Friedhelm Wolter Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland
Friedhelm Wolter
Die Freiwilligen Feuerw...
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Friedhelm Wolter Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland
Friedhelm Wolter
Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland Eine volkswirtschaftlichsoziologische Bestandsaufnahme
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17661-1
Meiner Familie
Inhalt
Abbildungsverzeichnis.......................................................................................................... 15 Tabellenverzeichnis...............................................................................................................19 Abkürzungsverzeichnis .........................................................................................................25 Vorwort und Dank .................................................................................................................27 1
Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie................................29
Die historische Entwicklung der Feuerwehr ..........................................................37 Das Feuerlöschwesen zur Römerzeit (300 v. Chr. – 500 n. Chr.) ...............................37 Der Brandschutz im Mittelalter (500 n. Chr. – 1500 n. Chr.) .....................................38 Das Feuerlöschwesen in der Neuzeit (1500 n. Chr. – 1800 n. Chr.) ...........................39 2.3.1 Entwicklung und Verbreitung von Feuerlöschspritzen in der Neuzeit ........39 2.4 Die Gründung der Freiwilligen Feuerwehren .............................................................40 2.4.1 Österreich .....................................................................................................41 2.4.1.1 Die Rolle der Turnvereine ............................................................42 2.4.2 Deutschland..................................................................................................43 2.4.2.1 Die Rolle der Turnvereine ............................................................44 2.4.3 Soziologisch-ökonomische Aspekte ............................................................44 2.5 Die Rolle von Carl Metz als Begründer der freiwilligen Feuerwehren ......................45 2.6 Der gemeinsame Weg österreichischer und deutscher Feuerwehren ..........................47 2.7 Der erste Weltkrieg .....................................................................................................49 2.8 Die NS-Diktatur und der zweite Weltkrieg.................................................................49 2.9 Die Zeit nach 1945......................................................................................................51 2.10 Die Entwicklung des Feuerwehrwesens – eine Schlussbetrachtung ..........................51 2 2.1 2.2 2.3
3 3.1
3.2 4 4.1
Das Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland...........................................54 Gesetzliche Grundlagen ..............................................................................................54 3.1.1 Aufgaben der Feuerwehr..............................................................................55 3.1.2 Organisation der Feuerwehr .........................................................................56 3.1.2.1 System des beruichen Feuerwehrwesens ...................................56 3.1.2.2 System des freiwilligen Feuerwehrwesens ..................................57 3.1.1.3 Pichtfeuerwehren .......................................................................58 3.1.1.4 Betriebs- und Werkfeuerwehren...................................................59 Feuerwehrverbände.....................................................................................................60 Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten ...............61 Der verfassungsrechtliche Inhalt der Schutzpicht ....................................................62 4.1.1 Grundrechte als Ausgangspunkt ..................................................................63 4.1.2 Staatsgerichtete objektive Pichten .............................................................63
8
Inhalt
4.1.3 4.1.4
4.2
4.3
4.4 4.5
5 5.1
5.2
5.3
Die subjektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte .................................64 Das Untermaßverbot ....................................................................................65 4.1.4.1 Aufgabe und Kontrolle.................................................................66 4.1.4.2 Übermaß und Untermaß ...............................................................66 4.1.5 Der geschützte Rechtsgüterbestand Leben und körperliche Unversehrtheit als vitale Basis................................67 4.1.6 Staatliche Garantie Grundrechtliche Schutzpichten als Teil der Staatszielbestimmung ...........68 4.1.7 Kontrolldichte ..............................................................................................69 Risikovorsorge ............................................................................................................ 70 4.2.1 Der Industriestaat als Risiko- und Präventionsstaat (Möstl: 2002, 253–254) ...............................................................................70 4.2.2 Risikosteuerung und -vorsorge als präventiver Rechtsgüterschutz .............71 4.2.3 Risikovorsorge als Verfassungsgebot...........................................................71 Zeitkritische Anforderungen an feuerwehrbezogene Tätigkeiten ...............................72 4.3.1 Der zeitliche Verlauf von Raumbränden ......................................................75 4.3.2 Medizinisch-toxikologische Wirkung von Brandrauch ..............................76 4.3.3 Feuerwehrsystem – O.R.B.I.T .....................................................................76 4.3.4 Ergänzende Aspekte und Bewertungen........................................................79 Die Brandschutzgesetzgebung der Bundesländer .......................................................80 4.4.1 Der schutzpichtenorientierte Gehalt der Brandschutzgesetzgebung .........80 Fazit ............................................................................................................................85 4.5.1 Gefahren für die angemessene Erfüllung der Schutzpichten .....................85 4.5.2 Gesetzgeberisches Handeln..........................................................................86 Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns ......................................88 Die Soziogenese des modernen Staates und der Staatsaufgaben................................88 5.1.1 Der Mensch als gesellschaftstheoretischer Ausgangspunkt .........................88 5.1.2 Die gesellschaftliche Entwicklung ...............................................................89 5.1.3 Die Entstehung des modernen Staates .........................................................91 5.1.3.1 Der Monopolmechanismus ..........................................................92 5.1.3.2 Das Gewalt- und Steuermonopol .................................................93 5.1.3.3 Die Begründung von Staatsaufgaben ...........................................94 Die ökonomische Begründung des Staates .................................................................95 5.2.1 Wertschöpfung und Wertschätzung ..............................................................96 5.2.1.1 Die Bemessung der Wertschöpfung .............................................96 5.2.1.2 Die Bedeutung der Wertschätzung ...............................................96 5.2.1.3 Der Beitrag Mancur Olsens als ergänzender Erklärungsansatz ..........................................................................97 5.2.2 Staats- und wirtschaftspolitische Rolle der öffentlichen Feuerwehren ........98 Marktversagen als Grundlage staatlicher Intervention .............................................100 5.3.1 Ursachen für Marktversagen ......................................................................101 5.3.1.1 Externe Effekte...........................................................................101 5.3.1.1.1 Externe Effekte und Feuerwehr ...............................102
9
Inhalt
5.3.1.2
5.4
6 6.1
6.2 6.3
Informationsdezite ...................................................................103 5.3.1.2.1 Informationsdezite und Feuerwehr ........................105 5.3.1.3 Natürliche Monopole .................................................................106 5.3.1.3.1 Natürliche Monopole und Feuerwehr ......................108 5.3.1.4 Öffentliche Güter .......................................................................109 5.3.1.4.1 Einordnung öffentlicher Güter ................................. 110 5.3.1.4.2 Praktische Abgrenzung der Güterkriterien............... 113 5.3.1.4.3 Der Free-Rider Effekt .............................................. 113 5.3.1.4.4 Betrachtungen nach Lindahl .................................... 115 5.3.1.4.4.1 Gleichgewichtslösung nach Lindahl ....... 115 5.3.1.4.4.2 Grenzen des Lindahl Modells .................117 5.3.1.4.4.3 Strategisches Verhalten ...........................117 Formen staatlicher Intervention bei Marktversagen ................................................. 118 5.4.1 Externe Effekte .......................................................................................... 118 5.4.1.1 Verhandlungslösung nach Coase ................................................ 119 5.4.1.2 Wirtschaftspolitische Eingriffe...................................................120 5.4.1.2.1 Regulative Eingriffe .................................................120 5.4.1.2.2 Fiskalische Eingriffe ................................................121 5.4.1.2.3 Marktbasierende Eingriffe .......................................122 5.4.2 Informationsdezite ...................................................................................123 5.4.2.1 Eine analytische Lösung von Informationsasymmetrien ...........124 5.4.3 Monopole ...................................................................................................126 5.4.3.1 Staatliche Interventionen............................................................127 5.4.4 Das öffentliche Gut Feuerwehr ..................................................................129 5.4.4.1 Das öffentliche Gut Feuerwehr: Individuelles „Free-Riding-Verhalten“ ............................................................129 5.4.4.2 Das öffentliche Gut Feuerwehr: Staatliches „Free-Riding-Verhalten“ ............................................................130 5.4.4.2.1 Darstellung des „Free-Rider-Verhaltens“ (vgl. Weichenrieder, 2000, 51) .................................131 5.4.4.2.2 Das Dezentralisierungstheorem nach Oates.............133 5.4.4.2.3 Skalenerträge der öffentlichen Gütergestellung .......135 5.4.4.2.4 Empirische Evidenz der zentralen Gütergestellung ........................................................137 5.4.4.2.5 Schlussbetrachtung ..................................................139 Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger ................................141 Untersuchungskonzept ..............................................................................................142 6.1.1 Entwicklung von Einussgrößen ...............................................................143 6.1.2 Methodische Grundlagen der Untersuchung..............................................144 6.1.2.1 Hypothesen der Untersuchung ...................................................144 6.1.2.2 Forschungsdesign .......................................................................145 6.1.2.3 Variablen der Verfügbarkeitsstudie ............................................146 Datenerhebung ..........................................................................................................147 Auswertung ...............................................................................................................149
10
Inhalt
6.3.1
6.4
7 7.1
7.2
7.3
7.4
Österreich ...................................................................................................150 6.3.1.1 Ergebnisse aus den Bundesländern ............................................151 6.3.1.2 Verteilung der Bevölkerungsdichte und der Feuerwehreinsätze .....................................................................152 6.3.1.3 Verfügbarkeit der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen ........154 6.3.1.4 Kompensationsmaßnahmen .......................................................156 6.3.2 Deutschland................................................................................................157 6.3.2.1 Ergebnisse aus den Bundesländern ............................................158 6.3.2.2 Verteilung der Bevölkerungsdichte und der Feuerwehreinsätze ......................................................................159 6.3.2.3 Verfügbarkeit der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen ........162 6.3.2.4 Kompensationsmaßnahmen .......................................................163 Hypothesen ...............................................................................................................165 6.4.1 Hypothese 1: Anzahl der Feuerwehreinsätze nach Raumstrukturtyp ........165 6.4.2 Hypothese 2: Flächendeckende Tagesalarmsicherheit ist gering ...............167 6.4.4 Zusammenfassung der Hypothesenprüfung ...............................................171 6.4.4.1 Österreich ...................................................................................171 6.4.4.2 Deutschland ................................................................................171 Die Infrastruktur der Feuerwehren ......................................................................172 Denition von Wirkradien ........................................................................................172 7.1.1 Denition von räumlichen Zuständigkeiten...............................................173 7.1.2 Denition der personellen Ausstattung ......................................................174 7.1.3 Modelldarstellung ......................................................................................177 Denition der baulichen Kosten ...............................................................................179 7.2.1 Entwicklung einer Basisliegenschaft .........................................................180 7.2.1.1 Anwendungsvoraussetzungen ....................................................181 7.2.1.2 Räumlich-funktionaler Aufbau...................................................182 7.2.2 Denition von Anpassungsnotwendigkeiten..............................................184 7.2.2.1 Ausbaustufe 1 .............................................................................185 7.2.2.2 Ausbaustufe 2 .............................................................................186 7.2.2.3 Ausbaustufe 3 .............................................................................187 7.2.2.4 Ausbaustufe 4 .............................................................................188 7.2.2.5 Ausbaustufe 5 .............................................................................189 7.2.2.6 Ausbaustufe 6 .............................................................................190 7.2.2.7 Weitere Ausbaustufen.................................................................191 7.2.2.8 Standorte für zentrale Einrichtungen .........................................191 Denition der räumlichen und personellen Ausstattung von Wirkradien .................191 7.3.1 Österreich ...................................................................................................194 7.3.1.1 Ergebnisse aus den österreichischen Bundesländern .................195 7.3.2 Deutschland................................................................................................196 7.3.2.1 Ergebnisse aus den deutschen Bundesländern ...........................197 Bewertung der Untersuchungsergebnisse .................................................................197 7.4.1 Ermittlung des investiven Aufwandes .......................................................198 7.4.2 Ermittlung der Einsatzbereiche ..................................................................198
11
Inhalt
7.4.3 7.4.4 7.4.5 8 8.1 8.2
8.3
8.4
9 9.1
9.2
9.3
Parallele Schadensereignisse......................................................................200 Grenzen der Untersuchung.........................................................................202 Fazit............................................................................................................202
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben .....................................................204 Personalfaktoren im beruichen Feuerwehrwesen ...................................................204 8.1.1 Bestimmung der Personalfaktoren .............................................................206 Finanzieller Infrastrukturaufwand ............................................................................206 8.2.1 Personalkosten ...........................................................................................206 8.2.1.1 Österreich ...................................................................................207 8.2.1.2 Deutschland ................................................................................208 8.2.2 Sach- und Gemeinkosten ...........................................................................209 8.2.3 Bestimmung des „Pro-Kopf-Aufwandes“ im beruichen Feuerwehrwesen ........................................................................................210 Beruiche Feuerwehrinfrastruktur............................................................................ 211 8.3.1 Löschstaffel (Variante 1) ............................................................................212 8.3.2 Löschgruppe (Variante 2) ...........................................................................213 8.3.3 Löschzug (Variante 3) ...............................................................................213 8.3.4 Personelles und technisches Verstärkungspotential (Variante 4) ...............214 Zusammenführung ....................................................................................................215 8.4.1 Standortanforderungen Österreich .............................................................215 8.4.1.1 Finanzieller Aufwand Österreich ...............................................215 8.4.2 Standortanforderungen Deutschland ..........................................................216 8.4.2.1 Finanzieller Aufwand Deutschland ............................................217 Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren ..................220 Untersuchungskonzept ..............................................................................................220 9.1.1 Gegenstand der Untersuchung ...................................................................221 9.1.2 Erhebung der Untersuchungsdaten ............................................................221 9.1.3 Entwicklung von Einussgrößen ...............................................................222 9.1.4 Anzahl der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen ..................................224 Konzeptionelle Entwicklung der Untersuchung .......................................................224 9.2.1 Konzeptionelles Modell der Untersuchung................................................225 9.2.2 Hypothesen der Untersuchung ...................................................................226 Auswertung ............................................................................................................... 226 9.3.1 Österreich ...................................................................................................227 9.3.1.1 Ergebnisse aus den Bundesländern ............................................228 9.3.1.2 Aufwendungen nach Einwohnerklassen ....................................230 9.3.1.3 Aufwendungen nach Raumstrukturtypen...................................231 9.3.1.4 Spannweite der „Pro-Kopf-Aufwendungen“ .............................232 9.1.3.5 Kartographische Auswertungen .................................................232 9.3.2 Deutschland................................................................................................234 9.3.2.1 Ergebnisse aus den Bundesländern ............................................234 9.3.2.2 Aufwendungen nach Einwohnerklassen ....................................240 9.3.2.3 Aufwendungen nach Raumstrukturtypen...................................241
12
9.5
Inhalt
9.3.2.4 Spannweite der „Pro-Kopf-Aufwendungen“ .............................241 9.3.2.5 Kartographische Auswertungen .................................................242 Hypothesen der Untersuchung ..................................................................................244
10 Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung ....................................................246 10.1 Systemvarianten ........................................................................................................246 10.1.1 Freiwillige Feuerwehren ............................................................................246 10.1.1.1 Österreich ...................................................................................246 10.1.1.2 Deutschland ................................................................................247 10.1.2 Berufsfeuerwehren .....................................................................................247 10.1.2.1 Österreich ...................................................................................247 10.1.2.2 Deutschland ................................................................................249 10.2 Umfang der Untersuchung ........................................................................................251 10.3 Investive Aufwendungen ..........................................................................................251 10.3.1 Investitionsverhalten der öffentlichen Feuerwehren ..................................252 10.4 Grenzen der Gegenüberstellung ...............................................................................254 11 Ehrenamtliche Arbeit .............................................................................................258 11.1 Arbeit ........................................................................................................................258 11.1.1 Die „Evolution“ der Arbeit ........................................................................259 11.1.2 Die identitätsstiftende Wirkung der Arbeit ................................................260 11.2 Arbeit und Ehrenamt.................................................................................................262 11.2.1 Ehrenamt ....................................................................................................262 11.2.2 Denition und Abgrenzung ehrenamtlicher Tätigkeiten ............................262 11.2.3 Einsatz- und Tätigkeitsbereiche .................................................................263 11.2.3.1 Bezeichnungen und Bezeichnungspräferenzen ..........................263 11.2.4 Ehrenamt in Österreich und Deutschland ..................................................264 11.2.4.1 Beteiligungsgrad nach Einsatz- und Tätigkeitsbereich ..............266 11.2.4.2 Zusammenführung von Ergebnissen ..........................................267 11.2.4.3 Bewertung und Kritik.................................................................268 11.2.5 Ehrenamt in den Freiwilligen Feuerwehren ...............................................270 11.3 Motivation.................................................................................................................270 11.3.1 Motivationsforschung ................................................................................271 11.3.1.1 Gemeinwohlorientierung............................................................271 11.3.1.2 Solidarischer Individualismus ....................................................272 11.3.1.3 Die Symbiose von altruistischen und egoistischen Motiven......272 11.3.1.4 Intrinsische Motivation ..............................................................273 11.3.1.5 Extrinsische Motivation .............................................................274 11.3.1.6 Die Symbiose von intrinsischer und extrinsischer Motivation ..................................................................................274 11.3.1.7 Alternative Einordnung der Motivation für ehrenamtliche Arbeit ..................................................................275 11.3.2 Forschungsergebnisse ................................................................................276 11.3.2.1 Vergleich von ehrenamtlich Engagierten und Nichtengagierten ........................................................................277
Inhalt
13
11.3.2.2 Zufriedenheit ehrenamtlich Engagierter ....................................277 11.3.2.3 Motive für ehrenamtliches Engagement ....................................278 11.3.2.4 Weitere Forschungsergebnisse ...................................................278 11.4 Die Verdrängung der Motivation ..............................................................................280 11.4.1 Crowding-Out-Effekt .................................................................................280 11.4.1.1. Sozialwissenschaftlicher Rationalansatz....................................281 11.4.1.1.1 Psychologische Aspekte ...........................................281 11.4.1.1.2 Prinzipal-Agenten-Theorie ......................................282 11.4.1.1.3 „Crowding-Out Theorie“ .........................................282 11.4.1.2 Forschungsergebnisse ................................................................287 11.4.1.2.1 Leistungsanreize und Arbeitszufriedenheit ..............287 11.4.1.2.2 Einuss der Bezahlung auf die Motivation ..............287 11.4.1.2.3 Einuss der Bezahlung auf die ehrenamtliche Tätigkeit ...................................................................289 11.4.1.3 Bewertung und Kritik.................................................................289 11.5 Implikationen für das ehrenamtliche Feuerwehrwesen ............................................290 12 Untersuchungskonzept ...........................................................................................292 12.1 Entwicklung von Einussgrößen ..............................................................................292 12.2 Datenerhebung ..........................................................................................................293 12.2.1 Ergebnisse zum Schwerpunktthema 1 .......................................................294 12.2.2 Ergebnisse zum Schwerpunktthema 2 .......................................................295 12.2.3 Ergebnisse zum Schwerpunktthema 3 .......................................................297 12.2.4 Ergebnisse zum Schwerpunktthema 4 .......................................................299 12.2.5 Ergebnisse zum Schwerpunktthema 5 .......................................................300 12.2.6 Freie Benennungen ....................................................................................302 12.3 Konzeptionelle Entwicklung eines Befragungsprojektes .........................................302 12.3.1 Konzeptionelles Modell der Untersuchung................................................303 12.3.2 Hypothesen der Untersuchung ...................................................................304 12.3.3 Datenerhebung ...........................................................................................305 12.4 Auswertung und Vorstellung der Ergebnisse ............................................................306 12.4.1 Hypothesen ................................................................................................306 12.4.1.1 Hypothese H1 und Hypothese H7 ...............................................306 12.4.1.2 Hypothese H2 und Hypothese H8 ...............................................309 12.4.1.3 Hypothese H3 und Hypothese H9 ...............................................310 12.4.1.4 Hypothese 4 und Hypothese 10..................................................316 12.4.1.5 Hypothese 5 und Hypothese 11..................................................318 12.4.1.6 Hypothese 6 und Hypothese 12..................................................320 12.4.1.7 Zusammenfassung der Hypothesenprüfung ...............................321 12.4.2 Weitere Untersuchungsergebnisse .............................................................322 12.4.2.1 Motivationen der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen.........322 12.4.2.2 Zeitaufwand für die ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit .............328 12.4.2.3 Feuerwehrfremde Tätigkeiten ....................................................329 12.4.2.4 Persönliche Schutzausrüstung ....................................................332 12.4.2.5 Arbeitsmedizinische und seelsorgliche Betreuung ....................334
14
Inhalt
12.4.2.6 Wirtschaftliche Situation der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte .........................................................................335 12.4.2.7 Anerkennung für die ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit............337 12.4.2.8 Ausbildung und Internetnutzung ...............................................341 12.4.2.9 Berufstätigkeit ............................................................................343 12.4.2.10 Arbeitsplatz und Freiwillige Feuerwehr.....................................344 12.4.2.11 Ausbildungsabschlüsse der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte .........................................................................347 12.5 Ökonomisch-soziologische Betrachtungen ..............................................................348 12.5.1 Mitgliedschaft, Motivation, Nettoeinkommen und Ausbildung ................349 12.5.2 Mitgliedschaft, Anerkennung, Nettoeinkommen und Ausbildung ............353 12.5.3 Mitgliedschaft, Berufstätigkeit, Einkommen und Ausbildung ..................358 12.5.4 Mitgliedschaft, Arbeitslosigkeit, Aktivität und Ausbildung ......................361 12.5.5 Nationale Ergebnisunterschiede .................................................................363 12.5.6 Schlussbemerkung .....................................................................................364 13 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8 13.9 13.10
Zusammenfassung ..................................................................................................365 Gesetzlich-organisatorische Grundlagen ..................................................................365 Staatliche Schutzpichtenwahrnehmung durch die Feuerwehren ............................365 Volkswirtschaftliche Grundlagen..............................................................................366 Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger .......................................367 Die Infrastruktur der Feuerwehren ...........................................................................367 Finanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur ...........................368 Finanzieller Aufwand für die ehrenamtliche Feuerwehrinfrastruktur ......................369 Gegenüberstellung ehren- und hauptamtlicher Feuerwehrstrukturen.......................370 Ehrenamtliche Arbeit in den Freiwilligen Feuerwehren ...........................................370 Soziologische Untersuchung ....................................................................................371
14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8
Anwendung der Untersuchungsergebnisse .......................................................... 372 Das Instrumentarium staatlicher Schutzpichtenerfüllung ......................................372 Die Finanzierung der öffentlichen Feuerwehren ......................................................374 Die ganzheitliche Leistungsfähigkeit des Feuerwehrsystems ..................................375 Die gesamtgesellschaftlichen Einüsse auf das Feuerwehrehrenamt ......................377 Die künftigen Anreizstrukturen im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen .....................378 Das Ausbildungs- und Betreuungswesen der Freiwilligen Feuerwehren .................379 Zusammenfassung ....................................................................................................380 Weiterer Forschungsbedarf .......................................................................................382
15
Schlusswort ..............................................................................................................384
Literaturverzeichnis ............................................................................................................386
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1-1 Abbildung 4-1
Abbildung 4-2 Abbildung 4-3 Abbildung 5-1 Abbildung 5-2 Abbildung 5-3 Abbildung 5-4 Abbildung 5-5 Abbildung 5-6 Abbildung 5-7 Abbildung 5-8 Abbildung 5-9 Abbildung 5-10 Abbildung 5-11 Abbildung 5-12 Abbildung 5-13 Abbildung 5-14 Abbildung 6-1 Abbildung 6-2 Abbildung 6-3
Abbildung 6-4
Abbildung 6-5 Abbildung 6-6 Abbildung 6-7
Ablaufdiagramm der Projektschritte .......................................................35 Brandrisiko vor dem Hintergrund gesetzlicher Grundlagen in ausgewählten europäischen Staaten ohne föderale Strukturen sowie in Österreich und Deutschland im Zeitraum von 1993–2002. ......74 CO-Konzentration, Erträglichkeitsgrenze und Reanimationsgrenze in Abhängigkeit von der Verbrenndauer ..................................................77 Zeitkritische Möglichkeiten und Grenzen der feuerwehrbezogenen Tätigkeiten ...............................................................................................78 „Adverse Selektion am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes“ ...........103 „Moral Hazard am Beispiel des Versicherungsmarktes“.......................104 „Kostenstruktur des natürlichen Monopols“ .........................................107 „Nachfrage öffentlicher Güter“ ............................................................. 110 „Externalitäten öffentlicher Güter“ ....................................................... 112 „Abgrenzung öffentlicher Güter“ .......................................................... 113 Lindahl-Gleichgewicht .......................................................................... 116 „Luftverschmutzung und soziales Optimimum“ ................................... 119 „Internalisierung externer Effekte“ .......................................................122 „Betriebliche Efzienz versus allokative Efzienz“ .............................127 „Finanzierung des öffentlichen Gutes Feuerwehr“ ...............................130 Ressourcenallokation der kommunalen Feuerschutzgestellung und Paretoverbesserungen. ....................................................................133 Das Dezentralisierungstheorem .............................................................134 Optimale Gruppengröße bei Skalenerträgen .........................................136 „Hypothesen der Verfügbarkeitsstudie“ ................................................144 BBR-Raumstrukturtypen .......................................................................148 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Österreich* sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren......................................................................152 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Österreich sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze der Feuerwehren ....................................................................................154 Verfügbarkeitssituation der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich ...154 Relative Häugkeit der Verfügbarkeitsprobleme in Österreich ............155 Kompensationsmaßnahmen der Feuerwehren in Österreich .................156
16 Abbildung 6-8 Abbildung 6-9
Abbildung 6-10 Abbildung 6-11 Abbildung 6-12 Abbildung 6-13 Abbildung 6-14 Abbildung 6-15 Abbildung 6-16 Abbildung 7-1 Abbildung 7-2 Abbildung 7-3 Abbildung 7-4 Abbildung 7-5 Abbildung 7-6 Abbildung 7-7 Abbildung 7-8 Abbildung 7-9 Abbildung 7-10 Abbildung 7-11 Abbildung 7-12 Abbildung 7-13 Abbildung 7-14 Abbildung 7-15 Abbildung 7-16 Abbildung 7-17
Abbildungsverzeichnis
Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen in Österreich ...........157 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Deutschland sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren......................................................................160 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Deutschland sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze .................161 Verfügbarkeitssituation der Feuerwehren in Deutschland.....................162 Relative Häugkeit der Verfügbarkeitsprobleme in Deutschland .........162 Kompensationsmaßnahmen der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland ...........................................................................................164 Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen in Deutschland ........164 Ergebnisse für die Hypothesen der Verfügbarkeitsstudie in Österreich ..........................................................................................171 Ergebnisse für die Kennwerte der Verfügbarkeitsstudie in Deutschland ...........................................................................................171 Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschstaffelstandortes nach FwDV 3 ....................................................174 Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschgruppenstandortes nach FwDV 3. ...............................................175 Funktionale und organisatorische Gliederung eines erweiterten Löschzugstandortes nach FwDV 3. ......................................................176 Funktionale und organisatorische Gliederung der Verwaltungsdienstzeit einer Zentralwache. ..........................................177 Exemplarische Modellierung einer feuerwehrbezogenen Standortstruktur ....................................................................................178 Grundriss Erdgeschoß des Musterstandortes ........................................182 Grundriss 1. Obergeschoß des Musterstandortes ..................................183 Grundriss 2. Obergeschoß des Musterstandortes ..................................183 Objektdaten der Ausbaustufe 1..............................................................185 Objektdaten der Ausbaustufe 2..............................................................186 Objektdaten der Ausbaustufe 3..............................................................187 Objektdaten der Ausbaustufe 4..............................................................188 Objektdaten der Ausbaustufe 5..............................................................189 Objektdaten der Ausbaustufe 6..............................................................190 Exemplarische Modellierung einer feuerwehrbezogenen Standortstruktur .....................................................................................192 Tagesganglinie eines durchschnittlichen Wochentages für ein Löschfahrzeug im Einsatzbereich x (Anwendungsbeispiel) .................201 Wochenganglinie eines durchschnittlichen Wochenverlaufes für ein Löschfahrzeug im Einsatzbereich x ...........................................201
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 9-1 Abbildung 9-2 Abbildung 9-3 Abbildung 9-4 Abbildung 9-5 Abbildung 9-6 Abbildung 9-7 Abbildung 9-8 Abbildung 9-9 Abbildung 9-10 Abbildung 9-11 Abbildung 9-12 Abbildung 9-13 Abbildung 9-14 Abbildung 9-15 Abbildung 9-16 Abbildung 11-1 Abbildung 11-2 Abbildung 11-3 Abbildung 11-4 Abbildung 12-1 Abbildung 12-2 Abbildung 12-3 Abbildung 12-4 Abbildung 12-5 Abbildung 12-6 Abbildung 12-7 Abbildung 12-8 Abbildung 12-9
17
Konzeptionelles Modell der Untersuchung ...........................................225 Hypothesen der Untersuchung für Österreich .......................................226 Hypothesen der Untersuchung für Deutschland ....................................226 Mittlerer „Pro-Kopf-Aufwand“ nach Einwohnerklassen in Österreich ..............................................................................................231 Mittlerer „Pro-Kopf-Aufwand“ nach Raumstrukturtypen in Österreich ..............................................................................................231 Spannweite der jährlichen kommunalen „Pro-KopfAufwendungen“ in Österreich bei raumstruktureller Betrachtung........232 Bevölkerungsdichten der Bundesländer Österreichs .............................233 Mittlere kommunale Gesamtaufwendungen in den Bundesländern Österreichs ....................................................................233 Mittlere kommunale „Pro-Kopf-Aufwendungen in den Bundesländern Österreichs ....................................................................233 „Mittlerer Pro-Kopf-Aufwand“ nach Einwohnerklassen in Deutschland .......................................................................................241 „Mittlerer Pro-Kopf-Aufwand“ nach Raumstrukturtypen in Deutschland .......................................................................................241 Spannweite der kommunalen jährlichen „Pro-KopfAufwendungen in Deutschland bei raumstruktureller Betrachtung ......242 Bevölkerungsdichten der deutschen Bundesländer ...............................243 Mittlere kommunale Gesamtaufwendungen in den deutschen Bundesländern .......................................................................................243 Mittlere kommunale „Pro-Kopf-Aufwendungen“ in den deutschen Bundesländern .......................................................................................243 Hypothesenprüfung der Untersuchung für Österreich und Deutschland ...........................................................................................245 Ehrenamtsquoten Österreichs in den Jahren 1982 und 2000.................268 Ehrenamtsquoten Deutschlands in den Jahren 1999 und 2004 .............268 „Selbstbestimmungstheorie der Motivation“ ........................................275 Der Effekt externer Intervention ...........................................................286 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 1 ...........................295 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 1 .......................295 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 2 ...........................296 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 2 ........................297 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 3 ...........................298 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 3 ........................298 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 4 ...........................299 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 4 ........................300 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 5 ...........................301
18 Abbildung 12-10 Abbildung 12-11 Abbildung 12-12 Abbildung 12-13 Abbildung 12-14 Abbildung 12-15
Abbildungsverzeichnis
Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 5 ........................301 Konzeptionelles Modell der Untersuchung ...........................................303 Hypothesen der Untersuchung I ............................................................304 Hypothesen der Untersuchung II ...........................................................304 Hypothesen der Untersuchung I ............................................................321 Hypothesen der Untersuchung II ...........................................................321
Tabellenverzeichnis
Tabelle 5-1 Tabelle 6-1 Tabelle 6-2 Tabelle 6-3 Tabelle 6-4 Tabelle 6-5 Tabelle 6-6 Tabelle 6-7 Tabelle 6-8 Tabelle 6-9 Tabelle 6-10 Tabelle 6-11 Tabelle 6-12 Tabelle 6-13 Tabelle 6-14 Tabelle 6-15 Tabelle 7-1 Tabelle 7-2 Tabelle 7-3 Tabelle 7-4 Tabelle 7-5 Tabelle 8-1 Tabelle 8-2 Tabelle 8-3 Tabelle 8-4
Der Öffentlichkeitsgrad : Eine Synopse empirischer Ergebnisse........138 Abgefragte Merkmale der Verfügbarkeitsstudie ...................................147 Basisdaten Österreich ............................................................................150 Ergebnisse der Verfügbarkeitsstudie in den österreichischen Bundesländern .......................................................................................152 Raumstrukturelle Gemeindeverteilung in Österreich ............................153 Median der Zeitverteilung von Verfügbarkeitsproblemen in Österreich ..............................................................................................155 Basisdaten Deutschland .........................................................................157 Ergebnisse der Verfügbarkeitsstudie in den deutschen Bundesländern .......................................................................................159 Raumstrukturelle Gemeindeverteilung in Deutschland.........................160 Median der Zeitverteilung von Verfügbarkeitsproblemen in Deutschland ...........................................................................................163 Ergebnisausgabe für Hypothese H1 (Österreich) ..................................165 Ergebnisausgabe für Hypothese H1 (Deutschland) ................................166 Ergebnisausgabe I für Hypothese H2 (Österreich und Deutschland).....167 Ergebnisausgabe II für Hypothese H2 (Österreich und Deutschland) ...168 Ergebnisausgabe I für Hypothese H4 (Österreich und Deutschland).....169 Ergebnisausgabe II für Hypothese H4 (Österreich und Deutschland) ...170 Zusammenfassung der Modellstruktur ..................................................193 Zusammenfassung der Standortstruktur für die Republik Österreich ...194 Zusammenfassung der Standortstruktur für die österreichischen Länder ....................................................................................................195 Zusammenfassung der Standortstruktur für die Bundesrepublik Deutschland ...........................................................................................196 Zusammenfassung der Standortstruktur für die deutschen Länder .......197 Abwesenheitswochen eines beruichen Feuerwehrangehörigen ..........205 „Pro-Kopf-Aufwand“ (Personalkostenaufwand) für das beruiche Feuerwehrwesen in Österreich ..............................................................207 „Pro-Kopf-Aufwand“ (Personalkostenaufwand) für das beruiche Feuerwehrwesen in Deutschland (alte Bundesländer) ..........................208 „Pro-Kopf-Aufwand“ (Personalkostenaufwand) für das beruiche Feuerwehrwesen in Deutschland (neue Bundesländer).........................208
20 Tabelle 8-5 Tabelle 8-6 Tabelle 8-7 Tabelle 8-8
Tabelle 8-9
Tabelle 8-10
Tabelle 8-11
Tabelle 8-12 Tabelle 8-13 Tabelle 8-14 Tabelle 8-15 Tabelle 8-16 Tabelle 8-17 Tabelle 8-18 Tabelle 8-19 Tabelle 8-20 Tabelle 8-21 Tabelle 9-1 Tabelle 9-2 Tabelle 9-3 Tabelle 9-4 Tabelle 9-5
Tabellenverzeichnis
Sach- und Gemeinkosten im beruichen Feuerwehrwesen...................209 „Pro-Kopf-Aufwand“ für Sach- und Gemeinkosten im beruichen Feuerwehrwesen in Österreich ...........................................210 „Pro-Kopf-Aufwand“ für Sach- und Gemeinkosten im beruichen Feuerwehrwesen in Deutschland ........................................ 211 Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschstaffelstandortes nach FwDV 3 (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer) .............................212 Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschgruppenstandortes nach FwDV 3 (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer) .............................213 Funktionale und organisatorische Gliederung eines erweiterten Löschzugstandortes nach FwDV 3 (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer) .............................213 Funktionale und organisatorische Gliederung der Verwaltungsdienstzeit einer Zentralwache (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer).......................214 Standortanforderungen der beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Österreich ..........................................................................................215 Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Österreich ....................................................215 Zusammenstellung des Gesamtaufwandes in Österreich ......................216 Standortanforderungen der beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (alte Bundesländer) ......................................................216 Standortanforderungen der beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (neue Bundesländer) .....................................................217 Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (alte Bundesländer) ...............217 Zusammenstellung des jährlichen Gesamtaufwandes in Deutschland (alte Bundesländer)...........................................................218 Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (neue Bundesländer)...............218 Zusammenstellung des jährlichen Gesamtaufwandes in Deutschland (neue Bundesländer) .........................................................219 Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland .................................................219 Gliederung von Einnahmen und Ausgaben im Feuerschutzwesen........223 Untersuchungsergebnisse Burgenland ...................................................228 Untersuchungsergebnisse Kärnten ........................................................228 Untersuchungsergebnisse Salzburg .......................................................229 Untersuchungsergebnisse Steiermark ....................................................229
Tabellenverzeichnis
Tabelle 9-6 Tabelle 9-7 Tabelle 9-8 Tabelle 9-9 Tabelle 9-10 Tabelle 9-11 Tabelle 9-12 Tabelle 9-13 Tabelle 9-14 Tabelle 9-15 Tabelle 9-16 Tabelle 9-17 Tabelle 9-18 Tabelle 9-19 Tabelle 9-20 Tabelle 9-21 Tabelle 10-1 Tabelle 10-2 Tabelle 10-3 Tabelle 10-4 Tabelle 10-5 Tabelle 10-6
Tabelle 10-7
Tabelle 10-8
Tabelle 10-9 Tabelle 10-10
Tabelle 10-11
21 Untersuchungsergebnisse Tirol .............................................................230 Untersuchungsergebnisse Vorarlberg ....................................................230 Untersuchungsergebnisse Baden-Württemberg ....................................235 Untersuchungsergebnisse Bayern ..........................................................235 Untersuchungsergebnisse Brandenburg ................................................236 Untersuchungsergebnisse Mecklenburg-Vorpommern..........................236 Untersuchungsergebnisse Niedersachsen ..............................................237 Untersuchungsergebnisse Nordrhein-Westfalen....................................237 Untersuchungsergebnisse Rheinland-Palz ..........................................238 Untersuchungsergebnisse Saarland .......................................................238 Untersuchungsergebnisse Sachsen ........................................................239 Untersuchungsergebnisse Sachsen-Anhalt ............................................239 Untersuchungsergebnisse Thüringen .....................................................240 Untersuchungsergebnisse Schleswig-Holstein ......................................240 Ergebnisausgabe der Gesamtstichprobe ................................................244 Ergebnisausgabe für Österreich und Deutschland .................................244 Finanzieller Aufwand der gegenwärtigen Berufsfeuerwehren in Österreich ..........................................................................................248 Gegenüberstellung der Systemvarianten ..............................................248 Finanzieller Aufwand der gegenwärtigen Berufsfeuerwehren in Deutschland (neue Bundesländer und Ost-Berlin) ............................249 Finanzieller Aufwand der gegenwärtigen Berufsfeuerwehren in Deutschland (alte Bundesländer).......................................................250 Gegenüberstellung der Systemvarianten ..............................................250 Prozentuale Reduzierung der Fahrzeugvorhaltung in Österreich bei einer beruichen Feuerwehrstruktur auf Grundlage von Abschnitt 7.3.1.......................................................................................253 Prozentuale Reduzierung der Fahrzeugvorhaltung in Deutschland bei einer beruichen Feuerwehrstruktur auf Grundlage von Abschnitt 7.3.2.......................................................................................254 Jährlicher nanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur im 12-Stunden-Dienstmodell in Österreich .............................................................................................255 Bemessung des Dezitvolumens ...........................................................255 Jährlicher nanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur im 12-Stunden-Dienstmodell in Deutschland (neue Bundesländer) .........................................................256 Jährlicher nanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur im 12-Stunden-Dienstmodell in Deutschland (alte Bundesländer)...........................................................256
22 Tabelle 10-12 Tabelle 11-1 Tabelle 11-2 Tabelle 11-3 Tabelle 11-4 Tabelle 11-5 Tabelle 11-6 Tabelle 11-7 Tabelle 11-8 Tabelle 11-9 Tabelle 11-10 Tabelle 11-11 Tabelle 11-12 Tabelle 11-13 Tabelle 11-14 Tabelle 11-15 Tabelle 11-16 Tabelle 11-17 Tabelle 12-1 Tabelle 12-2 Tabelle 12-3 Tabelle 12-4 Tabelle 12-5 Tabelle 12-6 Tabelle 12-7 Tabelle 12-8 Tabelle 12-9 Tabelle 12-10 Tabelle 12-11
Tabellenverzeichnis
Bemessung des Dezitvolumens ...........................................................257 Einteilung ehrenamtlicher Tätigkeitsfelder ...........................................267 Altruistische und egoistische Orientierung von Ehrenamtlichen ..........273 Einstellungsfunktionen als Erklärungsansatz für ehrenamtliches Engagement ...........................................................................................276 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Vergleich ehrenamtlich Engagierter und Nichtengagierter..........................................................277 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Zufriedenheit ehrenamtlich Engagierter ............................................................................................277 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Motive für ehrenamtliches Engagement ...........................................................................................278 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse I .........................................................................278 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse II ........................................................................278 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse III .......................................................................279 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse IV.......................................................................279 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse V ........................................................................279 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse VI.......................................................................280 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Leistungsanreize und Arbeitszufriedenheit ..............................................................................287 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Motivation .............287 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Motivation .............288 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Motivation .............288 Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Ehrenamt ...............289 Ergebnisausgabe für Hypothese H1 .......................................................307 Ergebnisausgabe für Hypothese H7 .......................................................308 Ergebnisausgabe für Hypothese H2 .......................................................309 Ergebnisausgabe für Hypothese H8 .......................................................310 Ergebnisausgabe I für Hypothese H3 ..................................................... 311 Ergebnisausgabe II für Hypothese H3 ...................................................312 Ergebnisausgabe III für Hypothese H3 ..................................................313 Ergebnisausgabe I für Hypothese H9 .....................................................314 Ergebnisausgabe II für Hypothese H9 ...................................................315 Ergebnisausgabe III für Hypothese H9 ..................................................316 Ergebnisausgabe für Hypothese H4 .......................................................317
Tabellenverzeichnis
Tabelle 12-12 Tabelle 12-13 Tabelle 12-14 Tabelle 12-15 Tabelle 12-16 Tabelle 12-17 Tabelle 12-18 Tabelle 12-19 Tabelle 12-20 Tabelle 12-21 Tabelle 12-22 Tabelle 12-23 Tabelle 12-24 Tabelle 12-25 Tabelle 12-26 Tabelle 12-27 Tabelle 12-28 Tabelle 12-29 Tabelle 12-30 Tabelle 12-31 Tabelle 12-32 Tabelle 12-33 Tabelle 12-34 Tabelle 12-35 Tabelle 12-36 Tabelle 12-37 Tabelle 12-38 Tabelle 12-39 Tabelle 12-40 Tabelle 12-41
23 Ergebnisausgabe für Hypothese H10 ......................................................318 Ergebnisausgabe für Hypothese H5 ......................................................319 Ergebnisausgabe für Hypothese H11 ......................................................319 Ergebnisausgabe für Hypothese H6 .......................................................320 Ergebnisausgabe für Hypothese H12 ......................................................321 Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF I ..............322 Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF II .............323 Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF III ...........324 Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF IV ...........325 Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF V.............325 Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF VI ...........326 Ergebnisausgabe für skalierte Motivationsindikatoren .........................327 Ergebnisausgabe für den wöchentlichen Zeitaufwand für FF-Tätigkeit ...........................................................................................328 Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten I...........................................................................................329 Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten II .........................................................................................330 Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten III ........................................................................................331 Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten IV........................................................................................331 Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten V .........................................................................................332 Ergebnisausgabe für die persönliche Schutzausrüstung (PSA) ............333 Ergebnisausgabe für die arbeits- und sportmedizinische Betreuung .............................................................................................334 Ergebnisausgabe für die seelsorgliche Betreuung .................................335 Ergebnisausgabe für die wirtschaftliche Situation der Feuerwehrkräfte I ..................................................................................336 Ergebnisausgabe für die wirtschaftliche Situation der Feuerwehrkräfte II .................................................................................337 Ergebnisausgabe für die bisherige Anerkennungspraxis .......................338 Ergebnisausgabe für die Anerkennungswünsche der Feuerwehrkräfte.....................................................................................339 Ergebnisausgabe für internetgestützte Lernangebote ............................341 Ergebnisausgabe für landesweit einheitliche Lehrunterlagen ...............341 Ergebnisausgabe für die persönliche Internetnutzung ...........................342 Ergebnisausgabe für die Berufstätigkeit ................................................343 Ergebnisausgabe für Arbeitsplatz und Freiwillige Feuerwehr I ............344
24 Tabelle 12-42 Tabelle 12-43 Tabelle 12-44 Tabelle 12-45 Tabelle 12-46 Tabelle 12-47 Tabelle 12-48 Tabelle 12-49 Tabelle 12-50 Tabelle 12-51 Tabelle 12-52 Tabelle 12-53 Tabelle 12-54 Tabelle 12-55 Tabelle 12-56 Tabelle 12-57 Tabelle 12-58 Tabelle 12-59 Tabelle 12-60 Tabelle 12-61 Tabelle 12-62
Tabellenverzeichnis
Ergebnisausgabe für Arbeitsplatz und Freiwillige Feuerwehr II ...........346 Ergebnisausgabe für Ausbildungsabschlüsse der Feuerwehrkräfte .......347 Abhängige Variable und Einussvariablen (1) ......................................349 Ergebnisausgabe (1) für Motivation als abhängige Variable .................349 Abhängige Variable und Einussvariablen (2) ......................................350 Ergebnisausgabe (2) für Motivation als abhängige Variable .................350 Abhängige Variable und Einussvariablen (3) ......................................351 Ergebnisausgabe (3) für Motivation als abhängige Variable ................352 Abhängige Variable und Einussvariablen (4) ......................................353 Ergebnisausgabe (1) für Anerkennung als abhängige Variable .............353 Abhängige Variable und Einussvariablen (5) ......................................354 Ergebnisausgabe (2) für Anerkennung als abhängige Variable .............355 Abhängige Variable und Einussvariablen (6) ......................................356 Abhängige Variable und Einussvariablen (7) ......................................356 Abhängige Variable und Einussvariablen (8) ......................................357 Ergebnisausgabe (3) für Anerkennung als abhängige Variable .............357 Abhängige Variable und Einussvariablen (9) ......................................359 Ergebnisausgabe (1) für samstägliche Pichten als abhängige Variable ..................................................................................................360 Abhängige Variable und Einussvariablen (10) ....................................361 Ergebnisausgabe (1) für Aktivität als abhängige Variable ....................361 Ergebnisunterschiede der Signikanzen für Anerkennungsmerkmale .......................................................................363
Abkürzungsverzeichnis
Euro Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren Arithmetisch Artikel Bundesrepublik Deutschland Brandschutzgesetz Bundesverfassungsgesetz beziehungsweise Deutscher Feuerwehrverband Deutsche Industrienorm eingetragener Verein Elektronische Datenverarbeitung Preußisches Ministerium des Inneren und weitere Freiwillige Feuerwehr fortfolgende Freiwilliger Feuerwehrmann (Sammelbegriff) Standort Freiwillige Feuerwehr Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz Feuerwehr Dienstvorschrift Feuerwehrverordnung Grundgesetz gegebenenfalls Hessisches Gesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz Hrsg. Herausgeber Insp.-Hauptbrandmeister Inspektions-Hauptbrandmeister IT Informationstechnologie KGST-Bericht Bericht der kommunalen Gemeinstelle KGST-Materialien Material der kommunalen Gemeinstelle km Kilometer km/h Kilometer in der Stunde km² Quadratkilometer lfd. laufende LFV Landesfeuerwehrverband LFV OÖ Landesfeuerwehrverband Oberösterreich lt. laut m² Quadratmeter € AGBF Arithm. Art. BRD BrSchG B-VG bzw. DFV DIN e.V. EDV PrMDI et al. FF ff. FFM FFW FSHG FwDV FwVO GG ggfs. HBKG
26 m³ min Mittl. n. Chr. NBrandSchG No. Nr. NS-Organisationen NS-Staat NS-Täter ÖBFV ÖNorm OVG PKW PSA Rdn. S. SBKG Std. t tech. ThürFwOrgVO u. u.a. v. Chr. VFdB VG vgl. Vol. VollzBekBayFwG z.B. z.b.V
Abkürzungsverzeichnis
Kubikmeter Minuten Mittlere nach Christus Niedersächsisches Brandschutzgesetz Nummer Nummer Nationalsozialistische Organisationen Nationalsozialistischer Staat Nationalsozialistische Täter Österreichischer Bundesfeuerwehrverband Österreichische Norm Oberverwaltungsgericht Personenkraftwagen Persönliche Schutzausrüstung Randnummer Seite Saarländisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz Stunde Tonne technisch Thüringer Feuerwehr Organisations-Verordnung und unter anderem vor Christus Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes Verwaltungsgericht vergleiche Version Vollzugsbekanntmachung zum bayerischen Feuerwehrgesetz zum Beispiel zur besonderen Verwendung
Vorwort und Dank
Es sind etwa 150 Jahre seit der Gründung erster Freiwilliger Feuerwehren vergangen. Aus der Selbsthilfeeinrichtung zur Verbesserung des lokalen Brandschutzes entwickelte sich ein multifunktionaler Dienstleister, der seine Leistungsfähigkeit in erheblichen Maße auf ehrenamtliche Kräfte stützt. Mehr als 10 % der weltweit tätigen Feuerwehrkräfte arbeiten überwiegend auf ehrenamtlicher Basis bei den österreichischen und deutschen Feuerwehren. Dem System liegt der wunderbare Gedanke zugrunde, Mitmenschen in Situationen großer Not unkonventionelle und schnelle Hilfe zu leisten. Daraus entstand die Motivation, diesem Wirken eine Dissertation zu widmen, Hintergründe der ehrenamtlichen Feuerwehrarbeit aufzuzeigen und die Bedürfnisse der Feuerwehrangehörigen transparent zu machen. Diese Transparenz konnte nur durch die überwältigende Unterstützung der vielen Kommunalverwaltungen und Freiwilligen Feuerwehren sowie der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen verwirklicht werden. Insgesamt wurden 18.000 Briefe, Fragebogen und Anforderungen ausgesendet. So ist ein Werk entstanden, das die zahlreichen Einüsse auf das Netzwerk der Freiwilligen Feuerwehren abzubilden vermag und der Fortentwicklung des ächendeckenden Hilfeleistungssystems hoffentlich dienlich sein wird. Diese Untersuchung wurde im Jahre 2005 vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt als Dissertationsvorhaben angenommen. Dort übernahm Herr A. o. Univ.-Prof. Dr. Michael Getzner die Betreuung sowie die Erstbegutachtung. Seine vielen Anregungen, Hinweise und seine immerwährende Unterstützung haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Die Zweitbegutachtung übernahm der am Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Mannheim und an der Universität Gießen tätige Apl. Prof. Dr. Jürgen H.P. Hoffmeyer-Zlotnik. Sein wertvoller Beitrag zur Entwicklung des soziologischen Befragungsprojektes und seine kritische Lektüre spiegeln sich insbesondere im sozialwissenschaftlichen Gewicht der Dissertation wider. Mit dem Rigorosum im Dezember 2009 konnte die Studie erfolgreich zum Abschluß gebracht werden. Ich bin meinen beiden Gutachern sehr dankbar. Herrn Dr. Daniel Leupold und Herrn Mag. Max Auscher danke ich für die Literaturhinweise und Beratung zur Erstellung der historischen Betrachtungen. Herrn 1. Beigeordneten a.D. Albert Prahl möchte ich für die Hilfestellungen zur gedanklichen Entwicklung des Feuerwehrbezuges zu den verfassungsrechtlichen Schutzpichten danken. In den gemeinsamen Lesestunden hat er mir oftmals die Bedeutung eines jeden Wortes auf seine einzigartige Weise nahe gebracht. Diese Stunden habe ich sehr genossen. In Österreich half mir Herr Bundesfeuerwehrrat Ing. Franz Humer bei der Kontaktsuche und beim „Kennenlernen“ der österreichischen Feuerwehren. Ich möchte ihm für die Unterstützung danken. Ebenso danke ich Herrn Dr. Mario Prast für die Unterstützung bei der Aussendung der vielen Postsendungen in Österreich.
28
Vorwort und Dank
Ferner danke meinen Freunden Daniel und Thomas sowie den vielen Angehörigen der Feuerwehr Hürth für die wertvollen Hilfestellungen bei der Standortplanung und den zahlreichen Stunden der Versandvorbereitungen. In den Momenten, in denen meine EDV-Kenntnisse nicht ausreichten oder der Computer sich einmal mehr verweigerte, sind Matthias, Marcel und Carsten zur Stelle gewesen. Danke dafür.
1
Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie
Die Freiwilligen Feuerwehren sind die tragendsten Säulen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr in Österreich und Deutschland. In Österreich waren im Jahr 2005 insgesamt 246.874 aktive Mitglieder registriert (ÖBFV: 2007, 3), während in Deutschland zum Abschluss des gleichen Zeitraumes 1.036.216 ehrenamtliche Feuerwehrangehörige gezählt werden konnten (DFV: 2007, 256). Sie vollziehen in beiden Ländern die staatlichen Aufgaben der Brandbekämpfung sowie der Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen. Die ausschließliche Erfüllung durch beruiche Kräfte impliziert erhebliche nanzielle Mehraufwendungen, ohne dass ein rechnerischer Nachweis existiert. Nach Schönherr lassen sich Größenordnungen von jährlich etwa 5 Milliarden € für Personalkosten annehmen. Zudem fordern Investitionen für Liegenschaften und ächendeckende logistische Infrastrukturen nach Schönherr einem zweistelligen Milliardenbetrag, da etwa 2300 Feuerwachen vorzuhalten und partiell zu errichten bzw. auszubauen wären (vgl. Schönherr: 2001, 5). Jedoch liegen auch diesbezüglich keine belastbaren Berechnungen vor. Somit besteht ein bedeutendes staatliches und gesamtgesellschaftliches Interesse, den dauerhaften Erhalt dieser in beiden Ländern ächendeckend und ehrenamtlich betriebenen Einrichtungen sicherzustellen. Infolge der stetig fortschreitenden Technisierung aller Lebensbereiche und damit einhergehender Verkürzungen von Innovationszyklen sowie zunehmender Komplexität der vorgefundenen Schadenslagen ist ein immer höheres Ausbildungsniveau erforderlich. Zur Verdeutlichung sei exemplarisch auf zeitgemäße Sicherheitseinrichtungen in Kraftfahrzeugen (Fahrer-, Beifahrer-, Kopf- und Knieairbag und Seitenaufprallschutz) verwiesen, die für nahezu jeden Fahrzeugtyp eine unterschiedliche Vorgehensweise bei technischen Rettungen nach Verkehrsunfällen notwendig machen. Vor etwa 10 bis 15 Jahren fand demgegenüber ein standardisiertes Verfahren Anwendung. Somit sind freizeitgebundene Schulungsmaßnahmen zu intensivieren, um sowohl die schutzwürdigen Bürgerinteressen1 wie auch die Erwartungshaltung an ein zeitkritisch und professionell funktionierendes Hilfeleistungssystem gleichermaßen berücksichtigen zu können (vgl. Polis: 2005, 9). Diesen Erwartungen scheinen familiäre, beruiche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen des ehrenamtlichen Feuerwehrengagements entgegenzustehen. Das bewährte System der Freiwilligen Feuerwehren ist einem Spannungsfeld ausgesetzt, das eine „Anspruchskonkurrenz“ zwischen den dargestellten zeitlichen Ausbildungsnotwendigkeiten und den individuellen Möglichkeiten der Feuerwehrkräfte zu begründen in der Lage ist. Wirtschaftliche Eckdaten führen trotz einschlägiger Privilegierung in den Brandschutzgesetzen der Bundesländer zu einer rückläugen Billigung des Feuerwehrehrenamts durch 1
Aus Gründen des sprachlichen Ausdrucks sowie zur besseren Lesbarkeit wurde in der vorliegenden Arbeit weitestgehend auf geschlechtsspezische Formulierungen verzichtet. Dies ist sinngemäß für beide Geschlechter zu verstehen.
F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie
die Arbeitgeber. (vgl. Innenministerium NRW: 2006, 31–32). Da die Prioritäten selbsterklärend auf das Hauptamt bzw. den Arbeitsplatz ausgerichtet sind, folgen unvermeidbare betriebsorganisatorische Schwierigkeiten im Ausbildungs- und Einsatzdienst der Freiwilligen Feuerwehren. Eine zusätzliche Verschärfung geht häug mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen einher, die das in den jeweiligen Ortslagen organisierte Feuerwehrpersonal zu immer größerer Mobilität zwingt und demgemäß für die Abwehr etwaiger Schadenereignisse nicht bzw. nur noch zeitlich eingeschränkt zur Verfügung stehen lässt (vgl. Innenministerium NRW: 2006, 27). Daher ergeben sich vielfache Berührungspunkte zwischen den Bedürfnissen zur Gestellung landesweiter unentgeltlicher Hilfeleistungssysteme sowie den konkreten Möglichkeiten und Motivationshemmnissen der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen. Es sei diesbezüglich auf einige Länder der Europäischen Union verwiesen, wo ausschließlich beruiche, auch militärbezogene Organisationsmodelle (Italien), hauptamtliche Voll- und Teilzeitfeuerwehrleute (Niederlande) oder gar private Unternehmungen (Dänemark) zur Erfüllung der hoheitlichen Tätigkeiten Verwendung nden. Derartige Systemänderungen lassen einerseits exorbitante Mehrausgaben vermuten, andererseits müsste der gesellschaftliche Wert (vgl. Hagenhofer: 2005, 2–8) der Freiwilligen Feuerwehren nahezu vollständig aufgegeben oder neu ausgerichtet werden. Letztlich jedoch wird entscheidend sein, ob und inwieweit die jeweilige Organisationsform schnelle, qualizierte und efziente Hilfe zu leisten imstande ist. Diese vielfältigen Einüsse gaben Anlass zu einer umfangreichen Untersuchung, der insgesamt 15 Kapitel zugrunde liegen. Kapitel 2 stellt zunächst die historischen Hintergründe um die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Freiwilligen Feuerwehren vor. Besonderes Augenmerk gilt dem gesellschaftlichen Zeitgeschehen der März-Revolution im Jahre 1848 und den Turnervereinigungen, die in Österreich und Deutschland erstmals eine wohl organisierte Form des Löschwesens zu etablieren im Stande waren. Die Gründungsphase der Freiwilligen Feuer wehren, deren ächendeckende Verbreitung sowie die temporären Gemeinsamkeiten öster reichischer und deutscher Feuerwehrverbände nden dabei ebenso Berücksichtigung wie die Perioden der Reorganisation nach den Weltkriegen. Ferner sind der hierarchische Aufbau, das Örtlichkeitsprinzip des Feuerwehrwesens und etwaige Parallelen zur heutigen Gliederung von Bedeutung. Inhaltliche Grundlage sind einschlägige Veröffentlichungen, umfangreiche Sichtungen von Archivmaterial sowie persönliche Gespräche mit Historikern. Das sich anschließende Kapitel 3 beschreibt die für das Feuerwehrwesen maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen beginnend mit der verfassungsrechtlichen Ausgangssituation der ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebung sowie die darauf aufbauende Zuweisung an die Länder. Die Länder wiederum erlassen Brandschutzgesetze, die in Österreich und Deutschland einheitlich eine Aufgabenübertragung auf die Gemeinden vorsehen und zudem die einzelnen Arten der Feuerwehren begründen. Diese einzubringen und auf die Kommunalstruktur zu projizieren erweist sich im Folgenden als schwierig, da die Brandschutzgesetze unterschiedliche Festlegungen treffen. Daher ist Kapitel 3 überaus geeignet, die Vielfalt und gleichzeitig die Unvereinbarkeit der länderrechtlichen Regelungen darzulegen. Basis des Kapitels sind die Brandschutzgesetze der Bundesländer Österreichs und Deutschlands sowie Publikationen aus dem Bereich des Verwaltungsrechts.
Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie
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Im Hinblick auf weitere juristische Einschätzungen folgt in Kapitel 4 die Bewertung der Feuerwehren als Einrichtung zur Gewährleistung verfassungsrechtlicher Schutzpichten. Ausgehend von der überragenden Bedeutung der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit konstituieren die Schutzpichten des Staates Eingriffs- und Abwehrrechte des Einzelnen, die es auf Grundlage juristischer Literatur sowie höchstrichterlicher Rechtssprechungen zu vergegenwärtigen und auf den Wirkungsbereich der öffentlichen Feuerwehren zu transferieren gilt. Dazu ergeben sich hinsichtlich der Wertung verfassungsrelevanter Kriterien abweichende Bedeutungen aus den einzelnen Brandschutzgesetzen, die im Rahmen einer Rechtstatsachenforschung vor dem Hintergrund des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages auf die Prioritäten hinzudeuten in der Lage sind, mit denen der Landesgesetzgeber den feuerwehrbezogenen Aufgabenerfüllungen Ausdruck verleiht. Damit einhergehend sind insbesondere die zeitlichen und technischen Möglichkeiten der Feuerwehr von Bedeutung, Bedrohungen für hilfesuchende Menschen wirksam begegnen zu können. So verbleibt im Ergebnis ein gesellschaftlich, technologisch und juristisch zu tolerierendes Restrisiko, dessen Dimension u. a. durch die Qualität der Feuerwehrstrukturen bestimmt wird. Diese Dimension zu bestimmen und auf etwaige Konkretisierungserfordernisse hinzuweisen, ist Kapitel 4 gewidmet. Die Erfüllung des wie vor beschriebenen Sicherstellungsauftrages ist aus volkswirtschaftlicher Sicht verwoben mit der staatlichen Bereitstellung des öffentlichen Gutes „Feuerwehr“. Bevor jedoch in Kapitel 5 die nationalökonomische Einordnung erfolgen kann, bedarf es zuvor der Herleitung und Begründung von Staatlichkeit. Der Staat soll generell durch die Gewährleistung eines funktionierenden Justizwesens die Voraussetzungen für gesellschaftliche und wirtschaftliche Interaktionen schaffen. Deren Ausgestaltung steht indessen in unmittelbarer Beziehung zur Staatsmacht im Sinne der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die in der heutigen Zeit durch Polizei- und Ordnungskräfte garantiert werden bzw. zu Zeiten der staatlichen Entwicklungsstadien durch Militarisierung garantiert wurde. Zumal die staatliche Genese mit territorialen Ausscheidungskämpfen zur Sicherung oder zur Erweiterung des Staatsgebietes und Machtbereiches einherging. Der Finanzierung dienten zwangsweise erhobene Abgaben der Bürger, einem bis heute gleichermaßen notwendigen wie unverändert durchgreifenden Mechanismus, der dem Staat u. a. die Wahrnehmung seiner ureigensten Aufgabe eröffnet. Er stellt dabei regelmäßig Güter zur Verfügung, die aufgrund ihrer Eigenschaften weder konkurrenz- noch marktfähig sind, so zum Beispiel das öffentliche Gut der Landesverteidigung und der öffentlichen Feuerwehr. Öffentliche Güter sind neben Monopolen, Informationsasymmetrien und externen Effekten Ursachen für Marktversagen. Diese Ursachen wiederzugeben und ihren Bezug zu den staatlichen Feuerwehren herzustellen, trägt insofern zum ökonomischen Verständnis des Feuerwehrsystems bei. Dieses ist in Österreich und Deutschland an die Gemeinden delegiert. Sie organisieren und nanzieren den Feuerschutz selbstständig, von partiellen staatlichen Zuschüssen einmal abgesehen. Infolge dessen stellt sich die Frage der ökonomischen Ef zienz, vorwiegend im Kontext des Marktversagens im Allgemeinen sowie der dezentralen (kommunalen) Verantwortungsübereignung im Besonderen. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass angespannte öffentliche Haushalte ein hohes Maß an Ressourcenverantwortung bedingen, um dem Bürger leistungsfähige Feuerwehrstrukturen anbieten zu können. Ob und inwieweit
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Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie
dieser Anspruch durch die aktuellen Finanzierungsmodalitäten realisierbar ist, resultiert aus den Untersuchungsergebnissen zu Kapitel 5. Die bereits mehrfach genannte Leistungsfähigkeit der Feuerwehren setzt die jederzeitige und ächendeckende Einsatzbereitschaft der Feuerwehren voraus. Für das ehrenamtliche System ist dabei die Verfügbarkeit des Personals von zentraler Bedeutung. Kapitel 6 ordnet den einzelnen Bundesländern auf Grundlage eines umfangreichen Befragungsprojektes genaue Verfügbarkeitsquoten zu, die ein exaktes Bild der realen Personalsituation nachzuzeichnen geeignet sind. Die überaus hohe Anzahl ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger spiegelt keinesfalls die reale Personalstärke in den jeweiligen Momenten des Schadensereignisses wider. Es existiert nämlich eine nicht quantizierbare Beteiligungsunsicherheit, die jedoch die Grenze der Leistungsfähigkeit nicht unterschreiten darf. Diese Grenze zu bestimmen mag in der Theorie möglich sein. In der Realität variiert sie jedoch in Abhängigkeit vom Art und Umfang der Situation am Schadensort, so dass Standardszenarien wie Brände in Wohnungen oder Unfälle im Straßenverkehr als Planungshilfe von Bedeutung sind. Die beschriebene Beteiligungsunsicherheit darf indes nicht die Leistungsfähigkeit des Feuerwehrsystems reduzieren. Es mangelt sowohl in Österreich wie auch in Deutschland an belastbaren Daten zur Alarmsicherheit, die insbesondere während der werktäglichen Arbeitszeiten im erheblichen Maße eingeschränkt sein dürfte. Kapitel 6 beinhaltet daher die erste ganzheitliche Untersuchung der für die Arbeit der Feuerwehren elementaren Verfügbarkeit des ehrenamtlichen Personals, die in Form einer Feldstudie erfolgte. Als Ergebnis werden die gesamtstaatlichen Größenordnungen ebenso wie die Bilanzen aller österreichischen und deutschen Bundesländer mit dem Ziel ausgegeben, die prozentualen Dezitdimensionen zu bemessen und insoweit die Funktionsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren detailliert skizzieren zu können. Diese Ergebnisse vermögen zudem die Efzienz der Feuerwehrorganisation wiederzugeben. Der Verfügbarkeitsanalyse des ehrenamtlichen Feuerwehrsystems schließt sich mit Kapitel 7 die Untersuchung infrastruktureller Erfordernisse an, sofern der Feuerschutz beruichen Kräften ohne ehrenamtliche Komponenten übertragen würde. Diese Betrachtung ist der Gegenüberstellung des nanziellen Betriebsaufwandes für Ehren- und Hauptamt geschuldet, die im Rahmen dieser Arbeit diskutiert werden soll. Infolge der (angenommenen) permanenten Besetzung der beruichen Feuerwehrstandorte bedarf es nicht nur der Standortplanung, sondern zudem der Denition von Personalansätzen sowie technischen und baulichen Ausstattungsanforderungen. Der Standortplanung liegt zunächst jeweils eine bundesweite kartographische Auswertung zugrunde, die in Abhängigkeit von Weg-ZeitPotenzialen quantitative Liegenschaftserfordernisse formuliert und mit Siedlungsstrukturen abgleicht, um die personelle Besetzung an den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten auszurichten. Des Weiteren bedarf das große Standortpotenzial der Freiwilligen Feuerwehren der Berücksichtigung. Einerseits genügt ein prominenter Anteil dieser Liegenschaften den Anforderungen an Unterkünfte für Bereitschaftsdienste nicht, andererseits ist ihre räumliche Verteilung enorm. Folglich minimiert die Einbeziehung dieser Gebäudestruktur den investiven Aufwand für die Einrichtung ächendeckender Berufsfeuerwehrliegenschaften. Diese Einbeziehung erfordert ein Stufenmodell, das die unterschiedlichen Ausbaugarde des Liegenschaftsbestandes und die Schätzungen des investiven (Anpassungs- bzw. Erweiterungs-) Aufwandes zusammenzuführen in der Lage ist. Als Konsequenz dessen ergeben
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sich die Anzahl zu unterhaltender Standorte sowie das notwendige Investitionsvolumen auf Grundlage anerkannter Baukostenschätzverfahren für Österreich und Deutschland einschließlich der Differenzierung für die einzelnen Bundesländer. Nach Ermittlung des Liegenschaftsgefüges lässt sich in Kapitel 8 der Personalbedarf ableiten, wobei nicht nur der quantitative, sondern auch der qualitative Aspekt in Form einer adäquaten Führungsorganisation beachtenswert ist. Die konkreten Personalkosten für die funktionsbezogene Besetzung gehen wahlweise auf kumulierte Werte kommunaler Verwaltungsgemeinstellen oder auf die Befragung von Berufsfeuerwehren zurück. Zudem sind nicht nur die unmittelbaren Aufwendungen des Personalwesens von Bedeutung. So nehmen Sach- und Gemeinkosten ebenfalls beträchtliche Ausmaße ein. Sie wurden im Zuge einer Volluntersuchung aller österreichischen und deutschen Berufsfeuerwehren berechnet und vervollständigen die Betriebskostenkalkulation mit dem Resultat, dass die Aufwendungen für die wie vor denierten berufsbezogenen Vorhalteleistungen abschließend beziffert werden können. Den Aufwand für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren zu bemessen erweist sich demgegenüber in Ermangelung belastbarer Vergleichswerte als schwierig, da die Vielfalt der Kommunalstrukturen auch Auswirkungen auf den Aufbau der einzelnen Feuerwehreinrichtungen impliziert. Kapitel 9 führt die Einussgrößen zusammen, in dem die Beziehungen von der Gemeindegröße, der Einwohnerdichte, der Anzahl der Feuerwehrangehörigen und das nanzielle Volumen der örtlichen Feuerschutzanstrengungen untersucht werden. Dazu erfolgt die Auswertung von Haushaltsunterlagen aus Österreich und Deutschland. Um die Auswirkungen temporärer Ausgabenspitzen zu minimieren, gilt es einen Zeitraum von 3 Jahren darzustellen. Ferner ist die Bildung von Ausgabengruppen erforderlich. Diese enthalten eine Übersicht der Ausgabepositionen, die sich nachfolgend auf die Kernsubstanz konzentrieren lassen und insoweit sachkonformen Aufwand ausgeben. Daraus resultieren zunächst absolute Größenordnungen, die in Relation zu den wie vor aufgeführten Eckdaten variieren. Durch Einbeziehung der Mitgliederzahlen aus den einzelnen Freiwilligen Feuerwehren ergeben sich Mittelwerte, die sowohl auf den Gesamtaufwand als auch auf den ProKopf-Aufwand der jeweiligen Gebietskörperschaften übertragbar sind. Nunmehr können die Beziehungen des kommunalen Ausgabeverhaltens zu Einwohnerklassen und zu Raumstrukturen aufgezeigt werden. Ob und inwieweit sich diesbezüglich Abhängigkeiten und Regelmäßigkeiten einstellen sowie sich darauf aufbauend nachweisbare Verteilungen ausbilden, ist Gegenstand dieser Untersuchung. Sie basiert auf der Bewertung von insgesamt etwa 3.300 österreichischen und deutschen Haushaltsplänen, so dass von einer durchaus repräsentativen Grundlage auszugehen ist. Kapitel 10 bietet sodann eine vergleichende Gegenüberstellung des ehren- und hauptamtlichen Feuerwehrsystems. Ausgehend von den Ergebnissen der Kapitel 6 bis 9 stehen die erforderlichen Daten zur Verfügung, um den nanziellen Bedarf zur Unterhaltung ächendeckender Berufsfeuerwehreinrichtungen sowie den Aufwand für die Freiwilligen Feuerwehren darzustellen. Darüber hinaus sind auch die Dezite bei der Verfügbarkeit des ehrenamtlichen Personals in die Aufwandsbetrachtungen einzurechnen. Ebenso relevant ist das Reduzierungspotenzial an Fahrzeug und Gerät. Immerhin erfordert das Örtlichkeitsprinzip der Freiwilligen Feuerwehren außerordentliche Vorhalteleistungen, die mit
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Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie
Reduzierung der Standortdichte eines deutlich geringen Umfanges bedürfen. Als Ergebnis folgt die Darstellung der monetären Dimensionen für den Betrieb der Systemvarianten Ehren- und Hauptamt. Kapitel 11 ist der ehrenamtlichen Arbeit in den Feuerwehren gewidmet. Als Ergebnis der interdisziplinären Konnotationen des Arbeitsbegriffes beschreiben die Ausführungen die Entwicklungsstadien der Arbeit bis zum heutigen Status als wesentlicher Gesellschaftsfaktor. Unterstützend wirken bei der Erklärung die unterschiedlichen Formen der (Arbeits-) Motivation. Sie sind indes differenziert einzuordnen, wie die Bandbreite angeführter Forschungsergebnisse zu unterstreichen vermag. So gehen von materiellen Anreizen unter bestimmten Voraussetzungen inverse Wirkungen aus. Daher ist der Einsatz derselben nicht immer angezeigt. Zudem soll auf die Fülle der ehrenamtlichen Tätigkeitsbereiche und auf Implikationen für das ehrenamtliche Feuerwehrwesen hingewiesen werden. Weiterhin beansprucht die Eigenart der Feuerwehrarbeit besondere Berücksichtigung, der es in Kapitel 12 mit Hilfe umfangreicher soziologischer Feldstudien Rechnung zu tragen gilt. Diesen Studien gingen einleitende Untersuchungen interessierender Merkmale voraus, die durch Literaturrecherchen und durch eine standardisierte (Vor-) Befragung ermittelt wurden. Im Verlauf konnte ein weit reichender Fragebogen konzipiert werden, der ungefähr 10.000 ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen in Österreich und Deutschland zugeleitet wurde. Die Befragungsinhalte zielten auf die Motivationen zur Mitwirkung bei den Freiwilligen Feuerwehren, auf die verfügbare Schutzausrüstung, auf die gesellschaftliche Anerkennung, auf die Ausbildung in den Freiwilligen Feuerwehren, auf die Vereinbarkeit von Arbeitsplatz und ehrenamtlicher Feuerwehrtätigkeit sowie auf soziodemographische Faktoren ab. Auf Grundlage derselben lassen sich einerseits elementare und gleichermaßen aktuelle Kriterien freiwilliger Arbeit bei den Feuerwehren darstellen. Andererseits induzieren etwaige nationale Unterschiede zwischen den beiden Staaten entsprechende Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze. Aus Gründen der Übersichtlichkeit stellt die im Folgenden dargestellte Abbildung nochmals die Vorgehensweise sowie die einzelnen Projektschritte dar.
Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie
Abbildung 1-1 Ablaufdiagramm der Projektschritte (Eigene Darstellung)
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Einleitung, Themenheranführung und Forschungsstrategie
In Kapitel 13 werden nochmals alle Ergebnisse in Kurzform zusammengefasst, um die Schlussfolgerungen, Implikationen und Lösungsvorschläge des 14. Kapitels vorzubereiten und gleichzeitig den umfänglichen Studien entsprechenden Ausdruck zu verleihen. Kapitel 15 schließt die Arbeit mit einem Ausblick und der Benennung weiterer Forschungsansätze. Mit dieser Untersuchung ist die erstmalige weit reichende Beurteilung des ehrenamtlich organisierten Feuerwehrwesens in Österreich und Deutschland erfolgt. Eine derartige Breitenstudie erstmalig zu verwirklichen und den Zustand des gesamten Feuerwehrwesens transparenter zu machen, bedurfte eines großen logistischen Aufwandes, insbesondere aufgrund der zahlreichen Voll- und Feldanalysen. Die zentrale Motivation dieses Forschungsprojektes liegt in der kritischen Aufbereitung der aktuellen Situation. Daraus ableitbare Schlüsse sollen einen Beitrag zum langfristigen Erhalt der einzigartigen und traditionsreichen ehrenamtlichen Feuerwehrorganisation leisten.
2
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
Das Feuer ist „Fluch und Segen“ zugleich. Es bewahrt die menschliche Existenz, übt jedoch auch zerstörerische Kräfte aus und vernichtet in Minutenschnelle, was in einem Leben voller Mühe und Arbeit errichtet wurde (vgl. Treffer: 1984, 13). In der Menschheitsgeschichte kam dem Schutz vor Feuer und der Abwehr von Feuersgefahren daher eine besondere Bedeutung zu. Andererseits fand das Feuer als Schutz- und Lichtfeuer, vor allem aber als Nutzfeuer für die Zubereitung von Nahrung oder auch zur Gewinnung von Wärme Verwendung. Die der Feuerwehr eigenen Aufgaben der Brandbekämpfung begleiten den Menschen seit Jahrtausenden. Diesen Weg gilt es im Folgenden darzustellen. Bevor sich dieser Abschnitt mit der ächendeckenden Verbreitung der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland befasst, soll zunächst auf die Entwicklungen im römischen Reich über das Mittelalter bis zur neueren Zeit eingegangen werden.
2.1
Das Feuerlöschwesen zur Römerzeit (300 v. Chr. – 500 n. Chr.)
Eine wohlorganisierte Form des Feuerlöschwesens existierte bereits zu Zeiten des römischen Reiches. Der Aufbau orientierte sich zunächst an so genannten „Wächterregionen“ und Straßenquartieren, die sich im Stadtgebiet Roms wie auch in den Provinzen bildeten. Jeder Region stand ein „Curator“, jedem Straßenquartier ein „Vicomagister“ vor. Zwei Straßenquartiere hatten eine gemeinsame Kaserne, die unter dem Kommando eines Unterpräfekten stand. Die gesamte Feuerlöschtruppe, in der Stärke von sieben „Cohortes Vigilum“ mit jeweils 1000 Mann, unterstand einem „Praefectus Vigilum“, einem berittenen Ofzier. Eine Kohorte wiederum gliederte sich in sieben Centurien; jede dieser Centurien hatte einen „Siphonarius“ (Spritzenmeister), einen Hornisten und einen Trupp Wasserträger. Die Ausrüstung bestand aus Wassersäcken mit denen man auf die Flammen spritzte, Löschbesen zum Wassersprühen, Leitern, Körben, Eimern, Schwämmen, Einreißhaken und Decken. Letztgenannte sollten die Dächer der Nachbarhäuser schützen. Zu diesem Zweck wurden sie in Wasser getränkt und auf die Dächer gefährdeter Häuser gelegt (vgl. Zeilmeyer: 2002, 11). Ferner kannten die Römer bereits eine einfache Art Handkolbenpumpe („Siphones“); die Männer, die sie bedienten, hießen „Siphonarii“ (Treffer: 1984, 14). Wenn auch hinsichtlich des Einsatzes ein historischer Nachweis fehlt, erscheint die Verwendung durchaus denkbar, da erwiesenermaßen Großbrände unter Kontrolle gebracht werden konnten (vgl. Zeilmeyer: 2002, 12). Die Kenntnis von dieser technischen Errungenschaft ist indes verloren gegangen; es dauerte fast 1500 Jahre, bis ein vergleichbarer Stand der Technik wieder erreicht werden konnte (vgl. Treffer: 1984, S.14).
F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
38 2.2
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
Der Brandschutz im Mittelalter (500 n. Chr. – 1500 n. Chr.)
Nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches konzentrierte sich der Brandschutz im Wesentlichen auf Selbsthilfe und im Rahmen döricher, später auch städtischer Gemeinschaften auf unorganisierte nachbarschaftliche Hilfeleistung. Als frühes Zeichen einer „Reorganisation“ des Feuerlöschwesens könnte die Anordnung über die Aufstellung von Feuerwachen für fränkische Höfe und Pachtungen aus dem Jahre 795 n. Chr. gedeutet werden (vgl. Zeilmeyer: 2002, 14). Begriffe wie Bau- und Feuerpolizei existierten noch nicht. Eine regelmäßige Straßenanlage oder eine strukturierte Anordnung der vorwiegend aus Holz errichteten Häuser lagen ebenso wenig vor. Auch die Feuerungsanlagen waren sehr unvollkommen; Schornsteine scheinen im 12. und 13. Jahrhundert noch unbekannt gewesen zu sein. Die Gefährlichkeit der Feuerungsstätten führte ab 900 n. Chr. vielerorts zu Verordnungen, die in den Abendstunden ein Löschen und Abdecken der in den Häusern bendlichen Feuerstellen vorschrieben (vgl. Magirus: 1877, 23). Diese als Ansatz von Feuerordnungen interpretierbare Entwicklung vollzog sich in vielen europäischen Städten, beispielsweise in Meran (1086) oder London (1189). Hinsichtlich des Erlasses von Feuerordnungen in Österreich nden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben. Nach Müller stammt die erste Feuerordnung Österreichs aus dem Jahre 1221. Diese von Herzog Leopold VI. für Wien erlassene Verordnung sah vor, denjenigen zu einer Geldstrafe zu verurteilen, in dessen Haus ein Feuer ausbrach. Vorkehrungen für den vorbeugenden Brandschutz enthielt diese Feuerordnung nicht; sie ist nach Hans-Gilbert Müller dennoch für mehr als 300 Jahre die einzige Maßnahme des vorbeugenden Brandschutzes gewesen (vgl. Müller: 2000, 5). Zeilmeyer hingegen berichtet über „Feuerverordnungen“ für Wien aus den Jahren 1278 und 1454 sowie über darin enthaltene Vorschriften zur Verpichtung bestimmter Handwerker zum Löschdienst (vgl. Zeilmeyer: 2002, 15). Auch Magirus erwähnt die im Jahre 1278 veröffentliche Feuerordnung für Wien (vgl. Magirus: 1877, 25). Die Stadt Augsburg regelte 1276 in der vermutlich ältesten deutschen Feuerordnung die Hilfspicht bei Feuersbrünsten. Weitere Feuerordnungen folgten in Esslingen (1331), Prag (1350), Erfurt (1351), München (1379), Köln (1403), Bremen (1433), Frankfurt am Main (1439) oder auch Stuttgart (1492) (vgl. Zeilmeyer: 2002, 15). Sie enthielten Hinweise zur Aufstellung von Schöpftrögen oder zur Vorhaltung von Löscheimern, Leitern und Haken. Oftmals lagen der Ausrufung von Feuerordnungen verheerende Brandereignisse zugrunde. So gilt die Zeit vom 12. bis 14. Jahrhundert als Periode der großen Brände, die verschiedene Städte innerhalb eines Jahrhunderts mehrmals zerstörte. Im Jahre 1193 wird erstmals von einem Großbrand in Wien berichtet. Weitere folgten in den Jahren 1252, 1262 und 1275; bei letztgenanntem Ereignis brannten etwa zwei Drittel der Stadt nieder (Müller: 2000, 3–4). Auch Lübeck brannte im 12. Jahrhundert mehrmals ab, einmal gar bis auf 5 Häuser (vgl. Magirus: 1877, 25). Der vorbeugende bauliche Brandschutz gewann in den nachfolgenden Jahrhunderten an Bedeutung. In Wien mussten die Rauchfänge städtischer Gebäude ab dem Jahre 1456 regelmäßig kontrolliert werden und seit dem Jahre 1500 waren Häuser in Innsbruck durch Feuermauern zu schützen.
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
2.3
39
Das Feuerlöschwesen in der Neuzeit (1500 n. Chr. – 1800 n. Chr.)
Die technische wie auch die organisatorische Entwicklung des Brandschutzes während des Mittelalters sind mit Ausnahme der Verbreitung von Feuerverordnungen nicht fortgeschritten. Erst mit der Verbreitung baupolizeilischer Vorschriften verbesserte sich der Brandschutz. Diesen Vorschriften zufolge waren Wände aus Holz sowie Dächer aus Stroh durch massive Mauern und durch Ziegeldächer zu ersetzen. Darüber hinaus wurde der Gebäudeabstand als wirksame präventive Maßnahme ebenso aufgenommen wie Regeln über die Ausgestaltung von Feuerungsanlagen. Zudem traten zusätzliche Feuerordnungen in Österreich und Deutschland in Kraft; Dresden (1529), Innsbruck (1605), Graz (1633), Linz (1672), Steyr (1730) und Loeben (1752) erhielten ortsbezogene Vorgaben, die wie vielerorts, fortwährenden Anpassungen zu unterziehen waren. Der dreißigjährige Krieg (1618–1648) in Deutschland führte zu einer gesamtgesellschaftlichen Verarmung und Entwurzelung, die nicht nur die kulturelle Entwicklung um etwa ein Jahrhundert zurückwarfen, sondern auch Fortschritte im Feuerlöschwesen für eine lange Zeit unmöglich machten (vgl. Magirus: 1877, 46). Die Stadt Wien erhielt im Jahre 1685 vier „Feuerknechte“ als ersten ständigen Brandschutzdienst zur „Dirigierung und Regierung der Feuerspritzen der Stadt“ (Zeilmeyer: 2002, 17). Die Literatur führt diese Einrichtung als erste Berufsfeuerwehr der Welt an, wenngleich kritisch anzumerken ist, dass sowohl die Anzahl wie auch die Ausbildung der vier besoldeten Feuerknechte einer Berufsfeuerwehr in heutigen Sinne nicht gerecht zu werden vermögen, da die vornehmliche Aufgabe in der Anleitung von Bürgern bestand, die zum Löschdienst verpichtet waren (vgl. Müller: 2000, 5). Dennoch dürfte von der Etablierung des Brandschutzdienstes ein richtungweisender Charakter für die Personalisierung und Professionalisierung des Feuerlöschwesens ausgegangen sein. Wirksame Erfolge waren jedoch nur durch die zunehmende Technisierung in Gestalt von Feuerlöschspritzen zu erzielen, auf deren Verbreitung nunmehr eingegangen wird.
2.3.1
Entwicklung und Verbreitung von Feuerlöschspritzen in der Neuzeit
Um das Jahr 1500 fertigen Rotgießer bzw. Rotschmiededrechsler in so genannten Feuerspritzenmanufakturen erstmals Stock- und Handspritzen in Serie. Im Jahre 1517 ndet eine erste Feuerlöschpumpe in der Stadt Augsburg Erwähnung (vgl. Zeilmeyer: 2002, 17). Nach dem Grazer Stadtbrand bewilligte Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1555 den Ankauf von fünf bis sechs Feuerspritzen für die Grazer Burg. Diese ersten Spritzen in der Steiermark waren so genannte Kastenspritzen, bei denen es sich um Hebelpumpwerke mit einfachem Kolben handelte. Das Spritzrohr bestand aus einem drehbaren und mit dem Gerät fest verbundenen Wendehals; dadurch wurden die Einsatzmöglichkeiten der Spritze erheblich reduziert, insbesondere aufgrund der geringen Reichweite und der unzureichenden Wassermenge (vgl. Treffer: 1984, 44). Die Technisierung des Feuerlöschwesens schritt indes in beiden Ländern stetig fort. So erhielten die Städte Nürnberg, Hagenau, Braunschweig und Celle im Zeitraum von 1602 bis 1618 Feuerspritzen.
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Die historische Entwicklung der Feuerwehr
Im Jahre 1655 erndet der Nürnberger Mechanikus Hans Hautsch eine auf Kufen stehende Feuerlöschspritze, die erstmals respektable Wurfweiten von etwa 20 Metern erreicht, wenngleich zur Bewegung drei Pferde und zur Bedienung insgesamt 28 Personen notwendig gewesen sein sollen. Ein grundsätzliches Problem dieser Zeit stellte die Löschwasserversorgung dar, die lediglich in Brunnen oder einspännigen Fahrzeugen mit Wasserbottichen erhalten blieb. Zudem war der den Römern bereits bekannte Löschschlauch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch nicht (wieder-)erfunden, so dass die knappen Wasservorräte mit den beschriebenen Wendehalsspritzen nur von außen auf das Brandobjekt aufgetragen werden konnten (vgl. Zeilmeyer: 2002, 18). Als äußerst wichtiger Fortschritt im damaligen Feuerlöschwesen ist die Erndung der „Schlangenspritze“, auch Schlauchspritze, im Jahre 1673 (vgl. Magirus: 1877, 54) zu bezeichnen. Bei dieser Spritze ersetzte ein Schlauch aus genähtem Leder den Wendehals. Damit ließ sich das Strahlrohr wesentlich näher an den Brandherd heranführen und gezielter einsetzen. Als Ernder gilt der begabte Maler Jan van der Heyde, dem sowohl als Branddirektor von Amsterdam wie auch als Spritzenfabrikant besonderer Anteil an der Vervollkommnung der Feuerspritze zugeschrieben werden muß (vgl. Magirus: 1877, 47 und Treffer: 1984, 48). Trotz dieser Verbesserung der Wasserfortleitung und der Wasserabgabe gestaltete sich die Löschwasserbefüllung der Feuerspritzen mit Eimerketten oder den zuvor genannten Brunnen und zu transportierenden Wasserbottichen nach wie vor mühsam. Erst mit der Erndung der Luftpumpe durch den Physiker und Bürgermeister Otto von Guerike aus Magdeburg und der nachfolgenden Übertragung des Wirkprinzips auf die Wasserentnahme war eine Förderung des Löschwassers aus Bächen, Flüssen oder Seen mit Hilfe eigens hergestellter Saugschläuche technisch realisierbar. Löschwirkung und Löscherfolg verbesserten sich nunmehr wesentlich. Nachdem die Schlauchspritzen zunehmend Verbreitung fanden, erwiesen sich die Löschschläuche aus Leder als unpraktisch. Im Jahre 1719 webte Johannes Beck aus Leipzig nahtlose Schläuche aus Hanf, die später kantenlos und rollbar herstellbar waren. Im Jahre 1721 wurden nahe London erstmals fahrbare Handspritzen vorgestellt und patentiert; England übernahm die Führungsposition im Bau von Feuerlöschspritzen. Auch mit der Weiterentwicklung von „herkömmlichen“ Feuerspritzen beschäftigten sich zahlreiche Konstrukteure, so dass zum Ende des 18. Jahrhunderts ein durchaus hoher technischer Standard des Feuerlöschwesens erreicht werden konnte (vgl. Zeilmeyer: 2002, 18–19).
2.4
Die Gründung der Freiwilligen Feuerwehren
Die behördlichen Einrichtungen in Österreich und Deutschland boten jahrhundertelang das Bild einer undisziplinierten Anzahl von Löschdienstpichtigen. Ein kleiner Fortschritt bestand durchaus in der durch örtliche Feuerordnungen obligatorischen Heranziehung von Bauhandwerkern, obschon die Güte der Feuerlöschtechnik einer zunehmenden organisatorischen, personellen und edukativen Aufwertung bedurfte (vgl. Fleck: 1956, 21). Verheerende Brandereignisse und damit häug einhergehende Opfer an Menschenleben vereinten die Stadtbewohner vielerorts zur Selbsthilfe und förderten den Gedanken, Löschvereine mit dem Ziel zu gründen, die Bedienung der Feuerlöschgeräte von einer gro-
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
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ßen ungeordneten und oftmals nur widerwillig arbeitenden Menschenmenge auf kleinere Scharen „arbeitsfreudiger und selbstloser Männer“ zu übertragen (Fleck: 1956, 21–22). Dieser Idee der Freiwilligen Feuerwehr ist zudem der Anbruch der liberalen Ära zuträglich gewesen, da im Zuge der wirtschaftlichen Freizügigkeit, der Aufhebung von Hemmnissen im Handel und Verkehr auch das Sicherheitsbewusstsein des expandierenden Wirtschaftsbürgertums in den Städten stieg, dessen Lager- und Produktionsstätten eines wirkungsvolleren Schutzes bedurften, als die herkömmlichen Feuerlöschordnungen bieten konnten (vgl. Engelsing: 1999, 202).
2.4.1
Österreich
Zahlreiche Städte Österreichs sind während des Mittelalters und der Neuzeit durch ausgedehnte Brände ein Raub der Flammen geworden. Zwischen den Jahren 1298 und 1816 ist Friesach in Kärnten nicht weniger als einundzwanzigmal abgebrannt, Villach zwischen den Jahren 1428 und 1791 zwölfmal und Klagenfurt im fast gleichen Zeitraum elfmal zerstört worden. Im Jahre 1782 brannte Bruck an der Mur (Steiermark) vollständig nieder (vgl. Kernmeyer: 1956, 414). Die im Laufe der Jahrhunderte erlassenen Feuerordnungen vermochten insofern lediglich zu einer Minderung, nicht jedoch zu einer deutlichen Reduzierung der schrecklichen Ereignisse beizutragen, ebenso wenig wie die Vorhaltung von Handdruckspritzen, wie sie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in nahezu jedem größerem Dorf üblich waren (vgl. Müller: 2000, 5). Zudem wirkten sich die Brände im urbanen Bereich aufgrund der dichten Bebauung trotz Mauerwerks, Brandwänden oder „harter“ Ziegelbedachung nach wie vor folgenschwer aus. Die „Städter“, deren Häuser Bürgerstolz repräsentierten, die Handwerker, die um ihre Werkstätten, Geräte, Materiallager und gefertigten Produkte bangten, waren aus ureigenem Interesse bemüht, die Auagen der Feuerordnungen rigoros zu befolgen (vgl. Müller: 2000, 6). Resümierend bleibt festzustellen, dass während des Zeitalters der Napoleonischen Kriege und ihrer „Nachwehen“ mit Ausnahme Wiens kaum eine Verbesserung des allgemeinen Feuerschutzes in Österreich eintrat (vgl. Kernmeyer: 1956, 414). Erst die Mitte des 19. Jahrhunderts sollte in Österreich eine grundlegende Wandlung auf dem Gebiet des Brandschutzwesens herbeiführen. Neue Ideen verbreiteten sich. Aus dem Gedankengut der französischen Revolution erwuchs das Bedürfnis nach der Bildung freier Interessensgemeinschaften; in ihnen lag die neue gesellschaftsbildende Kraft und nicht (mehr) in den zünftischen Handwerkervereinigungen, die als wirtschaftlicher Machtfaktor von den Manufakturen überholt worden waren (vgl. Treffer: 1984, 59). Diese wiederum maßen einem zuverlässigen Brandschutz einen hohen Wert bei. Daher bildeten die Manufakturen Löschtrupps aus der eigenen Arbeiterschaft, so dass im Jahre 1831 in Schwaz (Tirol) die erste Betriebsfeuerwehr Österreichs zustande kam. Im Jahre 1841 setzte die Leitung der kaiserlichen und königlichen Tabac-Manufaktur in Füstenfeld einen „Feuerwächter“ ein (vgl. Treffer: 1984, 59–60). Für die Fortentwicklung des „öffentlichen Feuerlöschwesens“ gelten drei Anlässe als ausschlaggebend. So ist zunächst auf den Einuß aus dem damals österreichischen Oberitalien zu verweisen, wo die seit dem Jahre1837 aus städtischen Regiearbeitern bestehende Or-
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Die historische Entwicklung der Feuerwehr
ganisation der Triestiner „Pompieri“ der steierischen Landeshauptstadt Graz im Jahre 1853 zur Bildung einer städtischen Werkstättenfeuerwehr Veranlassung gab. Darüber hinaus wirkten sich die im süddeutschen Raum auf freiwilliger Basis existierenden Pompierkorps positiv auf die Gründung des ersten österreichischen Korps in der kleinen Stadt BöhmischKaunitz im Jahre 1846 aus. Schließlich trug die Umwandlung der Wiener Löschanstalt in eine moderne Berufsfeuerwehr im Jahre 1852 zur Verbreitung der Brandschutzorganisation bei (vgl. Kernmeyer: 1956, 414–415).
2.4.1.1
Die Rolle der Turnvereine
Seit dem Jahre 1848 bemühte sich auch die deutsche Turnerbewegung über Deutschland hinaus in der gesamten kaiserlich-königlichen Monarchie um aktive Förderung des freiwilligen Feuerwehrgedankens (vgl. Kernmeyer: 1956, 415). Ihre liberale und „deutschtümelnde“ Gesinnung, die in den Augen der Obrigkeit einer politischen Agitation gleichkam, verhinderte jedoch lange Jahre eine Betätigung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Turner während der Revolution im Jahre 1848 auf den Barrikaden standen (vgl. Müller: 2000, 10). Nach der Revolution waren Vereine zunächst verboten. Erst durch die Vereinsgesetze der Jahre 1849, 1853 und 1867 ist eine Gründung ermöglicht worden (vgl. Müller: 2000, 11). Turnvereine sind sodann im Jahre 1862 auf Grundlage der von Kaiser Franz Joseph im Vorjahr erlassenen Vereinsverfassung (Februarpatent) wieder auf breiter Basis entstanden. In den Turnerschaften fanden sich die zu jener Zeit erstarkenden bürgerlichen Kräfte zusammen, denen der Obrigkeitsstaat keine Möglichkeit zur politischen Artikulation eröffnete. Die Mitglieder der Turnerschaften fassten das Turnen als „Zucht und Überwindung des Einzelwillens, als Selbstbezwingung und Unterordnung unter eine gemeinsame Sache“ auf und schienen prädestiniert für die Aufgaben des Feuerlöschwesens, waren es doch gerade Disziplin und körperliche Ertüchtigung, die den zünftischen Löschtrupps fehlte (vgl. Treffer: 1984, 60). Die Turner ihrerseits verstanden die Übernahme von Feuerlöschaufgaben als Glücksfall; sie waren bereit ihre Körperbeherrschung und ihre Einsatzbereitschaft für das Gemeinwesen zu kombinieren. In diesem Sinne nahmen manche Turnerschaften die Heranbildung einer „qualizierten Löschtruppe“ in ihre Statuten auf, deren Inhalte sowohl die Anschaffung der erforderlichen Geräte wie auch die regelmäßige Übung mit ihnen vorsahen (vgl. Treffer: 1984, 60–61). Anlaß zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr gab oftmals ein Brand im Dorf oder in der Nachbarschaft. Nach einer Gründungsversammlung wurden die Statuten dem Statthalter überreicht, dessen Genehmigung per Nichtuntersagungsklausel als Gründungsdatum einer Freiwilligen Feuerwehr galt und nach wie vor gilt (vgl. Müller: 2000, 11). Die so gebildeten Freiwilligen Feuerwehren sind an der Basis entstanden. Der Staat hat in diese Entwicklung nicht eingegriffen, auch in der Folge gab es keine Lenkung durch zentralstaatliche Maßnahmen. Das Feuerwehrwesen in der österreichisch-ungarischen Monarchie aber auch im Kaiserreich Deutschland war dem Aufgabenbereich der Länder zugeordnet, also einer heute noch gültigen gesetzlichen Aufgabenzuweisung (vgl. Zeilmeyer: 2002, 21). Die erste Freiwillige Feuerwehr Österreichs entstand im Jahre 1857 unter der Leitung des akademischen Turnlehrers Franz Thurner in Innsbruck (vgl. Treffer: 1984, 62).
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
43
Die Turnerfeuerwehren und damit auch fortschrittliche Feuerlöschorganisationen verbreiteten sich stetig. Vor dem Jahre 1861 existierten lediglich fünf freiwillige Feuerwehren; ihre Zahl stieg bis zum Jahre 1870 auf nahezu vierhundert Feuerwehren an. Zu den ältesten Turnerfeuerwehren gehören Krems und Bregenz (1861), Steyr und Klagenfurt (1864) sowie Graz und Salzburg (1865) (vgl. Kernmeyer: 1956, 415).
2.4.2
Deutschland
Die Brandbekämpfung zu Beginn des 19. Jahrhunderts organisierte sich nach wie vor durch berufsbezogene Heranziehungen von Bürgern und Einwohnern einer Gemeinde. Sie hatten sich im Falle eines Schadenfeuers am Brandplatz, an den Deponien der wenigen technischen Hilfsmittel oder an den Stadttoren einzunden, sobald der Hilferuf eines Nachbarn oder das endlose Läuten der „Sturmglocke“ wahrnehmbar wurde (Engelsing: 1999, 202). Besser waren die Verhältnisse in den französischen Herrschaftsbereichen. Bereits im Jahre 1801 entstand ein Pompierskorps, nachdem die städtischen Brandspritzen zuvor von der stadtkölnischen Artilleriekompanie bedient wurden. Das Pompierskorps umfasste vier Feuerlöschkompanien und eine Arbeiterkompanie. Eine Feuerlöschkompanie wiederum bestand aus acht bis elf Personen mit je einer Spritze. Die Arbeiterkompanie setzte sich aus drei Abteilungen Bauhandwerkern zusammen, die für das Abreißen und das Abtragen von Bauten an der Brandstelle vorgesehen waren (vgl. Jüchen: 1924, 80). Die „Chefs“ oder die „Sous-Chefs“ übten ihren Dienst ehrenamtlich aus, während die übrigen Mitglieder für jede Brandbekämpfung ein Entgelt erhielten (vgl. Neuhoff: 1997, 447). Weitere Pompierskorps und „freiwillige Rettungsgesellschaften“ bildeten sich während dieser Zeit in Bonn, Trier und Krefeld. Allen ist gemein, dass sie sich am gut organisierten Feuerlöschwesen in Frankreich orientierten (vgl. Leupold: 2003, 21). In Paris entstand bereits im Jahre 1705 eine Löschanstalt, die sich zu einer Organisation mit militärischer Uniformierung, Rangordnung, Disziplin sowie ständig besetzten Feuerwachen entwickelt hatte (vgl. Schunk: 1996, 16–23). In den anderen Landesteilen setzten sich demokratisch gesonnene Publizisten kritisch mit den traditionellen Feuerlöschordnungen auseinander. Ihre Kritik richtete sich gegen die Wirkungslosigkeit der Brandbekämpfung, die – ebenso wie in Österreich – durch überkommene Gerätschaften und ungeschulte städtische Löschmannschaften gekennzeichnet gewesen ist (vgl. Engelsing: 1990, 12). Maßgeblichen Einuss hatte ohne Zweifel auch der Brand in Hamburg, dem an drei Maitagen des Jahres 1842 insgesamt 75 Straßen mit 4219 Wohnhäusern, drei Kirchen und 100 Menschen zum Opfer elen. Das Jahr 1842 ist überhaupt ein an großen Brandereignissen reiches Jahr gewesen (vgl. Magirus: 1857, 57). „Die Erkenntnis, dass die bestehenden Vorkehrungen nicht mehr genügten, war zu Anfang der 40er Jahre durchgedrungen. Der gute Wille, etwas Besseres zu unterstützen, war da und es kann daher nicht überraschen, dass beinahe gleichzeitig an vielen Orten Verbesserungsversuche gemacht wurden, deren letztes Resultat die allgemeine Einführung von Feuerwehren war“ (Magirus: 1857, 57).
44 2.4.2.1
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
Die Rolle der Turnvereine
Nach Eröffnung des ersten Turnplatzes in Berlin im Jahre 1811 entstanden die ersten Turnergemeinden. Aber bereits nach acht Jahren erlitt diese auf „volkstümlich-pädagogischen Ideen“ ihres Gründers Ludwig Jahn beruhende Bewegung einen Rückschlag (Fleck: 1956, 21). Die Turnplätze mussten geschlossen werden, da der Turnerbewegung die „Erndung einer höchst gefährlichen Lehre von der deutschen Einheit“ nachgesagt wurde (Fleck: 1956, 22). Erst im Jahre 1842 erachtete König Friedrich Wilhelm IV. die Durchführung von Leibesübungen als „notwendigen und unentbehrlichen Bestandteil der männlichen Erziehung“, so dass in der Folgezeit eine amtliche Einführung des Turnens mit der Folge weit verbreiteter Neugründungen von Turnergemeinden, Turnanstalten und Turnvereinen stattfand (vgl. Fleck: 1956, 22). „In diese Zeit des wiedererstarkenden deutschen Turnens fallen auch die Gründungen der ersten richtigen Feuerwehren. Was war natürlicher, als dass die Turner, welche sich der Übung ihrer Körperkräfte verschworen hatten, das im Turnverein Erlernte auch einer praktischen Ausübung zunutze machen wollten. Die ersten Turnvereine nannten sich vielfach „Steiger-Kompanie“ (Fleck: 1956, 22). Die Bildung weiterer auf Freiwilligkeit beruhender Zusammenschlüsse schritt ab dem Jahre 1846 innerhalb kurzer Zeit stetig fort, da sich Bürger in vielen Orten zusammenfanden, um gemeinsam die Brandbekämpfung zu organisieren. Diese Bewegung breitete sich in Deutschland zuerst im Süden des Landes aus (vgl. Leupold: 2003, 31), wenngleich es anzumerken gilt, dass bereits im Jahre 1841 in Meißen ein freiwilliges Feuerlösch- und Rettungskorps entstanden ist (Wucke: 1995, 109–111).
2.4.3
Soziologisch-ökonomische Aspekte
Eine ganzheitliche Untersuchung der soziologisch-ökonomischen Begründung für die ächendeckende Entstehung der Freiwilligen Feuerwehren existiert nicht. Durchaus lassen sich dennoch ökonomische Motive anführen. Zünftische Handwerkervereinigungen verloren infolge der fortschreitenden Technisierung der Produktionsabläufe in den Manufakturen an Bedeutung. Diese gewannen an wirtschaftlicher Macht und beförderten den Gedanken zuverlässiger und wirkungsvoller Brandschutzstrukturen durch Bildung eigener Löschtrupps (vgl. 2.4.1). Der Produktionssicherheit sowie den Werten von Maschinen und Werkstoffen galt es fortan einen angemessenen Stellenwert einzuräumen. Es verwundert daher nicht, dass diese Zeit des expandierenden Wirtschaftsbürgertums auch mit der Entwicklung der Versicherungswirtschaft einherging. Zumal die Wiederbeschaffung von Maschinen langer Wartezeiten bedurfte. So können der Gründung von Freiwilligen Feuerwehren bei ökonomischer Betrachtung sehr wohl implizite individual-rationale Entscheidungsprozesse unterstellt werden; es fehlt schlichtweg an der wissenschaftlichen Beweisführung einer tatsächlichen Signikanz. Zudem wuchs das Sicherheitsbewusstsein der Gesellschaft im Allgemeinen; parallel dazu vermochten die herkömmlichen Feuerlöschordnungen diesem zunehmenden Schutzbedürfnis auch vor dem Hintergrund zahlreicher verheerender Brandereignisse nicht gerecht zu werden (vgl. 2.4 und Auscher: 2009, ohne Paginierung). Der Staat griff dabei weder unmittelbar noch durch zentralstaatliche Lenkungsmaßnahmen in die Gründung der Freiwilligen Feuerwehren ein. Vielmehr sind sie an der Basis entstanden (vgl. 2.4.1.1).
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
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Die Gründungshistorie der Freiwilligen Feuerwehren weist folglich auch eine sozialund kulturgeschichtliche Dimension auf, da allein der Mensch das Feuer nutzen kann, es in bestimmten Fällen indes bekämpfen muss. Im Fokus geisteswissenschaftlicher Ansätze stehen somit die Menschen, die dem Feuerlöschwesen erst die gesamtgesellschaftliche Relevanz verleihen. Das Verhältnis „Mensch-Feuer-Feuerlöschen“ hat insofern einen entsprechenden Niederschlag in materiellen Denk- und Handlungsweisen gefunden. Infolge des Bedeutungsverlustes der „überlieferten“ Organisationsformen wie zum Beispiel Zünften, Gilden und Bruderschaften sollte sich der Mensch nicht mehr über Stand und Geburt denieren, sondern über Wissen, Bildung und individuelle Neigungen. Letzteren verschaffte u. a. die Vereinstätigkeit Ausdruck. Im Verein fanden sich vereinte und formal ebenbürtige Mitglieder zusammen; den Freiwilligen Feuerwehren mangelte es jedoch in den Anfangsjahren aufgrund eines neuen schichtenspezischen Sozialprestiges an diesen „Gleichheitsgrundsätzen“. Ofziersstellen waren Handwerkern und Kaueuten vorbehalten, während Nichtbesitzenden der Karrierezugang verwehrt blieb (vgl. 2.10). Die aus dem (Feuerwehr-) Vereinsleben entstandenen Aktivitäten kennzeichneten den Vereinscharakter, der sich durch die Form des Zusammenwirkens, durch die persönlichen Kontakte der Vereinsmitglieder und durch die Verfolgung gemeinsamer Interessen und Ziele ergab (vgl. Klaedtke et. al.: 2008, 74–76). Freudenthal sieht darin die Grundlage für „Geselligkeit“, die er als Teilbereich der direkten und zwanglosen Kommunikation im Zwischenbereich von Familie und Arbeitswelt einstuft, die gleichzeitig von der persönlich-freundschaftlichen sowie der fachbezogenen Kommunikation abzugrenzen sind (Freudenthal: 1968, 12). Im gesamtstaatlichen Kontext ging die Gründungsinitiative von den Bürgern aus, die auf Grundlage eines gemeinsamen Interesses und als Synonym des „neugewonnenen individuellen Selbstbewusstseins“ handelten. Dieser „Wille zur Selbstbestimmung“ versetzte die Feuerwehrangehörigen in die Lage, nicht nur an den öffentlichen Aufgaben zu partizipieren, sondern diese im öffentlichen Auftrag freiwillig zu übernehmen (vgl. Tenfelde: 1984, 99). Dadurch wurde den „Feuerwehrvereinsmitgliedern“ Sicherheit, Orientierung und Bedürfnisbefriedigung geboten, da die Aufgaben weit in die Öffentlichkeit hineinragten. Sie sind ferner als „Ausdruck und Vehikel eines allgemeinen Bedürfnisses nach Gemütlichkeit und geselligem Freizeitvergnügen zu interpretieren, das sich in der bürgerlichen Gesellschaft seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entfaltet hatte“ (Nipperdey: 1990, 166 ff.).
2.5
Die Rolle von Carl Metz als Begründer der freiwilligen Feuerwehren
Die Gründung der ersten freiwilligen Feuerwehren Deutschlands wird vielfach dem Wirken von Carl Metz (1818–1877) zugeschrieben (Fleck: 1956, 27 ff.). Während der Jahre seiner Wanderschaft als junger Mechnikus im Elsaß lernte er die französischen „sapeur-pompiers“ und die im Feuerwehrdienst tätigen Nationalgarden sowie Ausbildung und Organisationsstruktur der Pariser Feuerwehr kennen (vgl. Heinz: 1999, 59–64). Seiner besonderen Nähe zur Turnerschaft entsprang die Kritik an den damaligen Feuerlöschordnungen. Er bemängelte, dass sie lediglich Anordnungen und Befehle enthielten, nicht jedoch den Freiwilligkeitsgedanken, nach dem „jedermann gesund an Körper und Geist, freiwillig in den Dienst der guten Tat eintrete“ (Fleck: 1956 30). Nachdem dieser
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Die historische Entwicklung der Feuerwehr
Grundgedanke bei der regionalen Turnerschaft Beachtung und Anerkennung erfahren hatte, wandte er sich an Bürgermeister und Regierungsmitglieder, um auf die Novellierung der bestehenden Feuerlöschordnungen hinzuwirken. In den Jahren 1840 bis 1842 war Carl Metz Turnlehrer in Darmstadt. Im Jahre 1842 ließ er sich als Fabrikant für die „Verfertigung von Feuerspritzen, Wasserzubringern, Wasserleitungen, hydraulischen Pressen, Saug- und Druckpumpen aller Art, Luftapparaten, Rettungssäcken, Haken, Maschinen und Leitern, leinenen Eimern, Requisiten für die Löschund Rettungsmannschaft in Heidelberg nieder“ (Fleck: 1956, 27 ff.). Carl Metz ließ bei Firmengründung wissen: „Deutsche Städte haben zwar den Verdienst, dem Auslande in der Errichtung zweckmäßiger Löschanstalten vorangegangen zu sein; aber wie in so manch’ anderen Dingen sind wir in späterer Zeit von dem Ausland überügelt worden, so dass unsere jetzige Aufgabe darin besteht, dasjenige einzuholen, was große Städte des Auslandes, zum Beispiel Paris, mit ungeheuren Geldopfern und kostspieligen Experimenten in der Organisation eines ineinandergreifenden Dienstes bei Feuerbrünsten geleistet haben. Nur eine persönliche Kontrolle durch einen vom Staate aufgestellten, erprobten Techniker, kann hier helfen, z. B. zur Errichtung der so wichtigen, aber noch selten zustande kommenden freiwilligen, organisierten Löschvereine ermuntern.“
Durch ein gut organisiertes Bürgerkorps, besonders durch die über ganz Deutschland verbreiteten Turnvereine, kann ein freiwilliges Feuerkorps erreicht werden. Ich werde mit aller Kraft und den mir zu Gebot stehenden Mitteln darauf hinarbeiten, die Leute mit der einfachen Maschine und deren Anwendung so vertraut zu machen, dass schon nach einigen Versuchen die günstigsten Resultate hervortreten müssen. Zu diesem Zweck gebe ich bei Ablieferung meiner Feuerlöschgeräte und Maschinenspritze eine genaue Beschreibung der Maschine nebst vollständiger Gebrauchsanweisung für alle möglichen vorkommenden Fälle bei“. (Fleck: 1956, 32). Demnach verband Metz den Absatz seiner Gerätschaften mit dem Angebot, die Käufer im Gebrauch und der Organisation des Löschwesens zu unterrichten (vgl. Leupold, S. 31–32). Eine der ersten Feuerlöschspritzen lieferte er im Jahre 1843 nach Aussee im K. und K. österreichischen Salzkammergut. In den Folgejahren konnten eine Vielzahl von Feuerlöschgeräten zur Auslieferung gebracht werden. Im Jahre 1846 wies Metz in Durlach bei Karlsruhe eine Mannschaft der sich gerade bildenden ersten freiwilligen Feuerwehr Deutschlands in die Bedienung einer von ihm gelieferten Feuerlöschspritze ein und traf bei dieser Gelegenheit auf den Durlacher Stadtbaumeister Christian Hengst, der im Folgejahr als Hauptmann des Durlacher Feuerwehrkorps für die Bekämpfung des Brandes im Großherzoglichen Theater in Karlsruhe verantwortlich war. Das disziplinierte und sichere Auftreten der freiwilligen Feuerhilfe aus Durlach beeinusste die Bildung weiterer vergleichbarer Organisationen in Baden, Württemberg, Sachsen und Bayern. Damit nahm die Verbreitung von Feuerlöschspritzen aus dem Hause Metz zu; exemplarisch sei dazu auf einen Bericht der Karlsruher Zeitung vom 21. September 1847 wiedergegeben:
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
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„Ein rauchender Trümmerhaufen deckt ein Drittel unseres Städtchens. Es bedarf noch der größten Wachsamkeit und Tätigkeit neues Unglück zu verhüten. Gestern Nachmittag fand sich der Mechanikus Metz aus Heidelberg auf der Brandstätte ein und entfaltete hier, wie überall bei derartigen Unglücksfällen, seine bekannte Tätigkeit. Er brachte in das Ablöschen und das Abräumen der großen Brandstätte einen geordneten Plan, legte selbst Hand an. Eine Maschine aus seiner Werkstätte, der Spritze der Stadt Neckar-Bischofsheim, verdankt man die Rettung der Kirche“ (Fleck: 1956, 41).
Im Jahre 1848 verfasste Carl Metz eine Schrift unter dem Titel „Die Feuerwehr als notwendiger Bestandteil der allgemeinen deutschen Bürgerwehr“. Darin beschrieb er seine organisatorischen Vorstellungen, die als richtungweisend für den ächendeckenden Aufbau eines auf Freiwilligkeit beruhenden Feuerwehrsystems betrachtet werden dürfen. So heißt wörtlich: „Freiwillige tatkräftige Männer müssen es sein, denen das Wohl ihrer Mitmenschen so sehr am Herzen liegt, wie das eigene“ (Feck: 1956, 46). Darüber hinaus ist diesen Gedanken durchaus fundamentaler Charakter beizumessen, da Metz beispielsweise von der heute nach wie vor gesetzlich verankerten „Nachbarschaftshilfe“ oder auch „Überörtliche Hilfeleistung“ verlangte, dass „alle einzelnen Corps der Ortsfeuerwehren in ernsten Fällen zu einem Ganzen vereint werden müssen (…)“. Zudem erkannte er die Notwendigkeit des staatlichen Aufsichtswesens, indem er „periodische Kontrollen durch einen vom Staat aufgestellten und erprobten Techniker (…)“ vorzuschreiben gedachte. Die seinerseits hergestellten Produkte erfuhren nach 1850 zusehends europaweite Beachtung. Mit dieser Entwicklung „exportierte“ Metz auch seine Ideen zur Feuerwehrorganisation. So wurde im (damals) russischen Riga die erste Freiwillige Feuerwehr des Landes nach seinen Vorstellungen aufgebaut (vgl. Fleck: 1956, 47). Carl Metz verstarb im Jahre 1877 im Alter von 59 Jahren. Nachrufe bezeichneten ihn als „verdienstvollen Gründer der ersten deutschen Feuerwehren oder als Pionier der deutschen Feuerwehren und des Löschwesens.“ Zweifelsohne darf sein Lebenswerk als ein, wenn nicht das Fundament zur Etablierung der Freiwilligen Feuerwehren und damit des ächendeckenden, organisierten Feuerwehrwesens verstanden werden, das in dieser Form nur im deutschen Sprachraum Verbreitung fand. Er erreichte die Bildung der Freiwilligen Feuerwehren vorwiegend in Süd- und Westdeutschland (vgl. Strumpf: 2007, 6). Über das Wirken von Carl Metz hinaus sei zusammenfassend noch auf den Einuß der französischen Feuerlöschorganisation, die Verknüpfung zwischen den Feuerwehren und der demokratischen Bewegung im Vormärz und während der Revolution der Jahre 1848/49 sowie die Vorbildfunktion des im Jahre 1841 gegründeten freiwilligen Feuerlösch- und Rettungscorps in Meißen verwiesen (vgl. Plattner: 1996 S. 9–15).
2.6
Der gemeinsame Weg österreichischer und deutscher Feuerwehren
Die Feuerwehren, die sich nunmehr vielerorts formierten, waren in den Gründungsjahren ohne organisationsbezogene Bindung, so dass in dieser initialen Phase ein nachvollziehbarer Wunsch nach Zusammenarbeit erwuchs, um den Gedanken des Feuerwehrwesens fortzu-
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Die historische Entwicklung der Feuerwehr
entwickeln und damit zur Steigerung der jeweiligen (örtlichen) Wirksamkeit beizutragen. Die Turnvereine als Basis der Freiwilligen Feuerwehren verfügten bereits über derartige Verbindungen. Als im Jahre 1863 das 3. Deutsche Turnfest in Leipzig stattfand, nahmen auch Mitglieder österreichischer Turnvereine mit dem Ziel teil, Freiwillige Feuerwehren ins Leben rufen zu wollen. Weitere drei Jahre später wurde mit erneuter österreichischer Beteiligung wiederum in Leipzig der 6. Deutsche Feuerwehrtag veranstaltet; zwischenzeitlich konnten Freiwillige Feuerwehren in Klagenfurt, Graz und Salzburg aufgebaut werden. Ein wesentliches Ergebnis dieser Begegnung ist sicherlich die Vereinbarung zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gewesen. Im Jahre 1870 galt es den 8. Deutschen Feuerwehrtag erstmalig in Österreich zu veranstalten. Die in Linz stattndende Zusammenkunft vertiefte die zwischen beiden Ländern bestehenden Bande dergestalt, dass die Feuerwehrtage nicht mehr lediglich ein „Funktionärstreffen“ sein sollten, sondern vielmehr durch ganzjährliche Ausschussarbeit vorzubereiten waren. Aus diesem Grunde erfolgte unter Einbeziehung deutscher und österreichischer Vertreter eine Erweiterung des Deutschen Feuerwehrausschusses auf 12 Mitglieder (vgl. Müller: 2000, 15). In diesem Kontext enthielt die Geschäftsordnung des 9. Deutschen Feuerwehrtages im Jahre 1874 in Kassel im Folgenden aufgeführten Beschluss: „Die deutschen Feuerwehrtage und der deutsche Feuerwehrausschuss bezwecken die Förderung und Ausbildung des Feuerwehrwesens im Deutschen Reich und in Deutsch-Österreich“ (Magirus: 1877, 63). In der Zeit von 1869 bis 1883 entstanden in Österreich zudem Landesfeuerwehrverbände (vgl. Zeilmeyer, 2002, 32). Daraus schien zu resultieren, dass die Zusammenarbeit mit dem deutschen Feuerwehrwesen erstmalig rückläuge Tendenz aufwies, da die erzielten Fortschritte auf österreichischer Seite sowie der Wunsch zur Verwendung heimischer Produkte entsprechende Autonomiebestrebungen auszulösen vermochten. Schon beim nächsten Feuerwehrtag in Stuttgart mit dem Schwerpunkt „Brandversicherungen und Finanzierung“ ergaben sich weitere Differenzen. Nunmehr abgehaltene österreichische Feuerwehrtage untermauerten die auseinander gehenden Interessen. In den Folgejahren fanden dennoch regelmäßig gemeinsame Feuerwehrtage statt. Die Gründung der ersten österreichischen Jugendfeuerwehr erfolgte im Jahre 1889 im niederösterreichischen Zwettl. Zum gleichen Zeitpunkt hatten sich in Deutschland insgesamt acht Feuerwehrjugendgruppen gebildet (vgl. Müller: 2000, 19). Anlässlich eines internationalen Feuerwehrkongress im Jahre 1900 in Paris stellten sowohl die österreichischen als auch die deutschen Delegierten fest, dass sich die Aktivitäten der Feuerwehrorganisation aller anderen teilnehmenden Staaten allein auf den jeweiligen nationalen Bereich beschränkten. Daraufhin benannte die österreichische Delegation den Ständigen Österreichischen Feuerwehrausschuss in „Österreichischen Feuerwehr-Reichsverband“ um. Beim 16. Deutschen Feuerwehrtag in Mainz im Jahre 1904 nahmen die österreichischen Feuerwehrangehörigen letztmalig als gleichberechtigte Delegierte teil. Nahezu zeitgleich fand die letzte Sitzung des Deutschen Feuerwehrausschuss statt, obgleich gute Beziehungen zwischen den Feuerwehren beider Länder fortbestanden. (vgl. Müller: 2000, 20 ff. )
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
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Gemeinsam ist den Feuerwehren Österreichs und Deutschlands zu diesem Zeitpunkt noch gewesen, dass sich die Führungskräfte nicht mehr ausschließlich aus den Turnvereinen rekrutierten und somit die Befürchtungen der Gründungsjahre endgültig ausgeräumt waren.
2.7
Der erste Weltkrieg
Am 31. Juli 1914 kam es zur Generalmobilmachung in Österreich mit der Folge, dass den Feuerwehren ab diesem Tage ein Großteil des Personals fehlte, da nahezu alle aktiven Mitglieder zu den Waffen gerufen wurden ( vgl. Treffer: 1984, 86). Zur „Kompensation“ dieser Ausfälle konnte einerseits auf ältere, auch ehemalige Feuerwehrangehörige, andererseits auf die noch nicht wehrdiensttauglichen Jährgänge zurückgegriffen werden. Insbesondere den Steigerabteilungen fehlten dennoch ausgebildete Feuerwehrmänner. Zwar meldeten sich Freiwillige, die vorwiegend aus Gymnasiasten und Handelsangestellten bestanden; jedoch schmolz auch dieser Bestand im Verlaufe des Krieges zusehends zusammen (vgl. Zeilmeyer: 2002, 40), so dass auch der Einsatz von Frauen durchaus üblich gewesen ist. In den Kriegsjahren waren die Rettungsabteilungen der Freiwilligen Feuerwehren zudem für den Verwundetentransport verantwortlich. Die Generalmobilmachung Deutschlands erfolgte am 1. August 1914, also lediglich einen Tag nach der österreichischen Ankündigung. Zuvor hatte Deutschland bereits am 6. Juli 1914 seine Bündnistreue gegenüber Österreich versichert. Die Auswirkungen lassen sich mit denen für die österreichischen Feuerwehren vergleichen. So beschäftigte sich der Leitartikel des „Feuerwehrmanns“ bereits am 7. August mit der Verstärkung der Freiwilligen Feuerwehren während des Krieges. Aufgrund der großen Zahl zum Heer einberufener Wehrleute, galt es, ältere Feuerwehrangehörige wieder zur Teilnahme am aktiven Dienst zu bewegen. Darüber hinaus war der jeweilige Ortspolizeiverwalter anzuhalten, besondere Hilfsabteilungen zu bilden (vgl. Feuerwehrmann: 1914, 253). In diesem Zusammenhang hatte der preußische Innenminister in einem Erlass vom 17. August 1914 auf die bedürfnisgerechte Gestellung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit hinzuwirken versucht (vgl. Erlaß des PrMDI vom 17.08. 1914). Während des Krieges leisteten die Freiwilligen Feuerwehren in beiden Ländern wertvolle Hilfe für die Familien der Einberufenen und für andere Bedürftige. Damit unterstützten sie letztlich den Staat in erheblichen Maße (vgl. Leupold: 2003, 79). Mit Ende des Krieges zogen auch die Feuerwehren in beiden Ländern Bilanz. Es hieß, hohe Verluste zu verarbeiten; nicht überall wurde die Feuerwehrarbeit fortgesetzt, mussten doch Personal und Ausstattung vielerorts ersetzt werden.
2.8
Die NS-Diktatur und der zweite Weltkrieg
Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten veränderte die deutschen Feuerwehren nachhaltig. Infolge des massenhaften Eintritts in die verschiedenen NS-Organisationen mangelte es den Feuerwehren an Personal (vgl. Naumann: 2008, 12). Das am 15. Dezem-
50
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
ber 1933 erlassene „Preußische Gesetz über das Feuerlöschwesen“ ordnete die Feuerwehren und ihre Verbände unter die Kontrolle durch die Polizei- und Kommunalbehörden ein. Damit ging einher, dass die feuerwehrbezogene Gefahrenabwehr als Polizeiaufgabe festgeschrieben wurde. Weisungsbefugt war demgemäß der örtliche Polizeiverwalter, also üblicherweise der Bürgermeister. Der Vereinsstatus konnte beibehalten werden, wenngleich die hauptberuichen Feuerwehrangehörigen nunmehr als Feuerlöschpolizisten galten (vgl. Schamberger: 2003, 112). Um der Unterstellung unter die Feuerlöschpolizei zu entgehen, wurden in der Zeit 1933 bis 1934 viele Feuerwehrvereine gegründet; allerdings unterband das „Gesetz über das Feuerlöschwesen“ vom 23. November 1938 (Reichsfeuerwehrgesetz) diese „Freiheitsgrade“ abschließend. Dieses landesweit zu beachtende Gesetz entfaltete eine „vom Führerprinzip geleitete“ Polizeitruppe unter staatlicher Aufsicht. Somit entstand eine Hilfspolizeitruppe (Sack, Schamberger: 2004, S. 77–78). In Österreich traten die dargestellten Veränderungen in nahezu gleicher Form, wenn auch zeitlich verzögert, auf. So führten die Ereignisse vom März 1938 zum Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich und damit zum Ende der Selbstständigkeit der sog. Ersten Republik. Diese Entwicklung zeitigte nicht nur einschneidende Veränderungen im politischen und wirtschaftlichen Leben, sondern griff auch deutlich in die organisatorischen Grundlagen der österreichischen Feuerwehren ein (vgl. Zeilmeyer, S. 47–48). So wurden einzelne „Feuerwehrbezirksverbandsobmänner durch parteiverlässliche Männer“ ersetzt. Damit hat der bis dahin unpolitische Charakter der österreichischen Feuerwehren zu existieren aufgehört (Treffer, S. 97–98). Im Ergebnis zielten die Maßnahmen auf die Angleichung an das reichsdeutsche Feuerwehrwesen hin. Mit Einführungsverordnung vom 19. September 1939 (vgl. RGBl. I, S. 1870) ist das reichsdeutsche „Gesetz über das Feuerlöschwesen“ vom 23. November 1938 (vgl. RGBl. I, S. 1662) für Österreich in Kraft gesetzt worden. Diesem Gesetz folgten zahlreiche Durchführungsverordnungen, wie beispielsweise zur „Organisation der Feuerschutzpolizei“, zum „Verhalten bei Brandfällen“ oder zur „Organisation der Pichtfeuerwehr“. „Die Freiwilligen Feuerwehren stellten sich nunmehr als technische Hilfspolizeigruppe für die Hilfeleistung bei öffentlichen Notständen aller Art sowie als gemeindliche Einrichtung dar, die im Auftrag des Ortspolizeiverwalters die Gefahren abzuwenden hatte, die der Allgemeinheit oder dem einzelnen durch Schadenfeuer drohten; außerdem hatten die Freiwilligen Feuerwehren Aufgaben des Luftschutzes zu erfüllen“ (Zeilmeyer: 2002, 49–50). Die Landesfeuerwehrverbände verloren ihre Existenz. Der am 1. September 1939 beginnende Krieg führte zu einer beträchtlichen Minderung der Mannschaftsstärken; allerdings ist die Reduzierung weniger durchgreifend verlaufen als bei der Generalmobilmachung im Jahre 1914. Im Kriegsverlauf rissen die Einberufungen zum Wehrdienst indes große Lücken, die auch durch „Notdienstverpichtungen“ nicht aufgefangen werden konnten. Jeder waffenfähige Mann erhielt schlussendlich seinen Einrückungsbefehl, so dass die „Gefahrenzone der Heimat“ Frauen, Kindern und Greisen zu überlassen war (Treffer: 1984, S. 99).
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
2.9
51
Die Zeit nach 1945
Am 27. April 1945 wurde die Selbstständigkeit Österreichs erneuert und eine provisorische Staatsregierung gebildet. Dieses Datum gilt als Geburtstag der Zweiten Republik, obschon die Besatzungsmächte zu diesem Zeitpunkt noch alle maßgeblichen Entscheidungen trafen. Bereits im November 1945 konnten in Salzburg die Vorbereitungen zum erneuten Aufbau des österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes getroffen werden (vgl. Schinnerl: 2005, ohne Paginierung). Auch die Landesfeuerwehrverbände gründeten sich in dieser Phase der Konsolidierung wieder. In der Folgezeit ist die Verantwortung für den Aufbau und die Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen Brandschutzes in den einzelnen Bundesländern erneut an die Gemeinden übertragen worden, so dass der sachliche Aufwand auf kommunaler Ebene zu leisten war (vgl. Zeilmeyer: 2002, 61). Die Anzahl der Feuerwehrangehörigen hatte bereits im Jahre 1950 wieder zufrieden stellende Größenordnungen erreicht; darüber hinaus verfügten die Feuerwehren über beträchtliche Anzahlen an motorisierten Kraftspritzen (vgl. Kernmeyer: 1956, 418 ff.). Mit Unterzeichnung des Staatsvertrages gewann die Republik Österreich am 15. Mai 1955 die volle Souveränität zurück. Die Besatzungssoldaten verließen am 25. Oktober 1955 das Land. Spätestens mit diesem Zeitpunkt waren die vor dem Krieg etablierten Organisationsstrukturen wieder hergestellt. Die Situation in Deutschland bot ein ähnliches Bild. Die Militärregierungen erließen nach Kriegsende neue Richtlinien für den Aufbau des Feuerlöschwesens (vgl. Bartel: 1997, 12–13). Ziel ist die Trennung von Feuerwehr und Polizei gewesen. Den Feuerwehren war es mit Ausnahme der überörtlichen Hilfeleistung zunächst nicht gestattet, größere technische Einheiten zu bilden. Der deutsche Feuerwehrverband kam im Jahre 1952 zur seiner Neugründung; im Folgejahr wurden die Freiwilligen Feuerwehren auf Basis der kommunalen Verantwortlichkeiten wieder ächendeckend eingerichtet (vgl. Neumann: 2008, S. 13). Dabei blieben die vor dem Krieg gegenwärtigen aufbau- und ablauforganisatorischen Merkmale ebenso wie in Österreich nahezu unverändert wirksam.
2.10
Die Entwicklung des Feuerwehrwesens – eine Schlussbetrachtung
Schon zu Zeiten des römischen Reiches existierte eine wohl strukturierte Organisation für den abwehrenden Brandschutz. Örtliche Zuständigkeiten wurden ebenso berücksichtigt wie ein stringenter hierarchischer Aufbau der Führungsebenen, der zweifelsohne militärischen Ursprung und Charakter aufwies. Erstaunlich mag sicherlich die frühe Nutzung und Existenz von Handkolbenpumpen anmuten. Wenn auch ein historischer Nachweis für den Einsatz derselben fehlt, deutet sich dennoch die Fortschrittlichkeit der damaligen Feuerlöschorganisation an, insbesondere vor dem Hintergrund, dass erst nach weiteren 1500 Jahren eine vergleichbare Technik für die Brandbekämpfung zur Verfügung stand. Mit dem Zerfall des römischen Reiches reduzierten sich die Feuerlöschbemühungen auf die ungeordnete döriche nachbarschaftliche Hilfeleistung. Durch den Erlass erster Feuerlöschordnungen im 13. Jahrhundert suchte man das Verhalten der Menschen und bauliche Gegebenheiten zu regulieren, wenngleich der unzulängliche Aufbau des Feuerlöschwesens erhalten blieb.
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Die historische Entwicklung der Feuerwehr
Oftmals gab ein verheerendes Brandereignis Anlass Feuerlöschordnungen auszurufen. Die im Laufe der Jahrhunderte durch die Feuersbrünste verursachten Schäden lassen sich nicht bemessen. Die berichteten Zerstörungsgrade zeugen von immensen Ausmaßen, ohne jedoch eine ökonomische Dimension ausweisen zu können. Die neuzeitlichen Bemühungen zur Fortentwicklung des Feuerlöschwesens konzentrierten sich vorwiegend auf die Verbesserung der baulichen Zustände. Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges verhinderten die überaus notwendigen Fortschritte. Mit den ersten beruichen „Feuerknechten“ des ständigen Brandschutzdienstes in Wien dürfte zunächst eine eher symbolische Bereicherung des Brandschutzwesens einhergegangen sein, da es zu diesem Zeitpunkt noch an wirksamen technischen Löscheinrichtungen in Gestalt von Feuerlöschspritzen mangelte. Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts konnten erstmals durch Handkolbenpumpen erzeugte relevante Wurfweiten erzielt werden, auch wenn es eines enormen personellen Aufwandes bedurfte. Nunmehr schritt die Technisierung der Löschgeräte stetig voran. Es fehlte nach wie vor an Vereinigungen, die Löschmaßnahmen geordnet vorzutragen in der Lage waren. Diese bildeten sich gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst im südlichen Deutschland und breiteten sich binnen weniger Jahre auch in Österreich aus. Möglich wurde der Aufbau durch die Turnergemeinschaften, die körperliche Ertüchtigung und organisationsbezogene Disziplin in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen suchten, waren es doch gerade diese Eigenschaften, die den zeitgenössischen (Zwangs-) Löschgemeinschaften nicht gegeben schienen. Auf die Bedeutung des Wirkens von Carl Metz ist in diesem Zusammenhang eingegangen worden, ohne die parallel, ergänzend und unterstützend wirkenden Mechanismen, wie beispielsweise den Einuss der französischen Pompierkorps, ungewürdigt zu lassen. Gemein ist den Anfangsjahren der Feuerlöschorganisation zudem ein neues „schichtenspezisches Sozialprestige“ gewesen, dem zu Folge sich nur in die Reihen der freiwillig gebildeten Brandpiquets einreihen durfte, „wer in der Stadt etwas galt“. So stand es Handwerkern oder Kaueuten offen sich mit Ofziersstellen zu bekleiden, während „Nichtbesitzende“ entweder vollständig ausgeschlossen blieben oder ihnen ein Karrierezugang innerhalb des Vereins verwehrt wurde. Das ideologische Selbstbild der Feuerwehr sah sich bereits nach den ersten Jahrzehnten der Existenz als „anerkannte Trägerin von hoheitlichen Aufgaben jenseits politischer Realitäten, das wiederum ganz dem damaligen gesellschaftlichen Harmoniemodell entsprach, hinter dem die Unfähigkeit autoritätsxierter Menschen zu rationaler Koniktlösung im politischen Kampf widerstreitender Interessen stand“ (Engelsing: 1999, 202–203). Zeitweise waren die österreichischen und deutschen Feuerwehren über Grenzen hinweg verbunden, bevor sowohl die Fortschritte bei Ausstattung und Ausbildung als auch die Gründung von Landesfeuerwehrverbänden zur Eigenständigkeit der jeweils Bundesfeuerwehrverbände genannten Organisationen führte. Die Weltkriege ließen die Freiwilligen Feuerwehren von ihren Gründungsidealen abrücken, nach denen sie als Vereine örtliche Selbstverwaltungsaufgaben ausübten, um der ursprünglichen Wirkungslosigkeit der Feuerlöschorganisation entgegenwirken zu können. „Zunächst waren es nur praktisch verwertbare Aneignungen militärischer Organisationsformen“. Während dieser Zeit waren die Freiwilligen Feuerwehren indes auch dahingehend Teil der „sozialen Militarisierung der Gesellschaft“, so dass Struktur, Mentalität
Die historische Entwicklung der Feuerwehr
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und Habitus des mit „beispiellosem Ansehen ausgestatteten Militärs“ Nachahmung erfuhren, um zur inneren und äußeren Aufwertung beizutragen. Nach dem ersten Weltkrieg und dem in den Versailler Verträgen verordneten Verlust der Wehrpichtarmee verstanden sich die Feuerwehren nun als „Hüterin untergegangener militärischer Traditionen und pegten das Bewusstsein, stellvertretend für das Militär Schule der Nation sein zu dürfen“ (Engelsing: 1999, 203). Diese Militarisierung der Feuerwehren mündete schließlich in einer „politisierten, zentralisierten“ und grundwertsfernen Polizeiabteilung im NS-Staat, wie die Vorgänge der Reichskristallnacht exemplarisch und erschreckend eindrucksvoll belegen. „Die Feuerwehr verweigerte erstmals in ihrer Geschichte einem Bevölkerungsteil die Hilfe und folgte somit den Anordnungen der NS-Täter, die Staatsgewalt und Brandstifter zugleich waren“ (Engelsing: 1999, 204). Nach Ende des zweiten Weltkrieges unterlagen die Feuerwehren während eines Übergangszeitraumes der Zuständigkeit entsprechender Militärregierungen, bevor im Zuge einer stetigen Demokratisierung wieder zur kommunalen Verantwortung im föderalen System der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt werden konnte. Diese Organisationsstruktur hat nach wie vor Bestand, so dass die Freiwilligen Feuerwehren auf der Basis neuzeitlicher Rahmenbedingungen, die erstmalig Mitte des 19. Jahrhunderts Anwendung fanden, auch heute noch tätig werden. Diesen Aufbau darzustellen, soll nunmehr Inhalt der folgenden Ausführungen des dritten Kapitels sein.
3
Das Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland
Aufbauend auf den abschließenden Ausführungen zur historischen Entwicklung der Feuerwehren gilt es die gesetzlichen Grundlagen und die daraus abzuleitende organisatorische Struktur vorzustellen. Dabei sind zunächst die Verfassungen der Republik Österreich sowie der Bundesrepublik Deutschland anzuführen. Nach Artikel 15 des „vielfach novellierten Bundes-Verfassungsgesetzes der Republik Österreich“ (http://www.vfgh.gv.at) ist eine Angelegenheit, die nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, dem selbstständigen Wirkungsbereich der Bundesländer zuzurechnen. Die Länder sind im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, die zur Regelung des Gegenstandes erforderlichen Bestimmungen auch auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechtes zu treffen (vgl. Art 15, B-VG). Demnach sind die Bundesländer u. a. zur Gesetzgebung im Bereich der Brandschutz- und Hilfeleistung verpichtet, da dieser Gegenstand im abschließenden Katalog der ausschließlichen Gesetzgebung keine Erwähnung ndet und die Länder insoweit zuständig sind. In der Bundesrepublik Deutschland haben die Bundesländer gemäß Artikel 30 in Verbindung mit Artikel 70 des Grundgesetzes die Gesetzgebungskompetenz, „soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt“ (http://www.bundestag.de). Brandschutzangelegenheiten werden im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland weder in der ausschließenden Gesetzgebung noch in der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 73 und Art. 74 des GG der BRD) explizit genannt, so dass die deutschen Länder ebenso verantwortlich sind, wie die Länder der Republik Österreich. Dieser föderale Charakter sieht demgemäß sowohl für den Bund als auch für die Länder eigenständige rechtliche, politische und territoriale Zuständigkeiten vor. Die Länder verfügen demgemäß über jeweils eigene Brandschutzgesetze, Rechtsverordnungen und kommunale Satzungen. Aufbau, Zweck und Ziel der Regelungen in den Bundesländern erscheinen durchaus vergleichbar, wenngleich unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen den regionalen Gegebenheiten und letztlich den politischen Willensbildungen in den einzelnen Bundesländern geschuldet sind.
3.1
Gesetzliche Grundlagen
In den Brandschutz- und Feuerschutzgesetzen der Länder Österreichs und Deutschlands ist die abschließende Verantwortung für den örtlichen Brandschutz an die Gemeinden delegiert. Über diese kommunale Zuständigkeit hinaus haben indes auch die Bundesländer entsprechende Aufgaben wahrzunehmen, die sich vornehmlich auf die Einrichtung von Landesfeuerwehrschulen, auf die Ausbildung von Führungskräften, auf technische Aufsichtsfunktionen für die Fahrzeuge der Feuerwehren, auf die Denition von Mindestanforderungen sowie auf Aspekte der Brandschutzforschung beschränken. In einigen F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Brandschutzgesetzen Österreichs und Deutschlands nden zudem die Stellung und der Zweck der Landesfeuerwehrverbände Berücksichtigung. Die Ebene der Bezirke (Österreich) und Landkreise (Deutschland) ist in beiden Ländern gleichermaßen bedeutsam, obschon die Brandschutzgesetze durchaus unterschiedliche Akzentuierungen aufweisen. So ist für Österreich auf die Bedeutung des Bezirksfeuerwehrkommandanten hinzuweisen, dem in den gesetzlichen Grundlagen nahezu aller Bundesländer im Allgemeinen die fachliche Aufsicht für die Leistungsfähigkeit der Feuerwehren nachgeordneter kommunaler Pichtbereiche sowie die Weisungsbefugnis bei Schadenslagen übertragen ist. Die bundesdeutschen Brandschutzgesetze betonen in überwiegender Anzahl die Leitungs- und Koordinierungsaufgaben der Landkreise ebenso wie die Rolle des Kreisbrandmeisters als fachlich zuständige Aufsichtsinstanz. Kreisfreie Städte in Deutschland und die sechs über eine Berufsfeuerwehr verfügende Landeshauptstädte in Österreich, nehmen die genannten Aufgaben der Landkreise wahr. Die Einrichtung und die Unterhaltung der Feuerwehren obliegen letztlich jedoch der Allzuständigkeit der Gemeinde, die für die Sicherstellung eines leistungsfähigen und den örtlichen Gegebenheiten angemessenen Brandschutzes Sorge zu tragen hat. Daraus folgt die Picht zur Berücksichtigung von feuerwehrbezogener Ausstattung und Ausbildung, von entsprechenden Alarmierungseinrichtungen für die Feuerwehrangehörigen, eines Meldesystems für die Bürger sowie der Löschwasserversorgung, um Merkmalen der örtlichen Gegebenheiten wie Bevölkerungsdichte, Flächengröße, Art und Umfang der Bebauung, besonderen baulichen Anlagen wie zum Beispiel Krankenhäuser, Versammlungs- oder Verkaufsstätten, Wald- und Heideächen, Verkehrsinfrastruktur, Art und Umfang von Industrie- und Gewerbeansiedlungen sowie etwaigen topographischen Anforderungen adäquat entsprechen zu können. Die örtlichen Gegebenheiten, die gesetzliche Regelungen berücksichtigen sollten, beziehen sich auf den Bereich des abwehrenden Brandschutzes. Präventiv wirken u. a. die Bauordnungen der Bundesländer, durch technische, betriebliche und organisatorische Anforderungen in Einrichtungen mit erhöhten Gefährdungswahrscheinlichkeiten sowie aufklärende Aktivitäten der Feuerwehren. Die Qualität des Brandschutzes ist demnach ein Produkt vorbeugender und abwehrender Aspekte. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll vorwiegend auf den abwehrenden Brandschutz eingegangen werden, ohne die Bedeutung präventiver Bemühungen reduzieren zu wollen.
3.1.1
Aufgaben der Feuerwehr
Nach den Brandschutzgesetzen in Österreich und Deutschland ist es Aufgabe der Feuerwehr Menschen und Tieren aus lebensbedrohlichen Zwangslagen zu retten, Brände zu bekämpfen, technische Hilfe nach Unglücksfällen und Naturereignissen zu leisten. Dieser Katalog von Tätigkeitsfeldern umfasst das breite Spektrum alltäglicher Grenzsituationen, denen der Gesetzgeber durch die allgemeine Bezeichnung „Brandschutz“ Ausdruck gibt. Gemeint sind damit zunächst alle Maßnahmen, die der Entstehung und Ausbreitung von Bränden entgegenzuwirken in der Lage sind (vgl. Hagebölling: 2002, 18). Der Anteil realer Brände beträgt in beiden Staaten lediglich etwa ein Achtel am gesamten Einsatzaufkommen (vgl. Statistik des ÖBFV: 2007, 4; Feuerwehr-Jahrbuch des DFV 2006/2007: 2007, 254), so dass die
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Das Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland
Aufgaben der Feuerwehr sowohl quantitativ als auch qualitativ weit über die Bekämpfung von Schadenfeuer hinausgehen. Exemplarisch seien die Beseitigung von Sturmschäden, die Hilfeleistung nach Starkregen- und Hochwasserereignissen, die technische Rettung nach Verkehrsunfällen, die Beseitigung von Verkehrsgefährdungen, die Rettung aus Höhen und Tiefen, das Ausströmen von Gas, die Einstürze baulicher Anlagen oder auch die Gefahren durch gefährliche Stoffe und Güter genannt. Es wird einerseits deutlich, dass die Vielfalt möglicher Einsatzszenarien einem Spiegelbild gesamtgesellschaftlicher Risikobetrachtungen entspricht, andererseits dass es einer leistungsfähigen Organisation zur Gefahrenabwehr bedarf, auf die es nunmehr einzugehen gilt.
3.1.2
Organisation der Feuerwehr
Die kommunale Verantwortung für die Einrichtung und Unterhaltung von Feuerwehren ist Teil des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden, das im österreichischen BundesVerfassungsgesetz und im deutschen Grundgesetz verankert ist. Unter den Selbstverwaltungsaufgaben sind die Aufgaben des Brandschutzes als Pichtaufgaben zu erfüllen. Die Organisation dieser Pichtaufgabe kann in Abhängigkeit von den Landesbrandschutzgesetzen variieren. Grundsätzlich wird indessen unterschieden in Freiwillige Feuerwehren, Berufsfeuerwehren, Pichtfeuerwehren sowie Werk- und Betriebsfeuerwehren.
3.1.2.1
System des beruichen Feuerwehrwesens
In Österreich werden insgesamt sechs Berufsfeuerwehren vorgehalten, in Deutschland existiert diese Organisationsform in 102 Städten. Ob eine Berufsfeuerwehr einzurichten ist, orientiert sich an den Ausführungen des jeweiligen Landesbrandschutzgesetzes. Sie enthalten unterschiedliche Voraussetzungen für die Picht eine Berufsfeuerwehr zu bilden. Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist die Einrichtung von Berufsfeuerwehren in kreisfreien Städten vorgeschrieben (vgl. FSHG NRW: 1998, § 10), während das norddeutsche Land Niedersachsen diese Feuerwehrart ab 100.000 Einwohnern als obligatorisch erachtet (vgl. NBrandSchG: 1978/2004, § 8), unabhängig vom Status der Gebietskörperschaft. Das System der Berufsfeuerwehr beinhaltet üblicherweise die ganzjährige Verfügbarkeit von verbindlichen Personalstärken, die für die Dauer des Schichtdienstes auf den Feuerwachen „einkaserniert“ bleiben und im Bedarfsfall unmittelbar nach der Alarmübermittlung zum Schadensort entsandt werden können. Diese tatsächliche Verfügbarkeit von Feuerwehreinheiten ist das maßgebende Kriterium für die angemessene Wahrnehmung der Aufgaben des abwehrenden Brandschutzes, da die Entwicklungsstadien von Bränden m „ersten Zugriff stets den Einsatz eines gleichartigen taktischen Potentials1 erfordern, unabhängig davon, in welchem Umfeld das Ereignis stattndet“ (Hagebölling: 2002, 20). 1
Das taktische Potential setzt sich zusammen aus dem Einsatzpersonal und den technischen Komponenten (Fahrzeuge und Gerätschaften).
Das Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland
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Das Personal der Berufsfeuerwehren kann aus Beamten, Beschäftigten oder Vertragsbediensteten bestehen; Näheres regeln die Brandschutzgesetze in Verbindung mit personalrechtlichen Vorgaben in den jeweiligen Bundesländern. Derzeit üben in Österreich 2.633 Menschen den Feuerwehrberuf bei öffentlichen Feuerwehren aus; in Deutschland arbeiten 34.275 beruiche Feuerwehrangehörige bei Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren. Letztere können durchaus über beruiche Mitarbeiter verfügen, ohne dass der grundsätzliche Organisationscharakter angetastet wird. In Österreich leben 2.459.744 Menschen in den sechs Städten mit Berufsfeuerwehr; das entspricht 29,64 % der Gesamtbevölkerung (vgl. Gemeindeverzeichnis: 2007, 21–110), die durch beruiche Feuerwehrangehörige betreut werden, wenngleich parallel dazu auch ehrenamtliche Strukturen als Bestandteil der örtlichen Gefahrenabwehr einbezogen sein können, so zum Beispiel in Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck. Die 102 Berufsfeuerwehren in Deutschland verantworten die Feuerschutzaufgaben für 26.091.882 Einwohner, also 31,61 % der deutschen Bevölkerung (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: 2005). Ebenso wie in Österreich werden auch in diesen 102 Städten neben den Berufsfeuerwehren ehrenamtlich tätige Feuerwehrangehörige mit entsprechenden Sicherstellungsaufgaben betraut. In beiden Staaten arbeiten beruiche Feuerwehrangehörige in Abhängigkeit von der Gemeindegröße zudem bei Freiwilligen Feuerwehren. Die Anteile sind in den zuvor aufgeführten Zuordnungen nicht enthalten, da es sich formal und ungeachtet dessen um Freiwillige Feuerwehren handelt.
3.1.2.2
System des freiwilligen Feuerwehrwesens
Freiwillige Feuerwehren nehmen die Einsatzaufgaben gemeinsam mit beruichen Feuerwehren oder unabhängig von der Gegenwart beruicher Feuerwehrsysteme wahr. Sehr häug erfolgt die Aufgabenerfüllung vollkommen selbstständig. Wie auch die Berufsfeuerwehren zählen die Freiwilligen Feuerwehren zu den öffentlichen Feuerwehren. Sie sind in beiden Ländern sehr verbreitet und arbeiten auf der Basis des so genannten Örtlichkeitsprinzips, das die Nähe von Feuerwehrliegenschaft und Feuerwehrmitglied voraussetzt. Die Einsatzorganisation ist mit der den Berufsfeuerwehren systemimmanenten Verfügbarkeit nicht vergleichbar. Vielmehr be nden sich die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr an Orten, die der alarmierenden Leitstelle in der Regel nicht bekannt sind und insofern eine gewisse Unsicherheit über die Teilnahmemöglichkeit und den Teilnahmewillen des einzelnen Feuerwehrangehörigen zur Folge haben. Daher sind die Anzahl der teilnehmenden Feuerwehrangehörigen, deren zeitliches Eintreffen am Feuerwehrstandort sowie die konkrete Qualikation der sich zusammenndenden Besatzung unbestimmt. Der Zeitaufwand für die dargestellten Abschnitte ist somit nicht bestimmbar; er ist in der Regel jedoch größer, als bei den in ständiger Bereitschaft verweilenden beruichen Feuerwehrangehörigen. Aufgrund dieser Ungewissheit weichen die Anzahl der alarmierten und die der tatsächlich teilnehmenden Feuerwehrangehörigen mitunter stark voneinander ab. Daher wurde für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehr ein Personalfaktor eingeführt, der die wie vor beschriebene Diskrepanz tageszeitlich zuordnet und daraus resultierend einen Alarmierungsfaktor festlegt, der als Richtwert zu verstehen ist. So sind während der
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Das Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland
alltäglichen Arbeitszeit etwa sechs ehrenamtliche Feuerwehrangehörige zu alarmieren, damit letztlich ein Feuerwehrmitglied für die Bekämpfung der Schadenslage verfügbar ist und am Einsatz teilnimmt (vgl. LFV NRW: 2001, 64). Im Ergebnis sind zum Beispiel 54 ehrenamtliche Feuerwehrangehörige zu alarmieren, um letztlich eine aus neun Feuerwehrleuten bestehende Einheit entsenden zu können. Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland sind für den Sicherstellungsauftrag der Städte und Gemeinden von herausragender Bedeutung, verantworten sie doch in beiden Ländern den Brandschutz für rund 70 % der Bevölkerung. Dazu bedarf es einer hohen Organisationsdichte. In Österreich waren im Jahr 2007 insgesamt 246.874 Mitglieder in den Einsatzabteilungen der 4.527 Freiwilligen Feuerwehren tätig (vgl. Statistik des ÖBFV: 2007, 3). Damit nahmen im Jahre 2007 2,97 % der österreichischen Gesamtbevölkerung und 4,76 % der Bevölkerung in den relevanten Altersgrenzen von 16 Jahren bis 60 Jahren aktiv und unmittelbar Feuerwehraufgaben auf ehrenamtlicher Basis wahr (Bevölkerungsprognose: 2007, ohne Paginierung). In Deutschland wiederum organisierten sich 1.036.216 ehrenamtliche Angehörige in 21.033 Freiwilligen Feuerwehren (vgl. Feuerwehr-Jahrbuch des DFV 2006/2007: 2007, 253). Demnach sind im Jahre 2007 1,26 % der Gesamtbevölkerung und 2,19 % in der Zielgruppe von 18 Jahren bis 60 Jahren ehrenamtliches Mitglied in den Einsatzabteilungen der Freiwilligen Feuerwehren gewesen (vgl. Destatis: 2007, 42). Über die gesetzlichen Aufgaben hinaus leisten die Freiwilligen Feuerwehren einen wichtigen sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Beitrag. Insbesondere im ländlichen Bereich sind die Freiwilligen Feuerwehren eines der letzten „Integrations- und Kommunikationszentren“ geblieben (Hagenhofer: 2005, 2).
3.1.1.3
Pichtfeuerwehren
Die Bildung von Pichtfeuerwehren kann von einer Gemeindeverwaltung angeordnet werden, sofern eine leistungsfähige Freiwillige Feuerwehr nicht existiert, also ein Mangel an ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen besteht. Die Gemeinde ist auf der Grundlage des jeweiligen Brandschutzgesetzes als Ordnungsbehörde berechtigt, einzelnen Einwohnern die Mitarbeit bei der örtlichen Feuerwehr aufzuerlegen. Eine Ablehnung zur Heranziehung ist lediglich aus „wichtigen Gründen“ möglich. Die Länderregelungen legen unterschiedliche Altersbegrenzungen für die Picht zur Mitwirkung fest. Das Mindestalter dieser Picht zu unterliegen beginnt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres und kann bis zum vollendeten 60. Lebensjahr reichen. Pichtfeuerwehren sind in vielen bundesdeutschen und in einigen österreichischen Brandschutzgesetzen vorgesehen. Angehörige der Pichtfeuerwehren haben zunächst Anspruch auf Auslagenersatz. Der „Zwangscharakter“ dieser Organisationsform, so notwendig sie im Einzelfall ist einzurichten, führt häug zu einer unzureichenden Motivation der Angehörigen. Die fehlende Motivation wirkt sich mitunter negativ auf die Aufgabenerfüllung aus. Sie steht im Gegensatz zu Werten wie zum Beispiel „Hilfeleistung für den Mitmenschen“, „Kameradschaft“ oder „gesellschaftliche Anerkennung“, die für den einzelnen ehrenamtlichen Feuerwehranghörigen durchaus von großer Bedeutung sind.
Das Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland
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Eine Pichtfeuerwehr existiert in Österreich derzeit nicht; In Deutschland hingegen wurde im Jahre 2008 die erste Feuerwehr dieser Art in der Gemeinde List auf der Nordseeinsel Sylt gegründet, nachdem es an freiwilligem Personal zur Einhaltung der erforderlichen Mindeststärke fehlte (vgl. Schrep: 2008, 68). Ob und inwieweit dieses „Rekrutierungsmodell“ für künftige Engpässe Erfolg versprechende Lösungen zu liefern in der Lage ist, soll nicht Gegenstand dieser Ausführungen sein. Bemerkenswert erscheint indes der Hinweis, dass „der Bürgermeister des Sylter Ortes List (…), Anfragen aus der ganzen Republik erhält, weil auch andere Gemeinden zunehmend Mühe haben, genügend Freiwillige zu organisieren“ (Schrep: 2008, 68).
3.1.1.4
Betriebs- und Werkfeuerwehren
Bei Werk- und Betriebsfeuerwehren handelt es sich um nichtöffentliche Feuerwehren, die dennoch in den Brandschutzgesetzen der meisten Bundesländer Österreichs und Deutschlands aufgeführt sind. Sie verstehen sich als objekt-spezische Zuordnung von Einsatzpotenzial, das aufgrund besonderer Gefahrenschwerpunkte, aufgrund zu erwartender Brandausbreitungsgeschwindigkeiten oder aufgrund einer möglichen Gefährdung von zahlreichen Personen im Schadensfall vom Betreiber der Einrichtung vorzuhalten ist. So lässt sich eine Differenzierung der Werk- und Betriebsfeuerwehren von den öffentlichen Feuerwehren herleiten. Exemplarisch seien die Werk- und Betriebsfeuerwehren der petrochemischen Industrie angeführt, die über besondere Ausstattung und über anlagen- und produktspezische Kenntnisse verfügen müssen (vgl. Hagebölling: 2002, 20–21). Es gilt jedoch zwischen den Staaten zu unterscheiden. In Österreich ndet der Begriff „Werkfeuerwehr“ keine Erwähnung; alle Brandschutzgesetze verwenden den Terminus „Betriebsfeuerwehr“. „Eine Betriebsfeuerwehr ist eine der Erhöhung des Betriebsbrandschutzes dienende Einrichtung eines Betriebes (…)“ (Salzburger Feuerwehrgesetz: 1978/2003, 11). Die Anforderungen an den personellen Umfang variieren in den Landesbrandschutzgesetzen zwischen einer Löschgruppe (9 Feuerwehrangehörige) und einem Löschzug (22 Feuerwehrangehörige). Hinsichtlich Ausrüstung, Qualikation und Stärke unterliegen die Betriebsfeuerwehren den Brandschutzgesetzen der Länder und darin jeweils denierten Kontroll- und Aufsichtsbehörden. Im Jahre 2007 gab es in Österreich 328 Betriebsfeuerwehren (vgl. Statistik des ÖBFV: 2007, 2). Die deutschen Werkfeuerwehren entsprechen den Betriebsfeuerwehren in Österreich. Die Aufsichts- und Genehmigungsbehörden formulieren Struktur, Qualikation und Ausrüstung einzelfallorientiert. Die Landesbrandschutzgesetze enthalten in Verbindung mit technischen und baurechtlichen Regelwerken die dazu erforderlichen Ermächtigungen. Betriebsfeuerwehren in Deutschland hingegen werden vom Anlagenbetreiber zunächst als freiwillige Einrichtung aufgestellt, ohne dass die für Werkfeuerwehren obligatorischen Gütemerkmale betrachtet werden. Auf Antrag des Betriebes kann eine Anerkennung als Werkfeuerwehr durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde erfolgen, sofern die beschriebenen Voraussetzungen vorliegen.
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Das Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland
Im Jahre 2005 waren in Deutschland 896 anerkannte Werkfeuerwehren registriert, bei denen 31.259 Betriebsangehörige, davon 7.908 unmittelbar bei den Werkfeuerwehren verwendete Mitarbeiter für die Belange des betrieblichen Brandschutzes beschäftigt wurden.
3.2
Feuerwehrverbände
Die Feuerwehren in Österreich und Deutschland werden durch einen jeweils bundesweit agierenden Spitzenverband vertreten. Die Landesfeuerwehrverbände der Länder gehören dem Dachverband als so genannte Mitgliedsverbände an. Die Ziele und Aufgaben sind vielfältig; so sieht der österreichische Bundesfeuerwehrverband seine Hauptaufgabe „in der Koordinierung des gesamtösterreichischen Feuerwehrwesens in den Bereichen Organisation, Ausbildung, Technik“ (…). Darüber hinaus strebt der Verband die weitgehende Vereinheitlichung von Organisation, Ausbildung, Feuerwehrtechnik und Uniformen an (vgl. http:// www.bundesfeuerwehrverband.at). Der Deutsche Feuerwehrverband beschreibt in seiner Satzung verschiedene Zielsetzungen, u. a. als „Kompetenzzentrum und Informationszentrale des deutschen Feuerwehrwesens“ zu fungieren sowie die deutsche Feuerwehrmeinung bündeln und gleichermaßen formulieren zu wollen. Ebenso sind die Förderung von Aus- und Fortbildung, von Jugendarbeit, von Sport und Musik sowie der Brandschutzforschung einige der verankerten Verbandsziele (vgl. http://www.feuerwehrverband.org). Die Feuerwehrverbände vertreten die Interessen der Feuerwehrangehörigen auf nationaler und internationaler Ebene. Dazu bedarf es gezielter Kommunikationsbemühungen, um den Verbandszielen Ausdruck zu verleihen. Weitere Interessensgemeinschaften im österreichischen und deutschen Feuerwehrwesen repräsentieren die Berufsfeuerwehren, die Werk- und die Betriebsfeuerwehren. Ungeachtet der beschriebenen Zielsetzungen und Aktivitäten bleibt die kommunale Zuständigkeit für die Sicherstellung leistungsgerechter Feuerwehrstrukturen unberührt. Die Verbände unterstützen die Gemeinden durch ihre überörtliche Aktivität. Im Allgemeinen werden die Feuerwehren gewissermaßen als Werkzeug des Verfassungsstaates tätig, dessen primäre Aufgabe auf den Schutz seiner Bürger auszurichten ist. Im folgenden Abschnitt soll daher die Rolle der Feuerwehren als Mittel der staatlichen Schutzpichtenerfüllung vor dem Hintergrund rechts- und humanwissenschaftlicher Gesichtspunkte näher betrachtet werden.
4
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
Grundrechtliche Schutzpichten sind Pichten des Staates, grundrechtsbewehrte Rechtsgüter seiner Bürger zu schützen (vgl. Für Österreich: Walter et al.: 2007, 624 (Rn.: 1333), Für Deutschland: Unruh: 1996, 20). Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum des Menschen, weitere Freiheiten der Grundrechtskataloge der verschiedenen Staatsverfassungen Österreichs und Deutschlands wie Glaubens-, Gewissens-, Bekenntnisfreiheit, Religion, Freizügigkeit und freie Berufswahl sowie die Möglichkeiten menschlicher Entfaltung insgesamt sind potentiell gefährdete Güter. Demgemäß ist neben Beeinträchtigungen durch Naturgewalten die Bedrohung des Menschen durch den Menschen ein beständiges Faktum (vgl. Dietlein: 2005, 16). Mit klassischer Gefahrenabwehr als einem bloß reagierenden, auf Bewahrung und Wiederherstellung eines störungsfreien Zustands gerichteten Konzepts kann den Gefahren indes wirksam nicht begegnet werden, vielmehr verlangen sie nach einem umfassenden, schon im Vorfeld konkreter Gefahren ansetzenden Konzept der Risikovorsorge und Risikosteuerung (vgl. Möstl: 2002, 29). Im Übrigen bietet der moderne Industriestaat eine Vielzahl von Beispielen dafür, wie sich neben dem Staat andere Machtzentren etablieren, die für die grundrechtlich geschützten Güter und Freiheiten der Menschen sowie für die gesellschaftlichen Lebensstrukturen des Gemeinwesens nicht minder große Gefahren in sich bergen als die der staatlichen Gewalt übertragene Macht (vgl. Böckenförde: 1975, 69–76). Mit dem Fortschreiten der wissenschaftlich-technischen Entwicklung sind die Möglichkeiten, den Mensch durch den Mensch zu gefährden, ihrer Art nach vielfältiger und subtiler, ihrem Umfange nach weitreichender und einschneidender geworden, als dies jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte der Fall war (vgl. Dietlein: 2005, 15). Über die fundamentale Bedeutung der Staatsaufgabe Sicherheit herrscht in der Literatur weitgehender Konsens mit unterschiedlicher Wortwahl, in der Sache aber nahezu einhellig wird sie als wesentliche und unaufgebbare Aufgabe des Staates (Isensee: 1983, 10–30), als „elementarstes“, zeitloses Staatsziel (Badura: 1967, 23), als historisch primärer, dem Verfassungsstaat immanenter, fundamentaler und „erster und letzter“ Zweck des Staates (Kant: 1793/1913, 201/98) sowie als sein „legitimatorischer Grundauftrag“ oder als Legitimationsgrundlage und essentielle Grundfunktion der Staatlichkeit (Eichenberger: 1980, 73 ff.) eingestuft. Diese Staatsaufgabe ist heute eine feste Größe in der europäischen Grundrechtsdogmatik (vgl. Klein: 2006, 960), also dem an normativ entwickelten Lehrsätzen ausgerichteten Denken (vgl. Schmidt-Assmann: 2006, 3). Die grundrechtliche Schutzpicht verlangt vom Staat, Grundrechtsgefährdungen schützend entgegenzutreten (vgl. Pieroth/Schlinck: 2004, 25–28); den Staat trifft die „hoheitliche Picht zum Schutz der Grundrechtsträger durch positives Handeln vor nicht hoheitlich herbeigeführten Gefahren“ (Jaeckel: 2001, 17). Die Schutzverpichtung hat damit einen nalen Charakter. Die Verfassung gibt nur das Ziel des Schutzes vor (vgl. Alexy: 1985, 420–429). Der Weg zur Verwirklichung dieses F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
Zieles ist in das Gestaltungsermessen des Gesetzgebers gestellt, wobei es sich – soll die Schutzverpichtung nicht leer laufen – um einen effektiven Weg handeln muss. Der objektiven Handlungspicht des Staates entspricht der subjektive Schutzanspruch des gefährdeten Grundrechtsträgers auf staatliches Tätigwerden (vgl. Klein: 1989, 1633). In diesem Kontext verwirklichen die öffentlichen Feuerwehren die zuvor beschriebenen Schutzpichten im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung. Die Gewährleistung daraus resultierender Schutzziele sollte zu einer ausdifferenzierten Rechtsordnung und ihrem Vollzug führen. Die seitens des Staates normativ und tatsächlich vorzusehenden Maßnahmen sind auf einem angemessenen und wirksamen Schutz auszurichten.
4.1
Der verfassungsrechtliche Inhalt der Schutzpicht
Am Anfang aller Legitimationsgründe von Staatlichkeit steht, wie einleitend bereits dargelegt, die Sicherheit, deren Gewährleistung seit alters her Bestandteil der theoretischen Rechtfertigung von Staatlichkeit ist und bis heute als einer der zentralen Staatszwecke gilt (vgl. Bethge; 1982, 482). Der Begriff „Sicherheit“ ist ein unbestimmter und ausfüllungsbedürftiger „Blanketbegriff“ (Isensee: 1983, 22), der Rechte, Rechtsgüter und Rechtsräume voraussetzt. Der Schutzpicht ist eine Wirkung eigen, der ein gewisses Maß an Schutzeffektivität verfassungsrechtlich geschuldet (vgl. Böckenförde: 1990, 29) und deren Ziel nicht eine spezische Handlung ist. Vielmehr muss das Maß an Schutz in der Ausformung deutlich werden. Der Schutzgedanke und die grundsätzliche Schutzpicht gewinnen erst mit den Umsetzungsakten der einfach rechtlichen Ausformung und der zugehörigen Organisation entsprechende Vollziehbarkeit. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ausgestaltungspicht gewinnt die Frage, wer die Schutzpichten erfüllen muss und kann, besonderes Gewicht. Mit der Umsetzung des einfachen Rechts und der zugehörigen Organisation der Schutzpicht kann der Bundes- oder Landesgesetzgeber berufen sein, aber auch die Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung in Betracht kommen (vgl. Wahl/Masing: 1990, 559). Die Literatur hält den Gesetzgeber für den vornehmlichen, wenn auch nicht ausschließlichen Adressaten (vgl. Fluck: 1990, 81 ff.) bzw. hält die Schutzpicht für „gesetzesmediasiert“ (Unruh: 1996, 20). Zum Schutz berufen sind staatliche Stellen nur nach Maßgabe ihrer Kompetenzen und Funktionen sowie ihrer Instrumentarien und Verfahren (vgl. Hermes: 1987, 43–53). Die Schutzpicht trifft verfassungsgemäß alle Gewalten als unmittelbar geltende Verpichtung; sie schafft ihnen aber keine Kompetenzen oder Befugnisse, sondern setzt diese voraus und bindet die Erfüllung der Schutzpicht für jede der drei Gewalten an die ihnen von der Verfassung eingeräumten Befugnisse (vgl. Stern: 1988, 729–730, 931–932, 1285–1287). Insofern ist die Schutzpicht funktions- bzw. gewaltenspezisch umzusetzen. Diese Umsetzungspichten zielen somit auf die Herstellung eines Schutzanspruches ab. Verletzt der Staat seine grundrechtlich gebotenen Schutzpichten, stellt er also nicht ein grundrechtlichen Maßstäben entsprechendes, konkret vorgezeichnetes Verfahren zum Schutze grundrechtlicher Rechtsgüter bereit, so kann der schutzlose Bürger unmittelbar aus der Verfassung von jeder Instanz im Rahmen von deren Rechtsmöglichkeiten Schutz
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
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fordern, da nur eine solche Position dem Gedanken der Einheit der Verfassung Rechnung trägt. Als Maßstab gilt eine aus dem jeweiligen Grundrecht ießende Minimalposition (vgl. Wahl/Masing: 1990, 560). Zentrale Bestandteile der Rechtsordnung, insbesondere das gesamte Polizeirecht, das Gefahrenabwehrrecht und das technische Überwachungsrecht sind als Erfüllung der primären Staatsaufgabe „Gewähr von Schutz“ zu verstehen. Gleichwohl darf ein in Gesetzen oder Verordnungen etabliertes Sicherheitsniveau nicht als „abschließend“ betrachtet werden; vielmehr gilt es systematische Risikoforschung zu betreiben, da eine Picht zur Risikoforschung (vgl. Richter: 1989, 127–129) und zum Reagieren auf deren Ergebnisse für genau beschriebene Gegenstandsbereiche (vgl. Graf Vitzthum et.al.: 1990, 11–15) hinzutritt. Eine Nachbesserungspicht kommt in den Fällen in Betracht, in denen sich bei Anwendung der entsprechenden Regelungen Schutzlücken zeigen. Hier obliegt dem Gesetzgeber eine Neuregelungspicht, deren Gegenstand die Neufassung der gesetzlichen Schutzmaßnahmen im Lichte der hinzugewonnenen Erkenntnisse ist (vgl. Horn: 1989, 234–237), also in gesetzgeberische Nachbesserungs- und Erprobungspichten münden kann (vgl. Piertrzak: 1994, 753).
4.1.1
Grundrechte als Ausgangspunkt
Der Ableitungszusammenhang zwischen Schutzpichten und objektiver Wertordnung der Grundrechte erfordert, dass keinem Grundrecht die Schutzfunktion vorenthalten werden darf. Als Gefahren, die die grundrechtliche Schutzpicht auslösen können, kommen nur nicht-staatliche Eingriffe, Naturereignisse oder sonstige nicht auf den Staat zurückgehende Eingriffe in grundrechtsbewehrte Positionen in Betracht (vgl. Isensee: 1992, 160–162), während ein staatlicher Eingriff stets mit den Grundrechten in ihrer (ursprünglichsten und ältesten) Funktion als Abwehrrecht angefochten werden kann. Insofern muss die Verwirklichungstendenz der Grundrechte Ausgangspunkt aller Schutzpichtkonzeptionen sein, woraus wiederum folgt, dass die Schutzpicht grundrechts- und damit schutzgutorientiert ist (vgl. Dietlein: 2005, 103); eine Gefahr für eine grundrechtsbewehrte Position löst demnach grundsätzlich eine Schutzpicht des Staates aus (vgl. Unruh: 1996, 76), wobei die Frage ob und inwieweit der Gesetzgeber bei bestimmten Gefährdungslagen zum Handeln verpichtet ist, zunächst unbeantwortet bleibt. Der Staat hat indes die ihm obliegende Schutzpicht dahingehend zu überwachen, dass potentiellen Schadenslagen entsprechend seiner Einschätzungsprärogative begegnet werden kann. Eine Beschränkung auf den Menschenwürdekern der einzelnen Grundrechtsbestimmungen verbietet sich ebenso wie andere Einschränkungen (vgl. Starck: 1994, 58–63).
4.1.2
Staatsgerichtete objektive Pichten
Die Picht des Staates zum Schutz der Bürger leitet sich aus den „objektiv-rechtlichen Gehalten der Grundrechte ab, woraus die Begrifichkeit der „grundrechtlichen Schutzpichten“ hervorgeht (BVerfGE 39 1). Dem liegt die Vorstellung eines „Doppelcharakters der Grundrechte“ zugrunde (Stern: 1988, 906), demzufolge die Grundrechte dem Staat nicht
64
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
nur – selbstverständlich – verbieten, unmittelbar selbst in grundrechtlich geschützte Güter einzugreifen, sondern darüber hinaus den staatlichen Organen gebieten, eben diese Güter auch vor rechtswidrigen Eingriffen seitens anderer, nichtstaatlicher Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39 1). „Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu“ (BVerfGE 49, 89; BVerfGE 88, 203). Sie gilt nach herrschender Auffassung selbst als Grundrecht. Die darin zum Ausdruck kommende objektiv-rechtliche Dimension gilt als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts, der Gesetzgebung und der öffentlichen Verwaltung. Insofern darf der „objektiv-rechtliche Gehalt auch der anderen Grundrechte“ als Quelle staatlicher Schutzpichten mit verfassungsrechtlichem Rang bezeichnet werden. Zudem sind in der höchstrichterlichen deutschen Rechtssprechung deutliche Anzeichen für einen voranschreitenden Trend zur Subjektivierung des grundrechtlichen Schutzgedankens beobachtbar; neuere Entscheidungen indizieren gar eine vollständige Anerkennung des subjektiven Verfassungsrechts auf Schutz (vgl. BVerGE 77, 170).
4.1.3
Die subjektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte
Das subjektive Recht verkörpert die Rechtsmacht, die Rechtsordnung zur Verfolgung eigener Interessen einzusetzen (vgl. Scherzberg: 2005, 356–356). Es gewährleistet einen Willensschutz und gibt damit der Individualität und Personalität im Rechtssystem ihren notwendigen zentralen Platz. Individualität beschreibt die Durchsetzbarkeit von Achtung und Berücksichtigung des Besonderen, während Personalität die pauschale Gleichsetzung von öffentlichen und privaten Interessen sowie die Vereinnahmung des Bürgers für staatliche Zwecke in öffentlichen Organisations- und Pichtenrollen verwehrt (vgl. SchmidtAssman: 2006, 81–82). Entscheidend für den Beginn der subjektiv-rechtlichen Dimension grundrechtlicher Schutzpichten ist die Frage, ab wann die Annahme eines subjektiven Schutzrechts erforderliche individualisierte Schutzbeziehung zwischen Staat und Bürger unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zustande kommt, ab wann also der einzelne Grundrechtsträger durch ein ausbleibendes staatliches Schutzhandeln in dem ihm gewährleisteten Schutzrahmen „individuell“ und nicht als Teil der Allgemeinheit betroffen ist (vgl. Dietlein: 2005: 171). Diesen Beginn zu bestimmen erweist sich deshalb als besonders schwierig, weil dem Unterlassen staatlichen Schutzhandelns anders als dem positiven Eingriffshandeln des Staates zunächst eine erkennbare bestimmte Zielrichtung fehlt (vgl. BVerfGE 46, 160). Eine solche, aus Sicht des individuellen Grundrechtsträgers zielgerichtete und relevante Untätigkeit staatlichen Schutzhandelns lässt sich erst dort annehmen, wo dem Nichthandeln des Staates ein nach Person, Inhalt und Zeit konkret nachzuweisender individueller Bezug innewohnt (vgl. Langer: 1987, 195 (197)). Eine derartige grundrechtsrelevante Individualisierung staatlichen Nichthandelns kann grundsätzlich erst dort angenommen werden, wo die Unterlassung des Staates qualitativ dem aktiven Eingriff in die grundrechtlichen Gewährleistungen gleichkommt. Demgemäß muss auch das subjektive Recht auf staatliche Schutzgewährung auf solche Fälle begrenzt sein, in denen das Nichthandeln des Staates qualitativ dem aktiven Eingriff in die grundrechtlichen Gewährleistungen „gleichkommt“ (Ehlers: 19989, 337 ff.).
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
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Diese Formulierung vermag indes noch nicht abschließend zufrieden zu stellen, da gerade die Grenze, ab welcher staatliches Unterlassen eine solche individualisierbare Intensität aufweist, sich nicht selten erst im Einzelfall – und überhaupt nur hier – mit Mühe bestimmen lässt. Aufgrund des eher „globalen“ Charakters der grundrechtlichen Schutzbeziehungen zwischen Staat und Bürger wird aber zumindest dann eine grundrechtliche Schutzverpichtung zwischen Staat und Bürger anzunehmen sein, wenn ohne Schutzhandeln des Staates der grundrechtliche Status des Bürgers durch die konkrete Bedrohung schlechthin in Frage gestellt wird, was insbesondere dort der Fall ist, wo die elementaren Lebenspositionen wie Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit des Bürgers auf dem Spiel stehen (vgl. Dietlein: 2005: 172). Demnach ist nach Maßgabe der im Verfassungsrecht anzuwendenden Schutznormtheorie1 (vgl. Wegener, 2000, 1) ein subjektives Recht auf Schutz dort anzunehmen, wo den grundrechtlichen Schutzpichten eine individualisierbare Schutzzielrichtung zukommt, dem etwaigen Unterbleiben staatlichen Schutzhandelns mithin eine auf das konkrete Individuum bezogene Betroffenheit innewohnt, die zu einer existentiellen Bedrohung der individuellen Lebenssphäre des Bürgers zu führen kann.
4.1.4
Das Untermaßverbot
Die Figur des Untermaßverbotes ist durch wesentliche zwei Merkmale gekennzeichnet. Erstens beschränkt es sich – dem nalen Charakter der Schutzverpichtung entsprechend – auf eine Ergebniskontrolle; das „Wie“ der Schutzpichterfüllung ist verfassungsgerichtlicher Kontrolle weitgehend entzogen. Zweitens beschränkt es sich auf eine Minimalkontrolle: „Soll das Untermaßverbot nicht verletzt werden, muss die Ausgestaltung des Schutzes durch die Rechtsordnung Mindestanforderungen entsprechen“ (BVerfGE 88, 203). Die genauere Konturierung der Mindestanforderungen soll dabei maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere „von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereiches, den Möglichkeiten, sich – zumal über künftige Entwicklungen etc. – ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der jeweiligen Rechtsgüter“ (BVerfGE 88, 203). Das gebotene Minimum an Schutz ist jedenfalls dann verfehlt, wenn der Gesetzgeber seine Schutzpicht evident verletzt hat (vgl. BVerfGE 56, 54). Lediglich bei Rechtsgütern von höchster Bedeutung – also dem menschlichen Leben – sind der gerichtliche Prüfungsmaßstab weiter zu verschärfen und der Gestaltungsspielraum weiter einzuengen, ist das Ausreichen der Schutzmaßnahmen normativer und tatsächlicher Art gerichtlich voll zu überprüfen (vgl. BVerfGE 88, 203).
1
Schutznormtheorie ist die Bezeichnung für die Theorie, dergemäß eine Norm drittschützend ist, wenn sie neben dem Schutz öffentlich-rechtlicher Interessen zumindest auch dazu bestimmt ist, dem Interesse einzelner Personen oder Personengruppen zu dienen und diesen die Rechtsmacht zur Durchsetzung dieser Interessen verleiht.
66
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
4.1.4.1
Aufgabe und Kontrolle
Die Schutzverpichtung des Staates gebietet eine wirksame Ausführung. Gewährt er keinen wirksamen Schutz, liegt ein Fall von Nicht- oder Schlechterfüllung vor. Daher bedarf es gleichwohl wirksamer Kontrollen, da Schutzpichten konkrete Rechtsfolgen erst dann hervorzubringen vermögen, wenn ihre Reichweite durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip (in Gestalt des Untermaßverbotes) näher bestimmt worden ist (vgl. Möstl: 2002, 93). Über das Ausmaß derselben trifft das Untermaßverbot Festlegungen, die im Regelfall eine Minimalkontrolle hinsichtlich evidenter Verletzungen statuieren und dadurch ein Zurückbleiben hinter der Reichweite der Handlungsnorm verdeutlicht (vgl. Klein: 2006, 961–962). Das Untermaßverbot ndet seine Berechtigung folglich in seinem Charakter als Kontrollnorm, es wendet die Schutzpicht von der Handlungsebene in die Ebene gerichtlicher Kontrolle. Nur auf dieser Kontrollebene besteht die Verkürzung auf das Mindestmaß. Die Schutzpicht selbst bleibt hier nicht stehen, sie statuiert ein Optimierungsgebot (vgl. Alexy: 1985, 414 ff). Handlungs- und Kontrollnorm fallen insoweit auseinander (vgl. Ruffert: 2001, 252–255). Gerechtfertigt ist dieses Auseinanderfallen durch die unterschiedliche Zielrichtung: Die Schutzpicht ndet ihren Adressaten im Gesetzgeber, Adressat zur Kontrolle des Untermaßverbotes ist dagegen die Rechtssprechung, letztlich in Gestalt des Verfassungsgerichtes. Die spezische Funktion und Leistung des Untermaßverbotes besteht demgemäß in der Darstellung eines Maßstabes zur grundrechtsbezogenen Bemessung staatlicher Mittel und Maßnahmen.
4.1.4.2
Übermaß und Untermaß
Der grundsätzliche Unterschied von Über- und Untermaßverbot ist aus den Prüfungsgegenständen ableitbar: Das Übermaßverbot hat eine konkrete Maßnahme zum Kontrollgegenstand, das Untermaßverbot verfolgt dagegen ein konkretes Ziel, damit es mit wenigstens einer geeigneten Maßnahme erreicht werden kann (vgl. BVerGE 96, 56).2 Das Übermaßverbot bezieht sich auf etwas zu Bewahrendes, das Untermaßverbot auf etwas Kommendes (vgl. Wahl/Masing: 1990, 553 ff). Bei der Erfüllung einer Schutzpicht gestaltet der Gesetzgeber die Zukunft und misst das Untermaßverbot als ein legislatives Unterlassen an einer inniten Zahl von Handlungsmöglichkeiten; mit dem Eingriff beseitigt der Gesetzgeber
2
Dem konkreten Fall zu Fußnote 2 lag eine Verfassungsbeschwerde zugrunde. Diese betraf die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Mutter gegenüber dem volljährigen nichtehelichen Kind zur Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters verpichtet ist. In seiner Begründung führte das Gericht u. a. aus, dass der Einzelne Einschränkungen hinzunehmen habe, sofern diese unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden und grundrechtlich geschützte Interessen Dritter betreffen. „Wie die staatlichen Organe ihre Schutzpicht erfüllen, ist von ihnen in eigener Verantwortung zu entscheiden. Das gilt grundsätzlich nicht nur für Fälle, in denen es verschiedene Möglichkeiten gibt, den vom Grundgesetz (Anmerkung: Verfassung) vorgegebenen Schutz zu verwirklichen. Vielmehr ist es auch Aufgabe der jeweils zuständigen staatlichen Organe, zwischen den gegenüberstehenden Grundrechten abzuwägen und die negativen Folgen zu berücksichtigen, die eine bestimmte Form der Erfüllung der Schutzpicht haben könnte.“
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
67
dagegen einen Missstand der Gegenwart und kontrolliert das Übermaßverbot ein bereits umgesetztes positives Tun. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum zur Erfüllung der Schutzpicht ist auch nach geltendem Recht ein Spielraum, dem Gesetzgeber kommt hier ein echtes Bewertungsermessen zu. Er hat eine normative Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen rechtmäßigen Maßnahmen (vgl. Dietlein: 1995, 131–141). Die Unterschiedlichkeit der Kontrollmaßstäbe von Unter- und Übermaßverbot wird vor allem deshalb virulent, weil sie typischerweise zu verschiedenen Zeitpunkten Anwendung nden: Wird im Fall des Schutzbegehrens eine gerichtliche ex ante-Kontrolle („aus früherer Sicht“) vorgenommen, die den Bewertungsspielraum des Gesetzgebers voll respektieren muss, ist die Lage im Fall einer gerichtlichen Überprüfung eines legislativen Eingriffes regelmäßig eine andere: Hier ndet eine gerichtliche Kontrolle aus einer ex post Perspektive („aus späterer Sicht“) statt (Bryde: 2001, 553). Die begrifiche Nähe von Untermaß- an das Übermaßverbot vermag die bestehenden Gegensätze und Eigenheiten aufzuzeigen. Übermaß- und Untermaßverbot sind keine parallelen, sondern Gegenbegriffe, die aus Sicht des Grundrechtsträgers eine gegenläuge Legitimationslast bei staatlichem Eingriff und staatlicher Schutzpichtenerfüllung aufweisen (vgl. Klein: 2006, 964).
4.1.5
Der geschützte Rechtsgüterbestand Leben und körperliche Unversehrtheit als vitale Basis
Die höchstrichterliche Rechtssprechung und ihr folgend Teile der Literatur vertreten die Theorie einer wertmäßigen Rangordnung der grundrechtlichen Schutzgüter (vgl. BVerGE 7, 198). Die Schutzverpichtung des Staates muss umso ernster genommen werden, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsgutes innerhalb der Wertordnung der Verfassung anzusehen ist. „Das menschliche Leben stellt einen Höchstwert dar“ (BVerGE 39,1). Das menschliche Leben nimmt innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung eine Sonderstellung ein. Es ist die physische Grundlage der menschlichen und bürgerlichen Existenz schlechthin. Eine allgemeinere und kontextbezogene Betrachtung ist in diesem Zusammenhang mit dem Begriff „Öffentliche Sicherheit“ verbunden, der die klassischen „Polizeigüter“ Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum sowie Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates umfasst und durchgehend auf solche Rechtsgüter verweist, deren Schutz dem Staat schon von Verfassungs wegen zwingend aufgegeben ist (vgl. Möstl: 2002, 128). Bei der „Öffentlichen Sicherheit“ handelt es sich um eine polizei- und ordnungsrechtliche Denition, die gleichwohl präventive exekutivische Sicherheitsgewährungen einschliesst (vgl. Drews et. al.: 2000, 51–53, 407–408, 416–417). Neuere Erklärungsansätze charakterisieren die öffentliche Sicherheit als Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie der Einrichtungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt (vgl. Polizeigesetz Bayern: § 2; Götz: 201, 98–100). Verfassungskonform entfaltet die Schutzpicht unmittelbare Geltung für alle Gewalten; die Wesentlichkeitstheorie gebietet indes wegen der überragenden Bedeutung des „Rechts auf Leben“ eine ebenso herausragende Würdigung (Wahl/Masing:
68
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
1990, 553 ff.). Als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Verbindung mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz anzuführen. Nach anerkannter Rechtssprechung schützt dieses Grundrecht nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe; vielmehr folgt darüber hinaus aus seinem objektiv-rechtlichen Gehalt die Picht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die darin genannten Rechtsgüter zu stellen (vgl. Universität Passau: 2006, 48). Sie gehören zu den wenigen Rechtsgütern, deren Konturen jenseits rechtlicher Begriffsbildung natürlich vorgeprägt und erfahrbar sind (vgl. Dietlein, 2005, 75). Es bedarf zur Markierung der Schutzbereiche weder einer gesetzlichen Konturierung im Sinne eines ausgestalteten Tätigwerdens wie dies etwa für „institutionelle Gewährleistungen“ regelmäßig erforderlich ist, noch unterliegt dieses Rechtsgut einem wie auch immer gearteten zeitlichzivilisatorischen Wandel (vgl. Degenhardt: 1982). Entsprechend verhält es sich mit dem Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit. Die Notwendigkeit zur Wahrung der Integrität des Körpers und des Lebens als selbstverständliche Voraussetzung für das Zusammenleben in der staatlichen Gemeinschaft und allgemeinverbindliches Gebot auch im Verhältnis der Bürger zueinander ist traditionell tief im Bewusstsein nahezu jedweder Rechtsordnung verwurzelt (vgl. BVerGE 49, 304).
4.1.6
Staatliche Garantie Grundrechtliche Schutzpichten als Teil der Staatszielbestimmung
„Staatszielbestimmungen“ (Ipsen: 1950, 14) sind Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben vorschreiben. Sie umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit und sind dadurch eine Richtlinie und Direktive für das staatliche Handeln auch für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften (vgl. Klein: 1971, 233). Das Spezikum der Staatszielbestimmungen besteht darin, dass sie nicht nur verfassungspolitische Programmsätze darstellen, sondern verfassungsrechtlich bindend, d. h., im Rahmen ihrer inhaltlichen Tragweite auch justiziabel sind und im Falle ihrer Missachtung zur Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns oder Unterlassens führen können (vgl. Badura: 1992, 41–43). Sie geben bestimmte Ziele vor (Finalprogramm), lassen jedoch grundsätzlich sowohl die einzusetzenden Mittel als auch das zu erreichende Schutzniveau offen (vgl. Hesse: 1994, § 5). Die Verletzung einer Staatszielbestimmung ist allenfalls dann feststellbar, sofern offensichtlich nicht einmal das vorgegebene Ziel verfolgt wird oder aber die zur Zielverfolgung eingesetzten Mittel in einem Maße ungeeignet oder unzulänglich sind, dass von einer ernsthaften Zielverfolgung schlechthin nicht gesprochen werden kann (Herzog: 2006, Rn 38); abgesehen von diesem Extremfall jedoch können das eingesetzte Mittel oder das Niveau der Zielerreichung nicht an der Staatszielbestimmung gemessen werden; hier ist das bereits beschriebene „Untermaßverbot“ insofern wertvoll, als dass die Ermittlung des verfassungsrechtlich zwingend vorgeschriebenen Schutzniveaus und eine Überprüfung der eingesetzten Mittel möglich wird (BVerGE 88, 203). Staatszielbestimmungen sind demgemäß auf eine möglichst umfassende Zielverwirklichung ausgerichtet, normieren indes keine absoluten Schutzgüter; sie können nur im Aus-
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69
gleich mit anderen Verfassungsgütern verwirklicht werden und stellen daher keinen strikten Rechtsmaßstab dar (vgl. Möstl: 2002, 74). In diesem Zusammenhang lassen sich drei wesentliche Inhalte der Schutznormlehre darlegen (Schmitt-Aßmann: 1985, Rn 118 ff.): 1. 2.
3.
Der Schutzzweck der Norm ist nicht ausschließlich und nicht einmal vorrangig aus dem nachweisbaren Willen des Normsetzers abzuleiten. Der Schutzzweck ist oft nicht allein aus der unmittelbar einschlägigen Norm, sondern durch systematische Auslegung auch aus dem umgebenden Normgefüge und aus den institutionellen Rahmenbedingungen zu ermitteln. Dieses Umfeld kann einerseits subjektivierend wirken; es kann aber der Entstehung eines subjektiven Rechts auch entgegenstehen. Grundrechte verdeutlichen den Schutzweck. Sie besitzen daher eine norminterne Wirkung (Schmidt-Preuß: 1992, 37 ff.).
Den Vorschriften des Grundgesetzes zur Ordnung des Staates und seiner Kompetenzen können dementsprechend implizite Staatszielbestimmungen entnommen werden (vgl. Klein: 2006, 960); insofern ist auch die verfassungsrechtliche Verankerung von Schutzgütern der Allgemeinheit als Staatszielbestimmung deutbar (Herzog: 1988, 79 ff.). Daraus wiederum resultiert aus der Staatszielbestimmung Sicherheit eine unfassende Ziel- und Erfolgsverantwortung des Staates für die Gewährleistung eines Mindestmaßes an grundrechtlicher Sicherheit, die sich nicht in der Gestellung einer „sicherheitsrechtlichen Grundversorgung“ erschöpft, sondern auch jenseits des von den grundrechtlichen Schutzpichten in Verbindung mit dem Untermaßverbot geforderten Mindestmaßes an Schutz als Richtungsweisung wirkt und Impulse für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes vermittelt (vgl. Möstl: 2002, 83–84).
4.1.7
Kontrolldichte
Ob eine grundrechtliche Schutzpicht eingreift und der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, hängt oft von Prognoseentscheidungen ab. Die richterliche Kontrolldichte solcher Entscheidungen ist auf eine Evidenz- und Vertretbarkeitskontrolle zu beschränken (vgl. Alexy: 1985, 425–428). Sie steht somit in unmittelbarer Beziehung zum betroffenen Rechtsgut. Je höher sein Gewicht und je höher die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, desto enger wird der Prognosespielraum, wobei schlussendlich die Kontrolle insoweit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten muss. Der Gesetzgeber hat in diesem Rahmen ein besonderes Maß an Gestaltungsfreiheit, während bei der Überprüfung der an Gesetze, Normierungen und Rechtsmaßstäbe gebundenen Exekutive eine detaillierte Kontrolle möglich ist (vgl. Badura: 2002, 479–480). Ist die gesetzgeberische Entscheidung gefallen, ist die Exekutive daran gebunden, es sei denn, das Gesetz räumt ihr Ermessen ein. Sehr oft wird die Verwaltung auf Begriffe treffen, die Beurteilungsspielräume einzuräumen scheinen (sog. unbestimmte Rechtsbegriffe). Auch solche Begriffe sind in der Regel richterlich voll nachprüfbar, so dass es auch in diesen Fällen nur
70
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
eine richtige Entscheidung der Verwaltung gibt. Denkbar ist, dass im Einzelfall der Verwaltung ein eigener Einschätzungsspielraum eingeräumt wird. Dieser wird u. a. bei Prognose- und Risikoentscheidungen anerkannt, ohne dass auch insoweit eine Regel aufgestellt werden könnte (vgl. Jestaedt: 2006, 318).
4.2
Risikovorsorge
Die Gefahrenabwehr bedarf eines umfassenden, schon im Vorfeld konkreter Gefahren ansetzenden Konzeptes der Risikovorsorge und Risikosteuerung, da lediglich auf Reaktion, Bewahrung und Wiederherstellung störungsfreier Zustände gerichtete Mechanismen keine wirksame Gesamtkonzeption herzustellen vermögen (vgl. Grimm: 1996, 625–626). Dieses in das Polizei- und Ordnungsrecht der Gegenwart einzubettende Modell muss in der Lage sein, den heutigen Herausforderungen zu genügen und die staatliche Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzulösen (vgl. Möstl: 2002, 32).
4.2.1
Der Industriestaat als Risiko- und Präventionsstaat (Möstl: 2002, 253–254)
Allen Phänomenen der Risikosteuerung und -vorsorge ist gemeinsam, dass sie der Bewältigung von gerade durch die technische Entwicklung hervorgebrachten Gefährdungspotentialen dienen und daher als charakteristischer Ausdruck der besonderen Risiken, die für die Industriegesellschaft der Gegenwart typisch sind, gelten können. Dabei wirken zwei Faktoren zusammen: 1.
2.
Die technische Entwicklung dauert an und schafft gleichzeitig neue Risiken, die sich aufgrund mangelnden Erfahrungswissens oder komplexen, diffuser und globaler Wirkungszusammenhänge einer herkömmlichen Gefährdungsbeurteilung weitgehend entziehen, da es an klaren Zurechnungszusammenhängen fehlt. Infolge dessen bleiben jedenfalls zum Teil durch die Technik hervorgerufenen Risiken unerfasst bzw. nicht adäquat erfasst und können demgemäß auch nicht im Gefahrenabwehrrecht Berücksichtigung nden. Der Industriestaat der Gegenwart kann und möchte auf den wissenschaftlich-technisch-industriellen Fortschritt trotz der von ihm ausgehenden Risiken nicht verzichten. Beispielhaft sei der Absturz eines Flugzeuges der Lauda Air am 26. Mai 1981 angeführt, der auf einen Computerfehler zurückzuführen war, der eines der beiden Flügeltriebwerke während des Fluges auf Schubumkehr umschaltete (vgl. Taeger: 1995, 43).
Es ist folglich zu konstatieren, dass entgegen dem Gebot des Rechtsgüterschutzes risikoträchtige Techniken regelmäßig zugelassen und ggfs. gefördert werden, im Gegenzug aber die Risiken eben dieser Technik dadurch kompensiert, begrenzt und minimiert werden sollen, dass bereits, bevor die Gefährlichkeit der Technik im Sinne des Gefahrenabwehrrechts nachgewiesen werden kann, also im Vorfeld der überkommenen Eingriffsschwellen, vorsorglich risikosteuernd eingegriffen wird. Der zwangsläug Risiken produzierende In-
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
71
dustrie- und Technikstaat ist so gesehen mit denselben Zwangsläugkeiten auch ein Präventions- und Vorsorgestaat (vgl. Preuß: 1996, 523–551).
4.2.2
Risikosteuerung und -vorsorge als präventiver Rechtsgüterschutz
Die Instrumente der Risikobewertung setzen im Vorfeld von Gefahren an. Ihr Ergebnis bestimmt sodann die Risikoverwaltung; es ist geeignet das Verhalten zu steuern. Eine solche Risikobewertung ist besonders erforderlich, sofern die Gefährlichkeit einerseits nicht bekannt ist, andererseits noch nicht nachgewiesen ist. Diese Technik der Risikosteuerung ist als präventiver Rechtsgüterschutz zu verstehen, der drei primäre Merkmale (vgl. Möstl: 2002, 255–259) aufweist: 1.
2.
3.
Es werden bekannte Risiken nach Norm und Regeln der Technik sowie des Rechts berücksichtigt und beurteilt, ohne dass gewiss ist, dass Struktur und Kausalzusammenhänge der Gefahr vollständig erfasst werden . Die Rechtsfolge der risikosteuernden Norm ist nicht auf die Unterbindung gefährlicher Techniken, sondern auf die kontrollierte und begrenzte Ermöglichung riskanten Verhaltens gerichtet. Die Risikoentscheidung ist untrennbar mit einem besonderen Modus und Procedere verbunden, nämlich im konkreten Falle unter Einbeziehung des höchstmöglichen wissenschaftlichen Sachverstandes. Damit wird zwar die Ungewissheit bei einer Entscheidung nicht völlig beseitigt, jedoch soweit möglich gemindert (vgl. DiFabio: 1994, 7, 457, 460–464). Auf diese Weise wird die Ungewissheit reduziert, wobei ein unvermeidbares Dezit an rechtlichen Zweifeln zurückbleibt (vgl. BVerfGE 53, 30).
Zur Bewältigung der für die Risikobeurteilung typischen strukturellen Ungewissheit und komplexen Wirkungszusammenhänge hat die Risikoverwaltung bestimmte Techniken des Risk-Assessment hervorgebracht, die die klassische Gefahrenabwehr in dieser Form nicht kennt. Zu nennen ist dabei insbesondere eine vormals nicht gekannte Einbeziehung von wissenschaftlichem Sachverstand (DiFabio: 1994, 452), die „vergleichende Risikoanalyse“ (DiFabio: 1994, 453) sowie die Dynamisierung der Risikobewertung, d. h. die Bereitschaft, diese als einen offenen Prozeß zu begreifen und sie stets an den sich verändernden Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik anzupassen (vgl. BVerfGE 49, 89).
4.2.3
Risikovorsorge als Verfassungsgebot
Dass die grundrechtlichen Schutzpichten nicht erst ab der Gefahrenschwelle einsetzen, sondern, vorausgesetzt es liegt überhaupt eine rational begründbare Möglichkeit eines Schadeneintritts vor, auch in Situationen der Ungewissheit über das Vorliegen und das etwaige Ausmaß von Gefahren sowie in von unklaren Kausalzusammenhängen geprägten Risikolagen Wirkungskraft entfalten (vgl. Isensee: 1992, 160–162), ist zuvor mehrfach angesprochen worden. Da den weiteren grundrechtlichen Schutzpichten zumindest die Bindungskraft
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Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
einer Staatszielbestimmung zukommt, kann die Verwirklichung einer wirkungsvollen Risikovorsorge in den durch klassische Gefahrenabwehr nicht hinreichend bewältigbaren Risikolagen als ein Staatsziel des grundgesetzlichen Verfassungsstaats bezeichnet werden. Es bindet die staatliche Gewalt mit der Kraft einer Direktive und ist in der Lage, den Übergang von klassischer Gefahrenabwehr zu neuerer Risikovorsorge zu rechtfertigen. Die Abwehr von Gefahren ist prinzipiell geboten; der Zeitpunkt des Eingreifens der Exekutive gegen ein risikoträchtiges Verhalten eines Dritten ist in Relation zu einer konkreten Gefahr zu betrachten, die weder eine längstmögliche noch eine frühestmögliche Maßnahmenfolge verlangt. Vielmehr wird der Zeitpunkt des Eingreifens durch einen anzustrebenden Punkt des schonenden Ausgleichs markiert (vgl. Möstl: 2002, 270–271). Demgemäß bedarf es bei Vorliegen einer Gefahr allein deshalb keines kategorischen staatlichen Eingreifens, wobei aber mit steigender Wahrscheinlichkeit von Schädigungszusammenhängen der verfassungsrechtliche Schutzauftrag konkreter wird und angemessen auszuführen ist. Ähnlich strukturiert sind die grundrechtlichen Schutzpichten; auch hier gilt es denselben Anpassungs- und Wertungsspielräume zuzubilligen, da der Legislative nach höchstrichterlicher Rechtssprechung (vgl. Schmidt: 2004, 125) ausreichende Zeiträume zur Sammlung von Erfahrungen und Erkenntnissen einzuräumen sind und das System der Risikovorsorge mit sinkender quantitativer und qualitativer Wahrscheinlichkeit einer Schädigung entbehrlicher wird. Die Picht zur Risikovorsorge wird durch das sog. Restrisiko begrenzt. Es besteht für den einzelnen trotz bestmöglicher Risikovorsorge eine verbleibende Ungewissheit, die als tragende sozialadäquate Last unvermeidlich ist und deren Hinnahme somit nicht gegen das Untermaßverbot verstößt (vgl. Breuer: 1999, 466 ff.). Dem Untermaßverbot wird regelmäßig schon dadurch genügt, dass überhaupt Risikovorsorge stattndet, also überhaupt eine dem durch Gefahrenabwehr nicht hinreichend bekämpfbaren Risiko adäquate Form präventiven Rechtsgüterschutzes gewählt wurde. Ein unvermeidliches Restrisiko zuzulassen ist insofern nicht „verfassungswidrig“ (vgl. 4.1.4).
4.3
Zeitkritische Anforderungen an feuerwehrbezogene Tätigkeiten
Der Eintritt von Schadens- und Gefahrenlagen erfordert das unverzügliche Einleiten wirksamer Hilfe, die im Wesentlichen von den Faktoren Zeit und Einsatzwert (vgl. Plattner: 2002, 1), also dem Zusammenwirken von Schnelligkeit, Personal, Ausstattung, Ausbildung und Motivation abhängig ist. Vom Faktor „Schnelligkeit“ geht in diesem Zusammenhang zentrale Bedeutung aus; diesbezüglich deniert DIN 14011-9 die Hilfsfrist für den abwehrenden Brandschutz als die Zeit zwischen dem Entdecken eines Schadenereignisses und dem Wirksamwerden der befohlenen Maßnahmen (vgl. DIN 14011-9). Im Einzelnen gliedert sich der Begriff „Hilfsfrist“ in Zeitfenster für Meldung, Alarmierung, Ausrücken, Anfahrt, Erkundung und Entwicklung von abwehrenden Maßnahmen. Somit enthält diese Begriffsdenition keine Angabe eines konkreten Zeitraumes. Die Hilfsfrist kann zudem nicht alle örtlichen Gegebenheiten erfassen, da die Zeitanteile für Erkundung und Entwicklung einzelfallorientiert in unmittelbarer Beziehung zu Art, Umfang und Ausmaß des Schadenereignisses entstehen und insoweit nicht generalisierbar sind. Folglich können die evaluierbaren
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Kriterien Alarmierung, Ausrücken und Anfahrt zunächst auf die „Einsatzgrundzeit“ reduziert werden, die als bewertbarer Teil der Hilfsfrist die zuvor aufgeführten Zeitfenster bis einschließlich der Anfahrt zur Einsatzstelle umfasst; diese drei Kriterien wiederum lassen sich bei ideal-realer Betrachtung als konstant annehmen. Ausgehend von chemisch-physikalischen Prozessen des Brandverlaufes ist nach 17 Minuten nach Brandausbruch die Überlebensgrenze durch eine Kohlenmonoxydvergiftung erreicht, nach 18 Minuten kommt es zur schlagartigen Durchzündung eines thermisch aufbereiteten Brandrauches und 30 Minuten nach Brandentstehung versagen üblicherweise Bauteile, die ohne Nachweis einer bestimmten Feuerwiderstandsdauer hergestellt wurden (vgl. Plattner: 2001, 1). Derartige kritische Zeitwerte lassen sich auf andere Aufgabenbereiche der Feuerwehren wie die Hilfeleistung und Rettung nach Verkehrsunfällen übertragen (Bezirksregierung Köln: 1997, 12). Zur Verdeutlichung der Kausalitäten zwischen dem Faktor „Zeit“ und der Überlebenswahrscheinlichkeit bei Brandereignissen sei auf die Ermittlung des brandspezischen Individualrisikos in ausgewählten Staaten der europäischen Union verwiesen. Dabei ist die vom Center of Fire Statistics der Internationalen Vereinigung des Feuerwehr- und Rettungswesens (CTIF) entwickelte Kennzahlensystematik angewendet worden. Danach sind Risikokennzahlen die Anzahl von Bränden im Wohnbereich je 1.000 Einwohner (R1) in [10 -3], die Anzahl der Brandopfer im Wohnbereich je 100 Brände (R2) in [10 -2] sowie die Anzahl der Brandopfer im Wohnbereich je 100.000 Einwohner (R3) in [10 -5]. Inhaltlich beschreibt R1 die Wahrscheinlichkeit, dass eine bzw. einer von 1.000 Einwohnern im Laufe eines Jahres durch einen Brand betroffen wird, während R2 die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen Verletzung bei einem von 100 Bränden angibt und R3 die tödliche Verletzungswahrscheinlichkeit nach einem Brandereignis einer bzw. eines von 100.000 Einwohnern widerspiegelt (vgl. Brushlinsky et al.: 2005, 165). Die Risikobestimmung erfolgt für Dänemark, Polen, Großbritannien und den Niederlanden als exemplarische Staaten mit zentraler Gesetzgebungskompetenz für den Brandschutz. Darüber hinaus werden im Kontext der Untersuchung die gesamtstaatlichen Risikokennzahlen für Österreich und Deutschland ohne Angabe von Zahlen für einzelne Bundesländer aufgeführt. Die Daten aller Länder entstammen Langzeitbetrachtungen (vgl. Brushlinsky et al.: 2005, 165). Ziel ist die Untersuchung potentieller Zusammenhänge von gesetzlich denierter Hilfsfrist oder eindeutiger Schutzzielbestimmung, daraus ableitbaren Organisationsmerkmalen sowie der Wahrscheinlichkeit einer Personenschädigung. Gleichwohl sind die Ergebnisse der Risikokennzahlen zurückhaltend zu interpretieren, da sich die Umstände tödlicher Brandverletzungen an den Umständen des Einzelfalls orientieren, so beispielsweise eines eingetretenen Todes vor dem Zeitpunkt der Alarmierung bzw. des Eintreffens der Feuerwehr (vgl. Pulm: 2003, 42). Außerdem können die baurechtlichen Vorschriften zum vorbeugenden Brandschutz und damit einhergehende Schutzzielphilosophien der Referenzländer nur ansatzweise verglichen werden, so dass die Effektivität des Brandschutzwesens unterschiedlich beeinträchtigt sein kann. Dennoch vermögen die im Folgenden (vgl. Feuerwehr-Jahrbuch 2006/2007: 2007, 261; Brushlinsky et. al.: 2005, 26, 36; Brandweeracademie Arnhem: Schreiben vom 09.01.2008, Grabski et al.: 2001, 26) zusammengefassten Risikobetrachtungen die Wirksamkeit der Ge-
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fahrenabwehr anzugeben, und zwar in der gesetzlichen Verpichtung der jeweiligen Eintreffzeiten, wie sie in den einzelnen Ländern gelten. Abbildung 4-1 Brandrisiko vor dem Hintergrund gesetzlicher Grundlagen in ausgewählten europäischen Staaten ohne föderale Strukturen sowie in Österreich und Deutschland im Zeitraum von 1993–2002. Land
Rechtliche Grundlage
Denierter Eintreffzeitraum
R1
R2
R3
Dänemark
Gesetz
nicht de niert
3,3
0,47
1,55
Polen
Gesetz
8 – 20 Minuten
3,1
0,44
1,37
Großbritannien
Richtlinie
5 – 20 Minuten
8,3
0,13
1,09
Niederlande
Erlass
5 – 12 Minuten
2,8
0,17
0,52
Österreich
Bundesland
z. T. regional de niert
2,9
0,29
0,83
Deutschland
Bundesland
z. T. regional de niert
2,5
0,27
0,68
Es ist somit ableitbar (vgl. Guischard: 2005, 8–9): 1. 2. 3. 4.
5.
6.
In Österreich (R2=0,29) und Deutschland (R2=0,27) ist die Wahrscheinlichkeit bei einem von 100 Bränden das Leben zu verlieren, annähernd gleich groß. Die höchste Wahrscheinlichkeit bei einem von 100 Bränden tödlich verletzt zu werden, besteht in Dänemark (R2=0,47). Die günstigste Überlebenswahrscheinlichkeit je100 Bränden ergibt sich für die Niederlande (R2=0,17) und für Großbritannien (R2=0,13). Die Wahrscheinlichkeit, als einer von 100.000 Einwohnern von einem Brand betroffen zu sein und tödlich verletzt zu werden, ist in Dänemark (R3=1,55), Polen (R3=1,37) und auch Großbritannien (R3=1,09) überdurchschnittlich hoch, wogegen das Risiko in den Niederlanden (R3=0,52) bedeutend niedriger ist. Das Todesrisiko für Brände, bezogen auf 100.000 Einwohner, ist in Deutschland (R3=0,68) noch vertretbar, während es in Österreich (R3=0,83) trotz einer ähnlichen Strukturierung des Feuerwehrwesens relativ hoch erscheint. Das Verhältnis der Risikokennzahlen für die Niederlande erscheint dahingehend herausragend, als in allen anderen betrachteten Ländern mit Ausnahme Großbritanniens ein erkennbares Verhältnis zwischen der Quantität von Bränden pro 1000 Einwohnern (R1) und dem Risiko eines Brandopfers je 100.0000 Einwohnern (R3) zu beobachten ist, während das allgemeine Brandrisiko (R1) in den Niederlanden im Vergleich zu Deutschland zwar höher ist, jedoch das Todesrisiko (R2) und (R3) in den Niederlanden geringer bemessen wurde. Das ist im Umkehrschluss als Indiz der Effektivität rechtlich-organisatorischer Rahmenbedingungen in Form von verbindlich denierten Hilfsfristen interpretierbar.
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
7.
8.
75
Das Feuerwehrwesen in Dänemark organisiert sich u. a. durch die auf Basis öffentlichrechtlicher Vereinbarungen vorgegebene Einbeziehung privater Dienstleister; für etwa 2,4 Millionen Einwohner, also für mehr als 40 % der dänischen Bevölkerung erfolgt die Erfüllung des staatlichen Sicherstellungsauftrages durch die Falck Unternehmensgruppe (vgl. Hansen: 2008, 4). Die Risikokennzahlen R2 sowie R3 weisen in Dänemark Höchstwerte auf. Ob und inwieweit diese Risikokennwerte jedoch auch auf Dezite bei der Aufgabenwahrnehmung durch private Dritte hindeuten, ist insgesamt an dieser Stelle nicht zu beantworten. Eine abschließende Bewertung der Risikokennzahlen und der Effektivität der Feuerschutzmaßnahmen erfordert neben der Untersuchung organisatorischer Parameter insbesondere die Prüfung des durch die einzelne Kommune beauftragten Schutzumfanges. In Großbritannien ereignen sich mit Abstand am häugsten Brände.
In Anlehnung an die einleitenden Ausführungen soll nunmehr für die weiteren Untersuchungen das „kritische Brandereignis“ mit Personengefährdung als Referenzszenario dienen. Es gilt daher zunächst auf inhaltliche Grundlagen einzugehen, um die aktuelle rechtliche Situation durch die Einbeziehung realpraktischer Erfahrungswerte sowie natur-, auch humanwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten bewerten zu können.
4.3.1
Der zeitliche Verlauf von Raumbränden
In der Initialphase von Raumbränden erfolgt die Zusammenführung von brennbarem Stoff und einer wirksamen Zündquelle. Brandentstehungsort und Brandausbruchszeit sind weitgehend zufällige Ereignisse. In Abhängigkeit von der Art umliegender Stoffe, der Oberächenbeschaffenheit, der Luftzufuhr und weiterer Einussfaktoren breitet sich der Brand auf die Umgebung aus. Mit fortschreitender Schwelphase des Entwicklungsbrandes wird durch zunehmende Wärmefreisetzung und ansteigende Brandraumtemperaturen die Bildung von festen, gasförmigen und aerosol-gebundenen Brandfolgeprodukten begünstigt. Im Rauchgasmassenstrom steigt auch die Konzentration des geruchslosen, brennbaren und farblosen Gases Kohlenmonoxyd (CO); es handelt sich dabei um ein Atemgift mit Wirkung auf Blut, Nerven und Zellen mit hochgradig toxischer Wirkung (vgl. Hagebölling: 2004: 24 28). In Abhängigkeit von den Ventilationsverhältnissen und der weiteren Brandausbreitung steigen Wärme- und Rauchfreisetzungsrate (Rauchgasmassenstrom) überproportional an. Aufgrund der weiteren Wärmeentwicklung und gleichzeitig fehlender Möglichkeit der Wärmeabfuhr steigt die Temperatur der Heißgasschicht innerhalb des Raumes an, wobei ab Temperaturen von etwa 600°C im Deckenbereich mit einem Feuerübersprung (Übergang zur Vollbrandphase) zu rechnen ist (vgl. Lemke: 2000, 47–56). Der Zeitpunkt des Feuerübersprungs hängt von den verwendeten Baustoffen, den Materialien der Wohnungseinrichtung sowie dem Grad der thermischen Aufbereitung ab, deren Kombination bzw. deren Zusammenwirken zu einer schlagartigen Entzündung der brennbaren Stoffe führen kann. Durch die hohe Brandausbreitungsgeschwindigkeit während der Vollbrandphase erhöht sich die Raumtemperatur auf etwa 1000 °C (Knorr: 1997, 45–47). Über den Zeitpunkt des Feuerübersprungs bzw. der kritischen Kohlenmonoxydkonzentration macht die Literatur gering-
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Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
fügig abweichende Angaben. Ab etwa 18 Minuten (Beyerle et. al.: 1978, 181–182) nach Ausbruch des Brandes ist ein Überleben im Brandraum nicht mehr möglich.
4.3.2
Medizinisch-toxikologische Wirkung von Brandrauch
Die toxische Wirkung der Brandfolgeprodukte, insbesondere die des Kohlenmonoxyds hat während der Phasen des Entwicklungsbrandes bis zum Zeitpunkt des Feuerübersprungs eine größere Bedeutung als thermische Effekte durch direkte und indirekte Wärmeeinwirkung (Guischard: 2005, 3). Eine Analyse der Todesursachen nach Wohnungsbränden bestätigt diese Einschätzung. Die Angaben zu Größenordnungen letaler Brandverläufe schwanken von 80 % (Universität Leipzig: 2006, 4) bis zu 100 % (Rickassel: 1999, 58) aller Opfer von Bränden aufgrund der Einatmung toxischer Rauchgase. In einer Grundlagenuntersuchung in den Jahren 1976 bis 1978 ist u. a. die Überlebenswahrscheinlichkeit bei ungeschützter Rauchgasexposition thematisiert worden. Diese als O.R.B.I.T-Studie bezeichnete Grundsatzuntersuchung wird nunmehr vorgestellt.
4.3.3
Feuerwehrsystem – O.R.B.I.T
Im Herbst des Jahres 1976 ist die WIBERA Wirtschaftsberatung AG vom Deutschen Städtetag und dem deutschen Bundesministerium für Forschung und Technologie beauftragt worden, eine Grundsatzstudie zur Entwicklung eines technologisch verbesserten Fahrzeugkonzeptes sowie zu wirtschaftlich-organisatorischen Fragestellungen vorzulegen. Der konkrete Forschungsauftrag beinhaltete die Entwicklung eines Systems zur optimierten Rettung, Brandbekämpfung mit integrierter technischer Hilfeleistung (O.R.B.I.T). Im Kontext der bereits thematisierten verfassungsrechtlichen Schutzpichten sind vorwiegend die Ergebnisse zum „Verlust an Menschenleben“ von Bedeutung. Dazu ist auf die bereits beschriebenen einzelfallabhängigen Begleitumstände hinzuweisen, die eine exakte Analyse nur auf Grundlage pathologischer Untersuchungen zulassen. Den Schlussfolgerungen der O.R.B.I.T.-Studie liegen Daten von 65 Brandopfern zugrunde, deren Sektionsprotokolle ebenso wie die Klinikunterlagen und Auskünfte der behandelnden Ärzte Berücksichtigung fanden (Beyerle et. al.: 1978, 179–183). Ausschlaggebend ist die kumulative Aufnahme des Brandfolgeproduktes Kohlenmonoxyd (CO), dessen Afnität zum Blutsauerstoffträger Hämoglobin etwa 300 fach höher ist, als die des Sauerstoffs selbst. Bereits ein Kohlenmonoxydgehalt von 0,01 % in der Einatemluft führt zu Vergiftungserscheinungen (Enke et.al.: 2005, 289). Als Todesursache gilt in 10 % der Fälle der Grad der Verbrennung; die verbleibenden 90 % sind auf die Vergiftung mit Kohlenmonoxyd zurückzuführen, also etwa äquivalent den in 4.3.2 genannten Literaturangaben. Für die Verletzungsschwere sind allein CO-Konzentration und Einwirkdauer von Bedeutung. Allein durch vorbeugende Maßnahmen kann die CO-Konzentration beeinusst werden. Die Verletzung ist umso schwerer, je länger die Konzentration wirkt und die Brandbekämpfungsmaßnahmen auf sich warten lassen. Die primäre Aussage der Grundsatzstudie liegt in der zeitabhängigen Überlebenswahrscheinlichkeit bei kumulativer Aufnahme von Kohlenmonoxyd. Ab einer
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77
Einwirkdauer von 13 Minuten ist mit Handlungsunfähigkeit der betroffenen Personen zu rechnen; demgemäß entfällt ab dieser kritischen Erträglichkeitsgrenze die Möglichkeit der Selbstrettung und erfordert gleichzeitig den Einsatz der Feuerwehr. Nach 4 weiteren Minuten ist aus medizinisch-toxikologischen Gründen die Reanimationsgrenze erreicht und ein Überleben unwahrscheinlich (Beyerle et. al.: 1978, 181). Abbildung 4-2 CO-Konzentration, Erträglichkeitsgrenze und Reanimationsgrenze in Abhängigkeit von der Verbrenndauer
Quelle: Eigene Darstellung lt. O.R.B.I.T-Studie, S. 181, Düsseldorf, 1978
Folglich muss die Rettung durch die Feuerwehr innerhalb der 13. bis 17. Minute nach Brandausbruch erfolgt sein, wie aus Abbildung 4-2 ableitbar ist. Aus der Zeitkette eines Brandeinsatzes ergeben sich einerseits mögliche Eingriffszeitreduzierungen, andererseits implizieren die Ergebnisse der pathologischen und medizinischen Analysen signikante Erfolge, wenn die Eingriffszeit um Sekunden oder Minuten verringert wird (vgl. Beyerle et. al.: 1978,182). Wenn auch Abweichungen durch des COKonzentrationsverlaufes infolge Veränderungen von Brandlast oder Umgebungseinüssen gegeben sind, verbleibt die grundsätzliche Aussage zu den zuvor erläuterten zeitlichen Grenzverläufen.
78
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
Die der Feuerwehr zur Verfügung stehenden Zeitanteile stellen sich wie folgt dar: Abbildung 4-3 Zeitkritische Möglichkeiten und Grenzen der feuerwehrbezogenen Tätigkeiten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schutzzieldenition der AGBF, 1998.
Eine Hochrechnung der in der O.R.B.I.T.-Studie untersuchten Brandopfer in Relation zur absoluten Zahl der Brandtoten der Bundesrepublik Deutschland des damaligen Repräsentativzeitraumes unterstreicht die Wechselwirkungen von frühestmöglichen effektiven Maßnahmen und den Überlebenswahrscheinlichkeiten potentiell hilfesuchender Personen; eine Überlebenschance hat demnach bei 7,25 % (vgl. Beyerle et. al: 1978, 183) der Fälle bestanden. Für heute mögen die weit in die Vergangenheit reichenden Erstellungsdaten der zitierten Untersuchungen nicht mehr zuverlässig anmuten, indes bestätigen auch aktuellere Studien den zeit- und maßnahmenorientierten Kerngehalt der O.R.B.I.T.-Studie. Veröffentlichungen der Gesundheitsbehörde Hamburg zufolge sinken die Erfolgschancen einer Herz-Lungen-Wiederbelebung, die bei Eintreffzeiten von 3 Minuten noch bei 75 % liegen, auf 5 %, wenn die Eintreffzeit 10 Minuten beträgt. Eine weitere belastbare Korrelation geht bei einer Branddauer von 15 Minuten von 32,2 % Letalität aus, wogegen nach 20 Minuten bereits 50 % Sterberate zugrunde gelegt werden. Somit ist von einer Erhöhung der Letalität von 3,6 % pro Minute auszugehen (vgl. Bezirksregierung Köln: 1997, 10). Eine rechtsmedizinische Untersuchung der Universität Hamburg zu Überlebenszeiten bei Rußaspirationen kommt zum Ergebnis, dass bereits nach 5 Minuten Expositionsdauer 18,8 % der Fälle tödlich ausgehen (vgl. Rickassel: 1999, 60). Wenn auch die zuvor genannten Ergebnisse in den konkreten Prozentsätzen abweichend sind, bleibt die zentrale Aussagekraft der O.R.B.I.T.-Studie unberührt, zumal lediglich der „Faktor Leben“, nicht jedoch die ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete „körperliche Unversehrtheit“ Gegenstand der Betrachtungen gewesen ist. Aus der Nichtberücksichtigung einer verbesserten Infrastruktur des Notfallrettungsdienstes seit dem Jahre 1978, den Fortschritten der Intensivmedizin sowie des nach den
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79
Kriterien für klinische Studien ungewöhnlich kleinen Stichprobenkollektivs der O.R.B.I.T.Untersuchung resultieren zusätzliche diskussionswürdige Einwände, die jedoch die Signikanz der für den Einsatzerfolg der Feuerwehren so herausragend wichtigen Zeitanteile nicht anzutasten vermögen, zumal dieselben in zahlreichen Schutzzieldenitionen (vgl. AGBF Bund: 1998), Empfehlungen (vgl. LFV NRW: 2001), Verfügungen (vgl. Bezirksregierung Köln: 1997) und div. Leitpapieren zwischenzeitlich als „Stand der Technik und des Wissens“ Anerkennung und praktischen Aususs gefunden haben. Darüber hinaus verweisen behördliche Stellen nach wie vor auf die beschriebenen Zeitfenster.
4.3.4
Ergänzende Aspekte und Bewertungen
Der überwiegende Anteil tödlicher Brandverletzungen stellt sich nach Ereignissen in Wohngebäuden ein. Demnach ist nahe liegend, die Möblierung von Wohneinheiten bei der Interpretation der Auswirkungen für die schutzwürdigen Interessen der Bevölkerung zu berücksichtigen, insbesondere vor dem Hintergrund etwaiger Modizierungen der Produktionsprozesse bzw. der stofichen Struktur von Einrichtungsgegenständen seit dem Abschluß der O.R.B.I.T.-Studie im Jahre 1978. Dazu erfolgte im Rahmen dieser Untersuchung eine Befragung des Produkttestinstituts „Stiftung Warentest“, des Verbrauchermagazins „Ökotest“, führender Möbelhäuser Österreichs und Deutschlands sowie der Verbände der holzverarbeitenden Industrie in beiden Ländern mit dem überwiegenden Ergebnis, dass keine Daten zur Zusammensetzung von Möbeln erhoben wurden bzw. „eine Korrelation zum möglichen Brandverhalten“ nicht vorliegt (vgl. Antwort des Verbandes der holz- und kunstoffverarbeitenden Industrien in Deutschland e. V. vom 10.06. 2008). Lediglich ein Einrichtungshaus verwies auf einen erhöhten Kunststoffanteil im „Bereich der Beschläge“, beschrieb indes gleichzeitig eine ähnliche Zusammensetzung von Polstermöbeln „wie vor 30 Jahren“ (vgl. Antwort der Segmüller GmbH & Co. KG vom 16.06. 2008). Auch ein Forschungsbericht des Umweltbundesamtes mit dem Inhalt der „Erarbeitung von Bewertungsgrundlagen zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel“ konstatiert, dass „Flammhemmung bei Polstermöbeln und Matratzen in der Bundesrepublik (Anmerkung des Verfassers: Deutschland) nur Randbedeutung hat. Für Polstermöbel und Matratzen im Privatbereich gibt es in der Bundesrepublik keine Brandschutzvorschriften. Dies wird faktisch in ganz Europa so gehandhabt, mit der wesentlichen Ausnahme Großbritanniens und Irlands, wo auch für den Privatbereich seit 1988 eine ammhemmende Ausrüstung (…) vorgeschrieben ist“ (Leisewitz et al: 2000, 187–189). Im Kontext retrospektiver Veränderungsbetrachtungen deuten Testergebnisse der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung allerdings auf einen signikanten Anstieg des Kunststoffanteiles in „Durchschnittswohnungen“ hin. Blieben in den 1970er Jahren noch bis zu 17 Minuten Zeit, eine brennende Wohnung zu verlassen, stehen heute nur noch zwischen zwei und vier Minuten zur Verfügung, bis giftiger Brandrauch und sich ausbreitende Flammen eine Flucht unmöglich machen (vgl. Hofmann et al.: 2006). Insofern bleiben die als Konsequenz der O.R.B.I.T.-Studie denierten Zeitfenster mit tendenzieller Ausrichtung zu weiteren Eingriffszeitreduzierungen nach wie vor wirksam. Die folgenden Einschätzungen orientieren sich an diesen Maßstäben.
80 4.4
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
Die Brandschutzgesetzgebung der Bundesländer
Die Verfassungen in Österreich und Deutschland gehen hinsichtlich des Verwaltungsorganisationsrechts von einer Zweistugkeit des Staatsaufbaus aus. Sie unterscheiden nur zwischen Bund und Ländern, während die bundesunmittelbaren bzw. landesunmittelbaren juristischen Personen grundsätzlich dem Bund bzw. dem Land zugerechnet werden. Die Kommunen bilden keine dritte Ebene des Staatsaufbaus, sondern sind den Ländern zugeordnet, auch wenn ihre Einschaltung in den Verwaltungsvollzug durch Bundesgesetz erfolgt (http://www.jura-sb.de). Grundsätzlich obliegt den Ländern die Zuständigkeit zur Gesetzgebung, soweit diese dem Bund nicht ausdrücklich durch die Verfassung zugewiesen ist wie es für den Bereich des Feuerschutzes zutreffend ist. Das Bundesland ist für den Bereich der landeseigenen Verwaltung in Ermangelung bundesgesetzlicher Festlegungen berechtigt, den Kommunen die Obliegenheiten zur Sicherstellung des Feuerschutzes als Selbstverwaltungsaufgaben aufzugeben.3
4.4.1
Der schutzpichtenorientierte Gehalt der Brandschutzgesetzgebung
Den bisherigen Ergebnissen folgend, gilt es nunmehr die Brandschutzgesetze der Bundesländer auf die konkreten Formulierungen zum zeitgerechten sowie personal-denierenden Erreichen der Schadenstellen mit ausreichendem Personalansatz zu untersuchen. Die Gesetze zum Feuerschutz und zur Hilfeleistung enthalten vielfältige Hinweise zu Aufgabenträgern, zum Aufgabenumfang, zum Organisations- und Ausbildungswesen, zu Elementen der vorbeugenden Gefahrenabwehr, zur Einordnung von Werk- und Betriebsfeuerwehren, zur Beteiligung von Dritten, zur Ausgestaltung überörtlicher Hilfeleistung, zur Frage der Einsatzleitung und Leitung der Feuerwehr, zum Kostenersatz sowie zu Rechten und Pichten der Bevölkerung bzw. von Betrieben, also Inhalten, die der grundsätzlichen Aufgabenerfüllung im Allgemeinen und letztlich der Verwirklichung staatlicher Schutzpichtenerledigung im Besonderen dienlich sind. Der unmittelbare Sicherstellungsauftrag ist üblicherweise an die Gemeinden gerichtet, die in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten leistungsfähige Feuerwehrstrukturen einzurichten und zu unterhalten haben. Üblicherweise enthalten die Brandschutzgesetze keine konkreten Vorschriften über die näheren Einzelheiten des Sicherheitsniveaus. Der daraus erkennbar werdende Gestaltungsspielraum der Gemeinde bei der Festlegung des örtlichen Sicherheitsniveaus ist jedoch vor dem Hintergrund des einzelnen Landesgesetzes maßgebend für die Rettungs- und Hilfeleistungsmöglichkeiten, die den Bürgern zugestanden werden können. So haben in Deutschland zunächst lediglich die Länder Hessen und Sachsen-Anhalt explizit eine Hilfsfrist im Gesetzestext berücksichtigt, während alle Feuerwehrgesetze Österreichs derartige Formulierungen nicht enthalten. Im österreichischen Bundesland Steiermark sind den Feuerwehren „keine denitiven Hinweise zur Erreichung von Einsatzzielen vorgegeben. Das Landesfeuerwehrgesetz schreibt in allgemeiner Form lediglich vor, dass sich jede Feuerwehr einer Gemeinde bedie3
Vgl. Kapitel 3.
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
81
nen muss. Die Alarmierung erfolgt auf Ebene eines Bezirkes (Anmerkung: in Deutschland: Landkreis). Sofern sich eine Feuerwehr nach drei Minuten nicht einsatzbereit meldet, werden weitere Nachbarfeuerwehren alarmiert. Im Bereich der Berufsfeuerwehr der Landeshauptstadt Graz regelt eine interne Dienstanweisung eine maximal zulässige Einsatzgrundzeit von zehn Minuten zur Erreichbarkeit sämtlicher Stadtteile“ (Schreiben der Landesregierung Steiermark vom 31.05. 2007). Laut Wiener Feuerwehrgesetz sind die öffentlichen Feuerwehren Einrichtungen der Stadt Wien, die zur Abwendung von drohenden Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit durch Brände und andere öffentliche Notstände unterhalten werden. Darüber hinaus ist der Einsatzleiter unter „seiner persönlichen Verantwortung verpichtet, die erforderlichen Anordnungen zu treffen und vor allem jene Maßnahmen zu ergreifen, die zur Rettung von Menschen nötig sind“ (Wiener Feuerwehrgesetz: §§ 1, 4). Es gilt im Stadtgebiet Wien zudem der Grundsatz, dass die ersteintreffenden Kräfte mit einer Stärke von mindestens sechs Feuerwehrangehörigen in fünf bis sieben Minuten am Einsatzort eintreffen müssen (vgl. Schreiben der Berufsfeuerwehr Wien vom 24.05. 2007). In Oberösterreich ist die Landesregierung verpichtet, die Mindestausrüstung und den Mindestmannschaftsstandard durch Verordnung zu regeln. „Dabei ist die Anzahl der Feuerwehren, die Einwohnerzahl, die geographische Lage, die Art und Dichte der Bebauung, die Gebäudenutzung, die Brandgefährlichkeit von Objekten, Betrieben und Anlagen, die verkehrsmäßige Aufschließung und die Löschwasserverhältnisse im Pichtbereich zu berücksichtigen“ (Oö. Feuerwehrgesetz: § 10). Konkrete Kriterien zu Eintreffzeit und Eintreffstärke sind für die Feuerwehren in Oberösterreich nicht deniert; bei einer Alarmierung einer Feuerwehr wird von der verantwortlichen Landeswarnzentrale allerdings der Zeitpunkt des Ausrückens beachtet. Sofern fünf Minuten nach Alarmierung keine Meldung über das Ausrücken erfolgt, werden weitere (Nach-) Alarmierungen durchgeführt (vgl. Schreiben des LFV OÖ vom 24.05. 2007). Auch in Kärnten bestehen keine Verpichtungen, bestimmte Eintreffzeiten und Eintreffstärken am Ereignisort einzuhalten. „Aufgrund der hohen Anzahl von 424 Feuerwehren im Bundesland Kärnten ergeben sich in Verbindung mit den durchschnittlichen Ausrückezeiten von etwa vier Minuten Hilfsfristen zwischen 10 und 15 Minuten“ (Schreiben des Kärntner LFV vom 21.05. 2007). Die Feuerwehren im Land Salzburg „haben die Aufgaben, bei Katastrophen und öffentlichen Notständen aller Art, insbesondere bei Bränden und Unglücksfällen, die Gefahren abzuwehren, die der Allgemeinheit oder einzelnen Personen oder im größerem Umfang Sachen drohen sowie Schäden zu beheben, die aus solchem Anlaß entstanden sind (Einsatz). Der Feuerwehr obliegt es auch, für solche Notstände nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften vorzusorgen. Sie kann weiters nach Maßgabe dieses Gesetzes technische und persönliche Leistungen erbringen, für die sie ihrer Einrichtung nach besonders geeignet ist“ (Salzburger Feuerwehrgesetz: § 1). Über diese allgemeinen Ausführungen hinausgehende Verpichtungen existieren nicht. Die Berufsfeuerwehr Salzburg erfüllt die „spezischen Eintreffvorgaben, die für alle Berufsfeuerwehren Österreichs gültig sind und seitens des Fachausschusses Berufsfeuerwehren des österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes festgelegt wurden“, vollumfänglich (Schreiben der Landesregierung Salzburg vom 18.06. 2007). Die Brandschutzgesetze der Bundesländer Tirol (vgl. Landesfeuerwehrgesetz: § 1) und Burgenland (vgl. Burgenländisches Feuerwehrgesetz) enthalten sinngemäß ebenso allge-
82
Die Feuerwehren als Mittel zur Erfüllung staatlicher Schutzpichten
meine Beschreibungen der feuerwehrbezogenen Aufgaben, ohne weitergehende Verpichtungen hinsichtlich Eintreffzeit und Eintreffstärke zu enthalten. Die sechs Berufsfeuerwehren in Österreich orientieren sich an der „Schutzzieldenition einer öffentlichen Feuerwehr“ (Perner: ohne weitere Daten), deren Grundlagen denen der O.R.B.I.T.-Studie angelehnt sind (vgl. 4.3.3). Es wird ein Eintreffen von sechs Feuerwehrangehörigen nach sieben Minuten ab Alarmierung als notwendig erachtet. Nach drei weiteren Minuten sollen sich insgesamt 21 Feuerwehrkräfte an der Einsatzstelle benden. In 80 % der Fälle sind diese personell und zeitlich denierten Größenordnungen einzuhalten. Demnach wird den 2.459.744 Einwohnern österreichischer Großstädte ein verpichtendes feuerwehrbezogenes Sicherheitsniveau zugestanden; das entspricht 29,63 % der österreichischen Bevölkerung (vgl. Gemeindeverzeichnis: 2007: 11, 23–110). Im deutschen Bundesland Hessen ist die Feuerwehr laut dem Hessischen Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz so aufzustellen, dass sie in der Regel zu jeder Zeit und an jedem Ort ihres Zuständigkeitsbereiches innerhalb von 10 Minuten nach der Alarmierung wirksame Hilfe einleiten kann (vgl. HBKG: § 3). Laut Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt ist die Feuerwehr so zu organisieren, dass sie in der Regel zu jeder Zeit und an jedem Ort ihres Zuständigkeitsbereiches, der über öffentliche Verkehrsächen zu erreichen ist, unter gewöhnlichen Bedingungen innerhalb von 12 Minuten nach der Alarmierung am Einsatzort eintreffen kann, wobei nach § 2 des Brandschutzgesetzes „Rechtsansprüche einzelner Personen durch diese Bestimmung nicht begründet werden“ (BrSchG Sachsen-Anhalt: § 2). Das bedeutet natürlich nicht, dass organisatorische Mängel, die für eine Personenschädigung ursächlich sind, folgenlos bleiben können. Die Ebene der Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Empfehlungen und Hinweise zeichnet ein sehr unterschiedliches Bild in den deutschen Bundesländern. Baden-Württemberg gibt „Hinweise zur Leistungsfähigkeit einer Gemeindefeuerwehr“, die eine Eintreffzeit von höchstens 10 Minuten nach Abschluss der Alarmierung bei einer Personalstärke von mindestens 6 Feuerwehrangehörigen als notwendig erachten. Das beeinussbare Zeitfenster von max. 10 Minuten ndet zudem noch in Thüringen und Schleswig-Holstein Anwendung. Nach § 4 der Thüringer Feuerwehr-Organisationsverordnung sind die Ausrückebereiche der Feuerwehreinheiten so festzulegen, dass der Mindestbedarf in der Regel innerhalb der Einsatzgrundzeit von zehn Minuten eingesetzt werden kann (vgl. Schreiben des Innenministeriums des Freistaates Thüringen vom 27.04. 2007; ThürFwOrgVO: § 4). Ähnlich ist die Konzeption in Schleswig- Holstein aufgebaut; bei der Standortbestimmung ist „unter normalen Umständen“ innerhalb des Gemeindegebietes eine Hilfsfrist von 10 Minuten anzustreben. Die Hilfsfrist ist die Zeit zwischen Entdecken eines Schadenereignisses und dem Tätigwerden der Feuerwehr (Schreiben des Innenministeriums des Landes SchleswigHolstein vom 03.05. 2007). In beiden Bundesländern fehlen Aussagen zu personellen Mindeststärken der Ersteinsatzkräfte. Den Kriterien des Freistaates Sachsen liegt eine Empfehlung des Innenministeriums zur Erstellung von Brandschutzbedarfsplänen für alle Gemeinden zugrunde, deren Erfüllen als Voraussetzung für die Vergabe von Fördermitteln durch die Landkreise bzw. das Regierungspräsidium maßgebend ist; exemplarisch gelten der Wohnungsbrand mit Perso-
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nengefährdung sowie besondere kommunalbezogene Risiken als Ausgangssituationen, auf die in höchstens neun Minuten nach Alarmierung mit einer Personalstärke von neun Feuerwehrangehörigen reagiert werden muss, wobei die Ausrückezeit einer Berufsfeuerwehr mit 1 Minute, die einer Freiwilligen Feuerwehr mit 5 Minuten einbegriffen sind. Für beide Feuerwehrarten ist eine personelle Aufwertung um 6 Feuerwehrkräfte nach weiteren 5 Minuten sicherzustellen (vgl. Schreiben des Regierungspräsidiums Dresden vom 18.04. 2007; Sächsisches Staatsministerium des Inneren: ohne Datum, 6). Der Senat der Hansestadt Bremen hat in seiner Sitzung vom 18. 01. 2000 ein Schutzziel beschlossen, nach dem sich „die Planung der personellen und materiellen Vorhalte der Feuerwehr Bremen daran auszurichten haben, dass die Einsatzstellen mit acht Feuerwehrleuten regelmäßig in einer Fahrzeit von 10 Minuten erreicht werden können. Nach weiteren fünf Minuten sollen weitere sechs Beamte an der Einsatzstelle eintreffen“ (Schreiben des Senators für Inneres und Sport der Hansestadt Bremen vom 19.04. 2007). Der Freistaat Bayern als größtes Flächenland der Bundesrepublik Deutschland verfügt über weitreichende and anspruchsvolle Zielsetzungen, die festlegen, dass ein Erreichen jeder an einer Straße gelegenen Einsatzstelle in höchstens zehn Minuten nach Eingang der Brandmeldung bei der alarmauslösenden Stelle unter Einbeziehung von 1,5 Minuten bis 2 Minuten Gesprächs- und Dispositionszeit und somit verbleibenden 8 bis 8,5 Minuten Ausrücke- und Anfahrtszeit grundsätzlich möglich ist (vgl. VollBekBayFwG i. d. F. vom 18.08. 2005). Es soll mindestens mit neun Feuerwehrangehörigen ausgerückt werden, wobei diese zwingende Vorgabe im Bayerischen Feuerwehrgesetz nicht existiert (vgl. Bayerisches Feuerwehrgesetz vom 10.07. 1998). Jedoch ist es hinsichtlich der personellen Ersteinsatzbemessung zulässig, den Ersteinsatz mit sechs anwesenden Feuerwehrangehörigen durchzuführen; wie den nachrückenden Kräften, sofern nach fünf weiteren Minuten die taktische Einheit einer weiteren Löschstaffel (Sechs Feuerwehrangehörige) noch nicht komplettiert werden konnte (Forster et.al, Rdnr. 74a). Für die in Bayern vorgehaltenen Berufsfeuerwehren sind die zuvor formulierten Standards als Minimalgrößen zu betrachten, die indes im Rahmen der gebietskörperschaftlichen Organisationshoheit durch Anwendung weitergehender Empfehlungen bzw. Regelwerke unterschritten werden können (Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 30.04. 2007). Das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen hingegen verzichtet gänzlich auf Vorgaben des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, sondern beruft sich auf die im Feuerschutzrecht verankerte obligatorische Erstellung von kommunalen Brandschutzbedarfsplänen und damit von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlichen Wege, für die aber trotzdem keine einheitlichen Eintreffkriterien gegeben sind. Das Land legt demnach keine einheitlichen Bemessungsgrundlagen fest. Erst die Bezirksregierungen legen einheitliche Qualitätskriterien fest. Dabei greifen sie auf die in Abschnitt 4.3 dargelegten Ausführungen zurück, die in Ermangelung einheitlicher Vorgaben des Innenministeriums als Regeln der Technik angesehen werden (Schreiben der Bezirksregierung Münster vom 16.04. 2007). Gleichzeitig gewährt eine andere Bezirksregierung regionale Abweichungen von diesen Standards (Schreiben der Bezirksregierung Arnsberg vom 23.04. 2007). Das deutsche Bundesland Rheinland-Pfalz setzt demgegenüber auf landeseinheitliche Organisationsgrundsätze zur Sicherstellung einer wirkungsvollen Gefahrenabwehr, die zunächst eine Zeitspanne von acht Minuten bis zur Einleitung wirksamer Hilfe ab Beendigung
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der Alarmierung ohne eine personelle Stärkekonkretisierung vorsehen. Um diesen Zeitraum einhalten zu können, werden die Einsatzbereiche mit schlechter Infrastruktur räumlich verkleinert (vgl. FwVO Rheinland-Pfalz: § 3), da eine Ausdehnung fachlich nicht vertretbar erscheint (vgl. Antwort des Innenministeriums auf Anfrage im Landtag: 2005, Drucksache 14/4452). Ferner erfolgt die Kategorisierung von Art und Umfang von Gefahren zu Risikoklassen, bei paralleler Einordnung von (Mindest-) Ausstattungsmerkmalen. Insofern sind dem kommunalen Ermessen Grenzen aufgezeigt. Die Ansätze der Freien und Hansestadt Hamburg basieren auf einer Strukturuntersuchung aus dem Jahre 1994. Sie leiten Hilfsfristen von Risikoklassen ab und variieren demgemäß von 5,5 Minuten für den der Risikoklasse I zugeordneten Verkehrsughafen und den Elbtunnel bis hin zu 15 Minuten für land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen der Risikoklasse V. Die taktische Mindestsollstärke ist auf zehn Feuerwehrangehörige festgelegt. Sofern Freiwillige Feuerwehren der Hansestadt in die erste Abmarschfolge involviert sind, haben dieselben einen minimalen Personalkörper von sechs Funktionen aufzuweisen; für diese erste Abmarschgruppe wird eine fünfminütige Anfahrtszeit zum Feuerwehrhaus und eine Fahrzeit von maximal zehn Minuten zur Schadenstelle zugrunde gelegt, sodass für beruiche und ehrenamtliche Feuerwehren die Einleitung erster Maßnahmen in der Regel frühestens nach zehn Minuten, spätestens jedoch nach 15 Minuten erfolgen muss (vgl. Schreiben der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg vom 24.04. 2007). Nach Artikel 3 des Gesetzes über den Brandschutz, die Technische Hilfe und den Katastrophenschutz im Saarland ist die Gemeindefeuerwehr so aufzustellen, dass sie in Abhängigkeit von dem Gefährdungspotenzial der Gemeinde in der Regel in einer angemessenen Eintreffzeit und in angemessener Stärke und mit angemessener Ausrüstung zu jeder Zeit und an jedem Ort ihres Zuständigkeitsbereiches wirksame Hilfe leisten kann (vgl. SBKG: § 3). Darüber hinaus bendet sich derzeit der Entwurf einer zugehörigen Verwaltungsvorschrift in der internen Anhörung. Nach diesem Entwurf muss jede Gemeinde nach allgemein anerkannten Maßstäben eigenständig Schutzziele denieren und über das Schutzniveau entscheiden. Zur Denition der Schutzziele enthält dieser Entwurf einen Verweis auf das bereits vorgestellte Referenzszenario (vgl. 4.3.3) des kritischen Wohnungsbrandes in einem mehrgeschossigen Gebäude und notwendig werdender Rettung von Personen über eine Leiter der Feuerwehr. Als angemessene Eintreffzeit für die erste eintreffende Einheit mit einer Einsatzstärke von sechs Feuerwehrangehörigen sollten „in bebauten Gebieten grundsätzlich acht Minuten gewählt werden.“ Als Quelle für die dargelegten Zeitfenster wird explizit auf die O.R.B.I.T-Studie verwiesen (Schreiben des saarländischen Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen und Sport vom 16.05. 2007). In Brandenburg gibt es keine Vorgaben zur Eintreffzeit der Feuerwehr am Einsatzort. „Bei notwendigen Betrachtungen erfolgt die Anlehnung an den Rettungsdienstbedarfsplan, der 15 Minuten für den Rettungsdienst vorsieht“ (Schreiben des brandenburgischen Ministeriums des Inneren vom 02.05. 2007). Ebenso „existieren in Mecklenburg-Vorpommern keine gesetzlichen Vorgaben zur Eintreffzeit der Feuerwehren“ (Schreiben des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 24.04. 2007). Auch in Niedersachsen liegen keine einheitlichen Verpichtungen hinsichtlich Eintreffzeit und Eintreffstärke vor. „Brandschutz und Hilfeleistung ist eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden und Landkreise. Es ist einerseits politisch nicht gewollt, dass in den eigenen Wirkungskreis
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der Gemeinden bzw. Landkreisen hinein Standards gesetzt werden, andererseits wollen die Aufgabenträger vom Land in ihrem eigenen Wirkungskreis hinein keine Standards gesetzt bekommen – zumal das Land wegen des Konnexitätsprinzips die Kosten zu tragen hat, die den Gemeinden bei der Denition neuer Standards durch das Land entstehen“ (Schreiben des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 14.06. 2007). So ergibt sich ein höchst uneinheitliches Gebilde länderspezischer Gesetze, Verordnungen, Empfehlungen und Auslegungshinweisen, dessen Interpretationsbedürftigkeit wegen nicht vorhandener bzw. wiederum variabler Denitionen von Zielerreichungsgraden zusätzliche Komplexität erfährt. Damit hängt die Wirksamkeit des Brandschutzes von der Intensität wirksamer kommunalaufsichtlicher Instrumente ab. Andererseits erscheint jedoch auch ein gesetzlicher Regulierungsbedarf zur Aufwertung vorhandener Vorgaben bzw. zur grundlegenden Etablierung fachlich angemessener Strukturen nahe liegend, um die herausragende Stellung der verfassungsrechtlichen Schutzpichten explizit zu betonen. Die Unterschiedlichkeit und die Zurückhaltung sind angesichts der verfassungsrechtlichen Schutzpichten erstaunlich, da sie sich gerade an sie wenden und die geschützten Rechtsgüter „Leben und körperlicher Unversehrtheit“ überall die gleiche Wertigkeit haben.
4.5
Fazit
4.5.1
Gefahren für die angemessene Erfüllung der Schutzpichten
„Es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausbricht, beweist nicht, dass keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss“ (Urteil des VG Gelsenkirchen vom 14.11. 1985). Diese vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil des OVG NRW vom 11.12. 1987) bestätigte Einschätzung unterstreicht die Schutzverpichtung des Staates, der er entsprechend nachzukommen hat; Nicht- oder Schlechterfüllung liegen vor, wenn das Untermaß nicht eingehalten wird (Klein: 2006, 961). Dieses Untermaß ist gegen Gefahren zu verteidigen, die sich aus der beobachtbaren Strategie der internen Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltung ergeben und die Rolle des Rechts in der Verwaltung durch Marktmechanismen abzulösen geeignet sind, also die Trennung von ökonomischem und politisch-administrativen System aufzuweichen droht. Die Organisation der öffentlichen Feuerwehren lässt sich nur partiell über Rentabilitätskriterien steuern, da die Gemeinwohlverpichtung vielmehr als Gesamtauftrag zu verstehen ist, der Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit, Einsicht in die Notwendigkeit und die Fähigkeit des Systems umgreift (Schmidt-Aßmann: 2006, 25). Die häug nach wirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten Standort- und Personalphilosophien des Feuerwehrwesens erscheinen in diesem Zusammenhang überprüfungswürdig, da sowohl Diskrepanzen zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesetzlichen Maßstäben in Kauf genommen (Pleß: 2000, 16–18), als auch konkrete Zielerreichungsgrade von einzelnen kommunalen Spitzengremien vor dem Hintergrund etwaiger ökonomischer Konsequenzen abgelehnt werden, zumal die Gesetzgeber relativ große Gestaltungsräume ermöglichen. Zudem mangelt es an Forschungsaktivitäten
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zur Manifestierung wissenschaftlicher Erkenntnisse der Überlebenswahrscheinlichkeit bei kritischen Brandereignissen; die derzeit als maßgebend erachteten Zeitfenster basieren auf mehr als 30 Jahre alten Untersuchungsergebnissen (vgl. 4.3.3) und sind ein offensichtliches Indiz für eine unterbliebene Risikoforschung. Demgemäß ist eine Reaktion auf mögliche Ergebnisse neuerer Risikoforschung ausgeschlossen (vgl. Richter: 1989,127–129), obwohl sich der Gesetzgeber in angemessenen zeitlichen Abständen in geeigneter Weise – etwa durch periodisch zu erstattende Berichte – zu vergewissern hat, ob die (Brandschutz-) Gesetzgebung die erwarteten Schutzwirkungen tatsächlich entfaltet oder ob sich Mängel des Konzepts bzw. der praktischen Durchführung offenbaren, die eine Verletzung des Untermaßverbotes begründen (vgl. BverfGE 56, 54). Es bedarf grundsätzlich eines Schutzkonzeptes, das Elemente des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindet (vgl. BverfGE 2/90 u. 4,5/92).
4.5.2
Gesetzgeberisches Handeln
Zum Schutz der Bürger bedarf es auch des gesetzgeberischen Handelns. Diesem kommen die Gesetzgeber mit der Verabschiedung von Fachgesetzen nach. Sie sind ständig daraufhin zu überprüfen, ob sie „auf der Höhe der Zeit“ sind und wenigstens das jeweilige Untermaß eingehalten wird. Deshalb kann sich ergeben, dass die Gesetzgeber verpichtet sind, auf neue Gefahren für die geschützten Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit, mit neuen Normen zu antworten (vgl. Stern: 1988, 989). Inhaltlich zielt dieser Ansatz auf regelmäßige Kontrolle, Überwachung und Beschränkung riskanten Handelns ab. Daher können sich staatliche Handlungsaufträge nicht auf die Beseitigung eingetretener Schäden und die Abwehr voraussehbarer Schäden beschränken, sondern bedürfen der Risikovorsorge, also einer Antwort auf den Prozess fortschreitender Technik und damit verbundener Gefahren, da sich ansonsten Neben-, Fern- und Folgewirkungen nur anhand älterer gesicherter Lebenserfahrungen abschätzen lassen (vgl. Murswiek: 1990, 2007). Darüber hinaus sei nochmals darauf verwiesen, dass im Bundesstaat auf der Ebene von Bund und Ländern zwei Verfassungsräume existieren, die erst gemeinsam – komplementär – die gesamte bundesstaatliche Verfassungsordnung repräsentieren (vgl. Bauer: 1998, 116). Diese Gesamtschau von Bundes- und Landesrecht ergibt den Rahmen der Aufgabenstellung. Zur Erfüllung ist die Selbstverwaltung gewählt worden, die dazu sowohl besonders berufen wie auch in besonderer Weise in der Lage ist, den Gedanken des öffentlichen Wohls und der öffentlichen Sicherheit sinnfällig mit den staatlichen Aufgaben zu verbinden (vgl. Möstl: 2002, 361). Dazu ist es erforderlich, dass die kommunalen Instrumente den verfassungsrechtlichen Schutzpichten angemessenen Ausdruck verleihen und die aufsichtsbehördlichen Mechanismen gleichermaßen adäquate Maßstäbe anlegen. Den Verwaltungen steht hier keinesfalls eine „Wahlfreiheit“ zu. Vielmehr haben sie sich als durchgängig rechtlich dirigierte Gewalt an den in Gesetz und Handlungsauftrag angelegten Maßstäben auszurichten. Soweit ihnen das Recht einen Ermessensrahmen einräumt, ist die Entscheidung an die Grundrechte, die Verhältnismäßigkeit, den Gleichheitsgrundsatz und einschlägige Gesetze gebunden (vgl. Schmidt-Aßmann: 2006, 207), da auch Ermessensausübung als Rechtskonkretisierung gilt.
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Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass staatliche Kontrollgenehmigungen eine Ausprägung der staatlichen Schutzfunktion darstellen und verfassungsrechtlich am Maßstab der dem Staat obliegenden Schutzpichten zu beurteilen sind (Dietlein: 2005, 105 107). Die Schutzpicht des Staates ist auch und gerade dort angesprochen, wo Gefährdungen aus einer allmählichen Kumulation von Risiken gleichen oder unterschiedlichen Ursprungs resultieren (vgl. Hermes: 1987, 227). Im Feuerwehrwesen ndet die staatliche Schutzfunktion regelmäßig bei der Anordnung von Werkfeuerwehren (in Österreich: Betriebsfeuerwehren) Anwendung. Diese Anordnungen sind differenziert und konkret, während die Überwachung öffentlicher Feuerwehren weniger stringent erscheint. Letzteres bedeutet jedoch nicht, dass sie weniger schutzgutorientiert ist, vielmehr genießt die öffentliche Verwaltung größeres Vertrauen des Gesetzgebers in die Einsicht des Notwendigen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine stringentere Aufsicht wünschenswert ist. Dem Gesetzgeber ebenso wie der Verwaltung kommt bei der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Schutzpichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu. Den Minimalanforderungen mangelt es an deutlichen Bemessungskriterien, wie die erheblichen Unterschiede und Abweichungen der Brandschutzgesetzgebungen der Bundesländer zeigen. Bei allem Respekt vor besonderen örtlichen Gegebenheiten verlangt Rechtsstaatlichkeit jedoch auch „Rechtsanwendungsgleichheit“ (Schmidt-Aßmann: 2006, 60). Daher bleiben Zweifel zurück, ob die derzeitigen Sicherheitsvorkehrungen im Feuerwehrwesen dem verfassungsrechtlichen Auftrag ganz zu genügen vermögen. Diese Skepsis gegenüber dem Umfang der staatlichen Schutzpichtenerfüllung für den Bereich der öffentlichen Feuerwehren bedarf zudem einer ökonomischen Einordnung. Im Kontext der Untersuchung ist insofern die ökonomische Begründung des Staates ebenso von Bedeutung wie die volkswirtschaftlichen Aspekte der Bereitstellung des öffentlichen Gutes „Feuerschutz“. Das nachfolgende Kapitel 5 ist diesen Inhalten gewidmet.
5
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Die Beziehung zwischen Staat und seinen Bürgern ist ambivalent. Einerseits bietet der Staat dem Individuum Schutz. Er hat das Gewaltmonopol und verbietet Gewalt zwischen den Individuen, von Notwehr und Ähnlichem abgesehen. Zur Durchsetzung seiner Rechte verhilft dem Individuum wiederum der Staat. Er schützt somit seine Bürger, ist gleichzeitig jedoch Quelle hoheitlicher Zwangsausübung. Die Erhebung von Zwangsabgaben (Steuern) zum Zwecke der Finanzierung öffentlicher Leistungen stellt diesbezüglich eine Form des einseitigen staatlichen Handelns dar (vgl. Märkt/Universität Freiburg: 2001, 2). Grundsätzlich eröffnen diese Zwangshandlungen bei den Betroffenen im Falle des Ungehorsams nur die Aussicht auf Bestrafung; im Falle des Gehorsams haben sie keine Chance individuelle Ziele verfolgen zu können. Bei kritischer Würdigung mag insofern eine „instrumentale Schwäche“ (Dahl et al.: 1953, 107) deutlich werden, die jedoch dem Erhalt staatlicher Handlungsfreiheit dient (vgl. Streit: 2004, 293).
5.1
Die Soziogenese des modernen Staates und der Staatsaufgaben
Im Allgemeinen wird Soziogenese als „Begriff für einen geschichtlichen Ablauf, durch den sich aus gesellschaftlichen Vorformen schließlich die allgemeine Lebensform einer Gesellschaft ergibt“, beschrieben. Diese Anpassung des menschlichen Verhaltens wird als psychogenetisch bezeichnet und meint die „Veränderung der seelischen Struktur der Menschen im Verlauf der Geschichte“ (Lexikon Sociologicus: 1999).
5.1.1
Der Mensch als gesellschaftstheoretischer Ausgangspunkt
Die Persönlichkeitsstruktur des Individuums ist keine anthropologische, also die physische und geistige Entwicklung des Menschen umfassende Konstante, sondern ein Evolutionsprozess, der die psychische Konstitution als wandelbar begreift und daher verantwortlich für die Entwicklung der Gesellschaft ist. Der Gesellschaftstheoretiker und Philosoph Norbert Elias „hat einen großen Teil seiner Forschungsarbeit darauf verwandt zu zeigen, dass sich beispielsweise die Menschen im frühen Mittelalter ganz erheblich von den Menschen der westlichen Gegenwartsgesellschaften unterscheiden“. Das gilt vor allem für den Modus der Verhaltenssteuerung mit Untersuchung affektueller, normorientierter und zweckrationaler Handlungsmuster. Stetig geblieben ist indes die „fundamentale Gesellschaftlichkeit“ des Menschen, die dem biologisch angelegten Bedürfnis nach Sozialisation entspringt (Eichener: 2007, 22). Menschen erscheinen somit „von Grund auf zeit ihres Lebens auf andere Menschen ausgerichtet und gleichermaßen angewiesen. Demzufolge, seien Menschen erst von Natur, dann durch gesellschaftliches Lernen, durch ihre Erziehung, durch Sozialisierung, F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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durch sozial erweckte Bedürfnisse gegenseitig voneinander mehr oder weniger abhängig (vgl. Elias: 1997, S. 126 ff.), in diesem Kontext pluralistisch geprägt und insofern tief in ihre Struktur hinein offen für gesellschaftliche Einüsse. Der Beschreibung der Pluralitäten liegen „Figurationen“ zugrunde, die als Geechte zwischenmenschlicher Interdependenzen vielfältiger Natur sein können. So genannte affektive Valenzen gehören zu den elementaren menschlichen Interdependenzen und basieren auf emotionalen Reaktionen, während soziale Interdependenzen auf individuellen Handlungsketten beruhen. Ökonomische Interdependenzen sind traditionell ausgesprochen wichtige Abhängigkeiten; sie umfassen Konkurrenzsituationen, Arbeitsteilungen und sich daraus ausdifferenzierende Teiltätigkeiten, die zu synchronisieren und zu standardisieren angestrebt wird. Auch räumliche Interdependenzen vermögen menschliche Bindungen in Form örtlicher Gemeinsamkeiten zu begründen (Eichener: 2007, 22). Die Art und die Intensität der wechselseitigen Abhängigkeiten sind unbestimmt; sie beeinussen jedoch den individuellen Sozialisierungsgrad mit nachfolgender Ausprägung der personellen Struktur. Folglich dürfen Figurationen nicht als statische Gebilde missverstanden werden; vielmehr benden sich die „Interaktionsgeechte“ in einem von denierten Regelmäßigkeiten geleiteten ständigen Wandel. Demgemäß kombiniert das Konzept der Figuration das einzelne Individuum mit der gesellschaftlichen Struktur, ungeachtet der tatsächlichen Tiefe der Bindung, so dass sich die gesamte Weltgemeinschaft als große Figuration erweist (vgl. Eichener: 2007, 23–26). Elias rekonstruiert die Psychogenese des menschlichen Individuums daher als einen Zivilisationsprozess (vgl. Matzner: 1982, 47), der einherging mit einer Transformation des menschlichen Verhaltens und Selbstverständnisses. Diese „historische Transformation“ impliziert die Entwicklung des modernen Individuums, des rationalen und vernünftigen Menschen als Teil einer zivilisierten Gesellschaft (vgl. Lemke: 1995, 68–69).
5.1.2
Die gesellschaftliche Entwicklung
Der langfristige Entwicklungsprozess der Gesellschaft ist durch ein beständiges Wachstum sozioökonomischer Differenzierung gekennzeichnet, die sich aus dem Konkurrenzdruck und damit einhergehendem Zwang zur Produktivitätssteigerung ergab und nach wie vor ergibt. Differenzierung bedeutet in diesem Zusammenhang Funktions- und Arbeitsteilung. Die Güte synchronisierter, paralleler und abhängiger Produktionsabläufe verbessert sich. Dadurch „steigt das Niveau der gesellschaftlichen Interdependenz und damit die gegenseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Menschen bzw. der gesellschaftlichen Einheiten, die sie formen“ (vgl. Eichener: 2007, 26). Es kommt zu einer Verlängerung der Abhängigkeits- und Wirkungsketten, die ein berechnendes, reguliertes und kontrolliertes Verhalten des Individuums erfordern. Diese Spezialisierung führte zu gesellschaftlichen Neuerungen großer Tragweite, die im allmählichen Rückgang der Naturalwirtschaft mündeten und der Grundherrschaft die materielle Grundlage entzogen (vgl. Matzner: 1982, 49). Damit erscheint die bereits beschriebene Transformation des menschlichen Verhaltens und Selbstverständnisses (vgl. 5.1.1) als „tiefgreifende Transformation der Machtmechanismen“ und der gesellschaftlichen
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Kräfteverhältnisse erklärbar (Foucault: 1977,167), die auch aus der Verknappung des Bodens durch Bevölkerungswachstum und dem technologischen Fortschritt Nahrung erhielten und insofern zur Unterhöhlung der mittelalterlichen Feudalgesellschaft beitrugen (vgl. Matzner: 1982, 49–50). Der von Elias begründete Begriff der Zivilisation umfasst demnach auch eine Kontrolle der individuellen Triebe und Effekte, ferner die Entwicklung eines weitsichtigeren, also rationaleren Verhaltens, das einem hohen Niveau an gesellschaftlicher Differenzierung und Interdependenz gerecht zu werden vermag. Das Zusammenwirken „kontrollierter und zivilisierter“ Methoden ermöglicht wiederum eine expandierende gesellschaftliche Differenzierung, so dass sich beide Prozesse, Soziogenese und Psychogenese, gegenseitig bedingen und befördern (vgl. Eichener: 2007, 26). Ein weiterer theoretischer Ansatz sieht die „Bio-Politik“ der Menschen als Voraussetzung gesellschaftlicher Evolution. Der Zivilisationsprozess wird als „politische Ökonomie des Disziplinierens“ (Lemke: 1995, 70) charakterisiert. Ausgehend von Abschöpfungs- und Ausbeutungsmechanismen, von erzwungener Entziehung von Produkten, Dienstleistungen und Gütern der Feudalherrschaft erfolgt nunmehr die „sorgfältige Verwaltung“ der Individuen und die „rechnerische Planung des Lebens.“ Diese positive Macht entfaltete sich als eine, die „an der Anreizung, Verstärkung, Kontrolle, Überwachung, Steigerung und Organisation der unterworfenen Kräfte arbeitet; diese Macht ist dazu bestimmt, Kräfte hervorzubringen, wachsen zu lassen und zu ordnen, anstatt sie zu hemmen, zu beugen oder zu vernichten“ (Foucault: 1977,163). Sie wird als „Bio-Macht“ bezeichnet und entfaltete sich seit dem 17. Jahrhundert in Form der Disziplinierung der einzelnen Individuen und der Bevölkerung im Gesamten (vgl. Lemke: 1995, 72). Der Übergang individueller und gesamtgesellschaftlicher Verhaltensmechanismen erscheint im Falle der Zivilisierung ebenso nachvollziehbar wie im Falle der Disziplinierung. So sind die Anforderungen an die Individuen eng mit der Ausgestaltung der ökonomischen Ordnung verwoben. Das Gesamtsystem einer hochgradig arbeitsteiligen Wirtschaft beispielsweise, setzt die Abstimmung von inner- und außerbetrieblicher Organisation voraus. Die Abläufe bedürfen der Koordination. Demgegenüber können die Anforderungen an die Verhaltensregulierung bei geringfügig arbeitsteiligen Wirtschaftsbereichen, so zum Beispiel der mittelalterlichen Landwirtschaft, eher vernachlässigt werden, da „der Bauer praktisch seine gesamten Subsistenzmittel selbst und unabhängig von externen Einüssen, von jahreszeitlichen Einschränkungen abgesehen, produzierte“ (vgl. Eichener: 2007, 26). Daher ist im Allgemeinen festzustellen, dass der Grad der Ökonomisierung die Ausprägung der individuellen Verhaltenssteuerung bestimmt. Im Verlauf der kollektiven Evolution neigten die Menschen außerdem zur Reexion des eigenen Verhaltens sowie zur Beobachtung der Mitmenschen. Elias sieht darin eine neue Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen, einen neuen Integrationsansatz, der ein gestiegenes Niveau gesellschaftlicher Interdependenz widerzuspiegeln in der Lage ist (vgl. Elias: 1997, 414–415). Das daraus erwachsene „evaluative Beobachtungswissen“ wurde seit dem 18. Jahrhundert stetig ausdifferenziert und der Begriff „Evaluationsgesellschaft“ in die Literatur eingeführt (Prondczynsky: 2001, 92). Des Weiteren ist auf die Muster der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse einzugehen; im Ergebnis bestimmen interaktive gesellschaftliche Interdependenzen die Abfolge sozio-
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historischer Bewertungen. Die Formen des menschlichen Verhaltens und die Entwicklung der Gesellschaft korrelierten dahingehend, dass die soziogenen Veränderungen der Herrschaftsverhältnisse einen psychogenen Druck auf eine Verhaltensänderung des Menschen in Richtung zunehmender Selbstbeherrschung ausübten (vgl. Schulze: 1987, 204 ff.). Innerhalb des Herrschaftsgebietes wurde eine „Bio-Macht“ etabliert, „ein durchgesetzter positiver Zwang auf die Menschen, fortan ihr Verhalten zu ändern bzw. zu ändern bekommen“. Diese Zusammenhänge sind ursächlich für die im folgenden Abschnitt darzustellenden Staatsbildungsprozesse (Oestreich: 1969, 188 ff.).
5.1.3
Die Entstehung des modernen Staates
Die heutige Form des gesellschaftliches Zusammenlebens in Staatsgebilden mit stabilen Regeln, mit staatlichen Institutionen und, vor allem, dem staatlichen Gewaltmonopol zur Sicherung des inneren Friedens, erscheint erst ab einem fortgeschrittenen Niveau der Zivilisierung des individuellen Verhaltens möglich. Der Staat bietet seinen Bürgern gesellschaftliche Ordnung. Regierung, Verwaltungsapparat, Gesetze und Polizeigewalt sind Institutionen, die das gesellschaftliche Zusammenleben regulieren, das einzelne Individuum zur Affektkontrolle zwingen und es ihm gleichzeitig ermöglichen, seine (individuellen) Affekte zu regulieren, oder in gesellschaftstheoretischer Sprache formuliert: „Die Psychogenese der Affektregulierung entspricht der Soziogenese des Staates“ (vgl. Eichener: 2007, 26–29). So ist der Verfall der Feudalgesellschaft und ihrer mittelalterlichen Herrschaftsgeschichte mit einer fortwährenden Wechselwirkung von Zentralisierung und Dezentralisierung einhergegangen, die insbesondere auf kriegerische Auseinandersetzungen und nachfolgenden Veränderungen der Herrschaftsstrukturen zurückführbar ist. Der Grundbesitz stellte in der Naturalwirtschaft die einzige Ressource dar, so dass ökonomische Expansion und durch militärische Mittel durchgesetzte territoriale Expansion einander bedingten. Die Knappheit des Bodens bei gleichzeitiger Bevölkerungsverdichtung führte zu weiteren ökonomischen, räumlichen und sozialen Differenzierungserscheinungen mit Bildung von Handel und Handwerk, von Stadt und Land sowie von Adel und Landbevölkerung bzw. von städtischem Bürgertum. Infolge dessen bedurften Handelsbeziehungen einer weiteren Strukturierung; die Naturalwirtschaft verlor an Bedeutung, während der Warenaustausch und damit die Einführung von Geld als Zahlungsmittel weitere Differenzierungen, auch den Grad der Interdependenzen zwischen den arbeitsteiligen Funktionen und den unterschiedlichen sozialen Gruppen zunehmen ließ. Diese Disziplinierung bzw. Zivilisierung antagonistischer gesellschaftlicher Positionen und Gruppen setzte eine sich anpassende Verhaltensregulierung durch die zentrale territoriale Macht voraus (vgl. Eichener: 2007, 30–31). Zur Monopolisierung der Affektkontrolle und somit der physischen Gewalt wurden die merkantilen Aspekte der sich fortentwickelnden Teilfunktionen immer wichtiger, galt es doch die Kräfte der Individuen zu ökonomisieren (vgl. Lemke: 1995, 73). Es ist nunmehr möglich gewesen, die territorialen Herrschaftsbereiche zu stabilisieren und die ökonomisch-infrastrukturellen Voraussetzungen für die Bildung eines Staates zu schaffen. Es erfolgte die Umwandlung von mittelalterlich-feudalen Herrschaftsformen zu frühmoderner Staatlichkeit, die mit Hilfe von steuernanzierten Söldnertruppen und organisierter Lenkung der Wirtschaft durchsetzbar
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wurde (Oestreich: 1969, 191). Die „drei staatlichen Grunderscheinungen des Absolutismus1 Militarismus2, Merkantilismus3 und Bürokratismus4“ (Oestreich I: 1969, 374) ersetzten die feudale Gewaltmacht durch einen „straffenden und formenden Disziplinierungsstoß.“ An Stelle der kriegerischen Interaktionsraume traten durch die neuen Herrschaftsverhältnisse befriedete Kommunikationsräume, in denen die gesellschaftlichen Interdependenzen fortan soziale Auseinandersetzungen verursachten (Lemke: 1995, 73). „Die Soziogenese des Staates ist somit letztlich aus dem Wechselspiel von Zentralisierung und Dezentralisierung im Feudalismus erwachsen“ (vgl. Eichener: 2007, 31).
5.1.3.1
Der Monopolmechanismus
Die Soziogenese des frühmodernen Staates vollzog sich durch Ausscheidungskämpfe und Konkurrenzsituationen zwischen den Territorialherrn, denen eine besondere Verechtungssituation infolge der potenziellen Expansionsausrichtung des jeweiligen territorialen Nachbarn zugrunde lag (Schulze: 1987, 204 ff.). Diese zwang sie in einer „Konkurrenzguration“, gegeneinander zu kämpfen (vgl. Elias: 1997, 213 ff.), die wiederum in einem „Mechanismus zur Monopolbildung“ mündet: „Wenn in einer größeren, gesellschaftlichen Einheit (…) viele der kleineren gesellschaftlichen Einheiten, die die größere durch ihre Interdependenz bilden, relativ gleiche, gesellschaftliche Stärke haben und dementsprechend frei – ungehindert durch die schon vorhandenen Monopole – miteinander um Chancen der gesellschaftlichen Stärke konkurrieren können, also vor allem um Subsistenz- und Produktionsmittel, dann besteht eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür, dass einige siegen, andere unterliegen und dass als Folge davon nach und nach immer weniger über immer mehr Chancen verfügen, dass immer mehr aus dem Konkurrenzkampf ausscheiden müssen und in direkte oder indirekte Abhängigkeit von einer immer kleineren Anzahl geraten“ (Elias: 1997, 153). Dem1
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Absolutismus als Staatsform meint die Lösung des Monarchen von ständischer Mitwirkung und gesetzlichen Schranken und die Durchsetzung einheitlicher, souveräner, zentralisierter Staatsgewalt in der Hand des Königs; als exemplarisch galten Spanien, Frankreich und Preußen. In der frühen Neuzeit selbst gab es den Begriff noch nicht, wohl aber die Formel legibus soluta potestas (von den Gesetzen gelöste Gewalt) und den Begriff monarchia absoluta (unumschränkte Monarchie) im Gegensatz zur monarchia mixta („Mischverfassung“ mit Teilhabe von Adel und „Volk“, Vorbild England) (Stolberg-Rilinger: „Einführung in die Frühe Neuzeit“, 2003). Militarismus bezeichnet die Vorherrschaft militärischer Wertvorstellungen und Ziele in der Politik und im gesellschaftlichen Leben, wie sie bspw. durch die einseitige Betonung des Rechts des Stärkeren und die Vorstellung, Kriege seien notwendig oder unvermeidbar, zum Ausdruck kommen oder durch ein strikt hierarchisches, auf Befehl und Gehorsam beruhendes Denken vermittelt werden. Militarismus äußert sich z. B. durch (häuge, groß angelegte) öffentliche Aufmärsche oder die Organisation vielfältiger vor- und paramilitärischer Ausbildungen (Bundeszentrale für politische Bildung, 2008). Zusammenfassende Bezeichnung für die wirtschaftliche Anschauung der absolutistischen Staaten zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Oberstes Ziel ist die Beschaffung von Finanzmittel für die Staatskasse, um die Macht und den Ruhm des Staates zu stärken. Die politischen Richtlinien des Merkantilismus sahen die Minimierung der Einfuhr von Fertigwaren sowie der Ausfuhr von Rohstoffen, die Förderung der Einfuhr von Rohstoffen sowie der Ausfuhr von Fertigwaren, Erhebung von Abgaben, Zöllen und Weggebühren sowie den Aufbau von Handelsmonopolen vor. Die drei Ebenen des wirtschaftlichen Merkantilismus wurden durch Handel, Geld und Bevölkerungspolitik gebildet (Universität Weimar: 2007, 1–10). Synonym für Ineffektivität des Verwaltungsapparates, die mit zunehmender Staatstätigkeit anwächst (vgl. Preusse: 2005. 12).
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
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nach ist der Konkurrenz eine Tendenz zur Monopolbildung immanent, insbesondere vor dem Hintergrund eines Ungleichgewichts von Einzelinteressen. Denn durch einen Sieg bzw. mehrere Siege über Konkurrenten wachsen Stärke und Macht; die geringere Anzahl der Konkurrenten mehrt die Macht der einzelnen Akteure, bis schließlich eine kleine Gruppe über ein Monopol verfügt und alle anderen abhängig sind. Der Begriff des Monopolmechanismus nach Elias impliziert die Zusammenführung von physischem Gewaltmonopol und des Abgabenmonopols (vgl. Matzner: 1982, 51), also die Bildung eines „Integrationszentrums einer größeren Herrschaftseinheit“ durch den Sieger der Konkurrenz- und Ausscheidungskämpfe (Elias: 1997, 216–217). Ein derartiger Mechanismus ist aktuellen (markt-) wirtschaftlichen Konkurrenzsituationen nach wir vor eigen (vgl. Eichener: 2007, 31), wenn auch die physischen Machtmittel durch die Kräfte des Marktes ersetzt worden sind.
5.1.3.2
Das Gewalt- und Steuermonopol
Das Monopol der physischen Gewalt und das der Steuereinholung als Elemente der Herrschaftsorganisation verhalfen dem jungen Staat zu einer Stabilisierung seiner Strukturen. Zugleich bedingten sie einander zur „Zentralisierung der militärischen Macht“ (Eichener: 2007, 32). Diese Monopolisierung der physischen Gewalt in Form eines Polizeiapparates bedurfte des Abgaben- und Steuermonopols, galt es doch den inneren Frieden zu sichern und zu nanzieren. Dadurch wiederum eröffnete sich ein neues Feld veränderter Interdependenzen. Die Veränderung der „staatlichen Bio-Macht“ konstituierte die Herrschaftsmacht des Staates ebenso. Sie ist gewiss ein unerlässlicher Bestandteil der Entwicklung des Kapitalismus5 gewesen, der ohne kontrollierte Einschaltung der Menschen in die Produktionsapparate und ohne Anpassung der Bevölkerungsphänomene an die ökonomischen Prozesse nicht eingetreten wäre (vgl. Foucault: 1977, 168). Beispielhaft sei auf den steigenden Bedarf an Arbeitskräften verwiesen; Menschen siedelten vom Land in die Stadt über, woraus wiederum neue Abhängigkeitsverhältnisse „in allen Ständen und zwischen den Ständen, zu einer die Kirchenordnungen und Zunftverfassungen überfordernden Intensität des Neben- und Miteinanderlebens“ hervorgingen (Lemke: 1995, 75). Diese zu disziplinieren, machte das zentrale und interdependente Gewalt- und Steuermonopol erforderlich. Mit fortgesetzter Ausprägung und Efzienz physischer Machtinstrumente erhöhten sich die Steuereinnahmen und gleichermaßen der Aufwand zur Erhebung derselben, so dass Verwaltungsstrukturen vorzusehen waren, die jedoch zu einer arbeits- und funktionsteiligen Übertragung 5
Kapitalismus bezeichnet eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der der Faktor Kapital (Maschinen, Anlagen, Fabriken, Geld) im Vergleich zu anderen Wirtschaftsfaktoren (Arbeit, Grund und Boden) überproportionale Bedeutung hat. Grundlagen des Kapitalismus sind eine Eigentumsordnung, die die freie Verfügung über das Privateigentum (z. B. an den Produktionsmitteln) schützt, ferner ein durch staatliche Ordnung gesichertes, gleichwohl von staatlichen Eingriffen weitgehend freies Wirtschaftssystem auf der Basis des Marktmechanismus und der Selbststeuerung durch Angebot und Nachfrage. Diese Rahmenbedingungen und die weitgehend ungeregelte Ausbeutung der anderen beiden Produktionsfaktoren erlaubten eine enorme Kapitalanhäufung und führten im Verlauf der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts zu politischen und sozialen Gegenbewegungen, deren politische und wirtschaftliche Auswirkungen bis in unsere Zeit reichen (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2008).
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
der Monopolisierung auf die Gesellschaft beitrugen. Elias unterstreicht in diesem Kontext, dass diese der Genese des Steuermonopols eigenen „Struktureigentümlichkeiten“ (Elias: 1997, 310) eine Veränderung von Abhängigkeiten und xen Kosten auszulösen vermochten: „Je umfassender die monopolisierten Chancen werden, je größer und arbeitsteiliger das Geecht der Menschen wird, die als Funktionäre an der Bewirtschaftung der Monopolchancen Teil haben oder von deren Arbeit, von deren Funktion der Bestand des Monopols in irgendeiner Hinsicht abhängig ist, desto stärker macht dieses Herrschaftsfeld des Monopolisten ein Eigengewicht und eine Eigengesetzlichkeit geltend (…). Das Privatmonopol Einzelner vergesellschaftet sich; es wird zu einem Monopol ganzer Gesellschaftsschichten, zu einem öffentlichen Monopol, zum Zentralorgan eines Staates“ (Elias: 1997, 156 u. 157). Die Mittel des Privatmonopolisten ießen mit steigender Tendenz den verwaltenden Beschäftigten zu; im Umkehrschluss wird diesen ein affektkontrolliertes Verhalten auferlegt. Das gesellschaftliche Beziehungsgeecht strebt nach Balance als Voraussetzung für stabile Verhältnisse im Staat, der jedoch nunmehr aufgrund territorialer Stabilität ein geschlossenes System ist. Es bedarf insofern weniger des Einsatzes expansionsorientierter militärischer Gewalt, sondern vielmehr der Ausübung wirtschaftlicher Macht innerhalb des Monopols als Konsequenz nationalstaatlicher Zivilisation. Dieser Zivilisationsprozess ist jedoch weder abschließend noch endlich. Industrie- und gesellschaftspolitische Erscheinungen wie die Industrialisierung, die Professionalisierung der Arbeitswelt, der Aufbau von sozialen Sicherungssystemen oder die Vernetzung von Kommunikations- und Finanzströmen haben Adaptionsentwicklungen, im Konkreten Trieb- und Affektregulierungen, nach sich gezogen und werden auch künftig Anpassungen der Interdependenzgeechte notwendig machen. Die Bildung von Gewalt- und Steuermonopolen ist daher ein Schlüsselelement zum Verständnis der allmählichen und fortschreitenden Zivilisation (vgl. Elias: 1997, 364), da durch die „Monetisierung der Gesamtgesellschaft“ (Elias: 1997, 315) schlichtweg das Fundament der Staatlichkeit begründet wird.
5.1.3.3
Die Begründung von Staatsaufgaben
„Die Gewalt- und Machtfunktion des zentralen Staates, wie sie durch den Monopolmechanismus entstanden ist, bildet nach der Entstehung und der Ursache die erste Aufgabe des Staates. Sie ermöglicht das staatliche Steuermonopol, das erst die für die Ausübung der Machtfunktion durch spezielle Institutionen (…) bereitstellt“ (Matzner: 1982, 57). Eine Staatsaufgabe im Sinne dieser Ausführungen beschreibt die vom Staat übernommenen Zuständigkeiten, demnach im Konkreten zu verantwortende Tätigkeitsfelder. Sie sichern wiederum die Staatsfunktion, also beispielsweise die Aufrechterhaltung der territorialen Integrität durch militärische Verteidigung (vgl. Benz: 2001, 183). Die Herausbildung moderner Staatlichkeit ist dabei im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte mit einer zunehmenden „Verstaatlichung“ ursprünglich privater Aufgaben einhergegangen (Benz: 2001, 197). Exemplarisch sei auf die Gründung von Universitäten durch die absolutistischen Herrscher verwiesen, die damit das „Bildungsmonopol“ der Kirchen und Gelehrten ebenso egalisierten wie die private Dominanz bei Post, Eisenbahn und Militär. Zudem trugen obrigkeitliche Maßnahmen in Gestalt von „Policey-Verordnungen“ zur Regulierung des Zusammenlebens
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
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sowie zur Koordination der verstärkten Interdependenzen in den Bereichen Wirtschaft, Kleiderordnungen, Sitten und Gebräuche, Straßenreinigung, Bau- und Verkehrswesen, Sozialleistungen und Feuerschutz zur Expansion der Staatsaufgaben bei (vgl. Lemke: 1995, 75 sowie Bogumil/Universität Bochum: ohne Datum, 3). Mit dem Übergang zum liberalen Verfassungsstaat des 19. Jahrhunderts entelen zwar Vorschriften zur persönlichen Lebensführung, dennoch entfalteten sich die staatlichen Aktivitäten ungeachtet dessen durch die Übernahme von Infrastrukturaufgaben oder durch den sich entwickelnden Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die beschriebene Deregulierung bei gleichzeitiger Neuregulierung hat im Ergebnis eine Zunahme von Staatsaufgaben ausgelöst, also einer wachsenden Zentralisierung von Verantwortlichkeiten, Einussnahme und Machtpotenzial. Desgleichen der demokratische Wohlfahrtsstaat des 20. Jahrhunderts mit Einführung der öffentlichen Versorgungswirtschaft, sozialer Dienste und Kultureinrichtungen (vgl. Benz: 2001, 199). Es gilt daher auf die Entwicklung der Staatlichkeit durch Ausdehnung der staatlichen Kompetenz einzugehen, deren Stabilisierung jeweils mit „Ordnungsleistungen“ (Willke: 1983, 83) in den staatlichen Tätigkeitsfeldern „Regulierung, „Förderung“ und „Leistungsgewährung“ einherging (vgl. Bogumil: ohne Datum, 3–4). Die Erfüllung staatlicher Aufgaben ist alternativ als Spannungsverhältnis zwischen Steuerungslast und Steuerungsressourcen interpretierbar; insbesondere die verfügbaren Möglichkeiten bestimmen das Maß an Staatlichkeit, das den Individuen zugebilligt werden kann. So hatte der absolutistische Staat eine durchaus beachtliche Steuerungslast bei umfänglichen Ressourcen zu tragen. Infolge von Deregulierungen gesellschaftlicher Teilsysteme verfügte der liberalistische Staat hingegen über geringere Steuerungsressourcen, nachdem die demokratischen Revolutionen eine Kontrolle von Gewaltmonopol und Steuerhoheit erzwangen. Mit Zielrichtung „demokratischer Wohlfahrtsstaat“ nahm die Steuerungslast immense Ausmaße an, während aufgrund der Unverzichtbarkeit der errungenen demokratischen Kontrollen die Steuerungsressourcen zunächst nicht wesentlich verbessert werden konnten (vgl. Willke: 1983, 84–85). Insofern bedarf ein wohlfahrtsstaatliches Gleichgewicht der Kräfte einer Denition staatlicher Handlungsziele, um die Steuerungsressourcen nachfolgend dem Steuerungsbedarf gegenüber stellen zu können. Der moderne Wohlfahrtsstaat strebt dabei den Erhalt des Gleichgewichtszustandes bei paralleler Konzentration auf seine Kern- und Gewährleistungsaufgaben „Recht“, „Ordnung“ und „Verteidigung“ sowie auf wohlfahrtsstaatliche Transferzahlungen an. Staatliche Stellen favorisieren daher „neue Formen der Selbststeuerung und Selbstverantwortung zum Aufbau eines neuen Mix aus staatlicher, marktlicher und gesellschaftlicher Regelung“ (Bogumil: ohne Datum, 20).
5.2
Die ökonomische Begründung des Staates
Die Existenz des Staates dient der langfristigen Sicherstellung eines geordneten gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dazu erfordert es staatlicher Aktivitäten, die einen „positiven Beitrag zur verfügbaren gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung“ zu leisten im Stande sind; im Sinne der „Volkseinkommensrechnung“ gilt ein Beitrag als positiv, sofern der Ressourcenbedarf für staatliches Handeln und für den staatlichen Unterhalt nicht die Größen-
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
ordnung der Wertschöpfung erreicht. Ferner sollten die gesellschaftlich relevanten Gruppen das Ergebnis der staatlichen Handlungen hinreichend würdigen und wertschätzen (vgl. Matzner: 1982, 68).
5.2.1
Wertschöpfung und Wertschätzung
Die Wertschöpfung einer Zeitperiode orientiert sich im Allgemeinen an der Produktion, an der Entlohnung der Produktionsfaktoren und am Verbrauch; daraus ableitbar ist die gesamtwirtschaftliche Struktur des Volkseinkommens bei seiner Entstehung, Verteilung und Verwendung (vgl. Woll: 1993, 314). Wertschöpfung und Wertschätzung sind weder ein abstraktes Konstrukt, noch dürfen sie isoliert betrachtet werden. Führen die staatlichen Interventionen beispielsweise zu einem größeren Ertrag der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und damit zu einer größeren Verfügbarkeit gefragter Güter und Leistungen, kann implizit eine steigende Wertschätzung vorausgesetzt werden. Diese korreliert jedoch dann mit Sättigungsgrenzen, sofern ein Wertschöpfungszuwachs nicht mehr mit einem Wertschätzungszuwachs beantwortet wird und insoweit eine Differenzierung der beschriebenen Wechselwirkung erfolgt. Die zusätzliche Wertschöpfung löst bei Teilen der Gesellschaft nachfolgend eine reziproke Wertschätzung aus; während die Proteure des Wertschöpfungszuwachses durchaus positiv reagieren, sinkt die Wertschätzung in anderen gesellschaftlichen Gruppen. Die Wertschätzung wird daher nicht nur von ökonomischen Kräften beeinusst (vgl. Matzner: 1982, 68).
5.2.1.1
Die Bemessung der Wertschöpfung
Die Wertschöpfung verfügt über einen dualen Charakter; bei realgüterwirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich um die Wertsteigerung, um die ein Unternehmen erworbene Güter und Dienstleistungen durch den internen Leistungserstellungsprozess maximiert. Die durch diesen Prozess generierten Einkommen werden dem nominalgüterwirtschaftlichen Aspekt der Wertschöpfung zugerechnet. „Sie stellt von der Volkswirtschaft im Ganzen aus gesehen nichts anderes dar, als den Anteil, den die Betriebe zum Gesamteinkommen der Volksoder Gesamtwirtschaft oder zum Sozialprodukt beitragen“ (Lehmann: 1954, 11). So sind der Wertschöpfung leistungs- und sozialabhängige Komponenten immanent, deren Ermittlung mit Hilfe der Entstehungs- und Verteilungsrechnung möglich ist (vgl. Kaburek: 2007, 8–10).
5.2.1.2
Die Bedeutung der Wertschätzung
Das staatliche Handeln bedarf neben der ökonomischen Legitimation zudem einer mehrheitlichen gesellschaftlichen Zustimmung. Die der materiellen Wirkung staatlicher Interventionen inhärente Steuerung und Unterstützung der Volkswirtschaft sind insofern auf eine mit der Wertschöpfung korrespondierende Wertschätzung auszurichten, soll ein sozia-
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
97
ler Konsens als Basis eines geordneten Zusammenlebens dauerhaft gesichert werden (vgl. Matzner: 1982, 69–70). Der Wertschätzung zugrunde liegt demzufolge „das in einer Gesellschaft vorherrschende System der Property Rights als die Gesamtmenge der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interaktionen, die durch die Existenz von Dingen entstehen und sich auf deren Nutzung auswirken“ (Furubotn/Pejovich: 1972, 1139 in Matzner: 1982, 191). Die Begriffe „Handlungsrechte, Vermögensrechte oder Verfügungsrechte als Synonym der zwischenmenschlichen „Sanktionierung der Verhaltensbeziehungen“ innerhalb des ökonomischen Handlungsspielraums beim Umgang mit materiellen und immateriellen Gütern“ (Leipold: 1978, 519 in Matzner: 1982, 191) verleihen den „Property Rights“ entsprechenden Ausdruck. Folglich sind „Property Rights“ nicht nur ein ökonomisches Zuordnungskonzept, sondern vielmehr ein Instrument der Darstellung von sozialen, rechtlichen und institutionellen Verhaltensbeziehungen bzw. „Dominanzbeziehungen“ (Schmidtchen: 1998, 5) zwischen den Wirtschaftssubjekten (Siehl: 1996, 9 in Schulze: 1997, 3.1.1).
5.2.1.3
Der Beitrag Mancur Olsens als ergänzender Erklärungsansatz
Das Gut der öffentlichen Ordnung und der Rechtssicherheit als Ergebnis staatlichen Handelns steht in den meisten Gesellschaften zur Verfügung, wenn auch in abweichender Ausprägung und mit unterschiedlicher Intensität. Die Erörterung der ökonomischen Begründung dieser allgemeinen Interventionsgegenwart ist ein wichtiger Beitrag des amerikanischen Nationalökonomen Mancur Olsen zur Erklärung der ökonomischen Theorie der Staatlichkeit. Seiner Argumentation des „umfassenden Interesses“ zufolge ist der gesellschaftsimmanente Anreiz zur Produktivität auf ein „Mindestmaß an sozialer Ordnung und Gewährleistung der Sicherheit von Verfügungsrechten“ zurückzuführen (Suchanek: 1999, 7). Olson veranschaulicht seine wie vor dargelegte Dialektik mit dem „Segen der unsichtbaren Hand“, nach der ein rationaler, egoistischer und autokratischer Entscheidungsträger Vorleistungen in Form des öffentlichen Gutes der sozialen Ordnung und der Rechtssicherheit zu gestellen bereit ist, um die Produktivität und damit das erwirtschaftete Volkseinkommen innerhalb der seinerseits zu verantwortenden territorialen Grenzen mehren zu können (vgl. Olson: 1993, 568). Der zentrale Unterschied zwischen den zunächst beschriebenen autokratischen Strukturen und einem demokratischen System ist nach Olson insbesondere in der Anzahl politischer Entscheidungsträger zu sehen, „die gleichzeitig Betroffene ihrer Entscheidungen sind.“ Die Betroffenen neigen die externen Effekte ihres Handelns in stärkerem Maße zu internalisieren, da sie ihr Einkommen in erster Linie nicht aus Steuereinkommen, sondern aus Markteinkommen beziehen (Suchanek: 1999, 9). Gleichzeitig ist ihnen der positive Zusammenhang zwischen höherem Markteinkommen und steigender Produktivität bewusst, der wiederum (staatliche) Infrastrukturleistungen zu fördern geeignet ist (vgl. Mc Guire et al.: 1986, 86). Olsens Folgerungen sind von wesentlicher Bedeutung. Sie vermögen jedoch die mehrschichtigen Instrumentarien demokratischer Strukturen nicht ausreichend zu betonen. Insbesondere infolge der Kraft des Gesetzes und damit einhergehender Dezentralisierung politischer Rechte konstituiert sich eine längerfristige Sicherheit der Verfügungsrechte, die
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung, verbunden mit der „vergleichsweise produktiven Nutzung“ von Freiheiten und gesellschaftlich legitimierten Rechtsmitteln eine besondere Bindungswirkung entfaltet. Eine Schwäche des demokratischen Staatsaufbaus impliziert hingegen das von Olson erkannte potentielle konstitutionelle Interesse der politischen Entscheidungsträger als spezischen Anreiz der eigenen Kooperation in Ermessenssituationen. Staatliche Interventionen unterliegen insofern diskretionären Handlungsspielräumen der Entscheidungsträger in einem Geecht wechselseitiger Abhängigkeitsbeziehungen. Interaktionspartner können die Medien, die öffentliche Verwaltung, die Industrie, diverse Interessensgruppen und letztlich die Wähler sein. Es ist daher nicht auszuschließen, dass staatliche Leistungen als Kooperationsbasis dienen, um Information, Zustimmung oder Unterstützung zu gewinnen (vgl. Suchanek: 1999, 15–19). Entsprechend formuliert Wittman, der die Kunst erfolgreicher Politik auf gute Geschäfte zurückführt (Wittman: 1995, 159 in Suchanek: 1999, 19). Olsen verbindet die Zielerreichung in Kooperationsprozessen ebenso mit der Anzahl der beteiligten Akteure. Er interpretiert die Bildung von Interessensgemeinschaften zunächst als Indiz einer „stabilen Gesellschaft mit unveränderten Grenzen“. Aus der Größe der jeweiligen Organisation resultierend, schließt Olson nachfolgend den gesellschaftlichen Einuss in seine Überlegungen ein, und verweist auf die überproportional große „Organisationsmacht für kollektives Handeln von Mitgliedern (Pro-Kopf-Macht) „kleiner“ Gruppen. Die klassische Organisation dient nach Olson den Interessen ihrer Mitglieder durch die Konzentration auf einen bestimmten Ausschnitt der Gesellschaft mit dem Ziel, die Verteilung der sozialen Kosten zu Gunsten ihrer Mitglieder und zu Ungunsten der Gesamtgesellschaft zu verändern. „Dabei bestehen in praktischer Hinsicht keine Schranken für die Höhe der sozialen Kosten, die eine solche Organisation im Zuge des Strebens nach einem größeren Anteil am Sozialprodukt der Gesellschaft aufzuerlegen als zweckmäßig erachtet“ (Olson I: 1985, 82). Eine offenkundige Methode die Erträge ihrer Mitglieder bei paralleler gesellschaftlicher Efzienz- und Leistungsminderung zu erhöhen, ist die Lobbytätigkeit für eine Gesetzgebung. Nach Olsons Überzeugung macht sie „das politische Leben zwieträchtiger“, da sie über einen Glaubwürdigkeitskonikt hinaus das Gesamteinkommen der Gesellschaft zu mindern in der Lage ist. (vgl. Olson: 1985, 82–135). Im Kontext der Wertschätzungsthese erscheinen derartige Eingriffe überaus geeignet, die zuvor beschriebenen Sättigungsgrenzen (vgl. 5.2.1) zu begründen und insoweit die Anspruchskonkurrenz im gesellschaftlichen Ressourcenwettbewerb zu konkretisieren. Einen besonderen Beitrag leisten die punktgenauen Analysen Mancur Olsons zur ökonomischen Theorie des Staates auch deshalb, da sie nahezu frei von Abstraktion auf die innergesellschaftlichen Wirkmechanismen hindeuten. Mit der wachsenden Dominanz von Interessensgruppen auf gesellschaftliche Entscheidungen verbindet Olson im Umkehrschluss und abschließend einen allmählichen Niedergang der ökonomischen Handlungsfähigkeit einer Volkswirtschaft.
5.2.2
Staats- und wirtschaftspolitische Rolle der öffentlichen Feuerwehren
Die Grenzen zwischen Nachtwächterstaat (vgl. Bontrup: 2004, 335) und zentraler Wirtschaftslenkung zu konturieren und den „richtigen Weg“ aufzuzeigen, gelingt mit Hilfe der
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
99
von Eucken (vgl. Eucken: 1990, 325–338) formulierten staatspolitischen Prinzipien. Im Kontext der wie vor dargelegten Kritik Olsons an der Dominanz von gezielten Veränderungen der sozialen Kostenstrukturen gilt es auch nach Eucken die Macht von Interessensgruppen zu begrenzen, um die „unorganisierte“ Mehrheit vor den Einüssen der organisierten Einzelinteressen zu schützen. Auch die Feuerwehren in Österreich und Deutschland bedienen sich dieses Instruments in Form der Bundes- und Landesfeuerwehrverbände (vgl. 3.2). Ziel ist die Bündelung feuerwehrbezogener Anliegen und die nachfolgende Artikulation an geeigneter (politischer) Stelle. Die Inhalte korrelieren vorwiegend mit den gesetzlichen Aufgaben der Feuerwehren, obschon aufgrund der Abhängigkeiten von der ehrenamtlichen Aufbauorganisation (vgl. 3.1.2.2) „pragmatische“ Verlagerungen sozialer Kosten zu Gunsten der Feuerwehr- (verbands-) struktur implizit zu unterstellen sind. Der zweite staatspolitische Grundsatz benennt das Primat der Ordnungspolitik bei der Gestaltung des Wirtschaftsprozesses, dem zufolge staatliche Eingriffe unterlassen werden sollten (vgl. Lachmann: 2003, 39). Beide Grundsätze bedürfen einander zur Etablierung einer funktionsfähigen staatlichen Ordnung ähnlich der Gewaltenteilung, um dem Staat „eine unabhängige Willensbildung zu ermöglichen“ (Eucken: 1990, 337). Für die staatspolitische Einordnung der öffentlichen Feuerwehren ist insbesondere das Subsidiaritätsprinzip von Bedeutung, das die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben von unteren und kleinen Verwaltungseinheiten beschreibt (vgl. http://bpb.de). Der Begriff entstammt der katholischen Soziallehre und statuiert eine Rangordnung der Hilfeleistung einzelner Sozialkörper (vgl. Lachmann: 2003, 40). Nach Beck sollen Probleme nur dann einer höheren staatlichen Ebene übertragen werden, wenn die tiefere Ebene nicht in der Lage erscheint, sie befriedigend zu bewältigen (vgl. Beck: 2005, 205). So ist die Feuerwehraufgabe als öffentliches Gut in Österreich und Deutschland nicht der Zentralregierung, sondern den Gemeinden als unterste Instanz der staatlichen Verwaltungshierarchie zugewiesen (vgl. 3.1), um Lösungen mit Örtlichkeitsbezug zu erreichen. Dieser Dezentralisierung der Gütergestellung mangelt es aus wirtschaftspolitischer Perspektive im Gegensatz zu privaten Gütern an der vollständigen Internalisierung, da lediglich der individuelle Effekt, nicht jedoch der Konsum und Nutzen von Dritten einbezogen wird. Die bei der Existenz öffentlicher Güter (vgl. 5.3.1.4) auftretenden Schwierigkeiten hinreichender Versorgungsqualitäten werden verstärkt, sofern es sich (wie im Fall der öffentlichen Feuerwehren) um unteilbare Güter handelt. Beispielsweise lassen sich weder der Unterhalt noch der unmittelbare Betrieb einer kommunalen Feuerwehr ökonomisch aufgliedern. Der unzulänglichen Teilbarkeit vieler öffentlicher Güter ist ferner eine Tendenz zur Unterversorgung geschuldet. Die einzelnen Wirtschaftssubjekte verfügen in der Regel nicht über die Ressourcen, die zur Bereitstellung der kleinsten adäquaten Menge des öffentlichen Gutes erforderlich sind. Der zwangsweise Zusammenschluss mehrerer Wirtschaftssubjekte zur Finanzierung des unteilbaren öffentlichen Gutes (Feuerwehr) ist insofern eine elementare Voraussetzung der Verfügbarkeit desselben (vgl. Breyer et al.: 2005,187). Mit der Gegenwart des öffentlichen Gutes Feuerwehr verbindet sich außerdem eine abstrakte Bewertungsmöglichkeit der Leistungen, die seitens der Gesellschaft „zur Begrenzung von Wirkungen und zur Abwehr des Schadens“ aufgebracht werden. Der damit einhergehende Wert ist durch Einkommen, die zur Erzeugung und zur Sicherung des Wohlstandes generiert wurden, entstanden. Würde die Gesellschaft diese präventiven Anstrengungen nicht treffen
100
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
oder in Ermangelung nanzieller Ressourcen nicht zu treffen in der Lage sein, können sich daraus resultierend wohlfahrtsmindernde Konsequenzen einstellen. Daher sind diese Sicherstellungsleistungen von Relevanz und nicht die potenziellen Schäden, die bei Nichtbereitstellung (oder bei „Schlechtbereitstellung“) der Feuerwehr aufgetreten wären (vgl. Stadermann: 1992, 115–116), zumal die Rechtsordnung die Gewährleistung angemessener Schutzstrukturen gebietet (vgl. 4.1.1). Die vorgestellte staats- und wirtschaftspolitische Konnotation zur Einordnung der öffentlichen Feuerwehren zeugt von antagonistischen Grundannahmen. Dennoch ist es nicht möglich, die Wirtschaftspolitik ohne den politischen Prozess zu analysieren, da Wirtschaftspolitik als jener Teil der Staatspolitik zu verstehen ist, der die Gestaltung der Volkswirtschaft betrachtet (vgl. http://wirtschaftslexikon.gabler.de). Politische Entscheidungen ohne die Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen erfolgen faktisch nicht. Umso wichtiger ist die politisch-ökonomische Analyse zur Identikation von Präferenzen und Motivationen der einzelnen Akteure. Letztlich bedarf es indes der Zusammenführung der unterschiedlichen Interessenslagen des Staates und der Wirtschaft mit dem Ziel, die verfügbaren Ressourcen der Allgemeinheit möglichst efzient zur Verfügung zu stellen (vgl. Grüner: 2008, 3–5).
5.3
Marktversagen als Grundlage staatlicher Intervention
„Der Markt ist ein vorzügliches Instrument, um die Menschen mit Gütern und Leistungen zu versorgen“. Unter den Annahmen einer optimalen Allokation der verfügbaren Ressourcen ist eine efziente Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen möglich (Prisching: 2007, 1). Diese Efzienz zu erreichen bedarf neben einer funktionsfähigen Rechtsordnung bestimmter Voraussetzungen, die im Modell der vollständigen Konkurrenz als gegenwärtig angenommen werden. Grundlage des Efzienzaspektes ist zunächst das Prinzip der persönlichen Freiheit als ideologische Basis in einen „vollkommenen Markt“. Diese Märkte zeichnen sich unter anderem durch vollkommenen Wettbewerb (Preisnehmerverhalten aller Marktteilnehmer und freier Marktzutritt), nutzenmaximierendes und rationales Verhalten aller Marktteilnehmer, vollständige Markttransparenz sowie der Abwesenheit externer Effekte und steigenden Skalenerträgen aus (Block et al.: 2007, 3). Sind die idealtypischen Modelltheorien ausgehend vom Idealzustand der vollkommenen Konkurrenz durch die Märkte indes nicht zu realisieren, liegen „Marktunvollkommenheiten“ oder „Marktversagen“ vor. In diesen Fällen kommt dem Staat und den Kommunen trotz der Grundentscheidung für eine marktwirtschaftliche Ordnung neben der Garantie stabiler rechtlicher Verhältnisse die Aufgabe zu, Marktversagen bzw. dessen Ursachen durch geeignete Maßnahmen zu beseitigen oder zu mindern (Mühlenkamp: 2002, 1). Die Existenz eines allokativen Marktversagens ist somit eine notwendige Bedingung für einen Staatseingriff, eine Notwendigkeit für eine staatliche Intervention liegt jedoch nicht vor, da reale Wirtschaftssysteme die theoretischen Bedingungen eines Marktes mit vollständiger Informationssymmetrie nicht zu erfüllen vermögen (vgl. Block et al.: 2007, 3). Aufbau, Umfang und Entfaltung der Staatlichkeit bzw. öffentlicher Wirtschaftsbereiche wiederum implizieren, dass ein „reines Marktsystem von privaten unabhängigen Akteuren nicht ausschließliches Kriterium zur Steuerung realer Wirtschaftssysteme sein kann (vgl. Hardes et al.: 1994, 41), agiert doch der öffentliche
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
101
Sektor durch die bereits beschriebenen Informations- und Machtasymmetrien (vgl. 5.2) zur Durchsetzung von „Partialinteressen“ selbst unvollkommen (vgl. Mühlenkamp: 2002, 2), so dass staatliche Interventionen letztlich zu einer Verschlechterung der Ressourcenallokation führen können. Dem mitunter resultierenden „Staats- oder Politikversagen“ lässt sich das „Marktversagen“ gegenüberstellen (vgl. Streit: 2005, 210). Die Begriffe sind Ausdruck unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Ansätze. Staats- bzw. Politikversagen deutet staatliche Aktivitäten als Ursache ökonomischer Inefzienz, „Marktversagen“ hingegen beschreibt eine Störung des Marktgleichgewichtes aufgrund dezentraler Steuerung des Marktes ohne hinreichenden staatlichen Einuss (vgl. Hardes et al.: 1994, 41). Mühlenkamp formuliert vier Voraussetzungen für die ökonomische Rechtfertigung staatlicher Interventionen. Nach Festsstellung des Marktversagens sind im konkreten Einzelfall geeignete Instrumente zur Bekämpfung der jeweils vorliegenden Form des Marktungleichgewichts erforderlich. Die seitens der staatlichen Stellen eingesetzten Instrumente sollten zudem geeignet sein, eine bestmögliche Allokation zu erreichen. Ebenso müssen die staatlichen Interventionen den Selbstheilungskräften des Marktes überlegen sein, sofern dieselben vorhanden sind (Mühlenkamp: 2002, 2). Mit staatlichen Eingriffen wird im Allgemeinen die Erwartung einer Stabilisierungsfunktion verbunden.
5.3.1
Ursachen für Marktversagen
Staatliche Regulierungen erfordern Eingriffsvoraussetzungen, um die dem Marktversagen zugrunde liegenden Inefzienzen zu reduzieren. Die im Folgenden dargestellten Marktversagensgründe bilden dabei den Kern der Diskussion.
5.3.1.1
Externe Effekte
Externen Effekten können technologische und pekuniäre Ursachen immanent sein. „Bei technologischen externen Effekten handelt es sich um die positive oder negative Beeinträchtigung von Wirtschaftsubjekten durch Wirtschaftssubjekte“ (Mühlenkamp: 2002, 4). Die Produktions- und Nutzenfunktionen der Akteure beeinussen einander, ohne dass Auswirkungen auf die interagierenden Wirtschaftssubjekte und ohne dass etwaige Vertragsbeziehungen zwischen diesen Wirtschaftssubjekten Beachtung nden. Es erfolgt eine Erhöhung bzw. Reduzierung der individuellen Produktions- bzw. Nutzenfunktion (vgl. Eisen: 2006, 1). Die jeweilige positive oder negative Auswirkung der Aktivität befördert somit Vor- oder Nachteile, die anderen Marktteilnehmern zugute kommen oder zu Last fallen. Es werden weder Kosten noch Einnahmen generiert. Die externen Effekte basieren demzufolge auf Interdependenzen zwischen den Wirtschaftssubjekten (Individuen, Unternehmen, Haushalte etc.), die durch den vorliegenden Organisationsmechanismus jedoch nicht adäquat evaluierbar sind (vgl. Prisching: 2007, 2). Negative technologische Externalitäten liegen beispielsweise bei Umweltverschmutzung einschließlich der Lärmbelästigung durch Industrieproduktion und durch Straßen-
102
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
verkehr mit Folgen für Dritte wie abnehmender Lebensqualität oder Gesundheitsschäden vor. Sofern die Emittenten der externen Effekte die bei Dritten entstehenden indirekten Kosten nicht berücksichtigen, kommt es aus gesellschaftlicher Perspektive zu einer Überproduktion externer Effekte. Dagegen erzeugen positive technologische Externalitäten bei Produktion oder Konsumtion von Gütern und Dienstleistungen Nutzengewinne Dritter. Exemplarisch seien Bildung und Krankheitsprävention angeführt. Gut ausgebildete Bevölkerungsschichten unterstützen weniger gut ausgebildete Bevölkerungsteile durch die positiven Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Ebenso vermögen individuelle medizinische Vorsorgemaßnahmen auch solchen Individuen zu helfen, die keine Prävention ergriffen haben, da auch ihre Erkrankungswahrscheinlichkeit sinkt. Bleiben die Auswirkungen dieser externen Effekte bei ihren Emittenten unbemerkt, so kommt es zu einer Unterproduktion externer Effekte mit negativen gesamtgesellschaftlichen Begleiterscheinungen (vgl. Mühlenkamp: 2002, 4 und Prisching: 2007, 2). Pekuniäre externe Effekte gründen auf dem Wirken des Preismechanismus; sie stellen eine Folge von Marktbeziehungen dar und weisen auf veränderte Knappheitsrelationen hin. Sie steuern die Ressourcenallokation und sind aus Gründen der Efzienz erwünscht. Ein Marktversagen liegt nicht vor (vgl. Eisen: 2006, 2).
5.3.1.1.1
Externe Effekte und Feuerwehr
Die Leistungen der öffentlichen Feuerwehren lassen sich häug nur durch quantitative Aussagen wiedergeben, indem zum Beispiel Beratungen nebst Zeitaufwand gezählt und erfasst werden. Diese Angaben vermögen jedoch die Intensität sowie die Güte der Leistungserbringung nicht abschließend zu beurteilen. Gleiches gilt für die baurechtliche Mitwirkung des vorbeugenden Brandschutzes im Zuge von Genehmigungsverfahren. Die unmittelbare Brandschutz-, Rettungsdienst- und Hilfeleistungstätigkeit füllt demgegenüber nur einen relativ kleinen Zeitanteil aus, während die Vorhaltekapazitäten dauerhaft zu gewährleisten sind. Daher stellt auch die fortwährende Bereitschaft eine Leistung dar, von der eine positive Externalität für die Wirtschaftssubjekte ausgeht. So vermittelt bereits die bloße Existenz der Feuerwehr ein gewisses Sicherheitsgefühl, ohne dass dieser schlichten Präsenz ein aussagefähiges Gegengewicht zurechenbar ist (vgl. Brede: 2005, 202). Die Bürger internalisieren die öffentliche Feuerwehrversorgung (vgl. Völker: 2008, 249), da die (wirtschaftliche) Aktivität positive Wohlfahrtseffekte auch für nicht beteiligte Akteure generiert (Novy: 2005, 5). Dennoch können externe Effekte Beziehungen aufweisen, die vom Grad der Internalisierung abhängen. Der Staat erhebt Zwangsabgaben, die mit dem Ausmaß der Leistungsbeanspruchung korrelieren, also äquivalent strukturiert sind. Exemplarisch seien Umweltabgaben genannt. Dieses Äquivalenzprinzip induziert die (höhere) Besteuerung wohlhabender Wirtschaftssubjekte. Sie protieren insofern stärker von Bereitstellung des (öffentlichen) Feuerschutzgutes. Von externen Effekten gehen daher grundsätzlich unterschiedliche Reichweiten aus, sofern der Staat zentrale Aufgabenstellungen erfüllt (Beck: 2005, 205).
103
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
5.3.1.2
Informationsdezite
Das theoretische Marktmodell der vollkommenen Konkurrenz setzt vollständige Markttransparenz voraus; bei jeder Transaktion verfügen die Marktteilnehmer annahmegemäß über gleichartige Informationen. Dieser modelltheoretische Charakter ist realökonomisch eher unbedeutend. Eine Variante des Ungleichgewichts beschreibt unvollständige Kenntnisse auf Seiten des Anbieters und auf Seiten des Nachfragers; den Akteuren stehen lediglich vergleichbar umfängliche Informationen zur Verfügung. Die vakante Transaktion ist somit von allseitigen Informationsmängeln gekennzeichnet. Ein heterogener Informationsgehalt zwischen den Wirtschaftssubjekten begründet Informationsasymmetrien. So ist davon auszugehen, dass dem Besitzer des für eine Transaktion vorgesehenen Objektes die Eigenschaften desselben bekannt sind. Dieser Informationsvorsprung ist geeignet dem Nachfragenden versteckte Eigenschaften mit der Folge vorzuenthalten, dass die Qualität der gehandelten Waren deutlich schlechter wird. Es kommt zu einer adversen Selektion, die einen völligen Marktzusammenbruch zu verursachen in der Lage ist. Ebenso können versteckte Handlungen vertragliche Übereinkünfte asymmetrisch gestalten. Damit einhergehend ist die einseitige Verletzung vertraglicher Interessen. (vgl. Arnold: 2005, 10 und Mühlenkamp: 2002, 6). Informationsasymmetrien treten u. a. wiederkehrend beim Handel mit Gebrauchtfahrzeugen als Beispiel der adversen Selektion auf. George A. Akerlof, Nobelpreisträger des Jahres 2001, illustrierte im Jahre 1970 in „The Markets for Lemons“ das Verhalten der Marktteilnehmer. Den Anbietern gebrauchter Fahrzeuge ist die Qualität bekannt. Sie sind über versteckte Eigenschaften informiert, während die Nachfragenden nur unzureichende Informationen in Anspruch nehmen können. Dennoch kaufen sie regelmäßig mit der Wahrscheinlichkeit q gute gebrauchte Fahrzeuge, und mit der Wahrscheinlichkeit (1-q) weniger gute Fahrzeuge, die Akerlof „Zitronen“ nennt. Er setzt diesbezüglich voraus, dass sich q proportional zu der Menge „guter produzierter Fahrzeuge“ verhält und (1-q) proportional zu den „Zitronen“ (Akerlof: 1970, 489–490). Der Markt bietet nun gleichzeitig gute Fahrzeuge und „Zitronen“ an; die asymmetrische Informationsverteilung erschwert den Verkauf der guten Fahrzeuge zum erwarteten bzw. angemessenen Preis, so dass die „Zitronen“ marktdominierend werden, wie die nachfolgende Darstellung zu verdeutlichen weiß: Abbildung 5-1 „Adverse Selektion am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes“ Bewertung
Gute Fahrzeuge
„Zitronen“
Angebotsverteilung
des Angebotes
des Angebotes
21.000,- € 22.500,- €
12.000,- € 15.000,- €
Anbieter Nachfrager
Quelle: Arnold: Universität Regensburg, 2005.
Mittelwert
18.000,- € 20.000,- €
104
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Bei vollständigem Angebot aller Fahrzeuge liegt die durchschnittliche Bewertung durch den Nachfragenden bei 20.000,- €. Die Anbieter der guten Fahrzeuge sind nunmehr nicht bereit, den ihrerseits ermittelten Wert von 21.000,- € aufzugeben, wissen sie doch um die guten Eigenschaften ihres Fahrzeuges. Im konkreten Fall wirkt sich die Informationsasymmetrie zu Ungunsten der Anbieter aus; die mit schlechten Eigenschaften behafteten „Zitronen“ verdrängen die guten Fahrzeuge vom Markt (vgl. Schultheiß: 2005, 6). Das Marktgleichgewicht ist somit nicht pareto-efzient. Beim ausschließlichen Handel mit „Zitronen“ ergibt sich ein Marktgleichgewicht bei 15.000,- € (vgl. Arnold: 2005, 11). Die Auösung bedarf nicht zwingend der staatlichen Intervention; die Aussendung von Signalen als „private Strategie zur Reduktion asymmetrischer Information“ (Lager: 2002, 18) dient der Marktstabilisierung durch Vertrauensbildung, beispielsweise in Form von freiwilligen Gewährleistungszusagen. Allerdings können staatliche Eingriffe zur Denition gesetzlicher Ansprüche ebenso angezeigt sein. Die Vielfältigkeit arbeitsteiliger Wirtschaftsysteme etabliert auf den zahlreichen Interaktionsebenen indes weitere Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern, die im Kern einen vertrauensvollen Austausch von Informationen voraussetzen. Dabei begegnen einander unterschiedliche Kompetenz- und Einstellungsebenen. Der einseitige Wissensvorsprung ist Leistungsgegenstand und Störfaktor zugleich. Die Qualität der Leistungserbringung bzw. der Vertragstreue ist für Wirtschaftssubjekt I nicht beurteilbar, während Wirtschaftssubjekt II Fachkenntnisse besitzt bzw. kognitive Handlungen vorzunehmen vermag, die Risiken und Kosten vor dem Hintergrund der einseitig verdeckten Aktionsebene potenziell externalisieren können. Es besteht daher die Gefahr eines moralischen Risikos („Moral Hazard“), das u. a. regelmäßig im Verhältnis zwischen Arzt und Patient, zwischen Unternehmensführung und Aktionär oder auch zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer gegenwärtig ist. Der Versicherungsmarkt dient im Folgenden der weiterführenden Erläuterung des „Moral Hazard“. Gegeben ist der Wert eines mit 15.000,- € versicherten Objektes. Weitere Einussgrößen sind die Prämie (P) = Schadenswahrscheinlichkeit (15.000-S), die Selbstbeteiligung (S) sowie die Kosten der Sorgfalt (q). Es wird zudem angenommen, dass der Wettbewerb des Versicherungsmarktes bei der „fairen“ Prämienkalkulation berücksichtigt wurde. Abbildung 5-2 „Moral Hazard am Beispiel des Versicherungsmarktes“
Schadenswahrscheinlichkeit Prämie Leistung für Versicherungsnehmer bei P = 1.500 – 0,1 S bei P = 3.000 – 0,2 S
Sorgfalt
Keine Sorgfalt
10 % 1.500 – 0,1 S
20 % 3.000 – 0,2 S
13.500 – q 12.000 + 0,1 S – q
13.500 – 0,1 S 12.000
Quelle: Arnold: Universität Regensburg, 2005.
Sofern die Kosten der Sorgfalt q einen Betrag von 1500,- € nicht überschreiten, ist bei fairer Prämienkalkulation „Sorgfalt“ besser als „keine Sorgfalt“ und damit pareto-efzient. Die
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
105
Prämiengestaltung unterliegt wie zuvor ausgeführt Annahmen, die auch das Verhalten des Versicherungsnehmers einzubeziehen versuchen. Soll der Sorgfalt bei Prämienbemessung eine Bedeutung zugestanden werden, ist sie als Vorteil auszugestalten, um „Moral Hazard“ zu vermeiden. Im konkreten Beispiel ist daher zu berücksichtigen, dass q < 0,1 S ist, also die Selbstbeteiligung S hinreichend groß berechnet werden muß. „Moral Hazard“ ist demzufolge geeignet, die Versicherbarkeit von Risiken zu reduzieren (Arnold: 2005, 12). Moralisches Risiko mindert die Allokationsefzienz. Es erscheint durchaus möglich, dass Wirtschaftssubjekte auf die Fachkenntnisse Dritter verzichten und in eigener Verantwortung Problemlösungen auszuführen bereit sind (vgl.Mühlenkamp: 2002, 6).
5.3.1.2.1 Informationsdezite und Feuerwehr Feuerwehren sind ein Werkzeug der Risikoprävention und der Risikominderung. Im Fall der Versicherbarkeit von Katastrophenrisiken streben Versicherungsunternehmen grundsätzlich einen Risikoverzicht an, der zum Beispiel durch eine Wohnortverlagerung in nicht gefährdete Hochwassergebiete erreicht werden kann. Risikoprävention im Sinne dieser Ausführungen setzt hingegen auf die Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit, die u. a. durch die verbesserte (Brandschutz-) Sicherheit von Wohngebäuden erreichbar ist. Der Grundgedanke des Selbstschutzes oder der Prävention zielt auf die Vermeidung des Schadenseintritts ab, während eine Risikominderung demgegenüber die Höhe des Schadens nach Eintritt einer Katastrophe beeinussen soll. Dazu zählen die Vorhalteleistungen der öffentlichen Feuerwehren (vgl. Pster: 2003, 29–31). Potenzielle Haftungsfragen bestimmen folglich das Verhalten des Versicherungsnehmers sowie des möglichen Verursachers von Katastrophenereignissen und damit die Risikoallokation. Die Gefährdungshaftung stellt dem Auslöser des Schadenereignisses Sanktionen in Aussicht, die ihn zur Risikoübernahme verpichten. Sie wirkt insoweit verhaltensbeeinussend, dass Risikoträger wahlweise in Präventionsmaßnahmen investieren oder gegen Prämienzahlung kompensatorische Risikoabtretungen an Versicherungsunternehmen vornehmen werden (vgl. Querner in Endres et. al.: 1992, 58–82). Diese Risikoverteilung beeinträchtigt die Freiheit der privaten Wirtschaftssubjekte nicht. Vielmehr unterstützt sie die Funktionsfähigkeit der marktwirtschaftlichen Koordination, da Informationsasymmetrien durch die Offenlegung der individuellen Präferenzen reduzierbar sind, vorausgesetzt der Schutz gegen einen Katastropheneintritt ist auf ein privates Gut gerichtet, das die Kriterien der Ausschließbarkeit und der Rivalität vom Konsum erfüllt (vgl. Pster: 2003, 29–31). Ein weiterer Zusammenhang im Kontext der Informationsasymmetrien ergibt sich aus den Leistungen, der Nutzenentfaltung und den (überwiegend) immateriellen Kooperationsansätzen der (Freiwilligen) Feuerwehren (vgl. Thiel: 2006, 29 sowie 3.1.2.2). Der Leistungsstaat („gekorene Staatsaufgaben“) reguliert diesen „legitimatorischen Grundauftrag“ (vgl. Eichenberger: 1983, 7 ff.) trotz der kommunalen Trägerschaften relativ homogen, jedoch mit abweichender Priorisierung des entscheidenden Schutzanspruches (vgl. 4.4.1). Ursache könnte auch ein asymmetrisches Informationsverhältnis zwischen dem (Landes-) Gesetzgeber und der ausführenden und gleichermaßen verantwortlichen kommunalen Feuerwehr sein. Die Gemeinde ist im Normalfall besser über die Leistungserbringung und tatsächliche
106
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Leistungsfähigkeit informiert, als der Gesetzgeber. Das durch den Gesetzgeber formulierte Ziel, eine örtlich angemessene, leistungsgerechte und ächendeckende Brandschutz- und Hilfeleistungsversorgung zur Verfügung zu stellen, steht den Interessen der einzelnen Gebietskörperschaft mitunter diametral entgegen, die ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag mit möglichst geringem (nanziellen) Aufwand zu betreiben bestrebt ist. Lediglich eine Abschwächung dieser Asymmetrie vermag eine wünschenswerte Angleichung auszulösen, indem zunächst stringente Aufsichtsmechanismen wirksam werden (vgl. 4.5.2), die durch perspektivisch auszusprechende Konsequenzen den angemessenen Wert des kommunalen Schutzzieles unterstützen. Der Gesetzgeber und seine aufsichtsbehördlichen Instrumente sind nunmehr in der Lage, unzureichende Leistungen (unzureichende Schutzzielerfüllungen) dergestalt zu sanktionieren, dass für die Gemeinde höhere Belastungen entstehen, die eine Erfüllung des denierten Schutzauftrages attraktiv erscheinen lassen. Diese Prinzipal-Agenten-Beziehung (vgl. 11.4.1.1.2) zwischen dem Bundesland als Gesetzgeber und der Gemeinde als Träger der Feuerschutzaufgabe ist insbesondere aufgrund der großen Führungsdistanz ungewöhnlich stark ausgeprägt. (vgl. Wowro-Welter: 2007, 39). Die Berücksichtigung des beschriebenen (Prinzipal-Agenten) Risikos ist daher eine elementare Voraussetzung für die ganzheitliche Verfügbarkeit einheitlicher Leistungsmerkmale.
5.3.1.3
Natürliche Monopole
In einigen Wirtschaftsbereichen ist der Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll. So zum Beispiel bei Wasserversorgungs- und Eisenbahnunternehmen mit jeweils eigenen Leitungsnetzen. Ein klassisches Konkurrenzgefüge existiert nicht. Die Literatur beschreibt diese Fälle als „natürliche Monopole“. „Ursache für natürliche Monopole sind subadditive Kostenstrukturen bzw. Unteilbarkeiten.“ Auf der Angebotsseite ist die Kostendegression beträchtlich. Im Ergebnis lässt sich die gesamte Absatzmenge eines Gutes oder einer Leistung durch ein einziges Unternehmen kostengünstiger zur Verfügung stellen (vgl. Mühlenkamp: 2002, 6). Die durchschnittlichen Gesamtkosten sinken im relevanten Bereich aufgrund des Zusammenwirkens hoher Fixkosten als Ausdruck der Unteilbarkeiten und sehr niedriger Grenzkosten. Maßgebend wirken sich die Subaddivität und die Irreversibilität der Kosten aus; die Produktionsfaktoren haben eine spezische Verwendung bei gleichzeitigem Ausschluss weiterer Verwendungen (vgl. Rahmeyer: 1997, 503 ff.). Die Versorgung durch ein Unternehmen ist gesamtwirtschaftlich von Vorteil, da die Produktionskosten im Gegensatz zu einer Beteiligung von zwei oder mehr Unternehmen geringer sind (vgl. Eisen: 2006, 2). C (y1 + y2 + ….. + y n ) < C (y1) + C (y2) + ….. + C (y n)
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
107
Abbildung 5-3 verdeutlicht die Kostenstrukturen des natürlichen Monopols: Abbildung 5-3 „Kostenstruktur des natürlichen Monopols“
Quelle: Eigene Darstellung lt. Technische Universität Berlin: 2007.
Die besonderen Kostenstrukturen der natürlichen Monopole verursachen eine Diskrepanz zwischen der gesamtwirtschaftlich optimalen Preissetzung auf dem Niveau der Grenzkosten und der Kostendeckung, da die Grenzkosten immer unterhalb der Durchschnittskosten liegen. In Ermangelung der Kostendeckung ergibt sich ein Dezitproblem; der Monopolist macht Verlust in der Größenordnung (vgl. Tech. Universität Berlin, 2007, 8) von V(xG) = (G(xG) – D(xG)) xG Ein Unternehmen produziert die Menge xG bei Stückkosten in Höhe von pD, während zwei Unternehmen, die jeweils xC produzieren, einen Preis in der Größenordnung von pC verlangen müssen, um ihre Stückkosten zu decken. Natürliche Monopolisten verfügen somit über Betriebsgrößenvorteile („Economies of Scale6“).
6
Sind nach der Produktionstheorie gegeben, sofern bei proportionaler Erhöhung der Produktionsfaktoren der betriebliche Output überproportional steigt. Die betriebliche Produktivität bei größeren Faktoreinsätzen steigt mit der Konsequenz, dass die langfristigen Durchschnittskosten sinken und die Skalenerträge steigen, insbesondere aufgrund der Fixkostendegression (vgl. Hardes et al., 1994, 88).
108
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Zudem gilt es auf das Produktspektrum eines natürlichen Monopolisten einzugehen. Sie sind in der Lage so genannte Verbundvorteile („Economies of Scope7“) zu nutzen; diese verknüpfen ein „Bündel“ von Gütern und Leistungen bei sinkenden Grenzkosten. Konkurrenten, die nur einzelne Produkte aus dem jeweiligen Produktbündel anbieten können, haben Nachteile und drohen aus dem Wettbewerb auszuscheiden. Prominentes Beispiel für Verbundvorteile ist der Softwareanbieter „Microsoft“, der Anwendersoftware zu Paketen bündelt (vgl. Prisching: 2007, 3). Aus etablierten Monopolstrukturen gehen häug einseitige Preisbildungsprozesse mit der Folge des Unterangebotes bestimmter Güter hervor. Der Monopolist nutzt seine Marktstellung, um durch eine Verknappung des Gutes etwaige Preissteigerungen begründen zu können. Staatliche Eingriffe sind in diesen Situationen mitunter erforderlich. Ist der Marktzutritt eines Wettbewerbers auf einem Markt mit subadditiven Kostenstrukturen kostenlos möglich, kommt es im Verlauf zu potenziellen Korrektur- und Disziplinierungsprozessen. Der Monopolist droht den Markt im Falle erhöhter Preise und mangelnder Kooperationsbereitschaft an den neuen Wettbewerber zu verlieren. Marktzutritts- und Antrittskosten sind vom Grad irreversibler Investitionen („Sunk Costs8“) abhängig, die insbesondere beim Aufbau von Versorgungs- und Transportinfrastrukturen in erheblichem Maße anfallen. Sie bilden gleichermaßen eine Markteintritts- und eine Marktaustrittsschranke (vgl. Rahmeyer: 1997, 503 ff.). Wie bereits dargestellt sind parallele Strukturen nicht konkurrenzfähig. Als Folge dessen scheinen staatliche Interventionen obligatorisch zu sein (vgl. Mühlenkamp: 2002, 6).
5.3.1.3.1 Natürliche Monopole und Feuerwehr Kommunen verfügen im Rahmen bestimmter zugewiesener Aufgabenstellungen über ein gesetzliches Monopol. Der Bürger ist von der Leistungserbringung dieser untersten Ebenen der staatlich-hierarchischen Ordnung abhängig, so zum Beispiel der Errichtung und Unterhaltung von Straßen und Brücken, von Standesämtern sowie der Wasserversorgung. Freiwillige Leistungen und das dafür aufzuwendende Vermögen sind dem Bürger indes nicht zwingend anzubieten; exemplarisch seien Museen, Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen genannt. Demgegenüber stehen im Kontext der verfassungsrechtlichen Schutzpichten sowie im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge elementare Infrastrukturaufgaben und -vermögen wie zum Beispiel die öffentlichen Feuerwehren, die für jeden Bürger zugänglich bleiben müssen. Fälschlich erfolgt deren Einordnung häug als natürliches Monopol (vgl. Schneider: 2008, 2; Sieg: 2007,129; Braulke et al.: 2008,7), da die Rechtsordnung als ein entscheidendes Kriterium der Gütereinordnung vernachlässigt wird (vgl. Bernholz et al.: 1993, 95–136). Natürliche Monopole ermöglichen grundsätzlich den Ausschluss von Wirt7
8
Ausgangspunkt ist die Produktpalette eines Mehrproduktenunternehmens. Sofern es bei gegebener Technologie teurer ist, Güterbündel in zwei voneinander unabhängigen Prozessen herzustellen, statt die betrachteten Prozesse zu kombinieren, so liegen Verbundvorteile (Economies of Scope) vor (vgl. Universität Siegen: http://www2.uni-siegen.de/~vwlii/mikro/verbundvorteile.html, Abruf am 14.10. 2008) Versunkene Kosten, die nur einem bestimmten Zweck gewidmet sind und in anderen Verwendungskontexten ihren Wert verlieren. Sie sind somit bei Einstellung des Betriebes nicht amortisierbar (vgl: Krol: 2004, 4.1.1).
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
109
schaftssubjekten, die sich an der Finanzierung des entsprechenden Gutes nicht beteiligen (vgl. 5.3.1.4.1). Jedoch sind für den Bereich der Feuerwehren sowohl die Kosten als auch die Anbieterstrukturen zunächst unerheblich (vgl. Martin: 1993, 297–325). Untersuchungen zur Efzienz öffentlicher Einrichtungen sprechen privaten Unternehmungen zwar eine höhere Wirtschaftlichkeit zu (vgl. Schneider et al: 1999, 7 ff.; Windisch: 1987, 7 ff.). Sie ignorieren mitunter, dass auch die öffentlichen Betriebe wirtschaftlichen Sachzwängen unterliegen, gleichwohl die herausragende Rolle des Rechts nicht durch undifferenzierte Ökonomisierungsbestrebungen und Marktmechanismen ablösbar ist (vgl. 4.5.1). Zudem fehlt es an der Ausschließbarkeit von den Leistungen der öffentlichen Feuerwehren (vgl. 4.1). Sie lässt sich weder aufgrund mangelnder Angebotsperspektive (vgl. 3.1) begründen noch durch die Bearbeitung parallel auftretender Schadensereignisse und damit einhergehenden Rivalitätsgedanken (vgl. 5.4.4.2) herleiten. Vielmehr überlagern die gesetzlichen Schutz- und Hilfeleistungspichten die zuvor angeführten fundamental-ökonomischen Akzentuierungen. Zumal die Theorie des natürlichen Monopols mit stetigen Liberalisierungsprozessen an argumentativer Kraft verliert und nunmehr in Netzwerkebenen konzentrierte Verbreitung ndet (vgl. Shy: 2000, 1–10; Eickhoff: 2000, 7). Zahlreiche staatliche Monopole wurden von den Marktöffnungen erfasst. Von einer Fortsetzung in kurz- und mittelfristiger Zukunft ist auszugehen. Öffentliche Unternehmen stellen dennoch einen wichtigen Bestandteil der kommunalen Infrastruktur dar. Interne und allokative Efzienz mögen nicht konkurrenzfähig sein. Diese Reduzierung auf einen ökonomischen Beurteilungsmaßstab vernachlässigt indessen politische und soziale Widerstände als gesamtgesellschaftliche Machtfaktoren. Im Besonderen rechtfertigen die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge (vgl. Forsthoff: 1973, Bd. 1) den Fortbestand systemrelevanter öffentlicher Einrichtungen, denen die Feuerwehren zweifelsfrei zuzurechen sind. Ordnungspolitische Eingriffe bedürfen zudem der staatlichen Koordination (vgl. Eickhoff: 2000, 7–11). Ökonomische Erklärungsansätze zur Begründung der Monopolstrukturen reichen daher nicht aus. Lediglich die vorgetragene kombinierte Betrachtung von (verfassungs-) rechtlichen, gesellschaftspolitischen und ökonomischen Gesichtspunkten vermag zur überzeugenden Einordnung der öffentlichen Feuerwehren beizutragen.
5.3.1.4
Öffentliche Güter
Das Modell der vollkommenen Konkurrenz beschreibt den individuellen Konsum der Marktgüter, bei Aufteilung des Angebotes auf die Marktteilnehmer. Die Bereitstellung öffentlicher Angebote und Güter hingegen wird von jedem Haushalt in voller Höhe konsumiert; sie können von der Gesamtheit von Wirtschaftssubjekten in einem Staatsgebilde in Anspruch genommen werden können, ohne dass Individuen vom Konsum ausschließbar sind. Neben dem fehlenden Konkurrenzgedanken handelt sich dabei um die primäre Charakteristik eines öffentlichen Gutes (Musgrave et al.: 1973, 6). Beispielhaft seien die Leistungen bzw. öffentliche Güter einer Armee (Verteidigung) oder einer Feuerwehr (Brandschutz und Hilfeleistung) aufgeführt. Eine Steuerung des Konsums dieser öffentlichen Angebote über Preisbildung erfolgt nicht. Vielmehr ist zur weiteren Abgrenzung der staatlichen Bereitstellung öffentlicher Gü-
110
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
ter auf die positiven Externalitäten zu verweisen, die den Konsumenten auch bei fehlender Beitragsleistung partizipieren bzw. protieren lassen.
5.3.1.4.1 Einordnung öffentlicher Güter Die theoretische Diskussion zur Notwendigkeit einer kollektiven Bereitstellung bestimmter Aufgaben erfuhr durch die Publikationen von Paul Samuelson in den Jahren 1954 und 1955 eine breite Wahrnehmung. Diese beinhalteten eine Denition reiner öffentlicher Güter und daraus resultierend auch Abgrenzungen zu reinen privaten Gütern (Samuelson: 1954, 387–389). Ebenso ist die analytische Formulierung zur efzienten Bereitstellung derartiger Güter auf die zuvor genannten Veröffentlichungen zurückzuführen. Abbildung 5-4 „Nachfrage öffentlicher Güter“
Quelle: Eigene Darstellung lt. Ferguson: „Industrial Economics“, 1994, S. 141.
MSC MSB DA DB Qmkt Qopt C Pa Pb
= = = = = = = = =
Grenzkosten der Produktion tatsächliche soziale Grenzkosten Nachfragefunktion Individuum A Nachfragefunktion Individuum B Bewertung von Individuum A (Free-Rider-Problem) Gesamtoutput (Optimale Information, keine Transaktionskosten) Kosten Zahlungsbereitschaft von Individuum A für öffentliches Gut Zahlungsbereitschaft von Individuum B für öffentliches Gut
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
111
Insbesondere Buchanan denierte im Jahre 1965 das Spektrum von Gütern, das die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Formen von Gütertypen auszufüllen vermag. Konkret entwickelte er die Kriterien der Nicht-Rivalität im Konsum sowie die Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum, auf die es im Folgenden einzugehen gilt (Buchanan: 1965). Bei Nicht-Ausschließbarkeit sind Sanktionsmöglichkeiten gegenüber „freifahrenden“ Wirtschaftssubjekten, die das von Dritten gekaufte Güterangebot konsumieren, ohne sich an der Finanzierung zu beteiligen, in der Regel nicht gegeben. Daher ist die Bereitstellung öffentlicher Güter durch private Anbieter infolge kritischer Rentabilitätsbetrachtungen üblicherweise nicht realisierbar, so dass es zu einem allokativen Marktversagen kommt. Der Staat kann in einem solchen Fall das erforderliche Gut dennoch öffentlich bereitstellen, indem eine Finanzierung durch Steuern zwangsweise durchgesetzt wird (Roberts: 1984, ohne Paginierung). Nicht-Rivalität im Konsum Die privaten Güter werden individuell konsumiert. Das gesamte Angebot wird zwischen den Haushalten aufgeteilt. Die privaten Güter lassen sich demnach durch die Gesamtheit der konsumierten Menge eines Gutes charakterisieren, die wiederum äquivalent der Summe der individuell konsumierten Mengen des entsprechenden Gutes ist: l
yj = xj = xij i=1
Bei reinen öffentlichen Gütern hingegen entspricht die individuell konsumierte Menge des Gutes dem insgesamt konsumierbaren Angebot des öffentlichen Gutes. Daraus folgt: yj = xj = xij
i = 1,…….,I.
Der Konsum eines privaten Gutes durch Konsument i schließt demnach einen gleichzeitigen Konsum durch Konsument j oder andere Konsumenten aus, während bei reinen öffentlichen Gütern alle Individuen zu gleichen Anteilen partizipieren können, wobei sich der daraus resultierende Nutzen ungeachtet der Konsumentenanzahl einstellt. Insofern ist eine NichtRivalität im Konsum gegeben (vgl. Atkinson et al.: 1980, 483–486). Aus der Bereitstellung des öffentlichen Gutes kann indes keine Vergleichbarkeit des Nutzens der Konsumenten abgeleitet werden, da diesbezüglich die individuelle Nutzenfunktion maßgebend ist (vgl. Cornes et al.: 1986, 6–7). Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum Ein weiteres grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal von privaten und reinen öffentlichen Gütern ist die Ausschließbarkeit vom Konsum, die bei reinen öffentlichen Gütern weder aus technischen noch aus ökonomischen Gründen herbeigeführt werden kann. Demgemäß ergibt sich eine unmittelbare Beziehung zur Theorie der positiven Externalitäten, nach der die Existenz eines öffentlichen Gutes für die Wirtschaftssubjekte eine positive Externalität darstellt (vgl. Musgrave et al.: 1973, 6–7).
112
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Abbildung 5-5 „Externalitäten öffentlicher Güter“
Quelle: Eigene Darstellung lt. Ferguson: „Industrial Economics“, 1994, S. 143.
MSC MPC D Q1 Q2 P2 P1
= = = = = = =
tatsächliche soziale Grenzkosten Grenzkosten Nachfragefunktion Produktionsmenge (orientiert an privaten Grenzkosten) Gesellschaftlich optimale Menge (Wohlfahrtsverlust) Preis 2 Preis 1
Folglich wird eine konsumentenbezogene Tendenz zur Offenbarung etwaiger Zahlungsbereitschaften unterdrückt und das sog. „Free-Rider-Verhalten“ (Trittbrettfahrerverhalten) hervorgerufen bzw. gefördert. Das tatsächliche Vorliegen eines solchen Effektes ist nicht unumstritten, da die Wirtschaftssubjekte auch aus moralischen Gründen eine Verpichtung empnden können, adäquat zur Finanzierung der öffentlichen Güter beizutragen (Sandmo: 1987). In diesem Kontext können auch relativ aktuelle Untersuchungen verstanden werden, nach denen sich das „Free-Rider“-Problem nicht in der von der Theorie prognostizierten Stärke zeigt, dennoch von erheblichen Inefzienzen auszugehen ist (vgl. Brosig et al: 2003, 75–90)
113
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
5.3.1.4.2 Praktische Abgrenzung der Güterkriterien Die Kriterien der Nicht-Rivalität und der Nicht-Ausschließbarkeit treten nur bei wenigen Gütern in gemeinsamer Form auf. Beispielhaft seien reine öffentliche Güter wie Landesverteidigung, Straßenbeleuchtung, Feuerwehr, öffentliche Denkmäler und klassischerweise Leuchttürme angeführt (Coase: 1994) Abbildung 5-6 „Abgrenzung öffentlicher Güter“ Ausschluss vom Konsum möglich
nicht möglich
Rivalität im Konsum
Private Güter
Allmendegüter (Kollektivgüter)
Nicht-Rivalität im Konsum
Marktfähige öffentliche Güter
Reine öffentliche Güter
Quelle: Adams et al.: Journal Of Theoretical Politics 5, 1993, 111.
Güter, bei denen der Ausschluß vom Konsum zwar nicht angewendet werden kann, jedoch der aus ihnen resultierende Nutzen variiert, werden als Mischgüter (Clubgüter) bezeichnet, wie zum Beispiel Seminare oder Schwimmbäder (vgl. Posnet et al.: 1986, 209–222). Im Gegensatz dazu erfolgt die Einordnung in Kollektivgüter (Allmendegüter) wie Straßen und Flüsse, sofern eine Nicht-Rivalität im Konsum vorliegt, jedoch ein Ausschluß von Personen möglich ist. Eine klare Abgrenzung ist indes schwierig und nur in seltenen Fällen möglich. So sind viele öffentliche Güter durch Elemente privater Güter gekennzeichnet; exemplarisch sei der Ausschluß von nicht zahlenden Schwimmbadgästen bzw. ein Ausschluß von Gästen wegen Überfüllung des Schwimmbades (vgl. Brümmerhoff: 1996, 86) genannt. Über die Inhalte dieser Darstellung hinaus hängt die Ausschließbarkeit vom Konsum entscheidend von der staatlichen Rechtsordnung ab (vgl. Bernholz et al.: 1993, 95–136). Öffentliche Badestrände können abgezäunt werden, so dass erst nach erfolgter Zahlung die Nutzung desselben möglich wird, während das öffentliche Gut „Strand“ für die Gesamtheit der Konsumenten unverändert geblieben ist. Analog ist auf die Nutzung eines Straßensystems zu verweisen, das nach Errichtung von Kontrollstellen nur zahlenden Fahrern zugänglich gemacht wird. Insofern kann hinsichtlich der Beurteilung öffentlicher Güter auf die Zugänglichkeit bzw. auf Zugangskriterien als weiteres Charakteristikum abgestellt werden.
5.3.1.4.3 Der Free-Rider Effekt Ein Gesellschaftsgefüge bedarf der Produktion kollektiver Güter. Öffentliche Einrichtungen, Infrastruktur, Polizei, Feuerwehr und Ordnungsbehörden zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, und weitere gesellschaftliche Einrichtungen stellen
114
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
öffentliche Güter bereit (vgl. 5.1.3.3). Sie sind gemeinschaftlich zu produzieren und ebenso zu nanzieren. Da öffentliche Güter jedem Mitglied der Gesellschaft zugänglich sind, scheint es individuell rational, den eigenen Beitrag zur Produktion eines solchen Gutes zu verweigern und als „Free-Rider“ dennoch am Kollektivgut teilzuhaben (vgl. Eichener: 2007, 6). Ein „Free-Rider-Effekt“, auch Trittbrettfahrereffekt genannt, beschreibt demzufolge ein Informationsproblem bei der Bereitstellung öffentlicher Güter. Die Möglichkeit zur kostenlosen Inanspruchnahme öffentlicher Güter führt zur Nichtäußerung etwaiger Zahlungsbereitschaften, obwohl der Nachfrager durch das Gut einen Nutzen erhält. Diese positiven Externalitäten führen zu einer nicht-pareto-optimalen Allokation des öffentlichen Gutes (vgl. Musgrave et al.: 1973, 6–7). Wahre Präferenzen werden in der Hoffnung einer Bereitstellungskostenübernahme durch Dritte verschleiert, um unentgeltlich partizipieren zu können. Daraus wiederum leiten sich die beschriebenen Bereitstellungsprobleme ab, die in einer Unterversorgung (Menge Qmkt) bzw. Nichtbereitstellung des Gutes münden können (vgl. Abbildung 5-4). Bei perfekter Information, also bei vollkommenen Kenntnissen der Marktteilnehmer über bestimmte Eigenschaften von Produkten bzw. von Akteuren und nicht vorhandenen Transaktionskosten9 würde sich kein Wohlfahrtsverlust einstellen, da allen Beteiligten die Verbesserungsmöglichkeit bei der Finanzierung des öffentlichen Gutes durch Wahl der Outputquantität Qopt bewusst wäre. Darüber hinaus ließe sich die individuelle Wertschätzung für das öffentliche Gut nicht verbergen, womit eine Lösung des Free-Rider-Problems verbunden ist (vgl. Ferguson et al.: 1994 141). Insofern ist eine mögliche Unterversorgung als ein Ergebnis unvollständiger Information und vorhandener Transaktionskosten zu betrachten. Der „Free-Rider-Effekt“ gilt als wichtiges Beispiel für Marktversagen, bei dem die individuelle Rationalität die kollektiven Bedürfnisse nachhaltig negativ beeinusst. Ein bedeutsamer Aspekt stellt nach Mancur Olsen zudem die Organisierbarkeit von Gruppen dar (vgl. 5.2.1.3). Die Mitglieder einer Gruppe bevorzugen grundsätzlich ein „FreeRider-Verhalten“. „Dieses Phänomen ist positiv mit der Gruppengröße korreliert“, da es in kleinen Gruppen verhältnismäßig einfach erscheint, die individuelle Beitragsleistung nachzuvollziehen und ggfs. einen Ausschluß von den positiven Externalitäten herbeizuführen (vgl. Hefeker: 2005, 16). Demgemäß sind Free-Riding-Tendenzen mit steigender Anzahl von Wirtschaftsubjekten ausgeprägter und schwerwiegender (Gaube: 2005, 21). Die Möglichkeiten zur Lösung der Trittbrettfahrereffekte zielen auf die wahrheitsgemäße Offenlegung der individuellen Präferenzen und damit gleichzeitig auf Informationsde zite ab, die eine Voraussetzung für „free-riding“ bezogene Auswirkungen sind. Ein pareto-optimales Ergebnis 9
Bei der Anbahnung oder Abwicklung von Verträgen entstehen den Marktteilnehmern Transaktionskosten. Williamsen (1985) interpretiert Transaktionskosten parallel zum physikalischen Reibungsverlust. Demnach sind Transaktionskosten „Reibungen“ in sozialen Systemen (Unternehmen), die vor oder nach dem Vertragsabschluß auftreten können. Daher unterscheidet die Transaktionskostentheorie von Ex-ante- und Ex-post-Transaktionskosten (vgl. Williamsen: 1985, 20 ff. und Ebers/Gotsch: 1995, 209). Ex-ante-Transaktionskosten sind Informations-, Verhandlungs- und Vertragskosten, während Ex-post-Transaktionskosten aus den Kosten der Überwachung, Durchsetzung und nachträglichen Anpassung der Vertragskonditionen bestehen (vgl. Picot: 1982, 270). Letztere werden als besonders bedeutsam erachtet, da von einer Vielzahl von unvollständig formulierten Verträgen und notwendig werdenden Vertragsanpassungen ausgegangen wird. Transaktionen sind dann efzient, sofern sich die Marktteilnehmer dahingehend zu organisieren vermögen (vgl. Nienhüser et al.: 2004, 2).
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
115
ist möglich, sofern die Präferenzen der Individuen deutlich werden und ein sich ein darauf aufbauendes Verhalten einstellt.
5.3.1.4.4 Betrachtungen nach Lindahl Erik Robert Lindahl, im Jahre 1960 verstorbener schwedischer Nationalökonom, schlug im Jahre 1919 ein Verfahren zur Finanzierung öffentlicher Güter vor. Seinen Betrachtungen liegen zwei Aspekte zugrunde, die zunächst die Bereitstellungsfrage eines öffentlichen Gutes zur Ermöglichung einer pareto-optimalen Allokation betreffen. Darüber hinaus ist die staatliche Aufgabe zur Aufteilung der Bereitstellungskosten auf die einzelnen Individuen durch einen möglichst von den Wirtschaftssubjekten akzeptierten Verteilungsschlüssel von inhaltlicher Bedeutung.
5.3.1.4.4.1 Gleichgewichtslösung nach Lindahl Bei den Modellannahmen erfolgt die Betrachtung von zwei Haushalten (i= A, B), die wiederum nur ein öffentliches Gut zur Bedürfniserfüllung kennen. Das Angebot des Gutes ist für die Haushalte gleich einem Nutzen und die Nutzenanteile der beiden Haushalte spiegeln ein gemeinsam produziertes Gut wider (Musgrave: 1966, 58). Der Kostenbeitrag eines jeden Haushaltes ist schlussendlich zur exakten und vollständigen Finanzierung des Gutes zu bemessen. Der Staat nimmt in dieser Modellkonstellation die Rolle eines Auktionators ein, der den beiden Haushalten zunächst festgelegte Steuerund Finanzierungsanteile vorschlägt, die den von dem jeweiligen Haushalt zu zahlenden Preis repräsentieren (Wellisch: 2000, 84–85). Darauf aufbauend erfolgt die Rückäußerung der Haushalte hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft zum Erwerb des öffentlichen Gutes. Es liegen perfekte Informationen vor; sofern sich Differenzen in den dargelegten Präferenzen zeigen, ist es Aufgabe des Staates, für eine Anpassung der haushaltsbezogenen Finanzierungsanteile Sorge zu tragen, die in diesem Zusammenhang etwaigen Abweichungen vom zu gewährleistenden Bereitstellungsniveau gerecht werden müssen. Der Staat stellt die entsprechende Gütermenge somit bereit und erhebt daraus resultierende haushaltsorientierte Abgaben; die Haushalte stimmen dem Verhältnis von Bereitstellungsmenge und Finanzierungsanteil zu, so dass sich letztlich ein Gleichgewicht einstellt (Brümmerhoff: 2001; 102). Nachfolgende Abbildung 5-7 dient der Veranschaulichung des Gleichgewichtszustandes.
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Abbildung 5-7 Lindahl-Gleichgewicht
Quelle: Lindahl, 1919, Musgrave, 1966
Die Menge des öffentlichen Gutes ist der Abzisse zu entnehmen, während die Zahlungsbereitschaft der Haushalte A und B durch die Ordinaten ausgedrückt wird. Die Wiedergabe der Nachfrage (auch Kostenanteile) erfolgt durch die Kurven a1a1 und b1b1, wobei die inverse Zählrichtung der rechten Ordinate zu beachten ist. Aus Abbildung 5-7 geht die vollständige Zahlungsbereitschaft von Haushalt A für die Menge OG des öffentlichen Gutes und ebenso die von Haushalt B für die Gütermenge OU hervor. Ein derartiges „Extremverhalten“ impliziert die kostenlose Bereitstellung der jeweiligen öffentlichen Gütermenge für die beteiligten Haushalte. Dieses Abhängigkeitsverhältnis negiert die Interpretation der Nachfragekurve des Haushaltes A zu einer Angebotskurve für Haushalt B und umgekehrt (Musgrave: 1966, 60). Die Gleichgewichtsmenge des öffentlichen Gutes im Schnittpunkt der beiden Nachfragekurven liegt bei OE; die Kostenübernahme gewährleisten die Haushalte, die sich durch anteilige Finanzierungen ergänzen. Damit sind eine efziente Allokation und ein pareto-optimaler Zustand gegeben (vgl. Kohn: 1973, 23 ff.). Es gilt diesbezüglich auszuführen, dass die Finanzierungsanteile der Haushalte im Gleichgewicht nicht zwangsweise identische Größenordnungen besitzen müssen, wie konkret aus der zuvor dargestellten Graphik mit 55 % bzw. 45 % ersichtlich. Demnach leistet das Wirtschaftssubjekt einen abweichenden Beitrag, dem durch die individuelle Zahlungsbereitschaft Ausdruck verliehen wird (vgl. Wellisch: 2000, 85). Das Gleichgewicht bietet lediglich eine wunschgemäße einheitliche Bereitstellungsmenge des öffentlichen Gutes.
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
117
Lindahl konstatiert die Verfügbarkeit des Gleichgewichtsangebotes, da beide Haushalte zu größeren Zahlungsleistungen bereit seien, sofern bei einer geringeren Angebotsmenge (geringer als OE) ein höherer Bedarf zur Kostendeckung erforderlich ist (vgl. Musgrave: 1966, 60). Das Lindahl-Modell geht von kooperativen Individuen aus, die gleichzeitig einer Offenlegung individueller Zahlungsbereitschaften nachkommen. Es basiert primär auf einer graphischen Lösung. Samuelson führte diese Ergebnisse mit analytischen Mitteln zur Ermittlung von pareto-optimalen Allokationen für öffentliche Güter und optimalen Bereitstellungsmengen fort (Samuelson: 1954, 387 ff.). Aus Vollständigkeitsgründen sei noch auf die soziale Bedeutung des Lindahl Gleichgewichtes verwiesen, das auch als Erklärung für wohlfahrtsökonomische Ansätze, wie allgemeine Bedingungen ökonomischer Grundfragen oder auch Koordinationsverfahren herangezogen wird, um wirtschaftpolitischen Handlungsbedarf bzw. die Ordnung des gesellschaftlichen Wirtschaftens zu erläutern (Streit: 2004, 7).
5.3.1.4.4.2 Grenzen des Lindahl Modells Mit Durchführung der vorstehenden Modellvorstellungen konnte eine efziente Bereitstellung von öffentlichen Gütern und pareto-optimalem Zustand erreicht werden, insbesondere vor dem Hintergrund der Modellannahmen. Die Gleichgewichtslösung nach Lindahl leitet sich aus dem Schnittpunkt des haushaltsbezogenen Nachfrageverhaltens ab. Diesem wird ein gegebenes Einkommen als eine Funktion in Abhängigkeit von der bereitgestellten Menge des öffentlichen Gutes zugrunde gelegt (Lindahl: 1919, 92). Das Lindahl-Modell relativiert potentielle Veränderungen der Einkommensverteilungen privater Haushalte und liefert demgemäß von den Annahmen abweichende Nachfragekurven, woraus letztlich in Anlehnung an das Ausgangsmodell veränderte Gleichgewichtszustände ableitbar sind. Somit existieren eine Vielzahl von möglichen Gleichgewichten und vielfache efziente Allokationen hinsichtlich der optimalen Menge des öffentlichen Gutes. Grundsätzlich ist daher festzuhalten, dass eine denierte Einkommensverteilung zu exakt einer efzienten Allokation führt, so dass unzufriedene Individuen zu einer Umverteilung des Einkommens in der Hoffnung auf Neuausrichtung der Finanzierungsanteile neigen, um nachfolgend Vorteile zu Lasten Dritter verzeichnen zu können (Wellisch: 2000, 85 ff). Die Annahme einer festgelegten Einkommensverteilung nach Lindahl sollte daher nur als idealisierende Bemessungsbasis Anwendung nden.
5.3.1.4.4.3 Strategisches Verhalten Die Individuen im Lindahl-Modell werden im Hinblick auf Preis- bzw. Menge als adaptionsfähig eingestuft, um das optimale Ergebnis möglich zu machen. Wie bereits dargelegt zeichnen sie sich insbesondere durch ihre Kooperationsbereitschaft aus, die auf absolut transparenten Informationsabläufen basiert. Diese führen zu nachvollziehbaren Angebotsund Nachfragesituationen mit letztlich pareto-optimalem Ausgang. Ein derartiges (Ideal) Verhalten liegt im Normalfall keinesfalls vor; Aussagen zum „Free-Rider-Problem“ fehlen im Lindahl-Modell gänzlich. Das alltägliche Verschleierungsverhalten bei der Offenlegung
118
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
individueller Zahlungsbereitschaften verdeutlicht entsprechende Informationsdezite, da weder Staat noch Haushalte den jeweils anderen „Marktteilnehmer“ einzuschätzen vermögen. Insofern sind asymmetrische Informationsverhältnisse gegeben (vgl. 5.3.1.2), die mitunter zur Verhinderung efzienter Ergebnisse im Sinne der Lindahl-Annahmen führen. Zudem verhalten sich die einzelnen Individuen vor dem Hintergrund strategischer Überlegungen und damit einhergehenden „Free-Riding-Tendenzen“ unkooperativ, da auch das Verhalten des jeweils anderen Haushaltes Einuss auf die eigene Entscheidungsndung nimmt. Sie vermögen in Abhängigkeit von den Einkommenselastizitäten (vgl. 5.3.1.4.4.2) der Haushaltsnachfrage zu einem Gleichgewicht zu führen, bei dem die Gleichgewichtsmenge jedoch unterhalb der optimalen Ausbringungsmenge des Lindahl-Modells angeordnet ist. Folglich unterliegt das Gleichgewicht sowohl den strategischen Überlegungen wie auch dem „Free-Rider-Verhalten“.
5.4
Formen staatlicher Intervention bei Marktversagen
Die kollektive Disziplinierung durch Kooperationsnormen und deren Durchsetzung dient der ökonomischen Ordnung innerhalb des Staatsgebildes. Ziel ist das „kollektive Optimum“ (Prisching: 2007, 11) für alle Marktteilnehmer zu erreichen. Dazu sind mitunter staatliche Eingriffe angezeigt, die es nunmehr auf Grundlage der beschriebenen Ursachen darzustellen gilt.
5.4.1
Externe Effekte
Das Einwirken externer Effekte führt zu einer Veränderung der Marktbedingungen und damit einer Neuausrichtung der gesellschaftlichen Efzienz der Marktlösungen. Die Produktion von Aluminium dient nunmehr als Beispiel negativer Externalitäten: Der Aluminiumproduzent betrachtet lediglich die ihm entstehenden Produktionskosten, ohne Einbeziehung der volkswirtschaftlichen Gesamtkosten, so zum Beispiel gesundheitliche Einschränkungen mit medizinischem Behandlungsbedarf bei der Wohnbevölkerung in unmittelbarer Nähe zur Produktionsstätte. Demnach basieren Angebot und Marktlösung auf dem Aluminiumpreis pMarkt bei der Absatzmenge QMarkt, also den vom Produzenten zu nanzierenden Inputfaktoren. Efzient ist hingegen der Schnittpunkt der volkswirtschaftlichen (sozialen) Kosten und der Nachfragekurve. Bei der Produktionsmenge QOptimum entspricht der Grenznutzen des Konsums gerade den sozialen Kosten der Produktion. Die Produktionsmenge der Marktlösung übersteigt somit die optimale Aluminiumquantität. Es mangelt im Ergebnis an einer Internalisierung der externen Effekte. Die Akteure sollen mit einer veränderten Anreizstruktur zur Berücksichtigung der externen Effekte gezwungen werden (vgl. Frick et al.: 2006, 6).
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
119
Abbildung 5-8 „Luftverschmutzung und soziales Optimimum“
Quelle: Eigene Darstellung lt. Kurer: Universität Erlangen, 2006, 20.
5.4.1.1
Verhandlungslösung nach Coase
Eine Lösung des Problems der negativen Externalitäten lässt sich prinzipiell durch private oder durch staatliche Aktivitäten herbeiführen. Private Ansätze erscheinen viel versprechend, sofern bei geringen Transaktionskosten klare Eigentumsrechte deniert sind (vgl. Kurer: 2006, 25). Nach Ronald Coase, Nobelpreisträger des Jahres 1991, entstehen externe Effekte aufgrund fehlender Märkte (Arnold: 2005, 8). Er geht davon aus, dass die Wirtschaftssubjekte auch ohne staatliche Intervention eine Einigung über Ausgleich der Schädigung oder des Nutzens zu erzielen vermögen. Die Verhandlungslösung mündet in einem Angebot der Ausgleichszahlung oder der Gewährung von Schädigungsrechten. Nach Coase existiert ein optimaler Umfang der Schädigung. Es ist zudem auf die Anzahl der Verhandlungsparteien hinzuweisen; mit steigender Beteiligung sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Lösung, da in der Anzahl der Verhandlungsteilnehmer ein Indikator für abnehmende Konsensfähigkeit zu sehen ist. Zudem erhöhen sich die Transaktionskosten (vgl. Sunderhaus: 2005, 10–11). Handelt es sich bei dem externen Effekt um ein öffentliches Gut, ist die CoaseLösung nicht anwendbar. In diesen Fällen verhindert „Free-Rider-Verhalten“ die efziente Allokation (Arnold: 2005, 8). Darüber hinaus müssen die Verhandlungspartner über jeweils vollkommene Informationen verfügen. Informationsasymmetrien verhindern eine efziente Lösung. Daher geht die Coase-Lösung von einer idealisierten Ausgangssituation aus, an der es in der Realität häug fehlen dürfte (Morasch: 2002, 47).
120 5.4.1.2
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Wirtschaftspolitische Eingriffe
Staatliche Interventionen zur Reduzierung externer Effekte richten sich an eine Vielzahl von Wirtschaftssubjekte mit dem Ziel, ein erwünschtes Verhalten durchzusetzen. Diese Maßnahmen können differenziert werden in regulative, skalische und marktbasierende Eingriffe (Frick et al.: 2006, 13).
5.4.1.2.1 Regulative Eingriffe Der Begriff „Regulierung“ weckt durchaus ambivalente Assoziationen. „Während Regulierung einerseits mit dem Konzept des schlanken, von Umverteilungsambitionen gereinigten Gewährleistungsstaates verbunden wird, ist auf der anderen Seite eine Diskussion über „better regulation“ im Gange, die auf der Wahrnehmung bürokratischer Überregulierung basiert“ (vgl. Empter et al.: 2005 in Döhler: 2006, 210). Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um parallele und konigierende Prozesse handelt, die in Abhängigkeit vom wirtschaftspolitischen Standpunkt zu einer positiven oder negativen Sinngebung staatlicher Interventionen führen können. Regulierungen im Kontext dieser Ausführungen sind „bindende staatliche Verhalternsvorschriften und Standards“ (Döhler: 2006, 208). Sie richten sich an alle Wirtschaftssubjekte innerhalb staatlicher Grenzen bzw. eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes. Staatlich verordnete Regulierungen sind geeignet, Kompetenzverschiebungen in Wirtschaftssystemen mit nachhaltigen Folgen auszulösen, so zum Beispiel, um die strukturellen Eigenheiten eines Wettbewerbssegments und das Streben nach einer efzienten Ressourcenallokation harmonisieren bzw. annähern zu können. Sie äußern sich üblicherweise in Geboten und Verboten, die im konkreten Fall der Regulierung externer Effekte angemessen erscheinen, entstehen doch zwischen Wirtschaftseinheiten ökonomisch relevante Beziehungen „am Markt vorbei“. Diese Beziehungen sind nicht nur allokationswirksam, sondern können auch Ursprung gesellschaftlicher Konikte sein (Streit: 2005, 146). Die im Rahmen der staatlichen Regulierung externer Effekte ausgesprochenen Handlungszwänge sind im Allgemeinen offen formuliert. Die Wahl der Regulierungsinstrumente liegt im Ermessen der Wirtschaftssubjekte; die Erfüllung ist zudem Dritten übertragbar. Mit der staatlichen Intervention erfolgt eine Limitierung der Nutzungsmöglichkeiten, die auch als „öffentlich-rechtliche Vorbeugung“ interpretiert werden kann. Überdies ist eine derartige Limitierung maßgebend für die Durchsetzung- oder Ausschlusskosten der für Dritte beeinträchtigenden Nutzung (vgl. Streit: 2005, 83). Exemplarisch sei auf die Regulierung der Umweltnutzung verwiesen, die auf den Prinzipien der Verursachung, der Gemeinlast oder der Vorsorge beruhen kann. Die Schwierigkeit der Bemessung des Schädigungsgrades, die Berücksichtigung der Assimilationsfähigkeit der Natur, die Eingrenzung der Verursacher einschließlich der Ursachenvielfalt sowie die Existenz von Synergismen und Verzögerungen deuten auf die Komplexität des Regulierungsgegenstandes hin. Die Möglichkeiten der staatlichen Intervention bestehen aus Geboten und Verboten, aber auch aus öffentlichen Investitionen und Steuernachlässen als kombinierte Regulierungs- und Förderungsstruktur. Ziel ist die Eliminierung bzw. Reduzierung markanter industrieller Zustandsstörer, die zen-
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121
trale und dezentrale Begünstigung innovativer Umwelttechnologien sowie die Kontrolle der Kosten der Beseitigung bzw. Vermeidung von negativen Externalitäten (Streit: 2005, 150), also einem ganzheitlichen Anspruch, der den eingangs gewählten Formulierungen eines Eingriffs mit nachhaltigen Konsequenzen gerecht zu werden vermag.
5.4.1.2.2 Fiskalische Eingriffe Die Antwort der klassischen Ökonomie zur Korrektur negativer Externalitäten ist die Erhebung einer Pigou-Steuer, benannt nach dem englischen Ökonomen Arthur Cecil Pigou (1912). Durch die Erhebung dieser Steuer wird dem Anbieter oder auch dem Nachfrager der Wert des negativen externen Effektes belastet (vgl. Kirsten: 2006, 6), demnach der Internalisierung desselben Ausdruck verliehen. Dem Staat obliegt die Aufgabe regulierend einzugreifen. Neben der zuvor beschriebenen Möglichkeit der Regulierung vermag auch diese Begründung von Zwangsabgaben zum Ausgleich der Efzienzeinbußen beizutragen (Kapernaum et al.: 2007, 25). Es handelt sich um eine retrospektive Form der Besteuerung, die negative Externalitäten auf einem „Quasi-Markt“ zu bemessen versucht. Der Verursacher dieser Effekte wird mit einer Steuer belegt, deren Größenordnung äquivalent den externen Kosten ist. Die Pigou-Steuer als Instrument der Externalitätenbilanzierung gilt als probates Mittel zur Darstellung pareto-optimaler Marktlösungen. Die Bemessung der exakten Grenzkosten der Produktion bzw. der zu besteuernden Handlung und damit der Höhe des zu erhebenden Steuersatzes scheitert oftmals an der diffusen Verursacherfrage. Daher erfolgt die Besteuerung häug mit Hilfe einer so genannten Lenkungssteuer, zum Beispiel im Bereich des Umweltschutzes. In Ermangelung konkreter Zuordnungsziele orientiert sich die Steuerquote an einer „bestimmten, wünschenswerten Verbesserung der Umweltqualität“ bzw. einer bestimmten gewünschten Verringerung der Umweltbelastung. Der Pigou- und der Lenkungssteuer ist gemein, dass die Steuerlast nicht vollständig von den Konsumenten aufgewendet werden muss (vgl. Pierrad: 2005). Abbildung 5-9 führt die ökonomischen und ökologischen Wechselwirkungen zusammen. Die einzelnen Quadranten des Diagramms betonen die Wirkungs- bereiche der externen Effekte und verdeutlichen insoweit den Internalisierungsbedarf zum langfristigen Erhalt der Umweltqualität. Im Quadranten der „Wirtschaft“ sind das Marktgleichgewicht und die Auswirkungen negativer Effekte auf Kosten und Produktionsmenge dargestellt. Im Bereich „Technologie“ werden Emissions- und Produktionsmenge bei konstanten technologischen Rahmenbedingungen beschrieben, während der Quadrant „Aufnahmefähigkeit der Ökosysteme“ als Ausdruck der Umweltqualität zu verstehen ist. Die externen Kosten schließlich geben die Größenordnung der nicht internalisierten externen Einüsse wieder, deren Dimension unbekannt ist. Somit zielt die Lenkungssteuer im Gegensatz zur PigouSteuer nicht auf die konkrete Verursacheridentizierung, sondern vielmehr auf einen grundsätzlichen Ansatz der Aufwertung ökologischer Lebensbedingungen, dem in Abbildung 5-9 durch die positive Korrektur der Umweltqualität von i nach i* und durch die Reduzierung der Emission von e nach e* Bedeutung verliehen wird. Die Minderung der externen Effekte führt nunmehr zum Produktionsniveau q* und zum Preis p*. Als Ergebnis dessen verschiebt sich die interne Grenzkostenkurve IGK bis zum veränderten Schnittpunkt des
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Produktions- und Preisniveaus, so dass aus der resultierenden Veränderung der internen Grenzkostenkurve IGK LS die zu erhebende Lenkungssteuer ableitbar ist. Die Konsumenten sind für die Steuerlast oberhalb des Preisniveaus p bis zum Preisniveau p* verantwortlich, während die Produzenten den steuerlichen Anteil unterhalb von p zu tragen haben. Damit ist die Korrelation von Angebot und Nachfrage schlussendlich für Verteilung der Steuerpichten maßgebend (vgl. Pierrad: 2005). Die Erhöhung des Preisniveaus soll den Konsumenten zur Suche nach umweltschonenden Substitutionsgütern und zur sparsameren Verwendung von Umweltgütern veranlassen (Marscher et al.: 1999, 5). Abbildung 5-9 „Internalisierung externer Effekte“
Quelle: Eigene Darstellung lt. Pierrad: Technische Universität Wien, 2005.
5.4.1.2.3 Marktbasierende Eingriffe Eine weitere Form der staatlichen Intervention zur Beseitigung bzw. Minderung externer Effekte knüpft an die Theorie der Verfügungsrechte nach Coase an (vgl. 5.4.1.1). Exemplarisch dient die Reduzierung von Umweltbelastungen auch als Basis dieses Abschnittes. Dem Staat obliegt die Denition eines maximalen Emissionsvolumens; die Gesamtmenge der schädlichen Einwirkungen soll durch Ausgabe von Emissionszertikaten auf die Emittenten verteilt und gesteuert werden (Keppler: 2006, 2). Der Staat tritt als Eigentümer der Umweltmedien auf, indem er den Kreis der Zertikatberechtigten und Zertikatpichtigen festlegt und partielle Rechte an Interessierte vergibt (Stehling: 2007, 183). Die Rechte an der Umweltbelastung sind demzufolge handelbar. Die Erstzuteilung der Emissionszertikate erfolgt im Rahmen einer Auktion oder einer kostenlosen Überlassung bzw. in einer
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
123
Mischform der genannten Distributionsmethoden (Clemenz: 2007,16). Für jeden Emittenten ist der Erwerb von Zertikaten protabel, solange die Grenzkosten der Vermeidung über dem Zertikatpreis liegen. Dieser Maßstab lässt den Gesamtpreis für die Emissionsrechte bei vollständiger Konkurrenz auf dem Zertikatmarkt mit den Gesamtvermeidungskosten aller Emittenten korrelieren. Ein pareto-optimaler Zustand kann erreicht werden, sofern der Staat die aggregierte Grenzkostenfunktion der Schadstoffvermeidung kennt. Die Aufgabe des Staates besteht daher einerseits in der Festlegung der Emissionsmenge, andererseits in der Allokationsregulierung für die Erstausschüttung der Verschmutzungsrechte sowie der Überwachung des Handels (vgl. Keppler: 2006, 2–5). Der Kurs des Zertikats ist ein Ergebnis des Marktes, wobei der Staat mit Ausnahme der initialen Basisleistungen nicht in das Marktgeschehen eingreift. Die ökologische Treffsicherheit ist damit ausgesprochen gut, wenngleich die räumliche Verteilung der Umweltbelastung bei dieser statischen Efzienz unberücksichtigt bleibt (vgl. Helberger: 2006, 9). Die dynamische Efzienz hingegen beruht auf den „Marktmechanismen“ des Zertikathandels. Verursachende Wirtschaftssubjekte sind nunmehr in der Lage, die Umweltbelastung durch den Kauf weiterer Verschmutzungsrechte zu erhöhen oder durch den Einsatz emissionsreduzierender Technologien zu korrigieren und damit anderen Wirtschaftsubjekten zum Kauf anzubieten. Entscheidend sind die Grenzkosten der Vermeidung. Infolge des Aufkaufs von Emissionszertikaten oder infolge der Stilllegung von Verschmutzungsrechten ist der der Staat in der Lage, das Umweltziel zu erhöhen (vgl. Schläpfer: 2007, 32). Transaktionskosten blieben bisher unberücksichtigt. Sie entstehen vorwiegend bei der Einrichtung und Nutzung des Zertikatmarktes, so zum Beispiel den Kosten der Programmentwicklung, den Kosten zum Aufbau einer Verwaltungsstruktur oder den Kosten der Überwachung und Durchsetzung. Diese mindern die Efzienzgewinne eines Zertikatsystems ebenso wie die eines steuergestützten Verfahrens zur Minimierung negativer externer Effekte (vgl. Keppler: 2006, 6).
5.4.2
Informationsdezite
Informationsasymmetrien vermögen Efzienz- und Verteilungsprobleme auszulösen (vgl.5.3.1.2). Die Markteilnehmer sind durchaus in der Lage diese zu eliminieren bzw. zu reduzieren. Sie bauen dabei auf die unterschiedlichen informationsbezogenen Perspektiven auf. Wirtschaftssubjekte mit guten Informationen versuchen die Güte des Produktes zu signalisieren, um Vertrauen zu gewinnen („Signaling“). Das Aussenden des Signals bedarf der Investition in das Prol des jeweiligen Produktes sowie kommunikativer Strategien, sollen „unehrliche Anbieter“ vom Markt verdrängt werden. Ein hoher Produktpreis ist als Gütezeichen interpretierbar (Kraus et. al.: 2001, 9). Schlechtinformierte Marktteilnehmer sind demgegenüber bestrebt, die Basis ihres Entscheidungsprozesses zu fundieren. Sie nehmen häug die Möglichkeit des „Screenings“ in Form von Tests, Gutachten oder Haftungszusagen wahr, um die Ungewissheit weitestgehend kompensieren zu können; auch das „Screening“ kann mit erheblichen Kosten verbunden sein. Die dargestellten privaten Aktivitäten sind geeignet die beiderseitigen Informationsasymmetrien abzuschwächen. Über „Signaling“ und „Screening“ hinaus dürfte die Harmonisierung von Interessen in
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
einigen Fällen hilfreich sein. Es stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob eine Deregulierung von Informationsasymmetrien den Selbstheilungskräften des Marktes oder staatlichen Eingriffen unterliegen soll. Hierzu nden sich in der einschlägigen Literatur unterschiedliche Ansichten. Während Christoph A. Müller in seiner Habilitationsschrift an der Universität St. Gallen davon ausgeht, dass „der Markt grundsätzlich genügend Möglichkeiten besitzt, das Problem der Informationsasymmetrien zu lösen“ (Müller: 2001: 151), sieht Karl Morasch im Rahmen seiner Professur für Volkswirtschaftslehre an der Bundeswehr-Universität München „durchaus Ansatzpunkte für wirtschaftspolitische Maßnahmen, da die Probleme in den meisten Fällen durch die privaten Aktivitäten bestenfalls verringert, aber nicht vollständig gelöst werden können“ (Morasch: 2002, 51). Diese Diskrepanz der Aussagen erschöpfend zu diskutieren, ist an dieser Stelle nicht möglich. Exemplarisch deuten indes die Vielzahl gesetzlicher Vorschriften für den Handel mit komplexen Gütern darauf hin, dass dem Staat in der Tat eine erhebliche Bedeutung für die Reduzierung der Informationsasymmetrien beizumessen ist, wie aus der Etablierung von Gewährleistungspichten, der Denition von Qualitätsstandards oder auch den Rahmenbedingungen für Vertragsabschlüsse hervorgeht (Morasch: 2002, 51–52). Ein weiteres prominentes Beispiel der staatlichen Intervention bei Informationsasymmetrien bildet die Pichtversicherung im Gesundheitswesen (vgl. Buchholz: 2004, 2–7).
5.4.2.1
Eine analytische Lösung von Informationsasymmetrien
Es erscheint nunmehr evident, dass die Verteilung des Informationsgutes unter den Wirtschaftssubjekten von zentraler Bedeutung ist. Innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems dient der Preis des Wirtschaftsgutes in einer Umgebung vollkommener Information als Ausdruck der Verfügbarkeit. Ein Preisanstieg indiziert insofern eine Verknappung des Gutes, die auf einer Erhöhung der Nachfrage oder einer Senkung der Produktionsleistung beruhen kann. Der Wert des Informationsgutes wird erst mit Veränderung der Informationsgemengelage verändert, da unvollkommene Informationen über die Qualität des Wirtschaftsgutes zu inefzienten Marktergebnissen führen können, wie am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes in Kapitel 5.3.1.2 dargestellt wurde. Auf Grundlage dessen gilt es die Mechanismen der Informationsasymmetrien wie folgt aufzuzeigen (vgl. Guse et al.: 2007, 11–15). Gegeben ist der Markt für die Gebrauchtwagen x, die jeweils über die Qualität q verfügen. Der Markt umfasst potentielle Anbieter A mit einer Erstausstattung von e Einheiten des Gutes x. Die Größenordnung der Einheiten e bietet den Anbietern einen qualitätsbezogenen Nutzen q für jede Einheit e des Gutes x, die sie nicht veräußern. Der Verkauf der Einheiten e erzielt einen Erlös R A. Der Nutzen U pro Einheit e wird als konstant angenommen. Der Anbieter A strebt die Maximierung des Nutzens U an: maxUA = R A + (e-x)q xe
R A = xp 0.
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
125
Demgegenüber existieren potentielle Nachfrager N, die einen höheren Nutzen U aus der Nutzung U des Gutes x ziehen, wenngleich der Nutzen U wiederum von der Qualität q abhängig ist. Daraus folgt: maxU N = R N + 3 qx 2 x0 R N = Y N – px 0. Es gilt daraus resultierend: RN = YN – RA Y N ist ein von außen vorgegebener Erlös der Nachfragenden N. Infolge des größeren Nutzens U auf Seiten der Nachfragenden N sind im Allgemeinen gute Möglichkeiten für den Warenaustausch gegeben. Sofern transparente Marktverhältnisse vorliegen und die Qualität q der Güter x beurteilbar ist, sollte sich ein Preis einstellen, der durch die Beziehung 3 p(q) [q, 2 q] dargestellt wird. Mit Veränderung der Informationssymmetrie wissen die Anbieter A um die Qualität q des Gutes x; sie sind demnach in der Lage die Angebotsentscheidung von ihrem Informationsvorsprung abhängig zu machen, während es den Nachfragenden N nunmehr an einer rationalen Entscheidungsbasis mangelt. Es ist anzunehmen, dass sowohl Anbieter A als auch Nachfragende N eine Erwartungsnutzenfunktion besitzen und daher Kenntnis bzw. Unsicherheiten über die Qualität q mit ihrem jeweils durchschnittlich erwarteten Nutzen U bewerten (vgl. Gerber: 2003, 2). Ausgehend von der Annahme eines linearen Nutzens U handelt es sich um risikoneutrale Akteure. Der Nutzen des Erwartungswertes ist somit gleich dem Erwartungswert des Nutzens (Hörter: 2002, 7). Folglich sind etwaige Risikoafnitäten ausschließlich ein Ergebnis der Marktinteraktion. Die Funktion es Nutzens der Anbieter A erhält durch das Einbringen der Nebenfunktion den folgenden Ausdruck: UA = (p – q)x + eq Nachstehend das optimale Verhalten der Anbieter A:
{
x A (p,q)
=e p>q [0,e] p = q. =0 p
(Risikoaversion) (Risikoneutralität) (Risikofreudigkeit)
Die Anbieter A beabsichtigen ihre Erstausstattung zu veräußern, sofern der Preis die Qualität q übersteigt; ansonsten nutzen sie die Erstausstattung. Aus Sicht des Nachfragenden N ist die tatsächliche Qualität q des Gutes x unbekannt. Daher ist es möglich anstelle dieser Unbekannten die erwartete Qualität F(q|p) einzufügen.
126
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Der Nachfragende N lässt die verfügbaren Informationen in seine Erwartungshaltung einießen. Lediglich vom Preis könnten darüber hinaus noch ergänzende Signale ausgehen: U N = Y N + x 3 (F(q|p) – q 2
)
Nachstehend das optimale Verhalten der Nachfragenden N:
Der Wert der Erwartung F(q|p) ist abhängig von der Verteilung der Qualität q im Kreise der Anbieter A, wobei seitens der Nachfragenden N durchaus die rationale Entscheidungsbasis der Anbieter A Berücksichtigung ndet. Den Ausführungen von Akerlof folgend, sei die Qualität q in der Größenordnung 0 q 2 gleichmäßig verteilt und es würden unendliche viele Anbieter A mit Maß 1 existieren (vgl. Akerlof: 1970, S. 491). Das maximale Angebot weist den Umfang der Erstausstattung e aller Anbieter A auf. Bei einem Preis p bieten die Anbieter A mit der Qualität q < p an. Daraus folgt, dass die zum Preis p angebotenen Güter p x eine durchschnittliche Qualität 2 aufweisen, die unterhalb des Preises liegt. Es gilt:
Es werden nur noch Güter schlechter Qualität auf dem Markt gehandelt. Ein auf Angebot und Nachfrage aufbauender Marktmechanismus liegt aufgrund der asymmetrischen Informationsverhältnisse nicht vor. Private Lösungen können zielführend sein. Es ist dennoch nicht auszuschließen, dass staatliche Eingriffe erforderlich sind (vgl. 5.3.1.2).
5.4.3
Monopole
Nehmen die Grenzkosten der Produktion im Gesamtbereich des Absatzmarktes ab, kommt es zur Bildung eines Monopols als dauerhaft dominante Marktform. Bei gegebenen Marktverhältnissen ist ein einzelner Produzent in der Lage, das Wirtschaftsgut am kostengünstigsten anzubieten. Er ist Monopolist ohne Wettbewerbsdruck (vgl. Morasch I: 2001, 89). Eine Begrenzung der Marktmacht mag wirtschaftspolitisch sinnvoll anmuten, bedarf jedoch des Vergleichs „Größe versus Efzienz, also der Gegenüberstellung efzienter Märkte bzw. tendenzieller Efzienzminderungen und der jeweiligen Auswirkung auf Output und Preise (Bellak et al.: 2001, 5). Ebenso erscheint die Divergenz von gewinnmaximierenden Privatinteressen und gesamtgesellschaftlichen Versorgungsaufgaben berücksichtigenswert. Eine kritische Betrachtung impliziert zudem Verdrängungspraktiken der Marktmacht, die „schwache Grenzanbieter“ aus dem Wettbewerb zu verdrängen vermögen (vgl. Bontrup:
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
127
2007), ohne dass der marktbeherrschenden Stellung infolge des Monopolcharakters eine missbräuchliche Handlung immanent ist (vgl. Basedow: 2003, 9). Daher können auch marktwirtschaftlich orientierte Ordnungen Anlass für öffentlich motivierte Korrekturen bieten.
5.4.3.1
Staatliche Interventionen
Staatliche Eingriffe dienen entweder der Regulierung privater Unternehmen oder der Übertragung der Marktmacht auf ein öffentliches Unternehmen. Das Ziel der Preis- und Verhaltenssteuerung eines Unternehmens lässt sich auch durch eine vetofähige öffentliche Minderheitsbeteiligung bzw. staatliche Regulierungsautoritäten erreichen wie am Beispiel der Telekommunikationsindustrien mit Einrichtung von Regulierungsbehörden deutlich geworden ist (Erdmeier: 2000, 85). Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht gilt es die Auswirkungen der Produktions-, Regulierungs- und Transaktionskosten auf die Konsumentenrente als Ausdruck des Verbrauchernutzens abzuwägen; letzterer richtet sich an den Marktpreisen aus (Mühlenkamp I: 2002, 6). Unter gleichen Rahmenbedingungen wird ein gewinnorientierter privater Monopolist im Vergleich zu einem öffentlichen, lediglich zur Kostendeckung verpichteten Unternehmen, höhere Preise verlangen. Die nachfolgende Abbildung 5-10 vergleicht die Wohlfahrtswirkungen der beiden wie vor bezeichneten Unternehmenstypen. Abbildung 5-10 „Betriebliche Efzienz versus allokative Efzienz“
Quelle: Mühlenkamp: Universität Hohenheim, 2002, 14.
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Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Die eingangs formulierte Regulierung privater Monopolisten dient der Senkung bzw. der Begrenzung von Marktpreisen mit dem Ziel, dieselben den Durchschnittskosten des privaten Unternehmens weitestgehend anzunähern. Ohne staatliche Intervention hingegen strebt es nach Gewinnmaximierung. Dazu erfolgt auf Grundlage der exakten Absatzmenge xprivat und des Preises pprivat die Ermittlung des so genannten „Cornout-Preises“10, bei dem die Grenzkosten und die Grenzerlöse identisch sind (vgl. Mühlenkamp II: 2003, 19). Die Fläche d entspricht der Konsumentenrente, der Gewinn des privaten Monopolisten wird durch die Flächen c+b wiedergegeben. Der soziale Überschuss als Summe aus Konsumenten und Produzentenrente ist gleich den Flächen d+c+b. Die Wahrnehmung der Monopolistenrolle durch ein öffentliches Unternehmen setzt annahmegemäß eine Kostendeckung voraus, so dass der Produktpreis äquivalent dem Durchschnittskostenpreis zu wählen wäre. Ebenso werden dem öffentlichen Monopolisten vergleichsweise höhere Grenz- und Durchschnittskosten zugeordnet. Der Durchschnittskostenpreis dürfte indes kleiner sein, als der Preis, den ein privater, nicht regulierter Monopolist vorzugeben bereit ist, woraus eine steigende Absatzmenge xöffentlich resultiert. Abbildung 5-10 verdeutlicht, dass kein Gewinn bzw. keine Konsumentenrente zu erzielen ist, die Wohlfahrt jedoch das Ergebnis des privaten Monopolisten übertrifft, da der durch den Durchschnittskostenpreis erzielte Gewinn an Konsumentenrente größer ist, als der Verlust an Produzentenrente bzw. des Gewinns. Die Konsumentenrente entspricht der Fläche d + c + a (vgl. Mühlenkamp: 2002, S.14–15). Maßgebend ist somit der allokativ efziente Preis mit positiver Auswirkung auf die Nachfragemenge. Zwar mag das öffentliche Unternehmen höhere Produktionskosten (Fläche b) verursachen, die jedoch „den Konsumenten als Rente zur Verfügung“ gestellt werden (Mühlenkamp II: 2003, 21). Im dargestellten Beispiel hat die Gegenüberstellung „allokative versus betriebliche Efzienz“ einen höheren sozialen Überschuss erzeugt, ohne dass damit grundsätzliche Schlussfolgerungen einhergehen. Vielmehr bestimmen der Verlauf der Nachfragekurve, der Umfang der Produktionskostenunterschiede, die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts sowie die betriebliche Efzienz eines privaten bzw. eines öffentlichen Unternehmens das Ergebnis wohlfahrtsökonomischer Beurteilungen. Somit ist eine Präferenz für gewinnmaximierende private oder kostendeckende öffentliche Einrichtungen nicht allgemeingültig konstatierbar (vgl. Mühlenkamp II: 2003, 20–22). Es bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung der Wohlfahrtswirkungen als Indikator staatlicher Interventionsentscheidungen. Diese Eingriffsschwelle festzulegen erweist sich als schwierig, da sie auch als Ausdruck wirtschaftspolitischer Akzentuierungen der jeweiligen Verantwortungsträger verstanden werden kann. Darüber hinaus existieren auch in der Wirtschaftswissenschaft unterschiedliche Einschätzungen (vgl. 5.4.2). Nach Oz Shy sind staatliche Marktbeeinussungen generell 10
Für die Gewinnmaximierung gilt, dass Grenzkosten und Grenzerlös größengleich sind. Beim Verkauf einer weiteren Einheit fällt der Preis nicht nur für diese, sondern auch für alle vorherigen Einheiten. Der Grenzerlös zu jeder Menge ist aufgrund der Nachfrageelastizitäten geringer als der Preis. Je acher (steiler) eine Nachfragekurve bei gegebenem Angebotspreis verläuft, desto größer (kleiner) ist die Preiselastizität. Zu beachten gilt indes die Preiselastizität entlang einer linearen Nachfragekurve. Sie nimmt ausgehend vom Ausgangspreis unterschiedliche Werte an, da gleiche absolute Preisänderungen im Verlauf einer linearen Nachfragefunktion abweichende relative Größen bedeuten. Unterstellt man nun mit zunehmendem Output steigende Grenzkosten ergibt sich der Preis der gewinnmaximierenden Preis-Mengen-Kombination aus der vertikalen Projektion der Grenzkosten- mit der Grenzerlöskurve auf die Nachfragekurve. Die Stelle ist der Cournotische Punkt (vgl. Hardes et al.: 1994, 124–125 und Woll: 1993, 195).
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
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nicht wünschenswert. Er erachtet diese Eingriffe lediglich dann als erforderlich, sofern eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage aufgrund von Technologiebarrieren eintritt, wie sie beispielsweise in Netzwerkindustrien zu beobachten gewesen ist. Monopole lassen sich nach Shy häug durch schlechten Service und schleppende Innovationsadaption aufgrund ausbleibender Infrastrukturinvestitionen charakterisieren. Er führt exemplarisch die Telekommunikation und die Briefzustellung an, die bis etwa Anfang 1980 in den meisten Ländern die Strukturen von natürlichen Monopolen aufwiesen. Erst mit der Legitimation des Netzzuganges von Mitbewerbern seien technologische und organisatorische Reserven mit dem Ergebnis eines orierenden Wettbewerbes frei geworden (vgl. Shy: 2001, 6–8).
5.4.4
Das öffentliche Gut Feuerwehr
Die staatliche Aufgabe bei der Bereitstellung öffentlicher Güter besteht grundsätzlich die Verfügbarkeit derselben zu gewährleisten. Reine öffentliche Güter wie die Sicherstellung der Landesverteidigung oder auch die ächendeckende Bereitstellung von Feuerwehrstrukturen sind aufgrund gesellschaftlicher bzw. institutioneller Vereinbarungen nicht marktfähig. Die Verfassung der Republik Österreich sowie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland weisen die Aufgaben des Brandschutzes zunächst den Bundesländern zu. Die Bundesländer erlassen Gesetze und übertragen auf deren Grundlage letztlich den Kommunen die Aufgaben zur Einrichtung leistungsfähiger Feuerwehren (vgl. 3.). Die individuelle Dimension der Gestellung des öffentlichen Gutes „Feuerwehr“ wird erst mit dem Konsum wahrgenommen. Dieser ist durch Dritte nicht beeinussbar. Es mangelt den Dritten jedoch an Anreizen zur Finanzierung des Kollektivgutes „Feuerwehr“, wohl wissend, dass auch der eigene Konsum im Bedarfsfalle durch Dritte nicht gestört werden kann (vgl. 5.3.1.4.1 5). Die Anonymisierung des individuellen Kooperationsverhaltens führt zu den bereits beschriebenen „Free-Riding-Tendenzen“.
5.4.4.1
Das öffentliche Gut Feuerwehr: Individuelles „Free-Riding-Verhalten“
Ausgehend vom kommunalen Sicherstellungsauftrag sei die Gemeinde A gegeben, die nunmehr an ihre Gemeindemitglieder herantritt, um die örtliche Feuerwehr kollektiv einrichten und unterhalten zu können. Den Gemeindemitgliedern bieten sich folgende Optionen:
130
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Abbildung 5-11 „Finanzierung des öffentlichen Gutes Feuerwehr“
Gemeindemitglied I
Gesamtheit der Gemeindemitglieder außer Gemeindemitglied I
Freiwillige Zahlungsbereitschaft Keine freiwillige Zahlungsbereitschaft
Freiwillige Zahlungsbereitschaft
Keine freiwillige Zahlungsbereitschaft
10 (= 20 10)
10 (= 0 10)
20 (=20 0)
0 (= 0 0)
Das Gemeindemitglied I als Ausdruck für den Einzelnen verfügt über 2 strategische Auswahlmöglichkeiten. Sofern es seine freiwillige Zahlungsbereitschaft signalisiert, steigt sein individuelles Nutzwertniveau um 10 Einheiten unter der Voraussetzung, dass auch die Gesamtheit der Gemeindemitglieder zur Beitragsleistung in gleicher Größenordnung bereit ist. Verweigert nun die verbleibende Gesamtheit der Gemeindemitglieder die Zahlung, kann die Feuerwehr weder eingerichtet noch unterhalten werden. Als Konsequenz sinkt das Nutzwertniveau von Gemeindemitglied I um die Größenordnung seiner eingangs geäußerten Zahlungsbereitschaft. Neigt es jedoch zum „Free-Riding-Verhalten“, steigt sein individuelles Nutzwertniveau um den Betrag von 20 Einheiten, vorausgesetzt, die Gesamtheit der Gemeindemitglieder ist zur Zahlung bereit. Eine ganzheitlich ausbleibende Zahlungsbereitschaft bleibt für den „Free-Rider“ ohne Nachteile, so dass „Trittbrettfahren“ im konkreten Beispiel etwaige Zahlungsbereitschaften mit dem Ergebnis dominiert, dass keine Feuerwehr vorgehalten werden kann. Die Schlussfolgerung überrascht nicht. Der Staat löst das „individuelle Free-RiderProblem“ regelmäßig durch die zwangsweise Erhebung von Abgaben zum Zwecke der Erfüllung seines Sicherstellungsauftrages.
5.4.4.2
Das öffentliche Gut Feuerwehr: Staatliches „Free-Riding-Verhalten“
Die Organisation der Feuerwehren in Österreich und Deutschland obliegt den Gemeinden, die auf Grundlage örtlicher Gefahrenmerkmale leistungsfähige Feuerwehrstrukturen zu gewährleisten haben (vgl. 3.1). Diesem verpichtenden Auftrag der Landesgesetzgeber werden jedoch nicht zwingend gleiche Prioritäten zugestanden (vgl. 4.4.1 und 4.5.2). Vor dem Hintergrund der abschliessenden kommunalen Verantwortung sind die Gemeinden ihrerseits in der Lage, die Zuordnung von Feuerschutzprioritäten am nanziellen Aufwand auszurichten. Teile dieses Aufwandes scheinen aufgrund der historisch verankerten und nach wie vor praktizierten nachbarschaftlichen Hilfeleistung (vgl. 2.5) u. a. bei Investitionen in Fahrzeug- und Gerätetechnik kalkulierbar, da die Vorhaltung durch benachbarte Dritte durchaus Einuss auf die eigene Investitionsentscheidung einer Gemeinde trotz gesetzli-
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
131
cher Vorhalteverpichtungen nehmen kann. Infolge fehlender bzw. schwach ausgeprägter Koordinationsprozesse unterbleiben Eingriffe, um „Free-Riding-Tendenzen“ einzelner Gebietskörperschaften entgegen zu wirken, zumal die Wirksamkeit kommunalaufsichtlicher Elemente den dargelegten Schwächen und Grenzen unterliegt (vgl. 4.4.1). Zur Intensivierung der Feuerschutzbemühungen können Abstimmungsmechanismen aus ökonomischer Sicht sinnvoll sein, da die Bereitstellung des öffentlichen Gutes Feuerwehr efzienter erfolgen dürfte. Als Folge der isolierten kommunalen Aufgabenerfüllung und in Ermangelung koordinierender Anstrengungen sind Trittbrettfahrer in Gestalt der Gemeinden als Träger der Feuerschutzaufgaben zu erwarten. Soll die Efzienz steigen, bedarf es einer möglichst breiten Koordinierung. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der staatliche Sicherstellungsauftrag von einigen Kommunen produziert wird, während ihn andere Gebietskörperschaften vornehmlich konsumieren.
5.4.4.2.1 Darstellung des „Free-Rider-Verhaltens“ (vgl. Weichenrieder, 2000, 51) Gegeben sind 2 Gemeinden (g = I, II). Sie verfügen jeweils die Ausstattung yg, die für feuerschutzbezogenen Ausgaben (Fg) und andere Güter aufgewendet wird. Annahmegemäß werden ng identische Individuen in jeder Gemeinde vorausgesetzt. Ihre Nutzenfunktion über die Höhe der Aufwendungen für den örtlichen Feuerschutz sowie des Aufwandes für sonstige Güter (yg – Fg / ng) lautet: UI = (yI – FI / nI)a (FI + FII)b UII = (yII – FII / nII)a (FI + FII)b Mit steigender Einwohnerzahl ng sinken die Kosten, die das einzelne Individuum für die Bereitstellung der Feuerwehr aufzubringen hat. Ausgehend von der Annahme, dass die jeweiligen Ausgaben in den Gemeinden I und II gleichermaßen zur Sicherheit in beiden Gemeinden beitragen, gehen FI und FII symmetrisch in die Nutzenfunktion ein. Durch Differenzierung der Nutzenfunktion ergibt sich für die beiden Gemeinden die Steigung der Indifferenzkurven im FI - FII - Raum:
132
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Die Reaktionskurven ergeben sich aus der Verbindungslinie aller Punkte (vgl. Woll: 1993, 127) in denen die Steigung der Indifferenzkurven dFII / dFI = 0 (Gemeinde I) bzw. dFII / dFI = (Gemeinde II) beträgt:
Beide Reaktionskurven verlaufen gemäß den vorstehenden Gleichungen negativ steigend. Sie weisen demnach substitutive Beziehungen auf (vgl. Woll: 1993, 128). Die beiden Gemeindegebiete sind als „Feuerschutzverbund“ zu betrachten, die den Sicherstellungsauftrag eigenverantwortlich betreiben, jedoch im Bedarfsfall einander unterstützen. Es existieren unendlich viele Mengenkombinationen, die einen vergleichbaren Nutzen stiften. Sofern sich Gemeinde I zur Reduzierung ihres nanziellen Aufwandes für die Sicherstellung der Feuerwehr um eine Einheit ihrer Ausstattung yg entschließt, ist zur Gewährleistung desselben Grundnutzens die simultane Erhöhung durch Gemeinde II in Höhe einer Einheit der Ausstattung yg erforderlich. Der Minimierung durch Gemeinde I steht eine indifferente Maximierung von Gemeinde II gegenüber, demzufolge eine äquivalente Umverteilung der Finanzierungslasten. Abbildung 5-12 zeigt ein Gleichgewicht im Punkt Z im Schnittpunkt der Reaktionsfunktionen. Die markierte Fläche verdeutlicht Optimierungsmöglichkeiten, sofern den Gemeinden eine obligatorische Koordination der Feuerwehrbelange auferlegt wird. Eine pareto-optimale Allokation der Feuerschutzausgaben ist an einem Punkt innerhalb dieser Fläche möglich, an dem sich die Indifferenzkurven der Gemeinden berühren. Gemeinsame Bemühungen vermögen die ökonomische Efzienz zu steigern, ohne das Nutzenniveau reduzieren zu müssen. Es bleibt allerdings festzustellen, dass derartige bindende Koordinationen in den Brandschutz- und Kommunalgesetzgebungen der Bundesländer Österreichs und Deutschland nicht vorgesehen sind. Die staatliche Funktion der efzienten Ressourcenallokation bei der Finanzierung der Feuerwehren ist insofern auf die Gemeinden als kleinste Organisationseinheit des Staatsaufbaus begrenzt. Zentrale Lösungen können daher ökonomisch unbefriedigende dezentrale Aufgabenwahrnehmungen ersetzen bzw. ergänzen, sofern die Nutzenstreuung über die Gemeindegrenzen hinaus allokative Inefzienzen auslöst. Im konkreten Fall erfolgt die Bereitstellung der Feuerwehr lediglich durch eine Gebietskörperschaft, der Nutzen dieser Verfügbarkeit strahlt jedoch auf benachbarte Gemeinden aus, so dass sich im Ergebnis „Free-Riding-Tendenzen“ auszuprägen vermögen. Eine koordinierter Bereitstellungsprozess impliziert eine kollektive Nutzenerhöhung bzw. eine Maximierung der allokativen Efzienz ohne Nutzenreduzierung (vgl. Treier et al.: 2006, 2–4). Diese Koordination ist nicht zu verwechseln mit der „internen Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltung“ (vgl. 4.4.1). Vielmehr ist sie auf den möglichst efzienten Einsatz staatlicher Finanzmittel gerichtet, also dem langfristigen Erhalt der öffentlichen Verwaltungsqualität dienlich.
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
133
Abbildung 5-12 Ressourcenallokation der kommunalen Feuerschutzgestellung und Paretoverbesserungen.
Quelle: Weichenrieder, 2000, 53
Aus volkswirtschaftlicher Perspektive liegen den dargelegten Finanzierungsverfahren so genannte interregionale Externalitäten zugrunde. Sie sind ein Ergebnis der Nutzenstiftung über die territorialen und administrativen Zuständigkeiten einer Gemeinde hinaus. Dieser Nutzen ist für die Wirtschaftssubjekte der protierenden Gemeinde kostenneutral, während den produzierenden Akteuren nanzieller Aufwand entsteht. Nachfolgend sollen die theoretischen Grundlagen vorgestellt und auf die Ergebnisse zum „staatlichen Free-RidingVerhalten“ bei der Feuerschutznanzierung projiziert werden.
5.4.4.2.2 Das Dezentralisierungstheorem nach Oates Nach Oates (1972) ist die dezentrale Zuweisung staatlicher Aufgaben an die niedrigste Verwaltungsebene zu präferieren (vgl. 5.2.2 „Subsidiaritätsprinzip“), sofern sich eine efziente Erfüllung gewährleisten lässt. Der zentralen Güterproduktion ist eine strukturgleichende Nebenbedingung eigen, die ein identisches Bereitstellungsniveau über kommunale Grenzen hinaus verlangt, während für die dezentrale Verantwortung lediglich die innergemeindliche Qualität der Leistungserbringung entscheidend ist (vgl. Weichenrieder: 2000, 13).
134
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Zur Verdeutlichung sei Abbildung 5-13 angeführt. Gegeben sind wiederum zwei Gemeinden. Die Präferenzen der Wirtschaftssubjekte innerhalb jeder Gemeinde sind homogen. Inhomoge Präferenzen stellen sich indes für ein öffentliches Gut G ein. Die Wirtschaftssubjekte der Gemeinde I äußern eine Grenzzahlungsbereitschaftskurve GZBI, die stets über der Zahlungsbereitschaft von Gemeinde II, GZBII, liegt. Angenommen wird zudem, dass die Grenzkosten pro angebotene Gütereinheit G als Steuerpreis auf die einzelnen Wirtschaftssubjekte umgelegt werden. Skalenerträge liegen als Voraussetzung des Dezentralisierungstheorems nicht vor, so dass die Grenzkosten unabhängig von der Einwohnerzahl sind. Die Wirtschaftssubjekte in Gemeinde I wünschen die Pro-Kopf-Menge GI, in Gemeinde II wird das Bereitstellungsniveau GII bevorzugt. Beide Mengen ergeben sich aus dem Schnittpunkt von Grenzzahlungsbereitschaft und Grenzkosten. Die maximierte Konsumentenrente ergibt sich aus den Flächen zwischen Grenzzahlungsbereitschaftskurve und Grenzkosten. Sie sinkt indes bei zentraler Bereitstellung. Aus einer mittleren Bereitstellungsmenge GM resultiert ein übergroßer Konsum in Gemeinde II bei gleichzeitiger Konsumzurückhaltung in Gemeinde I. Daraus folgt ein Wohlfahrtsverlust in der Größenordnung markierter Flächen (vgl. Blankart: 1998, 527). Abbildung 5-13 Das Dezentralisierungstheorem
Quelle: Blankart: 1997, 527.
Eine regionale Bereitstellung öffentlicher Güter und Leistungen erscheint daher prinzipiell geeigneter, örtliche Besonderheiten zu erfassen und insoweit den Bedürfnissen der unmittelbar betroffenen Bürger entsprechenden Ausdruck zu verleihen (vgl: Stober: 1989, 97 ff.). Darüber hinaus beeinussen die verkürzten Entscheidungsprozesse die Reduzierung von Transaktionskosten sowie die bessere Wahrnehmung im Rahmen der politischen Willensbildung (vgl. Lenk et al.: 2004, 2). In der Theorie fördern diese regionalen Aktivitäten den
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
135
interkommunalen Wettbewerb, in dem Bürger und Unternehmen nunmehr die „Gebietskörperschaft ihrer Wahl“ auf Grundlage der Varianz des öffentlichen Güterangebotes festzulegen in der Lage sind. Erstmals wies Tiebout im Jahre 1956 die Bedeutung dieser individuellen Afnitäten zu öffentlichen Leistungsangeboten nach, die er durch die „Abstimmung mit den Füßen“ charakterisierte (vgl. Hopfe: 2003, 5). Allerdings gilt es den allokationspolitischen Fokus auf die Eignung der jeweiligen Organisationsform zu richten und grundsätzlich für die konkrete Anwendung zu untersuchen (Lenk et al.: 2004, 2). So treten bei Nutzenstreuungen über die Grenzen der einzelnen Gebietskörperschaften hinaus „Spillover-Effekte“ auf (vgl. 5.4.4.2), die eine Aufgabenübertragung auf höhere Ebenen erforderlich machen (vgl. Huber: 2001, ohne Paginierung). Das Beispiel der öffentlichen Feuerwehren verdeutlicht ferner, dass unterschiedliche Bereitstellungsintensitäten vor dem Hintergrund verfassungsimmanenter Rechtsanwendungsgleichheitsgrundsätze nicht vertretbar sind. Ebenso sprechen messbare Skaleneffekte (vgl. 5.3.1.3) für die Verschiebung auf übergeordnete Ebenen, wenngleich die Bildung von Zweckverbänden o. ä. die Nachteile kleiner Betriebsgrößen kompensieren kann (vgl. Lenk et al: 1999, 409–437).
5.4.4.2.3 Skalenerträge der öffentlichen Gütergestellung Skalenerträge bei der Bereitstellung öffentlicher Güter treten auf, sofern die Durchschnittskosten mit der Bereitstellungsmenge sinken oder Nichtrivalität im Konsum implizieren, also vom Konsum durch einzelne Wirtschaftssubjekte kein Einuss auf das Nutzenniveau der nichtkonsumierenden Wirtschaftssubjekte ausgeht. Ungeachtet dieser einführenden theoretischen Betrachtungen favorisiert das Dezentralisierungstheorem a priori die regionale Aufgabenerfüllung. Dennoch sprechen insbesondere Argumente der öffentlichen Verwaltungsefzienz für zentrale Lösungen. Exemplarisch sei auf Oates (1972) verwiesen, der die Generierung von Skalenerträgen auf zentraler Ebene als hinreichende Begründung für den Verzicht auf dezentrale Bereitstellung anführt (vgl. Oates: 1972, 37). Unter der Voraussetzung skalischer Äquivalenz sowie der gleichzeitigen Gütergestellung durch mehrere Gebietskörperschaften können Skalenerträge ebenso ausgeschöpft werden wie bei einem einheitlichen Präferenzniveau der Wirtschaftssubjekte über die Grenzen der einzelnen Jurisdiktionen hinaus (vgl. Schnellenbach: 2004, 12). Die Gegenwart dieser Voraussetzungen für die Bereitstellung des öffentlichen Gutes „Feuerschutz“ resultiert nicht nur aus dem verfassungsrechtlichen Schutzpichtenauftrag in Österreich und Deutschland, sondern zudem aus der prominenten Erwartungshaltung der Bevölkerung an die zeitlichen und praktischen Leistungen der öffentlichen Feuerwehren (vgl. Polis: Ergebnisse, 2005, 2). Ein einheitliches Nutzenniveau herbeizuführen ohne Kompetenzen dauerhaft und abschließend aufzugeben, gelingt in der theoretischen Modellierung durch interkommunale Kooperationen. Zumal die den regionalen Varianten zugeschriebene Flexibilität durch die vertragliche Gestaltung erhalten bleibt. Jedoch fördern grenzüberschreitende Nutzen-Spillovers die wie vor untersuchten „Free-Riding“-Anreize (vgl. 5.4.4.2), verbunden mit einem nachfolgenden Unterangebot der öffentlichen Güter- (Feuerschutz-) gestellung und insoweit mit abweichendem Nutzenniveau für die Wirtschaftssubjekte in den jeweiligen Kommunen.
136
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Coase (1960) wiederum sieht die Lösungsmöglichkeiten der Freifahrertendenzen bei den einzelnen Gebietskörperschaften. Konkret soll durch Verhandlungen zwischen den von Externalitäten betroffenen Jurisdiktionen ein pareto-optimales Ergebnis erreicht werden (vgl. Coase: 1960, 1–23). Analog zum Lindahl-Modell (vgl. 5.3.1.4.4) bleibt das strategische Verhalten einzelner Vertragsparteien unberücksichtigt, demgemäß die Gebietskörperschaften ihre Zahlungsbereitschaften nicht zu offenbaren bereit sind (vgl. Schnellenbach: 2004, 13–14). Im Hinblick auf dezentrale Zuweisungen öffentlicher Aufgaben deuten sich insofern fundamentale Inefzienzen an. Musgrave (1969) zweifelt in diesem Kontext an der „interkommunalen Marktlösung“ ohne Regulativ. Ihm zufolge ist es Aufgabe übergeordneter Entscheidungsebenen das föderale System marktfähig zu gestalten, in dem durch Koordination intergouvernmentaler Transferzahlungen lokale Kosten und Nutzen bei den Gebietskörperschaften internalisiert werden und somit eine efziente Güterproduktion auf lokaler Ebene erfolgen kann (Musgrave: 1969, 521 ff.). Ziel ist somit die Ermittlung der möglichst optimalen Anzahl teilnehmender Gebietskörperschaften. Liegen dem öffentlichen Güterangebot steigende Skalenerträge zugrunde, ergibt sich diese optimale Größe dort, wo der marginale Kostenvorteil aus der Vergrößerung der Nutzeranzahl gerade dem Grenznachteil einer weniger exakten Präferenzbedienung innerhalb der größeren Gruppe gleicht. Abbildung 5-14 führt diesen Mechanismus zusammen.
Abbildung 5-14 Optimale Gruppengröße bei Skalenerträgen
Quelle: Oates: 1972, 39.
Der Kurvenverlauf A gibt den Kostenvorteil für alle Wirtschaftssubjekte wieder, der aus dem Konsum des zentral produzierten öffentlichen Gutes resultiert. Als Vergleichsmaßstab dient eine privatwirtschaftliche Lösung, bei der jeder Akteur das fehlende öffentliche Gut durch den Erwerb des privaten Gutes kompensiert. Die schwach monoton steigende Kurve L
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
137
beschreibt demgegenüber die negativen Abweichungen vom individuell gewünschten Präferenzniveau, die der zentralen Bereitstellung geschuldet sind. Daraus folgt die Höhe der Konsumentenrente einer jeden Gebietskörperschaft aufgrund der öffentlichen Gütergestellung, die durch die Differenz W = A L zum Ausdruck gebracht wird. Sofern die Funktion W ein Maximum besitzt, handelt es sich um die optimale Größe n. Die Höhe der Skalenerträge im Optimum hängt von den Präferenzunterschieden zwischen den Akteuren ab. Je unwichtiger sie sind, desto stärker sind die Skaleneffekte nutzbar (vgl. Weichenrieder: 2000, 16–17). Es gilt beispielhaft auf diese Präferenzunterschiede aufzubauen. In der Tat unterscheiden sich die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte zur Qualität der öffentlichen Leistungserbringung im Bereich des Feuerschutzwesens. So gehen die Bewohner von Wohngebieten geringer und mittlerer Bevölkerungsdichte von vergleichsweise längeren Eintreffzeiten der öffentlichen Feuerwehren aus, als die Einwohner verdichteter Bevölkerungsstrukturen angeben (vgl. Hagenhofer: 2005, 3). Daher erscheinen Präferenzunterschiede gegenwärtig, die ihre Grundlage in abweichenden Siedlungsstrukturen nden und insoweit zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften variieren. Ohne dieselben explizit bemessen zu können, lassen sich dadurch Präferenzunterschiede begründen. Implizit erwachsen zudem Differenzen zur optimalen Anzahl mitwirkender Jurisdiktionen und damit zur efzienten kommunalen Feuerschutznanzierung. Diese Inefzienzen leiten sich insbesondere aus der Organisationsstruktur des Feuerwehrwesens in Österreich und Deutschland ab. Neben der (inefzienten) kommunalen Verantwortung scheinen die überwiegend ehrenamtlich aufgebauten Feuerwehren (vgl. 3.1.2.2) dahingehend unterschiedliche Präferenzen zu manifestieren, dass der Nachteil der verzögerten Ankunftszeiten zu inakzeptablen Präferenzverzerrungen führt. Infolge des bedeutenden Präferenzgewichtes sind keine nennenswerten Skalenerträge zu erwarten.
5.4.4.2.4 Empirische Evidenz der zentralen Gütergestellung In Studien wurden Skalenerträge bei der Bereitstellung öffentlicher Güter untersucht (vgl. Reiter et al: 1999, 69–79). Vorwiegend beziehen sich die Betrachtungen auf lokale öffentliche Güter, wie zum Beispiel die Sicherstellung von Feuerschutzleistungen. Es erfolgt die Gegenüberstellung der Skalenerträge lokal bereitgestellter öffentlicher und privater Güter. Maßstab der Beurteilung ist der Öffentlichkeitsgrad (). Dazu wird eine Nutzenfunktion der Konsumenten innerhalb einer Gebietskörperschaft als Funktion der privaten Güter X sowie des Nutzens gebildet, den der Konsument aus der Bereitstellung des öffentlichen Gutes bezieht. U = U (,X); = (G,n) repräsentiert die Unternutzenfunktion, die von der Menge der angebotenen Leistungen G und der Anzahl der Nutzer n in der betreffenden Gebietskörperschaft abhängig ist. Aus dem Öffentlichkeitsgrad () folgt sodann der prozentuale Mehrbedarf an der Bereitstellungsmenge des öffentlichen Gutes G, damit bei einer einprozentigen Steigerung der Nutzerzahl n das Nutzenniveau gerade noch konstant bleibt. Die Ergebnisweite des Öffentlichkeitsgrades
138
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
variiert zwischen 0 bei reinen öffentlichen Gütern bis zu 1 bei reinen privaten Gütern. Die Erhöhung der Nutzeranzahl n bei der öffentlichen Gütergestellung bedarf keiner zusätzlichen Bereitstellungsleistungen, während die Gütermenge der privat generierten Güter zu verdoppeln ist, um den aus individueller Sicht entstehenden Nachteil der doppelten Nutzeranzahl in Gestalt eines sinkenden Nutzenniveaus zu kompensieren. Grundlage der empirischen Erhebungen zur Bestimmung des Öffentlichkeitsgrades ist das „Medianwähler-Modell“ nach Borcheding und Deacon (1972) sowie nach Bergstrom und Goodman (1973), das in die Literatur als „BD-BG-Ansatz“ eingegangen ist. Der „Medianwähler“ einer Gebietskörperschaft bestimmt die Gestellung eines öffentlich bereitzustellenden Gutes G. Dem Wähler bietet sich die Entscheidung einer zusätzlichen Steuerbelastung bei der Bereitstellung einer weiteren Einheit G oder den Aufwendungen für den Erwerb des privaten Gutes X. Die Budgetrestriktion des Medianwählers ergibt sich daher aus der Beziehung zwischen individueller Steuerlast und den Aufwendungen für das private Gut X. Tabelle 5-1
Der Öffentlichkeitsgrad : Eine Synopse empirischer Ergebnisse Studie
Öffentliches Gut Ebene
Feuerwehr
Polizei
Erholung
1,07°
1,44
Bergstrom/Goodman (1973)
II
Borcherding/Deacon (1972)
I
1,0098
1,019
1,0501
Gonzales/Means/Mehay (1993)
II
1,061°
1,069°
1,175°
Hayes (1986)
II
1,5015
0,9527
McMillan/Wilson/Arthur (1981)
II
0,69*/1,26**
Pack/Pack (1978)
II
1,32+/1,58++
Pommerhene/Frey (1976)
II
0,564°
Santerre (1985)
II
1,66°
Edwards 1990
II
Vehorn (1979)
II
0,92°
McMillan (1989)
II
1,2223°#
Ebenen: °: Standardfehler nicht verfügbar
0,39*/0,67** 1,63
1,36 1,070°
1,35°
1,35°
1,56
1,36
I: Bundesstaaten
*: Gemeinden < 10.000 Einwohner
II: Gemeinden
**: Gemeinden > 10.000 Einwohner +
: Gemeinden 1.000 – 5.000 Einwohner
++
: Gemeinden 5.000 – 50.000 Einwohner
#
: Unkorrigierte Schätzung
Quelle: Reiter et al: 1997, S. 374–408
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
139
Die Modellierung des Öffentlichkeitsgrades basiert sodann auf bereits angeführter Ergebnisvarianz. Für = 0 existieren keine Abhängigkeiten zwischen Konsum und Nutzeranzahl. Hingegen beschränkt sich der Konsum bei = 1 auf den n-ten Anteil von G und entspricht den „Überfüllungskosten“. Ab dieser Kollektivgröße geht der Nutzen für das einzelne Kollektivmitglied zurück (Kops et al: 1998, 28). Im Kontrast zu reinen öffentlichen Gütern weisen derart nanzierte Leistungen einen (teil-) rivalisierenden Charakter auf, der als Konsequenz einen Rückgang des Öffentlichkeitsgrades der rechtlichen Rahmenbedingungen impliziert (Schüller et al: 2002, 506), wenngleich die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen im besonderen Fall der Feuerschutzgestellung eine konsumbezogene Rivalität in der Theorie ausschließen (vgl. 4.1). Die in Tabelle 5-1 aufgeführten Forschungsergebnisse bestätigen diese Einschätzung. Der Öffentlichkeitsgrad zeigt nahezu vollständig Größenordnungen um den Wert 1. Skalenerträge konnten demnach nicht nachgewiesen werden. Weiterhin reduziert sich das individuelle Nutzenniveau. Daraus resultierend ist die Kritik an der dezentralen Gütergestellung fortführbar, zumal der Bereich der öffentlichen Feuerwehren explizit Gegenstand der diversen Untersuchungen gewesen ist (vgl. Reiter et al.: 1997, 25–26 und Weichenrieder: 2000, 22–31).
5.4.4.2.5 Schlussbetrachtung Ausgehend vom gesetzlichen Rahmen der kommunalen Feuerschutzobliegenheiten zeigen sich Inefzienzen bei der Finanzierung des öffentlichen Gutes. Die Rechtsordnung mag in diesem Zusammenhang änderungswürdig erscheinen, jedoch überfordert eine derartige Diskussion den Charakter dieser ökonomisch orientierten Ausführungen. Eher gilt es vor diesem Hintergrund auf die bestehenden Koordinationsmöglichkeiten hinzuweisen. Die gegenwärtigen Anstrengungen beschränken sich auf den Verantwortungsbereich der jeweiligen Gebietskörperschaft, ohne dass obligatorische Abstimmungsprozesse erfolgen. Zwar unterstellt Möstl (2002) der kommunalen Selbstverwaltung eine besondere Sensibilität für das öffentliche Wohl und die öffentliche Sicherheit (vgl. Möstl: 2002, 361), jedoch versagen sowohl die gemeindlichen wie auch die aufsichtsbehördlichen Instanzen regelmäßig bei der Vermeidung von Informationsasymmetrien. Es mangelt den staatlichen Autoritäten schlichtweg an der Wicksell`chen Erkenntnis, dass keine freiwilligen Finanzierungsbeiträge für öffentliche Güter erforderlich sind. Vielmehr handelt es sich um ein (interkommunales) Kooperationsprojekt, das nur durch gemeinsame Ressourcenaddition realisierbar ist. Der Kooperationsgewinn steht als Verteilungsmasse zur Verfügung (vgl. Märkt/Universität Freiburg: 2001, 2). Die formulierten Schwächen der feuerschutzrechtlich legitimierten dezentralen Güterbereitstellung (5.4.4.2.3) verringern sich grundsätzlich durch staatliche Interventionen, obschon die Vorteile zentraler Lösungen nicht vollends aufgewogen werden können. Ungeachtet dessen lässt sich der Kooperationsgrad der beteiligten Gebietskörperschaften als Indikator efzienter Finanzierungsstrukturen und als Werkzeug einer dauerhaften Qualitätssicherung interpretieren.
140
Die ökonomische Einordnung des staatlichen Handelns
Ein wesentlicher Ausdruck dieser Qualität im Bereich der öffentlichen Feuerwehr ist u. a. die jederzeitige Verfügbarkeit. Ohne diese Reaktionsfähigkeit vermag das Feuerwehrsystem dem gesetzlichen Anspruch nicht gerecht zu werden. Im folgenden 6. Kapitel werden nunmehr erste Untersuchungsergebnisse vorgestellt.
6
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Die Anzahl der in den Feuerwehren Österreichs und Deutschlands organisierten ehrenamtlich Tätigen erscheint quantitativ hoch (vgl. 3.1.2.2); sie drückt indes nur ansatzweise aus, wie viele Feuerwehrangehörige zu den unterschiedlichen Tageszeiten tatsächlich zur Verfügung stehen. Eine Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehr unterliegt insofern einer gewissen Beteiligungsunsicherheit. Die Aufenthaltsorte der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen sind dabei ebenso wenig bekannt wie die Teilnahmemöglichkeit bzw. der Teilnahmewille des Einzelnen. Der personelle Alarmierungsumfang weicht mitunter erheblich von der letztlich realen Mitwirkung ab. Dieser Diskrepanz wirken die Freiwilligen Feuerwehren regelmäßig mit Hilfe einer theoretischen Planungsgröße entgegen. Sie reduziert die Anzahl der Alarmierten um den Faktor 4 in den Abend- und Nachtstunden sowie am Wochenende bzw. um den Faktor 6 während der werktäglichen Arbeitszeiten und gilt bisher als Richtwert für die Teilnehmerzahl (vgl. LFV NRW: 2001, S. 63–64). Weiterhin hängt die Kombination der Teilnehmer, also die Präsens der individuellen Feuerwehrquali kationen vom Einzelfall ab. Die skizzierte Ausgangssituation beschäftigt die österreichischen und deutschen Feuer wehren seit einigen Jahren. Alfred Zeilmeyer kommentierte bereits im Jahre 1996 die tageszeitliche Verfügbarkeit des ehrenamtlichen Feuerwehrpersonals in Österreich als gegenwärtiges Problem, in dem er wie folgt ausführte: „(…) Heute stehen dabei nicht so sehr wie in den Gründerzeiten der Feuerwehren technische Ausstattung oder Versicherungsfragen im Mittelpunkt, sondern akute Probleme der Rekrutierung des Feuerwehrpersonals während der Arbeitszeiten – die so genannte „Tagesalarmsicherheit“ (Zeilmeyer: 1998). Ein Positionspapier des österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes aus dem Jahre 1999 ermittelte eine mittlere werktägliche Verfügbarkeit von 27,21 % des gesamten ehrenamtlichen Einsatzpersonals mit einer Schwankungsbreite in den Bundesländern zwischen 12,5 % und 36 %. Demgegenüber entelen jedoch 61,41 % aller Schadenereignisse auf den „neuralgischen“ Tageszeitraum. Exemplarisch sei für Österreich ein Großbrand in Ohlsdorf (Bezirk Gmunden) genannt, der sich an einem Werktag im Januar 2000 ereignete. Der Einsatzleiter äußerte sich zur Tagesalarmsicherheit in einer Fachzeitschrift wie folgt: „Der Zeitpunkt für einen Großbrand zeigte wieder recht deutlich, dass in Zukunft Anstrengungen getroffen werden müssen, um die Tagesalarmsicherheit auch im ländlichen Bereich wieder gezielter zu erhöhen (…). Infolge des ungünstigen Alarmierungszeitpunktes, Werktags mittags, meldete sich sogar eine Feuerwehr aufgrund von Personalmangel ab“ (Kollinger: 2000, 6). Der deutsche Feuerwehrverband publizierte im Jahre 2007 ähnliche Inhalte: „Das reine Prinzip der Ehrenamtlichkeit zur vorrangigen Verwirklichung der Tagesalarmsicherheit wird in einem materialistischen Umfeld immer schwerer zu verwirklichen. (…) Geeignete Formen zur Ergänzung und Entlastung des Ehrenamtes (…) können hierfür ein Lösungsansatz sein (vgl. DFV: 2007, 4). Auch in Deutschland berichtete eine Fachzeitschrift über einen konkreten Fall. Anläßlich eines Brandes im schleswig-holsteinischen Warder im DezemF. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
142
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
ber 2007 wurde ein Gebäude vollständig zerstört, da sich trotz Alarmierung benachbarter Feuer wehren Personalprobleme einstellten. Der örtlich zuständige Feuerwehrverantwortliche wörtlich: (…) „Es ist nicht entscheidend wie viele Kameraden wir auf dem Papier haben, sondern wie viele am Tage verfügbar sind“ (vgl. Bauer: 2000, 34–38). In ihrer „Magdeburger Erklärung zur Situation des deutschen Feuerwehrwesens vom 21.01.2007 erklärten Vertreter des Deutschen Feuerwehrverbandes u. a.: „Aufgrund tief greifender gesellschaftlicher Veränderungen steht das deutsche Feuerwehrwesen vor weit reichenden Herausforderungen, so dass auch in die gewachsenen Strukturen eingegriffen werden muss“ (DFV: 2005, S.1). Das bewährte System der Freiwilligen Feuerwehren scheint einem Spannungsfeld ausgesetzt zu sein, das sich aufgrund eines veränderten Bewusstseins für die Arbeitsmarktsituation, daraus folgenden Einschränkungen der persönlichen und familiären Gestaltungsmöglichkeiten sowie der Notwendigkeit zur Intensivierung von Aus- und Fortbildungsbemühungen im Feuerwehrwesen in den vergangenen Jahren manifestieren konnte. Zudem erschwert die Synchronisation des individuellen Lebenszyklus` den Erhalt von Kontinuität geprägter Mitglieds- und Beteiligungsstrukturen (vgl. Dombrowsky: 2008, 6–7). Ungeachtet dessen sind die Feuerwehren zur jederzeitigen Sicherstellung leistungsfähiger Einheiten verpichtet (vgl. 3.1). Die hinreichende Tagesverfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrkräfte ist daher von zentraler Bedeutung.
6.1
Untersuchungskonzept
Das Konzept zur Untersuchung der Tagesalarmsicherheit bei den Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland dient einleitend zur Formulierung der Ausgangssituation, die sich wie folgt zusammenfassen lässt:
Die gesetzliche Aufgabenstellung setzt die ganzheitliche Einsatzbereitschaft der Feuerwehren voraus. Der Gesetzgeber differenziert in diesem Zusammenhang weder zwischen ehren- und hauptamtlichen Strukturen noch zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, sondern deniert die Leistungsfähigkeit als einheitlichen Maßstab. Die Anzahl der ehrenamtlichen Angehörigen einer Feuerwehr ist kein übertragbarer Indikator für die Verfügbarkeit des Personals. Mangelt es den Feuerwehren an personellen Ressourcen, stellen sich Unzulänglichkeiten bei der Bekämpfung von Schadensereignissen ein.
Annahme: Die ganzheitliche Sicherstellung einer leistungsfähigen Feuerwehr als Auftragsangelegenheit, Pichtaufgabe oder als pichtige Selbstverwaltungsaufgabe obliegt der kommunalen Zuständigkeit. Es wird angenommen, dass:
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
1. 2. 3. 4.
143
Ein nachweisbarer und äquivalenter Zusammenhang zwischen der Bebauungs- bzw. Bevölkerungsdichte und der Anzahl von Schadensereignissen besteht. Freiwillige Feuerwehren ächendeckend nicht in der Lage sind, die Tagesalarmsicherheit zu gewährleisten. Die quantitativen Verfügbarkeitsdezite mit den werktäglichen Arbeitszeiten sowie additiven Zeiträumen für Pendlerbewegungen korrelieren. Die überwiegende Anzahl der Kommunen keine Maßnahmen gegen tageszeitliche Verfügbarkeitsengpässe ergriffen hat.
Zielsetzung: Analyse der Tagesalarmsicherheit bei den Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland. Ermittlung konkreter Dezitdimensionen. Untersuchung kommunaler Bewältigungsstrategien.
6.1.1
Entwicklung von Einussgrößen
Die Erzeugung der einzelnen Befragungsgegenstände basiert auf einer vorbereitenden Ermittlung der für die Tagesalarmsicherheit relevanten Faktoren. Aufbauend auf die zuvor dargelegten Annahmen und Zielsetzungen bedürfen diese nicht nur der Würdigung quantitativer Zeitfenster. Vielmehr impliziert das Umfeld der jeweiligen Freiwilligen Feuerwehr nachhaltige Auswirkungen auf die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages. So zum Beispiel die Anzahl der Alarmierungen, die zeitnahe Erreichbarkeit der Feuerwehrliegenschaft sowie der ortsnahe Aufenthalt und die Abkömmlichkeit der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte insbesondere während der werktäglichen Arbeitszeiten. Diesen Inhalten Ausdruck zu verleihen erfordert auch die Darstellung von kommunalen Strategien zur Gewährleistung des Feuerschutzes innerhalb der zu verantwortenden Grenzen des Gemeindegebietes. Im Einzelnen gilt es auf die nachfolgenden Schwerpunkte einzugehen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Ermittlung und Darstellung der Bevölkerungsstrukturen. Siedlungsstrukturelle Ermittlung der konkreten Einsatzzahlverteilung. Ermittlung ächendeckender Verfügbarkeitsprole. Siedlungsstrukturelle Zuordnung der Verfügbarkeit. Untersuchung absoluter Zeitanteile der Verfügbarkeitsdezite. Analyse und Darstellung der kommunalen Gegenmaßnahmen.
Jeder dieser Schwerpunkte fand bei der Erstellung des für die Verfügbarkeitsstudie entwickelten Fragebogens Berücksichtigung. Die einzelnen Fragestellungen ergaben sich als Ergebnis von Literaturrecherchen und durch Bewertung systemimmanenter Organisationsmerkmale.
144
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
6.1.2
Methodische Grundlagen der Untersuchung
Die empirische Untersuchbarkeit setzt die begrifiche Klarheit sowie eine präzise Formulierung des Untersuchungsgegenstandes voraus (vgl. Bortz et al: 2006, 40–41). Es darf an dieser Stelle auf Grundlage der inhaltlichen Darlegungen der Kapitel 2. bis 5. zunächst von einem umfassenden Verständnis der zu analysierenden Strukturen der Freiwilligen Feuerwehren ausgegangen werden. Fachliche Begriffe wurden ebenso eingeführt wie die Vorstellung der Wirkzusammenhänge. Zudem erscheinen die Schlussfolgerungen des Forschungsinhaltes überprüfbar, so dass nunmehr die Bildung von Kennwerten der Untersuchung als prognostizierter Ausdruck des Erklärungsmodells (vgl. Lamberti: 2001, 19–20) bzw. als Vermutung über die Beziehung der Einussgrößen vorgenommen werden kann. Die Hypothesen sind von besonderer Bedeutung; sie bestimmen die Gestaltung der Untersuchung (vgl. Rost: 2007, 18, 59).
6.1.2.1
Hypothesen der Untersuchung
Abbildung 6-1 „Hypothesen der Verfügbarkeitsstudie“ Hypothese
Inhalt
Ergebnis
H1
„Effekt für die Anzahl der Feuerwehreinsätze korreliert mit Bebauungs- und Bevölkerungsdichte“
?
H2
„Effekt für die ächendeckende Gewährleistung der Tagesalarmsicherheit ist gering“
?
H3
„Effekt für die relative Häugkeit tageszeitlicher Verfügbarkeitsengpässe ist hoch“
?
H4
Effekt für ächendeckende Kompensationsmaßnahmen gegen tageszeitliche Verfügbarkeitsengpässe ist gering“
?
Aus den wie vor formulierten Hypothesen H2 bis H4 leitet sich die Funktionsfähigkeit des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens ab. Sie sind jeweils für Österreich und Deutschland zu untersuchen. So induzieren die absolute und die zeitgerechte Verfügbarkeit des Personals die einsatztaktischen Möglichkeiten der Feuerwehr. Mangelt es dem Feuerwehrsystem an diesen elementaren Voraussetzungen sinkt der Erfüllungsgrad gesetzlich zugewiesener Aufgaben, da sich mit steigender Größenordnung der landesweiten Dezite die objektivierbaren Eingriffs- und Hilfeleistungsmöglichkeiten der Feuerwehren reduzieren. Daraus ableitbar ist das feuerschutzbezogene Sicherheitsniveau, das den Menschen sowohl im lokalen Kontext wie auch im landes- und bundesweiten Fokus zugebilligt wird. Die relative Häugkeit vermag den abstrakten Verfügbarkeitsindikatoren zudem konkrete zeitliche Dimensionen zuzuweisen. Ferner können die ermittelten Zeitfenster etwaigen arbeitsplatzabhängigen
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
145
Abwesenheitszeiträumen gegenübergestellt werden. Die Dauer dieser Zeiträume bestimmt sodann den Umfang potenziell verminderter Leistungsfähigkeiten. Ebenso ist eine Differenzierung zwischen den einzelnen Bundesländern möglich. Festgestellte Verfügbarkeitsprobleme sollten nachfolgend eine Reaktion (Kompensation) der einzelnen Feuerwehren vor dem Hintergrund des dauerhaft und ganzheitlich zu gewährleistenden Sicherstellungsauftrages auslösen. Bleiben erhaltende und kompensierende Handlungen aus, ist eine schleichende, jedoch stetige Erosion der ehrenamtlichen Feuerwehrstrukturen zu befürchten. Insofern sollten sich Verfügbarkeitsdezite und Kompensationsmaßnahmen quantitativ ergänzen. Eine Diskrepanz deutet demzufolge auf die unterbliebene Risikovorsorge bei den Freiwilligen Feuerwehren hin. H1 spiegelt eine mögliche Beziehung der Anzahl der Schadensereignisse zu den Siedlungsstrukturen wider. Annahmegemäß korrelieren Einsatzfrequenz und Bevölkerungsdichte. Ursache ist die theoretische Gefahrenkumulation von Personenansammlungen, Verkehrsbewegungen sowie von Gewerbe-, Handels- und Industrieansiedlungen. Ob und inwieweit sich diese Grundüberlegungen durch die Untersuchung des realen Einsatzaufkommens bestätigen lassen, gilt es durch Hypothese H1 auszugeben. 6.1.2.2
Forschungsdesign
Die Verfügbarkeitsstudie des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens in Österreich und Deutschland bedarf einer breiten Datenbasis. Die Durchführung erfolgt daher als Felduntersuchung, demnach in der natürlichen Umgebung des Befragten. Felduntersuchungen charakterisieren „ein Stück unverfälschter Realität“, mit einer so genannten hohen externen Validität (Bortz et al: 2006, 57). Die Auswahl der kommunalen Feuerwehren in Österreich und Deutschland als Untersuchungsteilnehmer unterlag dem Zufallsprinzip. Die Stichprobe umfasst in Österreich eine Gruppe von 1812 Gemeinden aus einer denierten Grundgesamtheit von 2355 Gemeinden (vgl. Statistik Austria: 2007, 10), in Deutschland eine Gruppe von 4258 Gemeinden aus einer denierten Grundgesamtheit von 12340 Gemeinden (vgl. BBR, 2005), so dass jeweils n < N ist (vgl. Lamberti: 2001, 43). Somit besteht die Grundgesamtheit aus allen österreichischen und deutschen Kommunen, über die eine Aussage getroffen werden soll, während die Stichprobe die zufällige Auswahl von 1812 bzw. 4258 Gemeinden der Grundgesamtheit beinhaltet. Für die zufällige Auswahl der Versuchsteilnehmer waren überdies keine bestimmten Kriterien von Bedeutung. (vgl. Müller-Benedict: 2007, 129, 166–168). Ausschließende oder begünstigende Faktoren existierten nicht. In Anbetracht der Gruppengröße ist insofern davon auszugehen, dass alle für die Untersuchung potenziell relevanten Variablen in vergleichbarer Größenordnung ausgeprägt sind (Bortz et al: 2006, 54). Der konkrete Stichprobenumfang weicht außerdem von Bundesland zu Bundesland ab (vgl. Tabelle 6.3) Als Untersuchungsinstrument dient die überwiegend standardisierte schriftliche postalische Befragung mit begrifichen Realdenitionen, also mit unmittelbarem Verweis auf tatsächliche Sachverhalte (vgl. Schöneck et al.: 2005, 45 und Bortz et al: 2006, 61). Die Untersuchungsteilnehmer agieren ausschließlich auf freiwilliger Basis, verbunden mit der Prognose einer hohen Beteiligung, da die Studie in Fachkreisen aufgrund der erstmaligen
146
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Breitenbetrachtung beachtenswerte Ergebnisse erwarten lässt. Daher dürfte eine Stichprobenverzerrung ausgeschlossen sein (Bortz et al: 2006, 74). Hinsichtlich der Untersuchungsdurchführung sei auf die Erfassung des mitunter variierenden Verhaltens der Testteilnehmer verwiesen, das durch Gütekriterien nivelliert werden soll. Nach der klassischen Testtheorie des vergleichsnorm-orientierten Ansatzes sichert die Berücksichtung der Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität die Verwendbarkeit der Erhebung (vgl. Rost: 2007, 150). Die Objektivität im Sinne dieser Ausführungen ist gegeben, sofern das Untersuchungsergebnis nur von dem zu messenden Merkmal und nicht vom Befrager oder Situationsvariablen beeinusst werden kann. Infolge der konstanten Untersuchungsbedingungen in Form der postalischen Befragung mit ausgedehnten Rücklauffristen von vier bis sechs Wochen erscheint zudem eine maximale Standardisierung der Untersuchungssituationen vorzuliegen (vgl. Rammstedt: 2004, S.2–3). Die Reliabilität einer Studie hingegen kennzeichnet den Genauigkeitsgrad der Messung; sie steigt mit der Reduzierung von Fehleranteilen. Eine absolute Genauigkeit ist indes ausgeschlossen, da Fehlereinüsse aufgrund situativer Störungen, Müdigkeit der Testteilnehmer oder auch Missverständnisse einzelner Merkmale der Untersuchung regelmäßig auftreten (Bortz et al: 2006, 196). Die Validität beschreibt schließlich die Gültigkeit des Erhebungsverfahrens; diese wiederum bedingt eine zufrieden stellende Reliabilität, da zufällige bzw. fehlgeleitete Untersuchungsergebnisse keine hohe Gültigkeit besitzen können (vgl. Lamberti: 2001, 31). Soll der Nachweis einer hinreichenden Validierung erbracht werden, ist der Untersuchungsgegenstand eindeutig zu denieren. Im Zuge des Studienverlaufes wies die Denition zur Erhöhung des Alarmierungsumfanges deutliche und generalisierbare Verständnisprobleme auf, so dass auf die abschließende Bewertung derselben verzichtet wurde.
6.1.2.3
Variablen der Verfügbarkeitsstudie
Variablen können verschiedene Eigenschaften aufweisen, wobei das Skalenniveau oder Messniveau die wichtigste aller Eigenschaften ist. Der Begriff „Niveau“ impliziert eine Rangfolge bzw. eine Hierarchie. Es gibt an, welche Vergleichsaussagen und welche rechnerischen Operationen die Ausprägungen von Variablen zulassen. Im Allgemeinen ist die Höhe des Skalenniveaus als Indikator für den Informationsgehalt zu verstehen; je höher das Skalenniveau ist, desto informativer ist eine Messung, desto mehr Eigenschaften der Zahlen lassen sich inhaltlich interpretieren und desto mehr sinnvolle Vergleiche und Berechnungen sind möglich (Kühnel et. al: 2007, 29). Sie sind somit ein Symbol für die Menge der Merkmalsausprägungen, so zum Beispiel die Variable „Geschlecht“ mit den Ausprägungen männlich oder weiblich. Im Kontext empirischer Untersuchungen können Variablen unterschiedliche funktionale Bedeutungen aufweisen. Sie werden in abhängige und unabhängige Variablen unterschieden und bringen damit zum Ausdruck, dass Veränderungen wechselseitige Interdependenzen auslösen. Exemplarisch seien die Löschwasserlieferung pro Zeiteinheit an einer Brandstelle als unabhängige Variable und die Dauer der Brandbekämpfung als abhängige Variable genannt. Die Ausprägung der unabhängigen Variablen ist im Rahmen empirischer Untersuchungen beeinussbar, während die abhängige Variable von der Wirkung der unabhängigen Variablen
147
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
und von Störeinüssen abhängig ist. Die Einordnung der abhängigen bzw. unabhängigen Variablen ist ein wichtiges Gruppierungskriterium für sozialwissenschaftliche Variablen (Bortz et al: 2006, 3). Skalierungen hingegen geben Zustandsdauern wieder. Exemplarisch sei die Dauer der Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr genannt, die in Jahren oder Monaten messbar ist. In Abhängigkeit vom Untersuchungsziel kann eine Transformation von Variablen sinnvoll sein, um Messeinheiten zu ändern bzw. Messeinheiten zu eliminieren, demzufolge eine dimensionslose Variable vorliegt. Verteilungen unterschiedlicher Skalierungen lassen sich damit vergleichbar darstellen (vgl. Diaz-Bone: 2006, 19, 60). Die nachfolgende Übersicht führt die abgefragten Merkmale auf und ordnet die zugehörigen Parameter ein. Tabelle 6-1 Frage
Abgefragte Merkmale der Verfügbarkeitsstudie Merkmal
Statistische Einheit
Ausprägung des Merkmals
Skalierung
SkalenNiveau
1
Anzahl aktiver FFM
Ehrenamtliche Feuerwehrangehörige
0 bis ca. 1000
quantitativ, diskret
metrisch
2
Anzahl der Feuerwehreinsätze
FW- Einsätze pro Jahr
0 bis ca. 5000
quantitativ, diskret
metrisch
3
Anzahl der Feuerwehreinsätze
Feuerwehreinsätze pro Jahr mit FFM-Beteiligung
0 bis ca. 1000
quantitativ, diskret
metrisch
4
Anzahl ehrenamtlicher Einheiten bei der den Feuerwehren
Feuerwehreinheiten
0 bis ca. 50
quantitativ, diskret
metrisch
6.1
Werktägliche Verfügbarbarkeitsprobleme
Ehrenamtliche Feuerwehrangehörige
ja/nein
qualitativ
nominal
6.2
Dauer der werktäglichen Verfügbarkeitsprobleme
Zeiträume während der Werktage von Montag bis Freitag
9 Std./Tag bis 15 Std./Tag
quantitativ, diskret1
metrisch
7.1
Kompensationsmaßnahmengegen Personaldezite
Freiwillige Feuerwehren
ja/nein
qualitativ
nominal
7.2
Art der Kompensationsmaßnahme
Konkrete Maßnahmen
30, 31, 32, 33, 34, 35, 36
qualitativ
nominal
Eigene Darstellung lt.: Schira: 2005, 42 und Shereshevskaya: 2007, 25.
6.2
Datenerhebung
Die Anzahl der Feuerwehrliegenschaften in Österreich und Deutschland ist beträchtlich, da die Organisation auf dem Örtlichkeitsprinzip, also der Nähe von Feuerwehrstandort und Feuerwehrangehörigen beruht. Insofern ist die Einwohnerzahl einer Gebietskörperschaft 1
Die Skalierung wird aufgrund der Fragestellung nicht als „stetig“, sondern als „diskret“ angegeben, da keine Zwischenwerte zulässig sind. Alle Antworten bedürfen ausschließlich der Angabe ganzer Zahlen.
148
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
kein Alleinstellungsmerkmal bei der Bemessung von feuerschutzrelevanten Kriterien; vielmehr ist die Bedarfsplanung des Feuerschutzes insbesondere an die Bevölkerungsstruktur und das örtliche Gefahrenpotential anzulehnen. Für eine Typisierung zur raumstrukturellen Gliederung im Kontext dieser Verfügbarkeitsuntersuchung sind weiterhin der fachübergreifende Charakter, die Stabilität im Zeitablauf, die Nachvollziehbarkeit der Raumstrukturierung, die erforderliche Datenpräsenz sowie die Eignung als Analyseinstrument von Bedeutung (Mielke et al.: 2006, 27). Bei der endgültigen Auswahl der zu verwendenden Raumtypisierung sind zudem Abgrenzungsmerkmale wie die Bevölkerungsdichte sowie Qualität und Ausbaugrad des Straßennetzes ausschlaggebend, also Merkmalen, die für feuerwehrbezogene Aspekte als elementar einzustufen sind. So ist anzunehmen, dass die Einwohnerdichte ein maßgebender Indikator für die Wahrscheinlichkeit von Brandereignissen ist. Die Dichte des Straßenverkehrs wiederum bestimmt zeitkritische Eintreffkriterien ebenso wie den Wirkungsradius eines Feuerwehrstandortes, so dass die seitens des deutschen Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) entwickelten Raumstrukturtypen zur Kategorisierung von realen Siedlungsstrukturen überaus geeignet erscheinen. Abbildung 6-2 BBR-Raumstrukturtypen Raumstrukturtypen der Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung Bevölkerungsdichte: Dichte auf einer Fläche mit einem Radius von 12 km um Messpunkte Zentrenerreichbarkeit: Index für Fahrzeiten Innerer Zentralraum
Äußerer Zentralraum
Zwischenraum mit Verdichtungsansätzen
Zwischenraum mit Verdichtungsansätzen
Peripherraum mit Verdichtungsansätzen
Peripherraum mit sehr geringer Dichte
1000 Einwohner/km 2
500 – 1000 Einwohner/km 2
200–500 Einwohner/km 2
100–200 Einwohner/km 2
50–100 Einwohner/km 2
0–50 Einwohner/km 2
Quelle: Mielke et al.: 2006, S.23.
„Basis für die Ermittlung eines Indexwertes der Zentrenerreichbarkeit ist die PKW-Fahrzeit zu hochrangigen Zentren (Zielorten). Den Berechnungen liegt ein gleichmäßig verteiltes Raster von ca. 20.000 Messpunkten zu Grunde (…). Die Zentrennähe ist bei diesem Verfahren stärker von der zeitlichen und weniger von der räumlichen Nähe geprägt“ (Schürt et al.: 2005, 4). Zudem setzt diese „Raumstrukturtypisierung unterhalb der Gemeindeebene an, um die realen Siedlungsstrukturen besser abbilden zu können. Erst nach der von Gemeindegrenzen unabhängigen Typenbildung erfolgt eine Zuordnung zu Gemeinden (…). Die Stärke liegt in der feinkörnigen, realitätsnahen Wiedergabe der raumstrukturellen Situation in Deutschland“ (Schürt et al.: 2005, 12). In Österreich existieren derartige oder ähnliche Einteilungen nicht (Schreiben des ÖIR vom 14.06. 2007). Eine Anwendung über die bundesdeutschen Zuständigkeiten hinaus ist infolge des beschriebenen Aufbaus durchaus möglich, zumal das kommunale Entwicklungspotenzial sowohl durch die Zentrenerreichbarkeit wie auch die Bevölkerungsdichte gleichartig beeinusst wird. Darüber hinaus gleichen sich gesetzlicher und organisatorischer Aufbau der Freiwilligen Feuerwehren.
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
149
Die Erhebung der Daten in Österreich und Deutschland erfolgte durch postalischen Versand von standardisierten Fragebogen nebst erläuternden Begleitschreiben mit Ausnahme der Bundeshauptstadt Wien sowie der Landeshauptstadt Graz; dort existieren zum Untersuchungszeitpunkt lediglich beruiche Feuerwehrstrukturen (Schreiben Berufsfeuerwehr Wien vom 22.05. 2007). Die Aussendung orientierte sich an der vorgestellten raumstrukturellen Ordnung. Die Zuweisung der konkreten Raumstrukturtypen wiederum basierte in Österreich auf dem „Gemeindeverzeichnis von Statistik Austria“, in Deutschland auf einer seitens des BBR veröffentlichten Datenbank. Der Aussendungsumfang, die Rücklaufquote und der damit berücksichtigte Bevölkerungsanteil sind im Folgenden zunächst in tabellarischer Form für die einzelnen Länder Österreichs und Deutschlands dargestellt, bevor sich die gesamtstaatlichen Einschätzungen anschließen.
6.3
Auswertung
Die Ergebnisvorstellung erfolgt zunächst für Österreich. Ihr liegen überwiegend graphische Darstellungen zugrunde. Die Abfolge der Graphiken und Tabellen gliedert sich wie folgt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Basisdaten Prozentuale Einwohner- und Einsatzverteilung nach Raumstrukturen. Ergebnisse aus den Bundesländern Tageszeitliche Verfügbarkeitsprobleme (absolut). Prozentuale Verfügbarkeitsdezite nach Raumstrukturen. Relative Häugkeit der werktäglichen Verfügbarkeitsprobleme. Kompensationsmaßnahmen gegen Verfügbarkeitsdezite (absolut). Prozentuale Verteilung der Kompensationsmaßnahmen. Prozentuale Verteilung konkreter Kompensationsmaßnahmen.
Ziel dieser Auswertung ist nicht die Interpretation der erhobenen Daten. Dazu bedarf es weiterführender Untersuchungen, die sich in den nächsten Kapiteln anschließen. Die Basisdaten dienen der Einordnung von bevölkerungs- und feuerwehrbezogenen Parametern. Sie sind geeignet, erste Zusammenhänge aufzuzeigen. Darüber hinaus folgen Angaben zum Erhebungsumfang und zur Beteiligungssituation der Verfügbarkeitsstudie in den jeweiligen Bundesländern. Die prozentuale Verteilung der raumstrukturellen Bevölkerungsdichte in Deutschland ist Gegenstand einschlägiger Veröffentlichungen des BBR. Die Aufbereitung simultaner Daten für Österreich bedurfte der Berechnung der Bevölkerungsdichte für jede einzelne Gemeinde sowie der nachfolgenden Zusammenführung auf Basis des Gemeindeverzeichnisses 2007 von Statistik Austria. Auf Grundlage dessen ist die Gegenüberstellung von raumstruktureller Einwohnerverteilung sowie raumstruktureller Verteilung von ehrenamtlich abgewickelten Feuerwehreinsätzen und somit die Überprüfung von Hypothese H1 möglich. Darstellung und Bewertung erfolgen lediglich im gesamtstaatlichen Kontext. Zentrales Ziel der Verfügbarkeitsstudie ist die Untersuchung der werktäglichen Alarmierungssicherheit bei den Freiwilligen Feuerwehren Österreichs und Deutschlands. Ne-
150
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
ben einer allgemeinen Übersicht der Verfügbarkeitssituation vermag die sich anschließende raumstrukturelle Verteilung derselben auf Dezite bei der Einsatzwahrnehmung hinzudeuten, sofern eine Korrelation zu der eingangs zu untersuchenden raumstrukturellen Verteilung von Feuerwehreinsätzen nachweisbar ist. Die konkreten Zeiträume der tageszeitlichen Verfügbarkeitsengpässe werden zudem berechnet und als relative Häugkeit ausgegeben, so dass die zeitliche Dimension mit impliziten Auswirkungen auf schutzwürdige Bevölkerungsinteressen abgeleitet werden kann. Die Hypothesen H2 und H3 verleihen den wie vor dargelegten Untersuchungsinhalten entsprechenden Ausdruck. Liegen Verfügbarkeitsdezite vor, sind in Abhängigkeit von der Feuerwehrorganisation reduzierte Personalansätze zu erwarten. Für die Gemeinde als Träger der Feuerschutzaufgabe gilt es daraus resultierend Kompensationsmaßnahmen vorzusehen. Den Umfang dieser Maßnahmen zu bemessen sowie die inhaltliche Ausrichtung zu benennen ist Gegenstand des abschließenden Untersuchungsabschnittes, dem Hypothese H4 zugeordnet werden kann. Die Verfügbarkeitsstudie ist der brandschutzgesetzlich denierten Leistungsfähigkeit des (ehrenamtlichen) Feuerwehrwesens geschuldet. Die strukturellen Voraussetzungen dafür sind u. a. aus der hohen Standortdichte ableitbar (vgl. 3.1.1.2). Immerhin existieren in Österreich 4.926 Feuerwehrhäuser (ÖBFV: 2007, 18) und in Deutschland 33.094 Liegenschaften (DFV: 2008, 253), die von Freiwilligen Feuerwehren betrieben werden. Das entspricht in Österreich ohne Einbeziehung der beiden bevölkerungsreichsten Städte Wien und Graz (vgl. 4.4.1) einem mittleren Verantwortungsbereich von 1.297 Einwohnern bzw. 16,91 km2, in Deutschland von 2.491 Einwohnern bzw. 10,79 km2, pro ehrenamtlichem Feuerwehrstandort.
6.3.1
Österreich
Tabelle 6-2
Basisdaten Österreich Österreich
Basisdaten
Einwohnerzahl (Grundgesamtheit)*
6.387.367
Einwohnerzahl (Gesamt)
8.299.075
Fläche*
83.329,54 km 2
Fläche
83.871,75 km 2
Einwohnerdichte*
76,65 Einwohner/km 2
Einwohnerdichte
98,94 Einwohner/km 2
Anzahl der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen (FFM)
246.876
Anzahl der ehrenamtlichen Feuerwehrstandorte (FFW)
4.923
Verhältnis FFM : Einwohner*
1:26
Verhältnis FFM : Einwohner
1:34
151
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Österreich
Basisdaten
Verhältnis FFW : Einwohner*
1:1297
Verhältnis FFW : Einwohner
1:1686
Verhältnis FFM : Fläche*
3,00 FFM/km 2
Verhältnis FFM : Fläche
2,94 FFM/km 2
Verhältnis Fläche: FFW*
16,92 km2/FFW
Verhältnis Fläche: FFW
17,03 km2/FFW
Aussendungsumfang
1812 von 2355* Gemeinden
Rücklaufquote (absolut) in %
29,21 %
Rücklaufquote (verwertbar) in %
27,74 %
Erfasster Bevölkerungsanteil*
1.693.191
Erfasster Bevölkerungsanteil in %*
26,50 %
Erfasster Bevölkerungsanteil in %
20,40 %
(*ohne Bundeshauptstadt Wien und Landeshauptstadt Graz) vgl. Quellen: 1. Gemeindeverzeichnis Statistik Austria: 2007, 10, 77; 2. ÖBFV: 2007, 3, 18.
6.3.1.1
Ergebnisse aus den Bundesländern
Die werktäglichen Verfügbarkeitsdezite in den Ländern variieren von 57,20 % der ehrenamtlich organisierten Feuerwehreinrichtungen im Burgenland bis zu 83, 3 % der Freiwilligen Feuerwehren in Salzburg. Demnach sind bei werktäglichen Alarmierungen ächendeckende Dezite mit erheblichen Auswirkungen auf den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag zu erwarten. Die Schwankungsbreite deutet indes auf erheblich abweichende Rekrutierungsprobleme in den einzelnen österreichischen Ländern hin, obschon das aggregierte Gesamtniveau der Tagesalarmsicherheit nicht zufrieden stellen kann. Zumal die werktäglichen Personalengpässe im Kontext berufsbezogener Pendlerbewegungen während eines Zeitraumes von 11 Stunden gegenwärtig sind. Im Hinblick auf die Kompensationsbemühungen der Freiwilligen Feuerwehren ist die Situation ebenso uneinheitlich. Lediglich 15,40 % der Freiwilligen Feuerwehren in Kärnten, die über Verfügbarkeitsdezite innerhalb ihres Verantwortungsbereiches berichten, veranlassten entsprechende Kompensationsmaßnahmen zur Sicherstellung des gesetzlichen Auftrages. Demgegenüber haben sich bereits 85,7 % der ehrenamtlichen Feuerwehren in Vorarlberg mit der werktäglichen Alarmierungssituation auseinandergesetzt. Dieses Ergebnis unterstreicht einerseits den höchst unterschiedlichen Sensibilisierungsgrad für die Kontinuität der Gefahrenabwehr, vermag andererseits jedoch die Effektivität der örtlichen Kompensationsansätze nicht zu beurteilen. In den untersuchten Bundesländern ergaben sich die im Folgenden aufgeführten Größenordnungen.
152
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Tabelle 6-3
Bundesland
Ergebnisse der Verfügbarkeitsstudie in den österreichischen Bundesländern Anzahl Gemeinden (N)
Stichprobe RücklaufGemeinquote den (n)
Einwohner erfasst
Verfügbarkeitsdezit
Relative Häugkeit
Kompensation veranlasst
Burgenland
171
80
38,75 %
20,61 %
60,0 %
11 Std.
21,20 %
Kärnten
132
65
21,53 %
17,69 %
61,50 %
12 Std.
15,40 %
Niederösterreich
573
573
34,90 %
36,59 %
61,30 %
11 Std.
38,46 %
Oberösterreich
444
444
17,11 %
28,27 %
58,62 %
10 Std.
37,30 %
Salzburg
119
80
37,50 %
46,66 %
83,30 %
11 Std.
19,40 %
Steiermark
571*
370
14,86 %
10,38 %
74,50 %
11 Std.
63,40 %
Tirol
279
150
29,34 %
11,12 %
68,2 %
10 Std.
31,0 %
Vorarlberg
96
50
28,0 %
36,44 %
57,20 %
10 Std.
85,70 %
(*ohne Landeshauptstadt Graz)
6.3.1.2
Verteilung der Bevölkerungsdichte und der Feuerwehreinsätze
Abbildung 6-3 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Österreich* sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren*
(* Einwohner- und Einsatzverteilung ohne Bundeshauptstadt Wien und Landeshauptstadt Graz).
153
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Die Verfügbarkeitsstudie beschreibt ausschließlich das Wirken der Freiwilligen Feuerwehren; daher bleiben die Einwohneranteile aus Wien und Graz ebenso ohne Berücksichtigung wie die von den österreichischen Berufsfeuerwehren erbrachten Einsatzleistungen. Eine Interpretation möglicher Korrelationen von Bevölkerungsverteilung und feuerwehrbezogenen Schadensereignissen bedarf aufgrund der kommunalen Verantwortungszuweisung in den einzelnen Landesbrandschutzgesetzen zunächst der Quantizierung der prozentualen Gemeindeanteile je Raumstrukturtyp. Die Transparenz dieser Anteile ist geeignet die Gesamtleistungen der Freiwilligen Feuerwehren hervorzuheben. Darüber hinaus wird die Bedeutung der „sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Beiträge für die Gemeinschaft“ entsprechend gewürdigt. (Hagenhofer: 2005, 2). Im Einzelnen sei auf nachfolgende Zuweisung verwiesen: Tabelle 6-4
Raumstrukturelle Gemeindeverteilung in Österreich Raumstrukturtyp
Anteil in %
Peripherraum sehr geringer Dichte
34,0
Peripherraum mit Verdichtungsansätzen
34,0
Zwischenraum geringer Dichte
17,5
Zwischenraum mit Verdichtungsansätzen
8,5
Äußerer Zentralraum
3,5
Innerer Zentralraum
2,5
vgl. Quelle: 1. Gemeindeverzeichnis Statistik Austria: 2007, 10, 77.
Insofern überrascht die Verteilung der Feuerwehreinsätze nicht. Zwar verringern sich die prozentualen Anteile der Einsatzleistungen mit sinkendem Bevölkerungsumfang (Ausnahme: Peripherraum sehr geringer Dichte). Jedoch ist eine eindeutige Proportionalität nicht zu beobachten. Darüber hinaus lässt sich die erste Hypothese nur bei Einbeziehung des vollständigen Bevölkerungsanteiles überprüfen und insoweit mit den Einsatzleistungen der Berufsfeuerwehen zu kombinieren. Es gilt diesbezüglich auf Abbildung 6-4 zu verweisen. Als Ergebnis werden die exakten prozentualen Verteilungen ausgegeben. Ein direkt proportionaler Zusammenhang, der dem Effekt für die Anzahl der Feuerwehreinsätze bei hoher Bebauungs- und Bevölkerungsdichte Ausdruck zu verleihen in der Lage ist, konnte für Öster reich insbesondere vor dem Hintergrund der kommunalen Gliederung nicht eindeutig beobachtet werden. Daher ist die Hypothesenprüfung abzuwarten. Diese Schlussfolgerungen gehen im Übrigen konform mit Veröffentlichungen von Albers, nach denen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und Einsatzaufkommen „nicht so eindeutig hergestellt werden kann (…)“ (vgl. Albers: 1998).
154
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Abbildung 6-4 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Österreich sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze der Feuerwehren
6.3.1.3
Verfügbarkeit der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen
Abbildung 6-5 Verfügbarkeitssituation der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich
Auf Grundlage der erhobenen Verfügbarkeitsdaten ist in Österreich von ächendeckenden Deziten bei werktäglichen Alarmierungen von ehrenamtlich organisierten Feuerwehren auszugehen. Die Größenordnung von mehr als 65 % der Freiwilligen Feuerwehren impliziert erhebliche Einschränkungen bei der Wahrnehmung des an die Feuerwehren delegier-
155
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
ten Sicherstellungsauftrages, zumal etwa 70 % der österreichischen Bevölkerung von den Freiwilligen Feuerwehren zu betreuen sind. Daher lässt sich ein geringer Effekt für die ächendeckende Gewährleistung der Tagesalarmsicherheit in Österreich konstatieren, der durch die in Abbildung 6-6 dargestellten relativen Häugkeiten der Dezitdimensionen manifestiert wird, wenngleich es die Hypothesenprüfung wiederum abzuwarten gilt. Der prozentualen Verteilung ist zudem eine Beziehung zwischen schwach besiedelten Regionen und arbeitsplatzbezogenen Pendlerbewegungen immanent, die sich im Konkreten an den ermittelten relativen Häugkeiten der Verfügbarkeitsprobleme ableiten lässt. Abbildung 6-6 Relative Häugkeit der Verfügbarkeitsprobleme in Österreich
Ein herausragender Höchstwert tageszeitlicher Verfügbarkeitsdezite konnte nicht festgestellt werden. Der „50%-Wert“ der teilnehmenden Feuerwehren, die angaben mit Verfügbarkeitsproblemen konfrontiert zu sein, liegt bei 11 Stunden. Mindestens 50 % der Dezite bestehen demnach während werktäglicher Zeiträume von 11 Stunden. Dazu formuliert Hypothese H3 einen hohen Effekt für die relative Häugkeit tageszeitlicher Verfügbarkeitsengpässe. Dieser Effekt ergibt sich aus den beobachteten Engpässen, die mit einer mittleren Zeitdauer von 11 Stunden insgesamt 45,83 % der absoluten werktäglichen Zeiträume umfassen. Auf Grundlage dieser deskriptiven Ausführungen ist Hypothese H3 zu unterstützen. Tabelle 6-5
Median der Zeitverteilung von Verfügbarkeitsproblemen in Österreich
Lfd. Nummer
Realisationsmöglichkeit xi in Stunden (h)
Absolute Häugkeit ni bei „Ja“ - Antworten und vollständigen Angaben
Relative Häugkeit f i =ni/n
Kumulierte relative Häugkeit F
1
9
78
0,27
0,27
2
10
63
0,22
0,49
3
11
70
0,26
0,75
4
12
61
0,21
0,96
5
13
12
0,04
1,00
156
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Lfd. Nummer
Realisationsmöglichkeit xi in Stunden (h)
Absolute Häugkeit ni bei „Ja“ - Antworten und vollständigen Angaben
Relative Häugkeit f i =ni/n
Kumulierte relative Häugkeit F
6
14
0
0,00
1,00
7
15
1
0,00
1,00
Keine Angaben
Hierbei nicht berücksichtigt! n=
6.3.1.4
285
1,00
Kompensationsmaßnahmen
Abbildung 6-7 Kompensationsmaßnahmen der Feuerwehren in Österreich
Etwa 40 % der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich, die im Rahmen der Untersuchung personelle Dezitsituationen beschrieben, haben Kompensationsmaßnahmen ergriffen. Allerdings ist den Angaben der einzelnen Feuerwehren keine Aussage zur Wirksamkeit eingeleiteter bzw. abgeschlossener Handlungen inhärent. Bemerkenswert erscheint zudem die Wechselwirkung von Verfügbarkeitsproblemen und Kompensationsmaßnahmen in den Peripherräumen; dort sind die mit Abstand größten Verfügbarkeitsdezite zu erwarten. Gleichzeitig wurde mit ähnlicher Deutlichkeit auf Gegenmaßnahmen verzichtet. Der Umfang konkreter Kompensationsansätze ist der nachfolgenden Abbildung 6-8 entnehmbar; der Einsatz von kommunalen Bedienstenten verspricht im Allgemeinen wirksame Unterstützung, sofern die organisatorischen Voraussetzungen örtlich etabliert werden. Die Alarmerhöhung hingegen vermag in vielen Fällen quantitative, nicht jedoch qualitative Wirkung zu entfalten, da der „Faktor Zeit“ relativ unbestimmt und nicht generalisierbar ist.
157
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Ebenso lässt sich die Efzienz der Öffentlichkeitsarbeit und der vorbeugenden Maßnahmen nicht abschließend einschätzen. Abbildung 6-8 Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen in Österreich
Es ist davon auszugehen, dass die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit dem öffentlichen Gut „Feuerschutz“ nur eingeschränkt angeboten werden kann. Zwar mögen örtlich funktionsfähige Lösungen existieren, die Flächenbetrachtung hingegen induziert erhebliche Versorgungsdezite. Darüber hinaus implizieren die Ergebnisse zur Tagesalarmsicherheit dahingehende Qualitätsunterschiede, dass dem durch die Berufsfeuerwehren betreuten Bevölkerungsanteil zeitlich und personell gesicherte Feuerschutzleistungen zugebilligt werden, während die verbleibenden Bewohner den ermittelten Unwägbarkeiten ausgesetzt sind. Die einzelnen Landesgesetzgeber haben sich bisher der Regulierung dieser Ungleichheiten (bewusst?!) entzogen.
6.3.2
Deutschland
Tabelle 6-6
Basisdaten Deutschland Deutschland
Basisdaten
Einwohnerzahl (Grundgesamtheit)
82.437.995
Fläche
357.092 km 2
Einwohnerdichte
230,85 Einwohner/km 2
Anzahl der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen (FFM)
1.029.039
Anzahl der ehrenamtlichen Feuerwehrstandorte (FFW)
33.094
158
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Deutschland
Basisdaten
Verhältnis FFM : Einwohner
1:80
Verhältnis FFW : Einwohner
1:2491
Verhältnis FFM : Fläche
2,88 FFM/km 2
Verhältnis Fläche: FFW
10,79 km2/FFW
Aussendungsumfang
4258 von 12340 Gemeinden
Rücklaufquote (absolut) in %
25,46 %
Rücklaufquote (verwertbar) in %
23,94 %
Erfasster Bevölkerungsanteil
33.791.860
Erfasster Bevölkerungsanteil in %
40,99 %
vgl. Quellen: 1. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2005. 2. DFV: 2008, 262.
6.3.2.1
Ergebnisse aus den Bundesländern
Die werktäglichen Verfügbarkeitsdezite in den Ländern schwanken zwischen 73,80 % der Freiwilligen Feuerwehren in Baden-Württemberg und 96,1 % der ehrenamtlichen Feuerwehrstrukturen in Brandenburg. In den Ländern Berlin und Hamburg betragen die Dezite gar 100 %. Eine Vergleichbarkeit mit den übrigen Flächenländern ist aufgrund des Organisationsgefüges indes nicht gegeben. Die in Österreich festgestellten Probleme werden erheblich übertroffen. Ganzheitliche Rekrutierungsschwierigkeiten mit beachtlichen Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Schutzpichtenerfüllung sind nahe liegend. Die werktäglichen Personalengpässe bestehen wie in Österreich während eines Zeitraumes von 11 Stunden. Im Gegensatz zu Österreich haben sich die Freiwilligen Feuerwehren in allen deutschen Ländern mit kompensatorischen Maßnahmen in prominenten Umfang befasst. Jedoch lässt sich die Qualität dieser Bemühungen nicht beurteilen, insbesondere vor dem Hintergrund der enormen Dezitdimensionen. Die Untersuchungsergebnisse aus den deutschen Ländern sind nachfolgend dargestellt. Die neuen Länder weisen mit Brandenburg, Sachsen und Thüringen herausragende Verfügbarkeitsprobleme auf, sofern Berlin und Hamburg vernachlässigt werden. Allerdings leitet sich daraus keine grundlegende Tendenz ab, da auch in den alten Bundesländern völlig inakzeptable Verfügbarkeiten nachgewiesen wurden.
159
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Tabelle 6-7 Bundesland
Ergebnisse der Verfügbarkeitsstudie in den deutschen Bundesländern Anzahl Gemeinden (N)
Stichprobe Gemeinden (n)
Rücklaufquote
Einwohner erfasst
Verfügbarkeitsdezit
Relative Häugkeit
Kompensation veranlasst
Baden-Württemberg
1111
390
31,28 %
33,30 %
73,80 %
10 Std.
82,40 %
Bayern
2100
480
14,58 %
32,45 %
80,60 %
11 Std.
69,80 %
Berlin
1
1
100 %
100 %
100 %
13 Std.
–
420
200
38,50 %
46,10 %
96,10 %
11 Std.
69,70 %
1
1
100 %
100 %
100 %
10 Std.
–
Hessen
430
200
16,0 %
26,11 %
83,90 %
12 Std.
96,20 %
Meckl.-Vorpommern
849
320
14,48 %
38,39 %
74,0 %
11 Std.
64,10 %
Niedersachsen
1047
400
15,25 %
23,53 %
75,90 %
10 Std.
75,0 %
NordrheinWestfalen
396
396
50,25 %
51,44 %
84,30 %
11 Std.
75,80 %
Rheinland-Pfalz
2306
460
23,83 %
48,15 %
81,80 %
10 Std.
73,20 %
Saarland
52
50
54,0 %
63,60 %
84,60 %
11 Std.
82,60 %
Sachsen
510
200
28,50 %
25,52 %
94,0 %
11 Std.
87,20 %
Sachsen-Anhalt
1042
300
23,0 %
38,0 %
79,70 %
12 Std.
62,50 %
SchleswigHolstein
1127
480
24,37 %
33,70 %
84,40 %
11 Std.
62,20 %
Thüringen
992
380
23,94 %
35,47 %
89,50 %
11 Std.
77,30 %
Brandenburg Hamburg
6.3.2.2
Verteilung der Bevölkerungsdichte und der Feuerwehreinsätze
Analog den zusammenfassenden Abschlussbetrachtungen für Österreich gilt es nunmehr die aggregierten Untersuchungsergebnisse des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens in Deutschland vorzutragen. Infolge der gleichartigen Organsiationsstruktur sind auch in Deutschland die Leistungen der Freiwilligen Feuerwehren und der Berufsfeuerwehren zu differenzieren. Dabei steht die Untersuchung der eingangs vorgestellten Hypothesen im Vordergrund. Zudem sollen grundsätzliche Schlussfolgerungen für den gesetzlichen Auftrag der einzelnen Landesbrandschutzgesetze möglich werden. Zunächst sei auf die Gegenüberstellung von Bevölkerungsverteilung und den Einsatzleistungen der Freiwilligen Feuerwehren verwiesen.
160
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Abbildung 6-9 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Deutschland sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren
Ohne die Prüfung von Hypothese H1 vorweg nehmen zu wollen, zeigen sich deutliche Zusammenhänge zwischen der prozentualen Verteilung von Feuerwehreinsätzen und der Bevölkerungsdichte, wenn auch zunächst lediglich ehrenamtliche Einsatzleistungen untersucht wurden. Es bedarf jedoch wiederum der Berücksichtigung aller Feuerwehreinsätze, sollen die Ergebnisse ganzheitliche Aussagen zulassen. Daher sind die von den Berufsfeuerwehren erbrachten Leistungen additiv hinzuzufügen. Zuvor sei noch auf die raumstrukturelle Zuweisung der Gemeindeanteile verwiesen, die aus Tabelle 6-8 hervorgeht. Unterschiede gegenüber Österreich existieren vorwiegend in den Peripher- und Zwischenräumen mit Verdichtungsansätzen sowie im äußeren Zentralraum. Tabelle 6-8
Raumstrukturelle Gemeindeverteilung in Deutschland Raumstrukturtyp
Anteil in %
Peripherraum sehr geringer Dichte
33,0
Peripherraum mit Verdichtungsansätzen
25,3
Zwischenraum geringer Dichte
18,5
Zwischenraum mit Verdichtungsansätzen
15,2
Äußerer Zentralraum
6,0
Innerer Zentralraum
2,0
vgl. Quellen: 1. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
161
Die beschriebene Differenz der raumstrukturellen Gemeindeverteilung ndet im Ergebnis der Feuerwehreinsatzverteilung deutlichen Ausdruck. Das Einsatzaufkommen in Österreich in den Peripherräumen sowie im Zwischenraum geringer Dichte übersteigt das prozentuale Gewicht der Schadenereignisse in diesen Raumstrukturen Deutschlands um ein Vielfaches. Möglicherweise basieren diese erheblichen Unterschiede aus verstärkten Einsätzen zur Brauchtumspege o. ä. Kapitel 12 beinhaltet entsprechende Untersuchungen, die es zu interpretieren gilt. Demgegenüber weisen die Zentralräume und der Zwischenraum mit Verdichtungsansätzen in Deutschland wesentlich größere prozentuale Einsatzanteile auf. Abbildung 6-10 Raumstrukturelle Einwohnerverteilung in Deutschland sowie prozentuale Verteilung der bundesweit geleisteten Einsätze
Im Gesamten lässt sich auch für Deutschland ein synchronisierter Verlauf von Bevölkerungsdichte und der Anzahl von Feuerwehreinsätzen nicht in eindeutiger Proportionalität nachweisen; allerdings vermögen die Verteilungen der Einsatzleistungen der Korrelation zur Bevölkerungsdichte einen gewissen Ausdruck zu verleihen. Auf die statistische Prüfung von Hypothese H1 sei verwiesen. Insbesondere im inneren Zentralraum ist eine überproportionale Konzentration von Schadensereignissen beobachtbar, obschon sich diese Zuweisungen nicht konsequent für alle Raumstrukturtypen einstellen.
162 6.3.2.3
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Verfügbarkeit der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen
Abbildung 6-11 Verfügbarkeitssituation der Feuerwehren in Deutschland
In Deutschland sehen sich 85,5 % der ehrenamtlichen Feuerwehreinrichtungen werktäglichen Deziten bei der Personalrekrutierung ausgesetzt. Die österreichischen Ergebnisse werden nochmals um nahezu 20 % übertroffen. Somit ist der Effekt für die Gewährleistung einer ächendeckenden Tagesalarmsicherheit ausgesprochen gering. Daraus resultierend scheint die ächendeckende Leistungsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren während der relevanten Zeitfenster nicht gegeben zu sein. Erhebliche Auswirkungen für den gesetzlichen Schutzauftrag sind zu erwarten, zumal auch in Deutschland etwa 70 % der Bevölkerung von ehrenamtlichen Brandschutzdienstleistungen abhängen. Abbildung 6-12 Relative Häugkeit der Verfügbarkeitsprobleme in Deutschland
163
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Die prozentuale Verteilung der relativen Häugkeiten unterstreicht die erheblichen Einschränkungen, denen der Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren und damit die schutzwürdigen Bürgerinteressen ausgesetzt sind. Tabelle 6-9
Median der Zeitverteilung von Verfügbarkeitsproblemen in Deutschland Realisationsmöglichkeit xi in Stunden (h)
Absolute Häugkeit ni bei „Ja“ - Antworten und vollständigen Angaben
Relative Häugkeit f i =ni/n
Kumulierte relative Häugkeit F
1
9
133
0,16
0,16
2
10
212
0,25
0,41
3
11
214
0,25
0,66
4
12
225
0,27
0,93
5
13
46
0,05
0,98
6
14
15
0,02
1,00
7
15
4
0,00
1,00
Keine Angaben
Hierbei nicht berücksichtigt! n=
849
1,00
Der Median der in Deutschland betroffenen Feuerwehren liegt ebenso wie in Österreich bei 11 Stunden. Hinsichtlich der (deskriptiven) Prüfung von Hypothese H3 können die für Österreich formulierten Folgerungen (vgl. 6.3.1.3) auf Deutschland übertragen werden. Hypothese H3 gilt als unterstützt, da ein großer Effekt für die relative Häugkeit tageszeitlicher Verfügbarkeitsengpässe gegenwärtig ist.
6.3.2.4
Kompensationsmaßnahmen
Mehr als 65 % der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland, die im Rahmen der Verfügbarkeitsstudie Dezite bei der werktäglichen Personalgestellung anmerkten, sind kompensatorisch tätig geworden. Es handelt sich in diesem konkreten Untersuchungsteil jedoch lediglich um eine abstrakte Aussage, die eine Beurteilung der Efzienz veranlasster Kompensationsmaßnahmen nicht erlaubt. Abbildung 6-13 zeigt die raumstrukturelle Verteilung veranlasster Kompensationsmaßnahmen.
164
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Abbildung 6-13 Kompensationsmaßnahmen der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland
Eine frühzeitige Alarmerhöhung gilt bei den Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland als bevorzugtes Mittel, um die personellen Engpässe abfedern zu können. Dieser Ansatz ist aber nur bei Verfügbarkeit der zusätzlich alarmierten Kräfte zielführend. Angesichts der ungenügenden Tagesalarmsicherheit ist nicht ausgeschlossen, dass die kompensatorische Reaktion ergebnislos bleibt. Zudem fehlt es an der Würdigung der Eingriffszeit, da die Feuerwehrangehörigen im Ereignisfall zusammenzuführen sind. Der Einsatz von kommunalen Bedienstenten hingegen ist viel versprechend, sofern die organisatorischen Voraussetzungen örtlich etabliert werden. Abbildung 6-14 stellt Art und Umfang der kompensatorischen Aktivitäten dar. Abbildung 6-14 Art und Umfang der Kompensationsmaßnahmen in Deutschland
165
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Die Schlussfolgerungen gleichen denen für die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich. Allerdings ist das Angebot des öffentlichen Feuerwehrgutes weitaus knapper. Der „Knappheitsgrad“ impliziert in Abhängigkeit von der konkreten örtlichen Ausgestaltung eine „Nicht- bzw. Schlechterfüllung“ des verfassungsgemäßen Schutzpichtenauftrages. Ebenso wie in Österreich verhält es sich mit den qualitativen Unterschieden der Versorgungssicherheit bei ehren- und hauptamtlicher Feuerschutzverantwortung. Diese Unterschiede mögen durch hauptamtliche Feuerwehrangehörige einiger Freiwilliger Feuerwehren (vgl. 3.1.2.1) reduziert, nicht jedoch egalisiert werden können, da die Anzahl derselben relativ gering ist und die Feuerwehr legaldenitorisch als Freiwillige Feuerwehr verbleibt. Die einzelnen Landesgesetzgeber haben sich bisher auch in Deutschland gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Initiativen enthalten. Es erscheint indessen sehr unwahrscheinlich, dass den staatlichen Stellen die Probleme der Feuerschutzorganisation unbekannt sind (vgl. Innenministerium NRW: 2006, 31–32). Umso unverständlicher ist daher die Zurückhaltung des Gesetzgebers und der obersten Verwaltungsinstanzen.
6.4
Hypothesen
Basierend auf den vorgestellten Untersuchungsergebnissen können die Hypothesen wie folgt ausgegeben werden:
6.4.1
Hypothese 1: Anzahl der Feuerwehreinsätze nach Raumstrukturtyp
Tabelle 6-10
Ergebnisausgabe für Hypothese H1 (Österreich) Korrelationen Österreich Raumstrukturtyp
Spearman-Rho
Einsatzzahl 2000
Korrelationskoef zient
,420**
Sig. (2-seitig) N Einsatzzahl 2001
Korrelationskoefzient
,443**
Sig. (2-seitig)
,000
N Einsatzzahl 2002
451
Korrelationskoefzient
,445**
Sig. (2-seitig)
,000
N Einsatzzahl 2003
,000 448
455
Korrelationskoefzient
,443**
Sig. (2-seitig) N Einsatzzahl 2004
Korrelationskoefzient Sig. (2-seitig) N
,000 454 ,466** ,000 455
166
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Einsatzzahl 2005
Korrelationskoefzient
,448**
Sig. (2-seitig) N
,000 455
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
Für alle erfassten Jahre können in Österreich mittelstarke Beziehungen zwischen der Anzahl an Feuerwehreinsätzen und der Bevölkerungsdichte nachgewiesen werden. Die Korrelationskoefzienten schwanken geringfügig zwischen ,420 und ,466. In allen Fällen sind demnach mittelstark ausgeprägte Korrelationen nachweisbar. Das Ergebnis ist höchst signikant. Jedoch kann der in Hypothese H1 angenommene Zusammenhang für Österreich letztlich nicht vollumfänglich unterstützt werden. Für Deutschland zeigen sich nahezu identische Korrelationen, deren Schwankungsbreite zwischen ,410 und ,450 variiert. Sie weisen für alle untersuchten Jahre konstante Entwicklungen auf, wenn auch geringfügig schwächer ausgeprägt als die österreichischen Ergebnisse. Die Beziehung ist zwar evident, indes Hypothese H1 für Deutschland ebenfalls nur eingeschränkt zu unterstützen.
Tabelle 6-11
Ergebnisausgabe für Hypothese H1 (Deutschland) Korrelationen Deutschland Raumstrukturtyp
Spearman-Rho
Einsatzzahl 2000
Korrelationskoefzient
,433**
Sig. (2-seitig) N Einsatzzahl 2001
,000 964
Korrelationskoefzient
,429**
Sig. (2-seitig) N Einsatzzahl 2002
,000 967
Korrelationskoefzient
,422**
Sig. (2-seitig) N Einsatzzahl 2003
,000 967
Korrelationskoefzient
,410**
Sig. (2-seitig) N Einsatzzahl 2004
,000 970
Korrelationskoefzient
,450**
Sig. (2-seitig) N Einsatzzahl 2005
,000 971
Korrelationskoefzient
,447**
Sig. (2-seitig)
,000
N **. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
969
167
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
6.4.2
Hypothese 2: Flächendeckende Tagesalarmsicherheit ist gering
Basierend auf den Untersuchungen zur Tagesalarmsicherheit ist Hypothese H2 nunmehr zu überprüfen. Mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests lassen sich die Proportionen der Ergebnisunterschiede zwischen Österreich und Deutschland bemessen. Zuvor werden in der Kreuztabelle die standardisierten Residuen für die einzelnen Raumstrukturtypen ausgegeben. Sie berechnen die Differenzen der empirischen Ausprägungen und der Vorhersagewerte (vgl. Diaz-Bone: 2006, 95). Je stärker die Residuen vom Ausgangswert 0 abweichen, desto gewichtiger ist die Abweichung von tatsächlicher und erwarteter Anzahl auftretender Verfügbarkeitsausprägungen. Standardisierte Residuen < 1 können aufgrund der geringen Differenzen unberücksichtigt blieben. In Österreich zeigen sich lediglich unauffällige Abweichungen. In Deutschland hingegen berichteten in den Raumstrukturtypen 1 (-1,7) und 6 (-1,1) unterdurchschnittlich wenige Testteilnehmer über Verfügbarkeitsprobleme. Einen zusammenfassenden Überblick bietet Tabelle 6-12. Tabelle 6-12
Ergebnisausgabe I für Hypothese H2 (Österreich und Deutschland) Raumstrukturtyp * Verfügbarkeitsproblem (j/n) Kreuztabelle Verfügbarkeitsproblem (j/n) nein
Österreich Raumstrukturtyp
1
4
5
6
171
Erwartete Anzahl
63,0
107,7
,4
,5
-,4
1,0
Anzahl
62
Erwartete Anzahl
59,3
101,4
,4
,4
-,2
-,6
99
Anzahl
29
54
Erwartete Anzahl
30,6
52,3 ,2
0
0
-,3 6
15
Erwartete Anzahl
7,7
13,2
,0
Standardisierte Residuen
-,6
,5
-,2
Anzahl
3
21
0
21,0 13
Erwartete Anzahl
4,8
8,2
,0
-,8
,6
-,2
Anzahl
2
8
Erwartete Anzahl
3,7
6,3 ,7
83,0
-,4 0
Standardisierte Residuen
-,9
161,0 83
,2
Anzahl
10
171,0 161
Standardisierte Residuen
Standardisierte Residuen Gesamt
Gesamt
1
103
Standardisierte Residuen 3
k. A.
67
Standardisierte Residuen 2
ja
Anzahl
0
13,0 10
,0
10,0
-,1
Anzahl
169
289
1
459
Erwartete Anzahl
169,0
289,0
1,0
459,0
168
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Deutschland Raumstrukturtyp
1
2
Anzahl
16
123
Erwartete Anzahl
24,4
114,1
,6
Standardisierte Residuen
-1,7
,8
-,8
48
192
1
241
42,2
197,8
1,0
241,0
,9
Gesamt
97
,0
26
Erwartete Anzahl
21,6
100,9
,5
1,0
-,4
-,7
0
123 123,0
Anzahl
43
191
2
236
Erwartete Anzahl
41,3
193,7
1,0
236,0
,3
-,2
Anzahl
25
110
Erwartete Anzahl
23,8
111,6
Standardisierte Residuen 6
-,4
Anzahl
Standardisierte Residuen 5
139,0
Erwartete Anzahl
Standardisierte Residuen 4
139
Anzahl Standardisierte Residuen 3
0
,2
1,1 1
136 ,6
-,2
136,0
,6
Anzahl
13
88
0
Erwartete Anzahl
17,7
82,9
,4
101
Standardisierte Residuen
-1,1
,6
-,6
101,0
Anzahl
171
801
4
976
Erwartete Anzahl
171,0
801,0
4,0
976,0
Auf Grundlage dessen ist eine allgemeine Beziehung der Verfügbarkeitsdezite mit den einzelnen Raumstrukturtypen nicht nachweisbar. Die Signikanzprüfung ergab darüber hinaus nachfolgende Ergebnisse: Tabelle 6-13
Ergebnisausgabe II für Hypothese H2 (Österreich und Deutschland) Chi-Quadrat-Tests
Österreich & Deutschland
Wert
df
Monte-Carlo Signi kanz (2-seitig)
Exakter Test nach Fischer
20,200
10
,008
Anzahl der gültigen Fälle
1435
Das Ergebnis ist stark signikant (,008). Zufall kann daher ausgeschlossen werden. Der mit Hypothese H2 zum Ausdruck gebrachte Effekt der beträchtlichen Verfügbarkeitsprobleme und der damit einhergehenden geringen Tagesalarmsicherheit bei den Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland ist zu unterstützen.
169
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
6.4.3 Hypothese 4: Flächendeckende Kompensationsbemühungen sind gering Die unterstellten Effekte der Reaktionen Freiwilliger Feuerwehren zur Kompensation untersuchter Verfügbarkeitsdezite lassen sich wiederum durch Kreuztabellen darstellen und durch Chi-Quadrat-Tests bemessen. Im Hinblick auf die Differenzen zwischen tatsächlicher und erwarteter Anzahl veranlasster Kompensationsleistungen weichen die österreichischen und deutschen Ergebnisse in beträchtlichem Umfang voneinander ab. Die standardisierten Residuen für die einzelnen Raumstrukturtypen weisen in Deutschland keine Auffälligkeiten auf. Somit stehen dort Bevölkerungsdichte und veranlasste Kompensationsleistungen ungeachtet der kumulierten Breitenbetrachtung zunächst in keiner nachweisbaren Beziehung. Dem gegenüber sind in den österreichischen Raumstrukturen 1,3,4 und 5 evidente Zusammenhänge aufgetreten. Konkret äußern sich in Raumstrukturtyp 1 unterdurchschnittlich wenige Teilnehmer über veranlasste Kompensationsmaßnahmen während sich in den Raumstrukturen 3,4 und 5 eine überdurchschnittlich hohe Anzahl kompensatorischer Aktivitäten ergab. Die berechneten Differenzen der empirischen Ausprägungen und der Vorhersagewerte implizieren zudem prominente Abweichungen. Die Einzelheiten folgen aus Tabelle 6-14.
Tabelle 6-14
Österreich Raumstrukturtyp
Ergebnisausgabe I für Hypothese H4 (Österreich und Deutschland) Raumstrukturtyp * Kompensation (j/n) Kreuztabelle Kompensation (j/n) nein ja k. A. Anzahl 112 50 7 1 Erwartete Anzahl 89,2 73,8 6,0 Standardisierte Residuen 2,4 -2,8 ,4 Anzahl 88 67 5 2 Erwartete Anzahl 84,4 69,9 5,7 Standardisierte Residuen ,4 -,3 -,3 Anzahl 29 49 2 3 Erwartete Anzahl 42,2 34,9 2,8 Standardisierte Residuen -2,0 2,4 -,5 Anzahl 5 15 1 4 Erwartete Anzahl 11,1 9,2 ,7 Standardisierte Residuen -1,8 1,9 ,3 Anzahl 0 10 1 5 Erwartete Anzahl 5,8 4,8 ,4 Standardisierte Residuen -2,4 2,4 1,0 Anzahl 4 6 0 6 Erwartete Anzahl 5,3 4,4 ,4 Standardisierte Residuen -,6 ,8 -,6 Anzahl 238 197 16 Gesamt Erwartete Anzahl 238,0 197,0 16,0
Gesamt 169 169,0 160 160,0 80 80,0 21 21,0 11 11,0 10 10,0 451 451,0
170
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Deutschland Raumstrukturtyp
1
Anzahl
41
92
6
139
Erwartete Anzahl
41,5
92,5
5,0
139,0
,0
,0
,5
Standardisierte Residuen 2
Anzahl
71
164
5
240
Erwartete Anzahl
71,6
159,8
8,6
240,0
,3
-1,2
Standardisierte Residuen 3
,0
Anzahl
42
75
6
Erwartete Anzahl
36,7
81,9
4,4
,9
-,8
,8
Standardisierte Residuen 4
Anzahl
71
156
9
236
70,4
157,1
8,5
236,0
,1
,2
37
94
5
136
Erwartete Anzahl
40,6
90,5
4,9
136,0
-,6
,4
,1
Anzahl
29
68
4
101
Erwartete Anzahl
30,1
67,2
3,6
101,0
-,2
,1
,2
Standardisierte Residuen Gesamt
,0
Anzahl Standardisierte Residuen 6
123,0
Erwartete Anzahl Standardisierte Residuen
5
123
Anzahl
291
649
35
975
Erwartete Anzahl
291,0
649,0
35,0
975,0
Die Ergebnisse zeugen zudem von höchster Signi kanz (,000). Tabelle 6-15
Ergebnisausgabe II für Hypothese H4 (Österreich und Deutschland) Chi-Quadrat-Tests
Österreich & Deutschland
Wert
df
Monte-Carlo Signi kanz (2-seitig)
Exakter Test nach Fischer
43,403
10
,000
Anzahl der gültigen Fälle
1426
Im Kontext dieser Ergebniskonsistenz und der Hypothesenprüfung können die angenommenen geringen Kompensationseffekte nicht unterstützt werden, da sich die Freiwilligen Feuerwehren (wenn auch bei nationaler Würdigung in abweichender Ausprägung) in Österreich und Deutschland auf die enormen Verfügbarkeitsdezite einzustellen begonnen haben. Dazu sei jedoch relativierend angemerkt, dass die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen kein Untersuchungsgegenstand gewesen ist.
171
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
6.4.4
Zusammenfassung der Hypothesenprüfung
Für Österreich und Deutschland ergaben sich im Rahmen der Hypothesenbewertungen vergleichbare Verläufe, die lediglich im Bereich der raumstrukturellen Intensität von gegenwärtigen Verfügbarkeitsproblemen und eingeleiteten Kompensationsmaßnahmen abweichende Beziehungen aufwiesen. Bei Hypothese H3 wurde diesbezüglich die deskriptive Einschätzung als ausreichend erachtet.
6.4.4.1
Österreich
Abbildung 6-15 Ergebnisse für die Hypothesen der Verfügbarkeitsstudie in Österreich H1
„Effekt für die Anzahl der Feuerwehreinsätze korreliert mit Bebauungsund Bevölkerungsdichte“
+
H2
„Effekt für die ächendeckende Gewährleistung der Tagesalarmsicherheit ist gering“
+
H3
„Effekt für die relative Häugkeit tageszeitlicher Verfügbarkeitsengpässe ist hoch“
+
H4
Effekt für ächendeckende Kompensationsmaßnahmen gegen tageszeitliche Verfügbarkeitsengpässe ist gering“
6.4.4.2
Deutschland
Abbildung 6-16 Ergebnisse für die Kennwerte der Verfügbarkeitsstudie in Deutschland H1
„Effekt für die Anzahl der Feuerwehreinsätze ist stärker bei hoher Bebauungs- und Bevölkerungsdichte“
+
H2
„Effekt für die ächendeckende Gewährleistung der Tagesalarmsicherheit ist gering“
+
H3
„Effekt für die relative Häugkeit tageszeitlicher Verfügbarkeitsengpässe ist hoch“
+
H4
Effekt für ächendeckende Kompensationsmaßnahmen gegen tageszeitliche Verfügbarkeitsengpässe ist gering“
Ausgehend von diesen Befunden bedarf es der kritischen Untersuchung weiterer Organisationsmerkmale des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens. Im Besonderen ist die immense Standortdichte charakteristisch für das Wirken der Freiwilligen Feuerwehren, so dass es die Untersuchung in Kapitel 7 auf die Infrastruktur auszudehnen gilt.
7
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Die Organisation des Feuerwehrwesens in Österreich und Deutschland basiert überwiegend auf ehrenamtlichen Strukturen (vgl. 3.1.2.1), die kommunal und damit gleichermaßen regional verankert sind. Diese Konzentration örtlicher Einrichtungen ist Voraussetzung für wirksame Feuerwehrtätigkeiten, insbesondere vor dem Hintergrund zeitkritischer Eingriffszwänge (vgl. 4.3). In Anbetracht der in Kapitel 6 vorgestellten Untersuchungsergebnisse zur Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger erscheint eine kritische Würdigung der ganzheitlichen Erfüllung des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages angemessen, zumal die Verfügbarkeitsstudie trotz der enormen Standortdichte erhebliche Dezite konstatiert. Mit 4.926 ehrenamtlich betriebenen Feuerwehrhäusern in Österreich, bzw. 33.094 Liegenschaften der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland (vgl. 6.3) besteht ein engmaschiges Netz örtlicher Feuerwehreinrichtungen (vgl. 3.1.2.1), das es seitens der Kommunen bewirtschaften gilt. Alternativ ist diese hohe Anzahl theoretisch reduzierbar, sofern der Brandschutz beruflichem Feuerwehrpersonal bzw. dem zeitlich strukturierten Zusammenwirken ehren- und hauptamtlicher Feuerwehrangehöriger übertragen würde.
7.1
Denition von Wirkradien
Nach DIN 14092-1 ist die „Lage eines Feuerwehrhauses (…) unter Berücksichtigung aller taktischen Erwägungen wie z. B. Hilfsfrist, Verkehrsanbindung oder städtebaulicher Entwicklung auszuwählen“. Zudem „muss das für das Feuerwehrhaus vorgesehene Grundstück nach Lage, Form, Größe, Höhenlage und Beschaffenheit für die Bebauung geeignet sein und Erweiterungsbauten ermöglichen“ (DIN 14092-1 Teil 1 Nr. 3). Auf die herausragende Bedeutung des Faktors „Schnelligkeit“ wurde diesbezüglich bereits eingegangen (vgl. 4.3). Es bedarf demnach der besonderen Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten, soll den wie vor dargestellten baulichen und organisatorischen Inhalten Rechnung getragen werden. Ebenso ist die Erreichbarkeit eines Schadensortes „stärker von der zeitlichen und weniger von der räumlichen Nähe geprägt“ (Schürt et al.: 2005, 4, vgl. 6.2), so dass die Fahrzeit als Lagekriterium einer Feuerwehrliegenschaft explizit geeignet ist, als Maßstab der Standortwahl zeitkritischen Eintrefferwägungen Ausdruck zu verleihen. Die Fahrzeit wiederum korreliert mit den jeweiligen Straßenverkehrsverhältnissen, mit dem Ausbaugrad des Straßen netzes (Straßenraumabmessungen), mit den möglichen Geschwindigkeitsprolen, mit tageszeitlichen Verkehrsströmungen bzw. mit tageszeitlich schwankender Verkehrsdichte, mit möglichen Verkehrsknotenpunkten im Bereich der Wirkradien von Feuerwehrstandorten sowie mit der Bilanzierung von Fahr-, Beschleunigungs- und Standzeiten (vgl. Pfaffenbichler et al.: 2007, 2–18).
F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
173
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Die jeweiligen Fahrzeiten innerhalb des Verantwortungsbereiches einer Feuerwache sind daher im Einzelfall zu analysieren, um eine planerische Ermittlung der Einsatzgrundzeit als bewertbaren Teil der Hilfsfrist (vgl. 4.3) durchführen zu können. Dazu sei auf die bereits eingeführten zeitkritischen Reaktionsmöglichkeiten feuerwehrbezogener Tätigkeiten verwiesen, die nunmehr für die Standortplanungen als verbindlich erachtet werden. Im Konkreten dürfen die evaluierbaren Kriterien Meldevorgang, Alarmierung der Einsatzkräfte, Ausrückezeit und Anfahrt bis zum Eintreffen am Schadensort einen Zeitraum von 9,5 Minuten nicht überschreiten (vgl. 4.3.3). Die Fahrzeitenanalyse dient somit der Standortplanung bei paralleler Feststellung lokaler Schwachpunkte, auf die es durch Veränderung der Standortwahl oder durch Übertragung auf Nachbarstandorte einzugehen gilt. Die Denition der Wirkradien erfolgt dabei auf Grundlage durchschnittlicher Fahrzeuggeschwindigkeiten auf innerörtlichen bzw. außerörtlichen Streckenführungen. Bei der theoretischen Fahrzeitenermittlung wird die innerörtliche Durchschnittsgeschwindigkeit vergleichsweise niedrig angenommen, insbesondere vor dem Hintergrund gesetzlicher Geschwindigkeitsbeschränkungen, dichterer Verkehrströme sowie straßenbaulicher Verkehrsbeeinussungen. Die Unternehmensberatung Wibera AG begründete im Rahmen div. Projekte zur Erstellung von Rettungsdienst- und Feuerwehrbedarfsplänen empirisch ermittelte Durchschnittsgeschwindigkeiten für die theoretische Fahrzeitenanalyse. Demnach nden im innerörtlichen Bereich 42 km/h und außerörtlich 72 km/h Anwendung, sofern das jeweilige Fahrzeug Sonder- und Wegerechte in Anspruch nehmen kann. Es ergeben sich die nachfolgenden Weg-Zeit-Werte: 1 Min.
2 Min.
3 Min.
4 Min.
5 Min.
6 Min.
7 Min.
8 Min.
42 km/h
0,69 km
1,12 km
2,05 km
2,73 km
3,41 km
4,1 km
4,79 km
5,74 km
72 km/h
1,25 km
2,5 km
3,75 km
5,0 km
6,94 km
8,1 km
9,35 km
10,4 km
Die einzelnen Weg-Zeit-Potentiale wurden darüber hinaus durch die Auswertung von mehr als 53.000 automatisiert erfassten Einsatzfahrzeugbewegungen in Kommunen der Raumstrukturtypen 4 bis 6 veriziert (vgl. Wilde et al.: 2003, 61). Daher basieren die nunmehr darzustellenden Einsatzbereiche der jeweiligen Feuerwachen auf diesen Größenordnungen.
7.1.1
Denition von räumlichen Zuständigkeiten
Die Anforderungen an die örtliche Lage, an die Berücksichtigung verkehrsstruktureller Gegebenheiten sowie an die Eintreffzeit an Notfallorten bilden nun die Grundlage der Denition räumlicher Einsatzbereiche der einzelnen Feuerwachen. Ziel ist die Ermittlung des minimalen, ständig zu besetzenden Standortbedarfes in der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Versorgung der Bevölkerung nach maximal 8 Minuten Fahrzeit ab Ausrücken zum Schadensort. Auf die bereits mehrfach dargestellten zeitkritischen Eintrefferfordernisse (vgl. 4.3.3) sei aus Gründen der Vollständigkeit an dieser Stelle
174
Die Infrastruktur der Feuerwehren
abermals verwiesen. Entgegen den brandschutzgesetzlichen Zuweisungen bleiben die kommunalen Zuständigkeitsgrenzen ohne Anwendung. Es ist somit von einer nochmaligen Reduzierung der quantitativen Liegenschaftsvoraussetzungen auszugehen. Die Standortdenition erfolgt durch die manuelle Auswertung von österreichischen Bundesländerkarten im Maßstab 1:150.000 und daraus folgender Betrachtung sämtlicher politischer Bezirke und Statutarstädte der Republik Österreich (vgl. Gemeindeverzeichnis: 2007, 9) sowie der Bearbeitung so genannter Freizeitkarten im Maßstab 1:75.000 aller Landkreise und kreisfreien Städte der Bundesrepublik Deutschland. Zudem ist die Einteilung in hochverdichtete, gemischte und schwach besiedelte Bevölkerungsstrukturen Grundlage der maßstäblichen Einsatzbereichbemessung, die sich an den wie vor aufgeführten Weg-ZeitPotentialen orientiert. Folglich ergeben sich 3 unterschiedliche Wirkradien.
7.1.2
Denition der personellen Ausstattung
Basierend auf dem theoretischen Grundgedanken einer ganzheitlichen Erfüllung der Feuerschutzaufgabe durch beruiche Kräfte gilt es die einzelnen Feuerwachen „rund um die Uhr“ in der Größenordnung „selbstständiger taktischer Feuerwehreinheiten“ (FwDV 3: 2008, 4) zu besetzen. Hinsichtlich der konkreten personellen Ausstattung dient der Grad der Bevölkerungsdichte als Maßstab des Kräfteansatzes. Als Minimalbesetzung bei schwach bis gemischt besiedelten Bevölkerungsstrukturen wird eine Löschstaffel vorgesehen. Sie gliedert sich wie folgt:
Abbildung 7-1 Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschstaffelstandortes nach FwDV 3 Fahrzeuge
Löschfahrzeug I
Hubrettungsfahrzeug1
Anzahl
Fuktion
1
Gruppenführer
1
Maschinist
1
Truppführer
1
Truppmänner
1
Gruppenführer
1
PKW oder Transporter z. b. V. Summe Personal
1
Maschinist ohne Zuweisung
6
Die Vorhaltung eines Hubrettungsfahrzeuges steht in unmittelbarer Beziehung zu der Bebauungsstruktur. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein solches Fahrzeug im Einzelfall nicht erforderlich ist. Die Notwendigkeit der Vorhaltung wird indes idealisierend angenommen.
175
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Feuerwachen, die über die personelle Ausstattung einer Löschstaffel verfügen, sind bei der Zuweisung von Einsatzbereichen mit einem „S“ gekennzeichnet. Löschgruppenstandorte bei gemischt bis hochverdichteter Umgebung umfassen:
Abbildung 7-2 Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschgruppenstandortes nach FwDV 3. Fahrzeuge
Löschfahrzeug I
Hubrettungsfahrzeug
Anzahl
Funktion
1
Gruppenführer
2
Maschinist und Melder
2
Truppführer
2
Truppmänner
1
Gruppenführer
1
PKW oder Transporter z. b. V. Summe Personal
Maschinist ohne Zuweisung
9
Feuerwachen, die über die personelle Ausstattung einer Löschgruppe verfügen, sind bei der Zuweisung von Einsatzbereichen mit einem „G“ gekennzeichnet. Löschstaffeln und Löschgruppen vermögen den Großteil der Schadensereignisse eigenständig abzuwickeln. Eine Veröffentlichung des Instituts der Feuerwehr Sachsen-Anhalt hebt als Ergebnis der O.R.B.I.T-Studie (vgl. 4.3.3) hervor, dass die kleinste aus 4 Funktionen bestehende taktische Einheit, nahezu 70 % „aller anfallenden Einsätze“ zu bewältigen in der Lage sei. Weitere 26 % der Einsatztätigkeiten könnten mit 4 zusätzlichen Funktionen bearbeitet werden, so „auch der Wohnungsbrand mit allen seinen Entwicklungsstadien“. Die verbleibenden 3 % der Feuerwehreinsätze würden einen taktischen Löschzug erforderlich machen. Allerdings bedürfen diese taktischen Einheiten technischer Einsatzmittel wie zum Beispiel Hubrettungsgeräte, die bei „Einsätzen in Städten“ gegenwärtig seien, während bei den Freiwilligen Feuerwehren zunächst technische und taktische Voraussetzungen zu schaffen wären. Auf Basis der technisch-taktischen Voraussetzungen würde der Normbrand „Wohnungsbrand“ 2 Einheiten mit jeweils 4 Einsatzkräften sowie „eine optimale Löschtaktik“, einen zeitgemäßen technischen Ausrüstungsstandard und „vollständig ausgebildete, trainierte Einsatzkräfte erfordern“, wobei der Eigenschutz der Einsatzkräfte auf ein Minimum reduziert werden müsste. Die Autoren der Studie sehen diesen Ansatz nur durch eine Berufsfeuerwehrstruktur realisierbar; er unterstützt insofern den eingangs dargestellten Planungsansatz, impliziert parallel dazu Qualitätsunterschiede bei der Aufgabenwahrnehmung durch ehrenamtliche Feuerwehrangehörige, die schon aufgrund „fehlender täglicher Trainingsmöglichkeiten“ begründet erscheinen würden (vgl. Pleß: 2000, 35–37). Innerhalb einer effektiven Infrastruktur sind über Feuerwachen für Löschstaffeln und Löschgruppen hinaus zentrale Stellen vorzusehen, die einerseits der personellen Verstär-
176
Die Infrastruktur der Feuerwehren
kung bei ausgedehnten und Schadensereignissen dienen, andererseits technische, logistische, präventive und administrative Aufgaben des Feuerwehralltages zu übernehmen geeignet sind, so zum Beispiel Fahrzeugunterhaltung, Gerätewartung und -pege, Durchführung von zentralen Schulungsmaßnahmen oder die Prüfung von Kommunikationsmitteln. Neben Personal im kontinuierlichen Schichtdienst sind daher beruiche Kräfte während der üblichen Verwaltungsdienstzeiten zu beschäftigen, die zudem der erhöhten tageszeitlichen Eintrittswahrscheinlichkeit von Schadensereignissen gerecht zu werden vermögen. Die mit „Z“ bezeichneten Zentralwachen können räumlich mit Staffel- bzw. Gruppenstandorten zusammengefasst werden und insoweit auch für einen denierten Verantwortungsbereich zuständig sein, ohne dass eine zusätzliche Feuerwache zu errichten ist. Das Personal setzt sich zusammen aus: Abbildung 7-3 Funktionale und organisatorische Gliederung eines erweiterten Löschzugstandortes nach FwDV 3. Fahrzeuge
Löschfahrzeug I
Löschfahrzeug II
Hubrettungsfahrzeug Einsatzleitwagen 2 Wechselladerfahrzeuge Sonderfahrzeug I (Tanklöschfahrzeug) Sonderfahrzeug II (z. B. Gefahrgutfahrzeug, Einsatzleitfahrzeug) Summe Personal
Anzahl
Funktion
1
Gruppenführer
1
Maschinist
2
Truppführer
2
Truppmänner
1
Gruppenführer
1
Maschinist
2
Truppführer
2
Truppmänner
1
Gruppenführer
1
Maschinist
1
Zugführer
1
Führungsassistent
4
Fahrzeugführer und Maschinist
1
Fahrzeugführer
1
Maschinist
1
Truppmann
1
Fahrzeugführer
1
Maschinist
1
Truppmann
26
Die Verfügbarkeit des in Abbildung 7-3 dargestellten Personalansatzes ist vollkontinuierlich, also „rund um die Uhr“ erforderlich. Der Umfang der bereits angeführten Ergänzung während der Zeiten des allgemeinen Verwaltungsdienstes sollte wie folgt ausgestaltet sein:
177
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Abbildung 7-4 Funktionale und organisatorische Gliederung der Verwaltungsdienstzeit einer Zentralwache. Fahrzeuge
Löschfahrzeug
Werkstattwagen LKW/Logistikfahrzeug 2PKW/2Transporter
Anzahl
Funktion
1
Gruppenführer
1
Maschinist
1
Truppführer
1
Truppmänner
1
Technisches Personal mit Feuerwehrqualikation
1 2
Truppführer/Truppmann
4
Feuerwehrpersonal mit mittlerer und gehobener Qualikation
Hubrettungsfahrzeug (Reserve) Löschfahrzeug (Reserve)
ohne Zuweisung
Wechselladefahrzeug (Reserve) Summe
12
In Abhängigkeit von Verdichtungsansätzen oder weiteren gesondert zu betrachtenden Gefahrenquellen variiert die Anzahl der ergänzenden personellen Ausstattung während der werktäglichen Arbeitszeiten. Zudem weichen die technischen Vorhalteleistungen eines zentralen Standortes ggfs. von der dargestellten Ausstattungsvariante ab. Entscheidend sind explizit die konkreten örtlichen Gegebenheiten.
7.1.3
Modelldarstellung
Die Planungsgrundlagen der feuerwehrbezogenen Infrastrukturbemessung sind nunmehr bekannt. Die zeitgerechte Erreichbarkeit des Notfallortes im Sinne der eingeführten Toleranzbereiche (vgl. 4.3.3) charakterisiert die primäre Intention der Standortplanung. Gleichwohl die überwiegende Anzahl der Hilfeersuchen mit beschriebenem personellem Aufwand beherrschbar erscheint, bedarf es einer planerischen Ausrichtung, die sowohl den schutzwürdigen Interessen der Bevölkerung wie auch dem Eigenschutzaspekt der eingesetzten Feuerwehrkräfte entsprechenden gerecht wird. Demgemäß orientieren sich die Standorte der einzelnen Feuerwachen nicht nur am denierten Verantwortungsbereich, sondern zudem an so genannten „zweiten und dritten Hilfsfristen“, nach denen die erste Unterstützungseinheit nach spätestens 13 Minuten Anfahrtsdauer, eine weitere Verstärkung nach höchstens 18 Minuten Fahrzeit an Schadensstellen innerhalb fremder Zuständigkeitsbereiche eintreffen muss. Die „erste Hilfsfrist“ von 8 Minuten für die Anfahrt zur Einsatzstelle bleibt von dargestellten Zeitfenstern unberührt und somit nach wie vor relevant. Ein Beispiel der Infrastrukturentwicklung ist im Folgenden dargestellt.
178
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Abbildung 7-5 Exemplarische Modellierung einer feuerwehrbezogenen Standortstruktur
Infolge der idealisierten Zuweisung der Wirkradien entstehen mitunter geringfügige kartographische Deckungslücken, die der gewählten Darstellungsform geschuldet sind. Ungeachtet dessen verdeutlicht die Standortverteilung dieser exemplarischen Minimalvariante die Anwendung von Fahrzeitreserven, sofern die Kräfte unmittelbar nach der Alarmierung ausrücken können. Ebenso ersichtlich erscheint die Möglichkeit von Kompensations- bzw. Ausgleichsbewegungen von Personal und Material zur Abdeckung von potentiellen Paralleleinsätzen, sollten räumlich zusammenhängende Einsatzbereiche aufgrund gegenwärtiger Schadensereignisse ohne abwehrendes Gegengewicht verbleiben müssen. Die Steuerung derartiger Vorgänge erfolgt üblicherweise durch automatisierte Verarbeitung in modernen Einsatzleitrechnersystemen. Sie entspricht zeitgemäßen technischen Standards. Nach dieser Einführung ausstattungsorientierter Grundlagen bedarf es nunmehr der Vorstellung von räumlichen Standortmerkmalen, insbesondere vor dem Hintergrund der existenten Bauwerksdichte von nahezu 5.000 Feuerwehrhäusern in Österreich bzw. mehr als 33.000 Liegenschaften in Deutschland. Die wie vor dargestellte Planungsvariante impliziert eine erhebliche Reduzierung der bestehenden Infrastruktur. Die Kosten dieser Reduzierung
Die Infrastruktur der Feuerwehren
179
zu bemessen, ohne dabei die vorhandenen Gebäude unberücksichtigt zu lassen, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen, bevor sodann der nanzielle Aufwand einer personellen und technischen Berufsfeuerwehrstruktur für die einzelnen Bundesländer in Kapitel 8 zusammengeführt werden wird.
7.2
Denition der baulichen Kosten
Nach DIN 276 „Kosten im Bauwesen“ sowie ÖNorm B 1801-1 „Kosten im Hoch- und Tiefbau“ entsprechen Kosten den „Aufwendungen für Güter, Leistungen und Abgaben, die für die Planung und Ausführung von Baumaßnahmen erforderlich sind“ (DIN 276: 2006, 4; ÖNorm B 1801-1: 1995, 2). Diesen Ansatz gilt es nunmehr auf die bereits existenten Bauwerke der Feuerwehr zu projizieren, deren Anzahl in der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland mehr als beträchtlich ist. Im Rahmen einer Standortanalyse deuten sich vor dem Hintergrund der beschriebenen Infrastruktur enorme Reduzierungspotentiale an, soll eine Anpassung an die minimale Liegenschaftsdichte erfolgen. Die etwaigen Kosten baulicher Erweiterungen bzw. baulicher Ergänzungen werden überschlägig ermittelt. Dabei sind Vorplanungen und Mengeneinheiten, im Konkreten Aufwendungen für Bauwerk bzw. Bauwerkskonstruktionen sowie technische Anlagen maßgebend (vgl. Fröhlich: 2007, 39–42). Es erfolgt die überschlägige Ermittlung von Kosten auf Grundlage so genannter Kostenkennwerte (KKW), die das Verhältnis von Kosten zu einer Bezugseinheit, also die Relation zum Längen-, Flächen- und Raummaß darzustellen geeignet sind (vgl. DIN 276: 2006, 5; ÖNorm B 1801-1, 1995, 2; Fröhlich: 2007, 58), um zuverlässige Angaben des Aufwandes einer Objektänderung bzw. einer Neuerstellung ableiten zu können. In diesem Kontext ist die Vielzahl der einzelnen unterschiedlichen Feuerwehrstandorte hinsichtlich des jeweiligen Nutzungspotentials zu differenzieren und nachfolgend einzuordnen. Daraus resultierend verbleiben räumliche bzw. technische Anpassungsvolumina, die es auszufüllen gilt, sofern die Liegenschaft den Anforderungen an eine ständig besetzte Feuerwache zur bedarfsabhängigen Unterbringung einer Löschstaffel, einer Löschgruppe oder einer zentralen Stelle genügen soll. Die Ausstattungsvarianz der bestehenden Liegenschaften ist dabei ebenso weitreichend wie die Möglichkeiten der idealisierenden Vereinheitlichung derselben. Maßstab der Zusammenführung sind Anzahl und Ausführung der Fahrzeugstellplätze, Art und Umfang der Sozial-, Aufenthalts, Ruhe-, Büro-, Lager- und Werkstatträumlichkeiten sowie die Ausgestaltung der Umkleiden für die Einsatzausrüstung. Auf Grundlage dessen lässt sich eine Kategorisierung von Ausbaugraden begründen, die vorwiegend durch die abgestufte Diskrepanz zu einem ständig zu besetzenden Standort charakterisiert ist. Sollte indes bei der Infrastrukturentwicklung keine Bestandsliegenschaft im entsprechenden Zielgebiet vorhanden sein, so bedarf es der Neuerrichtung einer Feuerwache, die im Folgenden als Basisliegenschaft bezeichnet wird. Die bauliche Gestaltung dieser Basisliegenschaft vorzustellen sowie die Kategorisierung der einzelnen Ausbaustufen abzugrenzen, erfolgt nunmehr als Fortführung der Infrastrukturplanungen.
180 7.2.1
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Entwicklung einer Basisliegenschaft
Die potentiellen Investitionskosten zur Etablierung einer beruichen Feuerwehrorganisation bedürfen der einleitenden Konzeption und Beschreibung von Leistungsmerkmalen, denen die Feuerwehrstandorte funktional, technisch und räumlich entsprechen sollen. Die Basisliegenschaft vereint die Mindestausstattungsstandards. Die auf Kostenkennwerten (KKW) basierende Erfassung des Investitionsvolumens beinhaltet die Kostengruppen Baukonstruktion und technische Anlagen. Darin enthalten sind u. a. Kosten für Baugrube und Bauwerksgründung, Außen- und Innenwände, Decken und Dächer, baukonstruktive Einbauten, Ver- und Entsorgungsgewerke sowie Fernmeldeanlagen und Gebäudeautomation (vgl. Fröhlich: 2007, 42–45). Die Kostenkennwerte basieren auf Angaben des Baukosteninformationszentrums deutscher Architektenkammern. Sie beinhalten tatsächliche Baukostenberechnungen abgeschlossener Projekte, so auch der Errichtung eines Feuerwehrstandortes in Verbindung mit Gebäuden öffentlicher Bereitschaftsdienste (vgl. BKI Objektdaten N 8: 2007, 316–318 und BKI Objektdaten: 2008, 546–560). Die mit konkreten nanziellen Aufwendungen hinterlegten Kennwerte sind sodann den jeweiligen Kostengruppen wie konstruktiven Einbauten, Außenwänden, Decken, und Versorgungsanlagen zuzuweisen. Als Ergebnis dessen lassen sich belastbare Größenordnungen für die Baukonstruktion und die technischen Anlagen des zu errichtenden Objektes ausgeben. Kostenerfassungen im Sinne der ÖNorm B 1801-1 und der DIN 276 gliedern sich in mehrstuge Verfahren, deren Qualität in Reihenfolge der folgenden Nennungen zunehmend ist. „Der Kostenrahmen dient als eine Grundlage über die Bedarfsplanung sowie für grundsätzliche Wirtschafts- und Finanzierungsüberlegungen und zur Feststellung der Kostenvorgabe“ (DIN 276: 2006, 7). Er bildet die Grundlage der Kostenschätzung mit der parallelen Zielsetzung der Kostenkontrolle (vgl. ÖNorm B 1801-1: 1993, 6). Eine Kostenschätzung hingegen konkretisiert die Planungen. Sie stellt bereits einen Bezug zu den Kostengruppen her und bedarf der Kostenerfassung bis zur so genannten 1. Ebene. Diese umfasst die Gesamtkosten für eine vollständige Kostengruppe, wie zum Beispiel „Baukonstruktion“, ohne dass detaillierte Kennwerte für Außen- und Innenwände, Decken oder auch Dächer Berücksichtigung nden. Einem Kostenschätzverfahren ist ein gewisses Maß an Ungenauigkeit immanent; die Literatur beschreibt einen Toleranzrahmen zwischen 20 % (Werner et al.: 2002, Rdn. 1788) und 40 % (Locher et al.: 1996, Rdn. 59), demnach eine mittlere Ungenauigkeit von 30 %. Erst durch die Stufe der Kostenberechnungen wird die Entscheidung über die Aufnahme etwaiger Entwurfsplanungen begründbar; sie ist daher mindestens bis zur 2. Ebene zu kalkulieren und enthält die wie vor exemplarisch dargelegten Kennwerte einzelner Bauelemente bzw. konstruktiver Einbauten (vgl. ÖNorm B 1801-1: 1993, 7; DIN 276: 2006, 8). Ein Toleranzrahmen von 20 % ist angemessen (Langen et al.: 2005, Rdn. 639). Der Kostenanschlag als weitere Stufe der Kostenerfassung vermag das Objekt als Grundlage der Ausführungsplanung und als Vorbereitung der Vergabeentscheidung zunehmend zu konturieren. Dabei gilt es die Kostengruppen bis zur 3. Ebene zu betrachten, so dass einzelne Elemente der baulichen Gestaltung ebenso als Bestandteil der Kostenerfassung aufzunehmen sind. Ein Kostenanschlag, dem ein Toleranzrahmen von 15 % zuzu-
Die Infrastruktur der Feuerwehren
181
billigen ist (Werner et al.: 2002, Rdn.1789), wird lediglich noch durch die abschließende Kostenfeststellung der nachgewiesenen Aufwendungen übertroffen. Insofern liegt den Investitionskostenermittlungen dieser Infrastrukturbemessung eine beachtliche und gleichermaßen aussagefähige Genauigkeit zugrunde, enthalten sie doch Kostenberechnungen, die überwiegend bis zur 3. Ebene ausgeführt wurden. Hinsichtlich der Verwendung österreichischer und deutscher Normen der „Kosten im Hoch- und Tiefbau“ sowie der „Kosten im Bauwesen – Hochbau“ sei auf den vergleichbaren Aufbau, auf die nahezu identische Denition der Kostenbegriffe sowie die simultane Abfolge der Kostengruppen (DIN 276) und der Kostenbereiche (ÖNorm B 1801-1) verwiesen, mögen sich auch inhaltlich geringe Abweichungen ergeben (vgl. ÖNorm B 1801-1: 1993, 11–19; DIN 276: 2006, 11–25). Die angeführten Toleranzrahmen deuten zudem auf legitime Planungsvarianzen hin (vgl. Feuerabend: 2005, 28–31), die etwaige Unterschiede des Bau- und Planungskostenniveaus in Österreich und Deutschland abzudecken geeignet sind. Ebenso beruhen die Kostenkennwerte auf Veröffentlichungen aus den Jahren 2007 und 2008; sie weisen insoweit ein hohes Maß an Aktualität auf. Darüber hinaus lassen sich der ÖNorm 2061 „Preisermittlung für Bauleistungen – Verfahrensnorm“ keine unmittelbaren Ausschlusskriterien entnehmen, die einer Anwendung dieser Verfahrensweise entgegenstehen würden (vgl. ÖNorm 2061: 1999, 2–22).
7.2.1.1
Anwendungsvoraussetzungen
Die Investitionskostenbemessung im Rahmen der Entwicklung einer Basisliegenschaft sowie die bauliche Anpassung ergänzender Baukonstruktionen und technischer Anlagen an Bestandsobjekte setzt die nachfolgenden Vereinfachungen voraus: 1.
2.
3. 4.
Das für die Feuerwehrliegenschaft vorgesehene Baugrundstück ist Eigentum der Gemeinde. Diese Vereinfachung ist den regional abweichenden Kosten für Baugrundstücke geschuldet. Das Baugrundstück ist erschlossen. Es entstehen keine weiteren Kosten für Erschließung, Abbruch- und Altlastenentsorgung, Aufbereitung der Gebäudeoberäche sowie für die Zuführung von Ver- und Entsorgungsleitungen und Verkehrsanbindungen. Bausubstanz und technische Anlagen des Bestandsobjektes benden sich einem guten Zustand ohne zusätzlichen Modernisierungsbedarf. Das bestehende Gebäude ist gut instand gehalten worden. Die bauliche Ergänzung durch Anpassung des Ausstattungsniveaus umfasst lediglich optische Korrekturen und Renovierungsarbeiten im Übergangsbereich von Alt- und Neubau
Trifft eine einzelne Bedingung bzw. treffen mehrere Vereinfachungen nicht zu, erhöht sich der investive Aufwand. Dieser lässt sich aufgrund der Vielfalt potentieller Investitions- und Anpassungslösungen nicht weiter konkretisieren, so dass auch die baulichen Infrastrukturkosten lediglich den minimalen Umfang einer beruichen (Ersatz-) Feuerwehrorganisation wiederzugeben vermögen.
182 7.2.1.2
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Räumlich-funktionaler Aufbau
Die Grundrisspläne der Basisliegenschaft sind im Folgenden abgebildet. Sie orientieren sich hinsichtlich der personellen und feuerwehrtechnischen Ausstattung an der funktionalen und organisatorischen Gliederung der Standorte für die Unterbringung einer Löschstaffel bzw. einer Löschgruppe. Die vorgeschlagene Umsetzung besteht aus Erdgeschoss, erstem und zweitem Obergeschoss. Diese Variante bedarf der geringsten Grundstücksgröße. In Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten lässt sich ein vergleichbarer Ausstattungsumfang ebenso auf eine größere Fläche bei Reduzierung der Geschoßanzahl verbauen. Der Musterstandort gliedert sich im Einzelnen wie nunmehr dargestellt: Abbildung 7-6 Grundriss Erdgeschoß des Musterstandortes
Die Trennung der Umkleidebereiche in „Schwarz- und Weißbereich dient der Vermeidung von „Kontaminationsverschleppungen“ nach Einsätzen. So ist der Ausgang der Fahrzeughalle unmittelbar mit dem Schwarzbereich verbunden, um das Ablegen kontaminierter Einsatzkleidung zu ermöglichen und nachfolgend Wasch- bzw. Duschräumlichkeiten anzuschließen (vgl. DIN 14092-1 Teil 1, Nr. 5.1.2).
Die Infrastruktur der Feuerwehren
183
Abbildung 7-7 Grundriss 1. Obergeschoß des Musterstandortes
Die Geschosse sind jeweils über den Treppenraum und Rutschstangen verbunden. Letztere sollen insbesondere die zeitnahe Erreichbarkeit der Einsatzfahrzeuge aus dem 2. Obergeschoß sicherstellen. Dort wiederum benden sich Ruheräume und Räume für Bereitschaftszeiten, die auf Grundlage von Arbeitsstättenrichtlinien einzurichten sind, da die Arbeitszeit der beruichen Feuerwehrangehörigen „regelmäßig und häug“ mit Arbeitsbereitschaftszeiten oder Arbeitsunterbrechungen einhergeht (vgl. ArbeitsstättenVO, §6 (3)). Abbildung 7-8 Grundriss 2. Obergeschoß des Musterstandortes (Eigene Darstellung)
Unter Berücksichtigung der aufgeführten Vereinfachungen ist mit einem investiven Aufwand von 1.515.591 € für das Bauwerk und die technischen Anlagen zu rechnen, soll der Musterstandort im vorgesehenen Umfang errichtet werden.
184 7.2.2
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Denition von Anpassungsnotwendigkeiten
Ein baulich-technischer Mindestausstattungsstandard ist nunmehr deniert. Davon ausgehend gilt es nunmehr die Bestandsliegenschaften zu kategorisieren und dieselben in Ausbaustufen zu integrieren. Die Erfassung der Bestandsobjekte erfolgte durch Internetrecherche und gelegentliche fernmündliche Anfragen, sofern die Internetpräsenz keine oder nur mangelnde Informationen zum Bauwerk enthielt. Es ergab sich eine Varianz, die von einfachen Unterstellmöglichkeiten für einzelne Fahrzeuge bis hin zu vollumfänglich ausgestatteten Feuerwehrliegenschaften im Sinne des Musterstandortes oder im Sinne der zentralen Stelle reichte. Die Differenzierung derselben leitet sich primär an den Stellächen für Feuerwehrfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 12 t, an den Hygienestandards der erforderlichen Schwarz-Weiß-Trennung von Umkleidebereichen sowie an den Anforderungen zur Unterbringung öffentlicher Bereitschaftsdienste ab. Architektonische Akzente wurden bei der Kategorisierung ebenso vernachlässigt wie abweichende funktionale Aufteilungen der einzelnen Bestandsobjekte. Die Aufwertung dieser Objekte erfolgt nunmehr durch die virtuelle Integration der nutzbaren Flächen und technischen Anlagen mit dem Ziel, den Ausstattungsstandard des Musterstandortes zu erzielen. Es ist insofern erforderlich, den Bestand zu kategorisieren und sodann idealisierend zu vereinheitlichen, um die Aufwendungen erfassen zu können. Als Ergebnis entstehen insgesamt 6 Ausbaustufen, die in sich mit aufsteigender Tendenz dem Musterstandort annähern. Als Ausbaustufe 7 gilt ein Bestandsobjekt, das alle Anforderungen zu erfüllen in der Lage ist, während der wie vor entwickelte Musterstandort im weiteren Verlauf als Ausbaustufe 8 bezeichnet wird. Der voraussichtliche Aufwand zur Angleichung der jeweiligen Ausbaustufen an das denierte Standortprol basiert auf Kostenberechnungen bis zur 3.Ebene; sie bilden im Anschluss die Grundlage für die Bewertung des gesamten investiven Aufwandes zum Aufbau einer Standortstruktur im österreichischen und deutschen Feuerwehrwesen, die annahmegemäß von beruichen Kräften zu betreiben ist.7.2.2.1 Ausbaustufe 1
185
Die Infrastruktur der Feuerwehren
7.2.2.1
Ausbaustufe 1
Abbildung 7-9 Objektdaten der Ausbaustufe 1
Objektdaten
Größenordnungen
Nutzäche [NF]
ca. 100 m2
Bruttorauminhalt [BRI]
ca. 300 m3
Errichtungskosten (Stufe 1)
Kostenberechnung nach DIN 276
1. Baukonstruktion (KKW 300)
68.700 €
2. Technische Anlagen (KKW 400)
12.600 €
Gesamtumfang Neubau
81.300 €
Angleichungskosten an Musterstandort
Kostenberechnung nach DIN 276
Gesamtumfang Angleichung
Auf eine rechnerische Beweisführung wird aus Gründen des überhöhten investiven Aufwandes verzichtet. Der Standort der Stufe 1 verfügt lediglich über eine Hallenäche zur Aufnahme eines Kleinfahrzeuges. Etwaige Angleichungskosten entsprechen mindestens den Neubaukosten eines Musterstandortes.
Standortvarianten dieser Ausprägung nden sich nahezu ausschließlich bei Bevölkerungsstrukturen geringer und sehr geringer Dichte. Sie bieten den dort tätigen Feuerwehrangehörigen eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten. Zudem ist der technisch-taktische Einsatzwert relativ begrenzt.
186 7.2.2.2
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Ausbaustufe 2
Abbildung 7-10 Objektdaten der Ausbaustufe 2 (Eigene Darstellung)
Objektdaten
Größenordnungen
Nutzäche [NF]
190 m2
Bruttorauminhalt [BRI]
720 m3
Errichtungskosten (Stufe 2)
Kostenberechnung nach DIN 276
1. Baukonstruktion (KKW 300)
164.880 €
2. Technische Anlagen (KKW 400)
30.240 €
Gesamtumfang Neubau
195.120 €
Angleichungskosten an Musterstandort
Kostenberechnung nach DIN 276
Gesamtumfang Angleichung
Eine rechnerische Beweisführung ist erfolgt. Der Standort der Stufe 2 verfügt lediglich über eine Hallenäche zur Aufnahme eines Groß- und eines Kleinfahrzeuges. Die berechneten Angleichungskosten sind mindestens noch um Abriss- und Entsorgungsaufwand zu ergänzen.
Im Wesentlichen gilt es auf die Ausführungen zu Ausbaustufe 1 zu verweisen, wenngleich sich die Unterbringung eines Kraftfahrzeuges mit zulässigem Gesamtgewicht von 12 t durchaus förderlich auf die Wirksamkeit der Einsatzmaßnahmen auszuwirken vermag. Hygienestandards sind indes ebenso wenig zu gewährleisten wie die räumliche Einrichtung öffentlicher Bereitschaftsdienste.
187
Die Infrastruktur der Feuerwehren
7.2.2.3
Ausbaustufe 3
Abbildung 7-11 Objektdaten der Ausbaustufe 3 (Eigene Darstellung)
Objektdaten
Größenordnungen
Nutzäche [NF]
247 m2
Bruttorauminhalt [BRI]
928 m3
Errichtungskosten (Stufe 3)
Kostenberechnung nach DIN 276
1. Baukonstruktion (KKW 300)
233.680 €
2. Technische Anlagen (KKW 400)
52.440 €
Gesamtumfang Neubau
286.120 €
Angleichungskosten an Musterstandort
Kostenberechnung nach DIN 276
Gesamtumfang Angleichung
1.153.158,24 €
Die ausreichend bemessene Fahrzeughalle ermöglicht die Erweiterung zur Anordnung eines dritten Fahrzeugstellplatzes. Darüber hinaus lassen sich die angrenzenden Räumlichkeiten dahingehend verändern, dass wahlweise Schwarz-Weiß-Trennungen oder Werkstatt- und Lagerbereiche vorgesehen werden können. Die weiteren Ergänzungen zur Realisierung eines Musterstandortes vervollständigen die noch fehlenden Elemente des Raumkonzeptes ausgehend vom Anbau an die Fahrzeughalle.
188 7.2.2.4
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Ausbaustufe 4
Abbildung 7-12 Objektdaten der Ausbaustufe 4 (Eigene Darstellung)
Objektdaten
Größenordnungen
Nutzäche [NF]
300 m2
Bruttorauminhalt [BRI]
1120 m3
Errichtungskosten (Stufe 4)
Kostenberechnung nach DIN 276
1. Baukonstruktion (KKW 300)
284.480 €
2. Technische Anlagen (KKW 400)
63.840 €
Gesamtumfang Neubau
348.320 €
Angleichungskosten an Musterstandort
Kostenberechnung nach DIN 276
Gesamtumfang Angleichung
1.130.226,74 €
Der investive Aufwand zur baulichen Ergänzung minimiert sich geringfügig aufgrund einer bereits vorgesehenen „Schwarz-Weiß-Trennung“. Ansonsten sei auf die Anmerkungen zu Ausbaustufe 3 verwiesen.
189
Die Infrastruktur der Feuerwehren
7.2.2.5
Ausbaustufe 5
Abbildung 7-13 Objektdaten der Ausbaustufe 5 (Eigene Darstellung)
Objektdaten
Größenordnungen
Nutzäche [NF]
400 m2
Bruttorauminhalt [BRI]
1546 m3
Errichtungskosten (Stufe 5)
Kostenberechnung nach DIN 276
1. Baukonstruktion (KKW 300)
392.684 €
2. Technische Anlagen (KKW 400)
88.122 €
Gesamtumfang Neubau
480.806 €
Angleichungskosten an Musterstandort
Kostenberechnung nach DIN 276
Gesamtumfang Angleichung
1.081.106,74 €
Infolge der räumlichen und funktionalen Ausstattung des Bestandsobjektes verringert sich der Aufwand zur Angleichung an einen Musterstandort nochmals.
190 7.2.2.6
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Ausbaustufe 6
Abbildung 7-14 Objektdaten der Ausbaustufe 6 (Eigene Darstellung)
Objektdaten
Größenordnungen
Nutzäche [NF]
630 m2
Bruttorauminhalt [BRI]
2245 m3
Errichtungskosten (Stufe 6)
Kostenberechnung nach DIN 276
1. Baukonstruktion (KKW 300)
469.205 €
2. Technische Anlagen (KKW 400)
195.315 €
Gesamtumfang Neubau
664.520 €
Angleichungskosten an Musterstandort
Kostenberechnung nach DIN 276
Gesamtumfang Angleichung
1.026.062,14 €
Die Kosten für die Angleichung an den entwickelten Musterstandort reduzieren sich nochmals. Die ergänzenden baulichen Maßnahmen dienen vorwiegend der Errichtung von Ruheund Sozialräumlichkeiten.
Die Infrastruktur der Feuerwehren
7.2.2.7
191
Weitere Ausbaustufen
Nachdem die Abdeckung von Bestandsliegenschaften mit baulichem und funktionalem Anpassungsbedarf abgeschlossen ist, gilt es solche Feuerwehrstandorte zu erfassen, die den Anforderungen an die entwickelte Musterfeuerwache vollumfänglich genügen, also unmittelbar und ohne nanziellen Aufwand in die Infrastrukturplanungen aufgenommen werden können. Sie erhalten im Rahmen der Denition personeller und räumlicher Zuständigkeiten die Bezeichnung „Ausbau- stufe 7“, während in Ermangelung von adäquaten Bestandsobjekten für alle Liegenschaften mit einer Ausstattung bis „Ausbaustufe 2“ die Zuweisung eines Musterstandortes mit der „Ausbaustufe 8“ und damit die Notwendigkeit zur Neuerrichtung symbolisiert wird (vgl. 7.2.2). Diese Feuerwehrliegenschaften dienen der Unterbringung von Löschstaffeln bzw. Löschgruppen, also von höchstens 9 beruichen Feuerwehrkräften.
7.2.2.8
Standorte für zentrale Einrichtungen
Die Aufgaben sowie der personelle Besetzungsumfang von zentralen Feuerwehreinrichtungen wurden einleitend bereits beschrieben (vgl. 7.1.2). Zug- bzw. Zentralwachen im Sinne dieser Ausführungen sind ein wesentlicher Bestandteil leistungsfähiger Feuerwehrstrukturen, insbesondere aufgrund der Konzentration von Personal, Technik und Kompetenz. Dazu bedarf es angesichts der umfangreichen Aufgabenstellung eines angemessenen Standortes. Ein exemplarischer Planentwurf einer Zug- und Zentralwache nebst Kostenberechnung nach DIN 276 beschreibt einen erheblichen Investitionsbedarf. In Anbetracht dieser potenziellen Aufwendungen zur Errichtung einer solchen zentralen Einrichtung als Merkmal der Infrastruktur, haben derartige Bestandsobjekte besondere Berücksichtigung erfahren, da die zu erstellende Standortplanung dem Anspruch einer Minimalvariante entsprechen soll, also den minimalen investiven Aufwand durch Implementierung aller Bestandsressourcen wiedergeben soll. Im Ergebnis konnten alle Zentral- bzw. Zugwachenstandorte aus diesen Ressourcen zugewiesen werden, so dass lediglich Anpassungen bzw. Neuerrichtungen von Liegenschaften zur Gestellung von Löschstaffeln bzw. Löschgruppen nanzielle Relevanz aufweisen.
7.3
Denition der räumlichen und personellen Ausstattung von Wirkradien
Die Einsatzbereiche und die zugehörigen Standortqualitäten lassen sich nunmehr zuweisen. Ausgehend von der theoretischen Modellierung (vgl. 7.1.2), auf deren Grundlage personelle Besetzungen konkretisierbar sind, bedarf es der Untersuchung des örtlichen Liegenschaftspotentials. Bestandsobjekte und Infrastrukturplanungen werden dahingehend synchronisiert, dass die wie vor denierten Ausbaustufen und die beschriebenen Lagekriterien (vgl. 7.1) in Kombination mit der Bevölkerungsstruktur als Maßstab der Standortzuweisung dienen. In Einzelfällen orientieren sich Einsatzbereiche an Bestandsobjekten, um dem Anspruch der minimalen Bemessung des investiven Aufwandes zu genügen.
192
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Das bereits eingeführte Modell der Standortstrukturierung ist sodann um die Angabe der Standortqualität mit dem Ziel zu ergänzen, den konkreten Anpassungsaufwand eines Bundeslandes beurteilen zu können. Abbildung 7-15 Exemplarische Modellierung einer feuerwehrbezogenen Standortstruktur
193
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Diese Modellstruktur lässt sich wie folgt zusammenfassen: Tabelle 7-1
Zusammenfassung der Modellstruktur
Angleichungsbedarf
Anzahl
Investiver Aufwand
Ausbaustufe 3
1
1.153.158,24 €
Ausbaustufe 4
1
1.130.226,74 €
1
1.026.062,14 €
Ausbaustufe 1 Ausbaustufe 2
Ausbaustufe 5 Ausbaustufe 6 Neuerrichtungen Bestandsobjekte Ausbaustufe 7
3
Bestandsobjekte Zentralwache
3
Standortbedarf Zentralwache
1
Standortbedarf Gesamt
7
Investiver Aufwand Gesamt
3.309.447,12 €
Der nanzielle Aufwand zur Ergänzung der vorhandenen Feuerwehrliegenschaften ist entsprechend ausgewiesen. Ebenso verweist die Tabelle auf die Bestandssituation „zentralwachentauglicher“ Liegenschaften; im konkreten Fall erfüllen 3 Feuerwehrstandorte des Modellbereiches die baulichen und funktionellen Anforderungen, indes ist nur eine zentrale Einrichtung erforderlich. Die im Folgenden aufgeführten gesamtstaatlichen Infrastrukturbetrachtungen Österreichs und Deutschlands basieren auf dieser exemplarisch dargestellten Systematik bevor sich die Ergebnisse aus den einzelnen Bundesländern in tabellarischer Form anschließen. Infolge der geographischen Nähe und des Aufbaus der österreichischen Bundesländerkarten sowie aufgrund der Flächengröße werden bei Betrachtung der in Österreich existenten Liegenschaften die Bundesländer Burgenland und Steiermark, Niederösterreich und Wien sowie Tirol und Vorarlberg gemeinsam ausgewertet.
194 7.3.1
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Österreich
Tabelle 7-2
Zusammenfassung der Standortstruktur für die Republik Österreich
Angleichungsbedarf Ausbaustufe 1
Anzahl
Investiver Aufwand
39
59.108.049,00 €
Ausbaustufe 2
14
21.218.274,00 €
Ausbaustufe 3
10
16.078.355,40 €
Ausbaustufe 4
29
32.776.575,46 €
Ausbaustufe 5
33
35.676.522,42 €
Ausbaustufe 6
27
27.703.677,78 €
Neuerrichtungen
3
4.546.773,00 €
Bestandsobjekte Ausbaustufe 7
96
Bestandsobjekte Zentralwache
58
Standortbedarf Zentralwache
36
Standortbedarf Gesamt
287
Investiver Aufwand Gesamt
197.108.227,06 €
Tabelle 7-2 führt den Umfang der Standorterfordernisse sowie den investiven Aufwand zur baulichen Angleichung der Bestandsobjekte und zur Neuerrichtung von Feuerwachen zusammen. Derzeit werden in der Republik Österreich 4.923 Gebäude der Freiwilligen Feuerwehren betrieben. Die Berufsfeuerwehren gewährleisten zudem die kontinuierliche Dienstleistung in 34 Feuerwehrliegenschaften, so dass im Gesamten 4.957 Standorte existieren (vgl. ÖBFV: 2008, 16). Demgegenüber drücken die wie vor erhobenen Untersuchungsergebnisse beachtliche Reduzierungsansätze aus, würde das Örtlichkeitsprinzip des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens aufgegeben und die Feuerschutzaufgabe ausschließlich beruichen Kräften übertragen. Es sind lediglich 5,78 % der Liegenschaften zur Aufgabenerfüllung erforderlich; diese absolute Zahl vermag die grundsätzlichen Unterschiede der Gebäudeausstattung jedoch nicht wiederzugeben. Ebenso gilt es eine Reihe von Begleitfaktoren zu berücksichtigen, denen in Abschnitt 7.4 Ausdruck verliehen wird.
195
Die Infrastruktur der Feuerwehren
7.3.1.1
Ergebnisse aus den österreichischen Bundesländern
Tabelle 7-3
Zusammenfassung der Standortstruktur für die österreichischen Länder
Bundesland
Bedarf Angleichung
Bedarf Neubau
Bedarf Zentralwachen
Bedarf Gesamt
Investiver Aufwand Gesamt
Burgenland & Steiermark
31
0
6
47
36.311.821,96 €
Kärnten
26
2
4
38
36.372.446,40 €
Niederösterreich & Wien
33
0
14
78
39.243.178,10 €
Oberösterreich
30
0
6
57
37.987.648,38 €
Salzburg
11
0
3
25
15.266.873,68 €
Tirol & Vorarlberg
21
0
3
41
27.379.485,54 €
Angesichts der enormen Standortdichte darf der Investitionsbedarf als moderat eingestuft werden. Die Höhe des ermittelten Investitionsbedarfes in den Ländern deutet auf das starke Gewicht des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens hin. Der daraus folgende Angleichungsbedarf konturiert einerseits die Ausstattung der vorhandenen Gebäude, die in überwiegender Anzahl nicht für die Unterbringung von Bereitschaftsdiensten geeignet sind. Andererseits variieren die Ausbauqualitäten. Mit dieser Varianz ist eine außerordentliche Liegenschaftsvielfalt verbunden. Darüber hinaus dokumentieren gesamtstaatliche Veränderungserfordernisse die grundsätzliche Systemdifferenz. Es stehen sich eine überschaubare Standortdichte mit gesicherten Personalstrukturen und eine enorme Liegenschaftsanzahl mit dispositiver Personalverfügbarkeit diametral gegenüber. Die Effektivität derselben zu beurteilen und daraus folgend Empfehlungen zu formulieren bedarf weiterführender Untersuchungen, die sich in den nächsten Kapiteln anschließen werden.
196 7.3.2
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Deutschland
Tabelle 7-4
Zusammenfassung der Standortstruktur für die Bundesrepublik Deutschland
Angleichungsbedarf Ausbaustufe 1
Anzahl
Investiver Aufwand
138
209.151.558,00 €
Ausbaustufe 2
86
130.340.826,00 €
Ausbaustufe 3
108
124.541.089,92 €
Ausbaustufe 4
95
107.371.540,30 €
Ausbaustufe 5
232
250.816.763,70 €
Ausbaustufe 6
315
323.29.574,10 €
Neuerrichtungen
51
77.295.141,00 €
Bestandsobjekte Ausbaustufe 7
747
Bestandsobjekte Zentralwache
346
Standortbedarf Zentralwache
294
Standortbedarf Gesamt
2066
Investiver Aufwand Gesamt
1.222.726.493 €
Die zusammenfassende Darstellung unterstreicht den Umfang der Standorterfordernisse und den investiven Aufwand zur baulichen Angleichung der Bestandsobjekte sowie zur Neuerrichtung von Feuerwachen. Derzeit werden in der Bundesrepublik Deutschland 33.094 Gebäude der Freiwilligen Feuerwehren betrieben, davon 301 ständig besetzte Feuerwachen. Die Berufsfeuerwehren gewährleisten zudem die kontinuierliche Dienstleistung in 323 Feuerwehrliegenschaften, so dass im Gesamten 33.417 Standorte existieren. Demgegenüber beschreiben die wie vor erhobenen Untersuchungsergebnisse ein enormes Reduzierungspotential, würde das Örtlichkeitsprinzip des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens aufgegeben und die Feuerschutzaufgabe ausschließlich beruichen Kräften übertragen. Es sei zudem angemerkt, dass die gewonnenen Erkenntnisse zum ermittelten Investitionsvolumen nicht ungewürdigt bleiben dürfen. Sie sind mit einer Reihe von Randbedingungen verwoben, die der Interpretation und Relativierung bedürfen.
197
Die Infrastruktur der Feuerwehren
7.3.2.1
Ergebnisse aus den deutschen Bundesländern
Tabelle 7-5
Zusammenfassung der Standortstruktur für die deutschen Länder
Bundesland
Bedarf Angleichung
Bedarf Neubau
Bedarf Zentralwachen
Bedarf Gesamt
Baden-Württemberg
72
4
36
205
84.609.716,14 €
Bayern
168
18
45
350
211.020.727,94 €
Berlin
2
0
18
37
3.031.182,00 €
Brandenburg
89
0
18
133
112.143.222,98 €
Bremen
0
0
4
7
Hamburg
2
0
9
20
2.107.168,88 €
Hessen
38
5
21
126
49.450.392,82 €
Meckl.-Vorpommern
64
12
7
111
104.739.245,40 €
Niedersachsen
128
1
27
230
150.549.253,40 €
Nordrhein-Westfalen
95
0
70
313
101.312.259,86 €
Rheinland-Pfalz
63
2
12
126
74.634.469,34 €
Saarland
9
0
2
18
10.632.942,98 €
Sachsen
73
3
11
113
95.657.177,82 €
Sachsen-Anhalt
58
5
10
95
81.337.842,32 €
Schleswig-Holstein
52
0
8
87
62.748.112,22 €
Thüringen
61
1
8
95
78.752.778,90 €
7.4
Investiver Aufwand Gesamt
–
Bewertung der Untersuchungsergebnisse
Die primäre Intention dieser Studie zur Standortstruktur der Feuerwehren in Österreich und Deutschland ist auf die Denition eines Minimalstandards im Sinne der (unteren) vertretbaren Grenzmenge zu unterhaltender Feuerwehrstandorte und damit des verfügbaren Feuerwehrpersonals ausgerichtet. Trotz des schrittweisen Untersuchungsaufbaus sowie der Objektivierbarkeit der jeweiligen Untersuchungsbestandteile bieten die gewählten Verfahren gewisse Interpretationsspielräume. Diese im Einzelnen darzustellen und kritisch zu diskutieren soll nunmehr erfolgen.
198 7.4.1
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Ermittlung des investiven Aufwandes
Im Mittelpunkt der Untersuchungen zur Standortstruktur stand jeweils die Denition minimaler Ansätze, so auch bei der Ermittlung des investiven Aufwands zur Angleichung der Bestandsobjekte und zur Neuerrichtung von Basisliegenschaften. Dabei sei zunächst auf die bereits beschriebenen Anwendungsvoraussetzungen verwiesen (vgl. 7.2.1.1). Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Kombination ächendeckend verbreitet ist, sei es im Hinblick auf den Zustand der Bestandsobjekte noch hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse der Baugrundstücke sowie des Erschließungsgrades derselben. Sie ist eine notwendige Voraussetzung für die Durchführung der Untersuchung gewesen und gleichermaßen ein erstes Indiz für die Minimaltendenz der Infrastrukturbetrachtungen. Darüber hinaus variieren die Kosten für den Erwerb des Baugrundes in Abhängigkeit von der Region und der räumlichen Lage innerhalb des Zielgebietes. Diese Einwände mindern in der Tat die Aussagekraft des ermittelten Investitionsvolumens. Sie sind indes eine methodische Konsequenz der Vorgehensweise und insoweit im Kontext der Minimaldenition zu verstehen. Erst die Bewertung von knapp 5.000 Gebäuden in Österreich bzw. von mehr als 33.000 Liegenschaften in Deutschland mit jeweiliger Berücksichtigung des örtlichen Grundstücksindex vermag den tatsächlichen investiven Bedarf exakt zu ermitteln, demnach eines Aufwandes, der lediglich im Rahmen eines gesonderten, koordinierten und langfristigen Projektes zu verwirklichen ist. Es erscheint daher durchaus möglich, dass der tatsächliche investive Aufwand wesentlich größer ist, als dargestellt. Ebenso reduzierend wirken die pauschalisierten Zuweisungen der Ausbaustufen; diese basieren auf der standardisierten Annahme, dass sich Raumgrößen, Raumnutzungen und Raumausstattungen durchaus unterscheiden, jedoch durch die daraus resultierende Gesamtbetrachtung zusammenführbar sind, mögen funktionale Gestaltung und Architektur der einzelnen Standorte auch abweichend sein. Zudem wurde auf die Erfassung der Bestandsobjekte eingegangen (vgl. 7.2.2). Der Informationsgehalt der Internetpräsenz sowie fernmündliche Folgerecherchen vermochten das Liegenschaftspotential nicht lückenlos nachzuzeichnen, weder vor dem Hintergrund der regionalen Zuweisungen noch auf Basis der baulichen Bestandssituation. Im Ergebnis erscheinen die grundsätzlichen Überlegungen der Infrastrukturuntersuchung zur Ermittlung des investiven Aufwandes anwendbar, umfassen sie doch u. a. eine systematische und in dieser Form erstmalig erfolgte Bewertung vorhandener Objekte. Die ermittelten Größenordnungen des investiven Aufwandes sind zu relativieren. Sie bedürfen einer differenzierten Einordnung, da sie von idealisierenden Annahmen ausgehen. Zudem vernachlässigen sie möglicherweise einzelne Bestandsobjekte oder ordnen vorhandene Liegenschaften im Einzelfall einer der eigens entwickelten Ausbaustufen zu, die mit den realen Gegebenheiten nicht übereinstimmt.
7.4.2
Ermittlung der Einsatzbereiche
Ziel der vorgestellten Modelle zur Entwicklung einer Infrastruktur ist die umfängliche Sicherstellung zeitlich denierter Hilfeleistungen. Diese wiederum korrelieren mit Stand-
Die Infrastruktur der Feuerwehren
199
ortfaktoren (vgl. 7.1). Das ehrenamtliche Feuerwehrsystem bedarf zudem als zusätzliche Standortbedingung der umgekehrt günstigen Erreichbarkeit des Feuerwehrstandortes durch die Feuerwehrangehörigen, um die Ausrückezeiten möglichst kurz gestalten zu können (vgl. Hagebölling: 2003, 66). So lässt sich u. a. die hohe Standortdichte in Österreich und Deutschland erklären. Die diesseits vorgesehene Zuordnung von Wirkradien basiert auf der Annahme einheitlicher Fahrzeiten für inner- bzw. außerörtliche Fahrzeugbewegungen bei Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten. Sie ist daher vor dem Hintergrund unterschiedlicher örtlicher Gegebenheiten kritikwürdig, vernachlässigt sie doch Besonderheiten wie zum Beispiel topographische Erhebungen, verkehrsberuhigte Bereiche, Tunnel- und Gleisanlagen sowie Gebirgszüge. Diese Art von Verallgemeinerungen ndet exemplarischen Ausdruck in durchschnittlichen Geschwindigkeiten, die vom zugrunde liegenden Modellansatz mitunter erheblich abweichen, so im Innenstadtbereich der Stadt Bochum (Nordrhein-Westfalen, Deutschland). Erhebungen der Feuerwehr Bochum zufolge beträgt die mögliche mittlere Geschwindigkeit lediglich 27,6 km/h (vgl. Hagebölling: 2003, 84). Sie differiert einerseits von der Modellierung dieser Arbeit, übersieht andererseits tageszeitliche Schwankungen der Verkehrsströme und damit veränderte Weg-Zeit-Potentiale. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass die gewählte innerörtliche „Modellgeschwindigkeit“ von 42 km/h sicherlich die obere Grenze realer Fahrzeitbetrachtungen bildet. Sie erscheint daher geeignet der Minimalvariante dieser Untersuchung Ausdruck zu verleihen. Zudem ist den denierten Wirkradien eine systematische Ungenauigkeit immanent, da sich bei kartographischer Projektion von fahrstreckenbezogenen Weg-Zeit-Potentialen keine Kreise, sondern Kartenausschnitte, so genannte Isochronen ergeben. Die idealisierte Zuweisung der Einsatzbereiche führt hingegen zu einigen Versorgunglücken und in vielen Fällen zur redundanten Versorgung der räumlichen Einsatzgrenzen, so dass Einsatzressourcen dezimiert werden (vgl. 7.1.3). Es gilt in diesem Kontext hervorzuheben, dass dieser Ansatz den Feuerwehrstandort als „Zentrum eines Aktionsradius“ deniert, der die zeitgerechte und ächendeckende Versorgung des Betreuungsbereiches mit dem Ziel minimaler Überdeckungen der Aktionsächen sicherzustellen in der Lage ist. Dieses Verfahren bezeichnet Hagebölling in seiner Dissertationsschrift als „idealen Ansatz der Standortbestimmung“ mit Hilfe von Operations-Research-Verfahren. Ausgehend von einem Versorgungsauftrag ohne Ressourcenbeschränkung bei freier Dispositionsmöglichkeit sollen zeitgerechte Reaktionsmöglichkeiten und die Reduzierung der dafür erforderlichen Feuerwehrstandorte gleichermaßen verwirklicht werden können (vgl. Hagebölling: 2003, 66–67). So basiert die Modellierung der Infrastrukturentwicklung auf wissenschaftlichen Verfahren, wenngleich (wie bereits beschrieben) „spezisch denierte Anfahrtsbedingungen“ mit einem einheitlichen Weg-Zeit-Maßstab versehen wurden. Ebenso fanden „unveränderbare strategisch relevante Gegebenheiten“ wie zum Beispiel nicht besiedelte Flächen ohne Verkehrserschließung und ohne Risikopotential bei der kartographischen Wirkradienbemessung weitestgehend keine Berücksichtigung (vgl. Hagebölling: 2003, 69–70). Hagebölling sieht die dargestellte Methodik als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung bedarfsgerechter Operations-Research-Verfahren und verweist zunächst auf deren Anwendung im Rahmen rettungsdienstlicher Aufgabenerfüllungen mit der vorrangigen Zielsetzung, Betreuungsgebiete nicht vollständig abzudecken, sondern „das Optimum eines
200
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Versorgungsgrades bei einer vorgegebenen Anzahl an Standortkapazitäten (…) zu erreichen“ (Hagebölling: 2003, 72). Dazu ist seinerseits ein Modell entwickelt worden, dass einen feuerwehrbezogenen Verantwortungsbereich in „ortsspezische Raster“ gliedert, dessen Rastergrenzen über eine Kantenlänge von 1 km verfügen; wird sie verkleinert, erhöht sich die mathematische Aufwand. Nachfolgend lassen sich Kenngrößen und statistische Daten wie Anzahl gemeldeter Wohnsitze, Art und Anzahl zeitkritischer Schadensereignisse in vergangenen Jahren, Art und Anzahl von Objekten mit besonderem Risikopotential, Art und Umfang der Bebauungsstruktur, sozio-politische Faktoren der Wohnbevölkerung oder die Flächennutzung den einzelnen Rastern zuordnen (vgl. Hagebölling: 2003, 76–77). Diese Modellierung zeichnet sich zweifelsohne durch exakte Wiedergabe der örtlichen Verhältnisse aus, die dann ebenso genaue Standortentscheidungen zu begründen vermag. Die retrospektive Einbeziehung des Einsatzaufkommens ist jedoch überaus kritisch zu bewerten, verkennt sie doch den verfassungsrechtlichen Schutzpichtenauftrag der öffentlichen Feuerwehren (vgl. Kap. 4) und übersieht zudem die seit Jahren beobachtbare Tendenz der Auslagerung von industriellen Ansiedlungen in Gebiete mit „kommunalpolitischen Bedeutungs- und Legitimationszwängen“ bzw. begrenzt wirksamen Genehmigungsstrukturen. Von diesen Ansiedlungen geht selbsterklärend eines gewisses Verkehrsrisiko aus, ohne dass Erfahrungswerte vorliegen können (vgl. Wolter: 1997, 88). Ungeachtet dieses Einwandes ist das von Hagebölling entwickelte Verfahren ausgesprochen geeignet als Maßstab einer ächendeckenden Infrastruktur zu dienen mit der Einschränkung, dass der Sicherstellungsauftrag auch in schwach besiedelten und ereignisarmen Gebieten die Vorhaltung entsprechender Einrichtungen erforderlich macht. Zudem bedarf die initiale Rasterverteilung für ein deniertes Gemeindegebiet der Modizierung, da sich mit der Begrenzung auf die kommunalen Grenzen die Anzahl der Standorte erhöht und damit eine gewisse Inefzienz toleriert wird (vgl. 5.4.4.2 und 7.1.1). Die Verfahrensbeschreibung impliziert allerdings einen erheblichen Aufwand zur Ermittlung der Standorterfordernisse eines jeden Verantwortungsbereiches, die hinsichtlich der ächendeckenden Anwendung für das österreichische und deutsche Staatsgebiet übergeordnete, konzertierte und langfristige Untersuchungen voraussetzt. Der feuerwehrfachlichen Infrastrukturanalyse dieser Studie liegt demgegenüber die manuelle kartographische Auswertung zugrunde; es ist nicht ausgeschlossen, dass die Verwendung digitaler Medien zu geringfügig anderen Ergebnissen führt, wenngleich die grundlegende Ausrichtung der Standortuntersuchung davon unberührt bleibt.
7.4.3
Parallele Schadensereignisse
Nachdem die einzelnen Standorte zugewiesen sind, gilt es den Verlauf etwaiger Einsatzfälle zu untersuchen, um hohe (Wiederkehr-) Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten paralleler Schadensereignisse darstellen zu können. Diese zu ermitteln, erfordert die Auswertung retrospektiver Einsatzfälle in nunmehr denierten Verantwortungsbereichen. Ggfs. sind auf Grundlage dieser Auswertungen Personalbesetzungen über die eingangs beschriebene personelle Grundausstattung hinaus (vgl. 7.1.2) zu etablieren. Dazu bedarf es zunächst einer aussagefähigen Datenbasis, auf deren Grundlage die Ereignisintensität innerhalb der (neu
Die Infrastruktur der Feuerwehren
201
denierten) Einsatzgebiete ersichtlich wird. Dieser Vorgang ist für den Zielbereich eines jeden Standortes durchzuführen, demnach eines Aufwandes, der für alle Einsatzbereiche in Österreich und Deutschland zu wiederholen wäre, sofern sich die Infrastruktur an einheitlichen Maßstäben orientieren soll. Infolge dessen sind die Ausführungen auf die Vorstellung eines möglichen Verfahrens begrenzt. So spiegelt die Tages- bzw. Wochenganglinie die statistische Verteilung der Einsätze über den benannten Zeitraum „Tag“ oder „Woche“ wider. Die exemplarischen Auswertungen beziehen sich auf ein Löschfahrzeug eines Feuerwehrstandortes. Die Tagesganglinie verdeutlicht die Einsatzbelastung für den durchschnittlichen Werktag sowie den durchschnittlichen Wochentag. Abbildung 7.16 zeigt beispielhaft eine Tagesganglinie eines durchschnittlichen Wochentages. Abbildung 7-16 Tagesganglinie eines durchschnittlichen Wochentages für ein Löschfahrzeug im Einsatzbereich x (Anwendungsbeispiel)
Die Wochenganglinie zeigt die statistische Einsatzverteilung des Löschfahrzeuges in Abhängigkeit vom Wochentag. Abbildung 7-17 Wochenganglinie eines durchschnittlichen Wochenverlaufes für ein Löschfahrzeug im Einsatzbereich x
202
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Mit Hilfe der so genannten Poisson-Verteilung erfolgt im nächsten Schritt die Berechnung der risikoabhängigen Betrachtung und damit die Anzahl erforderlicher Einsatzmittel. Durch die Poisson-Verteilung werden Einsatzwahrscheinlichkeiten für einen feststehenden räumlichen Bereich berechnet, also im konkreten Fall für den Zuständigkeitsbereich eines Feuerwehrstandortes. Die zu erhebenden Einsatzdaten sind daher nicht auf die Einsatzzahlen des einzelnen Einsatzmittels (Löschfahrzeug), sondern auf das Einsatzaufkommen im gesamten Zuständigkeitsbereich zu beziehen. Als Ergebnis wird die Anzahl der benötigten Einsatzmittel für eine gewählte Bediensicherheit von gleichzeitigen Alarmierungen im Zuständigkeitsbereich ausgegeben. Die Anzahl vorzuhaltender Feuerwehrfahrzeuge ist nunmehr ableitbar. Es sei allerdings auf die Verhätnismäßigkeit der Anwendung hingewiesen, insbesondere vor dem Hintergrund der Ensatzzahlen im Feuerwehrwesen. Lediglich für wenige Kernbereiche erscheint das Poisson-Verfahren angemessen. Für die überwiegende Anzahl der feuerwehrbezogenen Verantwortungsgebiete sind Näherungswerte oder eine statistische Erfassung der Tages- bzw. Wochenverläufe ausreichend. Als Grenze wird zum Beispiel in einschlägiger Literatur ein Einsatzaufkommen von 2000 bis 2500 Ereignissen pro Feuerwehrstandort und Jahr genannt (vgl. Lechleuthner: 1999). Diese Frequentierung ist jedoch auch von der Dauer der einzelnen Einsätze abhängig.
7.4.4
Grenzen der Untersuchung
Aus Gründen der Vollständigkeit gilt es auf die Grenzen dieser Infrastrukturuntersuchung hinzuweisen. Inhaltlich wurde auf die räumliche, bauliche und personelle Ausstattung der unmittelbaren Einsatzorganisation eingegangen. Unberücksichtigt blieben zentrale Ausbildungsstätten, Alarmierungs- und Leitstelleneinrichtungen. Administrative, organisatorische sowie präventive Raum- und Personalgestellungen nahmen nur im Rahmen der Einsatzdiensterfüllung Einuss. Diese darüber hinausgehend zu erfassen ist aufgrund des dezentralen Aufbaus der Feuerwehrstrukturen im Zuge dieser Studie nicht möglich gewesen.
7.4.5
Fazit
Zum Abschluss der Untersuchung von Standortressourcen der österreichischen und deutschen Feuerwehren verweisen die Ergebnisse zunächst auf den enormen Objektbestand, der die Dominanz des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens zu unterstreichen vermag. Ausgehend von der Annahme einer ausschließlichen Aufgabenerfüllung durch beruiche Kräfte, erfolgte die Infrastrukturplanung unter Berücksichtigung ächendeckender und zeitkritischer Eintrefferwägungen. Dabei wurden die Bestandsobjekte einbezogen, um die beschriebene Liegenschaftsdichte nicht unberücksichtigt zu lassen und insoweit dem vorhandenen Potenzial entsprechenden Ausdruck zu verleihen, wohl wissend, dass eine Vielzahl der Standorte infolge der Gebäudeausstattung für einen hauptberuichen Feuerwehrbetrieb ungeeignet ist. Mit Hilfe von idealisierten Anpassungsvarianten konnten Gebäudekategorien entwickelt werden, denen auf Grundlage von Baukostenbemessungen konkrete Dimensionen des investiven Ergänzungsbedarfes zurechenbar waren. Die Erfassung der Bestandsobjekte sowie
Die Infrastruktur der Feuerwehren
203
die Denition räumlicher Einsatzbereiche ist in diesem Zusammenhang ebenso erfolgt wie die Vorstellung relativierender Faktoren und die damit einhergehende kritische Diskussion des Forschungsdesigns. Hinsichtlich der Ausweisung des investiven Neuerrichtungs- und Angleichungsumfanges ergibt sich eine in der Literatur beschriebene Schwankungsbreite von etwa 20 %. Darüber hinaus dürften die „idealen Anpassungsvoraussetzungen“ nicht allgegenwärtig sein (vgl. 7.4.1). Diese Einwände sind in der Tat geeignet die vorgestellten Untersuchungsergebnisse zu kritisieren, nicht jedoch die zentrale Aussage der Infrastrukturstudie in Frage zu stellen, nach der die Anzahl der Feuerwehrstandorte in beiden Ländern um mehr als 90 %, im Konkreten in Österreich um 94,22 % und in Deutschland um 93,82 % reduzierbar ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Anzahl aufgrund der dargelegten Einwände (vgl. 7.4.2) einem gewissen Korrekturbedarf unterliegt, ohne die grundlegende Aussagekraft der Untersuchung mindern zu können. Ebenso ist die Zuordnung der personellen Standortausstattung in Einzelfällen kritikwürdig, jedoch erwachsen daraus keine elementaren Veränderungserfordernisse. Selbst in einem angenommenen Korrekturfalle in der Größenordnung einiger Prozentpunkte verbleibt die Kernsubstanz des Untersuchungsergebnisses unberührt. Im nächsten Kapitel dienen die aus der Infrastrukturstudie gewonnenen Erkenntnisse nunmehr zur Bemessung der personellen Ausstattung und damit des potentiellen Personalkostenaufwandes einer beruichen Feuerwehrorganisation.
8
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Zugegebenermaßen ist die Perspektive ausschließlicher Aufgabenerfüllung durch beruiche Feuerwehrangehörige eine Art Tabubruch, da die ehrenamtlichen Strukturen gerade in Österreich und Deutschland traditionell verankert und gleichermaßen dominant sind. Ungeachtet dessen sprechen feuerschutzpragmatische Gründe für die Untersuchung einer ganzheitlichen Berufsfeuerwehrvariante, insbesondere auf Grundlage der Ergebnisse von Kapitel 6 und 7. Dabei bildet der nanzielle Aufwand für die permanente Verfügbarkeit des beruichen Feuerwehrpersonals den zentralen Ansatz der Untersuchung. Im Folgenden werden nunmehr die relevanten Parameter vorgestellt, erläutert und hinsichtlich des quantitativen Umfanges konkretisiert, bevor die Ergebnisse sodann zusammengeführt werden.
8.1
Personalfaktoren im beruichen Feuerwehrwesen
Maßstab der Personalbemessung für beruiche Feuerwehrstrukturen ist die permanente Besetzung der Feuerwehrstandorte, also „rund um die Uhr“ an 365 Tagen im Jahr. Die Sollarbeitszeit der Feuerwehrangehörigen, die jeweils aus den Arbeitszeitverordnungen der einzelnen Bundesländer resultiert, bestimmt den Personalbedarf. Im Allgemeinen folgt der Umfang des Stellenbedarfes aus der folgenden Berechnung:
Exemplarisch sei das bevölkerungsreichste bundesdeutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen genannt, das die Arbeitszeit der Feuerwehrbeamten von 54 Wochenarbeitsstunden 1
vgl. Kommunale Gemeinstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGST) (Hrsg.), KGST-Bericht 5/1999, S.18. Die Berechnung erfolgt analog den „Kennzahlen zur Wirtschaftlichkeit lt. KGST-Bericht 5/1999.
F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
205
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
zum 01.01. 2007 auf 48 Stunden/Woche reduzieren musste, um die Angleichung der wöchentlichen Arbeitszeit an die EU-Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG bzw. 2003/88/EG umzusetzen. Diese Anpassung beeinusst den beschriebenen Multiplikationsfaktor, wie aus der zuvor dargestellten Gleichung ableitbar ist. Infolge der geringeren Sollarbeitszeit steigt der Personalbedarf, da sich die Jahresarbeitsstunden des einzelnen beruichen Feuerwehrangehörigen minimieren und das personelle Potential zur Gestellung der Vorhalteleistungen gleichzeitig erhöht werden muss, sofern das Sicherheitsniveau in gleichem Umfang erhalten bleiben soll. Die für die Berechnung relevante Größenordnung der Anwesenheitswochen hängt von u. a. Fortbildungsnotwendigkeiten, Krankheitsausfällen und dem individuellen Urlaubsanspruch ab; diese Einussgrößen unterscheiden sich in Abhängigkeit vom Einsatzspektrum der einzelnen Feuerwehr. Exemplarisch seien die Mitwirkung im Rettungsdienst, die Vorhaltung besonderer Einsatzeinheiten wie Höhenrettung, Taucherstaffeln bis hin zu waffenrechtlichen Erlaubnisträgern genannt, die den Pichtfortbildungsaufwand und damit den verfügbaren Anwesenheitszeitraum erheblich variieren lassen. Somit ist die Einbeziehung der breiten Varianz landesorientierter Besonderheiten für die Bestimmung der Berechnungsgrundlagen von elementarer Bedeutung. Beispielhaft sei auf die nachfolgende Musterrechnung verwiesen: Tabelle 8-1
Abwesenheitswochen eines beruichen Feuerwehrangehörigen Abwesenheitsanlass
Abwesenheitsumfang
Erholungsurlaub
6,0 Wochen
Feiertage (Mo.–Fr.)
2,2 Wochen
Aus- und Fortbildung
2,0 Wochen
Krankheit und Kuraufenthalt
3,0 Wochen
13,2 Wochen
Quelle: Kommunale Stelle für Verwaltungsvereinfachung (Hrsg.) KGST-Materialien2/2005, S.52.
Die 38,8 Anwesenheitswochen des beruichen Feuerwehrangehörigen sind nunmehr mit der wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden zu verbinden; sie entsprechen einem Multiplikationsfaktor von 4,7.
In seiner Dissertationsschrift zitiert Hagebölling einen Multiplikationsfaktor von 4,5 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 54 Stunden, der auf eine Publikation des deutschen Städte- und Gemeindebundes aus dem Jahre 1998 mit dem Titel „Personalausfallreserve und Dienstplangestaltung“ zurückgeht (vgl. Hagebölling: 2003, 112); gilt es darauf aufbauend einen Multiplikationsfaktor für die nunmehr aktuelle Wochenarbeitszeit von 48 Stunden zu
206
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
denieren, so folgt aus dem wie vor dargestellten Formalismus ein Multiplikations- bzw. Personalfaktor von 5,06. Alternative Kalkulationen wiederum setzen den bisher vielerorts angewendeten Faktor von 4,3 in Relation zur neuen EU-Arbeitszeitrichtlinie und legen einen Multiplikationsfaktor von 4,84 zugrunde. Ein einheitlicher Faktor als Berechnungsgrundlage existiert nicht. Soll jedoch der nanzielle Aufwand für den landesweiten Betrieb einer beruichen Feuerwehrstruktur ermittelt werden, ist ein maximaler Konsens anzustreben.
8.1.1
Bestimmung der Personalfaktoren
In Ermangelung einheitlicher Bezugsgrößen erfolgte die schriftliche und standardisierte Befragung aller Berufsfeuerwehren in Österreich und Deutschland. Konkret wurden die jeweiligen Personalfaktoren im vollkontinuierlichen Schichtdienst zur Besetzung einer Funktionsstelle (Personalbedarfsberechnung) der Jahre 2005 bis 2007 für Beamte und/oder Vertragsbedienstete in Abhängigkeit von der Form des Beschäftigungsverhältnisses erbeten. Die Rücklauffrist betrug 5 Wochen. Von 102 deutschen Berufsfeuerwehren antworteten 54 Einrichtungen fristgerecht; von diesen 54 Rücksendungen konnten letztlich 48 Berücksichtigung nden. Die daraus folgenden Rücklaufquoten von 52,94 % (Gesamt) und 47,0 % (verwertbar) implizieren einen überaus repräsentativen Querschnitt, der als Berechnungsgrundlage einzugehen geeignet ist. Als Ergebnis stellte sich ein mittlerer Personalfaktor von 4,56 ein. Für die österreichischen Berufsfeuerwehren gab der nationale Bundesfeuerwehrverband einen mittleren „Ablösefaktor“ zwischen 4,4 und 4,5 an, so dass schließlich der Multiplikationsfaktor 4,45 die österreichischen Infrastrukturbetrachtungen bestimmt.
8.2
Finanzieller Infrastrukturaufwand
Der für die Beschäftigung eines beruichen Feuerwehrangehörigen aufzubringende nanzielle Aufwand setzt sich aus Personal-, Sach- und Gemeinkosten zusammen. Ziel dieses Abschnittes ist die abschließende Kalkulation des arbeitsplatzbezogenen Gesamtaufwandes für den Betrieb ganzheitlicher beruicher Feuerwehrinfrastrukturen in Österreich und Deutschland.
8.2.1
Personalkosten
Personalkosten im Sinne dieser Ausführungen sind Aufwendungen für Besoldung und Vergütung einschließlich Sozialleistungen, Versorgungszuschlag sowie etwaigen Beihilfen für medizinische Behandlungskosten, für Sachkosten wie arbeitsplatzbezogene Ausstattungen, Miete, technische Unterhaltung und elektronische Datenverarbeitung, für Gemeinkosten wie Verwaltungsdienstleistungen und (verwaltungs-) interne Querschnittsprodukte. Der konkrete Personalkostenaufwand basiert u. a. auf den durch Besoldungs- oder Tarifvertrags-
207
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
recht festgelegten Bezügen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Stelleninhabers, wie zum Beispiel Dienstalter, Vergütungsgruppe und Leistungszulagen. Diesen individuellen Charakter der Personalkostenbemessung konsequent zu verfolgen, überfordert die Möglichkeiten dieser Untersuchung. Daher werden durchschnittliche Größenordnungen herangezogen, die in Deutschland auf Personalkostentabellen der Kommunalen Gemeinstelle für Verwaltungsvereinfachung beruhen. Infolge der nach wie vor bestehenden Vergütungsdifferenzen zwischen den alten und neuen Bundesländern bedarf es darüber hinaus einer geographisch begründeten Zuweisung des potentiellen Aufwandes für die jeweilige Standortunterhaltung. Zur Bestimmung des österreichischen Personalkostenaufwandes im beruichen Feuerwehrwesen übermittelten zwei von sechs österreichischen Berufsfeuerwehren auf Anfrage den konkreten nanziellen Aufwand, auf dessen Grundlage ebenfalls die mittleren Personalkosten berechnen ließen.
8.2.1.1
Österreich
Aufgrund der hierarchischen Organisation des Einsatzdienstes ergeben sich unterschiedliche Verantwortlichkeiten, denen durch Dienst- und Amtsbezeichnungen Ausdruck verliehen wird. Sie bestimmen die Höhe der Vergütung. In Österreich kommen sowohl Beamte wie auch Vertragsbedienstete bei den Berufsfeuerwehren zum Einsatz. Die Dimensionen des im Folgenden aufgeführten funktionsbezogenen Personalkostenaufwandes basieren auf einer Mischkalkulation der beiden Beschäftigungsformen. Im Einzelnen sind aufzuwenden: Tabelle 8-2
„Pro-Kopf-Aufwand“ (Personalkostenaufwand) für das beruiche Feuerwehrwesen in Österreich Dienst bzw. Amtsbezeichnung
Pro-Kopf-Aufwand in €
Feuerwehrmann
50.771,50
Oberfeuerwehrmann
52.811
Löschmeister
61.674
Brandmeister
73.752,50
Oberbrandmeister
75.546,50
Brandinspektor
79.512,50
Ofziersanwärter
67.093,50
Brandkommissär
73.291
Brandoberkommissär
82.394
Brandrat
89.247
Oberbrandrat
107.522,50
208
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Der abschließende Aufwand für die Funktionen „Hauptbrandmeister“, „Insp.-Hauptbrandmeister“, „Branddirektor-Stellvertreter“ und „Branddirektor“ ließ sich nicht zweifelsfrei berechnen. Die Ausgabe eines Betrages erfolgte aus diesem Grunde nicht, zumal die vorliegenden Funktionen für die Berechnung der beruichen Infrastruktur ausreichen. Als Folge der abweichenden Beschäftigungsverhältnisse sowie den variierenden Personalkostenansätzen differieren die kalkulierten Dimensionen mitunter geringfügig von Bundesland zu Bundesland.
8.2.1.2
Deutschland
Die einleitenden Ausführungen zu 8.2.1.1 hinsichtlich hierarchischer Organisationsstrukturen lassen sich selbstverständlich auf Deutschland übertragen. Es gilt, die Personalkostenansätze für die neuen und alten Bundesländer darzustellen. Die nachfolgenden Werte entstammen mittleren Personalkosten, die von der Kommunalen Gemeinstelle für Verwaltungsvereinfachung veröffentlicht wurden (vgl. KGST-Bericht 2006/2007, S. 24–28). Tabelle 8-3
„Pro-Kopf-Aufwand“ (Personalkostenaufwand) für das beruiche Feuerwehrwesen in Deutschland (alte Bundesländer) Amtsbezeichnung
Tabelle 8-4
Pro-Kopf-Aufwand in €
Brandmeister
42.200
Oberbrandmeister
49.600
Hauptbrandmeister
53.200
Hauptbrandmeister mit Zulage
58.600
Brandinspektor
57.900
Brandoberinspektor
54.800
Brandamtmann
64.400
Brandamtsrat
73.200
Brandoberamtsrat
79.800
Brandrat
68.100
Oberbrandrat
84.000
Branddirektor
93.600
„Pro-Kopf-Aufwand“ (Personalkostenaufwand) für das beruiche Feuerwehrwesen in Deutschland (neue Bundesländer) Amtsbezeichnung
Pro-Kopf-Aufwand in €
Brandmeister
39.000
Oberbrandmeister
45.900
Hauptbrandmeister
49.200
209
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Amtsbezeichnung
8.2.2
Pro-Kopf-Aufwand in €
Hauptbrandmeister mit Zulage
54.200
Brandinspektor
53.600
Brandoberinspektor
50.700
Brandamtmann
59.600
Brandamtsrat
67.700
Brandoberamtsrat
73.800
Brandrat
63.000
Oberbrandrat
77.700
Branddirektor
86.600
Sach- und Gemeinkosten
Die Tätigkeitsprole der österreichischen und deutschen Feuerwehrkräfte gleichen einander, mögen regionale Sonderaufgaben geringfügige Unterschiede begründen. Damit erscheinen die Sachmittelausstattungen ebenso vereinbar, zumal die Anzahl der Berufsfeuerwehren in beiden Ländern überschaubar ist. Jede Berufsfeuerwehr ist im Rahmen dieser Untersuchung um Angabe der nachgewiesenen Sachmittelaufwendungen der Jahre 2005 bis 2007 gebeten worden. Nach einer vorbereitenden Recherche von ordentlichen Voranschlägen in Österreich bzw. Haushalts- und Produktplänen in Deutschland ergab sich hinsichtlich der möglichen Ausgabearten die auf folgenden Aufwendungen basierende Schnittmenge: Tabelle 8-5
Sach- und Gemeinkosten im beruichen Feuerwehrwesen
Hauptgruppe
Sachausgaben
Bezeichnung
1
Miete und Pacht von Grundstücken und baulichen Anlagen
2
Versicherung von Grundstücken und baulichen Anlagen
3
Bewirtschaftung von Grundstücken und baulichen Anlagen
4
Unterhaltung von Feuerwehrfahrzeugen
5
Unterhaltung von (technischen) Geräten
6
Dienst- und Schutzkleidung
7
Telekommunikation und EDV
8
Sonstige allgemeine Sachausgaben
9
Arbeitsmedizinische Untersuchungskosten Verwaltungsausgaben
Lfd. Nr.
Unterhaltung von Grundstücken und bauliche Anlagen
10
Aus- und Fortbildung
11
Dienstreisen
12
Sonstiges
13
Verwaltungsinterne Verrechnungen
14
210 8.2.3
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Bestimmung des „Pro-Kopf-Aufwandes“ im beruichen Feuerwehrwesen
Die ermittelten Personalfaktoren, der mittlere Personalkostenaufwand sowie die Sach- und Gemeinkosten lassen sich nunmehr kombinieren und als „Pro-Kopf-Aufwand“ kalkulieren, sofern der wie vor genannte Aufwand „personalisiert“ werden kann. In diesem Kontext enthielt die Anfrage bei den österreichischen und deutschen Berufsfeuerwehren neben den Sach- und Gemeinkosten auch die Wiedergabe des konkreten Personalkörpers der Jahre 2005 bis 2007. Alle Berufsfeuerwehren in Österreich und Deutschland wurden um Beteiligung ersucht. Letztlich gingen 21 vollständige Antwortbogen aus Deutschland ein; das entspricht einer repräsentativen Quote von 20,58 % der deutschen Berufsfeuerwehreinrichtungen. Aus Österreich folgte ebenso eine beurteilungsfähige Erhebung. Die anteiligen Sach- und Gemeinkosten aus Österreich und Deutschland werden im Verlauf der Untersuchung mit den mittleren Personalkosten zusammengeführt, um eine ganzheitliche Infrastrukturbetrachtung darstellen zu können. Die Ergebnisse des mittleren Gesamtaufwandes sowie des mittleren Personalbestandes der untersuchten Jahre 2005 bis 2007 lassen sich für Österreich und Deutschland wie nachfolgend zusammengefasst wiedergeben: Tabelle 8-6
„Pro-Kopf-Aufwand“ für Sach- und Gemeinkosten im beruichen Feuerwehrwesen in Österreich
Bezeichnung Unterhaltung von Grundstücken
Lfd. Nr.
Gesamtaufwand in €
Anzahl FM
Pro-Kopf-Aufwand in €
205.283
219,60
934,80
1.332,98
1
Miete und Pacht von Grundstücken
2
Versicherung von Grundstücken
3
Bewirtschaftung von Grundstücken
4
Unterhaltung Feuerwehrfahrzeuge
5
292.724,50
219,60
Unterhaltung von Geräten
6
13.138,50
219,60
59,82
Dienst- und Schutzkleidung
7
53.954
219,60
245,69
Telekommunikation und EDV
8
136.029,66
219,60
619,44
Sonstige Sachausgaben
9
7.048,33
219,60
32,10
Arbeitsmedizinische Untersuchung
10
3.210,33
219,60
14,61
Aus- und Fortbildung
11
2.521,33
219,60
11,48
Dienstreisen
12
4.384,33
219,60
19,96
Sonstiges
13
219,60
1.976,78
434.101
Für den einzelnen beruichen Feuerwehrangehörigen in Österreich ist ein anteiliger sächlicher Aufwand in Höhe von 5.247,66 € zu berücksichtigen. Dieser ergänzt die funktionsabhängigen Personalkosten, so dass nunmehr die kalkulatorischen Grundlagen für den konkreten (Brutto-) Personalkostenaufwand zur Verfügung stehen.
211
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Dieses Verfahren ist nunmehr für Deutschland zu wiederholen; basierend auf den Untersuchungen der Haushalts- und Produktpläne ergeben sich die folgenden Größenordnungen.
Tabelle 8-7
„Pro-Kopf-Aufwand“ für Sach- und Gemeinkosten im beruichen Feuerwehrwesen in Deutschland
Bezeichnung
Lfd. Nr.
Gesamtaufwand in €
Anzahl FM
Pro-Kopf-Aufwand in €
Unterhaltung von Grundstücken
1
3.689.086,78
5032,79
733,01
Miete und Pacht von Grundstücken
2
4.938.498,79
4251,64
1161,55
Versicherung von Grundstücken
3
364.046,62
3392,80
107,29
Bewirtschaftung von Grundstücken
4
2.897.866,70
3672,97
788,97
Unterhaltung Feuerwehrfahrzeuge
5
5.820.833,54
5032,79
1156,58
Unterhaltung von Geräten
6
1.855.517,53
5032,79
368,68
Dienst- und Schutzkleidung
7
1.665.879,66
5032,79
331,00
Telekommunikation und EDV
8
2.475.971,34
4761,79
519,96
Sonstige Sachausgaben
9
1.163.553,34
3959,46
293,86
Arbeitsmedizinische Untersuchung
10
221.265,55
3400,47
65,06
Aus- und Fortbildung
11
1.336.270,46
4610,46
289,83
Dienstreisen
12
264.229,58
4536,96
58,23
Sonstiges
13
125.172,63
1105,65
113,21
Demnach sind für jeden beruichen Feuerwehrangehörigen in Deutschland ein anteiliger sächlicher Aufwand in Höhe von 5.987,23 € zu berücksichtigen. Durch die additive Berechnung von Overheadkosten für Verwaltungsdienstleistungen in der Größenordnung von 15 % (vgl. KGST-Bericht 2006/2007, 14–15) vervollständigt sich der ansatzfähige Aufwand des beruichen Feuerwehrangehörigen.
8.3
Beruiche Feuerwehrinfrastruktur
Aufbauend auf die in Kapitel 7 formulierte personelle Ausstattung der einzelnen Stantortvarianten werden die Funktionen nunmehr mit nanziellen Größenordnungen verbunden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Zuweisungen von den Vorstellungen des feuerwehrfachlich versierten Lesers abweichen. Im Sinne des quantitativen und qualitativen Minimalansatzes gilt es, die Aufgaben mit einem möglichst geringen Budget zu gewährleisten, wohl wissend, dass auch alternative Vergütungs- und Besetzungsmodelle zweckdienlich sein können. Der errechnete Personalkostenaufwand mag demzufolge örtlich und abhängig von den realen Stelleninhabern abweichende Größenordnungen einnehmen. Zumal die für Deutsch-
212
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
land angegebenen KGST-Werte lediglich auf den Daten einer Großstadt basieren. Sie zu verwerten entspricht indes anerkanntem Verwaltungshandeln; sie sind zum Beispiel Grundlage für Gebührenbedarfsberechnungen und werden von den Kostenträgern (im Gesundheitswesen) ächendeckend akzeptiert. Abschließende Dimensionen für den nanziellen Aufwand zur Unterhaltung der personellen, technischen und logistischen Feuerwehrinfrastruktur erfordern sodann die Verrechnung mit den für Österreich und Deutschland ermittelten Personalfaktoren. Als Ergebnis folgt der nanzielle Aufwand für die Minimalvariante landesweiter beruicher Aufgabenerfüllungen im Feuerwehrwesen. Zunächst werden die in Kapitel 7.1.2 denierten personellen und technischen Ausstattungen der einzelnen Standorte mit dem funktionsbezogenen Aufwand verknüpft. Die einsatztaktischen Möglichkeiten der Standortvarianten wiederum stehen in unmittelbarer Beziehung zum personellen Ausgestaltungsgrad. Ungeachtet dessen bedarf die Infrastruktur moderater Planungsgrößen, da sie trotz des Gewichts der schützenswerten Rechtsgüter einem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegt. Somit liegt dem Planungsprozess in gewisser Weise auch ein Abwägungsprozess zugrunde, der das feuerwehrfachlich Notwendige mit dem ökonomisch Vertretbaren vereint. Es entsteht der wie folgt aufgeführte nanzielle Aufwand:
8.3.1
Löschstaffel (Variante 1)
Tabelle 8-8
Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschstaffelstandortes nach FwDV 3 (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer)
Fahrzeuge
Anzahl
Hubrettungsfahrzeug
Deutschland I
Deutschland II
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
1
Maschinist
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
1
Truppführer
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
1
Truppmann
64.422,03 €
55.185,31 €
51.735,31 €
1
Gruppenführer
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
1
Maschinist
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
522.799,13 €
383.091,86 €
357.676,86 €
PKW oder Transporter z.b.V. Summe Personal
Österreich
Gruppenführer
1 Löschfahrzeug I
Funktion
ohne Zuweisung 6
213
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
8.3.2
Löschgruppe (Variante 2)
Tabelle 8-9
Funktionale und organisatorische Gliederung eines Löschgruppenstandortes nach FwDV 3 (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer)
Fahrzeuge
Anzahl
Löschfahrzeug I
Hubrettungsfahrzeug
8.3.3
Österreich
Deutschland I
Deutschland II
1
Gruppenführer
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
2
Masch./Melder
181.700,36 €
127.850,62 €
119.340,62 €
2
Truppführer
181.700,36 €
127.850,62 €
119.340,62 €
2
Truppmänner
128.844,06 €
110.370,62 €
103.470,62 €
1
Gruppenführer
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
1
Maschinist
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
768.921,52 €
566.127,79 €
PKW oder Transporter z. b. V. Summe Personal
Funktion
ohne Zuweisung 9
528.752,79
Löschzug (Variante 3)
Tabelle 8-10
Funktionale und organisatorische Gliederung eines erweiterten Löschzugstandortes nach FwDV 3 (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer)
Fahrzeuge
Anzahl
Löschfahrzeug II
Hubrettungsfahrzeug
Einsatzleitfahrzeug 2 Wechselladefahrzeuge
Österreich
Deutschland I
Deutschland II
Gruppenführer
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
1
Maschinist
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
2
Truppführer
181.700,36 €
127.850,62 €
119.340,62 €
2
Truppmänner
128.844,06 €
110.370,62 €
103.470,62 €
1
Gruppenführer
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
1
Maschinist
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
2
Truppführer
181.700,36 €
127.850,62 €
119.340,62 €
2
Truppmänner
128.844,06 €
110.370,62 €
103.470,62 €
1
Gruppenführer
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
1
Maschinist
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
1
Zugführer
97.474,18 €
73.470,31 €
68.525,31 €
1
Führungsass.
4
Fahrzeugführer und Maschinist
1 Löschfahrzeug I
Funktion
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
367.526,92 €
238.221,24 €
222.811,24 €
214
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Fahrzeuge
Anzahl
Sonderfahrzeug (Tanklöschfahrzeug) Sonderfahrzeug (z. B. Gefahrgutfahrzeug, Einsatzleitfahrzeug) Summe Personal
Deutschland I
Deutschland II
1
Fahrzeugführer
Funktion
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
1
Maschinist
76.959,90 €
55.185,31 €
51.735,31 €
1
Truppmann
64.422,03 €
55.185,31 €
51.735,31 €
1
Fahrzeugführer
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
1
Maschinist
64.422,03 €
55.185,31 €
51.735,31 €
1
Truppmann
26
Österreich
64.422,03 €
55.185,31 €
51.735,31 €
2.051.312,79 €
1.596.623,06 €
1.492.318,06 €
Sofern die örtlichen Gefährdungsmerkmale eine werktägliche Aufwertung der Vorhalteleistungen erfordern, dient das in Abschnitt 8.3.4 ausgewiesene Verstärkungspotential als Maßstab der Berechungen.
8.3.4
Personelles und technisches Verstärkungspotential (Variante 4)
Tabelle 8-11
Funktionale und organisatorische Gliederung der Verwaltungsdienstzeit einer Zentralwache (Deutschland I: alte Bundesländer; Deutschland II: neue Bundesländer)
Fahrzeuge
Anzahl
Deutschland I
Deutschland II
Gruppenführer
92.913,28 €
68.065,31 €
63.465,31 €
1
Maschinist
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
1
Truppführer
90.850,18 €
63.925,31 €
59.670,31 €
1
Truppmann
64.422,03 €
55.185,31 €
51.735,31 €
1
Technisches Personal mit Feuerwehrqualikation
64.422,03 €
55.185,31 €
51.735,31 €
64.422,03 €
55.185,31 €
51.735,31 €
155.272,21 €
119.110,62 €
111.405,62 €
97.474,18 €
73.470,31 €
68.525,31 €
90.850,18 €
68.065,31 €
63.465,31 €
811.476,30 €
622.118,10 €
581.408,10 €
1 Löschfahrzeug
Werkstattfahrzeug LKW/Logistik
2 PKW/2 Transporter
1
Funktion
2
Truppführer/ Truppmann
4
Feuerwehrpersonal mittlerer und gehobener Qualikation
Österreich
Löschfahrzeug (Reserve) Wechselladefahrzeug (Reserve) Summe
12
215
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Die Funktionen während der werktäglichen Verwaltungsdienstzeiten bedürfen der kontinuierlichen Vorhaltung. Daher ist ein Personalfaktor von 1,31 (vgl. KGST: 2003, 10–17) bei der Kalkulation des nanziellen Aufwandes zu beachten.
8.4
Zusammenführung
Die in Kapitel 7.3 beschriebenen quantitativen und qualitativen Standorterfordernisse sowie die für die einzelnen Standortvarianten denierten Personalkörper bestimmen in Kombination mit den erhobenen Multiplikationsfaktoren den erforderlichen Finanzmitteleinsatz zur Unterhaltung einer beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Österreich und Deutschland.
8.4.1
Standortanforderungen Österreich
Tabelle 8-12
Standortanforderungen der beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Österreich
Bundesland
Variante 1
Variante 2
Variante 3
Variante 4
35
6
6
1
Niederösterreich & Wien
44
20
14
21
Oberösterreich
45
7
6
0
Kärnten
34
0
4
0
Salzburg
14
8
3
1
Tirol & Vorarlberg
26
12
3
1
Österreich Gesamt
198
53
36
24
Burgenland & Steiermark
8.4.1.1
Finanzieller Aufwand Österreich
Tabelle 8-13
Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Österreich
Bundesland Burgenland & Steiermark
Variante 1
Variante 2
Variante 3
81.425.964,50 €
20.530.204,58 €
54.770.051,49 €
1.063.033,95 €
Variante 4
Niederösterreich & Wien
102.364.069,65 €
68.434.015,28 €
127.796.786,82 €
22.323.713,01 €
Oberösterreich
104.690.525,78 €
23.951.905,35 €
54.770.051,49 €
0,00 €
Kärnten
79.099.508,37 €
0,00 €
36.513.367,66 €
0,00 €
Salzburg
32.570.385,80 €
27.373.606,11 €
27.385.025,75 €
1.063.033,95 €
Tirol & Vorarlberg
60.487.859,34 €
41.060.409,17 €
27.385.025,75 €
1.063.033,95 €
Österreich Gesamt
460.638.313,44 €
181.350.140,49 €
328.620.308,96 €
25.512.814,87 €
216
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Tabelle 8-14
Zusammenstellung des Gesamtaufwandes in Österreich Bundesland
Gesamt
Burgenland & Steiermark
8.4.2
157.789.254,53 €
Niederösterreich & Wien
320.918.584,76 €
Oberösterreich
183.412.482,62 €
Kärnten
115.612.876,03 €
Salzburg
88.392.051,61 €
Tirol & Vorarlberg
129.996.328,21 €
Österreich Gesamt
996.121.577,77 €
Standortanforderungen Deutschland
Tabelle 8-15
Standortanforderungen der beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (alte Bundesländer) Variante 2
Variante 3
Variante 4
Baden-Württemberg
Bundesland
Variante 1 137
32
36
12
Bayern
284
21
45
20
Berlin
0
10
10
3
Bremen
0
3
4
2
Hamburg
0
11
9
6
Hessen
79
26
21
11
Niedersachsen
176
27
27
12
Nordrhein-Westfalen
141
102
70
77
87
27
12
7 2
Rheinland-Pfalz Saarland Schleswig-Holstein Gesamt
9
7
2
71
8
8
6
984
274
244
158
217
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Tabelle 8-16
Standortanforderungen der beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (neue Bundesländer)
Bundesland
Variante 1
Variante 2
Variante 3
Variante 4
1
8
8
4
Brandenburg
122
5
6
8
Mecklenburg-Vorpommern
101
3
7
7
Sachsen
89
13
11
9
Sachsen-Anhalt
73
12
10
7
71
16
8
8
457
57
50
43
Berlin (Ost)
Thüringen Gesamt
8.4.2.1
Finanzieller Aufwand Deutschland
Tabelle 8-17
Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (alte Bundesländer)
Bundesland
Variante 1
Variante 2
Variante 3
Variante 4
Baden-Württemberg
239.325.146,78 €
82.609.367,12 €
262.101.641,53 €
9.779.696,53 €
Bayern
16.299.494,22 €
496.119.282,37 €
54.212.397,17 €
327.627.051,91 €
Berlin
0,00 €
25.815.427,22 €
72.806.011,54 €
2.444.924,13 €
Bremen
0,00 €
7.744.628,17 €
29.122.404,61 €
1.629.949,42 €
Hamburg
0,00 €
28.396.969,95 €
65.525.410,38 €
4.889.848,27 € 8.964.721,82 €
Hessen
138.005.011,65 €
67.120.110,78 €
152.892.624,23 €
Niedersachsen
307.454.203,16 €
69.701.653,50 €
196.576.231,15 €
9.779.696,53 €
Nordrhein-Westfalen
246.312.742,31 €
263.317.357,68 €
509.642.080,75 €
62.753.052,75 €
Rheinland-Pfalz
151.980.202,70 €
69.701.653,50 €
87.367.213,84 €
5.704.822,98 € 1.629.949,42 €
Saarland Schleswig-Holstein Gesamt
15.722.089,93 €
18.070.799,06 €
14.561.202,31 €
124.029.820,59 €
20.652.341,78 €
58.244.809,23 €
4.889.848,27 €
1.718.948.499,49 €
707.342.705,94 €
1.776.466.681,48 €
128.766.004,34 €
218
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Tabelle 8-18
Zusammenstellung des jährlichen Gesamtaufwandes in Deutschland (alte Bundesländer) Bundesland
593.815.851,96 €
Bayern
894.258.225,68 €
Berlin
101.066.362,89 €
Bremen
38.496.982,20 €
Hamburg
98.812.228,59 €
Hessen
366.982.468,48 €
Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland
583.511.784,35 € 1.082.025.233,49 € 314.753.893,02 € 49.984.040,72 €
Schleswig-Holstein Gesamt
Tabelle 8-19
Gesamt
Baden-Württemberg
207.816.819,87 € 4.331.523.891,25 €
Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland (neue Bundesländer)
Bundesland
Variante 2
Variante 3
1.631.006,48 €
19.288.901,78 €
54.439.762,83 €
Brandenburg
198.982.790,76 €
12.055.563,61 €
40.829.822,12 €
6.093.156,89 €
Mecklenburg-Vorpommern
164.731.654,64 €
7.233.338,17 €
47.634.792,48 €
5.331.512,28 €
Sachsen
145.159.576,86 €
31.344.465,39 €
74.854.673,89 €
6.854.801,50 €
Sachsen-Anhalt
119.063.473,16 €
28.933.352,67 €
68.049.703,54 €
5.331.512,28 €
Thüringen
115.801.460,19 €
38.577.803,56 €
54.439.762,83 €
6.093.156,89 €
Gesamt
745.369.962,09 €
137.433.425,18 €
340.248.517,68 €
32.750.718,27 €
Berlin (Ost)
Variante 1
Variante 4 3.046.578,44 €
219
Die Wahrnehmung von Feuerschutzaufgaben
Tabelle 8-20
Zusammenstellung des jährlichen Gesamtaufwandes in Deutschland (neue Bundesländer) Bundesland
78.406.249,53 €
Brandenburg
257.961.333,38 €
Mecklenburg-Vorpommern
224.931.297,56 €
Sachsen
258.213.517,64 €
Sachsen-Anhalt
221.378.041,64 €
Thüringen Gesamt
Tabelle 8-21
Gesamt
Berlin (Ost)
214.912.183,47 € 1.255.802.623,22 €
Jährlicher nanzieller Aufwand für die beruiche Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland Variante 1
Variante 2
Variante 3
Variante 4
1.718.948.499,49 €
707.342.705,94 €
1.776.466.681,48 €
128.766.004,34 €
Neue Bundesländer
745.369.962,09 €
137.433.425,18 €
340.248.517,68 €
32.750.718,27 €
Deutschland Gesamt
2.464.318.461,59 €
844.776.131,11 €
2.116.715.199,16 €
161.516.722,61 €
Alte Bundesländer
Insgesamt umfasst der jährliche nanzielle Aufwand für den Betrieb einer beruichen Feuerwehrinfrastruktur in Deutschland auf Grundlage der zuvor denierten Minimalstandards ein Volumen von 5.587.326.514,47 €. Nunmehr ist der nanzielle Aufwand für die Unterhaltung des Einsatzdienstes ächendeckender Berufsfeuerwehreinrichtungen berechnet. Er gibt bei isolierter Betrachtung lediglich eine abstrakte Größenordnung wieder, die als Solche nicht interpretiert werden kann. Erst mit Ausweisung des Aufwandes für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren und Gegenüberstellung der Ergebnisse konkretisieren sich etwaige Differenzen. Dieser Konkretisierung ist das folgende Kapitel 9 gewidmet.
9
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Aufbauend auf die nunmehr bekannten rechtlichen, personellen, logistischen und organisatorischen Strukturen des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens in Österreich und Deutschland bedürfen die kommunalen Aufwendungen der Einordnung und der nachfolgenden Zusammenführung. Es gilt die nanziellen Größenordnungen für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren zu untersuchen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse ist von Bedeutung, ob und inwieweit die feuerschutzbezogenen Aufwendungen homogene Verläufe zeigen und insoweit Rückschlüsse auf das Sicherheitsniveau zulassen, das den Bürgerinnen und Bürger zugebilligt wird.
9.1
Untersuchungskonzept
Die Untersuchung erfolgt auf Grundlage der Rahmenbedingungen, die in den vorangegangenen Kapiteln behandelt wurden. Im Einzelnen sei verwiesen auf:
Die Organisation der Freiwilligen Feuerwehren bedarf der räumlichen Nähe von Feuerwehrstandort und ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen, soll die Eingreifzeit lebensrettende Einsatzmaßnahmen ermöglichen. Infolge dessen werden in Österreich und Deutschland insgesamt etwa 38.000 Standorte der Freiwilligen Feuerwehren betrieben. Diese Standorte sind zu bewirtschaften und baulich instand zu halten, so dass die Infrastruktur einen erheblichen nanziellen Unterhaltungsaufwand erfordert. Den Standorten wiederum gilt es Personal und Technik zuzuweisen. Der nanzielle Aufwand steht in unmittelbarer Beziehung zu den einzelnen Feuerwehrgebäuden sowie deren personeller wie technischer Ausstattung. Obwohl die absolute Anzahl der ehrenamtlichen Angehörigen einer Feuerwehr kein übertragbarer Indikator für die Verfügbarkeit des Personals ist, bestimmt u. a. der Umfang des gesamten Personalbestandes den von der jeweiligen Kommune zu leistenden nanziellen Aufwand. Die personenbezogenen Kosten eignen sich daher als Maßstab des kommunalen Feuerschutzaufwandes. Sie vermögen zudem diese Bemühungen zu synchronisieren und insoweit die nanziellen Größenordnungen der einzelnen Städte und Gemeinden vergleichbar zu machen.
F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
221
Annahme: Der gesetzliche Auftrag zur Sicherstellung leistungsfähiger Feuerwehrstrukturen ist eindeutig und abschließend. Primär sind es die Gemeinden in Österreich und Deutschland, denen die Erfüllung desselben übertragen ist. Es wird angenommen, dass: 1. 2.
Ein erheblicher und nachweisbarer Einuss der kommunalen Struktur auf den nanziellen Feuerschutzaufwand der Gemeinden besteht. Die Einwohnerdichte der einzelnen Gemeinden als Vergleichsgröße des nanziellen Aufwandes geeignet ist.
Zielsetzung:
9.1.1
Ermittlung von konkreten nanziellen Größenordnungen für den Einsatzbetrieb (ohne investive Aufwendungen) der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland. Untersuchung des kommunalstrukturellen nanziellen Aufwandes. Ermittlung der gesamtstaatlichen Größenordnungen.
Gegenstand der Untersuchung
Die Ermittlung des nanziellen Aufwandes basiert auf der Auswertung von ordentlichen Voranschlägen bzw. von ordentlichen Haushaltsplänen (ohne investive Aufwendungen) in Österreich sowie von Haushalts- bzw. Produktplänen in Deutschland. Diese beinhalten eine Darstellung geplanter Einnahmen und Ausgaben für die Periode eines Haushaltsjahres. Es handelt sich dabei um die rechtliche Grundlage der Haushaltswirtschaft. Die Haushaltspläne sind zudem hinsichtlich Aufbau und Inhalt über die Grenzen der Bundesländer hinweg vergleichbar, da die Voranschlags- und Rechungsabschlussverordnung sowie der Einheitskostenrahmen des Kuratoriums für Wirtschaftlichkeit in Österreich bzw. das Haushaltsgrundsätzegesetz in Deutschland die Basis für übertragbare Vorgehensweisen bieten. Mit Hilfe eines im Rahmen dieser Untersuchung entwickelten Systems erfolgt sodann die Beurteilung der einzelnen Haushaltsunterlagen.
9.1.2
Erhebung der Untersuchungsdaten
Im Zuge der Datenerhebung wurden zufällige ausgewählte österreichische und deutsche Kommunen um Übersendung der wie vor genannten Haushaltsunterlagen des „Verwaltungszweiges Öffentliche Sicherheit und Ordnung bzw. Feuerwehr“ für die Jahre 2005 bis 2007 gebeten. Der Versandumfang in Österreich betrug 680, in Deutschland 1720 auf dem Postwege weitergeleitete Anfragen. Darüber hinaus ist auf einem Beiblatt um Angabe der Mitgliedszahlen in den genannten Jahren 2005 bis 2007 gebeten worden. Die Auswahl der Gemeinden orientierte sich an den Raumstrukturtypen des BBR (vgl. 6.2); sie unterlag in-
222
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
nerhalb der raumstrukturellen Verteilung ebenfalls dem Zufallsprinzip. Vor Aussendung der Anfragen ist die inhaltliche Verständlichkeit derselben zudem in einer Vortestphase durch Beteiligung von acht Gemeindeverwaltungen überprüft worden. Die angegebene Rücklauffrist betrug 5 Wochen; insgesamt gingen 267 vollständig beantwortete Anforderungen aus Österreich und 861 ebenso vollständige Daten aus Deutschland ein. Mit Rücklaufquoten von 39,26 % in Österreich und 50,05 % in Deutschland liegen beachtliche Beteiligungsraten vor, die auf ein ausgesprochen großes Interesse hindeuten. Signikante Unterschiede für Österreich und Deutschland waren bei der Eingangskontrolle der Rückläufe nicht feststellbar.
9.1.3
Entwicklung von Einussgrößen
Aufbauend auf die einleitenden Darlegungen lassen sich Voranschläge bzw. Haushaltspläne grundsätzlich gegenüberstellen, wenngleich die konkreten Bezeichnungen einzelner Kostenstellen variieren können. Es gilt somit die Art der Ausgaben zu erfassen und diese einer Gruppe von Oberbegriffen zuzuordnen. Hilfsweise diente der Gruppierungsplan des Haushaltsgrundsätzegesetz der Orientierung, demzufolge „mindestens Personalausgaben, sächliche Verwaltungsausgaben (…) und Zuweisungen gesondert darzustellen sind“ (vgl. § 10 HGrG, Stand: 01/2009). Im Ergebnis entstand eine Gliederung in 4 Haupt- und 30 Obergruppen; letzteren wurden nach Sichtung der Haushaltsunterlagen die örtlich relevanten Bezeichnungen zugewiesen. Die Zusammenführung dieser Titel ist gleichzeitig als Ausdruck einer kommunalen Feuerwehrvielfalt interpretierbar. Im Einzelnen setzen sich die Positionen wie nachfolgend abgebildet zusammen:
223
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Tabelle 9-1
Gliederung von Einnahmen und Ausgaben im Feuerschutzwesen
Hauptgruppe
Obergruppe Entschädigungsleistungen für ehrenamtliches Führungspersonal Aufwandsentschädigungen und sonst. Entschädigungsleistungen
Personalausgaben
Lohn- und Ersatzleistungen für Selbstständige
1. Arbeitgeber und
Brandsicherheitswachen Sterbekasse Sachausgaben Unterhaltung Grundstücke und bauliche Anlagen Unterhaltung und Anschaffung Miete und Pacht Gebäudeversicherung Bewirtschaftung Sächliche Verwaltungsausgaben
Fahrzeuge Kleidung Aus- und Fortbildung Verpegung Ehrungen Werbung Veranstaltungen Arbeitsmedizinische Untersuchungskosten Unfallkasse Abführungen, Steuern und Versicherung Allgemeine sächliche Ausgaben
Allgemeine Verwaltungsausgaben
Literatur Post und Telefon Reisen Mitgliedsbeiträge EDV / IT
Zuschüsse
Förderung der Kameradschaft Zuschüsse an übrige Bereiche
Es fanden lediglich solche Ausgaben Berücksichtigung, die der Organisationsform der Freiwilligen Feuerwehr zuzurechnen sind. Annahmegemäß entstehen Kosten wie zum Beispiel für Löschwasserversorgung, für Alarmierungseinrichtungen, für Funkanlagen oder auch für einsatzbezogene Verbrauchsmittel ohne Bindung an eine ehren- oder hauptamtliche
224
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Aufgabenwahrnehmung. Exemplarisch seien ein Brandereignis und eine Ölspurbeseitigung genannt; die weiteren Betrachtungen gehen davon aus, dass die Löschwassermenge zur Brandbekämpfung bzw. der Verbrauch an Ölbindemittel identisch sind, ungeachtet, ob eine Freiwillige Feuerwehr oder eine Berufsfeuerwehr zum Einsatz kommt. Demzufolge konzentrieren sich die nachfolgenden Inhalte ausschließlich auf die Aufwendungen für Unterhaltung und Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren. Investitionen bleiben grundsätzlich unberücksichtigt, da infrastrukturelle (mit Ausnahme der in Kapitel 7. denierten Angleichungserfordernisse) wie auch technische Voraussetzungen in hinreichender Anzahl vorhanden sind (vgl. Kapitel 10). Zudem sind einzelne investive Maßnahmen in der Lage das Gesamtergebnis zu verzerren.
9.1.4
Anzahl der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen
Auf die Mitgliederzahlen der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland ist im Verlauf dieser Arbeit eingegangen worden. Sie sind einerseits geeignet, das enorme Potential des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens zu beschreiben. Sie implizieren andererseits indes auch einen großen betrieblichen Aufwand in Form von Standorten, persönlichen Schutzausstattungen und zugehöriger Technik. Diesen Aufwand frei von Abstraktion darzustellen, erfordert die Einbeziehung der zuvor genannten organisatorischen Rahmenbedingungen. Den ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen wiederum lassen sich die einzelnen Organisationsmerkmale vor dem Hintergrund des Örtlichkeitsprinzips zuordnen, so dass der nanzielle Aufwand pro ehrenamtlichem Feuerwehrangehörigen den Umfang der Aufwendungen im Einzelnen zu verdeutlichen und in der Gesamtheit auszugeben vermag. Damit können zudem nanzielle Dimensionen vergleichbar dargestellt werden. Die Mitgliederzahlen der Freiwilligen Feuerwehren in den Jahren 2005 bis 2007 wurden mit Übersendung der Haushaltsunterlagen zur Verfügung gestellt; selten sind zudem Internetrecherchen und Telefonate erfolgt, um Angaben zu ergänzen. Sofern einzelne Haushaltsunterlagen keine Differenzierung zwischen ehren- und hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen enthielten, sind die Ausgaben um den hauptamtlichen Anteil mit Hilfe eines Umlageverfahrens minimiert worden.
9.2
Konzeptionelle Entwicklung der Untersuchung
Die Bereitstellung des öffentlichen Gutes „Feuerschutz“ wird als positives Ergebnis des ehrenamtlichen Engagements für die Bürgerinnen und Bürger konzipiert. Dieses Ergebnis herbeizuführen bedarf nanzieller Aufwendungen, die auf Grundlage der gesetzlichen Aufgabenzuweisung von den einzelnen Kommunen zu leisten sind. Die Bemessung des kommunalen Aufwandes wiederum erfordert ein Instrument der Strukturgleichung, soll eine Klassizierung einzelner Ausgaben möglich werden. Die Ermittlung des nanziellen Aufwandes für den einzelnen ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen ist in diesem Kontext ein angemessenes Instrument, die unterschiedlichen Gemeindestrukturen zu differenzieren, da ungeachtet der örtlichen Gegebenheiten eine Reduzierung auf eine unmittelbare Vergleichs-
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
225
größe erfolgt. Etwaige Differenzen indizieren darüber hinaus unterschiedliche Präferenzen kommunaler Entscheidungsträger und damit einhergehend eine variable Interpretation des grundsätzlich allgemeingültigen gesetzlichen Sicherstellungsauftrages. Bei anwendungsorientierten Maßstäben ist der „Pro-Kopf-Aufwand“ im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen somit ein Indikator für die leistungsgerechte Aufgabenerfüllung. Es gilt diesen Qualitätsanspruch im Kontext der bisherigen Untersuchungen auf die Einwohnerdichten in den Kommunen Österreichs und Deutschlands zu übertragen und daraus folgend Aussagen zu den gesamtstaatlichen monetären Dimensionen des feuerschutzbezogenen Aufwandes abzuleiten. Aus Gründen der Vollständigkeit nden auch kommunale Einwohnerzahlen in Form von Einwohnerklassen Berücksichtigung. Im Einzelnen zu untersuchen sind:
Kommunen in Österreich Kommunen in Deutschland Kommunen im jeweils gesamtstaatlichen Fokus
Die kommunalen Haushalte der Freiwilligen Feuerwehren bilden als Moderatorvariable den Hintergrund der Untersuchung. Sie sind die Grundlage für die Ermittlung des „Pro-KopfAufwandes“ im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen. Das im Folgenden abgebildete konzeptionelle Modell der Untersuchung sowie die sich anschließenden Hypothesen dienen als Basis der Auswertung. Die Ergebnisse der modellierten Beziehungen und die darauf aufbauende Überprüfung der Hypothesen bilden sodann den Abschluss der Untersuchung.
9.2.1
Konzeptionelles Modell der Untersuchung
Abbildung 9-1 Konzeptionelles Modell der Untersuchung (Eigene Darstellung in Anlehnung an Quellenverweis)
Quelle: Homburg, Kuester, Beutin, Menon: „Detreminants of Custommer Benets in B2B-Markets: A CrossCultural Comparison“, Journal of International Marketing, 13, 2005, S. 5
226
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
9.2.2
Hypothesen der Untersuchung
Abbildung 9-2 Hypothesen der Untersuchung für Österreich H1
„Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte aller untersuchten Gemeinden in Österreich“
?
H2
Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand“ ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte in Österreich“
?
Abbildung 9-3 Hypothesen der Untersuchung für Deutschland H3
„Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte aller untersuchten Gemeinden in Deutschland“
?
H4
Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand“ ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte in Deutschland“
?
Die Hypothesen fundieren den zentralen Untersuchungsansatz, nach dem die Bevölkerungsstruktur ein Kernelement der ehrenamtlichen Feuerwehrorganisation ist. Analog den Ausführungen zur Verfügbarkeitsstudie zielen die Untersuchungsansätze auf die Konzentration von Personen-, Verkehrs-, Gewerbe- und Industriegefahren ab, denen die Kommune als Träger der (monetären) Feuerschutzverantwortung durch wirksame Abwehrstrukturen entgegen treten soll. Folgen die Untersuchungsergebnisse den Hypothesen, steigen die Aufwendungen für den einzelnen ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen mit der Bevölkerungsdichte. Allerdings deuten die Beziehungen von Einsatzanzahl und Bevölkerungsdichte zwar auf einen Kooperationseffekt hin, ohne jedoch eine deutliche Korrelation begründen zu können. Die monetären Dimensionen der Vorhalteleistungen hingegen bedürfen der Ausrichtung an den örtlichen Gegebenheiten. Sie sollen sich also nur mittelbar an tatsächlichen Einsatzleistungen, sondern vielmehr an den örtlichen Gefahrenmerkmalen orientieren und auf Grundlage dessen präventive Sachaufwendungen begründen. In der Theorie sind sodann regelmäßige Verläufe mit Steigerungstendenzen bei wachsender Verdichtung der einzelnen Raumstrukturtypen zu erwarten. Diese raumstrukturelle Vergleichsbetrachtung ist vorwiegend aus Gründen der Transparenz realer Siedlungsprole unterhalb der kommunalen Ebene zu präferieren (vgl.6.2). Zudem lassen sich durch Reduzierung der Betriebskosten auf den einzelnen ehrenamtlichen Angehörigen die multiplen Einüsse der Freiwilligen Feuerwehren wie Standort-, Fahrzeug- und Ausrüstungsquantität erfassen.
9.3
Auswertung
Die Ergebnisvorstellung erfolgt zunächst für Österreich, bevor nachfolgend die in Deutschland erhobenen Daten aufgeführt werden. Nach tabellarischer Darstellung der Einzelergebnisse in den Bundesländern schließen sich jeweils die gesamtstaatlichen Auswertungen an.
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
227
Dieser Ergebnisvorstellung liegen graphische Aufbereitungen zugrunde. Die Inhalte gliedern sich wie folgt: 1. 2. 3. 4. 5.
Ergebnisse aus den Bundesländern. „Pro-Kopf-Aufwendungen“ nach Einwohnerklassen. „Pro-Kopf-Aufwendungen“ nach Raumstrukturtypen. Bandbreite der raumstrukturellen „Pro-Kopf-Aufwendungen“. Kartographische Gegenüberstellung der Bundesländer.
Ziel dieser Auswertung ist die transparente inhaltliche Aufbereitung der untersuchten ordentlichen Voranschläge in Österreich sowie der Haushalts- und Produktpläne in Deutschland. Die Ergebnisse dienen der Einordnung kommunaler Feuerschutzanstrengungen vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Schutzpichten. Sie sind geeignet, diesen Verfassungsauftrag und die kommunale Ausgestaltung desselben zusammenzuführen. Somit lassen sich Bundesländer und Kommunen gegenüberstellen; ebenso ist abschließend der mittlere kommunale Aufwand pro ehrenamtlichem Feuerwehrangehörigen bestimmbar. Die mittleren kommunalen Aufwendungen für ehren- und hauptamtliche Feuer wehrangehörige wiederum bilden die Basis für den im Verlauf dieser Studie zu führenden Beweis der implizierten ökonomischen Efzienz des Feuerwehrehrenamtes.
9.3.1
Österreich
Beurteilungsfähige Unterlagen aus Oberösterreich gingen auf Anfrage nicht ein. Der Rücksendeumfang aus Niederösterreich beschränkte sich lediglich auf ordentliche Voranschläge aus drei Gemeinden, so dass keine hinreichende Datenlage zugrunde gelegt werden konnte. Ebenso blieb Wien aufgrund der beruichen Feuerwehrstrukturen unberücksichtigt. So basieren die zusammenfassenden Ausführungen auf der Untersuchung von 6 österreichischen Bundesländern und 268 Gemeinden sowie 804 ordentlichen Voranschlägen. Damit repräsentieren die Auswertungen insgesamt 11,38 % der Gemeinden in der Republik Österreich.
228 9.3.1.1
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Ergebnisse aus den Bundesländern
Tabelle 9-2
Untersuchungsergebnisse Burgenland (N = 171 Gemeinden; n = 34 Gemeinden und 102 ordentliche Voranschläge)
*: Es wurde nur 1 Gemeinde mit insgesamt 3 ordentlichen Voranschlägen untersucht (ebenso in den nachfolgenden Bundesländern Österreichs und Deutschlands).
Tabelle 9-3
Untersuchungsergebnisse Kärnten (N = 132 Gemeinden; n = 36 Gemeinden mit 108 ordentlichen Voranschlägen)
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Tabelle 9-4
Untersuchungsergebnisse Salzburg (N = 119 Gemeinden; n = 84 Gemeinden mit 252 ordentlichen Voranschlägen)
Tabelle 9-5
Untersuchungsergebnisse Steiermark (N = 571*Gemeinden; n = 86 Gemeinden mit 258 ordentlichen Voranschlägen)
* = ohne Landeshauptstadt Graz
229
230
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Tabelle 9-6
Untersuchungsergebnisse Tirol (N = 279 Gemeinden; n = 56 Gemeinden mit 174 ordentlichen Voranschlägen)
Tabelle 9-7
Untersuchungsergebnisse Vorarlberg (N = 96 Gemeinden; n = 23 Gemeinden mit 69 ordentlichen Voranschlägen)
9.3.1.2
Aufwendungen nach Einwohnerklassen
Im Burgenland, in Kärnten und in der Steiermark zeigen die Einwohnerzahlen der Gemeinden und die zugehörigen Gesamtausgaben für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren regelmäßige Steigerungen. Zudem folgen die Feuerschutzausgaben für den einzelnen Feuerwehrangehörigen im Burgenland dem angenommenen Verlauf. Für die verbleibenden drei Bundesländer (Gesamtausgaben) bzw. für die weiteren fünf Bundesländer („Pro-Kopf-Auf-
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
231
wand“) stellte sich diese Verteilung nicht ein. Vielmehr sind den kommunalen Feuerschutzausgaben keine darüber hinaus gehenden Regelmäßigkeiten immanent, die eine eindeutige Vorgehensweise abbilden. Die kommunalen Aktivitäten erscheinen daher ungeordnet. Die „Pro-Kopf-Aufwendungen“ für ehrenamtliche Feuerwehrangehörige in Österreich verteilen sich wie in Abbildung 9-4 dargestellt: Abbildung 9-4 Mittlerer „Pro-Kopf-Aufwand“ nach Einwohnerklassen in Österreich
9.3.1.3
Aufwendungen nach Raumstrukturtypen
In den Raumstrukturen 1 bis 4 zeigt sich zunächst eine annahmekonforme Verteilung. Abbildung 9-5 Mittlerer „Pro-Kopf-Aufwand“ nach Raumstrukturtypen in Österreich
Diese Tendenz setzt sich in den Raumstrukturen 5 und 6 nicht fort, so dass auch bei Projektion auf die Bevölkerungsdichten kein konsequentes kommunales Ausgabeverhalten zu beobachten ist.
232 9.3.1.4
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Spannweite der „Pro-Kopf-Aufwendungen“
Die Zusammenführung der untersuchten kommunalen Feuerschutzausgaben in Österreich induziert den variablen Wert der Sicherheitsleistungen, den die Gemeinden ihren Bürgern zubilligen. Damit scheinen implizit unterschiedliche Risikowahrnehmungen zu existieren, da der nanzielle Einsatz zweifelsohne die örtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Feuerwehren bestimmt. Der arithmetische Mittelwert des jährlichen „Pro-Kopf-Aufwandes“ bei den Freiwilligen Feuerwehren in Österreich wurde schließlich mit 1.239,05 € ermittelt. Abbildung 9-6 Spannweite der jährlichen kommunalen „Pro-Kopf-Aufwendungen“ in Österreich bei raumstruktureller Betrachtung
9.1.3.5
Kartographische Auswertungen
Ziel dieser Ausführungen ist die graphische Gegenüberstellung der bundesländerbezogenen Bevölkerungsdichte, der kommunalen Gesamtausgaben sowie der kommunalen „Pro-KopfAufwendungen“. Die Aufmerksamkeit gilt der Frage, ob und inwieweit auf die Einwohnerstruktur mit einem entsprechenden nanziellen Aufwand „geantwortet“ wird. Zwar ist diese Antwort zuvor bereits für jedes der untersuchten Bundesländer formuliert worden, jedoch eignet sich die nachfolgend gewählte Darstellungsform als Übersicht des Feuerschutzaufwandes im Kontext der jeweiligen Bundesländer.
233
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Abbildung 9-7 Bevölkerungsdichten der Bundesländer Österreichs
<250 Einwohner/km 2 250–500Einwohner/km 2 >500 Einwohner/km 2 keine Angabe
Abbildung 9-8 Mittlere kommunale Gesamtaufwendungen in den Bundesländern Österreichs
< 150.000 €/Jahr 150.000 €/Jahr–200.000 €/ Jahr > 200.000 €/Jahr keine Angabe
Abbildung 9-9 Mittlere kommunale „Pro-Kopf-Aufwendungen in den Bundesländern Österreichs
< 1.000 €/Jahr 1.000 €/Jahr–1.500 €/Jahr > 1.500 €/Jahr keine Angabe
234
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Im Konkreten variiert die Reaktion der einzelnen Bundesländer mit der Bevölkerungsdichte. Exemplarisch sei Kärnten genannt; dort wenden die Gemeinden einen mittleren Gesamtbetrag zwischen 150.000 € und 200.000 € auf; dieser Aufwand reduziert sich durch die Einbeziehung der Mitgliederzahlen auf unter 1.000 € für den einzelnen ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen. In Vorarlberg hingegen steigt der jährliche „Pro-Kopf-Aufwand“ auf über 1.500 €.
9.3.2
Deutschland
Mit Ausnahme von Berlin und Hessen konnten alle Bundesländer in die Untersuchung einbezogen werden, obschon die Datenlage aus Sachsen-Anhalt nicht ausreichend gewesen ist, um daraus repräsentative Ergebnisse gewinnen zu können. In Bayern konnten 48 Gemeinden und 144 kommunale Haushaltsunterlagen bearbeitet werden; infolge der Kommunalstruktur sowie eines erfassten Bevölkerungsanteiles von etwa 30 % gilt es auf diesen Erhebungszusammenhang explizit hinzuweisen. Diesen abschließenden Ausführungen liegt eine enorme Datenfülle zugrunde, die das nanzielle Engagement der bundesdeutschen Gemeinden für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren wiederzugeben in der Lage ist. Grundlage der Ergebnisse ist die Auswertung von insgesamt 14 deutschen Bundesländern, 862 Gemeinden sowie 2586 Haushalts- und Produktplänen. Damit konnten etwa 7 % der bundesdeutschen Gemeinden (vgl. Destatis: 2009, ohne Paginierung) in die Untersuchung einießen.
9.3.2.1
Ergebnisse aus den Bundesländern
Aufbau und inhaltlicher Umfang gleichen den einzelnen österreichischen Untersuchungen. Grundlage sind Haushalts- und Produktpläne, die in prominenter Anzahl zur Verfügung standen und insofern ein regionales Bild der monetären Gefahrenabwehrbemühungen nachzuzeichnen geeignet sind. Besonderes Augenmerk ist auf die neuen Bundesländer und etwaige strukturelle Unterschiede zu richten.
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
235
Tabelle 9-8
Untersuchungsergebnisse Baden-Württemberg (N = 1111 Gemeinden; n = 115 Gemeinden mit 345 Haushalts-/Produktplänen)
Tabelle 9-9
Untersuchungsergebnisse Bayern (N = 2100 Gemeinden; n = 48 Gemeinden mit 144 Haushalts-/Produktplänen)
236 Tabelle 9-10
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Untersuchungsergebnisse Brandenburg (N = 420 Gemeinden; n = 16 Gemeinden mit 48 Haushalts-/Produktplänen)
Die Bundesländer „Freie Hansestadt Bremen“ (Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven) und „Freie und Hansestadt Hamburg“ erfüllen als Stadtstaaten sowohl kommunale als auch länderbezogene Feuerschutzaufgaben. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden die Haushaltspläne beider Länder ausgewertet. Damit konnten in Bremen etwa 550.000 Einwohner (ohne Bremerhaven) sowie in Hamburg circa 1,8 Millionen Einwohner erfasst werden. Mit 1.684 Einwohnern pro km2 (Bremen) und 2.323 Einwohnern pro km2 (Hamburg) sind sehr dichte Siedlungsstrukturen des Raumstrukturtypen 6 gegenwärtig. Der arithmetische Mittelwert des nanziellen Aufwandes für einen freiwilligen Feuerwehrangehörigen in Bremen beträgt 1.762 € pro Jahr, während in Hamburg ein „Pro-Kopf-Aufwand“ von 1.633 € ermittelt wurde. Tabelle 9-11
Untersuchungsergebnisse Mecklenburg-Vorpommern (N = 849 Gemeinden; n = 33 Gemeinden mit 99 Haushalts-/Produktplänen)
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Tabelle 9-12
Untersuchungsergebnisse Niedersachsen (N = 1047 Gemeinden; n = 62 Gemeinden mit 186 Haushalts-/Produktplänen)
Tabelle 9-13
Untersuchungsergebnisse Nordrhein-Westfalen (N = 396 Gemeinden; n = 157 Gemeinden mit 471 Haushalts-/Produktplänen)
237
238
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Tabelle 9-14
Untersuchungsergebnisse Rheinland-Palz (N = 2306 Gemeinden; n = 72 Gemeinden mit 216 Haushalts-/Produktplänen)
Tabelle 9-15
Untersuchungsergebnisse Saarland (N = 52 Gemeinden; n = 17 Gemeinden mit 51 Haushalts-/Produktplänen)
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
239
Tabelle 9-16
Untersuchungsergebnisse Sachsen (N = 510 Gemeinden; n = 40 Gemeinden mit 120 Haushalts-/Produktplänen)
Tabelle 9-17
Untersuchungsergebnisse Sachsen-Anhalt (N = 1042 Gemeinden; n = 8 Gemeinden mit 24 Haushalts-/Produktplänen)
240
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Tabelle 9-18
Untersuchungsergebnisse Thüringen (N = 992 Gemeinden; n = 182 Gemeinden mit 546 Haushalts-/Produktplänen)
Tabelle 9-19
Untersuchungsergebnisse Schleswig-Holstein (N = 1127 Gemeinden; n = 118 Gemeinden mit 354 Haushalts-/Produktplänen)
9.3.2.2
Aufwendungen nach Einwohnerklassen
In Bayern und im Saarland korrelieren die Einwohnerzahlen der Gemeinden mit den Gesamtausgaben für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren dahingehend, dass mit aufsteigender Einwohnerklasse auch die mittleren Gesamtausgaben zunehmen. Darüber hinaus
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
241
folgen die Feuerschutzausgaben für den einzelnen Feuerwehrangehörigen in Thüringen dem Verlauf, der den Hypothesen inhaltlich zugrunde liegt. Den kommunalen Feuerschutzausgaben sind keine darüber hinaus gehenden Regelmäßigkeiten immanent, die eine eindeutige Vorgehensweise abbilden. Vielmehr scheinen die nanziellen (Feuerschutz-) Aktivitäten der Gemeinden ohne eindeutige Kriterien, wie Abbildung 9-10 darzustellen vermag. Abbildung 9-10 „Mittlerer Pro-Kopf-Aufwand“ nach Einwohnerklassen in Deutschland
9.3.2.3
Aufwendungen nach Raumstrukturtypen
In den Raumstrukturen 4 bis 6 zeigt sich eine annahmekonforme Verteilung. Die Raumstrukturen 1 und 2 verlaufen ebenfalls wie angenommen; der Wert der mittleren Aufwendungen in Raumstrukturtyp 2 schließt jedoch zum Ergebnis für den Raumstrukturtyp 5 auf, so dass eine folgerichtige Fortsetzung der Verteilung ausgeschlossen ist. Somit lässt sich auch in Deutschland in Abhängigkeit von den Bevölkerungsdichten kein konsequentes kommunales Ausgabeverhalten berichten. Abbildung 9-11 „Mittlerer Pro-Kopf-Aufwand“ nach Raumstrukturtypen in Deutschland
242 9.3.2.4
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Spannweite der „Pro-Kopf-Aufwendungen“
Die graphische Darstellung der untersuchten kommunalen „Pro-Kopf-Feuerschutzausgaben in Deutschland beschreibt die Vielfalt der örtlichen Bemühungen, dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen. Finanzielle Aufwendungen in den Gemeinden sind ein Indikator für Art, Umfang und Qualität der kommunalen Aufgabenwahrnehmungen. Der arithmetische Mittelwert des jährlichen „Pro-Kopf-Aufwandes“ bei den Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland wurde schließlich mit 1.157,53 € ermittelt. Im Ergebnis wenden die österreichischen Gemeinden einen geringfügig höheren Betrag für den einzelnen Feuerwehrangehörigen auf. Diese marginale Differenz impliziert ein vergleichbares Ausstattungsniveau über die nationalen Grenzen hinweg. Abbildung 9-12 Spannweite der kommunalen jährlichen „Pro-Kopf-Aufwendungen in Deutschland bei raumstruktureller Betrachtung
9.3.2.5
Kartographische Auswertungen
Analog den graphischen Gegenüberstellungen der bundesländerbezogenen Bevölkerungsdichte, der kommunalen Gesamtausgaben sowie der kommunalen „Pro-Kopf-Aufwendungen“ in Österreich, folgt nunmehr die zusammenfassende Auswertung, ob und inwieweit in Deutschland auf die Einwohnerstruktur mit einem entsprechenden nanziellen Aufwand reagiert wird. Die Reaktion der einzelnen Bundesländer auf die Bevölkerungsdichte ist ambivalent. In Bayern leben zum Beispiel weniger als 250 Menschen pro km2. Dem folgen dennoch beachtliche Aufwendungen sowohl bei Berücksichtigung der Gesamtausgaben als auch der „Pro-Kopf-Aufwendungen“, die als Begleiterscheinung der kommunalen Gliederung mit mehr als 2.000 Gemeinden interpretierbar sind. Die hohe Bevölkerungsdichte in NordrheinWestfalen hingegen wird mit durchschnittlichen Gesamt- und „Pro-Kopf-Aufwendungen“ beantwortet. Weitere Vergleiche lassen sich den Kartenausschnitten entnehmen. Abweichende Graustufen zeigen eine Diskrepanz zwischen den örtlichen Gegebenheiten und dem zusammengefassten nanziellen Engagement der Gemeinden eines Bundeslandes.
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
243
Abbildung 9-13 Bevölkerungsdichten der deutschen Bundesländer
<250 Einwohner/km 2 250–500Einwohner/km 2 >500 Einwohner/km 2 keine Angabe
Abbildung 9-14 Mittlere kommunale Gesamtaufwendungen in den deutschen Bundesländern
< 150.000 €/Jahr 150.000 €/Jahr–200.000 €/ Jahr > 200.000 €/Jahr keine Angabe
Abbildung 9-15 Mittlere kommunale „Pro-Kopf-Aufwendungen“ in den deutschen Bundesländern
< 150.000 €/Jahr 150.000 €/Jahr–200.000 €/ Jahr > 200.000 €/Jahr keine Angabe
244 9.5
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Hypothesen der Untersuchung
Auf Grundlage der vorgestellten Untersuchungsergebnisse lassen sich die formulierten Hypothesen nunmehr überprüfen. Bei Ausgabe des Zusammenhanges für die Gesamtstichprobe in Österreich und Deutschland stellt sich ein maximal signikantes Ergebnis (,000) in mittlerer Beziehungsstärke ein (,362). Daraus ableitbar orientieren sich die kommunalen Ausgaben durchaus an den Siedlungsstrukturen, wenngleich es -wie bei den Ergebnisvorträgen bereits angemerkt- dem kommunalen Ausgabeverhalten an Stringenz und Ganzheitlichkeit fehlt. Tabelle 9-20
Ergebnisausgabe der Gesamtstichprobe Korrelationen Mittlere „Pro-Kopf-Ausgaben“ pro Feuerwehrangehörigem
Spearman-Rho
Raumstrukturtyp
Korrelationskoefzient
,362**
Sig. (2-seitig)
,000
N
1128
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
Trotz der inhomogen erscheinenden Ausgaben für den einzelnen ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen sind im Kontext der Hypothesen sowohl in Österreich wie auch in Deutschland evidente Beziehungen existent. Sie ergeben sich jeweils in mittlerer Ausprägung und sind auch auf nationaler Ebene höchst signikant (,000). Die für Österreich ermittelten Korrelationen (,388) sind vergleichsweise größer als die für Deutschland nachgewiesenen Größenordnungen (,345), wie aus Tabelle 9-21 hervorgeht.
Tabelle 9-21
Ergebnisausgabe für Österreich und Deutschland Korrelationen Mittlere „Pro-Kopf-Ausgaben“ pro Feuerwehrangehörigem
Land Korrelationskoefzient Deutschland
Raumstrukturtyp
N
SpearmanRho
,345**
Sig. (2-seitig)
,000 860
Korrelationskoefzient Österreich
Raumstrukturtyp
,388**
Sig. (2-seitig) N
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
,000 268
245
Finanzieller Aufwand zur Unterhaltung Freiwilliger Feuerwehren
Die mittelstarken Korrelationskoefzienten basieren auf den wiederkehrend auftretenden Beziehungsebenen, die sich nicht durchgängig, jedoch in einer gewissen Relevanz auszubilden vermögen. Insbesondere die sich in Österreich (stärker) andeutenden Korrelationen zwischen den „Pro-Kopf-Aufwendungen“ und der Bevölkerungsdichte sind bemerkenswert, da die raumstrukturelle Klassizierung im Gegensatz zu Deutschland in Österreich nicht bekannt ist (vgl. ÖIR: 2007, ohne Paginierung). Dennoch orientieren sich die österreichischen Gemeinden implizit prominenter an diesen Strukturen, die besonders geeignet sind, örtliche Realitäten frei von kommunalen Grenzen abzubilden. Die Hypothesenprüfung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Abbildung 9-16 Hypothesenprüfung der Untersuchung für Österreich und Deutschland H1
„Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte aller untersuchten Gemeinden in Österreich“
+
H2
Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand“ ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte in Österreich“
+
H3
„Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte aller untersuchten Gemeinden in Deutschland“
+
H4
Effekt für den kommunalen „Pro-Kopf-Aufwand“ ist stärker mit der Größe der kommunalen Einwohnerdichte in Deutschland“
+
Infolge der jeweils mittelstarken Korrelationen konnten die Hypothesen nicht vollumfänglich bestätigt werden, obgleich evidente und im Kontext der Hypothesen einschlägige Beziehungen offensichtlich wurden. Mit den berechneten nanziellen Dimensionen lässt sich nunmehr im folgenden Kapitel 10 eine vergleichende Gegenüberstellung von ehren- und hauptamtlichen Aufgabenerfüllungen durchführen.
10
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
Nachdem die nanziellen Dimensionen der haupt- und ehrenamtlichen Aufgabenerfüllung auf Grundlage der Kapitel 8 und 9 bekannt sind, lässt sich der Aufwand bestimmen. Der Berechnung des Finanzmitteleinsatzes für den gegenwärtigen Betrieb der ehrenamtlichen Strukturen folgt die Gegenüberstellung der Aufwendungen, die für die im Kapitel 8 vorgestellte Berufsfeuerwehrorganisation entstehen. Soll ein ganzheitlicher Systemvergleich erfolgen, bedarf es der Reduzierung um die betrieblichen Kosten, die den beruichen Feuerwehrstrukturen derzeit bereits zurechenbar sind. Als Ergebnis resultiert die Differenz der einzelnen Systemvarianten, ohne dass die konkrete Wahrnehmung des denierten Sicherstellungsauftrages zunächst thematisiert wird. Diese zu diskutieren ist Inhalt der sich anschließenden Ausführungen.
10.1
Systemvarianten
Systemvarianten im Kontext dieser Untersuchung sind die Freiwilligen Feuerwehren und die Berufsfeuerwehren. Erstes Ziel ist die Berechnung des nanziellen Aufwandes für die aktuelle Organisation des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens in Österreich und Deutschland basierend auf den in Kapitel 9 ermittelten „Pro-Kopf-Aufwendungen“ sowie den seitens der Bundesfeuerwehrverbände veröffentlichten Personalzahlen. Des Weiteren gilt es an die Ergebnisse von Kapitel 8 anzuknüpfen. Diese nehmen Bezug auf die monetäre Größenordnung für den Betrieb einer beruichen Feuerwehrinfrastruktur. Sie mit den tatsächlichen Aufwendungen für die vorhandenen Berufsfeuerwehren zu kombinieren, ist Voraussetzung für die Ausgabe eines Differenzbetrages, der den nanziellen Aufwand für den Betrieb der Systemvarianten veranschaulicht.
10.1.1
Freiwillige Feuerwehren
Der nanzielle „Pro-Kopf-Aufwand“ für den ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen dient als Ausgangssituation der Berechnung des Gesamtaufwandes. Für Österreich wurde ein Aufwand von 1.239,05 € pro Jahr (vgl. 9.3.1.4) und für Deutschland ein „Pro-Kopf-Betrag“ von 1.157,53 € pro Jahr (vgl. 9.2.3.4) ermittelt.
10.1.1.1
Österreich
Im Jahre 2007 verfügten die österreichischen Feuerwehren über 249.507 aktive ehrenamtliche Mitglieder (vgl. ÖBFV: 2008, 3). Die weiterhin noch statistisch erfassten Reservisten F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
247
und Angehörigen der Feuerwehrjugend bleiben unberücksichtigt, da lediglich die für den Einsatzdienst vorgesehenen Feuerwehrmitglieder in die Kalkulation eingehen. Demgemäß wenden die österreichischen Kommunen jährlich 309.151.648,40 € für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren auf.
10.1.1.2
Deutschland
Die Freiwilligen Feuerwehren Deutschlands konnten im Jahr 2006 auf 1.035.941 aktive Angehörige zurückgreifen. Ebenso wie in Österreich sind bei der Berechnung nur die für den Einsatzdienst verwendbaren Mitglieder relevant; der jährliche Aufwand bundesdeutscher Gemeinden für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren beträgt 1.199.132.786,00 €.
10.1.2
Berufsfeuerwehren
Die in Kapitel 7 denierte Infrastruktur geht von zeitkritischen Eintreffkriterien aus, die der Feuerwehr ein Zeitfenster von maximal acht Minuten ab Alarmierung einräumen, um am Notfallort einzutreffen. Dazu ist eine entsprechende räumliche Standortanordnung erforderlich. Die Mehrzahl dieser Standorte ist mit einer Löschstaffel (6 Feuerwehrangehörige) bzw. einer Löschgruppe (9 Feuerwehrangehörige) zu besetzen. Diese personellen Ressourcen orientieren sich an den Feuerwehrdienstvorschriften, an den dort beschriebenen taktischen Möglichkeiten sowie an den Eigenschutzvorgaben. Sie sind zudem geeignet, den Großteil aller Schadenereignisse eigenverantwortlich oder in Kombination mit einem Nachbarstandort zu bearbeiten (vgl. 7.1.2). Hagebölling unterstützt diese Einschätzung in seiner Dissertationsschrift (vgl. Hagebölling: 2002, 79). Die monetäre Dimension des betrieblichen Aufwandes dieser ganzheitlichen beruichen Feuerwehrstruktur und der nanzielle Aufwand für die gegenwärtig betriebenen Einrichtungen der Berufsfeuerwehren vermögen die theoretischen Planungen und die derzeit aktuellen Systemparameter zusammenzuführen.
10.1.2.1
Österreich
Derzeit sind 2.633 Menschen (vgl. ÖBFV: 2009, ohne Paginierung) bei den öffentlichen Feuer wehren beschäftigt. Als Ergebnis einer Befragung der österreichischen Berufsfeuerwehren werden die als Beamte oder Vertragsbedienstete beschäftigten Feuerwehrangehörigen vollumfänglich im Feuerwehreinsatzdienst verwendet. Infolge der hierarchisch gegliederten Aufbau- und Ablauforganisation (vgl. 8.2.1.1) variieren die Verantwortlichkeiten und damit der nanzielle Aufwand für den jeweiligen Arbeitsplatz. Exemplarisch erfolgte die Auswertung von 3 Stellenplänen österreichischer und deutscher Berufsfeuerwehren, um die prozentualen Anteile der Verantwortungsebenen auf die Kalkulation der monetären Größenordnungen übertragen zu können. Auf Grundlage dieser Auswertung benden sich 90,6 % der Berufsfeuerangehörigen im mittleren Dienst, 8,15 %
248
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
im gehobenen und 1,25 % im höheren Feuerwehrdienst. Diese Prozentsätze gilt es nunmehr auf die nanziellen Aufwendungen für die einzelnen Laufbahngruppen zu projizieren. Die Dienst- und Amtsbezeichnungen des mittleren Feuerwehrdienstes gleichen den Funktionszuweisungen aus Kapitel 8. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne Berufsfeuerwehren in Österreich weitere Dienststellungen vergeben. Zudem dürften die anteiligen Prozentsätze innerhalb der Laufbahngruppen mit den realen Zuordnungen differieren. Daher ist ein geringfügig abweichendes Ergebnis möglich. In der Laufbahngruppe „Mittlerer Dienst“ werden 2385,5 Feuerwehrangehörige auf drei Dienststellungen, 214,6 Angehörige des gehobenen Dienstes ebenfalls auf drei Dienstgrade sowie 32,9 Mitarbeiter des höheren Feuerwehrdienstes auf zwei Dienststellungen verteilt. Tabelle 10-1
Finanzieller Aufwand der gegenwärtigen Berufsfeuerwehren in Österreich
Dienst bzw. Amtsbezeichung
Pro-KopfAufwand in €
Anteil in %
Anzahl
Finanzieller Aufwand in €
Oberfeuerwehrmann
64.422,03
40
954,2
88.657.851,78
Löschmeister / Brandmeister
90.850,18
40
954,2
88.657.851,78
Oberbrandmeister
92.913,28
20
477,1
44.328.925,89
Brandinspektor
97.474,18
60
128,8
12.554.674,38
Brandkommissär
90.319,45
20
42,9
3.874.704,40
Brandoberkommissär
100.787,90
20
42,9
4.323.800,91
Brandrat
108.668,85
50
16,45
1.787.602,58
Oberbrandrat
129.685,68
50
16,45
2.133.329,43
Insgesamt wenden die österreichischen Feuerwehren derzeit 246.318.741,2 € für den Betrieb des hauptamtlich zu leistenden Einsatzdienstes auf. Die einzelnen Systemvarianten lassen sich wie folgt zusammenführen: Tabelle 10-2
Gegenüberstellung der Systemvarianten Systemvariante
Freiwillige Feuerwehr
Finanzieller Aufwand in € 309.151.648,40
Berufsfeuerwehr (aktuell)
246.318.741,20
Gesamt
555.470.389,60
Der nanzielle Aufwand für eine beruiche Feuerwehrstruktur ohne ehrenamtliche Komponenten beträgt 996.121.577,77 € (vgl. 8.4.1.1). Daraus resultiert eine theoretische ökonomische Leistung des Feuerwehrehrenamtes in Österreich von 440.651.188,10 €. Im Folgenden bedarf diese Einschätzung der differenzierten Einordnung und der kritischen Diskussion.
249
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
10.1.2.2
Deutschland
In Deutschland arbeiten 34.804 Menschen (vgl. DFV: 2008, 262 u. 266) bei den öffentlichen Feuerwehren. Davon sind insgesamt 28.409 Feuerwehrangehörige in den alten Bundesländern sowie 6.395 Brandschutzfachkräfte in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin beschäftigt. Diese Gliederung ist aufgrund der nach wie vor gegenwärtigen Besoldungsunterschiede von Bedeutung. Zum Einsatz des Personals im Feuerwehreinsatzdienst gaben 21 von 102 deutschen Berufsfeuerwehren die prozentualen Verwendungsanteile an. Als arithmetischer Mittelwert ergab sich eine Größenordnung von 74,19 %. Demnach können 25.821 beruiche Feuerwehrkräfte in die Kalkulation eingehen. Das Ergebnis ist insbesondere der rettungsdienstlichen Aufgabenerfüllung durch die Feuerwehren in einigen Bundesländern geschuldet. Die weitere Vorgehensweise gleicht der für Österreich dargelegten Abfolge. Es werden ebenso 90,6 % der Berufsfeuerangehörigen dem mittleren Dienst, 8,15 % dem gehobenen und 1,25 % dem höheren Feuerwehrdienst zugeordnet. Diese Prozentsätze gilt es wiederum auf die nanziellen Aufwendungen für die einzelnen Laufbahngruppen zu übertragen. Die Dienst- und Amtsbezeichnungen des mittleren Feuerwehrdienstes stimmen mit den Funktionszuweisungen aus Kapitel 8 überein. Ebenso wie in Österreich ist auch in Deutschland nicht auszuschließen, dass die Angehörigen einzelner Berufsfeuerwehren über die im Folgenden aufgeführten Dienststellungen hinaus weitere Amtsbezeichnungen führen. Zudem dürften die anteiligen Prozentsätze innerhalb der Laufbahngruppen von den realen Zuordnungen variieren. Insofern ist ein geringfügig abweichendes Ergebnis möglich. In den neuen Bundesländern umfasst die Laufbahngruppe „Mittlerer Dienst“ im Konkreten 4.298,4 Feuerwehrangehörige mit drei möglichen Dienststellungen. Der Gruppe des gehobenen Dienstes gehören 386,6 Kräfte an, die fünf Dienstgrade bekleiden können. Des Weiteren können den 59,3 Mitarbeitern des höheren Feuerwehrdienstes drei Amtsbezeichnungen verliehen werden. Tabelle 10-3
Finanzieller Aufwand der gegenwärtigen Berufsfeuerwehren in Deutschland (neue Bundesländer und Ost-Berlin)
Amtsbezeichung
Pro-Kopf-Aufwand in €
Anteil in %
Anzahl
Finanzieller Aufwand in €
Brandmeister
51.735,31
40
1.719,36
88.951.622,60
Oberbrandmeister
59.670,31
40
1.719,36
102.594.744,20
Hauptbrandmeister
63.465,31
20
859,68
54.559.857,70
Brandinspektor
68.525,31
20
77,32
5.298.376,97
Brandoberinspektor
65.190,31
30
115,98
7.560.772,15
Brandamtmann
75.425,31
30
115,98
8.747.827,45
Brandamtsrat
84.740,31
10
38,66
3.276.060,38
Brandoberamtsrat
91.755,31
10
38,66
3.547.260,28
Brandrat
79.335,31
40
23,72
1.881.833,55
250
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
Oberbrandrat
95.435,31
40
23,72
2.263.725,55
Branddirektor
106.475,31
20
11,86
1.262.797,18 279.944.878,01
Die Berechnungen für die alten Bundesländer basieren ebenso auf den vorgestellten Stellenplaninhalten. Das den einzelnen Laufbahngruppen zugewiesene prozentuale Stellenpotenzial ist somit mit den für Österreich und mit den für die neuen deutschen Bundesländern ausgewiesenen Größenordnungen identisch. Es beinhaltet 19095,3 Feuerwehrkräfte des mittleren Dienstes, 1717,7 Feuerwehrangehörige der gehobenen Laufbahn sowie 263,4 Mitarbeiter des höheren Feuerwehrdienstes. Tabelle 10-4
Finanzieller Aufwand der gegenwärtigen Berufsfeuerwehren in Deutschland (alte Bundesländer)
Amtsbezeichung
Pro-Kopf-Aufwand in €
Anteil in %
Anzahl
Finanzieller Aufwand in €
Brandmeister
55.415,31
40
7.638,12
423.268.821,99
Oberbrandmeister
63.925,31
40
7.638,12
488.269.223,19
Hauptbrandmeister
68.065,31
20
3.819,06
259.945.519,99
Brandinspektor
73.470,31
20
343,54
25.239.991,84
Brandoberinspektor
69.905,31
30
515,31
36.022.907,61
Brandamtmann
80.945,31
30
515,31
41.711.930,01
Brandamtsrat
91.065,31
10
171,77
15.642.289,07
Brandoberamtsrat
98.655,31
10
171,77
16.946.023,37
Brandrat
85.200,31
40
105,36
8.976.705,14
Oberbrandrat
103.485,31
40
105,36
10.903.212,74
Branddirektor
114.525,31
20
52,68
6.033.193,57 1.332.959.818,53
Die Ergebnisse für Deutschland lauten wie folgt: Tabelle 10-5
Gegenüberstellung der Systemvarianten Systemvariante
Finanzieller Aufwand in €
Freiwillige Feuerwehr
1.199.132.786,00
Berufsfeuerwehr (aktuell)
1.612.904.696,54
Gesamt
2.812.037.482,54
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
251
Der nanzielle Aufwand für den Betrieb einer beruichen Feuerwehrstruktur ohne ehrenamtliche Komponenten beträgt 5.587.326.514,47 € (vgl. 8.4.2.1). Daraus folgt ein theoretisches ökonomisches Gewicht des Feuerwehrehrenamtes in Deutschland von 2.775.289.031,93 €.
10.2
Umfang der Untersuchung
Inhaltlicher Schwerpunkt dieser Gegenüberstellung von Ehren- und Hauptamt ist die personelle Ausstattung der unmittelbaren Einsatzorganisation. Unberücksichtigt bleibt eine ökonomische Differenzierung des ehren- bzw. hauptamtlich begründeten Einuss auf zentrale Ausbildungsstätten sowie Alarmierungs- und Leitstelleneinrichtungen. Weitere administrative Tätigkeiten können nur einbezogen werden, sofern sie sich auf Abschnitt 7.1.2 beziehen.
10.3
Investive Aufwendungen
Aus gutem Grunde blieben investive Aufwendungen mit Ausnahme der Standortinfrastruktur in Kapitel 7 sowohl bei Untersuchung des beruichen Feuerwehrwesens (Kapitel 8) wie auch bei Auswertung des kommunalen Ausgabeverhaltens für die Freiwilligen Feuerwehren (Kapitel 9) unberücksichtigt. Charakteristisch für die derzeitige Kombination aus ehren- und hauptamtlicher Aufgabenerfüllung im Feuerschutz ist die enorme Anzahl an Feuerwehrstandorten, die primär auf das Organisationswesen der Freiwilligen Feuerwehren zurückzuführen sind. Diese Standorte mit Fahrzeugen, technischen Geräten und persönlicher Schutzausrüstung auszustatten, bedarf des nanziellen Engagements der einzelnen Gemeinden. Ausgehend von der denierten beruichen Feuerwehrstruktur (vgl. 7.3.1 und 7.3.2) sichert das derzeit vorhandene technische Potenzial in Österreich und Deutschland die Ausstattung sämtlicher Liegenschaften weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus. Nach der Standortuntersuchung sind in Österreich 287 Liegenschaften und in Deutschland 2066 Feuerwehrliegenschaften unterschiedlicher Ausprägung einzurichten. Dazu stehen in Österreich insgesamt 14.818 Fahrzeuge (ÖBFV: 2007, 11) und in Deutschland 78.373 Fahrzeuge zur Verfügung (DFV: 2008, 264–265 und 268–269). Relativierend sei zu diesen Zahlen angemerkt, dass kleinere Löschfahrzeuge, Anhängefahrzeuge sowie einige Gerätewagen infolge des grundsätzlichen Standortkonzeptes in die weiteren Planungen nicht einbezogen werden dürfen. Dennoch verbleiben ausgesprochen umfangreiche Vorhaltekapazitäten, die den angenommenen Ausstattungsbedarf einschließlich Ausfallreserven mindestens redundant ausfüllen. Lediglich die gegenwärtige Vorhaltung der investitionsaufwendigen Fahrzeuggruppen „Hubrettungs- und Wechselladefahrzeuge“ entspricht in beiden Ländern etwa der einmaligen Bedarfsdeckung der denierten beruichen Liegenschaftsstruktur einschließlich einer angemessenen Ausfallreserve; im Umkehrschluss ist diese implizite Übereinstimmung als Indiz einer ausgewogenen Standortplanung interpretierbar (vgl. 7.3.1 und 7.3.2). Weitere investive Aufwendungen im Bereich der Fahrzeug- und Gerätetechnik erscheinen daher nicht notwendig. Vernachlässigt werden in diesem Zusammenhang zudem
252
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
die Eigentumsverhältnisse der Feuerwehrtechnik, die zweifelsohne überwiegend den Gemeinden als Träger der Feuerschutzaufgaben vorbehalten sind. Idealisierend ist demzufolge vorauszusetzen, dass die von den Kommunen verwaltete Feuerwehrtechnik dem Gesamtsystem ohne monetäre Gegenleistung zur Verfügung gestellt wird. Gleiches gilt für Schutzausrüstungen, die äquivalent den aktuellen Mitgliederzahlen sehr viel zahlreicher bei den Feuerwehren existieren, als sie in einer beruichen Feuerwehrorganisation tatsächlich benötigt werden. Vor diesem Hintergrund macht der umfangreiche Ausrüstungsbestand der österreichischen und deutschen Feuerwehren investive Aufwendungen mit Ausnahme von baulichen Anpassungen und Neuerrichtungen entbehrlich. Es ist insofern nur folgerichtig, die Untersuchung der monetären Dimensionen auf den Betrieb der Feuerwehren zu beschränken, da die allgemeinen Voraussetzungen ansonsten vorliegen.
10.3.1
Investitionsverhalten der öffentlichen Feuerwehren
Investitionen im allgemeinen Kontext dienen der Veränderung oder dem Erhalt von betrieblichen Kapazitäten. Sie umfassen die Bereitstellung von Betriebsmitteln, die Planung der strategischen Ausrichtung sowie den Aufbau und die Sicherung leistungsfähiger Distributionssysteme (vgl. Schierenbeck: 304, 1993). Diese Gestellung von Betriebsmitteln in Form von Feuerwehrfahrzeugen und -geräten orientiert sich für den Aufgabenbereich der öffentlichen Feuerwehren an der Betreuung eines denierten Zielgebietes. Ferner basiert die Investitionsentscheidung der Gemeinde auf Kapitalbestand und erwartetem Ertrag in Gestalt des öffentlichen Sicherstellungsauftrages (vgl. Woll: 1993, 359–360). Maßgebend sind einerseits die verfügbaren kommunalen Haushaltsmittel, andererseits jedoch auch der feuerwehrbezogene Zielerreichungsgrad als Indikator der örtlichen Feuerschutzqualität. Demnach ist der Investition in neue Feuerwehrtechnik eine Erwartungshaltung des kommunalen Investors immanent, die mit der Ertragserwartung in der Realwirtschaft vergleichbar erscheint. Die Bilanzierung derselben zu veranschaulichen ist indes weniger eine Addition transparenter Kapitalströme, sondern vielmehr ein Ausdruck kommunaler Sicherheitsleistungen, die den Bürgern verpichtend zuzubilligen sind. Dabei bestimmt die Organisationsstruktur und damit im Konkreten die Anzahl der Feuerwehrstandorte die Investitionserfordernisse der Gemeinden als Adressat der Feuerschutzverantwortung. Die hohe Standortdichte im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen erfordert die adäquate Ausstattung der einzelnen Liegenschaften. So sind die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland für jeweils etwa 70 % der Bevölkerung zuständig (vgl. 3.1.2.2); sie verfügen allerdings über circa 93 % aller Feuerwehrfahrzeuge, während die Berufsfeuerwehren die übrigen 30 % der Einwohner mit den verbleibenden 7 % des gesamten Fahrzeugbestandes versorgen. Zwar gilt es in diesem Zusammenhang nochmals auf die vielen Kleinfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehren und potentiell längere Betriebsdauern der Fahrzeuge hinzuweisen, dennoch erhöht der große Fuhrpark die Investitionserfordernisse der Gemeinden überproportional im Vergleich zu der denierten Standortdichte einer beruichen Feuerwehrstruktur (vgl. 7.4.5).
253
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
Mit diesen Investitionserfordernissen relativiert sich das theoretische wirtschaftliche Gewicht der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland. Eine konkrete ökonomische Bemessung dieser Reduzierung vorzunehmen, scheitert an der mangelnden Transparenz des vorhandenen Fahrzeugbestandes und der denitiven Betriebsdauern eines jeden Fahrzeuges sowie der enormen Datenmenge, deren Verarbeitung im Rahmen dieser Untersuchung nicht zu leisten ist. Daher verbleibt an dieser Stelle die rudimentäre Erkenntnis einer potenziellen Investitionskostenreduzierung bei beruichen Feuerwehrstrukturen, die sich wie in den Tabellen 10-5 und 10-6 zusammengefasst auswirken könnte. Dargestellt sind zunächst die absoluten Vorhaltezahlen der eingeführten Standortvarianten. Diese wiederum enthalten in Abhängigkeit von der personellen und technischen Ausgestaltung jeweils denierte Fahrzeugzuweisungen, die nach Fahrzeugtyp und Fahrzeuganzahl berechnet sind. Nachfolgend werden die einzelnen Ausstattungskombinationen summiert. Sie bilden die Grundlage für die Bestimmung des prozentualen Anteils des gegenwärtigen Fahrzeugbestandes, der für den Betreib einer beruichen Feuerwehrstruktur (vgl. 7.3.1 und 7.3.2) erforderlich ist. Eine Differenzierung nach Fahrzeugtypen erfolgt nicht. Da sich der investive Aufwand jedoch unmittelbar an diesen technischen Kennwerten orientiert, können keine konkreten wirtschaftlichen Dimensionen ausgewiesen werden, so dass im Ergebnis die pauschale prozentuale Reduzierung der Fahrzeugvorhaltungen quantizierbar ist. Tabelle 10-6
Prozentuale Reduzierung der Fahrzeugvorhaltung in Österreich bei einer beruichen Feuerwehrstruktur auf Grundlage von Abschnitt 7.3.1.
Fahrzeuge Löschfahrzeug I
Variante 1
Variante 2
198
53
198
53
Löschfahrzeug II Hubrettungsfahrzeug Einsatzleitwagen PKW und Transporter z.b.V.
Variante 3
Variante 4
36
24
36
24
60
36
24
311
36 198
Summe
53
Wechselladerfahrzeuge
72 36
Sonderfahrzeug II
36
Sonstige Fahrzeuge
311
36 48
Sonderfahrzeug I
24
299 96 36 36
48
48
Ausfallreserve (10 % Zusatz)
59,4
15,9
28,8
19,2
123,3
Fahrzeugbedarf
653,4
174,9
316,8
211,2
1.356,3
Fahrzeugbestand Reduzierungspotential
Summe in %
9,15 %
14.818
100 %
13.461,7
90,85 %
254
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
Tabelle 10-7
Prozentuale Reduzierung der Fahrzeugvorhaltung in Deutschland bei einer beruichen Feuerwehrstruktur auf Grundlage von Abschnitt 7.3.2.
Fahrzeuge Löschfahrzeug I
Variante 1
Variante 2
Variante 3
Variante 4
1.441
331
294
201
294
201
495
1.441
331
294
201
2.267
Löschfahrzeug II Hubrettungsfahrzeug Einsatzleitwagen PKW und Transporter z.b.V.
294 1.441
331 588
Sonderfahrzeug I
294
Sonderfahrzeug II
294
Sonstige Fahrzeuge Ausfallreserve (10 % Zusatz) Fahrzeugbedarf
2.267
201
2.174 789 294 294
402
402
432,3
99,3
235,2
160,8
927,6
4.755,3
1.092,3
2.587,2
1.768,8
10.203,6
Fahrzeugbestand Reduzierungspotential
Summe in %
294 402
Wechselladerfahrzeuge
Summe
13,0 %
78.373
100 %
68.169,4
87,0 %
Das prozentuale Reduzierungspotenzial ist ebenso wie bei der Standortstruktur erheblich. Infolge der denierten Ausfallreserve würde sich in Österreich (Hubrettungsfahrzeuge) und in Deutschland (Wechselladefahrzeuge) zunächst investiver Bedarf ergeben, sofern jeder beruiche Feuerwehrstandort mit derartigen Fahrzeugen auszustatten wäre. Die grundsätzliche Bewertung bleibt davon unberührt.
10.4
Grenzen der Gegenüberstellung
Die Freiwilligen Feuerwehren und die Berufsfeuerwehren sind durch gemeinsame Aufgaben, einheitliche Feuerwehrdienstvorschriften, gleichartige Einsatzgrundsätze, übertragbare Ausstattungsnormen und ein nahezu identisches Erscheinungsbild verbunden. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Gemein ist den Feuerwehren insbesondere die herausragende Fähigkeit, kritische Schadensereignisse mit der Routine eines bewährten und gesellschaftlich anerkannten Systems zu bewältigen. Diametrale Gegensätze offenbaren sich allerdings bei genauerer Betrachtung. Zunächst sei die Verfügbarkeitssituation der Freiwilligen Feuerwehren genannt. Aufbauend auf die Untersuchungsergebnisse von Kapitel 6 steht ein Großteil der ehrenamtlichen Angehörigen dem System regelmäßig an Werktagen nicht zur Verfügung. Die Verfügbarkeitsdezite be-
255
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
drohen die ächendeckende Leistungsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren. In Österreich ist der Umfang beträchtlich, dennoch im Ergebnis deutlich geringer als in Deutschland. Stehen die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen zur Verfügung, sind das Quali kationsgefüge sowie das tatsächliche Eintreffen am Notfallort unbestimmt (vgl. 3.1.2.2). Die untersuchten Verfügbarkeitsdezite bestehen an Werktagen in Österreich und in Deutschland während eines Zeitraumes von 11 Stunden. Zur Sicherstellung des ganzheitlichen abwehrenden Brandschutzes bedarf es daher der Kompensation von temporären personellen Engpässen. Diese Kompensationserfordernisse zu bemessen, setzt die Personalgestellung in den Bereichen voraus, innerhalb derer dieselben konstatiert wurden. In Österreich bestehen die personellen Dezite bei 65, 6 % der Freiwilligen Feuerwehren (vgl. 6.3.1.3), in Deutschland gar bei 85,6 % der ehrenamtlichen Feuerwehrorganisationen (vgl. 6.3.2.3). Es gilt nunmehr die prozentualen Verfügbarkeitsdezite mit den relativen Häugkeiten zusammenzuführen. Dazu dient eine werktägliche beruiche Feuerwehrstruktur im 12-Stunden Dienstmodell bei einem Personalfaktor von 1,84 als Maßstab der Berechnung. Im Ergebnis folgt die Ausgabe des gesamten nanziellen Aufwandes. Dieser ist mit den prozentualen Dezitanteilen zu kombinieren, so dass nachfolgend ein ökonomisches Gewicht der Kompensationsmaßnahmen vereinfacht wiedergegeben werden kann. Für Österreich ergeben sich die nachfolgend dargestellten Größenordnungen. Tabelle 10-8
Jährlicher nanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur im 12-Stunden-Dienstmodell in Österreich
Bundesland
Variante 1
Burgenland & Steiermark
Variante 2
Variante 3
Variante 4
33.668.263,97
8.488.893,58
22.646.493,20
1.493.116,39
Niederösterreich & Wien
42.325.817,56
28.296.311,94
52.841.817 ,47
31.355.444,23
Oberösterreich
43.287.767,96
9.903.709,18
22.646.493,20
0,00
Kärnten
32.706.313,57
0,00
15.097.662,13
0,00
Salzburg
13.467.305,59
11.318.524,77
11.323.246,60
1.493.116,39
Tirol & Vorarlberg
25.010.710,38
16.977.787,16
11.323.246,60
1.493.116,39
Österreich Gesamt
190.466.179,04
74.985.226,63
135.878.959,21
35.834.793,41
Tabelle 10-9
Bemessung des Dezitvolumens Bundesland
Gesamt in €
Österreich Gesamt
437.165.158,29
65,6 % Dezitvolumen
286.780.343,80
Das anteilige ökonomische Gewicht der theoretischen Kompensationsmaßnahmen unterstreicht die Bedeutung der Tagesverfügbarkeit für die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich. Das Dezitvolumen wird im nationalen Kontext angegeben; potentielle Auf-
256
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
wendungen in den Bundesländern leiten sich aus den Ergebnissen der Verfügbarkeitsstudie des Kapitels 6 und den zuvor aufgeführten Berechnungen ab. Sie sind im Konkreten mit den prozentualen Verfügbarkeitsanteilen der Bundesländer zusammenzuführen. Der Aufbau der Berechnungen für Deutschland gleicht der wie vor beschriebenen Systematik. Die nanziellen Dimensionen für Deutschland sind Inhalt der Tabellen 10-9 bis 10-11. Tabelle 10-10 Jährlicher nanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur im 12-Stunden-Dienstmodell in Deutschland (neue Bundesländer) Bundesland Berlin (Ost)
Variante 1
Variante 2
Variante 3
Variante 4
658.125,42
7.783.241,07
21.966.921,84
4.279.163,62
Brandenburg
80.291.301,53
4.864.525,67
16.475.191,38
8.558.327,23
Mecklenburg-Vorpommern
66.470.667,66
2.918.715,40
19.221.056,61
7.488.536,33
Sachsen
58.573.162,59
12.647.766,74
30.204.517,53
9.628.118,14
Sachsen-Anhalt
48.043.155,84
11.674.861,60
27.458.652,30
7.488.536,33
46.726.904,99
15.566.482,14
21.966.921,84
8.558.327,23
300.763.318,04
55.455.592,62
137.293.261,52
46.001.008,87
Thüringen Gesamt
Tabelle 10-11 Jährlicher nanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur im 12-Stunden-Dienstmodell in Deutschland (alte Bundesländer) Bundesland Baden-Württemberg Bayern
Variante 1
Variante 2
Variante 3
Variante 4
96.569.796,07
33.333.604,28
105.760.311,49
13.736.367,65
200.188.482,36
21.875.177,81
132.200.389,37
22.893.946,08
Berlin
0,00
10.416.751,34
29.377.864,30
3.434.091,91
Bremen
0,00
3.125.025,40
11.751.145,72
2.289.394,61
Hamburg
0,00
11.458.426,47
26.440.077,87
6.868.183,82
Hessen
55.686.232,77
27.083.553,47
61.693.515,04
12.591.670,34
124.060.467,94
28.125.228,61
79.320.233,62
13.736.367,65
Nordrhein-Westfalen
99.389.352,16
106.250.863,63
205.645.050,13
88.141.692,41
Rheinland-Pfalz
61.325.344,95
28.125.228,61
35.253.437,16
8.012.881,13
Niedersachsen
Saarland Schleswig-Holstein Gesamt
6.344.001,20
7.291.725,94
5.875.572,86
2.289.394,61
50.047.120,59
8.333.401,07
23.502.291,44
6.868.183,82
693.610.798,04
285.418.986,61
716.819.889,02
180.862.174,03
Aufbauend auf die bundesländerbezogenen Übersichten können die nanziellen Größenordnungen für Deutschland beschrieben werden. Das Volumen der theoretischen Kompensationsmaßnahmen beläuft sich auf mehr als 2 Milliarden € pro Jahr. Tabelle 10-11 führt die konkreten Beträge zusammen.
257
Ehren- und hauptamtliche Aufgabenerfüllung
Tabelle 10-12 Bemessung des Dezitvolumens Summe in € Alte Bundesländer Neue Bundesländer
1.876.711.847,70 539.513.181,04
Deutschland Gesamt
2.416.225.028,74
85,5 % Dezitvolumen
2.065.872.399
Berufsfeuerwehren hingegen arbeiten in der Regel mit kontinuierlichen Personalstärken, vorgegebenen Ausrücke- und Anfahrtszeiten sowie gleich bleibenden Qualikationen des Einsatzpersonals. Als primäre Abgrenzungsmerkmale zwischen den beiden Organisationsformen lassen sich zudem relativ konstante, demnach tageszeitlich unabhängige Eintreffzeiten der Berufsfeuerwehren am Schadensort anführen. Ein unmittelbarer Systemvergleich schließt sich daher aus. Zwar unterliegen beide Feuerwehren gleichen Gesetzesgrundlagen, jedoch fehlt es an einem einheitlichen Maßstab der Durchsetzung (vgl. 4.5.1 u. 4.5.2). Die „Unternehmensphilosophien“ sind inkompatibel, obgleich beide Organisationen im gesetzlichen Sicherstellungsauftrag einen gemeinsamen Schnittpunkt haben. Vielmehr unterscheiden sich die organisationsbezogenen Werkzeuge der Umsetzung, im Konkreten die Parameter Personalkostenaufwand, Verfügbarkeit, Schutzpichtenerfüllung, Standort- und Ausstattungsdichte sowie Qualikationsansatz. Diese Differenzen wiederum unterstreichen den theoretischen Charakter des ökonomischen Gewichts der jeweiligen Systemvariante. Es wird jedoch deutlich, dass dem System der Freiwilligen Feuerwehr neben den erhöhten Investitionserfordernissen weitere Faktoren innewohnen, die das ökonomische Gewicht der ehrenamtlichen Feuerwehrorganisation zu mindern in der Lage sind. Ungeachtet dessen spiegeln die Freiwilligen Feuerwehren wie keine andere ehrenamtliche Organisation die gesellschaftliche Bereitschaft zu gemeinwohlorientierten Tätigkeiten wider. Sie tragen damit wesentlich zur Kultur und zur Qualität des Gemeinwesens bei. Das Phänomen der ehrenamtlichen Arbeit bedarf folglich der näheren Untersuchung, zumal die Wirtschaftsleistung dieses Engagements nach einer Studie des „United-NationsVolunteer Programme“ in Österreich 0,49 % und in Deutschland 1,51 % des Bruttonationalproduktes beträgt (Roy et al.: 2001, 42). Das folgende Kapitel 11 ist den Hintergründen der ehrenamtlichen Arbeit gewidmet.
11
Ehrenamtliche Arbeit
Von ehrenamtlichen Tätigkeiten geht grundsätzlich eine große gesellschaftliche Relevanz aus; über das im Rahmen dieser Untersuchung zu thematisierende Feuerwehrwesen hinaus gilt beispielsweise als gesichert, dass vor allem im Sozial- und Gesundheitsbereich die Erbringung der notwendigen Leistungen ohne ehrenamtliche Unterstützung nicht möglich ist (vgl. Wischeropp: 1998, 68).
11.1
Arbeit
Eine allgemeingültige Abgrenzung der Begrifichkeit „Arbeit“ erscheint bei Einbeziehung diverser Disziplinen nicht möglich, da er einerseits einem mehrmaligen Bedeutungswechsel unterlag (vgl. Stengel: 1997, 10–12), andererseits „auf engste mit dem ganzen Lebensrhythmus verwoben“ (vgl. von Rotz: 1994, 21). Im Beziehungssystem der Soziologie ist Arbeit die in der gesamtgesellschaftlichen Tätigkeit aufgewandte Mühe zur Erhaltung und Vermehrung des kollektiven Eigentums als Summe aller materiellen und geistigen Güter. Die gesellschaftliche Wertung der Arbeit als ein Resultat der Gesamttätigkeit des Menschen wechselt mit dem Sinn, den sie hervorbringt. „Der Sinn der Arbeit wiederum wird je nach dem Übergewicht ökonomischer, geistiger oder politischer Tendenzen in einem Gemeinwesen bestimmt“ (Bernsdorf et al.: 1955, 21). In volkswirtschaftlichen Erklärungsansätzen wird jede Art manueller und geistiger Beschäftigung zur Erwirtschaftung von Einkommen angeführt (vgl. Woll: 1993, 54), während Arbeit in der Philosophie eine „zielgerichtete, dauernde, bewusste und bewusstseinsschaffende Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur“ darstellt, die Materialien zum Zwecke der Erhöhung ihrer Brauchbarkeit in einen anderen als ihren Naturzustand überführt und dem eigenen Überleben sowie dem Überleben der Menschheit dient (Kehrer: 1993, 17). Die Psychologie hingegen sieht Arbeitstätigkeiten als „willentlich-zielgerichtete Tätigkeiten zur Erlangung eines bewussten und vorweggenommenen Zieles“ (Hacker: 1993, 52) oder als Basis eines dialektischen Prozesses der Vermittlung zwischen Mensch und Natur bzw. als vom Menschen intendierte Veränderung der Natur zum Zwecke der Schaffung optimaler Lebensbedingungen unter Einsatz psycho-physischer Kräfte und unter Zuhilfenahme technologischer Energien und Mittel (Schmale: 1983, 46–47). Aus Gründen der Vollständigkeit sei zudem auf die Physik, die Anthropologie und Ontologie mit jeweils fachbezogenen Denitionen des Arbeitsbegriffes verwiesen. Im Kontext der zugrunde liegenden Untersuchung erfolgt eine Kategorisierung der Arbeit nach Erwerbsbedingungen, anderen Tätigkeiten zur Erreichung eines ökonomischen Ziels sowie Tätigkeiten ohne Ausrichtung auf ökonomische Zielsetzungen (vgl. Jahoda: 1983, 26), da bei Erwerbstätigkeit eine Zweckgerichtetheit angenommen werden darf, die zunächst auf die Sicherstellung des Lebensunterhaltes abzielt (vgl. von Rotz: 1994, 33), jedoch F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Ehrenamtliche Arbeit
259
gleichzeitig nicht darauf reduzierbar ist. Sowohl haupt- wie auch ehrenamtliche Handlungen basieren auf einer Zweckausrichtung, die von einer ungeordneten „Grundgesamtheit“ von bewussten und unbewussten Motiven hervorgerufen wird.
11.1.1
Die „Evolution“ der Arbeit
Bis zum heutigen Status der individuellen und gesellschaftlichen Betrachtung von „Arbeit“ wurden fundamentale Veränderungen durchlaufen (vgl. Schmale: 1983, 14). Die Einordnung des elementaren Begriffes unterliegt kulturellen Einüssen und Unterschieden, die sowohl historisch wie auch geographisch begründet sein können, obschon dieselben im Zuge der fortschreitenden Globalisierung mit zunehmender Tendenz nachrangig erscheinen (vgl. Pontier: 2004, 5). Lange Zeit galt Arbeit als Ausdruck von Zwang, zweckgerichteter Tätigkeit aus Notwendigkeit (vgl. von Rotz: 1994, 53), als Ausschlusskriterium für die Teilnahme am öffentlichen Leben (vgl. Beck: 1999, 17) und als von Gott auferlegte zu erfüllende Picht, die als der Entfaltung menschlicher Fähigkeiten entgegenstehend interpretiert wurde und sich zudem an tages- und jahreszeitlichen Bedingungen orientierte (vgl. Mikl-Horke: 1995, 16). Mit dem 19. Jahrhundert begann der Übergang zur maschinellen Produktion, die im Anfangsstadium durch Ablehnung der Menschen geprägt war, da die Arbeit nunmehr außer Haus und unabhängig von natürlichen jahreszeitlichen Rhythmen, Wetter und familiären Gesichtspunkten stattfand (vgl. Kehrer: 1993, 12). Auch das Zeitgefühl entfernte sich von den Naturgegebenheiten, indem die Fabrikglocke, der Maschinenrhythmus bzw. die Maschinenmonotonie, seltene Pausenzeiten und die Anwesenheit von Aufsehern bestimmend wurden (vgl. Mikl-Horke: 1995, 27). Maschinen dominierten bald den Arbeitsablauf und die Aufgabe des Menschen beschränkte sich auf die stereotype Bedienung ohne Frei- bzw. Gestaltungsspielraum; „letztlich reduzierte sich seine Rolle auf die Lieferung einer abstrakten Arbeitskraft als Objekt in einem fremdbestimmten Produktionsprozess“ (von Rotz: 1994, 102). Die Geschichte der Arbeit im 20. Jahrhundert lässt sich anhand von 4 „Menschenbildern“ (vgl. Ulich: 1992, 7–62) verfolgen; beginnend mit den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen von Taylor und dem daraus abgeleiteten und durch monetäre Anreize motivierbaren Menschenbild des „Economic Man“ wurden Arbeitsabläufe, betriebliche Strukturen sowie verfügbare Werkzeuge einer kontinuierlichen Efzienzprüfung unterzogen, die schlussendlich in der ersten Fließbandfertigung bei der Ford Motor Company mündeten. Eine Korrelation von Arbeitsleistung und Umgebungseinüssen konnte den „Hawthorne-Studien“ (1927–1932) (Mayo: 1933/1960, 53–73) entnommen werden, die erstmals die Wechselwirkungen des menschlichen Verhaltens und den sozialen Normen einer (Arbeits-) Gruppe, also auch den Zusammenhang von Zufriedenheit, Kommunikation und Information zu belegen vermochten und das Menschenbild des „Social Man“ charakterisierten (vgl. Ulich: 1992, 33). Darauf aufbauend führten bedürfnisorientierte bzw. motivationspsychologische Theorien zur generalisierten Ansicht einer mangelnden Nutzung und Entfaltung von Fähigkeiten und Potentialen der Arbeiter mit dem Ziel der Humanisierung der täglichen Arbeit, wenngleich jedoch individuelle Unterschiede und Besonderheiten, wie zum Beispiel die Zufriedenheit mit monotonen Tätigkeiten, unberücksichtigt blieben (vgl.
260
Ehrenamtliche Arbeit
Ulich: 1992, 42). Ergänzende Studien erkannten diesbezüglich nachfolgend abweichende Ursachen für Zufriedenheit und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz mit Auswirkungen auf individuelle Selbstverwirklichung und persönliches Wachstum (vgl. Herzberg et al. 1959, 59–83). Diese fanden Ausdruck im dritten Menschenbild des „Selfactualising Man“, das wiederum als Grundlage für fortschreitende Veränderungskonzepte zur Erweiterung des Handlungsspielraumes sowie zur Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung diente, um den nach Autonomie und Selbstverwirklichung strebenden Arbeitnehmern durch Einführung teilautonomer Gruppen in einem betrieblichen „soziotechnischen System“ (Ulich: 1992, 6) eine gleichermaßen angemessene Mitbestimmung und Arbeitsplatzperspektive zu vermitteln. Den bis dahin postulierten Menschenbildern wurde fortan ein vereinfachender Charakter unterstellt. Insbesondere die Fokussierung auf die individuellen Unterschiede machte die Einführung des „Complex Man“ als Synonym neuer Arbeitsformen erforderlich (vgl. Ulich: 1992, 47). Die heutigen Gesellschaften lassen sich in diesem Kontext durchaus als „Arbeitsgesellschaften“ bezeichnen, die „Arbeit als auf einen äußeren Zweck gerichtete Tätigkeit und als Mittel zum wirtschaftlichem Erfolg mit zentraler Bedeutung sehen, die eine Dominanz des Wirtschaftssystems weithin über die übrigen Lebensbereiche“ hinaus zu begründen vermag (vgl. von Rotz: 1994 21). Zudem ist anzumerken, dass die Erwerbstätigkeit trotz ganzheitlicher Arbeitszeitverkürzungen zu einem Prägezentrum des ganzen Lebens geworden ist (vgl. Huber: 1984, 21). Sie stellt insoweit „einen der wichtigsten Vergesellschaftungsfaktoren“ dar (Mikl-Horke: 1995, 3).
11.1.2
Die identitätsstiftende Wirkung der Arbeit
Die Grundthese der Identität lautet, dass Menschen danach streben, ein möglichst positives Selbstbild von sich zu entwickeln. Ein Individuum wird erst dann zu einem wirklichen Menschen, wenn es eine sozial und kulturell denierte Identität entwickelt hat, die ihm von seinen Mitmenschen in der alltäglichen Interaktion immer wieder bestätigt wird (vgl. Haller: 2003, 572). Daraus ableitend entwickeln sich Bedeutungen, die sich ein Individuum zuschreibt, wenn er die Perspektive Dritter einnimmt, demgemäß sich selbst als soziales Objekt sieht (vgl. Wendt: 1998, 387) und soziale Rollen annimmt, die wiederum mit eigenen und fremden Erwartungshaltungen verknüpft werden (vgl. Volmberg: 1978, 17). Es besteht daher ein enger Zusammenhang zwischen Selbstbild und Gruppenzugehörigkeit, da die menschliche Identität geradezu mit der Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen erklärbar erscheint; eine dauerhafte Mitgliedschaft in einer Organisation lässt sich daher als subjektiv empfundenen positiven Beitrag zur eigenen Identität interpretieren (vgl. Haller: 2003, 573 ff.). Diesbezüglich wird der Mensch auch in einem lebenslangen Dilemma zwischen dem Streben nach persönlicher Identität und Unabhängigkeit sowie der mit Gruppenzugehörigkeit einhergehenden sozialen Identität gesehen (vgl. Worchel et al.: 1998, 54–56), das durch ein Zusammenwirken zwischen der zugewiesenen Identität, als Kombination von sozialer und persönlicher Identität und der „Ich-Identität“, als Bezeichnung des eigenen Empndens zustande kommen kann (vgl. Hoff: 1986, 33). Ebenso basiert die Identität auf Erfahrungen und deren Verarbeitung, im Konkreten auf der subjektiven Bedeutsamkeit, der Wahrnehmung und der Bewertung durch kognitive sowie emotionale Elemente (vgl.
Ehrenamtliche Arbeit
261
Haußer: 1995, 66 ff.). Im Ergebnis wird deutlich, dass Identität nicht gegeben ist, sondern gebildet werden muss (vgl. Jenkins: 1996, 4). Sie ist die Stufe eines Sozialisierungsprozesses, der indes nicht als Konstante, sondern als fortwährender lebenslanger Prozess zu verstehen ist (vgl. Haußer: 1995, 71). Bei der Identitätsbildung nimmt die Arbeit eine zentrale Rolle ein. Die „systemimmanenten“ Prozesse ermöglichen die wie vor dargelegten Elemente der Identitätsbildung und -fortentwicklung. Sie geht oftmals mit der Zugehörigkeit zu Gruppen einher und bietet dabei sowohl generalisierbare wie auch einzigartige Erfahrungen, deren Symbiose schlussendlich zur individuellen Identität führt. Arbeit ist Zeiterfahrung (vgl. Jahoda: 1983, 45) und Sozialisationsinstanz (vgl. Haußer: 1995, 85) zugleich. Ein prägender Identitätseinuss resultiert einerseits aus der frühen und langen Vorbereitung auf die Identität, andererseits aus der Möglichkeit zur nichtmateriellen Bedürfnisbefriedigung, einem für die Identitätsbildung wesentlichen Indikator, der in der alltäglichen Wahrnehmung jedoch von untergeordneter Bedeutung scheint und oftmals erst mit Verlust der Erwerbsarbeit zu spürbaren Veränderungen des Identitätsempnden führt. Arbeit ist somit eine bestimmende „Identitätssäule“ und gleichermaßen eine „soziale Notwendigkeit“; sie gibt den Menschen eine, wenn auch nicht ausschließliche Möglichkeit andere Menschen zu treffen, sich als Gruppenmitglied mit denselben zu vergleichen und insoweit zur Identitätsklärung (vgl. Jahoda: 1983, 136 ff.) und Selbstndung (vgl. von Rotz: 1994, 44 u. 389) beizutragen. Ein Aususs individueller Gegenüberstellungen anhand von Gruppennormen wird durch den arbeitsplatzbezogenen Status widergespiegelt, der zunächst ein normkonformes Verhalten voraussetzt, nach Erreichen eines nach subjektiver Beurteilung angemessenen Stellenwertes indes ein Abweichen als Herausstellungs- bzw. Abgrenzungsmerkmal (vgl. Warr et al.: 1975, 71 ff.) mit identitätsbildendem Begleiteffekt zu legitimieren scheint und als starkes Element der Selbstdenition bzw. Untermauerung der persönlichen Identität und damit letztlich des sozialen Status` gilt (vgl. Jahoda: 1983, 50). Arbeit vermag zudem Fähigkeiten zu betonen (vgl. Schmale: 1983, 10), soziale Normen zu entwickeln (vgl. Warr et al.: 1975, 71), ein individuelles Kompetenzgefühl aufzubauen und zu festigen, gesellschaftlich wert- und sinnvolle Tätigkeiten zu verrichten (vgl. Hacker: 1993, 315), Tagesabläufe zu strukturieren (vgl. Jahoda: 1983, 137) sowie durch Einbeziehung von Erfahrungswerten an der Erweiterung von Lebensperspektiven mitzuwirken. Resümierend ist der Arbeit aufgrund wachsender gesellschaftlicher Individualisierung (vgl. Haußer: 1995, 163) sowie herausragender statusbegründender Relevanz (vgl. Mikl-Horke: 1995, 196 ff.) ein signikanter Stellenwert für die individuelle Identität zuzuschreiben. Im Umkehrschluss ist bei potentieller Erwerbslosigkeit mit Störungen der personalen Identitätsbildung, einer Reduktion von Selbstentfaltungsmöglichkeiten (vgl. Jahoda: 1983, 32) und sozialer Isolation (vgl. Kirchler: 1993, 40) durch Verlust des Zeitgefühls, schwindenden sozialen Kontakten, Statusverlust sowie einem Mangel an kontinuierlichen Aufgaben zu rechnen.
262 11.2
Ehrenamtliche Arbeit
Arbeit und Ehrenamt
Die dargestellten historischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge nden im Terminus „Arbeit“ einen Schnittpunkt, der zu einer Einordnung alltäglicher Lebensumstände in der „Dualwirtschaft“ (Huber: 1984, 33) bzw. in der dualistischen Gesellschaft beizutragen vermag, in der Erwerbsarbeit als eine von vielen äquivalenten Beschäftigungsformen gilt, obschon von einer Dominanz beruicher Tätigkeiten ausgegangen werden darf. Dennoch verweisen die ehrenamtlichen Organisationen in Österreich und Deutschland auf beachtliche Mitgliederzahlen, so dass dieses Phänomen im Folgenden einer genauen Betrachtung bedarf.
11.2.1
Ehrenamt
Die Mithilfe von Freiwilligen gilt in Österreich und Deutschland als eine Voraussetzung zur Unterhaltung eines intakten Gemeinwesens. Der Bedarf ist ebenso groß wie die Möglichkeiten zur Hilfeleistung, beispielsweise beim Pegen von kranken, alten und behinderten Menschen, im Umwelt- und Naturschutz, als Wahlhelfer oder als Schöffe, im Katastrophenschutz, im Sport oder in den Kirchen. Die Funktionsfähigkeit der exemplarisch aufgeführten Bereiche setzt diese Form der Unterstützung faktisch voraus (vgl. Roth: 2003, 31 ff.). Eine homogene Bezeichnung derartiger Tätigkeiten existiert nicht. Die Ansätze reichen von frei-gemeinnütziger Arbeit, bürgerschaftlichem Engagement, Selbsthilfe über ehrenamtliche Tätigkeit bis hin zu Volunteering. Basierend auf einschlägigen Forschungsergebnissen lassen sich zugrunde liegende Motivationen nicht vereinheitlichen; auch die persönliche Sinnhaftigkeit resultiert aus individuellen Antrieben ohne generalisierbare Schwerpunkte. Gemeinsam ist der freiwilligen Arbeit jedoch die Sensibilität des Organisationswesens, das auf jederzeit widerrufbaren Engagements beruht und daher unter rationalen Gesichtspunkten nicht steuerbar erscheint (vgl. Mieg et al.: 2002, 4 ff.). Vor dem Hintergrund dieser vielschichtigen und komplexen Strukturen sollen nunmehr die Zusammenhänge im Allgemeinen und das Verhältnis zur (Erwerbs-) Arbeit im Besonderen Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein.
11.2.2
Denition und Abgrenzung ehrenamtlicher Tätigkeiten
Ehrenamtliche, freiwillige oder frei-gemeinnützige Arbeit ist eine nicht auf Entgelterzielung gerichtete Tätigkeit, die bei Vereinigungen, Institutionen o. ä. geleistet werden kann (vgl. Roth et al.: 1993, 143 ff.). Es handelt sich dabei um ein persönliches, gemeinnütziges Engagement, das an zeitlichen Aufwand gebunden und grundsätzlich auch von anderen Personen gegen Bezahlung ausführbar ist. Neben den zuvor aufgeführten Merkmalen gilt zudem ein Mindestmaß an Organisationsbezug, sei es in Abhängigkeit von Projekten, Initiativen, Vereinen oder Verbänden, als Voraussetzung für eine auf Mittel- und Langfristigkeit abzielende freiwillige Tätigkeit (vgl.
Ehrenamtliche Arbeit
263
Wollenschläger: 2002, 64), wobei die Entscheidung zur Aufnahme und Aufrechterhaltung derselben aus freien Stücken erfolgt (vgl. Bierhoff et al.: 1996, 470–475). Die aufgeführten Eigenschaften dienen gleichzeitig als Abgrenzungskriterien; so zählt die professionalisierte, bezahlte soziale Arbeit ebenso wenig wie die soziale Beziehungspege oder das Arbeiten im Strafvollzug zur frei-gemeinnützigen Arbeit, da es an mindestens einer der „Konstanten“ Unentgeltlichkeit, Gemeinwesen, Organisationsbindung bzw. Freiwilligkeit mangelt (Mieg et al.: 2002, 4 ff.). Das Ehrenamt und die dort handelnden Personen können zudem keinesfalls als eine große homogene Gruppe eingeordnet werden; vielmehr sind Menschen aus allen Lebensabschnitten mit unterschiedlichen Hintergründen sowie einem weitem Erfahrungsschatz aktiv (vgl. Bussel et al.: 2001, 245–246). Grundsätzlich lebt ein freiheitlich-demokratisches Gemeinwesen davon, dass Bürgerinnen und Bürger an seiner Gestaltung mitwirken und einen Teil ihrer Lebenszeit für das Gemeinwohl einsetzen (vgl. Wienhöfer et al.: 2001, 1).
11.2.3
Einsatz- und Tätigkeitsbereiche
Der Bereich frei-gemeinnütziger Arbeit ist kein Markt, jedoch nden sich nahezu alle von Freiwilligen ausgeführten (Dienst-) Leistungen als bezahlte oder professionalisierte Tätigkeiten auf dem Beschäftigungs- und Dienstleistungsmarkt. Exemplarisch seien Sozialarbeiter, Altenpeger, Rettungsdienste oder auch die Feuerwehren genannt. Diese „Parallelgesellschaften“ lösen ein Spannungsverhältnis und daraus resultierende Rechtfertigungspichten aus (vgl. Graeff et al.: 2001, 368–375). In Abhängigkeit von der Literaturangabe schwankt die Anzahl der frei-gemeinnützigen Tätigkeitsbereiche zwischen 14 (Rosenbladt: 2000, 75–91) über 9 (Badelt et al.: 2000, 154–166) bis zu 4 (Brendgens et al.: 2000, 154–166). Diese quantitative Diskrepanz relativiert sich jedoch durch inhaltliche Überschneidungen, Mehrfachnennungen und Einbeziehung von denitionsfremden Bereichen. Beispiele sind die ehrenamtlichen Tätigkeitsfelder Sport, Kultur und Musik, Jugendund Bildungsarbeit, Umwelt- und Naturschutz, Sozialarbeit und Soziale Dienste, Rettungsdienst, Feuerwehr, Kirche und Religion, Politik sowie Ferienfreizeit.
11.2.3.1
Bezeichnungen und Bezeichnungspräferenzen
Freiwillig erbrachten Leistungen fehlt eine einheitliche und von den Ausübenden akzeptierte Tätigkeitsbezeichnung. „Volunteering“ beispielsweise meint die etablierte anglo-amerikanische Form von Freiwilligenarbeit, die alle Stufen des freiwilligen, gemeinnützigen Mithelfens umfasst und entgegen stringenten Denitionsansätzen nicht zwingend mit einem ehrenamtlichen Organisationsbezug auszugestalten ist; Volunteering gilt als wichtiges Element der „mixed economy of walfare“ (Gaskin et al.: 1996, 30–31), das auf Gedanken der Kooperation ausdifferenzierter Teilbereiche in einem synergetischen „Walfare Mix“ beruht, bei dem zivilgesellschaftliche Akteure in die Wohlfahrtsproduktion einbezogen werden, also Bürger, Politik, Initiativen, Vereine und wirtschaftliche Akteure in einer Gesamtkonzeption interagieren (vgl. Schulz et al.: 2006, 71).
264
Ehrenamtliche Arbeit
Der Begriff „Solidarität“ hingegen wurde lange Zeit mit Arbeiterbewegungen verbunden, erfährt in aktuellen Erklärungsansätzen indes eine dahingehende Ausweitung, die weniger den Gleichgestellten als vielmehr den Schlechtergestellten gilt (vgl. Mieg et al.: 2002, 6). Im Kontext der frei-gemeinnützigen Arbeit verfolgt die „Eigenarbeit“ eine abweichende Ausrichtung mit reproduktiven und selbstentfaltenden Tätigkeiten, die dennoch als freigemeinnütziges Handeln einstufbar ist. „Bürgerschaftliches Engagement“ weist im Gegensatz dazu eine starke politische Konnotation auf, obschon damit jede Art freiwilligen Engagements angesprochen werden soll; es wird als Entwicklungselement einer „Bürgergesellschaft“ angesehen (Deutscher Bundestag: 2002, 21 ff.). Kritisch anzumerken ist diesbezüglich jedoch, dass ein Mehr an Bürgergesellschaft ein Weniger an Sozialstaat nach sich zu ziehen droht, da die künftige Rolle des Sozialstaates nach einer neuen gesellschaftlichen Aufgabenstellung zu streben scheint, die für den Staat mit zunehmender Tendenz nur noch „aktivierende“, „ermöglichende“ oder „gewährleistende“ Aufgaben ohne abschließende Verantwortlichkeiten vorsieht (Schulz et al.: 2006, 71), zumal der staatlichen Unterstützung freiwilliger Tätigkeiten implizite Zielsetzungen wie Kostendämpfung sowie die Rekrutierung zusätzlicher Freiwilliger unterstellt werden. Es erscheint insofern wenig überraschend, dass der Begriff „Bürgerengagement“ bei der Etablierung einer generellen Charakterisierung für freiwillige Arbeiten eine gewisse Geringschätzung genießt. Die handelnden Personen bevorzugen in Abhängigkeit vom Tätigkeitsfeld die Bezeichnung „Freiwilligenarbeit“ und „Ehrenamt“, während die Begrifichkeiten „Initiativen-/Projektarbeit“ und „Bürgerengagement“ lediglich schwache Zustimmung erfahren (vgl. Wehner: 2005, 9).
11.2.4
Ehrenamt in Österreich und Deutschland
Die Angaben zum Ehrenamt in Österreich basieren auf Untersuchungen der Wirtschaftsuniversität Wien aus dem Jahre 2001. Nach wie vor werden dieselben in aktuellen Publikationen als Referenzstudie angegeben (vgl. Caritas: 2006, ohne Paginierung). Grundlage dieser Studie sind Daten, die in Form einer empirisch erhobenen Haushaltsbefragung im Rahmen einer Mehrthemenumfrage gesammelt wurden; sie beruhen auf einer Zufallsstichprobe von ca. 2000 Personen (vgl. Badelt et al.: 2001, 4). Den Ergebnissen zufolge sind 51,1 % der über 15 jährigen Österreicherinnen und Österreicher ehrenamtlich tätig; das entspricht einer Größenordnung von 3,5 Millionen Menschen, wobei relativierend anzumerken ist, dass 47,7 % der freiwillig Engagierten in mehreren Organisationen tätig sind. Trotz einer Steigerung der öffentlichen Präsenz und Wahrnehmung ist bei Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums ein beträchtlicher Rückgang des Volumens ehrenamtlicher Arbeit um 13,4 % zu verzeichnen, da die „Ehrenamtsquote“ im Jahre 1982 noch 58,9 % der zuvor bezeichneten Bevölkerungsgruppe betrug. Damit ist nicht nur der relative Anteil ehrenamtlich tätiger Personen in Österreich zurückgegangen, sondern auch eine Reduzierung der Zeitanteile der noch freiwillig tätigen Personen eingetreten (vgl. Badelt et al.: 2001, 10–15). Die Aktivität von Männern ist mit 55,5 % höher als die der Frauen, deren Anteil 47,2 % ausmacht. Insgesamt umfassen die ehrenamtlichen Leistungen in Ab-
Ehrenamtliche Arbeit
265
hängigkeit von einer minimalen und maximalen Betrachtung zwischen 8,55 Millionen und 16,66 Millionen Wochenstunden, einer Größenordnung, die sich bei kontinuierlicher Aktivität mit 247.147 bzw. 481.491 ktiven Vollzeitarbeitsplätzen wiedergeben lässt und damit etwa 6,7 % bzw. 13,2 % der österreichischen Erwerbstätigen entspricht. Diese Ergebnisse bedürfen jedoch infolge untersuchungsrelevanter Besonderheiten einer differenzierten Einordnung. Zunächst sei auf die erfassten Tätigkeiten verwiesen. Ein Organisationsbezug wurde infolge mangelnder Aufzeichnungen als entbehrlich erachtet, obwohl diese Generalisierung einerseits der ächendeckenden Wirksamkeit des Ehrenamtes nicht angemessen erscheint, andererseits durch Festlegung eines Repräsentativ- und Dokumentationszeitraumes korrigierbar ist. Die ausschließliche Bewertung von Befragungssituationen begünstigt zudem Überinterpretationen und daraus resultierende Fehleinschätzungen, da der jeweils Befragte durchaus aus Gründen der „sozialen Erwünschtheit“ zu verfälschenden Wiedergaben der Wirklichkeit neigen könnte. Schlussendlich darf ungeachtet der kritischen Anmerkungen zum Forschungsdesign von einer aussagefähigen und realistischen Untersuchung mit dem Ergebnis einer herausragenden gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bedeutung des freiwilligen Engagements in Österreich ausgegangen werden, womit sowohl im Sinne der „mixed economy of walfare“ ein erheblicher wohlfahrtsstaatlicher Beitrag als auch ein signikanter Wirtschaftsfaktor illustrierbar ist (vgl. Badelt et al.: 2001, 14). Für Deutschland dient die im Jahre 2004 zum zweiten Mal im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellte „Freiwilligensurvey“ als Ausgangssituation der Betrachtungen zum Ehrenamt. Die Vorgehensweise gleicht dem bereits beschriebenen Forschungsdesign der Untersuchung in Österreich, wobei eine unmittelbare Gegenüberstellung nicht möglich ist. In einer repräsentativen fernmündlichen Umfrage wurden etwa 15.000 zufällig ausgewählte Bürger ab 14 Jahren nach ihrem freiwilligen Engagement befragt. Als vergleichendes Element erfolgt die Gegenüberstellung mit der in 1999 durchgeführten Erstuntersuchung mit dem Ziel der Entwicklungsdarstellung des bürgerschaftlichen Engagements (vgl. TNS: 2006, 6). Als freiwillig Engagierte im Sinne der Untersuchung gelten Personen, die über eine teilnehmende öffentliche Aktivität hinaus ein höheres Maß an Verantwortung übernehmen und sich freiwillig in Form der Übernahme von Aufgaben, Ämtern und Arbeiten binden; gleichzeitig erfolgt die Erfassung von „aktiven Personen ohne ehrenamtliche bzw. freiwillige Aufgaben“, also fernab eines Organisationsbezuges, so dass der für Deutschland gewählte Untersuchungsansatz dem „ganzheitlichen Anspruch“ der österreichischen Studie ähnelt. Die als Anteil von freiwillig Engagierten der Bevölkerung bezeichnete „Engagementquote“ ist zwischen 1999 und 2004 von 34 % auf 36 %, die Größenordnung der Aktiven ohne ehrenamtliche Aufgaben von 32 % auf 34 % gestiegen; ergänzend ist auf einen Anstieg von 37 % auf 42 % der Engagierten hinzuweisen, die mehr als eine Aufgabe oder Funktion übernommen haben. Damit kann sowohl eine quantitative Zunahme wie auch ein Anstieg der Intensität des freiwilligen Engagements konstatiert werden. Männer stellen nach wie vor mit unveränderten 39 % das primäre Kontingent der freiwillig Engagierten, obgleich sich die Quote der Frauen im Beobachtungszeitraum von 30 % auf 32 % positiv entwickelte. Hinweise zum konkreten Umfang des freiwilligen Engagements sind nicht Gegenstand der „Freiwilligensurvey“ gewesen; daher ist eine aktuelle Wiedergabe von ehrenamtlich
266
Ehrenamtliche Arbeit
ausgefüllten ktiven Vollarbeitsplätzen in Anlehnung an die Studie der Wirtschaftsuniversität Wien nicht möglich. Eine hilfsweise Verwendung von erhobenen Daten des Statistischen Bundesamtes aus den Jahren 2001 und 2002 vermag der Bedeutung des Ehrenamtes entsprechenden Ausdruck zu verleihen. So wurden von insgesamt 152 Milliarden Stunden lediglich 56 Milliarden Stunden bezahlt, während von 96 Milliarden unbezahlten Arbeitsstunden ausgegangen wird (vgl. Destatis: 2003, 11). Den Ergebnissen der Freiwilligensurvey 2004 folgend haben ehrenamtliche Tätigkeiten seither eine quantitative Aufwertung erfahren. Daher erscheinen die Daten als Indikator einer ebenso bedeutsamen Stellung des Ehrenamtes in Deutschland verwertbar. Auch bei dieser Studie basiert die Systematik zur Erhebung ehrenamtlicher Leistungen aufgrund der unterbliebenen Organisationsberücksichtigung einseitig auf den Angaben der Befragungssituationen. Im Vergleich zur Untersuchung in Österreich gliederten sich die Interviews in zwei Stufen, die nach Erfassung des grundsätzlichen Engagements die Benennung konkreter Aufgaben, Funktionen und Ämter verlangten. Eine Überschätzungsgefahr dürfte auch hier gegeben sein, jedoch in abgeschwächter Form und geringerem Ausmaß. Ungeachtet dessen ist die Abschlussbewertung durchaus mit den Einschätzungen für Österreich vergleichbar. Das Ehrenamt in Deutschland ist eine elementare Voraussetzung für die Funktion des gesellschaftlichen, kommunalen und sozialen Alltages mit einer beachtlichen volkswirtschaftlichen Bedeutung.
11.2.4.1
Beteiligungsgrad nach Einsatz- und Tätigkeitsbereich
Die Anzahl der möglichen Tätigkeitsfelder ist nicht identisch; damit wird eine Vergleichbarkeit zusätzlich zu den unterschiedlichen Zeitpunkten der Untersuchungen sowie den zwischen denselben verstrichenen Zeitdauern erschwert. Lediglich die Bewertungen für die Jahre 1999 (Deutschland) und 2000 (Österreich) entstammen einem ähnlichen Referenzzeitpunkt. Hinsichtlich der einzelnen Ergebnisse nach Einsatz- und Tätigkeitsbereichen ist die Engagementsituation und damit einhergehend die Mehrfachtätigkeit von Bedeutung. Insofern sind die Doppel- und Mehrfachzählungen zu differenzieren, um ehrenamtlich tätige Personen und beobachtete Fälle von Ehrenamtlichkeit unterscheiden zu können (vgl. Badelt 2001, 14). Diese Differenzierung ist Bestandteil des Endergebnis` der österreichischen Studie, ohne jedoch gesondert aufgeführt zu sein. Bemerkenswert sind im Besonderen die außergewöhnlich hohen Abweichungen in den Bereichen „Soziale Dienste und Lokales Engagement bzw. Nachbarschafshilfe“.
267
Ehrenamtliche Arbeit
Tabelle 11-1
Einteilung ehrenamtlicher Tätigkeitsfelder (Eigene Darstellung)
Deutschland
1999
2004
Österreich
Sport & Bewegung
11 %
11 %
Sport
Freizeit & Geselligkeit
5,5 %
5%
5%
5,5 %
1,5 %
2,5 %
6%
7%
Kultur & Musik Jugend- & Bildungsarbeit Schule & Kindergarten Sozialer Bereich
4%
5,5 %
5,5 %
6%
Umwelt, Natur- & Tierschutz
2%
2,5 %
Rettungsdienst & Freiwillige Feuerwehr
2,5 %
3%
Politische & sonstige Interessensvertretungen
2,5 %
2,5 %
Kirche & Religion
Lokales Bürgerengagement
1,5 %
2%
Beruiche Interessensvertretung
2,5 %
2,5 %
Gesundheitsbereich
1%
1%
Justiz & Kriminalität
0%
0,5 %
1982
2000
–
8,3 %
15,2 %
15,0 %
–
6,7 %
25,3 %
16,8 %
7,4 %
9,6 %
–
5,0 %
Katastrophenhilfe
6,0 %
4,3 %
Politische Arbeit, Wirtschaftliche und politische Interessensvertretung
7,0 %
6,8 %
38,5 %
23,5 %
Kultur & Unterhaltung
Bildung
Soziale Dienste Religiöse Dienste Umwelt, Natur- & Tierschutz
Nachbarschaftshilfe
Quelle: Badelt, Hollerweger: Fn 70, 2001, S. 8 TNS Infratest Sozialforschung im Auftrag des BMFSFJ: 2006, S. 15.
11.2.4.2
Zusammenführung von Ergebnissen
Die als Referenzstudien verwendeten Auswertungen untersuchen nicht nur jene freiwilligen Tätigkeiten, die im Sinne einer denitionsgemäßen Interpretation innerhalb von Organisationen ausgeübt werden, sondern gehen auf die Gesamtheit ehrenamtlicher Tätigkeiten ungeachtet eines Organisationsbezuges ein. Während die im Auftrag des bundesdeutschen Familienministeriums durchgeführte „Freiwilligensurvey“ eine Differenzierung von Aktivitäten der aufgaben- bzw. ämterbezogenen Engagierten quantitativ darstellt, weisen die Autoren der österreichischen Studie ebenso konkrete Zahlen aus, betrachten die Daten zur Verteilung zwischen formeller und informeller ehrenamtlicher Arbeit allerdings aufgrund sehr niedriger Fallzahlen als statistisch ungesichert und gehen daher lediglich von einem tendenziellen Charakter aus (vgl. Badelt et al.: 2001, 9). Somit enthalten die im Folgenden für Österreich abgebildeten Größenordnungen keine Zuweisung dieser abweichenden Beteiligungssituationen.
268
Ehrenamtliche Arbeit
Abbildung 11-1 Ehrenamtsquoten Österreichs in den Jahren 1982 und 2000
(Eigene Darstellung) Quelle: Badelt, Hollerweger: 2001, S. 7.
Abbildung 11-2 Ehrenamtsquoten Deutschlands in den Jahren 1999 und 2004
(Eigene Darstellung) Quelle: TNS Infratest Sozialforschung im Auftrag des BMFSFJ: 2006 S. 8 ff..
11.2.4.3
Bewertung und Kritik
Die für Österreich und Deutschland als repräsentativ verstandenen Untersuchungen basieren ausschließlich auf fernmündlichen Interviewsituationen. Damit einhergehenden Unwägbarkeiten bzw. Überbewertungen wurde beispielsweise durch Berechnung von Minimal- und Maximalvarianten oder durch abgestufte Fragestellungen zu begegnen versucht. Die unterbliebene Berücksichtung von Organisationen ist in diesem Zusammenhang thematisiert worden.
Ehrenamtliche Arbeit
269
Die Ergebnisse vermögen dem Anspruch einer Breitenbetrachtung zu genügen. Eine Ableitung weiterführender und detaillierter Erkenntnisse stößt indes an Grenzen, die sowohl in der Heterogenität der ehrenamtlichen Aufgabenstellungen wie auch in der Vielfalt von Motivationen und Zielsetzungen Ausdruck nden. Exemplarisch sei die Bilanz der „Freiwilligensurvey 2004“ für den Einsatz- und Tätigkeitsbereich der „Rettungsdienste und der Freiwilligen Feuerwehren“ (vgl. TNS: 2006, 8 ff.) genannt, die einen quantitativen Zuwachs konstatierte, während sich die Mitgliederzahlen in der Realität rückäug entwickelten (vgl. DFV: 2007, 256). Ebenso wurde bei gleicher Untersuchung für das Tätigkeitsfeld „Sport und Bewegung“ eine unverändert gute Ehrenamtssituation beschrieben, obschon Sportvereine durch „Ausdifferenzierung des Angebotes einen erheblich höheren Bedarf an ehrenamtlich tätigen Mitgliedern haben“ und sich inhaltlichen Fragen wie hohen Fluktuationsraten, wachsenden Qualitätsansprüchen, tendenzieller Bezahlung der „Ehrenamtlichkeit“ oder steigenden Geldmengen im Sportsystem stellen müssen (vgl. Stahl: 2004, 6–19). Der generalisierte Ansatz von allumfassenden, als „ganzheitlich“ publizierten Studien zu freiwilligen Tätigkeiten vernachlässigt mitunter wesentliche Veränderungen von organisatorischen und gesellschaftlichen Einüssen sowie von deren Ausstrahlung in den jeweiligen Ehrenamtsbereich. Darüber hinaus suggerieren dieselben dem Leser die Existenz eines „intakten Systems“. Ob und inwieweit damit die Gefahr einer gewünschten Informationssteuerung durch den Auftraggeber einer Untersuchung, beispielsweise im konkreten Fall eines Bundesministeriums, verbunden ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert, sondern vielmehr als Aufforderung zur kritischen Lektüre verstanden werden. Ein ebenso wichtiger wie in den Referenzstudien unterrepräsentierter Einussfaktor ist die Qualität ehrenamtlicher Arbeit. Eine Leistungserbringung für Dritte begründet Forderungen an diese Tätigkeiten, die sich auf den organisatorischen Rahmen über Gesichtspunkte der Qualitätssicherung und Qualizierung bis hin zu Vergünstigungen bzw. Entschädigungen beziehen können. Die Essenz dieser Forderungen spiegelt sich in der Professionalisierung und der Politisierung ehrenamtlicher Tätigkeiten wider. Letztere ist zunehmend mit der politischen Neubewertung und Instrumentalisierung des Ehrenamtes gegenwärtig. Die Professionalisierung hingegen thematisiert einforderbare Qualitätsstandards, die bei arbeitspsychologischer Ausrichtung schlussendlich in der (anteiligen) Unterwerfung unter sachlich-rationale Standards, einhergehend mit erheblicher Routinebildung, münden (vgl. Mieg: 2002, 17–146). Professionalität impliziert indes auch eine emotionale Distanz zur Aufgabenerfüllung, wogegen dem klassischen Ehrenamt eine „unprofessionelle emotionale Nicht-Distanz“ (Mieg et al.: 2002, 19) als Mehrwert des Engagements unterstellt wird. In diesem Kontext bedarf insbesondere die Anspruchshaltung an ehrenamtlich erbrachte Leistungen einer differenzierten Betrachtung, da sich die Mechanismen hauptberuicher Tätigkeiten infolge gleichartiger Anforderungs- und Qualizierungsprozesse auf die Maßstäbe freiwillig erbrachter Leistungen zu übertragen drohen und damit zu aufgabenbezogenen Ermüdungs- und Erschöpfungszuständen beitragen können. Ferner gilt es nunmehr noch auf die Berechnungen zur wirtschaftlichen Dimension ehrenamtlicher Leistungen einzugehen. Die ökonomische Bemessung freiwilliger Tätigkeiten erfolgt in der Regel über den Marktkostenansatz oder über die Berechnung von Opportunitätskosten, also durch Erfassung der Produktionskosten für wirtschaftliche Güter
270
Ehrenamtliche Arbeit
(vgl. Hardes et al.: 1994, 15), da jede ehrenamtliche Tätigkeit an einen quantizier- und ökonomisch bewertbaren Zeitaufwand gebunden ist. Für die Einsatzbereiche „Rettungsdienst und Freiwillige Feuerwehr“ bzw. „Katastrophenhilfe“ sind bei Gegenüberstellung von Haupt- und Ehrenamt erhebliche Vorhalteleistungen zu kalkulieren (vgl. 10.3.1), so dass die Vorgehensweise der Referenzstudien einmal mehr nicht übertragen werden kann. Es ist deutlich geworden, dass die Anwendung der ausschließlich durch Telefoninterviews gewonnenen Daten der Untersuchungen zum Ehrenamt in Österreich und Deutschland auf die Allgemeinheit der Aussagen zu begrenzen ist, da die Vielfalt freiwilliger Tätigkeiten eine Einzelfallbetrachtung erfordert. Ungeachtet dieser Einschätzung eignen sich zitierten Studien durchaus zur Illustration grundsätzlicher Aussagen zum Ehrenamt in Österreich und Deutschland.
11.2.5
Ehrenamt in den Freiwilligen Feuerwehren
Die Belange des Brandschutzes und der Hilfeleistung stützen sich in Österreich und Deutschland vorwiegend auf ehrenamtliche Feuerwehrstrukturen (vgl. 3.1.2.2). Entsprechende Grundlagen des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens wie Liegenschaftsdichte, Verfügbarkeitssituation und Aufwandsstrukturen wurden in den Kapiteln 3 bis 9 vorgestellt. Implizit ableitbar ist eine Wechselwirkung zwischen der Sicherstellung schutzwürdiger Bürgerinteressen und der Situation der Ehrenamtlichen im Allgemeinen bzw. der freiwilligen Feuerwehrangehörigen im Besonderen. Die (ehrenamtliche) Arbeit der Feuerwehrangehörigen geht oftmals risikoreichen Handlungsnotwendigkeiten sowie Gefahren für die Gesundheit einher, die hohe psychische Belastungen und partielle Überforderungen (vgl. Rosenbladt: 2000, 101) auszulösen vermögen. Infolge der fortschreitenden Alltagstechnisierung, der Vielfältigkeit möglicher Einsatzsituationen und der anspruchsvollen feuerwehrbezogenen Fahrzeug- und Geräteausstattung sind zudem umfangreiche Grundausbildungen, stetige Fortbildungen und regelmäßige praktische Übungen abzuleisten; kaum ein anderer Engagementbereich setzt eine derart hohe Quali kationsbereitschaft voraus (vgl. TNS: 2006, 161–163). Die Mitwirkung in der Freiwilligen Feuerwehr bedarf über die obligatorische Qualikation hinaus der Attribute „Langfristigkeit“ und „Verlässlichkeit“, denen parallele Tendenzen zu eher kurzen Engagements diametral entgegenwirken (vgl. Deutscher Bundestag: 2002, 346). Dabei spielt gerade der traditionell anmutende Kameradschaftsbegriff eine besondere Rolle für die Durchführung gefährlicher Einsätze, da Verlässlichkeit und Vertrauen gemeinsam agierender Feuerwehrangehöriger für die Bewältigung derselben unverzichtbar sind (vgl. Badelt: 2002, 590).
11.3
Motivation
Das Verständnis für die Gewinnung und Bindung ehrenamtlich Engagierter ist das Fundament für erfolgreiche freiwillige Arbeit. Bedürfnisse der Aktiven sind wahrzunehmen und im Rahmen der jeweiligen Aufgabenstellung in Gestaltungsprozesse zu implementieren.
Ehrenamtliche Arbeit
271
Ausgangspunkt aller Betrachtungen ist der Motivationsbegriff, den es zu erläutern gilt, bevor auf unterschiedliche Forschungsergebnisse (vgl. 11.3.2) Bezug genommen wird. Motivation entsteht grundsätzlich durch Faktoren der Umgebung und der Aktivierung von Motiven, die ein bestimmtes Verhalten auslösen. Motive bezeichnen hierbei ein kognitives, affektives und wertgerichtetes Teilsystem einer Person, das angeboren ist oder durch Sozialisation entsteht. Aus latenten Motiven werden erst durch das Zusammenspiel individuell wirksamer Situationsfaktoren und personaler Faktoren konkrete Handlungen (vgl. Kehr et al.: 1999, 4).
11.3.1
Motivationsforschung
Menschliches Verhalten und menschliches Erleben sind Inhalte der Motivationsforschung; Motivation erklärt einerseits beobachtbares Verhalten, für das bestimmte Motive unterstellt werden. Andererseits ist „Motivation“ ein Begriff für direktes Erleben, das für die theoretische Analyse abstrahiert, also gedanklich verallgemeinert werden kann. Motiviertes Verhalten wird in der Theorie an einem konkreten Ablauf geknüpft. Nach Erfahrung eines Mangels erfolgt die Bildung einer Erwartungshaltung zur Beseitigung desselben durch ein spezisches und ausgewähltes Verhalten in der Annahme, dass es der Mangelbeseitigung dient. Das dauerhafte Abstellen des Mangels lässt sich alleine dadurch nicht sicherstellen, so dass es zu einem Schwanken zwischen Mangel und Sättigung kommt. Diese Varianz führt zu Abweichungen von einem (individuellen) Sollwert mit nachfolgenden Bemühungen zur Wiederherstellung des Ausgangszustandes, vergleichbar mit einem Regelkreis. Bei so genannten Wachstumsmotiven verändern sich ständig die Zielsetzungen und damit auch die Sollwerte; es entsteht eine (individuelle) Dynamik, der durch abweichende Anspruchsniveaus, Instrumente und Ausrichtungen Geltung verschafft werden soll. In den Motivationstheorien wird auch untersucht, was und welche Faktoren den Menschen zur Arbeit motivieren. Im Wesentlichen geht es dabei um Bedürfnisse und die Be- und Entlohnungen, die zum bestimmten Verhalten anreizen (vgl. Rosenstiel: 1993, 155–172).
11.3.1.1
Gemeinwohlorientierung
Die gemeinwohlorientierte bzw. altruistische Persönlichkeit zeichnet sich durch soziale Verantwortung, Uneigennützigkeit und Mitgefühl aus. Der Mensch als soziales Wesen lebt in Gruppen, innerhalb derer Hilfsverhalten als Ausprägung des Zusammenlebens auftritt (vgl. Strauch: 2005, 51). Das Handeln selbst beruht auf humanitären Inhalten, einhergehend mit ausgeprägten Solidaritätsgedanken und einem Streben nach Verbesserung von Lebenssituationen Bedürftiger oder Hilfesuchender (Bierhoff et al.: 2001, 186). Grundsätzlich haben altruistische Persönlichkeitsmerkmale förderlichen Einuss auf die Hilfsbereitschaft; sie äußern sich häug durch den Wunsch, der Menschenwürde Schwächerer Achtung zu verleihen.
272 11.3.1.2
Ehrenamtliche Arbeit
Solidarischer Individualismus
Die Ausrichtung der freiwilligen Tätigkeit zielt zunächst auf das handelnde Individuum selbst ab, beschreibt eine egoistische Orientierung. Ungeachtet dessen erfolgt die Übernahme sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung, so dass die Betonung einer „Ichbezogenheit“ ungerecht und unzutreffend wirkt (vgl. Wiswede et al.: 2001. 323–348). Die Motive der ehrenamtlichen Aktivität werden im Allgemeinen mit dem persönlichen Nutzen wiedergegeben und im Besonderen beispielsweise mit sozialer Integration, sinnvoller Freizeitgestaltung oder Selbsterfahrung beschrieben (vgl. Badelt: 2002, 371).
11.3.1.3
Die Symbiose von altruistischen und egoistischen Motiven
Die Aufmerksamkeit ist einleitend der Frage zu widmen, ob und inwieweit ein Unterschied zwischen den beiden Motivationsarten besteht. Altruismus lässt sich als Strategie des Egoismus interpretieren, wonach der Altruist schlichtweg ein intelligenter Egoist sei, der sich der langfristigen Vorteile einer altruistisch verstandenen Kooperation bewusst ist (Strauch: 2005, 51). Diese philosophische Vorbemerkung vermag zu verdeutlichen, dass die denitorisch klaren Grenzen in der Realität weniger deutlich umrissen sind, sondern vielmehr ießenden Übergängen unterliegen. Das ehrenamtliche Engagement kombiniert soziale Verantwortung und Hilfsbereitschaft mit individuellen Bedürfnissen wie Selbstverwirklichung, Integration oder Karriere; die kollektive solidarische Aktivität und die subjektiven Interessen bilden eine Ergänzung im Sinne des gesellschaftlichen Gemeinwohls. Diese Korrelation berücksichtigt gleichermaßen altruistische Wertvorstellungen und individuelle Gestaltungsziele. Aus Sicht des Individualisten erweist sich freiwilliges Engagement zudem als soziale Schutzfunktion, die Beziehungen aufbaut, erhält und soziale Risiken wie Krankheit oder Vereinsamung durch das entstandene Beziehungsgeecht kompensiert oder minimiert. In der Literatur wird diese Wandlung als reziproker Altruismus oder starke Reziprozität bezeichnet (vgl. Fehr: 2004, 9). Dieses Helfen um der Hilfe Willen gliedert die Determinanten von Kooperation und kollektivem Handeln, indem eine Instrumentalisierung Dritter zur individuellen Zielerreichung erfolgt, obschon der persönliche Einsatz zur Verwirklichung der Intention transparent gemacht wird. Als klassisches Beispiel gilt ein Radrennen mit einer Ausreißergruppe, die auf die Führungsarbeit eines jeden Radrennfahrers angewiesen ist, gemeinschaftlich Kräfte spart und dennoch das individuelle Ziel des Sieges weiter verfolgt. Die mit ehrenamtlichen Tätigkeiten befassten Organisationen ihrerseits bieten den Aktiven über den Grundnutzen der unentgeltlichen Hilfeleistung hinaus zusätzliche Anreize in Form von Vergünstigungen, um der Förderung der Organisationsziele zuträglich zu sein. Die Unterhaltung dieser „inneren Gemeinnützigkeit“ bedarf in Erwartung positiver Auswirkungen auf die Gesellschaft eines einzelfallabhängigen Aufwandes zur Herstellung eines „orierenden Gemeinschaftslebens“ (Olz: 2002, 29). Zusammenfassend mögen bei theoretischer Betrachtung deutliche Abgrenzungskriterien existieren, die in der Praxis indes nicht überzeugend positioniert werden können, da
273
Ehrenamtliche Arbeit
sich ungeachtet der persönlichen Initiative und individuellen Ausrichtung ehrenamtlich tätiger Personen ein gesellschaftlicher Nutzen einstellt. Mit Hilfe eines Fragebogens zur ehrenamtlichen Einstellungsstruktur (FEES) wurde ein Versuch zur Trennung der Orientierungen unternommen; Grundlage dieser Einschätzungen ist eine Untersuchung mit 247 ehrenamtlich Engagierten, bestehend aus 71 Fragen und 9 Skalen, deren Auswertung im Folgenden dargestellt ist: Tabelle 11-2
Altruistische und egoistische Orientierung von Ehrenamtlichen Altruistische Orientierung
Politische Verantwortung
X
Soziale Verantwortung
X
Egoistische Orientierung
Selbstwert / Anerkennung
X
Soziale Bindung
X
Selbsterfahrung
X
Karriere
X
Berufsausgleich
X
Identikation mit der Organisation
X
X
Persönlicher Erfahrungsbereich
X
X
Fragebogen zur Einstellungsstruktur, FEES Quelle: Bierhoff, Schülken. Skalenreihenfolge wurde angepasst. Orientierungen sind Ergebnis einer Faktorenanalyse (N = 247 Befragte).
Tabelle 11-2 stellt Selbstlosigkeit und Eigeninteresse als Wertedimensionen dar. Freiwilliges Engagement ist nicht pauschal kategorisierbar; es lässt sich nicht einseitig durch altruistische Motive erklären, sondern bedarf der Integration von individuellen Interessen, denen wiederum innerhalb des ehrenamtlichen Forums mit den für die Gesellschaft positiven Externalitäten eine sich ergänzende Entfaltungsmöglichkeit geboten wird.
11.3.1.4
Intrinsische Motivation
Im Sinne von Arbeitsbeziehungen nden intrinsisch motivierte Menschen ihre Befriedigung in der Arbeitsaufgabe selbst. Intrinsische Motivation bezieht sich auf die „inneren Werte“. Sie bietet die Möglichkeit zur Autonomie, Vielseitigkeit der Aufgaben, positiver Rückkopplung oder erkennbarer Bedeutung von Arbeitsinhalten. (vgl. Föhr et al.: 2004 4). Ebenso sind Neugier, „Funktionslust“ (Fest: 2001: 1) und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit bestimmende Aspekte der intrinsischen Motivation. Eine Handlung gilt als intrinsisch motiviert, „wenn Mittel (Handlung) und Zweck (Handlungsziel) thematisch übereinstimmen“(Heckhausen: 1989, 459). Für die Gestaltung motivierender Situationen wird diesbezüglich unterstellt, dass der Vorgesetzte mit seinem Führungsverhalten eine starke Rolle in der intrinsischen Motivation spielt. Darüber hinaus ist die Darstellung der Arbeitsaufgabe eine der wichtigs-
274
Ehrenamtliche Arbeit
ten Einussvariablen für Arbeitszufriedenheit, insbesondere für einen möglichst großen, aber noch zu bewältigenden Handlungsspielraum oder für eine Delegation von Aufgaben (Rosenstiel: 2004, 5). Geld oder Bewunderung sind denitionsgemäß als unwichtig zu betrachten (Socioweb: 2007, ohne Paginierung).
11.3.1.5
Extrinsische Motivation
Extrinsische Anreize ermöglichen eine Befriedigung der Bedürfnisse als Mittel zum Zweck. Exemplarisch seien Karriereoptionen, monetäre Belohnung oder Statussymbole genannt. Bei der Gestaltung von Anreizstrukturen ist eine Abstimmung von Anreizprolen mit Bedürfnisprolen zu beachten (vgl. Föhr et al.: 2004, 4). Die Höhe der Bezahlung ist demgemäß kein ausschließliches Charakteristikum, da sie nicht unmittelbar mit der Zufriedenheit korreliert; die Anreizwirkung nämlich hängt sowohl mit gesellschaftlichen Belohnungsformen als auch von einem sozialen Vergleich ab, so dass die Bedeutung konkreter Belohnungen wie persönliches Ansehen, Zuweisung von Handlungsspielräumen und Erweiterung von Verantwortungsbereichen gleichwertig oder gar dominant sind (vgl. Rosenstiel: 1993, 170). Als Ergebnis werden positive Effekte herbeigeführt oder negative Folgen vermieden. Grundsätzlich erfolgen extrinsische Belohnungen nach dem Leistungsverhalten und sind Konsequenzen des Arbeitsvollzuges; sie werden durch andere Menschen vermittelt und unterscheiden sich nach bereits vorgestellten direkten materiellen bzw. immateriellen Belohnungsformen (vgl. Gügler et al.: 2006, 3).
11.3.1.6
Die Symbiose von intrinsischer und extrinsischer Motivation
Intrinsisches Verhalten spiegelt ein dauerhaftes und selbstzweckorientiertes Verhalten wider, das keiner äußeren Anreize bedarf, während die extrinsische Motivation einer mittelbaren Bedürfnisbefriedigung dient, die außerhalb des motivierbaren Bereiches liegt. Die Berücksichtigung berufsbezogener Bedürfnisse außerhalb des Arbeitsinhaltes erfolgt über die Entlohnung. Die intrinsische Motivation hingegen geht unmittelbar aus der eigentlichen Tätigkeit hervor, die gleichermaßen als Herausforderung und Befriedigung verstanden wird (vgl. Mergel et al.: 2000, 16). Individuen sind jedoch nicht nur extrinsisch oder intrinsisch motiviert; diese jeweiligen Zustände stellen eher die Endpunkte eines Kontinuums dar. Der extrinsischen Motivation liegen immaterielle und materielle Anreize zugrunde. Letztere sind unmittelbare monetäre Faktoren wie direkte Zuwendungen oder soziale Zusatzleistungen, deren Vorteil in einem variablen, leicht steuerbaren Einsatz als nahezu universelles Mittel der Bedürfnisbefriedigung zu sehen ist (vgl. Schanz: 1991, 14). Die Wirkung monetärer Faktoren lässt indes mit zunehmender Höhe und Zeit nach, so dass eine Ergänzung materieller Anreizsysteme durch immaterielle Anreize zum Motivationserhalt erfolgen muss. Die Einbeziehung dieser Anreizform birgt indes dahingehende Herausforderungen, dass die individuelle Wahrnehmungsgabe bzw. der individuelle Wahrnehmungswille im Gegensatz zu monetären Anreizen nicht einschätzbar und damit nicht steuerbar ist (vgl. Wälchi:
Ehrenamtliche Arbeit
275
1995, 181 ff.), so dass extrinsische Anreize als ganzheitlicher Erklärungsansatz nicht zu überzeugen vermögen. Ebenso wie intrinsische Anreize sind sie mit der Ausgestaltung der Arbeit, dem Arbeitsumfeld sowie den Arbeitsinhalten verwoben, die wiederum ausnahmslos immaterieller Natur sind (vgl. Hackmann et al.: 1980, 77). Die beiden Motivationsarten wirken somit nicht additiv (Gügler et al.: 2006, 4), sondern die Wechselwirkungen weisen mitunter eine negative Beziehung auf, sofern es zu einem reziproken Ersatz von Motivationspotentialen kommt, also einer Verstärkung oder Abschwächung durch externe Einüsse. Kernaussage der nachfolgenden Abbildung ist daher die Relevanz der Grundbedürfnisse „Soziale Eingebundenheit“, „Kompetenzerleben“ und „Autonomie“, die in Abhängigkeit von der individuellen Wahrnehmung externer Einüsse eine Angleichung an intrinsische Werte auslösen, der mit dem Begriff der extrinsischen und intrinsischen „Autonomiedimension“ (Jacob: 1994, 157) Ausdruck verliehen wird. Abbildung 11-3 „Selbstbestimmungstheorie der Motivation“
(Eigene Darstellung in Anlehnung an Universität Heidelberg Philosophische Fakultät)
11.3.1.7
Alternative Einordnung der Motivation für ehrenamtliche Arbeit
Als weiteren Beitrag zum Verständnis ehrenamtlicher Tätigkeit liefert die „Theorie des funktionalen Einstellungsansatzes“ ergänzende Hinweise in Form von vier bedürfnisbezogenen Einstellungsfunktionen. Diese lauten wie folgt:
276
Ehrenamtliche Arbeit
Tabelle 11-3
Einstellungsfunktionen als Erklärungsansatz für ehrenamtliches Engagement (Eigene Darstellung)
Einstellungsfunktion
Denition
Wissensfunktion
Die (ehrenamtliche) Tätigkeit ist mit einem Wissensgewinn verbunden. Wissen im Sinne dieser Denition beinhaltet soziale Kontakte sowie das Erwerben neuer Fertigkeiten und Erkenntnisse. Das im Rahmen der ehrenamtlichen Aktivität angeeignete Wissen kann zudem für die beruiche Entwicklung von Bedeutung sein.
Utilitaristische Funktion (Soziale Anpassungsfunktion)
Die soziale Kontaktpege wird seitens Familie, Freunden und seitens der Gesellschaft etc. als wichtig eingestuft. Mit der ehrenamtlichen Arbeit ist auch eine ausgedehnte soziale Kontaktpege möglich, die einen Antrieb für das Engagement bietet.
Werteausdrucksfunktion
Die Handlung erfolgt aus moralischen Gründen oder Pichtgefühl. Dabei ist insbesondere auf die Hilfe für Mitmenschen aus „innerem Antrieb“ zu verweisen. Ehrenamt gilt als Synonym für unentgeltliche Hilfeleistung für den Mitmenschen und ist damit für diese wertorientierte Ausprägung prädestiniert.
Ichabwehrfunktion
Ausgangspunkt des ehrenamtlichen Engagements sind innere Konikte und Ängste, die in Schuldgefühlen und Verunsicherung ihren Ausdruck nden. Die freiwillige Tätigkeit gilt in diesem Fall als eine Option zur Betätigung und damit der Ablenkung, um eine Auseinandersetzung mit den eigenen inneren Konikten und Ängsten zu vermeiden.
Quelle: Snyder, De Bono: 1989, S. 339–359. Tietz, Bierhoff: 1996, S. 470–475.
Abschließend ist im Gesamtkontext auf die Komplexität der ehrenamtlichen Organisationsstruktur zu verweisen. Die freiwillig Engagierten unterliegen vielfachen individuellen Motivationen, deren Kombinationsmöglichkeiten ebenso zahlreich sein dürften wie die Anzahl der Handelnden selbst. Der vorstehende Denitionsansatz der Einstellungsfunktionen erscheint einerseits simpliziert, andererseits benennt er in überaus verständlicher Weise zugrunde liegende Motivationen, wenngleich lediglich die Verknüpfung aller vorgestellten Anreize die jeweiligen Handlungsmodelle zu erfassen vermag.
11.3.2
Forschungsergebnisse
Nachstehend werden nunmehr einige Ergebnisse zusammengefasst; ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht aufgrund der Fülle von Untersuchungen nicht. Unbestritten verhelfen motivierte Mitarbeiter ehrenamtlichen Organisationen zur angestrebten Durchführung der jeweiligen Aufgaben. Die Wahrnehmung und Einbeziehung von Forschungsergebnissen ist ein Instrument zum Motivationserhalt und damit zur Verwirklichung der Organisationsziele. Die einzelnen Untersuchungsergebnisse stellen die individuellen, sozialen und gesellschaftlichen Prozesse heraus und tragen daher zur anwendungsbezogenen Aufbereitung und zum Verständnis der unterschiedlichen Motivationen ehrenamtlich Tätiger bei.
277
Ehrenamtliche Arbeit
11.3.2.1
Vergleich von ehrenamtlich Engagierten und Nichtengagierten
Tabelle 11-4
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Vergleich ehrenamtlich Engagierter und Nichtengagierter
Autoren:
Allen & Rushton
Untersuchungsdaten
„Personality characteristics of community mental health volunteers” Journal of Voluntary Action Research, 12, 1983, S. 36–49
Untersuchungsergebnis
Ehrenamtlich Engagierte weisen partiell unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale im Vergleich zu nicht ehrenamtlich aktiven Personen auf. Freiwillig tätige Personen zeigen höhere Empathiewerte. Zudem ist die Bereitschaft zur sozialen Verantwortungsübernahme höher und es werden eher moralische Standards vertreten. Freiwillig Aktive zeigen mehr Intimität und Selbstöffnung und scheinen generell extrovertierter zu sein. Infolge ihrer Tätigkeit weisen sie sich mehr Kompetenz und interne Kontrolle zu, haben eine positivere Selbsteinstellung sowie eine höhere emotionale Stabilität als Nichtengagierte.
11.3.2.2
Zufriedenheit ehrenamtlich Engagierter
Tabelle 11-5
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Zufriedenheit ehrenamtlich Engagierter
Autoren:
Luks & Payne
Untersuchungsdaten
„Der Mehrwert des Guten. Wenn helfen zur heilenden Kraft wird“ Herder Verlag, Freiburg, 1998
Untersuchungsergebnis
Die Zufriedenheit mit der ehrenamtlichen Tätigkeit bedarf einer individuellen realistischen Zeiteinteilung. Bei zwei bis fünf Stunden wöchentlichem Aufwand ist eine Vereinbarung mit anderen Pichten gut möglich. Eine Übereinstimmung der Einstellung zu ehrenamtlichen Tätigkeiten mit anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist der Zufriedenheit mit dem freiwilligen Engagement zuträglich. Für das subjektiv positive Erleben der ehrenamtlichen Tätigkeit ist eine Übereinstimmung der Motivation mit dem Inhalt des Engagements wichtig. Der Leistungsgedanke sollte keinesfalls auf das Ehrenamt projiziert werden, da dasselbe als eine Möglichkeit des Ausgleichs und der Erholung als Gegenpol zu beruichen Leistungsansprüchen verstanden werden sollte. Für ehrenamtlich Engagierte im helfenden Bereich ist eine Identizierung mit dem Schicksal der zu betreuenden Person nachteilig.
278 11.3.2.3
Ehrenamtliche Arbeit
Motive für ehrenamtliches Engagement
Tabelle 11-6
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Motive für ehrenamtliches Engagement
Autoren:
Clary & Snyder
Untersuchungsdaten
„A functional analysis of altruism and prosocial behaviour. The case of volunteerism“ in Clark: Prosocial bahaviour Sage, Newbury Park, 1991
Untersuchungsergebnis
11.3.2.4
Wunsch den Mitmenschen zu helfen Interesse an der Tätigkeit Arbeit genießen Gefühl „gebraucht“ zu werden Religiöse Motive Freizeitgestaltung Erfahrungsgewinn Persönliche Beziehung zu ehrenamtlich Engagierten
Weitere Forschungsergebnisse
Tabelle 11-7
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse I
Autor:
Shure
Untersuchungsdaten
„The identication of those most likely to volunteer: Characteristics of male volunteers in the Big Brother / Big Sister program“ (Dissertation), University of Illinois at Chcago, 1998
Untersuchungsergebnis
Der familiäre Hintergrund ist für die Entscheidung zum ehrenamtlichen Engagement von großer Bedeutung. Junge Menschen nehmen häuger ehrenamtliche Tätigkeiten auf, wenn ihre Eltern freiwillig aktiv waren.
Tabelle 11-8
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse II
Autor:
Smith
Untersuchungsdaten
„Poor marketing or the decline of altruism? Young people and volunteering in the United Kingdom“ International Journal of Nonprot and Voluntary Sector Marketing, Vol. 4, No. 4, 1999, S. 372–377
Untersuchungsergebnis
Unterschiede im Beschäftigungsverhältnis junger freiwillig Aktiver sind für die Wahrscheinlichkeit des ehrenamtlichen Engagements von Bedeutung. Teilzeitbeschäftigte Personen neigen eher zur Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Vollzeitbeschäftigte.
279
Ehrenamtliche Arbeit
Tabelle 11-9
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse III
Autoren:
Nichols & King
Untersuchungsdaten
„Volunteers in the Guide Assosiation: problems and solutions“ Voluntary Action, Vol.1, No.1, 1998,S. 21–32
Untersuchungsergebnis
Der Aufbau von besonderen Freiwilligenbereichen könnte zu einer effektiveren Zielgruppengewinnung führen, die sowohl die erstmalige Rekrutierung wie auch die Bindung an die Organisation zu unterstützen vermag. Der Rückgang ehrenamtlich Tätiger führt die Organisationen zur einer Änderung von Personalgewinnungsstrategien und gleichzeitiger Reduzierung eines Anforderungsprols.
Tabelle 11-10
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse IV
Autoren:
Caan & Goldberg-Glen
Untersuchungsdaten
„Measering motivation to volunteer in human services“ Journal of Applied Behavioural Sciences, Vol. 27, No. 3 1991, S. 269–284
Untersuchungsergebnis
Im Zweifel ist Belohnung (unabhängig von der Art) ein Faktor zur Unterstützung freiwilliger Aktivität. Trotz des Nachweises altruistischer Motive wird die ehrenamtliche Tätigkeit aus egoistischen Motiven ausgeübt. Freiwillig Engagierte verfolgen sowohl soziale wie auch psychologische Ziele.
Tabelle 11-11
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse V
Autor:
Smith
Untersuchungsdaten
„Determinants of voluntary association participation and volunteering“ Nonprot and Voluntary Sector Quarterly, Vol. 23, No. 3, 1994, S. 243–263
Untersuchungsergebnis
Familiäre Hintergründe unterstützen das Ehrenamt dahingehend, das dem Engagement Abwägungsentscheidungen zugrunde liegen, die beispielsweise bei der Ausübung einer Tätigkeit in einer Einrichtung deutlich werden, die parallel von Familienangehörigen genutzt werden kann, beispielsweise ein Kindergarten. Ein derartiges Ergebnis wurde sowohl für die USA als auch für das Vereinigte Königreich unterstützt.
280
Ehrenamtliche Arbeit
Tabelle 11-12
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Weitere Forschungsergebnisse VI
Autoren:
Gora & Nemerowicz
Untersuchungsdaten
„Volunteers: Initial and sustaining motivationsin service to the community“ Research in the Sociology of Health Care, No. 9, 1991, S. 233–246
Untersuchungsergebnis
Das freiwillige Engagement wird oftmals aus persönlichen Entwicklungsmotiven ausgeübt, beispielsweise um für die beruiche Entwicklung förderliche Fähigkeiten zu erlernen, zur Festigung der beruichen Situation, akademische Kreditpunkte zu sammeln oder langfristige beruiche Vorteile zu erzielen.
11.4
Die Verdrängung der Motivation
Basierend auf den bisherigen Ausführungen darf die Existenz einer intrinsischen Arbeitsmotivation als gesichert betrachtet werden. Darüber hinaus nehmen weitere Formen der Motivation Einuss, so dass eine isolierte bzw. abgrenzende Betrachtung einzelner Motivationstheorien nicht zielführend ist und somit nur ein ganzheitlicher sowie übergreifender Erklärungsansatz hinreichende Klarheit bringen kann. Dieser Einleitung folgend führen motivationsbezogene Korrelationen durch externe (extrinsische) Interventionen, so auch monetäre Zahlungen, zu einer Verschiebung eines „Gleichgewichtszustandes“ der individuellen Anreizstruktur und damit potentiell zur Reduktion intrinsischer Werte. Beide Motivationsarten können einen negativen Zusammenhang aufweisen, der sich durch einen Verdrängungseffekt äußert. Der „Crowding-OutEffekt“ stellt eine Beziehung her, bei der ein von außen zugeführter Eingriff die Motivation zur Handlungsausübung auf die externen Anreize lenkt und insoweit die intrinsische Motivation unterhöhlt und damit verdrängt (vgl. Frey et al.: 2002, 12).
11.4.1
Crowding-Out-Effekt
Die private Gestellung öffentlicher Güter, demnach auch die ehrenamtliche Organisation des Feuerwehrwesens in Österreich und Deutschland, erfordert staatliche Aufwendungen in signikanter Größenordnung (vgl. 10.1 bis 10.4). Unter bestimmten Voraussetzungen beschreibt die Literatur erhebliche Reduzierungen der privaten Beteiligung auf eine „Eins zu Eins“ Basis, sofern das Steueraufkommen durch Pauschalbemessung erhoben und demgemäß eine Differenzierung zwischen Beteiligung und Nichtbeteiligung aufgegeben würde (Warr: 1982, 131–138). In der Konsequenz handelt es sich dabei um die mitunter vollständige Verdrängung der nichtöffentlichen Beiträge, einem als 100 prozentigen „Crowding-Out-Theorem“ bezeichneten Phänomen, dem indes empirische Untersuchungen entgegen zu halten sind, die lediglich von einer unvollständigen Verdrängung privater Gestellungen in Höhe von 28 % ausgehen (vgl. Abrams et al.: 1978, 36). Ein Erklärungsansatz dieser abweichenden Bewertungen ist das altruistische Modell von Andreoni, nach dem sich das Individuum nicht nur am aggre-
Ehrenamtliche Arbeit
281
gierten Beitrag, sondern vielmehr auch im Sinne der Gemeinwohlorientierung am eigenen Beitrag zur Gestellung eines öffentlichen Gutes orientiert (vgl. Andreoni: 1988, 57–73).
11.4.1.1.
Sozialwissenschaftlicher Rationalansatz
Die bisherigen Ausführungen galten der allgemeinen De nition. Die sich nunmehr anschließenden Darstellungen beziehen sich auf die soziologischen Aspekte des Verdrängungseffektes. Die motivationsbezogene „Crowding-Theorie“ versucht durch die systematische Interaktion der bereits vorgestellten Motivationsarten eine Vereinbarkeit zwischen dem ökonomischen Modell und psychologischen Theorien herbeizuführen (vgl. Frey et al.: 2000, 1–19).
11.4.1.1.1 Psychologische Aspekte Leistungsanreize wie monetäre Entlohnungen in Form von Bonuszahlungen, Prämiensystemen, Erfolgsbeteilungen oder leistungsabhängiger Entlohnung gelten in einer zeitgemäßen Unternehmens- und Organisationskultur als probates Mittel zur Motivation der Mitarbeiter und Anreiz zur Leistungsbereitschaft. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind indes komplexer als dem Gesamtzusammenhang allgemein hin unterstellt wird. Sie basieren auf einem „psychologischen Vertrag“ (Schein: 1980, 24) mit starken emotionalen Bindungen und Loyalitäten weit über die juristische Vertragsdimension hinaus (vgl. Frey et al.: 1999, 12). Letztere beinhalten primär materielle Gesichtspunkte wie Lohn- und Anstrengungsniveau ohne Ausweisung impliziter und weniger konkreter Vertragsbestandteile wie Loyalität, Beschäftigungssicherheit (vgl. Briner: 2004, 42–43), Verwirklichung persönlicher und unternehmensbezogener Ziele sowie eine damit einhergehende Wahrnehmung der individuellen intrinsischen Motivation (vgl. Frey et al.: 1999, 12). Implizite Erwartungen erwachsen jedoch auch auf Seiten der Organisation bzw. des Unternehmens. Vorwiegend handelt es sich neben dem Gesichtspunkt der Vergütung und Gegenleistung um die Gesamtheit von Rechten, Pichten und Privilegien, demnach einer Wechselwirkung mit beidseitigen Obliegenheiten (vgl. Akerlof: 1982, 544). Ebenso ist die subjektiv empfundene Fairness ein Indikator des Motivationsniveaus, verbunden mit daraus ableitbaren Verhaltensregeln (vgl. van Herpen et al.: 2003, 6); exemplarisch seien soziale Normen und deren Einuss auf die intrinsische Motivation genannt. Kommt es zu einer Verletzung der „psychologischen Übereinkunft“ erfolgt die Verdrängung der intrinsischen Motivation durch einseitige Annahme einer veränderten Beschäftigungsbeziehung mit nachfolgender Transformation zu extrinsischen Wertvorstellungen (vgl. Richter et al.: 1996, 3–7). Grundlage dieser Veränderung ist somit die subjektive Einschätzung eines „Vertragsbruchs“ und daraus resultierenden Verhaltensänderungen, schwindendem Interesse an guten Arbeitsergebnissen und einer (inneren) Weigerung zur Einhaltung von Verpichtungen. Infolge dieser subjektiv empfundenen Diskrepanz zwischen „Vertragsgestaltung“ und „Vertragsresultat“ stellen sich in Abhängigkeit vom Schweregrad und den Konsequenzen der Verletzung, in Abhängigkeit von der persönlichen Wahrnehmung
282
Ehrenamtliche Arbeit
der Verletzung (vgl. Rousseau: 1995, 118–120) sowie in Abhängigkeit von der Gestaltung der konkreten „Kontrollbeziehung“, also demnach der Stärke vorhandener Vertrauenssignale, motivationsverdrängende Auswirkungen ein (vgl. Dickinson et al.: 2004, 1–2) . Der Verdrängungseffekt hängt weiterhin von der Intensität der Beziehung zwischen den jeweiligen Vertragspartnern ab; er steigt mit der persönlichen Nähe sowie der Kontrolldichte innerhalb des Arbeitsverhältnisses (vgl. Dickinson et al.: 2004, 5).
11.4.1.1.2 Prinzipal-Agenten-Theorie Ausgangssituation sind individuelle Akteure mit eigenen Interessen in einer Umwelt mit Transaktionskosten ohne vollständige bzw. ohne perfekte Information (vgl. Richter et al.: 1996, 3–7). Primäre Charakteristik ist der bilaterale Vertrag zwischen den Akteuren, die im Folgenden als Prinzipal (Auftraggeber) und Agent (Auftragnehmer) bezeichnet werden (vgl. Richter et al.: 1996, 163). Den Handlungen des Agenten liegt eine Auftragserteilung des Prinzipals zugrunde. Ausschließliche Handlungsmotivation ist die Entlohnung; daher ist dieser extrinsische Anreiz auf die Verhaltensbeeinussung des Agenten im Sinne des Prinzipals gerichtet. Die Modellansätze der Prinzipal-Agenten-Theorie basieren auf rationalen Handlungsmustern von Prinzipal und Agent. Dabei wirken sich Umgebungseinüsse störend auf das Arbeitsergebnis des Agenten aus. Der Arbeitstätigkeit selbst fehlt den Modellansätzen zufolge eine entsprechende Kontrollinstanz. Die Verhaltenssteuerung ist unter den vorgestellten Rahmenbedingungen nur über Leistungsgewährungen möglich. In der Realität treten indes abweichend von den „idealen Modellierungen“ eingeschränkte Rationalität, Opportunismus sowie Eigennutzenmaximierungen auf, die in „Agenturproblemen“ Ausdruck nden (vgl. Richter et al.: 1996, 196), da der Prinzipal bei Vertragsabschluß in der Regel nur unzureichende Kenntnisse über charakterliche Eigenschaften und oftmals auch über fachliche Fähigkeiten des Agenten besitzt, einhergehend mit dem Risiko, aufgrund nicht vorhandener oder falsch eingeschätzter Signale einen ungeeigneten Vertragspartner zu wählen (vgl. Macho-Stadler: 2001, 12–13). Nach Vertragsabschluss und fortschreitender Divergenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nutzt der Agent die ihm zugestandenen Freiräume mitunter zu seinem persönlichen Vorteil („Moral Hazard“) oder zu nachlassenden Arbeitsergebnissen. Die Lösung erfolgt über Disziplinierungsstrategien in Form von Leistungsnachweisen und Kontrollmechanismen sowie adäquaten Anreizstrukturen mit dem Ziel der Aufgabenerledigung im Sinne des Prinzipals bei möglichst geringen Agenturkosten (vgl. Leschke et al.: 1999, 75).
11.4.1.1.3 „Crowding-Out Theorie“ Die Komplexität des Zusammenwirkens intrinsischer und extrinsischer Motivationsformen ist dargestellt worden. Die „Crowding-Theorie“ führt nun psychologisch und ökonomisch begründete Verhaltensmuster zusammen, indem eine systematisierbare Beziehung von intrinsi-
283
Ehrenamtliche Arbeit
schen und extrinsischen Anreizen transparent gemacht wird. Es werden zunächst „verdeckte Kosten“ der Belohnung unterstellt (vgl. Frey et al.: 2001, 592), wonach alle extrinsischen Interventionen einen positiven oder negativen Effekt auf die intrinsische Motivation haben. Sofern die Interventionen als kontrollierend empfunden werden, ist eine Zerstörung der intrinsischen Werte möglich; wird sie jedoch als unterstützend aufgenommen ist von einem größeren Arbeitseinsatz auszugehen (vgl. Kauer: 2006, 6). Demgemäß können die externen Interventionen die intrinsische Motivationsausrichtung verdrängen, verstärken oder unberührt lassen. Das im Folgenden einzuführende Modell (vgl. Frey: 1997, 20) stellt die Auswirkungen externer Interventionen (E) mit Hilfe einer Prinzipal-Agenten-Modellierung vor. Die Leistungen (L) der Agenten unterliegen entsprechenden Belohnungen und Befehlen des Prinzipals. Die Aufgabenerfüllung ist für den Agenten an Nutzen (N) und Kosten (C) gebunden. Der Nutzen steigt mit zunehmendem Arbeitseinsatz (N / L NL > 0), wobei ein sinkender Grenznutzen angenommen werden darf (2 N / L2 NLL < 0). Die Erhöhung des individuellen Anstrengungsniveaus verursacht ebenso steigende Kosten (C / L CL > 0) bei parallel ansteigenden Grenzkosten (2 C / L2 CLL > 0). Kosten und Nutzen des Prinzipals hängen sowohl vom Leistungsniveau wie auch von der externen Intervention (E) ab: N = N (L, E)
(A)
C = C (L, E)
(B)
Der nach rationalen Zwängen orientierte Agent steigert seine Leistung nunmehr bis zur Erhöhung der Grenzkosten über den Grenznutzen. Das optimale Leistungsniveau L*, ab dem der Nettonutzen (NC) des Agenten maximiert wird, folgt aus der Bedingung erster Ordnung: NL = CL
(C)
Durch die externe Intervention kommt es im weiteren Verlauf zur Veränderung des optimalen Leistungsniveaus. Die Auösung ergibt sich durch die Differenzierung von Gleichung C nach E: NLE + NLL dL* / dE = CLE + CLL dL* / dE
(D)
dL* / dE = (NLE - CLE) / (CLL - NLL) > 0
(E)
oder
Auswirkungen der externen Intervention lassen sich in 3 Kategorien unterscheiden (vgl. Frey et al.: 1997, 310 ff).
284
Ehrenamtliche Arbeit
I. Leistungssteigerung nach externer Intervention Externe Anreizstrukturen führen zu Leistungssteigerungen, da die Grenzkosten einer Leistungsverweigerung steigen oder die Grenzkosten einer Leistungserbringung reduziert werden. Dieser Preiseffekt einer externen Einwirkung ist auch als Disziplinierungseffekt bekannt. Die intrinsische Motivation wird entweder vernachlässigt oder als konstant angenommen. Der Nutzen des Agenten aus der Leistung (NLE = 0) und die Grenzkosten der Leistungserbringung sinken (CLE < 0). dL* / dE > 0
(F.1)
II. Leistungsreduzierung nach externer Intervention Bei Verdrängung der intrinsischen Motivation sinkt der Grenznutzen der Leistung (NLE < 0). Sofern der Disziplinierungseffekt unbeantwortet bleibt, erfolgt eine Reduzierung des Leistungsniveaus: dL* / dE < 0
(F.2)
III. Neutrales Verhalten nach externer Intervention Die externe Intervention und deren Einuß auf den Agenten sind vom Umfang des Verdrängungseffektes (CLE < 0) und des Preiseffektes (NLE < 0) abhängig. Der optimale Interventionsgrad (E*) des Prinzipals liegt bei Ausgewogenheit der Grenzkosten und des Grenznutzens der externen Beeinussung vor. X L dL* / dE = K E
(G)
Die vorstehenden Herleitungen ermöglichen demnach sowohl „Crowding-Out-“ wie auch „Crowding-In-Erscheinungen“ zwischen einer virtuellen Verbindung der „Motivationsachse“. Die unterschiedlichen Auswirkungen hängen von individuellen Parametern eines jeden Agenten ab; sie lassen sich durch die nachfolgenden Zusammenhänge begründen: Veränderung von Präferenzen (vgl. Frey et al.: 2001, 5) Veränderung der intrinsischen Motivation durch externe Intervention Veränderung von Aufgabe, Umgebung und persönlicher Wahrnehmung (vgl. Bernabou et al.: 2000, 4–37)
Veränderung von Umgebungseinüssen Veränderung der Aufgabenwahrnehmung bzw. der Persönlichkeit Veränderungen hervorgerufen durch externe Intervention Veränderung als Indikator für den Informationsstand des Ausführenden Reduzierung der Gesetzesachtung (vgl. Akerlof et al.: 1982, 307–319)
Ehrenamtliche Arbeit
285
Die Veränderung von Präferenzen basiert auf der beschriebenen Vernetzung psychologischer Faktoren, die „versteckte Kosten der Belohnung“ hervorrufen. Diese können dahingehend generalisiert werden, dass alle externen Interventionen die intrinsische Motivation und somit „Crowding-Out-“, auch „Crowding-In-Effekte“ beeinussen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um (vgl. Frey et al.: 2001, 8): 1. Beeinträchtigte Selbsteinschätzung und Selbstbestimmung Die externe Intervention wird als Missachtung der Ausgangsmotivation eingestuft; der Agent sieht seine Arbeit nicht hinreichend gewürdigt und in der Ausführung der Tätigkeit kontrolliert mit sich anschließender Reduzierung des Arbeitseinsatzes. 2. Reduzierte Selbstachtung bzw. Entfaltungsmöglichkeit Der Agent fasst die externe Intervention als Eingriff in seine intrinsische Entfaltungssphäre auf, da er sich der Möglichkeit beraubt sieht, seine Ausgangsmotivation nach außen hin deutlich zu machen. 3. Normverletzung und Fairness Es kommt analog zu den Darlegungen der psychologischen Aspekte des Verdrängungseffektes (vgl. 11.3.1.3) zur Verletzung einer impliziten Übereinkunft mit parallelem Empnden einer ungerechten Behandlung und daraus entstehender Absenkung der Leistungsbereitschaft aufgrund intrinsischer Motivationsminderung. Aufgrund von Interaktionen zwischen intrinsischen und extrinsischen Motivationsausrichtungen wird ebenso deutlich, dass der „Crowding-Out-Effekt“ und der Preiseffekt externer Einwirkungen in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. „Crowding-OutEffekte“ sind erst bei Anstieg über den Disziplinierungseffekt hinaus relevant und bemerkbar. Ihre Anwendung bedarf des Vergleiches von Arbeitsbereichen. Sie stehen zudem in unmittelbarer Beziehung zur Verknüpfung von Leistungserbringung und nachfolgender Belohnung sowie der Würdigung der intrinsischen Motivation als Synonym einer anerkannt guten Arbeitseinstellung. Verhaltensänderungen, die auf externen Interventionen beruhen, sind irreversibel, auch im Falle einer Rücknahme der externen Einüsse (vgl. Kauer: 2006, 6 ff.). Zur Verdeutlichung dieser Beziehungsebene sei auf Abbildung 11-4 verwiesen: Die externen Einüsse untergraben die intrinsische Motivation und vermindern damit den Grenznutzen der Leistung des Agenten und somit auch dessen Leistungsbereitschaft. Diese Reduzierung kann sich proportional zum Interventionsausmaß entwickeln. Relativer Preiseffekt und „Crowding-Out-Effekt“ wirken simultan in entgegengesetzter Richtung. Der Gesamteffekt einer Intervention hängt letztlich von der Größe der einzelnen Effekte ab. Abbildung 11-4 zeigt die beschriebene Interaktion. Die Angebotskurve S basiert auf dem relativen Preiseffekt, wonach die externe Intervention (Belohnung) von 0 nach R steigt und dadurch die Leistung von A nach A` ebenso ansteigen lässt. Der „Crowding-OutEffekt“ führt zur Bewegung der Angebotskurve nach S`. Somit wird durch die Erhöhung der Belohnung von 0 nach R der Punkt C (anstelle B) erreicht. Es wird deutlich, dass der „Crowding-Out-Effekt“ den relativen Preiseffekt dominiert; die Erhöhung der Belohnung von 0
286
Ehrenamtliche Arbeit
nach R reduziert die Leistung von A nach A“. Ist die intrinsische Motivation erst vollständig verdrängt (crowded-out), folgt wieder ein normaler Verlauf der Angebotskurve und daher wird eine Belohnung die Leistung eindeutig ansteigen lassen; es kommt zu einer Bewegung entlang des S`-Verlaufes. Abbildung 11-4 Der Effekt externer Intervention
(Quelle: Frey et al.: 2000, S. 8)
287
Ehrenamtliche Arbeit
11.4.1.2
Forschungsergebnisse
Analog der Darstellung von Ergebnissen der Motivationsforschung erfolgt die nunmehr die Vorstellung von Forschungsergebnissen zum „Crowding-Out-Effekt“.
11.4.1.2.1 Leistungsanreize und Arbeitszufriedenheit Tabelle 11-13
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Leistungsanreize und Arbeitszufriedenheit
Autor:
Neunzig
Untersuchungsdaten
„Efziente Fixlöhne, Arbeitsfreude und Crowding-Effekte“ Discussion Paper 2002-03, Universität des Saarlandes, 2002, S. 2-31.
Untersuchungsergebnis
1) Minimale Leistungsanreize (Unechter Anreizvertrag) sind umso efzienter, je größer das lohnunabhängige Feedback (Arbeitszufriedenheit) ist. 2) Fixlohnverträge sollten Verwendung nden, wenn hohe Verdrängungseffekte durch Anreizverträge festgestellt werden. 3) Ein „echter Anreizvertrag“ sollte bei niedrigen lohnabhängigen „Crowding-Out-Effekten“ und bei niedrigen lohnunabhängigen Verdrängungseffekten eingeführt werden, sofern es sich um eine hochproduktive Tätigkeit handelt. 4) Arbeitsfreude bestimmt die Höhe des optimalen Lohnsatzes mit. 5) Auch im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie lassen sich psychologische Einussfaktoren auf die Arbeitszufriedenheit (Crowding-Effekte) berücksichtigen.
11.4.1.2.2 Einuss der Bezahlung auf die Motivation Tabelle 11-14
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Motivation
Autoren:
Bernabou & Tirole
Untersuchungsdaten
„Intrinsic and extrinsic motivation“ Review of Economic Studies, Vol. 70, 2003, S. 489–520.
Untersuchungsergebnis
1) Bei symmetrischer Informationsverteilung wirkt der extrinsische Anreiz als ein positiver Verstärker. 2) Bei bestehender Asymmetrie der Informationsverteilung wirkt sich die Unsicherheit des Agenten über die eigenen Fähigkeiten negativ auf die intrinsische Motivation aus, die letztlich mit der Höhe der Bezahlung rückläug ist.
288 Tabelle 11-15
Ehrenamtliche Arbeit
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Motivation
Autoren:
Matiaske & Weller
Untersuchungsdaten
„Kann weniger mehr sein“ Theoretische Überlegungen und empirische Befunde zur These der Verdrängung intrinsischer Motivation durch externe Anreize Universität Flensburg, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung; Universität Paderborn, 2006, S. 1 – 24.
Untersuchungsergebnis
1) Leistungszulagen verstärken das in Organisationen mehr den je notwendige „Extra-Rollen-Verhalten“ (Bemessung des organisationalen Engagements von Mitarbeitern), also die altruistische Qualität des Arbeitseinsatzes, die auch der intrinsischen Motivation zugeschrieben werden kann (vgl. Frey, Osterloh.: 2002). 2) Extra-Rollen-Verhalten wird auch in der Interaktion mit Kollegen einer Arbeitsgruppe gezeigt. 3) Bedrohlich für die Motivation von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst sind Quotierungen von Leistungszulagen, Abschmelzen von Vergünstigungen oder Verlängerungen von Arbeitszeiten. 4) Als Kürzung wahrgenommene Leistungsentgelte verursachen keinen „Crowding-Out Effekt“, sondern vielmehr einen negativen Preiseffekt.
Tabelle 11-16
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Motivation
Autoren:
Weibel, Rost & Osterloh
Untersuchungsdaten
„Disziplinierung der Agenten oder Crowding-Out? – Gewollte und ungewollte Anreizwirkungen von variablen Löhnen“ Universität Zürich, JEL Classication J 33, D 23, 2006, S. 1–22.
Untersuchungsergebnis
1) Die Vernachlässigung der intrinsischen Motivation im standardökonomischen Bezugsrahmen blendet zentrale kognitive Prozesse aus, ebenso wie das Modell der psychologischen Ökonomik, das nur auf beobachtbares Verhalten abstellt. 2) Monetäre Belohnungen können sich gleichzeitig auf die extrinsische Motivation (Disziplinierungs- bzw. Preiseffekt) und auf die intrinsische Motivation negativ auswirken (Versteckte Kosten der Belohnung). 3) Externe Anreize lösen sowohl einen Preiseffekt wie auch einen „Crowding-Out-Effekt“ aus. Anreizkombination sind von elementarer Bedeutung. 4) Eine optimale Anreizkombination kann nur unter Einbeziehung der „Reiz-Kognitions-Reaktions-Kette“ ermittelt werden.
289
Ehrenamtliche Arbeit
11.4.1.2.3 Einuss der Bezahlung auf die ehrenamtliche Tätigkeit Tabelle 11-17
Ergebnisdarstellung in Kurzform: Bezahlung und Ehrenamt
Autoren:
Frey & Goette
Untersuchungsdaten
„Does pay motivate volunteers“ Institute for Empirical Reserarch in Economics, 1999 University of Zurich
Untersuchungsergebnis
1) Individuen, die eine Belohnung für Freiwilligenarbeit bekommen, leisten weniger Stunden an Freiwilligenarbeit als solche, die ohne Belohnung arbeiten. 2) Eine Belohnung bzw. eine höhere Belohnung führt zu mehr geleisteten Stunden freiwilliger Arbeit. 3) Steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten können sich negativ auf die Engagementsituation auswirken.
11.4.1.3
Bewertung und Kritik
Für den jeweiligen Anwendungsbereich bedürfen die Erkenntnisse und Konsequenzen einer Differenzierung. Die Quantität und die Varianz der Forschungsergebnisse mit in Teilbereichen antagonistischen Aussagen sind einerseits Ausdruck der inhaltlichen Komplexität, andererseits verdeutlichen sie den Zusammenhang einer notwendigen Denition von Forschungsdesign und Zielgruppenbestimmung. Die Ausführungen zur psychologischen Übereinkunft reduzieren die Theorie mitunter auf eine Austauschebene. Sie schließt emotionale Komponenten ebenso ein wie Aspekte der Loyalität und daraus resultierende subjektive Einschätzungen eines „Vertragsbruchs“ mit nachfolgender Verdrängung intrinsischer Wertvorstellungen. Die Darstellungen zur psychologischen Übereinkunft vernachlässigen allerdings abweichende Motivationsaspekte in den einzelnen Beschäftigungsverhältnissen. Daher gilt es die „Motivationsmuster“ ehrenamtlicher und hauptberuicher Tätigkeiten gesondert einzuordnen (vgl. 11.3.2.2 und 11.3.2.4). Insofern erscheint eine generalisierbare Anwendbarkeit bei besonderer Würdigung des Einzelfalles möglich. Ob und inwieweit eine „optimale Motivationskombination“ besteht bzw. durch die individuelle Nutzenfunktion näherungsweise gefunden werden kann, ist folglich eher von theoretischer Bedeutung. Die Grundlagen der Prinzipal-Agenten-Theorie und deren Anwendung im Modell der „Crowding-Out-Effekte“ behandeln den Einuß monetärer Belohnungen auf die Motivation, das Arbeitsverhalten und somit auf die Anstrengungen, die der Einzelne zu leisten bereit ist. Veränderungen individueller Verhaltensmuster sind denitionsbezogen der externen Intervention zuzuschreiben, unabhängig ob „enjoyment-based intrinsic motivation“, also intrinsisch motivierten Tätigkeiten, von denen ein gewisses Wohlempnden ausgeht oder „obligation-based intrinsic motivation“, demnach Handlungen, die durch Pichtgefühl oder verinnerlichte Normen Ausdruck nden, Inhalt der Aktivität sind (vgl. Weibel et al.: 2006, 7). Letztere können im Kontext abhängiger Beschäftigungsverhältnisse als regelmäßige Indikatoren des Verhaltens am Arbeitsplatz mit zentraler Aussagekraft angenommen werden.
290
Ehrenamtliche Arbeit
Eine Übertragung der „Crowding-Theorie“ auf ehrenamtliche Tätigkeiten scheint somit vertretbar, da sich dieselben an einer Symbiose von Pichtgefühl, Verantwortungsbewusstsein und einer gewissen Freude am Engagement orientieren. Zwar dämpft die Gewährung von Belohnungen die Leistungsbereitschaft des Einzelnen, sie führt jedoch zu einem Anstieg des Gesamtumfanges freiwillig geleisteter Arbeit, wie das Beispiel des öffentlichen Dienstes in der Schweiz zu belegen vermag (vgl. Frey et al.: 1999, 12). Grundlegende Kritik und Zweifel an der Existenz des „Crowding-Out-Effektes“ basieren auf der psychologisch gestützten Auslegung des Verhaltensbegriffs, nach der ein Abhängigkeitsverhältnis vom individuellen Verhalten und daraus resultierenden Konsequenzen existiert (vgl. Eisenberger et al.: 1996, 1154). Eine alternative psychologische Einschätzung verbindet beispielsweise Verhalten und Zeit. Die Zeitdauer gilt bis zur Intervention als optimal, die nunmehr ausgelöste Beeinussung bzw. Verlängerung des Zeitintervalls hingegen führt zur Verhaltensänderung in Form einer Leistungsminderung, um das Verhalten dem vorhandenen Zeitgefüge anzupassen (vgl. Dickinson: 1989, 6). Sowohl der „Crowding-Out-Theorie“ wie auch den vorgestellten verhaltenspsychologischen Ansätzen sind indes die Beeinussbarkeit durch externe Manipulationen gemein. Die von Verhaltensforschern formulierte Kritik an der „Crowding-Out-Theorie“ und damit an der Zusammenführung ökonomischer und psychologischer Einüsse vermag abschließend nicht zu überzeugen, mangelt es ihnen doch an der ganzheitlichen Berücksichtigung von Fremdeffekten. Exemplarisch sei auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen, unternehmensund organisationsabhängige Prozesse oder familiären Veränderungen hingewiesen. Für das ehrenamtliche Feuerwehrwesen scheint die Verdrängungstheorie daher anwendbar, insbesondere vor dem Hintergrund der heterogenen Personalstruktur. Die einzelnen Feuerwehrangehörigen sind demzufolge höchst unterschiedlichen Umgebungseinüssen ausgesetzt. Es gilt den besonderen Aufgaben- und Anforderungsumfang der Freiwilligen Feuerwehren zu berücksichtigen. Infolgedessen ist die Größenordnung der Belohnung von Bedeutung, da eine überhohe Belohnung mittel- und langfristig ebenso motivationsverdrängend wirken kann, wie ein „belohnungsfreies“ System der Freiwilligen Feuerwehren. Es erfordert der Abwägung der externen Intervention. Von den eingeführten Forschungsergebnissen kann dabei allenfalls eine tendenzielle Orientierung ausgehen. Notwendig ist eine konkrete Untersuchung, um die wie vor dargelegten Besonderheiten der ehrenamtlichen Feuerwehrarbeit erfassen zu können.
11.5
Implikationen für das ehrenamtliche Feuerwehrwesen
Die in der „reinen Lehre“ des Ehrenamtes betonte Unentgeltlichkeit bedarf einer elementaren Neuausrichtung. Das „Reinheitsgebot“ geht von einer altruistischen Gemeinwohlorientierung aus, obwohl weitere Motivationen für die freiwillig Engagierten einen mindestens gleichwertigen Stellenwert eingenommen haben (vgl. Keup: 2007, 1). Die Strukturen der Freiwilligen Feuerwehren bilden hier keine Ausnahme. Hinsichtlich etwaiger Belohnungen wird vorwiegend auf immaterielle Instrumente zurückgegriffen, deren Symbolwirkungen im Kontext gesellschaftlicher, demographischer und sozialer Veränderungen zu überdenken
Ehrenamtliche Arbeit
291
sind und entsprechende Neuausrichtungen obligatorisch erscheinen lassen, sollen die derzeit vorhandenen Strukturen langfristig gesichert werden. Immaterielle Auszeichnungen verursachen grundsätzlich geringere Kosten und vermögen zudem soziale Bindungen zu begründen. Darüber hinaus verpichtet sich der Empfänger der Auszeichnung zu einem gewissen Ausmaß an Loyalität, also einer impliziten Verpichtung. Im Gegensatz dazu etablieren monetäre Leistungen keine derartige Verpichtung. Während bei Geldzahlungen die Nachweisbarkeit der Tätigkeit bzw. Leistung vorausgesetzt wird, eignen sich Auszeichnungen zur Anerkennung eingeschränkt denierbarer Leistungen. Von ihnen geht darüber hinaus eine Signalwirkung aus, die sich positiv auf die intrinsische Motivation auswirkt (vgl. Frey et al.: 2005, 1–9). Dabei ist jedoch relativierend festzustellen, dass Auszeichnungen zeitgemäß als ergänzendes Instrument im Sinne eines Zusatznutzens verstanden werden sollten, die ungeachtet der hohen immateriellen Aussagekraft zunehmend sekundär erscheinen. Die Bedeutung materieller Entschädigungen hat eindeutig zugenommen, mögen auch Verlautbarungen ofzieller Stellen die aussagefähigen Präferenzen freiwillig Engagierter ignorieren, wie die „Enquete-Kommision“ des Deutschen Bundestages, der zu Folge die „ureigenste Natur des Ehrenamtes in der Unentgeltlichkeit liegt. „Motivation muss nicht unbedingt eine altruistische Regung sein, doch entscheidendes Moment ist das Tätigwerden für das Gemeinwohl. Das schließt ein entgeltliches Tätigwerden aus. Diese Trennung sollte im Grundsatz beibehalten werden, selbst wenn die Aussicht auf Bezahlung einen Anreiz zum Engagement ausüben würde“ (Enquete-Kommission: 2002, 66). Zum gleichen Zeitpunkt erhielten bereits 17 % der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen monetäre Belohnungen in Form von Aufwandsentschädigungen (TNS: 2006). Finanzielle Vergütungen sind folglich ein fester Bestandteil der ehrenamtlichen Feuerwehrorganisation in Deutschland; vergleichbare Zahlen für Österreich liegen nicht vor. Eine rechnerische Beweisführung ist auf Grundlage verfügbarer Daten ebenso wenig möglich wie die Beurteilung externer (monetärer) Interventionen. Es mangelt zudem an belastbaren Ergebnissen, die gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu erfassen in der Lage sind. Im folgenden Kapitel 12 steht die Untersuchung dieser gesamtgesellschaftlicher Einüsse und deren Auswirkungen auf die Organisation der Freiwilligen Feuerwehr im Vordergrund.
12
Untersuchungskonzept
Die Untersuchung dient einleitend der Formulierung von Problemstellungen des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Die gesetzliche Aufgabenstellung, daraus resultierende Anforderungen und die zunehmende Komplexität der vorgefundenen Schadensereignisse erfordern einen hohen Fortbildungsaufwand zum Erhalt einer qualizierten Gefahrenabwehr. Erwartungen und Konkurrenzdruck am Arbeitsplatz des ehrenamtlichen Helfers sowie eine mitunter rückläuge Toleranz von Vorgesetzten und Kollegen erschweren das ehrenamtliche Feuerwehrengagement. Die Erwartungshaltung der Bevölkerung an die zeitliche und qualikationsbezogene Leistungsfähigkeit sowie die rechtliche Einordnung schutzwürdiger Bürgerinteressen im Rahmen des öffentlichen Sicherstellungsauftrages stehen den organisatorischen Möglichkeiten der Freiwilligen Feuerwehr oftmals diametral entgegen. Die Wirtschaftslage im Allgemeinen und Arbeitsmarktdaten im Besonderen mindern die Gestaltungsmöglichkeiten der Freiwilligen Feuerwehren. Zusätzlich reduzierend wirken die Notwendigkeit zur individuellen Mobilität sowie die Verlagerung örtlicher Arbeitsplätze. Die Mitgliedschaft eines ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen stößt aufgrund familiärer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Einüsse an Grenzen, die in einer erschwerten Vereinbarkeit mit primären Lebensbereichen Ausdruck nden.
Annahme: Es besteht ein erheblicher und nachweisbarer Einuss von Umgebungseinüssen auf die Leistungsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren und damit einhergehenden Erfordernissen zur Einrichtung nachhaltiger Anreizstrukturen. Zielsetzung: Ermittlung von Bestimmungsgrößen für die ehrenamtliche Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Untersuchung der Präferenzen ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger und daraus resultierenden Notwendigkeiten zur Einführung von Anreizsystemen.
12.1
Entwicklung von Einussgrößen
Die Erzeugung der einzelnen Befragungsgegenstände basiert auf einer vorbereitenden Aussendung von Fragebogen zur Ermittlung von Schwerpunkten ehrenamtlicher Feuer-
F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_12, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Untersuchungskonzept
293
wehrtätigkeiten, deren inhaltliche Ausrichtung sich auf die im Folgenden aufgeführten Schwerpunktthemen konzentrierte: 1. 2. 3. 4. 5.
Motivationen für die Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr Vereinbarkeit von Freiwilliger Feuerwehr und Arbeitsplatz Fördermöglichkeiten für eine langfristige Feuerwehrmitgliedschaft Gesellschaftliche Einordnung der Feuerwehrmitgliedschaft Die Feuerwehrtätigkeit aus Sicht des Feuerwehrangehörigen
Jedem der Obergriffe wurden zunächst jeweils fünf bis sieben Antworten vorgegeben, deren Einordnung auf einer Skala von 1 (sehr schwach) bis 5 (sehr stark) anhand eines denierten Bewertungsmaßstabes möglich gewesen ist. Zur Verdeutlichung der richtigen Vorgehensweise erfolgte zudem die exemplarische Beantwortung von drei Fragestellungen einschließlich Erläuterungen zu den Wertigkeiten der zuvor genannten Skalierung. Die Inhalte ergaben sich durch Literaturrecherchen und Befragungen von ehrenamtlichen Feuer wehrangehörigen Darüber hinaus enthielten die einzelnen Formblätter entsprechende Textfelder für die freie Benennung von Schwerpunktthemen, denen ebenso eine Wertigkeit zugeordnet werden konnte.
12.2
Datenerhebung
Der Versand der Fragebogen orientierte sich an der in Kapitel 6.2 vorgestellten raumstrukturellen Gliederung, die das für die ehrenamtlichen Feuerwehren elementare Örtlichkeitsprinzip widerzuspiegeln vermag. Grundsätzlich wurden in beiden Ländern für jedes Bundesland zehn zufällig ausgewählte Feuerwehren um Mitwirkung gebeten, wobei die Verteilung zu überwiegend gleichen Anteilen auf die einzelnen Raumstrukturtypen erfolgte. Die Zuweisung der konkreten Raumstrukturtypen basierte in Österreich auf dem „Gemeindeverzeichnis von Statistik Austria“ und in Deutschland auf der seitens des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) veröffentlichten Datenbank (vgl. 6.2). Der Versandumfang in Österreich betrug insgesamt 80 auf dem Postwege weitergeleiteten Fragebogen; in Wien existieren lediglich beruiche Feuerwehrstrukturen (vgl. Schriftstück der Berufsfeuerwehr Wien: 2007, ohne Paginierung), so dass eine Zusendung entbehrlich war. Das Versandvolumen in Deutschland betrug 133 Fragebogen, also jeweils zehn Formblätter für die einzelnen Bundesländer und drei weitere Aussendungen an die Stadtstaaten Bremen und Hamburg sowie die Bundeshauptstadt Berlin, die gleichermaßen Landes- und Kommunalaufgaben im Brandschutz wahrnehmen. Vor der Aussendung erfolgte hinsichtlich Verständlichkeit, Layout und Inhalt eine „Vortestphase“ mit dem Ergebnis, dass bei den Teilnehmern ein klares Verständnis der Skalierungsanwendung sowie der formulierten Schwerpunktthemen nachgewiesen werden konnte. Die Rücklauffrist betrug fünf Wochen. Insgesamt gingen schlussendlich 24 vollständig beantwortete Fragebogen aus Österreich (Antwortrate: 30,0 %) und 55 vollständige Antwor-
294
Untersuchungskonzept
ten aus Deutschland (Antwortrate: 41,35 %) ein. Signikante Unterschiede für Österreich und Deutschland konnten bei Eingang der Rückläufe zunächst nicht festgestellt werden. Die Ergebnisvorstellung erfolgt nunmehr mit Hilfe vergleichender graphischer Darstellungen in der sich wiederholenden Reihenfolge „Österreich - Deutschland“ für die eingangs vorgestellten Schwerpunktthemen. Hinweise zu den Abbildungen 12-1 bis 12-10 1. Bei den auf der x-Achse skalierten Werten im Bereich von 0 bis 5 handelt es sich um Mittelwerte, die aus der Kumulation der eingegangenen Antworten resultieren (vgl. 12.1). 2. Die Skalierung der x-Achse repräsentiert die raumstrukturelle Ausprägung des einzelnen Merkmals in der Stärke 0 (kein Effekt) bis 5 (sehr stark).
12.2.1
Ergebnisse zum Schwerpunktthema 1
Die einzelnen Fragestellungen zum einleitenden Themenbereich dienen der elementaren Einordnung von Motivationen zum ehrenamtlichen Feuerwehrengagement. Die überragende Bedeutung des Hilfeleistungsbestrebens für Dritte basiert ohne weitere bzw. ohne abschließende Differenzierung auf intrinsischen und altruistischen Motiven mit nahezu identisch starken bis sehr starken Ausprägungen in Österreich und Deutschland. Ein für beide Länder ähnliches Ergebnis vermag die auf sozialer Eingebundenheit bzw. auf sozialer Bindung beruhende Teamarbeit hervorzuheben. Eine Erklärung dieses hohen Stellenwertes ist im Charakter der mit gefahrvollen Tätigkeiten verbundenen Feuerwehrarbeit begründet, die in besonderem Maße auf dieses implizite Gemeinschaftsgefüge angewiesen ist (vgl. 11.2.5). Die den extrinsichen bzw. egoistischen Motivationsmustern immanenten Selbstwert- und Anerkennungskomponenten weisen für Österreich signikant stärkere Bedeutungen auf, so dass auch hier Bedarf zu ergänzenden Untersuchungen vorliegt. Im Gegensatz dazu zeigen die Erhebungen zur individuellen Selbstverwirklichung bei zusammenfassender Betrachtung für beide Länder schwache bis mittelstarke Größenordnungen mit tendenziell stärkerer Relevanz in Österreich. Ein in der Gesamtbewertung vergleichbares Ergebnis ergibt sich für die Identizierung mit der Gemeinde. Damit scheint widerlegt, dass sich die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Feuerwehrengagement an einer räumlichen Beschränkung auf das Gemeindegebiet orientiert. Jedoch bedarf es in diesem Zusammenhang weiterer Untersuchungen. Für das Befragungsprojekt haben sich demnach folgende Hinweise ergeben: 1. 2. 3.
Primäre Motivation des ehrenamtlichen Engagements in den Feuerwehren ist der Hilfeleistungsgedanken. Im Feuerwehrbereich ist das Gemeinschaftsgefüge vor dem Hintergrund gefahrenvoller Tätigkeiten von besonderer Bedeutung. Die Bedeutung der gesellschaftlichen Anerkennung weist für Österreich und Deutschland unterschiedliche Größenordnungen auf.
Untersuchungskonzept
295
Abbildung 12-1 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 1
Abbildung 12-2 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 1
12.2.2
Ergebnisse zum Schwerpunktthema 2
Der Arbeitsplatz im Allgemeinen und die dort vorzundenden Rahmenbedingungen im Besonderen sind eine wesentliche Störgröße für das ehrenamtliche Engagement. Die nachfolgenden Ergebnisse bieten einen ersten Überblick.
296
Untersuchungskonzept
So wird deutlich, dass ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz aufgrund feuerwehrbezogener Tätigkeiten zu einem Spannungsverhältnis am Arbeitsplatz führen kann, da in beiden Ländern für eine „unproblematische Abwesenheit“ lediglich schwache bis mittelstarke Skalenwerte festgestellt werden konnten. Daher scheinen Einsatztätigkeiten während der Arbeitszeit die betrieblichen Abläufe zu stören, wie aus den Ergebnissen zur Beeinussung von Arbeitsabläufen und den durchschnittlich mittelstarken Akzeptanzwerten gleichermaßen hervorgeht. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang die quantitative Einschätzung zur Verbesserung von Aufstiegschancen am Arbeitsplatz, die in beiden Ländern überwiegend schwachen Charakter aufweist. Für Österreich lassen sich zwar in Teilbereichen zufrieden stellende Ergebnisse nachweisen, obschon der durch vielfache Qualikationen und Ausbildungen begründete „Mehrwert“ des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen offensichtlich am Arbeitsplatz ungewürdigt bleibt. Ebenso zeigt die Interaktion mit Vorgesetzten und Kollegen in beiden Ländern allenfalls mittelstarke Werte auf, wobei in Österreich ein grundsätzlich positiveres Gesamtbild manifestiert zu sein scheint. Für das Befragungsprojekt haben sich demnach folgende Hinweise ergeben: 1. 2.
3.
Die Situation am Arbeitsplatz wird seitens der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen als unbefriedigend bis schlecht eingestuft. Eine Verbesserung bzw. Aufwertung der beruichen Situation aufgrund der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit existiert nicht; vielmehr scheinen geringere Fortentwicklungsmöglichkeiten aufgrund des Engagements vorzuliegen. Arbeitgeber sind in einem gesonderten Befragungsprojekt einzubeziehen.
Abbildung 12-3 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 2 (Eigene Darstellung)
Untersuchungskonzept
297
Abbildung 12-4 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 2 (Eigene Darstellung)
12.2.3
Ergebnisse zum Schwerpunktthema 3
Fördermöglichkeiten und Anreizstrukturen weisen dahingehende Korrelationen auf, dass „Fördern und Fordern“ nicht nur eine linguistische, sondern auch eine pädagogische Verwandtschaft immanent ist, bei der es die scheinbar unterschiedlichen Positionen im Gleichgewicht zu halten gilt. Dieser erstrebenswerte Gleichgewichtszustand für die Förderung von Feuerwehrtätigkeiten ist nach den vorliegenden Auswertungen mittelstark bis stark an den Wunsch zur Einführung indirekter Zahlungen in Form einer Anwartschaft auf eine Rentenversicherung gebunden, während direkte Zahlungen mit abweichenden Ausprägungen für Österreich und Deutschland weniger stark präferiert werden. Die Auswirkungen direkter monetärer Vergütungen in einem System mit hohen intrinsischen Motivationsgehalten sind Gegenstand der „Crowding-Theorie“ (vgl. 11.4.1). Als Ergebnis sollten Anreize in der beschriebenen indirekten Belohnung ebenso Gegenstand weiterer Untersuchungen sein, wie die beschriebene direkte Gewährung monetärer Entschädigungen, letztere jedoch vorwiegend aus Abgrenzungserwägungen. Die eher symbolische Bedeutung immaterieller Ehrungen bestätigt sich grundsätzlich (vgl. 11.5), wobei dieselben für Österreich höhere Skalenwerte aufweisen. Arbeitsplatzbezogene Aspekte bieten zudem Möglichkeiten der Förderung; so wünschen sich die Feuerwehrangehörigen in beiden Ländern mit mittelstarker bis starker Relevanz die Würdigung des ehrenamtlichen Engagements als Kriterium bei der Besetzung kommunaler Beschäftigungsverhältnisse. Zudem deutet diese Betrachtung auf die mangelnde Berücksichtigung der Feuerwehrqualikationen im Beruf bzw. im Studium hin. Für das Befragungsprojekt haben sich demnach folgende Hinweise ergeben:
298 1.
2. 3.
Untersuchungskonzept
Die Fördermöglichkeiten durch indirekte monetäre Zuwendungen in Form einer Rentenversicherung sind in beiden Ländern von mittelstarker bis starker Bedeutung und sollten eingehender untersucht werden. Bei kommunalen Stellenbesetzungen sollte die ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit größere Berücksichtigung nden. Immaterielle Belohnungen (Ehrungen) genießen in Österreich einen höheren Stellenwert.
Abbildung 12-5 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 3 (Eigene Darstellung)
Abbildung 12-6 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 3 (Eigene Darstellung)
Untersuchungskonzept
12.2.4
299
Ergebnisse zum Schwerpunktthema 4
Gesellschaftliche Aspekte des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens sind Gegenstand einer Untersuchung der Universität Graz zur volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung im Jahre 2005 gewesen. Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich sind auf Grundlage der aktuellen Auswertungen größerer Teil von Kultur und Brauchtum als in Deutschland. Die Heranziehung zu feuerwehrfremden Arbeiten impliziert diese Einschätzung ebenso. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Anerkennung der Feuerwehrtätigkeit wird in Deutschland ein mittelstarker Skalenwert erreicht, während für Österreich in der Gesamtheit die Tendenz zu einem starken Anerkennungsempnden konstatierbar ist, obschon ein siedlungsstruktureller Einuss möglich erscheint. Die Skalenwerte für die gesellschaftliche Akzeptanz unterstreichen den nach Einschätzung der Engagierten größeren Stellenwert der österreichischen Feuerwehren, der starke bis sehr starke Relevanz aufweist, während für Deutschland bei idealisierter Anpassung der raumstrukturellen Unterschiede von einer starken Akzeptanz ausgegangen werden kann. Ähnlich wird die Unterstützung durch die verantwortliche Kommunalpolitik wahrgenommen. Für Deutschland ist als Höchstwert eine mittelstarke Unterstützung gemessen worden, wogegen sich in Österreich mit Ausnahme des inneren Zentralraums die Einschätzung einer eher starken Unterstützung eingestellt hat. Für das Befragungsprojekt haben sich demnach folgende Hinweise ergeben: 1.
Die Perspektiven der österreichischen und deutschen Öffentlichkeit weisen nach Einschätzung der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen unterschiedliche Anerkennungswerte für die Feuerwehrarbeit und den einzelnen Feuerwehrangehörigen auf.
Abbildung 12-7 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 4 (Eigene Darstellung)
300
Untersuchungskonzept
Abbildung 12-8 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 4 (Eigene Darstellung)
12.2.5
Ergebnisse zum Schwerpunktthema 5
Das freiwillige Engagement in den Feuerwehren erfordert aus vielfachen Gründen eine kontinuierliche Fortbildung, insbesondere aufgrund der Aufgabenfülle sowie dauerhafter Veränderungsprozesse. Feuerwehrangehörige in beiden untersuchten Ländern gehen mit starken bis sehr starken Skalenwerten von einem dauerhaften Fortbildungsaufwand aus, der mit ebengleichen Messwerten einen signikanten Freizeitanteil einnimmt. Dem gegenüber ergeben sich für die Bewertung der persönlichen wirtschaftlichen Situation und daraus resultierender Konsequenzen für die Feuerwehrarbeit abweichende Ergebnisse. In Deutschland ist in Abhängigkeit von der Raumstrukturzuordnung von einem mindestens mittelstarken, zur Reduzierung von Zeitanteilen zwingenden Einuss auszugehen, wogegen bei der gleichen Bemessung für Österreich in nur zwei von sechs Raumstrukturtypen mittelstarke Größenordnungen vorliegen und ansonsten schwache Signale gemessen wurden. Ebenfalls mit mittelstarker Ausprägung wird auf die gesamtwirtschaftliche Situation als Grund für zeitliche Reduzierungen verwiesen. Eine besondere Afnität zu zeitgemäßen (internetgestützten) Weiterbildungsformen konnte indes nicht nachgewiesen werden, wie den Ergebnissen entnehmbar ist. Diese variieren in Abhängigkeit von den Raumstrukturen schwach bis mittelstark. Für Österreich und Deutschland zeigen sich unterschiedliche Ergebnisse. Für das Befragungsprojekt haben sich demnach folgende Hinweise ergeben: 1.
Sowohl die gesamtwirtschaftliche wie auch die persönliche wirtschaftliche Situation beeinussen die Zeitanteile, die der freiwillig Engagierte für Feuerwehrarbeit aufzubringen bereit ist bzw. zur Verfügung stellen kann.
Untersuchungskonzept
2.
3.
301
Kontinuierliche Fortbildung wird mit starken und sehr starken Skalenwerten als erforderlich erachtet. Damit einhergehend sind erhebliche Freizeitanteile für ehrenamtliche Feuerwehrarbeit bereit zu stellen. Traditionelle Lernformen werden bevorzugt.
Abbildung 12-9 Ergebnisse für Österreich zum Schwerpunktthema 5 (Eigene Darstellung)
Abbildung 12-10 Ergebnisse für Deutschland zum Schwerpunktthema 5 (Eigene Darstellung)
302 12.2.6
Untersuchungskonzept
Freie Benennungen
Über die denierten Antwortmöglichkeiten hinaus enthielten die Formblätter entsprechende Text- und Bewertungsfelder für die Angabe von ergänzenden Einussgrößen. Mehrfachnennungen in relevanter Anzahl konnten nicht verzeichnet werden, so dass sich zusätzlich zu den Inhalten der Schwerpunktbereiche keine weiteren Ansätze zur Berücksichtigung im Befragungsprojekt ergeben haben.
12.3
Konzeptionelle Entwicklung eines Befragungsprojektes
Die ehrenamtliche Sicherstellung der Feuerschutzaufgabe gilt konzeptionell als positives Ergebnis für die Bürger in Österreich und Deutschland. Dabei erfolgt die Trennung der Bestimmungsgrößen für den Grundnutzen als Ausdruck der kontinuierlichen Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr und für den Zusatznutzen, der über den Grundnutzen hinaus den dauerhaften Erhalt der ehrenamtlichen Feuerwehrstrukturen sicherstellen soll. Das Konzept sieht den Grundnutzen als die Gesamtheit der minimalen Attribute, die ein Bürger von der Feuerwehr erwartet und die im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen mindestens zu leisten sind. Somit handelt es sich um elementare Aspekte. Diese „Minimalattribute“ gelten vorwiegend dem möglichst frühzeitigen Eintreffen der Feuerwehr an der Schadensstelle und der qualikationsgerechten Aufgabenerfüllung. Der Zusatznutzen geht über den Gedanken des Grundnutzens dahingehend hinaus, dass er die Gestellung der minimalen Attribute auch in Zukunft bei gleich bleibender Qualität anstrebt. Der Grundnutzen ndet Ausdruck in einer gegenwärtigen Erwartungshaltung der betroffenen Bürger (vgl. Polis: Ergebnisse, 2005, 2 und Hagenhofer: 2005, 2) Als Zusatznutzen hingegen gilt das Ausmaß nicht geforderter, jedoch implizit wünschenswerter Attribute. Damit wiederum verbindet der Bürger die langfristige ehrenamtliche Sicherstellung des öffentlichen Gutes „Feuerschutz“ mit überschaubaren Kostenstrukturen ohne ächendeckenden hauptamtlichen Personalbedarf. Weiterhin sei in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit zum Angebot einer homogenen Grundnutzenqualität verwiesen, die hinsichtlich der Organisation, der Ausbildung sowie der Verfügbarkeit dem System der freiwilligen Feuerwehren eine kontinuierliche und zukunftsfähige Einsatzbereitschaft abverlangt. Daher wird das Prinzip des Zusatznutzens konzeptionell in die Beziehung eingebracht, da hier insbesondere die Anreizcharakteristika von Bedeutung sind. Zur Ermittlung des Gesamtnutzens für den Bürger sind System-, Arbeitsplatz- und Anreizcharakteristika ganzheitlich zu betrachten. Für den Grundnutzen nden die systembezogenen Inhalte, also das Hilfeleistungsbedürfnis der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen, die Qualität des Aus- und Fortbildungswesens sowie das Gemeinschaftsgefüge der Freiwilligen Feuerwehren Berücksichtigung. Die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz ist für die Gestellung des Grundnutzens ebenso von besonderer Relevanz. Sie bildet gemeinsam mit der Akzeptanz sowie der Anerkennung die arbeitsplatzorientierten Einussgrößen. Diese beziehen sich (wie aus dem Modell des Konzeptes ersichtlich) sowohl auf den Grund- wie
Untersuchungskonzept
303
auch auf den Zusatznutzen. Die Integration des Zusatznutzens wird zudem über die Anreizcharakteristika erreicht. Die gesamtgesellschaftliche sowie die gesamtwirtschaftliche Situation in Österreich und Deutschland bilden als „Moderatorvariable“ den Hintergrund der Untersuchung. Eine Moderatorvariable im Kontext dieser Untersuchung beschreibt den Einuss einer unabhängigen auf die abhängige Variable, demnach im konkreten Fall den Einuss gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auf die ehrenamtliche Feuerwehrmitgliedschaft (vgl. Bortz et al.: 2006, 3). Es wird erwartet, dass nachweise Zusammenhänge aufgezeigt werden können. Das nachfolgend dargestellte konzeptionelle Modell der Untersuchung sowie die abgeleiteten Hypothesen dienen nunmehr als Basis des Befragungsprojektes. Die angewendeten Konzepte können mit einzelnen Items bemessen werden. Etwaige nationale Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland sind durch eine Korrelation mit Spearman-Koefzienten als Subgruppenanalyse bestimmbar. Die Prüfungen der Messung sowie die Prüfung der Hypothesen werden schlussendlich zu Ergebnissen führen, die sodann zu bewerten sind, woraus entsprechende Implikationen für das ehrenamtliche Feuerwehrwesen resultieren dürften.
12.3.1
Konzeptionelles Modell der Untersuchung
Abbildung 12-11 Konzeptionelles Modell der Untersuchung (Eigene Darstellung in Anlehnung an Quellenverweis)
Quelle: Homburg, Kuester, Beutin, Menon: „Detreminants of Custommer Benets in B2B-Markets: A CrossCultural Comparison“, Journal of International Marketing, 13, 2005, S. 5
304
Untersuchungskonzept
12.3.2
Hypothesen der Untersuchung
Abbildung 12-12 Hypothesen der Untersuchung I Hypothese
Inhalt
Ergebnis
H1
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit starkem Gemeinschaftsgefüge und ausgeprägtem Hilfeleistungsbedürfnis“
?
H2
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit hoher Qualität des Aus- und Fortbildungswesens“
?
H3
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit guter Abkömmlichkeit des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen vom Arbeitsplatz “
?
H4
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit ausgeprägter Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung am Arbeitsplatz des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen“
?
H5
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit einer indirekten monetären Belohnung in Form einer Rentenversicherung“
?
H6
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit hoher Würdigung der Feuerwehrqualikationen sowie hoher Würdigung des ehrenamtlichen Engagements“
?
Abbildung 12-13 Hypothesen der Untersuchung II H7
„Effekt für das Gemeinschaftsgefüge und das Hilfeleistungsbedürfnis ist stärker in Österreich “
?
H8
„Effekt für die Qualität des Aus- und Fortbildungswesens ist stärker in Deutschland “
?
H9
„Effekt für die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz ist stärker in Österreich“
?
H10
„Effekt für Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung am Arbeitsplatz ist stärker in Österreich “
?
H11
„Effekt für indirekte monetäre Belohnung in Form einer Rentenversicherung ist stärker in Deutschland“
?
H12
„Effekt für die Qualikations- und Engagementwürdigung ist stärker in Österreich
?
Die im konzeptionellen Untersuchungsmodell dargestellten Beziehungen werden nunmehr durch die Hypothesen H1 bis H12 beschrieben. Sie kombinieren die Ergebnisse der vorbereitenden Befragung mit potenziellen nationalen Unterschieden zwischen Österreich und Deutschland, die es im Einzelnen zu bemessen gilt. So formulieren die Hypothesen H1 und H7 einen Zusammenhang zwischen der elementaren Leistungsfähigkeit einer Feuerwehr und dem Motivationsgefüge ihrer Mitglieder, da gerade das ehrenamtliche Feuerwehrwesen von der Einstellung seiner aktiven Angehörigen abhängig ist. Dieser angenommene Effekt wird in Österreich auf Grundlage der Vorbefragung etwas stärker erwartet. Ähnlich verhält es sich mit dem grundnutzenbezogenen Effekt der Aus- und Fortbildung, der durch die Hypothesen H2 und H8 zu untersuchen ist. Im Hinblick auf die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz und die negativen Auswirkungen auf den Grundnutzen sei zunächst auf die Ergebnisse der Verfügbarkeitsstudie verwiesen.
Untersuchungskonzept
305
Infolge der aufbauorganisatorischen Besonderheiten sind die Freiwilligen Feuerwehren auf die möglichst breite Verfügbarkeit der am Arbeitsplatz gebundenen Mitglieder angewiesen; mit sinkender Abkömmlichkeit geht implizit eine Nicht- oder Schlechterfüllung der kontinuierlichen Leistungsgestellung einher, die annahmegemäß sowie im Kontext der ermittelten Verfügbarkeitsdezite in Deutschland stärker ausgeprägt ist. Insofern ist die Toleranz der Arbeitgeber gegenüber dem ehrenamtlichen Feuerwehrengagement ihrer Mitarbeiter sowohl für die derzeitige wie auch künftige Gewährleistung des Sicherstellungsauftrages von zentraler Bedeutung. Die Hypothesen H4 und H10 verbinden diesen Ansatz mit einem prognostizierten Übergewicht der Toleranz österreichischer Arbeitgeber. Die verbleibenden Hypothesen zielen auf die Einrichtung von Anreizstrukturen für die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen ab. Dabei wurden u. a. die Ergebnisse der „Crowding-Out-Theorie“ berücksichtigt, nach der direkte monetäre Entschädigungen motivationsverdrängend wirken können (vgl. 11.4). Somit ist die Untersuchung auf Anreize durch indirekte Zahlungen in Form einer Rentenversicherung ausgerichtet. Es wird in Hypothese H11 unterstellt, dass die deutschen Feuerwehrangehörigen diese Anreizstruktur vergleichsweise in größerem Umfang präferieren. Darüber hinaus gilt es abschließend noch die gesellschaftliche Anerkennung der ehrenamtlichen Tätigkeiten hinzuweisen. Die Hypothesen H6 und H12 sehen eine Beziehung zwischen einer langfristigen Feuerwehrmitgliedschaft und einer nachweisbaren Engagement- und Qualikationswürdigung, die in Anlehnung an die Vorbefragung in Österreich stärkere Zusammenhänge aufweist. Mit diesem Untersuchungsmodell sollen demnach die Einußfaktoren auf die ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit möglichst weitreichend erfasst werden.
12.3.3
Datenerhebung
Nachdem die inhaltliche Ausrichtung der vorbereitenden Befragung mit den vorgestellten Ergebnissen abgeschlossen werden konnte, erfolgte die Modellierung eines umfangreichen Fragebogens. Dieser wurde mit Ausnahme der Bildungsabschlüsse in Deutschland und Österreich einheitlich und damit vergleichbar gestaltet. Vor der Aussendung erklärten sich 100 Feuerwehrangehörige bereit, an einer Vortestphase mitzuwirken. Die Teilnehmer konzentrierten sich aufforderungsgemäß auf Verständlichkeit, Layout und Inhalt mit dem Ergebnis, dass die überwiegend vorgegebenen Antwortmöglichkeiten verständlich und in angemessener Zeit bearbeitet werden konnten. Im Nachgang dieser Vortestphase galt es dem Fragebogen noch ein ergänzendes Schriftstück beizugeben, das neben den „Hinweisen zum Ausfüllen des Fragebogens“ auch den ungefähren Zeitbedarf enthielt. Parallel zur dieser Pre-Testphase galt es Kontakt zu Feuerwehren in Österreich und Deutschland aufzubauen, um eine hinreichende und repräsentative Teilnehmerzahl n aus der Grundgesamtheit N für die Durchführung zu gewinnen. Die Auswahl der Freiwilligen Feuerwehren erfolgte zufällig. Im Anschluss lagen Zusagen aus allen österreichischen und deutschen Landesteilen vor, so dass die teilnehmenden Feuerwehren Fragebogen in angegebener Anzahl zur Weiterleitung an die Untersuchungsteilnehmer erhielten, denen wiederum ein freigemachter Antwortumschlag beigefügt war.
306
Untersuchungskonzept
Der Versandumfang in Österreich betrug 2.568 auf dem Postwege weitergeleitete Fragebogen. Das Versandvolumen in Deutschland umfasste 9.885 Fragebogen. Die Rücklauffrist wurde mit etwa 8 Wochen angegeben. Insgesamt gingen 879 beantwortete Fragebogen (Antwortrate: 34,22 %) aus Österreich ein, von denen letztlich 826 Exemplare (verwertbare Antwortrate: 32,16 %) in die Untersuchung einbezogen werden konnten. Der Antwortumfang aus Deutschland betrug 2.421 Sendungen (Antwortrate: 24,03 %), von denen 2.290 Rückläufe vollständig ausgefüllt waren (verwertbare Antwortrate: 22,73 %). Signikante Unterschiede für Österreich und Deutschland konnten bei Eingang der Rückläufe nicht festgestellt werden.
12.4
Auswertung und Vorstellung der Ergebnisse
Basierend auf dem vorgestellten Untersuchungskonzept und auf Grundlage der wie vor beschriebenen theoretischen Inhalte lassen sich die Hypothesen sowie die eingangs denierten Schwerpunktthemen auswerten.
12.4.1
Hypothesen
Der Untersuchung formulierter Hypothesen liegen konkrete Fragestellungen zugrunde, die jeweils in der tabellarischen Darstellung der Hypothesenprüfung erscheinen. Den Hypothesen sind zudem dahingehend verbunden, dass H1 bis H6 eine Annahme im allgemeinen Kontext wiedergeben, während H7 bis H12 diesen allgemeinen Zusammenhang auf Österreich und Deutschland ausrichten. Da für beide Länder eine gemeinsame Datenbank verwendet wurde, können die Hypothesen jeweils kombiniert werden.
12.4.1.1 Hypothese
Hypothese H1 und Hypothese H7 Inhalt
Ergebnis
H1
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit starkem Gemeinschaftsgefüge und ausgeprägtem Hilfeleistungsbedürfnis“
?
H7
„Effekt für das Gemeinschaftsgefüge und das Hilfeleistungsbedürfnis ist stärker in Österreich “
?
307
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-1
Ergebnisausgabe für Hypothese H1 Korrelationen Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf? Korrelationskoefzient In der FF weil ich in Not geratenen gerne Hilfe leiste
N
Spearman-Rho
,071**
Sig. (2-seitig)
,000 3041
Korrelationskoefzient weil ich die Kameradschaft in der FF schätze
,063**
Sig. (2-seitig) N
,000 3044
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
Die konkreten Fragestellungen verbinden den Grundnutzen mit dem individuellem Zeitaufwand des einzelnen Feuerwehrenangehörigen und den Motiven der Hilfeleistung sowie der Kameradschaft. In beiden Fällen ist eine extrem schwach ausgeprägte Korrelation (,071 und ,063) zwischen den Fragestellungen zu konstatieren. Demgemäß besteht nur eine ausgesprochen schwache Beziehung zwischen primären Mitgliedsmotivationen und dem wöchentlichen Zeitaufwand, den das ehrenamtliche Feuerwehrmitglied zu leisten bereit oder zu leisten in der Lage ist. Implizit liegen die verfügbaren Zeitanteile im Wesentlichen außerhalb des motivierbaren Bereiches. Es gilt daraus resultierend sowohl Anreizstrukturen zu überprüfen als auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit zu hinterfragen. Die Signikanz ist zudem kleiner als 1 %; demnach können zufällige Einüsse auf das Ergebnis ausgeschlossen werden. Der große Stichprobenumfang zeugt jedoch von höchster Signikanz (,000). Der in Hypothese H1 angenommene Effekt ist somit sehr schwach. Inhaltlich besteht keine evidente Beziehung zwischen dem Grundnutzen sowie einem starken Gemeinschaftsgefüge und einen ausgeprägten Hilfeleistungsbedürfnis. Die praktische Bedeutung ist schwach bis unbedeutend. H1 kann daher nicht unterstützt werden.
308
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-2
Ergebnisausgabe für Hypothese H7 Korrelationen Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Land Korrelationskoefzient In der FF weil ich in Not geratenen gerne Hilfe leiste
N
Deutschland
,072**
Sig. (2-seitig)
,001 2246
Korrelationskoefzient weil ich die Kameradschaft in der FF schätze
Sig. (2-seitig) N
SpearmanRho In der FF weil ich in Not geratenen gerne Hilfe leiste
,013 2250
Korrelationskoefzient
,088*
Sig. (2-seitig)
,013
N
Österreich
,052*
795
Korrelationskoefzient weil ich die Kameradschaft in der FF schätze
,120**
Sig. (2-seitig) N
,001 794
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig). *. Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signikant (zweiseitig).
Die wie vor abgebildete Tabelle 12-2 enthält die Ergebnisse für Hypothese H7. Annahmegemäß sind die Zusammenhänge in Österreich größer. Der Korrelationskoefzient r = ,120 für das Kameradschaftsgefüge induziert grundsätzlich eine schwache Beziehung. Ebenso die Korrelation für das Hilfeleistungsbedürfnis. Damit Hypothese H7 ist zu unterstützen. Beide Ergebnisse sind zudem signikant gegen Zufall abgesichert. Dennoch darf die praktische Relevanz aufgrund der schwachen Korrelationen nicht überbewertet werden. Die potenziellen Hintergründe des nationalen Ergebnisunterschiedes zu interpretieren, erfordert die Einbeziehung der Motivationstheorien (vgl. 11.3). So dürften zweifelsohne abweichende persönliche Motivationsmuster die in Österreich höheren Zusprüche begründen. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung sei auf Abschnitt 12.4.2 und die dort vorgetragenen Ergebnisse zur Motivation und Anerkennung verwiesen.
309
Untersuchungskonzept
12.4.1.2
Hypothese H2 und Hypothese H8
Hypothese
Inhalt
Ergebnis
H2
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit hoher Qualität des Aus- und Fortbildungswesens“
?
H8
„Effekt für die Qualität des Aus- und Fortbildungswesens ist stärker in Deutschland “
?
Tabelle 12-3
Ergebnisausgabe für Hypothese H2 Korrelationen Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf? Tätigkeit in der FF setzt eine regelmäßige Aus- und Fortbildung voraus
Spearman-Rho
Korrelationskoefzient
,236**
Sig. (2-seitig) N
,000 3034
Korrelationskoefzient Tätigkeit in der FF setzt eine zeitaufwendige Ausbildung voraus
,186**
Sig. (2-seitig) N
,000 3027
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
Tabelle 12-3 beinhaltet sich die Ergebnisse zu Hypothese H2, wonach der Grundnutzen aus Sicht des einzelnen Feuerwehrangehörigen eine regelmäßige Aus- und Fortbildung erforderlich macht. Demzufolge unterstreichen die Untersuchungsergebnisse den einleitend formulierten Ansatz, dass die Komplexität der Schadensereignisse kontinuierliche Ausbildungsbemühungen voraussetzt, soll der Auftrag der staatlichen Schutzpichtenerfüllung anspruchsgerecht ausgefüllt werden (vgl. 1.). Ferner sind diese zeitlichen Ausbildungskapazitäten im Kontext der arbeitsplatz- und familiären Gestaltungsmöglichkeiten zu untersuchen (vgl. 12.4.2.10). Ebenso scheint es einer Flexibilisierung und Professionalisierung des Ausbildungswesens zu bedürfen, um die zeitlichen Ressourcen der Feuerwehrangehörigen auf deren individuelle Wünsche abstimmen zu können. Die Feuerwehrorganisationen sollten den Dienstleistungsgedanken in diesem Zusammenhang gegenüber ihren Mitgliedern (fort-) entwickeln, wie die weiteren Untersuchungen zu belegen vermögen (vgl. 12.4.2.8). Die Ergebnisse zu Hypothese H2 sind hoch signikant (.000). Mit ,236 korreliert die angenommene Beziehung deutlich stärker als bei Hypothese H1 beobachtet werden konnte. Tendenziell steigen mit dem Effekt für eine intensive Ausbildung die Zeitanteile, die der ehrenamtliche Feuerwehrangehörige der Feuerwehr zur Verfügung stellt. Hypothese 2 ist daher zu unterstützen. Trotz der schwachen Gesamtebene der Korrelation spricht die hohe Fallzahlverteilung für ein relevantes Ergebnis. Der Effekt für die Qualität der Aus- und Fortbildung ist in Österreich deutlich stärker als in Deutschland. Die Ergebnisse folgen der
310
Untersuchungskonzept
Annahme damit nicht. Die Korrelationskoefzienten der österreichischen Schlüsse weisen eine mittelstarke Zusammenhangsstärke auf (,352 und ,338). Im Allgemeinen ist mit größerer Fortbildungseinsicht der Zeitaufwand des einzelnen Feuerwehrangehörigen für Ausbildungsmaßnahmen höher. Hypothese H8 geht annahmekonform von einem inversen Ergebnis aus, da sich die in der Vorbefragung gewonnen Daten nicht bestätigen. Vielmehr folgen aus den österreichischen Befragungen deutlich größere Korrelationen zum Aus- und Fortbildungswesen. Hypothese H8 ist daher nicht zu unterstützen. Zwar dominiert das deutsche Ergebnis in der Gesamtstrichprobe, indes relativiert die Differenzierung nach den untersuchten Ländern dieses Ungleichgewicht. Die Irrtumswahrscheinlichkeit ist sehr gering; damit liegt ein deutlich signikantes Ergebnis vor. Tabelle 12-4 führt die konkreten Daten zusammen: Tabelle 12-4
Ergebnisausgabe für Hypothese H8 Korrelationen Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Land Tätigkeit in der FF setzt eine regelmäßige Aus- und Fortbildung voraus Deutschland
SpearmanRho
Korrelationskoefzient N
Korrelationskoefzient Tätigkeit in der FF setzt eine zeitSig. (2-seitig) aufwendige Ausbildung voraus N Tätigkeit in der FF setzt eine regelmäßige Aus- und Fortbildung voraus
Österreich
,179**
Sig. (2-seitig)
,000 2242 ,116** ,000 2239
Korrelationskoefzient
,352**
Sig. (2-seitig)
,000
N
792
Korrelationskoefzient Tätigkeit in der FF setzt eine zeitSig. (2-seitig) aufwendige Ausbildung voraus N
,338** ,000 788
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
12.4.1.3 Hypothese
Hypothese H3 und Hypothese H9 Inhalt
Ergebnis
H3
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit guter Abkömmlichkeit des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen vom Arbeitsplatz “
?
H9
„Effekt für die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz ist stärker in Österreich“
?
311
Untersuchungskonzept
Die Modellierung des Grundnutzens erfolgt analog den bisher durchgeführten Hypothesenprüfungen als Zeitanteil, den der einzelne Feuerwehrangehörige für das Ehrenamt aufbringt. Sie werden nunmehr als Symbiose mit arbeitsplatzbezogenen Parametern ausgewertet. Konkretes Ziel ist Prüfung etwaiger Beziehungen zum Freizeitaufwand. Hervorzuheben sind insbesondere die Wechselwirkungen von Arbeitsplatz und Feuerwehrehrenamt. Ohne die aufrichtige Unterstützung der Arbeitgeber fehlt es mittelfristig an der Basis für die Feuerwehrtätigkeit, da diese u. a. auf die nachhaltige Toleranz und Flexibilität der Arbeitgeberseite baut. Zur Ergebnisdarstellung dient die Ausgabe mittlerer Rangplätze. Im Folgenden gilt es sodann die Einüsse von Arbeitsplatz und Freizeitaufwand zusammenzuführen. Tabelle 12-5
Ergebnisausgabe I für Hypothese H3 Ränge Hat Ihr Arbeitgeber das Fernbleiben ohne Nachteile toleriert?
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
ja nein Gesamt
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
1729
1025,93
1773834,50
331
1054,37
348995,50
2060
Statistik für Testa Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf? Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,415
a. Gruppenvariable: Hat Ihr Arbeitgeber das Fernbleiben ohne Nachteile toleriert?
Zunächst sei auf die Fallzahl von nur 2060 verwiesen. Sie weicht vom Umfang der Gesamtstichprobe ab, da sie als Filterfrage lediglich die Feuerwehrangehörigen berücksichtigt, die ihren Arbeitsplatz bereits mindestens einmal aufgrund eines Feuerwehreinsatzes verlassen haben. Einen deutlich höheren Rang nehmen die ehrenamtlichen Feuerwehrmitglieder ein, deren Arbeitgeber das Fernbleiben vom Arbeitsplatz nach einem Feuerwehreinsatz ohne subjektiv empfundene Nachteile toleriert haben. Dieses Ergebnis erscheint in der Deutlichkeit überraschend. Es bietet zudem die theoretischen Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren während der neuralgischen Tagesalarmzeiträume. Dem Ergebnis mangelt es im Untersuchungskontext indessen an Konsistenz, da die Signikanzprüfung eine hohe Irrtumswahrscheinlichkeit (41,5 %) aufweist. Der Zeitaufwand des Arbeitnehmers für das ehrenamtliche Feuerwehrengagement ist vollkommen ohne Einuss auf die Toleranz des Arbeitgebers. Im Umkehrschluss ist die Toleranz des Arbeitsgebers ohne Einuss auf die Zeit, die der einzelne Arbeitnehmer für die Freiwillige Feuerwehr aufwendet.
312
Untersuchungskonzept
Der in Hypothese H3 enthaltene Teilaspekt ist somit nicht zu unterstützen. Als weiteres Kriterium der feuerwehrorientierten Leistungsfähigkeit gilt die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz. Mit dieser Abkömmlichkeit gehen in Abhängigkeit von der Betriebsart mitunter relevante Störungen der Arbeitsabläufe einher. Insofern ist den Zustimmungswerten besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Tabelle 12-6
Ergebnisausgabe II für Hypothese H3 Ränge Tätigkeit in der FF nur außerhalb der Arbeitszeit (nicht abkömmlich von der Arbeitsstätte)
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
ja
1274
1287,13
1639798,50
nein
1402
1385,18
1942027,50
Gesamt
2676 Statistik für Testa Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,001
a. Gruppenvariable: Tätigkeit in der FF nur außerhalb der Arbeitszeit (nicht abkömmlich von der Arbeitsstätte)
Einen höheren Rang in dieser Stichprobe nehmen die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen ein, die vom Arbeitsplatz für die Teilnahme an Feuerwehreinsätzen abkömmlich sind, obschon die Abweichung eher gering ist. Es wird deutlich, dass vom Einzelfall maßgeblicher Einuss auf das Gesamtsystem ausgeht. Zudem ist der Freizeitanteil, der für das Feuerwehrehrenamt aufgewendet wird, bei den vom Arbeitsplatz abkömmlichen Feuerwehrkräften um 4,78 % größer. Die Signikanz von ,001 schließt Zufall aus. Hypothese H3 kann in diesem Zusammenhang unterstützt werden. Trotz des grundsätzlich positiven Befundes zeugt der hohe Anteil nicht-abkömmlicher Feuerwehrkräfte von einer kritischen Systemrelevanz, da die wohnortfernen Arbeitsplätze additiv hinzuzufügen sind. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Ergebnisse der Verfügbarkeitsstudie erklärbar. Die wohnortferne beruiche Verwendung folgt nunmehr. Sie ist geeignet den Grundnutzenanteil und die daraus resultierenden Abhängigkeiten zu beschreiben. Es zeigt sich eine geringe Rangdifferenz. Tabelle 12-7 führt die Größenordnungen im Einzelnen auf.
313
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-7
Ergebnisausgabe III für Hypothese H3 Ränge Tätigkeit nur außerhalb Arbeitszeit da Beschäftigungsort nicht gleich Wohnort bzw. nicht in Wohnortnähe gelegen
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
ja
1381
1277,58
1764337,00
nein
1317
1424,92
1876614,00
Gesamt
2698 Statistik für Testa Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,000
a. Gruppenvariable: Tätigkeit nur außerhalb Arbeitszeit da Beschäftigungsort nicht gleich Wohnort bzw. nicht in Wohnortnähe gelegen
Ungeachtet dessen deutet der große prozentuale Anteil wohnortferner Beschäftigungsverhältnisse auf ein Kernproblem des Feuerwehrehrenamtes hin. Die Kräfte sind schlichtweg nicht in der Lage physisch anwesend zu sein, mag der persönliche Wunsch im Einzelfall noch so groß sein. Wirken nun Nichtabkömmlichkeit und Wohnortferne zusammen, ergeben sich prominente Personalausfälle. Den Freiwilligen Feuerwehren fehlt es diesbezüglich an Eingriffsmöglichkeiten. Daher manifestieren sich die in Kapitel 6 prozentual ausgewiesenen Verfügbarkeitsdezite. Im Hinblick auf die Hypothesenprüfung liegt ein hochsignikantes Ergebnis (,000) vor. Die einzelnen Feuerwehrangehörigen stellen dem (Feuerwehr-) System mehr Zeit zur Verfügung, sofern Arbeitsplatz und Wohnort örtlich übereinstimmen. Daraus folgt, dass berufsbezogene Pendlerbewegungen zu einer Minimierung der Feuerwehraktivitäten führen. Den nationalen Schwerpunkt der untersuchten Arbeitsplatzcharakteristika (Hypothese H9) festzulegen und nachfolgend zu beurteilen, bietet einen weiteren Erklärungsansatz für den (abweichenden) Grad der Alarmierungssicherheit (vgl. 6.3.1 und 6.3.2). Die Toleranz der österreichischen und deutschen Arbeitsgeber zeigt ähnliche Proportionen. Aus ihr können demzufolge keine Ursachen für die nationalen Unterschiede der Verfügbarkeit abgeleitet werden. Allerdings ist das Ergebnis in beiden Fällen nicht signikant (,657 und ,328). Hypothese H9 kann daher für diesen Untersuchungsteil nicht unterstützt werden.
314
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-8
Ergebnisausgabe I für Hypothese H9 Ränge Hat Ihr Arbeitgeber das Fernbleiben ohne Nachteile toleriert?
Land Deutschland
Österreich
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
ja
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
ja
nein Gesamt nein Gesamt
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
1308
768,43
1005111,00
232
782,15
181459,00
421
257,43
108379,00
99
273,55
27081,00
1540
520
Statistik für Testa Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Land Deutschland
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,657
Österreich
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,328
a. Gruppenvariable: Hat Ihr Arbeitgeber das Fernbleiben ohne Nachteile toleriert?
Als weitere Bestimmungsgröße beschreibt die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz. Bei der österreichischen Stichprobe ist Zufall nicht ausschließbar (,186), während das Ergebnis in Deutschland deutliche Signikanz (,000) aufweist. Es existiert demzufolge ein Unterschied zwischen den beiden Ländern, wenngleich diese Abweichung der Annahme diametral entgegensteht, wonach der Effekt für die Abkömmlichkeit in Österreich größer ist. Für Österreich ist kein evidenter Nachweis anführbar. In Deutschland hingegen beeinusst die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz die ehrenamtliche Feuerwehrarbeit. Hypothese H9 ist somit nicht zu unterstützen. Jedoch bedarf es der Relativierung. Einerseits existiert eine beträchtliche Anzahl nicht-abkömmlicher Feuerwehrkräfte. Andererseits arbeiten zahlreiche Feuerwehrkräfte wohnortfern. Die Freiwilligen Feuerwehren versuchen seit geraumer Zeit der mangelnden Tagesverfügbarkeit zudem durch den (zusätzlichen) Einsatz der Feuerwehrkraft am Ort des Arbeitsplatzes entgegenzuwirken. Allerdings wird dieser Ansatz wiederum durch den hohen Anteil der Nichtabkömmlichkeit begrenzt, so dass auch darin kein Lösungsansatz der werktäglichen Dezitsituation erkennbar ist, von den Integrationsproblemen innerhalb der fremden Feuerwehr einmal abgesehen. Die Auswertung folgt aus Tabelle 12-9.
315
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-9
Ergebnisausgabe II für Hypothese H9 Ränge Tätigkeit in der FF nur außerhalb der Arbeitszeit (nicht abkömmlich von der Arbeitsstätte)
Land Deutschland
Österreich
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
ja
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
ja
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
955
957,09
914024,00
nein
1041
1036,49
1078982,00
Gesamt
1996 319
330,08
105297,00
nein
361
349,70
126243,00
Gesamt
680
Statistik für Testa Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Land Deutschland
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,002
Österreich
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,186
a. Gruppenvariable: Tätigkeit in der FF nur außerhalb der Arbeitszeit (nicht abkömmlich von der Arbeitsstätte)
Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen die mangelnde Erreichbarkeit der Feuerwehrkräfte während der werktäglichen Arbeitszeiten. Infolge dessen ist die ganzheitliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt oder nicht gegeben. Der Rangplatz der Feuerwehrkräfte, die während der Arbeitszeiten aufgrund der wohnortfernen Berufsausübung nicht aktiv sein können, ist etwas höher. Die für beide Länder beschriebenen Effekte manifestieren sich durch signikante Ergebnisse (,000 u. ,024). Ein relevanter Unterschied ergab sich nicht, obschon die Verfügbarkeitsquoten in Österreich deutlich bessere Ergebnisse aufweisen (vgl. 6.3.1 und 6.3.2). Der in Hypothese 9 unterstellte Effekt ist in Österreich gar geringfügig schwächer. Sie lässt sich auf Grundlage dessen nicht unterstützen.
316
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-10
Ergebnisausgabe III für Hypothese H9 Ränge Tätigkeit nur außerhalb Arbeitszeit da Beschäftigungsort nicht gleich Wohnort bzw. nicht in Wohnortnähe gelegen
Land Deutschland
Österreich
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
ja
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
ja
350
326,56
114296,50
nein
335
360,17
120658,50
Gesamt
685
nein Gesamt
1031
950,81
980285,50
982
1065,99
1046805,50
2013
Statistik für Testa Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Land Deutschland
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,000
Österreich
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
,024
a. Gruppenvariable: Tätigkeit nur außerhalb Arbeitszeit da Beschäftigungsort nicht gleich Wohnort bzw. nicht in Wohnortnähe gelegen
Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse lassen sich die erheblichen Verfügbarkeitsunterschiede nicht erklären. Jedoch sind die Untersuchungen von grundsätzlicher Natur, da sie erste Beziehungen andeuten, die zur eingeschränkten Funktionsfähigkeit des ehrenamtlichen Feuerwehrsystems beitragen. Es bedarf allerdings weiterer Untersuchungen, um Wirkzusammenhänge ganzheitlich aufzubereiten.
12.4.1.4 Hypothese
Hypothese 4 und Hypothese 10 Inhalt
Ergebnis
H4
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit ausgeprägter Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung am Arbeitsplatz des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen“
?
H10
„Effekt für Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung am Arbeitsplatz ist stärker in Österreich“
?
317
Untersuchungskonzept
Auf die Bedeutung der arbeitsplatzbezogenen Einüsse auf das Feuerwehrehrenamt in bereits eingegangen worden. Dabei ist objektivierbare Unterstützung des Arbeitgebers von zentraler Bedeutung. Diese Unterstützung des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen durch den Arbeitgeber korreliert extrem schwach (,082) mit der Dauer der Feuerwehrmitgliedschaft, während die Unterstützung der Feuerwehrtätigkeit durch die Arbeitskollegen keinen Zusammenhang zur Mitgliedsdauer zeigt. Tendenziell deutet sich eine Beziehung der Unterstützung durch den Arbeitgeber mit der Dauer des ehrenamtlichen Engagements an. Implizit könnte damit jedoch auch eine Würdigung der langen Betriebszugehörigkeit zum Ausdruck gebracht werden. Der in Hypothese H4 enthaltenen Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung werden die Ergebnisse zur Unterstützung durch Arbeitgeber und Arbeitskollegen gegenüber gestellt. Während vom Arbeitgeberverhalten Auswirkungen auf das Feuerwehrehrenamt der Mitarbeiter ausgehen, ist ein Einuss der Arbeitskollegen nicht nachweisbar, da das Ergebnis zu schwach (,021) korreliert und nicht hinreichend gegen Zufall abgesichert ist (,266). Eine ganzheitliche Unterstützung von Hypothese H4 erfolgt nicht. Tabelle 12-11
Ergebnisausgabe für Hypothese H4 Korrelationen Dauer der Mitgliedschaft in der FF Meine Tätigkeit wird vom Arbeitgeber unterstützt.
Korrelationskoefzient
,082**
Sig. (2-seitig)
,000
N
Spearman-Rho
2700
Korrelationskoefzient Meine Tätigkeit wird von den Kollegen unterstützt
,021
Sig. (2-seitig) N
,266 2690
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
Die Gegenüberstellung nationaler Ergebnisse der einzelnen Arbeitsplatzparameter begründet in Deutschland eine vergleichsweise stärkere Korrelation (,101) zwischen der Toleranz des Arbeitgebers und der Dauer der Feuerwehrmitgliedschaft, wenn auch der Korrelationskoefzient lediglich schwache Ausprägung zeigt. Damit einhergehend ist die Beziehung zwischen dauerhaften Feuerwehrmitgliedschaften in Deutschland sowie der Unterstützung und der Toleranz des Arbeitgebers. Zumal die österreichischen Erkenntnisse einer relevanten Irrtumswahrscheinlich (,322) unterliegen. Implizit deutet sich in Deutschland zudem eine größere Sensibilität des Feuerwehrmitgliedes für die Perspektive seines Arbeitgebers an, die es durch ergänzende Untersuchungen zu konkretisieren gilt. Die Unterstützung durch die Arbeitskollegen ist in beiden Ländern für die dauerhafte ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit unbedeutend. Im Kontext des Ländervergleichs ergeben sich die nachfolgenden Ergebnisse.
318
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-12
Ergebnisausgabe für Hypothese H10 Korrelationen Dauer der Mitgliedschaft in der FF
Land
Deutschland
Korrelationskoefzient Meine Tätigkeit wird vom ArbeitSig. (2-seitig) geber unterstützt. N
2005 ,034
Sig. (2-seitig) N
Österreich
,000
Korrelationskoefzient Meine Tätigkeit wird von den Kollegen unterstützt
SpearmanRho
,101**
,125 2001
Korrelationskoefzient Meine Tätigkeit wird vom ArbeitSig. (2-seitig) geber unterstützt. N Korrelationskoefzient Meine Tätigkeit wird von den Kollegen unterstützt
,038 ,322 695 -,018
Sig. (2-seitig) N
,638 689
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
Über die arbeitsplatzbezogenen Einüsse hinaus interessieren die persönlichen Einschätzungen der Feuerwehrkräfte, insbesondere vor dem Hintergrund individueller Motivationen und gesellschaftlicher Anerkennungsmechanismen. Diesen Inhalten sind die nachfolgenden Betrachtungen gewidmet.
12.4.1.5 Hypothese
Hypothese 5 und Hypothese 11 Inhalt
Ergebnis
H5
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit einer indirekten monetären Belohnung in Form einer Rentenversicherung“
?
H11
„Effekt für indirekte monetäre Belohnung in Form einer Rentenversicherung ist stärker in Deutschland“
?
Das klassische Ehrenamt sieht keine Gegenleistungen vor. Allerdings entfernt sich die Vorgehensweise in der Realität zusehends von diesen idealisierenden Annahmen (vgl. 11.2.4.3). Während staatliche Stellen diese Entwicklung immer noch zu tabuisieren versuchen, sind monetäre Vergütungen auch im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen längst etabliert (vgl. 11.5). Die Form der Vergütung ist dabei indes zu beachten, da sich motivationsschädliche Wirkungen einstellen können (vgl. 11.4). Aus diesem Grunde wurde ein Modell der indirekten Leistungsgewährung in Form einer Rentenversicherung als Untersuchungsgegenstand ge-
319
Untersuchungskonzept
wählt. Hypothese H5 kombiniert die Mitgliedsdauer mit dem Effekt für die Anrechnung ehrenamtlicher erbrachter Feuerwehrleistungen. Als Ergebnis folgt eine schwache negative Korrelation, die auf eine gegenläuge Tendenz hindeutet. Demzufolge ist die Anrechnung der Feuerwehrmitgliedschaft in einer Rentenversicherung mit zunehmender Dauer der ehrenamtlichen Tätigkeit weniger relevant. Bemerkenswert ist der eher ablehnende Schwerpunkt langjähriger Mitglieder. Im Umkehrschluss könnten neue oder junge Mitglieder darin durchaus einen Anreiz zur langfristigen Bindung an die Freiwillige Feuerwehr sehen. Allerdings wird die Signi kanzschwelle (,050) mit ,056 verpasst, so dass keine signi kante Aussage zu nationalen Ergebnisunterschieden vorliegt. Tabelle 12-13
Ergebnisausgabe für Hypothese H5 Korrelationen Dauer der Mitgliedschaft in der FF Anrechnung der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit in einer Rentenversicherung
Spearman-Rho
Korrelationskoefzient
-,035
Sig. (2-seitig) N
,056 3024
Der negative Zusammenhang der Gesamtstichprobe zur Untersuchung der Hypothese H11 resultiert in erster Linie aus den österreichischen Ergebnissen, die mit ,151 negativ korrelieren. Zufall kann ausgeschlossen werden. Die in Deutschland nachgewiesene schwache Korrelation (,019) ist mit ,375 nicht hinreichend gegen Zufall abgesichert. Die Mitgliedsdauer der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen und deren Anerkennungsbestreben in Form einer Rentenversicherung sind somit nicht signikant. Hypothese H11 ist im vergleichenden nationalen Kontext nicht zu unterstützen. Tabelle 12-14
Ergebnisausgabe für Hypothese H11 Korrelationen Dauer der Mitgliedschaft in der FF
Land Deutschland SpearmanRho Österreich
Anrechnung der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit in einer Rentenversicherung
Korrelationskoefzient
,019
Sig. (2-seitig)
,375
Anrechnung der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit in einer Rentenversicherung
Korrelationskoefzient
N
2234 -,151**
Sig. (2-seitig) N
**. Die Korrelation ist auf dem 0,01 Niveau signikant (zweiseitig).
,000 790
320
Untersuchungskonzept
Es erscheint indes sinnvoll, potenzielle Instrumente der Motivationsförderung ohne Einuss weiterer Merkmale zu untersuchen. Abschnitt 12.4.2 enthält entsprechende Betrachtungen. Zuvor gilt es zum Abschluss der Hypothesenprüfung noch auf Formen der Engagementwürdigung einzugehen.
12.4.1.6
Hypothese 6 und Hypothese 12
Hypothese
Inhalt
Ergebnis
H6
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit hoher Würdigung der Feuerwehrqualikationen sowie hoher Würdigung des ehrenamtlichen Engagements“
?
H12
„Effekt für die Qualikations- und Engagementwürdigung ist stärker in Österreich
?
Hypothese H6 liegt die Annahme zugrunde, dass von einer hohen gesellschaftlichen Würdigung positive Auswirkungen auf den Zusatznutzen in Form einer dauerhaften Mitgliedschaft ausgehen. Das Ergebnis zur Hypothese H6 unterliegt einer hohen Irrtumswahrscheinlichkeit (,436) bei gleichzeitig sehr schwacher Korrelation (,014) von Engagementwürdigung und Zusatznutzen. Hypothese H6 kann daher nicht unterstützt werden, wie Tabelle 12-15 im Einzelnen verdeutlicht. Tabelle 12-15
Ergebnisausgabe für Hypothese H6 Korrelationen Dauer der Mitgliedschaft in der FF
Spearman-Rho
Wie hoch ist die Anerkennung Ihrer freiwilligen Feuerwehrtätigkeit in der Gesellschaft?
Korrelationskoefzient
,014
Sig. (2-seitig)
,436
N
3044
Auch in der Vergleichsbetrachtung hat die Dauer der Feuerwehrzugehörigkeit keinen Einuss auf die Einschätzung der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit, weder im Gesamtkontext noch bei nationaler Differenzierung. Es gibt somit keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Engagementwürdigung und einer auf Langfristigkeit ausgerichteten Feuerwehrmitgliedschaft. Die Ergebnisse weisen sehr hohe Irrtumswahrscheinlichkeiten (,565 u. ,752) auf. Hypothese H12 kann somit nicht unterstützt werden.
321
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-16
Ergebnisausgabe für Hypothese H12 Korrelationen Dauer der Mitgliedschaft in der FF
Land Korrelationskoefzient Deutschland
Wie hoch ist die Anerkennung Ihrer freiwilligen Feuerwehrtätigkeit in der Gesellschaft?
Sig. (2-seitig) N
SpearmanRho Österreich
Wie hoch ist die Anerkennung Ihrer freiwilligen Feuerwehrtätigkeit in der Gesellschaft?
-,012 ,565 2249
Korrelationskoefzient
,011
Sig. (2-seitig)
,752
N
12.4.1.7
795
Zusammenfassung der Hypothesenprüfung
Abbildung 12-14 Hypothesen der Untersuchung I Hypothese
Inhalt
Ergebnis
H1
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit starkem Gemeinschaftsgefüge und ausgeprägtem Hilfeleistungsbedürfnis“
H2
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit hoher Qualität des Aus- und Fortbildungswesens“
+
H3
„Effekt für den Grundnutzen ist stärker mit guter Abkömmlichkeit des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen vom Arbeitsplatz “
H4
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit ausgeprägter Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung am Arbeitsplatz des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen“
H5
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit einer indirekten monetären Belohnung in Form einer Rentenversicherung“
H6
„Effekt für den Zusatznutzen ist stärker mit hoher Würdigung der Feuerwehrqualikationen sowie hoher Würdigung des ehrenamtlichen Engagements“
Abbildung 12-15 Hypothesen der Untersuchung II H7
„Effekt für das Gemeinschaftsgefüge und das Hilfeleistungsbedürfnis ist stärker in Österreich “
+
H8
„Effekt für die Qualität des Aus- und Fortbildungswesens ist stärker in Deutschland “
H9
„Effekt für die Abkömmlichkeit vom Arbeitsplatz ist stärker in Österreich“
H10
„Effekt für Akzeptanz, Toleranz und Anerkennung am Arbeitsplatz ist stärker in Österreich “
+
322
Untersuchungskonzept
H11
„Effekt für indirekte monetäre Belohnung in Form einer Rentenversicherung ist stärker in Deutschland“
H12
„Effekt für die Qualikations- und Engagementwürdigung ist stärker in Österreich
Die auf Basis der einleitend vorgestellten (Vor-) Befragung formulierten Hypothesen konnten in überwiegendem Maße nicht unterstützt werden. Sie fokussieren Kombinationen interessierender Merkmale. Diese Merkmale betrachten im konkreten Fall den Grund- und Zusatznutzen der ehrenamtlichen Feuerwehrstrukturen. Die „Unterstützungsquote“ der einzelnen Hypothesen unterstreicht die Komplexität des Gesamtsystems. Über dieses Untersuchungskonzept hinaus eignen sich zudem die Schwerpunktthemen der Befragung, um zusätzliche Zusammenhänge und Abweichungen innerhalb der Organisation der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland deskriptiv aufzeigen zu können. Ebenso vermag die ausschließlich deskriptive Gegenüberstellung (ohne Wechselwirkung mit zusätzlichen Einussgrößen) weiteren Erkenntnissen Geltung zu verschaffen.
12.4.2
Weitere Untersuchungsergebnisse
12.4.2.1
Motivationen der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen
Mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests können nunmehr die Proportionen der Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland untersucht werden, die ehrenamtliche Feuerwehrangehörige zu motivieren in der Lage sind. Die einzelnen Untersuchungsinhalte entstammen den Erkenntnissen der Vorbefragung, die es zu präzisieren gilt. Tabelle 12-17
Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF I Motivation Mitarbeit FF - Hilfeleistung für Mitmenschen * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja
Motivation Mitarbeit FF – Hilfeleistung für Mitmenschen
nein Gesamt
Anzahl % von Land Anzahl % von Land Anzahl % von Land
Österreich
Gesamt
2137
764
2901
94,0 %
93,9 %
94,0 %
136
50
186
6,0 %
6,1 %
6,0 %
2273
814
3087
100,0 %
100,0 %
100,0 %
323
Untersuchungskonzept
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
,027a
1
,870
Anzahl der gültigen Fälle
3087
Das Hilfeleistungsbedürfnis ist sowohl in Österreich wie auch in Deutschland die primäre Motivation zur Mitarbeit in den Freiwilligen Feuerwehren. Diese Dominanz lässt sich in erster Linie auf eine intrinsisch-altruistische Grundeinstellung zurückführen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die den Freiwilligen Feuerwehren immanente „innere Gemeinnützigkeit“ (vgl. 11.3.1.3) zur Klarheit beigetragen hat. Der Unterschied zwischen den Ländern beträgt lediglich 0,1 %. Er weist eine hohe Irrtumswahrscheinlichkeit (,870) auf und ist eindeutig nicht signikant. Hingegen zeigen die Auswertungen für den Indikator „Persönliche Selbstverwirklichung“ erheblich geringere Zustimmungswerte, die sich zudem mit 3,6 % signikant (,006) zwischen Österreich und Deutschland unterscheiden. Tabelle 12-18
Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF II Motivation Mitarbeit FF - Persönliche Selbstverwirklichung * Land Kreuztabelle Land
ja Motivation Mitarbeit FF – Persönliche Selbstverwirklichung
nein Gesamt
Deutschland
Österreich
299
77
376
13,1 %
9,5 %
12,2 %
1975
737
2712
86,9 %
90,5 %
87,8 %
2274
814
3088
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land Anzahl % von Land Anzahl % von Land
Gesamt
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
7,629a
1
,006
Anzahl der gültigen Fälle
3088
Ebenso zu differenzieren sind die Ergebnisse für die Motivation „Teamarbeit und Teamgeist, die bei Zustimmungswerten von 69,2 % wiederum in Deutschland eine um 7,2 % größere Bedeutung als in Österreich einnehmen. Dieser Unterschied ist eindeutig signikant (,000).
324
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-19 führt die Einzelheiten im Folgenden zusammen. Das Ergebnis induziert die Relevanz des traditionellen Kameradschaftsbegriffes sowie der Attribute „Langfristigkeit und Verlässlichkeit“, verbunden mit dem individuellen Bewusstsein im Einsatzfalle außerordentlichen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt werden zu können (vgl. 11.2.5). Tabelle 12-19
Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF III Motivation Mitarbeit FF - Teamarbeit und Teamgeist * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja
Motivation Mitarbeit FF – Teamarbeit und Teamgeist
nein Gesamt
Anzahl % von Land
2079
69,2 %
62,0 %
67,3 %
700
309
1009
30,8 %
38,0 %
32,7 %
2274
814
3088
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
505
Anzahl % von Land
Österreich
1574
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
14,039a
1
,000
Anzahl der gültigen Fälle
3088
Die Kameradschaft und das Gemeinschaftsgefüge innerhalb der Freiwilligen Feuerwehren charakterisieren weitere elementare Bestimmungsgrößen für die Mitwirkung. Der Differenz von 2,6 % mangelt es trotz der grundsätzlich hohen Zustimmung an Signikanz (,089). Kameradschaft im Sinne dieser Ausführungen weist zunächst eine enge Beziehung zur Teamarbeit auf. Sie ergänzt die Gedanken des Zusammenwirkens um ein besonderes Vertrauensverhältnis, das für die Aufgabenerfüllung der Feuerwehren unerlässlich ist (vgl. 11.2.5). So bestätigt diese Untersuchung letztlich die beständigen Werte und Ideale der Feuer wehrangehörigen.
325
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-20
Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF IV
Motivation Mitarbeit FF - Kameradschaft und Gemeinschaftssinn * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja Motivation Mitarbeit FF – Kameradschaft und Gemeinschaftssinn
nein Gesamt
Anzahl % von Land
2570
82,5 %
85,1 %
83,2 %
397
121
518
17,5 %
14,9 %
16,8 %
2274
814
3088
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
693
Anzahl % von Land
Österreich
1877
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
2,888a
1
,089
Anzahl der gültigen Fälle
3088
Dagegen ist die öffentliche Wahrnehmung innerhalb der Gesellschaft nur von marginaler Bedeutung. Im Kontext der Motivationstheorien wirken die dominierenden intrinsisch-altruistischen Motivationen der Hilfeleistung für die Mitmenschen den schwachen extrinsischen Orientierungen in Gestalt der gesellschaftlichen Anerkennung entgegen und egalisieren die Bedeutung derselben nahezu vollständig. Daraus folgt eine untergeordnete Relevanz. Zumal der Signikanztest (,467) eine hohe Zufälligkeit induziert. Tabelle 12-21
Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF V Motivation Mitarbeit FF - Anerkennung in der Gesellschaft * Land Kreuztabelle Land
ja Motivation Mitarbeit FFAnerkennung in der Gesellschaft
nein Gesamt
Deutschland
Österreich
212
83
295
% von Land
9,3 %
10,2 %
9,6 %
Anzahl
2062
731
2793
90,7 %
89,8 %
90,4 %
2274
814
3088
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl
% von Land Anzahl % von Land
Gesamt
326
Untersuchungskonzept
Chi-Quadrat-Test Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
,530a
1
,467
Anzahl der gültigen Fälle
3088
Des Weiteren sind der organisatorische Aufbau und somit die kommunale Zuordnung für die Motivation zur Mitwirkung eher unerheblich. Das Örtlichkeitsprinzip der Freiwilligen Feuerwehren und die Identizierung mit der Gemeinde bedürfen daher einander nicht, insbesondere vor dem Hintergrund des überragenden Hilfeleistungsbedürfnis der österreichischen und deutschen Feuerwehrangehörigen. Mit diesen Ergebnissen erweisen sich zudem Verlautbarungen verschiedener Feuerwehrverbände als unzutreffend, nach denen die Mitwirkung bei der Freiwilligen Feuerwehr als Begründung der Organisationsstruktur u. a. auf eine hohe kommunale Identikation zurückzuführen sei. Tabelle 12-22
Ergebnisausgabe für Motivationen zur Mitarbeit bei der FF VI Motivation Mitarbeit FF - Identizierung mit der Gemeinde * Land Kreuztabelle Land
ja Motivation Mitarbeit FF – Identizierung mit der Gemeinde
nein Gesamt
Deutschland
Österreich
338
106
444
14,9 %
13,0 %
14,4 %
1935
709
2644
85,1 %
87,0 %
85,6 %
2273
815
3088
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land Anzahl % von Land Anzahl % von Land
Gesamt
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
1,693a
1
,193
Anzahl der gültigen Fälle
3088
Weitere Ergebnisse zur Erforschung der multiplen Motivationen ehrenamtlicher Feuerwehrkräfte enthält Tabelle 12-21. Die Beantwortung der einzelnen Motivationen basiert auf Skalierungen in insgesamt sechs Stufen. Das Gewicht der Abstufungen variiert von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft voll und ganz zu“. Sie werden in der nachfolgenden Tabelle in der Spalte „Mittelwert“ wiedergegeben. Als Ergebnis resultieren die Mittelwertdifferenzen der Motivationen in den beiden Ländern.
327
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-23
Ergebnisausgabe für skalierte Motivationsindikatoren Gruppenstatistiken Land
In der FF weil gerne gemeinnützig tätig
Deutschland
In der FF weil ich in Not geratenen gerne Hilfe leiste
Deutschland
weil ich die Kameradschaft in der FF schätze
Deutschland
weil ich soziale Verantwortung übernehmen möchte
Deutschland
weil die FF ein Ausgleich zum Berufsleben ist
Deutschland
weil die FF förderlich für meine Berufsausübung ist
Deutschland
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardfehler des Mittelwertes
2255
4,91
1,103
,023
801
5,20
1,071
,038
2258
5,52
,842
,018
809
5,66
,724
,025
2262
5,28
,998
,021
809
5,56
,791
,028
2262
4,78
1,673
,035
803
4,83
1,175
,041
2261
3,96
1,664
,035
801
4,01
1,671
,059
2252
2,52
1,667
,035
794
2,53
1,627
,058
Deutschland weil die FF förderlich für meine Berufsentwicklung ist Österreich
2248
2,52
1,679
,035
798
2,45
1,604
,057
weil die FF eine positive Selbsterfahrung ist
Deutschland
2256
4,76
1,136
,024
weil ich mich mit den Aufgaben der FF identiziere
Deutschland
weil ich damit wertvolle Erfahrungen für meine Persönlichkeit verbinde
Deutschland
Österreich Österreich Österreich Österreich Österreich Österreich
Österreich Österreich
Österreich
801
4,94
1,133
,040
2262
5,05
1,067
,022
802
5,02
1,113
,039
2262
4,70
1,215
,026
800
4,78
1,206
,043
Überwiegend erfahren die aufgeführten Motivationen mittlere bis hohe Zustimmung. Lediglich der qualikationsbegründete „Mehrwert“ des ehrenamtlichen Feuerwehrengagements für die Berufsausübung und die Berufsentwicklung folgt dieser grundsätzlichen Einstufung nicht. Höchst signikante Ergebnisse weisen die Parameter in den Bereichen „Gemeinnützigkeit“ (,000), „Hilfeleistungsbestreben“ (,000) „Kameradschaft“ (,000) und „positive Selbsterfahrung“ (,000) auf, während die verbleibenden Motivationen nicht gegen Zufall abgesichert sind. Deskriptiv mögen diese Unterschiede geringfügig erscheinen; sie können jedoch zufällig sein und lassen sich somit nicht interpretieren.
328 12.4.2.2
Untersuchungskonzept
Zeitaufwand für die ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit
Die Freiwilligen Feuerwehren protieren von den Zeitanteilen, die ihre Angehörigen bereitzustellen bereit oder in der Lage sind. Die Angaben für Österreich und Deutschland weichen insbesondere an den oberen und unteren Grenzen ab. Der Schwerpunkt der bundesdeutschen Verteilung liegt mit 74 % zwischen einer und acht Stunden pro Woche. Die österreichischen Feuerwehrkräfte wenden ihre verfügbaren Freizeitanteile innerhalb dessen zu 66 % auf. Oberhalb eines Zeitaufwandes von mehr als 8 Stunden reduziert sich die Aktivität deutlich. Die Darstellung vermag die Notwendigkeit der hohen Mitgliederzahlen herauszustellen, deren individuelle Kapazitäten symbiotisch zusammenwirken, um letztlich den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren sicherzustellen. Die ermittelten Ergebnisse sind signikant (,003). Tabelle 12-24
Ergebnisausgabe für den wöchentlichen Zeitaufwand für FF-Tätigkeit Deutschland Zeitanteile
Anzahl
weniger als 1 Stunde
Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Österreich
Anzahl der Spalten (%)
Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
58
2,6 %
67
8,4 %
von 1 bis unter 3 Stunden
494
21,8 %
207
25,9 %
von 3 bis unter 5 Stunden
655
28,9 %
189
23,6 %
von 5 bis unter 8 Stunden
528
23,3 %
132
16,5 %
von 8 bis unter 10 Stunden
229
10,1 %
62
7,8 %
von 10 bis unter 12 Stunden
128
5,6 %
51
6,4 %
von 12 bis unter 15 Stunden
75
3,3 %
41
5,1 %
4,4 %
51
6,4 %
mehr als 15 Stunden
99
Ränge Land Wie viel Freizeit wenden Sie für Ihre FF-Tätigkeit durchschnittlich pro Woche auf?
Deutschland Österreich Gesamt
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
2266
1561,07
3537387,50
800
1455,40
1164323,50
3066
Die Feuerwehrkräfte in Deutschland belegen höhere Kodierzahlen in den Rangfolgen. Sie sind im mittleren Rangplatz um moderate 3,45 % höher.
329
Untersuchungskonzept
12.4.2.3
Feuerwehrfremde Tätigkeiten
Der Faktor (Frei-) Zeit gilt im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen als wertvolle Ressource. Der Einsatz dieser Ressource ist demzufolge sorgfältig abzuwägen und auf wesentliche Feuerwehraufgaben sowie das Ausbildungswesen zu konzentrieren, um die wie vor beschriebenen Zeitanteile vorwiegend dem gesetzlichen Auftrag widmen zu können. Dennoch neigen die Freiwilligen Feuerwehren in beiden Ländern zur Unterstützung und Abwicklung von Fremdaufgaben. Ungeachtet der wünschenswerten Integration in die örtliche Gemeinschaft distanzieren sich die Feuerwehren dadurch von ihren Kernaufgaben, zumal wertvolle (Frei-) Zeitanteile ungenutzt bleiben. Insbesondere die feingliedrigen Kommunalstrukturen befördern diese Entwicklung, da die Freiwilligen Feuerwehren in ländlichen Regionen oftmals über die letzten funktionsfähigen Strukturen verfügen (vgl. Hagenhofer: 2005, 2). Daher ist zu befürchten, dass sich diese Tendenzen manifestieren und die Freiwilligen Feuerwehren in beträchtlichem Maße auf Fremdleistungen reduziert werden. In diesem Kontext seien die folgenden Untersuchungsergebnisse angeführt. Tabelle 12-25
Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten I
Als FF Mitglied -Absperrmaßnahmen für Sportveranstaltungen * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja Als FF Mitglied -Absperrmaßnahmen für Sportveranstaltungen
nein Gesamt
Anzahl % von Land
1830
62,6 %
76,3 %
66,3 %
759
173
932
37,4 %
23,7 %
33,7 %
2031
731
2762
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
558
Anzahl % von Land
Österreich
1272
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
45,156a
1
,000
Anzahl der gültigen Fälle
2762
In beiden Ländern wurden erhebliche Kontingente ehrenamtlicher Feuerwehrkräfte bereits mindestens einmal für Absperrmaßnahmen bei Sportveranstaltungen eingesetzt. Mit über 76 % überwiegen die Tätigkeiten der österreichischen Feuerwehrehrenamtler deutlich. Das Ergebnis ist signikant (,000); es ist hinreichend gegen Zufallseinüsse abgesichert. Die ausgesprochen hohen feuerwehrfremden Verwendungsquoten setzen sich für den Einsatzbereich der „Absperrmaßnahmen für Großveranstaltungen fort“ und übersteigen sogar noch die zuvor dargelegten Prozentsätze. In Österreich zeigt sich eine nahezu 80 pro-
330
Untersuchungskonzept
zentige Fremdverwendung, obgleich der Anstieg der deutschen Werte ähnlich ausgeprägt verläuft. Die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland sind als signi kant einzustufen. Tabelle 12-26
Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten II
Als FF Mitglied -Absperrmaßnahmen für Großveranstaltungen * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja Als FF Mitglied – Absperrmaßnahmen für Großveranstaltungen
nein Gesamt
Anzahl % von Land
2145
73,8 %
79,3 %
75,2 %
552
154
706
26,2 %
20,7 %
24,8 %
2106
745
2851
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
591
Anzahl % von Land
Österreich
1554
Chi-Quadrat-Test Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
9,065a
1
,003
Anzahl der gültigen Fälle
2762
Die weiteren Untersuchungen bestätigen die übermäßige Fremdverwendung der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen in Österreich, die sich im konkreten Fall der „Parkplatzeinweisung für diverse Veranstaltungen“ eindeutig von den bundesdeutschen Daten abheben. So gaben in Österreich mehr als 75 % der Teilnehmer den im Sinne der gesetzlichen Aufgabenstellung als „feuerwehrfremd“ zu betrachtenden Einsatz an. Mit dieser beachtenswerten Größenordnung ist eine enorme Fremdfrequentierung des personellen Potenzials der Freiwilligen Feuerwehren verbunden. Es bedarf der unbedingten Abwägung und Begrenzung derartiger Einsätze. Einerseits aus Gründen des adäquaten fachbezogenen Personaleinsatzes, andererseits zur langfristigen Sicherung der Ressourcen. Tabelle 12-27 führt die österreichischen und deutschen Ergebnisse zusammen. Trotz der deutlichen Differenz für die Verwendung „Parkplatzeinweisung“ zeigen sich diesbezüglich auch in Deutschland gewichtige prozentuale Drittverwendungen.
331
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-27
Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten III
Als FF Mitglied -Parkplatzeinweisung für div. Veranstaltungen * Land Kreuztabelle Land
ja Als FF Mitglied – Parkplatzeinweisung für div. Veranstaltungen
nein Gesamt
Deutschland
Österreich
955
560
1515
48,5 %
75,6 %
55,9 %
1015
181
1196
51,5 %
24,4 %
44,1 %
1970
741
2711
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land Anzahl % von Land Anzahl % von Land
Gesamt
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
1,604a
1
,000
Anzahl der gültigen Fälle
2711
Analog den erhobenen Daten der bisher untersuchten Verwendungsgebiete folgen für die „Mitwirkung bei Volksfesten“ erneut ausgesprochen prominente Einsatzquoten. Das Ergebnis ist signikant und ohne zufällige Einüsse (,000). Tabelle 12-28
Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten IV Als FF Mitglied -Mitwirkung bei Volksfesten * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja
Als FF Mitglied – Mitwirkung bei Volksfesten
nein Gesamt
Anzahl % von Land Anzahl % von Land Anzahl % von Land
Österreich
Gesamt
1615
624
2239
77,8 %
84,9 %
79,7 %
461
111
572
22,2 %
15,1 %
20,3 %
2076
735
2811
100,0 %
100,0 %
100,0 %
332
Untersuchungskonzept
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
16,902a
1
,000
Anzahl der gültigen Fälle
2811
Die Tendenz der Untersuchung bleibt konstant. In jeder Kategorie der feuerwehrfremden Verwendungen dominieren die österreichischen Ergebnisse. Damit stehen implizit geringere Zeitanteile für aufgabenkonforme Tätigkeiten zur Verfügung, denen zweifelsohne nicht die im Rahmen dieser Studie aufgeführten Beispiele zugerechnet werden können. Hinsichtlich der Einsätze zur Brauchtumspege sei auf Tabelle 12-29 verwiesen. Tabelle 12-29
Ergebnisausgabe für die Wahrnehmung feuerwehrfremder Tätigkeiten V Als FF Mitglied -Veranstaltung der Brauchtumspege * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja
Als FF Mitglied – Veranstaltung der Brauchtumspege
nein Gesamt
Anzahl % von Land
1980
70,6 %
81,5 %
73,4 %
588
129
717
29,4 %
18,5 %
26,6 %
1999
698
2697
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
569
Anzahl % von Land
Österreich
1411
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
16,902a
1
,000
Anzahl der gültigen Fälle
2811
12.4.2.4
Persönliche Schutzausrüstung
Neben einer angemessenen technischen Ausstattung sowie eines ausreichenden Personalansatzes bedürfen die Feuerwehrangehörigen selbst einer zeitgemäßen Schutzausrüstung. Diese bereitzustellen ist eine elementare Aufgabe der jeweiligen Gemeinde. Ob und inwieweit die Kommunen ihren Feuerwehrkräften diese Ausrüstung zur Verfügung stellen, soll nunmehr untersucht werden. Tabelle 12-28 stellt die Ergebnisse zunächst im Überblick vor.
333
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-30
Ergebnisausgabe für die persönliche Schutzausrüstung (PSA) Deutschland
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Ausrüstungsgegenstand
Anzahl
,013
PSA gemäß DIN EN 469 vorhanden?
ja
,062
PSA (hier: Feuerwehschutzhandschuhe) privat erworben?
ja ja
,012
PSA (hier: Feuerwehrschutzschuhwerk, Stiefel) privat erworben?
,049
FME persönlich beschafft?
,888
PSA (hier: Feuerwehrschutzkleidung) privat erworben?
ja
,293
PSA (hier: Feuerwehrschutzhelm) privat erworben?
ja
,004
PSA (hier: sonstiges) privat erworben?
ja
nein ja nein nein nein
nein
Österreich Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
2162
95,9 %
752
93,8 %
92
4,1 %
50
6,2 %
nein nein
Anzahl der Spalten (%)
259
11,9 %
112
14,5 %
1921
88,1 %
662
85,5 %
508
23,0 %
145
18,7 %
1704
77,0 %
632
81,3 %
149
7,0 %
37
4,9 %
1986
93,0 %
714
95,1 %
202
9,4 %
70
9,2 %
1948
90,6 %
689
90,8 %
114
5,4 %
48
6,4 %
2006
94,6 %
701
93,6 %
209
9,4 %
48
6,0 %
2021
90,6 %
748
94,0 %
Etwa 94 % (Österreich) und knapp 96 % (Deutschland) der teilnehmenden Feuerwehrkräfte gaben an, dass Ihnen standardisierte Schutzausrüstung mit denierter Flammschutzwirkung nach DIN EN 469 zur Verfügung steht. Die Gemeinden in beiden Ländern statten die Feuerwehrangehörigen demzufolge in überwiegender Anzahl adäquat mit Schutzanzügen aus. Dieses Ergebnis ist nicht zufällig und signikant auf dem 5 %-Niveau (,013). Dennoch sehen Feuerwehrangehörige die Notwendigkeit weitere Ausrüstungsbestandteile aus Eigenmitteln zu nanzieren. Insbesondere Schuhwerk wurde in Österreich von 18,7 % und in Deutschland von 23,0 % der ehrenamtlichen Kräfte aus eigener Liquidität beschafft. Der Ergebnisunterschied unterliegt keinen zufälligen Einüssen und ist signikant (,012). Weitere Beschaffungserfordernisse in knapp signikanter Ausprägung (,049) resultieren aus der persönlichen Beschaffung von Funkmeldeempfängern (FME). Die verbleibenden Ergebnisse sind nicht hinreichend gegen Zufall abgesichert. Grundsätzlich deuten die erhobenen Daten auf einen guten Ausbildungsstandard bei den Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland hin. Bei Gesamtbetrachtung ist die Verbreitung von Schutzkleidung nach EN 469 in Deutschland geringfügig besser. Demgegenüber weisen die privaten Beschaffungen von weiteren Ausrüstungsgegenständen im Kontext der signikanten Unterschiede höhere Eigenanteile für Deutschland aus.
334
Untersuchungskonzept
12.4.2.5
Arbeitsmedizinische und seelsorgliche Betreuung
Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sind als weitere Basisvoraussetzungen für den Feuerwehrdienst zu betrachten, ungeachtet ob die Aufgabenerfüllung durch ehren- oder hauptamtliche Strukturen erfolgt. Es gilt auf Momente höchster physischer und psychischer Anstrengungen vorzubereiten und dieselben mitunter nachbereitend zu begleiten. In Österreich wünschen sich 47,3 % der befragten Feuerwehrangehörigen eine intensivere arbeits- und sportmedizinische Betreuung; in Deutschland äußerten gar 52,2 % diesen Wunsch, obwohl in beiden Ländern entsprechende medizinische Untersuchungsgrundsätze zu berücksichtigen sind. Diese zielen jedoch nur auf die wiederkehrende ärztliche Sichtung in Abständen von ein bis drei Jahren ab, ohne in der Zwischenzeit obligatorische, beratende oder unterstützende arbeits- und sportmedizinische Begleitungen anzubieten. Die Differenzen sind zudem signikant (,017). Im Einzelnen sei auf Tabelle 12-31 verwiesen: Tabelle 12-31
Ergebnisausgabe für die arbeits- und sportmedizinische Betreuung
Wünschen Sie sich eine intensivere arbeits- und sportmedizinische Betreuung? * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja Wünschen Sie sich eine intensivere arbeits- und sportmedizinische Betreuung?
nein Gesamt
Anzahl % von Land
1558
52,2 %
47,3 %
50,9 %
1080
421
1501
47,8 %
52,7 %
49,1 %
2260
799
3059
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
378
Anzahl % von Land
Österreich
1180
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
5,679a
1
,017
Anzahl der gültigen Fälle
3059
Im Vergleich zur sportmedizinischen Betreuung stellte sich ein insgesamt geringeres Interesse an seelsorglicher Betreuung ein. Allerdings unterliegen die Abweichungen österreichischer und deutscher Ergebnisse hohen Irrtumswahrscheinlichkeiten, so dass differenzierte Einordnungen nicht belastbar sind. Wenn auch die Einzelergebnisse infolge der potentiell zufälligen Einschätzungen nicht gegenübergestellt werden können, lassen sich auch für seelsorgliche Grundsatz- und Unterstützungsleistungen Aufwertungserfordernisse ableiten. Insbesondere junge Feuerwehrangehörige scheinen unterstützungsbedürftig. Insgesamt beschreiben die Untersuchungsergebnisse einen grundsätzlichen Bedarf an kontinuierlicher
335
Untersuchungskonzept
und nicht ereignisbezogener Betreuung. Diese einzurichten und dauerhaft zu gestalten erfordert nicht nur nachhaltige nanzielle Aufwendungen. Vielmehr sind im Bereich der Freiwilligen Feuerwehren vorwiegend organisatorische Aufgaben in Form fortlaufender sport- und arbeitsmedizinischer Unterstützung (Beispiel: Individuelle Trainingspläne) oder regelmäßiger Supervisionen zu lösen. Tabelle 12-32 führt die nationalen Ergebnisse zusammen: Tabelle 12-32
Ergebnisausgabe für die seelsorgliche Betreuung
Wünschen Sie sich eine intensivere seelsorgliche bzw. psychologische Betreuung? * Land Kreuztabelle Land Deutschland ja Wünschen Sie sich eine intensivere seelsorgliche bzw. psychologische Betreuung?
nein Gesamt
Anzahl % von Land
1373
45,9 %
44,2 %
45,4 %
1207
443
1650
54,1 %
55,8 %
54,6 %
2229
794
3023
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
351
Anzahl % von Land
Österreich
1022
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
,638a
1
,424
Anzahl der gültigen Fälle
3023
12.4.2.6
Wirtschaftliche Situation der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte
Vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Begleiterscheinungen ist der Einuss der persönlichen wirtschaftlichen Situation des einzelnen Feuerwehrangehörigen auf die ehrenamtliche Feuerwehraktivität zu untersuchen. Infolge des freizeitgebundenen Organisationscharakters sind dahingehende Einschränkungen zu befürchten, dass von der Verschlechterung der individuellen wirtschaftlichen Konstellation negative Wechselwirkungen für das Feuerwehrehrenamt ausgehen. Möglicherweise sehen sich Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren der Notwendigkeit zur Leistung von Mehrarbeit oder zur Annahme von Zusatzbeschäftigung ausgesetzt. Damit einhergehend ist die Reduzierung von Freizeitanteilen, die u. a. für die Feuerwehrtätigkeit sodann nicht mehr zur Verfügung stehen. So gaben 24,3 % der teilnehmenden Feuerwehrmitglieder in Deutschland eine Beziehung zwischen den genannten Faktoren an, während in Österreich mit 17,3 % signikant (,000) geringere Zusammenhänge konstatierbar sind.
336 Tabelle 12-33
Untersuchungskonzept
Ergebnisausgabe für die wirtschaftliche Situation der Feuerwehrkräfte I
Hängt der Umfang Ihrer Mitwirkung bei der FF von Ihrer wirtschaftlichen Situation ab? * Land Kreuztabelle Land
ja Hängt der Umfang Ihrer Mitwirkung bei der FF von Ihrer wirtschaftlichen Situation ab?
nein Gesamt
Deutschland
Österreich
549
138
687
24,3 %
17,3 %
22,5 %
1710
658
2368
75,7 %
82,7 %
77,5 %
2259
796
3055
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land Anzahl % von Land Anzahl % von Land
Gesamt
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
16,386a
1
,000
Anzahl der gültigen Fälle
3055
Es ergeben sich demzufolge in Deutschland größere Einüsse okönomisch orientierter Gestaltungsmöglichkeiten auf die ehrenamtliche Feuerwehrarbeit. Zumal die Ergebnisunterschiede deutliche Ausprägungen aufweisen. Diese Tendenz wird durch potenzielle Reduzierung der Feuerwehraktivität infolge der persönlichen wirtschaftlichen Situation unterstützt, wie Tabelle 12-34 herauszuheben vermag. Danach sehen mehr als 68 % der freiwilligen Feuerwehrkräfte in Deutschland in der Verkürzung der Feuerwehraktivitäten ein probates Mittel zur Kompensation persönlicher wirtschaftlicher Veränderungen, während lediglich knapp 50 % des befragten Mitgliederbestandes der österreichischen Feuerwehren darin einen ausgleichenden Ansatz sehen. Im Ergebnis zeigt sich somit eine deutlich größere Sensibilität der deutschen Feuerwehrkräfte für die individuelle wirtschaftliche Situation, die das ehrenamtliche Feuerwehrsystem insgesamt in seiner Leistungsfähigkeit erheblich einzuschränken in der Lage ist. In Österreich drohen tendenziell vergleichbare Entwicklungen, wenn auch die Ausprägung und die Intensität derselben grundsätzlich geringeren Umfanges sind. Die Ergebnisunterschiede zwischen den beiden Ländern weisen eindeutig signikante Abhängigkeiten auf (,000).
337
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-34
Ergebnisausgabe für die wirtschaftliche Situation der Feuerwehrkräfte II
Würden Sie Ihre Mitwirkung in der FF reduzieren, wenn SIe mehr Zeit für die Erwirtschaftung Ihres Lebensunterhalts aufbringen müssten? * Land Kreuztabelle Land Deutschland Würden Sie Ihre Mitwirkung in der FF reduzieren, wenn Sie mehr Zeit für die Erwirtschaftung Ihres Lebensunterhalts aufbringen müssten?
ja nein Gesamt
Anzahl % von Land
395
1926
68,4 %
49,8 %
63,5 %
708
398
1106
31,6 %
50,2 %
36,5 %
Anzahl % von Land
Gesamt
1531
Anzahl % von Land
Österreich
2239
793
3032
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
87,131a
1
,000
Anzahl der gültigen Fälle
3032
Die Ergebnisse verdeutlichen eine Beziehung zwischen den gesamtwirtschaftlichen Realitäten und der Funktionsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehr. Zwar vermag die Mitgliederstärke der ehrenamtlichen Feuerwehrorganisation in Österreich und Deutschland sehr wohl zur Kompensation derartiger Auswirkungen beizutragen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass durch gesamtstaatliche Erscheinungen, die mit Konstanz über einen längeren Zeitraum anhalten, das System der Freiwilligen Feuerwehren in seiner Leistungsfähigkeit und Funktionalität (zusätzlich) begrenzt wird.
12.4.2.7
Anerkennung für die ehrenamtliche Feuerwehrtätigkeit
Die Form der Belohnung und Anerkennung für den ehrenamtlichen Feuerwehrdienst variiert zwischen immateriellen Auszeichnungen mit hohem Symbolcharakter über indirekte monetäre Leistungen bis hin zu direkten pauschalen oder aktivitätsabhängigen monetären Vergütungen (vgl. 11.5). Es gilt nunmehr die bisherige Anerkennungspraxis bei den Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland zu untersuchen bevor nachfolgend die Wünsche der Feuerwehrkräfte vorzustellen sind.
338
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-35
Ergebnisausgabe für die bisherige Anerkennungspraxis Deutschland
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Form der Anerkennung
Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
Österreich Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
,295
Anerkennung für FF Tätigkeit – keine
ja
651
28,8 %
213
26,9 %
nein
1606
71,2 %
579
73,1 %
,000
Anerkennung für FF Tätigkeit – Feuerwehrehrenzeichen
ja
1036
45,9 %
460
58,1 %
nein
1221
54,1 %
332
41,9 %
ja
331
14,7 %
18
2,3 %
,000
Anerkennung für FF Tätigkeit - Zahlung monatlicher pauschalen Aufwandsentschädigung
1926
85,3 %
774
97,7 %
Anerkennung für FF Tätigkeit – Zahlung monatlicher aktivitätsabhängigen Aufwandsentschädigung
ja
517
22,9 %
77
9,7 %
,000
1740
77,1 %
714
90,3 %
Anerkennung für FF Tätigkeit – Anrechnung der Feuerwehrtätigkeit in einer Rentenversicherung
ja
47
2,1 %
9
1,1 %
,088
2210
97,9 %
783
98,9 %
,000
Anerkennung für FF Tätigkeit – Ehrenamtsplaketten
250
11,1 %
139
17,6 %
2007
88,9 %
653
82,4 %
,000
Anerkennung für FF Tätigkeit - sonstiges
nein
nein
nein ja nein ja nein
247 2010
10,9 % 89,1 %
41 751
5,2 % 94,8 %
Bisher erhielten 28,8 % der deutschen Feuerwehrkräfte noch keine Anerkennung, ungeachtet der Anerkennungsform; in Österreich betrug das Ergebnis 26,9 % der Befragten. Mit einem Wert von ,295 deutet der Signikanztest indes auf zufällige Einüsse hin. Deutlich signikant (,000) sind hingegen die Aussagen zur Verleihung von Feuerwehrehrenzeichen. Diese immaterielle Auszeichnung bedarf einer langjährigen Mitgliedschaft. Infolge der wesentlich größeren Zustimmungswerte in der österreichischen Stichprobe (58,1 %) erscheint das dortige Mitgliedergefüge insgesamt gefestigter, also eine höhere Afnität zu langfristigen Feuerwehrengagements aufzuweisen. Jedoch zeugt auch das bundesdeutsche Ergebnis von einem im Kern auf Langfristigkeit ausgerichteten Mitgliederbestand. Hinsichtlich der Gewährung direkter monetärer Entschädigungen differieren die österreichischen und deutschen Stichprobenwerte erheblich; so erhalten 14,9 % der befragten deutschen (ehrenamtlichen) Feuerwehrangehörigen eine pauschale monatliche Aufwandsentschädigung, während lediglich 2,3 % der österreichischen Feuerwehrkräfte den Erhalt von Zahlungen angaben. Weitaus größere Kreise beziehen in beiden Ländern aktivitätsabhängige (z. B. geleistete Einsatzstunden) Gegenleistungen. So beziehen bereits 22,9 % der deutschen und 9,7 % der österreichischen Feuerwehrkräfte aufwandsbezogene monetäre
339
Untersuchungskonzept
Leistungen. Die Ergebnisse zur Gewährung direkter monetärer Vergütungen sind höchst signikant (,000). Als Leistung mit indirektem monetärem Charakter gilt die Möglichkeit zur Anrechnung konkret erbrachter Leistungen in einer Rentenversicherung. Die Verbreitung derselben ist ausgesprochen gering; die Ergebnisunterschiede zeigen zudem eine hohe Irrtumswahrscheinlichkeit (,888). Eine relativ neue Form der Auszeichnung sind so genannte Ehrenamtsoder Partnerschaftsplaketten, die auf die grundsätzliche Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements hinweisen. Sie werden häug an externe Dritte (z. B. Firmeninhaber, die ehrenamtliche Feuerwehrangehörige freistellen) verliehen und stellen keine klassische immaterielle Auszeichnung im Feuerwehrwesen dar, wenn auch die Bedeutung aufgrund der starken politischen Konnotation zunehmen wird. Die Untersuchungsergebnisse widersprechen zudem der staatlich suggerierten Unentgeltlichkeit des Ehrenamtes (11.5). Es existiert vielmehr eine etablierte Anerkennungskultur, die monetäre Leistungsgewährungen ausdrücklich beinhaltet und insoweit anders lautende Darstellungen ad absurdum führt. Diskussionswürdig mögen dabei im Einzelfall sicherlich die Bemessungskriterien sowie der Umfang der einzelnen Maßnahmen anmuten. Die bereits erfolgte Verankerung lässt sich hingegen nicht mehr revidieren. Sie scheint eher als akzeptierte Systemvoraussetzung einigen Ehrenamtsbereichen längst immanent zu sein. Daher sind den beschriebenen Leistungen sind nunmehr die Wünsche der Feuerwehrangehörigen gegenüberzustellen. Dabei basiert Beantwortung der einzelnen Items auf Skalierungen in insgesamt sechs Stufen. Das Gewicht der Abstufungen variiert von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft voll und ganz zu“. Sie werden in der nachfolgenden Tabelle in der Spalte „Mittelwert“ wiedergegeben. Der Signikanztest erfolgt durch den T-Test bei unabhängigen Variablen. Als Ergebnis resultieren die Mittelwertdifferenzen der Anerkennungswünsche in den beiden Ländern. Tabelle 12-36
Ergebnisausgabe für die Anerkennungswünsche der Feuerwehrkräfte Gruppenstatistiken Land
Anerkennung durch kostenlose Nutzungsmöglichkeit von kommunalen Einrichtungen, wie z.B. Schwimmbad
Deutschland
Berücksichtigung der Feuerwehrtätigkeit als Kriterium bei Arbeitsstellenbesetzungen im öffentlichen Dienst
Deutschland
Steuerliche Vergünstigungen für geleistete und nachweisbare freiwillige Feuerwehrtätigkeiten
Deutschland
Anerkennung durch Miet- oder Wohngeldzuschüsse
Deutschland
Österreich
Österreich
Österreich
Österreich
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardfehler des Mittelwertes
2247
4,36
1,797
,038
787
3,72
1,997
,071
2223
4,12
1,814
,038
791
4,07
1,775
,063
2233
4,22
2,211
,047
796
3,72
2,477
,088
2229
3,09
1,976
,042
794
2,97
1,993
,071
340
Untersuchungskonzept
Land
Anerkennung durch Einladungen zu kulturellen, sportlichen oder sonst. Veranstaltungen
Deutschland
Anrechnungsfähigkeit von Feuerwehrausbildungen in Ausbildung, Studium und Beruf
Deutschland
Zahlung einer monatlichen Aufwandsentschädigung
Deutschland
Zahlung einer aktivitätsabhängigen Aufwandsentschädigung
Deutschland
Österreich
Österreich
Österreich
Österreich
Anrechnung der ehrenamtlichen Deutschland Feuerwehrtätigkeit in einer RentenÖsterreich versicherung
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardfehler des Mittelwertes
2244
3,64
2,205
,047
797
3,49
1,826
,065
2225
3,72
1,880
,040
789
3,62
1,955
,070
2235
3,08
2,112
,045
790
2,20
1,640
,058
2233
3,62
1,972
,042
788
2,55
1,798
,064
2237
4,16
2,050
,043
795
3,41
2,082
,074
In Deutschland zeigen sich bei jedem Element der Befragung höhere Skalenwerte. Die Zustimmung für den Bereich „Direkte monetäre Entschädigungen“ tendiert in Deutschland bei Mittelwerten von 3,08 und 3,62 zur Bewertung „zutreffend“, während sich in Österreich (2,20 und 2,55) eine eher nichtzutreffende Ausrichtung einstellt. Die Ergebnisse für diesen Bereich sind höchst signikant (,000), ebenso wie die Erkenntnisse für nichtmonetäre Leistungen. Dabei zeigen die Auswertungen für die Elemente „Steuerliche Vergünstigungen“ und „Anrechnung der Feuerwehrtätigkeit in einer Rentenversicherung“ den Wunsch der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte zur Etablierung ergänzender Anreizstrukturen. Im Sinne des „Crowding-Out-Ansatzes“ sind diese monetären Zuwendungen auch im Kontext der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen primär auf indirekte Formen auszurichten, so dass eine aktivitätsorientierte Anwartschaft auf eine Rentenzahlung ächendeckend einzuführen sich durchaus förderlich auf die dauerhafte Mitgliederbindung auswirken dürfte. In nahezu identischer Ausprägung sehen die Feuerwehrangehörigen in der „Anerkennung der Feuerwehrtätigkeit als Kriterium bei Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst“ ein Instrument der angemessenen Anerkennung. Die Ergebnisunterschiede sind indes nicht hinreichend gegen Zufall abgesichert (,501) und daher nicht signikant. Insgesamt zeigen sich Abweichungen zwischen den gewährten und den erwünschten Anerkennungen. Auf Grundlage der dargestellten Abweichungen sind die Ergebnisse für Österreich und Deutschland differenziert einzuordnen.
341
Untersuchungskonzept
12.4.2.8
Ausbildung und Internetnutzung
Tabelle 12-37 stellt die Ergebnisse für internetgestützte Ausbildungsangebote vor: Tabelle 12-37
Ergebnisausgabe für internetgestützte Lernangebote
Kann die Ausbildung durch internetgestützte Lernangebote verbessert werden? * Land Kreuztabelle Land Deutschland Ja Kann die Ausbildung durch internetgestützte Lernangebote verbessert werden?
nein Gesamt
Anzahl % von Land
2049
73,4 %
71,5 %
72,9 %
554
208
762
26,6 %
28,5 %
27,1 %
2081
730
2811
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Anzahl % von Land
Gesamt
522
Anzahl % von Land
Österreich
1527
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
,958a
1
,328
Anzahl der gültigen Fälle
2811
Deutlich ableitbar vertritt der überwiegende Anteil der Untersuchungsteilnehmer länderübergreifend die Auffassung, dass die Ausbildung in den Freiwilligen Feuerwehren durch Internetangebote verbessert werden kann. Die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland können jedoch vom Zufall abhängen (,328). Demgegenüber ist das Ergebnis sehr signikant (,002), dass die Ausbildung durch landesweit einheitliche Lehrunterlagen verbessert werden kann. Tabelle 12-38
Ergebnisausgabe für landesweit einheitliche Lehrunterlagen
Kann die Ausbildung durch landesweit einheitliche Lehrunterlagen verbessert werden? * Land Kreuztabelle Land Deutschland Kann die Ausbildung durch landesweit einheitliche Lehrunterlagen verbessert werden?
ja nein Gesamt
Anzahl % von Land Anzahl % von Land Anzahl % von Land
Austria
Gesamt
1865
603
2468
85,7 %
80,8 %
84,4 %
312
143
455
14,3 %
19,2 %
15,6 %
2177
746
2923
100,0 %
100,0 %
100,0 %
342
Untersuchungskonzept
Chi-Quadrat-Tests Wert
df
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Chi-Quadrat nach Pearson
9,892a
1
,002
Anzahl der gültigen Fälle
2923
Soll die internetgestützte Ausbildung einen stärkeren Einuss auf die Feuerwehrtätigkeit nehmen, bedarf es der regelmäßigen privaten Nutzung des Mediums. Die Untersuchung der individuellen Gewohnheiten zeigt in diesem Zusammenhang eine mehrheitlich tägliche Nutzung, wenn auch die prozentualen Größenordnungen zwischen Österreich (60,8 %) und Deutschland (71,1 %) schwanken. Die weiteren Einzelheiten sind Tabelle 12-37 entnehmbar. Das Ergebnis ist höchst signikant (,000). Die österreichischen Feuerwehrangehörigen belegen höhere Rangplätze; sie nutzen das Internet demgemäß seltener. Tabelle 12-39
Ergebnisausgabe für die persönliche Internetnutzung Deutschland
Österreich
Internetnutzung
Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
täglich / fast täglich
1410
71,1 %
417
60,8 %
Etwa 2-3 mal in der Woche
321
16,2 %
131
19,1 %
114
5,7 %
53
7,7 %
37
1,9 %
16
2,3 %
etwa 1 mal in der Woche Wie oft nutzen Sie persönlich zu Hause das etwa 2-3 mal im Monat Internet? etwa 1mal im Monat
28
1,4 %
18
2,6 %
seltener als 1 mal im Monat
23
1,2 %
13
1,9 %
Nutze zu Hause das Internet nicht
50
2,5 %
38
5,5 %
Ränge Land Wie oft nutzen Sie persönlich zu Hause das Internet?
Deutschland Österreich Gesamt
N
Mittlerer Rang
Rangsumme
1983
1295,85
2569662,00
686
1448,18
993453,00
2669
Die wie vor dargestellten Ergebnisse gehen im Übrigen konform mit einer Studie zum Einsatz von neuen Medien im Ausbildungsbereich der Freiwilligen Feuerwehren, die im Rahmen dieses Dissertationsprojektes begleitet wurde. Sie stellt zentrale Lehrunterlagen, internetgestützte, nutzerbeschränkte Lernportale sowie den Einsatz von E-Learning und
343
Untersuchungskonzept
Blended-Learning als Modell zur Fortentwicklung der Ausbildung im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen dar, insbesondere vor dem Hintergrund der variablen Zeitgestaltung (vgl. Gehring: 2008, 23–45).
12.4.2.9
Berufstätigkeit
Arbeitsplatzbezogene Einüsse deuteten sich bereits im Rahmen der Untersuchung der individuellen wirtschaftlichen Situation des ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen an, ohne explizit benannt worden zu sein. Dieser Abschnitt ist nunmehr konkreten Parametern gewidmet, die einen Zusammenhang zur ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit aufzuweisen geeignet sind. Dazu zählt neben der grundsätzlichen Beschäftigungssituation auch die Frage, ob und inwieweit der Samstag in den Beschäftigungsprozess einbezogen ist, da sich mit einer potenziellen samstäglichen Frequentierung der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte die Verfügbarkeitsintervalle verändern dürften. Zumal Feuerwehrverbände von einer umfänglichen Verfügbarkeit ausgehen und lediglich während der Werktage (Montag bis Freitag) einen erhöhten Alarmierungsaufwand beschreiben (vgl. LFV NRW: 2001, 64). Tabelle 12-40 fasst die einzelnen Elemente der Befragung zusammen: Tabelle 12-40
Ergebnisausgabe für die Berufstätigkeit Deutschland
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Erwerbstätigkeit
Anzahl
,149
Sind sie zu Zeit erwerbstätig (Vollzeit oder Teilzeit)?
ja
,005
Sind Sie samstags in der Regel berufstätig?
ja nein
,174
Haben Sie samstags wiederkehrende Termine?
ja
,754
Hat der Samstag für Sie den Charakter eines Werktages oder den eines Wochenendtages?
Anzahl der Spalten (%)
Österreich Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
1936
87,7 %
653
85,7 %
271
12,3 %
109
14,3 %
818
41,3 %
239
35,1 %
1162
58,7 %
441
64,9 %
1515
74,4 %
511
71,8 %
522
25,6 %
201
28,2 %
Werktag
1154
56,8 %
409
57,5 %
Wochenendtag
876
43,2 %
302
42,5 %
nein
nein
Die überwiegende Mehrheit des ehrenamtlichen Feuerwehrpersonals ist erwerbstätig; diese Ergebnisse unterstreichen die in Kapitel 6 nachgewiesenen Wechselwirkungen zwischen werktäglicher Verfügbarkeit und der Aufgabenerfüllung durch Freiwillige Feuerwehren. Dabei können die geringfügigen Unterschiede der abschließenden Erwerbsquoten zufällig sein (,149). Zur Ausweitung der Erwerbstätigkeit auf samstägliche Zeitanteile gaben 41,3 %
344
Untersuchungskonzept
der befragten deutschen Feuerwehrangehörigen an, regelmäßig berufstätig zu sein, während die österreichischen Ergebnisse mit einer Größenordnung von 35,1 % zwar beträchtlich, jedoch signikant kleiner sind. Zudem nehmen 74, 4 % (Deutschland) und 71,8 % (Österreich) wiederkehrende Termine an Samstagen wahr. Mehrheitlich sehen die Feuerwehrangehörigen den Samstag als Werktag. Über den auf das Feuerwehrwesen begrenzten Charakter der Untersuchung hinaus implizieren diese Ergebnisse weit reichende gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse, die auf eine Wandlung des traditionellen Zeitgefüges hinzudeuten geeignet sind. Im Kontext der Alarmierungssicherheit Freiwilliger Feuerwehren mangelt es den idealisierenden Annahmen der Feuerwehrverbände zudem an Reichweite. Sie sehen die personelle Verfügbarkeit nur während der werktäglichen Arbeitszeiten (Montag bis Freitag) reduziert. Es ist auf Grundlage der vorgestellten Untersuchungsergebnisse davon auszugehen, dass diese Dezite auch regelmäßig an Samstagen bestehen, jedoch in einem vergleichsweise geringeren Umfang. Die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen sind überwiegend in den Branchen „Öffentlicher Dienst“, „Bauwirtschaft“, „Metallverarbeitung und Maschinenbau“, „Transport und Verkehr“ sowie „Dienstleistung“ beschäftigt. Dieser „Branchenmix“ vermag die Qualikationsvielfalt der Freiwilligen Feuerwehren zu untersteichen.
12.4.2.10 Arbeitsplatz und Freiwillige Feuerwehr Implizit ist die Beziehung von Arbeitsplatz und Freiwilliger Feuerwehr in den Fragestellungen zur individuellen wirtschaftlichen Situation, zur gesellschaftlichen Anerkennung und zur Berufstätigkeit enthalten gewesen. Nunmehr konkretisiert sich dieser Zusammenhang mit der Wiedergabe korrespondierender Merkmale, die in Tabelle 12-41 aufgeführt sind. Tabelle 12-41
Ergebnisausgabe für Arbeitsplatz und Freiwillige Feuerwehr I Deutschland
Asymptotische Signikanz (2-seitig)
Arbeitsplatzbezogene Parameter
Anzahl
ja
,017
Haben Sie bereits einmal Nachteile am Arbeitsplatz aufgrund Ihrer Tätigkeit in der FF gehabt?
Anzahl der Spalten (%)
Österreich Anzahl
Anzahl der Spalten (%)
424
20,9 %
118
16,7 %
nein
1607
79,1 %
588
83,3 %
ja
1516
74,2 %
513
72,6 %
,391
Sind Sie in der Vergangenheit bereits mindestens einmal aufgrund eines Feuerwehreinsatzes vom Arbeitsplatz fern geblieben?
527
25,8 %
194
27,4 %
Hat Ihr Arbeitgeber das Fernbleiben ohne Nachteile toleriert?
ja
1314
84,9 %
426
81,0 %
,033
233
15,1 %
100
19,0 %
nein
nein
345
Untersuchungskonzept
Deutschland
,617
,989
Tätigkeit in der FF nur außerhalb der Arbeitszeit (nicht abkömmlich von der Arbeitsstätte) Tätigkeit nur außerhalb Arbeitszeit da Beschäftigungsort nicht gleich Wohnort bzw. nicht in Wohnortnähe gelegen
ja
Österreich
961
47,9 %
322
46,8 %
nein
1045
52,1 %
366
53,2 %
ja
1034
51,1 %
354
51,1 %
989
48,9 %
339
48,9 %
1275
63,3 %
395
56,9 %
nein
Sind Sie zur Leistung von Mehrarbeit aus innerdienstlichen Gründen verpichtet?
ja nein
738
36,7 %
299
43,1 %
Haben Sie neben Ihrem Hauptjob einen Zweit- bzw. Minijob?
ja
352
17,4 %
159
22,6 %
,002
1667
82,6 %
543
77,4 %
ja
438
21,5 %
63
8,9 %
,000
Waren Sie oder Ihre Familie schon einmal von Arbeitslosigkeit betroffen?
,003
nein
nein
1597
78,5 %
644
91,1 %
,000
Haben Sie Angst vor Arbeits- ja losigkeit? nein
1139
55,9 %
219
31,3 %
898
44,1 %
481
68,7 %
1078
54,0 %
298
43,1 %
,000
Würden Sie Ihre Mitarbeit reduzieren wenn sich die wirtschaftliche Situation Ihres Arbeitgebers verschlechtert?
917
46,0 %
393
56,9 %
ja nein
Einleitend gaben 20,1 % (Deutschland) und 16,7 % (Österreich) nach subjektiver Einschätzung an, bereits einmal Nachteile am Arbeitsplatz aufgrund der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit erfahren zu haben. Das Ergebnis überrascht zunächst nicht, da 74,2 % der deutschen und 72,6 % der österreichischen Feuerwehrkräfte mindestens einmal ihrem Arbeitsplatz nach einem Feuerwehreinsatz fern geblieben sind, obschon die Befragten in prominenter Deutlichkeit von der Toleranz ihrer Arbeitgeber ausgehen. Infolge der moderaten Abweichungen stellen sich für diese Merkmale keine signikanten Ergebnisunterschiede ein. Hinsichtlich der werktäglichen Verfügbarkeitsreduzierungen erscheinen die in Kapitel 6 beschriebenen Dezitdimensionen nunmehr transparenter darstellbar. So sind Feuerwehrehrenamtler zu 46,8 % in Österreich sowie zu 47,9 % in Deutschland nicht in der Lage, die Arbeitsstätte zu verlassen. Sie stehen den Freiwilligen Feuerwehren infolgedessen nur außerhalb ihrer Arbeitszeit zu Verfügung. Darüber hinaus arbeiten 51,1 % der Feuerwehrangehörigen in Österreich und Deutschland außerhalb oder fern ihres Wohnortes, so dass sie während der Arbeitszeiten keiner ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit nachkommen können. Diese für beide Länder nahezu identischen Ergebnisse unterstreichen die ächendeckenden und tageszeitlich variierenden Personalenpässe der Freiwilligen Feuerwehren. Mit zusätzlicher Verknappung der Freizeitressourcen nehmen zudem die klassischen Zeitanteile zur Ausübung des Feuerwehrehrenamtes ab. 56,9 % (Österreich) und 63,3 % (Deutschland) der
346
Untersuchungskonzept
befragten Feuerwehrkräfte sind bei betrieblichen Erfordernissen zur Leistung von Mehrarbeit verpichtet. Ferner üben 22,6 % der österreichischen und 17,6 % der deutschen Teilnehmer einen „Zweit- oder Minijob“ aus, so dass sich die kritischen Verfügbarkeitszeitfenster auszuweiten drohen. Die prozentualen Abweichungen zum Bereich der Freizeit begründen signikante Ergebnisdifferenzen (,003 und ,002). Noch signikanter wurden die Fragen zur Arbeitslosigkeit beantwortet. In Deutschland waren 21,8 % persönlich oder familiär von Arbeitslosigkeit betroffen, während in Österreich lediglich 8,9 % entsprechende Erfahrungen angaben. Weitaus größer differieren die Ergebnisse zum Untersuchungsinhalt „Angst vor Arbeitslosigkeit“, die bei 55,9 % der deutschen und 31,3 % österreichischen Feuerwehrkräfte gegenwärtig ist. Demzufolge würden 54,0 % (Deutschland) und 43,1 % (Österreich) die Mitarbeit in der Freiwilligen Feuerwehr reduzieren, sofern sich die wirtschaftliche Situation ihres Arbeitgebers verschlechtert. Es überrascht daher nicht, dass die Feuerwehraktivität in Deutschland durch berufsbezogene Einüsse in größerem Umfang begrenzt wird, als in Österreich. Dazu sei auf nachfolgende Darstellung verwiesen. Die Beantwortung basiert auf der skalierten Präferenzangabe. Das Gewicht der Skalierungen variiert von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft voll und ganz zu“. Das Ergebnis wird in Tabelle 12-42 in der Spalte „Mittelwert“ ausgegeben. Tabelle 12-42
Ergebnisausgabe für Arbeitsplatz und Freiwillige Feuerwehr II Gruppenstatistiken
Ich wäre aktiver in der FF, aber die beruichen Interessen gehen derzeit vor.
Land
N
Mittelwert
Standardabweichung
Standardfehler des Mittelwertes
Deutschland
2020
3,63
1,746
,039
702
3,10
1,787
,067
Österreich
Im Konkreten ist der Mittelwert mit höchster Signikanz (,000) in Deutschland größer. Die Gestaltungsmöglichkeiten der ehrenamtlichen Feuerwehrmitgliedschaft reduzieren sich in Deutschland demgemäß deutlicher als in Österreich. Die in Deutschland erheblich stärker auftretenden personellen Verfügbarkeitsdezite dürften auf Grundlage der beschriebenen Einüsse auf den „Vergesellschaftungsfaktor Arbeit“ zurückzuführen sein. Während die arbeitsplatzbezogene Ausgangssituation der Merkmale Abkömmlichkeit, Wohnortnähe der Berufsausübung und der Toleranz des Arbeitgebers zunächst vergleichbare Ausprägungen aufweist, weichen die Untersuchungsergebnisse zu den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit im Kontext der persönlichen Erfahrungen und Befürchtungen erheblich voneinander ab. Neben nanziellen Einschränkungen folgen gesellschaftliche Ausschlußmechanismen, die in Kombination mit familiären Gestaltungskriterien kurzfristige Veränderungen der individuellen Lebenssituation auszulösen vermögen (vgl. 11.1.2). Es ist evident, dass diese Ängste der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen in Deutschland die der österreichischen Kräfte deutlich überragen und insofern einen wichtigen Erklärungsansatz für den unterschiedlichen Zustand der Freiwilligen Feuerwehren begründen.
347
Untersuchungskonzept
12.4.2.11 Ausbildungsabschlüsse der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte Zum Abschluss der Untersuchung soll die Vielseitigkeit des Mitgliederpotenzials zum Ausdruck gebracht werden. Die Freiwilligen Feuerwehren sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Ihre Kraft leitet sich insbesondere aus dem konzertierten Wirken eines breiten Quali kationsspektrums ab. Daraus folgt u. a. eine nahezu universelle Dienstleistungsfähigkeit. Sie ermöglicht überdies eine Diskussion zur Spezialisierung des Kräfteeinsatzes, die vorwiegend auf die zunehmende Komplexität der Schadenslagen und die Anspruchshaltung der Bevölkerung (vgl. Polis: Ergebnisse, 2005, 2) zurückzuführen ist. Es bestehen indes höchst signikante Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland. Die größte Gruppe bilden mit 60,6 % (Deutschland) und 55,0 % (Österreich) die Feuerwehrangehörigen, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. In Österreich engagieren sich zudem 12,7 % mit dem Abschluss einer Fach-, Techniker- oder Meisterschule, während demgegenüber in Deutschland 10,8 % der Aktiven über eine vergleichbare Ausbildung verfügen. Akademiker mit Fachhochschul- und Universitätszeugnis sind in Deutschland etwas prominenter vertreten. Der größte prozentuale Unterschied innerhalb eines Quali kationsprols ergibt sich für die Berufsfach- und Handelsschüler. Tabelle 12-43 führt die Ergebnisse zusammen: Tabelle 12-43
Ergebnisausgabe für Ausbildungsabschlüsse der Feuerwehrkräfte Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie? * Land Kreuztabelle Land Deutschland Noch in der Ausbildung bendlich
Anzahl % von Land
keinen AbAnzahl schluss und nicht in beruicher % von Ausbildung Land bendlich Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
Abschluss einer Berufsausbildung / Lehre
Anzahl % von Land
Abschluss einer Berufsfachschule oder einer Handelsschule
Anzahl
Abschluss einer Fach-, Techniker- oder Meisterschule
Anzahl
% von Land
% von Land
Österreich
Gesamt
239
69
308
10,9 %
9,2 %
10,5 %
93
27
120
4,3 %
3,6 %
4,1 %
1324
411
1735
60,6 %
55,0 %
59,2 %
87
76
163
4,0 %
10,2 %
5,6 %
235
95
330
10,8 %
12,7 %
11,3 %
348
Untersuchungskonzept
Land
Abschluss einer Fachhochschule Abschluss einer Hochschule oder Universität
Anzahl % von Land
Deutschland
Österreich
Gesamt
106
16
122
4,8 %
2,1 %
4,2 %
66
26
92
3,0 %
3,5 %
3,1 %
36
27
63
Anzahl % von Land Anzahl
sonstiges
% von Land
1,6 %
3,6 %
2,1 %
Anzahl
2186
747
2933
Gesamt
% von Land
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Nach diesen überwiegend deskriptiven Ausführungen gilt es nunmehr zum Abschluss des Projekts auf die Wechselwirkungen von ökonomisch-soziologischen Faktoren mit dem Ziel einzugehen, das System der ehrenamtlichen Feuerwehren und ihrer Mitgliederstrukturen in Kombination mit Alltagseinüssen weitreichend aufzubereiten.
12.5
Ökonomisch-soziologische Betrachtungen
Nunmehr werden Einussvariablen jeweils einer abhängen Variablen gegenübergestellt. Es erfolgt die komplementärstaatliche Darstellung der zuvor deskriptiv vorgetragenen Untersuchungsbestandteile. Die Bewertung etwaiger nationaler Differenzen schließt sich diesen Auswertungen an. Im Kontext der ökonomisch-soziologischen Ausrichtung interessieren vorwiegend die Beziehungen zwischen Motivations- und Anerkennungsmerkmalen sowie berufssoziologischen Kennwerten und sozio-demographischen Indizes.
349
Untersuchungskonzept
12.5.1
Mitgliedschaft, Motivation, Nettoeinkommen und Ausbildung
Die Illustration der einzelnen Motivationen als abhängige Variable ist wiederkehrend. Einleitend wird das Bestreben der gemeinnützigen Tätigkeit angeführt. Tabelle 12-44
Abhängige Variable und Einussvariablen (1) Abhängige Variable
Gemeinnützige Tätigkeit
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluß
Die Erklärungsmöglichkeit ist durch die wie vor aufgeführten Merkmale ausgesprochen gering. Sie beträgt lediglich 0,2 % (,002). Dennoch sind die Ergebnisunterschiede aufgrund der hohen Fallzahl signikant (0,35). Aus der Übersicht der Koefzienten resultiert ein signikanter Zusammenhang (,008) von gemeinnütziger Tätigkeit und Bildungsabschluss, dem durch den -Koefzienten (-,055) eine negative Richtung gegeben wird. Das Bedürfnis gemeinnützig tätig zu sein ist umso größer, je niedriger der Ausbildungsabschluss eingeordnet wurde (vgl. Tabelle 12-45). Obschon sich diese Tendenz grundsätzlich relativ schwach einstellt, existiert die beschriebene Beziehungsebene von altruistischen und edukativen Abhängigkeiten. Hingegen weisen die Mitgliedsdauer und das monatliche Einkommen keine Relevanz für die Gemeinnützigkeit als Motivation für die Mitwirkung bei den Freiwilligen Feuerwehren auf. Im Einzelnen sei auf die Auswertung verwiesen. Tabelle 12-45
Ergebnisausgabe (1) für Motivation als abhängige Variable Modellzusammenfassung
Modell 1
R
R-Quadrat
,058a
,003
Korrigiertes R-Quadrat
Standardfehler des Schätzers
,002
1,092
a. Einußvariablen : (Konstante), Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?, Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF ANOVAb (Varianzanalyse zur Prüfung von Mittelwerten mehrerer Stichproben) Modell
Quadratsumme Regression
1
df
Mittel der Quadrate
10,303
3
3,434
Residuen
3051,682
2558
1,193
Gesamt
3061,985
2561
F 2,879
Signikanz ,035a
a. Einussvariablen : (Konstante), Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?, Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF b. Abhängige Variable: In der FF weil gerne gemeinnützig tätig bin
350
Untersuchungskonzept
Koefzientena (a. In der FF weil ich gerne gemeinützig tätig bin) Nicht standardisierte Koefzienten Modell
T
Signikanz
66,350
,000
B
Standardfehler
5,010
,076
Dauer der Mitgliedschaft in der FF
,021
,012
,035
1,733
,083
Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?
,003
,009
,006
,305
,761
-,041
,015
-,055
-2,673
,008
(Konstante)
1
Standardisierte Koefzienten
Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
Beta
Ähnlich verhalten sich die folgenden Variablenkombinationen. Tabelle 12-46
Abhängige Variable und Einussvariablen (2) Abhängige Variable
Hilfeleistungsbedürfnis
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluß
Bei wiederum schwacher Erklärungsebene (,003) ist das Ergebnis der Untersuchung dennoch aufgrund der hohen Fallzahlverarbeitung signikant (,018). Die Koefzienten verdeutlichen den bereits beobachteten Zusammenhang eines altruistisch-edukativen Bezugsrahmens. Aus einer Signikanz von ,006 und der negativen Kodierrichtung des ß-Koefzienten (-,057) ergibt sich sinngemäß ein vergleichbares Ergebnis. Demnach sinkt das Hilfeleistungsbedürfnis mit zunehmenden Bildungsniveau. Die weiteren Einussvariablen verbleiben ohne Bedeutung. Tabelle 12-47
Ergebnisausgabe (2) für Motivation als abhängige Variable Modellzusammenfassung
Modell
R
R-Quadrat
Korrigiertes R-Quadrat
Standardfehler des Schätzers
1
,062a
,004
,003
,793
a. Einußvariablen : (Konstante), Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?, Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF
351
Untersuchungskonzept
ANOVAb (Varianzanalyse zur Prüfung von Mittelwerten mehrerer Stichproben) Modell
Quadratsumme Regression
1
df
Mittel der Quadrate
6,310
3
2,103
Residuen
1611,846
2566
,628
Gesamt
1618,156
2569
F
Signikanz ,018a
3,349
a. Einußvariablen : (Konstante), Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?, Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF b. Abhängige Variable: In der FF weil ich in Not geratenen gerne Hilfe leiste
Koefzientena (a.In der FF weil ich in Not geratenen gerne Hilfe leiste) Nicht standardisierte Koefzienten Modell
T
B
Standardfehler ,055
103,740
,000
,009
,009
,020
,982
,326
Wie hoch ist Ihr monatliches Netto-,007 einkommen?
,006
-,021
-1,021
,307
Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
,011
-,057
-2,741
,006
Dauer der Mitgliedschaft in der FF
-,031
Beta
Signikanz
5,672
(Konstante)
1
Standardisierte Koefzienten
Als nächste abhängige Variable wird die Kameradschaft einbezogen. Tabelle 12-48
Abhängige Variable und Einussvariablen (3) Abhängige Variable
Kameradschaft
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluß
Mit einer Varianzaufklärung von ,016 liegt erneut eine relativ schwache Erklärungsebene zugrunde, die indes durch die hohen Fallzahlen höchst signikante Untersuchungsergebnisse (,000) zu generieren vermag. Bei Betrachtung der einzelnen Koefzienten im Bereich der Mitgliedsdauer (,001) und des Ausbildungsabschlusses (,000) zeigen sich ebenso höchst signikante Zusammenhänge. Der positive -Koefzient (,065) für die Dauer der Mitgliedschaft impliziert eine Afnität von längeren Mitgliedsdauern und Kameradschaftspräferenz. Demgegenüber ist die Ausrichtung für die Beziehung von Ausbildungsabschluss und Kameradschaft erneut negativ. Kameradschaft erscheint daher mit steigendem Bildungsniveau
352
Untersuchungskonzept
unwichtiger. Erneut hat die Höhe des monatlichen Einkommens keinen Einuss auf die Mitwirkung in den Freiwilligen Feuerwehren. Die Einzelheiten folgen aus Tabelle 12-49. Tabelle 12-49
Ergebnisausgabe (3) für Motivation als abhängige Variable Modellzusammenfassung
Modell
R
R-Quadrat
Korrigiertes R-Quadrat
Standardfehler des Schätzers
1
,132a
,017
,016
,938
a. Einussvariablen : (Konstante), Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?, Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF
ANOVAb (Varianzanalyse zur Prüfung von Mittelwerten mehrerer Stichproben) Modell
Quadratsumme Regression
1
df
Mittel der Quadrate
39,968
3
13,323
Residuen
2261,402
2568
,881
Gesamt
2301,370
2571
F
Signikanz ,000a
15,129
a. Einußvariablen : (Konstante), Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?, Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF b. Abhängige Variable: weil ich die Kameradschaft in der FF schätze Koefzientena (a. Abhängige Variable: weil ich die Kameradschaft in der FF schätze) Nicht standardisierte Koefzienten Modell (Konstante) Dauer der Mitgliedschaft in der FF 1
B
Standardfehler
5,517
,065
Standardisierte Koefzienten
T
Signikanz
85,241
,000
Beta
,033
,010
,065
3,211
,001
Wie hoch ist Ihr monatliches Netto-,010 einkommen?
,008
-,026
-1,305
,192
Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
,013
-,123
-6,013
,000
-,080
Des Weiteren wurden die Motivationen „Soziale Verantwortung“, Berufsförderung und Berufsentwicklung untersucht. Es ergaben sich keine evidenten Beziehungen. Im Ergebnis gilt es primär auf den altruistisch-intrinsischen Motivationscharakter zu verweisen. Das individuelle Einkommen ist für die Mitwirkung bei der Freiwilligen Feuerwehr bedeutungslos. Insofern ist an dieser Stelle kein ökonomischer Bezugsrahmen ableitbar. Das Ausbildungsniveau ist eine dahingehende Bestimmungsgröße, dass mit steigendem Grad des Bildungsabschlusses altruistische Motive unbedeutender werden. Allerdings sind diese Tendenzen relativ schwach, so dass vor Überinterpretationen zu warnen ist.
353
Untersuchungskonzept
12.5.2
Mitgliedschaft, Anerkennung, Nettoeinkommen und Ausbildung
Eine adäquate Anerkennung der individuellen ehrenamtlichen Feuerwehrleistungen induziert Zufriedenheit und damit einhergehend die langfristige Bindung an das System der Freiwilligen Feuerwehren. Potenzielle Anerkennungsmechanismen zu beurteilen und anzuwenden bedeutet aktiven Mitgliedern eine (Gegen-) Leistung zu gewähren, die jedoch auf die konkreten Bedürfnisse der Feuerwehrorganisation abzustimmen sind. Es gilt dieselben – wie nachfolgend dargestellt – vor dem Hintergrund der Mitgliedsdauer, des monatlichen Nettoeinkommens und der Ausbildung zu untersuchen.
Tabelle 12-50
Abhängige Variable und Einussvariablen (4) Abhängige Variable
Kostenlose Nutzung kommunaler Einrichtungen
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluss
Die aufklärende Varianz ist gering (,007). Jedoch spricht das Ergebnis auf Grundlage des großen Teilnehmerumfanges für eine höchst signikate Bedeutung (,000). Im Konkreten wirken das monatliche Nettoeinkommen und der kostenfreie Nutzungswunsch kommunaler Einrichtungen zusammen (,014). Mit dem positiven -Koefzient (,050) steigt das kostenfreie Nutzungsbestreben nach der Höhe des monatlichen Nettoeinkommens. Ähnlich verhält es sich mit dem Ausbildungsabschluss. Je höher das Bildungsniveau, desto größer das kostenfreie Nutzungsbedürfnis. Die Einordnung dieser Ergebnisse erscheint im sozialen Bezugssystem zunächst reziprok. Allerdings wächst mit dem Grad der Ausbildung und implizit mit der Höhe des monatlichen Einkommens die Erwartungshaltung, da der Einzelne seine Qualikationen als persönliches (Human-) Kapitel interpretiert, das er abwägend nur bei entsprechendem Entgegenkommen zu gestellen bereit ist. Die Mitgliedsdauer zeigt hingegen keine Beziehung. Im Einzelnen sei auf die Auswertungen verwiesen. Tabelle 12-51
Ergebnisausgabe (1) für Anerkennung als abhängige Variable Modellzusammenfassung
Modell
R
R-Quadrat
Korrigiertes R-Quadrat
Standardfehler des Schätzers
1
,091a
,008
,007
1,834
a. Einußvariablen : (Konstante), Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
354
Untersuchungskonzept
ANOVAb (Varianzanalyse zur Prüfung von Mittelwerten mehrerer Stichproben) Modell
Quadratsumme Regression
1
df
Mittel der Quadrate
F 7,100
71,654
3
23,885
Residuen
8595,240
2555
3,364
Gesamt
8666,894
2558
Signikanz ,000a
a. Einußvariablen : (Konstante), Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie? b. Abhängige Variable: Anerkennung durch kostenlose Nutzungsmöglichkeit von kommunalen Einrichtungen, wie z.B. Schwimmbad Koefzientena (Abhängige Variable: Kostenlose Nutzungsmöglichkeit von kommunalen Einrichtungen) Nicht standardisierte Koefzienten Modell
T
Signikanz
B
Standardfehler
3,802
,127
29,993
,000
Dauer der Mitgliedschaft in der FF
,006
,020
,006
,284
,776
Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
,080
,026
,064
3,076
,002
Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?
,037
,015
,050
2,456
,014
(Konstante)
1
Standardisierte Koefzienten Beta
Als weitere abhängige Variable zur Anerkennung ehrenamtlicher Feuerwehrtätigkeiten gilt es steuerliche Vergünstigungen zu prüfen. Daraus ergibt sich die in Tabelle 12-52 abgebildete Variablenkombination. Tabelle 12-52
Abhängige Variable und Einussvariablen (5) Abhängige Variable
Steuerliche Vergünstigungen
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluss
Es stellen sich nahezu identische Ausprägungen ein. Der Grad der Bildung und die Höhe des monatlichen Nettoeinkommens befördern das Anerkennungsbestreben in Form steuerlicher Vergünstigungen für ehrenamtliche Feuerwehrleistungen in höchst signikanter Deutlichkeit (,004 und ,000). Diese Tendenz ist kritisch zu bewerten, da steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten nachhaltig negativen Einuss auf die ehrenamtliche Engagementsituation ausüben können, wie Frey und Goette am Beispiel des öffentlichen Dienstes in der Schweiz nachzuweisen vermochten (vgl. Frey et al.: 1999, ohne Paginierung). Zumal die Vernachlässigung altruistisch-intrinsischer Werte im „standard-ökonomischen Bezugssystem“ zen-
355
Untersuchungskonzept
trale kognitive Prozesse reduziert und insoweit extrinsische Motivationen begünstigt (vgl: Weibel et al.: 2006, 1–22). Tabelle 12-53
Ergebnisausgabe (2) für Anerkennung als abhängige Variable Modellzusammenfassung
Modell 1
R
R-Quadrat
Korrigiertes R-Quadrat
Standardfehler des Schätzers
,110a
,012
,011
2,320
a. Einußvariablen : (Konstante), Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie? ANOVAb (Varianzanalyse zur Prüfung von Mittelwerten mehrerer Stichproben) Modell
Quadratsumme Regression
1
df
Mittel der Quadrate
169,183
3
56,394
Residuen
13730,819
2551
5,383
Gesamt
13900,002
2554
F
Signikanz ,000a
10,477
a. Einußvariablen : (Konstante), Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie? b. Abhängige Variable: Steuerliche Vergünstigungen für geleistete und nachweisbare freiwillige Feuerwehrtätigkeiten Koefzientena (a. Abhängige Variable: Steuerliche Vergünstigungen) Nicht standardisierte Koefzienten Modell
1
Standardisierte Koefzienten
T
Signikanz
B
Standardfehler
(Konstante)
3,669
,161
Beta 22,783
,000
Dauer der Mitgliedschaft in der FF
-,049
,026
-,039
-1,916
,056
Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
,095
,033
,060
2,900
,004
Wie hoch ist Ihr monatliches Netto,077 einkommen?
,019
,083
4,098
,000
Dennoch dürfen die Präferenzen der ehrenamtlich Tätigen nicht unberücksichtigt bleiben, soll die Mitgliedschaft dauerhaft und von Aktivität gekennzeichnet sein. Ob und inwieweit sich diese monetäre Ausrichtungen fortsetzen, zeigen die weiteren Untersuchungen. Als nächste abhängige Variable folgen sodann Wohngeldzuschüsse als Anerkennung für die Mitwirkung bei den Freiwilligen Feuerwehren.
356 Tabelle 12-54
Untersuchungskonzept
Abhängige Variable und Einussvariablen (6) Abhängige Variable
Wohngeldzuschüsse
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluss
Trotz geringer Varianzaufklärung liegen Ergebnisse höchster Signikanz vor. Es existiert ebenfalls eine höchst signikante Beziehung (,000) von Mitgliedsdauer und dem Wunsch zur Gewährung von Miet- und Wohngeldzuschüssen, der aufgrund des negativen -Koefzienten (-,098) vorwiegend von Feuerwehrangehörigen mit kurzen Mitgliedsdauern geäußert wurde. Zudem ergab sich ein Zusammenhang zum monatlichen Nettoeinkommen. Analog den Ergebnissen zur kostenfreien Nutzung kommunaler Infrastrukturen sowie zu steuerlichen Vergünstigen ist der Wunsch mit höherem Einkommen signi kant (,004) ausgeprägter. Die Erklärungsansätze lassen sich daher übertragen. Monetäre Motive sind auch bei diesem Anerkennungsmechanismus evident. Im Kontext monetärer Anreizstrukturen sind selbstverständlich auch ganzheitliche unmittelbare Zahlungen zu thematisieren. Als abhängige Variable wird die Gewährung von aktivitätsabhängigen Zahlungen berücksichtigt. Es ergibt sich daraus die Untersuchung folgender Variablen. Tabelle 12-55
Abhängige Variable und Einussvariablen (7) Abhängige Variable
Aktivitätsabhängige Zahlungsleistung
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluss
Erneut ergeben sich höchst signikante (,000) Beziehungen auf der globalen Ebene. Insbesondere neuere Feuerwehrmitglieder (-Koefzient (-,078)) scheinen in diesem ebenfalls höchst signikanten Zusammenwirken (,000) eine probate Förderungsmöglichkeit zu sehen. Ferner begründet das monatliche Einkommen hoch signikante Relationen (,005) mit der wiederkehrenden Tendenz einer Würdigung in einkommensstärkeren Gruppen. Demnach genießen direkte Zahlungen durchaus Sympathien bei der Gesamtheit der Feuerwehrangehörigen. Dieser ist sehr wohl bekannt, dass ehrenamtliche Führungskräfte in prominenten Umfang regelmäßige pauschale Aufwandsentschädigungen erhalten (vgl. 11.5.1 und 12.4.2.7). Allerdings drohen unmittelbare Zuwendungen elementaren Motivationsmechanismen diametral entgegenzuwirken (vgl. 11.4.1.1.3). Alternativ können monetäre Optionen in indirekter Form einen sinnvollen Ausgleich schaffen.
357
Untersuchungskonzept
Exemplarisch erfolgt daher die Untersuchung einer Rentenversicherung als Anerkennung langfristiger ehrenamtlich erbrachter Leistungen mit den wie folgt abgebildeten Variablen. Tabelle 12-56
Abhängige Variable und Einussvariablen (8) Abhängige Variable
Anrechnung in Rentenversicherung
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluss
Die Erklärungsmöglichkeit ist durch zuvor aufgeführte Merkmale gering, jedoch stärker als bei allen bisher untersuchten Motivations- und Anerkennungsmerkmalen. Sie beträgt 2,8 % (,028). Auf Basis der hohen Teilnehmeranzahl sind die Ergebnisunterschiede höchst signikant (0,00). Aus der Übersicht der Koefzienten resultieren für alle Einussvariablen erstmalig in Kombination höchst signi kante Beziehungsebenen (,000). Im Einzelnen ist das Bedürfnis zur Anerkennung des Feuerwehrehrenamtes durch eine Rentenanwartschaft umso größer, je jünger die Feuerwehrmitgliedschaft noch ist (-Koefzient (-,086)). Ferner besteht ein Zusammenhang zum Ausbildungsabschluss, demzufolge die Präferenz für eine Rentenversicherung mit dem höherem Bildungsniveau maximal signi kant (,000) steigend (-Koefzient (,097)) verläuft. Darüber hinaus weisen die monatlichen Einkommensverhältnisse sowohl einen höchst signi kanten Zusammenhang (,000) als auch ein mit der Einkommenshöhe wachsendes Anerkennungsbedürfnis (-Koefzient (,118)) auf. Die indirekte Vergütungsform wird nicht nur von der überwiegenden Gesamtheit der Feuerwehrangehörigen präferiert. Vielmehr scheint es möglich, dass mit diesem Verfahren eine „optimale Reiz-Kognitions-Reaktions-Kette“ im standardökonomischen Bezugsrahmen gegenwärtig ist (vgl. Weibel et al.: 2006, 1–22). Die Ergebnisausgabe unterstreicht die beschriebenen Ergebnisse. Tabelle 12-57
Ergebnisausgabe (3) für Anerkennung als abhängige Variable Modellzusammenfassung
Modell
R
R-Quadrat
Korrigiertes R-Quadrat
Standardfehler des Schätzers
1
,171a
,029
,028
2,040
a. Einußvariablen : (Konstante), Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
358
Untersuchungskonzept
ANOVAb (Varianzanalyse zur Prüfung von Mittelwerten mehrerer Stichproben) Modell
Quadratsumme Regression
1
df
Mittel der Quadrate
319,382
3
106,461
Residuen
10630,711
2555
4,161
Gesamt
10950,092
2558
F
Signikanz ,000a
25,587
a. Einußvariablen : (Konstante), Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie? b. Abhängige Variable: Anrechnung der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit in einer Rentenversicherung Koefzientena (a. Abhängige Variable: Anrechnung Rentenversicherung) Nicht standardisierte Koefzienten Modell
1
Standardisierte Koefzienten
T
Signikanz
B
Standardfehler
(Konstante)
3,528
,142
Beta 24,907
,000
Dauer der Mitgliedschaft in der FF
-,097
,022
-,086
-4,299
,000
Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
,138
,029
,097
4,772
,000
Wie hoch ist Ihr monatliches Nettoeinkommen?
,097
,017
,118
5,872
,000
Die Bedeutung monetärer Anreizsysteme ist zu überdenken. Das klassische Ehrenamt ohne entgeltliche Gegenleistung ist nicht zukunftsfähig. Vor dem Hintergrund des staatlichen Schutzpichtenauftrages und der Verantwortung für etwa 70 % der österreichischen und deutschen Bevölkerung bedarf es seitens der Aufgabenträger in Politik und öffentlicher Verwaltung unbedingt der Differenzierung von Ehrenamtsbereichen. Ohne die zeitnahe Etablierung wirksamer und auf Kontinuität ausgerichteter Anreizstrukturen werden die Freiwilligen Feuerwehren noch mehr an Leistungsfähigkeit verlieren und zudem nicht in der Lage sein (ehrenamtliche) Kapazitäten aufzubauen oder auch zu reaktivieren. Die einzige abhängige Anrechnungsvariable mit signikantem Ergebnisverlauf (,000) ohne direkten monetären Bezug ist die Anrechnungsfähigkeit von Feuerwehrausbildungen in Schule, Studium und Beruf, die insbesondere von Feuerwehrkräften mit noch kurzen Mitgliedsdauern (-Koefzient (-,134)) und höheren monatlichen Nettoeinkommen (-Koefzient (,060)) in signikanter Ausprägung (,000 und ,003) angestrebt wird.
12.5.3
Mitgliedschaft, Berufstätigkeit, Einkommen und Ausbildung
Als Instrument zur Aufklärung dient eine binär-logistische Regressionsanalyse, da eine dichotome abhängige Variable zu prüfen ist. Konkret gilt es die Frage zu beantworten, in welcher Größenordnung die Einussvariablen die Zugehörigkeit zur Ja- bzw. Nein-Gruppe
359
Untersuchungskonzept
der abhängigen Variablen (Samstag: Charakter eines Wochentages oder Wochenendtages) verändern. Die einzelnen Variablen sind in Tabelle 12-58 aufgeführt. Tabelle 12-58
Abhängige Variable und Einussvariablen (9) Abhängige Variable
Samstag: Wochentag oder Wochenendtag
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Monatliches Nettoeinkommen
Einussvariable III
Ausbildungsabschluss
Einussvariable IV
Berufstätigkeit an Samstagen
Einussvariable V
Regelmäßige Termine an Samstagen
Aufbauend auf die Verfügbarkeitsuntersuchungen vermag die Fragestellung zu prüfen, in welchem Umfang die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen an Samstagen im Feuerwehrsystem mitzuwirken in der Lage sind. Der Varianzaufklärung der Regression liegt mit 22,6 % (R-Quadrat = ,226) eine mittlere Effektstärke zugrunde. Die „kritische (kleinere) Gruppe“ (Wochenendtag) der abhängigen Variablen geht aus der Klassizierungstabelle hervor, die neben einem Vorhersagewert insbesondere der Regressionsgüte Ausdruck verleiht. Je näher sich Schätzung (56,9 %) und klassizierende Aussage (68,8 %) angleichen, desto aussagefähiger ist die Regression. Sie ist maximal signikant (,000). Die Einussvariablen der Untersuchung sind mit Ausnahme des monatlichen Nettoeinkommens ebenfalls signikant. Darüber hinaus ist die „Wahrscheinlichkeitsangabe“ (Exp (B)) von Relevanz; sie eignet sich zur Ausgabe des Chancenverhältnisses der nächsten Stufe (höher oder niedriger) zugehörig zu sein und bewertet insofern die Konsistenz des Ergebnisses. Bei den Feuerwehrangehörigen, die an Samstagen berufstätig sind, ist die Wahrscheinlichkeit um das 5,5 fache (Exp (B) = 5,547) erhöht (R-Koefzient 1,713), den Samstag als normalen Wochentag zu betrachten. Nehmen die Feuerwehrangehörigen an Samstagen regelmäßig Termine wahr, steigt (R-Koefzient ,706) die Wahrscheinlichkeit der Wochentagperspektive um das 2 fache (Exp (B) = 2,027). Bei Einbeziehung der Ausbildungsabschlüsse sinkt (R-Koefzient -,084) die Wahrscheinlichkeit zur kritischen Gruppe zugeordnet zu werden um 8 % mit der Stufe des jeweiligen Ausbildungsabschlusses. Auf Grundlage der vorgestellten Ergebnisse manifestiert sich die Einschätzung der wiederkehrenden samstäglichen Frequentierung. Daher mangelt es den Freiwilligen Feuerwehren auch über die wochentäglichen Zeiträumen hinaus an personellen Ressoucen. Es festigt sich die Einschätzung, dass die ungünstigen Personalfaktoren zur Bemessung von Kräfteansätzen zumindest auf Samstage auszudehnen sind.
360
Untersuchungskonzept
Tabelle 12-59
Ergebnisausgabe (1) für samstägliche Pichten als abhängige Variable Klassizierungstabellea,b Vorhergesagt Hat der Samstag für Sie den Charakter eines Werktages oder den eines Wochenendtages? Wochentag
Wochenendtag
Prozentsatz der Richtigen
Wochentag
1281
0
100,0
Wochenendtag
970
0
Beobachtet Schritt 0
Hat der Samstag für Sie den Charakter eines Werktages oder den eines Wochenendtages?
,0
Gesamtprozentsatz
56,9
a. Konstante in das Modell einbezogen. b. Der Trennwert lautet ,500 Omnibus-Tests der Modellkoefzienten
Schritt 1
Chi-Quadrat
df
Sig.
Schritt
415,510
5
,000
Block
415,510
5
,000
Modell
415,510
5
,000
Modellzusammenfassung Schritt
-2 Log-Likelihood
Nagelkerkes R-Quadrat
a
1
,226
2661,932
Klassizierungstabellea Vorhergesagt Hat der Samstag für Sie den Charakter eines Werktages oder den eines Wochenendtages Wochentag
Beobachtet Schritt 1
Hat der Samstag für Sie den Charakter eines Werktages oder den eines Wochenendtages
Wochenendtag
Prozentsatz der Richtigen
Wochentag
904
377
70,6
Wochenendtag
326
644
66,4
Gesamtprozentsatz
68,8
a. Der Trennwert lautet ,500 Variablen in der Gleichung
Mitgl_FF Schritt 1
Regressionskoefzient B
Standardfehler
Wald
df
Sig.
Exp(B)
-,120
,026
20,894
1
,000
,887
Einknetto
-,007
,020
,116
1
,733
,993
Samstagsberuft
1,713
,103
279,078
1
,000
5,547
,706
,106
44,495
1
,000
2,027
-,084
,035
5,747
1
,017
,919
SamsTerm Ausblabschl
361
Untersuchungskonzept
12.5.4
Mitgliedschaft, Arbeitslosigkeit, Aktivität und Ausbildung
Abschließend bedarf die Aktivität bei der Freiwilligen Feuerwehr eingehender Untersuchungen. Ein Bezugsrahmen kann durch die folgenden Variablen hergestellt werden. Tabelle 12-60
Abhängige Variable und Einussvariablen (10) Abhängige Variable
Aktivität und mögliche Einschränkungen
Einussvariable I
Mitgliedsdauer
Einussvariable II
Schulabschluss
Einussvariable III
Ausbildungsabschluss
Einussvariable IV
Arbeitslosigkeit innerhalb Familie
Einussvariable V
Angst vor Arbeitslosigkeit
Einussvariable VI
Reduzierung Mitarbeit
Die aufklärende Varianz weist einen schwach bis mittelstarken Effekt auf (,082). Dennoch stellt sich mit der beachtlichen Teilnehmeranzahl ein maximal signikantes Untersuchungsergebnis (,000) auf der allgemeinen Bezugsebene ein, das sich allerdings im Besonderen für die Einussvariablen „Ausbildungsabschluss“ und „Arbeitslosigkeit innerhalb der Familie“ nicht bestätigen lässt. Im Hinblick auf die Dauer der Feuerwehrzugehörigkeit führen insbesondere Kräfte mit jungen Mitgliedsverhältnissen in höchst signikanter Stärke (,000) aus, dass sie gerne aktiver wären, indes beruiche Interessen vorrangig betrachtet werden. Ebenfalls bei maximaler Signikanz (,000) würden die ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte mit höherem Schulabschlussniveau ihre Mitarbeit reduzieren. Darüber hinaus wird die Feuerwehraktivität durch die Angst vor Arbeitslosigkeit und die mögliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers (Signikanz jeweils ,000) gebremst. Die Ergebnisse setzen sich wie folgt zusammen: Tabelle 12-61
Ergebnisausgabe (1) für Aktivität als abhängige Variable Modellzusammenfassung
Modell
R
R-Quadrat
Korrigiertes R-Quadrat
Standardfehler des Schätzers
1
,290a
,084
,082
1,689
a. Einußvariablen : (Konstante), Würden Sie Ihre Mitarbeit reduzieren wenn sich die wirtschaftliche Situation Ihres Arbeitgebers verschlechtert, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Waren Sie oder Ihre Familie schonmal von Arbeitslosigkeit betroffen?, Welchen Schulabschluss haben Sie?, Haben Sie Angst vor Arbeitslosigkeit?, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie?
362
Untersuchungskonzept
ANOVAb (Varianzanalyse zur Prüfung von Mittelwerten mehrerer Stichproben) Modell
1
Quadratsumme
df
Mittel der Quadrate
Regression
653,255
6
108,876
Residuen
7108,630
2492
2,853
Gesamt
7761,885
2498
F
Signikanz ,000a
38,168
a. Einußvariablen : (Konstante), Würden Sie Ihre Mitarbeit reduzieren wenn sich die wirtschaftliche Situation Ihres Arbeitgebers verschlechtert, Dauer der Mitgliedschaft in der FF, Waren Sie oder Ihre Familie schonmal von Arbeitslosigkeit betroffen?, Welchen Schulabschluss haben Sie?, Haben Sie Angst vor Arbeitslosigkeit?, Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie? b. Abhängige Variable: Ich wäre aktiver in der FF, aber die beruichen Interessen gehen derzeit vor Koefzientena (a. Abhängige Variable: Aktivität in der FF versus beruiche Interessen) Nicht standardisierte Koefzienten Modell
T
Signikanz
24,208
,000
B
Standardfehler
5,531
,228
,017
,026
,014
,641
,521
-,085
,019
-,087
-4,390
,000
,084
,021
,084
4,057
,000
Waren Sie oder Ihre Familie schonmal von Arbeitslosigkeit betroffen?
-,173
,091
-,038
-1,902
,057
Haben Sie Angst vor Arbeitslosigkeit?
-,398
,072
-,113
-5,534
,000
Würden Sie Ihre Mitarbeit reduzieren wenn sich die wirtschaftliche Situation Ihres Arbeitgebers verschlechtert
-,713
,069
-,202
-10,360
,000
(Konstante) Welchen Ausbildungsabschluss haben Sie? Dauer der Mitgliedschaft in der FF Welchen Schulabschluss haben Sie? 1
Standardisierte Koefzienten Beta
Somit unterliegt die Aktivität, die der einzelne Feuerwehrehrenamtler zu leisten bereit ist, in erheblichen Maße externen Einüssen. Bemerkenswert erscheint die Einussvariable „Angst vor Arbeitslosigkeit“. Sie verdeutlicht, dass auch mit abstrakten gesellschaftlichen und arbeitsplatzbezogenen Diskussionen gewisse Reduzierungspotenziale verbunden sind. Die Feuerwehrorganisation sieht sich letztlich mit evidenten Abhängigkeiten von der gesamtwirtschaftlichen Situation im Allgemeinen und dem betrieblichen Erfolg der einzelnen Arbeitgeber im Besonderen konfrontiert. Etwaige Maßnahmen der Korrektur oder des Entgegenwirkens existieren in diesen Fällen eher nicht.
363
Untersuchungskonzept
12.5.5
Nationale Ergebnisunterschiede
Infolge der multiplen Einüsse ergaben sich bei isolierter nationalstaatlicher Betrachtung ausgesprochen moderate Abweichungen zu den vorgestellten Ergebnissen. Stellten sich Differenzen ein, galten sie selten der grundsätzlichen Beurteilung, sondern den Ergebnistendenzen. Konkret mangelte es den einzelnen Motivationsindikatoren auf der globalen Ebene an Signikanz. Erst mit Zusammenführung prägen sich die vorgestellten signikanten Dimensionen aus. Weiterhin zeigen die globalen Signikanzen zur Aufklärung der einzelnen Anerkennungsmechanismen eine gleichartige Tendenz. In ihrer Stärke weichen einige Merkmale wie folgt voneinander ab, ohne dass sich Konsequenzen für die Basisaussage ergeben: Tabelle 12-62
Ergebnisunterschiede der Signikanzen für Anerkennungsmerkmale
Anerkennungsmerkmal
Signikanztest Österreich
Signikanztest Deutschland
Kostenlose Nutzung
,051
,000
Steuervergünstigungen
,009
,000
Wohngeld
,000
,012
Zahlung lt. Aktivität
,001
,043
Unterhalb der globalen Ebene differieren die Präferenzen der Mitglieder für den Bereich der kostenfreien Nutzung kommunaler Infrastrukturen; während in Deutschland langjährige Mitglieder diese Form der Anerkennung bevorzugen, wünschen sich in Österreich die Feuer wehrangehörigen mit kurzen Mitgliedsdauern derartige Privilegien. Identisch hingegen sind die Präferenzrichtungen für die Anerkennungskomponente „Wohngeldzuschüsse“ sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Einkommensverteilungen. In beiden Ländern sehen Feuerwehrangehörige mit kürzeren Zugehörigkeitszeiträumen und höheren monatlichen Nettoeinkommen darin eine angemessene Anerkennung. Lediglich die Signi kanzen variieren. Aus aktivitätsabhängigen Zahlungsleistungen leiten in Österreich wiederum neue Mitglieder ein probates Mittel der Anerkennung ab. Demgegenüber sprachen sich in Deutschland die Feuerwehrangehörigen mit höheren monatlichen Nettoeinkommen für aktivitätsabhängige Zahlungen aus. In Deutschland beeinusst die Angst vor Arbeitslosigkeit zudem die Reduzierung der ehrenamtlichen Mitarbeit vergleichsweise stärker, obschon auch in Österreich signikante Zusammenhänge existieren. Ferner steigt in Deutschland diese Reduzierungsabsicht mit Güte der schulischen Ausbildung. In Österreich wiederum folgten aus dieser Beziehung keine signikanten Einüsse. Die verbleibenden Untersuchungsergebnisse bedürfen einer weiteren Differenzierung nicht, da Abweichungen nur unterhalb der globalen Signikanzebene und in überschaubaren Ausprägungen auftraten.
364 12.5.6
Untersuchungskonzept
Schlussbemerkung
Ehrenamtliche Tätigkeiten in den Freiwilligen Feuerwehren sind in Österreich und Deutschland traditionell im Gesellschaftsgefüge verankert. Sie unterliegen einer Vielzahl von persönlichen, berufsbezogenen und gesamtgesellschaftlichen Einüssen. Diese im Einzelnen aufzuklären und einzuordnen galten die soziologischen Untersuchungen. Die Ergebnisse derselben wurden tabellarisch und verbal aufbereitet. Eine wesentliche Essenz aus diesen beeinussenden Merkmalen ist die Bedeutung monetärer Faktoren für die Funktionsfähigkeit des Feuerwehrehrenamtes. Auf die Gefahren dieser Anreizstruktur ist dabei ebenso eingegangen worden wie auf Möglichkeiten zur Vermeidung und Minderung von motivationsbezogenen Verdrängungserscheinungen. Es gilt zu verdeutlichen, dass die sozioökonomischen Erklärungsansätze für das Verständnis der gegenwärtigen und künftigen Situation unerlässlich sind. Sofern die Balance zwischen störenden und begünstigenden Kräften dauerhaft im Ungleichgewicht verbleibt, droht das System der ehrenamtlichen Feuer wehrorganisation fortwährende Inefzienzen zu befördern. Damit einhergehend würde ein enormes Vakuum bei der grundrechtlichen Schutzpichtenerfüllung sein.
13
Zusammenfassung
Nachdem umfangreiche und vielfältige Untersuchungen abgeschlossen wurden, sind die Ergebnisse im nationalen Kontext in kurzer Form darzustellen, um die in Kapitel 14 folgende Diskussion notwendiger Konsequenzen und alternativer Organisationsmodelle vorzubereiten und zu unterstützen. Diese Übersicht erfolgt chronologisch und beginnt mit der Gegenüberstellung der gesetzlichen Grundlagen.
13.1
Gesetzlich-organisatorische Grundlagen
Grundsätzlich lassen sich die gesetzlich-organisatorischen Rahmenbedingungen vergleichen. Den Bundesländern obliegt die Gesetzgebung für den Bereich des Brandschutzes und der Hilfeleistung, da diese Aufgaben im Bundes-Verfassungsgesetz der Republik Österreich und im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht ausdrücklich der Gesetzgebung oder Vollziehung des Bundes übertragen sind. In beiden Staaten delegieren die Bundesländer die Verantwortung für den Feuerschutz und die Hilfeleistung an die Gemeinden. Hinsichtlich der konkreten Organisation variieren nicht nur die gesamtstaatlichen Regelungen, sondern die Ausführungen in den einzelnen Bundesländern innerhalb der Gesamtstaaten ebenso. In beiden Staaten werden etwa 30 % der Bevölkerung von Berufsfeuerwehren betreut, wobei die Picht zur Einrichtung einer Berufsfeuerwehr unterschiedlichen Maßstäben der Bundesländer unterliegt. Der Brandschutz für den verbleibenden Bevölkerungsanteil von rund 70 % basiert auf ehrenamtlichen Leistungen der Freiwilligen Feuerwehren, deren Anzahl mit 4.527 (Österreich) und 21.033 (Deutschland) immens ist. Immerhin leisten 2,97 % der österreichischen Gesamtbevölkerung sowie vergleichsweise geringe 1,26 % der deutschen Allgemeinheit ehrenamtlichen Feuerwehrdienst.
13.2
Staatliche Schutzpichtenwahrnehmung durch die Feuerwehren
Eine der wichtigsten Aufgaben des Verfassungsstaates ist der Schutz seiner Bürger. Die öffentlichen Feuerwehren gewährleisten dabei den Schutz für den Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Er bedarf der systematischen Risikoforschung, um das durch Gesetze oder Verordnungen etablierte Sicherheitsniveau fortzuentwickeln; der verfassungsrechtsbewehrte Schutzauftrag ist demzufolge kein statisches und abschließendes Gebilde. Als Maßstab staatlicher Pichterfüllung gelten Mindestanforderungen, denen die Ausgestaltung des Schutzes durch die Rechtsordnung genügen muss. Das gebotene Minimum an Schutz gilt als verfehlt, sofern der Gesetzgeber seine Schutzpicht evident verletzt hat. Die gerichtliche Kontrolle des Schutzniveaus entspricht der Risikosteuerung und -vorsorge, da der IndustF. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_13, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
366
Zusammenfassung
riestaat als Risiko- und Präventionsstaat regelmäßig entgegen dem Gebot des Rechtsgüterschutzes risikoträchtige Techniken zulässt und fördert. Die staatliche Risikovorsorge ndet ihre Grenzen im so genannten Restrisiko, das trotz bestmöglicher Prävention unvermeidlich ist und leistungsfähige Gefahrenabwehrstrukturen erfordert. Deren Wirksamkeit wiederum steht u. a. in unmittelbarer Beziehung zum Faktor (Eintreff-) Zeit, die jedoch von nur wenigen deutschen Bundesländern in Gesetzen und Verordnungen verbindlich deniert wird, obschon wissenschaftliche Erkenntnisse einen eindeutigen Zusammenhang von Eintreffzeit und Überlebenswahrscheinlichkeiten beschreiben. Die ächendeckende und einheitliche Aufnahme konkreter Zielerreichungsgrade scheitert indes vor dem Hintergrund ökonomischer Konsequenzen am Widerstand kommunaler Spitzenverbände. Infolge der unterbliebenen Risikoforschung mangelt es an gesetzlichen Anpassungsreaktionen ebenso wie an wirksamen aufsichtsbehördlichen Mechanismen. So bleiben im Ergebnis Zweifel zurück, ob die derzeitigen Sicherheitsvorkehrungen im Feuerwehrwesen dem staatlichen Auftrag ganz zu genügen vermögen.
13.3
Volkswirtschaftliche Grundlagen
Der Entstehung des Staates als Schutz- und Ordnung gewährendes Gebilde ist mit einer kontinuierlichen Wechselwirkung zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung einhergegangen, die insbesondere auf kriegerische Auseinandersetzungen und nachfolgende Veränderungen der Herrschaftsstrukturen zurückführbar ist. Sie vollzog sich im Verlauf zudem durch Ausscheidungskämpfe und Konkurrenzsituationen infolge der potenziellen Expansionsausrichtung des jeweiligen territorialen Nachbarn, die wiederum in einem Mechanismus zur Monopolbildung mündete. Als Folge dessen schieden immer mehr gesellschaftliche Einheiten aus dem Konkurrenzkampf aus und begaben sich in direkte oder indirekte Abhängigkeit von einer immer kleiner werdenden Anzahl mächtiger Territorialherren, so dass der Konkurrenz die Tendenz zur Monopolbildung immanent erscheint, insbesondere vor dem Hintergrund eines Ungleichgewichts von Einzelinteressen. Mit Reduzierung der Konkurrenten stieg die Macht der einzelnen Akteure, die schließlich in einer Zusammenführung des physischen Gewaltmonopols und des Abgabenmonopols, also staatlichen Elementen der Herrschaftsorganisation, endete. Dabei bedingen Gewalt- und Steuermonopol als Voraussetzung staatlicher Aufgabenübernahme einander. Die Herausbildung moderner Staatlichkeit ist im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte mit einer zunehmenden Verstaatlichung ursprünglich privater Aufgaben mit dem Ziel der langfristigen Sicherstellung eines geordneten Zusammenlebens einhergegangen. Diese geordnete Form des Gemeinwesens ist einerseits an die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung gebunden, andererseits bedarf sie jedoch auch der Wertschätzung gesellschaftlich relevanter Gruppen. Staatliches Handeln soll im Idealfall eine Balance zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung erreichen und impliziert unter der Annahme einer optimalen Allokation verfügbarer Ressourcen eine efziente Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen. Sind diese idealen Verteilungsmechanismen nicht gegenwärtig, liegen Marktunvollkommenheiten vor, die es seitens des Staates durch Interventionen zu beseitigen oder in ihren Auswirkungen zu mindern gilt. Diesen Störungen des Marktes können unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen, so zum
Zusammenfassung
367
Beispiel Informationsdezite oder auch öffentliche Güter, denen u. a. auch die Leistungen der öffentlichen Feuerwehren zuzurechnen sind. Öffentliche Güter unterscheiden sich von üblichen Marktgütern. Sie beziehen die Gesamtheit aller Wirtschaftssubjekte in den ganzheitlichen Konsum ein, ohne dass einzelne Marktteilnehmer vom Konsum ausschließbar sind und ohne dass mehrere Anbieter konkurrieren. Der kollektive Konsum baut auf kollektive Finanzierung. Die Möglichkeit zur kostenlosen Inanspruchnahme des öffentlichen Gutes führt indes häug zur Nichtäußerung der Zahlungsbereitschaft, obwohl der Nachfrager durch das öffentliche Gut einen Nutzen erhält. Dieses als „Free-Riding“ bezeichnete Phänomen gibt ein wichtiges Beispiel für Marktunvollkommenheiten wieder, bei dem die individuelle Rationalität die kollektiven Bedürfnisse nachhaltig negativ beeinusst. Die Gesamtheit der Wirtschaftsubjekte ist daher mit Hilfe von Kooperationsnormen kollektiv zu disziplinieren, um die ökonomische Ordnung innerhalb des Staatsgebildes sicherstellen zu können. Allerdings bestehen partielle Optimierungsmöglichkeiten, sofern sich der Gesetzgeber zu einer verbindlichen Koordination staatlicher Aufgabenerfüllungen entschließt.
13.4
Die Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger
Die überaus hohen Mitgliederzahlen der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland vermögen die Leistungsfähigkeit nur ansatzweise widerzuspiegeln, da alleine die Verfügbarkeit und die Qualikationen der einzelnen Feuerwehrangehörigen in Kombination mit der Eintreffzeit an der Schadenstelle bewertbar sind. Es ergeben sich mitunter tageszeitliche Verfügbarkeitsengpässe, denen die Freiwilligen Feuerwehren regelmäßig mit Hilfe theoretischer Planungsgrößen entgegenzuwirken versuchen, obgleich die Ausgangssituation nicht neu ist. Die Bundesfeuerwehrverbände Österreichs und Deutschlands setzen sich bereits seit einigen Jahren mit der so genannten „Tagesalarmsicherheit“ auseinander. Diese zu untersuchen ist Gegenstand bundesweiter Befragungen in Österreich und Deutschland gewesen, um letztlich konkrete Dezitdimensionen und darüber hinaus potenzielle Abhängigkeiten von Bevölkerungsstrukturen ermitteln zu können. Vor diesem Hintergrund dient die Einwohnerdichte als Bewertungskriterium. Es wird angenommen, dass sich mit steigender Bevölkerungsdichte auch die Anzahl der Einsätze erhöht. Die Ergebnisausgabe erfolgt für alle Bundesländer Österreichs und Deutschlands sowie als Gesamtergebnis in nationalem Kontext. Dabei stellt sich die werktägliche Verfügbarkeitssituation in beiden Staaten dar. So geben 65,6 % der Freiwilligen Feuerwehren in Österreich an, während eines werktäglichen Zeitraums von 11 Stunden Verfügbarkeitsprobleme zu haben. In Deutschland beträgt der Anteil betroffener Feuerwehren gar 85,5 % (Dauer: 11 Stunden je Werktag), so dass die Leistungsfähigkeit in beiden Ländern erheblich eingeschränkt scheint, zumal etwa 70 % der Bevölkerung von Freiwilligen Feuerwehren betreut wird.
13.5
Die Infrastruktur der Feuerwehren
Es bedarf einer Vielzahl an Feuerwehrstandorten, soll das Örtlichkeitsprinzip der Freiwilligen Feuerwehren umgesetzt werden. Die Auswahl der einzelnen Liegenschaften leitet sich
368
Zusammenfassung
hinsichtlich ihrer räumlichen Lage nicht zwingend an einsatztaktischen Gesichtspunkten ab, sondern versucht durch den hohen Verteilungsansatz die ächendeckende Nähe von Feuer wehrangehörigen und Feuerwehrstandort herbeizuführen. Diese taktischen Erwägungen zielen insbesondere auf das zeitgerechte Eintreffen an Schadenstellen ab und werden von der örtlichen Verkehrsinfrastruktur maßgeblich beeinusst. Darüber hinaus bestimmen die verfügbaren Personalstärken die einsatztaktischen Möglichkeiten und Grenzen. Sie folgen den Größenordnungen „Löschstaffel“, „Löschgruppe“ und „Löschzug“. Nach einer Veröffentlichung des Instituts der Feuerwehr Sachsen-Anhalt können insgesamt 96 % aller Einsätze von Einheiten bis zur Löschgruppengröße selbstständig abgewickelt werden; für weitere 3 % ist ein Löschzug erforderlich. Darauf aufbauend stützt sich die Bemessung einer beruichen Feuerwehrinfrastruktur auf die kombinierte Zuweisung von Personal und Technik an Standorte, die ausschließlich nach taktischen Grundsätzen ermittelt wurden. Als Ergebnis resultiert die konkrete Denition des Standortbedarfes sowie der personellen und ausstattungstechnischen Erfordernisse. Um den enormen Liegenschaftsbestand bei diesen Planungen zu berücksichtigen erfolgt die Kategorisierung in 8 Ausbaustufen. Erfüllt die jeweilige Liegenschaft die Anforderungen zur Unterbringung an die entsprechende taktische Einheit, kann das Gebäude ohne weitere Aufwertung in die Infrastruktur eingehen. Sofern sich jedoch baulicher Anpassungsbedarf ergibt, ist die Diskrepanz zum erforderlichen Ausbaugrad zu ergänzen. Der investive Aufwand lässt sich dabei durch anerkannte Baukostenschätzverfahren verlässlich beschreiben. Allerdings ist dieser Vorgehensweise eine gewisse Unsicherheit immanent, da die konkreten Gegebenheiten aller vorhandenen Feuerwehrobjekte nicht in Gänze erfasst werden können. Daher gehen die Ergebnisse zum investiven Aufwand von idealisierenden Voraussetzungen aus, die u. a. in der Vereinheitlichung der angenommenen Bausubstanz sowie in der Annahme einheitlicher (kommunaler) Eigentumsverhältnisse begründet sind. Im Ergebnis werden in Österreich 287 Standorte und in Deutschland 2.066 mit beru icher Besetzung benötigt. Demgegenüber stehen derzeit insgesamt 4.957 österreichische und 33.417 Feuerwehrobjekte. Das Reduzierungspotenzial ist somit enorm. Die baulichen Anpassungen verursachen investive Aufwendungen, die sich in Österreich mit 197.108.227,06 € und in Deutschland mit 1.222.726.493 € quantizieren lassen. Infolge der wie vor beschriebenen Idealisierungen ist nicht auszuschließen, dass der reale Investitionsbedarf wesentlich umfangreicher ist.
13.6
Finanzieller Aufwand für eine beruiche Feuerwehrinfrastruktur
Der nanzielle Aufwand der kontinuierlichen Gestellung beruicher Feuerwehrangehöriger bildet die Ausgangssituation dieses Untersuchungsteils. Nachdem die Anzahl und die technische sowie personelle Ausstattung berechnet wurden, lassen sich nunmehr die konkreten nanziellen Dimensionen einer beruichen Feuerwehrinfrastruktur bemessen. Bei dieser Bemessung sind Personalfaktoren zu würdigen, die eine kontinuierliche Vorhaltung des beruichen Feuerwehrpersonals sicherzustellen in der Lage sind. Auf Grundlage einer bundesweiten Umfrage in Deutschland ergab sich ein Personalfaktor von 4,56. In Österreich gab der österreichische Bundesfeuerwehrverband einen Ablösefaktor zwischen 4,4
Zusammenfassung
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und 4,5 an, so dass ein Wert von 4,45 in die Berechnung des personellen Aufwandes eingegangen ist. Der Ermittlung des Personalkostenaufwandes wiederum lag in Österreich eine Anfrage bei den sechs Berufsfeuerwehren zugrunde, während sich die die Kalkulationsgrundlagen in Deutschland auf Angaben der kommunalen Gemeinstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGST) beruhen. Neben dem unmittelbaren Personalkostenaufwand bedarf es zudem der Einbeziehung von Sach- und Gemeinkosten, die ebenso durch eine Befragung österreichischer und deutscher Berufsfeuerwehren erhoben wurden. Daraus resultierte die Ausweisung eines „Pro-Kopf-Aufwandes“ für Sach- und Gemeinkosten, welche die bereits erhobenen nanziellen Aufwendungen für Personal additiv ergänzen. Die Größenordnungen des sächlichen „Pro-Kopf-Aufwandes“ betragen in Österreich 5.247,66 € und in Deutschland 5.987,23 €. Darüber hinaus vervollständigt die Einbeziehung von Overheadkosten für Verwaltungsdienstleistungen in Höhe von 15 % des Personal-, Sach- und Gemeinkostenaufwandes die berücksichtigungsfähigen Ansätze für den einzelnen beruichen Feuerwehrangehörigen. Diese gilt es nunmehr in die Standort- und Personalinfrastruktur zu integrieren. Für die Unterhaltung der personellen und technischen Einsatzbereitschaft in Österreich entsteht daraus resultierend ein jährlicher Aufwand von 996.121.577,77 €, während in Deutschland 5.587.326.514,47 € aufzubringen wären.
13.7
Finanzieller Aufwand für die ehrenamtliche Feuerwehrinfrastruktur
Nachdem der nanzielle Aufwand der Unterhaltung einer beruichen Feuerwehrstruktur untersucht wurde, sind nunmehr die nanziellen Größenordnungen für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren Inhalt weiterer Ergebnisdarstellungen. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang von Interesse, ob und inwieweit die feuerschutzbezogenen Aufwendungen homogene Verläufe zeigen und insoweit Rückschlüsse auf das Sicherheitsniveau zulassen, das den Bürgerinnen und Bürger zugebilligt wird. Analog den Untersuchungen zum beruflichen Feuerwehrwesen basieren die nanziellen Dimensionen für das Feuerwehrehrenamt auf „Pro-Kopf-Aufwendungen“. Dabei ist der Personalkostenaufwand systembedingt von untergeordneter Bedeutung. Vielmehr erfordert die Gesamtheit des Standort-, Fahrzeugund Ausrüstungsbestandes besondere Aufmerksamkeit, da in Österreich und Deutschland insgesamt etwa 38.000 Liegenschaften der Freiwilligen Feuerwehren betrieben werden. Die Ermittlung des nanziellen Aufwandes leitet sich aus der Auswertung von ordentlichen Voranschlägen bzw. von ordentlichen Haushaltsplänen in Österreich sowie von Haushalts- bzw. Produktplänen in Deutschland (jeweils ohne investive Aufwendungen) ab, die jeweils für die Jahre 2005 bis 2007 ausgewertet wurden, um den Einuss etwaiger Ausreißer zu mindern. Der Umfang ist mit 267 österreichischen und 861 deutschen Gemeinden durchaus repräsentativ. Die Untersuchung folgt zudem den Annahmen, dass der nanzielle Aufwand für den einzelnen ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen mit der Einwohnerzahl sowie der Bevölkerungsdichte der jeweiligen Gemeinde steigende Tendenz aufweist. Ergebnisse werden für die Bundesländer und im gesamtstaatlichen Kontext vorgestellt. Der mittlere jährliche „ProKopf-Aufwand“ für einen österreichischen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr beträgt auf Grundlage der beschriebenen Vorgehensweise 1.239,05 €; der für Deutschland ermittelte jährliche Betrag ist mit 1.157,53 € geringfügig kleiner. Hinsichtlich der Ausgabenstruktur
370
Zusammenfassung
orientieren sich österreichische und deutsche Gemeinden bei raumstruktureller Betrachtung mittelstark an der Bevölkerungsdichte. Dabei sind die Beziehungen in Österreich geringfügig konsistenter.
13.8
Gegenüberstellung ehren- und hauptamtlicher Feuerwehrstrukturen
In Kombination mit 249.507 aktiven ehrenamtlichen Mitgliedern und dem zuvor ermittelten „Pro-Kopf-Aufwand“ ergibt sich in Österreich ein Gesamtaufwand von jährlich 309.151.648,40 € für den Betrieb der Freiwilligen Feuerwehren. Die Kommunen in Deutschland wenden bei 1.035.941 aktiven Angehörigen insgesamt 1.199.132.786,00 € für das ehrenamtliche Feuerwehrwesen auf. Demgegenüber verursachen die für jeweils etwa 30 % der Bevölkerung verantwortlichen Berufsfeuerwehren nanzielle Aufwendungen in Höhe von 246.318.741,20 € (Österreich) sowie 1.612.904.696,54 € (Deutschland). Bei Beachtung des Finanzmitteleinsatzes für eine ganzheitliche Berufsfeuerwehrorganisation folgen theoretische Wirtschaftsleistungen des Feuerwehrehrenamtes. Diese vernachlässigen allerdings die ächendeckenden Verfügbarkeitsprobleme, die an Werktagen sowohl in Österreich als auch in Deutschland während eines Zeitraumes von 11 Stunden gegenwärtig sind. Hilfsweise lassen sich diese Wirtschaftsleistungen durch die kompensatorische Einbeziehung von beruichen Feuerwehrangehörigen relativieren. Zudem können ebenso deutlich wie die Anzahl der Standorte die Fahrzeugvorhaltungen und damit die investiven Bemühungen reduziert werden, ohne dass sich infolge des enormen und uneinheitlichen Fahrzeugbestandes konkrete Größenordnungen formulieren lassen.
13.9
Ehrenamtliche Arbeit in den Freiwilligen Feuerwehren
Die Mithilfe von Freiwilligen gilt als eine Voraussetzung zur Unterhaltung eines intakten Gemeinwesens. Der Bedarf ist ebenso groß wie die Möglichkeiten zur Hilfeleistung, wie die dargelegten Ergebnisse für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehren auszudrücken vermögen. Die Funktionsfähigkeit der exemplarisch aufgeführten Bereiche setzt diese Form der Unterstützung faktisch voraus. Ehrenamtler leisten gemeinnützige Tätigkeiten, binden ihre persönlichen Freizeitpotenziale für Arbeit, die grundsätzlich auch von anderen Personen gegen Bezahlung ausführbar ist. Das Ehrenamt und die dort handelnden Personen können zudem keinesfalls als eine große homogene Gruppe eingeordnet werden; vielmehr sind Menschen aus allen Lebensabschnitten mit unterschiedlichen Hintergründen sowie einem weitem Erfahrungsschatz aktiv. Mögliche Tätigkeitsfelder variieren zwischen Deutschland und Österreich. Eine unmittelbare Vergleichbarkeit ist grundsätzlich nicht gegeben. Die Motivationen der einzelnen ehrenamtlichen Helfer sind äußerst vielfältig. Die freiwillig Engagierten unterliegen also individuellen Motivationen, deren Kombinationsmöglichkeiten ebenso zahlreich sein dürften wie die Anzahl der Handelnden selbst. Unter bestimmten Voraussetzungen beschreibt die Literatur die mitunter vollständige Verdrängung der privaten Ehrenamtsbeiträge, dem als 100 prozentigem „Crowding-Out-Theorem“ bezeichneten Phä-
Zusammenfassung
371
nomen, die weiterhin von der Intensität der Beziehung zwischen den Akteuren, demnach von der Beziehung zwischen Organisation und Ehrenamtler abhängig ist.
13.10
Soziologische Untersuchung
Zur Entwicklung interessierender Merkmale wurden im Rahmen einer auf zehn Feuerwehren je Bundesland begrenzten Umfrage inhaltliche Schwerpunkte abgeleitet, die das Ehrenamt in den Freiwilligen Feuerwehren einzuschränken geeignet sind. Nach Auswertung derselben folgte die Entwicklung und Aussendung eines umfangreichen Fragebogens, der die Überprüfung systemrelevanter Hypothesen ebenso ermöglichte wie die Untersuchung der wie vor genannten Schwerpunkte. Der überwiegende Teil der Hypothesen konnte nicht unterstützt werden. Lediglich für den Zusammenhang zwischen grundsätzlicher Aufgabenerfüllung und der Qualität des Ausbildungswesens ergab sich ein annahmekonformer Verlauf. Darüber hinaus weisen die Ausprägungen für das Hilfeleistungsbedürfnis und für die Akzeptanz der ehrenamtlichen Feuerwehrtätigkeit am Arbeitsplatz in Österreich stärkere Korrelationen auf. Die weiteren Ergebnisse unterstrichen insbesondere die Bedeutung des Arbeitsplatzes für die Gestaltung der ehrenamtlichen Feuerwehrmitgliedschaft mit stärkerer Beeinussung in Deutschland. Ferner konnten erhebliche Einüsse monetärer Faktoren auf ehrenamtliche Leistungen nachgewiesen werden. Die in Kurzform dargestellten Untersuchungsergebnisse bilden nunmehr den Ausgangspunkt für eine abschließende Aufbereitung des Feuerwehrsystems in Österreich und Deutschland einschließlich der Vorstellung alternativer Organisationsmodelle sowie ergänzender Einschätzungen.
14
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
Keine Organisation verkörpert die „Ästhetik des Helfens“ in Gestalt der spontanen und ächendeckenden Netzwerke derart eindrucksvoll wie die Freiwilligen Feuerwehren. Demgegenüber stehen überaus hohe Erwartungen der Bevölkerung (vgl. Polis: Ergebnisse, 2005, 2), die ambivalente Reaktionen der ehrenamtlichen Feuerwehrhelfer auszulösen vermögen (vgl. 11.2.4.3). Der herausragenden Stellung im Allgemeinen entspringt die Gefahr einer zunehmenden Distanzierung zwischen Bevölkerung und Feuerwehr, sofern die hohen Erwartungen aus der subjektiven Sicht der Betroffenen in objektivierbarer Dimension unbeantwortet bleiben. Deutliche Anzeichen dessen bilden sich bereits ab. So scheint es lediglich noch eine Frage der Zeit, dass von Seiten der Versicherungen, der Geschädigten, der Medien oder auch der politisierten Kommunalverwaltungen der Leistungsdruck deutlich zunehmen wird und verstärkte Kontrollen tatsächlich erbrachter Leistungen eingeführt werden (vgl. Pulm: 2008, 140), die bisher nicht oder nur mit äußerster Zurückhaltung erfolgen (vgl. 4.5.2). Vor dem Hintergrund dieser prognostizierten Entwicklung gilt es nunmehr die Untersuchungsergebnisse zu bewerten und gleichermaßen Interventionsmöglichkeiten zu erörtern. Die Darstellungen orientieren sich an der Abfolge der einzelnen Abschnitte dieser Arbeit.
14.1
Das Instrumentarium staatlicher Schutzpichtenerfüllung
Den Brandschutzgesetzen der Bundesländer Österreichs und Deutschlands mangelt es an restriktiven Kriterien für die zeitrelevanten Tätigkeiten der Feuerwehren, von Hessen (10 Minuten) einmal abgesehen. Zwar beschreibt auch das Brandschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt ein Eintreffzeitfenster von 12 Minuten, das allerdings eher an den Möglichkeiten der Feuerwehrorganisation als an den Notwendigkeiten betroffener Menschen orientiert zu sein scheint. Über die brandschutzgesetzlichen Inhalte hinaus existieren in Österreich und Deutschland lediglich im Verantwortungsbereich der Berufsfeuerwehren grundsätzlich einheitliche Schutzziele. Ansonsten fehlt es an ganzheitlichen Einüssen auf die feuerwehrbezogenen Reaktionszeiten. Sofern Zeitintervalle vorgegeben sind, variieren diese erheblich. Sicherlich sind bundesweite Regelungen aufgrund der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer nicht zu erwarten; allerdings bedarf die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages zunächst mindestens einer einzelfallbezogenen Konturierung, deren Prüfungsmaßstab bei Rechtsgütern höchster Bedeutung, also dem zu rettenden Leben und der zu schützenden körperlichen Unversehrtheit zu verschärfen sowie deren konkrete Ausgestaltung zu begrenzen ist (vgl. 4.1.4). Vorwiegend sollen die kommunalaufsichtlichen Stellen die Wirksamkeit der örtlichen Feuerwehren überprüfen. Im Besonderen richtet sich der Aufsichtsauftrag an die Bezirke in F. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_14, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
373
Österreich und die Landkreise in Deutschland. Die bei den Landkreisen verantwortlichen Bezirksfeuerwehrkommandanten, Kreisbrandinspektoren oder Kreisbrandmeister stehen jedoch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis von den kommunalen Feuerwehrverantwortlichen ihres Aufsichtsbereiches, die (in Abhängigkeit vom Brandschutzrecht des einzelnen Bundeslandes) üblicherweise mindestens ein Anhörungsrecht bei der (Wieder-) Besetzung der Aufsichtsfunktion auszuüben berechtigt sind. Damit einhergehend stellt sich die Frage, ob und inwieweit diese Interdependenzen eine wirksame Feuerschutzaufsicht zu begründen vermögen, ähnlich dem System der seitens des Bank- und Finanzwesens unterhaltenen Rating-Agenturen, die ihren „Mitgliedsunternehmen“ noch Liquidität und ein gutes Ranking bescheinigten, als die Wertpapiere längst substanzlos waren (vgl. FTD vom 23.07. 2009). Darüber hinaus stehen Bestrebungen kommunaler Spitzenverbände konsequenten Aufsichtsmechanismen entgegen. Sie sind vielmehr bestrebt, auf verbindliche Zeit- und Zielerreichungsgrade und damit auf bemessbare Hilfeleistungsdenitionen zu verzichten. So gilt es grundsätzlich zu hinterfragen, ob die öffentlichen Feuerwehren die vorgesehene (minimale) Schutzwirkung für die Gesamtheit des Feuerwehrsystems zu entfalten in der Lage sind. Infolge fehlender konkreter gesetzlicher Minimalanforderungen und daraus resultierender Bewertungsunterschiede ergibt sich ein eher diffuses Gebilde regionaler Feuerwehrqualitäten. Einzig die inhaltlich konzertierte und koordinierte Überprüfung innerhalb eines Bundeslandes vermag dem staatlichen Handlungsauftrag den gebotenen Ausdruck zu verleihen. Im Konkreten gilt es Schadensereignisse und realistische Übungsszenarien hinsichtlich Eintreffzeit, Eintreffstärke und Eintreffquali kationen sowie technischer Ausstattungsmerkmale nach einem standardisierten Verfahren dauerhaft zu analysieren, um die verfassungsrechtlich geschuldete Effektivität insbesondere im Kontext des überragenden Stellenwertes der potenziell betroffenen Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit transparent zu machen. Zu vermuten ist weiterhin, dass die beruichen Feuerwehrstrukturen mit einem Versorgungsanteil von jeweils etwa 30 % der österreichischen und deutschen Bevölkerung die relevanten Bewertungskriterien zu erfüllen im Stande sind, während die von den Freiwilligen Feuerwehren zu betreuenden Einwohneranteile einer Vielzahl dispositiver Faktoren unterliegen. Die standardisierten Prüfungen sind dennoch auf beide Feuerwehrsysteme zu übertragen. Da dem Gesetz- und Verordnungsgeber bei der Schutzpichtenerfüllung sowohl Ermessens- und Gestaltungsräume zugebilligt wie auch abschließende Verantwortlichkeiten auferlegt werden, sind die beschriebenen Standardisierungen ausdrücklich gegen Einwände aus den Kommunen bzw. aus kommunalen Gremien abzugrenzen, die im Hinblick auf etwaige nanzielle Auswirkungen die notwendige Ermessensausübung und Rechtskonkretisierung der Aufsichtsbehörden aufzuweichen drohen. Der verwaltungsrechtliche Charakter der gesetzlichen Aufgabenzuweisung in Form der pichtigen Selbstverwaltungsaufgabe, der Pichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung oder der Auftragsangelegenheit ist dabei letztlich unerheblich. Lediglich der anspruchsgerechte (einheitliche) Maßstab ist von Bedeutung, der zur Durchsetzung und Sicherstellung der staatlichen Schutzpichtenerfüllung an die kommunalen Feuerschutzbemühungen angelegt wird.
374 14.2
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
Die Finanzierung der öffentlichen Feuerwehren
Die Reduzierung auf die schlichte Gestellung des öffentlichen Gutes „Feuerschutz“ ist weder zeitgemäß noch vertretbar. Es gilt dabei nicht, die öffentlichen Verwaltungen bis zur Handlungsunfähigkeit zu ökonomisieren, sondern vielmehr ökonomische Prinzipien im Organisationsgefüge der öffentlichen Feuerwehren anzuwenden. Mit der Übertragung der Feuerwehraufgabe auf die Kommunen mag verantwortliches Wirtschaften in örtlichen Dimensionen verbunden sein, allerdings fehlt es an der übergeordneten Perspektive. Zumal die unterschiedlichen Prioritäten der gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung abweichende Finanzmitteleinsätze und somit implizite Externalisierungen zu begründen vermögen (vgl. 4.4.1; 4.5.2; 5.4.4.2). Daher drohen Produktion und Konsumption des öffentlichen Feuerschutzauftrages ungleichmäßig wahrgenommen zu werden. Zudem existieren keine verbindlichen Koordinationsmechanismen. Im Ergebnis stellen sich regelmäßig nicht pareto-optimale Allokationen ein, die Inefzienzen bei der Feuerschutznanzierung unterstreichen. Zudem ist die kommunale Verantwortung auch aus praktischen Erwägungen nicht zielführend. Zwar ist die Selbstverwaltung im Kontext des örtlichen Bindungscharakters grundsätzlich in besonderem Maße geeignet, den Gedanken des öffentlichen Wohls und der öffentlichen Sicherheit Geltung zu verschaffen (vgl. 4.5.2), jedoch werden dadurch insbesondere im Feuerschutz unverhältnismäßige Ausstattungsvarianzen zum Beispiel im Bereich der Fahrzeugtechnik sowie der persönlichen Ausrüstung gefördert. Bei allem Respekt vor besonderen örtlichen Gegebenheiten erfordert ein Großteil der Schadensereignisse nahezu identische operativ-taktische Handlungsmechanismen der Einsatzkräfte, so dass Standardisierungen technischer Komponenten überaus angemessen erscheinen. Diese existieren sehr wohl durch weitreichende Normierungen, indes verhindern Nuancen lokaler Gestaltungswünsche sowie die grundsätzliche kommunale Feuerschutzverantwortung sinnvolle und ökonomisch notwendige Anpassungen an skalische Realitäten. Einzig das jeweilige Bundesland als Inhaber der Gesetzgebungs- und Verordnungskompetenz vermag koordinierende oder obligatorische Organisationsstrukturen zu etablieren. Es erscheint in diesem Kontext vorteilhaft, dem jeweiligen Bundesland die unmittelbare Verantwortung für den Feuerschutz ohne Berücksichtigung territorialer Grenzen der Gebietskörperschaften zu übertragen. Mit einer derartigen Autoritätsverschiebung steigt die Wahrscheinlichkeit für ächendeckende Qualitätsmaßstäbe. Werden diese Maßstäbe über organisatorische Inhalte hinaus auf die Finanzverwaltung der Feuerschutzbelange ausgedehnt, sind aufgrund der ausbleibenden örtlichen Individualismen efzientere Finanzierungsvorgänge zu erwarten. Bleibt das System der kommunalen Verantwortung erhalten, bedarf es der stringenten Einussnahme der Landesverwaltungen und der nachgeordneten (zur Kommunalaufsicht bestimmten) Dienststellen auf eine standardisierte und abgestimmte Feuerwehrstruktur hinzuwirken, wohl wissend, dass die Selbstverwaltungslegitimation der Gemeinden Widerstände begründen dürfte. Diese allerdings verliert aufgrund der Finanzsituation der Gemeinden dahingehend an Gewicht, dass Kommunen im Zuge von Haushaltssicherungsmaßnahmen oder Nothaushaltsrecht der Aufsicht und Zwangsverwaltung übergeordneter Behörden unterstellt werden und damit einhergehend örtliche Gestaltungsfreiheit einbüßen, da der Fokus primär auf die (kontrollierte) Erfüllung von Pichtaufgaben auszurichten ist.
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
375
Folglich reduziert sich das Argument der kommunalen Feuerschutzverantwortung in erheblichem Ausmaß. Zumal die örtlich differierenden Feuerschutzqualitäten aus Sicht des Bürgers und Steuerzahlers nicht tolerierbar sind. Daher dürfen kommunalorganisatorische Barrieren nicht zur Stagnation und demgemäß zur Beibehaltung unwirtschaftlicher Finanzierungsdogmen beitragen.
14.3
Die ganzheitliche Leistungsfähigkeit des Feuerwehrsystems
Personelle und technische Vorhalteleistungen der Feuerwehren bedürfen eines enormen nanziellen und organisatorischen Aufwandes, um dem Ziel der jederzeitigen Leistungsfähigkeit gerecht zu werden. Trotz der in Kapitel 5 bis 9 dargelegten Bemühungen vermögen die gegenwärtigen aufbau- und ablauforganisatorischen Kapazitäten des österreichischen und deutschen Feuerwehrwesens diesem elementaren gesetzlichen Auftrag nicht nachzukommen. Es mangelt insbesondere an der werktäglichen Verfügbarkeit der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte, die zu bedeutenden prozentualen Anteilen wohnortfernen Berufstätigkeiten nachgehen und additiv in ebenso gewichtigen prozentualen Ausprägungen ihren Arbeitsplatz zu verlassen nicht in der Lage sind. Darüber hinaus implizieren veränderte Erwerbs- und Termingewohnheiten eine Ausdehnung der Engpässe auf den Samstag, wenngleich die Dezite nicht die Ausmaße der Wochentage erreichen dürften. So resultieren derart große Deckungslücken, die mit dem verfassungsrechtlichen Schutzpichtenauftrag und den implizit vorausgesetzten Minimalanforderungen unvereinbar erscheinen. Evidente Untersuchungsergebnisse wurden vorwiegend in den Kapiteln 6 und 12 vorgestellt. Nun stellt sich die berechtigte Frage der Auseinandersetzung mit diesem Wissen. Ausgehend davon ist herauszustellen, dass die gegenwärtigen Rahmenbedingungen sowohl in Österreich wie auch in Deutschland inefzient sind. Eine Fortsetzung ohne Reaktion und Internalisierung erscheint daher nicht nur verantwortungslos; vielmehr würde Passivität gleichermaßen staatlichem Unvermögen und Organisationsverschulden gleich kommen. Die Tagesalarmsicherheit bei den Freiwilligen Feuerwehren darf als ausgesprochen eingeschränkt bis gering eingestuft werden. Dieser Zustand zeugt von einer schleichenden und stetigen Erosion, die sowohl von den unmittelbar verantwortlichen Gemeinden wie auch den Aufsichtsbehörden offenkundig weder wahrgenommen noch als korrekturbedürftig erachtet wurde. Zudem ist nicht zu erwarten, dass eine Verbesserung ohne organisatorische Veränderungen erfolgen wird. Betrachten wir nun die Möglichkeiten zur Gewährleistung der ganzheitlichen Betriebssicherheit, bietet sich den Kommunen zunächst die Beschäftigung beruicher Feuerwehrangehöriger zur Kompensation der kritischen Zeitfenster (vgl. 10.4). Die Gemeinden werden diese Alternative ob des Personalkostenaufwandes nicht sonderlich schätzen. Ungeachtet der erwartbaren Ablehnung ist es an den einzelnen Gebietskörperschaften den Nachweis gesetzes- und schutzpichtenkonformer Leistungsfähigkeit zu führen. Im Einzelfall mögen die zeitlichen Dezite variieren, so dass sich die ausfüllungsbedürftigen Zeiträume von den örtlichen Gegebenheiten ableiten. Der personelle Umfang der Aufwertungserfordernisse basiert ebenfalls auf den konkreten regionalen Verhältnissen. Ein Modell zur Bemessung desselben folgt aus den Kapiteln 7 und 8. Eine vertretbare Minimalvariante geht von einer
376
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
Löschstaffel als untere Grenze der Sicherstellungsleistungen aus. Mit steigender Einwohnerzahl und Verdichtung der Siedlungsstrukturen sowie besonderen Gefahrenmerkmalen bedarf es quantitativer und qualitativer Anpassungen. Ähnlich strukturiert arbeitet eine aus kommunalen Bediensteten bestehende Kompensationsvariante. Die Kosten sind deutlich geringer. Wenn auch eine unmittelbare Vergleichbarkeit mit der wie vor beschriebenen beruichen Feuerwehrorganisation nicht möglich ist, handelt es sich bei simplizierter Betrachtung um eine simultane Verfahrensweise, nach der bei der Gemeinde beschäftigtes Personal die zeitkritischen und personellen Eintreffkriterien (vgl. 4.3) einzuhalten imstande ist. Die Kräfte sind keine beruichen Feuerwehrangehörigen, sondern in einem Bereich der Verwaltung beschäftigt, im Bedarfsfalle abkömmlich und insbesondere entsprechend qualiziert. Sie verfügen mindestens über weit reichende Fähigkeiten auf Grundlage der Ausbildungsrichtlinien für Freiwillige Feuerwehren. Zudem sind Feuerwehrfahrzeug und persönliche Schutzausrüstungen in räumlicher Nähe zum Arbeitsplatz (Beispiele: Rathaus einer Stadtverwaltung; Werkstätten; Baubetriebshof etc.) vorzuhalten. Die Schwierigkeit dürfte weniger in der Gestellung von Fahrzeug und Gerät bestehen. Die Herausforderung liegt eher in der Etablierung organisatorischer Abläufe, um die zeitlichen Organisationsintervalle mit der betrieblichen Abkömmlichkeit synchronisieren zu können. Im Sinne der ganzheitlichen Aufgabenerfüllung ist auf die Notwendigkeit der Gewährleistungskontinuität zu verweisen. Ein tendenziell theoretisches Sicherstellungsmodell ergibt sich aus der denitiven örtlichen und zeitlichen Verfügbarkeit ehrenamtlicher Feuerwehrangehöriger mit dem Ziel hinreichender zeitkritischer Kräftegestellungen. Der theoretische Charakter resultiert aus der mangelnden Präsenz infolge berufsbedingter Abwesenheit- und Nichtabkömmlichkeiten. Zumal sich in Österreich lediglich 22,4 % und in Deutschland etwa 37,5 % der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen gegen Vergütung zur Verfügung halten würden. So scheidet diese Kompensationsvariante als grundsätzliche Option aus, obschon ein vergleichbares System in den Niederlanden überaus erfolgreich ist. Welche der Alternativen letztlich Anwendung ndet, ist nicht von Bedeutung. In der Realität dürfte eine Kombination derselben viel versprechend sein. Relevant ist letztlich die angemessene Erfüllung des gesetzlichen Auftrages. Zudem erscheint es illusorisch zu glauben, dass die Gemeinden nunmehr den ganzheitlichen Sicherstellungsauftrag aus eigener Überzeugung auszuführen bereit sind. Erst die standardisierte und konsequente kommunalaufsichtliche Tätigkeit impliziert wirksame Anpassungen an den verfassungsrechtlichen geschuldeten Minimalschutz. Daher sind die übergeordneten Verwaltungsinstanzen im besonderen Maße für die Schutzzielprüfungen und -erfüllungen verantwortlich. Im Kontext des Minimalschutzes vermögen die dargelegten Vorhaltungen in erster Linie zeitkritische Erwägungen zu berücksichtigen. Des Weiteren lässt sich der überwiegende Anteil der Schadensereignisse mit den minimalen personellen Ressourcen verarbeiten. Basierend auf den Veröffentlichungen des Instituts der Feuerwehr Sachsen-Anhalt reichen für etwa 70 % der Ereignisse bereits 4 Feuerwehrangehörige aus, mit vier weiteren Kräften können insgesamt 96 % aller Einsatzsituationen bewältigt werden. Weitere 3 % bedürfen eines Löschzuges, der in den Infrastrukturplanungen ebenso enthalten ist (vgl. 7.1.1; 7.1.3; 7.3). So sind es zeitkritische Erwägungen, die das ehrenamtliche Feuerwehrwesen in den Grenzen der landesweiten Verfügbarkeitsdezite ineffektiv und für „Adhoc-Tätigkeiten“
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
377
ungeeignet erscheinen lassen. Wie beschrieben bestimmen in erster Linie arbeitsplatzbezogene Einüsse den Umfang der Inefzienzen. Die Kraft des Feuerwehrehrenamtes entfaltet sich während der günstigen Verfügbarkeitszeiträume und bei geplanten Ereignissen (Beispiel: Großveranstaltungen) mit überaus belastbaren und unerschöpich wirkenden personellen Kapazitäten. Die Ehrenamtlichkeit wird auch in Zukunft eine elementare und unverzichtbare Größe der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr bleiben. Sie ist insbesondere erforderlich, um seltene ausgedehnte, personal- und zeitintensive Schadensereignisse beherrschen zu können. Die Aufgabe besteht demzufolge in einer selbstkritischen Differenzierung von zeitlichen und taktischen Möglichkeiten. Künftig dürfte sich daraus resultierend eine Mischkultur entwickeln, die weniger stringente Systemtrennungen und eine Konzentration auf Basisaufgaben befördern wird. Ausschließlicher Maßstab ist dabei die zeitgemäße, ächendeckende und schutzpichtenkonforme Hilfeleistung für die betroffenen Menschen, also Grundgedanken, die schon in der Entstehungsphase der Freiwilligen Feuerwehren zu außerordentlichen Entwicklungen führten.
14.4
Die gesamtgesellschaftlichen Einüsse auf das Feuerwehrehrenamt
Zeitliche und inhaltliche Ursprünge der rückläugen Engagementsituationen lassen sich nicht exakt bestimmen. Den gegenwärtigen Problemen liegen Prozesse zugrunde, die in der Vergangenheit kontinuierlich auf die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen eingewirkt haben dürfen. Sie sind wichtig für das Verständnis der Wechselwirkungen und daraus ableitbaren Lösungsansätzen. Ausgangspunkt der ehrenamtlichen Feuerwehrmitgliedschaften ist das überragende und generalisierbare Hilfeleistungsbedürfnis, das sowohl in Österreich wie auch in Deutschland die primäre Motivationsbasis bildet, die auch in den erheblichen und regelmäßig bereitgestellten Freizeitpotenzialen der Feuerwehrkräfte Ausdruck nden. Die Freiwilligen Feuerwehren verstehen sich indes nicht nur als Einrichtung zur Gefahrenabwehr, sondern auch als regionaler Dienstleister, von dem ganz offensichtlich erwartet zu werden scheint, fortwährend an gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten organisatorisch mitzuwirken. Diese Erwartungshaltung zeigt sich u. a. an den hohen Fremdverwendungsquoten, die durch die österreichischen und deutschen Feuerwehrangehörigen angegeben worden sind. Sie sind geeignet zeitliche und motivationsbezogene Kapazitäten von den Kernaufgaben abzutrennen und insofern zu Überlastungs- oder Frustrationserscheinungen beizutragen. Daher sind diese feuerwehrfremden Einsätze deutlich zu reduzieren und nur noch mit großer Zurückhaltung auszuüben. Erheblich kritischer zeigen sich die Auswirkungen wirtschaftlicher und arbeitsplatzabhängiger Merkmale, die starke Beziehungen zum Umfang des Feuerwehrengagements zu begründen vermögen. Sie beeinussen im Konkreten die freien Zeitanteile für das Feuerwehrehrenamt. Darüber hinaus bestimmen sie den Ansatz der Engagementsituation. Verschlechtert sich die gesamtwirtschaftliche oder die einzelwirtschaftliche Lage eines Arbeitgebers, sinken Mitwirkungsbereitschaft und -möglichkeiten. Ferner wohnt insbesondere den deutschen Feuerwehrangehörigen eine bedeutende Angst vor Arbeitslosigkeit inne, die aus Sicht der Freiwilligen Feuerwehren das Potenzial eines negativen Disziplinierungseffektes aufweist. Politik und Feuerwehren sind diese Einüsse durchaus
378
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
bekannt. Sie versuchen die Arbeitgeber für die Bedeutung der Freiwilligen Feuerwehren zu sensibilisieren. So wurden zum Beispiel Auszeichnungen initiiert, die „Partnerschaften mit den Feuerwehren“ unterstreichen sollen. Sie verkennen jedoch, dass sich die (wirtschaftlichen und betriebsorganisatorischen) Interessen der Arbeitgeber und der Kommunen als Träger des Feuerschutzes mitunter diametral entgegenstehen. Aus Sicht des Arbeitgebers ist der Feuerschutz eine staatliche Grundaufgabe, deren Finanzierung er mit steuerlichen Abgaben bereits hinreichend unterstützt hat. So ist ein kollektives Entgegenkommen der Arbeitgeberseite weder möglich noch zu erwarten. Allenfalls können marginale Effekte erzielt werden.
14.5
Die künftigen Anreizstrukturen im ehrenamtlichen Feuerwehrwesen
Als Ergänzung der vorgetragenen personellen Verfügbarkeit dürfen auch Instrumente der Motivationsförderung nicht obsolet sein, die mit politikpragmatischen Verlautbarungen inhaltlich unvereinbar sind, so zum Beispiel monetärer Anreizmechanismen. Die Bandbreite reicht von einfachen Vergünstigungen bei Schwimmbadbesuchen bis zur direkten pauschalen Vergütung. Allerdings gilt es die einzelnen Maßnahmen im Einzelfall zu prüfen und sorgsam einzusetzen. Ziel darf keinesfalls die Etablierung eines Vergütungscharakters sein. Vielmehr sollte die Anerkennung konkreter Leistungen als Maßstab der retrospektiven Förderung im Zentrum der Bemühungen stehen. Dabei ist zunächst zu verdeutlichen, dass die ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen sehr wohl differenzierte Anerkennungswünsche äußer ten. Diese weisen überwiegend monetäre Akzentuierungen auf. Zuvor bedarf es indessen der Einordnung der „Motivationswerkzeuge“, da vorwiegend direkte Zahlungsleistungen zur Verdrängung der Motivation beitragen und insoweit den Organisationsinteressen nicht zuträglich sind. Den damit offenkundig einhergehenden Konikt aufzulösen, erfordert gleichermaßen die Zusammenführung wissenschaftlicher Erkenntnisse und feuerwehrbezogener Anforderungen mit den Präferenzen der Feuerwehrkräfte. Das Ergebnis sind mittelbare monetäre Vergünstigungen, wobei ein positiver Zusammenhang zwischen dem Grad des Bildungsabschlusses, dem monatlichen Nettoeinkommen und dem Anerkennungsbestreben besteht. Im Kontext der Verdrängungsprozesse eignen sich daher explizit indirekte Zahlungen. Die Bedürfnisse der Feuerwehr wiederum zielen auf die Verfügbarkeit, die Anerkennung tatsächlich erbrachter Leistungen und die möglichst langfristige Mitgliederbindung ab. Letztlich wird deutlich, dass die Anwartschaft auf eine Rentenversicherung einen breiten Konsens beinhaltet. Die Ausgestaltung fördert die im Rahmen der Feuerwehrmitgliedschaft erbrachten persönlichen Leistungen, deren „Belohnung“ durch die Kontinuität einer dauerhaften und von Aktivität gekennzeichneten Mitgliedschaft bestimmt wird. Diesem individualisierbaren Charakter ist zudem eine maximale Verteilungsgerechtigkeit immanent. Die monetäre Größenordnung der Belohnung ist zudem von Bedeutung. Ein unverhältnismäßig hoher Betrag kann ebenso motivationsverdrängend wirken, wie ein „belohnungsfreies“ System. Es gilt bei der Festlegung von Bonuszahlungen einen Mittelweg zu nden. Eine Verbreitung dieses Systems ndet derzeit bereits statt. Neben einigen bundesdeutschen Städten hat das Bundesland Thüringen eine entsprechende Versicherung für alle im Land aktiven Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr eingeführt.
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
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Weitere Anreizmöglichkeiten folgen aus kostenfreien Nutzungen kommunaler Einrichtungen, der Berücksichtigung der Feuerwehrtätigkeit als Einstellungskriterium im öffentlichen Dienst und der besseren Anerkennungsfähigkeit der feuerwehrbezogenen Qualikationen in Ausbildung, Studium und Beruf. Sie bilden indes additive Vergünstigungen, da sie lediglich von einer unbestimmten Gruppe aus der Gesamtheit der Feuerwehrangehörigen in Anspruch genommen werden können. Es mangelt jedoch an der wichtigen einheitlichen Systemausprägung, die bei der Rentenversicherung gegenwärtig ist. Hingegen sollten direkte Geldzuweisungen grundsätzlich – mit Ausnahme von Auslagenerstattungen – aufgrund der zu befürchtenden motivationsmindernden Auswirkungen entfallen.
14.6
Das Ausbildungs- und Betreuungswesen der Freiwilligen Feuerwehren
Nicht nur die Feuerwehrangehörigen vertreten die Auffassung, dass die Ausbildung durch internetgestützte Lernangebote und landesweit einheitliche Lehrunterlagen verbessert werden kann. Die Voraussetzungen auf Seiten der Feuerwehrkräfte liegen vor, da das Internet regelmäßig genutzt wird. Vor dem Hintergrund der Organisationskultur des Feuerwehrwesens sind mit der kommunalen Verantwortung auch im Ausbildungsbereich Inefzienzen verbunden. Es mangelt an Synergien bei Unterrichtsmedien und Lernmitteleinsatz. Trotz verbindlicher Ausbildungsrichtlinien mit landesweiter Ausstrahlung sowie überwiegender Standardisierungen kooperieren die Gemeinden eher sporadisch mit der Konsequenz, dass vielerorts thematisch übereinstimmende Lehrveranstaltungen stattnden, die jeweils eigenverantwortlich und häug ohne abschließende Qualitätskontrolle vorbereitet wurden. Dieser unkoordinierte Vorgang wiederholt sich in nicht quantizierbarem Umfang mit ebenso nicht kalkulierbarem Ressourceneinsatz. Als Lösungsansatz bedarf es zentral verfasster und fachlich geprüfter Lehrunterlagen für die verschiedenen Leistungsstufen des ehrenamtlichen Feuerwehrwesens einschließlich zugehöriger Präsentationen, Handouts und ergänzenden Lernhilfen. Zur Erstellung derselben berufen sind in erster Linie die Landesfeuerschulen, Feuerwehrinstitute und sonstige zentrale Ausbildungseinrichtungen, die von den Bundesländern in Österreich und Deutschland unterhalten werden. Sofern es diesen Einrichtungen an Personal zur Aufgabenübernahme fehlt, sind Stellenbesetzungen unerlässlich und ökonomisch vertretbar. Nach einer Studie von Gehring (vgl. Gehring: 2008, 37 ff.) sinken die Kosten bei zentraler Literaturgestellung um mehr als 1 Millionen € für jede Minute geringer Einarbeitungszeit gegenüber dezentralen (kommunalen) Ausbildungsbemühungen. Darüber hinaus ist der Aufbau eines landesweiten interaktiven und webbasierenden Lernsystems unbedingt zu forcieren, da „ohne unternehmensweite Vernetzung das kollektive Wissen weitgehend ungenutzt bleibt und das große Potenzial […] nicht ansatzweise ausgeschöpft wird“ (Leuf et.al: 2007, 6). Ziel ist die zeitnahe zentrale Informationsverbreitung, die aktive Beteiligung der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen durch Einstellung „gesichteter“ Beiträge sowie die Kommunikation der Nutzer. Gerade ein derartiges Lernsystem dient der Unterstützung von (Feuerwehr-) Netzwerken […] oder dem E-Learning, also „überall dort, wo Menschen mit gemeinsamen Interessen im Netz zusammenkommen“ (vgl. Beck: 2007, 12). Kern ist die exible
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Anwendung der Untersuchungsergebnisse
Nutzung ohne zeitliche und örtliche Bindungen, die Verbreitung und Verfügbarkeit von relevanten Informationen in aufbereiteter und anspruchsgerechter Form bei gleichzeitiger Verlagerung der kommunalen Aktivitäten auf die zentrale Ebene mit Ausnahme besonderer örtlicher Schwerpunkte. Ferner bieten die neuen Medien die Möglichkeit zur Optimierung von Lehrgängen durch den Einsatz von Blended-Learnung oder E-Learning mit paralleler Reduzierung der Präsensphasen an den zentralen Feuerwehrschulen. Damit lassen sich Abwesenheitszeiten und Freistellungsnotwendigkeiten am Arbeitsplatz reduzieren, obgleich diese Lernform nicht für jeden Ausbildungsgang geeignet erscheint. In Ermangelung von Erfahrungswerten (Ausnahme: Landesfeuerwehschule Rheinland-Pfalz) ist ein beiderseitiger Lern- und Erfahrungsprozess obligatorisch, da es insbesondere einzelne Ausbildungen an die neuen Konzepte heranzuführen gilt. An der grundsätzlichen Notwendigkeit zur Anpassung an zeitgemäße und gleichermaßen arbeitsplatzfreundliche Lernformen besteht indes kein Zweifel. Insgesamt werden die veränderten Lerngewohnheiten und die neuen Lernzeitverteilungen positiven Einuss auf die Einsatzbereitschaft der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen haben. Neben der Ausbildung dienen auch arbeits- und sportmedizinische Maßnahmen sowie seelsorgliche Betreuungen den ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen als Vorbereitung auf die multiplen Einüsse der Feuerwehrtätigkeit. Die Erhebungen illustrieren die Aufwertungsbedürfnisse. Etwa die Hälfte der österreichischen und deutschen Kräfte der Freiwilligen Feuerwehren wünscht sich intensivere Unterstützung. Diese basiert ähnlich dem kommunalen Organisationsgefüge bisher vorwiegend auf regionalen Initiativen. Arbeitsmedizinische Maßnahmen beschränken sich üblicherweise auf verpichtende (altersabhängige) Wiederholungsuntersuchungen in einjährigen oder mehrjährigen Abständen. Fitness-, Belastungs- und Ergonomieberatungen nden darüber hinausgehend nicht statt. Ähnlich stellt sich die seelsorgliche Betreuungssituation dar. Die dortigen Aktivitäten folgen in der Regel bedarfsbezogen nach besonderen Einsatzerlebnissen. Während sich körperliche Belastungsgrenzen durch medizinische Untersuchungen verhältnismäßig einfach feststellen lassen, sind psychische Grenzen weniger eindeutig objektivierbar, so dass kontinuierliche Betreuungsmechanismen unterhaltungswürdig erscheinen. Einzelne Gemeinden dürften damit jedoch überfordert sein. Analog den Erkenntnissen zum Ausbildungswesen erfordert es zentralisierter Lösungen. Die organisatorische Plattform derselben ist am konkreten Umfang des Betreuungsgebietes, also an der Anzahl der Freiwilligen Feuerwehren auszurichten. Geeignet können nach örtlicher Maßgabe Bezirke bzw. Landkreise, Regierungsbezirke oder auch Bundesländer sein, um den Erreichungsgrad der fortwährenden Betreuungs- und Beratungsleistungen sicherzustellen.
14.7
Zusammenfassung
Die kompakte Vorstellung von Lösungsansätzen für das staatliche Handeln im Bereich der Freiwilligen Feuerwehren basiert auf umfangreichen Untersuchungen. Sie erfassen erstmals nahezu alle Einussfaktoren, die das ehrenamtliche Feuerwehrwesen in Österreich und Deutschland beeinussen. Das Ergebnis wurde in der gebotenen Deutlichkeit wiedergegeben. Es umfasst im Konkreten die nachfolgenden Interventionserfordernisse:
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
Aufsichtswesen der Feuerwehr professionalisieren, durch
Standardisierung der Überwachungsmechanismen. kontinuierliche Analyse von Schadensereignissen. konsequente Ausrichtung am gesetzlichen Schutzpichtenauftrag. Etablierung verbindlicher Zeit-, Technik- und Qualikationsprole. ereignisbezogene fortwährende Risikoforschung. den Einsatz von unabhängigen Aufsichtsinstrumentarien.
Finanzielle Aufwendungen strukturieren, durch
Standardisierung kommunaler Technik und Ausrüstungen. Reduzierung kommunaler Ausstattungsvarianzen. Konzentration von Investitionsmaßnahmen. Zentralisierung des Beschaffungswesens. Anpassung an Bevölkerungs- und Gefahrenparameter. konsequente Überwachung von Mindeststandards.
Kernaufgaben der Feuerwehr präferieren, durch
Fokussierung auf die gesetzlichen Aufgabenstellungen. Reduzierung der Fremdverwendungen. Sensibilisierung der kommunalen Verantwortungsträger.
Kräfte der Feuerwehr konzentrieren, durch
einzelfallorientierte Reorganisation von Standortinefzienzen. standardisierte ächendeckende Ausstattungsinitiativen. Sicherstellung nachweisbarer Verfügbarkeiten. Bildung beruicher Unterstützungskomponenten. Gewährleistung von einheitlichen Versorgungskriterien.
Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr privilegieren, durch
Etablierung nachhaltiger Anreizstrukturen. moderate indirekte Zahlungsleistungen. einheitliche und leistungsbezogene Bemessungskriterien. ächendeckende Instrumente der Mitgliederbindung.
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Anwendung der Untersuchungsergebnisse
Organisation der Ausbildung zentralisieren, durch
Vereinheitlichung von fachlich bewerteten Lehrunterlagen. Einsatz der Landesfeuerwehrschulen als Systembetreiber. Einrichtung einer interaktiven Lernplattform. webgestützte Reduzierung von Präsensphasen.
Mögen auch die einzelnen staatlich einzuleitenden Maßnahmen eher trivial erscheinen, bedürfen sie enormer Anstrengungen, sollen sich notwendige Veränderungen einstellen. Sie erfordern insbesondere Klarheit, Konsequenz und die unbedingte Ausrichtung auf die Interessen der Bevölkerung frei von interessierten Einüssen Dritter. Und sie verpichten die Aufsichtsbehörden zur stringenten Anwendung feuerwehrfachlicher, wissenschaftlicher und organisatorischer Erkenntnisse. Ihnen ist eine Schlüsselrolle bei der ganzheitlichen Aufwertung des Versorgungsniveaus beizumessen. Die nanziellen Aufwendungen werden daraus resultierend zunächst in jedem Fall zunehmen, sei es aus Gründen der zusätzlichen Einstellung feuerwehrberuicher Personalkapazitäten oder der Etablierung ächendeckender Anreizsysteme für das Personal der Freiwilligen Feuerwehren. Mit der wirksamen Strukturierung des Investitions-, Organisations- und Beschaffungswesens dürften indessen beträchtliche (Kosten-) Reduzierungen verbunden sein, die sich allerdings erst mittel- bzw. langfristig entfalten werden. Infolge der dezentralen Organisationsaufbaus und der zentralen Aufsichtsverantwortung sind dem System ferner fortwährende Informationsdezite immanent (vgl. 5.3.1.2.1), da die Kommune die tatsächliche Leistungsfähigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit der Feuerwehr besser einzuordnen in der Lage ist, als es die Aufsichtsbehörde vermag. Dieses Missverhältnis darf den evidenten Erfordernissen eines aufbau- und ablauforganisatorischen Wandels nicht entgegenstehen, sind doch alle Instanzen der öffentlichen Verwaltung ausschließlich dem Bürger verpichtet. Nur dieser Ansatz wirkt angesichts der Tragweite der zu schützenden Rechtsgüter überzeugend.
14.8
Weiterer Forschungsbedarf
Die Organisation des Feuerschutzwesens in Österreich und Deutschland ist in der Vergangenheit nahezu unerforscht geblieben. Vielmehr basieren die Strukturen auf der gemeindlichen Verantwortung der Gründungszeit der Freiwilligen Feuerwehren. Eine systematische Risikoforschung wurde nicht betrieben, der Picht zur Risikoforschung (vgl. Richter: 1989, 127–129) also nicht nachgekommen. Es darf daher nicht verwundern, dass sich Dezitdimensionen stetig entwickeln konnten, ohne dass staatliche Stellen Eingriffsbedarf konstatierten. Gleichwohl die vorgetragenen Forschungsergebnisse von erheblicher Reichweite sind, offenbaren sich weitere Forschungsfelder. Die ermittelten Verfügbarkeitsdezite zum Beispiel implizieren die Frage der abschließenden Bestimmtheit. So gilt es zu untersuchen, ob Verfügbarkeitsdezite signikanter Ausprägung auch in den Zeiträumen bestehen, die sei-
Anwendung der Untersuchungsergebnisse
383
tens der Landesfeuerwehrverbände als „günstig“ für die Beteiligung eingestuft worden sind. Ebenso bleiben die nächtlichen Teilnahmequoten sowie arbeitsplatzbezogene Einüsse auf den nächtlichen Teilnahmewillen der Feuerwehrkräfte unbekannt und bedürfen der Aufbereitung. Im Bezugssystem der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr gilt es zu untersuchen, ob und inwieweit sich die für die Freiwilligen Feuerwehren ermittelten Ergebnisse auf die ebenfalls mitwirkenden Hilfsorganisationen und Einrichtungen übertragen lassen. Des Weiteren begründen die Reduzierungspotenziale der Standort- und Fahrzeugstruktur ergänzenden Forschungsbedarf. Im Konkreten lassen sich baulicher Zustand und verbleibender Anpassungsumfang sowie Fahrzeugbewertungen und mögliche Nutzungsdauern im Rahmen eines umfangreichen Projektes mit dem Ziel der genaueren Ermittlung des investiven Aufwandes bzw. der Einsparung beurteilen. Die letztgenannten fahrzeuggebundenen Einsparungen können zudem denitiven Zeiträumen zugeordnet werden, die sodann die Reduzierungspotenziale auszugeben vermögen. Im Hinblick auf das kommunale Ausgabeverhalten bieten die Ungleichgewichte und der Einsatz entsprechender Überwachungsmechanismen weiteren Forschungsbedarf. Sie sind durch kombinierte Bemessungskriterien zu untersuchen, denen Einwohnerzahl, Fläche der Gemeinde und die Einwohnerdichte zugrunde liegen. Entscheidender für die Fortentwicklung des Feuerwehrwesens sind jedoch die konsequente und kontinuierliche Risikoforschung, so zum Beispiel die ganzheitliche Analyse von Eintreffzeit und Eintreffqualikationen. Vor dem Hintergrund der unterbliebenen Risikoforschung ist diesen Bewertungen eine sehr große Bedeutung beizumessen.
15
Schlusswort
Es ist ein Werk entstanden, dass sich überaus kritisch mit dem gegenwärtigen System der Freiwilligen Feuerwehren auseinandersetzt. Davon unbenommen sind die große Bewunderung und Dankbarkeit, die den ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen gebührt, wenden sie doch große Kraft, bedeutende Freizeitanteile und Begeisterung auf, um dieser einzigartigen Bürgerinitiative zu dienen. Sie wurden allerdings vielerorts in ihren Bemühungen von der Gesellschaft überholt, ohne dass rechtzeitige Korrekturen vorgenommen worden sind. Erschwerend wirkt in diesem Zusammenhang die kommunale Organisation, der es an Koordination und Nachhaltigkeit mangelt, den gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen entgegenzutreten. Dem gegenüber zeigt sich ein enormer Anspruch der Bevölkerung an die Leistungsfähigkeit der (Freiwilligen) Feuerwehren, die bei rationaler Betrachtung diesen Anforderungen nicht gerecht zu werden in der Lage ist. Der Staat in Gestalt der kommunalen Trägerschaften vermeidet es darüber hinaus weitestgehend, den Bürgerinnen und Bürgern ein klares und bemessbares Feuerschutzniveau zuzubilligen, so dass die Feuerwehren dieses Erklärungsvakuum auszugleichen versuchen müssen. Im allgemeinen Kontext lässt sich die Situation wie folgt umschreiben: Der Staat und die Kommunen als kleinste staatliche Organisationsebene sind in erster Linie Ordnungsstifter. Sie setzen die Regeln, nach denen die ökonomischen Interaktionen efzient, nachhaltig und gerecht wirken sollen. Dem wohlordnenden und ebenso wohlgeordneten Staat mangelt es indes gleichermaßen an ökonomischen und organisatorischen Motiven mit dem Ergebnis, dass staatliche Einrichtungen trotz eines enormen Finanzmitteleinsatzes die (eigenen) vom Staat als Gesetzgeber vorgesehenen Wirkungen nicht oder nur inefzient zu leisten vermögen. Der Staat droht damit seine Gestaltungskraft und seine Legitimation in den Augen der Menschen zu verlieren, sofern er elementare Aufgaben des Schutzes und der Daseinsvorsorge ungelöst oder schlecht gelöst zurücklässt. Als Konsequenz gehen die Balance zwischen staatlicher Verantwortung und (staats-) wirtschaftlicher Efzienz verloren. Über den feuerschutzbezogenen Aufgabenbereich hinaus wirken die Feuerwehren als maßgebliche Faktoren zudem in staatlichen Krisenmanagementstrukturen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr mit, deren Anstrengungen in den vergangenen Jahren sehr umfangreich ausgedehnt wurden. Es gilt für die Feuerwehren diese neuen Herausforderungen anzugehen, ohne den Schutzauftrag der alltäglichen Ereignisse zu vernachlässigen. Das primäre Dezit existiert dabei durch die ächendeckenden Verfügbarkeitsengpässe, die sich zeitlich auf die werktäglichen arbeitsplatzorientierten Abwesenheiten konzentrieren. Das den Feuerwehren zugeschriebene und von der Bevölkerung erwartete „schnelle Eingreifen“ ist auf Basis der Untersuchungsergebnisse lediglich partiell zu verwirklichen. Somit erscheinen die zeitkritischen Anforderungen als Maßstab der Hilfeleistungs- und Rettungsmöglichkeiten nicht realisierbar. Die (personelle) Stärke des Feuerwehrehrenamtes entfaltet sich während dieser Tageszeiträume oftmals erst nach einer angemessenen Entwicklungszeit, außerhalb der verfügbarkeitsarmen Zeitfenster und bei planbaren EreignisF. Wolter, Die Freiwilligen Feuerwehren in Österreich und Deutschland, DOI 10.1007/978-3-531-92751-0_15, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Schlusswort
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sen. Die Freiwilligen Feuerwehren können sodann auf enorme Ressourcen zurückgreifen und auch langwierige Schadenslagen bearbeiten. Sie bleiben eine unersetzliche Größe der innerstaatlichen Sicherheitsarchitektur. Es bedarf allerdings der selbstkritischen (staatlichen) Einleitung der im Rahmen dieser Studie vorgetragenen und dem Funktionserhalt dienenden Maßnahmen. Dazu ist die Einbeziehung der Wissenschaft unerlässlich. Bereits Hagebölling (2003) publizierte einschlägige Forschungsergebnisse, die jedoch bisher ohne Widerhall blieben. Ein Misstrauen gegen wissenschaftliche Organisationsbetrachtungen ist vollkommen unangebracht, mögen die Erkenntnisse für die traditionelle Grundausrichtung der Freiwilligen Feuer wehren auch als „revolutionär“ verstanden werden. Dem ist mit Recht entgegenzuhalten, dass die Feuerwehren nicht dem Selbstzweck des Einzelnen vorbehalten sind, sondern den Bürgern jederzeit Schutz und Sicherheit bieten müssen. Nur dieser Ansatz ist zukunftsfähig. Gerade das Argument der verfassungsrechtlichen Schutzpichten unterstützt auf Langfristigkeit abzielende Veränderungsprozesse. Die Feuerwehren, die Feuerwehrverbände, die Kommunen, die kommunalen Verbände, die staatlichen Aufsichtsinstanzen und die (Feuerschutz) Gesetzgeber sind gehalten, diese notwendigen Prozesse einzuleiten. Dabei obliegen vorwiegend den einzelnen Bundesländern Steuerung und Koordinierung der zu veranlassenden Maßnahmen. Die ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte wiederum sollten diesen Verlauf im Kontext ihres überragenden Hilfeleistungsbestrebens aktiv unterstützen und begleiten, um den Menschen möglichst ganzheitliche Hilfe anbieten zu können.
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