ Vgl. weiterfuhrend zu Gutekriterien z. B. Berekoven et al. (2001) sowie Bortz/Doring (2002).
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theoretischen Anforderungen an qualitativ hochwertiges Customer Relationship Management bei Automobilherstellem erfullt sind, scheint es deshalb im vorliegenden Rahmen nicht zweckmafiig, die Anforderungen aus Kundensicht einzubezlehen und dementsprechend eine Gewichtung aus Kundensicht zu Grunde zu legen. Diese Perspektive wurde in einer getrennten bundesweiten Studie bei Neuwagenkaufern reprasentativ beleuchtet. Die diesbezuglichen empirischen Erkenntnisse zum von den Kunden wahrgenommenen Nutzen von CRM-Aktivitaten werden bei Zinnbauer/Eberl (2002) vorgestellt. Zur Berechnung der Indexwerte, welche sich aus dem Messinstrument ergeben, wurde folgende Vorgehensweise gewahit: Die Summe aller Gewichtungsfaktoren innerhalb eines Kanals bzw. jeder Kriterienebene ergibt jeweils 100 Punkte. Der Anteil eines einzelnen Beurteilungskriteriums am Gesamtwert ergibt sich aus dem Produkt der jeweiligen Gewichtungsfaktoren der einzelnen Hierarchieebenen. Samtliche Variablen wurden auf die verwendete Skala zwischen 0 und 100 Punkten standardisiert. Im Folgenden werden in der gebotenen Kurze die mafigeblichen Grundzuge des Designs unseres Erhebungstools vorgestellt. Eine ausfuhrliche Beschreibung einschlielilich einer eingehenden Diskussion samtlicher relevanter Variablen und der jeweiligen Indikatoren sowie eine vollstandige Aufschlusselung der Scoringgewichte bis hin zu den Feinkriterien findet sich bei Eberl et al. (2002). Zunachst sollen die Hauptkriterien und damit Hauptkommunikationsmoglichkeiten untersucht werden, die CRM-Aktivitaten von Unternehmen im Feld Customer Interaction messbar machen. Gemali den Erkenntnissen der Media Richness Theorie^^^ und der Social Presence Theorie^s^ sind jene Kommunikationsmedien zu berucksichtigen, die sowohl die Reichhaltigkeit der Informationen transportieren konnen als auch die soziale Prasenz in ausreichendem Mafie gewahrleisten. Daher beinhaltet das Bewertungsschema sechs Kanale: Internet, E-Mail/Brief, Print (Werbeanzeige und Broschure), Newsletter, Telefon und Handlerbesuch. Mittels Experteninterviews wurden zunachst diese Kanale in ihrer Bedeutung in Relation zueinander gesetzt, wie in Abbildung 1 zu sehen 1st.
352 \/g\. Daft/Lengen984. 5^3 \/g\. Short et al. 1976.
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Interaktionsform
Indirekte Interaktion
Direkte Interaktion
Kommunikationskanal •
Print (10%)
•
Brief/E-Mail (5%)
•
Internet (18%)
•
Newsletter (5%)
•
Handlerbesuch (50%)
•
Call Center (12%)
Abbildung 1: Gewichtung der Kommunikationskanale
zueinander
Als meist an (zeitljch) erster Stelle stehende Kommunikationskanale sind Printmedlen, wie Werbeanzeigen und Broschuren von AutomobiJhersteilem und -handlem, zu evaluieren. Dabei werden die „Kontaktm6glichkeit" (angebotene Interaktionskanale, Kontaktkosten), die „Kontaktmotivation" und die ..Responsemoglichkeit" (Coupons etc.) analysiert. Im Rahmen der Erstmessungsstudie wurde dabei auf HerstellerWerbeanzeigen in den Zeitschriften sowie Handler-Anzeigen in lokalen Branchenverzeichnissen und Tageszeitungen zuruckgegriffen. Broschuren wurden uber jeweilige Internetseiten von alien betrachteten Herstellern angefordert. E-Mails und Briefe werden ahnlich den Printmedien analysiert, wobei zusatzlich noch die Kriterien Reaktionszeit, Personalisierung, d. h. wie individuell wird auf das Aniiegen eingegangen, und „proaktives Follow-Up", d. h. das Angebot einer zukunftigen Kontaktaufnahme durch den Handler, mit einflieflen. Hersteller- und Handleraktivitaten wurden bei E-Mail/Brief und Print gleichgewichtet. Diese Aktivitaten wurden mittels einer standardisierten Anfrage nach einer Probefahrt nebst einer weiteren Frage zum Produkt bei den Herstellern bzw. Handlern evaluiert. Die Beurteilung der (Endkunden-)Website der Automobilhersteller und -handler untergliedert sich in die drei Hauptkriterien „Allgemeiner Aufbau", „lnformationsangebot" (z. B. Handlersuche, Car-Konfigurator, Downloadmoglichkeiten) und „lnformationsgewinnung" (Generierung personalisierter Kundendaten z. B. via Prospektbestellmoglichkeit oder Probefahrtangebot). Die Hersteller-Webpage geht dabei im Verhaltnis 3:1 im Vergleich zur Handlerseite ein, da letztere in der Regel von geringerer Bedeutung fur die Informationsrecherche ist. Kundenindividuellen Services, wie Personalisierung und Car-Konfigurator kommt dabei erfahrungsgemafi besondere Bedeutung zu.^^'^ Um vergleichbare Ergebnisse insbesondere im technisch orientierten Bereich „Allgemeiner Aufbau" zu erhalten, wurde die Beurteilung von Websites von einem einzigen PC aus durchgefuhrt. Zudem wurde ein einheitlicher Weg zum Auffinden der Site gewahit, da auch die Erreichbarkeit einen Teil der Bewertung des Internetauftritts darstellt. Die Beurteilung des Kommunikationskanals Newsletter erfolgt uber die drei Hauptkriterien „Formale Aspekte" (z. B. Registrierungsprozess, Personalisierbarkeit), 2^^ Vgl. Sorge (1999), S. 5.
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Jnhaltliche Aspekte" (informative und kontaktmotivatorische Elemente) und innovative „Besonderheiten". Beim Call Center werden der ..Service- und Technikaspekt" (z. B. Gesprachskosten, Betriebszeiten und Wartezeit), die ..soziale Kompetenz" des Telefonagenten (z. B. Gesprachseinfuhrung, Gesprachsatnnosphare, Verstandlichkeit) sowie dessen ..fachliche Kompetenz", die besonders relevant ist^^^^ beurteilt. Die Qualitat wird dabel mittels dreier standardisierter Telefonszenarios uberpruft, wobei auf unterschiedliche (fachliche) Schwierlgkeltsgrade Wert gelegt wurde.^^^ Dabei wird bei der Bewertung vorliegenden empirlschen Erkenntnissen Rechnung getragen. So werden z. B. Wartezeiten in Warteschleifen melst als doppelt so lange empfunden.^^^ Eine Wartezeit iJber 3 Minuten wurde deshalb beispielsweise als schlecht eingestuft. Je nach Szenario wurden die Bewertungskriterien teilweise unterschiedlich gewichtet - so steigt z. B. die Bedeutung der sozialen Kompetenz bei der Bewaltigung eines Beschwerdeanrufs. Das personliche Gesprach beim Handlerbesuch wird anhand der Oberkriterien: ..Technik/Service" (Offnungszeiten, Wartezeiten), „aufieres Erscheinungsbild" von Verkaufsraum und Verkaufer, ..soziale und fachliche Kompetenz des Verkaufsberaters" (analog zum Call Center), ..Kundendatenerfassung" sowie ..Kontaktaufnahme durch den Verkaufer nach dem Besuch" bewertet. Ein besonders wichtiges Kriterium stellt dabei der Aspekt der Aufnahme der Kundendaten dar. Nur dann ist es schlielilich moglich, einem (ggf. noch unschlussigen) Kunden zu einem spateren Zeitpunkt ein neues Angebot zu unterbreiten. Der Kunde muss das Gefuhl bekommen, dem Handler etwas Wert zu sein.^^^ Um diese Aspekte im Rahmen der Erstmessungsstudie zu uberprufen, wurden zwei unterschiedliche Szenarlen einer kurzfristigen Kaufabsicht fur die Handler des Volumen- und des Premium-Segments entwickelt. Diese wurden von Testpersonen zu vergleichbaren Wochentagen bei je zwei Handlern jeder untersuchten Marke von Silent Shoppern durchgespielt und die Kriterien im Anschluss an den Besuch erfasst.^^9 Die Core Capability ..Customer Insight" wird uber die Konsistenz innerhalb eines Kanals Oder uber mehrere Kanale/Parteien hinweg bewertet. Erst durch eine verlustfreie und strukturierte Datenverwaltung und -weitergabe (z. B. vom Hersteller zum Handler) wird ein effizientes CRM ermoglicht. Freilich ist dazu die Voraussetzung, dass zunachst innerhalb der Handelsbetriebe die softwaretechnische Splegelung der
2^5 vgl. Ha//(1992), S. 141, Loffler/Scherfke (2000), S. 283 Oder Wessling (2001), S. 25. 3S6 Vgl. Zapf (2001), S. 32. 2 ^ ^ Vgl. Thieme/Steffen 1999, S. 144. 2^^ Vgl. D/ez/8rac/7af (2001), S. 155. ^^^ Vgl. zu diesem Vorgehen allgemein Pause/Kreis (2002), S. 21 bzw. speziell bzgl. Mystery Shopping in der Automobilindustrie Volker/Appun (2001), S. 851ff.
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CRM-Aktivitaten bereitgestellt wird.^^^ Nur so kann ein Unternehmen ein vollstandiges „Bild" des Kunden und seiner Bedurfnisse generieren, um dann erfolgreiche Produktinnovationen und -adaptionen entwickein zu konnen.^^^ Entscheidend ist gerade die Vernetzung aller Kontaktpunkte, damit der Kunde stets das Medium wahlen kann, uber das er zurzeit am besten verfugt und das fur ihn in Preis oder Bedienung am gunstigsten ist.^^2 Dabei ist es aus Kundensicht unerheblich, ob es sich um die „horizontale" Integration der Kanale einer Vertriebsstufe (z. B. Prospektanforderung auf der Internetseite des Herstellers und Nachfrage im Call Center des Herstellers) handelt oder um die „vertikale" Integration zwischen den Vertriebsstufen (z. B. Probefahrtwunsch ijber das Call Center des Herstellers und Nachfrage beim Handler). Die Evaluation des „sichtbaren" und damit messbaren Customer Insights erfolgt mittels diverser realistischer, kanalkombinierender Szenarien. Diese wurden dementsprechend anhand der Kriterien „Datenintegration" und Jnhaltliche Konsistenz" analysiert und im Ergebnis gleichgewichtet. Der Erstmessung wurden entsprechend die in Abbildung 2 dargestellten Szenarien zu Grunde gelegt und bel den untersuchten Herstellern bzw. Handlern angewendet. Zweitkontakt
Auswertung der Antwort per Brief/E-Mail vom Hersteller
Anruf beim Call Center
Besuch bzw. Anruf beim Handler
Eingabe auf Website
Anfrage uber das Internet (siehe Brief/E-Mail)
Beschwerde, Prospektmaterialien, die uber das Internet angefordert wurden, nicht erhalten zu haben; Frage, ob der Vorgang nachvollziehbar
Beschwerde, dass Prospektmaterialien, die uber die Homepage des Herstellers angefordert wurden, nicht angekommen seien. Anfrage, ob Zugriff auf Daten mdglich
Besuch bzw. Anschreiben des Handlers
Anfrage beim Handler (siehe Brief/E-Mail)
Testanfrage
Nicht sinnvoll
Nachfassen nach Beschwerdeanruf
Probefahrtanforderung
Erstkontakt
Technische Anfrage mit Anruf im Call der Bitte um Beantwortung Center per Brief oder E-Mail
Abbildung 2: Zur Konsistenzprufung verwendete Szenarien
Schliefilich gilt es noch, den moglichen Individualisierungsgrad des Angebots zu messen. Zur Beurteilung wurden die Hauptkriterien „Kernprodukt", „direktes" und „indirektes Zusatzangebot" herangezogen.
^90 Vgl. Ho/f (2002). S. 33. 39^ Vgl. Davenport et al. (2001), S. 67. 592 Vgl. Wessling {200^), S. 128.
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Das Auto selbst und dessen unmittelbare Gestaltung fallen unter die Rubrik Kernprodukt. Fahrzeugnahe Angebote wie Service, Zubehor und Accessoires, individualisierte Finanzierungsangebote wie z. B. Leasing und Versicherung, Handlemetz und Auslieferungsmoglichkeiten werden dem Hauptkriterlum direktes Zusatzangebot zugeordnet. Zum Hauptkriterium indlrektes Zusatzangebot zahlen neben Beschwerdeund Feedbackmoglichkeiten Kundenbindungsinstrumente, wie das Vorhandensein und die Beschaffenheit eines Kundenclubs, einer Kundenzeitschrift und Onlineangebote fijr Kunden. Die Gewichtungen auf der dritten Ebene wurden von Experten wie in Abbildung 3 dargestellt bestimmt. Customer Offer
Kernprodukt (60%)
Direktes Zusatzangebot (25%)
Indirektes Zusatzangebot (15%)
Bestandteile •
Baureihen Marke (20%)
•
Aufbauvarianten (24%)
•
Motoren Benzin (13%)
•
Motoren Diesel (13%)
•
Farbvarianten (10%)
•
Ausstattungspakete (10%)
•
Einzigartige Produktmerkmale (10%)
•
Fahrzeugnahe Angebote (35%)
•
Individualisierte Finanzierungsangebote (10%)
•
Komplementarprodukte (10%)
•
Handlemetz (10%)
•
Individualisierung Kaufprozess (20%)
•
Kundenbindungsinstrumente (60%)
•
Einflussmoglichkeiten auf die Angebotsgestaltung (40%)
Abbildung 3: Einzelgewichte Customer Offer
Im Bereich der Core Capability Customer Offer sind somit grofltenteils objektive Daten technischer Natur fur die Bewertung von Belang. Diese konnten fur die Zwecke der Erstmessung grofltenteils aus den Informationsbroschuren der Hersteller gewonnen werden. Daneben wurde zur Erhebung der Informationen zum Handlemetz auf Auskunfte des Call Centers zuruckgegriffen. Einige Informationen wie z. B. Serviceleistungen - wurden im Rahmen eines anonymen Handlerbesuchs erfragt.
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Entwicklung der CRM-Scorecard Die oben beschriebene Vorgehensweise liefert auf Grund der Rating-Skalen des Erhebungsinstruments zunachst (meist) quasi-metrische Daten auf Indikatorenebene. Diese fur die Feinkriterien ermittelten Werte konnen nun mittels Gewichtung in Scorewerte umkodiert und auf beliebig aggregiertem Niveau dargestellte werden. Die Scorewerte bilden dann die Grundlage zur strategischen Positionsanalyse der eigenen CRM-Aktivitaten sowie jener der Wettbewerber. Urn diese Informationen nun moglichst aussagekraftig und ubersichtlich zu prasentieren, haben wir in namentlicher Aniehnung an die Idee der Balanced Scorecard von Kaplan/Norton (1996) eine neue CRM-Scorecard entwickelt. Bislang u. a. von Unternehmensberatungen bekannt gewordene Ansatze einer CRM-Scorecard zielen vor allem auf die (nachtragliche) zusatzliche Integration des CRM-Konzeptes in die Balanced Scorecard-Kriterien oder auf die Substitution bisheriger Messgrofien. So beschreiben z. B. Schroder/Dusch (2001) und Kohl/Zimmermann (2001) jeweils eine CRM-Scorecard, die strikt an das Balanced ScorecardKonzept von Kaplan/Norton angelehnt die vier generischen Bereiche Lernen & Entwicklung, Geschaftsprozesse, Kunden und Finanzen auf die Vertriebsaspekte anwenden und mit entsprechenden Wirkungspfaden und CRM-Messgr6(ien fijllen. Hauptziele sind einerselts die Kundenbindung nach Kundenwertaspekten sowie andererseits die Komplexitatsreduktion und Objektivlerung durch quantitative Malizahlen. Sauberlich et al. (2002) gehen ahnlich ganzheitlich an die Idee einer CRMScorecard heran, zeigen dies aber lediglich am Beispiel einer Scorecard fur den Web-Auftritt eines Unternehmens. Dafur werden je nach Status sehr konkrete und operative Handlungsempfehlungen gegeben (z. B. Serverzahl erhohen). Schliefilich sind noch Younker (2001) und Hippner et al. (2002) anzufuhren, die eine „CRMMetrik" entwickelt haben. Hierbei wird mittels eines hierarchischen Kennzahlensystems versucht eine finanzokonomische Kosten/Nutzen-Betrachtung der CRM-lnvestitionen zu erreichen. Als Kriterien fliefien dabei z. B. positiv wirksam der In einer Periode erzielte Neukundenumsatz sowie negativ wirksam die Kosten je Kontakt ein. Im Gegensatz zu diesen bislang entwickelten CRM- oder CRM-nahen ScorecardKonzepten zielt unser Tool nun aber vor allem auf die qualitative und quantitative Beobachtung, Messbarmachung und Prasentation der CRM-Aktivitaten ab. Es ist also komplementar zu den kosten/nutzengetriebenen Konzepten zu sehen. Daruber hinaus stellt unser empirischer Ansatz keine unternehmenszentrierte Binnenlosung dar, sondern bezieht die Marktkontrahenten mit ein. Unser Tool liefert zudem im Gegensatz zur Balanced Scorecard zunachst keine ex-ante-Zielvorgabe, sondern dient vor allem der ex-post-Analyse der derzeit bestehenden Aktivitaten in alien relevanten personlichen, medialen oder auch konzeptionellen Kundenkontaktpunk165
ten. Gleichzeitig konnen durch periodisch durchgefuhrte Analysen Zeitreihendaten Aufschluss uber die eigenen und marktiichen Veranderungen im Hinblick auf CRMAktivitaten liefern. So ist gewahrleistet, dass Entscheider einen schnellen Uberblick ijber die maflgeblichen CRM-Aktivitaten erhalten. Dabei kann naturlich nicht regelmafiig das Ziel sein, den maximalen Score zu erzieien. Vielmehr muss der erreichte Score der Unternehmensstrategie entsprechen. Es kann durchaus rational sein, in einem Bereich Aktivitaten nur in geringem Unnfang einzuplanen, da dieser u.U. fur die anzusprechende Zielgruppe keine Relevanz besitzt. Schliefllich besitzt neben der hier erfolgten quantitativen Aktivitatsmessung der okonomische Kosten/ Nutzenaspekt, den z. B. oben beschriebene Ansatze verfolgen, ebenso grofie Relevanz. Wichtig ist somit der Soll/lst-Abgleich und die Information uber das Aktivitatsspektrum innerhalb der strategischen Gruppe, da dadurch evaluiert werden kann, ob die Unternehmensstrategie unter CRM-Aspekten auch operativ entsprechend umgesetzt wird, Oder ob Anpassungen notig sind. Eine oben angesprochene regelmafiige Wiederholungsmessung gibt dann auch Aufschluss uber den langfristigen Erfolg.
Zusammenfassung Die CRM-Scorecard Ist also ein Modul eines umfangreichen Messkonzepts, dass auf einem eigenstandig entwickelten Erhebungsdesign beruht und die gemessenen Werte auf unterschiedlichen Aggregationsniveaus ubersichtlich prasentiert. Es steht nicht in Konkurrenz, sondern verhalt sich im Gegenteil komplementar zu kosten-/ nutzenbezogenen CRM-Messkonzepten und schliefit damit eine wichtige Lucke in der angewandten CRM-Forschung und Identifikation von KPI. Schliefilich ist fur ein erfolgreiches CRM ein Controlling der Aktivitaten und ein Vergleich mit Konkurrenten, die um dieselben Kunden werben, unabdingbar. Neben einer regelmafiigen Erhebung als kontlnuierliche Datenbasis fur Scorecard und einer Ausweitung auf die Nachkaufphase ware auch ein ubergreifender Vergleich der CRM-Bemuhungen wunschenswert. Fur ein Benchmarking scheinen auf Grund der teilweise ahnlichen zwelstufigen struktur z. B. Unternehmen aus der Versicherungswirtschaft geeignet.
die CRMbranchenderartiges Vertriebs-
Diese sehen glelchfalls die Beziehung zum Kunden als Indikator fur den Unternehmenserfolg und es handelt sich be! den angebotenen Dienstleistungen ebenfalls um High-lnvolvement-Guter.^^^ Durch einen solchen Vergleich besteht die Moglichkeit eines Informationsaustausches uber branchenunterschiedliche Interaktionsmethoden. Auf diese Art und Weise kann die vorliegende Arbeit einen Beitrag zu
3^3 Vgl. Romme/(1999), S. 1540.
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weiterer Forschung leisten, deren Ergebnis letztendlich ein branchenubergreifender Vergleich der Umsetzungsqualitat im Bereich Customer Relationship Management darstellt. Literatur Anderson, E.WJFornell, C./Lehmann, D.R. (1994): Customer Satisfaction, Market Share, and Profitability: Findings from Sweden. In: Journal of Marketing, Vol. 58, July, 1994, S. 53-66. Albach, H. (1989): Innovationsstrategien zur Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit. In: Zeitschrift fur Betriebswirtschaft, 59. Jg., 12/1989, S. 1338-1352. Bauer, H./Grether, M./Leach, M. (1999): Relationship Marketing im Internet. In: Jahrbuch der Absatzund Verbrauchsforschung, 3/1999, S. 284-301. Berekoven, L/Eckert, W./Ellenrieder, P. (2001): Marktforschung - Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 9. Auflage, Wiesbaden 2001. Berry, L. (1983): Relationship Marketing. In: Berry, L./Shostack, G./Upah, G. (Hrsg.): Emerging Perspectives On Service Marketing, Chicago 1983, S. 25-38. Bill, HJFalk, S./Fink, S./Welzel, C. (2001): Von E-Business zu E-Politics, o.O. 2001. Bliemel, F.W./Eggert, A. (1998): Kundenbindung - die neue Sollstrategie? In: Marketing ZFP, 20. Jg., H e f t i , 1998, S. 37-46. Bortz, J./Doring, N. (2002): Forschungsmethoden und Evaluation; 3. uberarb. Aufl., Berlin et al. 2002. Bruhn, M. (1997): Kommunikationspolitik; Munchen 1997. Bruhn, M. (2001): Relationship-Marketing - Das Management von Kundenbeziehungen, Munchen 2001. Butscher, S. (1998): Direkte Kommunikation uber institutionalisierte Kommunikationskanale. In: Marktforschung&Management - Zeitschrift fur marktorientierte Unternehmenspolitik, 42. Jg., 1998, S.11-15. Burmann, C. (1991): Konsumentenzufriedenheit als Determinante der Marken- und Handlerloyalitat. Das Beispiel der Automobilindustrie. In: Marketing ZFP, 13. Jg., Heft 4, 1991, S. 249-258. demons, E. K. (1991): Corporate Strategies for Information Technology - A Resource-Based Approach. In: IEEE Computer, Vol. 24, 11/1991, S. 23-32. Daft, R. L./Lengel, R. H. (1984): Information Richness: A new Approach to Managerial Behavior and Organization Design. In: Research in Organization Behavior, 6/1984, S.I91-233. Davenport, T. H./Harris J. G./Kohli A. K. (2001): How do they know their customers so well? In: MIT Sloan Management Review; Vol.: 42, 2/2001, S. 63-73. Diez, W. (2002): Automobilvertrieb - Wie die Hersteller auf die neue GVO reagieren mussen. In: absatzwirtschaft, 9/2002, S. 52-55. Diez, W./Brachat, H. (2001): Grundlagen der Automobilwirtschaft, 3.Aufl., Ottobrunn 2001. Diller, H. (1995): Beziehungsmarketing. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 9/1995, S. 442447. Dudenhdfer, F. (1997): Marken Management bei Produkt-Konvergenz - Neue Ansatze im Automobilmarketing. In: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, Jg. 43, S. 4-42. Eberl, M./Zinnbauer, M./Heim, M. (2002): Entwicklung eines Scoring-Tools zur Messung des Umsetzungsgrades von CRM-Aktivitaten. In: Schriften zur Empirischen Forschung und Quantitativen Unternehmensplanung, 11/2002. Fleischer, J./Hersch, W. S./Hollman, L. (2001): Embodying CRM. In: Call Center Magazine; Vol. 14, 9/2001, S. 50-62.
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Zielgruppenspezifisches Gebrauchsgiitermarketing Markus Eberl/Markus Zinnbauer Der in vielen Branchen festzustellende Wandel von Verkaufer- zu Kaufermarkten sowie die zunehmende Homogenisierung der Produkte und Leistungen lassen die Pflege und das Management von Kundenbeziehungen zu einer der zentralen Herausforderungen an Unternehmen werden.^^'^ Gleichzeitig werden die Kunden speziell auf Endverbrauchermarkten - einer zunehmenden Reiziiberfiutung bis hin zum Information Overload ausgesetzt,^^^ wodurch Massenkommunikation erschwert wird bzw. Streuverluste stark ansteigen. Diese Problemfelder gelten insbesondere fur die Hersteller von Gebrauchsgutern, da ihre finale Zielgruppe zumeist aus Endverbrauchern besteht und die Informationssuche in diesen Markten nur im Fall eines Kaufbedurfnisses beginnt. Dadurch ist es gerade in diesen Markten von extremer Bedeutung, direkte Kommunikationskanale zu erschliefien, die einen effizienteren Dialog mit dem Kunden ermogllchen. Die vorliegende Studie wird dies am Beispiel des Automobilmarktes untersuchen, da dieser als geradezu idealtypisch fur die beschriebenen Probleme gelten darf. Als Reaktion auf diese Entwicklungen bedienen sich die Unternehmen seit geraumer Zeit eines Ansatzes, der die Beziehung zum Kunden in den Mittelpunkt stellt. Das Customer Relationship Management (CRM) basiert auf dem Gedanken, dass erfolgreiche Kundenbeziehungen eine Voraussetzung zur besseren Befriedigung von Kundenwunschen darstellen und damit zum Aufbau schwer kopierbarer, strategischer Wettbewerbsvorteile beitragen. Aus der in der Praxis dementsprechend zunehmenden und in der Literatur gleichsam geforderten Implementierung eines CRM-Konzepts erwachst allerdings die Forschungsfrage, welche kundengerichteten Prozesse in der untemehmerischen Realitat moglichst effizient einzubinden sind. Denn Kundenbindung wirkt sich durch Nach- und Wiederkaufe sowie durch Cross-Selling und Weiterempfehlung mit steigender Beziehungsdauer langfristig zwar gewinnsteigernd aus,^96 gleichzeitig bergen CRM-lnvestitionen aberauch Risiken. Hauptsachlich sind dabei Probleme der mangelnden Wahrnehmung dieser Aktivltaten auf Kundenseite sowie Fehlallokationen kostenintensiver Maflnahmen auf jene Kunden anzufuhren, deren (zu) geringer „Life Time Value" keinen positiven ROI ermoglicht.^^^
39^ Vgl. bspw. Muther {200^), S. 12 f. 595 Vgl. Meyer (1998), S. 202. 59^ Vgl. Anderson et al. (1994), S. 54f. sowie Meinig (1994), S. 94. 59^ Vgl. uberblicksweise zur Modellierung und Operationalisierung von Kundenwert und Kundenlebenszeit Krafft (2002), S. 33ff.
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Bislang fehlen allerdings Konzepte in der Literatur und auch in der Praxis, urn CRM aus Kundenperspektive effizienter und zieigruppenspezifischer durchzufuhren. Da die Kundensicht speziell in der Automobilbranche im Gegensatz zu naher an den Verbrauchern operierenden Verkehrsdienstleistern nicht aus den reinen Transaktionsdaten ersichtiich wird, besteht hier besonderer Forsciiungsbedarf. Daher bildet die Identifikation von CRIVI-Zielgruppen beim Neuwagenkauf einschliefilich spezieller CRIVI-Bedurfnisstrukturen das Erkenntnisziel dieser Arbeit. Dazu wurden im Rahmen einer Forschungsstudie bundesweit Neuwagenkaufer befragt, wie sie CRM-IVIafinahmen und angebotene Interaktionskanale wahrnahmen und verwendeten, und inwieweit die Kunden mit diesen Services zufrieden waren. Im folgenden Abschnitt wird nun kurz auf die Relevanz des Customer Relationship Management fur den Verkehrssektor eingegangen, respektive die Notwendigkeit eines zielgruppenspezifischen CRM, dargelegt. Im Anschluss daran werden das empirische Vorgehen beschrieben und die Erkenntnisse vorgestellt.
Untersuchungsziel Wie eingangs dargelegt, bieten CRM-Mafinahmen mit dem Ziel der verstarkten Kundenbindung und Beziehungspflege u. a. die Antwort auf die Dynamisierung von Markten und die zunehmende Angleichung der Kernleistungen und -produkte. Insbesondere im Bereich der Kundeninteraktion, der gegenuber dem Kunden besonders stark sichtbar wird und der trotz Homogenisierung Raum zur kreativen und kompetenten Differenzierung bietet, konnen Wettbewerbsvorteile erarbeitet werden. Daher beschranken wir uns im Folgenden zweckmafiiger Weise auf dieses Ziel. Die exogenen Ausloser lassen sich nun auch in Mobilitats- und Verkehrsbranchen nachvollziehen. So werden z. B. die Kernleistungen von Fernverkehrssystemen, was Gesamtreisezeit (von Tur zu Tur) und Komfort anbelangt, immer austauschbarer. Daruber hinaus gleichen sich auf Grund des zunehmenden Preiswettbewerbs auch die Beforderungsentgelte zunehmend an. Deshalb fokussieren ehemals leistungsund kostentechnisch deutlich unterscheidbare Anbieter, wie die Deutsche Bahn AG (bzw. deren Vorlaufergesellschaft) und innerdeutsch operierende Fluggesellschaften, zwangslaufig immer ofter dieselben Zielgruppen - toils sogar kooperativ.^^^ Gleichsam reichen in der Automobilbranche klassische generische Strategien nicht mehr aus, da auch beim motorisierten Individualverkehr Produkthomogenisierung und abnehmendes Prestigeempfangnis (und damit verbundener Anstieg der
398 vgl. Ludewig (1999), 8. 127 oder K/fte/(1999), S. 82.
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Preis-Reagibilitat) feststellbar sind.^^^ Der Kunde wird somit zum ..knappen Guf"^^^ und damit zum zentralen Baustein fur den langfristigen Unternehmenserfolg. Auch im Personenverkehrssektor wird Kundenzufriedenheit deshalb immer bedeutender"^^^ und wirkt sich wegen dessen oftmals mono- bzw. oligopolistischer Strukturen sogar auf den Fortbestand ganzer Branchen aus. Auf Grund der mafigeblichen Rolle der Kundenbeziehungspflege und dabei vor allem der Kundeninteraktion ist es in besonderem Mafle bedeutsam, diese Aktivitaten effizient zu steuern. Dabei ist vor allem die Interaktion mit den Kunden eher kurzfristig steuerbar. Die Entscheidung, welche der zahlreichen moglichen medlatisierten und personalisierten Kanale welchen Kunden zur Verfugung gestellt und von diesen auch als nutzbringend empfunden werden, erfordert Wissen um das Informationsverhalten der Kunden und anschliefiendes Controlling. Bestehende Konzepte zum CRM-Controlling basieren allerdings auf einer investitionstheoretischen und damit renditeorientierten ex-post Betrachtung und sind oftmals aus der Beratungspraxis entstanden.'^^^ Die erforderliche Kundenperspektive fehit dabei. Das Verstandnis dieser Sichtweise ware entweder uber eine implizite Analyse moglich, die aufbauend auf sehr detaillierten Informations- und Transaktionsdaten erfolgt bzw. ijber eine direkte Befragung der Kunden und deren Wahrnehmungen und Zufriedenheiten mit den nach auflen sichtbaren Front-Office-CRM-Aktivitaten. Im Verkehrswesen ist eine implizite Beurteilung der Effizienz von Mafinahmen zur Kundenbeziehungspflege und zur Steigerung der Kundenzufriedenheit nun in Abhangigkeit von der Vertriebssituation und den damit verbundenen Endverbraucherkontakten unterschiedlich komplex. Bei Unternehmen, die groflteils im Direktvertrieb Kundenkontakte anbahnen und uber den Kaufabschluss bis hin zur Leistungserbrlngung den Kunden direkt betreuen, ist das Wissen um Bedurfnisse und das Verstandnis (neudeutsch: Customer Insight) naturgemafi deutlich hoher. Erfolgreiche CRM-Tools, wie Kundenkartensysteme (z. B. die Bahncard der Deutschen Bahn AG Oder das Miles&More-System der Lufthansa AG), die teilweise sogar mit Kreditkartenfunktionalitaten hinterlegt sind,"^^^ ermogllchen dem ausgebenden Unternehmen mittels Data Minlng-Methoden weitreichende Informationen uber Konsumund Reisegewohnheiten der Kunden.'^O'^ Dieses Wissen stellt einen weitreichenden ^ ^ ^ Vgl. Dudenhofer {^997), S. 5ff., Freter/Barzen (1988), S. 87 und Herrmann etal. (2001), S. 571. "^00 Butscher{^998),S^^. ^^^ Vgl. z. B. Herrmann (1998), der Kundenzufriedenheitskonzepte schon fur offentliche Personennahverkehrsuntemehmen fordert. ^^^
Hier sind insbesondere die Scorecard-Systenne von Kohl/Zimmermann (2001), Sauberlich et al. (2002) Oder Schroter/Dusch (2001) sowie CRM-Metriken von Hippneret al. (2002) oder Younker (2001)anzufuhren. "^03 Vgl. Krah (2000), S. 56f. ^04 Vgl. etwa Berry/Linoff (2000), S. 66ff.
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Wettbewerbsvorteil gegenuber der Konkurrenz dar und ermoglicht mafigeschneiderte Angebote. Daruber hinaus kann verfolgt werden, inwieweit einzelne CRMAktivitaten von den Kunden allgemein und von welchen Kundengruppen besonders angenommen werden. Anders verhalt es sich bei Unternehmen, deren mehrstufige Verthebsstruktur Absatzmittler beinhalten, die naturgemafi auch jm Besitz der Transaktionsdaten sind und diese auch nicht an den Hersteller weitergeben. Im Verkehrssektor befinden sich auf Grund der Schlusselstellung der Handelsbetriebe vor allem die Automobilunternehmen in einer derartigen Situation."^^^ oa eine Evaluierung des vom Kunden wahrgenommenen Nutzens bislang fehJt"^^^ und die Daten uber den Kauf- und Informationsprozess bei den Automobiihersteiiern nur in Einzelfallen in personalisierter Form vorliegen, kann im Unternehmen weder explizit noch implizit erschlossen werden, welche CRM-Aktivitaten von welchen Zielgruppen besonders angenommen werden.
Empirische Erhebung Im Folgenden wird nun das Untersuchungsdesign vorgestellt und die Operationalisierung des wahrgenommenen Kundennutzens der CRM-Aktivitaten in der Automobilbranche skizziert. Im Rahmen der verschiedenen CRM-Aktivitaten erbringt das Unternehmen unterschiedliche Leistungen, welche zumelst kommunikativer Natur sind. Der dadurch beim Kunden gestiftete, also von diesem wahrgenommene Nutzen der CRM-Aktivitaten ist damit letztendlich aquivalent zur Kundenzufriedenheit, wie sie in den moisten Publikationen zum Thema verstanden und beispielsweise von Meyer/ Dornach (1998, S. 249) definiert wird. Demnach ist darunter das Ergebnis eines subjektiven Abgleichs einer Soll-Komponente (Erwartungen und Anspruche) mit einer Ist-Komponente (wahrgenommene Leistung) zu verstehen. Diese Auffassung wird
405 vgl. z. B. Hefi (1997), S. 25f. Aufierdem setzte eine weitere einschneidende Veranderung in der Distributionspoiitik mit dem Fall der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) am 30. September 2002 ein (vgl. Diez 2002). Die von Burmann (1991, S. 250) festgestellte Beziehung, dass Markenloyalitat die Voraussetzung fiir Handlerloyalitat darstellt, befindet sich insofern in Auflosung. Es ist vielmehr mit einem „lntra-Brand-Wettbewerb" unter den Vertragshandlern einer Marke zu rechnen. 406 studien zur Kundensicht werden bislang vor allem produktgetrieben durchgefuhrt. so ist auch die von der Automobilindustrie stetig unter strenger Geheimhaltung durchgefuhrte New Car Buyer Survey (NCBS) ausschlielilich auf die Zufriedenheit mit Marken und Modellen bzw. auf Wechselmotive ausgerichtet, nicht aber auf den Kommunikations- und Beziehungsprozess (vgl. eenacyy2001,S. 22).
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als Confirmation/Disconfirmation-Paradigma bezeichnet.'^^^ Die Soll-Komponente steht dabei fur einen individuellen Vergleichsstandard, der durch Erfahrungsnormen, Erwartungen sowie Ideale gebildet worden sein kann.'^o^ Demgegenuber wird in grofier Ubereinstimmung unter der Ist-Komponente die subjektiv wahrgenommene Leistung eines Produktes oder einer Dienstleistung verstanden."^^^ Durch die Gegenuberstellung der Soil- und der Ist-Komponente findet ein kognltiver Abglelch, der so genannte Soll-lst-Vergleich, statt.^^^^ Dessen Ergebnis kann Bestatigung (Konfirmation) oder Nichtbestatigung (Diskonfirmation) der Erwartungshaltung darstellen. Unter zusatzllcher Wirkung situativer Faktoren entsteht im Falle von Konfirmation und positiver Diskonfirmation (1st > Soli) Zufriedenheit, im Falle negativer Diskonfirmation (1st < Soil) Unzufriedenheit."^^^ Zur Messung des theoretischen Konstrukts kommen prinzipiell objektive und subjektive Verfahren in Betracht, wobei nur letztere fiir eine valide Messung in Frage kommen."^^2 innerhalb dieser Gruppe lassen sich ereignisorientierte und merkmalsorientierte Ansatze trennen. Die jeweilige Vorteilhaftigkeit der Verfahren wird in der Wissenschaft ausgiebig dlskutiert,"^^^ als spezifischer Nachteil der ereignisorientierten Ansatze lassen sich jedoch Reprasentativitatsprobleme anfuhren. Deshalb wird im weiteren Vorgehen der Fokus auf merkmalsorientierte Verfahren gelegt, bei denen die Zufriedenheit als Ergebnis der Bewertung von Einzelmerkmalen der wahrgenommenen Leistung verstanden wird. Die Zerlegung der Gesamtbeurtellung in Teilzufriedenheiten fur einzelne Leistungsmerkmale wird auch als multlattrlbutive Messung bezeichnet. Zuletzt ist zu unterschelden, ob eine separate Erfassung der Soll-Komponente erfolgen oder die Zufriedenheit direkt abgefragt werden soil. Die separate Messung der beiden Komponenten ist jedoch mit verschiedenen Validitatsproblemen verbunden'^^^, sodass fur die vorliegende Studie die merkmalsbezogene, multiattributlve Erfassung der Zufriedenheit ohne Erwartungsmessung zur Anwendung kommt. Dieses Verfahren dominiert in der theoretischen Diskussion und praktischen Anwendung gleichermafien und wird von HomburgAA/erner (1998, S. 133) als „valideste Form der Messung" identifiziert. Neben den eigentllchen Zufriedenheitsurteilen sind auch die jeweiligen subjektiven Wichtigkeitsurteile der Befragten fur jedes Leistungsmerkmal relevant. Die Bedeutung einzelner Merkmale ist insbe"^07 "^08 "^09 "^^0
vgl. z. B. Homburg/Rudolph (1998), S. 39. Vgl. z. B. Homburg/Rudolph (1998), S. 39. Vgl. Sfat/ss (1999), S. 7. Vgl. Mu/Zer (1996), S. 151.
"^^^ Vgl. O/zVer(1980), S.460f. ^^2 Vgl. Sfatvss (1999), S . I 2. "^^5 Vgl. etwa Engelmann/Muller {A^^l), S. 49. "^^^ Vgl. bspw. Meyer/ErtI (1998), S. 229.
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sondere fur ein Controlling von CRM-Mafinahmen maflgeblich, da nur durch ein entsprechendes Bedeutungsgewicht Aussagen uber den gesannten Nutzen getroffen werden konnen, den einzelne Handlungsfelder zu erbringen imstande sind. Durch diese Urteile lassen sich schliefllich die aus Sicht des Kunden wichtigen und unwichtigen Leistungsmerkmale trennen und einzelne Zielgruppen identifizieren, die unterschiedliche Anforderungen an CRM-Aktivitaten stellen. Im Rahmen des dargestellten Messinstruments sollen diese Bedeutungsgewichte entsprechend des Zweikomponentenansatzes zusatzlich zur Zufriedenheit fur jedes Merkmal abgefragt werden.^^^ Gegenstand der eigentlichen Operationalisierung des wahrgenommenen Nutzens von CRM-Aktivitaten ist es damit, Indikatoren fur dessen einzelne Leistungsmerkmale zu identifizieren. Im entwickelten Messinstrument erfolgt eine Untergliederung der Leistungsmerkmale anhand der wichtlgsten Kommunikationskanale, die im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagements von Bedeutung sein konnen. Hierbei wurden als CRM-Mafinahmenberelche die Kontaktkanale Broschure, Beratung beim Autohandler, telefonischer Kontakt via Call Center, Website, E-Malls sowie elektronlsche Informations-Terminals (sog. Kiosk-Systeme) identifiziert. Um die Bedeutung anderer Kommunikationskanale im Verhaltnis zu CRM-Aktivitaten zu erfassen, wurden ebenfalls Autozeitschriften, Herstellermagazine, Kunden-Clubs sowie Information bei Bekannten und Freunden^^^ in die Untersuchung aufgenommen. Die Entwicklung der Kriterien erfolgte speziell fur diese Studie bezogen auf Automobilhersteller und handler. Die gewonnenen Merkmale lassen sich jedoch auch auf andere Branchen ubertragen. Neben der globalen Wichtigkeit und Zufriedenheit der Kontaktkanale wurde die CRM-Leistung eines Unternehmens fur die von ihm kontrollierbaren Kommunikationskanale Broschure, Beratung, Call Center, Website, E-Mails sowie elektronlsche Informations-Terminals in einzelne Leistungsattribute zerlegt. Zu diesem Zweck wurden fur jede CRM-Mafinahme zwischen sieben und neun Merkmale entwickelt, welche aus Sicht der Kunden zufriedenheitsbestimmend sein konnen. Zusatzlich zu den genannten Informationskanalen wurden der Vollstandigkeit halber auch die Kanale Autozeitschriften sowie Bekannte, Freunde und Familie abgefragt, welche aufierhalb des Gestaltungsbereichs des Automobilherstellers liegen. Auf diese Art
^^5
Dies erscheint in Abgrenzung zu einer Berechnung der Bedeutungsgewichte aus den Zufriedeniieiten als valides Vorgehen, da davon auszugehen ist, dass die Zielgruppe der Befragten ein hohes Involvement und Fachwissen aufweist (vgl. Zacharias 1998, S. 104f.).
^'^^ Dabei wirken sich Freunde und Bekannte entweder als blofle Referenzgruppen (vgl. Sheth/ Parvatyar 2000, S. 183ff.) oder sogar als meinungsbildende Opinion Leader aus. Meinungsfijhrer wiederum werden durch Ihre Verhaltensdisposition definiert, neue Informationen mittels indirekter Kommunikation als Erste aufzunehmen (Rezeptionsverhalten) und diese an NichtMeinungsfuhrer, so genannte weniger aktive Rezipienten, direkt weiterzugeben (Komnriunikationsverhalten) (vgl. Gawronski/Erb 2001, S. 199).
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und Weise lassen sich auch nicht durch CRM beeinflussbare Interaktionen erfassen. Es zeigte sich, dass die Befragten nicht zwischen Broschuren und Hersteller-iVlagazinen differenzieren konnten. Deswegen wurde letztere Variable aus alien weiteren Analysen ausgeschlossen. Die Grundgesamtheit der Erhebung lasst sich als „Neuwagenkaufer der letzten zwei Jahre und aktuell Kaufinteresslerte im gesamten Bundesgebiet" beschreiben. Vereinfachend soil im Folgenden die Bezeichnung „Neuwagenkaufer" fur diese Personengruppe venA/endet werden. Urn eine moglichst representative Stichprobe zu erhalten, wurde die Erhebung in Form einer schriftlichen Befragung durchgefuhrt. Hierzu wurde anhand der oben beschriebenen Items unter Beachtung der ubiichen Regein zur Gestaltung eines Fragebogens'^^'' ein entsprechendes Erhebungsinstrument entwickelt, wie ausfuhrlich bei Zinnbauer/Eberl (2002) beschrieben. Die Bewertung der Zufriedenheiten und Bedeutungsgewichte erfolgt mittels in der Zufriedenheitsforschung ijblicher quasi-mertrlscher 5-stufiger Rating-Skalen. Dabei beziehen sich die Extremwerte „1" auf die Auspragung „vollig unzufrieden" bzw. „v6llig unwichtig" und „5" auf „sehr zufrieden" bzw. „sehr wichtig". Die anderen Skalenwerte liegen dann aquidistant zwischen diesen Polen. Da der Anteil der Grundgesamtheit an der gesamten Bundesbevolkerung als eher gering anzusehen ist, wurden 2.500 Fragebogen an zufalllg ausgewahlte Haushaltsvorstande im Bundesgebiet versandt. Der erzielte Rucklauf von 174 auswertbaren Fragebogen entspricht einer Rucklaufquote von etwa 7%. Dieser Wert liegt zwar fur schriftliche Befragungen am unteren Ende, ist aber vor dem Hintergrund der relativ eng definierten Zielgruppe als guter Wert zu bezeichnen. Das ubiiche Vorgehen zur Quantifizierung dieser Verzerrungen durch Abgleich verschiedener Kenngrofien mit denjenigen der Grundgesamtheit bereitet im vorliegenden Fall jedoch Probleme, da fur die Personenmenge „Neuwagenkaufer der letzten zwei Jahre und aktuell Kaufinteresslerte" keine entsprechenden Daten vorliegen. Unter den Befragten befinden sich 43 Frauen (24,7%) und 126 Manner (72,4%). 6,3% der Teilnehmer sind unter 30 Jahre alt, der Grofiteil (62,1%) der Befragten entstammt mittleren Altersklassen zwischen 30 und 60 Jahren. 47,4% der Befragten gaben als hochsten Ausbildungsabschluss Haupt- oder Realschule an, weltere 43,2% hohere Ausbildungsabschlusse. Diese Abweichungen von den Soziodemografika der Gesamtbevolkerung lassen sich auf geschlechts- bzw. altersspeziflschen Bezug zum Neuwagenkauf zuruckfuhren und deuten eher darauf hin, dass
^ ^ ' ' Vgl. bspw. Berekoven et al. (2001), S. 100ff.
177
keine systematischen Ausfalle in der Stichprobe im Vergleich zur Grundgesamtheit vorliegen, die abweichend von der Gesamtbevolkerung definiert ist. insgesannt wurden Erfahrungen nnit den CRM-Aktivitaten 28 unterschiedlicher Automobilhersteller in der Stichprobe vereinigt. Bei Betrachtung der globalen Zufriedenheiten aller Befragter mit den einzelnen Informationskanalen fallt zunachst ein deutlicher Unterschied in der Bewertung der „klasslschen" Informationskanale Broschure und Beratung beim Autohandler im Vergleich zu den anderen Kanalen auf. Broschuren wurden im Mittel mit 3,8 und die Beratung beim Handler mit 4,0 auf der 5-stufigen Skala'^^s und damit Im Bereich der Auspragung „zufrieden" bewertet. Im Vergleich dazu zeigen sich die Befragten auf dem 10%-Niveau signifikant"^^^ unzufriedener mit den anderen Kontaktkanalen Call Center, Kunden-Club, Internetsite des Handlers und des Herstellers, E-Mail-Kontakt mit dem Handler und dem Hersteller sowie dem Kiosk-System. Diese werden durchschnittlich mit der mittleren Zufriedenheitskategorie bewertet. Abblldung 1 zeigt die Zufriedenheltsverteilungen und jeweiligen Mittelwerte mit den einzelnen CRMAktivitaten. Zufriedenheit
Broschuren
Handler
Call Center
Internet Handler
Internet OEM
E-Mail Handler
E-Mail OEM
KioskSystem
vollig unzufrieden (1)
1,8%
2,4%
3,6%
3,0%
2,4%
3,0%
3,6%
3,0%
unzufrieden (2)
4,1%
5,3%
7,1%
6,0%
5,4%
3,0%
3.0%
4.7%
mittel zufrieden (3)
25,4%
15,4%
3,0%
7,1%
11.9%
2,4%
3.0%
1.8%
zufrieden (4)
35,5%
32,5%
5,9%
2,4%
8,3%
2.4%
1.2%
2.4%
sehr zufrieden (5)
21,9%
36,1%
0,6%
1,8%
4,2%
1.8%
0,6%
0.0%
nicht genutzt
11,2%
8,3%
79,9%
79,8%
67.9%
87.5%
88,7%
88.2%
Mittelwert
3,81
4,03
2,65
2,71
3,20
2,76
2,32
2,30
Abbildung 1: Globale Zufriedenheiten mit den CRM-Al
Es erscheint plausibel, dass die hohere Zufriedenheit mit einzelnen Kontaktkanalen im vorliegenden Fall mit groflerer Nutzungshaufigkeit korrellert. 88,8% bzw. 91,7% der Befragten hatten Broschuren bzw. die Beratung beim Autohandler in Anspruch genommen. Hochstens 32,1% der Befragten machten Erfahrungen mit den anderen ^^^
Die Auspragung 1 entspricht dabei dem Urteil ..voiiig unzufrieden", ein Skaienwert von 5 „sehr zufrieden". "^^^ Zur Untersuchung der Mittelwertunterschiede wurden paarweise t-Tests durchgefuhrt.
178
Interaktionswegen der Hersteller bzw. Handler. Dies zeigt sich ebenfalls in den vergebenen Bedeutungsgewichten: im IVIittel werden Broschuren mit 3,8 und die Beratung mit 4,3 und damit als „wichtig" eingestuft. Dies ist deutlich hoher als die mittleren Wichtigkeiten der anderen Kanale, welche im Bereich von „mittel wichtig" Oder „unwichtig" liegen. In der vorliegenden Stichprobe liegt also kein Problem der Erwartungsinflatlon'^^o vor. Die unterschiedliche Bedeutung, welche die Befragten den einzelnen CRM-Mafinahmen beimessen, darf jedoch nicht undifferenziert als Handlungsempfehlung in Bezug auf einzelne Kontaktkanale betrachtet werden. Die Bedeutungsgewlchte streuen relativ stark zwischen den Befragten: die Standardabweichungen betragen durchgangig zwischen 1,0 und 1,4. Dies deutet auf starke Heterogenitat der Bedurfnisstrukturen hin, die im Rahmen eines zielgruppenspezifischen CRM Berucksichtigung bei der Wahl des jeweiligen Interaktionskanals finden muss. Es bleibt die bereits formulierte Vermutung bestehen, dass Innerhalb der gesamten Zielgruppe der Neuwagenkaufer Segmente mit unterschiedlichem Informationsverhalten bestehen, welche differenziert mittels unterschiedlicher CRM-Aktivitaten seitens des Automobilherstellers bearbeitet werden konnen. Auf diese Art und Weise lassen sich die Gesamtzufriedenheit und der Kundennutzen aus den CRM-Ma(inahmen steigern. Um einzelne Gruppen von Kunden zu identifizieren, welche in Bezug auf ihre subjektiven Bedeutungsgewlchte untereinander moglichst homogen, zwischen den Gruppen aber moglichst unterschiedlich sind, bietet sich die Clusteranalyse als Analyseverfahren an.'^^y um moglichst stabile Losungen zu erhalten, ist jedoch der Umgang mit fehlenden Werten zu klaren. Da ein fehlender Wert bei nur einer Clustervariable bereits zum Ausschluss des gesamten Falls aus der Analyse fuhrt, besteht die Gefahr von degenerierten Losungen. In der vorliegenden Untersuchung kamen fehlende Werte zwar nur in wenigen Einzelfallen vor, wirkten sich aber in Kombination negativ auf die clusteranalytisch untersuchte Fallzahl aus. Neben dem Ausschluss besteht jedoch sowelt dies sachlogisch gerechtfertigt ist, die Moglichkeit der Imputation fehlender Werte. Da dieses Problem in der vorliegenden Untersuchung nur vereinzelt auftritt, und bei den entsprechenden Probanden keine systematische Auslassung festzustellen ist, scheint eine Imputation der fehlenden
^ 2 ^ Mit Erwartungsinflation wird die fur die Ergebnisinterpretation probiematische Neigung der Befragten bezeichnet, aile Leistungsmerkmale als wichtig einzustufen (vgl. Zacharias 1998, S. 103). '^2'/ Zum Verfahren der Clusteranalyse vgl. ausfuhrlich Backhaus et al. (2000).
179
Werte fur Zwecke der Clusterung zweckma(iig.'^22 so kann davon ausgegangen werden, dass die Befragten gerade im Bereich des High-lnvolvement-Produkts Automobil Praferenzen fur jeden beliebigen Kontaktkanal besitzen. Schliefilich konnen sich auch Nicht-Nutzer ein Wichtigkeitsurteil bilden. Wird mithin ein fehlender Wert in Bezug auf die Wichtigkeit eines Kontaktkanals gemessen, konnte argumentiert werden, dies impliziere die Aussage „v6llig unwichtig". Wir haben uns jedoch im vorliegenden Fall fur eine weniger mittelwertverzerrende Imputationsmethode entschieden und die fehlenden Werte durch den jeweiligen Median ersetzt. Dies entspricht noch eher als der Mittelwert dem ordinalen Charakter der verwendeten Rating-Skala. Zur Durchfuhrung der Clusteranalyse auf Basis der imputierten globalen Wichtigkeitsvariablen wurde als Distanzmafi die quadrierte euklidische Distanz und zur Fusion der Cluster das hierarchische Complete Linkage-Verfahren verwendet, da damit in der Regel Probleme wie bspw. Kettenbildung vermieden werden konnen. Die identifizierte und Im Folgenden dargestellte Clusterlosung zeigte sich jedoch auch uber andere Verfahren reproduzierbar und stabil. Es konnten drei Segmente von CRM-Kunden identifiziert werden, welche sich signifikant voneinander unterscheiden lassen. Sie lassen sich pragnant beschreiben als „Die Zuhorer", die besonderen Wert auf Informationen Im direkten personlichen und zwischenmenschlichen Kontakt legen sowie als „Die Konservativen", die Informationen aus konventionellen Quellen, wie Broschuren und Handlerbesuch beziehen und schlieRlich die „Die Multimedialen", die neben den konventionellen Quellen auch neue Medien nutzen. Die clusterspezifischen Mittelwerte der einbezogenen Wichtigkeitsvariablen sind in Abblldung 2 zusammengefasst, wobei Werte groller 3,5 (und damit Kanale von hoher clusterspezifischer Relevanz) durch Fettdruck hervorgehoben sind. Im Folgenden soil daher die Beschreibung der ermittelten CRM-Zielgruppen nur in der gebotenen Kurze erfolgen.
^22 vgl. Little (1987), S. 62ff. sowie Wagner etal. (1998), S. 402f.
180
Mittelwert der Wichtigkeiten (Skala: 1= vollig unwichtig, 5= sehr wichtig)^ Cluster
Broschiiren**
Beratung OEM*
Call Center**
Zeitschriften**
KundenClub**
Freunde, Familie*
Cluster 1: "Die Zuhorer"
3,17
4,03
1,46
2,03
1,02
3,67
Cluster 2: "Die Konservativen" (n=60)
4,08
4,40
1,68
3,52
1,53
3,02
Cluster 3: "Die Multimedialen" (n=69)
4,12
4,35
3,11
3,20
1,88
3,49
Internet Handler**
Internet OEM**
E-Mail Handler**
E-Mail OEM**
System**
Cluster 1: "Die Zuhorer" (n=45)
1,52
1,71
1,43
1,23
1,19
Cluster 2: "Die Konservativen"
1,55
1,88
1,29
1,31
1,44
3,14
3,63
2,87
2,73
2,47
(n=45)
Kiosk-
(n=60) Cluster 3: "Die Multimedialen" (n=69)
a Signifikanzen (ANOVA): ** p<0,01 * p<0,1 Abbildung 2: Identifizierte Cluster- Mittelwerte der Bedeutungsgewichte
Anteilsmafiig stellt Cluster 1 mit 25,9% der Befragten die kleinste Gruppe dar. In diesem Segment werden vor allenn Informationskanale genutzt, die auf personlichem Kontakt und unmittelbarer Interaktion mit Handlem Oder Freunden/Familienmitgliedern basieren. Broschuren sind ebenfalls relevant, aber Im Vergleich zu den anderen Gruppen von sehr viel geringerem Belang (bei zudem grofierer Streuung). Die indirekte Information uber so genannte Meinungsfuhrer (Opinion Leader) ersetzt in diesem Segment also die Kommunikation mit dem Unternehmen selbst. Vor dem Hintergrund der beiden Kontaktkanale mit der grodten Bedeutung lasst sich diese Gruppe als vom personlichen Kontakt bestimmt charakterisieren. Dieser Zielgruppe sind moderne CRM-Maflnahmen wie die Beziehungspflege via Call Center oder Internetseiten eher unwichtig. Daher lasst sich diese Zielgruppe auch als „Die Zuhorer" betiteln. Die Mitglieder des Clusters 1 lassen sich zusammenfassend als mittleren Alters und guter, solider Ausbildung beschreiben: Personen tiber 50 Jahre sind 181
in djeser Gruppe tendenziell eher uberreprasentiert, nur 42,2% sind jijnger als 50 Jahre. Das Cluster lasst sich dariiber hinaus gut durch das hohere Bildungsniveau der Befragten abgrenzen: 39,5% der Personen in Cluster 1 gaben als hochsten Abschluss Haupt- oder Realschule an. Des Weiteren existiert in diesem Cluster eine relativ grofie Untergruppe von Personen deren hochste Bildungsabschlusse nicht schulischer oder universitarer Natur sind (z. B. Ausbildungs- oder Lehrberufe). Mitglieder dieser Zielgruppe sind fiir die Automobilhersteller schwierig mit CRMMadnahmen anzusprechen. Den wichtigsten Kanal stellt der Autohandler dar, welcher damit den grofiten Beitrag zur CRM-Zufriedenheit dieser Gruppe leistet. Dieses aus Kundenslcht wichtlgste Gebiet bietet Verbesserungspotenzial fur bestehende Aktivitaten der Automobilhersteller: die Mitglieder des Clusters sind tendenziell weniger mit der Beratung durch den Handler zufrieden als die der anderen Cluster. Da sonstige Informationsprozesse uber indirekte Strukturen, respektive Opinion Leader in Form von Freunden und Bekannten, ablaufen, fallen diese Kunden weitgehend durch das standardisierte CRM-Raster. Dieses Wissen kann aber werblich genutzt werden, indem MeinungsfiJhrer z. B. uber Fachpublikationen angesprochen werden, die dann die entsprechenden Informationen auf einer zweiten Stufe an die eigentlichen Rezipienten weitergeben. Cluster 2 umfasst 34,5% der Stichprobe. Seine Mitglieder messen den melsten klassischen Interaktionskanalen zur Beziehungspflege eher grofiere Bedeutung bei. In Abgrenzung zu Cluster 1 wurde daher die Bezeichnung „Die Konservativen" gewahit, um sie vereinfachend zu charakterisieren. Insbesondere lasst sich eine Affinltat zu Printmedien wie Broschuren oder Zeitschriften feststellen. Beide Kommunikationskanale werden im Mittel auf der oberen Halfte der Wichtigkeitsskala wahrgenommen. In Abgrenzung zu Cluster 3 fallt hier jedoch die Zuruckhaltung in Bezug auf elektronische Medien auf. Die Mitglieder von Cluster 2 legen auch im Mittel weniger Gewicht auf die Beratung durch Freunde und Bekannte, sodass sich diese Zielgruppe als potenziell offener fur CRM-Mafinahmen durch den Hersteller charakterisieren lasst. Anders als im Cluster 1 zeigt sich diese Gruppe mit dem fur sle wichtigsten Kontaktkanal Beratung beim Handler mit einem Zufriedenheitsmittelwert von 4,24 (bei sehr geringer Streuung) auch sehr zufrieden. Demografisch ist die Gruppe von alteren, gut ausgebildeten Personen mittlerer Einkommensklassen gepragt. Wahrend sie vergleichbar mit Cluster 1 zu 40,1% aus unter 50-Jahrigen besteht, sind Personen uber 60 Jahren (welche 35% der Population des Clusters ausmachen) hier jedoch leicht uberreprasentiert. Auch dominieren hier Personen mit Hochschulabschluss, die immerhin 39% des Clusters ausmachen. Dennoch besteht das Haushalts-Netto-Einkommen bei den moisten Personen (41,7% des Clusters) aus nicht mehr als 2.000 € je Monat, was sich deutlich von den Elnkommensverteiungen der beiden anderen Gruppen abhebt. Innerhalb dieses Segments muss sich
182
CRM auf die klassischen Interaktionskanale stutzen. Naturgemafi besteht bei Printmedien wie Broschuren oder Zeitschriften das Problem, dass die Interaktion nur in der Richtung Untemehmen-Kunde stattfindet. Erste Ansatze, diese Beziehung ruckkoppelungsfahig zu machen, finden sich in der Anwendung von Response-Elementen. Dennoch erhoht der wichtigste Kanal zur Beziehungspflege, namlich der Handler, fur den einzelnen Hersteller glelchzeitig die Komplexitat. Soli diese Zielgruppe also zufrieden gestellt werden, scheint ein starkes Controlling des Handlers aus SIcht des Herstellers erfolgskritisch. Schliefilich lassen sich mit einem Anteil von 39,6% des Stichprobenumfangs als Cluster 3 die Nutzer moderner Informatlonstechnologlen Identifizieren. Da in dieser Gruppe den elektronischen Kontaktkanalen, wie dem E-Mail-Kontakt zu Hersteller und Handler, der jeweiligen Internetseite sowie den elektronischen Informationsterminals (Kiosk-Systennen) durchgangig signifikant grofiere Bedeutung als in den beiden anderen Clustern beigemessen wird, lasst sie sich als „Die Multinnedialen" bezeichnen. Dennoch halt diese Zielgruppe nicht nur elektronischen Kontakt fur wichtig, sondern auch die Kommunikatlon via Call Center. Im Mittel wird dessen Wichtigkeit mit 3,11 tendenziell eher wichtig eingestuft. Verglichen mit den beiden anderen Clustern ist dieses Bedeutungsgewicht deutlich (und hochsignifikant) hoher. Das Bild des kanalubergreifenden Informationsverhaltens wird letztlich durch die hohe Wichtigkeit von Broschuren und der Beratung beim Handler komplettiert. Es uberrascht nicht, dass sich in dieser Gruppe die jungeren, gut verdienenden Personengruppen haufen: 53,6% der Clusterpopulatlon sind junger als 50 Jahre. Interessant ist dabei, dass die Altersklasse zwischen 41 und 50 Jahren mit 29,0% Anteil am Cluster im Verglelch zu den anderen Zielgruppen sehr stark uberreprasentiert ist, Personen unter 40 Jahren sind dagegen im Vergleich eher unterreprasentiert. Dies trifft auch auf die uber 60-jahrigen zu, auch wenn diese Untergruppe immerhin noch 27,5% der Clusterstarke ausmacht. Im Vergleich zu den anderen Zielgruppen lasst sich hier auch im Mittel das hochste Einkommen ermittein: 70,9% der Clusterpopulatlon verdienen mehr als 2.000 € im Monat. Mit Cluster 3 werden die Nutzer elektronischer Kommunikationsformen gegenuber den anderen Kunden des Unternehmens abgegrenzt. Aktivitaten im Bereich des Internets sind also fur Autokaufer keinesfalls unbedeutend, wie aus undifferenzierter Betrachtung aller Kunden anzunehmen ware. Eine speziflsche Ausrichtung auf die Altersgruppe kann hier evti. die Zufriedenheitswerte steigern. Als problematisch ist anzusehen, dass die Zufriedenheit mit dem E-Mail-Kontakt in dieser Gruppe relativ gering ist. Durch ihr reges Informationsund Kommunikationsverhalten liegt die Vermutung nahe, dass sie auch selbst als Multiplikatoren auftreten konnen.
183
Fazit Fur einzelne Automobilhersteller liegt der Nutzen der Identifikation von CRMZielgruppen jedoch auch in einem Beitrag zum rationalen Controlling, welche CRMMafinahmen eigentlich von der Zielgruppe des Unternehmens als wichtig erachtet werden. Entsprechend ist fur Unternehmen prinzipiell nur eine hohe Kundenzufriedenheit in Bezug auf diese wertgeschatzten Kanale relevant. Kontaktkanale, die kaum genutzt Oder aus Sicht der Kaufinteressierten als tendenziell unwichtig erachtet werden, wirken nicht positiv auf die Globalzufriedenheit mit dem CRM und damit auf die Beziehung zum Unternehmen. Entsprechend lohnt sich eine Allokation des Budgets fur CRM-Mafinahmen auf diejenigen Aktivitaten und Interaktionskanale, die als wichtig betrachtet werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Komplexitat von CRM-Mafinahmen im Bereich des mehrstufigen Kundenkontakts in der Automobilbranche hilfreich. Derartige Handlungsempfehlungen fur einzelne Unternehmen lassen sich ableiten, sobald es gelingt, die In der vorllegenden Studie ermittelten CRM-Zielgruppen in der eigenen Zielgruppe zu identifizieren. Dies kann anhand der hier erhobenen Soziodemographika geschehen. Psychographika, die wir aus diesem Grunde auch nicht erhoben haben, sind weniger hilfreich, da auf einem Massenmarkt nur schwerlich einzelnen Kunden zuzuordnen. Daneben kann das entwickelte Erhebungsinstrument aber auch gute Dienste im Sinne eines Controllings der Umsetzungsqualitat von einzelnen CRM-Maflnahmen in den Zielgruppen leisten. Auf diese Art und Weise wird die einzig relevante Zielgrofie, die durch den Kunden wahrgenommene Qualitat, Gegenstand der Betrachtung. Neben einem Vergleich einzelner Unternehmen im Automobilbereich ist mit lelchten Modifikationen auch ein Vergleich der CRM-Zufriedenhelt mit anderen Sektoren in der Verkehrsbranche leicht moglich. Vor dem Hintergrund der oben genannten zunehmenden Konkurrenz ehemals wohldifferenzierter Anbieter von Verkehrsdlenstleistungen kann eIn derartiges Benchmarking die Informationsbasis fur gezielte Investitionen in Maflnahmen darstellen, welche eine tragfahige Beziehung zum Kunden und damit langfristige Wettbewerbsvorteile aufbauen.
184
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186
Fallstudien
KundenbindungsmaBnahmen von Banken im Privatkundensegment Carsten RennhakAA/olfgang Zirus Die Verwerfungen an den intemationalen Finanzmarkten haben sich bei den Banken, die ihre Strategie stark auf das Investmentbanking ausgerichtet hatten, deutlich negativ auf die Rentabilitat ausgewirkt. Das Privatkundengeschaft, darunter v.a. das Gesciiaft mit individuellen Dienstleistungen fur vermogende Privatkunden, ist starker in den Blickwinkel der Vorstande gerijckt. Aber auch im Retail-Banking mit Standardprodukten und -dienstleistungen fiir Nicht-Firmenkunden mit seiner beachtlichen Bedeutung fiir die Erfolgsrechnung der Banken werden wieder vermehrt Chancen gesucht. Dabei ist hier der Wettbewerb fur die Banken barter geworden'^^a Marktanteile sind gefahrdet, Neukundenakquisitionen werden schwieriger. Die Kosten im Privatkundengeschaft sind gestiegen, ohne dass die Ertrage pro Kunden maligeblich gesteigert werden konnten. Aufierdem ist die Zufriedenheit deutscher Bankkunden im innereuropaischen Vergleich eher niedrig einzuschatzen.'^24 Sich daraus ergebende Strategien sollten neben dem Einsatz preispolltischen Instrumentariums und konsequenten Kostenmanagements auch die Stabilisierung der Marktanteile vorsehen'^^s Nutzlich fur letzteres waren die prazise Analyse von Wertbeitragen einzelner Kundengruppen'^^e sowie eine zielgerichtete Verstarkung der Kundenbindung in lukrativen Segmenten. Bankleistungen sind immateriell und nur schwer differenzierbar: Produktmerkmalen wird bel Low-lnvolvement-Leistungen, wie z. B. der Fuhrung des Girokontos, von den Kunden wenig Bedeutung zugemessen.'^^z Anbieter haben hier Schwierlgkeiten, tatsachlich bindende Leistungsvorteile zu vermitteln. Banken mussten diesen Besonderheiten in ihren Marketingbemuhungen lange Zeit kaum Rechnung tragen.'^^e da sie sich in einem stabilen Umfeld bewegten - inzwischen herrscht jedoch intensiver Wettbewerb in alien Geschaftsfeldern. Banken mussen sich den neuen Herausforderungen eines gesattigten Marktes und eines hybriden Verhaltens Ihrer Kunden stellen; die Neukundenakquisition wird immer schwieriger.
^23 vgl. Hoock/Ulrich (2003), S. 44ff. ^24 Vgl. o. v. (2004), S. 5. ^25 Vgl. Hoock/Ulrich (2003), 8. 44ff. ^26 Vgl. Wiedemann et al. (2004), S. 50. '^^'^ Vgl. Zinnbauer/Sciiwaiger {2003), S. 572. ^28 Vgl. z. B. Meyer/Maier {^997), S. 104.
189
Wettbewerbstrends im Privatkundengeschaft deutscher Kreditinstitute
Zunehmend ungunstigere Eriossituation - angespannte Kostensituation Mangelnde Differenzierung sowohl bei Preiser) und Leistungen Globaiisierung der Bankgeschafte auch im Privatkundenbereich Eintritt neuer Wettbewerber: verwischende Branchengrenzen, verschwindende Markteintrittsbarrieren Neue technologische IVIoglichkeiten: Automatisierung des Bankgeschafts durch, verstarkten Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien Zuneiimend illoyale Kunden, die oft uber meiirere Bankverbindungen verfugen Zunehmende Markttransparenz, grofiere Informiertheit und zunehmendes Selbstbewusstsein der Kunden Abbildung 1: Wettbewerbstrends Ban ken
Speziell bei Dienstleistungen, die von einer zunehmenden Entpersonalisierung gekennzeichnet sind, wird Kundenbindung zentrales Ziel der Vertriebs- und Marketingaktivitaten. Als Beispiel hierfur kann die zunehmende Abwicklung von Transaktionen auf elektronischem Wege im Privat- und Geschaftskundensegment von Kreditinstituten genannt werden.'^^p Die Wiederherstellung, Aufrechterhaltung und Intensivierung der Kunde-Bank-Beziehung mit dem bestehenden Kundenstamm steht im Vordergrund. Kundenbindung ist fur sicln genommen kein Selbstzweck: Mafistab des Kundenbindungsmanagements sollte immer der tatsachliche Mehrwert der entspreciienden Mafinaiimen sein. Kundenbindung wirkt sich in der Regel ausgesprochen positiv auf die Profitabilitat eines Unternehmens aus. Dies wird noch deutlicher, wenn man den Deckungsbeitrag im Lebenszyklus eines Kunden betrachtet: Dieser ist zu Beginn der Geschaftsbeziehung oft negativ und ruckt erst nach einigen Jahren in den positiven Bereicin.
^29 vgl. Zinnbauer et al. (2004).
190
Kundenbezogener Deckungsbeitrag Kreditkartenunternehmen 100
79 80
Lebensversicherer
87
66 Z!
200 13 0
TJ
60
40
-200
40 20
31
-29
-76 -175
-400 -I
0 -600
-20 -40
-800
-60 -1000 -I -80 -80 -100 JahrO Jahr1 Jahr2 Jahr3 Jahr4 Jahr5 Abbildung 2: Kundenbezogener
.1200-^1-120 JahrO Jahrl
Jahr2 Jahr3 Jahr4 JahrS
Deckungsbeitrag^^^
Mit welchen Mafinahmen konnen Banken nun daran gehen, ihre Kunden zu binden und so ihre Gewinnsituation nachhaltig zu verbessem? Wesentliche Instrumente zur Kundenbindung lassen sich nach Diller (1996, S. 81ff.) bzw. Homburg/FaHnacht (1998, S. 405ff.) folgendermafien systematisieren:
^3^
vgl. Re/c/7A?e/cf/Tea/(1996), S. 14.
191
Fokus Interaktion
•
Produktpolitik
Preispolitik
Kommunikationspolitik
Distributionspolitik
•
•
Gemeinsame Produktentwicklung
Fokus Wechselbarrieren
Fokus Zufriedenheit Individuelle Angebote
•
Qualitatsstandards
•
Servicestandards
•
Zusatzleistungen
•
Garantien
•
Individuelle technische Standards
•
Value-AddedServices
•
Preisgarantien
•
•
Zufriedenheitsabhangige Preisgestaltung
Rabatt- und Bonussystem
•
Preisdifferenzierun g
Kundenkarten
•
Preis-Bundling
•
Finanzielle Anreize
•
Kundenkarten
•
Emotionale Markenbindung
Abonnements
•
Direct Mail
•
Kundenclubs
•
Events
•
Kundenzeitschrifte n
•
Beschwerdemanagement
•
Online-Bestellung
•
•
Servicenummern
•
Outbound Calls
•
Gewinnspiele
•
Product Sampling
•
Katalogverkauf
•
Ubiquitat
•
Kundenbesuche
•
Direktiieferung
•
Standortwahl
Abbildung 3: Systematik
Kundenbindungsinstrumente
Daneben konnen sich Banken Erfahrungen aus anderen Branchen, die intensiv urn die Bindung ihrer Kunden bemuht sind, zu Nutze machen. Die Analyse von Kundenbindungsinstrumenten in Telekommunikations- und Energiebranche verdeutlicht, wie solche Losungen im Einzelnen aussehen konnen und welche branchenspezifischen Eigenhelten dabei zu berucksichtigen sind. Beispiel Telekommunikation Mobilfunk-Boom, Internet-Hype und Marktilberalisierung im Festnetz haben die Spielregein in der Telekommunlkationsbranche nachhaltig verandert. Im Mobilfunkbereich ist - auf der Basis der (fur die Betreiber sehr teuren) Endgeratesubventionierung - eine mehrjahrige Kundenbindung uber entsprechende Vertragslaufzeiten moglich. Im Festnetzbereich fuhrte die Einfuhrung von Call-by-Call zu einer starken Erosion der Marktanteile der ehemaligen staatlichen Monopolisten. Wesentlich dazu beigetragen hat - neben der aggressiven Werbung der alternativen Anbieter - die zunehmende Emanzipation und Informiertheit der Kunden, die In dieser Industrie genauso wie im Bankwesen zu beobachten ist. Die Netzbetreiber unternahmen ver192
schiedene Versuche, die Kundenbindung nachhaltig zu starken. Als besonders erfolgreich zeigten sich dabei die Ansatze, die den individuellen und differenzierten Kundenanspruchen in besonderem IVIafie Rechnung trugen. Art Service Club
Beispiele •
T-Mobile ..Premium Club" fur Kunden mit monatlichem Mindestumsatz von 200 €
•
Swisscom "Joker"
Discount Club
•
-
Bis zu 30% Rabatt fur Kaufe im Swisscom Shop
-
Weitere Sonderangebote
T-Mobile Osterreich ..maxchen" -
Punkteprogramm
Einlosung der Punkte gegen Endgerate, Reisen, Veranstaltungen, etc. •
Rabattplane
Durch Punkte wird Rabatt in Hohe von etwas 5% gewahrt
BT ..Premier Line" -
15% Rabatt auf nationale und internationale Gesprache
-
5% Rabatt auf Gesprache in Mobilfunknetze
•
AT&T ..Friends and Family"
•
Deutsch Telekom ,.T-ISDN/T-DSL und T-Online"
Calling Circles
Produktbiindel
Punkte fur gezahite Grundgebuhr und Verbindungsentgelte
10% Rabatt auf 5 ausgewahlte Nummern
-
Produktbundel aus Anschluss und Internet Service
-
Monatliche Grundgebuhr fur Internet-Anschluss entfallt
Abbildung 4: Kundenbindungsinstrumente
in der
Telekommunikationsbranche
Beispiel Stromversorger Charakteristisch fur die Kundenbindung im Strommarkt ist - ahnlich wie im Bankenbereich - das hohe kundenseitige Desinteresse am Produkt. Im Strommarkt tritt als zusatzliches Phanomen ein niedriges kundenseitiges Informationsniveau auf. Das Wissen urn diesen Zustand machen sich viele Stromversorger zu Nutze, indem sie versuchen, die Involvierung der Kunden nicht unnotig zu erhohen. Entsprechend finden sich in diesem Markt kaum Versuche (und wohl auch von Seiten der Versorger kaum plausible Grunde), den Kunden uber besondere Angebote Oder Serviceleistungen zu binden. Unternehmen greifen bei ihren Bindungsinstrumenten greifen regionale Themen auf und demonstrieren uber Kundenkarten, Kundenclubs oder sonstige Aktivitaten (z. B. Sponsoring) ihre regionale Verbundenheit. Den Preis als Bindungsinstrument setzen relativ wenige Unternehmen ein, was moglicherweise mit der geringen Preissensitivitat im Strommarkt zu tun hat.
193
Beispiele
Art Preis-/Tarifsystem Branding
•
Yello regio: bestmogliche individuelle Preisberechnung, monatliche Kundigungsfrist
•
RWE: Markierung als VerantwortungstrSger fur zukunftige Generationen (z. B. Ciber Spot ..Imagine")
•
,.M-Card" der Stadtwerke Munchen Bis zu 5% Gutschrift bei Bonushandelspartnern
Kundenkarten
Diverse Rabatte in kulturellen und sonstigen offentlichen Einrichtungen •
Stadtwerke Greven: Kundenclub bietet z. B. Teiinahnne an exkiusiven Events, Online-Siiop-Rabatte, Kartenservice fur lokale Veranstaltungen
•
Stadtwerke Schwerte: Ruhrpower-Paket bundelt Strom, Gas, Wasser und Telephonie sowie diverse Serviceleistungen zu einem gunstigen Gesamtangebot
•
E.ON Aqua Power, E.ON SolarSystems
Kundenclubs
Produktbundel Umweltstrom
Abbildung 5: Kundenbindungsinstrumente
von Stromversorgern
Beide Beispiele dokumentieren, dass es kiare branchenspezifische Unterschiede beim Einsatz von Kundenbindungsinstrumenten gibt, da haufig bereits der Charakter eines Produktes das Verhaltnis der Kunden zu einem Unternehmen bestimmt. Im operativen Kundenbindungsmanagement steht eine ganze Reihe von Instrumenten fijr konkrete Mafinahmen zur Verfugung. Kundenbindung jedoch auf die Auswahl des „richtigen" Instruments zu beschranken, ist zu kurz gegriffen. Die operative Ausgestaltung von Mafinahmen und Instrumenten muss vielmehr auf einer umfassenden Kunden- und Kundenbindungsstrategie basieren.
Erfolgreiche Kundenbindungsstrategien fur Banken Eine Gefahr im Kundenbindungsmanagement besteht in einem allzu starken und verfruhten Fokus auf konkreten Kundenbindungsmalinahmen. Die spektakularen Erfolge von Kartenprogrammen wie Miles&More Oder auch Payback erhdhen in vielen Fallen den Druck auf das Management, auch ein eigenes, nach auflen weithin sichtbares Programm aufzulegen, ohne dass zuvor eine umfassende Kundenbindungsstrategie definiert wurde. Die zunehmende Fokussierung von Banken auf das Thema Kundenbindung ist im Kontext der ubergeordneten Entwicklungslinien in der Branche insgesamt zu sehen: Die vormals herrschenden burokratischen Strukturen im Bankenbereich wurden in der Vergangenheit erfolgreich neu gestaltet; die Institute haben inzwischen eine umfassende Produktkompetenz aufgebaut. Im nachsten Schritt muss diese Produktsichtweise durch eine kundenfokussierte AusrIchtung abgelost werden. Dazu ist zum einen eine Optimierung der Vermark194
tungsfahigkeiten durch verstarkte Nutzung der neuen Vertriebswege, optimierte Kundensegmentierung und zielgruppenspezifische Marketing prog ram me sowie ein verbesserter Service und die Entwicklung einer Vertriebskultur notwendig. Eine auf den Kunden ausgerichtete Strategie und kundenorientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind entscheidende Voraussetzungen fur eine Qualitatsleistung, die Kunden an das Institut binden kann. Kundenzufriedenheit basiert nicht nur darauf, wie individuell die Bank ihre Produkte auf die Kundenbedurfnisse mafischneidern kann, sondern auch wie bequem sie fur den einzelnen Kunden erreichbar sind. Zum anderen muss parallel zu diesen Anstrengungen muss der Kunde in das Zentrum samtlicher Anstrengungen rucken; oberste Prioritat ist dabei die Weiterentwicklung des bestehenden Kundenstammes. Die Herausforderung besteht jetzt darin, ein Maximum des Geschaftsvolumens der jeweiligen Kunden auf das eigene Institut zu vereinen. Mit welchen Produkten und Diensten dies geschieht, ist zweitrangig. Heute werden die vorhandenen Kundeninformationssysteme ganz uberwiegend eingesetzt, um Produkte zu verkaufen oder die Performance einzelner Produkte zu analysieren. Kunftig mussen Kundeninformationssysteme und Data Mining Tools dazu verwendet werden, die Kundenbetreuung zu optimieren und ein umfassendes Verstandnis des Kunden und seiner Bedurfnisse zu gewinnen. Hauptfokus soil hier die Erfassung, Auswertung und Verfugbarkeit der Kundeninformationen sein. Darauf aufbauend muss eine individuelle Ansprache und Betreuung des Kundenstammes angestrebt werden. Diese Erkenntnisse konnen dann genutzt werden, um gezielt Cross- und Up-Selling zu betreiben. Insbesondere die Finanzdienstleister sind besonders erfolgreich bei der Bindung ihrer Kunden sind, die einerseits ihre Ressourcen gezielt und bestandig auf die Pflege des Kundenstammes ausrichten und andererseits integrierte Kundeninformationssysteme und Data Mining professionell einsetzen. Fehlende Kundeninformationen und mangelhafte Systeme zu deren gezielter Auswertung gehoren zu den wesentlichen Herausforderungen bei der Kundenbindung. Fast alle Finanzinstitute verfugen uber einige Kerninformationen zu ihren Kunden wie Konten, Kreditlinien, Darlehen und Produktnutzung. Die meisten erstellen auch mehr oder weniger detaillierte Kundenprofile. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Kundenschnittstelle verfugen jedoch oft nicht uber Zugriffsmoglichkeiten auf umfassende und integrierte Kundeninformationen in Echtzeit. Daruber hinaus fehlen Informationen zu KundenbedurfnIssen und -einstellungen: •
Wie zufrieden sind die Kunden mit Produkten und Service?
•
Welche Vertriebskanale nutzen die Kunden?
•
Wie reagieren die Kunden auf bankseitige Marketing- und Vertrlebsmafinahmen?
195
•
An welchen Produkten sind die Kunden (uber die heute bereits genutzten hinaus) besonders interessiert?
•
Welche Produkte nutzen die Kunden uber andere Institute?
Nur wenn Finanzdienstleister wissen, was ihre Kunden wunschen, sind sie auch in der Lage, Produkte und Service den Kundenbedurfnissen anzupassen und so Kundenzufriedenheit und -bindung zu steigern. Hohe Kundenbindungsraten stehen in direktenri Zusammenhang mit der Verfugbarkeit von integrierten Kundeninformationssystemen und Data Mining Tools. Kundeninformationssysteme unterstutzen ganz wesentlich die Kundenbetreuung im Front Office. Data Mining Tools helfen den Instituten die richtigen Kunden anzusprechen und zu binden. Zusammenfassend lasst sich sagen: Kundenbindungsstrategien sind essentiell fur die Ausrichtung von Finanzdienstleistern hin zu einer Customer ManagementOrganisation. Sie mussen auf einem umfassenden Kundenverstandnis basieren. Um dieses zu gewinnen, sind die Ressourcen gezielt und bestandig auf die Pflege des Kundenstammes auszurichten. Erst wenn diese kritischen Voraussetzungen erfiillt sind, sollten Banken die operative Ausgestaltung von konkreten Kundenbindungsmafinahmen und -instrumenten in Angriff nehmen. Welche operativen Kundenbindungsmafinahmen fur Banken ideal sind, kann nicht pauschal gesagt werden, zumal im Bankenbereich spezielle Faktoren wie ein Hochstmafi an Vertrauen aber auch die kundenseitige Bequemlichkeit mafigeblich zur Stabilitat einer Kundenbeziehung beitragen. Lohmann (1997, S. 155 und 181) systematislert auf Basis empirisch ermlttelter Bindungsursachen folgende Auspragungen der Kundenbindung im Bankenbereich mit den zugehorigen Verantwortlichkeiten:
196
Akteur Bindungsursache
Auspragung
Zufriedenheit mit
Bank
Mitarbaiter
der Verfugbarkeit der Leistung
+
+/-
der Beratungsqualitat
+
+
den Produkten
+
-
dem Image der Bank
+
+/-
den Konditionen
+
-
Bereitschaft zu Vertrauen
+
-
Glaubwurdigkeit / Kompetenz der Bank
+
+
Verbundenheit mit der Bank
-
"
Sympathie fur die Bank
+
+
Bereitsciiaft der Bank, dem Kunden Informationen
+
+
-
-
Vertrauen
Commitment
Bequemlichkeit
bereitzustellen „Unlust" des Kunden, Informationen zu suchen
+ grofler Einfluss
+/- durchschnittlicher Einfluss
- geringer Einfluss
Abbildung 6: Auspragungen der Kundenbindung im Bankenbereich
Fijr Banken bedeutet dies, dass die Besonderheiten der Kunde-Bank-Beziehung bei der Entwicklung von Kundenbindungsmafinahmen zu berucksichtigen sind. Mogliche Unterscheidungskriterien sind z. B. die Frage, ob eine Bank genossenschaftlich organisiert ist (Jiier speziell Mitgiieder vs. Nicht-Mitglieder), der Grad der regionalen Verwurzelung (haufig bei Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken von Bedeutung) und Eigenheiten in der Kundenstruktur (u. a. Involvement, Soziodemographika, angebotene Leistungen). Welche Madnahmen sollten nun also naher betrachtet werden? Konkrete Mafinahmen werden im Bankenbereich zumeist in die Kategorien Sortiment/Produkt, Kontaktsystem/lnteraktlon und Preise/Konditionen eingeteilt. Von Expertenseite werden diesbezuglich eine Reihe von Moglichkeiten vorgeschlagen,'^3^die geeignet sind, bestimmte Bindungsformen zu adressieren:
^3^ Vgl. z. B. Fest (1999), S. 106ff., Lange (1998), S. 443, Lohmann (1997), S. 194ff. und Oevermann (1996), S. 125ff.
197
Handlungsebene
Madnahmen •
Festlegung von Kernleistungen als Grundlage langfristiger Geschaftsbeziehungen (z. B. Bindung uber Girokonto)
•
Differenzierung uber Erweiterung bisheriger LeistungsbCindel
• Sortiment/Produkt
Profilierung uber Straffung von Kernleistungen zur Steigerung der Prozesseffizienz (z. B. Direktbanken)
•
Analyse und kommunikative Herausstellung von Qualitatsmerkmaien einzelner Leistungen
•
Standardisierung von Leistungen zur Erhohung der Transparenz und Sicherheit fur den Kunden
•
Database basiertes Kontaktmanagement
•
Kundenscore als Basis eines Retention-Managements (z. B. Prognose von Absprungwahrscheinlichkeiten)
•
Definition und Garantie von Qualitatsstandards bei der Interaktion
•
Aufbau eines professionellen, im CRM integrierten Beschwerdemanagements
•
Kontaktsystem/lnteraktion
•
Systematische Analyse und Behebung von Problemen in der „Line of Visibility" (d. h. den Kundenkontaktpunkten) Vermittlung von Vertrauen, Sicherheit und Respekt (z. B. uber verbesserte Informationssystenne, kurzen Wartezeiten u.a.)
Preise/Konditionen
•
Kundenbefragungen und regelmaUige Datenanalysen
•
Mitarbeiterschulung zur Verbesserung der Kontaktqualitat (z. B. Qualitatszirkel, betriebliches Vorschlagswesen, Festlegung von einfachen Regein)
•
Zielgruppenspezifische Beratungsangebote zur Steigerung von Vertrauen und Sicherheit
•
Raumliche NShe und lange Offnungszeiten zur Erhohung der Bequemlichkeit
•
Selektive Bindung durch gunstiges Preis-Leistungsverhaltnis bei Einzelleistungen
•
AlJgenrieine Bindung durch gunstiges Preis-Leistungsverhaltnis in der Gesamtbeziehung
•
Subventionsleistungen z. B. durch kostenlosen Zahlungsverkehr in stark wahrgenommenen Bereichen
•
Preisbundelung als implizites Cross-Selling-Tool
•
(Treue-) Rabatte und Boni
Abbildung 7: Bindungsmadnahmen bei Ban ken
198
Fazit und Empfehlungen Banken mussen sich in einem immer schwierigeren Wettbewerbsumfeld neuen Herausforderungen stellen und ihren Fokus von Neukundenakquisition und Produktorientierung hjn zu Kundenmanagement und Cross- und Up-Selling anpassen. Ausgangspunkt ist dabei ein umfassendes Kundenverstandnis. Eine alleinige Schwerpunktsetzung auf den EInsatz konkreter Kundenbindungsnnafinahmen ohne eine umfassende kundenorlentierte Strategie greift ebenso zu kurz wie der Glaube, allein die Einfuhrung von CRM-Systemen lose die Probleme. Letzteres wird zwar in Forschung und Praxis haufig gefordert, entscheidend ist dabei aber die Frage, inwieweit zum einen die kritischen Geschaftsanforderungen bei der Konzeptionierung des Systems ausreichend berucksichtigt wurden und zum anderen die kundengerichteten Prozesse in der unternehmerischen Realitat implementiert sind. Speziell die Umsetzungsqualitat von CRM-Maflnahmen erscheint oft mangelhaft.'^^^ Fur erfolgreiche Kundenbindung ist - statt der Bekampfung einzelner Symptome mit punktuellen Aktivitaten - ein ganzheitlicher Ansatz notwendig: Am Anfang der Bemuhungen sollte eine umfassende Kunden- und Wettbewerbsanalyse stehen. Hier sollten uber eine Marktforschung die kritischen Kundenanforderungen an eine Bindungsstrategie erfasst werden. Weitere Hinweise auf Starken und Schwachen des eigenen Instituts lassen sich uber ein Benchmarking ableiten, in dem Wettbewerber, aber auch fuhrende Unternehmen aus anderen Branchen betrachtet werden. Im Rahmen einer internen Analyse sind bestehende Lucken bei Ressourcen und Systemen zu identifizieren, die einer erfolgreichen und nachhaltigen Umsetzung von Kundenbindungsstrategien und -maHnahmen im Wege stehen. Aus den erhobenen externen und internen Daten sind dann die Geschaftsanforderungen im Bereich Kundenbindung abzuleiten. Dabei steht zunachst die Konzeptionierung einer umfassenden Bindungsstrategie im Vordergrund. Erst wenn diese definiert und abgestimmt ist, sollten konkrete Madnahmen zur Schliefiung bestehender Lucken angegangen werden. Einen Schwerpunkt bildet dabei Im nachsten Schritt die Bereitstellung der benotigten Systeminfrastruktur. Wenn diese zur Verfugung steht, sind die entscheidenden Voraussetzungen fur das operative Bindungsmanagement gegeben. Nun kann mit der fortlaufenden Analyse der integrierten Kundendaten mit Hilfe der diskutierten Data Mining Tools begonnen werden: Zunachst ist die „bindungswurdige" Zielgruppe zu identifizieren. Dabei ist neben dem aktuellen Wert des Kunden auch das zukunftige Potenzial zu berucksichtigen. Fur die identifizierten Zielsegmente konnen dann individualisierte Bindungstool entwickelt und Cross- und Up-Selling-Mafinahmen
"^32 vgl. dazu Zinnbauer/Eberl (2004).
199
initiiert werden. Kundenbindung muss zur Uberprufung des Erfolgs der verschiedenen Malinahmen schlielilich operationalisiert und messbar sein, so dass ein entsprechendes Nachsteuern fortlaufend gewahrleistet ist."^^^
Literatur DillerH. (1996): Kundenbindung als Marketingziel. In: Marketing ZFP, 18. Jg., Heft 2, S. 81-94. Fest, A. (1999): Motive der Bankloyalitat von Privatkunden. In: Sparkasse, 116. Jg., Heft 3, S. 106115. Homburg Chr./Fa(lnacht M. (1998): KundennShe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bei Dienstleistungsunternehmen. In: Bruhn, M./Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstieistungsmanagement, Gabler, S. 405-428. Hoock, R./Ulrich, J. (2003): Strategiewechsel im Privatkundengeschaft Bank, Heft 1/2003, S. 44-46.
deutscher Banken. In: Die
Keller BJKrause J./Siek M. (2002): Kundenbindung als Instrument des Marketing-Controlling. In: Die Bank 8/2002, S. 548-553. Lange, H. (1998): Kundenbindung im Bankbereich: Das Beispiel der Deutschen Bank AG. In: Bruhn, M., Homburg, Chr. (Hrsg.): Handbuch Kundenbindungsmanagement, Wiesbaden 1998, S. 443-459. Lohmann, F. (1997): Loyalitat von Bankkunden, BestimmungsgrOlien und Gestaltungsmoglichkeiten, Wiesbaden, Gabler 1997 Meyer AJMaier M. (1997): Alle Banken sind gleich. Was leisten Marken? In: Absatzwirtschaft, Sondernummer Oktober 1997, S. 102-107. Oevermann, D. (1996): Kundenbindungsmanagement von Kreditinstituten, FGM-Verlag 1996. o.V. (2004): Deutsche Bankkunden nicht sehr zufrieden. In: Bank Magazin, Heft 2/2004, S. 5. Reichheld F./Teal Th. (1996): The Loyalty Effect, Harvard Business School Press, Boston. Wiedemann, K.-P./Buchler, F./Siemon, N. (2004): beziehungen. In: Bank Magazin, Heft 1/2004, S. 50.
Ertrage
steigern
mit wertvollen
Kunden-
Zinnbauer M./Bakay Z. /Schwaiger M. (2004): Unternehmensreputation als Treiber der Kundenbindung bei Kreditinstituten. In: Betriebswirtschaftliche Blatter, Heft 6, 2004, S. 271-274. Zinnbauer MJEberl M. (2004): Controlling von CRM-Aktivitaten am Beispiel der Automobilbranche. Erscheint in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, vorr. 4/2004. Zinnbauer M./Schwaiger M. (2003): Verantwortung und Qualitat erhdhen die Reputation von Kreditinstituten. In: Sparkasse 12/2003, S. 572-575.
"^33 Keller etal. {2002), S.552f.
200
Wie setzen Banken das Thema Kundenbindung um? Carsten Rennhak/Siegfried Numberger/Mahon Halfmann Um die aktuellen Trends beim Thema Kundenbindung im Bankensektor zu erfassen, haben die Autoren von Mai bis August 2004 1936 deutsche Kreditinstitute telefonisch zu diesem Themenkomplex befragt. Ansprechpartner waren jeweils die Marketingverantwortiichen. Die Rucklaufquote betrug 5,2%. Wie Abbildung 1 zeigt, wird der Kundenbindung von Banken heute eine uberragende Bedeutung zugemessen: Uber 94% der Befragten stuften das Thema als „sehr wichtig" bzw. „eher wichtig" ein.
Wie wichtig ist das Thema „Kundenbindung" fur Ihr Institut?
76,9%
17,6% 5,5%
Sehr wichtig
eher wichtig
tells/toils
0,0%
0,0%
eher unwichtig
vollig unwichtig
Abbildung 1: Bedeutung der Kundenbindung bei Banf<en
Unsere Befragung zeigt, dass Banken ein breites Spektrum von Instrumenten einsetzen, um ihre Kunden zu binden (vgl. Abbildung 2). Besonderer Beliebtheit erfreuen sich dabei Kundenevents, Direct Mail und Gewinnspiele.
201
Welche Instrumente setzt Ihr Institut aktuell zur Kundenbindung ein? (Mehrfachnennung moglich)
87,9% 75,8% 64,8%
73,6%
62,6%
48,4%
47,3% 38,5%
KundenBonusDifferen- Kunden- Kundenclub programm zierung zeitschrift events im Service
Abbildung 2: Von Banken eingesetzte
Direct Mail
Gewinnspiele
Preisdifferenzierung
Kundenbindungsinstrumente
Banken setzen aber auch in grofier Zahl auf Differenzierung in Service und Konditionen sowie Kundenzeitschriften. Demgegenuber fallt die Zahl derer, die Kundenclubs einrichten Oder Bonusprogramme aufsetzen etwas ab. Uber die in Abbildung 2 dargestellten Instrumente hinaus nannten unsere Gesprachspartner noch Informationsveranstaltungen zu Bankthemen, Geschenke zu bestlmmten Aniassen und (Sport-)Sponsoring als weitere Madnahmen zur Bindung ihrer Kunden. Im operativen Kundenbindungsmanagement von Banken kommt also eine ganze Reihe unterschiedlicher Instrumente zum Einsatz. Erstaunlich ist jedoch die Tatsache, dass sich Banken sehr stark auf die ad-hoc Umsetzung von Bindungsinstrumenten fokussieren, ohne diese - wie die Befragung zeigt - auf einer umfassenden Kundenbindungsstrategie zu basieren oder zumindest die Bindungsursachen, die eigentlich die Basis fur die Entwicklung konkreter Bindungsinstrumente bilden sollten, naher zu analysieren. Nur wenige Gesprachspartner gaben an, regelmafiig Marktforschungsstudien bzw. Kundenzufriedenheitsanalysen durchzufuhren. Ein systematisches Benchmarking mit Wettbewerbern oder gar branchenfremden Unternehmen findet praktisch nicht statt Gerade der Mangel an kritischer Kunden- und Umfeldinformation
202
sowie geeigneter Infrastruktur zu deren Auswertung und Analyse fuhren zu einem weitgehend punktuellen und teilweise auch unkoordiniertem Einsatz einzelner Instrumente. Jede Kundenbindungsmafinahme steht in Konkurrenz zu Aktivitaten branchennaher aber auch branchenfremder Unternehmen steht. Im Zuge der Kundenbindung stellt sich daher auch die Frage, ob das jeweils eingesetzte Instrument eine genugend hohe Aufnnerksamkeitswirkung erzielen kann, urn Kunden nachhaltig an das Unternehmen zu binden. Im Rahmen der Umsetzung konkreter Maflnahmen sollte daher immer berucksichtigt werden, ob Variationen wie z. B. eine Individualisierung der Instrumente oder eine emotionale Aufladung moglich sind.
Entwicklungsperspektive Kundenbindung Die zunehmende Fokussierung von Banken auf das Thema Kundenbindung ist im Kontext der ubergeordneten Entwicklungslinien in der Branche insgesamt zu sehen (vgl. Abbildung 3)^34 Entwickiungsstufen Banken und Sparkassen
Behordenstruktur Burokratische Strukturen Keine End-to-EndProzesse Begrenzte Anreize fur Produkt- Oder Kostenfuhrerschaft „One size fits all": Standardisierte Produkte fiir alia Kunden
Produktkompetenz Aufbau Produktkompetenz Transformation zu produktorientierten Prozessen Umfassendes Produktportfolio, beginnendes Account Management: differenzierte Produkte je Segment Informationsbedarf: Produktnutzung
Vermarktungs- & Kundenkompetenz Optimierung Vermarktungsfahigkeiten (Potenzial- und Kampagnenmanagement) Wandel zur Customer ManagennentOrganisation Informationsbedarf: Produktnutzung, Transaktionen, VertriebskanalprSiferenzen, gewiinschte Beratungsintensitat, Preisreagibilitat, Soziodemographika; Ziel: vollstSndige Sicht auf den Kunden
Abbildung 3: Entwickiungsstufen Banken und Sparkassen
Die vormals herrschenden burokratischen Strukturen im Bankenbereich wurden in der Vergangenheit erfolgreich neu gestaltet; die Institute haben inzwischen eine umfassende Produktkompetenz aufgebaut. Im nachsten Schritt muss diese Produktsichtweise durch eine kundenfokussierte Ausrichtung abgelost werden. Dazu ist zum einen eine Optimierung der Vermarktungsfahigkeiten durch verstarkte Nutzung der neuen Vertriebswege, optimierte Kundensegmentierung und zielgruppenspezifische Marketingprogramme sowie ein verbesserter Service und die Entwicklung einer Vertriebskultur notwendig. Eine auf den Kunden ausgerichtete Strategie und kundenorientierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind entscheidende Voraussetzungen fur ^3^^ Vgl. auchRenn/?a/cefa/. (2004).
203
eine Qualitatsleistung, die Kunden an das Institut binden kann. Kundenzufriedenheit basiert nicht nurdarauf, wie individuell die Bank ihre Produkte auf die Kundenbedurfnisse mafischneidern kann, sondern auch wie bequem sie fur den einzelnen Kunden erreichbar sind. Zum anderen muss parallel zu diesen Anstrengungen muss der Kunde In das Zentrum samtlicher Anstrengungen rucken; oberste Prioritat ist dabei die Weiterentwicklung des bestehenden Kundenstammes. Die Herausforderung besteht jetzt darin, ein Maximum des Geschaftsvolumens der jeweiligen Kunden auf das eigene Institut zu vereinen. Mit welchen Produkten und Diensten dies geschieht, ist zweitrangig. Nur41% der befragten Banken und Sparkassen verwenden bereits CRM-Systeme. Noch dazu werden die vorhandenen Kundeninformationssysteme ganz uberwiegend dazu eingesetzt, um die Performance einzelner Produkte zu analysieren (vgl. Abbildung 4). Welche Daten erfassen Sie mit Ihrem CRIVI-System heute? (IVIehrfachnennung moglich)
51,7%
38,5%
31,7%
21,3% 13,0%
Produktnutzung
Soziodemographika
Kundenkontakte
Vertriebs- Gewiinsciite kanalBeratungspraferenzen intensitat
Abbildung 4: Nutzung CRM-Systeme
204
Kunftig mussen Kundeninformationssysteme und Data Mining Tools dazu verwendet werden, die Kundenbetreuung zu optimieren und ein umfassendes Verstandnis des Kunden und seiner Bedurfnisse zu gewinnen. Hauptfokus soli hier die Erfassung, Auswertung und Verfugbarkeit der Kundeninformationen sein. Darauf aufbauend muss eine individuelle Ansprache und Betreuung des Kundenstammes angestrebt werden. Diese Erkenntnisse konnen dann genutzt werden, urn gezieit Cross- und Up-Selling zu betreiben. Insbesondere die Finanzdienstleister sind besonders erfolgreich bei der Bindung ihrer Kunden sind, die einerseits ihre Ressourcen gezieit und bestandig auf die Pflege des Kundenstammes ausrichten und andererseits integrierte Kundeninformationssysteme und Data Mining professionell einsetzen. Fehlende Kundeninformationen und mangelhafte Systeme zu deren gezielter Auswertung gehoren zu den wesentlichen Herausforderungen bei der Kundenbindung. Fast alle Finanzinstitute verfugen uber einige Kerninformationen zu ihren Kunden wie Konten, Kreditlinien, Darlehen und Produktnutzung. Die meisten erstellen auch mehr oder weniger detaillierte Kundenprofile. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Kundenschnittstelle verfugen jedoch oft nicht uber Zugriffsmoglichkeiten auf umfassende und integrierte Kundeninformationen in Echtzeit. Nur wenn Finanzdienstleister wissen, was ihre Kunden wunschen, sind sie auch in der Lage, Produkte und Service den Kundenbedurfnissen anzupassen und so Kundenzufriedenheit und -bindung zu steigern. Hohe Kundenbindungsraten stehen in direktem Zusammenhang mit der Verfugbarkeit von integrierten Kundeninformationssystemen und Data Mining Tools. Kundeninformationssysteme unterstutzen ganz wesentlich die Kundenbetreuung im Front Office. Data Mining Tools helfen den Instituten die richtigen Kunden anzusprechen und zu binden.
205
1
Data Mining - Beispiele fiir IVIethoden und Anwendungen
1
l\1etlioden
Anwendungen
K Ciustering
1
>
Segmentierung
1
>
Cross- und Up-Seiiing
V
>
Kunden-Traclting
>
Scoring
N Sequence
1
V K
Prediction
1
Identifikation von Kundensegmenten mit homogener Produktnutzung, VertriebskanalprSferenz, BeratungsintensitSt, etc.
•
Ermittlung von Potenzialen fiir w/eitere Produktnutzung in homogenen Segmenten
•
Nachverfolgung von typischen Kundenentwicklungsveriaufen Identifikation von kritischen Ereignissen fur Cross- und Up-Selling-Chancen
V K
Association
•
V
•
• •
Kundenbewertung uber IVIustererkennung Ermittlung von FriJhwarnindikatoren fur notwendige Bindungsmadnahmen, Bonitat,
Abbildung 5: Data Mining - Beispiele fur Mettioden und Anwendungen
Heute steht der Einsatz von Data Mining in Banken erst am Anfang wie Abbildung 6 zeigt: Von den wenigen Instituten, die derartige Tools uberhaupt verwenden konzentriert sich knapp die Halfte auf Fragestellung der Kundensegmentierung, nur etwas mehr als ein Viertel der Institute setzt diese Instrumente fur Cross- und Up-SellingInitiativen ein. Der Anteil derjenigen, die Kunden-Scoring oder -Tracking zur Anwendung bringen bleibt noch deutlich dahinter zuruck. Die systematische und umfassende Analyse der vorhandenen Kundendaten ist und bleibt somit eine der zentralen Herausforderungen fiir die Institute, urn Kundenbindung erfolgreich umzusetzen. In dieser Beziehung besteht noch erhebliches Verbesserungspotenzial.
206
Welche Data Mining-Anwendungen setzt Ihr Institut aktuell ein? (Mehrfachnennung moglich)
48,1%
27.1% 20,6% 15,1%
Segmentierung
Crossund UpSelling
KundenTracking
Scoring
Abbildung 6: Aktuell genutzte Data Mining-Anwendungen
Zusammenfassend lasst sich sagen: Kundenbindungsstrategien sind essentiell fur die Ausrichtung von Finanzdienstleistern hin zu einer Customer Management-Organisation. Sie miJssen auf einem umfassenden Kundenverstandnis basieren. Um dieses zu gewinnen, sind die Ressourcen gezielt und bestandig auf die Pflege des Kundenstammes auszurichten. Erst wenn diese kritischen Voraussetzungen erfullt sind, sollten Banken die operative Ausgestaltung von konkreten Kundenbindungsmafinahmen und -instrumenten in Angriff nehmen.
Fazit und Empfehlungen Banken mussen sicii in einem immer schwierigeren Wettbewerbsumfeld neuen Herausforderungen stellen und iiiren Fokus von Neukundenakquisition und Produktorientierung hin zu Kundenmanagement und Cross- und Up-Selling anpassen. Ausgangspunkt ist dabei ein umfassendes Kundenverstandnis.
207
Eine alleinige Schwerpunktsetzung auf den Einsatz konkreter Kundenbindungsmafinahmen ohne eine unnfassende kundenorientierte Strategie greift ebenso zu kurz wie der Glaube, allein die Einfiihrung von CRM-Systemen lose die Probleme. Letzteres wird zwar in Forschung und Praxis haufig gefordert, entscheidend ist dabei aber die Frage, inwieweit zum einen die kritischen Geschaftsanforderungen bei der Konzeptionierung des Systems ausreichend berucksichtigt wurden und zum anderen die kundengerichteten Prozesse in der unternehmerischen Realitat implementiert sind. Speziell die Umsetzungsqualitat von CRM-Mafinahmen erscheint oft mangelhaft.'^^^ Fur erfoigreiche Kundenbindung ist - statt der Bekampfung einzelner Symptome mit punktuellen Aktivitaten - ein ganzheitlicher Ansatz notwendig (vgl. Abbildung 7).
O
Kunden- und Wettbewerbsanalyse Identifikation Kundenanforderungen Messung Kundenzufriedenheit Ermittlung bindungsrelevante Kundenbedurfnisse Analyse Branchentrends Wettbewerbsbenchmarking
0
Interne Analyse
0
Ableltung Geschaftsanforderungen
0
Konzeptionierung Bindungsstrategie MaUnahmen zur Schlie(iung bestehender LUcken bei Ressourcen und Systemen Ableitung Umsetzungsplan Entwicklung Pflichtenheft Systeminfrastruktur
Bereitstellung Infrastruktur Umsetzung identifizierter Malinahmen auf Ressourcen- und Systemebene
Erfassung Status Quo bestehende KundenbindungsmaBnahmen, Ressourcen und Systeme Gap-Analyse
Abbildung 7: Vorgehensweise
0
Operatives Blndungsmanagement Analyse integrierter Kundendaten, z.B. mittels Data Mining Identifikation bindungswOrdiger Zielsegmente auf Basis ProfitabilKat und Potenzial Umsetzung Cross- und Up-Selling Ableitung und Implementierung konkreter Bindungsmadnahmen (fortlaufende Anpassung)
Kundenbindung
Am Anfang der Bemuhungen sollte eine umfassende Kunden- und Wettbewerbsanalyse stehen. Hier sollten uber eine Marktforschung die kritischen Kundenanforderungen an eine Bindungsstrategie erfasst werden. Weitere Hinweise auf Starken und Schwachen des eigenen Instituts lassen sich uber ein Benchmarking ableiten, in dem Wettbewerber, aber auch fuhrende Unternehmen aus anderen Branchen betrachtet werden.
"^^5 Vgl. dazu Zinnbauer/Eberl (2004).
208
Im Rahmen einer internen Analyse sind bestehende Lucken bei Ressourcen und Systemen zu identifizieren, die einer erfolgreichen und nachhaltigen Umsetzung von Kundenbindungsstrategien und -mafinahmen im Wege stehen. Aus den erhobenen externen und internen Daten sind dann die Geschaftsanforderungen im Bereich Kundenbindung abzuleiten. Dabei steht zunachst die Konzeptionierung einer umfassenden Bindungsstrategie im Vordergrund. Erst wenn diese definiert und abgestimmt ist, sollten konkrete Mafinaiimen zur Schliefiung bestehender Lucken angegangen werden. Einen Schwerpunkt bildet dabei im nachsten Schritt die Bereitstellung der benotigten Systeminfrastruktur. Wenn diese zur Verfugung steht, sind die entscheidenden Voraussetzungen fur das operative Bindungsmanagement gegeben. Nun kann mit der fortlaufenden Analyse der integrierten Kundendaten mit Hilfe der diskutierten Data Mining Tools begonnen werden: Zunachst ist die ..bindungswurdige" Zielgruppe zu identifizieren. Dabei ist neben dem aktuellen Wert des Kunden auch das zukunftige Potenzial zu berucksichtigen. Fur die identifizierten Zielsegmente konnen dann individualisierte Bindungstool entwickelt und Cross- und UpSelling-Mafinahmen initiiert werden.
Literatur Rennhak C./Bakay Z./Zinnbauer M. (2004): Kundenbindung - Herausforderung fur Banken und Sparkassen. In: S-Markt, 5/2004. Zinnbauer M./Eberl M. (2004): Controlling von CRM-Aktivitaten am Beispiel der Automobilbranche. In: BetrJebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 4/2004.
209
Kundenbindung bei Fernsehsender - Potenziale interaktiver TVAnwendungen Matthias Hitzfeld/Carsten Rennhak/Dieter Nickles Angesichts eines standig steigenden Wettbewerbs- und Kostendrucks, stagnierender Markte sowje der zunehmenden Austauschbarkeit von Produkten und Leistungen gewinnt die Kundenbindung immer mehr an Bedeutung fur den Erfoig eines Unternehmens."^^^ Gerade fur Medienunternehmen ist es unerlasslich, ein tieferes Kundenverstandnis zu entwickeln. Denn die gesamte Medienbranche steht vor gewaltigen Veranderungen, die unter anderem auf den Wertewandel auf der Konsumentenseite hin zur Individualisierung zuruckzufuhren sind. Zudem ist eine Machtversciiiebung inneriiaib der Wertschopfungskette von den Produzenten der Inhalte zu den Endkunden, den Zuschauern, zu beobachten. Fiir die Programmplanung wird es somit zunehmend wichtiger, die Programme inhaltlich so zu konzipieren und zu gestalten, dass sie „mit den Praferenzen der Zuscliauer kompatibel sind und von den Zuschauern derart positiv bewertet werden, dass sie die Programmauswahl leiten.'"^^^ Die Medienbranche wandelt sich von einer „Okonomie der Aufmerksamkeit" zu einer „Okonomie der Interaktion". Dies bedeutet fur die TV-Industrie, dass in Zukunft nicht mehr die Aufmerksamkeit moglichst vieler Konsumenten im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Qualitat und der Dialog, also der direkte und unmittelbare Austausch mit den Kunden. Vor diesem Hintergrund und der voranschreitenden Digitalisierung der Fernsehtechnik bekommt die Vorstellung, aus dem passiven Fernsehzuschauer einen aktiven Mediennutzer zu machen, einen bedeutenden Impuls. Bereits in den neunziger Jahren wurden zahlreiche - allerdings aufgrund technischer Probleme meist erfolglose - Projekte im Bereich des interaktiven Fernsehens Ins Leben gerufen.'^^s Heute zeigt der britische Sender BskyB bereits, wie interaktives Fernsehen zukunftig in Deutschland aussehen konnte. Der bisher passive Zuschauer ist hier bereits aktiver Teilnehmer, der direkt mit der Fernbedienung auf die gezeigte Werbung reagiert, den neuen Superstar wahit oder ein vorgefuhrtes Produkt unverzuglich bestellt. Zu den Themenkomplexen Jnteraktives Fernsehen" und ..Kundenbindung" existieren zwar jeweils bereits zahlreiche Publikationen, aber die beiden Themenkomplexe werden bisher kaum miteinander in Verbindung gebracht. Es wird nur ansatzweise
^ 5 ^ Vgl. Me/fenf (1999), S. 249. ^3'" Vgl. Schenk/Rossler{^990), S. 785. ^3S \/g\. Beckert/Kubicek {^999).
211
dargestellt, welche interaktiven Anwendungen geeignet erscheinen, urn Kundenbindung zu erzielen. Ziel des vorljegenden Beitrags ist es, diese Lucke zu schlieRen und zu klaren, inwieweit interaktive Anwendungen zur Kundenbindung von Fernsehkunden beitragen konnen.
Interaktivitat im Fernsehen Die Idee, das Massenmedium Fernsehen unn interaktive Informations- und Unterhaltungsangebote zu bereichern, ist nicht neu und ubt offensichtllch eine nachhaltige Faszinatlon auf die Medienbranche aus."^^^ Zur konzeptionellen Einordnung von interaktiven Fernsehangeboten kann die Einfuhrung von Interaktivitatsstufen hilfreich sein. Da Interaktivitat in verschiedenen Intensitaten auftreten kann, kommen viele Autoren zu dem Ergebnis, dass sich der Begriff am besten durch die Einteilung in verschiedene Interaktivitatslevel bestimmen lasst. Der Vorteil einer solchen Einteilung besteht darin, dass einzelne Angebote einem bestimmten Interaktivitatsniveau zugeordnet werden konnen und damit Nutzungsmoglichkeiten und Nutzungsvoraussetzungen transparent werden."^"^^ Hoing (1994, S. 83) unterteilte als Erster die Entwicklung der Interaktivitat in fiinf Level (vgl. Abbildung 1). Hinsichtlich der funf Stufen des interaktiven Fernsehens ist zu beachten, dass die digitale Technik von Stufe zu Stufe an Bedeutung gewinnt. Zwischen Level 3 und Level 4 besteht der gravierendste qualitative Unterschied: Wahrend auf Level 3 noch passive Elemente dominieren und die Zuschauer auf eine Auswahl vorproduzierter Inhalte festgelegt sind, setzen Angebote in der Ebene 4 bei der medialen Kommunikation an. Interaktivitat und der jeweilige Level werden hier also uber die technische Fahigkeit definlert, in das mediale Geschehen einzugreifen und den Ablauf des Informationsflusses sowie die Informationstiefe und -breite nach individuellen Gesichtspunkten zu bestimmen."^"^^
439 Bereits Ende der sechziger Jahre legte die Unterhaltungsshow „Der Goldene Schuss" den Grundstein fur die Zusciiauerbeteiiigung im Fernsehen. Die Zuschauer konnten sich hier mit einer uber das Telefon gesteuerten Armbrust am Spiel beteiligen (vgl. Heinemann 1997, S. 30). ^^0 Vgl. Beckert (2002), S. 74. ^^^ Vgl. Schenk et al. (2002), S. 37.
212
Level
Beschreibung
0
Auf einer sehr elementaren Stufe besteht lediglich die Moglichkeit des Ein- und Ausschaltens sowie des Wechselns von Femsehangeboten. Bis Anfang der neunziger Jahre stand dem Zuschauer uberwiegend nur diese Einflussnahme bzw. Interaktivitatsstufe zur Verfugung.'^'^^
1
Auf diesem Level wird ein Programm auf mehreren Ubertragungskanalen entweder zeitversetzt oder mit verschiedenen Kameraeinstellungen parallel gesendet, aus denen der Zuschauer auswahlen kann. Die Zuschauerbeteiligung weitet sich auf die zeitliche Programmplanung und die Bildregie aus.
2
Hier werden zusatzliche (additive) Infornnationen ausgestrahlt, die nicht in direktem Zusannmenhang zum Programm stehen mussen. Als Beispiel dient hier der Videotext, der parallel zum analogen Fernsehsignal ausgestrahlt wird.'^''^
3
Bei diesem Level wird der Fernseher zur Abrufstation von digital gespeicherten Medieninhalten. Der Zuschauer/Konsument kann direkt am Bildschirm aus einem Angebot an Informationen auswahlen, welche Informationen on Demand an seinen Fernseher ubertragen werden.'^'^'^
4
Der Zuschauer erhalt zusatzlich zur Interaktivitat mit dem Fernseher die Moglichkeit zur Interaktion mit anderen Menschen durch den Fernseher, wobei der Fernseher die Funktion eines Ubertragungsmediums, wie z. B. eines Telefons, ubernimmt.'^'^^ Abbildung 1: Level der Interaktivitat im Fernsehen
Neben der Diskussion von Interaktivitat ist zum Verstandnis der Inhalte des interaktiven Fernsehens eine Darstellung der verschiedenen Services bzw. Dienste unerlasslich: •
On-Demand-Services sind Dienste, bei denen der Zuschauer Informationen jeglicher Art zu einem beliebigen Zeitpunkt abrufen kann."^"^^
^^2 vgl. Ruhrmann/Nieland (1997), S. 88. ^^^ Vgl. Ruhrmann/Nieland (1997), S. 9 1 .
^^^ Vgl. He/nemann (1997), S. 32. ^^5 Vgl. eec/cert (2002), S. 74. ^^^
Vgl. Goedhart/Kunstner {^995), S. 154. On-Demand-Dienste werden in der Literatur haufig mit Video-on-Demand (VoD) gleichgesetzt. Video-on-Demand ist jedoch nur ein Teilbereich der OnDemand-Dienste und beschrankt sich auf den Abruf von Spielfilmen (vgl. Heinemann 1997, S. 36). Der Zuschauer hat hier die Moglichkeit, aus einem Fundus an Spielfilmen einen Film auszuwahlen und zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt anzuschauen; er ist somit durch die aktive Programmgestaltung nicht mehr an ein festes Programmschema gebunden. Dem Zuschauer werden wahrend der Nutzung zusatzlich alle Funktionen eines herkommlichen Videorecorders zur Verfugung gestellt (vgl. Schenk et al. 2002, S. 41). Neben Video-on-Demand kann auch der Service des Near-Video-on-Demand zu den On-Demand-Services gezahit werden. Hier hat der Zuschauer die Moglichkeit, in regelmaliigen Zeitabschnitten die Sendezeit eines Angebots selbst zu bestimmen. Als weiterer bedeutender On-Demand-Dienst gilt News-onDemand, bei dem der Kunde uber den interaktiven Fernseher Nachrichten jeglicher Art abrufen kann. Die Gestaltung und Aufbereitung der Nachrichten reicht von reinen Rohinformationen in Form von Zahlen und Nachrichtenticker-Daten bis hin zur personalisierten und nach individuellen Gesichtspunkten arrangierten Zeitung (vgl. Schenk et al. 2002, S. 42).
213
•
In die Kategorie Data Broadcast lassen sich Electronic Program Guide und Videotext einordnen.'^^'' Electronic-Program-Guide-Systeme stellen Navigatoren und Programmfuhrer dar, die mit Lesezeichenfunktionen und mit Prioritatsangaben seltens des Zuschauers fur Transparenz in der Fijlle der Angebote sorgen sollen.^'^s Die Digitalprogramme von ARD digital, ZDF.vision und Premiere bieten bereits heute eine elektronische Programmzeitschrift an.
•
Bei Walled-Garden-Angeboten handelt es sich um internetahnliche Inhalte mit begrenzter Anbieterzahl. Die ausgewahlten Anbieter stellen, abgegrenzt vom ubrigen Wettbewerbsumfeld, Inhalte wie Informationen und Entertainment, Homeshopping und Homebanking, Music-on-Demand oder Games-on-Demand zur Verfugung. Zuschauer haben hier zum Beispiel die Moglichkeit, wahrend der Sendung Zusatzinformationen und Hintergrundberichte zu dieser Sendung abzurufen.'^'^^ •
Unter T-Commerce werden samtliche Umsatze gefasst, die uber den Fernseher als Distributions- und Vermarktungsmedium realisiert werden. TCommerce umfasst die Berelche Pay-TV und Pay-per-View, TV-basierte Produktverkaufe (Teleshopping), Reiseshopping sowie TV-basierte Telefonmehrwertdienste.
Zur Eriauterung des Begriffs „lnteraktives Fernsehen", bedarf es - neben einem Uberblick uber die moglichen Dienste - einer Betrachtung der Nachfrage nach diesen Services. Aus Sicht des Nachfragers ist das interaktive Fernsehen aufgrund der technischen Komplexitat nur schwer zu erfassen. Gerade bei den neuen Medien wie dem interaktiven Fernsehen befijrchten Nachfrager die Vereinsamung vor dem Bildschirm und damit eine langfristige Veranderung ihres Verhaltens. Gleichzeitig konnen die technisch unversierten Konsumenten das interaktive Fernsehen aufgrund seiner Neuartigkeit kaum beurteilen, denn es fehlen ihnen langfristige Erfahrungen, die die Vorteile verdeutlichen konnten. Aus technologischer SIcht ist das interaktive Fernsehen ein komplexes System, da es die Telekommunikations-, die Informationsverarbeitungs- und die Unterhaltungstechnologle zusammenfuhrt. Da es sich dadurch mit keiner anderen Technologie vergleichen lasst, wird auch in Zukunft der technologische Vorsprung nur schwer zu kommunizieren sein."^^^ Der Nutzen des interaktiven Fernsehens ist somit nicht bereits beim Kauf evident, sondern ergibt sich erst bei langerem Gebrauch und durch Lernprozesse sowie durch Vergleiche mit ^^^
Beim Videotext hat der Zuschauer die iVIogiichkeit, mit Hilfe der Fernbedienung Informationen aus den verschiedensten Kategorien abzufragen. ^^S Vgl. Schenk et al. (2002), S. 4 1 . ^^^ Vgl. Z/emer (2000), S.9. "^50 Vgl. He/nemann 1997, 3.78.
214
anderen Multimediasystemen. Durch die Auswahl eines interaktiven Femsehanbieters besteht fur Konsumenten die Gefahr, sich an ein System zu binden, das moglicherweise im Wettbewerb mit anderen auf Dauer nicht bestehen kann. Aus Sicht des Marktes ergeben sich weitere Faktoren, die die Adoption des interaktiven Fernsehens beeinflussen konnen. Die Produktiebens- und innovationszyklen der Hard- und Software werden immer kurzer, sodass mit dem Kauf des interaktiven Fernsehens kontinuierliche Folgeinvestitionen seitens der Zuschauer notwendig werden. Dem Zuschauer stehen in Zukunft bei der Adoption des interaktiven Fernsehens vermutlich mehrere Angebote auf der Hard- und Softwareseite zur Auswahl.
Der Beitrag der Interaktivitat zur Kundenbindung in der TV-Industrie Um den Besonderheiten der Kundenbindung in der TV-Industrie Rechnung zu tragen, wird die klassische Wirkungskette der Kundenbindung'^^) auf diesen speziellen Anwendungsfall ubertragen (vgl. Abbildung 2).
Unternehmensexterne moderierende Faktoren • Heterogenitat der Zuschauererwartungen
Inanspruchnahme eines bestimmten Sendeformats
• Variety-Seeking-Motive • Altemativenzahl • Bequemlichkeit der Zuschauer
• Zuschauerfluktuation
Zuschauerzufriedenheit
Zuschauerloyalitat
Zuschauerbindung
Bewertung durch Soll-lst-Vergleich
Akzeptanz, Vertrauen, positive Einstellungen
Entwicklung zum Stammseher, Cross-Buying
Phase 3 • Individualitat und Heterogenitat des Programmangebots
• Ausgestaltung der kundenbezogenen Informationspolitik • Persfinliche Beziehungen
• MSglichkeit vertraglicher Bindungen • Funktionaler Verbund der angebotenen Leistungen
Unternehmensinterne moderierende Faktoren
Abbildung 2: Wirkungskette der Zuschauerbindung
Stark verelnfacht sind hierbei funf wesentliche Phasen zu unterscheiden.'^52 Die Wirkungskette wird durch den Erstkontakt des Zuschauers mit dem Sender, also die Inanspruchnahme eines bestimmten Sendeformats, angestofien. Hier ist vor allem die Kommunikationspolitik gefragt, um potenzielle Zuschauer auf den Sender aufmerksam zu machen. In der zwelten Phase bewertet der Zuschauer die erhaltenen Leis^5V Vgl. Homburg/Brulin (2000), S. 10. ^^^ Vgl. Homburg/Brutin (2000), S. 9.
215
tungen bzw. die Interaktion mit dem Sender und bildet sich sein personliches Zufriedenheitsurteil.'^^a Dieses wird umso positiver ausfallen, je besser die Sender ihr Programmangebot an die unterschiedlichen Bedurfnisse der Zuschauer anpassen.'^^'^ Fallt das Zufriedenheitsurteil des Zuschauers positiv aus, kann in der dritten Phase Kundenloyalitat entstehen. Diese aufiert sich in einem Vertrauensverhaltnis und einer positiven Einstellung des Zuschauers gegenuber dem Sender."^55 oer Zuschauer zeigt in dieser Phase bereits eine verringerte Wechselbereitschaft und beabsichtigt, beim nachsten Einschalten denselben Sender auszuwahlen. Der Obergang zur Zuschauerbindung wird in Phase 4 vollzogen, wenn sich diese Uberzeugung auch in einem realen Wiederkauf- oder Cross-Buying-Verhalten des Zuschauers bzw. in Weiterempfehlungen an potenzielle Zuschauer niederschlagt.^^^ In dieser Phase liegt ein programmbezogenes, konstantes Sehverhalten der Zuschauer yox^^'^ Den Abschluss der Wirkungskette bildet die funfte Phase, in der sich die positiven Effekte der Zuschauerbindung in einer Steigerung des okonomischen Erfoigs manifestieren.'^^s EInen wesentlichen Beitrag zur Erklarung der Kundenbindung in der TV-Industrie leistet das Prinzip der Habitualisierung.'^^^ Danach werden bewahrte Verhaltensweisen „aus Grunden der kognitiven Entlastung dauerhaft beibehalten oder verinnerlicht und zwar auch dann, wenn keine externe Belohnung oder Bestrafung mehr zu
"^53 Die Zufriedenheit der Konsumenten wird meist als Ergebnis eines individuellen Bewertungsprozesses definiert. Auch in der TV-Industrie erfolgt dabei ein Soll-lst-Vergleich zwischen den Erwartungen und den tatsachlichen Wahrnehmungen bezuglich der Leistungen des Senders (vgl. Rogall 2000, S. 102). 1st die Differenz zwischen erwarteter und wahrgenommener Leistung fur den Zuschauer positiv, entsteht Zufriedenheit. Bei einer negativen Differenz entsteht dagegen Unzufriedenheit. Stimmen Erwartungen und Wahrnehmungen uberein bzw. weichen sie nur geringfugig voneinander ab, stellt sich im Hinblick auf Zufriedenheit ein neutrales Gefuhl ein. Einen grofien Beitrag zur Erklarung der Kundenzufriedenheit in der TV-Industrie leistet der so genannte Uses-and-Gratifications-Ansatz (vgl. dazu z. B. Gleich 1996, S. 598). Diesem Ansatz liegt die Vorstellung eines „aktiven Publikums" zugrunde, d. h. das Publikum nutzt die Medien zielbewusst und selektiv (vgl. Rogall 2000, S. 128). So wahit der Zuschauer dasjenige Programm aus, das seine Interessen, Wunsche oder Bedurfnisse am besten befriedigt. Vor allem aufgrund eines stetig wachsenden Programmangebots ist zu erwarten, dass die Zuschauer zunehmend ihren individuellen Bedurfnissen gemaH auswahlen. Daher ist es Aufgabe der Sender, entsprechende Wunsche ihres Publikums zu analysieren und in das Programm zu integrieren. Die Zusammenstellung des Programms eines Senders, welches das Kerngeschaft bildet, bietet bereits ein erhebliches Potenzial zur Erhohung der Zuschauerzufriedenheit. Dm die Zuschauerzufriedenheit noch welter zu verbessern, sollten um dieses Kerngeschaft herum zusatzliche Dienste angeboten werden, die Innovationskraft besitzen und sich somit von der Konkurrenzabheben.
^54 Vgl. Rogall {2000), S. 107. ^55 Vgl. H/ppner (2004), S. 30. ^56 Vgl. Homburg/Bruhn (2000), S. 9.
"^57 Vgl. Zty/jayr (1996), S. 15. "^58 Vgl. H/ppner (2004), S. 30. "^59 Vgl. Rogall {2000), S. 118.
216
erwarten ist.""^^^ Nach dem Habitualisierungsprinzip basiert die Medienauswahl und Mediennutzung auf Selektionsentscheidungen, d. h. auf bestimmten Gewohnheiten, Automatismen oder Ritualen."^^^ Diese Automatismen erieichtern die IVIedienauswahl und gestalten sie effizienter, da die Zuschauer nicht vor jedem Einschalten des Fernsehers das gesamte Programmangebot evaluleren mussen, sondern gewohnheitsmafiig nur auf einen Ausschnitt aus diesem Angebot zuruckgreifen.'^^^ Zur Erklarung der Kundenbindung in der TV-Industrie kommt dem Variety Seeking eine Sonderstellung zu.'^^^ Diese besteht darin, dass das Variety Seeking zwar, erkiart, warum Kunden bestehende Geschaftsbeziehungen abbrechen, aber nicht, warum sie eine Bindung eingehen. Trotzdem wird das Variety Seeking in der Literatur in die Diskussion miteinbezogen, da das Wechselstreben des Kunden ein entscheidendes Hindernis fur die Sicherung der Kundenbindung darstellt.'^^'^ Der Einfluss von Variety Seeking auf das Medienselektions- und -nutzungsverhalten wirkt sich hemmend auf die Intensitat der Kundenbindung aus. Aufierdem deutet das unterschiedliche Ausmafi des Variety Seeking zwischen verschiedenen Produktkategorien darauf hin, dass Produktfunktionen und -eigenschaften die Wechselneigung der Konsumenten wesentlich beeinfjussen.'^^^ TV-Sender sollten also darauf achten, dass fur Zuschauer kein Zustand der Reizarmut oder Langewelle entsteht. Nachdem die wesentlichen Determinanten der Kundenbindung in der TV-Industrie eriautert wurden, stellt sich nun die Frage, inwieweit diese Determinanten durch interaktive TV-Anwendungen erfullt werden. Die Determinante „Zuschauerzufriedenheit" wird durch interaktive Anwendungen weitgehend erfullt. Insbesondere der Electronic Program Guide ist hier hervorzuheben. Diese interaktive Anwendung llefert dem Zuschauer Hintergrundinformationen und bietet ihm die Moglichkeit, sein Wunschprogramm individuell zusammenzustellen. So werden nach dem Uses-and-Gratifications-Ansatz durch diese Mehrwertleistung zusatzliche Bedurfnisse der Zuschauer befriedigt, was zur Zuschauerzufriedenheit beitragt. Auch der interaktive Dienst News-on-Demand besitzt ein Potenzial zur Stelgerung der Kundenzufriedenheit. Hier hat der Zuschauer die Moglichkeit, fur ihn relevante Informationen selbst zusammenzustellen - bis hin zu einer personalisierten Zeitung. Interaktive Gewinnspiele konnen nur dann ausreichend zur ^^0 Jesc/7/ce(1995), S. 144. ^^^ Vgl. Ki/nz(1995), S. 169. ^62 Vgl. Ktinz (1995), S. 169. 4^3 ..Variety Seeking" bezeichnet das Streben eines Individuums nach Abwechslung ohne die Existenz eines weiteren Grundes, d. h. aliein aus einem Bedurfnis nach Abwechslung heraus (vgl. Hippneretal. 2004, S. 141). ^^^ Vgl. Helmig (1997), S. 40ff. ^^5 Vgl. Roga//(2000), S. 126.
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Kundenzufriedenheit beitragen, wenn sie nutzerfreundlich gestaltet werden. Die einfache Gestaltung interaktiver Gewinnspiele wird jedoch dadurch erschwert, dass diese bislang aufgrund der fehlenden Ruckkanalfahigkeit ausschliefllich uber das Handy durchgefuhrt werden mussen. Hierdurch entsteht ein Medienbruch, der die Hemmschwelle der Zuschauer, an interaktiven Gewinnspielen teilzunehmen, erheblich erhoht. Dies gilt auch fur den Bereich Teleshopping/ Reiseshopping. Die Kundenzufriedenheit und die Bereitschaft, an diesen Angeboten teilzunehmen, konnte erheblich gesteigert werden, wenn der Zuschauer sein Feedback per Knopfdruck mit der Fernbedienung abgeben kann. Beurteilt der Zuschauer ein bestimmtes Sendeformat als besonders unterhaltsam Oder informativ, so kann dies im Sinne eines ..Lernens am Erfolg" zum wiederholten Ansehen der Sendung fuhren."^^^ Andererseits konnen negative Konsumerlebnisse den Zuschauer im Zuge eines so genannten Vermeidungslernens auch zur Abwanderung bzw. zur Wahl eines anderen Senders bewegen.'^^'' Eine Herausforderung fur die Sender bei der Einfiihrung neuer interaktiver Anwendungen ist es, eingefahrene Gewohnhelten der Zuschauer aufzubrechen. Interaktive Dienste sollten also moglichst unterhaltsam und vor allem nutzerfreundlich gestaltet werden, urn die Zuschauer zu einer erneuten Inanspruchnahme des Dienstes zu bewegen. Vor allem elektronische Programmfuhrer besitzen aufgrund ihrer einfachen und schnellen Bedienbarkeit das Potenzial, beim Zuschauer einen gewissen Automatismus auszulosen, sodass er in Zukunft auf eine Programmzeitschrift verzichten wird. Nach dem Konzept des Variety Seeking, also dem Streben der Zuschauer nach Abwechslung, ist es denkbar, dass ein Seher, der regelmafiig ein bestimmtes Programm konsumiert, nach einer gewissen Zeit umschaltet, obwohl er mit der angebotenen Leistung grundsatzlich zufrieden war. An dieser Stelle kommen interaktive Dienste, wie z. B. interaktive Gewinnspiele oder Telefonmehrwertdienste, dem Wunsch der Konsumenten nach, „einmal etwas anderes auszuprobieren". Je mehr Abwechslung der Sender dem Zuschauer also durch interaktive Angebote bietet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass beim Betrachter ein Zustand von Reizarmut oder Langeweile entsteht und er den Anbieter wechsein wird. Neben dem Nettonutzen fur den Zuschauer erhoht sich durch interaktive TV-Anwendungen also auch gleichzeitig die Summe der Wechselkosten, die dem Variety-Seeking-Motiv des Zuschauers entgegenwirken.
^ ^ ^ Vgl. Roga//(2000), S. 120. ^ ^ ^ Vgl. Jeschke (1995), S. 147.
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Beim Einsatz von interaktiven Zuschauerbindungsinstrumenten stellt sich neben der Frage der Effektivitat, d. h., welchen Nutzen sie dem Sender hinsichtlich der Bindung bringen, auch die Frage, ob die Sender mit den heutigen technischen Moglichkeiten in der Lage sind, diese interaktiven Anwendungen umzusetzen. Die Bewertung ausgewahlter interaktiver Anwendungen nach diesen beiden Kriterien ergibt zusammenfassend die in Abbildung 3 dargestellte Nutzen-ZDurchfuhrbarkeits-Matrix.
Gering Anforderungen Implementierung
Abbildung 3: Nutzen-ZDurchfuhrbarkeits-Matrix
Fazit Zum Thema „Kundenbindung" liegen zwar zahlreiciie fachwissenschaftliche Theorien vor; das Thema „TV-Zuschauerbindung" wurde jedocii in der Literatur bisher nur selten behandelt. Ziel des vorliegenden Beitrags war es, das Potenzial interaktiver TV-Anwendungen zur Kundenbindung darzustellen. Uber die Wirkungskette der Zuschauerbindung konnte demonstriert werden, dass aus erhohten Zuschauerbindungsaktivitaten ein gesteigerter okonomischer Erfolg fur die Sender resultieren kann. Insbesondere interaktive TV-Anwendungen besitzen ein vielversprechendes Potenzial zur Zusciiauerbindung. Es wurde deutlich, dass die entsciieidenden Determinanten der Kundenbindung in der TV-Industrie - Zuschauerzufriedenheit, Habitualisierung und Variety Seeking - durch interaktive TV-Anwendungen weitgehend erfullt werden. Allerdings zeigte sich auch, dass durch die noch fehlende Ruckkanalfahigkeit in Deutschland und den daraus resultierenden Medienbruch sowohl das Potenzial zur Zuschauerbindung als auch die technische Durchfuhrbarkeit interaktiver TV-Anwendungen stark eingeschrankt ist.
219
Literatur Beckert, B. (2002): Medienpolitische Strategien fur das interaktive Femsehen - Eine vergleichende Implementationsanalyse, Wiesbaden. Beckert, B./Kubicek, H. (1999): Multimedia moglich machen: Vom Pilotprojel
220
Event-Marketing und Kundenbindung - Fallstudie adidas Gerd Nufer Relationship Marketing, das anstelle der Einzeltransaktion die Geschaftsbeziehung zum Kunden bzw. die Kundenbindung in den Mittelpunkt des Interesses ruckt, wird vielfach als Paradigmenwechsel im IVIarketing proklamiert. Das Grundanliegen kommunikationspolitischer Aktivitaten im Rahmen des Relationship Marketing besteht darin, eine Vielzahl an Kanalen zum gegenseltigen Informationsaustausch zu schaffen. Kommunikationspolitische Maftnahmen zur Kundenbindung haben u. a. den Aufbau sozialer und psychischer Wechselbarrieren zum Ziel. Dabei sollte sich das kommunizierende Unternehmen am einzelnen Kunden und seinen Bedurfnissen orientieren, denn nur wenn ein Kunde sich tatsachlich als Indivlduum angesprochen und behandelt fuhit, entsteht bei ihm das Gefuhl eines personlichen Kontakts - und nur dann kann es auch einem Unternehmen gelingen, eine dauerhafte Beziehung zu diesem Kunden aufzubauen. Die Interaktion zwischen Anbieter und Kunde tragt somit zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und letztlich zur ubergeordneten Zlelsetzung, der Erreichung von Kundenbindung, bei.^^^ Als Konsequenz der veranderten Rahmenbedingungen ist eine Verschiebung Im Einsatz der Kommunikationsinstrumente weg von traditionellen hin zu innovatlven Aktivitaten zu konstatleren. Nur wer im reizuberfluteten Markt der Gegenwart Aufmerksamkeits-, Erinnerungs- und Eriebniswerte vermittein kann, wird sich von der Konkurrenz abheben und Erfolg haben. Diesen Anforderungen soil durch eine Zunahme neuer bzw. eine Revitalisierung alter sowie einen vermehrten Einsatz bisher branchenunijblicher Kommunikationsinstrumente Rechnung getragen werden. Wahrend die Unternehmenspraxis in diesem Zusammenhang "Above"- von "Below the llne"-Maflnahmen unterscheidet, wird in wissenschaftlichen Abhandlungen das Begriffspaar "Klassiker" und "Nicht-Klassiker" fur denselben Sachverhalt verwenClet.469
Mit dem Event-Marketing hat sich zwischenzeitlich ein innovatlves nicht-klassisches Kommunikationsinstrument etabliert, das - sofern man die gesamte Bandbreite der sich damit ergebenden Mogllchkeiten nutzt - eine moderne Erganzung des bestehenden Kommunikationsmix darstellt. "Consumers love events, corporations love consumers ... this is a match made in heaven."'^70 Gemafi dieser "Zauberformel" ist es nicht verwunderlich, dass verstarkt Markting-Events zur Interaktiven Zielgrup-
^^^
Vgl. Peter(1999), S. Iff. und 248ff.; Dittrich (2000), S. 11ff.
"^^9 Vgl. Tomczaketal. (1995), S. 12ff.; Waldner/Brockes (1998), S. 4. ^^0 D'Alessandro (1993), S. 507.
221
penansprache und zur Kundenbindung eingesetzt werden. Die vielfaltigen Einsatzmoglichkeiten und Potenziale des Event-Marketing ermoglichen es, entsprechend dem momentanen Zeitgeist relevante Zielgruppen zu erreichen, markenreievante Wirklichkeiten und Eriebniswelten zu generieren, Emotionen und Sympathiewerte zu erzeugen und auf diese Weise eine Bindung zwischen Marke bzw. Unternehmen und Rezipienten herzustellen. Die Vermittlung von Emotionen im Hinblick auf Einstellungsanderungen bzw. Imageverbesserungen stellt dabei die zentrale Zielsetzung des Event-Marketing dar. In der Literatur werden die Begriffe Kundenzufriedenheit und Einstellung haufig synonym verwendet. Einerseits werden funktionale Zusammenhange zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung nachgewiesen, andererseits besteht zwischen dem Image, das eine Marke bzw. ein Unternehmen bei einem Individuum besitzt, und dem tatsachlichen (Kauf-)Verhalten des Konsumenten eine hohe Korrelation. Eingebettet in diesen Kontext bildet Event-Marketing somit ein wichtiges Instrument auf dem Weg zur Kundenbindung.'^''^ Im vorliegenden Beitrag wird aufbauend auf den Grundlagen des Event-Marketing sowie einer Analyse der emotionalen Kundenbindung durch Event-Marketing eine empirische Untersuchung vorgestellt. Im Zentrum dieser Analyse stehen dabei die Imagewirkungen, die anhand der vom Sportartikelhersteller adidas initiierten EventMarketing-Serie DFB-adidas-Cup erzielt werden konnten und die mit den resultierenden Imagewirkungen aus dem Engagement derselben Marke als offizieller Hauptsponsor einer Fufiball-Weltmeisterschaft verglichen werden. Aus den Untersuchungsergebnissen wird schliefllich der Beitrag des Event-Marketing zur Kundenbindung abgeleitet.
Grundlagen des Event-Marketing Marketing-Events zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus einer Veranstaltung etwas Besonderes oder sogar Einmaliges generieren; sie ermoglichen ein Erieben von Marken bzw. Unternehmen. Durch produkt-, unternehmens- oder dienstleistungsbezogene Ereignisse sollen kognitive, emotionale und physische Reize dargeboten, Aktivierungsprozesse ausgelost sowie unternehmensgesteuerte Botschaften, Informationen und Assoziationen kommuniziert werden, die dem Aufbau von Unternehmens- und Markenwerten dienen.'^^^
^7^ Vgl. Dittrich (2000), S. 43 und 79; Hatty (1989), S. 69. ^72 Vgl. BDW (1993), S. 3; A/iifer (2002a), S. 19.
222
Daran anknupfend beinhaltet Event-Marketing die systematische Planung, Organisation, Durchfuhrung und Kontrolle von Events sowie deren sinnvolle Einbindung in die integrierte Unternehmenskommunikation: "Event-Marketing ist ein interaktives sowie eriebnisorientiertes Kommunikationsinstrument, das der zielgerichteten, zielgruppen- bzw. szenenbezogenen Inszenierung von eigens initiierten Veranstaltungen sowie deren Planung, Realisation und Kontrolle im Rahmen einer integrierten Unternehmenskommunikation dient.'"^^^ Anhand seiner konstitutiven Merkmale lasst sich das Event-Marketing von anderen Kommunikationsinstrumenten differenzieren (vgl. Abbildung 1): Ein wesentliches Kommunikationsmerkmal des Event-Marketing ist seine Interaktionsorientierung. Auf der einen Seite ermoglicht die Dialogfahigkeit im Unterschied zum Sponsoring einen unmittelbaren, personlichen Kontakt mit der Zielgruppe, wodurch Streuverluste relativ gering gehalten werden konnen. Auf der anderen Seite werden die Anwesenden im Rahmen einer Eriebnisstrategie emotional angesprochen und uber die Verhaltensebene aktiv in die Veranstaltung miteinbezogen. Ein weiteres Charakteristikum des Event-Marketing ist die eigenverantwortliche Durchfuhrung. Die Veranstaltung wird vom Unternehmen selbst initiiert; es wird nicht wie etwa beim Sponsoring ein fremdgeschaffener Rahmen als Prasentationsplattform genutzt. Die eigens inszenierte Markenwelt soil fur den Rezipienten eriebbar werden und zu einer emotionalen Bindung des Konsumenten an die Marke fuhren.'^'''^
473 A/iyfer (2002a), S. 19. ^'"'^ Vgl./Vivfer (2002b), S.8ff.
223
Artder Kommunikation
einseitig
Artder DurchfUhrung
—^
fremdorganisiert
In bestehenden, vom Unternehmen unabhdngigen Rahmen eingeordnet
eigeninitiiert
eigens vom Unternehmen inszeniert
Sponsoring (z. B. Sponsoring einer FuflballWeltmeisterschaft)
Sales Promotion (z. B. Verteilen von Probepackungen)
eriebnisorientiert
IVIessen (z. B. Messebeteiligung bei der CeBIT)
Event-IVIarlceting (z. B. Ausrichtung von Streetball- Turnieren)
Abbildung 1: Abgrenzung des Event-Marketing von verwandten Kommunikationsinstrumenten^^^
Im engeren Rahmen des Veranstaltungsmarketing konnen darauf aufbauend zwei grundsatzlich unterschiedliche Sichtweisen voneinander abgegrenzt werden:^^^ •
Marketing bei Veranstaltungen: Bestehende, fremdorganisieile Veranstaltungen werden von Unternehmen als Werbetrager fur Botschaften verwendet, um Kommunikationspolitik in einem attraktiven Umfeld betreiben zu konnen. Im deutschsprachigen Raum hat sich hierfur der Begriff Sponsoring bzw. konkreter Event-Sponsoring durchgesetzt.'^''^
•
IVIarketing mit Veranstaltungen: Fur Produkte oder Marken werden Veranstaltungen eigens initiiert und ausgestaltet, um fur das initiierende Unternehmen Marktvorteile realisieren zu konnen. Hierbei handelt es sich im Sinne der zuvor getroffenen Definition um Event-Marketing.
^75 A/i7fer(2002a), S. 28. ^''^ Vgl. Nufer {2002b), S. 7f.; Wochnov\/ski (1996), S. 17ff. ^^^ Im Gegensatz dazu wird in den meisten angloamerikanischen Publikationen das Marketing bei Veranstaltungen als "event marketing" bezeichnet. Als Paradebeispiele fur diese Art von "event marketing" nennen insbesondere amerikanische Autoren immer wieder die Olympischen Spiele Oder die Super Bowl (vgl. Avrich 1994, S. 131ff.; Catherwood/van Kirk 1992, S. Vff. und 57ff.; Graham etal. 1995, S. IX; Sc/7re/foer/1_enson 1994. S. 27ff. u. 122ff.).
224
In Theorie und Praxis wird inzwischen eine Vielzahl von Erscheinungsformen als Realisierungen von Event-Marketing-Konzepten aufgefuhrt. Zur Systematisierung werden oftmals Kriterien in Form von Merkmalspaaren herangezogen: •
Interne Events, externe Events und Mischformen: Dieses Kriterium fokussiert auf einer Systematisierung der Zielgruppen. Wahrend unternehmensinterne Events (z. B. Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen) primar der Mitarbeiteridentifikation und -motivation dienen, haben Events, die sich an externe Zielgruppen richten (z. B. Sport- und Kulturveranstaltungen), vordergrundig die Kundenakquisition und -bindung zum Gegenstand. Mischformen (wie beispielsweise Kick-Off-Events oder Jubilaen) sind ebenfalls denkbar.'^^s
•
Arbeitsorientierte, freizeitorientierte und Infotainment-Events: Je nach Veranstaltungsart und -zielen kann die Inszenierung des Event-Erlebnisses einen starker bzw. schwacher informierenden oder unterhaltenden Charakter aufwiesen, so dass eine Polarisierung in arbeitsorientierte (z. B. Produktschulungen) und freizeitorientierte Aktivitaten (z. B. Incentive-Reisen) vorgenommen werden kann, wobei Infotainment-Events die dazwischen liegende Mischform darstellen (ein Beispiel hierfur ist die Vorstellung eines neuen Produces im Rahmen einer multimedialen Prasentation mit Showelementen).'^^^
•
Aniassorientierte, markenorientierte sowie aniass- und markenorientierte Events: In diesem Kontinuum beziehen sich die Abgrenzungsmerkmale auf das zugrunde liegende Event-Marketing-Konzept. Aniassorientiertes EventMarketing zielt auf die Darstellung des Unternehmens im Rahmen der Feier historischer (z. B. Jubilaen) oder geschaffener Aniasse (z. B. Grundsteinlegung fur ein neues Werk). Markenorientiertes Event-Marketing soil eine emotionale Positionierung der Marke sowie deren dauerhafte Verankerung in der Eriebniswelt des Rezipienten erreichen (bei derartigen Unternehmensveranstaltungen werden haufig Mottos eingesetzt, die die Aspekte des angestrebten Eriebnisprofils konkretisieren). Zugleich aniass- und markenorientiertes Event-Marketing bezieht sich auf einen zeitlich festgelegten Aniass, wird aber zusatzlich zur Vermittlung produkt- bzw. markenbezogener Botschaften eingesetzt.^so
An alien drei aufgefuhrten Merkmalsskalen kann kritisiert werden, dass sie lediglich einzelne Ansatzpunkte fiir eine Systematisierung offerieren, aber kein in sich geschlossenes Kategorisierungssystem darstellen. Im Folgenden soil deshalb der
47^ Vgl. D///er(1992), S. 289; Geel-Meli (1990), S. 35; Mues (1990), S. 86; Ueding (1995), S. 30. ^^9 Vgl. Bruhn (1997), S. 779ff. ^^0 Vgl. Bruhn (1997), S. 782ff.; Inden (1993), S. 30.
225
Versuch unternommen werden, Elemente aus alien drei Kategorisierungsansatzen zu einem integrierenden Gesamtkonzept zu fusionieren.'^s^ Eine Typologie der Event-Marketing-Formen kann mittels einer dreidimensionalen Graphik dargestellt werden (vgl. AbbJIdung 2), die einen Kompromiss aus der Steigerung des Allgemeinheitsgrades und der Reduktion des Bestimmtheitsgrades bildet. Der resultierende "Event-Marketing-Wurfel" besteht dabei aus folgenden drei Dimensionen: •
Die erste Dimension fokussiert die in der Literatur zum Event-Marketing am hauflgsten anzutreffende Systematlsierung nach den Zielgruppen: Es werden unternehmensinterne und unternehmensexterne Adressaten voneinander getrennt, wobei Mischformen dazwischen stehen konnen.
•
Die zweite Dimension baut auf einer Kategorisierung der Events auf: Nach der Art ihrer Inszenierung wird auf die Unterscheidung in freizeitorientierte und arbeitsorientierte Events zuruckgegriffen, dazwischen werden die Infotainment-Veranstaltungen platziert.
•
Die dritte Dimension bezieht sich auf das zugrunde liegende Konzept des Event-Marketing: Es wird der Frage nachgegangen, ob der Einsatz des Event-Marketing eher markenorientiert, aniassorientiert oder aniass- und markenorientiert erfolgt.
^^^ Vgl. A/tyfer (2003), S.388f.
226
freizeitorientiert
Infotainment markenorientiert
iff"
an I ass- und markenorientiert
arbeitsorientiert
aniassorientiert unternehmensintern
Misciiformen
unternehmensextern
Zielgruppe
Abbildung
2: Dreidimensionale
Typologie der
Event-Marketing-Formen^^^
Der gesamte Wurfel kann demzufolge in 27 Teilwurfel aufgeteilt werden. Jeder dieser Teilwurfel reprasentiert somit einen von 27 moglichen Event-Typen.
Emotionale Kundenbindung durch Event-Marketing Event-Marketing ist eine logische Konsequenz der Marketing-Evolution: Wahrend sich das Marketing chronologisch betrachtet zunachst auf das Kernprodukt (= Grundnutzen) konzentrlerte und spater zusatzlich Serviceleistungen (= Zusatznutzen) In die Vermarktung mit einschloss, hat spatestens seit den neunziger Jahren eine dritte Nutzendimension Einzug ins Marketing gehalten: Emotlonen (= Erlebnisnutzen). Klassische Kommunikationsinstrumente verlieren zunehmend an Wirkung. Eigene Erfahrungselemente, die im Zusammenhang mit dem Produkt und/oder der Marke wahrgenommen werden, sind wichtige Kauf- und Wiederkaufkriterien. Emotionalisierung erfolgt einerseits schon bel der Neukundenansprache und soil andererselts insbesondere spater zu einer langfristigen Kundenbindung fuhren.'^^^ "Emotionen sind innere Erregungen, die angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden/'^^S"^ Eriebnisse konnen als Bundel
^^^
In Aniehnung an Zanger/Sistenich
(1996), S. 2 3 5 .
4S5 Vgl. Brookes ( 1 9 9 5 ) , S. 8; Bruhn (1997), S. 7 2 . ^S^
Kroeber-Riel/Weinberg{^996),S.
100.
227
von Emotionen charakterisiert werden.'^^^ Unter einem Eriebniswert ist der subjektiv erlebte, durch ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Marke Oder deren Prasentation vermittelte Beitrag zur Lebensqualitat der Konsumenten zu verstehen.'^s^ Erlebnismarketing (synonym: erlebnisorientiertes Marketing) hat somit die Gefuhle der Konsumenten zum Gegenstand und richtet sich konsequent nach deren emotionalen Bedurfnissen. Dem Konsumenten soil sinnlich vermittelt werden, dass er Produkte bzw. Dienstleistungen erwirbt, die seiner personlichen Lebensqualitat entsprechen was parallel die Grundlage zur Erzielung von Kundenbindung darstellt.'^s^ Wahrend durch klassische Kommunikationsinstrumente, insbesondere durch den Einsatz von Werbestimuli, lediglich "kalte" Emotionen provoziert werden konnen, lassen sich durch Event-Marketing "echte" Emotionen erzeugen: Die im Rahmen eines Events angeregten Emotionen unterscheiden sich grundlegend von denen eines fluchtigen Kontakts (wie etwa bei einer Werbeanzeige). Der Event-Teilnehmer wird Tell des Ereignisses und befindet sich i.d.R. in einer vergleichsweise starken Emotionalisierung."^^^ Der Eriebniswertvermittlung kommt beim Event-Marketing eine zentrale Funktion zu. Ziel ist es, den Eventtellnehmern spezifische emotionale Eriebnisse zu vermittein, die letztendlich zu einer bestimmten Einstellung gegenuber dem Leistungsangebot eines Unternehmens fuhren sollen. Das Angebot des initiierenden Unternehmens erhalt durch diese emotionale Differenzierung ein eigenstandiges Profil, das es von Konkurrenzangeboten abhebt und klar positioniert. Erlebte emotionale Eindrucke konnen dabei die Rationalitat so stark beeintrachtigen, dass entscheldungsrelevantes Wissen vernachlassigt wird, da das emotionale Erieben die gedankllche Auseinandersetzung mit den sonstigen Angebotsinformationen verringert. Dies kann sogar so welt fuhren, dass anschauliche Einzelerlebnisse Entscheidungen bestimmen, die nach vorliegenden Erkenntnissen uber die Alternativen hatten anders getroffen werden mussen.^^^ Daruber hinaus werden Erelgnisse, die starke emotionale Reaktionen hervorrufen, schneller gelernt und besser behalten. Der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten ist starker, wenn die Einstellungen auf eigenen, direkten Erfahrungen mIt dem Einstellungsobjekt beruhen. Durch Erelgnisse vermitteltes Wissen steigert die Erinnerungsleistung insbesondere dann, wenn man aktiv an dem Ereignis "^55 vgl.
Weinberg/Nickel{^99S),S.6^.
"^^^ Vgl. Erdtmann (1989), S. 82; Weinberg (1992). S. 3. "^^7 Vgl. Kroeber-RielA/Veinberg (1996), S. 114ff.; Weinberg (1992), S. 3; Weinberg/Nickel (1998). S. 61f. ^SS Vgl. Erdtmann (1989), S. 79ff.; Trommsdorff {^99S), S. 61 f. "^^^ Vgl. Kroeber-Riel (1993), S. 147; Kroeber-Riel/Weinberg (1996), S. 116 und 411; Trommsdorff (1998). S. 72 und l/Ve/>7iberg/A//c/ce/(1998), S. 66ff.
228
teilnimmt. Im Rahmen der Kommunikationspolitik wird heute verstarkt der professionelle Einsatz der Bildkommunikation propagiert. Marketing-Events konnen in diesem Kontext als "dreidimensionale inszenierte Bilder" betrachtet werden, die uber alle Sinneskanale die anbieterspezifische Markenwelt vernriittein und diese in eine erlebbare Wirklichkeit transferieren.'^^o Die emotionale Konditionierung bildet einen Spezialfall der klassischen Konditionierung.^9^ Insbesondere die Werbewirkung wird haufig anhand emotionaler Konditionierungsprozesse erklart: Wird eine Marke (konditionierter Reiz) wiederholt zusammen mit emotionalen Reizen (unkonditionierte Reize) dargestellt, so erhalt die ursprunglich neutrale Marke eine ahnlich positlv-emotionale Bedeutung (konditionierte Reaktion).^92 Ubertragen auf das Event-Marketing bedeutet dies: Der Unconditioned Stimulus (UCS), das Marketing-Event, wirkt als Live-Erlebnis und aufgrund dessen ausgedehnter Expositionszeit ausgesprochen intensiv und erzeugt beim Teilnehmer als Spad und freudige Erregungen eine Unconditioned Reaction (UCR). Simultan mit diesen Emotionen nimmt der Teilnehmer in dieser "Hochstimmung" Informationen uber das eventinitiierende Unternehmen bzw. die Marke auf (Conditioned Stimulus, CS). CS und UCR verbinden sich zu einer neuen, konditionierten Reaktion (Conditioned Reaction, CR), der emotionalen Aufladung des Unternehmens bzw. der Marke. Unternehmen bzw. Marke erwerben so die Eigenschaften der Eriebniswerte des Events (vgl. Abbildung 3).
^90 Vgl. Bekmeier/Konert (1994), S. 608; Ghazizadeh (1987b), S. 48ff.; Kroeber-Riel (1989), 8. 80; Weinberg/Nickel (1998), S. 73f. ^^'^ Der (im wahrsten Sinne des Wortes) "Klassiker" ist in diesem Zusammenhang ein Experiment, das von Pawlow 1927 durchgefijhrt wurde (vgl. Ghazizadeh 1987a, S. Ilff.; Nufer 2002a, S. 139). ^^2 Vgl. Behrens (1991), S. 280; Ghazizadeh (1987), 8. 47ff.; Kroeber-Riei (1993), 8. 149ff.; Meffert (1992), 8. 63; Trommsdorff{^998), 8. 252.
229
ursprungliche Verbindung
ucs
<
Marketing-Event, Ereignis, Erlebniswert
•
UCR Spafi, freudige Erregung, Ennotionen
t
CD)
CS
CR
Unternehmen, Marke
emotionale Aufladung des Unternehmens, der Marke
u c s = Unconditioned Stimulus CS = Conditioned Stimulus
UCR = Unconditioned Reaction CR = Conditioned Reaction
Abbildung 3: Emotionale Konditionierung beim Event-Marketing "^^^
Event-Marketing eignet sich damit wie kaum ein anderes Kommunikationsinstrument, urn Kunden emotional an Marken (oder Unternehmen) zu binden. Insbesondere Kinder (und Jugendliche) konnen durch Event-IVIarketing schon fruhzeitig emotional konditioniert werden, was anhand des Schlagworts "infantile Konditionierung" charakterisiert werden kann. Ein herausragendes Beispiel fur erfolgreiche infantile Konditionierung liefert McDonald's: Der amerikanischen Fast-Food-Kette gelingt es vorbildlich, durch besondere Arrangements (z. B. Nebenzimmer zum Feiern von Kindergeburtstagen mit einem Thron fur das Geburtstagskind) eine Eriebniswelt fur Kinder zu schaffen, die sich spater im Jugend- und Erwachsenenalter der Konsumenten in Markentreue bzw. in Kundenbindung auszahlen soil. Transferiert auf die vorliegende Thematik hiefie das insbesondere etwa fur Markenartikelhersteller, gezielt Events ftir Kinder und Jugendliche zu initiieren und zu inszenieren, um diese Rezipienten schon in jungen Jahren emotional an die eigene Marke zu binden.
Empirische Analyse der Wirkungen von Event-Marketing anhand des Beispiels adidas Das Ergebnis einer zu Beginn der neunziger Jahre durchgefuhrten Marktforschungsstudie brachte es auf den Punkt: Die Marke adidas wurde bei Jugendlichen als konservativ, verstaubt, altmodisch und nicht trendy angesehen. Vor allem junge amerikanische Sportmarken hatten adidas den Rang abgelaufen. "Aggressive USKonkurrenten wie Nike oder Reebok ... vermarkteten ihre Sportartikel als Lifestyle-
^^^ A/tyfer(2003), 8. 396.
230
Produkte mit einem gehorigen Touch Erotik, wahrend den Produkten der Herzogenauracher... der strenge Geruch von Turnhallenschweifi anhaftete.'"^^"^ Vor diesem Hintergrund strebte Adidas eine radikale Verjungung der Marke an. Kern der neuen Marketing-Strategie war es, Jugendliche mit markenspezifischen Events zur Interaktion zu motivieren und kunstliche Eriebniswelten der Werbung durch zielgruppenspezifische Realerlebnisse zu ersetzen. Das Leitmotiv lautete: "adidas goes street". Sportbezogene Events sollten die Kompetenz von adidas (authentische Produkte von hoher Qualitat) untermauern. Ziel war es, insbesondere mit Trendsettern und Opinionleadern langfristige Partnerschaften aufzubauen. Diese sollten Botschaft und soziales Prestige an die Basis weiter tragen und multlpllzieren, um letztlich die jugendliche Zielgruppe emotional an die Marke adidas zu binden.'^^^ Verschiedene Event-Marketing-Serien verhalfen adidas in den neunziger Jahren binnen relativ kurzer Zeit zu einer erfolgreichen Renaissance und dem erhofften Comeback auf dem Sportmarkt:'^^^ •
adidas Streetball Challenge: Adidas brachte die Idee der vereinfachten Basketball-Hinterhof-Varlante, die ihren Ursprung in den USA hat, nach Europa und hat damit den Begriff "Streetball" nicht nur hierzulande lanciert, sondern ihn auch weltweit urheberrechtlich schutzen lassen.
•
adidas Adventure Challenge: Bei diesem Event bewaltigen mehr als 300 Abenteurer in einem sportlichen Wettbewerb Herausforderungen wie Mountainbiking, Trailrunning oder Hydro Speed.
•
Predator-Cup: 1994, im Jahr der Fuflball-Weltmeisterschaft in den USA, fanden in Deutschland die ersten von adidas organisierten Fufiball-Nachwuchsturniere statt, die die verkrusteten Strukturen des organisierten Verelnsfufiballs aufbrechen sollten, um der Jugend mehr Spali in Verbindung mit Fuflball zu vermitteln.
•
DFB-adidaS'Cup: Seit 1995 wird der Predator-Cup unter dem Namen DFBadidas-Cup mit umfangreicherer Inszenierung fortgefuhrt.
Aufgrund seiner erfolgreich praktizierten Event-Marketing-Engagements gilt adidas bis heute als der Event-Marketing-Pionier in Deutschland und hat zahlreiche Nachahmergefunden. ^^^ o.U. (1999), S. 90. ^95 vgl. Ehm (1998). S. 86; Geithner/Ruegger {^995), S. 20ff.; Henkel (1995), 8. 53; Runau (1998), S. 179. 496 Parallel unterstutzten "Originals" (wieder aufgelegte Schuhmodelle und Textilien aus den siebziger Jahren) den Erfolg der Marke: Die Popsangerin Madonna Oder spater auch "Sporty Spice" Mel C. spielten die Vorreiter bei dieser Retrowelle (vgl. Geithner/Ruegger 1995, S. 21; Henkel 1995, S. 53; o.V. 1999a, S. 90; Runau 1998, S. 178ff.).
231
Untersuchungsgegenstand der nachfolgend auszugsweise skizzierten empirischen Studie ist die Beantwortung der zentralen Frage: Existieren signifikante Wirkungsunterschiede zwischen den beiden Kommunikationsinstrumenten Event-Marketing und Sportsponsoring?'^^''Zur Gewahrleistung der Vergleichbarkeit der Wirkungen erfolgt die Gegenuberstellung von Event-Marketing und Sportsponsoring unter besonderer Berucksichtigung von Imagezielen bei jugendlichen Zielgruppen. Als zentrales Untersuchungsobjekt diente die von adidas initiierte Event-Marketing Serie DFB-adidas-Cup 1998. Dem gegenubergestellt wurden die Imagewirkungen bei Jugendlichen, die die Marke adidas als offizieller Hauptsponsor der im selben Jahr ausgetragenen Fufiball-Weltmeisterschaft in Frankreich erzielen konnte. Die Event-Serie DFB-adidas-Cup wird von der Sportmarke in Partnerschaft mit denn Deutschen Fufibai! Bund veranstaltet. Auf den Vereinsgelanden verschiedener adidas-Partner aus der ersten Fulibali-Bundesliga sowie in kleineren Stadten in Kooperation nnit den jeweiligen Fufiball-Landesverbanden werden Kleinfeldturnier neuer Pragung ausgetragen. Die jugendlichen Teilnehmer haben dabei nicht nur die Moglichkeit, ihr fufiballerisches Konnen unter Beweis zu stellen, ihnen wird auch ein buntes Rahmenprogramm angeboten, das aus Musik, Autogrammstunden mit Bundesligaspielern und -trainern, Workshops, Auftritten von Prominenten und Bands, Quiz- und Gewinnspielen, Talkshows und Internet-Surfen besteht. Adidas nutzt die emotionsgeladenen Events, urn die Authentizitat der Marke zu unterstreichen und urn die eigene Produktpalette vorzustellen; zudem bietet sich den Teilnehmern die Moglichkeit, verschiedene adidas-Fufiballschuhe leihweise zu testen. Am DFBadidas-Cup 1998 nahmen mehr als 8.000 Teams aus ganz Deutschland teil; insgesamt verzeichnete die Event-Serie uber 42.000 Teilnehmer, hinzu kamen kumuliert etwa 400.000 Zuschauer.^^e Die 16. Fuflball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich wurde von kumuliert uber 37 Milliarden Fernsehzuschauern in 190 Lander verfolgt und war somit das wichtigste Medienereignis des Jahres. Den Stellenwert eines WM-Turniers hat einst schon AltBundestrainer Sepp Herberger auf den Punkt gebracht: "Eine Fufiball-WM kann man nun einmal nicht verschieben, eine Hochzeit schon eher." "^^^ Im Rahmen des Turniers engagierten sich insgesamt 45 Unternehmen als offizielle Sponsoren. Die darunter befindlichen zwolf offiziellen Hauptsponsoren besalien ein umfangreiches Rechtepaket und hatten insbesondere das Exklusivrecht, bei samtlichen Spielen mit Jewells zwei fest installierten Banden im Stadion prasent zu sein. Adidas agierte bei der Fuflball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich erstmals als offizieller Hauptspon^ ^ ^ Eine ausfuhrliche Darstellung hierzu findet sich bei Nufer (2002a). ^95 Vgl. Nufer {2002c), S. 8ff.; Runau (1998), S. 180. "^9^ ZitiertinB/a/as(1998), S. 2.
232
sor und nutze damit dieses Top-Event, urn sich vor einem weltweiten Publikum in Szene zu setzen.^oo Die empirische Erhebung wurde als Omnibusbefragung durchgefuhrt.^o^ In mehreren Befragungswellen wurden uber 2.000 Jugendliche befragt. Die Auswertung der Daten wurde mit dem Softwarepaket SPSS vorgenommen. Bei der Auswahl der Erhebungseinheiten wurde auf das Verfahren der einfachen Zufallsauswahl zuruckgegriffen, dem jedoch zur besseren Vergleichbarkeit der einzelnen Befragungswellen gewunschte Vorgaben zugrunde gelegt wurden. Folgende drei Vorgabemerkmale wurden fur die empirische Erhebung festgelegt:502 •
Alter: Die vorliegende Studie konzentriert sich auf Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren.
•
Geschlecht: Tellnehmeranalysen der DFB-adidas-Cups der vorausgegangenen Jahre hatten gezeigt, dass deutlich mehr Jungen als Madchen an den Events teilnehmen, weshalb fur die Studie ein Verhaltnis von 75 % Jungen und 25 % Madchen in jeder Tellstichprobe angestrebt wurde.
•
Schulbildung: Es wurde darauf geachtet, gleich viele Probanden der drei dominanten Schularten Hauptschule, Realschule und Gymnasium in die Untersuchung mit einzubeziehen.
Zlel war es, hinsichtlich dieser demografischen Merkmale strukturidentische Teilstichproben in den einzelnen Befragungswellen zu erhalten. Die empirische Datenerhebung wurde in insgesamt vier voneinander unabhanglgen Befragungswellen durchgefuhrt: •
Die erste Erhebungswelle ("Nullmessung vor der WM") fand im Fruhjahr, etwa zwei Monate vor Beginn der Fuliball-Weltmelsterschaft, statt. Befragt wurden Jugendliche in verschiedenen Schulen.
^^^ Neben seinem Engagement als offizieller Hauptsponsor agierte adidas als Ausruster von sechs teilnehmenden Nationalteams und stattete die Schiedsrichter, Schiedsrichterassistenten, Balljungen und Fair-Play-Flaggentrager sowie rund 12.000 offizielle und freiwillige Heifer aus und stellte den offiziellen Spielball der WM zur Verfugung (vgl. Nufer 2002a, S. 346; Nufer 2004, S. 240f.). ^^^ Vom Verfasser wurden weitere empirische Forschungsarbeiten veroffentlicht, die auf Datenmaterial dieser Omnibusbefragung zuruckgreifen (vgl. hierzu insbesondere Nufer 2002a, b, c). ^^2 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde gezielt keine bewusste Auswahl (Quotenauswahl) getroffen, denn dies wurde implizieren, dass die Interviewer auf der Grundlage der Quotenanweisung die zu befragenden Personen aussuchen. Vielmehr hatte jeder Rezipient dieselbe Chance, in die Stichprobe einbezogen zu werden. Zur Gewahrleistung einer besseren Vergleichbarkeit der einzelnen Befragungswellen wurden die vorlaufigen Stichproben der einzelnen Wellen erst im Anschluss an die Erhebung hinsichtlich der Auspragungen der Vorgabemerkmale uberpruft.
233
•
Im Rahmen der zeitgleich durchgefuhrten zweiten Welle ("Events vor der WM") wurden Teilnehmer der Event-Serie DFB-adidas-Cup bei ausgewahlten Events befragt. Die Termine dieser Events lagen somit ebenfalls noch deutlich vor dem Beginn der Fufiball-Weltnneisterschaft in Frankreich.
•
Die drltte Befragungswelle ("Verglelchsmessung wahrend der WM") erfolgte im Sommer zu dem Zeitpunkt, als gerade die Vorrunde des Weltmeisterschaftsturniers abgeschlossen war. Die Fragebogen dieser Welle wurden wiederum in diversen Schulen verteilt, wobei diesmal gezielt andere Schulen bzw. Schulklassen besucht wurden, um nicht durch eine erneute Befragung derselben, vorkonditionierten Schuler der ersten Welle die Unabhangigkelt der Stichproben zu gefahrden.
•
In die vierte und letzte Erhebungswelle ("Events wahrend der WM") wurden schlielilich Teilnehmer des DFB-adldas-Cup bei denjenigen Events involviert, die parallel zur Fu(lball-WM in Frankreich und damit zeitgleich zur dritten Welle stattfanden. Aufgrund der geographischen Entfernungen der einzelnen Ausrichtungsorte kann davon ausgegangen werden, dass auch wahrend den Erhebungen bei den Events insgesamt kein Teilnehmer mehrfach in die Untersuchung miteinbezogen wurde.^^^
In der endgultigen Stichprobe wurden lediglich jene Probanden belassen, die vollstandige Angaben zu den drei Vorgabemerkmalen Alter, Geschlecht und Schule angaben. Ferner konnten nur diejenigen Jugendlichen der dritten und vierten Befragungswelle berucksichtigt werden, die die Filtervariable "Hast Du die WM im Fernsehen verfolgt?" beantwortet hatten. Diese vorgenommenen restriktiven Mafinahmen sind parallel mit einer Reduktion der Fallzahl von ursprunglich 2.036 erhobenen Fallen auf 1.353 Falle verbunden, die nunmehr fur die komparative Analyse verbleiben (vgl. Abbildung 4).
503 personen mehrfach zu befragen, stellt ein generelles Problem dar, da die Erstbefragung die Aufmerksamkeit der Probanden scharft und haufig bewirkt, dass eine Folgebefragung bei denselben Personen nicht mehr als unabhangig von der Erstbefragung gelten kann. Durch die hier gewShlte Vorgehensweise sollte ein "Hawthorne-Effekt" vermieden werden, der besagt, dass sich gleich bleibende Versuchsgruppen besonders anstrengen, wenn sie wissen, dass sle Gegenstand eines Experimentes sind. Aus diesen Grunden wurde darauf geachtet, dass jeder Proband nur einmal befragt wurde, um vier voneinander unabhangige Stichproben fur die statistische Datenanalyse zu erhalten.
234
2.036 Falle (Gesamtzahl aller Befragten)
100 Falle (Pretests)
1.936 Falle (Hauptuntersuchung)
33 Falle ohne vollstandige Angaben bei den Vorgabe- und Filtervariablen ellminiert
I 1.903 Falle
I 90 Probanden der Wellen 3 und 4, die die WM nicht verfolgt haben ellminiert
i 1.813 Falle
I 194 untere (12/13-Jahrlge) und obere (19/20-Jahrlge) Ausrelfler ellminiert
i 1.619 Falle Zufallsstlchprobe
Welle 1, welbllche Probanden: 80 aus 252 Welle 3, welbllche Probanden: 57 aus 151
1.353 Falle
Abbildung 4: Komposition der Stichprobe
Schlielillch wurde vorab uberprtift, ob signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Erhebungswellen bezuglich der drei Vorgabemerkmale existieren. Dazu wurden fijr alle Vorgabemerkmale die mittleren Rangplatze der jeweiligen Variablen in den einzelnen unabhangigen Stichproben mittels eines H-Tests nach Kruskal und Wallis miteinander verglichen.^o^ Samtliche Tests wiesen im Ergebnis keine signiflkanten Unterschiede der Vorgabemerkmale uber die vier Erhebungswellen hinweg aus. Es kann folglich davon ausgegangen werden kann, dass die welter zu untersuchenden Gruppen identisch bezuglich der drei Personlichkeitsmerkmale sind bzw. spater zu identifizierende Wirkungsunterschiede nicht auf voneinander abweichende soziodemografische Zusammensetzungen der Teilstichproben zuruckzufuhren sind.
504 vgl. Buhl/Zofel{^998), S. 119; Nufar{2002a), S. 354f.
235
Im Folgenden sollen zwei ausgewahlte Hypothesen der Omnibusbefragung im Zentrum der Betrachtung steheni^os Hypothese 1: Erwirbt eine neutrale Marke durch Event-Marketing eine positiv-emotionale Bedeutung, so verringert sich die Distanz zum Ideal der Produktgattung. Hypothese 2: Die besten Wirkungen werden durch eine Integrierte Kommunikatlonspolitik erzielt. MIttels eines Imagedifferentials konnen zunachst die anhand von jeweils neun zweipoligen Ratingskalen erhobenen Imageprofile der Marke adidas sowie der "idealen" Sportmarke^^^ anschaullch visualisiert und einander gegeniibergestellt werden (vgl. Abbildung 5): 1
2
3
modisch
/ /
jugendlich
iJ
bekannt
einzigartig
5
6 zeitlos konservativ
^^C_j^
unbekannt
)
preiswert hochklassig
4
/
exklusiv
< '^^
.„N
zurijckhaltend emotional wechselseitig
einfach
"
austauschbar aufdringlich
) „>
f
informativ
--'/
einsejtig
— addas
Abbildung 5: Imagedifferential
- — = Ideal
adidas versus ideale
Sportmarke
Bin weiterfuhrender Ansatz zur mehrdimensionalen Einstellungsmessung stammt von Trommsdorff.^O'^ Er setzt die wahrgenommene Auspragung eines Merkmals an
505 Vgl. A/ufer (2002a), S.230ff. 506
Die Fragestellung hierzu lautete: "Stelle Dir die Sportmarke vor, die Du Dir wunscht (dies kann entweder Deine Lieblingsmarke sein oder aber auch eine Idealmarke, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt oder geben kann).Vergleiche nun die Marke adidas anhand der folgenden Wortpaare mit dieser 'Wunschmarke'".
507 Vgl. Berndt (1996), S. 66ff.; Trommsdorffi^Qlbl 8. 48ff.
236
einem bestimmten Produkt mit der idealen Auspragung in Beziehung. Fur die vorliegende Untersuchung werden in Aniehnung an die Vorgehensweise von Trommsdorff zunachst fur diejenigen Befragten, die bei alien neun Wortpaaren sowohl eine wahrgenommene Merkmalsauspragung bei adidas als auch eine ideale Auspragung des betreffenden Merkmals angegeben haben, Eindruckswerte fur alle Merkmale durch betragsweise Subtraktion des wahrgenommenen Wertes bei adidas mit der idealen Auspragung dieses Merkmals berechnet (1). Diese indivlduellen Eindruckswerte je Merkmal lassen sich fur jeden Befragten uber alle betrachteten Merkmale hinweg zu Aggregierten EIndruckswerten aufsummieren (2). In einem weiteren Schritt konnen Eindrucksmittelwerte je Merkmal berechnet werden (3). Abschliefiend wird daraus der Aggregierte Eindrucksmittelwert uber alle neun Merkmale und alle einbezogenen Befragten ermittelt (4). Dieses Vorgehen wird in Abbildung 6 sowohl fur alle Rezipienten insgesamt (gewichtet) als auch nach den einzelnen Erhebungswellen differenziert veranschaulicht.^os
(1) Berechnung der Eindruckswerte (je Befragtem und Merkmal):
F
= IB
-
T
I
I
= einzelner Befragter (der bei alien neun Wortpaaren sowohl eine wahrgenommene Merkmalsauspragung bei adidas als auch eine ideale Auspragung des betreffenden Merkmals angegeben hat)
k
= Merkmal
Ejk
= Eindruckswert des Befragten i bezuglich des Merkmals k
Bi.adidas.k = die vom Befragten i wahrgenommene Auspragung des Merkmals k an der Marke adidas li,k
= die vom Befragten i als ideal empfundene Auspragung des Merkmals k
508 Da aufgrund der mit der skizzierten restriktiven Vorgehensweise einhergegangenen Elimination von Fallen in den einzelnen, ursprunglich vom Umfang her in etwa identisch grolien Teilstichproben jeweils unterschiedlich hohe Fallzahlen pro Erhebungswelle verblieben sind, werden fur die Berechnungen der in der Tabelle ausgewiesenen Gesamtwerte Gewichtungen der einzelnen Wellen zugrunde gelegt, um potenziellen Verzerrungen aufgrund von Uber- bzw. Untergewichtungen einzelner Wellen zu begegnen. Eine Gewichtung der einzelnen Wellen wird dabei ausschliedlich fur die Berechnung von Gesamt(mittel)werten im Rahmen der deskriptiven Statistik verwendet, die Ergebnisse der spSter aufgefuhrten Signifikanztests gehen jeweils von den tatsachlich erhobenen Fallzahlen aus (vgl. Buhl/Zofen 998, S. 190ff.).
237
(2) Berechnung des Aggregierten Eindruckswertes (je Befragtem):
i,k k=l
n
= Anzahl der betrachteten Merkmale
E*
= Aggregierter Eindruckswert des Befragten i uber alle Merkmale
(3) Berechnung der ESndrucksmittelwerte (je Merkmal): 1
m
m
= Anzahl der Befragten, die bei alien neun Wortpaaren sowohl eine wahrgenommene Merkmalsauspragung bei adidas als auch eine ideale Auspragung des betreffenden Merkmals angegeben haben
Ek
= Eindrucksmittelwert bezuglich des Merkmals k
(4) Berechnung des Aggregierten Eindrucksmittelwertes: ^
1 1 "
n
n i m
i
n
m
- i n m
E =-ZE:=2:E.=x-iE,,,=-^2:i:E,,=-Lix|Bu<..as,.-iui m
E
i=i
k=l
k=l I ^
i=l
I ^ k=l i=l
I ^ k=l i=l
= Aggregierter Eindrucksmittelwert
Berijcksichtigt man, dass bei jedem Merkmal eine maximale Abwelchung von (betragsweise) 5 moglich und somit uber alle neun Auspragungen eine hochstmogliche Abweichungssumme von (betragsmafiig) 45 Punkten denkbar ware, liegen die ermittelten Aggregierten Eindrucksmittelwerte auf einem relativ niedrigen Niveau, d. h. die Marke adidas ist grundsatzllch nicht allzu weit vom Ideal entfernt positioniert.
238
Eindrucksmittelwerte Insgesamt Mittelwert
Welle 1 Mittelwert
Welle 2 Mittelwert
l^e//e 3 Mittelwert
Welle 4 Mittelwert
(Wellen gewichtet)
(261 Falle)
(345 Falle)
(208 Falle)
(215 Falle)
modisch zeitlos
0,87
1,08
0,63
0,97
0,76
jugendlich konservativ
0,67
0,79
0,55
0,70
0,63
bekanntunbekannt
0,77
0,93
0,66
0,86
0,59
preiswert exklusiv
1,68
1,70
1,52
1,87
1.57
hochklassig einfach
0,87
0,98
0,68
1,07
0,67
einzigartig austauschbar
1,45
1,64
1,11
1,68
1,28
zuruckhaltend - aufdringlich
1,28
1,31
1,01
1,48
1,28
emotional informativ
1,16
1,15
1,05
1,30
1,11
wechselseitig - einseitig
1,06
1,19
0,86
1.25
0,86
9,80
10,78
8,08
11,18
8,74
Wortpaare
Die Marke ist...
Die Produkte sind ...
Die Kommunikationspolitik ist...
Aggregierte Eindruckswerte
Abbildung 6: Eindrucksmittelwerte und Aggregierte
Eindruckswerte
Im nachsten Analyseschritt wird der Frage nachgegangen, ob die augenscheinlich vorhandenen Abweichungen uber die einzelnen Befragungswellen iiinweg statistiscii signifikant sind. Abbildung 7 sind die Ergebnisse diverser, in diesem Kontext durchgefuhrten Signifikanztests zu entnehmen.^os
509 Da ein Kolmogorov-Smimov-Anpassungstest sowohl fur die neun Eindrucksmittelwerte je Merkmal als auch fur den Aggregierten Eindrucksmittelwert ein hochst signifikantes Abweichen von der Normalverteilung ermittelte, kommen im Folgenden ausschlieHlich nicht-parametrische Tests zur Anwendung (vgl. Buhl/Zofel 1998, S. 108; Schaich 1990, S. 105 ff.).
239
Vergleich alter vier Stichproben
Im Vorfeld derWM
WShrend derWM
Vergleich der SchulErhebung en
Vergleich der EventErhebungen
VorherNachherVergleich
SchuleEventVergleich
Welle 1 versus Welle 2
Welle 3 versus Welle 4
Welle 1 versus Welle 3
Welle 2 versus Welle 4
Wellen 1/2 versus Wellen 3/4
Wellen 1/3 versus Wellen 2/4
Wortpaare modisch zeitlos
0,000***
0,000***
0.143
0,186
0,067
0,548
0,000***
jugendlich konservativ
0.005**
0,000***
0,648
0,162
0.199
0,937
0,002**
bekanntunbekannt
0,025*
0,020*
0,079
0,452
0,514
0,382
0,004**
preiswert exklusiv
0,047*
0,173
0,031*
0,196
0,814
0,235
0,013*
hochklassig einfach
0,000***
0.000***
0,000***
0.549
0,537
0,863
0,000***
einzigartig austauschbar
0,000***
0,000***
0,008**
0.790
0.078
0,082
0,000***
zuruckhaltend - aufdringlich
0,008**
0,020*
0,182
0,297
0.077
0,032*
0,006**
0,112
0,499
0,090
0.100
0,579
0,106
0,091
wechselseitig - einseitig
0,003**
0,040*
0,002**
0.397
0,495
0,724
0,000***
Aggregierte Eindruckswerte
0,000***
0,000***
0,000***
0.788
0,314
0,256
0,000***
emotional informativ
Abbildung 7: Signifikanztests zu den Eindrucksmittelwerten und Aggregierten Eindruckswerten
Ein H-Test nach Kruskal und Wallis, mit dessen Hilfe die neun Eindrucksmittelwerte und der Aggregierte Eindrucksnnittelwert aller vier Wellen miteinander verglichen wurden, gelangte zu (hauptsachlich hochst) signifikanten Ergebnissen (lediglich bezuglich des Wortpaares "emotional - infornnativ" scheinen sich die ernnittelten Werte aller vier Stichproben zu ahneln).^^^ Zwischen welchen Wellen im Einzelnen signifikante Unterschiede bestehen, soil anhand diverser U-Tests nach Mann und Whitney fur jeweils zwei unabhangige Stich-
^^^ Der hier durchgefuhrte nicht-parametrische H-Test nach Kruskal und Wallis (bei nnehr als zwei unabhangigen Stichproben) stellt eine Ausweitung des U-Tests nach Mann und Whitney dar (der beim Vergleich von lediglich zwei unabhangigen Stichproben zum Einsatz gelangt). Beide Tests basieren auf einer gemeinsamen Rangreihe der Werte aller Stichproben (vgl. Buhl/Zofel 1998, S. 289).
240
proben festgestellt und im Folgenden primar aufgrund der entsprechenden Ergebnisse fur die Aggregierten Eindruckswerte interpretiert werden: •
Vergleicht man die ersten beiden Wellen miteinander, so lasst sich konstatieren, dass sich der Aggregierte Eindruckswert hochst signifikant verringert hat; d. h. das wahrgenommene Image von adidas bei den Events im Vorfeld der WM liegt deutlich naher beim Idealimage als bei der zeitgleich in den Schulen durchgefuhrten Erhebung.
•
Derselbe Effekt kann wahrend der WM festgestellt werden. Auch hier hat sich der Aggregierte Eindruckswert auf den Events im Vergleich zu den Schulen hochst signifikant verringert.
•
Ein Vergleich der beiden Erhebungen in den Schulen fuhrt zu keinen signifikanten Unterschieden beim Aggregierten Eindruckswert.
•
Ebenso verhalt es sich, wenn man die beiden Event-Erhebungswellen miteinander vergleicht.
•
Auch im Vorher-Nachher-Vergleich zeigen der Aggregierte Eindruckswert sowie acht der neun Eindrucksmittelwerte keine signifikanten Unterschiede an. Die einzige signifikante Abweichung kann bezuglich des Wortpaares "zuruckhaltend - aufdringlich" identifiziert werden, wobei sich hier der Abstand zum Ideal sogar vergroflert hat. Das Engagement von adidas als offizieller Hauptsponsor der Fufiball-Weltmeisterschaft schlagt sich auch insgesamt keinesfalls in einem verbesserten Aggregierten Eindruckswert nieder.
•
Das hochst signifikante Gesamtergebnis im Schule-Event-Vergleich zeigt deutlich, dass das Image von adidas aus Sicht der Event-Teilnehmer deutlich naher am Idealimage liegt als im Durchschnitt der Schulen. Bei acht der neun Eindrucksmittelwerte (einzige nicht-signifikante Ausnahme: "emotional - informativ") sowie dem Aggregierten Eindruckswert ergeben sich signifikante Distanzverringerungen. Das Engagement von adidas im Rahmen der Event-Serie DFB-adidas-Cup scheint sich also zu lohnen.
Somit konnen bezuglich der zu uberprufenden Hypothesen folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: Werden die auf den Events realisierten Ergebnisse denen der Vergleichsmessungen in den Schulen gegenubergestellt, so gelangen sowohl die einzelnen Vergleiche im Vorfeld und wahrend der WM als auch der kombinierte Schule-Event-Vergleich immer zum selben Ergebnis: Der Abstand der Marke adidas zum Ideal hat sich aufgrund der emotionalen Posltionierung durch das Event-Marketing jeweils hochst signifikant reduziert. Hypothese 1, die eine Distanzverringerung zum Ideal aufgrund von Event-Marketing unterstellte, ist damit bestatigt.
241
Erstaunlicherweise wurden wider Erwarten die besten Imagewerte fur adidas nicht wahrend der vierten Befragungsweile ("Events wahrend der WIVI"), wie man aufgrund von Uberlegungen zur integrierten Kommunikation hatte vermuten konnen, sondern wahrend der zweiten Befragungsweile ("Events vor der WM") ermittelt. Hypothese 2, die besagt, dass die besten Imagewirkungen durch eine integrierte kommunikationspolitische Ansprache erzielt werden, muss damit abgelehnt werden. Als Hintergrund kann vermutet werden, dass hier zwei kontrare Effekte miteinander konkurrieren, die sich insgesamt kompensieren: Die Wirkungen des Aufwandes beim Rahmenprogramm und die einer Integrierten Kommunikation. Im Vorfeld der WM organlsierte adidas ubenA/iegend zweitagige Mega-Events. Hier waren - im Vergleich zu den Events, die parallel zur Fufiball-WM veranstaltet wurden - die Teilnehmerzahlen insgesamt deutlich hoher, es wurden mehr so genannte "SideEvents" inszeniert, und dem Rahmenprogramm wurde insgesamt eine verstarkte Aufmerksamkelt geschenkt. Die von adidas parallel zur WM ausgetragenen Events dauerten dagegen jeweils nur einen Tag, fanden in Kooperation mit den jeweiligen Fufiball-Landesverbanden statt und wurden hauptsachlich in kleineren Orten und mit deutlich geringeren Teilnehmerzahlen ausgetragen. Hier stand ausschliefllich das Fuflballsplelen im Mittelpunkt des Geschehens, das deutlich reduzierte Rahmenprogramm war von eher nebensachlicher Bedeutung. Es kann somit festgehalten werden, dass dem emotionalen Rahmen eines Events eine elementare Bedeutung zukommt.5^^
Fazit Die durchgefuhrte empirische Untersuchung fuhrte zur Identifikation signiflkanter Wirkungsunterschlede zwischen den beiden Kommunikationsinstrumenten EventMarketing und Sportsponsoring: •
Imageverbesserungen konnten hauptsachlich beim Vergleich der Befragungsorte ausfindig gemacht werden. Bei den Teilnehmern der Event-Serie ergab sich ein signifikant besseres Image der Marke adidas als bei den iJbrigen Befragten. Diese Ergebnisse konnen der WIrkung von Event-Marketing zugeschrieben werden.
•
Beim Vergleich der unterschiedlichen Erhebungszeltpunkte wurden ursprunglich ebenfalls Steigerungen der Imagewerte erwartet, die dann der WIrkung des Sponsorenengagements der Marke adidas bei der Fufiball-Weltmeisterschaft in Frankreich hatten subsumiert werden konnen. Jedoch konnten im
5^ 1 Vgl. Nufer (2002c), S. 45ff.
242
Vorher-Nachher-Vergleich kaum signifikante Veranderungen bezuglich der untersuchten Variablen ausfindig gemacht werden. Daruber hinaus konnen aus der vorljegenden empirischen Analyse weitere Schlussfolgerungen gezogen werden:^^^ •
Das Kommunikationsinstrument Event-Marketing ist bezuglich der Imagewirkungen bei der Ansprache jugendlicher Zielgruppen dem Sportsponsoring tendenziell uberlegen.
•
Hohe Emotionen, die beim Sportsponsoring oftmals eher hinderlich sind, da hier die Aufmerksamkeit in erster Linle auf das sportliche Geschehen und nicht auf die kommunikationspolitische Ansprache fokussiert ist, konnen beim Event-Marketing dagegen positiv genutzt werden, da eigene positive Markenerlebnisse zum Aufbau langfristiger Gedachtnisinhalte beitragen.
•
Innerhalb des Event-Marketing kommt der Gesamtprasentation der Marke eine uberragende Bedeutung zu.
•
Die Wirkungen einer Integrierten Kommunikationspolitik durfen aufgrund der vorliegenden Befunde dennoch nicht unterschatzt werden.
"People stay in relationships for two major reasons: because they want to; and because they have to."^^^ Kundenloyalitat entsteht demnach entweder aus "Gebundenheit" (nicht wechsein konnen, Abhangigkeit, faktische Kundenbindung) aufgrund okonomischer, vertraglicher bzw. technisch-funktionaler Rahmenbedingungen oder aus "Verbundenheit" (nicht wechsein wollen, Attraktivitat, emotionale Kundenbindung), die aus Zufriedenheit des Konsumenten und Vertrauen in den Anbieter resultiert und zu deren Erreichung - wie dargelegt - auch Marketing-Events eingesetzt werden konnen.^^^ Ein Blick auf die in Abbildung 8 wiedergegebene Gegenuberstellung des klassischen Transaktionsmarketing mit dem Relationship Marketing offenbart, dass Event-Marketing fest mit der Idee des Beziehungsmarketing ven^/urzelt und einen wichtigen Beitrag zur Zielsetzung Kundenbindung zu leisten imstande ist.
5^2 Vgl./Vufer (2002a), S.308ff. 5^3 Johnson (1982), S. 52f. (zitiert in Dittrich 2000, S. 39). 5^^ Vgl. Dittrich (2000), S. 57; Pefer(1999), S. 126.
243
Unterscheidungsmerkmal
Transaktionsmarketing
Relationship IVIarketing
Kundenakquisition
Kundenbindung
Fokus der AktivitSten
Produkt und Preis
Kunde
Bild des Kunden
anonym (Masse)
bekannt (Partner)
Kundenorientierung/lnvestition in die Kundenbeziehung
niedrig
hoch
Erfassung der Kundenzufriedenheit
indirekt (durch Kontrolle der Marktanteilsveranderung)
direkt (durch Feedback des Kunden)
Einflussperspektive
einseitig vom Anbieter zum Kunden
wechselseitig zwischen Anbieter und Kunde
Kommunikationsform
Massenmedien (Leistungsdarstellung), z. B. klassische Werbung
Dialogorientierung (Nutzen, Emotionen), z. B. EventMarketing
Zielsetzung
Abbildung 8: Unterschiede zwischen Transaktions- und Relationship Marl<eting^^^
Vergleicht man das Event-Marketing mit klassischen Kommunikationsinstrumenten wie beJspielsweise der Werbung, so befindet sich die Wirkungsforschung hierzu nocii im Anfangsstadium. Die vorliegende Untersuchung kann zwar einen Beitrag zur Analyse der Wirkungsweise von Marketing-Events darstellen, nichtsdestotrotz besteht jedoch noch massiver Forscliungsbedarf. Es gilt, sowohl die theoretische als auch die empirische Forschung zum Event-Marketing zur weiteren Erkenntnisgewinnung und Fundierung zukunftiger Entscheidungen welter zu entwickeln.
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247
Couponing im Mobilfunk Sonja Kapfelsberger Couponing als Instrument erfolgreicher Verkaufsforderung wird seit Jahrzehnten in den USA eingesetzt und absorbiert in dortigen Unternehmen einen grofien Antell der IVIarketingausgaben. In Deutschland hingegeben ist Couponing erst seit dem Fall des Zugabe- und Rabattgesetz im Jahre 2001 erlaubt. Marktseitig treiben vier Trends den Einsatz der einstigen Rabattmarken: die Abnahme der Markenbindung, die Zunahme von Handelsmarken, die steigende Akzeptanz der Discounter und das Markenbewusstsein der Discountkaufer. Dem „neuen" Marketinginstrument wird deshalb eine viel versprechende Zukunft in punkto Verkaufsforderung und Kundengewinnung sowie Kundenbindung prognostiziert. Daruber hinaus dient es als Unterstutzung unterschiedlicher Marketingstrategien, wenn es in das bestehende Marketing des Unternehmens integriert wird. Es ist allerdings festzustellen, dass die Unternehmen dem ..Couponing" immer noch zuruckhaltend gegenuberstehen, da grofie Responsequoten bislang ausblieben. Im Folgenden wird das Instrument Couponing zunachst einmal definiert und ein Uberblick uber die verschiedenen Auspragungen und Anwendungen sowie Chancen und Risiken gegeben. Anschliefiend wird der Einsatz von Couponing Im Rahmen des CRM diskutiert. Der Beitrag schliefit mit der Vorstellung von Fallstudien aus dem Mobilfunkbereich. Definition ..Belm Couponing handelt es sich um eine Maflnahme, bel der ein Herausgeber einer ausgewahlten Personengruppe durch ein Medium einen Berechtigungsnachweis (entspricht dem Coupon) zur Verfugung stellt, bei dessen Einsatz in einer ausgelobten Akzeptanzstelle wahrend eines definierten Zeitraums ein spezifischer Vorteil versprochen wird, wenn die Zielperson ein bestimmtes Verhalten^^^zeigt/'^^^ Als Personengruppen lassen sich zum Beispiel bestimmte Kundengruppen mit einem spezifischen Kaufverhalten, Interessenten oder Besucher einer bestimmten Homepage definieren. Die traditionellen Verteilmoglichkeiten eines Coupons werden zunehmend erweitert durch neue Medien, wie z. B. Coupon-Portale oder Mobil-
^^^
Das Verhalten kann der Kauf eines bestimmten Produkts oder Sortiments sein, sowie Kauf in einem definierten Vertriebskanal oder einer spezifischen IVIenge. Ferner kann darunter aucii die Probenutzung eines Produktes oder die Abforderung von Informationsmaterial verstanden werden.
5^7 vgl. Kreivfzer(2003). S. 6.
249
telefon.^^^ Ferner gilt es vor Beginn einer Couponaktion festzulegen, welche Intention mit Couponing verfolgt werden soil. Demnach entscheldet sich auch, welche Art von Coupons zum Einsatz kommen. Abbildung 1 gibt eine Ubersicht uber mogliche Coupon-Arten wider.^^^
Rabatt-Coupon
Preisnachlass auf ein Produkt oder Sortiment (Preisnachiasse in Prozent oder entsprechend in Euro)
Warencoupon
Coupon beinhaltet eine Zugabe als Anreiz fur den Kunden ("Buy one get one free"); auch sog. "Sampling" Coupons, die zum Bezug einer Warenprobe berechtigen
Einkaufsgutschein
Dem Kunden wird - produktunabhangig - beim nSchsten Einkauf ein pauschaler Betrag von der Gesamteinkaufssumme abgezogen.
Treuecoupon
Mit dem Coupon kann ein (virtueller) Geldbetrag einem individuellen Kundenkonto gutgeschrieben werden
Informationscoupon
Gutschein fur den Bezug von Informationen bzw. Informationsmaterial
Abbildung 1: Oberblick Coupon Alien
Nicht alle Couponarten lassen sich In alien Branchen gleichernnafien einsetzen. Die in Deutschland am weitesten verbreitete Couponart, ist der Rabatt Coupon^^o Auch der Waren- oder Bundlingcoupon wird hier gut angenommen. Es hat sich gezeigt, dass Coupons vorwiegend in der Konsumguterindustrie und im Handel zum Einsatz kommen.52^ Das Tragermedium und die Couponart bestimmen auch die Distributionsform, woruber der Coupon verteilt wird. Beispiele hierfur sind das Internet, die Zeitung, die Zeitschrift, der Postwurf, das Direct Mail oder der Point of Sales (POS).522 j e nach
^^^ Vgl. Kreutzer (2003), S. 7; Mercer Management Consulting (2003). In Erganzung lassen sich hier die verschiedenen Formen wie On-pack, In-pack-Coupons und Kassenbon fur das Filialcouponing anfuhren. 5^9 Vgl. Kreufzer (2003), S. 8. 520 Die Grunde hierfur sind u. a. historisch bedingt. Bereits in der ersten Halfte des zwanzigsten Jahrhunderts waren Rabattmarken weit verbreitet und greifen somit auf ein gelerntes Muster zuruck. ^2^ Konsumguter, insbesondere Outer des taglichen Bedarfs sind in der Regel wenig erklarungsbedurftig und verfugen uber eine hohe Umschlaghaufigkeit (vgl. Ploss, 2003, S. 37ff.). 522 Vgl. Ploss (2003), S. 47.
250
Distributionsform ist die Akzeptanzstelle bereits im Coupon integriert wie z. B. beim Onlinecoupon, der uber den Internetshop direkt eingelost werden kann. Urn den Empfanger des Coupons zum Einlosen des Coupons zu bewegen, muss ihm ein bestimmter Vorteil versprochen werden. Hierzu ist am haufigsten der Preisvorteil Oder Mengenvorteil zu zahlen. Auch die Zugabe einer weiteren Einheit, Praferenzen oder Informationen gelten als Treiber fur Couponeinlosungen. Der Einlosevorgang bedingt, dass im Hintergrund der Verrechnungsverkehr, auch Clearing genannt, erfolgt. Die Aufgabe des Clearinghouse ist die Verrechnung der Coupon-Werte und, damit zusammenhangend das Erfassen, die Analyse sowie die Auswertung der Couponaktion. Daruber hinaus ubernimmt das Clearinghouse, haufig von einem externen Dienstleister ausgefuhrt, ebenso die Aufgabe der Planung, Umsetzung und Pflege einer kundenindividuellen Datenbank.
(a) Gutschrift CouponHerausgeber
(2) Verteilung
Empfanger
© Gutschrift
(5) Weitergabe Clearing-House
Akzeptanzstellen (POS)
Abbildung 2: Prozessablauf mehrstufiges Couponing ^^3
^^^ Stufe 4 und Stufe 8 werden je nach Art des Coupons durchlaufen. Handelt es sich beispielsweise urn einen Rabattcoupon erhalt der Kunde unmittelbar die Gutschrift, wotiingegen bei einem Einkaufsgutschein oder Treuecoupon der Kunde seinen Vorteil zu einem spateren Zeitpunkt durch den Herausgeber oder einem entspreciienden Servicepartner erhalt (vgl. Kreutzer 2003, S. 20). Der Voilstandigkeit halber sei an dieser Stelle erwahnt, dass es sich bei der Abbildung 2 um den Prozess des mehrstufigen Couponings handelt. Das Betriebsmodell des einstufigen Couponings stellt die Beziehung zwischen (Coupon-) Herausgeber, Handler und Kunde dar. In diesem Fall ubernimmt in der Regel der Handler die Funktion des Clearinghouse.
251
Abbildung 2 vermittelt ejnen Uberblick uber das Zusammenspiel von Hersteller, Akzeptanzstelle (POS), Clearinghouse und Kunde. Chancen und Risiken WIe oben erwahnt, werden mit den verschledenen Couponarten verschledene Zlele verfolgt: Gewlnnung neuer Kunden zur Umsatzsteigerung Belohnung treuer Kunden zur Stelgerung der Kundenbindung Inltilerung von Cross- und Upselling zur Umsatz- und Ertragssteigerung Unterstutzung von Abverkaufen zur Senkung von Loglstlk-Kosten genaue Platzierung von Kampagnen zur Kostensenkung bei Aktionen Genauere Kundenkenntnis zur Verbesserung der Kundensegmentlerung Dabel bletet Couponing den Vortell einer hohen Flexibllltat und geringen Vorlaufzeit, verbunden mIt zum Tell geringen Anforderungen an die IT-lnfrastruktur. Ferner lassen sich Coupon-Aktlonen sowohl lokal als auch national einsetzten und konnen sich entweder nur auf ein Produkt oder aber auf ein ganzes Sortlment bezlehen. Ebenso flexibel 1st die Wahl der Vertrlebswege oder Kundensegmente. Couponing kann entweder uber alle oder nur uber ausgewahlte Vertrlebswege distrlbulert werden. EIne vorausschauende Kampagnenplanung 1st hierbel die Voraussetzung fur eine effektlve Erfolgskontrolle. Schllefillch kann durch das Couponing die so genannte Preiserosion vermieden werden: Inn Gegensatz zu Rabattaktionen, die den Produktprels Insgesamt senken, blelbt der ursprungllche Prels des Produkts Im Kopf des Kunden erhalten.524 Ejne Obersicht zu Chancen und RIslken des Couponing bletet Abbildung 3.
524 Vgl. Krei7fzer(2003), S. 2 1 .
252
•
Gewinnung neuer Kunden
•
Belohnung treuer Kunden - Steigerung der Kundenbindung
•
Initiierung von Cross-Buying
•
genaue Platzierung von Kampagnen Kostensenkung bei Aktionen
•
Lenkungseffekt - Coupons stellen einen klaren Kaufanreiz dar (Spontankaufe werden durch Coupons eher ausgelost als durch Sonderangebote)
•
Gewinnung von Kundendaten
Breite Streuung fSrdert ..SchnSppchenjager- Mentalitat" Preisnachlass im Vordergrund, Forderung der Wechselbereitschaft des Kaufers in Bezug auf Produkt und Verkaufsstelle Potenzielle Margenvernichtung („Preiskrieg") Potenziell imageschadigend Etablierung eines "Anspruchs auf Vergunstigungen"
Risiken
Abbildung 3: Chancen und Risiken des Couponing
Ein Blick Richtung USA zeigt allerdings, dass bei entsprechendem Couponing Einsatz eine langfristige und fur alle Beteiligten zufrieden stellende Verankerung des Couponing in der Auswahl von MaHnahnnen des Direktmarketing gelingen kann. Laut Mercer Management Consulting eignen sich Produkte mit hohem Preisniveau am besten fur Couponing. Aucii Produkte mit hohem Umschlag und Eckartikel sichern einer Coupon-Aktion eine hohe Aufmerksamkeit.525 Aktueilen Forschungsergebnissen zufolge werden Coupons insbesondere von Unternehmen erfolgreich eingesetzt, die dem CRM eInen hoheren Stellenwert im Unternehmen einraumen und demzufolge auch ein hoheres CRIVI-Qualtitatsniveau erreichen.526 Q\Q studie von Kohler et al. (2005) belegt, dass eine Integration von Couponing im MarketingIVlix unbedingt notig ist, da die Moglichkeiten von Couponaktionen durch den Einsatz eines CRM-Systems wesentlich optimiert werden.
Couponing im Rahmen von CRM Schusser (2003, S. 305) bezeichnet die moderne Form des Customer Relationship Management „...als Steuerungsinstrument zur umfassenden strategischen Ausrichtung von Unternehmen mit dem Ziel, deren Wert und den ihrer Kunden zu steigern". ^25 vgl. Mercer Management Consulting (2003). 526 yg\. Kotileretal. (2005).
253
Ziel ist es, so Schusser, durch Prozessdifferenzierung innerhalb der Kundenbeziehung einen Mehrwert fur den Kunden zu schaffen. Die Generierung von qualitativen und quantitativen Adressen und damit der Moglichkeit einer umfassenden KenntnJs und einer gezielten Ansprache von Kundengruppen etabliert sich Couponing zu einem interessanten Tool fur CRM. Der Aufbau einer guten Adress- und Infodatenbank ist die Basis fur ein gut funktionierendes CRM. Im Rahmen von CRIVI angelegte Kundentypen, etwa nach Werten, EnA/artungen und Bedurfnissen, konnen durch das Couponing besonders gelenkt werden. Es empfiehit sich die Couponingstrategie mit Komponenten wie Zeitpunkt, Inhalt, Kanal und Tonalitat auf ein solches Kundenkonzept abzustimmen.527 Wichtig ist hierbei, die Couponart auf den Wert des jeweiligen Kundentyps oder Kundensegments abzustimmen. Im Bestandskundenmanagement konnen so zum einen Kannibalisierungseffekte vermieden werden, indem beispielsweise preis-unsensible Kunden nicht mit Rabattcoupons angesprochen werden. Die Aufmerksamkeit des Kunden wird zum anderen auf den mehrwertstiftenden Vorteil gelegt und damit gerade in der Neukundenakquisition eine Wettbewerbsdifferenzierung erzielt. Kundentypologisierung aufgrund vieler kundenrelevanter Daten allein reicht aber nicht aus, urn uber Einsatz von Couponstrategien kompetent entscheiden zu konnen. Daher sollte das Kundenkonzept mit quantitativen und finanziellen Groflen wie Deckungsbeitrag, Umsatz oder Kundenwert, idealerweise auf Einzelkundenbasis, angereichert werden. Nur in Verbindung beider Groflen (Kundensegment und Kundenwert) lassen sich strategische Entscheidungen sinnvoll treffen. Diese geben auch einen Anhaltspunkt daruber, inwieweit Coupons in den Markt zu „pushen" sind. Beispielsweise durch den zielgruppenspeziflschen Versand von personalisierten Coupons konnte einer hohen Kundenfluktuation in einzelnen Segmenten entgegengewirkt werden.528 Andersherum konnte durch eine unpersonalisierte Couponaktion via Print- Oder Onlinemedien bestimmte Kundengruppen angezogen werden (Pullstrategie). Daruber hinaus sollten Couponingaktionen in den gesamten Kundenbeziehungsprozess eingebettet werden. In jeder Phase des Kundenlebenszyklus kommuniziert der Kunde mit einer oder mehreren unterschiedlichen Abteilungen eines Unternehmens. So wird beispielsweise in der Anfangsphase uberwiegend der Vertrieb oder das Marketing mit dem Interessent in Kontakt stehen. Spater wird sich der Kommunikationsweg zwischen Kunde und Unternehmen uber viele Abteilungen erstrecken (z. B. Customer Service, Buchhaltung). Daher ist es dringend erforderllch, dass Unterneh-
527 vgl. Bauer/Gortz (2002). 525 Vgl. Schusser (2003), S. 311.
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men uber eine hohe Transparenz bezuglich ihrer Aktionen verfugen, so dass zu jedem Zeitpunkt der Kunde uber die gerade kontaktierte Abteilung eine korrekte Auskunft erhalt. Dies kann zu Lasten der Flexibilitat von Coupon-Maflnahmen gehen. Insgesamt lasst sich feststellen, dass CRIVI notwendig ist, urn die Rahmenbedingungen fur ein erfolgreiches Couponing auszuloten. Couponing muss in den Marketingmix des Unternehmens eingebettet sein und darf nicht als Konkurrenz zu anderen Mafinahmen wie beispielsweise Loyalitatsprogrammen gesehen werden. Des Weiteren ist Couponing als ein geeignetes Konzept zu betrachten, um Interessenten und Kunden zu identifizieren und wertvolle Informationen zum Aufbau einer Kundendatenbankzu erhalten.
Couponing im Mobilfunk Der Mobilfunkmarkt zeichnet sich vor allem durch seinen schnellen Wandel aus. Vor nicht allzu langer Zeit herrschten hier noch enorme Wachstumsraten, heute wird er eher als Kundiger- oder Wechslermarkt gesehen. Kundenbindung und Beziehungsmanagement stehen daher bei den Mobilfunkunternehmen verstarkt im Fokus. Das Telefon ist der ideale One-to-One Kommunikationskanal fur eine exakt gezielte Ansprache bestehender und potenzieller Kunden. Garantiert ist eine sehr hohe Reichweite und die Moglichkeit der mittelbaren sowie unmittelbaren Interaktion mit dem Kunden. Das Handy bietet die Option, unabhangig vom Standort uber alles zu informieren, was seinen User interessiert, betrifft oder bewegt. Couponing als Marketinginstrument mit den beschriebenen Auspragungen ist aber fur Netzbetreiber im Mobilfunkmarkt aufgrund der geringen Produkttiefe bzw. -breite beschrankt umsetzbar. Zudem ist ein Mobilfunktarif ein erklarungsbedurftiges Produkt und im PostpaidBereich an einen Vertrag mit einer Laufzeit in der Regel von 24 Monaten geknupft, so dass die Schwelle des „Schnappchen jagens" bei Kunden oft hoch ist. Dennoch haben Mobilfunkunternehmen neue Wege gefunden, um Coupons erfolgreich sowohl fur die Neukundengewinnung als auch fiir die Bestandskundensicherung einzusetzen. Couponing als alternativer Vertriebskanal Mobilfunkunternehmen geben den Coupon an klar in sich abgeschlossene Zielgruppen aus, die anhand ihres Mitarbeiterausweises o. a. zu identifizieren sind, zum Beispiel Studenten oder Soldaten. Sinnvoll Ist der Einsatz von Coupons ab einer Segmentgrode von ca. 2500. Die Zielgruppe wird entweder online angesprochen Oder gelangt durch Zusendung per Post (z. B. als Gehaltsbeilage) und Verteilaktion vor Ort (z. B. Flyer, Gutscheinheft) an den Coupon. Eine weitere Moglichkeit ist zudem das Schalten einer Anzeige in einer Zeitschrift. 255
Flankierend sind im Rahmen eines integrierten Konzepts verschiedene zusatzliche Aktionen oder Kampagnen wie Poster, Gehwegstopper, Give Aways oder Promotionstande vor Ort eingesetzt. Der Kunde kann seinen Coupon fur die Dauer von z. B. sechs Monaten bei dem nachstgelegenen Shop einlosen. Dabei spielt es keine Rolle, uber welchen Weg er an den Coupon gelangt ist. Da der Kunde nnit Einlosen des Coupons einen Vertrag eingeht, werden zusatzlich seine vollstandigen Kundendaten abgefragt, die anschliefiend via Kassensystem im angeschlossenen CRMSystem hinterlegt werden. Das Fraud Risiko wird durch die Uberprufung des Ausweises bei Einlosung nahezu ausgeschlossen. Der so gewonnene Kunde erhalt dieselben Leistungen in Form von Customer Service wie Kunden, die uber andere Vertriebskanale gewonnen werden. Der Vorteil an der beschriebenen JVIaflnahme ist der Lenkungseffekt durch den Coupon in die iViobilfunkshops. Hierbei konnen neben dem reinen Einlosevorgang noch mogliche Cross-Selling Potenziale abgeschopft werden. Die exakte Ansprache des genau umrissenen Kundensegments erhoht sehr stark die Einlosequote. Die so reduzierten Marketingkosten kompensieren damit einen Teil der ausgelobten GrundgebiJhrenbefreiung oder Tarifreduktion. Alles in allem zelchnet sich dieses Vorgehen durch eine hohe Profitabilitat und effiziente Neukundengewinnung aus. Mobile-Couponing bei Wechselkunden Mobile Marketing gilt als eine der attraktivsten und effizientesten Werbeformen in der heutigen Zeit und das nicht nur fur Mobilfunkunternehmen. Der Grund ist der direkte Kontakt zur Zielgruppe, der zu jeder Zeit und an jedem Ort stattfinden kann. Trotz gestalterischer Limitierung zum Beispiel in der Beschrankung der Zeichen auf dem Handydisplay, wird die zielgruppenspezifische Werbebotschaft mit hoher Responserate transportiert. Eine Maftnahme des Mobile Marketing ist das Mobile-Couponing529, das durch die Verbreitung der MMS- Endgerate den gestalterischen Limitierungen begegnet und damit das Mobile-Couponing attraktiver werden lasst. Ein Beispiel: das Mobilfunkunternehmen kauft 45.000 netzfremde Kundenadressen bzw. -rufnummern ein. Diesen „noch-nicht" Kunden werden per SMS Coupons auf das Handy gesendet. Der Coupon verspricht die Teilnahme an einer Handy-Verlosung Oder eine GrundgebiJhrenbefreiung uber einen bestimmten Zeitraum bei Vertragsabschluli. In der SMS wird den Kunden die Adresse des fur sie nachstgelegenen Shops genannt (vgl. Abbildung 4).
^29 Der Kunde erhalt den Coupon nicht in Papierform, sondern auf sein Handy entweder per SMS Oder MMS. Mit dieser SMS oder MMS geht der Kunde an die vorgeschlagene Akzeptanzstelle, urn dort den Coupon einzulosen.
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Abbildung 4: Beispiel Coupon
Urn an den Vorteil des Coupons zu gelangen, muss der Kunde mit der SMS auf seinem Handy in den vorgeschlagenen Shop gehen. Dort wird das Handy an einen Scanner gehalten, der die SMS einliest und einen Coupon in Papierfornn ausdruckt. Durch einen gespeicherten Code im Coupon kann dieser nur einmal ausgedruckt werden. So ist es nicht moglich, die SMS z. B. auf ein anderes Handy weiterzuleiten, urn sie erneut uber den Scanner auszudrucken. Mit dem Papiercoupon erhalt der Kunde seinen versprochenen Vorteil. Ein Teil der vorher ausgewahlte Rufnummern erhalt die Grundgebuhrenbefreiung, der andere Teil nimmt an der Handy-Verlosung teil. So ist nicht jeder Coupon automatisch auch ein Gewinn, sondern lediglich die Aussicht darauf. Zusatzlich kann der Kunde auf dem Coupon seine Adresse hinterlassen, losgelost von dem ausgelobten Vorteil, so dass das Unternehmen somit eine Interessentenkundenbank aufbauen kann. Die Aktion wird von weiteren Marketingmafinahmen wie Anzeigen in regionalen Tageszeitungen und Werbespots uber die Shop-eigenen Plasma-Bildschirme begleitet. Leser der Zeitungsanzeige konnen uber ein Pullverfahren ebenfalls einen SMS-Coupon erhalten und demselben Prozess, wie oben beschrieben, folgen. Zielsetzung der Aktion ist es, wechselbereite Kunden zu gewinnen und mogliches Cross-Selling Potenzial abzuschopfen, indem ein gewlsser Rabatt zusatzlich auf Zubehor am PCS gewahrt wird. Ausgefullte Adress-Coupons dienen als Basis fur den Aufbau einer Kundendatenbank.
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Grundsatzlich lasst sich fur die oben beschriebene Aktion zusammenfassen, dass Coupons haufiger eingelost werden, wenn der User bereits am POS ist. Gewinnspiele, bei denen der Couponempfanger einfach nur seinen Gewinn abholt, sind attraktiver als Tarif-Rabattierungen. Kritisch fur den Erfolg von Mobile Couponing ist insbesondere, dass die Kommunikation an der Akzeptanzstelle rund um die Coupon-Aktion auffallend und selbsterklarend ist, was In der Tarifvlelfalt von Mobllfunkunternehmen eine Herausforderung darstellt. Auch fur M-Couponing bestatlgt sich, es im Rahmen der Gesamtmarketingstrategle zu integrieren und abzustimmen Ist. Mobile-Couponing bei Bestandskunden EIn Mobllfunkunternehmen hat den Vortell, dass es jeden einzelnen Kunden anhand seiner Mobilnummer eindeutig Identifizleren kann und sein Telefonieverhalten nachverfolgen kann. DIese vielfaltlgen Informatlonen werden gesammelt und Im CRM-System hinterlegt. Auf dieser Datenbasis lassen sich leicht Kundensegmente bllden, die sich z. B. in „Vieltelefonlerer" oder „technlsch afflner Telefonlerer", „nur Wochenendtelefonlerer" unterschelden lassen. Bines dieser Bestandskundensegmente, die sich durch die besondere Afflnltat zu Kllngeltonen, Datendlensten, Wap Services und durch Ihr Alter (von 18 bis 25) auszelchnen, wird fur eine Couponlng-Aktion ausgewahlt. DIese Zielgruppe erhalt per SMS einen Coupon mit einem Indlviduellen Code zugesendet. Der Coupon kann eingelost werden, Indem der Kunde mit dem Code auf die SMS antwortet. Die Akzeptanzstelle Ist hier das Handy selbst. Nach EIngang der „Antwort" beim Unternehmen, erhalt der Kunde eInen WAP-Push mit einer speziellen Selte und Link zu den RIngtone Charts auf sein Mobilfunkgerat gesendet. Ober das Handy wahit sich der Kunde seinen Lleblingskllngelton aus. DIesen ladt er dann uber den Code direkt auf sein Handy. Als Bestatigung erhalt er nach dem Vorgang eine SMS. Die Gutschrlft, respektive die Abrechnung des heruntergelandenen Kllngeltons, erfolgt uberdle Mobilfunkrechnung des Netzbetrelbers.
Fazit Mobile-Couponing ist einfach, da es ohne eine grofie Anzahl von MIttler bzw. Schnittstellen (vgl. Abblldung 2) auskommt. Dennoch muss sehr sorgsam die Zielgruppe gewahit werden, von denen hohe Responseraten zu erwarten sind. Die Mobllfunkpenetratlon In der Bevolkerung ist mittlerweile sehr hoch; allerdlngs kann es nicht jeder Mobilfunktellnehmer ausrelchend gut bedienen, um sich den technischen Anforderungen zu stellen. Des Welteren muss der Vortell, den der Coupon
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auslobt, groft genug sein muss, damit der Kunde ihn auch einlost. Die Ersparnis beim Herunterladen von Klingeltonen liegt bei wenigen Cents, was nicht ausreichend ist, urn hohe Einlosequoten zu erzielen. Der grofie „Couponing-Hype" bleibt bislang in Deutschland noch aus, Unternehmen setzen Coupons bislang sehr selektiv ein, da es auch nicht fur jede Branche und jedes Produkt gleichermafien geeignet ist - eingebettet in ein funktionierendes CRM System bietet das Instrument allerdings viel Potenzial bei uberschaubaren Risiken.
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Kundenbindung in B2B-Beziehungen Diana-Nadine Bohm/Carsten Rennhak/Tara Ebert Hohe Kundenanforderungen, steigender Wettbewerbs- und Kostendruck sowie die momentan angespannte gesamtwirtschaftliche Lage zwingen Untemehmen zu einer immer besseren Marktbearbeitung. Hierbei steht nicht mehr das Produkt im Mittelpunkt erfolgsorientierter Hersteller, sondern die Beziehung zwischen Industrie und Handel.530 Demnach sollte der Hersteller den Handler nicht als Heifer in seinem Warenverteilungssystem betrachten, sondern als eigenstandig entscheidenden Kunden, der wiederum fur eine noch grodere Gruppe von Kunden handelt.^^^ Vor diesem Hintergrund bildet das vertikale Marketing den Ausgangspunkt fur diesen Beitrag. Zunachst werden die Dimenslonen des vertikalen Marketings aufgezeigt und die Wirkungskette der Handlerbindung analysiert. Im Anschluss wird dann das Konzept des Collaborative Customer Relationship Management als Strategieansatz fur effiziente Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel vorgestellt.
Dimensionen des vertikalen Marketings und der Kundenbindung Fur die Beziehung von Industrie und Handel ist das vertikale Marketing von ausschlaggebender Bedeutung. Abblldung 1 veranschaulicht die unterschiedlichen Dimensionen des vertikalen Marketings.
„Trade-Marketing" B2B-Marketing
„Handels-Marketing" B2C-Marketing
„Vertikales Marketing"
Abblldung 1: Dimensionen des vertikalen Marketing ^^^
530 Vgl. Beutln/Grozdanovlc (2005), S. 1. 53^ Vgl. Kotler/Bllemel (2001), S. 1073. ^^^
In Aniehnung an Ahlert et al. (1996), S. 323 und Czech-Wlnkelmann (2002), S. 13.
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Unter dem Begriff vertikales Marketing wird demnach ein Marketingansatz verstanden, der die Endkonsumentenbeeinflussung zum Ziel hat und dies uber ein koordiniertes Vorgehen, uber alle Marktstufen (z. B. Vorlieferant, Hersteller, Grofihandler, Einzelhandler) hinweg, realisiert.533 vvird die Beziehung zwischen Handel und Konsument betrachtet, so wird von Handels-Marketing, also dem Marketing der Handelsbetriebe, gesprochen.^^^ Trade-Marketing hingegen ..betrifft den Teil der marktstufenbezogenen Aktivitaten, die der Hersteller gegenuber alien in den Absatzweg seiner Produkte eingeschalteten Absatzmittler ergreift." ^35 Der vorliegende Beitrag thematisiert die Geschaftsbeziehung zwischen Hersteller und Handel. Fur die Beziehung von Hersteller und Handel ist vor allem die Machtverteilung vor allem bei Preisen, Prozessen und Kommunikation der jeweiligen Partner von grofier Bedeutung. Entsprechend kann sowohl die Macht des Herstellers als auch die Macht des Handlers donninieren.^^e |n vielen Branchen aufiert sich die Machtverlagerung hin zum Handel in steigenden Anforderungen an die Hersteller bzw. immer geringer werdenden Leistungsubernahmen durch den Handel.537 (jm diesen Entwicklungen entgegenzuwirken kommt aus Sicht der Hersteller der Kundenbindung eine erhebliche Bedeutung zu. Wahrend bislang die Kundenbindung im „klassischen" Marketing aufgezeigt wurde, soil nun eine differenzierte Betrachtung bei vertikaler Marktbearbeitung dargestellt werden. Als Kernaufgaben der Hersteller sind die zwei Dimensionen Markenaufbau und Bindung des Endverbrauchers zu nennen.^^^ Diese beeinflussen nicht nur den Konsumenten, sondern auch indirekt den gesamten Absatzkanal, da eine starke Marke sowohl den Endkonsumenten als auch den Handel an den Hersteller bindet. Dementsprechend hat ein Anstieg der Konsumentennachfrage auch einen Anstieg der Nachfrage des Handlers zur Folge. Neben der Kundenbindung uber die Marke des Herstellers, versucht auch der Handler den Endkonsumenten an sein Unternehmen zu binden. Dies wird als Einkaufsstattenbindung bezeichnet und kann mit Hilfe gezielter Kundenbindungsmafinahmen realisiert werden. Die dritte Dimension der Kundenbindung ist die Bindung des Handels durch den Hersteller. Diese Wirkungskette Hersteller zu Handel soil nachfolgend differenziert betrachtet werden.
533 vgl. Zentes et al. (2005), S. 170. 534 Vgl. Hadeler/Winter {2000), S. 1393. 535 Dec/cer(2000), S. 32. 536 Vgl. Zentes et al. (2005), S. 171f. 537 z. B. Forderungen nach besseren Konditionen (vgl. Beutin/Grozdanovic 2005, S. 1f.). 538 Vgl. Goerdt (1999), S. 8ff.
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Die Wirkungskette der Hersteller- und Handlerbindung im vertikalen Marketing Ausgehend von den anbieter- und nachfragerbezogenen Aspekten der Kundenbindung und der im Mittelpunkt stehenden Sicherung der Kontinuitat, Stabilitat und Intensitat einer okonomisch attraktiven Hersteller-ZHandelsbeziehung wird die Wirkungskette der Hersteller- und Handlerbindung (vgl. Abbildung 2) untersucht. Wesentlicher Bestandteil dieser Erfolgskette ist die Verknupfung zwischen herstellerbezogenen und handlerbezogenen Grofien.^^^ Diesbezuglich wird das Modell der Wirkungskette von Bruhn/Homburg herangezogen.
Unternehmensexterne moderierende Faktoren (hdndlerbezogen)
Hdndlerzufriedenheit
Handlerloyalitat
Handlerbindung
Bewertung durch Soll-lst-Vergleich
Akzeptanz, Vertrauen, positive Einstellungen
Wiederkauf, Cross-Buying, Weiterempfehiung
Unternehmensinterne moderierende Faktoren (herstellerbezogen)
Abbildung 2: Wirkungskette der Hersteller- und Handlerbindung
^^^
Das Ziel der Wirkungskette zwischen Hersteller und Handler liegt im Erreichen eines hoheren okonomischen Erfoigs durch eine starkere Handlerbindung. Die so genannten moderierenden Faktoren beeinflussen die gesamte Bindungsphase zwischen Hersteller und Handler uber die Zeit hinweg. Sie konnen zunachst in unternehmensexterne (handlerbezogene) und unternehmensinterne (hersteller-bezogene) Faktoren unterteilt werden. Sie wirken sowohl positiv wie negativ auf die unterschiedlichen Prozessbestandteile Kontakt, Handlerzufriedenheit, Handlerloyalitat und Handlerbindung der Wirkungskette.^"^^ Unternehmensexterne, handlerbezogene Faktoren sind beispielsweise Heterogenitat der Erwartungen, Ertragspotenzial der Handler, unterschiedliche Auffassungen des Images, Preisbereitschaft oder
539 Vgl. Brt7/7n (2001), S.57f. ^^^
In Aniehnung an Homburg/Bruhn (2005), S. 10.
541 Vgl. 8rty/7n (2001), S.57f.
263
Variety-Seeking-Motive.5^2 Auf der anderen Seite verandern untemehmensinterne moderierende Faktoren die Wirkungsweise. Diesbezuglich sind vor allem Wechselbarrieren, die Individualitat der Leistung, Heterogenitat des Leistungsspektrums, Moglichkeiten vertraglicher Bindung und Ausgestaltung der handlerbezogenen Informationspolitik zu nennen.^^^ Nach der Kontaktaufnahme von Handler und Hersteller durch die Inanspruchnahme einer Dienstleistung oder dem Kauf eines Produktes, steht die Handlerzufriedenheit als nachstes Ziel. Im taglichen Sprachgebrauch bestehen kaum Verstandigungsprobleme bei der Nutzung des Zufriedenheitsbegriffs. In der wissenschaftlichen Forschung hingegen gibt es zahlreiche Ansatze, wie Zufriedenheit definiert werden kann.^"^"^ Bezuglich der theoretischen Fundierung stutzen sich jedoch viele Arbeiten auf das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma (C/D-Paradigma).^^^ vor diesem Hintergrund kann Zufriedenheit als das Ergebnis eines kognitiven Bewertungsprozesses, in dessen Rahmen eine erwartete oder gewunschte Soll-Leistung mit der tatsachlich wahrgenomnnenen Ist-Leistung verglichen wird, verstanden werden.^"^^ Jedoch gibt es Unstimmigkeiten daruber, ob die genaue Erfullung der Erwartung schon Zufriedenheit des Handlers auslost, oder diese erst im Zusammenhang mit der Gbererfullung von Erwartungen entsteht.^"^^ Ubersteigt demnach die tatsachliche Leistung die En/vartung, stellt sich beim Kunden Zufriedenheit ein. Folglich ist das Resultat nach einem Bewertungsprozess, indem die Erwartungen nicht erfullt sind, Unzufriedenheit.^^s Weitere neuere Erklarungsansatze berucksichtigen neben der kognitiven auch die affektive Betrachtungsweise der Zufriedenheit.^"^^ Diesbezuglich kann Zufriedenheit „als emotionale Reaktion auf einen kognitiven Vergleichsprozess" verstanden werden.^50 vor allem in Business-to-Business-Markten wird Zufriedenheit als positive affektive Gegebenheit, die nicht aufgrund einzelner Transaktionen sondern aufgrund einer Geschaftsbeziehung entsteht, definiert. Diese sowohl affektive als auch kognitive Betrachtung besteht aus der Bewertung aller Aspekte einer Geschaftsbeziehung und umfasst okonomische und psychosoziale Perspektiven der Zufriedenheit. So zeigen die okonomische Zufriedenheit, inwieweit wirt-
5^2 vgl. Homburg/Bruhn (2005), S. 10. Unter Variety-Seeking wird das Abwechslungsstreben eines Individuums verstanden, welches jedoch im Business-to-Business-Bereich eher selten eine Rolle spielt (Vgl. Bansch 1995, S. 343ff.; Tietz 2002, S. 43). 543 Vgl. Homburg/Bruhn (2005), S. 10. 544 Vgl. Homburg et al. (2005), 8. 96 und Rudolph (1998), S. 11. 545 Vgl. Homburg et al. (2005), S. 96ff.
546 Vgl. Bergmann (1998), 3.23. ^'^'^ Vgl. Homburg et al. (2005), 8. 97f. 5"^^ yglWIIkoszewski{200^),S.^2. 54^ Vgl. Werar?/(2004), 8.163f. 550 Rticyo/p/7(1998), 8. 13.
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schaftliche Erwartungen in Bezug auf die Geschaftsbeziehung erfuJlt werden, und die psychosoziale Zufriedenheit die positiv bewerteten Aspekte der Beziehung.^^^ Nach der Eriauterung des Konstruktes Handlerzufriedenheit wird nachfolgend aufgezeigt, wie wichtig die Kundenzufriedenheit bei der Hersteller-ZHandlerbindung ist. Wahrend unzufriedene Handler abwandern, sich beschweren, Unternehmensboykott Oder negative Mund-zu-IVIund-Werbung gegenuber Marktpartnern oder Dritten betreiben konnen, hat Zufriedenheit positive Mund-zu-Mund-Werbung oder Loyalitat zur Folge.^^^ Diesbezuglich herrscht sogar Einigkeit daruber, dass Handlerloyalitat hauptsachlich aus der Zufriedenheit der Handler mit dem Produkt und/ Oder dem Hersteller resultiert.^^^ Der Zusammenhang von Zufriedenheit und Loyalitat wird meist durch eine sattelformige Funktion beschrieben.^^"^
<0
>«
Negative Mund-zuMund-Propaganda Abwanderung, Beschwerde
o
Zufriedenheit
Abbildung 3: Funktionaler Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Loyalitat ^^^
^^"^ Positiv zu bewertende Aspekte konnen hierbei beispielsweise weciiselseitige Unterstutzung, gegenseitige Wertschatzung und freundschaftliche Kontakte sein (vgl. Werani 2004, S. 163f.). 552 Vgl. Rudolph (1998), S. 28ff. und Schaper{200^), S. 70ff. 553 Vgl. Hermann et al. (2000), S. 297. ^^"^ Vgl Homburg, et al. (2005), S. 105ff. und Rudolph (1998), S. 31f. 555 In Aniehnung an Matzler/Stahl (2000), S. 634.
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Loyalitat ist somit das Ergebnis eines psychologisch-evaluativen Entscheidungsprozesses, bei dem verschiedene Altemativen unter Berucksichtigung entscheidungsrelevanter Kriterien verglichen werden.556 Dementsprechend besteht Handlerloyalitat aus einer positiven Einstellung gegenuber dem Hersteller und der Akzeptanz des Handlers bezuglich der Leistungsfahigkeit der Industrie.^^7 Betrachtet man das loyale Wiederkaufverhalten naher, so lasst sich feststellen, dass es unterschiedliche Einflussgrofien gibt, zu denen die Handlerzufriedenheit^^^, die Einstellung zum Produkt, die Habitualisierung559 und die Wechselkosten gehoren. Die Einstellung zum Produkt wird nach Kroeber-RielAA/einberg (2003, S. 169) „als subjektiv wahrgenommene Eignung eines Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation" definiert. Diese Beurteilung des Gegenstandes erfolgt aufgrund gespeicherter Ansichten und dem Wissen uber das Produkt. Beim Kauf eines Produktes beziehungsweise beim Eingehen einer Geschaftsbeziehung entscheidet sich der Handler annahmegemafl fur das Produkt beziehungsweise die Geschaftsbeziehung, die ihm den grofiten Nutzen stiftet.5^^ Folglich tragt auch der Gesamtnutzen eines Produktes/einer Geschaftsbeziehung zum Entscheidungsprozess bei. Die dritte Determinante der Loyalitat ist die Habitualisierung. Als routinemaBiges oder habituelles Verhalten werden Einkaufsgewohnheiten bezeichnet.^^^ Habltuallsierte Kaufentscheidungen sind Entscheidungen mit geringer kognitiver Kontrolle. Wird diese kognitive Steuerung vollig entlastet, lauft die Kaufentscheidung reaktiv ab und fuhrt mit zlemlicher Wahrscheinllchkeit zu einem Wiederkauf und infolgedessen zu loyalem Verhalten. Letztendlich sind Wechselkosten als Einflussgrofie des loyalen WIederkaufverhaltens anzufuhren.^^^ Zu diesen gehoren neben Such- und Informatlonskosten auch psychologische und okonomische Kosten.563 Insgesamt kann man sagen, dass Loyalitat ein aufierst unsicheres und schwer planbares Konstrukt der WIrkungskette darstellt, der Handler jedoch schon erste Anzeichen einer verringerten Wechselbereltschaft zeigt und beabsichtigt, in der nachsten Bestell- oder Kaufsituation wieder den entsprechenden Hersteller zu wahlen.^^"^
556 Vgl.8ergmann(1998), S. 22. 557 vgl. Homburg/Bruhn (2005), S. 9. ^^^ Vgl. Bergmann (1998), S. 22. 55^ VQ\. Bergmann {^998),S. 27. 560 Vgl. Bergmann (1998), S. 30 und Tietz (2002), S. 38ff. 55t Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 400f. ^^2 Vgl. Bergmann (1998), S. 30 und Tietz (2002), S. 38f. 5^^
Such- und Informatlonskosten sind direkte Wechselkosten; unter psychologischen Kosten wird in diesem Zusammenhang beispielsweise das Vertrauen zum Hersteller oder Sicherheit, unter okonomischen Kosten zum Beispiel Vertragskosten, verstanden. 554 Vgl. Homburg/Bruhn (2005), S. 9.
266
Der Wandel von Handlerloyalitat zu Handlerbindung erfolgt nun, wenn sich die positive Einstellung bzw. die Akzeptanz des Herstellers auch wirklich in einenn Wiederkauf, Cross-Selling oder einer Weiterempfehlung aufiert. In Aniehnung an Homburg/ Bruhn (2005, S. 9) und D/V/er (2001, S. 173ff.) definieren wir Handlerbindung als die Gesamtheit der Aktionen eines Herstellers zur Sicherung, Stabilisierung und Verbesserung der Geschaftsbezlehung, urn sowohl das tatsachliche Verhalten als auch die Verhaltensabsicht des Handlers gegenuber dem Hersteller positiv zu beeinflussen. Somit liegt eine Handlerbindung vor, wenn regelmafiig Informations-, Outer- oder Finanztransaktionen zwischen dem Hersteller und Handler stattfinden oder geplant sind. Ausgehend von dieser Definition gibt es unterschiedliche Grofien, die die Bindung des Handels nicht nur positiv sondern auch negativ beeinflussen kdnnen. Als wesentliche Aspekte werden hier die Beziehungsqualitat und der Beziehungsnutzen herausgegriffen.5^5 Der Erfolg der Handlerbindung basiert auf einer hohen Qualitat der Geschaftsbezlehung. Dabei entsteht die Beziehungsqualitat aus dem Zusammenwirken von Handlerzufriedenheit, Vertrauen und Commitment.^ee Wobei man unter Vertrauen den Glauben daran versteht, dass ein Geschaftspartner sich nicht anders als abgesprochen bezlehungsweise nicht opportunistisch verhalt. Ahnlich wie Vertrauen ist auch Commitment ein wichtiger Bestandteil langfristiger Beziehungen und wird als „an enduring desire to maintain a valued relationship" definiert.^^/ Die Beziehungsqualitat ergibt sich somit aus der Gute der erhaltenen Leistung, dem Vertrauen, dass der Hersteller sich nicht zu ungunsten des Handlers verhalt und dem Wunsch nach einer bestandigen Beziehung. Neben der Beziehungsqualitat wird die Handlerbindung auch von dem Beziehungsnutzen, den die Geschaftsbezlehung stiftet, beeinflusst. Unter dem Beziehungsnutzen sind die Nutzengewlnne zu verstehen, welche Geschaftspartner in einer langfristigen Geschaftsbezlehung, jenseits der Kernleistungen, erhalten.568 Hierbei ruckt insbesondere der okonomlsche Aspekt in den Mittelpunkt der Betrachtung.569 Demnach ist eine Geschaftsbezlehung, welche langfristige Gewinne ermoglicht, Ziel der Handlerbindung. Schlussendlich fuhrt die Handlerbindung aufgrund der eingetretenen Wirkungseffekte zu der gewunschten Erhohung des okonomischen Erfoigs (vgl. Abbildung 2).570
565 Vgl. Laurent (1996), S. 115ff. 566 Vgl. Diller{200^), S. 173ff. 567 Vgl. Garbarino/Johnson (1999), S. 71. 5^^ Vgl. Gwinneretal.
(1998), S. 104ff.
^^^ Vgl. Laurent {^996), S. 118f. 57'0 Diese Erfolgswirkungen der Handlerbindung sind auf eriossteigernde und kostensenkende Aspekte, wie erhohte Preisbereitschaft gebundener Kunden, Kauffrequenzsteigerungsabsicht, etc., zuruckzufuhren (vgl. Bruhn/Georgi 2005, S. 603ff.).
267
Die Kundenbindung als ein Instrument des Collaborative Customer Relationship Management Die Marken- und Einkaufsstattenloyalitat der Endkunden ist rijcklaufig. Somit geraten Hersteller und Handler waiter unter Druck- als auch auf Handelsebene deutlich rucklaufige Ertrage verzeichnet.^''^ Vor diesem Hintergrund richteten Industrie und Handel ihr Augenmerk verstarkt auf Collaborative Customer Relationship Management572 als Form der vertikalen Kooperatlon, urn gemeinsam eine Verbesserung der Ertragsstruktur zu bewirken.573 Bisher getrennt durchgefuhrte Marketingaktivitaten zur Zielkundenidentifizierung, -gewinnung, -bindung und -weiterentwicklung, die in einem Kooperationssystem jedoch dysfunktional sind, konnen nun mit Hilfe des Collaborative Customer Relationship Managements gemeinsam durchgefuhrt werden.57^ Collaborative Customer Relationship Management stellt eine Weiterentwicklung der Nachfrageseite des Efficient Consumer Response-Konzeptes dar.575 oer seit Anfang der neunziger Jahre vielfach diskutierte Begriff Efficient Consumer Response beinhaltet die Ausrichtung vertikaler Kooperationsstrategien in der Logistik und der Marktbearbeitung am Point of Sales.^76 Hierbei soil unter ganzheitlicher Betrachtung der Wertschopfungskette der gesamte Waren- und Informationsfluss zwischen Hersteller und Handel optimiert und gesteuert werden.^^^ Eine Anpassung der einzelnen Wertschopfungsstufen wird mittels verschiedener Teilstrategien des Efficient Consumer Response-Konzeptes n\6g\\ch.^'^^ Wahrend mit der Efficient Replenishment-Strategie logistikorientierte Prozesse wie Supply Chain Management und das weiterentwickelte Konzept des Collaborative Planning, Forecasting und Replenishment Konzeptes entstanden sind und damit im Warenfluss zum Teil erhebliche Einsparungen erzielt werden konnten, ruckt nun das Marketinginteresse und damit die Nachfrageseite verstarkt in den Mittelpunkt.579 Efficient Assortment, Efficient Promotion und Efficient Product Introduction bilden die am Verbraucher-
57'V Vgl. GoerQff(1999), S. 9f. 57'2 vgl. Kracklauer et al. (2004a), S. 3f. ^ ^ ^ Vertikale Kooperationen bezeichnet hier die auf Dauer angelegte, freiwillige, zielorientierte Zusammenarbeit von rechtlich und wirtschaftlich selbststandigen Unternehmen oder Systemen in Industrie und Handel (vgl. hierzu Laurent 1996, S. 5 und 56f.). 574 Vgl. Kracklauer et al. (2004b), S. 27f. 575 oie Nachfrageseite entspricht der Marketingseite und die Angebotsseite der Logistikseite (vgl. Kracklauer et al. 2004b, S. 25f.); zum Konzept des Efficient Consunner Response vgl. Ehrl (1997), S. 1 und Hamburg et al. (1996), S. 2. 576 Vgl. E/7r/(1997), S . I . 577 Vgl. Hamburg et al. (1996), S. 2. ^"^^ Vgl. Hamburg et al. (1997), S. 2. ^'^^ Vgl. Gaerdt (1999), S. 10 und Kracklauer et al. (2004b), S. 25f; zu Supply Chain Management und Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment-Ansatz vgl. Bauer/Gortz (2002), S. Iff.
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verhalten ausgerichteten Schwerpunktstrategien, die das Category Management im Rahmen des Efficient Consumer Response-Konzeptes beinhaitet.^so lm vertikaien Relationship Marketing konnen Wettbewerbsvortelle, wie verbesserte Kundenloyalitat, iioherer durchschnittlicher Umsatz pro Kunde sowie eine Starkung der Marke niciit nur durch Warengruppenmanagement, sondern auch durch effiziente Kundenbindung erreicht werden. Demzufolge entstand das Collaborative Customer Relationship Management als eine weiterentwickelte Form des Category Managements.56^ Wenngleich die gemeinsame Identifizierung, Gewinnung und Weiterentwicklung von Zielkunden wesentliche Bestandteile des vertikaien Relationship Marketings sind, so spielt die Bindung der Kunden in Zeiten gesattigter Markte und schwindender Renditen eine immer groflere Rolle, um den Kampf um den Customer Lifetime Value zu gewinnen. Deshalb soil im Folgenden vor allem auf die Kundenbindung als Instrument des Collaborative Customer Relationship Management eingegangen werden Die Zielsetzung des Collaborative Customer Relationship Managements ist es, gemeinsam sowohl fur den Hersteller als auch fur den Handler und Konsumenten einen Mehrwert und infolgedessen eine „Win-Wln-Win"-Situation zu schaffen, um hohere Kundenzufriedenheit, hohere Einkaufsstattentreue und hohere Markentreue zu erzielen.582 Im Rahmen isolierter Bindungsmaflnahmen kann es zu einem Bindungswettbewerb kommen, da Hersteller und Handler in gleichem Mafte versuchen den Endverbraucher in Form von Direktmarketing, Endverbraucherwerbung, Kundenaktivitaten etc. fur sich zu gewinnen.^^^ Entsprechend tragt zum Beispiel der DIrektvertrieb von Waren iiber das Internet seitens des Herstellers dazu bei, den Kunden zu binden, hemmt jedoch andererseits die Geschaftsbeziehung zum Handler. Ebenso erglbt sich ein Konfliktpotenzial, wenn ein Handler eigene Handelsmarken einfuhrt bzw. bei einem gijnstigeren Groflhandelsunternehmen einkauft.^s^ Um diesem Bindungswettbewerb und der autonomen Steigerung der Marken- bzw. Einkaufsstattentreue aus dem Weg zu gehen und die erwunschte Win-Win-Win-Situatlon zu erreichen, mijssen kooperative Mafinahmen durchgefuhrt werden. Vertikal orientierte Relation-
^ ^ ^ Zum Ansatz des Category Management Konzeptes vgl. Bauer/Gortz (2002), 3.1 Off. 5S^ Vgl. Kracklauer et al. (2004b), 8. 25. 582 Vgl. Kracklauer etal. (2003), S. 87ff. 58^ Entsprechend tragt zum Beispiel der Direktvertrieb von Waren Ciber das Internet seitens des Herstellers dazu bei, den Kunden zu binden, hemmt jedoch andererseits die Geschaftsbeziehung zum Handler. Ebenso ergibt sich ein Konfliktpotenzial, wenn Handler Handelsmarken einfuhren (vgl. Goerdt 1999, S. 21f.). 584 Vgl. Goerdt (1999), S. 21f.
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ship Marketinginstrumente zur Kundenbearbeitung sind Co-Marketing, Joint Market Research, Category Management sowie kooperative Kundenbindungsprogrampne.585 Fur eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit sollte das Augenmerk jedoch nicht nur auf marketingorientierte Instrumente, sondern auch auf struktur-, technologie- und logistikorientierte Unterstutzungsmaflnahmen im Rahmen des Efficient Consumer Response-Konzeptes gerichtet werden.^^^
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^^^ Zur begrifflichen Abgrenzung der vertikalorientierten Kundenbindungsmafinahmen vgl. Kracklaueretal. {2004b), S.35ff. 586 2ur begrifflichen Abgrenzung der logistikorientierten Unterstutzungsmaflnahmen wie Supply Chain Management und Collaborative Planning Forecasting and Replenishment vgl. Kracklauer et al. (2004b), S. 53ff.; Zur begrifflichen Abgrenzung der struktur- und technologieorientierten Unterstutzungsaktivitaten wie zum Beispiel Multi-Functional Teams Oder IT-lnfrastruktur vgl. eat;er/G6rfz (2002), S. Iff.
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271
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Kundenbindung durch AuBendienstmanagement - das Konzept der Lekkerland GmbH & Co. KG Stefan Boots/Marion Halfmann/Holger Stahl Das Unternehmen Lekkerland GmbH & Co. KG wurde erstmals im Jahre 1955 in den Niederlanden namentlich erwahnt. In Aniehnung an das niederlandische Wort "lekker", das mit Jecker, sufi, genusslich und appetitllch" ubersetzt wird, schlossen sich damals mehrere Sufiwarengrofihandler zusammen. 1960 folgte dann die Grundung von Lekkerland Deutschland. In den darauf folgenden Jahren kam es zu zahlrelchen strategischen Zusammenschlussen und Fusionen, u. a. mit der Tobaccoland GmbH & Co. KG, bis sich schlieBlich die heutige Lekkerland GmbH & Co. KG (im Folgenden: Lekkerland), mit Unternehmenszentrale in Frechen bei Koln, formierte. Von der Unternehmenszentrale in Frechen aus werden alle operationalen und strategischen Ziele festgelegt und an die 20 Niederlassung im Inland und die 8 Landergesellschaften (Spanien, Niederlande, Belgien, Schweiz, Osterreich, Tschechien, Slowakei, Ungarn) kommuniziert. Im abgelaufenen Geschaftsjahr 2004 belief sich der Umsatz auf mehr als 8 Mrd. EUR. Lekkerland beschaftigt in seinen 20 Inlandsniederlassungen, der Zentrale in Frechen bei Koln und den 8 Auslandsgesellschaften 6500 Mitarbeiter, davon 4300 im Inland (174 Auszubildende). Des Weiteren stehen 1036 Fahrzeuge zur Verfugung, die aus 41 strategisch vorteilhaft platzierten Lagern die Klienten von Lekkerland kundennah bedienen konnen. Der Schwerpunkt der Geschaftsaktivitaten liegtdabei auf folgenden Produkten und Dienstleistungen: Tabakwaren Food/Non-Food Telekommunikation: E-Loading Service: „Alles aus einer Hand" Logistik: Best Practice Vertrieb Lekkerland beliefert in Europa rund 116.000 Kunden. Zu den namhaftesten gehoren u. a.: Esso, Aral, BP, Shell, Burger King, Wal*Mart, Karstadt, Woolworth, Kaufland. Zwischen den Kunden (B2B) und den Herstellern aglert Lekkerland als Mittler am Markt. Jedoch ist das Unternehmen mehr Servicepartner als reiner Grofihandel, da es fur den Kunden Sortimente und Produkte, auf den Endverbraucher ausgerlchtet zusammenstellt. Um dies richtig einschatzen zu konnen, ist ein erhebliches Marktwissen notwendig, das sich Lekkerland kontinuierlich durch Marktbeobachtungen verschafft. Die Anforderungen und Wunsche der Kunden werden mit einem breiten
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Beratungs- und Dienstleistungsangebot befriedigt. Die nationalen und intemationalen Grofikunden werden durch zentrale Key-Account Manager betreut. Fur die Betreuung der Regional und Systemkunden stehen mehr als 500 Aufiendienstmitarbeiter zur Verfugung.
Ziele und Instrumente des Lekkerland-Kundenbindungskonzepts Die Markt- und Wettbewerbsbedingungen haben sich in den letzten Jahren stark verandert. Die Zeiten, als unkritisch konsumiert wurde und ausschliefiJich die Verkaufer fur die Umsatzgenerierung verantwortlich waren sind langst vorbei. Fur die Lekkerland GmbH wird es immer schwieriger, langfristig zu wachsen und hohere Ertrage zu erwirtschaften. Auch ist die EnA/artungshaltung der Kunden drastisch gestiegen und steigt kontinuierlich weiter - der Markt hat sich von einem Verkaufer- zu einem Kaufermarkt gewandelt. Durch diese Gegebenheiten hat sich die Lekkerland GmbH & Co. KG zum Ziel gesetzt, auf individuelle Kundenwunsche verstarkt einzugehen, ihnen individuellere Problemlosungen zu bieten und ihnen einen echten MehnA/ert durch die Beziehung zu verschaffen. Dadurch wird die Chance wahrgenommen treue, rentable Kunden verstarkt zu binden und sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Primares Ziel eines effektiven Kundenbindungsmanagements sollte sein, die frelwillige Bindung der Kunden an Lekkerland zu steigern. Ausschlaggebender Grund fur eine gesteigerte Kundenbindung ist die Kundenzufriedenheit. Bei der Implementierung eines professionellen Kundenbindungsmanagements wird, unter Zuhilfenahme geeigneter Kundenbindungsinstrumente, die Kundenzufriedenheit so gesteuert, dass eine emotionale Bindung entsteht. Bin Wechsel der Geschaftsbeziehung ist zwar jederzeit moglich, er bleibt aber aus, well der Kunde durch eine personliche Beziehung loyal zum Unternehmen steht und keine Wechselabsichten hegt. Aus der Wirkungskette der Kundenbindung lassen sich Neukundengewinnung, Steigerung der Kundenzufriedenheit und die Verbesserung der Kundenloyalitat als Ziele des Kundenbindungsmanagements ableiten.
274
Kundenorientierter Audendienst als zentrales Kundenbindungsinstrument bei Lekkerland Aufgrund der hohen Bedeutung der Kundenbindung fur das Marketing bei Lekkerland, nutzt das Unternehmen eine Bandbreite von Bindungsinstrumenten von gangigen Kommunikationsinstrumente (Kundenzeitschriften, Events, Direct Mailings etc.) bis hin zu Beschwerdemanagement und preis- sowie leistungspolitischen Bindungsinstrumenten. Fur ein vertriebsorientiertes Unternehmen wie Lekkerland stellt daneben vor allem ein kundenorientierter Aufiendienst das wohl starkste Bindungsinstrument dar. Durch die Moglichkeit der personlichen Ansprache, Verfugbarkeit vor Ort und die individuelle Gestaltbarkeit der Beziehung zwischen Mittler und dem Kunden, ist der Erfolg der Kundenbindung kaum zu ubertreffen. Im Allgemeinen ubernimmt ein kundenorientierter Aufiendienst dabei die folgenden Funktionen: •
Aufbau einer intensiven und langfristigen Beziehung zum Kunden
•
Unterstutzung und Hiifestellung bei kundenindividuellen Problemstellungen (BetriebsfiJhrungsprogramme, POS-Verkaufshilfen)
•
Informationen uber Neuentwicklungen und Sondierung uber Zukunftschancen
•
Sortiments- und Platzierungsempfehlungen (Regalplatzoptimierung)
•
Kompetenter Ansprechpartner bei der Entwicklung neuer Produkte/ Dienstleistungen
•
Informationsgeber bei Neuerungen und Veranderungen des Marktes
Die Auflendienstmitarbeiter werden kontinuierlich geschult, um die o.g. Fahigkeiten zu beherrschen und den Anforderungen der Kundenbindung zu entsprechen. Ein Fehlverhalten bzw. mangelhafte Kompetenz kann zur Folge haben, dass Kunden zur Konkurrenz abwandern. Das Vertriebsmanagement ist hier zur Kontrolle des Auflendienstpersonals verpflichtet. Servicerichtlinien konnten ein Ansatzpunkte zur Gewahrleistung der Qualitat des Aufiendienstes sein (vgl Abbildung 1).
275
Gesprachsvorbereitung •
Besprechung des Entwicklungsstands des Kunden mit der Vertriebsleitung
•
Diskussionsrunden der AuRendienstmitarbeiter und der Verkaufsleitung bezuglich Vorschlagen zur GesprachsfiJhmng mit dem Kunden
•
Kontinuierliche Feedbackgesprache uber den Stand der Verkaufstatigkeit
•
FortlaufendeWeiterbildung und Motivationsprogramme der Auftendienstnnitarbeiter
Ziel- und Mallnahmenplanung
\
•
Kundenanalyse nicht nur nach Umsatz, sondern auch nach Entwicklungsfahigkeit (Potenzial)
•
\
/ / / /
Kundenbindungs- und Betreuungsprogramme • Gesprachaufbau nach einem kundenorientierten Leitfaden (Struktur, Verkaufsargumente), mit Abait)eitungsstand • Anregungen fur neue Produkte/ Dienstleistungen •
Bildung von Arbeitsteams („runder Tisch") zum Austausch von Verbesserungsvorschlagen und Erfahrungen
Abbildung 1: Gesprachsvorbereitung und Ziel-/Maflnahmenplanung
bei Lekkerland
Im Detail werden die dargestellten RIchtllnien im Rahmen eines spezifischen Leitfadens zur Aufiendienststeuerung detailliert, der als Orientierungshllfe fur Mitarbeiter im Aufiendienst fungiert und im Folgenden kurz dargestellt wird.
Leitfaden zur kundenbindungsorientierten Audendienststeuerung Lekl^erland GmblH & Co. KG
bei der
Aus Erfahrungen bei Lekkerland hat es sich zum Zweck der operativen Umsetzbarkeit bewahrt, die Detaillierung der Eckpunkte eines kundenbindungsorientierten Aufiendienstes im Rahmen eines Leitfadens fur die im Tagesgeschaft stehenden Gebietsverkaufsleiter (GVL) darzulegen, die an der Kundenschnittstelle tatig sind. Der Aufbau des Leitfadens orientiert sich dabei an den zentralen Phasen des Kundenmanagements, das mit der Informationssammlung beglnnt und mit der regelmafiigen Kundenbetreuung endet (vgl. Abbildung 2).
276
Kundenanalyse
• Informationsbeschaffung
)
Kundenansprache/ Akquisition
• Kontaktaufnahme via unterschiedliche IVIedien
\ /
Kundenbetreuung
)
• Obergang in die Regelbetreuung
• Gesprachsvorbereitung • Gesprachsnachbereitung
Abbildung 2: Zentrale Phasen des Kundenmanagements
Um potentielle Kunden ansprechen zu konnen, mussen so viele personen- und umfeldbezogene Informationen wie moglich gesammelt und verarbeitet werden. Diese Informationen sind fur die Vorbereitung eines erfolgreichen Verkaufsgesprachs unabdingbar. Die aus der Vorab-Recherche gewonnenen Daten werden bei Lekkerland mittels eines einfachen Formulars erfasst. Das Formular sollte in jeder Phase des Kundenkontakts, also von der Brief-, Telefonischen-, und Besuchs-Akquisition bis zur und wahrend der Betreuung des (potentiellen) Neukunden, kontlnuierlich mit Informationsdaten und -neuerungen auf dem aktuellsten Stand gehalten werden. Dadurch konnen Aufiendienstnnitarbeiter Informationen uber ihre Kunden abrufen und Gesprache entsprechend vorbereiten. Er kann dann auch bestimmte Aktionen (Geburtstagsgrijfie, zielgruppengenaue Mailings) durchfuhren und den Kunden dadurch nach dessen Bedurfnissen betreuen. Der Aufbau des Formulars wird in Auszugen in Abbildung 3 wiedergegeben.
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Informationen fur die Kundenanalyse
Art der Verkaufsstelle (z.B. Kiosk/Stehkaffee) Grofle der Verkaufsstelle Mitarbeiterzahl Umfeld der Verkaufsstelle Geplanter Umsatz Tatsachlicher Umsatz Nutzung von Konkurrenzangeboten Letzte Reklamationen Verkaufsstelle in Eigentum Oder Miete? Letzte Kontakte Privates (Hobbys, Familie, Kfz) Kundentyp nach Einschatzung des Gebietsverkaufsleiters Informationsstand uber Lekkerland (hoch, mittel, gering)
Abbildung 3: Aufbau des Lekkerland-Formulars fur die Kundenanalyse
Die Kundenansprache erfolgt bei Lekkerland sowohl schriftlich als auch via Telefon Oder personlich. Folgende Leitlinien gelten in dieser Phase als grundlegend fur den Auflendienst: Kontaktaufnahme via Brief/E-Mail Prinzipiell kann jeder Mitarbeiter im Aufiendienst selbstandig und auf kostengunstige Weise per Brief/E-Mail versuchen, potenzielle Neukunden anzusprechen. Sowohl personalisierte Mailings als auch kundenindividuelle Anschreiben kommen in der Praxis zum Einsatz. Im Sinne einer erfolgreichen Kontaktaufnahme sind die Mitarbeiter mit den Prinzipien eines erfolgreichen Briefentwurfs (Stil, Inhalte, Layout) weitgehend vertraut. Neben der inhaltlichen und orthographischen Fehlerfreiheit ist der Empfanger personlich anzusprechen und sollte durch den Brieftext neue und fur ihn interessante Informationen erhalten. Damit das Schreiben nicht mit der taglichen Werbepost verwechselt wird, kommen handgeschriebene und selbst frankierte Umschlage zum Einsatz.
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Zur erfolgreichen schriftlichen Kundenansprache gehoren ferner eine telefonische Nachfafiaktion sowie die Dokumentation des Kundenkontakts seitens des Auflendienstmitarbeiters. Erfahrungsgemafi lassen sich nur durch die konsequente Nachbereitung kunftige Fehler vermeiden und bestehende Fragen auf Kundenseite ausraumen. Telefonakquisition Neben allgemeinen Hinweisen zur Gesprachsfuhrung stehen bei Lekkerland die Vorund Nachbereitung des Telefonats im Fokus der Aufiendienststeuerung bei der Telefonakquisition. Vor dem Beginn jedes Akquisitions- oder interessentengesprachs erarbeitet der Vertriebsmitarbeiter ein individuelles Vorbereitungskonzept anhand definierter Schlusselaspekte (vgl. Abbildung 4).
Gesprachsziele
Kundeninformation
Z.B. Information zu neuen Produkten und Analyse der Bedarfsstruktur des Kunden
Information zu neuen Produkten und Analyse der Bedarfsstruktur des Kunden
Bedarfsanalyse
Kundenbedarf nach Art, Menge, Zeit und Serviceintensitat
Ansprechpartner
Person mit Vor- und Nachname, Funktion
Gesprachseroffnung
Ggf. Bezugnahme auf vorangehendes Mailing, bei Neukunden Vorstellung von Unternehmen und Vertriebsmitarbeiter
Abbildung 4: Kernaspekte der Vorbereitung eines telefonischen Akquisitionsgesprachs
Im Anschluss an das Telefonat erfolgt die systematische Nachbereitung des Akqulsegesprachs. Neben der Protokollierung der wichtigsten Themen des Anrufs sind dabei subjektive Einschatzungen des Vertriebsmitarbeiters z. B. zu Zahlungsbereitschaft, besonderes Merkmalen des Gegenubers etc. explizit gefragt, urn nachfolgende Gesprache bestmoglich vorbereiten zu konnen.
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PersonlichesAkquisitionsgesprach Die direkteste Moglichkeit der Kundenansprache ist das personliche Akquisitionsgesprach vor Ort. Sie ist zugleich auch der komplexeste Kommunikationsprozess. Im Falle von Lekkerland ist haufig vor dem Akquisitionsgesprach ein Mailing bzw. ein Telefonat vorausgegangen. In diesem sollte der Bedarf des Kunden ermittelt worden sein und bereits erste Informationen uber den Kunden vorliegen. Auch werden Kundenbedurfnisse erst beim Gesprach vor Ort geweckt, die dem potentiellen Kunden vorher noch nicht bewusst waren. Durch die Annahme, dass der Auflendienstmitarbeiter bereits Kundenkontakt durch Mailings bzw. telefonisch hergestellt hatte, konnen bereits vorliegende Kundendaten optimal zur Gesprachsvorbereitung genutzt werden. Die Vorteile einer grundllchen Gesprachsvorbereitung liegen auf der Hand. So kann der Vertrieb den Kundenkontakt individuell vorbereiten, einen Gesprachsstart und eine Gesprachssteuerung planen und auf evti. eintretende Einwande eingehen. Folgende Punkte stehen dabei im Vordergrund: •
Einleitung des Gesprachs
•
Kunden- und Bedarfsanalyse
•
Erfolgreiche Angebotsprasentation
•
Reaktion auf Kundeneinwande
•
Gesprachsabschluss
Unmittelbar nach dem Gesprach sind die gewonnenen Erkenntnisse durch den Lekkerland-Vertriebsmitarbeiter zu analysieren und dokumentieren. Alle Vereinbarungen und weiteren Schritte sind anhand der bereits vorgestellten Systematik festzuhalten. Durch ein gezieltes Nachfasstelefonat nach dem Akquisitionsgesprach wird die Erinnerung des Kunden aufgefrischt. Analog der schriftlichen Kontaktaufnahme erfolgt dieses Gesprach in der Regel etwa eine Woche nach dem personlichen Zusammentreffen. Durch das Nachfasstelefonat konnen entstandene Fragen beantwortet, die wesentlichen Kernpunkte des Angebots noch einmal unterstrichen und ggf. ein Nachfolgetermin direkt vereinbart werden. Beim Ubergang in die Regelbetreuung hat der Kunde einen erhohten Bedarf an Beratung und Betreuung. Um dieser Aufgabe bestmoglich nachzukommen, gelten bei Lekkerland eine Reihe von Grundsatzen bei der Aufiendienstarbeit:
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Zeitfenster: Der Aufiendienstmitarbeiter bestimmt selbst, wann der Kunde von der Neukundenbetreuung in die Regelbetreuung ubemommen werden kann. Eine Orientierungshilfe bilden die Umsatzzahlen, die beim Ubergang in die Regelbetreuung einen stetigen Cliarakter annelimen sollte. Kontaktfrequenz: Insbesondere in den ersten Wochen der regelmafiigen Kundenbetreuung sucht der Vertrieb proaktiv den Kontakt zum Kunden. Der Neukunde ist nach der ersten Warenlieferung direkt zu kontaktieren. Im ersten Monat ist eine wochentliche Kontaktaufnalime (Brief/E-IVIail, telefonisch, personiicli) empfehlenswert. Betreuungsintensitat: Urn sicin rundum gut betreut zu fulilen, ist der Vertriebsmitarbeiter fur den Kunden als Anspreclipartner jederzeit erreiclibar. Des Weiteren sollte der Aufiendienst bei proaktiven Kundenanfragen Feedback ijber die bisherige Zusammenarbeit einholen. Verkaufshilfen: Im Rahmen des Ubergangs in die Regelbetreuung kann der Ansprechpartner im Aufiendienst gemeinsam mit dem Kunden ein individuelles Neukundensortiment zusammenstellen. Ebenso erfolgen in intensivem Mafie Beratungsleistungen beispielsweise bezuglich POS-Gestaltung, Wareninformationen bzw. -einsatz sowie Empfehlungen zu Vermarktung und Werbung. Reklamationen: Sollte es wahrend der Neukundenbetreuung zu Reklamationen des Neukunden kommen, kummert sich der Gebietsverkaufsleiter personlich um die Aniiegen des Kunden. In Situationen, in denen der Kunde seine Unzufriedenheit auflert (meist telefonisch), sollte der Auflendienst rasch fur Abhilfe sorgen. Dabei sind gewisse Regein zu beachten: Aktives Zuhoren ist unabdingbar bei der Bearbeitung von Beschwerden. Das Aniiegen des Kunden muss im Detail erfasst und geklart werden. Deshalb sind Reklamationsgesprache moglichst detailliert zu protokollieren. Nur durch die exakte Ermittlung des Problems ist eine kundenorientierte Losung zu finden. Eine aufrichtige Entschuldigung durch den Gesprachsannehmenden sollte direkt erfolgen. Der Kunde ist derjenige der das Gesprach beendet. Reklamationen helfen der Optimierung der Ablaufe im Vertrieb - der Vertriebsmitarbeiter wird sich daher zum Abschluss fur die Ubermittlung der Beschwerde bedanken. Der Fall ist unverzuglich zu bearbeiten.
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Ausblick Bei der Anwendung des dargestellten Aufiendienstleitfadens wurde deutlich, dass gerade der Auflendienst einen ganz erheblichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und die daraus resultierenden Kundenbindungswirkungen hat. Ferner hat sich auch gezeigt, dass die entwickelten IVIethoden und Hilfen keine „Universalrezepte" sind. Vielmehr sind sie als unterstutzende Elemente, also Verkaufshilfen und Hilfen zur Kundenbearbeitung zu betrachten. Gerade well der Auflendienstmitarbeiter kein standardislerbares „Kundenbindungsobjekt" ist, sondern seinen personlichen Stil ausdrijckllch pflegen sollte. Die entwickelten Leitlinien zur Kundenbindung sind jedoch Chance fur den Einzelnen und fur das Unternehmen Lekkerland zugleich: Chance, da der Vertriebsmitarbeiter eine strukturierte Moglichkeit erhalt, urn an sich selbst zu arbeiten und Nutzen, da durch verbesserte Kundenbindung Geschaftsbeziehungen vertieft und damit hohere Umsatze/Gewinne fur das Unternehmen erzielt werden konnen. Durch die Absicherung der Geschaftsbeziehungen sichert ein kundenbindungsorientierter Aufiendienst daher auch seinen eigenen Arbeitsplatz im Unternehmen.
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Die Faszination als Mittel der Kundenbindung Kristina Brodersen In Zeiten eines immer harteren Wettbewerbs durch erhohte Produktvielfalt und gleichzeitig steigende Produktkongruenz steht im Fokus marketingpolitischer Handlungen neben der Gewinnung neuer, vor allem die Bindung der bisherigen Kunden. Als einer der wichtigsten Indikatoren fur erfolgreiche Kundenbindungsaktivitaten gilt heutzutage fur die meisten Unternehmen die Kundenzufriedenheit: ..Zufriedene Kunden sind auch treue Kunden."^^^ In den letzten Jahren hat sich das Kaufverhalten von Kunden jedoch dahingehend verandert, dass Individualisierung und Abwechslung im Konsum eine immer wichtigere Rolle spielen. Als Folge dieser Entwicklung lassen sich selbst zufriedene Kunden nicht mehr so einfach an eine Marke oder ein Produkt binden. Bei der Suche nach den Ursachen eines Produkt- oder Markenwechsels steht deswegen insbesondere die Kundenzufriedenheitsforschung, aber auch der Anspruchswandel und das gruppenkonforme Kaufverhalten, basierend auf einer angestrebten Gruppenzugehorigkeit, im Fokus der wissenschaftlichen Diskussion. Abbildung 1 gibt einen Uberblick, welche Griinde fur einen Marken- oder fur einen Produktwechsel In der Praxis als besonders bedeutsam erachtet werden.^se Grunde fur Produkt-ZMarkenwechsel
n Starke Bedeutung a mittlere Bedeutung s wenig Bedeutung
m i Kundenunzufriedenheit
Produktinnovation
Konkun-enzangebote
Anspmchswandel
Abbildung 1: Grunde fur einen
NichtErhaltlichkeit
^
Gruppenzugehcirigkeit
Abwechslungsbedurfnis
Produkt-ZMarkenwechsel
5S7 Homburg/Rudolph {^995), S. 43. ^^^
Zu den befragten Unternehmen zahlen ausschliefilich Hersteller von bekannten Markenprodukten, die sich auf dem deutschen Konsumgutermarkt befinden. Vgl. dazu Koppelmann et al. (2001), S. 56f.
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Das Ziel aller marketingpolitischen Aktivitaten sollte deswegen keinesfalls „nur" das Erreichen von Kundenzufriedenheit sein. Das Geheimnis liegt viel mehr darin, Kunden von einer Marke oder einem Produkt zu begeistern: Die Faszination als Mittel zur Kundenbindung.
Kundenbindung und Faszination Wo genau der Begriff „Faszination" seinen Ursprung hat, ist nicht sicher. Neben dem lateinischen Wort „fascinare", dessen Bedeutung mit „verhexen, bezaubern" aber gleichzeitjg auch mit „anziehen" ubersetzt werden kann, konnte auch das altgriechische Wort „baskanos" (verleumderisch, behexend) die Quelle dieses Begriffs sein.589 Die Faszination ist demnach ein paradoxes Gefuhl. Auf der einen Seite sind wir von etwas angezogen vor dessen Verleumderischem wir jedoch gleichzeitig gewarnt werden. Stuwe (2003) scharft die Bedeutung des Faszinationsbegriffs durch Aufspannen eines Emotio-Ratio-Kontinuums, das in Abbildung 2 dargestellt ist. Durch die hier gemachte Abgrenzung der Faszination von verwandten Phanomenen wie etwa der Ekstase, dem Enthusiasmus und der Zufriedenheit, wird deutlich, was unter Faszination zu verstehen Ist.
emotional -4
1
1
1
1
Ekstase
Enthusiasmus
Faszination
Zufriedenheit
•
rational
Abbildung 2: Emotio-Ratio-Kontinuum
Im Gegensatz zur Ekstase und dem Enthusiasmus, bei denen wir es mit rein bzw. stark emotlonalen Reaktionen^so zu tun haben, Ist die Faszination deutlich rationaler gepragt. Hier entscheiden neben emotlonalen auch kognltive Elemente wie z. B. Meinungen, Kompetenz oder Kennerschaft. „Bevor etwas fasziniert, muss der Betrachteres bewerten konnen und Ihm eine Bedeutung zugewiesen haben."^9^ Nun gilt es die Frage zu beantworten, ob sich durch Hervorrufen von Faszination eine starke Kundenbindung erzielen lasst, als es durch das Erreichen von Kundenzufriedenheit der Fall Ist. Hierzu lasst sich zunachst auf die Kundenzufriedenheltsforschung zuruckgrelfen. DIese geht vom so genannten Conflrmatlon-Dlsconflrmatlon-Paradigma aus, das Zufriedenheit als Ergebnis eines Vergleichs von Unterneh-
5^^ Vgl. zur Begriffsdefinition sowie zum Ennotio-Ratio-Kontinuunn Stuwe (2003), S. 13f. 590 Vgl. Zimbardo/Gerrig (2004), S. 547. 59^ Stuwe {2003), S. 14.
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mensleistungen mit kundeneigenen Standards darstellt.592 Kunden bewerten demnach in einem ersten Schritt vor allem kognitiv die rationalen Eigenschaften des Angebots, wie beispielsweise den Preis Oder die technischen Leistungen. Im Anschluss wird eine emotionale Bewertung des Angebots, gepragt durch die eigenen Einstellungen, Motive Oder Emotionen, vorgenommen. Fallt dieser Vergleich negativ aus, so wird sich der Kunde gegen die angebotene Leistung entscheiden. Erfullt die angebotene Leistung seine Erwartungen oder ubersteigt sie diese sogar, so kann generell von Zufriedenheit ausgegangen werden.^^^ Werden die emotionalen Erwartungen bei der Leistungsbewertung jedoch uberboten, wird die Grundlage zur Kundenfaszination gelegt. Generell gilt: Je mehr die emotionalen EnA/artungen der Kunden uberboten werden, je mehr der Kunde von dem Angebot - personliches Involvement vorausgesetzt - uberrascht wird, umso hoher ist auch die Faszination des Kunden von der angebotenen Leistung. Dabei muss die hervorgerufene Emotion nicht zwangslaufig eine ausschlieftlich positive Assoziation hervorrufen. Widerspruche erzeugen Spannungen: Die bewusste Unvernunft als Antriebskraft der Faszination slegt uberdas rationale (Kauf-)Verhalten. Deutlicher zeigt sich die Eignung der Faszination zur Kundenbindung durch emotional aufgespannte Gefuhlswelten.^^'' Hierbei werden mittels der Intensitat und der Valenz von Emotionen ausgewahlte Gefuhlswelten positioniert, wie sie in Abbildung 3 dargestellt sind.
592 Vgl./WL///er (2002). S.31ff. 593 vgl. Runow (1982), S. 80 und Schutze (1992). S. 130ff. 594 Vgl. SfL/we (2003). S. 19.
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• Panik
Erregend
. vvut
»Angst
• Faszination • Leidenschaft • Freude
• Trotz • Sehnsucht
. Vergnugen • Gluck
Negativ
Valenz
Positiv
Neid Kummer
• Langeweile
• Erleichterung ' Zufriedenheit • Dankbarkeit
Heimweh Beruhigend
• Entspannung
Abbildung 3: Gefuhlswelten
Es wird deutlich, dass die Faszination im Gegensatz zur Zufriedenheit eine erregende Komponente aufweist. Wie eingangs erwahnt, gelten zufriedene Kunden noch lange nicht als Garant fur loyale Kunden. Auch Konsumenten, die iiire vollste Zufriedenheit mit einem Produkt bekunden, lassen sich haufig durch polygames Kaufverhalten und Markenuntreue charakterisieren:595 per Zufriedenheit haftet eher etwas Beruhigendes, Passives an. Faszination hingegen ist durch einen hohen Erregungsgrad gekennzeichnet, der sich im Zusammenspiel von Gegensatzen manifestiert. Faszinierende Produkte, Personen oder Ereignisse bergen meist einen gewissen Widerspruch in sich und losen beim Betrachter ambivalente Gefuhle aus. Sie enthalten emotionale Reibungsflachen und bieten vor allem Oberraschungen und Besonderheiten - wir werden von ihnen „gefesselt" und in ihren Bann gezogen. Gerade dadurch eignet sich die Faszination hervorragend zur Kundenbindung. Dies soil im Folgenden dargestellt werden.
^^^ Vgl. zum Phanomen des variety seeking Koppelmann et al. (2001), S. 57.
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Faszinierendes in der Produktvermarktung In der weiteren Betrachtung wird ausschliefilich auf die Frage der Faszination als Mittel zur Vermarktung von Produkten eingegangen. Mafinahmen, die zur Entwicklung oder Gestaltung^^^ von faszinierenden Produkten ergriffen werden mussen, werden daher nicht berucksichtigt. Gilt es nun das Faszinierende in der Produktvermarktung zu ergrunden, stellt sich primar die Frage, welche Instrunnente bzw. deren Auspragungen als besonders adaquat erscheinen. Distributionspolitik Die Distributionspolitik hat zum Ziel, den Nachfragern die angebotenen Produkte entweder auf dem direkten oder auf dem indirekten Absatzweg zuganglich zu machen.597 stellt der direkte Absatzweg eine Moglichkeit dar, das Produkt vom Hersteller unmittelbar an den Endverbraucher zu liefern, so sind beim indirekten Absatzweg sog. Absatzmittler zwischengeschaltet. Das Produkt durchlauft dann eine oder mehrere Stufen bis es zum Endverbraucher gelangt. Kundenfaszination kann durch die Gestaltung bolder Wege erzielt werden. Als Beispiel fijr einen stark emotional gepragten Vertriebsweg lasst sich die VW Autostadt nennen. Hier wird der Moment des Abholens eines neuen Fahrzeugs nach dem Motto „lhr Auto erwartet Sie!" zum einzigartigen Eriebnis: Grofie Anzeigetafein im Kundencenter informieren den Kunden, wann er an der Reihe ist, sein Auto abzuholen. Vollautomatisch wird dann der Wagen aus einem der beiden 20 Stockwerke hohen Autoturmen geholt, ein VW-Mitarbeiter uberreicht dem neuen Besitzer die Autoschlussel und bittet zum Abschluss noch zu eInem Erinnerungsfoto. Der Kunde ist fur die Dauer seines Besuches der Autostadt eingetaucht In eine Eriebniswelt, die sich mit alien Themen rund um die Mobilitat befasst. EInkaufen wird zum ..Happening" - Faszinierend! Inzwischen finden sich auch immer mehr Kaufhausketten, die mit Hllfe von auftergewohnlicher Architektur ihre Marken in den Grofistadten und damit ebenfalls in die Kopfe der Verbraucher platzieren. So lockt seit 1999 die britische Kette Selfridges in Birmingham tausende von Kunden mit ihrem futuristischen Blob-Gebaude. In Koln erzielt seit Mitte 2005 Peek & Cloppenburg denselben Effekt mit einem von Renzo Piano gestalteten glasernen Einkaufspalast.
^^^ Zur Produktentwicklung bzw. -gestaltung zahlen beispielsweise die Form- und Farbgebung, die Oberflachengestaltung, die Entwicklung von Konstruktionsprinzipien, etc. 597 Vgl. Koppe/mann(2001), S. 523ff.
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Abbildung 4: Architektur von Selfridges, Birmingham (links) und Peek & Cloppenburg, Koln (rechts)
Beide Gebaude erinnern nicht jm Entferntesten an die uberwiegend zu findende Zweckarchitektur der meisten Konkurrenten, sondern bieten den Kunden architektonische Abenteuer, die immer wieder neu eriebt werden konnen. Einen Eindruck davon vermittelt Abbildung 4.598 Servicepolitik Unter Servicepolitik versteht man alle Mafinahmen zur Kundenbetreuung die vor, wahrend oder nach dem Kauf eines Produktes anfallen. Faszination erzielen dabei die Serviceangebote, die die eigenen Erwartungen der Kunden deutlich ijbersteigen, da sie vom Gesetz in einem solchen Ausmafi nicht gefordert werden. So hat vor einigen Jahren die Firma Lands' End in ihrem Garantieversprechen festgelegt, dass jeder Kunde, falls er nicht 100% mit einem gekauften Artikel zufrieden sein sollte, diesen Artikel jederzeit an Lands' End zurucksenden kann und den vollen Kaufpreis erstattet bekommt. Jeder Rucksendegrund wird akzeptiert, ohne ihn zu hinterfragen. Lands' End hat fur diese lebenslange Garantie, die weit uber das Ausmafi der Garantieversprechen der meisten Konkurrenten hinaus geht, den Begriff ..GUARANTEED.PERIOD.®" gepragt. Allerdings war es dem Unternehmen bis 2001 verboten, mit dieser Leistung zu werben, da sie gegen die Zugabeverordnung aus dem Jahr 1932 verstiefi. Seit Abschaffung dieser Verordnung darf Lands' End nun alle Kunden wieder uber die uneingeschrankte Garantie informieren. Das wohl Erstaunlichste daran ist, dass ein Missbrauch dieses Versprechens seitens der Kunden dabei so gut wie nie vorkommt. Vertrauen steht hier
598 w\AA/v.peekundcloppenburg.de, w\A/w.future-systems.com.
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Vertrauen gegenuber. Das weit uber das Ubiiche hinausgehende Garantieversprechen bietet fiir den Kunden eine Uberraschung. Uberraschungen im Konsum machen Leistungen unverwechselbar und wecken Emotionen beim Kunden. Ein weiteres zentrales Element der Servicepolitik umfasst die individuelle Kundenbetreuung. Eine ganz besondere Form der personlichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung, die selbst im Luxussegment einzigartig ist, hat die Firma DaimlerChrysler etabliert. Mit dem Kauf des Luxuswagens Maybach wird dem Kunden ein so genannter Personal Liaison Manager (PLM) an die Seite gestellt, der durch ein im Wagen befindliches Telefon 24-Stunden erreichbar ist.^^^ Der PLM widmet sich uber die gesamte Lebenszeit des Fahrzeugs ausgiebig und exklusiv dem jeweiligen Fahrer: Er hilft bei der individuellen Fahrzeuggestaltung, steht als kompetenter Gesprachspartner fur alle Fragen und Wunsche rund um das Fahrzeug zur Verfugung und kummert sich ebenfalls um Service- und Wartungstermine. Und sollte der Fall eintreten, dass der Maybach eine Panne hat, so liefert der PLM ein Ersatzfahrzeug und schickt einen Pannendienst innerhalb weniger Stunden an fast jeden Ort der Welt. Auch fur kleinere Botenfahrten ist der PLM zur Stelle. Ein eindrucksvolles Beispiel fur einen selbst im Luxussegment einmaligen Service. Entgeltpolitik Als Entgeltpolitik werden alle monetaren Mafinahmen zur Konsumentenbeeinflussung (Preis- und Konditionenpolitik) verstanden.^oo Allein die Gestaltung von Preisen und Konditionen kann nicht zur Erreichung von Faszination dienen. Sachleistungen oder Anmutungsleistungen eines Gutes wie z. B. die Qualitat, der Innovationsgrad, die Marke oder auch das Image, bestimmen den Preis und nicht umgekehrt. Fur faszinierende Produkte ist der Kunde bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Allein durch einen hohen Preis werden zwar Emotionen erzeugt, jedoch nie Faszination. Kommunikationspolitik Ein im Rahmen der Kommunikationspolitik besonders geelgnetes Instrument zur Faszination von Kunden ist das Eventmarketing. Events sind inszenierte Erelgnisse, die im Hinblick auf Produkte und Marken das zentrale Ziel haben, den Teilnehmern Eriebnisse zu vermittein bzw. bei diesen Emotionen auszulosen.^^^ Begelsterung
^^^ Vgl. www.maybach-manufaktur.com. ^00 Vgl. Koppelmann (2001), S. 544ff. ^^^ Vgl. Zanger (2001), S. 833f.
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und Faszination sollen hervorgerufen werden. Events lassen sich dabei bei der Unternehmenskommunikation unabhangig von der Produktkategorie einsetzten. Im Folgenden sollen beispielhaft sowohl fur ein Luxusprodukt als auch fur ein Konsumprodukt gelungene Mafinahmen im Rahmen des Eventmarketings dargestellt werden. So hat die legendare und extravagante Sportwagenmarke Lamborghini eine entsprechende „Buhne" zur Prasentation des Lamborghini Murcielago^^^ gewahit: Auf dem Atna auf Sizilien, am Eingang zur Unterwelt - Lava-Gestein bot die Kulisse wurde das Fahrzeug als Inkarnation der sieben Todsunden Zorn, Neid, Gler, Mafilosigkeit, Hochmut, Wollust und Tragheit gefeiert.^^^
Abbildung 5: Lamborghini l\/lurcielago
Gerade hier wird die Ambivalenz der Faszination deutlich: Vom Teufel besessen ist dieses Auto (nahezu) jede Siinde wert. Lamborghini verzichtet vollig auf rationale Kaufargumentationen und schafft eine rein emotionale Gefuhlswelt durch die Kombination von „Verfuhrung" und „Sunde" mit „Kraft" und „Leistung". Es wird deutlich, dass trotz negativer Assoziation mit den Todsunden eine positive Produktbotschaft an die Kunden transportiert wird. Eine andere Art der Markenfaszination durch Events findet sich am Beispiel des Konsumguterherstellers „Red Bull". Fur Red Bull ist der Sport von Anfang an ein wichtiges Medium gewesen, die Marke in den Kopfen der Kunden zu platzieren. So ^^2 vgl. Abbildung 5. Quelle: www.spiegel.de/auto/fahrberichte. ^03 Vgl. Stark (2002), S. 28.
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werden neben der Austragung eigener Events wie z. B. dem Red Bull Flugtag, dem Red Bull Dolomitenmann, der Red Bull Air-Race-Serie als neue „Formel 1 fur Flugzeuge", dem Red Bull Seifenkistenrennen,^^'^ etc. andere Fun- und Extremsportarten gesponsert. Red Bull gelingt es durch Events und Sponsoring, die Eigeninitiative, Hingabe, Einsatzbereltschaft und Indlvidualitat des Sports mit der Marke bzw. den Produkten emotional zu verbinden. Nichts ist uberzeugender als das eigene Erieben und Red Bull lasst die Kunden die Marke intensiv erieben. Zwei Jahre lang bereiten sich die Teilnehmer - viele von ihnen inzwischen Freaks - auf den nachsten Red Bull Flugtag oder das nachste Red Bull Seifenkistenrennen vor. Eine solche Begeisterung ubertragt sIch schnell auch auf die Marke. Im Bereich des Extremsports liefert Red Bull die Beschleunigung von Risiko, die Lust auf Angst. Erwiesenermaflen fasziniert die Betrachtung eines Freeclimbers, wenn er nur an zwei Fingern etiiche Meter uber dem Abgrund hangt. Auch die Fahrer belm Speedskiing, wenn sle sich mit weit uber 200 km/h auf eigens dafijr praparierten Pisten mit bis zu 55% Gefalle hinabsturzen und dabei an ihre korperlichen Grenzen stoden, sorgen beim Publikum fur Gansehaut.
Abbildung 6: Red Bull Flugtag und Seifenkistenrennen
Aber nicht nur Events eignen sich zur Faszination durch Kundenbindung. Auch das Geheimnisvolle, das Mythische, die Geschichte, die eine Marke zu erzahlen hat, lasst sich durch Kommunikation an den Kunden bringen. Wer kennt denn nicht die Geschichte um das best gehutete Geheimnis der Industrie - die Coca-Cola Rezeptur? Oder den Mythos von der Piemont-Kirsche: Von der Aufschrlft der Verpackung ^^^
Vgl. Abbildung 6. Quelle: www.reclbullflugtag.co.il, www.funsporting.de.
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bis hin zu den Werbespots werden uns diese Kirschen aus einer der schonsten Regionen Europas als etwas ganz Besonderes dargeboten.
Ausblick Urn einen Kunden von einer IVIarke oder einem Produkt zu faszinieren, bedarf es deutlich mehr, als nur „gut" zu sein. Es fordert enorme Anstrengungen, ein hohes Potenzial an Kreativitat, eine detaillierte Abstimmung aller Aktivitaten sowie eine solide Finanzierung. Faszinierend zu sein ist in der Regel mit hohen Marketingkosten verbunden. So steckt die Firma Red Bull ein Drittel des Marketingbudgets in den Sport, wobei das Marketingbudget wiederum ca. ein Drittel des jahrlichen Gesamtumsatzes ausmacht. Je besser es den Unternehmen jedoch gelingt, ihre Kunden zu faszinieren, umso besser ist auch die Bindung der Kunden an die jewielige Marke oder das jeweilige Produkt. Viele Unternehmen gehen bereits den Weg, ihre Kunden nicht mehr langer zufrieden zu stellen, sondern sie zu begeistern. Die Faszination als Marketingziel ist zukunftsweisend.
Literatur Homburg, ChrJRudolph, B. (1995): Wie zufrieden sind Ihre Kunden tatsachlich? Kundenzufriedenheit richtig messen und managen - kein Buch mit sieben Siegeln. In: Harvard Business Manager, Heft 1, 1995. S. 43-50. Koppelmann, U. (2001): Produktmarketing, 6. Aufl., Berlin 2001. Koppelmann, U./Brodersen, K.A/olkmann, M. (2001): Variety Seeking - Manchmal reizt auch nur das Neue (Teil I). In: absatzwirtschaft, Heft 12, Dezember 2001, S. 56-63. Mullen C. (2002): Delight-Zufriedenheit. Koln 2002. Runow, H. (1982): Zur Theorie und Messung der Verbraucherzufriedenheit, Frankfurt a. M. 1982. Schutze, R. (1992): Wiesbaden 1992.
Kundenzufriedenheit
-
After-Sales-Marketing
auf
industriellen
Markten,
Stark, G. (2002): Marken emotional inszenieren. In: marketingjournal Heft 4, 2002, S. 25-28. Stijwe, B. (2003): Faszination - Marketing im Wechselbad der Gefuhle, Wiesbaden 2003. Zanger, C. (2001): Eventmarketing. In: Tscheulin, DJHelmig, Besonderheiten des Marketing, Stuttgart 2001, S. 833-853.
B (Hrsg.): Branchenspezifische
Zimbardo, Ph./Gerrig, R. (2004): Psychologie, 16. Aufl., Munchen 2004.
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Autoren Zoltan Bakay ist im Bereich Business Development bei der DaimlerChrysler AG in Stuttgart tatig. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften absoivierte er an der Universitat Augsburg, anschliefiend war er fur die Unternehmensberatung Consultatio in Deutschland und verschiedenen Staaten in Mittel- und Osteuropa tatig. Zoltan Bakay promovierte 2003 an der LMU Munchen. Seit mehreren Jahren engagiert er sich als externer Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen. Diana Nadine Bohm ist im Online Sales & Operations Team bei Google Ireland Ltd. in Dublin beschaftigt. Frau Bohm ist Diplom Betriebswirtin (FH). Sie machte ihren Abschluss an der Munich Business School und besuchte die European Business Schools in Madrid und Dublin. Stefan Boots ist als Leiter Verkaufssysteme bei der Lekkerland GmbH & Co. KG Deutschland tatig. Schwerpunkte seiner Tatigkeit sind die Entwicklung von Vertriebskonzepten und Festlegung von Mafinahmen zur nationalen Vertriebssteuerung. Kristina Brodersen ist Professorin fur Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Hochschule Reutlingen. Nach ihrer Promotion an der Universitat zu Koln und einigen Jahren als Beraterin im Bereich Marketingcontrolling ist sie heute zudem fur die Werbeagentur Halb Acht Media Design tatig. Markus Eberl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut fur Marktorientierte Unternehmensfuhrung der Ludwig-Maximilians-Universitat in Munchen. Er studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Empirische Forschung und Unternehmensplanung, Marketing und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der LMU Munchen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen CRM, Corporate Reputation sowie Konstruktspezifikation und Strukturgleichungsverfahren (LISREL/PLS). Tara Ebert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut fur Marktorientierte Unternehmensfuhrung Ludwig-Maximilians Universitat in Munchen. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Unternehmensfuhrung und Organisation, Personalfuhrung sowie Werbepsychologie an der Universitat Augsburg arbeitete sie als Consultant fur Bearingpoint und eine Managementberatung mit Fokus auf Versandhandel- und Stationarhandel tatig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in dem Bereich der empirischen Konsumentenforschung. Christian FischI ist Absolvent der internationalen Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Marketing Management und Finanzmanagement. Das Studium zum Diplom-Betriebswirt (FH) an der Munich Business School wurde nach u. a. zwei Auslandssemestern an der CERAM Sophia Antipolis sowie der Hawaii Pacific University im Herbst 2005 erfolgreich abgeschlossen.
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Amparo Galinanes Garcia ist seit April 2005 im Bereich Marketing & Vertrleb bei O2 Germany tatig. Nach dem Studium der ..European Studies and Gernnan Language" an der Universitat Manchester, Groflbritannien, und an der Universitat Heidelberg, studierte sle BWL an der Munich Business School. Rosina M. Gasteiger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fur Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Ludwig-Maximilians Universitat in Munchen mit den Forschungsschwerpunkten Personal- und Organisationsentwicklung. Nach dem Studium der Psychologie In Munchen war sle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Katholischen Universitat Eichstatt-lngolstadt und in mehreren Projekten in der Industrie tatig. Seit September 2003 promoviert sle als Stipendiatin des Bundesministeriums fur Bildung und Forschung In Psychologie, Interkultureller Kommunlkation und Betriebswirtschaft. Marion Halfmann ist Professorin fur Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Fachhochschule Koln. Nach dem Studium der BWL und Wirtschaftspadagogik sowie nachfolgender Promotion an der Universitat zu Koln war sle als Unternehmensberaterin bei Simon, Kucher & Partners, Bonn, und als Projektieiterin bei Booz Allen Hamilton, Diisseldorf tatig. Matthias Hitzfeld ist bei der Sport- und Eventmarketing Agentur T.E.A.M. Marketing AG in Luzern (Schweiz) beschaftigt. Zuvor studierte er Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Munich Business School mit Auslandssemestern in London und Madrid Sonja Kapfelsberger ist seit ihrem Studium der BWL an der Ludwig-Maximilians Universitat, Munchen, in verschiedenen Bereichen, u. a. Marketing und Customer Service, bei O2 Germany beschaftigt, aktuell in der Position als Senior Produkt Manager fur den Bereich Service Provider. Jijrgen Kaschube ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fur Organisatonsund Wirtschaftspsychologie der LMU Munchen. Nach dem Studium der Kommunikationswlssenschaften, Politologie und Psychologie hat er sich dort in Psychologie promoviert und habilitiert. Neben seiner Forschungs- und Lehrtatigkeit in den Bereichen Personalpsychologie, Laufbahnforschung und Dienstleistungsmanagement ist er seit mehr als zehn Jahren als Unternehmensberater fur performpartner Munchen tatig. Tobias Kesting studierte Aufienwirtschaft an der Hochschule Reutlingen mit Schwerpunkt Marketing und war bei der Robert Bosch GmbH in den Bereichen Logistik und Einkauf In Deutschland und Frankreich tatig. Derzeit absolviert Herr Kesting ein MBA-Studium mit Schwerpunkt International Business Development in Reutlingen.
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Dieter Nickles moderiert fur Premiere Fernsehen Ubertragungen der FufiballBundesliga und Champions-League, ist Gesellschafter der Sportmarketing-Agentur DEEPBLUE Sports in Hamburg und berat Bundesliga-Vereine im Bereich New Business. Herr Nickles en^^arb einen Abschluss als Diplom-Sportwissenschaftler an der TU Munchen und der Deutschen Sporthochschule in Koln und erwarb einen Master of Business Administration in Medien-IVIanagement an der Steinbels-Hochschule Berlin, der Bocconi Universitat Mailand und der Stern Business School New York. Gerd Nufer ist Professor fur Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Marktforschung an der School of International Business (SIB) der Hochschule Reutllngen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universitat Tubingen und an der State University of New York at Stony Brook sowie seiner Promotion an der Universitat Tubingen mit Stipendium an der San Diego State University in Kooparation mit adidas arbeitete er zunachst als Consultant/Projektleiter bei Simon-Kucher & Partners, Bonn und spater als Marketing Consultant/ Key Account Manager bei der Information Resources GfK, Nurnberg. Siegfried Numberger ist Doktorand der Betriebswirtschaftslehre an der LudwigMaximilians-Universitat in Munchen mit dem Schwerpunkt Marktorientierte Unternehmensfijhrung. Nach einer Banklehre studierte er Betriebswirtschaftslehre an der LMU Munchen, der MIT Sloan School of Management und der Ecole Nationale Superieure des Telecommunications, Paris. Derzeit arbeitet er im Rahmen eines Forschungsaufenthalts an der Yonsei School of Business in Seoul. Carsten Rennhak ist Professor fur Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Hochschule Reutlingen. Nach dem Studium der BWL an der Universitat Augsburg sowie der VWL an der Wayne State University, Detroit, und seiner Promotion an der Ludwig-Maximilians Universitat in Munchen war er mehrere Jahre als Unternehmensberater und Projektieiter bei Booz Allen Hamilton sowie als Hochschullehrer an der Munich Business School tatig. Tobias Schutz ist Strategieberater bei Mercer Management Consulting. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der LMU Munchen und der Erasmus Universiteit in Rotterdam promovierte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Unternehmensentwicklung und Organisation an der LMU Munchen. Wahrend dieser Zeit arbeitete er als freier Berater fur empirische Fragestellungen. Gunter Seidel ist selbstandiger Berater mit Fokus auf ERP gestutztem Prozessdesign und -umsetzung, sowie Program Management fur IT-Gro(iprojekte. Nach einem Studium der Informatik an der TU Berlin und der University of York sowie einem MBA am lESE in Spanien und der Haas School of Business in den USA war er mehrere Jahre als strategischer Unternehmensberater und Projektieiter bei Booz Allen Hamilton in Munchen tatig. Daniel Simonovich ist Professor fur Unternehmensfuhrung und Wirtschaftsinformatlk an der Hochschule Reutlingen. Nach seinem Studium in Cambridge, Paris, Fontainebleau und Hamburg war er als Unternehmensberater bei CSC Index und bei Booz Allen Hamilton tatig.
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Holger Stahl hat aktuell seine Diplomarbeit im Bereich Kundenbindungsmanagement fur die Lekkerland GmbH & Co. KG abgeschlossen. Nach einer technischen Ausbildung, studierte er Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Koln. Wahrend seines Studiums war er ein Jahr bei einer IVIarketingagentur der WPP Group in Prag tatig. Stefan Strassner, LL.IVI. ist Professor fur Deutsches und Europaisches Wirtschaftsrecht an der Munich Business School. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Berlin und Saarbrucken und seiner Promotion war er zunachst als Wirtschaftsanwalt in elgener Kanzlei und anschliefiend als Unternehmensjurist, zuletzt als Justitiar und Geschaftsfuhrer im ThyssenKrupp-Konzern, tatig. Markus Zinnbauer entwickelt als Engagement Manager der internatlonalen Marketing- und Strategieberatung Vivaldi Partners kunden- und konsumentengetriebene Marken- und Innovationsstrategien fur global tatige Unternehmen. Sein Fokus liegt dabei auf dem Telekommunikations-, Technologie-, und Utilitysektor. Neben dem Studium der BWL und anschliefiender Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen ist er Autor zahlreicher Beitrage in nationalen und internatlonalen Fachzeitschriften, regelmaliiger Sprecher auf Fachtagungen und hat derzeit u. a. einen Lehrauftrag an der FH Amberg-Weiden inne. Wolfgang Zirus ubt seit 1991 eine Professorentatigkeit an der Munich Business School mit den Schwerpunkten Corporate Finance und Rechnungswesen aus. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft in Regensburg arbeitete er einige Jahre in der Dresdner Bank (Auslands- und Kredltgeschaft, Kreditrevision). Seit 1983 ist er als selbstandiger Dozent und Beraterfurfinanzwirtschaftliche Problemstellungen tatig.
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