Firmenjäger
Hans Sedlmaier
Firmenjäger Wie Raider Unternehmen kaufen, zerschlagen, verschachern
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Firmenjäger
Hans Sedlmaier
Firmenjäger Wie Raider Unternehmen kaufen, zerschlagen, verschachern
Campus Verlag Frankfurt/New York
Für Sandra
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-593-37183-9 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright © 2003 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main Umschlaggestaltung: mancini-design, Frankfurt am Main Umschlagmotiv: Guido Klütsch, Köln Satz: Leingärtner, Nabburg Druck und Bindung: Druckhaus Beltz, Hemsbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany
Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
Inhalt
Einleitung
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Firmenjäger: Ein unbekannter Unternehmertyp . Charakteristika
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Ein Blick zurück: Raider-Reminiszenzen
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Der Spieler mit der glücklichen Hand: Sir James Goldsmith . . . . . . . . . . . . .
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Rückblick auf die wilden 80er Jahre in den USA
Jagdrevier Deutschland: Die Schonzeit ist vorbei .
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Die Globalisierung schleift die Festung der »Deutschland AG« . . . . . . . . . . . .
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Der Wandel in den 90er Jahren
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Vater Staat putzt die Börse für den globalen Investor heraus .
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Die Wendemarke: Vodafone sackt Mannesmann ein
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Das Kleingedruckte in der rot-grünen Steuerreform
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Die Firmenjäger mischen mit
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»Riecht ihr das Napalm?« – Rambo-Raider Guy Wyser-Pratte
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Die Waterkant-Connection: Karl Ehlerding und seine Raider-Riege »Cobra, übernehmen Sie!« – Der Angriff auf die Commerzbank
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Jagdrevier Schweiz: Bei den Eidgenossen geht es rund
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Shareholder-Value über alles: Martin Ebner Renditejäger René Braginsky
Das offene Deutschland: Wirtschaftliche und soziale Veränderungen durch Raider-Attacken und feindliche Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . .
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Feindliche Übernahme mit erfreulichen Folgen: Mannesmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Klöckner-Werke werden zerlegt, und die Mitarbeiter freuen sich darüber Ein Blick in die Zukunft
Anmerkungen und Bildnachweise Register .
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Einleitung
Er ist im besten Alter, sieht gut aus und hat Manieren. Und er ist ein eiskaltes Monstrum: Morgens kauft er eine Firma, mittags wirft er den Vorstandschef raus, und abends bricht er die Herzen der schönsten Frauen. Skrupellos vernichtet er Arbeitsplätze, wenn es nur seinem Profit dient. Diese Vorstellung von Firmenjägern prägt die meisten Deutschen seit 1990. Vorbild ist allerdings nicht die Realität, sondern der Kinofilm »Pretty Woman«. Richard Gere spielt den Schuft Edward Lewis, der sich erst in die Prostituierte Vivian Ward alias Julia Roberts verlieben muss, um von seinem üblen Tun abzulassen. Noch schlimmer wurde der Typ des Firmenjägers bereits 1987 in Oliver Stones Kinoerfolg »Wall Street« geschildert. Gordon Gekko, gespielt von Michael Douglas, würde darin sogar seinen Vater verkaufen – wenn nur genügend für ihn dabei herausspringt. Was damals als Leinwandfiktion beim Zuschauer für prickelnde Spannung sorgte und allenfalls als rein amerikanisches Wirtschaftsproblem wahrgenommen wurde, ist in den vergangenen Jahren auch in Europa immer mehr zur Realität geworden: der Typus von Investoren, die mit viel Geld im Rücken Firmen ganz oder teilweise aufkaufen, sie oft völlig umkrempeln und zerlegen, bevor sie die Einzelteile mit hohem Gewinn weiterverkaufen. Dabei suchen sie sich mit Vorliebe unterbewertete Firmen, die meist zwei Dinge gemeinsam haben: ein hohes Vermögen und einen niedrigen Aktienkurs. Im Gegensatz zum grobklotzigen Alles-oder-Nichts-Ansatz bei den Übernahmen der 80er Jahre verfolgen Firmenjäger heute meist eine smartere Strategie. Sie kaufen nach und nach ein größeres Aktienpaket und
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gehen dann an die Öffentlichkeit. Vor und hinter den Kulissen fangen sie dann an, Druck auf das Management oder die Mehrheitseigner auszuüben. Immer öfter werfen Firmenjäger ihre Blicke auch auf deutsche Unternehmen. Das Buch geht der Frage nach, warum das so ist und stellt markante Vertreter der Zunft vor. So gibt etwa der Amerikaner Guy Wyser-Pratte, der 2001 als erster ausländischer Firmenjäger Jagd auf ein deutsches Unternehmen, die Rheinmetall AG, machte, Einblicke in seine Investitionsgrundsätze und deren Logik. Im anglo-amerikanischen Raum sind Firmenjäger als »Raider« berühmt und berüchtigt – ein Begriff, den man schlicht mit »Räuber« übersetzen kann. Doch entgegen ihrem schlechten Image in der Öffentlichkeit sehen Wirtschaftswissenschaftler Raider nicht unbedingt als schädlich für die Wirtschaft an. Im Gegenteil: Auch wenn sie vor allem ihren Profit suchen, können sie Verkrustungen aufbrechen und durch ihre Attacken insgesamt für mehr Effizienz sorgen. Aber natürlich sind Raider alles andere als selbstlose Retter: Sie wollen ihren Millioneneinsatz möglichst vervielfachen. Wie sie dabei vorgehen, nach welchen Grundsätzen sie bei Unternehmen ein- und aussteigen, wird dieses Buch an prägnanten Beispielen zeigen.
Firmenjäger: Ein unbekannter Unternehmertyp
In Deutschland, wie in den meisten anderen kontinentaleuropäischen Ländern, war der Typ des Firmenjägers bis vor wenigen Jahren kaum bekannt. Große Firmen werden hier meist von hoch bezahlten Managern geleitet, die Angestellte des Unternehmens sind. Manchmal steht auch noch der Firmengründer selbst oder einer seiner Nachfahren an der Spitze des Unternehmens. Familienclans kontrollieren über Aktienmehrheiten ein einzelnes Unternehmen oder ganze Konzerne. Mit der Globalisierung verbreitete sich die Erkenntnis, dass das nicht so sein muss. So werden beispielsweise in den USA drei Viertel aller Aktien frei an der Börse gehandelt, und nur ein Viertel befindet sich im Besitz von Großaktionären. In Deutschland ist die Situation genau umgekehrt: Hier halten Großaktionäre drei Viertel des Aktienbestandes, und nur ein Viertel ist Streubesitz oder so genannter Free Float, der frei gehandelt wird. Vor allem große Banken und Versicherungen besitzen wesentliche Anteile an börsennotierten Firmen. Diese Konzerne halten häufig auch so genannte Überkreuzbeteiligungen aneinander. Ihre Vertreter kontrollieren über Sitze in den jeweiligen Aufsichtsräten die Ausrichtung der Firmenpolitik und bestellen die Vorstände. Lange galt die deutsche Wirtschaft, die wegen ihrer vielfachen Verflechtungen auch spöttisch-bewundernd »Deutschland AG« genannt wird, als abgeschottetes Terrain. Ausländische Firmen bekamen hier kein Bein auf den Boden. Feindliche Übernahmen, also der Kauf einer Firma gegen den Willen des Managements, wie sie in den USA oder Großbritannien gang und gäbe sind, schienen undenkbar. Das ist spätestens seit dem
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Firmenjäger
aufsehenerregenden Mannesmann-Kauf durch Vodafone im Frühjahr 2000 vorbei. Und mittlerweile ist es, wie die unaufgeregte Übernahme der Großbäckerei Kamps durch den italienischen Teigwarenhersteller Barilla im Sommer 2002 gezeigt hat, ganz normales Geschäftsgebaren. Die neue Stimmungslage hat einen in Deutschland zuvor so gut wie nicht vertretenen Unternehmertyp angelockt: den Firmenjäger. Seit einiger Zeit wird er im Umfeld von etablierten Unternehmern gesichtet, von der Elite der Firmenführer noch neugierig beäugt und kritisch gemustert. Er gilt als exotisch und unberechenbar, erscheint aber vielleicht auch ganz nützlich. Also spricht man mit ihm, hört sich seine Ideen an, lässt aber darüber nichts an die Öffentlichkeit dringen. Die Arbeitnehmer sind noch skeptischer, wenn die Rede von feindlichen Übernahmen und Firmenjägern ist. Sie befürchten: Da will doch einer nur den schnellen Euro verdienen und kalkuliert den Verlust vieler Arbeitsplätze kalt ein. Die Aktionäre sind dagegen großenteils begeistert. Denn wenn Firmenjäger irgendwo zuschlagen, sind in der Regel steigende Kurse zu erwarten. Das zeigte sich beim Einstieg von Guy Wyser-Pratte bei Rheinmetall, der ersten Attacke eines ausländischen Raiders auf ein deutsches Unternehmen: Als am 23. Februar 2001 bekannt wurde, dass der Amerikaner die meldepflichtige Grenze von 5 Prozent des Aktienbesitzes überschritten hatte, schoss der Kurs innerhalb weniger Stunden um 28 Prozent nach oben.
Charakteristika Doch was sind eigentlich Firmenjäger? Lassen sich die ominösen Raider überhaupt begrifflich auf einen Punkt bringen? In der spärlichen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zum Thema findet sich keine allgemein akzeptierte Definition des »Corporate Raider«1, wie seine vollständige Bezeichnung im angelsächsischen Raum lautet. Umgangssprachlich wird damit jemand bezeichnet, der die feindliche Übernahme eines Unternehmens betreibt.
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Die in diesem Buch verwendete Definition des Firmenjägers folgt dagegen einer aktuellen Untersuchung der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar bei Koblenz. Darin wird erstmals in Deutschland der Typus des Firmenjägers methodisch durchleuchtet.2 Demnach handelt es sich bei ihm um einen speziellen Finanzinvestor, der sich gegen den Willen des Managements der Zielgesellschaft vollständig oder mit einer Minderheitsbeteiligung an dieser beteiligt. Peter Zillmer und Claus van der Velden, die Autoren der Untersuchung, sehen letzteren als »Firmenjäger im weiteren Sinn«. Das ist auch der Typus, der in den vergangenen Jahren am häufigsten von sich reden gemacht hat. Als »Firmenjäger im engeren Sinn« gilt dagegen, wer die Mehrheitsübernahme und damit völlige Kontrolle des Unternehmens anstrebt.
Die Firmenjäger-Checkliste
Trotz der Unterscheidung in Firmenjäger im engeren und weiteren Sinne haben van der Velden und Zillmer bei ihrer Beschäftigung mit diesem speziellen Unternehmertyp sieben Merkmale gefunden, die für jeden Raider gleichermaßen zutreffen: • Firmenjäger haben die Fähigkeit, attraktive Beteiligungs- oder Übernahmeobjekte ausfindig zu machen. • Firmenjäger werden in der Öffentlichkeit meist als Einzelkämpfer wahrgenommen, auch wenn formal eine Beteiligungsgesellschaft in Erscheinung tritt. • Sie sind in der Lage, das notwendige Kapital für eine Beteiligung oder Übernahme selbst aufzubringen oder über Finanzierungspartner bereitzustellen. • Firmenjäger initiieren diese Beteiligungen oder Übernahmen ohne die Zustimmung des Managements der betroffenen Zielgesellschaften.
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Firmenjäger
• Firmenjäger nehmen eine aktive Rolle als Gesellschafter des Zielunternehmens wahr, sie suchen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen. • Firmenjäger streben eine Wertsteigerung ihrer Unternehmensanteile an, die sie dann realisieren. • Ihr Engagement in einem Unternehmen ist zeitlich begrenzt.
»Unfreundliche« Übernahmen
Bei einer »unfreundlichen« Beteiligung oder Übernahme muss es nicht immer reine Gewinnorientierung sein, die den Investor bewegt: Es können auch strategische Interessen im Spiel sein. Dies ist vor allem der Fall bei konkurrierenden Unternehmen aus der gleichen Branche. Sie sind vor allem am Geschäft des angegriffenen Unternehmens interessiert. Der klassische Fall einer solchen unfreundlichen vollständigen Firmenübernahme war der Kauf des börsennotierten Schweinfurter Wälzlagerherstellers FAG Kugelfischer durch das in Privatbesitz befindliche Maschinenbau- und Automobilzulieferunternehmen INA Holding Schaeffler KG im September 2001. Das Herzogenauracher Familienunternehmen INA nutzte die Chance, günstig eine Firma mit 18 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 2,2 Milliarden Euro zu übernehmen und dadurch die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern. FAG Kugelfischer verlor den Abwehrkampf, da das Management der Mehrheit der Aktionäre keine überzeugende geschäftliche Alternative zu den Plänen der INA Holding geboten hatte. Auch die Suche nach einem so genannten »Weißen Ritter«, der der angegriffenen Firma durch ein »freundliches« Beteiligungs-, Fusions- oder Übernahmeangebot zur Seite springt, blieb trotz hektischer Suche der Manager von FAG Kugelfischer ohne Erfolg. Daher nahmen die Aktionäre das Angebot von 11 Euro, später auf 12 Euro erhöht, pro Aktie an. INA zahlte für die Übernahme 720 Millionen Euro in bar.3
Ein unbekannter Unternehmertyp
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Der Firmenjäger als »Weißer Ritter«
Die Rollenverteilung bei feindlichen Übernahmen ist nicht von vorneherein festgelegt, sondern erfolgt von Fall zu Fall neu. So kann ein typischer Angreifer auch schon mal zum helfenden »Weißen Ritter« mutieren – wenn es seinen Zwecken dient. Das jüngste Beispiel dafür lieferte Raider Guy Wyser-Pratte. Nach seinen Angriffen auf den Düsseldorfer Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall und den Maschinen- und Anlagenbauer Babcock Borsig schlug er sich beim Kampf um das Telefonunternehmen Mobilcom in Absprache mit dem bedrängten Firmengründer Gerhard Schmid auf dessen Seite. Wyser-Pratte kaufte im Dezember 2001 1,1 Prozent an Mobilcom, um Großaktionär France Telecom die geplante Mobilcom-Übernahme zu erschweren. Doch auch als »Weißer Ritter« sucht der Raider vor allem Rendite. In diesem Fall sollte der Preis, den der feindliche Übernehmer – hier die France Telecom – für das Aktienpaket von Gerhard Schmid zahlen musste, möglichst hoch getrieben werden. Da nach deutschem Recht ein neuer Großaktionär ab einem Anteil von 30 Prozent an einer Firma allen anderen Aktionären ein entsprechend gutes Angebot machen muss, hoffte Wyser-Pratte, dabei mitzuverdienen. Allerdings bestätigte die Finanzaufsicht Anfang August 2002 die Haltung der Franzosen. Die Auseinandersetzung beschäftigt seither die Gerichte. Nach seinem erfolgreichen Start mit Rheinmetall musste Wyser-Pratte jedenfalls herbe Verluste akzeptieren. Im Herbst 2002 verkaufte er sein Babcock-Borsig-Aktienpaket mit einem geschätzten Defizit von 15 Millionen Euro. Und auch von seiner Beteiligung an Mobilcom, die er ebenfalls im Herbst 2002 wieder losschlug, war von den 18 Millionen Euro, die er bei Kursen um 25 Euro pro Mobilcom-Aktie investiert hatte, das meiste verloren. Er habe »eine richtig miese Erfahrung« gemacht, sagte Wyser-Pratte der Financial Times Deutschland am 21. November 2002. Dennoch glaubt er weiter an die vielen verborgenen Schätze, die deutsche Unternehmen für Investoren wie ihn bereithalten. Wyser-Pratte will jedenfalls bald die nächste Firma attackieren.
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Woher haben Firmenjäger ihren Namen?
Das Phänomen Firmenjäger brachte man lange Zeit nur mit dem angelsächsischen Raum in Verbindung. Dort bürgerte sich in den 80er Jahren die Bezeichnung »Corporate Raider« oder einfach nur »Raider« ein. Die wörtliche Übersetzung »Unternehmensräuber« oder »Räuber« zeigt, wie wenig die Öffentlichkeit von den Firmenjägern dieser Jahre hielt. Berühmt-berüchtigt wurden Männer wie Carl Icahn, Ronald Perelman oder Kirk Kerkorian. Mit oftmals relativ wenig eigenem Geld ausgestattet zogen sie Milliarden-Deals durch, kauften kriselnde Firmen auf, installierten ein neues Management und unterzogen die Unternehmen einer Radikalkur. Unrentable Firmenzweige wurden verkauft oder, wenn sich nicht schnell ein Käufer fand, einfach dichtgemacht. »Die Übernahmewelle in den 80er Jahren betraf hauptsächlich Firmen in so genannten reifen Industrien, die ein hohes Rationalisierungspotenzial boten«, sagt Prof. Dr. Mark Wahrenburg, Kapitalmarktexperte und Inhaber des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre an der Universität Frankfurt.4
Wie gehen Firmenjäger vor?
Finanziert wurden die Übernahmen der 80er Jahre größtenteils auf Pump. Zum geringen Eigenkapital der Raider kamen Bankkredite in großer Höhe und hoch riskante Unternehmensanleihen, so genannte Junk-Bonds. Der Banker Michael Milken von der Investmentbank Drexel Burnham Lambert galt in diesen Jahren als Guru der JunkBonds. Er hatte diese hochverzinslichen Anleihen als Übernahmewährung so populär gemacht, dass in den späten 80er Jahren so gut wie keine Investmentbank und kein Brokerhaus darauf verzichtete. Plötzlich schienen einzelne Investoren problemlos riesige Unternehmen kaufen zu können. Man sprach von Leveraged Buy-Out (LBO) oder Management-Buy-Out (MBO), wenn es das Management war, das sich die eigene Firma unter den Nagel riss. Als Leverage, also He-
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bel, dienten die Junk-Bonds – Papiere, die wiederum mit dem besichert waren, was in der betreffenden Firma etwas wert war. Konkret funktionierte das so: Ein Raider machte den Aktionären ein Kaufangebot mit dem Kapital, das er im Falle ihrer Zustimmung von einer Bank bekommen würde. Dieser Kredit wiederum erhielt als Sicherheit die Vermögenswerte der Firma; die Tilgung des Kredits erfolgte dann aus den laufenden Umsätzen der Firma. Der hohe Einsatz von Fremdmitteln und die hohe Belastung des Unternehmens durch die teure Rückzahlung der Junk-Bonds – mit Zinsen im zweistelligen Bereich – erhöhten das Konkursrisiko. Dafür konnten bei diesen LBOs und MBOs viele mitverdienen, wurden doch bei solchen Deals Managementgebühren fällig, dazu noch Beratungsgebühren, Junk-Bond-Gebühren und so weiter. Diese hässliche Seite der 80er Jahre fand sich 1987 in dem Hollywood-Film »Wall Street« wieder. In dem Streifen, bis heute ein Kultfilm bei Investmentbankern, predigt Michael Douglas als Gordon Gekko sein Credo: »Gier ist gut, Gier ist richtig, Gier zahlt sich aus …, und merken Sie sich, Gier wird nicht nur Teldar Paper retten, sondern auch das andere schlecht geführte Unternehmen, genannt die USA.«
Die Krise der Firmenjäger in den 90er Jahren
Ende der 80er Jahre brach der Junk-Bond-Markt zusammen: Die Kredite waren faul, so mancher Raider konnte die immensen Zinsen bei der Rückzahlung der geliehenen Summen nicht mehr aufbringen. Damit versiegte auch eine wesentliche Geldquelle für feindliche Übernahmen. Die Banken wurden angesichts der Kreditausfälle immer vorsichtiger, und die riskanten Junk-Bonds fanden keine Abnehmer mehr. Einige Protagonisten der Szene wie Ivan Boesky und JunkBond-König Michael Milken wanderten wegen nachgewiesener Insidergeschäfte einige Jahre ins Gefängnis – die Party war vorbei. In den 90ern wurde es eher still um die Firmenjäger. Zwar waren einzelne von ihnen, wie Kirk Kerkorian oder Guy Wyser-Pratte, aktiv
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und zum Teil recht erfolgreich, doch die Zunft der Raider war out, einige gingen auch völlig pleite. So musste etwa Saul Steinberg, der 1984 die Walt Disney Company zwar nicht übernehmen konnte, aber doch seine Anteile für fast 60 Millionen Dollar an Disney zurückverkaufte, im Jahr 2000 seine mit Kunstschätzen vollgestopfte 34-Zimmer-Wohnung in New York verkaufen – sogar seine eigene Mutter verklagte ihn, weil er bei ihr mit 4,7 Millionen Dollar in der Kreide stand.5 Mit ihrem Brachialimage passten die Raider so gar nicht mehr in die smarte Aufbruchstimmung der hippen Computer- und Internetfirmen, die das letzte Jahrzehnt des ausgehenden Jahrtausends prägen sollten. Hinzu kam, dass viele Firmen ihre Hausaufgaben gemacht hatten. Sie übernahmen den Job, den vorher die Raider erledigt hatten, nun selbst: Sie rationalisierten, richteten sich neu aus, verkauften unrentable Bereiche und konzentrierten sich auf ihr Kerngeschäft.
Neue Chancen im neuen Jahrtausend
Im Frühjahr 2000 endete nach neun Jahren der längste Boom der amerikanischen Geschichte. Die New Economy-Träume eines immerwährenden hohen Wachstums erwiesen sich als Illusion, und der ökonomische Rausch mündete in einen schmerzhaften Rezessionskater. Das war es, worauf die »Weißen Haie der Wall Street«6 gewartet hatten. Als die Spekulationsblase platzte, witterten sie plötzlich wieder Beute. Denn mit dem Börsencrash purzelten die bis März 2000 auf aberwitzige Höhe gestiegenen Firmenbewertungen in den Keller. Alle Indizes hatten Anfang März 2000 historische Höchststände erreicht: In den USA lag der Dow Jones, der Index der wichtigsten Industriewerte, bei 11 750 Punkten, die Technologiebörse Nasdaq bei 8 136 Punkten. Auch in Deutschland hatte das Aktienfieber alle bisherigen Höchststände übertroffen: Am 7. März 2000 hatte der Deutsche Aktienindex (DAX) bei 8 065 Punkten geschlossen, der NEMAX 50, der die wichtigsten Firmen am Neuen Markt repräsentiert, zwei Tage später sogar bei 9 632 Punkten.7 All diese
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Indizes und die Kurse der Firmen, die sie widerspiegeln, brachen nun gnadenlos ein. Das bedeutete: Unternehmen wurden für Firmenjäger langsam wieder als bezahlbare Beute interessant. »Diejenigen von uns, die überlebt haben, kehren jetzt dazu zurück, Firmen zu kaufen, weil die Bewertungen wieder auf ein vernünftiges Niveau gesunken sind«,8 sagte der mittlerweile auf Reise- und Immobilienunternehmen spezialisierte Raider Henry Silverman zu Anfang des Jahres 2001. Er selbst hatte noch 1999 für insgesamt 4,5 Milliarden Dollar 18 Firmen abgegeben. Nun begann er wieder zu kaufen – seinen Angaben zufolge für lediglich ein Drittel dessen, was er noch zwei Jahre zuvor hätte hinlegen müssen.9 Je länger er wartete, desto billiger wurden die Firmen. Nicht nur, dass den Jägern mit einem Mal wieder mehr Wild vor die Flinten kam – endlich war auch günstige Munition erhältlich: Der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan musste die Zinsen angesichts der beunruhigenden Wirtschaftsdaten drastisch senken. Billiges Geld sollte den Konsum ankurbeln und die Firmen zu Investitionen ermutigen. Für die Raider hieß das, dass sie von den Banken wieder günstige Kredite für ihre Käufe bekommen konnten. Und sogar in den vor sich hindümpelnden Junk-Bond-Markt kam wieder Bewegung. Dennoch hat sich einiges geändert. So scheinen die Zeiten endgültig vorbei, in denen sich ein Raider 95 Prozent der Summe borgen konnte, die er für einen Firmenkauf benötigte. 4 oder 5 Prozent Eigenkapital in Form von Aktien reichten in den 80er Jahren für einen Deal. Howard Marks, Chef von Oaktree Capital Management, erläutert den Unterschied zu den vergangenen wilden Tagen: »Wenn man eine Firma für 10 Milliarden Dollar kaufen wollte, konnte man das mit vielleicht 400 Millionen Dollar in Aktien tun. Das geht nicht mehr. Heute bekommt man vielleicht das Dreieinhalbfache des Aktienwertes – nicht das 20fache.«10 Eine Konsequenz, die Raider daraus zogen, könnte man auf den Nenner »small is beautiful« bringen. Nach dieser Strategie lässt sich auch mit kleinen Anteilen ein schöner Gewinn erzielen, wenn man die richtige Firma nur clever und hartnäckig genug belagert. Aber auch
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das Geschäftsklima hat sich geändert. Raider wollen weg vom Räuberimage und gehen mit ihren Plänen häufiger an die Öffentlichkeit. Sie präsentieren sich als Anwälte der Kleinaktionäre, die ShareholderValue einfordern, der allen zugute kommen soll. Unter dem zum Schlagwort gewordenen Shareholder-Value versteht man eine am Kapitalmarkt orientierte Unternehmensführung. Sie zielt darauf ab, den Unternehmenswert (Value) für die Anteilseigner (Shareholder) zu steigern. Diese profitieren im Idealfall von höheren Dividenden und steigenden Aktienkursen. Auch in Europa gewinnt die Sichtweise, dass sich die Firmenpolitik in erster Linie am Shareholder-Value zu orientieren habe, immer mehr an Gewicht.
Welche Firmen werden gejagt?
Firmenjäger zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf Firmen stürzen, die aus dem Blickwinkel des Shareholder-Value Wertlücken aufweisen.11 Eine solche Wertlücke existiert dann, wenn ein Unternehmen an der Börse deutlich geringer bewertet ist, als es der Fall wäre, wenn es nach den Prinzipien des Shareholder-Value geführt würde. Das trifft beispielsweise zu, wenn die Firma einerseits hohe Schulden hat, andererseits aber über bedeutende Vermögenswerte verfügt, die den Aktionären nichts einbringen und aus deren Sicht also brachliegen. In diese Kategorie können große Immobilienvermögen fallen. Wertlücken ergeben sich aus Sicht des Shareholder-Value auch durch Managementfehler, wenn etwa die Firmenpolitik zu »verzettelt« ist und keine klare Ausrichtung auf ein oder zwei aussichtsreiche Kernbereiche existiert. Die Folge ist dann nämlich oft ein zu sehr diversifiziertes Unternehmen, das neben rentablen Zweigen auch Sparten aufweist, die kaum Geld einbringen oder sogar rote Zahlen schreiben. Doch sind solche Firmenkonglomerate nicht per se verlustverdächtig oder negativ im Sinne des Shareholder-Value zu bewerten. Das Paradebeispiel für einen Mischkonzern, der Shareholder-Value propagiert und praktiziert, heißt General Electric. Unter der Ägide der Manager-
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ikone Jack Welch wurde General Electric gerade dadurch zum wertvollsten Unternehmen der Welt, dass man viele Firmen aus grundverschiedenen Sparten aufkaufte. Allerdings richtete Welch seine Strategie strikt an den Kriterien Rentabilität und Marktführerschaft aus. Er investierte nur in Firmenbereiche, die in ihrer Liga bereits die Nummer eins oder zwei waren oder zumindest die Chance hatten, in diese Spitzenkategorie aufzusteigen. Alles andere wurde nach einiger Zeit wieder abgestoßen. An ähnlich harten Leistungskriterien maß der zum »Manager des 20. Jahrhunderts« gekürte Welch auch seinen Mitarbeiterstab und die Belegschaft von General Electric. Klar, dass der Konzern bei dieser konsequenten Markt- und Renditeorientierung nie zum Objekt von Übernahmespekulationen geworden ist. Denn Firmenjäger jagen nie unternehmerisch vorbildlich geführte Börsenstars, sondern relativ schwache Firmen, in denen wider den Shareholder-Value-Gedanken gesündigt wird. Und obwohl sie in erster Linie ihren persönlichen Nutzen suchen, handeln Raider damit im Interesse der übrigen Aktionäre – zumindest all jener, die auf eine optimale Wertschöpfung der Unternehmensressourcen Wert legen. »Die Möglichkeit feindlicher Firmenübernahmen«, sagt daher der Frankfurter Kapitalmarktforscher Dr. Eric Nowak, »ist etwas Wünschenswertes aufgrund der Disziplinierung von ineffizientem Manager- und Unternehmerverhalten. Denn die potenzielle Bedrohung durch eine feindliche Übernahme gibt dem Manager Anreize, dass das Kapital dort eingesetzt wird, wo es am effektivsten ist«.12 Und effektiver Kapitaleinsatz verbunden mit einem guten, marktorientierten Management sei »grundsätzlich positiv zu sehen und wohlfahrtssteigernd«.13
Mit welchen Waffen greifen Raider an?
Um ein börsennotiertes Unternehmen erfolgreich attackieren zu können, braucht ein Firmenjäger mindestens dreierlei: ausreichend Aktien, Angriffspunkte und Argumente. Manchmal ist auch noch ein
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weiteres Druckmittel vonnöten: Anwälte. Ohne eine ausreichende Menge stimmberechtigter Aktien kann der Firmenjäger keine berechtigten Ansprüche auf Verbesserungen anmelden. Dabei bieten sich ihm zwei Möglichkeiten, sie zu erwerben. Der erste Weg führt über die Börse. Dort kann er über einen beliebigen Zeitraum anonym – möglichst bei niedrigen Kursen – einkaufen. Macht er das geschickt, hat er gute Chancen, nicht aufzufallen und kann dadurch vermeiden, dass der Kurs durch Gerüchte frühzeitig in die Höhe getrieben wird. Denn dadurch würden seine Investitionskosten steigen. Der Schleier der Anonymität fällt in Deutschland allerdings schlagartig bei einem Aktienanteil von 5 Prozent. Ist diese Grenze erreicht, ist der Raider nach dem deutschen Wertpapierhandelsgesetz (WpHg) verpflichtet, seinen Anteil öffentlich bekannt zu machen. Die nächsthöheren meldepflichtigen Limits liegen bei 10, 25, 50 und 75 Prozent. Allerdings ist ein Käufer nach dem neuen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) seit Anfang 2002 verpflichtet, bereits bei Erreichen eines Anteils von 30 Prozent an einer Firma den übrigen Aktionären ein öffentliches Übernahmeangebot aller ausstehenden Aktien – in angelsächsischen Ländern als »Tender Offer« bekannt – zu unterbreiten. Raider haben allerdings für den Firmeneinstieg noch eine Alternative zur Börse: den so genannten Blockhandel. Dabei können sie versuchen, direkt mit Großaktionären oder Eigentümern größerer Pakete zu verhandeln und sich so schlagartig in die Zielfirma einzukaufen. Seine bevorzugten Angriffspunkte im Zielunternehmen hat der Firmenjäger längst festgelegt, bevor er einsteigt. Meist handelt es sich um einen oder mehrere der üblichen Schwachpunkte, wie mangelnde Fokussierung auf Kerngeschäftsfelder oder ungehobene Schätze in Form von Immobilienbesitz. Hat sich der Raider gut vorbereitet, dann hat er genügend überzeugende Argumente in der Tasche, um nun in der Öffentlichkeit zu punkten. Öffentlichkeit und Medienpräsenz sind unverzichtbare Mittel für den Raider, um ans Ziel zu kommen. Wenn eine Hauptver-
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sammlung ansteht – umso besser! Hier kann er sich als Vertreter der vielen anonymen Kleinaktionäre profilieren, die es schon lange ärgert, dass ihre Interessen angesichts der Übermacht von Banken und Großaktionären keine Rolle spielen. Der Firmenjäger wird das Scheinwerferlicht, in das sein Zielobjekt plötzlich von allen Seiten getaucht wird, als neue Transparenz preisen. In den Medien wird er die völlige Unterbewertung der Aktie beklagen. Zum Beweis, dass der Kurs viel höher sein müsste, wird er eine Rechnung aufmachen, wie viel die Einzelteile zusammen wert seien. Bewertet die Börse das Gesamtunternehmen aber eklatant niedriger als die Summe seiner Einzelteile ergibt, dann sei doch offensichtlich, dass Handlungsbedarf bestehe. Vielleicht wird er dem Management Vorhaltungen machen und auf schnelle Veränderungen in der Firma drängen. Dabei wird er bald konkrete Forderungen vorbringen: Wenn man etwa diesen oder jenen Geschäftsbereich verkaufe, werde das an der Börse honoriert werden: Er wird knallhart Shareholder-Value einfordern. Wenn der Firmenjäger in der Branche bekannt ist, dann funktioniert dieses Aktionsschema wie eine »self-fulfilling prophecy«, eine Prophezeiung mit Selbsterfüllungscharakter. Schon die Nachricht, dass er eingestiegen ist, wird den Kurs des Unternehmens fast automatisch steigen lassen. Der Grund: Andere Anleger wollen mitverdienen und kaufen die Aktie. Sie spekulieren darauf, dass der Raider nicht ohne Grund zugeschlagen hat, dass sein Opfer schwach ist und dass er gute Erfolgschancen hat. Oft genügt schon das Gerücht an der Börse, um für Kursausschläge nach oben zu sorgen. Für die Firmenchefs ist eine Raiderattacke heikel und wird oft auch als persönlicher Angriff empfunden: Schließlich ist es ja meist die Managementleistung, die im Zentrum der Raiderkritik steht. So kann sich das Image und die Situation einer bedrängten Firma innerhalb von Stunden oder Tagen völlig verändern. Gerade noch als honoriges, aber todlangweiliges Papier eingeschätzt, prasseln nun permanent Fragen von Analysten, Aktionären und Medien auf die aufgeschreckte Führung ein. Alle wollen wissen, wie es weitergehen und ob die Unternehmensleitung ihre Politik ändern wird.
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An diesem Punkt kann sich der Firmenjäger entspannt zurücklehnen: Der Start war äußerst erfolgreich. Die Botschaft des Angreifers ist klar: Seht her, kann er sagen, allein dass ich meine Finger in die Wunden gelegt habe, hat bereits zu Genesungsschüben an der Börse geführt. Verabreicht man nun auch noch die Medizin, die ich dringend empfehle, dann wird die Heilung des schon so lange dahinsiechenden Firmenkörpers sehr schnell erfolgen. Allerdings, so wird er vielleicht hinzufügen, kann es keine Heilung an Haupt und allen Gliedern geben. Der eine oder andere schwache Körperteil ist nicht mehr zu retten. Nur durch eine schnelle Amputation, im Klartext: den Verkauf dieses oder jenes Firmenzweiges, kann der Patient wirklich wieder gesund werden. Nach einem solchen Überraschungserfolg des Firmenjägers ist die Firmenleitung in einer schwierigen Lage. Bleibt sie bei ihrer bisherigen Politik, kommt sie schnell in Verruf, aktionärsfeindlich zu sein und gute Argumente für sinnvolle Veränderungen einfach abzublocken. Zudem muss sie damit rechnen, dass der Raider noch etwas im Sinne hat, noch stärkere Geschütze auffährt – etwa peinliche Interna über Geschäftspraktiken ausplaudert. Lässt sich die Unternehmensspitze aber auf einen Dialog ein und demonstriert Offenheit für neue Ideen, dann begibt sie sich ebenfalls in Gefahr. Sie hat damit eine Schleuse geöffnet, die sie kaum noch schließen kann. Kündigt sie nämlich tatsächlich Änderungen an, steht die unangenehme Frage im Raum, warum erst ein Raider kommen muss, um diese Änderungen herbeizuführen. Wäre das nicht schon längst die Aufgabe des hoch bezahlten Managements gewesen? Durch die Attacken von Raidern wird so die grundlegende Frage angesprochen, wie Aktiengesellschaften geführt und kontrolliert werden sollen. Der Raider als Investor und Mitbesitzer mischt in einem Feld mit, das Wirtschaftswissenschaftler als »Markt für Unternehmenskontrolle« bezeichnen. Kontrolle über das Unternehmen bedeutet die Entscheidungshoheit über die Strategie und Politik der Firma sowie die Bestellung der Unternehmensleitung. Die Diskussion über Unternehmenskontrolle und richtige Unternehmensführung, im Fach-
Ein unbekannter Unternehmertyp
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jargon auch »Corporate Governance« genannt, wird seit Jahren unter anderem auch nachhaltig von der Idee des Shareholder-Value beeinflusst. Gerade bei grundlegenden Entscheidungen wie dem Kauf eines anderen Unternehmens, einem Firmenzusammenschluss oder der Annahme eines Übernahmeangebotes, so die vorherrschende Meinung, sollten nicht allmächtige Manager das Heft in der Hand halten, sondern die Aktionäre als Eigentümer. Firmenjäger wissen sehr gut, dass sie bei ihren Aktionen von der Haltung der übrigen Aktionäre abhängig sind. Daher profilieren sie sich gern als Vertreter der Kleinaktionäre. In den USA fordern sie seit Mitte der 90er Jahre von angegriffenen Firmen oft auch, die Rechte der Aktionäre in eigenen Statuten, den so genannten ShareholderRights-By-Laws, festzulegen. Raider-Veteran Guy Wyser-Pratte war der erste, der 1996 bei der Firma Wallace Computer Services Inc. die schriftliche Fixierung der Anlegerrechte forderte – damals noch vergeblich.14 Doch innerhalb weniger Jahre wurden Shareholder-RightsBy-Laws zu einem heißen Thema bei vielen Jahreshauptversammlungen von Aktiengesellschaften. Solche Statuten können für Raider von großem Nutzen sein, wenn sie etwa die Rechte der Aktionäre bei Übernahmeangeboten regeln und das Management für diesen Fall auf ein bestimmtes Verhalten festlegen oder ihm bestimmte Abwehrmaßnahmen untersagen. Denn die Führungsebene steht der Annahme eines Übernahmeangebots oft allein schon deswegen ablehnend gegenüber, weil sie persönlich dabei vielleicht den Kürzeren ziehen könnte und sich einen neuen Job suchen müsste. Existieren keine Regeln, können Manager viel leichter einem potenziellen Übernehmer mit ein paar so genannten »Giftpillen« den Appetit verderben. Zum Beispiel können sie dem Unternehmen schnell noch jede Menge Schulden aufbürden oder aber seine wertvollsten Teile verkaufen – genau die, die auch den potenziellen Übernehmer interessieren. Ein Raider, der beispielsweise eine Fusion der von ihm angegriffenen Firma mit einer anderen Firma beabsichtigt, erhöht die Chancen, sein Vorhaben durchzubringen, wenn er es schafft, die Firmenspitze auf ein bestimmtes Verhalten zu verpflichten. So war es für Wyser-
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Pratte nicht von Nachteil, durch die Einschaltung von Anwälten und mit gerichtlichen Auseinandersetzungen 1998 einen Kodex für die Aktionärsrechte beim Schmierstoffhersteller Pennzoil durchzusetzen. Dieser Kodex schrieb für Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot ein einstimmiges Votum der Führungsspitze vor. Noch im gleichen Jahr ging das Unternehmen mit der Quakerstate Company zusammen – der Raider hatte sein Ziel erreicht. Firmenjäger im engeren Sinne, die die Mehrheitsübernahme anstreben, müssen da nicht so viele Rücksichten nehmen und Kämpfe führen. Wenn sie es erst einmal geschafft haben, die Mehrheit der Anteile an einem Unternehmen in ihren Besitz zu bringen, dann können sie im Prinzip schalten und walten, wie sie wollen. Denn nun dominieren sie nicht nur über das Stimmrecht ihrer Aktien die Wahl des Aufsichtsrats, sondern können auch den Vorstand auswechseln, wenn er die Vorgaben nicht erfüllt. Das demonstrierte beispielsweise WCM, die Firma des deutschen Raiders Karl Ehlerding, als sie im Jahr 2001 den Vorstand der soeben übernommenen Klöckner AG ersetzte, da dieser sich gegen einen Teilverkauf der Foliensparte der Firma sperrte. Firmenjäger mit Mehrheitsanteil können beispielsweise ohne Probleme die Beute zerlegen, wenn die Einzelteile mehr wert sind als das Ganze. Zielt ein Raider vor allem darauf, bestimmte wertvolle Einzelteile des Konzerns zu versilbern und den Erlös zu kassieren, spricht man von »Asset-Stripping«.15 Schlachtet er die Firma so aus, dass von ihr nichts mehr übrig bleibt, wird das im Fachjargon auch »Bust-UpTakeover«16 genannt. In den 80er Jahren betrieben US-Raider wie Irwin Jacobs, der nicht zu Unrecht den Spitznamen »Irv the Liquidator«17 (zu deutsch: »der Abwickler«) trägt, dieses Ausschlachten mit Vorliebe bei Mischkonzernen wie AMF, Kaiser Steel oder dem nach einer steilen Karriere Ende 2001 Pleite gegangenen Energiekonzern Enron. Wenn es aber finanziell aussichtsreicher ist, lassen Raider ihr Opfer auch leben und verordnen ihm eine radikale Schlankheitskur oder eine Konzentration aufs Kerngeschäft. Nach einigen Jahren, wenn die Firma wieder profitabel ist und der Kurs deutlich über dem Kaufpreis liegt, stoßen sie das Unternehmen mit Gewinn wieder ab.
Ein Blick zurück: Raider-Reminiszenzen
Ein Blick zurück in die 80er Jahre zeigt exemplarisch das Vorgehen und die Persönlichkeit einiger Raider in den USA. Diese Jahre gelten als das Jahrzehnt der schamlosen Gier, unverhülltes Profitdenken beherrschte die öffentliche Diskussion. Soziales Engagement war out, Geld verdienen in. Die letzten langhaarigen Hippies gingen zum Friseur, und der Yuppie-Snobismus wurde zum neuen gesellschaftlichen Leitbild. Viele Amerikaner wollten die Demütigungen des vergangenen Jahrzehnts endlich abhaken: den verlorenen Vietnamkrieg etwa und die Ohnmacht gegenüber den Ölscheichs, die einfach den Hahn zudrehen konnten. Ohnmacht verspürte man auch gegenüber dem Aufstieg der japanischen Wirtschaft, der den eigenen Niedergang umso deutlicher vor Augen führte. Der Wunsch nach neuer Stärke trug 1981 Ronald Reagan ins Weiße Haus. Mit der konservativen Politik Reagans hielt auch ein neues wirtschaftliches Denken Einzug in Washington: der Neoliberalismus, der sich an den Theorien Milton Friedmans orientierte, dem Gründer der so genannten »Chicagoer Schule«. Die Theorie wurde nun in die Praxis umgesetzt. Das neue Leitbild lautete: weitgehender Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, Privatisierung, Steuersenkungen und Liberalisierung der Finanzmärkte. Tatsächlich war dieses Programm ein Weckruf für die Börsen – und für die Firmenjäger. Denn im Gegensatz zu Großbritannien, wo es schon ein Jahrzehnt früher eine Übernahmewelle gegeben hatte, waren die massenhaften feindlichen Übernahmen (»hostile take-overs«) an Amerikas Management bisher vorbeigegangen. Doch nun riefen sowohl die schlechte Verfassung vieler amerikanischer Firmen als auch
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neue steuerliche Anreize Raider geradezu massenhaft auf den Plan. In den Jahren von 1987 bis 1989, der Blütezeit feindlicher Aufkäufe, kam es zu insgesamt 2 730 Firmenübernahmen.1 Ein Grund dafür, dass die Raider so leichtes Spiel hatten, lag in der Selbstgefälligkeit vieler Firmenchefs. Shareholder-Value war Anfang der 80er Jahre noch kein entscheidendes Kriterium für leitende Manager. Die Aktionäre wurden damals – ähnlich wie in deutschen Konzernen noch in den 90er Jahren – nicht als die Geldgeber und Eigentümer wahrgenommen, an deren Wohlstandsmehrung sich die Arbeit auszurichten habe. Sie galten als ein Faktor unter mehreren anderen, die eine Rolle spielten – die Kundenbeziehungen etwa oder das Arbeitsklima in der Belegschaft. Gewinn war noch nicht das absolute Maß aller Dinge, vielfach waren die Unternehmenskolosse auch unbeweglich geworden und in schwerfälliger Bürokratie erstarrt. Weil sich die Chefs nicht für die Börse interessierten, interessierte sich die Börse auch kaum für ihre Unternehmen. Die Folge: Die Kurse stiegen nicht sonderlich. In dieser Situation – niedrige Kurse, aber hohe Unternehmenswerte – begannen die Firmenjäger die Fährte aufzunehmen. Wenn die tatsächlichen Vermögenswerte der Unternehmen, also ihre Grundstücke, ihre Produktionskapazitäten und was sonst noch an stillen Reserven in den Bilanzen steckte, in der Summe höher war als der Wert des Unternehmens an der Börse, dann lohnte es sich, sie aufzukaufen, auszuschlachten und in Einzelteilen zu verwerten. Denn diese waren dann mehr wert als das Ganze. Die Logik der Raider ist nachvollziehbar. Nun brauchten sie nur noch die Geldgeber zu finden, die die Jagd finanzierten. Und die Banken spielten mit, da sie das geliehene Geld hoch verzinst wieder zurückbekamen. Das Muster einer Raider-Attacke sah folgendermaßen aus: Mit dem geliehenen Geld kaufte der Raider Aktien des Opfers an der Börse auf. Hatte er einen Anteil, der groß genug war, um nicht mehr übergangen werden zu können, machte er allen übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot, das in jedem Fall deutlich über dem aktuellen Aktienkurs lag. Das Auftreten des Raiders brachte den Aktionären
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Gewinn, also verkauften sie bei entsprechenden Angeboten. Nun – als Mehrheitseigentümer oder gar Alleininhaber – hatte der Jäger freie Hand. Da er das Unternehmen ja auf Pump gekauft hatte, legte er die Rückzahlung seiner Schulden einfach auf die Schultern der gekauften Firma. Das Management – wenn es denn bleiben durfte – musste nun dafür sorgen, dass die Firma profitabler als bisher arbeitete. Denn nur so wurde der Raider seine Schulden schnell los und machte noch einen hohen Gewinn. Jetzt begann in den Chefetagen das harte Rechnen: Man suchte Rationalisierungspotenziale, man stellte Controller ein und setzte etliche Mitarbeiter frei, man verhandelte über Gehaltskürzungen und verkaufte Firmenteile oder Immobilien. Als Startschuss für diese unerbittliche Jagd auch auf große Konzerne, auf »Corporate America«, gilt James Goldsmiths Versuch einer feindlichen Übernahme des Firmenriesen Goodyear im Jahr 1986. In den folgenden Jahren wurde die Firmenlandschaft der USA gründlich umgepflügt. Der Begriff »Raider« wurde nun allgemein geläufig, häufig nannte man die Firmenjäger auch »Sharks«, zu deutsch: Haie. Das Auftreten der Firmenjäger bedeutete das Aus für viele Unternehmen in der bis dahin bestehenden Form, und es kostete viele Arbeitsplätze – wie viele, kann niemand genau sagen. Lane Kirkland, der damalige Vorsitzende des Dachverbands der Gewerkschaften AFL-CIO, sprach Anfang des Jahres 1989 davon, dass die Jobs von 90 000 organisierten Arbeitern weggefallen seien. Allerdings gibt es weder eine Untersuchung noch statistisches Material, das diese Zahl bestätigt.2 Die Rechnung lässt sich auch deshalb kaum aufmachen, weil man nicht weiß, wie lange es die unbeweglich gewordenen Dinosaurier noch geschafft hätten, alleine weiterzumachen, wenn die Raider nicht zugeschlagen hätten. Als gesichert gilt unter den meisten Wissenschaftlern, dass dieser schmerzhafte Prozess der Unternehmensumstrukturierung durch das Eingreifen der Raider rascher ablief. Ein schnelles Ende gilt aus dieser Sicht als besser als ein langsames Dahinsiechen, das eventuell noch mehr Arbeitsplätze kosten würde. Generell wurden diese US-Firmen so schneller wieder wettbewerbsfähig.3 Durch
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Unternehmensübernahmen und Teilverkäufe wurden unüberschaubare Konglomerate aufgelöst. Die Firmen richteten sich wieder stärker auf ihr Kerngeschäft aus, in dem ihre Stärken lagen, Quersubventionen im Unternehmen hörten auf, die Transparenz erhöhte sich. Durch das Treiben der Raider wurde auch dem Aktionär auf einmal mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Denn von seinem Umgang mit der Aktie, von seiner Einschätzung des Unternehmens hing dessen Börsenkurs ab. Und war dieser hoch genug, dann war nicht nur der Anleger zufrieden, sondern auch die Firma vor feindlichen Übernahmen relativ sicher. Schließlich fielen im Börsendschungel vor allem die Schwachen den Angreifern zum Opfer. Der Rausch der feindlichen Übernahmen endete in den USA mit dem ausgehenden Jahrzehnt. Schon 1987 hatte der Börsencrash des »Schwarzen Montags« den Dow Jones-Index allein an diesem 19. Oktober um 508 Punkte oder 22,6 Prozent gedrückt. Allerdings erholten sich die Kurse wieder. Im Verlauf des Herbstes 1989 brach aber mit der Insolvenz der kanadischen Campeau-Gruppe das System der Finanzierung feindlicher Übernahmen endgültig zusammen. Campeau hatte allein 20 Milliarden Dollar an Krediten aufgenommen und dabei auch mit JunkBonds gearbeitet. Dabei handelt es sich um hochverzinsliche, aber auch hoch riskante Unternehmensanleihen, mit denen Raider fast ohne eigenes Kapital große Firmen kaufen und ausschlachten konnten. 1990 war es mit der Kreditfreudigkeit der Banken vorbei und der Junk-Bond-Markt so gut wie ausgetrocknet – die Jagdsaison war zu Ende. Manche Firmen verloren in diesem Anpassungsprozess allerdings nicht nur ihre überflüssigen Fettpolster. So warnte Stephen Roach, Chefökonom der amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley schon Mitte der 90er Jahre, »dass wir zuviel wegschneiden – nicht nur vom Fett, sondern zunehmend auch von den Muskeln der Firmen«.4
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Der Spieler mit der glücklichen Hand: Sir James Goldsmith In der Raider-Zunft gilt er bis heute als der König – ungekrönt zwar, aber 1976 im Alter von 43 Jahren immerhin zum Ritter geschlagen. Dass er den »Sir« ausgerechnet für seine »Verdienste um Export und Ökologie« erhielt und diese Ehre dem Vorschlag der linken LabourRegierung unter Premierminister Harold Wilson verdankte, obwohl er schon lange die Konservativen unterstützt hatte, weist unübersehbar auf den widersprüchlichen Charakter von James Michael Goldsmith (1933–1997) hin. Er war ein früher Nutznießer des zusammenwachsenden Europas und der Globalisierung und später erbitterter Kritiker beider, lebenslang eine Spielernatur, aber auch seriöser Geschäftsmann mit einem geschätzten Privatvermögen von über 2,5 Milliarden Dollar und dazu noch ein Konservativer, der es schaffte, mit drei verschiedenen Frauen und den jeweils dazugehörigen Kindern an
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verschiedenen Orten ein auf seine Art funktionierendes Familienleben zu führen. So nannte ihn auch sein Bruder Edward einen »natürlichen Polygamist«5.
»Wenn ich groß bin, werde ich Millionär«
James Goldsmith wurde am 26. Februar 1933 als zweites Kind von Frank Goldsmith und seiner Frau Marcelle in Paris geboren. Vater Frank entstammte der deutsch-jüdischen Bankiersfamilie Goldschmidt, deren Wurzeln bis ins Frankfurter Getto des 16. Jahrhunderts zurückreichen und die seit dieser Zeit mit der Bankiersdynastie der Rothschilds familiär verbunden ist.6 Um dem wachsenden Antisemitismus zu entfliehen, stiegen die Goldschmidts Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Bankgeschäft aus, einige Zweige der Familie gingen ins Ausland. Franks Vater, James’ Großvater, Adolph Goldschmidt kaufte 1895 ein Haus in London und ein Landgut in Cavenham in Suffolk, um sich mit seiner englischen Frau Alice dort niederzulassen. Der 1878 geborene Frank war ihr jüngstes Kind. Er und seine beiden Brüder Teddy und Carl sowie seine Schwester Nellie waren die erste GoldschmidtGeneration, die sich nicht mehr als Deutsche fühlte und dies dadurch zeigte, dass sie sich Goldsmith nannte. James’ Vater Frank Goldsmith war ein charmanter, groß gewachsener Mann mit politischen Ambitionen, der 1910 für die Konservativen den Sprung ins britische Unterhaus schaffte. Er empfand sich durch und durch als britisch, weshalb ihn die Feindseligkeit tief traf, die ihm als Deutschstämmigem zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 entgegenschlug. 1917 ging er nach Frankreich und kaufte schließlich das Hotel, in dem er wohnte. Er fand Gefallen am Leben als Hotelier und hatte bis 1928 eine Kette von 48 europäischen Top-Hotels aufgebaut. Zu seinen eigenen Hotels, darunter das Carlton in Cannes sowie das Astoria und das Scribe in Paris, führte er für die Savoy Company noch weitere Luxushotels in Europa, eines davon das Claridge’s in London. Frank Goldsmith war überall als »Monsieur Le Major« be-
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kannt und liebte den großen Auftritt. Er reiste mit Chauffeur und eigenem Zug, dem luxuriösen Blue Train, von Hotel zu Hotel quer durch Europa. James’ Mutter, Marcelle, geborene Mouiller, war eine Bauerstochter und stammte aus der französischen Auvergne. Durch das ständige Reisen von Hotel zu Hotel waren das Zuhause von James, genannt Jimmy, und seinem älteren Bruder Edward, zeitlebens Teddy gerufen, wechselnde Nobelhotels, ihr Spielzimmer die jeweiligen Lobbys. Dort, im Carlton in Cannes, entdeckte Jimmy schon früh seine Spielleidenschaft. Kurz vor Kriegsausbruch, im Sommer 1939, beobachtete er die erfolglosen Versuche einer Lady an einem – damals noch primitiven – Spielautomaten. Als sie frustriert das Feld räumte, holte der Sechsjährige einen Stuhl, kletterte hinauf, warf eine Franc-Münze in den Automaten – und knackte damit den Jackpot. Es bedurfte zweier Hotelangestellter, deren Dienste der kleine Jimmy auch umgehend in Anspruch nahm, um die Menge an Münzen in die Hotelsuite der Eltern zu bringen.7 Die Kriegsjahre verbrachten die Goldsmiths, denen die Flucht aus Frankreich gelang, weitgehend auf den Bahamas. Dort wurde dem Schüler Jimmy attestiert, er sei »faul« und »uninteressiert«. Zudem hatte er eine Leseschwäche, die ihn aber nicht zu irritieren schien: »Wenn ich groß bin, werde ich Millionär sein und jemanden dafür anstellen, dass er für mich liest.«8 Nach dem Krieg ging der ältere Bruder Edward – wie schon der Vater – zum Studium nach Oxford, Jimmy sollte im Elite-Internat Eton eine solide Schulausbildung erhalten. Doch statt für Prüfungen zu pauken, trieb er sich auf der Rennbahn herum, machte Schulden und feierte Partys. Vier Jahre nach Kriegsende, mit gerade mal 16 Jahren, schmiss James Goldsmith die Schule und kam damit seinem Rauswurf zuvor. Er quartierte sich in der Nähe seines Bruders in Oxford ein, beflügelt von 8 000 britischen Pfund, die er bei Pferdewetten gewonnen hatte. An Selbstvertrauen mangelte es dem angehenden Spieler und Playboy jedenfalls nicht, wie ein flotter Spruch nahelegt, mit dem Goldsmith seinen vorzeitigen Abgang aus Eton begründet haben soll: »Ein Mann mit meinen Mitteln sollte kein Schuljunge bleiben.« In den nächsten
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Jahren erregte der junge Aussteiger immer wieder auf Rennbahnen und in Casinos aufgrund seiner Erfolge Aufmerksamkeit. Er genoss das Leben »with poker, parties and pretty girls«9 – nur unterbrochen von zwei Jahren Militärdienst, den er bis zum Frühjahr 1953 bei der British Royal Artillery ableistete. Wildromantisch brannte James Goldsmith dann mit seiner ersten großen Liebe, der gerade 18 Jahre alt gewordenen Bolivianerin Isabel Patino, durch. Als ihn ihr Vater Antenor Patino, ein schwerreicher Zinnminen-Zar, mit dem Satz brüskierte: »In meiner Familie heiratet man keine Juden«, antwortete Goldsmith schlagfertig: »Und in meiner Familie heiratet man keine Indios.«10 Isabels Eltern, selbst unrettbar zerstritten, drängten darauf, dass sie einen Mann aus allerbester Familie heiraten sollte – schließlich war ihre Mutter mit dem spanischen Königshaus verwandt. Antenor Patino versuchte vergeblich, seine Tochter abzuschirmen. Jimmy spannte alle seine Freunde ein und ließ seine Geliebte nach England bringen – Isabels Pass hatte er dafür aus der Wohnung der Eltern klauen lassen. Sämtliche gerichtlichen Verfügungen des Vater waren vergeblich: Begleitet von Schlagzeilen in allen europäischen Blättern heiratete das Paar am 7. Januar 1954 in Schottland. Das junge Glück währte allerdings nicht lange. Die schwangere Isabel erlitt kurz vor der Niederkunft einen Schlaganfall. Die Ärzte konnten das Leben das Kindes, aber nicht das der Mutter retten. Isabel starb im Mai 1954, kurz nach der Geburt der Tochter, die ebenfalls Isabel heißen sollte. Dieses persönliche Unglück scheint bei Goldsmith eine Neuorientierung bewirkt zu haben. Dazu kam der Ehrgeiz, seinem Schwiegervater, der den Verdacht geäußert hatte, er habe es nur auf sein Geld abgesehen, zu beweisen, dass er genauso vermögend werden konnte wie dieser. Fünf Jahre lang, so jedenfalls die im Goldsmith-Clan gepflegte Familienlegende, ging Jimmy Goldsmith nach dem Tod seiner Frau nicht mehr aus.11 Nach dem Unglück in der Liebe suchte er das Glück – zunächst jedenfalls – nicht mehr im Spiel, sondern in Geschäften. Doch auch hier setzte er gern alles auf eine Karte. Im Sommer 1953 hatte er von seinem Bruder, der zum Militär einberufen worden war, die Führung eines kleinen pharmazeutischen
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Vertriebs in Paris übernommen. Die Firma hieß Dagonal und verkaufte eine Adrenalincreme gegen Rheumatismus. James Goldsmith benannte sie in Laboratoires Cassene um und setzte auf schnelle Expansion. Obwohl er erst 20 Jahre alt war, sah der groß gewachsene Jungunternehmer mit dem breiten Gesicht und den strahlend blauen Augen älter aus. Und er hatte nicht nur Charme, sondern auch Verkäuferqualitäten. Er weitete das Sortiment aus und schaffte es, die Lizenzen für Markenartikel wie Alka Seltzer zu bekommen. Dann kaufte er eine Fabrik und ließ die gewinnbringenden Medikamente selbst produzieren. Innerhalb von zwei Jahren waren aus dem einen Angestellten der Firma, den er übernommen hatte, 100 Mitarbeiter geworden, aus dem Rheumamittel eine ganze Produktpalette, der Umsatz war von wenigen 1 000 auf 100 000 Pfund geklettert. Doch das reichte Goldsmith nicht. Ständig lieh er sich Geld, um damit die weitere Expansion zu finanzieren. In seiner Fabrik ließ er Pillen mit den identischen Wirkstoffen wie in den Markentabletten herstellen, so genannte Generika, und verkaufte sie erheblich billiger – was ihm die Markenproduzenten immer wieder zu verbieten versuchten. Sein Hauptproblem war aber ein anderes: »Ich expandierte zu schnell, ohne Kapital und ohne Finanzkenntnisse, und dafür musste ich die Konsequenzen tragen«, sagte er später.12 Irgendwann drehten ihm die Banken den Geldhahn zu, und er erkannte mit Schrecken, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen unmöglich nachkommen konnte. Für Goldsmith war Anfang Juli 1957 klar, dass er den Bogen überspannt hatte und dass er keinen weiteren Tag überstehen würde. Am 10. Juli 1957, einem Montag, waren Zahlungen bei der Bank fällig, und er hatte kein Geld. Doch als er am Montag vor seinem schweren Gang zur Bank die Zeitung aufschlug und erwartete, irgendwo einen Artikel mit der Überschrift »Goldsmith bankrott« zu finden, stand da stattdessen: »Bankenstreik« – er hatte eine Gnadenfrist. Da der Streik – der erste in Frankreich seit 27 Jahren – fast drei Wochen dauerte, konnte Goldsmith so viel von seiner Firma verkaufen, dass er alle Zahlungsverpflichtungen leisten konnte. Der noch einmal Davongekommene kommentierte später seinen ersten Beinahe-Crash mit den
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Worten, dass er seither »Streiks immer mit besonders gemischten Gefühlen gesehen habe«.13 Dennoch war Goldsmiths Expansionsdrang ungebrochen. Noch im Sommer 1957 sollte er einen Bankier finden, der ihm in den kommenden Jahren immer wieder half, seine Pläne zu verwirklichen: Selim Zilkha.14 Dieser stammte aus einer kosmopolitischen, jüdischen Familie in Bagdad und war mit seinen 40 Jahren schon viel herumgekommen. Zilkhas Banque d’Arbitrage et de Credit eröffnete im Sommer 1957 eine Niederlassung im gleichen Gebäude in der Pariser Rue de la Paix, in dem auch Goldsmith sein Büro hatte. Und so klopfte dieser einfach mal an. Zilkha war von Goldsmiths Entschlossenheit fasziniert: »Er war 24, aber es war unglaublich, welche Lebenserfahrung er schon hatte … Er war mir im Spiel voraus und im Geschäft – er hatte eine erstaunliche Energie.«15 Auf jede kritische Frage und alle Einwände hatte Goldsmith eine Antwort, er konnte alle Zahlen aus dem Ärmel schütteln und hatte brillante Pläne im Kopf. Alles, was er brauchte, war Geld. Zilkha gab es ihm. Nun konnte Goldsmith richtig ins Generika-Geschäft einsteigen und seine billigeren Mittel bei Ärzten aggressiv bewerben. Nun konnte er Firmen zukaufen, die ins Konzept passten. Er versammelte sie unter dem Namen Laboratoires Lanord. Und er konnte den Sprung nach Großbritannien wagen. So gründete er dort die Tochterfirma Ward Casson und brachte eine Cortison-Variante auf den Markt, bei der 1 000 Tabletten nur 12 Pfund kosteten und nicht 60 Pfund wie das entsprechende Markenmittel.16 Es war ein boomender Markt, ganz Europa gierte nach neuen Pillen, die neue Lösungen für alte Probleme versprachen. Nachdem er bisher zunächst nur Apotheken und Ärzte beliefert hatte, hatte Goldsmith Ende 1959 eine neue Idee. Er stieg ins Massenkundengeschäft ein. Zusammen mit seinem Bankier kaufte er billig die abgewirtschaftete Drogeriekette Lewis & Burrows.17 Der Vorteil: Plötzlich konnte er in 28 Läden neben den übrigen Produkten auch seine Pillen und Salben direkt an die Endverbraucher verkaufen. Doch das Empire schlug zurück: Die britischen Pharmafirmen, denen die Gewinnmargen verloren gingen, erklärten, Goldsmiths Pillen seien
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qualitativ schlechte Billigimporte. Mit Hilfe der Presse setzte er sich zur Wehr. Er produziere ja im gleichen Land mit den exakt gleichen Wirkstoffen, die in den Originalen zu finden seien. Selbst der Gesundheitsminister erklärte, es sei schlicht der Wettbewerb, der die Preise fallen lasse. Doch genervt von den Anwürfen verkaufte Goldsmith seine englische Pharmaproduktion und steckte zusammen mit Zilkha alle Energie in den Wiederaufbau der heruntergekommenen Drogeriefilialen. 1960 und das Jahr darauf lebte er dafür und arbeitete die meiste Zeit in London. Dann hatte er eine Idee, die zum Riesenerfolg in Großbritannien werden sollte: eine Ladenkette mit allem, was Mutter und Kind brauchen. Die Geschäftsidee von Mothercare war zwar der französischen Pré-Natal-Kette abgeschaut, aber jenseits des Kanals völlig neu. Goldsmith und Zilkha kauften wieder eine Kette mit 50 Geschäften und modelten sie um. Aus W. J. Harris wurde Mothercare. Doch die beiden Männer machten am Anfang einige teure Fehler, bis Mothercare ein Massenerfolg wurde. Schließlich konnte Goldsmith die Verluste nicht mehr finanzieren. Er verkaufte seine Anteile und stieg aus. Um die gleiche Zeit hatte Maurice Lignon, der Ex-Geschäftsführer seiner französischen Firmen, die Idee, das Bräunungsmittel »Man Tan«, das in den USA ein großer Erfolg war, in Frankreich unter anderem Namen auf den Markt zu bringen. Goldsmith war begeistert, hatte aber – wieder einmal – kein Geld. Sein Freund Zilkha gab ihm den Kredit für die Lizenz. »Man Tan« hieß in Frankreich »Right Tan« und verkaufte sich glänzend. Den ersten Megaerfolg hatte der Jungunternehmer aber mit einem Schlankheitsmittel. In den USA hatte Goldsmith beobachtet, dass jeder über ein Schlankheitsmittel mit Namen »Metrecal« sprach. Man konnte das appetitzügelnde Pulver einfach Getränken beimischen. Goldsmith suchte sich eine Pharmafirma, deren Name Laboratoires Milical genug Ähnlichkeit zum Original hatte, und kaufte sie günstig. Ideal für ihn war, dass das Unternehmen bereits seit Jahren im Geschäft mit Schlankheitsmitteln war. Nun brachte er die Metrecal-Kopie unter dem Namen »Milical« auf den Markt und warb massiv dafür. Als die US-Pharmafirma Mead
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Johnson wegen des Namens prozessierte, gewann er den Prozess: Schließlich gab es den Namen »Milical« schon länger auf dem Markt. Das Pulver verkaufte sich Anfang der 60er Jahre bereits in ganz Europa. Goldsmith war endlich, nach fast zehn Jahren harter Arbeit, der Durchbruch gelungen. Mit den Millionen, die »Milical« einbrachte, war er nicht nur saniert, er konnte sich auch endlich wieder in Großbritannien engagieren, wo sein Freund Selim mit Mothercare mittlerweile ein Vermögen machte.
Goldsmith privat: Playboy und Patriarch
James Goldsmith, eine ungemein schillernde Persönlichkeit, zeigte nicht nur bei seiner ersten Frau Isabel, sondern zeit seines Lebens einen unstillbaren Hang zum weiblichen Geschlecht. Die Französin Ginette Lery, Tochter eines Metro-Angestellten, hatte bereits ab 1954 in seinem Büro gearbeitet und war der ruhende Pol in seinem hektischen geschäftlichen Treiben gewesen. 1957 wurden sie ein Paar, 1963 heirateten sie. Aus der Verbindung gingen zwei Kinder hervor. Auch nach der Scheidung 1978 legte Goldsmith Wert auf ein gutes Verhältnis zu seiner Ex-Frau, ließ ihr eine Traumvilla bauen und kümmerte sich um sie und die Kinder. Ähnlich verhielt er sich auch bei seinen anderen Frauen und den gemeinsamen Kindern. Er selbst beschrieb seine Gefühlswelt so: »Wenn du deine Geliebte heiratest, dann schaffst du damit eine freie Stelle.«18 Seinen aufwändigen Lebensstil, seine Besuche in Spielcasinos, am liebsten im Londoner Clermont Club, der seinem besten Freund John Aspinall gehörte – all das behielt James Goldsmith auch dann bei, wenn er gerade auf einen Bankrott zusteuerte. Und da er gern gut aß, kaufte er sich 1973 das Feinschmecker-Restaurant Laurent in bester Lage in Paris.19 Das Glücksspiel war – neben den Frauen – nicht nur seine Leidenschaft, manchmal half es ihm auch aus der Patsche. Bei der Geburt seines Sohnes Manes war er in solchen Geldnöten, dass Ginette das Krankenhaus nicht verlassen durfte: Privatkliniken in
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Frankreich verlangen Sofortzahlung, doch der junge Vater hatte kein Geld. Erst nach mehreren Wochen kam er, zahlte und holte sie nach Hause. Doch nicht die Firma hatte endlich Geld verdient – Goldsmith war in einen Club gegangen und hatte beim Backgammon so viel Geld gewonnen, dass er Ginette und Manes auslösen konnte.20 Nach der Scheidung von Ginette heiratete Goldsmith im Jahr 1978 Lady Annabel Vane Tempest Stewart, die Tochter des Marquis of Londonderry.
Ein Frontalangriff mit Konfitüre und Cracker
Geschäftlich entwickelte sich James Goldsmith in den frühen 60er Jahren immer mehr zum Firmenjäger. 1964 startete er seinen Großangriff auf Großbritannien. Das Ziel des gerade 31-Jährigen: einen Nahrungsmittelkonzern aufzubauen, der es mit Nestlé und Unilever, den Top-Sellern in Europa, aufnehmen konnte. Durch organisches Wachstum war das nicht zu schaffen, sondern nur durch Aufkaufen, Eingliedern, radikales Umbauen und Weiterverkaufen schon bestehender Unternehmen. Goldsmith sollte das in den kommenden Jahren bis zum Exzess betreiben. Das private Dachunternehmen, das er dafür 1965 gründete, nannte er Cavenham Ltd., benannt nach dem Landgut seines Vaters in Suffolk. Er finanzierte sein Großbritannien-Abenteuer aus mehreren Quellen. Zum einen verkaufte er sein Frankreichgeschäft zu einem Drittel an seinen Cousin Alexis de Gunzberg – von dem er im Gegenzug auch Anteile am Mineralwasserproduzenten Source Perrier und an einer Kaffeefirma erhielt. Außerdem lieh er sich Geld von dem Finanzier Sir Isaac Wolfson, der anfangs auch an seiner Firma beteiligt war. Im Juli 1965 hatte die Sunday Times die börsennotierte Cavenham-Foods-Aktie als »interessantes« und hoffnungsvolles Papier entdeckt.21 Für das Firmenkonglomerat arbeiteten zu diesem Zeitpunkt 6 000 Mitarbeiter, der Umsatz betrug 30 Millionen Pfund – verdient wurde noch nichts. Für die Zukunft hänge »offensichtlich alles vom Management ab«, urteilte die Sunday Times.22
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Goldsmith hatte bis dahin schon kräftig eingekauft. Jetzt konnte er mit feindlichen Übernahmegeboten erstmals nach der Raider-Manier verfahren, die ihn zwei Jahrzehnte später vor allem in den USA so berühmt machen würde. Der Aktienmarkt in Großbritannien war Mitte der 60er Jahre ideal für ihn. Die Aktienpreise waren günstig, und es gab viele kleine und mittlere börsennotierte Firmen, die eingeführte Markenprodukte herstellten, aber unternehmerisch nicht nach den neuesten Standards geführt wurden. Da sie meist eine breit gestreute Eigentümerstruktur aufwiesen, war es leicht für Goldsmith, einen wesentlichen Anteil zusammenzukaufen. Eine scharfe Börsenaufsicht wie in den USA oder Übernahmegesetze existierten nicht. So konnte der Firmenjäger schnell zuschlagen, sich über wesentliche Anteile die Kontrolle über ein Unternehmen verschaffen und – mit dem Geld aus den erzwungenen Teilverkäufen – später komplette Übernahmeangebote machen. Verblüfft stellte er fest, dass man an der Börse viel schneller ein Imperium aufbauen konnte, als dies im mühsamen Firmenalltag möglich war. Er orientierte sich dabei an Übernahmeprofis wie Hugh Fraser, der das Kaufhaus Harrods gekauft hatte, Sir Isaac Wolfson, der die Ladenkette Great Universal Stores aufgebaut hatte und nun als Teilhaber einer Bank Goldsmith Geld lieh, sowie Charles Clore, dem er einige Jahre zuvor die Drogeriekette Lewis & Burrows abgekauft hatte. Goldsmith entdeckte das Grundprinzip des erfolgreichen Firmenjägers: Firmen unter ihrem eigentlichen Wert zu kaufen. Meist waren es bekannte Firmen, aus denen man nach der Übernahme mehr herausholen konnte, indem man entweder das Management austauschte und die Geschäftspolitik neu ausrichtete. Oder man verkaufte wertvolle Teile, die man für das eigentliche Geschäft der Firma nicht benötigte. Manchmal war es auch eine Kombination aus beidem, was den Profit brachte. Zu seinem Imperium gehörten ab 1964 der Marmeladenmacher und bekannte Cracker-Hersteller Carrs, der Schlankheitsbrot-Produzent Procea, die Schokoladenfabrik Carsons sowie zum Teil der Toffee-Hersteller J. A. & P. Holland. 1965 kamen weitere Firmen wie
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Elisabeth Shaw Chocolates, Goodies und Yeatman dazu. Im Dezember 1966 versammelte Cavenham Ltd. bereits 51 Firmen unter ihrem Dach, die alle relativ »unabhängig voneinander«23 arbeiteten, wie Goldsmith im Jahresbericht selbstkritisch anmerkte. Denn nun kam alles darauf an, aus dem Sammelsurium sinnvolle Synergien zu ziehen und eine Einheit zu formen. Und ohne weitere große Zukäufe war ein Aufschließen zu den Giganten der Lebensmittelbranche illusorisch. Doch beides erwies sich als mühsam und zäh. Die Jahre 1966 und 1967 verliefen für Cavenham ständig am Rande des Abgrunds, die Reorganisation dauerte länger als erwartet. Durch einen genialen Schachzug rettete Goldsmith seine Firma vor dem Bankrott: Er belieh seine profitablen französischen Firmen, die nach wie vor mit Schlankheits- und Bräunungsmitteln gut verdienten, und schenkte Cavenham Foods 500 000 Pfund. Damit überstand Cavenham die Durststrecke, bis es Ende der 60er Jahre immer besser lief. So erwirtschaftete beispielsweise Procea, der Hersteller des Schlankheitsbrotes, 50 000 Pfund pro Jahr, als Goldsmith die Firma 1965 kaufte. Im Jahr darauf machte Procea Verluste, erwirtschaftete aber 1967 Gewinne in Höhe von 300 000 Pfund und verdoppelte diese im Folgejahr sogar auf 620 000 Pfund.24 Den Befreiungsschlag, der ihn nicht nur in die nächsthöhere Liga der Nahrungsmittelkonzerne katapultierte, sondern ihm auch den Respekt der Finanzwelt eintrug, landete Jimmy Goldsmith 1971: Sein Ziel hieß Bovril. Die Geschäfte dieses Unternehmens liefen gut, die Wirtschaft boomte, aber trotzdem waren bei dem Traditionskonzern Bovril die Gewinne seit zehn Jahren gleich geblieben. Das weitverzweigte Imperium wurde von einem Management gelenkt, das die Dinge laufen ließ. Bovril besaß Markenprodukte, die nahezu in jedem britischen Haushalt zu finden waren: den gleichnamigen Fleischextrakt, die Marmelade Marmite, Ambrosia Creamed Rice, Virol und die Säfte von Jaffajuice. Goldsmith kaufte Aktien und machte im Juni 1971 ein erstes Übernahmeangebot in Höhe von 9,7 Millionen Pfund. Doch Bovril lud ein anderes Unternehmen, Rowntree Macintosh, ein, ein freundliches Übernahmeangebot dagegenzusetzen. Wenn er diesen Deal nicht stemme, warnte ihn sein Freund Jim Slater, der eben-
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falls Firmen kaufte, werde er keinen weiteren mehr schaffen. Denn dann sei er für die Londoner Finanzwelt, die »City«, unten durch. Goldsmith musste sein Angebot zweimal erhöhen, um sich durchzusetzen. Schließlich zahlte er 14,5 Millionen Pfund und verkaufte nach erfolgreichem Abschluss die für ihn unwichtigen Teile des Konglomerats – darunter das Milchgeschäft sowie Farmen und Fleischfabriken in Argentinien, um damit die Schulden abtragen zu können.
Zurück nach Frankreich: Générale Occidentale
Zum Zeitpunkt der feindlichen Bovril-Übernahme war der ruhelose Goldsmith auch wieder diesseits des Ärmelkanals aktiv. Er hatte schon 1967 beschlossen, in Frankreich ebenfalls eine mächtige Firmengruppe wie Cavenham in Großbritannien aufzubauen. Allerdings nicht auf dem Lebensmittelsektor, sondern – ganz in der einstigen Familientradition – ein Finanzimperium. Dabei half ihm eine Frau, die seine Deals in den kommenden Jahren immer wieder absichern sollte: Madame Gilberte Beaux, die 1971 auch das Geld für die BovrilÜbernahme auftreiben würde. Die exzellente Bankerin mit besten Verbindungen war drei Jahre älter als Goldsmith. Er lernte sie kennen, als er 1968 von der bankrotten Union Financière de Paris für 300 000 Pfund deren 45-Prozent-Anteil an einer algerischen Straßenbahngesellschaft kaufte, aus deren Börsenmantel er sein künftiges Imperium bauen wollte.25 Madame Beaux wickelte den Verkauf der verschiedenen Beteiligungen der Union Financière de Paris ab, und Goldsmith zeigte wieder einmal sein Gespür für das Erkennen hervorragender Mitarbeiter – und seine Chuzpe. Er fragte sie, ob sie für ihn arbeiten wolle. Sie bejahte prinzipiell, sagte aber, dass sie vorher noch die anderen Verkäufe der Union Financière de Paris abwickeln müsse. Goldsmith sagte, dann kaufe er eben diese Beteiligungen mit, da er sie sofort engagieren wolle. Ach ja, ob sie diesen Kauf gleich finanzieren könne, denn Geld habe er keines.26 Von da an wurde Madame Beaux seine oberste Beauftragte und Ratgeberin in Finanzierungsfragen. Sie nutzte ihre
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Kontakte zu schweizerischen, deutschen und südamerikanischen Banken, wenn sie in Frankreich keine Geldgeber für Goldsmiths Geschäfte fand. Mit ihr gelang es Goldsmith, eine Bank zu kaufen – ohne dafür eigentlich das Geld zu haben – und den Überblick über ein immer verschachtelteres Firmengebäude zu behalten. Schließlich schuf man eine Dachholding, die Générale Occidentale S. A., um das Firmengeflecht darunter besser strukturieren zu können. In der Holding wurden nach und nach Immobilienfirmen, Pharmaunternehmen, Supermarktketten und Versicherungsgesellschaften zusammengeführt – Goldsmith war auf dem besten Weg, Milliardär zu werden. Einen Quantensprung auf diesem Weg machte der Unternehmer im Jahr 1971. Das verdeutlichen einige Zahlen. Im April 1971 erwirtschaftete seine Lebensmittelgruppe Cavenham noch einen Umsatz von 35 Millionen Pfund und knapp 2 Millionen Pfund Gewinn. Doch Anfang 1972 verzeichnete Cavenham den mehr als zehnfachen Umsatz, 400 Millionen Pfund, und der Kurs der Cavenham-Aktie war von zuvor 70 auf 230 Pence gestiegen. Im Lauf des Jahres 1972 kletterte er sogar noch auf 350 Pence. Dieses gigantische Wachstum war nicht nur durch den Bovril-Kauf, der im August 1971 abgeschlossen worden war, zustande gekommen. Goldsmith zog aus der Warnung seines Freundes Slater, ohne Bovril habe er in Großbritannien verspielt, den Umkehrschluss: Jetzt, da er die feindliche Bovril-Übernahme bewältigt hatte, jetzt konnte er alles schaffen. Er nutzte die Gunst der Stunde – und den steigenden Kurs der Cavenham-Aktien mitsamt seiner neuen Kreditwürdigkeit – und kaufte in atemberaubendem Tempo weiter Firmen auf. Bereits im September 1971 übernahm er Wrights Bisquits, kurz darauf eine südafrikanische Marmeladenfirma und im Dezember die französische Agrar- und Pharmafirma Sanders – für 12,7 Millionen Pfund. Und im Januar 1972 machte er einen noch viel größeren Deal. Er kaufte dem Konkurrenten Unilever für 10,4 Millionen Pfund dessen 12-Prozent-Anteil an Allied Suppliers ab, der Nummer vier unter den Lebensmittelketten in Großbritannien. Applied Suppliers besaß so namhafte Marken wie den Teeproduzenten Lipton.27 Unilever hatte er den Verkauf von Anteilen dadurch schmack-
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haft gemacht, dass er sich verpflichtete, nach der vollständigen Übernahme Lipton an Unilever weiterzuverkaufen – wofür er 18,5 Millionen Pfund bekommen sollte. Nun musste er aber noch den Rest der Firma bekommen. Obwohl Cavenham an der Börse selbst nur 65 Millionen Pfund wert war, bot die Firma 82,5 Millionen Pfund für die größere Allied Suppliers. Als er auf 86 Millionen Pfund erhöhte, gab das Management auf und empfahl den Aktionären, das Gebot anzunehmen. James Goldsmith soll bitter enttäuscht gewesen sein, dass er so schnell gesiegt hatte. Denn er hatte sich auf einen richtig guten Kampf gefreut.28 Über die Aktien von Allied Suppliers war Goldsmith nun auch in den renommierten Financial-Times-Index aus 30-Top-Industriewerten vorgedrungen, dem älteren Gegenstück zum deutschen DAX. Mit der britischen Cavenham hatte er in gut sechs Jahren so schnell einen profitablen Konzern geschaffen, wie noch kaum jemand vor ihm. Goldsmith galt nicht mehr als der Firmenausschlachter, auch nicht mehr als der Konfitüren-, Keks-, und Cracker-Millionär, sondern als Geschäftsmann, der mit seinem Unternehmen auf dem Weg war, die Nummer drei der Lebensmittelbranche in Europa zu werden. Mit der französischen Générale Occidentale wurde er in diesen Jahren Geschäftspartner von seriösen Gesellschaften wie der britischen Versicherung Prudential Assurance. Sogar der staatlich kontrollierte Autoriese Renault beteiligte sich an Générale Occidentale. GO, wie die Holding überall hieß, war auch an Spielcasinos beteiligt und besaß zeitweise sogar 24 Prozent am Eiffelturm. Goldsmith war 1973 nun 40 Jahre alt und so erfolgreich wie noch nie in seinem Leben. Er dirigierte einen Nahrungsmittelkonzern, zu dem 3000 Lebensmittelläden gehörten und der 450 Millionen Pfund Umsatz machte. Dazu besaß er eine Finanzgruppe, die 60 Millionen Pfund wert war. Insgesamt 75 000 Beschäftigte arbeiteten für ihn. Was nun? Goldsmiths Antwort war klar: Er wollte mehr. Er versuchte nun, die British American Tobacco Company zu kaufen, abgekürzt BAT. Die Übernahme des Tabakriesen wäre die größte in der Geschichte Großbritanniens geworden. Er sei sich mit der BAT-Führung 1973 weitgehend einig gewesen, so Goldsmith später, doch diese habe
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Premierminister Edward Heath um seine Meinung gebeten – und der sei dagegen gewesen.29 Nachdem der Megadeal missglückt war, wurde James Goldsmith die Alte Welt zu klein: Er beschloss, in die USA zu expandieren. Ein erster Schritt dazu war 1973 der Einstieg in die Supermarktkette Grand Union. Goldsmith kaufte 51 Prozent für 62 Millionen Dollar und setzte sein britisches Managementteam in Bewegung, um die Kette auf Erfolgskurs zu trimmen. Denn Grand Union war nicht profitabel: Bei der zehntgrößten Kette der USA mit 600 Läden und 27 000 Mitarbeitern blieb vom Jahresumsatz in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar gerade mal 1 Million Dollar nach Steuern an Gewinn übrig. Doch bevor James Goldsmith London den Rücken kehrte, wurde er noch geadelt. Ausgerechnet auf Vorschlag der linken Labour-Regierung wurde er 1976 zum Ritter geschlagen – und das, obwohl er bei jeder Gelegenheit gegen die Macht der Gewerkschaften und den ausufernden Sozialstaat in Großbritannien wetterte. Zwei Jahre später wurde dem Erfolgsunternehmer mit britischem und französischem Pass auf der anderen Seite des Ärmelkanals die entsprechende Ehre zuteil: Man nahm ihn in die Ehrenlegion auf.
Aufbruch nach rechts und in die Wälder
Politisch begann sich Goldsmith nun immer mehr nach rechts zu orientieren. Seine politisch-gesellschaftlichen Ansichten versuchte er auch in eine breitere Öffentlichkeit zu transportieren. Den Erfolg des Medienmoguls Rupert Murdoch vor Augen wollte auch Goldsmith ins Zeitungsgeschäft einsteigen und so Einfluss ausüben. Mit einer eigenen Medienmacht im Rücken, so seine weitere Überlegung, und mit einer politischen Karriere durchaus liebäugelnd, würde es auch leichter sein, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und für die Tories ins Unterhaus einzuziehen. Er musste aber erkennen, dass der Medienmarkt nicht so berechenbar ist wie der für Diät- und Bräunungsmittel. 1977 begann Goldsmith mit dem planmäßigen Aufbau
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eines Medienimperiums. Er kaufte sich mit 45 Prozent beim französischen L’Express-Verlag und mit 35 Prozent bei der britischen Beaverbrook-Gruppe ein. Doch sein Versuch, die L’Express-Mannschaft auf einen rechten Kurs zu trimmen, schlug ebenso fehl wie die Übernahme der angesehenen britischen Tageszeitung Observer. Auch das neu gegründete ambitionierte Nachrichtenmagazin Now! musste er nach 19 Monaten im April 1981 aufgrund schlechter Verkaufszahlen wieder einstellen. Weitere Niederlagen erlitt der erfolgsverwöhnte Macher bei dem Versuch, den französischen Fernsehsender Canal 5 und das amerikanische Magazin US News & World Report zu übernehmen. All dies hinderte ihn nicht daran, die konservative Politik der »Eisernen Lady« Margaret Thatcher, mit der er sich auch persönlich immer enger anfreundete, mit beachtlichen Summen zu fördern. Nun selbst Herr über verschiedene Medien, konnte Goldsmith es zeitlebens nicht akzeptieren, von anderen öffentlich angegriffen zu werden. Legendär wurden seine insgesamt 63 Prozesse, die er gegen das Satireblatt Private Eye führte, das sich der vielen Facetten seines Wesens und seines Lebensstils immer wieder annahm. Private Eye erfand auch den Spitznamen »Sir Jams« in Anspielung auf seine Anfänge mit Marmeladefirmen. Erfolgreicher war Goldsmith bei neuen Geschäften in der Neuen Welt. Ende der 70er Jahre hatte er endgültig die Nase voll von Großbritannien. Seit dem Kauf der Supermarktkette Grand Union hatte er immer wieder mit dem Gedanken gespielt, ganz in die USA zu übersiedeln – nun tat er es. Und so kam zu seinen französischen Wohnsitzen in Paris und dem Château de Montjeu in der Bourgogne sowie dem Haus am Richmond Park in London noch ein weiteres Domizil in New York dazu. In den 80er Jahren war der England-Flüchtling fasziniert von den Steuersenkungen und der neuen Unternehmerfreundlichkeit, die die USA unter Präsident Ronald Reagan kennzeichneten. Goldsmith beschloss, viele seiner Geschäfte in Europa zu verkaufen. Tatsächlich gab er Bovril mit seinen Markenartikeln für 42 Millionen Pfund bar an den Konkurrenten Beecham ab. Er selbst hatte 1971 nach Abzug der Teilverkäufe lediglich 7 Millionen Pfund bezahlt. Das
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gesamte französische Lebensmittelgeschäft sowie Firmen in Schweden, Österreich, Spanien und Belgien wurden in kürzester Zeit verkauft. Die Manager des Backwarengeschäfts in Großbritannien übernahmen dessen Leitung. Später kappte er alle geschäftlichen Bindungen an Großbritannien: Er verkaufte seine Applied-Suppliers-Kette für 101 Millionen Pfund und steckte das Geld in den Ausbau der GrandUnion-Supermärkte.30 In den USA landete Jimmy Goldsmith einen ganz großen Coup, mit dem er seinen legendären Riecher als Raider bewies. 1978 fuhr er – auf einen Tipp hin, den er von der Investmentbank Salomon Brothers bekommen hatte – mit dem Auto durch die gigantischen Wälder, die der Papierproduzent Diamond International (DI) in New England und im Staat New York besaß. Der Firmenjäger sah, dass die Wälder reif zum Abholzen und damit ein Vermögen wert waren. Doch in der DI-Bilanz tauchten sie lediglich mit 27 Millionen Dollar auf – das war der Wert, mit dem sie bereits um 1900 in den Büchern gestanden hatten. Goldsmith griff zu. Zunächst kaufte er kleinere Aktienpakete auf. Als er 6 Prozent besaß, machte er im April 1979 ein erstes Übernahmeangebot. Für insgesamt 700 Millionen – größtenteils von der Citibank geliehene – Dollar kaufte er Diamond International nach und nach komplett auf. Die letzten 60 Prozent bekam er 1982. Die verschiedenen Sparten des Papiergeschäfts verkaufte er für etwa die gleiche Summe an einen Holzverarbeitungsspezialisten weiter. Doch aus dem Verkauf der insgesamt 6 000 Quadratkilometer Wald schlug Sir James einen unglaublichen Gewinn. Nach Abzug des geliehenen Geldes und der Zinsen, die er darauf zahlen musste, blieben ihm, so errechnete das Magazin Fortune, 500 Millionen Dollar übrig.31 Nach ähnlichem Muster bekam und zerlegte er vier Jahre später den Holzund Papierkonzern Crown Zellerbach. Nach seinem Megadeal mit Diamond International biss der Firmenjäger allerdings bei einem anderen Holzunternehmen auf Granit. Goldsmith kaufte sich 1984 zusammen mit Jacob Rothschild, dem italienischen Fiat-Chef Gianni Agnelli und dem Australier Kerry Packer zunächst erfolgreich bei dem Holz- und Papierunternehmen St. Regis
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Paper Corporation ein, das sich in allen möglichen Geschäften verzettelt hatte. St. Regis besaß doppelt so viel Nutzholz wie Diamond International, und dieses war ebenfalls nur mit einem Bruchteil seines Wertes in der Bilanz. Doch der Raider-Riege gelang es nicht, das Unternehmen vollständig zu kaufen. St. Regis kaufte seine eigenen Aktien teuer zurück. Goldsmith und seine Partner hatten mit einem Monat Arbeit 51 Millionen Dollar verdient. Einen ähnlichen Verlauf nahm sein Solo-Angriff auf die Firma Continental, wo er mit 25 Millionen Dollar Gewinn wieder ausstieg.
Schlechte Zeiten für Goodyear: Goldsmith ante portas
Einen weiteren aufsehenerregenden Coup versuchte Goldsmith 1986, vier Jahre nach seinem bald schon legendären und für ihn höchst lukrativen Angriff auf Diamond International. Der Firmenjäger hatte den unterbewerteten Reifenhersteller Goodyear Tire and Rubber Co. ins Visier genommen – eines der größten Unternehmen der USA, mit Sitz in Akron im Bundesstaat Ohio. Der Raider gab sich als Retter aus und versuchte der aufgeschreckten Öffentlichkeit seine Rolle so zu erklären, dass er »die lebensnotwendige Verbindung zwischen Eigentümern und Management wiederherstellen«32 wolle. Seine bisherige Tätigkeit als Firmenjäger – auch in den Vereinigten Staaten – stellte er als erfolgreiche Wiederbelebungsversuche kaputter Firmen dar: »Überall in diesem Land wurden Hunderte vormals stagnierender Geschäftsbereiche von der Bürokratie der Konzerne befreit.«33 Dem Vorwurf, seine angeblich so segensreiche Politik des Kaufens, Aufteilens und Weiterverkaufens von Unternehmen folge lediglich purem Eigennutz, hielt er entgegen: »Gibt es ein anderes Motiv für unternehmerisches Engagement? Ich empfehle den Vereinigten Staaten nachdrücklich, dieser Idee treu zu bleiben, die die Grundlage ihrer Existenz bildet!«34 Mit Goodyear hatte Goldsmith zwar eines der größten US-Unternehmen mit 100 000 Mitarbeitern und einem Umsatz, der auf die
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10 Milliarden Dollar zusteuerte, aufs Korn genommen. Goodyear war jedoch in keinem guten Zustand. Die Firma hatte sich vom Kerngeschäft weit entfernt und war in eine Schuldenfalle geraten. Vor allem die Übernahme des Öl- und Erdgasproduzenten Celeron Corporation im Jahr 1983, der den Bau der All American Pipeline von Kalifornien nach Texas betrieb, hatte zu einem Schuldenstand von 1 Milliarde Dollar geführt. Dieser war bis 1986 bereits auf 3,3 Milliarden Dollar gestiegen. Als Goldsmith im Herbst 1986 seine Absicht einer feindlichen Übernahme publik machte, indem er erklärte, dass er bereits 12 Prozent der Goodyear-Aktien besitze und weitere Pakete zu kaufen gedenke, war Goodyear deutlich angeschlagen. Doch der Reifenhersteller wehrte sich und entwand sich der Schlinge, die der Raider schon geknüpft hatte. Allerdings zu einem hohen Preis: Für über 2 Milliarden Dollar kaufte er etwa die Hälfte seiner ausgegebenen Aktien auf – und damit auch Goldsmiths Anteil teuer zurück. Dem Firmenjäger wurde das Fehlschlagen des Übernahmeversuchs durch ein Plus von 90 Millionen Dollar auf seinem Konto versüßt. Seither gilt Goldsmith als König des »Greenmailing« – der Erpressung einer Firma, die sich selbst teuer freikauft. Die Wortschöpfung »Greenmailing« lehnt sich an den Ausdruck »Blackmailing«, zu deutsch: Erpressung, an, grün steht dabei für die Farbe der Dollarnoten. Goodyear kämpfte noch lange mit den Folgen von Goldsmiths Attacke. Die Firma hatte nun insgesamt Schulden in Höhe von 5,6 Milliarden Dollar und musste sich deshalb teilweise selbst zerlegen, sprich: eigene Vermögenswerte verkaufen, um die Verbindlichkeiten bedienen zu können. Bis Ende des Jahres 1987 nahm man 2 Milliarden Dollar ein, indem man die Luftfahrttochter Goodyear Aerospace sowie die Motor Wheel Corporation abgab. So dauerte es einige Jahre, bis Goodyear wieder an die alten erfolgreichen Zeiten anknüpfen konnte. Goldsmith hingegen war weiterhin vom Glück begünstigt. Und er brachte sein immenses Vermögen in sichere Häfen. Auf den CaymanInseln, einem der Steuerparadiese dieser Erde, gründete er seine Firma General Oriental Ltd. und schuf sich weitere steuergünstige Firmen-
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sitze mit der Compania Financiera s. r. l in Panama sowie der Brunneria Foundation in Liechtenstein. Der größte geschäftliche Erfolg, den James Goldsmith überhaupt jemals verbuchen konnte, war allerdings kein Firmenkauf, sondern ein zufällig oder instinktiv genial getimter Verkauf von Firmen. Er brachte im Sommer 1987 nicht nur seine Dachholding Générale Occidentale an den Mann, sondern fast alles, was er besaß. Denn obwohl die gesamte Finanzwelt die Zukunft rosig sah, war Goldsmith fest davon überzeugt, dass ein katastrophaler Börsencrash bevorstand. Im September war er so beunruhigt, dass er alle seine Freunde davor warnte. Sein US-Statthalter Al Dunlap erinnert sich, dass ihn Goldsmith regelrecht beschworen habe, alles an Aktien zu verkaufen, was er besitze, weil ein Kollaps bevorstehe.35 Die Börsianer lachten nur darüber, Goldsmith sei verrückt geworden, hieß es. Kurz vor dem schlimmsten Börsencrash seit 1929, der die Wall Street am 19. Oktober 1987 heimsuchte, hatte Sir James so gut wie alle seine Unternehmensanteile verkauft. Da die Kurse anschließend bis zu 50 Prozent einbrachen, hatte er sich damit vor einem Verlust von etwa 900 Millionen Dollar bewahrt. Dieses einzigartige Gespür brachte ihn im November 1987 auf das Cover des Time Magazine, das ihn als »Lucky Gambler«, als glücklichen Spieler, feierte.36 Wo sich andere die Haare rauften, war er nach eigenen Worten »nur Zuschauer der Katastrophe«37. Und für eine gute Sicht hatte sich Goldsmith mittlerweile noch einige weitere Logenplätze an den schönsten Plätzen der Erde bauen lassen – an der mexikanischen Pazifikküste ließ er sich nun, 200 Meilen von Acapulco entfernt, einen Palast errichten, dessen zum Teil meterdicke Mauern Jahrhunderte überdauern werden. Denn Goldsmith rechnete nicht nur mit einem Börsencrash, sondern mit einer Kumulation von Katastrophen: einer globalen Wirtschaftskrise, einem Umweltdesaster und einer Aids-Epidemie, die pestartig ganze Landstriche dahinrafft. Noch einmal, im Frühjahr 1989, kehrte der Firmenjäger mit der Ankündigung, »verschlafene« Firmen wachzurütteln, für einen spek-
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takulären Auftritt in die europäische Geldmetropole London zurück. Wie beim Angriff auf die St. Regis Corporation arbeitete er mit seinem Freund, dem Londoner Bankier Jacob Rothschild, und dem australischen Industriellen Kerry Packer zusammen. Das Trio gründete das Konsortium Hoylake Investment Ltd., das im Juli des gleichen Jahres den größten Übernahmeversuch in der Geschichte Großbritanniens unternahm. Wachgerüttelt wurde mit dem 40-MilliardenMark-Kaufangebot der Tabak- und Mischkonzern BAT Industries, eines der größten Unternehmen der Welt. 16 Jahre zuvor hatte Goldsmith schon einmal versucht, BAT, damals noch unter dem Namen British American Tobacco Company, zu kaufen. Die Angreifer machten deutlich, dass sie BAT nach der Übernahme zerteilen wollten, da das Unternehmen sich zu weit von seinen Ursprüngen entfernt habe. »Tabak ist eine Industrie, in der sehr viel Geld verdient wird. Dieses Geld sollte man den Aktionären geben, statt es in andere Geschäfte zu stecken«, sagte Goldsmith bei der Pressekonferenz zum Übernahmeangebot am 11. Juli 1989.38 Obwohl das Management in den vergangenen zehn Jahren für 7 Milliarden Pfund Firmen gekauft habe, liege der Gesamtwert von BAT ebenfalls nur bei 7 Milliarden Pfund. Daraus sei klar ersichtlich, dass die Einzelteile erheblich mehr wert seien als die Summe. BAT sollte deshalb aufs Kerngeschäft konzentriert, die übrigen Einzelteile verkauft werden, so der Plan. Europas Geldadel war von der kecken Offerte begeistert, kaufte sich im Schlepptau des Trios auch ein und spekulierte auf saftige Gewinne bei einem »der größten Raubzüge der Wirtschaftsgeschichte«39. Unter anderem beteiligten sich die Flick-Erbin Barbara Flick und – wie schon bei St. Regis – Gianni Agnelli sowie der belgische Bankier Philippe Lambert an der Attacke. BAT wehrte sich allerdings erfolgreich gegen die Raider-Truppe, indem es genau das tat, was diese selbst vorgehabt hatte: Es verkaufte unwichtige Bereiche, fokussierte sich auf zentrale Geschäftsfelder und wurde schlanker und rentabler. Im Frühjahr 1990 brach Hoylake Investment den Übernahmeversuch ab.
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Raider im Ruhestand
Wenige Monate später, im Oktober 1990, stieg James Goldsmith weitgehend aus dem aktiven Geschäftsleben aus, indem er 85 Prozent seiner Beteiligungen an Lord Hanson verkaufte, von dem er dafür dessen Aktienpaket in Höhe von 41 Prozent an der Newmont Mining Corp. übernahm, einer Firma, die Goldabbau betrieb.40 Der Kaufpreis des Aktientauschs entsprach 1,3 Milliarden Dollar. Er habe vom Geldverdienen genug, erklärte der damals 57-Jährige, wofür er wieder einmal mit einem Superlativ geadelt wurde: Er sei der »größte Aussteiger der Geschichte«, befand die Londoner Tageszeitung Times. Wirklich ernst mit dem Aussteigen meinte es Goldsmith wohl nicht. Er stieg mit dem Goldhandel nur auf risikolosere Anlageformen um. Auch weiterhin wurde er mit Spekulationen in Verbindung gebracht. So soll er sich mit George Soros, dem größten Devisenspekulanten der 90er Jahre, verbündet haben. Allein die Meldung, Goldsmith wolle sich weiterhin mit Gold eindecken, trieb beispielsweise Anfang Juli 1993 den Preis des Edelmetalls steil nach oben.41 Der Tycoon widmete das Mehr an Zeit, das er jetzt hatte, seinen nunmehr drei Frauen und insgesamt acht Kindern. Immer öfter hielt sich der Raider im Ruhestand auf seiner 7 300 Hektar großen Regenwald-Hacienda Cuixmala am Pazifik auf, die er ökologisch vorbildlich im mexikanischen Bundesstaat Jalisco hatte errichten lassen. Der Mann, der als Saulus »40 Jahre lang seinen Raubtierinstinkten freien Lauf gelassen hatte«42, mutierte nun zum Öko-Paulus und Wachstumskritiker. Vom gnadenlosen Shareholder-Value-Vertreter hörte man auf einmal Sätze wie diesen: »In unserer eindimensionalen Jagd nach Wachstum unterhöhlen wir systematisch Gesellschaften, schaffen Arbeitslosigkeit und verschwenden die Zeit damit, Symptome zu kurieren.«43 Nun verteufelte Goldsmith die Atomkraft und zeigte sich als vehementer Verfechter der ökologischen Landwirtschaft. Für das freie Spiel der Kräfte hatte der Paradekapitalist plötzlich nichts mehr übrig. Ob dies auf den Einfluss seines Bruders Edward, einen der bekanntesten Ökologen Großbritanniens zurückzuführen war, bleibt ungeklärt.
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Jedenfalls steckte Goldsmith nun Geld in Umweltprojekte und in die Zeitschrift The Ecologist, in der sich sein Bruder austoben konnte. Mittlerweile steht das Blatt unter der Führung von Goldsmith-Sohn Zac. Es hatte sich schon in den späten 90er Jahren zum Sprachrohr der Globalisierungskritiker entwickelt. Goldsmith selbst hatte dafür in seinem Buch The Trap zu deutsch: Die Falle und wie wir ihr entrinnen können,44 die Ansätze geliefert, in dem er den Freihandel verurteilte und gegen ein von Brüsseler Bürokraten beherrschtes Europa wetterte. Sein Rezept dagegen lautete Protektionismus, denn der freie Welthandel verschlinge »die Gesellschaft, der er angeblich dienen soll«.45 Dennoch muteten die Verzichtappelle des Milliardärs unglaubwürdig an, wenn er mit seiner eigenen, zum Luxusflugzeug mit zwei Schlafzimmern und zwei Bädern umgebauten Boeing 757 zwischen seinen Wohnsitzen und den Kontinenten hin- und herjettete.46 Und in merkwürdigem Kontrast steht es, wenn James’ Bruder Edward Goldsmith in The Ecologist »Egoisten, die nur das Ziel ihrer eigenen Befriedigung kennen«47 geißelte, der Goldsmith-Clan aber in einer Luxus-Öko-Welt in der Regenwald-Hacienda lebte, die er von einer »kleinen Privatarmee«48 von der Außenwelt abschotten ließ.
Goldsmiths letztes Jagdrevier: die Politik
Nach einigen ruhigeren Jahren war James Goldsmith seines Lebens als Luxus-Privatier gänzlich überdrüssig geworden. Das Sammeln und Schreiben von Büchern befriedigte ihn nicht mehr. »Gelangweilt vom vielen Geld«49 und obwohl – oder gerade weil er schon seit 1985 an Bauchspeicheldrüsenkrebs litt – ging der Raider noch einmal aufs Ganze: Er wurde Politiker, um mit seinen Forderungen die Gesellschaft zu verändern. Dabei nützten ihm nun seine beiden Pässe. 1994 gründete er in Frankreich zusammen mit einem Enkel de Gaulles die Liste »L’Autre Europe« und konnte noch im selben Jahr einen überragenden Erfolg landen. Bei den Europawahlen am 12. Juni 1994 gaben 2,4 Millionen Franzosen der europafeindlichen, rechten Gruppierung
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ihre Stimme. Aus dem Stand heraus wurde sie mit 12,3 Prozent der Stimmen drittstärkste Partei in Frankreich und holte 13 Mandate – nur zwei weniger als die Sozialisten. Goldsmith hatte nun einen Sitz im Europäischen Parlament in Straßburg, übernahm den Vorsitz der Gruppe »Europa der Nationen« und konnte öffentlichkeitswirksam gegen die Maastricht-Verträge wettern. Im Oktober 1995 betrat er mit der Gründung der »Referendum Party« auch in Großbritannien die politische Bühne. Er stattete die Partei mit 50 Millionen Mark aus, erklärtes Ziel war es, eine Volksabstimmung über den weiteren Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union zu erreichen. Goldsmith outete sich in seinen letzten Lebensjahren nicht nur als Europagegner, sondern auch als polemischer Warner vor einem übermächtigen Deutschland, das im Verbund mit Frankreich den Kontinent dominieren werde. Insgesamt investierte er noch einmal 37 Millionen Dollar in europafeindliche Kandidaten anderer Parteien, bis hin zur extremen nordirischen »Ulster Unionist Party« von David Trimble, dem er für die Zusicherung, einen europafeindlichen Wahlkampf zu machen, 650 000 Mark überwies.50 Als der konservative Chef der europakritischen Stiftung »European Foundation«, Bill Cash, von Tory-Parteichef und Premierminister John Major dazu gezwungen wurde, das von Goldsmith erhaltene Geld zurückzugeben, düpierte die Ex-Premierministerin Margaret Thatcher, Deutschland ebenso unfreundlich gesonnen wie Goldsmith, John Major damit, dass sie für ihren Freund Goldsmith einsprang und Cash mit einem namhaften Betrag finanzierte. James Goldsmith machte mit ganzseitigen Anzeigen in den Tageszeitungen Druck und verkündete, dass seine Partei in jedem Wahlkreis, in dem sich der Kandidat der Tories nicht für eine Volksabstimmung ausspreche, einen eigenen Vertreter aufstellen werde. Das war eine echte Gefahr für die Konservativen, die jede Stimme dringend brauchten. Im März 1996 hatte Goldsmith bereits einen Teilerfolg zu verzeichnen: Premierminister John Major stellte eine Volksabstimmung über den Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Währungsunion in Aussicht. Auch erreichte der Politneuling, dass zwei prominente Konservative – Ex-
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Schatzmeister Lord McAlpine und Sir George Gardiner – zur Referendum Party überwechselten. Den Sieg der Konservativen konnte die Referendum Party bei den Wahlen am 1. Mai 1997 verhindern, sie selbst aber gelangte nicht ins Parlament. James Goldsmith, der selbst in einem Londoner Stimmbezirk kandidiert hatte, musste erkennen, dass er sich zwar eine Partei, aber keinen Wahlerfolg kaufen konnte. Sein Wahlkreis ging mit über 20 000 Stimmen an die auch landesweit erfolgreiche Labour Party, Goldsmith dagegen landete mit nur 1 518 Stimmen lediglich auf Platz vier. Der ebenfalls unterlegene konservative Kandidat David Mellor gab ihm noch ein böses »Up your hacienda!« mit auf den Weg in sein Dschungelparadies in Mexiko.51 Dort versuchte sich Sir James Goldsmith von den Strapazen zu erholen, die für ihn beträchtlich gewesen sein mussten. Er starb nur wenige Monate später, am 18. Juli 1997, mit 64 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes, den er auf seinem Landsitz bei Marbella erlitt.
Rückblick auf die wilden 80er Jahre in den USA Die berüchtigtesten Jäger im aufbrechenden Amerika der 80er Jahre waren neben dem Europa-Import James Goldsmith wilde Kerle wie Carl Icahn, Kirk Kerkorian und Ronald Perelman. Erleichtert wurden ihnen ihre Firmenaufkäufe durch ein neues Finanzierungsinstrument: die Junk-Bonds. Ihrem Erfinder Michael Milken sprechen die Experten je nach Sichtweise heute einen Status zwischen Genie und Verbrecher zu.
Der Junk-Bond-König: Michael Milken
Sein Name war Bond. Junk-Bond. Er war die stärkste Waffe der Firmenjäger in den hektischen Jahren Mitte der 80er, als immer mehr und immer größere Unternehmen in den USA feindlich übernommen
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wurden. Der Erfinder der Junk-Bonds heißt Michael Milken. Das heißt, erfunden hatte Milken diese Schrottanleihen, wie sie auf deutsch heißen, eigentlich gar nicht. Er fand allerdings eine ganz neue Verwendung für diese hochverzinslichen, aber auch hoch riskanten Schuldverschreibungen. Junk-Bonds gab es schon in den Jahrzehnten zuvor. »Schrott«-Anleihen wurden sie deshalb genannt, weil es sich dabei um Anleihen von Firmen handelte, die während der Laufzeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen waren – auch »Fallen Angels« genannt. Das hatte zu einer schlechteren Bonität geführt, die in den USA üblichen Rating-Agenturen hatten die Firma herabgestuft. Die Folge: Wegen des höheren Risikos, dass die Firma die Anleihe nicht zurückzahlen könnte, war der Preis für diese Papiere drastisch gesunken. In der deutlichen Sprache der Broker hießen sie deshalb »Junk«, also Schrott. Michael Milkens Idee. Der 1946 geborene Michael Milken arbeitete
bereits seit seinem Abschluss an der Wharton School Anfang der 70er Jahre als Händler für Junk-Bonds bei der Investmentbank Drexel Burnham Lambert, die damals noch Drexel Firestone hieß und sich in dieser Zeit zunehmend auf Unternehmensfinanzierung spezialisierte. Milken, der schon an der Wharton School tagsüber gebüffelt und nachts gejobbt hatte, galt als ungeheuer fleißig. »Ich weiß nicht, ob ich smarter bin als jeder andere, aber ich kann 25 Prozent härter arbeiten«52, sagte er zu Drexel-Chef Fred Joseph. Der fand, Milken verstehe »mehr von Kredit als jeder andere im Land«53 und machte ihn zum Leiter der »Forschungsgruppe Wertpapiere«. Dort entwickelte Michael Milken die Junk-Bonds als Finanzierungsinstrument für kleine und mittlere wachstumsstarke Unternehmen, die für ihre Expansion Geld brauchten. Eine geniale Idee. Milken war aufgefallen, dass 95 Prozent der amerikanischen Firmen durch das Raster der Rating-Agenturen fielen. Diese legten so strenge Kriterien an – etwa die historische Stabilität –, dass nur 600 bis 700 Unternehmen als sichere Investments eingestuft wurden. Für die übrigen 24 000 Firmen hieß das, dass sie von schwankenden Zinssätzen abhängig waren, da sie nur kurzfristige
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Kredite bekamen, für die sie oft noch einen Aufschlag zahlen mussten. So brachte Milken seine Unternehmensanleihen auf den Markt, die mit den alten Junk-Bonds nichts mehr zu tun hatten. Das Lockmittel, mit dem man Anleger dazu brachte, diese Junk-Bonds zu kaufen, waren die hohen, zweistelligen Zinsen. Das Risiko, so konnte Milken den Käufern plausibel vermitteln, sei gar nicht so hoch, da die Firmen ja nicht in Schwierigkeiten seien, wie das ursprünglich bei den Anleihen gleichen Namens der Fall war. Zudem berücksichtigten die Rating-Agenturen nicht die Zukunftsaussichten, gerade die seien bei diesen Firmen aber sehr gut. Die Junk-Bonds wurden ein Renner, bereits 1982 waren Drexel Burnham Lambert damit Marktführer. Milkens Verkaufstalent brachte gerade Vertreter der mittleren Managementebene in Lebensversicherungen, Pensionsfonds und Bausparkassen dazu, seine Bonds zu kaufen. Sein Erfolg wurde so auch ihrer. Die Firma Drexel Burnham Lambert, jahrelang eine kleine Nummer an der Wall Street, war plötzlich Vorbild für andere. Und der schmächtige Milken war endgültig der Star im Hause. Er konnte es sich leisten, sein Büro von New York ins idyllische Beverly Hills an der Westküste zu verlegen. Am 4. Juli 1978, seinem 32. Geburtstag, gab Michael Milken mit dem Umzug seines 20-Mann-Büros seine ganz persönliche Unabhängigkeitserklärung gegenüber den alten Größen der Wall Street ab. Doch der bereits sensationelle Erfolg seiner Junk-Bonds reichte in den Jahren der Gier niemandem mehr. Beflügelt von Reagans Steueränderungen Anfang der 80er Jahre, die Schuldenfinanzierungen attraktiver machten, trug Michael Milken seine Junk-Bonds in neue Kreise. Er brachte nun immer mehr institutionelle Anleger dazu, ihr Geld in langfristige und hochverzinsliche Schuldverschreibungen von Unternehmen zu stecken, von denen sie auf Grund ihres fehlenden Ratings bisher die Finger gelassen hatten. Sein Hauptargument: Rein auf die Firmenvergangenheit fixierte Ratings seien nachweislich unrichtig, ja irrational. Den Chefs dieser Unternehmen pries Milken die Junk-Bonds als ideale Mittel an, die notwendigen Umstrukturierungen in ihren Unternehmen zu finanzieren. Andere Investmentbanken zogen jetzt verstärkt
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nach, auch sie wollten mit Junk-Bonds viel Geld verdienen. Schließlich fallen bei der Markteinführung solcher Anleihen jede Menge Gebühren an. Milken, von Natur aus ein Arbeitstier, legte ein Tempo vor, dem kaum jemand folgen konnte. Sein 15-Stunden-Arbeitstag begann, wenn er um 4.30 Uhr morgens in den Handelsraum seines Büros kam. Dabei schleppte er gewöhnlich ausgebeulte Taschen mit, in denen all die Firmenreports und Marktanalysen steckten, die er am Abend zuvor zum Studium mit nach Hause genommen hatte. Um 10 Uhr ließ er sich sein Mittagessen bringen – ein Sandwich und Mineralwasser –, danach arbeitete er gewöhnlich bis 19.30 Uhr durch. Geld war offenbar der einzige Luxus, den sich der Asket gönnte – er rauchte und trank nicht, sogar Kaffee lehnte er mit dem Hinweis ab, er brauche keine zusätzlichen Stimulanzien.54 Seine drei Assistenten arbeiteten in drei Schichten ab 4 Uhr morgens, um mit ihrem Chef Schritt halten zu können. Und dieser telefonierte fast unablässig, um den potenziellen Kunden bei den institutionellen Anlegern die jeweilige »Story« der Firma anzupreisen, von der er Anleihen verkaufen wollte. Dabei war er so versiert, beredt, überzeugend und erfolgreich, dass ihn das Fachblatt Institutional Investor bewundernd einen »großen Zauberer« hieß.55 Junk-Bonds im Boom. Michael Milkens Junk-Bonds waren tatsäch-
lich nicht fauler Zauber, sondern erfüllten in dieser Boom-Phase eine wichtige Funktion. Denn ohne sie hätten all die Firmen, die die Anleihen ausgaben, ihre Entwicklung nicht so rasch vorantreiben können. Viele von ihnen wurden zum Motor des technischen Fortschritts in den 80er Jahren. Michael Milken verschaffte über 1 000 Unternehmen die Möglichkeit, mit Junk-Bonds zu arbeiten. Manche spätere Giganten, wie etwa CNN oder MCI, hätten ihren raschen Aufstieg wohl nicht ohne Junk-Bonds geschafft. Es waren diese Wachstumsfirmen, die tatsächlich auch Jobs schufen. Nach einer Untersuchung von Glenn Yago, dem Direktor des Economic Research Bureau an der State University von New York, haben im Zeitraum von 1980 bis 1986 jene
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Firmen die sich über die Ausgabe von Junk-Bonds verschuldeten, im Durchschnitt 82 Prozent aller neuen Jobs in diesen vier Jahren geschaffen.56 Junk-Bonds als Treibstoff für die Übernahmemaschinerie. Nach-
dem Milken nun sowohl die Banken- als auch die Unternehmenswelt vom allseitigen Nutzen der Junk-Bonds überzeugt hatte, zeigte er erneut sein Gespür fürs Geldverdienen. Er weitete sein Konzept um einen entscheidenden Punkt aus. Milken benutzte Junk-Bonds nun zum Kauf von Unternehmen – auch gegen den Willen des Managements. Damit trat er eine Lawine los. Der Junk-Bond war nun, wie es sein Arbeitgeber Drexel später formulieren sollte, »ein Finanzierungsinstrument, dessen Zeit gekommen war«.57 So entstand eine bis dahin nicht vorhandene Kategorie an Amerikas Finanzmärkten, die schnell wuchs. Junk-Bonds wurden der Treibstoff für die Übernahmemaschinerie, die von 1986 bis 1989 auf Hochtouren lief. Und Drexel Burnham Lambert kontrollierte das größte Treibstofflager im Land. Cheftankwart Michael Milken konnte in diesen Jahren davon zapfen, so viel er nur wollte – die Nachfrage schien nicht aufzuhören. Mit Junk-Bonds war es für einen Firmenchef – aber eben auch für einen Firmenjäger – plötzlich ganz einfach, sich ein Unternehmen unter den Nagel zu reißen. Diese »Leveraged Buy-Outs« (LBO), bei denen man nur einen geringen Eigenkapitalanteil mitbringen musste, wurden gerne mit Junk-Bonds finanziert. Als Sicherheit für die Kreditgeber, die dem Firmenjäger oder dem Management das Geld für den Kauf vorstreckten, dienten dabei oft die Vermögenswerte der zu übernehmenden Firma. War der Kauf abgeschlossen, zwang der Übernehmer das Unternehmen zur Ausgabe der hochverzinslichen Junk-Bonds – und für die Zinsen musste nun das Unternehmen aufkommen. Neben Versicherungen und Pensionsfonds waren es wiederum viele »Savings and Loan Associations«, bausparkassenähnliche Institute, die JunkBonds kauften. Mit dem Geld, das die Anleihen einbrachten, konnten nun die Übernehmer ihre Kreditgeber ausbezahlen und daran gehen, das Opfer zu zerlegen. Mit dem, was durch Teilverkäufe eingespielt
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wurde, sowie aus den laufenden Firmeneinnahmen wurden die Zinsen für die Bonds bezahlt. Viele Firmen lieferten sich, wie dargelegt, durch ihre ineffizienten Strukturen selbst ans Messer. Wie fett sie geworden waren, sieht man an dem hohen Preis, den die feindlichen Übernehmer den Aktionären zahlen konnten: Er lag im Durchschnitt um 50 Prozent über dem, was die Firma an der Börse wert war.58 Die aggressivste Buy-Out-Firma in jenen Jahren war Kohlberg Kravis Roberts (KKR). KKR war einer von Michael Milkens besten Junk-Bond-Kunden und zerlegte unter Führung von Henry Kravis so manches Konglomerat mit riesigem Profit. So kaufte KKR 1986 für 407 Millionen Dollar das Chicagoer Konglomerat Beatrice Companies, dem unter anderem die Autovermieter Avis und die Getränkemarke Tropicana gehörte.59 In den Jahren danach verkaufte KKR die Einzelteile Stück für Stück an Konkurrenten und andere Firmen für insgesamt 2,2 Milliarden Dollar. Die Einzelteile waren also fünfmal wertvoller als das, was die alte Beatrice-Führung vor sich hin verwaltet hatte. Aufstieg und Niedergang. Junk-Bonds wurden für Michael Milken persönlich, aber auch für seinen Arbeitgeber Drexel Burnham Lambert zu einem Huhn, das goldene Eier legte. 1986 verzeichnete das Investmenthaus Drexel einen Gewinn in Höhe von 1 Milliarde Dollar vor Steuern. Geradezu legendär wurde Milkens Einkommen. Im Jahr 1986 verdiente er 296 Millionen Dollar, im Jahr darauf atemberaubende 550 Millionen Dollar. Doch all dies war weder Milken noch Drexel genug. Die legalen Möglichkeiten reichten ihnen nicht aus, wie folgendes Beispiel zeigt: Im Dezember 1986 verkaufte Drexel an die geschäftlich verbundene Bausparkasse Lincoln Savings and Loan 2,1 Millionen Aktien der Firma Playtex Corporation für 20 Cents je Aktie.60 Vier Monate später verkaufte Lincoln die Aktien an ihre Mutterfirma, die America Continental Corporation (ACC) – für 1 Dollar je Aktie. Im Dezember 1987 verkaufte ACC das Paket an CenTrust für sagenhafte 6,94 Dollar pro Stück. Und ein halbes Jahr später, im Juni 1988 kaufte die ACC die Aktien wieder zurück – dieses Mal für
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10,60 Dollar. Der beneidenswerte Wertzuwachs der Playtex-Aktien kam zustande, weil es keine funktionierende Kontrolle des Aktienmarkts gab. Der Wert der Aktie wurde bei jedem Weiterverkauf von Drexel Burnham Lambert bestimmt, wobei die Investmentbank gesetzlich verpflichtet gewesen wäre, einen fairen Wert zu bestimmen. Doch, wie sich später herausstellte, hatte Drexel daran nicht das geringste Interesse. Denn die Bank hatte sich heimlich bei ACC eingekauft, ohne das – wie vorgeschrieben – bei der Börsenaufsicht SEC zu melden. Und so hatte man durch einen gezielten, manipulativen Ringverkauf der Playtex-Aktie innerhalb von 18 Monaten eine Wertsteigerung von 5 300 Prozent verschafft. Ins Jahr 1989, das letzte Jahr des Übernahme-Booms, fiel auch der größte LBO, der jemals stattgefunden hatte. Wieder waren es Kohlberg Kravis Roberts, die sich in einem beispiellosen Wettbieten um den Tabak- und Lebensmittel-Riesen RJR-Nabisco gegen andere Buy-Out-Firmen durchgesetzt hatten. Sie bezahlten 24,5 Milliarden Dollar – womit die Aktionäre 12 Milliarden Dollar mehr bekamen, als RJR-Nabisco zu dem Zeitpunkt wert war. KKR installierte ein neues Management. Auf den verschwenderischen Sonnenkönig-Führungsstil des alten RJR-Nabisco-Chefs F. Ross Johnson folgte eine nüchterne Shareholder-Value-Ausrichtung. Dabei war es Johnson selbst gewesen, der den Übernahmepoker in Gang gesetzt hatte, dann aber die Geister, die er rief, nicht mehr beherrschen konnte. Wie viele Möglichkeiten noch in dem Unternehmen steckten, sieht man daran, dass die neue Führung innerhalb von zwei Jahren nicht nur die Schulden deutlich abgebaut hatte, RJR-Nabisco effizienter gemacht und den Wert für die neuen Eigentümer um nochmals 5 Milliarden Dollar gesteigert hatte.61 Doch im Herbst 1989 war der LBO-Zauber endgültig vorbei. Ronald Reagan war nicht mehr im Amt, und der Optimismus der »Reaganomics« getauften Aufschwungjahre war fürs erste dahin. Der auf 200 Milliarden Dollar angewachsene Junk-Bond-Markt begann, in sich zusammenzubrechen. Immer größere und immer riskantere Übernahmen hatte es gegeben, und immer mehr Geld mussten die Übernehmer zahlen. Nun brachte plötzlich nicht einmal das komp-
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lette Zerlegen einer Firma genügend Geld, um die Schulden zurückzuzahlen. Bereits Anfang 1989 waren rund ein Dutzend Unternehmen nach einem LBO nicht in der Lage, die enormen Zinsen aufzubringen, darunter Revco Drug Stores. Kräftig verhoben hatte sich auch der Kanadier Robert Campeau mit Aufkäufen in den USA. Seine Campeau-Gruppe hatte fast 20 Milliarden Dollar an Krediten für Firmenübernahmen aufgenommen und dabei auch Junk-Bonds eingesetzt. Mit den Käufen von Allied Stores und Federated Department Stores hatte er den Bogen überspannt. Für Federated zahlte er 8 Milliarden Dollar, davon waren 7 Milliarden Dollar geliehen. Der Marktwert betrug lediglich 3 Milliarden Dollar. Im September 1989 konnte Campeau seine Schulden nicht mehr bezahlen, im Januar 1990 beantragte er Gläubigerschutz. Drexel Burnham Lambert sollte bald folgen. Am 13. Februar 1990 blieb die Junk-BondMaschine stehen. Die Investmentbank hatte bereits im Dezember 1988 eine 650-Millionen-Dollar-Strafe wegen illegaler Praktiken erhalten und seit dem Rekordjahr 1986 keine Gewinne mehr gemacht. Michael Milken hatte man Anfang 1989 den Laufpass gegeben. Der Insider-Vorwurf. Nun interessierte sich auch die Aufsichts-
behörde für Milken. Der Börsenspekulant Ivan Boesky, der Broker bestochen hatte, um über Aktienkäufe für geplante Übernahmen vorab informiert zu sein und daran zu verdienen, hatte als Kronzeuge ausgepackt. Er belastete auch Michael Milken. Dieser hatte seine Ausnahmestellung im Bond-Geschäft ausgenutzt, um privat zusätzlich zu profitieren. Er hatte auch mit Angestellten seiner Abteilung Partnerschaften gegründet, die sich selbst vorab bei Firmenübernahmen mit den entsprechenden Aktien eindeckten. Allerdings war der Wille, alles aufzudecken, was Michael Milken an Schaden angerichtet hatte, nicht extrem ausgeprägt. Die Staatsanwaltschaft ließ 92 von 98 Anklagepunkten fallen, um ein langwieriges Verfahren zu vermeiden. Dafür zahlte Milken 600 Millionen Dollar Strafe. Im November 1990 wurde er vor allem wegen Wertpapierbetruges zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, war nach zwei Jahren aber schon wieder auf freiem Fuß. Weil
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er die Auflagen der dreijährigen Bewährungsstrafe verletzte und wieder im Finanzgeschäft arbeitete, einigte sich Milken 1998 mit der Aufsichtsbehörde SEC auf eine weitere Zahlung von 42 Millionen Dollar. Die Pensionsfonds, die in Junk-Bonds investiert hatten, brauchten einige Zeit, um die Verluste durch die fast wertlos gewordenen Anleihen wieder wettzumachen. Die Savings-and-Loan-Bausparkassen traf es härter – über 1 000 im ganzen Land gingen pleite. Allerdings kann man kaum ihre Junk-Bond-Investitionen allein dafür verantwortlich machen. Denn nur 161 der insgesamt 3 025 Sparkassen hatten 1988 Junk-Bonds in ihren Safes liegen – mit einem Gesamtwert von 13,2 Milliarden Dollar.62 Den Löwenanteil dieser Anleihen hatten lediglich elf Sparkassen gekauft. Und nur bei einigen wenigen von ihnen, wie der Thomas Spiegel’s Columbia and Loan, waren die JunkBonds der Grund für den Zusammenbruch. Bei den übrigen gab es andere, hausgemachte Ursachen, vor allem schlecht abgesicherte Hypothekenkredite.63
Der Star der 80er Jahre: Ronald Perelman
Mit der Zahlungsunfähigkeit von Drexel Burnham Lambert, dem Zusammenbruch des Junk-Bond-Marktes und der größer werdenden Vorsicht der Banken bei Kreditvergaben versiegte auch die Finanzierungsquelle der Raider. Einer der besten Kunden von Michael Milken war Ronald Perelman. Er stammt aus Philadelphia und wurde bereits von seinem Vater Raymond Perelman ins Geschäft des Kaufens und Verkaufens von Firmen eingeführt. Raymond Perelman zeigte ihm, wo Schwachstellen in Bilanzen liegen können und wo die versteckten Schätze, die man als Raider versilbern kann. Als Perelman senior mit 61 Jahren immer noch nicht abtreten wollte, kam es zum Bruch zwischen den Raider-Generationen. 1978 ging der Sohn Ronald Perelman mit seiner Braut Faith Golding, die eine Mitgift von 100 Millionen Dollar mit in die Ehe brachte, nach New York. Perelman suchte sich dort ein junges, hungriges Team für künftige Übernahmen zusammen
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und kaufte sich in die Firma MacAndrews & Forbes ein. Bald freundete er sich mit Michael Milken an. Sie beschlossen, gemeinsam die alte Garde an der Wall Street kräftig aufzumischen. Zuächst half Milken Perelman, die Firma MacAndrews & Forbes komplett zu kaufen, von der Börse zu nehmen und sie zum Vehikel für Übernahmen zu machen. Revlon und Gilette. 1985 folgte dann die Attacke, die Perelman
schlagartig zur Berühmtheit in den USA werden ließ. Mit wenig Eigenkapital in der Tasche, aber Michael Milkens Wunderwaffe JunkBonds in der Hand, schickte sich der Raider an, einen der größten Kosmetikkonzerne der USA zu kapern: Revlon. Das Management des vor allem für seine Lippenstifte bekannte Unternehmen wehrte sich vehement – Firmenchef Michel Bergerac hatte immerhin eine Boeing 747 mit eingebauten Waffenschränken für seine Safariflüge zu verlieren – aber vergeblich. Für 1,8 Milliarden Dollar bekam Perelman Revlon und warf Bergerac raus. Danach verkaufte er Teile des Konzerns für 1,5 Milliarden Dollar, womit er die Schulden großenteils los war und bediente sich ungeniert an weiteren Vermögenswerten. Barron’s, das größte Anlegermagazin der USA, beschrieb den Umgang des Firmenjägers mit seinen Opfern folgendermaßen: »Er scheint keine Gewissensbisse zu haben, sie ohne Betäubung auszuweiden, wenn es in seine Pläne passt.«64 Trotzdem blieb die erfolgreiche Übernahme von Revlon 1985 Perelmans größter Stolz. Seither »Lord Lipstick« genannt, hält er heute noch 97 Prozent der Aktien und führt die Geschäfte. Sein Expansionskurs mit Kosmetik-Centers und teuren Werbekampagnen, für die er Cindy Crawford und Claudia Schiffer engagierte, hatte anfänglich Erfolg. Allerdings stiegen auch die Schulden bedrohlich an. Als dann im Zuge der Asienkrise der Dollarkurs stark anstieg, brach das Auslandsgeschäft des Konzerns ein. Dort erwirtschaftete Revlon aber fast die Hälfte seiner Umsätze. 1985 hatte Perelmann Revlon für 1,8 Milliarden Dollar übernommen, im Herbst 2002 war der Konzern noch knapp 200 Millionen Dollar wert.65 Kritiker werfen ihm vor,
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Revlon eine Riesenlast von Schulden aufgebürdet zu haben und mit seinem aufwändigen Lebensstil das Geld zum Fenster rauszuwerfen. Tatsächlich war der Kurs der Aktie von einst 56 Dollar auf 4 Dollar gefallen, die Umsätze waren drastisch eingebrochen und von Gewinnen längst keine Rede mehr. Im Jahr 1986 lieferte Milken Junk-Bond-Munition für die nächste Attacke Perelmans. Diesmal ging es gegen Gilette, eine weitere Kosmetikgröße. Perelman scheiterte zwar daran, die Firma zu übernehmen, bekam aber 34 Millionen Dollar, damit er von weiteren Versuchen abließ.66 Ronald Perelman lieferte sich eine blutige, aber erfolglose Schlacht mit dem Finanzunternehmen Salomon Brothers und setzte sich beim Gerätehersteller Sunbeam sowie dem Kreditinstitut Golden State Bancorp durch. Der passionierte Zigarrenraucher investierte auch schon einmal 180 Millionen Dollar, um 1992 die Consolidated Cigar Holdings zu kaufen. Ein guter Griff, denn sieben Jahre später bekam er das Doppelte, als er sie an die französische Seita weiterreichte.67 Der reichste Amerikaner ganz privat. Am liebsten sitzt Perelman mit
Raider-Kumpels in seinem Büro in der Upper East Side in New York inmitten dicker Rauchschwaden und schwadroniert über Frauen, Übernahmeziele und Steuerschlupflöcher. Den Lebensstil Perlemans beschrieb Donald Trump, der zu seiner Zigarrenrunde im Büro an der Upper East Side gehört, folgendermaßen: »Wir verbringen 95 Prozent unserer Zeit damit, über Frauen zu reden, und 5 Prozent über Geschäfte.«68 Ein Perelman-Berater relativierte dies folgendermaßen: »Seine Grundwerte sind Geld, Geld, Geld und das Sammeln von Frauen.«69 1989 stand er auf der Liste der reichsten Amerikaner auf Platz eins. Weniger erfolgreich war er als Ehemann und klassischer Unternehmer. Die erste Ehe des Schürzenjägers endete, als ihm seine Frau Faith einen Privatdetektiv auf die Fersen setzte. Perelman kam mit einer 8-Millionen-Dollar-Scheidung davon. Die zweite Ehe mit der Klatschkolumnistin Claudia Cohen endete 1994 nach neun Ehejahren mit einer Schlammschlacht und 80 Millionen Abfindung. Im
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gleichen Jahr noch heiratete er die ebenfalls frisch geschiedene Patricia Duffy, die für Präsident Bill Clinton Spenden auftrieb. Nun musste Perelman nicht nur in die Sammelbüchse der Demokratischen Partei seinen Obolus geben – allein in den Jahren 1995/96 waren das 670 000 Dollar persönliche Spenden –, sondern auch noch die Skandal-Praktikantin Monica Lewinsky mit einem Job aus dem Weißen Haus herausholen. 1998 kam es zum Bruch mit der selbstbewussten Patricia Duffy. Bei einem Treffen griff Perelman sie tätlich an – und musste feststellen, dass sie das Gespräch mit einem kleinen Aufnahmegerät mitgeschnitten hatte.70 Im Juni 2000 heiratete Perelman die Schauspielerin Ellen Barkin. Als Firmenjäger war Perelman genial, die Financial Times ernannte ihn zum »Star-Raider«71. Als gewöhnlicher Unternehmer war er dagegen nicht sehr erfolgreich, wie das Schicksal einiger seiner Errungenschaften zeigt. Die einstige Comic-Größe Marvel Entertainment, Herausgeber der Comics »Spiderman« und »Hulk«, war nach einem bizarren Streit zwischen Perelman und seinem Raider-Konkurrenten Carl Icahn 1996 pleite. Der Hausgerätehersteller Sunbeam folgte Anfang 2001. Dennoch präsentierte sich Perelman im September 2002 als Stehaufmännchen: Als die Citigroup, das größte Finanzinstitut der USA, die kalifornische Golden State Bancorp kaufte, wurde GoldenState-Besitzer Perelman mit 40 Millionen Aktien, die er beim Kauf bekam, schlagartig zu einem der größten Citigroup-Aktionäre.72
Immer ganz oben: Carl Icahn
Wie man zu Geld kommt, wusste der 1936 im New Yorker Stadtteil Queens geborene und aufgewachsene Carl Icahn schon sehr früh. Wenn er mit seinen Freunden übers Wochenende mit seinem Auto in die Catskill-Berge fuhr, dann kassierte er pro Mitfahrer 4 Dollar. Die Summe, die die Fahrt mit dem Bus gekostet hätte, steckte Icahn lieber selber ein. Dabei entstammte er gutbürgerlichen Verhältnissen. Seine Mutter war Lehrerin, der Vater Anwalt und Kantor der örtlichen
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Synagoge. Als er an der Princeton Universität mit einem Bachelor in Philosophie abgeschlossen hatte, begann Carl Icahn auf Wunsch der Mutter noch ein Medizinstudium, das er aber nach drei Jahren abbrach, um zur Army zu gehen. Dort zeigte sich seine Spielernatur. Er soll mit Spielgewinnen in Höhe von 4 000 Dollar zurückgekommen sein. Die erste Million. Icahn war 25 Jahre alt, als ihm sein Onkel eine
Trainee-Stelle als Börsenmakler bei der Firma Dreyfus Corporation in New York verschaffte. Der Jungbroker arbeitete dann noch einige Jahre bei zwei weiteren Maklern. Er spezialisierte sich dabei auf Optionsgeschäfte – durch ihren Wettcharakter auf steigende oder fallende Kurse dem Spielen durchaus verwandt – und brachte einen vielgelesenen Börsenbrief, The Mid-Week Options Report, heraus. 1968 gründete er seine eigene Firma Icahn & Co. und erkaufte sich mit 150 000 Dollar Eigenkapital und 400 000 von seinem Onkel geliehenen Dollars einen eigenen Handelsplatz an der New Yorker Börse. Dort stand er bald im Ruf, ein hartgesottener Broker zu sein, der weder sich noch seine Mitarbeiter schonte und für seine Wutanfälle berüchtigt war. Seine erste Million machte Icahn mit sehr frühzeitigen Investitionen in wertsteigerungsträchtige Immobilien-Investmentfonds. Mit Proxy-Fights gewinnen. Ende der 70er Jahre verlegte er sich da-
rauf, bei Hauptversammlungen so genannte Proxy-Fights mit dem jeweiligen Management von Firmen auszufechten. Dabei geht es darum, bei Kampfabstimmungen die Mehrheit für oder gegen heikle Anträge zu erhalten. Das schaffte Icahn, indem er genügend andere Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung davon überzeugte, ihm eine Vollmacht (Proxy) für die Stimmabgabe zu geben. Beim Immobilienfonds Baird & Warner, der Immobilien im Wert von 30 Millionen Dollar verwaltete, setzte es Icahn 1978 in einem solchen Stellvertreterkrieg durch, die Mehrheit und damit das Sagen bei Baird & Warner zu bekommen.
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1979 heizte der Investor dem Management des Ofenherstellers Tappan so sehr ein, dass er in den Vorstand einziehen konnte. Diese Position nutzte er dafür, den Verkauf der Firma an den schwedischen Konzern Electrolux zu erzwingen – ein Deal, der ihm als Aktionär fast 3 Millionen Dollar Gewinn einbrachte. Bei seinen Proxy-Fights machte Icahn die erstaunliche Entdeckung, dass er auch bei einer verlorenen Abstimmung gewinnen konnte. Denn er erhielt Angebote des Managements, ihm sein Aktienpaket mit einer Prämie wieder abzukaufen – das schon erwähnte »Greenmailing«. Da Icahns Hauptversammlungsanträge meistens mehr Rationalisierung und weniger Personalbestand forderten, trieben die Proxy-Fights für gewöhnlich auch den Aktienkurs hoch. Davon profitierte er, als er versuchte, Einfluss auf die Hammermill Paper Company zu gewinnen. Das Management weigerte sich allerdings, ihm eine Prämie für sein 10-Prozent-Aktienpaket zu zahlen. Im Gegenteil: Es überzog ihn mit Prozessen und erreichte, dass Icahn eine Vereinbarung unterschrieb, künftige Angriffe zu unterlassen. Aber: Nach einem Jahr war der Kurs der HammermillAktie so gestiegen, dass der Spekulant seine 10 Prozent mit 9 Millionen Dollar Gewinn verkaufen konnte. Der Finanzhai der 80er Jahre. In den 80er Jahren betrieb Carl Icahn
sein Geschäft eine Nummer größer und wurde einer der gefürchtetsten Finanzhaie in den USA. 1982 knöpfte er sich den Einzelhändler Marshall Fields vor. Der Konzern wehrte sich mit allen Mitteln und beschuldigte Icahn sogar, seine Verwendung von Fonds bei RaiderAttacken folge einem Erpressungsschema. Damit verstoße er gegen ein Gesetz, das Erpressung und organisierte Kriminalität untersagt. Es half alles nichts: Am Ende flüchtete sich Marshall Fields in eine Fusion mit einem britischen Einzelhandelsunternehmen, und Icahn verkaufte mit Gewinn.73 Um diese Zeit konnte Carl Icahn etwa 100 Millionen Dollar für seine Raider-Attacken aufbringen. Nun war er so berüchtigt, dass ihm die Unternehmen Anchor Hocking, American Can und Owens-Illinois seine Aktienpakete mit einer satten Prämie wieder abkauften –
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jeweils ungefähr eine Woche, nachdem er sie erworben hatte. Da zeigte der Hai seine Zähne: Icahn hörte mit den lukrativen Greenmailings auf und beschloss, Firmen vollständig zu kaufen und den Kauf durch die anschließende Zerteilung zu finanzieren. Bei der Autoleasing-Firma ACF probierte er diese Methode aus. Er erkaufte sich mit 410 Millionen Dollar die Mehrheit – Geld, das er sich von Banken geliehen hatte und anschließend durch Teilverkäufe von ACF zurückzahlte. Icahn und Milken arbeiten zusammen. Icahns finanzieller Spielraum
änderte sich entscheidend, als sich Michael Milken von der Investmentbank Drexel Burnham Lambert bei ihm meldete und ihm anbot, bei der Finanzierung von Übernahmen behilflich zu sein. Mit weiteren Finanzinvestoren im Rücken wagte Icahn einen Übernahmeversuch bei Phillips Petroleum und bot 8,1 Milliarden Dollar. Milken gab er den Auftrag, für 1,5 Milliarden Dollar in bar zu sorgen – ein Auftrag, den der Workaholic in 48 Stunden erledigt hatte. Die Übernahme missglückte zwar, aber neben dem deutlichen Ansteigen des Aktienkurses bekam der Raider von Phillips Petroleum auch noch 25 Millionen Dollar für seine Ausgaben in die Tasche gesteckt – nur damit er Ruhe gab.74 TWA als Bewährungsprobe. 1985 fasste Icahn eine Firma ins Auge,
die seither oft in einem Atemzug mit ihm genannt wird: Trans World Airlines (TWA). Die 1930 gegründete Fluggesellschaft hatte lange dem Filmproduzenten Howard Hughes gehört. Nun waren alle 194 Flugzeuge veraltet, und TWA machte im Jahr fast 200 Millionen Dollar Verlust. Als Icahn 20 Prozent der Aktien besaß, musste er feststellen, dass er nicht nur das Management, sondern auch die Belegschaft gegen sich hatte. Die Firmenspitze versuchte es mit Prozessen, die Gewerkschaft rief zu Streiks gegen Icahn auf, und beide gemeinsam betrieben im US-Kongress Lobbyarbeit gegen den Eindringling. Schließlich suchte TWA nach einem »Weißen Ritter«, der das Unternehmen freundlich übernehmen sollte. In Frank Lorenzo, dem Chef von Texas Air, glaubte man, ihn gefunden zu haben. Dieser war in jungen Jahren
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Finanzanalyst bei TWA gewesen, bevor er mit einem Leveraged BuyOut die Leitung von Texas Air übernommen hatte. Schließlich lag ein Plan auf dem Tisch, der Icahn 95 Millionen Dollar beschert hätte, wenn er die TWA-Kontrolle Lorenzo überlassen hätte. Doch nun spielte Lorenzo nicht mit und versuchte, Icahns Gewinn zu drücken. Auch merkten die Gewerkschaften, dass sie mit Lorenzo vom Regen in die Traufe gekommen wären, da dieser für 50-prozentige Gehaltskürzungen und seine Gewerkschaftsfeindlichkeit berüchtigt war. Icahn einigte sich mit den Gewerkschaften und bot Aktienoptionsprogramme für die Angestellten als Zeichen für sein Entgegenkommen. Obwohl er etwas weniger bot als Lorenzo, unterstützte die Geschäftsführung schließlich sein Angebot. Icahn setzte sich durch und bekam nicht nur die Mehrheit, sondern die Fluglinie mit 90 Prozent der Aktien praktisch komplett in die Hand. Statt schnell Kasse zu machen, sah sich der Raider nun mit der Herausforderung konfrontiert, TWA zu führen. So wurde TWA für ihn, was Revlon für seinen Raider-Kollegen Perelman war: die Herausforderung, an einem ehemaligen Objekt der Begierde zu zeigen, dass man ein Unternehmen nicht nur handstreichartig übernehmen, sondern auch führen kann. Das Ergebnis war – wie bei Perelman – nicht überzeugend. Icahn war von 1986 bis 1993 Chef der Fluggesellschaft. Am Ende war TWA pleite. Zwar konnte er 1986 den Gewerkschaften Einsparungen abringen. Dadurch waren der Fortbestand des Unternehmens und die Rückzahlung seiner Kredite für die Aktienkäufe erst einmal gesichert. Doch gab es Vorwürfe, dass die Einsparungen zu Lasten der Sicherheit gingen. 1990 machte TWA 237 Millionen Dollar Verlust, im April 1991 musste es Vergleich anmelden. Im Januar 1993 war endgültig Schluss, TWA beantragte Gläubigerschutz nach Chapter 11 des amerikanischen Konkursrechtes. Icahn trat zurück, zahlte noch ausstehende 200 Millionen Dollar in die Pensionskasse ein und gab TWA einen Kredit in Höhe von 190 Millionen Dollar. Er hinterlegte seine 80 Prozent der Aktien auf einem Treuhandkonto und schied aus. TWA wurde jetzt von den Gläubigern und der Belegschaft kontrolliert und konnte weiterfliegen. Allerdings bekam Icahn dafür das einzigartige Recht, 610 Millionen TWA-Tickets
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bis zum Jahr 2003 zu etwa 45 Prozent unter ihrem eigentlichen Wert zu kaufen und über seinen Internetanbieter Lowestfare.com zu verscherbeln. Im Jahr 2001 war TWA dann abermals bankrott. Den Versuch Icahns, mit einer Investorengruppe TWA noch einmal zu übernehmen, schlug der Konkursrichter nieder. TWA ging an American Airlines. Der Raider bei Texaco, USX, RJR Nabisco und General Motors.
Neben seinem Ausflug ins ernsthafte Unternehmertum verdiente Carl Icahn auch jede Menge Geld mit Raider-Aktivitäten, die er nie einstellte. So hatte er sich 1987 bei Texaco eingekauft, die er im Jahr darauf für 12,4 Milliarden Dollar übernehmen wollte. Icahn forderte effizientere Strukturen und den Verkauf von Teilbereichen. Der Vorstand entzog sich der Übernahme dadurch, dass er tat, was Icahn forderte: Er verkaufte ausländische Beteiligungen, darunter die deutsche Texaco AG, für insgesamt 7 Milliarden Dollar. Dennoch stockte Icahn sein Texaco-Depot weiter auf. Im Jahr 1989 besaß er 17,3 Prozent, und nun versuchte ihn der Vorstand mit einer Vereinbarung zu ködern. Icahn verpflichtete sich, sieben Jahre lang seinen Anteil an Texaco nicht zu erhöhen. Dafür schüttete Texaco in diesem Jahre eine Sonderdividende in Höhe von 2,4 Milliarden Dollar aus. Die nahm der Firmenjäger noch mit, dann verabschiedete er sich, verkaufte sein gesamtes Paket für 2,1 Milliarden Dollar und strich somit einen Gewinn von 600 Millionen Dollar ein. Eine weitere große Beteiligung von Carl Icahn war die Holding USX, das Mutterunternehmen von US-Steel und dem Energiekonzern Marathon. Mit gut 13 Prozent stieg er 1986 ein. Seinem Drängen auf Verkauf des Stahlbereichs gab der Vorstand zwar nicht nach, doch wurden Unternehmenszweige aufgesplittet. Icahn verkaufte seinen Anteil für 1 Milliarde Dollar. Vier Jahre lang drängte Icahn, mit einem 7,7-Prozent-Paket im Rücken, den New Yorker Tabak- und Lebensmittelkonzern RJR Nabisco Holdings, seine Hauptgeschäftsbereiche zu trennen. Sein Argument: Lebensmittel und Tabak passen nicht zusammen. 1999 hatte er Erfolg. Allerdings war der Druck auf die Nabisco-Führung immer
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größer geworden: Angst vor Sammelklagen kranker Raucher, Schulden sowie ein rückläufiger Verkauf der Zigarettenmarke Camel stärkten Icahns Position. Die Holding firmierte ab 1999 einerseits als Nabisco Holdings Corp. mit dem Lebensmittelgeschäft. Der andere Geschäftsbereich, das Tabakgeschäft mit Camel, immerhin die Nummer zwei im amerikanischen Tabakgeschäft, hieß nun RJ Reynolds Tobacco. Der Tabakriese verkaufte noch im selben Jahr für 7,8 Milliarden Dollar sein internationales Geschäft an die Japan Tobacco Inc. Im Jahr 2000 ging schließlich Nabisco für 14,9 Milliarden Dollar komplett an Philip Morris, die Nabisco mit ihrer Lebensmittelsparte Kraft Foods zusammenlegte und damit den größten Lebensmittelkonzern der Welt besaß. Icahn verdiente daran 600 Millionen Dollar, die Trennung der beiden Sparten im Jahr zuvor hatte ihm 130 Millionen Dollar eingebracht. Beim Autobauer General Motors (GM), einem weiteren Icahn-Ziel im Jahr 2000, kam der Raider allerdings nicht zum Zug. Icahn hatte vorgehabt, GM zum Verkauf der Satellitensparte Hughes Electronics zu erzwingen. Doch GM machte Icahns Ankündigung, bis zu 15 Prozent kaufen zu wollen, Ende August öffentlich. Noch am selben Tag stieg der Kurs von General Motors um 7 auf 70 Dollar. Icahn war so verärgert über die Reaktion des Managements, dass er die im August gekauften Aktien bereits im September – bei höheren Kursen – verkaufte.75 Sein Ziel erreichte er dennoch: General Motors beschloss den Verkauf seiner Satellitensparte an den Satelliten-TV-Betreiber Echostar. Bedenken der Regulierungsbehörde bremsten das Projekt mehrfach, da Echostar damit im Satelliten-TV-Geschäft einen US-Marktanteil von 91 Prozent erreichen würde. Beide Firmen willigten jedoch ein, Firmenanteile zu verkaufen.
Zwischen Las Vegas und Hollywood: »Terminator« Kirk Kerkorian
Den amerikanischen Traum des Aufstiegs vom bettelarmen Einwandererkind zum Milliardär verkörpert kaum jemand authentischer als
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Kirk Kerkorian. Er wurde 1917 als Sohn armenischer Emigranten im kalifornischen Fresno geboren. Als Kind erlebte er, wie die Rezession das elterliche Obstgeschäft in Los Angeles ruinierte. Die Familie musste danach jahrelang auf der Straße leben und Kirk schon als Kind mit neun Jahren dazuverdienen. Kerkorian schwor sich bei seinem vorzeitigem Schulabgang nach der achten Klasse, »stinkreich zu werden«.76 Zunächst war Kirk Kerkorian als Box-Amateur recht erfolgreich. Er gewann 29 von 33 Kämpfen durch Knock-Out und war unter dem Namen »Rifle Right Kerkorian« bekannt. Weil es mit einer lukrativen Karriere als Boxprofi aber nichts wurde, schlug er sich als Zeitungsverkäufer, Automechaniker und Gebrauchtwagenhändler durch. Der Traum vom Fliegen. Die Zeiten wurden für ihn erst besser, als er einmal mit seinem Chef fliegen durfte. Kerkorian war vom Fliegen so begeistert, dass er den Flugschein machte und dann als Fluglehrer arbeitete. Im Zweiten Weltkrieg verdiente der Selfmademan viel Geld mit einem gefährlichen Job: Im Rang eines Captains flog er bei einem Monatsgehalt von 1 000 Dollar für die britische Royal Air Force 33 so genannte Mosquito-Bomber von Kanada nach Schottland, aber auch nach Indien und Westafrika.77 Nach dem Krieg kaufte er sich mit diesem Startkapital ein altes Kriegsflugzeug, eine C-47, und flog Hollywood-Berühmtheiten, Spieler, Heirats- oder Scheidungswillige für 100 Dollar pro Kopf von Los Angeles nach Las Vegas. Am billigsten waren ausrangierte Armeeflugzeuge auf Hawaii zu haben. Kerkorian kratzte immer wieder zusammen, was er hatte, und kaufte auf Hawaii Flugzeuge. Manchmal soll er mit dem letzten Tropfen Sprit in den Tanks mit so einer Maschine in Kalifornien gelandet sein.78 1947 kaufte Kerkorian Los Angeles Air Serve, eine kleine Fluggesellschaft mit drei Flugzeugen. Er baute sie zur Charter-Fluglinie Trans-International Airlines auf, und gab sie 1968 für 104 Millionen Dollar ab. Außerdem kaufte sich der Raider 1969 bei der Fluggesellschaft Western Airlines ein und stieg in den 70er Jahren mit großem Gewinn wieder aus.
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Das große Spiel in Las Vegas. Bereits 1960 hatte Kerkorian für 1 Mil-
lion Dollar Land in Las Vegas erworben und die 34 Acres zwei Jahre später für 5 Millionen Dollar an den späteren Kasino-Mogul Jay Sarno weiterverkauft. Sarno baute darauf das riesige Hotel Caesars Palace – und Kerkorian sollte später lukrative Profiboxkämpfe in dem Hotel veranstalten. In den 60er Jahren stieg Kerkorian dann selbst ins Kasinogeschäft ein und kaufte unter anderem 1967 das Flamingo an der Ecke Las Vegas Boulevard und Flamingo Road. Seine rüde Art und seine angeblichen Verbindungen zu zwielichtigen Kreisen trugen ihm den Spitzenamen »Terminator« ein. Mit dem Verkauf seiner Fluglinie hatte Kerkorian genug Geld in der Tasche, um 1969 auch als Firmenjäger richtig durchzustarten. In diesem Jahr machte er durch drei große Projekte von sich reden: Mit dem 60 Millionen Dollar teuren International eröffnete er in Las Vegas das mit 1 519 Zimmern größte Hotel der Welt, er kaufte sich bei der Fluggesellschaft Western Airlines ein und stieg mit einem 40-Prozent-Aktienpaket bei MetroGoldwyn-Mayer ein. Im März 2000 nutzte er eine Aktienschwäche des Spielkasinobetriebs Mirage Resorts Inc., um den Konkurrenten für 4,4 Milliarden Dollar in bar sowie dessen Schulden in Höhe von 2 Milliarden Dollar zu übernehmen.79 Damit ist Kerkorian die unangefochtene Nummer eins in Las Vegas. Ihm gehören die Kasinos Bellagio, MGM Grand und Treasure Island. Dazu kommen noch Spielpaläste in Mississippi, Atlantic City, Detroit sowie in Australien. Metro-Goldwyn-Mayer. Vor allem aber hatte er ab 1969 mit einem 40-Prozent-Aktienpaket das Sagen bei den Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer (MGM). Auch an der Studiogesellschaft United Artists (UA) hatte er Anteile. Bald darauf exportierte er den Namen MGM von Hollywood nach Las Vegas, wo er einen Freizeitpark und das MGM Grand Hotel eröffnete. Niederlassungen in den Spielerparadiesen Reno und Atlantic City folgten. 1985 verkaufte er die zusammengeführte MGM/UA an den CNN-Gründer und Medienunternehmer Ted Turner für 1,5 Milliarden Dollar. Es sollte kein Abschied für immer sein. Denn schon bald kaufte Kerkorian den Namen MGM,
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die Studios und sämtliche Produktionseinrichtungen für 300 Millionen Dollar zurück – nur die wertvolle Filmbibliothek blieb bei Turner. 1990 verkaufte Kerkorian MGM zum zweiten Mal. Er bekam 1,3 Milliarden Dollar, hatte also diesmal 1 Milliarde verdient. Käufer war der Italiener Giancarlo Paretti, sein Hauptgeldgeber die französische Bank Crédit Lyonnais. Als Paretti bankrott war, führte die Bank von 1992 bis 1996 MGM in Eigenregie. Die Franzosen sollen in dieser Zeit 4 Milliarden Dollar Verlust gemacht haben. Kerkorian kaufte ihnen MGM 1996 wieder ab – für äußerst günstige 1,3 Milliarden Dollar. Seit Jahresanfang 2002 spekulieren Zeitungen immer wieder darüber, ob der ausgefuchste Raider bald wieder bei MGM Kasse machen will.80 Diesmal wolle er 7 Milliarden Dollar für seinen 81-Prozent-Anteil an der Film- und Fernsehgesellschaft erlösen, heißt es. Gewinner bei DaimlerChrysler. 1995 erweiterte der Firmenjäger
seine Jagdinteressen von Flug- und Filmgesellschaften auf Automobile. Gemeinsam mit dem früheren Chrysler-Vorstandschef Lee Iacocca plante er die Übernahme des Detroiter Autobauers; schon seit 1990 hatte er begonnen, Aktien zu kaufen. Nun besaß Kerkorian knapp 14 Prozent des Chrysler-Kapitals. Allerdings schaffte er es nicht, für die 23 Milliarden Dollar, die ihn eine Übernahme gekostet hätte, kreditwillige Banken aufzutreiben. Ein Jahr später verpflichtete sich Kerkorian, die nächsten fünf Jahre Ruhe zu geben. Als Daimler-Chef Jürgen Schrempp 1998 die Fusion mit Chrysler bekannt gab, war Kirk Kerkorian der große Gewinner: Sein Aktienpaket wurde bei dem ursprünglich von Schrempp als »Fusion unter Gleichen«81 bezeichneten Zusammengehen 1 Milliarde Dollar mehr wert. Kerkorian war nach der Deutschen Bank und Kuwait nun größter Einzelaktionär von DaimlerChrysler und ließ die Korken knallen. Doch danach fiel der Kurs der DaimlerChrysler-Aktie ständig. Da Jürgen Schrempp nun auch noch öffentlich sagte, dass es sich um keine Fusion gleicher Partner handele, sondern DaimlerChrysler übernommen habe, machte Kirk Kerkorian den globalen Autobauern aus dem Schwabenland das Leben schwer: Er verklagte DaimlerChrysler im Dezember 2000 auf
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8 Milliarden Dollar Schadenersatz, weil die Firma die ChryslerAktionäre falsch informiert habe. Außerdem verkaufte er im Januar 2001 die Hälfte seiner 33 Millionen DaimlerChrysler-Aktien und reduzierte seinen Anteil auf nur noch 1,7 Prozent.82 Im März 2002 entschied das US-Bundesgericht in Delaware, die Klage sei zulässig.83 Zwar rechnen Fachleute nicht damit, dass Kerkorian den Prozess gewinnt, doch könnte die Auseinandersetzung in einem Vergleich enden, der DaimlerChrysler Milliarden kosten kann. Auch wenn Kerkorian wie andere durch den Börseneinbruch seit dem Frühjahr 2000 viel Geld verloren hat, so ist er mit geschätzten 5,8 Milliarden Dollar immer noch einer der reichsten Männer der USA. Neben seinem Hotel- und Spielkasinobesitz sowie der MGM hält seine Holding Tracinda Corporation – benannt nach den Töchtern Tracy und Linda –, über die er alle Investments abwickelt, auch 5 Prozent am amerikanischen Unterhaltungskonzern Viacom.
Aufstieg und Fall eines Wunderknaben: Saul Steinberg
Als zu Beginn des Jahres 2000 der dynamische Internetanbieter AOL den steilen Höhenflug seiner Aktie an den Börsen überraschend dazu nutzte, den Medienriesen Time Warner zu übernehmen, war die Finanzwelt überrascht von soviel Chuzpe. Doch den Investmentmanager und Finanzprofessor Bill Mason erinnerte der Deal an eine ähnlich dreiste Aktion mehr als drei Jahrzehnte zuvor. »Damals in den späten 60er Jahren galten manche Computerleasing-Unternehmen als sehr heiß und hatten sehr hohe Bewertungen an den Börsen. Saul Steinberg hatte so eine Firma namens LeasCo Financial«84, erinnerte sich der FinanzVeteran. Und Steinberg hatte 1968 genau das getan, was AOL-Chef Steve Case 32 Jahre später tun sollte: Er hatte die Aktien von LeasCo, das zwar einen hohen Wert auf dem Papier darstellte, aber keine wirklichen Vermögenswerte sein eigen nannte, genommen und damit das Versicherungsunternehmen Reliance Insurance, eine 150 Jahre alte Firma aus Philadelphia gekauft. Und hatte damit schlagartig statt glän-
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zender, aber ungewisser Zukunftsaussichten festen finanziellen Boden unter den Füßen. Seitdem galt Saul Steinberg mit seinen 29 Jahren als Börsen-Wunderkind in den Vereinigten Staaten. Das Magazin Forbes errechnete, dass er mit diesem Deal schlagartig 50 Millionen Dollar reicher geworden war. Damit habe der »James Dean der Hochfinanz« in diesem Jahr mehr Geld verdient als jeder andere Amerikaner unter 30 Jahren.85 LeasCo Data Processing als Familienunternehmen. Steinberg wuchs
als ältester Sohn eines Gummifabrikanten in Lawrence, Long Island, auf.86 Bereits während seines Studiums an der Wharton School, die einige Jahre später auch der Junk-Bond-Erfinder Michael Milken absolvieren sollte, hatte Steinberg seine Multi-Millionen-Dollar-Idee entwickelt: eine unabhängige Firma, die das Langzeit-Leasing von Computern anbietet. Es gelang ihm, Anfang der 60er Jahre über Banken enorme Geldmittel aufzutreiben, die den Start erleichterten. Als Mitarbeiter setzte er die halbe Familie ein. Sein Bruder Bobby kümmerte sich ums Tagesgeschäft, sein Vater und sein Onkel wurden Teilhaber. Das Leasing-Geschäft mit IBM-Computern florierte. 1965 hatte die Firma mit dem hochtrabenden Namen LeasCo Data Processing Equipment Corporation Einnahmen in Höhe von 8 Millionen Dollar, ein Jahr später waren es bereits 21 Millionen Dollar.87 Nach dem genialen Kauf der Reliance-Versicherung 1968 ließ der frühe Reichtum bei Steinberg anscheinend einige Sicherungen durchbrennen. Formal war er zwar Chef der Reliance, doch kümmerte er sich über weite Strecken kaum um das operative Geschäft. Dafür war, wie schon bei LeasCo, sein jüngerer Bruder Bobby zuständig. »Mir wird wie den Rockefellers die Welt gehören. Ich könnte sogar der erste jüdische Präsident werden«88, soll er damals ausgerufen haben. Ein Jahr später, 1969, unternahm er mit der finanziellen Rückendeckung seiner Reliance Versicherung einen Anschlag aufs finanzielle Establishment des Landes: Er versuchte eine feindliche Übernahme der Chemical Bank, die später Chase Bank hieß. Der Aufruhr, den das Übernahmegebot verursachte, war enorm. Die Chemical Bank bot
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alles auf, was ihr zu Gebote stand: Eine Armada der besten Anwälte sowie heftige Unterstützung vonseiten der Politik, einschließlich des Gouverneurs von New York, Nelson Rockefeller, schaffte es schließlich, den Angreifer abzuwehren. Die Stimmung heizte sich so gegen Saul Steinberg auf, dass dieser am Ende sein Scheitern auch mit antisemitischen Motiven seiner Gegner erklärte. Steinbergs glanzvolle 80er Jahre. Die 80er Jahre wurden für den Fir-
menjäger Saul Steinberg in jeder Hinsicht zur Glanzzeit seiner Karriere. Michael Milken und seine Junk-Bonds lieferten Steinberg, der selten Angst vor Schulden zeigte, genau das passende Werkzeug, um unterbewertete Firmen aus allen möglichen Bereichen zu kaufen und mit Gewinn zu zerlegen oder weiterzuverkaufen. Bald gehörte Steinberg zum engsten Kreis des geschäftstüchtigen Milken. Ein herausragendes Jahr dieser Dekade war für Steinberg 1984. Damals kaufte er für 600 Millionen – größtenteils geliehene – Dollar die Hotelkette Days Inns of America Inc. Fünf Jahre später konnte er sie für 765 Millionen Dollar weiterverkaufen. Wie geschäftstüchtig das war, lässt sich daraus ablesen, dass die hoch verschuldete Days Inns of America zwei Jahre später pleite war. Die Einzelheiten des Hotel-Deals hatte ein gewisser Henry Silverman für Steinberg abgewickelt. Der Leveraged Buy-Out war so etwas wie das Gesellenstück einer Raider-Lehre, die Silverman beim Wunderknaben Steinberg absolvierte. Silverman sollte in den Folgejahren das erlernte Firmenjäger-Know-how in eigenen Deals so erfolgreich anwenden, dass er mit seiner eigenen Finanzgruppe HFS bei Unternehmen wie den Hotelketten Ramada und Howard Johnson sowie dem Autovermieter Avis erfolgreich mitmischen konnte. Steinberg bei Disney. Am meisten Aufsehen erregte im Jahr 1984 aber ein anderer Coup. Es war ein ähnlich publicityträchtiger Versuch wie 1969: Steinberg wollte sich den Medienkonzern Disney einverleiben. Doch die Traumfabrik zeigte ihre Zähne. Steinberg verlor genau wie bei der Chemical Bank den Kampf um die Mehrheit im
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Unternehmen, doch er ließ mit einem enormen finanziellen Trostpflaster von Disney ab. Der Medienriese kaufte seine Anteile mit der gewaltigen Prämie von 60 Millionen Dollar zurück.89 Zwar mussten Reliance und Michael Milkens Arbeitgeber, die Investmentbank Drexel Burnham Lambert, nach Prozessen, die Disney-Aktionäre angestrengt hatten, insgesamt 45 Millionen Dollar zurückzahlen,90 doch sollen bei dem gewieften Steinberg 40 Dollar hängen geblieben sein.91 Märchenhafter Reichtum. Saul Steinberg stellte seinen Reichtum – in den besten Zeiten auf 600 Millionen bis 1 Milliarde Dollar geschätzt – zur Schau, wie es sogar in den selbstverliebten 80er Jahren nur wenige andere schafften. Nachdem ihm seine zweite Frau Laura in einer schmutzigen Scheidung noch vorgeworfen hatte, er habe 190 000 Dollar aus Fonds von Reliance entnommen, um damit seinen Kokainkonsum zu finanzieren, stieg Steinberg nach seiner Heirat mit der elf Jahre jüngeren Gayfryd 1983 in die höchsten Kreise New Yorks auf. Eine Steinberg-Party jagte die nächste. Er spendete für kulturelle Zwecke, und Gayfryd stattete das 34-Zimmer-Apartment direkt am Central Park, das Steinberg von den Rockefellers gekauft hatte, mit exklusiven britischen Antiquitäten aus – darunter eine 2 Millionen Dollar teure Mahagoni-Schreibkommode.92 Als 1988 Laura, Steinbergs Tochter aus erster Ehe, Jonathan Tisch, einen Spross der CBS-Eigentümerfamilie Tisch heiratete, mietete Steinberg das Metropolitan Museum für die Feier. 500 Gäste feierten in dem unter anderem mit 50 000 französischen Rosen dekorierten Museum. Die Aura einer Königshochzeit, die von dem Ereignis ausging, ließ sich der »Master of the Universe«, als den sich Steinberg selbst sah, 3 Millionen Dollar kosten. Die Investition erwies sich als nicht sehr langfristig, denn die Ehe zerbrach wenige Jahre später. 1989 übertraf sich Gayfryd Steinberg bei der Feier zum 50. Geburtstag ihres Mannes selbst. Wie in reichen Adelsfamilien früherer Jahrhunderte üblich, fuhr sie zehn »tableaux vivants« auf, Darstellungen alter Kunstwerke mit Schauspielern aus Fleisch und Blut. Die Gäste, darunter James Wolfensohn, der heutige Direk-
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tor der Weltbank, waren von der 1 Million Dollar teuren Party ungeheuer beeindruckt. Wolfensohn forderte die nackte Darstellerin von Rembrandts Meisterwerk »Danae« zum Tanz auf.93 Die Geldmaschine Reliance gerät ins Stottern. In den 90er Jahren
verblasste Steinbergs Mythos zusehends. Mit dem Versiegen der JunkBonds als Hebel für Firmenübernahmen war es nach Michael Milkens Verhaftung vorbei. Saul Steinberg beschloss, sich mehr um das Versicherungsgeschäft zu kümmern. Doch 1995 erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nur langsam wieder erholte. Ein Arm und ein Bein blieben teilweise gelähmt. Der Vorfall machte auch deutlich, wie wenig sich die Steinbergs, denen etwa 35 Prozent von Reliance gehörte, um die Rechte der restlichen Aktionäre scherten. Den Zusammenbruch des Firmenchefs Saul verheimlichten sie sechs Wochen lang vor der Öffentlichkeit. Mit dem allgemeinen Aufschwung der Aktienmärkte stieg aber auch die Reliance-Aktie, die sich lange nur im einstelligen Bereich bewegt hatte, 1998 auf knapp 20 Dollar. Ende 1998 meldete Reliance Nettoeinnahmen in Höhe von 326 Millionen Dollar, 97 Millionen Dollar mehr als im Vorjahr.94 Doch bald danach folgte – auch im Zuge eines allgemeinen Niedergangs der Versicherungsaktien – der Absturz. Es zeigte sich, dass vieles bei Reliance auf Sand gebaut war. Die Versicherung hatte eine äußerst aggressive Wachstumspolitik betrieben und Verträge in Hochrisikobereichen abgeschlossen. Um Versicherungspolicen an Land zu ziehen, hatte Reliance die Kostendeckung vernachlässigt. So kam zwar durch Beitragszahlungen ständig neues Geld in die Firmenkasse. Dieses reichte aber nicht aus, die Risiken wirklich abzudecken. Dennoch wurde es munter für Dividendenzahlungen ausgegeben – von denen Mehrheitsaktionär Steinberg am meisten profitierte. Dazu kamen Zinszahlungen in Höhe von 62 Millionen Dollar. Zum Fiasko wurde für Reliance 1999, dass man den Versicherer Unicover über 1,4 Milliarden Dollar rückversichert hatte – viel zu billig, wie sich herausstellte. Tatsächlich zahlte Reliance 170 Millionen Dollar drauf. Zudem musste Steinberg für versicherte Giftmülltransporte 400 Millionen Dollar abschreiben. Hinzu kam eine
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bevorstehende Herabstufung durch die Rating-Agenturen. Die Aktie fiel daraufhin von fast 20 auf knapp 3 Dollar.95 Das Imperium zerbricht. All das brachte Saul Steinberg lange nicht
dazu umzusteuern. Im Gegenteil: Die Familie, die insgesamt 43 Prozent an Reliance besaß, hatte in den 90er Jahren Dividenden in Höhe von 170 Millionen Dollar kassiert. Bobby und Saul hatten sich allein 1998 je 8 Millionen Dollar Gehalt genehmigt. Nach und nach zerbrach das Steinberg-Imperium in 1 000 Scherben. Auch der Rauswurf von Bruder Bobby im November 1999 nach 35 Jahren gemeinsamer Arbeit beruhigte die Börse nicht mehr. Obwohl Reliance sein Hauptversicherungsgeschäft im Februar 2000 für 580 Millionen Dollar an Travelers Property Casuality96 verkaufte, schloss das Unternehmen das Geschäftsjahr mit einem Minus von 311 Millionen Dollar ab. Im Jahr 2001 begann auch der Ausverkauf von Saul und Gayfryd Steinbergs persönlicher Habe. Das Apartment ging für 37 Millionen Dollar weg – die höchste bis dahin bezahlte Summe für ein Apartment in New York. Die darin versammelte Sammlung alter Meister brachte 50 Millionen Dollar, die antiken Möbel wurden für 12 Millionen Dollar verschleudert. Im Juni 2001 musste Reliance angesichts eines drohenden 2-Milliarden-Dollar-Lochs in der Kasse Konkurs anmelden. Auch die Steinbergs wurden nun für ihre Verhältnisse bescheiden. Sie zogen in ein Hotelapartment an der Madison Avenue mit lediglich drei Schlafzimmern. Von dort aus führte Saul Steinberg den juristischen Streit mit seiner Mutter, die ihn auf Rückzahlung von 4,7 Millionen Dollar verklagt hatte, die er ihr schulde.
Jagdrevier Deutschland: Die Schonzeit ist vorbei
Auch in Deutschland entspann sich mit dem Aktienboom der 90er Jahre die Diskussion über Shareholder-Value und Unternehmenskontrolle. Allerdings unterscheiden sich die Firmenlandschaft und die Kapitalmärkte immer noch erheblich von denen der USA und der anderen europäischen Länder. Da in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg die Unternehmensfinanzierung hauptsächlich über die Banken und nicht über die Börse lief, ist die Eigenkapitaldecke der Firmen hier dünner, und die Kapitalmärkte sind insgesamt schwächer ausgebildet. Das war nicht immer so. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörten die deutschen Kapitalmärkte zu den bestentwickelten der Welt. 1914 waren fast 1 200 deutsche Unternehmen börsennotiert, doppelt so viele wie damals an der New York Stock Exchange (NYSE).1 Heute haben sich die Zahlen ins Gegenteil verkehrt: Während im September 2002 hierzulande 729 inländische Unternehmen im regulierten Markt an den Börsen gehandelt wurden, waren zum gleichen Zeitpunkt in den USA an den drei großen Börsen die Papiere von 5 775 Firmen gelistet.2 Der Grund für die gegenläufige Entwicklung ist klar: In Deutschland wurde die einst blühende Aktienkultur, die sich auch in 300 Börsengängen zwischen 1905 und 1914 widerspiegelte, unter dem Schutt zweier Weltkriege begraben. Bis zum publikumswirksamen Börsengang der Deutschen Telekom 1996 und der Etablierung des Neuen Marktes 1997 fand das Geschehen an den Börsen außerhalb der Wirtschaftsspalten der Zeitungen kaum Beachtung. In den USA hingegen verlief die Entwicklung anders: Hier wurde die Aktie auch nach dem
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Schock des Börsencrashs von 1929 wieder eine Anlageform, in die nicht nur die High Society investierte, sondern in die auch Mittelstand und Kleinverdiener ihre Spargroschen steckten und so fürs Alter vorsorgten. Eine zweite wichtige Differenz zu den angelsächsischen Ländern findet sich in der in Deutschland extrem anders gearteten Eigentümerstruktur börsennotierter Firmen. »Der Hauptunterschied liegt in der Dominanz von Großaktionären, so genannten Blockholdern. Der Aktienbesitz ist bei uns wesentlich höher konzentriert als in den USA oder Großbritannien – und damit liegen die Machtverhältnisse völlig anders«3, sagt Mark Wahrenburg, Kapitalmarktexperte an der Frankfurter Goethe-Universität. Nur ein Viertel der Aktien ist in Deutschland im Schnitt in Streubesitz und damit frei handelbar, drei Viertel liegen in den Händen von solchen Blockholdern, oft Großunternehmen und Fondsgesellschaften. Sie bestimmen, was auf Hauptversammlungen beschlossen wird, wer in den Aufsichtsrat kommt und welche Strategie das Unternehmen verfolgt. Große Banken verfügen bei Hauptversammlungen oft über zusätzliche Einflussmöglichkeiten. Sie sind häufig nicht nur Großaktionär eines Unternehmens und haben einen Vertreter im Aufsichtsrat, sondern sie haben sich auch die Stimmrechte aus den Aktien übertragen lassen, die ihre Kunden in den Bankdepots liegen haben. Wie wenig Einfluss Kleinaktionäre angesichts dieser Übermacht der Blockholder haben, sieht man auch daran, dass in Deutschland der größte Anteilseigner einer Gesellschaft im Schnitt 49 Prozent aller Aktien hält, wohingegen in den USA der größte Aktionär im Durchschnitt weniger als 5 Prozent der Anteile besitzt.4 Kein Wunder also, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland und die hier repräsentative Großindustrie für ausländische Investoren im allgemeinen und Raider im besonderen über Jahrzehnte hinweg als uneinnehmbare Festung galten, als hermetisch abgeschottete »Deutschland AG«. Sie heißt so, weil viele große deutsche Aktiengesellschaften an anderen Unternehmen umfangreiche Beteiligungen halten, aber auch untereinander durch Besitzanteile verflochten sind. So hält bei-
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spielsweise die Allianz Anteile an BASF (9,4 Prozent), Bayer (5,7 Prozent), MAN (12,9 Prozent) und RWE (7,55 Prozent). Die Deutsche Bank, der zweite große Pfeiler der »Deutschland AG« hält unter anderem Anteile an DaimlerChrysler (12,1 Prozent), an der Allianz (3,5 Prozent) und mg technologies (9,3 Prozent). Zudem sitzen Vertreter dieser Konzerne jeweils untereinander sowie in der Riege nächstgrößerer Firmen in den Aufsichtsräten, die die Vorstände kontrollieren. Den unerreichten Rekord in Sachen Aufsichtsratssitze hielt der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Hermann Josef Abs mit 24 Mandaten. Die nach ihm benannte »Lex Abs« beschränkte 1965 die Zahl konzernfremder Aufsichtsratsmandate auf zehn. 1998 erfolgte eine Einschränkung der Aufsichtsratssitze auf fünf, wobei ein Aufsichtsratsvorsitz doppelt zählt. Wenn jeder jeden mitkontrolliert oder wenige Große auch viele Kleinere im Blick haben, besteht die Gefahr der Abschottung und Kungelei. Doch es gibt auch Wissenschaftler wie Mark Wahrenburg, die im System dominanter Blockholder durchaus Vorteile erkennen. Er meint: »Ein Blockholder hat durch seinen hohen Anteil wesentlich mehr Anreize zur Überwachung des Unternehmens und zum entsprechenden Eingreifen, wenn etwas schief läuft. In den typischen Unternehmen mit breit gestreutem Aktienbesitz fehlt dieses gesteigerte Interesse von Blockholdern als Kontrollinstanz. Kleinaktionäre haben zwar ein Interesse, aber bei weitem nicht die Möglichkeiten, einem Vorstand auf die Finger zu schauen.«5 In Ländern mit breitem Streubesitz wie den USA seien die Kleinaktionäre »relativ inaktiv«.6 Deshalb werde Fehlentwicklungen dann oft erst von Raidern im Rahmen einer aufwändigen feindlichen Übernahme begegnet. Das Auftreten von Firmenjägern hierzulande sei auch deshalb so lange ausgeblieben, so Mark Wahrenburg, weil »Unternehmenskontrolle in Deutschland wesentlich früher und einfacher abläuft – weil die Blockholder erstens selber überwachen und weil zweitens die Blockholder sich relativ leicht abstimmen können«.7 Wahrenburg scheint in diesem Punkt Recht zu haben: In Deutschland blieben so katastrophale Fir-
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menzusammenbrüche wie in den Vereinigten Staaten bei Worldcom im Jahr 2002 oder bei Enron Ende 2001 bisher aus. Der kriminellen Energie hochrangiger Manager sind im deutschen System engere Grenzen gesetzt.
Die Globalisierung schleift die Festung der »Deutschland AG« Es bedurfte eines unumkehrbaren Megatrends wie der Globalisierung der Weltwirtschaft, um die Festung der »Deutschland AG« zu schleifen. Mit steigender Vernetzung der Waren- und Finanzströme, mit der Zunahme von Arbeitsteilung und Kommunikationsmöglichkeiten hat sich auch der Einfluss der internationalen Kapitalmärkte auf das Wirtschaftsgeschehen der einzelnen Volkswirtschaften erhöht. Nun löst sich Deutschland – notgedrungen – aus seiner Sonderrolle, nutzenorientiertes Shareholder-Value-Denken hält zunehmend in den Chefetagen Einzug. Immer mehr Manager deutscher Firmen betonen, dass sie ihre Aufgabe vor allem darin sehen, den Wert der Firma für ihre Eigentümer, die Aktionäre (Shareholder), zu steigern. Andere beteiligte Interessengruppen (Stakeholder) wie Gewerkschaften oder die Politik verlieren dagegen an Einfluss. Entwickelt hatte sich dieses Geflecht der »Deutschland AG« aus ineinander verwobenen Geldhäusern, Versicherungen und anderen Großkonzernen vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Während es in anderen Ländern üblich war, sich durch einen Börsengang, über die Ausgabe neuer Aktien oder über Anleihen Geld von den Kapitalmärkten zu holen, finanzierten in Deutschland weitgehend die Banken die Expansion von Unternehmen. Wie sich dieser Unterschied konkret in der Firmenfinanzierung auswirkt, zeigen folgende Zahlen, die einer Untersuchung von 1994 entstammen.8 Zu jedem Dollar, den deutsche Firmen im Schnitt an den Kapitalmärkten aufnehmen, kommen über 4 Dollar, die sie von Banken als Kredit erhalten. In den USA leihen sich Unternehmen von Banken gerade mal 85 Cents pro Dollar,
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der von den Kapitalmärkten kommt. Dieser Unterschied erklärt sich auch aus den unterschiedlichen Bankensystemen: Während in den USA – zumindest bis zum Jahr 1999 – eine strenge Trennung zwischen konventionellen Banken mit Kundenkreditgeschäft einerseits und im Börsengeschäft tätigen Investmentbanken andererseits existierte,9 gilt in Deutschland das Universalbankprinzip: Banken dürfen hier sowohl Spargroschen einsammeln und Kredite vergeben als auch an der Börse handeln und an Firmenübernahmen mitarbeiten. In dieses geschützte Biotop einzudringen, war ausländischen Investoren lange Zeit fast unmöglich. »Früher galten viele Unternehmen schlicht als gar nicht übernehmbar, weil sie eine festgezurrte Struktur von Aktionären hatten, die nicht verkaufsbereit waren. Selbst wenn Sie einen sehr attraktiven Preis geboten hätten, hätten Sie das Unternehmen nicht kaufen können«10, blickt Kapitalmarktforscher Mark Wahrenburg auf diese Zeit zurück. Nur mit Hilfe der Banken und Versicherungen als Großaktionären war eine unfreundliche Übernahme überhaupt denkbar – gegen sie auf keinen Fall, wie Peter Zillmer von der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar erläutert: »Bis zur Übernahme von Mannesmann gab es in Deutschland insgesamt überhaupt nur ganze vier Versuche einer klassischen feindlichen Übernahme. Oft waren da neben strategischen Investoren Banken als große Anteilseigner mit im Boot. Wenn die Bank bei so einem Übernahmeversuch nicht mitspielt, zum Beispiel weil das Zielunternehmen gleichzeitig auch Kreditkunde bei der Bank ist, kann man so eine Übernahme überhaupt nicht durchziehen.«11 Kleine Risse in der deutschen Festung zeigten sich zum ersten Mal 1990. In der Euphorie der deutschen Wiedervereinigung ging ein wenig unter, dass der italienische Pirelli-Konzern Unerhörtes plante: Er wollte sich den deutschen Reifenhersteller Continental einverleiben. Doch obwohl die Italiener die beiden Continental-Großaktionäre Deutsche Bank und Allianz Versicherung zunächst hinter sich wussten, klappte die feindliche Übernahme nicht. Continental wollte partout nicht übernommen werden, und Pirelli hatte es nicht geschafft, wie bereits vorab behauptet, 51 Prozent der Anteile aufzu-
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kaufen. Zwar war die Übernahme fehlgeschlagen, doch war dabei offenkundig geworden, dass im Kern der »Deutschland AG«, in dem, was sie im Innersten zusammenhielt, etwas passiert war: Man dachte nicht mehr national, sondern global.
Der Wandel in den 90er Jahren Als Kern der »Deutschland AG« gelten die großen Banken und Versicherungen. An der Spitze stehen die Deutsche Bank sowie der Münchener Versicherungskonzern Allianz. Daneben spielen auch noch die Rückversicherung Münchener Rück sowie die HypoVereinsbank Group (HVB), die Commerzbank und die Westdeutsche Landesbank (WestLB) eine wichtige Rolle. Die Deutsche Bank, als private Universalbank während des deutschfranzösischen Krieges 1870 gegründet, war von Anfang an personell eng mit Industrieunternehmen verbunden. Über die Aufsichtsratsmandate, die sie in wichtigen deutschen Unternehmen hielt und immer noch hält, baute die Deutsche Bank – wie ihre kleineren Konkurrenten auch – zum einen langfristige Beziehungen zu Kunden auf, denen sie als Hausbank und alleiniger Kreditgeber diente. Der Vorteil für den Kunden lag in Krediten mit günstigeren Konditionen. Zum anderen aber besaß die Bank durch das Aufsichtsratsmandat einen weitgehenden Einblick in den Zustand des Unternehmens, was auch schnelle Reaktionsmöglichkeiten bei Problemen bedeutete. Da der Aufsichtsrat den Vorstand kontrolliert, konnte die Bank sofort und direkt an entscheidender Stelle auf bestimmte Entscheidungen hinwirken. Diese Konstruktion senkte die Konkurshäufigkeit der Firmen und war damit für die Banken ein probates Mittel, das Risiko von Kreditausfällen zu minimieren – ein elementares Interesse aller Kreditinstitute. Da aber die großen Banken im Laufe der Jahre zu vielen Unternehmen solche engen und langfristigen Beziehungen aufbauten und ihr vorrangiges Interesse die Absicherung der Kredite war, wurden sie zu treibenden Kräften von Kartellen, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg
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häufig existierten. Der Vorteil der Kartelle aus Sicht der Banken lag darin, dass – bis auf die Verbraucher – alle ein Stück vom Kuchen abbekamen und damit wiederum Konkursrisiken gesenkt wurden. Durch die Absprachen unter den Konkurrenten wurde beispielsweise in Krisenzeiten dafür gesorgt, dass die Produktion eines Gutes von allen Anbietern gedrosselt und damit der Preisverfall aufgrund eines Überangebots vermieden wurde. Diese Stabilität der Betriebe stellte wiederum sicher, dass sie ihre Kredite zurückzahlen konnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Kartelle verboten. Da aber die handelnden Personen bei vielen Banken und Unternehmen die gleichen geblieben waren, konnten Elemente der »regulierten Konkurrenz«12, auch als »Rheinischer Kapitalismus« bekannt, in Ansätzen noch fast fünf Jahrzehnte lang weiterfunktionieren – und tun es teilweise immer noch, da sich der Umbruch nicht von heute auf morgen vollzieht. Ein Beispiel dafür, wie Politik und Banken immer noch Industriepolitik betreiben, war die drohende Pleite der Düsseldorfer Ferienfluglinie LTU im Herbst 2001. Dem Unternehmen, dem eigentlich nicht mehr zu helfen war und das gerade noch Geld für 14 Tage hatte, griff nicht nur die WestLB als verlängerter Arm der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit einer Bürgschaft über 240 Millionen Mark unter die Arme. Auch der LTU-Anteilseigner Rewe musste einen 80-Millionen-Mark-Kredit zuschießen. Dass auch noch die Stadtsparkasse Düsseldorf 49,9 Prozent der LTU treuhänderisch übernehmen musste, werten Wirtschaftsexperten als Musterbeispiel für rheinische Klüngelei.
Die Deutsche Bank gibt der »Deutschland AG« keinen Kredit mehr
Doch das alte System begann ab dem Zeitpunkt zu knirschen, als die Deutsche Bank, und mit ihr auch andere große Privatbanken, ihre Unternehmensstrategie fundamental veränderte: weg von der Kreditbank und hin zum Investmentbanking.
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Weg von der Kreditbank – hin zum Investmentbanking. Investmentbanken beraten, vermitteln und helfen bei Fusionen oder Unternehmensaufkäufen – und zwar der einen wie der anderen Seite –, sie beschaffen auch Geld über Anleihen oder Aktienausgaben. Und bei all diesen Leistungen verdienen sie viel Geld über Gebühren und Provisionen. Ob eine Fusion dann wirklich funktioniert – was oftmals nicht der Fall ist – interessiert die Investmentbank nicht, da sie bereits kassiert hat. Für eine Kreditbank ist dagegen die Frage des Erfolgs bei einer Fusion absolut wichtig, da es um die Sicherheit ihrer ausgegebenen Kredite geht. Eigenes unternehmerisches Engagement ist beim smarten Investmentbanking nicht mehr nötig, es ist sogar hinderlich. Investmentbanking kann zum Problem für andere Sparten der Bank werden. So kann es beispielsweise der Kreditabteilung einer Bank, die ja damit Geschäfte macht, Unternehmen zu finanzieren, nicht ins Konzept passen, wenn die Investmentabteilung derselben Bank eine Firma an die Börse bringt – ein Kunde weniger. Denn das Geld, das der Börsengang in die Kasse des Unternehmens spült, macht es erst einmal weitgehend unabhängig von Bankkrediten. Investmentbanking kann aber auch zu handfesten Interessenkonflikten führen, wie sich 1997 bei dem Versuch der Übernahme von Thyssen durch Krupp zeigte. Krupp-Chef Gerhard Cromme hatte unter anderem die Deutsche Bank für die Ausarbeitung eines Übernahmeplans engagiert. Diese hatte akzeptiert, obwohl ihr Vorstandsmitglied Ulrich Cartellieri im Aufsichtsrat des Zielunternehmens Thyssen saß. Dort fiel erst später auf, dass Cartellieri in wichtigen Sitzungen über die Zukunft von Thyssen plötzlich sehr wortkarg geworden war, sich aber viele Notizen gemacht hatte.13 Diese Rolle als Doppelagent spielte in abgewandelter Form auch die Dresdner Bank. Auch wenn die Banken kein Schuldbewusstsein an den Tag legten und ihre Rolle als Ausverkäufer der einstigen »Deutschland AG« nicht leugneten – Interessenkonflikte wie im Fall Cartellieri wären im Mutterland des Shareholder-Value, den USA, schon allein aufgrund des unterschiedlichen Bankensystems kaum denkbar gewesen. Die Ab-
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kehr der Privatbanken vom Kreditgeschäft und die ständig stärkere Ausrichtung auf das Investmentbanking hat viele Gründe. Zum einen verdiente man im Privatkundengeschäft immer weniger Geld, zum anderen brachte das Investmentbanking den Banken erheblich höhere Summen ein – durch die Gebühren und die prozentuale Beteiligung am Übernahmevolumen. Im Kreditgeschäft mit Firmenkunden wurde dagegen die Konkurrenz immer größer. Das Hausbank-Prinzip wurde zunehmend ausgehöhlt, da nun auch Sparkassen, Landesbanken und Genossenschaftsbanken ins Kreditgeschäft mit großen Firmen drängten. Gleichzeitig hatten spektakuläre Pleiten wie die der Metallgesellschaft im Jahr 1993 oder des schillernden Bauunternehmers Jürgen Schneider 1994 auch an der Spitze der Deutschen Bank Zweifel genährt, ob die Konstruktion der »Deutschland AG« wirklich noch vor Konkursen schützen und damit Kredite sichern konnte. Kann sie das aber nicht – was ist dann die deutschlandweite Unternehmensverflechtung überhaupt noch wert? Gar nichts mehr, wie sich zuletzt am Niedergang des Medienmoguls Leo Kirch zeigte. Dessen finalen Fall leitete der damalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank Rolf Breuer ein, als er Kirch am 4. Februar 2002 öffentlich für kreditunwürdig erklärte. Er sagte: »Die Finanzbranche ist unter den gegebenen Umständen nicht bereit, Kirch weitere Mittel zur Verfügung zu stellen.«14 Unter Breuer-Vorgänger Hilmar Kopper hatte die Deutsche Bank schon Kurs auf das Investmentbanking genommen, Breuer selbst gab ihm Priorität. Zeitweilig liebäugelte er sogar mit dem Verkauf des Privatkundengeschäfts. Sein Nachfolger, der Schweizer Josef Ackermann, kommt selbst aus dem Investmentbanking. Für ihn schlägt das Herz der Bank nicht mehr in Frankfurt, sondern in der europäischen Kapitalmetropole London. Ackermann hat nach angelsächsischem Vorbild neue Vorstandsstrukturen mit einem starken Mann an der Spitze eingeführt und damit mehr Macht als je ein Deutsche-BankChef vor ihm. Den Ausbau des Investmentbankings will er weiter forcieren und die Industriebeteiligungen »zügig abstoßen«.15 Am 5. November 2002 verkaufte die Deutsche Bank ihren Anteil von 7,5 Prozent
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am Reifenhersteller Continental für 142 Millionen Euro an institutionelle Investoren. Die »Deutschland AG« kommt im Weltbild Ackermanns nicht mehr vor.
Auch Allianz und Münchener Rück ändern ihre Strategien
Weitere Hauptakteure der »Deutschland AG« sind die Allianz Versicherung und – in geringerem Maße – die Münchener Rück. Beide Versicherungen haben viel gemeinsam. Carl Thieme hatte erst die Münchener Rück und dann die Allianz gegründet, und beide Unternehmen haben ihren Sitz in München, an der Königinstraße, gleich am Englischen Garten. Doch nicht nur räumliche Nähe kennzeichnet das Verhältnis. Münchener Rück und Allianz teilen auch eine konservative Grundhaltung, ein zurückhaltendes und diskretes Geschäftsgebaren. Über ihre breit gefächerten Beteiligungen waren und sind sie immer noch die dezenten Wortführer und Dealmaker im Hintergrund – und sie halten wesentliche Anteile aneinander. So gehört die Allianz zu 20 Prozent der Münchener Rück. Diese ist wiederum zu 20 Prozent im Besitz der Allianz. Bis zum Mai 2002 lag diese Überkreuzverflechtung um jeweils 5 Prozent höher, lange Jahre hatte sie sogar 30 Prozent betragen. Im Gegensatz zur Deutschen Bank, die von Anfang an eng mit der Großindustrie liiert war, sind die Unternehmensbeteiligungen der Versicherungen ein Kind der Nachkriegszeit und eher als Reaktion auf politische Vorgaben zu sehen. In den ersten Jahren nach dem Krieg war die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien kein Tabuthema, 1947 war sie sogar Teil des Ahlener Programms der CDU gewesen. So wurde es als nicht ungewöhnlich angesehen, für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg die deutschen Finanzunternehmen für die Allgemeinheit einzuspannen. Das Investitionshilfegesetz von 1951 nahm sie in die Pflicht, mit einem Milliardenkredit der darnieder liegenden deutschen Industrie wieder auf die Beine zu helfen. Gegen diese Gängelung durch die Politik wehrte sich der damalige Allianz-Vor-
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standschef Gerd Müller vehement: »Von manchen Politikern wird es heute nahezu als eine Selbstverständlichkeit angesehen, dass unsere Anlagemittel für alle möglichen Interessen der Wirtschaftspolitik eingesetzt werden können – und zwar am einfachsten durch Befehl oder Anweisung von oben, das heißt durch Zwang … Gegen solche Versuche werden wir uns mit allem Nachdruck wenden müssen.«16 Der eigene Weg der Allianz sah dann so aus, dass man dem Investitionshilfegesetz nicht nur wie andere Versicherungen durch die Ausgabe von Schuldscheindarlehen nachkam, sondern sich auch direkt an Unternehmen beteiligte. Als die Welt bald danach das deutsche Wirtschaftswunder bestaunte, war die Allianz durch ihre Miteigentümerschaft an Industrieunternehmen unmittelbarer Nutznießer des Aufschwungs. Beflügelt vom unerwartet großen Erfolg baute man nach und nach immer mehr Industriebeteiligungen und Überkreuzverflechtungen auf und verkaufte nur selten. Auf diese Weise bildete die Allianz so genannte stille Reserven, die sich Ende 1997 auf geschätzte 60 Milliarden Mark beliefen.17 Nach einer Untersuchung des ifo-Instituts aus dem Jahr 1999 ist die Allianz von allen deutschen Unternehmen am stärksten mit anderen Unternehmen durch Überkreuz- oder Ringverflechtungen verbunden.18 Doch löst sich die Versicherung bereits seit langem von ihrer früheren Deutschland-Fixierung. Schon in den 70er Jahren wurde der Fokus der Beteiligungen auf europäische Unternehmen ausgeweitet. In den 90er Jahren drehte man die Blende vollends auf: Seither schaut man sich unter Renditegesichtspunkten auf dem gesamten Globus um. Den Abschied von der »Deutschland AG« fördert auch die Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder. Seit Anfang 2002 sind Gewinne, die durch den Verkauf von Beteiligungen entstehen, steuerfrei (vgl. auch Kapitel »Das Kleingedruckte in der rot-grünen Steuerreform«, S. 102–104). Allfinanzkonzepte der Versicherungen. Es gab bei den Versicherun-
gen aber auch noch einen anderen Grund für die Neusortierung ihres Beteiligungsportfolios: die strategische Hinwendung zu so genannten Allfinanzkonzepten. Allfinanz heißt, dass der Kunde Bank- und Ver-
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sicherungsdienstleistungen aus einer Hand erhalten kann. Die Renaissance der Allfinanzstrategie, die bereits in den 80er Jahren populär war und dann wieder in der Versenkung verschwand, erklärt sich aus den Umstellungen der Sozialversicherungssysteme in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die Ergänzung der staatlichen Rente durch öffentlich geforderte und staatlich geförderte private und betriebliche Renten verspricht für Finanzanbieter ein Milliardengeschäft zu werden. Mit dem Kauf der Dresdner Bank im Jahr 2001 versuchte sich der Versicherungsriese Allianz für die Zukunft zu wappnen –»eine der größten unternehmerischen Zusammenführungen«19 in Europa. Anfang 2001 begannen die Gespräche über die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz, am 19. Juli 2001 wurde der Zusammenschluss von der Brüsseler Kartellbehörde genehmigt. Das Finanzkonglomerat aus Allianz und Dresdner Bank war im Frühjahr 2002 dem Börsenwert nach die Nummer eins unter den europäischen Finanzinstituten; weltweit lag sie auf Platz drei.20 Die Münchener Rück hat ihren Anteil in Höhe von 25,7 Prozent an Deutschlands zweitgrößter Bank, der HypoVereinsbank Group (HVB), bisher noch nicht erhöht. Sie beobachtet erst einmal, ob die Verschmelzung der Dresdner Bank in die Allianz wirklich Erfolg hat. Sollte dies – trotz erkennbar großer Probleme – der Fall sein, rechnen viele Beobachter damit, dass die Münchener Rück dem Beispiel des Nachbars aus der Königinstraße folgen und die HVB mehrheitlich übernehmen wird. Gleichzeitig baut die HVB ihren Anteil an der Allianz bereits kontinuierlich ab. Nachdem sie ihn bereits im Jahr 2001 von 6,8 auf 6,2 Prozent reduziert hatte, verkaufte sie im Jahr 2002 nochmals Anteile, so dass sie nun nur noch 4,6 Prozent hält. Es wird immer deutlicher, dass – ob mit oder ohne vollständige Übernahme – die Münchener Rück mit der HVB als zweiter großer Finanzanbieter die Globalisierung meistern will. Jochen Sanio, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, wies im April 2002 darauf hin, dass der Verbund nach Börsenkapitalisierung Nummer zwei, weltweit immerhin Nummer vier ist.21
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Vater Staat putzt die Börse für den globalen Investor heraus Der Prozess der Entflechtung der »Deutschland AG« und das sprunghafte Anwachsen der deutschen Kapitalmärkte am Ende der 90er Jahre ist auch eingebettet in die Weiterentwicklung der Europäischen Union. Herausragend war dabei die Entscheidung für den Euro als gemeinsame Währung, die Europa und damit auch Deutschland für internationale Investoren als Finanzplatz attraktiver machten. Der Entflechtung liegen aber auch wesentliche gesetzliche und institutionelle Voraussetzungen zugrunde, die im Laufe des Jahrzehnts geschaffen wurden.22 Bevor es zu all diesen Veränderungen kam, so Mark Wahrenburg, »war der deutsche Markt für ausländische Investoren sozusagen ein Buch mit sieben Siegeln, weil man überhaupt nicht wusste, wie hier die Märkte funktionieren. Nun hat man sich, vor allem durch die Finanzmarktförderungsgesetze, relativ stark an die angelsächsischen Standards angelehnt. Das macht es ausländischen Investoren erheblich leichter, in Deutschland Aktien zu kaufen, und das wird diesen Trend künftig noch erheblich beschleunigen.«23
Neue Gesetze für den Kapitalmarkt
Vor 1990 existierte in Deutschland keine einheitliche Kapitalmarktgesetzgebung. Der Aktienhandel und die Neuemission von Aktien wurden in verschiedenen Gesetzen behandelt, deren ältestes das Börsengesetz aus dem Jahr 1896 war. Kapitalmarktrechtliche Integrationsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft wie die Börsenzulassungsrichtlinie von 1979 und die Börsenprospektrichtlinie von 1980 erforderten eine Umsetzung in nationales Recht. Sie waren wesentlich dafür verantwortlich, dass in Deutschland erstmals 1990 das Verkaufsprospektgesetz den Schutz von Anlegern zum Thema hatte, indem es die Voraussetzungen für die Neuausgabe von Aktien klar definierte. Noch im gleichen Jahr trat das Erste Finanzmarktför-
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derungsgesetz in Kraft. Es enthielt Änderungen des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAAG) und des Auslandinvestmentgesetzes und schaffte einige Steuern ab. Ein nächster Schritt, der aus der Notwendigkeit entsprang, die Internationalisierung der Märkte nicht zu verpassen, kam 1993 mit der Privatisierung der Frankfurter Wertpapierbörse, aus der die Deutsche Börse AG entstand. Noch im gleichen Jahr stellte sich die Daimler-Benz AG der Globalisierung, indem sie sich an der New York Stock Exchange listen ließ und sich damit den US-amerikanischen Bilanzierungsvorschriften unterwerfen musste. Beides waren Schritte mit Signalwirkung. Sie besagten: Der deutsche Aktienmarkt und die deutschen Unternehmen wollen global in der obersten Liga mitspielen. Einen echten Meilenstein auf dem Weg zum internationalen Kapitalmarkt stellte 1994 das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz dar. Es präsentierte erstmals eine vollständig überarbeitete Finanzgesetzgebung, die sich an internationalen Standards orientierte. Vor allem aber legte es im darin eingebetteten Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) erstmals den Fokus auf den Schutz der Anleger vor einer Schädigung durch Insiderhandel. Dazu wurde eine deutlich ausgeweitete Informationspflicht der börsennotierten Unternehmen festgeschrieben. Dem Anlegerschutz wie auch dem korrekten Ablauf des Börsenhandels diente eine weitere Novität für den deutschen Aktienmarkt: Anfang 1995 nahm das neugeschaffene Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) seine Arbeit auf. Es arbeitete als unabhängige Behörde unter Aufsicht des Finanzministeriums und sollte korrekte Abläufe und Transparenz an den Finanzmärkten garantieren. Die Schaffung des BAWe orientierte sich an der amerikanischen Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) und sollte bei Verdachtsfällen selbstständig aktiv werden. Da es jedoch mit seinen 140 Mitarbeitern weder personell noch von den Kompetenzen her ausreichend ausgestattet war und sich schon gar nicht mit der 3 000 Mitarbeiter starken SEC vergleichen konnte, wurde die Behörde von Presse und Anlegerschutzverbänden eher als »zahnloser Tiger« und schwerfälliger Beam-
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tenapparat eingestuft, mündeten doch die Ermittlungen des BAWe auch kaum je in gerichtlichen Verfahren mit harten Strafen. Die im Jahr 2001 aufgenommenen 55 Untersuchungen zu Insiderdelikten führten beispielsweise nur zu einem rechtskräftigen Strafbefehl und zu einer rechtskräftigen Verurteilung.24 So wurde das BAWe nach den Insiderskandalen, Bilanzfälschungen und Betrugsfällen, die mit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes einhergingen, nochmals reformiert. Im Mai 2002 wurde mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) eine zentrale Behörde geschaffen, die Banken, Versicherungen, Aktienmärkte und Fondsanbieter gleichermaßen beaufsichtigen soll.25 Inwieweit die neue Anstalt effektiver kontrollieren und Börsensünder abstrafen kann, wird sich erst erweisen müssen. Bis zu den strengen Insiderregelungen, die im Wertpapierhandelsgesetz 1994 festgelegt wurden, hatte es seit 1970 lediglich eine freiwillige Insiderregel gegeben, die nicht internationalen Gepflogenheiten entsprach und die potenziellen Täter nicht sonderlich abschreckte. Ihre Einhaltung wurde nur von einer börseninternen Kommission überprüft – ebenfalls ein »zahnloser Tiger«. Mehr Transparenz und Anlegerschutz brachte die Einführung einer Ad-hoc-Mitteilungspflicht zum 1. Januar 1995: Sie verpflichtete die börsennotierten Unternehmen, ohne Verzögerung sämtliche firmeninternen oder privaten Informationen unverzüglich öffentlich zu machen, die Auswirkungen auf den Kurs haben könnten. Das BAWe konnte bei Unterlassungen und kriminellen Vorgängen Strafen bis zu 3 Millionen Mark verhängen. Allerdings zeigte sich in der Praxis, dass die Auffassungen darüber, was veröffentlichungspflichtig ist, sehr weit auseinander gingen. Vor allem Firmen am Wachstumssegment Neuer Markt nutzten die Ad-hoc-Mitteilung als billiges PR-Instrument, indem sie schon die Anbahnung eines Vertragsabschlusses regelmäßig als »Meilenstein« in der Unternehmensgeschichte feierten und die Nachrichtenagenturen damit überschwemmten. So stieg die Zahl der Ad-hoc-Mitteilungen von 991 im Jahr 1995 auf 5 693 im Jahr 2000.26
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Internationale Aufmerksamkeit durch Telekom und Neuen Markt
Den größten Entwicklungsschub erfuhr die innerdeutsche Aktienkultur in der zweiten Hälfte der 90er Jahre und zog dadurch die internationale Aufmerksamkeit auf sich. Offenkundig wurde dies 1996, als die Telekom nicht nur den größten Börsengang Europas schaffte, sondern mit der gleichzeitigen Listung in New York auch für den Anschluss Deutschlands an die globalisierten Märkte stand. Die Präsenz an einer amerikanischen Börse bringt für deutsche Unternehmen einen ganz konkreten Vorteil: Sie können von diesem Zeitpunkt an für den Kauf eines US-Unternehmens ihre eigenen amerikanischen Aktien im Tausch anbieten. Die Deutsche Telekom nutzte diese Möglichkeit im Juli 2000 beim Kauf des amerikanischen Mobilfunkanbieters Voicestream. Den Kaufpreis in Höhe von 50,7 Milliarden Dollar zahlte sie zum Großteil in Eigenwährung, indem sie den Voicestream-Anlegern für jede ihrer Aktien 3,2 Telekom-Aktien plus 30 Dollar in bar anbot. Nur vier Monate später, im März 1997, fiel der Startschuss der Deutschen Börse für den Neuen Markt, an dem in Sachen Transparenz und Bilanzierung weltweit akzeptierte Standards galten, und der sich daher schnell international etablierte. Den Erfolg für das deutsche Börsenwesen sah man bereits daran, dass die Anleger – nicht nur aus Deutschland – in den ersten vier Jahren mit ihrem Kapital etwa 300 Unternehmen zum Börsengang an den Neuen Markt verhalfen. Fünf Jahre später zeigte sich allerdings gerade am Beispiel der beiden einstigen Vorzeigeobjekte Deutsche Telekom und Neuer Markt, dass Internationalisierung keine Einbahnstraße zum Erfolg ist. Vor allem das Kapital der internationalen Anleger wurde schnell aus dem skandalgeplagten Segment Neuer Markt zurückgezogen, und auch mit der hoch verschuldeten Deutschen Telekom verlor man zunehmend die Geduld. Hier zeigte sich auch die Kehrseite des Bezahlens mit eigenen Aktien, wie es die Telekom bei Voicestream praktiziert hatte. Viele Anleger verkauften die Telekom-Aktien kurz nach Ablauf der jeweiligen Haltefrist und trugen damit nicht unwesentlich zum Kursverfall der Aktie bei. Trotz vieler negativer Folgen, die auf den
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zeitweiligen Überschwang folgten, waren diese Initialzündungen damals aber wichtig, um Deutschland erstmals weltweit in den Fokus der Anleger zu rücken. Dazu trug auch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz bei, das 1998 durch diverse neue Regeln für nicht börsennotierte Unternehmen vor allem der für junge Firmen wichtigen Wagniskapitalfinanzierung einen erheblichen Schub verschaffte. Auch der Boom so genannter Private-Equity-Gesellschaften, die sich seither mit Milliarden bei deutschen Unternehmen einkaufen, erklärt sich aus den Erleichterungen, die das neue Gesetz brachte. Private-Equity-Gesellschaften sammeln privates Kapital, mit dem sie dann unternehmerisch tätig werden – beispielsweise indem sie bei krisengeschüttelten Privatfirmen einsteigen, sie mit neuem Management sanieren und nach einigen Jahren wieder verkaufen. Üblich ist aber auch, dass man börsennotierte Firmen zuerst von der Börse holt (Going Private) und nach einer kompletten Neuausrichtung Jahre später mit großem Gewinn wieder an die Börse bringt (Going Public). Auch mittelständische Familienunternehmen, denen ein geeigneter Nachfolger für die Unternehmensführung fehlt, verkaufen nun zunehmend ihre Firmen an PrivateEquity-Gesellschaften. Sie wissen, dass anschließend ein kompetentes Management die Geschäfte weiterführt, dem an einer Wertsteigerung des Unternehmens gelegen ist. Zwei weitere Gesetze aus dem Jahr 1998 erwiesen sich als der Weiterentwicklung der deutschen Kapitalmärkte förderlich: zum einen das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG), das nun allen börsennotierten Firmen erlaubt, ihr Rechnungswesen auf internationale Bilanzierungsregeln umzustellen; zum anderen das Kontroll- und Transparenzgesetz (KonTraG), das die Möglichkeiten der Überwachungsbehörden wie auch die Offenlegungspflichten auf Seiten der Unternehmen deutlich ausweitet. Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, das seit dem 1. Juli 2002 in Kraft ist, wurde vor allem im Hinblick auf die Selbstbedienungsmentalität am Neuen Markt der Anlegerschutz nochmals verschärft. Seither haben Anleger, die aufgrund einer falschen oder grob
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fahrlässig ausgegebenen Ad-hoc-Mitteilung eine Aktie gekauft haben, Anspruch auf Schadenersatz – allerdings nur gegenüber der Firma, nicht gegenüber den verantwortlichen Managern. Die Urheber falscher Gerüchte können nun für bis zu fünf Jahre ins Gefängnis wandern, wenn dadurch der Kurs beeinflusst wurde. War das nicht der Fall, droht dennoch eine Geldbuße von bis zu 1,5 Millionen Euro. Allerdings sind davon Lügen bei öffentlichen Veranstaltungen und gegenüber Journalisten nicht erfasst. Seit 1. Juli 2002 müssen auch Analysten, die eine Firma beurteilen, Interessenkonflikte – etwa Geschäftsbeziehungen des eigenen Arbeitgebers mit der Firma – öffentlich machen. Eine weitere Neuerung: Die Finanzaufsichtsbehörde darf nun Informationen über Kontoverbindungen direkt bei den Banken abfragen. Dies bezieht sich aber nicht auf die Höhe von Geldbeträgen auf dem Konto oder Überweisungen. Banken müssen von der Norm abweichende Kontendaten melden. Schließlich müssen Vorstände, Aufsichtsräte und ihre Familienmitglieder seit 1. Juli 2002 Käufe und Verkäufe von Aktien des eigenen Unternehmens unverzüglich melden – allerdings nur, wenn es sich um Aktiengeschäfte handelt, die in einem Zeitraum von 30 Tagen den Wert von 25 000 Euro überschritten haben. So positiv diese Änderungen sind, so unvollständig sind sie aus Anlegersicht. Denn auch wenn Anleger nun erfahren, dass Firmenchefs möglicherweise das Vertrauen in die eigenen Aktien verlieren, so tun sie das erst, nachdem diese bereits verkauft haben – und zwar in beträchtlichem Maße. Außerdem ist nicht nachvollziehbar, wieso Vorstände künftig ungestraft gegenüber den Medien lügen dürfen – schließlich kann so der Aktienkurs ganz erheblich beeinflusst werden. Nachvollziehbar ist auch nicht, warum bei falschen Ad-hoc-Mitteilungen nicht der betroffene Manager oder Firmenchef haftbar gemacht werden kann. Diese sind, wie die Negativbeispiele am Neuen Markt belegen, meist noch gut bei Kasse, wenn das Unternehmen längst pleite ist. Ein Hauptkritikpunkt am Vierten Finanzmarktförderungsgesetz ist das Fehlen einer Möglichkeit zur Sammelklage, wie es sie in den USA längst gibt. Damit nimmt man Anlegern die Möglichkeit, Börsensündern gemeinsam kostengünstig auf die Pelle zu rücken. Dies war dem
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Gesetzgeber ausdrücklich von der Regierungskommission Corporate Governance empfohlen worden. Deren Vorsitzender, der Bankenrechtler Prof. Theodor Baums, hatte auch gefordert, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht erst bei vorsätzlicher Falschinformation der Anleger schadenersatzpflichtig zu machen, sondern bereits dann, wenn sie grob fahrlässig gehandelt haben.27
Die Wendemarke: Vodafone sackt Mannesmann ein Spätestens während des Abwehrkampfes des von Klaus Esser geführten deutschen Mischkonzerns Mannesmann gegen die britische Mobilfunkfirma Vodafone Airtouch unter ihrem Vorstandschef Chris Gent um die Jahreswende von 1999 auf 2000 zeigte sich, wie brüchig die Mauern der »Deutschland AG« geworden waren. Keine Bank sprang Mannesmann als »Weißer Ritter« zur Seite und kaufte wesentliche Aktienpakete, um die Briten abzublocken. Gerade von der Deutschen Bank hätte man dies erwartet, war sie doch bereits 1890 an der Gründung der damaligen Mannesmann-Röhren-Werke beteiligt gewesen und bis dahin als Hausbank den Düsseldorfern eng verbunden geblieben. Auch vonseiten der Politik kam nur eine kurze Stellungnahme. Bundeskanzler Gerhard Schröder klagte, als der Übernahmekampf mit dem ersten Vodafone-Gebot im November 1999 seinen Anfang nahm, »Feindliche Übernahmen zerstören die Unternehmenskultur«28 – doch das war es dann auch. Noch zwei Jahre zuvor, beim Krupp-Gebot für Thyssen, hatten Gewerkschaften und Politiker die »Wildwest-Methoden«29 von Krupp angeprangert. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hatte sogar versucht, direkt Einfluss zu nehmen, und bei beiden Firmen soziale Verantwortung angemahnt. Doch solche Argumente zählten nun nicht mehr. Es herrschte Börseneuphorie, der Wind hatte sich gedreht. Und hatte nicht auch gerade ein Jahr vor der Vodafone-Offerte das schwäbische Traditionsunternehmen Daimler-Benz den US-Autoriesen Chrysler übernommen?
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Was nun folgte, war ein klassischer Übernahmekampf im Zeichen des Shareholder-Value. Beide Seiten steckten insgesamt geschätzte 400 Millionen Mark in eine beispiellose Anzeigenkampagne, die dazu beitrug, den deutschen Zeitungsverlegern im Jahr 2000 das beste Geschäft ihrer Geschichte zu bescheren. Im Januar 2000 hat allein die Bild-Zeitung davon 25 Millionen Mark auf ihren Konten gesehen. Doch es ging längst nicht mehr um die Frage: Bleibt Mannesmann deutsch oder nicht? Es ging einzig und allein darum, die Aktionäre vom jeweils besseren Konzept für die Zukunft der Firma zu überzeugen. Mannesmann-Chef Esser brachte keinerlei nationale Ressentiments aufs Tapet, wie dies in der Stimmungslage einige Jahre zuvor noch gut denkbar gewesen wäre. Im Gegenteil: Er betonte seine Shareholder-Value-Ausrichtung, als er sagte: »Das Angebot ist unerwünscht und für die Aktionäre wertmäßig äußerst unattraktiv.«30 Ebenso argumentierte Esser rein unternehmensstrategisch, als er erklärte, dass man den Aktionären nicht empfehlen könne, »das Wachstumspotenzial von Mannesmann aufzugeben«.31 So holte der Mannesmann-Chef für die Anteilseigner durch sein hartnäckiges Verhandeln tatsächlich ein zweimal verbessertes Übernahmeangebot heraus. Ursprünglich hatte Vodafone etwa 200 Milliarden Mark bezahlen wollen, erhöhte dann aber auf 242 Milliarden Mark. Im Februar 2000 einigte sich man auf einen 49,5-Prozent-Anteil der Mannesmann-Aktionäre an Vodafone, der knapp 400 Milliarden Mark wert war. Bezahlt wurde aber nicht bar. Jeder Aktionär erhielt pro Mannesmann-Aktie 58,9 Vodafone-Aktien. Diese Lösung wurde auch von den Politikern für gut befunden. Schließlich entsprach sie auch genau dem Ziel einer dynamisch umgestalteten deutschen Unternehmenslandschaft, wie sie durch die in jenen Tagen bekannt gegebene Steuerbefreiung beim Verkauf von Unternehmensanteilen beabsichtigt war. Was die Politiker der Öffentlichkeit damals nicht sagten: Hätte Esser das Angebot weiter abgelehnt, so wäre Vodafone gezwungen gewesen, einen ungeheuer großen Kredit aufzunehmen, um die unwilligen Aktionäre bar auszuzahlen. Die Gewinnschmälerung, die dies bedeutet hätte, hätte in die Kassen von Bund, Ländern und
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Gemeinden durch ausbleibende Gewerbesteuer tiefe Löcher geschlagen. Als der Düsseldorfer Traditionskonzern als eigenständiges Unternehmen aufhörte zu existieren, zeigte sich allerdings auch, mit welch harten Bandagen im Übernahmegeschäft gekämpft wird. Geschätzte 1,6 Milliarden Mark kostete die Übernahmeschlacht einschließlich aller Kosten für Werbung und Beratung auf beiden Seiten – einschließlich auch etwa 60 Millionen Mark für »Abwehrchef« Klaus Esser.32 Von den Versprechungen Chris Gents, einzelne Konzernteile, wie die Technologiesparte Atecs an die Börse zu bringen, blieb nicht viel übrig – Vodafone brauchte Bargeld. Atecs wurde für 19 Milliarden Mark an Siemens und Bosch weiterverkauft. Die Mannesmann-Röhrenwerke (MRW) AG wurde für 1 Euro von der Salzgitter AG übernommen. Dafür erhöhte diese das Eigenkapital der Röhrenwerke um 750 Millionen Mark. Und schließlich ging noch der Luxusuhrenproduzent LMH für 3,5 Milliarden Mark an die Schweizer Richemont. Die beiden klassischen Gegenpole im Aufsichtsrat – Gewerkschaften und Wirtschaftsführer – bekleckerten sich im Fall Mannesmann nicht mit Ruhm. Schon bei der Krupp/Thyssen-Übernahme-Offerte hatten die Gewerkschaften lautstark gepoltert, nun prangerten sie Essers riesige Abfindung an und vergaßen dabei zu erwähnen, dass IG-Metallchef Klaus Zwickel im Aufsichtsrat genau diese Abfindung für Esser abgezeichnet hatte. Auch der Name des heutigen Vorstandsprechers der Deutschen Bank, Josef Ackermann, steht unter den Abfindungsvereinbarungen. Der damalige Mannesmann-Aufsichtsrat Ackermann verteidigte seine Zustimmung für die »kolossalste Abfindung aller Zeiten«33 damit, dass Esser durch seine geschickte Politik den Unternehmenswert enorm gesteigert habe. Die Rolle der Aufsichtsräte bei der Genehmigung der insgesamt weit über 150 Millionen Mark an Abfindungen für das Mannesmann-Management bis hin zu Angehörigen von Vorstandspensionären34 untersucht mittlerweile der Staatsanwalt.
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Das Ende der »Deutschland AG« und Leo Kirch
Ein anderes Beispiel für das Ende der »Deutschland AG« lieferte der Niedergang von Leo Kirch und seiner bankrotten Firmengruppe. Ausgelöst wurde Kirchs endgültiger Fall durch die öffentliche Äußerung von Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer, der Münchener Medienunternehmer sei nicht mehr kreditwürdig – ein unerhörter Vorgang. Das Kalkül der Deutschen Bank war allein, sich durch ihre gut abgesicherten Kredite ein möglichst großes Stück aus dem Kirch-Kuchen herauszuschneiden und dann möglichst gewinnbringend weiterzuverkaufen. Bei der folgenden Debatte um die Zukunft der KirchGruppe wurde schnell klar, dass es nicht wirklich darum ging, einen ausländischen Investor wie den Medientycoon Rupert Murdoch vom deutschen Markt fernzuhalten, sondern dass alle Seiten lediglich Partikularinteressen verfolgen. Deutschlands Verlage und Medienunternehmen von Bertelsmann bis Springer scheinen lieber unter sich bleiben und den Kirch-Kuchen gemeinsam verspeisen zu wollen. Auch die Politiker, von Gerhard Schröder über Edmund Stoiber bis zu den jeweiligen Länderchefs, schienen weniger die Staatsbürgerschaften Murdochs zu schrecken – er hat einen australischen und einen amerikanischen Pass –, sondern eher die gnadenlose Brutalität, mit der er in seinen Zeitungen und Sendern gegen ihresgleichen schießen lässt, wenn ihm ihre Haltung nicht in den Kram passt. Die Bemühungen, alles im Lande zu belassen, waren erfolgreich. Die Deutsche Bank bekam Kirchs Anteil von 40 Prozent am Springer Verlag und verkaufte davon ein Viertel an Friede Springer weiter, die damit driekt und indirekt 55 Prozent am Axel Springer Verlag hält. Das Kerngeschäft der Kirch-Gruppe mit der Senderkette ProSiebenSat1 soll für etwa 2 Milliarden Euro an den Heinrich Bauer Verlag gehen. »Die Entscheidung ist grundsätzlich gefallen«, sagte KirchMedia-Geschäftsführer Hans-Joachim Ziems.35 Allerdings kündigte der Axel Springer Verlag an, über vertraglich bestehende Vorkaufsrechte seine Anteile an ProSiebenSat1 auf mindestens 25 Prozent erhöhen zu wollen – um damit über eine Sperrminorität zu verfügen.36
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Das Kleingedruckte in der rot-grünen Steuerreform In den 90er Jahren waren die Gesetze geschaffen worden, die die deutschen Kapitalmärkte in einem harmonisierten europäischen Umfeld für internationale Investoren interessant machen sollten. Gleichzeitig verabschiedeten sich in diesem Jahrzehnt deutsche Großkonzerne von den seit Kriegsende geltenden Besonderheiten der deutschen Marktwirtschaft, in der die Gewerkschaften, der Staat und ein großer Kreis von Multi-Aufsichtsräten die Dinge richteten. Nicht mehr der Rheinische Kapitalismus, sondern der reine Kapitalismus des Shareholder-Value war nun angesagt. Einen weiteren, ganz entscheidenden Grund für internationale Investoren, ihr Augenmerk noch mehr auf Deutschland zu richten, schuf ausgerechnet die rot-grüne Regierungskoalition, die sich ansonsten immer wieder dem Vorwurf der Wirtschaftsfeindlichkeit ausgesetzt sah. Erst einige Tage nach ihrer Veröffentlichung entdeckten Analysten kurz vor Weihnachten 1999 im Kleingedruckten der Steuerreform von Finanzminister Hans Eichel eine für sie sensationelle Bescherung: Ab Januar 2002, so stand da zu lesen, sei es möglich, Anteile deutscher Firmen zu verkaufen, ohne dafür einen Cent Steuern zahlen zu müssen.37 Der Hintergrund der Überlegungen des Finanzministers war tatsächlich, die Neustrukturierung in der deutschen Wirtschaft zu fördern. Eichel erklärte: »Die ›Deutschland AG‹ ist erstarrt. Globale Märkte erfordern aber flexible Unternehmen. Auch der Ankauf und der Verkauf von Unternehmen sind normale Vorgänge, die den Wettbewerbsdruck erst an die Unternehmen weitergeben. Ohne diesen Druck erbringen Unternehmen keine optimalen Leistungen. Der Verzicht auf die Besteuerung von Veräußerungserlösen bei Kapitalgesellschaften ist deshalb eine strukturpolitisch sinnvolle, belebende Maßnahme für die deutsche Wirtschaft …«.38 Nicht nur Banken und Versicherungen, sondern auch andere Großkonzerne dachten schon seit geraumer Zeit daran, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und branchenfremde Beteiligungen abzustoßen. Andererseits befürchteten sie die Gier des Fiskus, wenn sie
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sich von ihren zum Teil jahrzehntelang gewachsenen Firmenbeteiligungen trennen würden. So hatte der damalige Vorstandschef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, schon Anfang der 90er Jahre Vorwürfe über die unmäßig große Macht der Banken in der »Deutschland AG« damit gekontert, dass er sich von den zum Teil jahrzehntealten Beteiligungen gern trennen würde – wenn es denn die Steuergesetzgebung zulasse. Trotzdem fielen schon in diese Zeit Aktienverkäufe, die die Unternehmensbeteiligungen der Deutschen Bank auf unter 25 Prozent drücken sollten. Damit wollte die Deutsche Bank im Zuge ihrer internationalen Ausrichtung einem Verdacht begegnen, der sich tendenziell negativ auf den Aktienkurs auswirkte. Denn ab einer Grenze von 25 Prozent sehen US-Investoren einen dominierenden Einfluss auf ein Unternehmen als gegeben an. Mit der rot-grünen Nullsteuerlösung ab 2002 hatten aber selbst die größten Optimisten in der Finanzbranche nicht gerechnet. So hatte sich noch kurz zuvor Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle für eine niedrig angesetzte Steuer von 20 Prozent ausgesprochen.39 Die Aktionäre gerieten angesichts dieses unerwarteten Geschenkes in einen euphorischen Taumel. »Danke, Gerd!«,40 bedankte sich die Anlegerzeitung Euro am Sonntag bei Kanzler Schröder, und das Handelsblatt zitierte Börsianer mit den Worten: »Das ist eine Bombe, wenn es so kommt«.41 Die ohnehin überhitzten Kurse schraubten sich zu weiteren Höhen empor. Allein die Aktie der Münchener Rück legte innerhalb von zwei Tagen nach Bekanntwerden des Gesetzes um 17 Prozent zu, die der Allianz um 11,9 Prozent, Deutsche und Dresdner Bank ebenfalls über 10 Prozent. Hinter dem abgehobenen Börsenhype stand die durchaus realistische Überlegung, dass diejenigen Unternehmen bald an Wert gewinnen würden, die sich nun steuerfrei von Ballast befreien konnten. Zudem bekämen sie so das Geld in die Kasse, das es ihnen ermöglichen würde, in ihrem Kerngeschäft die eine oder andere Konkurrenzfirma aufzukaufen und so weiter zu wachsen. Großaktionäre wie die Deutsche Bank, die Allianz oder die Münchener Rück nahmen den Ball aus Berlin dankbar auf. Sie sind seither dabei, ihre Beteiligungen neu zu
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ordnen. So bestätigte Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle am 8. Februar 2000 in der Süddeutschen Zeitung, dass man nur wegen der hohen Steuerforderungen an den milliardenschweren Beteiligungen fest gehalten habe. Nun werde man mit der »aktiven Umschichtung« des Beteiligungsportfolios beginnen. Und künftig sollten Beteiligungen »ausschließlich nach unternehmerischen Gesichtspunkten entschieden werden«.42 Von den Unternehmensbeteiligungen, die die Konzerne der ehemaligen »Deutschland AG« noch halten, fordern sie nun Rendite ein. So musste DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp beispielsweise die Äußerungen des damaligen Deutsche-Bank-Vorstandssprechers Breuer im Februar 2002 wohl als Drohung verstehen, der sagte: »Wir warten auf bessere Zeiten und besseres Potenzial.«43 Immerhin waren die 12,1 Prozent, die Großaktionär Deutsche Bank an DaimlerChrysler hält, nicht aus kurzfristigen Renditeerwartungen aufgebaut worden, sondern aus strategischen und industriepolitischen Gründen. Mit dem dramatischen Niedergang an den Börsen seit dem Jahr 2000 sind die Kurse vieler ehemals hoch bewerteter deutscher Firmen dauerhaft eingebrochen. Damit ist Deutschland stärker ins Fadenkreuz international agierender Firmenjäger geraten. Zusätzlicher Druck könnte dadurch entstehen, dass die Steuerfreiheit für den Verkauf von Firmenbeteiligungen wieder aufgehoben wird. Darauf deuten Ankündigungen der rot-grünen Bundesregierung hin.
Die Firmenjäger mischen mit
Kein anderer Firmenjäger hat sich so schnell, konsequent und erfolgreich ins deutsche Wirtschaftsleben eingemischt wie der Amerikaner Guy Wyser-Pratte. Der Geschäftsmann, schon wegen seiner knappen 2 Meter Körperlänge eine imposante Erscheinung, meldete sich in Deutschland erstmals im Dezember 1999 zu Wort.
»Riecht ihr das Napalm?« – Rambo-Raider Guy Wyser-Pratte Während der Übernahmeschlacht von Mannesmann durch Vodafone forderte er Mannesmann-Chef Klaus Esser zu ernsthaften Verhandlungen auf. Nun bekamen auch deutsche Manager die Entschlossenheit und Kampfbereitschaft des Ex-Marine-Offiziers zu spüren. Falls die Mannesmann-Führung das britische Angebot nur abblocke, so drohte Wyser-Pratte, dann werde er zusammen mit anderen Aktionären auf eine außerordentliche Hauptversammlung drängen, um eine ernsthafte Prüfung des Angebots zu erzwingen. Dabei hatte er nur geschätzte 150 000 Mannesmann-Aktien in der Tasche – bei weitem nicht genug, um wirklich etwas zu bewegen. Schon hier ließ sich Wyser-Prattes Methode auf einen Nenner bringen: Ihm geht es darum, mit einem relativ kleinen Anteil eine möglichst große Wirkung zu erzielen.
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Ein Offizier und Gentleman – der Background von Guy Wyser-Pratte
So knallhart er in geschäftlichen Dingen agiert, so kultiviert und gentlemanlike erscheint Guy Wyser-Pratte im persönlichen Umgang. Er lebt mit seiner Frau Vivien, mit der er drei Kinder hat, in New York. Auch nach den Anschlägen vom 11. September 2001 dachte er keine Sekunde daran, die Finanzmetropole zu verlassen. Die Ängste von manch einem traumatisierten New Yorker teilt er nicht: »Mein Nachbar ist Henry Kissinger. Ich glaube, sicherer könnte ich nicht leben.«1 Das Wochenende verbringt der leidenschaftliche Tennisspieler gerne im Kreis der Familie, zu der auch drei Enkelkinder zählen. Die beinahe altmodische Korrektheit im persönlichen Umgang, die Guy Wyser-Pratte auszeichnet, lässt sich auf seine Herkunft zurückführen. Die Wurzeln des amerikanischen Geschäftsmannes liegen dies- und jenseits des Atlantiks – amerikanischer Staatsbürger wurde er erst mit 13 Jahren. Seine Mutter entstammte einer konservativen Grazer Familie, die nach dem Ersten Weltkrieg nach Frankreich gegangen war. Dort lernte sie seinen Vater Eugène kennen. Dieser, ein gebürtiger Franzose, gründete 1929 in Paris ein Arbitrage-Geschäft. Der Begriff Arbitrage bezeichnet den Handel von Devisen, Effekten, Termingeld oder Edelmetallen, bei dem ein Gewinn aus den unterschiedlich hohen Kursen an verschiedenen Handelsplätzen entsteht. Der Arbitrageur schließt mehrere Verträge, Kauf- und Verkaufsverträge ab, sein Gewinn ergibt sich aus der Kursdifferenz. Immer bestens informiert zu sein, ist im Arbitrage-Geschäft der entscheidende Faktor für den Erfolg. Diese Lektion, die der Vater dem Sohn schon früh mit auf den Weg gab, wird jenem Jahrzehnte danach im Geschäftsleben zum eigenen Erfolg verhelfen. Guy Wyser-Pratte kam 1940 in Vichy zur Welt, wohin die Familie aus Paris geflohen war, als die Nazis im Anmarsch waren. »Da ich einen Onkel in der Wehrmacht hatte, wollten wir nicht unbedingt in Paris sein, wenn er dort ankommt«,2 erzählt er später über die Gründe seiner Eltern, die französische Hauptstadt zu verlassen. Als er sieben
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Jahre alt und der Krieg endlich vorbei war, ging die Familie in die USA. Noch im gleichen Jahr, 1947, eröffnete der Vater in New York erneut ein Arbitrage-Geschäft. Der polyglotte Guy lernte mit seinen beiden Brüdern in Vichy Französisch, später Englisch. Deutsch wurde trotz der österreichischen Mutter zu Hause nicht gesprochen. Der einzige deutsche Ausdruck, an den er sich aus seiner Kindheit erinnern könne, sagt Wyser-Pratte mit schelmischem Grinsen, sei eine wiederholte Klage seiner Mutter über ihn gewesen: »Furchtbares Kind!« habe sie immer wieder gerufen. Während der Vater sein Arbitrage-Geschäft in New York mit Erfolg weiterführte, plante er seinen Sohn bereits als Nachfolger ein. Der war zwar keiner der jungen Rebellen der frühen 60er Jahre. Doch suchte er sich nach dem BA-Abschluss in Geschichte an der University of Rochester seinen eigenen Weg in die Welt. 1962, gerade 22 Jahre alt, verpflichtete er sich für vier Jahre bei den Marines – eine Zeit, über die er heute noch mit patriotischer Begeisterung und leuchtenden Augen spricht. Nie tritt er in der Öffentlichkeit ohne seine MarineAnstecknadel am Revers auf. Als Mitglied der 3. Marine-Division wurde der junge Guy in den Fernen Osten geschickt. »Mein erster Einsatz fand in einem Aufklärungsbataillon statt. Ich war an jedem Ort vor der Küste Asiens«, erzählt er über die Zeit, bevor die USA flächendeckend in Indochina Krieg führten. Später meldete sich der junge Soldat für den Kampfeinsatz gegen den Vietcong. Die Front in Vietnam lernte er aber nie kennen – ständig kam etwas dazwischen. Glück für ihn, denn »bereits der Junge, der beim ersten für mich vorgesehenen Kampfeinsatz meinen Platz einnahm, wurde getötet«. Die Faszination, die das Militär auf Wyser-Pratte ausübt, ist dennoch ungebrochen. Er war Mitglied des Council on Foreign Relations, eines Expertenrats für Außen- und Sicherheitspolitik. Und als Firmenjäger wurde er in den Folgejahren immer wieder bei Rüstungsfirmen aktiv. Allerdings sieht der Amerikaner auch die dunkle Seite der glänzenden Uniformknöpfe: das Leid und Elend, das Kriege mit sich bringen. Deshalb engagiert sich Guy Wyser-Pratte bei der Flüchtlingsorganisation International Rescue Committee. Der Einsatz für die huma-
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nitäre Sache hat ihn dann viele Jahre später noch einmal nach Asien gebracht: Er besuchte die Flüchtlingslager in Kambodscha, entlang der Grenze zu Thailand und Vietnam. Als er aber 1966 nach New York zurückkehrte, wartete auf den Ex-Marine-Captain harte Arbeit. Er sah seine Zukunft im Finanzbusiness und wollte unbedingt den akademischen Abschluss eines »Master of Business Administration« (MBA) erwerben. Der Vater, ein Praktiker alter Schule, fragte nur verständnislos: »Was ist das denn?« Schließlich willigte er ein: »Gut, mach das abends, aber tagsüber arbeitest du für mich.« Pflichtbewusst, aber ohne Begeisterung folgte der Sohn. Er nutzte den Freiraum, den die Universität ihm bot. Seine Abschlussarbeit über »Risikoarbitrage«3 erregte Aufsehen. Die Universität veröffentlichte das Werk, und es wurde, sagt Wyser-Pratte mit dem Selbstbewusstsein des Erfolgreichen, »das bestverkaufte Buch, das die Graduate School of Business Administration der New York University jemals veröffentlicht hat – jeder wollte es.« Tatsächlich wurde das Buch zu einer Art Pflichtlektüre bei Finanzvorlesungen und prägte eine ganze Generation von Arbitrageuren in den USA. Sein Erfolg gründete darin, dass es sehr praxisorientiert war und das Handwerkszeug einer Branche vermittelte, die bis dahin nur Insidern zugänglich und verständlich gewesen war. »Ich hatte das Gefühl, dass wir mehr Transparenz brauchten«, sagt Wyser-Pratte im Rückblick, »auch wenn uns das mehr Wettbewerb eingebracht hat – ich habe nichts gegen Wettbewerb.« Trotz seines Erfolges an der Universität war Wyser-Pratte die gesamte Zeit über im Finanzgeschäft geblieben. 1967 hatte Vater Eugène seine Firma an die Investmentbank Bache & Co. verkauft, die 1981 von der Prudential Insurance Company übernommen wurde und in Prudential-Bache Securities Inc. umfirmierte. Wyser-Pratte war bei Bache als Portfoliomanager mit eingestiegen. 1971 schließlich, mit dem frisch erworbenen Grad des »Masters of Business Administration« im Rücken, wurde er Leiter der Arbitrage-Abteilung. Da er in dieser Führungsposition die nächsten 20 Jahre lang tätig blieb, hätte der weitere Berufsweg bis zur Rente eigentlich vorhersehbar ruhig verlaufen können. Doch nicht so bei Wyser-Pratte, der immer wieder
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für Überraschungen sorgt. 1992 verließ er seinen Arbeitgeber, machte sich selbstständig und fing mit über 50 Jahren noch einmal neu an. Der Schritt erfolgte allerdings eher notgedrungen, da er sich nach eigenen Worten bei Prudential-Bache durchaus wohl gefühlt hatte. Und er gibt auch zu: »Es war schon sehr bequem. Ich musste mich um nichts kümmern, wie zum Beispiel Marketing. Außerdem zahlten sie gut und gaben mir alles, was ich brauchte: auch exakt das Personal, das ich wollte.« Doch es war eine Welle von Skandalen über Prudential-Bache geschwappt. Die Führungsspitze war völlig zerstritten – es war Zeit zu gehen. Als Spielführer Wyser-Pratte Prudential Securities verließ, ging sein gesamtes zwölfköpfiges Team mit ihm. Mit wenigen Veränderungen arbeitet diese Mannschaft bis heute in einem Großraumbüro im 24. Stock eines Hochhauses an der Wall Street für ihn. Prudential Securities bereitete dieser personelle Aderlass – nach Wyser-Prattes Auskunft – enorme Probleme. Es macht ihm noch heute, zehn Jahre später, erkennbares Vergnügen, die Abhängigkeit seines früheren Arbeitgebers von seinen Fähigkeiten zu schildern: »Wir waren die Hauptgeldbringer. Ich habe das mal errechnen und an einem Chart darstellen lassen. Daraus ergibt sich, dass wir über 25 Jahre hinweg 110 Prozent [sic!] des Nettoeinkommens der Firma verdient haben.« Tatsächlich sei das Unternehmen nach seinem Weggang trotz Umstrukturierung und Kosteneinsparungen »viele Jahre lang unprofitabel« gewesen. Der Erfolgsmensch Wyser-Pratte nahm nicht nur seine eingespielte Mitarbeiterschar mit. Er hat wohl auch – Auskunft darüber gibt er nicht – einige der ehemaligen Prudential-Kunden dazu gebracht, ihr Geld ihm anzuvertrauen.
Herr über eine halbe Milliarde Dollar
Wyser-Prattes vielfältige Beziehungen zu Finanzkreisen, aber auch in die Politik und zu großen institutionellen Anlegern ermöglichen es ihm inzwischen, über ein Investitionsvolumen von 500 Millio-
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nen Dollar zu verfügen. Woher das Geld genau kommt, sagt der Finanzexperte nicht, das sei Berufsgeheimnis. Dass große Pensionsfonds, Versicherungen und Privatpersonen auf sein Gespür fürs Geldverdienen vertrauen, ist die einzige Aussage, die er sich dazu entlocken lässt. Reiche Privatanleger können ab einer halben Million Dollar aufwärts bei ihm einsteigen, bei institutionellen Investoren ist die Minimumanlage 5 Millionen Dollar. Neben amerikanischen Pensionsfonds sollen weitere ausländische Rentenfonds zu WyserPrattes Geldgebern gehören. Auch amerikanische Universitäten sowie Stiftungen, die zum Teil über Milliardenvermögen verfügen, legen dem Vernehmen nach bei dem aggressiven Raider an. Sie sind sehr kritisch in der Auswahl ihrer Geldanlagen und offensichtlich von seinen Fähigkeiten überzeugt, da sie ihm ihr Geld ohne garantierte Rendite überlassen und das Risiko seiner Transaktionen voll mittragen. Inzwischen pirscht Wyser-Pratte nicht nur als Firmenjäger durch die deutsche Unternehmenslandschaft, er macht auch Marketing in eigener Sache. Konsequent baut er Kontakte zu deutschen Finanzinstituten auf, etwa zu Versicherungen, die ebenfalls über hohe Summen verfügen, die sie zum Wohl ihrer Kunden möglichst gewinnbringend anlegen wollen. Gemeinsame geschäftliche Aktivitäten des Firmenjägers mit deutschen Traditionsunternehmen sind wohl nur noch eine Frage der Zeit. So erzählt Wyser-Pratte, dass es im Frühjahr 2002 beim Tauziehen um den Verkauf der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) eine Anfrage von Allianz Capital Partners (ACP), der Beteiligungsgesellschaft des Münchener Versicherungs- und Finanzkonzerns, an ihn gegeben habe, gemeinsam Anteile der Werft zu kaufen. Allerdings, so der alte Hase, seien »die jungen Kerle« von ACP dann von der Allianz-Spitze zurückgepfiffen worden. Danach habe man den Deal nicht weiter verfolgt. Wyser-Pratte veränderte seine Investitionsmethode in den vergangenen Jahren nach eigenem Bekunden immer mehr. Anfangs habe er viel häufiger Merger-Arbitrage betrieben, verrät er und meint damit die passive Seite des Geschäfts bei Unternehmensfusionen oder Über-
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nahmen. Hier ist das Erkennen und Antizipieren von Entwicklungen besonders wichtig, denn nur so ist viel Geld zu verdienen. Konkret kann das der frühzeitige Einstieg in eine Firma sein, die im Begriff steht, von einer anderen übernommen zu werden. Gibt ein Unternehmen ein Übernahmeangebot für ein anderes Unternehmen bekannt, so steigt der Kurs des Übernahmekandidaten oft sehr schnell bis zu dem Preis, den die übernehmende Firma zahlen will. Dies gilt aber nur, wenn die Anleger an der Börse davon ausgehen, dass der Kauf zustande kommt. Bestehen daran Zweifel, dann schwankt der Kurs. Er steigt und fällt je nach neuer Nachrichtenlage. Merger-Arbitrage, wie Wyser-Pratte es betrieb und noch betreibt, ist also ein Aufspringen auf einen Zug, der bereits Fahrt aufnimmt. Ist man früh genug bei einem niedrigen Kurs eingestiegen, und kommt der Kauf oder die Fusion tatsächlich zustande, dann liegt der Gewinn des Merger-Arbitrageurs in der Differenz zwischen dem Einstiegskurs und dem Verkaufskurs. Durch den geschickten Einsatz von Optionsscheinen lässt sich der Profit weiter steigern. Das Engagement von Wyser-Pratte bei Mannesmann im Jahr 1999 war also ein klassischer Fall von MergerArbitrage, auch wenn er Mannesmann-Chef Klaus Esser öffentlichkeitswirksam zu ernsthaften Verhandlungen mit Vodafone aufforderte. Denn angestoßen hatte Wyser-Pratte den Deal nicht, er war ein Trittbrettfahrer und Profiteur wie andere auch.
Der »aktive Investor« als kapitalistische Korrekturhilfe
Neben dieser passiven Art des Geldverdienens hat Guy Wyser-Pratte mit seiner Firma Wyser-Pratte & Co. Inc. seit 1992 immer stärker eine andere Rolle eingenommen: Er selbst nennt sie die des »aktiven Investors«. Statt auf Entwicklungen nur zu reagieren, stößt er sie selbst an und treibt sie in die von ihm gewünschte Richtung. Dieses eigenständige Handeln und sich Einmischen betreibt er in Firmen, in denen – zumindest nach Meinung von Wyser-Pratte – einiges oder sogar vieles schief läuft.
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Der Schlüsselbegriff, mit dem Wyser-Pratte sein Vorgehen erläutert, heißt »Corporate Governance«, die Art der Unternehmensführung und ihre Kontrolle. Schlechte Unternehmensführung kann nach dem Verständnis des Firmenjägers bedeuten: ein selbstherrliches, unfähiges Management, das die Interessen der Firmenbesitzer, also der Aktionäre, missachtet. Dazu Wyser-Pratte: »Die Antwort auf die Frage nach unserem Selbstverständnis ist ganz einfach: Als aktive Investoren benutzen wir die Unternehmensführung als hauptsächliche Strategie, um für die Aktionäre Wert zu schaffen.« Gemeint ist damit eine Steigerung des Shareholder-Value. Wyser-Pratte sieht sich selbst als kapitalistische Korrekturhilfe, als Optimierer, wenn im System etwas schief läuft. Ein Ausputzer also, der im Erfolgsfall gut entlohnt wird, aber eigentlich den Job macht, den andere – vor allem das Management – erledigen sollten. Seit Anfang der 90er Jahre setzt Wyser-Pratte den CorporateGovernance-Hebel immer stärker und mit immer mehr Vergnügen an. Dass er das im dezenten Finanzbusiness zuweilen brachial und mit der Brechstange tut, hat ihm den Ruf eingebracht, der »Rambo der Kapitalmärkte« zu sein. Mit Sprüchen wie »Wacht auf und riecht das Napalm!« hat es der Ex-Offizier immer wieder geschafft, auch das verschlafenste Management aufzuwecken und in Habtachtstellung zu bringen. Sein Vorgehen funktioniert relativ unabhängig von Konjunktur und Wirtschaftszyklen, denn schlecht geführte Unternehmen gibt es im Aufschwung wie im Abschwung. Der New Yorker ist nicht der Erste, der sich einmischt, der Fusionen, Übernahmen oder die Aufspaltung von Firmen fordert. Es gibt viele, die weitaus mehr Millionen für ein Engagement locker machen können. Aber kaum einer spielt mittlerweile so virtuos auf der Medienklaviatur und kann dabei auch noch so beseelt von seinem Tun schwärmen. »Es ist schön, wenn man im Leben etwas findet, das der eigenen Persönlichkeit entspricht«, sagt er. In amerikanischer Predigermanier, die Europäer eher befremdet, sieht er sein Handeln als das Wirken einer höheren Macht: »Wenn man meinen Background kennt, dann weiß man, dass da ein bestimmtes Ethos ist: Ich bin auf der Seite
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der Engel und tue Gottes Werk!« Was er als aktiver Investor im Wirtschaftsleben leiste, so Wyser-Pratte, »wird von der gleichen Mentalität getragen wie das, was Priester, Polizisten und Feuerwehrleute tun: Wir helfen den Leuten.« Kritiker, die ihm vorwerfen, lediglich in kurzer Zeit besonders viel Staub aufzuwirbeln, bevor er sich um einige Millionen reicher wieder verabschiede, lassen ihn kalt. Er verweist nüchtern auf die Zahlen. Seit 1992 hat er 45-mal zugeschlagen – mit einem durchschnittlichen Jahresgewinn von 120 Prozent, wie er im Juni 2001 in einem Interview sagte.4 Der Profit, den er für seine Geldgeber dabei erzielt hat, liegt demnach bei 300 bis 400 Millionen Dollar, sein persönlicher Gewinn sei nur ein »kleiner Teil davon«.5 Denn sein Engagement komme ja nicht nur ihm zugute, wird er nicht müde zu betonen: »Bei diesen Transaktionen haben wir für die übrigen Aktionäre insgesamt 40 Milliarden Dollar an Wert geschaffen.« Die Summe ergibt sich aus dem gestiegenen Börsenwert der Firmen. Dieser errechnet sich aus der Summe aller ausgegebenen Aktien. Wenn der Aktienkurs gestiegen ist, erhöht sich folglich auch der Gesamtwert des Unternehmens. Außerdem, argumentiert Wyser-Pratte weiter, liege die Durchschnittsdauer seiner Investments heute bei zwei Jahren. Das sei doch alles andere als eine »Hit-and-run-Perspektive«. Der Firmenjäger Wyser-Pratte möchte sich vom klassischen Raider abgrenzen und zwar mit gezieltem Understatement: »Raider versuchen, eine Firma komplett zu übernehmen. Wir dagegen könnten doch nicht einmal die Neugeborenenstation eines Kinderkrankenhauses übernehmen.« Seine Methode des begrenzten Investments ist nicht nur smarter, sondern auch in der Aufwand-Ergebnis-Relation oft effizienter als die komplette Firmenübernahme. Da Wyser-Pratte im Regelfall nur noch zwischen 5 und 10, maximal 15 Prozent der Aktien eines Unternehmens kauft, hält er das finanzielle Risiko begrenzt. Den Vorwurf, er scheue die Risiken echten Unternehmertums, weist er weit von sich: »Wir sind doch nicht die Geschäftsführung. Wir versuchen nur, ein Problem zu korrigieren. Durch den Kauf von 5 oder 10 Prozent
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der Aktien ist das möglich. Und ich denke, dass das mehr als genug beweist, wie sehr wir uns dem Unternehmen verpflichtet fühlen. Noch mehr Aktien brauchen wir dazu nicht zu kaufen.« Die Begrenzung auf einen geringen Aktienanteil, höchstens im niedrigen zweistelligen Bereich, hat für den »aktiven Investor« Wyser-Pratte noch einen weiteren Vorteil: So bleiben ihm innerhalb dieser Zeitspanne mehr Mittel übrig, um bei anderen Firmen einzusteigen. Allerdings streut er seine Angriffe auf schlecht geführte Unternehmen auch nicht zu breit, denn das würde die Übersichtlichkeit erschweren. Nach eigenem Bekunden engagiert er sich höchstens bei zehn Firmen gleichzeitig. Dabei hat er viel mehr Kandidaten auf seiner Einkaufsliste. Die Kriterien, die er dabei anlegt, sind immer gleich. Das Unternehmen muss an der Börse deutlich unterbewertet sein. Es muss also Schätze in seiner Bilanz haben, die an der Börse entweder nicht bekannt sind oder keine ausreichende Würdigung erfahren. Ist der Grund für das Desinteresse der Anleger ein verschlafenes Management oder unentschlossene Eigentümerfamilien – umso besser. Denn dann kann jemand wie Wyser-Pratte, der laut polternd seinen Finger in die Wunden legt, erst recht glaubwürdig argumentieren. Des Weiteren darf der angegriffene Konzern nicht zu groß sein – Riesentanker sind schwerer vom Kurs abzubringen als mittelgroße Schiffe. Für seine Kandidaten – allein in Deutschland sollen es 15 Unternehmen sein – lässt WyserPratte mögliche Ein- und Ausstiegsszenarien entwickeln. Erst wenn alles passt, beginnt der Angriff. Unauffällig, wenn die Aktien des Zielobjekts im Fallen begriffen sind, kauft der Firmenjäger. Langsam, über Monate hinweg, baut er nach und nach seine Position auf. Erst wenn er einen nach dem jeweiligen Aktiengesetz meldepflichtigen Anteil – meist 5 Prozent – überschritten hat, offenbart er sich der Unternehmensführung und geht an die Öffentlichkeit. Dann schrillen im angegriffenen Unternehmen alle Alarmsirenen, für das Management heißt es schlagartig: Raider-Alarm! Gleichzeitig mit der Bekanntgabe des Einstiegs von Wyser-Pratte zieht normalerweise der Börsenkurs des Unternehmens deutlich an. Der Grund ist klar: Auch andere Anleger werden auf die Firma aufmerksam. Und sie wissen aus
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Erfahrung: Wenn ein Fuchs wie Wyser-Pratte einsteigt, dann kann man mit ein wenig Glück in seinem Windschatten ganz gut auf Erfolgskurs segeln. Wyser-Pratte warnt Kleinanleger allerdings, sich der Gefahren bei manchen seiner Investments bewusst zu sein. Er vergleicht sie mit dem »Ritt auf einem wilden Pferd – für Ängstliche ist das nichts. Und man braucht dafür einen guten Magen.« Eine häufig geäußerte Kritik an seiner Arbeit lässt der Firmenjäger nicht gelten: dass er Unternehmen zerstöre und dadurch viele Arbeitsplätze vernichte. »So etwas haben wir doch nie getan«, empört er sich. Es gebe »kein einziges Beispiel dafür, dass irgendetwas, was wir je getan haben, auch nur einen einzigen Job gekostet hat.« Er mache nichts anderes, als »dem Management die Interessen der Aktionäre nahe zu bringen«. Wenn das passiere, diene es dem Wohl aller Interessengruppen innerhalb einer Firma »und gewiss auch denen der Arbeitnehmer«. Wyser-Pratte kann zudem darauf verweisen, dass die in Folge seiner Aktivitäten gestiegenen Unternehmenskurse »auch den Pensionskassen von Gewerkschaften nützen«. Die Einzigen, so sein Credo, die sein Engagement nicht zu schätzen wüssten, seien die Manager – vor allem in Europa. Der Grund: »Sie haben hohe Gehälter und sind meistens nicht daran interessiert, wie sich die Aktie entwickelt. Da ist es natürlich gegen ihr Interesse, wenn wir ihnen an den Karren fahren.« In den ersten Jahren als eigenständiger Investor beschränkte sich Wyser-Pratte auf die USA. In dieser Zeit »lernten wir selbst erst, wie diese Art von Corporate-Governance-Investment funktioniert.« So stieg er mit seiner Firma Wyser-Pratte & Co. Inc., beim Kaufhauskonzern Sears Roebuck & Co. ein und setzte die Abspaltung des Versicherungsunternehmens Allstate Insurance Co. durch. 1995 ließ der Ex-Marine die Muskeln besonders erfolgreich spielen. Auf den Schuhkonzern U. S. Shoe übte er so lange Druck aus, bis dieser schließlich das Übernahmeangebot des italienischen Luxuskonzerns Luxottica annahm. Im gleichen Jahr zettelte er beim britischen Energiekonzern Northern Electric einen Anlegeraufstand gegen das Management an, obwohl er selbst nur 1 Prozent der Aktien hielt.
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Gegen Ende der 90er Jahre profilierte sich Wyser-Pratte in den USA immer häufiger als Vertreter von Aktionärsrechten.6 Er platzierte Vertraute in den Aufsichtsgremien und forderte von den attackierten Firmen, dass sie die Rechte der Aktionäre in den so genannten Shareholder-Rights-By-Laws verankern. Aufsehen erregte etwa sein jahrelanger, auch über Anwälte ausgefochtener Kampf mit dem Schmiermittelproduzenten Pennzoil, der mit einer außergerichtlichen Einigung endete. Wyser-Pratte setzte unter anderem die Bestellung eines unabhängigen Mitglieds der Geschäftsleitung durch.7
Der große Deal bei Comsat
1995 leitete Wyser-Pratte einen Deal in die Wege, den er nach eigenem Bekunden für sein bisheriges Meisterstück hält. Ziel seiner Attacke war die Firma Comsat Corporation. Das Unternehmen war 1962 auf Initiative des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy als internationale Satellitenorganisation gegründet worden. Da das Geschäft mit Satellitentechnik gut lief, fing die Unternehmensführung an, in völlig andere Bereiche zu investieren. »Anstatt sich auf ihr hervorragendes Kerngeschäft zu konzentrieren, begannen sie, Hockey- und Basketball-Teams zu kaufen und Fernsehsender zu übernehmen«, so WyserPratte. Klar, dass ihm das gegen den Strich ging, denn »dadurch zerstörten sie den Wert der Firma«. Comsat habe aufgrund seiner Verbindungen zur Regierung auch keinerlei »kommerzielle Kultur« gehabt, Shareholder-Value sei dort ein Fremdwort gewesen. WyserPratte kaufte sich ein und wählte als Waffe zur Durchsetzung seiner Ideen den so genannten Proxy-Fight. Wie bereits im Kapitel »Ein Blick zurück: Raider-Reminiszenzen« (S. 65) erläutert, sind Proxies Stimmrechte, die man an andere Aktionäre übertragen kann, damit diese sie bei Hauptversammlungen einsetzen. Wyser-Pratte warb mit Erfolg bei anderen Anteilseignern um die Überlassung ihrer Stimmrechte und trat als Aktionärsvertreter bei der Hauptversammlung gegen die Unternehmensleitung an. »Die Ausgangslage war sehr kritisch,
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denn es herrschte eine wirklich feindliche Atmosphäre – schließlich kämpften wir gegen das Management«, erinnert er sich. Erschwerend für den Eindringling kam hinzu, dass traditionell auch Vertraute des Präsidenten im Aufsichtsgremium saßen. Angefangen vom früheren Außenminister Lawrence Eagleburger über Charles Manatt, einen der Führer der Demokratischen Partei bis hin zu Peter S. Knight, den ChefSpendensammler des ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore. WyserPrattes Ziel war ehrgeizig: »Wir wollten die Führung übernehmen.« Er schaffte es, den Streit beizulegen und zwei Posten im Aufsichtsgremium zu erhalten, einen davon nahm er selbst ein. In persönlichen Gesprächen überzeugte Wyser-Pratte die Führung davon, Comsat wieder allein auf das Satellitengeschäft auszurichten. »Sie etablierten ein eigenes Komitee, das die Planung an den Aktionärsinteressen ausrichtete. Das war ein Signal.« Es verfehlte seine Wirkung nicht. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Lockheed Martin zeigte sich plötzlich interessiert, Comsat zu übernehmen. Was als feindliche Auseinandersetzung begonnen hatte, wurde zu einer gemeinsamen Anstrengung der Führungscrew, den Deal durchzubringen, von dem man sich Wettbewerbsvorteile versprach. Der Geschäftsbericht von Comsat für das Jahr 1997 liest sich dann bereits, als habe ihn der Aktionärsaktivist diktiert. 1997 sei das Jahr des Aufräumens und der Rückbesinnung auf das Kerngeschäft gewesen, heißt es da. Im Juni 1997 habe man etwa auf das Unterhaltungsgeschäft »zugunsten einer steuerfreien Dividende an die Comsat-Aktionäre verzichtet«.8 Man erwarte, den Verkauf der Produktionsbetriebe in der ersten Hälfte 1998 und damit die Restrukturierung gemäß der neuen Strategie abzuschließen. Im August 1999 sprach sich dann eine überwältigende Mehrheit der Comsat-Aktionäre für das Zusammengehen mit Lockheed Martin aus. »Wir halfen ihnen, die Sache tatsächlich durchzusetzen und ließen dafür unsere Beziehungen in Washington spielen, sprachen mit befreundeten Senatoren«, erzählt Wyser-Pratte. Das war nötig, da dem Verkauf ein Gesetz entgegenstand. Der Communication Satellite Act wurde geändert. »Für mich war das eine tief befriedigende Situation. Ich konnte ganz direkt teilnehmen und persönlich helfen. Am Ende
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waren wir alle gute Freunde geworden und das, obwohl der Anfang wirklich feindselig gewesen war«, resümiert der Raider zufrieden. Unnötig zu erwähnen, dass sich das persönliche Wirken auch in einem satten Plus auf dem Konto von Wyser-Pratte und seinen Geldgebern ausdrückte. Häufiger allerdings lösen sich die Angriffe des Firmenjägers nicht in Harmonie und Wohlgefallen auf, und aus Gegnern werden eher selten Freunde. Aber der Kontostand stimmt fast immer.
Taittinger: Familienunternehmen contra Shareholder-Value
Das zeigte sich ganz besonders, als Guy Wyser-Pratte 1995 seinen Aktionsradius auf Europa ausdehnte und erste Geschäfte in England und Frankreich machte. Vor allem in seinem Geburtsland Frankreich, wo er sich bis 1999 in acht Firmen einkaufte, zeigten das wirtschaftliche und gesellschaftliche Establishment dem Firmenjäger die kalte Schulter. Dort nannte man ihn auch »Schwarzkopf«, in Anlehnung an seine martialische Sprache und den amerikanischen General Norman Schwarzkopf, der als Kommandeur der US-Streitkräfte 1992 im Golfkrieg erfolgreich war. Erfolgreiche Schlachten schlug auch der Finanzrambo. So lohnte sich etwa sein Engagement beim französischen Büromöbel- und Werkzeughersteller Strafor-Facom. Im September 1996 hatte sich Wyser-Pratte bei dem Konzern mit einem Anteil von 7 Prozent eingekauft. Der Kurs stand zu diesem Zeitpunkt bei 61 Euro. Der Börsenprofi monierte, dass sich aus den beiden Geschäftsbereichen keine Synergien ergaben und drängte auf den Verkauf einer Sparte. Obwohl die Firmenleitung sich vehement gegen den Raider stellte, erklärte sie sich schließlich bereit, kleinere Firmenbereiche zu verkaufen und so ihren Schuldenstand abzubauen. Als Wyser-Pratte etwa ein Jahr später seine Aktien wieder abgab, strich er einen Gewinn von 27 Prozent ein. Zu diesem Zeitpunkt, genauer im Mai 1997, machte sich der Amerikaner in Paris endgültig unbeliebt. Denn er machte Jagd auf Taittinger S. A., das weltweit bekannte Champagner-Imperium, in das er sich
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bei einem Aktienkurs von 2 250 FF (entspricht 343 Euro) mit 13 Prozent einkaufte. Ein waghalsiges Unternehmen, an dem bereits andere gescheitert waren, Bernard Arnaud etwa, der versucht hatte, Taittinger seinem Luxuskonzern LMVH einzuverleiben. Und schon vor Arnaud hatte sich die Familie Pernod-Ricard aus Marseille an der Starrköpfigkeit der Taittingers die Zähne ausgebissen. Dieser Familienclan, seit 1992 unter Führung von Anne-Claire Taittinger, besitzt nicht nur das Champagner-Unternehmen, sondern einen wild zusammengewürfelten Mischmasch von Firmen, die meisten von ihnen unter dem Dach der Holdinggesellschaft Societé du Louvre versammelt. Dazu gehören nicht nur Luxushotels und Restaurants, wie das »Le Grand Vefour« und das »Crillon« am Place de la Concorde in Paris, sondern auch die Mehrheit an Luxusfirmen wie Baccarat Crystal, Annick Goutal und Deville. Der Angriff auf den 50-köpfigen Familienclan der Taittingers war für die Franzosen ein klarer Affront. Tatsächlich war es auch ein Aufeinanderprallen zweier Kulturen: Family-Value gegen Shareholder-Value. Oder wie es Jacques-Henri Bourdois, Geschäftsführer eines Verbands französischer Familienunternehmer, formulierte: »Es findet ein Schlagabtausch zweier konträrer Welten statt, die sich gegenseitig nicht verstehen. In Frankreich kann man ein Unternehmen nicht nur von der Warte der Aktionärsinteressen aus sehen. Aktionäre gestehen hier der Gründerfamilie ein Verfügungsrecht zu.«9 Da war der Amerikaner ganz anderer Meinung. Doch sind die Taittingers in Frankreich nicht irgendwer. Aus ihren Reihen wurde bereits ein Justizminister berufen, und keine andere französische Familie ist mit mehr Mitgliedern im französischen Who’s Who vertreten. Mit einem solchen Gegner legt sich selbst ein alter Haudegen wie Wyser-Pratte nicht an, ohne sich eines Verbündeten sicher zu sein. Er fand ihn in Asher B. Edelman, einem Raider-Veteran der 80er Jahre, der heute in der Schweiz lebt und dort durch seine jahrelange und zuletzt nicht von Erfolg gekrönte Attacke gegen das Papierimperium Baumgartner Aufsehen erregte. Edelman versuchte bereits seit 1996, die harte Nuss Taittinger zu knacken – bisher vergeblich. Als Wyser-
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Pratte mit ins Boot kam, hatte Edelman 12,2 Prozent der Aktien der Societé du Louvre in seinem Besitz und kaufte weiter auf 16 Prozent zu. Alsbald nahm das Raider-Duo den Champagner-Clan richtig in die Zange. Statt um Schaumwein ging es nun um Schmutzkübel, die ausgegossen wurden.Wyser-Pratte polterte: »Die Taittingers handeln ausschließlich im Interesse der Familie. Der Rest der Aktionäre kann sich die Brocken teilen.«10 Edelman teilte noch härter aus: Die Familie führe ihre Louvre-Holding mitsamt deren größtem Unternehmen Taittinger S. A. »wie ein Familienlehen« und sehe »Aktionäre als Feinde an«.11 Der Streit eskalierte zu einem der härtesten Unternehmenskriege, die Frankreich je gesehen hatte. Im Juni 1998 legte Edelman zur Hauptversammlung eine Liste mit 34 Fragen vor und ließ eine Vertreterin weitere 18 Fragen direkt stellen. Sie streuten Salz in mögliche Wunden: Stehen Mitglieder der weitverzweigten Familie auf Gehaltslisten des Konzerns, ohne dafür zu arbeiten, oder beziehen sie unangemessen hohe Gehälter? Leben sie in firmeneigenen Immobilien, und bezahlen sie dafür deutlich zu niedrige Mieten? Clan-Chefin Anne-Claire Taittinger wies auf der Versammlung alle Fragen hinsichtlich ungerechtfertigter Privilegien empört zurück. Edelmans Vertreterin Sophie L’Helias über die Atmosphäre: »Ich fühlte mich, als ob ich gleich mit Tomaten beschmissen würde.«12 Die Firmenjäger gaben nicht auf. Edelman verlangte – ebenfalls vergeblich –, Taittinger solle sich von der Börsenaufsicht prüfen lassen. Seine Begründung: Möglicherweise habe das Unternehmen einen Teil der Vermögenssteuer hinterzogen, indem es zum Jahresende hin den Kurs der LouvreAktien künstlich nach unten gedrückt habe. Auch gerichtliche Vorstöße gegen die Taittingers blieben ohne Erfolg, etwa die Klärung der Frage, ob man zum Zwecke der besseren Unternehmenskontrolle verbilligte Louvre-Aktien an die Familie Peugeot verkauft habe. Welche Konsequenzen es haben kann, wenn man sich mit dem Establishment anlegt, erfuhr Wyser-Pratte zwei Jahre nach seinem Taittinger-Einstieg. Als er mit seiner Frau Vivien Anfang April 1999 während einer Geschäftsreise auf dem Pariser Flughafen Charles de
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Gaulle landete, fingen Zollbeamte das Paar ab. In ziemlich rüdem Ton, so Wyser-Pratte, habe man sie in ein leeres Zimmer befohlen und dann eine halbe Stunde lang ihre Taschen bis ins Detail durchsucht – ohne Erfolg. Ohne Erklärung und auch ohne ein Wort der Entschuldigung durften die Beiden dann gehen. Dass hier der lange Arm eines mächtigen Firmenchefs im Spiel war, dessen Unternehmen einer Attacke von Wyser-Pratte ausgesetzt war, ist für den Firmenjäger eindeutig.13 Dennoch ging das Taittinger-Abenteuer für den Störenfried gut aus – vor allem dank seines Raider-Kompagnons. »Asher B. Edelman hat die Taittingers dazu gebracht, Albert Frère als dritte Partei ins Spiel zu bringen«, sagt Wyser-Pratte. Im Januar 2001 stieg der belgische Finanzier und Medienunternehmer für insgesamt 153 Millionen Euro mit 10,7 Prozent bei Taittinger und mit 10,4 Prozent bei der Societé du Louvre ein und kaufte anschließend noch weiter zu. Die Raider hatten sich also am Ende an den Spitzen der französischen Gesellschaft die Zähne ausgebissen, doch das Schmerzensgeld in Form eines satten Profits beim Verkauf der Aktien dürfte sie beim Ausgang des Kräftemessens ausreichend entschädigt haben. Wyser-Pratte war nach eigenen Angaben mit seinem Plus von 18 Millionen Euro durchaus in Champagner-Laune.14
Das globale Netzwerk der Partnerschaften
Seit Mitte der 90er Jahre hat Wyser-Pratte auf dem Alten Kontinent ein Netz von acht Geschäftspartnern aufgebaut, die seine Interessen vertreten. In Deutschland und Österreich tut das der Deutsche Markus Elsässer, den er 1998 durch einen gemeinsamen Bekannten, einen Schweizer Bankier, kennenlernte. Elsässer arbeitet als Investor seit 1997 auf eigene Rechnung und ist Aufsichtsratsvorsitzender der Beteiligungsgesellschaft Deutsche Balaton AG. Er sieht sich – ganz im militärischen Ton des US-Raiders – als dessen »Speerspitze«.15 Die weiteren europäischen Partner von Wyser-Pratte sitzen in der Schweiz,
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in Frankreich, Belgien, Italien, Großbritannien und Spanien. Seit einiger Zeit hat er auch einen Beobachter in Prag, der ihn über die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa auf dem Laufenden hält. WyserPrattes Netzwerk beschränkt sich indes nicht nur auf Europa und die USA. In insgesamt 22 Städten, darunter in Tokio und Johannesburg, durchleuchten die mit ihm weltweit verbundenen Analysten Hunderte von Firmen daraufhin, ob sie als Angriffsziel in Frage kommen.
Was macht Europa so interessant?
Europa steht für Wyser-Pratte vor allem aus einem Grund ganz weit oben auf der Einkaufsliste: Verglichen mit den USA sind viele Firmen hier billiger zu haben. In Deutschland, so Wyser-Pratte, ist bei unterbewerteten Firmen die Differenz zwischen dem Börsenwert und der Summe aller ihrer Vermögenswerte zumeist deutlich höher als in den USA. »Dieser Abschlag ist für jemand wie mich, der sehr wertorientiert investiert, hoch interessant. Und gerade Deutschland hat viele solcher unterbewerteten Firmen.« Es gibt noch einen weiteren handfesten Grund, der die USA weniger attraktiv für einen Firmenjäger macht. Nach den zum Teil heftigen Auseinandersetzungen um das Treiben der Raider in den 80er Jahren begannen viele Firmenchefs selbst aufzuräumen. Sie rationalisierten, fokussierten das Unternehmen auf einen oder zwei renditeträchtige Bereiche und verkauften ihre Randaktivitäten. Solchermaßen verschlankt und profitabel geworden, bieten sie in der Masse bei weitem nicht mehr die Angriffsfläche für Firmenjäger wie noch in den Jahrzehnten zuvor. In seinem Selbstverständnis als gottgeleiteter Investor hat WyserPratte aber auch eine Mission, die ihn nach Deutschland treibt: »Es gibt hier keine Aktienkultur. Für Deutschland ist es aber außerordentlich wichtig, voranzugehen und die Zuglokomotive nicht nur für Zentraleuropa, sondern auch für Osteuropa zu werden. Doch diese Expansion kann nur über die Finanzmärkte, über die Börse finanziert
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werden. Die Banken werden sie jedenfalls nicht finanzieren. Wenn die Firmen das hinkriegen wollen, dann dürfen ihre Aktienkurse nicht zu niedrig sein, weil der Kauf anderer Firmen für sie sonst zu teuer wird.« Um eine günstige Atmosphäre zu schaffen, in der die Kurse steigen können, brauche es aber eine vernünftige, transparente Aktienkultur. Und das »ist etwas, was ich in Deutschland vorantreiben will«, sagt der Investor mit Sendungsbewusstsein selbstbewusst.
Stachel im Fleisch der Rheinmetall-Röchlings
Dass Aktienkultur seiner Meinung nach am wenigsten funktioniert, wenn eine dominierende Großfamilie den Rest der Aktionäre ignoriert, hatte er bereits am Beispiel der Taittingers alle Welt wissen lassen. In seinem europäischen »Stammland« Frankreich war Wyser-Pratte weiter aktiv – unter anderem engagierte er sich beim Kranhersteller Legris Industries S. A., beim Automobilzulieferer Sommer Allibert S. A. sowie bei der Schuhkette Group André, die dann in Vivarte umbenannt wurde. 14 Monate nach seinem Mannesmann-Präludium ging der Firmenjäger erstmals in Deutschland in die Offensive – und sein Ziel war wieder ein Familienkonzern. Am 22. Februar 2001 ließ er über seine Bonner Anwaltskanzlei Meilicke Hoffmann & Partner den deutschen Mischkonzern und Mitglied des MDAX Rheinmetall per Fax wissen, dass er 5,05 Prozent der Stammaktien und 1,1 Prozent der Vorzugsaktien erworben habe. Gleichzeitig ging er an die Öffentlichkeit und informierte das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel. Das Opfer war gut gewählt. Rheinmetall gehörte zu zwei Dritteln der Röchling-Gruppe. Der weitverzweigte – und nicht immer einige – Familienclan mit 185 Teilhabern kontrollierte neben den 65,5 Prozent der Stammaktien auch 9,2 Prozent der stimmrechtlosen Vorzugsaktien. »In Unternehmen, die von Familien kontrolliert werden, ist das Missmanagement und damit die Unterbewertung am größten. Rheinmetall war von den Unternehmen, die wir uns angeschaut haben, das
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mit dem ungeheuerlichsten Missmanagement«16, begründete WyserPratte einige Monate später seinen Entschluss, gerade den Düsseldorfer Konzern durcheinander zu wirbeln. Der Vorwurf bezog sich vor allem auf den einstigen Konzernchef Hans U. Brauner, der seit 1985 die Geschicke von Rheinmetall bestimmt hatte und erst im Jahr 2000 nach einem Streit mit dem Röchling-Clan den Hut nehmen musste. Brauner hatte einen strikten Wachstumskurs verfolgt und ein verzweigtes Unternehmenskonglomerat zusammengekauft. So hatte Rheinmetall seit 1990 seinen Umsatz auf 4,5 Milliarden Euro verdreifacht, die Verschuldung aber gleichzeitig fast vervierfacht. Die Gesamtverschuldung stieg in diesem Zeitraum von 400 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro. Allein im Jahr 1999 hatten sich die Verbindlichkeiten auf 800 Millionen Euro verdoppelt – bei einer schwachen Eigenkapitalquote von 16 Prozent. Brauners Nachfolger Klaus Eberhardt hatte zwar versucht umzusteuern, bis dahin aber noch ohne Erfolg. Im Gegenteil: Gerüchte über eine Finanzkrise hatten Rheinmetall im Herbst 2000 das Leben schwer gemacht und dazu geführt, dass eine Anleihe, die 300 Millionen Euro in die Firmenkasse bringen sollte, erst einmal verschoben wurde. All dies hatte seine Spuren am Aktienkurs von Rheinmetall hinterlassen. Von noch 32 Euro Mitte 1998 war die Stammaktie auf einen Tiefststand von 6,41 Euro im November 2000 eingebrochen. Da die Geschäfte gut liefen, zog der Kurs dann bis zum Frühjahr auf etwa 12 Euro an. Dennoch war das Unternehmen statt vormals 1 Milliarde Euro nur noch 400 Millionen Euro wert. Dabei weist Rheinmetall genau das auf, was der »Value-Investor«, wie sich der Amerikaner Guy Wyser-Pratte gern bezeichnet, schätzt: Substanz. Der Mischkonzern ist Europas größter Produzent von Waffen und Munition. Er baute den legendären Panzer Leopard 1, war an der Entwicklung des Leopard 2 wesentlich beteiligt und liefert 40 Prozent von dessen Bestandteilen. Neben der Rüstungssparte, im Firmenjargon »Defense« genannt, besitzt Rheinmetall noch zu je etwa gleichen Dritteln eine Elektroniksparte (Aditron) und ein Autozulieferungsgeschäft (Kolbenschmidt Pierburg).
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Es war, als ob die Börsianer auf Wyser-Pratte gewartet hatten. Nachdem das Handelsblatt am 23. Februar 2001 von dessen Einstieg berichtet hatte, stieg der Kurs der Stammaktie bis zum Abend um 28 Prozent auf 15,90 Euro, auch die Vorzugsaktie legte um 17 Prozent zu. Beim Großaktionär Röchling war man wohl erst einmal ratlos, wie mit dem neuen Mitbesitzer umzugehen sei. Einerseits empfand man ihn natürlich als Eindringling, der sich in familieninterne Belange einzumischen drohte. Andererseits brachte er frischen Wind und dürfte mit seiner Forderung nach stärkerer Shareholder-Value-Orientierung, also der Ausrichtung der Firmenpolitik an höheren Aktienkursen, nicht wenigen Clan-Mitgliedern aus dem Herzen gesprochen haben. Offiziell wartete man erst einmal ab. Erst am 2. Mai fand das erste Gespräch Wyser-Prattes mit Vorstandschef Klaus Eberhardt statt.17 Danach gab sich der Amerikaner optimistisch, dass Rheinmetall auf eine seiner Hauptforderungen, nämlich die Konzentration auf das Geschäft mit der Wehrtechnik, einschwenken werde.
Guy Wyser-Pratte 2001
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Seinen großen Auftritt hatte er dann bei der Hauptversammlung am 21. Juni 2001 in Berlin. Mit seinem deutschen Partner Markus Elsässer als Übersetzer sprach Wyser-Pratte von Rheinmetall als einem »ungeschliffenen Diamanten« und legte seinen Forderungskatalog auf den Tisch. Erstens müssten Aktionäre und Analysten besser informiert werden – etwa über die Spitzenstellung der Wehrtechniksparte von Rheinmetall, über den von ihm auf den Wert von 1 Milliarde Euro taxierten Grundbesitz und über die Erhöhung des Buchwertes der Firma um 300 Millionen Euro, der sich aus der Umstellung der Rechnungslegung auf den internationalen Standard IAS ergeben könnte. Zweitens solle sich Rheinmetall nach dem Verkauf von Randaktivitäten und der Optimierung seiner drei Geschäftsfelder ganz auf die Wehrtechnik konzentrieren, die voller »Perlen« sei, und die anderen Bereiche abgeben. Ein solchermaßen fokussierter Konzern anstatt des aktuellen Konglomerats aus 150 Firmen werde seinen Schuldenstand senken und die teure Holdingstruktur abschaffen können. Als Folge werde Rheinmetall mit einem substanziell höheren Kurs an der Börse gehandelt werden. Als Beleg für seine These verwies der Investor auf das US-Rüstungsunternehmen ATK Alliant Technologies, mit dem die Rüstungssparte von Rheinmetall (DeTec) eng zusammenarbeitet. Bei etwa gleichem Jahresumsatz und vergleichbarer Mitarbeiterzahl wie DeTec war ATK an der Börse 1,5 Milliarden Euro wert, der gesamte Rheinmetall-Konzern aber nur 500 Millionen Euro. Obwohl das Echo der übrigen Aktionäre auf Wyser-Prattes Ausführungen verhalten ausfiel und Konzernchef Eberhardt verkündete: »Der Vorstand hat seine Strategie und setzt diese Strategie um«, übte Wyser-Pratte vor und hinter den Kulissen weiter Druck aus und verfuhr damit nach seiner alten Methode: Wenn sich das Management oder die Mehrheitseigentümer gegen seine Sanierungspläne stellen, »dann wird es halt für alle Beteiligten ein bisschen ungemütlich«.18 Ärger scheut der Mann, der erklärt, dass er morgens nach dem Aufwachen an seine Feinde denke und dann gleich gute Laune bekomme, ganz offensichtlich nicht: »Wenn es schmutzig werden muss, wird es eben schmutzig.«19 Bis Juni hatte er schon 6,2 Prozent der Stammak-
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tien gekauft – zu nun schon fast doppelt so hohen Kursen als die 8,50 Euro, mit denen er im November 2000 eingestiegen war – und erhöhte schrittweise weiter auf 7,2 Prozent. Gleichzeitig forderte Wyser-Pratte in Interviews die Aufspaltung von Rheinmetall: Jeder Rheinmetall-Aktionär solle statt seiner Rheinmetall-Aktie künftig je eine Aktie der Elektronik-, der Automobiltechnik- und der Wehrtechniksparte erhalten. Damit brauche man das teure Dach einer Holding nicht mehr, und das jeweilige Management könne sich ganz auf seinen Bereich konzentrieren. Der Vorteil: Der Markt, also die Börse, werde am jeweiligen Aktienkurs dann zeigen, welche Arbeit er wie honoriere. Die einzig denkbare Alternative dazu sei ein Verkauf aller Nicht-Wehrtechnikbereiche. So ging das Monat für Monat weiter – bis die Familie Röchling vom Störenfried endgültig genug hatte. Am 27. November 2001 erklärte sie, man habe alle Rheinmetall-Aktien von Wyser-Pratte zurückgekauft und besitze nun 72,7 Prozent der Stamm- und 10,5 Prozent der Vorzugsaktien. Für den Raider ein echter Traum: Nach fast genau einem Jahr gab er seine Aktien mit einem Gewinn von etwa 150 Prozent ab. Es war der Aktiendeal des Jahres: 15 Millionen Euro Gewinn hatte Wyser-Pratte bei seinem Deutschland-Einstieg gemacht – und in so kurzer Zeit mehr erreicht als erhofft. Statt eines veranschlagten Zeitraums von zwei bis drei Jahren war er bereits nach einem Jahr erfolgreich. Er und seine Investitionsmethode waren binnen Jahresfrist zum Thema in fast allen Zeitungen und Zeitschriften geworden, die sich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigen. Der Hauptgrund, warum man ihn herausgekauft habe, sagt WyserPratte im Rückblick, »lag darin, dass wir weiter auf die Aufspaltung drängten, die eine Menge Wert geschaffen hätte, und sie die drei Teile zusammenhalten wollten«. Doch auch bei Rheinmetall und den Röchlings hatte sich in dieser kurzen Zeit einiges verändert. So hatte man – offiziell natürlich völlig unbeeinflusst von den Forderungen des Amerikaners – ein »Programm zur nachhaltigen Erhöhung des Shareholder-Value« beschlossen.20 Zudem setzte man dem mit allzu ruhiger Hand agierenden Vorstandschef Klaus Eberhardt einen Len-
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kungsausschuss zur Seite, dem neben Mitgliedern des Röchling-Clans auch Vertreter der Investmentbank Goldman Sachs angehören. Dieser Ausschuss soll auch dafür sorgen, dass das Management mehr leistungsbezogene Anreize erhält. Indirekt hat man so die Kritik WyserPrattes am schlechten Management klar bestätigt. Auch Vorstandschef Eberhardt fand nach dem Ausstieg WyserPrattes lobende Worte: Es sei seine Leistung gewesen, »der internationalen Finanzwelt den inneren Wert der Rheinmetall-Unternehmen zu verdeutlichen«.21 Dieser selbst sagt, das durch sein Engagement neu gewonnene Vertrauen der Börse in die Rheinmetall-Aktie habe dem Unternehmen »auch geholfen, seine verschobene Unternehmensanleihe platzieren zu können«. Die neue Bewertung der Börse zeigte sich deutlich am Kurs der Stammaktie: Er war innerhalb eines Jahres von etwa 8 auf 22 Euro geklettert und blieb auch weiterhin deutlich höher als vor dem Einstieg des Firmenjägers. Während er noch in den Medien wegen seines glorreichen Deals gefeiert wurde, feilte WyserPratte bereits an seinem nächsten großen Coup. So dachte er zumindest.
Das Schurkenstück: Babcock Borsig
Bei seiner Suche nach einem geeigneten Opfer geht der Firmenjäger systematisch vor. Wyser-Pratte orientiert sich dabei vor allem am MDAX, also an den DAX-Unternehmen, die unter den 100 größten DAX-Firmen die hinteren 70 Ränge einnehmen. Der Grund: Hier finden sich die meisten Unternehmen, die für seine Pläne in Frage kommen. Es sollte alles nach dem gleichen Muster wie bei Rheinmetall ablaufen: niedriger Kurs, verborgene Schätze, schlechtes Management. Der nächste Kandidat, den der findige Investor und sein deutscher Kompagnon Markus Elsässer fanden und dessen Aktien sie bereits einkauften, schien wieder alle Kriterien optimal zu erfüllen: Er hieß Babcock Borsig. Was die Firmenjäger nicht wussten: In dem Oberhausener Mischkonzern, der Industrieanlagen und Kraftwerke baute, bahnten sich Ereignisse an, die alle Zutaten eines Schurkenstücks
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besaßen. Es ging darin um ausländische Rüstungskonzerne, die an deutsche Spitzentechnologie herankommen wollten, um überforderte Überwachungsbehörden und alarmierte Ministerien und um einen undurchschaubaren Firmenchef. Mit anderen Worten: Es ging um sehr viel Geld. Was Babcock Borsig für Wyser-Pratte interessant machte: Der Konzern besaß seit 1999 nach Meinung aller Fachleute ein Juwel – einen Anteil von 50 Prozent und einer Aktie an der HowaldtswerkeDeutsche Werft AG (HDW). Allein dieser Anteil an HDW war mehr als doppelt soviel wert wie die Restbestandteile von Babcock Borsig. Denn die Kieler Werft ist der Konkurrenz technologisch weit voraus. Sie baut zum einen schnelle Tarnkappenschiffe aus Kohlefaserkunststoff, in Fachkreisen »Visby«-Korvetten genannt. Diese Schiffe sind durch ihre Bauweise kaum zu orten und daher für militärische Zwecke oder die Bedürfnisse von Küstenwachen ideal. Ebenfalls mit einer Hightech-Tarnkappe unterwegs ist die U 31, das neueste U-Boot der HDW-Werft, das im März 2002 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die U 31 ist das modernste nicht-atomar betriebene U-Boot der Welt. Sie wird mit einem einzigartigen Brennstoffzellenmotor angetrieben, der nicht nur leise ist, sondern zudem kaum Wärme entwickelt. Der neue Antrieb ermöglicht es dem U-Boot, wochenlang unentdeckt unter Wasser zu bleiben. Auch deshalb entwickelt es sich zum absoluten Verkaufsschlager. Die Auftragsbücher der HDW-Werft sind voll: Für 5,2 Milliarden Euro hatten die Kunden zum Jahresanfang 2002 Schiffe und U-Boote geordert. Im Januar 2002 gab Wyser-Pratte seinen Einstieg von zunächst 5 Prozent bekannt, den er dann bis auf 8 Prozent ausdehnte. Für ihn bestand der besondere Reiz bei Babcock darin, dass es erklärte Firmenpolitik war, den HDW-Anteil auf 100 Prozent aufzustocken. Die Babcock-Aktie war zu diesem Zeitpunkt etwa 12 Euro wert. Klaus Lederer, der Vorstandschef von Babcock Borsig, hatte die Übernahmeabsicht immer wieder öffentlich verkündet und auch Mitte Februar 2002 bei der Bilanz-Pressekonferenz unterstrichen, es werde »keinesfalls einen Verkauf der HDW-Anteile geben«. Auch gegenüber
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Wyser-Pratte persönlich hatte er dies bekräftigt. Lederer war nicht nur Babcock-Chef, sondern in Personalunion auch HDW-Vorstandsvorsitzender, seit er im Herbst 2000 den damaligen HDW-Vorstand einfach vor die Tür gesetzt hatte. Dieser hatte dagegen protestiert, dass die Zahlungen von Kunden, die bei HDW eingingen, postwendend an das ständig klamme Mutterunternehmen Babcock Borsig überwiesen werden mussten. Dass Lederer nicht nur rabiat im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern, sondern auch bei Aktionären für unliebsame Überraschungen gut ist, musste Wyser-Pratte schon bald nach seinem Einstieg bei Babcock erfahren. Nachdem der Babcock-Chef dem neuen Aktionär bei einem gemeinsamen Abendessen im New Yorker Hotel Four Seasons am 8. Januar seine Pläne einer Vollübernahme der HDW-Werft bestätigt und ihn dann mit einem warmen Händedruck verabschiedet hatte, verpasste er ihm schon bald eine eiskalte Dusche. Babcock Borsig, so ließ er Anfang März bekannt geben, werde seinen 50-ProzentAnteil an der Hightech-Werft nicht aufstocken, sondern verkaufen – zunächst die Hälfte davon, den Rest mit einer Option bis Herbst 2003. Der Schlag saß. Die Babcock-Aktie brach schlagartig um über die Hälfte auf einen Kurs von 5 Euro ein – nur eine erste Etappe der Talfahrt, die in den kommenden Monaten folgen und erst mit der Insolvenz von Babcock Borsig enden sollte. Firmenchef Lederer hatte für den Käufer der HDW-Anteile, die amerikanische Beteiligungsgesellschaft One Equity Partners (OEP), aber noch mehr eingefädelt. Neben 25 Prozent plus einer Aktie von Babcock übernahm OEP auch gleich vom bisherigen HDW-Großaktionär Preussag dessen 50 Prozent minus einer Aktie – und war damit schlagartig im Besitz einer komfortablen 75-Prozent-Mehrheit an HDW. Zusätzlich erklärte Lederer noch, dass er den schwer angeschlagenen Babcock-Dampfer in den nächsten Monaten verlassen werde, um seine ungeteilte Arbeitskraft als Vorstandschef der zukunftsträchtigen HDW widmen zu können. Mit anderen Worten: Er hatte einen Teil seiner Firma seinem künftigen Arbeitgeber verkauft. Schließlich kam auch noch heraus, dass der Babcock-Boss seit Jahren geschäftli-
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che Kontakte mit Richard Cashin hatte, dem Chef von OEP, und beide zeitweilig gemeinsam an der Firma Boulder Capital beteiligt waren. Lederer sah sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, er spiele nur sein eigenes Spiel und habe die Öffentlichkeit über mögliche Verquickungen privater und beruflicher Interessen nicht informiert. Soviel Chuzpe brachte Wyser-Pratte in Rage: »Jetzt werden die Samthandschuhe ausgezogen und die Stahlfaust ausgepackt«,22 polterte er. Das Hauptargument des US-Geschäftsmannes: Ein solch elementarer Kurswechsel in der Firmenpolitik wie der HDW-Verkauf hätte der Zustimmung der Eigentümer, also der Aktionäre, auf einer Hauptversammlung bedurft. Mit mehreren Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft und einstweiligen Verfügungen versuchte er, den Verkauf an OEP noch zu stoppen. Diese Verfahren, die Jahre dauern können, werden wohl den Verkauf nicht mehr rückgängig machen. Nicht nur der Firmenjäger hat Zweifel an der Redlichkeit von Lederers Verhalten. Auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre wirft ihm Untreue vor, der Staatsanwalt ermittelt. Als Begründung für seinen 180-Grad-Schwenk hin zum völligen Verkauf aller Anteile hatte Lederer angeführt, dass alle Gespräche mit möglichen Finanziers einer angestrebten vollständigen Übernahme der HDW gescheitert seien und er keine andere Möglichkeit als den Verkauf gesehen habe. Dem widerspricht Wyser-Pratte vehement. Er selbst habe mit einem potenziellen US-Investor gesprochen, der bereit gewesen sei, 25 Prozent der Werft selbst zu kaufen und den Kauf des restlichen Viertels für HDW zu finanzieren. Dieser sei aber von HDW nicht in die Verhandlungen einbezogen worden. Lederer ignorierte auch eine dem OEP-Angebot gleichwertige Kaufofferte von ThyssenKrupp. Dieses hätte keinerlei Vorteile gebracht und alles nur verzögert, so seine Begründung. So war die merkwürdige Situation entstanden, dass ein amerikanischer Firmenjäger – sicher nicht uneigennützig – den drohenden Ausverkauf deutscher Top-Technologie an amerikanische Rüstungsfirmen beklagte, während das Verteidigungsministerium, zumindest offiziell, zunächst keinen Grund zum Eingreifen sah und die Vertrauenswürdigkeit von One Equity Part-
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ners hervorhob. Dabei hatte Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping »selbst jüngst in Brüssel gewarnt, um die Fairness der Amerikaner sei es beim Technologietransfer in der Rüstungsindustrie schlecht bestellt«23, wunderte sich das Manager Magazin. Tatsächlich sah auf dem Papier alles ganz koscher aus. OEP hatte sich verpflichtet, bis 2012 dafür zu sorgen, »dass HDW nicht gegen den Willen Deutschlands in ausländische Hände geraten kann«, wie es der deutsche OEP-Verantwortliche Christopher von Hugo formulierte.24 Zudem sollten je 15 Prozent an ThyssenKrupp und die MANTochter Ferrostaal abgegeben werden. Allerdings: Für knapp 20 Prozent suche man einen strategischen Investor – gern auch aus den USA. Als dann auch die EU-Wettbewerbskommission am 30. Mai 2002 dem Deal zustimmte, platzte Wyser-Pratte der Kragen. Die Zurückhaltung der deutschen Regierung und das Placet der Europäischen Kommission halte er für mehr als naiv: »Es gab keinen Grund, HDW zu verkaufen. Und sie sind Idioten, wenn sie nicht erkennen, dass es sich um eine Transaktion in zwei Schritten handelt. Die finanzielle, die man bei der EU-Kommission angemeldet hat, war nur der erste Schritt.« Tatsächlich gibt es klare Hinweise darauf, dass amerikanische Rüstungsinteressen hinter dem OEP-Kauf von HDW stecken und es sich um eine verdeckte Übernahme handeln könnte. Da ist zum einen die Chicagoer Familie Crown, die sowohl an der OEP-Mutterfirma Bank One als auch am Rüstungskonzern General Dynamics beteiligt ist. Mit James Crown sitzt zudem ein Familienmitglied in den Führungsgremien von General Dynamics und von Bank One. Diese merkwürdige Verknüpfung war auch Ulf Böge, dem Chef des Deutschen Kartellamts, aufgefallen.25 Er hatte die Europäische Kommission darauf aufmerksam gemacht – vergeblich. Und da ist zum anderen die Tatsache, dass US-Rüstungskonzerne seit 40 Jahren lediglich atomar betriebene, aber keine konventionellen U-Boote mehr bauen. Sie könnten also den Brennstoffzellenantrieb gut gebrauchen – zumal es eine Zusage des amerikanischen Präsidenten George W. Bush an Taiwan gibt, acht U-Boote ohne Nuklearantrieb an das nicht-kommunistische China zu liefern. »Es wird zu einer
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Verletzung der deutschen Export-Richtlinien kommen, die den Verkauf von Verteidigungsgütern, wie etwa U-Booten, nach Taiwan verbieten«, ist sich Wyser-Pratte sicher. Und wenn, wie Experten meinen, zur Umgehung dieser Richtlinien nur Teile der U-Boote in Deutschland gebaut und der Rest in anderen Länder zusammengeschraubt werde, dann sei der Technologieverlust doch trotzdem offenkundig. Und tatsächlich meldete der US-Wirtschaftsdienst Bloomberg bereits am 30. Mai 2002, dem Tag, an dem die EU-Kommission keinerlei Bedenken gegen den Kauf geltend gemacht hatte, Folgendes: Die OEPMuttergesellschaft Bank One sei bereits in Gesprächen mit den Rüstungsfirmen Northrop Grumman und General Dynamics. Es gehe darum, eine Partnerschaft in Sachen Schiffsbau herbeizuführen. OEPChef Richard Cashin wird mit den Worten zitiert, was man wirklich wolle, sei, »zu einem amerikanischen Verteidigungsunternehmen zu gehen – und es gibt nur zwei davon, die U-Boote bauen – und es einzuladen, sich mit uns zusammenzutun«.26 Im Oktober 2002 wurde bekannt, dass sich HDW gemeinsam mit Northrop Grumman um einen Auftrag der amerikanischen Navy für Tarnkappenschiffe bewarb.27 Bereits Ende September 2002 hatte die Wirtschaftswoche gemeldet, dass Northrop Grumman als weltgrößter Hersteller von Marineschiffen 70 Prozent an HDW übernehmen wolle.28 Das alles spricht dafür, dass Wyser-Pratte und andere Kritiker Recht haben mit ihrer Ansicht, dass es sich um eine verdeckte Übernahme handele und es nur eine Frage der Zeit sei, bis sich die Amerikaner der für sie interessanten Technologie bemächtigen werden. Trotzdem passierte auf politischer Ebene nichts. Allerdings begann man hinter den Kulissen im Wirtschafts- und im Verteidigungsministerium nun doch, unruhig zu werden. Langsam dämmerte es den Zuständigen, dass trotz aller Beteuerungen und Vertragsklauseln ein unerwünschter Technologietransfer über den Atlantik nicht ausgeschlossen werden kann. Doch anders als in den USA oder Frankreich, verlautete es inoffiziell aus dem Verteidigungsministerium, gebe es in Deutschland keine rechtliche Möglichkeit, aus sicherheitspolitischen Gründen einen solchen Verkauf zu untersagen.29
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Das Verhalten von Klaus Lederer hält Wyser-Pratte für kriminell: »Er hätte nicht als gleichzeitiger Chef beider Firmen das Geld so hin und her schieben dürfen, wie er das getan hat. In den USA würde er längst im Gefängnis sitzen. Und wir werden uns darum bemühen, ihn auch in Deutschland hinter Gitter zu bringen.« Belastendes Material gegen Lederer habe er bereits in der Schublade. Anfang September 2002 war Lederers Verhalten dann auch für seinen neuen Arbeitgeber und alten Partner Richard Cashin von OEP untragbar geworden. Um HDW aus den Schlagzeilen zu bekomnnen, musste Lederer seinen Hut nehmen. Seine Abfindung soll sich auf 6 Millionen Euro belaufen haben. Auch wenn die endgültige juristische Klärung in Sachen HDWVerkauf noch aussteht, so wurde das Babcock-Engagement der erste wirklich größere Reinfall für Guy Wyser-Pratte und seinen Co-Raider Elsässer. Am 4. Juli 2002 musste Babcock Borsig Insolvenz anmelden. Trotz finanzieller Zusagen in Höhe von 430 Millionen Euro durch das Land Nordrhein-Westfalen und die Bundesrepublik Deutschland wollten die Banken nicht noch mehr Geld in ein marodes Gebilde ohne Zukunftsperspektive investieren. Der Insolvenzverwalter Horst Piepenbrock und die Banken müssen nun ungewollt den Job machen, für den sonst Raider berüchtigt sind: ein Firmenkonglomerat zerlegen und dabei so viel Kapital wie möglich herausschlagen – nur dass es in diesem Fall darum geht, die Ansprüche der Gläubiger abzugelten. Dass dabei auch viele Arbeitsplätze verloren gehen, verdanken die ehemals 22 000 Mitarbeiter, davon allein 13 000 in Deutschland, aber nicht einem Firmenjäger, sondern dem trick- und einfallsreichen Mann an der Spitze: Klaus Lederer.
Mehr Ärger mit Mobilcom?
Trotz seiner Bauchlandung bei Babcock hat der US-Investor den Glauben an deutsche Werte noch nicht verloren – auch wenn diese unter keinem guten Stern zu stehen scheinen: »Wir laufen nicht bei
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den ersten Anzeichen von Ärger davon.« So hält er einen 1,1-prozentigen Anteil an der Büdelsdorfer Telefongesellschaft Mobilcom. Bei Mobilcom war er Anfang des Jahres 2002 eingestiegen. Danach war es zu einem dramatischen Kursverfall gekommen. Grund dafür war ein unerquickliches Gerangel zwischen Mobilcom-Chef Gerhard Schmid und Großaktionär France Telecom um die Übernahme der Anteile von Schmid und seiner Frau. Dieser wollte für sein fast 50-prozentiges Aktienpaket 22 Euro pro Aktie – die Franzosen wollten bei weitem nicht so viel zahlen. Wyser-Prattes Kalkül ging nun dahin, sein Paket in Schmids Fahrwasser ebenfalls mit einem deutlichen Aufschlag zu verkaufen. Denn das deutsche Übernahmegesetz verpflichtet einen Großaktionär, der 30 oder mehr Prozent der Aktien eines Unternehmens aufkauft, allen übrigen Aktionären ein faires Kaufangebot zu machen. Doch France Telecom wollte genau das durch eine geschickte Verteilung kleinerer Aktienpakete auf verschiedene Banken vermeiden. Schließlich spitzte sich der Streit immer weiter zu, und die Franzosen drohten damit, Mobilcom pleite gehen zu lassen. Der US-Raider forderte immer wieder vehement, die Rechte der Kleinaktionäre nicht mit Füßen zu treten, und reichte bei der Börsenaufsicht Beschwerde gegen das Verhalten von France Telecom ein. Sein Engagement sieht er dabei wiederum als Mission: »Irgendjemand muss für die Minderheitsaktionäre aufstehen. Das ist etwas, was normalerweise in Deutschland nicht passiert. Selbst wenn wir aus dieser Sache nicht als der große Gewinner herausgehen sollten, so ist das Teil des Prozesses, in Deutschland eine Aktienkultur zu schaffen, die auch die Interessen von Minderheiten schützt.« Vorerst scheint er damit noch nicht Erfolg zu haben. Am 1. August 2002 gab die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) bekannt, dass France Telecom mit seiner Übernahmetaktik nicht gegen deutsches Recht verstößt. Der Raider und auch die Kleinaktionäre haben das Nachsehen (vgl. S. 13, Der Firmenjäger als »Weißer Ritter«). Aber es gibt ja auch noch andere Arbeitsfelder: Seit Ende Januar 2002 ist Wyser-Pratte mit von 5 Prozent als Minderheitsaktionär an der österreichischen Fluggesellschaft Austrian Airlines beteiligt.30
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Die Waterkant-Connection: Karl Ehlerding und seine Raider-Riege Wie wird man am schnellsten Millionär? Indem man vorher Milliardär war. Über diesen Börsenwitz kann der Hanseat Karl Ehlerding, dessen Familie zu Börsenhochzeiten ein Privatvermögen von 2,5 Milliarden Euro ihr eigen nannte und die noch im April 2002 auf der Liste der 100 reichsten Deutschen mit einem geschätzten Vermögen von 1,9 Milliarden Euro auf Platz 50 geführt wurde, nicht mehr lachen. Im Sommer 2002 zerrann dem abgebrühten Firmenjäger parallel mit dem Verfall des Börsenwertes seiner Beteiligungsfirma WCM das angehäufte Vermögen wie Nordseesand zwischen den Fingern. Die schlimmste Börsenbaisse seit 1945 traf eben nicht nur nervenschwache Börsenneulinge, sondern auch deren geniale Gurus, verehrte Vorbilder und ausgekochteste Zocker. Ehlerdings Erfolgsgeschichte ist im Rückblick bestechend einfach, sein Milliarden-Euro-Rezept hat er einmal in dem ernst gemeinten
Karl Ehlerding 1999
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Satz zusammengefasst: »Wir müssen E größer A hinbekommen.«31 E steht dabei für Einnahmen, A für Ausgaben. Um dieses Grundprinzip zu erfüllen, fand der listige Hanseat allerdings schon früh seine ganz speziellen Kniffe und Tricks – und mit Friedrich Dieckell, KlausPeter Schneidewind und Clemens Johannes Vedder auch die Bündnispartner, mit denen er ganz große Deals drehen konnte. Als Sohn eines Krabbenhändlers 1942 geboren, lernte Karl Ehlerding schon im Bremerhavener Elternhaus, wie man »E größer A« hinbekommt. Bereits als Schüler setzte er auf die Börse, erzählt er gern: »Kurz vor meinem Abitur hatte ich von einem Großonkel 3 200 Mark geerbt, und zusammen mit einigen Familienmitgliedern konnte ich 1960 die neuen VW-Aktien zu einem Kurs mit Sozialrabatt kaufen. Nach einem halben Jahr haben wir mehr als 50 000 Mark verdient.«32 Mit einem beruhigenden Finanzpolster im Rücken ging der 20jährige Ehlerding 1962 nach Hamburg und studierte dort Betriebswirtschaft. Die alte lateinische Weisheit, dass wir nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen, traf für Karl Ehlerding in finanzieller Hinsicht zu wie auf nur wenige andere. Er fand im Studium exakt den Dreh, der ihn unter Deutschlands Superreiche katapultieren sollte: Der schmächtige und eher schüchterne Student hörte an der Hamburger Uni eine Vorlesung über Liquidationsbilanzen und sollte eine Seminararbeit zu dem Thema verfassen. Dabei erregte im Branchenblatt Industriekurier ein kleiner Artikel seine Aufmerksamkeit: »Die Hildesheim-Peiner Kreisbahn macht dicht«. Ehlerding besorgte sich alle Geschäftsberichte und Unterlagen, die er über die kleine niedersächsische Aktiengesellschaft bekommen konnte und begann zu rechnen. Sein Ziel: Er wollte den Liquidationswert pro Aktie heraufinden, also das, was sie allein aufgrund ihres Betriebsvermögens wert war. Sein Ergebnis hielt der Student zunächst für einen Riesenrechenfehler – schließlich kam er auf einen Wert von 120 Mark pro Aktie, während das Papier im Börsenteil des Handelsblatts mit 2 Mark notiert war. Um einen Irrtum auszuschließen, sah er sich vor Ort in Peine um, begutachtete Bahnhöfe und Grundstücke, um jeden denkbaren Fehler an seiner Rechnung
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auszuschließen. Als er sicher war, dass er recht hatte und die Aktie völlig falsch bewertet war, handelte der junge Student exakt genauso, wie er es auch später tun würde: Er setzte alles auf eine Karte – aber er hatte dieses Risiko sehr genau kalkuliert. Karl Ehlerding kaufte also mit allem Geld, das er übrig hatte, die Eisenbahnpapiere. Als die Privatbahn dann einige Zeit später tatsächlich ihren Betrieb einstellte und die Grundstücke und Gebäude verkauft wurden, merkten auch andere, wie viel Substanz in der Aktie steckte. Der Kurs schoss auf sagenhafte 200 Mark hoch. »Nach der gesetzlichen Spekulationsfrist habe ich einen schönen Gewinn gemacht. Steuerfrei. Das war ein Schlüsselerlebnis für mich«33, sagte Ehlerding über 30 Jahre später. Von da an, erzählte er einmal, habe er nur noch über die Börse nachgedacht: »Die Aktie ist mein Hobby.«34 So verließ der Mann mit der Spürnase für unterbewertete Aktien 1969 die Universität bereits als Millionär. In den letzten Jahren seines Studiums hatte er sich schon sein nächstes Opfer ausgesucht: die Braunschweiger Jute AG. Vier Jahre lang kaufte der junge Firmenjäger Aktien des Unternehmens und nahm dafür auch Bankkredite auf. Firmenübernahmen zum Teil mit geliehenem Geld zu finanzieren, gehörte von Anfang zu seiner zeitlebens angewandten Geschäftsmethode. 1 Million Mark investierte Ehlerding insgesamt, bis er die Mehrheit der Jute AG kontrollierte. Mit dem BWL-Diplom in der Tasche marschierte der damals 27-Jährige schnurstracks in die Zentrale der Jute AG und stellte sich als neuer Chef vor. Als Vorstand krempelte er die kleine Textilfirma kräftig um – eine Methode, die er bei seinen späteren Übernahmen beibehielt, und die lautet: Kaufe dich in unterbewertete Firmen ein, übernimm sie, und hebe anschließend die stillen Reserven. Das kann der Verkauf von Immobilien sein, aber genauso gut der lukrative Weiterverkauf von Teilen oder der ganzen Firma an einen passenden Partner aus der gleichen Branche. Mit der Zeit erkannte Ehlerding, dass es besonders einträglich war, Firmen aufzukaufen, die hohe Verlustvorträge in ihren Büchern stehen hatten. Dabei handelt es sich um Verluste aus der Vergangenheit,
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die man in der Bilanz mit aktuellen und auch noch künftigen steuerpflichtigen Gewinnen verrechnen kann. Steuervorteile verschaffte sich Ehlerding auch ganz legal durch die Übernahme von einstmals gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften. Am bekanntesten wurde das Wettbieten für 114 000 Eisenbahnerwohnungen, die der Bund Ende der 90er Jahre verkaufte und an dem sich auch Ehlerdings WCM beteiligte. Diese Wohnungen waren deshalb so begehrt, weil der Gesetzgeber sie beim Weiterverkauf steuerfrei gestellt hatte. So kam es beispielsweise, dass WCM über einen Zeitraum von vier Jahren hinweg zwar 830 Millionen Mark Gewinn auswies, aber darauf nur 35 Millionen Mark Steuern zahlen musste.35 Karl Ehlerding hatte so schon lange vor der Steuerreform der rot-grünen Regierung, die Steuern auf Beteiligungsverkäufe mit Beginn des Jahres 2002 abschaffte, sein ganz persönliches Steuersparmodell entwickelt – das Finanzamt musste sich dabei mit mageren 3 Prozent zufrieden geben. Der listige Raider sagt dazu: »Steuern zu vermeiden gehört zum Geschäft.«36 Konzerne wie DaimlerChrysler lieferten schließlich auch kaum Geld beim Finanzamt ab. Nach seinen ersten Erfolgen mit kleinen Eisenbahnen, Textilunternehmen und Ziegeleien wagte sich der junge Ehlerding nach und nach an größere Unternehmungen. Sein Geschäftsprinzip blieb dabei immer gleich: Unterbewertete Firmen zu kaufen, die einen möglichst hohen Verlustvortrag haben, und deren Schätze anschließend zu Geld zu machen. Wie die meisten anderen Firmenjäger will sich auch Ehlerding selbst nicht als skrupelloser Raider sehen. Es treffe ihn, wenn man ihn als »Berufsspekulant«, »Firmenausschlachter« oder »Finanzjongleur« bezeichne, gab er in einem seiner raren Interviews zu.37 Umso mehr muss es ihn schmerzen, wenn ihm Fachorgane wie die Börsen-Zeitung gar attestieren, sein Geschäft sei eine Art »bakterieller Zersetzungstätigkeit am Rande des Kapitalmarktes«.38 Ehlerding wehrt sich gegen eine solche Einschätzung seines Geschäftes. »Das ist purer Unsinn. Wir retten und sanieren Unternehmen, die manchmal vor dem Konkurs stehen. Wir erhalten alte und schaffen auch neue Arbeitsplätze. Wir haben übrigens noch nie Mitarbeiter von übernom-
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menen Firmen entlassen, keinen einzigen! Ich finde das sozial sehr bedeutsam. Wir beschäftigen zur Zeit unter dem Dach der WCM Holding rund 10 000 Menschen«39, argumentierte er im Jahr 2001.
Der Firmenjäger Karl Ehlering ganz privat
Sein kometenhafter Aufstieg hat Karl Ehlerding nie dazu verleitet abzuheben. Er fliegt nicht mit eigenem Jet (»Da hätte man dauernd das Gefühl, man müsste irgendwohin fliegen, wo man eigentlich gar nicht hinwill«40), fährt einen älteren Mercedes und hat nicht mal eine EC-Karte.41 Sein einziger Luxus: Seit einigen Jahren besitzt er an der Ostküste Mallorcas oberhalb des Badeortes Puerto de Andratx ein Ferienhaus auf einem 200 Hektar großen Grundstück. Wie so vieles in seinem Leben war es ein Schnäppchen, bei dem er nicht Nein sagen konnte: »Eine spanische Bank, die kurz vor der Pleite stand, hat mir das Land für 1,10 Mark pro Quadratmeter verkauft, insgesamt mehr als 2 Millionen Quadratmeter in schöner Lage am Meer.«42 Doch hier Urlaub zu machen heißt für ihn auch nur »arbeiten an einem anderen Ort«.43 Am liebsten unternimmt er ausgedehnte Wanderungen im Ost-Harz (»Immer rauf auf den Brocken«44) mit Jugendfreunden, wo die Ehlerdings dann günstig beim Förster wohnen. Naturverbundenheit drückt sich auch in seinem sozialen Engagement aus. Die Ehlerding-Stiftung, die Ehefrau Ingrid Ehlerding betreut, hat bereits 30 Millionen Euro in soziale Projekte investiert. Vor allem liegt dem Paar der Öko-Bauernhof Norderlück an der Ostsee am Herzen. Für die Rettung des Schullandheims Barkhausen wurde Ehlerding 1998 zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Bremerhaven ernannt. Das seit über 30 Jahren verheiratete Paar hat zwei mittlerweile erwachsene Söhne. Beide, John Frederick und Karl Philipp, zeigen Interesse an den Unternehmungen des Vater und sind meist bei Hauptversammlungen der Firma WCM präsent, deren Hauptaktionär Karl Ehlerding ist. Auch akademische Einrichtungen fördert die Ehlerding-Stiftung. Sie ist Träger des Walther-Rathenau-Instituts an der Berliner Hum-
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boldt-Universität und seit 1993 auch Stifterin zweier Lehrstühle an der Hebräischen Universität Jerusalem: des Walther-Rathenau-Lehrstuhls für Europäische Wirtschaftspolitik und des Arnold-BrechtLehrstuhls für Europäisches Recht.
Ehlerdings Jagdgesellen
Seit seinen Jugendtagen knüpft und pflegt Karl Ehlerding Kontakte – starke Bündnispartner sind seine nützlichste Waffe im Kampf um die Lufthoheit über Firmenzentralen. Besonders wichtig sind für Mastermind Ehlerding drei Mitstreiter: Friedrich Dieckell, Klaus-Peter Schneidewind und Clemens Johannes Vedder. Mit ihnen macht er Geschäfte und plant Firmenübernahmen, die per Handschlag besiegelt werden. Der Drahtzieher Ehlerding, dem Großmannssucht ein Gräuel ist und der mit seiner Frau Ingrid ein Einfamilienhaus in HamburgNiendorf bewohnt, einer Mittelklassegegend in der Nähe des Flughafens, trifft sich mit seinen Geschäftsfreunden oft im Clubraum des Restaurants Alt-Hamburger Aalspeicher. Dort, bei Fisch und Pellkartoffeln mit Quark, die der Nichtraucher am liebsten mit »Alsterwasser« hinunterspült, sitzt er gern mit seinen engsten Vertrauten. In dem exklusiven Investorenclub erweitert der Firmenjäger Ehlerding sein Spektrum an Investitionsideen. Die Partner bringen neue Gerüchte mit, die er in seinem nahegelegenen Penthouse-Büro im 15. Stock des Hanseatic Trade Center an der Kehrwiederspitze mit fantastischem Blick über den Hamburger Hafen noch nicht erfahren hat. Oder sie erzählen von geschäftlichen Möglichkeiten und versuchen, Ehlerding als Verbündeten für vielversprechende Projekte zu gewinnen. Den elf Jahre älteren Friedrich Dieckell, von seinen Freunden nur »Freddy« genannt, kennt Ehlerding seit seiner Jugend – beide sind in der Nähe der Bremerhavener Weserfähre aufgewachsen.45 Dieckell ist wie sein Freund ein Selfmade-Man. Sein erstes Lebensmittelgeschäft
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finanzierte er mit einem Kredit seiner Eltern. 1962 versuchte er sich an einem »Für-Sie«-Supermarkt. Zwölf Jahre später hatte er bereits 17 davon und erzielte einen Jahresumsatz von 200 Millionen Mark. Der umtriebige Dieckell besitzt einen Flugschein, spielt begeistert Golf und segelt. Als Deutschland 1985 den Admiral’s Cup gewann, den wichtigsten Teamwettbewerb im Segelsport, war er mit seinem Boot »Diva« dabei. Wenn Freddy Dieckell nicht mit Karl Ehlerding auf Firmenjagd geht, verwaltet er vor allem seine zahlreichen Immobilien und Firmen und sitzt zudem in diversen Aufsichtsräten. In seiner Heimatstadt Bremerhaven rief er einen mit 100 000 Mark dotierten Gründerpreis ins Leben. Mit seinem Freund Ehlerding, vom gleichen Sternzeichen Löwe, rettete er die 500 Arbeitsplätze der Bremerhavener Schichau-Seebeck-Werft (SSW) und verschaffte ihr neue Aufträge. Im Januar 2001 startete Dieckell mit anderen Investoren und unter Beteiligung des einstigen Skistars Marc Giradelli eine über 600 Meter lange Skihalle in Bottrop, in die er 100 Millionen Mark investierte. Der gewiefte Geschäftsmann Klaus-Peter Schneidewind hatte bereits eine steile Managementkarriere hinter sich, als er durch Freddy Dieckell Karl Ehlerding kennen lernte. Er brachte den Kölner Investor Clemens Johannes Vedder mit, der schon Millionen an der Börse verdient hatte. Mit Dieckell, der grundsätzlich bei allen Raider-Aktivitäten im Hintergrund bleibt, Schneidewind und Vedder heckte Ehlerding Milliardendeals aus. Allein der Kauf und Weiterverkauf des Handelsriesen Spar soll den Investoren nach Schätzungen bis zu 1,2 Milliarden Mark Gewinn eingebracht haben. Weitere gemeinsame große Engagements betrafen die Bonner Immobilienholding IVG sowie die Commerzbank – letzteres ein Misserfolg, der auch zur Entfremdung zwischen dem Duo Schneidewind/Vedder und Ehlerding geführt haben soll. Über jeweils eigene Geschäftspartner und Freunde gibt es neben dem kleinen Kern um Ehlerding eine größere lose verbundene Schar von Privatinvestoren, die auf eigene Rechnung im Windschatten mitsegeln.46 Doch den Kurs gibt nur einer an: Karl Ehlerding.
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WCM: Wie man mit Sozialwohnungen Millionen scheffeln kann
Der ganz große Aufstieg gelang Karl Ehlerding mit der Firma WCM, mit der er die Aufnahme in den MDAX schaffte und bereits als Nachrück-Kandidat in den DAX galt. Die dauerhafte Börsenschwäche und seine Fehlspekulation bei der Commerzbank im Jahr 2002 rückten dann aber nicht nur die Börsenbundesliga in unerreichbare Ferne – seither kämpft Ehlerding ums geschäftliche Überleben. Über WCM wickelt der kühle Hanseat seit 1991 alle großen geschäftlichen Transaktionen ab. Das Kürzel stand ursprünglich für Württembergische Cattun Manufactur, eine der ältesten Aktiengesellschaften Deutschlands, die 1766 vom Augsburger Unternehmer Heinrich von Schüle als Weberei und Stoffdruckerei in Heidenheim an der Brenz gegründet worden war. Bereits 1856 wandelte die Familie die Firma in eine Aktiengesellschaft um, um genügend Geld für die weitere Expansion zu bekommen. Das Unternehmen überdauerte alle politischen Katastrophen und beide Weltkriege in Deutschland relativ unbeschadet und erlebte im Nachkriegsdeutschland noch einmal eine neue Blütezeit. Erst die Konkurrenz auf dem Weltmarkt und die billigen Importe brachten das alte Textilgeschäft zum Erliegen. 1966 stellte man die Produktion ein und beschränkte sich auf die Verwaltung des umfangreichen Immobilienbesitzes des Unternehmens. Der Börsenmantel wurde in den 80er Jahren in den Konzern der IG Farbenindustrie AG in Abwicklung übernommen, deren Mehrheitsaktionär Karl Ehlerding war. 1991 wurde sie in WCM Beteiligungs- und Grundbesitz-Aktiengesellschaft umbenannt. Mit zwei Kapitalerhöhungen und der Einbringung der Gladbacher Aktienbaugesellschaft AG (GAB) bereitete Ehlerding die alte Firma auf die neue Rolle vor, die er ihr zugedacht hatte. 1993 erfolgte die völlige Herauslösung aus der IG Farbenindustrie in Abwicklung. Ehlerding hielt mit seiner Frau lange Jahre über 60 Prozent an der WCM, im Krisenjahr 2002 war der Anteil dann durch Kapitalerhöhungen und Anteilsverkäufe auf 43 Prozent gefallen, von denen die Ehlerdings auf Druck der Banken nun nochmals 25 Prozent abgeben sollen. Seit der Umfirmierung im Jahr
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1991 ist der Geschäftszweck der WCM der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Beteiligungen und Finanzanlagen sowie das Immobiliengeschäft. WCM steht also auf zwei Beinen, dem Immobilien- und dem Beteiligungssektor. WCM-Vorstandschef Roland Flach erläutert den Charme dieser Konstruktion: »Der Wohnimmobilienbereich hat mit dem Beteiligungsgeschäft überhaupt nichts zu tun. Seine Eigenart ist, dass er laufende Einnahmen bringt, also für ein stetiges Geschäft sorgt.«47 Mit zeitweise 54 000 WCM-Wohnungen und 3,5 Millionen Quadratmetern Wohnfläche wurde Ehlerding damit »one of Germany’s biggest landlords«48, staunte das Magazin Business Week. In Bremen, Kiel, Mönchengladbach, Wuppertal und Berlin gehört WCM zu den großen Wohnungsvermietern. Den Grundstein für dieses Immobilien-Imperium legte Ehlerding 1990. Die sich schon damals in Finanznöten befindlichen Kommunen sahen sich immer häufiger gezwungen, ihre Immobilien zu verkaufen. So kam die WCM an die Mehrheit der Gladbacher Aktienbaugesellschaft und damit an rund 6 100 Wohnungen in Mönchengladbach. Durch den günstigen Kaufpreis konnte WCM innerhalb eines Jahres ihr Eigenkapital von 42,5 Millionen Mark auf 560 Millionen Mark erhöhen. Hier konnte Ehlerding erstmals seine geniale Steuersparkonstruktion anwenden. Er nutzte – ganz legal – die Möglichkeit, einen Verlust in Höhe von 420 Millionen Mark auszuweisen. Dieser so genannte Verlustvortrag ermöglichte es ihm, in den Folgejahren Gewinne der WCM damit zu verrechnen. Dafür waren Verlustvorträge vom Gesetzgeber ursprünglich nicht gedacht. Sie sollten krisengebeutelten Unternehmen die Möglichkeit geben, durch kurzfristige Steuererleichterungen schnell wieder schwarze Zahlen zu schreiben. WCM kaufte jedoch immer wieder Firmen mit einem Verlustvortrag in den Büchern und vermied es so, auf ihre anfallenden Gewinne entsprechend Steuern zahlen zu müssen. Ehlerding erkannte als einer der ersten die ganz große Verdienstchance beim Kauf von ehemals gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften. Denn auch nach dem Wegfall ihrer steuerlichen Sonderbe-
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handlung ab 1990 ließ ihnen der Gesetzgeber eine Besonderheit: Auf die Wertsteigerungen, die in der Zeit ihrer Gemeinnützigkeit entstanden, fallen keine Steuern an. Die Wohnungen, die bis dahin nur mit einem geringen, abgeschriebenen Buchwert in den Büchern standen, durften also steuerfrei auf den Marktwert überschrieben werden. Daher verkauft die WCM im Schnitt pro Jahr 1 Prozent ihres Wohnungsbestandes an die Mieter und zahlt für den Gewinn keine Steuern.
Wie Ehlerding seinen Konkurrenten Ristow austrickste
Allerdings hatte Ehlerding die geniale Idee des steuerfreien Weiterverkaufs gemeinnütziger Wohnungen nicht allein. Der Hamburger Kaufmann Lutz R. Ristow war in diesem Geschäft ebenfalls ein Mann der ersten Stunde. Mit seiner Aktiengesellschaft RSE war er in den 90er Jahren nahe dran, erfolgreicher als die WCM zu werden. Mit einem ähnlichen Geschäftsprinzip, aber beschränkt auf Wohnungen und Gewerbeimmobilien im europäischen Ausland, schnappte Ristow seinem Duzfreund Ehlerding so manches gute Geschäft weg. RSE stand ursprünglich einmal für die kleine »Rinteln-Stadthagener Eisenbahn«. Als Ristow 1994 mit einer Gruppe von Privatinvestoren Geld in die RSE steckte und mit ihr in die Bietgefechte um ehemals gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften einstieg, war sie bald eine gefährliche Rivalin für WCM. Im Juni 1997 erhielt RSE den Zuschlag für 7 700 Wohnungen in Bremen. WCM soll damals 5 Millionen Mark mehr geboten haben, aber eine Frist für die Gebotsabgabe versäumt haben. Es muss Ehlerding ein Dorn im Auge gewesen sein, dass Ristows Verbindungen in Politik und Wirtschaft weiter reichten und ergiebiger waren. Unter Ristows Mitstreitern ragten vor allem Rolf Hauschildt, ein Spezialist für Börsennebenwerte und Immobilien, sowie der Rechtsanwalt Joachim Theye heraus. Theye arbeitete mit dem früheren Außenminister, dem FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher, in einer Anwaltskanzlei und verfügte über Kontakte in die Spitze der Bundes-CDU.
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Als Ristow ihm ein Jahr später erneut eine empfindliche Niederlage zufügte, hatte Ehlerding genug. Ristows RSE hatte sich im November 1998 nicht nur gegen die WCM, sondern gegen insgesamt 74 Mitbewerber durchgesetzt. Sie bekam den Zuschlag über knapp 35 000 Wohnungen in Berlin – und das zu einem Spottpreis von 1 000 Mark pro Quadratmeter. Aus der kleinen RSE war mittlerweile ein Immobilienkonzern mit einer Bilanzsumme von 3 Milliarden Mark geworden. Da er ihm geschäftlich nicht beikommen konnte, kaufte Ehlerding den lästigen Konkurrenten einfach an der Börse auf. Ende Juni lud Ehlerding Ristow zum Essen in den Alt-Hamburger Aalspeicher ein und schenkte ihm dabei reinen Wein ein: Die WCM habe bereits 25 Prozent der RSE-Aktien aufgekauft und plane ein Übernahmeangebot an die übrigen Aktionäre. Ristow solle nach erfolgter Übernahme Vorstandsvorsitzender der WCM werden.49 Dieser stimmte nach einigen Gesprächen zu, da ihm Ehlerding zusicherte, er werde nicht nur auf dem Papier Vorstandschef sein, sondern die Richtlinienkompetenz für WCM bekommen. Außerdem könne er den Geschäftszweig Gewerbeimmobilien weiter ausbauen. Im Dezember 1999 beschloss der Aufsichtsrat der WCM offiziell, dass Ristow nach Ende des Übernahmeverfahrens diesen Posten antreten werde. Am 1. März 2000 gab WCM bekannt, RSE sei nun zu 68 Prozent im Besitz der WCM und bestätigte Ristows Bestellung zum neuen Chef. Doch es war alles nur eine Finte gewesen. Noch im März trafen sich die WCM-Vorstände Michael Albertz, Karl-Ernst Schweikert und Roland Flach mit dem neuen Vorstandschef im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten. Was sie mitzuteilen hatten, konnte Ristow nicht gefallen: Die RSE-Gewerbeimmobilien passten nicht zum Geschäftskonzept der WCM und sollten daher verkauft werden. Und: Eine Richtlinienkompetenz für ihn sei auch nicht vorgesehen.50 Ehlerding war nicht selbst erschienen, er ließ andere seine Versprechen brechen. Daraus musste Ristow schließen, dass es Ehlerding bei der ganzen Angelegenheit nur um den Wohnungsbestand der RSE gegangen war. Karl Ehlerding hatte nach 20 Jahren einen Duzfreund weniger. Und vielleicht einen künftigen Konkurrenten mehr: Denn Lutz Ristow
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verabschiedete sich mit einer satten Abfindung aus dem RSE-Vorstand und fing mit 59 Jahren noch einmal von vorne an. Er kaufte wieder eine kleine Aktiengesellschaft, die Tegernseebahn AG (TAG), und wandelte sie in ein reines Immobilienunternehmen um. Damit ist er bereits seit einigen Jahren auf Erfolgskurs. Für Ehlerding hatte sich der RSE-Kauf gelohnt: Mit den RSE-Pretiosen konnte seine WCM ihre Bilanz schön aufpolieren. Das Jahresergebnis 2000 in Höhe von 150 Millionen Euro stammte zu 80 Prozent von Immobilienverkäufen aus dem RSE-Bestand.
Wie eine Millionenspende Ehlerding in die Bredouille bringt
Obwohl das Privatvermögen der Ehlerdings Mitte der 90er Jahre die magische Schwelle von 1 Milliarde Mark überschritt, kannte die breite Öffentlichkeit den scheuen Mann mit der Brille und dem schütteren Haar kaum. Das änderte sich, als im Zuge des CDU-Schwarzgeldund Parteispendenskandals auch die Namen von Ingrid und Karl Ehlerding genannt wurden. Die beiden hatten kurz vor der Bundestagswahl im September 1998 der CDU insgesamt 5,9 Millionen Mark gespendet – privat, legal und zweckgebunden, wie die Spender später nicht müde wurden zu betonen. Diese höchste Spende in der Geschichte der Bundesrepublik hatte einige Tage auf Schwarzgeldkonten der CDU herumgelegen, bevor sie CDU-Schatzmeister Hans Terlinden offiziell im Rechenschaftsbericht der Partei aufführte. Was die Ehlerdings, denen zu diesem Zeitpunkt WCM zu gut 60 Prozent gehörte, in ein schiefes Licht rückte, war aber etwas anderes. Einige Monate zuvor hatte WCM zusammen mit anderen Bietern von CDU-Verkehrsminister Matthias Wissmann den Zuschlag für den Kauf von 114 000 Eisenbahnerwohnungen bekommen. Der Anteil, den sich WCM aus diesem Kuchen schneiden durfte, belief sich auf satte 30 000 Wohnungen. Als merkwürdig empfanden es Beobachter, dass das Konsortium mit WCM die Wohnungen bekommen sollte, obwohl es mit 7,1 Milliarden Mark rund 1 Milliarde weniger geboten
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hatte als der japanische Nomura-Konzern. Das Ehepaar Ehlerding bestritt jeden Zusammenhang seiner Spende mit WCM und den 30 000 Wohnungen. Er habe, sagte Karl Ehlerding zwei Monate vor seiner Vernehmung im Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Bundestags am 29. März 2001, die Entscheidungsträger Verkehrsminister Matthias Wissmann und Finanzminister Theo Waigel nicht einmal persönlich gekannt und Bundeskanzler Helmut Kohl das erste Mal für eine Stunde bei einer Wahlkampfveranstaltung der CDU im September 1998 getroffen.51 Als Grund für seine Spende nannte Ehlerding staatsbürgerliche Verantwortung. Er habe »für die Demokratie gespendet«52, denn er »wähle seit 40 Jahren CDU«53 und habe von der Regierung Kohl auch profitiert: »Die WCM und die Familie Ehlerding haben durch die Wirtschafts- und Steuerpolitik der CDURegierung etwa 40 Millionen Mark gespart.«54 Da die CDU in großen finanziellen Nöten gewesen sei, habe er davon etwas zurückgeben wollen, so der Milliardär. Das Geld sei in ganz konkrete Aktionen geflossen, 900 000 Mark in eine Plakataktion in Mecklenburg-Vorpommern sowie 5 Millionen in eine Imagekampagne für Helmut Kohl. Wenn die Darstellung vom edelmütigen Engagement der Ehlerdings stimmt, dann war das Ende ihres staatsbürgerlichen Ansinnens für beide mehr als ernüchternd. Ingrid Ehlerding brachte ihre Gefühle so auf den Punkt: »Was die CDU mit unserem Geld gemacht hat, war eine Schweinerei. Das hat unsere Spende und uns persönlich in Verruf gebracht.«55 Der Ruf der so sehr auf Seriosität bedachten Ehlerdings war durch die Verquickung mit dem Schwarzgeld der CDU gründlich angeknackst, und auch die fast 6 Millionen Mark konnten dem kriselnden Kanzler Kohl nicht zum Wahlsieg verhelfen. Der SPD-Herausforderer Gerhard Schröder gewann die Wahl, Ehlerding verlor an Ansehen und seine WCM auch noch den Löwenanteil der bereits sicher geglaubten Eisenbahnerwohnungen. Denn die neue rot-grüne Bundesregierung machte den Deal rückgängig. Die zahlungskräftigen Japaner wurden mit an den Tisch geholt und der Kuchen nun unter allen aufgeteilt. Statt dem großen Stück Sahnetorte blieben für die
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WCM nur noch ein paar Krümel Gesundheitskekse übrig. Gesundheitsfanatiker Karl Ehlerding, der jeden Morgen mit einer Viertelstunde Jogging beginnt, biss unverdrossen hinein und versuchte, gute Miene zum für ihn bösen Spiel zu machen: »Wir sind bescheiden, und wir sind sehr glücklich mit den 4 400 Bahnwohnungen, die wir in Wuppertal übernehmen.«56
Die Firmenjäger formieren sich
Neben dem Immobiliengeschäft ist der Handel mit Beteiligungen das zweite Standbein von Ehlerdings WCM AG. Auch wenn Großaktionär Ehlerding und sein WCM-Vorstandschef Flach immer die Eigenständigkeit der WCM betonen, so war diese über lange Jahre hinweg in entscheidenden Momenten nur ein Instrument von Firmenjäger Ehlerding und seinen engsten Bündnispartnern Dieckell, Schneidewind und Vedder. Egal, welcher Firmenname der Öffentlichkeit zuerst präsentiert wurde – am Werk war meistens dieses Quartett. Bereits Ende der 80er Jahre begann sich die illustre Firmenjäger-Verbindung zu formieren. Der erfolgsverwöhnte Karl Ehlerding hatte zuvor – Mitte der 80er – eine herbe Niederlage einstecken müssen. Als Aufsichtsratsvorsitzender hatte er mit der VA Vermögensverwaltung AG durch gefährliche Options- und Aktiengeschäfte Verluste in zweistelliger Millionenhöhe erleben müssen und dann Hals über Kopf sein Amt niedergelegt. Sein Freund Friedrich Dieckell hatte Klaus-Peter Schneidewind zum Lampenhersteller Brillant-Leuchten AG geholt, an dem er eine Mehrheitsbeteiligung erworben hatte, nachdem er 1975 seine Discount-Ladenkette »Für Sie« verkauft hatte. Schneidewind war bereits in jungen Jahren Generalbevollmächtigter der Hussel AG – heute Teil der Douglas Holding AG – gewesen, danach in führender Position bei Coop. 1985 war Schneidewind, erst 35-jährig, Vorstandsvorsitzender der Kaufring AG geworden. Zwei Jahre später wechselte er dann nach Gnarrenburg zu Brillant-Leuchten. Der Senkrechtstarter galt bei sei-
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nen Mitarbeitern als »dynamisch, visionär und ausgesprochen clever«57. Mehrheitseigentümer Dieckell war begeistert, wie sich die Dinge in dieser Zeit entwickelten: »Dort haben wir den Umsatz in 12 Jahren von 6 Millionen auf 90 Millionen Mark hochgebracht.«58 Über Schneidewind kam Ehlerding in Kontakt mit Clemens Vedder, dem Enfant terrible der Investorengruppe. Der Wunsch seiner Kollegen von der Waterkant-Connection, Seriosität zu vermitteln, ist beim schillernden Vedder nicht sehr ausgeprägt. Er hat nichts dagegen, sich gut gelaunt für die Bunte während einer barocken MozartMusical-Night im Sylter Strandlokal »Sansibar« fotografieren zu lassen.59 Vedder versucht auch schon mal, seine Gesprächspartner wie den ehemaligen Commerzbank-Chef Martin Kohlhaussen damit aus der Reserve zu locken, dass er sich mit den Worten vorstellt: »Ich bin Frührentner mit abgeschlossener Vermögensbildung.«60 Der Paradiesvogel der Gruppe, der wegen einer Asthmaerkrankung seit Anfang der 90er Jahre seinen Wohnsitz in Florida hat und vor allem während des deutschen Winters in Palm Beach lebt, verdiente seine erste Million angeblich mit dem Verkauf von Pilotenkoffern. In den 70er Jahren handelte der gebürtige Kölner in seiner Heimatstadt erst mit steuersparenden Kapitalanlagen, dann mit Wohnungen en gros. Anschließend verkaufte Vedder sein auf einen Umsatz von 200 Millionen Mark angewachsenes Unternehmen und investierte den Gewinn in börsennotierte Firmen und Beteiligungen. Der Eishockeyfan, der zeitweise auch Schatzmeister des Eishockeyclubs Kölner Haie EC war und dort »etwaige Transferprobleme mit Barschecks zu lösen pflegte«61, zeigt gern seinen Reichtum. So fährt er manchmal mit einem ausgesucht seltenen Liebhaberauto durch die Gegend: einem Mercedes Benz Cabrio aus der legendären 300er Serie, die schon der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer bevorzugte, in der sich aber auch der Großindustrielle Friedrich Flick kutschieren ließ.
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Der Angriff auf die AVA
Nachdem sich das ungleiche, aber kongeniale Paar Schneidewind/ Vedder gefunden hatte und über Dieckell auch der Kontakt zu Ehlerding hergestellt war, planten die Firmenjäger den ersten gemeinsamen Coup. Ende der 80er Jahre griffen sie an. Ihr Opfer war die Bielefelder AVA AG, eine frühere Coop-Genossenschaft. Die Aktien der Konsumgenossenschaft, zu der unter anderem der Fielmann-Konkurrent Krane Optic sowie die Marktkauf-Großmärkte und die Dixi-Filialen gehörten, waren stark unterbewertet. AVA-Vorstandschef Klaus Daudel hielt wenig von Shareholder-Value und Mitsprache der Eigentümer. Er hatte sich gegen mögliche Ansprüche von Aktionären hervorragend abgeschottet, indem er das Höchststimmrecht eines Aktionärs in der Satzung auf 1 Promille festlegen ließ. Damit waren einem Aktionär selbst mit einem Anteil von 75 oder mehr Prozent der Aktien bei der Hauptversammlung praktisch die Hände gebunden. Schneidewind und Vedder, die bei dieser Aktion die Führung hatten, kippten den selbstherrlichen Daudel auf spektakuläre Weise von seinem Thron: Sie verteilten ihre Aktienpakete auf Hunderte von befreundeten Geschäftsleuten und verschafften sich damit eine Mehrheit bei der Hauptversammlung. Damit stürzten sie den alten Aufsichtsrat der AVA. Anschließend bedienten sich die neuen Herren erst einmal am Firmenvermögen: Wie der Spiegel am 26. Mai 1997 schrieb, setzten sie die Dividende von 15 auf 40 Mark hoch und teilten sich selbst Gratisaktien zu. Finanziert wurde das durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Eine komplette Übernahme der AVA klappte aufgrund weiterer vertrackter Klauseln der Unternehmenssatzung dann aber doch nicht. Doch immerhin verkauften die Raider ihre AVA-Anteile mit einem hohen, zweistelligen Millionengewinn an die Saarbrücker Asko AG. Dabei zeigte Clemens Vedder seine geniale Spürnase. Er verkaufte die AVA-Anteile für sich und seine Mitstreiter so, dass sie damit zweimal Geld verdienen konnten. Vedder wusste, dass bei der Asko noch Teile des früheren Milliardenkonzerns Coop lagen, die inzwischen unter
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Deutsche-SB-Kauf (DSBK) firmierten. Die DSBK, so überlegte der Firmenjäger, musste aufgrund ihrer Verlustvorträge für jeden Handelsmulti hoch interessant sein, weil er damit seine Steuern herunterschrauben konnte. Vedder handelte also als Teil des Kaufpreises für das AVAPaket neben Barem einen 20-prozentigen Anteil an der DSBK aus. Die Idee erwies sich als goldrichtig. Als der Metro-Konzern 1996 mit Kaufhof und der Asko samt der DSBK zur neuen Metro AG fusionieren – und die Verlustvorträge in Höhe von 2,6 Milliarden Mark nutzen – wollte, stand er plötzlich der Waterkant-Connection gegenüber. Mit dem Satz »Ohne unsere Zustimmung wird es keine Fusion geben«62, betrat nun Karl Ehlerding die Bühne. Seine WCM halte mittlerweile 19 Prozent an der DSBK. Er drohte mit Klage, falls man sich nicht einige. Schließlich musste Metro zahlen. Auf 700 Millionen Mark wurde die Summe geschätzt, die Vedder, Schneidewind, Ehlerding und Co. dabei einstrichen.63 Die Raider-Riege hatte damit dreimal Reibach gemacht: bei AVA selbst, beim Verkauf an die Asko und zuletzt beim Weiterverkauf an die Metro.
Raider-Riege auf dem Spar-Trip
Mitte der 90er Jahre feilte der Investoren-Club um Ehlerding an einer ganz großen Sache: der Übernahme der Deutsche Spar AG, Deutschlands siebtgrößter Supermarktkette. Um dabei nicht aufzufallen, kaufte man sich heimlich über die Norddeutsche Handels Holding GmbH (NHH) ein, eine Firma, bei der Schneidewind und Vedder Mehrheitsgesellschafter sind. Als die Gruppe Ende 1995 dann 75 Prozent der Anteile innehatte, versuchte sie, sich der Öffentlichkeit in der Rolle des seriösen Investors zu präsentieren und den Ruch des rüden Raidertums abzustreifen. »Egal, was wir machen, wir bleiben die profitgierigen Spekulanten«64, klagte etwa Klaus-Peter Schneidewind. Dabei habe man »die Zeit des bloßen Geldmachens« längst hinter sich, »jetzt wollen wir etwas gestalten«.65 Als er das im Mai 1997 sagte, kann Schneidewind allenfalls sich allein gemeint haben, denn seine
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Partner waren wohl doch eher gewinnorientiert. Und für den Profit sorgte sehr schnell, gerade eineinhalb Jahre nach der Spar-Übernahme, der Einstieg der französischen ITM Intermarché-Gruppe. Über eine komplizierte Konstruktion verkauften Schneidewind, Vedder, Dieckell, Ehlerding und seine WCM sowie der Spar-Gründer Bernhard Schmidt ihre 75 Prozent Anteile an Spar zu 51 Prozent an Frankreichs führenden Lebensmittelhändler Intermarché. Dazu gründete man gemeinsam die Firma Intercontessa, die nun mit 75 Prozent der Aktien Mehrheitseignerin bei Spar war. Nach und nach, so die Vereinbarung, sollte Intermarché sämtliche Anteile der Deutschen übernehmen. Ehlerding und seine Gruppe machten bei dem Deal einen Gewinn in mindestens dreistelliger Millionenhöhe, die Schätzungen reichten von 250 Millionen Mark66 bis zu 1,2 Milliarden Mark.67 Einzig Schneidewind verkaufte seine Anteile an der neuen gemeinsamen Intercontessa nicht so schnell wie seine Kompagnons. Vielleicht wollte er anfangs tatsächlich etwas gestalten, ja sogar in die Strukturen des bundesrepublikanischen Einzelhandels ordnend eingreifen, wie er hochtrabend verkündete.68 Doch dafür reichte der kurze Atem des Raiders nicht. Drei Jahre später, bei der Hauptversammlung der Spar Handels-AG Ende August 2000, gab man den überraschenden Rückzug Schneidewinds aus dem Aufsichtsrat bekannt – auf der schriftlichen Einladung war er noch genannt worden.69 Und weitere zwei Jahre danach, bei der Spar-Bilanzpressekonferenz am 4. Juli 2002, herrschte aufgrund des hohen Defizits der Spar-Gruppe dann nur noch Krisenstimmung. Alain Rocher, Generalsekretär des Mehrheitseigentümers Intermarché, musste zugeben, dass der Spar-Kauf ein Fehler gewesen war: »Wir haben nicht genau genug hingeschaut«,70 räumte er ein. Intermarché hatte das strahlende Bild einer dynamischen Spar-Kette, wie Schneidewind es gezeichnet hatte, nicht hinterfragt und nur den eigenen Aufstieg zur Nummer eins unter Europas Lebensmittelhändlern vor Augen gehabt. Die Gruppe um Vedder und Schneidewind habe damals »einen guten Deal gemacht«71, meinte Rocher nun selbstkritisch. Mit den Riesensummen, die sie durch den Spar-Deal erzielt hatten, finanzierten die Firmenjäger ein weniger spektakuläres, aber wie-
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derum sehr ertragreiches Geschäft. Sie stiegen mit über 10 Prozent bei dem Versicherungskonzern Württembergische AG VersicherungsBeteiligungsgesellschaft (WürttAG) ein und verkauften ihre Anteile dann an die HypoVereinsbank. Der Gewinn der Gruppe soll 400 Millionen Mark betragen haben. Den WCM-Konzerngewinn pushte dieses Geschäft von 219 Millionen Mark im Jahr 1997 auf 402 Millionen Mark im Folgejahr. Wenn ihre Rechnung vom schnellen Gewinn einmal nicht aufging, dann handelten Ehlerding und seine Partner meist umgehend und konsequent. So wurden der Bekleidungsfilialist Jean Pascale und das Handelshaus Wünsche AG bald wieder weitergereicht – sie hatten die Profiterwartungen der Firmenjäger nicht erfüllt.
IVG: Im Verborgenen gekauft
Bereits im Frühjahr 1998 kamen an der Börse erste Gerüchte auf, die »fantastischen Vier«72 planten einen neuen, großen Coup. Ziel der Raider-Attacke sei die Bonner Immobiliengesellschaft IVG Holding AG. Das frühere Bundesunternehmen war Mitte der 80er Jahre privatisiert worden. Anders als WCM konzentriert sich IVG vor allem auf Gewerbeimmobilien, die meisten davon im Ausland. Dabei stehen das Bestandsmanagement und die Projektentwicklung im Mittelpunkt. Das Unternehmen deckt alle Facetten des Immobiliengeschäftes von der Planung über die Finanzierung und den Bau bis hin zur Vermarktung und Vermietung von Objekten ab. Das Spektrum der IVG umfasst Büroimmobilien, Gewerbe- und Technologieparks sowie Ölund Gaslagerstätten. Insgesamt verwalten die Bonner Immobilien im Wert von über 3 Milliarden Euro. IVG ist auch maßgeblich am Ausbau des Berliner Flughafens Schönefeld und am Bau des ICE-Bahnhofs am Flughafen Frankfurt beteiligt. Als WCM-Vorstandsmitglied Karl-Ernst Schweikert bei der Hauptversammlung 1998 mit Fragen nach der IVG konfrontiert wurde, antwortete er wortreich, sagte aber inhaltlich nichts. Tatsäch-
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lich wurden bereits unauffällig Aktien geordert. Und wieder, wie schon bei der Spar-Übernahme, pirschte man sich über eine unauffällige kleine Firma an das Opfer heran. Eingefädelt wurde der Coup diesmal von Klaus-Peter Schneidewind, dem »Außenminister« der Jagdgesellschaft, wie ihn Clemens Vedder einmal titulierte.73 Schneidewind hatte die unverdächtige Beteiligungsgesellschaft Sirius GmbH im steuergünstigen Wackerow in Mecklenburg-Vorpommern gegründet. Die Sirius kaufte – unbemerkt von sonst oft hellhörigen Börsianern – IVG-Aktien. Auch die Rebon B. V., die zu gleichen Teilen Vedder und Schneidewind gehört, kaufte kleinere IVG-Pakete auf. Zusätzlich trat noch in geringem Maße auch Schneidewinds und Vedders Norddeutsche Handels Holding (NHH) als Käufer auf, über die bereits der Spar-Deal gelaufen war. Die NHH meldete im Dezember 1998, dass sie 5,1 Prozent an der IVG übernommen, aber dann gleich weiterverkauft habe. Was auf verschiedenen Wegen angesteuert wurde und daher kaum auffiel, war eine konzertierte Aktion – alle Akteure arbeiteten gemeinsam auf das Ziel hin, die IVG zu übernehmen. Bis dahin wurde getarnt und getäuscht, was das Zeug hielt. Anfang Januar 1999 rückte WCM damit heraus, dass man einen kleineren, nicht meldepflichtigen Anteil an IVG halte. »Eine Beteiligung in meldepflichter Größenordnung werde nicht angestrebt«74, meldete die Börsen-Zeitung das scheinbare Desinteresse der Ehlerding-Firma. Etwa zeitgleich outete sich Rebon, dass sie 13,2 Prozent an der Bonner Immobilienholding halte. Dass noch weitere, entscheidende Pakete bei der Sirius lagen und dann alle bei ihr gebündelt wurden, kam erst kurz danach ans Licht. Nun, mit insgesamt 31,8 Prozent der IVGAktien in der Hand der Firmenjäger, machte Schneidewind einen Termin beim IVG-Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Lennings, um sich als neuer Großaktionär vorzustellen. Auch wenn Vedder treuherzig betonte, dass sie nur ein knappes Drittel der Aktien hatten,75 so war den meisten Börsianern klar, dass es dabei nicht bleiben würde. Tatsächlich kaufte die Sirius weiter IVG-Aktien. Es hätte auch nicht zur Handlungsweise von Ehlerding und seinen Eleven gepasst, diesmal nicht die Mehrheit anzustreben. Auch die Verbindung zu
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Rebon, die man seitens der WCM zuvor noch abgestritten hatte, wurde schnell offenkundig. Schließlich war man gemeinsam an der Sirius beteiligt – WCM hielt dabei 45 Prozent. Im Herbst 2001, da hatte Sirius die IVG mit 49,99 Prozent der Aktien längst in der Tasche, übernahm dann Ehlerdings WCM auch offiziell das Ruder bei der IVG. Man kaufte der Rebon Anteile ab und stockte so den WCM-Anteil an Sirius auf 87 Prozent auf. Der direkte Anteil der WCM an der IVG hatte sich dadurch zwar nur von etwa 22 auf 43 Prozent erhöht. Doch über die Sirius-Anteile repräsentierte WCM bei IVG-Hauptversammlungen nun insgesamt 76 Prozent der Stimmen – genug, »um die Gesellschaft so zu beherrschen, wie das notwendig ist«76, sagte WCMVorstandschef Flach in aller Offenheit. In der Folgezeit erhöhte WCM ihren Anteil am IVG auf 50,8 Prozent. WCM zahlte eine unbekannte Summe in bar an Schneidewinds und Vedders Rebon für deren SiriusPaket, das einen Börsenwert von 310 Millionen Euro hatte.77 Mit der IVG hatten die Firmenjäger einen großen Coup gelandet. WCM, selbst erst seit 1998 im MDAX, hatte mit IVG die Kontrolle über ein anderes MDAX-Unternehmen erlangt und hatte nun Zugriff auf Immobilien im Gesamtwert von 7,5 Milliarden Euro. Wie die Zukunft der IVG unter WCM-Oberhoheit aussehen würde, dazu nahm Flach nicht Stellung. Sowohl Verkäufe als auch Zukäufe seien denkbar.
Klöckner-Werke: Das Opfer verkauft sich teuer
Drei Tage vor Heiligabend 1999 bekam die Firmenleitung des Duisburger Mischkonzerns Klöckner-Werke AG Post aus Hamburg. Dass es sich nicht um Weihnachtsgrüße handelte, erkannte Klöckner-Chef Heinz-Ludwig Schmitz am Absender: Karl Ehlerdings WCM. Man besitze, teilten die WCM-Vorstände Roland Flach und Karl-Ernst Schweikert der Spitze des Unternehmens mit, mehr als 10 Prozent des Grundkapitals von Klöckner und würde sich gerne unterhalten. Eine schöne Bescherung für das Klöckner-Management, das der Meinung
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war, für das traditionsreiche Unternehmen eine profitable Zukunftsperspektive erarbeitet zu haben. Schließlich hatte Klöckner 1993 schon einmal Konkurs anmelden müssen. Nach einem Vergleichsverfahren hatte das Management das Unternehmen neu ausgerichtet. Die Verpackungstechnik und die Folienproduktion waren profitabel, bei Letzterer war man mittlerweile Weltmarktführer. Im Frühjahr 1999 hatte Schmitz die Autozulieferer-Tochter Peguform für über 900 Millionen Mark verkauft und damit die Firmenschulden drastisch gesenkt. Der Mann hatte alles richtig gemacht – und genau deswegen geriet er mit Klöckner ins Visier des Firmenjägers Ehlerding. Der verfolgte den Weg des Unternehmens seit Mitte der 80er Jahre. Nachdem Klöckner nun auch noch so gut wie schuldenfrei war, erfüllte es alle WCM-Kriterien für eine Übernahme: Es war ein bekanntes Unternehmen, es war an der Börse stark unterbewertet, und – besonders attraktiv – es verfügte aus schlechteren Tagen noch über steuerliche Verlustvorträge von 2,3 Milliarden Mark Körperschaftssteuer und 1,8 Milliarden Mark bei der Gewerbesteuer. Ehlerding war entzückt und blies zum Angriff. Obwohl er die meisten Aktien als Paket von Banken oder Privatpersonen außerhalb der Börse kaufte, merkten die Börsianer diesmal, dass etwas im Gange war: Der Kurs sprang an und hatte sich bereits verdoppelt, als WCM zum Jahresende 1999 hin ihre 10-Prozent-Beteiligung öffentlich machte. Bereits im ersten Gespräch im Januar 2000 eröffneten die WCMEmissäre Flach und Schweikert dem Klöckner-Chef und seinem Finanzvorstand Siegfried Barschkett, dass man den Klöckner-Aktionären ein Kaufangebot machen wolle und sich dabei Unterstützung vom Vorstand erhoffe. WCM arbeitete bei diesem und den folgenden Gesprächen mit Drohungen, die zwischen Freundlichkeiten versteckt waren. Zunächst versprachen Flach und Schweikert, die geplante Übernahme solle möglichst harmonisch im Einverständnis mit der Klöckner-Führung über die Bühne gehen. Die Arbeit des Vorstands sei gut, er werde auch nach der WCM-Übernahme im Amt bleiben. Dann kam die Drohung: Sollte es zu größeren Problemen kommen, könne man das Paket auch an einen unbequemen Investor verkau-
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fen – dass das ein Konkurrent von Klöckner sein könnte, musste gar nicht explizit ausgesprochen werden. Und: Wenn man die Mehrheit im Aufsichtsrat habe, dann werde man auch mehr Kontrolle ausüben. Die Klöckner-Chefs verstanden – aber sie gehorchten nicht. Sie glaubten wohl nicht an ihre Zukunft bei Klöckner nach einer WCMÜbernahme. Vielleicht hatten sie vor Augen, wie Ehlerding mit RSEChef Lutz Ristow umgesprungen war: Diesem hatte man nach der Übernahme statt der versprochenen Richtlinienkompetenz allenfalls noch Repräsentationsaufgaben zugedacht. Taktisch klug baten sie um Zurückhaltung, bis die Hauptversammlung gelaufen sei, was WCM zusagte. Doch dann stellten Schmitz und Barschkett auf stur und ließen keine Gelegenheit aus, Ehlerding zu ärgern. Bei der Hauptversammlung am 17. März 2000 brüskierten sie ihn damit, dass sie den Aktionären empfahlen, das Umtauschangebot von Klöckner- in WCM-Papiere nicht anzunehmen – WCM sei nicht zuverlässig und solide genug. Und obwohl Schmitz bereits das Alter von 64 Jahren erreicht hatte, ließ er sich seinen Vertrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt um volle fünf Jahre verlängern. WCM reagierte auf diese Affronts nicht öffentlich. Aber sie kaufte weiter Aktien zu. Schließlich, im November 2000, erklärte die Klöckner-Führung, die Firma werde künftig nur noch das profitable Foliengeschäft der Tochterfirma Pentaplast weiterführen und ausbauen. Die Sparten Abfüll- und Verpackungstechnik sollten verkauft werden. Indem sie den Konzern aufspalten wollten und damit das Geschäft der WCM besorgten, wollten die Firmenchefs Klöckner für die Angreifer unattraktiv machen. WCM besaß zwar nun schon weit über 25 Prozent der KlöcknerAktien, hatte aber ein anderes Problem: Die eigene Aktie rutschte immer weiter ab. Hatte der Preis für das WCM-Papier am Jahresanfang noch bei 36 Euro gelegen, so war er bis Dezember 2000 bereits auf 24 Euro gefallen. Das bedeutete, dass der Kauf bei einem Aktientausch für WCM immer teurer wurde. WCM-Vorstandschef Flach klagte, dass so genannte Hedge-Fonds den Kurs seiner Firma zusätzlich in den Keller drückten. Deren Methode: Sie liehen sich en masse billig WCM-Aktien und verkauften sie. Mit dem Gewinn kauften
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sie dann Klöckner-Aktien mit dem Kalkül, bei der Übernahme die WCM-Aktie wieder zu bekommen und eventuell noch eine Prämie obendrein. Da die Zeichen für die Firmenjäger also nicht sehr gut standen, mussten sie sich bewegen. Denn Aufgeben kam für sie nicht in Frage: »Wir werden auf Klöckner nicht verzichten«78, machte Flach klar. Ende 2000 legten sie noch Bares auf den angebotenen Aktientausch, Anfang 2001 erhöhten sie das Angebot nochmals – und wurden dann überrascht von der Umtauschbereitschaft der Aktionäre. Insgesamt 82 Prozent hielt WCM danach an Klöckner. Die Übernahme war aber teurer geworden als geplant: Insgesamt kostete sie WCM geschätzte 700 bis 900 Millionen Euro. Andererseits hatte Ehlerding bei Klöckner noch einmal genau in den Bilanzen gegraben und war zufrieden: »Wir haben dort noch einige Schätze gefunden.«79 Konkret meinte der Jäger verborgener Schätze 8 Millionen Quadratmeter Grund, der nicht für den Firmenbetrieb benötigt wurde und damit auch gut verkauft werden konnte. Nun begann das Aufräumen. Bedenken der Belegschaft gegen den neuen Eigentümer nahm man den Wind aus den Segeln, indem man den WCM-Aufsichtsrat vergrößerte und einen Arbeitnehmervertreter zum Stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden machte. Am 16. März 2001 bei der Klöckner-Hauptversammlung übernahm man auch faktisch die Macht, indem man den kompletten Aufsichtsrat neu besetzte. Den renitenten Vorstand schickte man mit einer hohen Abfindung über Nacht heim. Einige Wochen später teilte WCM mit, dass nun alle Firmenteile »auf ihre Werthaltigkeit geprüft«80 würden. Ursprünglich hatte der neue Eigentümer zugesagt, die Fokussierung auf das profitable Foliengeschäft mitzutragen und die anderen Bereiche zu verkaufen. Nach und nach schälte sich das Gegenteil heraus: dass WCM den Folienbereich verkaufen und die anderen Bereiche erst einmal behalten wollte. Typisch WCM, wieder mal Wortbruch, schallte es von allen Seiten. Doch WCM-Vorstandschef Flach wehrte sich gegen diese Einschätzung. Seine Version: Es sei tatsächlich geplant gewesen, die Abfülltechnik zu verkaufen und mit dem Ge-
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winn weiter in die Foliensparte Pentaplast zu investieren. »Die Sache hatte nur einen Haken: Aufgrund der roten Zahlen, die die Abfülltechnik schrieb, war der angepeilte Betrag für den Verkauf auch nicht im Mindesten zu erzielen. Das musste dann auch der damalige Vorstandsvorsitzende Schmitz zugeben«,81 sagte Flach. Nach monatelanger Prüfung sei klar geworden, dass man nur bei Pentaplast wirklich Gewinn machen könne. Also habe man einen anderen Weg beschritten: »Wir haben das Unternehmen wieder profitabel gemacht und den Bereich Abfülltechnik so gestaltet, dass er für sich allein stehen kann. Inzwischen macht die Sparte Gewinne.«82 Flach legt Wert darauf, dass »die ursprüngliche Entscheidung einfach falsch gewesen war. Wir haben nicht Wort gebrochen, sondern sie korrigiert.«83 Klöckner werde sich fokussieren, aber anders als geplant: »Wir werden vermutlich alles veräußern mit Ausnahme der Abfülltechnik und der Verpackungstechnik. Damit konzentrieren wir uns nur auf ein anderes Geschäftsfeld.«84 Grundsätzlich habe WCM »den Anspruch, Unternehmen
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jeder Branche, mit der wir uns befassen, unternehmerisch zu führen – und das nicht nur für drei Monate, und dann verkaufen wir es wieder. Vom Management her sind wir in der Lage, Industrieunternehmen, Handelsunternehmen und Banken zu führen.«85 Der WCM-Chef hat auch eine Erklärung dafür, warum WCM diesen Job seiner Meinung nach besser bewältigen könnte als das alte Management. Dieses sei sehr oft eingefahren, ihm fehle der frische Blick von außen, der neue Möglichkeiten erkenne. »Wir fragen uns dagegen immer wieder: Wie ist es möglich, bei einem bestimmten Unternehmen Werte zu heben? Wertschöpfung bedeutet konkret, Geld mit etwas zu verdienen, das zwar latent vorhanden ist, das andere aber nicht nutzen. Wir setzen also ganz anders an als jemand, der an einer Firma hängt oder an einem bestimmten Produktionsstandort. Wir sehen das sehr nüchtern. Handelt es sich um ein Konglomerat, überlegen wir beispielsweise ständig: Was könnte man anderes damit machen? Und dabei kommt man auf Ideen, auf die jemand, der als Erstes die Beharrung sieht, gar nicht kommen kann – auch wenn er vom Intellekt dazu in der Lage wäre. Wir stellen schlicht und ergreifend alles infrage. Und dadurch versuchen wir, ganz andere Werte freizusetzen.« Der Wert, den WCM bei der Klöckner-Tochter Pentaplast schließlich freisetzte, belief sich auf exakt 925 Millionen Euro. Soviel zahlte die Londoner Beteiligungsgesellschaft Cinven im Oktober 2001 für die Foliensparte. WCM hatte zwar darauf spekuliert, dass einer der 29 Interessenten noch mehr auf den Tisch legen würde – doch die Anschläge vom 11. September 2001 drückten nicht nur bei diesem Geschäft die Stimmung, sondern auch die Preise.
»Cobra, übernehmen Sie!« – Der Angriff auf die Commerzbank Auch wenn das Quartett Ehlerding, Dieckell, Schneidewind und Vedder stets gemeinsam plante und handelte, war es doch bei fast jedem Deal so, dass – mit Ausnahme von Dieckell – einer von ihnen die
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Hauptrolle für die Öffentlichkeit einnahm. Ehlerding war – obwohl häufig der Strippenzieher – dabei eher zurückhaltend. Er benutzte meistens die WCM als Schutzschild vor zuviel Transparenz. Beim Angriff auf die Commerzbank, der größten Raider-Attacke, die Deutschland bis dahin gesehen hatte, machte Clemens Johannes Vedder den Frontmann. Obwohl Vedder eigentlich mehr als zufrieden mit den Millionen sein könnte, die er mit seinen Kollegen aus den diversen Deals geschlagen hat, kann der bekennende Rolling-Stones-Fan nicht genug kriegen. Zwar gibt sich Vedder seit Jahren nach außen hin betont lässig. Geschäfte betreibe er nur noch zum Spaß, lautet ein Bonmot aus den späten 90er Jahren von ihm, denn eigentlich befinde er sich in Pension. Da ging er gerade auf die 50 zu. Doch so wie der sechs Jahre ältere Mick Jagger immer wieder »I Can’t Get No Satisfaction« von der Bühne bellen muss, so muss auch Vedder immer wieder in die Arena, wenn es gilt, Geld zu verdienen. Er und seine Kompagnons brauchen offensichtlich die Spannung, die ein großer Coup mit sich bringt. Den bisher größten Kick holten sie sich zweifellos mit ihrer Attacke auf die Commerzbank, die sich aber immer mehr zum Höllentrip entwickelte und den genialen Einfädler Ehlerding an den Rand des Ruins brachte. Am Anfang stand die Überlegung der Raider, dass in der deutschen Bankenlandschaft große Veränderungen bevorstanden. Die von den Experten für möglich gehaltenen Varianten waren vielfältig: Fusionen unter den großen deutschen Banken – Deutsche Bank, Dresdner Bank, HypoVereinsbank und Commerzbank –, aber auch die Übernahme einer deutschen Großbank durch einen Global Player aus Übersee oder einen europäischen Konkurrenten galt als möglich. Einig war man sich allerdings darüber, dass immense Umwälzungen bevorstanden. Teilweise waren sie bereits im Gange: So wurde Anfang März 2000 bekannt, dass Deutsche und Dresdner Bank über eine Fusion verhandelten – sie scheiterte nach wenigen Wochen an der Weigerung der Investmentbanker der Deutschen Bank, die Investment-Tochter der Dresdner Bank mit ins Boot zu nehmen. Gründe für Zusammenschlüsse gab es genug: Schließlich waren alle deutschen
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Banken – mit Ausnahme der Deutschen Bank – zu klein, um global mitspielen zu können, zudem wollten ausländische Institute den weitgehend unter den heimischen Banken aufgeteilten deutschen Markt endlich aufbrechen. Und nicht zuletzt mussten die hiesigen Banken endlich etwas gegen ihre im internationalen Vergleich viel zu hohen Kosten tun – da wären die Einsparungsmöglichkeiten durch eine Fusion gerade recht gekommen. Die Commerzbank, die Nummer vier unter den deutschen Banken, war ohne starken Partner am wenigsten überlebensfähig. Sie erzielte zu wenig Rendite auf das eingesetzte Kapital und hatte sich in ihrer Geschäftspolitik verzettelt: vom Firmenkunden- und Privatkundengeschäft über das Online-Banking und die Vermögensverwaltung bis zum Investmentbanking und sogar Immobiliengeschäft – überall dabei, nirgends wirklich an der Spitze. Es war also durchaus nachvollziehbar, dass sich die Raider-Riege gerade die Bank unter dem Vorstandsvorsitzenden Martin Kohlhaussen als Opfer aussuchte. Andererseits war der Angriff, geplant unter dem Codenamen »Copacabana«, sowohl von der Größenordnung als auch von der Ambition her ein beispielloser Vorgang. Schließlich musste für den Aufkauf eines zweistelligen Aktienpaketes die Finanzierung von mehreren Milliarden Euro sichergestellt werden. Die Investorengruppe bündelte ihre Pakete in der Düsseldorfer Beteiligungsgesellschaft mit dem grimmigen Namen »Cobra«. Diese funktionierte nach einem System von so genannten Call-Optionen. Das heißt, dass die meisten Cobra-Mitglieder ihre Commerzbank-Aktien noch gar nicht im Depot liegen hatten. Sie hatten vielmehr Verträge mit Commerzbank-Aktionären über den Kauf von deren Aktien abgeschlossen. Der Vertrag sah vor, dass die Cobra, sobald sie sich mit einem Kaufinteressenten für ihr Gesamtpaket geeinigt hatte, die Aktien vom Vertragspartner zu einem fest vereinbarten Preis kaufen (Call-Option) und dann weiterverkaufen durfte. Durch diese Konstruktion musste die Cobra-Crew weit weniger Geld einsetzen, als wenn sie alle Aktien gleich direkt gekauft hätte. Dem nüchternen Protestanten und Pastorensohn Kohlhaussen musste das dreiste Verhalten der Firmenjäger einem direkten Bank-
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überfall nicht unähnlich erscheinen. Anfang März 2000 dräute bereits das Unheil über dem Frankfurter Commerzbank-Tower, dem mit 259 Metern höchsten Gebäude Europas. Erste Gerüchte über die Aufkäufe von Commerzbank-Aktienpaketen machten die Runde. Das Branchenblatt Immobilien Vertraulich hatte unter Berufung auf das Umfeld von Karl Ehlerding gemeldet, dieser wolle mit Hilfe der Schweizer Bank UBS die Commerzbank übernehmen und dann weiterverkaufen. Martin Kohlhaussen konnte nicht glauben, was er nicht glauben wollte. Es gebe »unverändert keine Anhaltspunkte«86, dass eine Investorengruppe ein größeres Aktienpaket der Commerzbank schnüre, teilte er den Commerzbank-Mitarbeitern in einem Rundschreiben am 9. März 2000 mit – für die Commerzbank ein historisches Datum: Der Kurs erreichte an diesem Tag mit 47,50 Euro ein Allzeithoch. Die Spekulation von einer plötzlichen, feindlichen Übernahme sei »realitätsfremd«87, sagte Kohlhaussen auch noch bei der Bilanzpressekonferenz Ende März. Drei Wochen später brach die Realität über den damals 64-jährigen Bankenchef herein. Die Cobra meldete beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, 9,9 Prozent an der Commerzbank zu halten und auf mehr als 10 Prozent aufstocken zu wollen. Was noch niemand wusste: Ehlerding hatte – davon unabhängig – auch privat knapp unter 5 Prozent der Commerzbank-Aktien gekauft – eine Menge, die nicht meldepflichtig war. Am 19. April 2000 ging die Cobra an die Öffentlichkeit. Diese war fasziniert von der Chuzpe der Raider mit dem gefährlich klingenden Schlangennamen und sog begierig die Meldungen auf, die langsam ein Bild der Gruppe ergaben. Cobra, so stellte sich heraus, war eine Tochter der Rebon B. V. Die Rebon gehörte zu gleichen Teilen Vedder und Schneidewind und war von den beiden auch schon beim IVG-Deal als Aktienaufkäuferin eingesetzt worden. Schneidewind und Vedder, die das Visier heruntergeklappt und die CobraFahne gegen die Commerzbank gehisst hatten, waren natürlich nicht allein in die Schlacht gezogen. 30 bis 40 Investoren, großenteils wieder reiche norddeutsche Familien – darunter die Ehlerdings und die Dieckells – waren nicht nur eingeweiht, sondern auch an der Attacke
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beteiligt. Allerdings wollten sie als honorige Kaufleute ihre Identität nicht preisgeben – der Angriff auf eine Bank war dem Ansehen und der Kreditwürdigkeit eines ehrenwerten Bankkunden nicht unbedingt zuträglich. Als Cobra-Geschäftsführer hatten sich Schneidewind und Vedder einen ausgewiesenen Experten geholt: Hansgeorg Hofmann. Bis Ende 1997 hatte er im Vorstand der Dresdner Bank das Investmentbanking verantwortet. Nach einer Selbstanzeige wegen eines Steuerdeliktes hatte Hofmann den Hut genommen – nun wollte er noch einmal ein ganz großes Rad drehen. Bis zur Hauptversammlung im Mai 2000 hatte die Cobra indirekt bereits 17,1 Prozent der Commerzbank-Aktien in ihrer Hand und drohte mit Aufstockungen auf bis zu 30 Prozent. Damit war sie vor dem italienischen Versicherungskonzern Assicurazioni Generali und der spanischen Bank Banco Santander Central Hispano (BSCH), die jeweils um die 5 Prozent hielten, mit Abstand größter Aktionär der Commerzbank. Von Ehlerdings privaten 4,9 Prozent wusste noch immer niemand. Die Forderung der Cobra erläuterte Hansgeorg Hofmann in höflichen, aber deutlichen Worten kurz vor der Hauptversammlung am 26. Mai 2000: »Wenn wir Herrn Kohlhaussen und seinen Kollegen dabei helfen können, im europäischen Ausland eine stabile Lösung zu finden, stehen wir ihm gerne zur Seite. Bisher wollte er allein gehen, aber das ist ja wohl nicht mehr drin.«88 Bei der Hauptversammlung sprach Hofmann dann davon, dass allein aufgrund der vielfältigen Beteiligungen der Commerzbank – unter anderem bei der Fondsgesellschaft Adig, dem Online-Broker Comdirect und der Hypothekenbank Rheinhyp – der Kurs der Commerzbank-Aktie bei 50 Euro stehen müsste. Erst mit einem starken europäischen Partner kämen diese Werte zum Tragen. Kohlhaussen konterte kurz und kühl, die Bemerkungen über die Beteiligungen schürten die Befürchtung, den neuen Großaktionären gehe es eigentlich um eine Zerschlagung der Bank. Die Vertreter der Kleinaktionäre beeindruckte Kohlhaussen damit allerdings nicht. Sie kritisierten, wie wenig Geld die Bank im letzten Jahr seiner Amtszeit verdient habe.
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Die deutsche Wirtschaftsszene war aufgewühlt, ja schockiert. Wenn in der geordneten und gepflegten deutschen Firmenlandschaft namens »Deutschland AG« plötzlich eine Cobra auftauchen und zubeißen konnte, dann schien alles möglich zu sein, dann drohten die brutalen Gesetze des Dschungels, ein gnadenloses Fressen und Gefressen werden zwischen Rhein und Oder Einzug zu halten. Die britische Financial Times sprach von einem »brutal awakening for German business«.89 Kohlhaussen musste reagieren, und er erwies sich als findiger Gegenspieler. Noch kurz zuvor hatte er die »Fusionitis«90 unter Banken als Krankheit gegeißelt, nun führte er selbst Fusionsverhandlungen. Am 19. Juni bestätigte die Commerzbank Gespräche mit der Dresdner Bank, sogar eine gemeinsame Super-Bank unter Einstieg des Dresdner-Großaktionärs Allianz war in der Diskussion. Ende Juli waren die Gespräche zwar wieder beendet, aber Kohlhaussen hatte Zeit gewonnen. Denn nun begann sich das Blatt zu wenden. Die Cobra-Aktionäre mussten erfahren, dass man eine Bank nicht so leicht wie eine Maschinenfabrik übernehmen kann. Denn für Banken gelten eine besondere staatliche Aufsicht und besondere Gesetze. Noch im Juli untersagte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der Cobra-Gruppe die Ausübung ihrer Stimmrechte. Begründung: mangelnde Zuverlässigkeit aufgrund des Steuerdeliktes von Geschäftsführer Hofmann. Als weiterer Rückschlag für die Cobra erwies sich Kohlhaussens erfolgreiches Bemühen, der geschwächten Commerzbank ein Gegengift zu injizieren. Er konnte die »befreundete« italienische Versicherung Assicurazioni Generali zum Aufstocken ihrer Commerzbank-Anteile auf 10 Prozent bewegen. Damit war es erheblich schwerer geworden, die Commerzbank gegen ihren Willen zu übernehmen. Erst jetzt kam Karl Ehlerding aus der Deckung und verkündete kämpferisch: »Wir haben 17 Prozent der Stimmen.«91 Wer »wir« war, war klar: die Cobra und ihre Verbündeten. »Die Cobra ist nicht tot«92, versuchte sich Hansgeorg Hofmann Mut zu machen, nachdem seine Vergangenheit als Steuersünder zur Hypothek für die Zukunft der
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Börsenritter um Schneidewind und Vedder geworden war – doch besonders lebendig wirkte die Cobra zu diesem Zeitpunkt nicht. Und die Commerzbank-Aktie, für die die Cobra-Koalitionäre um die 40 Euro bezahlt hatten und die sie mit großem Gewinn zu verkaufen trachteten, entfernte sich immer deutlicher von der Höchstmarke 47,50 Euro. Statt sie – wie erhofft –irgendwo zwischen 50 und 70 Euro abgeben zu können, stand sie Ende des Jahres um die 30 Euro. Immer wieder betonten Hofmann und seine Kollegen, man habe einen langen Atem und sei nicht auf einen schnellen Erfolg angewiesen. Um die Stimmrechtsuntersagung durch die Aufsichtsbehörde, die bei einer »bedeutenden Beteiligung« greift, auszuhebeln, reduzierte die Cobra-Gruppe ihren Anteil an der Commerzbank offiziell auf 9,98 Prozent. Auch wenn private Investoren, die namentlich nicht zur Gruppe gehörten, weitere Anteile hielten, so waren die Zähne der Cobra vom vielen Auf-Granit-Beißen doch deutlich stumpfer geworden. Und das beliebte Wortspiel »Cobra, übernehmen Sie«, in Anspielung an eine alte Krimiserie entstanden, fand sich immer seltener in den Schlagzeilen der Wirtschaftspresse, weder mit Frage- noch mit Ausrufezeichen. Fast schien es so, als ob sich die Cobra übernommen hätte. Die Bemühungen Hofmanns um den Verkauf des Cobra-Anteils an eine ausländische Bank waren trotz vieler Gespräche – unter anderem mit der französischen Société Générale und der spanischen Banco Santander Central Hispano (BSCH) – erfolglos geblieben. Niemand wollte über 50 Euro für eine Aktie zahlen, die in dem Moment für gerade 30 Euro gehandelt wurde. Und niemand wollte geschätzte 20 Milliarden Euro auf den Tisch legen, um gleich die gesamte Commerzbank zu kaufen. Schließlich beauftragte Hofmann die amerikanische Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette mit der Suche nach einem Käufer. Auch wenn sich Commerzbank-Chef Martin Kohlhaussen durchaus wacker geschlagen hatte, so machte ihm die Cobra doch schwer zu schaffen. Vor allem in Gestalt von Clemens Vedder. Immer wieder rückte er Kohlhaussen auf die Pelle und forderte ihn »in der Sprache
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handfest«93 auf, etwas zu tun. Der Kölner machte Druck, er solle doch endlich Beteiligungen verkaufen, um dem Kurs auf die Beine zu helfen.94 Dem distinguierten Kohlhaussen war Vedder zuwider, und die Gespräche mit ihm ein Gräuel. Einmal antwortete Vedder auf seine höflich-hilflose Bitte, ob sich die Cobra nicht mit einem weniger einschüchternden Namen versehen könnte: »Das machen wir glatt: Wie wär’s mit schwarzer Mamba?«95 Die Hoffnung der Cobra-Gruppe bestand nun darin, dass Kohlhaussens Nachfolger Klaus-Peter Müller, der nach der Hauptversammlung im Mai 2001 sein Amt antrat, nicht mit der gleichen Vehemenz auf der Eigenständigkeit der Bank bestehen und sich stattdessen im Sinne der Cobra mit einem starken Partner zusammentun würde. Also änderte man die Taktik. Statt, wie geplant, dem Commerzbank-Vorstand bei der Hauptversammlung am 25. Mai 2001 mit Sonderprüfungsanträgen das Leben schwer zu machen, zeigte sich die Cobra handzahm und zog die Anträge zurück. Schon vor dessen Amtsantritt hatte Ved-
Clemens Vedder (l.) und Hansgeorg Hofmann vertreten die Cobra-Gruppe auf der Hauptversammlung der Commerzbank AG am 25. Mai 2001
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der regelmäßig Kontakte mit Müller gepflegt. Der quirlige Müller und der flapsige Vedder kamen deutlich besser miteinander aus. Fast jeden Freitag spazierte Vedder in Müllers Büro zur Besprechung der Lage. Und mit der konnten weder Vedder noch Müller zufrieden sein. Die Aktie war weiter gefallen, der Gewinn in der ersten Jahreshälfte stark zurückgegangen. Müller ließ nun – ganz in Vedders Sinn – geheime Verhandlungen mit Abgesandten von in- und ausländischen Banken führen. Sein Emissär war dabei Axel Freiherr von Ruedorffer, im Commerzbank-Vorstand für internationale Banken zuständig. Er sprach im abgelegenen »Collegium Glashütte«, einem Schulungszentrum der Commerzbank im Taunus, unter anderem mit Bankvertretern aus Großbritannien, Holland und Dänemark. Weiterreichende Verhandlungen führte man aber nur mit drei Instituten: einer amerikanischen Großbank, dem zweitgrößten italienischen Geldhaus UniCredito Italiano und der Deutschen Bank. Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer gab sogar öffentlich zu Protokoll: »Eine Fusion mit der Commerzbank schließe ich nicht aus.«96 Womit er wohl andeuten wollte: Keine Fusion ohne uns. Auch eine Übernahme durch Assicurazioni Generali stand als ernsthafte Option im Raum. Dafür gab es sogar ein reales Vorbild: Denn gerade hatte sich die Allianz Versicherung als Großaktionär die Dresdner Bank an die Mutterbrust gedrückt. Endlich war aus Sicht der Cobra also Dynamik in die Sache gekommen. »Wer am meisten zahlt, bekommt den Zuschlag«97, frohlockte Vedder schon voller Vorfreude. Trotz der Übernahmespekulationen sank der Kurs der Commerzbank immer weiter ab, Anfang September 2001 erreichte die Aktie bereits die 25-Euro-Marke. Doch obwohl der Börsenwert der Frankfurter nun nur noch 14 Milliarden Euro betrug – sie also immer billiger geworden war –, brachten Müllers Verhandlungen mit anderen Banken keine Einigung. Nun kam Missstimmung bei den Firmenjägern auf. Auf dem Börsenparkett war im Spätherbst immer wieder zu hören, Cobra-Aktionären, die ihr Call-Paket vielfach auf Kredit finanziert hatten, ginge das Geld aus, und sie müssten verkaufen. Jedenfalls drückten solche Paketverkäufe den Preis der Aktie weiter in den Kel-
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ler.98 Im Jahr 2002 war es vorbei mit dem »langen Atem« der CobraAktionäre. Vedder und seinen Mitstreitern ging zusehends die Luft aus. So hatte Karl Ehlerding, den sein Instinkt für Investitionen noch selten im Stich gelassen hatte, sein auf Pump gekauftes knapp 5-prozentiges Commerzbank-Paket mittlerweile über 100 Millionen Euro Verlust gebracht. Auch sein Kalkül, die Zinsen für den Kredit, den er dafür aufgenommen hatte, aus der Dividendenzahlung der Commerzbank zu bedienen, ging bei einer auf 40 Cent heruntergestrichenen Dividende nicht mehr auf.99 Ehlerding geriet zusehends in finanzielle Schwierigkeiten. Schließlich kaufte ihm die WCM, an der er nach wie vor knapp 50 Prozent hielt, sein Paket für 19 Euro pro Aktie ab. Für Ehlerding, der bei 44 Euro gekauft hatte, war das ein krasses Verlustgeschäft, aber er durfte froh sein, überhaupt einen Käufer zu diesem Preis gefunden zu haben. Im Februar 2002 gab die WCM bekannt, sie halte nun 5,5 Prozent an der Commerzbank und wolle auf 9,9 Prozent aufstocken. Die Aktie sei mittlerweile »extrem unterbewertet«100, begründete WCM-Vorstandschef Flach das Engagement. WCM-Aktionäre sahen das anders: Sie beklagten später bei der Hauptversammlung im Juni 2002, dass der Kauf kein gutes Investment gewesen sei, man einen zu hohen Preis gezahlt und damit lediglich dem Großaktionär Ehlerding aus der Patsche geholfen habe. Bei den ständig weiter fallenden Kursen – die Commerzbank lag mittlerweise unter 20 Euro – hatte nun auch die Münchener Rück Interesse für die Bank mit dem gelben Logo entwickelt und sich mit 10,4 Prozent eingekauft.101
Der Übernehmer wird zum Übernahmekandidaten
Anfang April 2002 gab die Cobra ihre Selbstauflösung als Investorengruppe bekannt, Hansgeorg Hofmann trat von seinem Amt als Geschäftsführer zurück. Die Cobra vertrete jetzt nur noch die Aktien der holländischen Rebon B. V. von Schneidewind und Vedder, ließ sie
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erklären. Einige bisherige Cobra-Mitglieder hätten aber separat ihre Anteile aufgrund der niedrigen Commerzbank-Kurse aufgestockt, hieß es weiter. Wie viel Prozent die Cobra und einzelne Ex-Mitglieder nach der Auflösung der Gruppe insgesamt noch halten, bleibt unklar. Für Konrad Becker, Analyst beim Bankhaus Merck Finck, ist die Commerzbank damit aber noch lange nicht auf der sicheren Seite. Die Gruppe habe nur die Strategie geändert. »Das Ende der Investorengruppe ist nicht das Ende der Übernahmefantasie«102, meint er. Und: »Mittelfristig ist durchaus mit einer Übernahme der Commerzbank zu rechnen.«103 Ob das allerdings dem mittlerweile schwer in die Bredouille geratenen Karl Ehlerding noch helfen wird, ist ungewiss. Ehlerding hatte sich das erste Mal in seinem Leben gründlich verrechnet. Nach dem Ausstieg anderer Cobra-Mitglieder hatte er mit WCM im Rücken versucht, weiter Druck auf die Commerzbank zu machen. Seine Kredite für die Börsengeschäfte hatte er jeweils mit WCM-Aktien abgesichert. Doch im Sommer 2002 geriet auch die WCM in den Abwärtsstrudel von Börsenbaisse und Bilanzskandalen. Allerdings auf sehr dubiose Art: Die bis dahin unbekannte Vermögensverwaltung United Zurichfinance (UZF) hatte – im Gegensatz zu allen übrigen Analysten – am 18. Juni 2002 in einer lediglich drei Seiten langen Studie erklärt, die WCM-Aktie, die schon seit Jahren stetig an Wert verloren hatte und zu diesem Zeitpunkt um die 9 Euro pendelte, sei überbewertet, da unter anderem auch ihre Immobilien in der Bilanz zu hoch bewertet seien. Die Aktie sei zum Verkauf zu empfehlen, das Kursziel liege bei 2,86 Euro. Der Schlag saß. Daraufhin verlor das Papier innerhalb weniger Stunden bis zu 30 Prozent seines Wertes.104 WCM sprach davon, dass man hier künstlich versuche, den Kurs zu drücken und schaltete die Aufsichtsbehörde ein. Mehrere Analysten stützten diese Sicht und erklärten, allein aus der Summe der Vermögenswerte von WCM errechne sich ein Kurs zwischen 9 und 15 Euro.105 Tatsächlich sind die Hintermänner bei der UZF bis heute im Dunkeln geblieben. Die Vermögensverwaltung widerrief nach Gesprächen mit WCMChef Flach ihre Analyse, doch nun traten andere WCM-Warner auf
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den Plan und zweifelten die Bilanzierung des Unternehmens ebenfalls an. Damit blieb der Kurs im Keller, die Firmenjägerfirma war selbst zum Jagdwild geworden. Durch das Dahinschwinden des Börsenwertes von WCM war auch das Imperium des Karl Ehlerding endgültig dem Zusammenbruch nahe. Der Raider, der jahrzehntelang andere Unternehmen in Bedrängnis gebracht hatte, geriet nun selber unter Druck. Statt triumphal eine Bank zu übernehmen, war er nun vom Wohlwollen der verachteten Banker abhängig. Die genossen es, den Emporkömmling am Boden zu sehen: »Wer mit den großen Hunden pinkeln will, muss auch das Bein heben können«, zitiert die Börsen-Zeitung einen Banker.106 Denn nach dem Kurssturz von WCM wurden mehrere der sieben Banken, die Ehlerding das Geld für seine Commerzbank-Aktienkäufe gegeben hatten, nervös und verkauften 8 Millionen WCM-Aktien, die sie als Sicherheit für die Kredite bekommen hatten. Diese Verkäufe en gros setzten eine weitere Abwärtsspirale der Aktie in Gang, die erst bei mageren 3 Euro vorläufig zu Ende ging. Die Sicherheiten der Banken waren weniger wert als je zuvor, und Schuldner Ehlerding stand deshalb bei ihnen so hoch in der Kreide wie nie zuvor. Auf 500 Millionen Euro beliefen sich im Sommer 2002 seine Verbindlichkeiten. Schließlich erkannten die Banken, dass sie auf diese Weise ihrem Anliegen mehr schadeten als nützten. Ehlerding bekam eine Verlängerung seiner 250-Millionen-Euro-Kreditlinie. Ihm wurde eine Frist bis zum 30. Juni 2004 gewährt, um etwa 25 Prozent an WCM zu einem akzeptablen Kurs zu verkaufen – am besten an einen strategischen Investor, der WCM wieder stabilisieren würde. Mit einem Anteil von 20 bis 25 Prozent an WCM bliebe Ehlerding auch nach Abgabe eines bedeutenden Teils seiner Anteile weiter Großaktionär. Fraglich ist aber, ob die Firma WCM ohne den – ohnehin schwer geschädigten – Nimbus des genialen Tüftlers und Machers Ehlerding im Hintergrund jemals wieder die Fantasie der Börsianer so beflügelt, dass sie ihre langjährige Erfolgsgeschichte fortschreiben kann.
Jagdrevier Schweiz: Bei den Eidgenossen geht es rund
In den vergangenen 20 Jahren hat sich in der Schweiz politisch und wirtschaftlich vieles verändert. In der Politik ist Christoph Blocher mit seiner Schweizerischen Volkspartei (SVP) ständig auf der Suche nach neuen Kriegsschauplätzen, auf denen er die etablierten Parteien vorführen kann. Der Populist agitiert mit Vorliebe und Erfolg gegen alles, was seiner Meinung nach die Unabhängigkeit der Schweiz gefährden könnte. Er hat dafür gesorgt, dass ein EU-Beitritt in der Schweiz kein Thema ist, er verhinderte den Blauhelm-Einsatz Schweizer Soldaten, und er trommelte erfolgreich gegen eine Regierungsreform. Ihm zur Seite stand dabei oft sein Jugendfreund Martin Ebner. Beide schafften es, obwohl aus einfachen Verhältnissen stammend, in wenigen Jahren Milliardäre zu werden. Wie Blocher die Parteien das Fürchten lehrte, so versetzte Ebner als Firmenjäger die Wirtschaftselite in Furcht und Schrecken. Er wurde einer der wichtigsten Männer an der Züricher Börse und zwang große Schweizer Unternehmen wie die Winterthur-Versicherung oder die Bank UBS unter die Knute seiner radikalen Shareholder-Value-Orientierung. Auf diese Weise hat Martin Ebner verkrustete Unternehmensstrukturen aufgebrochen und die alten Gelddynastien damit konfrontiert, dass sie ihre Eigentümerinteressen an einer Firma mit den restlichen Anteilseignern abstimmen müssen. Bis Ende der 90er Jahre drückte Ebner dem Finanzplatz Schweiz seinen Stempel auf wie wenige andere. Dann änderte der Aufsteiger seine Strategie. Er versuchte vom gehassten Außenseiter zum Mit-Unternehmer zu werden und nahm Verwaltungsratsmandate an. Gleichzeitig wandelte er sich vom scheuen Einzelgänger zum Saalred-
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ner, der den kleinen Leuten das »Aktiensparen« als Alternative zum Sparbuch nahe bringen wollte. Mitte des Jahres 2002 brach mit den Aktienmärkten auch ein Großteil der Macht Martin Ebners zusammen. »Ebners Aufstieg war … einmalig, der Absturz entsprechend«1, resümierte die NZZ am Sonntag. Ganz anders René Braginsky. Er beteuert, sich nicht als Rivale des stets kampfbereiten, neo-liberale Parolen um sich schleudernden Ebner zu sehen. Braginsky ist als Firmenjäger mindestens genauso gewieft wie Ebner. Im Gegensatz zu diesem versucht er aber, in der Öffentlichkeit nicht zu provozieren und seine Deals eher hinter den Kulissen durchzuziehen. Nur einmal, bei der geplanten Übernahme des SulzerKonzerns im Jahr 2001, konnte sich René Braginsky den hochkochenden Emotionen in der breiten Öffentlichkeit nicht entziehen. Der Investor hat ein hervorragend funktionierendes Netz von Freunden und Geschäftspartnern aufgebaut, das ihn mit Informationen versorgt. So findet er auch leicht Koalitionäre, wenn ihm eine Sache allein zu groß erscheint. Schon seit geraumer Zeit hat der Raider auch deutsche Firmen im Visier. Das Zuschlagen scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Shareholder-Value über alles: Martin Ebner »Nichts auf dieser Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.« Und nichts zitiert der Schweizer Banker und Investor Martin Ebner lieber als diesen bekannten Satz der französischen Schriftstellerlegende Victor Hugo. Der Firmenjäger bezieht ihn zweifellos auf sich selbst. Denn niemand in der Schweizer Finanzwelt hat eine steilere Karriere gemacht als der öffentlichkeitsscheue Martin Ebner, und kaum ein eidgenössischer Investor war mächtiger als der im Kanton Schwyz residierende Prediger des Shareholder-Value. Erst die Börsenbaisse der vergangenen Jahre bremste seinen Aufstieg und stutzte ihn auf das Maß anderer glückloser Investoren zurecht. Als Großaktionär war Ebner über verschiedene Gesellschaften seiner BZ
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Gruppe Holding – das Kürzel leitet sich von »Bank Zürich« ab – mit etwa 25 Milliarden Schweizer Franken an einigen der renommiertesten Schweizer Firmen beteiligt. Zudem wurden unter dem Dach der BZ Holding zu ihren besten Zeiten Vermögen in Höhe von über 130 Milliarden Franken verwaltet. Ebner gab zu, dass er bis zu seinem Sturz in der Lage war, durch Transaktionen 15 Prozent des gesamten Börsenhandels in der Schweiz zu beeinflussen. Der stets mit einer Fliege versehene und akkurat gescheitelt auftretende Milliardär wurde in der Schweiz des ausgehenden Jahrtausends immer mehr zur Reizfigur. Für die einen war er der »Heilige Martin des Shareholder-Value«2, der Wohlstand durch Aktiensparen propagierte und die Rechte der Kleinaktionäre gegen das wirtschaftliche Establishment der Schweiz durchsetzte. Die anderen sahen in ihm den eiskalten Profitmaximierer, den »Vorreiter im Klassenkampf von oben«3, wie ihn der Schweizer Gewerkschaftspräsident Paul Rechsteiner bezeichnete. Tatsächlich wirkte Ebner mit seinem Werben um
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die Spargroschen der Kleinbürger immer wieder wie das Wirtschaftspendant zu seinem Jugendfreund Christoph Blocher, der mit seiner rechtspopulistischen SVP bei der gleichen Klientel erfolgreich gegen die europäische Union, gegen Ausländer und den Sozialstaat wettert.
Vom Handwerkersohn zum Millionär
Der grandiose Aufstieg des blonden Asketen begann aus einfachen Verhältnissen heraus.4 Martin Mauritius Ebner wurde kurz nach Kriegsende im August 1945 geboren. Er wuchs in einem sparsamen, streng katholischen Haushalt in Hurden auf, einem am Zürichsee gelegenen Dorf im Kanton Schwyz. Der Großvater war als Bauer aus Bayern eingewandert, der Vater arbeitete als Repro-Fachmann in einer nahe gelegenen Druckerei. Bereits zu Schulzeiten, so Mitschüler, zeigte Martin Ebner Eigenschaften, die ihm auch als Erwachsenem nachgesagt werden: Ehrgeiz, Kaltschnäuzigkeit, ja Rücksichtslosigkeit – aber auch Charme. Er war einerseits ein Einzelgänger, forderte aber doch Gefolgschaft. Wenn etwas nicht nach seinem Kopf ging, konnte er sehr schnell sehr wütend werden und mit rotem Kopf auf einen Gegner eindreschen. Schon damals, so hat sein Biograf Jörg Becher herausgefunden, hat er einem Mitschüler anvertraut: »Ich will Millionär werden.«5 Seine Intelligenz, Gewitztheit und Schlagfertigkeit machten ihn nicht nur zum Klassenbesten, sondern trugen ihm auch das Amt des Klassensprechers ein. Freunde aus Kindertagen. Aus den Kinder- und frühen Jugendtagen
stammen auch die Beziehungen zu den Menschen, die ihm beruflich und privat bis heute am nächsten stehen. Das ist zuallererst seine gleichaltrige Frau Rosmarie, mit der er schon in der Grundschule in Rapperswil befreundet war und die er im Februar 1968 heiratete. Sie ist bis heute seine rechte Hand. Ebner lernte am Gymnasium in Wetzikon auch Kurt Schiltknecht kennen – einen brillanten Kopf, der später Ökonomie studierte. Beide
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blieben – trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtung – auch als Studenten an der Uni Zürich in Kontakt. Jahrzehnte später kreuzten sich ihre beruflichen Wege wieder. Denn im Jahr 1984 verwehrte man dem in seiner Jugend bekennenden Linken Schiltknecht bei der Schweizerischen Nationalbank (SNP) nach einer zunächst steilen Karriere den Eintritt in das Führungsgremium – wohl wegen seiner Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS). Nachdem Schiltknecht einige Ausflüge ins Privatbankwesen unternommen hatte, holte Ebner seinen Jugendfreund 1990 mit an die Spitze seines Finanzimperiums und machte ihn zu einem seiner engsten Vertrauten. Noch tiefer geht die Beziehung zu Christoph Blocher, den Ebner schon als Gymnasiast beim täglichen Warten auf den Zug am Bahnhof von Wetzikon kennen gelernt hatte. Die persönliche Freundschaft der beiden entwickelte sich einige Jahre später an der Universität Zürich, wo Ebner ab 1964 Jura studierte. Blocher, von der Landwirtschaft ebenfalls auf Jura umgeschwenkt, wurde zu einem der rechten Wortführer gegen die 68er-Bewegung. Martin Ebner, katholisch-konservativ geprägt, schlug sich auf Blochers Seite und sympathisierte mit dem anti-marxistischen Studentenring. Kritiker werfen den beiden seither immer wieder vor, das Sozial- und Wirtschaftsgefüge der Schweiz völlig umkrempeln zu wollen.6 Ein Beleg aus jüngerer Zeit für diesen Vorwurf ist Blochers und Ebners Forderung nach Abschaffung der Alters- und Hinterbliebenen-Versorgung (AHV), einer der Hauptsäulen der Altersversorgung in der Schweiz, im Frühjahr 2000. Karriere nach Plan. Nach Abschluss seines Jurastudiums 1970 begann
Ebner seine genau durchgeplante Karriere. Er absolvierte zunächst eine dreijährige Bankausbildung bei der Schweizerischen Kreditanstalt. Daran schloss er 1973 einen Auslandsaufenthalt an. An der University of Florida in Gainesville holte sich der damals 28-jährige Ebner das theoretische Rüstzeug in der Finanzanalyse, das ihm später als Firmenjäger viel nützte. Er war fasziniert von den in Europa kaum verbreiteten Instrumenten des Corporate Finance, also der Geldbeschaffung für Unternehmen über die Finanzmärkte, und studierte sta-
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tistische Methoden. Noch während er an seiner Dissertation über den Zusammenhang von Zinsniveau, Hypothekarmarkt und Wohnungsbau in Florida7 arbeitete, zeigte sich bei Ebner bereits das unternehmerische Geschick. Er überzeugte seinen Doktorvater Blaine Roberts davon, mit ihm und noch einem Kommilitonen gemeinsam eine Beratungsfirma zu gründen. Dank des ausgezeichneten Rufes von Roberts, der Spezialist für Derivate, also Termingeschäfte war, lief die Firma bald so gut, dass man weitere Dozenten anheuern musste, um alle Aufträge bewältigen zu können. In Florida hörte Ebner auch zum ersten Mal von Warren Buffett, »dem Weisen aus Omaha«, den sein Gespür für Geldanlagen zum Milliardär und Investmentguru gemacht hatte. Das war ein Mann, dessen Erfolg er nacheifern wollte. Sein dreijähriger Aufenthalt in den Vereinigten Staaten prägte Martin Ebner. Denn seither predigt er das Modell USA in vielen Varianten, nicht nur in der Einforderung des Shareholder-Value, also der Aktionärsrechte gegenüber Firmenleitungen. Schon in seiner Dissertation berief er sich auf den Monetaristen Milton Friedman. Dieser gilt als Cheftheoretiker der ultraliberalen Chicagoer Schule, deren Ideen dann Ronald Reagan während seiner Präsidentschaft umsetzte. Wichtige Kernpunkte dieser »Reaganomics« genannten Politik vertreten seither Ebner wie Blocher: starke Steuersenkungen für Bürger und Unternehmen, weitestgehender Rückzug des Staates aus der Wirtschaft (mit Ausnahme der Verteidigung), Privatisierung öffentlicher Bereiche und Kürzung der Sozialausgaben. Dass die Folgen solch ultraliberaler Ansätze bis heute umstritten sind, ficht Ebner nicht an. Denn deren großer Erfolg dokumentiere sich sichtbar in einer Erholung der Wirtschaft mit einem starken Wachstum. Kritiker verweisen aber darauf, dass die Anzahl der »working poor«, also der Menschen, die trotz Job arm sind und bleiben werden, fast genauso hoch ist wie die Zahl der neu geschaffenen Jobs. Zwar entstanden überdurchschnittlich viele neue Jobs, doch waren sie oft so schlecht bezahlt, dass sie den Lebensunterhalt nicht sichern konnten. So entstand eine neue Kluft in der amerikanischen Gesellschaft. Die Reichen wurden immer reicher, die Armen ärmer.
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Martin Ebner kam jedenfalls 1976 selbstbewusst und mit einem Doktortitel in der Tasche nach Zürich zurück. Bei der Jobsuche half ihm ein alter Kontakt. Sein Studienkollege Hans-Dieter Vontobel, Spross des Bankhauses Jakob Vontobel & Co., hatte Verwendung für ihn. Ebner wurde mit 31 Jahren Chef der neugeschaffenen ResearchAbteilung des Hauses. Tatkräftig setzte er mit wenigen Analysten alles um, was er in den USA gelernt hatte. Schon bald genossen die Studien des Bankhauses einen exzellenten Ruf. Vor allem für die Einschätzung von Finanz- und Pharmawerten galt Ebner als Koryphäe, die das wahre Bild hinter den Bilanzzahlen einer Firma zeichnen konnte. Nach fünf Jahren, Ende 1981, wurde der Senkrechtstarter in die erweiterte Geschäftsleitung von Vontobel berufen und übernahm den neuen Sektor Institutionelle Kundschaft. Hier konnte er viele wichtige Kontakte knüpfen und vorhandene pflegen. Ebner agierte als Aktienhändler, der sich auf die wichtigen Schweizer Titel konzentrierte, so brillant, dass bald alle großen Versicherungen des Landes bei Vontobel zur Kundschaft gehörten. Doch das genügte dem ehrgeizigen Workaholic bald nicht mehr. Er forderte ein höheres Kapitallimit für seine Aktiengeschäfte und legte sich immer öfter mit HansDieter Vontobel an. Ende 1984 hatte Senior-Chef Hans Vontobel von den Forderungen und Umtrieben seines Stars genug. Distinguiert kanzelte der alte Herr den anmaßenden Aufsteiger ab: »Du willst meinen Sohn aus der Firma drängen? Ich weiß etwas viel Besseres. Nicht er, Du wirst uns verlassen!«8
Das Zentrum von Ebners Macht: die BZ Bank
Der Rauswurf bei Vontobel bremste Ebners Energien nicht. Im Gegenteil: »Ich mache selber eine Bank auf«, soll er den Mitarbeitern seiner Abteilung gesagt haben.9 Als Geldgeber und Mitgründer der BZ Bank AG in Zürich konnte er den Rohstoffhändler Andreas Reinhart, den er als Kunde bei Vontobel betreut hatte, und den Schweden Johan Björkman gewinnen. Diesen Grenzgänger zwischen Journalis-
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mus und Geschäftswelt kannte er seit 1977 und würde mit ihm in der Folgezeit immer wieder Geschäfte machen. Man einigte sich auf ein Startkapital von 20 Millionen Franken. Damit Ebner als Anteilseigner auftreten konnte, verhalf ihm Reinhart zu einem Kredit in Höhe von 7 Millionen Schweizer Franken beim Schweizerischen Bankverein. Björkman zeichnete für die schwedische Carnegie Fondkommission 40 Prozent des Aktienkapitals, Reinhart und Ebner je 30 Prozent. Bei der Gründungsfeier soll der Bankier seinen Kindheitstraum neu definiert haben: »Ich will Milliardär werden.«10 Nachdem auch die Börsenlizenz vorlag – die erste Neuzulassung seit über 20 Jahren in Zürich – legte Ebner mit einem Team von zehn Mitarbeitern Ende Juli 1985 los. Der Start verlief glänzend, begünstigt auch durch den damaligen Aufschwung an den Börsen. Nun konnte der kühle Planer und Spieler Martin Ebner immer wieder seinen größten Trumpf ausspielen: das erstklassige Beziehungsnetz, das er bei Vontobel geknüpft hatte. So baute er für die BZ Bank in kurzer Zeit einen exklusiven Kundenkreis aus milliardenschweren Pensionskassen, Fondsgesellschaften und Versicherungen auf. Diese institutionellen Kunden sorgten bei der BZ Bank für steigende Umsätze und bei den Konkurrenten für Unruhe. Der anfangs belächelte Newcomer BZ Bank stieg schnell ins obere Feld der nunmehr 25 Handelsbanken an der Züricher Börse auf. Die häufige persönliche Präsenz Ebners im Börsensaal tat ein Übriges, den Nimbus des Unternehmers zu steigern. Börsenmakler fingen an, darauf zu achten, wie er sich verhielt, und versuchten, durch identisches Kauf- und Verkaufsverhalten mitzuverdienen. Besonders erfolgreich war Ebner mit Derivaten, bei denen Anleger auf eine bestimmte Kursentwicklung einer Aktie innerhalb eines festgelegten Zeitraums wetten. Geht die Wette auf, ist der Gewinn mit einem relativ geringen Einsatz enorm hoch. Geht die Wette schief, droht der Totalverlust. Die Stillhalter-Optionen revolutionieren den Aktienmarkt. Als eine
der großen Leistungen von Martin Ebner gilt eine raffinierte Strategie, die zur weitgehenden Abschaffung des Unterschieds zwischen so ge-
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nannten Inhaberaktien und Namensaktien führte. Inhaberaktien sind nicht auf den Namen des Besitzers ausgestellt und formlos übertragbar. Namensaktien lauten auf den Namen des Inhabers, der mit Namen und Wohnort im Aktionärsbuch der Gesellschaft eingetragen ist. Nur er allein kann Aktionärsrechte ausüben. René Braginsky, wie Ebner Shareholder-Value-Aktivist und Firmenjäger, erzählt: »Man erinnert sich heute kaum noch daran, dass zwischen Namensaktien, die praktisch nur Schweizern zugänglich waren, und Inhaberaktien Bewertungsunterschiede von 50 bis 100 Prozent klafften. Nestlé-Namensaktien für Schweizer lagen bei 3000 Franken, während die Inhaberpapiere für Ausländer bei 6000 Franken notierten. Es war Ebners Verdienst, durch die Herausgabe von Optionen (Bezugsrechten) auf Namensaktien einen transparenten Markt zu schaffen. Der Unterschied zwischen den beiden Aktiengattungen ist im Laufe der Zeit in sich zusammengefallen, heute gibt es praktisch nur noch eine Gattung Aktien.«11 Ebner gab der Methode, aus der extremen Wertdiskrepanz zwischen Namens- und Inhaberaktie viel Geld zu schlagen, den Namen Stillhalter-Option. Das Modell testete er Ende 1986 erstmals mit 100 000 Stillhalter-Optionen auf Ciba-Geigy-Namensaktien. Die Besitzer der Namensaktien, die so genannten Stillhalter, hatten sich verpflichtet, ihre Papiere drei Jahre lang im Depot liegen zu lassen. Ebners BZ Bank brachte nun für einen Ausgabepreis von 350 Schweizer Franken und eine Laufzeit von drei Jahren eine Stillhalter-Option auf den Markt, die ihren Inhaber zum Bezug einer Ciba-Geigy-Namensaktie bis Ende 1989 zum festen Preis von 1 950 Franken berechtigte. Ende November 1986 lag das Papier noch bei unter 1 800 Franken. Die Verknappung an Ciba-Geigy-Aktien auf dem Markt durch das Wegsperren der 100 000 Aktien für drei Jahre bewirkte aber einen deutlichen Kursanstieg. Bald zogen die anderen Banken mit eigenen Stillhalter-Optionen auf Namensaktien nach. Stillhalter-Optionen wurden ein Renner und die zuvor extremen Kursunterschiede zu den Inhaberaktien immer mehr aufgeweicht. Martin Ebner führte seine »Boutique«, wie er die BZ Bank nannte, nach amerikanischem Motivationsmodell. Das hieß, selbst Vorbild zu
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sein und von den Mitarbeitern Arbeitszeiten von 60 bis 80 Stunden einzufordern. Nach der Arbeit lud der Chef die Belegschaft oft noch zum Essen ein, an den Wochenenden organisierte er Wanderungen oder Fahrradausflüge. Für besondere Anlässe zum Feiern, neue Umsatzrekorde etwa, hatte Ebner ein Ritual entwickelt: Zuerst schallte Beethovens Neunte durch die Züricher Bank, dann gab es exklusiven Balik-Lachs für alle. Und die Geschäfte gingen glänzend. Auch den Börsencrash 1987 überstand die BZ Bank ohne große Blessuren. Im Gegenteil: Ebner nutzte die rasanten Kursstürze, um sich mit größeren Aktienpaketen von Schweizer Titeln wie der Brauereien Feldschlösschen und Haldengut einzudecken, die er später mit Gewinn verkaufen konnte. Zwei Jahre nach ihrem Start hatte die BZ Bank bereits einen Marktanteil von 6 bis 8 Prozent an der Schweizer Börse, bei der Ausgabe von Stillhalter-Optionen war sie die Nummer eins – noch vor der Schweizerischen Kreditanstalt und Ebners altem Arbeitgeber Vontobel. So unstillbar sein beruflicher Ehrgeiz war, so asketisch lebte und lebt Martin Ebner persönlich. Manche seiner Mitarbeiter wurden durch Aktienzuteilungen schnell zu Millionären. Die Verschwendungssucht, die der eine oder andere etwa in Gestalt von Luxusautos an den Tag legte, war dem Chef ein Gräuel. Seine Fantasien beschränkten sich immer auf Geld und Aktien. So ist Ebner dafür bekannt, seiner Frau zum Geburtstag und zu anderen Festtagen meist ein Aktienpaket zu schenken – immerhin mit einer Schleife umwickelt.
Die BZ Gruppe Holding
Seinem Ruf als Innovator wurde Martin Ebner in den Folgejahren weiter gerecht. Ende 1988 überwand er die Grenzen seiner Bank, indem er sie in ein größeres Ganzes eingliederte. Ebner gab die Gründung der BZ Gruppe Holding bekannt, ansässig in Freienbach im Kanton Schwyz, ganz in der Nähe seines Geburtsortes. Aufsehen erregte damals, wie viel Geld Ebner zur Verfügung hatte: Die BZ Gruppe
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Holding wies ein Eigenkapital von 500 Millionen Franken auf und überholte damit viele Platzhirsche am Finanzplatz Schweiz. Dass er seinen Ex-Arbeitgeber Vontobel damit sogar um das Doppelte übertraf, dürfte für den geschassten Ebner eine besondere Befriedigung gewesen sein. Neben der BZ Bank fanden in den folgenden Jahren verschiedenste Gesellschaften unter diesem Holding-Dach Platz, unter anderen auch Ebners Spezialfonds, die alle die programmatische Bezeichnung »Vision« im Namen tragen, wie etwa die BK Vision und die Stillhalter Vision. Vorteilhaft für Ebner war, dass die unterschiedlichen Zweige der Holding ihm mehr Freiheit bei der Durchführung von Geschäften gestatteten. Für sie galten die strikten Vorschriften, an die sich Banken halten müssen, nicht.
Erster Auftritt als Firmenjäger: Die Bank Leu
Anfang Mai 1988 wurde das Zusammengehen mit der altehrwürdigen, aber angestaubten Bank Leu angekündigt. Im Zusammenhang mit diesem dann doch nicht zustande gekommenen Deal offenbarte sich Ebners geschäftliche Aggressivität, er zeigte sich zum ersten Mal als Firmenjäger. Beide Banken sollten in einer neu gegründeten Holding Platz finden. Erregte allein schon die Ungleichheit der Partner Aufsehen – hier die frechen Newcomer mit 138 Millionen Franken Bilanzsumme, da die älteste Privatbank mit mehr als dem Hundertfachen –, so wurde nach dem Scheitern richtig Skandalöses ruchbar. Dem Monatsmagazin Politik & Wirtschaft wurden Unterlagen für die geplante Fusion zugespielt, aus denen sich folgendes Bild abzeichnete: Es habe sich um einen handstreichartigen Übernahmeversuch »mit schwedischen Hintermännern«12 gehandelt, ausgeheckt von Ebner, Rolf Hänggi, dem Finanzchef der Zürich-Versicherung, sowie dem alten Ebner-Kompagnon Kurt Schiltknecht, der wenige Wochen zuvor Verwaltungsratsvorsitzender der Bank Leu geworden war. Hinter dem Rücken der Gegenseite, so der Vorwurf, habe es Kapitaltransfers mit dem Ziel gegeben, die Aktionärsstruktur so zu verändern, dass am
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Schluss eine Mehrheit für Martin Ebner existiert hätte. Ebner hatte im Vorfeld versucht, so viel stimmberechtigte Aktien wie möglich aufzukaufen und das auch seinen Kunden empfohlen. Die mit ihm im Boot sitzende Zürich-Versicherung hielt ebenfalls ein größeres Paket des Bankhauses Leu. Zürich-Verwaltungsratschef Fritz Gerber war obendrein auch Präsident von Hoffmann-La Roche, einem weiteren LeuGroßaktionär. Gerber selbst kaufte kurz vor Bekanntwerden des geplanten Deals über die BZ Bank Leu-Aktien für fast 1 Million Franken. Auch die Jobs an der Spitze seien schon untereinander aufgeteilt gewesen, hieß es in dem Bericht. Der Skandal war gewaltig, doch Schiltknecht konnte sich, wenn auch nur knapp, an der Spitze des Geldhauses behaupten. Es wurde spekuliert, dass Werner Schick, operativer Chef der Bank Leu und strikt gegen die Fusion eingestellt, die Hintergründe öffentlich gemacht hatte. Er verließ jedenfalls auf eigenen Wunsch die Bank Leu bald nach den Ereignissen. Martin Ebner hatte nun erstmals das Firmenjägergesicht gezeigt, für das er noch berüchtigt werden sollte. Auch wenn er diesmal nicht richtig zum Zug gekommen war, so hatte sich die Sache finanziell doch gelohnt, wie meistens bei Ebner-Deals: Denn die Bank Leu wurde 1990 von der großen Credit Suisse Holding (CS) übernommen. Für seine Leu-Papiere im Wert von 150 Millionen Franken erhielt Ebner, genauer seine Gesellschaft BK Vision, Ende 1993 jeweils 720 Schweizer Franken auf sechs Leu-Aktien – plus eine CS-HoldingInhaber-Aktie. Als die CS kurz darauf beschloss, ihre eigenen Aktien zurückzukaufen, kassierte Ebner noch einmal. Er feilschte so lange, bis ihm die Bank erneut einen Aufpreis auf den Marktwert zahlte.13
Mit Vollgas gegen Pirelli
Die Ebner-Holding wuchs und gedieh, vor allem die BZ Bank brachte viel Geld ein. 1988 fuhr sie einen Rekordgewinn von 17 Millionen Franken ein, beim Handel mit einheimischen Top-Titeln, so genannten Blue Chips, lag sie bereits an vierter Stelle.14 In dieses Jahr fiel auch
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die Gründung der BZ Mergers & Acquisitions AG, die europaweit Dienstleistungen rund um Firmenzusammenschlüsse und Übernahmen anbot: Ebner hatte dabei wohl vor allem große Schweizer Konglomerate, also Mischkonzerne wie Sulzer oder Alusuisse im Blick, die auf absehbare Zeit einer Neustrukturierung bedurften. 1988 fiel auch der Startschuss für Ebners Jagd auf Pirelli, den bekannten Mailänder Reifenhersteller und – weniger bekannt – damals weltweit größten Kabelproduzenten. Da der Pirelli-Clan sein Reich gerade neu ordnete, spekulierte Ebner auf eventuelle Ausgliederungen und Firmenteilverkäufe. Ein großes Aktienpaket, so sein Kalkül, würde sich dann wohl auch mit einem satten Aufschlag an einen eventuellen Übernahmeinteressenten verkaufen lassen. Die neue PirelliStruktur sah vor, dass die Konzernleitung künftig alles von der Holding Pirelli S. p. A. aus steuern sollte. Das Finanzgeschäft oblag der in Basel ansässigen Société Internationale Pirelli (SIP), mit deren Aktien Ebner die BZ-Depots füllte. Nach Recherchen der Wirtschaftszeitung Cash besaß er Ende 1989 bereits 18 Prozent der SIP-Inhaberaktien,15 zwölf Monate später schon deutlich über 30 Prozent. Durch die ständige Nachfrage nach den Aktien notierten die stimmberechtigten Inhaberpapiere fast 50 Prozent höher als die stimmrechtslosen. Zunächst verlief alles nach Plan. Der Konzern gliederte sein Reifengeschäft aus – es schien noch jede Menge »Fantasie im Kurs« zu geben, wie die Börsianer das nennen. Doch dann machte Konzernchef Leopoldo Pirelli dem Schweizer einen Strich durch die Rechnung. Er probierte eine unfreundliche Übernahme des Hannoveraner Reifenherstellers Continental – assistiert von Deutscher Bank und Allianz Versicherung, beide auch Großaktionäre bei Continental. Als Continental Pirelli ausbremste und Ende 1991 klar wurde, dass die Italiener nicht, wie behauptet, bereits über 50 Prozent von Continental in ihrem Einflussbereich hatten, brach nicht nur das Übernahmeansinnen in sich zusammen, sondern auch der Pirelli-Kurs ein. Die Mailänder hatten einen Verlust von gut 700 Millionen Franken in den Büchern stehen – und der siegesgewohnte Martin Ebner fürs Erste eine seiner bis dahin seltenen Niederlagen erlitten.
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Im Jahr 2002 wurde Ebner von der alten Pirelli-Geschichte noch einmal eingeholt. Am 8. Juli 2002 wurde bekannt, dass die Züricher Justiz gegen ihn wegen des Verdachts auf Insiderhandel ermittelt.16 Ausgelöst worden waren die Ermittlungen durch eine Strafanzeige, die ein früherer Mitarbeiter Ebners Ende des Jahres 2000 gestellt hatte. Der Vorwurf: Als Pirelli im Frühjahr 1998 die geplante Fusion der SIP-Tochter mit der Mailänder Dachholding Pirelli S. p. A. bekannt gab, soll Ebner bereits vorab Bescheid gewusst und entsprechende Aktienorders gegeben haben. Zu diesem Zeitpunkt war die BZ-Gruppe zweitgrößte SIP-Aktionärin. Im März 1998 hatte sie bekannt gegeben, dass sie nach der Fusion etwa 10 Prozent an der DachHolding Pirelli S. p. A. halten werde. BZ-Sprecher Ralph Stadler nannte die Strafanzeige den Racheakt eines Mitarbeiters.17
Die Geldmaschine wird optimiert
Eine neue Chance, die Profitmaschine BZ Holding noch ertragreicher laufen zu lassen, erspähte Martin Ebner 1990, als sein Freund Kurt Schiltknecht nach der Übernahme der Bank Leu durch die CS-Holding ohne Job dastand. Er bot ihm die Leitung seiner geplanten gehobenen Vermögensverwaltung BZ Trust für Anlagebeträge von 100 Millionen Franken aufwärts an, die hauptsächlich von institutionellen Kunden kommen sollten. Schiltknecht sagte zu, und wenige Wochen später startete die BZ Trust mit einem Gründungskapital von 10 Millionen Franken. Inzwischen hatten mit dem Erfolg Ebners auch immer mehr reiche Privatkunden begonnen, ihr Vermögen dem sagenhaften Geldvermehrer anzubieten. Dazu gehörte nicht nur sein Freund Christoph Blocher, sondern auch Fiat-Boss Gianni Agnelli, das Fürstenhaus von Liechtenstein und der Sultan von Brunei.18 Die angepeilte Kundenstruktur unterschied sich nicht von derjenigen der BZ Bank, und auch die Strategie sollte bei beiden ähnlich aussehen, urteilt Biograf Jörg Becher über die Konstellation: Konzentration auf wenige Aktienwerte, das Ganze optimiert durch den Einsatz
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von Optionsscheinen. Eine geniale Konstruktion, denn »am Ende würde die BZ Bank im Auftrag der rechtlich unabhängigen BZ Trust genau diejenigen Blue Chips zusammentragen, an denen das Brokerhaus ohnehin interessiert war. Mit dem Vorteil, dass dabei an zwei verschiedenen Orten stattliche Kommissionserträge anfallen würden.«19 Der Firmenjäger bekam also Geld in verschiedene Kassen, das er für identische Zwecke einsetzen konnte und kassierte dabei Gebühren.
Vergeblicher Raid auf Roche
Auf den mit Valium berühmt und reich gewordenen Schweizer Konzern Hoffmann-La Roche hatte Ebner seit seinen frühesten Tagen als Analyst immer ein Auge gehabt. Er war überzeugt, dass in dem familiendominierten Unternehmen mehr Potenzial steckte, als der Kurs widerspiegelte. 1988, als er die BZ Holding aus der Taufe hob, gründete er auch die Beteiligungsgesellschaft Pharma Vision 2000. Mit ihr nutzte er die Chance, an einen wesentlichen Anteil von stimmberechtigten Roche-Namensaktien heranzukommen. Diese Aktien kamen von der aufstrebenden kalifornischen Pharmafirma ICN Pharmaceutical, die sich im September 1987 als Eigentümerin eines 6,3-ProzentPaketes an Roche zu erkennen gegeben hatte. Beim Handel einzelner Pakete, die damals über Umwege zu ICN gelangt waren, war Ebners BZ Bank bereits behilflich gewesen und hatte dabei gut verdient.20 ICN hatte nach dem Börsencrash im Oktober auf 8,6 Prozent zugekauft – was bei den Eigentümerfamilien nicht gerade auf Freude gestoßen war. Man sann dort auf Abhilfe. Eine plötzlich stark fallende Aktie, so die Überlegung, würde das ICN-Paket immer wertloser machen. So war für Züricher Börsianer auch klar, dass es sich um ein inszeniertes Manöver handelte, als Roche-Inhaberaktien im März 1988 plötzlich stark unter Verkaufsdruck gerieten. Ein Züricher Banker sagte dazu: »Die Inhabertitel sind damals von der linken in die rechte Hosentasche geschaufelt worden.«21 Der Coup klappte, ICN gab seinen Anteil, insgesamt 1 376 Inhaberaktien, an einen unbekann-
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ten Dritten ab. Dass dieser Dritte niemand anderer als der neue Fonds Pharma Vision 2000 war, wurde erst bei dessen Gründung im November 1988 klar. Neben Ciba-Geigy und Sandoz-Namensaktien hatte Pharma Vision 2000 nun auch die stimmberechtigten Roche-Titel im Depot.22 Wer genau hinter der Pharma Vision 2000 stand, war zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt. Das änderte sich 1991, als Ebners BZ Holding, sein Freund Christoph Blocher und der Uhrenhersteller Rolex den Fonds Pharma Vision 2000 zu gleichen Teilen übernahmen. Durch Aktienkäufe und so genannte Call-Optionen besaß Pharma Vision im Jahr 1994 bereits 13,5 Prozent der Roche-Inhaberpapiere und zudem 1,8 Prozent der stimmrechtslosen Genussscheine.23 Insgesamt hielten Ebners Firmen in den 90er Jahren direkt und indirekt 20 Prozent an Hoffmann-La Roche. Natürlich versuchte der Investor, mit diesem Pfund zu wuchern und Einfluss auf die Politik bei Roche auszuüben. Doch kam er nicht an den Mehrheitsverhältnissen und Statuten vorbei. Die waren so konstruiert, dass die Gründerfamilien Hoffmann und Oeri durch die verschiedenen Aktiengattungen mit nur etwa 10 Prozent des Kapitalanteils 50,1 Prozent der Stimmen kontrollierten. So sehr sich Ebner auch mühte, bei Roche mitzureden – an den zementierten Mehrheitsverhältnissen konnte er nichts ändern. Und den Makel des neureichen Aufsteigers wurde er beim alten Schweizer Geldadel, zu dem die Hoffmanns und Oeris sich zählen, sowieso nicht los. In anderen Unternehmen, an denen er im Lauf der Jahre beteiligt war, nahm er hin und wieder einen angebotenen Sitz im Verwaltungsrat an. Bei Roche erhielt er trotz hartnäckiger Forderung nicht einmal das Angebot. Als sein letzter Versuch im Jahr 2000 scheiterte und er auch kein Ende der Trennung von Inhaberaktien und Genussscheinen herbeiführen konnte, warf Ebner das Handtuch. Er verkaufte sein Paket – wie üblich mit Gewinn. Dass schon genügend ausländische Interessenten wie der Viagra-Produzent Pfizer auf eine Möglichkeit warteten, um sich bei Roche einzukaufen, rief die einheimische Konkurrenz auf den Plan. Anfang Mai 2001 gab der Schweizer Novartis-Konzern, entstanden aus einer Fusion von Sandoz und Ciba-
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Geigy, bekannt, er habe von Ebner dessen Paket an stimmberechtigten Aktien übernommen. Dieses belief sich auf 20 Prozent Stimmrechte, machte aber nur 3,7 Prozent des Gesamtkapitals aus. Der Deal spülte 4,83 Milliarden Schweizer Franken in Ebners Kassen – aus seiner Sicht sicher zu wenig, um den Ärger aufzuwiegen, nicht zum Ziel gekommen zu sein. Allerdings hat Ebner nach Meinung von Beobachtern das Ende der Familienalleinherrschaft bei Roche eingeläutet.24 Auf Dauer werde man dem neuen Großaktionär Novartis einen Sitz im Verwaltungsrat, dem strategischen Roche-Zentrum, nicht verweigern können. Und in weiterer Zukunft sei damit auch einem Zusammengehen von Novartis und Hoffmann-La Roche der Weg geebnet – zumal der neue Roche-Chef Franz B. Humer im Mai 2001 »eine Fusion der beiden Konzerne nur noch ›vorläufig‹ ausschließen«25 mochte.
Jagd auf die Winterthur-Versicherung
Den größten Einfluss auf das Schweizer Wirtschaftsleben entfaltete Martin Ebner zum Ende der 90er Jahre hin. Spektakulär war sein Angriff auf die Winterthur-Versicherung, der einmal mehr von seiner Kaltblütigkeit zeugte. Schließlich war die Winterthur ein guter Kunde von ihm. Das Unternehmen hatte von Anfang an einen Teil seiner Pensionsgelder bei Ebner angelegt. Alles begann relativ harmlos damit, dass Ebners Beteiligungsgesellschaft Stillhalter Vision sich 1995 bei der Immobiliengesellschaft Intershop einkaufte. Man hielt das Unternehmen, das auf Einkaufszentren spezialisiert war, für unterbewertet. Als die Winterthur-Versicherung, die Intershop mitgegründet hatte, 1996 erklärte, dass sie ihre Beteiligung von 20 auf 25 Prozent erhöht habe, stahl ihr Ebner gewaltig die Schau. Die BZ Holding samt ihren Kunden kontrolliere bereits 40 Prozent, ließ er mitteilen. Ebner und die Winterthur einigten sich schließlich dahingehend, dass Intershop neu ausgerichtet und künftig vor allem einheimische Objekte betreuen werde. Der Verwaltungsrat wurde fast komplett durch Vertrauenspersonen von Winterthur und der BZ ersetzt. Die Schweizer
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Wirtschaftswelt war darüber alles andere als erfreut: Hier machte die zweitgrößte Versicherung der Schweiz gemeinsame Sache mit dem dubiosen Ebner. Die Umstände dieser Übernahme seien »kein vertrauenserweckender Stil«, beklagte die Neue Zürcher Zeitung.26 Niemand, am allerwenigsten Winterthur-Chef Peter Spälti, hatte aber mit dem gerechnet, was nun kam. Beim gemeinsamen Intershop-Deal war Ebner auf den Winterthur-Geschmack gekommen. Ab Anfang 1997 kaufte er die Aktien des Versicherers. Im Börsenboom dieses Jahres trennten sich so viele Anleger von der langweiligen und wenig ertragreichen Winterthur-Aktie, dass sich Ebner in kürzester Zeit Papiere für 1 Milliarde Schweizer Franken günstig ins Depot legen konnte.27 Schon Ende April kontrollierte er 20 Prozent der Einheitsaktien. Und er machte weiter: Im Juli hatte er auf 25 Prozent aufgestockt und enthüllte, dass auch die Schweizer Rück schon über 5 Prozent an Winterthur halte. Daran erkannten die Finanzbeobachter, dass die nach außen betont ruhig auftretende Winterthur dabei war, sich als Retter gegen Ebner einen »Weißen Ritter« ins Haus zu holen – nämlich die mit der mächtigen Credit Suisse Group liierte Schweizer Rück. Das heizte die Spekulationen über die Zukunft der Winterthur weiter an. Die Wetten auf eine Übernahme liefen, und der Kurs stieg. Als Anfang August die BZ bereits über 30 Prozent verfügte, hielt Winterthur dem Druck nicht mehr stand. Konzernchef Peter Spälti flüchtete unter das Dach der Credit Suisse Group. Am 11. August gab man die Übernahme bekannt. Spälti, der es noch bei der Bilanzpressekonferenz der Winterthur am 29. Mai 1997 als »Unsinn« bezeichnet hatte, »wenn jemand behauptet, die Winterthur habe nicht das Zeug zum Global Player«, schwärmte nun – nur gut zwei Monate später – vom »Charme« einer Lösung, bei der »die Winterthur im Markt als eigenständige Gesellschaft vertreten bleibt«.28 Martin Ebners unablässiger Druck, durch den ein neuer weltweiter Top-Ten-Finanzriese mit einem Börsenwert von 50 Milliarden Schweizer Franken, einer Bilanzsumme von 700 Milliarden Schweizer Franken und 15 Millionen Kunden weltweit entstanden war, rief nicht nur Bewunderung hervor. Mit die schärfste Kritik formulierte aus-
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gerechnet sein früherer Mitstreiter Andreas Reinhart. Mit ihm hatte Ebner 1985 die BZ Bank gegründet, Reinhart hatte ihm damals zu dem benötigten Startkredit über 7 Millionen Franken verholfen. Der Unternehmer hatte mittlerweile die Fronten gewechselt und propagierte nun nachhaltiges Wirtschaften aus ökologischer Verantwortung heraus. Er geißelte jetzt Ebners Tun als »rücksichtslose Strategie«.29 In einem Interview im Juni 2000 kritisierte er, zu oft habe »der Zweck der Renditemaximierung die Mittel eines brutalen Restrukturierungskurses geheiligt. Exemplarisch hat dies der Fall der Winterthur-Versicherung gezeigt. Ihre Pensionsgelder wurden bekanntlich zum Teil in eine von Martin Ebners Anlagegesellschaften gesteckt, der mit diesen Mitteln wiederum das Unternehmen aufkaufte und später an die Credit Suisse verkaufte. Das Zynische daran ist: Diese Pensionskassen verdienen an der feindlichen Obernahme (sic!) durch Ebner sogar noch Geld, der Pensionierte wird reicher, die Muttergesellschaft aber zerstört.«30 Martin Ebner selbst war das wohl egal. Erstmals hatte der Firmenjäger gezeigt, dass er der ersten Liga Schweizer Unternehmen seinen Willen aufzwingen konnte – »Shotgun Wedding«31 nannte das Wall Street Journal die Firmenhochzeit, in die er die Winterthur getrieben hatte. Innerhalb eines guten halben Jahres hatte sich der Kurs der Winterthur-Aktien verdoppelt, Ebner und seine Kunden strichen, da sie die Aktien lange genug gehalten hatten, einen steuerfreien Buchgewinn von 1 Milliarde Schweizer Franken ein. Durch das extrem erfolgsorientierte Gebührensystem fielen bei Ebners Beteiligungsgesellschaften bei hohen Gewinnen auch extrem hohe Gebühren an. So »ließ sich die BZ Trust von ihren Kunden allein im ersten Halbjahr 1997 den sagenhaften Betrag von 723 Millionen Franken als so genannten Verwaltungsaufwand überweisen«.32 Ebner hatte also das von der Credit Suisse Group angebotene Übernahmeangebot akzeptiert und seine Winterthur-Aktien für das 7,3-fache in CS-Papiere getauscht. Damit war der einstige Bankauszubildende mit einem Aktienpaket von 7 Prozent zum Hauptaktionär bei der Credit Suisse geworden. Und er hatte nun von jeder der drei Schweizer Großban-
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ken wesentliche Anteile in seinem Portfolio. Was das für sie bedeuten sollte, erfuhren die UBS Schweizerische Bankgesellschaft und der Schweizerische Bankenverein (SBV) bald nach Ebners erfolgreicher Hatz auf die Winterthur-Versicherung.
UBS: Die »Fliege« erzwingt die Fusion zur zweitgrößten Bank der Welt
»Mein Lebensziel ist es, eines Tages bei den Bankgesellen einzulaufen, um dem Senn33 zu sagen, dass er jetzt seine Mappe zusammenpacken kann« – dieser Satz wird von Martin Ebner aus einer Zeit überliefert, als er noch Angestellter bei Vontobel war. Anfang der 90er Jahre begann er, der wegen seiner Fliege den gleichlautenden Spitznamen bekam, sich auf die spätere UBS, damals Schweizerische Bankgesellschaft (SBG), einzuschießen. Willkommener Anlass für den Firmenjäger war der Kurseinbruch nach Beginn des Golfkrieges: Nun konnte er günstig einkaufen und tat das auch. Die SBG galt zu dieser Zeit als ideale Verkörperung der Vorzüge des Bankenplatzes Schweiz: Sie war verschwiegen, perfekt auf ihre Kundschaft aus aller Welt eingestellt, international renommiert und mit 400 Milliarden Schweizer Franken Europas Vermögensverwalter Nummer eins.34 Aber nachdem Firmenjäger Ebner die Bankgesellschaft ins Visier genommen hatte, wurde aus dem noblen Institut in wenigen Jahren ein von Skandalen erschüttertes Haus, dessen Fundamente durch Streit und Prozesse ernsthaft angegriffen waren. Mit Shareholder-Value gewinnt Ebner die Anleger. Anfang der 90er
Jahre hatte die SBG noch als uneinnehmbares Bollwerk gegolten: Durch die Ausgabe von vinkulierten Namensaktien35 hielt man sich potenzielle Käufer aus dem Ausland vom Hals, und durch eine Stimmrechtsbeschränkung auf 5 Prozent pro Aktionär wollte man dafür sorgen, dass kein Großaktionär zu dominierend werden konnte. Das alles wusste auch Martin Ebner. Der Hebel, den er ansetzte, trug
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die Inschrift »Made in USA« und hieß Shareholder-Value. Darunter verstand Ebner vor allem zweistellige Renditen für die Aktionäre, die er lautstark forderte. In einer Ur-Demokratie wie der Schweiz kam Ebners Eintreten für die Anliegen der Anleger gut an. Warum sollte das Volk zwar über die Politik bestimmen dürfen, das Aktionärsvolk aber nicht über die Firmenpolitik? Er traf den wunden Punkt der Firmenkontrolle in der Schweiz, den die Züricher Weltwoche so formulierte: »Ein kleiner Kreis von zwei- bis dreihundert Unternehmensführern schiebt sich gegenseitig die Macht zu. Die Bankherren sitzen in den Industrieverwaltungsräten, als Gegenleistung dürfen die Industriebosse in die Bankgremien einziehen. Und an der Spitze des Verwaltungsrats sitzt nur in Ausnahmefällen ein echter Eigentümer; häufig ist es der ehemalige Konzernleiter auf seinem Rückzugsgefecht in die Pensionierung.«36 Zusätzlich zu seinen öffentlichen Angriffen auf das Establishment begann Ebner eine enervierende juristische Auseinandersetzung mit der SBG-Spitze um die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung. Parallel dazu kaufte er weiter vor allem über seine Firma BK Vision SBG-Aktien, meist stimmberechtigte Namensaktien, um Druck machen zu können. Der schwache Punkt. Die angegriffene Schweizer Wirtschaftselite
versäumte es, auf einen Schwachpunkt des Aktionärsaktivisten hinzuweisen, der die Legitimation des Firmenjägers zum Ankläger fragwürdig erscheinen ließ. Nur die Neue Zürcher Zeitung gab zu bedenken: »Auch Transparenz in eigenen Belangen ist nur bedingt Ebners Sache. Zwar kennt der an Ebners ›Visionen‹ beteiligte Publikumsaktionär den inneren Wert seiner Anlagen sehr genau, wer aber die Hauptinvestoren und treibenden Kräfte hinter der Ebner-Gruppe sind, darüber kann man lediglich Vermutungen anstellen. Insofern gibt der innovative und auch wertvolle Impulse vermittelnde Finanzspezialist trotz des liberalen Anstrichs kein überzeugendes Aushängeschild der Marktwirtschaft ab.«37 Eine berechtigte Kritik: Spätestens seit Martin Ebner neben seiner BZ Bank auch noch die »Visionen«-
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Fondsgesellschaften unter dem Dach seiner BZ Gruppe Holding versammelt hatte, war völlig unklar, wann Ebner als Aktienhändler und wann er als Investor agierte. Der Geschäftsführer einer Züricher Privatbank sagt dazu: »Entweder man ist ein Broker, der mit Kommissionen Geld verdient, oder man ist ein langfristig orientierter Investor, der Risiken übernimmt und damit Gewinne macht. Beides zu vermischen, geht zwangsläufig zu Lasten der Kundschaft.«38 Doch obwohl der Bock hier offenkundig als Gärtner am Werk war, kam niemand auf die Idee, Ebner deshalb ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Großaktionär bei der SBG. Rechtlich nutzte der ausgefuchste Ban-
kier alle Spielräume des eidgenössischen Rechts. »Existierte in der Schweiz … eine griffige Insiderregelung, wie sie etwa für die amerikanische Börse gilt …, dann hätte Ebner einen Grossteil seiner undurchsichtigen Blockhandelsgeschäfte vermutlich gar nie durchführen können«39, ist Ebners Biograf Jörg Becher überzeugt. So aber konnte er in seiner Doppelrolle als Aktienhändler und Investor Ende 1993 bereits SBG-Aktien im Wert von 1,8 Milliarden Schweizer Franken in seinen Depots zählen – immerhin 17,6 Prozent des stimmberechtigten Kapitals. Durch die 5-Prozent-Regelung, die sein Stimmrecht einschränkte, nutzte ihm das allerdings noch immer nicht sehr viel. Ebner forderte eine rigorose Umstrukturierung der SBG, vor allem im Massenkundengeschäft, die künftig eine Eigenkapitalrendite von 15 Prozent bringen sollte. Wie so etwas zu erreichen sei, hatte er bereits 1992 in einem Interview mit der Schweizerischen Handelszeitung erläutert. Auf die Frage, was er an der Spitze einer Großbank unternehmen würde, sagte Ebner damals: »Als Erstes müssen einschneidende Massnahmen auf der Kostenseite eingeleitet werden. Ich denke etwa an einen rigorosen Personalabbau.«40 Außerdem forderte er eine deutliche Verkleinerung des Verwaltungsrats und die Ablösung des damaligen SBG-Chefs Robert Studer. Zusätzlich zu Ebners erstaunlich gutem Abschneiden bei Hauptversammlungsanträgen gab es also genug Gründe für die SBGSpitze, alarmiert zu sein.
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Ein Paukenschlag zur Befreiung. Diese versuchte sich mit einem
Paukenschlag aus der immer enger werdenden Umklammerung des ungeliebten Großaktionärs zu befreien: Die von Ebner gehorteten stimmberechtigten Namensaktien sollten zugunsten einer Einheitsaktie abgeschafft werden. Wenn künftig jede bisher nicht stimmberechtigte Inhaberaktie genauso stimmberechtigt war wie die Namensaktien, würde Ebners Paket aus Namensaktien also weniger ins Gewicht fallen. Am 22. November 1994 wurde auf einer aufsehenerregenden Außerordentlichen Hauptversammlung mit 10 000 Teilnehmern und mit einer denkbar knappen Zweidrittelmehrheit von 66,8 Prozent tatsächlich die Abschaffung der Namensaktien beschlossen. Damit sollte dem Firmenjäger nach den Vorstellungen der SBG-Spitze endgültig der Boden für seine Attacken entzogen werden. Für Ebner war das tatsächlich ein harter Schlag: Durch seine ständigen Zukäufe hatte der Kurs der Namensaktie zuletzt um 40 Prozent höher als der der Inhaberaktie gelegen und brach nun entsprechend ein. Umso vehementer zog er daraufhin vor Gericht, versuchte, eine Sonderprüfung durchzusetzen, warf der Firmenspitze vor, sich Stimmen erkauft zu haben und Firmengelder verschleudert, ja sogar Insidergeschäfte im Vorfeld getätigt zu haben – und kaufte weiter SBG-Aktien. Üble Vorwürfe. Die Eruptionen in der Schweizer Bankenlandschaft
begannen immer heftiger zu werden. Eine Woche vor der SBGHauptversammlung am 16. April 1996 enthüllte der Züricher TagesAnzeiger, dass Credit-Suisse-Chef Rainer Gut den SBG-Präsidenten Nikolaus Senn in einem Telefongespräch zu einer Fusion mit seiner Bank zwingen wollte. Falls sich dieser verweigere, werde die Credit Suisse mit ihren SBG-Anteilen bei der Hauptversammlung zusammen mit Ebners BZ-Gruppe und dessen Verbündeten stimmen.41 Mit dem noblen Ruf Schweizer Banker war diese »üble Erpressung« tatsächlich kaum in Einklang zu bringen. Der Tages-Anzeiger brandmarkte die Verrohung der Sitten, die eine »unverantwortliche Destabilisierung der größten Schweizer Bank« bedeuteten. Wer immer das persönliche Telefonat auch öffentlich gemacht hatte – noch einmal
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hatte die Bankgesellschaft alle Sympathien auf ihrer Seite. Doch Ebner gab nicht auf. Er erhöhte weiter seinen Anteil an der Bankgesellschaft, die sich im Mai 1997 in Union Bank of Switzerland (UBS) umbenannte. Im Herbst dieses Jahres kontrollierte er 25 Prozent der Namensaktien. Durch die Winterthur-Übernahme war er zudem größter Einzelaktionär der Credit Suisse. Insgesamt lagen die Anteile von Ebner und der Credit Suisse bei 40 Prozent oder höher, als sich das von der jahrelangen Jagd ausgezehrte Wild unter ein rettendes Dach flüchtete. Fusion von Schweizerischem Bankverein und UBS. Am 8. Dezem-
ber 1997 unterrichteten die UBS und der Schweizerische Bankverein die Öffentlichkeit von ihrer Fusion. Die weltweit neue Nummer zwei unter den Banken blieb beim Kürzel UBS, das nun aber für United Bank of Switzerland stand. In einem entscheidenden Punkt hatte sich der Firmenjäger durchgesetzt: Ebners Forderung nach einer Eigenkapitalrendite von 15 Prozent wurde zur Messlatte des neuen Bankriesen. Dass in der Konsequenz eines forcierten Sharehoder-ValueDenkens der massenhafte Abbau von Arbeitsplätzen liegen kann, wurde ebenfalls deutlich: Die neue UBS kündigte die Streichung von beinahe jeder vierten Stelle an: 13 000 von 56 000 Arbeitsplätzen gingen verloren, davon 7 000 in der Schweiz. Um den Firmenjäger Ebner nur ja nicht selbst an die Spitze der Bank gelangen zu lassen, erfüllte man nicht nur sämtliche seiner Forderungen, man gab auch die Eigenständigkeit auf. Denn was man der Öffentlichkeit zunächst als Fusion verkauft hatte, entpuppte sich als Übernahme der großen UBS durch den kleineren Schweizerischen Bankverein, der alle wichtigen Spitzenpositionen besetzte. Auch für das Nachrichtenmagazin Spiegel war sonnenklar, dass hinter dem Zwangszusammenschluss als »wahrer Gewinner«42 niemand anderes als Martin Ebner stand. Das Boulevardblatt Blick rechnete in seiner Ausgabe vom 9. Dezember 1997 nach, was das in Zahlen hieß: »Mehr als 650 Millionen Franken hat er seit Beginn der Fusionsgerüchte kassiert – 280 Millionen allein gestern. Dazu kommen gut und gern 200 Millionen Gewinn mit Optionen.«43
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Das Jahr 1997 war für Martin Ebner ein absolutes Rekordjahr. Die Erfolge bei Winterthur und UBS überdeckten allerdings, dass ihm ein Teil seiner Großkunden nach und nach absprang, wie er bereits im März in einer Fernsehsendung zugab: »Wir haben heute tatsächlich weniger institutionelle Kunden. Früher hatten wir ungefähr zwölf, heute haben wir noch knapp ein halbes Dutzend.«44 Der umtriebige Ebner hatte bereits eine Lösung im Auge, wie er weiter an viel frisches Kapital kommen konnte. Schon seit einiger Zeit propagierte er in der Öffentlichkeit das Aktiensparen. Nun startete er eine landesweite Kampagne mit Zeitungsanzeigen und Broschüren, die den Leser fragten: »Können Sie es sich leisten, auf Aktien zu verzichten?« Für sein neues Projekt gab Ebner sogar seine Verschlossenheit auf und tingelte über die Dörfer, um mit seinem Freund Christoph Blocher in Gemeindesälen und Turnhallen aus Zuhörern Käufer seiner »Visionen«-Fonds zu machen – mit Erfolg. 29 000 Kleinsparer leerten ihren Sparstrumpf und steckten ihre Franken in die »Visionen« des »Warren Buffett der Schweiz«, wie sich Ebner gerne nennen ließ.
Ein Freundschaftsdienst: Jagd auf Alusuisse-Lonza
Ende der 90er Jahre zeigte Ebner, wie schnell und effizient er mittlerweile seine Vorstellungen durchsetzen konnte. Das Ziel seiner neuen Attacke: das 1888 mit Europas erster Aluminiumhütte gegründete Schaffhausener Unternehmen Alusuisse-Lonza Group (algroup). Nach einer Durststrecke in den 80er Jahren hatte man den Konzern mit Erfolg gestrafft und sich auf die Bereiche Chemie und Verpackung konzentriert. 1998 lag der Nettoumsatz bei 8,58 Milliarden Schweizer Franken, der Reingewinn war um 14,5 Prozent auf 530 Millionen Franken gestiegen. Alusuisse hatte also im Gegensatz zu Ebners Freund Christoph Blocher keine echten Probleme. Blocher war Inhaber der zwar hochprofitablen Ems-Chemie, die 1998 bei einem Umsatz von 1 Milliarde
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Franken die Traumrendite von 300 Millionen Franken Gewinn abwarf. Bald allerdings, so Blochers Befürchtung, könnte sein Unternehmen zu klein sein und zwischen den Mühlsteinen von Globalisierung und Megafusionen zermalmt werden. Die Fusion von Daimler und Chrysler hatte ihn aufgeschreckt, da er ein Drittel seines Umsatzes mit speziellen Autokunststoffteilen und Airbag-Zündern machte. Wegen des Trends, ganze Komponenten zu liefern, war aber auch die Ems-Chemie zum Wachstum verdammt. Blocher hielt das Auto- und Feinchemiegeschäft der algroup für eine ideale Ergänzung seines Unternehmens. Während die Autosparten beider Unternehmen ungefähr umsatzgleich waren, hatte die Feinchemiesparte Lonza für Blocher ganz besonderen Charme. Sie wies mit 1,4 Milliarden Franken einen doppelt so hohen Umsatz wie sein Feinchemiegeschäft auf, war aber bei weitem noch nicht so rentabel. Nachdem Gespräche mit der ehrgeizigen algroup-Spitze, die einen eigenständigen Wachstumskurs verfolgte, ohne Erfolg blieben, wechselte Blocher vom Zuckerbrot zur Peitsche. Zusammen mit Martin Ebner kaufte er algroup-Aktien – »ein rein finanzielles Engagement«45, wiegelte er in der Zeitschrift Finanz und Wirtschaft ab, nachdem am 28. April 1998 sein Einstieg bekannt geworden war. Wenige Wochen später stellte sich heraus, dass beide zusammen 17 Prozent an algroup hielten. Hinzu kamen wohl noch weitere Anteile im Umfeld des Duos. Bald ging es nur noch darum, mit wem Alusuisse-Lonza fusionieren sollte. Ein geplantes Zusammengehen mit der deutschen Viag im März 1999 klappte nicht – Ebner soll dagegen gearbeitet haben. Einige Monate später sollte ein DreierKonsortium aus Alusuisse, der französischen Pechiney und der kanadischen Alcan gebildet werden, was ebenfalls scheiterte. Übrig blieb schließlich die von Martin Ebner favorisierte Firmenehe zwischen Alusuisse und Alcan. Alle Beteuerungen Ebners und Blochers, den Schweizer Traditionsbetrieb nicht ins Ausland verhökern und – ganz im Gegenteil – langfristig unternehmerische Verantwortung übernehmen zu wollen,46 erwiesen sich als wohlfeile Rhetorik. Da half es auch nichts, sich selbst Mut zuzusprechen, wie es algroup-Chef Sergio
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Marchionne noch im August 1999 tat. »Wir werden nicht zum Juniorpartner,«47 sagte er damals noch. Aber Blocher hatte sein Ziel erreicht. Der Schweizer Sonntagsblick zog im April 2002 eine bittere Bilanz: »Die schönen Worte sind noch schneller, als manche dachten, widerlegt worden. Marchionne trat schon gar nie, wie eigentlich vorgesehen war, in den Verwaltungsrat der fusionierten Firma ein. Ebner zieht sich nicht nur persönlich zurück.48 Er hat laut Dokumenten der amerikanischen Börsenaufsicht im vergangenen Jahr Alcan-Aktien im Wert von mehr als 1 Milliarde Franken verkauft. Seine Beteiligung ist von 11 auf unter 5 Prozent gesunken. Ems-Sprecher Walter Eberle: ›Wir waren von Anfang an nur an der Lonza-Chemie interessiert.‹«49 Zumindest für algroup-Aktionäre hatte sich der Deal rentiert, argumentierte der kühle Rechner Ebner: Wer Anfang 1999 algroup-Aktien hielt und dabei blieb, hatte bis zu diesem Zeitpunkt einen Gewinn eingefahren, der um 50 Prozent über der durchschnittlichen Entwicklung der Schweizer Aktien gelegen hatte.50
Das Waterloo des Börsen-Napoleon
Solange es an den Börsen vorwiegend nach oben ging, funktionierte Martin Ebners riskantes Spiel hervorragend. Es bestand darin, mit dem gebündeltem Kauf weniger Aktienwerte größtmöglichen Einfluss auf die betroffenen Firmen auszuüben. Über seine vier VisionenFonds hielt er hohe Anteile an wenigen Blue Chips wie Novartis, ABB, der Credit Suisse Group oder der Bâloise-Versicherung. Außer in der Schweiz investierte Ebner auch viel in Italien und zuletzt vor allem in Schweden. Mit seinem Fonds »Spezialitäten Vision« war er beispielsweise nur an vier Firmen beteiligt: Olivetti, Investor AB, Hero und Industrivärden. Ab 1999 hatte Firmenjäger Ebner auch Deutschland im Visier. Doch bevor er zuschlagen konnte, machte ihm der Niedergang seiner vier Visionen-Fonds zu schaffen. Der war im Zuge der Kursrückgänge besonders ausgeprägt, da Ebner einen besonders riskanten Kurs fuhr. Er setzte bei Zukäufen meist auch noch
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einen Hebel in Gestalt von hohen Fremdmitteln an: Dazu nahm die BZ Gruppe Kredite auf, so genannte Lombards. Die Geld gebenden Banken bekamen als Sicherheit die gekauften Aktien. Insgesamt soll Ebner über die Hälfte seiner Mittel sowie 10 Milliarden geliehene Schweizer Franken in die Aktien des Industrieausrüsters ABB und der Credit Suisse Group gesteckt haben.51 Im Sommer 2002 wurden diese Beschränkung auf wenige Werte und die hohe Kreditverpflichtung für Ebner zum Fallstrick. Während der Schweizer Aktienindex im ersten Halbjahr 2002 18 Prozent verlor, betrug das Minus der vier Visionen-Fonds von Ebner zwischen 35 und 58 Prozent. Im Juni 2002 wurde bekannt, dass ihm allein aus seiner 10-Prozent-Beteiligung an der Credit Suisse Group Verluste in Höhe von 4 Milliarden Euro erwachsen waren. Insgesamt soll er zu diesem Zeitpunkt mit 5,8 Milliarden Schweizer Franken im Minus gewesen sein. Ebners rechte Hand Schiltknecht musste kleinlaut einräumen: »Wir haben die Dauer des Bärenmarktes schlicht unterschätzt.«52 Ebner selbst kannte die Achillesferse seiner Investitionsmethode nur allzu gut: »Der Fehler, den wir gemacht haben, beschränkt sich darauf, dass das Portfolio zu wenig diversifiziert war.«53 Dass er in der labilen Wirtschaftslage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mit seinen kreditfinanzierten Zukäufen und Termingeschäften ganz allgemein einen höchst riskanten Kurs gesteuert hatte, konnte sich der erfolgsverwöhnte Raider und Bankier nicht eingestehen. Nun begann an der Züricher Börse die Hatz auf den angeschlagenen Firmenjäger. Spekulationsfreudige Hedge-Fonds machten ihm durch so genannte Leerverkäufe den Garaus. Sie liehen sich billig große Pakete der Aktien, in die Ebner investiert hatte und verkauften sie. Dadurch wurde der Kurs immer weiter nach unten gedrückt. Die Hedge-Fonds konnten die Aktien danach billig einkaufen und dem Besitzer, von dem sie sie ausgeliehen hatten, zurückgeben. Das eigentliche Kalkül der Ebner-Jäger lief darauf hinaus, dass Ebner bei den niedrigen Kursen das Geld zur Rückzahlung seiner Kredite ausgehen würde. Dazu mussten die Kurse nur weit genug nach unten
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gedrückt werden. Dann würden die Banken die Aktienpakete, die ihnen Ebner als Sicherheit für die Kredite überlassen hatte, verkaufen müssen – und die Kurse würden noch weiter in den Keller sinken. Die Spekulation der Hedge-Fonds ging auf. Ende Juli 2002 erlebte der Börsen-Napoleon sein Waterloo: Ebner war geschlagen. Er konnte das Geld für die Rückzahlung seiner Kredite nicht mehr aufbringen. Die Banken warfen nun seine Pakete auf den Markt. Am Montag, 5. August 2002, brachen innerhalb weniger Stunden die Aktien von ABB um 14 Prozent ein. Die Entwicklung bei ABB hing schon seit Mitte Juli wie ein Damoklesschwert über Ebner. Der schwedischschweizerische Konzern hatte damals wegen hoher Schulden und Asbestklagen so schlechte Quartalszahlen vorgelegt, dass sich der Kurs bis Anfang August halbieren sollte. Den Einbruch konnte Ebner nicht verkraften. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Anteile seiner BZ Holding an den Visionen-Fonds zu verkaufen. Der Käufer, die Züricher Kantonalbank, kam so günstig zur Betreuung eines zusätzlichen Vermögens von 2,8 Milliarden Schweizer Franken und 50 000 neuer Kunden. Die Eidgenössische Bankenkommission verlangte von Ebner Anfang August 2002 zudem, täglich über die finanzielle Lage seiner BZ Bank Bericht zu erstatten. Zudem überwachte die Bankenaufsicht die Aktiengeschäfte der Bank ebenfalls tagtäglich. Auch seinen Anteil von 19,8 Prozent an Lonza musste Ebner verkaufen. Ganz am Ende scheint Martin Ebner dennoch nicht zu sein. Immerhin sollen 90 Prozent seiner auf 6,5 Milliarden Schweizer Franken geschätzten Schulden durch Aktien abgedeckt sein, die sich im Besitz der BZ Holding befinden. Ein 3-Milliarden-Überbrückungskredit seiner Gläubigerbanken kann ihm durch die Börsenkrise helfen, wenn diese nicht zu lange dauert. Aber auch wenn den Asketen Martin Ebner keine persönlichen Finanznöte plagen – das einzige, das ihm wichtig war, hat er verloren: Macht und Einfluss.
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Renditejäger René Braginsky Wie Martin Ebner gehört auch René Braginsky nicht zum angestammten Schweizer Finanzestablishment. Und wie jener stammt auch Braginsky aus eher einfachen Verhältnissen und ist aufgrund eigener Begabung und Durchsetzungsfähigkeit zu einem wichtigen Schweizer Investor geworden. Im Unterschied zur Reizfigur Ebner ist Braginsky in der Öffentlichkeit zurückhaltender aufgetreten und hat sich nicht als kühler Visionär dargestellt, sondern als ausgleichender Charakter, der lieber durch Zusammenarbeit als durch Zerwürfnis seine Ziele erreicht. Was nicht heißt, dass er weniger geschickt agieren würde. »Klug ist besser als gescheit«, lautet sein Motto.54 Wenn Braginsky auf ein Ziel zusteuert, dann sei er »ein Meister kaltblütigen Taktierens«55, zitiert das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz einen langjährigen Bekannten. Doch während Geld für den asketischen Ebner nach Ansicht seines Biografen Jörg Becher in erster Linie Macht ist, die es zu Lebzeiten in möglichst großer Menge anzuhäufen gilt,56 liebt es der begeisterte Bridge-Spieler Braginsky, das Leben zu genießen und zeigt politisches und soziales Bewusstsein. Er ist Mitglied der Schweizer FDP. Und er propagiert den sinnvollen Gebrauch von Geld: »Sobald meine Frau und ich es uns leisten konnten, haben wir eine Stiftung errichtet.«57 Die gut dotierte »René-und-SusanneBraginsky-Stiftung« hilft auf vielfältige Weise: Sie unterstützt die Züricher Noam-Schule, ein israelisches Gymnasium in der Wüste Negev, das Züricher Opernhaus, die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, das interdisziplinär ausgerichtete Weizman Institute of Science und die humanitäre jüdische Organisation B’nai B’rith. 1999 finanzierte die Stiftung eine Ausstellung samt Katalog über Agent Orange, das giftige Entlaubungsmittel, das die US-Streitkräfte in großem Umfang im Vietnam-Krieg eingesetzt hatten. Dass auch junge Jüdinnen und Juden, die in der Schweiz leben, Förderung erfahren, erklärt sich aus der Familiengeschichte der Braginskys: Sie spiegelt die Tragik der Judenverfolgung im 20. Jahrhundert wider und ist von persönlichem Leid geprägt.
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Die Ursprünge Braginskys
René Braginsky wuchs in Basel auf, wo er 1949 als Sohn eines kaufmännischen Angestellten und einer Modistin zur Welt kam. Sein Großvater, ein ukrainischer Kürschner, war wegen der Judenpogrome in den Westen geflohen, jedoch im Ersten Weltkrieg nach Russland verschleppt worden. Man hörte nie wieder etwas von ihm. Sein Sohn, René Braginskys Vater, wuchs in Basel als staatenlose Halbwaise auf und verlor mit 16 Jahren auch noch die Mutter. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und ließ sich einbürgern, sobald er volljährig war. Wie groß nach dieser von Zerrissenheit geprägten Familiengeschichte das Bedürfnis nach Normalität und Dauer war, zeigt sich darin, dass Braginskys Vater seinen ersten Arbeitgeber, die Basler Süßwarenfirma Klein, nie verließ. René Braginsky ist der jüdischen Geschichte sehr verbunden. Die Besucher seiner Firma Incentive Management finden in den Räumen in der Züricher Tödistraße neben Wirtschaftsblättern auch das jüdische Wochenmagazin Tachles vor, dessen Herausgeber René Braginsky ist. Er engagiert sich in mehreren karitativen Organisationen und ist Schweizer Präsident der »Freunde des Weizmann-Institutes«. Diese Forschungseinrichtung zählt 2 500 Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche zu ihren Mitarbeitern. Der Privatmann Braginsky hat ein großes Herz, wie sich bei den Vorbereitungen für die Schweizer Expo.02 zeigte. Da spendete er spontan 100 000 Schweizer Franken für ein privates Projekt zum Thema Respekt, das der Schriftsteller und Pantomime Heiner Dübi mit seiner Tochter Franziska und einem Esel namens Benjamin realisieren wollte.58 Weniger eindeutig kann René Braginsky seinen Platz definieren, wenn es um eine Angelegenheit geht, die die Schweiz jahrelang beschäftigte: den Streit um die Rolle der Schweizer Banken bei der Verwaltung jüdischer Vermögen aus der Nazizeit. Ende der 90er Jahre musste der Humanist und harte Geschäftsmann erfahren, dass zwei Herzen in seiner Brust schlagen. Als Jude schloss er sich der Forderung nach einer Entschädigung für das Unrecht an, dass Schweizer
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Banken jahrzehntelang über die so genannten namenlosen jüdischen Konten geschwiegen hatten. Dabei hatten sie kräftig an den milliardenschweren Einlagen verdient und sich hinter formalen Hürden verschanzt, um mögliche Kontoberechtigte abblitzen zu lassen. Doch da er eben auch Bankier und globaler Investor war, wurde René Braginsky mit anderen Schweizer Banken in einen Topf geworfen und selbst zur Zielscheibe jüdischer Kreise in den USA. Für den sonst selten um einen selbstbewussten und flotten Spruch verlegenen Firmenjäger eine ungewohnte Situation: »Ich musste jedes Wort auf die Goldwaage legen.«59 Erst als endlich eine Entschädigungsregelung auf dem Tisch lag, war René Braginsky von dem Dilemma befreit, dass seine Person von jüdischen Interessenvertretern in den USA kritisiert wurde, zu Hause aber Hochachtung erfuhr. Bis heute ist er an der Aufarbeitung der Geschichte interessiert und begleitet die Arbeit einer Historikerkommission nicht nur passiv, sondern informiert sich in persönlichen Gesprächen und Einladungen über den aktuellen Stand.
Aufstieg von ganz unten
Über seine Motivation, ganz nach oben zu wollen, sagt Braginsky: »Ich wurde eher arm geboren und hatte auch nichts geerbt. Ich musste also mein Schicksal in die eigenen Hände nehmen.«60 Die außergewöhnliche Karriere des Aufsteigers begann am Humanistischen Gymnasium von Basel, von dem er nach vier Jahren auf die Handelsschule wechselte. Nach dem Handelsdiplom trat er 1969 in die Schweizerische Bankgesellschaft SBG (die heutige UBS) ein, die dem hoffnungsvollen Nachwuchsbanker vor allem durch Auslandsaufenthalte eine umfassende Ausbildung angedeihen ließ. Die Kontakte, die Braginsky damals knüpfen konnte, sollten ihm in den folgenden Jahrzehnten immer wieder nützlich sein. Nach Aufenthalten in London und Paris, wo er beim Bankhaus Rothschild hospitierte, folgte ein Einsatz in New York, bei dem er Robert Studer auffiel. Der damalige SBG-Repräsentant und spätere Verwaltungsratspräsident erkannte sein Poten-
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zial und spendierte ihm eine Extrawurst: Braginsky durfte sich in Chicago und Houston in Fragen der Unternehmensfinanzierung, der »Corporate Finance« weiterbilden, einer Anfang der 70er Jahre in Europa kaum bekannten Sparte des Finanzwesens. Gerade diese Zeit, sagt Braginsky im Rückblick, habe ihn sehr geprägt. Damals erwarb er sich das theoretische Wissen in Sachen Unternehmensanalyse, das er bei seinen späteren Deals als Firmenjäger so gut brauchen konnte. Und er errang das Vertrauen wichtiger Vertreter von institutionellen Anlegern, für die er bald Geld in der Schweiz anlegen sollte – vor allem amerikanischer Versicherungen und Universitäten. Zurück in der Schweiz baute er ein Team für die SBG auf, das Aktien an diese und andere institutionelle Anleger verkaufte, und akquirierte weiter bei Großkunden – unter anderem mit Erfolg beim Pensionskassenverwalter von Hoffmann-La Roche Peter Matter. Seine Methode war schon damals so einfach wie erfolgreich: direkt auf die Verantwortlichen zugehen und ihnen überzeugende Angebote machen. 1976 gab es eine Wende im Leben Braginskys, die auf den ersten Blick wie ein Karriereknick wirkt, im Nachhinein aber als die Basis für einen regelrechten Karrieresprung gelten kann. Nach seiner Heirat beschloss Braginsky, der Familie den Vorrang vor der eigenen Laufbahn zu geben. Auf Wunsch des schwer herzkranken Schwiegervaters zog er mit seiner Frau Susanne nach Köln und führte dessen Uhrengeschäft. Doch obwohl der Großhandel florierte, fühlte sich Braginsky am Rhein nicht wirklich daheim. Allerdings knüpfte er hier Kontakte zur Kölner Bank Oppenheim. Nach dem Tod des Schwiegervaters beendeten die Braginskys das einjährige Gastspiel im Rheinland und siedelten sich in Zürich an. Beim Bankhaus Vontobel fand Braginsky schnell einen Job, der seinen Fähigkeiten entsprach: Wie schon bei der SBG verkaufte er Aktien an Großkunden. Beinahe hätten sich damals die beruflichen Wege von Martin Ebner und René Braginsky gekreuzt. Doch noch bevor die beiden brillanten Geister bei Vontobel aufeinander treffen konnten, wo Ebner die Leitung der Abteilung Institutionelle Kunden übernahm, warb ein Headhunter den Prokuristen Braginsky für die Lei-
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tung eines Instituts ab, das in der Schweiz gerade gegründet wurde: die Bank Oppenheim Pierson, heute Sal. Oppenheim jr. & Cie. Nun kamen ihm die hervorragenden Kontakte zugute, die er in seiner Kölner Zeit zum Mutterhaus der Bank geknüpft hatte. Fast 20 Jahre lang, bis 1999, stand Braginsky als Direktor der Abteilung Institutionelle Investoren mit großem Erfolg an dessen Spitze. »Braginskys Verpflichtung war aus der Sicht von Oppenheim ein Glücksfall. Er war die Seele des Geschäfts«61, urteilt der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank, Karl-Otto Pöhl. Pöhl war damals Sprecher der deutschen Oppenheim-Mutter und im Verwaltungsrat der Schweizer Sal. Oppenheim. Ohne sich bei einem Chef rückversichern zu müssen, konnte Braginsky bei Oppenheim aus dem Vollen seiner vielfältigen Beziehungen schöpfen und an neuen arbeiten. Er machte Geschäfte mit dem mächtigen Fondsmanager, Geldspekulanten und heutigen Globalisierungskritiker George Soros genauso wie mit der Pensionskasse der britischen Post; er arbeitete weiter mit Hoffmann-La Roche und war Partner für den Siemens-Konzern – kurz: Er machte aus der Newcomer-Bank eine erste Schweizer Adresse für institutionelle Anleger. Und obwohl er Privilegien wie kaum ein anderer genoss – Braginsky verdiente über Provisionen an den Transaktionen seiner Bank mit – war er damit noch keineswegs ausgelastet.
Die Beteiligungsgesellschaft Incentive Investment AG
Deshalb sagte der Schweizer – mit Billigung seines Arbeitgebers – auch sofort zu, als sich ihm 1985 die Chance bot, mit Siemens und zwei Direktoren der Züricher Kapitalanlagegesellschaft Maag bei der Gründung der Beteiligungsgesellschaft Incentive Investment AG einzusteigen. Noch bis Ende 1999 fuhr Braginsky zweigleisig: Er war weiterhin Investmentbanker und Chef der Börsenabteilung und Direktionsmitglied der Zürcher Niederlassung von Sal. Oppenheim und daneben als eigenständiger Investor bei Incentive tätig. Als der
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Siemens-Konzern Ende der 80er Jahre öffentlichem Druck nachgab und aufgrund vermeintlicher Interessenkonflikte bei Incentive Investment ausstieg, nutzte Braginsky die einmalige Chance, Großaktionär zu werden und übernahm die Siemens-Anteile am Gründungskapital der Firma. Geld dafür hatte er keines: »Ich bin Incentive-Aktionär geworden, ohne selber einen Rappen zu haben. Die Banken haben mir einen Blankokredit gegeben, damit ich diese Aktien erwerben konnte. Ich weiß nicht, ob es heute noch möglich wäre, einen solchen Blankokredit zu bekommen«62, sagt er rückblickend. Er sei sich auch nicht so sicher, ob er heute noch solche Risiken eingehen würde, »denn als junger Familienvater große Schulden zu haben, nur an sich selbst und den Erfolg der Gesellschaft zu glauben – das war doch mutig, weil man ja über die Jahre hinweg diese Schulden auch abbezahlen muss.«63 Braginsky spricht von einer »Pyramide«, der er sich damals gegenüber sah, da er auch für Incentive Kredite aufnahm »und top of that noch gewisse Optionen auf Aktien – da musste schon alles richtig laufen, damit die Sache gut ausgeht«.64 Für ihn ging sie finanziell bestens aus, sein Wagemut wurde belohnt. Über Incentive kann er geschätzte 800 Millionen Schweizer Franken investieren. Das Magazin Bilanz taxierte im Jahr 2001 Braginskys Vermögen auf 300 bis 400 Millionen Schweizer Franken. Reich geworden ist er aber nicht mit kurzfristigen Spekulationen. »Mit langfristig angelegten Beteiligungen, das haben die vergangenen 17 Jahre gezeigt, haben wir wesentlich mehr Geld verdient.«65 Was nicht heißt, dass Braginsky nicht die Gunst der Stunde nutzt: wie beim Crash im Jahr 1987. »Dieses Jahr hat mich geprägt, weil ich gelernt habe, aus dieser Situation, aus diesen tiefen Kursen, das Bestmögliche herauszuholen und zu sagen: Jetzt erst recht! Da greifen wir zu!«66 In der Panik die Perlen herauszupicken – dies sei für ihn eine Erkenntnis, die sich in den vergangenen schlechten Börsenjahren immer wieder bewahrheitet habe, sagt Braginsky. Einer seiner Leitsätze lautet, dann zu handeln, »wenn die Märkte in die eine oder in die andere Richtung übertreiben.«67 Das klingt so weise wie lapidar. Was er damit meint: Entscheidend sei es zu erkennen, wann die Pegel-
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stände an den Börsen über- oder unterschritten sind. Genau dann sei es der richtige Zeitpunkt, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Braginsky verschweigt allerdings nicht, dass auch er die Lage manchmal falsch eingeschätzt und sich so eine blutige Nase geholt habe. »Meine Spannweite reichte von 50-fachem Gewinn bis zum Totalverlust.«68
Entscheidungen aus dem Bauch
Was Braginsky bei Incentive vor allem entgegenkam: Als eigenständiger Investor konnte er nun seinen Instinkt als Firmenjäger richtig ausleben. Denn letztlich, sagt er ganz offen, nachdem alle Analysen erstellt sind und jedes Für und Wider durchdiskutiert ist, entscheide er allein aus dem Bauch heraus über eine Investition. Sein erster Coup war 1986 Atelier de Charmis, eine Maschinenbaufabrik, bei der eine der ersten stillen Übernahmen (»Silent Takeover«) in der Schweiz gelang. Da es damals noch keine Pflichten für den Käufer gab, seinen Aktienanteil ab einer bestimmten Größenordnung öffentlich zu machen, konnte Incentive heimlich Anteile kaufen, bis man eine Mehrheit von 51 Prozent besaß. Braginsky: »Als wir die Mehrheit hatten, haben wir dem Verwaltungsratspräsidenten die neuen Zielsetzungen klar kommuniziert. Dies hat unter anderem zu einer Neubesetzung des Verwaltungsrats geführt.«69 Nun folgte fast jedes Jahr eine neue langfristige Beteiligung. 1987 kaufte Incentive den Uhrenhersteller Roventa-Henex, den man erst zehn Jahre später im Zuge eines so genannten Management-Buy-Outs (MBO) an die Unternehmensführung wieder abgab. 1988 erfolgte gegen den erbitterten Widerstand des Managements die Beteiligung am Schaffhauser Maschinenbaukonzern Georg Fischer AG. Dieser hatte den Einstieg von Incentive zunächst verschlafen. Braginsky: »Verwaltungsrat und Management waren so sehr mit sich selber beschäftigt, dass sie die drohende Gefahr erst bemerkten, als wir schon mehr als 10 Prozent des Aktienkapitals besaßen.«70 Damit war es zu spät, Incentive noch abzuschütteln.
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Braginskys Investitionslogik erscheint im Nachhinein tatsächlich sehr spontan und höchst unklar in ihren Folgewirkungen – das Wirtschaftsmagazin Bilanz beschrieb seinen Anlagestil als »vielleicht am ehesten mit dem eines mittelmäßig talentierten Schachspielers vergleichbar, einem, der einfach einmal ein paar clevere Züge macht, und danach von Fall zu Fall schaut, wie sich die Dinge weiterentwickeln … Mit Beharrlichkeit, psychologischem Geschick und extremer Risikofreude manövrierte sich René Braginsky immer wieder in Situationen, von denen andere Investoren nur träumen können.«71 So war es auch 1990 beim Einstieg in die Neuenburger Kabelnetzgruppe Cortaillod. Braginsky arbeitete mit dem französischen Elektronikkonzern Alcatel zusammen. 1993 fusionierte er Cortaillod mit dem Unternehmen Cassomay, dem der führende Schweizer Kabelfernsehbetreiber Rediffusion gehörte. Incentive besaß damit die Kontrolle über 550 000 Kabelfernsehabonnenten: »Alcatel war für das eigentliche Kabelgeschäft zuständig, und wir für das Kabelfernsehen.«72 Ein Jahr später wollte Alcatel dann alles. Incentive verkaufte mit sattem Gewinn für 480 Millionen Schweizer Franken seine Anteile am restrukturierten Konzern Ateliers de Charmis einschließlich der Rediffusion-Abonnenten.73 An diesem Beispiel wird deutlich, wie gut Braginskys Bauchgefühl funktioniert, denn die späteren Entwicklungen waren zu Beginn der jeweiligen Firmenbeteiligungen kaum absehbar.
Der Bâloise-Deal
Sein Meisterstück begann Firmenjäger Braginsky, als er im August 1997 anfing, sich heimlich in den Basler Versicherungskonzern Bâloise einzukaufen. Zwar hatte er schon zuvor mit Bâloise geliebäugelt, da sich der Konzern zu einer Ertragsperle entwickelt hatte. In den Jahren von 1993 bis 1998 verdreifachte sich der Gewinn auf 365 Millionen Euro und der Börsenwert kletterte mit über 8 Milliarden Euro sogar um das Vierfache. Doch den letzten Anstoß für die Jagd auf Bâloise gab der
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Supercoup Martin Ebners, der in jenen Tagen die Winterthur-Versicherung in die Arme der Credit Suisse getrieben und dabei kräftig abkassiert hatte. Wenn Ebner einen solchen Deal schaffte, dann konnte er das auch, dachte sich Braginsky. Incentive kaufte ein erstes Aktienpaket an Bâloise und gab im Juli 1998 bekannt, man kontrolliere 10,3 Prozent der Aktien des Versicherers. Im Herbst 1998 kam dem Incentive-Chef dann die Asienkrise zugute. Der weltweite Einbruch der Börsen verschonte weder die Schweiz im Allgemeinen noch Bâloise im Besonderen: Die Aktien brachen von rund 1 500 Euro auf gut die Hälfte ein – »ohne eigentlichen Grund, nur weil sich die äußere Situation geändert hatte, und deshalb haben wir weiter investiert«.74 Braginsky konnte sich bei deutlich unter 1 000 Euro bequem und von Börsianern unbemerkt eindecken, bis er 19,9 Prozent hielt. Genug, um einem potenziellen Interessenten für die Bâloise ausreichend Munition für eine Übernahme zu bieten. Er hatte auch schon jemanden ausgemacht: die Zurich Financial Services (ZFS). Nun nutzte Braginsky die guten Kontakte, die Incentive-Verwaltungsratspräsident Karl-Otto Pöhl als früherer deutscher Bundesbank-Chef und langjähriger Aufsichtsrat der Bank Oppenheim besaß. Da Pöhl zu diesem Zeitpunkt auch im Verwaltungsrat der ZFS saß, war es ein Leichtes, die Verbindung zu Zurich-Chef Rolf Hüppi herzustellen. Hüppi, dessen ZFS selber 3,2 Prozent an Bâloise hielt, biss an. Incentive und ZFS bündelten ihre zusammen 23,1 Prozent an Bâloise, die einen Marktwert von 1,6 Milliarden Schweizer Franken aufwiesen, in der neugegründeten Inzic AG. Diese war damit schlagartig neuer Großaktionär der Bâloise. Bâloise-Chef Rolf Stäuble war regelrecht geschockt, als ihm Hüppi die neuen Eigentumsverhältnisse am 7. November 1999, einem Sonntag, mitteilte. Braginsky hatte ein gutes Geschäft gemacht. Die ZFS zahlte 540 Millionen Schweizer Franken an seine Incentive Investment, die zudem 30 Prozent an der gemeinsamen Tochter Inzic behielt. Durch die weitere Beteiligung hatte Braginsky sichergestellt, dass er bei einem späteren Verkauf noch einmal kassieren konnte. Auch für die Zurich Financial war es ein gutes Geschäft. Sie war möglichen Konkurrenten zuvorgekommen und hatte bei einem wichtigen
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Schweizer Konkurrenten mehr als nur einen Fuß in der Tür. Für den Incentive-Anteil an der Inzic AG hatte sie ein Vorkaufsrecht. Allerdings verpasste Hüppi die Chance, allen übrigen Aktionären der Bâloise auf Basis des damaligen Kurses von 1 450 Franken ein Übernahmeangebot zu machen und Bâloise gleich komplett einzugliedern, wie es ihm Braginsky im November 1999 geraten hatte. Danach stieg der Kurs weiter. Dass Braginsky bei Bâloise richtig agiert hatte, zeigte ihm auch die Reaktion seines Raider-Konkurrenten Martin Ebner. Dieser stieg nun auch ein und kontrollierte ab Mitte des Jahres 2000 einen Anteil von 10 Prozent des Versicherers.
Die Methode Braginsky
Bei Bâloise, aber auch seinen anderen Firmenengagements zeigte Braginsky immer relativ ähnliche Vorgehensweisen. Grundsätzlich unterscheidet der Incentive-Chef zwischen zwei verschiedenen Arten von Engagements seiner Firma: einerseits eher kurzfristige Investitionen, die allein auf finanziellen Überlegungen und der aktuellen Aktienlage beruhen; daneben stehen langfristig angelegte Beteiligungen an Firmen, die auf strategischen Überlegungen basieren – wie bei Bâloise. Mit den mittlerweile 800 Millionen Schweizer Franken im Rücken, die seine Dachholding Incentive Capital einsetzen kann, widmet Braginsky seine Aufmerksamkeit dabei vor allem mittelgroßen Schweizer Unternehmen mit einem Börsenwert von über 150 Millionen Schweizer Franken. Kleinere Deals müssten auf jeden Fall über 50 Millionen liegen, erklärt er, »da sonst das Verhältnis von Analyseaufwand und Ertrag nicht stimmt«.75 Nach oben existiert eine Grenze erst im Bereich von 1 Milliarde Schweizer Franken, die man für ein Unternehmen zahlen müsste. »Aber wenn es sich um 2 Milliarden handelt, und die Idee ist gut, dann suchen wir eben einen Partner. Denn für gute Ideen finden Sie immer Partner«76, sagt der Profi. Bei diesen Partnern handelt es sich seltener um Schweizer Großanleger, sondern meist um US-amerikanische Versicherungen oder Fonds, wie etwa Fidelity.
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Braginsky verwirklicht seinen Traum vom unabhängigen Dasein als ungebundener Investor, seit er sich Ende 1999 vom Bankhaus Sal. Oppenheim endgültig verabschiedet hat. Nun erst, im Alter von 50 Jahren, machte er sich selbstständig. Der Firmenjäger residiert mit der Incentive Asset Management AG, einem kleinen Think Tank von acht Senior-Partnern und einigen Büromitarbeitern, auf drei Stockwerken in einer noblen Stadtvilla in der Züricher Tödistraße. In diesem großstädtischen Ambiente im Herzen der Finanzmetropole, in großzügig angelegten und hellen Räumen, die allesamt mit glänzenden Parkettböden ausgestattet sind, werden die Ideen ausgebrütet, die später glücklosen Firmenchefs und Spitzenmanagern den Schlaf rauben werden. Mehr als ein inspirierendes Ambiente und ein paar fähige Leute mit guten Gedanken braucht es auch nicht, meint Braginsky, um Superdeals auszuhecken. Er vertraut vor allem seinem persönlichen Netzwerk, das er über 30 Jahre hinweg geknüpft und gepflegt hat. Und er gibt, »je nach der Branche, in der wir investieren, lieber Mandate her, um das bestmögliche Ergebnis zu bekommen – lieber spezialisierte Anwälte, die man heranziehen kann, als Anwälte im Haus, die alles bewältigen sollen. Da ist das Ergebnis dann oft mittelmäßig.«77 Um seine Vorstellungen von einem starken und schlanken Unternehmen umzusetzen, hat Braginsky auch die Incentive-Struktur verändert. Die 1985 gegründete Incentive Investment AG verschmolz er im Oktober 2000 mit der börsennotierten, aber nicht sehr erfolgreichen Tochterfirma India Investment AG. Ursprünglich kümmerte sie sich um Firmenbeteiligungen in Indien. Nun bekam sie einen neuen Namen, Incentive Capital AG. Darunter wurden alle Firmenengagements Braginskys versammelt. Über diesen Umweg hatte er Incentive ohne einen kostspieligen Börsengang aufs Parkett gebracht. Incentive Capital AG mit Sitz im Schweizer Steuerparadies Zug ist jetzt die Dachholding, Incentive Asset Management kümmert sich in Zürich um die Geldvermehrung. Sein gewitzter Bâloise-Deal brachte Braginsky noch einen Vorteil: Er band Zurich Financial Services stärker an sich und konnte sie als namhaften und finanzkräftigen Partner ins Incentive-Boot holen. Die
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Zurich hält jetzt 25 Prozent des Incentive-Stammkapitals. Weitere Hauptaktionäre sind: mit 11 Prozent die Familie des Incentive-Mitgründers Hans Kaiser; René Braginsky selbst mit 20 Prozent; die amerikanische III Institutional Investors International Corp., die 21 Prozent hält. 23 Prozent der Incentive-Anteile werden frei an der Börse gehandelt. René Braginsky erläutert, nach welchen Kriterien er vorgeht, wenn er sich an Firmen beteiligt: »In erster Linie geht es darum, Unternehmen zu finden, die entweder unterbewertet sind oder in denen Potenzial steckt. Firmen, in denen Synergien vorhanden wären mit anderen europäischen, insbesondere Schweizer Firmen – Synergien, die wir generieren könnten, wo wir praktisch als Matchmaker fungieren.«78 Braginsky selbst sieht sich nicht als Raider, sondern als Retter: »Es ist oft erstaunlich, wie gewisse Firmen nur über sich selber informiert sind, aber sehr wenig Bescheid wissen über die Konkurrenz – gerade auch im nahen Ausland. Deshalb kann ein Investor wie wir, der offener, von außen an die Sache herangeht, einen positiven Beitrag leisten.«79 So gesehen definiert er seine Arbeit als Firmenkäufer zu Recht als die eines Katalysators, der notwendige Prozesse in Gang bringt oder beschleunigt. Aufmerksam auf mögliche Kandidaten wird der Incentive-Chef durch eigene Recherchen, Ideen seiner Mitarbeiter, aber oft auch durch andere Investoren oder befreundete Broker. »Wenn man dann zum zweiten oder dritten Mal den gleichen Namen hört, dann schaut man sich die Sache schon mal näher an.«80 Solche Beteiligungspläne würden immer wieder »gecheckt und gegengecheckt«81. Denn am Ende lassen sich »von den vielen Ideen, die geboren werden, nur wenige umsetzen«. Wenn ein oder zwei pro Jahr zum Zuge kämen, sei er schon zufrieden. Der Einstieg in Zielunternehmen erfolgt dann nicht schlagartig, sondern peu à peu. Langsam und unauffällig, über Monate hinweg, baut man einen Anteil von 2 oder 3 Prozent auf. Braginskys weiteres Investitionsvorgehen gehorcht einer verblüffenden Logik: »Wenn sich der Titel ansprechend entwickelt, kauft man mehr. Falls nicht, sieht man sich praktisch gezwungen, mehr zu kaufen. Denn
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wenn man schon bei höheren Kursen an eine Sache glaubt, dann bei tieferen erst recht.«82 Neben den genannten Gründen, aktiv zu werden, gebe es noch einen Weiteren: Incentive werde von Firmenverantwortlichen oder anderen Großaktionären »auch sehr oft eingeladen, mal eine Beteiligung am offenen Markt zusammenzukaufen, weil das ja gut für den Kurs ist«. Allerdings käme die Aufforderung oft von Leuten, die den höheren Kurs, aber nicht die Konsequenzen wollten – »die hoffen dann, dass diese Krankheit irgendwie vorbeigeht«83, sagt Braginsky mit einem Lachen, dem man seine Verwunderung über die Naivität solchen Denkens anhört. Die Konsequenzen für Firmen, die die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden – das ist die unerbittliche Forderung nach besserer Rentabilität. Braginsky erzählt, was passiert, wenn Incentive tatsächlich 20 oder 30 Prozent einer Firma gekauft hat: »Dann machen wir unseren Anspruch geltend. Denn fordern wir das auch ein, was wir von Anfang an gesagt haben: Dass wir einen vernünftigen Shareholder-Value-Ansatz verfolgen, ohne dabei zuviel Geschirr zerschlagen zu wollen – etwa die Entlassung von Leuten.«84 Dann muss das Management eine nachvollziehbare Strategie präsentieren können, die den neuen Großinvestor überzeugt. Denn Incentive macht sich vor dem Einstieg seine eigenen Gedanken über die Zukunft, wie Braginsky verdeutlicht: »Wir kommen meist mit sehr valablen Vorschlägen, die für beide Seiten sinnvoll sind. Wir helfen auch dem Management, ruhig eine andere Firma zu übernehmen. Wir stellen Kapital zur Verfügung, um sinnvolle Expansionspläne anzugehen.«85 Natürlich wolle Incentive Ergebnisse sehen, betont Braginsky, aber man verfolge das mit Maß und Ziel: »In den ersten 12 bis 18 Monaten ist der Return nicht das Hauptkriterium. Da geht es mehr um ein Sich-Finden, um eine Gesamtstrategie, die dann diesen Return bringen wird. Aber nicht in der kürzestmöglichen Zeit, weil wir sonst vor Probleme gestellt sind, wie Personalabbau, Ausverkauf von Immobilien oder von Tochtergesellschaften. Und das möchten wir möglichst vermeiden.«86 Weniger zimperlich, deutet Braginsky an, seien da die US-Großanleger, mit denen er manchmal zusammenarbeitet.
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»Die Amerikaner sind tough, wenn es darum geht, den Return, so wie wir ihn präsentieren, auch zu bekommen.«87 Das heißt, sie scheuen keine Konflikte mit gekauften Firmen und fackeln nicht lange, wenn das Management nicht mitspielt. Eines akzeptiert allerdings auch Incentive nie: im gleichen Trott wie bis dato weiterzumachen. Im Normalfall und wenn sie kooperationswillig ist, belässt man die Führungsspitze in Amt und Würden. Allerdings verfolgt Braginsky ganz genau, ob das Management eine angekündigte neue Strategie auch umsetzt. Penibel hält er Ziele und Resultate schriftlich fest und vergleicht Worte und Taten.88 Denn oft, so hat er festgestellt, ändert sich die Strategie quartalsweise. Im Extremfall greift Incentive aber auch durch: »Wenn wir das Management als dermaßen schlecht einstufen, dass es nur noch besser werden kann, können wir selber versuchen, da gewisse Maßnahmen zu ergreifen.«89 In jedem Fall hat Incentive von Anfang an »eine bestimmte ExitStrategie im Auge«90, erläutert Braginsky das Vorgehen. Dies sei »nicht in dem Sinn zu verstehen, dass wir im kürzestmöglichen Zeitraum den höchstmöglichen Profit machen wollen«91. Das komme natürlich auch vor, besonders dann, »wenn der Kurs davonrennt«92. In so einem Fall, wenn die weiteren Beteiligungspläne nicht mehr vernünftig zu realisieren seien, stufe man das Engagement als kurzfristige Investition ein und verkaufe die wenigen gehaltenen Prozent mit hohem Gewinn. Normalerweise strebe er aber langfristige Projekte an, betont der Bankier. Nur wenn man 10 bis 30 oder noch mehr Prozent halte, könne man effektiv Einfluss auf die entsprechende Firma nehmen. Dass man dabei aber auch scheitern kann, musste der erfolgsverwöhnte Investor bei seinem Großangriff auf eine Firma erleben: Sulzer.
Das Sulzer-Debakel
René Braginsky hätte gewarnt sein müssen. Vor ihm waren schon die Investoren Tito Tettamanti und Werner K. Rey mit ihren Übernahmeversuchen beim Winterthurer Traditionsunternehmen Sulzer ge-
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scheitert. Der Konzern war mit Pumpen, Dieselmotoren und Webmaschinen einst ein Aushängeschild des Schweizer Maschinenbaus gewesen, doch hatte die Konzernführung in den vergangenen Jahren keine glückliche Hand bewiesen. Sulzer hatte jahrelang von der Substanz gelebt und kaum Gewinne gemacht. Nach dem Abgang des ehemaligen Konzernchefs Fritz Fahrni im Streit hatte die neue Führung um Fred Kindle lange gezögert, Strukturveränderungen anzugehen. Als sie im Herbst 2000 Radikalreformen ankündigte, waren nicht nur die Gewerkschaften aufgebracht. Aus Sicht von Braginsky war es ein idealer Zeitpunkt, selbst das Heft beim Maschinenbauer in die Hand zu nehmen. Neben der Industriesparte, auf die es Incentive abgesehen hatte, gab es auch noch das profitable Medizintechnik-Unternehmen Sulzer Medica (heute Centerpulse), das zu 74 Prozent im Besitz der Industrie-Muttergesellschaft war. Die Neue Zürcher Zeitung beurteilte die Absichten des Raiders skeptisch. Er wolle die Medizinsparte verkaufen und die Industrietechnik mit Incentive fusionieren. »Diese Fusion würde Braginsky den raschen und vollen Zugriff auf Kasse, Beteiligungen und Liegenschaften von Sulzer ermöglichen.«93 Braginsky beteuert: »Wir wollten die Abspaltung der Sulzer Medica, aber die Sulzer Industrie nicht etwa verscherbeln, sondern mit dieser Industrieholding eine europäische Beteiligung schaffen.«94 Am 19. Februar 2001, als Incentive über Aktien und Optionen etwa 20 Prozent des Kapitals kontrollierte, preschte Braginsky vor und machte den Aktionären ein Übernahmeangebot, über das sie bei der Hauptversammlung am 19. April in der Winterthurer Eulach-Halle befinden sollten. Incentive bot 1,4 Milliarden Schweizer Franken in bar sowie Aktien.95 Konkret sollten Aktionäre für eine Sulzer-Aktie nach erfolgreicher Übernahme zwei Sulzer-Medica-Aktien – jede damals 325 Schweizer Franken wert – sowie zusätzlich wahlweise 430 Schweizer Franken in bar oder eine Incentive-Aktie (450 Schweizer Franken) bekommen. »Wir haben zusammen mit unseren Beratern Deutsche Bank und JP Morgan geglaubt, dass die Aktionäre zustimmen würden, wenn wir von vornherein einen fairen Preis zahlen würden«96, erklärt Braginsky.
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René Braginsky (r.) und Karl Otto Pöhl, Verwaltungsratspräsident der Incentive, während der Pressekonferenz am 19. Februar 2001
Allerdings war das Kaufangebot an eine Bedingung geknüpft: Bezahlt werden sollte erst, wenn die Incentive-Vorschläge für eine Neubesetzung des Verwaltungsrats umgesetzt und die geltenden Stimmrechtsbeschränkungen aufgehoben wären. Das Sulzer-Management nahm den Fehdehandschuh auf und konterte mit einem finanziell ähnlichen Angebot, ebenfalls zwei SulzerMedica-Aktien plus eine um den Medica-Wert reduzierte Stammaktie, und schaltete eine Anzeige in den Schweizer Zeitungen, die einen leeren Teller zeigte. Text: »Diese Gegenleistung bietet Ihnen Incentive für die Kontrolle über Sulzer.« Dem Showdown vorangegangen waren öffentliche Schaukämpfe, die »Züge eines grotesken Theaters«97 getragen hatten. »Incentive spielt sich als Mutter Teresa auf, die Arbeitsplätze vor der Vernichtung retten will. Die Gewerkschaften stellen sich auf die Seite der Chefs, die schon Tausende von Stellen abgebaut
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haben, und das Sulzer-Management gibt den Robin Hood der Aktionäre.«98 Braginsky hatte sich in mehreren Punkten gründlich verschätzt. Zum einen war sein Angebot dem von Sulzer-Chef Fred Kindle zu ähnlich, um für die Aktionäre ein echtes Verkaufsargument zu sein. Zum anderen war der Kurs der Sulzer-Aktie nach dem Raider-Angriff schon deutlich gestiegen – ein Aktionär fuhr also besser damit, seine Papiere an der Börse statt an Braginsky zu verkaufen. Außerdem blieb seine Strategie für die Aktionäre unklar. Und schließlich hatte der Firmenjäger gegen das geltende Stimmrecht bei Sulzer-Hauptversammlungen so gut wie keine Chance. Dieses ermöglicht es dem Verwaltungsrat, das Stimmrecht eines Aktionärs – ungeachtet der Anzahl seiner Aktien – auf 5 Prozent zu begrenzen. So unzufrieden viele Anteilseigner mit den Sulzer-Chefs waren – eine echte Alternative sahen sie in der Incentive-Offerte auch nicht. Analyst Volkan Göçmen vom Bankhaus Pictet & Co. urteilte, Incentive habe sich so ins Abseits gestellt und den Eindruck vermittelt, nur schnelle Kasse machen zu wollen.99 So endete Braginskys Belagerung am 19. April ohne Sieg. Seiner Hauptforderung, den Verwaltungsrat abzusetzen, erteilten die Aktionäre mit 912 970 gegen 405 435 Stimmen eine klare Abfuhr. René Braginsky gibt heute zu: »Wir haben das wirklich unterschätzt.« Fehler seien auch bei den mit ihm verbündeten Investmentbanken passiert, »die ihren institutionellen Kunden aus dem angelsächsischen Bereich vorgegaukelt haben, sie seien als stimmberechtigt eingetragen«.100 Dazu, so der Geschlagene, der noch ein Jahr später zugibt, »dass wir unsere Wunden lecken«101, habe es von Seiten des SulzerVerwaltungsrats »Druck gegeben, mit dem wir in dieser Situation nicht gerechnet hatten«.102 Die Stimmrechtsbeschränkungen, die Braginsky bei der gescheiterten Sulzer-Übernahme so zu schaffen machten, prangert er heute als antiquierte Aktienkultur am internationalen Finanzplatz Schweiz an: »Schweizer dürfen im Ausland so ziemlich alles zusammenkaufen, was ihnen über den Weg läuft – seien es Schweizer Banken, Versicherungen oder die Chemie- und Pharmakonzerne von Hoffmann-La
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Roche bis zu Novartis. Wehe aber, ein Ausländer will sich in der Schweiz einkaufen, geschweige denn ein Übernahmeangebot lancieren. Dann gibt es ein Riesengeschrei.«103 Als Beispiel für diese Ungleichbehandlung nennt er die Aufregung über den amerikanischen Raider Asher B. Edelman, der im Jahr 2001 vergeblich versuchte, die Schweizer Papierfabrik Baumgartner zu übernehmen. Das zeige, so kritisiert Braginsky weiter, dass »Aktienkultur in dem Sinn, wie wir sie in angelsächsischen Ländern vorfinden, bei uns nicht gerade am ausgeprägtesten ist. Wir geben nur den Anschein, als sei es so.«104 Seine direkten Kosten für das gescheiterte Sulzer-Übernahmedebakel beziffert Bragnisky auf 15 Millionen Schweizer Franken, der Abwehrkampf von Sulzer habe ein Vielfaches gekostet. Reformen im Aktienrecht seien hier angebracht, denn es sei »sicherlich nicht im Sinne des Gesetzgebers, dass der Aktionär dafür bezahlen muss, wenn sich das Management einigelt und dafür überproportional viel Geld ausgibt«.105 Obwohl Incentive auch nach den Einbrüchen im Jahr 2001 darauf verweisen kann, über die vergangenen 17 Jahre hinweg einen durchschnittlichen Jahresgewinn von 20 Prozent erwirtschaftet zu haben, bleibt 2001 das dunkle Jahr in Braginskys Erfolgsbilanz. Der Börsenwert der noch im Jahr zuvor mit 1 Milliarde Schweizer Franken bewerteten Gesellschaft halbierte sich. Dazu trug natürlich nicht nur die Sulzer-Malaise bei, sondern auch der allgemeine Börseneinbruch, der nach den Terroranschlägen vom 11. September kaum eine Aktie verschonte. Der Kursrückgang seines Unternehmens kostete Braginsky, der damals 20 Prozent an Incentive hielt, persönlich die stolze Summe von 100 Millionen Franken – zumindest auf dem Papier. Dennoch schaffte es der Raider, sich mit einem blauen Auge aus der Misere herauszumanövrieren. Ausgerechnet die schlechte Lage, in die die Sulzer-Tochter Sulzer Medica geriet, an der Incentive 10 Prozent hielt, bot ihm dafür die Chance. Das Unternehmen, das am 10. Juli 2001 von der Mutter abgespalten wurde, hatte Probleme mit künstlichen Hüftgelenken, die durch einen Herstellungsfehler in einem bestimmten Zeitraum Schmierölrückstände aufwiesen. Dies
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war zum Zeitpunkt der Hauptversammlung im April 2001 bereits bekannt gewesen. Doch nachdem massive Schadenersatzforderungen in den USA gestellt wurden, rutschte der Sulzer-Medica-Kurs vollends in den Keller – die Zukunft des Unternehmens stand auf dem Spiel. Die Aktie, noch im Jahr 2000 bei 500 Schweizer Franken notiert, fiel im Verlauf des Jahres 2001 auf unter 100 Schweizer Franken. Braginskys Mannschaft spielte alle Varianten durch und bewies ihre analytische Brillanz. Sie untersuchte den Wert von Sulzer Medica, deren Aktien zum Zeitpunkt der gescheiterten Übernahme bei 450 Franken gestanden hatten, für den Fall eines Konkurses oder sogar eines Nachlassverfahrens – mit dem Schluss, dass »diese Bewertung unter allen denkbaren Gesichtspunkten zu niedrig war«. Braginsky zog aus der Analyse die Konsequenzen: »Wir haben gezeigt, wie flexibel wir sein können und einen Strategiewechsel vorgenommen.« Dieser sah so aus, dass »wir mit dem vorhandenen Geld zu absoluten Tiefstkursen Sulzer Medica gekauft hatten, die wir ja ursprünglich nicht wollten.«106 Die Rechnung ging auf. Sulzer-Medica-Aktien stiegen bis Mitte des Jahres 2002 auf 250 Franken, und Incentive war – zumindest finanziell – noch einmal davongekommen. Zudem zeigte sich das Management von Centerpulse, wie Sulzer Medica seit 1. Juli 2002 heißt, kooperationsbereiter als das von Sulzer. Es suchte den Kontakt mit dem Großaktionär Incentive, der heute 20 Prozent der Anteile hält. Mittlerweile nimmt Braginsky sogar einen Sitz im Verwaltungsrat ein. Was ungewöhnlich ist: Normalerweise vermeidet Incentive solch große Nähe zu Unternehmen, in die man sich einkauft, um die Unabhängigkeit im Urteil und in den eigenen Forderungen nicht zu gefährden.
»Da werden Sie noch von uns hören«: Angriffsziele in Deutschland
Die Rückschläge, die René Braginsky im Jahr 2001 hinnehmen musste, haben ihn gebremst, aber nicht gestoppt. Seine Zielrichtung für die nächsten Angriffe auf unterbewertete oder nicht optimal positionierte
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Firmen war schon länger klar: Deutschland. Auf wen er es abgesehen hat, verrät der Firmenjäger natürlich nicht. Aber er gibt zu, dass er bereits im Katastrophenjahr 2001 Pläne für Angriffsziele rheinabwärts geschmiedet hatte: »Deutschland gehört sicherlich zum Zielgebiet. Wir hatten einige Projekte in Deutschland auf dem Tisch, die ziemlich nahtlos in die geplante Sulzer-Strategie gepasst hätten. Die Spekulation ist nicht allzu weit hergeholt, dass es sich dabei um einen oder mehrere deutsche Maschinenbaukonzerne oder Teile von ihnen handelte, die auch im Mutterland immer wieder als Übernahmekandidaten gelten: ThyssenKrupp, mg technologies, IWKA oder der im Sommer 2002 in Insolvenz gegangene Konzern Babcock Borsig. Über seinen Verwaltungsratspräsidenten Karl-Otto Pöhl und die langjährigen Kontakte aus seiner Kölner Zeit ist Braginsky bestens darüber im Bilde, was sich in Deutschland tut. Seine Pläne hat der Firmenjäger aufgrund der momentanen Krise zwar auf Eis gelegt. Sie hätten sich, sagt er aber, nur verschoben – »da werden Sie sicherlich noch von uns hören«. Konkret: »Auf unserem Radar gibt es doch einige sehr interessante Firmen. Wir sind bereits jetzt an einigen von ihnen dran – nicht nur um sie zu studieren, sondern um bereits jetzt kleinere Investitionen zu tätigen.« Und er lässt keinen Zweifel daran, dass Incentive auch nach dem Sulzer-Einbruch dazu finanziell in der Lage ist: »Wir haben noch recht bedeutende liquide Mittel, die wir für solche Schachzüge in Deutschland einsetzen können.«107 Die Idee eines grenzüberschreitenden Industrieverbunds existiert trotz des Sulzer-Engagements nach wie vor. Und die Chancen dafür schätzt er seit der Steuerfreiheit für die Veräußerung von Industriebeteiligungen in Deutschland als so hoch wie nie zuvor ein, auch wenn solche Neustrukturierungen letztlich nicht davon abhängig seien. Braginsky: »Wir sind mit verschiedenen deutschen Banken im Gespräch, die sich von ihren Industrie-Engagements trennen wollen oder müssen. Da macht es absolut Sinn, dass wir als Incentive da hereinkommen, um mal eine Anfangsposition aufzubauen. Oder dass wir mit anderen, sei es hier in der Schweiz oder mit deutschen Investoren an eine solche Aufgabe herangehen.«108
Das offene Deutschland: Wirtschaftliche und soziale Veränderungen durch Raider-Attacken und feindliche Übernahmen
Das Phänomen feindlicher Übernahmen im deutschen Wirtschaftsleben und die Angriffe von Firmenjägern auf Unternehmen, die es sich bisher hinter den einstmals dicken Mauern der Festung »Deutschland AG« zu gemütlich gemacht hatten, ist nichts anderes als eine überfällige Anpassung an international übliche Verfahrensweisen. Positiv daran ist sicher, dass deutsche Firmen überhaupt stärker als früher das Interesse ausländischer Kapitalgeber erregen. »Langfristig gesehen werden wir immer mehr Unternehmen haben, bei denen die Mehrheit der Anteilseigner im Ausland sitzt«1, ist sich der Frankfurter Kapitalmarktforscher Mark Wahrenburg sicher. Nicht nur Raider oder übernahmewillige Großkonzerne schauen nach Deutschland. Auch Private-Equity-Firmen, milliardenschwere Beteiligungsgesellschaften, kaufen sich in Deutschland ein. Dieser Zustrom internationalen Kapitals in deutsche Unternehmen führt zu einer breiteren Eigentümerstruktur und bringt den Firmen neue Chancen. Die neue Normalität verursacht Veränderungen für Aktionäre, Firmenchefs und Mitarbeiter. Nur durch einen möglichst hohen Aktienkurs kann sich das Topmanagement börsennotierter Unternehmen einigermaßen sicher vor einer Übernahme oder Raider-Attacke fühlen. Aber nicht nur Firmenjäger, auch institutionelle Investoren fordern mehr Rendite von den Chefs. Bisher reichten für den Vorstandsvorsitzenden eines DAX-Unternehmens oft ein paar Telefonate oder ein Abendessen mit den wenigen Großaktionären, um Grundsätzliches zu klären. »Aber wenn man einen amerikanischen Pensionsfonds als Großinvestor hat, dann achtet der auch wesentlich stärker auf die
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Bilanzen. Das Unternehmen muss sich also mehr nach den Präferenzen der internationalen Anleger ausrichten«2, sagt Mark Wahrenburg. Tendenziell sorgt der wachere Blick, mit dem heute mehr Großaktionäre als früher die Führungsetagen beobachten, auch für ein schnelleres Erkennen von Fehlentwicklungen. Für die Kleinaktionäre eines Unternehmens ist das aggressive Auftreten eines Firmenjägers meist ein Grund zur Freude. »Der Raider ist so etwas wie ein Sprachrohr derjenigen, die nicht die Unternehmenspolitik bestimmen können und keinen Einfluss auf die Entscheidungen von Hauptversammlungen haben«3, meint Peter Zillmer von der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar. Kleinaktionäre begrüßen das Auftreten eines Firmenjägers nicht nur deshalb, weil er Schwachpunkte und Forderungen mit großer Öffentlichkeitswirkung formulieren kann. Sie sehen ihn vor allem deswegen gern, weil schon bei seinem Erscheinen der Aktienkurs eines Unternehmens häufig deutlich steigt. Doch mit welchen Auswirkungen müssen Mitarbeiter rechnen, wenn ihr Unternehmen von einem Firmenjäger gekauft oder von einer anderen Firma feindlich übernommen wird? Bislang bieten sich für die Diskussion dieser Frage in der deutschen Unternehmenslandschaft vor allem zwei herausragende Beispiele an: die Firma Mannesmann, die im Jahr 2000 von der britischen Mobilfunkfirma Vodafone feindlich übernommen wurde, sowie die Duisburger Klöckner-Werke, die 2001 von WCM, der Firma des Raiders Karl Ehlerding, aufgekauft wurde.
Feindliche Übernahme mit erfreulichen Folgen: Mannesmann Die Arbeitnehmer hegten schwere Befürchtungen, als die Mannesmann-Spitze ihre Abwehrschlacht gegen die Übernahme durch den britischen Mobilfunkkonzern Vodafone im Februar 2000 verloren hatte. »Es lastete damals ein enormer Druck auf der Beleg-
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schaft, es gab Ängste um die Mitbestimmungsrechte«4, erinnert sich Michael Mönks, heute Vorsitzender des Konzernbetriebsrats von Vodafone Deutschland. Nun werde man sehen, wie der Raubtierkapitalismus seine Opfer fordert, raunten sich die Pessimisten unter den damals über 100 000 deutschen Mitarbeitern zu. Und tatsächlich sollte im Traditionsunternehmen kaum ein Stein auf dem anderen bleiben.
Mannesmann wird aufgeteilt
Vodafone-Chef Chris Gent hatte bereits vor der Übernahme klar gemacht, dass er nur an der Mobilfunksparte D2 Mannesmann interessiert sei. Den Rest werde er abgeben. Und so wurden die anderen Mannesmann-Teile schnell weiterverkauft. Die Mannesmann-Röhrenwerke, einst das stählernde Herz des Konzerns, gingen an die Salzgitter AG. Atecs, abgekürzt für »Advanced Technologies«, die Techniksparte von Mannesmann, sollte nach einer Zusage von Gent eigentlich an die Börse gebracht werden. Dazu zählten der Maschinen- und Anlagenbau sowie die auf Hydrauliktechnik spezialisierte Tochter Rexroth AG. Mit 90 000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 12 Milliarden Euro im Jahr 1999 wäre Atecs ein Anwärter für den Dax gewesen. Doch dann fand der pragmatische Brite Gent eine schnellere Lösung, die ihm sofort Geld einbrachte. Ein Konsortium aus den beiden deutschen Konzernen Siemens und Bosch wollte Atecs als Ganzes übernehmen. Es gab allerdings Probleme mit den EU-Kartellbehörden. Bosch scherte schließlich aus und erklärte, nur an der Rexroth AG, der Hydrauliksparte von Atecs, interessiert zu sein. Am Ende wurde Atecs zwar von Vodafone – wie vereinbart – als Einheit weitergegeben, es blieb aber trotzdem nicht als Einheit erhalten. Es waren Bosch und Siemens, zwei Säulen der »Deutschland AG«, die den Technikkonzern anschießend komplett zerlegten. Rexroth ging an Bosch, und Siemens gliederte die übrigen Atecs-Sparten in jeweils eigene Unternehmensabteilungen ein.
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Im Jahr 2002 wurde Telematics, ein Teil des Telefonfestnetzgeschäfts, das Mannesmann unter der Marke Arcor betrieb, an die Deutsche Bundesbahn verkauft. Vodafone behielt außer der Mobilfunksparte D2 nur die stark verkleinerte Hauptverwaltung Mannesmann AG, heute Vodafone AG, sowie die Datenverarbeitungssparte des Konzerns, die nun Vodafone Information Systems heißt. Rückgriff auf alte Pläne. Geht man der Frage nach, was unter der
Führung von Vodafone bei Mannesmann eigentlich anders geworden ist, wird schnell klar, dass für vieles von dem, was Chris Gent umgesetzt hat, die Entwürfe schon von der einstigen Mannesmann-Führung unter Klaus Esser gezeichnet worden waren. »Was die Shareholder-Value-Ausrichtung angeht, hat sich nicht viel verändert«5, sagt etwa Birgitt Mahler-Meditsch, Betriebsratsvorsitzende bei Vodafone Information Systems, die auch im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt. Und ihr Aufsichtsratskollege Rainer Schmidt, Gewerkschaftssekretär im Vorstand der IG Metall, bestätigt: »Diese Umsteuerung auf eine börsengetriebene Entwicklung hatten wir schon früher.«6 Die Abwendung von der Diversifizierung und die Schaffung einer Strategie zweier Kernbereiche aus Telekommunikation einerseits und Hochleistungstechnologie andererseits sei schon vor der Übernahme durch Vodafone geplant gewesen. Auch die Bündelung von verschiedenen Geschäftszweigen in dem Technikkonzern Atecs waren schon unter der Mannesmann-Führung geplant. »Die Teilung von Mannesmann in eine Mannesmann AG mit Telekommunikationsteil und dem Röhrengeschäft auf der einen Seite und einen Technikkonzern, der an die Börse gebracht oder in einzelnen Teilen verkauft werden sollte, war schon vor Vodafone klar«7, weiß Schmidt, der bis zum Jahr 2001 auch bei Atecs im Aufsichtsrat saß und die Entwicklung gut verfolgen konnte. Stahl zu Stahl. Einzig die Zukunft der Röhrenwerke hätte nach den
Plänen von Klaus Esser wesentlich anders ausgesehen. Sie wären nach dieser Planung bei Mannesmann geblieben. Doch gerade ihr Verkauf
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an die Salzgitter AG fand bei den Vertretern der Arbeitnehmerseite großes Lob. »Die Röhrenwerke sind mit unserer ausdrücklichen Zustimmung und Billigung an die Salzgitter AG verkauft worden. Unsere Position war: Stahl zu Stahl. Und das hat sich ausgesprochen positiv für beide Konzerne erwiesen«8, sagt Gewerkschaftssekretär Schmidt. Seine Begründung ist nachvollziehbar: »Wenn in einem Konzern bestimmte Teile, wie bei Mannesmann die Telekommunikation, Renditen von 13 bis 15 Prozent und mehr erwirtschaften, und die Röhrenwerke dümpeln trotz größter Anstrengung bei 6 bis 7 Prozent, dann ist klar, wo die Investitionen hinfließen. Die gesamte Konzernausrichtung geht mehr in die Cash bringenden Teile.«9 Schmidt hat dafür ein schönes Bild parat: »Wenn ein Vater 13 Kinder hat, dann fällt eines, das nicht am Tisch sitzt, nicht so auf.«10 Dadurch, dass die Röhrenwerke nun aber bei Salzgitter seien, werde ihnen als Kerngeschäft wieder Priorität eingeräumt. Das habe, freut sich Schmidt, gute Synergien gegeben – es ist für beide eine Erfolgsstory.11
Mitbestimmung contra Shareholder-Value
Wie stand es aber nun um die innerbetriebliche Entwicklung bei den verbleibenden Mannesmann-Teilen? Immerhin war der Konzern ursprünglich – von 1951 bis Mitte der 70er Jahre – nach dem Modell der so genannten Montanmitbestimmung geführt worden. Das bedeutete, dass der Aufsichtsrat zu gleichen Teilen mit Vertretern der Arbeitnehmer und der Anteilseigner besetzt war. Zudem gab es einen Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied, das nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gewählt werden durfte. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1999 galt das Mitbestimmungsgesetz von 1976 auch bei Mannesmann, das diese Privilegien zwar abschaffte, aber im Vodafone-Heimatland Großbritannien immer noch als quasi sozialistisch wirken musste. Schließlich hatte dort Margaret Thatcher bereits in den 80er Jahren die Macht der Gewerkschaften so radikal eingeschränkt, dass diese sich bis heute
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nicht davon erholt haben. Konnten zwei so völlig unterschiedliche Welten zusammenfinden? Hier ein konsensorientierter Konzern mit starker Mitbestimmung – da »ein Shareholder aus England, dem dieser Konsens, vorsichtig formuliert, am Anfang sehr fremd war«12, wie es IG-Metall-Mann Schmidt ausdrückt. Doch Chris Gent überraschte seine neuen Mitarbeiter positiv. »Die Ängste haben sich als unbegründet erwiesen«13, gibt Konzernbetriebsratschef Michael Mönks ohne Umschweife zu. »Alle Zusagen sind eingehalten worden«14, bestätigt seine Aufsichtsratskollegin Birgitt Mahler-Meditsch, Betriebsratsvorsitzende von Vodafone Information Systems. Die Verhandlungen mit Gent seien zwar »keine Frühstücksveranstaltung gewesen«, erinnert sich Schmidt, doch der Spitzenmanager habe »ein offenes Ohr gehabt und die Bereitschaft gezeigt, sich darauf einzulassen, dass hier manche Dinge anders laufen als in England«.15 Aber auch die Gewerkschaften gingen nicht auf Konfrontationskurs. Die feindliche Übernahme einer deutschen Firma als Folge der Öffnung Deutschlands sei völlig in Ordnung, meint etwa Reinhard Dombre, beim Deutschen Gewerkschaftsbund zuständig für Tarif- und Arbeitsrecht: »Schließlich schreien wir ja auch nicht dagegen an, wenn im umgekehrten Fall eine deutsche Firma in den USA ein Unternehmen übernimmt.«16 Er denkt dabei an die Chrysler-Übernahme durch Daimler-Benz. Die Gewerkschaften sehen diese Entwicklung von einem übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Standpunkt aus, wie Dombre erläutert: »Es wäre schlicht nicht sinnvoll für eine exportorientierte Nation, sich im internen Bereich völlig abzuschotten.«17 Allerdings müsse man darauf achten, »sofern das mitbestimmte Unternehmen sind, dass die Arbeitnehmer ihre Ansprüche auch geltend machen.«18
Gewerkschaft fordert zentrale Ansprüche ein
Im Fall Mannesmann konzentrierte IG-Metall-Sekretär Rainer Schmidt diese Ansprüche auf vier zentrale Bereiche: Industriepolitik, Regionalpolitik, Arbeitsmarktpolitik und Mitbestimmung.
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Industriepolitisch ging es den Gewerkschaften darum, den Technikkonzern Atecs als Einheit zu erhalten und in der Telekommunikation Festnetz, Mobilfunk sowie Kommunikationsdienste nicht zu zerschlagen und – den Mobilfunk ausgenommen – einzeln zu verkaufen. Tatsächlich brachte Vodafone Atecs nach der Übernahme als Ganzes an den Mann – dass Siemens und Bosch dieses Ganze anschließend zerschlugen, ist Gent nicht anzulasten. Bis auf den Teilverkauf des Festnetzes konnten die Gewerkschaften ihre Forderungen erfolgreich durchsetzen. Beim zweiten zentralen Punkt, der Regionalpolitik, ging es um den Erhalt von Düsseldorf als zentralem, »qualifiziertem Standort mit wichtigen Kompetenzen«19 innerhalb des Vodafone-Konzerns, so Schmidt weiter. Die Befürchtung, dass künftig alle wichtigen Entscheidungen zum Vodafone-Stammsitz in Newbury in England verlegt werden könnten, seien »nicht ganz unbegründet gewesen, wenn man sich andere Übernahmen ansah«20, meint Schmidt. Mit dem Verhandlungsergebnis sei er zufrieden. Zwar blieben in der Zentralverwaltung, in der vorher über 800 Mitarbeiter beschäftigt waren, zunächst nur noch etwa 100 Arbeitsplätze übrig, da ja nun von hier aus keine Röhrenwerke oder die Einzelteile des Atecs-Konzerns mehr verwaltet werden mussten. Eine ganze Reihe von ehemaligen Mitarbeitern der Zentralverwaltung sei jedoch mit zu Atecs gegangen, so Schmidt. Dafür wurden nun in Düsseldorf »wichtige Konzernfunktionen wie Branding und internationale Strategieentwicklung« angesiedelt.21 Im Sommer 2002 lag die Zahl der Mitarbeiter der Vodafone-Zentrale bei etwa 300. Gents Zusagen, so Schmidt, könne man »als eingehalten betrachten«22 – zumal betriebsbedingte Kündigungen weitgehend vermieden worden seien und betroffene Mitarbeiter an anderer Stelle innerhalb des Konzerns neue Jobs gefunden hätten. Arbeitsmarktpolitik, der dritte Forderungspunkt, war für die Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung. Gewerkschaft und Betriebsrat forderten von Gent, dass es bis zum 31. Dezember 2002 konzernweit keine betriebsbedingten Kündigungen in Zusammenhang mit
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der Übernahme geben dürfe. Auch dieser Punkt sei »in Summe eingehalten«23 worden. In ihrer vierten zentralen Forderung schließlich, der Beibehaltung der bestehenden Mitbestimmungsstrukuren, einigten sich die Gewerkschaften überraschend problemlos mit den Engländern. Denn »eigentlich ist Mitbestimmung nicht so deren Ding – eher ein notwendiges Übel«24, hat Arbeitnehmer-Aufsichtsrätin Mahler-Meditsch beobachtet. Alle Mitbestimmungsorgane von den Betriebsräten in den Einzelsparten bis zum Konzernbetriebsrat, aber auch die Beibehaltung der Aufsichtsratsmandate mit den entsprechenden Vorbehalten der Zustimmungspflicht bei bestimmten Geschäften existieren nach wie vor. Allerdings gibt es keinen europäischen Betriebsrat wie zu Mannesmann-Zeiten mehr. Dafür hat der weltweit vertretene Vodafone-Konzern ein International Employee Communication Forum geschaffen, das zu 50 Prozent mit Managern und zu 50 Prozent mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Insgesamt, das klingt bei Gesprächen mit Arbeitnehmerfunktionären immer wieder durch, ist die Belegschaft mit dem Verhalten des Vodafone-Managements seit der Übernahme des Konzerns recht zufrieden. Er habe auch keine Anhaltspunkte dafür, wirft Rainer Schmidt einen Blick in die Zukunft, »dass da umgesteuert wird auf einen eher konfliktorientierten Kurs in Richtung Kasinokapitalismus – ganz im Gegenteil«.25 Es scheint, als habe die Vodafone-Führung mittlerweile die stabilitätsfördernde Komponente der deutschen Mitbestimmungsrechte nicht nur akzeptiert, sondern sogar zu schätzen gelernt.
Ein Tarifvertrag für D2 Mobilfunk
Darauf deutet zumindest Gents Umgang mit einer deutschen Institution hin, die heimischen Arbeitgebern immer wieder Anlass für Reformvorschläge bis hin zur Forderung nach Abschaffung ist: der Tarifvertrag. Hier bereiteten die Briten den Mannesmännern die größte Überraschung: Sie schlossen einen richtigen Tarifvertrag26 für die Mo-
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bilfunksparte, um den man bei Mannesmann bisher vergeblich gekämpft hatte. Gent habe sich »nicht dagegen gestellt«, dass die jahrelangen ergebnislosen Verhandlungen mit der Mannesmann-Leitung in einen Abschluss mündeten. »Chris Gent fragte sogar persönlich nach, ob wir mit dem Abschluss des Tarifvertrags zufrieden wären«27, erinnert sich Konzernbetriebsratsvorsitzender Michael Mönks an die Gespräche. Für D2 Mannesmann, das erst 1990 gegründet worden war, sei es im über 100 Jahre alten Mutterhaus überhaupt nicht einfach gewesen, einen eigenständigen Tarifvertrag auszuhandeln. Und so habe die Belegschaft der Mobilfunksparte Verträge gehabt, die von der Bezahlung her an den Tarifverträgen des Handels orientiert waren, mit einem relativ niedrigen Grundgehalt und hohen außertariflichen Zusatzvereinbarungen auf Betriebsebene für Schichtzuschläge und Urlaubsgeld. Diese Betriebsvereinbarungen wurden durch eine so genannte Öffnungsklausel Bestandteil eines Tarifvertrags, »der seit 1. Januar 2002 die Anforderungen, Entwicklungen und Aufgaben der Telekommunikation deutlicher abbildet und den Qualifikationen und Anforderungen an die Mitarbeiter auch ein entsprechendes Entgelt zuordnet«28, wie es Rainer Schmidt formuliert. Dazu seien die vorhandenen Gehaltsstrukturen eins zu eins übernommen worden. Niemand verdient also weniger als zuvor – im Gegenteil. Als Basis für künftige Erhöhungen dient nun nämlich nicht mehr der eher magere Tarif im Handel, sondern der höhere Metalltarif für Nordrhein-Westfalen. In dem bis Ende 2006 geschlossenen Tarifvertrag erwartet Michael Mönks bezüglich der Gehaltssteigerungen »zwar keine Riesensprünge, aber wir können zufrieden sein«29.
Die Entwicklung der Arbeitsplätze
Bei der Beurteilung der Entwicklung der Arbeitsplätze unter Vodafone-Verantwortung muss man berücksichtigen, dass man nicht sagen kann, wie sich die Lage bei Mannesmann unter Klaus Esser weiterentwickelt hätte. »Alles, was sich bei uns verändert, hängt vom Marktge-
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schehen ab«30, weiß auch Konzernbetriebsratsvorsitzender Michael Mönks. So sei in einzelnen Unternehmensfeldern der Personalstand aufgrund der Marktsituation nach unten gefahren worden, beispielsweise in den Call-Centern der Mobilfunksparte D2. Andererseits hätten die hohen Zuwachsraten im Mobilfunk in den vergangenen Jahren viele neue Arbeitsplätze gebracht, die aber wohl auch bei Mannesmann geschaffen worden wären. »Neu hinzugekommen sind jetzt Arbeitskräfte in der Entwicklung des UMTS-Bereichs und bei neuen Informationsdienstleistungen, die über das Telefonieren hinausgehen, wie etwa das Bezahlen mit dem Handy oder Staumeldungen. Da werden ständig neue Dienstleistungen entwickelt, und damit entstehen auch eine Menge neuer Arbeitsplätze«31, sagt IG-Metall-Sekretär Schmidt. Insgesamt sind im Mobilfunkbereich bei Vodafone in Deutschland heute über 10 000 Menschen beschäftigt, unter Mannesmann-Führung waren es 7 000. Die heutige Zufriedenheit der ehemaligen Mannesmänner führt Rainer Schmidt vor allem auf das hartnäckige Verhandeln des Betriebsrats zurück, das dazu geführt habe, dass das Unternehmen flexibel auf die Anforderungen des Wettbewerbs reagieren kann, die Arbeitnehmer dabei aber nicht zu beliebig einsetzbarer Humanware degradiert werden. Auch für die Mitarbeiter in den mittlerweile verkauften Konzernteilen, wie Atecs und den Röhrenwerken, habe man betriebsbedingte Kündigungen vertraglich schon vorab ausgeschlossen. Die Vereinbarung des Betriebsrats mit Gent war so abgefasst, dass dieser nur verkaufen konnte, wenn der Käufer ebenfalls auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtete und dies für einen eventuellen Weiterverkauf gleichfalls festschrieb.
Frischer Wind für das Betriebsklima
Auch im Betriebsklima hat sich bei Mannesmann einiges zum Positiven verändert. Die heutige Vodafone Information Systems besteht als frühere Mannesmann Datenverarbeitung bereits seit 30 Jahren und
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»war jahrzehntelang patriarchalisch geführt mit einem Übervater als Chef«32, sagt deren Betriebsratsvorsitzende Birgitt Mahler-Meditsch. Dann hätten mehrere Wechsel in der Geschäftsführung stattgefunden. Heute gebe es schnellere Strategiewechsel, Anpassungen an den Markt und seine Entwicklungen.33 In jüngster Zeit seien die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen »auch ängstlicher, was die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes angeht. Der Umgang mit den Leuten ist härter geworden.«34 Allerdings habe das mit dem ständigen Umbruch in der Branche zu tun, »Vodafone ist daran nicht schuld«.35 Die Engländer hätten vielmehr einen »lockeren Umgangston«36 ins Unternehmen gebracht, sagt die Betriebsratsvorsitzende.
»Business-Principles« – ein neues Unternehmensleitbild
Positiv bewerten die Arbeitnehmervertreter auch, dass sich Vodafone im Sommer 2002 einen weltweit gültigen, internen Unternehmenskodex gegeben hat, der auf Shareholder-Value, aber auch auf Mitarbeiterbeteiligung, Kundenorientierung, Umweltbewusstsein und das Einhalten nationaler Gepflogenheiten und Spielregeln setzt. Dieser Kodex, »Business-Principles« genannt, ist das Ergebnis intensiver Diskussionen, die bei Vodafone weltweit und auf allen Hierarchieebenen geführt wurden. »Chris Gent und sein Europachef Julian HornSmith haben das persönlich angestoßen. Sie wollen eine neue Führungskultur. Deswegen kamen sie selbst zu einer Startveranstaltung und forderten alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf, darüber zu diskutieren, an welchen Werten sich der Konzern orientieren soll. Es wurden längere Workshops zu allen Teilbereichen eingerichtet, an denen wirklich alle Mitarbeiter teilnehmen konnten und sollten«37, erzählt Birgitt Mahler-Meditsch. Das Ergebnis, das der Konzern als für sich verbindlich bezeichnet, wurde in Form einer Broschüre schriftlich dokumentiert. Die Mitarbeiter haben sich mit ihrem neuen Eigentümer nicht nur abgefunden, sie finden ihn gut. »Wir haben immer die Position einge-
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nommen: Es kommt nicht darauf an, welcher Name über dem Werkstor steht, sondern dass dahinter zukunftssichere, gut bezahlte und mitbestimmungs- und tarifrechtlich abgesicherte Arbeitsplätze stehen. Und daran hält sich der neue Shareholder«38, sagt Rainer Schmidt. In den Aussagen anderer Betriebsräte klingt ebenfalls immer ein wenig Stolz durch, wie gut man das gemanagt hat – ganz ohne Mannesmann. Auch daran sieht man, wie weit man sich von der »Deutschland AG« entfernt hat. Die Belegschaft der feindlich übernommenen Firma hat ihre Interessen erfolgreich verteidigt. Dass sie das auf Englisch tun musste, störte niemanden.
Die Klöckner-Werke werden zerlegt, und die Mitarbeiter freuen sich darüber Als die Frankfurter Beteiligungsgesellschaft WCM im Jahr 2000 ihre Hand nach den Duisburger Klöckner-Werken ausstreckte, wehrte sich das Management verbissen gegen eine feindliche Übernahme des Mischkonzerns. Auf Belegschaftsseite sah das ganz anders aus. »Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben auch deshalb grünes Licht für eine Mehrheitsbeteiligung der WCM gegeben, weil versprochen wurde, dass die Erhaltung der Arbeitsplätze Priorität hat«39, sagte Anita Hausmann, im November 2000 Betriebsratsvorsitzende der Klöckner-Holding. Tatsächlich hatte WCM-Chef Roland Flach, damals noch einfaches Mitglied des WCM-Vorstands, öffentlich zugesagt, dass die Übernahme keine Jobs kosten würde.40 Auch andere Hoffnungen wurden an einen Kauf der Klöckner-Werke durch WCM geknüpft. Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Helmut Weber, der gleichzeitig Betriebsrat des Tochterunternehmens Klöckner Holstein Seitz (KHS) war, das Maschinen und Abfüllanlagen für die Getränkeindustrie baut, sah WCM als Chance für die KHS und ihre mehr als 2 000 Mitarbeiter. Mit WCM, so hoffte er, werde es leichter, einen Käufer zu finden, der KHS an die Weltspitze der Getränkeabfülltechnik bringen könnte.41
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Jörg Barczynski, als Arbeitnehmervertreter stellvertretender Vorsitzender des Klöckner-Aufsichtsrats, wies damals noch auf einen anderen Aspekt hin, der nicht Klöckner, sondern die WCM betraf. Sie unterliege durch die Übernahme dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 und müsse ihren eigenen Aufsichtsrat entsprechend erweitern.42 Tatsächlich stockte WCM ihren Aufsichtsrat von zuvor drei auf zwölf Mitglieder auf, sechs davon Arbeitnehmervertreter. Damit wurde die Position der Arbeitnehmer generell verstärkt.
Arbeitnehmer contra Management
Die Einstellung der Mitarbeiter gegenüber WCM hatte mit der der Firmenleitung von Klöckner wenig gemein. »Eine Übernahme gilt als feindlich, wenn der Vorstand sie ablehnt. Doch für die Belegschaft stellt sich die Frage völlig anders. Für sie ist nicht wichtig, welcher Name über dem Werkstor steht, sondern dass sich dieses Werkstor jeden Morgen aufs Neue öffnet«43, erläutert Jörg Barczynski seine Position mit ähnlichen Worten wie Rainer Schmidt von der IG Metall, der als Arbeitnehmervertreter im Vodafone-Aufsichtsrat sitzt. Er vertritt in dieser Frage als Sprecher auch die anderen Betriebsräte von Klöckner. Im Rückblick auf die Ereignisse des Jahres 2000 ist für ihn klar: »Der Klöckner-Kauf durch WCM war für die Belegschaft keine feindliche Übernahme.«44 Flach habe durchaus Wort gehalten, was die Arbeitsplätze angehe. Lediglich 59 Arbeitsplätze in der ehemaligen Klöckner-Zentrale seien verloren gegangen, doch seien diese Mitarbeiter bei WCM oder anderen Klöckner-Abteilungen untergekommen. Die insgesamt 8 000 Arbeitsplätze, die es zum Zeitpunkt der Übernahme bei Klöckner gab, seien alle noch da – »wenn auch zum Teil unter anderen Etiketten«.45 Dass WCM nicht, wie angekündigt, die Foliensparte Pentaplast behalten habe, sondern diesen Zweig als Erstes verkauft habe, sieht Barczynski pragmatisch: »WCM zerlegt Klöckner. Aus Sicht des Unternehmens ist es natürlich gut, wenn es für die Foliensparte 925 Millionen Euro bekommt, also mehr,
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als Klöckner als Ganzes gekostet hat. Was für WCM klug ist, ist für die Arbeitnehmer aber nicht dumm.«46 Er begründet dies mit den Vorteilen, die ein Weiterverkauf der einzelnen Klöckner-Sparten – Folien, Verpackungstechnik und Abfülltechnik – mit sich bringen könnte.
Raider und Belegschaft begrüßen Verkauf von Pentaplast
Die Sichtweise von WCM und die der Arbeitnehmerseite des übernommenen Klöckner-Konzerns sind erstaunlicherweise fast deckungsgleich. Obwohl die Interessenlagen völlig unterschiedlich sind – WCM will Profit, die Arbeitnehmer wollen sichere Arbeitsplätze – sind die Argumente des Arbeitnehmervertreters Barczynski auch diejenigen von WCM-Chef Flach. Die gemeinsame Argumentationslinie verläuft folgendermaßen: Pentaplast, das Kunststofffolien für Verpackungen und Kreditkarten herstellt, hat in den vergangenen Jahren das Geld im Hause Klöckner verdient. Pentaplast steuerte im Jahr 2000 43 Prozent zum Konzerngesamtumsatz von 1,85 Milliarden Euro bei. Weil die beiden anderen Klöckner-Sparten nicht so gut liefen, wurden die Gewinne bei Pentaplast verwendet, um dort Löcher zu stopfen. Sie fehlten also, um durch Investitionen die weltweite Spitzenstellung im Folienmarkt auch für die Zukunft zu sichern. Die Londoner Beteiligungsgesellschaft Cinven, die Pentaplast gekauft hat, will dagegen in die Firma investieren und zeigt Interesse an einer positiven Entwicklung. Ihr Ziel ist es, Pentaplast in etwa fünf bis sieben Jahren mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen. Daher ist Cinven bereit, Geld in das Unternehmen zu stecken und dessen Wachstum auch durch Zukäufe anderer Firmen zu fördern. »Dass Pentaplast jetzt eine Wachstumsperspektive hat, ist eine gute Sache. Die Arbeitsplätze werden dadurch sicherer«47, urteilt Barczynski.
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Neue Perspektiven und sicherere Arbeitsplätze auch bei den Töchtern
Doch nicht nur die Foliensparte, auch die anderen Klöckner-Töchter hätten nun bessere Aussichten. So interessierten sich bereits große Verpackungskonzerne für die Klöckner-Packaging-Group, bei der das gesamte Verpackungsgeschäft von Klöckner zusammenläuft. Bisher ist alles unter diesem Dach zusammengefasst, spezielle Folienverpackungen für Tabletten genauso wie einfache Bonbonhüllen. »Doch das sind zwei Welten«48, meint dazu Arbeitnehmersprecher Barczynski. Wenn diese sehr spezialisierten Bereiche nun Firmen als Käufer fänden, die in genau dem gleichen Verpackungssegment aktiv seien, dann sei das auch aus Sicht der Arbeitsplatzsicherheit auf Dauer nur von Vorteil. Dass ausgerechnet die Firmenjäger von WCM kommen mussten, um den niedrigen Kurs von Klöckner für eine Übernahme zu nutzen und so positive Bewegung ins Spiel zu bringen, kommentiert der Gewerkschaftsmann Barczynski so: »Wenn die Börsianer zu blöd waren, den echten Wert von Klöckner zu erkennen – was schert es uns Arbeitnehmer?«49
Aufschwung bei KHS
Auch für den Getränkeabfüller KHS stehen die Zeichen unter WCM besser. Ursprünglich befand sich die Klöckner-Tochter ganz oben auf der Verkaufsliste von Klöckner. Wegen ihrer tiefroten Zahlen war aber kein attraktiver Preis für KHS zu erzielen. Barczynski sagt über die alte Klöckner-Führungsriege: »Es war ein Trauerspiel. KHS war einmal weltweit die Nummer eins bei Anlagen für die Getränkeindustrie. Durch die Unfähigkeit des Klöckner-Managements ging die Spitzenstellung an den Konkurrenten Krones verloren. Wenn WCM, wie angekündigt, KHS nun erst entwickeln und dann verkaufen will, dann begrüßen wir das. Es wäre für die Firma ein wahrer Segen, von Klöckner wegzukommen.«50 Helmut Weber, der im Aufsichtsrat von
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KHS die Belegschaft vertritt, bekräftigt diesen Standpunkt: »Dass man Pentaplast zuerst verkauft hat, ist für uns absolut die beste Perspektive. Wenn wir nun Zeit bekommen, unsere Entwicklungsprogramme voranzutreiben, dann wäre das ein Vorteil für uns – ganz klar.«51 Der logischen Überlegung der Raider, dass die Einzelteile eines Mischkonzerns wie bei Klöckner mehr wert sind als das Ganze, entsprechen in diesem Fall die Interessen der Klöckner-Belegschaft. Sie erkennt, dass neue Eigentümer, die besser zu den einzelnen Tochterfirmen passen, deren Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und damit die Arbeitsplätze sicherer machen. Jörg Barczynski sagt es so: »Für Klöckner war der Eigentümerwechsel per se nicht schlecht. Feindlich war die Übernahme nur fürs Topmanagement.«52
Ein Blick in die Zukunft Noch lässt sich nicht absehen, in welche Richtung sich die Auswirkungen künftiger Raider-Attacken und feindlicher Übernahmen von Firmen in Deutschland entwickeln werden. Soviel aber lässt sich sagen: Das bisherige Auftreten von Firmenjägern in Deutschland hat keine Belege dafür geliefert, dass ihr schlechtes Image gerechtfertigt ist. Dass sie sich Fehlentwicklungen in Unternehmen zunutze machen, um damit viel Geld zu verdienen, ist nichts Verwerfliches. Durch ihr Vorgehen beschleunigen sie lediglich überfällige Veränderungen. Raider haben jedenfalls kaum eine Chance bei Unternehmen, die profitabel und zukunftsorientiert geführt werden. Daher verwundert es auch nicht, dass beispielsweise bei der Belegschaft der Klöckner-Werke die neuen Herren von WCM, die den Konzern zerteilen, eher als Retter denn als Raider empfunden werden. Verhaltener Zorn ist gegenüber dem alten Management spürbar, das die Dinge so lange unentschlossen laufen ließ und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Konzernteile geschwächt hat. Ob die zu erwartenden künftigen Angriffe von Firmenjägern auf Unternehmen für die Belegschaft immer so positiv verlaufen wie bei
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Klöckner, ist nicht vorhersagbar. Aber allein schon das deutsche Sozialsystem und das Betriebsverfassungsgesetz verhindern radikale Auswüchse wie in den Vereinigten Staaten während der 80er Jahre, wo unrentable Sparten in Firmen aus überalterten Industrien über Nacht dicht gemacht wurden. Doch gerade diese harten Schnitte stärkten die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft, »weil die Arbeitsplätze in die Bereiche hinüberwandern, die wirtschaftlich stark sind und nicht künstlich am Leben erhalten werden, wie etwa der Steinkohlebergbau«, sagt Mark Wahrenburg von der Frankfurter Goethe-Universität.53 Es gibt einen gravierenden Unterschied zu damals: »Übernahmen, die wir heute haben, sind vielfach in Wachstumssektoren. Wenn solche Unternehmen aufgekauft werden, können sie nach einer Übernahme sicher mehr investieren als zuvor – weil sie schlicht und einfach keine Möglichkeit hatten, an Eigenkapital zu kommen«, so Wahrenburg.54 Arbeitsplatzverluste sind dagegen eher bei Fusionen zu erwarten. Bei diesen fällt immer wieder das Zauberwort »Synergien«, womit tatsächlich vor allem Entlassungen gemeint sind. Für eine Flucht vor feindlichen Übernahmen und Raider-Angriffen ist es zu spät. Selbst wenn deutsche Wirtschaftsführer oder Politiker es wollten: Ein Zurück zur alten »Deutschland AG« wäre in einer globalisierten Welt nur um den Preis des Absinkens in wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit denkbar. Es ist gut, dass Firmenjäger nun auch deutsche Unternehmen aufgescheucht haben, die es sich zu bequem gemacht hatten. Allein das Wissen um die Jäger mag der möglichen Beute einen heilsamen Schock versetzen und sie aus ihrer bisherigen Trägheit reißen. Die vielen Firmen allerdings, deren Managements den Börsenkurs ignorieren und im alten Trott weitermachen, könnten in nicht allzu ferner Zeit unsanft geweckt werden. Doch dann ist es zu spät.
Anmerkungen
Vorbemerkung: Auszüge aus englischsprachigen Quellen sind deutsch zitiert. Alle Übersetzungen stammen vom Autor Hans Sedlmaier. Da viele Verlage im Verlauf der Recherchen auf kostenpflichtige Archivbenutzung umgestellt haben, ist es möglich, dass einige der hier angegebenen Artikel nur noch unter anderen als den hier genannten Internetadressen aufgerufen werden können.
Firmenjäger: Ein unbekannter Unternehmertyp 1 Vgl. Casey, Roger/Dodd, Peter/Dolan, Phil, »Takeover and Corporate Raiders: Empirical Evidence from Extended Event Studies«, in: Australian Journal of Management, Vol. 12, No. 2, 1987, S. 203 2 Vgl. Van der Velden, Claus/Zillmer, Peter, Corporate Raider – Möglichkeiten und Grenzen im deutschen Governance System, WHU-Forschungspapier Nr. 87, 2002 3 Vgl. Buchholz, Christian/Papendick, Ulric, »Fischfang mit Dynamit«, in: manager-magazin.de, 21. 3. 2002, www.manager-magazin.de/unternehmen/ ma/0,2828,187080,00.html 4 Zitat aus einem Interview des Autors mit Prof. Mark Wahrenburg am 18. Juli 2002 5 Vgl. »The Fall of the House of Steinberg«, in: New York Magazine, 19. Juni 2000, www.newyorkmetro.com/nymetro/news/people/features/3421/, sowie: www.forbes.com/2001/06/18/0618steinberg_print.html 6 Vgl. Diana B. Henrique, The White Sharks of Wall Street. Thomas Mellon Evans and the Original Corporate Raiders, New York, 2000
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7 Vgl. Deutsches Aktieninstitut e. V. (DAI), Factbook, Online-Ausgabe, Tabelle 09/14 8 Zit. nach: »Return of the Buyout Kings«, in: Time, 7. Februar 2001, http://instruction.bus.wisc.edu/mcarpenter/readings/Case%20Updates/ buyoutkings.htm 9 Ebenda 10 Ebenda 11 Van der Velden/Zillmer, S. 2 12 Zitat aus einem Interview des Autors mit Dr. Eric Nowak am 19. Juli 2002 13 Ebenda 14 Vgl. Richards, Charles F./Stearn Jr., Robert J., Shareholder By-Laws Requiring Boards of Directors to Dismantle Rights Plans are Unlikely to Survive Scrutiny under Delaware Law, American Bar Association, 1999, zu finden auf der Homepage der Anwaltskanzlei Richards Layton & Finger (www.rlf.com/spot499.htm) 15 Vgl. Berg, Hartmut/Müller, Jens, »Unfriendly Takeovers: Ursachen, Formen und Wettbewerbswirkungen«, WISU, 19. Jg., Heft 11, 1990, S. 647, zit. nach: van der Velden/Zillmer, S. 12 16 Ebenda 17 Vgl. »Return of the Buyout Kings«, in: Time, 7. Februar 2001, http://instruction.bus.wisc.edu/mcarpenter/readings/Case%20Updates/buyoutkings.htm
Ein Blick zurück: Raider-Reminiszenzen 1 Vgl. »Horror und Erfolg«, in: Der Spiegel, 17. März 1997, S. 92 ff. 2 Vgl. »Gekko Echo. A closer look at the ›Decade of Greed‹«, in: Reasonline, Februar 1993, http://reason.com/9302/fe.dk.gekko.html 3 Vgl. ebenda, sowie »Fressen, bevor man gefressen wird«, in: Der Tagesspiegel, 18. August 1997, www2.tagesspiegel.de/archiv/1997/08/17/ m_u_a180897.html 4 Zit. nach: »Horror und Erfolg« in: Der Spiegel vom 17. März 1997, S. 92 ff. 5 Zit. nach: Der Spiegel, 28. Juli 1997, S. 174 6 Vgl. die Biografien: Wansell, Geoffrey, Sir James Goldsmith. The Man and the Myth, Fontana Paperbacks, 1982, und Fallon, Ivan, Billionaire. The Life and Times of Sir James Goldsmith, Little, Brown and Company, Boston/
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Toronto/London, 1991, sowie: Hutchins, Chris/Midgley, Dominic, Goldsmith: Money, Women and Power, U. K. Mainstream, 1998 Vgl. Wansell, Goldsmith, 1982, S. 28 f. Zit. nach: Fallon, Billionaire, 1991, S. 63 Zit. nach: Wansell, Goldsmith, 1982, S. 36 Das gesamte Wortgefecht findet sich bei Fallon, Billionaire, 1991, S. 90 Vgl. Wansell, Goldsmith, S. 58 Ebenda, S. 59 Ebenda, S. 61 Vgl. zum Background Zilkhas: Fallon, Billionaire, 1991, S. 132 ff. Ebenda, S. 134 Vgl. Wansell, Goldsmith, 1982, S. 61 Vgl. Fallon, Billionaire, 1991, S. 141 f. Zit. nach: »Sir James Goldsmith, Tycoon«, www.goodbyemag.com/may97/ goldsmith.html Vgl. ebenda, S. 256 Ebenda, S. 139 f. Vgl. Wansell, Goldsmith, 1982, S. 73, und: Fallon, Billionaire, 1991, S. 159 Sunday Times, 18. Juli 1965, zit. nach: Fallon, Billionaire, 1991, S. 149 Zit. nach: Wansell, Goldsmith, 1982, S. 73 Vgl. Fallon, Billionaire, 1991, S. 209 Ebenda, S. 199 ff. Ebenda Ebenda, S. 229 ff. Ebenda, S. 231 Vgl. Wansell, Goldsmith, 1982, S. 101 Vgl. Fallon, Billionaire, 1991, S. 372 Ebenda, S. 371 Zit. nach: »Horror und Erfolg«, in: Der Spiegel, 17. März 1997, S. 92 ff. Zit. nach: »Die Taktik des Samurai«, in: Berliner Zeitung, 19. Juni 1996, www.berlinonline.de/bin/print.php/wissen/berliner_zeitung/archiv/1999/ 0619/magazin/0001 Ebenda Vgl. Fallon, Billionaire, 1991, S. 437 Time, Nr. 46 vom 16. November 1987, Titelseite Zit. nach: »Spieler ohne Glück«, in: Der Spiegel, 24. März 1997, S. 169 Zit. nach: Fallon, Billionaire, 1991, S. 455
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39 Zit. nach: Munzinger, Internationales Biographisches Archiv, »James Goldsmith« 40 Vgl. ebenda 41 Vgl. Süddeutsche Zeitung, 6. Juli 1993, S. 25 42 Zit. nach: www.otopia.de/maxeiner/o11.htm 43 Ebenda 44 James Goldsmith, Die Falle und wie wir ihr entrinnen können, Holm, 1996 45 Zit. nach: »Allein der Markt regiert«, in: Der Spiegel, 23. September 1996, S. 80 ff. 46 Vgl. »Jimmy Goldsmith – der letzte Pascha auf Erden«, in: Bunte, 31. Juli 1997, S. 94 ff. 47 Zit. nach: www.otopia.de/maxeiner/o11.htm 48 Ebenda 49 So zitiert Der Spiegel »einen Freund« Goldsmiths in dem Artikel »Spieler ohne Glück«, in: Der Spiegel, 24. März 1997, S. 169 ff. 50 Vgl. »Tycoon kauft Europa-Gegner«, in: Der Spiegel, 30. 12. 1996, S. 114 51 Laut BBC, vgl. www.bbc.co.uk/politics97/news/05/0501/Goldsmith.shtml 52 Zit. nach: Edward Jay Epstein, »The Secret World of Mike Milken«, September 1987, http://edwardjayepstein.com/archived/milken 53 Ebenda 54 Ebenda 55 Ebenda 56 Vgl. »Gekko Echo. A closer look at the ›Decade of Greed‹«, in: Reasonline, Februar 1993, http://reason.com/9302/fe.dk.gekko.html 57 Zit nach: Fallon, Billionaire, S. 373 58 Vgl. »Gekko Echo. A closer look at the ›Decade of Greed‹«, in: Reasonline, Februar 1993, http://reason.com/9302/fe.dk.gekko.html 59 Ebenda 60 Ebenda 61 Ebenda 62 Ebenda 63 Ebenda 64 Zit. nach: »Trouble at Revlon«, in: abcNews.com vom 2. Mai 2001, http://abcnews.go.com/sections/business/DailyNews/serwer_talk_ 010502.html 65 Vgl. »The Return of Ron«, in: NewYorkMetro.com, 4. September 2002, www.newyorkmetro.com/nymetro/news/bizfinance/columns/businessclass/n_7662
Anmerkungen
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66 Vgl. »Perelman Power«, in: Washington Post, 6. Februar 1998, www.washingtonpost.com/wp-srv/politics/special/clinton/stories/perelman/ 020698.htm 67 Vgl. »Forbes Faces: Ronald Perelman«, www.forbes.com/2000/11/02/ 1102faces 68 Zit. nach: »Perelman Power«, in: Washington Post, 6. Februar 1998, www.washingtonpost.com/wp-srv/politics/special/clinton/stories/perelman020698.htm 69 Ebenda 70 Vgl. ebenda 71 Zit. nach: »Revlon versinkt im Schuldenberg«, in: Sonntagszeitung, 10. Oktober 1999, www.sonntagszeitung.ch/1999/sz40/S87-4349.htm 72 Vgl. »The Return of Ron«, in: NewYorkMetro.com, 4. September 2002, www.newyorkmetro.com/nymetro/news/bizfinance/columns/businessclass/n_7662 73 Vgl. San José State University Economics Department, www.sjsu.edu/ faculty/watkins/bruck.htm 74 Vgl. ebenda 75 Vgl. »Milliardär Icahn verkauft GM-Anteile«, in: Süddeutsche Zeitung, 23. September 2000, S. 28 76 Zit. nach: Süddeutsche Zeitung, 11. Mai 1998, S. 4 77 Vgl. »Visionary Backgrounds: Kirk Kerkorian«. Die anekdotenreiche Schilderung findet sich auf der Internetseite www.online-casino-guide.com/ history/visionary-backgrounds/kerkorian-kirk/ 78 Vgl. ebenda 79 Vgl. »MGM-Spielkasinos kaufen Mirage«, in: Süddeutsche Zeitung, 8. März 2000, S. 27 80 Vgl. »Kerkorian will mit MGM Kasse machen«, in: Handelsblatt, 17. Januar 2002, S. 16 81 Vgl. Das Parlament, Nr. 03–04, 13. Januar 2001, www.das-parlament.de/ 2001/03_04/Thema/2001_03_04_007_4062.html 82 Vgl. »Kerkorians Teil-Rückzug«, in: Süddeutsche Zeitung, 24. Januar 2001, S. 26 83 Vgl. »Gericht lässt Klage gegen DaimlerChrysler zu«, in: Süddeutsche Zeitung, 25. März 2002, S. 22 84 Zit. nach: »Deal From Three Decades Ago Reflects AOL Strategy«, in: Los Angeles Business Journal, 17. Januar 2000
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85 Vgl. »Forbes Face: Saul Steinberg«, in: Forbes.com, 18. Juni 2001, www. forbes.com/2001/06/18/0618steinberg.html 86 Die biografische Darstellung Steinbergs folgt weitgehend dem ausführlichen Artikel »The Fall of the House of Steinberg«, in: New York Magazine, 19. Juni 2000, www.newyorkmetro.com/nymetro/news/people/features/ 3421/, sowie: www.forbes.com/2001/06/18/0618steinberg_print.html 87 Vgl. ebenda 88 Zit. nach ebenda 89 Vgl. »Forbes Face: Saul Steinberg«, in: Forbes.com, 18. Juni 2001, www. forbes.com/2001/06/18/0618steinberg.html 90 Vgl. ebenda 91 »The Fall of the House of Steinberg«, in: New York Magazine, 19. Juni 2000 92 Vgl. ebenda 93 Vgl. ebenda 94 Vgl. ebenda 95 »Saul Steinberg’s bad year«, in: Forbes.com, 10. Januar 2000, www. forbes.com/global/2000/0110/0301057s1 96 Vgl. »The Fall of the House of Steinberg«, in: New York Magazine, 19. Juni 2000
Jagdrevier Deutschland: Die Schonzeit ist vorbei 1 Vgl. Eube, Steffen, Der Aktienmarkt in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg, Frankfurt am Main, 1998, und: Goetzmann, Roger G./Peng, Liang, »A New Historical Database for the NYSE 1815 to 1925: Performance and Predictability«, in: Journal of Financial Markets, 4, 2001, 1–32 2 Es handelt sich um Firmen im DAX, MDAX, SMAX, CDAX und NEMAX. Nicht mitgerechnet wurden die 155 im Freiverkehr gehandelten Unternehmen, vgl. Deutsches Aktieninstitut e. V (DAI), Factbook, Online-Ausgabe, Tabelle 02/3 3 Zitat aus einem Interview des Autors mit Prof. Mark Wahrenburg am 18. Juli 2002 4 Mayer, Colin, »Firm Control«, in: Schwalbach, Joachim (Hg.), Corporate Governance – Essays in Honor of Horst Albach, Berlin et al., 2001, S. 69 – 90, 5 Zitat aus dem Interview des Autors mit Prof. Mark Wahrenburg am 18. Juli 2002
Anmerkungen
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6 Ebenda 7 Ebenda 8 Vgl. Ramseyer, J. Mark, »Explicit Reasons for Implicit Contracts: The Legal Logic to the Japanese Main Bank System«, in: Aoki, Masahiko/Patrick, Hugh T., The Japanese Main Bank System: Its Relevance for Developing and Transforming Economies, Oxford, 1994. Zit. nach: Nowak, Eric, »Recent Developments in German Capital Markets and Corporate Governance«, in: Journal of Applied Corporate Finance, Volume 14, Nr. 3, S. 35 9 Die Trennung existierte aufgrund des so genannten »Galls Steagall Act«. Das Gesetz wurde nach dem Börsenkrach von 1929 eingeführt, auf Druck der Bankenlobby und im Zuge der allgemeinen Deregulierung 1999 wieder aufgehoben. 10 Zitat aus dem Interview des Autors mit Prof. Mark Wahrenburg am 18. Juli 2002 11 Zitat aus einem Interview des Autors mit Peter Zillmer am 24. Juli 2002 12 Vgl. Windolf, Paul/Beyer, Jürgen, »Kooperativer Kapitalismus. Unternehmensverflechtungen im internationalen Vergleich«, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 17/1, 1995, S. 1–36 13 Vgl. »Crash im Revier«, in: Der Spiegel, 24. März 1997, S. 92 ff. 14 Interview mit Bloomberg TV, zit. nach: Financial Times Deutschland, 4. Februar 2002, www.ftd.de/tm/me/1014398971734.html. 15 Vgl. Reuters-Meldung vom 25. Juni 2002: »Marktschwäche hält Deutsche Bank nicht von Verkäufen ab« 16 Zit. nach: Borscheid, Peter, 100 Jahre Allianz, Hamburg, 1990, S. 429 17 Vgl. Helmut Zermin: »Versicherungen könnte eine Revolution bevorstehen«, in: Der Tagesspiegel, 10. Dezember 1997, www2.tagesspiegel.de/ archiv/1997/12/09/m_v_101297.html 18 Vgl. Kammerath, Jens, Methodische und empirische Grundlagen der quantitativen Erfassung kontrollierender Verbindungen deutscher Unternehmen mit ihren direkten und indirekten Eignern, Gutachten des ifo-Institutes im Auftrag des Bundeswirtschaftministeriums, 1999, S. 75 19 So wird Dresdner Bank-Chef Bernd Fahrholz auf der Homepage der Allianz zitiert: www.allianz.com/Vx/cda/0,,58737-49,00.html 20 Vgl. Rede von Jochen Sanio (Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) am 11. April 2002, www.bafin.de/presse/reden/ p_020506.htm 21 Ebenda
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22 Die Darstellung folgt der umfassenden Analyse von Eric Nowak in seinem Aufsatz »Recent Developments in German Capital Markets and Corporate Governance«, in: Journal of Applied Corporate Finance, Volume 14, Nr. 3, S. 35–48 23 Zitat aus dem Interview des Autors mit Prof. Mark Wahrenburg am 18. Juli 2002 24 Vgl. Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, Statistik 2001, Tabellen S. 3 und S. 4 25 Die gesetzliche Grundlage dafür liefert das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) vom 22. April 2002 26 Vgl. Nowak, »Recent Developments in German Capital Markets …«, S. 41 27 Vgl. »Aktionäre sollen mehr Rechte bekommen«, in: Der Tagesspiegel, 11. Juli 2001, www2.tagesspiegel.de/archiv/2001/07/10/ak-wi-wi-5510348. html, und: »Härter durchgreifen«, Interview mit Prof. Theodor Baums, in: Die Zeit, Nr. 25, 2001, www.zeit.de/2001/25/Wirtschaft/200125_interview.html 28 Gerhard Schröder gegenüber der französischen Zeitung Le Monde, zit. nach: Der Tagesspiegel, 20. November 1999, www2.tagesspiegel.de/archiv/ 1999/11/19/ak-wi-un-9403.html 29 Vgl. »Kohl kritisiert deutsche Manager«, in: Süddeutsche Zeitung, 4. April 1997, S. 2 30 Zit. nach: German News, 15. November 1999, www.germnews/1999/11/ 152100.html 31 Ebenda 32 Vgl. »Viel Lärm um nichts«, in: W&V Werben und Verkaufen, 18. Februar 2000, S. 116 33 Bild, zit. nach: »Ermittelt eine neue Sonderkommission gegen Ex-Mannesmann-Chef?« in: wdr.de, 15. August 2001, http://online.wdr.de/online/ wirtschaft/mannesmann/ermittlungen_gegen_esser 34 Vgl. »Plünderer in Nadelstreifen«, in: Der Spiegel, Online-Ausgabe, 27. August 2001, www.spiegel.de/spiegel/0,1518,152060,00.html 35 Vgl. Die Welt, 31. Oktober 2002, www.welt.de/daten/2002/10/31/1031un 365572.htx?search=Kirch-Media-Gesch%E4ftsf%FChrer&searchHILI=1 36 Vgl. Die Welt, 15. November 2002, www.welt.de/daten/2002/11/15/1115un 368463.htx?search=Axel+Springer+Verlag&searchHILI=1 37 Es handelte sich um die Änderung von Paragraf 8b, Absatz 2 des Körperschaftssteuergesetzes. Darin war festgelegt, dass Gewinne aus der Veräußerung von Auslandsbeteiligungen von Aktiengesellschaften nicht versteuert
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werden mussten. Diese Regelung sollte künftig auch für inländische Beteiligungen gelten. Rede von Finanzminister Hans Eichel beim Neujahrsempfang der IHK Köln am 13. Januar 2000, im Internet: www.bundesfinanzministerium.de/ Aktuell-.445.372/-.690.htm Vgl. Der Spiegel, Nr. 1, 2000, S. 23 Euro am Sonntag, Nr. 52, 1999, S. 1 Handelsblatt, 24./25. Dezember 1999, S. 19 Zitat aus dem Interview mit Henning Schulte-Noelle in der Süddeutschen Zeitung, 8. Februar 2000, S. 23 Vgl. Nachrichtendienst Reuters, Meldung vom 4. Februar 2002: »Deutsche Bank – Keine konkreten Pläne über Ausstieg bei Daimler«
Die Firmenjäger mischen mit 1 Alle nicht weiter durch Fußnoten gekennzeichneten Zitate Wyser-Prattes sind Äußerungen, die einem Interview, das der Autor am 13. Juni 2002 mit ihm geführt hat, entnommen wurden. 2 Zit. nach: Süddeutsche Zeitung, 3. März 2001, S. 30 3 Wyser-Pratte, Guy P., Risk Arbitrage II, New York University, New York, 1984 4 Vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 26, 21. Juni 2001, S. 62 5 Telebörse, Nr. 18, 2002, S. 20 6 Vgl. Richards, Charles F./Stearn, Robert J., Shareholder By-Laws Requiring Boards of Directors to Dismantle Rights Plans Are Unlikely to Survive Scrutiny under Delaware Law, American Bar Association, 1999, auf der Homepage der Anwaltskanzlei Richards Layton & Finger (www.rlf.com/ spot499.htm) 7 Vgl. Mitteilung vom 3. April 1998 auf der Homepage von Pennzoil: www.pennzoil-quakerstate.com zu finden unter dem Punkt »corporate« 8 Comsat Corporation, 1997, Annual Report 9 In: Der Tagesspiegel, 16. November 1998, Online-Archiv, www2.tagesspiegel.de/archiv/1998/11/16/wi-ma-au-12008.html 10 Ebenda 11 Ebenda 12 Ebenda
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13 Vgl. Forbes, 5. März 1999, Online-Archiv, www.forbes.com/global/1999/ 0503/0209020a.html 14 Vgl. Interview in EURO am Sonntag, 2. Dezember 2001 15 So Elsässer im Gespräch mit dem Autor am 17. 9. 2001 16 Wirtschaftswoche, Nr. 26, 21. Juni 2001, S. 62 17 Vgl. Handelsblatt, 4. Mai 2001, S. 15 18 Zit. nach: Spiegel online, 14. Januar 2002 19 Zit. nach: Der Spiegel, 19. März 2001, S. 80 20 Zit. nach: Financial Times Deutschland, 11. Dezember 2001, S. 26, vgl. auch: Rheinmetall AG, Jahresabschluss 2001, S. 6: »Stock-Appreciate-Rights-Plan zur Verstärkung des Shareholder-Value-Konzeptes« 21 Handelsblatt, 28. November 2001, S. 24 22 Telebörse, Nr. 18, 2002, S. 21 23 Manager Magazin online, 27. Mai 2002 24 EURO am Sonntag, 2. Juni 2002, S. 10 25 Vgl. dpa, Meldung vom 27. Mai 2002 26 Nachrichtendienst Bloomberg, 30. Mai 2002, Meldung: »Bank One Wins EU Approval …« 27 Vgl. Spiegel Online, 22. Oktober 2002. 28 Vgl. Wirtschaftswoche, 26. September 2002. 29 EURO am Sonntag, 2. Juni 2002, S. 10 30 Vgl. www.n-tv.de/2900668.html 31 »Spender und Spekulant«, in: Der Spiegel, 7. Februar 2000, S. 84 32 »Der Geld-Macher«, in: Stern, Nr. 29, 10. Juli 2001, S. 96 ff. 33 Ebenda 34 Zit. nach: »Meister der Finanzinvestoren«, in: Süddeutsche Zeitung, 20. Februar 2002, S. 26 35 Vgl. »Der Geld-Macher«, in: Stern, Nr. 29, 10. Juli 2001, S. 96 ff. 36 Ebenda 37 Ebenda 38 Ebenda 39 Ebenda 40 Ebenda 41 Ebenda 42 Ebenda 43 »Wer ist Karl Ehlerding?«, www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/ 0,2828,141862,00.html
Anmerkungen
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44 Ebenda 45 Die Darstellung folgt einer Würdigung Dieckells zu seinem 70. Geburtstag in der Nordsee-Zeitung. »Das Arbeiten macht mir einfach Spaß«, in: Nordsee-Zeitung, 24. Juli 2001, Online-Ausgabe 46 Als dem engeren Ehlerding-Kreis zugehörig werden seit einigen Jahren auch Rainer Behne, Klaus Wolfgang Unger und Alexander Knapp-Voith angesehen. Deren geschäftliches Bindeglied untereinander ist die Immobilienfirma HBAG Real Estate AG, an der Ehlerdings WCM formal 14,4 Prozent hält. Über weitere Gefolgsleute soll Ehlerding aber deutlich mehr Einfluss auf die HBAG besitzen. Ihr Vorstandsvorsitzender ist Rainer Behne, dem rund ein Viertel gehört. Millionenerbe Alexander Knapp-Voith hält über eine holländische Firma ebenfalls 25 Prozent an der HBAG, der Hamburger Vermögensverwalter Klaus Wolfgang Unger besitzt 5 Prozent. Über die HBAG und seine Geschäftspartner fasste Ehlerding angeblich schon weitere große Immobiliendeals ins Auge – das war allerdings, bevor seine Finanzdecke im Sommer 2002 so dünn wurde, dass alle künftigen Pläne von einem Stillhalten der Banken abhängen. 47 Interview des Autors mit Roland Flach am 19. Juni 2002 48 »Is this Man a Raider?«, in: Business Week, 18. Juni 2001, S. 19 49 Vgl. »WCM, der Verlademeister«, in: www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,141858,00.html 50 Ebenda 51 Vgl. »Meine Millionenspende an die CDU ist sauber«, in: Die Welt, 1. Februar 2001, www.welt.de/daten/2001/02/01/0201ip219476.htx. 52 Ebenda 53 Ebenda 54 »Der Geld-Macher«, in: Stern, Nr. 29, 10. Juli 2001, S. 96 ff. 55 Ebenda 56 »Meine Millionenspende an die CDU ist sauber«, in: Die Welt, 1. Februar 2001, www.welt.de/daten/2001/02/01/0201ip219476.htx 57 Zit. nach: »Das Engagement der Rebon bei der Commerzbank«, in: Süddeutsche Zeitung, 22. April 2000, S. 29 58 »Das Arbeiten macht mir einfach Spaß«, in: Nordsee-Zeitung, 24. Juli 2001, Online-Ausgabe 59 Vgl. Bunte, 11. Oktober 2001, S. 102 60 »Der Cobra-Coup«, in: Der Spiegel, 13. August 2001, S. 84 ff. 61 Vgl. www.merc-eishockey.de/gegner/kec.htm
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Zit. nach: »Neue Rolle«, in: Der Spiegel, 26. Mai 1997, S. 99 f. Ebenda Ebenda Ebenda Vgl. Focus Money, 21. Februar 2002, S. 26 Vgl. »A brutal awakening for German business«, in: Financial Times, 14. Juni 2000, S. 15 Vgl. »Gezielte Neuordnung des Einzelhandels«, in: Süddeutsche Zeitung, 24. Mai 1997, S. 22 »ITM bittet Kleinaktionäre um Geduld«, in: Süddeutsche Zeitung, 30. August 2000, S. 28 Zit. nach: »Deutsches Abenteuer«, in: Manager Magazin, 1. August 2002, S. 26 Ebenda Wirtschaftswoche, Nr. 5, 28. Januar 1999, S. 128 Ebenda Börsen-Zeitung, Nr. 9, 15. Januar 1999, Seite 10 Vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 5, 28. Januar 1999, S. 128 Börsen-Zeitung, Nr. 219, 13. November 2001, S. 11 Vgl. ebenda Manager Magazin, 1. Dezember 2000, S. 42 f. »Noch einige Schätze gefunden«, in: Wirtschaftswoche, 1. Februar 2001, S. 13 Manager Magazin, Online-Ausgabe, 26. Juni 2001, www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,141861,00.html Zitat aus dem Interview des Autors mit Roland Flach am 19. Juni 2002 Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda »Für die Commerzbank beginnt ein neues Zeitalter«, in: Die Welt, 22. April 2000, www.welt.de/daten/2000/04/22/0422wi164017.htx Ebenda »Wir erwarten Initiative des Vorstands«, in: Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2000, S. 29 »A Brutal Awakening for German Business«, in: Financial Times, 14. Juni 2000, S. 15
Anmerkungen
251
90 »Commerzbank zählt deutlich mehr Kunden«, in: Berliner Zeitung, 30. März 2000, www.BerlinOnline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/2000/ 0330/wirtschaft/0025/index.html 91 Zit. nach: »Meister der Finanzinvestoren«, in: Süddeutsche Zeitung, 20. Februar 2002, S. 26 92 »Cobra-Investor gibt sich gelassen«, in: Süddeutsche Zeitung, 13. November 2000, S. 25 93 So Kohlhaussen in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel, 21. Mai 2001, S. 90 ff. 94 Ebenda 95 Zit. nach: »Der Cobra-Coup«, in: Der Spiegel, 13. August 2001, S. 84 ff. 96 Ebenda 97 Ebenda 98 Die Welt, 26. Oktober 2001, www.welt.de/daten/2001/10/26/1026fi291348.htx und 19. Dezember 2001, www.welt.de/daten/2001/12/19/1219fi303353.htx 99 Vgl. »Neuer Versuch in Frankfurt«, in: Focus Money, 21. Februar 2002, S. 26 100 Handelsblatt, Nr. 36, 20. Februar 2002, S. 25 101 Vgl. Bankmagazin, Online-Ausgabe, 17. Januar 2002, www.bankmagazin.de/bp/geld-kredit/news/news295.htm 102 »Commerzbank ist keine schöne Braut«, in: Die Welt, 6. April 2002, www.welt.de/daten/2002/04/06/0406fit324473.htx 103 Ebenda 104 Vgl. »WCM büßt für Intransparenz«, in: boerse-online, 18. Juni 2002, www. boerse-online.de/ac/de/dax/149318.html 105 Analyst Stefan Goronczy von der Hamburgischen Landesbank errechnete zur selben Zeit beispielsweise einen Netto-Aktienwert aufgrund der WCMVermögenswerte (NAV) von 10,36 Euro. (www.consors.de/research/ magazin/archive/200206/_newsData/acwcm20020626/). Stefan Chahsari von Concord Equity Research sah den fairen Marktwert der WCM-Aktie Mitte Mai 2002 bei 15 Euro. (www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/ fn/relhbi/sfn/) 106 »Karl Ehlerdings gesammeltes Schweigen«, in: Börsen-Zeitung, Nr. 133, 13. Juli 2002, S. 11
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Firmenjäger
Jagdrevier Schweiz: Bei den Eidgenossen geht es rund 1 »Ebner hat zu hoch gepokert«, in: NZZ am Sonntag, 4. August 2002, S. 37 2 »Unheimliche Zwillinge«, in: Magazin Facts, Nr. 11, 16. März 2000, S. 22 3 Zit. nach: »Der Börsenhai« in: Coopzeitung, Nr. 26, 1999, Serie »Jahrhundertschweizer«, Archiv www.coopzeitung.ch 4 Die Darstellung folgt der Biografie von Jörg Becher, Das schnelle Geld. Martin Ebners Weg zur Macht, 2. Aufl., Zürich 1998 5 Becher, Das schnelle Geld, S. 26 6 Vgl. »Unheimliche Zwillinge«, in: Magazin Facts, Nummer 11, 16. März 2000, S. 22 7 Titel der Disseration: Development, Estimation and Forecasting Accuracy of Regional Financial Models. An Application within the State of Florida. Zit. nach: Becher, Das schnelle Geld, S. 36 8 Becher, Das schnelle Geld, S. 46 9 Ebenda, S. 54 10 Ebenda, S. 58 11 Aus einem Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 12 Zit. nach: Becher, Das schnelle Geld, S. 107 13 Vgl. ebenda, S. 118 14 Ebenda, S. 128 15 Vgl. Becher, Das schnelle Geld, S. 129 16 Vgl. »Strafuntersuchung gegen Ebner«, in NZZ online, www.nzz.ch/ 2002/07/08/wi/page-newzzD3E6RC5R-12 17 Ebenda 18 Vgl. Bilanz Online, September 1997 19 Becher, Das schnelle Geld, S. 149 f. 20 Vgl. ebenda, S. 167 21 Ebenda, S. 170 22 Vgl. ebenda 23 Becher, Das schnelle Geld, S. 182 24 Vgl. »Novartis steigt mit 20 Prozent bei Hoffmann-La Roche ein«, in: OnlineReports, 7. Mai 2001, www.onlinereports.ch/RocheNovartisEbner.htm 25 Ebenda 26 Neue Zürcher Zeitung, 2. Mai 1996 27 Vgl. Becher, Das schnelle Geld, S. 292 28 Samstagsrundschau in Radio DRS, 16. August 1997
Anmerkungen
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29 Tagesanzeiger Winterthur, 22. November 1999, www.tages-anzeiger.ch/ archiv/99november/991122/254643.htm 30 Moneta, Nr. 2, Juni 2000, Zeitschrift der Alternativen Bank Schweiz (ABS) 31 Zit. nach: Bilanz Online, September 1997 32 Becher, Das schnelle Geld, S. 297 33 Gemeint ist der Schweizerische Bankgesellschaft-Präsident Nikolaus Senn 34 Vgl. Becher, Das schnelle Geld, S. 229 35 Vinkulierte Namensaktien sind Namensaktien, die nur mit Zustimmung der ausgebenden Firma verkauft werden dürfen. 36 Weltwoche, 24. November 1994, zit. nach: Becher, Das schnelle Geld, S. 232 37 NZZ, 29. April 1995, zit. nach Becher, Das schnelle Geld, S. 266 38 Becher, Das schnelle Geld, S. 230 39 Ebenda, S. 266 40 Schweizerische Handelszeitung, 23. Januar 1992 41 Tages-Anzeiger, Zürich, 9. April 1996 42 Der Spiegel, Nr. 51, 1997, zit. nach: Becher, Das schnelle Geld, S. 303 43 Blick, 9. Dezember 1997, zit. nach: Becher, Das schnelle Geld, S. 303 44 CASH-Talk, S4, 17. März 1997, zit. nach: Becher, Das schnelle Geld, S. 287 45 Zit. nach: Sonntagszeitung, 24. Mai 1998, www.sonntagszeitung.ch/1998/ sz21/253974.htm 46 Vgl. Sonntagsblick, 21. April 2002, www.blick.chPB2G/PB2GA/pb2ga. htm?snr=28446 47 In: Finanz & Wirtschaft, 14. August 1999, S. 40 48 Er hatte ein Alcan-Verwaltungsratsmandat angenommen, dieses aber zur Hauptversammlung am 25. April 2002 zurückgegeben 49 Sonntagsblick, 21. April 2002, www.blick.chPB2G/PB2GA/pb2ga.htm?snr =28446 50 Ebenda 51 Vgl. Wirtschaftswoche,15. August 2002, S. 41 52 Euro am Sonntag, 4. August 2002, S. 6 53 Financial Times Deutschland, 12. August 2002, S. 25 54 Vgl. Bilanz Online, Januar 2000 55 »Mann des Monats: René Braginsky«, in: Bilanz, 1. Oktober 2000, S. 34 56 Becher, Das schnelle Geld, S. 162 57 »Der Einstieg war am schwierigsten«, in: Handelszeitung, Nr. 9, 1. März 2000, S. 32
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58 Vgl. »Der Esel Benjamin bleibt hier«, in: Winterthurer Woche, 7. November 2001, www.wiwo.ch/archiv/2001/45/artikel636.htm 59 »Der Einstieg war am schwierigsten«, in: Handelszeitung, Nr. 9, 1. März 2000, S. 32 60 Ebenda 61 »Mann des Monats: René Braginsky«, in: Bilanz, 1. Oktober 2000, S. 36 62 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 63 Ebenda 64 Ebenda 65 Ebenda 66 Ebenda 67 Ebenda 68 »Der Einstieg war am schwierigsten«, in: Handelszeitung Nr. 9, 1. März 2000, S. 32 69 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 70 »Der Einstieg war am schwierigsten«, in: Handelszeitung Nr. 9, 1. März 2000, S. 32 71 »Mann des Monats: René Braginsky«, in: Bilanz, 1. Oktober 2000, S. 34 f. 72 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 73 Vgl. »Information Highway: Liberalisierung à la Suisse«, in: Onlinereports, 15. Juni 1994, www.onlinereports.ch/catvLiberalisierung.htm 74 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 75 Ebenda 76 Ebenda 77 Ebenda 78 Ebenda 79 Ebenda 80 Ebenda 81 Ebenda 82 »Mann des Monats: René Braginsky«, in: Bilanz, 1. Oktober 2000, S. 34 f. 83 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 84 Ebenda 85 Ebenda 86 Ebenda 87 Ebenda 88 Vgl. Martin Meier-Pfister/Andreas S. Thomen (Hg.), Erfolgsfaktor Investor
Anmerkungen
255
Relations? Finanzkommunikation in der Schweiz, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2001, S. 153 89 Ebenda 90 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 91 Ebenda 92 Ebenda 93 »Wie viele Leben hat Sulzer?«, in: Neue Zürcher Zeitung, 10. März 2001, S. 21 94 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 95 Vgl. »Raider mit Finanzgespür«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. April 2001, S. 25 96 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 97 Moneycab, 19. April 2001, www.moneycab.com/de/home/business/ unternehmensulzer/sulzer0.html 98 Ebenda 99 Ebenda 100 Interview des Autors mit René Braginsky am 17. Juni 2002 101 Ebenda 102 Ebenda 103 Ebenda 104 Ebenda 105 Ebenda 106 Ebenda 107 Ebenda 108 Ebenda
Das offene Deutschland: Wirtschaftliche und soziale Veränderungen durch Raider-Attacken und feindliche Übernahmen 1 2 3 4 5 6 7
Interview des Autors mit Prof. Mark Wahrenburg am 18. Juli 2002 Ebenda Interview des Autors mit Peter Zillmer am 24. Juli 2002 Interview des Autors mit Michael Mönks am 24. Juli 2002 Interview des Autors mit Birgitt Mahler-Meditsch am 25. Juli 2002 Interview des Autors mit Rainer Schmidt am 22. Juli 2002 Ebenda
256 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
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Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Interview des Autors mit Michael Mönks am 24. Juli 2002 Interview des Autors mit Birgitt Mahler-Meditsch am 25. Juli 2002 Interview des Autors mit Rainer Schmidt am 22. Juli 2002 Interview des Autors mit Reinhard Dombre am 19. Juli 2002 Ebenda Ebenda Interview des Autors mit Rainer Schmidt am 22. Juli 2002 Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Interview des Autors mit Birgitt Mahler-Meditsch am 25. Juli 2002 Interview des Autors mit Rainer Schmidt am 22. Juli 2002 Unterzeichnet am 4. Dezember 2001, gültig ab 1. Januar 2002, läuft bis 31. Dezember 2006, § 17 Tarifentgelt gültig bis 31. Dezember 2004, Kündigungsfrist sechs Monate Interview des Autors mit Michael Mönks am 24. Juli 2002 Interview des Autors mit Rainer Schmidt am 22. Juli 2002 Interview des Autors mit Michael Mönks am 24. Juli 2002 Ebenda Interview des Autors mit Rainer Schmidt am 22. Juli 2002 Interview des Autors mit Birgitt Mahler-Meditsch am 25. Juli 2002 Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Ebenda Interview des Autors mit Rainer Schmidt am 22. Juli 2002 Zitiert nach »Klöckner – Arbeitnehmer sehen die Übernahme durch WCM als Chance«, in: Berliner Zeitung, 29. November 2000, www.BerlinOnline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/2000/1129/wirtschaft/0091/ind ex.html
Anmerkungen
257
40 Vgl. ebenda 41 Vgl. ebenda 42 Vgl. »IG Metall: WCM wird nach Klöckner-Übernahme mitbestimmt sein«, Meldung des Wirtschaftsnachrichtendienstes vwd, 12. Januar 2001, 14.14 Uhr 43 Das Zitat stammt aus einem Interview des Autors mit Jörg Barczynski am 5. September 2002. Interviewanfragen bei der IG Metall und weiteren Klöckner-Arbeitnehmervertretern wurden abschlägig beschieden. Als Begründung dafür wurde angegeben, dass man mit einer Stimme sprechen wolle und sich dabei auf Jörg Barczynski geeinigt habe. Daher gibt es nur ein einziges Zitat eines weiteren Klöckner-Arbeitnehmervertreters, Helmut Weber, mit dem der Autor gesprochen hatte, bevor Barczynski zum alleinigen Sprecher bestimmt wurde. 44 Ebenda 45 Ebenda 46 Ebenda 47 Ebenda 48 Ebenda 49 Ebenda 50 Ebenda 51 Interview des Autors mit Helmut Weber am 31. Juli 2002 52 Interview des Autors mit Jörg Barczynski am 5. September 2002 53 Zitat aus einem Interview des Autors mit Prof. Mark Wahrenburg am 18. Juli 2002 54 Ebenda
Bildnachweise S. 28: Deutsche Presse-Agentur S. 125: Wyser-Pratte S. 136: Deutsche Presse-Agentur S. 160: WCM S. 168: Deutsche Presse-Agentur S. 175: Deutsche Presse-Agentur S. 217: Deutsche Presse-Agentur
Register
ABB 199 ff. Abs, Hermann Josef 82 ACF 67 Ackermann, Josef 88 f., 100 Adenauer, Konrad 150 Ad-hoc-Mitteilung 94, 97 Adig 165 Advanced Technologies (Atecs) 100, 224 f., 228, 231 Agnelli, Gianni 45, 49, 186 Aktiengattungen 181 Aktienkurs 7, 10, 12 f., 16 ff., 21, 24, 26, 28, 41, 59, 63, 95, 97, 103, 106, 111, 113 ff., 124–128, 138, 157 f., 164, 169, 181 Aktienrecht 219 Aktiver Investor 111–114 Albertz, Michael 146 Alcan 198 f. Alcatel 209 algroup 185, 197 f., 201 Alka Seltzer 33 Allfinanzkonzept 90 f. Allianz Capital Partners (ACP) 110 Allianz Versicherung 82, 84 f., 89 ff., 103, 166, 169, 185 Allibert S.A. 123 Allied Stores 60 Allstate Insurance Co. 115 Alters- und Hinterbliebenen-Versorgung (AHV) 177 Alusuisse siehe algroup American Airlines 69 American Can 66 American Continental Corporation (ACC) 58 AMF 24 Anchor Hocking 66 Anteilseigner (Shareholder) siehe auch Shareholder-Value 18, 20 AOL 74 Applied Suppliers 41, 45 Arbeitsmarktpolitik 227 ff.
Arbeitsplätze 115, 134, 228–231, 234–238 Arbitrage 106 ff. Arnaud, Bernard 119 Asko AG 151 f. Aspinall, John 36 Asset-Stripping 24 Assicurazioni Generali 165 f., 169 Atelier de Charmis 208 ATK Alliant Technologies 126 Austrian Airlines 135 AVA 151 f. Babcock Borsig 13, 128–134, 221 Baird & Warner 65 Bâloise-Versicherung 199, 209–212 Banco Santander Central Hispano (BSCH) 165, 167 Bankensystem 84, 87, 162 f. Bank Leu 183 f., 186 Bank One 132 f. Bank Oppenheim 205 f., 210 Barczynski, Jörg 234–237 Barilla 10 Barschkett, Siegfried 157 f. BASF 82 Baumgartner 119, 219 Baums, Theodor 98 Beatrices Companies 58 Becher, Jörg 176, 186, 194, 202 Becker, Konrad 171 Beecham 44 Begrenztes Investment 113 Bergerac, Michel 62 Betriebsklima 231 f. Björkman, Johan 179 f. Blackmailing 47 Blocher, Christoph 173, 176 f., 186, 188, 197 ff. Blockhandel 20 Blockholder 81 f. Blue Chips 184, 187, 199 Böge, Ulf 132
Register
Börse siehe auch Aktienkurs 9, 16, 18, 20 f., 26, 28, 38, 48, 58, 65, 74, 79 ff., 91–98, 102 ff., 111, 122 f., 135 f., 138, 169, 171, 174, 180, 199 ff., 207 f., 218 f. Boesky, Ivan 15, 60 Bosch 100, 224, 228 Boulder Capital 131 Bourdois, Jacques-Henri 119 Bovril 39 ff., 44 Braginsky, René 174, 181, 202–221 Brauner, Hans U. 124 Breuer, Rolf 88, 101, 104, 169 Brillant-Leuchten AG 149 British American Tobacco Company (BAT) 42, 49 Brunneria Foundation 48 Buffett, Warren 178 Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen 164, 166 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) 94, 135 Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (BAWe) 93 f., 123 Bush, George W. 132 Business-Principles 232 Bust-Up-Takeover 24 Buy-Out-Firma 59 BZ Bank AG 179–184, 187,191, 193, 201 BZ Gruppe Holding 175, 182 ff., 186–189, 194 f., 200 f. BZ Mergers & Acquisitions AG 185 BZ Trust 186 f., 191 Call-Option 163, 169, 188 Campeau-Gruppe 28, 60 Campeau, Robert siehe Campeau-Gruppe Carnegie Fondkommission 180 Carrs 38 Carsons 38 Cartellieri, Ulrich 87 Cash, Bill 52 Cashin, Richard 131, 133 f. Cassomay 209 Cavenham Ltd. 37, 39–42 Celeron Corporation 47 Centerpulse siehe auch Sulzer-Konzern 216 f., 219 f. CenTrust 58 Chemical Bank 75 f. Chicagoer Schule 25, 178 Chrysler 98, 198, 227 Ciba-Geigy 181, 188 Cinven 161, 235 Citibank 45 Citigroup 64 Clinton, Bill 64
259 Clore, Charles 38 CNN 56, 73 Cobra 161, 163–171 Comdirect 165 Commerzbank 142 f., 150, 161–172 Commucation Satellite Act 117 Compania Financiera s.r.l 38 Comsat Corporation 116 ff. Consolidated Cigar Holdings 63 Continental 46, 84, 89, 185 Coop 151 »Copacabana«-Angriff 163 »Corporate America« 27 Corporate Finance 177, 205 Corporate Governance 23, 98, 112, 115 Corporate Raider 10, 14 Cortaillod 209 Credit Suisse (CS) 184, 186, 190 f., 195 f., 199, 210 Cromme, Gerhard 87 Crown, James 132 Crown Zellerbach 45 Dagonal 33 Daimler-Benz AG 93, 98, 227 DaimlerChrysler 73 f., 104, 139, 198 Daudel, Klaus 151 Days Inns of America Inc. 76 Derivat siehe Termingeschäft Deutsche Balaton AG 121 Deutsche Bank 84–89, 98, 100 f., 103 f., 162 f., 169, 185, 216 Deutsche Börse AG 93, 95 Deutsche Bundesbahn 225 Deutsche Bundesbank 206, 210 Deutsche-SB-Kauf (DSBK) 152 Deutsche Spar AG 142, 152 f., 155 Deutsche Telekom 80, 95 Deutscher Aktienindex (DAX) 16, 42, 128, 143, 222, 224 Deutsches Kartellamt 132 Deutschland 9, 20, 52, 80–104, 122, 221–238 »Deutschland AG« 9, 16, 81, 83–92, 98, 101–104, 133, 166, 222, 224, 233, 238 Devisenhandel siehe auch Arbitrage 106 Diamond International (DI) 45 f. Dieckell, Friedrich 137, 141 f., 149 ff., 153, 161, 164 Dombre, Reinhard 227 Donaldson, Lufkin & Jenrette 167 Douglas Holding AG 149 Dow Jones-Index 16, 28 Dresdner Bank 87, 91, 103, 162, 165 f., 169 Drexel Burnham Lambert 14, 54 f., 57–61, 67, 77 D2 Mannesmann 224 f., 229 ff.
260 Eagleburger, Lawrence 117 Eberhardt, Klaus 124–128 Eberle, Walter 199 Ebner, Martin Mauritius 173–201, 205, 210 f. Edelman, Asher B. 119, 121, 219 Ehlerding, Karl 24, 136–162, 164 ff., 170 ff., 223 Ehlerding-Stiftung 140 f. Eichel, Hans 102 Einheitsaktie 195 Electrolux 66 Elisabeth Shaw Chocolates 39 Elsässer, Markus 121, 126, 128, 134 Ems-Chemie 197 ff. Enron 24, 83 Esser, Klaus 98 ff., 105, 111, 225, 230 Exit-Strategie 215 FAG Kugelfischer 12 Fahrni, Fritz 216 Fallen Angels 54 Family-Value 119 Federated Department Stores 60 Feindliche Übernahme 9, 10, 12 f., 15, 19, 25–28, 38, 40, 53, 62 f., 67, 75, 111, 116 f., 146, 164, 185 – Auswirkungen 223–238 – Finanzierung durch Junk-Bonds 57 f. – in der Schweiz 218 f. – in Deutschland 84, 98 ff., 222–237 – Kriterien 114, 128, 157 Fidelity 211 Financial-Times-Index 42 Finanzaufsicht 13, 60 f., 91, 97 Finanzmarktförderungsgesetz 92 f., 96 f. Firma – gejagte 18 f. – unterbewertete 7, 18, 21, 76, 114, 122 f., 138 f., 151, 157, 170, 213 Firmenjäger 7–25 – Bezeichnung 14, 27 – Charakteristika 10 ff. – Definition 10 f. – Grundprinzip 38 – Image 237 – Krise 15 f. – Vorgehen 14 f., 26 f., 105, 111, 114 f., 126, 138 f. – Waffen 19–24 – Wirkung 27 f. Firmenpolitik 9, 18, 22, 38 Flach, Roland 144, 146, 149, 156–159, 170 f., 233 ff. Flick, Barbara 49 Flick, Friedrich 150 Frankreich 30–35, 40–44, 51 f., 118 ff., 123
Firmenjäger
France Telecom 13, 135 Free Float 9 Frère, Albert 121 Friedman, Milton 25, 178 Führung von Aktiengesellschaften 22 Fraser, Hughes 38 Fusion 12, 23, 66, 73, 87, 91, 110, 162 f., 166, 169, 183 f., 186, 188 f., 192, 195 f., 198 f., 209, 216, 238 General Dynamics 132 f. General Electric 18 f. General Motors (GM) 69 f. General Oriental Ltd. 47 Générale Occidental S.A. (GO) 40 ff., 48 Genscher, Hans-Dietrich 145 Gent, Chris 98, 100, 224, 225, 227–232 Genussschein 188 Gerber, Fritz 184 Gewerkschaften 227 ff. Gilette 63 Giradelli, Marc 142 Gladbacher Aktienbaugesellschaft (GAB) 143 f. Global Player 162, 190 Globaler Investor 204 Globales Netzwerk 121 f. Globalisierung 9, 51, 83, 91, 93, 95, 198, 206, 238 Göçmen, Volkan 218 Going Private 96 Going Public 96 Golden State Bancorp 63 f. Goldman Sachs 128 Goldsmith, Edward 30 f., 50 f. Goldsmith, Frank 30 Goldsmith, James Michael 27, 29–53 Goodies 38 Goodyear Tire and Rubber Co. 27, 46 f. Gore, Al 117 Grand Union 43 ff. Great Universal Stores 38 Greenmailing 47, 66 f. Greenspan, Alan 17 Großbritannien 9, 25, 37–42, 45, 49, 52, 226 f. Gut, Rainer 195 Hänggi, Rolf 183 Hammermill Paper Company 66 Harrods 38 Hausbank-Prinzip 88 Hausmann, Anita 233 Hauschildt, Rolf 145 Heath, Edward 43 Hedge-Fonds 158, 200 f. Heinrich Bauer Verlag 101
261
Register
Hero 199 HFS 76 Hoffmann-La Roche 184, 187 ff., 205 f., 218 f. Hofmann, Hansgeorg 165 ff., 170 Horn-Smith, Julian 232 Hostile Takeover siehe Feindliche Übernahme Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) 110, 129–134 Hoylake Investment Ltd. 49 Hüppi, Rolf 210 f. Hughes, Howard 67 Hugo, Christopher von 132 Hugo, Victor 174 Humer, Franz B. 189 HypoVereinsbank Group (HVB) 85, 91, 154, 162 Iacocca, Lee 73 IAS 126 Icahn, Carl 14, 53, 64–70 ICN Pharmaceutical 187 IG Farbenindustrie AG 143 IG Metall siehe auch Gewerkschaften; Schmidt, Rainer 225, 227, 231, 234 III Institutional Investors International Corp. 213 INA Holding Schaeffler KG 12 Incentive Asset Management 212 Incentive Capital AG 211 f., 214–220 Incentive Investment AG 206–212 Incentive Management 203 India Investment AG 212 Industriepolitik 86, 104, 227 f. Industrivärden 199 Inhaberaktie 181, 184 f., 187 f., 195 Insiderhandel, -geschäft 186, 195 Intercontessa 153 Interessenkonflikt 87 International Employee Communication Forum 229 Intershop 189 f. Investitionshilfegesetz 89 f. Investmentbanking 86 ff., 165 Investor AB 199 Inzic AG 210 f. ITM Intermarché 153 IVG Holding AG 142, 154 ff. IWKA 221 J. A. & P. Holland 38 Jacobs, Irwin 24 Jakob Vontobel & Co. 179, 182 f., 205 Jean Pascale 154 Johnson, F. Ross 59 Joseph, Fred 54 JP Morgan 216
Junk-Bonds 14 f., 17, 28, 53–63, 75 f., 78 Jute AG 138 Kaiser, Hans 213 Kaiser Steel 24 Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) 96 Kapitalmarkt 92 f., 102 ff. Kartell 85 f. Kaufangebot 15, 157, 217 Kaufhof 152 Kaufring AG 149 Kennedy, John f. 116 Kerkorian, Kirk 14 f., 53, 70–74 Kindle, Fred 216, 218 Kirch, Leo 88, 101 Kirkland, Lane 27 Kissinger, Henry 106 Klöckner Holstein Seitz (KHS) 233, 236 f. Klöckner-Werke AG 24, 156–161, 223, 233– 238 Knight, Peter S. 117 Kohl, Helmut 98, 147 Kohlberg Kravis Roberts (KKR) 58 f. Kohlhaussen, Martin 150, 163–168 Konkurrierende Unternehmen 12 Konkursrisiko 15, 86 Kontroll- und Transparenzgesetz (KonTraG) 96 Kopper, Hilmar 88, 103 Kravis, Henry siehe Kohlberg Kravis Roberts (KKR) Kreditbank 86 f. Krones 236 Krupp 87, 98, 100 Laboratoires Cassene 33 Laboratoires Lanord 34 Laboratoires Milical 35 Lambert, Philippe 49 LeasCo 74 f. Lederer, Klaus 129 ff., 134 Leerverkauf 200 Legris Industries S.A. 123 Lennings, Manfred 155 L’Express-Verlag 44 Leveraged Buy-Out (LBO) 14 f., 57, 59 f., 68, 76 Lewis & Burrows 34, 38 L’Helias, Sophie 120 Liechtenstein, Fürstentum 186 Lignon, Maurice 35 LMH 100 LMVH 119 Lockheed Martin 117 Lombards 200
262 Lonza siehe algroup Lorenzo, Frank 67 f. Lowestfare.com 69 LTU 86 Maag 206 MacAndrews & Forbes 62 Mahler-Meditsch, Birgitt 225, 227, 229, 232 Major, John 52 MAN 82, 132 Management-Buy-Out (MBO) 14 f., 208 Manatt, Charles 117 Mannesmann AG 10, 98 ff., 105, 111, 123, 223–233 Mannesmann-Röhrenwerke (MRW) 98, 100, 224 ff., 228, 231 Marchionne, Sergio 198 f. Marks, Howard 17 Marshall Fields 66 Marvel Entertainment 64 Mason, Bill 74 Matter, Peter 205 Mead Johnson 35 f. MCI 56 MDAX 123, 128, 143, 156 Mellor, David 53 Merck Finck 171 Merger-Arbitrage 110 f. Metro AG 152 Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) 72 f. mg technologies 221 Milken, Michael 14 f., 53–63, 67, 75–78 Mischkonzern 18, 98, 123 f., 128, 156, 185, 233, 237 Mitbestimmung 226 f., 229, 234 Mobilcom 13, 134 f. »Modell USA« 178 Mönks, Michael 224, 227, 230 f. Morgan Stanley 28 Mothercare 35 f. Motivationsmodell 181 Müller, Gerd 90 Müller, Klaus-Peter 168 f. Münchener Rück 85, 89, 91, 103, 170 Murdoch, Rupert 43, 101 Namensaktie 181, 187 f., 192 f., 195 f. Nasdaq 16 NEMAX siehe Neuer Markt Neoliberalismus 25 Nestlé 37, 181 Neuer Markt 16, 81, 94–97 New Economy 16 Newmont Mining Corp. 50 New York Stock Exchange (NYSE) 80, 93 Nomura-Konzern 148
Firmenjäger
Norddeutsche Handels Holding GmbH (NHH) 152, 155 Northern Electric 115 Northrop Grumman 133 Novartis 188 f., 199, 219 Nowak, Erich 19 Nullsteuerlösung 103 Oaktree Capital Management 17 Öffentliches Übernahmeangebot 20 Olivetti 199 One Equity Partners (OEP) 130–134 Oppenheim Pierson siehe Sal. Oppenheim jr. & Cie. Option 181, 196, 207, 216 Optionsschein 111 Owens-Illinois 66 Packer, Kerry 45, 49 Paretti, Giancarlo 73 Pechiney 198 Peguform 157 Pennzoil 24, 116 Pentaplast 158, 160 f., 234 f., 237 Perelman, Ronald 14, 53, 61–64, 68 Pernod-Ricard 119 Peugeot 120 Pfizer 188 Pharma Vision 2000 187 f. Phillips Petroleum 67 Pictet & Co. 218 Piepenbrock, Horst 134 Pirelli 84, 184 ff. Pirelli, Leopoldo 185 Pirelli S.p.A. 185 f. Playtex 58 f. Pöhl, Karl-Otto 206, 210, 217, 221 Pré-Natal 35 Private-Equity-Gesellschaft, -Firma 96, 222 Procea 38 f. Proxy-Fight 65 f., 116 Prudential Assurance 42 Prudential-Bache Securities Inc. 108 f. Quakerstate Company 24 Raider siehe auch Firmenjäger; Feindliche Übernahme 8, 10, 13–16, 26 f., 61, 223, 237 f. Rating-Agenturen 54, 79 Reagan, Ronald 25, 44, 55, 59, 178 Rebon B. V. 155 f., 164, 170 Rechsteiner, Paul 175 Rediffusion 209 Regionalpolitik 227 f. Regulierte Konkurrenz 86
263
Register
Reinhart, Andreas 179 f., 191 Reliance Insurance 74 f., 77 ff. Renault 42 René-und-Susanne-Braginsky-Stiftung 202 Revco Drug Stores 60 Revlon 62 f., 68 Rewe 86 Rey, Werner K. 215 Rexroth AG 224 Rheinhyp 165 Rheinischer Kapitalismus 86, 102 Rheinmetall AG 8, 10, 13, 123–128 Risikoarbitrage 108 Ristow, Lutz R. 145 ff., 158 RJR-Nabisco 59, 69 f. Roach, Stephen 28 Roberts, Blaine 178 Rocher, Alain 153 Röchling 123, 125, 127 f. Rolex 188 Rothschild, Paris 204 Rothschild, Jacob 45, 49 Roventa-Henex 208 Rowntree Macintosh 39 RSE 145 ff., 158 Ruedorffer, Axel Freiherr von 169 Rüstungstechnologie siehe Wehrtechnik RWE 82 Sal. Oppenheim jr. & Cie. 206, 212 Salomon Brothers 45, 63 Salzgitter AG 100, 224, 226 Sandoz 188 Sanio, Jochen 91 Sarno, Jay 72 Savings and Loan Associations 57 f., 61 Savoy Company 30 Scharping, Rudolf 132 Schichau-Seebeck-Werft (SSW) 142 Schick, Werner 184 Schiltknecht, Kurt 176 f., 183 f., 186, 200 Schmid, Gerhard 13, 135 Schmidt, Bernhard 153 Schmidt, Rainer 225–231, 234 Schmitz, Heinz-Ludwig 156 ff., 160 Schneider, Jürgen 88 Schneidewind, Klaus-Peter 137, 141 f., 149– 153, 155 f., 161, 164 f., 167, 170 Schrempp, Jürgen 73, 104 Schröder, Gerhard 13, 90, 98, 101, 103, 148 Schrottanleihen siehe Junk-Bonds Schulte-Noelle, Helmut 103 f. Schwarzkopf, Norman 118 Schweikert, Karl-Ernst 146, 154, 156 f. Schweiz 173–221 Schweizer Aktienindex 200
Schweizer Rück 190 Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) siehe Union Bank of Switzerland (UBS) Schweizerische Kreditanstalt 182 Schweizerische Nationalbank (SNP) 177 Schweizerischer Bankenverein (SBV) 192, 196 Sears Roebuck & Co. 115 Securities and Exchange Commission (SEC) 93 Self-fulfilling prophecy 21 Senn, Nikolaus 192, 195 Shareholder-Rights-By-Law 23, 116 Shareholder-Value 18 f., 21, 23, 26, 50, 59, 80, 83, 87, 99, 102, 112, 116, 118 f., 125, 127, 151, 173 ff., 178, 181, 192 f., 196, 214, 225 ff., 232 Siemens 100, 206 f., 224, 228 Silent Takover siehe Stille Übernahme Silverman, Henry 17, 76 Sirius GmbH 155 f. Slater, Jim 39, 41 Société du Louvre 119 ff. Société Générale 167 Société Internationale Pirelli (SIP) 185 f. Soros, George 50, 206 Spälti, Peter 190 Spar siehe Deutsche Spar AG Spendenskandal 147 f. Springer Verlag 101 Staatliche Rente 91 Stadler, Ralph 186 Stäuble, Rolf 210 Stakeholder 83 Steinberg, Saul 16, 74–79 Steuerreform 90, 102 ff., 139 Stille Reserven 90 Stille Übernahme 208 Stillhalter-Option 180 ff. Stillhalter Vision 189 Stoiber, Edmund 101 Strafor-Facom 118 Strategie 12, 19, 21 f., 26, 81, 90 f., 99, 104, 112, 117, 137, 171, 173, 180, 186 f., 207, 211, 213 ff., 225 Strategischer Investor 132, 172 St. Regis Paper Corporation 45 f., 49 Studer, Robert 194, 204 Sultan von Brunei 186 Sulzer-Konzern 174, 185, 215–221 Sunbeam 63 f. Synergien 118, 213, 226, 238 Taittinger, Anne-Claire 119 f. Taittinger S.A. 118–121, 123 Tappan 66 Tarifvertrag 229 f.
264 Tegernseebahn AG (TAG) 147 Telematics 225 Tender Offer 20 Terlinden, Hans 147 Termingeld siehe auch Arbitrage 106 Termingeschäft 178, 180, 200 Tettamanti, Tito 215 Texaco AG 69 Texas Air 67 Thatcher, Margaret 44, 52, 226 Theye, Joachim 145 Thieme, Carl 89 Thyssen 87, 98, 100 ThyssenKrupp 131 f., 221 Time Warner 74 Tracinda Corporation 74 Trans World Airlines (TWA) 67 ff. Travelers Property Casuality 79 Trimble, David 52 Trump, Donald 63 Turner, Ted 72 f. UBS siehe Union Bank of Switzerland (UBS) Überkreuzbeteiligung, -verflechtung 9, 89 f. Übernahmegesetz, deutsches 135 Unfreundliche Übernahme siehe Feindliche Übernahme UniCredito Italiano 169 Unilever 37, 41 f. Union Bank of Switzerland (UBS) 164, 173, 192–197, 204 f. United Artists (UA) 72 United Zurichfinance (UZF) 171 Universalbankprinzip 84 Unternehmensfinanzierung siehe auch Corporate Finance 54 ff., 80, 83, 87 Unternehmensführung 22 ff., 26 f., 38, 57, 59, 81–83, 96, 112 ff., 116, 127 f., 214 f., 232, 234 Unternehmenskodex 232 Unternehmenskontrolle 22, 80–83, 112, 123, 158 Unternehmensumstrukturierung 27, 55, 104, 157, 173, 185, 194, 212 Unternehmenswert (Value) 18, 26, 28, 38, 58, 83, 96, 100, 103, 113, 116, 126, 138 f., 161, 169, 187, 219, 236 USA 9, 15 f., 23, 25–28, 43, 45 f., 53–57, 66, 80 f., 83 f., 87,122, 214 f., 238 U.S. Shoe 115 USX 69 VA Vermögensverwaltung AG 149 Value-Investor 124 Vedder, Clemens Johannes 137, 141 f., 149–153, 155 f., 161 f., 164 f., 167–170
Firmenjäger
Velden, Claus van der 11 Vereinigte Staaten von Amerika siehe USA Verlustvortrag 138 f., 144, 152, 157 Viag 198 Vivarte 123 Vodafone AG 225, 229–232, 234 Vodafone Airtouch 10, 98 ff., 105, 111, 223 f., 226, 228 Vodafone Deutschland 224 Vodafone Information Systems 225, 227, 231 Voicestream 95 Vontobel, Hans-Dieter 179 f. Wagniskapitalfinanzierung 96 Wahrenburg, Mark 14, 81 f., 84, 92, 222 f., 238 Waigel, Theo 148 Wallace Computer Services Inc. 23 Walt Disney Company 16, 76 f. Ward Casson 34 Waterkant-Connection 136, 150, 152 WCM Beteiligungs- und GrundbesitzAktiengesellschaft 24, 136, 139 f., 143–149, 152, 154–162, 170 ff., 223, 233–237 Weber, Helmut 233, 237 Wehrtechnik 125 ff., 131 ff. Weißer Ritter 12 f., 67, 98, 190 Welch, Jack 19 Wertlücke 18 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) 20, 93 f. Wertpapierübernahmegesetz (WpÜG) 20 Wertschöpfung 161 Westdeutsche Landesbank (WestLB) 85 f. Western Airlines 71 f. Wilson, Harold 29 Winterthur-Versicherung 173, 189 ff., 192, 196 f., 210 Wissmann, Matthias 147 f. Wolfson, Isaac 37 f. Worldcom 83 Wright Biscuits 41 Wünsche AG 154 Württembergische AG Versicherungs-Beteiligungsgesellschaft (WürttAG) 154 Wyser-Pratte, Guy 8, 10, 13, 15, 23 f., 105–135 Wyser-Pratte & Co. Inc. 111, 115 Yago, Glenn 56 Yeatman 39 Zilkha, Selim 34 ff. Zillmer, Peter 11, 84, 223 Züricher Kantonalbank 201 Zürich-Versicherung 183 f. Zurich Financial Services (ZFS) 210, 212 f. Zwickel, Klaus 100