BPM Best Practice
Ayelt Komus Herausgeber
BPM Best Practice Wie führende Unternehmen ihre Geschäftsprozesse managen
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Herausgeber
Prof. Dr. Ayelt Komus FH Koblenz Fachbereich Betriebswirtschaft Konrad-Zuse-Str. 1 56075 Koblenz Deutschland
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ISBN 978-3-642-16724-9â•…â•…â•…â•… e-ISBN 978-3-642-16725-6 DOI 10.1007/978-3-642-16725-6 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Wie funktioniert gutes BPM in der Praxis? Seit vielen Jahren steht Business Process Management auf der Agenda von Management und IT. Schien es vielleicht einigen zunächst, als sei die Welle des Process Reengineerings nur eine weitere Management-Mode, so ist das Management der Geschäftsprozesse aktueller denn je; zwar nicht mehr ganz so radikal im Ansatz wie in den Anfängen, dafür aber nachhaltiger und ganzheitlicher. Unterstützt von einer neuen Generation von IT-Werkzeugen ist Business Process Management immer noch ganz oben auf den Listen der wichtigsten Themen für IT- und Unternehmensmanager. Und auch zukünftig werden Faktoren wie immer komplexere Wertschöpfungsketten, kürzere Produktlebenszyklen, anspruchsvollere Kunden, Globalisierung, steigende Compliance-Erfordernisse und viele andere Einflüsse die Relevanz des guten Managements der Prozesse weiter steigern. Wie aber funktioniert gutes BPM in der Praxis? Was unterscheidet sehr gute BPM-Practices von anderen? Wie spielen die vielen Faktoren, die beachtet werden sollen, zusammen? Welche Hinweise sind wirklich wichtig, welche nichtig? Dies anhand von Best-Practice-Beispielen produkt- und beraterneutral herauszufinden, war die Zielsetzung des BPM-Labors. Nach verschiedenen anderen Umfragen sollten dieses Mal nicht alle Unternehmen zur Teilnahme eingeladen werden, sondern nur die besten. Die Auskünfte sollten nicht in Form anonymer Fragebögen, sondern im persönlichen Gespräch erfragt und weiter diskutiert werden. Die daraus resultierende BPM-Best-Practice-Studie ist die Grundlage dieses Buches. In der BPM-BestPractice-Studie gaben Unternehmen wie die Deutsche Bank AG, Lufthansa Miles & More, Bayer Healthcare, E.ON Energie AG, Siemens AG, Generali Deutschland Gruppe mit CosmosDirekt, Volkswagen AG und viele andere ausführlich Auskunft darüber, wie sie ihr BPM aufgebaut haben und laufend weiterentwickeln. Im Ergebnis kamen viele interessante Aussagen darüber zustande, worauf es beim BPM ankommt, aber auch, was nicht so entscheidend ist. Wie BPM in das Unternehmen getragen wurde, wie Technologie und Fachkonzept zusammenspielen sind nur einige der beleuchteten Aspekte. Dieses Buch soll Praktikern, aber auch Forschern, Lehrenden und Studierenden die wichtigsten Ergebnisse der BPM-Best-Practice-Gespräche so verfügbar mav
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chen, dass sie konkret und greifbar nachzuvollziehen sind. Viele Praxisbeispiele sollen umfassend zeigen, wie die verschiedenen Zahnräder des BPM ineinandergreifen. Dem Leser soll deutlich werden, was zu tun ist, um erfolgreiches BPM einzuführen und weiterzuentwickeln. BPM Best Practice gliedert sich in drei Teile:
Teil I – Erkenntnisse aus der BPM-Best-Practice-Studie In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie ergänzt um die Ergebnisse anderer aktueller Studien des BPM-Labors zusammenfassend dargestellt. In den Bereichen Steuerung, Struktur, Technologie und Mensch wird aufgezeigt, worauf beim BPM zu achten ist. Schließlich werden Hinweise zu optimalen Anwendungsfeldern und zur Kombination von Business BPM und technischem BPM gegeben.
Teil II – BPM Best Practice in der Unternehmenspraxis In Teil II schildern BPM-Best-Practice-Unternehmen ihre Erfahrungen und Erfolgshinweise für ein erfolgreiches BPM. • Claus Heberling, Konzernexperte für das Prozessmanagement der EnBW, beschreibt, wie im Konzern das Verständnis für BPM gewachsen ist und der BPMReifegrad nun nachhaltig mithilfe eines Vier-Stufen-Modells vorangetrieben wird. • Georg Graf von Büdingen und Sebastian Schlaf von der E.ON Energie AG stellen dar, wie die einheitliche Modellierungsplattform mit dem Sarbanes-OxleyAct zusätzliche Bedeutung gewonnen hat und basierend auf einem 5-Phasen-Lifecycle-Modell den Konzerngesellschaften Tools und Methoden zur Verfügung gestellt werden, die zur kontinuierlichen Prozessoptimierung und Know-howSicherung beitragen. • Franziska Goderski und Benedict Groppe beschreiben in ihrem Beitrag, wie es der INTERPANE Gruppe gelingt mithilfe systematischen BPMs die Produktivität durch prozessorientierte Automatisierung und Benutzerdokumentationen zu erhöhen. • Norbert Sandau zeigt, wie die AOK Berlin-Brandenburg zusammen mit anderen AOKs in kurzer Zeit eine gemeinsame Prozessplattform aufgebaut hat, die in Verbindung mit einem gemeinsamen Prozessmanagement-Verständnis und gemeinsamen Vorgehensweisen übergreifende Prozessoptimierung und -dokumentation ermöglicht. • Markwart Lutterbecks Beitrag hat das Zusammenspiel von BPM und Internal Control System bei Bayer Healthcare zum Gegenstand. Diese sind weltweit
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wichtige Säulen des globalen Risiko- und Compliance-Managements und leisten wichtige Beiträge bei der laufenden Optimierung von IT-Strategie sowie von Aufbau- und Ablauforganisation. Manfred Heckmeier, Geschäftsführer der finanz informatik technologie service, beschreibt, wie das Unternehmen erfolgreich ein BPM-Tool zur Unterstützung und Optimierung des Auftragsmanagements einführte. Der Beitrag zeigt, wie der Prozess trotz großer Komplexität und vieler Beteiligter erfolgreich umgesetzt werden konnte. Thomas Gesing, Thorsten Hanisch und Sven Wichtrup erläutern, wie es Lufthansa Miles & More gelungen ist, den Bearbeitungsprozess der Kundenkorrespondenz für über 19€Mio. Kunden zu digitalisieren und zu optimieren. Im Ergebnis wurden dabei vollkommen neue Möglichkeiten der Bearbeitung, Lastverteilung und des Monitorings eröffnet, die den Kunden in Form verbesserter Qualität und schnellerer Antwortzeiten zugute kommen. Der Beitrag von Frank Pfeiffer und Dieter Flöck von der Deutschen Bank zeigt, wie ein erheblicher Teil der 1.500 Geschäftsvorfälle mit einem Volumen von bis zu 100.000 Vorgängen täglich mithilfe eines neuen Workflow-Management-Systems optimiert und automatisiert werden konnte. Mithilfe eines SOA-Ansatzes sind die erarbeiteten Ergebnisse zugleich die Basis für eine Wiederverwendung in weiteren Optimierungsprojekten. Monique Radisch, Dirk Rehse und Jörg Junges von der Generali Deutschland Holding AG und CosmosDirekt stellen in ihrem Beitrag das ganzheitliche Konzept zum Geschäftsprozessmanagement der Generali Deutschland-Gruppe dar. Vier Kernbausteine, die auch Lean Management und Six-Sigma-Elemente integrieren, sichern ein einheitliches und ganzheitliches Vorgehen auf dem Weg zur Operational Excellence.
Teil III – Impulse für Better Best Practices Teil III beinhaltet Beiträge zu zwei aktuellen Themenbereichen, die in der weiteren Entwicklung des BPM eine wichtige Rolle spielen. • Bert Leyendecker, ebenfalls Professor an der FH Koblenz, und ich berichten über die Erkenntnisse einer gemeinsamen Studie zum Thema BPM und Six Sigma. Die Studie markiert den aktuellen Stand der Nutzung kombinierter Methoden in der Praxis und gibt Hinweise auf die Potenziale, die mit einer intelligenten Verknüpfung der Methoden verbunden sind. • Thomas Allweyer, Professor an der Fachhochschule Kaiserslautern, beleuchtet schließlich Möglichkeiten und Grenzen des BPM-Round-Trips. Die produktneutrale Betrachtung arbeitet heraus, warum der Round Trip in bestimmten Aspekten nicht so einfach funktionieren kann, wie manchmal von den Werkzeugherstellern impliziert, zeigt aber auch die durchaus interessanten Potenziale in der Praxis, die sich durch die Verknüpfung einzelner Ansätze ergeben.
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Jeder der Beiträge beleuchtet BPM aus einer eigenen Perspektive und gibt andere, wichtige Hinweise zur Realisierung eines guten BPM in der Praxis. Damit findet der Leser sicherlich keine Patentlösung, wohl aber viele unterschiedliche Hinweise und Anregungen, die angewandt auf die eigene Organisation wichtige Potenziale auf dem Weg zur eigenen BPM Best Practice eröffnen sollten. Auch die Erstellung eines Buches über BPM ist ein Prozess. Und natürlich ist es das Ergebnis der Beiträge Vieler, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Offensichtlich ist der Beitrag der beteiligten Autoren, denen ich für die Beteiligung an diesem Projekt herzlich danke. Die Qualität dieser Beiträge erschließt sich dem Leser bei der Lektüre. Darüber hinaus aber haben noch viele andere am Zustandekommen dieses Buches mitgewirkt, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Zunächst gilt mein Dank den vielen Unterstützern der BPM-Best-Practice-Studie sowohl bei den BPM-Werkzeug-Herstellern als auch in den Best-Practice-Unternehmen. Ihre Unterstützung war die Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung der Studie und damit auch für dieses Buch. Mein weiterer Dank gilt Ulrich Pingel und Simon Schmitt, die an der Erarbeitung des BPM-Checks, der in die BPM-Best-Practice-Untersuchung eingeflossen ist, beteiligt waren. Weiterer Dank gilt Herrn Marcus Schumacher für seine Unterstützung bei der Auswertung. Außerdem danke ich der FH Koblenz und dem Fachbereich Betriebswirtschaft, der mir die Unterstützung und die notwendigen Freiräume für dieses Projekt gegeben hat. Weiterer Dank gilt Frau Barbara Fess vom Springer-Verlag für die Unterstützung bei Konzeption und Erstellung des Buches, Herrn Martin Zimmermann für die Unterstützung bei der Durchsicht der Texte sowie vielen anderen, die hier nicht explizit genannt werden, mir aber in vielen Gesprächen wichtige Anregungen und Rückmeldungen gaben. Mein persönlicher Dank gilt meinen Töchtern, die viele Stunden auf ihren Papa verzichten mussten, und schließlich meiner Frau, die für mich bei diesem wie bei vielen anderen Projekten wichtige und kompetente Diskussionspartnerin und Inspirationsquelle war. Koblenz im Februar 2011 www.komus.de
Ayelt Komus
Inhalt
Teil Iâ•… Erkenntnisse aus der BPM-Best-Practice-Studie PM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung ����������������� ╇╅ 3 B Ayelt Komus Teil IIâ•… BPM Best Practice in der Unternehmenspraxis ber’s Malen zum Managen ����������������������������������尓������������������������������������尓���� â•… 61 Ü Claus Heberling PM-Methoden und -Tools als Basis für wirtschaftliche und B compliancegerechte Abläufe im E.ON-Energie-Konzern ��������������������������� â•… 77 Georg Graf von Büdingen und Sebastian Schlaf rhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und E prozessbasierte Benutzerdokumentation in der INTERPANE Gruppe ���� â•… 91 Franziska Goderski und Benedict Groppe ollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer K gemeinsamen Prozessplattform für 6 AOKs ����������������������������������尓�������������� ╇ 107 Norbert Sandau on der ICS Compliance zum gelebten Mehrwert – Business V Process Management bei Bayer HealthCare ����������������������������������尓�������������� ╇ 123 Markwart Lutterbeck ptimierte Prozesse im Rechenzentrum mit gelebtem Business O Process Management ����������������������������������尓������������������������������������尓���������������� ╇ 143 Manfred Heckmeier Miles & More – Prozessmanagement im weltweiten Kundenservice ����������� ╇ 155 Thomas Gesing, Thorsten Hanisch und Sven Wichtrup ix
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Inhalt
rinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte O in der Deutschen Bank ����������������������������������尓������������������������������������尓�������������� ╇ 173 Frank Pfeiffer und Dieter Flöck GIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges durch A ganzheitliches Geschäftsprozessmanagement ����������������������������������尓������������ ╇ 189 Monique Radisch, Dirk Rehse und Jörg Junges Teil IIIâ•… Impulse für Better Best Practices raxis und Potenziale der Kombination von Business Process P Management und Six Sigma ����������������������������������尓������������������������������������尓���� ╇ 207 Bert Leyendecker und Ayelt Komus PM-Round-Trip: Wunsch oder Wirklichkeit? ����������������������������������尓�������� ╇ 219 B Thomas Allweyer Biografie des Herausgebers ����������������������������������尓������������������������������������尓������ ╇ 235
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Thomas Allweyer╇ Professor für Unternehmensmodellierung, FachÂ� hochschule Kaiserslautern, Amerikastr. 1, 66482 Zweibrücken, Deutschland E-Mail:
[email protected], URL: www.kurze-prozesse.de Dieter Flöck╇ Eschborn, Deutschland E-Mail:
[email protected] Thomas Gesing╇ Deutsche Lufthansa AG, Airportring 1, 60546 Frankfurt a. M., Deutschland E-Mail:
[email protected] Franziska Goderski╇ Lauenförde, Deutschland E-Mail:
[email protected] Georg Graf von Büdingen╇ München, Deutschland E-Mail:
[email protected] Benedict Groppe╇ Lauenförde, Deutschland E-Mail:
[email protected] Thorsten Hanisch╇ arvato direct services GmbH, An der Autobahn, 33310 Gütersloh, Deutschland E-Mail:
[email protected] Claus Heberling╇ EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Holding Optimierung Prozessmanagement, Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected] Manfred Heckmeier╇ Geschäftsführer/Managing Director, Finanz Informatik Technologie Service, Richard-Reitzner-Allee 8, 85540 Haar, Deutschland E-Mail:
[email protected] Jörg Junges╇ CosmosDirekt, Halbergstraße 50-60, 66101 Saarbrücken, Deutschland Prof. Dr. Ayelt Komus╇ Fachhochschule Koblenz, Fachbereich Betriebswirtschaft, Konrad-Zuse-Straße 1, 56075 Koblenz, Deutschland E-Mail:
[email protected], URL: www.komus.de xi
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Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Bert Leyendecker╇ Fachhochschule Koblenz, Fachbereich BetriebsÂ� wirtschaft, Konrad-Zuse-Straße 1, 56075 Koblenz, Deutschland E-Mail:
[email protected] Markwart Lutterbeck╇ Manager Internal Control System Bayer HealthCare (process and organizational risk management), Bayer HealthCare Aktiengesellschaft, BHC-CAO-F&C-ICSM, Q 30 Room 559, 51368 Leverkusen, Deutschland E-Mail:
[email protected] Frank Pfeiffer╇ Eschborn, Deutschland E-Mail:
[email protected] Dr. Monique Radisch╇ Generali Deutschland Holding AG, PRO Prozessoptimierung, Tunisstr. 19-23, 50667 Köln, Deutschland Dirk Rehse╇ Generali Deutschland Holding AG, PRO Prozessoptimierung, Tunisstr. 19-23, 50667 Köln, Deutschland Norbert Sandau╇ AOK Nordost – Die Gesundheitskasse, Organisationsentwicklung, 14456 Potsdam, Deutschland E-Mail:
[email protected] Sebastian Schlaf╇ München, Deutschland Sven Wichtrup╇ arvato systems | Technologies GmbH, An der Autobahn 18, 33311 Gütersloh, Deutschland E-Mail:
[email protected]
Teil I
Erkenntnisse aus der BPM-Best-Practice-Studie
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung Ayelt Komus
Zusammenfassung╇ Eine Vielzahl von Studien hat in den letzten Jahren Erkenntnisse über die Praxis des BPM erbracht. In der BPM-Best-Practice-Studie wurden in Form von persönlichen Gesprächen mit durch eine Positiv-Auswahl ermittelten BPM-Best-Practice-Unternehmen wichtige Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und Unterschiede guter BPM-Practices herausgearbeitet. Wieder einmal zeigten sich die hohen Nutzenpotenziale des BPM. Auffallend ist die Trennung zwischen Business BPM und technischem BPM. Für die Bereiche Steuerung, Technologie, Struktur und Mensch lassen sich Hinweise für das BPM ableiten. Darüber hinaus ergeben sich bei der situationsadäquaten Auswahl von Methoden und Werkzeugen sowie für eine verbesserte Integration von technischem und Business BPM weitere Ansatzpunkte. Schlüsselwörter╇ BPM Best Practice • Technisches BPM • Business BPM • PositivAuswahl • Erfolgsfaktoren • Steuerung • Technologie • Struktur • Mensch • Social Media • Integration • Lose Kopplung • IT-Strategie • BPM-Strategie • Pragmatismus • Prozesslandkarte • Enterprise Architecture Management • Round Trip
1â•…Das Beste aus zwei Welten: funktionale und prozessorientierte Organisationsgestaltung Menschliche Arbeitsteilung ist ein Phänomen so alt wie die Zivilisation. Nicht erst mit Ricardos komparativen Wettbewerbsvorteilen oder Adam Smiths systematischer Diskussion der Grenzen der Spezialisierung wurden Aufgaben nach Geschlechtern, nach Beruf, Stand oder Region aufgeteilt. Als mit Fords Fließbandproduktion Taylors „Scientific Management“ praktische Anwendung fand, wurden die Vorteile A. Komus () Fachhochschule Koblenz, Fachbereich Betriebswirtschaft, Konrad-Zuse-Straße 1, 56075 Koblenz, Deutschland E-Mail:
[email protected] URL: www.komus.de A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_1, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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der funktionalen Spezialisierung als Managementansatz systematisch genutzt und durch das Fließband grundlegende Koordinationsprobleme in einfacher, aber starrer Weise gelöst. Mit zunehmender Globalisierung, moderner Informations- und Kommunikationstechnologie und sinkenden Transportkosten lassen sich die verschiedenen Formen der Arbeitsteilung in nochmals weiter reichender Weise umsetzen. Die systematische Zerlegung der Wertschöpfungskette in einzelne und voneinander getrennte Abschnitte erlaubt es unter anderem • Lernkurven schneller zu durchlaufen, • Spezialwissen schneller aufzubauen bzw. zu vermitteln, • Arbeitsplätze, Maschinen, Werkzeuge und IT-Systeme auf die speziellen Erfordernisse der jeweiligen Funktion auszurichten, • Leistungen stärker zu standardisieren und die Planbarkeit zu verbessern, • Controlling und Monitoring einfacher zu konzipieren und umzusetzen, • Komplexität in der jeweiligen Wertschöpfungsstufe zu reduzieren und den jeweiligen Arbeitsschritt zu kapseln. Gleichzeitig bedeutet die Abkehr von der ganzheitlichen durchgängigen Bearbeitung durch eine oder wenige Personen auch Nachteile. Fragmentierung und fehlender direkter Kontakt zum endgültigen Leistungsempfänger in den früheren Wertschöpfungsstufen erschweren unter anderem • • • •
die Koordination, die Optimierung, Produktinnovation und Produktvariation, flexible Reaktion auf kurzfristige Änderungen der Kundenwünsche und andere nicht vorhersehbare Änderungen, • die Motivation
bezogen auf den Gesamtprozess. Der resultierende Zielkonflikt zwischen den Potenzialen der funktionalen Ausrichtung und ihren Nachteilen bezogen auf die ganzheitliche wertschöpfungskettenübergreifende Leistungserstellung bedingt das grundlegende Dilemma der Prozessoptimierung: Je weiter die Optimierungspotenziale der funktionalen Spezialisierung genutzt werden, desto schwieriger wird es, den Zielen des gesamten Prozesses gerecht zu werden. In vielen Fällen wird diese Konstellation noch durch weitere Aspekte wie dem Wunsch nach verstärkter regionaler Ausrichtung, Strukturierung nach Kunden- oder Produktsegmenten o. ä. erschwert. Die Entwicklung von Lösungen, die den verschiedenen Optimierungsstoßrichtungen im Sinne der übergeordneten Organisationsziele optimal gerecht werden, ist Gegenstand eines sinnvollen Business Process Management. Die European Association of Business Process Management (EABPM) definiert BPM als „systematischen Ansatz, um sowohl automatisierte als auch nicht automatisierte Prozesse zu erfassen, zu gestalten, auszuführen, zu dokumentieren, zu messen, zu überwachen und zu steuern und damit nachhaltig die mit der Unternehmensstrategie abgestimmten Ziele zu erreichen. BPM umfasst die bewusste und zunehmend IT-gestützte Bestimmung, Verbesserung, Innovation und Erhaltung von End-to-end-Prozessen“ (EABPM 2009, S.€38€f.).
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BPM und Prozessorientierung sind keine Alternativen zur zumeist funktionalen arbeitsteiligen Organisation der Wertschöpfung. Gerade aufgrund der Vorteile zunehmender Arbeitsteiligkeit steigt die Bedeutung von Methodik und BPM-Werkzeugen.
2â•…Was ist BPM? Trotz oder gerade wegen einer Vielzahl von Publikationen, Softwaresystemen, Beratungsangeboten, Konferenzen etc. zum Thema BPM ist der Begriff des „Business Process Management“ selbst regelmäßig Gegenstand der Diskussion. Die Ursachen für die deutlich spürbare Verunsicherung ob der Abgrenzung des Begriffs sind Faktoren wie • der Wandel von einem radikalen zu einem kontinuierlichen Ansatz über die Zeit, • eine Vielzahl eng verwandter Begriffe, die oft mit eigener Bedeutung „aufgeladen“ werden und teilweise nur des besseren Klanges wegen oder zur Marketing-Differenzierung eingeführt oder genutzt werden (bspw. Business Process Engineering, Business Process Re-Engineering, Geschäftsprozessmanagement bis hin zu den verwandten Begriffen Workflow etc.), • die zwar eng miteinander zusammenhängenden aber in verschiedener Hinsicht dann doch unterschiedlichen technischen und management-orientierten Perspektiven, die zudem von teils unterschiedlichen Gruppen (IT, Management, …) verwandt werden. Folgend wird kurz die Historie des BPM zusammengefasst und dabei auch auf die verschiedenen Ausprägungen des technischen und des Business BPM eingegangen.
2.1â•…Business BPM (auch BPA oder BPMA) Die Relevanz der Ablauforganisation für den Unternehmenserfolg wurde bereits in den 30er€Jahren des letzten Jahrhunderts von Nordsieck herausgestellt. Nachdem in Deutschland Autoren wie Gaitanides und Scheer die Prozesssicht wieder in den Vordergrund der Betrachtung gerückt hatten, erlangte sie mit der Forderung nach einem radikalen „Business Process Re-Engineering“ zu Beginn der 90er€Jahre weltweit große Aufmerksamkeit. Der in diesen Ansätzen vertretene Optimierungsansatz nutzte die Möglichkeiten der neuen Informationstechnologie und versuchte bspw. die Potenziale der abteilungsübergreifend in Echtzeit verfügbaren Daten in Beschaffungsprozessen zu nutzen (vgl. bspw. Hammer und Champy 1994, S.€39€ff.). Gleichzeitig gewann das Thema durch die in Breite aufkommenden Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP-Systeme) an zusätzlicher Bedeutung. Die diesen Systemen – allen voran
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SAPs R/2 und R/3 – zugrunde liegende enge Integration machte eine Betrachtung der Geschäftsprozesse in bisher nicht da gewesener Konsequenz nicht nur konkret umsetzbar, sondern auch notwendig. Konnten Fehler in der Prozesslogik der verschiedenen IT-Systeme bisher durch „Work-Arounds“ und Mitarbeiterintelligenz ausgeglichen oder zumindest „unterdrückt“ werden, machten die neuen Dimensionen der Automatisierung sowie der Daten- und Systemintegration nun die Auseinandersetzung mit den Prozessen unabdingbar – im Übrigen wohl in den meisten Fällen der wichtigste Grund für weitreichende Budgetüberschreitungen bei ERPEinführungsprojekten. Gleichwohl ist festzustellen, dass die Prozessoptimierungsprojekte sowie die prozessorientierten ERP-Einführungsprojekte der 90er€Jahre vor allem auf managementorientierten oder fachlichen Konzepten fußten, die dann mithilfe der damaligen IT-Systeme umgesetzt wurden – auch wenn es häufig die in der IT implementierten Prozesse waren, die die Rahmenbedingungen für eben diese Prozess-Fachkonzepte vorgaben. Insgesamt kann diese Ausprägung des BPM entsprechend als Business BPM bezeichnet werden. Als Begrifflichkeit für das Business BPM wird im Kontext der unterstützenden IT-Werkzeuge auch von Business Process Analysis (BPA) (vgl. bspw. Norton et€al. 2010) gesprochen. An anderer Stelle wird von Business Process Modeling und Analysis (BPMA) gesprochen. Business Process Modeling und Analysis (BPMA) beginnt mit der Konzeption und Beschreibung eines Prozesses. Es werden Prozessmodelle erstellt und verschiedene Szenarien oder Alternativprozesse konstruiert, um das Verhalten der Prozesse zu analysieren und deren Leistungsverhalten zu optimieren. Die für BPMA verfügbaren Instrumente beginnen mit Applikationen, die lediglich die grafische Darstellung des Prozesses unterstützen und detaillierte Beschreibungen der Ziele und Anforderungen des Prozesses ermöglichen. (EABPM 2009, S.€244)
2.2â•…Technisches BPM Neben der zunehmenden Prozessintegration durch ERP-Systeme wurde die Umsetzung der Prozessorientierung in den 90er€Jahren durch die neu aufkommenden „Workflowmanagement-Systeme“ IT-seitig vorangetrieben. Diese Systeme zielten darauf ab, Prozesse ausführbar zu machen. Wichtige Kennzeichen waren die Konfiguration des Systems durch grafische Oberflächen auf Basis von Prozessmodellen, die den Ablauf abbildeten. Weitere wichtige Merkmale zur verbesserten Prozessunterstützung waren Funktionalitäten wie der kontextgerechte Aufruf der jeweiligen Fachapplikationen und das Weiterreichen der fallbezogenen Daten an die Applikationen. Möglichkeiten der systematischen Prozesssteuerung, des Monitorings und der Analyse erlaubten zudem das fallbezogene Management von Prozessen wie auch die nachhaltige Analyse und Optimierung. Die Technologie der Workflowmanagement-Systeme wurde später in wichtigen Aspekten um die Technologieansätze der Enterprise Application Integration (EAI) – vor
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allem gekennzeichnet durch die Schaffung eines gemeinsamen Datenbusses (Enterprise Service Bus) – und später die Diskussion um eine SOA (Service Oriented Architecture) erweitert. Weitere wichtige Entwicklungen waren zudem die Verabschiedung verschiedener Standards insbesondere der Web Services Business Process Execution Language (BPEL) und der Business Process Modelling Notation (BPMN)1 als gemeinsamer Standard, der von vielen BPM-Systemen aufgegriffen wurde und so die Entwicklung und den Austausch von Prozessmodellen vereinfacht hat. Unter Berücksichtigung dieser neuen Einflüsse entwickelte sich zunehmend eine Gruppe von IT-Werkzeugen, die als Business-Process-Management-Systeme oder Business Process Management Suites (BPMS) bezeichnet werden. Diese Systeme nahmen den Ansatz der Workflow-Management-Systeme auf und integrierten die dargestellten neuen technischen Möglichkeiten. Mit der Fokussierung auf die technische Ausführung („Execution“) kann auch von „Technology-BPM“ oder technischem BPM gesprochen werden. Die EABPM erklärt Business-Process-Management-Systeme als „System aufeinander abgestimmter (interoperabler), spezialisierter IT-Anwendungen, die ein breites Spektrum aller notwendigen Funktionen zur Modellierung und Simulation, Analyse, Entwicklung und zum Betrieb von BPM-Lösungen unterstützen (auch BPM-Suite genannt)“ (EABPM 2009, S.€ 299). Es bleibt somit festzuhalten, dass bei BPMS zur Abgrenzung von BPA-Tools ein großes Gewicht auf das Leistungsmerkmal der Ausführung gelegt wird, aber häufig auch eine für BPA-Tools kennzeichnende Modellierungs-Komponente anbieten. In der Praxis beinhaltet das technische BPM unterschiedlich weitreichende Ausprägungen des Business BPM. Die Prozessorientierung sowie die weitreichende Parametrisierung bzw. Programmierung des Systems in Form von (Prozess-)modellen ist ja eben ein zentrales Merkmal der BPMS, insbesondere in der Abgrenzung zu anderen IT-Ausführungssystemen wie etwa ERP-Systemen. Allerdings lässt sich ebenso feststellen, dass mit den typischen Zielen des technischen BPM oftmals Zielsetzungen des Business BPM nur nachrangig berücksichtigt werden. Als solche Zielsetzungen, die oft vernachlässigt werden, sind etwa zu nennen: • • • • •
Berücksichtigung von Non-IT-Aspekten des Prozessmanagements, Einordnung des Projektes außerhalb der IT, Durchgängigkeit und umfassender Ansatz der BPM-Konzeption, Topmanagement-Orientierung und oft auch Topmanagement-Nähe, Governance, Risiko-Management, Compliance, also die interne und externe Erfüllung gesetzlicher oder normativer Ansprüche an eine Organisation, und QM.
An vielen Stellen werden die Unterschiede in Philosophie und Zielrichtung sowie in unterschiedlichen Anforderungen an die Modelle deutlich. Es steht zu befürchten, dass auch aktuelle Modellierungsstandards wie BPMN nur begrenzt dazu beitragen können, diese Kluft zu überwinden.
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Die Object Management Group (2010) spricht auch von „Business Process Model and Notation“.
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2.3â•…Zitate zum BPM Einen interessanten Überblick über die verschiedenen Sichtweisen dessen, was BPM ist, geben auch die ausgewählten Antworten der Gesprächspartner auf die Frage, worum es sich bei BPM handelt. Sie zeigen zudem, wie vielschichtig BPM in der Praxis erlebt wird: • „Eine Philosophie, keine Technik. Nicht das Rezept, sondern das Kochbuch für die Unternehmensführung.“ • „Viel Arbeit, man sitzt zwischen allen Stühlen und das ganz alleine. Manchmal bester Freund, manchmal gehasster Feind, man wünscht sich, man würde plain SAP machen. BPM führt zur Verschwörer-Mentalität.“ • „Alle planerischen, organisatorischen und kontrollierenden Maßnahmen zur zielorientierten Führung und Steuerung der Geschäftsprozesse im Unternehmen, die viele Kulturaspekte beinhalten.“ • „Englischer Begriff, Geschäftsprozessmanagement, BPMS, BPMA.“ • „Standardisierung, Steuerung und Leben der wesentlichen geschäftskritischen Abläufe im Unternehmen mit Tool-Unterstützung.“
3â•…BPM-Studien des BPM-Labors an der FH Koblenz Im BPM-Labor der Fachhochschule Koblenz wurden in den letzten Jahren unter der Leitung des Verfassers verschiedene empirische Studien durchgeführt, die sich unter anderem mit den Nutzenpotenzialen des BPM auseinandergesetzt haben. Vier dieser Studien bilden dabei in weiten Teilen die Grundlage der dargestellten Erkenntnisse. Dabei handelt es sich um die Studien • • • •
BPM-Umfrage, BPM und Six Sigma, BPM-Check und BPM Best Practice.
3.1â•…BPM Umfrage, BPM und Six Sigma, BPM-Check Die „BPM-Umfrage“ (Pingel und Schmitt 2007) fokussierte auf den Status-Quo des BPM im deutschsprachigen Raum und zielte dabei insbesondere auf den Unterschied zwischen den gelebten BPM Practices in Großunternehmen und in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ab. Die Umfrage wurde webbasiert durchgeführt. Über 500 Unternehmen nahmen teil. Die Studie „BPM und Six Sigma“ untersuchte neben allgemeinen Aspekten des BPM vor allem die Praxis und die Potenziale einer systematischen Kombination
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von BPM und anderen Managementmethoden, insbesondere Six Sigma. Auch diese Studie wurde webbasiert durchgeführt. Über 450 Unternehmen konnten für eine Teilnahme begeistert werden. Die Ergebnisse dieser Studie werden im Beitrag von Leyendecker und Komus in diesem Buch ausführlich beschrieben. Basierend auf den Vorarbeiten obiger Studien und unter Einbezug verschiedener BPM-Reifegradmodelle wurde der „BPM-Check“ unter Beteiligung der Absolventen Ulrich Pingel und Simon Schmitt entwickelt, die dabei ihre Erfahrungen aus der BPM-Umfrage einbringen konnten. Der BPM-Check basiert auf einer Selbstevaluation von Unternehmen, die Fragen in vier Kategorien per Web-Formular beantworten. Die Antworten werden über ein Scoring-Modell, das auch die Größe der Unternehmen berücksichtigt, bewertet, sodass Auswertungen möglich werden, die Hinweis auf Stärken und Schwächen im jeweiligen BPM-Profil geben. Der BPM-Check wurde im ersten Halbjahr 2010 erstmals in Kooperation mit der IHK Koblenz durchgeführt und ermöglichte so den teilnehmenden Unternehmen, Erkenntnisse über ihre Stärken und Schwächen im BPM-Bereich auch im Vergleich zu Best-Practice-Unternehmen zu gewinnen.
3.2â•…BPM Best Practice Ein besonders tiefer Einblick in die Erfolgsfaktoren des BPM konnte mit der Studie „BPM Best Practice“ gewonnen werden. Hier wich das Erhebungsdesign bewusst von den zuvor dargestellten Studien des BPM–Labors, aber auch den meisten anderen Studien im BPM-Umfeld ab. Als solche Studien sind exemplarisch zu nennen: • die oben dargestellten Studien BPM-Umfrage, BPM und Six Sigma, BPM-Check, • Business Process Report (IDS Scheer AG und Pierre Audoin Consultants 2007), • Business process management – lessons from European business (Pritchard und Armistead 1999), • Status Quo Prozessmanagement (Knuppertz et€al. 2010), • 2009 BPM – State of the Market Report (Palmer 2009). Zum einen basierte die BPM-Best-Practice-Studie auf einer Positiv-Auswahl der untersuchten BPM-Unternehmen. Zum anderen wurden persönliche semistrukturierte Gespräche durchgeführt. 3.2.1â•…Positiv-Auswahl der teilnehmenden Unternehmen Die Positiv-Auswahl der Unternehmen stellte einen besonderen Ansatz zur Erkenntnisgewinnung im Rahmen der BPM-Studien dar, der sich von vielen bekannten verfügbaren Studien zu BPM-Methodik und BPM-Werkzeugen unterscheidet. Eine Vielzahl der verfügbaren Studien im BPM-Umfeld gibt keine oder nur ungenaue Auskunft über die Selektion der zur Teilnahme aufgeforderten Unternehmen bzw. schränkt den Teilnehmerkreis nicht ein. In der Praxis finden sich oft allge-
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meine Einladungen zur Teilnahme, die mehrfach in kampagnenähnliche Aktivitäten münden, um eine möglichst hohe Zahl von Teilnehmern zu gewinnen. Hier steht wohl oft der Gedanke im Vordergrund, dass eine hohe Zahl befragter Unternehmen einen wichtigen Hinweis auf die Repräsentativität der Studie darstellt. Eine solche Vorgehensweise führt aber nur zum Teil zu validen, aussagekräftigen Ergebnissen. Nicht nur, dass eine Repräsentativität auch bei hoher Teilnehmerzahl schwierig zu bewerten ist, da die Grundgesamtheit zumeist nicht klar definiert ist. (Was ist die untersuchte Grundgesamtheit? Alle Unternehmen? Unternehmen, die systematisch BPM betreiben? Unternehmen, die ein technisch-orientiertes BPM betreiben?) Außerdem steht zu befürchten, dass die Form der Teilnehmergewinnung oftmals der Gewinnung einer repräsentativen Stichprobe entgegensteht. So lässt sich eine Tendenz zur verstärkten Werbung über elektronische Mailings, insbesondere über Communities und Soziale Netzwerke konstatieren. Damit verschärft sich das ohnehin bestehende Problem der anzunehmenden strukturell unterschiedlichen Motivation von Unternehmen und Unternehmensvertretern zur Teilnahme bei derartigen Studien um den Faktor der Affinität zu elektronischen Medien allgemein und Sozialen Netzwerken und Communities im Besonderen. Es fällt zudem auf, dass statistische Signifikanz-Betrachtungen bei vielen Untersuchungen fehlen. Insgesamt ist bei den verbreiteten Umfragen somit von einem relevanten Bias, also einer relevanten Verzerrung auszugehen. Insgesamt ist die Relevanz der dargestellten BPM-Studien dennoch nicht in Zweifel zu ziehen. Zwar ist, wie dargestellt, ihre Repräsentativität zweifelhaft. Weiterhin geben Sie vor allem Anhaltspunkte dazu, wie BPM betrieben wird, nur in geringem Maße aber dazu, wie wirksame Erfolgsmuster aussehen. Gleichwohl geben die Studien wichtige Hinweise dazu, wie die BPM-Praxis aussieht. Einzelne Korrelationsanalysen geben zumindest erste Anhaltspunkte für Erfolgsmuster und Erfolgspotenziale. So konnten bspw. in der BPM-Umfrage und in der Studie BPM und Six Sigma deutliche Hinweise auf eine Korrelation von systematischem BPM und Unternehmenserfolg herausgearbeitet werden. Vor dem Hintergrund der methodischen Begrenzungen vieler BPM-Studien wurde in der BPM-Best-Practice-Studie nach einer alternativen Vorgehensweise gesucht, die nicht nach repräsentativen Aussagen strebte. Vielmehr war es das Ziel herauszufinden, welche Eigenschaften und Erfolgsfaktoren ein „gutes BPM“ ausmachen. Dies sollte anhand einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit BPM Best Practices geschehen, um zu erkennen und herausarbeiten zu können, was dem Erfolg der BPM-Methode zuträglich und wichtig ist und was nicht. Methodische Basis zur Identifikation von BPM-Erfolgsmustern war also eine Positiv-Auswahl von BPM Practices. Da kein Ranking oder ähnliches guter BPM Practices bekannt war und ein derartiges Ranking auch methodisch kaum fundiert möglich ist, wurde die Positiv-Auswahl über eine indirekte Vorgehensweise durchgeführt: Für die Auswahl der Practices wurde angenommen, dass 1. BPM-Experten auf Basis ihres Fachwissens valide Hinweise auf Best Practices geben können,
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2. die führenden Hersteller von BPM-Werkzeugen über entsprechende Expertise verfügen, 3. Marktstudien von Analysten wie Gartner und Forrester Hinweise auf führende Hersteller von BPM-Werkzeugen geben können. Auf diesen Annahmen fußend wurden alle Hersteller, die in den Analysen der Analystenhäuser Gartner und Forrester in den Studien zu BPMS bzw. BPA2 als „leaders“ eingestuft wurden, kontaktiert und dazu eingeladen, Unternehmen bzw. BPMPractices zu benennen, die sie als Best Practices einstuften. Insgesamt erwies sich das Verfahren als sehr aufwändig. Auffallend war, dass sich bei einigen der bei Gartner bzw. Forrester hervorgehobenen Unternehmen nur schwerlich oder gar nicht ein geeigneter Ansprechpartner für Deutschland ermitteln ließ. Dies galt z.€T. selbst dann noch, als die Kontaktaufnahme auf die europäischen Vertretungen ausgedehnt wurde. Die Ansprache der Best-Practice-Tool-Hersteller wurde daher auf einzelne Unternehmen ausgedehnt, die im deutschsprachigen Raum eine wichtige Rolle spielen, auch wenn Sie nicht in den Analysen von Gartner und Forrester erscheinen. Folgende BPM-Werkzeug-Hersteller gaben schließlich Empfehlungen zu BPMBest-Practice-Unternehmen, die auch zu Gesprächen im Rahmen der Studie führten: • • • • • • • • •
Bonapart – BTC AG, Cordys Deutschland AG, IDS Scheer AG, iGrafx – A division of Corel, Metasonic AG (zuvor jCOM1 AG), Metastorm Deutschland, Software AG, TIBCO Software GmbH, Vitria Technology.
Bei den BPM-Anwenderunternehmen waren ebenfalls nicht alle Unternehmen an einer Studienteilnahme interessiert. In verschiedenen Fällen konnte eine interne Freigabe durch die zuständigen Öffentlichkeitsbereiche nicht erreicht werden, selbst wenn die Ansprechpartner in der Fachabteilung durchaus interessiert waren. Hier erschwerte auch die Finanzkrise die Situation. In Ergänzung zu den so ermittelten Unternehmen wurde außerdem der Sieger des gfo Process Solutions Awards 2009, die EDEKA Minden-Hannover – IT-/logistic service GmbH, zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Hier wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass das Verfahren zur Auswahl des Award-Gewinns ebenfalls zur Selektion eines Unternehmens mit einem „guten BPM“ führen würde. 2╇ Im Einzelnen waren dies: „Magic Quadrant for Business Process Analysis Tools“ vom September 2008 (Blechar 2008), „Magic Quadrant for Business Process Management Suites“ vom Februar 2009 (Hill et€al. 2009), „The Forrester Wave™: Business Process Analysis, EA Tools, And IT“ vom Januar 2009 (Peyret 2009) und „The Forrester Wave™ Integration-Centric Business Process Management Suites“ vom Oktober 2008 (Vollmer 2008).
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Letztendlich erklärten sich folgende Unternehmen bereit, an der Studie in der Zeit von Mai bis Oktober 2009 teilzunehmen: • • • • • • • • • • • • • • • • •
Bayer HealthCare AG, Cosmos Direkt, Deutsche Bank AG, Deutsche Lufthansa AG Miles & More, DZ Bank AG, E.ON Energie AG, EDEKA Minden-Hannover – IT-/logistic service GmbH, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Finanz Informatik Technologie Service GmbH & Co. KG, Generali Deutschland Holding AG, Generali VIS Informatik GmbH, Wien, Nordenia Deutschland Gronau GmbH, Paul Hartmann AG, Siemens AG, Siemens Healthcare, Erlangen, Volkswagen AG, Watt Deutschland GmbH.
Die Praxisbeiträge dieses Buches wurden von Vertretern eben dieser Studienteilnehmer verfasst. Außerdem wurden jeweils ein Beitrag von Vertretern der INTERPANE Glas Industrie AG und der AOK Berlin-Brandenburg aufgenommen. Sie wurden zur Teilnahme am Buchprojekt eingeladen, da ihre Platzierung als Sieger und Zweitplatzierte beim gfo Process Solutions Awards 2010 für die Qualität der BPM-Practice sprach. 3.2.2â•…Persönliche, semi-strukturierte Interviews Die zuvor dargestellten verbreiteten Studien zum BPM basieren zumeist auf der Auswertung eng strukturierter Fragebögen, die vor allem Verfahren wie MultipleChoice, Einstellungs-Messung durch Likkert-Skalen o.€ä. sowie in geringem Masse Lückentexte nutzen. Der hohe Strukturierungsgrad bringt verschiedene Vorteile mit sich. Zu nennen sind etwa die gute Auswertbarkeit, die Vergleichbarkeit der Ergebnisse, die Sicherheit, zuvor definierte Themenbereiche abzudecken etc. Dem stehen bestimmte Nachteile gegenüber. So ist es schwierig, individuell auf die jeweiligen Spezifika und Erkenntnisse des Gesprächs weiter einzugehen. Vor allem besteht eine ausgeprägte Gefahr, dass die Themenauswahl und die Formulierung der Fragen in unerwünschtem Ausmaß den aktuellen Wissensstand widerspiegeln. „Blinde Flecken“ in den vorherrschenden mentalen Modellen werden im negativen Fall nicht entdeckt. Strukturell neue Erkenntnisse finden nur schwerlich ihren Weg in die Wahrnehmung. Um die dargestellten Nachteile zu vermeiden, ohne auf die Vorteile verzichten zu müssen, wurden die Befragungen in der BPM-Best-Practice-Studie als semistruk-
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Abb. 1↜渀 Relevante Dimensionen der Organisationsgestaltung. (Komus 2004) STRUKTUREN Ablauforganisation Aufbauorganisation
TECHNOLOGIE IT-Strukturen Applikationen ...
STEUERUNG Controlling Zielsysteme ...
MENSCHEN Eignung Förderungen ...
turierte Interviews durchgeführt. Das heißt, es gab einen allgemeinen Gesprächsleitfaden, der eine freie Entwicklung des Gesprächs zuließ, aber auch einen eng strukturierten Teil mit definierten Fragen und vorgegebenen Antwortmöglichkeiten bzw. Lückentexten. Alle Gespräche fanden in persönlicher Form statt. Von wenigen Ausnahmen in Form von Telefon- bzw. Videokonferenz abgesehen, wurden die Gespräche persönlich und vor Ort in den Unternehmen durchgeführt. Die grundlegende Gliederung umfasste dabei • eine Einleitung, • einen freien Gesprächsteil, der durch einen Gesprächsleitfaden unterstützt wurde, • einen eng strukturierten Gesprächsteil, der auf den Fragen des oben beschriebenen BPM-Checks beruhte und • einen freien Schlussteil, ebenfalls unterstützt durch einen Gesprächsleitfaden, der insbesondere auch offene Fragen zu Einschätzungen der Gesprächspartner beinhaltete. Grundlegende Strukturierungshilfe war die für Organisations- und angewandte ITFragestellungen geeignete Strukturierung in die Kategorien Steuerung, Technologie, Struktur, Menschen (vgl. Abb. 1). Diese bereits früher genutzte Strukturierung erwies sich erneut als gut geeignet, um die an sich eher unscharfen Aspekte der Organisation verhältnismäßig umfassend und überschneidungsfrei zu ordnen. Der strukturierte Teil des Gesprächsleitfadens glich weitgehend dem Fragebogen, der dem BPM-Check zugrunde liegt. Die 72 enthaltenen Fragen berührten alle vier dargestellten Dimensionen. 3.2.3â•…Methodische Stärken und Schwächen der BPM-Best-Practice-Studie Bei der gesamthaften Würdigung der methodischen Stärken und Schwächen ist zunächst wie dargestellt die Positiv-Auswahl mit den dargestellten Vorteilen bei der Ableitung von Handlungshinweisen zu nennen. Auch das beschriebene Potenzial zur Gewinnung grundlegend neuer Erkenntnisse, die über vorher eingebrachte An-
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nahmen hinausgehen, ist mit der Durchführung in Form persönlicher, semi-strukturierter Interviews positiv zu vermerken. Gleichzeitig ergeben sich mit dem gewählten Studiendesign verschiedene Schwächen. So ist bei der Positiv-Auswahl auf Basis von Hersteller-Hinweisen eine Verzerrung zu befürchten, da die Hersteller vornehmlich BPM-Practices benennen werden, deren öffentlichkeitswirksame Darstellung neues Geschäft fördern kann. Zu befürchten ist damit eine Verzerrung zugunsten von Practices, in denen die Software eine große Bedeutung hat. Außerdem ist eine Tendenz zu Großprojekten mit hohem Lizenzumsatz zu befürchten. Eine weitere methodische Schwäche ergibt sich schließlich daraus, dass nicht alle Unternehmen gleichermaßen bereits sind, an derartigen Studien teilzunehmen. Die daraus resultierenden möglichen Verzerrungen sind schwer abzuschätzen. Ein weiterer potenzieller methodischer Mangel ist schließlich auch die Eigeneinschätzung durch die Befragten. Hier kann bspw. nicht ausgeschlossen werden, dass die Antworten durch eine zu positive Darstellung geprägt sind. Schließlich ist bei der methodischen Betrachtung der Positiv-Auswahl zu ergänzen, dass eine Best-Practice-Identifikation im eigentlichen Sinne des Wortes nicht erfolgt. Nicht nur, dass der Superlativ „Best“ zumindest je Disziplin – hier also die Disziplin des Prozessmanagements – nur eine einzige Practice als Ergebnis der Selektion zulassen würde. Auch kann bei dem gewählten Verfahren nicht ausgeschlossen werden, dass die „Best Practice“ aus verschiedenen Gründen verpasst wurde, bspw. weil das betreffende Unternehmen kein Interesse hat, es auf Basis der genutzten Vorgehensweise nicht vorgeschlagen wurde oder ähnliches. Bei enger Auslegung des Begriffs müsste also eher von „Good Practices“ oder „Better Practices“ gesprochen werden. Da diese Begriffe nicht üblich sind, wurde aber der verbreitete Begriff der „Best Practice“ gewählt. Mit der Auswertung des BPM-Checks, der im zweiten Quartal 2010 in Zusammenarbeit mit der IHK Koblenz angeboten wurde, ergeben sich weitere Hinweise darauf, dass es gelungen ist, die Fragen und darauf aufbauende Reifegrad-Scores derart zu gestalten, dass sie einen validen Hinweis auf die BPM-Reife geben und es vor allem gelungen ist, bei der BPM-Practice-Studie überdurchschnittliche BPM-Leistungsorganisationen zu identifizieren. So waren die durchschnittlichen Reifegrad-Scores der BPM-Best-Practice-Unternehmen in allen Dimensionen denen der Teilnehmer des BPM-Checks überlegen, die ja eben nicht auf Basis einer Positiv-Auswahl selektiert wurden (vgl. Abb. 2). Dieses Ergebnis ist sicherlich kein hinreichender Beleg für die gelungene PositivAuswahl und die Validität von Fragestruktur und Bewertung, unterstützt die Annahme aber. Die BPM-Best-Practice-Studie basiert auf persönlichen Gesprächen und einer Positiv-Auswahl der Gesprächspartner. Die resultierenden methodischen Stärken und Schwächen führen zu einer interessanten Ergänzung bestehender Studien und Veröffentlichungen.
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung Abb. 2↜渀 BPM-ReifegradScores BPM Best Practice und BPM-Check 2010 in der Gegenüberstellung
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Steuerung 68%
Ergebnisse
68%
56% 71%
45%
44%
Technologie
30% 45% Menschen 69%
69% Struktur
Durchschnitt BPM-Check 2010 Durchschnitt BPM Best Practice
4â•…Betrachtete BPM-Practices 4.1â•…Struktur der Best-Practice-Unternehmen Nach den Einstufungskriterien des BPM-Labors an der FH Koblenz ergab sich eine Verteilung bei den Gesprächspartnern, in der Konzerne mit 65€% dominierten. Insgesamt waren alleine 6 der 30 im Dax notierten Unternehmen vertreten. Knapp ein Viertel der Unternehmen wurde als Großunternehmen eingestuft. Weitere 12€% stellten mittlere Unternehmen dar. Interessanterweise wurden zwei Unternehmen gleich mehrfach als Best-PracticeUnternehmen empfohlen – und dies nicht etwa mehrfach vom selben, sondern von verschiedenen BPM-Tool-Herstellern. Überraschend ist weiterhin die Dominanz von Dienstleistern bei den Gesprächspartnern. Die interviewten Unternehmen selber äußerten mehrfach die Vermutung, dass die Hersteller dinglicher Güter – insbesondere die Automobilbranche – bei den empfohlenen Best-Practice-Unternehmen einen wesentlichen Anteil ausmachen würden, da diese in der Prozessgestaltung für die Fertigungslogistik etc. laufend beweisen, dass sie die Prozesse auf höchstem Niveau beherrschen. Tatsächlich waren nur knapp 35€% der Unternehmen als Hersteller dinglicher Güter einzustufen. Darunter mit Volkswagen nur ein Unternehmen mit klarem Fokus in der Automobilbranche. In den Best-Practice- und anderen Gesprächen zeigte sich, dass die Rahmenparameter für die Prozessoptimierung in der Fertigung zu stark von den allgemeinen Parametern zur Gestaltung von Geschäftsprozessen abweichen, sodass die Prozessmanagement-Ansätze vornehmlich getrennt vorangetrieben werden. Bei den interviewten Unternehmen lassen sich die Best Practices elf Mal als Business BPM, acht Mal als technisches BPM klassifizieren. Nur zwei der unter-
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suchten Practices wurden beiden Kategorien zugeordnet. Grundlage der Bewertung war dabei die wahrgenommene vornehmliche Intention der diskutierten BPM-Practice. Eine derartige Abgrenzung ist schwierig, da auch ein Business BPM in den meisten Fällen zu einer Umsetzung in einem IT-System führt und in praktisch allen Fällen ein technisches BPM ebenfalls ein fachliches BPM für die Konzeption etc. beinhaltet. Gleichwohl ergab sich in der Mehrzahl der Fälle eine klare Tendenz, ob technische Realisierung oder fachliche Konzeption im Vordergrund der diskutierten Anwendung standen.
4.2â•…Struktur, Historie und Auslöser der BPM-Practices Es wurde deutlich, dass die Mehrzahl der Unternehmen BPM schon seit längerer Zeit betrieb. Zehn Unternehmen betreiben BPM schon seit über fünf Jahren. Bei den Unternehmen, die Business BPM ausüben, ist die Quote noch ausgeprägter: Hier arbeiten sechs der zehn Unternehmen bereits seit über zehn Jahren mit BPM. Unternehmen, die bereits seit langer Zeit BPM betreiben, haben regelmäßig Veränderungen in ihrem BPM-Ansatz erfahren und zumeist gerade wieder eine Veränderungsphase durchlaufen, sich in einer solchen Phase befunden oder eine solche Phase antizipiert. Bei den Auslösern bzw. Faktoren, die die Durchsetzung des BPM-Ansatzes ermöglichten, lassen sich verschiedene Kategorien identifizieren: Technologienutzen╇ • Konkrete Nutzenperspektive durch (BPMS-)Automatisierung und Steuerung in spezifischen Prozessen • Nutzung der Potenziale moderner BPMS-Technologien Optimierung fragmentierter Wertschöpfungsketten╇ • Suche nach Synergien • Operative Probleme/Schnittstellen-Probleme Standardisierung, Governance, Risiko-Management, Compliance und Qualitätsmanagement╇ • Standards für das vermeintlich Unplanbare • Compliance/Governance/QM
4.2.1â•…Technologienutzen Bei den Unternehmen, deren BPM vornehmlich dem technischen BPM zuzuordnen ist, scheint oft die konkrete Nutzenperspektive durch die IT-Unterstützung in den spezifischen Geschäftsprozessen im Vordergrund zu stehen. Hier sind konkrete Ver-
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besserungsansätze in einzelnen Prozessen die Haupttreiber. Steht mit der BPMSOptimierung spezifischer Prozesse eine neue Technologieplattform zur Verfügung, so wird diese dann häufig in weitere Prozesse ausgerollt. An einigen Stellen ist auch der Wunsch, die Potenziale moderner BPMS zu nutzen, Ausgangspunkt. 4.2.2â•…Optimierung fragmentierter Wertschöpfungsketten Die anderen genannten Auslöser sind hauptsächlich Treiber eines business-getriebenen BPM. Hier ist etwa die Suche nach Synergien auf Basis einheitlicher und optimierter Prozesse in größeren Unternehmen mit vielen Unternehmenseinheiten zu nennen. Oft sind es auch operative Probleme – insbesondere im Zusammenspiel der verschiedenen Unternehmenseinheiten über die Wertschöpfungskette hinweg –, die die gezielte Suche nach einem systematischen BPM auslösen. Ein Beispiel dafür sind Versorgungsunternehmen, die in den letzten Jahren aufgrund regulativer Vorgaben („Unbundling“) die Bearbeitung eng zusammengehöriger Prozesse auf verschiedene getrennte Unternehmen bzw. Unternehmensteile verteilen mussten und nun nach Möglichkeiten zur Reduktion der resultierenden Schnittstellenprobleme suchen müssen. Aber auch die zunehmende globale Arbeitsteilung sowie die weitergehende Spezialisierung in vielen Bereichen macht eine systematische Lösung der resultierenden Schnittstellenprobleme unerlässlich. 4.2.3â•…Standardisierung, Governance, Risiko-Management, Compliance und Qualitätsmanagement An vielen Stellen ist eine verbesserte Steuerungssicherheit für vermeintlich unvorhersehbare bzw. schwierig planbare Prozesse wichtiger Treiber. Prozesse dieser Kategorie umfassen vielfältige Anwendungsfelder. Beispiele sind etwa Hilfsaktionen bei Naturkatastrophen, das Krisenmanagement bei PR-Krisen, aber auch durchaus angestrebte Prozesse wie Innovations- und Produkteinführungsprozesse, Unternehmensübernahmen oder -abspaltungen, die jeweils einen hohen spezifischen und unvorhersehbaren Anteil haben. Hier soll das Prozessmanagement Standards und Rahmen definieren, soll die Organisation besser vorbereitet sein und Lernkurven ermöglichen. Weitere wichtige Impulse für das BPM stellen Qualitätsmanagement, Zertifizierung, Compliance und Governance-Erfordernisse dar. Schon seit Langem ist bekannt, dass erfolgreiches Qualitätsmanagement auf einer Beherrschung der Prozesse fußen muss – die Qualität nicht nachträglich in das Produkt hineingeprüft, sondern durch entsprechende Ausgestaltung des Prozesses sichergestellt werden sollte. Entsprechend ist die Prozessorientierung zentraler Bestandteil der einschlägigen ISO-Normen ab der Version 9000:2000€ff. Auch die stark zunehmende Bedeutung von Compliance-Vorgaben wie dem Sarbanes-Oxley Act von 2002 war in vielen Fällen ein wichtiger Auslöser für ein ver-
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stärktes Prozessmanagement. Hier ist der Beitrag von Lutterbeck über das BPM bei Bayer Healthcare besonders interessant. Er beschreibt unter anderem, wie die Vorgaben des Sarbanes-Oxley Acts dazu beitrugen, ein umfassendes BPM aufzubauen und dieses nun weitergeführt wird, obwohl die Vorgaben für den Konzern nicht mehr bindend sind. Dieses Beispiel ist vor allem auch deswegen interessant, weil es zeigt, wie Unternehmen nicht nur unvermeidbare Aktivitäten des Qualitätsmanagements bzw. der Compliance im notwendigen Maße durchführen, sondern die Chancen nutzen, um mit BPM weit darüber hinausgehenden Mehrwert zu stiften.
4.2.4â•…Träger des Wandels zum BPM Abhängig von den Auslösern einer verstärkten Aufnahme des BPM-Gedanken unterscheiden sich ebenfalls die Träger des Wandels. Während das Ziel der Realisierung des Technologienutzens, wie es bei BPMS-Projekten häufig eine wichtige Rolle spielt, vielfach aus dem Bereich der Informationstechnologie heraus vorangetrieben wird, sind bei den Standardisierungs- und Governance-Themen meist die entsprechenden Compliance- und Qualitätsverantwortlichen etc. die Treiber. Dies kann bei Themen wie Sarbanes-Oxley-Compliance entsprechend bis in den Vorstand gehen. Bei den Aktivitäten, die durch den Wunsch nach Optimierung fragmentierter oder suboptimal gestalteter Wertschöpfungsketten gekennzeichnet sind, wird das Thema oft durch die Fachverantwortlichen getrieben. Hier entwickelt sich im mittleren Management bis hin zu Bereichs- oder Divisionsverantwortlichen die Erkenntnis, dass Probleme der Zusammenarbeit bzw. ungenutzter Optimierungspotenziale am besten aus der Prozesssicht heraus bearbeitet werden können. Durch eine Vernetzung untereinander wird das Thema weiterentwickelt und schließlich der obersten Entscheidungsebene als sinnvoller Lösungsansatz nahegebracht. Erfolgreiche Treiber des BPM sind in der Lage, die Vorteile des prozessorientierten BPM-Ansatzes in der Sprache und aus dem Zielsystem der Entscheider heraus verständlich zu machen. Hier scheitern diverse BPM-Initiativen, die bottom-up getrieben werden. Oft scheint gerade die Begeisterung für die prozessorientierte Sicht die Suche nach einer zielgruppenorientierten Argumentation zu erschweren.
4.2.5â•…Auslöser und Träger des Wandels zum BPM Folgend eine Auflistung ausgewählter, nicht weiter überarbeiteter Aussagen dazu, wie die BPM-Aktivitäten in den Best-Practice-Unternehmen initiiert und unterstützt wurden: • „IT- und Prozess-Kompetenz seitens der GF als entscheidend erkannt (‚digitalbusiness‘/Vorprägung der GF)“ • „Middle-up-Ansatz: Getrieben nicht vom Agenten, aber vom mittleren Management“
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• • • • •
• • • • • • • • •
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„Entwicklung aus operativer Notwendigkeit (Scanning & Workflow)“ „Vorstandsvorgabe: Zufriedenheit verbessern“ „Zunächst ‚lauwarme‘ Unterstützung durch das Topmanagement; später konkrete“ „Ergebnisse mit BPMS haben deutliche Akzeptanzsteigerung (weitere Ausweitung) ermöglicht (Prozessmodelle vorher wenig beachtet)“ „Mittleres Management und Vorstände der Konzerngesellschaften (2. Führungsebene bezogen auf Gruppe) haben BPM als Mittel zur Lösung der Probleme durch organisatorisch zerschnittene Prozesse erkannt; dann Akzeptanz durch Holding-Vorstand“ „Damaliger Vorstand“ „2. Führungsebene“ „Bottom-up“ „Operative Notwendigkeiten – mittleres Management“ „Leiter Prozess- und Informations-Management“ mit entsprechender Vorgeschichte“ „Topmanagement, QM-Notwendigkeit“ „Topmanagement (Sarbanes-Oxley-Vorteile erhalten)“ „Normforderung, Geschäftsführung“ „Operative Notwendigkeit, Sarbanes-Oxley-Vorteile“
BPM-Treiber können sehr verschieden sein. Sind weder Zwang zur Prozessorientierung – bspw. aufgrund von Compliance-Vorgaben – noch technologische begründete Vorteile augenscheinlich, so ist die Fähigkeit zur nutzenorientierten Argumentation aus der Sicht der Unternehmensleitung erfolgsentscheidend.
5â•…Nutzenpotenziale eines systematischen Business Process Managements Die BPM Best Practice Studie gab erneut deutliche Hinweise auf die Erfolgspotenziale einer systematischen BPM-Durchführung, aber auch darauf, dass systematisches BPM und allgemeiner Unternehmenserfolg insgesamt positiv miteinander korrelieren.
5.1â•…Unmittelbarer Erfolg durch BPM Gefragt nach den durch BPM realisierten Verbesserungen ergab sich das folgende Bild (vgl. Abb. 3).
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A. Komus 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%
ge
Er
Si
nn
vo ll u n bn d e rf is, Um olg sa reic tz h r Pr end Ko odu ite st en ktiv ve ität rri ng Qu ert a Fl litä ex t Te ibil rm itä t Ku D int nd urc reu e en hl or au ie fze nt i it Tr eru n an sp g ar en z
0%
Keine Zustimmung Schwache Zustimmung Zustimmung Starke Zustimmung
Abb. 3↜渀 Durch BPM erreichte Verbesserungen. (Best Practice BPM)
Insgesamt ergibt sich also ein sehr positives Bild. Werden die Arten der Verbesserung nach der Zustimmung geordnet, dann zeigt sich vor allem bei Transparenz, Gesamtbetrachtung, Qualitätssteigerung und Kundenorientierung/-zufriedenheit sehr weitreichende Zustimmung. Damit wird erneut deutlich, dass Kosteneinsparungen bei den Prozessen nur im Mittelfeld der realisierten Verbesserungen stehen. Ähnliche Ergebnisse konnten auch in der BPM-Umfrage und in der Studie BPM und Six Sigma ermittelt werden. Die relative Dominanz schwierig zu messender Verbesserungen erklärt zum Teil, warum der Nachweis von Verbesserungen durch Prozessmanagement nicht immer selbstverständlich ist. 59€% der Teilnehmer konnten bei vielen Prozessen klare Verbesserungen realisieren, nachweisen und kommunizieren. 24€% verwiesen auf einzelne, nachvollziehbare Verbesserungsergebnisse. An vielen Stellen wurden Schwierigkeiten bei der Quantifizierung als wichtiger Hinderungsgrund der Bewertung genannt. Geht es um die Bewertung der Verbesserungen in Form der „harten“ Kennzahl des Return on Investments (ROI), so verringert sich die Zahl der Unternehmen mit durchgeführten Nachweisen weiter. Bezogen auf die gesamten unternehmensweiten BPM-Aktivitäten war nur ein Unternehmen in der Lage bzw. willens, einen übergreifenden Return on Investment (ROI) auszuweisen. Der dabei ermittelte ROI belief sich auf 16€%. Weitere drei der interviewten 17 Unternehmen konnten bzw. wollten ROIs projektbezogen ausweisen und kamen dabei auf Werte von über 16€% bzw. 8–11€%. In den Gesprächen zeigte sich, dass methodische Probleme der Bewertung und der Aufwand wichtige Gründe waren, die eine derartige ROI-Ermittlung erschwerten. Dies wurde insbesondere beim Business BPM angeführt. Der Trend zu stärkeren ROI-Nachweisen im technischen BPM wurde durch die wahrgenommene Zufriedenheit mit den BPM-Erfolgen ergänzt. An vielen Stellen ließ sich bei Anwendern von BPMS die Stimmung mit „Begeisterung“ für die rea-
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lisierten Verbesserungen beschreiben, während Business-BPM-Vertreter eine zwar sehr positive aber eher arbeitsame Stimmung verbreiteten. Angesichts des subjektiven Charakters der Wahrnehmung sowie der unterschiedlichen Ausprägungen der Ergebnisse bei technischem und Business BPM lässt dies aber keinen Schluss über den wirklichen Nutzen der durchgeführten BPM-Aktivitäten zu.
5.2â•…Unternehmenserfolg und systematisches BPM Die Ergebnisse der Studie zum Erfolg der Unternehmen allgemein bestätigten ein weiteres Mal die ausgeprägte positive Korrelation zwischen Unternehmenserfolg und systematischer BPM-Anwendung. Auch, wenn eine Korrelation eben keine Kausalität darstellt, so zeigt sich wiederholt, dass Unternehmenserfolg und BPM einherzugehen scheinen. Bereits in der BPM-Umfrage wurden im Median höhere Umsatzrenditen bei den Unternehmen, die gezielt BPM betreiben, im Vergleich zu den anderen Befragungsteilnehmern ermittelt. Im Rahmen der Studie BPM und Six Sigma tendierten die Unternehmen ebenfalls bei ihren Angaben zur Umsatzrendite zu höheren Werten als Nicht-BPM-Anwender. Kombinierer von BPM und Six Sigma erzielten demnach noch bessere Ergebnisse. Die BPM-Best-Practice-Studie ergab ebenfalls ein positives Bild. Nur 24€% der Unternehmen schätzten sich selbst allgemein als ähnlich erfolgreich wie andere Unternehmen der Branche ein. Die anderen Unternehmen betrachten sich als erfolgreicher (35€%) bzw. deutlich erfolgreicher (41€%). Auch bei der Einschätzung der Ebit-Quote im Branchenvergleich ergab sich ein deutlich positives Bild. Zwei Unternehmen, die ihre Ebit-Quote unterhalb des Branchenschnitts vermuteten oder wussten, stehen neun Unternehmen gegenüber, die wussten oder annahmen, dass ihre Ebit-Quote im Vergleich zur Branche besser war. Insgesamt lieferten die BPM-Best-Practice-Gespräche also klare Anhaltspunkte dafür, dass erfolgreiches BPM und Unternehmenserfolg korrelieren. Die BPM-Best-Practice-Studie bestätigte ein weiteres Mal die positive Korrelation zwischen systematischem BPM und Unternehmenserfolg.
6â•…BPM-Best-Practice-Hinweise – Steuerung 6.1â•…BPM-Unternehmens-Strategie-Alignment In der Literatur wird auf die Notwendigkeit der Abstimmung von Unternehmensstrategie und Prozesszielsystem verwiesen (bspw. Allweyer 2005, S.€109€ff. oder EABPM 2009)
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Die Best-Practice-Studie zeigte, dass die explizite und systematische Abstimmung von Unternehmensstrategie und BPM eher selten ist. Nach dem gelebten Prozess der Abstimmung zwischen BPM und Unternehmensstrategie gefragt, antworteten mit „explizit“ 18€% der befragten Unternehmen. 65€% der befragten Unternehmen gaben „implizit“an. 18€% der Unternehmen antworteten mit „kaum“ oder „gar nicht.“ Diese Verteilung lässt sich gut mit dem Eindruck aus den persönlichen Gesprächen in Einklang bringen. Das Bild eines systematischen, dokumentierten vorgegebenen Prozesses, der regelmäßig wiederholt wird und zu einer laufend aktualisierten und dokumentierten Geschäftsprozessstrategie führt, scheint nur in wenigen Fällen die gelebte Praxis zu sein. Gleichwohl findet eine enge Abstimmung der gelebten Prozessziele mit den Geschäftszielen statt. Durch Mechanismen wie Abstimmungsgespräche mit der Leitung, gutes Verständnis der betriebswirtschaftlichen Rahmenparameter und des Zielsystems der Unternehmen seitens der BPM-Verantwortlichen wird dafür gesorgt, dass das BPM unmittelbar zum Unternehmenserfolg beiträgt. Fehler, wie übertriebene Fokussierung auf eine korrekte Befolgung der Methode bzw. Einsatz der Methode als Selbstzweck, waren nicht zu erkennen. Stattdessen zeigten sich bei den Best Practices an vielen Stellen Zielorientierung auf Basis der betrieblichen Rahmenkonstellation und die Fähigkeit, die angestrebten bzw. realisierten Ziele auch im Sinne der Rahmenkonstellation zu formulieren. Die BPM-Strategieentwicklung der Best-Practice-Unternehmen folgte nur selten einem expliziten, systematischen Prozess. Über implizite Mechanismen und insbesondere gutes Verständnis für die Ziele und Prozesse des Unternehmens werden die Prozesse auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet.
6.2â•…Differenzierte Prozessbetrachtung und Steuerung über Prozesslandkarten Ein weiterer wichtiger Aspekt der Steuerung des BPM ist die differenzierte Betrachtung der Geschäftsprozesse. Um den Prozessen entsprechend ihrer unterschiedlichen Optimierungspotenziale, Optimierungszielrichtungen und -ansätze differenziert gerecht zu werden, ist es notwendig, sie aufzulisten und zu kategorisieren. Dies ist u.€a. die Basis dafür, überhaupt bei den richtigen Prozessen anzusetzen und mit geeigneten IT-Werkzeugen vorzugehen. Während beispielsweise bestimmte Prozesse mithilfe von BPMS sehr gut unterstützt werden können, sind an anderer Stelle vor allem rein strukturelle Veränderungen, Ausbildungsmaßnahmen o.€ä. in den Vordergrund zu stellen. Diesen differenzierten Erfordernissen werden die Unternehmen mit den folgenden Methoden gerecht:
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• 71€% verfügen über eine Auflistung von Prozessen, die besonders im Fokus stehen, • 94€% haben Prozesslandkarten mit Zuordnung zu Kategorien wie Kern-, Unterstützungsprozesse, • 100€% haben Kernprozesse modelliert und verfügbar. Aus der unterschiedlichen Natur eines technischen und eines Business BPM heraus ergeben sich verschiedene Vorgehensweisen in der Strukturierung. Während technisches BPM vielfach die Möglichkeiten der technischen Unterstützung in bestimmten Prozessen sucht, ist Business BPM in vielen Fällen durch die gesamthafte Betrachtung aller Prozesse der Organisation geprägt. Dementsprechend zeigt sich oft auch ein unterschiedlich umfassender Blickwinkel auf die Geschäftsprozesse. Während beim Business BPM zumeist das gesamte Unternehmen oder die gesamte Unternehmenseinheit betrachtet werden, grenzen die Anwender von BPMS ihren Betrachtungsraum meist enger ab. Wie umfänglich eine Prozesslandkarte ist, differiert also deutlich. Allgemein wurde aber offensichtlich, dass eine grundlegende Darstellung der Prozesse, denen eine erhöhte Bedeutung zugemessen wird, unumgänglich ist. Die Darstellung der End-to-End-Prozesse prägen Sprache und Denken bei Diskussion und Konzeption. Sie ist die Basis für alle weiteren organisatorischen und technischen Maßnahmen wie etwa auch das Einsetzen von Prozessverantwortlichen oder die Unterstützung durch BPMS etc. Erfolgreiche BPM-Unternehmen haben die für ihre Aufgaben relevanten Prozesse auf der obersten Ebene End-to-End dargestellt. Diese Darstellungen geben den Rahmen für die weitergehenden Diskussionen und Konzeptionen.
6.3â•…Nutzung prozessorientierter Kennzahlen Knapp über die Hälfte der Teilnehmer arbeitet systematisch mit Zielen, Kennzahlen und deren Messung. Die restlichen Teilnehmer geben an, nur für einige Geschäftsprozesse Ziele und Kennzahlen definiert zu haben und deren Messung zu betreiben. Interessanterweise ergibt sich nach den Angaben der Unternehmen keine grundlegende Veränderung der Verteilung bei ihrer differenzierten Betrachtung nach Business bzw. technischem BPM. Stellt man bei den erreichten Verbesserungen durch BPM (vgl. auch oben Abb.€3) die Angaben der Unternehmen, die systematisch Prozesskennzahlen nutzen, den Angaben derer, die Prozesskennzahlen nur vereinzelt verwenden, gegenüber, so stellen sich die ohnehin schon sehr positiven Ergebnisse bei der ersten Gruppe nochmals deutlich verbessert dar. Den Unternehmen mit systematischer Kennzahlendefinition und -messung gelang es also nach eigenen Angaben noch weiter reichende Verbesserungen in den Prozessen zu realisieren.
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Bedenkt man, dass die systematische Verfolgung von Prozesskennzahlen in der Mehrzahl der Fälle zu erhöhten Kosten führt, ist die Wirtschaftlichkeit damit zwar noch nicht belegt, es zeigt aber die Möglichkeit, mit entsprechender prozessorientierter Systematik die Qualität der Prozesse gezielt zu verbessern. Die dargestellte Möglichkeit der gezielten Kombination der sehr stark kennzahlenorientierten SixSigma-Methodik mit BPM gewährt ebenfalls einen weiteren Hinweis auf die Potenziale prozessorientierter Kennzahlen. Da auch die Umsetzung der Six-Sigma-Methodik mit relevanten Kosten verbunden ist, ist die differenzierte Behandlung der Geschäftsprozesse dabei umso wichtiger. Nicht für alle Geschäftsprozesse können umfassende prozessorientierte Kennzahlen definiert, gemessen und interpretiert werden. Der potenzielle Wertbeitrag der einzelnen Geschäftsprozesse muss ausreichend verstanden und beurteilt werden. Die systematische Definition und Verfolgung prozessorientierter Kennzahlen leistet einen wichtigen Beitrag zur Prozessoptimierung. Angesichts der erhöhten Ressourcenbindung ist eine differenzierte Vorgehensweise unter Berücksichtigung der Wertbeiträge der einzelnen Geschäftsprozesse zu den Unternehmenszielen unabdingbar.
6.4â•…Einbindung von Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern Die Mehrzahl der Unternehmen verzichtet in der Praxis auf eine enge Einbindung von Kunden, Lieferanten und Partnern in die BPM-Aktivitäten. Nur ein Viertel der Unternehmen gab an, dies zu tun. Weitere 6€% sagten aus, dies bei den meisten BPM-Aktivitäten und Prozessen zu tun. Hier mögen die Strukturen des Zusammenwirkens in den vornehmlich administrativen Prozessen eine wichtige Rolle spielen. Während bspw. in der Automobilfertigung die Prozessgestaltung mit wenigen Schlüssellieferanten bzw. -abnehmern hohe Potenziale verspricht, sind die externen Partner wohl oft zu zahlreich – bspw. Kunden von Banken, Versicherungen, Versorgern –, die Prozesse sind nach innen fokussiert oder eine Abstimmung ist sehr schwierig bzw. unnötig, da die Prozesse ohnehin fest definiert sind (bspw. Finanzamt, Lieferantenwechsel bei Versorgungsunternehmen nach Vorgaben der Bundesnetzagentur). Die hier betrachteten empirischen Ergebnisse reichen also nicht aus, um die Forderung nach einer allgemeinen, grundlegenden und umfassenden systematischen Zusammenarbeit abzuleiten. Interessanterweise geben auch andere Studien kaum Hinweise auf eine systematische Kunden bzw. Lieferanteneinbindung. Zwar spielen die Kundenorientierung und die zum Teil gemessene Kundenzufriedenheit in vielen Unternehmen eine wichtige Rolle (vgl. bspw. den Beitrag von Radisch, Rehse und Junges in diesem Buch), aber eine durchgängige gemeinsame Optimierung der
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Prozesse mit den Partnern, die vor oder nach der Wertschöpfungskette des Unternehmens stehen, ist die Ausnahme. Dies ist angesichts der stets geforderten Endto-End-Sichtweise und der sicherlich durch Organisationsgrenzen oftmals schlecht abgestimmten Schnittstellen in der ersten Betrachtung überraschend. Andererseits ist natürlich von deutlich erhöhten Aufwänden auszugehen, sobald die Prozessgestaltung die Organisationsgrenzen überschreitet. Die systematische und enge Einbindung von Prozessbeteiligten bzw. -interessierten fokussiert sich in der Praxis demnach vor allem auf die eigene Organisation wie in Abschn.€9 ausführlicher dargestellt. Die systematische und enge Einbindung von Kunden und Lieferanten in das BPM scheint keine verbreitete Praxis zu sein.
7â•…BPM-Best-Practice-Hinweise – Technologie Die BPM-Diskussion wird in weiten Teilen auch durch die Debatte über die BPM-Werkzeuge geprägt. Dies überrascht nicht, da die Vorteile guter BPA-Werkzeuge beim Business BPM überzeugend sind und ein technisches BPM ja eben im Kern auf dem Einsatz eines IT-Werkzeuges beruht. Der intelligenten Nutzung von BPM-Werkzeugen kommt daher große Bedeutung zu. In der BPM-Best-Practice-Studie war die Leistungsfähigkeit einzelner Werkzeuge nicht Gegenstand der Untersuchung. Vielmehr sollten im Abschnitt Technologie Nutzungsmuster und Hinweise zum sinnvollen Einsatz unabhängig vom jeweiligen Werkzeug erarbeitet werden.
7.1â•…Werkzeugfunktionalitäten Modellierung und Prozessdokumentation sind Funktionalitäten, die in allen befragten Unternehmen mithilfe der eingesetzten BPM-Tools bearbeitet werden. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Kontakte zu den Unternehmen zum Großteil durch BPM-Tool-Hersteller-Empfehlungen zustande kamen. Damit reduzierten sich die Chancen, Unternehmen als Gesprächspartner zu identifizieren, die evtl. keine spezifischen BPM-Tools zur Dokumentation und Modellierung in Einsatz haben. Weitere Funktionalitäten, die von mehr als drei Vierteln der Unternehmen genutzt wurden, waren technische Prozessmodellierung, Prozessanalyse und Monitoring. Berücksichtigt man die Dominanz von Unternehmen, die vornehmlich auf Business BPM fokussiert sind, ist der relativ hohe Anteil bei Monitoring und technischer Prozessmodellierung, definiert als „Konzeption und Engineering für Soft-
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ware-Applikationen“, bemerkenswert. Augenscheinlich nutzen auch die BusinessBPM-Anwender die BPA-Tools umfassend zum Monitoring und zur Konzeption bei der Entwicklung von IT-Applikationen. Ebenfalls drei Viertel der Unternehmen nutzen BPM-Werkzeuge für die Unternehmensarchitektur, zur zusammenhängenden Abbildung von Prozessen, Strategie und IT. Hier zeigt sich der allgemein zu beobachtende Trend, die Sichtweise von reiner Prozessorientierung auf eine ganzheitliche Enterprise Architecture zu erweitern. Bei knapp unter 60€% der Unternehmen waren die Funktionalitäten Prozesssimulation und Prozesscontrolling relevant. Die genutzten BPM-Funktionalitäten gehen in den meistens Fällen weit über Modellierung und Dokumentation hinaus. Auch Enterprise Architecture ist inzwischen ein relevantes Thema.
7.2â•…Durchgängigkeit der Werkzeug-Nutzung Die Darstellung der Leistungsfähigkeit der verschiedenen BPM-Werkzeuge durch die Hersteller wird an vielen Stellen mit dem Aspekt der Durchgängigkeit verknüpft. Oft wird ein Bild gezeichnet, in dem das jeweilige Werkzeug durchgängig die verschiedenen Aufgaben und Unternehmensbereiche unterstützt. Dies soll ein BPM „aus einem Guss“ ermöglichen. Idealtypisch erlaubt ein Werkzeug in einem solchen Szenario die durchgängige Modellierung • • • • •
über alle Geschäftsprozesse, über alle Unternehmensbereiche, über alle Anwendungsfelder, über alle Detaillierungsstufen, für die verschiedensten Zielgruppen.
Die Integration über viele Anwendungsfelder beinhaltet bei BPA-Werkzeugen Modellierung, Analyse, Publishing (also insbesondere Darstellung im Intra-/Extranet), Simulation, Prozesskostenrechnung etc. Bei BPMS-Werkzeugen kommen ausführungsnahe Aspekte wie Integration, Ausführung, Datenaustausch, Prozesssteuerung, Prozessmonitoring etc. hinzu. Oft verweisen gerade BPMS-Hersteller darauf, dass ihre Werkzeuge im Gegensatz zu BPA-Werkzeugen mit der Abdeckung der Ausführung eben den gesamten BPM-Lebenszyklus von der Konzeption und Modellierung über die Ausführung, das Monitoring und die Analyse bis zur verbesserten Konzeption abdecken. Grundlegende interessante Überlegungen zu den Möglichkeiten und Grenzen eines solchen auch als „Round Trip“ bezeichneten Zyklus beschreibt der Beitrag von Allweyer in diesem Buch.
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Die Abdeckung über alle Detaillierungsstufen und für verschiedene Zielgruppen beschreibt ein Anwendungsszenario, in dem Prozessmodelle der obersten Ebene – auch als Ebene 0 oder Prozesslandkarte bezeichnet – mit detaillierten Darstellungen der jeweils nächsten Ebenen hinterlegt sind. Dies geschieht zum Beispiel durch hierarchische Hinterlegung von Prozessketten unter eine Funktion. Verknüpfungen auf der jeweils selben Detaillierungsebene durch Prozessschnittstellen sollen eine durchgängige Abbildung der Prozesse über das gesamte Unternehmen erlauben. Möglichkeiten wie Web-Publishing, gefilterte Views und andere Funktionalitäten sollen die Erarbeitung und Nutzung der Modelle für die unterschiedlichsten Zielgruppen wie IT-Experten, Prozess-Experten, Leitungsebene, Fachabteilung und Sachbearbeiter ermöglichen. Die Ergebnisse der Expertengespräche zeigen, dass Durchgängigkeit und ToolEinheitlichkeit in der Praxis der untersuchten Unternehmen bereits in weiten Teilen umgesetzt sind. Immerhin drei Viertel der Unternehmen geben an, dass ein einheitliches, allgemein verfügbares Tool für die Prozessmodellierung genutzt wird und Modelle in einer durchgängigen Architektur verknüpft sind. Lediglich ein Viertel der befragten Unternehmen gibt an, dass unterschiedliche Software-Produkte für das BPM im Einsatz sind. In den Gesprächen erwies sich allerdings, dass diese Aussagen weiterer Differenzierung bedürfen. So wurden die Aussagen in der weitergehenden Diskussion oftmals relativiert. In vielen Unternehmen finden sich zwar einheitliche BPM-Systeme, diese umfassen aber eine Vielzahl von Datenbanken für jeweils unterschiedliche Unternehmens- oder Prozessbereiche. In vielen Unternehmen sind die Datenbanken für verschiedene Bereiche aufgebaut worden und nicht toolseitig miteinander verknüpft. Oft werden trotz unternehmensweiter Entscheidung für ein Werkzeug Sonderlösungen genutzt. In einem Unternehmen war bspw. ein hochgradig compliancerelevanter Prozessbereich vor längerer Zeit mit einem anderen Werkzeug modelliert und abgenommen worden. Um den Genehmigungsprozess nicht erneut durchlaufen zu müssen, wurde das alte Werkzeug weiterhin genutzt. An vielen Stellen zeigte sich auch, dass spezifische BPM-Werkzeuge für besondere Funktionalitäten genutzt wurden. Hier wurden die Vorteile der spezialisierten Software gewichtiger als die Integration eingestuft („Best-of-Breed-Ansatz“). So etwa einfache Werkzeuge ohne Datenbank-Unterintegration wie Visio o.€ä. für einfache Prozessaktivitäten in den Fachabteilungen oder spezifische Werkzeuge für Software-Design und Entwicklung. In mehreren Unternehmen fand Publishing, also die Veröffentlichung der Prozesse in Intra- und Extranet über separate spezialisierte Tools statt. Best-Practice-Unternehmen streben eine durchgängige und einheitliche Werkzeugnutzung an. In der Praxis geht dies mit einem pragmatischen Umgang mit (vielen) Sonderlösungen und oftmals nicht durchgängig realisierten Modellierungswelten einher. Vielfach werden auch Best-of-Breed-Werkzeuge für spezifische Funktionalitäten eingebunden.
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7.3â•…Integration, Verfügbarkeit und Pflege Neben der Einheitlichkeit des BPM-Werkzeuges ist weiterhin die durchgängige Verknüpfung der Modelle untereinander sowie mit anderen Systemen und den Organisationselementen ein wichtiger Aspekt. Diesbezüglich wurden die Teilnehmer der Best-Practice-Studie nach dem realisierten Grad der Integration in verschiedenen Bereichen gefragt. Im Einzelnen wurden die Integration der Modelle untereinander in einer durchgängigen Architektur, die Verknüpfung zu technisch-orientierten Modellen wie den Modellen in grafischen Editoren von IT-Systemen und zu den IT-Systemen selbst erfragt. Außerdem wurde nach der Verfügbarkeit für die Mitarbeiter, also der Integration zu den Menschen, der Nutzung in der operativen Arbeit und der Pflege gefragt. Die Verteilung der Ergebnisse, in denen die Befragten jeweils auf einer Skala von „A“ (starke Zustimmung) bis „D“ (starke Ablehnung) antworteten, stellt Abb.€4 dar. Es zeigt sich, dass die laufende Pflege und die Verfügbarkeit für alle Mitarbeiter jeweils von über 60€% der Befragten vehement bejaht wird. Nimmt man die Zustimmung mit Einschränkungen dazu, so ist dies Praxis in über 80€% der Unternehmen. Bei der Integration der Modelle in einer durchgängigen Architektur finden sich ebenfalls fast 80€ % Zustimmung. Allerdings gewährt nur knapp über der Hälfte
Geschäftsprozessmodelle … sind integriert in durchgängiger Architektur fachliche und technische Modelle sind verknüpft sind mit IT-Systemen verknüpft
sind für alle MA verfügbar
werden in operativer Arbeit genutzt
werden laufend gepflegt 0
Abb. 4↜渀 Integration, Verfügbarkeit und Pflege von Prozessmodellen
20
40
60
80
A-starke Zustimmung
C
B
D-starke Ablehnung
100
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der Antworten eine starke Zustimmung. Eine umfassende Vernetzung der Modelle untereinander wird zwar in Teilen erreicht, oft scheint aber die Umsetzung nur teilweise realisiert. Dies passt zum in den persönlichen Gesprächen gewonnenen Bild. Ähnlich wie bei der Durchgängigkeit der eingesetzten BPM-Werkzeuge scheinen hundertprozentig konsequente Lösungen bzgl. der Durchgängigkeit bei der Verknüpfung der Modelle untereinander eher die Ausnahme zu sein. Vor dem Hintergrund des BestPractice-Umfelds stellt sich die Frage, ob diese „mangelnde Konsequenz“ nicht eher als Pragmatismus interpretiert werden muss, der neben einer erhöhten Wirtschaftlichkeit auch eine verbesserte Akzeptanz in den Fachabteilungen und schnellere und flexiblere vorweisbare Erfolge in Projekten ermöglicht. Bei der Frage nach den zur Anwendungsentwicklung genutzten Methoden und Werkzeugen, stellte sich heraus, dass die eher geringe Verknüpfung von Modellen mit IT-Systemen keinesfalls als Abkehr von der Prozessorientierung in der IT-Entwicklung zu interpretieren ist. Alle Unternehmen gaben an, dass „ablauforientierte Überlegungen“ bzw. die Entwicklung auf „Basis von Geschäftsprozessmodellen“ bei der Entwicklung von IT-Anwendungen eine Rolle spielen. Geht es darum, inwieweit die Methoden definiert sind und wie durchgängig sie zum Einsatz kommen, zeigt sich das folgende Bild. Bei fast der Hälfte der Unternehmen kommen „Definierte Methoden und Tools“ auf Basis von Geschäftsprozessmodellen „praktisch immer“ zum Einsatz. Fast ein weiteres Viertel nutzt derartige Methoden „mehrheitlich“. Führt man diese Ergebnisse mit den Aussagen zur oft nicht durchgängigen Integration der Prozessmodelle aus Abb.€4 zusammen, lässt sich vermuten, dass die Ansprüche an die Prozessmodelle derart stark differieren, dass kein großer Nutzen durch Integration und die damit verbunden möglichen Synergien gesehen wird: Auch bereits bestehende Prozessmodelle werden anscheinend nicht genutzt, sondern lieber vollständig neu erstellt, da sich die Ansprüche an Modelle bei der Entwicklung und Nutzung von IT-Systemen so stark von den Ansprüchen an fachliche BPM-Modelle unterscheiden. Eine andere denkbare Interpretation ist eine sich ergebende „Stop-and-GoMethodik“: Modelle werden nur dann erstellt bzw. an die IT-Systemerfordernisse angepasst und erweitert, wenn sie für eine Neuerstellung oder ein Re-Engineering von IT-Systemen genutzt werden. Für das laufende Geschäft werden keine großen Vorteile in der Integration und der laufenden Pflege aus dem allgemeinen BPM heraus gesehen. Stehen Änderungen an, sind die Modelle so veraltet, dass sie aus dem vorhandenen Modellbestand heraus nicht übernommen werden. Im Ergebnis kommt keine dauerhafte Vernetzung zwischen den Fachmodellen und den IT-Systemen zustande. Gleichzeitig wird mit der geringen Vernetzung der allgemeinen mit den IT-bezogenen Prozessmodellen deutlich, dass in der Mehrheit der Fälle der vielfach propagierte „Round Trip“ vom Fachmodell zur Ausführung und wieder zum Prozessmodell entweder die Ausnahme ist oder die Modelle als technisch-geprägte getrennt von den anderen übergreifenden, in eine Gesamtarchitektur eingebundenen Modellen entwickelt und gepflegt werden.
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Best-Practice-Unternehmen verfolgen einen Ansatz, die Modelle in einer Gesamtarchitektur zu integrieren, gehen dabei aber oft pragmatisch vor. Die technische Verknüpfung zu IT-Systemen und IT-bezogenen Modellen ist nicht die Regel. Damit erscheint auch das Bild eines übergreifenden „Round Trips“ bei der Mehrheit der Unternehmen fraglich. Gleichwohl spielen prozessorientierte Methoden bei der Systementwicklung eine große Rolle.
7.4â•…Einordnung von BPMS Mit den Überlegungen zur Integration des BPM ergibt sich die Frage nach einer sinnvollen Einordnung und zweckmäßigen Anwendungsfeldern von BPMS. Hier erweist sich eine Einordnung als sehr überzeugend, die unter anderem bei der Siemens AG Verwendung fand. Grundidee ist die Anordnung der zu unterstützenden Prozesse nach ihrer Häufigkeit. Es ergibt sich eine Struktur, in der wenige Prozesse durch eine sehr hohe Anzahl von Durchführungen je Zeiteinheit gekennzeichnet sind. Dies sind Standardbestellungen, Standardbuchungsvorgänge für internes und externes Rechnungswesen oder Standardlogistikprozesse wie Wareneingang, Auslieferung etc. Diese Prozesse werden in den meisten Unternehmen inzwischen mit weitgehender Automatisierungsunterstützung durch Betriebliche Informationssysteme wie SAP u.€v.€a. unterstützt. Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es eine Vielzahl von Prozessen, die nur sehr selten durchgeführt werden. Insgesamt ergibt sich eine Verteilung mit wenigen Prozessen, die sehr häufig, und einer größeren Zahl von Prozessen, die zunehmend seltener durchgeführt werden. Daraus entsteht eine Long-Tail-Verteilung, wie sie für den Web-Commerce von Anderson (2006) ausführlich mit ihren Besonderheiten und Implikationen diskutiert wurde. Die „Long-Tail-Prozesse“ mit geringer Durchführungshäufigkeit lassen sich wegen ihrer geringen Wiederholungsrate, fehlender Standardisierbarkeit oder aus anderen Gründen nicht wirtschaftlich automatisieren bzw. systemtechnisch spezifisch abbilden. Hier werden Groupware Systeme und andere Systeme für die Computer Supported Collaborative Work eingesetzt. Produktnamen sind etwa Sharepoint, Outlook, Lotus Notes/Lotus Domino aber auch Wikis, Weblogs u.€v.€a. Zwischen diesen beiden Blöcken ergibt sich das nicht scharf abgegrenzte typische Anwendungsfeld, in dem BPMS den größten Nutzen entfalten können. Während die klassischen Betrieblichen Informationssysteme oft nur sehr eingeschränkt anpass- und erweiterbar sind bzw. Änderungen eben gerade auch deshalb, weil sie sehr eng an Massenprozessen ausgerichtet sind, nur mit sehr hohem Aufwand möglich sind, haben die CSCW-Systeme den Nachteil, dass sie den Prozessen zu wenig Struktur geben. Weder wird den Nutzern mithilfe des Systems eine Unterstützung
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dazu gegeben, wie der Prozess abzuwickeln ist, noch wird die Einhaltung von Standards erzwungen. Auch Statusverfolgung, Monitoring etc. als Basis von Managemententscheidungen und langfristiger Optimierung sind nicht möglich. Hier können die typischen Vorteile von BPMS ihre Wirkung entfalten. Mit der starken Prozessorientierung geben sie ausreichend Struktur, erlauben Monitoring und damit operatives Prozessmanagement genauso wie langfristige Optimierung auf Basis von Auswertungen und Analysen. Die Fähigkeit, relativ einfach und flexibel das System unter Nutzung von Prozessmodellen zu konfigurieren, sowie die Möglichkeit zur Integration von Drittsystemen erlauben eine kostengünstige Systemausgestaltung, sodass Wirtschaftlichkeit bereits bei deutlich geringerer Prozesshäufigkeit möglich ist. Abbildung€5 zeigt die Einordnung von BPMS in der LongTail-Verteilung der Geschäftsprozesse. Natürlich ist eine derartige Einordnung eher idealtypisch. Insbesondere bei BPMS, die ihre besonderen Stärken gerade in der Verarbeitung einer sehr großen Anzahl von Prozessinstanzen haben, gibt es weitreichende Überlappungen mit dem Bereich der „klassischen betrieblichen IS“. Die Beiträge der Deutschen Bank und der Lufthansa Miles & More in diesem Buch stellen Beispiele für fließende Übergänge in diesem Bereich dar. Dort ist die Anzahl der Prozessinstanzen je Zeiteinheit sehr hoch. Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit von BPMS und der Öffnung klassischer Betrieblicher Informationssysteme in Richtung SOA ist außerdem davon auszugehen, dass die Grenze zunehmend verwischen wird. Auf der anderen
Frequenz der Prozesse (Anzahl Durchführungen je Periode)
‚Klassische‘ Betriebliche IS (SAP u.v.a.)
BPM Suites Groupware/ CSCW-Computer Supported Collaborativ Work
Unternehmensprozesse in Reihenfolge der Frequenz
Abb. 5↜渀 BPMS als Bindeglieder zum Long Tail. (In Anlehnung an Darstellung von Scherer, Siemens IA/DT)
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Seite lassen viele BPMS ebenso weite Freiheitsgrade zu, sodass sich auch zu den „Long-Tail-Prozessen“ ein fließender Übergang ergibt. Typische Anwendungsfelder für BPMS entstehen oft „zwischen“ den klassischen Betrieblichen Informationssystemen und Groupware- Systemen. Hier können BPMS-Stärken wie Prozessorientierung, einfache Systemparametrisierung, Monitoringfunktionalitäten u.€ a. bei relativ geringen Kosten einen großen Nutzen entfalten.
7.5â•…Social BPM – Nutzung von Web-2.0-/Social-Software im BPM Die Nutzung von Web-2.0- oder Social-Software-Funktionalitäten und Organisationskonzepten wird inzwischen als „Social BPM“ umfänglich diskutiert. Grundgedanke ist die Nutzung bisher vernachlässigter Potenziale der Menschen, insbesondere Mitarbeiter, zur Prozessoptimierung durch Ansätze, wie sie bereits seit Jahren in Social-Software-Angeboten wie Wikipedia, bei der Entwicklung von Open-Source-Software u.€a. zur Anwendung kommen. Nachdem die Akzeptanz und das Vorstellungsvermögen, die in ihrem Ursprung eher consumerorientierten Methoden und Funktionalitäten auch im BPM zu nutzen, bei Herstellern und Anwender zunächst sehr begrenzt waren, lässt sich inzwischen ein Wandel erkennen. Viele Hersteller von BPM-Software haben das Thema inzwischen breit aufgenommen. So gibt es heute eine Vielzahl von z.€T. herstellergetriebenen BPM-Communities, Funktionalitäten wie Exportmöglichkeiten in Wikis und die Integration von Mashups, Bewertungs- oder Kommentierungsmöglichkeiten u.€v.€a. Die Quote von über 60€% starker Zustimmung und weiteren 24€% Zustimmung bei der Best-Practice-Studie bzgl. der allgemeinen Verfügbarkeit der Prozessmodelle für die Mitarbeiter (vgl. Abb.€4) zeigt zudem, dass zumindest die passive Einbindung der Mitarbeiter in das BPM als wichtiger Faktor akzeptiert ist. Die aktive und unmittelbare Einbindung der Mitarbeiter mithilfe von SocialSoftware-Ansätzen war in der Studie hingegen nur in der Minderheit der Fälle anzutreffen. 59€% der Gesprächspartner setzten keine Web-2.0-Technologien im BPM ein. An vielen Stellen fehlten zudem die Ideen, wie derartige Technologien und Methoden sinnvoll anzuwenden wären. Bei den Usern von Social Software dominierten Wikis bzw. Foren, die bei allen Anwendern bzw. der knappen Mehrheit im Einsatz waren. Hingegen waren Blogs, Soziale Netzwerke und Videos auch bei dieser Gruppe die Ausnahme. Interessanterweise wird sogar die bereits seit längerer Zeit angebotene Funktionalität der direkt kommentierbaren Prozessmodelle nach Angaben der Befragten nur selten genutzt.
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In dieses Gesamtbild passen auch die Ergebnisse zur Frage, wer im Unternehmen modelliert. Hier stehen fast 60€% der Unternehmen, in denen Spezialisten modellieren, ca. 40€% gegenüber, in denen viele Mitarbeiter durch Spezialisten und Qualitätssicherung unterstützt modellieren. In den Gesprächen zeigt sich, dass die Anpassung der Modelle fast ausschließlich im Kontext umfassender Projekte bzw. im Rahmen genau definierter Routinen stattfindet. Modellierungsansätze, die etwa einen Wiki-Ansatz aufgreifen und die Modellierung als kontinuierlichen Prozess durch alle Mitarbeiter verstehen, sind nicht erkennbar. Weiterhin verdeutlichten die Diskussionen, dass dieser Gedanke nicht ernsthaft erwogen wird. Argumente wie Qualität, Sicherheit, Nachvollziehbarkeit, Berechtigungen etc. sind im ersten Schritt nachvollziehbar, gleichen aber auffallend den Vorbehalten gegen Wikipedia im frühen Stadium der Diskussion. Auch vorsichtige Schritte wie etwa Sandbox-Ansätze mit definierten Freiräumen waren nicht zu erkennen. Faktoren wie die aktuelle Diskussion zum Social BPM, die massive Zunahme der Akzeptanz von Social-Media-Services wie sozialen Netzwerken, Blogs, Wikis etc. in den Unternehmen und die Aktivitäten der BPM-Tool-Hersteller lassen hier weitreichende Veränderungen in der nahen Zukunft vermuten. Dies gilt umso mehr angesichts des an vielen Stellen erkennbaren Unbehagens über die Unterschiede zwischen den gelebten und den definierten Prozessen sowie der fehlenden Integration zwischen den von den Fachabteilungen im Tagesgeschäft erstellten und genutzten Prozessskizzen und den Modellen der „offiziellen“ Prozesswelt. An vielen Stellen wird inzwischen erkannt, dass das BPM große Teile der Expertise der Fachabteilung nicht optimal nutzt. Zusammen mit Entwicklungen bei den BPM-Werkzeugen erscheint also ein grundlegender Wandel zu einer stärkeren Nutzung von Social-Software-Ansätzen im BPM wahrscheinlich und sinnvoll. Social Media ist im BPM noch gering verbreitet. Sie hat ihren Schwerpunkt bei Wikis und Foren. Angesichts der hohen Wissensintensität, der Diskrepanz zu den Zielen gelebter Prozesse und Mitarbeiter-Einbindung erscheint eine Zunahme der Social-Media-Nutzung plausibel.
8â•…BPM-Best-Practice-Hinweise – Struktur Die optimale insbesondere aufbauorganisatorische Struktur des BPM ist ein viel diskutiertes Thema. Dies zeigt sich bspw. in der Vielzahl der empfohlenen und gelebten Organisationskonzepte. So konnte die Association of BPM Professionals (ABPMP) mehr als 150 Bezeichnungen allein für die Rollen im BPM zusammentragen (EABPM 2009, S.€20). Strukturelle Fragestellungen des BPM umfassen dabei
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weit mehr als die Definition spezifischer Rollen. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel unterschiedlichster Aspekte, in denen auch Fragen wie die Hierarchieebene, auf der das Thema angesiedelt werden soll, die Ausgestaltung eines Zentralbereichs, die Verbindlichkeit von BPM-Vorgaben u.€v.€a. eine Rolle spielt.
8.1â•…BPM-Zentralbereich Von den befragten Unternehmen gab nur eines an, nicht über eine spezifische Organisationseinheit für das BPM zu verfügen. Die Aufgaben dieser Organisationseinheit waren über die verschiedenen Unternehmen und damit auch über die Anwender des technischen wie des Business BPM praktisch durchgängig (jeweils über 80€% der Antworten) mit den folgenden Aufgaben ausgestaltet: • zentrale Service-Stelle für alle Fragen und Wünsche rund um das BPM (für Fachabteilungen, Prozessverantwortliche etc.), • definiert die Vorgaben und/oder Empfehlungen bzgl. der Methoden und Tools, • betreibt oder verantwortet die zentrale BPM-Werkzeug-Infrastruktur (Modellierungsplattform u.€ä.), • Mitarbeiter aus dieser Organisationseinheit unterstützen Fachabteilungen bei ihren BPM-Vorhaben, • sichert die Einhaltung von Qualitätsstandards. In keinem Fall war die betreffende Organisationseinheit den Prozessverantwortlichen vorgesetzt. Die Ausgestaltung der zentralen BPM-Organisationseinheiten als Service oder Stabs-Funktion harmonierte nach der Wahrnehmung aus den Gesprächen gut mit dem Eigenverständnis dieser Bereiche. Die Mehrzahl der Gesprächspartner legte hohes Gewicht darauf, mit großem Mehrwert für die Fachabteilungen und das Unternehmen insgesamt zu überzeugen und die prozessorientierte Sichtweise und Prozeduren vor allem über hohe Akzeptanz und Einsicht statt über Vorgaben zu vermitteln. Dies galt umso mehr im Bereich des Business BPM. Wichtige Hilfsmittel zur Übertragung und Dokumentation der maßgeblich durch den zentralen BPM-Bereich entwickelten BPM-Methodik sind BPM-Handbücher, Methodenhandbücher sowie die Dokumentationen der BPM-Software. Dies zeigen die Ergebnisse der Gespräche. Bei allen drei Kategorien von Handbüchern gaben jeweils über drei Viertel der Unternehmen an, über diese Form der Dokumentation zu verfügen. Nur ein Unternehmen sah seine Dokumentation noch in den Anfängen. Kein Unternehmen konnte bzw. wollte ganz auf eine derartige Dokumentation verzichten. BPM-Best-Practice-Unternehmen verfügen praktisch durchgängig über zentrale BPM-Bereiche. Diese Bereiche sind Treiber der Methodik und dienen zugleich als Service-Stelle. Sie sind nicht als vorgesetzte Stelle oder als expli-
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zite Kontrollinstanz ausgeprägt und überzeugen durch gute Kommunikation und nachvollziehbaren Nutzen.
8.2â•…Prozessverantwortliche Auch die Rolle des Prozessverantwortlichen war in über 80€% der Unternehmen implementiert und in der breiten Mehrheit der Unternehmen wie folgt definiert: • Ihre Aufgabe ist die „End-to-End“-Sicht auf die definierten Geschäftsprozesse. • Sie sind die Treiber für die laufende Optimierung der Geschäftsprozesse. • Sie werden bei allen Gremien und Entscheidungsrunden, die den Prozess betreffen, eingebunden. In nur zwei der befragten Unternehmen hatten die Prozessverantwortlichen – wo betriebswirtschaftlich sinnvoll – disziplinarische Weisungsbefugnis über die Mitarbeiter, die wesentlich am Prozess beteiligt sind. Wie die zeitliche Ausstattung für die Rolle des Prozessverantwortlichen geregelt ist, fällt bei den Unternehmen weit auseinander. Während die Hälfte der antwortenden Unternehmen angibt, dass die Aufgabe des Prozessverantwortlichen mit weniger als einem Drittel der verfügbaren Arbeitszeit bewältigt wird, gibt die andere Hälfte an, dass für diese Aufgabe über zwei Drittel der Arbeitszeit zur Verfügung stehen und in diesen Fällen in der Mehrzahl auch noch ein oder mehrere Mitarbeiter zur Unterstützung bei der Aufgabe bereitstehen. Es ergibt sich damit ein Bild von zwei sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen der Rolle des Prozessverantwortlichen. Eine Hälfte scheint diese Rolle zusätzlich neben anderen Aufgaben zu erfüllen. Argumente für diese Form der Ausgestaltung sind – neben der Kosteneinsparung – die fortgeführte Einbindung in das „Tagegeschäft“, die eine Entfremdung von den operativen Zwängen verhindert, sowie oftmals auch das sich aus den anderen Verantwortlichkeiten ergebende zusätzliche hohe Gewicht der Stimme des Prozessverantwortlichen, das damit ebenso der Aufgabe des Prozessverantwortlichen zugutekommt. Eine Argumentation für den Vollzeit-Prozessverantwortlichen, von dem bei über zwei Dritteln der verfügbaren Kapazität gesprochen werden kann, sind hingegen die Konzentration auf die wichtige Prozessthematik sowie der vermiedene inhaltliche und zeitliche Zielkonflikt, der bei der Verfolgung unterschiedlicher Rollenziele droht. BPM-Best-Practice-Unternehmen haben zum Großteil Prozessverantwortliche eingesetzt. Diese sind nicht die Vorgesetzten der Mitarbeiter in den beteiligten Bereichen, gleichwohl aber für die End-to-End-Sicht zuständig. In der Praxis finden sich sowohl Prozessverantwortliche, die die Rolle mit ihren anderen Aufgaben kombinieren als auch „Vollzeit“-Prozessverantwortliche.
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8.3â•…CPO In verschiedenen Studien zum BPM wird mangelnde Unterstützung durch das Topmanagement immer wieder als eines der wichtigsten Umsetzungshemmnisse genannt (Vgl. Pingel und Schmitt 2007, Knuppertz et€ al. 2010). In diesem Zusammenhang wird oft auf die Notwendigkeit der Installation eines CPO (Chief Process Officer), also eines Vorstandspostens mit Zuständigkeit für das Prozessmanagement, verwiesen. Gleichzeitig zeigen bereits die beiden genannten Studien, dass die Existenz eines derartigen Vorstandspostens eher die Ausnahme denn die Regel ist. In der BPM-Best-Practice-Stichprobe gab ca. ein Viertel der Unternehmen an, einen Gesamt-BPM-Verantwortlichen auf Ebene von Vorstand, Geschäftsführung oder vergleichbar installiert zu haben. Nur ein Unternehmen gab an, dass eine derartige Rolle nicht definiert wäre. Die verbleibenden antwortenden Unternehmen hatten diese Rolle vornehmlich auf Ebene eines Hauptabteilungsleiters bzw. Direktors, zum kleineren Teil auf Ebene eines Abteilungsleiters definiert. Damit lässt sich festhalten, dass praktisch alle Unternehmen der Best-PracticeStudie einen Gesamtverantwortlichen für das BPM installiert haben. Dieser kommt zumeist aus der Ebene der Hauptabteilungsleiter bzw. Direktoren. Die Ansiedlung der Verantwortung direkt auf Vorstandsebene bleibt die Minderheit, der CPO somit die Ausnahme. In den Gesprächen wurde außerdem deutlich, dass ein Verständnis der tatsächlichen Konstellationen in diesem Kontext durch eng strukturierte Fragen nur sehr schwer zu gewinnen ist. So ist die Einordnung in Kategorien wie Vorstand, Direktor etc. durch spezifische strukturelle Gegebenheiten – bspw. Zentral- und Bereichsvorstände – oder unterschiedlichste Bedeutungen und Strukturen der Hierarchiestufen in den verschiedenen Unternehmen oft kaum zu vergleichen. Schließlich ist die Ausgestaltung der Rolle des Hauptverantwortlichen für das BPM so unterschiedlich, dass Vergleiche mit Vorsicht zu interpretieren sind. Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung – neben der Signalwirkung – der Benennung eines CPO zukommt. Bei bei der ausführlichen Untersuchung einer anderen C-Rolle, nämlich des Chief Operating Officers (COO), zeigte sich, dass die Interpretation dieses Titels äußerst vielfältig ist und die Benennung eines COO zunächst an sich wenig Aussagekraft besitzt (Komus und Leyendecker 2010). Angesicht der vielen Facetten der Geschäftsprozessthematik steht dies für die Rolle des CPO ebenfalls zu vermuten. Dies bedeutet nicht, dass der Unterstützung durch das Topmanagement keine hohe Bedeutung zukommt. Fraglich ist nur die inhaltliche Wirkung der Benennung eines CPO. Wichtig sind vielmehr kulturelle Aspekte wie Signale der Unternehmensleitung, wie im folgenden Abschnitt beschrieben. Neben der fraglichen Bedeutung der formalen Benennung eines CPO ist auch zu hinterfragen, inwieweit eine Strukturierung ausschließlich nach dem Primat der Geschäftsprozessthematik sinnvoll ist. So spricht vieles dafür, die Potenziale der Prozessorientierung im Zusammenspiel mit den sich zunehmend entwickelnden
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Möglichkeiten der Service Oriented Architecture (SOA) mithilfe eines integrierten IT-BPM-Zentralbereichs zu heben (vgl. auch unten Abb.€10). In der BPM-Best-Practice-Studie waren CPOs die Ausnahme. Es bleibt die Frage nach Notwendigkeit und Bedeutung über die motivierende Wirkung des formalen Aktes hinaus.
9â•…BPM-Best-Practice-Hinweise – Mensch Die vierte Untersuchungskategorie der Best-Practice-Studie beleuchtete den Faktor Mensch im Kontext BPM.
9.1â•…Schulungen und Kultur BPM-Schulungen, auch außerhalb des direkten BPM-Kernteams versetzen Mitarbeiter in die Lage, aktive Beiträge zum BPM zu leisten, aber auch eine fundierte positive Einstellung zur Prozessorientierung aufzubauen. Nur zwei der Best-Practice-Unternehmen schulen BPM nur in geringem Umfang. In beiden Fällen handelte es sich dabei um technische BPM-Anwender. Knapp 30€% der Unternehmen vermitteln BPM allgemein und schulen BPM-Experten intensiver. Über 40€% der Unternehmen vermitteln BPM-Skills an viele Mitarbeiter. Die verbleibenden ca. 18€% haben viele Mitarbeiter gut geschult und Notwendigkeit und Nutzen des BPM vermittelt. Zumindest eine allgemeine Vermittlung des BPMAnsatzes ist also bei den meisten Unternehmen die Regel. Fast 60€% der Unternehmen schulen ihre Mitarbeiter noch darüber hinaus. Da BPM-Optimierungen oft in Form von Projekten durchgeführt werden, war ebenfalls die Projektkultur Gegenstand der Gespräche. Alle Unternehmen sahen Projekte und Projektmanagement als relevant an. Lediglich drei Unternehmen sahen Projektmanagement „nur“ als allgemein akzeptierten Bestandteil der Unternehmensaktivitäten. Die anderen Unternehmen schulen Projektmanagement vielfach. Bis hin zu einem Drittel der Unternehmen, in denen nach eigener Einschätzung Projektmanagement, als Kernkompetenz akzeptiert, einen wichtigen Bestandteil der Unternehmenskultur einnimmt. Abbildung€6 zeigt die detaillierte Verteilung der Antworten. Noch ausgeprägter als die hohe Akzeptanz dafür, sich in Form von Projekten mit Neuem auseinanderzusetzen, ist die wahrgenommene Kultur des Wandels verbunden mit der Bereitschaft zur Veränderung. Nach eigenen Einschätzungen werden Veränderungen nur bei knapp mehr als einem Drittel der Unternehmen widerwillig aufgenommen oder als notwendiges Übel akzeptiert. Hingegen ist für fast zwei Drittel der Unternehmen Veränderung akzeptierter Bestandteil der Unternehmenskultur.
38 Abb. 6↜渀 Bedeutung von Projektmanagement im Unternehmen
A. Komus 35%
40% 35%
29%
30% 25%
18%
20%
18%
15% 10% 5%
0%
pr ak al tis lg .a ch kz ke ep in e tie R r t ol de er le rU B PM e M s Ak ta gm se er tiv nd st t. hr e V itä te ve b St ie te il rw rei an lfa n en t g c da h de es r g ds e t g ch et sch ro ult, ab u ße S t lie lt, Te an rt d il a de rd rR e es tab . a lie Be K uf rt, st er P an nk dt om ei p lU e -K ten ul z/ tu r
0%
Leider fehlen insbesondere für die Themenbereiche Projektmanagement und Veränderungskultur Vergleichswerte, die eine abschließende Bewertung erlauben. Gleichwohl deuten die Verteilungen in beiden Fragen darauf hin, dass Best-Practice-Unternehmen Fähigkeiten und Kulturen entwickelt haben, die den aktiven Wandel gut unterstützen. Damit deutet sich an, dass die Fähigkeiten und die Kultur des Wandels wichtige Erfolgsfaktoren für erfolgreiche BPM-Implementierungen sind. Diese Annahme wird weiterhin durch eine gezielte Auswertung einer Studie im Telekommunikationsumfeld (Baumann et€al. 2008) gestützt, in der 25 Unternehmen weltweit bzgl. ihres Reifegrades nach dem Process and Enterprise Maturity Model nach Hammer (2007) bewertet wurden. Zugleich wurden für die untersuchten Unternehmen Erfolgskennzahlen wie Return on Equity (ROE), Return on Assets (ROA) und Return on Investment (ROI) untersucht. Hammers Process and Enterprise Maturity Model stellt einen differenzierten Ansatz zur Bewertung des Reifegrads dar. Er differenziert zwischen einer Bewertung in den Bereichen „Prozessdeterminanten“ und „Unternehmenskompetenzen“. Während die Prozessdeterminanten prozessbezogen sind, beziehen sich die Unternehmenskompetenzen auf das gesamte Unternehmen. In der Studie wurden die Reifegrade differenziert nach Prozessdeterminanten, aggregiert über die verschiedenen Prozessbereiche, und die Unternehmenskompetenzen für jedes Unternehmen ermittelt und den Erfolgskennzahlen gegenübergestellt. In allen Bereichen wurde eine stärker ausgeprägte positive Korrelation zwischen den Erfolgskennzahlen und den Unternehmenskompetenzen als zwischen Erfolgskennzahlen und Prozessdeterminanten ermittelt. Bei den untersuchten Unternehmen waren also die Unternehmenskompetenzen (Leadership, Unternehmenskultur, Erfahrung bzgl. Neugestaltung,
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung Overall Process Maturity – ROI: 0,615 0.4
0.2
0.2 ROI
ROE
Overall Process Maturity – ROE: 0,483 0.4
0.0
–0.2 –0.4
0.0
–0.2 0.4
0.8
1.6 2.0 1.2 Overall Process Maturity
2.4
–0.4
2.8
0.4
0.4
0.2
0.2 ROI
ROE
0.8
1.6 2.0 1.2 Overall Process Maturity
2.4
2.8
Enterprise Maturity – ROI: 0,666
Enterprise Maturity – ROE: 0,552 0.4
0.0
–0.2 –0.4
39
0.0
–0.2 0.8
1.2
1.6 2.0 Enterprise Maturity
2.4
2.8
–0.4
0.8
1.2
1.6 2.0 Enterprise Maturity
2.4
2.8
Abb. 7↜渀 Korrelationen zwischen ROE bzw. ROI und Overall Process Maturity bzw. Enterprise Maturity. (Baumann et€al. 2008, S.€26, 27, 36, 37)
Steuerung) mit BPM-Bezug besser geeignet, um den Unternehmenserfolg vorherzusagen als prozessspezfische Determinanten wie Prozessdesign, prozessbezogenes Wissen und Fähigkeiten, Prozessverantwortung, Infrastruktur. Abbildung€ 7 zeigt dies für zwei der drei Erfolgskennzahlen: ROI und ROE. Erfolgreiches BPM wird wesentlich durch Verständnis und Kultur gestützt. Umfassende Schulungen über das Projektteam und über die engere BPMThematik hinaus sind wichtige Erfolgsfaktoren.
9.2â•…Topmanagement-Unterstützung und Außendarstellung im Unternehmen Als weiterer wichtiger Faktor für den BPM-Erfolg wird, wie bereits ausgeführt, der Topmanagement-Support angesehen. Neben Darstellung der hohen Wertigkeit des BPM in Form eines CPO sind natürlich vor allem die vom Topmanagement gesendeten Signale bezüglich des BPM wichtige Ausdrucksmöglichkeiten der Unterstützung. In den Best-Practice-Unternehmen zeichnete sich ein Bild, in dem das Topmanagement in der Mehrzahl der Fälle (59€%) prozessorientierte Projekte und Initiativen unterstützte. In 12€% der Fälle setzt sich das Topmanagement regelmäßig für einzelne Projekte und den BPM-Gedanken ein. In 24€% der Fälle vertritt das Topmanagement den BPM-Ansatz mit hoher Priorität und integriert diesen in
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A. Komus
Strategie, Ziele und tägliches Handeln. In nur einem Fall ist das Topmanagement bezogen auf BPM kaum sichtbar. Allgemein lässt sich also feststellen, dass erfolgreiche BPM-Practices in der Mehrzahl durchaus Topmanagement-Unterstützung haben. Gleichzeitig zeigte sich, dass die BPM-Verantwortlichen die Unterstützung als wichtiges Ziel verstanden haben und laufend dafür aktiv waren. Die für das BPM zuständigen Ansprechpartner erwiesen sich zum sehr großen Teil als Personen, die in der Lage sind, Vorteile so darzustellen, dass sie für das Topmanagement und andere BPM-Außenstehende gut verständlich sind. Es gelang den BPM-Verantwortlichen, die BPM-Aktivitäten in Schwerpunktsetzung und Kommunikation auf die übergeordneten Unternehmensziele auszurichten. Insgesamt spielte bei den Ansprechpartnern der BPM-Best-Practice-Studie die Kommunikation eine wichtige Rolle. Dies zeigt sich in Form vieler Informationsund Schulungsangebote etc. Angebote wie ein „BPM Day“ geben die Möglichkeit zum Austausch, erläutern Zielsetzungen und machen Erreichtes transparent. Dies dürfte ein wesentlicher Schlüssel für die erreichte Unterstützung durch das Topmanagement sein und wohl auch Best Practices an mancher Stelle von anderen BPM Practices unterscheiden. Wie bereits oben bezüglich der Initialisierung von BPM-Aktivitäten dargestellt, unterscheiden sich Best-Practice-BPM-Vertreter von anderen, denen es nicht gelingt, die notwendige Unterstützung zu gewinnen. So lässt sich leider des Öfteren feststellen, dass einige BPM-Verfechter immer wieder über mangelnde Topmanagement-Unterstützung klagen, aber gleichzeitig nicht die geeignete Sprache und die richtigen Argumente finden, um im Unternehmen und im Topmanagement breite Unterstützung zu gewinnen. In Best-Practice-Unternehmen werden BPM-Aktivitäten zum Großteil durch das Topmanagement unterstützt. Allerdings ist auch dies meist nur begrenzt. BPM-Verantwortliche verstehen es in diesen Unternehmen zumeist sehr gut, die Vorteilhaftigkeit für Personen außerhalb des BPM-Kerns verständlich zu machen.
10â•…Übergreifende Erkenntnisse der BPM-Best-Practice-Gespräche 10.1â•…Persönliche Einschätzung und Erfahrungen der Gesprächspartner Über die dargestellten Kategorien „Steuerung“, „Technologie“, „Struktur“ und „Mensch“ hinaus ergaben sich verschiedene Erkenntnisse, die sich einer Zuordnung entziehen.
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung
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10.1.1â•…Erfolgsbeiträge im BPM Die Gesprächspartner wurden in mehreren Bereichen nach ihren persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen befragt. So wurden Aussagen zu Fragestellungen erleichtert, zu denen sonst keine oder nur sehr abgeschwächte Aussagen zu erwarten waren. Mithilfe einer 100-Punkte-Verteilung konnten die Studienteilnehmer ihre persönliche Einschätzung dazu ausdrücken, wie wichtig die folgenden fünf Faktoren für den nachhaltigen Erfolg von BPM sind. Im Durchschnitt ergab sich die folgende Verteilung: •â•… Unterstützung durch das Management: •â•… Mensch und Strategie/Steuerung: •â•… Technologie und Struktur:
27€% je 24€% je 13€%
(Abweichung von 100 sind durch Rundungsfehler zu erklären)
Gefragt nach dem Anteil der verschiedenen Managementebenen bei der Optimierung der Prozesse wurden die Gesprächspartner wiederum gebeten, insgesamt 100 Prozentpunkte entsprechend ihrer Einschätzung zuzuordnen. Hier ergab sich die folgende Verteilung: 1.╇ Abteilungsleiter/Gruppenleiter: 2.╇ Sachbearbeiter: 3.╇ Hauptabteilungsleiter: 4.╇ Vorstand/Geschäftsführer:
36€% 30€% 22€% 12€%
10.1.2â•…Einfluss der Finanzkrise auf BPM Vor dem Hintergrund der zum Studienzeitraum viel diskutierten Finanzkrise lag die Fragestellung nach dem Einfluss der Krise auf das BPM nahe. Die Studienteilnehmer wurden gebeten, ihre Meinung dazu durch eine Positionierung auf einer Skala von A („BPM gewinnt in der Krise“) bis D („BPM verliert in der Krise“) darzustellen. Die Auswertung führte zu folgendem Ergebnis: •â•… •â•… •â•… •â•…
65€% wählen „BPM gewinnt“ (A 41€%; B 24€%), 24€% wählen Antwort „C“, 0€% wählen D und 12€% machen keine Angabe.
Somit sah eine deutliche Mehrheit einen Bedeutungszuwachs für BPM in der Wirtschaftskrise.
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A. Komus
10.1.3â•…Anteil des BPM am Unternehmenserfolg Gefragt nach dem Anteil des BPM am Unternehmenserfolg, dargestellt auf einer Skala von 0 bis 100, wurde der Beitrag funktionierender Prozesse am Unternehmenserfolg im Durchschnitt mit 58€% angegeben. Schließlich wurden die Gesprächsteilnehmer gebeten anzugeben, wie viel Prozent des Weges zu einer „funktionierenden BPM-Company“ ihr Unternehmen bereits erfolgreich beschritten hätte. Dabei wurde der Begriff der „BPM-Company“ bewusst nicht weiter erläutert. Hier gaben die Unternehmen im Durchschnitt an, zu ca. 40€% den Weg zur BPMCompany beschritten zu haben.
10.1.4â•…Lessons Learned Schließlich wurden die Gesprächspartner danach gefragt, was sie anders machen würden, stünden sie noch einmal ganz am Anfang ihrer BPM-Aktivitäten. Ausgewählte Aussagen werden ohne weitere Kommentierung oder Überarbeitung dargestellt: • „Keine grundlegenden Fehler, gemeinsame Lernkurve mit kleinen Fehlern ist notwendig, ergebnisoffener und positiver an BPM herangehen“ • „Verzahnung mit Multi-Projekt-Management, Zusammenarbeit mit Fachbereich stärken, BPM-Technik (BPMSâ•›+â•›BPMA) enger integrieren“ • „Nicht mit Modellierung beginnen, externe Projekte auf Management-Ebene, bewusstes Einsetzen von BPMS-Tools“ • „Weniger darüber reden, weniger entscheiden, mehr tun (Workflow ist Schlüssel)“ • „Weg vom Tool-Gedanken (stärker Prozess-Consulting), Modelling anders machen, standardisierte Modelltypen, Requirements zu technologisch“ • „früher starten, Ausbildung stärker an Bedarf ausrichten“ • „Unterstützung (Entscheidungen) vom Topmanagement stärker einfordern, Backend-Systeme (Verantwortliche [Know-how] stärker einbinden)“ • „einzelne Prozesse anders schneiden, beginnen mit einfachen Prozessen, wenige einzelne Kennzahlen (schnelle Erfolge)“ • „Prozess-Ownerschaft stärker ausprägen“ • „Aufbau des Prozessmanagementsystems anders angehen (pragmatischer, anwendergerechter, komplexitätsreduziert“ • „Stärkere Vorstands-Unterstützung End-to-End-Prozess-Verantwortliche, frühzeitigere Strategie-Definition, frühzeitigere Methoden-Definition“ • „Stärkerer Management Support als Voraussetzung, mehr Ressourcen im zentralen BPM-Team, flächendeckende Prozessverantwortliche“ • „stärker vom Geschäft her entwickeln (nicht so breit – stärker auf unmittelbare Potenziale direkt aus dem Business her entwickeln), klare Vereinbarung zentrale vs. dezentrale Aktivitäten“
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung
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• „keine Ahnung“ • „nichts“
10.2â•…Allgemeine Erkenntnisse Mit der persönlichen Durchführung der Gespräche konnten verschiedene Erkenntnisse gesammelt werden, die nicht aus der Beantwortung der strukturierten Fragen resultierten. Einschätzungen und Vermutungen konnten bestätigt oder verworfen werden. Folgend sollen zwei Aspekte herausgehoben werden, die besonders relevant erscheinen.
10.2.1â•…Pragmatische Vorgehensweise und Business-Orientierung Hersteller von BPMS- und BPA-Werkzeugen betonen die Vorteile einer durchgängigen Unterstützung aller Unternehmensbereiche und aller Aufgabenfelder – bspw. Modellierung, Analyse, Ausführung, Prozesskostenrechnung, Business Activity Monitoring, Simulation, Web-Publishing, etc. – in einer Tool-Suite oder zumindest technisch durchgängig miteinander verknüpfter Werkzeuge und Modelle. Auch in den Fachdiskussionen und -publikationen wird diese Form der nahtlosen Integration immer wieder als Ziel postuliert. Diese und viele andere Aspekte vermitteln oftmals den Eindruck der Notwendigkeit einer durchgängigen Lösung aus einem Guss für eine gesamtes Unternehmen bzw. einen ganzen Konzern. In den Best-Practice-Unternehmen ergab sich ein Bild, nach dem die dargestellte Einheitlichkeit und Durchgängigkeit durchaus angestrebt wird. Diese Zielsetzung wird aber sehr pragmatisch verfolgt. Weitreichende Lücken in der Durchgängigkeit der Modelle, Ausnahmen in der Methodik, Bereiche und Projekte, die nicht den definierten Vorgaben folgen, verschiedene Datenbanken, unterschiedliche Produkte, die nicht vollständig miteinander verknüpft sind u.€v.€a. stehen den definierten Zielen einheitlicher Methodik und Werkzeuge entgegen und werden geduldet. Auf die „reine Methodenlehre“ wird an vielen Stellen zugunsten einfacherer Durchsetzbarkeit, schnellerer Zielerreichung und besserer Darstellbarkeit verzichtet. Dieser Pragmatismus geht zumeist einher mit einem guten Verständnis für die Erfolgsfaktoren und Notwendigkeiten des durch die Prozesse zu unterstützenden Geschäfts in Verbindung mit einem ausgeprägten Gefühl dafür, was BPM-Außenstehenden wie vermittelt werden kann. Es ist vor allem dieses Verständnis für das Geschäft des Unternehmens, das die dargestellte Vorgehensweise notwendig, aber auch möglich macht. Ein gutes Verständnis des betrieblichen Zielsystems zeigt den BPM-Verantwortlichen, wo Ausnahmen in der BPM-Methodik notwendig sind. Gleichzeitig ist dies die Basis, um zu wissen, welche Abstriche bei Methodik und idealtypischer Werkzeugunterstüt-
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A. Komus
zung gemacht werden können, ohne das eigentliche Ziel der prozessorientierten Optimierung aus den Augen zu verlieren. Gutes BPM versteht BPM-Methoden und -Werkzeuge mit ihren Stärken, Schwächen und Anwendungsfeldern und weiß diese auf Basis eines fundierten Verständnisses der geschäftlichen Ziele und Rahmenbedingungen pragmatisch anzupassen und einzusetzen.
10.2.2â•…Trennung zwischen Business BPM und technischem BPM Einmal mehr wurde deutlich, warum die Diskussion um die Abgrenzung des BPM in Fachforen, Veröffentlichungen etc. so breiten Raum einnimmt: Die Ausprägungen Business und technisches BPM fokussieren zwar beide auf den Aspekt der Ablauforientierung, stehen aber nach wie vor für sehr unterschiedliche Methoden, Werkzeugen, Ziele, Vertreter und Zielgruppen. Dieser Eindruck drängte sich bereits vor der Durchführung der Studie auf und wurde auch in der Best-Practice-Studie nicht weiter infrage gestellt. Dabei geht die wahrgenommene Trennung weit über den zuvor dargestellten pragmatischen Ansatz mit nicht vollständiger Integration oder Methodentreue hinaus. Während der oben dargestellte pragmatische Ansatz bei Methodik und Integration aufgrund wirtschaftlicher oder anderer Gründe in Kauf genommen wird, verhält es sich bei der geringen Vernetzung von technischem und Business BPM anders. Hier scheint die enge Vernetzung oft von Anfang an keine gelebte Zielsetzung der jeweiligen BPM-Vertreter zu sein. In der Best-Practice-Studie stand bei vielen der Teilnehmer, die vornehmlich dem Business BPM zuzurechnen sind, vor allem die fachliche bzw. betriebswirtschaftliche Struktur der Abläufe im Vordergrund. Treiber und Zielgruppe sind vornehmlich Organisationsabteilungen, Topmanagement oder Compliance-, Qualitätsmanager etc. Die Umsetzung und Vernetzung zur technischen Realisierung schien an verschiedenen Stellen nicht hoch priorisiert zu sein. Hingegen stand beim technischen BPM an vielen Stellen die Fokussierung auf die Möglichkeiten und Grenzen neuer leistungsfähiger IT-Werkzeuge im Vordergrund. Die Betrachtung konzentrierte sich eher auf einzelne Prozesse bzw. Prozessbereiche. Es entstand mitunter der Eindruck, als würde die Vernetzung zu einem Business BPM mit einem unternehmensweiten Blick auf die Prozesse nur wenig genutzt und außerdem von beiden Seiten nur wenig gesucht. Die Thematik wurde vielfach vor allem durch IT-Bereiche getrieben und vonseiten des Topmanagements und der Fachabteilungen als vornehmliche IT-Thematik eingeordnet. Die resultierende Trennung liegt wahrscheinlich zu einem gewissen Teil in der zu Beginn des Beitrags dargestellten unterschiedlichen Natur der Ansätze begründet. Nicht so offensichtlich ist, warum die beiden Bereiche in weiten Teilen durch Modelle, Methoden oder Personen nicht zumindest weiter verknüpft werden. Es
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung
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liegt die Vermutung nahe, dass eingespielte Pfade der Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten persönliche Prägungen und Präferenzen der Handelnden und ähnliche Faktoren dabei eine relevante Rolle spielen. Es scheint, dass beim Business BPM Potenziale der technischen Umsetzung und der sinnvollen Einflussnahme auf die Informationstechnologie nicht überall konsequent gesucht wurden. Gleichzeitig drängte sich beim technischen BPM mehrfach der Eindruck auf, dass Möglichkeiten der Einbindung in übergeordnete, unternehmensweite Gesamt-Prozessstrukturen und BPM-Systeme mit ihrem darin enthaltenen Wissen, Synergie- und Standardisierungspotenzialen, den vorhandenen Ressourcen und der Management-Unterstützung nicht konsequent angestrebt wurden. Zwischen technischem und Business BPM klafft in der Praxis häufig eine Lücke.
11â•…BPM-Best-Practice-Hinweise: Better best Practices Die dargestellten Erfolgsmuster geben eine Vielzahl von Hinweisen zur Ausgestaltung des BPM. Hier sollen darüber hinaus noch einzelne Punkte dargestellt werden, die eine weitere Optimierung des BPM-Ansatzes versprechen.
11.1â•…Einsatzfelder und Kombination prozessorientierter Methoden und Werkzeuge Die BPM-Best-Practice-Studie hat gezeigt, dass an vielen Stellen technisches und Business BPM nicht vollständig miteinander verschmolzen sind. Die Studie BPM und Six Sigma illustriert, welche Potenziale in der Kombination von BPM mit weiteren Optimierungsmethoden, insbesondere Six Sigma, verborgen liegen. Es stellt sich damit die Frage, für welche Anwendungskonstellation welche prozessorientierten Optimierungsansätze und Werkzeuge sinnvoll sind. Hier kann eine Differenzierung nach den Faktoren, die folgend als „BPMPotenzial-Indikatoren“ bezeichnet werden, vorgenommen werden. Als solche sind vor allem zu nennen: • Durchführungshäufigkeit gleichartiger Prozesse, • Wettbewerbs-Relevanz, • Governance-, Risk-, Compliance- und Qualitäts-Relevanz. Jeder dieser BPM-Potenzial-Indikatoren gibt einen wichtigen Hinweis auf das Nutzenpotenzial und die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Einsatzes prozessorientierter Optimierungsmethoden und -werkzeuge. Gleichwohl muss natürlich jeder Pro-
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zess individuell und vor dem Hintergrund von Faktoren wie der Rolle des Prozesses im Gesamtkontext, dem Beitrag zu den Unternehmenszielen, Kundenrelevanz etc. bewertet werden. Ein wesentlicher Parameter für die Auswahl des geeigneten Optimierungsansatzes stellt die Häufigkeit der Prozessdurchführungen gleichartiger Prozesse, also die Anzahl der Prozessinstanzen je Periode, dar. Mit steigender Wiederholungszahl der Prozessdurchführungen steigt zugleich die Zahl der bei Wiederholungen potenziell realisierten Einsparungen. Somit können auch aufwändigere und kostenintensivere Maßnahmen wirtschaftlich eingesetzt werden. Ein anderer wichtiger Faktor zur Kategorisierung von Prozessen ist die Wettbewerbs-Relevanz der Prozesse. Hierunter fallen beispielsweise Faktoren wie Kundenwahrnehmung, Potenzial zur Wettbewerbsdifferenzierung etc. Schließlich kann die Governance-, Risk- und Compliance-Relevanz eines Prozesses ein wesentlicher Treiber dafür sein, dass auch hohe Kosten für eine aufwändige BPM-Lösung verhältnismäßig sind. Abbildung€8 zeigt eine Zuordnung geeigneter BPM-Ansätze und –Werkzeuge zu unterschiedlichen Ausprägungen der dargestellten Parameter. Sind die BPM-Potenzial-Indikatoren wie oben dargestellt schwach ausgeprägt, dann ist vor allem die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme in den Vordergrund zu stellen. In diesen Fällen sind zumeist einfache, aber klare organisatorische Regelungen (Akzeptabler) Aufwand für Prozessmanagement n
Allg. organisat. Regelungen
B ES A/ S O S PM . /B g e.. lle n lys Mode e n MS ützu a P en B An st Eb g/ter n / n ru elle are IT-U llie Mod e 1 pw de en ou CW o r Eb G CS -M s s ze arte/ ro -P andk delle A l BP ss mo
de de en tho nz me ...) ä s g Er ung ma, ier Sig m ti ix Op (S
e cks oz Pr erbli b Ü
BPM-Potenzial-Indikatoren *
CSCW – Computer Supported Collaborative Work BPMS – Business Process Management Systemens SOA/ESB – Service Oriented Archtitecture, Enterpise Service Bus * Bspw. Häufigkeit, Wettbewerbsrelevanz, Governance-, Risiko Management-, Compliance-, Qualitäts-Relevanz
Abb. 8↜渀 Prozessorientierte Methoden und Werkzeuge nach Anwendungsfeldern
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung
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ausreichend. So ist es oft hinlänglich, den Prozess klar abzugrenzen und darauf basierend Zuständigkeiten zu definieren. Es liegt dann im individuellen Entscheidungsspielraum der Verantwortlichen, einfache, aber wirksame Organisationsprinzipien zu finden. Eine weiter gehende, übergreifende und detaillierte Auseinandersetzung mit den betroffenen Prozessen mit den Mitteln des BPM ist hier im Zweifelsfall nicht wirtschaftlich. Legen die BPM-Potenzial-Indikatoren eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Prozessen nahe, sind zunächst Überblicksmodelle zur näheren Dokumentation der Prozesse typische angemessene Hilfsmittel für das Prozessmanagement. Als IT-Unterstützung der Prozessdurchführung dienen vor allem schwach strukturierte IT-Werkzeuge wie Groupware-Systeme, Wikis, Blogs u.€ä. Diese tragen zwar nur wenig zur Automatisierung und Steuerung der Prozesse bei, erlauben aber eine schnelle, einfache und flexible Unterstützung bei geringen Kosten. Mit zunehmendem BPM-Potenzial bietet sich eine detailliertere Modellierung an. Mit größerer Komplexität wächst die Bedeutung leistungsfähiger BPA-Werkzeuge, die aufwändigere Prozesse mit vielen Beteiligten, Modellen und Modellierungsebenen etc. unterstützen können. Abhängig vom jeweiligen Anwendungsfall können Methoden wie Prozesskostenrechnung, Simulation etc. sinnvoll sein. Bei der Unterstützung der Ausführung der Prozesse sind mit zunehmender Ausprägung der BPM-Potenzial-Indikatoren mächtigere IT-Werkzeuge zu prüfen – so etwa BPMS mit zunehmender Relevanz der Abdeckung von Funktionalitäten, die serviceorientierten Architekturen bzw. Enterprise-Service-Bus-Architekturen zugeschrieben werden. Schließlich bietet es sich bei sehr großer Ausprägung der BPM-Potenzial-Indikatoren an zu prüfen, inwieweit die Verknüpfung mit anderen Methoden Vorteile verspricht. Mit dem kombinierten Einsatz von Methoden wie Lean Production, Six Sigma u.€ä. sind oft grundlegende Optimierungserfolge möglich. Zugleich ist die Nutzung derartiger Methoden und Werkzeuge mit entsprechendem Aufwand verbunden.
11.2â•…Verknüpfung von Business BPM und technischem BPM Wie dargestellt ergibt sich ein Bild, nach dem Business BPM und technisches BPM häufig getrennt vorangetrieben werden. Hier stellt sich die Frage, wie diese Trennung in der Praxis überwunden werden kann. Folgend der Struktur Steuerung, Technologie, Struktur, Mensch werden im Folgenden Ansätze zur verbesserten Integration entwickelt. 11.2.1â•…Ganzheitliche BPM-Steuerung Voraussetzung für integrierte BPM-Welten ist eine integrierte Steuerung. Ziele müssen übergreifend und prozessorientiert formuliert werden. Die Priorisierungen
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bei Prozessmanagement-Aktivitäten sollten abgestimmt vorgenommen werden. Dabei gilt es, unbedingt die Sichtweise des allgemeinen Managements, eventueller Process-Owner und der Informationstechnologie zusammenzuführen. Prozessmanagement und IT-Realisierungen sollten gleichermaßen anhand der realisierten und nachvollziehbaren Erfolge in den Geschäftsprozessen gesteuert und bewertet werden. Dabei muss auch die Wirkung auf andere Prozesse im Umfeld Berücksichtigung finden. Realisierte Prozesse sollten, wo sinnvoll, mithilfe geeigneter prozessorientierter Kennzahlen im Tagesgeschäft überwacht und mittels Kennzahlenauswertungen laufend weiter optimiert werden. 11.2.2â•…Technologie – prozessorientierte IT-Landschaft und lose Kopplung Bezogen auf die Technologie sollen hier zwei Aspekte besonders hervorgehoben werden. Die prozessorientierte Strukturierung und Gestaltung der IT-Architektur und der Ansatz der losen übergreifenden Kopplung. Mit zunehmender Reife und einer nahezu vollständigen Durchdringung der Informationstechnologie in allen Prozessbereichen wird die Bedeutung der Ausrichtung der IT-Strategie und IT-Architektur auf die Bedürfnisse des Geschäfts immer besser verstanden. Dabei gehen die Erwartungen des Managements an den Beitrag der Informationstechnologie zum Unternehmenserfolg oftmals über die Einschätzung der IT-Verantwortlichen hinaus (Economist Intelligence Unit 2006, S.€4). Ein wichtiger Schlüssel für ein gemeinsames Verständnis und eine gute Ausrichtung der IT-Entscheidungen auf das Geschäft ist die Verdeutlichung der Zusammenhänge zwischen Geschäftsprozessen und Informationstechnologie. Eine einfache, aber wirksame Methode, um diesen Zusammenhang darzulegen, ist die Zuordnung von IT-Applikationen zu den Geschäftsprozessen. Zu diesem Zweck müssen zunächst die grundlegenden Prozesse in Form einer Prozesslandkarte dargestellt werden. Diese ist ohnehin die Grundlage für viele Folgeschritte des Geschäftsprozessmanagements. Werden nun die IT-Applikationen grafisch den Geschäftsprozessen zugeordnet, können bspw. kritische Abweichungen zwischen der Bedeutung der Prozesse für das Geschäft und der Qualität der Unterstützung durch die aktuellen Systeme herausgestellt werden. Abbildung€9 umfasst ein Beispiel für eine solche Darstellung, die für den Teilbereich der Prozesse des Marketings und Vertriebs transparent macht, welche Technologien und Systeme die einzelnen Prozesse unterstützen und welche Handlungsbedarfe sich ergeben. Diese mit geringem Aufwand zu bewerkstelligende Zuordnung von IT-Systemen zu den Prozessen des Business BPM leistet einen wichtigen Beitrag zur Verknüpfung von Geschäftsprozessen und IT-Systemen und gibt außerdem wichtige Anhaltspunkte für IT-Strategie und Projekt-Portfoliomanagement. Viele weitere Fragestellungen können mithilfe einer Variation der Darstellung analysiert und dargestellt werden. Neben dem prozessorientierten Verständnis der IT-Landschaft kommt der durchgängigen Verknüpfung zwischen Business BPM und technischen BPM eine wichtige Bedeutung zu.
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung Vertrieb Vertriebssteuerung
Vertriebscontrolling
CON R 4.2
Marketing Vertriebsunterstutzung
Pressearbeit
MarketingUnterlagen
Informationssysteme Planungsstatus: lst Technologie: .Net
Privatkunden Firmenkunden
Host
ACTAC R 2.3
FIS R 3.3
Institutionen
Kundengruppen
Geschäftsprozesse
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ACTAC R 2.2
Java
ACTAC R 2.3 Publisher R 2.0
CON R 4.3
FIS R 3.3
TUY R 1.0
Abdeckungslücke?
Standardisierung; Releasewechsel
Redundanz?
Inkonsistenz Kundendaten; Doppelterfassung
Anhaltspunkte für Tiefenbohrung Handlungsbedarf Optimierungspotenzial
Manuelle SchittstellenAutomatisierung
Abb. 9↜渀 Prozessorientierte Zuordnung der IT-Systeme mit Handlungsfeldern. (Hanschke 2009, S.€77)
Wie im Beitrag von Allweyer in diesem Buch dargestellt sind die Anforderungen an ein Modell aus fachlicher und aus IT-Sicht an vielen Stellen unterschiedlich. Auch innerhalb der Modelle des technischen BPM sind lose Kopplungen angeraten, die sich in den verschiedenen Detaillierungsstufen sowie in der Nähe zur eingesetzten Technologie unterscheiden (vgl. Stiehl 2010). Die dabei vorgenommene Differenzierung zwischen fachlicher Darstellung, logischer Ablaufstruktur und der ausführbaren Struktur erlaubt zwar die Verknüpfung zwischen technischer und fachlicher Sichtweise innerhalb des technischen BPM, reicht aber in vielen Fällen augenscheinlich nicht aus, um eine Verknüpfung zwischen technischem BPM und der Gesamtsicht des Business BPM herzustellen. Es zeigt sich an vielen Stellen eine mangelhafte Verknüpfung zwischen den fachlichen Modellen, die für den Zweck der technischen Umsetzung erstellt worden sind und der Modellwelt, die aus der Motivation des Business BPM heraus erstellt worden ist. Vielfach führt auch die typische Top-down-Vorgehensweise ausgehend von der Prozesslandkarte, wie sie im Business BPM verbreitet ist, zu anderen Prozessabgrenzungen als bei den Prozessen, die mit Perspektive auf die technische Umsetzung entwickelt worden sind. Es ist davon auszugehen, dass diese Problemstellung nicht hinreichend über methodische Konzepte zur Modellverknüpfung zu lösen ist. Hier spielen andere Aspekte, wie die an anderer Stelle dargestellte Zuordnung zu unterschiedlichen Bereichen (Fachbereich – IT-Bereich), kulturelle Unterschiede und verschiedene Sichtweisen auf die Prozessthematik u.€ v.€ m. wesentliche Rollen. Soll also eine tragfähige Verknüpfung zwischen den beiden Welten realisiert werden, ist eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Dimensionen zu gewährleisten.
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A. Komus
Gleichzeitig muss der resultierende hohe Abstimm- und Ausdetaillierungsbedarf beachtet werden, der entsteht, wenn die verschiedenen Sichtweisen eng miteinander gekoppelt werden. Es empfiehlt sich daher eine vorsichtige Prüfung, wie eng eine sinnvolle Kopplung sein kann. Im Zweifelsfall ist eine robustere lose Kopplung zu bevorzugen, die auf eine durchgängige hierarchisch-verknüpfte Modellierung verzichtet, aber den Pflege- und Abstimmungsaufwand deutlich reduziert. An die Stelle von hierarchischen Verknüpfungen können dann Querverweise bspw. in Form einfacher Verweise durch Verlinkungen auf entsprechende Modelle oder Texte sowie allgemeine Darstellungen in textueller Form treten, die eine Pflege deutlich vereinfachen, aber sicherstellen, dass identifizierte Zusammenhänge nicht verloren gehen. Hier können auch Social Media Techniken wie Wikis und ähnliches eine Option darstellen. Unbedingt zu berücksichtigen bleibt aber die Notwendigkeit der Schaffung einer sozialen Verknüpfung bspw. in Form von Foren, Austauschrunden, gemeinsamen Verantwortlichkeiten und Zielen etc.
11.2.3â•…Schaffung integrierender Strukturen Sollen technisches BPM und Business BPM enger miteinander verknüpft werden, spielt ebenfalls die Organisation eine wichtige Rolle. Hier gilt es zum einen, die Ablauforganisation des Prozessmanagements so zu gestalten, dass eine enge Verknüpfung sichergestellt ist. Dies bedeutet bspw. eine übergreifende Planung von Aktivitäten des BPM, die explizite und ausführliche Prüfung und Berücksichtigung der Möglichkeiten einer technischen Umsetzung durch BPMS als Standardfall des Prozessdesigns und nicht zuletzt die ausführliche Vernetzung von BPMS-Projekten mit den relevanten Prozessbereichen aus Sicht des Business BPM. Idealerweise sollte so die Trennung zwischen Business BPM und technischem BPM zunehmend verwischen. Dabei kommt auch der zweckdienlichen Ausgestaltung der Aufbauorganisation eine wichtige Rolle zu. Hier ist die in vielen Organisationen gelebte Abtrennung der Zuständigkeiten für die Informationstechnologie ein Faktor, der zu einer Trennung bei Methoden, Kultur, Prozessen und Zielsystemen beiträgt. Leider kann vielerorts in den Unternehmen, aber auch in der Stellung in der Wissenschaft ein Rückgang der Bedeutung der Organisationsbereiche bzw. der Organisationswissenschaften festgestellt werden. Es ist der Organisationslehre an vielen Stellen augenscheinlich oft nur unzureichend gelungen, die neuen Potenziale durch moderne Informationstechnologie als Ermöglicher neuer Organisationsformen mit betriebswirtschaftlichem Mehrwert zu begreifen und nach außen darzustellen. Hier dürften verschiedene Gründe eine Rolle gespielt haben, so etwa • die Dominanz technologischer Fragestellungen beim Einsatz IT-basierter Lösungen insbesondere in den früheren Jahre der IT, • die fehlende Begeisterung für technologiegetriebene neue Möglichkeiten der Organisationsgestaltung bei Betriebswirten.
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung
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Auf der anderen Seite ist zu konstatieren, dass die informationstechnologiegetriebene Sichtweise, die in vielen IT-Bereichen eine dominante Rolle spielt, zu den dargestellten Problemen bei der Ausrichtung der IT an den betrieblichen Zielen und in der Kommunikation mit dem Management führt. Verschiedene Entwicklungen der letzten Jahre lassen die dargestellte Abtrennung eigener Bereiche auf Basis der Informationstechnologie-Zuständigkeit zunehmend als fraglich erscheinen und sprechen für eine aufbauorganisatorisch erweiterte Sicht auf das Thema. Mit den aktuellen Technologien bei Service Oriented Architecture (SOA) und modernen BPMS ist die IT an vielen Stellen flexibler und leistungsfähiger geworden. Die nachlassende Bedeutung der Begrenzung durch verfügbare Standardsoftware-Lösungen und technologische Restriktionen erlaubt weiter gehende Wahlmöglichkeiten und stellt damit zugleich die Organisation vor die Frage, wie mit diesen erweiterten Möglichkeiten sinnvoll umzugehen ist. Dies wird begleitet von einer neuen Managementgeneration, in der IT-Know-how und IT-Affinität nicht mehr Besonderheit, sondern zunehmend die Regel sind. Es ergibt sich die Chance, aber auch die Notwendigkeit, die Ausrichtung noch stärker als organisatorische Fragestellung zu begreifen und dies entsprechend in der Aufbauorganisation abzubilden. Eine Aufbauorganisation, die diese Entwicklungen aufnimmt, sollte eine engere Zusammenführung der Aufgaben des BPM mit Aufgaben des IT-Managements beinhalten und so fachliche Aspekte enger mit der IT-Ausrichtung verknüpfen und zugleich Organisation und Business BPM mit technischem BPM zusammenführen. Abbildung€10 zeigt schematisch ein Beispiel für eine derartige Struktur.
Fachabteilungen
IT-Leistungserbringung
Integrierter IT-BPM-Bereich
Entwicklung
PV*
Beschaffungsmanagement
PV*
IT–Zentralbereich
PV*
BPM–Zentralbereich
PV* Produktion
End-UserComputing
Support
* PV-Prozessverantwortliche
Abb. 10↜渀 Schematische Darstellung eines integrierten IT-BPM-Bereichs zur Nutzung der Chancen von Prozessorientierung und modernen IT-Architekturen
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Kern der dargestellten Aufbauorganisation ist die Zusammenführung der strategischen, grundlegenden konzeptionellen sowie der übergeordneten Steuerungs- und Controllingaufgaben der IT mit den zentralisierten BPM-Aufgaben in einer Organisationseinheit. Die Verantwortlichkeit für die einzelnen Prozesse bleibt in der Hand von Prozessverantwortlichen, die wahlweise auch einer Fachabteilung zugeordnet sein können. Die Aufgaben der Organisation und des BPM werden in einem Zentralbereich zusammengeführt, der die Aufgaben eines Organisations-Zentralbereichs übernimmt. Er begleitet Reorganisationen und stellt für alle organisatorischen Fragestellungen Werkzeuge, Methoden und Unterstützung zur Verfügung. Ein besonderer Schwerpunkt der Organisationsbetrachtung liegt in der Ablauforganisation. Hier verantwortet der Zentralbereich die Weiterentwicklung von Methodik und übergeordneter Prozessarchitektur, das BPM-Trainingsangebot und die technische BPMInfrastruktur im Bereich BPA. Weiterhin unterstützt er in Form von Beratung und methodenorientierter Qualitätssicherung und wirkt in Abstimmung mit Fachabteilungen, IT und Controlling an Konzepten und Werkzeugen des prozessorientierten Controllings und Monitorings mit. Er schafft soziale und technische Plattformen zum prozessorientierten Austausch und arbeitet an der Entwicklung der IT-Architektur mit. Der IT-Zentralbereich verantwortet die zentrale IT-Architektur in enger Abstimmung mit dem zentralen Prozessbereich. Basierend auf einer prozessorientierten Sicht der IT-Landschaft werden Handlungsbedarfe und Projektplanungen entwickelt, priorisiert und controllt. Die Leistungserbringung kann durch einen getrennten Organisationsbereich abgebildet werden. Die in diesem Bereich erbrachten Leistungen wie IT-System-Entwicklung, Betrieb, End-User-Computing und UserBetreuung können abhängig von der jeweiligen Konstellation auch an Externe ausgelagert werden. Wie bei allen aufbauorganisatorischen Veränderungen ist die ganzheitliche Umsetzung erfolgsentscheidend. Die Neudefinition des Organigramms ist nicht mehr als ein Baustein des Wandels. Eine Reorganisation muss mit Change-ManagementMaßnahmen unterstützt werden. Ausbildungsmaßnahmen müssen die Mitarbeiter in die Lage versetzen, die neue Struktur zu verstehen und leben zu können. Zielsysteme müssen entsprechend angepasst werden. Controllingstrukturen müssen prozessorientiert und anhand der Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit überprüfen, wie wirksam und wie effizient der IT-Einsatz und die BPM-Maßnahmen sind. Es gilt zudem sicherzustellen, dass die neue Organisationseinheit nicht durch die BPM- oder IT-Sichtweise dominiert wird. Hier ist vor allem die Gefahr einer Dominanz der IT-Sicht zu beachten, die sich in vielen Unternehmen allein schon dadurch ergibt, dass eine dominante IT die Fortführung früherer Strukturen bedeuten würde, in der das BPM mit nachgeordneter Stellung in den IT-Bereich eingegliedert wurde. Zudem besteht die Gefahr, dass höhere Personal- und Finanzbudgets zu einem Ungleichgewicht innerhalb der neuen Organisationseinheit beitragen. Schließlich könnte auch die unmittelbare Bedeutung einer unterbrechungsfrei funktionierenden IT für den operativen Betrieb einen Beitrag dazu leisten, dass IT-bezogene Sichtweisen höher gewichtet werden.
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Hier gilt es, einem Ungleichgewicht in der internen Interessen- und Machtkonstellation entgegenzutreten und sicherzustellen, dass die Arbeit des Bereichs sowohl die IT als auch die Prozesssicht gleichermaßen berücksichtigt und so die Optimierung der Abläufe und der Organisation unabhängig von der IT-Unterstützung im Vordergrund steht. Wichtige Hilfsmittel, um dies zu erreichen, sind Signale und Unterstützung durch das Topmanagement sowie Ziele und Steuerungsmechanismen, die die organisatorische Performance als übergeordnetes Ziel in den Vordergrund stellen. Weiterhin trägt die Abtrennung des IT-Leistungserbringungsbereichs dazu bei, dass kein übermäßiges Ungleichgewicht zwischen den Bereichen Organisation/BPM und IT bei den Personal- und Finanzressourcen auftritt, und vermeidet so ein Machtungleichgewicht in diesem Aspekt. Gelingt eine Organisation, wie sie hier dargestellt wurde, ist sie ein wichtiger Beitrag zu einer engen Abstimmung zwischen Unternehmensstrategie, übergeordneten Fachprozessen und IT-Umsetzung. Die Chancen verbesserter technologischer Leistungsfähigkeit und erhöhter Flexibilität können wettbewerbswirksam genutzt werden. Der dargestellte Ansatz liefert zugleich eine Antwort auf die Diskussion um die Notwendigkeit eines CPO und die befürchtete Reduktion des IT-Bereichs auf die Rolle eines ausführenden Organs, das maßgeblich an Kosten und weniger am Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gemessen wird.
11.2.4â•…Kultur, Wissen und Plattformen für die aktive Gestaltung des Wandels Wie ausgeführt zeigt die Untersuchung erfolgreicher BPM-Aktivitäten die herausragende Rolle, die dem Faktor Mensch zukommt. Natürlich spielt dieser Aspekt auch bei der Integration von Business BPM und technischem BPM eine entscheidende Rolle. Wird eine neue Aufbauorganisation gewählt, die BPM und IT besser verknüpft, müssen die beschriebenen begleitenden Maßnahmen durchgeführt werden. Aber unabhängig davon gilt es, in der Organisation ein Grundverständnis für die Potenziale der Verknüpfung von Business und technischem BPM zu schaffen. Grundlagenschulungen auch für Mitarbeiter, die nicht im Kern mit derartigen Tätigkeiten befasst sind, leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Gleichzeitig sollten fachliches Verständnis und Kultur bezogen auf Wandel und Umsetzung in Form von Projekten gefördert werden. Neben Schulungen sind hier Kommunikation, bspw. in Form von Info-Veranstaltungen, Messen, Infoschreiben, Intranet-Angeboten, und die laufende Wiederholung durch das Management in Betracht zu ziehen. Die Möglichkeit der konkreten Umsetzung im eigenen Umfeld spielt eine weitere wichtige Rolle. Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, sich aktiv in Foren und Fachdokumenten einzubringen. Bei der Entwicklung des Methodenwissens, der Optimierung der einzelnen Prozesse, aber auch der Entwicklung der Kultur kann Social Media eine wichtige positive Rolle einnehmen.
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Foren und Wikis ermöglichen einen intensiven Austausch und eine gemeinsame und für alle nachvollziehbare Weiterentwicklung des Wissens. Soziale Netzwerke innerhalb der Organisation, aber auch organisationsübergreifend, ermöglichen die Bildung von Communities und die Identifikation von Wissens- und Meinungsführern. Blogs erlauben die enge und emotionale Partizipation an den BPM-Aktivitäten. Videos, die selber und einfach erstellt und verfügbar gemacht werden können, erlauben die Vermittlung von Fachwissen und Begeisterung. Abstimm-Mechanismen, die Funktionsweisen von Bewertungsplattformen wie tripadvisor nutzen, können ebenso Stimmungen und Optimierungspotenziale verdeutlichen wie elektronische Prognosemärkte. Weitere wichtige Hinweise für das Management und die Mitarbeitereinbindung lassen sich aus den organisatorischen Erfolgsmustern von Social-Media-Systemen allgemein, den Wikimanagement-Erfolgsfaktoren (Komus und Wauch 2008) ableiten, die in Abb.€11 dargestellt sind. Mit den dargestellten Instrumenten und Managementansätzen stehen wirkÂ�same Instrumente zur Verfügung, die es erlauben, die Kreativität und die Energie der Mitarbeiter, aber auch Außenstehender wettbewerbswirksam zu nutzen und zugleich die Mitarbeiter besser zu motivieren und enger in den Prozess eines integrierten Prozessmanagements einzubinden. Wie die Instrumente und Ansätze auszuprägen und zu kombinieren sind, muss individuell für jede Organisation überlegt werden. Entscheidend ist die ganzheitliche, integrative und authentische Kombination.
Gemeinsame Vision
Partizipativ
Flexible Regelauslegung
Vertrauenskultur
Selbstverwirklichung
Mix verschiedener Herrschaftsformen
Einfachheit in der Nutzung
Emergente Entwicklung
Inkrementelle Entwicklung Entprivatisierung und persönlicher Stil
Abb. 11↜渀 Wikimanagement-Erfolgsfaktoren zur Unterstützung eines integrierten BPM
BPM Best Practice – Erfolgsfaktoren der Prozessorientierung
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12â•…BPM der Zukunft – Zukunft des BPM Welche Bedeutung wird BPM in der Zukunft haben? Dies war eine der abschließenden Fragen der BPM-Best-Practice-Studie. Gefragt nach ihrer Einschätzung „In 15€Jahren ist BPM (die Inhalte, nicht das Buzz-Word) …“ gaben die Teilnehmer zur Aktualität von BPM folgende Antworten: • „aktueller denn je“ 88€% (A 65€%; B 23€%), • „kein Thema mehr“ (C und D je 6€%). Dabei ist zu bemerken, dass die Auswahl von „D“ nach Auskunft der Gesprächspartner auf der Hoffnung basierte, dass die Methodik in 15€Jahren soweit beherrscht wird, dass es dann nicht mehr nötig ist, ihr erhöhte Bedeutung beizumessen. Die Einschätzung der Studienteilnehmer wird durch verschiedene zu erwartende Entwicklungen gestützt, die alle zu einer weiter zunehmenden Bedeutung des BPM beitragen dürften. • Bessere und kostengünstigere Informations- und Telekommunikationstechnologie und andere Faktoren werden die Arbeitsteiligkeit und Komplexität der Wertschöpfungsketten weiter steigern. • Zunehmend kürzere Produktlebenszyklen, gesteigerter Wettbewerbsdruck mit erhöhten Kundenanforderungen und verschärftem Kostendruck steigern die Ansprüche an Flexibilität, Kostenoptimierung, Qualität etc. beim Geschäftsprozessmanagement. • Immer leistungsfähigere IT-Systeme, insbesondere BPMS und SOA, erhöhen die Herausforderungen des wertschöpfenden IT-Managements. IT-Systeme werden leistungsfähiger, agiler und einfacher in der Bedienung. Damit gehen die Anforderungen an das Management der Geschäftsprozesse nicht zurück, sondern steigen, weil dann Entscheidungsfreiräume neuen Ausmaßes vorhanden sind, die durch ein intelligentes Management so ausgefüllt werden müssen, dass Wettbewerbsvorteile resultieren. Mit zunehmend verbesserten Methoden und Werkzeugen sowie nicht zuletzt einem zunehmend besseren Verständnis dafür, wie erfolgreiches BPM funktioniert, stehen den wachsenden Ansprüchen immer leistungsfähigere Lösungen gegenüber. Es liegt in der Natur der Aufgabe des Managements, sich nicht weiter mit befriedigend gelösten Problemen zu beschäftigen, sodass viele Optimierungen und Automatisierungen inzwischen kaum noch wahrgenommen werden. Trotzdem ist es wichtig, zu verstehen, dass diese Verbesserungen erreicht wurden und die Erfolge auf konsequenter Prozessorientierung fußen. Ein BPM der Zukunft wird auf weiter verbesserte IT-Werkzeuge und weiter optimierte und integrierte Methoden zurückgreifen können. Umso wichtiger wird es sein, die zusätzlichen Potenziale in ein geeignetes BPM-System einzubinden. Dieses muss insbesondere in den Aspekten Steuerung, Struktur und vor allem Mensch mit den neuen methodischen und technologischen Möglichkeiten Schritt halten.
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Bei der Steuerung wird die Ausrichtung der Geschäftsprozesse und damit zugleich der informationstechnologischen Unterstützung auf das Geschäft im Vordergrund stehen. Neben ausgeprägtem Verständnis von Erfolgsfaktoren und Geschäftsprozessen aus fachlicher Sicht, werden ein angemessener Prozess der BPM-Zielentwicklung, eine geeignetes Controlling und Monitoring wichtige Faktoren des BPM-Erfolgs darstellen. Bei der Struktur wird es entscheidend sein, die Trennung zwischen Fachabteilung, BPM und Informationstechnologie zu überwinden. Dies kann nur durch einen ganzheitlichen Ansatz geschehen, der weit über die Neugestaltung des Organigramms hinausgehen muss. Schließlich kommt dem Faktor Mensch die wohl am weitesten reichende Bedeutung zu. Es gilt, die BPM-Maßnahmen glaubhaft und nachhaltig in Ratio und Emotion zu verankern. Es muss gelingen, nicht nur etwaige Widerstände aufzulösen, sondern auch die Potenziale der Kreativität und des Wissen der Mitarbeiter zu heben. Dabei ist die authentische Einbindung der Mitarbeiter zugleich Voraussetzung für eine gelebte Umsetzung und die Basis für Flexibilität in den nicht zu definierenden Sonderfällen. Wichtige Hilfsmittel, um diese Ziele zu erreichen, sind die Philosophien und Werkzeuge des Web 2.0 oder Social Media. Sie erleichtern es, die ungenutzten Potenziale der Mitarbeiter zu nutzen und intensiv in das Prozessmanagement einzubinden. Weitere wichtige Eckpfeiler sind Trainings und unermüdliche Kommunikation. Insgesamt gilt es, für jede Organisation und jeden Geschäftsprozess den richtigen Mix und die passende Ausgestaltung von Methoden und Werkzeugen zu finden, die Faktoren wie Organisationskultur, Marktsituation und zukünftige Herausforderungen in angemessener Weise berücksichtigen.
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Teil II
BPM Best Practice in der Unternehmenspraxis
Über’s Malen zum Managen Claus Heberling
Zusammenfassung╇ Die Energiewirtschaft im Wandel; Themen wie Erneuerbare Energien, Kernenergieverlängerung, Smart Grid, Liberalisierung Gasmarkt, Smart Home, Wegfall kostenloser CO2-Zuteilung, e-Mobility, Dezentrale Erzeugung etc. treiben die Branche. Als Herausforderungen und Chancen für die Energieunternehmen ergeben sich hieraus u.€a. die Entwicklung neuer Geschäftsfelder, neuer Wertschöpfungsstufen, die Optimierung und Innovation von Prozessen, das Heben von Synergiepotenzialen und die Gestaltung der Schnittstellen. Über den Erfolg der Energieunternehmen entscheidet damit zunehmend die Fähigkeit flexibel und proaktiv auf Veränderungen von Märkten, Kunden und Technologien zu reagieren. In diesem Zusammenhang ist Business Process Management (BPM) ein zentrales, integriertes Managementwerkzeug für den Ausbau der Lösungs- und Gestaltungskompetenz der EnBW zur Umsetzung der Unternehmensziele im dynamischen Energiemarkt. Das Selbstverständnis der EnBW von BPM wird in vier Stufen beschrieben: Prozesse transparent beschreiben – Prozesse messen – Prozesse verbindlich leben – Prozesse integriert verstehen und ständig verbessern. Für das Business Process Management bedeutet dies, die Entwicklung „über’s Malen zum Managen“ von Geschäftsprozessen zu gestalten. Schlüsselwörter╇ Business Process Management View (BPMV) • Prozesse beschreiben • Prozesse leben • Prozesse messen • Prozesse managen • Proaktiv
Claus Heberling: Konzernexperte Prozessmanagement bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe
C. Heberling () EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Holding Optimierung Prozessmanagement, Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_2, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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C. Heberling
1â•…„Über’s Malen zum Managen“ – Aufbau und Entwicklung eines BPM bei der EnBW AG Mit rund sechs Millionen Kunden und über 20.000 Mitarbeitern hat die EnBW Energie Baden-Württemberg AG 2008 einen Jahresumsatz von über 16€Mrd.€€ erzielt. Als drittgrößtes deutsches Energieversorgungsunternehmen konzentriert sich die EnBW auf die Geschäftsfelder Strom, Gas sowie Energie- und Umweltdienstleistungen. Die EnBW bekennt sich zum Standort Baden-Württemberg. Hier liegt der Fokus ihrer Aktivitäten. Darüber hinaus ist die EnBW auch auf Märkten Mittelund Osteuropas aktiv. Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG wird von einer strategischen Holding geführt. Charakteristisch für die EnBW ist ihre föderale Organisation. Entlang der Wertschöpfungskette werden die Wertschöpfungsstufen (Erzeugung, Handel, Vertrieb, Transportnetz, Verteilnetz) durch entsprechende eigenständige Gesellschaften vertreten z.€B. Erzeugung (EnBW Kraftwerke AG, EnBW Erneuerbare Energien GmbH) oder Vertrieb (EnBW Vertriebs- und Servicegesellschaft mbH, Yello Strom GmbH etc.) In den vergangenen zehn Jahren haben alle Konzerngesellschaften begonnen, dezentral in ihren eigenen Verantwortungsbereichen Prozessmanagementsysteme in unterschiedlichen Reifegradausprägungen aufzubauen. Im Zuge der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes und der Reorganisation des Konzerns entlang der Wertschöpfungskette wurde der Prozessabstimmungsbedarf an den Schnittstellen der Wertschöpfungsstufen und Gesellschaften zum kritischen Erfolgsfaktor. Im Fokus stand die Steuerung und Koordination der Wert- und Energiemengenflüsse über die Wertschöpfungsstufen, deren Verrechnung und die Etablierung eines zentralen Optimierers, der das Konzernoptimum über das Optimum der Einzelgesellschaften stellt. Für die prozessorientierte Analyse und Bearbeitung dieser Themenstellungen gründete der Optimierer das Prozessgespräch – ein Konzerngremium mit Vertretern der Vorstände und Geschäftsführungen der Konzerngesellschaften der Wertschöpfungsstufen. Ziel des Prozessgesprächs ist die Optimierung der Wertschöpfungskette im Hinblick auf das Konzernoptimum. Hierzu bedarf es der Abstimmung der Prozesse an den Schnittstellen. Allen Beteiligten wurde schnell bewusst, dass der Konzern ein übergeordnetes Konzernprozessmodell benötigt, d.€h. eine managementorientierte Sicht auf die Konzernprozesse als Grundlage für ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache. Das Prozessgespräch beauftragte die Entwicklung eines Konzernprozessmodells: der EnBW Business Process Management View (BPMV). Ziel des BPMVs war es nicht, eine parallele Prozesswelt zu den bestehenden dezentralen Prozessmodellen der Konzerngesellschaften zu entwickeln, sondern einen hiermit verknüpften, integrierten Management-View. Es wurde eine grundlegende Entscheidung getroffen: Der BPMV sollte bottom-up in Zusammenarbeit mit allen Prozessmanagementverantwortlichen der Konzerngesellschaften im Konsens entwickelt werden. Hierfür wurde der BPM-Koordinatorenkreis als weiteres Konzerngremium etabliert, in dem alle Prozessmanagementverantwortlichen der Konzerngesellschaften vertreten sind. Er ist das operative Gremium zum Prozessgespräch. Die gemeinsame Entwicklung des BPMVs machte es gleichsam erforderlich, die bestehenden Prozess-
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managementmethoden, -plattformen und -standards konzernweit auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu vereinheitlichen. Die Harmonisierung der dezentral vorhandenen Methodenentwicklungen war für alle Beteiligten ein enorm großer Aufwand. Die vorhandenen Methoden wurden analysiert und auf dieser Basis eine neue Konzernmethode entwickelt, die die bis dato bestehenden Ansätze ablösen konnte. Alle Beteiligten mussten in diesem Prozess „liebgewonnene“ Methoden, Bezeichnungen und Strukturen aufgeben und diesbezüglich den neuen Konzernstandard einführen. Es entstand ein erheblicher ChangeAufwand. Die hierfür benötigten Fachexperten der Konzerngesellschaften bilden seitdem den BPM-Methoden- und Anwenderkreis, der in den vergangenen Jahren den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ weiter zum Konzernstandard des Prozessmanagements mit Regelungen zur Prozessmodellierung entwickelte und ARIS als Konzernstandard für die Prozessmodellierung festlegte. Der Methoden- und Anwenderkreis setzt die Rahmenbedingungen für gemeinsame Methodenweiterentwicklungen fest, die nur stattfinden können, wenn sie im Methoden- und Anwenderkreis abgestimmt werden. So wird der Konzernstandard abgestimmt zwischen allen Konzerngesellschaften gemeinsam weiterentwickelt, die Aufwände werden zentralisiert und die Anwendungen stehen allen Konzerngesellschaften gleichsam zur Verfügung. Grundlage für ein integriertes, proaktives BPM ist der Support des Top-Managements und die Mitwirkung aller Beteiligten. Bei der EnBW wird dies über eine ausgeprägte Konzerngremienstruktur (Abb. 1) sichergestellt, über die Verantwortlichkeiten, Kommunikationswege, Aufgaben und Gesamtkoordination eindeutig geregelt sind. Vorstand EnBW
TN: Geschäftsführer / Vorstände der Konzerngesellschaften
BPM-Koordinatorenkreis KBV Prozesse - Claus Heberling TN: Prozessmanagementverantwortliche der Konzerngesellschaften und Holdingbereiche
Methoden- u. Anwenderkreis Konzernprozesse KBV Prozesse - Claus Heberling TN: Prozess- und Methodenexperten der Konzerngesellschaften und Holdingbereiche
Abb. 1↜渀 BPM-Gremienorganisation der EnBW AG
BPM Gesamtkoordination Holding
Prozessmanagement Konzerngesellschaften und Holdingbereiche
Prozessgespräch KBV Prozesse - Claus Heberling
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Abb. 2↜渀 BPM-4-Stufen-Reifegradmodell der EnBW AG
bereits erreicht noch umzusetzen
Reifegrad
4
3
2
1 Prozesse Prozesse transparent verbindlich beschreiben leben
Prozesse messen
BPM-Reifestufe
Prozesse integriert verstehen und ständig verbessern (Optimierung)
Die Entwicklung des BPM bei der EnBW lässt sich kurz und knapp mit dem Slogan „über’s Malen zum Managen“ beschreiben. Mit „Malen“ ist das Modellieren und Beschreiben von Prozessen gemeint. Hierbei entstehen die gut bekannten und oft belächelten „Prozesstapeten“. Die Transparenz der Prozesse ist die Grundlage für jedes Prozessmanagement. In Anlehnung an eine stufenförmige Reifegradentwicklung, wie sie auch in Abb.€2 dargestellt wird, hin zu einem integrierten, proaktiven Prozessmanagement beschreiben die folgenden Kapitel die einzelnen Stufen. Bezogen auf die notwendigen Ressourcen und die erforderliche Unterstützung durch das Top-Management stellen die vier Stufen das Prozessmanagement vor jeweils spezifische Herausforderungen: Das Management nimmt im Zuge des BPMAufbaus zunächst die damit verbundenen hohen Aufwände wahr. Im Sinne eines Return on Investment ist es in den Anfangsstadien nicht leicht, die Mittelrückflüsse im Hinblick auf Effizienz- und Effektivitätssteigerungen aufzuzeigen. Der Nutzen von BPM realisiert sich über dessen Anwendung in entsprechenden aus dem BPM abgeleiteten Optimierungsmaßnahmen. Der Ressourcenaufwand bis zur Stufe 3 ist nicht unerheblich. Die „Ungeduld“ des Managements ist häufig begründet durch Markt- und Wettbewerbsdruck. Zweckdienlich in der Anfangsphase ist es, parallel zur BPM-Gesamtkonzeption und Realisierung BPM-Pilotprojekte aufzusetzen, die Quick-Wins erzeugen, die den Überzeugungs- und BPM-Marketingmaßnahmen dienlich sind. Es bedarf eines langen Atems für die BPM-Reifestufen 1–3 und des Supports durch das Top-Management für die BPM-Reifestufen 2–4. Gerade wenn
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es um Prozesskosten/-kennzahlen, Verantwortlichkeiten und Optimierungspotenziale geht, stößt man an die Grenzen der freiwilligen gesellschaftsübergreifenden Zusammenarbeit. Hier bedarf es eindeutiger Beschlüsse und Beauftragungen eines Vorstandes zur Umsetzung konzerneinheitlicher BPM-Konzepte z.€B. Hinterlegung der BPMV mit steuerungsrelevanten Prozesskennzahlen.
2â•…Prozesse transparent beschreiben Der Business Process Management View (Konzernprozessmodell) (Abb. 3) ist die marktrollen- und schnittstellenorientierte Sicht auf die Konzernprozesse. Der BPMV ist die Basis zur Prozesssteuerung und -innovation bzw. -optimierung. Er ermöglicht die prozessuale Sichtenintegration im Hinblick auf IT-Applikationen, Schnittstellen, Verantwortlichkeiten/Rollen, Kennzahlen, Organisationseinheiten etc. Zielgruppe des BPMV ist das Management. Der BPMV bildet vier Hierarchieebenen ab. Konzernebene 0 beschreibt die Geschäftsfelder Strom, Gas, Energie- und Umweltdienstleistungen und Führungs- und Unterstützungsprozesse. Konzernebene 1 (Abb. 4) sind die Wertschöpfungsstufen; also bspw. im Geschäftsfeld Strom die Wertschöpfungsstufen Erzeugung, Handel, Vertrieb, Transport, Verteilung und bei den Führungs- und Unterstützungsprozessen die Stufen Strategie, Steuerung, Ressourcen. Innerhalb der Wertschöpfungsstufen sind die Prozesse Portalen (im Sinne von Clustern) nach ihrer Schnittstellenorientierung zugeordnet. Es werden keine Prozessketten dargestellt. Die auf Konzernebene 2 (Abb. 5) beschriebenen primären Prozessaufgaben (Hauptprozesse) werden entsprechend ihrer Schnittstellenzuge-
Strategieentwicklung
Unternehmensentwicklung
Unternehmenssteuerung
Ordnungsrahmen und Integrität
Geschäftsfeld Strom
Personalmanagement Beschaffung- u. Infrastrukturbereit- IT-Management stellung
Steuerung
Beziehungsmanagement
II. Handel und Marktrisiko
III. Vertrieb und Lieferung
IV. Übertragung
V. Verteilung
I. Technik Erzeugung
Geschäftsfeld GAS Geschäftsfeld Energie- und Umweltdienstleistungen Behörden/Politische und gesellschaftliche Umwelt
Abb. 3↜渀 EnBW-Konzernprozessmodell im Überblick
Kunde
Ressourcen
Finanzmanagement
Nationale und internationale Märkte Strategie
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III. Vertrieb und Lieferung
Portal Markt Kundenbindung und -gewinnung
Portal Handel und Marktrisiko Strombestellung und Verrechnung Prognosevorbereitung und Optimierung
Portal Produkt- und Vertragssteuerung
Portal Energiekunden Angebots- und Vertragssteuerung für SLV
Pricing Kundenbetreuung Produktmanagement
Abrechnung und Forderungsbearbeitung
Portal VNB Netznutzungsmanagement Energiedatenmanagement
Abb. 4↜渀 BPMV Konzernprozessebene 1/Geschäftsfeld Strom/Wertschöpfungsstufe Vertrieb und Lieferung Abb. 5↜渀 Beispiel für Kernprozessebene 2
Kundenbetreuung Kundenberatung
Änderungsdienste
hörigkeit einem Portal zugeordnet. So befinden sich z.€B. alle Prozesse innerhalb der Wertschöpfungsstufe Vertrieb und Lieferung, die den Energiekunden betreffen (z.€B. Abrechnung, Forderungsmanagement) im Portal Energiekunden. Dieses Portal ist in der Gesamtsicht des BPMV an der Schnittstelle zum Kunden platziert. Mit dieser Architektur (Abb. 6) kann jede Gesellschaft innerhalb der vom Konzern standardisierten Rahmenbedingungen ihre individuellen Prozessmodelle pflegen und weiterentwickeln und gleichsam können im Konzernprozessmodell die prozessualen, wertschöpfungsübergreifenden Zusammenhänge und Interdependenzen sichtbar werden. Konzernebene 3 beschreibt die Aktivitätenbündel (Teilprozesse) innerhalb der primären Prozessaufgaben. Bis zu dieser Stelle ist der BPMV ein allgemeingültiges Prozessmodell und übertragbar auf jeden integrierten Energieversorger. Auf Konzernebene 3 findet nun die Verknüpfung des Konzernprozessmodells mit den dezentralen Prozessmodellen der Gesellschaften statt (Abb. 7). Hierbei werden die realen Teilprozesse der Prozessmodelle der Gesellschaften an den entsprechenden Konzernprozessen hinterlegt.
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Konzernebene 0
Geschäftsfeld Strom, Gas, Dienstleistungen, Führungs- u. Unterstützungsprozesse
Konzernebene I
Wertschöpfungsstufen und Portale der Wertschöpfungsstufen
Konzernebene II
Geschäftsstruktur der Gesellschaft, Primäre Prozessaufgaben
Konzernebene III
Aktivitätsbündel innerhalb der Primären Prozessaufgaben
Gesellschaft / Holdingbereich
Konkrete Abläufe innerhalb der Aktivitätsbündel
Gesellschaft / Holdingbereich
Konzernebene IV
BPMV
BPMV
BPMV Gesellschaft / Holdingbereich
BPMV
Abb. 6↜渀 BPMV-Konzernarchitektur im Überblick
Änderungsdienste
Konzernsicht VSG B2B Adressdaten ändern VSG B2B
Gesellschaftssicht
VSG B2B
mit jeweils den Sichten auf:
Bankdaten ändern Verbrauchsdaten ändern
VSG B2C
Änderungsdienste VSG OY
Prozesskosten Organisationseinheiten Verantwortliche
Änderungsservice Verbrauchsdaten anpassen
VSG OY
Abb. 7╇ Hinterlegung der Gesellschaftsprozesse auf Konzernprozessebene 3 (exemplarisch)
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Die Konzernebene 3 ist aus Konzernsicht die relevante Betrachtungsebene für die Prozessinnovation und -optimierung. Hier werden Synergiepotenziale sichtbar. Die Entsprechende BPMV-Architektur sieht im Überblick wie folgt aus. Der Aufbau eines Konzernprozessmodells und die Nachhaltigkeit im Hinblick auf dessen Aktualität, Anwendung und Weiterentwicklung bedürfen der Einbindung aller Beteiligten. Bei der EnBW geschieht dies mithilfe der oben beschriebenen Gremienstruktur. Ein entsprechender BPMV-Betriebsprozess (Change Management) wurde etabliert, der die Aktualität der Prozesssicht und aller weiteren Sichten gewährleistet. Ergänzend zu der Prozess-View wurden weitere Sichten entwickelt wie z.€B. eine • Schnittstellensicht: diese beschreibt im Sinne einer Output-/Input-Betrachtung die Schnittstellenobjekte zwischen den Prozessen, • IT-View: diese stellt die IT-Applikationen dar, die den jeweiligen Prozess unterstützen, • Performance-View: diese bildet Prozesskennzahlen ab, die den jeweiligen Prozess im Hinblick auf dessen Zielerreichung messen. Die gemeinsame, abgestimmte Methodenentwicklung in den Konzerngremien hat im Konzern für alle Beteiligten zu nachhaltigen Verbesserungen geführt: • Methoden werden nicht parallel entwickelt und sind konzernweit nutzbar. • Know-how-Transfer zwischen den Prozessexperten führt zur Reduzierung der externen Beratungsaufwände. • Es besteht Homogenität in den dezentralen Prozessmanagementansätzen (Methode, Sprache, Standards etc.) bei gleichzeitig hohen dezentralen Freiheitsgraden aufgrund der implementierten Konzernarchitektur Der Business Process Management View (BPMV) ist mehr als die Addition der Prozessmodelle der Konzerngesellschaften in ein Konzernprozessmodell. Der BPMV ist ein kultur- und strukturgebendes Element der EnBW.
3â•…Prozesse verbindlich leben Der Aufbau eines Konzernprozessmodells und die Nachhaltigkeit im Hinblick auf dessen Aktualität, Anwendung und Weiterentwicklung bedürfen der Einbindung aller Beteiligten. Bei der EnBW geschieht dies mithilfe der oben beschriebenen Gremienstruktur und über entsprechende Vorstandsbeschlüsse, die u.€a. den BPMV als verbindlich erklären. Prozesse verbindlich leben impliziert zwei wesentliche Dinge: 1. Etablierung und Verknüpfung der Prozessrollen und Verantwortlichkeiten in der Aufbauorganisation, 2. Prozessmanagement vorleben, im Sinne von Denken in Prozessen – der BPMV ist Grundlage wesentlicher Projekte, Themenstellungen.
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3.1â•…Prozessrollen und Verantwortlichkeiten Prozessrollen und Verantwortlichkeiten werden in Bezug zu den Prozessen definiert: Wer trägt für welche Prozesse welche Verantwortlichkeiten und Aufgaben? Die unterschiedlichen Rollenmodelle der Konzerngesellschaften wurden gemeinsam mit allen Beteiligten in den BPM Konzerngremien für die EnBW AG redefiniert und standardisiert. Ergebnis sind vier einheitliche Prozessrollen im EnBW Konzern (Abb. 8). 3.1.1â•…Konzernprozesskoordinator Der Konzernprozesskoordinator nimmt die Klammerfunktion im Hinblick auf einen BPMV-Konzernprozess wahr und koordiniert die Prozesseigner in den Holdingbereichen und Konzerngesellschaften in Bezug auf den Gesamtprozess. Der KPK koordiniert die strategische Ausrichtung des Prozesses gemäß den Unternehmenszielen und den Vorgaben des Konzernvorstandes. Beispiel: Der Konzernprozesskoordinator für den Planungsprozess designt den Planungsprozess und koordiniert terminlich und inhaltlich die Konzernplanung über alle Konzerngesellschaften. Diese Rolle bezieht sich auf Prozesse, die gleichsam in mehreren Konzerngesellschaften abgebildet sind, z.€B. Einkauf, Planung, Prozessmanagement etc. Der KPK ist verantwortlich für die Koordination und Steuerung aller Prozessbeteiligten. Er identifiziert Synergiepotenziale und optimiert die Schnittstellen zusammen mit allen Prozessbeteiligten der verschiedenen Konzerngesellschaften. 3.1.2â•…Prozesseigner Der Prozesseigner verantwortet das operative Ergebnis eines oder mehrerer Prozesse und ist für die strategische Ausrichtung und Optimierung der Prozesse und BPMV Prozessrollenmodell
Abb. 8↜渀 BPMV-Prozessrollenübersicht
Konzernprozesskoordinator [KPK]
Prozesseigner [PE]
Prozess- und Methodenexperte
Prozessverantwortlicher [PV]
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ihre Kohärenz mit den Unternehmenszielen verantwortlich. Der Prozesseigner verantwortet die Prozessperformance. Er benennt die Prozessverantwortlichen. Der Prozesseigner verantwortet die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit der Prozessdokumentation. Er entscheidet über die Umsetzung von Prozessänderungen und -entwicklungen. 3.1.3â•…Prozessverantwortlicher Der Prozessverantwortliche ist für die Steuerung, Optimierung und das Management des Prozesses verantwortlich. Der Prozessverantwortliche leitet einen oder mehrere Prozesse. Er verantwortet dabei die Erreichung der operativen Ziele. Der Prozessverantwortliche ist für Design, Implementierung, Messung und Optimierung der Prozesse verantwortlich. Der Prozessverantwortliche optimiert kontinuierlich die Prozessabläufe und Schnittstellen und setzt die Optimierungsmaßnahmen um. Des Weiteren überprüft und steuert er in regelmäßigen Abständen die Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit des Prozesses. Der Prozessverantwortliche gibt die Prozessdokumentation frei und eskaliert im Rahmen der Qualitätssicherung. 3.1.4â•…Prozess- und Methodenexperte Der Prozess- und Methodenexperte ist für die Dokumentation der Prozesse zuständig und in der Regel Modellierer/Spezialist des jeweiligen Prozesses. Er berät und unterstützt die Rollen Prozesseigner, Prozessverantwortlicher und die Fachbereiche mit Methodenkompetenz. Der Prozess- und Methodenexperte stellt die inhaltliche Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität des Prozesses sowie die methodische Korrektheit der Modelle im Sinne des Konzernstandards sicher. Er dokumentiert und modelliert Prozesse, ist Ansprechpartner bei Änderungen der Prozesse, analysiert die Schwachstellen bzw. Fehlerursachen und führt die notwendigen Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung (KVP) durch. Er prüft und kontrolliert den Prozess anhand von Kennzahlen/Indikatoren und entwickelt gesellschaftsspezifische Methoden im Rahmen des Konzernstandards und in Abstimmung mit dem Methoden- und Anwenderkreis. Die EnBW AG hat keine prozessorientierte Aufbauorganisation. Konflikte zwischen aufbauorganisatorischer und prozessualer Verantwortung werden in die entsprechenden Konzerngremien eskaliert und dort bearbeitet. Damit proaktives Prozessmanagement gelebt wird, ist die EnBW dazu übergegangen die Prozessrollen mit ihren Aufgaben und ihrer Verantwortung als Bestandteil in die Ziel- und Delegationsvereinbarungen zu integrieren. Ferner werden in den Zielvereinbarungen in Bezug zu entsprechenden Prozessen und der entsprechenden Prozessrolle Ziele vereinbart. Dies wird im Hinblick auf die vier Dimensionen Prozesse beschreiben, leben, messen und optimieren realisiert, z.€B. Vervollständigung der Prozessdokumentation, Definition der Schnittstellen, Reduzierung der Durchlaufzeit eines Prozesses, Steigerung der Datenqualität etc.
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3.2â•…Prozessmanagement leben Prozessmanagement leben bedeutet insbesondere: 1. Dokumentiere dein Handeln (Prozesse beschreiben, modellieren)! 2. Halte dich an das, was du dokumentiert hast! 3. Verbessere kontinuierlich den Prozess! Die Verbindlichkeit der beschriebenen Prozesse ist Voraussetzung für effizientes und effektives Handeln. Zur Durchsetzung der Verbindlichkeit ist in vielen Prozessen eine Governance-Funktion zur stringenten Umsetzung und Einhaltung der definierten und beschriebenen Vereinbarungen notwendig. Bestimmte Konzernprozesskoordinatoren, Prozesseigner und Konzerngremien sind diesbezüglich mit einer entsprechenden Governance-Funktion vom Gesamtvorstand ausgestattet. Das trifft auch auf das oberste IT-Konzerngremium zu, das im Sinne der Konzernprozesskoordination mit allen Beteiligten eine IT-Lösung als Standard erklären kann und die Befugnis hat, diesen Standard umzusetzen und seine Einhaltung einzufordern. Gleiches gilt z.€ B. für Einkaufsrichtlinien, die vom Leiter des zentralen Einkaufs im Konzern in Anlehnung an seine Rolle als Konzernprozesskoordinator erlassen werden.
4â•…Prozesse messen 4.1â•…Performance Reporting Die Vision einer stringenten Prozesskostenrechnung und der Messung der Prozesseffizienz auf der Grundlage von Prozesskennzahlen ist auf Basis einer etablierten BPMV erstrebenswert. Der Vorstand beauftragte gemeinsam den Finanz- und Operationsbereich der Holding mit der Hinterlegung von steuerungsrelevanten Kennzahlen und Kosten im BPMV. Festzustellen ist, dass sich die Controllingstrukturen eines Energieversorgungsunternehmens im regulierten Markt an Spannungsstufen im Hinblick auf das Reporting in Richtung Bundesnetzagentur, an Produktgruppen oder aufbauorganisatorischen Strukturen orientieren, jedoch nicht an Prozessen. Dementsprechend müsste eine weitere prozessorientierte Controllingstruktur mit entsprechendem Aufwand etabliert werden. Die EnBW hat der BPMV-Architektur gemäß ein Performance Reporting aufgebaut, das auf Konzernprozessebene 2 des BPMV den Prozessen die entsprechenden Gemeinkosten und steuerungsrelevanten Kennzahlen zuordnet. Für jede Wertschöpfungsstufe wurden für alle Prozesse der Konzernprozessebene 2 des BPMV entsprechende Kennzahlen gemeinsam mit den Controllern und Prozessverantwortlichen definiert. Über den Standardreportingprozess der Konzerngesellschaften werden nun die Werte halbjährlich über das Konzerncontrolling an den Vorstand reportet. Ergebnis ist eine prozessuale Sicht auf die Gemeinkostenentwicklung im Konzern, deren Veränderung im Zeitablauf auf Basis
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entsprechender steuerungsrelevanter Prozesskennzahlen zu den jeweiligen Prozessen erklärt wird. Steigen z.€B. die Gemeinkosten im Prozess „Kundenbindung und -gewinnung“ und sinkt gleichsam die Kundenanzahl, so wäre die Ursache der Gemeinkostensteigerung zu analysieren. Auf Basis des Performance Reportings lassen sich Aussagen zu folgenden Fragen treffen: • Welche Prozesse sind die Gemeinkostentreiber? • Wie wirken die Effizienzsteigerungsprogramme/-projekte auf die entsprechenden Prozesse? • Welche Prozesse stehen im Veränderungs-/Optimierungsfokus? Die Ansätze auf Konzernebene bezüglich des Performance View wurden gleichsam innerhalb der Konzerngesellschaften auf Basis ihrer spezifischen Prozessmodelle übertragen. Die Konzerngesellschaften haben begonnen eigene, spezifische Prozesskennzahlensysteme aufzubauen.
4.2â•…Internes Kontrollsystem Eine weitere Sicht auf die Effizienz und Effektivität der BPMV-Prozesse leitet sich aus den Berichtsergebnissen des Internen Kontrollsystems (IKS) auf Basis des Bilanzmodernisierungsgesetzts (BilMoG) ab. Das IKS bei der EnBW AG basiert auf den BPMV-Prozessen. Auf Basis der BPMV-Prozesse wurden entsprechende Mindestanforderungen definiert, die im Zuge eines standardisierten, wirksamen IKS überwacht werden. Die über ein entsprechendes Audit-System identifizierten „Kontrollschwächen“ sind gleichsam Auslöser für Prozessentwicklungs- bzw. Prozessoptimierungsmaßnahmen. Die alleinige monetäre Betrachtung der Prozesse ist nicht ausreichend für die Beurteilung der Effizienz und Effektivität eines Prozesses. Weitere Indikatoren im Hinblick auf die Prozessressourcen, die Organisation des Prozesses und den Prozessablauf werden an dieser Stelle für die Bewertung der Prozesseffizienz und -effektivität herangezogen. Die Entwicklung des BPMV als integriertes Managementsystem bewirkt, dass wesentliche prozessrelevante Daten in Bezug zum Prozess dokumentiert werden, z.€B. Mindestanforderungen, Richtlinien und Dokumente, Planzahlen.
5â•…Prozesse integriert verstehen und ständig verbessern Die Steigerung der Effizienz und Effektivität steht primär im Fokus eines Business Process Managements. Kostenreduzierung, Reduzierung der Durchlaufzeiten, Qualitätsverbesserung, bessere Serviceleistungen, kürzere Produktentwicklungszyklen etc. werden auf Basis von BPM erwartet. Letztendlich ergibt sich der Nutzen des BPMs (Abb. 9) aus seiner Anwendung.
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BPM Steuerung BPMV und Prozessmodelle der Gesellschaften sind die Grundlage für die Prozessoptimierung
Infrastruktur Konzernprozessmodell Sichtenintegration Performancemessung Schulung
Prozessoptimierung fordert die kontinuierliche Aktualisierung der Prozessmodelle konzerneinheitliche Methodenentwicklung und Methodenbereitstellung Effizienz- und Effektivitätssteigerung
Anwendung ProzessOptimierung Effizienzsteigerung
Aus Basis einer standardisierten Infrastruktur und Sichtenintegration findet bereits Optimierung statt Prozessoptimierung erfordert die Weiterentwicklung und Differenzierung der Prozessmodelle Konzerneinheitliche Infrastruktur fördert die Transparenz, gemeinsame Sprache und Verständnis
Abb. 9↜渀 Interdependenzen des BPMs zwischen Infrastruktur und Anwendung
Ebenso ist festzustellen, dass mit dem Aufbau eines BPMs bereits vielfältige Nutzen- und Synergiepotenziale im EnBW-Konzern identifiziert und realisiert wurden, insbesondere im Hinblick auf die konzerneinheitliche Methodenentwicklung, Standardisierung und Optimierung auf Basis der geschaffenen Transparenz. Alle vier Stufen im BPM-4-Stufen Reifegradmodell der EnBW (s. Abb.€2) sind unerlässlich und bauen aufeinander auf. Die „Hausaufgaben“ im Sinne einer funktionalen, aktuellen und gelebten BPM-Infrastruktur (Prozessmodelle, Prozesssichten, Gremienstruktur, Training/Beratung etc.) sind die Grundlage für die Anwendung des BPM im Sinne von proaktiver Prozessoptimierung und -entwicklung. Auslöser für die Optimierung und Weiterentwicklung von Prozessen im Rahmen der EnBW-Prozessmanagementaktivitäten können u.€a. aus der Änderung von gesetzlichen Rahmenbedingungen, neuen Geschäftsfeldern, Strategiefortschreibung, IKS-Bericht, Performance-Reporting, Ergebnissen aus dem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) hervorgehen. Auf Konzernebene wird auf Basis dieser Auslöser in Bezug zum BPMV eine Prozessoptimierungsliste (prozessbezogene Maßnahmenliste) erstellt, die vom Prozessgespräch bewertet und beauftragt wird. Wertschöpfungsstufenübergreifende Themen werden vom Prozessgespräch beauftragt und von der BPM-Gesamtkoordination realisiert und monitort.
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Prozesse beschreiben
Prozesse leben
Prozesse messen
Prozesse optimieren
Nutzen
Aktives Prozessmanagement
Passives Prozessmanagement
Prozessoptimierung entlang der 4 BPM-Reifegradstufen Vollständige Prozessdokumentation Welches Sichten (Schnittstellen, IT, etc.) sind für den Prozess relevant (Bedarfsorientierte Sichtengenerierung)
Sind die Rollen und Verantwortlichkeiten definiert und übertragen?
Wie kann der Prozess sinnvoll gemessen controllt werden?
Führungskräfte und Mitarbeiter leben ihre Prozessrollen?
Prozesse mit Gemeinkosten und Kennzahlen hinterlegen u. monitoren
Definition Prozessziel
Verbesserungsmaßnahmen ableiten und umsetzen im Bezug auf Prozessablauf Prozessressourcen Organisation des Prozesses
Erfolgsfaktoren
Abb. 10↜渀 Anwendung der 4-BPM-Reifegradstufen im Zuge der Prozessoptimierung
Das Vorgehen in Prozessoptimierungsprojekten entspricht wiederum der BPM4-Stufen-Systematik (Abb. 10). Die Vollständigkeit und Aktualität der Prozessbeschreibung wird geprüft. Es wird hinterfragt, welche Prozesssichten für das Prozessziel erfolgskritisch sind, z.€B. Kennzahlen, Schnittstellen, IT-Applikationen etc. Diese werden, sofern noch nicht vorhanden, dem Bedarf entsprechend erhoben. Auf Basis einer umfassenden bedarfsorientierten Prozesstransparenz werden nun die Rollen- und Verantwortlichkeiten der Prozessbeteiligten geklärt und beschrieben. Wenn sinnvoll, werden die entsprechenden Prozesskosten und steuerungsrelevanten Prozesskennzahlen analysiert oder erhoben. Schließlich werden in Workshops mit Fachexperten und Prozessbeteiligten Schwachstellenanalysen durchgeführt, Optimierungsmaßnahmen definiert und realisiert.
6â•…Weitere Entwicklung des BPM Über’s Malen zum Managen ist mehr als ein Titel, es ist Programm für die EnBW. Auf Grundlage des Konzernprozessmodells BPMV und der spezifischen Prozessmodelle der Konzerngesellschaften steht das proaktive Management der Prozesse im Fokus. Das BPM wird als integriertes Managementwerkzeug zur Lösungs- und Gestaltungs-
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kompetenz der EnBW verstanden. Eines muss an dieser Stelle klar herausgestellt werden: Ein proaktives, gelebtes und integriertes BPM ist das Ergebnis eines „organischen Wachstumsprozesses“ über viele Jahre. Dieser Wachstumsprozess impliziert, über alle Konzerngesellschaften betrachtet, unterschiedliche BPM-Reifegrade. Aus Sicht einer strategischen Holding ist der BPM-Rahmen beschrieben, die bedarfsspezifischen Ausprägungen in den unterschiedlichen Konzerngesellschaften gilt es zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Die BPM-Weiterentwicklung lässt sich in der Gegenwart und Zukunft in fünf Dimensionen beschreiben: 1. Über’s Malen zum Managen Über die praktische Anwendung des BPMV in den verschiedensten Konzerninitiativen werden die Vielfältigkeit des Tools erfahrbar und die monetären Werthebel realisierbar, z.€ B. Vergleich der Wertschöpfungsketten Strom/Gas, Steuerung der Aufwandsprojekte im Sinne eines Multiprojektmanagements in Bezug zum BPMV, Gemeinkostenplanung auf Basis des BPMV etc. 2. Verankerung BPM Verankerung und Ausprägung von BPM-Instrumenten, Methoden, Herangehensweisen in der täglichen Arbeit der Mitarbeiter und Führungskräfte. Die nachhaltige Verankerung von BPM in der Auf- und Ablauforganisation ist die Grundlage für ein gelebtes BPM. 3. Sichtenintegration Im Zuge der Sichtenintegration werden weitere relevante Sichten in Bezug zu den Prozessen modelliert, z.€B. Organisationseinheiten, Schnittstellen, IT-Systeme/Applikationen, Fähigkeiten, Kontrollen/Risiken, Kennzahlen etc. Die SichtenÂ� integration schafft die bedarfsrelevante Transparenz für die Optimierung der Prozesse. 4. Geschäftsfelder integrieren Die Integration der weiteren Geschäftsfelder GAS, Dienstleistungen, Erneuerbare Energien etc. führt zur Identifikation von geschäftsfeldübergreifenden Synergie- und Nutzenpotenzialen. 5. Kulturwandel Schließlich bedingt ein gelebtes BPM einen Kulturwandel, dahingehend wie Business verstanden, gelebt und weiterentwickelt wird – ganz im Sinne der Lehre, dass der Strategie der Prozess und dem Prozess die Struktur folgt.
BPM-Methoden und -Tools als Basis für wirtschaftliche und compliancegerechte Abläufe im E.ON-Energie-Konzern Georg Graf von Büdingen und Sebastian Schlaf
Zusammenfassung╇ Nachdem sich E.ON Energie mit seinen ca. 20 voll konsolidierten Tochterunternehmen schon vor längerer Zeit für eine einheitliche Modellierungsplattform entschieden hatte, gewann mit dem Sarbanes-Oxley-Gesetz eine Vereinheitlichung der BPM-Methodik zusätzlich an Bedeutung. Basierend auf einem 5-Phasen-Lifecycle-Modell stehen den Gesellschaften passende Tool- und Methodenbaukästen zur Verfügung. Das vorhandene unternehmensübergreifende Netzwerk leistet einen wichtigen Beitrag zur kontinuierlichen Optimierung der Prozesse im Konzern. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind Anwendungsfelder wie die Know-how-Sicherung wesentliche Treiber für die Weiterentwicklung des BPM. Schlüsselwörter╇ Zentrales Business Process Management • Enterprise Architecture Management • BPM-Lifecycle • Sarbanes Oxley Act • Compliance • Demografischer Wandel • Prozessoptimierung • Standardisierung
1â•…Rahmenbedingungen Mit rund 88.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp 82€Mrd.€€ (2009) ist der E.ON-Konzern eines der größten privaten Strom- und Gasunternehmen der Welt und versorgt mehr als 30€Mio. Kunden in über 30 Ländern mit Energie. Der E.ONKonzern entstand im Juni 2000 aus der Fusion zweier großer traditionsreicher deutGeorg Graf von Büdingen: Leiter Personalcontrolling und Organisation, E.ON Energie AG, München Sebastian Schlaf: Referent für Prozessmanagement, E.ON Energie AG, München G. Graf von Büdingen () München, Deutschland E-Mail:
[email protected] S. Schlaf München, Deutschland A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_3, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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scher Industrieunternehmen, der VEBA und der VIAG. Beides waren erfolgreiche, im DAX notierte Mischkonzerne. Bereits kurz nach der Fusion fokussierte sich der E.ON-Konzern auf das Energiegeschäft. Der E.ON-Konzern agiert sowohl im Strom- als auch im Gasmarkt entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Ziel ist es, eine verlässliche, klimafreundliche und bezahlbare Energieversorgung für unsere Kunden sicherzustellen. Die E.ON AG mit Sitz in Düsseldorf ist das Group Management des E.ON-Konzerns und steuert marktübergreifend das Gesamtgeschäft und die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens. Die E.ON AG gliedert sich in globale, funktionale und regionale Einheiten auf. In diesen Einheiten sind einerseits Marktregionen, andererseits konzernübergreifende Aufgaben zusammengefasst. E.ON Energie ist die Führungsgesellschaft der regionalen Aktivitäten in Deutschland mit Sitz in München. Sie steuert ab 2011 die Aktivitäten von etwa 20 deutschen Business Units genannten, Tochtergesellschaften. Diese Business Units sind teilweise funktional (Support Erzeugung, Shared Service) und teilweise regional (Vertrieb, Netz) organisiert. Die E.ON Energie beschäftigte Ende 2010 mit ca. 48.000 Mitarbeitern gut die Hälfte der Gesamtkonzernbelegschaft und verantwortete runde 50€% des Umsatzes des E.ON-Konzerns. Seit der Gründung der E.ON AG und der E.ON Energie AG ist die Konzernstruktur einem steten Wandel und Wachstum unterworfen. Bereits vor Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wurde ein konzernweites Programm zur Steigerung von Effizienz und Produktivität beschlossen. Die darin vorgesehenen Verbesserungen konzentrieren sich auf gezielte Kostensenkungen, die Optimierung von Strukturen und Abläufen sowie den Abbau von überflüssiger Bürokratie (↜Unternehmensbericht 2009 E.ON AG). Wesentliche Vorraussetzung zur Zielerreichung ist dabei auch ein durchgängiges und konsequentes Prozessmanagement, von der Strategie über Standards und Methoden bis hin zur kontinuierlichen Verbesserung.
2â•…Steuerung der BPM-Aktivitäten über Kooperation In einem Konzernverbund der Größe der E.ON Energie mit ihren ca. 20 voll konsolidierten Tochterunternehmen ist die Kooperation von Experten verschiedener Fachgebiete über Netzwerke in entsprechend moderierten Gremien ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Nicht nur Erfahrungsaustausch, Best Practice Sharing und Know-howTransfer werden in diesen Netzwerken vorangetrieben, sondern auch Notwendigkeiten der Weiterentwicklung von Methoden, Standards und Tools diskutiert und umgesetzt. Auch in den Vorgängerunternehmen der E.ON Energie war bereits Prozessmanagement-Methodik im Einsatz. Nach Gründung von E.ON im Jahr 2000 begann der Know-how-Austausch zu BPM-Themen. Haupttreiber dafür waren die zunehmenden Anforderungen aus dem Business nach strukturierten Methoden zur Erfassung der veränderten Arbeitsabläufe. In einigen Konzerngesellschaften war dies dem Umstand geschuldet, dass sie aus Zusammenschlüssen mehrerer Vorgängerunternehmen entstanden waren. Die neuen Abläufe mussten nun zunächst einmal
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dokumentiert werden. Die entstandenen Dokumentationen wurden als Grundlage für Fachkonzepte zur Implementierung neuer IT-Systeme und als Basis zur Schulung der Mitarbeiter an den neuen Prozessen verwendet. Hierbei wurden in den einzelnen Häusern unterschiedliche Ansätze verfolgt und auch verschiedene Tools eingesetzt. Je nach Vorgängergesellschaft gab es stark toolgestützte BPM Ansätze wie Visio oder ARIS und eher freie, nach Bedarf eingesetzte Methoden, meist unterstützt durch Powerpoint und Excel. Auch die Frage nach zentralem oder dezentralem BPM war und ist nach wie vor nicht einheitlich beantwortet. Die Tendenz geht jedoch zu einem kleinen spezialisierten zentralen Team mit dezentralen Ansprechpartnern in den Fachbereichen. Mit dem ARIS Server 6 hat man sich dann in den frühen Jahren des Jahrzehnts auf Konzernebene entschieden, eine einheitliche Modellierungsplattform für Unternehmensprozesse bereitzustellen. Einmal jährlich wurde auch ein ARIS-Anwenderforum abgehalten, auf dem die neuesten Entwicklungen und Verwendungsmöglichkeiten vorgestellt wurden. Die Verwendung von ARIS war allerdings nicht verbindlich und es wurde auch keine einheitliche Methodik entwickelt. In dem gebildeten informellen Netzwerk tauschten sich Fachexperten zu den einzelnen Vorgehensweisen aus und entwickelten die Methodik dann separat für ihre jeweilige Aufgabenstellung weiter. Als 2004 das Sarbanes-Oxley-Gesetz (SoX) in Amerika erlassen wurde, das für alle an der New Yorker Börse gelisteten Unternehmen anzuwenden war, wurden die Anforderungen an Prozessdokumentationen und Ablaufbeschreibungen verbindlicher. Sowohl die E.ON-internen als auch die -externen Auditoren verlangten zur Prüfung der Einhaltung des Gesetzes eine strukturierte Prozessdokumentation, aus der auch die jeweiligen Prozessrisiken und Kontrollen zur Vermeidung dieser Risiken ersichtlich waren. Dies gab den Anlass dazu, dass sich nun alle größeren E.ON-Gesellschaften mit Prozessdokumentation auseinandersetzen mussten. Um die Anforderungen möglichst effizient und einfach umsetzen zu können, wurden der Austausch und die Vereinheitlichung der bisher verwendeten BPM-Ansätze vorangetrieben. In 2005 fand dann zum ersten Mal eine von E.ON Energie moderierte BPMFachgruppe statt, an der zunächst 6 Tochterunternehmen teilnahmen. Ziel war es, sich über vorhandene Methodik auszutauschen und sich nach und nach auf eine Standardvorgehensweise zu einigen. Nach Newslettern, einem neu konzipierten Intranetauftritt und dem Versionswechsel auf ARIS 7 wurde das Interesse an der Fachgruppe größer. Immer mehr Tochterunternehmen beteiligten sich, suchten den Austausch und wollten vorhandene, erprobte Vorgehensweisen aufgreifen, um nicht komplett von vorn beginnen zu müssen. Damit war der Grundstein für das unternehmensweite Netzwerk von BPM-Experten geschaffen. Die enge Kooperation innerhalb des Netzwerks und der damit vorhandene Know-how-Pool haben dazu geführt, dass sich mittlerweile nahezu alle konsolidierten Tochtergesellschaften der E.ON Energie AG daran beteiligen. Ziel ist es, neue Gesellschaften schnell in die E.ON-BPM-Methodik einzuführen, Best Practice auszutauschen, den Standard weiter zu verfeinern und neuen Anforderungen anzupassen. Natürlich ist dabei der Kostenaspekt auch ein wichtiger Treiber. Den gemeinsam entwickelten, vom internen IT-Dienstleister betriebenen ARIS-Business-Server zu nutzen und damit den vorhanden Standard einzusetzen,
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spart zum einen viel Zeit in der Vorbereitung eines BPM-Ansatzes und zum anderen Entwicklungskosten, die jeder individuell zu tragen hätte. Das Tool und die Methodik werden zentral – von Arbeitsgruppen der Fachgruppe BPM – weiterentwickelt und per Umlageverfahren verrechnet. Mittlerweile nutzen auch übergreifende Konzernprojekte diese Plattform, um die Standard-BPM-Ansätze in die Projekte zu integrieren. Gerade dieser letzte Aspekt hebt den Mehrwert, den die Gruppe in den vergangenen Jahren geschaffen hat, in den Vordergrund. Bei der Definition übergreifender Prozesse – also Prozesse, die nicht mehr an den einzelnen Unternehmensgrenzen halt machen, sondern die gesamte Organisation oder ein komplettes Segment betreffen – ist es unerlässlich, eine einheitliche Methodik zu verwenden. Nur so ist sichergestellt, dass die Projektergebnisse von allen verstanden und implementiert werden können sowie alle Anforderungen an die Prozesse berücksichtigt werden. Die Kooperation im BPM-Netzwerk basiert auch heute noch auf Freiwilligkeit. Allerdings hat der zunehmende Kostendruck dazu geführt, dass nur wenige Tochterunternehmen Eigenentwicklungen vorziehen und nicht das vorhandene Knowhow nutzen. Nächster Schritt wird sein, sich auf ein einheitliches Prozess-Controlling-Konzept zu einigen, um den Nutzen der Prozessdokumentationen noch besser auszuschöpfen, die bereits vorhandenen Ansätze zur kontinuierlichen Prozessverbesserung und -messung zu vereinheitlichen und so den Mehrwert aus BPM für das Unternehmen weiter zu erhöhen. Abbildung€1 verdeutlicht das derzeitige BPM-Steuerungsmodell. Die übergreifende Steuerung der BPM-Umsetzung in den einzelnen Häusern erfolgt derzeit wie bereits beschrieben mittels Kooperation. Eine mögliche Ausbaustufe in Richtung Minimale Governance • Informationsplattform für BUs • Erfahrungsaustausch • Know-how Transfer
Mittlere Governance • Gemeinsame Ziele für BPM erarbeiten • Gemeinsame Entwicklung von Standards und Methoden • Zentrales Team als Coach • Koordination und Steuerung zur Nutzung von Synergien • Kooperative Umsetzung in den BUs
Maximale Governance • Vorgabe von Zielen, KPIs, Methoden und Standards • Ausrollen von Best Practice Prozessen • Steuerung und Koordination der übergreifenden Endto-End Prozesse
Aktueller Stand BPM Governance Level E.ON Energie Ziel künftiger BPM Governance Level E.ON Energie
Abb. 1↜渀 Steuerungsansätze zur Umsetzung von BPM
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maximale BPM Governance bestünde darin, KPIs, Prozessziele und die Methoden vollständig zentral vorzugeben. Das Erreichen dieser Stufe hängt jedoch von vielen Faktoren ab und ist vorerst nicht geplant.
3â•…Standardisierung und Einsatz von BPM: Strategie, Methoden und Tools Mit der zunehmenden Beteiligung aller Konzerngesellschaften an der Entwicklung eines gemeinsamen BPM-Ansatzes stieg einerseits die Forderung nach verbindlicheren Vorgaben, andererseits war dies jedoch immer begleitet vom Wunsch, trotzdem möglichst flexibel in der Ausprägung zu sein. Dieser Wunsch nach Flexibilität und Individualität scheint zunächst im Widerspruch zu einem verbindlichen Vorgehen zu stehen. Durch die vielen Erfahrungen, die bisher im BPM-Umfeld gesammelt wurden, ist man sich jedoch bewusst, dass nur ein Ansatz, der jederzeit an die jeweiligen Anforderungen von Projekten und des operativen Business angepasst werden kann, erfolgreich sein wird. Zum einen wird das Top-Management nur dann als Treiber von BPM fungieren, wenn die Methodik auch messbaren Erfolg wie Kostensenkung, Effizienzsteigerung oder Schnittstellenverbesserungen liefern kann. Zum anderen muss die Methodik einfach und verständlich sein, sodass auch operativ tätige Mitarbeiter die Dokumentationen nachvollziehen und somit umsetzen können. Ein nicht ausreichend pragmatischer Ansatz wird demnach nicht den gewünschten Erfolg eines durchgängigen BPM erzielen. Der Grad der Verbindlichkeit und ihre Detailtiefe waren somit in den ersten Phasen der Standardisierung ein entscheidender Faktor. In der Konzernzentrale wollte man zunächst eine durchaus verbindliche Richtlinie für BPM erstellen und die Methodik allen vorgeben. Jedoch hat sich gezeigt, dass dies zum einen politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre, zum anderen hätte eine solch harte Vorgabe die Kreativität der lokalen BPM-Experten zunichte gemacht. Aus der Vergangenheit war man sich bewusst, dass dann die Gefahr steigt, nur noch „Schrankware“ zu erzeugen, also eine Prozessdokumentation zu erstellen, nur um die bestehenden BPM-Vorgaben einzuhalten. Diese Dokumentationen würden dann nur einen kleinen Teil der Arbeitsabläufe darstellen, um z.€B. gegenüber einer internen Revision etwas vorweisen zu können, und wären in der täglichen Arbeit und bei der Weiterentwicklung der Abläufe keine Hilfe und im Zweifelsfall auch nicht gelebt. Bei der Umsetzung des Sarbanes Oxley Acts wurde beispielsweise eine Vielzahl von Prozessdokumentationen erstellt, in denen zwar die Risiken und Kontrollen des internen Kontrollsystems berücksichtigt und auch die Arbeitsabläufe bestmöglich dargestellt wurden. Allerdings war diese Dokumentation nur den Prozessverantwortlichen, einigen ausgewählten Experten und den Prüfern zugänglich. Zum Zwecke der Erfüllung der Vorgaben der Abschlussprüfer war dieser fokussierte BPMAnsatz zielgerichtet und ausreichend, eine Weiterverwendung der Dokumentation jedoch nicht ohne Weiteres möglich. Ein Management der Prozesse wurde anhand dieses Ansatzes nicht umgesetzt.
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Diese Erkenntnisse und die vielen anderen Erfahrungen im BPM-Umfeld führten dazu, dass sich die BPM Experten zunächst einmal mit der Frage beschäftigen, was das Ziel von BPM ist. Dies allumfassend zu beantworten ist in einem so vielschichtigen Konzern mit unterschiedlichen Aufgaben und Zielen nicht ohne Weiteres möglich. Beispielsweise sind die Prozesse der E.ON Kernkraft auf maximale Sicherheit und höchste Qualität ausgerichtet. Massenprozesse einer Shared-Service-Einheit hingegen sind auf Effizienz und niedrige Kosten getrimmt. Aufgrund dieses Widerspruchs schien es zunächst nicht möglich, einen allgemeinen und absolut verbindlichen BPM-Ansatz zu formulieren, der die Vielschichtigkeit des E.ONKonzerns abbildet. Daher hat man sich in der Expertenrunde darauf verständigt erst einmal eine grundsätzliche einheitliche Vorgehensweise, eine einheitliche standardisierte Methodik, ein einheitliches Tool und Leitlinien im Umgang mit diesen zu definieren. Mit der Einführung von ARIS 7 hat man sich neben den Modellierungskonventionen auch auf ein standardisiertes Format zur Prozessveröffentlichung geeinigt. Mittels dieses Tools ist es jedem E.ON-Energie-Mitarbeiter möglich, im Intranet seiner Gesellschaft die ihm zugewiesenen Prozesse im Detail einzusehen (s. Abb.€2). Mittlerweile werden diese Prozesse mit immer mehr Informationen angereichert wie bspw. Arbeitsanweisungen, Richtlinien, Informationen über Kennzahlen und
Abb. 2↜渀 „Prozesse designen und freigeben“, veröffentlicht im Intranet
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IT-Systeme. Nach und nach entsteht so in den jeweiligen Einheiten eine Wissensplattform, die teilweise aus der täglichen Arbeit nicht mehr wegzudenken ist. Die Prozesse vernetzt über alle Wertschöpfungsstufen darzustellen ist dabei eine besonders wichtige Aufgabe. Durch die Änderung in der Konzernstruktur werden immer mehr Prozesse übergreifend gesteuert, sodass es nicht mehr ausreicht, wenn jede Einheit für sich einen optimalen Prozess lebt. Die Grundlage unserer Methodik ist das BPM-Lebenszyklus-Modell (s. Abb.€3). Dieses Modell ist auf den ersten Blick nicht E.ON-spezifisch. Man findet es bspw. auch in der BPM-Philosophie von IDS-Scheer oder bei anderen großen Unternehmen wieder. Unser Modell hat im Gegensatz zu diesen Standards fünf Phasen, wobei die letzte Phase – die kontinuierliche Verbesserung oder Change Management – die wichtigste ist. Fast jede E.ON-Energie-Einheit hat einen mehr oder weniger strukturierten BPM-Ansatz implementiert. Jedoch wird ein konsequentes Umsetzen von kontinuierlichen Verbesserungsmaßnahmen und ein Anpassen der BPM-Strategie aufgrund der Erkenntnisse, die man beispielsweise in Prozess-Audits erlangt hat, oftmals nicht erreicht. Daher wird derzeit insbesondere auf den Ausbau der Phasen vier und fünf Wert gelegt, um dann Schritt für Schritt einen neuen Standard zu schaffen. Erst wenn alle Phasen des Lebenszyklus durchlaufen werden, ist der BPM-Ansatz auf kontinuierliche Verbesserung ausgerichtet. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass die Konzeptionsphase (Phase 1) oftmals unterschätzt wird. Hier wird unter anderem festgelegt, welchen Umfang das BPM haben wird. Dies muss dem wichtigsten Grundsatz des BPM-Ansatzes folgen, nämlich die Methodik maßvoll und zielgerichtet einzusetzen, um mit möglichst wenigen Ressourcen das angestrebte Ergebnis zu erreichen.
1
Konzeption/Strategie Konzeption / Strategie
2
Erfolgsfaktoren / Scope Erfolgsfaktoren/Scope Prozesslandkarte Allgemeine Bedingungen Standards/Methoden Standards / Methoden
5
Ist/Soll Ist / SollProzess ProzessDesign Design Prozessziele Verantwortlichkeiten Schnittstellen, IT-Systeme
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
BPM Lifecycle
Planung Planung von von Veränderungen Veränderungen Trainings, Trainings, Wissenstransfer Wissenstransfer Changemanagement Changemanagement Verbesserungspotentiale Verbesserungspotentiale
3 3
Prozess Prozess Implementierung Implementierung Organisatorische Anpassungen Prozesse/Schnittstellen Prozesse / Schnittstellen IT-Systeme Kommunikation/Training Kommunikation / Training
4 4
Prozess ProzessControlling Controlling Prozess/ Schwachstellen Prozess-/Schwachstellen Analyse Analyse Performance Performance Indikatoren Indikatoren Soll / IstAbgleich Abgleich Soll/Ist Performance Performance Audits Audits
Abb. 3↜渀 E.ON BPM Lifecycle
Prozess ProzessDesign Design
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Für die E.ON-Energie-Gesellschaften bedeutet dies in erster Linie, dass sie sich aus dem bestehenden Tool- und Methodenbaukasten die für sie passenden Werkzeuge auswählen können. Gemäß einer definierten Vorgehensweise wird dann die Auswahl der für den jeweiligen Ansatz relevanten Prozesse getroffen. Es ist nicht zwingend erforderlich, die vollständige Prozesslandschaft des Unternehmens zu dokumentieren. Vielmehr sollte man mit den wesentlich zur Wertschöpfung oder Sicherung der Abläufe beitragenden Prozessen starten, um dann sukzessive und nach Bedarf die Prozesslandschaft zu vervollständigen. Mit dieser zielgerichteten Vorgehensweise entgeht man auch dem Vorwurf, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“, der leider immer noch allzu oft zu hören ist.
4â•…Beitrag von BPM in Übergreifenden Unternehmensprojekten Seit der Entstehung des E.ON-Konzerns durch die Fusion von VEBA und VIAG im Jahr 2000 und damit auch der Gründung der E.ON Energie AG ist das Unternehmen einem ständigen Wandel und einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterworfen. Die wesentlichen Veränderungen der Organisation und der Prozesse wurden dabei in konzernübergreifenden Projekten vorangetrieben. Ausgangspunkt war im Jahr 2004 das Fokussieren auf die Energiewirtschaft und das Einführen der Market- und Business-Unit-Struktur. Ab 2006 wurden mit E.ON Energy Trading und E.ON Climate and Renewables die ersten funktionalen Einheiten mit konzernübergreifenden Steuerungsaufgaben aufgebaut. In 2008 wurde zur weiteren Effizienzsteigerung das Konzept zur globalen, technologieorientierten Steuerung des Kraftwerkparks entwickelt, dessen Umsetzung gerade abgeschlossen wurde. All diese Projekte zeigen, dass sich das Unternehmen sukzessive von einer strukturgetriebenen zu einer prozessgetriebenen Organisation entwickelt. In dem Maße, in dem legale Unternehmensstrukturen an Bedeutung verlieren, kommt den Unternehmensprozessen und damit dem Business Process Management eine immer wichtigere Rolle als Werkzeug zur Umsetzung der Unternehmensstrategie und zur weiteren Optimierung der Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg zu. Ein konkretes Beispiel ist der Krisenmanagementprozess. Eine klare Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten sowie die sorgfältige End-to-End-Dokumentation des Prozesses sorgen hier dafür, dass das Kraftwerksmanagement, regionale/globale Kommunikationsteams und alle weiteren Beteiligten gerade in einer Krisensituation reibungslos zusammenarbeiten. Von unbestritten hoher Relevanz ist BPM bei allen industrialisierbaren Massenprozessen. Um hier die Skaleneffekte voll ausschöpfen zu können, wurden z.€ B. alle standardisierbaren Personalleistungen in einem Shared Service Center für Personaldienstleistungen (E.ON Personal Direkt, EPD) zusammengefasst. Ein anderes Beispiel hierfür sind die Shared Service Center Süd und Nord, die alle standardisierbaren Massenprozesse für den Vertrieb übernehmen.
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Ein weiterer Aspekt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Absicherung der Geschäftsfähigkeit in Zeiten des demografischen Wandels. Es gibt bei E.ON Einheiten, die in den nächsten Jahren durch Vorruhestand, Altersteilzeitmodelle und natürliche Fluktuation mit einem Mitarbeiterrückgang von bis zu 20€ % rechnen müssen. Bei gleichbleibenden Aufgaben kann der Betrieb ohne Nachbesetzungen nur über eine signifikante Effizienzsteigerung mithilfe von BPM erreicht werden. Wesentlich hierbei sind natürlich auch die professionelle Sicherung und der Transfer von Know-how, das in der Vergangenheit eher informell von älteren auf jüngere Mitarbeiter übertragen wurde. In einigen Gesellschaften des Konzernverbunds konnten diesbezüglich bereits beachtliche Erfolge erzielt werden. Schließlich stellt BPM einen nicht zu unterschätzenden Wertbeitrag dar, wenn die durch SoX oder im Fall E.ON durch das interne Kontrollsystem (IKS) vorgegebenen Kontrollhandlungen direkt in die Prozesse integriert werden und dies auch in der Prozessdokumentation so hinterlegt wird. Die immer engere Verzahnung von Business und IT stellt eine weitere Herausforderung für einen Konzern der Größe E.ONs dar. Sie kann durch gezielt eingesetzte BPM-Methodik unterstützt werden. Streng genommen handelt es sich hier nicht mehr nur um ein BPM, sondern vielmehr um ein EAM (Enterprise Architecture Management). Im EAM werden die Business-Prozesse anhand der Informationen, die über diese Prozesse laufen, mit den unterstützenden IT-Applikationen in Beziehung gesetzt (s. Abb.€4). Ziel ist es, herauszufinden, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt in den Systemen verarbeitet und wie sie in den Systemen transformiert werden. E.ONs ganzheitlicher EAM Ansatz stellt insbesondere die Schnittstellen zwischen den Systemen dar, zeigt aber auch die manuellen Schnittstellen, über die Enterprise Business Architecture Geschäftsprozesse Enterprise Information Architecture Datenaustausch, Informationsobjekte, Geschäftsobjekte Enterprise Application Architecture Business Services Functional Use Cases Enterprise Technical Architecture Betriebssysteme Physische Infrastruktur (HW) Netzwerk Quelle: in Anlehnungan IDS-Scheer
Abb. 4↜渀 Enterprise Architecture Management – Ebenenmodell
Workflow / Collaboration
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Informationen weitergegeben werden. Mit diesen kann die Auswirkung eines Systemwechsels auf die Prozesse bzw. die Organisation oder einer Organisations-/Prozessänderung auf die Systemlandschaft im Vorfeld simuliert und wesentlich besser beplant werden. Die daraus resultierende Transparenz dient sowohl der IT, da sie besser versteht, welche Schlüsselfunktionalitäten aus dem Business unterstützt werden, als auch dem Business, das die betroffenen IT-Systeme schon bei der Planung von Prozessänderungen berücksichtigen kann. In der Vergangenheit waren auch bei uns Änderungen des Business oftmals nur von IT-Änderungen initiiert. Der Leitsatz „IT follows business“ kann mit dem Einsatz von EAM wieder gelebt werden. Ein weiterer großer Nutzen ist die einheitliche Nomenklatur, auf die man sich beim EAM-Ansatz geeinigt hat. So werden zum einen die Geschäftsprozessmodelle der Ebenen 1 und 2 einheitlich im Konzern entwickelt und der IT als Grundlage zur Zuordnung von IT-Systemen zur Verfügung gestellt. Zum anderen werden die beschriebenen IT-Systeme dem Business bereitgestellt, das diese dann beispielsweise in den Prozessdokumentationen verwenden kann. Im Gegensatz dazu haben die Businessowner vor der Einführung der einheitlichen EAM-Strukturen in Prozessdokumentationen die IT-Systeme für sich abgegrenzt, benannt und modelliert. Die IT-Verantwortlichen haben die Applikationen selbst definierten und abgegrenzten Funktionsclustern zugeordnet. Die daraus resultierende Unstimmigkeit hat gerade in Großprojekten zu unnötigem Abstimmungsaufwand und zu nochmaliger Datenerhebung bzw. Bestandsaufnahme von Applikationen und Prozessen geführt. Bei E.ON sind derzeit etwa 3.000 Applikationen im Einsatz, die etwa 60 Hauptprozessen zuzuordnen sind. Diese Komplexität erhöht sich überproportional, wenn man die zur Analyse oder Vorbereitung von Projekten notwendige Teilprozessebene heranzieht. Eine einheitliche Vorgehensweise und Nomenklatur bringt hier erhebliche positive Effekte. Natürlich werden seitens der IT die Daten von EAM auch zu anderen Zwecken herangezogen. Dies ist jedoch nicht Teil dieser Betrachtung. Insgesamt gilt für alle Projekte mit BPM-Bezug: Die Tatsache, dass nach einer einheitlichen Vorgehensweise gearbeitet wird und intern hervorragend ausgebildete BPM-Experten eingesetzt werden können, bringt zum einen den Vorteil mit sich, dass die Qualität des „BPM-Outputs“ sehr hoch und vergleichbar ist, zum anderen werden Ressourcen in Form von Zeit, Berateraufwand und Bindung von Knowhow-Trägern verringert. Die durchschnittliche Erstellung einer Ist-Prozess-Dokumentation im Vorfeld einer Optimierung, einer Anpassung oder einer IT-Veränderung benötigt erfahrungsgemäß bereits bis zu einem Viertel des Projektbudgets. Folgende Berechnung verdeutlicht die Dimensionen: Angenommen, es soll ein Teilprozess mit etwa 20 Aktivitäten inkl. Schnittstellen- und Ressourcenoptimierung verbessert werden. Pro Teilprozess benötigt man etwa einen Personentag (PT) für die Ist-Prozess-Analyse und saubere Dokumentation. Das ergibt etwa 20 PT nur für die Basisanalyse. Das Projekt hat hierbei noch keinen sichtbaren Fortschritt erzielt. 20 weitere PT werden zur Sollkonzeption und 40 PT für Implementierung benötigt. Wenn eine aktuelle Ist-Prozess-Dokumentation vorliegen würde, könnte diese mit all dem integrierten Know-how über diesen Prozessablauf als Basis zur Soll-Konzeption dienen. Auch eine Analyse der Auswirkungen dieses Projekts auf
BPM-Methoden und -Tools als Basis für wirtschaftliche und compliancegerechte Abläufe
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andere Projekte wäre im Vorfeld möglich. Der Business Case, der dem Projekt zugrunde gelegt wird, kann mithilfe dieser detaillierten Informationen exakter formuliert werden – insbesondere die Abhängigkeiten von anderen Prozessen und der erwartete Ressourcenaufwand. Diese Beispiele zeigen, dass durch eine stringent angewendete BPM-Strategie und-Methodik dem Unternehmen in nahezu allen prozessrelevanten Projekten Vorteile entstehen. Je mehr Konzerngesellschaften auf den „BPM-Zug“ aufspringen, desto größer werden die Skaleneffekte auch hier sein.
5â•…Beitrag von BPM zur kontinuierlichen Optimierung von Prozessen Um die in Kap.€3 vorgestellten Phasen vier und fünf des Prozesslebenszyklus einführen zu können, haben einige Gesellschaften verschiedene Ansätze für sich definiert. Beispielsweise gibt es in einer der Service-Gesellschaften ein Prozesscockpit, in dem verschiedene Prozesskennzahlen regelmäßig ausgewertet werden. Diese Kennzahlen werden halbautomatisiert aus den angeschlossenen Systemen generiert. Hierbei handelt es sich um Prozesse, die mehrere Tausend Transaktionen pro Monat erfordern. Durch die Möglichkeit, jederzeit den aktuellen Bearbeitungsstatus abzufragen und bei Abweichungen sofort darauf reagieren zu können, haben die jeweilig verantwortlichen Manager ein gutes Instrument zur Verfügung, den Prozess tatsächlich zu managen. Fehlerquellen werden schnell identifiziert, Prozesse oder einzelne Prozessschritte werden zeitnah angepasst und verbessert, fehlende Informationen oder Know-how können bereitgestellt werden. Dadurch wird verhindert, dass sich beispielsweise durch Unwissenheit entstandene Fehler über Wochen oder Monate wiederholen. Damit wird die Qualität der Prozesse von Anfang an sichergestellt. Gerade in Prozessen, deren Auftraggeber und -nehmer auf der externen Kundenseite stehen, hätte ein solcher unentdeckter Fehler erhebliche Auswirkungen. In anderen Einheiten werden die Prozesse auch als Grundlage für Personalbedarfs- oder Budgetplanung verwendet. Dazu werden die Prozessschritte mit den entsprechenden Informationen wie mittlere Bearbeitungszeit, Durchschnittskosten, Häufigkeit etc. angereichert. Diese Schätzwerte werden dann regelmäßig mit den Istwerten abgeglichen, um die Planungsergebnisse zum einen zu verbessern und zum anderen zu überprüfen. Eine weitere regelmäßige Aktivität in vielen Häusern ist das interne Prozessaudit. Hierbei werden bspw. im Zuge der Jahresabschlussprüfung oder intern angesetzter Audits kritische Prozesse regelmäßig beobachtet und Abweichungen im Prozessablauf dokumentiert. Die sich daraus ergebenden Maßnahmenpläne werden dann schnellstmöglich abgearbeitet. Dies ist die erste Stufe einer kontinuierlichen Prozessverbesserung und kann sukzessive durch Benennung von unternehmensinternen Auditoren oder Selbstbewertungen von Prozesseignern erweitert werden. Wichtig hierbei sind wiederum die Rückendeckung aus dem Management, die konsequente Umsetzung der identifizierten Verbesserungspotenziale und die regelmä-
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ßige Bewertung der Verbesserungen. Denn letztlich zählen für das Unternehmen vor allem Effekte auf der Ergebnis- oder Kostenseite sowie in bestimmten Prozessen auch Qualitätsverbesserungen und Erhöhung der Prozesssicherheit. Nur wenn einer oder mehrere dieser Effekte nachgewiesen werden können, wird man langfristig mit dem Prozesscontrolling eine kontinuierliche Verbesserung erreichen. All diese Aktivitäten sind – ausgenommen die Prüfungen während des Jahresabschlusses – lokal initiiert und unterliegen bisher keiner einheitlichen Methodik. Daher sind die Ergebnisse oftmals nicht vergleichbar, was bei gleichartigen Prozessen natürlich ein weiterer Vorteil wäre. Die Vereinheitlichung dieser Ansätze ist demnach wie in Kap.€3 bereits beschrieben ein wichtiger Schritt, um konzernweit den Nachweis des Mehrwerts von Prozessmanagement erbringen zu können.
6â•…Erkenntnisse im BPM Umfeld Wesentliche Erkenntnis aus der Einführung, Weiterentwicklung und Umsetzung von Business Process Management bei der E.ON Energie ist vor allem die Tatsache, dass ein funktionierendes Netzwerk eine unerlässliche Basis ist. Es muss aber auch gesagt werden, dass durch eine Kooperation auf freiwilliger Basis die Geschwindigkeit der Umsetzung und Einführung von BPM begrenzt ist. Das volle Potenzial von BPM kann aus aus Sicht der Verfasser nur dann ausgeschöpft werden, wenn neben der Akzeptanz und dem Bedarf an der Basis auch das Top-Management als Treiber fungiert. Nur so kann die notwendige Verbindlichkeit der Methodik geschaffen werden. Dies ist bei der E.ON Energie in großen Harmonisierungsprojekten der Fall. So wurden z.€B. in Osteuropa die wesentlichen Geschäftsprozesse über fünf Länder hinweg standardisiert und harmonisiert. Ferner zeigte sich, dass Business Process Management ein zentraler Bestandteil großer Veränderungsprojekte sein muss. Dies dient zur Absicherung der erreichten Projektergebnisse und liefert in der Regel einen wesentlichen Beitrag bei der Erreichung der wirtschaftlichen Projektziele. So wurden 2007/2008 die Massenprozesse aus den Bereichen Personal, Rechnungswesen und Abrechnung in Shared Service Centern gebündelt. Dies ermöglichte nachhaltige Kostenreduktionen. Nicht industrialisierbare Prozesse hingegen wurden in dezentraler Verantwortung belassen, um die Vorteile individueller, auf die Kunden- und Marktanforderungen zugeschnittener Ausprägungen zu erhalten. Dies zeigt, dass Prozessharmonisierung nur mit konkretem Auftrag, für genau definierte Betrachtungsräume und mit klarer Zielsetzung funktioniert. Eine „globale Harmonisierungswelle“ ist in den Augen der Verfasser weder sinnvoll noch leistbar. Erfahrungen aus verschiedenen Veränderungs- und Restrukturierungsprojekten haben auch gezeigt, dass erst nach sorgfältigen Analyse und maßvoller Harmonisierung mit anschließender Dokumentation ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess und damit eine andauernde Optimierung der Prozesse gestartet werden können. Eine qualitativ hochwertige Prozessdokumentation kann Veränderungsprojekte wesentlich vereinfachen und damit beschleunigen. Neben einer sinnvollen Priorisie-
BPM-Methoden und -Tools als Basis für wirtschaftliche und compliancegerechte Abläufe
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rung der zu betrachtenden Prozesse z.€ B. nach dem Pareto-Prinzip ist die frühe Einbindung aller beteiligten Stakeholder – vom Mitarbeiter im Prozess über die Arbeitnehmervertreter bis zum/r Vorstand/Geschäftsführung – unerlässlich. Sehr treffend wird das durch das in einer der Tochtergesellschaften geprägte Motto „Aus der Organisation für die Organisation“ zum Ausdruck gebracht. Dies setzt auch den sparsamen Gebrauch externer Unterstützung voraus. Das beste Beispiel für eine erfolgreiche Prozessoptimierung aus eigener Kraft und ohne den Einsatz von Berater-Heerscharen findet sich in einer der Tochtergesellschaften. Sie stand vor der großen Herausforderung, aufgrund der Alterstruktur der Belegschaft in Teilbereichen über 20€% der Mitarbeiter innerhalb von zwei Jahren zu verlieren. Die konsequente Verbesserung von Prozessen gemeinsam mit „dem Mann an der Maschine“ hat wesentlich dazu beigetragen, den Geschäftsbetrieb bei konstanter Aufgabenlast mit deutlich weniger Mitarbeiten aufrecht zu halten. Das Projekt wäre sicherlich nur halb so erfolgreich gewesen, hätte man versucht vergleichbare Ergebnisse unter Einsatz externer Berater oder Mitarbeiter aus zentralen Stabsabteilungen zu erreichen. Die Beschränkung der Zentrale auf ein schlankes „Center of Expertise“, das sich auf dezentrale Multiplikatoren stützt, hat sich hierbei sehr bewährt. „Aus Sicht des Prozessmanagers sollte man die „Organisation“ weniger als Organigramm, sondern mehr als eine große Prozessanlage sehen, die Energie umwandelt. Große Prozessanlagen enthalten eine Reihe aufeinander abgestimmter Regelkreise. Die Leistung des Systems wird letztendlich davon bestimmt, wie die Regelkreise ineinandergreifen. Systeminnovation oder Architekturwandel verändern die Logik der Anlage mit dem Ziel, die Leistung um Quantensprünge zu erhöhen“ (Frantz 1990). Diese nicht unbedingt neuen Erkenntnisse sind aus der Produktion abgeleitet, lassen sich aber sehr erfolgreich auf die gesamte Organisation übertragen und sind unseres Erachtens nach heute aktueller denn je.
Literatur Unternehmensbericht (2009) E.ON AG, Düsseldorf, April 2010. www.eon.com Frantz JR (1990) BCG-Perspektiven, Zeitwettbewerb, Lieferanten und Kunden wettbewerbsfähiger machen. Perspektiven 93
Erhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und prozessbasierte Benutzerdokumentation in der INTERPANE Gruppe Franziska Goderski und Benedict Groppe
Zusammenfassung╇ Die INTERPANE Gruppe setzt auf BPM, um laufend steigenden Anforderungen an interne Schnittstellen und Geschäftsprozesse gerecht zu werden. Ein systematisches BPM umfasst die Phasen „Klassifikation und Visualisierung“, „Analyse“ und „Optimierung“. Erfolgsfaktoren sind dabei Prozesskennzahlen und die Verbesserung der analysierten und standardisierten Prozesse mithilfe von Optimierung und ggf. Automatisierung. Schlüsselwörter╇ Business Process Management • Prozessteam • Offline-Aufnahme • Online-Aufnahme • Prozesskontext • Prozesssteckbrief • Prozessgrenzen • Prozessablauf • Kennzahlen • Swimlane-Methode • Analyse • Prozessabweichungen • ProÂ�zessbenchmarks • Prozessziele • Verbesserungspotenzial • Optimierung • AutoÂ� matisierung • Workflow • Prozessperformance • Aufnahmephase • Analysephase • Optimierungsphase
1â•…„Lebende Prozesse schaffen“ – Einführung von BPM bei der INTERPANE Glas Industrie AG Die INTERPANE Gruppe zählt als mittelständisches Unternehmen mit einem Jahresumsatz von ca. 250€Mio.€€1 zu den bedeutenden europäischen Glasherstellern. 1╇
Stand 2008
Franziska Goderski: Leiterin Prozessmanagement Sparte Glasveredelung bei der INTERPANE Glas Industrie AG, Lauenförde Benedict Groppe: Prozessmanagement und Workflow-Entwicklung bei der INTERPANE Glasbeschichtungsgesellschaft mbH, Lauenförde F. Goderski () Lauenförde, Deutschland E-Mail:
[email protected] B. Groppe Lauenförde, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_4, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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F. Goderski und B. Groppe
In den Geschäftsfeldern Floatglasherstellung, Glasbeschichtung, Sicherheitsglasherstellung, Isolierglasherstellung, Gläser für die Solarindustrie sowie Maschinenbau, Entwicklung und Beratung ist die Unternehmensgruppe langjährig erfolgreich am internationalen Markt vertreten. Die Unternehmensgründung fand im Jahr 1971 durch Georg F. Hesselbach am Standort Lauenförde im Weserbergland statt. Seit 1986 werden die Unternehmen der INTERPANE Gruppe als juristisch selbstständige Gesellschaften unter einer zentralen Holding, der INTERPANE Glas Industrie AG, geführt. Heute setzt sich die Gruppe mit ca. 1.100 Mitarbeitern aus 13 produzierenden Werken an europaweit 11 Standorten und einem eigenen Entwicklungs- und Beratungsunternehmen am Stammsitz Lauenförde zusammen. 2010 gewann die INTERPANE Glas Industrie AG den „Process Solution Award“ für das BPM-Projekt. In der Unternehmensgruppe wird seit 2005 ein zentrales zertifiziertes integriertes Managementsystem (IMS) aufgebaut. Vorher existierte bereits rund 10€Jahre ein papiergestütztes QM-System, das zum Großteil aus Texten zur Dokumentation der Prozesse und verschiedener Tätigkeiten in den einzelnen Abteilungen bestand. Die Pflege und kontinuierliche Verbesserung fand dezentral in den jeweiligen Gesellschaften statt. Hierdurch entstand im Laufe der Jahre eine heterogene Systemlandschaft mit den unterschiedlichsten Ansätzen. Bedingt durch erforderliche Anpassungen der Konzernstruktur an die Marktsituation erhöhten sich auch die Anforderungen an einwandfreie Schnittstellen zwischen Unternehmen der INTERPANE Gruppe und ihren Prozessen. Business Process Management (BPM) bei INTERPANE verfolgt folgende Ziele und Anforderungen: 1. Stärkung der Konzernstrukturen durch Optimierung der unternehmensübergreifenden Schnittstellen, 2. Digitalisierung des IMS und damit verbundene Zentralisierung der Prozesslandschaft (Reduktion von Pflegeaufwand), 3. Senkung der Prozesskosten durch Optimierung von Abläufen (Benchmarking der INTERPANE Unternehmen), 4. Steigerung der Kundenzufriedenheit durch Verkürzung der Reaktionszeiten, 5. Effizienzsteigerung durch Kommunikation und Schulung von optimierten Abläufen, 6. Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit durch Einbringung von Verbesserungsvorschlägen und reibungsarmen betrieblichen Abläufen. BPM ist für INTERPANE kein normales Projekt, sondern eine Methodik bzw. ein kontinuierlicher Prozess zur Optimierung der Geschäftsprozesse. Zielgruppe des BPM sind die Mitarbeiter, auf die Navigation und Aufteilung, also die Rahmenbedingungen, ausgelegt sind. Je besser die Rahmenbedingungen und die Struktur gestaltet sind, desto effektiver und effizienter sind anschließende Optimierung und Automatisierung. Die Konzentration liegt bei INTERPANE auf den Kernprozessen, wobei die Abbildung der Prozesse über die verschiedenen Geschäftsfelder, Organisationseinheiten und Abteilungen hinweg erfolgt (s. Abb.€1, Prozesslandkarte INTERPANE Gruppe).
Erhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und prozessbasierte
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0000083309 BPM INTERPANE Gruppe Managementprozesse
E0 E1 Ziel- und Strategiebildung
E1 Kundenorientierung
E1 Kontinuierliche Verbesserung
E0
E1 Ressourcenplanung
E1 Kommunikation
E1 Reklamationsmanagement
E1 Controlling
Wertschöpfungskette
Marktbearbeitung/ Marktanalyse
Markteinführung
Produktentwicklung
Verfahrensentwicklung, -optimierung und -einführung
Maschinenbauprozesse
Anpassungsentwicklung
Floatglasherstellung
Sicherheitsglasherstellung
Akquisition Auftragsplanung
Verpackung und Versand
Beschichtung
Rechnungsstellung und -verfolgung
Isolierglasherstellung
Lager
Kundendienst
E0 E1 IT-Entwicklung -Betreuung
Unterstützende Prozesse E1 Beschaffung und Bereitstellung
E1 Archivierung
E1 Organisation Qualität
E1 Organisation Umwelt
E1 Organisation Arbeitssicherheit
E1 Instandhaltung
Abb. 1↜渀 Prozesslandkarte der INTERPANE Gruppe
1.1â•…Warum lohnt es sich für INTERPANE Prozesse zu analysieren? Prozesse zu analysieren bedeutet die systematische Zerlegung von Prozessen in ihre Einzelschritte und deren Untersuchung auf Schwachstellen und Verbesserungspotenziale. Vorteile der Analyse sind: • • • • •
Einsparpotenziale werden aufgezeigt, Reduktion nicht wertschöpfender Prozesse, optimierter Ressourceneinsatz, konkrete Prozessverbesserungsvorschläge, Strukturoptimierung.
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1.2â•…Warum lohnt es sich für INTERPANE Prozesse zu standardisieren? Prozesse zu standardisieren bedeutet, dass Abläufe und Ergebnisse vereinheitlicht werden. Vorteile der Standardisierung sind: • Einigkeit zwischen internen Kunden und Lieferanten über die zu liefernden Prozessergebnisse, • verbindliche Festlegung, wie Prozesse durchzuführen sind, • größere Handlungssicherheit für die Mitarbeiter, • neuen Mitarbeitern wird die Einarbeitung durch „Spielregeln“ erleichtert, • Absicherung des betrieblichen Know-hows, • einheitliches Erscheinungsbild gegenüber externen Kunden und Lieferanten.
1.3â•…Hauptschritte des BPM bei INTERPANE Um ein lebendiges homogenes System zu schaffen, führt INTERPANE folgende Hauptschritte im Business Process Management durch:
Optimierungsphase
Case Management Analysephase Automatisierung Workflow
Aufnahmephase Gestaltung
IMS
Visualisierung
Modellie- Analyse rung
Start BPM
Abb. 2↜渀 Nutzen des BPM. (Quelle: INTERPANE)
Erhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und prozessbasierte
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1. Klassifizierung und Visualisierung des Geschäftsprozesses, 2. Analyse des Geschäftsprozesses, 3. Optimierung des Geschäftsprozesses (s. Abb.€2, Nutzen des BPM). Die Wertschöpfung beruht auf den Prozessen!
2â•…Klassifizierung und Visualisierung des Geschäftsprozesses 2.1â•…Das Prozessteam Zur Unterstützung der Prozessaufnahme hinsichtlich der Visualisierung und der prozessorientierten Benutzerdokumentation nutzt INTERPANE die Software AENEIS der Firma intellior AG. Für die übergreifende Kommunikation von Prozessen wurde bei dem Projekt die BPMN2 gewählt, die von dem ausgewählten Tool vollständig unterstützt wird. Am Anfang jeder Prozessaufnahme steht die Bildung eines geeigneten Prozessteams, bestehend aus: 1. Pflicht: Prozessbetreuer (Funktion: fachlich prozessorientierte Moderation) Hauptnutzer/Durchführende, 2. Kür: Prozesseigner (Funktion: inhaltliche Moderation und Prozessverantwortung) Hauptnutzer/Durchführende nachgelagerter Prozesse. Hinweis:╇ Sind die Hauptnutzer/Durchführenden vor-/nachgelagerter Prozesse nicht bekannt bzw. nicht verfügbar, werden zeitintensive Review- und Freigabeschleifen erforderlich! Es hat sich herausgestellt, dass im Anfangsstadium der Prozessaufnahme eine hohe Mitarbeiterbeteiligung unverzichtbar ist, um die Akzeptanz des Prozesses durch die eigene Mitwirkung zu schaffen und die Prozesse zutreffend zu beschreiben. Oft werden in ersten Workshops bereits kleinere Schnittstellenprobleme bzw. Prozessschwachstellen aufgedeckt und Lösungen erbracht. Auch hier gilt: Ein höherer Ressourceneinsatz bei der Prozessaufnahme spart zeitintensive Prozessreviews.
2╇ Die Business Process Modeling Notation (BPMN) ist eine grafische Schreibweise, um Geschäftsprozesse zu beschreiben und darzustellen. Sie wurde in der Version 1.0 bereits im Mai 2004 verabschiedet und gilt mittlerweile als internationaler Standard.
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2.2â•…Die Prozessaufnahme Es wird bei der Prozessaufnahme zwischen der Offline- und der Online-Aufnahme in den Workshops unterschieden. Medien dieser Verfahren sind: 1. Offline-Aufnahme: papiergestützte Aufnahme der Prozesse mit klassischen Mitteln, wie z.€B. Flipchart, Kartonkarten oder Haftnotizen in verschiedenen Farben, und Digitalkamera zur Dokumentation der Workshopergebnisse, 2. Online-Aufnahme: Aufnahme mit elektronischen Medien, wie z.€ B. einer geeigneten Modellierungssoftware (INTERPANE hat sich für AENEIS entschieden) mit Beamer. Hinweis:╇ Handelt es sich um die Erstaufnahme eines Prozesses oder um ein unerfahrenes Prozessteam, empfiehlt sich generell die Offline-Aufnahme! Bei der Offline-Aufnahme liegt der Fokus auf der Mobilisierung der Beteiligten durch die Verwendung analoger Medien und Lenkung der Aufmerksamkeit auf dem Inhalt. Bei der Online-Aufnahme wird häufig durch die Modellierung mit der Software abgelenkt. Stehen das Prozessteam und das Verfahren, wird der Prozesskontext hergestellt und das gemeinsame Verständnis geschaffen. Anhand eines Brainstormings werden die Aufgaben bzw. Prozesse einer Prozessgruppe erarbeitet. Diese Sammlung wird zu geeigneten Prozessen gruppiert und in zusammenhängende Reihenfolge gebracht. Anschließend wird der Prozess in die bestehende Prozesslandkarte eingeordnet (s. Abb.€3, Prozesslandkarte der Prozessgruppe „Beschaffung und Bereitstellung“). Anschließend erfolgt die Beschreibung des Prozesses mithilfe eines Prozesssteckbriefes. Im ersten Schritt werden die Prozessgrenzen definiert, indem sich das Prozessteam auf ein eindeutiges Prozessziel einigt und Start und Ende des Prozesses festlegt. Hinweis:╇ Das Ende eines Prozesses ist der Start eines neuen Prozesses! Ein Prozess kann mehrere Start- und Endereignisse umfassen. „Gelingt es nicht, Start- und Endereignisse zu bestimmen, handelt es sich bei der betrieblichen Tätigkeit nicht um einen Prozess“ (Allweyer 2005, S.€57). Der Start löst den Prozess aus, indem z.€B. • • • •
etwas geschieht, ein vorangegangener Prozess abgeschlossen worden ist, ein bestimmter Zeitpunkt eingetreten ist oder eine Entscheidung getroffen wird (vgl. bspw. Wilhelm 2007).
Anschließend wird eine vollständige Liste darüber erstellt, was welcher Prozess liefert (↜Input) und was an welchen Prozess abgegeben wird (Output↜) (s. Abb. 4, Auszug „Prozesssteckbriefâ•›“ hier: Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“; Ziel, Abgrenzung).
Erhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und prozessbasierte
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0000083309 BPM INTERPANE Gruppe E0
Managementprozesse
E1 Ziel- und Strategiebildung
E1 E1 Kundenorientierung
E1 Kontinuierliche Verbesserung
E0
E1 Ressourcenplanung
E1 Kommunikation
E1 Reklamationsmanagement
E1 Controlling
Wertschöpfungskette
Marktbearbeitung/ Marktanalyse
Markteinführung
Produktentwicklung
Verfahrensentwicklung, -optimierung und -einführung
Maschinenbauprozesse
Anpassungsentwicklung
Floatglasherstellung
Sicherheitsglasherstellung
Akquisition Auftragsplanung
Rechnungsstellung und -verfolgung Verpackung und Versand
Beschichtung
Isolierglasherstellung
Lager
Kundendienst
E0 E1 IT -Entwicklung -Betreuung
Unterstützende Prozesse E1 Beschaffung und Bereitstellung
Beschaffungsbedarf ermitteln
E1 Archivierung
Lieferanten auswählen
E1 Organisation Qualität
Bestellvorgang durchführen
E1 Organisation Umwelt
E1 Organisation Arbeitssicherheit
Ware geht ein
E1 Instandhaltung
Eingangsrechnung bearbeiten
Abb. 3↜渀 Prozesslandkarte der Prozessgruppe „Beschaffung und Bereitstellung“
Hinweis:╇ Fehlt im Input des Prozesses etwas, verbirgt sich hier eine potenzielle Fehlerquelle, wohingegen zuviel Output häufig auf Ressourcenverschwendung hindeutet. Es hat sich gezeigt: Je besser verstanden und formuliert die Erwartungshaltungen der (Prozess-)Kunden an die (Prozess-)Zulieferer sind, desto effektiver und effizienter verläuft der Prozess. Der In-/Output beinhaltet die Ressourcen,
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Prozessbeschreibung: (Ziel und Zweck, Abgrenzung)
Den Beschaffungsbedarf unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen ermitteln Beginn: Bedarfsmeldung des werksinternen Kunden geht ein Ende: Beschaffungsbedarf ist ermittelt und spezifiziert
Prozesseigner: Wer führt oder leitet den Prozess, wer ist für die Steuerung verantwortlich? (rollenbasiert!)
Max Muster
Abb. 4↜渀 Auszug Formular „Prozesssteckbrief“. Am Beispiel: Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“; Ziel, Abgrenzung
Input: Ressourcen, Finanzen, Material, Maschinen, Dokumente
Output: Ergebnisse
Personal, Bedarfsmeldung, IT, Kommunikationsmedien, Liefertermin, Lagerplatz, Spezifikationen, Lagerbestand, zukünftige Lagerbewegung, Lagerkenngrößen, Liste lagerführiger Produkte Beschaffungszeitpunkt, Beschaffungsbedarf, zukünftige Lagerbewegung
Abb. 5↜渀 Auszug Formular „Prozesssteckbrief“. Am Beispiel: Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“; Input/Output
Finanzen, Maschinen, Material, Dokumente etc. (s. Abb. 5, Auszug „Prozesssteckbriefâ•›“). Im nächsten Schritt wird der Prozessablauf beschrieben. Zwischen Input und Output liegen Aufgaben, die den Anfangszustand in die Ergebnisse überführen. Diese werden linear oder auch geschachtelt in eine logische Reihenfolge gebracht. Informationen wie z.€B. benötigte Dokumente oder Programme werden hier miterfasst. Hinweis:╇ Ein Prozess sollte maximal 12 Aufgaben beinhalten! Auch hier ist die Pinnwandmethode, also das vorerst unstrukturierte Sammeln und anschließendes Konsolidieren der Aktivitäten, eine ideale Wahl. Redundanzen werden eliminiert und die verbleibenden Aktivitäten in Reihenfolge gebracht. Hinweis:╇ „Nicht wertschöpfende Aktivitäten“ müssen identifiziert und eliminiert werden! Sie leisten keinen Beitrag zur Erreichung der Prozessziele und generieren nicht weiter verwendeten Output, der keine (Prozess-)Kunden hat (Beispiel in Abb. 6, Prozess „Beschaffungsbedarf ermittelnâ•›“).
2.3â•…Prozesse bewerten Um den aufgenommenen Prozess bewerten zu können, werden Kennzahlen erarbeitet.
Erhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und prozessbasierte 2
1
5
3
Bedarfsmeldung annehmen Bedarfsmeldung des werksinternen Kunden geht ein
Nein
Bedarfsmeldung spezifizieren
Muß weiter spezifiziert werden?
99
6
7
Lagerbestand/ Ressourcen prüfen
Ja Beschaffen?
4 Ja
Beim Bedarfsmelder rückfragen
Nein
Abb. 6↜渀 Auszug Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“
Die Wirksamkeit eines Prozesses, also seine Effektivität, wird durch folgende Formel ermittelt: Kennzahl(K) =
(nicht erfüllte oder erfüllte Forderung) (Gesamtforderungsumfang)
Hierzu werden vorerst die Forderungen ermittelt und es wird definiert, wodurch diese bewertbar sind (s. Abb. 7, Auszug Formular „Ermittlungshilfe Prozesskennzahlen“; Wirksamkeit). Die Effizienz eines Prozesses, also seine Wirtschaftlichkeit, wird durch nachstehende Formel bewiesen: Kennzahl(K) =
Prozess
(Bewertungskriterium des Aufwandes) (Aufwandstreiber)
Forderung
Bewertbar durch:
Kennzahl K=
Anzahl Auftragsänderungen Beschaffungsbedart genau Anzahl Reklamationen vom ermittelt Bedarfsmelder
Beschaffungsbedarf Beschaffungsbedarf genau Anzahl Rückfragen ermitteln spezifiert
Bedarf erfüllt vom Lager
K=
K=
(nicht erfüllte o. erfüllte Forderung) (Gesamtforderungsumfang)
(Anzahl Rekl. v. Bedarfsmelder) (Anzahl Gesamtbedarfsmeldungen)
(Anzahl Rückfragen) (Anzahl Gesamtbedarfsmeldungen)
(Anzahl Rekl. d. falsche Lagerhaltung) Anzahl Reklamationen durch K = (Anzahl erfüllter Bedarfsmeldungen falsche Lagerhaltung durch das Lager)
Abb. 7↜渀 Auszug Formular „Ermittlungshilfe Prozesskennzahlen“. Am Beispiel: Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“; Wirksamkeit
100
F. Goderski und B. Groppe
Prozess
Aufwand Bewertungskriterium (Ressource)
Kennzahl Aufwandstreiber
K=
Bearbeitungszeit
Personal
Kopfzahl
K=
Anzahl Bedarfsmeldungen
K=
Lohnkosten
K=
Lagerkosten
K=
(Bewertungskriterium) (Aufwandtreiber) (Bearbeitungszeit) (Anzahl Bedarfsmeldungen)
(Kopfzahl) (Anzahl Bedarfsmeldungen)
(Lohnkosten) (Anzahl Bedarfsmeldungen)
Material Werkzeug Beschaffungsbedarf Prüfmittel ermitteln (Lagerkosten) (Einkaufsvolumen)
Einkaufsvolumen
Gebäude Durchschnittlicher Lagerbestand
K=
(Durchschnittlicher Lagerbestand) (Einkaufsvolumen)
Maschine Entsorgung
IT
Verfügbarkeit
Anzahl IT-Störungen
K=
(Verfügbarkeit) (Anzahl IT-Störungen)
Versorgung
Abb. 8↜渀 Auszug Formular „Ermittlungshilfe Prozesskennzahlen“. Am Beispiel: Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“; Effizienz
Die möglichen Bewertungskriterien für die verwendeten Ressourcen werden also definiert. Im Anschluss wird der Aufwandstreiber festgehalten und hieraus die Kennzahl bestimmt (s. Abb. 8, Auszug Formular „Ermittlungshilfe Prozesskennzahlen“; Effizienz). Hinweis:╇ Man benötigt mindestens eine messbare Kennzahl für die Wirksamkeit und eine für die Effizienz pro Prozess, die mit dem Soll-Wert im Prozesssteckbrief festgehalten wird (s. Abb. 9, Auszug aus „Prozesssteckbrief“, Prozesskennzahlen). Die Bewertung des Inputs wird aus den Störgrößen des Prozesses abgeleitet. Hier wird erfasst, was das Erreichen des Prozessziels verhindern kann und wie man diese Größen bewertet und misst. Ist der Input nicht korrekt, kann der Prozess nicht zum Ziel führen. Beispiele für Störgrößen im Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“ sind z.€B.:
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Prozesskennzahl:
Wirksamkeit:
Soll:
Womit wird Wirksamkeit und Effizienz bewertet? Mind. 1 pro Kennzahl
(Anzahl Rekl. v. Bedarfsmelder) K= (Anzahl Gesamtbedarfsmeldungen)
0,002
Effizienz: K=
(Kopfzahl) (Anzahl Bedarfsmeldungen)
0,001
Abb. 9↜渀 Auszug Formular „Prozesssteckbrief“. Am Beispiel: Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“; Prozesskennzahlen
• • • •
falscher Lagerbestand, falsch ermittelter Gesamtbedarf, nicht vollständig ausgefüllte Bedarfsmeldung, ungenaue Spezifizierung des Bedarfsmelders.
Hinweis:╇ Der Input ist in der Regel das Ergebnis eines vorgelagerten Prozesses. Also bildet das Bewertungskriterium des Inputs einerseits ab, inwiefern das Prozessziel des vorgelagerten Prozesses fehlerfrei erreicht wurde. Andererseits gibt es Auskunft über den reibungslosen Start des aufgenommenen Prozesses (s. Abb. 10, Auszug aus „Prozesssteckbrief“, Bewertungskriterium Input). Für die Festlegung der Verantwortungen wurde die Swimlane-Methode als Prozessgrafik gewählt, die den Mitarbeitern in der Regel einen Ablauf liefert, der folgende Fragen übersichtlich und verständlich beantwortet (vgl. Swimlane Info 2010): • Wo befindet sich seine Rolle im Unternehmen? (Welche Tätigkeiten übt ein Mitarbeiter im Rahmen seiner Rolle aus?) • Auf welche Prozesse, Aktivitäten und Entscheidungen hat diese Rolle Einfluss? • Wie ist die Reihenfolge der Prozesse und Tätigkeiten? • Welche Input-/Output-Informationen und -Schnittstellen betreffen die Rolle des Mitarbeiters? Input:
Ressourcen, Finanzen, Material, Maschinen, Dokumente
Bewertungskriterien für den Input:
Personal, Bedarfsmeldung, IT, Kommunikationsmedien, Liefertermin, Lagerplatz, Spezifikation, Lagerbestand, zukünftige Lagerbewegung, Lagerkenngrößen, Liste lagerführiger Produkte Soll: 1. Genauigkeit Bestand
Bezogen anf die Ziele 2. Anzahl nicht vollständiger Bedarfsmeldungen
Messverfahren:
> 95% =0
Zu 1. Check (System gegen Inventur) Zu 2. Strichlisten, Tabellen
Abb. 10↜渀 Auszug Formular „Prozesssteckbrief“. Am Beispiel: Prozess „Beschaffungsbedarf ermitteln“; Bewertungskriterium Input
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5
3 Reklamation annehmen
4
Art der Erfassung festlegen
über ALCIB
Neue Reklamation öffnen vorhandene Reklamation in der Verwaltung
12 Reklamation in die Verwaltung übernehmen
10 Ersatzauftrag im ALCIB anlegen
ALCIB (ERP)
xpert.ivy
Verkauf Innendienst
neu über Verwaltung
11 Ersatzauftrag wird gespeichert
Abb. 11↜渀 Swimlane des Prozesses „Kundenreklamation bearbeiten“
Ein besonderer Vorteil dieser Modellierungsart liegt bei der Abbildung abteilungsund bereichsübergreifender Prozesse durch die klare Zuordnung der Zuständigkeiten (s. Abb. 11, Zuständigkeiten dargestellt mit Swimlanes). Die Prozessaufnahme und somit die Klassifizierung und Visualisierung des Prozesses sind nun abgeschlossen. Das Ergebnis der Prozessaufnahme ist erst einmal fraglich! Handelt es sich um „gefühlte“ oder „tatsächliche“ Abläufe im Unternehmen? Dies führt in einen kontinuierlichen Regelkreis.
3â•…Analyse des Geschäftsprozesses Der Sinn der Analyse der Prozesse besteht darin, Prozessstörgrößen zu finden und zu prüfen, ob die aufgenommenen Prozesse den tatsächlichen Abläufen im Unternehmen entsprechen. Die größte Herausforderung für die betrieblichen Prozesse ergibt sich daraus, dass die Unternehmen einem starken Änderungsdruck ausgesetzt sind. Die Marktgegebenheiten, das Konkurrenzumfeld, die technischen Möglichkeiten ändern sich schnell und teilweise in unvorhergesehener Weise. Daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob die Unternehmensstrategie noch stimmt und welche Konsequenzen sich aus einer ggf. geänderten Unternehmensstrategie für die Prozesse ergeben. (Wilhelm 2007, S.€84)
Erhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und prozessbasierte
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Es ist möglich, dass im Zuge der Analyse verschiedene Prozessabweichungen zutage treten, die bei der Aufnahme noch unklar waren, oder aber sich das Unternehmensumfeld oder die Zielsetzung geändert haben und deshalb der Prozess anzupassen ist. Solche Abweichungen könnten z.€B. darin bestehen, dass • Ereignisse, die in einem Prozess beschrieben sind, nicht eintreten oder diese fehlerhaft sind, • ganze Aktivitäten in dem aufgenommenen Prozess umgangen bzw. ausgelassen werden, • Hilfsmittel wie z.€B. Checklisten oder Datenbestände nicht genutzt werden, • Daten nicht wie vorgesehen erfasst werden, • die einzusetzende Software nicht genutzt wird usw. (vgl. bspw. Wilhelm 2007, S.€76) Die gefundenen Abweichungen im Prozess sind genauer auf ihre Ursache hin zu untersuchen, da es verschiedenste Erklärungen hierfür geben kann. Zum einen kann es darauf hindeuten, dass Vorgaben der Prozesse zwar einen Sinn haben, diese von den Mitarbeitern jedoch nicht verstanden oder eingehalten worden sind. Auch kann es passieren, dass die Mitarbeiter nicht die nötigen Ressourcen, wie z.€B. materielle Mittel, Zeit oder Qualifikation zur Verfügung haben. In diesem Fall gilt es, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen und die Umsetzung des Prozesses somit zu verbessern. Zum anderen kann die festgestellte Abweichung jedoch zeigen, dass die Prozessvorgaben keinen Zweck erfüllen (z.€B. ungünstige Reihenfolge der Aktivitäten oder unbrauchbare Hilfsmittel). Tritt dies ein, so muss der Prozess im Prozessteam überarbeitet und entsprechend angepasst und geschult werden. Um die Analyse im Konzernumfeld, wie es bei der INTERPANE Gruppe der Fall ist, durchzuführen, zeigt sich die Methode des Prozessbenchmarks als sehr hilfreich und zuverlässig bei der Prozessstandardisierung. Die Prozesse der jeweiligen Unternehmen werden miteinander verglichen und Unterschiede sichtbar. In Workshops werden die potenziellen Störgrößen, Erfahrungen und Auswertungen der Kennzahlen von den Mitarbeitern untersucht und aufgezeigt. Diese Ergebnisse werden zwischen den Unternehmen kommuniziert. Anschließend analysiert man die Unterschiede auf ihren Nutzen, um die optimale Lösung zu finden, die dann als Grundlage für die Standardisierung gilt. In der Analyse müssen die Prozessziele quantitativ und qualitativ so verfeinert werden, dass innerhalb der Wertschöpfungskette ein Mehrwert für Kunden und das Unternehmen entsteht. Die Kommunikation der Prozessziele ist äußerst wichtig. Für die Dokumentation und Publikation sollte ein elektronisches Medium dienen, in welchem die Prozesssteckbriefe mit den Abläufen vorzufinden sind. Dieses Medium ist hilfreich, da ein minimaler Pflegeaufwand besteht und die Informationen einheitlich an alle Beteiligten gelangen. Durch die frühe Einbindung der Mitarbeiter, sowohl bei der Prozessaufnahme als auch bei der Prozessanalyse, ist von Anfang an eine sehr hohe Akzeptanz gegeben.
104
F. Goderski und B. Groppe
Hierdurch ist konstant ein positives und konstruktives Feedback und somit auch Verbesserungspotenzial vorhanden. Analysierte und standardisierte Prozesse sind Voraussetzung für die Automatisierung und somit die Optimierung der Prozesse!
4â•…Optimierung des Geschäftsprozesses Nach Abschluss der Analyse wird der ausgearbeitete Geschäftsprozess nun auf Abläufe geprüft, die sich zur weiteren Optimierung und ggf. Automatisierung anbieten. Als besonders geeignet bieten sich hier lineare- bzw. Routineabläufe. Zusätzlich sollte geprüft werden, ob die Verteilung der Arbeitslast im Prozessablauf ausgewogen ist und ob im Verlauf des Geschäftsprozesses auf Einzelfälle oder Ausnahmeregelungen zurückgegriffen wird. Solche nicht routinemäßigen Abläufe bieten prinzipiell nur sehr wenig Spielraum für Optimierungen und Automatismen. Sind alle für eine weitere Optimierung geeigneten Bereiche identifiziert, muss abgewogen werden, ob durch eine Automatisierung an dieser Stelle ein Mehrwert entstehen würde. Automatisierte Prozesse steigern erheblich die Produktivität, da Medienbrüche vermieden und die Mitarbeiter im Arbeitsablauf unterstützt werden. Ein weiterer positiver Effekt ist das bessere Zusammenspiel einzelner Abteilungen und Werke, da sich so Abläufe steuern, überwachen und anpassen lassen. Zur Automatisierung der Prozesse verwendet INTERPANE die Software xpert. ivy der Firma Soreco AG, da durch den Einsatz von RIA3 gegenüber herkömmlichen auf HTML basierenden Workflow-Lösungen ein Vorteil für die Anwender und das Unternehmen bzw. den Konzern gegeben ist. So wird zum Beispiel den Usern durch die RIA Oberflächen die gewohnte Optik einer Desktopanwendung zur Verfügung gestellt und ein einfacheres und schnelleres Handling ermöglicht. Zusätzlich existiert eine Schnittstelle zu dem verwendeten Modellierungstool AENEIS. In den somit geschaffenen Applikationen zur Workflow-Abwicklung sind diverse Steuermechanismen enthalten, wodurch sich beispielsweise die automatische Eskalation von bestimmten Vorgängen realisieren oder ein Aufgabenkorb für die jeweiligen Nutzer schaffen lässt. Durch ein hohes Maß an Automatisierung reduziert sich auch die Anzahl der Fehler in den entsprechenden Prozessen. Durch den von xpert.ivy für alle Applikationen bereitgestellten Zugang zu sämtlichen Datenbanken der jeweiligen Hauptanwendung (ERP, CRM, Produktionssysteme etc.) können alle Workflow-Applikationen auf alle Informationen der anderen Systeme zugreifen. Diese werden zentralisiert und gefiltert zur Verfügung gestellt. 3╇
Rich Internet Applications – „Echte“ Desktopapplikationen über JAVA-Webstart.
Erhöhte Produktivität durch automatisierte Prozesse und prozessbasierte
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Ein weiterer Vorteil besteht in der Einrichtung eines zentralen Cockpits zur Überwachung der Prozessperformance in Echtzeit. Geänderte Anforderungen an den Workflow lassen sich zeitnah umsetzen und stehen dank moderner Webtechnik sofort jedem Nutzer zur Verfügung. Zur technischen Umsetzung spezieller Anforderungen steht JAVA mit seinem gesammelten SDK4 zur Verfügung. Damit steht auch der Umsetzung komplexerer Problemlösungen nichts im Wege. Das Ergebnis der Optimierung ist ein Schlüssel zu effektiven und effizienten Prozessen!
5â•…Wirtschaftlichkeit und Erfolge von BPM In der Aufnahmephase ist der Ressourcenaufwand sehr hoch und der direkte Nutzen relativ gering. Hier müssen zuerst die Gegebenheiten visualisiert und modelliert werden, um im weiteren Vorgehen die modellierten Prozesse genauer analysieren zu können. Im Weiteren werden Schwachstellen und Probleme im Prozessablauf während der Analysephase aufgedeckt und der Prozess neu gestaltet bzw. angepasst. Hier nähern sich Kosten und erzielter Nutzen bereits einander. In der Optimierungsphase ist der Nutzen nun erstmals höher als die Kosten, da gezielt Arbeitsabläufe optimiert werden können (s. Abb. 12, Kosten- Nutzen Diagramm des BPM). Durch verbesserten Informationsfluss und verbesserte Koordinierung der einzelnen Verarbeitungsschritte in verschiedenen Unternehmen und Abteilungen und faktisch allen bestehenden IT-Systemen können Personalkosten und Sachkosten reduziert werden. Ebenso nimmt der geringe Wartungsaufwand bestehender Applikationen und einfache Visualisierung und Automatisierung von Prozessen (13 Unternehmen an 11 unterschiedlichen Standorten, ca. 1.100 Mitarbeiter, BPMProjektteam: 13 Mitarbeiter) Einfluss auf die Personalkosten. Prozessorientierte Führung der Mitarbeiter im Arbeitsablauf konnte die Durchlaufzeiten von z.€B. der Bearbeitung von Reklamationen im Unternehmen senken. Den Mitarbeitern stehen jederzeit die Informationen zur Verfügung, die zur Erledigung ihrer aktuellen Tätigkeit vonnöten sind. Durch die dynamische Hilfe wird eine verkürzte und optimierte Einarbeitungsphase neuer Mitarbeiter geschaffen (einmaliges Training ist absolut ausreichend). Zusätzlich schulen sich die Mitarbeiter im laufenden Betrieb durch ständig aktuelle und dynamische Benutzerführung kontinuierlich selbst weiter.
4╇ Software Development Kit (SDK) – eine Sammlung von Werkzeugen und Anwendungen, um eine Software zu erstellen, meist inklusive Dokumentation.
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F. Goderski und B. Groppe Optimierungsphase Nutzen
Case Management
Analysephase Automatisierung Workflow
Aufnahmephase
Einzelfall, Ausnahmen AdHoc Regeln
Gestaltung
Analyse
IMS Textliche Dokumentation von Tätigkeiten
Optimierung, Modellierung Simulation, Visualierung Anpassung, Schwachstellen, Veränderung
Lineare Abläufe Routineabläufe
Kosten
Potential, Status, Übersicht VerantwortlichZeichnung zur integrierte Dokumentation Dokumentation keiten, Abhängigkeiten
Abb. 12↜渀 Kosten und Nutzen des BPM. (Quelle: INTERPANE)
Die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Unternehmen der INTERPANE Gruppe wurde gefördert und die Kommunikation in Schnittstellenbereichen optimiert (durch Transparenz der Prozesse). Die Konzernstrukturen wurden durch die Zusammenführung von rechtlich eigenständigen Organisationen mithilfe von unternehmensübergreifenden standardisierten Applikationen und Prozessen gestärkt. Den ausgeprägten Vorteilen steht gleichwohl ein relevanter Aufwand gegenüber. Das Initiieren des Projektes gestaltete sich schwierig, da zuerst Akzeptanz geschaffen werden musste. BPM ist im Unternehmensumfeld noch kein geläufiger Ansatz und so müssen die Mitarbeiter erst an die Ansätze von BPM herangeführt werden. Auch sind die Kosten, die mit der Einführung von BPM im Unternehmen verbunden sind, relativ hoch und Erfolge sind nicht direkt vorhanden, sondern stellen sich erst während der Reifung der Prozesse ab der Optimierungsphase ein.
Literatur Allweyer T (2005) Geschäftsprozessmanagement – Strategie, Entwurf, Implementierung, Controlling. W3l GmbH, Herdecke Swimlane Info (2010) http://www.swimlane.info/index.htm. Zugegriffen: 25. Juni 2010 Wilhelm R (2007) Prozessorganisation. Oldenbourg, München
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform für 6 AOKs Norbert Sandau
Zusammenfassung╇ Zur Schaffung einer Basis für die operative und strategische Zusammenarbeit im Bereich der Organisationsentwicklung verschiedener AOKs wurde das Projekt „Gemeinsame Prozessplattform“ durch die AOK Brandenburg Mitte 2009 ins Leben gerufen. Ziele des Projektes waren die Schaffung eines gemeinsamen Prozessmanagement-Verständnisses und Vorgehensmodells sowie die Einführung einer kollaborativen Software-Plattform, die die gemeinsame Arbeit an Prozessmodellen über Unternehmensgrenzen hinweg ermöglicht. Im Bereich der gemeinschaftlichen Prozess- und damit Organisationsentwicklung tauschen die beteiligten AOKs unternehmensübergreifend Prozess-Know-how aus. Schlüsselwörter╇ Prozessoptimierung • Prozessmanagement • Prozessplattform • Prozesslandkarte • Prozesskennzahlen • Ressourcenoptimierung
1â•…Ausgangssituation Die AOK Brandenburg – Die Gesundheitskasse war mit mehr als 600.000 Versicherten, knapp 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Jahresetat von rund 2€Mrd.€€ die größte gesetzliche Krankenkasse in Brandenburg. Sie war wohnortnah an über 100 Orten des Landes zu erreichen und bot neben guten Leistungen auch einen hervorragenden Service. Mit der Einführung und unternehmensweiten Umsetzung der prozessbasierten Personalbedarfsberechnung als Teildisziplin des Prozessmanagements wurde schon 2004 das Thema Geschäftsprozessmanagement intensiv betrieben. Im Ergebnis Norbert Sandau: Projektleiter gemeinsame Projektplattform, AOK Nordost
N. Sandau () AOK Nordost – Die Gesundheitskasse, Organisationsentwicklung, 14456 Potsdam, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_5, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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N. Sandau
wurden sämtliche Prozesse und die damit verbundenen Personalbedarfe in einer einheitlichen Prozesslandschaft mit über 5.000 Prozessmodellen dokumentiert. Damit war die AOK Brandenburg Vorreiter in der AOK-Gemeinschaft. Am 01.01.2010 fusionierten die AOK Brandenburg und die AOK Berlin zur AOK Berlin-Brandenburg, die die größte gesetzliche Krankenkasse der Hauptstadt und des Landes Brandenburg mit mehr als 1,3€Mio. Versicherten und einem Marktanteil von knapp 28€% ist. Ihr Haushaltsvolumen liegt bei rund 4,5€Mrd.€€. Zum 01.01.2011 fusionierte die AOK Berlin-Brandenburg mit der AOK MecklenburgVorpommern zur AOK Nordost.
1.1â•…Rahmenbedingungen Der Markt der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) befindet sich im Umbruch. Gab es 2000 noch 420 Krankenkassen, so waren es in 2010 noch 163 (Abb. 1). Die AOK-Gemeinschaft als Marktführer der GKV bestand Mitte 2010 aus 14 rechtlich selbstständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Mit dem Ziel, sich am Markt zu behaupten und schnell auf Veränderungen reagieren zu können, rückt ein professionelles Prozessmanagement für jede Krankenkasse in den Fokus. Die ständige Weiterentwicklung von Gesetzen, Einführung von technischen Neuerungen und der Aspekt der Wirtschaftlichkeit machen es zwingend notwendig, schnell und flexibel zu agieren. Der gestiegene Veränderungsdruck hat auch die Reichweite des Prozessmanagements innerhalb der AOK-Gemeinschaft verändert. Bislang haben alle AOKs ihre Prozesse unabhängig voneinander erhoben, analysiert und optimiert. Diese rein in1200
1000
1152
960
800
600
642 554 482
400
200
455
420
396
355
318
283 267 254 241 221
202
163
0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Abb. 1↜渀 Anzahl der Krankenkassen von 1994 bis 2010. (Quelle: Amtliche Statistik: Stand 01.07.2010)
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform
109
Die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit in der gesetzlichen KV verstärkt sich durch sich ändernde Rahmenbedingungen. Einheitliche Plattform für den Austausch von Prozessen
Gesundheitsfonds
Personalbedarfe
- Versorgungsmanagement - Tarifentwicklung - Morbi-RSA
Austausch von Einheitliche Prozesse Personalbedarfen auf für einheitliche Systeme der Grundlage von Prozessen
IT-Lösungen
Fusionen Notwendigkeit der Vereinheitlichung von Prozessen in Fusionen
Synergien schaffen
Abb. 2↜渀 Zielsetzung und Handlungsbedarf Prozessmodellierung
terne Betrachtung entwickelt sich derzeit hin zu einer verstärkten Zusammenarbeit auf diesem Gebiet über Unternehmensgrenzen hinweg. Gerade durch die vier Treiber Gesundheitsfonds, Personalbedarfe, einheitliche IT-Systeme und Fusionen hat sich die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit in der gesetzlichen KV verstärkt (Abb. 2). Gleichzeitig sind durch den engen gesetzlichen Rahmen die Geschäftsmodelle der jeweiligen Krankenkassen vergleichbar. Diese beiden Strömungen eröffnen die Möglichkeit, durch eine engere, unternehmensübergreifende Zusammenarbeit Synergien zu nutzen, wie Abb. 2 illustriert.
1.2â•…Gesundheitsfonds Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Staat zahlen Geld in diesen Fonds ein, aus dem die Krankenkasse Geld erhält, um die Leistungen für ihre Versicherten zu zahlen. Die Krankenkasse bekommt für jeden Versicherten eine Pauschale. Zusätzlich werden Zuschläge für bestimmte Krankheiten gezahlt. Das einzige Unterscheidungsund Qualitätsmerkmal der Kassen sind die Leistungen und der Service, den sie für den Beitragssatz anbieten. Übersteigen die Kosten einer Kasse die pauschalen Zuweisungen aus dem Fonds, muss die Kasse von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben.
1.3â•…Personalbedarfsberechnung Krankenkassen dürfen als Sozialversicherungsträger Planstellen und Stellen nur ausbringen, soweit sie unter Anwendung angemessener und anerkannter Metho-
110
N. Sandau
den der Personalbedarfsermittlung begründet sind (§Â€69 Abs.€6 SGB IV). Die AOK Brandenburg hatte die prozessbasierte Personalbedarfsberechnung bereits 2004 als Teildisziplin des Prozessmanagements eingeführt und unternehmensweit umgesetzt. Sie ist damit Vorreiter in der AOK-Gemeinschaft. Im Rahmen des Prozessplattform-Projektes werden diese Methoden für andere AOKs nutzbar gemacht. Auf dieser gemeinsamen Grundlage können Prozesse quantitativ verglichen und Optimierungspotenziale identifiziert werden.
2â•…Prozessmanagement der AOK Berlin-Brandenburg Prozesse werden in der AOK Berlin-Brandenburg meist themenbezogen und umfassend aufgenommen. Ziel ist die Abbildung bzw. Darstellung der Arbeitsabläufe und die Ermittlung des Personalbedarfes. Die Auslöser für Prozessaufnahmen können vielfältig sein. Strategische Zielsetzungen, der Fokus auf ausgewählte Handlungsfelder, gesetzliche Änderungen oder die Einführung technischer Neuerungen (z.€B. Soft-/Hardware) stellen nur einige Beispiele dar, die eine Prozessaufnahme/-überprüfung bedingen. Während der Phase der Ist-Prozess-Erhebung werden auf der Basis der bestehenden Ist-Prozesse alle Prozesse vor Ort in der jeweiligen organisatorischen Einheit beim durchführenden Mitarbeiter erhoben. Bei der Erhebung/Überprüfung der Prozesse werden die einzelnen Tätigkeiten (fachliche Aktivitäten) sowie deren Reihenfolge, die dafür notwendige Bearbeitungszeit, die Prozessinfrastruktur (EDVSysteme etc.), die einlaufenden und auslaufenden Informationen, die Bearbeitungsmengen/-häufigkeiten und die Stellentypen beschrieben. Bei dieser Erhebung/ Überprüfung der Prozesse werden ebenfalls sofortige Verbesserungsvorschläge oder Optimierungspotenziale berücksichtigt und dokumentiert. Damit ergeben sich optimierte Ist-Prozesse (Abb. 3). Die Abbildung der Prozessabläufe, der Zeiten und Mengen erfolgt zentral im Bereich Organisationsentwicklung. Die so ermittelten, modellierten und dokumentierten sowie optimierten Ist-Prozesse mit den dazugehörigen oben aufgeführten Informationen bilden die Basis für das Technische Review als qualitätssichernde Maßnahme. In Abb.€4 sind die Projektphasen für die Ist-Analyse der Prozesse dargestellt. Das Technische Review ist eine KVP-Methodik zur qualitätssichernden Prüfung von Dokumenten, zu denen auch die Darstellung der Prozesse der AOK BerlinBrandenburg gehört. Es sichert als Methode die Verantwortungsübernahme für das Prüfergebnis durch die Berücksichtigung von Fachwissen aus mehreren Gebieten. Die Ziele dieses Technischen Reviews sind: • Korrektheit der Prozessabläufe, Bearbeitungszeiten und Bearbeitungsmengen/häufigkeiten,
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform
111
54015 Antrag auf Erstattung geht ein Antrag auf Vollständigkeit und Best.- Daten prüfen 0.85
1.5 SB Erstattung
0.15 Antrag liegt nicht vollständig vor
Antrag liegt vollständig vor
Telefon
2.0 erforderl. Angaben anfordern und Antrag ergänzen
SB Erstattung
Antrag liegt vollständig vor
0.5 oscare claims
Vorgang erfassen und ablegen
SB Erstattung
Vorgang ist abgelegt
Abb. 3↜渀 Beispiel-Modell Ereignisgesteuerte Prozesskette; vereinfachte Darstellung
Abb. 4↜渀 Phasen für die IstAnalyse der Prozesse
112
N. Sandau
Prozessverbesserung
Prozessbewertung
g un lan ng sp ltu es ta oz e s Pr d - g un
Prozesscontrolling
g llin g tro run n e o sc ss es rbe z o ve Pr d un
Prozessziele und -anforderungen Prozessgestaltung Prozessdokumentation
Prozessrealisierung und -monitoring
Prozessmonitoring
Prozesssteuerung
Prozessführung
Abb. 5↜渀 Prozessoptimierung als gemanagter Kreislauf
• Korrektheit der den einzelnen Funktionen eines Prozesses zugeordneten Stellentypen und • Optimierung der Prozesse in Bezug auf die Verringerung der Schnittstellen, die Verringerung der Bearbeitungszeit und die Vollständigkeit der Rollenprofile. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess bildet die Basis für das Prozessmanagement bei der AOK Berlin-Brandenburg. In regelmäßigen Abständen finden Evaluierungsrunden mit den betroffenen Fachbereichen statt, um die Erreichung der Prozessziele zu überprüfen oder etwaigen Handlungsbedarf abzuleiten. In diesem Rahmen werden die Prozesse weiter optimiert. Mittelfristiges Ziel ist es, den Prozesskreislauf für relevante Prozesse abzubilden (Abb. 5). Im Ergebnis der Evaluierungsgespräche werden Soll-Prozesse dokumentiert, was der Festlegung der Soll-Organisation und verschiedener Produkte des Organisationsbereiches wie z.€B. Stellenbeschreibungen und Organisationshandbuch dient (Abb. 6).
3â•…Das Projekt Der Schwerpunkt der bisherigen Zusammenarbeit innerhalb der AOK-Gemeinschaft waren inhaltlich-spezifische Themen. Im Fall der Organisationsentwicklung beschränkten unterschiedliche Modellierungs-Werkzeuge den Austausch von Wis-
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform Prozesse
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Stellenbeschreibungen
54015 Antrag auf
Erstattung geht ein
1.5
Antrag auf Vollständigkeit und Best.- Daten prüfen
0.85
SB Erstattung
0.15 Antrag liegt nicht vollständig vor
Antrag liegt vollständig vor
Telefon
2.0
erforderl. Angaben anfordern und Antrag ergänzen
SB Erstattung
Sollstellenplan
Antrag liegt vollständig vor
oscare claims
Vorgang erfassen und ablegen
0.5 SB Erstattung
Vorgang ist abgelegt
Abb. 6↜渀 Stellenbeschreibung und Organisationshandbuch
sen und Erfahrung in Form von Prozessmodellen und die Nutzung von Synergien durch arbeitsteilige Prozessentwicklung und -dokumentation. Das vor dem Hintergrund der beschriebenen vier Treiber Gesundheitsfonds, Personalbedarfe, einheitliche IT-Systeme und Fusionen initiierte Projekt „Gemeinsame Prozessplattform“ hatte das Ziel, eine Basis für die operative und strategische Zusammenarbeit im Bereich der Organisationsentwicklung verschiedener AOKs zu schaffen. Um die für einen kollaborativen Ansatz notwendige kritische Masse an Teilnehmern zu generieren, wurde ein Zusammenschluss von AOKs zum anlassbezogenen Austausch über organisatorische Entwicklungen, das „Netzwerk Organisation“, als Ausgangspunkt genutzt, um die Projektidee vorzustellen und Interessenten anzusprechen. Diese intensivierten dann ihren Austausch zu Rahmenbedingungen und Zielvorstellungen des Projektes. Definierte Projektziele und gleichzeitig Meilensteine waren: 1. die Gewinnung einer innovativen Kerngruppe mehrerer AOKs (Startkonstellation),
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N. Sandau
2. die Schaffung eines gemeinsamen, AOK-übergreifenden ProzessmanagementVerständnisses (Rahmenbedingungen herstellen), 3. die Implementierung einer innovativen und zukunftsorientierten SoftwareLösung, 4. die Durchführung eines Piloten, der später auch in Nutz-Betrieb gehen sollte. Die Entscheidung der jeweiligen AOK für das Umsetzen dieser Zusammenarbeit hatte neben der fachlichen eine unternehmenskulturelle Dimension. Das Interesse der Fachbeteiligten an Prozessmanagement und intensivem Erfahrungsaustausch war hoch. Da diese Zusammenarbeit aber ein Paradigmenwechsel von einer punktuellen Zusammenarbeit hin zu einem kooperativen, systematischen Ansatz darstellte, musste neben den fachlichen Entscheidungen (Projektkosten, Verantwortung, Rollenfindung, Technik) und der Umsetzung auch unternehmenspolitisch für das Projekt geworben werden. Dem Okay jeder einzelnen AOK ging somit eine intensive interne Kommunikation (Überzeugungsarbeit) voraus, wobei unternehmenskulturelle Entscheidungen wie z.€ B. Veränderungsbereitschaft, Transparenz, Kultur des Teilens und Vertrauen eine Rolle spielten. Am Ende fand sich eine Kerngruppe aus 5 AOKs zusammen, die gemeinsam 7€Mio. Krankenversicherte in Deutschland betreuen. Später kam noch eine weitere AOK hinzu. Nach der Findungsphase wurden Workshops mit den teilnehmenden AOKs veranstaltet. Ergebnisse der Workshops waren Klarheit über Ziel und Auswirkung des Projektes und Verständigung über zukünftiges Vorgehen. Gleichzeitig wurde ein gemeinsamer Anforderungskatalog definiert und das erforderliche Software-Design beschrieben (Pflichtenheft). Die Philosophie der Zusammenarbeit bestand in für alle Partner selbstverständlicher vollständiger Transparenz und regelmäßiger Kommunikation. Neben der eigentlichen Prozessmodellierung, der Pflege von Kennzahlen und der Möglichkeit eines unternehmensweiten Publishings der Prozessmodelle hatte vor allem eine integrierte Funktion für die Personalbedarfsberechnung, d.€h. auf Ba-
Informieren
Abb. 7↜渀 Vorgehensmodell
Interessieren
Findungsphase
Beteiligen
Definitionsphase
Umsetzen
Go-Life
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform
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sis der modellierten Prozesse inklusive der gepflegten Mengen, Zeiten und Wahrscheinlichkeiten den Personalbedarf berechnen zu lassen, hohe Priorität. Das AOK-Szenario erforderte eine spezielle Software-Lösung. Hier wurde der „Signavio Process Editor“ als Kern der gemeinsamen Prozessplattform ausgewählt. Ziel war es, das Produkt im Rahmen des Projektes zu erweitern und die Anforderungen bezüglich organisationsinterner und -übergreifender Kollaboration, gegenseitigen Zugriffs auf die Prozess-Repositories und Personalbedarfsplanung abzudecken. Das IT-Tool „Signavio Process Editor“ wird von der gkv informatik, dem zentralen IT-Dienstleister der beteiligten AOKs, betrieben. Die AOKs haben jedoch über das jeweilige Intranet Zugriff. Außerdem war eine Migration der bis dahin bei der AOK Brandenburg im Einsatz befindlichen ARIS-Installationen mit Tausenden von Prozessmodellen Teil des Projektes. Innerhalb von drei Monaten nach der Anforderungsdefinition an den Softwareanbieter konnte eine Produktivsetzung bei den beteiligten AOKs realisiert werden.
3.1â•…Gemeinsame Standards Mit der gemeinsamen Prozessplattform sollen die Prozesse unabhängig von der jeweiligen organisatorischen Struktur vollständig und einheitlich abgebildet und Vergleiche ermöglicht werden. Zu diesem Zweck verständigten sich die beteiligten AOKs auf einheitliche Modellierkonventionen und eine gemeinsame Prozesslandkarte, die in vier Ebenen gegliedert ist. Die vereinbarten Modellierungskonventionen erlauben individuelle Stellen- und Aktivitätsbezeichnungen etc. Jede AOK hat ihr eigenes Glossar (d.€h. eine zentrale Verwaltung von Begriffen, die eine konsistente Benennung über Diagramme hinweg ermöglicht) und einen eigenen Arbeitsbereich, der für die anderen einsehbar ist. In diesem Bereich kann, unter Beachtung der Modellierkonventionen und der Prozesslandkarte, individuell modelliert werden. Jede AOK kann in der Granularität der Prozesse variieren und – sofern es sich um noch nicht unternehmensübergreifend harmonisierte Prozesse handelt – die unternehmensinternen Prozesse abbilden. Die Prozesslandkarte stellt die Prozesse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden, dar. Die erste Ebene (HauptgeschäftsprozessGruppe) strukturiert sich in drei Kernprozess-Gruppen und die Gruppe der unterstützenden Prozesse. Die folgende Ebene (z.€B. 1.9 Pflegeversicherung) bildet die Hauptgeschäftsprozesse ab. In der dritten Ebene werden die Geschäftsprozesse dargestellt und in den unteren Ebenen (ab Ebene vier) die Teilprozesse hinterlegt (Abb. 8). Für die ersten drei Ebenen werden Wertschöpfungskettendiagramme verwendet, ab Ebene vier EPKs (Ereignisgesteuerte Prozessketten). Die EPKs sind mit den
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N. Sandau
untergliedert sich in 20 weitere Gruppen: 1.1 Krankenhausbehandlung . . .
4. Unteretützende Prozesse
3. Kernprozesse Versichertengewinnung/ Haltearbeit
1. Kernprozesse Leistungs-/ Ausgabenmanagement
2. Kernprozesse Beiträge/Einnahmenmanagement
1.9 Pflegeversicherung . . . 1.21 Platzhalter
1.9 Pflegeversicherung untergliedert sich in 5 weitere Themenschwerpunkte: 1.9.1 Grundlagen Pflegeversicherung erstellen 1.9.2 Pflegeversicherung einkaufen bzw. verhandeln 1.9.3 Pflegeversicherung - pers. Beratung 1.9.4 Antrag prüfen/genehmigen 1.9.5 Pflegeversicherung abrechnen bzw. Rechnung prüfen/anweisen
Abb. 8↜渀 Prozesslandkarte
entsprechenden Prozesskennzahlen (z.€B. Häufigkeiten, Wahrscheinlichkeiten) hinterlegt.
3.2â•…Einbindung der Prozessbeteiligten Bei der AOK-übergreifenden Arbeit an Prozessen findet jeweils im ersten Schritt ein Erfahrungsaustausch zwischen den Organisationsentwicklungsabteilungen zur Identifikation relevanter Handlungsfelder statt. In einem zweiten Schritt werden dann jeweils AOK-intern die Fachabteilungen eingebunden. Teamleiter und weitere ausgewählte Prozessbeteiligte sind hier jeweils die Ansprechpartner (Abb. 9). Gemäß des Prinzips der Offenheit und Kollaboration sind sämtliche Prozessmodelle mitsamt den hinterlegten Kennzahlen für alle Organisationsentwicklungsabteilungen der beteiligten AOKs einsehbar. Standardmäßig können jedoch Prozessmodelle anderer AOKs nicht verändert werden. Für ausgewählte Projekte besteht gemeinsamer Schreibzugriff auf Modelle. Um Schnittstellen kritisch beleuchten, Optimierungspotenziale aufdecken und ein Benchmarking ermöglichen zu können, wurde von Anfang an die Öffnung der Prozessplattform für weitere AOKs stetig vorangetrieben. Die Prozessdarstellungen inklusive der Kennzahlen „Menge“ und „Zeit“ sind für alle fünf beteiligten AOKs sichtbar und vergleichbar. Der Fokus der Zusammenarbeit liegt derzeit auf den Prozessen des Themenfeldes oscare® und den daraus resultierenden Möglichkeiten hinsichtlich eines Benchmarkings der AOKs untereinander. Das Veröffent-
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform
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Mitarbeiter Methodenexperte
Teamleiter
Prozessmodell Methodenexperte
Kunde
Abteilungsleiter
Lieferant
Abb. 9↜渀 Einbindung der Prozessbeteiligten
lichen der Prozesse ist ein weiterer Schritt, die Mitarbeiter am kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu beteiligen.
3.3â•…Change Management Für einige AOKs war mit der Einführung einer gemeinsamen Prozesslandkarte der Wechsel des Modellierungstools verbunden. Aufgrund der Formulierung des Pflichtenheftes wurde gewährleistet, dass alle notwendigen Funktionen auch im neuen Tool zu finden sind. Gleichzeitig war sichergestellt, dass vorhandene Prozesse migriert wurden. Bedienerfreundlichkeit und ein schneller Umstieg waren Bedingungen, die an das Tool gestellt wurden. Neben dem technischen Wechsel war aber auch die Verständigung auf eine neue Prozesslandkarte notwendig. Vorhandene Prozesslandkarten waren sehr stark an die Aufbauorganisation angelehnt. Der Entschluss, eine von Organisationsstrukturen unabhängige Prozesslandkarte zu installieren und dadurch mit dem Bewährten zu brechen, ergab sich auch aus den Rahmenbedingungen und strategischen Herausforderungen im Gesundheitsmarkt (z.€B. Fusionen). Jedes Mal eine neue Prozesslandkarte zu erstellen, wenn sich die Aufbauorganisation verändert, wäre nicht zielführend. Transparenz und Kommunikation waren an dieser Stelle sehr wichtig, um den Umstieg auf eine inhaltsbezogene Prozesslandkarte zu erreichen.
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4â•…Projektnutzen Das Projekt, das innerhalb von sechs Monaten umgesetzt werden konnte, bietet allen teilnehmenden AOKs die Möglichkeit einer Kollaboration auf einer einheitlichen, webbasierten Prozessmanagement-Plattform. Erstmalig stehen mehreren AOKs auf einer gemeinsamen Plattform alle Prozesse der Partner-AOKs just-intime zur Verfügung, inklusive Daten zur Personalbedarfsberechnung und in einer gemeinsam abgestimmten Struktur. Der unternehmensübergreifende Datenzugriff ist Bestandteil einer neuen Art der Zusammenarbeit. So konnte eine vollständige Prozesstransparenz zwischen den beteiligten AOKs erreicht werden. Die Rückmeldungen der am Prozess beteiligten Mitarbeiter sind durchweg positiv. Der Nutzen der kollaborativen Prozessplattform wird deutlich wahrgenommen. Erste Synergien in der Prozesserhebung konnten bereits im ersten Teilprojekt (Pflegeprozesse im oscare®-Umfeld) durch die Arbeitsteilung und die damit vermiedenen Doppelarbeiten erzielt werden. Die Einsparungen in den Personalaufwänden ergeben sich dadurch, dass nicht jede AOK für sich die vollständige Erhebung durchführen muss, sondern auf den Ergebnissen der anderen aufsetzen kann und nur noch eine Delta-Analyse für ihre Organisation durchgeführt werden muss. Die gemeinsam festgelegten Konventionen werden in allen beteiligten AOKs beachtet. Mittelfristig wird erwartet, dass die kontinuierliche Zusammenarbeit und das Benchmarking ein schnelleres Aufspüren von Optimierungspotenzialen ermöglichen. Der Projektnutzen liegt somit vor allem in den strategischen Perspektiven der Kooperation und in der operativen Optimierung. Auf der strategischen Seite stellt z.€B. ein gemeinsames Prozessmanagementverständnis eine wichtige Grundlage für eventuelle zukünftige Fusionsprozesse dar, beschleunigt die organisatorischen Abstimmungs- und Analyseprozesse und führt zu einer Ressourcenoptimierung in den Organisationsbereichen.
5â•…Projekterfolgsfaktoren Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war die schnelle Identifikation der voraussichtlich an einer Zusammenarbeit besonders interessierten AOKs auf einer Startveranstaltung. Durch die Fokussierung auf diese Kerngruppe beim Projektstart wurden Abstimmungsprozesse erleichtert und notwendige Konsensentscheidungen einfacher und schneller herbeigeführt. Bezogen auf das Projekt und dessen zukünftige operative Verankerung im Arbeitsalltag der beteiligten AOKs müssen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit folgende Eckpunkte klar sein:
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform
• • • • •
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basiert auf Freiwilligkeit, benötigt eine gemeinsame theoretische und praktische Basis, ermöglicht Flexibilität in Bezug auf Art und Umfang der Beteiligung, bedeutet sofortigen zusätzlichen (Abstimmungs-)Aufwand, erzeugt erst in der Zukunft Nutzen für die Beteiligten.
Ein weiterer Erfolgsfaktor war die mit der Prozessplattform ermöglichte Strategie der 2 Geschwindigkeiten. Diese beinhaltete ein paralleles Voranschreiten bei individuellen Aktivitäten, während an gemeinsamen Themen in unterschiedlichen Zusammensetzungen gearbeitet wird. Weder ist es Erfolg versprechend, alle Beteiligten ausschließlich gemeinsam Prozesse entwickeln zu lassen noch – als anderes Extrem – jeden Partner ohne gemeinsame Konventionen eigenständig Prozesse dokumentieren zu lassen. Das Ziel der gemeinsamen Prozessplattform wurde mit der Produktivsetzung erreicht. Nun geht es darum, die gewollten Synergien durch gemeinsame Prozessmodellierungen zu heben. Dies wird durch regelmäßige Abstimmungstermine unterstützt, in denen sich die Beteiligten austauschen und gemeinsame Themen definieren. Obwohl unterschiedliche Ausprägungen bzw. Reifegrade des gelebten Prozessmanagements existierten, wurde darauf geachtet, dass alle Beteiligten gleichberechtigt ihre Bedarfe und Anforderungen einbringen konnten. Diese wurden dann im Konsens beschlossen und waren (bezogen auf die Software) auch Grundlage für das Pflichtenheft. Zukünftig wird sich die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in der gesetzlichen Krankenversicherung weiter verstärken. Hier spielen vor allem die sich ändernden Rahmenbedingungen (z.€B. Gesundheitsfonds, IT-Systeme, Personal-Benchmark) eine wichtige Rolle. Gleichzeitig nähern sich die Prozesse insbesondere durch vereinheitlichte IT-Systeme weiter an. Eine gemeinsame Prozessplattform ist hier eine wichtige Voraussetzung, um im Endeffekt dauerhaften Austausch und die entsprechenden Synergien (durch einmalige Modellierung der Prozesse) zu ermöglichen.
6â•…Nach der Fusion ist vor der Fusion Zusätzliche Bedeutung gewann das Projekt durch den nach Start des Projektes begonnenen Vereinigungsprozess der AOKs Berlin und Brandenburg (Zusammenschluss zum 01.01.2010), der in den fusionierenden Kassen ein einheitliches Prozessmanagement erforderte. Ein Fusionsprozess stellt hohe Anforderungen an die Prozessharmonisierung. Neben den rein fachlich-methodischen Anforderungen sind einheitliche IT-Rahmenbedingungen ein entscheidendes Erfolgskriterium. Die Erfahrungen aus dem Projekt konnten genutzt werden. Faktoren, die für unternehmensübergreifende Prozesse diskutiert wurden, mussten nun auch einer in-
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N. Sandau
ternen Herausforderung standhalten. Die vereinbarte Prozesslandkarte und auch die Modellierkonventionen wurden gemeinsamer Standard. Zwar wurden die bestehenden Dokumentationen als Ausgangsbasis für die Definition der gemeinsamen Prozesse verwendet, allerdings entschied man sich bewusst dagegen, die Prozesslandschaft der AOK Brandenburg weiterzuführen und lediglich Unterschiede einzupflegen. Stattdessen wurde die gemeinsame Prozesslandschaft in enger Zusammenarbeit mit den Fachbereichen neu erarbeitet, harmonisiert und wird fortlaufend gefüllt. Dies hat zur Folge, dass jeder Prozess durchleuchtet wird – und nicht nur solche, von denen in beiden Häusern detaillierte Dokumentationen in Form von Prozessmodellen vorlagen. Die Mitarbeiter/-innen der Organisationsentwicklung der AOKs Berlin und Brandenburg konnten am 01.01.2010 mit einem gemeinsamen Prozessverständnis und auf einer gemeinsamen Prozessplattform als AOK Berlin-Brandenburg starten. Die Fusion war damit im Prozessmanagement bereits vollzogen. Die Klarheit über die Prozesse und die Flexibilität in der Anpassung der Arbeitsabläufe stellen einen wichtigen Baustein für die Erreichung der Unternehmensziele dar. Die Harmonisierung hoch priorisierter Prozesse wurde in der Balanced Scorecard der AOK Berlin-Brandenburg sogar als eigenständiges Unternehmensziel aufgenommen (Abb. 10).
Unternehmensleitziel 2010
Finanzperspektive
Kundenperspektive
Lernen und Potenzialperspektive
Vertrags- & Leistungspartnerperspektive
Prozessperspektive
Ziel: 100 % der hoch priorisierten Prozesse sind harmonisiert
Abb. 10↜渀 Unternehmensziele 2010 der AOK Berlin-Brandenburg
Kollaborative Prozessmodellierung – Schaffung einer gemeinsamen Prozessplattform
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Die Wichtigkeit dieses Themas wurde durch die Ankündigung einer weiteren Fusion mit der AOK Mecklenburg-Vorpommern zum 01.01.2011 noch unterstrichen. Da diese ebenfalls Teilnehmerin an der Prozessplattform ist, besteht auf dieser Basis (Prozesslandkarte, Modellierungskonventionen, Wertigkeit Prozessmanagement) ein gemeinsames Prozessverständnis.
Von der ICS Compliance zum gelebten Mehrwert – Business Process Management bei Bayer HealthCare Markwart Lutterbeck
Zusammenfassung╇ Das Business Process Management des Teilkonzerns Bayer HealthCare (BHC) wird durch die Teilkonzernfunktion „Internal Control System“ (ICS) unterstützt und geprägt. Sie hat die Aufgabe, prozessuales und organisatorisches Risikomanagement zu betreiben und für die Compliance des ICS Sorge zu tragen. Ferner obliegt ihr, das lokale und globale Business Process Management (BPM) sowohl bei der Optimierung des ICS zu beraten als auch Vorschläge zur Verbesserung der Aufbauorganisation und der Prozessabläufe zu formulieren. Vor allem im Hinblick auf die Förderung der funktionsübergreifenden und IT-systemübergreifenden Transparenz erbringt die Funktion einen Mehrwert für die Organisation. Dieser konkretisiert sich vor allem auf das Betreiben eines Prozessmodells und die Zuordnung klarer Verantwortungsstrukturen für das BPM sowie die Umsetzung einer Dokumentationsmethodik, die Optimierungspotenziale beim Prozessablauf und der Aufbauorganisation transparent macht. Bayer HealthCare steht vor einer grundlegenden Stärkung der Process Governance des BPM, die durch die sich verändernde IT-Strategie des Teilkonzerns bedingt wird. Der gelebte Mehrwert der ICS-Funktion wird in die neuen Strukturen einfließen. Schlüsselwörter╇ Bayer • Bayer HealthCare • Animal Health • Consumer Care • Medical Care • Diabetes Care • MEDRAD • Bayer Schering Pharma • Business Process Management • Internal Control System • Prozessmodel • Prozesslandkarte • Prozess Risikomanagement • Business Process Governance • Sarbanes-Oxley-Act • IGrafx • Troux • Globale Prozess-Verantwortung • ICS Compliance • ICS Management • Prozessrisiken • Prozessstandardisierung • Prozess-Dokumentation • Markwart Lutterbeck Markwart Lutterbeck: Internal Control System Manager (ICS Management, Bayer HealthCare), Leverkusen M. Lutterbeck () Internal Control System Bayer HealthCare (process and organizational risk management), Bayer HealthCare Aktiengesellschaft BHC-CAO-F&C-ICSM Q 30 Room 559, 51368 Leverkusen, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_6, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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M. Lutterbeck
1â•…Unternehmensvorstellung 1.1â•…Bayer AG Bayer ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit Kernkompetenzen auf den Gebieten Gesundheit, Ernährung und hochwertige Materialien. Mit seinen Produkten und Dienstleistungen will das Unternehmen den Menschen nützen und zur Verbesserung ihrer Lebensqualität beitragen. Gleichzeitig schafft Bayer Werte durch Innovation, Wachstum und eine hohe Ertragskraft. Der Konzern bekennt sich zu den Prinzipien des Sustainable Developments und zur Rolle eines sozial und ethisch verantwortlich handelnden „Corporate Citizen“. Ökonomie, Ökologie und soziales Engagement sind gleichrangige Ziele innerhalb der Unternehmenspolitik. Im Geschäftsjahr€2009 erzielte Bayer mit 108.400 Beschäftigten einen Umsatz von 31,2€Mrd.€€. Die Investitionen beliefen sich auf 1,7€Mrd.€€ und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 2,7€Mrd.€€. Die Bayer AG definiert die gemeinsamen Werte, Ziele und Strategien des gesamten Konzerns. Drei Teilkonzerne und drei Servicegesellschaften arbeiten eigenverantwortlich unter der Führung der Management-Holding (Abb. 1). Der Konzernvorstand wird bei der strategischen Führung des Unternehmens vom Corporate Center unterstützt.
Bayer AG – Konzernstruktur Holding-Gesellschaft Konzernvorstand Corporate Center Bayer AG
Teilkonzerne Bayer HealthCare
Servicegesellschaften Bayer CropScience
Bayer MaterialScience
Bayer Business Services Bayer Technology Services Currenta B A B AY E R E R
Abb. 1↜渀 Organigramm mit Führungsorganisation und Tätigkeitsfeldern
BayerHealthCare
Von der ICS Compliance zum gelebten Mehrwert – Business Process Management
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1.2â•…Bayer HealthCare Bayer HealthCare (BHC) mit Sitz in Leverkusen erforscht, entwickelt, produziert und vertreibt innovative Produkte, die der Vorsorge, der Diagnose und der Behandlung von Krankheiten dienen. Das Unternehmen leistet damit einen wichtigen Beitrag, um die Gesundheit von Mensch und Tier zu verbessern. Der Teilkonzern bündelt seine Kompetenz auf dem Gesundheitsgebiet in vier Divisionen – Animal Health, Bayer Schering Pharma und Consumer Care, Medical Care (Diabetes Care und MEDRAD) –, die jeweils weltweit operieren (Abb. 2). Bayer HealthCare beschäftigt 53.400 Mitarbeiter und hat 2009 einen Umsatz von 15.988€Mio.€€ erzielt. Die Divisionen Animal Health und Bayer Schering Pharma haben ihren Hauptsitz in Deutschland. In den USA angesiedelt sind Consumer Care und Medical Care. Bayer HealthCare nimmt mit seinen Divisionen Animal Health und Consumer Care führende Positionen auf dem Weltmarkt ein und Bayer Schering Pharma gehört international zu den zehn größten Spezial-Pharmaunternehmen. Folgend werden zunächst die aktuelle Organisation sowie der Status quo des Business Process Managements (BPM) bei BHC dargestellt. Anschließend wird auf die relevanten Einflussfaktoren und die zukünftigen Entwicklungspfade und Trends des BPM bei BHC eingegangen. Schließlich werden die wichtigsten „Lessons learned“ und die nächsten Schritte behandelt.
Abb. 2↜渀 Bayer-HealthCare-Organisation
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M. Lutterbeck
2â•…Aktuelle BPM-Organisation 2.1â•…Die Herausforderung des BPM im Rahmen der Matrix-Organisation Die Mitarbeiter von BHC werden über eine Matrixorganisation geführt, die die legale und funktionale Führungsstruktur des Teilkonzerns abbildet. Die Ressourcenund administrative Verantwortung wird hauptsächlich vom Management der ca. 100 Tochtergesellschaften wahrgenommen (legale Führungsstruktur). Im Rahmen der funktionalen Führungsverantwortung haben globale Prozessverantwortliche die Aufgabe, Prozess Governance zu etablieren. Das heißt: Prozesse teilkonzernübergreifend zu optimieren und zu harmonisieren sowie Empfehlungen zur Aufbauorganisation in den Gesellschaften aus funktionaler Sicht zu erarbeiten. Ferner haben sie den Auftrag, das prozessuale und organisatorische Risikomanagement zu optimieren sowie IT-System-Zugriffsberechtigungs-Konzepte zu entwickeln. Durch global gültige Berechtigungskonzepte soll Einfluss auf die Optimierung der Aufbauorganisationen ausgeübt werden. Das globale Prozess-Management (Abb. 3) wurde im Jahr€2008 bei BHC eingeführt. Die Prozessverantwortlichen sind in zwei Plattformen eingebunden: die sogenannte „Central-Administration-Organization“-Plattform (CAO-Plattform) sowie die „Product Supply“-Plattform (PS-Plattform). Beiden ist die Rolle zugewiesen, Synergiepotenziale über Gesellschafts-, Divisions- und Systemgrenzen hinweg voll auszuschöpfen. Die operative Umsetzung der funktionalen Verantwortung im Teilkonzern stellt die Funktionsträger in der Praxis vor hohe Herausforderungen. Zwar sind ihre Rollen global definiert und die globalen Prozessverantwortlichen benannt,
CAO Management BHC ICS Manager Procurement
Clinical Study Conduct (Pharma)
Sales and Distribution
Contract Lifecycle Management
Finance and Accounting
IT Authorization/Processes
Human Resources
Master Data
Transfer Pricing
Production
Abb. 3↜渀 Globale Prozess-Management-Organisation bei BHC
Von der ICS Compliance zum gelebten Mehrwert – Business Process Management
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Abb. 4↜渀 Gremien der F&A und Controlling Funktion bei BHC
dennoch verfügen sie noch nicht über eindeutig geregelte, funktionale und über Gesellschaftsgrenzen hinweg in die Standorte reichende Führungsstrukturen. Das erschwert das Zusammenspiel zwischen den globalen und lokalen Prozess-Verantwortungsträgern, weshalb sich das globale Business Process Management noch nicht vollumfänglich entfalten kann. Speziell im Rahmen des globalen BPM ist die Erarbeitung von Best-PracticeProzess-Design-Standards verbunden mit IT-System Berechtigungskonzeptstandards und global gültigen Prozess-Harmonisierungskonzepten, also die Erarbeitung der Balance zwischen größtmöglichen Standardisierungsanteil und notwendigem lokalen Adaptionsanteil, eine herausfordernde Aufgabe. Die dazu notwendigen Debatten werden in funktionalen Entscheidungsgremien geführt (siehe Kapitel „Funktionale Entscheidungsgremien“, Abb.€4).
2.2â•…Funktionale Entscheidungsgremien im Rahmen des BPM Die globalen Prozessverantwortlichen steuern jeweils funktionale Entscheidungsgremien, die sowohl global, als auch regional strukturiert sind. Ihr Aufbau orientiert sich grundsätzlich an der IT-Strategie. Diese Entscheidungsgremien führen BPM operativ durch. Im Folgenden werden diese Strukturen am Beispiel des Finanzund Rechnungswesens dargestellt. Auf regionaler Ebene wird der notwendige Anpassungsbedarf der Best-Practice-Core-sub-Prozesse formuliert (Lokalisierung) und lokale Anforderungen als Prozessvarianten bestimmt. Auf diese Weise werden zusätzliche, regionale und/oder lokale Spezifikationen für die Organisations- und Informationsfunktionen (O&I-Funktionen) definiert. Das betrifft neben dem Prozessdesign auch die Verwendung von Konzerntools oder lokalen IT-Applikationen
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zur IT-gestützten Optimierung dieser lokalen Anforderungen. Diese werden vom globalen Prozessverantwortlichen nach einer Wirtschaftlichkeitsanalyse freigeben. In den globalen Kompetenzteams werden die globalen Prozessstandards erarbeitet, welche dann im BHC Finance, Controlling und Accounting Decision Board verabschiedet werden. Dort werden auch die Projektbudgets für die weitere Prozessautomatisierung sowie der IT-Systeme dieser Funktion entschieden. Neben den Entscheidungsgremien der einzelnen Funktionen wurde das funktionsübergreifende BHC ICS Process Council etabliert. Es besteht aus den Vertretern der Globalen Prozessverantwortlichen sowie der O&I-Funktion und wird vom ICS Manager BHC geleitet. Es hat das wesentliche Ziel die funktionsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Im Einzelnen sind das folgende Aufgaben: 1. Erstellung und Pflege des BHC- Prozessmodells und der Prozesslandkarte (Abstimmung der wesentlichen Kernprozesse und Konnektoren vor der Implementierung), 2. Optimierung der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit zwischen den Prozessverantwortlichen sowie zwischen den Prozessverantwortlichen und der Funktion O&I, 3. Funktionsübergreifende Abstimmung der Initiativen und Projekte in der Zieldimension Compliance, 4. Optimierung des funktionsübergreifenden, operationalen Risiko-Managements (insbesondere prozessuale und organisatorische Risiken) und Bestimmung der risikobasierten Management-Entscheidung zur Gesellschaftsauswahl im Rahmen des internen Kontrollsystems, 5. Definition von funktionsübergreifenden Prozessverbesserungen im Rahmen des BHC Process Models, 6. Verankerung des BPM als Kernelement der BHC-IT-Strategie und GeschäftsÂ�modellstrategie.
2.3â•…Prozesslandkarte, Prozessmodell und Zuordnung der Verantwortlichkeiten im internen Kontrollsystem Auf Basis der Wertschöpfungs- und Unterstützungsprozesse der europäischen ERP- und IT-Systeme wurden die 70 wesentlichen ICS-Best-Practice-Prozesse, sogenannte „Core-sub-Prozesse“ definiert. Ihre Relevanz wurde aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung abgeleitet. Es handelt sich damit um signifikante Prozesse und Werteflüsse, die im Managementfokus stehen und einen Teil des internen Kontrollsystems bilden. Ferner wurden klare Prozessverantwortlichkeiten definiert. Diese Core-sub-Prozesse werden durch validierte Konnektoren zu einem Best-Practice-Prozessmodell verbunden (Abb. 5). Die ausgelagerten Subprozesse der Shared Service Center sind in das Prozessmodell eingebunden. Das ICS-Prozessmodell von BHC hat momentan im Wesentlichen das Ziel, die funktionsübergreifende Wirksamkeit des internen Kontrollsystems darzustellen und sicherzustellen sowie eindeutige Prozessverantwortungsstrukturen zu schaffen.
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Make ICS better and keep us out of trouble
Value chain processes
Production
S&D
Proc + Shared Services F&A + Shared Services HR + Shared Services IT + Shared Services
achieve ICS compliance
coverage
Support processes
R&D
Masterdata, Transferprice, Contract Mgmt
Abb. 5↜渀 ICS-Core-Prozess-Modell bei BHC
Die einzelnen ICS-Subprozesse wurden von den globalen Prozessverantwortlichen mit Unterstützung der ICS-Managementorganisation dokumentiert. Das Prozessmodell wird durch die ICS-Funktionen verwaltet.
2.4â•…Zusammenspiel von O&I und Business-ProzessVerantwortung als Basis für erfolgreiches Projektmanagement Das iterativ gestaltete Zusammenspiel zwischen O&I-Funktion und den jeweiligen Prozessverantwortlichen in den anderen Plattformfunktionen ist ein wesentlicher Baustein für erfolgreiches BPM. Nur wenn die globalen Anforderungen der Prozessverantwortlichen klar definiert, spezifiziert und dokumentiert sind, kann die O&I-Funktion diese Anforderungen konsistent in den verschiedenen IT-Systemen ausprägen und optimale Automatisierungs- und Prozessunterstützung gewährleisten. Nur wenn die funktionsübergreifenden Werteflüsse zwischen den beteiligten Funktionen abgestimmt sind, ist das BPM-Prozessmodell effektiv und effizient. Das Gleiche gilt für das Projektmanagement. In der Praxis ist dies eine herausfordernde Management- und Koordinierungsaufgabe. Bei BHC versteht sich die klassische O&I-Funktion als Bindeglied zwischen den verschiedenen BPM Funktionen. Sie ist maßgeblich sowohl bei der Gestaltung des Prozessdesigns als auch bei der technischen Umsetzung der Prozessanforderungen in den unterschiedlichen IT-Systemen eingebunden. Deshalb ist sie bereits heute global aufgestellt. Sie verfügt über eindeutig geregelte Führungsstrukturen zu den jeweiligen Systemverantwortlichen und O&I-Funktionen in den BHCStandorten. Auch das Projektmanagement wird überwiegend von der O&I-Funktion gestellt. Bei BHC werden jährlich mehr als 150 Einzelprojekte durchgeführt, die einen oder mehrere Prozesse des Prozessmodells beeinflussen. Das Projektmanagement von IT-Projekten oder bei Gesellschaftsmigrationen, Carve-ins/Carve-outs, Mergers etc. steht stets im Spannungsfeld zwischen lokalen und globalen Prozessanforderungen.
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Im folgenden Kapitel wird zunächst der Status quo des BPM dargestellt. Anschließend wird auf die relevanten Einflüsse und die resultierenden zukünftigen Entwicklungspfade und Trends des BPM bei BHC eingegangen.
3â•…Business Process Management bei Bayer HealthCare 3.1â•…BPM im Rahmen der IT-Strategie Der Teilkonzern Bayer HealthCare umfasst mehr als 100 Tochtergesellschaften an zahlreichen Produktions- und Vertriebsstandorten. Die europäischen Tochtergesellschaften operieren auf zwei unterschiedlichen ERP-Regionalsystemen, jeweils einem System für Vertriebs- und einem für Produktionsgesellschaften. In Nordamerika sind drei ERP-Regionalsysteme etabliert, in Lateinamerika und Asien jeweils eines. Einige kleinere Gesellschaften operieren noch auf Lokalen Systemen; diese wurden bereits oder werden Zug um Zug auf die regionalen ERP-Systeme migriert. Die o.g. ERP-Systeme sollen bis 2015 weiter konsolidiert werden, wie Abb. 6 zeigt. Das Business Process Management wird durch das lokale bzw. regionale Management (lokale Prozessowner) im intensiven Dialog mit den regionalen Systemownern ausgeübt. Die Systemowner sind Teil der für die Informationstechnologie zuständigen Bereiche. Sie agieren als Serviceprovider für das lokale Management. Die BHC-ERP- und IT-Systeme werden zum überwiegenden Teil vom internen Service Provider Bayer Business Services (BBS) betrieben.
Abb. 6↜渀 Ziel SAP Systemlandschaft von BHC bis 2015
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Die weitere Konsolidierung der SAP ERP- und anderer IT-Systeme ist als strategisches IT-Ziel bis 2015 definiert, um die IT-Betreiber- und Migrationskosten sowie die wachsenden Compliance-Anforderungen zu optimieren. Andere BayerTeilkonzerne wie Bayer CropScience und Bayer MaterialScience verfolgen bereits das Ziel, alle Tochtergesellschaften auf ein einziges ERP-System zu migrieren. Sie setzen bereits heute ein zentrales ERP-Systemkonzept um und haben damit begonnen, die jeweiligen Tochtergesellschaften auf eine zentrale ERP-Systemplattform zu migrieren. Auch BHC hat sich entschieden, alle wesentlichen Gesellschaften bis zum Jahr 2015 auf das europäische ERP SAP System zu migrieren und einen zentralen Prozess-Governance-Ansatz zu etablieren.
3.2â•…BPM und Prozessdokumentationsmethodik In jedem einzelnen SAP ERP-System sind die betreffenden Wertschöpfungs- und Unterstützungsprozesse dokumentiert. Das Gleiche gilt für andere IT-Systeme, wie Business Intelligence-, Research-, Marketing-Systeme. Die jeweilige Prozessdokumentation ist Teil der Systemdokumentation der jeweiligen IT-Systeme (user requirement and technical specifications). Dadurch werden die technischen und fachlichen Prozessmodelle miteinander verknüpft. Die 3. Dokumentationsebene, die Ebene der Business-Sub-Prozesse, entspricht der Managementsicht auf einen Sub-Prozess. Sie wird im Rahmen einer definierten Dokumentationshierarchie mit der Systemdokumentation in einer 1:1- oder 1:n-Beziehung inhaltlich und technisch über die user requirement specifications verbunden. Für diese Managementsicht wird die Darstellungsmethodik von ICS-relevanten Prozessdarstellungen als Nukleus herangezogen und auf nicht ICS-relevante Core-sub-Prozesse übertragen, z.€ B. Controllingprozesse. Prozessabläufe werden grafisch über ein konzernweites Werkzeug zur Unterstützung des GeschäftsprozessManagements dargestellt und stetig auf dem neuesten Stand gehalten. Im Moment nutzt BHC die beiden Werkzeuge „IGrafx“ – für die Prozessmodelierung und -dokumentation – sowie das Enterprise-Architecture-Management-System „Troux“ zur Simulation. Die ICS-Core-sub-Prozesse und die damit verbundenen Prozessrisiken und -kontrollen werden jedem Mitarbeiter über das Intranet zugänglich gemacht. Damit wird eine Voraussetzung für effektives Prozessmanagement, inklusive Prozessrisikomanagement, geschaffen. Die nicht ICS-relevanten Prozesse oder Nicht-Kernprozesse sind noch nicht in dieser Weise vollständig dokumentiert. Die Dokumentationsebenen und -typen unterliegen system- oder prozessbezogenen Change-Management-Prozeduren und -Zeitabläufen. Die Systemdokumentation der SAP ERP- und IT-Systeme ist nur den Nutzern mit Zugriffsberechtigung zum System zugänglich (Ebene 4). Die erste Darstellungsebene, die End-to-end-Prozessdokumentation, wird über die Verknüpfung der einzelnen Business-Subprozessdarstellungen erzielt. Im Jahr€2009 wurde ein zusätzlicher Dokumentationstyp geschaffen, der die prozess-, system- und gesellschaftsübergreifende Produktsicht im Rahmen der globalen Ge-
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schäftsmodelle der umsatzstärksten Produkte darstellt. Dabei handelt es sich um fünf Produkte, mit denen insgesamt ein Jahresumsatz von fast 4,5€Mrd.€€ erzielt wird. Weitere Darstellungen aus Produktsicht sind geplant. Management- und Steuerungsprozesse sind bei BHC noch nicht dokumentiert. Ein konsistenter Dokumentationsansatz über alle Dokumentationstypen in allen ITSystemen ist geplant.
3.3â•…BPM und die Wechselwirkung zwischen globaler und lokaler Prozessverantwortung Die Prozessverantwortlichen nutzen systematisch Kennzahlen (Key Performance Indicators), um die Performance der jeweiligen Funktion bestehend aus den verschiedenen Zieldimensionen wie Produktivität, Qualität, Compliance zu steuern. Prozesscontrolling und Prozesskostenrechnung sind im Besonderen bei den Bayerinternen Serviceprovidern (z.€B. Accounting und HR Center) ausgeprägt. Die Etablierung einer funktionsübergreifenden Performancesteuerung und eines Prozesscontrollings ist geplant. Aufbauorganisatorische Konzepte, die auf funktionsspezifischen Prozessmodellen basieren, sind insbesondere in der Funktion Finance & Accounting mit einem definierten „Accounting Operating Model“ (Abb.€7), das auf einer Best-PracticeProcess-Richtlinie basiert, und im Bereich Human Resources etabliert – also vor allem bei Funktionen, bei denen transaktionale Prozesse in Bayer-interne Service
Value added tasks ⇒Close to the business or ⇒Local competence centers
Organ. Model
Standard Organization allow for
Standard Processes require
ProKon
Standard Systems
Abb. 7↜渀 Accounting Operating Model
Transactional tasks ⇒ Service platform or ⇒Service Center
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Centers ausgelagert wurden. Bayer betreibt mehrere Accounting Center, Human Resources Service Center (Bayer Direct) und IT Center. Externe Kunden, Lieferanten, Vertrags-Produzenten und Distributoren werden technisch, fachlich und systematisch in die Prozessgestaltung durch die spezifische Funktion eingebunden, um die Integrationstiefe zu erhöhen. Auf den jeweiligen lokalen, divisionalen Markt und die Zielgruppe zugeschnittene, produktspezifische Geschäftsmodelle bestimmen den nachhaltigen Erfolg von BHC, bedeuten aber gleichzeitig komplexere Anforderungen an das funktionale Prozessmanagement. Die Entscheidung über das Prozessdesign wird durch die Marktorientierung und Verkaufsverantwortung der Regionen bzw. Divisionen geprägt und bisher durch deren Management verantwortet. Das führte zu unterschiedlichen Prozess- und ITCustomizing-Ausprägungen in den verschieden IT-Systemen. Auch die Entscheidung, welche vom Konzern definierten Applikationen in welcher Gesellschaft eingesetzt werden, liegt beim lokalen Management. Diese Applikationen werden zwar hauptsächlich vom Bayer-internen Service Provider Bayer Business Services im Auftrag der BHC entwickelt, sie sind aufgrund der lokalen Entscheidungskompetenz jedoch nicht konsistent in allen Gesellschaften ausgerollt. Die globalen Prozessverantwortlichen haben bisher kein disziplinarisches Weisungsrecht gegenüber den lokalen Prozessverantwortlichen. Sie führen ihre Rolle im Rahmen funktionaler Gremien bzw. deren Steuerung aus. Folglich sind die globalen Prozessverantwortlichen noch nicht in der Lage, Best-Practice-ProzessDesign-Standards konsistent über System-, Divisions- und Gesellschaftsgrenzen hinweg auszuprägen und eindeutige Vorgaben für das Projektmanagement zu definieren. Prozessverantwortung als funktionsübergreifender Führungsansatz oder als Teil der Vergütungsanreizsysteme ist nicht konsistent über Funktionsgrenzen hinweg etabliert. Die Prozessmodellierung sowohl auf zentraler als auch auf lokaler Ebene wird durch spezialisierte Fachfunktionen wie z.€B. das ICS-Management oder das Qualitätsmanagement der Product Supply Organisation unterstützt.
3.4â•…BPM und Sarbanes-Oxley Act Durch die Listung der Bayer AG im Jahr€2002 bei der New York Stock Exchange (NYSE) und bei der US Securities and Exchange Commission (SEC) unterlag Bayer zusätzlichen Dokumentationsanforderungen durch die Bestimmungen des Sarbanes-Oxley Act (SOX). Das zum damaligen Zeitpunkt bereits bestehende interne Kontrollsystem (ICS) wurde weiter optimiert und in diesem Zusammenhang die Prozessdokumentation im Hinblick auf die Darstellung der internen Kontrollen ausgebaut. Es wurde ein zusätzlicher Prozessdokumentationstyp (s. Abb.€8, Ebene 3) geschaffen, der sowohl ERP-Systeme als auch andere Systeme und manuelle Prozessabläufe in einem holistischen Dokumentationsansatz umfasst. Zusätzlich wur-
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Abb. 8↜渀 Hierarchie der Prozessdokumentation
den die IT-Berechtigungskonzepte optimiert. Im Rahmen des ICS-Managements gibt es in jeder Fullscope-Gesellschaft eine Prozesslandkarte und ein Prozessmodell aller Wertschöpfungs- und Unterstützungsprozesse. Fullscope-Gesellschaften sind für den Konzern wichtige Gesellschaften, die besonderen, strengen Anforderungen an das interne Kontrollsystem unterliegen und die Wirksamkeit ihrer Kontrollen inklusive der IT-Berechtigungskonzepte nachweisen. Reduced-Scope-Gesellschaften sind Gesellschaften, die zwar ein internes Kontrollsystem etabliert haben, dessen Wirksamkeit aber nicht vom lokalen Management getestet werden muss. Bayer verfolgt einen risikobasierten, wertorientierten Ansatz und deckt damit 90€ % der Bilanzsumme bzw. der Umsätze ab. Aufgrund der Vielzahl verschiedener ERP- und IT-Systeme, des lokalen Prozessverantwortungsansatzes und des damit verbundenen dezentralen Prozessmodellierungsansatzes hat BHC 690 unterschiedliche ICS-Geschäftsprozesse definiert und dokumentiert, die seither auch regelmäßig gepflegt werden. Mehr als 150 lokale Prozessverantwortliche weltweit in 14 Fullscope-Gesellschaften sind verpflichtet, die Prozessdokumentation und das darin enthaltene interne Kontrollsystem mit ca. 4.000 Kontrollen jährlich einem Management Assessment zu unterziehen. Das Gleiche gilt auch für alle definierten IT-Prozesse und -Kontrollen in den verschiedenen IT-Systemen. Die Heterogenität der System- und Prozessansätze führt zu hoher Komplexität und erschwerten Compliance-Anforderungen in allen Funktionen. Die lokalen Prozessverantwortlichen sind für das Management von prozessualen und organisatorischen Risiken verantwortlich.
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4â•…BPM vor dem Hintergrund unterschiedlicher Einflussfaktoren 4.1â•…BPM, Globale Geschäftsmodelle und Wachstumsmärkte Globale Geschäftsmodelle der wesentlichen Produktlinien müssen prozessual über ITSystem- und Gesellschaftsgrenzen gesteuert werden können. Die Produktion der unterschiedlichen Produkte muss global über Produktionsstätten der Tochtergesellschaften, konzerneigene oder externe Vertragsproduzenten und überwiegend über mehrere Veredelungsstufen (Vendor Managed Inventory oder Make-to-Order-Konzepte) gesteuert werden. Die Warenbeschickung und -distribution muss über unterschiedliche Triangulierungs-, Direktbelieferungs- und Konsignationsmodelle funktionieren. Das Lagermanagement muss entweder über eigene Logistikzentren oder vertraglich gebundene externe Logistikspezialisten betrieben werden können. Die Verwaltungsstrukturen müssen permanent optimiert werden, um die Kostenstrukturen an die Benchmark Performance der Peergroups anzupassen. Der Trend zur Zentralisierung in Landesplattformen oder zum konzerninternen Outsourcing vor allem im Finanz- und Rechnungswesen, Personalwesen und der IT wird konsequent weitergeführt. Diese globale Arbeitsteilung stellt das BPM vor hohe Anforderungen. Das Prozessmanagement muss in der Lage sein, die Aufgabenverteilung über Landes-, Gesellschafts- und IT-Systemgrenzen hinweg vorzunehmen. Auch die neuen Wachstumsmärkte wie China, Russland und Brasilien etc., die im Fokus der BHC-Strategie stehen, stellen das BPM vor große Herausforderungen. In diesen Märkten gilt es, vor allem die prozessualen und organisatorischen Basisstrukturen zu schaffen, um das sehr stark wachsende Geschäft effizient zu unterstützen und um Compliance-Anforderungen in einem schwierigen Umfeld erfüllen zu können. Durch die weitere Regionalisierung bzw. die Zentralisierung der IT-Systemlandschaft, vor allem der ERP- und Business-Intelligence-Systeme und der globalisierten Produktionsplanung und Warendistribution, wächst die Bedeutung der globalen Prozessverantwortlichen. Aufgrund der Tatsache, dass eine Vielzahl der BHC-Tochtergesellschaften auf dem gleichen IT-System operiert, wird auch die Prozessmodellierungsentscheidung stärker regional bzw. zentral gefällt werden. Um globale Geschäftsmodelle auch effizient und effektiv durch optimierte Prozesse über Funktions-, System- und Gesellschaftsgrenzen hinweg betreiben zu können, kann das Prozessdesign nicht mehr allein lokal verantwortet werden. Deshalb haben die einzelnen global agierenden BHC-Funktionen Entscheidungsgremien aufgebaut (s. Abb.€4).
4.2â•…BPM im Rahmen von Portfoliound Projekt-Management bei BHC Signifikante Portfolioveränderungen haben den Geschäftsbetrieb der letzen Jahre geprägt. BHC hat vor allem die Division Pharma durch den Kauf der Schering AG
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sehr stark ausgebaut. Die Division Consumer Care wurde durch den Kauf von Teilen des Consumer-Care-Geschäfts von Roche gestärkt. Die erfolgreiche Integration dieser Bereiche unter Wahrung der Marktanteile in den jeweiligen Ländern hat das Tagesgeschäft geprägt. Integration hatte Vorrang vor einer divisions- und gesellschaftsweiten Prozessoptimierung. Die akquirierten Tochtergesellschaften der Unternehmen wurden schrittweise auf die bestehenden Bayer-ERP-Systeme migriert und haben die lokalen BHC-Prozesse übernommen. Parallel zur Integration akquirierter Tochtergesellschaften wurden die Bayer-Tochtergesellschaften im Rahmen der regionalen IT-Strategie auf regionale ERP-Systeme migriert. Vor allem die Migration der Wertschöpfungs- und Unterstützungsprozesse der lokalen ERP Systeme auf die Prozesse der regionalen ERP-Systeme stellt hohe Anforderungen an das Projekt und das lokale Prozessmanagement. Trotz dieser enormen Integrationsanstrengungen haben die lokalen Prozessverantwortlichen erfolgreich die Logistik für die pharmazeutischen Produkte sichergestellt, marktfähige R&D-Leistungen erbracht oder Rohstoffe termingerecht eingekauft. Internationale und lokale legale Anforderungen und Auflagen sowie konzernweite Richtlinien wurden stets erfüllt, vor allem die hohen Auflagen der Pharmaindustrie – die sogenannte Good Manufacturing Practice. Akquisitionen und Firmen(teil)-Verkäufe werden als dauerhafter und akzeptierter Anteil des Geschäfts angesehen. Veränderung hat sich als Teil der Unternehmenskultur etabliert. BHC ist sich bewusst, dass diese Adaptionsfähigkeit der Organisation ein Wettbewerbsvorteil an sich darstellt. Das hat die Organisation in den letzten Jahren gelernt und bewiesen. Durch Integrationsschnelligkeit können Marktanteile weiter ausgebaut und die Ertragskraft weiter optimiert werden. Dies wird durch das BPM in den beiden Teilkonzernplattformen Product Supply und CAO (s. Abschn.€ 2, aktuelle BPM-Organisation) nachhaltig unterstützt. Durch die weitere Konsolidierung der ERP-Systemlandschaft und der sonstigen IT-Systeme wird diese Hebelwirkung zusätzlich gestärkt. Die Rolle des BPM liegt darin, die übernommenen Prozesse möglichst schnell auf die Wertschöpfungs- und Unterstützungsprozesse der BHC umzustellen und in den Gesamtkontext der globalen Geschäftsmodelle einzubetten. Deshalb werden die BPM-Spezialisten sowohl die Integrations- als auch die Projektmethodik stärker beeinflussen und ihre Mitarbeiter aktiver in die Projektarbeit einbinden. Nur so kann effizient und effektiv gewährleistet werden, dass Prozessstandards konsistent ausgeprägt werden und die globalen Steuerungslogiken des Teilkonzerns funktionsfähig bleiben.
4.3â•…Sarbanes-Oxley Act (SOX)/BilMoG Durch die langjährige Erfahrung der Organisation mit dem erfolgreichen Betreiben des internen Kontrollsystems, durch das aktive Risikomanagement von Prozess- und Organisationsrisiken durch die globalen und lokalen Prozessverantwortlichen (Risk
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Owner) sowie die IT-Risiken der Systemowner (Risk Owner) sind die SOX-Anforderungen – wie die GMP-Anforderungen – Teil des Tagesgeschäfts geworden. Das Bilanzmodernisierungsgesetz stellt für BHC keine zusätzlichen Anforderungen, die nicht schon erfüllt werden, obwohl die Bayer-Aktie seit 2007 in den USA nicht mehr gelistet wird (Delisting von NYSE und SEC) und der Bayer-Konzern somit nicht mehr der SOX-Regulierung unterliegt. Der mit dem SOX verbundene Zwang zur Prozessorientierung im Unternehmen stellt somit heute keinen Hebel mehr dar, um das Prozessmanagement zu treiben. Dennoch hat das SOX für das BPM der BHC die folgenden nachhaltig wirkenden Wertbeiträge geschaffen: • Optimierung des internen Kontrollsystems und des damit verbundenen Risikomanagements prozessualer, organisatorischer und spezifischer IT-Risiken, • Optimierung der Transparenz durch das funktionsübergreifende Dokumentieren der wesentlichen Geschäfts- und IT-Prozesse. Die globalen Prozessverantwortlichen haben diese Dokumentationsmethodik des ICS übernommen. Heute entspricht die Managementsicht des Teilkonzerns auf Geschäftsprozesse der Dokumentationslogik des internen Kontrollsystems, die im Rahmen der SOX-Einführung entwickelt wurde. Diese Dokumentationslogik wurde zudem auf Geschäftsprozesse erweitert, die per Definition nicht dem internen Kontrollsystem unterliegen müssen. Der ICS sub-Prozess ist Teil des BPM geworden und prägt die Prozesslandkarte und das Prozessmodell.
5â•…Lessons learned, Herausforderungen und Potenziale Das BPM hat im Teilkonzern BHC erfolgreiche Arbeit geleistet. Natürlich gibt es auch einige rückblickende Erkenntnisse und verschiedene Ansatzpunkte, die es in den nächsten Jahren weiter auszugestalten gilt. Die divisionalen und regionalen Anforderungen des Marktes, definiert durch das Management, konnten auf Gesellschaftsebene erfüllt werden. Auf Basis der sich verändernden IT-Strategie wird das BPM stärker zentral gesteuert werden, um Synergie- und Optimierungspotenziale auszuschöpfen. Diese resultieren aus der Umsetzung der global gültigen Strategien der einzelnen Funktionen, wie z.€B. F&A mit den Bridge Standards der IT-Systeme und dem damit verbundenen Accounting Operating Model oder wie Product Supply mit dem global definierten Supply-Chain-Managementkonzept via SAP Advanced Planner and Optimizer (SAP APO), der Supply-Chain-Lösung der SAP. Das erfordert den weiteren Ausbau der regionalen und globalen Change-ManagementStrukturen, um diese Strategien zu begleiten und umsetzbar zu machen und mit der gültigen ERP- und IT-Strategie in Einklang zu bringen. Es gilt, die fachliche, operative Arbeit in diesen Gremien zu verbessern, um eine Balance zwischen dem nötigen Grad an Prozessstandardisierung und -lokalisierung zu erarbeiten. Nur eine ausgewogene Prozessharmonisierungsstrategie kann den gewünschten Erfolg bringen.
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Die Schaffung eines funktionsübergreifenden BPM hat sich bereits erfolgreich in Ansätzen auf Arbeitsebene z.€B. im BHC ICS Process Council entwickelt. Die globalen Prozessverantwortlichen haben erkannt, dass für den Teilkonzern wichtige, über die einzelne Funktion hinausgehende Verbesserungspotenziale gehoben werden können, wenn das optimale Zusammenspiel der unterschiedlichen Funktionen auf Prozessebene gesteuert wird. Diese Ansätze waren bisher sehr stark Compliance-getrieben. Die nachhaltige funktionsübergreifende Process Governance gilt es weiterzuentwickeln. Sie kann aber erfolgreich nur durch das geeignete Maß an Vorstandsunterstützung gesteuert und international konsistent ausgeprägt werden. Dazu wäre die Etablierung eines Process Decision Boards unter Führung des Teilkonzern-Vorstands notwendig, der auch die Performance der globalen Prozessverantwortlichen in den Plattformen steuert. Das Process Decision Board könnte als Entscheidungsgremium in einem der beiden Plattformen CAO und Supply Chain etabliert werden. Durch die stärkere Priorisierung des BPM durch den Vorstand könnten die Einzelkompetenzen der globalen Prozessverantwortung in einem prozessübergreifenden Organisationskonzept mit End-to-end-Verantwortungsstrukturen über Funktionsgrenzen hinweg münden. Als Beispiel sei angeführt: Purchase to Pay zwischen Procurement, Distribution und Accounting, Order to Cash, Demand to Supply etc. Das funktionsübergreifende Prozessdesign wird an Bedeutung zunehmen, um das Optimierungspotenzial voll auszuschöpfen. Das End-to-end-Verantwortungsund Organisationskonzept würde die BHC mit der bestehenden Matrixorganisation vor große Herausforderungen stellen. Eine neu zu schaffende eigenständige Organisationseinheit „Business Process Management“ könnte dabei den Vorstand unterstützen, die Zieldimensionen der einzelnen Funktionsbereiche – Compliance, Qualität, Produktivität, Wirksamkeit, Durchlaufzeit, Termintreue, Kundenorientierung, Sicherheit etc. – zu einem Gesamtbild mit aufeinander abgestimmten Key Performance Indicators zusammenzufügen. Die Analyse funktionsinterner Organisationseinheiten des BPM, die auf sich alleine gestellt waren, hat ergeben, dass sie tendenziell dazu neigten, sich auf ihre eigene Performance zu focussieren und dies eine Gesamtbewertung erschwert. In das BPM könnten die nachhaltig geschaffenen Wertbeiträge und Methoden aus der ICS-Funktion des Teilkonzerns einfließen. Um das Organisationskonzept weiterzuentwickeln, müsste die Rollenbeschreibung der globalen Prozessverantwortlichen überarbeitet werden. Diese müssten stärker legitimiert werden, über Divisions- und Gesellschaftsgrenzen hinweg die Prozessoptimierung zu verfolgen, um ein ausbalanciertes Prozessharmonisierungskonzept zu entwickeln, das vom Management der Divisionen und Regionen auch getragen wird. Die Erfolge des Prozessharmonisierungskonzepts müssten allerdings messbar und sichtbar gemacht werden, um das divisionale und regionale Management zu überzeugen, dass das Optimierungspotenziale gesteigert wurde. Nur so kann die Win-win-Situation überzeugend dargelegt werden. Ferner muss die Wirksamkeit dieser Prozessharmonierungs-Standards stärker zentral gesteuert und überwacht werden. Die sogenannte funktionale Führungslinie müsste dazu vom Vorstand der Plattformfunktionen gestärkt werden.
Von der ICS Compliance zum gelebten Mehrwert – Business Process Management
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ERP- und IT-Systeme können nur dann konsistent ausgeprägt werden, wenn eindeutige und dokumentierte Prozessstandards für das Projektmanagement und die IT-Entwicklung vorliegen. Hier gilt es, durch den Ausbau der jeweiligen Gremien und Change-Management-Strukturen diese Standards zusammen mit der O&I funktionsübergreifend weiterzuentwickeln. Nur funktionsübergreifende, dokumentierte Prozessstandards können durch die Projektteams effizient und effektiv in Tochter- oder akquirierte Gesellschaften übertragen werden. Hierzu muss noch der holistische Dokumentationsansatz (ERP-, Business-Intelligence-Researchund Marketingsysteme, Applikationen und verbleibende manuelle Schritte etc.) weiterentwickelt werden. Ferner sollte eine Instanz Dokumentations-Governance etabliert werden, damit Prozessdokumentationsstandards eingehalten werden. Das Dokumentationskonzept des internen Kontrollsystems sowie die Dokumentationswerkzeuge zur Prozessmodellierung bieten sich als Ausgangspunkt an, der sich seit Jahren erfolgreich bewährt hat. Neben der reinen Prozessdarstellung hat sich zudem die Darstellung der Aufbauorganisation in der Prozessbeschreibung bewährt. Die Darstellung der Aktivitätensplits der global verteilten Aufgaben könnte noch stärker zur Optimierung der funktionalen Operating Models eingesetzt werden, d.€h. zur Optimierung der Aufbauorganisation in den Gesellschaften auf Basis von BestPractice-Prozess-Standards und globalen IT-Authorisierungskonzepten. Die konzerninternen Shared-Service-Center-Konzepte (internal outsourcing) wurden erfolgreich umgesetzt. Die Accounting Center und die HR Center haben bewiesen, dass durch die konsequente Prozessorientierung Kosten-, Qualitäts- und Compliance-Optimierungspotenziale nachhaltig genutzt wurden und der in den Gesellschaften verbleibende Teil der Aufbauorganisation optimierter und prozessorientierter gestaltet werden konnte. Die Service Center stellen im Hinblick auf den Reifegrad des BPM Best Practice im Konzern dar. Prozesskostenrechnung, -controlling und -benchmarking als Basis für organisatorische Änderungen der Aufbauorganisation sind in den Shared Service Centers bereits ausreichend etabliert. Es wird geprüft, ob und inwieweit die dort entwickelten Methoden auch auf die Tochtergesellschaften des Teilkonzerns übertragen werden könnten. Durch die Einbindung der ICS-Management-Funktion bei der Nachbesprechung von Quartalsabschlüssen konnten weitere Optimierungspotenziale bei den funktionsübergreifenden Werteflüssen aufgezeigt werden – vor allem die Werteflüsse aus den Bereichen Sales and Distribution und Procurement in das Accounting. Dieses Optimierungspotenzial konnte durch die ICS-Funktion effektiv in diese Funktionen kommuniziert und an das Management adressiert werden. Das Gleiche gilt bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Prozessverbesserung der internen und externen Prüfer. Die O&I-Funktion verstand und versteht sich klassisch als Bindeglied zwischen den verschiedenen Fachfunktionen. Sie ist sowohl maßgeblich bei der Gestaltung des Prozessdesigns eingebunden als auch bei der technischen Konfiguration der Prozessanforderungen in den unterschiedlichsten IT-Systemen. Obwohl die Funktion global aufgestellt ist, konnten die Prozessstandards bisher nicht konsistent in den ERP-und IT-Systemen ausgeprägt werden. Das Rollenverständnis zwischen O&I und Prozessverantwortlichen wird sich deshalb verändern müssen, um die
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fachliche Verantwortung der Prozessgestaltung durch die globalen Prozessverantwortlichen stärker einzubinden sowie für die konsistente Ausprägung in den Gesellschaften Sorge zu tragen. Das Thema BPM wurde bei BHC bisher unzureichend in den Teilkonzernmedien, z.€B. über das Intranet, kommuniziert. Die Nutzung von Wikiforen und andere Informationsmedien können dazu beitragen, das BPM für die relevanten Zielgruppen des Teilkonzerns verbessert darzustellen.
6â•…Die nächsten Schritte bei BHC Die folgenden konkreten Schritte sind bei BHC eingeleitet: 1. Sowohl die Plattform CAO als auch die Plattform Supply Chain arbeiten an der Optimierung ihrer Plattformstrategie und an der Überarbeitung ihrer jeweiligen Archetypen. Diese wird die Grundlage für das zukünftige Führungskonzept der Plattformen in den Ländern darstellen. Darin enthalten ist auch das Führungskonzept der globalen Prozessverantwortlichen der einzelnen Funktionen. 2. Das funktionsübergreifende Prozessdesign wird an Bedeutung zunehmen, um das Optimierungspotenzial voll auszuschöpfen. Hierzu ist ein End-to-endVerantwortungs- und Organisationskonzept über Funktionsgrenzen hinweg unter Leitung des Vorstands (BHC Process Decision Board) beider Plattformen geplant. 3. Das BHC ICS Process Council zur Steuerung funktionsübergreifender Themen wird inhaltlich neu positioniert. Der Fokus wird über die Compliance-Themen hinaus ausgebaut. Ebenso wird die Etablierung eines funktionsübergreifenden BPM zur Performancesteuerung und zum Prozesscontrolling anvisiert. 4. Die Zentralisierung teilkonzernübergreifender Unterstützungsprozesse, im Wesentlichen Verwaltungsprozesse in teilkonzernübergreifenden Landesplattformen oder bei konzerninternen und/oder -externen Service Providern wird konsequent weitergeführt, vor allem im Finanz- und Rechnungswesen, Einkauf, Vertragsmanagement, Personalwesen und in der IT. Über die Etablierung einer teilkonzernübergreifenden Prozessverantwortung wird intensiv nachgedacht. Speziell die Funktion F&A rollt das Accounting Operating Model über Teilkonzerngrenzen hinweg weiter konsequent aus, um die Aufbauorganisation der Landesgesellschaften, der Standorte und Accounting Center auf die BestPractice-Prozess-Standards anzupassen. Dabei wird die Funktion Controlling stärker mit der Funktion F&A vernetzt. 5. Die neuen Wachstumsmärkte wie zum Beispiel China, Russland und Brasilien stehen im Fokus der Wachstumsstrategie von BHC. In diesen Märkten werden die Best-Practice-Prozess-Standards etabliert, um das sehr stark wachsende Geschäft effizient zu unterstützen und um Compliance-Anforderungen in einem schwierigen Umfeld erfüllen zu können. 6. Die globalen Prozessverantwortlichen und BPM-Spezialisten sowie das ICS Management werden bereits heute verstärkt aktiv in die Projektarbeit einge-
Von der ICS Compliance zum gelebten Mehrwert – Business Process Management
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bunden. Ihre aktive Teilnahme an Projekten und Einbindung in den Integrationsteams wird von der O&I Funktion eingefordert. Sowohl die Projekt- als auch die Integrationsmethodik der O&I wird von ihnen zunehmend beeinflusst. Damit wächst ihnen mehr Verantwortung zu Standards zu etablieren und Compliance zu gewährleisten. Dadurch können prozessuale und risikobezogene Optimierungsgesichtspunkte stärker berücksichtigt werden. 7. Die globalen Prozessowner arbeiten zunehmend mit der O&I-Funktion bei der Erarbeitung der ERP- und IT-System-Strategie zusammen. 8. Das BHC-Prozessmodell wird aus dem Nukleus ICS weiterentwickelt und um weitere wesentliche Bereiche ergänzt. Das holistische Prozessmodell wird mit der IT-Strategie enger verknüpft und mit den Archetypen beider Plattformen vernetzt. 9. Die auf das Prozessmodel bezogene Dokumentationsmethodik wird über System- und Funktionsgrenzen hinweg über den Fokus internes Kontrollsystem hinaus ausgebaut und optimiert. Ein konsistenter Ansatz über alle Dokumentationstypen und IT-Systeme sowie die Schaffung einer Prozess-Dokumentations-Governance Instanz ist geplant. 10. Die beiden Divisionen Bayer Schering Pharma und Consumer Care haben Verantwortliche für die wesentlichen globalen Geschäftsmodelle nominiert und deren Rolle definiert. Damit wurde die Basis geschaffen, Prozesse aus Produktsicht global über Funktions-, Gesellschafts- und Systemgrenzen hinweg zu steuern und die Risiken zu minimieren. Die globalen Prozessverantwortlichen werden rechtzeitig in die Planung neuer globaler Geschäftsmodelle eingebunden. Die Nominierung von Prozessverantwortlichen der verbleibenden Divisionen wird untersucht. 11. Die Prozesse mit Logistikanbietern, Kunden und Lieferanten werden weiterhin konsequent über Schnittstellen automatisiert und die Integrationstiefe erhöht. 12. Global gültige IT-System-Zugriffsberechtigungs-Konzepte werden enger mit den Core-Best-Practice-Prozessen verknüpft, um die gewünschte Aufbauorganisation im Rahmen der globalen Arbeitsteilung zu steuern. Die Globalen Prozessverantwortlichen werden bei der inhaltlichen Ausgestaltung stärker in die Verantwortung genommen. In diesen wesentlichen Schritten ist das ICS Management in beratender Funktion eingebunden. Vor allem die funktionsübergreifende Prozesserfahrung, die Kenntnisse der Werteflüsse und Verantwortungsstrukturen sowie die erfolgreich praktizierte Governance Rolle im prozessualen und organisatorischen Risikomanagement wird als Mehrwert angesehen. Auch in der Zukunft wird die ICS Funktion durch Objektivität sowie Kommunikationsvermögen über Funktionsgrenzen hinweg ihren Wertbeitrag leisten und das Business Process Management unterstützen.
Optimierte Prozesse im Rechenzentrum mit gelebtem Business Process Management Manfred Heckmeier
Zusammenfassung╇ Dieser Beitrag beschreibt die Einführung eines BPM-Tools für die Unterstützung des Kernprozesses Auftragsmanagement der finanz informatik technologie service. Die Vorgehensweise im Projekt sowie die gewonnenen Erfahrungen werden aufgezeigt. Schlüsselwörter╇ Subjektorientierte Methode • Rechenzentrum • Finanz Informatik • jFLOW!
1â•…Das Unternehmen finanz informatik technologie service Das Unternehmen, die finanz informatik technologie service, ein Tochterunternehmen der Finanz Informatik, hat sich seit 1994 als zuverlässiger Outsourcing-Partner der Finanzbranche etabliert. Im Fokus stehen die kompetente Beratung sowie die Bereitstellung und der Betrieb optimierter Infrastruktur- und Anwendungsservices. Diese bieten Banken, Finanzdienstleistern und Versicherungen konkrete Wettbewerbsvorteile. Die Nutzung der Services ermöglicht eine gezielte Steigerung der Effizienz, eine nachhaltige Senkung der IT-Kosten sowie die Erfüllung moderner Governance-Anforderungen. Für finanz informatik technologie service bedeutet Outsourcing nicht nur Branchenkompetenz bei Beratung, Planung und Umsetzung der Dienste, sondern der Outsourcing-Spezialist übernimmt auch die konkrete Verantwortung für die technische Prozessoptimierung und die Serviceleistung. Finanz informatik technologie service beschäftigt in Deutschland am Hauptsitz in München und an den Standorten Nürnberg und Offenbach rund 450 Mitarbeiter. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von ca. 126€Mio.€€ – davon 75€% außerhalb des Konzerns der Finanz Informatik. Zu den namhaften Kunden, Manfred Heckmeier: Geschäftsführer/Managing Director der finanz informatik technologie service, Aschheim M. Heckmeier () Finanz Informatik Technologie Service, Richard-Reitzner-Allee 8, 85540 Haar, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_7, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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die sich auf die kompetenten Services verlassen, zählen unter anderem Bayerische Landesbank, Landesbank Hessen-Thüringen, Deka Bank, Deutsche Kreditbank AG, dwp Bank, Hauck & Aufhäuser, LBS IT, Sparkassen-Finanzportal und Halifax Bank of Scotland (HBOS).
2â•…Die Vision Die Positionierung der finanz informatik technologie service am Markt, die langjährige Erfahrung, die Anstrengungen zur laufenden Verbesserung der Effizienz sowie der Effektivität der Services und das hohe Engagement der Mitarbeiter zielen darauf ab, die Vision bester Dienstleister für Informationstechnologie im Finanzsektor Realität werden lassen. Dabei liegt der Fokus auf der exzellenten Erfüllung der Erwartungen bestehender und potenzieller Kunden an einen ITDienstleister. Die Anforderungen der Kunden beziehen sich im Wesentlichen auf marktgerechte Preise für flexible Lösungen. Der performante und sichere Zugriff auf Systeme und Daten ist für die Kunden aus der Zielgruppe Finanzsektor eine Selbstverständlichkeit. Die Flexibilität in den Lösungen und eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung sind vor allem durch gute Einkaufskonditionen im Bereich der zu beschaffenden Komponenten, durch deren skalierbaren und standardisierten Einsatz trotz oftmals geforderter Individualität und eine optimierte Dienstleistung in der Erbringung des Services gewährleistet. Die optimierte Erbringung der Dienstleistung erfordert eine organisierte Prozesswelt, die alleine aber nicht zwingend zum Markterfolg führt. Erst durch Initiative, Kreativität oder gar Leidenschaft der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entstehen heute Wettbewerbsvorteile, die die Entscheidung der Kunden damit überzeugend beeinflussen.
3â•…Wie funktioniert ein Rechenzentrum? Die Aufgabenstellung der finanz informatik technologie service ist u.€a. der Rechenzentrumsbetrieb. Hierfür sind folgende Teile (siehe Abb. 1) notwendig: • Technologie, • Personal, • IT-Organisation. Der im Vordergrund stehende Einsatz von Technologie war in der Vergangenheit der wesentliche Faktor zum erfolgreichen Betrieb eines Rechenzentrums. Der notwendige Einsatz proprietärer und damit sehr teurer sowie aufwändig und individuell zu betreibender Rechnersysteme rechtfertigte dies. Im Zuge der Standardisierung der Technologie wie Intel X86 und dem immer weiter zurückgehenden Einsatz
Optimierte Prozesse im Rechenzentrum mit gelebtem Business Process Management » IT Konzernstrategie
» IT Strategie Dienstleistung
K U N
Service
D E N
IT Fabrik
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» IT Budget Technologie » Architektur » Infrastruktur » Hardware » Software IT Personal » Internes Pers. » Externes Pers.
IT Fabrikorganisation » Automation (industrielle Produktion) » Aufbau- und Ablauforganisation • Planung und Design (PLAN) • Bereitstellung (BUILD) • Betrieb und Abrechnung (RUN) » Qualitätsmanagement
Abb. 1↜渀 Rechenzentrumsbetrieb
proprietärer Systeme rückt dieser Punkt heute als Wettbewerbsaspekt in den Hintergrund. Die Standardisierung in der Technologie führt dazu, dass der Einsatz kostengünstiger, gleichartiger Systeme in großen Stückzahlen mit industriellen Methoden der Bereitstellung immer mehr das Bild bestimmt. Der zweite wesentliche Erfolgsfaktor ist das IT-Personal, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren Fähigkeiten, die Systeme und deren Zusammenwirken möglichst effektiv und sicher zu konzipieren, aufzubauen und zu betreiben. Hoch qualifiziertes und erfahrenes Personal motiviert und effektiv im Einsatz zu haben, ist die zentrale Herausforderung. Daher kommt dem dritten Erfolgsfaktor „Organisation“ eine sehr hohe Bedeutung zu. Es wird immer wichtiger, durch eine effiziente Organisation die vorhandenen Fähigkeiten optimal einsetzen zu können. Ferner stellt die geforderte Sicherheit der Kunden hohe Anforderungen an Nachvollziehbarkeit. Die Zertifizierung der Abläufe und des Vorgehens ist seit Jahren ein Muss in Ausschreibungen und in der Leistungserfüllung. Begonnen mit einer Zertifizierung im Jahre 1997 nach ISO 9001:2000 hat finanz informatik technologie service mittlerweile zusätzlich eine Zertifizierung nach ISO 27001 erlangt und ihr Kontrollsystem nach PS 951 Typ B zertifiziert. Dieser Nachweis implementierter und gelebter Prozesse im geforderten Umfang sowie die Einhaltung der Normen führten dazu, eine für das Unternehmen optimale Prozesswelt über die Jahre hinweg aufzubauen und zu pflegen. Darauf basiert der heutige Unternehmenserfolg. Wesentlich ist jedoch, dass die für den Geschäftserfolg ebenso geforderte Flexibilität erhalten bleibt. Geschäftsprozesse begleiten Unternehmen ebenso bei Veränderungen in strukturierter Form und unterstützen diese in hervorragender Art und Weise.
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4â•…Die heutige Prozesswelt als Ausgangslage Vor dem Hintergrund der dargestellten Entwicklung hat finanz informatik technologie service über die Jahre eine effiziente und effektive Prozesswelt unter Einbeziehung seiner Mitarbeiter aufgebaut. Diese gelebte Beteiligung und Umsetzung lässt die Akzeptanz der Betroffenen in erheblichem Maße steigen. Das dargestellte Prozessmodell (siehe Abb. 2) adressiert die Kernprozesse. Mittlerweile ist dieses Modell sowohl auf der operativen (Leben der Prozesse etc.) als auch auf der strategischen Ebene vollständig implementiert. Dennoch bietet sich immer wieder eine Chance, weitere Optimierungen des Prozessmodells herbeizuführen. Ein wesentlicher Schritt, dieses Modell weiter auszubauen, wird darin bestehen, es noch stärker als bisher in die Richtung ITIL und ISO 20000 zu entwickeln. Ferner sollen durch die Bündelung von Prozessen zu Prozessclustern die Verantwortlichkeiten weiter konzentriert und damit die taktische und strategische Steuerung verbessert werden. Dieser Schritt resultiert aus den Erfahrungen der letzten Jahre. Für jeden einzelnen Prozess wird dessen kontinuierliche Verbesserung über die PDCA-Methode (Plan-Do-Check-Act) sichergestellt und laufend die wesentlichen
Personalmanagement
K U N D E
Business Continuity Management (BCM)
Steuerung des QM Systems
Beschaffung Sicherheitsmanagement
Kundenzufriedenheit
Betrieb
Pre-Sales Angebotserstellung
Auftragsmanagement
Changemanagement
Entwicklung Bereitstellung
Incidentmanagement
TQS
Problemmanagement
Lizenzmanagement
Service Management
Kernprozesse
Produktmanagement Risikomanagement
Facilities
Management Prozesse
Abb. 2↜渀 Prozessbild der finanz informatik technologie service
K U N D E
Optimierte Prozesse im Rechenzentrum mit gelebtem Business Process Management
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Ziele
n he sc en M
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Prozess / Ablauf
Plan
Definieren und abgleichen
Maßnahmen
Durchführung
Act
Do
Steuerung durch Kenngrößen
n
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Ro
Quelle: Unternehmenshandbuch
/S
Check
Pr oz
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Analyse Soll-Ist-Vergleich
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ru
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Abstimmen und Einleiten
Kommunikation
Abb. 3↜渀 Prozessdiamant
Einflussfaktoren auf die Qualität weiterentwickelt. Letztere sind im Prozessdiamant der finanz informatik technologie service (siehe Abb. 3) dargestellt.
5â•…Die Aufgabenstellung Der Bereitstellung von Services kommt im Businessmodell der finanz informatik technologie service hohe Bedeutung zu. Damit ist der Prozess Auftragsmanagement ein sehr wesentlicher Ablauf und steht laufend im Fokus von Qualitäts- und Kundenzufriedenheitsbetrachtungen. Ziel des Projekts war es, den Prozess Auftragsmanagement weiter zu optimieren. Es wurde versucht, den bestehenden Ablauf mit den definierten Beteiligten und deren notwendige Interaktion zur Erfüllung des Prozessablaufs in den Vordergrund zu rücken. Der Schwerpunkt lag auf der Abbildung des bestehenden Prozesses, einhergehend mit einigen Verbesserungen. Damit wurden aufgrund des geringen Veränderungsanspruchs, die Auswirkungen auf die Menschen zunächst bewusst gering gehalten. Termintreue und Qualität der Auftragserfüllung sind neben den Kosten die wesentlichen Erfolgsfaktoren. Zusammengefasst bedeutet dies rechtzeitige Lieferung in der vereinbarten Qualität. Die Grafik in Abb. 4 zeigt den Ablauf einer Bestellung für einen Server und dessen Betriebsinitiierung.
M. Heckmeier
lt / Resu
r de Or
u Prod
kt
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Client
Client
Client
International sales and distribution
Deliver
Order Control Processing TAV
Kick Off TAV-TABs Meeting TAV-TABs
Network / Firewall TAB
Mainframe TAB
Client / Server Windows, Unix TAB
Abb. 4↜渀 Ablaufstruktur des Auftragsmanagements
Der Prozess funktioniert heute in der Art und Weise, dass nach Vorlage eines Auftrags dieser von der Organisationseinheit Auftragssteuerung (Order control processing) aufgenommen wird (Rolle TAVâ•›=â•›technischer Auftragsverantwortlicher) und unter Benennung und Einbeziehung von Fachbereichen (TABâ•›=â•›technischer Auftragsverantwortlicher Betrieb) zur Umsetzung gebracht wird. Bisher war der Prozess in standardisierten Beschreibungen und Richtlinien dokumentiert. Die Abwicklungsunterstützung beruhte auf klassischen Anwendungen wie SAP CS mit einer Schnittstelle zu SAP SD oder in Einzelfällen wurde die Abwicklung über MS Office Mail oder Outlook vorgenommen. Eine Workflow-Engine gab es nicht. Das seitens des Managements geforderte ständig aktualisierte Monitoring bzw. Reporting der Auftragsstati und Ressourcenauslastung fehlte bisher ebenso wie die nachvollziehbare Eskalation bei Terminverzug oder inhaltlichen Umsetzungsproblemen. Damit wurde der Bedarf nach einem werkzeuggestützten Prozessmodell immer deutlicher. Ein hohes Maß an Flexibilität war ebenso gefragt wie eine Implementierung ohne langwieriges Programmieren. Die langfristige Einbeziehung externer Rollen in den Prozess wie Kunden (z.€B. für Abnahme der Bereitstellung) und Lieferanten (z.€B. für die Bereitstellung notwendiger Komponenten) war auf mittlere Sicht eine zwingend zu erfüllbare Forderung.
Optimierte Prozesse im Rechenzentrum mit gelebtem Business Process Management
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6â•…Die Methode Die Aussage „Organisation ist die Gestaltung der Kommunikation zwischen den Beteiligten“ (Simon 2009, S.€14) machte uns bewusst, dass die Möglichkeit dies auszudrücken, eine wesentliche Anforderung an BPM-Werkzeuge ist. Damit wurde die Abbildungsmöglichkeit der Kommunikation zum wesentlichen Erfolgsfaktor. Die Idee, die S-BPM-Methode (Subject oriented Business Process Management) für das Projekt näher zu betrachten, war eine unmittelbare Folge. Die subjektorientierte Methode geht von den Handelnden in einem Prozess aus. Während Modelltypen wie EPKs oder BPMN ihren Schwerpunkt auf den auszuführenden Aktionen haben, fokussiert sich die S-BPM Methodik auf die Subjekte, die Handelnden eines Prozesses. Diese Subjekte führen Aktionen aus und koordinieren ihr Verhalten durch den Austausch von Nachrichten. Aktionen die von Subjekten ausgeführt werden (Prädikate) sind auf Geschäftsobjekten (Objekt) definiert. Ein Subjekt führt drei verschiedene Typen von Aktionen aus: • interne Aktion auf einen Geschäftsobjekt (Lesen, Schreiben, Ändern etc.), • Senden von Nachrichten an andere Subjekte, • Empfangen von Nachrichten von anderen Subjekten. Mit insgesamt fünf Symbolen können so die einzelnen Prozesse beschrieben werden. Es gibt Symbole für die an einem Prozess beteiligten Subjekte und die zwischen ihnen ausgetauschten Nachrichten. Für die Beschreibung des Verhaltens eines Subjekts und für das Ausführen einer internen Aktion sowie für das Senden und Empfangen von Nachrichten gibt es jeweils ein Symbol. Mit der Betonung der Akteure in einem Prozess und deren Interaktionen entspricht der subjektorientierte Ansatz auch den Überlegungen der systemischen Organisationstheorie, die davon ausgeht, dass Kommunikation die kleinste Einheit der Organisation ist (Simon 2009, S.€14). Aus der Sicht der Informatik basiert die subjektorientierte Methodik auf einer Prozessalgebra zur Modellierung paralleler Prozesse, die von Milner (1980) und Hoare (1985) vorgestellt wurde. Im Hinblick auf die praktische Verwendbarkeit der theoretischen Konzepte ergänzten Fleischmann (1994, 2007) u.€ a. eine grafische Notation und integrierten Aspekte der Objektorientierung. Die Anwendung dieser Methode wurde von Schmidt et€al. (2009) bestätigt. Für diesen subjektorientierten Ansatz wurden von der Firma Metasonic (zuvor jCOM1) entsprechende Werkzeuge entwickelt. Mit jPASS! umfassen diese Werkzeuge ein Modul für die subjektorientierte Modellierung, mit jLIVE! eine Lösung für die interaktive Validierung und mit jFLOW! eine Process Engine für die Ausführung von Geschäftsprozessen (jCom1 2010). Charakteristisches Kennzeichen ist der hohe Grad der Automatisierung bei der Generierung von Code. So können z.€B. aus den mit jPASS! modellierten Abläufen auf Knopfdruck Ablaufsteuerungen generiert werden, die es erlauben über das Internet die Logik von Prozessen in einem IT-gestützten Rollenspiel zu testen. Nach der Einbettung in die Organisation, indem den einzelnen Subjekten entsprechende Mitarbeiter zugeordnet werden, kann der
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Prozess mithilfe der verfügbaren Process engine jFLOW! direkt ausgeführt werden. Schnittstellen erlauben den Import und Export von Modellen anderer Tools, insbesondere von eEPKs aus ARIS.
7â•…Das Projekt – die Praxis Mit der Vorgabe zur Anwendung der S-BPM-Methode und den Werkzeugen der Firma Metasonic (siehe Abb. 5) wurde das Projekt unter der Federführung der Organisationseinheit Auftragssteuerung, die wesentlicher Prozessowner ist, aufgesetzt. Die hoch motivierte Gruppe machte sich schnell an die Modellierung des Prozesses und konnte dies innerhalb weniger Tage realisieren. Basis war dabei der bereits aus ihrer Sicht gelebte Prozess. Die Komplexität des Prozesses erforderte die flexible Abbildung und die Möglichkeit der Generierung variabler Abläufe zur Ablaufzeit. Dies machte die Bereitstellung von Multiprozessen notwendig. Das Multiprozesskonzept erlaubt es, gleichartige Prozessteile innerhalb eines Prozesses mehrfach unabhängig voneinander ablaufen zu lassen. Damit wird das Problem der Multiinstanzen, wie es für
Abb. 5↜渀 Eingesetztes Werkzeug jflow! zur Bearbeitung der Auftragsliste (Informationen zum Teil unkenntlich gemacht)
Optimierte Prozesse im Rechenzentrum mit gelebtem Business Process Management
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ARIS gilt, gelöst. Dies ist notwendig, da bei der Auftragsabwicklung eine unterschiedliche Anzahl von Personen aus verschiedenen Fachabteilungen beteiligt ist. Während der Implementierung wurden noch weitere Anforderungen gestellt. Diese waren im Wesentlichen die Speicherung aller auftrags- und ablaufrelevanter Daten, die wechselnde und wachsende Anzahl von Rolleninhabern in unterschiedlicher Ausprägung pro Auftrag usw. Es wurde sehr bald klar, dass der ausgewählte Prozess äußerst komplex und sensibel ist. In das Projekt waren letztlich 5 Abteilungen mit ca. 50 Mitarbeitern involviert. Inzwischen wurde der Prozess umgesetzt. Die Freigabe konnte erteilt und die Schulungen für ca. 160 Mitarbeiter aufgesetzt werden.
8â•…Lessons learned Mittlerweile ist auf eine erfolgreiche, aber relativ lange Projektlaufzeit zurückzublicken. Die wesentlichste und einprägsamste Erfahrung ist die Erkenntnis, dass die Erstellung der Beschreibung eines Prozesses mit allen generischen Facetten nichts im Vergleich zur Umsetzung dieses Prozesses in ein real lebbares und nutzbares technisches Korsett ist. Bisher galt die Philosophie bei finanz informatik technologie service, Prozesse nur hinsichtlich der wesentlichen Schritte exakt zu beschreiben und im Kontext mögliche Abweichungen jeweils den Nutzern innerhalb ihrer Rollenkompetenz zu erlauben. Sobald dies aber in einen festen Ablauf durch ein Tool gebracht werden muss, kann diese Strategie nicht weiter verfolgt werden. Die Prozessschritte selbst und die evtl. davon auftretenden Varianten sind exakt zu formulieren. Dies führt jedoch wieder schnell zu Motivationsproblemen beim Personal und verhindert Kreativität. Es galt, die Balance zwischen festgelegtem bzw. nachvollziehbarem Prozessablauf und der notwendigen Freiheit der Rollen und ihrer Rechte zu finden. Bei einem komplexen Prozess wie dem Auftragsmanagement waren diese Punkte laufend Gegenstand von Diskussionen und erzeugten einen hohen Aufwand. Es ist daher dringend zu empfehlen, bei Einführung eines BPM-Tools nicht in einem ersten Schritt mit dem schwierigsten Prozess in der Umsetzung zu beginnen. Eine weitere Erkenntnis war die Notwendigkeit, alle in den Prozess betroffenen Personen einzubeziehen. Hier ist es zwingend, sowohl für die erforderlichen Festlegungen im Prozess als auch für das Tool, die Akzeptanz und die Ablösung der oftmals schon vorhandenen technischen Unterstützung vollständig zu erreichen. Auch wird der Aufwand, eine erforderliche und vorhandene Datenbasis einzubauen, stets unterschätzt. Hier kommen im Wesentlichen die bereits vorhandenen auftragsbezogenen Informationen in den Fokus – ebenso wie die erforderlichen Daten zur Steuerung des Prozesses wie Infrastrukturwissen (z.€B. Active Directory). In der Umsetzung des Prozesses wurde zur Vermeidung redundanter Datenhaltung bzw. Erfassung die Einbindung der Vertragsdaten aus dem SAP CS vorgenommen. Damit konnten die auftragsbezogenen Daten im Ablauf zur Verfügung
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gestellt werden. Die Informationen wurden initial in das Tool jpass! übernommen und werden im Ablauf des Prozesses fortgeschrieben. Mit der Umsetzung des Prozesses im Tool trat jedoch auch noch weiterer Bedarf an Informationen auf, der in der internen Datenbank von jpass! abgelegt wurde. Hier sollte darauf geachtet werden, dass dadurch bestehende Daten, die u.€U. von anderen Prozessen genutzt werden, nicht unnötig redundant vorgehalten werden oder zumindest ein laufender Abgleich stattfindet. Ähnliches gilt für Infrastrukturwissen, das zum Ablauf erforderlich ist – wie etwa die Abbildung der Rollen und Rechte. Hier sollten stets vorhandene unternehmensweit genutzte Datenquellen zum Einsatz kommen. Letztlich ist es manchmal auch sehr schwierig, die erfolgreiche und ausreichende Prozessumsetzung zu erkennen. Was ist gut, was ist besser und was ist perfekt? Ist das Perfekte noch wirtschaftlich? Wie viel Prozess ist vorzuschreiben und welche Teilschritte können ohne Verlust offen gehalten werden? Nur durch eine intensive Abstimmung der Betroffenen und der Know-how-Träger kann hier eine tragfähige und akzeptable Lösung gefunden werden. Trotz der Anforderung, das Tool sollte von den Prozessverantwortlichen selbst ohne Programmierkenntnisse anzuwenden sein, benötigt man einen Verantwortlichen, der die Weiterentwicklung, Schulung und Unterstützung der Anwender für das Tool durchführt. Das gewählte Tool jpass! bietet eine sehr einfache Modellierungsmöglichkeit der Abläufe. Trotz der im Rahmen des Projekts nachgewiesenen einfachen Bedienung und der deutlichen Vorteile gegenüber konventionellen Modellierungstools, sind eine Einarbeitung und ein ständiges Befassen mit dieser Aufgabenstellung erforderlich.
9â•…Vision – eine gelebte, kreative und steuerbare Prozesswelt Die Vision, die mit der Methode S-BPM verbunden wird, ist eine technisch unterstützte, effiziente und effektive Prozesswelt, die stets den Anforderungen und Veränderungen der Businesswelt entsprechend von den jeweiligen Prozessverantwortlichen selbst angepasst werden kann. Dabei sollten unter Wahrung der erforderlichen Ordnungsmäßigkeit der Dokumentation, Freigabe und revisionssicheren Abwicklung notwendige Veränderungen jederzeit zeitnah vorgenommen werden können. Eine Möglichkeit der Modellierung durch die Prozessverantwortlichen ohne Programmierkenntnisse mit hohem Maß an Live-Validierungsmöglichkeit ist von großem Vorteil. Der nächste und entscheidende Schritt ist aber die Einbeziehung der Lieferanten und vor allem der Kunden in die Prozesswelt. Erst dies ermöglicht wirklich eine vollständige, technisch unterstützte Prozesswelt über alle beteiligten Instanzen hinweg. Bezogen auf den im Projekt umgesetzten Auftragsmanagementprozess ist die Idee, sowohl den Lieferanten als auch den Kunden und deren jeweilige Mitwirkung
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Abb. 6↜渀 Unternehmensübergreifende Lösung
in den Prozess einzubinden und damit den Wertschöpfungsprozess über die Unternehmensgrenzen hinweg technisch unterstützt auszuweiten (siehe Abb. 6). Ferner entsteht durch die Einbindung des Kunden auf der anderen Seite zusätzlicher Nutzen. Die prozessgestützte Abnahme des Kunden nach einer Bereitstellung optimiert den Ablauf signifikant. Es lässt sich ein unternehmensübergreifender Businessprozess in einer beherrschbaren und effektiven Form implementieren. Die Projektziele wurden zur vollen Zufriedenheit umgesetzt. Mittlerweile sind nahezu hundert Prozent der Auftragsarten umgesetzt. Die in Zukunft zu gewinnende Erfahrung wird für einen weiteren Einsatz der Methodik ausschlaggebend sein. Der nun umgesetzte Prozess des Auftragsmanagements ist der komplexeste und schwierigste Prozess bei finanz informatik technologie service überhaupt. Daher herrscht der Optimismus vor, dass mittelfristig weitere Prozesse mit der Methode der S-BPM umgesetzt werden. finanz informatik technologie service ist überzeugt, dass dies mit einem wirtschaftlichen und zeitlichen Aufwand in hoher Qualität gelingen wird.
Literatur Fleischmann A (1994) Distributed systems – software design and implementation. Springer, Berlin Fleischmann A (2007) Subjekt, Prädikat und Objekt in der Grammatik der Software. http://www. bpmnetwerk.de/content/articles/viewArticle.do?id=dbda128e156a2dd701160c2db8052fed& source=3. Zugegriffen: Juli 2010 Hoare C (1985) Communicating sequential processes. Prentice Hall, New Jersey jCom1 (2010) www.jcom1.com. Zugegriffen: Juli 2010 Milner R (1980) Calculus of communicating systems. Springer, Berlin Schmidt W, Fleischmann A, Gilbert O (2009) Subjektorientiertes Geschäftsprozessmanagement. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, Heft 266, April 2009 Simon FB (2009) Einführung in die systemische Organisationstheorie. Carl Auer Verlag, Heidelberg
Miles & More – Prozessmanagement im weltweiten Kundenservice Thomas Gesing, Thorsten Hanisch und Sven Wichtrup
Zusammenfassung╇ Die hohe Akzeptanz des Vielfliegerprogramms Lufthansa Miles & More bedeutet zugleich eine große Herausforderung für die Geschäftsprozesse. Eine global verteilte, qualitativ hochwertige und zugleich schnelle Bearbeitung der Kundenkorrespondenz machten eine grundlegende Optimierung der früher papierbasierten Prozesse notwendig. Umfangreiche fachliche, technische und personelle Herausforderungen wurden mithilfe eines modernen Prozessmanagements und moderner BPM-Technologie gemeistert. Im Ergebnis konnten verbesserte Qualität und verringerte Durchlaufzeiten sowie wichtige neue Funktionalitäten realisiert werden. Schlüsselwörter╇ BPM-Technologie • Globale Arbeitsteilung • Digitalisierung • Projektphasen • Monitoring • Reporting
1â•…Das Geschäft Lufthansa Miles & More ist das führende Vielfliegerprogramm in Europa mit weltweit mehr als 19€Mio. Teilnehmern. Um die Kunden langfristig an das Unternehmen zu binden, ermöglicht Miles & More seinen Teilnehmern das Sammeln von Meilen Thomas Gesing: Deutsche Lufthansa AG, Frankfurt Thorsten Hanisch: arvato direct services GmbH, Gütersloh Sven Wichtrup: arvato systems GmbH, Gütersloh T. Gesing () Deutsche Lufthansa AG, Airportring 1, 60546 Frankfurt a. M., Deutschland E-Mail:
[email protected] T. Hanisch arvato direct services GmbH, An der Autobahn, 33310 Gütersloh, Deutschland E-Mail:
[email protected] S. Wichtrup arvato systems | Technologies GmbH, An der Autobahn 18, 33311 Gütersloh, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_8, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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auf Lufthansa- und Partnerflügen sowie bei über 100 weiteren Marketingpartnern aus unterschiedlichsten Industrien und Lebensbereichen. Die gesammelten Meilen können in Flug- und Upgradeprämien, aber auch für Hotelübernachtungen, Mietwagen oder attraktive Sachprämien eingetauscht werden. Wahre Vielflieger qualifizieren sich für einen Miles & More-Status, der mit besonderen Serviceleistungen rund ums Fliegen verbunden ist, z.€B. Loungezugang, kostenloses Übergepäck oder Wartelistenpriorität. Die Analyse der Kundendaten ist für eine wertorientierte Kundensegmentierung und -differenzierung und in der Folge für einen entsprechend wertschätzenden Kundendialog und -service wichtige Basis. Und gerade dem Kundenservice kommt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung bei, da er dem Premiumanspruch des Programms entsprechen muss. Seit der Gründung des Miles & More-Programms im Jahr€1993 ist arvato der Business Process Outsourcing Provider (BPO) für den Kundenservice im Miles & More-Programm und für weitere Services der Lufthansa.
2â•…Ausgangssituation im Miles & More-Geschäft Gemeinsam mit arvato wurden in 2003 erste Überlegungen für eine Business-Process-Management-Initiative (BPM-Initiative) gestartet, um die bis dahin papierbasierten Prozesse im Kundenservice vollständig digital abzubilden. Denn sämtliche eingehende Kundenkorrespondenz, die im Zusammenhang mit dem Miles & More-Programm entstand, wurde damals per Hand vorsortiert und anschließend im Original zur weiteren Bearbeitung an verschiedene Servicecenter weltweit weitergeleitet. In Zahlen ausgedrückt handelte es sich jährlich um mehr als zwei Millionen Kundenanfragen mit über zehn Millionen Einzeldokumenten, die per Brief oder Fax bei Miles & More eingingen. Hinzu kamen Eingangskanäle wie E-Mail oder elektronische Formulare auf der Miles & More-Website. Der Prozess der Verteilung der Originalpost an verschiedene Bearbeitungsstandorte wie Neu Delhi, Los Angeles oder Wilhelmshaven führte vor der Digitalisierung zu langen Verteilungswegen und einer während der Bearbeitung oft nicht vorhandenen Übersicht über den Bearbeitungsstatus auf Basis der individuellen Vorgänge. Fehlleitungen von Vorgängen sorgten für Verzögerungen in der Bearbeitung und waren im Falle von Beschwerden nur schwierig zu recherchieren. Die dezentrale Bearbeitung erforderte zudem dezentrale Archive zur Langzeitaufbewahrung der Originalpost. Dieses Vorgehen verursachte in der Vergangenheit – allein durch den Weitertransport von Kundenpost per LH-interner Luftfracht – hohe Prozesskosten und trug dem stetig steigenden Teilnehmerwachstum und dem Stellenwert des Miles & More-Programms wenig Rechnung. Denn die zunehmenden Abhängigkeiten zwischen einzelnen Anfragen machten nicht nur die Bearbeitung von Vorgängen immer komplexer, sondern führten auch zu einer dringend notwendigen Beschleunigung der Abläufe, um die Kundenzufriedenheit sicherzustellen, gleichzeitig die Prozesse zu verbessern und damit die Prozesskosten zu senken. Bereits die ersten Überlegungen bezüglich Vorgehen und anzuwendender Technologie führten schnell zu einem prozessualen Ansatz mit dem in Tab. 1 beschrie-
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Tab. 1↜渀 Gegenüberstellung der Prozesse alt und neu Prozess ALT Prozess NEU Posteingang Öffnen und Grobsortierung der Öffnen und Vorsortierung der Eingangspost Eingangspost und Vorbereitung zum Scanning Vorverarbeitung Sichten der Dokumente, Sortieren und Vorbereiten für den Weitertransport
Routing Weitertransport nach Neu Delhi, Los Angeles, Wilhelmshaven und Gütersloh
Scannen der Dokumente ICR-/OCR-Prozess (Intelligent Character Recognition/Optical Character Recognition) zur Formularerkennung bzw. Klassifizierung der Fälle am Rechner Transfer der Scans zum Workflow-System Dynamisches Routing zum zuständigen Servicecenter abhängig vom Bearbeitungsstatus
Processing manuelle Endverarbeitung der Dokumente inkl. notwendiger Datenbank-Eingaben durch die Servicecenter ggf. physische Weiterleitung von Mischoder Mehrfachanfragen
automatisiertes Processing über Middleware Services oder manuelle Bearbeitung, wo nötig automatische Statusanalyse und ggf. Fortsetzung Routing
Archivierung aufwendige physische Archivierung in dezentralen Hochregallagern
zentrale digitale Archivierung revisionssichere Langzeitspeicherung
benen Soll-Prozess. Es war offensichtlich, dass die vielfältigen und komplexen Prozesse sowie Aufgaben in diesem Geschäft in Verbindung mit einem Wechsel auf komplett digitalisierte Abläufe nur mithilfe von BPM-Technologie zu bewältigen sind. Weitere wichtige Entscheidungsmerkmale für einen weltweiten Einsatz der Lösung in den Servicecentern waren Webtechnologien, eine 24/7-Verfügbarkeit nach dem Follow-the-Sun-Prinzip und eine möglichst nahtlose Integration der Prozesse in die vorhandene IT-Landschaft des Outsourcing Providers arvato und der Lufthansa. Im Verlauf des Projektes rückten weitere wichtige Faktoren in den Fokus, die für die Nutzer des Systems heute unentbehrlich sind, deren Bedeutung aber zu Beginn des Projektes nicht so transparent war. Hierzu mehr im Kapitel Lessons learned. Bei der Diskussion der Frage, welcher Technologieansatz der richtige ist, wurde schnell klar, dass es sich bei diesem Projekt um ein Veränderungsprojekt handelt. Altbewährte Denk- und Handlungsstrukturen mussten überdacht und die Arbeitsweise der Teams verändert werden. Es war mit Widerständen aus einzelnen Teams bzw. Fachbereichen zu rechnen. Veränderungsprojekte drohen schnell zu scheitern, wenn sie zu komplex sind. So entschied man sich bei der Projektdurchführung für eine iterative Vorgehensweise und die Zerlegung des Projektes in unterschiedliche Phasen. Die Beteiligung zahlreicher internationaler Teams mit verschiedenen Tätigkeitsschwerpunkten, Kompetenzen, Gewohnheiten und technischen Ausrüstungen war ebenso zu berücksichtigen. Denn Servicecenter in Indien, den USA und Deutschland sind tagtäglich an den integrierten Miles & More-Prozessen mit
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unterschiedlichen Verantwortlichkeiten beteiligt. Von der Massenbearbeitung der Routineaufgaben bis hin zur Bearbeitung von Individualanfragen in Spezialistenteams in mehr als acht Sprachen mussten verschiedene Anforderungen berücksichtigt werden.
3â•…Herausforderungen und Zielsetzungen Eine der zentralen Herausforderungen in dem Projekt war es, die einzelnen definierten Ziele miteinander in Einklang zu bringen, um Zielkonflikte frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Neben den fachlichen und technischen Aufgabenstellungen mussten auch persönliche und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Aufgabe des Projektmanagements war es daher, die einzelnen Ziele im Projekt klar zu definieren und miteinander zu vergleichen, um mögliche Konflikte zu erkennen und Prioritäten zu setzen. Um Ziele möglichst nachvollziehbar bzw. nachprüfbar zu machen, wurden sie operationalisiert, d.€h. messbar gemacht. Nur so konnte sichergestellt werden, dass Zielgrößen wie Aufwand, Termine, Ergebnisse auch wirklich eingehalten bzw. erfüllt werden konnten. Für die folgenden Herausforderungen wurden in dem Projekt Lösungen erarbeitet.
3.1â•…Fachliche und technische Herausforderungen • Mehr als zehn Millionen Belege müssen pro Jahr entpackt, vorbereitet, gescannt, digitalisiert und mittels Text- und Formularerkennung ausgelesen werden. • Mehr als zwei Millionen nicht standardisierte Posteingänge müssen pro Jahr in acht Sprachen und mehr als 80 Fallkategorien elektronisch bearbeitet werden. • Die elektronische Klassifikation am Bildschirm muss für eine Massenbearbeitung in Teams geeignet sein. • Zahllose Kombinationsmöglichkeiten innerhalb der Kundenanfragen erfordern ein intelligentes Routing und Mechanismen für korrekte Bearbeitungsreihenfolgen und für Priorisierungen im Hinblick auf ein optimales Zeitmanagement. • Zahlreiche Ausnahmefälle und Sonderbearbeitungen (Statusdifferenzierung, Eskalationsprozesse) müssen im Routing berücksichtigt werden. • Dokumente müssen schnell geladen und dem Benutzer zusammen mit Metainformationen gut sichtbar dargestellt werden. • Für eine standortübergreifende weltweite Fallbearbeitung müssen die Miles & More-Servicecenter performant auf ein zentrales System via Web zugreifen können. • Eine weltweite Verfügbarkeit von 24€Stunden am Tag, sieben Tagen in der Woche mit einer hohen Ausfallsicherheit ist zu gewährleisten. • Die Migration auf den neuen digitalen Bearbeitungsprozess muss unter Beachtung der entstehenden Risiken für den Kundenservice so rasch wie möglich umgesetzt und in den weltweiten Standorten implementiert werden.
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3.2â•…Personelle Herausforderungen • Durch eine geeignete Kommunikationsstrategie sind die verschiedenen Fachbereiche frühzeitig in den Veränderungsprozess einzubinden. • Ein Einführungsteam muss die einzelnen Schritte der Umstellung in den FachbeÂ� reichen begleiten und Hilfestellungen geben. Fachbereichsleiter bzw. Key-User sind in den Software-Design- und Funktionsprozess ebenfalls frühzeitig einÂ� zubinden. • Ein Schulungskonzept für ein Training an internationalen Standorten ist zu erarbeiten. • Der Betriebsrat muss in den Veränderungsprozess einbezogen werden. Eine offene Kommunikation hilft Vorbehalte abzubauen.
3.3â•…Zieldefinition Im Rahmen der Zieldefinition wurden Muss- und Kann-Ziele definiert und kategorisiert. Bei den Ergebnis-, Kosten- und Terminzielen, aber auch bei den Personalund Sozialzielen wurde darauf geachtet, möglichst messbare Ziele zu definieren, um ihre Nachprüfbarkeit zu gewährleisten. Beispiele für Ergebnisziele in dem Projekt sind (siehe auch Abb. 1 und 2): • Systemverfügbarkeit 99,5€%, • Verkürzung von Prozesslaufzeiten, – maximale Laufzeit Posteingang bis Bearbeitungsbeginnâ•›<â•›24€Std., – Zeitverlust durch Fehlleitungenâ•›<â•›1 Arbeitstag, – Zugriffszeit auf Vorgänge und Dokumenteâ•›<â•›2€Sekunden,
Kennzahlen alt
neu
Maximale Laufzeit Posteingang bis Bearbeitungsbeginn
5 Arbeitstage
< 24 h
Zeitverlust durch Fehlleitungen
10 Arbeitstage
< 1 Arbeitstag
1 Tag
ca. 30 sec.
Ø-Zeit Archiv-Recherche
Abb. 1↜渀 Kennzahlen alt/neu
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Features alt
neu
Kundenkontakthistorie
Manuell
Online
Bearbeitungsstatus Fall
Nein
Ja, Online
Messung Service Levels
Manuell
Automatisch
Abb. 2↜渀 Features alt/neu
• Verkürzung von Recherche- und Suchzeiten, – durchschnittliche Archivrechercheâ•›<â•›30€Sekunden. Folgende weitere Zielsetzungen galten für das BPM-Projekt: • höchstmöglicher Automatisierungsgrad manueller Prozesse, • zentrales digitales Archiv anstatt dezentraler physischer Archive, • zu jedem Zeitpunkt volle Transparenz über Bearbeitungsstatus von Kundenanfragen und die Einhaltung von Service Level, • deutliche Kostenreduzierung durch Digitalisierung/Automation, • hohes Maß an Flexibilität bei der Integration weiterer Services und Prozesse.
4â•…Technologieentscheidung Relativ stark standardisierte, aber komplexe operative Arbeitsabläufe, die durch Menschen und Maschinen beeinflusst werden, waren die Entscheidungskriterien für die Wahl von BPM-Technologie anstelle einer reinen DMS-Lösung. Ausschlaggebend war die Möglichkeit, die BPM-Basisapplikation im Sinne einer serviceorientierten Architektur einheitliche Services bereitstellen und entgegennehmen zu lassen, um heterogene Drittsysteme einfach in die Prozesse einzubinden. Im Rahmen einer Ausschreibung der Miles & More-Posteingangsbearbeitung durch die Deutsche Lufthansa AG wurden alle mit dem Projekt zusammenhängenden Leistungen (Design der Systeme und Prozesse, Entwicklung, Betrieb und Dienstleistung) an arvato vergeben. Technologisch fiel die Entscheidung auf Metastorm BPM, einer der weltweit führenden Hersteller von BPM-Software aus den USA, zu dessen Partnern arvato seit vielen Jahren gehört. Im Ergebnis hat sich das auf BPM-Technologie basierende Konzept gegen stärker DMS-getriebene Alternativen durchgesetzt.
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In Bezug auf die Vorprozesse des Scannings, der OCR-/ICR-Technologie und der Archivlösung setzte man auf bewährte und erprobte Produkte und Services, die mit der Metastorm BPM Platform über Schnittstellen verbunden wurden. Zum Betrieb der Systeminfrastruktur für die BPM-Lösung wurde auf die Services des Rechenzentrums von arvato gesetzt. Das System wird im höchsten Service Level „Premium“ 24/7 betrieben.
5â•…Projektvorgehen und Planung Im Rahmen der Projektvorplanung wurde zunächst die Projektorganisation festgelegt, wobei einem klassischen Projektvorgehen gefolgt und neben den Rollen der Projektleitung des Auftraggebers und des Auftragnehmers ein gemeinsames Control Board bei Lufthansa Miles & More und bei arvato installiert wurde. Auf der Seite von Lufthansa Miles & More wurde zusätzlich ein Expertenteam gebildet, das den Projektverlauf fachlich begleitet hat. Auf Seiten von arvato wurden fünf Teams zur • Erarbeitung der Fachkonzepte und der Softwarearchitektur, • Entwicklung und Konfiguration (z.€ B. Workflow, Graphical User Interface – GUI), • zum Aufbau der Infrastruktur, Services und Schnittstellen der BPM-Software, • zum Aufbau der Scanning- und automatisierten Erkennungssysteme, • sowie für die Qualitätssicherung, Tests, Dokumentation und Training, etabliert. Als Projektorganisation wurde die Matrixorganisation gewählt.
5.1â•…Phasenweise Einführung Mit Beginn der Projektplanung und den ersten Workshops zur Anforderungsaufnahme wurden zunächst verschiedene Einführungsszenarien diskutiert. Das Tagesgeschäft sollte so wenig wie möglich beeinträchtigt werden und ein gesicherter „Rollout“ mit geringen Risiken für das Tagesgeschäft stand an erster Stelle. Erste sichtbare Ergebnisse sollten jedoch schon nach kurzer Zeit vorliegen, um frühzeitig die Entscheidung für den Einsatz einer BPM-Technologie zu bekräftigen. Kleine schnelle Schritte waren somit das Ziel – und die Art der Organisation der fachlichen Prozesse unterstützte dieses Vorgehen. Bis heute wurden vier Hauptphasen im Rahmen des Projektes durchlaufen: • Phase 1: Basistechnologie und Automation „Enrolment“-Prozess • Phase 2a: Digitalisierung der Postretouren • Phase 2b: Digitalisierung des gesamten Belegaufkommens
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• Phase 3: Erweiterung der Backend Integration (Flugnachkreditierung Star Alliance) • Phase 4: Erweiterung der Backend Integration (Nachkreditierung Non-Airline) Zu Beginn des Projektes im vierten Quartal 2004 war noch nicht absehbar, welche weiteren Phasen mit welchen Inhalten geplant werden würden. Die Phasen 3 und 4 unterlagen streng genommen einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Denn durch die Umstellung auf eine digitale Prozesssteuerung wurden nach und nach weitere Möglichkeiten gefunden, die fachlichen Prozesse durch neue Services, Funktionen und Schnittstellen besser zu unterstützen. Somit wurden beispielsweise innerhalb der Phasen 3 und 4 zahlreiche Zusatzfunktionalitäten erkannt und als „Change Requests“ definiert und umgesetzt, die zu Anfang des Projekts noch nicht identifiziert waren.
5.2â•…Phase 1: Basistechnologie und Automation „Enrolment“-Prozess Ziel der Phase 1 war es, mit einem relativ einfachen, aber großvolumigen StandardProzess zu beginnen und diesen vollständig digital abzubilden. Die Umstellung sollte innerhalb von vier Monaten abgeschlossen sein. Der „Enrolment“-Prozess dient zur Neuaufnahme von Kunden in das Miles & More-Kundenbindungsprogramm und umfasst Standardformulare, die von Kunden ausgefüllt und an Miles & More gesendet werden. Diese Formulare sollten mittels einer Text- und Formularerkennung ausgelesen und digitalisiert werden, um den weiteren Prozess der Informationsverarbeitung zu unterstützen. Mit der Phase 1 wurden diverse Aufgabenpakete definiert und zur Umsetzung parallelisiert, um den straffen Zeitplan einzuhalten. Hauptaufgaben waren die Bereitstellung der Informationen in Form von digitalisierten Dokumenten sowie der Metainformationen und die Entwicklung des fachlichen Prozesses innerhalb des Workflow-Managements. Weiterhin wurden die Voraussetzungen für ein tägliches Scanning und für digitales Arbeiten an den Arbeitsplätzen in den Fachbereichen geschaffen. Zentrale Aufgabenpakete der Phase 1: • Mittels OCR-/ICR-Technologie wurden die damals weltweit verfügbaren Standardformulare ausgelesen und in ein komprimiertes Dateiformat umgewandelt. Die ausgelesenen Daten aus dem Formular wurden in einer XML-Struktur zur weiteren Verarbeitung bereitgestellt. • Zentrale Systeme der Lufthansa wurden für die automatisierte Anlage und Validierung von Kundendaten über Service-Schnittstellen angebunden. • Im Workflow-Management wurde der Klassifizierungs-, Routing- und Bearbeitungsprozess abgebildet und über modernste Webtechnologie den Nutzern zur Verfügung gestellt. Vollständig erkannte Formulare sind über ein Regelwerk direkt an die Lufthansa Middleware geroutet worden, fehlerhaft oder nicht voll-
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ständig erkannte Formulare wurden in eine Nachbearbeitung geleitet. Damit wurde die Arbeit direkt auf einem Host-System überflüssig. • Das Rollout erfolgte für die am Prozess beteiligten Einheiten in Indien (Neu Delhi) und am Standort Gütersloh. Erste Optimierungseffekte: • Die Anzahl weltweit verfügbarer unterschiedlicher Formulare wurde auf ein Minimum reduziert. • Ein hoher Automatisierungsgrad bei Plausibilitätsprüfungen und wenig Benutzerinteraktion bei standardisierten Anträgen wurden realisiert. • Eine drastische Reduzierung von Durchlaufzeiten wurde erreicht. • Automatisierte Stichprobenermittlung und Qualitätssicherung wurden direkt im System durchgeführt – eine flexible Anpassung der Stichprobe erfolgte durch die Fachabteilung. Die Phase 1 wurde nach nur vier Monaten erfolgreich abgeschlossen und legte somit den Grundstein für eine fortlaufende Ausdehnung der digitalen Prozesse für alle weiteren Anfrage- und Belegarten im Miles & More-Posteingangsprozess.
5.3â•…Phase 2a und 2b: Digitalisierung des gesamten Belegaufkommens Unter dem Motto „go digital“ sollte die komplette manuelle Papierverarbeitung durch digitale Prozesse in der zweiten Phase abgelöst werden. Ca. 10€% des Gesamtvolumens der Eingangspost wurden durch die „Enrolments“ in der Phase 1 abgedeckt. Nun galt es, die übrigen 90€% der Papierbelege sowie diverse Faxkanäle und bestimmte E-Mails zu berücksichtigen. Die Art der Belege machte diese Phase enorm komplex. Jedes Kundenschreiben ist nahezu ein Unikat und enthält oft mehrere und verschiedene Anfragen sowie zahlreiche Anlagen. Ein idealer Startpunkt war dabei die Verarbeitung heterogener Postretouren, die in einem überschaubaren Team realisiert wurde. Dieser Prozess stellte den Piloten für die Gesamtabwicklung des Posteingangs dar, da er deutlich weniger geschäftsund vor allem zeitkritisch war. Ziel der Phase 2 im Endausbau war es, die komplette Papierverarbeitung abzulösen und möglichst alle Servicecenter weltweit in den Prozess digital einzubinden. Denn mit dem Tag des Go-Live sollten nicht länger Container mit Postvorgängen in Flugzeugen der Lufthansa an andere Bearbeitungsstandorte transportiert werden. In den Anforderungsworkshops wurden zunächst Überlegungen darüber angestrebt, welche Kernfunktionalität für die Erreichung der Ziele zwingend notwendig wäre. Die Auslegung des Systems auf über 150.000 Vorgänge pro Monat macht deutlich, dass eine zügige Massenklassifizierung eminent wichtig ist, um die ge-
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steckten Ziele einer deutlichen Zeitreduktion bei der Bearbeitung von Vorgängen zu erreichen. Das System bzw. die Benutzeroberfläche musste eine solche Massenklassifizierung am Bildschirm optimal unterstützen. Weiteres Augenmerk galt dem aufgrund der Klassifikationsmerkmale automatisch durchzuführenden Routing der Vorgänge. Innerhalb von Sekunden sollte ein Vorgang zum verantwortlichen endverarbeitenden Team geleitet werden. Eine Routing Engine, die sämtliche Fallkombinationen verwaltet, musste diese Aufgabe automatisiert übernehmen. Regeln für das Routing sollten einfach durch Key-User der bezogenen Fachabteilung eingestellt werden können. Unzählige Fallkombinationen werden systemseitig für das Miles & More Geschäft unterstützt. Mehr als 80 Vorgangsklassifikationen wie Adressänderungen, PIN-Anfragen oder Meilengutschriften können mit mehreren Länder- und Sprachkombinationen sowie mit weiteren Sondermerkmalen beliebig variiert werden.
5.4â•…Risikominimierung im Software-Entwicklungsund Designprozess Risikomanagement gehörte zu den wesentlichen Aufgaben im Projektvorgehen. Um neben den technischen Umsetzungsrisiken insbesondere eine hohe Benutzerakzeptanz zu erreichen, wurden vorbeugende Maßnahmen getroffen. Von Beginn an wurde sehr großer Wert auf eine hohe Benutzerfreundlichkeit in der Bedienung gelegt, um u.€a. damit das Risiko erhöhter Kosten durch nachträgliche Korrekturen und Zeitverzögerungen zu minimieren. Folgende Maßnahmen trugen dazu bei: • frühzeitiges Einbinden von Key-Usern der Fachbereiche in den Entwicklungsund Designprozess, • Durchführung regelmäßiger Statusmeetings, bei denen Schlüssel-Funktionen besprochen und verabschiedet wurden; in einem iterativen Vorgehen wurden die wichtigsten Entwicklungsstände den Key-Usern präsentiert und Funktionen getestet. Das Change-Management wurde in der Projektphase Entwicklung nach vorn verlagert, • Vereinbarung von Zwischenabnahmen. Durch dieses konsequente Vorgehen wurde bereits in der Entwicklungsphase ein hoher Qualitätsstand sichergestellt. Dies verkürzte auch deutlich die User-AcceptanceTests, da die User sehr gut auf die Umstellung vorbereitet waren und somit weniger Berührungsprobleme mit der Umstellung auf die neuen digitalen Prozesse hatten. Zu den wichtigsten Arbeitspaketen der Phase 2 gehörten: • Umstellung des Scanning-Prozesses auf hohe Tagesvolumina; Vorsortierung und Kennzeichnung von Beleggut (z.€B. Mailing-Rückläufer, manuelle Faxe, Enrolments, Promotions etc.) für eine automatische Klassifizierung von Vorgängen, • Berücksichtigung weiterer Eingangskanäle wie elektronische Faxe und E-Mail Postfächer,
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• Erweiterung der Prozesse im Workflow-Management, Erweiterung der RoutingRegeln, • Entwicklung eines spezifischen User Frontends zur effizienten Massenklassifizierung von Vorgängen und Bearbeitung von Aufgaben in den Fachbereichen; Vorschau von Dokumenten via Thumbnail-Ansicht und Integration eines Dokumenten-Viewers; GUI-Unterstützung von zwei Bildschirmen; Aufgabenlisten für die Bearbeitung in Teams oder als Einzelpersonen, Funktionen für eine automatische Zuweisung von Vorgängen nach automatisch berechneten Deadlines, • Service-Schnittstellen zu weiteren Lufthansa-Bestandssystemen, teilweise über Middleware Services, • revisionssichere Langzeitarchivierung, • Rollout-Prozess über mehrere internationale Standorte. Mit Abschluss der Phase 2 wurde das System für mehr als 300 Benutzer in Betrieb genommen. Wesentliche Optimierungseffekte dabei waren: • • • • •
Vermeidung des physikalischen Beleghandlings, drastische Senkung der Durchlaufzeiten, Transparenz über Bearbeitungsstatus und Historie, verbessertes und automatisiertes Reporting, Integration verschiedenster Prozesstypen in einen einheitlichen Workflow.
5.5â•…Phase 3: Erweiterung der Backend Integration (Flugnacherfassung Star Alliance) Nachdem das Workflowsystem an allen Standorten eingeführt und die Vorgangsbearbeitung durchgängig digitalisiert war, wurden weitere Optimierungsansätze untersucht und im Rahmen von Change Requests umgesetzt. Essenzieller Bestandteil der Phase 3 war die Erreichung wesentlicher Prozessverbesserungen bei der Kreditierung von Flugmeilen verschiedener Airlines. Mit einer Formular- und Texterkennung wurden die Flugsegmente auf Tickets und Bordkarten ausgelesen und als Metadaten in das Workflow-System überführt. Flugsegmente mussten nicht mehr manuell geprüft, bewertet und direkt von Hand in ein Hostsystem eingegeben werden, sondern konnten automatisiert vorbelegt und mit dem jeweiligen Dokument in einem Vorgang verknüpft werden. Dabei sorgt eine Schnittstelle zu den Miles & More-Kreditierungssystemen der Lufthansa für eine automatische Gutschrift von Meilen oder für weitere Informationen wie beispielsweise Ablehnungsgründe aufgrund doppelter Anfragen. Wesentliche Optimierungseffekte waren: • Die Bearbeitung und Prüfung der Flugdaten wurde weitgehend automatisiert, sodass im Massenprozess nun lediglich eine Datenerfassung erfolgt, aber die Bewertung von Einzelfällen auf Basis von Geschäftsregeln nicht mehr zu den Aufgaben der Agents im Backoffice gehört.
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• Durch die Vereinheitlichung des Prozesses wurde nach der Umstellung im Massenprozess nur noch ein System bedient, während zuvor bis zu vier Eingabe- und Recherchesysteme notwendig waren. • Mit der Kreditierung von Flugmeilen wurden sogenannte „Conjunction Cases“ eingeführt. Dies ermöglichte eine optimierte Kontrolle und Bearbeitung doppelter Anfragen. Kunden senden nicht selten identische Anfragen über mehrere Eingangskanäle (z.€B. „vorab per Fax“) an das Miles & More-Team. • Durch die direkte Status-Rückmeldung für die zu kreditierenden Segmente konnte die durchschnittliche Laufzeit eines Vorgangs weiter reduziert werden. • Durch die enge Anbindung des Workflowsystems an den Online-Kontoauszug entfällt der Versandprozess der Ablehnungsbriefe per Post. Bis heute wurden in dem Projekt weitere Prozessoptimierungen analysiert und in Erweiterungsprojekten oder Change Requests umgesetzt. Neben den klassischen Eingangskanälen wie Post, Fax und E-Mail wird immer intensiver die Möglichkeit der Einbindung moderner Web-Plattformen genutzt. Über intelligente PDF-Dokumente bis hin zu Formularen, die im Web ausgefüllt werden, finden solche Formen der Kommunikation in der Kundenbindung immer mehr Anwendung. Auch diese neuen Eingangskanäle wurden in der Vergangenheit berücksichtigt und im Rahmen des Projektes umgesetzt.
5.6â•…Qualitätsmanagement und Kennzahlen Im Laufe des Projektes wurden diverse Qualitätssicherungsmaßnahmen etabliert und mit Werkzeugen des Prozess-Monitorings (arvato Plattform BICâ•›=â•›Business Information Center), des Bug Trackings und des Change-Managements unterstützt. Die Definition und Umsetzung von fachlichen und technischen Kennzahlen sorgte für mehr Transparenz und Sicherheit in der Steuerung des Projektes und des laufenden Betriebs. So wurden beispielsweise Kennzahlen definiert und Monitore zum Zwecke von • • • • • • • •
Performance-Messungen, Verfügbarkeitsprüfungen, Importprüfungen, Ladezeiten, Mengenchecks, Duplikatsprüfungen, logischen Prüfungen zur präventiven Problemerkennung sowie, zu diversen fachlichen Inhalten,
aufgesetzt. Zur Unterstützung der Fehlerverwaltung und des Change-Managements wurde auf etablierte Standardprozesse und eine webbasierte Anwendung mit Funktionen zur Ablauforganisation zurückgegriffen.
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5.7â•…Teamarbeit Die Zusammenarbeit der verschiedenen Teams der Lufthansa und der arvato-Einheiten in unterschiedlichsten Aufgabenstellungen in einem komplexen Thema war eine große Herausforderung des Projektes. Die Teambildung erfolgte zunächst mittels einer fachlichen Beurteilung der Mitglieder für das Projekt. Die fachlichen Qualifikationen auf den Gebieten Scanning, Webentwicklung, BPM-Toolerfahrung, Systemintegration und Prozesse waren wichtige Auswahlkriterien für die Umsetzung des technisch komplexen Projektes. Aber auch die Erfahrungen aus bisherigen Projekten wurden bei der Auswahl herangezogen, wobei schnell deutlich wurde, dass nicht nur die Rollen der Spezialisten und Innovatoren, sondern gleichzeitig auch das Projekt fördernde Rollen zu besetzen waren. Dies hängt mit der teilweise mehrjährigen Projekterfahrung einzelner Senior-Entwickler zusammen, die neben Spezialist auch Netzwerker und Koordinator sind. Eine weitere große Herausforderung bestand darin, den Teamgedanken von den entwickelnden Teams an die Endanwender – die ausführenden Fachbereiche – zu übertragen. Interdisziplinäre und bereichsübergreifende Kommunikation zwischen den Bereichen verhindert das Gefühl der Isolation und sorgt dafür, dass nicht der Eindruck entsteht, dass die technischen Teams den Fachbereichen ihre Vorstellungen einer Neuorganisation der Prozesse aufzwingen wollen. Hier waren Maßnahmen zur Konfliktvermeidung durch die Projektleitung gefordert, die durch eine offene Kommunikation, häufige Präsenzphasen und Informationsveranstaltungen erfolgreich umgesetzt wurden. Vor allem die Beteiligung von Key-Usern an den Entscheidungen in der Entwicklungsphase förderte Ideen und schaffte ein vertrautes Klima zwischen den Projektbeteiligten. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war der Einsatz von Prototypen in gemeinsamen Modellierungsworkshops mit Prozessverantwortlichen und Key-Usern. Hier wurde allen Beteiligten früh deutlich, dass die Lösungen gestaltbar sind und die eigene aktive Mitarbeit in einem iterativen Prozess sehr wertvoll ist. Hierin unterscheidet sich die gewählte BPM-Methodik drastisch von zuvor in der Organisation verwendeten Ansätzen der Entwicklung und Einführung neuer IT-Systeme.
6â•…Lösungsbeschreibung 6.1â•…Posteingang und Scankonzept Der Prozess des physischen Posteingangs, d.€ h. das Öffnen der Briefe und die Grobsortierung, wurde nicht verändert. Mit der Vorbereitung des Belegguts für das Scanning wurde jedoch eine Vorsortierung notwendig, um Standardbelege, die in großen Mengen gescannt werden, von unstrukturierten Belegen verschiedener Güte
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zu trennen. Entsprechend gekennzeichnete Stapel werden im Rahmen des neuen Verfahrens nach dem Scanprozess über eine OCR-/ICR-Erkennung ausgelesen und anschließend als Dokument im TIFF-Format zwischengespeichert. Ein Arbeitsplatz für die Qualitätssicherung überprüft dann die Scanqualität und stellt sicher, dass nur geprüfte Belege in die Weiterverarbeitung gelangen. Im Anschluss werden sämtliche Dokumente in ein spezifisches Dateiformat komprimiert und zusammen mit einer strukturierten XML-Datei, die unter anderem die ausgelesenen Metainformationen enthält, abgelegt. Die digitalisierten Informationen stehen nun für den Importprozess des Workflow-Managements bereit.
6.2â•…Prozessmanagement (Workflow-Management) Kern der Lösung ist ein Business-Process-Management-Werkzeug des Herstellers Metastorm, das Module und Funktionen zur Verfügung stellt, die es ermöglichen, Standardprozesse zu definieren, die über ein User-Interface den Benutzern bereitstehen. Mithilfe eines Design-Werkzeugs wird der gewünschte Prozess grafisch modelliert und mit der notwendigen Business-Logik versehen. Die Business-Logik besteht aus verschiedenen Elementen, die dafür sorgen, dass der gewünschte Prozess so durchlaufen und ausgeführt wird, wie es die Anforderungen vorsehen. Useroder Gruppenaktionen lenken den Prozess im Sinne von Verantwortlichkeiten. So genannte „Timed Actions“ sorgen für eine zeitgesteuerte Ausführung von Prozessschritten. Systemaktionen beteiligen Drittapplikationen oder Services am Prozess, zum Beispiel zur Abfrage von Daten aus einer Datenbank oder zum Versand von E-Mails. Ein Formular-Designer bietet Funktionen zur Erstellung von Formularen bzw. Masken zur Interaktion mit dem System.
6.3â•…Programmierkonzepte Eine serviceorientierte Architektur, basierend auf der Metastorm-Prozess-Engine, trennt die Lösung in verschiedene Schichten (vgl. Abb. 3).
6.4â•…Prozessdesign Die beschriebenen Business-Prozesse zur Unterstützung der Miles & More-Kundenservices wurden ab der ersten Phase vollständig über den Metastorm-Designer erstellt (vgl. Abb. 4). Dieser bietet eine grafische Oberfläche, über die Geschäftsabläufe modelliert und mit der notwendigen Geschäftslogik versehen werden können. Mit Geschäftslogiken sind beispielsweise Prozessverzweigungen, Zeitsteuerungen,
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Klassifizierung
Work Space
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Recherche
Visualisierungs-Schicht (Webfrontend) To-Do-Listen
Document Area
Admin Forms
Applikationsschicht Metastorm BPM Rollen- und Rechteverwaltung
Routing Engine
Prozess Historie und Reporting
Prozessdesign
Abb. 3↜渀 Schichtenmodell
Abb. 4↜渀 Metastorm-BPM-Designer
IBM Host
Master Data Repository
ICR / OCR
BIC Monitor Cognos
Lufthansa Move
Lufthansa Focus
Datenzugriffsschicht
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Rückleitungen, Prioritäten, Verknüpfungen u.€a. gemeint. Nachfolgend soll dies ein Prozessbild des Metastorm Designers verdeutlichen.
6.5â•…Frontend GUI Mit Start der Phase 2 wurde auf Basis von .Net und Ajax Programmiertechniken ein eigenes Frontend entwickelt, das als Visualisierungs-Schicht mit der BusinessSchicht (Business-Logik von Metastorm BPM) verbunden wurde. Mit dieser Architektur wurde das System sowohl im Frontend als auch im Backend für sehr hohe Durchsätze optimiert. Weiterhin werden den Benutzern Funktionen zur Verfügung gestellt, die die tägliche Arbeit in hohem Maße unterstützen.
6.6â•…Organisations- und Regelmodell Zur Klassifikation von Vorgängen und zur korrekten Weiterleitung in die zuständigen Bearbeitungsteams – mit skillbasierten Rollen – in der richtigen Reihenfolge ist ein Regelwerk innerhalb der Routing Engine definiert worden. Der jeweilige Prozess erhält zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle Informationen zur Weiterleitung eines Vorgangs. Das komplexe Regelsystem ist mehrstufig und enthält Informationen zur Sprache, zum Land, zum Status und zu mehr als 80 Geschäftsvorfällen wie zum Beispiel Adressänderungen, PIN-Anforderungen, Kreditierungen usw. All diese Merkmale können nahezu beliebig miteinander kombiniert werden und führen somit zu Tausenden von Kombinationsmöglichkeiten.
6.7â•…Prozess-Monitoring und Reporting Zur fachlichen und technischen Überwachung des Systems wurde ein Prozess Monitoring und Reporting eingeführt. Hierzu wird unter anderem die oben genannte BIC Plattform eingesetzt. Verschiedene Fragestellungen werden in dem Projekt mit der Überwachung und dem Reporting beantwortet. Nachfolgend nur einige Beispiele: • • • • • • •
Leitungsanbindung der Servicecenter weltweit nach Gütersloh, User-Performance-Relationen, Kontrolle von Batch-Importen, Verfügbarkeit von Service-Schnittstellen, Auslastung des Systems, aktuelle Bearbeitungsstände, Fallanzahl-Prognosen,
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• Performance-Dokumentaufrufe, • Antwortzeiten von Partnern.
6.8â•…Betrieb Der Betrieb des BPM-Systems wird über das Hochverfügbarkeits-Rechenzentrum von arvato im Service Level Premium 24/7 geleistet. Die Scanning Prozesse werden in Gütersloh und Wilhelmshaven gesteuert. Das User Help Desk von arvato nimmt im 24/7-Betrieb Tickets entgegen und bearbeitet sie. Das Konzept zum Tickethandling von der Erstannahme bis hin zum 3rd Level Support ist mehrstufig und speziell auf die Anforderungen der Lufthansa zugeschnitten. Reguläre oder ungeplante Patches oder Changes bezüglich der Basis-Infrastruktur und der Applikation werden durch das System-Management oder das spezifische Entwicklerteam nach zertifizierten Prozessabläufen professionell durchgeführt.
7â•…Lessons learned In der Nachbetrachtung des Projektes waren das iterative Vorgehen und die frühzeitige und umfassende Einbindung der Know-how-Träger genau richtig. Denn eine jahrelange manuelle Sichtung von Briefen und Einsortierung in physische Sammelkörbe oder die Weiterverarbeitung von Vorgängen mit einem Brief neben dem Rechner bedeutet im Vergleich zu einer rein digitalen Bearbeitung eine völlig andere Prozess- und Lösungslogik. Die Mitarbeiter der Servicecenter mussten in unterschiedlicher Weise an diese Veränderung herangeführt werden. Wo kann man denn hier drucken?╇ Bezeichnend für die schwierige gedankliche Umstellung waren zum Beispiel Fragen von Mitarbeitern, wo denn der Button zum Drucken von Dokumenten zu finden sei, obwohl doch das System auf papierlose Bearbeitung ausgerichtet war. Um die Veränderungen so leicht wie möglich erlernbar zu machen, wurden im Laufe des Projektes innovative Funktionen entwickelt, die die Benutzer bei ihrer täglichen Arbeit ideal unterstützen. Dem Vorteil, bei einer papierbasierten Bearbeitung mehrere Seiten eines Dokuments nebeneinander legen zu können, wurde mit einer Funktion begegnet, zwei Bildschirme bei der Bearbeitung von Vorgängen zu nutzen. Auf einem Bildschirm werden Vorgänge geöffnet und Vorgangsinformationen angezeigt, und auf dem zweiten Bildschirm wird automatisch das erste Dokument geöffnet. Eine Blättern-Funktion unterstützt das Vor- und Zurückblättern durch die Einzelseiten. Auch können mehrere Dokumentseiten auf einmal geöffnet bleiben. Funktionalität muss an den Anforderungen der Benutzer ausgerichtet sein!╇ Die wichtigste Anforderung in der Massenklassifizierung ist eine schnelle Bearbei-
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tungszeit. Ein Vorgang muss innerhalb kürzester Zeit klassifiziert werden können. Den Benutzern wurden Prozesse und Funktionen an die Hand gegeben, um die Klassifizierung noch effektiver zu machen. So wird mit Abschluss eines Vorgangs gleich der nächste Vorgang anhand von hinterlegten Prioritäten und Deadlines automatisch geöffnet. An allen Arbeitsplätzen, an denen ein intensives Arbeiten mit dem gescannten Beleggut erforderlich ist, wurde von einem 17″-Röhrenbildschirm auf zwei 19″-Flachbildschirme umgestellt. Kundenverhalten ist nicht zu standardisieren!╇ Dies war eine weitere Erkenntnis im Projekt. Ein vom Kunden ausgefülltes Standard-Formular mit handschriftlichen Ergänzungen wird es auch in Zukunft geben. Der Prozess muss daher flexibel eingestellt werden können, um auch die existierenden Online-Angebote sinnvoll zu flankieren. Im internationalen Kontext wurden insbesondere einige Hoffnungen hinsichtlich des erreichbaren Automatisierungsgrades der Handschrifterkennung enttäuscht. Dies konnte im Rahmen der BPM-Architektur transparent gemacht und ohne technischen CR durch ein Forcieren von Self-Service-Prozessen in Kombination mit einer manuellen Bearbeitung im Offshore-Standort für Backoffice-Leistungen in Neu-Delhi kompensiert werden. Das System muss performant sein!╇ Bereits bei der Konzeption der Architektur wurde berücksichtigt, dass internationale Standorte auch mit einer schwächeren Leitungsanbindung gut mit dem System arbeiten können. Aus diesem Grunde werden Dokumente komprimiert abgelegt und Caching-Mechanismen genutzt, um einen schnellen Aufruf der Dokumente zu gewährleisten. Alle gesteckten Ziele sind in dem Projekt erreicht worden. Spätestens nach einer Einführungsphase von wenigen Monaten konnten auch Skeptiker digitaler Vorgangsbearbeitung von der intelligenten, schnellen und jederzeit transparenten Lösung überzeugt werden.
8â•…Next Steps Durch die Vielschichtigkeit des Miles & More-Programms ergeben sich fortlaufend Potenziale für Prozessoptimierungen. Die Vereinheitlichung von Prozessen und die Nutzung von Synergien stehen für das weitere Vorgehen im Vordergrund. Zunehmend werden dabei Self-Service-Elemente eingesetzt, die die Partner, aber auch die Kunden im Miles & More-Programm aktiv in die Prozesse einbinden sollen. Eine Verkürzung der Prozesswege und eine Verringerung von Arbeitsaufwänden soll so erreicht werden. Dabei erweist sich die gewählte BPM-Lösung als sehr zuverlässige Basis für Weiterentwicklungen. Die ursprüngliche Zielsetzung, vor allem den Posteingang zu digitalisieren, konnte hingegen schnell erreicht werden, sodass dieser Aspekt immer stärker in den Hintergrund tritt. Der BPM-Ansatz spielt dort seine Stärken aus, wo es – ganz unabhängig vom Eingangskanal – komplexe Prozesse mit einer Vielzahl an Partnern und beteiligten Systemen effizient zu bearbeiten gilt. Die neuen digitalen Prozesse sind im Kundenservice entscheidende „Enabler“ für transparente, schnelle und eindeutige Entscheidungen im direkten Kundendialog.
Orinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte in der Deutschen Bank Frank Pfeiffer und Dieter Flöck
Zusammenfassung╇ Täglich werden für Privatkunden bis zu 100.000 Kundenaufträge für alle Standard-Geschäftsvorfälle wie beispielsweise das Anlegen eines Kontos für einen neuen Kunden oder eine Wertpapierorder verarbeitet. Während ein erheblicher Anteil der insgesamt ca. 1.500 Geschäftsvorfälle in der Vergangenheit manuell bearbeitet wurde, konnte die Mehrheit dieser Prozesse durch ein neues Workflow-Management-System namens Orinoco auf eine teil- oder gar vollautomatisierte Prozessverarbeitung umgestellt werden. Das übergreifende Ziel von Orinoco war die Prozess-Standardisierung und Automation, die Reduzierung der Prozesslaufzeiten und die Schaffung einer technischen Basis zur Wiederverwendung von Prozessketten und SOA-Services sowohl für die IT als auch den Fachbereich. Schlüsselwörter╇ BPM • SOA • BPM-Centric SOA approach • GeschäftsproÂ� zessmodellierung • Geschäftsprozess-Reengineering • Industrialisierung • Workflow • Business Services • Wiederverwendung • Standardisierung • SOA Governance • Neukundenprozess • Konsumentenkreditprozess • Transportworkflow • Generic Case Start • ROI • Kontinuierliche Prozessverbesserung • Real-time Monitoring • Workload Balancing
Frank Pfeiffer: Head of Workflow & SOA Services, Eschborn Dieter Flöck: Domainmanager – Workflow & SOA Services, Eschborn F. Pfeiffer () Eschborn, Deutschland E-Mail:
[email protected] D. Flöck Eschborn, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_9, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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174
F. Pfeiffer und D. Flöck
1â•…Deutsche Bank AG Die Deutsche Bank ist eine weltweit führende Investmentbank mit einem starken und erfolgreichen Privatkundengeschäft sowie sich gegenseitig verstärkenden Geschäftsfeldern. Die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG betreut ihre Kunden in 8 Ländern in Europa und Asien in mehr als 1.530 Filialen. Die bankinterne IT-Organisation – der Bereich Group Technology & Operations (GTO) – ist in über 50 Ländern aktiv und beschäftigt etwa ein Fünftel aller Mitarbeiter der Deutschen Bank. Sie ist bankintern für die Entwicklung und Implementierung von Softwareanwendungen, die Abwicklung von Geschäftsvorgängen und Prozessen sowie für Rechenzentren, Netzwerke und Services zuständig. GTO konzentriert sich dabei vor allem auf die Entwicklung innovativer und effizienter Lösungen, um den Geschäftsbereichen Wettbewerbsvorteile durch schnellere, flexiblere und günstigere Lösungen im Markt zu verschaffen. Für das Privatkundengeschäft wurde das WorkflowManagement-System Orinoco entwickelt, das im Folgenden näher beleuchtet wird.
2â•…Ausgangssituation Täglich müssen für über 12€Mio. Bankkunden in Deutschland mehr als hunderttausend Kundenaufträge termingerecht und mit höchster Qualität bearbeitet werden. Die logistischen und organisatorischen Prozesse sind in der Komplexität mit Produktionsprozessen in der Automobilindustrie vergleichbar, bei der mehrere Modellreihen zeitgleich auf einer Produktionsstraße hergestellt werden. Über die verschiedenen Vertriebskanäle (Filiale, Onlinebanking, Call Center, Kooperationspartner, Mobiler Vertrieb, Selbstbedienungsterminals etc.) werden täglich unterschiedlichste Kundenaufträge erzeugt. Beispiele hierfür sind das Anlegen eines Kontos für einen neuen Kunden, die Bestellung einer Kreditkarte, die Änderung eines Freistellungsauftrages oder die Änderung einer Kundenadresse. Der Vertrieb führt hierbei keine fallabschließende Auftragsbearbeitung durch, sondern übermittelt die Kundenaufträge an den hausinternen Dienstleister mit 2.000 Mitarbeitern an 3 Standorten. Mit der Auftragsbearbeitung war ein hohes Maß an manueller und papierbasierter Bearbeitung gekennzeichnet. Dies bedingte, dass täglich mehr als 400.000 Seiten Papier transportiert, verteilt, bearbeitet und physisch archiviert werden mussten, um in ca. 1.500 unterschiedlichen Geschäftsprozessen alle Kundenwünsche abzudecken. Die Geschäftsprozesse wurden durch eine sehr heterogene Anwendungslandschaft unterstützt. Zudem war die Ausführung von Arbeitsschritten in mehreren Applikationen notwendig, um einen Geschäftsprozess abwickeln zu können. Im Rahmen des Neukundenprozesses wurden bspw. 25 bestandsführende Systeme benötigt, um den Geschäftsprozess abzuschließen. So beinhaltet der Neukundenprozess die folgenden Schritte und IT-Systeme: • Anlegen eines neuen Kunden im „Partnerdatensystem“, • Giro-Konto-Anlage im „Kontokorrent-Konto-System“, • Anlegen eines Dispositionskredits im „Kontokorrent-Konto-System“,
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Orinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte in der Deutschen Bank Vergangenheit Vertikale Anwendungen
Horizontale Prozesse
Orinoco BPM & Business Services Prozess A
Prozess B
Abb. 1↜渀 Orinoco Transformationsmodell
• Bestellung einer Kundenkarte und/oder Kreditkarte im „Kartenmanagementsystem“, • Anlegen eines Sparkontos im „Sparsystem“, • Bestellung einer Sparkarte im „Kartenmanagementsystem“, • Freischaltung des Kunden für das Online- und Telefonbanking im „Onlinebanking-System“. An diesem Beispiel lassen sich die über viele Jahre gewachsene Anwendungslandschaft der Deutschen Bank und die Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse verdeutlichen. Die vertikale und funktionale Ausrichtung der Anwendungen unterstützte keinen Geschäftsprozess. Der Sachbearbeiter musste exakt wissen, welche Anwendung in welcher Reihenfolge zu verwenden ist und welche Dateneingabemaske hierfür benötigt wird. Des Weiteren mussten über Anwendungsgrenzen hinweg Daten redundant erfasst werden, bspw. bei der Bestellung einer Kreditkarte im Partnerdatensystem bereits angelegte Kundendaten im Kreditkartensystem. Die Netto-Bearbeitungszeiten und Schulungsaufwände zur Erreichung der geforderten Bearbeitungsqualität fielen entsprechend hoch aus. Die zentrale Herausforderung für das Projekt Orinoco war, auf der einen Seite den Fortbestand der bestehenden Anwendungen zu gewährleisten und andererseits eine prozessbezogene Bearbeitung zu ermöglichen. Bildlich gesprochen muss die vertikale Funktionsbereitstellung (anwendungszentriert) in eine horizontale und modularisierte Geschäftsprozesssicht überführt werden (Abb. 1).
3â•…Orinoco – von der Projektidee zum Leuchtturm-Projekt Orinoco wurde als BPM/SOA1-Leuchtturm-Projekt mit sechs zentralen Anforderungsschwerpunkten aufgesetzt (Abb. 2). Bei der Namensgebung stand der Fluss Orinoco Pate, der als großer Strom in Südamerika das Bild eines Geschäftsflusses symbolisiert. Die ihn überspannenden Brücken verbinden perfekt unterschiedliche Ufer zwischen Organisationseinheiten und technischen Anwendungen (Abb. 3). 1╇
SOA: Service Oriented Architecture
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F. Pfeiffer und D. Flöck 1
Überführung manueller Tätigkeiten in maschinelle Tätigkeiten Reduktion der Transaktionskosten 6
Ortsunabhängigkeit
Auskunftsfähigkeit Auftragstracking Realtime Monitoring/ differenziertes Reporting Steuerung mit KPI‘s Qualitätssteigerung
Ziele
Verteilte, ortsunabhängige Bearbeitung durch elektronisches Archiv/ Kundenakte Standardisierte, wiederverwendbare Abwicklungsplattform Wiederverwendbare Servicemodule (SOA) 5
Wiederverwendbarkeit
2
Transparenz
Automatisierung
3
Einhaltung Prozessablauf SLA Einhaltung Autom. Plausibilitätsprüfung Abfangen von lokalen Auftragsspitzen Erhöhte Flexibilität Gleich bleibende, hohe Produktivität Lastverteilung
4
Abb. 2↜渀 Orinoco-Ziele Abb. 3↜渀 Projektlogo „Orinoco“
Das Projekt Orinoco wurde von Anbeginn als eine gemeinsame Initiative des Fachbereichs PBC2-Services und der IT-Organisation aufgesetzt. Hierbei stand der Pilotgedanke im Vordergrund, d.€h., anhand von Orinoco sollte unter Beweis gestellt werden, dass die vorhandenen theoretischen Überlegungen zur Geschäftsprozessunterstützung erfolgreich in ein trag- und zukunftsfähiges Gesamtsystem überführt werden können. Auf Basis der gesammelten Erkenntnisse sollten allgemeingültige Vorgehensweisen und Methoden erarbeitet werden, die unmittelbar in die Transformationsprozesse der Deutschen Bank für die Zukunft einfließen können. Hierbei sollten insbesondere folgende Betrachtungsfelder intensiv beleuchtet werden: • Methoden und Vorgehensweisen der Geschäftsprozessanalyse und Spezifikation mit einem modellorientierten Ansatz, • Erarbeitung von SOA-Prinzipien, • alle Fragen rund um Design, Implementierung und Betrieb einer BPM/SOAPlattform, • Erarbeitung von Security-Konzepten in verteilten, heterogenen Anwendungen, • Ableitung von Schulungsunterlagen und Ausbildungsprogrammen für Analyse, Architektur, Implementierung, Test, Einführung, Betrieb und Governance. Zentraler Treiber aller Überlegungen war die vorrangige Fokussierung auf die fachlichen Geschäftsprozesse, an die sich die IT-Organisation konsequent anlehnte 2╇
PBC: Private and Business Clients
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Orinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte in der Deutschen Bank BPM & SOA Domänen Architektur
BPM & SOA Domänen Architektur
Setup/ Vorbereitung BPM/SOA Basis
Optimierung BPM/SOA
Projekt Orinoco Erweiterung
Projekt Orinoco Basis Release
Zukünftige BPM / SOA Projekte
BPM SOA
…
Assets Orinoco Loans
Orinoco
Fokussierung
BPM SOA
…
Erweiterung
Lighthouse Project
Further Projects
Abb. 4↜渀 Übergang vom Leuchtturm Projekt in die Organisation
(Business IT Alignment). Um die komplette Bandbreite möglicher Prozesstypen möglichst repräsentativ abzudecken, konzentrierte man sich auf die Abbildung jeweils eines sehr komplexen und eines sehr einfachen Geschäftsprozesses. Orinoco erhielt während der gesamten Projektlaufzeit die uneingeschränkte Unterstützung seitens des Senior Managements der Deutschen Bank und wurde als zentrale strategische Initiative getrieben. Mit dem erfolgreichen Start des Rollouts von Orinoco in 2008 und den späteren Ausbaustufen konnte die Zukunftsfähigkeit einer Prozess- und SOA-orientierten Anwendungsarchitektur eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden heute den Kern der zukünftigen Anwendungslandschaft von PBC (Abb. 4).
4â•…Vorgehensmodell und Leitplanken Für die Modellierung der ausgewählten Prozesse hat man sich zu einer mehrstufigen Vorgehensweise entschlossen und diese im Projektverlauf weiter verfeinert. In einem ersten Schritt werden die IST-Geschäftsprozesse auf der Meta-Ebene analysiert und mittels eines SIPOC3-Diagramms dokumentiert, auf eine detailliertere Analyse des IST-Geschäftsprozesses wird dabei verzichtet. In einem weiteren Schritt werden die SOLL-Geschäftsprozesse durch den Fachbereich beschrieben und gemeinsam mit der IT-Organisation modelliert. Aufgrund der heterogenen Applikationslandschaft sowie der für diese Projektgröße ungeeigneten Geschäftsprozessanalyse- und Modellierungsmethode wird anstatt des klassischen Software Development Life Cycles ein Geschäftsprozessorientierter Modell-Ansatz verwendet. Dies ist die Voraussetzung zur Sicherstellung der Transparenz und Konsistenz zwischen den sehr komplexen und organi3╇
SIPOC: Supplier, Input, Process, Output, Customer
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F. Pfeiffer und D. Flöck
Business Service Candidates List, KPIs
Access Service
Component Model
System Function
Requirement Documents
Application
Abb. 5↜渀 Schichten, Artefakte und Vorgehen der Prozessanalyse
GTO Project Team
Business Service
Frontend Design, User Roles & Authorisation
PBC Business
Pageflow
Business Process, KPIs, Business Rules
Use Cases
Business Process
Business Object Model
sationsübergreifenden Prozess-, Daten- und Funktionsmodellen und stellt sicher, dass die notwendigen Ergebnistypen (Artefakte) identifiziert werden können. Diese werden durch ein standardisiertes Vorgehensmodell und einheitliche Methoden erhoben und in einem Artefakte-Set gebündelt. Erst anschließend werden die optimalen Unterstützungstools ausgewählt. Die gemeinschaftliche Analyse und Modellierung der ausgewählten SOLL-Prozesse durch den Fachbereich und die IT-Organisation trägt maßgeblich zum Projekterfolg bei. Die IT definiert hierbei die zu beschreibenden Artefakte und gibt den Rahmen für die Prozessmodellierung vor. Somit ist auch die Wiederverwendbarkeit für weitere Prozesse mit ggf. anderen Fachbereichen sichergestellt. Die Ergebnisse werden in Workshops erarbeitet und durch die IT moderiert und dokumentiert. Dies stellt ein einheitliches und prozessübergreifendes Vorgehensmodell sicher und gibt dem Fachbereich den Freiraum, sich auf die fachlichen Inhalte des Geschäftsprozesses zu konzentrieren. Die folgende Abbildung zeigt das modulare Vorgehen sowie die an den einzelnen Schichten beteiligten Gruppen (Abb. 5). Die Schichten der Analyse-Artefakte werden 1:1 in das funktionale Schichtenmodell überführt (siehe hierzu auch die Ausführungen des folgenden Abschnitts). Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil der Strukturierung der Artefakte ist, dass es keine Transformationsverluste bei der Überführung von der Analyse- in die Design- und in die Produktionsphase gibt. Im Rahmen der Analyse werden im ersten Schritt die fachlichen Anforderungen genau betrachtet. Wie aus der Abbildung zu erkennen ist, werden zunächst der Geschäftsprozess sowie die zugehörigen Geschäftsprozessregeln erstellt, um dann immer mehr in die IT-spezifischen Details zu gehen und die übrigen Artefakte zu erzeugen. Auf diese Art und Weise können zu-
Orinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte in der Deutschen Bank
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sammen mit dem Fachbereich die fachlichen Anforderungen inkl. der Identifikation von wiederverwendbaren Business-Service-Kandidaten analysiert und definiert werden. Dieses Set an Business-Artefakten wird dann als Basis für die Ableitung der technischen Artefakte herangezogen. Diese Vorgehensweise wird im Projekt als BPM-Centric SOA-Ansatz verstanden. Dieser wird in Orinoco besonderes begünstigt, da aus den Business-Services funktionale Services abgeleitet werden und somit die Basis zur Wiederverwendung gelegt wird. Durch eine entsprechende Orchestrierung der vorhandenen Services kann ein neuer Prozess kurzfristig in Orinoco integriert werden. Dadurch wird mit dem gewählten Vorgehen und der Methode im Zusammenspiel mit der SOA-Orientierung die Basis für eine leicht erweiterbare Prozess-Plattform geschaffen.
5â•…Funktionale Architektur Orinoco Der in der Analyse bereits verfolgte Ansatz der klaren Trennung der funktionalen Schichten wird analog in der Design- und Implementierungsphase fortgeführt. Die technischen Artefakte und auch die Implementierung des Produktes selbst werden somit 1:1 aus den Artefakten der Analysephase abgeleitet. Dies ermöglicht eine saubere Einbringung der Ergebnisse aus der Analyse in die folgenden Projektphasen, ohne Reibungsverluste zu erzeugen. Auf Basis dieses Vorgehens ist die funktionale Architektur von Orinoco mit folgenden zentralen Hauptkomponenten entstanden (Abb. 6): • das Front End, • die Business-Process-Management-Komponente (BPM-Komponente), • die Business-Services-Schicht (SOA-Schicht). Zentrales Kernstück von Orinoco ist die BPM-Komponente. In dieser Schicht sind die Workflows verankert, d.€ h., hier erfolgt die Implementierung der Geschäftsprozesslogik und die Überführung in die IT-Prozesse. Die Geschäftsprozesslogik definiert, welche Schritte in welcher Reihenfolge und unter welchen Rahmenbedingungen in einem den Geschäftsprozess abbildenden Workflow durchgeführt werden müssen. Hierbei wird zwischen automatischen und manuellen Arbeitsschritten unterschieden. Bei automatisierten Arbeitsschritten ruft die BPM-Komponente die Business-Services der verschiedenen Backend-Systeme der Bank auf. Bei manuellen Schritten steuert die BPM-Komponente den Orinoco-Vorgang in eine Arbeitsliste zur manuellen Bearbeitung durch den Benutzer aus. Die SOA-Schicht stellt der BPM-Komponente (und auch anderen externen Einheiten) Business-Services zur Verfügung, die die Business-Logik kapseln und somit eine automatisierte Ausführung derselben ermöglichen. Sie stellt die Verbindung zu den diversen Backendsystemen der Bank her. Das Front End ist das zentrale integrierte User Interface von Orinoco. Der Bearbeiter kann über das Front End auf die Orinoco-Arbeitslisten zugreifen und die
F. Pfeiffer und D. Flöck
BPM
Front-end
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Neukundenprozess
Service Service
Backend
EAI
Service
Weitere Prozesse
KonsumentenkreditProzess
Service
Service
Service
Service
Service
Business Service Orchestration Adapter
Adapter
Adapter
Adapter
Adapter
Adapter
DMS
db Legi
Current Partnerdb sign CoSMOS Account data
Adapter
Cards
OMS
Abb. 6↜渀 Funktionale Architektur Orinoco
dort wartenden Vorgänge öffnen. Bei der manuellen Bearbeitung stehen dem Nutzer z.€T. automatisierte Services per Knopfdruck zur Verfügung, die ihn z.€B. bei Recherchen oder beim Erstellen der Kundenkorrespondenz unterstützen. Dabei gilt eine klare Trennung zwischen Front End und Applikationslogik, d.€ h., das Front End ist nur für die Schnittstelle zum Benutzer zuständig und enthält keinerlei Prozesslogik. Neben diesen drei Hauptkomponenten bietet Orinoco eine Vielzahl übergreifender Funktionalitäten, die dem Anwender unabhängig vom spezifischen Prozesskontext zur Verfügung stehen und somit auch über die Prozesse hinweg wiederverwendet werden können. Hierzu zählen z.€B.: • ein umfassendes Berechtigungskonzept, das dem Fachbereich die eigenständige Konfiguration von User-Berechtigungen ermöglicht, • Administrationskomponenten, die es dem Fachbereich erlauben, unabhängig von IT Releases Business-Logik auf der Plattform zu ändern, • Suchmöglichkeiten nach Vorgängen anhand diverser Kriterien, • eine Komponente zum Erstellen von Korrespondenztemplates, die es dem Fachbereich ermöglicht, unabhängig von IT Releases neue Templates in Orinoco verfügbar zu machen oder bestehende Templates zu ändern. PBC-Services kann über Orinoco eine große Bandbreite unterschiedlichster Kundenaufträge aus diversen Eingangskanälen verarbeiten. Diese Aufträge werden
Orinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte in der Deutschen Bank
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überwiegend von den Vertriebseinheiten an die PBC-Services Organisation versendet, können teilweise aber auch direkt vom Kunden stammen (z.€B. durch Nutzung von SB Terminals, Onlinebanking). Grundsätzlich kann hierbei zwischen den folgenden Eingangskanälen unterschieden werden: • papierhafte Aufträge: Diese werden eingescannt und ggf. per OCR4-Interpretation ausgelesen und anschließend an Orinoco übertragen, • elektronische Aufträge (z.€B. aus dem Onlinebanking): Diese werden über elektronische Schnittstellen direkt an Orinoco übergeben. Für jeden eintreffenden Auftrag wird in Orinoco ein „Vorgang“ gestartet. Dieser Vorgang enthält alle relevanten Auftragsdaten und wird einem dedizierten Geschäftsprozess zur Abarbeitung zugeordnet. Der Originalauftrag wird elektronisch im Dokumenten-Management-System archiviert. Orinoco erhält eine Referenz auf das Original, sodass dieses während der Bearbeitung jederzeit eingesehen werden kann. Nach dem Start eines Vorgangs wird dieser nach der im jeweiligen Geschäftsprozess beschriebenen Logik verarbeitet. Wichtig ist hierbei anzumerken, dass Orinoco ein vorgangsgetriebenes und kein bestandsführendes System ist. Nachdem ein Vorgang das Prozessende erreicht hat, wird er geschlossen und nach einer Übergangszeit gelöscht.
6â•…Mit Standardisierung und Wiederverwendung zum Erfolg Wie in Abschn.€ 3 dargestellt wurde der Pilot von Orinoco mit zwei ausgewählten Prozessen begonnen. Erstens mit dem automatisierten Neukundenprozess und zweitens mit dem Transportworkflow zur Bearbeitung von vielen unterschiedlichen fachlichen Prozessen. Der Transportworkflow hat eine besondere Bedeutung erlangt, da mit ihm das Prinzip „Fläche vor Tiefe“ erreicht wurde. Mittlerweile werden über den Transportworkflow über 1.500 Geschäftsprozesse abgewickelt. Somit arbeitet die gesamte PBC-Services Organisation mit Orinoco. Damit werden auch organisatorische Veränderungen möglich und so schließlich eine verbesserte Agilität unterstützt, da die IT-Plattform die Prozesse in verschiedenen Durchführungsformen flexibel unterstützen kann. Als weiteres Ergebnis konnte eine Vielzahl von „alten“ Anwendungen abgeschaltet werden, die für die Unterstützung des papierhaften Prozesses eingesetzt worden waren. Eine starke Fokussierung wurde auf die Standardisierung von Geschäftsprozessen und die Wiederverwendung der implementierten Lösungskomponenten gerichtet. Neben der Geschäftsprozesssicht hat sich die Fokussierung auf prozessübergreifende wiederverwendbare Bausteine, die durch die IT sichergestellt werden muss, 4╇
OCR: Optical Character Recognition
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F. Pfeiffer und D. Flöck
als absolut notwendig herausgestellt. Im Folgenden werden einige Beispiele für technisch wiederverwendbare Funktionsbausteine im Workflow erläutert. • Auftragseingangskanäle: Es gibt nur zwei Typen von Eingangskanälen. Erstens für den papierhaften Auftragseingang und zweitens für die elektronischen Eingangskanäle (GenericCaseStart). Über den papierhaften Auftragseingang werden mittlerweile vier Scan-Dienstleister für Papier und Fax angebunden. Über den GenericCaseStart sind die elektronischen Eingangskanäle mit dem Workflowsystem verbunden. Durch Wiederverwendung der bestehenden Eingangskanäle können neue Kanäle nun ohne Implementierung angebunden werden. • Business Rules und Administrationskomponente: Workflowsteuerungsrelevante Informationen mit volatiler Änderungsrate sind nicht direkt im Workflow abgebildet. Im Workflowmodell sind nur Business-Rules-Services integriert und die eigentlichen geschäftlichen Regeln werden in einer separaten Business-Rule-Engine und einer Administrationskomponente abgebildet. Von besonderer Bedeutung ist, dass PBC-Services die Business-Rules selbst kurzfristig aktualisieren kann. • Output-Management-Funktion: Diese Komponente ist in der Lage, über den Workflow automatisiert E-Mails, Briefe und Faxe zu erstellen und zu versenden. Für die Bearbeitung der Geschäftsprozesse werden mehrere tausend Templates benötigt, wobei jedes Template wiederum aus einer Vielzahl von Textbausteinen und Parametern zusammengesetzt werden kann. Ein Spezialteam im Fachbereich kann die Templates eigenständig, d.€h. unabhängig von IT Releases definieren und in den Prozesskontext einbinden, sodass für den PBC-Service-Mitarbeiter während der Auftragsbearbeitung exakt das/die benötigte/n Template/s zur Verfügung stehen. • Archivierung, Dokumentenmanagementsystem: Die Verbindung zwischen dem Workflow und dem Dokumentenmanagementsystem wurde über standardisierte Web-Services implementiert, sodass hier keine prozessspezifischen Abhängigkeiten bestehen. • Nachreichungsprozess: Bei unvollständig eingereichten Kundenaufträgen besteht in allen Prozessen die Möglichkeit, Dokumente nachzureichen. Der Prozess pausiert und wartet auf die nachgereichten Dokumente. Der Nachreichungsprozess ist komplett generisch implementiert. • Rollen- und Berechtigungskonzept: Individuelle Sichten und Funktionen werden über eine Implementierung für alle Prozesse und Querschnittfunktionen unterstützt. Bisher wurden Beispiele zu allgemeinen Funktionen besprochen, die die Flexibilität und die Einsatzbreite der Plattform vergrößern. Darüber hinaus hat im Gesamtkontext die Bereitstellung von wiederverwendbaren Business-Services (SOA-Services) eine besondere Bedeutung. Die Erstellung der Business-Services hat einen sehr großen Teil der Aufwände verursacht und stellt damit ein sehr kostbares Asset dar. Deshalb ist es wichtig, sukzessive einen Baukasten von wiederverwendbaren Business-Services aufzubauen und höchstes Augenmerk auf die prozessübergreifende Wiederverwendung zu richten.
Orinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte in der Deutschen Bank
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Mit dem im Projekt gewählten Ansatz des BPM Centric SOA sind die Geschäftsprozesse Treiber der BPM-/SOA-Strategie. Die funktionalen Anforderungen an einen Business-Service und die daraus abgeleitete Granularität werden alleine aus einer Geschäftsprozesssicht definiert (bspw. Anlegen eines Neukunden) und nicht aus einer Bottom-up-Betrachtung der vorhanden Anwendungsschnittstellen. Dieser Ansatz hat die fachliche Wiederverwendung eines Business-Service in unterschiedlichen Prozessen gewährleistet. Im Beispiel des Neukundenprozesses ist es etwa unerheblich, ob ein Kunde im Rahmen eines Filialprozesses oder eines Direktvertriebs angelegt wird. Welche Vorteile damit verbunden sind, wird am Beispiel des Konsumentenkreditprozesses deutlich. Denn er ermöglicht der Bank, die hausinternen Prozesse auch für die Erschließung von Neugeschäft, etwa in Möbelhäusern oder Elektronikmärkten, zu nutzen. Der Verkäufer im Geschäft/Markt erhält eine Web-Anwendung für die Auftragserfassung und Kreditentscheidung. Sobald der Konsumentenkreditvertrag im Geschäft ausgedruckt und abgeschlossen wird, erfolgt eine elektronische Übertragung der Daten über den GenericCaseStart an das Workflowsystem Orinoco. Die eigentliche Auftragsbearbeitung erfolgt in der Deutschen Bank in PBCServices. Zur Unterstützung des Geschäftsprozesses in PBC-Services wurde ein dedizierter automatisierter Konsumentenkredit-Workflow eingeführt. Für diesen neuen Workflow konnten viele Funktionen und Business-Services aus dem bereits bestehenden Neukundenprozess wiederverwendet werden. Beispielsweise die Anbindung über den elektronischen Eingangskanal (GenericCaseStart), der BusinessService zur Anlage eines Kunden, die Anbindung ans Dokumentenmanagementsystem, die Komponente zur Erstellung des Willkommensbriefes etc. Durch diesen Ansatz konnten die Implementierungskosten wesentlich reduziert, die Projektdauer stark verkürzt und eine hohe Stabilität des Prozesses durch erprobte „Bausteine“ erzielt werden. Auch die Bearbeitungsdauer in PBC-Services wurde deutlich auf wenige Minuten reduziert. Für den Kunden zahlt sich hierbei die sehr starke Reduzierung der End-to-end-Durchlaufzeit aus. Insgesamt spiegeln sich diese Effekte in einem ROI5 von weniger als 6€Monaten wider.
7â•…Transparenz, Steuerung und kontinuierliche Verbesserung des Produktionsbetriebes Die Grundvoraussetzung für den effizienten Betrieb einer „Dienstleistungsfabrik“ sind zeitnahe und transparente „Fertigungs- und Produktionszahlen“ (Abb. 7). Ohne eine BPM-Plattform sind die Möglichkeiten des fachlichen Reporting und Monitoring („Zählen, Messen, Wiegen“) der Geschäftsprozesse nur sehr umständlich realisierbar. Vor der Orinoco-Einführung mussten Monitoring-Informationen aus anderen Systemen umständlich abgeleitet oder stichprobenartig manuell erfasst 5╇
ROI: Return on Investment
Abb. 7↜渀 Fachliches Monitoring
184 F. Pfeiffer und D. Flöck
Orinoco – Eine BPM-/SOA-Erfolgsgeschichte in der Deutschen Bank
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werden. Zum überwiegenden Teil lagen diese Informationen vor der Einführung der Orinoco-Plattform auch nicht vollständig vor. Fachlich wird zwischen Reporting und Monitoring unterschieden. Das Reporting stellt Auswertungen für die historische Betrachtung zur Verfügung, wohingegen das Monitoring zur aktuellen Produktionssteuerung in PBC-Services verwendet wird. Wie werden die Daten gesammelt? Während der Abarbeitung eines jeden Vorgangs im Workflowsystem werden an definierten Workflow-Messpunkten Informationen an die Reporting-/Monitoring-Komponente geliefert. An jedem Messpunkt werden die Daten zu definierten KPIs6 und Dimensionen gespeichert wie bspw. Zeitpunkt, aktueller Status des Vorgangs, Workflowschrittname, Vorgangsnummer, Bearbeitungsteam. Die Nettodaten aus den Workflow-Messpunkten werden anschließend in der Reporting-/Monitoring-Komponente ausgewertet, um die gewünschten Informationen abzuleiten. Die Reportingdaten sind die Basis für weitergehende kontinuierliche Prozessverbesserungen, Six-Sigma-Initiativen und ROI-Betrachtungen für Folgeprojekte. Im Reporting sind die Anzahl manueller Bearbeitungsschritte, deren Bearbeitungszeiten und Häufigkeiten bekannt und es kann abgeleitet werden, bei welchen Prozessschritten eine automatisierte Unterstützung sinnvoll erscheint. In diesem Zusammenhang hat sich die Einführung des Transport-Workflows als positiv herausgestellt, da über den Transport-Workflow zunächst alle unterschiedlichen Kundenauftragsarten auf der Orinoco-Plattform abgewickelt werden und die volle Transparenz bzgl. der Kennzahlen (Mengen, Durchlaufzeiten, Netto-, Bruttobearbeitungszeiten) vorhanden ist. Auf dieser Basis kann nun sukzessive mit der Umstellung vom Transportworkflow auf automatisierte Prozesse begonnen werden und zwar nicht auf Basis von Vermutungen und Schätzungen, sondern auf Basis der realen Informationen aus der PBC-Services-Produktion. In der Weiterentwicklung werden die Workflow-Kennzahlen mit anderen Informationsquellen verbunden, wie bspw. ein Zeiterfassungs- oder Workforce-Management-System für die Kapazitäts- und Ressourcenplanung.
8â•…Wichtige Aspekte der Projektdurchführung Die Durchführung zahlreicher parallel verlaufender Projekte im Rahmen eines umfangreichen BPM-/SOA-Programmes stellt besondere Anforderungen an das Programm-Management. Die Besonderheiten werden bereits deutlich bei der Initiierung der Projekte. Die Vielschichtigkeit der Abhängigkeiten zum einem zwischen den abzubildenden Prozessen und andererseits der einzubindenden Architekturschichten und Backend-Schnittstellen erfordert eine Form des Programm-Managements, die nicht mit einem klassischen applikationsgetriebenen Projekt vergleichbar ist. 6╇
KPI: Key Performance Indicator
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F. Pfeiffer und D. Flöck Program Management
Prozess A
Prozess B
Prozess n
Frontend
BPM
SOA / Service Integration
Abb. 8↜渀 Schema BPM-spezifischer Projektorganisation
Um diese Komplexität adäquat managen zu können, verwendet Orinoco eine Projektorganisation, die sowohl die übergreifenden Prozesse als auch die verschiedenen Technologien im Blick behält. Als geeignete Organisationsform hat sich eine an den Prozessen und Architekturschichten ausgerichtete Matrixorganisation erwiesen (Abb. 8). Diese differenziert die Schichten BPM, Enterprise Application Integration, Frontend und andererseits die zu implementierenden Prozesse. Nur so ist es möglich, parallel eine Vielzahl neuer Prozesse zeitgleich auf der Orinoco-Plattform zu implementieren. Neben klassischen Projektsteuerungselementen ist es beim Management von BPM-/SOA-Projekten unabdingbar, dass alle Beteiligten sowohl über ein ausgeprägtes technisches Verständnis für serviceorientierte Architekturen verfügen als auch das spezielle Servicedesign beherrschen. Ein hohes Maß an Professionalität und Seniorität der Projektleiter sind für den Erfolg entscheidend. Neben der Beherrschung
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der üblichen Projektsteuerungswerkzeuge sind auch ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten und ein Verständnis für die fachlichen Prozessabläufe zwingend für die erfolgreiche Umsetzung eines Projektes erforderlich. Die fachlichen Anforderungen müssen bereits bei der Projektinitiierung unmissverständlich definiert sein, da nachträgliche Änderungen am Scope gravierende Folgen auf den abzubildenden Prozessverlauf und dessen Implementierung haben. Dies unterscheidet ein BPM-Projekt maßgeblich von einem klassischen applikationsgetriebenen Implementierungsprojekt. Ein permanenter Abgleich der zu implementierenden End-to-End-Prozesse mit der Zielarchitektur ist unbedingte Voraussetzung im BPM-Umfeld. Ein regelmäßiger, intensiver Austausch zwischen der IT-Organisation und dem Fachbereich sowie die gemeinsame Erarbeitung von Lösungsansätzen sind ein zentraler Erfolgsfaktor. Klassische Vorgehensmodelle (Erstellung Pflichtenheft╛╛╛DVKonzept╛╛Implementierung╛╛Test etc.) sind für ein BPM-Projekt ungeeignet. Dem Fachbereich als Prozesseigentümer obliegt es, die stringente Einhaltung der Implementierung zu überwachen und durch Modellierung der wesentlichen Kernprozesse eine klare Vorgabe hinsichtlich der zu erreichenden Ziele zu erteilen. Aufgrund dieser intensiven Einbindung des Fachbereichs sieht die Orinoco-Organisation eine Doppelspitze (Fachbereich & IT) in der Programmleitung vor. Die Vielzahl der einzubindenden Bereiche, Projektbeteiligten und Schnittstellen erfordert zudem ein erhöhtes Maß an kommunikativen Maßnahmen. Insbesondere die Durchführung einer ganzheitlichen End-to-End-Businessanalyse und korrespondierende Reviews erfordern die Einbindung zahlreicher Experten für die Einzelprozessschritte. Dieses Vorgehen ist sehr ressourcenintensiv und erfordert eine intensive inhaltliche und kommunikative Betreuung seitens der Programmleitung. Unterstützend wirkte sich die während der Projektlaufzeit von Orinoco durchgeführte Reorganisation der IT-Organisation aus. Im Rahmen der Neuausrichtung wurden neue serviceorientierte Rollen wie bspw. Service-Owner, verschiedene Querschnittfunktionsrollen (z.€ B. Release und Configuration Mangement, Testmanagement etc.) und das Domainmanagement definiert. Letzteres koordiniert die fachlichen Anforderungen hinsichtlich der benötigten Funktionalitäten und Prozesse zwischen der IT-Organisation und den betroffenen Fachbereichen. In der Folge hat diese Einheit einen entscheidenden Einfluss auf die konsequente Umsetzung von SOA und BPM in der Gesamtorganisation. Des Weiteren wurde SOA als eine der Kerndisziplinen in der Architektur verankert, um eine unternehmensweite SOA Governance aufzubauen und zu leben. Bei der Umsetzung des Programms Orinoco mussten Hürden überwunden werden, die typisch für die Einführung neuer Technologien und Methoden sind. Zum einen musste ein intensives Verständnis hinsichtlich der Methoden und Vorgehensweisen geschaffen werden, zum anderen das benötigte Spezialisten-Know-how in einem Kompetenzteam konzentriert werden. Die Verfügbarkeit von Spezialisten mit einschlägiger Erfahrung im Bereich BPM und serviceorientierter Architekturen ist üblicherweise intern wie extern eng begrenzt und muss sukzessive innerhalb der IT-Organisation aufgebaut und verankert werden. Einen weiteren zentralen Erfolgsfaktor stellt die durchgängige Unterstützung des BPM-/SOA-Ansatzes seitens des Senior Managements dar. Nur so können auf-
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F. Pfeiffer und D. Flöck
kommende Barrieren schnell ausgeräumt und der erforderliche Paradigmenwechsel konsequent umgesetzt werden. Entscheidend ist hierbei ein gemeinsames Verständnis bezüglich der Ziele und Vorgehensweisen im Fachbereich und der IT sowie die regelmäßige Überwachung in den jeweiligen Lenkungsausschüssen.
9â•…Orinoco – eine Erfolgsgeschichte Der Erfolg der Initiative Orinoco hat maßgeblich dazu beigetragen, die gesamte Geschäftsabwicklung im Bereich Privat- und Geschäftskunden der Deutschen Bank in eine prozessorientierte Organisation umzuwandeln und einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Die Konzeption als durchgängige Gesamtlösung von fachlichen Anforderungen und die Einbettung in eine vorhandene IT-Anwendungslandschaft im Sinne einer End-to-End-Betrachtung ist von zentraler Bedeutung. Die stringente Ausrichtung an den fachlichen Prozessen und die enge Einbindung der Fachbereiche schafft ein gemeinschaftliches Verständnis und verlagert Fehler- bzw. Problemerkennung auf einen frühen Zeitpunkt des Entwicklungsprozesses. In der Folge kann nicht nur eine hohe Anwendungsqualität sichergestellt werden, sondern sind zudem flexible Anpassungen an sich ändernde geschäftliche Rahmenbedingungen möglich. Die modulare Struktur des Gesamtsystems ermöglicht eine hohe Skalierungsfähigkeit in Bezug auf weitere Prozesse, zusätzliche Nutzerkreise und Eingangskanäle. Zudem erhält die Deutsche Bank mit Orinoco ein strategisches Werkzeug, mit dem Erweiterungen des Geschäftsmodells (z.€ B. durch Akquisitionen) optimal unterstützt werden können. Orinoco wurde im Jahr 2009 mit dem international renommierten European Banking Technology Award in der Kategorie Best STP Achievement ausgezeichnet.
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges durch ganzheitliches Geschäftsprozessmanagement Monique Radisch, Dirk Rehse und Jörg Junges
Zusammenfassung╇ Zunehmende Dynamisierung des Versicherungsmarktes, Verdrängungswettbewerb und vor allem ein verändertes Kundenverhalten mit kritischem Preis- und Markenbewusstsein erfordern bei Versicherern eine ausgeprägte Fähigkeit, die eigenen Prozesse und die Organisation an den sich verändernden Rahmenbedingungen auszurichten und permanent daran anzupassen. Aus Sicht der Generali Deutschland-Gruppe ist ein ganzheitliches Konzept zum Geschäftsprozessmanagement wesentlicher Erfolgsfaktor für „Operational Excellence“ zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen am Markt. Das Beispielprojekt „Optimierung Wiederanlagemanagement“ veranschaulicht, wie die konsequente Anwendung der AGIL-Methodik die nachhaltige Lösung der wirklichen Probleme aus Kunden- und Unternehmenssicht durch systematische Prozessoptimierung ermöglicht. Schlüsselwörter╇ Prozessmanagement • Prozessoptimierung • Prozessverantwortung • Six Sigma • Lean Management • Qualität • Effizienz • Operational Excellence
Dr. Monique Radisch: Verantwortlich für die Operational-Excellence-Aktivitäten der Generali Deutschland-Gruppe. Leiterin Abteilung Prozessoptimierung der Generali Deutschland Holding AG, Köln Dirk Rehse: AGIL-Senior-Expert und Teamleiter Prozessorganisation der Generali Deutschland Holding AG, Köln Jörg Junges: Gruppenleiter der Gruppe Geschäftsprozessmanagement in der UnternehmensentÂ� wicklung. Projektleiter und AGIL-Executive, CosmosDirekt, Saarbrücken
M. Radisch () · D. Rehse Generali Deutschland Holding AG, PRO Prozessoptimierung, Tunisstr. 19-23, 50667 Köln, Deutschland J. Junges CosmosDirekt, Halbergstraße 50-60, 66101 Saarbrücken, Deutschland
A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_10, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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190
M. Radisch et al.
1â•…Unternehmensvorstellung und Rahmenbedingungen Die Generali Deutschland-Gruppe ist wichtiger Teil der internationalen Aktivitäten der Assicurazioni Generali, die eine der größten europäischen Versicherungsgruppen mit Brutto-Beiträgen 2009 von 70,5€Mrd.€€ und rund 60€Mio. Kunden weltweit darstellt. Die Generali Deutschland Holding führt die deutschen Beteiligungen der Generali Deutschland-Gruppe, die eine führende Marktposition auf dem deutschen Erstversicherungsmarkt einnimmt. Kernaufgaben der Holding sind die Steuerung der Kapitalausstattung und die Realisierung von Synergien innerhalb der Unternehmensgruppe. Die Aufstellung nach Vertriebswegen, Produktgeber- und Dienstleistungsgesellschaften bildet das Konzerngeschäftsmodell. Grundlage des Geschäftsmodells ist ein differenzierter Marktauftritt der zur Unternehmensgruppe gehörenden Ein- und Mehrspartenversicherer als Basis für Kundengewinnung, Kundenbindung und Kundenservice. CosmosDirekt ist eine wesentliche Marke der Generali Deutschland-Gruppe und verantwortet den strategisch bedeutenden Vertriebsweg Direktvertrieb. Mit 1,4€Mrd.€€ Beitragseinnahmen (2009) ist CosmosDirekt nicht nur der größte Direktversicherer in Deutschland, sondern auch die Nr.€3 der europäischen Direktversicherer und der größte Leben-Direktversicherer in Europa (vgl. Direktversichererstudie 2007). Zur Produktpalette gehören neben Lebens- und Rentenversicherungen auch Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherungen. Ergänzt wird das Angebot um Policen rund um Haus und Fahrzeug. 2009 waren rund 1,6€Mio Menschen Kunden bei CosmosDirekt. Sowohl die Generali Deutschland Holding als auch die Konzernunternehmen (KU) agieren in einem Umfeld mit sich schnell verändernden Marktsituationen. Aufgrund steigender, differenzierter Anforderungen der Kunden (↜Qualität) und des Drucks zur Kostensenkung (↜Effizienz) erfordert dies eine laufende Anpassung von Prozessen und Organisation. Dazu ist nach Ansicht der Generali DeutschlandGruppe ein systematisches, ganzheitliches und durchgängiges Geschäftsprozessmanagement-Konzept erforderlich, das in der Unternehmensgruppe unter dem Namen „Advanced Generali Improvement Levers“ (AGIL) etabliert worden und mit den internationalen Aktivitäten der italienischen Muttergesellschaft Assicurazioni Generali zur Erzielung von „Operational Excellence“ eng verzahnt ist. Folgend wird AGIL beschrieben und der Einsatz zur Prozessoptimierung an dem konkreten Beispiel „Optimierung des Wiederanlagemanagements“ verdeutlicht.
2â•…AGIL als ganzheitliches Geschäftsprozessmanagement-Konzept Das Geschäftsprozessmanagement-Konzept „Advanced Generali Improvement Levers“ (AGIL) kombiniert verschiedene Instrumente und Methoden, um sämtliche Prozesse an zwei gleichgewichtigen Zielen auszurichten: • Qualität, operationalisiert als Erhöhung der Zufriedenheit der drei zentralen Anspruchsgruppen im Versicherungsgeschäft: Kunden, Vertriebspartner und Mit-
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges
191
arbeiter. Die Steigerung der Zufriedenheit dieser drei Gruppen wird als wichtige Grundlage für weiteres Wachstum im Markt gesehen. • Effizienz, operationalisiert als Reduzierung von Kapazitätsbindung und von Sachkosten in Prozessen zur Erhöhung der operativen Profitabilität. In der Generali Deutschland-Gruppe wurde hierzu der Begriff „Qualifizienz“ geprägt. Am Markt anerkannte und erfolgreiche Elemente und Werkzeuge zur Identifizierung, Durchführung und zum Nutzeninkasso von Prozessoptimierungsprojekten wurden integrativ zu einer stringenten Methodik verknüpft. Der AGIL-Ansatz wurde 2007 gemeinsam mit den Betriebsorganisations-Einheiten der Konzernunternehmen als einheitlicher, verbindlicher Rahmen zum Geschäftsprozessmanagement in der deutschen Unternehmensgruppe etabliert und eng mit den internationalen Operational-Excellence-Aktivitäten der Gruppe verzahnt. Alle Aktivitäten zur Prozessoptimierung werden projekthaft durch speziell ausgebildete Konzern-Mitarbeiter – unterstützt durch die unmittelbar am Prozess beteiligten Mitarbeiter – durchgeführt. Die bewusste Entscheidung für die Investition in die Ausbildung der eigenen Mitarbeiter ist ein entscheidender Akzeptanz- und somit Erfolgsfaktor.
3â•…AGIL-Methodik: Übersicht In der AGIL-Methodik ergänzen sich vier Kernbausteine zu einem ganzheitlichen Ansatz für Prozessoptimierung, -steuerung und -entwicklung (Abb. 1). Aus unterschiedlichen Quellen können Impulse für Optimierungsmaßnahmen resultieren, die – je nach Ziel der Maßnahme – mit unterschiedlichen Vorgehensmodellen bearbeitet werden. Grundlage bildet die Konzern-Facharchitektur, mit der Verantwortlichkeiten für jeden Geschäftsprozess der Konzernunternehmen
1
Impulse für Optimierungsmaßnahmen
4
ehensmode lle o rg 2 V SMAIL Prozesse optimieren OM Prozesse steuern DFSS Prozesse entwickeln
Abb. 1↜渀 Die vier Kernbausteine des AGIL-Konzepts
3
Konzern-Facharchitektur
AGIL-Rollen
192
M. Radisch et al.
eineindeutig definiert werden. Diesen sind standardisierte Rollen zur effizienten Wahrnehmung der jeweiligen Verantwortlichkeiten in den Prozessen und damit auch zur Beauftragung und Durchführung von Prozessoptimierungsprojekten zugeordnet.
3.1â•…Kernbaustein 1: Impulse für Optimierungsmaßnahmen Die verschiedenen Impulse für Optimierungsmaßnahmen, z.€ B. Marktforschung, Ideenmanagement von Mitarbeitern und Führungskräften, betriebliches Vorschlagswesen, Kostenbenchmarks o.€ä., lassen sich grob in die Kategorien „Stimme des Kunden“ und „Stimme des Unternehmens“ einordnen. Zur gezielten, systematischen Erfassung der „Stimme des Kunden“ werden in der Generali Deutschland-Gruppe verärgerte und begeisterte Kunden an ausgewählten Kundenkontaktpunkten nach den Gründen für ihre Verärgerung bzw. Begeisterung gefragt. Hierdurch ist eine schnelle und konkrete Identifizierung möglicher Handlungsfelder möglich. Die laufende Ermittlung des „Weiterempfehlungsindexes“1 an den Kundenkontaktpunkten zeigt zusätzlich die Veränderungen der Kundenloyalität auf und ist damit ein geeignetes Instrument, die Auswirkungen der durchgeführten Maßnahmen auf die Kundenbeziehung zu messen. Zur regelmäßigen Erfassung der „Stimme des Unternehmens“ erfolgt in den Unternehmen der Generali Deutschland-Gruppe u.€a. ein jährliches ProzesskostenBenchmarking. Dabei werden zunächst sämtliche angefallenen Kosten einheitlich definierten Unternehmensprozessen zugeordnet. Im zweiten Schritt werden auf Basis der ermittelten Prozesskosten und der korrespondierenden Mengen Kennzahlen gebildet. Schließlich erfolgt der Vergleich der Prozesskennzahlen der einzelnen Gesellschaften untereinander und mit dem Markt.2 Die aus diesem Vergleich ermittelten rechnerischen Einsparpotenziale sind Indikatoren für mögliche Handlungsfelder in den betrachteten Prozessen. Aus den aus Kunden- oder Unternehmenssicht identifizierten Handlungsfeldern werden im nächsten Schritt die Themen und die zu untersuchenden Prozesse konkretisiert und eingegrenzt. Aus der Summe der einzelnen Prozessoptimierungsideen je Geschäftsprozessfeld entsteht ein Portfolio mit möglichen AGIL-Projekten. Entscheidende Bedeutung kommt der anschließenden Potenzialbewertung und Priorisierung der einzelnen Themen im Projektportfolio im Hinblick auf den zu erwartenden Nutzenbeitrag und den geschätzten Realisierungsaufwand zu. Der Abgleich mit den für eine Projektdurchführung zur Verfügung stehenden Ressourcen führt zur Auswahl der aus Sicht der Prozessverantwortlichen nutzenstiftendsten realisierbaren Optimierungsprojekte. Angelehnt an das „Net Promoter Score“-Konzept von Bain & Company (vgl. dazu Rechheld/ Seidensticker 2006). 2╇ Marktvergleich erfolgt anonymisiert über externes Beratungsunternehmen. 1╇
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges
193
3.2â•…Kernbaustein 2: Vorgehensmodelle zur Prozessoptimierung Nach der Auswahl der potenzialträchtigsten Optimierungsprojekte kommen, je nachdem, ob die Zielsetzung auf Prozessoptimierung, Prozesssteuerung bzw. Prozessentwicklung liegt, unterschiedliche Vorgehensmodelle für die Projektarbeit zur Anwendung. Die drei AGIL-Vorgehensmodelle SMAIL, OM und DFSS stellen, je nach konkreter Problemstellung und Ziel im Projekt, die Anwendung der zur Projektdurchführung am besten geeigneten Werkzeuge sicher.
3.2.1â•…SMAIL – Scoping, Measure, Analyze, Improve, Leverage Für die Optimierung bereits bestehender Geschäftsprozesse im Hinblick auf Qualität und Kosten wird in den Konzernunternehmen der Generali Deutschland-Gruppe das Vorgehensmodell Scoping, Measure, Analyze, Improve, Leverage (SMAIL) verwendet. Im sog. SMAIL-Zyklus sind marktbewährte Methodenelemente und Werkzeuge aus dem Lean Management, aus Six Sigma und aus dem unternehmensgruppenspezifischen Change-Management-Werkzeugkasten zu einem stringenten, zu den Unternehmenszielen und -spezifika passenden Vorgehensmodell verknüpft. Hauptansatz im Lean Management ist die Wertstromorientierung. Die aus dem Lean Management entnommenen Werkzeuge zielen auf eine systematische Identifizierung und Eliminierung von Verschwendung in Prozessen, also sämtlicher Aktivitäten, für die der Kunde nicht bereit ist zu zahlen und die auch aus Unternehmenssicht nicht wertschöpfend sind. Durch Vermeidung von Verschwendung und Fokussierung auf die Erfüllung der Kundenbedürfnisse können bspw. Durchlaufzeiten und Bestände signifikant reduziert werden und damit Prozesse schneller und effizienter ablaufen. Die aus dem Six-Sigma-Konzept übernommenen Werkzeuge zielen auf die Stabilisierung von Prozessergebnissen durch Vermeidung von Variation. Dadurch soll aus Kundensicht eine hohe, gleichbleibende Qualität im Prozess erreicht werden. Dies ist besonders für Kernprozesse eines Versicherers, wie den Policierungsprozess, bedeutsam. So können z.€B. Vertriebspartner bei konstanter, stabiler Durchlaufzeit ihren Kunden mit hoher Wahrscheinlichkeit den Zugang ihrer Police auf den Tag genau zusagen. Die Verknüpfung von Lean- und Six-Sigma-Werkzeugen im SMAIL-Vorgehensmodell stellt sicher, dass in den damit optimierten Prozessen die Kundenanforderungen möglichst vollständig und profitabel erfüllt werden. Der aus dem Six-Sigma-Bereich stammende DMAIC-Regelkreis zur phasenbasierten Projektbearbeitung wurde in der Generali Deutschland-Gruppe übernommen und zum SMAIL-Vorgehensmodell weiterentwickelt. Jede der fünf Projektphasen beantwortet genau eine spezifische Fragestellung (Abb. 2). Dabei wurden wesentliche Anpassungen gegenüber dem bekannten DMAIC-Regelkreis vorgenommen.
194
M. Radisch et al. Leverage
Scoping
„Was sichert die Nachhaltigkeit?“
„Was ist das Problem?“
Tools und Ergebnistypen
Tools und Ergebnistypen
L
Improve
S
„Was löst das Problem?“ Tools und Ergebnistypen
I
Measure A
Analyze „Was verursacht das Problem?“
M
„Wie groß ist das Problem?“
Tools und Ergebnistypen
Tools und Ergebnistypen
Abb. 2↜渀 SMAIL-Vorgehensmodell
Im Rahmen von Scoping (statt Define) erfolgt eine systematische Eingrenzung der Projektinhalte. Dazu wurde der Baukasten um weitere Werkzeuge ergänzt, die speziell die Prozessverantwortlichen und AGIL-Projektleiter bei der Identifizierung und Konkretisierung von Projektthemen, der Potenzialermittlung und der Projektpriorisierung unterstützen. Leverage (statt Control) bedeutet, dass die Verantwortung bis zur Implementierung der neuen Sollprozesse beim Projektleiter liegt. In regelmäßig stattfindenden Follow-up-Meetings halten Projektleiter und Auftraggeber des Prozessoptimierungsprojektes den Umsetzungsstand der erarbeiteten Optimierungsmaßnahmen und die aktuelle Prozessleistungsfähigkeit u.€a. mittels kennzahlenbasierter, regelmäßiger Messung nach. In allen Projektphasen kommen gegenüber dem DMAIC-Regelkreis verstärkt Lean-Werkzeuge zum Einsatz. Für die Bearbeitung kleinerer bis mittlerer Problemstellungen von geringerer Komplexität, die keine umfangreiche Datenanalyse erfordert, wurde das Vorgehen SMAIL-Turbo entwickelt. Damit können kleinere Prozessoptimierungen workshopbasiert in überschaubarer Zeit (Ziel: 30€Tage) erarbeitet und umgesetzt werden. Die einzelnen Phasen des SMAIL-Zyklus werden im später folgenden Projektbeispiel SMAIL: Optimierung des Wiederanlagemanagements näher erläutert. Zentraler Erfolgsfaktor bei der Prozessoptimierung ist ein situativ richtig angewandtes Change Management. Mit Werkzeugen und Techniken zu Führung, Change und Moderation werden die Projektleiter befähigt, den sich aus den organisatorischen und prozessualen Änderungen ergebenden Wandel für die beteiligten Mitarbeiter gestaltbar zu machen, um damit eine flächendeckende Akzeptanz der optimierten Prozesse sicherzustellen.
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges
195
3.2.2â•…OM – Operational Management Operational Management ist ein in der Generali Deutschland-Gruppe genutztes Steuerungssystem zur Qualitäts- und Produktivitätssteigerung durch bedarfs- und wertschöpfungsorientierte Ressourcensteuerung in der fachlichen Sachbearbeitung und kommt im Wesentlichen in den Second- bzw. Third-Level-Bereichen des Versicherungsbetriebes zur Anwendung. Bei der Einführung von OM werden die betroffenen Organisationseinheiten und deren Prozesse detailliert unter Wertschöpfungsgesichtspunkten analysiert, anschließend optimiert und durch ein neues Steuerungssystem reorganisiert. Dieses Steuerungssystem verbessert die bedarfsorientierte Kapazitätsplanung operativer Einheiten und ermöglicht eine standardisierte Kommunikation von Leistungskennzahlen und die Vergleichbarkeit zwischen mehreren Einheiten. Operational Management führt häufig zu ausgeprägten Veränderungen in der Steuerung und damit Führung im mittleren Management. Eine Vernachlässigung der Change-Instrumente führt meist zu deutlichen Widerständen und fehlender Nachhaltigkeit der Maßnahmen. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter müssen deshalb in diese Veränderung intensiv eingebunden werden. Dies macht eine enge Begleitung durch erfahrene Projektleiter und den Rückhalt des Top-Managements erforderlich. 3.2.3â•…DFSS – Design for Six Sigma 2010 pilotiert die Generali Deutschland-Gruppe das Vorgehensmodell Design for Six Sigma in Projekten zur Neuentwicklung von Produkten, Dienstleistungen und den zugehörigen Prozessen. Erste Erfahrungen zeigen, dass das DFSS-Vorgehensmodell geeignete Werkzeuge bietet, um • Kundenstimmen strukturiert in messbare Anforderungen für die Entwicklung neuer Prozesse zu überführen, • aus priorisierten Kundenanforderungen Lösungskonzepte abzuleiten, differenziert zu bewerten und Schwachstellen frühstmöglich zu erkennen, • eine zügige Konzeptentwicklung und -verfeinerung mit mehrfacher Rückkoppelung auf die Kundenbedürfnisse zu gewährleisten. Durch die frühzeitige Erstellung und Verfeinerung einer Kosten-Nutzen-Rechnung, einer strukturierten Entwicklung von Produkt-/Service- bzw. Prozess-Designs bis ins kleinste Detail und eine frühzeitige Risikoerkennung kann die stringente Anwendung des Vorgehensmodells die Gefahr von Fehlinvestitionen und Flops reduzieren.
3.3â•…Kernbaustein 3: Konzern-Facharchitektur Grundlage für die Optimierung und Harmonisierung von Geschäftsprozessen mit den AGIL-Vorgehensmodellen ist der eindeutige Zuschnitt von Prozessen und Ver-
196
M. Radisch et al.
Wert- 1 schöpfungskette
3
2 Produktentwicklung
Marketing/ Vertrieb
5
4 Antrag
7 8
6 Leistung/ Schaden
Vertrag
IT
Overheadfunktionen
Sparte Leben
PE Leben
Komposit K/SUH/RS
PE K/SUH/RS
Kranken
PE Kranken
Betrieb Kranken
Bausparen/ Darlehen
PE Bausparen Darlehen
Betrieb Bausparen / Darlehen
Spartenübergreifend
Betrieb Leben Antrag/Vertrag K/SUH/RS
Schaden K/SUH/RS
Vertrieb BO
Betrieb(sunterstützung)
Vertrieb FO
In-/ Exkasso
Druck Versand Logistik
IT
BO
Revision
Gebäudemanagement
Einkauf
Untern.RückAsset Entwicklung versicherung Management
Recht
Geldwäsche
Compliance
RW FinanzRW Bilanzierung buchhaltung
Steuern
Datenschutz
RisikoPR/ Öffent. -Arb. management
Personal
Controlling
Abb. 3↜渀 Überblick Konzern-Facharchitektur
antwortlichkeiten im Rahmen der Konzern-Facharchitektur. Die Konzern-Facharchitektur definiert Geschäftsprozessfelder, die die Wertschöpfungskette des gesamten Versicherungsgeschäfts der Generali Deutschland-Gruppe vollumfänglich abbilden (Abb. 3). Die Geschäftsprozesse innerhalb der Geschäftsprozessfelder sind durch die Dimensionen Wertschöpfungsstufe und Sparte eindeutig und überschneidungsfrei definiert. Die Konzern-Facharchitektur bildet somit über die Definition der Geschäftsprozessfelder und der konkreten Zuordnung von Rollen und Verantwortlichkeiten die Basis für alle Bereiche des Geschäftsprozessmanagements. Beispiele hierzu sind: • Geschäftsprozessoptimierung: Die Facharchitektur unterstützt durch klare Verantwortlichkeiten für die Adressierung von Synergiepotenzialen. • Business Continuity Management: Die Facharchitektur bildet die Basis zur Identifikation „kritischer“ Geschäftsprozesse, die für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes auch in Ausnahmesituationen erforderlich sind. • IT-Maßnahmenplanung: Neben der „Ideenkonsolidierung“ erfolgt auch die Allokation der Budgets für die Umsetzung IT-basierter Maßnahmen in die potenzialstärksten Handlungsfelder auf Basis der Facharchitektur. Die Konzern-Facharchitektur bildet ferner ideale Voraussetzungen zur Abbildung bestehender und neuer Anforderungen aus dem Risikomanagement, z.€B. MaRisk oder Solvency II. Sie gewährleistet die bedarfsorientierte Dokumentation von Risiken und Kontrollen gemäß unternehmerischer, gesetzlicher und aufsichtsrechtlicher Anforderungen im Rahmen der Geschäftsprozessdokumentation.
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges
197
3.4â•…Kernbaustein 4: AGIL-Rollen Die Konzern-Facharchitektur definiert eindeutig die Prozessverantwortung unterschiedlicher beteiligter Rollen. Die ggf. organisationseinheitenübergreifende Verantwortung für definierte Geschäftsprozessfelder wird in den Unternehmen der Gruppe jeweils von den Geschäftsprozessfeld-Verantwortlichen übernommen. Dies umfasst die Verantwortung für sämtliche Maßnahmen zur Optimierung der Geschäftsprozesse innerhalb des Geschäftsprozessfelds. Jeder Geschäftsprozess eines Geschäftsprozessfeldes wird von genau einem Geschäftsprozess-Verantwortlichen operativ gesteuert. Er ist auch verantwortlich für das operative Risikomanagement in diesem Prozess. Facharchitekten sind als Treiber und Impulsgeber zur Geschäftsprozessoptimierung mit KU-übergreifender Verantwortung für gleiche Geschäftsprozessfelder ausgestattet und stellen die Nutzung von sich ergebenden konzernweiten Synergien sicher. Für die Steuerung und Umsetzung von Prozessoptimierungsprojekten nach dem SMAIL-Vorgehensmodell sind mit AGIL-Executive, AGIL-Expert und AGIL-Senior-Expert drei verschiedene Rollen in den Konzernunternehmen der Generali Deutschland-Gruppe etabliert. Der AGIL-Executive ist Auftraggeber und Pate eines AGIL-Projektes zur Optimierung der von ihm oder dem jeweiligen Geschäftsprozess-(Feld-)Verantwortlichen betreuten Prozesse. Er besitzt grundlegende SMAIL-Methodenkenntnisse, die im Rahmen einer rollenspezifischen Ausbildung erworben wurden. Zudem stellt er sicher, dass die Ressourcen zur Durchführung des Projektes (Projektleiter, Teammitglieder, Fachexperten) bereitgestellt werden. Darüber hinaus begleitet er das Projekt in jeder der fünf SMAIL-Phasen, bestätigt die vom Team erarbeiteten Inhalte nach jeder Phase und gibt Anregungen für den weiteren Projektverlauf. Er stellt die Methodeneinhaltung und korrekte Anwendung der einzelnen Werkzeuge aus dem SMAIL-Methodenbaukasten im AGIL-Projekt sicher. Der AGIL-Expert ist – ähnlich der am Markt verbreiteten Green-Belt-Rolle – Projektleiter und damit für die methodenkonforme Durchführung der von ihm geleiteten Prozessoptimierungsprojekte verantwortlich. Er besitzt SMAILMethodenkenntnisse aus den Bereichen Lean Management, Six Sigma und Change Management. Im Projektteam werden die vom Projektleiter ausgewählten SMAILWerkzeuge auf die konkrete Problemstellung im betrachteten Prozess angewendet und die erarbeiteten Ergebnisse am Ende jeder Phase dem AGIL-Executive zur Abnahme vorgestellt. Der AGIL-Senior-Expert verfügt als Projektleiter – ähnlich einem Black Belt – in der Regel über umfangreichere Praxiserfahrung in der Leitung von Optimierungsprojekten. Er besitzt durch seine zusätzliche Ausbildung tiefergehende AGIL-Methodenkenntnisse, die er in komplexeren Prozessoptimierungsprojekten anwendet. Er verfügt über umfangreiche Methodenkenntnisse im Lean Management, Six Sigma und Change Management, die in einer weitergehenden Ausbildung erworben
198
M. Radisch et al.
wurden. Schwerpunkte dieser Zusatzausbildung sind vor allem die Bereiche statistische Analyse und Prozessanalyse sowie die systematische Projektidentifizierung und auswahl als Teil der Scoping-Phase. Zusätzlich übernimmt ein AGIL-SeniorExpert ggf. auch Coaching-Funktionen für die AGIL-Experts und gibt seine praktischen Erfahrungen zur effektiven und effizienten Projektbearbeitung weiter. Die AGIL-Projektleiter sind bis zur Umsetzung der neuen Sollprozesse verantwortlich und führen regelmäßige Follow-up-Gespräche mit dem Auftraggeber durch. Halb- bis eintägige AGIL-Awarenessveranstaltungen unterstützen flankierend dabei, prozessverantwortliche Führungskräfte und Mitarbeiter für die Notwendigkeit von Prozessoptimierung zu sensibilisieren, ihnen einen Überblick über die AGIL-Methodik zu verschaffen und auf die Wahrnehmung ihrer Rollenverantwortung mit dem ganzheitlichen AGIL-Ansatz bestmöglich vorzubereiten.
4â•…Projektbeispiel SMAIL: Optimierung des Wiederanlagemanagements Im folgenden Kapitel wird die Optimierung eines Prozesses anhand des konkreten Projektbeispiels „Optimierung des Wiederanlagemanagements“ näher erläutert. Dazu werden für dieses Projekt die Inhalte der einzelnen Phasen des SMAIL-Zyklus (s. Abb.€2) vorgestellt. Für das konkrete Beispielprojekt ergibt sich die folgende Ausgangssituation: • Insbesondere gesetzliche und steuerliche Anpassungen in den Jahren 1996 und 1999 führten zu sehr abschlussstarken Jahren in der Lebensversicherung. Die zur Nutzung von Steuervorteilen seinerzeit erforderliche Mindestlaufzeit von 12€Jahren bei kapitalbildenden Lebensversicherungen führt ab 2008 zu einer erheblich ansteigenden Menge ablaufender Verträge. Mit Ende der Vertragslaufzeit endet die Beitragszahlung und das angesammelte Sparguthaben wird ausgezahlt. Ein großer Teil der Kunden verfügt dann über liquide Mittel. • Die Kosten für Geschäft aus Neuadressgenerierungen sind 3 bis 4 Mal höher als bei Geschäft aus dem Bestand bzw. auslaufenden Verträgen. • Ziel aus Unternehmenssicht ist es somit, dass bei auslaufenden Verträgen die angesammelten Sparguthaben wieder bei CosmosDirekt angelegt werden.
4.1â•…Phasen Scoping und Measure In diesen Phasen werden im Rahmen der obigen Ausgangsituation im ersten Schritt tatsächliche Handlungsfelder identifiziert, ohne bereits in Lösungen zu denken. Im Rahmen des Scopings (s. Abb.€4: Phase Scoping) geht es zunächst darum, neben der Problem- und Zielformulierung kritische Qualitätsanforderungen aus Kundensicht (CTQâ•›=â•›critical to quality) oder kritische Anforderungen aus Unternehmenssicht (CTBâ•›=â•›critical to business) messbar zu beschreiben (Abb. 4).
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges Abb. 4↜渀 Phase Scoping
199
Problemlage klarstellen und CTQ definieren Unternehmenssicht: Wiederanlagequote ist zu gering
„Jeder ausgezahlte Betrag wird wieder angelegt“
„Wir denken, wir haben ein Problem“, … aber ist es wirklich ein Problem?
Für den Prozess des Wiederanlagemanagements wurde das CTQ so formuliert, dass bei auslaufenden kapitalbildenden Lebensversicherungen jeder ausgezahlte Betrag wieder bei CosmosDirekt angelegt werden soll (100 %-Definition). Die anschließende erste Nutzenschätzung im Projekt Wiederanlagemanagement versprach eine signifikante Steigerung der Beitragseinnahmen sowie weiteren qualitativen Nutzen, wie z.€B. eine erhöhte Kundenbindung. Ohne eine Verifizierung des tatsächlichen Ausmaßes des Problems – dem so genannten „Schmerz“ – birgt ein sofortiges Denken in Lösungen immer die Gefahr, dass die vermeintlichen Lösungen das tatsächliche Problem nicht ausreichend lösen können und es schlimmstenfalls sogar noch verschärfen. Daher wurde in der anschließenden Measure-Phase das tatsächliche Ausmaß des Problems gemessen. Zunächst wurden geeignete Messgrößen aus den vorher festgelegten CTQ/CTB abgeleitet. Als Outputmessgröße wurde für das Wiederanlagemanagement die Wiederanlagequote operational definiert und gemessen. Für die im Rahmen der Stichprobe (=alle auslaufenden Verträge des Betrachtungszeitraums) ermittelte Wiederanlagequote wurde auch die tatsächliche Schwankungsbreite dieser Quote ermittelt. Die Messung konnte den zu Anfang des Projektes nur „gefühlten Schmerz“ mit konkreten Zahlen bestätigen (Abb. 5). Weiteres Ziel der Messung ist es, mit Hilfe der aktuellen Prozessfähigkeit zu bestimmen, wie gut die kritischen Kundenanforderungen zurzeit erfüllt werden. Dazu wurde im Projekt die Häufigkeit der Fehlergröße „Jeder ausgezahlte Betrag, der nicht wieder angelegt wirdâ•›“, gezählt. Auf dieser Basis wurde der Sigma-Wert als Maß für die derzeitige Prozessfähigkeit im Wiederanlageprozess abgeleitet. Auf Basis der gemessenen Wiederanlagequote erfolgte eine Validierung der vorab festgelegten Zielquote. Die Bestätigung des „Schmerzes“ war die Voraussetzung für die Freigabe der nächsten Projektphase zur Analyse der Ursachen für die geringe Wiederanlagequote. Ein Ergebnis der Phase Measure kann jedoch auch ein geordneter, vorzeitiger Abschluss eines Projektes sein, wenn der im Anfang gefühlte „Schmerz“ in der Messung nicht bestätigt werden kann. Das SMAIL-Vorgehen verhindert somit, dass Ressourcen für Projekte eingesetzt werden, die sich unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten aus Unternehmenssicht nicht lohnen.
200
M. Radisch et al.
Abb. 5↜渀 Phase Measure
Problem mit geeigneter Messgröße quantifizieren
95%-Konfidenzintervall
=> „Ja, es ist ein Problem“
4.2â•…Phase Analyze Zunächst wurden im Rahmen von Workshops mögliche Ursachen für das Problem identifiziert und priorisiert. Die Kernfrage im Projekt war: „Warum schaffen wir es nicht, dass alle ausgezahlten Beträge wieder bei uns angelegt werden?“ Die ermittelten möglichen Ursachen wurden dann in beeinflussbare (z.€B. Kunde erhält das Wiederanlageangebot zu spät) und nicht beeinflussbare Ursachen (z.€B. Kunde hat das freiwerdende Geld schon anderweitig verplant) geclustert und priorisiert. Die beeinflussbaren Ursachen wurden dann mit geeigneten Prozessmessgrößen verifiziert. In dem Projekt hat sich gezeigt, dass die Prozessmessgröße „Wartezeiten auf das Angebot“ nicht den Kundenerwartungen entsprochen hat. Eine Ursache hierfür war, dass bspw. die Zieltermine für einen aus Kundensicht optimalen Versandzeitpunkt der Angebotsschreiben nicht eingehalten wurden (s. Abb.€6: Datenanalyse).
Wartezeit [Tage]
Kernursachen per Datenanalyse geeigneter Prozessmessgrößen identifizieren
Abb. 6↜渀 Datenanalyse
z. B. Wartezeit auf das Angebot Zieltermine werden nicht eingehalten
Datum
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges
201
Neben der Datenanalyse wurde der Wiederanlage-Prozess mithilfe des Prozessfunktionsdiagramms dargestellt. Auf dieser Basis wurden durch Prozessanalyse weitere Kernursachen für die Nichterfüllung der CTQ/CTB ermittelt. Die gefundenen, validierten Kernursachen dienten als Ausgangspunkt für das Finden von Optimierungsmaßnahmen in der Phase Improve. Auf dieser Basis ließ sich aus den Ergebnissen der Analyse auch das mit einer Optimierung erzielbare Potenzial, d.€h. die Erhöhung der Wiederanlagequote, abschätzen.
4.3â•…Phase Improve In dieser Phase wurden die Lösungen generiert und auswählt. Dazu sammelte das Projektteam zunächst mögliche Lösungen für alle identifizierten Kernursachen. Für die Optimierung des Wiederanlageprozesses fand das Team mittels Brainstorming mehr als 20 Lösungen für die Kernursachen und bewertete diese anschließend im Rahmen einer Aufwand-Nutzen-Betrachtung (s. Abb.€7: Auswahl von Lösungen).
Lösungen auswählen per Aufwand / Nutzen - Matrix 27
26
Aufwand
Lösungsideen in Themenspeicher aufnehmen!
Lösungen nicht berücksichtigen! 25
10
2
13 11
21
1a
12
1b
24
15
18
Lösungen in Sollprozess aufnehmen
7 4 20 5 6
3
8
9 23 22
17 16 14 19
und anschließend implementieren z. B. Versandplanung und Systemtermine anpassen
Abb. 7↜渀 Auswahl von Lösungen
Nutzen
202
M. Radisch et al.
Hinsichtlich der Effizienz der Prozessoptimierung ist es wichtig, dass Lösungen mit hohem Aufwand und unzureichendem Nutzen verworfen werden. Lösungen wie „Neue, auf das tatsächliche Kundenverhalten ausgerichtete Versandplanung“ mit gutem Nutzen-Aufwand-Verhältnis wurden in den zukünftigen Soll-Prozess des Wiederanlagemanagements integriert und vorrangig umgesetzt. Ziel der neuen Versandplanung ist es, dem Kunden zum richtigen Zeitpunkt die Wiederanlagemöglichkeit des Sparguthabens anzubieten. Entscheidend für den Projekterfolg ist es, den neuen Wiederanlageprozess nach seiner Umsetzung mit Key-Performance-Indikatoren (KPI) laufend zu überwachen, um die Nachhaltigkeit der Optimierung auch über das Projektende hinaus sicherzustellen. Daher wurden in Improve als Überleitung zur Phase Leverage die während des Projektes definierten Messgrößen als fortlaufend zu messende KPI vereinbart.
4.4â•…Phase Leverage Im Rahmen von Leverage wurde die Überführung des neuen Prozesses zum Wiederanlagemanagement in die Praxis sichergestellt. Dies geschieht anhand der Projektdokumentation, der Soll-Prozessmodelle, des Soll-Wertstroms und entsprechender Verfahrensanweisungen. Das Monitoring des implementierten Prozesses erfolgte über die laufende Messung und das Reporting der vereinbarten Kenngrößen, wie bspw. „Wiederanlagequote“, und die Einhaltung der Versandtermine (s. Abb.€8: Prozess-Monitoring). Wichtig ist hierbei auch, die fortlaufend zu messende Kenngröße zunächst operational zu definieren. Dazu gehört u.€a. für die Wiederanlagequote die Verantwortlichkeit für die laufende Messung und Kontrolle festzulegen und einen Zielwert zu vereinbaren (Abb. 8). Anhand der Entwicklung der Messgrößen, wie bspw. „Einhaltung der Versandtermine“, wird auch der Erfolg der implementierten Maßnahme „Neue Versandplanung“ deutlich. Vor allem ist es wichtig, ein „Alarmsystem“ aufzubauen, dass Störungen meldet, bevor intern vereinbarte Service-Level-Agreements verletzt werden. Dazu dienen Erfolge anhand Monitoring ausgewählter KPI verdeutlichen Neue Versandplanung
Abb. 8↜渀 Prozess-Monitoring
AGIL: Nachhaltige Verbesserung des Geschäftserfolges
203
bspw. Reaktionspläne auf mögliche Störungen bei der Versandplanung im Wiederanlageprozess. Denn nur durch rechtzeitiges Agieren ist es möglich, den Prozess dann so zu steuern, dass das Ergebnis die Kunden begeistert und zur Wiederanlage bei CosmosDirekt führt. Das Projekt Wiederanlagemanagement brachte innerhalb eines Jahres eine deutliche Verbesserung der Wiederanlagequote, was zu signifikant höheren Beitragseinnahmen im Lebensversicherungsbereich führte.
5â•…Fazit Die veränderten Markt- und Wettbewerbsbedingungen erfordern bei Versicherern eine ausgeprägte Fähigkeit, eigene Prozesse und die Organisation an den sich verändernden Rahmenbedingungen auszurichten und permanent anzupassen. Einem durchgängigen Geschäftsprozessmanagement kommt deshalb für alle Unternehmen der Generali Deutschland-Gruppe eine entscheidende Bedeutung zu. AGIL ist als die konzerneinheitliche Methode zum ganzheitlichen Geschäftsprozessmanagement innerhalb der Generali Deutschland-Gruppe fest etabliert. Damit sind klare, stabile Verantwortlichkeiten für ein strukturiertes Geschäftsprozessmanagement dauerhaft geschaffen. Grundlage ist eine breite Verankerung bei Führungskräften und Mitarbeitern durch eine rollenspezifische Ausbildung in allen Kernelementen des AGIL-Ansatzes, die bereits über 1.000 Mitarbeiter erfolgreich durchlaufen haben. Über 200 Projekte mit über 40€Mio.€€ Nutzen und deutlichen Qualitätsverbesserungen sind zwischenzeitlich abgeschlossen worden. Sie bilden einen wichtigen Beitrag zur „Operational Excellence“ der Unternehmensgruppe. Das Projektbeispiel Optimierung des Wiederanlagemanagements zeigt die Vorteile des AGIL-Ansatzes bei der systematischen Prozessoptimierung: • Die Rollen und Verantwortlichkeiten aus der Konzern-Facharchitektur helfen, den zunächst vermuteten „Schmerz“ im Wiederanlageprozess klar und eindeutig an die richtigen Verantwortlichkeiten im Prozess zu adressieren. Dank der in der gesamten Unternehmensgruppe einheitlich verwendeten Vorgehensmodelle zu Projektfindung und -bearbeitung und der zugehörigen Rollen konnte das Prozessoptimierungsprojekt zügig initiiert und durchgeführt werden. • Das Herangehen mittels Zahlen, Daten und Fakten in den Phasen Scoping und Measure über die konkrete Messung der aktuellen Wiederanlagequote zeigt objektiv, wie gut der derzeitige Wiederanlageprozess die Kunden- und Unternehmensanforderungen erfüllt. Die Messung ersetzt die bisher gängigen Hypothesen und im Unternehmen vorhandenen „Bauchgefühle“ über das Ausmaß des Problems. Damit werden ein vorschnelles Denken in Lösungen und die damit einhergehende Gefahr einer nur symptomatischen Problembearbeitung vermieden. • Das Finden der richtigen Kernursachen der in der Ausgangssituation nicht ausreichenden Prozessleistung mittels strukturierter Daten- und Prozessanalysen in der Phase Analyze deckt die tatsächlichen und verborgenen Schwachstellen, wie bspw. die nicht auf das tatsächliche Kundenverhalten ausgerichtete Versandpla-
204
M. Radisch et al.
nung, auf. Für die gefundenen Kernursachen werden dann gezielt passgenaue Lösungen gesucht. Nach deren Bewertung werden nur die Lösungen mit dem besten Nutzen-Aufwand-Verhältnis umgesetzt. • Die laufende Überwachung der Prozess-Kennzahlen über die Leverage-Phase hinaus schafft Transparenz über den Erfolg der umgesetzten Maßnahmen. Für den Fall, dass im Wiederanlageprozess erfolgsbeeinträchtigende Störungen auftreten, ermöglicht dieses Kennzahlen-Frühwarnsystem gezielte Aktionen mit den richtigen Maßnahmen statt einfacher Reaktion. Damit werden die Nachhaltigkeit dieser Prozessoptimierung sowie die daraus resultierenden zusätzlichen Beitragseinnahmen sichergestellt.
Literatur Direktversichererstudie der Universität St. Gallen (2007) Rechheld F, mit Seidensticker F-J (2006) Die ultimative Frage. Bain & Company, Hanser, München
Teil III
Impulse für Better Best Practices
Praxis und Potenziale der Kombination von Business Process Management und Six Sigma Bert Leyendecker und Ayelt Komus
Zusammenfassung╇ In den 1980er Jahren wurde in Amerika eine Null-Fehler-Strategie bei Unternehmen wie Motorola und GE entwickelt, die inzwischen als Six Sigma einen großen Verbreitungsgrad erreicht hat. Für das BPM drängt sich damit die Frage auf, welche Potenziale sich durch die gezielte Kombination von Six Sigma mit BPM erschließen. Schließlich geht es ja hier wie da um die Optimierung von Prozessen und die Minimierung von Fehlern. Wie werden diese Methoden in der Praxis kombiniert? Bringt eine solche Kombination Vorteile? Die durchgeführte Studie zeigt, dass es in der Praxis durchaus Kombinationsansätze gibt, die Früchte tragen. Schlüsselwörter╇ Six Sigma • Prozessmanagement • Empirische Studie • MethodenÂ� kombination • Methodenintegration
1â•…Hintergrund Werden Six Sigma und BPM in der Unternehmenspraxis kombiniert? Wie wird diese Kombination ausgestaltet? Wo liegen die Potenziale einer solchen Kombination? Sind die Unternehmen, die Six Sigma und BPM kombinieren, erfolgreicher? Und was muss man tun, um mit einer Kombinationsstrategie erfolgreich zu sein? Antworten auf diese Fragen zu finden, war die Motivation zu einer umfassenden Untersuchung im deutschsprachigen Raum. Diese Studie wurde an der FH Koblenz, Bert Leyendecker: Professor an der Fachhochschule Koblenz Ayelt Komus: Professor an der Fachhochschule Koblenz B. Leyendecker () · A. Komus Fachhochschule Koblenz, Fachbereich Betriebswirtschaft, Konrad-Zuse-Straße 1, 56075 Koblenz, Deutschland E-Mail:
[email protected] A. Komus E-Mail:
[email protected] URL: www.komus.de A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_11, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
207
208
B. Leyendecker und A. Komus
Fachbereich Betriebswirtschaft, unter Leitung von Prof. Dr. Leyendecker und Prof. Dr. Komus von einem studentischen Projektteam (S. Brechtel, C. Enting, A. Hellwig, K. Kup, M. Röttjes, R. Schliested) durchgeführt. In einer Erhebung per OnlineUmfrage im April€2009 wurden die Unternehmen sowohl über Foren wie den BPMClub und den 6s-Club angesprochen, aber auch zahlreiche Unternehmensvertreter direkt angerufen. Von über 450 Teilnehmern konnten 352 vollständig ausgefüllte Fragebögen mit insgesamt 19 Fragen ausgewertet werden.
2â•…Verbreitung von BPM und Six Sigma Für die Studie konnten Unternehmen unterschiedlichsten Hintergrunds zur Beteiligung bewogen werden. Ein Drittel der Teilnehmer kommt aus Sachleistungsunternehmen (Schwerpunkte: Fahrzeugbau, Maschinenbau, Chemie, Elektroindustrie, Metall und Konsumgüterindustrie), zwei Drittel entstammen Dienstleistungsunternehmen (Schwerpunkte: IT, Beratung, Banken, Versicherungen und Handel). Auch die Größenstruktur der teilnehmenden Unternehmen war gut gemischt: 28€% aller Teilnehmer arbeiten in einem Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern. 26€% haben bis zu 1.000 Mitarbeiter und 20€% liegen im Bereich zwischen 1.000 und 10.000 Mitarbeitern. 26€% der Teilnehmer stammen schließlich aus Großunternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern. Eine erste interessante Frage ist, wie stark die Anwendung von Six Sigma und BPM bei den teilnehmenden Unternehmen verbreitet ist. Der Anteil der BPM-Anwender liegt bei 62€%, der Anteil der Six-Sigma-Anwender bei 34€%. Diese Werte sind relativ hoch. Dies dürfte allerdings auch darin begründet liegen, dass die Ansprache der teilnehmenden Unternehmen u.€a. über BPM- beziehungsweise Six-Sigma-(Online-)Foren durchgeführt wurde. Hingegen ist der Anteil der Unternehmen, die beide Methoden anwenden, mit nur 22€% gering. Mit 12€% ist die Quote der Unternehmen, die Six Sigma und BPM gezielt kombinieren, noch geringer (Abb.€1).
70% 62% 60% 50% 40%
34%
30% 22% 20%
Abb. 1↜渀 Verbreitung von Six Sigma, BPM, Six Sigma und BPM und der Kombination bei den teilnehmenden Unternehmen
12% 10% 0%
Six Sigma
BPM
Six Sigma und BPM
Six Sigma und BPM kombiniert
Praxis und Potenziale der Kombination von Business Process Management und Six Sigma
209
In zahlreichen Unternehmen existieren also beide Methoden nebeneinander und entsprechende Potenziale werden (noch) nicht genutzt. Die Frage, warum Six Sigma oder BPM im Unternehmen nicht zur Anwendung kommen, wurde folgendermaßen beantwortet: Für Six Sigma: Es besteht kein Interesse an der Anwendung (33€% der Nennungen der „Nicht-Anwender“), sie ist zu kostenintensiv (14€%), Six Sigma ist unbekannt (13€%) und Six Sigma konnte sich nicht durchsetzen (10€%). Für BPM ergibt sich folgendes Bild: Es besteht kein Interesse an der Anwendung (27€%), BPM ist unbekannt (23€%), BPM konnte sich nicht durchsetzen (10€%) und ist zu kostenintensiv (8€%).
3â•…Integration von BPM und Six Sigma in den Unternehmen Gegenstand der Studie war auch, wie Six Sigma und BPM im Unternehmen integriert werden, wo die Methoden beheimatet sind, wer relevante Entscheidungen trifft und welche kritischen Erfolgsfaktoren für die Verankerung im Unternehmen genannt werden können. Nahezu ein Drittel der Antworten ordnet Six Sigma der Qualitätssicherung zu. Aber auch Produktion (15€%), die eigenständige Stabseinheit (14€%) und Controlling (8€%) erreichen nennenswerte Anteile. Eine ähnliche Verteilung ergibt sich bei BPM: Qualitätssicherung 20€%, eigenständige Stabseinheit 17€%, Controlling 11€% und Produktion 10€% (Abb.€2). Der bei Six Sigma etwas höhere Anteil im Bereich Qualitätssicherung und Produktion dürfte aus den historischen Wurzeln der Methode rühren. Entscheidungsträger sind im überwiegenden Fall im oberen Management zu finden (Vorstand/Geschäftsführer/Bereichsleiter) – bei Six Sigma in 62€% der Fälle, bei BPM in 58€% der Fälle.
30%
Six Sigma BPM
25% 20% 15% 10% 5%
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Abb. 2↜渀 Ansiedlung von Six Sigma und BPM in verschiedenen Unternehmensbereichen
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B. Leyendecker und A. Komus 90% 80%
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Abb. 3↜渀 Kritische Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Einführung von Six Sigma und BPM
Die Antworten auf die Frage, welche Rahmenbedingungen für den Erfolg der Methode gegeben sein müssen, sind in Abb.€ 3 ersichtlich. Man sieht, dass die Einführung von Six Sigma grundsätzlich kritischer gesehen wird als die Einführung von BPM. Alle kritischen Erfolgsfaktoren werden von den Six-Sigma-Anwendern etwa doppelt so häufig genannt wie von den BPM-Usern. Die relative Bedeutung der Erfolgsfaktoren zueinander ist aber dann wieder sehr ähnlich. Für beide Methoden wird die Unterstützung durch das Top-Management am häufigsten genannt, gefolgt von der Messbarkeit der Ergebnisse, der eindeutigen Festlegung der Ziele und des Umfangs der Initiative, der Bereitstellung der richtigen Ressourcen sowie der Ermittlung und Verfolgung des Projektnutzens. Es zeigen sich hier auch branchenspezifische Effekte. Beispielhaft zeigt Abb.€4 eine Auswertung für die Gruppe „Banken und Versicherungen“. Man sieht, dass in diesem Wirtschaftszweig noch einmal deutlich höhere Werte erreicht werden und das Vorhandensein der erfolgskritischen Parameter als Rahmenbedingungen im Vergleich zum Gesamtbild der Wirtschaft als besonders wichtig empfunden wird.
Praxis und Potenziale der Kombination von Business Process Management und Six Sigma
211
90% Six Sigma B & V 80%
BPM B & V
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0%
Abb. 4↜渀 Kritische Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Einführung von Six Sigma und BPM am Bespiel der Branche „Banken und Versicherungen“
4â•…Veränderungen durch die Einführung von BPM und Six Sigma Bei der Frage, was sich nach der Einführung von BPM oder Six Sigma in den Bereichen Unternehmensstruktur und Aufbauorganisation ändert, zeigen die Antworten der Unternehmen, die Six Sigma oder BPM anwenden, dass sich nur bei 9€% der Unternehmen nichts verändert hat. Darüber hinaus ergibt die Antwortstruktur auf diese Frage folgendes Bild: Umbildung, Bildung oder Wegfall von Stellen 42€%, abteilungsübergreifende Teams 22€ % und Veränderung der Abteilungsstrukturen 12€%. Diese Ergebnisse harmonieren mit den Aussagen einer anderen an der FH Koblenz durchgeführten Studie zur Praxis des BPM mit über 400 Teilnehmern, die vor allem Änderungen innerhalb der bestehenden Abteilungsstrukturen sowie die
212
B. Leyendecker und A. Komus
Abb. 5↜渀 Kombinationsstrategien von BPM und Six Sigma
40% 34%
35% 30%
24%
25% 20%
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Bildung abteilungsübergreifender Teams als häufig anzutreffende Konsequenzen des BPM ermittelte. Interessant ist ebenfalls die Form der kombinierten Ausgestaltung von Six Sigma und BPM. Hier ist die Tendenz zu erkennen, dass Six Sigma häufiger zur Umsetzung von BPM genutzt wird als umgekehrt. 34€% der befragten Unternehmen gaben an, dass einzelne Werkzeuge von Six Sigma die Anwendung von BPM unterstützen. Nur 15€% gehen genau umgekehrt vor. 12€% der befragten Unternehmen nutzen Six Sigma zur Einführung von BPM, 5€% nutzen BPM zur Einführung von Six Sigma. Schließlich gaben 25€% der Kombinierer an, dass Six Sigma und BPM gleichberechtigt genutzt würden (Abb.€5). Die verbreitetste strategische Vorgehensweise ist also, einen Gesamtüberblick mit BPM zu generieren und dann Six-Sigma-Projekte in den mit BPM identifizierten Problembereichen zu initiieren. Wie die genaue Ausgestaltung dieser Vorgehensweise aussieht – beispielsweise nach welchen Kriterien Six Sigma als sinnvolle Unterstützung zum Einsatz kommen kann – bleibt zunächst noch unbeantwortet. Überlegungen bez. einer Idealstrategie zur Kombination, welche Parameter bei der Ausgestaltung der Kombinationsstrategie eine Rolle spielen und wie mögliche Normstrategien zur kombinierten Anwendung aussehen können, sind exemplarische Fragen, deren Beantwortung mit den Ergebnissen dieser Studie noch drängender geworden sind.
5â•…Vorteile einer Kombination von BPM mit Six Sigma Bezüglich der Frage, welche Vorteile die Unternehmensvertreter in der kombinierten Anwendung von BPM und Six Sigma sehen, wurden von BPM- und Six-SigmaKombinierern zahlreiche Aspekte genannt: Steigerung der Prozessqualität (76€%),
Praxis und Potenziale der Kombination von Business Process Management und Six Sigma 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
St ei ge ru ng de Se rP nk ro un ze g H ss d öh er qu er Pr al e o itä ze Ku t M s n in s d ko im en st ie zu en ru fri ng ed Be de en ss Kü St rF he er rz ei es eh it ge er l e Ve er ru D q ng rs uo ur tä ch de te nd la rP ni uf s r ze oz fü ite es rd n sf as le G xi bi es lit ch ät äf ts m od el l
Abb. 6↜渀 Vorteile einer Kombination von Six Sigma und BPM
213
Senkung der Prozesskosten (71€%), höhere Kundenzufriedenheit (63€%), Minimierung der Fehlerquote (61€%), kürzere Durchlaufzeiten (59€%), Steigerung der Prozessflexibilität (46€%) und ein besseres Verständnis für das Geschäftsmodell bei den Mitarbeitern (44€%) (Abb.€6). Ergeben sich nun aus einer Kombinationsstrategie tatsächlich messbare Vorteile? Eine Untersuchung der realisierten Vorteile durch die Anwendung der beiden Methoden zeigt ein sehr positives Bild. Bei den Unternehmen, die ausschließlich BPM anwenden, wurde bereits überwiegend angegeben, dass sich die Unternehmensleistung seit der Einführung verbessert hat. Je nach Kennzahl geben zwischen 30€% und 69€% der Unternehmen eine Verbesserung an (Abb.€7). Für Kombinationsanwender liegen diese Prozentwerte noch einmal signifikant höher (Abb.€8): Prozesskosten (+23€%), Prozessflexibilität (+8€%), Durchlaufzeiten (+11€%), Ergebnisqualität der Prozesse (+14€%), Kundenzufriedenheit (+13€%), Fehlerquote (+29€%) und Umsatzrendite (+2€%). Dies bedeutet, dass bei allen untersuchten Kriterien die Unternehmen, die BPM mit Six Sigma kombinierten, nach Einschätzung der Unternehmensvertreter deutlich besser abschneiden. Näher untersucht wurde dieser Zusammenhang auch an der Umsatzrendite. Wie in Abb.€9 zu erkennen ist, erreichen von den Unternehmen, die weder Six Sigma noch BPM anwenden, etwa ein Drittel eine Umsatzrendite, die über 10€% liegt. Bei den Unternehmen, die BPM anwenden, verschiebt sich das Verhältnis etwas auf bereits über 40€%. Und von den Unternehmen, die Six Sigma und BPM bewusst kombinieren, erreichen mehr als die Hälfte eine Umsatzrendite von über 10€%. Sowohl bei den dargestellten verschiedenen Performance-Indikatoren als auch bei der Umsatzrendite lassen sich positive Korrelationen zum kombinierten SixSigma-BPM-Einsatz aufzeigen. Natürlich sind Korrelationen nicht notwendiger-
214 Abb. 7↜渀 Performance Indikatoren bei ausschließlichen „BPM-Anwendern“
B. Leyendecker und A. Komus 100% 80% 60% 40% 20%
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Abb. 8↜渀 Performance Indikatoren bei „Six Sigma und BPM Kombinations-Anwendern“
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Verbessert Gleich geblieben
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Praxis und Potenziale der Kombination von Business Process Management und Six Sigma Abb. 9↜渀 Zusammenhang von Umsatzrendite und Methodenanwendung
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215
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60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Nicht-Anwender
BPM-Anwender
Six Sigma und BPM in Kombination
weise auch Kausalitäten. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass im Erhebungsdesign Verfahren wie die Selbstevaluation weitere potenzielle methodische Schwächen bedingen. Gleichwohl unterstützt die deutliche positive Korrelation die Vermutung, dass die gezielte Kombination vorteilhaft ist. Wenn also Six Sigma in vielen Fällen erfolgreich mit BPM kombiniert wird, ist abschließend die Frage interessant, warum Six Sigma in vielen Unternehmen nicht angewandt und noch seltener mit BPM kombiniert wird. Die Antworten auf diese Frage sind in Abb.€10 und Abb.€11 dargestellt. Abbildung€10 zeigt, dass Six Sigma im Gegensatz zu BPM vor allem in großen Unternehmen zum Einsatz kommt. Dies lässt die Vermutung zu, dass viele mittlere und kleiner Unternehmen die Kosten der Six-Sigma-Methode als nicht skalierbar einschätzen; also zu hohe nicht
0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1
Abb. 10↜渀 Prozentualer Anteil der Anwender von BPM und Six Sigma in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße
0
Kleine Mittlere Große Sehr große Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen BPM
Six Sigma
216
B. Leyendecker und A. Komus
Abb. 11↜渀 Gründe, warum Six Sigma nicht eingesetzt wird
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anpassbare Kosten in Relation zu, in absoluten Zahlen nur überschaubaren Optimierungspotenzialen erwarten. Hier ergäbe sich der Bedarf einer angepassten Methodik, um die Methode auch für mittlere und kleine Unternehmen interessant zu machen. Diese These wird durch die in Abb.€12 gezeigten Daten bestätigt: Vor allem kleine und mittlere Unternehmen nennen die Kosten als Grund, warum Six Sigma nicht eingeführt wird. Weiterhin zeigt sich, dass bei rund einem Drittel der Unternehmen das Interesse verhalten ist (Abb.€11). Und vor allem im Dienstleistungsbereich gibt es offenbar 25%
20%
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Abb. 12↜渀 Warum wurde Six Sigma in ihrem Unternehmen nicht eingeführt? Häufigkeit der Nennung „Die Anwendung wäre zu kostenintensiv“ in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße
10%
5%
0% Kleine Unternehmen
Mittlere Unternehmen
Große Unternehmen
Sehr große Unternehmen
Praxis und Potenziale der Kombination von Business Process Management und Six Sigma
217
noch ein erhebliches Informationsdefizit: Über 30€% der Dienstleistungsunternehmen kennen die Methode bisher nicht. Das Kriterium der hohen Kosten spielt insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen eine wichtige Rolle.
6â•…Zusammenfassung und Fazit Die vorliegende Studie zeigt die Potenziale der Kombination von Six Sigma und BPM. Bei der Nutzung beider Methoden gilt es, verschiedene Modelle zu durchdenken, wie diese Kombination im eigenen Unternehmen gestaltet werden könnte. Diese Gestaltung ist sicherlich von den individuellen Rahmenbedingungen abhängig: Welche Methoden sind bereits im Unternehmen etabliert? Worauf soll der Fokus der Verbesserung liegen? Wichtig ist aber ganz unabhängig vom gewählten Ansatz, ein überzeugtes Top-Management, das die Vorgehensweise nicht nur mitträgt, sondern aktiv unterstützt. Die dargestellten Untersuchungsergebnisse sollten einen weiteren Beitrag dazu leisten, Top-Manager davon zu überzeugen. Zusammenfassend lassen sich die folgenden Ergebnisse festhalten: • Die Kombination von Six Sigma und BPM ist noch die Ausnahme – obwohl „Kombinierer“ nachweislich erfolgreicher sind. • Der kombinierte Einsatz dominiert bei Großunternehmen. • Der Großteil der Kombinierer nutzt Six Sigma als Hilfsmittel für BPM, aber auch die umgekehrte Konstellation kommt vor. • Die Einführung der Methoden führt zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit (abteilungsübergreifende Teams), z.€ T. werden auch die alten Organisationsstrukturen infrage gestellt. • Die kritischen Erfolgsfaktoren für BPM und Six Sigma ähneln sich sehr. Wichtig ist die Unterstützung durch das Top-Management. • Die Anwendung von Six Sigma oder BPM führt zu Verbesserungen bei zahlreichen Kennzahlen (Prozesskosten, Durchlaufzeiten, Fehlerquote etc.). Bei Kombinierern sind die Vorteile noch ausgeprägter. • Sowohl bei BPM-Anwendern als auch bei Six-Sigma-Anwendern kann tendenziell eine höhere Umsatzrendite festgestellt werden. Für BPM bestätigen dies frühere Studienergebnisse der FH Koblenz. • Noch höher liegt die Umsatzrendite bei den Anwendern, die beide Methoden miteinander kombinieren. • Vor allem im Dienstleistungssektor ist Six Sigma vielen Unternehmen noch unbekannt.
BPM-Round-Trip: Wunsch oder Wirklichkeit? Thomas Allweyer
Zusammenfassung╇ Der Beitrag untersucht die Möglichkeiten eines Round Trips von der fachlichen Prozessmodellierung über die Implementierung bis zum Monitoring und zur weiteren Prozessverbesserung. Ein Problem besteht darin, dass Prozesse auf ganz unterschiedliche Art implementiert werden. Neben Business-Process-Management-Systemen (BPMS) kommen z.€ B. auch ERP-Systeme, Office-Anwendungen, Web-2.0-Anwendungen und Business-Intelligence-Systeme zum Einsatz. Eine weitere Herausforderung stellt die Überführung von fachlichen Modellen in ausführbare Artefakte dar. Hierfür werden insgesamt drei Modellierungsebenen verwendet, wobei die Rückverfolgbarkeit zwischen den nacheinander entstehenden Modellen gewährleistet werden sollte. Neben dem Kontrollfluss müssen noch eine Reihe weiterer Aspekte spezifiziert werden, wie z.€B. Rollen und Organisationsstrukturen, User Interfaces, Daten, Geschäftsregeln und die Anwendungslogik der aufgerufenen Services. Für einen kompletten Round Trip müsste eine integrierte fachliche Beschreibung all dieser Aspekte erstellt werden, die dann zu einer konsistenten, aufeinander abgestimmten Umsetzung in alle betroffenen Zielsysteme und -komponenten führt, sodass diese bei der Prozessabwicklung nahtlos zusammenspielen. Zwar existiert eine Reihe von erprobten Ansätzen, einzelne Aspekte umzusetzen, doch fehlt bislang eine umfassend integrierte Gesamtmethodik. Für die Praxis empfiehlt sich ein pragmatischer Ansatz, der bewusst Lücken und Überschneidungen zulässt. Die Einordnung aller Modelle in eine Gesamtarchitektur ermöglicht es den verschiedenen Projekten, die notwendigen Zusammenhänge zu verstehen und bei der Entwicklung zu berücksichtigen. Schlüsselwörter╇ BPMS • SOA • Modellierung • Software-Entwicklung • Round Trip Thomas Allweyer: Professor für Unternehmensmodellierung T. Allweyer () Fachhochschule Kaiserslautern, Amerikastr. 1, 66482 Zweibrücken, Deutschland E-Mail:
[email protected] URL: www.kurze-prozesse.de A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6_12, ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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T. Allweyer
1â•…Einleitung Auch wenn die überwältigende Mehrheit aller Geschäftsprozesse bislang nicht mithilfe eines Business-Process-Management-Systems (BPMS) abgewickelt wird, so wird die Prozessautomatisierung auf Basis von service-orientierten Architekturen (SOA) und BPMS doch vielfach als die vielversprechendste Art der informationstechnischen Prozessunterstützung angesehen. Teilweise wird die englische Bezeichnung „Business Process Management“ (BPM) gar als Synonym für den Einsatz von BPMS und verwandten Technologien gebraucht. Vielfach wird dieses „technische BPM“ auch vom „fachlichen BPM“ unterschieden, wobei sich letzteres auf die eigentlichen Management- und Organisationsaspekte des Geschäftsprozessmanagements bezieht, wie z.€B. das Festlegen von Prozesszielen, die Definition der durchzuführenden Aktivitäten oder die Festlegung von Prozessverantwortung. Aus Sicht eines Unternehmens ist der Einsatz des technischen BPM nur dann gerechtfertigt, wenn es das fachliche BPM möglichst gut unterstützt. Eine SOA-/ BPMS-Implementierung muss also dazu führen, dass der Prozessablauf den fachlichen Vorgaben entspricht und die aus den Unternehmenszielen abgeleiteten Prozessziele besser erfüllt werden als ohne diese Implementierung. Um dies zu erreichen, müssen die fachlichen Vorgaben, wie z.€B. Prozessmodelle, in ausführbare IT-Artefakte überführt werden. Wie die schon länger existierenden Workflow-Management-Systeme enthält ein BPMS eine Process Engine, die in der Lage ist, geeignete Prozessbeschreibungen direkt auszuführen. Derartige Beschreibungen können etwa als XML-Dateien (z.€B. im verbreiteten BPEL-Format) oder in Form von Prozessmodellen vorliegen. Hierdurch wird der Aufwand für die Implementierung der Ablauflogik reduziert. Die Trennung von Ablaufsteuerung und der in Form von Services eingebundenen fachlichen Funktionalität ermöglicht zudem flexiblere Änderungen. Da die ausführbaren Modelle zudem eine größere Nähe zu fachlichen Prozessmodellen haben, wird auch die Umsetzung der von der Fachseite definierten Abläufe erleichtert. Teilweise wird die Idealvorstellung propagiert, dass mit geeigneten Methoden und Tools erstellte fachliche Prozessmodelle direkt ausgeführt werden sollen. Falls dies gelänge, so könnten die Fachabteilungen die IT-Implementierung ihrer Prozesse selbst durchführen. Die Rolle der IT-Experten würde sich dann auf die Bereitstellung und den Betrieb der notwendigen Infrastruktur reduzieren. Jede fachliche Änderung würde automatisch die Software anpassen, fachliches Modell und Implementierung wären immer synchron. In der Praxis ist diese Idealvorstellung noch längst nicht realisierbar. Dennoch muss die Frage beantwortet werden, wie die Umsetzung von fachlichen Vorgaben in prozessunterstützende Systeme möglichst effektiv und effizient gelingen kann. Im Sinne eines kontinuierlichen Prozessmanagements muss außerdem sichergestellt werden, dass Änderungen an der Software auch in den fachlichen Modellen vollzogen werden. Der vorliegende Beitrag untersucht die Möglichkeiten eines solchen Round Trips vom fachlichen Modell über die Implementierung bis zum Monitoring und zur Ableitung weiterer Prozessverbesserungen.
BPM-Round-Trip: Wunsch oder Wirklichkeit?
221
2â•…BPMS und SOA 2.1â•…Komponenten und Architektur von BPMS und SOA Im Rahmen einer service-orientierten Architektur werden Funktionalitäten in Form von gekapselten Services bereitgestellt (vgl. Abb. 1). Diese werden über standardisierte Schnittstellen aufgerufen, sodass sie sich leicht in verschiedenste Systeme einbinden lassen. Services können andere Services aufrufen. Auf diese Weise können zusammengesetzte Composite Services erstellt werden, wobei höhere Services, die z.€B. eine komplexe fachliche Funktion realisieren, niedere Services nutzen, die z.€B. benötigte technische Funktionalitäten bereitstellen. Bei umfangreicheren Anwendungen rufen sich die verschiedenen Services nicht direkt auf. Stattdessen wird ein Enterprise Service Bus (ESB) verwendet, der die flexible Zusammenstellung von Services vereinfacht. Ein ESB bietet z.€B. Möglichkeiten für den asynchronen Datenaustausch mittels Warteschlangen. Auch kann sich ein ESB um die Adressierung der Services kümmern, sodass nicht jeder Service die genaue Adresse der aufgerufenen Services enthalten muss, was Änderungen sehr erschweren würde. Auch die Transformation zwischen verschiedenen Datenstrukturen der beteiligten Services kann von einem ESB übernommen werden. Eine Service Registry enthält Informationen zum Auffinden von allen bereits existierenden Services, in einem Service Repository können die Services selbst verwaltet werden. Sollen schließlich gesamte Abläufe unterstützt werden, so erfolgt die sogenannte Orchestrierung der an einem Prozess beteiligten Services mithilfe eines BPMS. Wie Portal
Task-Liste
Dialoge
Dashboard
BPMS Orchestrierung
Monitoring
ESB
Service Registry/ Repository
Schnittstelle Implementierung
Fachliche Services
BRMS Technische Services
Altsystem
Abb. 1↜渀 Wichtige Komponenten von auf SOA und BPMS basierenden Lösungen
222
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in der Einleitung erwähnt benötigt ein solches BPMS für jeden Prozess eine geeignete Beschreibung. Diese Prozessdefinition legt neben der Ablauflogik auch fest, welche Services bei der Abarbeitung des Prozesses aufgerufen werden. Jedes Mal, wenn der Prozess durchgeführt wird, wird im BPMS eine neue Prozessinstanz angelegt. Eine solche Prozessinstanz enthält den jeweiligen Bearbeitungsstand sowie alle Daten der einzelnen Prozessdurchführung. Neben komplett automatisierten Services können auch Benutzerinteraktionen integriert werden. Hierbei werden den im Prozess zuständigen Bearbeitern Aufgaben in eine Task-Liste gestellt. Beim Anklicken einer Aufgabe öffnet sich der zugehörige Dialog. Ist der Dialog fertig bearbeitet, setzt das BPMS den Prozess fort. Auch herkömmliche, nicht auf einer SOA basierende Systeme können eingebunden werden. Hierbei werden Adapter verwendet, die die Schnittstellen-Funktionalitäten der Software als Services bereitstellen. Weitere typische Komponenten in einer SOA/BPMS-Landschaft sind ein Portal als rollenspezifisch konfigurierte Benutzungsoberfläche und ein Business-RulesManagement-System (BRMS), mit dem sich Geschäftsregeln verwalten und auswerten lassen. Schließlich verfügen BPMS meist über eine Monitoring-Komponente zur Überwachung und Auswertung der Prozesse sowie zur Ermittlung von Kennzahlen, die dann in einem Management-Dashboard visualisiert werden können.
2.2â•…Vom Modell zur Ausführung Für die Implementierung von Prozessen haben die Hersteller meist leistungsfähige, intuitiv nutzbare Entwicklungswerkzeuge in ihre BPMS integriert. Die Prozesse können grafisch modelliert werden, zumeist in BPMN (Business Process Model and Notation). Aufzurufende Services werden einfach per Drag and Drop in das Prozessmodell eingefügt. Weiterhin können die auszutauschenden Daten spezifiziert und mit den Ein- und Ausgabeparametern der Services verbunden werden. Oftmals gibt es die Möglichkeit, sich aus den definierten Datenstrukturen automatisch Benutzerdialoge oder Datenbanktabellen mitsamt den zugehörigen Datenzugriffservices generieren zu lassen. Auch können beispielsweise Messpunkte und -verfahren zur Ermittlung von Prozesskennzahlen festgelegt werden. Praktisch jeder Hersteller kann anhand eines einfachen Beispiels präsentieren, wie einfach die Umsetzung eines Prozesses prinzipiell ist. Mit wenigen Mausklicks entsteht ein für den Fachanwender leicht verständliches Modell eines Beschaffungsprozesses o.€ä. Es werden ein paar Services eingebunden und einige weitere Details eingegeben – und schon kann der Prozess auf einen Server hochgeladen und ausgeführt werden. In einigen Minuten entsteht vor dem Auge des Zuschauers eine komplette Anwendung, ohne dass dabei eine einzige Zeile Programmcode geschrieben werden müsste. Der Anbieter demonstriert, wie der komplette Zyklus von der Modellierung über die Ausführung bis zum Monitoring und zur Kennzahlenanalyse eines Prozesses abgedeckt wird. Das Prozessmodell ist dabei stets mit dem implementierten Prozess identisch, Änderungen können leicht durchgeführt werden.
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Eine solche Präsentation ist sehr eindrucksvoll und die in heutigen BPMS verfügbaren Werkzeuge sind zweifelsohne sehr leistungsfähig. In der praktischen Anwendung stellt sich die Entwicklung und Implementierung prozessunterstützender Anwendungen dennoch wesentlich komplexer dar. Für das konkrete Vorgehen im Rahmen eines durchgängigen Prozessmanagements ist eine Reihe von Fragestellungen in den folgenden Themenkomplexen zu klären: • unterschiedliche Arten der Prozessimplementierung, • Verhältnis von fachlichen und ausführbaren Modellen, • Spezifikation und Umsetzung weiterer Anforderungen.
3â•…Unterschiedliche Arten der Prozessimplementierung Auch wenn in vielen Veröffentlichungen eine IT-Unterstützung von Geschäftsprozessen mit der Ausführung durch ein BPMS gleichgesetzt wird, so gibt es doch eine Vielzahl weiterer Typen von Software, die eine Rolle im Prozessmanagement spielen, entweder zur Unterstützung der Prozessausführung oder zur Planung, Steuerung und Analyse von Geschäftsprozessen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier einige wichtige Klassen von Systemen aufgezählt (vgl. Abb. 2): • Transaktionssysteme: Ein Großteil der in Geschäftsprozessen ausgeführten Aktivitäten wird durch Transaktionen von ERP-Systemen u.€ ä. unterstützt. Auch wenn diese Systeme oftmals keine aktive Ablaufsteuerung enthalten, müssen sie
Entscheidungsunterstützung
Business Intelligence, Management Dashboard
Planung und Kontrolle
Planungsleitstand, Projektmanagement-Systeme
Kommunikation und Steuerung
Groupware, Workflow, Content Management, Web 2.0, Case Management
Individuelle Unterstützung
Transaktionssysteme
Office-Software, E-Learning, ...
ERP, CRM, ...
Abb. 2↜渀 Für die Implementierung von Geschäftsprozessen werden viele verschiedene Typen von Systemen eingesetzt
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dennoch so konfiguriert werden, dass sie die Prozesse des Unternehmens unterstützen. Systeme zur individuellen Unterstützung: In vielen Prozessen kommen typische Office-Anwendungen zum Einsatz. Checklisten, Formulare und Makros stellen ebenfalls eine Implementierung von Prozesslogik dar. Ein anderes Beispiel sind E-Learning-Systeme, die das Lernen über die eigenen Prozesse und vor allem auch das gezielte Lernen bei der Prozessdurchführung unterstützen. Kommunikation und Steuerung: Neben den BPMS und Workflow-Systemen enthalten auch zahlreiche andere Systeme Komponenten zur aktiven Prozesssteuerung. Beispielsweise können viele Content Management-Systeme den Workflow zur Erstellung, Bearbeitung und Freigabe von Dokumenten und anderen Inhalten steuern. Schwach strukturierte, wissensintensive Prozesse, wie etwa das Erarbeiten eines Marketingkonzepts, werden durch die beteiligten Mitarbeiter gesteuert. Insofern helfen auch Groupware-Systeme, Kollaborationsplattformen und Social-Software-Systeme bei der Prozesssteuerung. So können beispielsweise prozessspezifische Diskussionsgruppen oder Ablagestrukturen für zu erstellende Dokumente eingerichtet werden. Aktuell werden die Möglichkeiten zu einer verbesserten Unterstützung derartiger Prozesse unter dem Schlagwort „Adaptive Case Management“ diskutiert (vgl. Swenson 2010). Planung und Kontrolle: Insbesondere lang laufende, wenig standardisierte Prozesse erfordern häufig eine dedizierte Planung und Überwachung der einzelnen Prozessinstanzen. Hierfür kommen u.€a. Projektmanagement-Systeme zum Einsatz, aber auch Planungsleitstände oder Systeme zur Ressourcen- und Personaleinsatzplanung. Entscheidungsunterstützung: Business-Intelligence-Systeme und ManagementDashboards dienen u.€a. auch zur Erhebung, Auswertung und Präsentation von Prozesskennzahlen. Umgekehrt werden in vielen Prozessen auch Analysedaten benötigt und daher Business-Intelligence-Funktionalitäten eingesetzt.
Schließlich werden viele Prozesse nach wie vor ganz oder teilweise manuell ausgeführt. Betrachtet man die IT-Implementierung nicht nur aus dem Blickwinkel eines einzelnen Projektes, sondern aus der Gesamtsicht eines Unternehmens, sind all diese Systemtypen zu berücksichtigen. Die Herausforderung besteht nun darin, ihren Einsatz so aufeinander abzustimmen, dass die Prozesse möglichst effektiv gesteuert und durchgeführt werden können. Sind die Prozesse aus fachlicher Sicht definiert, ist zunächst zu untersuchen, welche Systeme sinnvoll für welche Aufgaben im Rahmen der Prozesslandschaft eingesetzt werden sollen. In manchen Fällen kann es empfehlenswert sein, Funktionalitäten herkömmlicher Systeme in Services zu verpacken oder durch neu entwickelte Services zu ersetzen. Ersetzt man etwa ein älteres Dokumentenmanagement-System (DMS) durch eine Service-orientierte Implementierung, kann man die Funktionalitäten zur Dokumentenbearbeitung über ein BPMS leichter in einen Gesamtprozess integrieren. Andererseits kann es aus Kostengründen oder im Sinne eines Best-of-Breed-Ansat-
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zes im Einzelfall auch die bessere Lösung sein, Dokumentenworkflows komplett mit einem DMS abzuwickeln und die im Zusammenspiel mit anderen Systemen entstehenden Schnittstellenprobleme bewusst in Kauf zu nehmen. Nach Auswahl der zu verwendenden Systeme müssen die Prozesse in diesen Systemen geeignet implementiert werden, wobei der Begriff Implementierung ganz verschiedene Ausprägungen haben kann, wie z.€B. das Erstellen von Checklisten und Vorlagen, das Customizing von ERP-Systemen, die Programmierung von Zusatzfunktionalitäten und Schnittstellen, oder auch die Umsetzung in ein ausführbares Modell für ein BPMS.
4â•…Fachliche und ausführbare Modelle Da also derart verschiedenartige Systeme bei der Ausführung der Geschäftsprozesse zusammenspielen, wird man in den meisten Fällen übergreifende fachliche Geschäftsprozessmodelle benötigen, die unabhängig von einem bestimmten ausführenden System sind. Der erforderliche Detaillierungsgrad dieser Modelle hängt u.€a. auch davon ab, wie der jeweilige Prozess implementiert werden soll. Soll etwa ein Teilprozess komplett innerhalb eines bestimmten Systems ablaufen, kann das systemübergreifende fachliche Modell relativ grobgranular sein. Es muss lediglich die Details enthalten, die außerhalb des Systems benötigt werden, wie etwa Aktivitäten und Ereignisse, die als Messpunkte dienen und in einem Dashboard visualisiert werden sollen. Die detaillierten Prozessbeschreibungen können ansonsten speziell auf das betreffende System abgestimmt und mit seinen Entwicklungs- und Modellierungswerkzeugen erstellt werden. Im Gegensatz zu anderen Systemen erlauben BPMS die direkte Ausführung von Prozessmodellen. In welchem Verhältnis steht ein ausführbares Modell zu einem fachlichen Modell desselben Geschäftsprozesses? Wünschenswert wäre es, dass es sich um ein und dasselbe Modell handelt. Dann könnte die Fachseite ihre Prozesse definieren, SOA-Spezialisten würden ggf. erforderliche technische Details hinzufügen und der Prozess könnte direkt ausgeführt werden. Damit wäre die Kluft zwischen Business und IT komplett geschlossen, da die fachlichen Anforderungen nicht mehr von Entwicklern mehr oder weniger geeignet umgesetzt werden müssten. Stattdessen würden die fachlichen Modelle direkt ausgeführt. Änderungen im Prozessmodell wären ohne Verzug implementiert.
4.1â•…Fachliches und ausführbares Modell unterscheiden sich Wie zahlreiche praktische Erfahrungen bestätigen, ist dieses Wunschszenario für reale Prozesse nicht umsetzbar. Fachliches und ausführbares Modell unterscheiden sich meist deutlich und lassen sich auch nicht ohne Weiteres ineinander überführen.
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Abb. 3↜渀 Das Prozessmodell muss um Zusatzinformationen angereichert werden, damit es ausführbar wird
Fachliche Modelle dienen der Kommunikation, ausführbare Modelle der Interpretation durch eine Maschine. Fachliche Modelle richten sich an Menschen und müssen daher vor allem gut verständlich sein. Zugunsten der Verständlichkeit wird oftmals auf Exaktheit verzichtet. Details oder Ausnahmeregelungen werden weggelassen oder nur in Form von Anmerkungen erwähnt. Bei ausführbaren Modellen ist es letztlich entscheidend, dass das gewünschte Verhalten bei der Abarbeitung durch die Process Engine erzielt wird. Dies bedeutet, dass der Ablauf exakt und sehr detailliert modelliert werden muss. Vereinfachungen oder fehlende Details führen dazu, dass der Prozess nicht richtig abläuft. Zwar sollte man auch bei einem ausführbaren Modell eine hohe Verständlichkeit anstreben, z.€B. mittels geeigneter Benennungen und guten grafischen Layouts. Letztlich zählt aber das bei der Ausführung erzielte Ergebnis. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es sich beim Erstellen ausführbarer Modelle um eine Art grafische Programmierung handelt (vgl. Abb. 3). Einfaches Beispiel: Kann ein Druckauftrag nicht ausgeführt werden, weil der Drucker nicht ansprechbar ist, so soll der Druckauftrag nach einer gewissen Wartezeit wiederholt oder ggf. an einen anderen Drucker geschickt werden. Würden alle derartigen Sachverhalte in einem fachlichen Modell komplett ausmodelliert, wäre das entstehende Modell sehr umfangreich, schwer verständlich und würde kaum von den beteiligten Mitarbeitern akzeptiert werden. In einem ausführbaren Prozessmodell hingegen wäre es erforderlich, diese Ausnahmebehandlung zu modellieren, da die Process Engine sie sonst nicht durchführen kann. Für den geschilderten Fall könnte man sich noch vorstellen, das Drucken mit mehreren Versuchen und Ausnahmedruckern in einen einzigen Service zu kapseln,
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doch spätestens beim endgültigen Scheitern dieses Druckservices wäre eine im Prozessmodell zu modellierende Reaktion nötig. Ansonsten bleiben die von einem Fehler betroffenen Prozessinstanzen hängen. Ein Administrator muss solche Prozessinstanzen dann manuell bearbeiten, um eine Fortführung zu ermöglichen.
4.2â•…BPMN als gemeinsame Sprache? Dass mit BPMN heute eine Notation zur Verfügung steht, die als gemeinsame Sprache für Business und IT proklamiert wird und tatsächlich in beiden Bereichen zunehmende Akzeptanz erfährt (vgl. Allweyer 2009), bedeutet nicht, dass ein mit BPMN erstelltes Modell die fachliche Sicht und die IT-Sicht in gleichem Maße abdecken kann. Immerhin erleichtert die Nutzung der gleichen Notation das gegenseitige Verständnis der jeweils anderen Seite und damit z.€B. auch die Überführung eines fachlichen in ein ausführbares Modell. Die beiderseitige Nutzung von BPMN ist vergleichbar der Nutzung einer gemeinsamen Sprache. Wenn in einem Unternehmen sowohl Ingenieure als auch Marketing-Experten deutsch sprechen, hilft dies zweifellos beim gegenseitigen Verständnis. Dennoch können auch in einer gemeinsamen Sprache Missverständnisse auftreten – und die technische Spezifikation einer Maschine unterscheidet sich deutlich von einer Marketing-Produktbroschüre für dieselbe Maschine. Da jedes BPMS über die typischen Funktionalitäten hinaus spezifische eigene Features enthält, die eine Standardnotation wie BPMN niemals alle abdecken kann, müssen ausführbare Modelle häufig an die individuellen Erfordernisse des jeweils verwendeten BPMS angepasst werden. Derartige systemspezifische Informationen haben in einem fachlichen Modell nichts zu suchen, da der fachliche Ablauf weitgehend unabhängig davon sein sollte, welches Produkt zur Umsetzung eingesetzt wird. Ein öfter anzutreffender Ansatz besteht darin, ausführbare Modelle als hierarchische Verfeinerungen der fachlichen Modelle zu erstellen. Die ausführungsbezogenen Details werden dabei in Unterprozessen zu den aus fachlicher Sicht definierten Aktivitäten modelliert. Leider trägt auch dieser Ansatz nur ein Stück weit, da es viele Fälle gibt, in denen eine Restrukturierung der Prozesse notwendig ist. Beispielsweise kann in einem fachlichen Modell dargestellt sein, dass an einer bestimmten Stelle auf das Eintreffen einer Nachricht gewartet wird. Aus technischen Gründen könnte entschieden werden, den Prozess aufzusplitten: Statt zu warten wird der Prozess beendet, und das Eintreffen der erwarteten Nachricht startet einen neuen Prozess, der die restlichen Schritte des ursprünglichen Prozesses enthält. Das ausführbare Modell enthält nun zwei Prozesse und unterscheidet sich somit deutlich vom fachlichen Modell, in dem nur einen Prozess vorkommt.
4.3â•…Vom CIM zum PSM Verschiedene Autoren (z.€B. BITKOM 2010, Freund et€al. 2010, Silver 2009) schlagen vor, insgesamt drei Modelle zu erstellen (vgl. Abb. 4): Zunächst ein grobes
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Computation Independent Model (CIM)
Grobe fachliche Modelle
Platform Independent Model (PIM)
Detaillierte fachliche Modelle
Platform Specific Model (PSM)
Ausführbare Modelle
Fachliches Modellierungswerkzeug (BPA-Tool)
BPMS
Abb. 4↜渀 Drei Modellebenen
fachliches Modell, das vor allem dem Verständnis und der Kommunikation des Gesamtprozesses dient, anschließend ein verfeinertes fachliches Modell, das den Ablauf mit allen Details, Ausnahmen etc. vollständig und genau abbildet und damit eine exakte Vorlage für das ausführbare Modell darstellt. Letzteres enthält zusätzlich noch die technischen Details, die für das verwendete BPMS erforderlich sind. Gemäß der Einteilung der Model Driven Architecture (MDA, vgl. Object Management Group 2003) können das grobe fachliche Modell als Computation Independent Model (CIM), das verfeinerte fachliche Modell als Platform Independent Model (PIM) und das ausführbare Modell als Platform Specific Model (PSM) klassifiziert werden (vgl. BITKOM 2010). Vorteil der Dreiteilung ist die prinzipielle Austauschbarkeit des verwendeten BPMS. Allerdings sind nun auf dem Weg bis zur Ausführung insgesamt zwei Modelltransformationen erforderlich. Wie bereits erläutert sind diese Transformationen nicht trivial. Sie müssen von menschlichen Experten durchgeführt werden. Künftige Forschungen und aus Erfahrung gewonnene Best Practices dürften dazu beitragen, diese Transformationsprozesse zu erleichtern. Aus Sicht eines Einzelprojektes mag es zunächst akzeptabel erscheinen, die drei Modelltypen nacheinander zu erstellen, wobei das jeweils vorangehende Modell als Ausgangspunkt dient. Durch Modifikationen, Restrukturierungen und Anreicherungen entsteht daraus das nächste Modell. Im Sinne eines kontinuierlichen Prozessmanagements ist es jedoch erforderlich, alle drei Modelle stets aktuell zu halten und sicherzustellen, dass Änderungen der Implementierung auch in den fachlichen Modellen vollzogen werden. Anpassungen können einerseits dadurch erfolgen, dass Änderungen des ausführbaren Modells auch in die fachlichen Modelle übertragen werden. Andererseits kann man durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass auch bei Änderungen immer die Reihenfolge vom groben über das verfeinerte fachliche zum ausführbaren Modell eingehalten wird. Letzteres dürfte einfacher sein, da man sich nicht um die Probleme der Rücktransformationen kümmern muss.
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4.4â•…Traceability zwischen Modellen In beiden Fällen ist es wichtig, nachvollziehen zu können, welche Inhalte der abgeleiteten Modelle aus welchen Elementen der vorangehenden Modelle entwickelt wurden. Eine derartige Traceability (Rückverfolgbarkeit) erfordert, dass die verwendeten Tools eine Möglichkeit bereitstellen, Abhängigkeiten zwischen Inhalten verschiedener Modelle zu verwalten. Dies bieten heute allerdings noch längst nicht alle Modellierungstools an. Das grobe fachliche Modell ist Teil der gesamten Prozesslandschaft im Unternehmen. Daher wird man es in der Regel in einem unabhängigen Modellierungstool erstellen, häufig auch als Business-Process-Analysis-Tool (BPA-Tool) bezeichnet. Das ausführbare Modell muss hingegen in der Modellierungskomponente des BPMS vorliegen. Dass verfeinerte fachliche Modell kann ebenfalls im BPA-Tool modelliert werden. Nutzen beide Systeme z.€B. BPMN als gemeinsame Notation, kann dieses Modell in das BPMS übertragen werden, wo es schließlich zum ausführbaren Modell weiterentwickelt wird. Momentan mangelt es noch an einheitlichen Austauschformaten, doch dürfte es nicht allzu lange dauern, bis die meisten Softwarehersteller das in der Spezifikation der neuen BPMN Version 2.0 definierte Austauschformat implementiert haben.
5â•…Spezifikation und Umsetzung weiterer Anforderungen Bei der Ausführung von Modellen durch BPMS stehen vor allem die Prozesse, d.€h. der Kontrollfluss, im Fokus. Auch die Standardnotation BPMN ist fast ausschließlich auf Abläufe ausgerichtet. So nützlich die automatisierte Verarbeitung der Prozessmodelle auch ist, braucht es doch noch mehr Informationen als nur den Kontrollfluss, um eine komplette Anwendung zu erstellen. Wichtige Aspekte, die ebenfalls spezifiziert werden müssen, sind u.€a.: • Rollen und Organisationsstrukturen: Diese werden benötigt, um die Aktivitäten den richtigen Mitarbeitern zuzuordnen. Meist verfügen BPMS über ein Rollenkonzept, doch müssen u.€ U. auch vielfältige Abhängigkeiten und Zusammenhänge berücksichtigt werden, wie z.€B. dauerhafte und temporäre Gruppenzugehörigkeiten, Stellenbesetzungen, Leitungsfunktionen, Stellvertreterregeln sowie die Struktur der Aufbauorganisation. • Regeln für das Routing: Die Zuordnung von Aufgaben an die richtigen Personen erfordert gelegentlich die Auswertung verschiedener Zusammenhänge. Soll z.€B. der Antrag eines Mitarbeiters genehmigt werden, so muss zwischen dem Genehmiger und dem Antragsteller eine Vorgesetzten-Beziehung bestehen. • User Interface: Bis zu einem gewissen Grad können die Dialoge zur Bearbeitung von Benutzeraktivitäten aus den Datenstrukturen generiert werden, doch erfordert eine gute Benutzbarkeit zumindest eine manuelle Überarbeitung dieser
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Dialoge. Ein Teil der Ablauflogik wird oftmals im User Interface implementiert. Beispielsweise kann ein Benutzer eine Eingabe in einem Feld tätigen, worauf im Hintergrund eine Datenbankabfrage durchgeführt wird. Das Ergebnis der Abfrage wird direkt im User Interface angezeigt. Ein solcher Mikroworkflow wird i.€d.€R. nicht über eine Process Engine abgewickelt. Eine Process Engine würde erwarten, dass zunächst die Benutzeraktivität abgeschlossen wird. Anschließend würde sie einen Service mit der Datenbankabfrage aufrufen und dessen Ergebnis in einer neuen Benutzeraktivität zur Verfügung stellen. Der Benutzer bekäme diese in seiner Taskliste angezeigt, müsste sie öffnen und bekäme darin erst das Abfrageergebnis angezeigt. Dies wäre wenig benutzerfreundlich. Auch wenn derartige Mikroworkflows und Screenflows nicht von Process Engines ausgeführt werden, müssen sie doch in geeigneter Weise spezifiziert und umgesetzt werden. Daten: Bei der Erstellung ausführbarer Prozessmodelle werden die von der Prozessinstanz verwalteten Datenstrukturen meist in Form von XML-SchemaDefinitionen spezifiziert. Oftmals sind umfangreiche Arbeiten erforderlich, um die unterschiedlichen Input- und Output-Datenstrukturen der verschiedenen aufgerufenen Services aufeinander zu mappen. Hierbei erforderliche Transformationen werden oftmals mithilfe von XPath-Ausdrücken definiert. Weder XMLSchema noch XPath eignen sich für fachliche Modellierer. Sie erstellen eher konzeptionelle Datenmodelle. Nicht alle Daten werden über die Process Engine ausgetauscht. Die aufgerufenen Services greifen selbst auf Daten zu und verarbeiten sie. Dies kann z.€B. dadurch geschehen, dass ein Service selbst wieder einen Datenservice aufruft und über diesen auf eine Datenbank zugreift. Auch diese im Hintergrund verwendeten Daten, die evtl. von vielen Services genutzt werden, müssen mithilfe von Datenmodellen spezifiziert werden. Anwendungslogik der Services: Manche Services sind aus fachlicher Sicht relativ einfach. Sie stellen beispielsweise Daten zur Verfügung oder versenden EMails. Andere hingegen enthalten komplexe Anwendungslogik, etwa eine Materialbedarfsermittlung oder eine Tourenplanung eines Speditionsunternehmens. Steht nicht bereits ein passender Service zur Verfügung, muss ein neuer Service entwickelt werden. Hierfür sind ebenfalls Anforderungen und Spezifikationen erforderlich, wobei diese mit den Modellen und Spezifikationen des Gesamtprozesses abgestimmt sein müssen. Die vielfach vollzogene strikte Trennung zwischen der Implementierung mit einem BPMS einerseits und „klassischer“ Software-Entwicklung andererseits ist nicht gerechtfertigt. Bei einem BPMSProjekt kommt beides zusammen: die über ein Prozessmodell spezifizierte Ablaufsteuerung mittels BPMS und die Programmierung der über die aufgerufenen Services bereitgestellten Anwendungslogik. Auch wenn es einen benötigten Service bereits gibt, spielt eine saubere fachliche Dokumentation eine wichtige Rolle für das Auffinden des Services sowie für die Entscheidung, ob dieser Service tatsächlich genau die Funktionalität und Logik enthält, die in dem betrachteten Prozess benötigt wird.
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• Geschäftsregeln: Komplexe Regeln können aus der eigentlichen Anwendungsund Ablauflogik ausgelagert und durch ein Business-Rules-Management-System (BRMS) verwaltet und verarbeitet werden. Ein solches BRMS kann ebenfalls in Form von Services in einen BPMS-gestützten Prozess eingebunden werden. Geschäftsregeln, die z.€B. in Form von Entscheidungstabellen, Entscheidungsbäumen oder Regelsprachen formuliert werden, beziehen sich vor allem auf Daten – sowohl auf die oben angesprochenen Daten aus einem Backend als auch die im Prozess ausgetauschten Daten. Entsprechend müssen die Geschäftsregeln konsistent zu den definierten Datenstrukturen sein. • Service Levels: Jedes System muss eine Reihe nichtfunktionaler Anforderungen erfüllen. Diese betreffen beispielsweise Performance, Datenvolumen, Sicherheit oder die Einhaltung rechtlicher Anforderungen. Bei BPMS-basierten Anwendungen hängt die Einhaltung dieser Anforderungen natürlich auch von den Eigenschaften und der Güte der eingebundenen Services ab. Daher müssen sowohl für die Gesamtanwendung als auch für die einzelnen Services die einzuhaltenden bzw. garantierten Service Levels dokumentiert werden. • Messpunkte und Kennzahlen: Auf den Gesamtprozess bezogen lassen sich Service Levels mithilfe von Prozesskennzahlen definieren. Um Prozesskennzahlen zu ermitteln, muss man definieren, wie die Kennzahlen errechnet und die hierfür benötigten Ausgangsdaten im Prozess gemessen werden. Dafür sind im Prozessmodell geeignete Messpunkte und -vorschriften festzulegen. Da man – wie in Abschn.€3 ausgeführt– nicht davon ausgehen kann, dass Prozesse immer komplett innerhalb eines einzigen BPMS ablaufen, sollte die Festlegung von Messpunkten und -vorschriften möglichst unabhängig von der konkreten Implementierung erfolgen.
6â•…Prozessimplementierung in der Praxis Um tatsächlich einen kompletten Round Trip von den fachlichen Prozess- und sonstigen Modellen zur Implementierung, Ausführung und zum Prozess-Controlling durchzuführen, bedürfte es folgender Elemente (vgl. Abb.€5): 1. Eine integrierte fachliche Beschreibung aller relevanten Aspekte wie Prozesse, Rollen, Daten, usw. Diese Beschreibungen müssten zunächst komplett unabhängig von der jeweiligen Implementierung sein, da die Umsetzung auf ganz verschiedene Weise und in ganz verschiedenen Systemen erfolgen kann. 2. Eine Zuordnung der einzelnen Prozesse, Teilprozesse und sonstigen Modellinhalte zu den jeweils geeigneten Systemen (z.€B. BPMS, ERP-Systeme, BRMS usw.). Ein einziger Prozess kann dabei für mehrere Systeme relevant sein. So kann z.€B. ein Gesamtprozess von einem BPMS gesteuert werden, wobei aber Teilprozesse in einem ERP-System abgewickelt und Prozesskennzahlen von einem Business-Intelligence-System erhoben werden. 3. Eine konsistente Detaillierung der fachlichen Modelle und Spezifikationen sowie ihre Umsetzung in ausführbare Artefakte. Hierbei müssen verschiedene Aspekte
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Modellierung User Interface
Organisation
Daten Rollen
Prozessmodelle
Kennzahlen Service Levels
Regeln
...
Anwendungslogik
Konsistente Umsetzung für die verschiedenen Komponenten und ihr Zusammenspiel
Portal
BI ERP
BPMS
BRMS Individuell entwickelte Services
Datenbank
...
Ausführung und Kontrolle
Abb. 5↜渀 Modellierung und Implementierung der verschiedenen Aspekte einer SOA-/BPMS-Lösung
und Teilmodelle je nach Zielsystem unterschiedlich umgesetzt werden, wobei die plattformspezifischen Modellausprägungen ggf. in die Entwicklungs- und Konfigurationswerkzeuge der jeweiligen Zielsysteme überführt werden müssen. Idealerweise lassen sich diese verschiedenen Entwicklungs- und Konfigurationswerkzeuge in eine gemeinsame Entwicklungsumgebung integrieren. So bieten heute bereits viele Anbieter eine Integration ihrer Werkzeuge in die bekannte Eclipse-Umgebung an. Eine konsistente Detaillierung und Umsetzung der verschiedenen Aspekte könnte wie im folgenden Beispiel aussehen: In einem Prozess werden Daten mithilfe eines Datenservices aus einer Datenbank ausgelesen, anschließend wird ein RulesManagement-System aufgerufen, das bestimmte Regeln auf diese Daten anwenden soll. Auf Grundlage ein und desselben Modells sollen nun nicht nur die Ablauflogik und der Datenservice generiert werden. Es soll beispielsweise auch ohne zusätzliche Mapping-Definitionen dafür gesorgt werden, dass die richtigen Daten an die Rules Engine übergeben und ausgewertet werden. Weiterhin soll sichergestellt werden, dass ein an diesem Prozess beteiligter Benutzer aufgrund seiner Rolle automatisch in allen aufgerufenen Systemen die benötigten Rechte hat. Schließlich sollen ohne aufwändige Programmierung Auswertungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die Prozess-, Daten-, Regel- und Organisationsinformationen verknüpfen. So könnte man auswerten, für welche Benutzergruppen welche Regeln in Abhängigkeit von
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einem durchschnittlichen Bestellwert wie häufig angewendet werden und welche Auswirkung dies auf die Prozessdurchlaufzeit hat. An und für sich hört sich das geschilderte Szenario gar nicht so schwierig an. Und in der Tat gibt es für fast jeden einzelnen modellierten Aspekt Verfahren und Werkzeuge, mit denen sich Modelle und andere Spezifikationen zum großen Teil automatisiert umsetzen lassen: Neben der oben beschriebenen automatischen Ausführung von Prozessmodellen stellt auch die Generierung von Datenbanktabellen aus Datenmodellen kein Problem dar, ebenso wenig wie die Ausführung von Regelbäumen o. ä. durch Rules Engines.
6.1â•…Verbindung der einzelnen Ansätze Allerdings adressieren die verschiedenen Ansätze bis heute lediglich einzelne Aspekte. Die Herausforderung besteht darin, diese verschiedenen Ansätze zu einer durchgängigen Vorgehensweise zusammenzubringen. Bis heute gibt es keine umfassende Methodik, die alle beschriebenen Aspekte einheitlich zusammenführt. Höchstwahrscheinlich wird es eine solche allumfassende Beschreibung auch nie geben. Die typische System- und Anwendungslandschaft ist zu heterogen und vielfältig. Zudem wäre eine einheitliche Notation, die sich nicht nur um Prozesse und Daten, sondern auch um Ziele, Organisationen, Regeln, Kennzahlen und nichtfunktionale Anforderungen – samt deren Umsetzung in Software – kümmert, extrem komplex. Dennoch ist zu erwarten, dass Notationen und Vorgehensweisen auf Basis praktischer Erfahrungen mit SOA/BPMS weiterentwickelt und zumindest an einigen wesentlichen Stellen integriert werden. Da eine Standardisierung immer relativ lange dauert, werden viele Hersteller zunächst wieder ihre eigenen integrierten Methoden anbieten. Für Anwenderunternehmen empfiehlt sich ein pragmatischer Ansatz, bei dem man Automatisierungs- und Generierungsverfahren gezielt dort einsetzt, wo sie bereits heute konkreten Nutzen bringen, z.€B. in Form reduzierter Entwicklungszeiten, besserer Qualität oder leichterer Änderbarkeit. Das Ganze sollte in eine Gesamtarchitektur eingebettet sein, die die verschiedenen Sichten wie Prozesse, Daten, Organisation usw. zumindest auf grober fachlicher Ebene im Zusammenhang darstellt. Dort, wo der Einsatz eines BPMS, eines BRMS etc. sinnvoll ist, können die Modelle detailliert und automatisiert werden. An anderen Stellen wird man hingegen eine herkömmliche Software-Entwicklung durchführen oder ein Standardsoftwaresystem geeignet konfigurieren. Mithilfe von Methodenkonventionen kann man definieren, was auf welcher Ebene zu modellieren ist, und wie die Modelle auseinander abgeleitet werden (vgl. Stähler et€al. 2009). Hierdurch passen die Einzelmodelle zumindest im Groben zusammen. Dabei werden bewusst Lücken und Überschneidungen zwischen unterschiedlichen Detailmodellen in Kauf genommen. Durch die Einbettung in die Gesamtarchitektur und den einheitlichen methodischen Rahmen wird aber deutlich, an welchen Stellen jedes Projekt mit anderen abgestimmt werden muss.
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Insgesamt zeigt sich, dass der angestrebte BPM-Round-Trip in vielen Aspekten bisher nicht realisiert werden kann und zum Teil wohl auch mittelfristig nicht so umfassend zu realisieren ist. Gleichwohl können mit dem Streben nach dem Round Trip schon heute weitreichende Verbesserungen gegenüber früheren Ansätzen realisiert werden. Weitergehende Standardisierungen, verbesserte Methoden und deren pragmatische Anwendung lassen die Wirklichkeit des BPM noch weiter an den angestrebten Round Trip heranrücken.
Literatur Allweyer T (2009) BPMN 2.0 – Business Process Model and Notation: Einführung in den Standard für die Geschäftsprozessmodellierung, 2.€Aufl. Books on Demand, Norderstedt BITKOM e. V. (2010) Geschäftsinnovationen durch BPM-Technologien und SOA. http://soaknow-how.de/index.php?id=2. Zugegriffen: 28. Januar 2011 Freund J, Rücker B, Henninger T (2010) Praxishandbuch BPMN 2.0. 2. Aufl. Hanser, München Object Management Group (2003) MDA Guide Version 1.0.1. http://www.omg.org/cgi-bin/ doc?omg/03-06-01. Zugegriffen: 28. Januar 2011 Silver B (2009) BPMN Method and Style. Cody-Cassidy Press, Aptos Stähler D et€al (2009) Enterprise Architecture, BPM und SOA für Business Analysten. Hanser, München Swenson KD (2010) Mastering the Unpredictable: How Adaptive Case Management Will Revolutionize the Way That Knowledge Workers Get Things Done. Meghan-Kiffer Press, Tampa
Biografie des Herausgebers
Prof. Dr. Ayelt Komus╇ Leiter des BPM Labors – ist Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik an der FH Koblenz. Er ist weiterhin wissenschaftlicher Leiter der Rechenzentren der Fachhochschule Koblenz und Mitbegründer der Modellfabrik Koblenz. Professor Dr. Komus promovierte über prozessorientierte Fragestellungen des Benchmarkings Organisatorischer Intelligenz am Institut für Wirtschaftsinformatik bei Prof. Dr. Dr. h. c. mult. August-Wilhelm Scheer. Vor seiner Tätigkeit als Hochschullehrer war Prof. Komus 10€Jahre lang als Unternehmensberater mit Fragestellungen wie Organisationsgestaltung, ITStrategien, SAP-Einführung und -optimierung betraut. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind Geschäftsprozessmanagement, IT-Strategie und Social Media. Im Bereich Social Media veröffentlichte er u.€a. das Buch Wikimanagement, das sich mit den Konsequenzen und Chancen des Web 2.0 für das Management allgemein beschäftigt. Als Mitbegründer der Modellfabrik Koblenz beschäftigt sich Prof. Komus gemeinsam mit anderen Experten für Beschaffung, Logistik und Produktion mit der ganzheitlichen Abbildung, Simulation, Optimierung und Vermittlung von Prozessen und IT-Umsetzung in der Produktion. Im Schwerpunktthema Business Process Management beschäftigt sich das BPM-Labor mit den Fragestellungen der Ausgestaltung modernen Geschäftsprozessmanagements. Wichtige Forschungsschwerpunkte sind dabei in die Integration der verschiedenen Aspekte und Sichten des technischen und des Business BPM sowie die Nutzung von Social Media und Wikimanagement-Ansätzen im BPM. Das BPM-LABOR hat unter der Leitung von Prof. Komus zahlreiche Studien zum Thema BPM in der Praxis durchgeführt. So etwa die BPM-Best-Practice-Untersuchung mit umfangreichen persönlichen Gesprächen mit führenden deutschen BPM-Unternehmen, die BPM-Umfrage und die BPM-Six-Sigma-Studie mit jeweils ca. 500 Teilnehmern. Weiterhin wurde am BPM-Labor der BPM-Check entwickelt, A. Komus (Hrsg.), BPM Best Practice, DOI 10.1007/978-3-642-16725-6 ©Â€Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Biografie des Herausgebers
der bereits mit der IHK Koblenz durchgeführt wurde und Unternehmen die Möglichkeit bietet, ihr BPM-Profil zu überprüfen. Prof. Komus’ aktuelles Buchprojekt BPM Best Practice gibt wichtige Hinweise zur Ausgestaltung des Geschäftsprozessmanagements und beinhaltet aktuelle Beiträge vieler namhafter Unternehmen. Weitere Informationen unter www.komus.de.