Dienstleistungsmodellierung
Oliver Thomas • Markus Nüttgens Herausgeber
Dienstleistungsmodellierung Methoden, Werkzeuge und Branchenlösungen
Physica-Verlag Ein Unternehmen von Springer
Dr. Oliver Thomas Universität des Saarlandes Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) Geb. D3 2, Raum 0.27 Stuhlsatzenhausweg 3 66123 Saarbrücken
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ISBN: 978-3-7908-2098-0
Prof. Dr. Markus Nüttgens Universität Hamburg Institut für Wirtschaftsinformatik Gebäude A, Raum A518 Von-Melle-Park 9 20146 Hamburg
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e-ISBN: 978-3-7908-2099-7
DOI 10.1007/978-3-7908-2099-7 Library of Congress Control Number: 2008936697 c 2009 Physica-Verlag Berlin Heidelberg ° Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 9 8 7 6 5 4 3 2 1 springer.de
Vorwort
Die weltweite Vernetzung und Globalisierung führen dazu, dass in Analogie zur Industrialisierung der Produktion auch im Dienstleistungsbereich Effizienz, Qualität und Innovation zum „Must be“-Standard werden. Im Standortwettbewerb um wissensintensive Dienstleistungen werden Methoden und Werkzeuge zur Entwicklung und Erbringung technologiegestützter Dienstleistungen zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren. Dienstleistungen als Gegenstand einer umfassenden akademischen Forschung und Lehre sind derzeit aber noch völlig unterrepräsentiert; hochqualifizierte Unternehmer und Mitarbeiter mit Dienstleistungsfokus sind heute Mangelware. Die Dienstleistungsforschung ist derzeit noch durch eine marketingorientierte und weitgehend behavioristische Sichtweise geprägt. Viele Forschungsarbeiten betrachten das Management von Dienstleistungen ausschließlich aus der Perspektive der Nachfrage. Die Tatsache, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Dienstleistungsangebots maßgeblich von dessen Konstruktion und kundenindividueller Gestaltung abhängt, wird häufig vernachlässigt. Als eine der zentralen Herausforderungen für Dienstleistungen ist zwingend deren modellbasierte Entwicklung und kontinuierliche Verbesserung im Sinne des „Design Research“ anzusehen. Seit Mitte der 1990er-Jahre wird die Entwicklung von Dienstleistungen im deutschsprachigen Raum – parallel zum amerikanischen New Service Development – unter dem Begriff des Service Engineering diskutiert. Service Engineering macht sich insbesondere das aus dem Bereich der klassischen Ingenieurwissenschaften stammende Know-how zur Produktentwicklung für die Gestaltung von Dienstleistungen zu Nutze. Es wurden zwar Modelle entwickelt, die eine systematische Vorgehensweise bei der Dienstleistungsentwicklung unterstützen. Eine Verbreitung dieser Vorgehensmodelle ist jedoch lediglich in „reinen“ Dienstleistungsunternehmen, in denen die Dienstleistung die Funktion der Hauptleistung übernimmt, zu erkennen. Im Vergleich zur Entwicklung materieller Produkte besteht darüber hinaus eine enorme Asymmetrie bezüglich der Intensität der IT-Unterstützung. Zwar liegen zur integrierten, lebenszyklusorientierten und durchgängigen Produkt- und Prozessmodellierung von Dienstleistungen erste Konzepte vor, eine durchgängige informationstechnische Unterstützung, die auf spezielle Belange von Dienstleistungen ausgerichtet ist, wurde bislang jedoch nur rudimentär realisiert. Einen Innovationsschub erhält die Dienstleistungsforschung aktuell durch die Bemühungen zur modellbasierten Gestaltung hybrider Produkte, die als integrierte
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Vorwort
Leistungsbündel – bestehend aus Sach- und Dienstleistungen – verstanden werden. Die entsprechenden Arbeiten versuchen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Grenzen zwischen Sach- und Dienstleistungen zunehmend verschwimmen, denn letztendlich stellen Absatzobjekte, die am Markt von Unternehmen angeboten werden, immer auch hybride Produkte dar. Die Frage, ob die seitens der Kunden geforderten Produkteigenschaften durch eine Sach- oder eine Dienstleistung erfüllt werden, rückt zunehmend in den Hintergrund. Der vorliegende Herausgeberband „Dienstleistungsmodellierung – Methoden, Werkzeuge und Branchenlösungen“ hat das Ziel, einen Überblick über den Stateof-the-Art der Modellierung von Dienstleistungen zu geben. Dabei werden sowohl aktuelle Problemstellungen und Lösungsansätze als auch zukünftige Entwicklungsperspektiven betrachtet. Die einzelnen Beiträge fokussieren einerseits Modelle zur Dienstleistungsentwicklung und -erbringung und andererseits Modelle von Informationssystemen, welche die Entwicklung und/oder die Erbringung von Dienstleistungen unterstützen. Die Beiträge betrachten alle Lebenszyklusphasen von Dienstleistungen sowie alle „Dimensionen“ des Dienstleistungsbegriffs, die eine Basis zur Entwicklung von Ressourcenmodellen (Potenzialdimension), Prozessmodellen (Prozessdimension) und Produktmodellen (Ergebnisdimension) darstellen. Im Forschungsstand der Modellierung von Dienstleistungen sind zunächst eine methodologische und eine inhaltlich-funktionale Perspektive zu unterscheiden. Aus einer methodologischen Perspektive sind Fragestellungen zur Konstruktion und Anwendung von Dienstleistungsmodellen sowie zu deren Repräsentation durch Modellierungssprachen zu beantworten. Diese beziehen sich unter anderem auf Modellierungsmethoden für die Entwicklung von Dienstleistungsinformationssystemen, wie z. B. Model Driven Architecture (MDA) oder Architektur integrierter Informationssysteme (ARIS). Daneben befassen sie sich mit Modellierungssprachen zur Repräsentation von Entwicklungs- und Erbringungsprozessen von Dienstleistungen, wie z. B. Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK), Petri-Netz, UML-Aktivitätsdiagramm oder Service Blueprinting, sowie Modellierungssprachen zur Repräsentation von Dienstleistungsstrukturen, wie z. B. Produktbaum, Entity Relationship Model (ERM) oder UML-Klassendiagramm. Darüber hinaus werden im Rahmen der methodologischen Perspektive auch konzeptionelle Aspekte (z. B. Metamodelle) und zweckmäßige Repräsentationsformen (Notationen) für Sprachen zur Dienstleistungsmodellierung, Vorgehensmodelle zur Dienstleistungsentwicklung (New Service Development und Service Engineering) und zur Entwicklung von Product-Service Systems (hybride Wertschöpfung) sowie Modellierungswerkzeuge zur Dienstleistungsentwicklung und zur Unterstützung der Dienstleistungserbringung untersucht. Aus einer inhaltlich-funktionalen Perspektive ist für die Dienstleistungsmodellierung zu untersuchen, wie Modelle für spezielle Anwendungsdomänen zu konstruieren sind. Hier geht es unter anderem um die Modellierung von industriellen Dienstleistungen (z. B. produktionsnahe Dienstleistungen in der Investitionsgüterindustrie), Handelsdienstleistungen, Finanzdienstleistungen (Kredit- und Versiche-
Vorwort
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rungsgewerbe), Dienstleistungen der Öffentlichen Verwaltung, von Dienstleistungen im Gesundheitswesen oder unternehmensbezogenen Dienstleistungen (z. B. IT- und Beratungsdienstleistungen). Neben den beiden genannten Perspektiven sind ergänzend Dienstleistungsmodellarten hervorzuheben, wie z. B. Produktmodelle für Dienstleistungen, Dienstleistungsreferenzmodelle und Ordnungsrahmen für Dienstleistungsmodelle, Softwaremodelle für die Dienstleistungsentwicklung oder -erbringung, Simulationsmodelle, Lebenszyklusmodelle für Dienstleistungen und Product-Service Systems, Modularisierungs- und Typologisierungsmodelle sowie Innovationsmodelle für Dienstleistungen. Der Aufbau des Herausgeberbandes folgt dieser Dreiteilung des Gegenstandsbereichs „Dienstleistungsmodellierung“. Im ersten Teil des Bandes Methoden, Sprachen und Werkzeuge zur Dienstleistungsmodellierung entwickeln Heiko Kern, Martin Böttcher, Stefan Kühne und Kyrill Meyer einen Ansatz zur ganzheitlichen Erstellung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen. Christian Hillbrand und Lothar März stellen einen Ansatz zur Modellierung von Produktplattformen zwecks Flexibilisierung von Logistikdienstleistungen vor. Christoph Rosenkranz analysiert in dem einzigen englischsprachigen Beitrag Informationsflüsse in Dienstleistungsnetzwerken. Mit der Konzeption einer Modellierungssprache zur tool-unterstützten Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Produkte gehen Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller speziell auf die modellierungssprachlichen Anforderungen der Gestaltung von Leistungsbündeln ein. Stefan Langer, Matthias Kreimeyer, Patrick Müller, Udo Lindemann und Lucienne Blessing widmen sich ebenfalls den Entwicklungsprozessen hybrider Produkte, sie evaluieren diesbezüglich Modellierungsmethoden unter Berücksichtigung zyklischer Einflussfaktoren. Im zweiten Teil Dienstleistungsreferenzmodelle und Ordnungsrahmen widmen sich Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin dem Dienstleistungscharakter der Lerninhaltserstellung im engeren und des Electronic Learning im weiteren Sinne und entwickeln ein Referenzmodell für Authoring-Dienstleistungen. Ein Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung wird von einem Autorenteam der Fokusgruppe „Verfahren und Instrumente für die hybride Wertschöpfung“ vorgestellt. Philipp Walter analysiert die Anforderungen, die an eine Modellierung technischer Kundendienstprozesse des Maschinen- und Anlagenbaus als Bestandteil hybrider Produkte zu stellen sind. Im dritten Teil Modellierung von IT- und Beratungsdienstleistungen explizieren und modellieren Otmar Adam und Thorsten Dollmann unscharfe Aspekte in ITbasierten Dienstleistungsprozessen. Der Serviceorientierung im Prozessmanagement widmet sich Jan vom Brocke, er untersucht die Potenziale Serviceorientierter Architekturen zur Reorganisation von Geschäftsmodellen. Alle Beiträge dieses Bandes wurden von den Autoren bei der Tagung „Dienstleistungsmodellierung 2008“ (DLM 2008) eingereicht, durch das Programmkomitee der Tagung begutachtet und für die Tagungspräsentation sowie für die Veröffentlichung im Tagungsband ausgewählt (weitere Informationen zur Tagung DLM
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Vorwort
2008 sind im Internet unter der URL http://www.wiso.uni-hamburg.de/index.php? id=4240 abrufbar). Die Tagung fand am 14. März 2008 an der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen der Konferenz „Modellierung 2008“ statt (http://www. modellierung2008.org/). Veranstaltungsort war das Erwin-Schrödinger-Zentrum, Rudower Chaussee 26, 12489 Berlin. Die Beiträge nahmen außerdem am Wettbewerb um den Best Paper Award teil, für dessen Auslobung insbesondere die Ergebnisse der Begutachtung der schriftlichen Einreichungen herangezogen wurden. Gerne nutzen wir an dieser Stelle noch einmal die Gelegenheit, Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller ganz herzlich zum Gewinn dieses Preises der DLM 2008 für ihren Beitrag „Konzeption einer Modellierungssprache zur softwarewerkzeugunterstützten Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Leistungsbündel“ zu gratulieren. Allen Autoren möchten wir sehr herzlich für Ihren eingereichten Beitrag zur DLM 2008 danken. Die überraschend große Anzahl an interessanten und qualitativ hochwertigen Einreichungen hat uns sehr erfreut. Für die wissenschaftliche Begutachtung der Beiträge bedanken wir sehr herzlich bei den Mitgliedern des Programmkomitees. Diese sind in alphabetischer Reihenfolge Otmar Adam (Villeroy & Boch AG), Prof. Dr.-Ing. Jan C. Aurich (Universität Kaiserslautern), Hermann Behrens (DIN Deutsches Institut für Normung e.V.), Prof. Dr. Freimut Bodendorf (Universität Erlangen-Nürnberg), Prof. Dr. Jan vom Brocke (Hochschule Liechtenstein), Prof. Dr.-Ing. Klaus-Peter Fähnrich (Universität Leipzig), Dr. Martin Hermsen (DaimlerChrysler AG), Prof. Dr. Roland Holten (Universität Frankfurt/ Main), Frank Johann (Vaillant Deutschland GmbH & Co. KG), Dr. Ralf Klein (HSBC Trinkaus & Burkhardt AG), Dr. Ralf Knackstedt (Universität Münster), Dr. Jan Marco Leimeister (TU München), Prof. Dr. Kathrin M. Möslein (Universität Erlangen-Nürnberg), Günther Müller-Luschnat (FAST GmbH, München), Prof. Dr. Andreas Oberweis (Universität Karlsruhe), Prof. Dr. Frank Rump (Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Willhemshaven), Michael Schlicker (INTERACTIVE Software Solutions GmbH, Saarbrücken), Dr. Stefan Strecker (Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Mathias Weske (Universität Potsdam). Die Diskussionen Mitte März auf der DLM 2008 in Berlin haben gezeigt, dass es sich bei der Modellierung von Dienstleistungen um ein Themengebiet handelt, das stärker als bisher eine interdisziplinäre Ausrichtung erfordert. Konzepte aus dem Umfeld der Produktion, des Dienstleistungsmanagements und der Informationstechnik sind in ein interdisziplinäres und integratives Grundverständnis einzuordnen. Umso mehr haben wir uns darüber gefreut, dass für die Tagung sowohl aus der Betriebswirtschaftslehre, der Wirtschaftsinformatik, der Informatik als auch den Ingenieurwissenschaften Beiträge eingereicht wurden. Von dieser positiven Resonanz beeindruckt werden wir die Tagungsreihe auch in 2009 fortsetzen. Saarbrücken und Hamburg, im Sommer 2008
Oliver Thomas Markus Nüttgens
Inhaltsübersicht
Teil I:
Methoden, Sprachen und Werkzeuge zur Dienstleistungsmodellierung...........................................................1
Ansatz zur ganzheitlichen Erstellung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen Heiko Kern, Martin Böttcher, Stefan Kühne und Kyrill Meyer................................3 Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen Christian Hillbrand und Lothar März ...................................................................17 Analyzing Information Flows in Service Networks Christoph Rosenkranz ...........................................................................................35 Konzeption einer Modellierungssprache zur softwarewerkzeugunterstützten Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Leistungsbündel Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller ..................53 Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel – Evaluierung von Modellierungsmethoden unter Berücksichtigung zyklischer Einflussfaktoren Stefan Langer, Matthias Kreimeyer, Patrick Müller, Udo Lindemann und Luciënne Blessing...........................................................................................71 Teil II: Dienstleistungsreferenzmodelle und Ordnungsrahmen....................89 Referenzmodellbasierte Authoring-Dienstleistungen Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin ........................................91 Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Christoph Glauner, Marco Stypmann, Christoph Rosenkranz, Robert Schmitt, Sarah Hatfield, Gertrud Schmitz, Simone Eberhardt, Michaela Dietz, Oliver Thomas, Philipp Walter, Hans-Martin Lönngren und Jan Marco Leimeister ....................109 Modellierung technischer Kundendienstprozesse des Maschinen- und Anlagenbaus als Bestandteil hybrider Produkte Philipp Walter......................................................................................................129
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Inhaltsübersicht
Teil III: Modellierung von IT- und Beratungsdienstleistungen ................... 147 Explikation und Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen Otmar Adam und Thorsten Dollmann ................................................................. 149 Serviceorientierung im Prozessmanagement – Analyse der Potenziale Serviceorientierter Architekturen auf Basis von Prozessmodellen Jan vom Brocke ................................................................................................... 169
Inhaltsverzeichnis
Teil I:
Methoden, Sprachen und Werkzeuge zur Dienstleistungsmodellierung...........................................................1
Ansatz zur ganzheitlichen Erstellung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen Heiko Kern, Martin Böttcher, Stefan Kühne und Kyrill Meyer................................3 1 2 3 4 5 6 7 8
Einleitung............................................................................................................3 Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes ....................................................4 Metamodellebenen in der Dienstleistungsmodellierung .....................................6 Technikräume für die Dienstleistungsmodellierung ...........................................7 Ganzheitlichkeit durch M3-Level-basierte Brücken ...........................................9 Machbarkeitsanalyse am Beispiel von ARIS und Eclipse EMF .......................10 Konklusion und Ausblick..................................................................................12 Literaturverzeichnis ..........................................................................................13
Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen Christian Hillbrand und Lothar März ...................................................................17 1 Einleitung..........................................................................................................17 2 Management modularer Dienstleistungsprodukte.............................................19 2.1 Modellierung von Dienstleistungsprodukten.............................................19 2.2 Mass Customization und Produktplattformen ...........................................20 3 Logistikprodukte ...............................................................................................21 4 Modellierung von Logistikdienstleistungen......................................................24 4.1 Entwicklung generischer Logistikdienstleistungen ...................................24 4.2 Ein Metamodell für Logistikserviceplattformen........................................27 5 Analyse von Produktentwicklungsprojekten.....................................................30 6 Konklusion und Ausblick..................................................................................32 7 Literaturverzeichnis ..........................................................................................33
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Inhaltsverzeichnis
Analyzing Information Flows in Service Networks Christoph Rosenkranz ........................................................................................... 35 1 Introduction....................................................................................................... 35 2 Related Work and Existing Approaches for Information Flow Analysis.......... 37 3 An Approach for Modeling Information Flows ................................................ 39 3.1 The Viable System Model......................................................................... 39 3.2 Method for Variety Engineering ............................................................... 40 3.2.1 Conceptual Language Aspects......................................................... 40 3.2.2 Representational Language Aspects and Technique ........................ 42 3.2.3 Variety Engineering – Procedure and Method................................. 45 4 Conclusion and Outlook ................................................................................... 48 5 References......................................................................................................... 49 Konzeption einer Modellierungssprache zur softwarewerkzeugunterstützten Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Leistungsbündel Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller .................. 53 1 2 3 4 5 6
Hybride Leistungsbündel als Gegenstand der Modellierung ............................ 53 Anforderungen an die Modellierung hybrider Leistungsbündel ....................... 55 Die Modellierungssprache HyproDesign.......................................................... 57 Anwendung im Rahmen des HyproDesign-Tools ............................................ 62 Weiterer Forschungsbedarf ............................................................................... 67 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 68
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel – Evaluierung von Modellierungsmethoden unter Berücksichtigung zyklischer Einflussfaktoren Stefan Langer, Matthias Kreimeyer, Patrick Müller, Udo Lindemann und Luciënne Blessing........................................................................................... 71 1 Einleitung.......................................................................................................... 71 1.1 Hybride Leistungsbündel .......................................................................... 73 1.2 Zyklen ....................................................................................................... 73 2 Modellierung zyklenorientierter Entwicklungsprozesse von hybriden Leistungsbündeln .............................................................................................. 75 2.1 Modellierungsbedarf zyklenorientierter Entwicklungsprozesse................ 75 2.2 Forschungsmethodik ................................................................................. 78 3 Vergleich von Prozessmodellierungsmethoden für die Anwendung in zyklenorientierten PSS-Entwicklungsprozessen ............................................... 79 3.1 Modellierungsaspekte und Evaluierungskriterien zyklenorientierter PSS-Entwicklungsprozesse ....................................................................... 79 3.2 Anforderungen an die Modellierung von Entwicklungsprozessen zyklusbasierter hybrider Leistungsbündel ................................................. 79 3.3 Evaluierung der Eignung von Prozessmodellierungsmethoden ................ 82
Inhaltsverzeichnis
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4 Fazit und Ausblick – Kombination verschiedener Methoden zur Prozessmodellierung .........................................................................................85 5 Literaturverzeichnis ..........................................................................................86 Teil II: Dienstleistungsreferenzmodelle und Ordnungsrahmen......................89 Referenzmodellbasierte Authoring-Dienstleistungen Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin ........................................91 1 Lerninhaltserstellung als Dienstleistung für technologisch gestützte Ausund Weiterbildung.............................................................................................91 2 Herausforderungen des Authoring-Managements.............................................92 3 Anforderungen an Referenzmodelle im Authoring-Management.....................95 3.1 Existierende Referenzmodelle in Forschung und Praxis ...........................95 3.2 Notwendigkeit der Konstruktion eines Ordnungsrahmens ........................96 3.3 Modellierungssprache zur Repräsentation der Referenzprozessmodelle...96 4 Konstruktion des Referenzmodells für das Authoring-Management ................97 4.1 Konstruktion des Referenzmodellordnungsrahmens .................................97 4.2 Erhebung der unternehmensspezifischen Prozesse....................................99 4.3 Konstruktion eines Referenzprozesses (induktiv) ...................................103 5 Diskussion der Ergebnisse und weiterer Forschungsbedarf ............................104 6 Literaturverzeichnis ........................................................................................105 Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Christoph Glauner, Marco Stypmann, Christoph Rosenkranz, Robert Schmitt, Sarah Hatfield, Gertrud Schmitz, Simone Eberhardt, Michaela Dietz, Oliver Thomas, Philipp Walter, Hans-Martin Lönngren und Jan Marco Leimeister ....................109 1 Strukturierung interdisziplinär zu erschließender Themengebiete ..................109 2 Abgrenzung hybrider Wertschöpfung.............................................................110 3 Entwicklung eines Ordnungsrahmens der hybriden Wertschöpfung ..............113 3.1 Hybride Wertschöpfung aus verschiedenen Perspektiven.......................113 3.2 Ordnungsrahmen als Hilfsmittel der Strukturierung und Analyse...........114 3.3 Konstruktion eines Ordnungsrahmens für die hybride Wertschöpfung...115 4 Evaluation des Ordnungsrahmens...................................................................118 5 Ausblick ..........................................................................................................122 6 Literaturverzeichnis ........................................................................................125 Modellierung technischer Kundendienstprozesse des Maschinen- und Anlagenbaus als Bestandteil hybrider Produkte Philipp Walter......................................................................................................129 1 Einleitung und Motivation ..............................................................................129 2 Der Technische Kundendienst im Maschinen- und Anlagenbau ....................131
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Inhaltsverzeichnis
3 Unterstützung des Technischen Kundendienstes ............................................ 132 4 Anwendungsszenario ...................................................................................... 134 4.1 Beschreibung des Szenarios .................................................................... 134 4.2 Analyse der Schwachstellen .................................................................... 136 5 Konzeption eines Lösungsrahmens................................................................. 137 5.1 Klassische Wertschöpfung im TKD........................................................ 137 5.2 Hybride Wertschöpfung im TKD............................................................ 138 6 Anwendungsszenario mit Unterstützung ........................................................ 139 7 Fazit und Ausblick .......................................................................................... 140 8 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 144 Teil III: Modellierung von IT- und Beratungsdienstleistungen ................... 147 Explikation und Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen Otmar Adam und Thorsten Dollmann ................................................................. 149 1 Unscharfes Wissen als „blind spot“ in Dienstleistungsprozessen................... 149 2 Explikationsdefekte in bestehenden Methoden............................................... 151 2.1 Ein Finanzdienstleistungsprozess mit typischem unschärfebedingten Explikationsdefekt im Kontrollfluss........................................................ 151 2.2 Grundlegende Explikationsdefekte in Geschäftsprozessmodellen .......... 154 2.3 Interpretation des identifizierten Explikationsdefekts ............................. 156 3 Explikation unscharfen Prozesswissens.......................................................... 157 3.1 Erweiterung der Modellierung der flachen EPK ..................................... 158 3.2 Erweiterung der Modellierung von erweiterten EPK .............................. 160 4 Explikationstechniken für Prozessmodellierer................................................ 161 4.1 Befragungstechniken zur Extraktion von unscharfem Prozesswissen..... 161 4.2 Erweiterung der Werkzeugunterstützung für das Geschäftsprozessmanagement................................................................. 163 5 Zusammenfassung und weiterer Forschungsbedarf ........................................ 164 6 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 165 Serviceorientierung im Prozessmanagement – Analyse der Potenziale Serviceorientierter Architekturen auf Basis von Prozessmodellen Jan vom Brocke ................................................................................................... 169 1 Prozessorientierung in der Serviceorientierung – Serviceorientierung in der Prozessorientierung......................................................................................... 169 2 Potenzialanalyse Serviceorientierter Architekturen auf Basis von Prozessmodellen ............................................................................................. 171 2.1 Potenzialmodelle ..................................................................................... 171 2.2 Modellierungsmethoden.......................................................................... 173 2.2.1 Sachliche Darstellung der Potenziale von SOA ............................ 173 2.2.2 Wertmäßige Darstellung der Potenziale von SOA......................... 174
Inhaltsverzeichnis
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3 Anwendungsbeispiel .......................................................................................177 4 Diskussion der Ergebnisse ..............................................................................181 5 Literaturverzeichnis ........................................................................................182 Autorenverzeichnis............................................................................................185
Teil I: Methoden, Sprachen und Werkzeuge zur Dienstleistungsmodellierung
Ansatz zur ganzheitlichen Erstellung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen
Heiko Kern, Martin Böttcher, Stefan Kühne und Kyrill Meyer Obgleich die Notwendigkeit einer Dienstleistungsmodellierung ausreichend anerkannt ist, wird ein Fehlen einer ganzheitlichen Modellierungsmethode weiterhin bemängelt. Einen Grund für dieses Fehlen sehen die Autoren darin, dass bei der Erstellung von Dienstleistungsmodellen die Metamodellebenen oftmals nicht klar genug getrennt werden. Eine solche Trennung kann zu einer wesentlichen Verbesserung der Ergebnisse bei Forschungsbemühungen in der Domäne der Dienstleistungsmodellierung führen. Gleichzeitig impliziert eine Betrachtung von Metamodellebenen die Notwendigkeit der Interoperabilität auf der Ebene der Metametamodelle. Dieser Beitrag legt die Gründe für die Notwendigkeit einer klaren Betrachtung der Metamodellierungsebenen dar und zeigt die Möglichkeit eines Mappings auf der Ebene der Metametamodelle als elementares Gestaltungselement einer ganzheitlichen Modellierungsmethode auf.
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Einleitung
Das Forschungsgebiet der Dienstleistungsmodellierung weist generell einige Divergenzen auf. So wird einerseits eine ganzheitliche domänenspezifische Modellierungsmethode für den Dienstleistungsbereich gefordert (Alonso-Rasgado et al. 2004, O’Sullivan 2006). Andererseits wird bis heute konstatiert, dass eine ganzheitliche Modellierungsmethodik nicht existiert (Grieble 2004, O’Sullivan 2006). Vielmehr werden in der wissenschaftlichen Literatur verschiedene singuläre Modellierungsansätze für die Dienstleistungsdomäne vorgestellt, welche von praxisnahen Projektergebnissen (Thomas und Scheer 2003) bis hin zu wissenschaftlichen Ergebnissen reichen, beispielsweise in Form publizierter Dissertationen (Hermsen 2000). Keiner dieser Ansätze erfüllt jedoch die Kriterien einer detaillierten Ganzheitlichkeit in vollem Umfang. Des Weiteren wird in der Dienstleistungsdomäne bereits seit Langem bemängelt, dass der phasenübergreifende Einsatz von Werkzeugen unzureichend gelöst ist. Dies bedeutet beispielsweise, dass der Einsatz von Modellierungswerkzeugen vorwiegend auf die Designphase beschränkt ist (Heckmann et al. 1998) und somit
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Heiko Kern, Martin Böttcher, Stefan Kühne und Kyrill Meyer
eine Wiederverwendung der erstellten Modelle in anderen Phasen nicht möglich ist. Ausgehend von dieser Situation wird dem Artikel die Hypothese zugrunde gelegt, dass es eines ganzheitlichen Ansatzes zur Modellierung von Dienstleistungen und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen bedarf. Die Ganzheitlichkeit soll sich aber nicht nur auf die beiden Aspekte der Modellierung von Dienstleistungen und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen beziehen, sondern auch auf die Definition von Modellierungssprachen für die Beschreibung von Dienstleistungen. Dabei ist es in diesem Beitrag nicht das Ziel, eine konkrete ganzheitliche Modellierungsmethode zu definieren, sondern lediglich die Voraussetzungen für eine ganzheitliche Modellierung darzulegen. Um die geforderte Ganzheitlichkeit in der Dienstleistungsdomäne zu realisieren, wird eine strikte Trennung von Metamodellebenen in der Dienstleistungsmodellierung vorgeschlagen. Darauf aufbauend wird ein Ansatz vorgestellt, der auf einem Mapping zwischen Metametamodellen basiert und dadurch den Austausch von Modellen und dazugehörigen Metamodellen zwischen verschiedenen Werkzeugen ermöglicht. Dieser Ansatz wird im weiteren Verlauf als „M3-Levelbasierte Brücke“ bezeichnet. Im Folgenden wird zunächst auf die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes in der Dienstleistungsmodellierung eingegangen. Anschließend wird im Abschnitt 3 die Anwendung der Metamodellebenen als Ansatz zur Ganzheitlichkeit in der Dienstleistungsdomäne beschrieben. Aufbauend darauf wird im Abschnitt 4 das Konzept des Technikraums beschrieben, um dann im darauf folgenden Abschnitt 5 den Ansatz der M3-Level-basierten Brücke vorzustellen. Abschließend wird die Machbarkeit des Ansatzes am Beispiel der Architektur integrierter Informationssysteme (ARIS) (Scheer 2002) und dem Eclipse Modeling Framework (EMF) (Budinsky et al. 2004) demonstriert.
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Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes
Die Notwendigkeit einer ganzheitlichen domänenspezifischen Modellierungsmethode für den Dienstleistungsbereich ist weiterhin unumstritten (Alonso-Rasgado et al. 2004, O’Sullivan 2006). Innerhalb der letzten Jahre haben sich daher zahlreiche verschiedene Modellierungsansätze zur Beschreibung von Dienstleistungen herausgebildet. Deren Differenzen sind insbesondere mit der Komplexität von Dienstleistungen sowie der breit aufgestellten Dienstleistungsforschung zu erklären. So müssen beispielsweise verschiedene Phasen (Ideenfindungs-, Anforderungs-, Design- und Einführungsphase), Rollen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Kenntnissen sowie weitere Aspekte bei der Modellierung berücksichtigt werden. Die existierenden Ansätze fokussieren dabei entweder einen Teilaspekt (beispielsweise nicht-funktionale Eigenschaften) und exkludieren somit eine gesamtheitliche Betrachtung oder sie konzentrieren sich auf das gesamte Spektrum der
Ganzheitliche Erstellung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen
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Dienstleistungsmodellierung bei gleichzeitiger höherer Abstraktion (beispielsweise Grieble 2004, Hermsen 2000). Diese Unterschiede liegen oft in der individuellen Motivation der Dienstleistungsmodellierung begründet. So wurden Dienstleistungsmodelle beispielsweise als das adäquate Mittel für ein eigentlich modellierungsunabhängiges Ziel betrachtet. Grieble (2004) definiert in seiner Arbeit ein Modell, auf welchem aufbauend ein Benchmarking von Dienstleistungen durchzuführen ist. Hermsen (2000) hingegen verfolgt das Ziel einer kundenindividuellen Konfiguration, welche auf einem entsprechenden Modell aufzubauen ist. Gegenüber solchen Ansätzen existieren Arbeiten, welche explizit die Modellierung von Dienstleistungen unabhängig von dem letztendlichen Einsatzzweck betrachten. Hierzu zählen beispielsweise die schon seit Langem vorhandenen Modellierungsansätze von Shostack (1982, 1984), bei welchen Dienstleistungen entsprechend ihrer prozessualen Eigenschaft und entsprechend der Notwendigkeit der Integration von Produkten betrachtet werden. Letztlich existieren auch Modelle, resultierend aus unterschiedlichen Projektergebnissen, wie beispielsweise REBECA (Thomas und Scheer 2003) oder die PAS 1018 (Mörschel und Hoeck 2002). Obgleich die existierenden Modelle unterschiedlich motiviert sind, lässt sich doch feststellen, dass viele von ihnen entweder direkt auf der Triade von Prozess-, Ressourcen- und Ergebnismodell aufbauen oder sich in diese einpassen lassen.1 Diese Dreiteilung, unter anderem proklamiert von Bullinger et al. (2003), baut auf den originär modellierungsunabhängigen Arbeiten von Meffert und Bruhn (2006) auf. Um eine Dienstleistung in ihrer Gesamtheit beschreiben zu können, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, welcher die einzelnen Aspekte einer Dienstleistungsbeschreibung (Triade) mit einem adäquaten Detailliertheitsgrad abdeckt. Selbst wenn die einzelnen Aspekte zu unterschiedlichen Modellierungsmethoden führen, müssen die Modellierungsmethoden doch untereinander verbunden sein, um den zwischen diesen Methoden existierenden Interdependenzen gerecht zu werden. So werden beispielsweise sowohl im Produkt- als auch im Prozessmodell gleiche Begriffe verwendet, die als solche auch erkennbar sein müssen. Neben der Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen verschiedenen Modellen existiert bislang kein einheitlicher respektive zentraler Ansatz zur Dienstleistungsmodellierung, welcher sukzessive weiterentwickelt werden kann. Vielmehr stellen viele der analysierten Arbeiten immerwährende Neuanfänge im Bereich der Dienstleistungsmodellierung dar. Diese Nichtexistenz ist unter anderem der Tatsache unterschiedlicher Formalisierungsgrade einzelner Modellierungsvorschläge geschuldet. Während einige Arbeiten die Ergebnisse rein textuell ausformulieren und kaum erkennbare Formalismen darlegen, nutzen andere Entwürfe jeweils unterschiedliche Formalisierungsansätze, ohne diese immer explizit 1
Die Analyse von 12 Modellierungsansätzen (dargelegt in 25 Dokumenten) sowie von 20 Standardwerken der Dienstleistungsforschung ergab, dass die proklamierte Triade von Prozess, Ressourcen und Ergebnis generell verfolgt werden kann, wenn diese um die Betrachtung der Modularisierung erweitert wird.
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Heiko Kern, Martin Böttcher, Stefan Kühne und Kyrill Meyer
darzulegen. Hierdurch sind einerseits der Vergleich der unterschiedlichen Modellierungsansätze und andererseits die strukturierte Weiterentwicklung erschwert. Ein weiterer Aspekt bei der Betrachtung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Dienstleistungsmodellierung ist die Verbesserung hinsichtlich einer ganzheitlichen Verarbeitung von Modellen durch entsprechende Werkzeuge. Daher ist es entscheidend, Modelle so zu definieren, dass Modelle derart zu definieren sind, dass Modelloperatoren adäquat auf ihnen angewendet werden können.. Hierfür besteht die Notwendigkeit gut strukturierter Modelle mit einer klaren Definition der genutzten Sprachen.
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Metamodellebenen in der Dienstleistungsmodellierung
Als Ansatz für eine ganzheitliche Modellierung wird die strikte Trennung von Metamodellebenen, wie sie in Abb. 1 dargestellt sind, vorgeschlagen. Eine zu betrachtende Dienstleistung, auch als „system under study“ (SUS) bezeichnet, bildet dabei den Ausgangspunkt. Sie wird unter Verwendung einer geeigneten Modellierungssprache durch ein Modell beschrieben. Die in der Modellierungssprache enthaltenen Sprachkonzepte (abstrakte Syntax) werden in einem dazugehörigen Metamodell repräsentiert (µ-Relation) (Favre 2005a, Mellor et al. 2004, Kühne 2005).
Abb. 1. Metamodellebenen in der Dienstleistungsmodellierung (in Anlehnung an Favre 2005a)
Ganzheitliche Erstellung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen
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Metamodelle können wiederum mit einer Sprache beschrieben werden, wobei die enthaltenen Sprachkonzepte (abstrakte Syntax) ebenfalls in einem Metamodell, dem so genannten Metametamodell, repräsentiert werden. Modell, Metamodell und Metametamodell stehen in einer „konform-zu-Beziehung“ (χ-Relation) (Favre 2005a, Bézivin 2005, Kühne 2005), die auch als Instanz- oder Ausprägungsbeziehung bezeichnet wird, und bilden eine Metamodellhierarchie. Diese Hierarchie setzt sich aus den vier Ebenen M0–M3 zusammen, wobei M0 die Ebene des Systems und M3 die Metametamodellebene darstellt. Im Allgemeinen besteht eine Hierarchie aus vier Ebenen (Tolvanen 1998). Die Anwendung beziehungsweise die Beachtung der Metamodellierungsebenen führt aus folgenden Gründen zu einer Verbesserung der Anstrengungen im Bereich der Dienstleistungsmodellierung: 1. Ansätze im Bereich der Dienstleistungsmodellierung sind durch die Berücksichtigung der Metamodellebenen gezwungen, explizit eine der Ebenen (sehr wahrscheinlich die M2-Ebene) zu betrachten. Die aus der Missachtung dieser Ebenen resultierende Heterogenität existierender Ansätze kann damit in Zukunft vermindert werden. 2. Die erstellten Dienstleistungsmetamodelle weisen eine Konformität zu einem gemeinsamen Metametamodell auf und gewährleisten die Weiterentwicklung unter Beibehaltung einer solchen Konformität, so dass eine strukturierte Fortführung von Ansätzen möglich ist. Die Weiterentwicklung von Dienstleistungsmetamodellen wird durch die Offenlegung des explizit genutzten Metametamodells verbessert. 3. In Abhängigkeit des ausgewählten Metametamodells können Relationen zwischen Metamodellen definiert werden, um somit Abhängigkeiten beziehungsweise Beziehungen zwischen Modellen darzustellen. 4. Die ganzheitliche Verarbeitung von Modellen wird verbessert, da entsprechende Werkzeuge implementiert werden können, die auf der Struktur des Metametamodells aufbauen. Somit können beispielsweise spezifische Modelloperationen, wie Transformation, Validierung oder Analysen, in Abhängigkeit der Metamodelle definiert werden.
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Technikräume für die Dienstleistungsmodellierung
Das vorgestellte Konzept der Metamodellhierarchie, welche aus drei Modellierungsmetaebenen besteht, ist nicht neu und wird in verschiedenen Technologien umgesetzt. Eine solche Umsetzung kann als Technikraum (Kurtev et al. 2002, Favre 2005b, Bézivin et al. 2005b) bezeichnet werden, wobei der Begriff vorwiegend seine Verwendung im Bereich des Model-driven Engineering (MDE) (Bézivin 2005, Favre 2005b) findet. Ein Technikraum wird oftmals mit bestimmten Ideen, Konzepten, Werkzeugen, Möglichkeiten und erforderlichen Fähigkeiten
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Heiko Kern, Martin Böttcher, Stefan Kühne und Kyrill Meyer
verbunden, um Lösungsansätze für spezifische Problemstellungen zu bieten. Weiterhin kann ein Technikraum oft mit einer Gruppe beziehungsweise Gemeinschaft assoziiert werden, in der ein gewisser Konsens hinsichtlich des Wissensgebietes beziehungsweise der akzeptierten Literatur herrscht und welche sich unter anderem über Konferenzen und Workshops austauscht. Technikräume sind für verschiedene Aufgabenbereiche unterschiedlich gut geeignet. Diese Aufgaben können unter anderem die Modellierung, Transformation, Speicherung, Analyse oder der Austausch von Modellen sein. Die Entscheidung für einen geeigneten Raum kann dabei auf Basis unterschiedlicher Kriterien, wie dem zugrunde liegende Kalkül oder den bereits existierenden Werkzeugen, getroffen werden. So benötigt beispielsweise die Beschreibung der Prozesssicht die Repräsentation von Graphen oder aber im Falle deklarativer Beschreibung die Abbildung von Regeln. Dahingegen benötigt die Aufstellung von Hierarchien Kalküle zur Repräsentation von Bäumen. Im Folgenden werden verschiedene Technikräume betrachtet, in denen das Konzept der Metamodellhierarchie wieder zu finden ist, und eine mögliche Einordnung in einen der zuvor aufgezählten Aufgabenbereiche vorgeschlagen:
• Architektur integrierter Informationssysteme: Als technischer Raum stellt ARIS eine Reihe von Konzepten und Werkzeugen zum Geschäftsprozessmanagement bereit. Hierzu zählt unter anderem das ARIS-Haus, welches Geschäftsprozesse in verschiedene Sichten und Abstraktionsebenen unterteilt. Als Werkzeugsammlung steht die ARIS-Plattform zur Verfügung. Die Metamodellhierarchie besteht aus dem A3-Modell (Kern und Kühne 2007a), Methodenfiltern und ARIS-Modellen. Aufgrund des Sichten- und Ebenenkonzepts und den dazugehörigen Modellierungswerkzeugen wird ARIS vor allem im Modellierungsbereich angewendet.
• Eclipse Modeling Framework: Das Eclipse Modeling Framework ist ein OpenSource-Framework, das die Entwicklung von Java-Anwendungen unterstützt und als Plug-In für die Eclipse-Plattform zur Verfügung steht (Budinsky et al. 2004). Die Metamodellhierarchie besteht aus Ecore, EMF-Metamodellen und EMF-Modellen. Aufbauend auf dem Framework existiert eine Vielzahl an Werkzeugen für die Modellverarbeitung (Efftinge 2006, Efftinge und Kadura 2006, Jouault und Kurtev 2005, IBM 2004, Biermann et al. 2006), weshalb EMF in der Modellverarbeitung eingesetzt werden kann.
• Extensible Markup Language: Die Extensible Markup Language (XML) (W3C 2006) ist eine vom W3C standardisierte Sprache zur Definition von MarkupSprachen für die Beschreibung von strukturierten und semistrukturierten Daten in Form von XML-Dokumenten. Aufbauend auf dem XML-Standard existiert eine Vielzahl von weiteren Standards für die Verarbeitung von XML-Dokumenten, wie XSLT, XPATH oder XQuery. Die Metamodellhierarchie im XMLRaum besteht aus der XML-Spezifikation, XML-Schemas/DTDs und XML-
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Dokumenten. XML hat sich als Format für die Modellverarbeitung und den Austausch von Modelldaten durchgesetzt.
• Web Ontology Language: Die Web Ontology Language (OWL) (W3C 2004) ist ebenfalls eine Spezifikation des W3C, um Ontologien zu beschreiben, zu publizieren und zu verteilen. OWL ist ein wesentlicher Bestandteil der SemanticWeb-Initiative und eignet sich zur formalen Definition von Konzepten und deren Beziehungen. Aufbauend auf der formalen Beschreibung existieren Werkzeuge, wie Reasoner, welche entsprechende Interferenzen bestehender Konzepte berechnen und neues Wissen ableiten können. Die Metamodellhierarchie im OWL-Raum besteht aus der OWL-Spezifikation, OWL-Konzepten und OWLInstanzen.
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Ganzheitlichkeit durch M3-Level-basierte Brücken
Die Existenz verschiedener Technikräume und deren unterschiedliche Eignung bezüglich bestimmter Aufgabenbereiche führen im Rahmen der Dienstleistungsmodellierung dazu, dass Metamodelle und Modelle in unterschiedlichen Räumen entwickelt werden. Beispielsweise ist es vorstellbar, dass sich der ARIS-Raum für eine bestimmte Dienstleistungsdomäne aufgrund seiner existierenden Modellierungssprachen (beispielsweise EPK), bereits vorhandenen Werkzeugen und dem zugrunde liegenden Kalkül (die Repräsentation von Graphen) zur Beschreibung von Prozessmodellen eignet. Hingegen bietet sich unter Umständen der OWLRaum für die Entwicklung von Produktmodellen an, da in OWL entsprechende Klassenstrukturen, wie sie in Produktmodellen vorkommen, abgebildet und mit speziellen Werkzeugen erstellt und überprüft werden können. Die Eignung beziehungsweise Verwendung verschiedener Technikräume für die Dienstleistungsmodellierung erschwert die geforderte ganzheitliche Betrachtung. Um diese dennoch zu erreichen, wird eine Überführung der Modelle und Metamodelle zwischen den verschiedenen Räumen durch den Ansatz der M3-Levelbasierten Brücken vorgeschlagen. Dadurch wird beispielsweise die Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Dienstleistungsmodellierung sichergestellt, da Metamodelle in unterschiedlichen Räumen miteinander vergleichbar gemacht werden können. Des Weiteren kann eine Überführung von Modellen in andere Räume hilfreich sein, um dessen Funktionalität bei der Modellverarbeitung zu nutzen. M3-Level-basierte Brücken wurden bereits für verschiedene Metamodellhierarchien entwickelt (Bézivin et al. 2005a, Bézivin et al. 2005b, Kern und Kühne 2007a, Duddy et al. 2003, Wimmer et al. 2006). Auch wenn die Implementierungen solcher Brücken durchaus unterschiedlich sein können, beruhen sie auf der derselben konzeptionellen Grundlage. Ausgangspunkt ist zunächst die Berücksichtigung der Metamodellebenen, wie sie in Abb. 2 dargestellt sind. Aufbauend darauf müssen semantisch ähnliche Konstrukte auf M3-Ebene identifiziert werden und eine Abbildung zwischen diesen Metasprachkonzepten gefunden werden. Auf Basis der Abbildung auf M3-Ebene können konkrete Sprachkonzepte durch eine
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Transformation auf M2-Ebene abgebildet werden. Somit ist eine Abbildung der Metamodelle der beiden Räume sichergestellt. Eine solche Transformation kann unidirektional oder bidirektional sein. Erstere bedeutet, dass nicht alle Metasprachkonzepte des einen Metametamodells auf die des anderen abgebildet werden können. Somit ist es nur möglich, Sprachdefinitionen von einem Modellierungsraum in den anderen zu überführen, jedoch nicht umgekehrt beziehungsweise nicht vollständig umgekehrt. Eine bidirektionale Abbildung hingegen erfordert die Abbildung aller Metasprachkonzepte aufeinander und ermöglicht die Überführung von Sprachdefinitionen in beide Richtungen. Nach der Definition der Abbildung auf M3-Ebene und der Ableitung der Transformation auf M2-Ebene müssen nun Transformationsregeln auf M1-Ebene definiert werden. Dadurch können Modelle zwischen den Räumen transformiert werden. Ausgangspunkt sind wieder die Abbildungsregeln auf M3-Ebene. Weiterhin muss wie bei der M2-Ebenen-Transformation bekannt sein, auf welche Weise Metasprachkonzepte auf M1-Ebene ausgeprägt werden.
Abb. 2. M3-Level-basierte Brücke
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Machbarkeitsanalyse am Beispiel von ARIS und Eclipse EMF
Der vorgeschlagene Ansatz zur ganzheitlichen Erstellung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen soll in diesem Abschnitt anhand von ARIS und Eclipse EMF gezeigt werden. Wie bereits im Abschnitt 4 beschrieben, kann ARIS als ein Technikraum aufgefasst werden, der vorwiegend im Geschäftsprozessmanagement seine Anwendung findet. Ausgewählte ARIS-Modellierungssprachen können aber auch im Bereich der Dienstleistungsmodellierung angewendet werden (Scheer et al. 2002). Durch die Möglichkeit der Hinterlegung von Modellobjekten können Beziehungen zwischen den verschiedenen Modellen dargestellt werden, um dadurch eine ganzheitliche Betrachtung zu gewährleisten. Diese ganzheitliche Modellierung wird durch die Einhaltung des im ARIS vorhandenen A3-Modells (Metametamodell), welches in Abb. 3 dargestellt ist, und der Metamodellebenen gewährleistet. Weiterhin sind alle Modelle in einem vom A3-Modell abgeleiteten
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Modell-Repository (Kern und Kühne 2007a) abgelegt, wodurch eine ganzheitliche Modellverarbeitung durch ARIS-Skript möglich ist. Ein Technikraum, der sich aufgrund offener Standards, frei verfügbarer OpenSource-Implementierungen und zahlreicher Werkzeuge für die Verarbeitung von Modellen empfiehlt, ist durch Eclipse EMF gegeben. Beispielsweise existieren für die Umsetzung von Modell-zu-Modell- und Modell-zu-Text-Transformationen zahlreiche Werkzeuge. Diese basieren auf unterschiedlichen Transformationsansätzen, wie dem graphbasierten Ansatz AGG (Biermann et al. 2006), dem relationalen Ansatz ATL (Jouault und Kurtev 2005) oder MTF (IBM 2004), dem funktionalen Ansatz XTend (Efftinge 2006) oder dem template-basierten Ansatz XPand (Efftinge und Kadura 2006). Im Vergleich zum imperativen Ansatz, auf dem beispielsweise ARIS-Skript basiert, ergeben sich durch diese Ansätze Verbesserungspotenziale hinsichtlich Modularität, Anpassbarkeit, Wiederverwendbarkeit oder Benutzbarkeit. Dies war die Motivation für eine M3-Level-basierte Brücke zwischen ARIS und Eclipse EMF, die es ermöglicht, Modelle und Metamodelle von ARIS nach Eclipse EMF zu überführen, die überführten Modelle mit EMF-Werkzeugen zu bearbeiten und anschließend die Modelle wieder in den ARIS-Raum zu überführen.
Abb. 3. Metametamodell von ARIS: A3-Modell
Die Brücke bildet zunächst semantisch ähnliche Elemente zwischen dem A3Modell von ARIS und dem Ecore-Modell von Eclipse EMF aufeinander ab (vgl. Abb. 4). Eine Regel ist beispielsweise die Abbildung von Objekttyp auf EClass, wobei der Name gleich ist. Eine weitere Regel ist die Abbildung von Attributtyp auf EAtttribute. Eine detaillierte Beschreibung der entsprechenden Abbildungsregeln wird von Kern und Kühne (2007a) dargelegt. Aufbauend auf den Abbildungsregeln können konkrete Transformationsregeln auf M2-Ebene und M1-Ebene definiert werden. Dadurch können Metamodelle und Modelle zwischen den beiden
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Metamodellhierarchien transformiert werden. Somit besteht beispielsweise die Möglichkeit, wie bereits in Kern und Kühne (2007b) beschrieben, ein Prozessmodell, welches in ARIS-EPK-Notation beschrieben wurde, nach Eclipse EMF zu überführen, um dieses Prozessmodell anschließend mit der ATLAS Transformation Language (ATL) (Jouault und Kurtev 2005) zu validieren.
Abb. 4. Metametamodell von Eclipse EMF: Ecore
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Konklusion und Ausblick
Ausgehend von der Forderung nach einer ganzheitlichen Methode zur Dienstleistungsmodellierung wurde in diesem Beitrag ein Ansatz vorgestellt, welcher zur Verbesserung der Bemühungen um eine ganzheitliche Modellierungsmethodik führen soll. Die geforderte Ganzheitlichkeit orientiert sich dabei nicht nur an der Modellierung und Verarbeitung von Dienstleistungsmodellen, sondern sie bezieht auch die Definition von Modellierungssprachen für die Beschreibung von Dienstleistungsmodellen mit ein. Um die geforderte Ganzheitlichkeit in der Dienstleistungsdomäne zu verbessern, wurde zunächst die strikte Trennung von Metamodellebenen vorgeschlagen. Dadurch kann in Bezug auf die Sprachdefinition die Heterogenität existierender Ansätze in Zukunft verhindert werden, da eine explizite Einordnung in die Metaebenen erfolgen muss. Des Weiteren wird auch die Weiterentwicklung von Metamodellen erleichtert, da diese einem expliziten Metametamodell zugrunde liegen. In Bezug auf eine ganzheitliche Modellierung können Interdependenzen zwischen Modellen wesentlich einfacher beschrieben werden. Weiterhin wird die Modellverarbeitung erleichtert, da auf Basis des Metametamodells entsprechende Werkzeuge implementiert werden können, die in Abhängigkeit des Metamodells verschiedene Modelloperationen ausführen.
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Das Konzept der Metamodellhierarchie ist nicht neu und findet sich in unterschiedlichen Technikräumen wieder. Diese sind durch die zugrunde liegenden Konzepte, Ideen, Werkzeuge und assoziierten Gruppen unterschiedlich gut für die verschiedenen Aufgabenbereiche der Dienstleistungsmodellierung geeignet. Somit ist es wahrscheinlich, dass für die verschiedenen Aufgabenbereiche unterschiedliche Technikräume eingesetzt werden. Dies würde jedoch der geforderten Ganzheitlichkeit entgegenwirken. Eine Lösung hierfür kann durch den Ansatz der M3Level-basierten Brücken erreicht werden. Dieser Ansatz kann verschiedene Technikräume miteinander verbinden, indem er auf Basis eines Metametamodell-Mappings die dazugehörigen Metamodelle und Modelle zwischen den Räumen transformieren kann. Somit wird eine Interoperabilität zwischen den Räumen bereitgestellt, die der geforderten Ganzheitlichkeit dient. Die Anwendung des Ansatzes der M3-Level-basierten Brücken wurde im Abschnitt 6 demonstriert. Dabei wurde der ARIS-Raum, welcher sich vorwiegend für die Modellierung eignet, mit dem Eclipse EMF-Raum, welcher sich eher für die Modellverarbeitung durch Transformationswerkzeuge eignet, verbunden. Für die weitere Anwendung des Ansatzes ist es zunächst notwendig, unabhängig von verschiedenen Technikräumen, die hier noch sehr generischen Aufgabenbereiche der Dienstleistungsmodellierung zu detaillieren und weitere Aufgaben zu identifizieren. Aufbauend darauf können verschiedene Technikräume evaluiert und die Eignung bezüglich der Aufgaben festgestellt werden. Für die im Beitrag geforderte Ganzheitlichkeit können darauf aufbauend Brücken zwischen geeigneten Technikräumen entwickelt werden.
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Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen
Christian Hillbrand und Lothar März Logistikdienstleistungen zeichnen sich – im Gegensatz zu vielen anderen Servicearten – durch eine sehr starke wechselseitige Abhängigkeit der Prozesse von der zugrunde liegenden Infrastruktur und anderen Ressourcen aus. Aus diesem Grund sind Eingriffe in die Produktstruktur meist mit Veränderungen auf Seiten der Enabler verbunden, was Produktinnovationen sehr schwierig gestaltet. Um die Neugestaltung und Erweiterung von Logistikservices zu flexibilisieren, erarbeitet der in diesem Beitrag vorgestellte Ansatz eine Modellierungssprache, welche logistikspezifische Produktstrukturen und deren Umfeld abbildet. Diese Konzepte basieren auf bekannten Ansätzen der Dienstleistungsmodellierung sowie der plattformgetriebenen Produktentwicklung, welche ebenfalls im Rahmen dieses Artikels vorgestellt werden. Die analytische Verwendung derart gestalteter Dienstleistungsmodelle zur Gestaltung neuer Produkte beziehungsweise zur Abschätzung ihres Implementierungs- und Betriebsaufwands sowie eine zusammenfassende Betrachtung des Themas bilden den Abschluss.
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Einleitung
Logistikdienstleister bieten typischerweise ein Produktportfolio bestehend aus Transport-, Lager- und Kommissionierservices sowie teilweise auch spezialisierten Zusatzleistungen an. Hinzu kommen meist auch Informationsservices wie beispielsweise die Warenverfolgung, Online-Lagerbestände, elektronische Auftragsabwicklung, etc. Die Erbringung dieser Dienstleistungen setzt jedoch nicht nur die Beherrschung der zugrunde liegenden Prozesse voraus, sondern vielmehr auch eine ausgereifte Infrastruktur und technische Komponenten. Das Zusammenspiel dieser Produktbestandteile gestaltet sich dabei im Einzelfall sehr oft als komplex und aufwändig. Grund dafür sind einerseits die vielseitigen Rahmenbedingungen (z. B. Behandlung von Gefahrengütern, Lagerrestriktionen von Gütern, etc.) sowie die Vielfalt von Kundenanforderungen an mögliche Services. Die Folge daraus ist, dass Logistikdienstleister meist nur eine überschaubare Anzahl von Standardprodukten in den oben genannten Bereichen anbieten, welche zu einem vordefinierten
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Christian Hillbrand und Lothar März
Preis und gegebenen Produktcharakteristika nachgefragt werden (Reppahn 2006, 766 f.). Diese Basisdienstleistungen sind derart zugeschnitten, dass sie dem Großteil der Kundenanforderungen genügen müssen. Die Entwicklung neuer Produkte ist in den allermeisten Fällen nachfrageseitig getrieben und speziell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden abgestimmt. Eine Entwicklung generischer Dienstleistungen oder Servicefragmente ist aufgrund der oben genannten Rahmenbedingungen in den meisten Fällen nicht möglich. Da die physische und informationstechnologische Infrastruktur von Logistikdienstleistern immer auf bestehende Produkte ausgelegt und optimiert ist, zieht eine Produktneugestaltung mit entsprechendem Geschäftsvolumen in den meisten Fällen die Notwendigkeit mehr oder weniger tiefgreifender ablauf- oder informationstechnischer beziehungsweise infrastruktureller Eingriffe nach sich. Diese hohe Varietät an interorganisatorischen Abhängigkeiten bedingt, dass die Folgen einer Produktanpassung oder -neugestaltung seitens des Logistikdienstleisters nur bis zu einem gewissen Grad abgeschätzt werden können. Vor allem um mit hochkomplexen Produkten wie eben beschrieben umgehen zu können, existiert für physische Produkte eine Reihe von Ansätzen, welche die Skalierbarkeit und Variation der Produkte sowie raschere Produktentwicklungszyklen durch modulare Komponenten und deren Dokumentation sicher stellen sollen. Im Bereich von Dienstleistungen sind derartige Ansätze erst im Entstehen begriffen (Scheer et al. 2006) und sind nur in wenigen Bereichen wie den Finanzdienstleistungen in breitem Einsatz (Mehlau 2002, Klein 2000). Eine Übersicht über den Stand der Forschung und Praxis im Bereich des modularen Produktmanagements für Dienstleistungsunternehmen findet sich im folgenden Abschnitt. Gewisse Lösungsmöglichkeiten für die oben geschilderte Problematik bieten sich im Bereich der Modellierung von Dienstleistungsprodukten sowie in Form von plattformbasierten Ansätzen. Der dritte Abschnitt geht näher auf die Besonderheiten sowie die spezifische Struktur von Logistikprodukten ein. Aufbauend auf diesen Charakteristika wird im vierten Abschnitt der konzeptuelle Rahmen für die Modellierung von Logistikdienstleistungen erarbeitet. Dazu wird zunächst ein mögliches Vorgehensmodell und im Anschluss daran ein Metamodell für Logistikserviceplattformen vorgestellt. Der darauf folgende Abschnitt stellt mögliche Analysetechniken aus dem Bereich der statischen beziehungsweise abfragebasierten Analyse sowie der Simulationsanalyse vor, welche auf derartigen Modellen operieren. Im abschließenden Abschnitt finden sich eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse dieses Beitrags sowie ein Ausblick auf weitergehenden Forschungs- und Entwicklungsbedarf.
Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen
2 2.1
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Management modularer Dienstleistungsprodukte Modellierung von Dienstleistungsprodukten
Durch den Einsatz von betrieblichen Informationssystemen – insbesondere Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen – wurde in der produzierenden Industrie ein gewisser Bedarf an Formalisierung von Produkt- und Erzeugnisstrukturen begründet. Nur durch die formale Abbildung dieser Informationen auf ein entsprechendes Modell sind Produktionsabläufe automatisierbar. Um ähnliche Rationalisierungseffekte im Dienstleistungsbereich erzielen zu können, sind bereits seit einiger Zeit Ansätze bekannt, auch Serviceprodukte formal zu beschreiben. So sind etwa im deutschsprachigen Raum diverse Lösungen aus dem Finanzdienstleistungssektor im Zuge der Einführung von Workflow-Systemen oder anderen operativen Informationssystemen bekannt (Klein 2000). Ein wesentlicher Treiber für die modellhafte Abbildung von Dienstleistungen resultiert aus den Konzepten des Service Engineering. Dieser Begriff wurde in den letzten Jahren vor allem in deutschsprachigen Beiträgen geprägt. Gemäß gängigen Auffassungen (Klein 2007) ist das Service Engineering als konsequente Anwendung ingenieurwissenschaftlicher sowie betriebswirtschaftlicher Prinzipien auf die Entwicklung und Produktion von Services (Fähnrich und Opitz 2006) zu verstehen. Diese Ansätze wurden unter dem Oberbegriff des New Service Development in den USA bereits in den 1990er-Jahren teilweise vorweggenommen. Im Unterschied zum Service Engineering stammen diese Konzepte jedoch eher aus dem Hintergrund des Dienstleistungsmarketings (Fähnrich und Opitz 2006). Während für die Ansätze des New Service Development kaum oder keine Bemühungen zur modellhaften Abbildung von Dienstleistungen bekannt sind, liegen diese für die eher konstruktivistisch orientierte Richtung des Service Engineering nahe. So entsteht in jüngster Zeit eine Community im deutschsprachigen Raum, welche sich der Modellierung von Dienstleistungen annimmt. Diese Ansätze entstehen oft im Naheverhältnis zum Business oder Process Engineering. Sie beruhen somit meist auf der Tatsache, dass Leistungen zu einem überwiegenden Teil aus der Ausführung von Geschäftsprozessen bestehen und somit auch als solche zu beschreiben sind (Grieble et al. 2002, Schneider und Thomas 2003). Deshalb wird das Dienstleistungsprodukt in der einschlägigen Literatur oft als Gruppierungsmerkmal für Geschäftsprozesse oder Prozessvarianten verstanden (Grieble et al. 2002, 17). Diese Sicht ist typisch für das prozessbezogene Begriffsverständnis des Service Engineering. Daneben existieren aber auch Ansätze, welche sich auf das Ergebnis des Leistungserbringungsprozesses beziehen. Diese eher deskriptiven Konzepte orientieren sich am Aufbau oder den Erfolgsfaktoren von neuen Dienstleistungen (Klein 2007, 28 ff.). Diese beiden grundsätzlichen Auffassungsrichtungen können auch mit Hilfe des Dimensionenmodells von Hilke erklärt werden, welches in der Literatur des Service Engineering relativ breite Beachtung findet (z. B. Grieble et al. 2002, Scheer et al. 2006, Fähnrich und Opitz 2006). Dieses – aus dem Dienstleistungsmarketing stammende – Erklärungsmodell unterscheidet
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Christian Hillbrand und Lothar März
die Potenzialdimension (Vorhaltung von Produktionsfaktoren für die Dienstleistungserbringung) von der Prozessdimension (Übertragung der Potenziale auf externe Faktoren wie z. B. Kunden) und schließlich von der Ergebnisdimension (der gewünschte Endzustand nach erbrachter Dienstleistung) (Hilke 1989). Folgend diesen Dimensionen orientieren sich auch Modellierungskonzepte wie beispielsweise von Klein (2007). Dieser unterscheidet Modellierungsmethoden des Prozesssystems von denjenigen des Objektsystems. Erstere beinhalten Konzepte, welche sich mit der Entwicklung der Dienstleistung selbst befassen, während letztere eher den zu entwickelnden Service selbst beschreiben. Das Objektsystem enthält Modellierungskonzepte des Konstruktionssystems sowie des Leistungssystems. Das Konstruktionssystem kommt vor allem im Entwicklungsstadium zum Einsatz (Schwerpunkte sind Ideen, Qualitätscharakteristika und Analysemodelle) und ist somit nach abgeschlossenem Service-Engineering-Projekt nicht mehr von Bedeutung. Dagegen ist das Leistungssystem bei der Erbringung der Dienstleistung selbst relevant. In dieser Dimension sind die Produktstruktur der Dienstleistung, die Prozesse, deren Umfeld und Ressourcen beschrieben. Der dargelegte Ansatz beinhaltet eine prozessuale Dimension im Sinne eines Vorgehensmodells wie auch eines konstruktivistisch orientierten Objektsystems in Gestalt eines Metamodells für Logistik-Service-Plattformen.
2.2
Mass Customization und Produktplattformen
Die Fragestellung der nachfragegetriebenen und kundenzentrierten Produktentwicklung – wie in der Einleitung beschrieben – wird in der einschlägigen Literatur zum Thema Mass Customization sehr ausführlich behandelt (Pine 1993, Piller 2006). Dieses Forschungsgebiet entstand aus der Notwendigkeit produzierender Unternehmen, ihre Produkte auf verschiedenste Kundenbedürfnisse anpassen zu müssen (Cox und Alm 1998). Die wichtigste Voraussetzung für diese Überlegungen war, dass traditionelle Customizing-Ansätze meist eine mehr oder weniger radikale Veränderung des Produktes und damit auch des Produktionsprozesses nach sich ziehen (Ahlström und Westbrook 1999). Aus diesem Grund erfordern die Prinzipien der Mass Customization einen gewissen Grad an Standardisierung. Dabei existiert eine Reihe von Implementierungsansätzen. So können etwa kundenindividuelle Produkte aus Standardmodulen zusammen gesetzt werden. Um letztere zu produzieren, müssen neue Produktionsverfahren nicht eigens entwickelt und eingerichtet werden, weshalb der übliche Mehrpreis für dieses angepasste Produkt entfallen oder gemindert werden kann. Ein wichtiges Merkmal des Mass Customizing ist deshalb, dass derart individualisierte Produkte im gleichen Marktsegment angeboten werden können wie Standardmassenprodukte (traditionell angepasste Produkte befinden sich üblicherweise in einem höheren Segment). Jedoch alleine die Standardisierung von modularisierten Produktbausteinen scheint nur ein erster Schritt zur Bewältigung der Varietät zu sein, welche aus individualisierbaren Produkten entsteht. Wie Jiao und Tseng (2001, 225 f.) erwäh-
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nen, entstehen ohne Institutionalisierung der Standardisierungsbemühungen sehr rasch Redundanzen, welche mit der Zeit nur mehr schwer kontrollierbar sind. Eine Literaturstudie von Du et al. (2001) zeigt auf, dass Varietätsansätze in der Mass Customization in drei Bereiche eingeteilt werden können: Produktplattformen, Produktarchitekturen und Modellierung von Produktfamilien. Das wichtigste Konzept stellt dabei das der Produktplattformen dar. Diese können kurz als eine Menge von Modulen und Schnittstellen bezeichnet werden, welche zu einer gemeinsamen Struktur entwickelt werden. Daraus kann einfach eine Menge von weiteren Produkten abgeleitet und produziert werden (Meyer und Lehnerd 1997). Diese Module müssen nicht notwendigerweise physische Bestandteile, sondern können auch Prozesse oder Informationen sein. Das Hauptanliegen dieser Ansätze ist folglich die Erfassung und Nutzung der grundlegenden Produktstruktur sowie deren Nutzung zur Entwicklung ähnlicher Produkte. Die klassischen Anwendungsgebiete des Plattformansatzes sind erwartungsgemäß hauptsächlich in großindustriellen Umfeldern zu finden. Da sich diese Konzepte nicht ohne weiteren Abstraktionsaufwand auf Dienstleistungen übertragen lassen, sind zu dieser Kombination in der einschlägigen Literatur nur sehr wenige Ansätze bekannt: Meyer und DeTore (2001) berichten über die Umsetzung einer Plattformstrategie bei einer Versicherungsgesellschaft in den USA. Ein etwas älterer Ansatz von Kingman-Brundage (1993) – das Service Mapping – ist dem der Produktplattformen sehr ähnlich und sieht die Abbildung der Produktstruktur auf ein Modell vor. Im deutschsprachigen Raum sind in jüngster Zeit einige auf Produktplattformen basierende Ansätze im Bereich des Service Engineering zu verzeichnen. Eine Übersicht dazu bietet das Papier von Strauss (2006). Für Logistikdienstleistungen im Besonderen sind keine Anwendungen des Konzeptes der Produktplattformen bekannt, jedoch erscheinen diese als besonderes geeignet, um die in der Einleitung erörterten Fragestellungen zu lösen.
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Logistikprodukte
Wie andere Leistungen auch, können Logistikprodukte hauptsächlich als Ergebnis eines Prozesses bezeichnet werden (gemäß der Terminologie von Hilke (1989) entspricht dies der Prozess- und Ergebnisdimension). Leistungen werden grob in Sachleistungen und Dienstleistungen unterschieden, wobei letztere wiederum reine Informationsdienstleistungen oder sonstige Dienstleistungen sein können (Grieble et al. 2002, 3 f.). Bei Sachleistungen bezieht der Kunde üblicherweise eine physische Ware, während bei Dienstleistungen die Ausführung eines Prozesses selbst beziehungsweise dessen Output als verkaufsfähige Einheit betrachtet wird. Wie in der Praxis beobachtbar, verschwimmen jedoch die Grenzen zwischen reinen Dienst- und Sachleistungen zusehends: Anbieter von physischen Produkten bieten zusätzliche Dienstleistungen an, wodurch der Anbieter vermehrt als ganzheitlicher Problemlöser aufzutreten in der Lage ist. Beispiel dafür sind OnlineBuchhändler, welche durch eine Vielzahl von Informationsservices, wie z. B. die
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Christian Hillbrand und Lothar März
Vorschau- oder Suchfunktionalität, dem Kunden die zielgerichtete Auswahl von Literatur erheblich erleichtern. Auf der anderen Seite reichern auch Dienstleistungsanbieter ihr Produktportfolio zunehmend mit Sachleistungen an, wie am Beispiel des Verkaufs von zollfreien Waren auf grenzüberschreitenden Flügen, deutlich wird. Das bedeutet, dass die meisten Produkte in einem kontinuierlichen Spektrum zwischen reinen Sachleistungen und reinen Dienstleistungen anzusiedeln und folglich grob als hybride Produkte zu bezeichnen sind. Diese Klassifikation trifft auch für Logistikprodukte zu, wenngleich diese im Allgemeinen einen ungleich höheren Dienst- als Sachleistungsanteil aufweisen. Im Unterschied zu reinen Dienstleistungen, wie dem Transport von Waren oder die Lagerung von Gütern über einen bestimmten Zeitraum unter definierten Bedingungen, sind moderne Logistikleistungen ein mehr oder weniger komplexes Portfolio von verschiedenen Sach- und Dienstleistungen. In den seltensten Fällen ist die Ausführung eines einzelnen Prozesses (z. B. eines Transportvorganges) Vertragsgegenstand zwischen Logistikkunde und -dienstleister. Wie die Beispiele von Logistikanbietern unterschiedlichster Art und Größe zeigen, werden zusätzlich zur Hauptleistung in der Regel Zusatzservices, wie beispielsweise die Sendungsverfolgung, Beund Entladung von Waren, Kommissionier- und Cross-Docking-Services, angeboten (Reppahn 2006). Als Hauptbestandteil eines Logistikproduktes verbleibt somit erwartungsgemäß die Ausführung eines primären Geschäftsprozesses (z. B. Transport), welcher üblicherweise von den traditionellen Aufgaben eines Logistikdienstleisters abgeleitet ist. Im Zuge einer ganzheitlichen Problemlösung im Sinne des Kunden wird dieser Hauptprozess in der Regel durch das Angebot von Sachleistungen (z. B. Bezug von Lademitteln oder Behältern) und/oder zusätzlichen Prozessen (z. B. Lademanagement, Sendungsverfolgung, sonstige Informationsservices) ergänzt. Diese Anreicherung einer durch den Primärprozess erbrachten originären Dienstleistung durch sekundäre Prozesse oder zusätzliche Sachleistungen vollzieht sich somit in der Dimension der Produktdiversifikation, wie dies auf der vertikalen Achse von Abb. 1 veranschaulicht wird. Ebenso werden originäre Logistikdienstleistungen oft miteinander kombiniert, wodurch ganzheitliche Problemlösungen für den Kunden entstehen. Ein Beispiel für ein derartiges Produkt, welches entlang der Dimension der Produkterweiterung (vgl. horizontale Achse in Abb. 1) auf die Bedürfnisse des Kunden hin angepasst wurde, ist die Lösung, welche der österreichische Logistikdienstleister Gebrüder Weiss für den Kosmetikkonzern L’Oreal entwickelt hat. Dabei hält Gebrüder Weiss (GW) das auf Frisiersalons ausgerichtete Teilsortiment von L’Oreal in einem eigenen Lager im Sinne eines „Managed Inventory“ vor. Die eingehenden Bestellungen von Frisiersalons werden im System von GW erfasst, aus dem Lager zu einer Lieferung kommissioniert und anschließend zum Empfänger transportiert. Zusätzlich übernimmt Gebrüder Weiss Aufgaben in der Fakturierung und im Bestandsmanagement, sodass sich L’Oreal auf seine Kernkompetenzen – die Entwicklung und Produktion von Kosmetika – konzentrieren kann.
Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen
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Produkterweiterung
Produktdiversifikation
Primärprozess 1
Sekundärprozess Sachleistung
Sekundärprozess
Primärprozess 2
Sekundärprozess
...
Primärprozess n
Sachleistung
...
Produkt 1
Produkt xy
Abb. 1. Bestandteile und Dimensionen von Logistikprodukten
Das Angebot von Logistikleistungen als solche setzt somit einerseits die Implementierung der Primärprozesse einerseits und der Sekundärprozesse sowie das Vorhandensein gewisser Sachleistungen, welche direkt in das Produkt einfließen, voraus. Gerade in der Implementierung von Primär- beziehungsweise Sekundärprozessen liegt jedoch üblicherweise die Kernkompetenz von Logistikdienstleistern sowie die Möglichkeit, sich von Mitbewerbern zu differenzieren. Die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen in diesem Bereich durch die Beherrschung der Abläufe ist jedoch in der Logistikbranche sehr stark abhängig vom Vorhandensein gewisser Enabler, welche die Ausführung der Prozesse überhaupt erst ermöglichen. Wie bereits erwähnt finden sich diese Enabler im Sinne von Produktionsfaktoren in der Potenzialdimension einer Dienstleistung nach Hilke (1989) wieder, welche die Prozess- und damit Ergebnisdimension des Services überhaupt erst ermöglicht. Da dies in dieser Intensität für Dienstleistungsunternehmen eher untypisch ist, soll in weiterer Folge genauer darauf eingegangen werden. In erster Linie ist die Ausführung von Logistikprozessen zunächst von einer vorhandenen Infrastruktur abhängig. Dazu gehören Lager und Hubs an geographisch ausgewählten Standorten sowie dazwischen verkehrende Transportmittel. Da nur sehr wenige Logistikdienstleister in der Lage sind, aus eigenen Ressourcen weltweit Dienstleistungen zu erbringen und dies in der Branche meist unabdingbare Notwendigkeit ist, sind sehr oft Partnerschaften oder Allianzen zwischen ausgewählten Akteuren zu beobachten. Das Partnernetzwerk, welches ein Logistikunternehmen aufgebaut hat und auf welches es bei der Erbringung seiner Dienstleistungen zurückgreift, ist im weiteren Sinne als Infrastruktur zu beurteilen und gehört somit gleichsam zu den Enablern von Logistikdienstleistungen. Ein zweiter wichtiger Enabler für die Erbringung von Primärprozessen sind physische Bestandteile, welche nicht direkt in das Produkt einfließen, sondern im
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Christian Hillbrand und Lothar März
Zuge des Prozesses Verwendung finden. Dazu gehören z. B. Lademittel, Lagereinrichtung oder Behälter. Die dritte Kategorie von Voraussetzungen für die Erbringung von Logistikleistungen ist das leistungsspezifische Wissen beziehungsweise die Fähigkeit. Dazu gehören facheinschlägige Logistikkenntnisse genauso wie das Wissen um die verarbeiteten Produkte und Güter. Als Beispiel sind besondere Erfordernisse von Gefahrengut- oder Lebensmitteltransporten oder das Produktwissen bei der Kommissionierung von Warenlieferungen zu nennen. Als stetig an Bedeutung gewinnender Enabler sind abschließend die technischen Voraussetzungen für Primär- und Sekundärprozesse zu nennen. Dazu zählt insbesondere die informationstechnologische Infrastruktur des Logistikdienstleisters. So ist etwa ein Sekundärprozess Sendungsverfolgung, Statusermittlung oder Lagermanagement ohne einschlägige Informationssysteme kaum oder nicht vorstellbar. Ebenso sind die Primärprozesse der Logistikleistungen meist in einem derart hohen Grad automatisiert, dass die technischen Komponenten bei der Leistungserbringung eine überlebenswichtige Rolle spielen. Sehr häufig werden bei der Ausführung von Primärprozessen sehr spezialisierte Informationssysteme eingesetzt. Aufgrund der Vielfalt an möglichen Kundenprozessen können diese Applikationen folglich nicht alle notwendigen Schnittstellen zu den jeweils anderen Systemen bereitstellen. So setzt etwa die Gebrüder Weiss neben betriebswirtschaftlichen Standardsoftwareanwendungen spezialisierte Applikationen im Bereich Landtransporte, Air&Sea sowie Lager ein. Die Integration zwischen diesen Anwendungen erfolgt dabei fast ausnahmslos im Bedarfsfall, was bedeutet, dass die Applikationsintegration für jedes Standarddienstleistungspaket beziehungsweise jede kundenindividuelle Lösung des Logistikdienstleisters erneut erfolgen muss. Nicht zuletzt daher rührt die Komplexität von Logistikprodukten, welche bei einer Produktanpassung oder -neugestaltung nahezu ungeahnte Folgen für Prozesse, Infrastruktur, physische und wissensmäßige Voraussetzungen, vor allem aber für die Applikationslandschaft des Unternehmens nach sich zieht.
4 4.1
Modellierung von Logistikdienstleistungen Entwicklung generischer Logistikdienstleistungen
Um die in der Einleitung aufgestellten Anforderungen an den Entwicklungsprozess für Logistikdienstleistungen erfüllen zu können, müssen diese zunächst nach Möglichkeit aus generischen Produktbestandteilen aufgebaut werden, um die „Time to Market“ verkürzen zu können. Dies bietet auch die Möglichkeit des Customizing durch eine kundenindividuelle Zusammenstellung von Produktkomponenten. Eine weitere Folgerung aus den Forderungen ist die Notwendigkeit einer hohen Transparenz der Abhängigkeiten von logistikspezifischen Enablern, wie sie oben diskutiert wurden. Nur dadurch kann sicher gestellt werden, dass die notwendigen Rahmenbedingungen für die Erbringung der künftigen Dienstleis-
Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen
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tung vorhanden sind und auch in einer Produktkalkulation Berücksichtigung finden. Unter diesen Rahmenbedingungen erscheint die Gliederung des Entwicklungsprozesses in fünf Phasen – wie in Abb. 2 dargestellt – adäquat. Produktbestandteile identifizieren
Produktbestandteile generisch beschreiben
Produkt strukturieren
Ressourcen allokieren
Produkt kalkulieren
Abb. 2. Fünf Phasen des Entwicklungsprozesses für generische Logistikprodukte
Die fünf Phasen des Entwicklungsprozesses für generische Logistikprodukte werden in der Folge beschrieben.
• Schritt 1: Für die systematische Neuentwicklung oder Anpassung von generischen Logistikprodukten erscheint es vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen als folgerichtig, als ersten Schritt die einzelnen Produktbestandteile in Form von Primär- und Sekundärprozessen sowie allfälligen direkten Sachleistungen zu identifizieren beziehungsweise zu benennen. Dabei ist darauf zu achten, dass bereits vorhandene Produktbestandteile nach Möglichkeit wiederverwendet werden. Eine Möglichkeit hierzu besteht durch den Ansatz der Produktplattformen. Dabei werden generische Produktbestandteile auf Produktplattformen systematisch für die Wiederverwendung vorgehalten. Sofern die Bedingungen einer bestehenden Produktkomponente nicht exakt den Anforderungen der zu entwickelnden Dienstleistung entspricht, ist im Einzelfall zu entscheiden, ob ein gänzlich neuer Produktbestandteil (z. B. Prozess) oder lediglich eine neue Generation beziehungsweise Variante im Sinne einer Erweiterung angelegt wird. Die notwendigen Informationen für diese Entscheidung stammen aus der generischen Beschreibung des Produktbestandteils (siehe Schritt 2).
• Schritt 2: Da für Dienstleistungen im Gegensatz zu einem physischen Produkt die geschuldete Leistung sehr oft nicht eindeutig definiert ist, kann für jeden Primär- beziehungsweise Sekundärprozess als Produktbestandteil dessen Umfeld beschrieben werden. Dabei wird der Prozess als „Black Box“ betrachtet und nur Input- beziehungsweise Output sowie rechtliche Rahmenbedingungen, beteiligte Akteure, etc. werden beschrieben. Diese Darstellungsweise ist an diejenige des allgemeinen Produktmodells (Grieble et al. 2002, 25) angelehnt und dient zur systematischen Erfassung aller Anforderungen an den jeweiligen Prozess. Besonderes Augenmerk kommt dabei im Logistikbereich beispielsweise dem Gefahrenübergang beim Transport eines Gutes zu. Leitprinzip dieser generischen Beschreibung sollte in jedem Fall die Bereitstellung von Informationen für eine allfällige Wiederverwendung der Produktkomponente durch nachfolgende Entwicklungsprojekte sein. Darüber hinaus stellt diese Beschreibung den
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Christian Hillbrand und Lothar März
wichtigsten Ausgangspunkt für die weitergehende Ausgestaltung des Produktbestandteils dar (siehe unten). Eine gewisse Hilfestellung bei der generischen Produktbeschreibung bietet auch der ursprünglich aus den Finanzdienstleistungen stammende Ansatz des Produktbündelmodells. Dabei werden Produkte oder Produktbestandteile aus Sicht eines externen Stakeholders des Unternehmens – in der Regel des Kunden – beschrieben. Wichtigstes Prinzip dieses Konzeptes ist die Zuordnung eines Bündels von Produktkomponenten zu Primärbedürfnissen des Kunden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Entwicklungsaktivitäten im Sinne einer Problemlösung für den Kunden verstanden werden – d. h. keine „sinnlosen“ Produktfeatures Eingang in das Produkt finden.
• Schritt 3: Die inneren Zusammenhänge des Produktes und der notwendigen Enabler werden im folgenden Schritt der Produktstrukturierung hergestellt. Dabei ist darzustellen, aus welchen Primärprozessen sich das Dienstleistungsprodukt in welcher Reihenfolge zusammensetzt. Zu diesen Primärprozessen können nach Bedarf Sekundärprozesse oder Sachleistungen zugeordnet werden. So können beispielsweise Primärprozessen wie Transport, Lagerung, Kommissionierung, etc. Sekundärprozesse wie Sendungsverfolgung, Statusbeauskunftung, Avisoservices, Kapazitätsmeldungen, Prioritätskontingente, etc. zugeordnet werden. Alle diese Produktkomponenten sollten spätestens nach Abschluss des Entwicklungsprojektes in generischer Form auf der Produktplattform verfügbar sein. Ergebnis dieses Schrittes der Produktstrukturierung ist ein Architekturmodell des Produktes, welches einer hierarchischen Darstellung der Produktzusammensetzung im Sinne eines Produktbaums (Grieble et al. 2002, 26 f.) entspricht. Die einzelnen Produktkomponenten in Form von Prozessen oder direkt in das Produkt einfließenden Sachleistungen werden dabei miteinander über eine Beziehung vom Typ „ist verbunden mit“ („is part of“) verknüpft.
• Schritt 4: Eine tiefer gehende Analyse der Prozesse vor dem Hintergrund der zuvor aufgestellten Anforderungen zeigt die notwendigen Erfordernisse hinsichtlich Infrastruktur, Betriebsmittel, Technologie und Know-how auf. So wird in einem nächsten Schritt ermittelt, welche Ressourcen im Sinne von Infrastruktur für die Durchführung der einzelnen Prozessbestandteile notwendig sind. Im einfachsten Fall kann bei dieser Analyse die vertragliche Vereinbarung oder Absichtserklärung eines Kunden zugrunde gelegt werden. So ist beispielsweise zu prüfen, ob die verfügbare Lagerfläche für die Annahme eines Lagerauftrages ausreicht oder nicht. In sehr vielen Fällen ist die Ermittlung des Ressourcenbedarfes weitaus vielschichtiger. So ist etwa bei der Planung eines Transportproduktes das dynamische Verhalten des eigenen Transportnetzes an sich, die Abhängigkeiten und Verfügbarkeit von Kooperationspartnern und andere Informationen zu berücksichtigen. Hier bietet das Prozessmodell eine notwendige, jedoch meist nicht hinreichende Bedingung für die Analyse des Ressourcenbedarfes. Weiterführende Analysemöglichkeiten auf Basis des Dienstleistungsmodells sollen im Abschnitt „Analyse von Produktentwicklungspro-
Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen
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jekten“ diskutiert werden. Zur Abbildung von Prozessen als Bestandteil eines Dienstleistungsproduktes sind in der Literatur zahlreiche Ansätze zu verzeichnen, welche meist auf der Notationsweise von Petri-Netzen basieren. Im deutschsprachigen Raum ist die Modellierung von Dienstleistungsprozessen mittels Ereignisgesteuerter Prozessketten (EPK) relativ weit verbreitet (Schneider und Thomas 2003). Ein weiterer Schritt in der Ressourcenallokierung ist die systematische Planung von Maßnahmen zur Sicherung der strategischen Wettbewerbsvorteile. Dies bedeutet im Sinne der Produktmodellierung, dass in Bezug auf die verwendeten Enabler und Prozesse eine gewisse Exklusivität gegenüber Mitbewerbern gesichert werden muss. Das bedeutet vor allem den Schutz dienstleistungsrelevanten Wissens vor Verlust (Kündigung von Wissensträgern) oder Imitation. Auch dafür kann die Produktmodellierung Ansätze bieten, wie im folgenden Abschnitt dargestellt wird.
• Schritt 5: Nachdem die Zusammensetzung der zu erbringenden Dienstleistung, deren Aufbau und vor allem die Abhängigkeiten von notwendigen Enablern im Rahmen der Ressourcenallokation transparent dargestellt wurden, kann nun in einem weiteren Schritt unter Zuhilfenahme weiterführender Analysemethoden, wie beispielsweise der Simulation, ermittelt werden, welche Auswirkungen die Implementierung des Produktes auf die gegebenen Produktionsbedingungen des Logistikdienstleisters nach sich ziehen. Das Ergebnis dieser Analysen bildet die Basis für die Preisgestaltung des Produktes.
4.2
Ein Metamodell für Logistikserviceplattformen
Um die systematische Entwicklung von Logistikdienstleistungen zu unterstützen, werden im Rahmen dieses Abschnitts Modellierungskonzepte abgeleitet und anhand eines Metamodells für Logistikserviceplattformen dargestellt. Dieses Metamodell ist in Abb. 3 in Form eines UML-Klassendiagramms dargestellt und wird in der Folge beschrieben. Ausgangspunkt für die Modellierung von Logistikservices ist das Konzept des Produktes, welches eine verkaufbare Einheit für das Unternehmen darstellt. Dieses Produkt ist Element einer Produktlandschaft des Betriebs. Die Beziehungen der einzelnen Produkte untereinander sind auf Unternehmensebene in Form einer Produktlandkarte dargestellt. Diese bildet die Zugehörigkeit von Produkten zu bestimmten Produktgenerationen und damit wiederum zu Produktplattformen gemäß der Ansätze der plattformbasierten Produktentwicklung (vgl. Abschnitt „Mass Customization und Produktplattformen“) auf ein Modell ab. Eine Produktgeneration entspricht demzufolge einem Bündel von Dienstleistungen, welche zu einem gegebenen Zeitpunkt gemeinsam auf dem Markt angeboten werden und somit „kompatibel“ zueinander sind. Die indirekte Zuordnung von Produkten zu einer Produktplattform soll sicher stellen, dass innerhalb dieser Plattform Produkte und
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Christian Hillbrand und Lothar März
deren Bestandteile wiederverwendet werden und es so zu keinen redundanten Entwicklungsarbeiten kommt.
Abb. 3. Metamodell für die Abbildung von Logistikdienstleistungen
Die Entwicklung von Services kann entweder von Grund auf neu betrieben werden oder sich an einem bestehenden Produkt orientieren. Im ersten Fall sind gemäß der oben beschriebenen Vorgehensweise Produktbestandteile zu identifizieren, zu beschreiben und neu zu strukturieren. Im zweiten Fall liegt eine Produktweiterentwicklung vor. Das bedeutet, dass ein neues Produkt von einem bestehenden Produkt abgeleitet wird (siehe Assoziation ist abgeleitet von in Abb. 3) und dieses neue Produkt zunächst die Bestandteile und Struktur des bestehenden Pro-
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duktes „erbt“. Das abgeleitete Produkt kann in weiterer Folge verändert werden (z. B. Produktbestandteile können hinzugefügt oder die Struktur verändert werden, Auch ist eine Entfernung von Produktbestandteilen denkbar, beispielsweise um eine günstigere Produktlinie zu eröffnen). Bei Änderungen von Produktbestandteilen des Originalprodukts werden diese Änderungen im abgeleiteten Produkt nachgezogen, da dieses aus denselben Grundkomponenten aufgebaut ist. Der Aufbau eines Produktes selbst ist auf Mikroebene auf ein Architekturmodell abbildbar (siehe mittlere Ebene in Abb. 3). Der Zweck dieser Ebene ist weitgehend äquivalent mit dem Produktstrukturmodell nach Klein (2007, 173 f.) und beschreibt somit die internen Zuordnungen von Produktbestandteilen. Dabei kann ein Produkt eine oder mehrere Produktbestandteile in Form von Prozessen oder Sachleistungen enthalten. Wie im vorhergehenden Abschnitt dargestellt, ist die wichtigste Komponente eines Logistikproduktes der Primärprozess, welcher üblicherweise einer der klassischen Aufgaben des Logistikdienstleisters wie Transport, Lagerung, Umschlag, usw. entspricht. Ein Produkt kann dabei auf oberster Ebene durchaus auch aus mehreren Primärprozessen und/oder Sachleistungen bestehen. Diesem Primärprozess können weitere Leistungen zugeordnet sein, die durch so genannte Sekundärprozesse beschrieben werden (Beispiele dafür finden sich im vorhergehenden Abschnitt dieses Beitrags). Sekundärprozessen können wiederum weitere Sekundärprozesse zugeordnet sein. Prozesse selbst werden in Form eines Prozessmodells dargestellt. Wie im vorhergehenden Abschnitt dargestellt, zeichnen sich Logistikprodukte durch ihre wechselseitige Abhängigkeit vom Vorhandensein diverser Enabler – namentlich Infrastruktur, physische Bestandteile, Know-how und (Informations-) Technologie – aus. Durch die entscheidende Bedeutung dieser Produktionsfaktoren für die Erbringung von Logistikleistungen werden diese in das Metamodell integriert. So ist das Produkt Haus-zu-Haus-Transport etwa nur dann zu implementieren, wenn gewisse Infrastrukturobjekte (Verteilzentren, Hauptlaufpartner, etc.), physische Bestandteile (Lademittel, Transportmittel, etc.), Know-how (schnellste Route, Verteilstrategien, etc.) und technische Mittel (Informationssystem zur Bereitstellung von Sendungsdaten, etc.) vorhanden sind. Diese Zuordnung von Enablern zu Produktbestandteilen ist auch in der einschlägigen Literatur wiederzufinden. Meist werden dabei Ressourcen, welche zur Erbringung der Dienstleistung benötigt werden in Ressourcenmodellen und Funktionszuordnungsmodellen beschrieben und zugeordnet (Klein 2007). Auf der dritten Ebene der strategischen Wettbewerbsposition wird das entwickelte Produkt dem Verantwortungsbereich einer Organisationseinheit zugeordnet. Mittels einfacher Analysemechanismen ist so jederzeit feststellbar, welche Organisationseinheit regelmäßige Produktinnovationen schafft und wo zusätzliches Innovationspotenzial besteht. Ein weiterer Aspekt der strategischen Wettbewerbsposition ist derjenige des Wissensmanagements: Durch die Zuordnung von Personen als Wissensträger kann eine Organisation systematisch analysieren, an welchen Stellen strategisch wichtige Produktbestandteile von nur einem oder wenigen Wissensträger abhängig sind.
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Die dritte strategische Dimension der Entwicklung von Logistikdienstleistungen ist diejenige des Schutzes von geistigem Eigentum, welcher in jedem Produkt steckt. Dafür können das Produkt selbst (sprich: dessen Struktur) sowie beliebige Enabler mit Schutzmechanismen verknüpft werden. Dafür kommen beispielsweise gewerbliche Schutzrechte, wie Patente, Gebrauchsmuster oder Marken, oder aber auch vertraglich gesicherte Betriebsgeheimnisse in Frage. Die Abbildung der bestehenden Schutzmechanismen ist die Voraussetzung für die systematische Analyse von ungeschützten Wettbewerbsvorteilen. Einige der hier dargestellten Ansätze der Wettbewerbsdimension finden auch bei Klein (2007) sowohl im Konstruktionssystem wie auch im Leistungssystem Berücksichtigung.
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Analyse von Produktentwicklungsprojekten
Wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, bestehen Logistikprodukte aus einer Vielzahl von Komponenten und Enablern, welche auf komplexe Art und Weise miteinander verknüpft sind. Die Abbildung von Produktstrukturen und deren Umfeld auf ein Modell ist ein erster Schritt zur Bewältigung der Komplexität, welche beim Umgang mit derartigen Produkten – insbesondere der Neu- und Weiterentwicklung von Dienstleistungen – entsteht. Um jedoch die Produktentwicklungsaktivitäten flexibilisieren zu können und vor allem auch die betrieblichen Auswirkungen derartiger Innovationen wie in der Einleitung gefordert abschätzen zu können, sind spezialisierte Analysemethoden notwendig. Diese Analysen können vielfältigen Zwecken dienen:
• Implementationsanalyse: – Ableitung von Enabler-Anforderungen zur Implementierung von Produkten. – Abschätzung des Investitions- und Ressourcenallokationsbedarfes zur Implementierung eines neuen Produktes. – Flankierende Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Wettbewerbsposition.
• Betriebsanalyse: – Vorwegnahme von Auswirkungen neuer Produkte auf das operative Geschäft in Form von Prozess-, Erhaltungs-, Infrastruktur- oder Betriebskosten. – Untersuchung der dynamischen Wechselwirkungen mit bestehenden Produkten, insbesondere hinsichtlich Ressourcenkonkurrenz. Insbesondere in der Implementationsanalyse spielen statische Analysemethoden eine große Rolle. Diese konzentrieren sich vor allem auf den Bereich der Enabler beziehungsweise der strategischen Wettbewerbsposition. Wie bereits dargestellt, basieren diese Analysemethoden auf graphentheoretischen Algorithmen und untersuchen ein Gesamtmodell hinsichtlich unterschiedlichster Fragestellungen ähnlich einer zusammengesetzten Datenbankabfrage. So können beispielsweise neu zu schaffende Enabler durch ein spezielles Attribut gekennzeichnet werden. Anschließend kann für ein gesamtes Produkt durch Verknüpfung mit dessen Komponenten und in weiterer Folge mit den Enablern eine Liste von neu zu schaffenden
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Voraussetzungen für die Dienstleistungserbringung ermittelt werden. Durch eine zusätzliche monetäre Bewertung jedes notwendigen Enablers sind statische Analysemethoden in der Lage, das erwartete Gesamtinvestitionsvolumen abzuschätzen. Unter Zugrundelegung einer zu erwartenden absetzbaren Stückzahl des Produktes für einen zu definierenden Amortisationszeitraum können diese einmaligen Kosten zur Schaffung der Produktionsvoraussetzungen auf das Produkt als Kostenträger im Sinne einer Kalkulation umgelegt werden. Diese bilden die Basis für die Preisfindung im Sinne der fünften Phase des oben vorgestellten Vorgehensmodells. Sofern zukünftig zu entwickelnde Produkte indirekt auf dieselben Enabler zugreifen, kann dies wiederum durch eine statische Modellanalyse ermittelt und ein Schlüssel für die Verteilung der verbleibenden Amortisationskosten aus dem Modell heraus vorgeschlagen werden. Ein weiteres Einsatzgebiet der statischen Analyse ist die Identifikation flankierender Maßnahmen zur Sicherung der strategischen Wettbewerbsposition. So können Produktbestandteile oder Enabler identifiziert werden, welche die Dienstleistung gegenüber Konkurrenzprodukten auszeichnet. Für diese Komponenten kann anhand des Modells beispielsweise ein potenzieller Kreis von betrieblichen Geheimnisträgern identifiziert werden, um weitere Maßnahmen in Richtung von Geheimhaltungsvereinbarungen und/oder des Wissensmanagements zu treffen. Bestehende und neu zu errichtende gewerbliche Schutzrechte können in ähnlicher Art und Weise systematisch geplant werden. Statische Analysemethoden zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne großen Aufwand einfache Fragestellungen beantworten können. Allerdings können durch derartige Ansätze dynamische Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Komponenten eines Produktes und darüber hinausgehend mit anderen Produkten nur sehr unzureichend erforscht werden. Insbesondere zur Abschätzung des operativen Aufwandes zur Erbringung einer künftigen Logistikdienstleistung bieten sich Simulationstechniken an. Im Bereich reiner Dienstleistungsprodukte ist die Simulation von Geschäftsprozessen und damit verbunden die Prozesskostenrechnung (Activity Based Costing) bereits weit verbreitet. Da jedoch eine Logistikleistung als hybrides Produkt – wie bereits erwähnt – nicht nur aus Prozessen, sondern gegebenenfalls auch aus Sachleistungen besteht und darüber hinaus Anforderungen an eine gewisse Verfügbarkeit von Ressourcen im Sinne von Enablern stellt, müssen zusätzliche Konzepte in die Simulationsstudien mit einfließen. So sind beispielsweise für neu zu schaffende Transportprodukte nicht nur die reinen Kosten der Lade- und Transportprozesse zu analysieren, sondern auch, ob die vorhandenen Transportkapazitäten zur Bewältigung des bestehenden und neu hinzukommenden Volumens ausreichen, ob das Design der Transportnetze (Standorte von Hubs und Auslieferungslagern, Linienverkehre, etc.) unter Berücksichtigung des zu erwartenden Zusatzaufkommens optimal gewählt ist, usw. Dies bedeutet, dass zusätzlich zur zeitlichen Komponente, auch eine räumliche und kapazitive Komponente in die Simulationsstudien mit einfließen muss. Die dynamische Analyse von Produktmodellen auf Basis der Simulation erlaubt vor allem die Bewertung von Betriebsaufwänden für zukünftige Logistikprodukte.
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So sind einerseits die direkten Kosten aus der Ausführung von Prozessen und andererseits auch diejenigen, die indirekt durch die Inanspruchnahme von Ressourcen und Infrastruktur entsteht, Teil dieser Betriebskosten. In der Praxis müssen bei der Bewertung eines neuen Produktes die Implementations- und Betriebskosten simultan geplant werden. So ist sehr oft ein gewisser Trade-off zwischen diesen beiden Aufwandsarten zu beobachten. Beispielsweise können bei der Umsetzung eines zusätzlichen Lagerproduktes die Implementationskosten möglichst niedrig gehalten werden, indem bestehende Lagerflächen besser genützt würden, wodurch jedoch die Betriebskosten durch zusätzliche Handlingaufwände sowohl für das neue wie auch die bestehenden Produkte ansteigen würden. Eine globale Optimierung kann – wie dieses Beispiel zeigt – nur durch eine Kombination von statischer Analyse und dynamischen Simulationsverfahren erreicht werden.
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Konklusion und Ausblick
In diesem Beitrag wurde die immanente wechselseitige Abhängigkeit zwischen Prozessen und Infrastruktur beziehungsweise Ressourcen herausgearbeitet, welche für Logistikdienstleistungen charakteristisch ist. Diese ist der Grund dafür, dass ein Eingriff in die Produktstrukturen in dieser Branche sich meist als äußerst komplexe Angelegenheit erweist beziehungsweise dessen Folgen auf das operative Geschäft des Logistikdienstleisters nur sehr schwer abschätzbar sind. Deshalb umfasst das Angebot dieser Organisationen entweder nur Standardprodukte oder vollständig auf einen bestimmten Kunden zugeschnittene Lösungen. Skalierbare oder anpassbare Produkte wie sie aus anderen Branchen bekannt sind, sind allein aufgrund der hohen Komplexität einer Logistikleistung nicht denkbar. Vor dem Hintergrund bestehender Ansätze in den Bereichen der Dienstleistungsmodellierung und der plattformgetriebenen Produktentwicklung erarbeitet dieser Artikel eine Modellierungssprache zur Abbildung der Produktstrukturen, deren Enabler und Umfeld. Mit Hilfe derartiger Modelle sind Logistikdienstleister in der Lage, die komplexen Strukturen von Produkten, deren Abhängigkeiten untereinander und diejenigen von Produktbestandteilen und Enablern systematisch darzustellen. Die vorgestellte Modellierungssprache liegt derzeit erst als konzeptionelles Metamodell vor. Eine konkrete Notationsform sowie Modellierungstechniken sind in weiterer Folge noch zu erarbeiten und zu implementieren. Darauf aufbauend sind statische Analysemethoden zur Abschätzung des Implementierungsaufwandes sowie dynamische Simulationstechniken zur Bewertung des Betriebsaufwandes neu oder weiter entwickelter Produkte einsetzbar. Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen erweiterten Simulationstechniken für Logistikprozesse wurden bereits in Form einer generischen Simulationsanwendungsplattform implementiert (März 2007). Eine Kombination der Dienstleistungsplattformmodelle mit den Simulationstechniken der Anwendungsplattform sind ebenfalls noch zu erarbeiten.
Modellierung von Produktplattformen für Logistikdienstleistungen
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Darüber hinaus ist die Anwendung dieser Methode auch in anderen Branchen denkbar, in denen Dienstleistungs- oder Produktionsprozesse stark mit dem Vorhandensein von Ressourcen oder Infrastruktur verknüpft sind. So scheinen beispielsweise gewisse Produktionsprozesse diesbezüglich ähnliche Charakteristika aufzuweisen. Für eine weiterführende Entwicklung dieser Modellierungsansätze in anderen Branchen sind jedoch eine tiefer gehende Analyse der dort vorkommenden Prozesse sowie etwaige Anpassungen der Modellierungsmethode notwendig.
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Analyzing Information Flows in Service Networks
Christoph Rosenkranz Value chains increasingly rely on the bundling of physical products and services from different providers in networks. More and more, information flows which are needed for communication and coordination cross inter-organizational boundaries. This is especially true for immaterial services and of utmost importance for service management, since the provision of an undisturbed information flow affects the performance of the whole network. In this paper we develop a method for the analysis and design of information flows. Building on the Design Science Research Framework, as a first step in our Design Science project, we show how information flows can be analyzed and measured. The proposed method combines conceptual modeling with concepts from Contingency Theory and Management Cybernetics.
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Introduction
Today’s value creation is characterized by the heterogeneity of the needed components, products and increasingly services, and requires the bundling of competences of different enterprises in networked value chains (Galbraith 2006). Such inter-organizational networks are struggling with increasing business process complexity. The reasons are due to several causes, all resulting in a proliferating variety of elements and interconnections, such as customer tailored and elaborate products and services, global procurement and distribution, and a higher number of value chain partners involved (Blecker et al. 2005). Moreover, the trend in value creation to combine physical products and services as inseparable elements amplifies the integrated development of service solutions in networks (Zahn and Stanik 2006). In this context, the production of physical products merges with the provision of services grouped around these physical products, and leads to socalled hybrid products. Hybrid products provide complex solutions targeted to customer utility; therefore, hybrid products are highly individual and usually cannot be build-to-stock as traditional physical products (Bullinger 1997). These solutions are neither pure physical products nor pure services, and are created by the provider through a network in participation with the customer (Spath and Demuß 2003, Bullinger et al. 2004). This is reflected in both academia and practice in the
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growing recognition of areas as Service Science (Chesbrough and Spohrer 2006) or Service Engineering (Scheer and Spath 2004, Bullinger and Scheer 2005). The common understanding of business process management focuses extensively on the flow of materials and goods throughout the value chain in order to keep inventory levels low and release fixed capital (Cachon and Fisher 2000, Lee et al. 2000). Due to this, approaches for improving the efficiency of value chains rely on two general strategies (Anupindi et al. 2006): 1) increase the efficiency of business processes (utilize capacity and synchronize capacity), and 2) coordinate business processes more effectively (reduce variability). What has been largely neglected in research is the second strategy and the flow of information that is increasingly needed for coordination within and between business processes, especially with the advent of networks and services. Since services are mostly immaterial, and multiple stakeholders need to be coordinated in networked service value chains, the communication, interaction and integration of multiple partners becomes of utmost importance for collaborative service provision (Kersten et al. 2006). The corresponding literature often designates strategic partnerships and alliances as a factor contributing to success in optimizing processes (Crane et al. 1997, Love et al. 2002), referring to vertical integration of the participants. Such long-term arrangements between related for-profit organizations are known as corporate networks, and are an organizational form between markets and hierarchies (Klein 1996): if compared to hierarchies, a network is somewhat under organized; compared to markets, it offers more structure, produces more interaction among the members, provides more solid information channels, exhibits more trust, and puts less emphasis on prices. Moreover, as organizations grow, they differentiate and specialize – a single company has several departments, a value chain has several specialized companies. Each of the specialized units generate its own values, terms and coding schemes for information processing, which leads to a mismatch and a communication boundary hindering the information flow (Tushman 1977). As networks and integration of customers become evermore important for value creation, business processes cut across inter-organizational boundaries and functions (Kock and McQueen 1996). Consequently, information is potentially the biggest driver of performance in value chains because it directly affects other drivers (Chopra and Meindl 2007). Paradoxically, Kock and McQueen found that most of today’s business redesign practices focus on the analysis of business processes as sets of interrelated activities, and pay little attention to the analysis of information flows in those processes (Kock and McQueen 1996). However, the design of a network’s organizational structure and its information systems, and the coping with the complexity resulting from cooperation come to the focus of attention (Welge 1987). From an information processing view, organizations, and especially providers of service-driven solutions, need information flows to function, and strive to create efficient information flows to be effective (Jin and Levitt 1996, Tushman and Nadler 1978).
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Therefore, the imperative of this research is to develop an understanding of the analysis of information flows for networked service value chains, and what approaches do exist to model these information flows. To move forward the research, this paper aims to identify relevant theories and concepts from the literature that can be exploited to provide a sound theoretical foundation for the analysis of information flows. Consequently, the following research question guides this research: How can we measure the quality of an organizational structure with regard to information processing requirements and capacities? The remainder of this paper is structured as follows. We discuss existing approaches for business process design and demonstrate their limitations. The theoretical base for the research and the literature that contributes to the understanding of information flow analysis are discussed afterwards. Following this, a methodology for information flow analysis is briefly outlined. We summarize the findings and limitations of this paper and give an outlook on further empirical research which will be based on this conceptual work.
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Related Work and Existing Approaches for Information Flow Analysis
From a theoretical perspective, Contingency Theory and the information processing view of the firm offer a sound theoretical foundation for the analysis of information flows. The Information Processing Model suggests that the more complex the task interdependence, the greater the information processing requirements (Tushman and Nadler 1978). This perspective implies that organizational design should first consider the tasks, composition and structure of subunits, and then consider appropriate mechanisms for linking those units together. Thus, organizations can be conceptualized as actors connected by information and communication channels, using a range of communication tools (e.g., electronic mail, fax, phone, management information systems, etc.) (Levitt et al. 1999). Consequently, from a practical perspective, we need 1) a way for identifying actors in networked service value chains, and information channels between the actors, and 2) a measure for the „fit“ or „misfit“ of this structure in order to carry out an analysis regarding the information processing capacities of a given service value chain. Therefore, we first engage into a brief summary of existing approaches and methods that might be useful for such an analysis. Building directly on Contingency Theory, the Virtual Design Team (VDT) is a software tool for the simulation of individual organizational entities such as actors, activities, their relationship and coordination work (Jin and Levitt 1996, Kunz et al. 1998). VDT simulates the information processing, communication and coordination in projects (and as such on a micro-contingency level), and predicts several measures of performance at participant and project level. Therefore, it does not offer a measure for „fit“ for an organizational structure at meso or macro levels. However, VDT offers valuable insights for the micro level, but as the creation of
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services does not necessarily rely on project organizations only, a less specific perspective is needed for the information processing capacities of an organizational structure at various levels, not only in projects. In the context of Service Engineering, Kersten et al. (2006) argue that phaseoriented modeling helps in order to gear business processes of collaborating partners, but do not give any recommendation on notations. In addition, Eversheim et al. (2006) investigate the application of engineering-driven methods for service engineering, e. g. Service Blueprinting. Although Service Blueprinting focuses on customer integration, information flows are not explicitly modeled. Conceptual modeling is considered to be an important instrument in business process management for analyzing and solving several technical and organizational design issues on an application level, enterprise level or industry level (Moody 2005). In business process modeling, a process model is typically a graphical depiction of the activities, events/states and control flow logic (Curtis et al. 1992). Business process modeling provides sophisticated notations and methodologies for analyzing and optimizing value chains. For example, companyspanning processes can be analyzed and optimized with the help of Event-driven Process Chains (EPC) (Thomas and Scheer 2006, Klein and Zürn 2006). In this context, Kugeler discusses different notations for the documentation of interorganizational processes (Becker et al. 2003). However, EPCs mainly focus on the activity flow of material and goods, and offer only very basic support for information flows, not allowing for aggregation and more profound analysis of information flows. As an extension to EPCs, the Information Flow Model introduced by Jost proposes a formal method for modeling information flows between functional areas or organizational units of industrial manufacturing enterprises (Jost 1993). However, the approach is mostly data-oriented, showing data interdependencies between processes. It does not include actor responsibilities and information needed for coordination of processes. Another candidate is the Business Process Modeling Notation (BPMN) (OMG 2006). BPMN is a graphical notation for business processes and workflows. Elements from the category of flow objects (events, activities) and connecting objects (sequence flow, message flow) allow the modeling of process diagrams. Although the focus lies on activities again, the connecting objects give more expressional power for the modeling of information flows as in other approaches. The modeling of collaboration processes using these objects depicts the interactions between business partners in a value network. To summarize, several different approaches for modeling service networks exist. These concepts have been applied successfully in many business scenarios. But none of these provides a focus on the information flow between different actors and stakeholders. What is needed is an „organizational map“ of the service network so that we are able to determine at which tasks and functions communication problems, bottlenecks, or information overload will likely occur. In addition, almost none of the aforementioned approaches is based on existing theories that account for information flows (e.g., Contingency Theory or Transaction Cost Theory). Summarizing our findings, a methodology is required that enables the analy-
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sis of information flows in networked service value chains, based on a sound theoretical foundation.
3
An Approach for Modeling Information Flows
We now demonstrate a methodology for analyzing and designing information and communication structures in networked service value chains. We apply the Design Science Research Framework proposed by Hevner et al. (2004). In this paper, as a first step in our Design Science project, we propose to apply the Viable System Model for modeling and identifying organizational functions and actors, and information channels between them. This serves as a theoretical foundation for the construction of a method for analyzing and designing information and communication structures which is compatible with Contingency Theory and the Information Processing Model.
3.1
The Viable System Model
The Viable System Model (VSM) has been developed by Stafford Beer for describing complex systems (Beer 1979, 1981, 1985). The VSM is a well-established cybernetic theory and has been previously applied in management science (e.g., Schwaninger 2006, Espejo and Harnden 1989) and in information systems research (e.g., Vidgen 1998, Kawalek and Wastell 1999). According to Beer, the VSM specifies the minimum functional criteria by which a given system (e.g., an organization) can be said to be capable of independent existence in a changing environment (Beer 1979). If a system meets these criteria it is said to be viable. Theoretically Beer grounds the VSM in Ashby’s Law of Requisite Variety: „only variety destroys variety“ (Ashby 1964). Variety denotes the total number of distinct possible states of a system, or of an element of a system. The Law of Requisite Variety forms a problem for management because in order to make a system responsive to change, management needs to possess as much variety as the system itself exhibits. With systems that exhibit massive variety, such as organizations, only 1) reducing the environmental variety or 2) increasing the management’s own variety enables us to cope with this problem (Jackson 2000). Consequently, variety can be employed as a measure for the „fit“ of an organizational structure (Tushman and Nadler 1978). The VSM consist of six main components, or sub-systems, and information channels between the sub-systems. Recursion as the essential principle for structuring within the VSM leads to the fact that each sub-system needs the same structural composition as the whole system; each level of organization is a recursion of its super-system (Beer 1979). System 1 serves as an interface between the recursion levels. In addition, recursion allows us to analyze different scales of tasks (Bar-Yam 2004, 2005): numerous and repetitive tasks (large scale) on a higher recursion level, numerous and variable tasks (fine scale) on a lower recursion level.
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The information channels between the sub-systems are pairs of variety amplifiers and attenuators which need to be designed with respect to the Law of Requisite Variety (Beer 1985). These information channels correspond to the understanding of information and communication channels of the Information Processing Model. We further elaborate on these components in the next section, using a running example from a real case scenario.
3.2
Method for Variety Engineering
As stated before, common approaches for modeling organizational structures do not allow the theoretically grounded quality assessment of information processing requirements and capacities. The VSM offers a theoretically sound foundation for this assessment and the structuring of functions, actors, tasks and the information flows between them within an organization. From our point of view, the VSM serves as an underlying blueprint in order to map the necessary information channels within an organization. We choose the VSM due to its simplicity, its focus on control and information flows (Mintzberg 1979), and hence its compatibility to the Information Processing Model. Nevertheless, the terminology and wording of Beer are confusing and misleading. The VSM is not a model or meta model in the sense of an information model but rather a language for describing organizational phenomena (Beer 1981, Anderton 1989). But Beer’s remarks on the actual application and notation are not satisfying. Though the basic principles have been specified in a formal way (Beer 1994), the completely developed VSM has been only demonstrated through examples (Anderton 1989). However, the specification of a sound method needs a procedure model for problem solving and a modeling technique comprising action guidelines, conceptual language aspects and representational language aspects (Holten 2000). Consequently, we introduce a conceptual modeling language and method based on the VSM. 3.2.1
Conceptual Language Aspects
The VSM is a (technical) language for describing organizational sub-systems and information channels between them. Using linguistic actions (Wedekind 1981) we now (re-)construct this language to make statements about the organizational domain. In the following we introduce key language elements and give examples of their usage, using a real case scenario. The running example is a lateral network of small and medium-sized companies (SMEs), the Baufairbund (BFB). BFB is an association of SMEs in the construction sector, mostly architects and craftsmen. The cooperation aims at providing construction works and related services (e.g., facility management) for private and corporate customers. By the end of 2007, membership in the cooperative has grown to include 14 legally independent businesses obligating themselves to a long-term cooperation in a service network. The cooperative is not purely a trade cooperative, but rather consciously includes the
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planning side of construction, in addition to the building side. From architects to carpenters, all planning and building trades are represented in BFB, so that all services required by a construction project can be offered to a customer by one source. The result is a hybrid product consisting of the finished building and accompanying services. The management team of BFB has the overall responsibility for building projects as well as for the coordination among the members. In addition they support customer relations and sales management. The constructs of the conceptual language aspect are briefly sketched in this section, with examples from BFB.
• On each given recursive level, Operational Divisions are responsible for certain parts of an organization’s activities and have contact to the outside Environment. The divisions are each managed by a divisional Management Unit. Together, they form an Elemental Organizational Unit. All Operational Divisions and divisional Management Units on one recursion level together form System 1. On the first recursion level, using projects as the dimension for recursion, BFB’s specific building projects form the operational divisions of the service network. Another possible dimension is the member structure, this would lead to a different model.
• Each System 2 conducts a service function for System 1 (e.g., Finance, Human Resources or IT services), and serves to damp oscillation and disruptions that occur between the divisions on an operational level (e.g., distribution of standard operating procedures). At BFB, an important System 2 is formed by a cooperation server that offers collaboration functions for managing project plans, managing appointments and schedules, exchanging documents and managing customer information.
• System 3 supervises all internal operational activities of all divisions from a higher point of view of the total system. It optimizes the allocation of resources, assigns them to the divisions and regularly checks the use of these resources. On the first recursion level, the BFB management team, which consists of a General Cooperation Manager and a Technical Assistant, form a System 3. They are responsible for matching single planners and trades to projects, and for allocating project resources.
• System 3* is the audit channel, which gives System 3 direct access to the state of affairs in the operational activities. System 3 can obtain immediate information by using System 3*, instead of relying on information passed to it by divisional management. For example, a Quality Assurance Representative conducts infrequent audits of projects at BFB.
• System 4 deals with the diagnosis of the long-term connection of a viable system to its outside environment and its adaptation to future trends. An example for System 4 at BFB’s first recursion level is a monthly meeting that every member of BFB must attend to, and which is used to discuss both operational
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and strategic issues. At the next recursion level, the BFB management team acts as a System 4 within a project and ensures the single point of contact for customers.
• The ethos of the whole viable system is formed by System 5. It embodies supreme values, rules and norms for the stabilization of the whole system. For example, BFB employs a quality management handbook and general conduct guidelines that every member has to accept as soon as she or he joins the cooperative.
• Information channels exist between all sub-systems as pairs of variety amplifiers and attenuators. As for BFB, these exist in multiple forms, e. g., mobile phone, e-mail, regular reports, transmissions via information systems, etc. The relationship between the constructs is illustrated in the meta model in Figure 1 using ERM notation. For clarity, the constructs can be partitioned into three clusters. A VSM comprises (0 to n) System Objects (SO). Each SO can be part of different VSMs. SOs can be specialized totally and unequivocally in Elemental Organizational Unit (EOU), System 2 (S2), System 3 (S3), System 3* (S3S), System 4 (S4) or System 5 (S5). Several types of information channels exist between the SOs, represented as relationships. SOs can be linked to organizational entities such as actors or information systems. 3.2.2
Representational Language Aspects and Technique
In order to represent the principle of recursion, we employ hierarchies of EOUs using a tree-like structure. Additionally, the identified or needed Systems 2 to 5 have to be arranged on each recursion level. Thus, the System Perspective is formed by a hierarchical model of the EOUs and their sub-systems on each recursion level. Many conceptual modeling approaches only allow convenient modeling on a type level, which requires the modeler’s ability to abstract from instances. This is often not possible and a specialized hierarchical modeling method is required, which is based on common concepts such as abstraction and specialization. The display of instances of sub-systems in a manageable tree view eases the understanding of the structure of the VSM. Fig. 2 gives an example for the System Perspective of BFB. An additional representation is the Conventional Diagrammatic Description of the sub-systems and information channels on each recursion level introduced by Beer (1985) (cf. middle part of Fig. 3). Each information channel can be analyzed regarding requisite variety. It is composed of the sub-systems and the information channels between them.
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Fig. 1. Excerpt of the meta model
Lastly, the Information Channel Perspective allows a detailed analysis and design of the variety amplifiers and attenuators of each information channel and is exemplarily pictured in the lower part of Fig. 3. This representation is based on Beer (1985), too. The elements of the System Perspective are used to automatically generate the traditional VSM diagram (Conventional Diagrammatic Description) and templates for all possible information channels between the sub-systems (Information Channel Perspective).
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Fig. 2. Excerpt of System Perspective of the exemplary service value network
Since the potential number of information channels is theoretically enormous, in order to automate the generation of information channels, we need to define relations for the meta model. These can be used to create a physical relational database schema. We use relational algebra expressions (Codd 1990, Silberschatz et al. 2005) and pseudo code in order to describe in a small exemplary excerpt how this generation can be achieved for information channels between S2 and S3 by using an instantiated metadata repository. The following relations can be defined according to the meta model from Fig. 1. R1:
S2 = (system2ID, systemObjectID, system2Name, system2Version, recursionLevelID)
R2:
S3 = (system3ID, systemObjectID, system3Name, system3Version, recursionLevelID, managementUnitID)
R3:
SO = (soID, soName, objecttype, soVersion, recursionLevelID)
R4:
RL = (rlID, rlName, rlVersion, recursionLevelSequence)
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For each entity type we have to introduce one relation (R1-R4). Additionally, we have to introduce a relation for all relationship types that represent n:m relationships. In this example, we show two of these relations (R5, R6), which represent information channels. R5:
S3-S2-As = (s3s2asID, system3ID, system2ID, s3s2asName, s3s2asVersion)
R6:
S3-S3-As = (s3s3asID, superiorSystem3ID, subordinateSystem3ID, s3s3asName, s3s3asVersion)
The automatic generation of templates for (R5, R6) requires updating the values of several elements that are included within these relations. We need to query the affected elements (Q1, Q2) and update the elements derived from these queries (U1, U2):
• Retrieve available information about the information channels between Systems 2 and Systems 3 on same recursion level; update R5 for the derived set of elements. Q1:
σS2.recursionLevelID
U1:
S3-S2-As ← S3-S2-As ∪ πsystem2ID,system3ID (Q1)
= S3.recursionLevelID
(S2 x S3)
• Retrieve available information about the information channels between Systems 3 on different recursion levels; update R6 for the derived set of elements of the same Management Unit. For each „rlID“ from R4: Q2: σS3.recursionLevelID = „rlID“ (S3) For each system3ID (S3‘ID) of this set: Take all system3ID that are in superordinated recursionLevelSequence and which Management Unit belongs to the EOU to which the EOU of S3‘ID is associated; For each system3ID (S3ID) of this set: U2: S3-S3-As ← S3-S3-As ∪ {(.,“S3ID“,“S3‘ID“,.,.)
3.2.3
Variety Engineering – Procedure and Method
The following procedure is the central building block for deriving, analyzing and designing information channels from the model of the System Perspective (cf. Fig. 3). In accordance with Beer (1979), we use the term Variety Engineering. 1. Construction of a System Perspective model: the language constructs of the System Perspective allow creating a hierarchical model of the system in focus which contains all identified or relevant sub-systems (actors) on selected recursion levels.
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Fig. 3a. Procedure model for Variety Engineering (1/2)
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Fig. 3b. Procedure model for Variety Engineering (2/2)
2. Derivation and identification of essential information channels: on the basis of the relationship types taken from the meta model, we are able to derive the set of all theoretically possible types of information channels between the subsystems which are specified in the System Perspective model. This set provides indications for further analysis and design of instances of these information channels. The model can be stored in a repository, using the schema deducted from the meta model. 3. Selection of an information channel: a recursion level selected in the hierarchical System Perspective model can be visually displayed in the Conventional Diagrammatic Description. This allows the selection of an information channel for further analysis. 4. Selection of the considered sub-systems: since many sub-systems of the same kind can be connected through the same information channel, we have to select the considered sub-systems. The identification and modeling of a specific information channel allows assessing and measuring its variety. 5. Analysis of the selected information channel: the analysis of a selected information channel is conducted in the Information Channel Perspective. Here, the control loop is examined in detail concerning its variety and its fit. Identified variety amplifiers and attenuators and stability criteria need to be declared. If starting point and ending point of an information channel have different orders of magnitude in variety, the coordination over this channel is defective. The assessment and measurement of variety can be carried out as briefly described in the following. For a concrete case, the abstract concept of variety must be transformed into an applicable measure (Rivett 1977). Generally, we can either use
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perception-based measures (perception of effects of variety, e.g., surveys (de Raadt 1987, Osborn et al. 1977)) or activity-based measures (actual effects of variety on activities, e. g., frequency measures or content analysis of records (Beer 1979, Fransoo and Wiers 2006, Ribbers and Schoo 2002)). In addition, from the perspective of information systems research, measures for variety have to take into account both instance level and type level (ISO 1990) of an information channel. For the measurement of variety at instance level, the amount of time can be considered which is also used in process management and total quality management. Likewise, Bar-Yam argues that „(e)ach of these (information, variety) is measured per unit time, where a certain amount of time is required to switch to the next state. Assuming that a manager has a limited variety, this bound on the communication capacity … limits the coordination of workers under the supervision of the manager.“ (Bar-Yam 2004, Laguna and Marklund 2004). Thus, the upper boundary on variety is the amount of information a human being can communicate in a specified period of time. In our example in Figure 4, the information channel connecting the cooperation server (System 2) and the projects (operational divisions) is exemplarily examined at instance level. As shown elsewhere, the variety at type level can be measured by the number of technical language terms used by a specific language community to describe the possible states of a given system, especially if the information channels have been specified in conceptual models (Rosenkranz and Holten 2007). In theory, it is possible to count all possible states. If this is not directly possible, we can make comparisons („something has more or less variety than another thing“) or apply ordinal scaling (Beer 1979). As such, another possibility (which is not explored in this paper) might be to employ fuzzy sets and fuzzy logic for quantification of linguistic statements (Zadeh 1975).
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Conclusion and Outlook
We summarize our findings with regard to the guidelines proposed by (Hevner et al. 2004) for Design Science Research. The constructed method for Variety Engineering is an artifact; it is relevant due to the importance of efficient information channels for the production of solutions and services. We showed that in contrast to other methods for organizational modeling our method builds on the Information Processing Model and the cybernetic concepts of Ashby and Beer as a theoretical foundation, and that Beer’s remarks on the application of the VSM are unsatisfactory. Therefore, the scientific contribution lies in the formal specification and provision of this method for analysis and design of networked service value chains (methodology). During the construction of the method, we applied the standard of knowledge and systematically derived and designed the components language, technique and procedure (rigor). In discussing the theoretical back-
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ground we showed „why it works“ (the used constructs). That documents the search process in our Design Science project. Of course, it is obvious that our paper suffers from being theoretical research only. As such, it needs to be tested and empirically corroborated. Accordingly, as a next step, we plan to carry out a descriptive evaluation, e.g. by testing the method in case studies and field work. Additionally, we plan to conduct experiments for the different steps of the method, e.g. by testing alternative methods for the same problem situation. The Variety Engineering Method and the underlying modeling language will be enhanced according to the Design Science Research Framework. Particularly, we need to develop concepts for the simulation of communication tasks within a given organizational structure which takes the measured varieties as inputs and assesses the quality of the information structure as output. In addition, we will implement a prototype for tool support.
Acknowledgments We would like to thank the German Federal Ministry of Education and Research, which funded this work in the project „Mind-Bau“ under record no. 01FD0611.
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Konzeption einer Modellierungssprache zur softwarewerkzeugunterstützten Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Leistungsbündel
Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller Hybride Leistungsbündel integrieren Sach- und Dienstleistungen zu kundenspezifischen Problemlösungen. Ihre Modellierung erfordert die integrierte Berücksichtigung von Anforderungen des Product Engineering und des Service Engineering. Der Beitrag präsentiert einen neuen Modellierungsansatz, der sich schwerpunktmäßig durch eine integrierte Abbildung kundenindividueller Konfigurationsmöglichkeiten und deren ökonomischer Konsequenzen auszeichnet. Der Ansatz unterstützt damit das Komplexitätsmanagement hybrider Leistungsbündel und kann als ein Beitrag für eine entscheidungsorientierte Wirtschaftsinformatik interpretiert werden.
1
Hybride Leistungsbündel als Gegenstand der Modellierung
Zu kundenspezifischen Problemlösungen integrierte Leistungsbündel aus Sachund Dienstleistungen werden als hybride Leistungsbündel bezeichnet (Galbraith 2002, Kersten et al. 2006). Hybride Leistungsbündel positionieren sich damit zwischen den Extrema reiner Sachleistungen und reiner Dienstleistungen, wobei ein Angebot reiner Sachleistungen heute bereits ausgesprochen selten ist, was man sich anhand der mit dem Erwerb von Sachleistungen verbundenen Handelsdienstleistungen verdeutlichen kann (zur Schwierigkeit der Abgrenzung von Sach- und Dienstleistungen vgl. ausführlich z. B. Fitzsimmons und Fitzsimmons 2001, Vargo und Lusch 2004, Teboul 2006). Auch ist die Idee hybrider Leitungsbündel keineswegs neu. Bereits vor 80 Jahren hat ein namhafter Hersteller zuckerhaltiger Brause sein Angebot von Abfüllanlagen mit Installationshilfen und Schulungen kombiniert (Oliver 1986). Allerdings ist gegenwärtig vor dem Hintergrund des Trends zur Tertiarisierung (Micic 2006) ein Bedeutungszuwachs des Angebots hybrider Leistungsbündel zu verzeichnen, der teilweise auch durch empirische Untersuchungen belegt wird. So stellt beispielsweise Stille in einer Auswertung von je
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Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
zwei Studien des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) fest, dass der Umsatzanteil von Sachleistungen ergänzenden Dienstleistungen in Deutschland im Jahr 2000 im Vergleich zum Jahr 1997 im Maschinenbau von 9,6 % auf 18,5 % und in der Elektroindustrie von 16,8 % auf 22,5 % gestiegen ist (Stille 2003). Mercer Management Consulting sieht die Hälfte des Wachstums in Unternehmen des Maschinenbaus in den Jahren 1998–2003 durch das Dienstleistungsgeschäft begründet. Während im deutschen Maschinenbau das Maschinengeschäft durchschnittlich eine Umsatzrendite von 2,3 % erzielt, werden im Bereich der Dienstleistungen durchschnittlich mehr als 10 % Umsatzrendite erreicht, wobei der Anteil bei einzelnen Dienstleistungen durchaus noch höher sein kann. Die durch Dienstleistungen zu erzielenden Margen bewegen sich dabei durchschnittlich zwischen 8 und 18 % (Mercer 2003). Nach einer Befragung durch Sturm, Bading und Schubert wird Leistungsbündeln aus Sach- und Dienstleistungen eine hohe (38,1 %) bis sehr hohe (59,8 %) Bedeutung für den Unternehmenserfolg beigemessen. Der Anteil von Dienstleistungen am Gesamterfolg soll in Zukunft weiter ausgebaut werden. Individuelle Lösungen werden dabei durch den Kunden stark nachgefragt und als gute Möglichkeit zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb sowie Kundenbindung gesehen. Folglich wollen 94,9 % der Unternehmen mittels hybrider Leistungsbündel wachsen (Sturm et al. 2007). Während die Notwendigkeit für das Angebot von Dienstleistungen gemäß diesen Studien von vielen Sachleistungsherstellern gesehen wird, wird zugleich festgestellt, dass es vielen Unternehmen schwer fällt, das eigene Dienstleistungsangebot systematisch zu beschreiben (Backhaus et al. 2007). Diese Feststellung erscheint angesichts des derzeitigen Stands der Entwicklung von Modellierungstechniken zur Beschreibung hybrider Leistungsbündel durchaus plausibel. Die methodische Unterstützung der Spezifikation von Sachleistungen ist seit Langem Gegenstand der Ingenieurwissenschaften, was sich insbesondere in einem hohen Standardisierungsgrad ausgewirkt hat. Für die Beschreibung von Sachleistungen hat insbesondere STEP (ISO 10303– 41: Fundaments of Product Description and Support; ISO 10303– 42: Geometric and Topological Representation; ISO 10303– 46: Visual Presentation) besondere Bedeutung erlangt (Anderl und Trippner 2000, ProSTEP 2007). Eine Übertragung der Prinzipien des Product Engineering auf den Bereich der Dienstleistungen wird erst seit den 1990er-Jahren unter dem Schlagwort „Service Engineering“ verstärkt verfolgt. Seitdem sind eine Vielzahl von Modellierungstechniken für Dienstleistungen vorgeschlagen worden (z. B. Klein 2007, Kunau et al. 2005, Corsten und Gössinger 2003, Klein et al. 2003, Winkelmann und Luczak 2006, Luczak 1991, Dangelmaier und Hamoudia 2002, Shostack 1982, für eine ausführliche Übersicht, die in diesem Beitrag nicht geleistet werden kann, vgl. z. B. Becker et al. 2008, Emmrich 2005). Eine mit dem Bereich der Sachleistungsentwicklung vergleichbare Konsolidierung der Spezifikationsansätze kann für den Dienstleistungsbereich nicht erkannt werden. Die Modellierung hybrider Leistungsbündel kann als nächste Stufe dieser Entwicklung angesehen werden, auf der die Ansätze des Product Engineering und des Service Engineering
Modellierungssprache zur Konfiguration hybrider Leistungsbündel
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integriert werden. Die unterschiedlichen Entwicklungsgrade der zugrunde liegenden Modellierungsbereiche erschweren dabei die Herausbildung allgemein akzeptierter Ansätze für die Modellierung hybrider Leistungsbündel, woraus sich die Schwierigkeiten der Praxis bei der Beschreibung hybrider Leistungsbündel plausibilisieren lassen. Allerdings wurden in jüngerer Vergangenheit vermehrt entsprechende Modellierungsansätze vorgestellt, denen allerdings in der Regel noch die Erprobung beziehungsweise Etablierung in der unternehmerischen Praxis fehlt (Morelli 2002, Mercer 1993, Botta 2007, Emmerich 2005, Shostack 1977, Scheer et al. 2006). Der vorliegende Beitrag ergänzt die Diskussion zur Entwicklung von Modellierungsansätzen für hybride Leistungsbündel durch einen Ansatz, der schwerpunktmäßig zwei besondere Herausforderungen adressiert. Die erste Herausforderung ergibt sich aus der tendenziell hohen Kundenspezifität hybrider Leistungsbündel. Um eine hohe Kundenspezifität der Leistungsbündel gewährleisten zu können, ermöglichen es Anbieter ihren Kunden häufig, gewünschte Leistungsbündel zu konfigurieren. An die Modellierungstechnik stellt sich dann die Anforderung, den vom Anbieter vorgesehenen Möglichkeitsraum der Konfiguration sowohl für den Anbieter als auch für den Kunden geeignet abzubilden. Die zweite Besonderheit unseres Ansatzes greift die Idee entscheidungsunterstützender Modellierungstechniken auf, wie sie z. B. von vom Brocke für die Auswahl von Konfigurationen Serviceorientierter Architekturen (SOA) vorgestellt wurde (vom Brocke 2006). Im Kontext der Modellierung hybrider Leistungsbündel ergibt sich aus diesem Konzept die Anforderung, dass ökonomische Konsequenzen, die mit der Bildung alternativer hybrider Leistungsbündel verbunden sind, aus dem jeweiligen Modell ableitbar sind. Die Umsetzung beider Anforderungen erfordert die Unterstützung der Modellerstellung mittels eines Softwaretools. Im Folgenden führen wir zunächst in die von unserem prototypgestützten Forschungsansatz adressierten Anforderungen an die Modellierung hybrider Leistungsbündel ein (Abschnitt 2). Darauf aufbauend zeigen wir die Konstruktion der vorgeschlagenen Modellierungssprache (Abschnitt 3) und ihre Verwendung im Rahmen der Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Leistungsbündel (Abschnitt 4). Eine kurze Diskussion unseres weiteren Forschungsbedarfs schließt den Beitrag ab (Abschnitt 5).
2
Anforderungen an die Modellierung hybrider Leistungsbündel
Anforderungen an Modellierungssprachen ergeben sich aus den verschiedenen Anwendungskontexten, in denen die Modellierungssprache eingesetzt wird. Auch für die Modellierung hybrider Leistungsbündel gilt, dass sich vor dem Hintergrund eines breiten Spektrums an Anwendungskontexten multiperspektivische Anforderungskataloge zusammenstellen lassen. Eine Gliederung der vielfältigen Anforderungen legt die für die Beschreibung von Dienstleistungen verbreitete Unter-
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Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
scheidung der Sichten Potenzial, Prozess und Ergebnis nahe (Hilke 1989). Aus Potenzialsicht ist z. B. zu fordern, dass sowohl die für die Dienstleistungs- als auch für die Sachleistungserstellung vorzuhaltenden Ressourcen und ihre Kapazitäten modelliert und aufeinander abgestimmt werden können. Hinsichtlich der Prozesssicht sind die geplanten Abläufe der Dienstleistungs- und Sachleistungserbringung darzustellen und miteinander zu integrieren. Hierbei ist insbesondere den Erfordernissen zur Integration des Kunden und weiterer externer Faktoren in den Prozess geeignet Rechnung zu tragen. Aus Ergebnissicht ist zu fordern, dass die Strukturen der Dienst- und Sachleistungen und ihre gewünschten Ergebnisbeiträge modelliert werden können. Die Repräsentation von Bedingungs-, Ausschluss- und Substitutionsbeziehungen zwischen Sach- und Dienstleistungen stellt dabei eine Besonderheit der Modellierung hybrider Leistungsbündel dar. Im Folgenden sollen spezielle Anforderungen an die Modellierung hybrider Leistungsbündel fokussiert werden, die sich aus einer kundenindividuellen Massenfertigung (Mass Customization) hybrider Leistungsbündel ergeben. Zur Unterstützung dieser Strategie wird aktuell eine der Modularisierung von Sachgütern nachempfundene Modularisierung von Dienstleistungsprozessen diskutiert, um heterogene, kundenspezifische Lösungen zusammenstellen zu können (Corsten et al. 2007, Schramm und Pellentien 2004, Hermsen 2000, Burr 2005, Böhmann und Krcmar 2006). Modularisierung ist eine grundlegende Strategie zur Erhöhung der Flexibilität eines Systems (Baldwin und Clark 1997). Mit der Modularisierung wird die Intention verfolgt, Systeme aus einzelnen Teilsystemen zusammenzusetzen und damit unter anderem anpassungsfähiger zu machen, da Module eine spezifische Funktionalität kapseln und mit anderen Teilsystemen nur über wohl definierte Schnittstellen kommunizieren. Weiterhin werden als Ziele der Modularisierung eine effizientere Nutzung der zur Wertschöpfung eingesetzten Ressourcen (Ressourcenexploitation), sowie ein reduzierter Koordinationsbedarf bei der Endkombination neuartiger Lösungen (Ressourcenexploration) (Burr 2005, Corsten et al. 2007, Schramm und Pellentien 2004) verfolgt. Essentiell für eine Kombination komplementärer Dienstleistungsprozessmodule – vor allem über Unternehmensgrenzen hinweg – ist dabei die Etablierung standardisierter Schnittstellendefinitionen in einer einheitlichen Beschreibungssprache (Schramm und Pellentien 2004, Böhmann und Krcmar 2006, Hermsen 2000, Burr 2005). Aus der Perspektive des Anbieters und des Kunden ergeben sich jeweils spezifische Anforderungen an die Modellierung kundenindividuell massengefertigter hybrider Leistungsbündel (vgl. zu Produktkonfiguratoren ausführlich Scheer 2006). Mit der Modellierung des Produktspektrums grenzt der Anbieter den Möglichkeitsraum ein, aus dem der Kunde eine konkrete Instanz eines hybriden Leistungsbündels auswählt. Hierzu sind insbesondere die zur Verfügung stehenden Sach- und Dienstleistungsmodule geeignet zu beschreiben, die Konfigurationsmöglichkeiten abzubilden und die Konsistenz der Konfigurationsergebnisse sicherzustellen. Dem Kunden muss die Modellierungssprache die Modellierung einzelner hybrider Leistungsbündelinstanzen ermöglichen. Hierbei sollte der Kunde bei dem Treffen seiner Konfigurationsentscheidung unterstützt werden, indem das
Modellierungssprache zur Konfiguration hybrider Leistungsbündel
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Profil seiner Anforderungen an die Eigenschaften eines hybriden Leistungsbündels mit den Profilen der Eigenschaften alternativer Modulzusammensetzungen abgeglichen wird. Die Modellierungssprache sollte dabei insbesondere die Abbildung ausschließlich zulässiger, alternativer Leistungsbündelvarianten und die Erfassung einer letztlich getroffenen Konfigurationsentscheidung erlauben. Um die Potenziale der Modellierungssprache zur Entscheidungsunterstützung zu erhöhen, ist zu fordern, dass sowohl aus Anbieter- als auch aus Kundensicht die ökonomischen Konsequenzen alternativer Modellierungsentscheidungen aufgezeigt werden können. Aus Anbietersicht bedeutet dies z. B., dass die Prognose des Kapitalwerts zusätzlich angebotener Leistungsbündelmodule unterstützt wird. Aus Kundensicht ist zu fordern, dass im Sinne des Konzeptes „Total Cost of Ownership“ die mit der Anschaffung einer bestimmten Leistungsbündelvariante verbundenen Zahlungen expliziert werden. Abb. 1 fasst die hier identifizierten Anforderungen zusammen, bevor in den folgenden Abschnitten die Konzeption eines neuen toolgestützten Modellierungsansatzes gezeigt wird, der diese Anforderungen schwerpunktmäßig adressiert.
Abb. 1. Anforderungsschwerpunkte an die Modellierung hybrider Leistungsbündel
3
Die Modellierungssprache HyproDesign
Modellierungssprachen stellen eine nötige Grundlage zur Modellerstellung dar (Schütte 1998). Im Allgemeinen wird zwischen dem konzeptionellen Teil einer Sprache, auch Orthosprache genannt, und dem repräsentationellen Teil einer Sprache, auch Notation genannt, unterschieden (Holten 2000). Die Orthosprache dient
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Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
der eindeutigen Definition von Sprachelementen und deren Beziehungen. Die Notation ordnet diesen Sprachelementen und Beziehungen geeignete grafische Repräsentationsformen zu, um die Modellierungssprache für Modellentwickler und -nutzer leichter anwendbar und verständlich zu machen. Das sprachbasierte Metamodell in Abb. 2 definiert den konzeptionellen Teil der HyproDesign-Modellierungssprache. Der repräsentationelle Teil wird in Abb. 3 exemplarisch anhand der Sprachdefinition und konkreter Modellausschnitte des HyproDesign-Tools dargestellt. Einstiegspunkt für die Modellierung hybrider Leistungsbündel mit der HyproDesign-Modellierungssprache ist das Konstrukt Hybrides Leistungsbündel (Typebene). Es bildet alle Varianten beziehungsweise Konfigurationsmöglichkeiten eines generischen Leistungsbündels (z. B. eines bestimmten Maschinenmodells und dem zugehörigen Dienstleistungsangebot) aus Anbietersicht ab (vgl. hierzu auch das Konzept des „generischen Produktmodells“ in Scheer 2006). Dazu umfasst es zum einen die Taxonomie des Leistungsbündels, indem es die verfügbaren Leistungen mitsamt ihrer Leistungseigenschaften und Strukturbeziehungen definiert. Zum anderen beinhaltet es Regeln, die vorhandene Selektions- und Kombinationsmöglichkeiten einschränken und somit zur Konsistenzsicherung der Modelle beitragen. Ein hybrides Leistungsbündel auf Typebene beinhaltet somit das gesamte Konfigurationswissen bezüglich eines abstrakten Leistungsbündels und spannt einen Möglichkeitsraum auf, aus dem der Kunde während des Konfigurationsprozesses sukzessive sein individuelles Leistungsbündel ableitet. Ein hybrides Leistungsbündel auf Typebene wird in erster Linie durch ihm zugeordnete Module definiert. Das Konstrukt Modul stellt eine in sich abgeschlossene Einheit dar, die aus einer Menge zugeordneter Leistungen besteht und in unterschiedlichen Leistungsbündeln Wiederverwendung finden kann. Damit wird das Ziel verfolgt, Modelle von Leistungsbündeln möglichst einfach und effizient aus vordefiniert Teilmodelle zusammenstellen zu können. Module beinhalten Leistungen. Eine Leistung stellt das Ergebnis einer betrieblichen Faktorkombination dar. Dabei kann es sich sowohl um Sach- als auch Dienstleistungen handeln. Auf eine explizite Unterscheidung wird aufgrund der oft problematischen Abgrenzung von Sach- und Dienstleistung absichtlich verzichtet (für eine Diskussion der Problematik siehe beispielsweise Teboul 2006 oder Vargo und Lusch 2004). Insbesondere im industriellen Umfeld beinhalten Dienstleistungen (z. B. Instandsetzung) sehr häufig auch Sachleistungsanteile (z. B. Ersatzteile) und vice versa. Bei der Modellierung von Leistungsbündel mit dem HyproDesignTool ist darauf zu achten, dass alle einem Modul zugeordneten Leistungen weitgehend dieselbe Funktion verfolgen. Sie sind als Alternativen anzusehen, aus denen der Kunde während des Konfigurationsprozesses auswählt. Häufig unterscheiden sich Leistungen eines Moduls nur durch ihre nichtfunktionalen Eigenschaften (z. B. Qualität, Quantität, Preis). Leistungen können in Strukturen (Konstrukt Leistungsstruktur) angeordnet sein, d. h. Leistungen können wiederum aus Teilleistungen bestehen. Dies ermöglicht zum einen die Abbildung üblicher hierarchischer Strukturen bei Sachleistun-
Modellierungssprache zur Konfiguration hybrider Leistungsbündel
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gen (z. B. Stücklisten). Zum anderen kann auf diese Weise die Prozessdimension von Dienstleistungen abgebildet werden (z. B. Instandsetzung als Folge von Fehleranalyse, Fehlerbehebung und Probelauf). HyproDesign Metamodell (erweitertes Entity-Relationship Diagramm)
Hybrides (0,n) Leistungsbündel (Typebene)
(1,n)
Operator
(0,n)
(1,1) (0,n)
Modul
(0,n)
Prämisse
(0,n)
Konklusion
(0,n)
(0,n)
Kunde
(1,1)
Hybrides (1,n) Leistungsbündel (Instanzebene)
(0,n)
(0,n)
Operator
ModulLeistungsZuordnung
(0,n)
L-Struktur
(0,1) (0,n)
(0,n)
(0,n)
(1,n)
Prämisse
(0,n)
Leistung
Konklusion
(0,n)
(0,n)
Lebenszyklusphase
(1,1)
(1,1)
(0,n)
Leistungseigenschaft
(1,n)
(1,1) (0,n)
Intervall
(0,n)
(0,n) O-Struktur
(0,1) (0,n)
(0,n)
Organisationseinheit
(1,1) (0,n)
(1,n)
Aktivität
(0,n) (0,n)
(0,n)
(0,n)
Ressource (0,n)
(1,1)
Stelle
(0,n) (0,n)
(0,n)
Kostenstelle
Legende (min, max)
Entity-Typ
Relationship-Typ
Uminterpretierter Relationship-Typ
Regel
Konnektor (min-Kardinalität, max-Kardinalität)
Abb. 2. Sprachbasiertes Metamodell der HyproDesign-Modellierungssprache
(0,n)
60
Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
Sprachdefinition und Modelle im HyproDesign-Tool (Ausschnitt)
Sprachebene Modellebene
Abb. 3. Werkzeuggestützte Sprachdefinition und exemplarische Leistungsbündelmodelle
Modellierungssprache zur Konfiguration hybrider Leistungsbündel
61
Leistungen werden durch Leistungseigenschaften näher beschrieben. Bei Leistungen mit überwiegendem Sachleistungsanteil bieten sich die üblichen physikalischen (z. B. Maße, Gewicht), mechanischen (z. B. Umdrehungen pro Minute) und technischen (z. B. Bandbreite) Eigenschaften an. Aufgrund des spezifischen Charakters von Dienstleistungen (insbesondere Immaterialität, Individualität) sind diese Eigenschaften bei Leistungen mit überwiegendem Dienstleistungsanteil weniger geeignet. Hier bieten sich vor allem funktionale sowie nichtfunktionale Eigenschaften an. Funktionale Eigenschaften beschreiben die Ergebnisdimension einer Dienstleistung. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Zustandsänderung beim Nutzer (z. B. bei einer Schulung) oder einem seiner Objekte (z. B. bei einer Instandsetzung) handeln. Nichtfunktionale Eigenschaften stellen Beschränkungen oder Konditionen bezüglich der Funktion dar. Typische Beispiele sind Preis, Qualität, Quantität, räumliche und zeitliche Verfügbarkeit oder Liefer- und Zahlungsbedingungen (für eine ausführliche Darstellung siehe O’Sullivan 2006). Zusätzlich zu diesen Eigenschaften ist in vielen Fällen eine Zuordnung von Leistungen zu standardisierten Klassifikationen oder Taxonomien (z. B. UNSPSC, eCl@ss, CCG) sinnvoll und erleichtert das Auffinden, den Vergleich und die Auswahl verschiedener Leistungen. Um Selektions- und Kombinationsmöglichkeiten gegebenenfalls einschränken zu können, steht das Konstrukt Regel zur Verfügung. Im HyproDesign-Tool stehen Konfigurationsregeln in Wenn-Dann-Form zur Verfügung. Regeln können auf Modulebene oder der Ebene konkreter Leistungen definiert werden. Beziehen sich Regeln auf Module, so ist für die Prämisse beziehungsweise Konklusion eine Leistungseigenschaft mitsamt Eigenschaftswert und Operator (<, <=, >, >=, =, !=) zu definieren. Beziehen sich Regeln auf konkrete Leistungen, so ist eine Angabe von Leistungseigenschaften, Eigenschaftswerten und Operatoren unnötig. Sowohl Sach- als auch Dienstleistungen besitzen einen Lebenszyklus. Um Lebenszyklen mit verschiedenen Phasen und Zeiträumen modellieren zu können, werden die Konstrukte Lebenszyklusphase und Intervall eingeführt. Eine Leistung besitzt mehrere (oder auch nur eine) Lebenszyklusphasen (z. B. Vorkauf, Nutzung, Nachnutzung) und diese können wiederum mehrere Intervalle (z. B. Jahr 1, Jahr 2, etc.) besitzen. Einem Intervall können mehrere Aktivitäten zugeordnet werden. Im Gegensatz zu Leistungen handelt es sich dabei um Einheiten, die nicht einzeln am Markt angeboten werden (z. B. einzelne Arbeitsgänge). Einer Aktivität kann eine ausführende Organisationseinheit zugeordnet werden, welche bei Bedarf durch Stellen verfeinert werden kann. Des Weiteren können einer Aktivität Ressourcen zugeordnet werden, die bei der Ausführung verbraucht (z. B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) oder genutzt (z. B. Informationen) werden. Durch die Angabe von Stellen und Ressourcen lässt sich die Potenzialdimension einer Dienstleistung spezifizieren. Zu Zwecken der Kostenrechnung können beide Konstrukte Kostenstellen zugeteilt werden. Um auch eine grobgranulare Modellierung von Intervallen zu erlauben, ist es zudem möglich auf Aktivitäten zu verzichten und Organisationseinheiten sowie Ressourcen direkt Intervallen zuzuordnen.
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Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
Im Rahmen der Konfiguration selektiert und kombiniert der Kunde zur Verfügung stehende Leistungen anhand ihrer Eigenschaften. Dabei wird er durch das Tool sowohl durch die Präsentation zur Verfügung stehender Möglichkeiten (Module und Leistungen) als auch durch die Überwachung existierender Beschränkungen (Regeln) unterstützt. Das Ergebnis des Konfigurationsprozess spiegelt sich in der Beziehung Modul-Leistungs-Zuordnung wider. Die Menge dieser Zuordnungen für ein hybrides Leistungsbündel auf Typebene definiert das Hybride Leistungsbündel (Instanzebene). Es stellt aus Kundensicht eine konkrete Variante beziehungsweise Konfiguration des generischen Leistungsbündels dar.
4
Anwendung im Rahmen des HyproDesign-Tools
Das HyproDesign-Tool unterstützt die Modellierung generischer Leistungsbündel aus Anbietersicht, die Konfiguration individueller Leistungsbündel durch den Kunden sowie die Abbildung ökonomischer Konsequenzen alternativer Leistungsbündel. Abb. 4 illustriert das schrittweise Vorgehen zur Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Leistungsbündel: 1. Der Anbieter modelliert mögliche Konfigurationen generischer Leistungsbündel. Dabei ordnet er dem Leistungsbündel Module mit konkurrierenden Leistungen (inklusive der zugehörigen Leistungseigenschaften und Eigenschaftswerten) sowie Konfigurationsregeln zu. 2. Der Kunde konfiguriert individuelle Leistungsbündel aus den vom Anbieter vordefinierten generischen Leistungsbündeln. Üblicherweise kommt der Kunde im Konfigurationsprozess nicht sofort zu einer eindeutigen Entscheidung und definiert mehrere, alternative Leistungsbündel. 3. Individuelle Leistungsbündel können durch Rückgriff auf die Methode der vollständigen Finanzpläne (VOFI) (Grob 1989) monetär bewertet werden. Auf Basis der Kundenkonfiguration, des Lebenszyklus und der Leistungseigenschaften sowie Eigenschaftswerte leitet das Tool dazu zunächst die originären Zahlungsfolgen der alternativen Leistungsbündel ab. 4. Aus den originären Zahlungsfolgen werden derivative Zahlungen (z. B. für Kapitalkosten, Steuern) abgeleitet und verrechnet.2 Beinhaltet das Leistungsbündel selbst Finanzierungsdienstleistungen, so können die für die Finanzierung der Zahlungsfolge benötigten Informationen aus den entsprechenden Leistungseigenschaften (insbesondere Nominalwert, Zins, Laufzeit) ausgelesen werden. 5. Um einen schnellen, überblicksartigen Vergleich alternativer Leistungsbündel zu ermöglichen, können in einem letzten Schritt auf Basis der zuvor erhobenen Daten verschiedene Kennzahlen, z. B. die Total Cost of Ownership, berechnet werden. 2
Im vorliegenden Fall werden zur Vereinfachung nur Kapitalkosten berücksichtigt.
Modellierungssprache zur Konfiguration hybrider Leistungsbündel
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Abb. 4. Vorgehen zur Modellierung, Konfiguration und Bewertung hybrider Leistungsbündel (in Anlehnung an vom Brocke 2006)
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Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
Während auf die Schritte 1 und 2 bereits in Abschnitt 3 eingegangen wurde, soll im Folgenden schwerpunktmäßig die Bewertung dargestellt werden. Die dabei vorliegende Entscheidungssituation ist aufgrund der Langfristigkeit des Planungshorizonts mit einer Investitionsentscheidung zu vergleichen. Daher bieten sich zur Bewertung Methoden des Investitionscontrollings, wie beispielsweise die bereits erwähnten vollständigen Finanzpläne, an. VOFI erfasst die einer Investition zuzurechnenden originären (Ein- und) Auszahlungen sowie bestehende liquide Mittel und verrechnet diese Größen finanzwirtschaftlich (Grob 1989). Aus der so entstehenden Zahlungsfolge werden derivative Zahlungen (beispielsweise Kapitalkosten, Steuern) abgeleitet und ein Endwert der Investition ermittelt. Berücksichtigt man sämtliche (originäre und derivative) Zahlungen über den gesamten Lebenszyklus der Investition sowie zusätzlich Opportunitätszinsen in Form kalkulatorischer Zinsen auf das eingesetzte Eigenkapital, so kann der sich ergebende Endwert als Total Cost of Ownership (TCO) der Investition interpretiert werden (Grob und Lahme 2004, vom Brocke 2006). Im Folgenden werden die Schritte 3 bis 5 des Vorgehens anhand eines Beispiels ausschnittsweise erläutert. Der Kunde Müller AG hat eine individuelle Konfiguration einer Maschine der DMC Baureihe samt produktbegleitenden Dienstleistungen zusammengestellt. Die aktivierungspflichtigen Sachleistungsanteile belaufen sich auf eine Zahlung von 20.000 EUR für das Basismodul DMC 80 sowie eine Zahlung von 7.500 EUR für das Werkzeugmagazin und fallen bereits in der Vornutzungsphase (Intervall 0) an. Bei den Dienstleistungen handelt es sich um eine Beratung in der Vornutzungsphase (Zahlung: 850 EUR), einen Kredit mit Endtilgung (Nominalwert 15.000 EUR, Sollzinsfuß 9%, Laufzeit 3 Jahre), eine Inbetriebnahme der Maschine durch Fachpersonal zu Beginn der Nutzungsphase (Zahlung: 3.500 EUR), eine Standardwartung in den Intervallen 1 und 2 (Zahlung: jeweils 1.500 EUR) sowie eine garantierte Inzahlungnahme am Ende der Nutzungsphase (Zahlung: –5.000 EUR). Der Lebenszyklus des Leistungsbündels ist auf 3 Jahre angesetzt. Aus diesen Daten, die sich, wie durch die Pfeile in Abb. 5a und 5b ersichtlich wird, aus den Lebenszyklusinformationen und Leistungseigenschaften der Leistungsbündelmodelle auslesen lassen, kann die vollständige Zahlungsfolge der Investition abgeleitet werden. Des Weiteren wird ein Großteil der finanziellen Rahmenbedingungen der Investition durch die Leistungseigenschaften der Dienstleistung „Kredit mit Endtilgung 15T €“ definiert. Lediglich vom konkreten Leistungsbündel unabhängige Informationen, wie das zur Verfügung stehende Eigenkapital, der Sollzinsfuß des Kontokorrentkredits sowie der Habenzinsfuß eventueller Kapitalanlagen, sind vom Kunden zusätzlich zu spezifizieren. Mittels der Zahlungsfolge und der finanziellen Rahmenbedingungen lassen sich nun die derivativen Zahlungen der Investition ermitteln. Dazu werden je Intervall die anfallenden Zahlungen mit dem verfügbaren Eigenkapital, feststehenden Krediten sowie eventuell nötigen Kontokorrentkrediten verrechnet. Zusätzlich werden Sollzinsen sowie Tilgungen der diversen Kredite sowie Kapitalanlagen und -auflösungen mitsamt der damit verbundenen Habenzinsen berücksichtigt. Da im vorlie-
Modellierungssprache zur Konfiguration hybrider Leistungsbündel
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genden VOFI außer der Inzahlungnahme keinerlei weiteren Einzahlungen berücksichtigt werden, sind die entstehenden Bestandssalden jeweils negativ. Modell des Leistungsbündels (Instanzebene)
VOFI des Leistungsbündels (Instanzebene)
Abb. 5a. Bewertung eines Leistungsbündels (Instanzebene) durch Berechnung der TCO mit VOFI (1/2)
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Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
Abb. 5b. Bewertung eines Leistungsbündels (Instanzebene) durch Berechnung der TCO mit VOFI (2/2)
Modellierungssprache zur Konfiguration hybrider Leistungsbündel
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Zuletzt sind die kalkulatorischen Zinsen auf das eingesetzte Eigenkapital in einem separaten VOFI zu errechnen. Mithilfe der nun zur Verfügung stehenden Informationen lässt sich wie in der Abb. 5a und 5b (unten) dargestellt die Total Cost of Ownership errechnen. Neben der Zahlungsfolge der Investition berücksichtigen sie entstehende Zinsaufwände, kalkulatorische Zinsen sowie das eingesetzte Eigenkapital. Im vorliegenden Beispiel errechnet sich die Total Cost of Ownership des individuellen Leistungsbündels der Müller AG zu 38.204 EUR und untergliedern sich in 29.850 EUR originäre Auszahlungen, 6.777 EUR Zinsaufwände und 1.577 EUR kalkulatorische Zinsen. In weiteren Schritten ist die Rechnung analog für alternative Leistungsbündel durchzuführen. Die sich so ergebenden TCOKennzahlen können dann gegenübergestellt werden, um zu einer abschließenden Investitionsentscheidung zu gelangen.
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Weiterer Forschungsbedarf
Der vorliegende Beitrag hat aufgezeigt, dass eine Modellierungssprache für hybride Leistungsbündel multiperspektivischen Anforderungen integriert gerecht werden muss, die in Abb. 1 in vier Quadranten eingeteilt wurden. Für die Repräsentation der Struktur hybrider Leistungsbündel bedeutet dies, dass aus Anbietersicht auf Typebene der Möglichkeitsraum zur Zusammenstellung hybrider Leistungsbündel abgebildet werden muss (Quadrant I). Die Restriktionen der Variantenbildung sind einzusetzen, um bei der Bildung konkreter Leistungsbündelinstanzen durch den Kunden deren Zulässigkeit prüfen zu können (Quadrant II). Die hier vorgestellte Modellierungssprache und ihre Werkzeugunterstützung zeigen die prinzipielle Umsetzbarkeit dieser Anforderung. Ihre Evaluation in der Unternehmenspraxis wird Gegenstand weiterführender Forschungen im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes ServPay sein. Die Erweiterung des entscheidungsunterstützenden Potenzials von Modellierungssprachen für hybride Leistungsbündel wurde anhand der Ableitung eines TCO-VOFI für den das hybride Leistungsbündel erwerbenden Kunden demonstriert (Quadrant IV). Die Bereitstellung von TCO-Informationen wird in der Praxis von Kunden sehr häufig nachgefragt. Inwieweit allerdings auch Hersteller an der detaillierten Bereitstellung dieser Daten interessiert sind, werden wir in weiterführenden Forschungen mit Praxispartnern untersuchen. Die Abbildung der ökonomischen Konsequenzen auf Anbieterseite (Quadrant III) konnte bisher von uns nur in recht beschränktem Umfang konzipiert werden. Im Vergleich zu den anderen drei Anforderungsgebieten (Quadrant I, II und IV) besteht hier bis zu einer befriedigenden prototypischen Realisierung noch der größte Forschungsbedarf.
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Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt und Oliver Müller
Danksagung Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch die Förderung des BMBF-Projekts ServPay (Zahlungsbereitschaften für Geschäftsmodelle produktbegleitender Dienstleistungen). Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt ServPay wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb des Rahmenkonzeptes „Forschung für die Produktion von morgen“ (Förderkennzeichen 02PG1010) gefördert und vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe, Bereich Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT), betreut.
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Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel – Evaluierung von Modellierungsmethoden unter Berücksichtigung zyklischer Einflussfaktoren
Stefan Langer, Matthias Kreimeyer, Patrick Müller, Udo Lindemann und Luciënne Blessing Die Entwicklung moderner Produkte hin zu komplexen hybriden Leistungsbündeln, bestehend aus technischen Artefakten und Dienstleistungen, erfordert eine erweiterte Betrachtung des zugehörigen Entwicklungsprozesses. Durch das temporale Verhalten interner und externer Einflussfaktoren verschärfen sich die Anforderungen an den angewandten Entwurfsprozess. Um die Voraussetzungen für eine optimierte Modellierung des Entwicklungsprozesses zu legen, werden im Rahmen dieses Beitrags die anzulegenden Kriterien identifiziert, existierende Modellierungsmethoden evaluiert und der zukünftige Handlungsbedarf aufgezeigt.
1
Einleitung
Komplexität und der durch ihre Symptome hervorgerufene dynamische Wandel sind seit Langem Gegenstand der Forschung (Forrester 1969). Trotzdessen beeinträchtigt sie in immer stärkerem Maße die Entwicklung und Markteinführung von technischen Produkten und Dienstleistungen. Dies ist vor allem auf die Herausforderungen geringerer Ressourcen, verkürzter Markteinführungszeiten, höherer qualitativer und funktionaler Anforderungen sowie globalisierter Märkte zurückzuführen, denen die Industrie gegenübersteht (Spath et al. 2001). Die Ausprägungen der Entwicklungsprozesse von kommerziellen Lösungen, ob als ausschließlich technische Systeme (d. h. Maschinen) oder in Kombination mit Dienstleistungen (d. h. als ein hybrides Leistungsbündel („product-service system“ – PPS), das Dienstleistungen und technische Produkte verbindet), werden durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Ein Großteil dieser Einflussfaktoren hat einen temporalen (und oft repetitiven) Charakter, der als Zyklus bezeichnet wird. Typische Beispiele dafür sind Lebenszyklen und technologische Zyklen, d. h. durch die Verfügbarkeit neuer Technologien induzierte Produktwechsel. Durch diesen Zyklencharakter wird in besonderem Maße die Entwicklung der beschriebenen hybriden Leistungsbündel beeinflusst, da hier eine besonders große Vielzahl von Perspektiven und Belangen auf das Leistungsbündel zusammenlau-
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Stefan Langer et al.
fen. Die Entwicklung unterläuft dabei ständigen Anpassungen, um sowohl den (temporalen) Wechselwirkungen der Einflüsse auf und Bestandteile von hybriden Leistungsbündeln, den zugehörigen Entwicklungsprozessen und anderer Einflussfaktoren zu entgegnen, aber auch um ungewünschte Iterationen und Rekursionen zu reduzieren. Letztere sind dabei in gewissem Umfang notwendig, um mit der der Produkt- beziehungsweise PSS-Entwicklung anhaftenden Unsicherheit umzugehen. Elementar für den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg ist das Management von Faktoren, die den Entwicklungsprozess beeinflussen. Dieses erstreckt sich auf die einzelnen Prozessaktivitäten, ihren organisatorischen Aufbau und die Auslegung hinsichtlich eines zyklenorientierten Produkts. Darauf bezieht sich der Begriff „Zyklenmanagement“, eine Vorgehensweise, wie sie – neben anderen – Pine (1993) vorschlägt. Um den Entwicklungsprozess hybrider Leistungsbündel effizienter zu gestalten, müssen beim Entwurf die möglichen (zyklischen) Einflüsse während der PSSLebensdauer sowie andere Faktoren von innerhalb und außerhalb des entwickelnden Unternehmens berücksichtigt werden. Dafür ist es notwendig, die temporalen Abhängigkeiten der verschiedenen Tätigkeiten untereinander zu antizipieren und die fortschreitende Konkretisierung des Produkts zu berücksichtigen. Oft wird in diesem Zusammenhang von „Reifegraden“ gesprochen, die sich auf die Modellierung der Leistungssicht beziehen (Kreimeyer et al. 2008). Zur Umsetzung wird ein formaler Modellansatz benötigt, der es ermöglicht, das Zeitverhalten der Einflussfaktoren, ihre Beziehung zum Prozess (oder Teilen desselben) sowie das temporale Verhalten des Entwicklungsprozesses selbst in das Modell zu integrieren. Aufgrund dessen steht der Vergleich existierender Prozessmodellierungsmethoden im Fokus dieses Beitrags. Dabei wird die Anwendbarkeit auf die Modellierung von Entwicklungsprozessen hybrider Leistungsbündel evaluiert. Ziel ist, Methoden zu identifizieren, die eine sinnvolle Modellierung solcher Prozesse ermöglichen. Während aktuelle Methoden zur Prozessmodellierung recht fortgeschritten sind, sind Ansätze zur Integration von Aspekten wie des Entwurfs hybrider Leistungsbündel (z. B. hinsichtlich der Auslieferungsphase der PSS), des temporalen Verhaltens von Aktivitäten und Artefakten (z. B. das Zeitverhalten des Prozesses selbst) oder des Verhaltens relevanter Einflussfaktoren (z. B. Aspekte des PSS-Lebenszyklus) noch in der Entwicklung. Die Forschungsprojekte SFB/TR29 („Engineering hybrider Leistungsbündel“, www.tr29.de) sowie SFB 768 („Zyklenmanagement von Innovationsprozessen“, www.sfb768.de) erarbeiten gefördert durch die DFG momentan Lösungen zu diesen Themen. Zu Beginn dieses Beitrags werden der Zyklenbegriff und die Entwicklung hybrider Leistungsbündel erläutert. Im Anschluss wird der Bedarf einer verbesserten Prozessmodellierung aufgezeigt und die anzuwendende Forschungsmethodik dargelegt. Darauf aufbauend werden Anforderungen an Prozessmodelle zusammengefasst, die im Anschluss in Kriterien umgewandelt werden, die zur Evaluierung verschiedener Prozessmodelle dienen. Der Beitrag schließt mit einer Reflektion der erreichten Ergebnisse und einer Darstellung des anschließenden Forschungsbedarfs.
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
1.1
73
Hybride Leistungsbündel
Hybride Leistungsbündel (HLB) (Meier et al. 2005), hybride Produkte (Bullinger und Scheer 2006) oder „Product-Service Systems“ (PSS) (McAloone und Andreasen 2004) sind kombinierte Angebote aus Produkten und Dienstleistungen, die als integrales Paket vertrieben werden. Der Grad der Integration, der Anteil der beiden Bestandteile am Gesamtsystem und die übergreifenden Ausprägungen und Eigenschaften können sich dabei im Laufe des Systemlebenszyklus verschieben. Ein hybrides Leistungsbündel kann, abhängig von Konzept und Auslegung, hauptsächlich aus Produktmodulen (z. B. Maschinen oder Software), aus Servicemodulen (z. B. Fernwartung) oder einer Mischung mit variierenden „Anteilen“ der Produkt- und Servicemodule bestehen. Eine Vielzahl von Gründen spricht für einen Wandel von regulären Produkten zu den beschriebenen hybriden Leistungsbündeln (Matzen und McAloone 2006). In den meisten Fällen liegen die Hauptziele darin, effizientere Lösung für Kundenprobleme anbieten zu können oder die Ressourcenauslastung zu verringern. Existierende hybride Lösungen, wie Autovermietungen oder Mietdienstleistungen für Maschinen, stellen für gewöhnlich strikte Kombination dar. Dies kann allerdings zu suboptimalen Lösungen führen, da das Gesamtkonzept nicht das volle Potenzial hybrider Leistungsbündel ausschöpft. Ursache dafür ist die mangelhafte Abstimmung der einzelnen Komponenten des Gesamtproduktes aufeinander. Ein gutes Beispiel, das die Notwendigkeit eines Wechsels hin zu hybriden Leistungsbündeln aufzeigt, ist das Gebiet der Mikrobearbeitungssysteme. Diese Systeme können nur wirtschaftlich genutzt werden, wenn ihr ganzes funktionelles Potenzial ausgeschöpft wird. Kunden, die nicht selbstständig dazu in der Lage sind, tendieren dazu, diese High-End-Lösungen fallen zu lassen und günstigere, leichter zu beherrschende Maschinen einzusetzen. Aus diesem Grund sind für den Erfolg des Systems, sowohl für den Kunden als auch für den Anbieter, ein gut integrierter Service sowie Schulungsmodule unverzichtbar (Meier et al. 2005). Für eine optimierte Entwicklung hybrider Leistungsbündel ist daher die Erstellung einer Prozessbeschreibung erforderlich, die eine optimale Anpassung von Lösungen an die Kundenanforderungen ermöglicht (Müller und Blessing 2007). Diese Anforderungen werden vom gesamten Lebenszyklus des Systems abgeleitet und auf das PSS als Ganzes angewandt – ihre Erfüllung wird durch ein bewusstes, zielgerichtetes und konsequentes Zusammenspiel der Produkt- und Servicemodule erreicht.
1.2
Zyklen
Der Zyklenbegriff beschreibt das sich wiederholende temporale Verhalten eines Objektes oder die zeitlichen Einflüsse, die es auf andere Objekte ausübt. Zyklen werden oft im Rahmen von Produkt- und Serviceentwicklungsmethoden und -prozessbeschreibungen erwähnt. Sie können aus dem gesamten Systemlebenszyklus entstammen, wie der von Pahl et al. (2005) gegebene Überblick des Einflusses un-
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Stefan Langer et al.
terschiedlicher Produktlebenszyklen auf die Produktentwicklung zeigt Abb. 1. Zyklische Variationen sind hier allerdings nicht klar beschrieben, obwohl die meisten der Einflussfaktoren einen temporalen Charakter aufweisen.
Abb. 1. Einflüsse auf ein hybrides Leistungsbündel aus seinem Lifecycle (Quelle: Pahl et al. 2005)
Insgesamt gibt es jedoch nur wenige Modelle, die das tatsächliche Zeitverhalten dieser Einflüsse berücksichtigen, insbesondere was den Bereich der Produktarchitektur angeht. Im Allgemeinen sind die Abhängigkeiten zwischen Markt und Produkt die einzigen temporalen Zusammenhänge, für die detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen. Sandersson und Uzumeri (1996) beschäftigen sich eingehender damit und identifizieren verschiedene Produktarten in Abhängigkeit der Einbindung unterschiedlicher Zyklen in den übergreifenden Produktlebenszyklus (vgl. Abb. 2). Während die oben erwähnten Faktoren einen Einfluss auf den Entwicklungsprozess selbst haben (d. h. sie sind externe Einflussfaktoren auf den Prozess), beziehen sich die internen Zyklen auf iterative Abläufe und den wechselseitigen Informationsaustausch innerhalb des Entwicklungsprozesses. Während die Kernidee des simultanen Entwickelns in der Beschleunigung des Entwurfsprozesses aufgrund paralleler Entwicklungsaktivitäten liegt (Bullinger und Warschat 1996), ist
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
75
dieser Ansatz ohne die Berücksichtigung der auftretenden internen Zyklen in seiner möglichen Effizienz begrenzt. Um das volle Potenzial des simultanen Entwickelns auszuschöpfen, ist eine konsistente Koordination der zeitlichen Abläufe des Entwicklungsprozesses erforderlich, was vor allem für große Organisationen und komplexe Entwicklungsprojekte gilt (Kreimeyer et al. 2007, 2008). hoch
Additiver Lebenszyklus
Produktfamilienlebenszyklus
2 (Produkt-) Vielfalt
4
einfacher Lebenszyklus
ablösender Lebenszyklus
1
3
gering gering
Dynamik
hoch
Abb. 2. Formen von Produktlebenszyklen (1 = Einfache Produkte, 2 = Variantenintensive Produkte, 3 = Wechselintensive Produkte, 4 = Produkte mit dynamisch-turbulenter Marktund Technologieentwicklung, in Anlehnung an Sanderson und Uzumeri 1996)
Aus diesem Grund muss das Zyklenmanagement nicht nur mit den externen temporalen Einflüssen auf den Entwicklungsprozess von PSS arbeiten, sondern es muss auch eine effektive Koordination dieser Aufgaben berücksichtigen. Dementsprechend muss ein Ansatz zur Prozessmodellierung die Möglichkeit bieten, das Zeitverhalten von Aktivitäten und Artefakten, ihre Beziehung untereinander und mögliche weitere Elemente, wie Ressourcen oder Entscheidungspunkte, abzubilden.
2 2.1
Modellierung zyklenorientierter Entwicklungsprozesse von hybriden Leistungsbündeln Modellierungsbedarf zyklenorientierter Entwicklungsprozesse
Der sich durch den Wandel von produzierenden Unternehmen und Dienstleistungsanbietern zu so genannten Lösungsanbietern (Meier et al. 2006) vollziehende Paradigmenwechsel im unternehmerischen Wettbewerb erschwert es Unternehmen zusätzlich, ihre Innovationsfähigkeit auszubauen. Dienstleister zeichnen sich
76
Stefan Langer et al.
durch eine hohe Innovationsdynamik aus (Meiren 2006), dabei ist jedoch hervorzuheben, dass im Bereich des Service Engineering (Bullinger und Scheer 2006) eine Lücke im Bereich der Methoden und Werkzeuge, der Modellbildung sowie der Modellierung und der Entwicklungsplattformen existiert (Bullinger und Scheer 2006). Gleiches gilt für die Entwicklungsprozesse (Meiren 2006). Mit der zunehmenden Integration von Dienstleistungen in moderne Produktpakete hin zu hybriden Leistungsbündeln ergibt sich die Notwendigkeit einer integrierten Planung der entsprechenden Entwicklungsprozesse (Spath et al. 2001). In gleichem Maß tritt in der Industrie der Bedarf einer effizienten Handhabung der im Entwicklungsprozess auftretenden temporalen Einflüsse auf. Um langfristig Zyklen in der Entwicklung hybrider Leistungsbündel lenken und steuern zu können, müssen die Entwurfsprozesse in einer definierten Form geplant werden. Insbesondere muss bei der Auslegung effizienter Prozesse beachtet werden, dass durch externe Zyklen (wie z. B. aufgrund regelmäßiger Serviceverpflichtungen in einem PPS) oder interne Zyklen entstehende Anforderungen an die PPS einfließen. Wie später gezeigt wird, sind „klassische“ Methoden der Prozessmodellierung für die Planung dieser Prozesse ungeeignet. Die notwendigen Untersuchungspunkte können nach Lindemann et al. (2007), wie in Tabelle 1 gezeigt, zusammengefasst werden. Tabelle 1. Bedarf an Prozessmodellierungsmethoden in Forschung und Industrie (Lindemann et al. 2007) Forschungsbedarf Zyklen verstehen, die den Entwicklungsprozess und die notwendigen Bestandteile für eine integrative Entwicklung von PPS beeinflussen. Empirische Erkenntnisse modellieren und Wissen abstrahieren; Modelle nutzen, um Erkenntnisse zu simulieren, zu überprüfen und zu validieren. Methodiken für das Management (Planung, Controlling, Dokumentation, Verbesserung) von PSSEntwicklungsprozessen entwickeln.
Anforderungen der Industrie Risiken und Unsicherheiten im Entwicklungsprozess von PPS verstehen, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Aktivitäten und Ergebnisse von Entwicklungsprozessen planen, um den Prozess zu beschleunigen. Management und Durchführung von Entwicklungsprozessen, um die Zusammenarbeit zu verbessern und verbesserte Ergebnisse zu ermöglichen.
Zyklenmanagement beschäftigt sich mit den Unzulänglichkeiten heutiger Ingenieursmethodiken, die bei der Planung von Innovationsprozessen auftreten (Lindemann et al. 2007). Planungsvorgänge können adaptiv oder in Hinblick auf den Reifegrad von Artefakten durchgeführt werden. Adaptive Planung zielt auf eine bestmögliche Integration externer Einflüsse in die Gesamtplanung ab (z. B. indem Kooperationspartner integriert werden, sobald benötigte Technologien nicht im Unternehmen verfügbar sind). Die reifegradorientierte Planung dagegen strebt eine effiziente Zusammenarbeit über eine optimierte Koordination von Tätigkeiten
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
77
innerhalb des Prozesses an. Dies wird über einen ausgewogenen Informationsaustausch erreicht, der auf der Fortschrittsüberwachung individueller Artefakte beruht (Murr 1999, Kreimeyer et al. 2008). Demnach kann der Entwicklungsprozess aus einer Außen- und einer Innensicht betrachtet und geplant werden (vgl. Abb. 3). Dabei berücksichtigt die prozessbezogene Perspektive der Außensicht das zyklische Verhalten aller externen Einflussfaktoren auf den Entwicklungsprozess, während die leistungsbezogene Innensicht die Ausprägungen und Abhängigkeiten von internen Aktivitäten einbezieht (vgl. Abb. 4). Außensicht: adaptive Planung
Planung von Entwicklungsprozessen
Innensicht: reifegradorientierte Planung
Abb. 3. Strategien zur Planung von Entwicklungsprozessen
Die Außensicht betrachtet damit die Identifikation der Aktivitäten, die zur Bewältigung temporaler Einflüsse auf den Prozess notwendig sind – dies macht die Integration definierter Aktionen und Akteure notwendig. Damit ist es der ebenso noch nicht erschöpfend untersuchten Entwicklung hybrider Leistungsbündel sehr ähnlich, für deren Koordination der erforderlichen Prozessschritte und Tätigkeiten in gleichem Maße externe Einflussfaktoren, wie Kundenverhalten, Technologieentwicklung, etc., berücksichtigt werden müssen. Dieses Vorgehen stimmt mit gängigen Planungsansätzen in der Literatur überein (z. B. Vajna 2005, Weber 2007, Krause et al. 2002, Murr 1999). Außensicht
(prozessbezogene Zyklen)
Vernetzte Zyklen, die auf die Entwicklung einwirken, z.B. Markt-, Konjunktur-, Technologie-, Produktlebens-, Produktprogrammzyklen Abhängigkeit Zyklus, der auf Entwicklung einwirkt Entwicklungsprojekt
Innensicht
(leistungsbezogene Zyklen) Synchronisation Fortschritt der Ergebniskonkretisierung
Abb. 4. Innen- und Außensicht auf den Entwicklungsprozess
78
Stefan Langer et al.
In diesem Beitrag wird besonders die Planung von Prozessen der Lösungsentwicklung adressiert: Für die Modellierung zyklenbezogener Entwicklungsprozesse ist neben den allgemeinen Anforderungen der Prozessmodellierung besonders der zeitliche Aspekt von Aktivitäten und Artefakten innerhalb des Prozesses von Bedeutung, da viele davon zyklische Eigenschaften zeigen. Dies macht eine flexible Adaption des Entwicklungsprozesses mit Rücksicht auf ihr antizipiertes zeitliches Verhalten notwendig, um eine adäquate Identifikation der notwendigen Prozessaktivitäten und eine robuste Abstimmung der Aktivitäten untereinander zu gewährleisten. Damit betrachtet das Zyklenmanagement Möglichkeiten, mit denen der heutige Entwurfsprozess effizienter gestaltet werden kann, d. h. in welcher Form interne Zyklen bestmöglich genutzt werden kann. Neben anderen merken Beneke (2003) und Hofer-Alfeis (1999) an, dass auf diese Weise Prozessschritte unabhängig voneinander gemacht werden können, indem definiert wird, wie ihre Resultate konkretisiert werden. Dies ermögliche eine verbesserte Parallelität im simultanen Entwickeln, wie Pahl et al. (2005) ausführen, indem Prozessschritte unabhängig voneinander und damit gleichzeitig ausgeführt werden können. Der beschriebene Stand der Forschung und Technik bestätigt daher die Bedürfnisse nach weitergehender Forschung. Zum einen ist es nötig, in einer Außensicht auf den Prozess die unterschiedlichen Wirkungen von Zyklen zu systematisieren, um so im Sinne einer adaptiven Planung diesen begegnen zu können. Zum anderen kann in einer Innensicht gemäß dem Konzept der reifegradorientierten Planung das innere Zeitverhalten der Prozesse dazu genutzt werden, eine bessere Synchronisation sicherzustellen, um so die Lösungsentwicklung zu beschleunigen. Für beide, insbesondere aber den zweiten Punkt, ist eine diesen Bedürfnissen angepasste Prozessmodellierung erforderlich. Dabei sind die spezifischen Anforderungen der Modellierung von Entwicklungsprozessen hybrider Leistungsbündel zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Beitrag Anforderungen und Kriterien identifiziert, die an die Modellierungsmethoden zyklenorientierter Entwicklungsprozesse anzulegen sind, sowie eine Evaluierung bestehender Methoden zur Prozessmodellierung durchgeführt. Die erarbeiteten Erkenntnisse dienen der Identifikation von Schwachstellen und Entwicklungspotenzialen existierender Prozessmodellierungsmethoden unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen sowohl des Zyklenmanagements als auch der Entwicklung hybrider Leistungsbündel. Langfristiges Ziel der darauf aufbauenden Entwicklungsschritte ist es, eine verbesserte Planung durch Zyklen beeinflusster Prozesse der Lösungsentwicklung zu ermöglichen.
2.2
Forschungsmethodik
Die vorliegende Untersuchung basiert in großen Teilen auf der Erfahrung der Autoren mit Projekten aus dem Bereich der Prozessverbesserung sowie auf einer Literaturrecherche bezüglich aktueller Erkenntnisse aus dem Bereich der Geschäftsprozessmodellierung und verschiedener Aspekte der Planung und Anwendung von Produktentstehungsprozessen. Als Teil zweier größerer Forschungsprojekte bildet
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
79
die durchgeführte Literaturrecherche die Basis für den Ausschluss beziehungsweise die Berücksichtigung möglicher Prozessmodellierungsmethoden im Rahmen anschließender Arbeiten. Diese Modelle sollen eine Wissensbasis des Ist-Zustandes der Prozesse (basierend auf empirischen Beobachtungen und Interviews in verschiedenen Industriezweigen) repräsentieren, um eine zutreffende Methodik für die Planung von PSS-Entwicklungsprozessen entwickeln zu können. Dieser Beitrag stellt eine ergänzte und erweiterte Version eines auf der Design Conference (19.–22. Mai 2008, Dubrovnik) eingereichten Beitrags dar.
3
3.1
Vergleich von Prozessmodellierungsmethoden für die Anwendung in zyklenorientierten PSS-Entwicklungsprozessen Modellierungsaspekte und Evaluierungskriterien zyklenorientierter PSS-Entwicklungsprozesse
Bei der Modellierung der Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel tritt eine Vielfalt unterschiedlicher Zielsetzungen auf. Dazu gehören Aspekte wie die Planung, die Durchführung oder die Analyse des Prozesses (O’Donnell und Duffy 2005). Für die Evaluierung der Eignung verschiedener Modellierungsansätze für die jeweiligen Prozessaspekte können eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien herangezogen werde. Aus den im Rahmen von Industrieprojekten gesammelten Erfahrungen der Autoren und unter Berücksichtigung der Anforderungen zyklenorientierter Entwicklungsprozesse sowie aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Modellierung (vgl. Scheer 2000) ist eine Auswahl der relevantesten Modellierungsaspekte sowie der anzulegenden Evaluierungskriterien erarbeitet worden. Tabelle 2 zeigt diese Aspekte und ihre Relation zu den verschiedenen an die Entwicklungsprozessmodellierung anzulegenden Evaluierungskriterien. Diese Anforderungen an die Modellierung von Entwicklungsprozessen sind dabei nach allgemeinen Entwurfskriterien sowie nach spezifischen Anforderungen gruppiert, die aus der Erstellung hybrider Leistungsbündel und im Rahmen zyklischer Einflüsse entstehen. Auf die Relevanz der einzelnen Kriterien für den Entwurf des Entwicklungsprozesses wird im Folgenden eingegangen.
3.2
Anforderungen an die Modellierung von Entwicklungsprozessen zyklusbasierter hybrider Leistungsbündel
Prozessmodelle werden erstellt, um die Aspekte und Kriterien aus Tabelle 2 umzusetzen. Da die meisten Prozessmodelle auf die Prozessplanung und -durchführung oder -verbesserung (= Analyse und Synthese) abzielen, werden die Modelle üblicherweise auf das stimmige Management existierender Prozessdaten ausgerichtet (Scheer 2000). Diese Daten umfassen jeden Prozessschritt und jede Prozessfunktion, Prozessinput und -output, Ressourcen und Metainformationen, Hilfswerkzeuge
80
Stefan Langer et al.
und IT-Systeme sowie die Organisation. Somit ist der Prozess an sich durch diese Objekte und ihre Beziehungen untereinander, ob temporal oder semantisch, charakterisiert. Um die Eignung der Prozessmodelle zu bewerten, werden die in Tabelle 2 aufgeführten Anforderungen zur Evaluierung herangezogen. Tabelle 2. Aspekte der Modellierung von Entwicklungsprozessen (oben) und Kriterien zur Evaluierung der Modellierung (links)
Allg. Anforderungen
Planung
Hierarchien Modellierung von Iterationen & Rekursionen
● ● ○
●
PSS
Zyklen
Verschiedene Sichten Lineare Zeitleiste
●
●
Abhängigkeiten von Aktivitäten und Artefakten
●
●
Zeitverhalten von modellierten Objekten
●
●
Differenzierte Perspektiven der Akteure
●
●
Kopplung Entwicklung-Erbringung
●
●
Einbeziehung von Produkt-ServiceBeziehungsobjekten
Dokumentation
Analyse
●
●
● ● ●
●
●
●
●
●
●
●
●
○
●
●
●
●
●
●
●
Methodische Analyse Leichte Lesbarkeit
Durchführung
●
○
●
Feedback Synthese Lebenszyklus
●
●
●
●
●
●
●
● = zentrale, bei der Prozessmodellierung zu berücksichtigende Kriterien, ○ = zu berücksichtigende Kriterien geringerer Relevanz
Die Möglichkeit der methodischen Analyse ist ein wichtiger Aspekt von Prozessmodellen. Mögliche Verbesserungsziele sind beispielsweise, die Zahl der Medienkonvertierungen zu reduzieren, schlüssige Gruppierungen von Humankapital und Kompetenzbereichen durchzuführen, kontinuierlichen Zugang zu gemeinsam zu nutzenden Daten bereitzustellen, Prozesskosten zu reduzieren, Aufgaben zu synchronisieren usw. Oft kann dies nicht ohne Optimierungsalgorithmen durchge-
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
81
führt werden, was wiederum ein formalisiertes Modell als Ausgangsbasis notwendig macht. Daneben muss ein allgemeineres Kriterienset bereitgestellt werden, abhängig vom Zweck und der Ausrichtung des Prozessmodells. Vor allem muss das Modell eine leichte Lesbarkeit gewährleisten, um das allgemeine Verständnis der im Modell festgelegten Vorgehensweise sicherzustellen. Dies ist insbesondere notwendig, um das Modell an die ihm zugrundeliegenden Beschreibungen anzupassen. In Hinblick auf die Entwicklung hybrider Leistungspakete existieren immer noch nur wenige akzeptierte generische Modelle, die den tatsächlichen Entwicklungsprozess hybrider Leistungspakete erfassen und so ein allgemeines Verständnis und eine allgemein konsolidierte Beschreibung solcher Prozesse ermöglichen. Besonders im Fall großer Prozesse ist eine angemessene Modellierung nur mit Hilfe von Hierarchien möglich, um über die Umgruppierung von Prozesselementen eine Transparenz des Modells zu erreichen. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Auslegung von Prozessen ist die Modellierung von Iterationen und Rekursionen. Viele Autoren (z. B. Badke-Schaub und Gehrlicher 2003, Browning et al. 2006) bewerten die Effizienz eines Prozesses nach der Anzahl der zur Zielerreichung notwendigen Iterationen, da dies ein Kostentreiber ist. Verschiedene Sichten können notwendig sein, um eine vielfältigere Betrachtungsweise auf Prozessverbesserungen zu ermöglichen. In EPK („Ereignisgesteuerte Prozessketten“) kann dies beispielsweise ein Datenmodell sein, das die Zusammenhänge zwischen in einzelnen Subprozessen oder Prozessschritten erzeugten Daten aufzeigt (Scheer 2000). So können beispielsweise Entscheidungen, in welcher Form auf aus Lieferprozessen gewonnene Erkenntnisse reagiert werden soll, zu geringfügigen, kurzzeitigen Abweichungen in der Lieferprozesskoordination oder zu massiven Einflüssen auf den weiteren Entwicklungsprozess eines hybriden Leistungsbündels führen. Eine lineare Zeitleiste ist nützlich, um alle Prozesselemente nach ihrer Dauer anzuordnen, was beispielsweise die Optimierung der Durchlaufzeit ermöglicht. Zyklenmanagement beschäftigt sich darüber hinaus mit dem individuellen Zeitverhalten von a) externen zyklischen Einflussfaktoren auf den Entwicklungsprozess und b) dem Ablauf von individuellen Aufgaben und ihren Ergebnissen. Aufgrund dessen ist die einfache Abbildung über eine Zeitleiste in hohem Maße unzureichend. Vielmehr müssen die Abhängigkeiten von externen Einflüssen und von Aktivitäten untereinander dargestellt werden, um ein effizientes Zyklenmanagement zu ermöglichen. Die Möglichkeit zur Separation oder Kombination der Perspektiven unterschiedlicher Akteure ist besonders wichtig für die Entwicklung hybrider Leistungsbündel (McAloone und Andreasen 2004). Unterschiedlich spezialisierte Unternehmen (reine Fertigungsunternehmen, reine Dienstleistungsunternehmen, dienstleistungsorientierte Fertigungsunternehmen, fertigende Dienstleistungsunternehmen, integrative Anbieter hybrider Leistungsbündel), Einzelpersonen oder Konsumentengruppen wirken an hybriden Leistungsbündeln mit. Das Systemge-
82
Stefan Langer et al.
samtkonzept bezieht diese verschiedenen Akteure in den unterschiedlichen Lebenszyklusphasen des Systems ein, um die erforderlichen Systemausprägungen und -charakteristika umzusetzen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Einbeziehung des Kunden in die Entwicklungsphase. Diese Kundenintegration ist entscheidend für eine profundere Problemlösungsstrategie. Von gleicher Bedeutung ist die Berücksichtigung des Kunden als externer Faktor in der Lieferphase, eine aus dem Service Engineering bekannte Betrachtungsweise (Bullinger und Scheer 2006). Die Fähigkeit, die Sichtweisen verschiedener Akteure zu separieren beziehungsweise zu kombinieren, ist demnach von hoher Bedeutung für eine Prozessmodellierungsmethode, da nicht jeder Prozessschritt und jede Information für jeden einzelnen beteiligten Akteur notwendig ist oder zugreifbar sein muss. Die Möglichkeit der Kopplung der Entwicklungs- mit der Erbringungsphase ist wichtig, da ihre für „einfache“ Produkte typische Trennung nicht notwendigerweise in hybriden Leistungsbündeln auftritt (Westkämper 2002). Der maximale Nutzen für alle Akteure kann nur garantiert werden, falls eine hohe Konzeptflexibilität hinsichtlich der Bereitstellung und des Zugriffs auf Produkte, Dienstleistungen und Informationen sowie Möglichkeiten zur Anpassung und Individualisierung, Standardisierung sowie Justierung hybrider Leistungsbündel im Markt bestehen. All diese Optionen erfordern eine effektive Verzahnung der Entwicklungs- mit der Lieferphase, um Informationen aus der Auslieferung in die Produktentwicklung rückkoppeln zu können. Abschließend mangelt es an der Einbeziehung von Produkt-Service-Beziehungsobjekten (unabhängig von ihrer letztlichen Ausprägung) in die Prozessmodellierung: hybride Leistungsbündel sind abhängig vom Grad der Integration von Produkten und Dienstleistungen. Dienstleistungen werden oft mit Modellen der Erbringungsphase, wie z. B. „Service Blueprints“, beschrieben. Für Entwickler wäre eine direkte Verbindung der Prozessbeschreibung von Dienstleistungen mit den Ausprägungen der in einem solchen Prozess genutzten Produkte (Hilfsmittel, technische Artefakte) hilfreich, da das PSS zwar während der Entwicklung ausgestaltet wird, im Gegensatz zu rein technischen Produkten aber erst durch seine Nutzung, also die Erbringung der Dienstleistung, seine endgültige Gestalt annimmt. Diese Möglichkeit gewinnt für die Rückmeldung der Informationen aus der Lieferphase in die Entwicklungsphase an Bedeutung, um die oben beschriebene Verzahnung der beiden Phasen zu ermöglichen. Daher könnte die Integration von „Beziehungsobjekten“ in Prozessbeschreibungen hilfreich für die effiziente Gestaltung der Merkmale und Eigenschaften hybrider Leistungsbündel sein. In gleichem Maße muss ihre Darstellung als Objekte im Prozessmodell ihr Zeitverhalten berücksichtigen.
3.3
Evaluierung der Eignung von Prozessmodellierungsmethoden
Zur Modellierung des Entwicklungsprozesses hybrider Leistungsbündel mit zyklischen Charakteristika ist ein angemessenes Prozessmodell auszuwählen. Zur Eva-
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
83
luierung der Eignung verschiedener Prozessmodelle unter Berücksichtigung der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Anforderungen werden die bereits vorgestellten und erläuterten Kriterien herangezogen. Die Bewertung der Modellierungsmethoden erfolgt dabei über eine gewichtete Punkteverteilung, deren Ausprägungen der Bewertung in Tabelle 3 und Tabelle 4 aufgeschlüsselt sind. Tabelle 3. Kriterien zur Evaluierung von Prozessmodellierungsmethoden: allgemeine Anforderungen
Allgemeine Anforderungen
Merkmal
Wert
Erläuterung
Methodische Analyse
0 1 3 9
systematische Analyse nicht in die Prozessbeschreibung integriert Teile des Modells erlauben eine begrenzte Analyse eine strukturierte Analyse ist Teil der Prozessbeschreibung Analyse und Optimierung ist Teil der Prozessbeschreibung
Leichte Lesbarkeit
1 wenig intuitiv, hoher Kenntnisstand zur Nutzung erforderlich 3 nutzerorientiertes Modell, intensive Schulung notwendig 9 intuitiv/ergonomisch zu nutzen
Hierarchien
0 1 3 9
nicht möglich grundsätzlich möglich, beschränkte Übersichtlichkeit Level der Detaillierung / Hierarchie nicht klar definiert leichte Definition von und Navigation zwischen Hierarchien
Modellierung von Iterationen und Rekursionen
0 1 3 9
nicht möglich grundsätzlich möglich explizite Modellierung, limitierte Übersichtlichkeit gute Veranschaulichung und Darstellung
Verschiedene Sichten
0 1 3 9
Methode ist ausschließlich für eine Perspektive ausgelegt grundsätzlich möglich explizite Modellierung verschiedener Perspektiven spezielle Ausrichtung auf die Verbindung versch. Perspektiven
Zu den betrachteten Modellierungsmethoden zählen verschiedene Ansätze von SADT („Structured Analysis and Design Technique“) (Marca und McGowen 1988) über EPK („Ereignisgesteuerte Prozesskette“) (Scheer 2000) bis hin zu CPM („Critical Path Method“) (Eiselt und Frajer 1977). Tabelle 5 zeigt, wie die einzelnen Methoden unter den angelegten Kriterien abschneiden. Es wird deutlich, dass keine individuelle Methode hinreichend zur Modellierung des Entwicklungsprozesses unter Integration zyklischer Charakteristika und Aspekten hybrider Leistungsbündel ist. Allerdings sind einige der betrachteten Methoden vielversprechend. Insbesondere EPK und IUM („Integrierte Unternehmensmodellierung“) (Schwermer 1998), in der Industrie bereits akzeptierte und verbreitete Modellierungsmethoden für die Darstellung von Geschäftsprozessen, erscheinen für die durch hybride Leistungsbündel implizierten Anforderungen geeignet.
84
Stefan Langer et al.
Tabelle 4. Kriterien zur Evaluierung von Prozessmodellierungsmethoden: Modellierung der Entwicklungsprozesse von Zyklen und hybriden Leistungsbündeln
PSS
Zyklen
Merkmal
Wert
Erläuterung
Lineare Zeitleisten
0 1 3 9
nicht möglich stark begrenzt/implizit integriert möglich, aber nicht Kerninteresse der Prozessbeschreibung Teil des Modellierungsschemas
Abhängigkeiten von Aktivitäten & Artefakten und Zeitverhalten von modellierten Objekten
0 1 3 9
nicht möglich qualitative Darstellung – vor und nach dem Übergang quantitative Darstellung – statische Attribute quantitative Darstellung ist Ziel der Prozessbeschreibung
Differenzierte Perspektiven verschiedener Akteure und Kopplung von Entwicklung und Lieferphase und Einbeziehung von Produkt-ServiceBeziehungsobjekten
0 1 3 9
nicht möglich stark begrenzt / implizit integriert möglich, aber nicht Kerninteresse der Prozessbeschreibung Teil des Modellierungsschemas
Die durch das Zyklenmanagement auftretenden Anforderungen an die Prozessmodellierung können hingegen am besten über Petri-Netze, Gantt-Diagramme und DSM („Design Structure Matrix“) abgebildet werden. Die beiden ersten Modellierungsformen zeigen dabei ihre Stärken besonders hinsichtlich der temporalen Aspekte, also hinsichtlich der Modellierung des Zeitverhaltens einzelner Aktivitäten beziehungsweise deren Ergebnisse; in EPK und IUM existieren hingegen nur sehr limitierte Konstrukte (vor allem Parameter), die das Zeitverhalten einzelner Aktivitäten wiedergeben. DSM ist besonders für die Abbildung von Wechselwirkungen zwischen einzelnen Objekten geeignet. Die Erweiterung um DMMs (Domain Mapping Matrices) erlaubt es sogar, nicht nur Objekte einer Klasse (z. B. Prozessschritte) untereinander zu vernetzen, sondern auch die Vernetzungen, die einen Prozess als ganzes ausmachen, systematisch zu modellieren. Im Gegensatz zu Petrinetzen sind DSMs und die ihnen zugrunde liegenden Graphen jedoch nicht in der Lage, konkretes Zeitverhalten zu repräsentieren. Über die detaillierte Bewertung der betrachteten Modellierungsansätze auf Basis der identifizierten Evaluierungskriterien kann somit der systematische Nachweis erbracht werden, dass die etablierten Modellierungsmethoden die Anforderungen an den Entwurf zyklenorientierter PSS-Entwicklungsprozesse nur unzureichend berücksichtigen. Demnach kann ausschließlich eine Kombination verschiedener Modelle die erforderlichen Aspekte abdecken und die Defizite einzelner Modellierungsmethoden ausgleichen. Existierende Forschungsansätze, die diesen
Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
85
Ansatz der Kombination einzelner Modellierungsaspekte aufgreifen (van der Aalst 1999, Kopp et al. 2007), sind demnach mit Hilfe der erarbeiteten Bewertungsmethodik hinsichtlich ihrer Eignung zur zyklenorientierten Prozessmodellierung hybrider Leistungsbündel zu beurteilen. Tabelle 5. Evaluierung verschiedener Prozessmodellierungsmethodiken nach den in Tabelle 4 definierten Kriterien
PSS
Zyklen
Allg. Anforderungen
IDEFØ SADT EPK DSM Petri-Netz CPM Gantt IUM
4
methodische Analyse
3
3
3
9
3
9
3
3
leichte Lesbarkeit
3
3
3
9
1
9
9
9
Hierarchien
9
9
9
1
3
3
1
9
Modellierung von Iterationen und Rekursionen
3
3
3
9
3
1
0
3
verschiedene Sichten
3
3
9
1
3
1
0
9
lineare Zeitleisten Abhängigkeiten von Aktivitäten & Artefakten Zeitverhalten von modellierten Objekten
1
1
1
0
3
3
9
1
1
1
9
9
3
1
0
9
1
1
3
0
9
1
1
3
1
1
3
3
1
0
3
3
1
1
9
3
3
1
3
9
1
1
3
0
0
0
0
3
differenzierte Perspektiven verschiedener Akteure Kopplung von Entwicklung und Lieferphase Einbeziehung von ProduktService Beziehungsobjekten
Fazit und Ausblick – Kombination verschiedener Methoden zur Prozessmodellierung
Ein Vergleich aktueller Methoden der Prozessmodellierung hat gezeigt, dass momentan kein Modellierungsansatz zur Verfügung steht, der alle erforderlichen Aspekte eines zyklenorientierten Entwicklungsprozesses von hybriden Leistungsbündeln im Rahmen der Prozessgestaltung berücksichtigt. Während die gebräuchlichen Ausprägungen von Prozessmodellen weit verbreitet sind, fehlen Möglichkeiten sowohl zur Abstraktion von Informationen über das detaillierte Zeitverhalten der Aktivitäten und Artefakte eines Prozesses als auch zur Einbeziehung einzelner Akteure sowie der Lieferphase in den Entwicklungsprozess. Dieser Beitrag ist der erste Teil zweier Forschungsvorhaben, die langfristig auf den Entwurf angemessener Modelle abzielen, die diese Defizite abstellen können. Vorerst kann eine Kombination von Modellen genutzt werden, um die Erkenntnisse aus den derzeit laufenden empirischen Studien darzustellen, die zu den Erfor-
86
Stefan Langer et al.
dernissen der Modellierung zyklenorientierter Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel durchgeführt werden. Es ist vorstellbar, dass, wie Tabelle 5 zeigt, eine der weitverbreiteten Methoden (EPK oder IUM) durch einzelne Funktionen von Petrinetzen, DSM und anderen Modellen ergänzt wird. Aufgrund des hohen Verbreitungsgrades dieser Methoden in der Industrie würde dies den Vorteil einer erhöhten Akzeptanz in der Praxis mit sich bringen. Insbesondere ergibt sich aus diesen hochentwickelten Entwurfsmethoden bereits ein hoher Reifegrad vieler ihrer allgemeinen Entwurfsaspekte.
Danksagung Dieser Forschungsbeitrag war Teil der Zusammenarbeit des SFB 768 („Zyklenmanagement von Innovationsprozessen“) und SFB/TR29 („Engineering hybrider Leistungsbündel“), finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
5
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Entwicklungsprozesse hybrider Leistungsbündel
87
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Teil II: Dienstleistungsreferenzmodelle und Ordnungsrahmen
Referenzmodellbasierte AuthoringDienstleistungen
Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin Die effiziente Erstellung und der effektive Einsatz von digitalen Lerninhalten (engl.: Content) zur Schulung von Vertriebs- und Servicepersonal sowie Endnutzern entwickeln sich zunehmend zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. Angesichts schnelllebiger Produktportfolios erweist sich die Erstellung von digitalen Lerninhalten derzeit für viele Trainingsabteilungen jedoch als zu langwierig und kostenaufwändig hinsichtlich der hierfür notwendigen Personalressourcen. Die bisherigen Erkenntnisse in der Industrie zeigen, dass Unternehmen insbesondere den organisatorischen Aufwand scheuen, kurzlebigere Lerninhalte selbst zu produzieren und die personellen Ressourcen dafür zu intensivieren, da ihnen der Prozess zu komplex erscheint. Der Beitrag skizziert das Vorgehen zum Entwurf eines Referenzmodells des Authoring-Managements, was unter Zuhilfenahme der Methoden des Prozessmanagements durchgeführt werden kann. Ziel der Entwicklung eines solchen Modells ist es, die Komplexität des gesamten Authoring-Management-Prozesses zu reduzieren und dessen Transparenz, Flexibilität, Effizienz und Effektivität zu erhöhen.
1
Lerninhaltserstellung als Dienstleistung für technologisch gestützte Aus- und Weiterbildung
Die effiziente Erstellung und der effektive Einsatz von digitalen Lerninhalten (engl.: Content) zur Schulung von Vertriebs- und Servicepersonal sowie Endnutzern entwickeln sich zunehmend zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen (Ahlemann et al. 2003). Die zielgerichtete Anwendung von technologie-gestützter Aus- und Weiterbildung (E-Learning) in Unternehmen birgt vielfältige Vorteile: angefangen mit Ressourceneinsparungen durch räumlich wie zeitlich unabhängige Schulungen, kostengünstiger Reproduzierbarkeit digitaler Lerninhalte, selbstgesteuerter Vor- und Nachbereitungen von Schulungen, bis hin zu spezifischer Anpassbarkeit an persönliche und organisationale Lernbedürfnisse. Trotz dieser Potenziale ist festzustellen, dass Weiterbildung im Allgemeinen und Produkttraining im Speziellen heute in Deutschland und überwiegend in Europa meist noch in Form von klassischen Präsenzveranstaltungen durchgeführt
92
Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin
wird (Atwell 2003). Die technologische Verfügbarkeit von Distributionswegen für digitale Trainingsmedien ist signifikant gestiegen (DVD, CD-ROM, Internet, Mobile Geräte usw.) und auch der Reifegrad von Autorentools zur Unterstützung der Erstellung von Lerninhalten ist weiter fortgeschritten. Insofern scheinen aus technischer Perspektive die Voraussetzungen für eine breite Anwendung gegeben. Dennoch wird der Aufwand zur Erstellung von Content für digitale Trainings als vergleichsweise höher angesehen als der Aufwand zur Entwicklung von Inhalten für klassische Präsenztrainings (Collis 2002). Betrachtet man die am Markt verfügbaren, standardisierten Lerninhalte so ist festzustellen, dass sie nur einen Bruchteil der überwiegend unternehmensspezifischen Trainingsinhalte abdecken und kaum mit dem kontinuierlichen Innovationsfortschritt mithalten können. In diesem Kontext zeigt sich der Dienstleistungscharakter der Lerninhaltserstellung im engeren und E-Learning im weiteren Sinne sowie die damit einhergehenden Besonderheiten und Herausforderungen. In der Gütersystematik von Corsten stehen Dienstleistungen nominalen Gütern und materialen Realgütern gegenüber und werden parallel zu Arbeitsleistungen oder Rechten als immaterielle Realgüter verstanden (Corsten 1997). Eine definitorische Annäherung an den Dienstleistungsbegriff kann sowohl enumerativ, negierend oder konstitutiv erfolgen. Beispielhafte Aufzählungen umfassen klassischerweise Banken, Versicherungen, Gastronomie, etc. Weiterbildung im Allgemeinen und E-Learning im Speziellen wird von zahlreichen Autoren ebenfalls als Dienstleistung genannt (Schönfeld und Stöbe 1995, Mörbe 2008). Bemüht man eine Negativdefinition, so ist festzustellen, dass die Lerninhaltserstellung an sich nicht in die Gruppe der Sachgüter fällt, wohingegen E-Learning-Güter generell durchaus auch Sachgüter in Form von Softwareprodukten umfassen. Die Einordnung über konstitutive Merkmale manifestiert diesen Eindruck (Corsten 1997). Das Leistungsversprechen und -potenzial des Anbieters besteht im Falle der Lerninhaltserstellung darin, die benötigten fachlichen und technologischen Kompetenzen, unternehmensinterne und -externe Kontakte sowie personelle und materielle Ressourcen nachweisen zu können. Die direkte Kundenbeteiligung ist durch die kontinuierliche Interaktion und Kommunikation hinsichtlich der inhaltlichen, gestalterischen und technologischen Ausgestaltung der Lerninhalte zwingend nötig. Dabei steht im Mittelpunkt die eigentliche Tätigkeit beziehungsweise Leistungserstellung, welche in mehrere zu einander in Abhängigkeit stehende Prozessschritte von der Anforderungserhebung über die Inhalts- und Materialsammlung bis zur eigentlichen Inhaltsproduktion strukturiert ist. Hierbei ist die Intangibilität der Leistung auf physischer Ebene durch die Digitalität der Lerninhalte sowie auf intellektueller Ebene durch das kreativ-pädagogische Moment dominierend.
2
Herausforderungen des Authoring-Managements
Aus Managementsicht wird der Anwendungsnutzen von Trainingsmedien im Verhältnis zum wirtschaftlichen Aufwand zu deren Erstellung bislang nicht als adä-
Referenzmodellbasierte Authoring-Dienstleistungen
93
quat angesehen. Angesichts schnelllebiger Produktportfolios erweist sich die Erstellung von digitalen Lerninhalten derzeit für viele Trainingsabteilungen als zu langwierig und kostenaufwändig hinsichtlich der hierfür notwendigen Personalressourcen. Da die Produktion proprietärer Lerninhalte durch externe Dienstleister sehr kostspielig ist, wird sie zumeist nur für umfangreiche und langlebige, d. h. inhaltlich relativ statische Schulungsmaßnahmen in Auftrag gegeben. Die bisherigen Erkenntnisse in der Industrie zeigen, dass Unternehmen insbesondere den organisatorischen Aufwand scheuen, kurzlebigere Lerninhalte selbst zu produzieren und die personellen Ressourcen dafür zu intensivieren, da ihnen der Prozess zu komplex erscheint (Shaw 2007). Die unerlässliche Einbindung von fachlichen Experten löst sie von ihren eigentlichen Tätigkeiten und Kernverantwortlichkeiten und beeinträchtigt somit das Kerngeschäft. Auch sind existierende Werkzeuge zur Unterstützung der Content-Erstellung nicht intelligent und komfortabel genug, um den gesamten Prozess integriert zu unterstützen sowie das fehlende didaktische Wissen zu kompensieren und optimal mit dem Expertenwissen in den Unternehmen zu verknüpfen (Niegemann et al. 2004). Der Begriff „Authoring“ bezeichnet den gesamten Dienstleistungsprozess der Erstellung digitaler Trainingsmedien vom konzeptionellen Design bis hin zur technischen Produktion von Lerninhalten. Im Rahmen dieses Prozesses erfolgt zunächst die Zusammenstellung der medial zu vermittelnden Inhalte (Content-Erstellung) und anschließend die technische Implementierung des Mediums (ContentProduktion) (Chikova et al. 2006). Der Begriff „Authoring-Management“ umfasst all jene Bemühungen, die darauf abzielen, den Prozess des Authorings effektiv und effizient zu steuern. Der Prozess des Authoring-Managements ist besonders ressourcenintensiv und komplex, da hier viele Mitarbeiter abteilungsübergreifend zusammenarbeiten müssen (Michel et al. 2004). In der Regel sind in diesen Prozess mehrere Beteiligte wie Fachexperten, Autoren, Mediendesigner und Projektmanager involviert, da umfangreiche interdisziplinäre Detailkenntnisse (Technik, Tools, Projektmanagement, Medienproduktion, didaktische Expertise) benötigt werden. Die Einbindung vieler Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen erhöht den erforderlichen Aufwand zur Koordination und Kommunikation, besonders hinsichtlich des Dokumenten- und Datenaustauschs. Für die Fachexperten ist zudem der Zeitaufwand vergleichsweise hoch, da ihr inhaltliches Know-how benötigt wird, die Explizierung ihres Wissens aber keinesfalls eine Routineaktivität darstellt. Insbesondere wenn auf die Schulung komplexer Produkte abgezielt wird, bedarf es eines hohen Erklärungsund Zeitaufwands seitens der Fachexperten. Bei diesen Mitarbeitern handelt es sich meist um hochqualifizierte Mitarbeiter, wie z. B. Ingenieure oder Produktentwickler, deren Arbeitskraft für Unternehmen kostenintensiv ist. Der Prozess der Content-Erstellung ist aufgrund seiner Komplexität zeitaufwändig. Produktdatenerfassung, Grafikdesign, Wissensbereitstellung, die Koordination des Contents und die Entwicklung von für die prospektive Nutzergruppe geeigneten, didaktischen Modellen müssen durchgeführt werden, bevor mit der eigentlichen Content-Produktion begonnen werden kann. Da ausschließlich die in-
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Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin
ternen Experten über die hierzu notwendige Produktexpertise verfügen, müssen diese den gesamten Prozess der Content-Erstellung begleiten (Chikova et al. 2007) und somit einen großen Teil ihrer Arbeitszeit investieren. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit, Authoring-Aktivitäten zu transparenten Abläufen zu koordinieren. Der Optimierung des gesamten Authoring-Management-Prozesses hinsichtlich Effizienz und Effektivität sowie dessen Integration mit unter Umständen anfallenden Prozessen extern erbrachter Dienstleistungen muss dabei eine hohe Priorität beigemessen werden. Analog zum allgemeinen Geschäftsprozessmanagement (GPM) kann die Prozessorientierung aus konzeptioneller Sicht als adäquates Paradigma zur Verbesserung der bestehenden Situation im unternehmensinternen Authoring-Management gelten. Auf Basis wohl definierter Prozesse kann Informationstechnologie die Integration von Daten, Funktionen und Zusammenarbeit von Mitarbeitern unterstützen und dabei auf das Ziel der Reduktion und vor allem Beherrschung der Komplexität des Authoring-Management-Prozesses systematisch hinwirken. Eine durchgeführte Analyse in betrachteten Beispielunternehmen ergab, dass Unternehmen, die ihre Aus- und Weiterbildungsprozesse systematisch ausgerichtet und die Produktion multimedialer Inhalte für (Produkt-) Schulungen etabliert haben, sich kontinuierlich mit den oben stehenden Fragestellungen befassen und den Grad der Integration interner und externer Dienstleistungsprozesse kontinuierlich zu erhöhen versuchen. Der Entwurf beziehungsweise die Anwendung von Referenzmodellen können hierbei von Nutzen sein. Der Beitrag skizziert das Vorgehen zum Entwurf eines Referenzmodells des Authoring-Managements, was unter Zuhilfenahme der Methoden des GPM durchgeführt werden kann. Ziel der Entwicklung eines solchen Modells ist es, die Komplexität des gesamten Prozesses zu reduzieren und dessen Transparenz, Flexibilität, Effizienz und Effektivität zu erhöhen. Zudem kann ein Referenzmodell des Authoring-Management-Prozesses als Grundlage einer DV-orientierten Konzeption beziehungsweise einer Implementierung von IT-Systemen zur integrierten Unterstützung des Prozesses dienen. Hierzu erfolgt zunächst eine Erhebung, Modellierung und Analyse der bestehenden Redaktionsprozesse und Organisationsszenarien im Rahmen der Authoring-Management-Prozesse dreier beispielhaft betrachteter Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Diese Ergebnisse dienen als Grundlage der Entwicklung des Referenzmodells zum Authoring-Management. Dafür wird in einem ersten Schritt ein generischer Referenzmodellordnungsrahmen deduktiv entworfen, welcher als Basis für die Aufnahme der zu erhebenden branchenspezifischen Authoring-Management-Prozesse dient. Im Anschluss erfolgt vor diesem Hintergrund eine Identifikation und Analyse der Prozessschwachstellen, welche die Notwendigkeit einer umfassenden technisch-unterstützten, organisatorischen Integration des Authoring-Management-Prozesses zusätzlich begründen. Unter Berücksichtigung ihrer Gemeinsamkeiten und Besonderheiten wird im letzten Schritt ein Referenzprozessmodell zum Management des Authoring-Prozesses induktiv konstruiert.
Referenzmodellbasierte Authoring-Dienstleistungen
3 3.1
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Anforderungen an Referenzmodelle im AuthoringManagement Existierende Referenzmodelle in Forschung und Praxis
Um ein Referenzmodell für das Authoring-Management zu entwickeln, muss eine hinreichende Problemangemessenheit dargelegt und der Kontext eines potenziellen praktischen Modelleinsatzes definiert werden. Der Anforderungserhebung an das zu konstruierende Referenzmodell kommt daher eine wesentliche Bedeutung zu (Thomas 2006). Um Entwicklungsredundanzen zu vermeiden, ist vorab eine Analyse des Markts an Referenzmodellen unerlässlich. Im Falle der Existenz eines passenden, d. h. die definierten Anforderungen erfüllenden, Referenzmodells muss das Vorhaben erneut überprüft werden (Becker et al. 2002). Die Literatur weist zahlreiche Referenzmodelle für verschiedene Anwendungsdomänen auf – (Fettke und Loos 2003) bietet eine tabellarische Übersicht. Frühe Ansätze wie z. B. das Kölner Integrationsmodell (KIM) (Grochla et al. 1971) adressieren die Repräsentation von Aspekten sämtlicher Unternehmungen. In den letzten Jahren ordnen Autoren gegenwärtige Referenzmodelle meist konkreten Wirtschaftszweigen zu. Bekannte Vertreter aus dem wissenschaftlichen Umfeld sind das Referenzmodell für industrielle Geschäftsprozesse von (Scheer 1997) und das Handelsreferenzmodell von (Becker und Schütte 2004). In der Praxis kommen Referenzmodelle einerseits bei Anbietern von Modellierungswerkzeugen und andererseits bei Unternehmensberatungen zum Einsatz. Beispielsweise bietet die (IDS Scheer AG 2003) diverse Referenzmodelle an. Die Bandbreite dieser Referenzmodelle ist sehr groß: von Modellen für den Dienstleistungssektor (Banken, Handelsunternehmungen, Kommunalverwaltung, Krankenhäuser, Versandhandel, Versorgungsunternehmungen, Versicherungen), über die stückorientierte Fertigung (Anlagenbau, Kfz-Zulieferer, Maschinenbau, Konsumgüterindustrie, Möbelindustrie) bis zur prozessorientierten Fertigung (Chemische Industrie, Papierindustrie). Außerdem liegen umfangreiche Dokumentationen etablierter ERP-Systeme in Form von Referenzmodellen vor, wie beispielsweise das SAP R/3-Referenzmodell (Curran et al. 1998). Es existieren einige wenige Referenzmodelle, die im weitesten Sinne dem Themenfeld „E-Learning“ zugerechnet werden können. So zeigen beispielsweise (Ahlemann et al. 2003) anhand eines Referenzmodells auf, wie E-Learning über eine Verankerung im betrieblichen Planungssystem systematisch in die Aus- und Weiterbildung von Unternehmungen integriert werden kann. Sie erklären zwar ihr an (Schütte 1998) angelehntes Verständnis für den Referenzmodellbegriff. Warum sie das von ihnen konstruierte Modell jedoch als Referenz- und nicht hinreichend als Informationsmodell kennzeichnen, ist ihren Ausführungen nicht zu entnehmen. Vor dem Hintergrund einer technologisch-gestützten Aus- und Weiterbildung schlägt (Grohmann 2006) ein integriertes Rahmenwerk zum Learnung-Management vor, welches auf die informationstechnologische Verzahnung der Geschäfts-
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Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin
prozesse des Bildungsmanagements fokussiert. Dabei konzentriert sich das entwickelte Modell auf die Beschreibung der Konstruktionsergebnisse, ohne auf die zugrunde liegenden Konstruktionsprozesse einzugehen. Ein Referenzmodell, welches sich dem spezifischen Themenfeld des Authoring-Managements widmet, liegt nach Kenntnissen der Autoren nicht vor.
3.2
Notwendigkeit der Konstruktion eines Ordnungsrahmens
Referenzmodelle müssen umfangreiche betriebliche Rahmenbedingungen, Kernaspekte und deren Interdependenzen beschreiben, um ihren Wiederverwendungsgrad in der Konstruktion anderer Modelle möglichst zu maximieren. Dafür werden meist unterschiedliche Perspektiven angewandt, worunter eine überblicksartige grafische Darstellung der Referenzmodelle erschwert wird. Gerade für umfangreiche Referenzmodelle haben sich daher Ordnungsrahmen in Forschung und Praxis bewährt (Scheer 1997, Meise 2001, Becker und Schütte 2004). Für Referenzmodelle liefern Ordnungsrahmen ein navigierbares Verzeichnis, dessen Strukturbereiche auf Detailmodelle des Referenzmodells verweisen. Die nachfolgende Erstellung des Authoring-Management-Referenzmodells wird folglich in die Gestaltung des Ordnungsrahmens und die Konstruktion des Referenzmodells unterschieden. Die Verbindung von Teilen des Referenzmodells und Verzeichnisbereichen eines Ordnungsrahmens resultiert in Gruppen mit semantisch ähnlichen Modellelementen. Dabei basiert die Konstruktion des Referenzmodellordnungsrahmens auf das Referenzmodell als Modellobjekt. Ordnungsrahmen und Referenzmodell stehen daher in einer Makro-Mikro-Beziehung (Thomas 2006). Somit wird ein Ordnungsrahmen immer auf einer „höheren“ Aggregationsebene angesiedelt sein, als das entsprechende Referenzmodell. Bei umfangreichen Referenzmodellen bieten sich weitere Desaggregationsschritte von Makro- zu Mikromodellen „innerhalb“ des Referenzmodells über mehrere Aggregationsebenen an. Hierfür muss allerdings die verwendete Modellierungssprache die Möglichkeit zur Desaggregation unterstützen (Thomas 2006).
3.3
Modellierungssprache zur Repräsentation der Referenzprozessmodelle
Obwohl die ersten Ideen zur Wiederverwendung von Informationsmodellen mehr als drei Jahrzehnte zurückliegen, wurden bislang kaum dedizierte Modellierungssprachen für die Erstellung und Nutzung von Referenzmodellen konzipiert. Zwei der wenigen Ausnahmen sind die von (Land et al. 1996) vorgeschlagenen Referenzprozessbausteine und das Referenzmodellkomponentendiagramm von (vom Brocke 2003). Die meisten Arbeiten im Arbeitsgebiet der Referenzmodellierung konzentrieren sich auf eine anwendungsfall- oder domänenspezifische Auswahl etablierter Sprachen zur Informationsmodellierung. Das Spektrum der Begründungen zur Auswahl dieser Sprachen reicht dabei von der grundlegenden Orientierung an Paradigmen (z. B. objektorientiert oder nicht-objektorientiert) oder Model-
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lierungsmethoden (z. B. ARIS oder UML) bis hin zum gänzlich unkritischen und unreflektierten Einsatz der Sprachen. Gelegentlich werden Erweiterungen der ausgewählten Modellierungssprachen vorgenommen. Seit Ende der 1970er-Jahre wurde eine Vielzahl an Modellierungssprachen entwickelt, die der Beschreibung von Prozessmodellen dienen. Zur Konstruktion von Referenzprozessmodellen auf konzeptioneller Ebene hat sich insbesondere im deutschsprachigen Raum die Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) etabliert (Keller et al. 1992, Scheer 1997). Zu einer Übersicht über Referenzprozessmodelle, die unter Verwendung der EPK konstruiert sind vergleiche (Fettke und Loos 2003). Die EPK wird nachfolgend zur Konstruktion des Referenzmodells für das Authoring-Management verwendet. Ablauflogische Aspekte von Informationssystemen werden in der Praxis aus Gründen der Übersichtlichkeit gemeinhin nicht durch ein einziges EPK-Modell repräsentiert, sondern durch mehrere miteinander verbundene und dekomponierte Teilmodelle. Mehrere EPK-Modelle werden durch so genannte Prozesswegweiser miteinander verknüpft. Funktionsverfeinerungen, in der Modellierungspraxis häufig als Hinterlegungen bezeichnet, dienen der Hierarchisierung von EPK-Modellen. Für diese Hierarchisierung wird in diesem Beitrag das Wertschöpfungskettendiagramm (WKD) verwendet. Diese Modellierungsinstrumente können zur Konstruktion eines Referenzmodells für das Authoring-Management dienen, wie im Folgenden skizziert wird.
4 4.1
Konstruktion des Referenzmodells für das Authoring-Management Konstruktion des Referenzmodellordnungsrahmens
Um den Prozess der Trainingsmedienerstellung, d. h. die Konzeption und Produktion von Trainingsmedien verstehen und damit verbessern beziehungsweise diese aus Management-Perspektive betrachten zu können, ist zunächst eine Beschreibung allgemeiner Aktivitäten des Authorings in Form von Geschäftsprozessmodellen erforderlich. Als Ausgangspunkt wird daher ein auf Projekterfahrungen und Literaturaussagen basierendes generisches Modell des Authoring-ManagementProzesses deduktiv entwickelt. Um die Betrachtungskomplexität zu reduzieren, kann der Authoring-Management-Prozess in einem ersten Schritt als WKD (vgl. Abb. 1) dargestellt werden. Dieses zeigt die in die unternehmensinterne Wertschöpfung involvierten Kernprozesse des Authoring-Managements. Diese Funktionen können sequenziell zu einer Abfolge verknüpft werden, die eine Wertschöpfungskette bildet. Die dargestellte Wertschöpfungskette gliedert sich in die drei Hauptfunktionen Plan, Build und Run. Die Build-Funktion wiederum wird aufgespaltet in die Funktionen Design und Development, während die Run-Funktion zwischen den Funktionen Implementation und Evaluation unterscheidet (Chikova et al. 2006).
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Abb. 1. Wertschöpfungskettendiagramm des Authoring-Management-Prozesses
Der gesamte Ablauf des Authoring-Management-Prozesses kann mittels einer zweidimensionalen Matrix dargestellt werden, welche neben der Aufteilung der Funktionen deren Gliederung in Aktivitätsbereiche nach groben Zuständigkeiten vornimmt (vgl. Abb. 2). Die Kernfunktionen werden in spezifische Aktivitäten aufgeteilt, die Business-, Content- oder Technologieaufgaben betreffen. Diese apriorische Einteilung kann anhand realer Authoring-Management-Prozesse weitgehend bestätigt werden. Business-Aufgaben umfassen die außenwirksamen beziehungsweise organisatorisch-leitenden Tätigkeiten wie beispielsweise Aufgaben des Projektmanagements. Content-Aufgaben beinhalten die eigentliche – gestalterische und didaktische – Erstellung der Lernmedien sowie das Content-Management. Technologie-Aufgaben sind für die integrative Softwareunterstützung der Medienproduktion und -bereitstellung verantwortlich (Chikova et al. 2006). PLAN
BUILD
Design / Konzeption
Development / Produktion / Entwicklung
RUN Implementation / Rollout
Evaluation
Business-Aufgaben (Projektmanagement / Produktionssteuerung)
Content-Aufgaben (Drehbücher / Medienproduktion)
Technologie-Aufgaben (Basistechnologien, Schnittstellen, Integration)
Abb. 2. Ordnungsrahmen des Authoring-Management-Prozesses
Um die Ablauflogik der Funktionsfolge sowie deren Unterstützung durch mehrere Organisationseinheiten in einem Modell darzustellen, wird der gesamte Authoring-Management-Prozess in Form einer EPK dargestellt (vgl. Abb. 3a und 3b) (Chikova et al. 2006).
Referenzmodellbasierte Authoring-Dienstleistungen
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Abb. 3a. EPK-Modell des Authoring-Management-Prozesses (Ausschnitt, 1/2)
Dieses generische Prozessmodell wird in einem nächsten Schritt als Diskussionsbasis zur Erhebung von Modellen realer Prozesse in Interviews genutzt. Basierend auf den daraus resultierenden Ergebnissen erfolgte die Modellierung spezifischer Prozessmodelle in drei untersuchten Branchen, wie Abschnitt 4.2 zeigt.
4.2
Erhebung der unternehmensspezifischen Prozesse
Die bestehende Praxis dreier untersuchter Unternehmen aus der pharmazeutischen, der Elektro- sowie der Automatisierungsindustrie dient als Basis weiterer Forschungsaktivitäten und Analysen. Die innerhalb der untersuchten Unternehmen bereits bestehende Affinität bzgl. des Themas „E-Learning“, ihr unternehmensweiter Einsatz digitaler Trainingsmedien und dementsprechend etablierte AuthoringProzesse, zeichnen diese Unternehmen als geeignete Untersuchungsobjekte aus. Um vom allgemeinen Entwurf zum Spezifischen zu gelangen, wird das entwickelte generische Prozessmodell in Zusammenarbeit mit den drei Unternehmen an deren Vorgehensweisen angepasst. So gehen über die idealtypischen und wissenschaftlichen Strukturen hinaus, bisherige Common und Best Practices mit in die weitere Betrachtung ein.
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Abb. 3b. EPK-Modell des Authoring-Management-Prozesses (Ausschnitt, 2/2)
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In allen drei untersuchten Unternehmen steht firmenspezifisches Produkttraining im Mittelpunkt der technologiegestützten Weiterbildung. Das bedeutet, ihre Schulungsabteilungen können nicht auf am Markt angebotene E-Learning-Module zurückgreifen, sondern müssen individuelle Lösungen anstreben und diese mit Hilfe ihrer internen Fachexperten erarbeiten, da nur diese über das Know-how verfügen, das in den Trainingsmedien vermittelt werden soll. Ausgehend vom generischen Modell wurden im Rahmen von Interviews und Workshops mit den Unternehmen unternehmensspezifische Prozessmodelle des Authoring-Managements erarbeitet (vgl. Abb. 4). Die Notation der EPK erwies sich in diesem Kontext aufgrund ihrer intuitiven Verständlichkeit als zielführend. Die Gespräche mit den Praktikern bestätigten einerseits die prinzipiellen Grundzüge und darauf basierenden Prozessabläufe des generischen Modells, andererseits wurden individuelle den Authoring-Management-Prozess betreffende Besonderheiten in den einzelnen Unternehmen ausgemacht. Die pharmazeutische Industrie benötigt aufgrund ihres volatilen Produktportfolios Web-based Trainings (WBTs) mit eindeutiger Produktorientierung. Internationaler Konkurrenzdruck und akute medizinische Erfordernisse führen dazu, dass Arzneimittel kontinuierlich neu entwickelt werden müssen. Langwierige Forschungs- und Zulassungsprozesse sowie die nachgelagerte Entwicklung und Durchführung von Verkaufstrainings verlangsamen die Markteinführung. Ein durch eine exzellente Produktidee erreichter Wettbewerbsvorteil kann durch träge Verkaufsaktivitäten schnell verloren gehen. Aufgrund der Tatsache, dass webbasierte Produkttrainings mobil und unabhängig von geographischen Gegebenheiten durchgeführt werden können, stellen diese ein adäquates Instrument zur schnellen und bedarfsgerechten Wissensvermittlung an Außendienstmitarbeiter dar. Die Zielgruppe überschreitet jedoch sogar die Grenze interner Mitarbeiter, was zusätzliche Anforderungen an die Trainingsmedien hinsichtlich Konzeption, Design und Funktionalitäten mit sich bringt. Produktbezogene Schulungen für die Berufsgruppe der im Gesundheitssektor Tätigen gewinnt zunehmend an Bedeutung, da diese gesetzlich zur Weiterbildung verpflichtet sind. WBTs können aufgrund technischer Gegebenheiten einem großen Kreis an externen Rezipienten zur Verfügung gestellt werden. Die gesetzliche Vorgabe zur Zertifizierung von Trainingsmedien im Bereich Medizin durch medizinische Vereinigungen wie z. B. Ärztekammern bildet einen weiteren bedeutenden Aspekt, der im Rahmen des Authorings und insbesondere der Content-Entwicklung gesondert beachtet werden muss. Zwei der untersuchten Unternehmen gehören dem Bereich der produzierenden Industrieunternehmen an. Ihre Portfolios umfassen sowohl elektronische, mechanische als auch hydraulische Produkte, die sie als Zulieferer oder Hersteller vermarkten. Bedingt durch die Differenziertheit der Rollen innerhalb der Wertschöpfungskette, müssen die Produkttrainings daher verschiedene Zielgruppen ansprechen. Im Falle des Zulieferers sollen lediglich Mitarbeiter des Verkaufs weitergebildet werden, der Produzent hingegen bietet auch Trainings für Handwerker an.
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Abb. 4. Branchenspezifische Prozessmodelle
Eine Besonderheit seitens des Zulieferers ist die Unterhaltung eines unternehmensinternen Lernzentrums, das die Trainingsmaßnahmen organisiert und die da-
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zu notwendige, hinreichend adäquate Lerninfrastruktur für interne und externe Mitarbeiter bereitstellt. Von den drei untersuchten Unternehmen ist dieses daher das einzige, das eigene Lerninhalte und eigene Trainings bereits produziert und die Trainingsmedienproduktion nicht an externe Dienstleister auslagert. Unterschiede zwischen den betrachteten Authoring-Management-Prozessen der einzelnen Unternehmen bestehen im zeitlichen beziehungsweise logischen Prozessablauf. So erfolgt beispielsweise die Medieneinsatzplanung, -beschaffung und -erstellung bei dem Zuliefererunternehmen nicht wie bei den anderen vor der Drehbucherstellung, sondern während beziehungsweise nach der Erstellung des Drehbuchs. Darüber hinaus bestehen Unstimmigkeiten in der Benennung der Prozessschritte. Die generischen Funktionen „Medien produzieren“ beziehungsweise „Medien integrieren“ finden sich bei den spezifischen Unternehmensmodellen z. B. als „Lernprogramm programmieren“, „Content erstellen“ beziehungsweise „Content integrieren“. Große Unterschiede untereinander und zum generischen Modell finden sich zudem in der organisatorischen Beteiligung an den Prozessfunktionen. Die Organisationseinheiten der einzelnen Unternehmen unterscheiden sich oft fundamental voneinander, was dazu führt, dass beispielsweise identische Funktionen der Authoring-Prozesse zweier Unternehmen von grundsätzlich verschiedenen Organisationseinheiten ausgeführt werden. Daher werden zunächst Organisationseinheiten aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert. Die deduktiv erhobenen Prozessmodelle der drei Unternehmen spiegeln die aktuelle Ausführung, d. h. den Ist-Zustand des Authoring-Management-Prozesses wider und liefern den gewünschten praktischen Bezug der Prozessanalyse. Auf der Grundlage dieser unternehmensspezifischen Prozesse wird im Folgenden ein konsolidiertes Referenzprozessmodell induktiv konstruiert.
4.3
Konstruktion eines Referenzprozesses (induktiv)
Die Herausforderung bei der Konsolidierung der branchenspezifischen Modelle besteht in der Frage, wie einerseits den Besonderheiten und Unterschieden Rechnung getragen, andererseits aber auch eine Integration der wichtigsten Erkenntnisse in einem Referenzprozessmodell gelingen kann. Dabei muss es aus Gründen der Objektivität als zielführend gelten, Unterschiede der untersuchten Ist-Prozesse zu berücksichtigen und adäquat im Referenzprozessmodell zu repräsentieren. Jedes der betrachteten Unternehmen sollte in einem angestrebten konsolidierten Referenzprozessmodell erkennbar bleiben, wobei gleichzeitig jedoch auch alternative Vorgehensweisen aufgezeigt werden sollen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wird der folgende Lösungsansatz verfolgt:
• Diejenigen Teilprozesse, die von allen Unternehmen ausgehend vom generischen Modell geteilt werden, werden unmittelbar in das Referenzprozessmodell aufgenommen.
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Pavlina Chikova, Katrina Leyking und Gunnar Martin
• Teilprozesse oder Funktionen, die nur von einer Minderheit durchgeführt werden, sollen durch entsprechende farbliche Hinterlegungen markiert werden.
• Teilprozesse oder Funktionen, die zwar von allen Unternehmen durchgeführt wurden, aber unterschiedlicher zeitlicher Prozesslogik folgen, werden mehrfach in das Referenzprozessmodell aufgenommen und ihre Unternehmenszugehörigkeit durch entsprechende farbliche Hinterlegungen deutlich gemacht.
• Im Falle unterschiedlicher Bezeichnungen erfolgt eine einheitliche Namensgebung, die jedoch unterschiedliche Aspekte berücksichtigt. Nur in Ausnahmefällen werden außergewöhnliche Benennungen ausgelassen beziehungsweise überschrieben. Gemäß diesen Richtlinien erfolgt die Ausarbeitung eines Referenzprozessmodells, welches sich einerseits bemüht dem Anspruch der Allgemeingültigkeit gerecht zu werden und andererseits die Besonderheiten der einzelnen Unternehmen widerspiegelt. Abb. 5 fasst die Vorgehensweise vom generischen Ordnungsrahmen zum praxisorientierten konsolidierten Referenzprozessmodell zusammen.
5
Diskussion der Ergebnisse und weiterer Forschungsbedarf
Im Rahmen dieses Beitrags wurden die Herausforderungen von Authoring-Dienstleistungen dargelegt und die Konstruktion eines Referenzprozessmodells des Authoring-Managements für technologie-gestützte Aus- und Weiterbildung in Unternehmen vorgestellt. Die Methoden des GPM dienten hierbei der Erhebung der Prozesse, der Identifikation von Problemen im Rahmen der Prozessabläufe, der Integration von Prozessen potenziell mit in den Authoring-Prozess einfließenden Dienstleistungen sowie der Unterbreitung von Problemlösungsvorschlägen mittels Durchführung eines konsequenten Process Reengineering im Rahmen des Entwurfs eines Referenzprozessmodells. Dieses Referenzprozessmodell bildet zudem die DV-konzeptionelle Basis zur Entwicklung und Implementierung prozessunterstützender IT-Systeme. Der Ansatz, den Prozess des Authorings durch Erarbeitung eines Referenzprozessmodells des Authoring-Managements zu vereinfachen und besser in bestehende organisatorische und technologische Strukturen zu integrieren, ist ein zentrales Forschungsergebnis des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten Projekts EXPLAIN (http://www.explain-project.de), in dessen Rahmen die EXPLAIN Authoring-Management-Plattform entworfen und entwickelt wird (Zimmermann et al. 2005). Ziel der EXPLAIN-Plattform ist es, die Prozesse des Authorings und insbesondere den Prozess des Authoring-Managements umfassend zu unterstützen und zu vereinfachen und es Unternehmen damit zu ermöglichen, das Authoring von Trainingsmedien „in-house“ mit den eigenen Mitarbeitern effizient und effektiv durchführen zu können.
Referenzmodellbasierte Authoring-Dienstleistungen
Erstellung eines generischen Prozessmodells
Erhebung der unternehmensspezifischen Ist-Prozesse
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Konsolidierung zu einem Ist-Prozessmodell
Generisches Prozessmodell (EPK) intern BU IL D
P L AN
Des ig n /Ko n zep t io n
De ve lo p m en t/ Pro d u kt io n / En tw ic kl un g
RUN Im p le men ta tio n /Ro ll ou t
Ev alu a ti on
Bu sin e ss Au fg a be n ( Pro je kt m an a ge men t / Pr o d uk ti on s st eu er u n g )
C on t en t Au fg ab e n (Dre h bü c he r / M e di en p ro d u kt io n )
T ec hn o lo g ie Au fg a be n (B as ist ec h no lo g ie n , Sc hn it ts te lle n , I nt eg r at io n )
extern
Leitfaden zur Content Produktion
Abb. 5. Konstruktionsprozess des Authoring-Management-Referenzmodells
Das zugrundeliegende Referenzprozessmodell unterstützt den gesamten Prozess des Authoring-Managements, inklusive Projektmanagement, Medienproduktion und -sammlung, Materialmanagement sowie die Gestaltung und Produktion der Lerninhalte. Dass sich auf diese Weise Authoring-Maßnahmen in Unternehmen effizienter und effektiver durchgeführt werden können, wurde im Rahmen von Fallstudien mit den Anwendungspartnern belegt. Dabei hat sich gezeigt, dass semi-formale Modellierung des Authoring-Management-Prozesses die bisher fehlende Brücke zwischen betriebswirtschaftlichen, pädagogischen und technischen Fachexperten schlägt. Semi-formale Modelle sind einerseits leicht zu verstehen und für jeden zugänglich. Andererseits bieten sie aber eine ausreichende Präzision, um als Anforderungsbasis für eine weitere informationstechnische Unterstützung von Prozessen wie beispielsweise des Authoring-Managements zu dienen. Gemäß der Prinzipien einer kontinuierlichen Prozessverbesserung sollten die im Rahmen dieses Beitrags betrachteten Prozesse des Authoring-Managements nicht als statisch angesehen werden. Angesichts organisatorischer und informationstechnischer Innovationen sollten diese Prozesse stattdessen fortwährend auf Verbesserungspotenziale hin geprüft und optimiert werden.
6
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Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung
Jörg Becker, Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Christoph Glauner, Marco Stypmann, Christoph Rosenkranz, Robert Schmitt, Sarah Hatfield, Gertrud Schmitz, Simone Eberhardt, Michaela Dietz, Oliver Thomas, Philipp Walter, Hans-Martin Lönngren und Jan Marco Leimeister Mit Ordnungsrahmen lassen sich hoch aggregierte Überblicke über die wesentlichen Funktionsbereiche einer Domäne darstellen. Der Beitrag regt die Entwicklung eines Ordnungsrahmens für die hybride Wertschöpfung an. Mit der Konstruktion des Ordnungsrahmens soll eine modellbasierte Grundlage geschaffen werden, um in weiterführenden Arbeiten einen strukturierten Überblick über die für die hybride Wertschöpfung bereits entwickelten beziehungsweise zukünftig zu entwickelnden Artefakte bereitstellen zu können. Als Ausgangspunkt für die Konstruktion eines hierfür geeigneten Ordnungsrahmens wird ein erster Vorschlag zu dessen inhaltlicher Gestaltung präsentiert. Der vorgestellte Ordnungsrahmen wird evaluiert, indem er zur Strukturierung von in Expertenbefragungen erhobenen Artefakten der hybriden Wertschöpfung herangezogen wird.
1
Strukturierung interdisziplinär zu erschließender Themengebiete
Die Forderung, Themen der Wissenschaft und Praxis aus einem interdisziplinären Blickwinkel zu betrachten, ist weitestgehend etabliert. Ihre Umsetzung bereitet dennoch häufig erhebliche Schwierigkeiten: Unterschiedliche Begriffsverständnisse und die damit verbundene abweichende Abgrenzung von Untersuchungsgegenständen, unterschiedliche Vorgehensweisen zur Problemlösung und die Rezeption disziplinspezifischer Literaturquellen sind Beispiele für Barrieren einer interdisziplinären Erschließung von Themenfeldern. Die parallele Bearbeitung eines Themenfeldes durch verschiedene Disziplinen aber auch verschiedene Communities innerhalb einer Disziplin führt häufig zu vermeidbaren Redundanzen und Ineffizienzen in Wissenschaft und Praxis. Einen Beitrag sowohl zur Überwindung der genannten Barrieren als auch zur Nutzung potenzieller Synergien zwischen den Disziplinen und Communities können Ordnungsrahmen liefern, die auf einem hohen Abstraktionsniveau ein Themenfeld in seine wichtigsten Elemente gliedern und modellbasiert einige ihrer Zusammenhänge aufzeigen. Einzeldisziplinen können sich auf einen gemeinsamen
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Jörg Becker et al.
Ordnungsrahmen beziehen, um ihre Beiträge zu positionieren und abzugrenzen. Insbesondere zur Erschließung eines neuen Themengebiets erscheint die parallele Entwicklung eines solchen Koordinationsmittels besonders nützlich. Ist ein Themengebiet bereits tiefer durchdrungen, können Ordnungsrahmen die Zugänglichkeit verstreut verfügbarer Ergebnisse, Instrumente und Methoden unterstützen und sie so leichter für weitere wissenschaftliche Forschung sowie die Anwendung in der Praxis nutzbar machen. Die hybride Wertschöpfung stellt ein Themengebiet dar, das derzeit mit verstärktem Forschungsaufwand erschlossen wird und in dem aufgrund seiner volkswirtschaftlichen Relevanz eine strukturierte, Synergiepotenziale nutzende Herangehensweise von besonderer Bedeutung ist. Der vorliegende Beitrag setzt es sich daher zum Ziel, einen Vorschlag für einen Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung zu entwickeln und seine Anwendungspotenziale aufzuzeigen. Zunächst werden die Besonderheiten der hybriden Wertschöpfung als Modellierungsgegenstand herausgearbeitet und damit die Anwendungsdomäne des Ordnungsrahmens definiert (Abschnitt 2). Im Anschluss wird die Ordnungsrahmenkonstruktion für die hybride Wertschöpfung motiviert, indem die Notwendigkeit einer Koordination unterschiedlicher Perspektiven auf die hybride Wertschöpfung aufgezeigt wird (Abschnitt 3). Als Lösungsbeitrag zu diesem Koordinationsproblem wird ein Ordnungsrahmen konstruiert, der sich an einem verbreiteten Referenzdesign orientiert (Abschnitt 4). Der Ordnungsrahmen wurde auf der Basis zweier Befragungen einer ersten Prüfung unterzogen (Abschnitt 5), anhand derer der Bedarf an weiteren Forschungsaktivitäten aufgezeigt werden kann (Abschnitt 6).
2
Abgrenzung hybrider Wertschöpfung
Hybride Wertschöpfung bezeichnet die Wertschöpfung mit hybriden Produkten. Hierunter sind zu kundenspezifischen Problemlösungen integrierte Leistungsbündel aus jeweils mindestens einem Sachgut und einer Dienstleistung zu verstehen (Böhmann und Krcmar 2006, Galbraith 2002, Kersten et al. 2006), welche eigenständig marktfähig sind (dazu und zum Folgenden Begriffsverständnis: Schmitz 2008). Die eigenständige Marktfähigkeit stellt darauf ab, dass die Leistungen des Bündels prinzipiell am Markt auch separat erworben werden können (Stremersch 2002). Bezieht der Kunde ein hybrides Produkt bei einem Unternehmen, erhält er ein festes Leistungsbündel ohne Wahlmöglichkeiten im Sinne der Angebotsform des „pure bundling“ (z. B. Huber und Kopsch 2000). Da sich hybride Produkte jedoch im Gegensatz zu einfachen Leistungsbündeln durch eine systematische Abstimmung der verschiedenen Teilleistungen auszeichnen, empfindet der Kunde diese fehlenden Wahlmöglichkeiten im Idealfall nicht als negativ. Vielmehr soll diese Abstimmung beziehungsweise Integration als erstes charakteristisches Merkmal hybrider Produkte bewirken, dass der wahrgenommene Wert eines hybriden Produktes aus Kundensicht den Wert übersteigt, welchen der Kunde bei der Inan-
Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung
111
spruchnahme der Einzelleistungen erfährt (Böhmann und Krcmar 2007, Johansson et al. 2007, Sawhney 2006). Damit dies erreicht wird, muss die Integration auf technischer, organisatorischer, wertschöpfungs- und marketingbezogener Ebene vollzogen werden, so dass der Nutzenanstieg höher ist als die mit der Integration verbundenen Kosten. Dabei wird unter der technischen Dimension der Integration die gezielte funktionale Verknüpfung der Leistungsbestandteile untereinander verstanden (Burianek et al. 2007). Die organisationale Dimension der Integration bezieht sich hingegen auf die leistungsübergreifende Festlegung der Prozesse, die für eine aufeinander abgestimmte Entwicklung der Lösungskomponenten notwendig sind (Spath et al. 2006), während die wertschöpfungsbezogene Dimension auf die technische und organisatorische Einbindung der Leistungsbestandteile eines hybriden Produktes in die Wertschöpfungsprozesse der Kunden abzielt (Burianek et al. 2007, Böhmann und Krcmar 2007, Tuli et al. 2007). Die marketingbezogene Dimension betrifft die gemeinsame Vermarktung der einzelnen Leistungsbestandteile als Komplettlösung sowie die Betreuung der Kunden aus einer Hand (Sawhney 2006). Neben der Integration kann die Individualisierung, welche die Ausrichtung hybrider Produkte auf kundenspezifische Probleme meint, als zweites charakteristisches Merkmal hybrider Produkte zu einem hohen wahrgenommenen Wert aus Kundensicht beitragen (Schmitz 2008). Voraussetzung zur Entwicklung werterhöhender, individueller Lösungen ist die Identifikation sowie die daran anschließende differenzierte Analyse der jeweiligen Kundenprobleme (z. B. Davies 2004). Dabei ist der Kunde nicht mehr länger nur Wertschöpfungsempfänger, sondern ebenfalls Wertschöpfungspartner (Reichwald und Piller 2006, Schmitz 2008) und von Beginn an in den Entwicklungsprozess des hybriden Produktes einzubeziehen. In einem offenen Dialog, in dem der Kunde als „Co-Creator of Value“ (Vargo und Lusch 2004) fungiert, müssen sowohl der Kunde als auch der Anbieter bereit sein, gegebenenfalls sensible Informationen offenzulegen, wodurch sie tiefe Einblicke in das Umfeld des Gegenübers gewinnen und voneinander lernen können (Schmitz und Modlich 2008). Nur durch die Interaktion der Dialogpartner kann für beide Seiten eine Prozesstransparenz hergestellt werden, welche für ein optimales Design des hybriden Produktes als individuelle Kundenlösung sowie für eine optimale Aufteilung der Aufgaben zwischen Anbieter und Kunde notwendig ist. Die gemeinsame Analyse der Kundenprobleme geht mit einem prozessorientierten Begriffsverständnis hybrider Produkte einher, welches für viele Kunden vorherrschend ist. Diese prozessbezogene und die damit verbundene Perspektive, welche vom anbieterseitigen Verständnis hybrider Produkte abweicht, unterstreicht die Bedeutung der in der Literatur geforderten Abkehr von einem transaktionsorientierten Beeinflussungsmarketing hybrider Produkte hin zu einem interaktionsorientierten Beziehungsmarketing, welches den Aufbau langfristiger, intensiver Geschäftsbeziehungen zum Ziel hat (Schmitz 2008, Vargo und Lusch 2004). Hybride Produkte können demzufolge in Bezug auf den Grad der Immaterialität von reinen Sachgütern als erste und reine Dienstleistungen als zweite Extremausprägung abgegrenzt werden. Zwischen diesen beiden Extrema können hybride
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Jörg Becker et al.
Produkte je nach Ausprägung eingeordnet werden. Des Weiteren ist aufgrund der Kundenspezifität die Interaktion mit dem Kunden während des Erstellungsprozesses eher hoch (vgl. Abb. 1). Diesem Umstand muss bei der modellbasierten Betrachtung hybrider Wertschöpfung besonders Rechnung getragen werden, indem sowohl jede Ausprägung an Immaterialität als auch an Interaktion mit dem Kunden zu berücksichtigen ist. So darf z. B. die Integration von Sach- und Dienstleistungskomponenten während der Entwicklung nicht durch Strukturen des Ordnungsrahmens eingeschränkt oder die mögliche Kundeninteraktion auf zu wenige Bereiche begrenzt sein.
Abb. 1. Gütertypologische Abgrenzung hybrider Produkte (Quelle: Leimeister und Glauner 2008 in Anlehnung an Engelhardt et al. 1993)
Ausgangspunkt der Diskussionen zu hybrider Wertschöpfung ist die Erkenntnis, dass Kunden kein Interesse nach Produkten oder Dienstleistungen per se haben, sondern vielmehr die Lösung eines Problems oder die Erfüllung eines Bedarfes erwarten (Leimeister und Glauner 2008). Aus dieser veränderten Erwartungshaltung des Kunden ergeben sich deutlich erhöhte Anforderungen an die Unternehmen als dies beim Angebot von Einzelleistungen (Sach- oder Dienstleistung) oder auch von nicht-integrierten Leistungspaketen aus Sachgütern und Dienstleistungen der Fall ist. Aus dieser Analyse heraus ergibt sich zudem die besondere volkswirtschaftliche Relevanz des Themas, da die hybride Wertschöpfung annähernd jeden Wirtschaftsbereich beeinflusst.
Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung
3 3.1
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Entwicklung eines Ordnungsrahmens der hybriden Wertschöpfung Hybride Wertschöpfung aus verschiedenen Perspektiven
Die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen beschäftigen sich derzeit überwiegend aus zwei Motiven mit der hybriden Wertschöpfung: aus wirtschaftlicher und aus ökologischer Motivation (Tukker und Tischner 2006). Unabhängig von der Motivation ist aber auch die Realisierung eines hybriden Produkts gemeinhin interdisziplinär, d. h., auch hier liegen grundsätzlich unterschiedliche Perspektiven auf das hybride Produkt vor. Die wirtschaftlich motivierte Sicht ist vor allem die Perspektive der Hersteller, die in der Integration von Sach- und Dienstleistungen eine Möglichkeit der Differenzierung von Mitbewerbern sehen, indem sie ihren Kunden Problemlösungen in Form hybrider Produkte statt einzelner Sachleistungen anbieten. Insbesondere Hersteller aus Industrienationen erachten dies langfristig als wesentliche Möglichkeit, sich gegenüber Konkurrenten aus Niedriglohnländern zu behaupten (Brecher 2007). Aus ökologischer Sicht gelten hybride Produkte vor allem im internationalen Umfeld als Hoffnungsträger in Hinblick auf das rasante Wachstum der Weltwirtschaft („Factor 10 World“) und die damit verbundene Verknappung von Rohstoffen und Erhöhung der Umweltbelastung. Unter dem Schlagwort „Sustainability“ werden hier vor allem Konzepte betrachtet, die den Faktoreinsatz in der Produktion im Allgemeinen sowie den Verbrauch ökologischer Ressourcen im Besonderen minimieren sollen. Dazu werden nicht mehr die ressourcenintensiv herzustellende Sachleistungen als Mittel zur Deckung des Bedarfs eines einzelnen Kunden betrachtet, sondern ein hybrides Produkt, das durch Teilen von Ressourcen mehreren Kunden zur Verfügung steht, genau auf ihren jeweiligen Bedarf abgestimmt ist und so zu einem ressourceneffizienteren Faktoreinsatz führt (Tukker und Tischner 2006). Unabhängig von der Motivation haben unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen bisher unterschiedliche Teilgebiete der hybriden Wertschöpfung betrachtet und ihre jeweils eigenen Methoden entwickelt. So beschäftigen sich z. B. die Ingenieurwissenschaften traditionell vor allem mit der Produktentwicklung, die zunehmend auch unter Gesichtspunkten der Dienstleistungsentwicklung beziehungsweise der Entwicklung hybrider Leistungsbündel stattfindet. Dabei werden auch Erbringung, Nutzung, Lebenszyklus und Kosten hybrider Produkte betrachtet, wobei technische Aspekte naturgemäß im Vordergrund stehen (Meier et al. 2007, Fleischer et al. 2007, Aurich et al. 2007). Die Betriebswirtschaftslehre legte mit der Betrachtung von Dienstleistungen und deren Integration mit Sachleistungen den Grundstein für die wissenschaftliche Behandlung des Themenfelds „hybride Wertschöpfung“ (Engelhardt et al. 1993). Ihre verschiedenen Teildisziplinen gehen unterschiedlich auf das Thema ein. So ist im Marketing das Thema der Vermarktung von Dienstleistungen schon seit Lan-
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gem Betrachtungsgegenstand und mit zunehmender Tertiarisierung aktueller denn je (Shostack 1977, Lovelock und Writz 2006). Da hier keine Entwicklungs- oder Bereitstellungsperspektive eingenommen, sondern einzig und allein die Kundensicht vertreten wird, unterscheiden sich Marketingansätze für hybride Produkte jedoch kaum von traditionellen Ansätzen. Die im angloamerikanischen Sprachraum populäre Disziplin des Operations Management (hierzulande am ehesten als „operatives Controlling“ bezeichnet), sieht hybride Leistungsbündel in erster Linie als eine Integrationsaufgabe, bei der die in der Supply Chain vorgelagerten Lieferanten von Sach- und Dienstleistungen sowie die unternehmensinternen Funktionsbereiche, z. B. Personal, Marketing, Buchhaltung, etc., so zu koordinieren sind, dass die Bereitstellung des hybriden Produkts möglichst effizient realisiert wird (Hanna und Newman 2006). Die Wirtschaftsinformatik als Schnittstellendisziplin zwischen BWL und Informatik nähert sich hybriden Produkten bisher vor allem unter den Aspekten der Informationsmodellierung und der Prozessgestaltung (Botta 2007, Steinbach et al. 2005).
3.2
Ordnungsrahmen als Hilfsmittel der Strukturierung und Analyse
Ordnungsrahmen stellen Modelle auf einem besonders hohen Abstraktionsniveau dar. Sie repräsentieren die wesentlichen Elemente einer Domäne und zeigen grob Beziehungen zwischen diesen auf. Im Falle von Informationssystemen setzen Ordnungsrahmen z. B. Funktions-, Daten- oder Objektcluster zueinander in Beziehung (Schütte 1998). Das Handels-H-Modell gliedert als Ordnungsrahmen für Handelsinformationssysteme beispielsweise die Prozesse des Handels in 17 Funktionscluster (Becker und Schütte 2004). Im Vergleich zur Modellierung weniger stark abstrahierter Modelltypen, wie z. B. Prozess-, Daten- und Klassenmodellen, wurde die Konstruktion von Ordnungsrahmen bisher nur selten zum Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten gemacht. Als methodische Basis für die notwendige Neukonstruktion des Ordnungsrahmens kann auf ein Referenzdesign für funktionsorientierte Ordnungsrahmen rekurriert werden, das die Gliederung der darzustellenden Funktionen in die Bereiche Kern-, Support- und Koordinationsprozesse sowie die Ausweisung des Systemumfeldes vorsieht und grafische Konventionen für ihre Darstellung vorsieht (Meise 2001). Die Bedeutung von Ordnungsrahmen für Theorie und Praxis motiviert sich daraus, dass Ordnungsrahmen als Grundlage für die Erstellung und Analyse inhaltlich strukturierter Überblicke über Artefakte, wie z. B. Modelle, Methoden und Anwendungssysteme, die in der Domäne des Ordnungsrahmens von Bedeutung sind, genutzt werden können. Hierzu werden die Artefakte den Elementen des Ordnungsrahmens zugeordnet. Eine weite Verbreitung hat die Nutzung von Ordnungsrahmen als Navigationshilfe und Einstiegsebene für umfangreiche Referenz- beziehungsweise Unternehmensmodelle gefunden. Entsprechende Beispiele stellen das Y-CIM-Modell (Scheer 1997) und das Handels-H-Modell (Becker und Schütte
Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung
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2004) beziehungsweise der Ordnungsrahmen der Deutschen Telekom Immobilien und Service GmbH (Becker und Meise 2005) dar. Den 17 Funktionscluster des Handels-H-Modells wurden dabei Verfeinerungsmodelle der Sichten Funktionen, Daten und Prozesse zugeordnet. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit stellt dar, auf einem hohen Abstraktionsniveau zu überprüfen, inwieweit bestehende Anwendungssysteme die referenzmäßig vorgegebenen Funktionscluster eines Ordnungsrahmens tatsächlich abdecken. Vering nutzt z. B. das Handels-H-Modell für eine zusammenfassende Darstellung des Vergleichs der Anwendungssystemarchitekturen von Handelsunternehmen (Vering 2002). Auch das Y-CIM-Modell wurde bereits für die Analyse der Ist-IT-Durchdringung in Unternehmen genutzt (Blum und Emmerich 1990). Fehlende Abdeckungen der Ordnungsrahmenelemente weisen auf das potenzielle Fehlen geeigneter Artefakte und damit gegebenenfalls auf entsprechende Entwicklungspotenziale hin. Werden einzelnen Ordnungsrahmenelementen mehrere gleichartige Artefakte zugeordnet, legt dies nahe, die jeweiligen bestehenden Artefakte auf Redundanzen zu untersuchen.
3.3
Konstruktion eines Ordnungsrahmens für die hybride Wertschöpfung
Den verschiedenen Perspektiven und Disziplinen, die sich der hybriden Wertschöpfung widmen, fehlt derzeit ein gemeinsamer Bezugsrahmen in den sie ihre Forschungsergebnisse einordnen könnten. Mit der Entwicklung eines Ordnungsrahmens für die hybride Wertschöpfung soll ein solcher Bezugsrahmen geschaffen werden. Eine wichtige Anforderung an den Ordnungsrahmen stellt dar, dass die in ihm dargestellten Modellelemente und deren Beziehungen in den einzelnen Perspektiven und Disziplinen gleichermaßen verstanden und als sachlich richtig bewertet werden. Angesichts der großen Begriffsvielfalt, die im Rahmen der hybriden Wertschöpfung herrscht und die sich z. B. in der teilweise synonymen Verwendung der Begriffe hybrides Produkt, hybrides Leistungsbündel, Verbundsystem, kovalentes Produkt, Compack (complex package) oder Product Service System widerspiegelt, stellt die Etablierung eines Ordnungsrahmens als perspektivenund disziplinenübergreifendes Kommunikationsmittel und hochabstraktes Modell der hybriden Wertschöpfung eine besondere Herausforderung dar, die noch erhebliche Anstrengungen erfordern wird. Die vorliegende Arbeit kann hierzu nur einen initialen Beitrag leisten. Um die Analyse der von den verschiedenen Perspektiven und Disziplinen geschaffenen Artefakte unterstützen zu können, sollte der Ordnungsrahmen zudem in dem Sinne vollständig sein, dass sich alle relevanten Artefakte in den Ordnungsrahmen einordnen lassen. Darüber hinaus sind an den Ordnungsrahmen als Modell weitere Anforderungen zu stellen, die allgemein für Modelle gültig sind, hier aber nicht weiter erörtert werden sollen. Speziell für die hybride Wertschöpfung sind den Autoren keine einschlägigen Ordnungsrahmen bekannt, weshalb in Anlehnung an das verbreitete Referenzdesign ein neuer Ordnungsrahmen entwickelt wurde (vgl. Abb. 2).
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Abb. 2. Ordnungsrahmen der hybriden Wertschöpfung
Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung
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Zur Gliederung der Koordinationsprozesse werden Strategiebildung und Controlling vorgeschlagen. Die Strategiebildung gibt die Art der hybriden Leistungsbündel vor. Das Controlling überwacht den wirtschaftlichen Erfolg der Umsetzung dieser Strategie. Eine grobe Gliederung der Kernprozesse, die die Beschaffungsund Absatzmärkte miteinander verbinden, liefert die Unterscheidung in Entwicklung, Erbringung und Ablösung der hybriden Leistungserbringung. Die Entwicklung adressiert das Service Engineering (Daun und Klein 2004, Schneider 2004, Schneider et al. 2006) und die Konstruktion der Sachleistung (Scheer 1990, Scheer 1994, VDI 1993). Die in der Entwicklung entworfenen und eingerichteten Prozesse werden in der Erbringung instanziiert, um das Bündel aus Sach- und Dienstleistungen bereitzustellen. Die Ablösung erfolgt, wenn insbesondere aus strategischen Gründen entschieden wird, das hybride Leistungsbündel nicht mehr zu erbringen. Wird die hybride Leistung z. B. im Rahmen eines Wertschöpfungsnetzwerkes aus Produzenten und Dienstleistern erbracht, so umfasst die Ablösung insbesondere auch die ordnungsgemäße Auflösung der (vertraglichen) Beziehungen zum Wertschöpfungspartner. Zu den für die hybride Wertschöpfung relevanten Supportprozessen zählen ein einheitliches Terminologiemanagement (Glossar), Buchhaltung, Kostenrechung, Personalwesen, Informationsmanagement, Wissensmanagement, Technologiemanagement, Rechtsmanagement und Beziehungsmanagement. Das Umfeld der hybriden Wertschöpfung lässt sich beschaffungsseitig in Produzenten, Dienstleister und Kunden und absatzseitig in Konsumenten sowie Unternehmen und Verwaltungen als Kunden aufteilen. Die Berücksichtigung der Kunden auf beiden Seiten wird durch die Einbeziehung des Kunden als CoDesigner in den Gestaltungsprozess (Vargo und Lusch 2004) beziehungsweise als externen Faktor in den Erbringungsprozess (Fitzsimmons und Fitzsimmons 2001) motiviert. Die Einbeziehung des Kunden in den Gestaltungs- beziehungsweise Entwicklungsprozess ist von hoher Bedeutung, da nur bei einem differenzierten Verständnis des individuellen Kundenproblems und bei Transparenz der Kundenaktivitäten ein explizit auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden zugeschnittenes Leistungsbündel generiert werden kann (Davies et al. 2006). Dadurch wird der Kunde ein Teil der Wertkette des Anbieters (Kleinaltenkamp et al. 1997). Neben der funktionalen wurden weitere Dimensionen identifiziert, die für die Strukturierung der Artefakte der hybriden Wertschöpfung relevant sind. Diese sind jeweils untereinander orthogonal und spannen gemeinsam einen mehrdimensionalen Raum auf:
• Artefaktklassen: Eine weite Verbreitung bei der Gestaltung von Ordnungsrahmen hat die Unterscheidung von Artefaktklassen gefunden. Bei Ordnungsrahmen, die als Navigationshilfen für Informationssystemmodelle dienen, werden die Modelle beispielsweise in Klassen wie Daten- und Prozessmodelle oder Modelle der Aufbau- und der Ablauforganisation eingeteilt. Verallgemeinert lassen sich z. B. Sprachkonstrukte, Modelle, Methoden und Implementierungen als Klassen von Artefakten unterscheiden (Hevner et al. 2004).
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• Sachgut-Lebenszyklusphasen: Die einzelnen mit einem Sachgut kombinierbaren Dienstleistungen lassen sich danach unterscheiden, in welcher Lebenszyklusphase des Sachgutes diese Dienstleistung zum Tragen kommt. Der Lebenszyklus des Sachgutes lässt sich dabei in Vornutzung, Nutzung und Nachnutzung einteilen. Typische Dienstleistungen der Vornutzungsphase sind Einsatzplanung und Installation, der Nutzungsphase Instandhaltung und laufende Optimierung und der Nachnutzungsphase Refurbishment und Entsorgung. Die Berücksichtigung dieser Dimension rechtfertigt sich, falls die zu positionierenden Artefakte sich hinsichtlich der zugrunde liegenden Sachgut-Lebenszyklusphase unterscheiden. Dies ist z. B. bei Referenzmodellen für Erbringungsprozesse der Fall, die sich je nach Art der zu kombinierenden Dienstleistung unterscheiden, während bei Supportprozessen und Koordinationsprozessen aufgrund ihres generischen Charakters hohe Ähnlichkeiten vermutet werden.
• Organisationsklassen: Weitere relevante Differenzierungen ergeben sich aus den Merkmalen der Organisationen, innerhalb derer die Artefakte zum Einsatz kommen (sollen). Beispielsweise wird häufig gefordert, dass Methoden speziell auf die Rahmenbedingungen mittelständischer Unternehmen angepasst sein sollten. Folglich könnte die entsprechende Dimension die Artefakte danach einteilen, ob sie speziell für den Mittelstand erstellt wurden, sich gerade nicht für den Mittelstand eignen oder vielmehr allgemein für Unternehmen anwendbar sind.
• Realisierungsgrad: Für die Artefakte lässt sich zudem ein Realisierungsgrad in dem Sinne unterscheiden, ob die Artefakte bereits ausgearbeitet – und damit in der Praxis einsetzbar – vorliegen, ob deren Konstruktion z. B. im Rahmen bewilligter Forschungsprojekte erarbeitet werden sollen oder ob sie lediglich z. B. von einzelnen Experten als notwendig beziehungsweise sinnvoll für die Unterstützung der hybriden Wertschöpfung erachtet werden.
4
Evaluation des Ordnungsrahmens
Voraussetzung dafür, dass der Ordnungsrahmen seine Funktion als Strukturierungs- und Analysehilfsmittel entfalten kann, ist, dass seinen Elementen detaillierte Artefakte zugeordnet werden. In Ermangelung eines etablierten artefaktbasierten Apparates zur Unterstützung der hybriden Wertschöpfung bedarf es zur Ergänzung des Ordnungsrahmens der Identifikation einschlägiger Artefakte. Für die Identifikation relevanter Artefaktgruppen wurden zwei Erhebungen zu den relevanten Artefakten der hybriden Wertschöpfung durchgeführt: Die erste Erhebung fand auf einem Standardisierungsworkshop des DIN e. V. und des FIR – Forschungsinstituts für Rationalisierung auf dem 10. Aachener Dienstleistungsforum statt, an dem 14 Vertreter aus Wissenschaft und Praxis teilgenommen haben. Die Teilnehmer wurden in drei Gruppen eingeteilt, denen die folgenden Fragen vorgelegt wurden: „Welche Inhalte sind wünschenswert für zu-
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künftige Normen und Standards im Bereich der hybriden Wertschöpfung? Welche Inhalte fehlen im Moment?“. Die Frage wurde in den Gruppen diskutiert und durch den jeweiligen Moderator der Gruppe auf Metaplankarten dokumentiert. Im Anschluss wurden die Metaplankarten thematisch sortiert. Ziel des Workshops war, Themenkomplexe zu identifizieren, die für die Erstellung und Erbringung hybrider Produkte in der Praxis von Relevanz sind. Die so identifizierten Themenkomplexe konnten dem vorgeschlagenen funktionellen Ordnungsrahmen überwiegend unproblematisch zugeordnet werden (vgl. in Tabelle 1 die zweite Spalte, die Zahl in eckigen Klammern gibt die Anzahl der den Themengruppen zugeordneten Nennungen wieder). Die zweite Erhebung erfolgte im Rahmen der ersten Runde einer DelphiStudie, die vom European Research Center for Information Systems (ERCIS) der Universität Münster im Zeitraum 05.07.–10.08.2007 durchgeführt wurde. Zu dieser Studie wurden Experten aus Wissenschaft und Praxis eingeladen, die im Kontext der hybriden Wertschöpfung tätig sind. Den Teilnehmern wurde im Rahmen der schriftlichen Online-Befragung auch die folgende Frage vorgelegt: „Welche konkreten Hilfsmittel fehlen Ihnen zur Unterstützung der hybriden Leistungserstellung?“. Die Antworten wurden ebenfalls in thematische Gruppen zusammengefasst, die sich folglich den Funktionsclustern des Ordnungsrahmens zuordnen ließen (vgl. in Tabelle 1 die dritte Spalte, die Zahl in eckigen Klammern gibt die Anzahl der den Themengruppen zugeordneten Nennungen wieder). Tabelle 1. Resultierender Ordnungsrahmen der hybriden Wertschöpfung Kategorie
Artefakte: DIN-Workshop [14 Teilnehmer]
▪ Balanced Scorecard für hybride Produkte [1] ▪ Innovative Geschäftsmodelle [2] ▪ Vertriebs- und Marketing-Strategien [1] ▪ Detaillierte Marktanalysen [1] Planung [keine] [keine] Controlling ▪ Standards für Rückkopplung ▪ Compliance- und Risikomanagement (Feedback an Anbieter von (Anwendung, Methoden) [1] Vorprodukten) [1] ▪ Vertrags-, Leistungs- und Preiscontrollingmethoden [1] ▪ Reporting für Managementinformationen [1] Entwicklung ▪ Klassifikation von DL und ▪ Toolunterstützung zum Editieren von hybriden Produkten (speziell Modellen [2] Handwerk)/Klassifizierungen, ▪ Werkzeug zur Meta-Modellierung von Systematisierung [1] Sach- und Dienstleistungen für eine Ge▪ SLA-Verträge [1] samtlösung [1] ▪ Anpassung Service Enginee- ▪ Standards für Entwicklungsprozesse [1] ring an hybride Produkt [1] ▪ IT-gestützte Informationssysteme für die ▪ Leitfäden/Checklisten für die Kommunikation und den Datenaustausch Strategie
▪ Reifegradmodelle inklusive Auditing [1]
Artefakte: Delphi-Befragung [51 Teilnehmer]
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Kategorie
Erbringung
Artefakte: DIN-Workshop [14 Teilnehmer]
Artefakte: Delphi-Befragung [51 Teilnehmer]
Entwicklung von hybriden zwischen Produzenten und Dienstleistern Produkten, da viele Erfahrun- [1] gen aus der Produktion über- ▪ Methoden zur Dienstleistungsgestaltung tragbar [1] und -erstellung [1] ▪ Problem-/Lösungsorientiertes ▪ Methoden zur Entwicklung neuer hybrider Entwickeln [1] Produkte [3] ▪ Konfigurationsverfahren [1] ▪ Methoden zur Beschreibung hybrider ▪ Modularisierung [1] Produkte [1] ▪ Preisbildungskalkulation, ▪ Sprachkonstrukte als Grundlage für die ErPricing [2] stellung von Modellen und Methoden [1] ▪ Lebenszyklusorientierte ▪ Modellierungstechniken, um EinzelperLeistungsabwicklung [2] spektiven des Aufgabenbereichs genauer ▪ Modellierung [1] zu spezifizieren [1] ▪ Schnittstellen Organisation, ▪ Modelle zur Koordinierung der Prozessschnittstellen [3] Leistungserbringung [1] ▪ Finanzierungsmodelle [1] ▪ Vorgehensmodelle für Verträge beziehungsweise Rahmenwerke für vertragliche Grundlagen [1] ▪ Contracting Modelle [1] ▪ Standardisierung von Leistungsprodukten [1] ▪ Preisbildungskalkulation, ▪ Suchagenten [1] Pricing [2] ▪ Anwendungswerkzeug zur Steuerung ▪ Prognoseverfahren Absatz [1] und Auswertung des gemeinsamen ▪ Prognoseverfahren Ressour- Geschäftsprozessflusses [1] cenbedarf [1] ▪ IT-gestützte Informationssysteme für die ▪ Beschwerdemanagement Kommunikation und den Datenaustausch (bereits vorhanden) [1] zwischen Produzenten und Dienstleistern ▪ Leitfaden Auftragsabwick[1] lung [1] ▪ Umfassendere und detaillierte Darstellung ▪ Managementleitfaden (als der Leistungs- und/oder Produktanbieter Erleichterung für KMU) [1] über ihre Angebotspalette [1] ▪ Prozesse (intern/extern) [1] ▪ Business Applications (CRM) [2] ▪ Modelle zur Koordinierung der Leistungserbringung [1] ▪ Call Management Anwendung [1] ▪ Methoden für die reibungsfreie Zusammenarbeit mit dem Kunden [1] ▪ Konkrete Referenzmodelle [1] ▪ Standardisierung von Prozessen und einzelnen Aktivitäten in der Wertschöpfungskette [1] ▪ Standards für […] Erbringungsprozesse Abrechnungsverfahren [1]
Ordnungsrahmen für die hybride Wertschöpfung
Kategorie
Artefakte: DIN-Workshop [14 Teilnehmer]
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Artefakte: Delphi-Befragung [51 Teilnehmer]
▪ Reibungslose und gut funktionierende Ablauf der Dienstleistungsprozesse [1] Ablösung ▪ Prozesse (intern/extern) [1] [keine] Terminologie- ▪ Begriffe/Grundlagen festle- ▪ Standardisierte Terminologien/Ontologien management gen, Definitionen [2] [1] ▪ Eindeutige Definition des Begriffs „hybride Leistungserbringung“ [1] ▪ Terminologien für die reibungsfreie Zusammenarbeit mit dem Kunden [1] Buchhaltung ▪ Controlling (intern)/Bewer- ▪ Bewertungsverfahren der einzelnen tung [1] Teilleistungen [1] Kosten▪ Kostenrechnungsmodelle [1] [keine] rechnung ▪ Lebenszykluskosten [1] ▪ Kosteninformation [1] Personalwesen ▪ Ausbildung von MA im Be- ▪ Verständnis und Einsicht derer, die Proreich hybride Wertschöpfung dukte und Dienstleistungen anbieten, Ver[1] ständnis und Offenheit für Netzwerke, „Frontleute“ [1] ▪ Einsicht, dass alle Anbieter gemeinsam das Kundenproblem lösen müssen und dass alle win-win Situationen erleben [1] Informations- ▪ Schnittstellen der IT [1] ▪ Standardschnittstellen zwischen management ‚Produkten‘ und ‚Dienstleistungen‘ IT-Systeme / Anwendungen technologische Standards [2] ▪ Ausgestaltung der Informationsflüsse [1] ▪ Übergreifende IT-gestützte Prozessabwicklung [1] ▪ Verbesserung der Rückkopplung zwischen Produkthersteller und Dienstleistungsanbieter [1] Wissensmana- ▪ Prozesse standardisieren/Re- [keine] gement ferenzmodelle erstellen [1] ▪ Schnittstellen Organisation [1] Technologie- ▪ Schnittstellen Technik [1] ▪ Technologische Standards [1] management ▪ Insbesondere rechtliche Rahmenwerke Rechtsmana- ▪ SLA-Verträge [1] gement (Haftungsfragen etc.) [2] Beziehungs- [keine] ▪ Einsicht, dass alle Anbieter gemeinsam das management Kundenproblem lösen müssen und dass alle win-win Situationen erleben [1]
Die Zuordnung der Artefakte zu den Funktionsclustern des Ordnungsrahmens zeigen, dass der Ordnungsrahmen seine Funktion als Strukturierungsmittel von
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Artefakten erfüllt. Mit den durchgeführten Artefaktzuordnungen kann gezeigt werden, dass der Ordnungsrahmen eine wichtige Funktion bei der Analyse der Forschung zur hybriden Wertschöpfung leisten kann. Eine Analyse der Abdeckung der Funktionsbereiche zeigt, dass in den Befragungen Artefakte für die Ablösung und für einzelne Supportprozesse kaum genannt wurden. Auf der anderen Seite zeigt die ordnungsrahmenbasierte Analyse der Befragungsergebnisse, dass einzelne Bereiche des Ordnungsrahmens durch eine sehr große Vielfalt von Artefakten abgedeckt werden. Diese Vielfalt kann auf Redundanzen hindeuten, die Konsolidierungen und Vereinheitlichungen von Artefakten motivieren können. Diese Schlussfolgerungen bedürfen allerdings einer zusätzlichen detaillierten Analyse. Einschränkend ist anzumerken, dass die durchgeführten Erhebungen nicht für sich in Anspruch nehmen, die bestehenden beziehungsweise gewünschten Artefakte zur Unterstützung der hybriden Wertschöpfung bereits vollständig identifiziert und abschließend systematisiert zu haben. Sie stellen lediglich nützliche Vorarbeiten für die Entwicklung einer umfassenden ordnungsrahmenbasierten Artefaktsammlung dar. Weitere Maßnahmen zur Evaluation und Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens sind notwendig. Insbesondere ist dabei auch die perspektivenund disziplinenübergreifende Verständlichkeit der verwendeten Begriffe zu überprüfen und durch die Bereitstellung eines ausführlichen Glossars zu unterstützen.
5
Ausblick
Ordnungsrahmen können einen Beitrag zur Strukturierung der in der hybriden Wertschöpfung geschaffenen beziehungsweise zu schaffenden Artefakte leisten. Die bisher durchgeführten Erhebungen haben allerdings ausschließlich nach gewünschten Artefakten gefragt. Eine Erhebung konkreter bestehender beziehungsweise in der Entwicklung befindlicher Artefakte wurde noch nicht vorgenommen. Insofern ist eine Ausweitung der Artefaktdatenbasis durch weitere Maßnahmen notwendig. Um eine ausführliche Erhebung von Forschungsergebnissen durchführen zu können, soll ein Internetportal bereitgestellt werden, in das Interessierte Beschreibungen von Artefakten der hybriden Wertschöpfung einstellen können. Als Beschreibungskriterien sind dabei die Kriterienausprägungen der Dimensionen des Ordnungsrahmens zu verwenden. Eine solche ordnungsrahmenbasierte Erhebung der Artefakte erschließt sowohl für die Praxis als auch für die Forschung wichtige Anwendungspotenziale. Einerseits könnte eine solche Artefaktdatenbank bildlich gesprochen als Werkzeugkasten genutzt werden. Auf der Basis der Angabe von Dimensionsausprägungen des Ordnungsrahmens könnte an zentraler Stelle gezielt nach Artefakten gesucht werden, welche die Lösung spezieller Probleme im Kontext der hybriden Wertschöpfung unterstützen. Andererseits ließe sich mit Hilfe einer solchen Datenbasis darstellen, welche Lücken beziehungsweise sogenannte White Spots in der Forschung zur hybriden Wertschöpfung existieren. Auch ließen sich Bereiche mit einer Viel-
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zahl Artefakte identifizieren, für die zu prüfen wäre, ob sie zum Gegenstand von Konsolidierungsmaßnahmen gemacht werden sollten. Neben dem Aufbau einer geeigneten Infrastruktur zur Erhebung der Artefakte stellt die Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens selbst ein wichtiges Feld für weiterführende Aktivitäten dar. Rückmeldungen zur hier vorgestellten Version des Ordnungsrahmens aus Wissenschaft und Praxis legen den Schluss nahe, dass die funktionalen Rahmenelemente weiter verfeinert werden sollten. Ein literaturbasierter Ansatz zur Verfeinerung kann dabei im Vergleich von Vorgehensmodellen bestehen. Ein Literaturvergleich von Vorgehensmodellen, die den Kernprozess Entwicklung strukturieren, liefert beispielsweise eine Einteilung in Ideenfindung, erste Spezifikation und Bewertung, Feinkonzept und organisatorische/technische Implementierung sowie Markteinführung (vgl. Tabelle 2). Zur Verfeinerung der übrigen Kernprozesse bietet sich ein analoges Vorgehen an. Die literaturbasierte Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens soll mit weiteren Ansätzen kombiniert werden. Dabei soll eine möglichst große Gruppe von Vertretern der einzelnen Perspektiven und Disziplinen der hybriden Wertschöpfung involviert werden. Tabelle 2. Exemplarischer Verfeinerungsansatz für den Kernprozess Entwicklung
Quelle DIN 1998
Jaschinski 1998
Meiren 2001
KingmanBrundage und Shostack 1991
Ideenfindung, erste Spezifikation und Bewertung Ideenfindung und -bewertung (Anregungen von Kunden, eigene Ideen), Anforderung (Matching der Ideen mit Kundenanforderungen) Definieren (Idee, Kundennutzen bewerten, Visualisierung, organisatorische Vorklärung), Konzipieren (Gliederung in Dienstleistungskomponenten, Gestaltung der Grundfunktionen, Planung Kundenschnittstelle und Infrastruktur) Definitionsphase, Anforderungsanalyse
Feinkonzept und organisatorische/technische Markteinführung Implementierung Design (Potenzial, Prozess, Ergebnis), Einführung (organisationale Implementierung)
[nur implizit] Später: Dienstleistungserbringung, Ablösung
Umsetzen (Ausarbeiten, Planen der Prozessorganisation, technische Realisierung, Piloteinführung, Markteinführung)
Umsetzen (Ausarbeiten, Planen der Prozessorganisation, technische Realisierung, Piloteinführung, Markteinführung)
Dienstleistungskonzeption und -realisierung
Vorbereitende Markteinführung, Markteinführung Definition, Analyse und Implementation (operative Introduction/AuSynthese werden iterativ Einführung)/Documentation dit (Einführung am Markt, Modiwiederholt bis ein Blueprint („Master Design“) existiert fikation, finales Design)
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Quelle
Ideenfindung, erste Spezifikation und Bewertung
Feinkonzept und organisatorische/technische Markteinführung Implementierung
Edvardsson Service Concept (Konzeptund Olsson entwicklung mit Kunden, 1996 Evaluierung, Analyse von Konkurrenzprodukten und deren Schwächen, SWOT Analyse) Scheuing Direction (Servicestrategie, und John- Generierung und Screening son 1998 von Ideen, Konzeptentwicklung und -bewertung)
Service System (RessourMarkteinführung cenzuordnung), Service Process (Festlegung der Arbeitsschritte, Preisfindung)
RamasDefining Design Attributes wamy 1996 (Analyse der Kundenbedürfnisse), Setting Design Performance Standards, Generating and Evaluating Design Concepts
Developing Design Details (Kopplung von Funktionen und Leistungsstandards, Optimierung), Implementing the Design (Organisation)
VDI 1993
Y-CIMModell, Scheer 1990 McAloone 2006, Tan et al. 2006
Design (detaillierte Beschreibung, Marktanalyse, Umsetzbarkeitsanalyse, Modelle, Marketingkonzept, Personalschulung)
Testing (Test mit Kunden), Introduction (Markteinführung)
Implementing the Design (Markteinführung) Später: Measuring Performance, Assessing Satisfaction, Improving Performance Klären und Präzisieren der Gestalten der maßgeblichen [nicht behandelt] Aufgabenstellung, Ermitt- Module, Gestalten des gelung von Funktionen und samten Produktes, Ausarderen Struktur, Suchen nach beiten der AusführungsLösungsprinzipien, Glieund Nutzungsangaben dern in realisierbare Module Produktanforderung, ProKonstruktion, Arbeitspla[nicht behandelt] duktentwurf nung/Prüfplanung, NC-Programmierung
Erweiterung klassischer Produktentwicklungsmethoden um die Betrachtung von Product-Service Systems, Zusammenführung zweier Lebenszyklusmodelle, „Extraction“ als Vorphase Weber et Die Bestimmung der Product-Service Systemsal. 2004, Steinbach Merkmalen und -eigen2005, Botta schaften erfolgt durch Itera2007 tionen von Synthese- und Analysephasen.
Integration von Sach- und Dienstleistungsentwicklung ist auf die Nutzungsphase der materiellen Komponente eines Product-Service System („Use“) beschränkt
Assembly, Transport, Sale, Installation, Use, Maintenance, Disposal
Kein Feinkonzept oder Im- [nicht behandelt] plementierungsphasen, Konzentration auf Entwicklungsphasen, Modell endet mit der Existenz des Produktmodells
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Danksagung Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch die Förderung der Projekte FlexNet (Flexible Informationssystem-Architekturen für hybride Wertschöpfungsnetzwerke), HyPro (Strategische Veränderung zum hybriden Produzenten), Mind-Bau (Management der Integration von Dienstleistungen und Produktion im Baugewerbe), PIPE (Hybride Wertschöpfung im Maschinen- und Anlagenbau) und SPRINT (Systematisches Design zur Integration von Produkt und Dienstleistung) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Projekte haben sich in der Fokusgruppe „Verfahren und Instrumente“ zusammengeschlossen, die unter http://fokusgruppe-vui.de ausführlich im Internet vorgestellt wird.
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Modellierung technischer Kundendienstprozesse des Maschinen- und Anlagenbaus als Bestandteil hybrider Produkte
Philipp Walter Kundendiensttechniker im Maschinen- und Anlagenbau zählen zu den best ausgebildetsten Dienstleistern in Deutschland. Die Vielfalt und Komplexität der Anlagen, die von ihnen betreut werden, machen es jedoch erforderlich, dass ihnen stets umfangreiche Informationen zur Ausführung ihrer Arbeit zur Verfügung stehen. Wissenschaftlich wurde der Technische Kundendienst (TKD) zwar schon vereinzelt betrachtet, aber seine informationsintensiven Kernleistungen, z. B. die Durchführung von Reparaturen, Wartungen und Inspektionen, wurden bislang offenbar als Gegenstand der Berufsausbildung gesehen und nicht unter Gesichtspunkten der Dienstleistungsmodellierung behandelt. Somit mangelt es an Modellen, die disziplinübergreifend Empfehlungen zur Modellierung von Kundendienst-Kernprozessen geben. Im vorliegenden Beitrag soll daher umrissen werden, wie der TKD speziell im Maschinen- und Anlagenbau erheblich in seiner Effizienz verbessert werden kann, indem seine Kernprozesse modellhaft erfasst und durch Informationsdienstleistungen unterstützt werden. Auf Grundlage einer literaturbasierten und empirischen Untersuchung des TKD in Deutschland wird ein Rahmen zur Umsetzung einer solchen Lösung skizziert und an einem Anwendungsbeispiel verdeutlicht.
1
Einleitung und Motivation
Der Maschinen- und Anlagenbau ist mit ca. 914.000 Beschäftigten die größte Industriebranche Deutschlands (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. 2008). An der Schnittstelle zwischen Herstellung und Nutzung der dort hergestellten Produkte steht traditionell der technische Kundendienst (TKD) (Breunig 2001, Czepiel 1980, Harms 2003, Harris 2007, Krooß 1966, La Londe und Zinszer 1976, Harms 1999, Sterling und Lambert 1989, Teichmann 1994). Hier werden die im Produktlebenszyklus anfallenden Instandhaltungsarbeiten sowohl von herstellereigenen Serviceorganisationen als auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetrieben ausgeführt (Hoppe und Sander 1996, Willerding 1987). Der damit verbundene hohe Bedarf an entscheidungsrelevanten Informationen im richtigen Umfang, zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Ver-
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dichtungsgrad ist dabei ein zentrales und noch ungelöstes Problem (Bullinger, Schuster und Gudszend 2000, Hermes 1999, Sawy und Bowles 2003). Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem TKD reicht bisher jedoch nur bis auf eine Detailebene, auf der einzelne Kernleistungen, d. h. Inbetriebnahme, Inspektion, Wartung und Reparatur, als atomare Vorgänge betrachtet werden, die nicht weiter zu detaillieren sind (Bolumole, Knemeyer und Lambert 2006, Meffert 1982, Muser 1988, Harms 1999). Vielmehr wird ihre Ausführung ausschließlich als ein Ergebnis „technischer Kompetenz“ des Kundendienstmonteurs betrachtet (Harms 1999). Dadurch werden jedoch zwei wesentliche Optimierungspotenziale außer Acht gelassen. Zum einen sind die Kernleistungen, insbesondere Reparaturen, die aus Sicht des Auftrag gebenden Kunden zentralen wertschöpfenden Elemente des gesamten Kundendiensteinsatzes, die durch die darum angesiedelten Supportprozesse vorbereitet (Auftragsannahme, Ersatzteilbeschaffung) oder nachbereitet (Kundendienstberichte, Rechnungsstellung) werden (Schuh und Grawatsch 2005, Timm 2005). Die Kernleistungen sind daher von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung: ihre Dauer, die damit verbundenen Kosten und der bei der Ausführung erzielte Erfolg bestimmen maßgeblicher die Kundenzufriedenheit als alle Supportprozesse (Byrne 1998, Peel 1987). Im Gegenzug werden die Instandhaltungsobjekte des Maschinen- und Anlagenbaus jedoch immer variantenreicher und komplexer und damit das für den TKD notwendige Wissen zur Ausführung der Kernleistungen immer umfangreicher. Die Hersteller der Branche haben dies erkannt und erhöhen ständig die Zahl der technischen Berater und den Umfang der technischen Unterlagen für ihre Produkte. Einem Kundendienstmonteur ist damit jedoch nur bedingt geholfen, da er entweder nicht a priori weiß, welche Anlagenvariante ihn beim Kunden erwartet, oder er aus der Menge der verfügbaren Unterlagen die passenden nicht zur Hand hat, oder sie unter Zeitdruck vor Ort beim Kunden nicht ausführlich sichten und die relevanten Informationen herausfiltern kann. An dieser Stelle den Kundendienstmonteur mit seiner „technischen Kompetenz“ alleine zu lassen, ist folglich unwirtschaftlich. Zum anderen kann eine adäquate Unterstützung für Kundendienstmonteure eine höhere Vorhersagbarkeit der Dauer und Kosten eines Kundendiensteinsatzes zur Folge haben, da bei der Ausführung weniger Fehler gemacht und weniger redundante Arbeiten vorgenommen werden. Sind darüber hinaus noch Kontextinformationen zur Anlage eines Kunden verfügbar, können im Vorfeld sogar Ersatzteilbeschaffungen vorweg genommen werden, indem die am wahrscheinlichsten auf Basis des Fehlerbildes infrage kommenden Ersatzteile direkt identifiziert und zum Kunden mitgeführt werden. Insgesamt führt die dadurch gewonnene Effizienz dazu, dass neue Geschäftsmodelle angeboten werden können: der Kunde kauft nicht das Produkt zuzüglich notwendiger Dienstleistungen, sondern einen Nutzen in Form eines Leistungsergebnisses (Engelhardt, Kleinaltenkamp und Reckenfelderbäumer 1993). Zum Beispiel erwirbt der Kunde statt „Heizung plus Kundendienst und Brennstoff“ einfach das Produkt „Wärme“.
Modellierung technischer Kundendienstprozesse
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Die zentrale These dieses Beitrags ist, dass durch geeignete modellhafte Abbildung der Prozesse des TKD, insbesondere seiner Kernleistungen, eine signifikante Steigerung seiner Effizienz erreicht wird. Dazu wird im Folgenden zunächst eine Begriffsbestimmung vorgenommen sowie der State-of-the-Art im deutschen TKD in der Literatur sowie durch eine explorative empirische Untersuchung nachgezeichnet. Auf dieser Basis wird ein Lösungsrahmen skizziert, der den TKD mit Hilfe geeigneter Dienstleistungsmodelle IT-basiert unterstützt.
2
Der Technische Kundendienst im Maschinen- und Anlagenbau
Für die Begriffe „Kundendienst“, „Technischer Kundendienst“ oder „Service“ existiert weder in der Literatur noch in der Praxis ein einheitliches Begriffsverständnis. So zeichnet beispielsweise Muser systematisch die Entwicklung des Kundendienst- beziehungsweise Servicebegriffs sowohl in der deutsch- als auch der englischsprachigen Literatur zwischen 1965 und 1988 nach und kommt zu dem Schluss, dass lediglich in einem Punkt Einigkeit besteht: beim Kundendienst handelt es sich um eine Zusatzleistung zu einer Sachleistung, der so genannten Haupt- oder Primärleistung. Ob der Kundendienst auch Sachleistungen einschließt, ob technische und/oder kaufmännische Leistungen dazu zählen und ob er vor, während oder nach dem Absatz der Primärleistung anzusiedeln ist, variiert von Quelle zu Quelle (Muser 1988). Auch aktuellere Literatur definiert den Kundendienstbegriff auf Grundlage der etablierten Merkmale. Beispielsweise definiert Harms Kundendienst als „betriebliche Leistung“, die für den Kunden einen Zusatznutzen schafft, indem sie ihm Einkauf oder Nutzung eines Produkts erleichtert beziehungsweise ermöglicht. Unter dem Technischen Kundendienst im Speziellen versteht er eine Dienstleistung in Verbindung mit einem technischen Produkt, wobei er als „Kernleistungen“ die Inbetriebnahme, Inspektion, Wartung und Reparatur des Produkts bezeichnet, also die in DIN 31051 unter „Instandhaltung“ zusammengefassten Tätigkeitsbereiche (DIN Deutsches Institut für Normung e.V. 2003). Nicht zu den Kernleistungen zählt er „zusätzliche Dienstleistungen vor und nach dem Kauf“ (Harms 1999). Die Kernleistungen werden als „stark vom Produkt vorgegeben“ und „stark operativ und technisch“ eingestuft, aber nicht differenzierter betrachtet (Harms 1999, 61). Auch andere Autoren, z. B. Wischniewski et al., betrachten die Kernleistungen ausschließlich unter organisatorischen Gesichtspunkten (Wischniewski et al. 2007). Insgesamt stützt sich die Begriffsbestimmung in der bisherigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem TKD immer auf eine Trennung zwischen Primärleistung einerseits und der in Verbindung mit ihr erbrachten Kundendienstleistungen. Da die Primärleistung aber ausschließlich in Verbindung mit dem Kundendienst, insbesondere dem TKD, für den Kunden ein Leistungsergebnis darstellt, führt diese Trennung gerade in Randbereichen der Definition von „Kundendienst“ zu Un-
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schärfen: ob eine Dienstleistung zum Kundendienst beziehungsweise dem TKD zählt oder nicht, ergibt sich bei aufzählenden Definitionen nur über das Enthaltensein der Dienstleistung in der Aufzählung, und bei merkmalsbasierten Definitionen über die Merkmale der Dienstleistung. Diese Beschreibungsformen müssen zwangsläufig zu einer schwer überschaubaren Definitionsvielfalt führen, wie sie z. B. bei Muser untersucht wurde. Engelhardt et al. beschreiben, wie die dichotome Betrachtung von Sach- und Dienstleistungen bei komplexeren Leistungsbündeln scheitern muss. Der TKD-Begriff im Rahmen dieses Beitrags soll daher auf dem Leistungsergebnis aufsetzen, das durch Kombination von Primärleistung und TKD den Kundennutzen sicherstellt. Dabei soll die Definition sich in den Punkten, in denen weitgehende Einigkeit herrscht, mit den bestehenden Definitionen decken: Unter dem Technischen Kundendienst (TKD) sind alle Sach- und Dienstleistungen, insbesondere Instandhaltungsleistungen, zu verstehen, die an einer Primärleistung in Form eines technischen Produkts erbracht werden mit dem Ziel, dem Kunden die Anschaffung zu erleichtern und den Nutzen für den Kunden über die Produktlebensdauer zu erhalten. In Abb. 1 wird dieses Verständnis in einer Produktstruktur ausgedrückt.
Abb. 1. Einordnung des TKD in die Gesamtleistung
3
Unterstützung des Technischen Kundendienstes
Die bisherige Betrachtung des TKD ausschließlich unter organisatorischen und marketing-orientierten Aspekten führt zu Erkenntnisdefiziten im Bereich der Aus-
Modellierung technischer Kundendienstprozesse
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führung von Instandhaltungsprozessen, die durch eine ergänzende empirische Untersuchung im deutschen TKD adressiert wurden. Als idealtypischer Vertreter des Maschinen- und Anlagenbaus wurde dazu die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikbranche ausgewählt, in der die Untersuchung durchgeführt wurde. Da die bestehenden Defizite einen Mangel an sinnhaften Hypothesen bedingen, wurde noch kein hypothesenprüfender Ansatz verfolgt, sondern ein explorativer empirischer Ansatz gewählt, um systematisch ein breites wissenschaftliches Verständnis der Problemdomäne herzustellen. Da keine ähnlichen Voruntersuchungen bekannt waren, wurde die Untersuchung von Grund auf neu und in zwei Phasen ausgelegt. In der ersten Phase wurde durch Experteninterviews ein Grundverständnis der Domäne erarbeitet. In der zweiten Phase wurde eine Breitenstudie durchgeführt, in der qualitative und quantitative Merkmale des TKD erhoben wurden. Die Experteninterviews ergaben, dass eine Unterstützung des TKD ausschließlich durch punktuelle Hilfsmittel stattfindet. So stellt beispielsweise jeder Hersteller Unterlagen und CD-ROMs mit Serviceinformationen bereit, die aber laufend aktualisiert werden müssen. Außerdem bieten alle namhaften Hersteller Fachhandwerkern eine Telefonhotline zu ihren Produkten an; der ständig steigende Informationsbedarf lässt sich hier an der ständig steigenden Zahl der Beraterplätze ablesen.
Abb. 2. Häufigkeit der Nutzung und Zufriedenheit mit den verfügbaren Hilfsmitteln im TKD. Die linke Skala zeigt die Nutzungshäufigkeit in Prozent aller Kundendiensteinsätze. Die rechte Skala zeigt den Mittelwert der Nennungen auf einer äquidistanten 5-Punkt-Skala von „äußerst unzufrieden“ (0%) bis „vollkommen zufrieden“ (100%).
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Abb. 2 zeigt die Ergebnisse der anschließenden quantitativen Erhebung im TKD zur Nutzung der verfügbaren Hilfsmittel. Die Serviceunterlagen, die die Hersteller bereitstellen, belegen dabei die vorderen Plätze, gefolgt von den Telefonhotlines. Zufrieden sind die Befragten mit der verfügbaren Unterstützung jedoch nicht: ihre Nennungen deuten darauf hin, dass sie sich bestenfalls mit der lückenhaften Informationsversorgung arrangiert haben.
4 4.1
Anwendungsszenario Beschreibung des Szenarios
Abb. 3 zeigt einen exemplarischen TKD-Einsatz von der Auftragsannahme bis zur Rechnungsstellung in Form einer ereignisgesteuerten Prozesskette (EPK). Zunächst wird ein Kundenauftrag entgegengenommen und an einen Kundendiensttechniker weiter geleitet. Da der Kunde seine Anlage nicht hinreichend genau identifizieren kann, muss der Techniker zunächst vor Ort neben den Kundendaten auch die Anlagendaten erfassen. Da der Typ der Anlage im Vorfeld nicht festgestellt werden konnte, muss der Techniker eine erste Fehlersuche ohne weitere anlagenspezifische Hilfsmittel bewerkstelligen. Nachdem eine mögliche Fehlerursache identifiziert ist, besorgt er im Betrieb zunächst die Serviceunterlagen zu dem Anlagentyp, identifiziert das Ersatzteil und beschafft es beim Großhändler. Beim Kunden stellt sich nach dem Einbau heraus, dass die Diagnose „aus dem Bauch heraus“ unvollständig war: die Reparatur schlägt fehl, die Fehlerursache besteht weiter. Mit Hilfe der mitgebrachten Serviceinformationen zur Anlage kann der Techniker den Fehler aber im zweiten Anlauf einkreisen, jedoch muss die Reparatur auf einen Folgebesuch verlegt werden, da Ersatzteilbeschaffung und -einbau den zeitlichen Rahmen sprengen würden. Folglich wird ein neuer Termin vereinbart, der Techniker besorgt das Ersatzteil und baut es zum vereinbarten Zeitpunkt ein, was die Fehlerursache behebt. Der fehlgeschlagene erste Reparaturversuch inklusive Material, der im Kundendienstbericht dokumentiert werden muss, wird vom Kunden bemängelt mit der Folge, dass der TKD-Betrieb Kulanz einräumt und einen Preisnachlass gewährt. Der Kundendiensttechniker verweist entschuldigend auf die hohe Komplexität der Anlage, womit der Kunde unbewusst ihren Hersteller als Mitschuldigen assoziiert. Der so in seinem Ansehen beschädigte Hersteller erfährt jedoch nicht einmal, dass eine seiner Anlagen ausgefallen ist, da die Garantiefrist bereits abgelaufen ist und statt seines Werkskundendienstes ein ortsansässiger, herstellerunabhängiger Betrieb mit dem technischen Kundendienst betraut wurde.
Modellierung technischer Kundendienstprozesse
Abb. 3. Ausgangssituation: Kundendienstfall ohne besondere IT-Unterstützung
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Philipp Walter
4.2
Analyse der Schwachstellen
Der suboptimale Verlauf des Kundendiensteinsatzes im oben geschilderten Beispiel ist kein Einzelfall. In der empirischen Erhebung gab etwa die Hälfte der Befragten an, dass in jedem 4. bis 10. Kundendienstfall ein Mehrfachbesuch unumgänglich ist. Ein weiteres Drittel schätzte die Häufigkeit sogar noch höher ein. Die Vielfalt der Gründe dafür würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, daher sollen im Folgenden die entscheidenden Schwachstellen anhand des oben geschilderten Szenarios skizziert werden. Zunächst ist dem Kundendiensttechniker der Zugriff auf die notwendigen Informationen für seine Arbeit verstellt: Der Kunde kann seine Anlage nicht genau identifizieren (diese müsste dazu z. B. geöffnet werden), der Kundendiensttechniker wiederum kann aufgrund der Vielfalt der in Betrieb befindlichen Anlagentypen nicht alle möglichen Dokumentationen mitführen. Daher bleibt der Weg zum Kunden unumgänglich, ebenso die anschließende Fahrt, um die Serviceunterlagen im Betrieb zu besorgen. Der Grund für den notwendigen Mehrfachbesuch ist damit schon durch die Informationssituation angelegt, noch bevor der Kundendiensttechniker seinen ersten Besuch macht. Eine erste Fehlerdiagnose ist Kundendiensttechnikern im Allgemeinen aufgrund ihrer umfangreichen Ausbildung auch ohne anlagenspezifische Unterlagen möglich, so dass zur Minimierung von Fahrwegen und Reparaturzeit im ersten Anlauf schon ein möglicherweise infrage kommendes Ersatzteil beschafft wird. Dieser erste Reparaturversuch ist hierbei zu interpretieren als mögliche Abkürzung des Reparaturprozesses, falls die „Bauchdiagnose“ des Technikers stimmt. Im dargestellten Fall muss jedoch eine fundiertere Fehleranalyse vorgenommen werden, im Verlauf derer sich die richtige Fehlerursache heraus stellt, so dass in einem Folgetermin mit entsprechend beschafftem Ersatzteil die Reparatur dann gelingt. Abschließend ist also festzustellen. Aufgrund der großen Vielfalt an Geräten und Varianten sowie deren immer weiter steigenden technischen Komplexität kann der Kundendiensttechniker ohne herstellerseitige Informationen zur Anlage im Allgemeinen keine zuverlässige Fehlerdiagnose stellen. Diese Informationen liegen meistens in umfangreicher Papierform vor, können also nicht ständig komplett mitgeführt werden, bedürfen ständiger Aktualisierung und erfordern vom Techniker ein hohes Maß an Kompetenz bei der Suche nach den relevanten Informationsbestandteilen. Der Hersteller der Anlage ist jedoch vom Informationsfluss im gesamten Prozess abgeschnitten, ist aber gleichzeitig der Eigner aller relevanten Serviceinformationen, die der Kundendiensttechniker bräuchte und auf die er nur in Papierform zugreifen kann.
Modellierung technischer Kundendienstprozesse
5 5.1
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Konzeption eines Lösungsrahmens Klassische Wertschöpfung im TKD
Die im Anwendungsszenario veranschaulichte und oben analysierte Überforderung des TKD ist auf die Beschaffenheit der Wertschöpfungskette im Maschinenund Anlagenbau zurückzuführen, die in Abb. 4 dargestellt ist. Die Zuständigkeiten sind den Akteuren dabei wie folgt zuordenbar: die Hersteller verstehen sich traditionell in erster Linie als Produzenten der technischen Sachgüter, die die TKDOrganisationen weiter verkaufen an die Endkunden – zwischen beiden Parteien besteht ein Kunde-Lieferanten-Verhältnis (Muser 1988). Ein Aspekt der Kundenorientierung der Hersteller ist dabei das Bemühen, die TKD-Organisationen auch mit Serviceinformationen zu ihren Produkten zu versorgen (vgl. Teil 1).
Abb. 4. Status Quo der Wertschöpfungskette im Maschinen- und Anlagenbau (Quelle: Thomas et al. 2006)
Die TKD-Organisation tritt gegenüber dem Endkunden wiederum als Lieferant auf und ergänzt das technische Produkt um Kundendienstleistungen, z. B. Beratung, Installation und Instandhaltung. Auf dieses Leistungsbündel ist der Kunde angewiesen, um einen Nutzen aus dem technischen Produkt zu ziehen, da er im Allgemeinen nicht in der Lage ist, die Kundendienstleistungen in wirtschaftlicher Weise selbst zu erbringen. Für den Kunden handelt es sich bei diesem Leistungsbündel, das die TKD-Organisation für ihn zusammenstellt, um ein hybrides Produkt, dessen Bestandteile ihm bei isolierter Betrachtung einzeln kein Leistungsergebnis sichern (Engelhardt, Kleinaltenkamp und Reckenfelderbäumer 1993). Gegenwärtig ist die Komplettierung des technischen Produkts zu einem solchen Kundennutzen stiftenden hybriden Produkt einzig Aufgabe der TKD-Organisationen. An dieser Stelle greift die bisherige Beantwortung der Frage nach Hilfsmitteln zur Ausführung des TKD aber zu kurz. Die integrierte Sichtweise des Kunden auf das hybride Produkt aus technischer Anlage und den darauf abgestimmten Kundendienstleistungen bricht zurzeit beim TKD ab: dem TKD werden lediglich nicht integrierte Sach- und Informationsleistungen zugeführt, so dass er die Serviceinformationen, auf denen seine Dienstleistungen aufbauen, getrennt von den technischen Produkten, die Gegenstand dieser Leistungen sind, behandelt werden müssen. Der Bedarf nach Serviceinformationen zu einem Anlagentyp besteht aber
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nicht generell im TKD, sondern nur in Verbindung mit der Arbeit an der betreffenden Anlage in einer speziellen Problemsituation. Eine adäquate Unterstützung des TKD kann daher nur eine Informationsdienstleistung bieten, die dem TKD zum richtigen Zeitpunkt den richtigen „Informationsmix“ im richtigen Verdichtungsgrad zur Verfügung stellt und ihn so effektiv und effizient in der Erbringung seiner eigenen Dienstleistung unterstützt.
5.2
Hybride Wertschöpfung im TKD
Da sich aufgrund immer kürzerer Entwicklungszyklen und neuer Technologien (z. B. Steuerungselektronik oder Umwelttechnologien) die Komplexität der Produkte des Maschinen- und Anlagenbaus permanent erhöht, stoßen klassische Ansätze zur Versorgung des TKD mit aktuellen Serviceinformationen an ihre Grenzen. Daher werden im Maschinen- und Anlagenbau zurzeit mobile Anwendungssysteme diskutiert, die dem TKD die benötigten Informationen ortsunabhängig und aktuell bereitstellen sollen (Thomas et al. 2006). Der Einsatz solcher mobiler Systeme erweitert die ursprünglichen Leistungen, die der TKD empfängt, um weitere Sach- und Dienstleistungen und verlagert so die „Hybridisierung“ in der Wertschöpfungskette weiter nach vorne. Der Kundendiensttechniker ist somit nicht mehr nur auf sich allein gestellt bei der Aufgabe, aus der technischen Anlage des Herstellers mit seinen Kundendienstleistungen einen Kundennutzen zu generieren, sondern kann auf Leistungen zurückgreifen, die diese Hybridisierung bereits auf einer früheren Stufe der Wertschöpfungskette vorsehen. Abb. 5 zeigt die Wertschöpfungskette im Maschinen- und Anlagenbau nach Integration dieser zusätzlichen Leistungen. Ein herstellerunabhängiges Dienstleistungsunternehmen entwickelt dabei auf Basis der Service- und Produktinformationen der Hersteller sowohl Produktmodelle, die die Produkt- und Bauteilhierarchien der Hersteller abbilden, als auch Prozessmodelle für die im TKD mit diesen Produkten anfallenden Arbeiten in Verbindung mit Taxonomien möglicher Probleme, die an den verschiedenen Produkten auftreten können. Die Entwicklung beziehungsweise Weiterentwicklung der technischen Anlagen einerseits und der zugehörigen Serviceinformationen andrerseits kann dabei integriert betrachtet werden, da beide auf dem Modell des technischen Produkts aufsetzen. Diese modellbasierten Serviceinformationen stehen dem TKD als Informationsdienstleistung mobil und internetbasiert auf Abruf zur Verfügung. Der TKD kann die für ihn im Einzelfall relevanten Informationen durch Navigation über Produkthierarchie und Problemtaxonomie rasch eingrenzen und abrufen. Die Serviceprozessmodelle ermöglichen ihm dann beispielsweise die interaktive IT-gestützte Schritt-für-Schritt-Anleitung durch einen komplexen Instandhaltungsprozess. Zugang zu dem mobilen TKD-Informationssystem bietet ein „Informationswerkzeug“, z. B. in Form eines robusten PDAs oder Notebooks, das Informationen nicht nur anzeigen, sondern auch entgegennehmen, verarbeiten und übertragen kann. Die Unterstützung endet folglich nicht an der Schwelle zur operativen Instandhaltungsarbeit, sondern macht ihre inneren Prozessschritte transpa-
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rent. Dabei sind unterschiedliche Kenntnisstände der einzelnen TKD-Mitarbeiter zu berücksichtigen und auszugleichen, d. h. der Grad der Detaillierung der Prozessschritte muss sich dem Informationsbedarf des Benutzers anpassen. Dies ermöglicht in Verbindung mit der mobilen Anbindung des TKD auch, Informationen über den Serviceprozessverlauf an den Hersteller zurückzugeben, wo sie in die Weiterentwicklung sowohl der Serviceinformationen als auch der technischen Produkte einfließen können.
Abb. 5. Verlagerung der Hybridisierung in der Wertschöpfungskette (Quelle: Thomas et al. 2006)
Bei den in Abb. 5 neu hinzugekommenen Leistungen für den TKD handelt es sich sowohl um Sachleistungen (Computer, PDA) als auch Dienstleistungen (Informationsaufbereitung, Bereitstellung, Betrieb der Infrastruktur durch den herstellerunabhängigen Dienstleister). Durch die Vorbereitung der hybriden Wertschöpfung wird der TKD dabei selbst Empfänger eines hybriden Produkts: die neuen Leistungen bilden in Verbindung mit der technischen Anlage, die die TKDOrganisation erwirbt und weiter verkauft, wiederum ein hybrides Produkt, dass den TKD in der Erbringung seiner Dienstleistungen für den Endkunden unterstützt.
6
Anwendungsszenario mit Unterstützung
Abb. 6 zeigt exemplarisch den Ablauf des Kundendienstfalls aus Teil 4.1 mit Unterstützung durch die oben dargestellten Informationsdienstleistungen. Die Ausgangssituation und der Kenntnisstand der Akteure entsprechen dabei dem ursprünglichen Anwendungsszenario. So kann der Kunde zwar auch hier keine Angaben zu seiner Anlage machen, der TKD-Mitarbeiter kann jedoch nach Identifikation der Anlage mobil auf alle notwendigen Serviceinformationen des jeweiligen Herstellers zugreifen, ohne den Standort der Anlage beim Kunden verlassen zu müssen.3 Auf Basis der Serviceprozessmodelle wird der TKD-Mitarbeiter über 3
Bereiche ohne Netzverfügbarkeit sind dabei durch einen Offline-Modus unterstützt.
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das Informationswerkzeug Schritt für Schritt durch den Fehlerdiagnoseprozess geleitet und kann im Bedarfsfall zu jedem Schritt weitergehende Detailinformationen einsehen. Ergebnis des Diagnoseprozesses ist die Identifikation des fehlerbehafteten Bauteils und die Verifikation des Fehlers. Das im Informationswerkzeug gespeicherte Produktmodell ermöglicht die genaue Identifikation möglicher Ersatzteile. Nach der Ersatzteilbeschaffung über den Großhandel führt der TKD-Mitarbeiter wiederum IT-gestützt die Reparatur durch Austausch des defekten Bauteils durch und verifiziert schließlich die Behebung des Fehlers. Die dabei erhobenen Daten über Arbeitszeit, Material und Prozessschritte werden noch vor Ort zur Erstellung des Kundendienstberichts genutzt, den der Kunde abzeichnet und dessen Ausdruck ihm als Beleg überlassen wird. Der Kundendienstbericht sowie die Detaildaten über den Serviceprozessablauf werden in den TKD-Betrieb übertragen, wo sie z. B. zur Rechnungsstellung genutzt werden. Darüber hinaus werden sie der Reparaturhistorie der betreuten Anlage hinzugefügt, so dass bei weiteren TKDFällen die aktuell durchgeführte Arbeit bekannt ist. Weiterhin wird ein strukturiertes und anonymisiertes Feedback an den Hersteller übermittelt, der daraus sowohl über die Qualität seiner Anlage als auch seiner Serviceinformationen für den TKD Schlüsse ziehen kann. Im Fall eines Bestandskunden erlaubt die Verfügbarkeit der Anlagendaten sowie der Reparaturhistorie darüber hinaus im Vorfeld des TKD-Einsatzes möglicherweise schon eine Eingrenzung eines Fehlers auf einige infrage kommende Ursachen. Dies ermöglicht es, entsprechende Ersatzteile bereits während der Anfahrt zum Kunden zu beschaffen oder aus dem Lager des TKD-Betriebs mitzuführen. Auf diese Weise entsteht der in Abb. 7 gezeigte Prozessverlauf, in dem eine zusätzliche Ab- und Anfahrt zur Ersatzteilbeschaffung nicht mehr notwendig ist.
7
Fazit und Ausblick
Die gegenwärtige Perspektive auf den Technischen Kundendienst (TKD) ist noch stark von der traditionellen dichotomen Betrachtung geprägt, in der das technische Produkt des Herstellers im Vordergrund steht und der Kundendienst im Kontext aller Produkte durch separate TKD-Organisationen stattfindet. Durch die zunehmende Komplexität der Produkte des Maschinen- und Anlagenbaus ist solch ein universeller TKD immer schwieriger zu realisieren, da der Informationsbedarf stark zunimmt. Eine geeignete Unterstützung des TKD muss daher auf einer Informationsdienstleistung aufsetzen, der prozessorientierte und modellbasierte Serviceinformationen zugrunde liegen, die zusammen mit der entsprechenden technischen Anlage entwickelt werden und im Bedarfsfall durch den TKD abgerufen werden können. In diesem Beitrag wurde ein Lösungsrahmen skizziert, wie durch Modellierung und Bereitstellung von Serviceinformationen die Effizienz des TKD im Maschinen- und Anlagenbau verbessert werden kann.
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Abb. 6. Kundendienstfall mit IT-Unterstützung bei Neukunden
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Abb. 7. Kundendienstfall mit IT-Unterstützung bei Bestandskunden
Die Serviceinformationen umfassen dabei zum einen Prozessmodelle zur interaktiven Unterstützung von Instandhaltungsarbeiten bis auf die Ebene einzelner Arbeitsschritte, d. h. die Kernprozesse des TKD werden nicht atomar betrachtet, sondern transparent gemacht. Zum anderen sind die Produkthierarchien der Her-
Modellierung technischer Kundendienstprozesse
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steller und ihr Aufbau aus Bauteilen und Baugruppen modellbasiert erfasst und ermöglichen so die Verortung von Defekten und die Identifikation von Ersatzteilen. Diese Serviceinformationen stehen dem TKD über ein mobiles Anwendungssystem zur Verfügung und werden integriert mit den entsprechenden technischen Produkten entwickelt, angeboten und genutzt. Die Effizienzsteigerung wurde an einem Anwendungsszenario verdeutlicht, in dem der konventionelle Ablauf des Servicefalls ohne Unterstützung einem Ablauf mit Unterstützung durch die skizzierte Lösung gegenüber gestellt wurde. Die Realisierung des skizzierten Szenarios ist – zunächst in prototypischer Form – Gegenstand des Verbundforschungsprojekts PIPE (BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008). Neben der technischen Realisierbarkeit ist hier vor allem die organisatorische Realisierbarkeit Forschungsgegenstand, die im Rahmen der empirischen Erhebung ebenfalls untersucht wurde. Die Ergebnisse, z. B. hinsichtlich IT-Affinität und -Akzeptanz der TKD-Mitarbeiter oder der Bereitschaft, Informationen mit den Herstellern zu teilen, waren dabei äußerst positiv. Stellvertretend seien sie durch das in Abb. 8 gezeigte Resultat zur generellen Bereitschaft, ein System wie das im Beitrag dargestellte zu nutzen, belegt.
Abb. 8. Generelle Meinung der Befragten zur Akzeptanz eines Informationswerkzeugs, das den skizzierten Lösungsrahmen umsetzt. Das Informationswerkzeug wurde dabei anhand seiner Funktionalitäten und mithilfe einer symbolhaften Abbildung beschrieben.
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8
Philipp Walter
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Modellierung technischer Kundendienstprozesse
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Teil III: Modellierung von IT- und Beratungsdienstleistungen
Explikation und Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen
Otmar Adam und Thorsten Dollmann Die Modellierung von Geschäftsprozessen hat sich als Mediator zwischen betriebswirtschaftlicher Anforderungsbeschreibung (IT-Demand) und IT-technischer Umsetzung (IT-Supply) etabliert und wird daher auch bei der Modellierung von IT-basierten Dienstleistungsprozessen verwendet. Die Modellbildung als Instrument der Komplexitätsreduktion stößt dabei immer häufiger an die Grenzen der Beherrschbarkeit. Es werden Prozessmodelle benötigt, die für betriebswirtschaftliche IT-Nachfrager fachlich nachvollziehbar sind sowie als Ausgangspunkt für Implementierungsverfahren für die IT-Produzenten dienen. Hierfür wird eine Erweiterung der Ausdrucksmächtigkeit fachkonzeptioneller Prozessmodellierungssprachen vorgeschlagen, welche unscharfe Aspekte des menschlichen Prozessverständnisses formalisiert aufgreift. Weiterhin sind Explikationstechniken anzuwenden, die das unscharfe Wissen verwendungsgerecht in die erweiterte Modellierung überführen.
1
Unscharfes Wissen als „blind spot“ in Dienstleistungsprozessen
Die Planung, Steuerung und Kontrolle von Vorgängen der Leistungserstellung innerhalb der Strukturen eines Unternehmens sind unter dem Begriff des Geschäftsprozessmanagements als bedeutende Instrumente der Unternehmensführung und Organisationsgestaltung in Wissenschaft und Praxis anerkannt. Durch die Verwendung standardisierter Vorgehensweisen und integrierter Softwarewerkzeuge bei der IT-orientierten Gestaltung, Umsetzung und Überwachung der Geschäftsprozesse durch IT-Beratungsdienstleister lässt sich Organisationswissen vielfach erfolgreich verfügbar machen (Scheer und Adam 2004). Dem Markt für Beratungsdienstleistungen auf Basis einer modellbasierten Geschäftsprozessanalyse werden Wachstumsraten von jährlich über 15% prognostiziert (Blechar und Sinur 2007). Damit wird die hohe Bedeutung des Themas deutlich. In diesem Beitrag wird als Stellvertreter für die vielfach vorhandenen fachkonzeptionellen Modellierungsmethoden die Ereignisgesteuerte Prozesskette
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Otmar Adam und Thorsten Dollmann
(EPK) (Keller et al. 1992) und die zugehörige Architektur Integrierter Informationssysteme (ARIS) (Scheer 2002) genutzt. Parallel zur wachsenden Bedeutung von Geschäftsprozessen werden diese jedoch stetig komplexer. Auf der einen Seite werden Geschäftsprozesse umfangreicher und beziehen mehr Unternehmensressourcen ein. Erfolgreiche Unternehmen sind verstärkt international tätig, um Erfolge aus gesättigten Märkten in neue Märkte zu transferieren. Die Möglichkeit zur weltweiten Tätigkeit wurde insbesondere durch den technologischen Fortschritt vorangetrieben. Indikatoren hierfür sind unter anderem die gesunkenen Kosten für Logistik und Kommunikation (Busse 2002). Die integrierte Betrachtung einer steigenden Anzahl von zu beachtenden Prozessschritten, Organisationswechseln über Landesgrenzen hinweg, einbezogenen IT-Systemen an unterschiedlichen Standorten, verfügbaren Kundendaten und vielfältigen Produktvarianten erfordert entsprechende Managementmethoden und unterstützende Softwarewerkzeuge. Insbesondere aufgrund des steigenden Anteils immaterieller Ressourcen verändert sich auch die Qualität von Geschäftsprozessen. Es ist eine Abnahme der physischen Beobachtbarkeit der Abläufe festzustellen, die insbesondere durch den steigenden Anteil von Wissensarbeit beziehungsweise Dienstleistungen an der Wertschöpfung verursacht wird. Die Wertschöpfung in „Industrienationen“ geht bereits seit über 30 Jahren stärker aus Dienstleistungen als aus der Produktion materieller Güter hervor und erreicht heute ca. 70 % (World Resources Institute 2007). Dienstleistungsprozesse manifestieren sich jedoch deutlich geringer an unmittelbar beobachtbaren Artefakten wie etwa der Produktionsprozess eines Industrieguts in der Produktionsanlage. Gleichwohl ist die vollständige und eindeutige Dokumentation und Überwachung der Prozesse erfolgskritisch für große Unternehmen, da neue regulatorische Rahmenbedingungen, etwa zum Risikomanagement, eine entsprechende Nachverfolgung vorschreiben. Die Darstellung dieser nur im Denken und Handeln vorhandenen Ressourcen und die IT-Unterstützung der Entscheidungs- und Interaktionsverläufe als Leistungsprozesse in einem Unternehmen erfordert die Erweiterung des Modellierungs-Instrumentariums um Spezifika menschlichen Denkens. Das softwaregestützte Management von Geschäftsprozessen auf Basis zweckgebundener Modellierungsmethoden bietet hier umfassende Funktionalitäten an. Jedoch sind diese Systeme von einer hohen Komplexität geprägt (Rosemann 1996), so dass der Mehrwert einer Softwareunterstützung in Konkurrenz zur zusätzlichen Komplexität steht. Forderungen nach einer durchgängigen Unterstützung dispositiver Aufgaben von der unternehmerischen Planung bis zur informationstechnischen Umsetzung von Geschäftsprozessen steht der Kontrast zwischen der Modellbildung menschlichen Handelns und maschineller Verarbeitung von Informationen gegenüber (Mengel 2006, Rademacher 2006). Eine bisher nur begrenzt genutzte Lösungsstrategie zur Reduktion der durch Eigenschaften menschlicher Denkweisen verursachten Komplexität und Steigerung der Beherrschbarkeit computergestützter Systeme liefern Techniken der Künstlichen Intelligenz (KI). Eine für die Explikation menschlicher Denkweisen
Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen
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zum Zweck der Verwendung in Computersystemen sehr erfolgreiche Unterkategorie der KI-Forschung wird in den Methoden der Fuzzy-Set-Theorie, der Künstlichen Neuronalen Netze und den Evolutionären Algorithmen gesehen, die unter dem Begriff des Soft Computing zusammengefasst werden (Zadeh 1975, Bonissone 1997). Zentrale Erkenntnis der Soft-Computing-Techniken ist die Übertragung der menschlichen Fähigkeit ungenaue, unsichere und mit graduellen Wahrheitswerten belegte Aussagen zu verarbeiten. Die Explikation der Vagheit erfolgt dabei auf Basis exakter mathematischer Modelle, so dass eine Abbildung in Informationssystemen möglich ist. Mit der Fuzzy-Set-Theorie können Schlussfolgerungen auf Basis unklarer oder unvollständiger Daten gezogen werden. Entscheidungsmuster können mit Hilfe Künstlicher Neuronaler Netze aus Daten erlernt und durch Anwendung auf neue Daten nachgeahmt werden. Neue, z.T. kreative, Problemlösungen können von Evolutionären Algorithmen gefunden werden. Es existieren erste Ansätze diese Mechanismen auf den Bereich der Unternehmensführung und -gestaltung zu übertragen (Popp 1994, Biethahn et al. 1997, Becker et al. 1997, Forte 2002, Hüsselmann 2003, Thomas und Dollmann 2006, Adam et al. 2006), so dass etwa kompensatorische Abwägungen bei der Entscheidungsfindung oder organisationales Lernen durch adäquate Informationstechnologie unterstützt werden können. Den vorhergehend dargestellten Erschwernissen für die Unterstützung dispositiver Aufgaben im Umfeld sich verändernder Wirtschaftsgefüge könnte besser begegnet werden, wenn sich Eigenschaften der Soft-Computing-Techniken auf die Konzeption und Umsetzung von IT-Systemen übertragen ließen. Daher wird im Folgenden ausgehend von einem konkreten Beispiel in Form eines Finanzdienstleistungsprozesses umrissen, welches Wissen bisher mit den gängigen Modellierungstechniken nicht oder nicht wirtschaftlich sinnvoll dargestellt werden kann und wie eine Erweiterung um Unschärfekonzepte zur genaueren Erfassung und Analyse der Anforderungen sowie deren umfassender Überführung in ITImplementierungen beitragen kann. Schließlich werden Techniken für Beratungsdienstleister zur operativen Erhebung und Explikation dieses unscharfen Wissens vorgestellt.
2 2.1
Explikationsdefekte in bestehenden Methoden Ein Finanzdienstleistungsprozess mit typischem unschärfebedingten Explikationsdefekt im Kontrollfluss
Zur besseren Verständlichkeit der Argumentation wird zunächst ein konkreter Defekt in einem Beispielszenario einer Kreditentscheidung in einer Bank aufgezeigt. Da insbesondere in den Entscheidungspunkten eines Prozessablaufs menschliches Wissen in IT umgesetzt werden muss, wird hier ein Ausschnitt des Prozesses zur Entscheidung über die Kreditvergabe betrachtet. Nachdem eine Beschlussvorlage erstellt wurde, soll über den Kredit nach dem Vier-Augen-Prinzip entschieden
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Otmar Adam und Thorsten Dollmann
werden. Die Ausgestaltung dieses Entscheidungsprozesses ist von der beantragten Kreditsumme und dem Risikorating des Kunden abhängig. Bei einer weiter detaillierten Betrachtung werden in diesem Prozess Partitionen der Kenngrößen „Beantragte Kreditsumme“ in Euro und „Risikorating-Score“ in einer auf 100 normierten Punkteskala herangezogen, um dem Antrag ein gerechtfertigtes Fallbudget für den Prüfungsaufwand mit Konsequenzen für den Prozessfortgang zuzuweisen. Die Partitionierung und Verknüpfung erfolgt wie in Tabelle 1 dargestellt.
Risikorating
Tabelle 1. Zuordnung Fallbudget zu Kreditparametern
UND > 80 > 40 und ≤ 80 ≤ 40
Beantragte Kreditsumme > 300.000 € und ≤ 300.000 € ≤ 700.000 € 100 € 100 € 100 € 800 € 800 € 2000 €
> 700.000 € 800 € 2000 € 2000 €
Bei diesen Werten handelt es sich um die Quantifizierung einer verbalen Umschreibung des Abteilungsleiters unter Rückgriff auf Vorgaben der Unternehmensführung, die mit dem Portfoliomanagement und Risikocontrolling verbunden sind. Abweichungen von diesen Grenzen sind in einem gewissen Rahmen mit Genehmigung des Abteilungsleiters zugelassen, insbesondere bei nur unwesentlichem Unter- beziehungsweise Überschreiten eines Grenzwertes bei gleichzeitig starker Ausprägung im anderen Kriterium. Einen ersten Anhaltspunkt liefert der Verlauf zweier beispielhafter Instanzen im Sub-Prozess „Prüfungsbudget festlegen“. Gemäß der Modellumsetzung im eingeführten Beispielprozess würde ein Kreditantrag über 700.000 Euro mit einem Rating-Score von 81 einer Schnell-Prüfung zugeführt, während ein Antrag mit einer Kreditsumme von 301.000 Euro mit einem Risikorating von 79 im RoutineVerfahren geprüft würde. Diese beiden Instanzen sind in Abb. 1 visualisiert. Die marginale Abweichung im Rating würde den bedeutenden Unterschied in der Kreditsumme überlagern. Die grundlegende Entscheidungstabelle rechtfertigt zwar diese Einordnung, jedoch ist davon auszugehen, dass der Abteilungsleiter entweder die Unterschreitung der Ratinggrenze um einen Punkt im Fall B oder das knappe Überschreiten im Fall A vernachlässigen würde. Das auf dem Expertenwissen beruhende Verhalten ist offensichtlich nicht abgebildet. Diese Abweichung resultiert aus der Art der Quantifizierung der natürlichsprachlichen Beschreibung des Zuordnungsverfahrens in einer stufenartigen Funktion des Fallbudgets in Abhängigkeit der Eingabegrößen Kreditsumme und Rating-Score. Eine besser die gewünschte kompensatorische Charakteristik des tatsächlichen Prozesses widerspiegelnde Zuordnungsfunktion könnte durch eine verfeinerte Abstufung der Klassen erreicht werden. Jedoch wirkt sich diese unmittelbar in einer stark steigenden Komplexität des Prozessmodells aus, da zusätzliche Stufen – etwa durch eine weitere Unterteilung der Inputgrößen – die Anzahl der zu modellierenden Funktionen,
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153
Ereignisse und Prozessverzweigungen unmittelbar vermehrt. Dies erschwert die Verständlichkeit für den Anwender erheblich. Durch die Verknüpfung der Zuordnungsrelation mit Aspekten der Steuerung des Risikoportfolios sind regelmäßige Anpassungen der Grenzen für die Input- und Outputgrößen konzeptionell intendiert. A
B eispielinstanzen: Fall A : 700 ‘ € , Rating 81 Fall B : 301 ‘ € , Rating 79
B B es ch lu ss vo rla g e is t ve rfü g b ar
B e an tr ag te K re d itsu m m e f es tst e llen
B ea n tra g te K red itsu m m e
A
Ris iko rat ing b e i nie drige r K red its u m m e e rm itt te ln
Ris iko rat ing
B > 3 00 ' u n d < = 70 0'
<= 3 0 0 '
Risiko ra tin g b e i m it tle re r K re d itsu m m e erm itt t eln
Ris iko rat ing
A > 40
<= 4 0
B ud g et 10 0 Eu ro zu we ise n
> 80
Ris iko ra t ing be i ho h er K red its um m e er m ittt e ln
Ris iko rat ing
B > 4 0 u nd <= 8 0
<= 4 0
B ud g e t 8 0 0 Eu ro zu we ise n
A S ch ne llP rü fu n g
> 7 00 '
> 80
<= 8 0
B u dg et 2 0 00 E u ro zu we ise n
B Ro ut ine P rüf un g
So n d erPrü fu n g
Abb. 1. Visualisierung beispielhafter Instanzen im quantifizierten Modell
Aufgrund einer geänderten Quantifizierung der Zuordnungsintervalle wird in diesem Fall eine Änderung des Prozessmodells notwendig, was zu erheblichem Aufwand führt. Eine Alternative stellt die Formulierung einer kompensatorisch wirkenden Aggregationsfunktion für die Inputgrößen dar, sodass zunächst aus den Einzelinputs eine Gesamtpunktezahl errechnet und anschließend Partitionen dieses Ergebnisses den Prüfarten zugeordnet werden. Diese Umsetzung des Prozesswissens birgt jedoch einige Einschränkungen für das Prozessmodell in sich. So kann eine solche Entscheidungsfunktion beziehungsweise gegebenenfalls deren Parameter aufgrund des kontinuierlichen Verlaufs nicht unmittelbar als Prozessablauf dargestellt werden, sondern muss als gekapselte, symbolische Beschreibung der übergeordneten Funktion „Prüfungsbudget bestimmen“ hinterlegt werden. Die Verständlichkeit für den Fachanwender leidet stark und die Wiederverwendbarkeit
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Otmar Adam und Thorsten Dollmann
ist aus wirtschaftlicher Sicht unwahrscheinlich, da der Anpassungsaufwand höher als bei einer prozeduralen Darstellung ist. Ähnliche Verzweigungen in Geschäftsprozessen sind in einer Vielzahl anderer Anwendungsdomänen zu finden. So werden oftmals Entscheidungen in der generischen Auftragsabwicklung gezeigt, die ähnliche Strukturen aufweisen (Bungert und Heß 1995, Osterloh und Frost 1996).
2.2
Grundlegende Explikationsdefekte in Geschäftsprozessmodellen
Wie im vorhergehenden Beispiel gezeigt werden in der bisherigen Geschäftsprozessmodellierung relevante Attribute zu Gunsten der Klarheit der Modelle für Fachanwender vernachlässigt oder es erfolgt eine Quantifizierung qualitativer Aussagen, etwa durch Festsetzung harter Intervallgrenzen, die dem zu repräsentierenden Prozess nicht inhärent sind. Solche Klassifizierungsprobleme treten letztlich an jeglicher nicht-konjunktiven Prozessverzweigung einer Ereignisgesteuerten Prozesskette auf, was in der Literatur in abweichender Interpretation als Verkürzung der ECA- zur EA-Regel beschrieben wird. Im Original wird von der „Auswahl“ der für den weiteren Verlauf relevanten Ereignisse gesprochen (Scheer 2001). Diese Aussage scheint auf die Annahme gestützt, dass die zu modellierenden Ereignisse vorgegebenen, diskreten Zuständen des Prozesses entsprechen – die Grundmenge der Ereignisse wird als durch den Prozess bereits induziert vorausgesetzt und die Auswahl der relevanten Ereignisse könnte auf eine mechanische Transformationsaufgabe zurückgeführt werden. Hierin spiegelt sich das abbildungsorientierte Modellverständnis wider, in dem vorgeschlagen wird nicht relevante Ereignisse zu präterieren. Tatsächlich können die Prozessbestandteile sich in mehreren unterschiedlichen Zuständen befinden, um die Voraussetzungen eines Ereignisses im Sinne der EPK zu erfüllen. Aus diesem Blickwinkel werden nicht die relevanten Ereignisse herausgefiltert, sondern eine künstliche Partitionierung des zu modellierenden Spektrums vorgenommen. Dieses Vorgehen entspricht in der Nomenklatur der allgemeinen Modelltheorie nach Stachowiak (1973) also nicht einer gewünschten Präterierung sondern stellt bei Vorliegen unscharfer Klassengrenzen einen unerwünschten Anteil an einer Kontrastierung dar. Analog zum heute vielfach in der Wirtschaftsinformatik geforderten Übergang zum konstruktionsorientierten Modellverständnis werden im Folgenden Ereignisse gemäß EA-Regel als Zustandsklassen des Prozesskontexts verstanden. Die vormals als Auswahl relevanter Ereignisse gekennzeichnete Tätigkeit im Konstruktionsprozess von Modellen wird als Klassifizierung uminterpretiert. Die Modellelemente stellen eine Klassifikation von Kontextzuständen dar. Damit ergibt sich die Problemstellung, den Entscheidungsvorgang der Zuordnung eines Prozessinstanzzustands zur entsprechenden Ereignisklasse zu repräsentieren, notwendigerweise an jeder adjunktiven und disjunktiven Verzweigung in einer EPK. Die Entscheidungsaufgabe in einer Instanz des Prozesses besteht folglich in der Klassierung des eingetretenen Zustandes. Darüber hinaus werden nicht nur verschiedene
Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen
155
Zustände einer Prozessinstanz zu einem Objekt der Typebene zusammengefasst, sondern auch unterscheidbare Ereignisse auf Typebene werden zu den Kontrollfluss bestimmenden Ereignisklassen zusammengefasst. So kann die Ermittlung eines Zinssatzes für ein Kreditangebot in der Prozessinstanz zu Ereignissen führen, die ein fein abgestuftes Wertepaar für den nominalen und effektiven Zinssatz als Kontinuum abdecken. Auf Typebene werden aber auch das Ereignis „nominaler Zinssatz ermittelt“ und „effektiver Zinssatz ermittelt“ zu einer Ereignisklasse „Zinskonditionen ermittelt“ zusammengefasst. Das Klassifizierungsproblem tritt demnach potenziell sowohl bei der Repräsentation mehrerer Instanzenzustände in einem Typebene-Objekt als auch bei der zusammenfassenden Modellierung auf Typebene – also der Erstellung einer Klassifikation auf Typebene – statt. Aus der vorhergehenden Überlegung bezüglich der Ereignisse ist unmittelbar auch die Übertragbarkeit auf Datenobjekte ersichtlich. Gleiches ergibt sich für die weiteren Sichten des ARIS-Hauses. Informationsleistungen bestehen aus Daten und werden durch eine Betonung der konsumierenden beziehungsweise wertschaffenden Charakteristik von Funktionen zu Objekten der Leistungssicht. Gerade die oftmals vorgenommene Definition von Qualitäten eingehender und ausgehender Leistungen zeigt die Klassifikationstätigkeit während der Modellierung von Leistungen an Funktionen. So kann bei der Bewertung der Sicherheiten im Zusammenhang eines Kreditantrages ein Prüfbericht entstehen, der hinsichtlich seines Inhalts und Ausführung gewissen Anforderungen unterworfen ist. Die Komplexität der Sicherheitenbewertung bei intensiver Prüfung bedingt die fallspezifische Wahl alternativer Bewertungsverfahren oder die Heranziehung qualitativer Bewertungsmaßstäbe, so dass der Explikationsdefekt auch in der Leistungssicht als vorhanden erkannt ist. An der Ausführung von Funktionen sind stets menschliche oder maschinelle Aufgabenträger beteiligt. Hierbei kann es sich um konkrete Organisationseinheiten unterschiedlicher Granularität handeln wie etwa eine Person oder eine Abteilung. Daneben können abstrakte Platzhalter der Funktion zugeordnet sein, wie eine Rolle, die dann im zweiten Schritt einer Person zugewiesen wird. Auf Typebene werden Organisationseinheiten bezeichnet, die eine Menge von Merkmalen besitzen, die zur Ausführung der Funktion notwendig sind. Eine Funktion bei der Sicherheitenbewertung, welche Fachkenntnisse bei der Bewertung von Immobilien erfordert, wird von einem „Sachbearbeiter Immobilien“ ausgeführt, eine Funktion zur Überprüfung der Einhaltung des Vier-AugenPrinzips muss in der Revisionsabteilung abgewickelt werden und die Entscheidung über einen Kreditantrag in der Sonderprüfung wird aufgrund der benötigten besonderen Befugnisse vom Abteilungsleiter der Antragsabwicklung getroffen. Wie zu ersehen ist, existieren hier eindeutige Klassen mit nur einem zuordenbaren Element (z. B. die Position des Abteilungsleiters ist nur genau ein Mal vorhanden), Klassen mit mehreren potenziellen Mitgliedern und scharfen Grenzen (Mitarbeiter der Revisionsabteilung) und unscharf abzugrenzende Klassen (die Kenntnisse zur Immobilienbewertung sind vielfältig und können sich je nach Immobilienart unterscheiden). Solche Verfahren werden unter dem Begriff des „Matching“ im Per-
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Otmar Adam und Thorsten Dollmann
sonalmanagement genutzt und es wurde die Charakteristik einer doppelten Klassifikation (die Arbeitskräfte und die Arbeitsplätze klassifizierend) erkannt (Maier und Gollitscher 2000). Da die Zuordnung zu deren Klassen multifaktoriell beeinflusst ist und teilweise keine scharfe Abgrenzung möglich ist, kann bei der Definition von Organisationseinheiten und deren Allokation im Gefüge der Geschäftsprozesse die gleiche Klassifikationsproblematik und damit der gleiche Explikationsdefekt wie bereits in der Daten- und Leistungssicht festgestellt werden. Dieser ist auch auf maschinelle Aufgabenträger anwendbar. Bei der Verknüpfung der Konstrukte aus den vier betrachteten Sichten zu einer EPK in der Steuerungssicht übertragen sich die Einzeldefekte unmittelbar. Zusätzlich entsteht jedoch eine darüber liegende Klassifikationsproblematik innerhalb der Beziehungen zwischen den Objekten unterschiedlicher Sichten. Dieser Effekt kann sehr einfach bei der Betrachtung fakultativer Beziehungen zwischen Objekten nachvollzogen werden. Ist bei der Erstellung des Prüfberichtes im Rahmen der Sicherheitenbewertung die Möglichkeit der Heranziehung eines Gutachters modelliert, ohne eine Beteiligung vorzuschreiben, so ist die tatsächliche Inanspruchnahme eine durch Klassifikationsregeln definierbare Aktion bezogen auf die Funktionsinstanz. Neben der Frage, ob eine Kante vorhanden ist, sollte der Kantenausprägung Beachtung gewidmet werden. In der Praxis ist eine Vielzahl unterschiedlicher Beziehungen zwischen Artefakten und Funktionen modellierbar. Hier kann nun ein Klassifikationsproblem entstehen, bei dem die Kantenausprägung durch Parameter bei der Prozessausführung erst festgelegt wird oder aber es können graduelle Abstufungen einer Kante (z. B. mehr oder minder intensive Ausgestaltung der Kante „prüfen“) auftreten.
2.3
Interpretation des identifizierten Explikationsdefekts
Die spezielle Beobachtung des Vorliegens eines Klassifikationsvorganges bei der Geschäftsprozessmodellierung deckt sich mit den Erkenntnissen der allgemeinen Modelltheorie, die ebenfalls von Attributklassen beziehungsweise Prädikatklassen ausgeht (Stachowiak 1973). Dies wirft eine weitere Unterscheidung auf, die sich in der Differenzierung zwischen der Klassifikation auf perzeptiv-kognitiver Stufe bei der Bildung von Attributklassen oder auf der symbolischen Stufe bei der Bildung von Prädikatenklassen ausdrückt. So kann bereits die mentale Bildung des Objektsystems eine nicht intendierte aber notwendige Klassenbildung beinhalten um dessen Komplexität auf ein beherrschbares Niveau zu reduzieren. Dies liegt insbesondere bei Geschäftsprozessmodellen dann vor, wenn Expertenwissen vom Modellersteller in einen Prozessverlauf zu integrieren ist, das ihm nicht vollständig selbst bewusst (Experte ist selbst Modellersteller) oder nicht vollständig bekannt (IT-Berater ist Modellersteller) ist. Dieser Fall ist im Beispielszenario in der Problematik der rein geistigen Erfassung des Entscheidungswissens des Abteilungsleiters zur Zuordnung von Anträgen zu Prüfverfahren unter kompensierender Berücksichtigung der Inputparameter zu sehen. In einem nächsten Schritt kann die gleiche Problematik der Klassenbildung beim Übergang zur symbolischen Dar-
Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen
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stellung auftreten, da Prädikatklassen gebildet werden. Dies kann am Beispiel der explizierten, kontinuierlichen Zuordnungsfunktion nachvollzogen werden. Selbst wenn diese Zuordnungsvorschrift im kognitiven Objektsystem erfasst wird, kann sie nicht verlustfrei in die Symbolsprache der EPK übertragen werden. Es bedarf einer Rückführung auf endliche Klassen, so dass eine Diskretisierung durchgeführt werden muss (Stachowiak 1973). Insbesondere für Geschäftsprozessmodelle in Form einer EPK sind wenige, handhabbare Klassen, die in der Symbolik gut darstellbar sind, notwendig. Ein Teilproblem der Konstruktion und der Verwendung einer solchen Klassifikation resultiert aus der Verwendung natürlichsprachlicher Ausdrücke und ihnen innewohnender unscharfer oder vager Klassengrenzen in betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, sodass man mit unscharfen oder vagen Begriffen umgehen muss. Im vorgestellten Beispielszenario sind Kreditanträge hinsichtlich ihrer beantragten Kreditsumme und ihres Risikoratings mit unscharfen Klassen wie „hohe Kreditsumme“ oder „schlechtes Risikorating“ verbunden. Die Verwendung solcher unscharfer Daten in Geschäftsprozessen hat sich als problematisch beim Geschäftsprozessmanagement erwiesen (Becker et al. 1997). So werden wie bereits aufgezeigt qualitative Größen verwandt, deren unmittelbare Quantifizierung eine nicht angemessene Repräsentation erzeugt (Biethahn et al. 1998). Im Bereich der Betriebswirtschaftslehre wird diese Vorgehensweise vorrangig mit der Komplexität der Realwelt und der Notwendigkeit der Modellbildung und -verwendung begründet (Bosch 1993). Zur Unschärfe durch die Komplexität der Realwelt tragen einerseits die Vielfältigkeit der Verrichtungen innerhalb eines Unternehmens (interne Komplexität) und andererseits die Dynamik einer nicht-deterministischen Umwelt (externe Komplexität) wesentlich bei Kühn (1989). Der Unschärfebegriff wird in der Literatur dieses Anwendungsfelds nicht einheitlich verwendet (Hüsselmann 2003). Es können verschiedene Formen der Unschärfe identifiziert werden. Diese Formen beziehen sich auf die Entstehungsgründe für Unschärfe und bewirken wiederum eine Konkretisierung des Begriffes. In Hönerloh (1997) und abgeleitet für den relevanten Anwendungsbereich in Adam et al. (2003) findet sich eine Klassifikation der Unschärfe nach informationaler, intrinsischer, kontextabhängiger und erfassungsbedingter Ausprägung, der hier gefolgt wird.
3
Explikation unscharfen Prozesswissens
Die Fuzzy-Set-Theorie erlaubt die Bewertung von Zuständen von Objekten auch mit Zwischenstufen zwischen „wahr“ und „falsch“ und hat sich in Forschung und Praxis als Methode zur Berücksichtigung von Unschärfe etabliert. Hierzu wurde von Zadeh (1965) der Begriff der unscharfen Menge (Fuzzy-Menge) als Erweiterung der klassischen Mengenlehre eingeführt. Auf Basis dieser Mengen lassen sich linguistische Variablen formulieren, die natürlichsprachliche Ausdrücke als Werte annehmen. Diese Variablen können wiederum in einem Fuzzy-System mit-
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Otmar Adam und Thorsten Dollmann
tels spezieller Regeln, bestehend aus Prämissen- und Konklusionsteil, z. B. der Form „WENN Auftragssumme = hoch UND Risikorating = schlecht DANN Kreditprüfungsaufwand = intensiv“, miteinander verknüpft werden. Inferenzverfahren liefern schließlich (scharfe) Werte der Ausgangsvariablen. Zur weiteren Vertiefung des Soft Computing allgemein und in betriebswirtschaftlichen Anwendungen wird auf die bereits genannte Literatur verwiesen. Zur Integration der Unschärfemodellierung in Geschäftsprozessmodelle werden fünf Deutungsebenen, abgeleitet aus der Allgemeinen Modelltheorie nach Stachowiak (1973) und dem Ansatz des Fuzzy Entity Relationship Model (FuzzyERM) nach Zvieli und Chen (1986) verwendet. Auf der ersten Ebene wird die Zugehörigkeit einer Objektrepräsentation zum Modell, also die Eigenschaft ein zu repräsentierendes Individuum zu sein, als unscharfer Sachverhalt gesehen. Es wird jeweils überprüft ob beziehungsweise in welchen Interpretationsalternativen eine graduelle Zugehörigkeit eines Konstrukts, also eines Attributs nullter Stufe, zum Modell sinnstiftend ist. Auf Ebene 2 werden Beziehungen zwischen Individuen, also eine Teilmenge der Attribute erster Ordnung, hinsichtlich eines Zugehörigkeitsgrades unter eins untersucht. Mit der dritten Ebene ist die Frage nach Objektausprägungen verbunden, die nur mit einem Zugehörigkeitsgrad unter eins zu einer Individuenklasse gerechnet werden. Diese Zurechenbarkeit ist insbesondere auf deren Merkmale zurück zu führen. Daher handelt es sich hierbei um Attribute erster Ordnung. In Ebene 4 werden Ausprägungen der Beziehungstypen zwischen Individuen betrachtet. Es ist zu untersuchen, welche Bedeutung der graduellen Erfüllung einer Beziehung zwischen Objekten zukommt. Auf Ebene 5 werden die Attribute zweiter und höherer Stufe behandelt. Es werden Merkmale von Merkmalen betrachtet, die im ERM oftmals in so genannten „Attributen“ gefasst werden. Weiterhin sind Beziehungen zwischen den Merkmalen oder zwischen Merkmal und Beziehung zu spezifizieren. Die darauf folgende Beschreibung der Modellierungserweiterung basiert auf der Definition der EPK-Syntax und Semantik nach Nüttgens und Rump (Rump 1999, Nüttgens und Rump 2002) unter Einbezug der Erweiterungen nach Kindler (2004, 2006).
3.1
Erweiterung der Modellierung der flachen EPK
Zunächst ist auf Ebene 1 die Frage nach einer unscharfen Zuordnung von Kontrollflusskonstrukten zu einem EPK-Schema zu untersuchen. Wie von Zvieli und Chen bei der Entwicklung des Fuzzy-ERM-Ansatzes festgestellt wurde, kann eine solche Unschärfe nur im Zusammenhang des Modellentwurfs bestehen. Dies kann sich derart ausdrücken, dass ein Konstrukt als repräsentatives Objekt gewählt wird und die Alternativen präteriert werden. Somit ist zum Zeitpunkt der Konstruktion der EPK zu entscheiden, ob eine Verlaufsalternative in das Modell aufgenommen wird. Ein Kriterium für diese Entscheidung kann die Prototypizität des Verlaufs – insbesondere der Konstruktalternative – sein. Ein Maß hierfür setzt sich aus Häu-
Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen
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figkeit und Abdeckungsbreite der Verlaufsalternative hinsichtlich der tatsächlichen oder möglichen Verläufe zusammen. Auf Ebene 2 ist die Frage nach der Abbildung von Beziehungen im Modell zu beantworten. Hierbei ist zu beachten, dass Funktionen und Ereignisse zumeist exakt eine eingehende und eine ausgehende Kante besitzen. Daher bedingt die Entscheidung auf Ebene 1 über die Aufnahme oder Ablehnung eines Konstrukts in das Modell bereits die Modellierung entsprechender Kanten. Auf Ebene 3 werden Instanzen von Konstrukten unter Bezugnahme auf Ihre Merkmale unscharf den Konstrukten zugeordnet. Nach klassischer, zweiwertiger Logik würde eine Funktion entweder exakt wie vorher definiert bearbeitet oder aber eine vollkommen davon abweichende Ausnahmebehandlung abgearbeitet. Ein Ereignis kann entweder exakt eintreten oder aber überhaupt nicht realisiert werden. Die Nähe des tatsächlich realisierten Konstrukts und des zuvor modellierten kann durch den Übergang zu einer fuzzy-set-basierten Darstellung ausgedrückt werden. Es sei angemerkt, dass sich hierdurch die Definition einer EPK-Instanz unwesentlich erweitert, da das zugrunde liegende EPK-Schema nicht mehr unverändert referenziert werden kann, sondern eine Ausprägungskopie mit bewerteter Referenz zum Schemaelement erstellt wird. Auf Ebene 4 wird unmittelbar die Definition der Instanz einer EPK betrachtet, indem der durch die Kantenmarkierungen ausgedrückte Zustand einer EPK auf Verunscharfung untersucht wird. Hierbei wird explizit nicht dem Ansatz nach Scheer (2001) gefolgt, da Konflikte mit der für diese Ausarbeitung als grundlegendes Paradigma angenommenen Verkürzung der ECA- zur EA-Regel ergeben. In Konsequenz darf eine Verunscharfung der Kontrollflusszustände das Schaltverhalten der EPK im Ergebnis nicht verändern. Jedoch kann das Zustandekommen der Schaltentscheidung (z. B. die Auswahl zu aktivierender Kanten an nicht-konjunktiven Split-Operatoren) verbessert werden sowie durch Weitergabe des graduellen Schaltwertes an nachfolgende Konstrukte ein Informationsmehrwert geschaffen werden. Die Prozessmappe drückt dann nicht nur aus, dass beziehungsweise in welcher Richtung geschaltet wurde, sondern auch zu welchem Grad geschaltet wurde (z. B. mit welcher Intensität ein auslösendes Ereignis eingetreten war oder welche Qualität die Ausführung einer Funktion hatte). Auf Ebene 5 schließlich sind Merkmale und Beziehungen von Konstrukten, Merkmalen und Beziehungen zu betrachten. Für die folgenden Ausführungen wird die Untersuchung von Merkmalen der Konstrukte und von Merkmalen der Beziehungen ausreichen. Merkmale von Konstrukten wurden bereits auf Ebene 3 genutzt, um Instanzen zuordnen beziehungsweise bewerten zu können. Da die Merkmale eines Konstrukts bereits in Ebene 1 bei der Auswahl als Individuum betrachtet wurden, erscheint eine weitergehende Differenzierung durch einen Zugehörigkeitsgrad nicht gewinnbringend. Selbstverständlich können jegliche Merkmale selbst unscharfe Werte annehmen – dies ist jedoch nicht direkter Gegenstand der Modellierung einer EPK. Auch Beziehungen zwischen Merkmalen oder zwi-
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Otmar Adam und Thorsten Dollmann
schen Beziehungen können unscharf sein. Diese werden jedoch bei der Modellierung weder im scharfen noch im unscharfen Fall betrachtet.
3.2
Erweiterung der Modellierung von erweiterten EPK
Unter Artefakten werden hier solche Konstrukte in Geschäftsprozessmodellen verstanden, die nicht direkt in den Kontrollfluss des Prozesses einbezogen sind. Insbesondere Elemente der Organisations- und Leistungssicht sowie Elemente der Daten- und Funktionssicht außer Ereignissen und Funktionen selbst sind solche Artefakte. Auch deren Vorkommen im Modell beziehungsweise ihre Zuordnung zu Konstrukten des Kontrollflusses ist auf eine unscharfe Deutbarkeit zu untersuchen. Daher werden im Folgenden ausgewählte Vertreter dieser Sichten in unscharfer Verwendung erläutert. Erneut wird das aus fünf Ebenen bestehende Ordnungsraster verwendet. Auf der ersten Ebene ist die grundlegende Entscheidung über die Modellierung von Artefakten in einem Modell zu treffen. Mehr noch als bei Kontrollflussobjekten ist bei Artefakten aufgrund ihres stärker informatorischen Charakters die Relevanz der Modellierung und damit die Prototypizität zu beachten. Die auf der Ebene 2 adressierte Frage nach der graduellen Modellierung von Beziehungen auf Typebene ist bei Artefakten im Unterschied zum Kontrollfluss relevant, weil ein Artefakt über mehrere Kanten und diese wiederum über mehrere Typen verfügen können, die durch Regeln eingeschränkt werden. Somit entsteht die Notwendigkeit einer näheren Spezifizierung der Kanten. Auch bei den Beziehungen kann eine Prototypizität angegeben werden. Hierbei handelt es sich um ein Gütemaß für die Eigenschaft einer Kante repräsentativ für alle Beziehungen zwischen zwei Objekten zu sein. Eine Kante ist dann kein vollkommener Prototyp einer Beziehung im Objektsystem, wenn sie sich in unerwünschter Weise vom Original unterscheidet. So kann die Einbeziehung einer Ressource in eine Funktion nur fallweise erfolgen oder die Art und Qualität der Einbeziehung kann sich unterscheiden. Bei parallelen Kanten zwischen denselben Objekten kann jede Kante als linguistischer Term aufgefasst werden, der über einem auf das Artefakt bezogenen Universum definiert ist. So können beispielsweise die Kantentypen „muss informiert werden über“ und „stimmt zu“ als Kontinuum über einem Index für den Genehmigungsbedarf einer Funktion durch eine übergeordnete Instanz interpretiert werden. Neben der Möglichkeit dies als parallele Kanten mit unterschiedlicher Prototypizität zu modellieren könnten die beiden Kanten als Kantengruppe mit der Kennzeichnung „konkurrierend“ in einer Abhängigkeitsrelation auf Ebene 5 versehen werden. Es handelt sich hierbei um eine stark bedeutungsverwandte Darstellungsalternative. Bei Kantengruppen, die durch eine Abhängigkeitsrelation als komplementäre oder konkurrierende Kanten gekennzeichnet sind, können unter Umständen Regeln oder Constraints für die Auswahl oder Kombination von Kanten definiert werden. So kann die Verwendung einer durch ein Artefakt beschriebenen Ressour-
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ce das Fehlen einer anderen Ressource graduell ausgleichen – etwa bei alternativen Organisationseinheiten für die Ausführung einer Funktion unter Berücksichtigung derer Kosten und Rest-Kapazitäten. Auch hierfür können alternativ mehrere Kanten unterschiedlicher Prototypizität in das Modell aufgenommen werden oder aber eine entsprechende Erweiterung auf Ebene 5 erfolgen. Auf Ebene 3 ist erneut eine starke Verwandtschaft mit den Kontrollflusskonstrukten erkennbar. Auch hier werden den Artefakten im EPK-Schema Instanzen auf Basis unscharfer Merkmale zugeordnet. Es ist analog dem Vorgehen im Kontrollfluss zu verfahren. Parallel zur Ebene 4 des Kontrollflusses und in Weiterführung der Ebene 2 für Artefakte werden auf der Ebene 4 unscharfe Aktivierungswerte für Kanten zwischen Artefakten und Kontrollflusskonstrukten zugelassen. Hierdurch ergeben sich unter Beachtung der unscharfen Zuordnung auf Typebene weiter verunscharfte Realisierungen der Kantenbelegung. Auf Ebene 5 sind unscharfe Merkmale wie im Kontrollfluss grundsätzlich möglich, bedürfen jedoch keiner Erweiterung der Sprache. Die Merkmale der Beziehungen sind bei Artefakten Gegenstand der Modellierung, insbesondere durch die Explikation der Kantentypen. Aus dieser Perspektive wurde bereits bei der grundsätzlichen Entscheidung über die Modellierung der Kanten in Ebene 2 die Unschärfe dieses speziellen Merkmals identifiziert und dieses wird hier unverändert aufgenommen. Weiterhin wird bei Artefakten auch eine spezifische Beziehung zwischen Beziehungen in das Modell aufgenommen. Hierbei ist ein gradueller Übergang zwischen komplementärer und konkurrierender Bedeutung möglich, der sich an die Eigenschaften kompensatorischer Operatoren der Fuzzy-Set-Theorie anlehnen kann.
4 4.1
Explikationstechniken für Prozessmodellierer Befragungstechniken zur Extraktion von unscharfem Prozesswissen
Eine wichtige Fragestellung ergibt sich aus der Deutung der Zugehörigkeitsgrade, die hier bisher nur in ihrem intuitiven Verständnis verwendet wurden. So ist die Attributierung eines bestimmten Kreditantrages (z. B. über 720.000 Euro) mit dem beispielhaften Zugehörigkeitsgrad 0,8 zur Menge der Kreditanträge mit hoher Kreditsumme auf verschiedene Arten interpretierbar. In der Likelihood-Perspektive bedeutet der Wert 0,8, dass bei einer Bewertung durch die involvierten Mitarbeiter 80 % den Kreditantrag als hoch einstufen. Die Random-Set-Perspektive besagt, dass 80 % der Bewertenden ein Intervall für die hohe Kreditsumme angegeben haben, in dem sich der betrachtete Kreditantrag befindet. Die SimilarityPerspektive besagt, dass die beantragte Kreditsumme in einem normalisierten Abstandsmaß mit dem Wert 0,2 von einer vollkommen als hoch einzustufenden Kreditsumme abweicht. In der Utility-Perspektive wird ein Nutzen von 0,8 mit der Einstufung der beantragten Kreditsumme als hoch verbunden. Aus der Measure-
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ment-Perspektive ist der Kreditantrag auf einer näher zu definierenden Skala mit dem Wert 0,8 als höher als andere Kreditanträge einzuschätzen.4 Da die Bedeutung der Zugehörigkeitsgrade eine Interpretation erfordert, sind umgekehrt für die Ermittlung von Zugehörigkeitsfunktionen (auch: Elicitation) unterschiedliche Vorgehensweisen möglich. Grundsätzlich kann zwischen Methoden, die Expertenbefragungen in den Mittelpunkt stellen, und der parametrischen Anpassung von Grundformen (deformable prototypes) unterschieden werden, wobei eine Kombination möglich ist (Bothe 1995). Zu den auf Befragungen basierenden Methoden sind unter anderem folgende Ansätze zu zählen (Bilgiç und Türksen 1999). Beim Polling werden den Experten Beispielwerte und jeweils ein Zuordnungsvorschlag präsentiert. Der Experte entscheidet dann zweiwertig über Zustimmung oder Ablehnung des Zuordnungsvorschlags. Dieses Erhebungsverfahren ist offensichtlich eng mit der Likelihood-Perspektive verbunden und führt Unschärfe auf intersubjektive Kategorisierungsdifferenzen zurück. Im Beispielszenario könnte die Frage lauten „Würden Sie zustimmen, dass ein Kreditantrag über 800.000 Euro zu den Kreditanträgen mit hoher beantragter Kreditsumme gehört?“. Das Direct Rating, auch als Point Estimation bezeichnet, versucht unmittelbar die Zugehörigkeitsgrade von einem Individuum zu erfragen. Im Beispiel könnte gefragt werden, wie stark die Eigenschaft der niedrigen, mittleren und hohen beantragten Kreditsumme auf den Kreditantrag über 800.000 Euro zutrifft. Dieses Verfahren wird gewöhnlich auf den gleichen Experten mehrfach im Zeitverlauf angewendet. Es ist insbesondere für die Validierung bestehender Zugehörigkeitsfunktionen anwendbar. Es sind Anlehnungen an die Similarity- und die MeasurementPerspektive erkennbar. Den umgekehrten Weg geht das Reverse Rating, indem der Experte Beispiele nennen soll, die einen vorgegebenen Zugehörigkeitsgrad zu einem Term besitzen; im Beispiel würde also die Frage gestellt, welche Kreditanträge zu 90 % zu den Anträgen mit hoher beantragter Kreditsumme gehören. Dieses Verfahren kann insbesondere zur Überprüfung von Zugehörigkeitsfunktionen genutzt werden. Das Reverse Rating wird der Measurement-Perspektive zugeordnet. Die Interval Estimation fragt nach einem Intervall der Grundmenge, in dem Objekte eines Terms nach Einschätzung des Experten liegen. Im Beispiel wird also nach dem Intervall gefragt, in dem sich Kreditanträge mit hoher beantragter Kreditsumme befinden. Dieses Verfahren lehnt sich an die Random Set-Perspektive an. Die Ergebnisse des Verfahrens sind vergleichsweise schärfer als bei den zuvor vorgestellten Erhebungsverfahren. Dies resultiert insbesondere aus dem Wegfall der recht rigorosen Verscharfung von Antworten der Experten beim Polling und beim Direct Rating. Mit der Exemplification (auch: Anchoring) wird die direkte Erfassung von Zugehörigkeitsfunktionen adressiert. Hierfür werden den Experten mehrere beispielhafte Aussagen vorgelegt und eine Einschätzung der Zugehörigkeit zu Termen abgefragt. Im Beispiel könnten Zugehörigkeiten einer äquidistan4
Eine umfassende Auseinandersetzung mit den Interpretationsalternativen findet sich bei Bilgiç und Türksen (1997). Eine alternative Kategorisierung findet sich bei Spies (1993).
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ten Partitionierung der beantragten Kreditsumme (z. B. 100.000 Euro, 200.000 Euro, …) als Eckwerte vorgelegt und deren Zugehörigkeit zu den linguistischen Termen niedrig, mittel und hoch geprüft werden. Beim paarweisen Vergleich (Pairwise Comparison) werden dem Experten mehrere Sachverhalte präsentiert und es ist einzuschätzen, welcher der beiden stärker zu einem Term zuzurechnen ist. Hierbei ist auch eine Differenzeinschätzung vorzunehmen, wie stark sich die beiden Sachverhalte bezüglich der Zugehörigkeit zum Term unterscheiden. Im Beispiel kann die Fragestellung dazu lauten „Um wie viel ist ein Kreditantrag über 800.000 Euro stärker der Kategorie hoch zuzuordnen als ein Antrag über 700.000 Euro?“. Zur Anwendung der Erhebungsverfahren gibt die jeweilige Fuzzy-Perspektive Hinweise. Die empfohlenen Verfahren zu einer Interpretationsart der Zugehörigkeitswerte sind in Tabelle 2 dargestellt. Tabelle 2. Zuordnung der Interpretationsarten zu Explikationstechniken (Bilgiç und Türksen 1997) Interpretation Likelihood View Similarity
Explikationstechniken
Measurement
Polling, Neuronale Fuzzy-Techniken Neuronale Fuzzy-Techniken, Fuzzy Clustering, Direct Rating, Membership Exemplification, Pairwise Comparison Direct Rating, Reverse Rating, Pairwise Comparison
Utility
Pairwise Comparison
Random Set
Interval Estimation
4.2
Erweiterung der Werkzeugunterstützung für das Geschäftsprozessmanagement
Um die erläuterte Erweiterung dem Anwender, also dem Modellkonstrukteur oder dem Modellnutzer, zugänglich zu machen ist eine Erweiterung der Softwarewerkzeuge für das Geschäftsprozessmanagement zu prüfen. Hier werden kurz die notwendigen Erweiterungen auf den fünf Unschärfeebenen erläutert, die in Softwarewerkzeugen vorgenommen werden müssen. Auf der Ebene 1 und 2 ist mit der Prototypizität lediglich ein zusätzlicher Zahlenwert zu Konstrukten zu erfassen. Bei der analytischen Modellkonstruktion können historische Werte für die Häufigkeit eines prototypischen Konstrukts bereitgestellt werden. Die im vorhergehenden Abschnitt erläuterten Verfahren zur Erhebung von Zugehörigkeitsfunktionen können in einer Dialogkomponente zur Ermittlung des Abdeckungsgrades eingesetzt werden. Insbesondere die für einige Methoden erforderlichen exemplarischen Befragungen können automatisiert werden, indem Beispielwerte erzeugt und die Einschätzungen des Experten aufbereitet werden. Auf der dritten Ebene ist zunächst auf Typebene, also im Zusammenhang der EPK-Schemas, die Erfassung linguistischer Variablen zu ermöglichen. Weiter-
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hin sind den Konstrukten Regeln für die Berechnung der Zugehörigkeit einer Objekt-Instanz zur Objekt-Klasse zu hinterlegen, die sich auf Merkmale der ObjektInstanz beziehen. Hierdurch wird dem Modellnutzer eine automatisierte Entscheidungsunterstützung für die Zuordnung von Instanzen bereitgestellt. Die Erweiterung des Kontrollflusses auf Ebene 4 bedingt bei Verwendung des Schwellenwertes Null für alle Kanten zunächst nur eine Erweiterung um eben diese beiden Zahlenwerte des Aktivierungsgrades und des Schwellenwertes. Eine Erweiterung weitergehender Funktionalitäten wie etwa der Analyse und Simulation von Modellen bleibt unberührt. Dies wird notwendig, sobald von Null abweichende Schwellenwerte zugelassen werden oder die Artefaktkanten ebenfalls einbezogen werden. In Verbindung von Ebene 4 und 5 müssen die Artefaktkantengruppen zunächst als solche gekennzeichnet werden können – hier ist eine n:m-Beziehung zu verwalten. Diesen Beziehungen wiederum sind Regeln für die kombinierte Berücksichtigung von Artefaktkantenaktivierungen im Sinne von Constraints zu hinterlegen. Den Kontrollflusskonstrukten sind Schwellenwerte für die jeweiligen Artefaktgruppen zu hinterlegen. Den Kanten sind die Kantentypen im Stil linguistischer Variablen zu hinterlegen. Grundsätzlich sollten alle Attribute als unscharfe Merkmale verwaltbar gemacht werden, um den Vorgaben der Ebene 5 zu entsprechen. Sobald Unschärfeaspekte in der Werkzeugunterstützung integriert sind, kommt neben der Nutzung oben angeführter manueller Explikationstechniken auch die Anwendung automatisierter Verfahren auf Basis historischer Prozessinstanzdaten in Betracht. Hierfür wurde in Adam et al. (2006) ein Vorschlag auf Basis Künstlicher Neuronaler Netze vorgestellt, der als Ansatz aus dem Soft Computing Kontext die hier entwickelte Technik unmittelbar unterstützt.
5
Zusammenfassung und weiterer Forschungsbedarf
Im vorliegenden Beitrag wurden die Defekte der vielfach zur Modellierung ITbasierter Dienstleistungsprozesse verwendeten Modellierungssprachen aufgezeigt und auf das Konkurrenzverhältnis zwischen exakter Implementierungsbeschreibung für IT-Systeme und der fachlichen Darstellung oftmals unscharfen Prozesswissens zurückgeführt. Um die notwendige Verbesserung der Modellgüte mit hinreichend geringer zusätzlicher Komplexität zu bewerkstelligen, wurde ein Ansatz zur Erweiterung der Modellierung mit Elementen der Fuzzy-Set-Theorie vorgestellt. Die Erhebung der zusätzlich benötigten Informationen wird im Beitrag durch Übertragung bekannter Explikationstechniken auf den Anwendungskontext vorbereitet. Die Erweiterung der Modellierungswerkzeuge um diese Techniken wird als Möglichkeit zur Integration automatisierter Erhebungsverfahren auf Basis lernender Verfahren aufgezeigt. Der weitere Forschungsbedarf konzentriert sich aus Sicht der Autoren auf zwei Feldern. Zum einen ist die Erhebung und Wiederverwendung des neu erschlossenen Prozesswissens in der Interaktion mit dem Modellersteller beziehungsweise – nutzer durch einfache grafische Oberflächen zu vereinfachen. Hierfür sind die
Modellierung von unscharfen Aspekten in IT-basierten Dienstleistungsprozessen
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Formalisierung der Modellierungserweiterung sowie die ergonomische Gestaltung der Nutzerinteraktion zu untersuchen. Diese Betrachtung sollte im Zusammenhang der in der praktischen Anwendung der Wirtschaftsinformatik aktuell vorherrschenden Fokusthemen um Service Orientierte Architekturen (SOA) erfolgen, die durch die Grundprinzipien der Modularisierung und Entkoppelung eine weitere Komplexitätserhöhung und damit weiteren Anwendungsnutzen der vorgestellten Methoden bedingen. Als zweiten Forschungsstrang sehen die Autoren die Verwendung des neu erfassten Prozesswissens zur Verbesserung der Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen. Insbesondere die Assistenzeigenschaften von Evolutionären Algorithmen bei der Optimierung unscharfer Fragestellungen können als nächster Schritt betrachtet werden.
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Serviceorientierung im Prozessmanagement – Analyse der Potenziale Serviceorientierter Architekturen auf Basis von Prozessmodellen
Jan vom Brocke Die Verbreitung Serviceorientierter Architekturen (SOA) macht die Modellierung von Dienstleistungen zu einem zentralen Thema im Prozessmanagement. Die Gestaltung serviceorientierter Prozesse erfolgt durch Konfiguration von ServicePortfolios, womit neue Anforderungen an die Prozessmodellierung gestellt werden. Dieser Beitrag stellt das Konzept der Potenzialmodellierung vor und zeigt, wie sie verwendet werden kann, um eine Beurteilung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten von SOA in unternehmensindividuellen Anwendungssituationen vornehmen zu können. Der Ansatz wird an einem Anwendungsbeispiel veranschaulicht.
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Prozessorientierung in der Serviceorientierung – Serviceorientierung in der Prozessorientierung
Mit der Entwicklung Serviceorientierter Architekturen (SOA) wird angestrebt, Anwendungssysteme aus Teilsystemen zusammenzusetzen, die eine spezifische Dienstleistung zur Verfügung stellen und lose miteinander gekoppelt werden (Leymann 2003). Die „lose Kopplung“ kommt darin zum Ausdruck, dass die Teilsysteme nicht an einzelne Anwendungssysteme gebunden sind, sondern vielmehr zur Ausführung von Prozessen mehrerer Anwendungssysteme zur Verfügung stehen. Durch die Entwicklung serviceorientierter Produktvarianten betrieblicher Standardsoftwareprodukte ist SOA auch für die Unternehmenspraxis relevant geworden. Beispiele für Systeme sind „e Business on demand“ (IBM 2004), „Oracle SOA Suite“ (Oracle 2004) und „Sonic ESB“ (Craggs 2003). Auch bei SAP® vollzieht sich bereits die Ablösung des bislang in über zwei Millionen Installationen eingesetzten Produkts „R/3“ durch die auf der „Netweaver™“-Technologie basierende Lösung „Enterprise SOA“ (SAP 2006). Die Erwartung besteht darin, eine wesentlich flexiblere Abstimmung des Informationssystems und des Organisationssystems einer Unternehmung zu realisieren als dies bisher möglich war. Eine genauere Analyse der Nutzungsmöglichkeiten von SOA kann aus Sicht des Prozessmanagements erfolgen (vom Brocke 2006). Unter Prozessmanagement
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Jan vom Brocke
wird hier ein Arbeitsgebiet verstanden, das die Planung, Durchsetzung und Kontrolle von Unternehmensprozessen zum Gegenstand hat (vgl. z. B. Gaitanides et al. 1994, Allweyer 2005). Als Prozesse werden inhaltlich abgeschlossene, zeitlichsachlogische Folgen von Funktionen bezeichnet, die zur Überführung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objekts in einen spezifischen Endzustand erforderlich sind (Becker und Kahn 2005). Die Konzentration auf Fragen der Prozessgestaltung erweist sich insbesondere deswegen als günstig, da hier typischerweise Elemente der Organisations- und Informationssystemgestaltung auf einander abgestimmt werden (Österle 1995, Scheer 1998). In diesem Sinne ist die Prozessgestaltung geradezu stellvertretend für eine auf ein Alignment zielende Gestaltung des Organisations- und Informationssystems. Die Bedeutung von SOA für das Prozessmanagement kann durch Unterscheidung zwischen der „Strukturierung“ und der „Institutionalisierung“ (also der organisatorisch-technischen Realisierung) von Prozessen erklärt werden. Die Differenzierung stützt sich auf Arbeiten der Organisationslehre. So wird z. B. im Konzept der Aufgabenanalyse und -synthese nach Kosiol zwischen der „Aufgabe“ und ihrer Übertragung an „Aufgabenträger“ unterschieden (Kosiol 1962, 45 f.). Aufgabenträgern kommt die „Erfüllung“ der Aufgabe zu, die hierzu „sachliche Hilfsmittel (Sach- oder Arbeitsmittel)“ – auch „Erfüllungsmittel“ – verwenden. Auch Nordsieck nimmt diese Unterscheidung vor und erfasst sie terminologisch durch den Begriff der „Funktion“. Während Aufgaben die (fachliche) Zielsetzung des Handelns bezeichnen, erfasst die Funktion ihre Zuweisung an Aufgabenträger (Nordsieck 1955). Vor dem Hintergrund dieser Differenzierung können die Potenziale von SOA grundsätzlich dadurch erklärt werden, dass die Möglichkeit zum flexiblen Austausch von Teilen der Institutionalisierung von Prozessen gegeben ist. Genauer handelt es sich um Teile des Informationssystems, die als Anwendungssystemdienste bezogen werden können, wie sie etwa als Web Services vorliegen. Um die damit verbundene wirtschaftliche Bedeutung zu berücksichtigen, wird vorgeschlagen, einen Servicebegriff zu verwenden, der sich nicht auf automatisierte Teile des Informationssystems beschränkt, sondern auch nicht-automatisiert auszuführende Dienste einschließt. Unter einem Service wird demnach generell eine Institutionalisierungsalternative einer Aktivität in Prozessen verstanden. Ein Charakteristikum dieses Servicebegriffs besteht darin, dass von der Art der Institutionalisierung abstrahiert wird. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Alternativenraum verschiedenartiger Services in die Prozessgestaltung mit einbezogen wird. Eine durch SOA eingebrachte, typische Fragestellung besteht gerade darin, Services in automatisierter Form fremd zu beziehen oder sie (möglicherweise auch nicht-automatisiert) organisationsintern zu erbringen. Diese Sichtweise zeigt, dass die Nutzungsmöglichkeiten von SOA über den dynamischen Bezug von Services hinausgehen. Prozesse können vielmehr unabhängig von festen Institutionalisierungen strukturiert werden. Die Institutionalisierung erfolgt im Hinblick auf einzelne Aktivitäten durch Auswahl und Kombination situationsgerechter Services.
Serviceorientierung im Prozessmanagement
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Diese Form einer „serviceorientierten Prozessgestaltung“ folgt weniger dem bisher vorherrschenden Bild der „Reduktion eines Gesamtsystems“ als vielmehr dem der „Konfiguration eines Service-Portfolios“ zur Erbringung spezifischer betrieblicher Aufgaben (vom Brocke 2007). Dies veranschaulicht, dass SOA ein hohes Maß an Optionalität bei der Prozessgestaltung bietet, dessen wirtschaftliche Nutzung aber Methoden zur Entscheidungsunterstützung erfordert. Im Einzelnen ist der in einer spezifischen Unternehmenssituation durch alternative PortfolioKonfigurationen zu erzielende Mehrwert zu erfassen, um die individuellen Potenziale einer SOA beurteilen zu können. Grundzüge geeigneter Modellierungsmethoden sollen im Folgenden näher untersucht werden.
2
Potenzialanalyse Serviceorientierter Architekturen auf Basis von Prozessmodellen
2.1
Potenzialmodelle
Die Optionalität bei der Prozessgestaltung kann anhand von Potenzialmodellen dargestellt werden. Dabei handelt es sich nicht etwa um Ist-Modelle, welche die aktuelle Situation dokumentieren, oder um Soll-Modelle, die eine zu implementierende Situation darstellen. Ein Potenzialmodell beschreibt vielmehr Gestaltungsmöglichkeiten, um Handlungsalternativen entsprechend der unternehmensindividuellen Situation mit einander zu vergleichen. Im Zuge einer Reorganisation sind also mehrere Potenzialmodelle einander gegenüberzustellen, um eine spezifisch vorteilhafte Alternative zu identifizieren. Zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit ist über die sachliche Darstellung von Prozessen auch eine Bewertung der Gestaltungsalternativen vorzunehmen. Abb. 1 veranschaulicht diesen Zusammenhang für das Beispiel einer Potenzialanalyse von SOA. Charakteristisch ist eine Erfassung der Prozesse auf Aktivitäts-, Service- und Infrastrukturebene, die sich aus der Grundstruktur Serviceorientierter Architekturen ableiten (Krafzig et al. 2005) und hier auf die Prozessgestaltung übertragen worden sind.
• Aktivität: Teilschritt eines Prozesses, mit dem eine einzelne Zustandsveränderung beschrieben wird. Aktivitäten können ablauflogisch miteinander verbunden und selbst als Prozess verfeinert werden.
• Service: Alternative zur Ausführung einer Aktivität, die unterschiedliche Institutionalisierungsformen aufweisen kann. Insbesondere ist ein Vergleich zwischen internen und externen sowie automatisierten und nicht-automatisierten Services anzustellen.
• Infrastruktur: Sämtliche Voraussetzungen, die zur Integration der Services im Prozess erforderlich sind. Zu berücksichtigen sind auch nicht-technische Voraussetzungen, die z. B. organisatorische Aspekte der Serviceintegration betreffen.
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Jan vom Brocke
Auf den Ebenen werden also unterschiedliche Aspekte serviceorientiert gestalteter Prozesse erfasst, welche die Parameter der Konfiguration eines ServicePortfolios bilden. Um deren Abstimmung methodisch zu unterstützen, ist sowohl eine Betrachtung in sachlicher als auch in wertmäßiger Hinsicht anzustellen.
• Sachliche Darstellung: Die sachliche Darstellung dient der Erfassung der durch SOA gegebenen Gestaltungsalternativen. Dazustellen ist also, welche Auswahlmöglichkeiten existieren. Sie bestehen in spezifischen Kombinationen von Entscheidungen über Aktivitäten, Services und Infrastrukturen, die jeweils eine alternative Service-Portfolio-Konfiguration darstellen.
• Wertmäßige Darstellung: Die einzelnen sachlich dokumentierten Gestaltungsalternativen sind hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Konsequenzen zu bewerten. Um auch längerfristige Konsequenzen erfassen zu können, sind die mit einem Service-Portfolio einhergehenden Zahlungen zu kalkulieren. Ausgehend von originären Zahlungen auf Aktivitäts-, Service- und Infrastrukturebene ist eine Verdichtung zu aussagekräftigen Kennzahlen vorzunehmen.
Abb. 1. Dimensionen von Potenzialmodellen einer Prozessgestaltung bei SOA
Durch die Entwicklung eines integrierten Methodensystems sollen Modifikationen in einzelnen Gestaltungsbereichen unmittelbar in ihrer Wirkung auf die anderen Bereiche nachvollzogen werden können. Beispiele sind Änderungen sachli-
Serviceorientierung im Prozessmanagement
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cher Anforderungen an die Serviceauswahl oder auch Variationen der Konditionen einzelner Service-Provider. Aber auch Restrukturierungen von Prozessen können in die Betrachtung mit einbezogen werden. Die Mechanismen der Methodenintegration sollen im Folgenden näher dargestellt werden.
2.2 2.2.1
Modellierungsmethoden Sachliche Darstellung der Potenziale von SOA
Zur sachlichen Darstellung der Gestaltungsoptionen können Sprachen der Prozessmodellierung genutzt werden, die bereits zur Beschreibung der Ist-Situation (sowie der Soll-Situation) zum Einsatz kommen (Keller et al. 1992, Baumgarten 1996, Rumbaugh et al. 1999). Gegenüber herkömmlichen Informationsmodellen sind Potenzialmodelle durch Optionalität charakterisiert. Dargestellt werden „Kandidaten“ oder entscheidungslogische „Alternativen“ für die Prozessgestaltung, die einer weiteren Untersuchung im Hinblick auf ihre Vorteilhaftigkeit zu unterziehen sind. Für die Konstruktion der Modelle können zwei Prinzipien unterschieden werden:
• Explizite Darstellung: Zu einzelnen Gestaltungsalternativen werden explizite Modelle erstellt. Die Optionalität kommt in den Beziehungen zwischen den Modellen zum Ausdruck, die in einem Modellsystem durch einen entsprechenden Operator wiedergegeben werden können.
• Implizite Darstellung: Die Menge der Gestaltungsalternativen kann auch in einzelnen Modellen abgebildet werden. Hierzu sind Konstrukte zur Darstellung einzelner Gestaltungsoptionen vorzusehen. Bei mehreren Optionen innerhalb eines Modells werden Regeln zur Steuerung von Abhängigkeiten zwischen einzelnen Optionen benötigt. Die Vorteilhaftigkeit einer expliziten oder impliziten Darstellung wird sowohl durch die Anzahl an Alternativen als auch durch deren Unterschiedlichkeit beeinflusst. Steht etwa ein selektives Outsourcing (auch: Outtasking) zur Disposition (Knolmayer 1997, Keen und McDonald 2000), kommen Wirtschaftlichkeitsvorteile einer impliziten Darstellung zum Tragen. Sind allerdings mit der Entscheidung auch spezifische Restrukturierungen verbunden, wie dies etwa bei Anwendungen der Prozessintegration der Fall ist (Linthicum 2000, Schelp und Winter 2002), so kann aus Gründen der Modellklarheit eine explizite Darstellung überlegen sein. Der neuartige Ansatz einer modellinternen impliziten Darstellung von Gestaltungsalternativen ist in Abb. 2 am Beispiel der EPK (Keller et al. 1992) veranschaulicht worden. Um die Möglichkeiten von SOA in frühen Phasen der Prozessgestaltung berücksichtigen zu können, erscheint es sinnvoll, die Modellierungssprachen um Konstrukte zur Darstellung von Services und Infrastrukturen zu erweitern. Services erfüllen eine spezifische fachliche Aufgabe und nutzen hierzu eine Menge an Ressourcen. Die zur Integration jeweils erforderlichen Voraussetzungen werden
174
Jan vom Brocke
als Infrastrukturelemente abgebildet. Sie werden teilweise durch die spezifische Art des Services, teilweise aber auch durch den fachlichen Anwendungskontext determiniert und sind somit gerade in der Relation zwischen Aktivitäten und Services zu erfassen. Die durch SOA gegebene Optionalität wird dadurch berücksichtigt, dass die für einzelne Aktivitäten zur Disposition stehenden Services als Alternativen dargestellt werden. Potenzialmodelle sind somit als Build-Time-Modelle (Rosemann 1996) zu charakterisieren. Für die Service-Selektion können multikriterielle Verfahren verwendet werden, wie sie in Abb. 2 anhand von morphologischen Kästen veranschaulicht worden sind (vgl. Becker et al. 2002, Scheer 1998). Die Frage, welche Services und Infrastrukturelemente nun aber für eine spezifische Unternehmenssituation vorteilhaft sind, bedarf einer Bewertung der Gestaltungsoptionen.
Aktivität
MA1,1
MA1,2
M2
MA2,1
MA2,2
MA1,3 MA2,3
M3
MA3,1
MA3,2
M4
MA4,1
MA4,2
M5
V
Merkmalsausprägung
M1
MA5,1
Ereignis
MA5,2
MA5,3
Aktivität
Ereignis
V
Merkmal
X Systemschulung
...
ESB
Infrastruktur
... Merkmal Merkmal
Service
Merkmalsausprägung
M1
MA1,1
MA1,2
MA1,3
M2
MA2,1
MA2,2
MA2,3
M3
MA3,1
MA3,2
M4
MA4,1
MA4,2
M5
MA5,1
MA5,2
Anwendungssystem Web Service
MA1,2
M2
MA2,1
MA2,2
M4
S1
MA5,3
MA1,1
M3
S2
Merkmalsausprägung
M1
M5
MA3,1
MA2,3 MA3,2
MA4,1 MA5,1
MA1,3
MA4,2 MA5,2
MA5,3
Organisationseinheit
Abb. 2. Prinzip der Darstellung von Gestaltungsoptionen bei SOA in Prozessmodellen
2.2.2
Wertmäßige Darstellung der Potenziale von SOA
Zur Bewertung der Prozesse können Methoden des Prozesscontrollings genutzt werden (Brede 1996, Gerboth 2000). Für die Konstruktion von Potenzialmodellen sind hier vor allem solche Arbeiten von Interesse, die eine modellbasierte Bewertung erlauben. Überwiegend handelt es sich dabei um Prozesskostenrechnungen (Berkau 1995). Da in Potenzialmodellen aber Dispositionen über die Gestaltung von Prozessen zu treffen sind, bedarf es der Betrachtung langfristiger ökonomischer Konsequenzen einzelner Gestaltungsentscheidungen. So sind mit Entscheidungen über die Einführung einer SOA gerade typischerweise Investitionen zu
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175
erwägen, deren erwarteter Nutzen in einer größeren Flexibilität im Hinblick auf die Prozessgestaltung gesehen wird. Dies erfordert eine Planung der durch einzelne Gestaltungsentscheidungen induzierten, spezifischen Ein- und Auszahlungen, die über mehrere Planungsperioden hinweg zu verdichten sind. Für die methodische Unterstützung können Arbeiten genutzt werden, in denen eine Investitionsrechnung auf Basis von Prozessmodellen konzipiert worden ist (vom Brocke 2006). Diese Arbeiten legen die Grundlage dafür, ausgehend von der sachlichen Beschreibung zu ermitteln, welcher ökonomische Wert mit der Realisierung einer Prozessalternative in einer konkreten Entscheidungssituation verbunden ist. Das Prinzip ist in Abb. 3 veranschaulicht.
Abb. 3. Prinzip der Bewertung von Prozessalternativen nach Methoden des Investitionscontrollings
Zur Bewertung einer Gestaltungsalternative sind zunächst die originären Zahlungen zu erfassen, die sich unmittelbar aus den im Prozessmodell dokumentierten Dispositionen über die Prozessgestaltung ableiten. Entsprechend der Parameter einer serviceorientierten Gestaltung sind Zahlungen sowohl auf Service- als auch auf Infrastruktur- und Aktivitätsebene zu identifizieren. Auf Service- und Infrastrukturebene fallen typischerweise Auszahlungen an, die in Abhängigkeit von der spezifischen Entscheidungssituation unterschiedlich zu kalkulieren sind. Grundsätzlich ist zwischen einer markt- und einer ressourcenorientierten Kalkulation zu unterscheiden.
• Marktorientierte Kalkulation: Die Service- und Infrastrukturelemente werden nach Maßgabe marktüblicher Konditionen kalkuliert, für die unterschiedliche Modelle zur Anwendung kommen (Meffert und Bruhn 2003). Im Fall von Flat-
176
Jan vom Brocke
Pricing-Modellen liegen leistungsmengenneutrale (oder sich sprungfix entwickelnde) Zahlungen vor. Bei transaktionsbasierten Preismodellen sind die Zahlungen als leistungsmengeninduziert zu charakterisieren. Die Leistungsmenge kann in unterschiedlichen Bezugseinheiten gemessen werden, wie Prozesshäufigkeit und -dauer.
• Ressourcenorientierte Kalkulation: Die Wertansätze werden auf Basis der zur Leistungserbringung in Anspruch zu nehmenden Ressourcen berechnet. Hier können unterschiedliche Modelle für die Verrechnungspreisbildung verwendet werden. So ist der Verrechnungssatz etwa bei einer nachfrageorientierten Bestimmung abhängig von der Auslastung einzelner Ressourcen, während bei einer angebotsorientierten Bestimmung konstante Verrechnungssätze verwendet werden. Zusätzlich zu den Auszahlungen sind auch die mit einer Prozessalternative verbundenen Einzahlungen zu kalkulieren, die in dem hier vorgestellten Ansatz auf der Aktivitätsebene erfasst werden. Die Darstellung derartiger Zahlungen kann sowohl pauschal – und damit leistungsmengenneutral – als auch leistungsmengendifferenziert erfolgen. Leistungsmengenneutrale Wertansätze werden durch periodenindividuelle Zahlungen erfasst, deren Kalkulation in Relation zum Gesamtprozess vorzunehmen ist. Eine weitere Bewertung kann durch Preise vorgenommen werden, die auch in Abhängigkeit einzelner Institutionalisierungen von Aktivitäten verrechnet werden können. Sie wirken als „Zu- und Abschläge“ und werden transaktionsbasiert kalkuliert.
• Prozessweite Kalkulation: Durch den Ansatz von Preisen auf Basis des Gesamtprozesses können Zahlungen erfasst werden, die bei einmaliger Ausführung des Prozesses anfallen. Dies ermöglicht z. B. die Planung von Einzahlungen, die durch den Absatz von Prozessleistungseinheiten zu erzielen sind.
• Aktivitätenspezifische Kalkulation: Durch den Ansatz zusätzlicher Preise für spezielle Service-Alternativen können monetäre Konsequenzen von Qualitätsunterschieden in der Ausführung von Aktivitäten einbezogen werden. Dies ermöglicht es auch, Qualitätsunterschiede von Services in der Bewertung zu berücksichtigen (z. B. Service Level), indem Zu- und Abschläge auch in Abhängigkeit des Vorhandenseins spezifischer Merkmalsausprägungen verrechnet werden. Die Zahlungen auf Aktivitäts-, Infrastruktur- und Serviceebene sind für einzelne Konfigurationen von Service-Portfolios aufzusummieren. Hierzu sind die lokal erfassten Werte entsprechend der spezifischen Prozessstruktur zu aggregieren. Zur Anwendung kommen Verfahren der Prozessanalyse und -simulation (Schmidt 2002), die es ermöglichen, auch unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten von Prozesssträngen in Betracht zu ziehen. Im Ergebnis liegt eine Zahlungsfolge vor, die sämtliche monetären Konsequenzen einer Gestaltungsvariante eines Prozesses repräsentiert.
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177
Aus den originären Zahlungen resultieren weitere ökonomische Konsequenzen, die als derivative Zahlungen bezeichnet werden. Zur Analyse dieser Zahlungen ist zusätzlich zur bisherigen Betrachtung die unternehmensindividuelle Finanzsituation des planenden Unternehmens in die Bewertung einzubeziehen. Durch die ermittelte Zahlungsfolge je Prozessvariante ist es möglich, diesen Teil der Bewertung durch etablierte Methoden des Investitionscontrollings zu unterstützen, z. B. zur Ermittlung der Total Cost of Ownership (TCO). Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden.
3
Anwendungsbeispiel
Die Konstruktion und Nutzung von Potenzialmodellen soll nun an einem Beispiel zur Potenzialanalyse von SOA veranschaulicht werden. Betrachtet wird die Situation eines Touristikunternehmens, das kundenindividuelle Reisen anbietet. Zu prüfen sind Möglichkeiten eines SOA-basierten selektiven Outsourcings im Prozess „Kundenberatung“ (vgl. Abb. 4). Die Daten sind für Zwecke der Publikation konstruiert worden (vom Brocke 2007). Zur Erfassung der Optionalität hinsichtlich der Ausführung von Aktivitäten (in der EPK bezeichnet als Funktionen) wird das Konstrukt „Service“ verwendet. So zeigt das Modell, dass zur Ausführung der Aktivität „Bonität Ermitteln“ fünf alternative Services zur Verfügung stehen, sowohl marktlich zu beziehende Web Services als auch interne Ressourceninanspruchnahmen. Für die Selektion von Services sind Anforderungen an die Ausführung der Aktivität „Bonität Ermitteln“ anhand von Merkmalen und Merkmalsausprägungen formuliert und im Prozessmodell durch einen morphologischen Kasten dargestellt worden. Gefordert sind z. B. eine „internationale“ Reichweite sowie eine Verfügbarkeit von mehr als „98 %“. Die Anwendung der Merkmale auf das Serviceangebot zeigt, dass lediglich „Service 2“, „Service 4“ und „Service 5“ sämtliche der gestellten Anforderungen erfüllen. Der Auflistung an Services sind zugleich Angaben zur Kalkulation der jeweiligen monetären Konsequenzen zu entnehmen. Zusätzlich werden die periodenindividuellen Prozesshäufigkeiten sowie die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Prozessverzweigungen erfasst. Zur Kalkulation der monetären Konsequenzen eines Service-Portfolios werden die auf Basis des Prozessmodells erfassten Angaben in ein Kalkulationsschema überführt. Einen Ausschnitt aus dem Schema zum Prozess „Kundenberatung“ zeigt Abb. 5. Im Beispiel werden die durch eine Servicealternative verursachten Zahlungen jeweils auf Service-, Infrastruktur- und Aktivitätsebene kalkuliert. Die Zahlungen werden über mehrere Planungsperioden erfasst, für die in der Abbildung die Spalten t = 0 bis t = 5 vorgesehen sind. Für „Service 5“ erfolgt z. B. eine marktorientierte Kalkulation. Die Grundlage bildet ein konkretes Preismodell, in dem eine transaktions- oder zeitdauerbezogene Preisbildungsvariante gewählt werden kann. Zusätzlich sind relevante Zahlungen auf Infrastrukturebene erfasst worden. Hier
178
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wird deutlich, dass über Infrastrukturzahlungen für den Gesamtprozess auch Zahlungen zur Integration einzelner Services zu berücksichtigen sind, zu denen z. B. Zahlungen für den Aufbau sozioökonomischer Beziehungen zu Serviceanbietern zählen. Auf Aktivitätsebene werden z. B. Zahlungen bestimmt, die aus der spezifischen Servicequalität einzelner Servicealternativen resultieren. Exemplarisch ist die Bewertung von Fehlerhäufigkeiten und Ausfallrisiken dargestellt worden. Merkmal
Merkmalsausprägung
Aktualität
Tag
Woche
Historie
kurz
mittel
Reichweite
lang
national
Genauigkeit
approximativ
Verfügbarkeit
> 98%
international
Beratungsbedarf ermitteln
detailliert
[98%-88%]
< 88%
XOR
20% Reisefinanzierung
Bonität ermitteln
XOR
x
S1
Altsystem (DECIS)
S2
Applikationsserver (DECIS)
[…]
[…]
S4
Web Service (Global Value)
S5
Web Service (Best Credit)
90%
70%
10%
Reiseplanung
Reisevorbereitung
Präferenzen ermitteln
Reiseroute ermitteln
Präferenzen ermittelt
Reiseroute ermittelt
10% Bonität nicht ausreichend
Bonität ausreichend
Angebote ermitteln
Ausführungshäufigkeit Periode Instanzen 1 4800 2 5280 3 5808 4 6389 5 7028
Beratung durchzuführen
Monat
Vorschläge generieren
S9 x
S10
S7 x
S8
Angebote ermittelt
Vorschläge generiert
Checkliste erstellt
XOR
XOR
Bereitstellung Aktualität Historie Reichweite Genauigkeit Verfügbarkeit Fehlerrate SOA ready WSDL Preis
S1 intern Monat lang int. appr. 95% 5.000% nein nein 0.00 €
S11
Checkliste erstellen
S2 intern Tag lang int. det. 98% 1.000% ja nein 0.00 €
S3 extern Tag kurz nat. det. 99% 0.001% ja ja 0.75 €
S4 extern Tag lang int. det. 98% 0.010% ja ja 0.60 €
S5 extern Tag lang int. det. 99.50% 0.001% ja ja Kondition
Abb. 4. Prozessmodell „Kundenberatung“
Kontaktdaten speichern
Kontaktdaten gespeichert
x
S12
Serviceorientierung im Prozessmanagement
179
Abb. 5. Monetäre Bewertung des Prozesses „Kundenberatung“
Die auf Service-, Infrastruktur- und Aktivitätsebene erfassten Zahlungen sind für alternative Konfigurationen von Service-Portfolios zu aggregieren. Um den individuellen Prozesskontext zu berücksichtigen, werden die Zahlungen mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten einzelner Aktivitäten gewichtet und für die periodenindividuelle Prozesshäufigkeit aufsummiert. Auf diese Weise kann je Konfiguration des Service-Portfolios eine Folge originärer Zahlungen ermittelt werden. Zusätzlich werden derivative Zahlungen kalkuliert, die monetäre Konsequenzen des SOA Einsatzes im Hinblick auf Kredite, Geldanlagen und Steuern erfassen. Methodisch dienen hierzu Finanzpläne nach der VOFI-Methode (Grob 2006), deren Bestandssaldo der letzten Planungsperiode den Endwert der Investition in das Service-Portfolio repräsentiert. Im Beispiel ergibt sich ein negativer Endwert in Höhe von –26.686 €. Die Berechnung zeigt Abb. 6.
180
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Abb. 6. Kalkulation des Endwerts eines Service-Portfolios des Prozesses „Kundenberatung“
Um den Wert eines Service-Portfolios zu ermitteln, sind Alternativenvergleiche anzustellen. In dem hier dargestellten Beispiel sind durch Nutzung eines Softwareprodukts sämtliche kombinatorisch möglichen Konfigurationsmöglichkeiten gebildet und anhand der Total Cost of Ownership (TCO) bewertet worden. Die Differenz zwischen der Wertentwicklung bei Realisierung des optimalen Portfolios und bei Fortführung des Status Quo (lt. Ist-Modell) zeigt den Nutzen des SOA-Einsatzes für das Outsourcing im Prozess „Kundenberatung“. Das optimale Portfolio, mit einem Endwert von –26.686 €, ergibt sich bei Nutzung von „Service 4“ für die Aktivität „Bonität prüfen“, von „Service 11“ für die Erstellung von Checklisten, von „Service 9“ zur Generierung von Vorschlägen und von „Service 7“ zur Ermittlung von Angeboten. Bei Fortführung des Status Quo resultiert hingegen ein Endwert in Höhe von –68.287 €, der gesondert zu kalkulieren ist. Den Auszahlungen für die Einrichtung einer SOA können sukzessive Einzahlungen (und weitere Auszahlungen) gegenübergestellt werden, die sich bei der Planung weiterer Nutzungsmöglichkeiten der Technologie ergeben. In Abb. 7 sind die im Beispiel relevanten Zahlungen dokumentiert worden. Die hier dargestellten Ergebnisse stellen einen Ausschnitt aus einer Reihe von Arbeiten zur wertorientierten Gestaltung von Unternehmensprozessen dar. Dort werden auch weitere Nutzungsmöglichkeiten von SOA betrachtet, etwa die innerbetriebliche Integration (vom Brocke und Sonnenberg 2007) und die zwischenbetriebliche Netzwerkbildung (vom Brocke 2008). Das entwickelte Instrumentarium liefert aber auch eine Grundlage zur Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von Prozessreorganisationen im Allgemeinen (vom Brocke und Grob 2008).
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181
Abb. 7. Ergebnisse zur Wirtschaftlichkeit des SOA-Einsatzes
In den obigen Ausführungen wurde ein Schwerpunkt auf Fragen der Spezifikation und der Auswahl von Services gelegt, da hierin eine für die Dienstleistungsmodellierung typische Fragestellung gesehen wird.
4
Diskussion der Ergebnisse
Mit diesem Beitrag wurde die Bedeutung der Dienstleistungsmodellierung im Kontext des Prozessmanagements untersucht. Ansatzpunkt ist die zunehmende Verbreitung Serviceorientierter Architekturen (SOA), die eine Prozessgestaltung durch Auswahl und Kombination einzelner Dienstleistungen (so genannte Services) erlauben. Zur Erfassung der damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten wurde die „Potenzialmodellierung“ vorgestellt, die sowohl eine sachliche Darstellung als auch eine monetäre Bewertung der Gestaltungsmöglichkeiten erlaubt. Dies ermöglicht es, die Konfiguration von Service-Portfolios in der Prozessgestaltung an ökonomischen Zielwerten (z. B. ROI) auszurichten. Die Konzeption ist zunächst theoretisch ausgeführt und anschließend an einem Anwendungsbeispiel veranschaulicht worden. Die hier detailliert betrachtete monetäre Bewertung stellt ein Beispiel für die Potenzialmodellierung im Prozessmanagement dar. Selbstverständlich soll hiermit nicht der Standpunkt vertreten werden, Reorganisationen etwa ausschließlich auf Basis der gewonnenen Finanzinformationen treffen zu wollen. Wie im Performance Measurement üblich, sind weitere Zieldimensionen zu berücksichtigen. Wird etwa von einer Balanced Scorecard zur Bewertung der Gestaltungspotenziale ausgegangen, so sind die hier dargelegten Berechnungen in die finanzwirtschaftliche Perspektive einzuordnen. Der entscheidende Aspekt der hier vorgestellten Arbeit besteht aber darin, die Potenziale der Prozessgestaltung überhaupt einer sys-
182
Jan vom Brocke
tematischen Bewertung zu unterziehen, um die Ergebnisse zur Unterstützung von Gestaltungsentscheidungen zu nutzen. Ebenso ist es nicht beabsichtigt, Entscheidungen etwa auf einwertigen Daten zu treffen. Vielmehr bieten Potenzialmodelle gerade die Möglichkeit, Variationen der Daten vorzunehmen – etwa für ein Best, ein Worst- und ein Average-Case-Szenario – und die Sensitivität der Zielwerte zu ergründen. Dabei kann es im Einzelfall durchaus angemessen sein, Entscheidungen auch „gegen“ die Entscheidungsempfehlung zu treffen. In diesem Fall besteht aber zumindest Transparenz über die damit erwartungsgemäß verbundenen finanziellen Konsequenzen. Bei den Werten handelt es sich um Planungsergebnisse, die auf unterschiedlichem Detaillierungsgrad erfasst werden können. Grundsätzlich sind situative Kosten-Nutzen-Abwägungen vorzunehmen, die darüber entscheiden, wie differenziert einzelne Gestaltungstatbestände zu bewerten sind. Der hier vorgestellte Ansatz zur Potenzialbewertung auf Basis von Prozessmodellen ermöglicht eine vergleichsweise detaillierte Bewertung. Auf dieser Grundlage können fallweise auch vereinfachte Betrachtungen angestellt werden, in denen etwa einzelne Prozesse pauschal bewertet werden. Potenzialmodelle scheinen nicht nur für den hier behandelten Anwendungsfall von Bedeutung zu sein. Vielmehr ist zu beobachten, dass die Gestaltung von Informationssystemen für Unternehmen immer weniger durch Programmierung als vielmehr durch Entscheidungen über die Auswahl und Kombination von Teilsystemen erfolgt (vom Brocke 2008). Potenzialmodelle scheinen daher eine sinnvolle Ergänzung der bisher überwiegend thematisierten Ist- und Sollmodelle zu sein. In zukünftigen Arbeiten sind neben SOA weitere Anwendungsgebiete zu erschließen. Insgesamt ist zu erwarten, dass durch Potenzialmodelle ein besseres Verständnis der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten neuer Technologien geschaffen werden kann. Hervorzuheben ist, dass dabei nicht etwa eine pauschale Technologiebewertung erfolgt. Durch den modellbasierten Ansatz können vielmehr die in einer spezifischen Unternehmenssituation relevanten Faktoren berücksichtigt werden.
5
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Autorenverzeichnis
Dipl.-Kfm., M.Sc. Otmar Adam Villeroy & Boch AG Saaruferstraße, 66693 Mettlach [email protected] Prof. Dr. Jörg Becker European Research Center for Information Systems (ERCIS) Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, 48149 Münster [email protected] Dipl.-Wirt.-Inf. Daniel Beverungen European Research Center for Information Systems (ERCIS) Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, 48149 Münster [email protected] Prof. Dr.-Ing. Luciënne Blessing Konstruktionstechnik und Entwicklungsmethodik Technische Universität Berlin Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin [email protected] Dipl.-Wirt.-Inf. Martin Böttcher Fakultät für Mathematik und Informatik Institut für Informatik, Abteilung Betriebliche Informationssysteme Universität Leipzig Johannisgasse 26, 04103 Leipzig [email protected]
186
Autorenverzeichnis
Dipl.-Kffr. Pavlina Chikova Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH), Universität des Saarlandes Stuhlsatzenhausweg 3, 66123 Saarbrücken [email protected] Dipl.-Kffr. Michaela Dietz Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und Handel (DMH) Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg Lotharstraße 65, 47057 Duisburg [email protected] Dipl.-Kfm., Dipl.-Inf. Thorsten Dollmann Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH), Universität des Saarlandes Stuhlsatzenhausweg 3, 66123 Saarbrücken [email protected] Dipl.-Kffr. Simone Eberhardt Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und Handel (DMH) Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg Lotharstraße 65, 47057 Duisburg [email protected] Christoph Glauner M.A. DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Referat Entwicklungsbegleitende Normung (EBN) Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin [email protected] Dipl.-Psych. Sarah Hatfield Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie IPT Steinbachstraße 17, 52064 Aachen [email protected] Dr. Christian Hillbrand V-Research Industrielle Forschung und Entwicklung GmbH Stadtstraße 33/CCD, A–6850 Dornbirn [email protected]
Autorenverzeichnis
Dipl.-Inf. Heiko Kern Fakultät für Mathematik und Informatik Institut für Informatik, Abteilung Betriebliche Informationssysteme Universität Leipzig Johannisgasse 26, 04103 Leipzig [email protected] Dr. Ralf Knackstedt European Research Center for Information Systems (ERCIS) Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, 48149 Münster [email protected] Dipl.-Ing. Matthias Kreimeyer, Ingénieur ECP Lehrstuhl für Produktentwicklung Technische Universität München Boltzmannstraße 15, 85748 Garching [email protected] Dipl.-Inf. Stefan Kühne Fakultät für Mathematik und Informatik Institut für Informatik, Abteilung Betriebliche Informationssysteme Universität Leipzig Johannisgasse 26, 04103 Leipzig [email protected] Dipl.-Ing. Stefan Langer Lehrstuhl für Produktentwicklung Technische Universität München Boltzmannstraße 15, 85748 Garching [email protected] Dr. Jan Marco Leimeister Technische Universität München Wirtschaftsinformatik (I17) Boltzmannstraße 3, 85748 Garching [email protected] Dipl.-Inf., M.Sc. Katrina Leyking Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH), Universität des Saarlandes Stuhlsatzenhausweg 3, 66123 Saarbrücken [email protected]
187
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Autorenverzeichnis
Prof. Dr.-Ing. Udo Lindemann Lehrstuhl für Produktentwicklung Technische Universität München Boltzmannstraße 15, 85748 Garching [email protected] Dipl.-Ing. (FH) Hans-Martin Lönngren M.Sc. Fachhochschule Münster Röntgenstraße 7, 48149 Münster [email protected] Dipl.-Oec. Gunnar Martin Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH), Universität des Saarlandes Stuhlsatzenhausweg 3, 66123 Saarbrücken [email protected] Dr. Lothar März V-Research Industrielle Forschung und Entwicklung GmbH Stadtstraße 33/CCD, A–6850 Dornbirn [email protected] Dipl.-Inf. Kyrill Meyer Fakultät für Mathematik und Informatik Institut für Informatik, Abteilung Betriebliche Informationssysteme Universität Leipzig Johannisgasse 26, 04103 Leipzig [email protected] Dipl.-Wirt.-Inf. Oliver Müller European Research Center for Information Systems (ERCIS) Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, 48149 Münster [email protected] Dipl.-Ing. Patrick Müller Konstruktionstechnik und Entwicklungsmethodik Technische Universität Berlin Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin [email protected]
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Markus Nüttgens Institut für Wirtschaftsinformatik Universität Hamburg Von-Melle-Park 9, 20146 Hamburg [email protected] Dipl.-Wirt.-Inf. Christoph Rosenkranz Professur für Information Systems Engineering Johann Wolfgang Goethe-Universität Mertonstraße 17, 60325 Frankfurt am Main [email protected] Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie IPT Steinbachstraße 17, 52064 Aachen [email protected] Prof. Dr. Gertrud Schmitz Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und Handel (DMH) Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg Lotharstraße 65, 47057 Duisburg [email protected] Marco Stypmann DIN Deutsches Institut für Normung e.V. Referat Entwicklungsbegleitende Normung (EBN) Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin [email protected] Dr. Oliver Thomas Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH), Universität des Saarlandes Stuhlsatzenhausweg 3, 66123 Saarbrücken [email protected] Prof. Dr. Jan vom Brocke Martin Hilti Stiftungslehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Geschäftsprozessmanagement Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule Liechtenstein Fürst-Franz-Josef-Straße 21, FL–9490 Vaduz, Fürstentum Liechtenstein [email protected]
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Autorenverzeichnis
Dipl.-Inf. Philipp Walter Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH), Universität des Saarlandes Stuhlsatzenhausweg 3, 66123 Saarbrücken [email protected]