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Michael Stephan / Wolfgang Kerber / Tim Kessler / Michael Lingenfelder (Hrsg.) 25 Jahre ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung
GABLER RESEARCH Strategisches Kompetenz-Management Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Klaus Bellmann, Universität Mainz Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann, Universität Bremen Univ.-Prof. Dr. Jörg Freiling (geschäftsführend), Universität Bremen Univ.-Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, Technische Universität Berlin Univ.-Prof. Dr. Peter Hammann (†), Universität Bochum Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber, Universität Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Thomas Mellewigt, Freie Universität Berlin Univ.-Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz, Technische Universität Braunschweig Univ.-Prof. Dr. Heike Proff, Zeppelin University Friedrichshafen Univ.-Prof. Dr. Christoph Rasche, Universität Potsdam Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Specht, Technische Universität Darmstadt Prof. Dr. Michael Stephan, Universität Marburg Univ.-Prof. Dr. Erich Zahn, Universität Stuttgart
Der Resource-based View und – in enger Verbindung dazu – das Management von (Kern-)Kompetenzen haben in den vergangenen Jahren die Unternehmensführung nachhaltig beeinflusst. Wissenschaft und Praxis beteiligen sich gleichermaßen an Fragen der ressourcenorientierten Unternehmensführung und des Knowledge Managements. Die Schriftenreihe greift diese Entwicklung auf und schafft ein Forum für wissenschaftliche Beiträge und Diskussionen.
Michael Stephan / Wolfgang Kerber / Tim Kessler / Michael Lingenfelder (Hrsg.)
25 Jahre ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung Der kompetenzbasierte Ansatz auf dem Weg zum Schlüsselparadigma in der Managementforschung
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2192-5
Vorwort der Herausgeber Das Strategische Kompetenz-Management hat sich in den vergangenen 25 Jahren, seit dem viel beachteten Beitrag „A Resource-based View of the Firm“ von Wernerfelt im Strategic Management Journal des Jahres 1984, zu einem etablierten und populären Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre entwickelt. Der Competence-based View (CBV) ist sogar auf gutem Wege, sich zu einem Schlüsselparadigma in der Managementforschung zu entfalten. Kann der Ansatz diesem Anspruch aber wirklich gerecht werden? Um dem Paradigmenanspruch gerecht werden zu können, sollte der CBV zwei notwendige Bedingungen erfüllen: Zum einen sollte der CBV als Schlüsselparadigma über ein in sich konsistentes Theoriegebäude verfügen und einer empirischen Validierung standhalten können. Zum anderen sollten der CBV und das Strategische KompetenzManagement eine weite Verbreitung in der Betriebswirtschaft(-slehre) und in angrenzenden Disziplinen finden. Ziel des diesjährigen Symposiums war es, diesen Anspruch kritisch zu prüfen. Das Symposium „Strategisches Kompetenz-Management“ findet seit zehn Jahren regelmäßig im Zweijahresturnus statt und bietet deutschsprachigen Forschern ein Forum zur intensiven Diskussion von Forschungsarbeiten und Fragen der Kompetenzforschung. Nach Bochum (1999), Mainz (2001), Innsbruck (2003), Bremen (2005) und Friedrichshafen (2007) haben die Herausgeber dieses Bandes vom 23.-25. September 2009 zum 6. Symposium an die PhilippsUniversität nach Marburg eingeladen. Die Beiträge des 6. Symposiums an der Philipps-Universität Marburg lassen sich den folgenden vier Themenfeldern zuordnen: • Entwicklung des Kompetenzbegriffs und Herausforderungen der Theoriebildung • Kompetenzsicherung und Management von (Innovations-)Kooperationen • Empirische Befunde zum Competence-based View • Interdisziplinäre Ansatzpunkte und Erweiterungsperspektiven des CBV Diese Themenfelder bilden auch die vier Teile bzw. übergeordneten Kapitel dieses Tagungsbandes ab. Die vier Beiträge im einleitenden Teil 1 („Entwicklung des Kompetenzbegriffs und Herausforderungen der Theoriebildung“) setzen sich zum einen kritisch mit Kompetenzkonstrukten in der Unternehmenstheorie auseinander und sind zum anderen um die Weiterentwicklung des Kompetenzbegriffes bemüht. Ein besonderer Schwerpunkt des Symposiums in diesem ersten Themenfeld, der auch im Call for Papers explizit zum Ausdruck kam, war die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der ‚Ambidextrie‘ oder
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Vorwort
‚Beidhändigkeit‘ von Unternehmen bzw. Organisationen allgemein. ‚Ambidextrie‘ zielt auf die Herausforderung und Fähigkeit von Unternehmen ab, die richtige Balance zwischen Aktivitäten und Strategien der Ressourcenexploration und Ressourcenexploitation sicherzustellen. Insgesamt fünf Beiträge haben sich dem Thema der Beidhändigkeit gewidmet. Diese Beiträge werden im parallel erscheinenden 5. Band des „Jahrbuch Strategisches Kompetenz-Management“ mit dem Leitmotiv ‚Ambidextrie‘ veröffentlicht und sind im Anhang im Überblick aufgelistet. Das zweite Themenfeld bzw. Kapitel des Tagungsbandes widmet sich der Ressourcen- und Kompetenzeinbettung in unternehmensübergreifende Beziehungen und umfasst insgesamt sieben Beiträge. In fünf Beiträgen werden die Beziehungsfähigkeiten (Relational Capabilities, Kooperationskompetenzen, Kundenintegrationskompetenzen etc.) von Unternehmen in Wertschöpfungspartnerschaften und Innovationsnetzwerken analysiert. Zwei der sieben Beiträge greifen unter dem Blickwinkel der Kompetenzsicherung auch die Gefahren und Risiken unternehmensübergreifender Beziehungen insbesondere im Kontext der Internationalisierung der Wertschöpfung auf. Das dritte Themenfeld bzw. Kapitel des Tagungsbandes umfasst sechs Beiträge, in deren Zentrum empirische Untersuchungen aus dem Blickwinkel des Competence-based View stehen. Das methodische Spektrum reicht hier von qualitativen Einzelfallstudien bis hin zu großzahligen, quantitativ angelegten Längs- und Querschnittuntersuchungen. Neben Untersuchungen zum Aufbau und Erhalt von technologischen Kompetenzen bspw. in der Automobilindustrie oder der Biotechnologie widmen sich die Beiträge auch den Themen Dienstleistungen und Prozesskompetenzen sowie der Markenführung. Abgerundet wird der Tagungsband im abschließenden Kapitel 4 durch die Thematisierung interdisziplinärer Anknüpfungspunkte und Erweiterungsperspektiven des Competence-based View. So werden u. a. Ansatzpunkte aus der kybernetisch-systemtheoretischen Sicht und Integrationsmöglichkeiten des Verfügungsrechtemanagements diskutiert. Auch wird der CBV vor dem Hintergrund des Corporate Social Responsibility-Diskurses und im Lichte der (Corporate) Entrepreneurship-Diskussion beleuchtet. In der zusammenführenden Betrachtung der Beiträge und Themen, die auf dem Symposium präsentiert und diskutiert wurden und nun in diesem Tagungsband abgedruckt sind, muss nochmals die einführende Frage aufgeworfen und beantwortet werden, ob der Competence-based View dem Anspruch eines Schlüsselparadigmas in der Managementforschung wirklich gerecht werden kann. Im Fazit zum vorangegangenen Symposium in Friedrichshafen wurde festgestellt, dass der Forschungsansatz des Strategischen KompetenzManagements keine eigenständige betriebswirtschaftliche Teildisziplin darstellt, sondern einzelwirtschaftliche Teildisziplinen zusammenführt. Dem Anspruch
Vorwort
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einer Zusammenführung kann der CBV im Sinne der Ebnung einer gemeinsamen Perspektive sicherlich Genüge leisten. Voraussetzung hierfür ist zumindest ein terminologischer Grundkonsens, der als Plattform für den Austausch zwischen den Vertretern aus den verschiedenen betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen im Sinne einer einheitlichen Sprache dient. Im Sinne einer gemeinsamen Perspektive kann der CBV dann auch inkommensurable (Theorie-)Elemente, wie sie auf der Tagung in Friedrichshafen kritisiert wurden, verdauen. Dass ein solcher terminologischer Grundkonsens mittlerweile herbeigeführt wurde, hat das Symposium in Marburg aufgezeigt. Waren die ersten Symposien zum Strategischen Kompetenzmanagement noch von einem babylonischen Kompetenzsprachengewirr geprägt, so eröffnet(e) kaum mehr einer der Marburger Tagungsbeiträge den inhaltlichen Diskurs mit ausschweifenden, elementaren Begriffsklärungen und Abgrenzungen à la „Wie sind Ressourcen von Kompetenzen abzugrenzen?“. Um dem Paradigmenanspruch jedoch gerecht werden zu können, ist mehr als nur die Ebnung einer gemeinsamen Perspektive und weite Akzeptanz in der Betriebswirtschaftslehre erforderlich. Als weitere Bedingung gilt es, ein Theoriegebäude bereitzustellen, welches auf in sich konsistenten Axiomen, Schlüsselkonzepten und zentralen Kernaussagen (Hypothesen) basiert. Zwar ist der Ansatz noch weit davon entfernt, ein solches Theoriegebäude liefern zu können, jedoch hat die Resonanz auf den Call for Papers für das Symposium 2009 deutlich gemacht, dass immerhin Einigkeit bezüglich der größten Lücken besteht: Ein großer Teil der eingereichten Beiträge zielte auf sehr ähnliche Problemfelder und Baustellen des Ansatzes ab. Es war deshalb vergleichsweise einfach, eine Ordnung in die Vielzahl der eingereichten und angenommenen Tagungsbeiträge zu bringen und damit auch die Themenfelder des Symposiums festzulegen. Mit dem Themenfeld der Ressourcen- und Kompetenzeinbettung in unternehmensübergreifende Beziehungen wurde insbesondere die Frage nach dem geeigneten Akteurskonzept in den Mittelpunkt der Debatte gestellt. Der Themenschwerpunkt zur Ambidextrie rückt dagegen mit der Idee der Balance zwischen Exploration und Exploitation eine Kernhypothese bzw. ein Schlüsselkonzept in den Mittelpunkt der Betrachtung. Als größte Lücke wird (im ersten Themenschwerpunkt) von zahlreichen Vertretern (in mehr oder minder scharfer Form) der Mangel in der genauen Bestimmung und Operationalisierung des Kompetenzkonstrukts (jenseits eines oberflächlichen terminologischen Grundkonsenses) kritisiert. Diese konzeptionelle Lücke den zentralen Schlüsselbegriff betreffend hat direkte Implikationen für eine weitere Bedingung, die auf dem Weg zum Schlüsselparadigma erfüllt werden muss: die empirische Validierung. Zwar zeigt die große Zahl an Beiträgen, in deren Zentrum empirische Untersuchungen stehen, das Bemühen diesen Mangel zu beheben. Jedoch kann eine gründliche empirische Validierung des Ansatzes nur auf Basis einer sauberen
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Vorwort
Operationalisierung des Kompetenzkonstrukts erfolgen. In einem ersten Schritt hin zu einer sauberen Operationalisierung (mit dem Fernziel der Entwicklung eines Vademecums der empirischen CBV-Forschung) bedürfte es einer kritischen Klassifikation und Landkarte der verschiedenen Kompetenzbegriffe. Einige Beiträge schlagen solche Klassifikationen vor, ein Konsens besteht diesbezüglich jedoch noch nicht. Die eingangs aufgeworfene Frage nach dem Paradigmenanspruch muss demzufolge (noch) mit einem klaren Nein beantwortet werden. Trotz der skizzierten Defizite besteht ein berechtigter Anlass zur Hoffnung, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich eine Vielzahl von Nachwuchswissenschaftlern der kritischen Auseinandersetzung mit dem CBV verschrieben hat. Diesen Nachwuchswissenschaftlern bot sich auf dem diesjährigen Symposium erstmals eine eigenständige Plattform zum Austausch: Zum Auftakt der Tagung wurde ein Doktorandenkolloquium durchgeführt, welches auf große Resonanz gestoßen ist und sich als rege und erfrischend kritische Diskussionsplattform erwiesen hat. Für die Unterstützung des Symposiums durch die Firma Roth Industries GmbH & Co. KG, Alumni Marburg e.V., den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften sowie die Universitätsstiftung der Philipps-Universität Marburg möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken. Ein besonderer Dank gilt auch Frau Christel Dehlinger vom Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement sowie allen studentischen Mitarbeitern, die zum Gelingen der Veranstaltung maßgeblich beigetragen haben. Fand die vorangegangene Tagung in Friedrichshafen auf dem BodenseeSchiff MS Lindau noch auf schwankendem Boden statt, so bot der Tagungsort in Marburg – das Landgrafenschloss mit seinen Wehrmauern und Festungsanlagen – ein solideres Fundament. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Verfestigung auch auf die konzeptionelle Fundierung des Competence-based View übertragen wird. Dies wird spätestens die kommende Tagung an der Johannes Kepler Universität in Linz im Jahr 2011 zeigen.
Michael Stephan Wolfgang Kerber Tim Kessler Michael Lingenfelder Philipps-Universität Marburg, Marburg, im März 2010
Inhaltsverzeichnis Vorwort ....................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ......................................................................IX
Teil I Entwicklung des Kompetenzbegriffs und Herausforderungen der Theoriebildung Manfred Moldaschl Das Elend des Kompetenzbegriffs: Kompetenzkonstrukte in der aktuellen Unternehmenstheorie.........................................3 Nina Katrin Hansen/Wolfgang H. Güttel/ Elena P. Antonacopoulou Induction Practices and the Continuous Recreation of Organizaional Memory..............................................................41 Alexander Martin/Nina Katrin Hansen Dynamische Kompetenz als reflexiv-kreatives Handeln......................................................................................57 Michael Lingenfelder/Christina Stadler Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum: Erfassung und Konsequenzen ......................87
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Inhaltsverzeichnis
Teil II: Kompetenzsicherung und Management von (Innovations-)Kooperationen Heike Proff/Benedikt Hofmann Bedeutung des strategischen Kompetenz-Managements für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen ................................... 115 Martin Schneider Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie............................................................139 Christopher Gresse Die Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissens- und Technologietransfer in verteilter Teamarbeit und F&EKooperationen .........................................................................165 Julia Vesshoff/Jörg Freiling Entwicklung von Kundenintegrationskompetenz – Eine Analyse am Beispiel von Innovationspartnerschaften ....195 Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen: Eine Analyse von Kooperationsprojekten zwischen Industrie und öffentlicher Forschung.............................................................225
Inhaltsverzeichnis
Marion A. Weissenberger-Eibl/Johann Schwenk Dynamic Relational Capabilities (DRC) – Dynamische Beziehungsfähigkeiten und interorganisationaler Wissenstransfer von Unternehmen ..........................................255 Michael W. Busch/Marcus Lorenz Shared Mental Models – ein integratives Konzept zur Erklärung von Kooperationskompetenz in Netzwerken..........277
Teil III: Empirische Befunde zum CBV Martin Friesl Kompetenz-Management als Praxis: Empirische Befunde der deutschen Biotechnologie-Branche .........................................309 Hanna Fearns/Martina Schott Kompetenzmanagement live! Entwicklungskompetenz als Metakompetenz für Unternehmen – eine empirische Untersuchung...........................................................................331 Christoph Burman/Lars Blinda Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale eines identitätsbasierten Markenmanagements.................................359
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Inhaltsverzeichnis
Birthe Soppe/Michael Stephan Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern: Eine empirische Studie .....................387 Christoph Rasche/Tiziana Margaria/ Andrea Braun von Reinersdorff Value delivery through IT-based healthcare architectures: Towards a competence-based view of service.........................417 Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen: Kalkulation von IT Services und wirtschaftliche Erfolgskontrolle durch Prozessautomatisierung .....................445
Teil IV: Interdisziplinäre Ansatzpunkte und Erweiterungsperspektiven des CBV Irene Antoni-Komar/Christian Lautermann/Reinhard Pfriem Kulturelle Kompetenzen Interaktionsökonomische Erweiterungsperspektiven für den Competence-based View des Strategischen Managements .....465
Inhaltsverzeichnis
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Tino Michalski Das Innovationsmanagement internationaler Unternehmen als multifokaler Balanceakt – Eine Analyse aus der Perspektive des Strategischen Kompetenz-Managements ......491 Wolfgang Burr/Torsten Frohwein Ressourcen, Verfügungsrechte und Innovation als Determinanten verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile: Ansatzpunkte zur Integration des Verfügungsrechtemanagements in das Ressourcen- und Kompetenzmanagement...............................523 André P. Slowak The Evolution of XML: Ambiguity in Standards Scope .........555 Bernd Schiemenz Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen ........................................................585 Autoren/Teilnehmerverzeichnis .............................................. 611
Teil I Entwicklung des Kompetenzbegriffs und Herausforderungen der Theoriebildung
Das Elend des Kompetenzbegriffs Kompetenzkonstrukte in der aktuellen Unternehmenstheorie Wenn einer, der mit Mühe kaum gekrochen ist auf einen Baum schon meint, daß er ein Vöglein wär so irrt sich der. Wilhelm Busch (über Kompetenz und Identität)
Abstract................................................................................................................ 4 1
Erfolg als Krisenindikator? ...................................................................... 5
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Das Elend der Begriffe oder der Segen der Divergenz ............................ 7
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Der Kompetenzbegriff – competitive maps............................................ 11
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Das Elend der Operationalisierung – fünf Beispiele .............................. 19 4.1 Globale Inputvariable: Absorptive Capacity (Cohen/Levinthal 1990) .............................................................. 22 4.2 Input-Output-Relation: Exploitation Capacity (Zahra/George 2002)................................................................... 23 4.3 Dynamic Holistic etc. Competence (Sanchez 2004) ................... 24 4.4 Subjektive Erhebung von Reconfigurability (Pavlou/El Sawy 2005) ............................................................... 27 4.5 Dienstleistungskompetenz (Moog 2009) .................................... 30 4.6 Zwischenfazit .............................................................................. 33
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Manfred Moldaschl
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Alternativen ............................................................................................ 34
Literatur ............................................................................................................. 38
Abstract Definitionen und Operationalisierungen des Kompetenzkonstrukts sind bislang diffus oder tendieren ins Tautologische, verdoppeln Funktionen in Kompetenzbegriffen (Personalselektion = Selektionsvermögen; Personalführung = Führungskompetenz, etc.). Bislang findet man eher Konsens im Beklagen eines Mangels an nachvollziehbaren und operationalen oder überhaupt expliziten Definitionen von Unternehmenskompetenz; man findet eher Zustimmung zur Diagnose uneinheitlicher Bestimmungen als klare Übersichten über Kompetenzkonstrukte der einzelnen Forschergruppen. Mein Beitrag zeichnet daher semantische Landkarten des Kompetenzbegriffs, anhand derer sich die inhaltlichen Bestimmungen, theoretische Verortungen und die Operationalisierungen verschiedener Ansätze vergleichen lassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, daß es einer Forschungsrichtung nicht schaden kann, sich gelegentlich mit ihrem Zentralbegriff zu befassen. Da das Ergebnis der auf dieser Basis vorgenommenen Analyse einiger Operationalisierungen als deprimierend empfunden werden könnte, schließt der Beitrag mit einer kurzen Skizze möglicher Alternativen.
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Erfolg als Krisenindikator?
„Der Competence-based View auf dem Weg zum Schlüsselparadigma in der Managementforschung?“ So lautete das Motto der Tagung, der dieser Beitrag den Anlaß verdankt.1 Aus der Sicht der Vertreter dieses Ansatzes mag das ermutigend sein. Andere könnten in dem Szenario eher eine Drohung sehen, oder eine Krisendiagnose. Ein Ansatz mit massiven theoretischen Schwächen schickt sich an, andere bislang dominierende Ansätze mit anderen Schwächen von Platz eins der Hitparade im Managementdiskurs abzulösen. Je nach theoretischer Präferenz oder persönlicher Affiliation wird der Leser fragen, wie er an diesem Siegeszug teilhaben – oder was er dagegen tun kann. Kritiker der Competence-based View (CBV/DCV) könnten sich allerdings auch, dem Kuhnschen Phasenmodell des Paradigmenwandels folgend (Kuhn 1967), zurücklehnen und beschließen, nichts zu tun, weil das Paradigma auf dem Weg zur Normalwissenschaft ohnehin seinen Zenith überschritten hat. Als mittlerweile mehr oder weniger herrschende Folklore wäre bei ihr zu erwarten, daß die Widersprüche zwischen ihren Erklärungen und den empirischen Beobachtungen zunehmend Löcher in den argumentativen Schutzwall ihrer Verteidiger schießen, bis es schließlich unter dem Druck der Evidenz (bzw. der sie vorbringenden Angreifer) zusammenbricht.2 Nur, das dauert. Denn zum einen war die Familie der ressourcenorientierten „Views“ bislang empirisch nicht nur schwach auf der Brust. Sie verfügt zudem über einige Immunisierungsmechanismen, die sie bestens gegen Falsifizierung schützen. Dazu gehört etwa ihr notorischer Unwille, Kompetenz in prüfbarer Weise zu operationalisieren. Erst jüngst scheint sich das mit einer Welle von Dissertationen zu ändern (vgl. Abschnitt 4). Zum anderen werden die Angreifer wohl erst die nächste Generation von WissenschaftlerInnen bilden. Jene, die sich durch Abgrenzung vom Etab1
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Diesem Ansatz rechne ich hier auch Konzepte wie jenen der Absorptive Capacity und der Dynamic Capabilities zu, die manche als eigene view bezeichnen (DCV). Wer die Geschlechtsumwandlung des englischen Begriffs view vom Neutrum ins Maskulinum erfunden hat, ist mir unbekannt; ebenso, warum dem viele folgen. Gemäß der deutschen Übersetzung des Begriffs in Sichtweise, spätlateinisch Perspektive, werde ich das Femininum verwenden. Daß ich in der 1. Person schreibe, ist eine stilistische Entscheidung, die mit meiner erkenntnistheoretischen Position zu tun hat. Es ist zugleich ein Statement gegen den akademischen Habitus, sich als Forschersubjekt ungelenk hinter dem objektivistischen Passiv zu verstecken („es muß zum Schluß gekommen werden“), um „wissenschaftlicher“ zu wirken und weniger Angriffsfläche zu bieten. Das kann man durchaus analog sehen zu jener Denkfigur des Erfolgs als Risiko auf Unternehmensebene, die, u.a. vertreten von Leonard-Barton (1992) mittlerweile auch im Denkbetrieb der CBV angekommen ist.
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lierten zu profilieren suchen, während die Verteidiger sich mit allerlei Zusatzerklärungen und ceteris paribus bis zum Ausscheiden aus dem Wissenschaftsbetrieb an das Paradigma klammern, das ihnen während ihrer „Laufzeit“ das akademische Ein- und Auskommen sicherte. Im Moment scheint es für die wissenschaftliche Nachfolgegeneration aber wohl attraktiv, sich einer noch im Aufschwung befindlichen Denkgewohnheit anzuschließen. Auf der anderen Seite konzediere ich gern und mit Evidenz gegen Kuhn: schärfere Einwände gegen die CBV/DCV als meine (z.B. Moldaschl 2006, 2007a, 2009) habe ich noch keine gelesen – und werde dennoch zu Tagungen ihrer Vertreter eingeladen. Das ist souverän. Es spricht auch für die BWL als relativ pluralistische Disziplin, verglichen etwa mit der VWL. In einem früheren Beitrag (Moldaschl 2006) hatte ich argumentiert, man könne diese Überlegungen, die mangels Konsistenz und Stringenz noch keine Theorie darstellen (so auch Freiling et al. 2007), auf zwei Weisen sinnvoll weiterentwickeln. Zum einen, indem man sie paradigmatisch verortet, sie an ein ihr gemäßes Paradigma zurückbindet und danach ihre Annahmen systematisch auf Kommensurabilität mit diesem Paradigma prüft. Das würde auch die Neigung mancher AutorInnen begrenzen, dort, wo die Schwachstellen der CBV unübersehbar sind, eklektisch auf Interpretamente anderer Theorietraditionen und Paradigmen zurückzugreifen. Als das ihr naheliegendste Paradigma hatte ich dabei die Sozioökonomie bzw. den kulturhistorischen Ansatz innerhalb der Evolutorischen Ökonomik identifiziert. Der zweite Teil des Weges bestünde darin, nun überall dort, wo diese Schwächen offengelegt wurden, von den paradigmatischen Prämissen ausgehend prüfbare und kommensurable Annahmen zu formulieren, also systematisch Theorieentwicklung zu betreiben. Das schließt ein, inkommensurable Interpretamente zu entfernen und sie durch Annahmen zu ersetzen, die mit den paradigmatischen Prämissen vereinbar sind. Der größte Bedarf bestünde hier bei der Einführung eines Akteurskonzepts mit der Möglichkeit von Interessendivergenz und konkurrierenden Strategien. Natürlich gehören diese beiden Zugänge zusammen. Im vorliegenden Beitrag arbeite ich aber nur an einer Ecke weiter: am Begriff. Für einen Ansatz, der den Kompetenzbegriff so zentral im Wappen führt, sollte hartnäckige Arbeit an seiner Bestimmung und Operationalisierung selbstverständlich sein. Daß das jedoch keineswegs der Fall ist, gab meinem Beitrag den Titel und das Ziel.3 Ich werde mich also nachfolgend mit diesem Schlüssel3
Das ist seltsam, aber in der Wissenschaft auch nicht so ungewöhnlich. Es gab beispielsweise eine große Forschergruppe, die an einer Theorie reflexiver Modernisierung arbeitete und dem Begriff Reflexivität zentrale Bedeutung einräumte, an seiner Definition aber verblüffend wenig Interesse
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begriff auseinandersetzen, und zwar auf zwei Ebenen. Zum einen geht es um Kompetenzkonstrukte selbst, zum anderen aber um Denkstile im Umgang mit diesen und ihrer Divergenz. Diese beiden Betrachtungen – eine objektbezogene und eine diskursbezogene bzw. epistemische – laufen mehr oder weniger parallel.
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Das Elend der Begriffe oder der Segen der Divergenz
Der Sammelbegriff Strategisches Kompetenzmanagement, den einige in diesem Band versammelten AutorInnen zunehmend als gemeinsame Plattform zu akzeptieren scheinen, ist passend und problematisch zugleich. Passend, weil der Begriff „Management“ erstens keine konsistente Theorie voraussetzt und das Diskursfeld somit für unterschiedliche Kompetenzkonstrukte offen hält. Zweitens, weil er die Zielstellung vieler Beitragender zutreffend benennt: Es geht um die Herstellung von Managementwissen, nicht primär um Erklärung. Problematisch ist er, soweit er damit einer alten Präferenz der Betriebswirtschaftslehre für normatives Managementwissen folgt und weniger dem Anspruch, theoretisch und empirisch gut begründete Wissenschaft zu betreiben. Für ersteres reicht eine „view“, eine Perspektive bzw. ein „Konzept“ oder „Ansatz“. Letzteres hingegen kommt nicht ohne den Anspruch aus, eine Unternehmenstheorie zu haben oder zu entwickeln. Meines Erachtens ist eine realitätsnahe „view“, die viele Interpretamente integrieren kann, allemal besser als ein „Modellplatonismus“ im Sinne von Hans Albert (1959). Ein solcher opfert die Realitätsnähe der Sparsamkeit seiner Annahmen und der formalen Eleganz (so bezeichnet man gerne die bloße Rechenhaftigkeit) seines Modells. Die Umkehrung dieser Methode kann freilich keine Regel sein: Es gibt auch gute Theorie und (viel) schlechten Eklektizismus. Und am besten ist eine gute Theorie, aus der sich überprüfbare – und mit denen Theorien konkurrierende – Annahmen ableiten lassen. Proff und Haberle (2008: 448) meinen allerdings, einen Trend ausmachen zu können, wonach sich der Diskurs zunehmend auf die Entwicklung von einer „kompetenzbasierten“ Theorie der Wettbewerbsvorteile zu einer „kompetenzbasierten“ Theorie der Unternehmung konzentriere. Als Optimismus teile ich das gern, nicht aber als Diagnose. Und das nicht nur aufgrund meiner andersartigen Beobachtungen, sondern auch deshalb, weil ich die Ansicht nicht teile, man könne auf dem Kompetenzzeigte (vgl. Moldaschl 2005). Im Handbuch Arbeitssoziologie moniert einer der Herausgeber, das Fach habe die Frage, was Arbeit sei, „selten ernsthaft gestellt und schon gar nicht intensiver behandelt“ (Voß 2010: 23). Aber das muß man sich ja nicht zum Vorbild nehmen.
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begriff eine überzeugende Theorie der Unternehmung begründen. Doch dazu später. Was also ist es nun, worüber und worin wir sprechen: eine (Sub)Disziplin, eine Theorie, ein transdisziplinäres Forschungsfeld, ein Diskurs? Im Englischen, dieser mehr von der Semantik als von der Grammatik bestimmten Sprache, in der sich Bedeutung stärker als etwa in romanischen und slawischen Sprachen vom Kontext her bestimmt, geht man mit Begriffen etwas liberaler um. So ist es spätestens seit Senges „Fifth Discipline“ (1990) etwa üblich geworden, von einer „discipline of organizational learning“ zu sprechen, die Ähnliches behandelt wie das Strategische Management: die Fähigkeit von Organisationen, ihren eigenen Wandel zu organisieren, statt dies externen Experten (Organisationsentwicklern) zu überlassen. Nachdem Argyris und Schön mit ihrer theory of organisational learning (1978) den Term Organisationslernen eingeführt hatten und weitere Theorien hinzukamen, mag der Begriff „Disziplin“ für das so abgesteckte Feld brauchbar erscheinen. Aber sollten wir – sobald es mehr als eine Theorie dazu gibt – auch von einer Disziplin der Froschkrankheiten (Ranapathologie) sprechen, oder einer der unerwünschten Lohneffekte (Contraintentio-Stipendiologie)? Wieviele Millionen Disziplinen müssten dann an einer Universität vertreten sein? Nachfolgend werde ich deshalb meist von einem Diskurs sprechen, und damit auch und insbesondere die Funktion der wechselseitigen Kritik hervorheben. Forschungsfeld würde tendenziell auch passen. Aber nicht jeder, der dazu mehr oder weniger Gehaltvolles beiträgt, forscht auch. Und ob es sich um ein einheitliches Feld handelt, ist auch fraglich. Daß auch der Begriff theory of the firm weitgehend „liberal“ benutzt wird, abwechselnd mit view oder anderen Begriffen, zeigt, daß man es auch mit dieser Unterscheidung nicht so genau nimmt; dann wohl auch nicht mit den Konsistenzansprüchen. Das schlägt sich in einer Intransparenz, mitunter auch Beliebigkeit der verwendeten Kompetenzkonstrukte nieder, wie wir gleich sehen werden. Die Kritik an der Uneinheitlichkeit der Definitionen und Konstrukte bzw. die verbreitete Klage, es gebe „keinen einheitlichen“ Kompetenzbegriff, ist allerdings naiv und abwegig. Man kennt sie und kann sie verstehen bei Studienanfängern, die von der Wissenschaft eine sichere Antwort erwarten; weil man ihnen Wissenschaft in der Schule so vorgestellt und dabei versäumt hat, sie ihnen als ein spannendes Ringen um die Interpretation oft uneindeutiger Phänomene zu vermitteln. Würden das Wesen der Dinge und die Erscheinungen in eins fallen, bräuchte es keine Theorie und keine Wissenschaft. Es hat keinen Sinn, Einheitlichkeit einzufordern oder sie abzuwarten. Diese Erwartung an „die Wissenschaft“ ist ähnlich verquer wie ein gerade in Deutsch-
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land verbreitetes Mißverständnis parlamentarischer Demokratie: „Wie kann man eine Partei wählen, in der sich die Flügel selbst nicht einig sind?“ Streit darf es in dieser View nur zwischen den Parteien geben. Das Wesen der Wissenschaft ist freilich erst recht der (fraktionszwang)freie Wettbewerb um die bessere Definition, Beschreibung, Erklärung. Die Rationalität ist prozessual und liegt hier, wie in der Demokratie, im Diskurs. Auch wenn das nur im Prinzip gilt und nicht die „irdische“ Realität wissenschaftlicher Wissensproduktion beschreibt, mit ihren Machtspielen, Eifersüchteleien, Nachbetereien und allgegenwärtigen Konformismen. Die typischen Argumentationsmuster im Umgang mit heterogenem wissenschaftlichen Wissen lassen sich wie in Abbildung 1 darstellen. Man kann aus dem Fehlen einer „allgemein anerkannten“ oder „breit akzeptierten Definition“ folgern, es handle sich (a) um ein unreifes Forschungsfeld oder eine unreife wissenschaftliche Disziplin. Dergleichen läge dem klassisch-rationalistischen Denkstil sehr nahe. Man kann aber auch (b) folgern, der wissenschaftliche Kenntnisstand sei in seiner Pluralität zur Kenntnis zu nehmen bzw. (die anspruchsvollere Variante) erst einmal vergleichend zu ordnen, um darüber zu einem besseren, mehrperspektivischen Verständnis des Gegenstands zu gelangen. Das entspräche eher einem konstruktivistischen Denkstil. Oder man gibt sich (c) mit der beobachtbaren Divergenz und/oder Überlappung der Ansätze nicht zufrieden und sucht nach einer besseren, „tieferen“ Fundierung. Johan Galtung (1983) hätte das vielleicht einen „teutonischen“ Denkstil genannt, ihm aber wohl nicht jegliche Vorzüge abgesprochen. Im Fall (a) hat man wiederum drei Optionen, speziell als Nachwuchswissenschaftler/in: das Feld gleich wieder verlassen und nach festem Boden suchen; es beobachten, um im rechten Moment auf den anfahrenden Zug zu springen; oder sich im emergierenden Feld eine Nische anlegen und sich dieser oder jener Definition und Operationalisierung bedienen, um daraus eine eigene Bricolage für die Qualifikationsarbeit zu basteln. Im Fall (b) hat man zwei Optionen, nämlich deskriptive oder genetische (analytische) Typologien zu erstellen. Deskriptive Landkarten des Feldes verlangen weniger Wissen und machen weniger Arbeit, was ihre entschieden größere Verbreitung erklären mag. Genetische Landkarten führen Begriffe – hier Kompetenzkonstrukte – auf zugrunde liegende Theoriearten oder Paradigmen zurück.4 Mit dem Ergebnis der beiden Verfahren kann man wiederum auf jeweils zwei Weisen umgehen. Im deskriptiven Modus kann man sich entscheiden, ob man alle Definitionen oder aus allen Definitionen etwas 4
Die im Bereich der Organisations- und Managementforschung wohl bekannteste analytische Landkarte ist das Vierfelder-Schema der Organisationstheorien von Burrell/Morgan (1979, 21ff.)
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verwendet, oder ob man sich aus irgendwelchen Gründen für eine entscheidet. Im analytischen Modus kann man sich entscheiden, ob man sich nach einer Abwägung konzeptioneller Stärken und Schwächen für einen Ansatz entscheidet, oder einen integrativen anstrebt, in dem man die Schwächen des einen durch Rückgriff auf den anderen Ansatz zu kompensieren sucht. In unserem Themenfeld etwa wurden Kombinationen von ressourcentheoretischen mit institutionentheoretischen Argumentationen vorgeschlagen. In der Variante (c) schließlich geht es um eine eigenständige Begründung, nicht um Fusionen; so etwa Freiling et al. (2007); und auch wir mit einen anderen Zugang (vgl. Abschnitt 5).
Abbildung 1: Optionen des Umgangs mit konzeptioneller Inhomogenität Es kommt also darauf an, die jeweiligen Konstrukte von Kompetenz möglichst präzise zu definieren und operational so zu fassen, daß die aus ihnen abgeleiteten Annahmen bzw. Aussagen durch Beobachtung überprüfbar werden. Ebenso sollte das Verhältnis von Konzept und Operationalisierung durch die Veröffentlichung letzterer überprüfbar werden. Wollen wir die aktuell angebotenen Kompetenzbegriffe kritisch beleuchten, müssen wir sie zunächst einmal ordnen – anhand der Ansätze, denen sie entstammen. Können wir hier einen Erkenntnis-
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fortschritt ausmachen, oder nur zunehmende Vielfalt von Kompetenzzuschreibungen? 1. Wissenschaftlichen Fortschritt erzielen wir in der Regel nicht über „integrative Definitionen“ und die Aufblähung eklektischer Sammelbehälter für Annahmen („Konzepte“, Views); wir erzielen ihn über die klare Abgrenzung unserer Annahmen, Begriffe und Operationalisierungen von anderen. Nur das ermöglicht Wettbewerb um die bessere Erklärung. 2. Typologien sind gleichwohl nützlich, soweit sie nicht lediglich deskriptiv bzw. enumerativ sind; sie sollten ordnen, indem sie die Grundannahmen von Konzepten, Konstrukten oder Theorien vergleichen bzw. anhand dieser zuordnen. 3. Wer nicht eigene empirische Forschung anstellt, sondern Befunde resümiert bzw. Diskurslandkarten zeichnet, dem bleibt die Möglichkeit, sich einem der Konzepte anzuschließen („entscheiden“), oder eine eklektische, „integrative“ Sicht zu wählen. 4. Wer eigene empirische Forschung anstellt, ist zur Reduktion gezwungen, soll das Ergebnis nicht die Beliebigkeit vieler CBV-Studien haben. Der Trost (s.o.): Die Rationalität liegt im Diskurs.
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Der Kompetenzbegriff – competitive maps
Deskriptive Typologien der kompetenzorientierten Unternehmensforschung (um hier noch eine weitere Bezeichnung des Diskurses vorzuschlagen) gibt es mittlerweile viele. Der Dissertationsbetrieb ist eine zuverlässige Quelle solcher semantischer Landkarten, da sich dessen Mitglieder ja zunächst einmal obligatorisch im Begriffsraum des von ihnen bearbeiteten Forschungsfeldes verorten müssen. Was hat der gesagt, was jene, wem schließe ich mich an, von wem grenze ich mich ab? Deskriptive Typologien des Kompetenzbegriffs bleiben weitgehend auf der semantischen bzw. definitorischen Ebene und dringen kaum vor zur generativen Grammatik dieser Begriffe, zu den theoretischen Grundannahmen und paradigmatischen Prämissen. Nehmen wir als Beispiel – eines genügt völlig – die von Krogh und Venzin (1995) vorgelegte und von Schimmel (2007) etwas aktualisierte Übersicht (Tabelle 1). Wie auf den ersten Blick erkennbar, handelt es sich hier um eine Sammlung von Konzepten, die zwar alle (auch) auf Kompetenzen in Unternehmen abstellen, von denen aber aktuell nur zwei dem „strategischen Kompetenzmanagement“ zugerechnet werden. Nur die CBV und die KBV („capabilities“) und der
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Manfred Moldaschl
Kernkompetenzansatz thematisieren primär Kompetenzen von Unternehmen. Was ferner ins Auge springt, ist, daß nur Ansätze in der ressourcenorientierten Tradition des strategischen Managements adressiert werden, sowie ein Segment der Wissenskapitaldebatte. Viele andere Traditionen, die sich mit organisationalen Fähigkeiten befassen (vgl. Moldaschl 2006), kommen nicht vor, etwa solche zum Organisationslernen oder entsprechende Teile der Innovationsforschung. Kaum zu übersehen ist schließlich, daß die semantische Klassifikation nicht viel Konstrukt
Beschreibung
Autoren (Auswahl)
invisible assets
Unsichtbare Vermögenswerte: auf Informationen basierende Ressourcen (z.B. Kundenvertrauen, Markenname, …, Servicegrad, Unternehmenskultur, Fähigkeiten des Managements Nicht-greifbare Ressourcen: nichtgreifbare Vermögenswerte, die einer (juristischen) Person gehören können, werden von Fähigkeiten (synonym: Kompetenzen) unterschieden, die nicht einfach übertragbar sind (z.B. Know-how von Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden) Strategische Vermögenswerte: Bündel von Ressourcen und Fähigkeiten, die schwer transferierbar und imitierbar, selten, passend und spezialisiert sind; verleihen Wettbewerbsvorteile Fähigkeiten: Kapazität eines Unternehmens, Ressourcen zu verwenden; basieren primär auf den Organisationsprinzipien, mit denen Wissen strukturiert, koordiniert und kommuniziert wird
Itami/Roehl (1987)
intangible resources
strategic assets capabilities
core competencies
intellectual capital
Kernkompetenzen: Kombination von Fähigkeiten und Technologien, die auf Wissen beruht und sich durch zeitliche Stabilität und produktübergreifenden Einfluß auszeichnet; darüber hinaus generieren sie einen Wert beim Kunden, sind einzigartig, schwer imitierbar und transferierbar und sind synergetisch mit anderen Kompetenzen verbunden; zudem verschaffen sie Zugang zu neuen Märkten Intellektuelles Kapital (Wissenskapital): Gesamtheit des Wissens und der Fähigkeiten im Unternehmen; Ressourcen im Unternehmen, die keine physischen Eigenschaften aufweisen (nicht materieller Art sind), gelten als Quelle für künftigen wirtschaftlichen Erfolg, sind hervorgegangen aus vorangegangenen Ereignissen oder Transaktionen, können vom Unternehmen gesteuert werden
Hall (1992, 1993)
Dierickx/Cool 1989, Amit/Shoemaker (1993) Grant (1991, 1996b, 1997) Zander/Kogut (1995) Stalk et al. (1992) Bartmess/Cerny (1993) Leonard-Barton (1992, 1995) Teece et al. (1997) Prahalad/Hamel (1990), Hamel/Prahalad (1994, 1995, 1996), Hamel/Heene (1994)
Brooking (1996, 1997), Edvinsson/Sullivan (1996), Edvinsson (1997), Edvinsson/Malone (1997), Roos/Roos 1997, Roos (1997, 1998), Sveiby (1998a), Reinhardt (1998, 2000)
Tabelle 1: Kompetenzkonstrukte nach Krogh/Venzin (1995); Schimmel (2007: 194)
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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weiterführt: in allen Bestimmungen kommen jeweils Wissen und Fähigkeiten vor, teils nur in unterschiedlicher Benennung (Kapazitäten, Kompetenzen, Vermögen, Ressourcen). Eher bedeutsam sind dann schon die Über-/Unterordnungsrelationen: Wissen als Oberbegriff, als Objekt der sie nutzenden Kompetenzen, oder – worst case der Beliebigkeit – als bloßes Synonym. Was alle genannten Begriffsschulen eint, ist ihre Betonung des impliziten Wissens als eines nicht beliebig handelbaren Gutes. Kommen wir zu genetischen Typologien, oder zunächst zu einer Art Zwitter, den Güttel (2009: 129) vorgeschlagen hat (vgl. Abbildung 2). Ob seine Anordnung der Konzepte anhand von zwei Dimensionen – Strategische Relevanz und Komponenten der Kompetenz – eine Diskursmap oder ein Ordnungsvorschlag ist bzw. sein soll, erklärt Güttel zwar nicht ausdrücklich, aber das Schema kann beidem dienen. Das Konzept der Dynamic Capabilities stünde danach für die am höchsten aggregierten (kollektiven) Kompetenzen eines Unternehmens, die für seine langfristige strategische Ausrichtung (im prozessualen Sinn) relevant sind. Ebenso kollektiv, aber konkreter, fach- und branchenspezifischer wären das Kernkompetenzkonzept und solche organisationaler Fähigkeiten, etwa der Vermarktung. Das Adjektiv kollektiv steht dabei für die Idee, daß es sich um Kompetenzen handelt, die in lebendigen Vermögen von Personen wurzeln, aber nicht angemessen als bloße Summe dieser verstanden werden kann. Was weniger überzeugt, ist der unterschiedliche Charakter der Dimensionen – insbesondere die y-Achse scheint ad hoc gewählt. Während sie nur eine Dimension des Mehr oder Weniger beschreibt, beinhaltet die x-Achse eine theoretisch bedeutsame Unterscheidung, die in der Ressource-based View (und in den deskriptiven Typologien ohnehin) weitgehend fehlt: die zwischen Ressourcen und Kompetenzen. Hier ist sie ausgedrückt als Unterscheidung zwischen Ressourcen und Routinen. Zu einer genetischen Typologie kommt man entweder über die Substitution von ad hoc-Dimensionen durch theoretisch verortete Grundbegriffe, oder über eine Unterscheidung von Konstruktionsprinzipien jener Denkschulen, Views oder Theorien, welche die interessierenden Kompetenzkonstrukte bereitstellen. In einem früheren Beitrag hatte ich ein Ordnungsschema mit beiden Optionen vorgeschlagen (Moldaschl 2007a, vgl. Tabelle 2). In seinen beiden Spalten greift es eine Unterscheidung auf, die Anthony Giddens (1988) seiner Struktu rationstheorie, dem Entwurf einer Sozialtheorie zugrunde legt. Hier sind Regeln und Ressourcen die beiden Grundbegriffe zur Beschreibung sozialer (damit auch
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Manfred Moldaschl
hoch Strategische Relevanz
nieder
Dynamic Capabilities Kernkompetenzen Organisationale Kompetenzen
Ressourcen Produktionsfaktoren
Organisationale Grundfähigkeiten kollektive
singuläre Komponenten Elemente
Routinen
Abbildung 2: Diskursmap oder Ordnungsvorschlag? Güttel (2009: 129) organisationaler) ‚Struktur’. Nutzen und Grenzen dieser Unterscheidung kann ich hier nicht diskutieren.5 Jedenfalls lassen sich Ansätze recht gut danach voneinander abgrenzen, inwieweit sie eher Ressourcen oder eher Regeln in den Mittelpunkt ihrer Erklärungen von Unternehmensperformance stellen, und damit eher Bestände oder Handlungsweisen und Routinen. Praktisch keiner der im SKM diskutierten Ansätze (wie in Tabelle 1 aufgeführt) beachtet beides gleichermaßen, was der Unterscheidung erst empirische Relevanz verleiht. Als ernsthafte Kandidaten einer „kompetenzbasierten“ Theorie der Unternehmung kommen letztlich nur regelorientierte Ansätze in Betracht, in denen Ressourcen (Bestände, z.B. Wissen) zum Gegenstand mehr oder weniger kompetenter Nutzungsstrategien (Routinen) erklärt werden. Das ist ja der eigentliche clou der dynamic capability view: daß sie von der Bestandsperspektive auf eine der kontinuierlichen Kreation wechselt. Daß man in den 1990er Jahren innerhalb der RBV eine structural school und eine process school unterschied, wobei letztere erstere hinter sich ließ, mag man als eine den Proffschen Optimismus stützende Beobachtung nehmen. Die zweite Dimension des Vierfelder-Schemas ist eine der beiden grundlegendsten Unterscheidungen von Denkstilen in den Sozialwissenschaften, hier die nach methodologischen Paradigmen: Individualismus versus Institutionalismus 5
vgl. den genannten Text sowie zwei komplementäre Bücher von Günther Ortmann, deren eines sich mit Ressourcen (2003a), das andere mit Regeln und ihrem Gebrauch befaßt (2003b).
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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(oder mit Gruchy 1987 auch: Kulturalismus). Auch hier kann man eine klare Eignungsaussage treffen: Als Kandidaten für die Entwicklung einer kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung kommen letztlich nur institutionalistische Ansätze in Betracht. Solche also, welche Unternehmenskompetenz nicht allein oder primär in den Fähigkeiten des aktuellen Managements oder in der imaginären Kompetenzsumme der Unternehmensmitglieder sucht, sondern in Arrangements. Etwas optimistisch und ohne das hier ausführlich diskutieren zu können, habe ich drei mehr oder weniger institutionalistische Ansätze einem integrativen Feld zugeschlagen. Einem Denkmuster, in dem Regeln und Ressourcen als relevant betrachtet und auch so mehr oder weniger behandelt werden. Zum einen den Embeddedness-Approach (z.B. Granovetter 1997), der aber im Grunde nicht auf das einzelne Unternehmen fokussiert, und zwei Ansätze, die eine Competence Based Theory of the Firm sein (CBTF, Freiling et al. 2007) oder werden wollen (CBV). Auch unsere eigenen Arbeiten zielen auf dieses Feld ab.
Methodologischer Individualismus
Methodologischer Institutionalismus (Beispiele)
Ressourcen(orientierte) Theorien
Regel(orientierte) Theorien
RBV (structural school, industrieökönomische Variante)
ökonomischer Neoinstitutionalismus
KBV, Relational View Resource Dependence Theory Sozialkapitaltheorien (& Theorien des Vertrauens)
ökonomischer „Altinstitutionalismus“ soziologischer Neoinstitutionalismus Systemtheorien der Organisation
Embeddedness-Approach CBV, CBTF
Tabelle 2: Theoriefamilien: (Moldaschl 2007a: 36, hier modifiziert) Der ökonomische Neoinstitutionalismus bzw. die Neue Institutionenökonomik (NIÖ) ist der Idealtyp einer individualistisch regelorientierten Theorie (bzw. Theoriefamilie). Ihr Aufkommen und Erfolg haben den Diskurs zum Strategischen Management erneut mit Ansprüchen an eine theory of the firm konfrontiert, das muß man ihr gutschreiben. Es reicht nun nicht mehr, nur nach Erklärungen für komparative Wettbewerbsvorteile bzw. das Überleben des Unternehmens zu suchen (oder nur für höhere bzw. geringere Renditen) – man muß die Existenz und Funktionsweise des Unternehmens selbst erklären. Daß die NIÖ aber bislang wenig Anhaltspunkte bietet, Unternehmenskompetenz zu the-
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Manfred Moldaschl
matisieren, ist kein Zufall. Schließlich kann das Strategische Management maßgeblich auf der Ebene expliziter, rationaler Kalküle und deren Übersetzung in gute Regeln (Verträge) betrieben bzw. wissenschaftlich beobachtet werden. Offensichtlich aber bin ich schon einen Schritt zu weit, bei den die Begriffe generierenden Theorien. Diese sind für eine Genealogie der Konzepte und für die weitere Argumentation bedeutsam, doch unser Gegenstand hier sollten nur die Kompetenzkonzepte selbst sein. Sie möchte ich nun anhand von drei Dimensionen charakterisieren, die sich allerdings dreidimensional schlecht darstellen lassen. Die hier vorgeschlagene competitive map der Kompetenzkonstrukte besteht daher aus zwei Vierfelder-Matritzen (Tabellen 3 und 4). Beide beziehen sich nur auf Konzepte der Metakompetenz, auch „Innovationsvermögen“, „dynamic capabilities“ oder „change capabilities“ genannt. Die zugrundeliegende Frage ist, ob sie Verschiedenes oder Dasselbe bezeichnen. Daß sie alle dasselbe wollen, nämlich die Wandlungs- oder Anpassungsfähigkeit (nur) von Unternehmen erfassen, ist klar. Daß manche das aber auch unterschiedlich tun, wird in Tabelle 3 deutlich.
einzigartig
Transferierbarkeit
best practice
Materialität Routinen Wissen dynamic capabilities, Teece et organizational capability as al. 1997 knowledge integration, Grant Eisenhardt/Martin 2000 1996, Spender 1996 strategic change capabilities, Pettigrew/Whipp 1993 dynamic capabilities Zollo/Winter 2002
Combinative Capabilities Kogut/Zander 1992 FuE-Investitionen: absorptive capacity, Cohen/Levinthal 1990
Tabelle 3: Matrix ausgewählter Metakompetenz-Konzepte Die beiden Dimensionen, anhand derer ich die Unterschiede herausarbeite, Materialität und Transferierbarkeit, haben große theoretische Tragweite. Die Dimensionen der Materialität habe ich so benannt, um damit zu beschreiben, inwieweit die AutorInnen nur oder eher Bewußtseinsinhalte oder Vergegenständlichungen des Handelns akzentuieren, also eher kognitivistisch oder institutionalistisch argumentieren. Routinen spielen im institutionalistischen Denken eine wichtige Rolle, für manche die entscheidende (etwa Nelson/Winter 1982 und hierauf aufbauende Autoren).6 Meines Erachtens kann und darf sich institutiona6
“… the competitive advantage of firms stems from dynamic capabilities rooted in high performance routines operating inside the firm, embedded in the firm’s processes, and conditioned by its history” (1998: 209). Winter (2000: 983) spricht von “a high-level routine (or collection of
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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listisches Denken nicht auf sie beschränken. Den aktuellen Diskurs aber kann man damit durchaus trefflich abbilden. Routinen stehen für Praktiken, die mit wenig Bewußtseinszuwendung oder ohne sie funktionieren; Praktiken, in die Novizen schnell eingeübt werden können und die auch unabhängig von personellen Fluktuationen (und vom individuellen Bewußtsein) fortbestehen. Hier treffen sich die Institutionalismen aller Disziplinen: als Institutionen verstehen sie alle Arten von Regeln: kodifizierte ebenso wie informelle wechselseitigen Erwartungshaltungen in sozialen Gemeinschaften. Und eben Handlungsroutinen bzw. die Arrangements der Praktiken, die selbst als Metaroutinen verstanden werden können. „Härtere“ Institutionalisten würden ferner diverse materielle Arrangements hinzunehmen, etwa die Vergegenständlichung von Über/Unterordnungsverhältnissen und Kommunikationsbeziehungen in der betrieblichen Architektur, die freilich auch als kulturelle bezeichnet werden könnten (wie etwa bei Architekturstilen üblich). Insofern ist die dichotome Darstellung der beiden Dimensionen in Tabelle 3 nur einem Interesse an Übersichtlichkeit geschuldet. Tatsächlich sollte man die Dimensionen als kontinuierliche verstehen, in denen es z.B. weit mehr unterschiedliche Ausprägungen von institutionalistischem Denken gibt. Die Dimension der Transferierbarkeit steht in doppelter Weise für die grundlegende methodologische Positionierung der Kompetenzkonzepte. Zum einen geht es hier um die Frage der Einzigartigkeit oder Generalisierbarkeit betrieblicher capabilities (bzw. der Rezepte ihrer Zubereitung). Zum anderen um die Frage, mit welcher Methodologie man den vinkulierten oder doch als dekodierbar aufgefassten capabilities auf die Schliche kommen könne – und welche Art von Empfehlungen an Praktiker man damit aussprechen könne. Letzteres muß ich hier aussparen, obwohl oder besser weil das ein für den SKM-Diskurs ebenso zentraler wie sträflich vernachlässigter wunder Punkt ist. Auf der ersten Ebene also steht die Idee zur Debatte, inwieweit die interessierenden capabilities einzigartig und schwer imitierbar sind, implizit und auf komplexe Weise in materielle, kulturelle und handlungspraktische Arrangements eingewoben (wie es die RBV einst für die Ressourcen beschrieb); oder inwieweit sich doch bestimmte „Erfolgsfaktoren“ des „fähigen Kombinierens“ von Ressourcen ausmachen lassen. Keineswegs alle in Tabelle 3 genannten Ansätze folgen der Idee der Einzigartigkeit, die meines Erachtens die Stärke all jener mit der RBV verwand-
routines)”, Zollo und Winter von: “learned and stable pattern[s] of collective activity” (2002: 340).
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Manfred Moldaschl
ten Ansätze ist oder sein könnte, gegen alle mechanistischen Kontingenz- und Strategieansätze.7 Basierend auf diesen beiden Dimensionen sind nun einige der meistdiskutierten Kompetenzkonstrukte in Tabelle 3 verortet, wobei man die Trennschärfe von Tabellenkästchen nicht mit der diffuseren Begriffspraxis verwechseln sollte (the map is not the landscape, so Weick). Wir wollen nun aber wissen, welche Elemente von Kompetenz die Konstrukte konkret benennen – und welche davon sie ernsthaft behandeln. Da letzteres ein raumfüllendes Thema wäre, bleiben wir beim ersten. Tabelle 4 kreuzt nun die Dimension der Materialität bzw. Bewußtseins(un)abhängigkeit mit einer weiteren, die ich hier Aggregation bzw. Aggregationsniveau nenne. Sie beschreibt, ob und inwieweit Ressourcen und Kompetenzen elementar, auf individueller Ebene bestimmt werden, wobei deren Summe dann die Kompetenz der Unternehmung ausmacht; und inwieweit „systemisch“ bzw. institutionell argumentiert wird. Als Beispiele dienen in der Spalte „Wissen“ etwa die formale Qualifikation einer Person gegenüber der Qualifikationsstruktur einer Firma. Intuition und Kreativität, die ich hier den individuellen „Routinen“ zugeordnet habe, werden in den reviewten Beiträgen fast nie angesprochen – eine Folge ihrer Routinefixierung. Aus einer evolutorisch-institutionalistischen Perspektive gehören sie aber zu den sehr relevanten Bestandteilen kollektiver Vermögen (als individuelle Leistungen sowie als sie ermöglichende Kultur). In der Change- und Beratungsforschung, der neo-Schumpeterianischen Innovationsforschung, der Praxisforschung und in Arbeiten zum Organisationslernen spielen sie eine größere Rolle als im SKM-Diskurs.
Aggregation
individuell
institutionell
Komponenten von Kompetenz (Materialität) Wissen Routinen explizites Wissen, kognitive Schemata, Kenntnisse, Deutungsmuster, formale Qualifikationen Können, skills, Habitus, Erfahrung Intuition, Kreativität Wissensbanken, Regeln, Praktiken, Verfahren, (explizierte) Standards, Arrangements, Konfigurationen Patente, Designs, Kultur Qualifikationsstruktur
Tabelle 4: Matrix zur Analyse von Metakompetenz-Konstrukten, Teil 2
7
Eisenhardt und Martin (2000) etwa sehen im Routinecharakter der Fähigkeiten Regularitäten und Gemeinsamkeiten (“significant commonalities”), die sie wiederum als best practice identifizieren. Damit wären sie eben doch explizierbar und übertragbar.
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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Die Unterscheidung von zwei Aggregationsebenen (individuell/institutionell) erfolgt anhand der Frage: was ist an konkrete Personen gebunden, was nicht? Ihr wäre im Grunde noch eine Ebene kollektiver Kompetenz dazwischen einzufügen, die weder institutionell objektiviert ist noch lediglich als Summe individueller Kompetenzen aufgefasst werden kann; im Interesse der Übersichtlichkeit verzichte ich hier darauf. Wie nun die Komponenten der Ressourcen und Kompetenzen zusammenwirken, wäre dann die entscheidende Frage theoretischer Modellbildung. In Tabellenform lassen sich Annahmen dazu kaum darstellen. Man könnte höchstens argumentieren, Kompetenz bestehe darin, daß Prozesse der Spalte 2 auf Bestände der Spalte 1 zugreifen (z.B. Fähigkeit zur Mobilisierung expliziten Wissens). Metakompetenzdenker und solche, die analytischen Konstrukten praktische Existenz zuschreiben, würden aber wohl annehmen, das sei eine Ebene „darüber“ angesiedelt (Kompetenz = Konfiguration von Ressourcen & Routinen). Die Tabelle kann freilich dazu dienen, diese Fragen an jeden einzelnen Ansatz zu stellen. Um dem portraitierten Diskurs nicht allzu weit zu entlaufen, habe ich andere, ebenso relevante Komponenten organisationaler Vermögen in die Tabelle nicht eingetragen. Für sie wäre die Unterscheidung von Wissen und Routinen ohnehin zu eng. Ressourcenarten wie Sozialkapital oder Reputation bzw. symbolisches Kapital werden zwar vereinzelt erfaßt, letzteres etwa in Form der Markennamen, und Elemente des Sozialkapitals etwa von der Relational View (z.B. Duschek 2004), aber ansonsten kaum systematisch behandelt als Komponenten von Kompetenz. Ansätze zur Messung von Wissenskapital, die wiederum im SKMDiskurs kaum beachtet werden, erfassen solche Elemente regelmässig, schlagen sie aber einfach dem Wissenskapital zu (dazu Moldaschl 2010a). Definitorisch haben sie keinerlei Probleme damit, da sie fast durchweg ohne Theorie auskommen. Wir haben nun eine Begriffslandkarte, die – beim Einbeziehen weiterer Ansätze und Theorien erweiterbar – genutzt werden kann als relativ einfaches Schema zur Analyse von Kompetenzkonstrukten. Welche Elemente hält das betreffende Konstrukt für relevant, und welche setzt es konkret in der Operationalisierung um?
4
Das Elend der Operationalisierung – fünf Beispiele
Was ist der Grund für den vielfach kritisierten Mangel an empirischer Prüfung und Bewährung der Capability Views? Ist die operationale Wüste (Moldaschl
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Manfred Moldaschl
2007), der Mangel an Operationalisierungen der Konstrukte allgemeiner Unternehmenskompetenz eine Ursache? Oder ist dieser Mangel seinerseits eine erwartbare Folge der eigentlichen Konstruktidee? Wie soll eine „Metafähigkeit“, die praktisch alle Unternehmensressourcen und Kompetenzen umfaßt, überhaupt beobachtbar oder „messbar“ gemacht werden? Zumindest in einer forschungsökonomisch tragbaren Weise? Über möglichst viele, oder über möglichst wenige, hoch aggregierte Variablen? Wie sollen Dynamic Capabilities, die mehrheitlich als hochgradig implizit und idiosynkratisch, also schwer explizierbar und transferierbar beschrieben werden, nun doch so expliziert werden, daß kleinliche Wissenschaft sie in ihren Number Crunchern zu Korrelationen verarbeiten kann? Üblich war bisher: • • •
•
•
Ohne eigene Empirie aus allgemein vorliegenden Unternehmensdaten und geschichten die vermuteten Kern- und Veränderungskompetenzen ex post zu rekonstruieren (am weitesten verbreitet) In Fallstudien direkt vom Definitorischen in die Fallbeschreibung zu springen (wie Katzy et al. 2003 in einer Studie über Siemens) In quantitativen Studien nur abhängige Variable und dabei nur outcomeAspekte (performance) zu definieren, deren Variation man dann vorausgegangenen Lernfortschritten zuschreibt, also einer Kompetenzveränderung (so z.B. Macher, Mowery 2006 in einer Studie zur Halbleiterindustrie) Globalindikatoren der Kompetenz definieren anhand objektivierter Inputfaktoren, die dann direkt mit Outcomefaktoren (performance, z.B. ROI) korreliert werden können (z.B. Cohen/Levinthal 1990) oder werden (z.B. Zahra, George 2002) Kombination subjektiver Kompetenzindikatoren mit der Erhebung objektivierter Outcome-Variablen: man fragt die Unternehmen, ob sie kompetent seien, um das dann mit der ökonomischen Performanz des Unternehmens zu korrelieren (z.B. Pavlou, Savy 2005).
Alle diese Konstruktionen halte ich – noch vor jeglicher näheren Betrachtung der Operationalisierung – für ungenügend, weil bzw. soweit nicht systematisch unterschieden wird zwischen Input, Output und Outcome. Doch nicht das ist hier unser Thema (hierzu Moldaschl 2006), sondern die Operationalisierung; auch wenn sich methodologische Rekurse nicht ganz vermeiden lassen werden; etwa hinsichtlich Erhebungsmethoden. Nicht alle Daten beispielsweise, die via Befragung erhoben werden, sind „subjektive“ Daten. Erfragt man etwa die aktuelle Zahl der Mitarbeiter eines Unternehmens bei den dafür zuständigen internen Fachleuten, so haben die erhobenen Daten dieselbe Objektivität wie jene Zahlen,
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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die wir in offiziellen Datensätzen und Statistiken finden (denen man nicht mehr ansieht, daß sie auf dieselbe Weise erhoben werden, oder die aus verpflichtenden Selbstauskünften der Unternehmen stammen). Subjektiven Erhebungsmethoden
Autoren Cohen/ Levinthal 1990 Zahra/ George 2002 Zott 2001
Pierce et al. 2002
Faix/Kupp 2002
Bowman/ Ambrosini 2003
Sanchez 2004
Pavlou/ El Sawy 2005
Definition Konzeptualisierung
erklärter Theoriebezug
Empirische Prüfung
Absorptive Capacity: FuE/Aufwendungen (Umsatzanteil) Dynamic Capabilities als “Offenheit gegenüber Innovationen” Messung in vier Dimensionen: acquisition, assimilation, transformation & exploitation Dimensionen (ebd.: 7-12): – Timing of capability deploment – Imitation of rivals – Cost of deploying dynamic capabilities – Learning to deploy dynamic caps Dynamic Cap.: Dimensionen: – ability to identify changing market – ability to sense the opportunity – ability to seize the opportunity Kernkompetenz: Indikatoren zur Operationalisierung von „NichtImitierbarkeit“, „NichtSubstituierbarkeit“ und „Fähigkeit zur Nutzenstiftung“ Dynamic Cap.: Dimensionen: – reconfiguration of support activities – reconfiguration of core processes – leverage of existing resources – encouraged/provoked learning – creative integration Dynamic Holistic etc. Competence: Dimensionen: “five distinctive flexibilities”: des Managements, der worker skills und der Ressourcen (ebd.: 519) Reconfigurability – Ability to Sense (Market Orientation) – Ability to Learn (Absorptive Capacity) – Ability to Coordinate – Ability to Integrate (Collective Mindset)
genuin, „Theory of Absorptive Capacity“ Absorptive Capacity; Marktprozesstheorie
ja, mehrere
Dynamic Capabilities Marktprozesstheorie
nein, Simulationsstudie
Marktprozesstheorie in Kombination mit behavioral theory of the firm
nein
KernkompetenzAnsatz, CBV
nein
keine
nein
Open Systems View
nein
Marktprozesstheorie Erfolgsfaktorenforschung
180 ProduktentwicklungsProjekte
nein
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Manfred Moldaschl
Autoren
Definition Konzeptualisierung
erklärter Theoriebezug
Empirische Prüfung
Sammerl 2006
Innovationsfähigkeit – internes Lernen – Lernen von Kunden – InnoManagement – InnoKultur
CBV
Lütje 2009
Kundenbeziehungsfähigkeit – Struktur-Kultur – Management-IKT Dienstleistungskompetenz; Dimens.: – Wissen – Beziehungen (Loyalität, Motivation) – tangible Ressourcen; Operationalisierung der Kompetenzkonstrukte nicht offengelegt, nur die der Outputmaße (Verlässlichkeit, Responsivität, Empathie)
Dynamic Capabilities
392 standardis. Interviews & Vorstudie (ExpertenInterv. in 15 Untern.) 225 standardis. Interviews
Moog 2009
RBV, CBV Erfolgsfaktorenforschung
standardis Befragung (132 Unternehmen) & Fallstudien (Vorstudie „zur Konkretisierung des Modells“)
Tabelle 5: Konstrukte und empirische Bewährung (aufbauend auf Beinert/Weller 2006) hingegen erheben Einschätzungen und Bewertungen von Befragten, zu Aspekten, zu denen „objektive“ Daten nicht bestehen oder nicht zugänglich sind. Die formalen Qualifikationen von Beschäftigten lassen sich „objektiv“ ermitteln, ihre Kompetenz hingegen kaum, und die einer Organisation umso weniger. Beispiele für diese Operationalisierungsmodi werde ich nachfolgend diskutieren. Tabelle 5 gibt einen Überblick über bekannte und neuere Ansätze anhand ihres Argumentationstyps, ihrer Dimensionen und ihres empirischen Bewährungsstands. Die Tabelle baut auf einer Übersicht von Beinert und Weller (2007) auf, hier modifiziert und erweitert um neuere Studien.
4.1
Globale Inputvariable: Absorptive Capacity (Cohen/Levinthal 1990)
Zu den ersten Konzepten der Innovationsfähigkeit (nach Nelson, Winter 1982) gehört das der absorptive capacity von Cohen und Levinthal (1990), praktisch zeitgleich vorgelegt mit dem Konzept der Kernkompetenz von Pralahad und Hamel (1990). Sie definieren die Aufnahmefähigkeit eines Unternehmens als „… the ability of a firm to recognize the value of new, external information, assimilate it, and apply it to commercial ends …” (ebd., S. 129). Gemessen an späteren
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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Konzepten ist diese besonders restriktiv. Es verengt die Perspektive nicht nur auf ‚Wissen’, sondern enger noch, auf Information. Was uns hier aber zentral interessiert ist, wie sie diese Aufnahmefähigkeit für Informationen operationalisieren. Sie tun es über die FuE-Ausgaben. Je höher der Anteil an FuE-Ausgaben, so ihre Annahme, desto höher die absorptive capacity. Nach dieser Logik, so hatte ich an anderer Stelle argumentiert, müssten Betriebe mit hohen Personalkosten hohe ‚Human Resources Capability’ haben, und solche mit hohen Lagerkosten ‚Lagerfähigkeit’. Die FuE-Aufwendungen als zentralen Inputindikator zu verwenden ist auch deshalb kurios, weil die Wirtschaftswissenschaften ansonsten gewohnt sind, als Leistungsindikatoren Effizienzkategorien zu verwenden, also Aufwands-Ertragsrelationen. Es wäre noch vertretbar, wenn die FuEAufwendungen eben die Aufwandsseite der Relation abbilden würde, deren Ertrag dann unmittelbar als Output gemessen würde, etwa in der Zahl der generierten Produkte, Patente und so fort. Doch viele Anwender des Konzepts – Cohen und Levinthal legten keine eigene Studie vor – korrelieren das direkt mit der Unternehmensperformance, also Outcome-Variablen. Das ist sinnlos, wie manche erst nach Vorliegen etlicher empirischer Studien feststellten.8
4.2
Input-Output-Relation: Exploitation Capacity (Zahra/George 2002)
Auf der Basis eines Reviews zu empirischen Studien, die mit dem Konzept arbeiteten, schlagen Zahra und George (2002) daher vor, zwischen einer potential absorptive capacity und einer realized absorptive capacity zu unterscheiden. Erstere bestehe aus zwei Teilfähigkeiten, nämlich Wissen zu beschaffen (acquisition), und es zu interpretieren, also sinnvoll auf den eigenen Kontext zu beziehen (assimilation capacity). Auch die zweite wird aufgespalten in zwei capacities: die der Kombination von Wissenselementen (transformation) und ihrer Nutzung in Form neuer Produkte (exploitation). Als Indikatoren zur Messung dieser capacities schlagen sie die folgenden vor (ebd.: 188f):
8
Selbst Unternehmensberatungsfirmen wie Booz Allen Hamilton stellen diese Tonnenideologie der Innovation infrage: „Höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung stellen keineswegs bessere Leistung in Form von Wachstum, Gewinn oder Rentabilität sicher. … Es gibt quasi keine Maßzahl, nach der Sie sagen können: Dieses Unternehmen ist innovativ, und diese Maßnahme würde seine Innovationskraft fördern“ (zit. in Kutter 2009).
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• • • •
Manfred Moldaschl
acquisition capacity: FuE-Aufwendungen und die Bestandsdauer der FuEAbteilung in Jahren assimilation capacity: Zahl der Nennungen von Patenten anderer Firmen in den Publicationen des untersuchten Unternehmens transformation capacity: Zahl der Produktideen und der neu gestarteten FuEProjekte je Zeitspanne exploitation capacity: Zahl der angemeldeten eigenen Patente sowie der Produktankündigungen; durchschnittliche Dauer der Neuproduktentwicklung
Hier wird also die wirtschaftswissenschaftliche Effizienzperspektive wieder eingeführt und eine Aufwands-Ertrags-Relation bzw. eine Input-Output-Relation definiert, anhand von insgesamt acht durchaus ermittelbaren Indikatoren. Allerdings ist dieser Ansatz wie der von Cohen/Levinthal und ohnehin der Großteil der Innovationsforschung FuE-fixiert, ja enger noch, technikfixiert im Rahmen einer FuE-fixierten Betrachtung. Daß auch die Aussagekraft von Indikatoren wie der Zahl der angemeldeten Patente oder des Anteils von Forschern an der Gesamtbelegschaft schon lange bezweifelt wird, spielt hier schon gar keine Rolle.
4.3
Dynamic Holistic etc. Competence (Sanchez 2004)
Zu den maßgeblichen Autoren der Capability-View wird Ron Sanchez gezählt. In einem Beitrag, der seinen eigenen Zugang skizziert (2004), hütet er sich allerdings, eines der anderen Konzepte als Oberbegriff zu akzeptieren.9 Er spricht vom competence-based management und bezeichnet sein Konzept als „taxonomical approach to identifying competences … derived from the open systems view“ (ebd.: 523). Er will auf dieser Basis eine „theoretically sound, extendible and useful theory of competence-based management” entwickeln (ebd.: 519) und hierfür „essential dynamic, systemic, cognitive and holistic dimensions of organizational competence” identifizieren (ebd.: 518). Sehen wir einmal von der Frage ab, ob eine eine Taxonomie eine Theorie sein oder zu einer führen kann, ebenso von der seltsamen Semantik (systemisch und holistisch? Kognitiv nicht als Bestandteil von holistisch? Holistische Dimensionen? Ganzheitliche Einseitigkeit, holistischer Reduktionismus?). Fragen wir: Worin bestehen seine five modes of 9
Er will sich vielmehr kritisch davon absetzen, denn diese Konzepte “(i) often use different terminology for similar concepts; (ii) appear to refer to inherently different levels of activities within organizations; (iii) generally adopt a static view of competences that does not adequately consider how competences are built or can be changed within an organization” (Sanchez 2004: 519).
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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competence? Wie operationalisiert er sie? Nun, seine Variante besteht darin, Kompetenz als (und nicht über) Flexibilität zu definieren: “The five competence modes are distinguished by the distinctive sets of capabilities – or more precisely, the distinctive flexibilities – they bring to an organization functioning as an adaptive open system” (Sanchez 2004: 518).
Wie kann man sich das vorstellen? Würde man die Kompetenz eines guten Fußballspielers dadurch essentiell fassen können, daß man ihn als flexibel beschreibt? Was hielte man von einem Stellenbewerber, dessen Kompetenzen man erfragt und er antwortet, er sei flexibel? Sanchez erläutert das so: Kompetenz sei die Flexibilität der Ressourcen und Fähigkeiten, die man hat. Hierzu unterscheidet er (ebd.: 519): “Assets: Anything tangible or intangible the firm can use in its processes for creating, producing and offering its products (goods or services) to a market. Capabilities: Repeatable patterns of action in the use of assets to create, produce and/or offer products to a market. Because ‘‘capabilities are intangible assets that determine the uses of tangible assets and other kinds of intangible assets,’’ capabilities are considered to be ‘‘an important special category of assets.’’ Capabilities arise from the coordinated activities of groups of people who pool their individual skills in using assets. Skills: Special forms of capability, usually embedded in individuals or teams, that are ‘‘useful in specialized situations or related to the use of a specialized asset.’
Das entspricht der mehr oder weniger üblichen Unterscheidung der CBV zwischen Ressourcen und Kompetenzen. Auch die „Flexibilitäten“ sind nur eine andere Benennung dessen, was die CBV erfassen will: Anpassungsfähigkeit. Kompetenzformen (modes of competence) sind dann Flexibilitäten allgemeiner oder spezifischer Fähigkeiten und Ressourcen (z.B. Wissen, Maschinen). Bei einer Maschine kann man sich das gut vorstellen: kann sie eine oder mehrere Bearbeitungsarten? Ist sie schnell oder schwierig umzurüsten? Wie aber könnte man eine Fähigkeit bestimmen, ohne den Grad ihrer Variabilität und Generalisiertheit einzubeziehen? Würde man einen Fußballer, der nur Fallrückzieher gut kann, als fähig bezeichnen? Oder einen Chirurgen, der „nur Blinddarm kann“? Oder umgekehrt: Würde man einen LKW-Fahrer, der zwar fähig ist, alle LKWTypen zu fahren kann, aber gefühllos fährt und sie oft beschädigt, mit Sanchez als kompetent bezeichnen? Letzteres natürlich als Beispiel für einen Unternehmenslenker, an den Sanchez stets denkt. Es ist klar, daß er mit capabilities das adressiert, was die Manager haben. Beschäftigte haben skills.10 Die ersten drei 10
Möglicherweise besteht das Spezielle in Sanchez’ Semantik darin, daß er das, was man mit skills und capabilities üblicherweise meint, nämlich die Unterscheidung zwischen (speziellen) Fertigkeiten und (allgemeineren) Fähigkeiten auf die zwischen Fähigkeiten und Kompetenz überträgt.
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seiner competence modes beziehen sich alleine auf das Management, der vierte auf Ressourcen, und nur der fünfte eher auf die Beschäftigten. Das ist die übliche Managementperspektive, die davon ausgeht, das Unternehmen habe Erfolge (und sei wandlungsfähig) stets wegen, und nicht trotz des Managements. Daß Manager das gerne glauben ist klar. Daß Managementforscher davon a priori ausgehen (managerialism), schon weniger, wenngleich üblich. Was wäre denn nun eine „holistische“ Kompetenz oder Fähigkeit oder Dimension der Fähigkeit bei einem Manager oder einem Managerkollektiv? Dazu Sanchez: “Fourth, competence must include the ability to manage the holistic nature of an organization as an open system. … To lead an organization in achieving goals requires that managers be able to define organizational goals that promise a satisfactory level of goal achievement for all individual and institutional providers of the essential resources the organization needs. Thus, the definition of organizational competence recognizes the existence of multiple stakeholders and the importance of meeting the expectations of all providers of essential resources in sustaining the value-creating processes of an organization.“ (Sanchez 2004: 521).
Das immerhin unterscheidet ihn von vielen anderen CBV-Forschern, die den Managementprozeß betrachten wie ein übliches Computerspiel. Dort gibt es – stellvertretend fürs Management – nur eine steuernde Kraft: die des Spielers. Um auf den Fußball zurückzukommen: Bei ihm „verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit des Gegners“, wie einst Sartre das Problem des linearen Denkens spöttisch kommentierte. Über das unpolitische Wesen vieler Metafähigkeitskonstrukte geht Sanchez damit also hinaus. Nur interessiert uns hier die Frage: wie operalisiert er den Holismus? Quod erat exspectandum: gar nicht. Nachdem Sanchez dann eine Reihe von Studien im Vokabular seines Konzepts diskutiert, kommt er zu einem bemerkenswerten relativierenden Schluß, der zugleich ein Beispiel gibt für meine obige Behauptung, die an sich systemischen Capability Views stünden dem mechanischen Erfolgsfaktorendenken keineswegs durchweg ablehnend gegenüber: “Most fundamentally, this discussion suggests that organizational competence does not depend simply on achieving excellence in one or two key success factors, but rather on developing an interrelated and balanced set of success factors (…) that in turn depend on achieving proper balance and alignment among five distinct modes of organizational competence” (Sanchez 2004: 531, Hervorh. MM).
Vielleicht ist es das, was Sanchez mit der open systems view meint: es passt alles hinein; ganz holistisch.
Das entspräche dann wohl wiederum der Metakompetenzidee, in die sich der ganze CBVDiskurs verrannt hat.
Das Elend des Kompetenzbegriffs
4.4
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Subjektive Erhebung von Reconfigurability (Pavlou/El Sawy 2005)
Die Literatur zu Dynamic Capabilities hat bis heute kaum etwas ausgelassen, was im Reigen der wirtschaftswissenschaftlichen und der Alltagstheorien des Managements in irgendeiner Weise als relevant für den Unternehmenserfolg angesehen wird: Human Resources bzw. Humankapital, Sozialkapital, Zulieferbeziehungen, Kundenbeziehungen, Kundenintegration, Organisationsstruktur, Stakeholderbeziehungen, Kulturvariablen, Marketingaktivitäten, Informationstechnik und so fort, alles natürlich zuvor in Fähigkeitsbegriffe übersetzt (Customer integration Capability, Markenführungsfähigkeit, etc.)11. Daß Wichtiges wahrgenommen und genannt wird, ist zweifellos erfreulich. Unsere Frage aber ist: was kommt davon in der Operationalisierung für eigene Studien (oder für die Anleitung von Studien Anderer) an? Ein relativ integratives Beispiel und einen Weg, die großen Schwierigkeiten des Meßbarmachens so komplexer, nicht direkt beobachtbarer Konstrukte wie der Unternehmensfähigkeit(en) zu umgehen, sehen wir uns nun an. Das methodische Mittel der Wahl im Ansatz und einer Studie von Pavlou und El Sawy (2005, 2006) ist die subjektive Erhebung. In diesem Modus fragt man einfach die Unternehmen, ob sie kompetent seien.12 Das ist kein Scherz. Die Autoren wählen diesen Weg bei der Messung ihrer Variante der Dynamic Capabilities, die sie Reconfigurability bzw. Rekombinationsfähigkeit nennen und definieren als „the ability to execute the process of deploying superior new configurations of functional competencies that better match the environment“ (eb.: 2), „introduced to capture the effectiveness in executing the reconfiguration process“ (2005: 8).
Diese quasi Schumpeterianische (Lego-)Fähigkeit, alles im Unternehmen immer neu zusammenzusetzen, wird bei ihnen „captured by a set of measurable constructs“:
11
Burmann und Heemann (2008: 172f) unterscheiden alleine (und „vorerst“) für den kleinen Teilbereich der Markenbudgetierung 16 verschiedene Kompetenzen, die das Management haben müsse. So etwa die „Kompetenz, positionierungsrelevantes Wissen im Budgetierungsprozess einzusetzen“, oder die „Kompetenz, faktenbasierte Budgetierungsentscheidungen zu treffen.“ Welche Kompentenz mag es wohl sein, die mich befähigt, eine stil- und/oder faktenbasierte Entscheidung über die Positionierung dieser Erläuterung im Text oder in der Fußnote zu treffen? 12 Ob man so auch bei der Partnerwahl vorgehen würde? Oder bei der Auswahl eines Finanzberaters: „Sind Sie denn immer neutral und seriös?“
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(1) market orientation: Sie enthält Unterfähigkeiten wie „discovering new market opportunities“, „ability to propagate, analyze, and interpret market intelligence“, „having market intuition“ sowie die „ability to initiate, develop, and execute plans to capitalize on market intelligence“ (ebd.: 2005: 10) als eine Art Multiunterfähigkeit (2) absorptive capacity, „ability to learn by identifying, assimilating, transforming and exploiting existing knowledge resources to generate new knowledge“ (10f) (3) coordination capability: „For example, … the distribution and assigning of knowledge and resources“(11) (4) collective mind: „the ability to integrate disparate inputs“ – e.g. „sharing individual knowledge“ – „keeping managers well informed“(12)
Interviewpartnern in Unternehmen wird auf dieser Basis ein Fragebogen vorgelegt, in dem sie selbst items wie die folgenden ankreuzen können, hier zur Absorptive Capacity: “We are successful in learning new things”. “We are effective in developing new knowledge or insights”. “We are able to identify and acquire internal (…) and external (…) knowledge” (Tabelle 6). Es handelt sich hier also nicht um eine Erhebung subjektiver Konstruktionen betrieblicher Wandlungsfähigkeit – das wäre ein konstruktivistisches Verfahren – sondern nur um eine subjektive Erhebung einer (objektivistischen) Konstruktion der Autoren selbst. Pavlou und El Sawy erfragen Selbstbeschreibungen und Selbstbewertungen (we are, we can ..) in Bezug auf vorgegebene Kriterien. Nur vier ihrer Fragebogenitems erheben Aktivitäten (!). Man weiß sehr wohl, daß auch Fragen nach Aktivitäten, wie etwa nach der Anwendung und Verbreitung von Teamarbeit, kaum verlässliche Ergebnisse bringt (echte oder nur formale Teamarbeit, ein einziges Team jeder Abteilung oder ein durchgängiges Prinzip?). Doch es ist in diesem Fall wenigstens prinzipiell irgendeine Art von Überprüfbarkeit gegeben. Das ist der ganze Jammer: daß die Dummen so sicher sind und die Klugen voller Zweifel. Bertrand Russell, der dies formulierte und eine sehr alltägliche Beobachtung zuspitzte, hatte dabei velleicht Goethes Wort im Ohr: Mit dem Wissen wächst der Zweifel. Was Pavlou und El Sawy (2005, 2006) hier messen, ist nicht Kompetenz, sondern – unfreiwillig – Reflexivität. Oder besser, deren Gegenstück: egozentrische Borniertheit; wenn man dies als eine Dimension versteht, die von kompletter Selbstreferenzialität bis zu uneingeschränkt selbstkritischer Selbstbeobachtung reicht. Je weniger selbstkritisch also die Organisation bzw. die befragten Interviewpartner, desto positiver (höher) fällt also die „gemessene“ Capability aus.13 Deutlicher: die dümmsten Unternehmen werden
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Eine kürzere Variante des zitierten Texts - ohne die Operationalisierungen - erschien 2006 im Journal Information Systems Research; als “Lead Article”, wie Pavlou auf seiner homepage stolz vermerk: “Won the 2007 ‘ISR Best Paper’ award and the 2006 ‘Top IS Publication of the Year’
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Fragebogenitems der Subjektiven Erhebung reconfigurability • We can successfully reconfigure our resources to come up with new productive assets. • We can effectively integrate and combine existing resources into ‘novel’ combinations. • We often engage in resource recombinations to better match our product-market areas and our assets. market orientation • We frequently scan the environment to identify new business opportunities. • We spend considerable time reading trade publications and magazines. • We are quick to discuss changes in our customers’ product preferences. • We periodically review the likely effect of changes in our business environment on customers. • We often review our product development efforts to ensure they are in line with what the customers want. • We are effective in implementing new product ideas. • We devote a lot of time implementing ideas for new products and improving our existing products. • We are quick to respond to significant changes in our competitors’ pricing structures absorptive capacity • We are successful in learning new things within this group. • We are effective in developing new knowledge or insights ... • We are able to identify and acquire internal (e.g. within the group) and external (e.g. market) knowledge. • We have effective routines to identify, value, and import new information and knowledge. • We have adequate routines to analyze the information and knowledge obtained. • We have adequate routines to assimilate new information and knowledge. • We can successfully integrate our existing knowledge with the new information and knowledge acquired. • We are effective in transforming existing information into new knowledge. • We can successfully exploit internal and external information and knowledge into concrete applications
Tabelle 6: Operationalisierung (Pavlou/El Sawy 2005, appendix, p.38): bei Pavlou und El Sawy als die besten erscheinen. Und umgekehrt: Je anspruchsvoller die Befragten die Fähigkeiten ihres Unternehmens definieren und je kritischer sie diese vorantreiben, desto größere betriebliche Inkompetenz werden die Anwender des Fragebogens diagnostizieren.14 „Sind sie gut?“ Auf diese Frage wird nur der Souveräne eine zweifelnde Antwort geben. award”. Dort wird das paper zudem unter ähnlichen Titeln in vielen weiteren namhaften Managementjournals als „under review“ aufgeführt. Ein Beispiel für die moderne Publikationspraxis des viel statt gut: http://agsm.ucr.edu/faculty/staff/pavlou/Pavlou_CV.pdf 14 Das erinnert an den Unsinn eines Großteils der Arbeitszufriedenheitsstudien bis zum heutigen Tag. Man weiß seit mindestens 70 Jahren, erneuert von Bruggemann et al. (1975), daß Menschen mit schlechten Arbeitsbedingungen oft die Zufriedensten sind – wegen geringer Anspruchsniveaus. Und solche mit guten Bedingungen, aber hohen Ansprüchen, eher unzufrieden. Grade sie bilden aber oft die treibenden Kräfte der Veränderung. Dennoch meint man, aus hoher Arbeitszufriedenheit auf hohe Motivation und Unternehmenskompetenz schließen zu können. Wer das
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Damit nicht genug: Obwohl ihre Erhebung naturgemäß nur Korrelationen zwischen der Selbsteinschätzung von Kompetenz und den gewählten Performanceindikatoren messen kann, interpretieren Pavlou und El Sawy die Ergebnisse in der üblichen Weise, als Erklärung von Effizienz durch Kompetenz. Wer ein schönes Exempel für Korrelationismus (eine Art des intellektuellen Kurzschlusses) sucht: hier ist es. Sammerl (2006), die die Studie zitiert, hat sich in ihrer eigenen quantitativen Studie zur Korrelation von Innovationsfähigkeit und Erfolg davon offenbar anstecken lassen (vgl. ihre Items S. 366f).
4.5
Dienstleistungskompetenz (Moog 2009)
Schließen wir diesen Teil ab mit einer Studie von Moog (2009) zum Konstrukt der Dienstleistungskompetenz, die der Autor auf der RBV und der CBV begründet. Sie enhält eine überdurchschnittlich klare und nachvollziehbare Trennung von Input- und Outputvariablen sowie eine sinnvolle Spezifikation der Capability-Views auf den Service-Sektor. Leider steht sie aber auch exemplarisch für zwei typische Probleme. Zum einen die Geheimhaltung oder das Fehlen einer nachvollziehbaren Operationalisierung, wie in der CBV üblich. Zum anderen für den fröhlichen Korrelationismus großer Teile der quantitativen empirischen Sozialforschung. Die Studie basiert auf einer qualitativen Vorstudie (Fallstudien) und einer nachfolgenden standardisierten Befragung.15 Moog gibt zunächst eine Übersicht über die Komponenten, aus denen er die Dienstleistungskompetenz zusammenbaut. Vier der fünf Komponenten beziehen sich allein auf Fähigkeitsaspekte (mit Verhaltensdimensionen). Nur die fünfte nennt einige Ressourcen, die aber eher die Büroausstattung betreffen als das zum Gegenstand machen, was Kompetenzansätze so magisch Intangibles nennen (Tabelle 7). Ferner definiert er Outputvariablen und gibt anhand der durchgeführten Fallstudien anschauliche Beschreibungen dafür, was diese im Konkreten aus der Kundenperspektive bedeuten (Tabelle 8).
glaubt, wird wohl auch auf einem Basar das Grinsen des Verkäufers bei der Entgegennahme des Kaufpreises interpretieren als Freude über das gute Geschäft des Käufers. 15 1.104 angeschriebene Unternehmen, Rücklauf 132. Befragt wurden Mitglieder der Geschäftsleitung sowie Projekt- bzw. Kundenverantwortliche von IKT-Dienstleistungsunternehmen (ebd. 196).
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Qualitätskriterium Verlässlichkeit (reliability) Reagibilität (responsiveness) Leistungskompetenz (assurance) Einfühlungsvermögen (empathy) Rahmenbedingungen (tangibles)
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Charakterisierung Fähigkeit, die versprochene Dienstleistung zuverlässig und exakt durchzuführen (Funktionserfüllung, Lebensdauer, Kombinationsfähigkeit, Umweltgerechtigkeit) Bereitschaft, den Kunden bei der Problemlösung zu unterstützen (Schnelligkeit, Einsatzwille) Kompetenz, Höflichkeit und Vertrauenswürdigkeit des Personals Vermögen und Bereitschaft, auf die individuellen Wünsche des einzelnen Kunden einzugehen Sachliche und personelle Ausstattung (Räumlichkeiten, Einrichtung, Kommunikationsmaterial, Erscheinungsbild)
Tabelle 7: Dienstleistungskompetenz bei Moog (2009: 148)
Leistungserfolg Kriterium: Kerngeschäfts des Kunden Kriterium: Leistungsfähigkeit Kriterium: Kundeninteraktion Kriterium: Service-Level-Agreement Gesamturteil
Komponenten des Erfolgs der Dienstleistungserbringung Berücksichtigung der operativen und strategischen Anforderungen des Kunden Konzentration auf das Kerngeschäft, signifikante Reduzierung der Kosten Übernahme von weitergehenden Aufgaben- und Problemstellungen des Kunden Freisetzung materieller & immaterieller Ressourcen des Kunden Einbindung des Kunden zum Austausch zukünftiger Anforderungen (CIO Workshops) Erfüllung der Reaktions- und Wiederherstellzeiten Verfügbarkeit der Hard- und Software sowie der HelpdeskRessourcen aus Kunden- und Unternehmenssicht sehr erfolgreiche Dienstleistung
Tabelle 8: Fallstudie T-Systems: Charakterisierung des Leistungserfolgs (Moog 2009: 166) Eine Operationalisierung der Indikatoren wird, wie gesagt, nicht vorgestellt. Seltsamerweise deklariert der Autor die von ihm beschriebenen „kompetenzbasierten Maßnahmen zum Erhalt einer verteidigungsfähigen Wettbewerbsposition“ (ebd.: 230ff) nicht als solche, obwohl sie hierzu brauchbar wären. Dafür wird auf vielen Seiten clusteranalytisches Handwerkszeug ausgebreitet sowie das damit zu prüfende Hypothesengerüst (vgl. Tabelle 9). Es folgt komplett dem nomothetischen Ideal der statistisch abgesicherten Gesetzesaussage, oder wie ich es profaner nenne, der Je-desto-Logik. Und die ist meines Erachtens völlig inkompatibel mit einer evolutorischen Perspektive, wie sie die CBV (bei konsequenter Selbstanwendung ihrer Prämissen) enthält oder enthalten könnte.
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I. Ebenenbezogene Hypothesen – eindimensional-deskriptiv 1a. Je standardisierter sich das Leistungsergebnis darstellt, desto bedeutsamer wird die Minimierung der Leistungsvergütung gegenüber den Kunden. 1b. Je individualisierter sich das Leistungsergebnis darstellt, desto bedeutsamer wird die Maximierung des Leistungswertes gegenüber den Kunden. 2a Tangible Potenziale können eine hohe Bedeutung bei der Erbringung von Dienstleistungen besitzen. 2b. Intangible Potenziale besitzen stets eine hohe Bedeutung bei der Erbringung von Dienstleistungen. 3a. Je umfangreicher die prozessuale Multiplikation von Wissen beim Dienstleister erfolgt, desto umfassender wird Wissen auf der organisationalen Ebene kodifiziert. 3b. Je umfangreicher die prozessuale Multiplikation von Wissen beim Dienstleister erfolgt, desto umfassender wird Wissen auf der organisationalen Ebene transferiert. 3c Je umfangreicher die prozessuale Akkumulation von Wissen beim Dienstleister erfolgt, desto umfassender wird Wissen auf der individualen Ebene abstrahiert. 3d. Je umfangreicher die prozessuale Wissensakkumulation beim Dienstleister erfolgt, desto ausgeprägter wird Wissen auf der individualen Ebene absorbiert. II. Erfolgsbezogene Hypothesen – mehrdimensional-explorativ 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Je umfangreicher die prozessuale Multiplikation von Wissen erfolgt, desto bedeutsamer werden organisationale Fähigkeiten (formal, informal) für den Dienstleistungserfolg. Je umfangreicher die prozessuale Akkumulation von Wissen erfolgt, desto bedeutsamer werden individuale Fähigkeiten (persönlich, fachlich) für den Dienstleistungserfolg. Je standardisierter das Leistungsergebnis eines Dienstleisters ist, desto höher ist die Bedeutung tangibler Leistungspotenziale. Je standardisierter das Leistungsergebnis eines Dienstleisters ist, desto höher ist die Bedeutung multiplikativ-organisational basierter Leistungsprozesse. Je standardisierter das Leistungsergebnis eines Dienstleisters ist, desto höher ist die Bedeutung tangibler Leistungspotenziale bei zugleich hoher Bedeutung multiplikativorganisational basierter Leistungsprozesse. Je individualisierter das Leistungsergebnis eines Dienstleisters ist, desto geringer ist die Bedeutung tangibler Leistungspotenziale. Je individualisierter das Leistungsergebnis eines Dienstleisters ist, desto höher ist die Bedeutung akkumulativ-individual basierter Leistungsprozesse. Je individualisierter das Leistungsergebnis eines Dienstleisters ist, desto geringer ist die Bedeutung tangibler Leistungspotenziale bei zugleich hoher Bedeutung akkumulativindividualbasierter Leistungsprozesse.
Tabelle 9: Je-Desto-Forschung: die Suche nach Erfolgsfaktoren (Moog 2009: 190f.)
Das Elend des Kompetenzbegriffs
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Die Ergebnisse der quantitativen Erhebung haben naturgemäß dieselbe Form16 und brauchen hier nicht diskutiert zu werden – zumal sämtliche Hypothesen bestätigt wurden. Eine Studie zur „Kundenbeziehungsfähigkeit“ von Lütje (2009, vgl. Tabelle 5), ebenfalls eine Dissertation, ist sehr ähnlich angelegt,17 und auch hier konnten alle Hypothesen bestätigt werden (ebd.: 283ff).
4.6
Zwischenfazit
Was auffällt gerade bei den jüngeren quantitativen Studien, die meist mit Callcenter-Befragungen oder mit Daten aus verschiedenen Datenbanken arbeiten, ist, daß sie ihrem empirischen Feld nahezu keine Aufmerksamkeit widmen, teils nicht einmal eine einzige Buchseite. Stattdessen werden über teils mehr als hundert Seiten die Methodiken ihrer mehr oder weniger multivariaten Auswertung ausgebreitet (so etwa bei Lütje, Moog, Sammerl). Der Vorrang der Methode gegenüber dem Gegenstand ist zwar in der quantitativen Sozialforschung verbreitet, scheint sich nun aber auch in der CBV-Forschung zu verbreiten. Der vielfach kritisierte Vorrang der Fallstudien in ihren früheren Entwicklungsphasen der erscheint damit nachträglich wieder in einem anderen, positiveren Licht. Man könnte mir nun leicht vorwerfen, diese Studien nach größtmöglicher Untauglichkeit ausgewählt zu haben, um in die Schwächen der Capability-Views zu überzeichnen. Das ist keineswegs der Fall. Es handelt sich um Konzepte und Studien, die entweder breit rezipiert wurden (wie Cohen Levinthal 1990), die überhaupt Operationalisierungen offenlegen (wie Pavlou/El Sawy 2005) oder exemplarisch für bestimmte Ansätze stehen (wie letztere oder Zahra/George 2002), und/oder manchen als wegweisend gelten (wie Sanchez). Wir werden anhand des obigen Schemas weitere Studien auswerten und regen aus andere dazu an. Es ist dringend geboten, mehr Transparenz in die Begrifflichkeit und den Stand der Empirie in diesem Feld zu bringen – auch wenn oder gerade weil es sich offenbar regen Zulaufs erfreut. Die Welt der Schlager zeigt, daß das als
16
Beispiel: „Je umfangreicher die prozessuale Multiplikation von Wissen beim Dienstleister erfolgt, desto umfassender wird Wissen auf der organisationalen Ebene kodifiziert“ (ebd.: 212). 17 Lütje (ebd.: 182ff, 283ff) operationalisiert seine „Determinanten“ dabei deutlich handlungsnäher als etwa Sammerl (2006, s.o.), aber wie Moog durchweg im je-desto-Format: z.B. „H5: Je ausgeprägter die kundenzentrierten Informations- und Kommunikationssysteme, desto ausgeprägter ist die Kundenbeziehungsfähigkeit. H6: Je ausgeprägter das kundenzentrierte Management, desto ausgeprägter ist die Kundenbeziehungsfähigkeit“ “ (ebd.: 292). Auch die anderen Hypothesen wirken etwas tautologisch.
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Qualitätsindikator nicht ausreicht. Vermutlich wird man auch die obige Analytik der fünf Forschungszugänge erweitern, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Die Produktion bloß deskriptiver Reviews wird dazu wenig beitragen.
5
Alternativen
Die naheliegendste Folgerung aus dem Gesagten wäre nun, eigene Vorschläge zur Bestimmung und Operationalisierung von Unternehmenskompetenz vorzulegen, also ein eigenes Konstrukt von Metakompetenz. Das werde ich aus zwei Gründen nicht tun. Zum einen habe ich meine Einwände gegen die Idee der Metafähigkeit(en) mehrfach dargelegt. Zollo und Winter haben zugestanden, daß auch die Kompetenz, ständig Kompetenz zu entwickeln (Metakompetenz, dynamic capabilities), ständig erneuert werden müßte, “...and even the higher order learning approaches will themselves need to be updated repeatedly. Failure to do so turns core competencies into core rigidities” (2002: 341). Die beiden formulieren das allerdings nicht als Einwand, als Einsicht in einen infiniten Regreß, sondern als Aufruf zum Wettbewerb um das immer noch generellere und noch dynamischere Kompetenzkonstrukt. Ein Wettlauf um eine „Fähigkeit 3. Ordnung“ (Krüger/Homp 1997) oder noch höherer Ordnung auf der nach oben offenen Metaskala (z.B. dynamische Kompetenzen zur Entwicklung von Metakompetenzen: Hyperkompetenz, Überbietkompetenz?). Daß die Fähigkeit, sich stets erfolgreich an alles anpassen zu können, bislang noch nicht entdeckt wurde, muß nicht der endgültige Einwand sein. Es könnte bedeuten, daß man noch gut genug (mit den richtigen analytischen Mitteln) oder noch nicht lange genug oder nicht am richtigen Ort gesucht hat. Mit diesem Argument freilich hat man noch jede unhaltbare Annahme über Wasser gehalten. Zum anderen hatte ich oben die Annahme formuliert, man könne im Grunde keine „kompetenz-basierte“ Sicht oder Theorie der Unternehmung aufstellen. Schon semantisch ist dieses Konstrukt abwegig. Semantisch besagt es, daß die Sichtweise oder Theorie auf Kompetenz beruhe, der Vertreter der Theorie also kompetent sei. Warum sollte man dann nicht auch eine pinselbasierte Theorie der Malerei aufstellen? Oder eine lohnbasierte Theorie der Motivation? Schließlich sind Pinsel von eminenter Bedeutung für die Malerei, und „beim Daimler“ würden trotz der Reputation des Sterns sicher weniger Menschen arbeiten, wenn es dafür keinen Lohn gäbe. Sicher hat der Arbeitslohn eine zentrale Funktion bei der Begründung von Lohnarbeit, aber eben nicht die alleinige, schon gar nicht
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nicht bei jeder Art von Tätigkeit. Von Motivationstheorien erwartet man, daß sie Motivation generell erklären, und die durch Lohn nur als Spezialfall. Um auch jenseits des Semantischen sinnvoll von „kompetenz-basierter Theorie“ sprechen zu können, muß man zweierlei tun: Entweder Kompetenzen eines Unternehmens und vor allem die Metakompetenz zur alleinigen bzw. entscheidenden Erklärungsvariable für den Bestand, den Erfolg und die Entwicklung jeglicher Unternehmen erklären. Oder andernfalls alles, was in irgendeiner Weise relevant erscheint, in Kompetenzbegriffe fassen.18 Wäre Isaac Newton so vorgegangen, hätte er, von einer internalistischen Perspektive wie jener der CBV/DCV ausgehend – wahrscheinlich dem Apfel eine Fallkompetenz zugeschrieben, statt der Erde Gravitation.19 Hawkings Lehrstuhl trüge heute sicher einen anderen Namen. Wenn dann also alles Relevante Kompetenz ist, kann alles andere naturgemäß nur irrelevant sein für Erklärungen und Prognosen der Unternehmensentwicklung. Was allemal geht, ist eine kompetenzorienterte Perspektive der Wettbewerbsvorteile von Unternehmen, oder eine Theorie kompetenzbedingter Wettbewerbsvorteile. Die gibt es bereits, die muß man nicht erfinden. Versteht man den die Perspektive der CBV so, und bleibt die Theorie der Dynamic Capabilities mit ihrem Erklärungsanspruch in diesem Rahmen, erspart man dem Ansatz viel Kritik. Als Ansatz ist das allemal reicher ist als das dürre Erklärungsgerüst der Transaktionskostentheorie, deren Sparsamkeit dafür enorme Vorteile bei der Modellierung bietet. Von einer Unternehmenstheorie aber erwartet man, daß sie nicht nur ökonomisch (sparsam i.S. von Occams Razor) modelliert ist, sondern die Ökonomie in ihrer Komplexität gut modelliert. Und man erwartet ihr nicht nur Erklärungen zur Rolle von Ressourcen und Kompetenzen, sondern auch zu jener der Regeln, Normen und Werte, der Interessen und Konflikte, und das 18
Eingangs hatte ich als Beispiel für andere erfolgsdienliche Faktoren die Korruption genannt. Aber auch sie ließe sich ohne weiteres in Kompetenzbegriffe verwandeln: die Kompetenz, geeignete Kontaktpersonen ausfindig zu machen, die Kompetenz, sie anzusprechen, oder auch die Metakompetenz, das alles unter wechselnden geschickt zu tun und sich nicht erwischen zu lassen. 19 Leider greift auch Güttel (2007) in seinem vielversprechenden Versuch, Marchs (1991) Unterscheidung von Exploration und Exploitation für den CBV-Diskurs nutzbar zu machen, auf diesen Modus zurück. Die Notwendigkeit der Exploitation des Generierten, und damit der Stabilisierung, Repetition und Replikation ist zweifellos anzuerkennen - und heilsam gegenüber der notorischen Überbetonung des Change. Doch nun alles, was der Veränderung entgegenwirkt, zu Kompetenzen umzuworten (bei Perpetuation Capabilities bzw. die „Fähigkeit, … Veränderungsimpulse zu eliminieren“, Güttel 2007: 183), gleicht der Diagnose, die Verstocktheit eines Pubertierenden auf Verstockvermögen zurückzuführen, oder eine Unternehmenspleite auf Untergangsfähigkeit.
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nicht nur mit starrem Blick auf’s Innere des Unternehmens, sondern auch mit Offenheit für den der institutionellen Kontext: Wirtschaft und Gesellschaft. Aus dieser Sicht ist es verwunderlich, daß andere Ansätze des „strategic change“ wie jener von Hinings und Greenwood (z.B. 1988) kaum in der Diskussion sind. Hier werden neben Kompetenzen auch Interessen und Machtstrukturen modelliert, interpretative Schemata der Akteure bzw. Akteursgruppen, sowie Kontextbedingungen. Hier war man vor mehr als zwei Dekaden in vielen Punkten viel weiter als große Teile der CBV/DCV heute. Auch die Taxonomie von Müller-Stewens und Lechner (2005) macht auf einen Blick deutlich, wo die CBV ihre Erklärungsstärken hat – und wo ihre blinden Flecken (Tabelle 10). Funktionen des SM
Initiierung
Positionierung
Wertschöpfung
Veränderung
Konkurrierende Theorien
Harvard-Modell
Industrieökonomik Instititutionenökonomik Evolutionsökonomik
Ressource-Based View Capability-Based View KnowledgeBased View
Prozesstheorien – teleologische – dialektische (Miller/Friesen ’82) – Lebenszyklus (Greiner 1972) – evolutionäre (Hannan/ Freeman 1977)
Mintzbergs ten schools
Tabelle 10: Konzepte des Strategischen Managements bei Müller-Stewens/ Lechner (2005) Der Frage, was wir selbst zum Kompetenzbegriff beitragen können und wollen, will ich mich nicht entziehen. Sie zu beantworten geht nur im Rahmen des Gesamtentwurfs. Wir arbeiten an einer (sozioökonomisch) evolutorischen Theorie der Unternehmung, von der es, nimmt man die Metapher eines Hauses, bislang nur den Rohbau gibt. Fertig ist bei einem solchen Haus zwar nie wirklich etwas, aber das Erdgeschoß ist, sagen wir, bezugsfertig. Es ist das der Ressourcen, beschrieben im potentialorientierten Ansatz (vgl. Moldaschl 2007b/c, 2010b). An der Regel-Etage arbeiten wir derzeit. Das Zimmer, welches der KompetenzThematik der CBV am ehesten entspricht, nennen wir Institutionelle Reflexivität (Moldaschl 2006). Es handelt sich dabei um einen theoretischen Ansatz, der Innovationsfähigkeit thematisiert und dabei vom Basisdilemma des Organisierens ausgeht – in ähnlicher Weise wie das Konzept der Ambidexterity (March 1991; Tushman, O’Reilly 1996; Güttel 2009). Es besteht darin, einen Kern von Routinen aufrecht erhalten zu müssen, um Effizienz zu gewährleisten, diese
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Routinen aber im Wettbewerb des öfteren (in manchen Branchen ständig) modifizieren zu müssen. Dazu führen wir nicht nur qualitative Studien durch, sondern auch quantitative, auf der Basis eines hierfür operationalisierten und standardisierten Erhebungsinstruments.20 Die Wände zu einem weiteren Zimmer dieser Etage stehen bereits. Anhänger des Kompetenzdenkens würden es wohl das Zimmer für die Theorien der Unfähigkeit nennen. Wir bezeichnen es als Raum der Erklärungen für das Scheitern und die Erkenntnisbarrieren. An der Zimmertür steht „Depistemologie“.21 Für das Zimmer der personalen Kompetenzen und ihrer Vinkulation mit den organisationalen existiert bislang nur die Konstruktionszeichnung. Für den Keller – das sozioökonomische Paradigma als Gegenentwurf zur Rational Choice-Welt – existieren einige Skizzen (z.B. in Moldaschl 2009). Durch das Dach (die Integration) regnet es bislang noch herein. Enden wir mit zwei Selbstanwendungen. (1) Die CBV (als Oberbegriff für verschiedene Konzepte) wäre gut beraten, sich auf ihre Kernkompetenz zu besinnen und ernsthafter am Kompetenzbegriff zu arbeiten. Das muß und soll nicht „einheitlich“ sein, sondern möglichst divergent, vielfältig und kreativ – aber eben jeweils in präziser Abgrenzung von all den ähnlichen Konzepten; und vor allem operational. Auch theoretisch sind dabei noch genug gewichtige Fragen zu klären. Insbesondere die, wie sich individuelle und kollektive Kompetenzen zu organisationalen bündeln. Dieses Bündeln – ein Schlüsselbegriff der ganzen ressourcenorientierten Tradition – sollte dabei auch konfliktuell konzipiert werden. Nicht jede Akteurskompetenz kommt der Organisation zugute. Mangels eines Akteurs- und Interessenkonzepts fällt es der CBV bislang mehr als schwer, das als Forschungsfrage überhaupt erst einmal aufzuwerfen. (2) Mit welcher Strategie kann man als NachwuchswissenschaftlerIn auf Erfolg hoffen? Die einfachere, sicherere und damit attraktivere ist es, sich einem der selbstreferenziellen Diskurse anzuschließen, nicht nach rechts oder links zu schauen (innerhalb der Managementforschung oder gar außerhalb, in anderen Disziplinen), und auf der Basis eines der Konzepte eine eigene Studie anzufertigen. Dabei kann man ggf. auch versuchen, sein eigenes Wörtchen für Rekonfigurability im Diskurs unterzubringen. Damit erlangt man zwar keinen sustained competitive advantage im emphatischen Sinne der kompetenzorientierten Wettbewerbstheorien, belegt damit aber auch, daß sich Konformismus in der Regel auszahlt und das Kreativitätsargument in der Debatte eher überbetont wird. 20 21
http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl9/forschung/fprojekte/reflex/ Literaturangaben und downloads hierzu finden sich unter http://www.tu-chemnitz.de/ wirtschaft/bwl9/forschung/fprojekte/reflex/ergebnisse/paper_publikationen.php
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Spannender, aber auch riskanter ist es, sich kritisch mit den Blindheiten der verschiedenen communities zu befassen, und eine „neue Kombination“ theoretischer Erklärungsansätze für die Evolution von Unternehmen zu erproben. Entgegen seiner eigenen Ideologie macht es das Wissenschaftssystem NachwuchswissenschaftlerInen mit seiner Substitution von Inhalt durch Ranking (JournalRanking, Publikationszählung etc.) sehr schwer, das durchzustehen. Dazu noch bei der strukturellen Unsicherheit der Wissenschaftlerkarriere. Aber damit wären wir schon wieder bei den Kontextbedingungen, und für die ist die CBV/DCV ja nicht zuständig.
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Induction Practices and the Continuous Recreation of Organizational Memory
Abstract ..............................................................................................................42 1
Introduction.............................................................................................43
2
Organizational Memory and Induction Practices....................................44 2.1 Organizational Memory and Recreation Mechanisms.................44 2.2 Organizational Recreation and Induction Practices.....................48 2.3 Induction and HR Strategies........................................................50
3
Discussion and Conclusion.....................................................................52
References..........................................................................................................55
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Nina Katrin Hansen/Wolfgang H. Güttel/Elena P. Antonacopoulou
Abstract Research on organizational memory (OM) lacks a dynamic perspective that shows how OM is continuously recreated and enacted over the course of time. In this paper, we intend to fill up this research gap and integrate OM with knowledge of staff induction and organizational recreation. We provide a theoretical analysis of the continuous recreation of a firm’s OM by focusing on staff induction from an OM perspective. Staff induction serves as a means to enable newcomers to learn parts of the firm’s knowledge base with the aim of acting in accordance with the standards of the firm. We contribute to the existing research by explaining the continuous recreation mode of OM (adjustment pressure, demonstrative learning, and knowledge provision). Furthermore, we describe the integration into organizational routines by emphasizing the inductee’s learning of the firm’s knowledge architecture to integrate technical, social and cultural knowledge in a meaningful way. Finally, we investigate the role of a control-based and a commitment-based HRM strategy to govern staff induction, where the level of the newcomer’s background knowledge and the attempt to learn from inductees determine whether to use a control-based approach (transferring knowledge from the firm to the inductee) or a commitment-based approach (seize also novel ideas from newcomers).
Induction Practices and the Continuous Recreation of Organizational Memory
1
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Introduction
Old organizations (e.g. the Universities of Bologna (1088), Paris (1150), Oxford (1167) or Padua (1222), the Catholic Church (approx. 100), the British Army (1661) or old companies such as Siemens (1847), General Electric (1879) or Kodak (1892)) are perfect examples of the existence of an organizational memory (OM) as they have survived over a long period of time and have preserved their identities independently of individuals. In a certain sense, these organizations have remained the same in terms of their identities even if they have changed their strategies, structures, processes or employees over the course of time. Moreover, in their daily activities, employees act on the behalf of the organization and, thus, reproduce the organization continuously through their behavior. Nevertheless, these organizations have survived as they have been able to adapt, to change, and to innovate in order to meet changing expectations of their continuously evolving environments. In general, OM research provides some interesting explanations about the development of organizational knowledge by particularly drawing attention to the role of capabilities, routines, and practices. However, our current understanding of the ways in which OM develops and how it is retained is still limited. OM is predominantly conceptualized in relation to the organization’s ability to recall knowledge and experience ‘on demand’ whereby organizational rules, routines, cultures, structures, technologies and individual members are considered to be central knowledge repositories (Argote, McEvily, & Reagans, 2003; Chou, 2005; Feldman & Feldman, 2006; Huber, 1991; Moorman & Miner, 1997, 1998; Nissley & Casey, 2002; Olivera, 2000; Van Der Bent, Jaap, Paauwe, Roger, & Williams, 1999; Walsh & Ungson, 1991). However, despite some research in the field of OM, we lack a coherent theoretical understanding of how firms continuously recreate their OM. We, therefore, focus on staff induction as a means for integrating newcomers into the existing OM structure and enabling the enactment of the firm’s knowledge. Based on an analysis of staff induction and socialization literature, we answer the following research questions: How do employees learn parts of the firm’s knowledge base to enable a continuous recreation of the firm’s OM? What do they learn during their induction process and how do firms govern staff induction? We contribute to the existing research by explaining the continuous recreation mode of OM (adjustment pressure, demonstrative learning, and knowledge provision). Furthermore, we describe the integration into organizational routines by emphasizing the inductee’s learning of the firm’s knowledge architecture to
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integrate technical, social and cultural knowledge in a meaningful way. Finally, we investigate the roles of control-based and commitment-based HRM strategies to govern staff induction where the level of the newcomer’s background knowledge and the attempt to learn from inductees determine whether to use a controlbased approach (transferring knowledge from the firm to the inductee) or a commitment-based approach (seize also novel ideas from newcomers). In the next section, we analyze the state of the field on OM, staff induction and socialization, and the role of HRM strategies in governing induction processes. Subsequently, we explain our contribution to existing research on a continuous recreation of OM, staff induction, and the corresponding role of HRM strategies.
2
Organizational Memory and Induction Practices
During the early years of OM research, the firm’s memory was perceived as a static construct. In line with the distinction between knowledge and knowing (Orlikowski, 2002), practice and practising (Antonacopoulou, 2004), or routines and performance (Feldman & Pentland, 2003; Pentland & Feldman, 2005), the process of remembering receives increasing attention (Cohen & Bacdayan, 1994). In their review of staff induction and socialization literature, Antonacopoulou & Güttel (2010) emphasize that more research from an organizational and HRM perspective is necessary to understand the processes of induction and recreation. In the subsequent section, we analyze the state of the field of OM and – in particular – the way in which newcomers deliberately and unconsciously learn to remember; i.e. to draw on the firm’s knowledge base. We, therefore, present the current approach to OM and the process of remembering. Subsequently, we analyze the literature on staff induction and socialization as the main mode in which firms make newcomers familiar with the firm’s OM. Finally, we explain the institutional foundation to guide this introduction process by drawing on HRM literature.
2.1
Organizational Memory and Recreation Mechanisms
Owing to the emergence of the OM concept in information processing theories (Shannon & Weaver, 1949), the idea of OM is its function of storing information, knowledge, and experience on an organizational level. However, over the
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course of time a broader knowledge management cycle has been integrated into the OM debate. In this tradition, Walsh & Ungson (Walsh & Ungson, 1991) and Huber (Huber, 1991) theoretically and Hargadon & Sutton (Hargadon & Sutton, 1997) empirically described OM as a means to acquire, retain, and retrieve knowledge and information. Walsh & Ungson (Walsh & Ungson, 1991) conceive OM as an information processing system, which is similar to the memory of individuals, an interpretative system, and a network of inter-subjectively shared meanings. Thus, they locate OM both on the individual and on the organizational level. Individual employees, the organization’s culture, its standard operating procedures and practices, roles and organizational structures and the physical structure of the workplace are, thereby, conceptualized as five “retention bins” for OM. Another prominent typology of different repositories of organizational knowledge that underlie an organizations’ memory is provided by Argote (Argote, 2005: chapter 3 - 67-97): She distinguishes between knowledge embedded in individuals, in organizations (structural arrangements), in technologies, in structures and routines. These distinctions of organizational knowledge repositories are closely connected to the differentiation between “procedural” and “declarative” memory (Cohen & Bacdayan, 1994; Kyriakopoulos & de Ruyter, 2004; Moorman & Miner, 1998). The organizations’, respectively their members’, declarative memory comprises knowledge on facts, events or propositions – know that, know why, know when (Huber, 1991; Kogut & Zander, 1992; Moorman & Miner, 1998). It is perceived as an object, which can be consciously and intentionally recollected. Thus, OM can be understood in terms of stored explicit knowledge by using ICT-tools and other repositories of explicit knowledge. In this tradition, ICT-tools and explicit knowledge are conceived as the organization’s memory systems (Chou, 2005; Nilakanta, Miller & Dan, 2006; Olivera, 2000). In contrast, procedural memory is defined as skill knowledge in terms of organizational routines. Procedural memory develops in connection with organizational routines (Andersen, 2003; Cohen & Bacdayan, 1994; Hodgson & Knudsen, 2004; Kyriakopoulos & de Ruyter, 2004; Moorman & Miner, 1998), is manifested in “patterned sequences of learned behavior involving multiple actors” (Cohen & Bacdayan, 1994: 557) and can store knowledge that is not readily codified (Hodgson & Knudsen, 2004). The basic collective action dispositions of an organization – its routines respectively practices and customs – are retained through the procedural memory of the performing organizational actors on all levels of the hierarchy (Birnholtz, Cohen & Hoch, 2007). In a more recent paper Birnholtz et al. (2007) demonstrate the impact of procedural memory on
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the “regeneration” of organizations: Even long term breaks and personnel turnover are compensated due to organizational routines and the embedded procedural knowledge. Consequently, procedural memory equates to practices of organizational remembering. ‘Acting on their retained dispositions’ experienced employees ‘shape the experience of newcomers, thereby instilling – although not identical – dispositions and, hence, regenerating the organization’ (Birnholtz et al., 2007: 318). Accordingly, newcomers become acquainted with ‘the abstract, generalized idea’ (Feldman & Pentland, 2003: 101) of the organizational routines – their ostensive aspects. On the one hand, ostensive aspects can be codified as retained knowledge in formal rules that represent organizational artefacts and the physical manifestation of organizational routines (Pentland & Feldman, 2005). Thus, formal rules can be perceived as part of the declarative memory of an organization that govern individual behavior, but also facilitate change and learning (Kieser, Beck, N. & Tainio, 2003; March, Schulz & Zhou, 2000). On the other hand, formal rules have to be interpreted by employees who refer to the ostensive aspects of organizational routines as “taken for granted” norms (Feldman & Pentland, 2003: 101). Ostensive aspects, therefore, can be conceived as social rules – that govern behavior (i.e. the performance of organizational routines) – along shared expectations and connected sanction mechanisms for preventing deviations. Moreover, ostensive aspects do also influence how formal rules are interpreted and which stored knowledge is designated to be used. As a basic element of organizational routines social rules can be conceived as the procedural memory of an organization. New employees learn these shared assumptions ‘“automatically” as action occurs’ (Birnholtz et al., 2007: 318). Thus, in their performance of organizational practices, these actors do not have to be consciously aware of assumptions regarding their co-workers or organizational settings. They implicitly store and activate them. All organizational members mutually adapt their activities and decision-making behavior according to the ensemble of ostensive aspects that enable collective action patterns. Therefore, organizational routines are recurrent interaction patterns that are constituted of a set of formal guidelines, social rules and a collective understanding of how the formal guidelines have to be applied by employees (ostensive aspects). The individual accomplishment of formal and social guidelines through employees in their individual practices (performative aspects) enables and constitutes in sum an organizational routine. Accordingly, Birnholtz et al. (2007) identify four organizational recreation mechanisms that foster the reproduction of ‘a coherent ecology of action patterns that are recognized as “the same” as previous instances of the organization’
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(ibid.: 316): (1) the demonstration of existing practices, (2) the cascading of guidance, (3) different forms for communication (centralized and unspecific, modular and face-to-face) and (4) applying generic skills in a specific context. Firstly, the ‘primacy of demonstration’ reflects the transfer of knowledge about formal and social rules, skills and experience from experienced employees to newcomers by repetitive and representative demonstrations of required tasks: ‘Demonstrating this core behavior early in staff training allowed this coherence to persist’ (Birnholtz et al., 2007: 323). The process is ‘multistaged’ and is based on the memories of experienced staff members that demonstrate established and effective action dispositions and guide the future activities of the newcomers. Secondly, a ‘guidance cascade’ facilitates the distribution of procedural knowledge to new employees. In this process, the relevant information is not transferred hierarchically through an authority, but rather through a co-worker ‘relying on memory to provide guidance that seemed reasonable’ (ibid.: 325): ‘The important distinction here is that the sort of transfer that occurs via a cascade is neither a detailed set of instructions about how exactly one is to perform one’s job nor a reliable commitment on what will later be acceptable. Rather, it is a higher-level description of how things once looked, how they were done in the past, or how they might be done now’ (ibid.). Thirdly, a ‘bursty communication’ in form of a brief face-to-face communication delivers newcomers with enough information to give their activities an orientation in terms of a basic framework of ‘sameness’ that allows for situational interpretation and variations. On the one hand, rapid ‘collective bursts’ exhibit a broad applicability and ensure that all newcomers are provided with identical information and shared beliefs. On the other hand, individual bursts complement the collective form in giving detailed feedback and correcting individuals or small groups. Fourthly, new employees have to apply their generic skills in the specific organizational context. Professional knowledge and experience have to be adapted to the situational conditions. In this connection, newcomers ask experienced colleagues for advice or combine their professional knowledge with their experience of the new organization to improvise performances. This application of generic skills in the context of the organization allows for potential changes of existing practices. The question whether the improvisations of new actors are maintained or if they are corrected, depends on three interdependent aspects: (1) the domain credibility of the improviser, (2) the visibility of improvised action and (3) the degree of risk or of external standardization in the area. Firstly, if a newcomer
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has strong domain knowledge and experience that other actors respect, his innovative performances – resolving from specific ambiguities – are likely to be retained. Furthermore, the adoption of innovative action depends on the insistence of the improviser and the organization’s openness to change. Secondly, if established actions cannot be observed and the corresponding improvisations are not in conflict with the action dispositions of other organizational members, the probability of the innovative practices to be maintained rises. Thirdly, innovative behavior is restricted in risky activity areas or domains where external standards are institutionalized (Birnholtz et al., 2007). In the following, we seek to advance the work of Birnholtz et al. (2007) on regeneration modes, which they developed to explain the recreation of annual summer camps. We, thereby, focus on the continuous recreation mechanisms of introducing newcomers to the organization. To illustrate the practice of organizational recreation and the process of how organizational knowledge is adopted and maintained through new employees, we analyze the role of staff induction and organizational socialization processes (Ardts, Jansen & van der Velde, 2001), through which new employees deliberately and unconsciously learn the firm’s OM.
2.2
Organizational Recreation and Induction Practices
An organization is able to convey knowledge about its formal and social rules to new employees and to reproduce its ‘character’ over time understood as ‘coherent content of the ensemble of dispositions that generates the distinctive actions of the organization’ (Birnholtz et al., 2007: 317) on the basis of staff induction programs that have to be consistent with the overall HR strategy. New employees learn the organizational routine’s underlying rules during the socialization process (March, 1991; Mills & Murgatroyd, 1991: 35-37). Organizational socialization can be defined as ‘the learning process by which newcomers develop attitudes and behavior that are necessary to function as a fully-fledged member of the organization’ (Ardts et al., 2001: 159). It reflects a learning process ‘through which a new organizational employee adapts from outsider to integrated and effective insider’ (Cooper-Thomas & Anderson, 2006: 492) and develops knowledge about the organizational structure, its formal rules and official goals (artifacts) as well as its social rules (ostensive aspects) that are shaped by the firm’s history, traditions and politics of the organization. Furthermore, the newcomer is introduced to his work unit and is taught how the working tasks
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and functions have to be fulfilled (Cooper-Thomas & Anderson, 2006). The central aim of organizational socialization is the transfer of job and task relevant information to the new organizational member. Van Maanen and Schein (1979) characterize six tactics that define a specific organizational socialization setting and through which organizations seek to transfer information to newcomers (Ardts et al., 2001): (1) Collective – individual (whether newcomers are socialized in groups or individually). (2) Formal vs informal (whether or not newcomers are segregated from insiders during socialization). (3) Sequential vs random (whether or not newcomers are told explicitly about the sequencing of planned socialization events). (4) Fixed vs variable (whether or not there is an explicit, fixed timetable for completing the various socialization stages). (5) Serial vs disjunctive (whether or not previous job incumbents are available as role models for newcomers). (6) Investiture vs divestiture (whether or not newcomers receive positive social support from insiders).’ (Cooper-Thomas & Anderson, 2006: 494 referring to van Maanen & Schein, 1979: 209). These socialization tactics described by van Maanen & Schein (1979) can be seen as a continuum with two poles: the first pole – the institutionalized socialization – is based on a group process and is strongly orchestrated by the organization. In contrast, the second pole reflects an individualized socialization process that is less governed by the organization (Jones, 1986; Ardts et al., 2001). Whereas institutionalized socialization tactics lead to the adaption of custodial and individualized socialization tactics to more innovative newcomer role orientations (Major, 2000): ‘It appears that institutionalized tactics are likely to be ineffective in encouraging personal growth and development and may even be dysfunctional when newcomer flexibility and adaptability are important goals’ (ibid.: 364). Accordingly, Ardts et al. (2001) establish a link between the abstract socialization tactics of an organization and its concrete personnel instruments like an induction program, training and education, career planning and counseling as well as performance appraisals. As the socialization tactics reflect ‘general characteristics of concrete socialization-interventions’ (ibid.: 161) induction practices can be described in terms of socialization tactics that may consist of a specific combination of the six poles, for example, an induction program that tactics are
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individual, informal, random, variable, serial and divesture, whereas, induction is defined as arrangements that are ‘made to familiarize the new employee with the organization, safety rules, general conditions of employment, and the work of the section or department in which they are employed’ (Skeats, 1991: 16).
2.3
Induction and HR Strategies
The organization’s concrete induction practices that are derived from abstract socialization tactics have to be consistent with the overall HR strategy (Baron & Kreps, 1999). In general, two consistent HR strategies can be identified in the present-day HRM literature: (1) a bureaucratic or control strategy and (2) a commitment strategy (Lengnick-Hall, Lengnick-Hall, Andrade, L. S. & Drake, 2009): (1) A control-based HR strategy reflects specific employment practices corresponding with a specific set of formal (administrative) rules and procedures (Osterman, 1984) that are based on hierarchical control. Its formal rule system is centrally planned and bureaucratically structured. The strategic practices are, therefore, input-oriented and planned. In terms of its general logic, a control strategy can be connected to an institutionalized socialization process and a bureaucratic induction approach where formal, standardized and restricting induction practices enable the recreation of the HR system and its underlying organizational memory. Hired cohorts have a ‘common initiatory and learning experience’ (Allen & Meyer, 1990: 847). Their induction phase is guided by formal rules and standardized (sequential and fixed) induction practices with corresponding and ‘explicit guidelines about the sequence and timing of progression in an organization’ (ibid.). ‘Role models for newcomers are present, constituting a serial socialization tactic’ (ibid.: 847-848): ‘Serial tactics may promote a custodial role orientation in a similar way: newcomers exposed to someone who has done, or is doing, their new job have clearer guidelines for the job and less need to learn on their own than newcomers who have no such exposure’ (ibid.: 848). Furthermore, the ‘social support from organization members confirms the newcomer’s identity, constituting investiture’ (ibid.: 847-848). Finally, the ‘[s]equential and fixed tactics, whereby newcomers receive information about the sequence and timing of their progress in the organization, make newcomers less likely, as Jones noted, to "rock the boat" (1986: 265)’ (Allen & Meyer, 1990: 848). So the new employees learn a conformist role behavior that restricts them in apply-
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ing new knowledge and interpreting existing rules and norms. Overall, the focus in this approach lies on knowledge deepening and the recreation of the declarative aspects of the organizations memory, where, artifacts play an important role. (2) In contrast to the control HR strategy, the commitment strategy represents a bundle of HR practices that ‘aim at getting more from workers by giving more to them’ (Baron & Kreps, 1999: 189). They facilitate the employee’s commitment by using long-term employment guarantees, team-based production systems, job rotation or quality cycles (ibid.; Osterman & Burton, 2005) and are characterized by a high degree of self-organization and a looser, less strictly formalized and decentrally regulated rule system. Their strategic processes are output-oriented, governed and controlled regarding the central goals of the organization; actors have an individual sphere of influence. Furthermore, the self-organization and social learning processes of a commitment strategy encourage the flexibility and creativity of actors and, therefore, enhance the innovation potentials of new employees. Due to the basal logic of the commitment strategy, the general socialization process is more individualized and less governed by the organization than in the institutionalized process of the control strategyǤ The corresponding induction approach can be described as a ‘clan approach’ that is guided by social rules and is flexible not standardized. There is a ‘unique initiatory and learning experience (it is individual) and on-the-job training (it is informal). Providing little information about the sequence or timing of career progression, the organization uses random and variable socialization tactics. Requiring newcomers to develop their own roles, it employs a disjunctive tactic. Finally, treatment by organization members that disconfirms newcomers’ identities constitutes divestiture’ (Allen & Meyer, 1990: 848). Furthermore, ‘divestiture encourages innovative role orientations because, unlike investiture, it causes newcomers to question assumptions about their behavior and challenges them to justify or modify it’ (ibid. referring to Jones, 1986). On the one hand, the induction practices provide newcomers with the required background knowledge (i.e. their understanding of the firm’s strategy, their absorptive capacity and their ability to perform exploratory learning) to correctly interpret the ostensive aspects of organizational routines and corresponding social norms and sanction mechanisms and, on the other hand, enable them to develop new interpretations of the ostensive aspect and enfold their innovation potential. The central aim is the broadening of the existing knowledge base. In terms of organizational memory the focus lies on the recreation and perpetuation of the procedural memory.
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Discussion and Conclusion
Research on OM lacks a dynamic perspective that shows how OM is continuously recreated and enacted over the course of time. In this paper, we took up this research gap (Antonacopoulou & Güttel, 2010) and integrated OM with knowledge on staff induction and organizational recreation. We perceive staff induction as the main mode for newcomers to learn parts of the firm’s knowledge base with the aim to act fully in accordance with the standards of the firm. We contribute to the existing research in three ways: First, we extend research on organizational recreation, initially provided by Birnholtz et al. (2007) with their analysis of the recreation of the organizational character of a summer camp. In line with their findings, literature of staff induction and socialization also indicate that the primacy of demonstration and the provision of information are substantial parts of the socialization process. However, based on our analysis of control-based and commitment-based HRM strategies, we need to add adjustment pressure according to existing expectation structures as another substantial mode of organizational recreation. Firms use different modes for endowing employees with knowledge to perform organizational routines as also Birnholtz et al. (2007) mention different information providing mechanisms (e.g. collective burst, bursty communication). According to the distinction between institutionalized and individualized staff induction, we distinguish between a one-step and a two-step approach of induction where employees receive information necessary to perform in accordance with the standards of the firm. In a two-step approach, following the logic of standardized induction programs on firm level, newcomers receive more theoretical and ‘good practice’-knowledge and information that has to be applied and adopted to the specific working context after inductees are integrated into the operative business. The immediate integration into the working team follows the logic of a one-step approach of induction. Newcomers are quickly integrated into their working environment and acquire practical knowledge of the operative business. Over in the course of time, they also develop knowledge about the firm, but mainly from a team-based perspective. Demonstrative learning also occurs differently in a standardized induction program (two-step approach) and during the integration into the working team (one-step approach). The integration into the working environment offers insights into the behavior of working group members that act as role models. Sometimes, official or informal mentors for inductees are used to support the translation of values and norms of the organizational culture, explain the social
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network structure within the firm and indicate which knowledge has to be applied in different situations. In standardized induction programs (two-step approach), managers and experts are usually invited to participate in trainings and workshop sessions. Thus, newcomers have the opportunity to follow their explanations about their individual activities within the firm in a broader sense and about the firm in general. Therefore, the firm offers role models for newcomers in induction programs that enable demonstrative learning by analyzing their behavior. In sharp contrast to Birnholtz et al. (2007), we identified adjustment pressure as the main mode of integrating newcomers into the firm and, therefore, recreating the firm’s OM. Either in a control-based or in a commitment-based HRM strategy, collective expectations exist that newcomers learn to stick to existing formal (control) or social (commitment) rules. Inductees do not only follow the suggestions and instructions of experienced colleagues and team leaders voluntarily, a must in the case of the non-profit setting of the summer camp investigated by Birnholtz et al. (2007). Instead, firms seek to guide the integration of newcomers often tightly, in particular in cases where inductees lack sufficient background knowledge for task performance. The immediate integration into the working environment increases the pressure for newcomers to adjust their behavior to existing standards as quickly as possible in order to perform operative routines collectively with their colleagues. Inductees are forced to learn the collective understanding underlying the operative routines, called ostensive aspects (Pentland & Feldman 2003, Feldman & Pentland 2005), to contribute to task fulfillment of the working team. However, adjustment pressure concerns the determination of the boundaries of behavior to meet the expectations from team members embedded into ostensive aspects. The more advanced the background knowledge, e.g. by hiring experts in a certain field, the wider the boundaries of the corridor for accepted behavior. Inexperienced newcomers have to stick tightly to pre-defined rules, i.e. the boundaries of the corridor for accepted behavior is narrow. The adjustment pressure is more substantial and more important on a team level than on a firm level during standardized induction programs. Theoretical explanations of firm-wide expectations cannot be that precise for a concrete working context as they have to be more of general validity. Secondly, we also contribute to research on procedural memory (Cohen & Bacdayan, 1994) and the continuous updating of organizational routines (Pentland & Feldman 2003). These two research streams have emphasized the dynamic nature of organizational knowledge that allows employees to connect different knowledge repositories for task performance. Analyzing literature indi-
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cates that three memory domains – technical knowledge, social network knowledge and cultural knowledge – underpin task performance and, therefore, are necessary to be learned by newcomers. Standardized induction programs support the development of a firm-wide orientation for new employees as key features of the formal knowledge base are presented. More importantly, the learning process on a team level facilitates the establishment of a mental map of how these three memory domains interact and how they contribute to organizational functioning. In this regard, ostensive aspects can be perceived as the task-specific and teambased knowledge architecture that has to be learned by inductees to contribute positively to task performance. Thirdly, HRM literature distinguishes between a control-based and a commitment-based HR strategy (Lengnick-Hall et al., 2009). A control-based HR strategy is based on formal rules and hierarchical control to ensure the employees’ performance. In contrast, a commitment-based HR strategy seeks to increase the commitment of employees to the firm in general. We have theoretically derived two different induction practices from these two HRM strategies, which we have labeled ‘bureaucratic approach’ and ‘clan approach’. The bureaucratic mode of staff induction is applied in a standardized two-step approach, where the firm presents information, tools, and techniques to inductees formally. The bureaucratic induction strategy, which is often labeled as ‘good practice’ to introduce newcomers into a firm, is applied in larger firms and for inductees with a low level of background knowledge. In formal programs, the newcomers learn the foundation of the firm’s business model. In contrast, the clan approach is more frequent in smaller firms (that lack bigger HR departments with the responsibilities for designing staff induction programs) and for newcomers with a high level of background knowledge. The firms seek to profit from the expertise of experienced inductees and, therefore, abandon to include the newcomer into pre-defined induction programs. Instead, the inductees are integrated into working teams that often seek to profit from new knowledge provided by the newcomer. Therefore, we can conclude that the more a firm intends to profit from the expertise of newcomers (i.e. high level of background knowledge), the more appropriate a commitment-based induction approach is. On the contrary, the lower the level of background knowledge of inductees is, the higher the necessity for a firm to provide sufficient knowledge to new employees in order to integrate him or her into the existing organization is and, thus, to ensure the recreation of the firm’s OM through their activities.
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Dynamische Kompetenz als reflexiv-kreatives Handeln1
Abstract.............................................................................................................. 58 1
Einleitung ............................................................................................... 59 1.1 Organisationale Routinen und soziale Praktiken......................... 61 1.2 Traditionelles Begriffsverständnis .............................................. 62 1.3 Organisationale Routinen als soziale Praktiken .......................... 64
2
Kompetenz.............................................................................................. 67 2.1 Dynamische Kompetenz als bewusst-reflexiv und kreatives Handeln ....................................................................................... 67 2.2 Reflexivität.................................................................................. 69 2.3 Kreativität.................................................................................... 70
3
Framework: Entwicklung von Routinen................................................. 71 3.1 Interpretation und Variation ........................................................ 72 3.2 Verhandlung und Durchsetzung.................................................. 74 3.3 Sedimentierung von Praktiken .................................................... 76 3.4 Verlernen..................................................................................... 77
4
Zusammenfassung und Ausblick............................................................ 78
Literatur ............................................................................................................. 80 1
Überarbeiteter Beitrag zum 6. Symposium zum Strategischen Kompetenz-Management: „25 Jahre ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung: Der Competence-based View auf dem Weg zum Schlüsselparadigma in der Managementforschung?“ am 23., 24. und 25. September 2009 an der Philipps-Universität Marburg. Wir danken insbesondere Herrn Professor Manfred Moldaschl und Herrn Professor Wolfgang Güttel für wertvolle Hinweise und Anregungen.
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Alexander Martin/Nina Katrin Hansen
Abstract In diesem Artikel wird ausgehend von den Gedanken des Amerikanischen Pragmatismus und den Theorien sozialer Praktiken ein verändertes Verständnis von dynamischer Kompetenz skizziert. Handeln von Akteuren wird dabei als in soziale Praktiken eingebettet betrachtet und ist durch interdependente und rekursiv aufeinander bezogene ostensive wie performative Bestandteile gekennzeichnet. Dynamische Kompetenz als bewusst-reflexiv sowie kreative Bezugnahme sozialer Akteure auf Regeln und Ressourcen (Struktur) dient dabei der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit von Organisationen in sich (radikal) verändernden Umwelten. Kompetenz und Routine hingegen verkörpern zwei, nur hinsichtlich ihres Beitrags zum Wettbewerbserfolg unterscheidbare Modi eines mehr oder weniger unbewussten Prozessierens. In einer ersten Annäherung wird ein Framework entwickelt, welches die verschiedenen Dimensionen dynamischer Kompetenz darstellt und bestimmte soziale Mechanismen mit Einfluss auf das Zustandekommen dynamischer Kompetenz als reflexives Handeln präsentiert.
Dynamische Kompetenz als reflexiv-kreatives Handeln
1
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Einleitung
Vor dem Postulat dynamischer Umwelten erfährt die prozessual-dynamisch ausgeprägte Forschungsrichtung der „Competence-Based View“ bzw. der „Capabilities-Based View“ in jüngster Zeit besondere Bedeutung innerhalb der Strategischen Managementforschung. Gemäß dieser Perspektive resultieren dauerhafte Wettbewerbsvorteile aus dem Vermögen einer Organisation, fortlaufend die Prozesse der Ressourcenallokation an veränderte (Umwelt-)Bedingungen anzupassen und hierdurch Quasi- bzw. Schumpeter-Renten zu generieren (hierzu ausführlich Duschek, 2002). Als „neue Erklärungskategorie für Wettbewerbsvorteile“ (Becker et al., 2006: 203) erfährt der Begriff der organisationalen Kompetenz im Sinne verlässlicher „Problemlösungsarchitekturen“ (Schreyögg & Kliesch, 2005: 16) oder auch als „regelmäßig wiederholbare und verallgemeinerbare Verfahrensweise des Umgangs mit Ressourcen“ (Duschek, 2001: 59) prominente Stellung. Während Kompetenzen in erster Linie den Erfolg auf Basis etablierter organisationaler Prozesse der Ressourcenallokation beschreiben und damit als ein bestimmtes, nämlich Wettbewerbsvorteile generierendes und erhaltendes Set an Routinen aufgefasst werden können, sind es insbesondere die dynamischen Kompetenzen, die es einer Organisation erlauben, in sich verändernden Umwelten eben diese Wettbewerbsvorteile generierende und erhaltenden Routinen trotz ihrer inhärenten Tendenz der Verfestigung fortlaufend zu modifizieren (etwa Teece et al., 1997; Winter, 2000, 2003). Trotz der augenscheinlichen Bedeutung des Begriffes der Kompetenz besitzt die strategische Managementforschung bisher jedoch nur ein unzureichendes Verständnis über den Kompetenzbegriff selbst wie auch über die „sozialen Mechanismen“ (im Sinne von Merton, 1968; siehe hierzu Schmitt, 2006: 8-9) der Kompetenzentstehung und -entwicklung (Helfat et al., 2007: 31-35; Abell et al., 2008: 490; Felin & Foss, 2009: 163-164). Zum einen werden Kompetenzen aufgrund der weit verbreiteten Bezugnahme auf das behavioristisch fundierte Konzept der organisationalen Routine letztlich als situationsdeterminiert begriffen und deren Entstehung und Entwicklung primär mittels Konstrukte höherer Ordnung („dynamic capabilities“ oder auch „high-level routines“) zu erklären versucht (Abell et al., 2008: 493-494; Collis, 1994). Zum anderen führt die starke Betonung des implizit-kollektiven Charakters von (wettbewerbsrelevanter bzw. strategischer) Kompetenz zu einer Vernachlässigung von Aspekten wie etwa Expertenwissen, Kognition, Reflexivität bzw. Intentionalität, Rationalität, Charisma oder auch der Motivation einzelner Akteure (Becker et al., 2006; Felin & Hesterly, 2007; Felin & Foss, 2009). In Summe verbleiben die endogenen und
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Alexander Martin/Nina Katrin Hansen
organisationsinternen Mechanismen der Kompetenzentstehung und -entwicklung aufgrund der Ausblendung des Individuums letztlich diffus und in weiten Teilen auch ungeklärt (Wilkens et al., 2004; Gavetti, 2005; Abell et al., 2008; Felin & Foss, 2009). In diesem Artikel wird ausgehend von den Gedanken des Amerikanischen Pragmatismus (Joas, 1992; Mead, 1952; Cohen, 2007) und den Theorien sozialer Praktiken (Giddens, 1979, 1984; Gheradi, 2000; Reckwitz, 2002; Geiger & Koch, 2008) ein verändertes Verständnis von dynamischer Kompetenz skizziert. Handeln von Akteuren wird als in soziale Praktiken (organisationale wie im Weiteren auch organisationsübergreifende Praktiken) eingebettet betrachtet und ist durch interdependente und rekursiv aufeinander bezogene ostensive wie performative Bestandteile gekennzeichnet. Da sich der Anwendungsbereich sozialer Praktiken in Form von Regeln und Ressourcen (Struktur) aufgrund der prinzipiellen Kontingenz und Vieldeutigkeit von Situationen – wegen ihrer immanenten kontextualen Interpretationsbedürftigkeit – nicht aus den Praktiken oder Regeln selbst ergeben kann (hierzu grundsätzlich Ortmann, 2003), oder um es mit dem Diktum von Wittgenstein auszudrücken „rules do not contain the rules for their own application“ (zit. n. Collins, 2000: 842), muss eine kreative wie auch urteilskräftige Leistung eines „knowledgeable agent“ (Giddens 1984) vorausgesetzt werden. Kreativität bezeichnet vor diesem Hintergrund die „capability to act or think innovatively in relation to pre-established modes of activity“ (Giddens, 1991: 41) und ist als „situtierte Kreativität“ (Joas, 1992) nur vor dem Hintergrund der jeweiligen konkreten Handlungssituation, den jeweiligen Akteuren und ihren Biografien sowie den aktuell geltenden sozialen Praktiken zu verstehen. Ausgehend vom „pragmatistischen Grundmodel des Handelns“ (Joas, 1992: 190) werden zentrale Mechanismen herausgearbeitet, die eine bewusst-reflexive, kreative wie auch sozial koordinierte Bezugnahme auf Struktur beeinflussen. Ressourcen sind dabei als Handlungs- bzw. Machtmittel zu begreifen, die Akteure kreativ in Handlungssequenzen einbringen (und auch müssen), die aber gleichzeitig als (inter-)subjektive Konstrukte den wahrgenommenen Möglichkeitsraum von Handeln – und damit das Handeln selbst – sowohl restringieren als auch ermöglichen (hierzu etwa Orlikowski, 1992; Sydow et al. 2003; Feldman, 2004; Baker & Nelson 2005; ausführlich Schulz-Schaeffer, 1999). Basierend auf diesen Überlegungen wird ein wenngleich noch vorläufig ausgearbeitetes, strukturationstheoretisch informiertes Framework präsentiert, welches in Anlehnung an Giddens (1984) und Sydow et al. (2003) dynamische Kompetenz als bewusst-reflexive sowie kreative Bezugnahme sozialer Akteure auf
Dynamische Kompetenz als reflexiv-kreatives Handeln
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Regeln und Ressourcen zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit von Organisationen in sich verändernden Umwelten versteht. Struktur ist hierbei sowohl Medium als auch Resultat dieser Bezugsnahme (Giddens, 1984). Der Hinweis auf die „bewusst-reflexive Bezugnahme“ verdeutlicht, dass dynamische Kompetenz von Kompetenz bzw. Routinen primär durch die bewusste oder intentionale „Freisetzung für neue Handlungsmöglichkeiten“ (Joas, 1992: 196) zu unterscheiden ist und eine kritische Distanzierung zu geltenden sozialen Praktiken impliziert. Durch den Verweis auf soziale Akteure soll darauf hingewiesen werden, dass das Handeln von Individuen als Interaktion mit anderen Akteuren bzw. mit Objekten zu verstehen ist. Kompetenz als kollektives Konstrukt ist dabei begrifflich wie konzeptionell von den individuellen Fähigkeiten der Akteure zu unterscheiden ist.2
1.1
Organisationale Routinen und soziale Praktiken
Organisationale Routinen stellen das zentrale theoretische Konzept vieler Organisations- und Managementtheorien dar (Cohen et al., 1996: 656; Feldman & Pentland, 2003: 96) und dienen insbesondere als Erklärungsmuster für organisationales Wissen und Lernen (Geiger & Koch, 2008: 693). In jüngerer Zeit ist eine Weiterentwicklung des Routineverständnisses zu beobachten, welches abweichend von der Betrachtung von Routinen als „eindeutig vordefiniert[e] und wiederholt[e] individuell[e] Handlungsvollzüg[e]“ (Geiger & Koch, 2008: 693) mit Rekurs auf den „practice turn“ (Schatzki et al., 2001) der Sozialtheorie orga2
In diesem Artikel geht es primär um Kompetenz als kollektives Konstrukt. Konstituierende Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit (individuelle Kompetenz) einzelner Akteure, sich in vorteilhafter Art und Weise (meist unbewusst und intuitiv) auf Struktur zu beziehen. „Experten“ sind – im Gegensatz zu „Novizen“ – gemäß diesem Verständnis Akteure, denen es gelingt, vor dem Hintergrund ihrer sozial erlernten, personalen Handlungsdispositionen innerhalb vergleichbarer Handlungssituationen „bessere“ Resultate als andere Akteure zu erreichen (die Unterscheidung in die beiden Pole „Experten“ und „Novizen“ ist entlehnt aus Dreyfus & Dreyfus, 2005; für diesen Hinweis danken wir Herrn Professor Moldaschl). Erfolgskriterium (z.B. Umsatz) und zu erfüllendes Anspruchsniveau (z.B. Höhe des Umsatzes) zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit (das „Besser“) der Bezugnahme (als Handlungsresultat) dürfen allerdings nicht objektivistisch gedacht werden, sondern unterliegen vielmehr als intersubjektive Konstrukte Mechanismen der Verhandlung und Setzung durch verschiedene Parteien (allgemein der Stakeholder). Die in Verhandlungen und Setzung erzeugten Erwartungen hinsichtlich der Erfüllung verschiedener Erfolgskriterien können durchaus „objektiven“ Charakter annehmen, insofern diese eine gewisse raum- und zeitliche Ausdehnung und Gültigkeit beanspruchen. Prinzipiell sind Erfolgsmaßstab und damit verbundenes Anspruchsniveau aber beeinfluss- und verhandelbar.
62
Alexander Martin/Nina Katrin Hansen
nisationale Routinen als situierte soziale Praktiken begreift. Den Akteuren wird hierbei grundsätzlich ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt und das Konzept findet sowohl für die Erklärung von Stabilität als auch von organisationalem Wandel gleichermaßen Anwendung (exemplarisch Feldman, 2000). Im Folgenden soll die Entwicklung des Routinebegriffes kurz näher betrachtet und hierauf aufbauend das Verhältnis von organisationaler Routine, Kompetenz und dynamischer Kompetenz diskutiert werden.
1.2
Traditionelles Begriffsverständnis
Seitdem Stene (1940) das Konzept der Routine in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt hat werden Routinen als zentraler organisationaler Mechanismus verstanden, welcher das koordinierte Handeln von Organisationsmitgliedern gewährleistet und durch den eine Organisation den Großteil ihrer Aufgabenstellungen bewerkstelligt (siehe etwa die zentralen Arbeiten von March & Simon, 1958; Cyert & March 1963; Nelson & Winter, 1982; sowie die Übersicht von Becker, 2004). Auch wenn die relevante Literatur stark divergiert, können organisationale Routinen in einer ersten Annäherung „as repetitive, recognizable patterns of interdependent actions, carried out by multiple actors” (Feldman & Pentland, 2003: 95) verstanden werden. Das divergierende Begriffsverständnis kann anhand von drei Metaphern organisationaler Routinen weiter beschrieben werden (Feldman & Pentland, 2003: 96-97; siehe hierzu auch Geiger & Koch, 2008: 695-699): Organisationale Routinen als (1) Programme, (2) Gewohnheiten/Könnerschaft und (3) Gene. 1 Von einer ersten Gruppe von Autoren werden organisationale Routinen als Komplexität reduzierende und kognitive Effizienz generierende Programme konzeptualisiert und fungieren etwa als „performance programs“ (March & Simon 1958, Simon, 1977), Heuristiken bzw. Skripte (Gioia & Poole, 1984), „heuristic programms“ (Starbuck & Hedberg, 1977) oder „industry recipes“ (Spender, 1989). Die „standard operating procedures“ nach Cyert & March (1963) oder auch die „Routineprogramme“ bei Luhmann (1971) stellen das archetypische Beispiel dieser Performance-Programme dar. In dieser theoretischen Perspektive wird insbesondere die Koordinationsfunktion von Routinen in den Mittelpunkt der Analyse gestellt: Formale, zeit- und situationsunabhängige Routine- bzw. Konditionalprogramme definieren bei Eintritt bestimmter Sachverhalte eine festgelegte Handlungsabfolge und ein mehr oder weniger fest gelegtes Handlungsresultat. Durch formale „Wenn-Dann-
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Regeln“ werden Entscheidungen ex ante getroffen, welche die zuverlässige Reproduktion von rationalen Handlungsschemata gewährleisten und damit die Hierarchie bzw. das Management von notwendigen Reflexionsleistungen entlasten (hierzu Luhmann, 1971). Weitere Rationalitätsgewinne können durch die Ausnutzung von Lerneffekten und durch die hierauf aufbauende Standardisierung von Routinen erzielt werden (Schreyögg et al., 2004: 1298; March, 1991: 83). Im Zeitablauf werden die Prozesse der Ressourenallokation der Organisation zunehmend routinisiert und „the firm is likely to become more and more ‘capable’ over time“ (Langlois, 1992: 111). Insofern sind „Stabilität, Repetition und Verlässlichkeit […] die wesentlichen Merkmale eines solchen Routineverständnisses“ (Geiger & Koch, 2008: 696). 2. Insbesondere in der internationalen Organisationsforschung wird das Routinekonzept jedoch nicht mehr ausschließlich auf „reflektionsbefreite monotonrepetitive Handlungsvollzüge reduziert, sondern zunehmend auch für außergewöhnliche Tatbestände geöffnet“ (Geiger & Koch, 2008: 696). Bereits in den Ansätzen von Stene (1940), Simon (1945) sowie Nelson & Winter (1982) werden organisationale Routinen eher als Analogien zu Gewohnheiten bzw. Fertigkeiten („skills“) individueller Akteure angesehen (Nelson & Winter, 1982: 124, 73; Cohen et al. 1996), die auf eine spezifische Könnerschaft verweisen (Geiger & Koch, 2008: 696-697). Individuelle Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten („skills“) und organisationale Routinen sind gemäß dieser Sichtweise durch zwei gemeinsame Merkmale gekennzeichnet: einen quasiautomatischen Handlungsvollzug sowie die Tatsache, dass sie auf einem hohen Anteil impliziten Wissens basieren (etwa Hennemann, 1997: 137; siehe auch Foss, 2003). Mit dieser Konzeptualisierung von Routine als Könnerschaft oder Expertise erfolgt eine zentrale Erweiterung des klassischen Routineverständnisses: Routinen werden als außergewöhnliche Leistung (Könnerschaft, „Kunst“) bzw. als spezifische und besondere organisationale Fähigkeit begriffen. Hiermit einher geht die Vorstellung einer „NichtExplizierbarkeit“ der Könnerschaft bzw. der auf implizitem Wissen basierenden organisationalen Routine (Geiger & Koch, 2008: 696), die dann aufgrund ihrer Funktion als strategische Imitationsbarriere oder eben als Isolationsmechanismus dauerhafte Wettbewerbsvorteile ermöglicht (Knott, 2003: 929). Bestehen bleibt in dieser Konzeption allerdings die Annahme eines stark habituellen Charakters der organisationalen Routine (Geiger & Koch, 2008: 697). 3. In der dritten Metapher werden Routinen als Gene betrachtet; sie hat ihren Ursprung ebenfalls in der Evolutionstheorie Nelson & Winters (1982). Diese
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Perspektive verweist auf den emergenten Charakter organisationaler Routinen, welche demnach durch einen organisationsinternen Evolutionsprozess selektiert und etabliert werden (Schreyögg et al., 2004: 1299). Organisationale Routinen werden als genetisches Material von Organisationen und als „persistent feature of the organism“ (Nelson & Winter, 1982: 14) angesehen und im Sinne von Genen determinieren sie das mögliche Verhalten einer Organisation. Sie stellen nach Nelson & Winter (1982) ferner die Basis des organisationalen Gedächtnisses und damit den zentralen „Wissensspeicher“ dar. Aus dieser Perspektive werden Routinen nicht länger nur als zentraler Koordinationsmechanismus von Organisationen begriffen, sondern als basales Muster organisationalen Verhaltens konzeptualisiert (Geiger & Koch, 2008: 698). Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Entwicklung des traditionellen Verständnisses organisationaler Routine lässt sich festhalten, dass trotz der Unterschiede im Einzelnen organisationale Routinen bis dato doch als relativ „rigid in their execution, that they are mundane in content, that they are isolated from thought and feeling, and/or that their underlying action patterns are explicitly stored somewhere“ (Cohen, 2007: 774) verstanden werden und „in all three metaphors (programs, habits, and genes), we have an image of routines as relatively fixed, unchanging objects“ (Feldman & Pentland, 2003: 97). Die hierhin begründete, immanente Rigidität organisationalen Verhaltens wird in jüngster Zeit von verschiedenen Autoren (etwa Pentland & Rueter, 1994; Feldman, 2000, 2003, 2004; Tsoukas & Chia, 2002; Feldman & Pentland, 2003; Pentland & Feldman, 2005; Weick & Sutcliffe, 2006) in Frage gestellt. Insbesondere Ansätze auf Basis von Theorien sozialer Praktiken bieten hierbei eine vielversprechende konzeptionelle Erweiterung des Routinekonzeptes (Geiger & Koch, 2008) und bilden das theoretische Fundament des vorliegenden Beitrages.
1.3
Organisationale Routinen als soziale Praktiken
Im Zuge des „interpretive turn“ (etwa Rabinow & Sullivan, 1979) in der gegenwärtigen Sozialtheorie wurden eine Vielzahl von Theorien sozialer Praktiken (etwa Bourdieu, 1972; Giddens, 1979, 1984) entwickelt (zusammenfassend Reckwitz, 2002). Diese Praxistheorien stellen eine konzeptionelle Alternative zu anderen Formen von Sozialtheorie dar, die den Dualismus von Individuum und Gesellschaft zu überwinden versuchen und auf einer Rekonzeptualisierung des Akteurs, seines Bewusstseins und Körpers sowie von sozialem Wissen und sozi-
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alen Strukturen basieren. Der praxis-theoretische Ansatz hat dabei beispielsweise zu einem tieferen Verständnis von organisationalem Wissen (Cook & Brown, 1999; Brown & Duguid, 2001; Orlikowski, 2002), Technologie (Orlikowski, 1992) und organisationalen Routinen (Feldman, 2000, 2003; Feldman & Rafaeli 2002; Feldman & Pentland, 2003; Pentland & Feldman, 2005) geführt. Gemeinsamkeit dieser Autoren ist ihr Interesse am tatsächlichen Handeln von Organisationsmitgliedern und den informalen Prozessen innerhalb von Organisationen (Geiger & Koch, 2008: 703; Schatzki, 2007). Im Unterschied zum traditionellen Verständnis werden Routinen in praxistheoretischen Ansätzen als soziale Praktiken begriffen: „A ‘practice’ (Praktik) is a routinized type of behaviour which consists of several elements, interconnected to one another: forms of bodily activities, forms of mental activities, ‘things’ and their use, a background knowledge in the form of understanding, know-how, states of emotion and motivational knowledge” (Reckwitz, 2002: 249).
Soziale respektive organisationale Praktiken besitzen dabei einen dualen Charakter: Auf der einen Seite orientieren sie das Handeln der Akteure als eine Art „background knowledge“, auf der anderen Seite stellen sie die eigentliche Aktivität – die Praktik selbst – dar, welche von einer Vielzahl von Akteuren ausgetragen wird (Gheradi, 2000: 215). Diese Dualität von Handlung und Struktur (Giddens, 1984) verweist auf zwei interdependente und rekursive aufeinanderbezogene Dimensionen organisationaler Routinen, die von Feldman & Pentland (2003, 2005; mit Bezug auf Latour, 1986) als ostensive und performative Bestandteile von Routinen bezeichnet werden. „The ostensive aspect is the ideal or schematic form of a routine. It is the abstract, generalized idea of the routine, or the routine in principle“ (Feldman & Pentland, 2003: 101). Im Gegensatz zur Strukturdimension bzw. zum ostensiven Aspekt repräsentiert der performative Teil von Routine die Handlungsdimension bzw. den Vollzug der sozialen Praktik durch menschliche Akteure. „The performative aspect embodies the specific actions, by specific people, at specific times and places, that bring the routine to life” (Feldman & Pentland, 2003: 101). Artefakte können in dieser Konzeption als die physische Manifestationen organisationaler Routinen angesehen werden (Pentland & Feldman, 2005: 797). Aufgrund ihres prozessualen Charakters und der internen Dynamik ihrer beiden Dimensionen werden organisationale Routinen aus einer praxis-theoretischen Perspektive sowohl als Quelle organisationaler Stabilität als auch organisationalen Wandels verstanden, denn „the internal structure of a routine can produce a wide range of different outcomes on the continuum between ‘very stable’ and ‘constantly changing’, depending on circumstances” (Pentland & Feldman, 2005: 794-795).
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Der Fokus der Betrachtungen wird somit nicht auf Meta- oder Veränderungsroutinen (etwa Nelson & Winter, 1982; Teece et al., 1997) sondern auf eine grundlegende Eigenschaft von Routinen selbst gerichtet: „[T]he inherent capability of every organizational routine to generate change, merely by its ongoing performance” (Feldman & Pentland, 2003: 94). Routine bzw. routiniertes Verhalten wird dabei von den Akteuren primär auf Basis ihres praktischen Bewusstseins und des Einsatzes einer (pre-)reflexiven Handlungssteuerung generiert: Sie „ereignet sich nicht einfach“ (Giddens, 1988: 36, 116). Das Hervorbringen und der Vollzug von routiniertem Handeln sind vielmehr als „effortful accomplishment“ (Pentland & Rueter, 1994: 488) der Akteure anzusehen. Soziale Praktiken repräsentieren dabei nicht die vom individuellen Bewusstsein bzw. vom handlungspraktischen und inkorporierten Wissen unabhängige, identische Wiederholung bestimmter Handlungsmuster. Vielmehr betont ein praxis-theoretisches Konzept organisationaler Routinen die Rolle des Individuums als handlungsmächtiger Akteur sowie die routinierte Anpassung zweckmäßiger Handlungsmuster an tatsächliche und damit auch immer spezifische Kontexte. Die routinierten und fortwährend reproduzierten Handlungen der Organisationsmitglieder stellen zwar bewährte Handlungsabfolgen dar und die hiermit verbundenen Entscheidungsprozesse können als habitualisiert angesehen werden. Da Akteure ihren Handlungsstrom auf der Ebene ihres praktischen Bewusstseins jedoch mehr oder weniger reflexiv steuern, wird das unreflektierte Wiederholen organisationaler Praktiken bei veränderten Umwelt- und Kontextfaktoren unwahrscheinlich und vielmehr werden bewährte Handlungsmuster fortlaufend situativ angepasst (hierzu Giddens, 1984; Hennemann, 1997; Pentland & Rueter, 1994; Feldman & Pentland, 2003). Trotz der Betonung individualistischer bzw. akteursbezogener Elemente im Zuge des „practice turns“ kann allerdings auch weiterhin festgestellt werden, dass mit wenigen, eher bewusstseinsphilosophisch orientierten Ausnahmen (etwa Duschek, 2001; Sydow et al., 2003) in der Forschung zu organisationalen Routinen auch in dem neueren Verständnis – im Sinne sozialer Praktiken – diese Elemente bis dato nur in unzureichendem Maße Berücksichtigung finden (Essén, 2008: 1616-1619; Geiger & Koch, 2008: 705-706) und „practice-based theories would do well to draw insights from cognitive approaches, particularly regarding the role of cognitive frameworks or schemas in guiding knowledge processes“ (Marshall, 2008: 413). Während die Veränderung von Routinen auf kontextuelle und situative Kontingenzen zurückgeführt wird, ist nur relativ wenig darüber bekannt, unter welchen Umständen und wie Akteure diese Unsicherheiten und Veränderungen wahrnehmen, interpretieren und dann in geplanten bzw. intentio-
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nalen, improvisierten und kreativen Akten auch bewältigen. Damit verbleibt aber die Erklärung, wie sich organisationale Routinen tatsächlich verändern in den meisten Teilen wiederum exogen – und zwar im Sinne von außerhalb des handelnden Akteurs und dessen sozial vermittelten Wahrnehmungs-, Interpretationsund Improvisationsleistungen.
2
Kompetenz
2.1
Dynamische Kompetenz als bewusst-reflexiv und kreatives Handeln
Im Folgenden soll der Vorschlag gemacht werden, auf das Kriterium der bewussten Reflexivität als distinktives Abgrenzungsmerkmal zwischen dynamischer Kompetenz und sozialen Praktiken zu rekurrieren.3 Der Begriff der bewussten Reflexivität verweist dabei auf die bewusste Evaluation der Ziele bzw. Handlungsmotive, der Parameter der jeweiligen Handlungssituationen sowie auf die Berücksichtung der intendierten wie nicht intendierten Konsequenzen des aktuellen oder geplanten Handelns und bezeichnet – im Gegensatz zum reinen Routinehandeln – ein Handeln „im Bewusstsein der eigenen Situiertheit und des Nebenfolgenproblems“ (Moldaschl, 2005: 273). Ziel einer so verstandenen dynamischen Kompetenz stellt die bewusste (1) Entwicklung und Einführung neuer, (2) die Modifikation bzw. (3) Beibehaltung sowie (4) die Eliminierung bestehender sozialer Praktiken (bestmöglich natürlich Kompetenzen, siehe unten) dar (ähnlich auch Abell et al., 2008). Unter dem Begriff der sozialen Praktik wird Routine und Kompetenz zusammengefasst. Diese Konstrukte stimmen hinsichtlich ihrer grundlegenden Handlungsprinzipien überein, adressieren jedoch eine unterschiedliche Qualität des Handelns bzw. des Handlungsergebnis: Kompetenz beschreibt qualitativ abgrenzbare bzw. überlegene Routinen (oder ein Set von Routinen), auf welche sich dann beispielsweise die VRIN-Kriterien (Barney, 1991) anwenden lassen. Für eine Erklärung von Wettbewerbsvorteilen sind daher insbesondere Kompetenzen, im Sinne einer besonderen bzw. vorteilhaften (etwa im Vergleich zu den Wettbewerbern) aber routinierten Bezugnahme auf Struktur, ausschlaggebend. Damit soll folgendes gesagt werden: Organisationale Kompetenz ist immer Rou-
3
Siehe hierzu auch das Konzept der „Institutionellen Reflexivität“ von Moldaschl (2005, 2006).
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tine, aber nicht jede organisationale Routine ist auch Kompetenz, beide sind jedoch soziale Praktiken. Dynamische Kompetenzen beinhalten hingegen ein intentionales bzw. bewusst-reflexives Moment (siehe auch Helfat et al., 2007: 5). Der Begriff des Bewussten oder der Bewusstmachung impliziert dabei eine kritisch-reflexive Distanzierung von den bestehenden sozialen Praktiken und dient der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit von Organisationen in (radikal) dynamischen Umwelten. Dynamische Kompetenz verkörpert damit – im Gegensatz zu der üblichen Betrachtung in der Literatur – kein wie auch immer gelagertes Set an „high-level routines“ (exemplarisch Winter, 2003: 991), sondern vielmehr das Vermögen einer Organisation, sich von den bestehenden sozialen Praktiken in einem bewussten, aber nicht routinierten Akt zu emanzipieren und eben diese sozialen Praktiken auf Basis mehr oder weniger intentionaler Handlungsstrategien erfolgreich zu verändern. Dynamische Kompetenz hat dabei ihren „konstitutiven Hintergrund in unreflektierten Gewohnheiten“ (Joas, 1992: 190), also in den sozialen Praktiken, und ist daher weder voraussetzungslos noch stellt sie gemäß dieser Konzeption eine Art institutionalisierter Such- und Reflexionspraktiken dar, wie dies etwa mit dem Begriff der Such- bzw. Innovationsroutine (Nelson & Winter, 1982; Becker & Zirpoli, 2006) und in der Literatur der „Dynamic Capabilities“ (etwa Teece et al., 1997; Winter, 2000, 2003) suggeriert wird (kritisch hierzu Collis, 1994; Moldaschl, 2006; Schreyögg & Kliesch-Eberl, 2007). Verworfen wird damit die weitverbreitete hierarchische Modellierung von Routinen, Kompetenz und dynamischer Kompetenz. Da Adaption und Wandel auch auf unbewusst ablaufenden Mechanismen und implizitem bzw. handlungspraktischem Wissen basieren können und dies mitunter zu anspruchsvollen und komplexen Problemlösungen führen kann (Cohen, 1991; Thorngate, 1976; Weiss & Ilgen, 1985), wird gemäß dieser Perspektive routine-basierter Wandel nicht suspendiert. Soziale Praktiken können – neben ihrem Aspekt der Stabilität und Effizienz – Quelle wirkungsvoller oder erfolgreicher Adaption und von Wandel sein (Feldman, 2000, 2003; Feldman & Pentland, 2003). Unter Umständen kann dies aufgrund des sogenannten „deliberationwithout-attention-effect“ (Dijksterhuis et al., 2006) und aus Gründen einer mit rationalen Entscheidungsmodellen kaum zu bewältigen Komplexität (March, 2006) zu besseren subjektiven (wie auch intersubjektiven) Ergebnissen führen.
Dynamische Kompetenz als reflexiv-kreatives Handeln
2.2
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Reflexivität
Kompetenz wird in dieser Arbeit an den Begriff der Reflexivität gebunden. Allgemein wird Reflexivität beschrieben als „to reflect on one's behavior as an observer“ (Tsoukas & Chia, 2002: 575; siehe auch Schmitt, 2006: 17) und kann zunächst – aber nicht hinreichend (hierzu Moldaschl, 2005: 271-273) – mit Luhmann (1984: 601) als Prozess der Selbstanwendung bzw. einer Art der besonderen Selbstreferentialität, etwa im Sinne der Beobachtung von Beobachtung bzw. Kommunikation über Kommunikation, betrachtet werden. Reflexivität verkörpert die kritische Distanzierung von sich selbst und den eigenen Praktiken mit dem Ziel, neue Beschreibungen oder Sichtweisen (allgemeiner: neue Wissensstrukturen) zu entwickeln (Tsoukas & Chia, 2002: 575). Reflexivität oder reflexive Wahrnehmung und reflexives Handeln ist dieser Betrachtung nach das Gegenstück einfacher und unbewusster Selbstreferentialität kognitiver bzw. sozialer Systeme, in welcher Wahrnehmung auf Basis der bereits existierenden Wissensstrukturen selektiv-kanalisierend und sich selbstverstärkend eingeordnet bzw. typisiert wird (hierzu etwa Duschek, 2001). Gemäß diesem Modell bedeutet bewusste Reflexion somit die von Akteuren auf Basis des vorhandenen Wissens vorgenommene Deutung „ihrer Situation als Raum von Handlungsalternativen […], deren Eintrittswahrscheinlichkeiten und Nutzen evaluiert werden müssen, um eine Handlungswahl zu treffen“ (Schmitt, 2006: 18) und dient dazu, eine potentielle „cognitive inertia“ (Hodgkinson, 1997) zu überwinden. Dies beinhaltet die Thematisierung und Abwägung der intendierten wie auch nicht intendierten Handlungsfolgen (Moldaschl, 2005: 271-273). Im Gegensatz zur Annahme der Theorien des Methodologischen Individualismus stellt diese bewusste Reflexion aus praxis-theoretischer Sicht allerdings nicht den grundsätzlichen oder proto-typischen Handlungsmodus von Akteuren dar (Schmitt, 2006: 17-18). Vielmehr bleiben im Rahmen der Theorie sozialer Praktiken „einzelne Handlungsakte nicht punktuell, isoliert und von einem Zweck angeleitet – wie es der Methodologische Individualismus voraussetzt –, sondern erscheinen von vornherein eingebettet in repetitive und sozial typisierte soziale Praktiken, eine Sequenz von skillful performances. Angesichts dieser Konstellation der Routinisiertheit werden die impliziten Handlungskriterien nur in besonderen, vor allem krisenhaften Situationen in die Explizitheit des diskursiven Bewußtseins gehoben“ (Reckwitz; 2007: 319; Hervorhebung durch die Autoren; siehe ausführlich auch Joas, 1992: 218-244). Jegliches Handeln in und von Organisationen ist somit zunächst im Kern gekennzeichnet durch eine pre-reflexive Bezugnahme auf Struktur und es wird davon ausgegangen, dass diese praxistheo-
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retischen Ansätze „help us to see organizations as systems of practices, existing in the world of tacit knowledge“ (Gheradi, 2000: 215). Solange Akteure in ihrem Handeln keine Widerstände oder Irritationen wahrnehmen, bzw. solange die (erlernten) Fähigkeiten der einzelnen Akteure ausreichen, um in bestimmten Situationen ihr Handeln anschlussfähig zu halten, agieren diese auf Basis von handlungspraktischem, implizitem, in Erfahrungen gewonnenem und sedimentiertem Wissen. Erst bei Wahrnehmung einer „krisenhaften Situation“ (Reckwitz, 2007) kommt es zur bewussten Reflexion auf die eigene Handlungssituation (ähnlich, aber aus anderer Perspektive Esser, 1996).
2.3
Kreativität
Es wurde angedeutet, dass unter (dynamischer) Kompetenz als Bezugnahme auf Struktur ein kreativer Akt zu verstehen ist, der neben der Planung notwendigerweise auch ein gewisses Maß an Improvisation (Miner et al., 2001) oder „resource construction through entrepreneurial bricolage“ (Baker & Nelson, 2005) besitzt. Dies gilt sowohl für die unbewusste Bezugnahme im Rahmen sozialer Praktiken als auch für die bewusste Distanzierung und Reflexion im Sinne des hier vorgeschlagenen dynamisch-kompetenten Handelns (Sydow et al., 2003: 3637). Kreativität kann vor diesem Hintergrund als „capability to act or think innovatively in relation to pre-established modes of activity“ (Giddens 1991: 41) aufgefasst werden. Gemäß der hier eingenommenen handlungstheoretischen Perspektive ist Kreativität jedoch nicht Resultat einzelner genialistischer Akteure und damit kein mentales Konstrukt. Vielmehr betont der Pragmatismus „die Idee einer kooperativen Wahrheitssuche zu Bewältigung realer Handlungsprobleme“ (Joas, 1992: 189). Kreativität als interaktionistisches Konstrukt ist in einer solchen Konzeption mit dem Handeln von Akteuren in bestimmten Problemsituationen unter strukturellen Einflüssen (eben vor dem Hintergrund sozialer Praktiken) verwoben und nur als solche auch hinreichend zu verstehen oder zu beschreiben (siehe auch Ford & Gioia, 2000). Ausgangspunkt der hier angestellten Überlegungen zu Kreativität bildet das pragmatistische Grundmodel des Handels, in welchem „[a]lles menschliche Handeln [...] in der Spannung zwischen unreflektierten Handlungsgewohnheiten und kreativen Leistungen gesehen“ (Joas, 1992: 190) wird. Vor dem Hintergrund verschiedener „Krisen des habituellen Handelns“ (Joas, 1992: 196) erfolgt in einem Akt des kreativen Handelns von Akteuren die Erschließung eines neuen Möglichkeitsraumes und Kreativität als ein Aspekt von Kompetenz ist demnach
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nicht die Beseitigung von Hindernissen auf mehr oder weniger vorgezeichneten Wegen, sondern schließt immer auch die „Freisetzung für neue Handlungen“ mit ein (Joas, 1992: 196; ähnlich Weick, 1988: 306). Kreativität als aktive Leistung bezeichnet dabei die im Handeln verankerte Rekonstruktion der Wirklichkeit, mit welcher neue oder andere Aspekte der Wirklichkeit wahrgenommen werden und das Handeln anleiten: „Gelingt es, durch die veränderte Wahrnehmung die Handlung umzuorientieren und damit fortzufahren, dann ist etwas neues in die Welt gekommen: eine neue Handlungsweise, die sich stabilisieren und selbst wieder zur unreflektierten Routine werden kann“ (Joas, 1992: 190). Kreatives Handeln stellt demnach auch die Voraussetzung für Lernen und den Aufbau von Wissen dar (auch Ford & ogilvie, 1996). Die Bewertung von Handeln als kreativ ist – gemäß des pragmatistischen bzw. interpretativen Standpunktes – nun nicht objektiv zu bestimmen, sondern sollte vielmehr definiert werden „as a socially constructed label used to describe actions embedded within particular contexts“ (Ford & Gioia, 2000: 707). Die Einstufung eines bestimmten Handelns als kreativ bzw. kompetent ist damit immer abhängig von der Erfüllung bestimmter, intersubjektiver Erwartungsmaßstäbe. Als solches ist es immer auch offen für macht- bzw. konflikttheoretische Einflüsse und Gegenstand von Verhandlung und Setzung (Sydow et al., 2003: 28-29).
3
Framework: Entwicklung von Routinen
Bisher wurde dynamische Kompetenz als bewusst-reflexive und kreative Bezugnahme auf Struktur konzeptionell eingeführt. Im nächsten Schritt soll nun eine nähere Betrachtung einzelner Dimensionen dynamischer Kompetenz erfolgen. Das Hauptaugenmerk der Betrachtungen liegt dabei auf Faktoren oder Mechanismen, die eine bewusste Reflexion stimulieren oder fördern. Die in bewussten Reflexionsprozessen der Interpretation veränderten Wissensstrukturen finden in Verhandlungsprozessen (oder durch eine niemals vollkommene Setzung) organisationale Durchsetzung (oder Ablehnung). Neben Interpretation und Verhandlung gilt es im Weiteren, vorläufig bewährte und damit immer auch labile Muster der Ressourcenallokation zu stabilisieren und somit eine Aneignung von Renten bzw. Gewinnen zu ermöglichen (exploitation). Die vierte Dimension von Kompetenz thematisiert unter dem Aspekt des Verlernens die bewusste Eliminierung vorhandener und tradierter Wissensstrukturen und überkommener Handlungsmuster, um hierdurch einen Rückfall in eben diese alten Handlungsmuster – etwa
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in Zeiten hoher Unsicherheit und unter zeitlichem Druck – präventiv zu unterbinden.
3.1
Interpretation und Variation
Zu einer bewussten Reflexion auf das eigene Handeln und dessen Handlungsvoraussetzungen und -bedingungen kommt es, wenn in den routinierten Vorgängen der Informationsbeschaffung und -verarbeitung (Interpretation) ein Unterschied zu vorhergehenden, bereits erfahrenen und bewältigten Situationen festgestellt wird und dieser Unterschied nicht auf Basis der tradierten Modelle des „sensemaking“ (Weick, 1979) in die mentalen Modelle der Akteure eingepasst werden kann. Ein Scheitern dieser Einordnung oder Idealisierung (in diesem Kontext Duschek, 2001: 75-83) im Rahmen des „enactment“ (Weick, 1988: 306-307) soll im Weiteren als „Krise des habituellen Handelns“ (Joas, 1992) oder als „krisenhafte Situation“ (Reckwitz, 2007) bezeichnet werden. Mit Krise ist dabei zunächst relativ allgemein ein Zustand beschrieben, in dem die alten Muster der Problembewältigung bzw. Interpretation nicht mehr oder nicht mehr vollständig greifen. Es muss sich hierbei keineswegs um Krisen globalen Ausmaßes handeln, vielmehr stehen die individuellen Krisen der handelnden Akteure im Vordergrund der Betrachtungen. Aufgrund der fehlenden Sinnhaftigkeit der Umweltänderungen gelingt es den Akteuren nicht, mit ihrem Handeln in einer für sie vertretbaren Art und Weise fortzufahren: Sie sind zur bewussten Reflexivität gezwungen. Da aber „the core concepts of enactment may comprise an ideology that reduces the likelihood of crisis” (Weick, 1988: 305), bedeutet dynamische Kompetenz in diesem Zusammenhang die Distanzierung von Prozessen des tradierten „enactment“. Kreatives Handeln ist vor diesem Hintergrund „pictured as an instrument in the development of interpretation, rather than the other way around” (March, 1996: 286; ähnlich auch Weick, 1988). Als solche ist Kreativität im Handeln selbst begründet: „Imaginative action-based decision making entails nonlinear, recursive, interactive [...] interpretive processes intertwined with taking action. It is a dynamic process in which interpretations tend to change as result of the process” (ogilvie, 1998: 51). Erst die (körperliche) Teilnahme in Situationen des Interpretierens – oder allgemeiner des Erfahrens von Situationen – ermöglicht es, die meist nur diffuse Qualität von Handlungsproblemen hinreichend zu strukturieren und dabei neue Handlungsmöglichkeiten zu erschließen (Joas, 1992: 193199; ähnlich Baitsch, 1998: 98). Die individuellen Prozesse der Interpretation
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sind dabei nicht voraussetzungslos, sondern vielmehr eingebettet in die Organisationskultur bzw. in die organisationsspezifischen sozialen Praktiken der Interpretation (Harris, 1994; Daft & Weick, 1984), die selbst wiederum als Subset von zeit- und räumlich weiterreichenden, interorganisationalen Praktiken zu verstehen sind. Dabei lassen sich Interpretationsprozesse auf Basis kognitiver Schemata näher verstehen, wobei „schemas refer to the cognitive structures in which an individual's knowledge is retained and organized. In addition to being knowledge repositories, schemas also direct information acquisition and processing” (Harris, 1994: 309). Im Konzept der Ambiguität ist hierbei nun der Schlüssel für die Initiierung und Aufrechterhaltung bewusster Reflexion zu sehen, wobei „ambiguity refers to a lack of understanding and the existence of multiple conflicting interpretations“ (Ford & ogilvie, 1996: 55; siehe auch Weiss & Illgen, 1985: 59). Ein Einflussfaktor für solch eine Ambiguität kann beispielsweise in neuen Organisationsmitglieder gesehen werden: „Given their inexperience in the organizational setting, organizational newcomers are particularly likely to engage in conscious, reflective sensemaking” (Harris, 1994: 315; siehe auch March, 1981: 565; hierzu kritisch Weick, 1988: 312-313). Auch wenn dieser Aspekt aufgrund einer uniformen Sozialisierung der Organisationsmitgliedern durch Bildungseinrichtungen, aber auch Managementmethoden, zumindest in Teilen relativiert werden muss (etwa Meyer & Rowan, 1977; DiMaggio & Powell, 1983), so liegt in neuen Organisationsmitgliedern aus anderen sozialen Systemen (z.B. aus anderen Abteilungen, Organisationen, Branchen, Ländern, Berufen) ein wertvoller Stimulus für die bewusste Reflexion auf die tradierten Modelle der Interpretation innerhalb einer bestimmten Organisation. Eine bewusste Reflexion auf die Prozesse der Interpretation wird darüber hinaus auch durch die Varietät oder Vielfalt der bereits gemachten Erfahrungen der Akteure beeinflusst: „The degree of conscious processing that is required is largely determined by the extant of experience with the stimulus domain: more experience is likely to facilitate more unconscious, tacit processing” (Harris, 1994: 315; siehe auch Fazio, 1990; Esser, 1996; abweichend allerdings Weick, 1988: 311). Dies bedeutet, je universalistischer das vorhandene Wissen der Akteure, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Veränderungen in der Umwelt bewusst wahrgenommen werden. Ergänzend können als weitere Faktoren für die Herausbildung neuer Modelle der Sinnerzeugung etwa auch Zeitdruck und Stress genannt werden (Becker, 2004: 650-651), wobei „extreme high levels of stress reduce search as part of defensive avoidance“ (Weiss & Ilgen, 1985: 61). Insbesondere in Situationen mit
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ausgeprägtem Zeitdruck ist daher die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auf alte und bewährte Muster der Sinnserzeugung zurückgegriffen wird, ohne die Adäquanz dieser Muster in Frage zustellen.
3.2
Verhandlung und Durchsetzung
Wie bereits angedeutet sind Organisationen „nicht durch eindeutige normative Regeln strukturierte Gebilde, das Handeln in ihnen nicht ichleistungsfreie Anwendung von Vorgaben. Selbst zur Aufrechterhaltung und Reproduktion, nicht nur zur Veränderung von Regeln und Normen ist ‘negotiation’, sind Reflexion und Dialog nötig“ (Joas: 1999: 54; ähnlich Weick & Sutcliffe, 2006: 514). Insofern ist es für ein näheres Verständnis dynamischer Kompetenz nicht ausreichend, sich ausschließlich auf die reflexiven Prozesse im Rahmen der Interpretation zu beschränken. Für die Entstehung und Durchsetzung kollektiv geteilter, zumindest aber von den beteiligten Akteuren temporär geduldeter Handlungspraktiken sind darüber hinaus die Prozesse der Verhandlung und des Dialogs bzw. der Kommunikation zu berücksichtigen. Die Beteiligung verschiedener Akteure in sozialen Handlungssituationen erfordert die Koordination verschiedener Ressourcen (z.B. Fachwissen, Technologien, Maschinen, Finanzmittel) und den Ausgleich verschiedener Interessen (Cyert & March, 1963). Gegenstand dieser indirekten wie direkten Koordinations- und Aushandlungsprozesse sind Entscheidungsalternativen, die in Interaktionsprozessen durch die verschiedenen Teilnehmer erzeugt und verhandelt werden (Harris, 1994: 315) und als „collective choices made by group members about how they will go about performing the task“ (Hackman & Morris, 1975: 21, zit. n. Weiss & Ilgen, 1985: 63) aufzufassen sind. Diese prinzipiell offenen Aushandlungsprozesse werden zwar teilweise durch Routinen im Sinne eines organisationalen „Waffenstillstandes“ (Nelson & Winter, 1982: 107-112) unterdrückt, jedoch indiziert „the existence of a routine […] not necessarily […] that a truce has been achieved“ (Pentland & Feldman, 2005: 808). Dynamischkompetentes Handeln bedeutet somit die Fähigkeit zum reflexiven, dialogbasierten Ausgleich verschiedener Interessen und den bewussten Einsatz von Handlungsmitteln zum Zwecke der Entwicklung und Durchsetzung kollektiver Handlungsziele und Strategien. Diese Aushandlungsprozesse basieren ebenfalls auf existierenden Schemata und „within the organizational context, individuals encounter social entities (e.g., themselves, others, and organizational groupings), events and situations, and
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nonsocial objects and concepts that must be perceived and responded to” (Harris, 1994: 312). Die einzelnen Organisationsmitglieder besitzen eine bestimmte Erwartung gegenüber den verschiedenen sozialen wie nicht-sozialen Entitäten in einer bestimmten Situation (Harris, 1994: 315-316; Mead, 1952). Dabei ist zu betonen, dass die Erwartungen – wie auch die Interpretationsmuster – unterschiedliche Ausprägungen hinsichtlich ihrer Geltung in Raum und Zeit besitzen und damit unterschiedlich „stark“ institutionalisiert sind. Dabei geht diese Perspektive des „mentalen Dialogs“ davon aus, dass soziale Koordination in der Fähigkeit einzelner Akteure begründet ist „to take the perspectives of others to guide intrapsychic debate regarding the construction of reality and behavioral decisions“ (Harris, 1994: 315). Vereinfacht ausgedrückt wird bewusste Reflexion auf diese zunächst mentalen Aushandlungsprozesse durch den Grad der mentalen (also angenommenen) wie später auch der faktischen Zustimmung bzw. Ablehnung gegenüber sich selbst und anderen Entitäten (Kollegen, Vorgesetzte, Management, Gesellschaft, etc.) bestimmt (Harris, 1994: 316). Eine erste Annäherung an Faktoren, die Einfluss auf das Niveau der Anerkennung bzw. Ablehnung besitzen, findet sich bei Strauss (1979, übernommen aus Joas, 1999: 55, neu strukturiert; siehe auch Baitsch, 1998: 98-99):
Anzahl der Teilnehmer in Aushandlungsprozessen Interessen und Erfahrung der Teilnehmer Charakteristika der Aushandlungsgegenstände bzw. Ressourcen Anzahl der Aushandlungsrunden Machtgefälle zwischen den Teilnehmern Relevanz der Aushandlungen Sichtbarkeit nach außen Alternative Möglichkeiten des Handlungsvollzugs
Diese Faktoren besitzen – in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Ausprägung und der konkreten und situativen Konstellation – Einfluss auf das Hervorbringen und Aufrechterhalten bewusster Reflexion innerhalb von Aushandlungsprozessen. Zum Beispiel steigt mit zunehmendem Komplexitätsgrad der einzubringenden und damit zu koordinierenden Ressourcen wohl die Notwendigkeit zur bewussten Reflexion. Ähnlich verhält sich dies auch in Situationen mit einer ausgeprägten Interessensheterogenität der Teilnehmer. Auch hier ist anzunehmen, dass aufgrund der inhärenten Schwierigkeit von Kompromissen eher reflexive und rational-diskursive Lösungsstrategien verfolgt werden. Umgekehrt ermöglichen ein hohes Maß an gemeinsam geteiltem Wissen und relativ homogene Wissensstrukturen, eine Redundanz von Wissen verbunden mit einen ausgeprägten „tran-
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saktiven Wissen“ (hierzu etwa Becker et al., 2006) zwar eine effiziente und schnelle Koordination der Beteiligten, etwa aufgrund der Reduzierung notwendiger kommunikativer Prozesse (zusammenfassend van Fenema, 2005). Andererseits aber tendieren solche Wissenskonstellationen zur Unterdrückung bewusst reflexiv ablaufender Kommunikations- und Aushandlungsprozesse.
3.3
Sedimentierung von Praktiken
Geht man davon aus, dass „brilliant improvisation is not a routine“ (Winter 2003: 991), so kann als weitere Dimension von dynamischer Kompetenz die bewusste Sedimentierung erfolgreicher Handlungsweisen (als Vorstufe sozialer Praktiken) angeführt werden, denn am Ende eines erfolgreichen Handlungszyklus werden „die kreativ entwickelten Lösungen eines Handlungsproblems […] eben nicht in einem Bewusstsein gespeichert, sondern sie sind selbst zur neuen Handlungsweise – einem neuen ‘habit’ – geworden“ (Joas, 1992: 191). Während Improvisation (Miner et al., 2001) und eine kreative Bricolage von Ressourcen (Baker & Nelson, 2005) vor allem innerhalb der Dimension der Aushandlungsprozesse eine bedeutende Rolle spielen, steht in dieser Dimension die Überführung (singulär) erfolgreicher Aktivitäten in eine verlässliche „Problemlösungsarchitektur“ (Schreyögg & Kliesch, 2005: 16) und somit die Institutionalisierung neuer sozialer Praktiken im Vordergrund der Betrachtungen. Dynamischkompetenten Organisationen gelingt es hierbei, sich bewusst für bestimmte, und im besten Fall kompetenzverkörpernde Handlungsweisen zu entscheiden oder eben diese – ggf. in weiteren Akten der Planung, Improvisation und Bricologe – entsprechend ihren Erwartungen anzupassen. Anders ausgedrückt steht die bewusste Steuerung und Kanalisierung organisationaler Lernprozesse im Sinne des Aufbaus adäquater Wissensstrukturen, Routinen und Artefakte im Vordergrund, wobei primär „nicht das [explizite oder formale] Wissen des Handelnden über sein Handeln […] durch die Lösung von Problemen, sondern die Adäquanz des Handeln selbst“ (Joas, 1992: 191) zunimmt. Im Bereich der Sedimentierung verbirgt sich ökonomisch betrachtet die Realisierung von Lernkurveneffekten und die Ausschöpfung von Effizienzpotenzialen mittels Routinen (Argote & Epple, 1990) und somit die Transformation von der „exploration“ in „exploitation“ (March, 1991). Ausgangspunkt für die Sedimentierung bildet die Frage nach den Erfolgskriterien zur Beurteilungen der Adäquanz neuer oder veränderter Handlungsweisen. Im Gegensatz zu der ökonomischen Fassung sind gemäß der hier angelegten
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Perspektive nicht objektive Kostenkalküle oder Kriterien der Gewinnmaximierung (alleinig) entscheidend, sondern Adäquanz ist vielmehr als Funktion des jeweiligen subjektiven bzw. intersubjektiven Aspirationsniveaus hinsichtlich bestimmter Erfolgskriterien und deren Erfüllung zu denken (Winter, 2000). Mit dem Hinweis auf Intersubjektivität soll damit angedeutet werden, dass es sich hierbei keineswegs um eine strukturlose Betrachtung handelt. Organisationen sind eingebettet in einen gesellschaftlichen Kontext, welcher zumindest in Teilen (allerdings nicht vollständig) Erfolgskriterien und ein zu erreichendes Aspirationsniveau mitbestimmt, und gleichzeitig selbst gemäß der rekursiven Denkfigur durch das Handeln der Organisationen (sowie anderer Gesellschaftsmitglieder wie etwa dem Staat) beeinflusst wird. Betont wird somit insbesondere „the adaptive character of aspirations themselves” (March, 1991: 72, zit. n. Winter, 2000: 984). In diesem Sinne ist das Aspirationsniveau nicht etwas exogen und objektiv Gegebenes, sondern vielmehr selbst Gegenstand von Aushandlungsprozessen, von Machtverhältnissen und in den verfügbaren oder beschaffbaren Ressourcen begründet. Internes wie externes Feedback in Bezug auf die hervorgebrachten Ergebnisse (z.B. neue Produkte oder Serviceleistungen, eine veränderte Organisationsstruktur) spielt hierbei eine maßgebliche Rolle für die Bewertung von Handlungen als adäquat (siehe beispielsweise Ford & Gioia, 2000: 713-714). Im Rahmen dieser Dimension geht es somit um die Bewusstmachung der angelegten Kriterien und deren Erfüllung für die Selektion und Sedimentierung bestimmter neuer oder auch veränderter Handlungsweisen (dies beinhaltet auch die Möglichkeit einer bewussten Beibehaltung bestehender sozialer Praktiken).
3.4
Verlernen
Die vierte Dimension des Verlernens thematisiert die in bewussten Reflexionsprozessen vorgenommene Suspendierung überkommener sozialer Praktiken, um hierdurch Organisationen in dynamischen Umwelten dauerhaft adaptiv und damit erfolgreich zu erhalten (Nystrom & Starbuck, 1984). Im Zeitverlauf verstärken sich soziale Praktiken in Form gemeinsam geteilter Regeln und Normen als „web of beliefs“ (Tsoukas & Chia, 2002: 570) und manifestieren sich innerhalb der Organisation. Diese sozialen Praktiken oder gar „Rituale“ werden nicht weiter hinterfragt und ermöglichen daher organisationale Stabilität, Verlässlichkeit, Antizipierbarkeit, Orientierung und Effizienz. In dynamischen Umwelten können diese tradierten Wissensstrukturen jedoch zu „structural inertia” (Hannan &
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Freeman, 1984) bzw. „cognitive inertia“ (Hodgkinson, 1997) und einer verminderten Anpassungsfähigkeit führen. Vor diesem Hintergrund bezeichnet organisationales Verlernen – im Gegensatz zum unbewussten Vergessen – die in bewussten oder intentionalen Reflexionsprozessen hervorbetrachte Elimination des „organizational memory” (Walsh & Ungson, 1991). Das organisationale Gedächtnis manifestiert sich in Form kollektiv geteilter Wissensstrukturen, Routinen und Artefakte. Zielsetzung von Verlernen ist damit die Eliminierung der „obsolete, misleading, redundant or unsuccessful“ (Tsang & Zahra, 2008: 1437) Resultate vorangegangener Lernprozesse (Akgün et al., 2007: 799). Organisationales Lernen als Prozess des „encoding inferences from history into routines that guide behavior’’ (Levitt & March, 1988: 319; Tsang & Zahra, 2008: 1437) betont den Ausbau bereits existierender Wissensstrukturen. Hiermit verbunden ist eine grundsätzliche Anschlussfähigkeit oder die Möglichkeit der Einpassung von neuem Wissen in existierende Wissensstrukturen. Organisationales Verlernen bezeichnet dagegen das „discarding of obsolete and misleading knowledge“ (Hedberg, 1981: 3), um hierdurch neue soziale Praktiken entwickeln zu können (Tsang & Zahra, 2008: 1437). In diesem Sinne ist „the aim of unlearning […] not performance improvement per se; rather it is a catalyst for the change process” (Akgün et al., 2007: 801). Organisationales Verlernen kann daher als essentielle Voraussetzung für radikalen Wandel angesehen werden. Dabei gilt auch hier, dass sowohl die ostensiven als auch die performativen Aspekte sozialer Praktiken bewusst zu verändern sind (Tsang & Zahra, 2008: 1437).
4
Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag wurde ein verändertes Verständnis von Routine bzw. Kompetenz und dynamischer Kompetenz skizziert und damit der Versuch unternommen, die Begriffe der aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen zu erhalten und darüber hinaus insbesondere das Verhältnis zwischen Kompetenz und dynamischer Kompetenz zu klären. Damit einher geht die Verabschiedung der Betrachtung von dynamischer Kompetenz in der Konnotation als „behavior that is learned, highly patterned, repetitious, or quasi-repetitious, founded in part in tacit knowledge“ (Winter, 2003: 991). Die Kriterien der Wiederholbarkeit und Implizität sieht diese Konzeption vielmehr in den sozialen Praktiken begründet. Mit der hier vorgelegten Konzeption lässt sich Wandel sowohl als routine- bzw. kompetenzbasiert und damit in weiten Teilen als emergent-inkrementell und nur
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in geringem Maße intentional begreifen, als auch – und hierfür wird nun der Begriff der dynamischen Kompetenz reserviert – auf Basis intentionaler und mehr oder weniger rationaler Elemente charakterisieren (nicht jedoch in dem ökonomisch verstandenen Sinne der ausschließlichen Gewinnmaximierung, sondern vielmehr als reflektiertes, für die jeweiligen Akteure sinnvolles und erstrebenswertes Handeln. Die Gründe für das „Erstrebenswertsein“ sind dabei vielfältig). Gleiches gilt für die Erklärung von Stabilität: Diese kann zum einen auf eine relativ gleichförmige unreflektierte Fortschreibung der Bezugnahme auf Struktur zurückgeführt werden. Auf der anderen Seite ist aber auch der Fall denkbar, dass Organisationen sich bewusst für die Beibehaltung bestehender sozialer Praktiken entscheiden. Dynamische Kompetenz wird damit nicht primär an Wandel, sondern vielmehr an reflexives und intentionales Handeln gebunden. Zu betonen sind an dieser Stelle zwei Punkte: Die Unterscheidung in Kompetenz bzw. Routine und dynamischer Kompetenz ist eine analytische bzw. theoretische Unterscheidung und welche Handlungsmodi in der Realität in welcher Ausprägung bzw. in welchem Umfang Anwendung finden bzw. finden müssen (etwa für die Generierung dauerhafter Wettbewerbsvorteile), wird aus dieser Perspektive als eine empirische Fragestellung betrachtet. Handeln in und von Organisationen ist durchzogen von bewusst-reflexiven wie auch unbewussten Elementen (Hutchins, 1991). Schon theoretisch dürfte eine vollständige bewusste Reflexion undenkbar sein: „Habe ich die Begründungen erschöpft, so bin ich nun auf dem harten Felsen angelangt, und mein Spaten biegt sich zurück. Ich bin dann geneigt zu sagen: ‘So handle ich eben’“ (Wittgenstein, 1967: 217). Ab einem gewissen Punkt sind von den handelnden Akteuren Annahmen zu treffen, die nicht weiter hinterfragt werden, wenn ein Mindestmaß an Handlungsfähigkeit und -effizienz erhalten bleiben soll. Umgekehrt scheint auch vollkommen routiniertes Verhalten, insbesondere in sozialen Konstellationen und dynamischen Umwelten, undenkbar. Es handelt sich somit zum einen um eine idealtypische Unterscheidung und zum anderen ist damit keine normative Aussage hinsichtlich der Bedingungen für die Generierung und Aufrechterhaltung von Wettbewerbsvorteilen verbunden. Der zweite Punkt betrifft die Konstitution von dynamischer Kompetenz. Gemäß der in diesem Beitrag skizzierten Konzeption ist dynamische Kompetenz immer nur als bewusst-kritische Distanzierung von bestehenden Routinen zu verstehen und vor diesem Hintergrund niemals voraussetzungsfrei. Oder mit anderen Worten: Dynamische Kompetenz ist insofern kontingent, als dass hierdurch zwar ein neuer Möglichkeitsraum bewusst eröffnet wird, die Grenzen dieses Möglichkeitsraumes aber durch die Entscheidungen der Vergangenheit
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maßgeblich gesetzt wurden (hierzu ausführlich etwa Ortmann, 1995), denn ein völlig offener Möglichkeitsraum würde die Suspendierung jeglicher Regeln und Ressourcen bedeuten und damit die Auflösung des Sozialen schlechthin implizieren. Wenngleich die Wahrnehmung einer Krise oder allgemeiner von Irritationen hier als Stimulus für bewusst-reflexive Prozesse eingeführt wurde, soll damit nicht der Eindruck erweckt werden, dass diese Krisen nicht auch negative Folgen für Organisationen haben könnten. Dieses Dilemma besagt, dass durch fehlerhaftes Handeln – und menschliches Handeln ist in einem gewissen Maße immer mit Fehlern behaftet – Krisen verstärkt werden können und ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zu kontrollieren sind (siehe zum Management von Krisen aus der Perspektive des „enactments“ Weick, 1988). Dynamisch-kompetente Organisationen sind somit Organisationen, denen es auch gelingt, das problematische Wesen von Krisen zum Ausgleich zu bringen, mit Krisen kontrolliert und eben auch bewusst-reflexiv umzugehen, das heißt: „to keep errors from enlarging“ (Weick, 1988: 308).
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Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum: Erfassung und Konsequenzen
1
Der Unternehmer in kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland........................................................................................ 89
2
Theoretische Ansätze zur Fundierung der Freude am Unternehmertum..................................................................................... 90
3
Das wahrgenommene Unternehmerbild in der Öffentlichkeit.......................................................................................... 92
4
Die wahrgenommene Geschäftslage ...................................................... 93
5
Die Bereitschaft zur Schaffung neuer Arbeitsplätze .............................. 95
6
Unternehmer- und unternehmensbezogene Merkmale........................... 96
7
Design der Datenerhebung ..................................................................... 97 7.1 Operationalisierung der Konstrukte ............................................ 97 7.2 Datenerhebung ............................................................................ 99
8
Empirische Befunde zum Untersuchungsmodell.................................... 99 8.1 Stichprobenmerkmale der ermittelten Datenbasis....................... 99 8.2 Ergebnisse der empirischen Kovarianzstrukturanalyse.......................................................... 101 8.3 Ergebnisse der Mittelwerte zur Freude am Unternehmertum ....................................................................... 103
88
9
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
Zusammenfassung und Implikationen für Praxis und Wissenschaft.... 106
Literatur ........................................................................................................... 108
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
1
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Der Unternehmer in kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland
Nach dem Spitzenjahr 2007 zeichnen sich für die deutsche Wirtschaft mittlerweile ein deutlich nachlassendes Wirtschaftswachstum und eine verschlechterte Geschäftslage ab. Seit Ausbruch der Finanzkrise ist die Stimmung im Mittelstand schlechter geworden. Gleichzeitig beklagen sich Mittelständler nach wie vor über die vorherrschende Bürokratie- und Regulierungsdichte, die hohen Steuern und Abgaben sowie das nicht zufrieden stellende Ausbildungsniveau der Nachwuchskräfte.1 Unbestritten dürfte sein, dass die Wahrnehmung ihrer eigenen Rolle und die Freude am Unternehmertum die Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen in ihrer Entscheidungsfindung wesentlich prägen. In welchem Umfang dieses der Fall ist und inwiefern dabei auch andere Determinanten eine Bedeutung erlangen, erscheint allerdings unklar. Schaut man sich die einschlägigen und immer zahlreicher werdenden empirischen Studien über den deutschen Mittelstand etwas genauer an, stellt man fest, dass sich diese an ökonomischen Kennzahlen orientieren. So stehen die erwartete Geschäftslage, die Wirtschaftslage, die geplanten und getätigten Investitionen sowie die Beschäftigung und Auftragslage im Fokus vieler Studien. Weitere Themen bilden die Rahmenbedingungen, die die wirtschaftliche Lage des Mittelstandes prägen. Hierzu zählen etwa Bildungs-, Steuer- oder Finanzpolitik. Interdependenzen zwischen harten und weichen Faktoren, die an Betriebsinhabern ansetzen, werden i.d.R. nicht analysiert. Die psychologische Komponente des Unternehmers selbst und deren Zusammenhang mit ökonomischen Kennzahlen, also seinem Unternehmenserfolg, bleiben in diesen Studien unberücksichtigt. Allerdings ist gerade hierbei zu konstatieren, dass es nicht immer die politischen, rechtlichen und konjunkturellen Rahmenbedingungen sind, die den Unternehmern ihre Tätigkeit und den damit verbundenen Erfolg erschweren oder ganz verhindern. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass es psychologische Faktoren sind, die sich entscheidend auf das unternehmerische Handeln auswirken können. Die personale Kompetenz des Unternehmers, z. B. seine Motivation, Einstellung und Werthaltung, ist bereits Bestandteil des strategischen Kompetenzmanagements.2 Jedoch ist die Stimmungslage des Unternehmers bezogen 1 2
Vgl. Lingenfelder/Nöcke/Liebernickel (2008), S. 37. Vgl. Jochmann (2007), S. 3; Büser (2004), S. 263.
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Michael Lingenfelder/Christina Stadler
auf seine unternehmerische Tätigkeit bislang noch nicht in den Blickpunkt der Kompetenzforschung gerückt. Genau hieran setzt der vorliegende Beitrag an. Er analysiert auf der Basis von Befragungsdaten des Deutschen Mittelstands-Barometers die Rolle, die das von Unternehmern wahrgenommene Unternehmerbild in der Öffentlichkeit und die Freude am Unternehmertum auf die Geschäftslage bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen haben. Abhängig von demographischen Merkmalen des Unternehmers (Alter, Geschlecht) und unternehmensstrukturellen Merkmalen (Branche, Unternehmensalter etc.) des Unternehmens kann die Freude am Unternehmertum sehr unterschiedlich ausfallen. Demgemäß wurde die Freude am Unternehmertum auch in Abhängigkeit dieser Variablen ermittelt.
2
Theoretische Ansätze zur Fundierung der Freude am Unternehmertum
Bei der Freude am Unternehmertum handelt es sich um ein in der Unternehmerforschung bisher nicht beachtetes Konstrukt.3 Um eine theoretische Basis für das zentrale Konstrukt dieser Arbeit zu liefern, wird der Begriff „Freude“ zunächst erörtert, und dann in Zusammenhang mit Unternehmertum gesetzt. Da die Freude zu den Emotionen gehört, liegt es nahe, Emotionstheorien heranzuziehen und das Phänomen danach in den organisatorisch-unternehmerischen Kontext zu setzen. Die Freude zählt nicht nur zu den primären Emotionen, sondern auch zu den ursprünglichsten Emotionen.4 Nach Bartlett und Izard (1972) zeichnet sich Freude gegenüber anderen Emotionen dadurch aus, dass diese das höchste Maß an Aktivität, Selbstbewusstsein, Freundlichkeit und Extraversion und ein geringes Maß an Spannung und Kontrolle umfasst.5 Averill/More (2000) konzeptionalisieren Freude anhand zweier Dimensionen, wobei Freude den geringsten Grad an Objektivität innehat und dabei gleichzeitig ein hohes Maß an Aktivierung
3
4 5
In der Studie von Kankaanpää/Leimu (1983) zur Analyse der Motive und Merkmale von Kleinunternehmen in Finnland wird die „Freude am Unternehmertum“ als zweitwichtigstes Gründungsmotiv ermittelt. Eine Definition oder Herleitung der Freude am Unternehmertum ist in dieser älteren Studie allerdings nicht zu finden. Vgl. Emde/Koenig (1969) und Wolff (1963). Vgl. Bartlett/Izard (1972), S. 143.
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
91
aufweist.6 Meadows geht noch einen Schritt weiter und beschreibt Freude als „ranked highest on Positive Social Orientation, next highest on Pleasantness and Activation“.7 In etwas abgeschwächter Form wird Freude von Mayring (2000) definiert, der sie als „starken emotionalen Zustand des Sich-gut-Fühlens“ bezeichnet.8 Freude kann nach Meinung von Izard (1994) nicht willentlich erworben werden, sondern ist ein unwillentliches Resultat, das eintritt, wenn keine Hindernisse im Weg stehen.9 Emotionen können differenziert werden in Affekt und Stimmung. Für die vorliegende Arbeit wird die Freude am Unternehmertum im weiteren Sinne als positive Emotion verstanden. Im engeren Sinne wird diese den Stimmungen zugeordnet, d.h. sie sind über die Zeit stabil und sind somit von kurzfristigen Reaktionen auf einzelne Erlebnisse, abzugrenzen.10 Eine Stimmung wird in diesem Zusammenhang als „hintergründige Dauertönung des Erlebens“11 verstanden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Freude am Unternehmertum einen konkreten Auslöser braucht, um aufzutreten. Stattdessen wird vermutet, dass der eigentliche Status am Unternehmerdasein, unabhängig von Erfolg und Zielerreichung des Unternehmers, zur Entstehung der Freude am Unternehmertum ausreicht. Unter Unternehmertum wird die Betätigung eines Unternehmers verbunden mit den spezifischen Anforderungen und Merkmalen des Unternehmer-Daseins bezeichnet. Unternehmertum soll, in Abgrenzung zum englischen Begriff Entrepreneurship, auf die gesamte „Schaffenszeit eines Unternehmers“12 ohne Berücksichtigung seines gegenwärtigen ökonomischen Verhaltens bezogen werden. In diesem Sinne wird die Freude am Unternehmertum für die vorliegende Arbeit wie folgt definiert: Freude am Unternehmertum bezeichnet eine positive Stimmung des Unternehmers im Hinblick auf sein Unternehmerdasein.
6
Vgl. Averill/More (2000), S. 663. Meadows (1975), S. 49. 8 Mayring (2000), S. 222. 9 Vgl. Izard (1994), S. 271. 10 Vgl. Meyer/Schützwohl/Reisenzein (1993), S. 23 f. 11 Küpers/Weibler (2005), S. 38. 12 Lackner (2002), S. 15. 7
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3
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
Das wahrgenommene Unternehmerbild in der Öffentlichkeit
Das Bild des Unternehmers in der Öffentlichkeit sowie in der Wirtschaftstheorie und -empirie ist äußerst vielfältig. Eine Definition zum Unternehmerbild in der Öffentlichkeit liefern Werner et al.: „Das [...] Unternehmerbild ist ein Stereotyp, das Vorstellungen über Eigenschaften und Verhaltensweisen enthält. In diesem Berufsbild vermischen sich zudem Vorstellungen von der berufli13 chen Rolle und der beruflich-gesellschaftlichen Stellung.“
Das Zitat von Werner et al. verdeutlicht, dass das Unternehmerbild einer Gesellschaft Aufschluss darüber gibt, welche Erwartungen und Ansprüche an die Unternehmer und deren Arbeit formuliert werden.14 In diesem Zusammenhang wird mit dem Begriff Bild der Gesamteindruck bezeichnet, den sich eine Person von dem Unternehmer macht. Die somit entstehenden Assoziationen können sowohl positiv als auch negativ sein.15 In der Regel entsteht ein Gesamtbild nicht kurzfristig, sondern ist das Resultat historischer Prozesse.16 Obwohl sich das Unternehmerbild im Laufe der Zeit stabilisiert und verfestigt hat, unterliegt es dennoch einer gewissen Dynamik. Wenngleich es sich bei dem Unternehmerbild vielmehr um assoziierte Gefühle und subjektive Einstellungen handelt, kann es stark durch Informationen oder Wahrnehmungen von außen, beispielsweise durch die Medien, beeinflusst werden.17 Das Unternehmerbild entsteht für gewöhnlich auf Basis unterschiedlicher Informationen. Dennoch wird das Unternehmerbild in der Öffentlichkeit stärker durch Gemütsbewegungen als durch vorhandenes Wissen geprägt.18 Eine bedeutende Rolle bei der Meinungsbildung spielt die Arbeit der Medien.19 Weitere Ansatzpunkte zur Prägung des Unternehmerbildes bieten neben den Medien persönliche Erfahrungen mit Unternehmern als Geschäftspartner, Ausbilder oder Arbeitgeber. Aber auch in Literatur, Allgemeinbildenden Schulen sowie Berufs-, Fach- und Hochschulen kann das Unternehmerbild geprägt werden.20 13 14 15 16 17 18 19 20
Werner et al. (2006), S. 4. Vgl. u.a. Klandt/Brüning (2002), S. 201 ff.; FiO (2000), S. 1 ff. Vgl. Klandt (1984), S. 330 f. Vgl. Hamer (2001), S. 14. Vgl. Hekman (2007), S. 8; Schmölders (1973), S. 73. Vgl. Hamer (2001), S. 43. Vgl. Buß (2007), S. 232; Hamer (2001), S. 51. Vgl. DIHK (2008), S. 5 ff.; Hekman (2007), S. 8; Klandt/Brüning (2002), S. 201 ff.
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
93
Für den Einfluss auf die Freude am Unternehmertum ist in diesem Zusammenhang das objektive Selbst- und Fremdbild weniger relevant als das subjektiv vermutete Fremdbild der Öffentlichkeit – also die Vorstellungen eines Unternehmers darüber, wie seine Person und berufliche Tätigkeit in der Gesellschaft gesehen und wahrgenommen wird.21 Je nach persönlicher Einschätzung des wahrgenommenen Unternehmerbildes aus Sicht der Unternehmer wird für die vorliegende Untersuchung angenommen, dass diese Beurteilung die Freude am Unternehmertum positiv oder negativ prägt.22 Von dieser Annahme ausgehend, wird folgende Hypothese aufgestellt: H1: Je positiver das wahrgenommene Unternehmerbild in der Öffentlichkeit, desto mehr Freude am Unternehmertum wird er verspüren.
4
Die wahrgenommene Geschäftslage
Die Beurteilung der Geschäftslage kann mittels objektiver und/oder subjektiver Kriterien erfolgen.23 Grundsätzlich sollte die Erfassung der Geschäftslage möglichst auf Basis umfangreicher Informationen geschehen. Allerdings könnte bei einer Ermittlung der Geschäftslage über die subjektive Beurteilung des Unternehmers der Vorwurf erhoben werden, dass der Unternehmer nicht immer umfassend informiert sein kann. Hinzu kommt, dass Menschen tendenziell zu einer verzerrten Wahrnehmung neigen,24 sodass die Gefahr besteht, dass keine hinreichend valide Erfassung der Geschäftslage durch den Unternehmer erfolgt. Dies liegt daran, dass die Beurteilung bestimmter Situationen nach einfacher individueller Heuristik vorgenommen wird, um den komplexen Informationsverarbeitungsprozess zu erleichtern.25 Außerdem können, je nach Gemütszustand, Informationen unterschiedlich stark und detailliert aufgenommen und auch emotionsabhängig interpretiert werden.26 Folglich erfolgt die Beurteilung der Geschäftslage durch den Unternehmer unweigerlich immer anhand von objektiven und subjektiven Kriterien. Darüber hinaus kann eine subjektive Beurteilung der Geschäftslage über den Unterneh-
21 22 23 24 25 26
Vgl. Klandt (1984), S. 332. Vgl. Sternberg/Lückgen (2005), S. 25. Vgl. Bachmann (2007), S. 93. Vgl. Fischer et al. (2005), S. 78. Vgl. Fischer et al. (2005), S. 364; Tversky/Kahneman (1984), S. 1124. Vgl. Küpers/Weibler (2005), S. 21; Abele (1999), S. 32.
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Michael Lingenfelder/Christina Stadler
mer einige Vorzüge bieten. Ein entscheidender Nutzen liegt u.a. darin, dass die i.d.R. mittels Ratingskalen erhobenen Bewertungen gut vergleichbar sind. Die Effekte der Freude können wahrscheinlich nicht direkt auf objektive Kennzahlen wirken, aber sie können die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis,27 die Wahrnehmung,28 die Beurteilung29 und das unternehmerische Verhalten des Unternehmers beeinflussen.30 Bei der Beurteilung der Geschäftslage spielt das Abrufen des Gedächtnisses eine wesentliche Rolle, wobei das Denken und die Erinnerung eines Unternehmers durch Emotionen beeinflusst werden.31 In der Psychologie wird in diesem Kontext vom „stimmungsabhängigen Gedächtnis“ gesprochen.32 Die Freude ist gemäß Tunner ausschlaggebend dafür, dass die Vergangenheit Sinn gebend und positiv wirkt.33 In einer Reihe weiterer Studien wurde festgestellt, dass Menschen, die sich in einer guten Stimmung befinden, positivere Assoziationen mit gesellschaftlichen Ereignissen bilden,34 mehr positive als negative Handlungen wahrnehmen35 und die Beurteilung der gesamten Lebenszufriedenheit positiver ausfällt.36 Außerdem stehen auch Emotionen und Erwartungen im engeren Kontext.37 Die Wahrnehmung einer Situation erfolgt immer gleichzeitig mit einer Bewertung.38 Sobald Menschen Dinge oder Ereignisse wahrnehmen, beurteilen sie diese im gleichen Moment. Je nach emotionalem Zustand kann diese Bewertung unterschiedlich ausfallen und die Wahrnehmung folglich verändern. In verschiedenen Untersuchungen wurde ermittelt, ob und wie sich die aktuelle Gemütslage auf die Beurteilungen von Menschen und Situationen auswirkt. Fazit der Untersuchungen war, dass Menschen, die sich in einer freudigen Stimmung befanden, andere Menschen oder Situationen positiver einschätzen oder
27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
Vgl. D’Argembeau/Van der Linden (2005); Kensinger/Corkin (2003); Schmidt-Atzert (1996), S. 177; Wright/Mischel (1982); Leight/Ellis (1981). Vgl. Fredrickson/Branigan (2005); Lyubomirsky/Tucker (1998); Schmidt-Atzert (1996), S. 177; Sinclair (1988); Schwarz/Clore (1983). Vgl. Cropanzano/Wright (1999); Barsade/Staw (1993). Vgl. Berkowitz (2000), S. 11. Vgl. Rapaport (1977), S. 64 ff.; Kannheiser (1992), S. 139; Berkowitz (2000), S. 67 ff. Vgl. Wassmann (2002), S. 99 f.; Kannheiser (1992), S. 139. Vgl. Tunner (1983), S. 166. Vgl. Bower (1983). Vgl. Forgas/Bower/Krantz (1984). Vgl. Goller (1995), S. 184; Argyle (1987), S. 138. Vgl. Pixley (2002), S. 71. Vgl. Schmidt-Atzert (1996), S. 183.
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
95
das Eintreten positiver Ereignisse für wahrscheinlicher halten, als diejenigen, die negativ gestimmt waren.39 Einen weiteren Ansatzpunkt bilden die primären und kognitiven Einschätzungsprozesse.40 Ein Unternehmer, der eine hohe Freude am Unternehmertum verspürt, ist gewillt, diesen Zustand beizubehalten. Somit wird dieser unter anderem auch deshalb eine positive Geschäftsentwicklung anstreben.41 Die obigen Ausführungen zeigen, dass sich eine gute Stimmung positiv auf Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wahrnehmung und Beurteilung auswirkt. Den empirischen Befunden folgend kann angenommen werden, dass aus einer hohen Freude am Unternehmertum eine positive Beurteilung der gesamten, d.h. der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschäftslage resultiert, woraus sich folgende Hypothese ergibt: H2: Je mehr Freude ein Unternehmer am Unternehmertum verspürt, desto positiver wird die Geschäftslage eingeschätzt.
5
Die Bereitschaft zur Schaffung neuer Arbeitsplätze
Als weiterer Erfolgsindikator der Freude am Unternehmertum soll die Bereitschaft zur Schaffung neuer Arbeitsplätze diskutiert werden. Die Aufstockung des Personals kann ein Indikator für eine verbesserte Lage des Unternehmens sein, weil Investitionen in neues Personal nur bei einer guten Geschäftslage oder bei positiven Erwartungen vorgenommen werden.42 Muss hingegen Personal abgebaut werden, kann auf eine wirtschaftlich schlechte Situation geschlossen werden.43 Des Weiteren ist die Mitarbeiterzahl ein Erfolgsindikator, der weniger stark durch kurzfristige Schwankungen beeinflusst wird.44 Auf die vorliegende Untersuchung übertragen bedeutet diese Überlegung, dass die Freude am Unternehmertum die wahrgenommene Geschäftslage determinieren kann. Allerdings wird gleichzeitig nicht vermutet, dass die Freude am Unternehmertum darüber hinaus einen direkten Einfluss auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze ausübt. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter handelt es sich um 39 40 41 42 43 44
Vgl. hierzu zusammenfassend Schmidt-Atzert (1996), S. 184, sowie Mayer et al. (1992), S. 119 ff. Vgl. Mayring (2000), S. 25. Vgl. Flam (2002b), S. 175. Vgl. Wünsch (2004), S. 27. Vgl. Brüderl/Preisendörfer/Ziegler (2007), S. 92 ff. Vgl. Schenk (1998), S. 60.
96
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
eine investitionsintensive Entscheidung, welche sowohl auf den gegebenen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Expansionsmöglichkeiten des Unternehmens als auch auf der Stimmungslage des Unternehmers basiert. Zwar ist zu konstatieren, dass die Geschäftslage nicht als alleinige Erklärung von Arbeitsplatzschaffung dienen kann, aber letztendlich ist immer eine positive Geschäftslage eine notwendige Bedingung, damit Wachstumspläne überhaupt umgesetzt werden können. Demzufolge wird davon ausgegangen, dass eine positive Geschäftslage für eine grundsätzliche Ausweitung der Geschäftstätigkeit und der damit verbundenen Schaffung neuer Arbeitsplätze ausschlaggebend ist. Ganz konkret heißt das: Geht der Unternehmer von einer insgesamt guten Geschäftslage aus, ist die Expansion des Unternehmens nach betriebswirtschaftlichen Kriterien eine logische Konsequenz. Diese Annahme führt zur folgenden Hypothese: H3: Je positiver die wahrgenommene Geschäftslage eingeschätzt wird, desto stärker ist die Bereitschaft zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Nach dem nun die Hypothesen vorgestellt wurden, ergibt sich das mit empirischen Daten zu testende Kausalmodell, das in Abbildung 1 enthalten ist.
Unternehmerbild in der Öffentlichkeit
H1
Freude am Unternehmertum
H2
Wahrgenommene Geschäftslage
H3
Schaffung von Arbeitsplätzen
Abbildung 1: Das Kausalmodell der Freude am Unternehmertum
6
Unternehmer- und unternehmensbezogene Merkmale
Bei der Freude am Unternehmertum ist davon auszugehen, dass deren Ausprägung abhängig von verschiedenen Variablen entsteht. Je nach Intensität dieser Bedingungskonstellationen kann davon ausgegangen werden, dass die Freude variiert. Verursacher einer unterschiedlichen Ausprägung können beispielsweise personenbezogene (Alter, Geschlecht) oder unternehmerbezogene Merkmale
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
97
sein (z. B. Unternehmensgröße, Unternehmensalter, Standort des Unternehmens, Branche). Aus diesem Grund werden in der vorliegenden Untersuchung die Durchschnittswerte der Freude am Unternehmertum für einzelne Teilstichproben ermittelt und deren Abweichungen vom gesamten Durchschnittswert berechnet. Auf Basis dieser Methode kann erschlossen werden, welche Teilgruppen eine höhere Freude am Unternehmertum und welche eine niedrigere Freude am Unternehmertum im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt aufweisen.
7
Design der Datenerhebung
7.1
Operationalisierung der Konstrukte
Für die empirische Untersuchung des wahrgenommenen Unternehmerbildes in der Öffentlichkeit soll ein Messinstrument verwendet werden, welches das Unternehmerbild als vermutetes Fremdbild direkt bei den Unternehmern abfragt. Für die vorliegende Operationalisierung werden drei unterschiedliche Statements und eine abschließende Validierungsfrage verwendet.45 Bei den einzelnen Items stehen nicht die individuellen Assoziationen mit dem Unternehmer im Vordergrund der Untersuchung, sondern die Vermutung über das Gesamtbild. Eine Emotion besteht aus drei Komponenten, dem Gefühl, der körperlichen Veränderung und dem Ausdruck. Demgemäß gibt es drei verschiedene Möglichkeiten Emotionen zu erfassen: auf subjektiv-verbaler, physiologischer und motorischer Ebene, beispielsweise durch Verhaltensbeobachtungen. Die beiden letztgenannten Meßmethoden unterliegen der Schwierigkeit, dass die Freude am Unternehmertum, verstanden als überdauernde Stimmungslage, nicht anhand von kurzfristigen physiologischen Reaktionen gemessen werden kann. Bei der verbalen Erhebung liegt der Vorteil darin, dass das konkrete Erleben und die Gefühle wiedergegeben werden können, beispielsweise in der Aussage „Mir macht es Freude, Unternehmer zu sein“. Allerdings ergibt sich hierbei die Schwierigkeit, dass bei selbst beschriebenen Gefühlsurteilen die Antworten sehr heterogen ausfallen würden, und es fällt Menschen manchmal schwer, ihre eigenen Gefühle zu verbalisieren. Aus diesem Grund wird die sprachlich vorformulierte Erfassung der Freude am Unternehmertum für die quantitative Untersu-
45
Vgl. Lingenfelder/Nöcke/Liebernickel (2008), S. 68.
98
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
chung genutzt. Weitere Vorteile sind deren augenscheinliche Validität sowie praktikable Handhabung, beispielsweise in Form von Paper-Pencil-Verfahren. Als weiteres Konstrukt ist die wahrgenommene Geschäftslage als abhängige Untersuchungsvariable zu operationalisieren. Dabei werden keine objektiven Erfolgsgrößen herangezogen, sondern allein deren subjektive Einschätzung. Konkret bedeutet das, dass der Unternehmer gemäß seiner persönlichen Wahrnehmung die Geschäftslage seines Unternehmens einschätzen soll. Dabei wird ihm freigestellt, welche Kriterien er zur Beurteilung heranzieht. Bei der subjektiven Beurteilung wird sowohl auf allgemeine betriebswirtschaftliche Aspekte fokussiert als auch auf die persönlichen Ziele des Unternehmers, ohne dass diese konkret formuliert werden müssen. Der Vorteil gegenüber objektiven Kriterien liegt darin, dass eine subjektive Beurteilung eine weitaus weniger sensible Größe ist, d.h. auf diesem Weg wird gleichzeitig die Abneigung von Unternehmern gegenüber Fragen nach Umsatz oder Gewinn umgangen. Zur Messung der Schaffung neuer Arbeitsplätze, als letztes latentes Konstrukt im Forschungsmodell, werden sowohl die Veränderung der Mitarbeiterzahlen im vergangenen Jahr sowie eine Zukunftsprognose hinsichtlich der Arbeitsplätze für die kommenden zwölf Monate herangezogen. Da sämtliche Konstrukte des Forschungsmodells nicht direkt mittels objektiver Kriterien gemessen werden, erfolgt die Messung mit Hilfe mehrerer zusammengehörender Statements, so genannter Itembatterien. Zur Ermittlung der Freude am Unternehmertum wird die Zustimmung oder Ablehnung von drei Items gemessen, die auf die aktuelle Befindlichkeit und auf die Veränderung derselben in der letzten Zeit abzielen. Über ein Validierungsitem erfolgt zusätzlich die Beurteilung der Freude am Unternehmertum im Ganzen. Das wahrgenommene Unternehmerbild wird ebenfalls mittels drei Items zuzüglich eines Validierungsitems gemessen. Die Beurteilung der Geschäftslage setzt sich aus der Bewertung der aktuellen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, der Veränderung in den letzten zwölf Monaten und der Prognose für die folgenden zwölf Monate zusammen. Bei dem wahrgenommenen Unternehmerbild in der Öffentlichkeit, der Freude am Unternehmertum und bei der Beurteilung der Geschäftslage liegt eine bipolare Ratingskala mit sechs Abstufungen vor. Das letzte Konstrukt wurde über drei Abstufungen „erhöhen/erhöht“, „nicht verändern/nicht verändert“ und „verringern/verringert“ erfasst.
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
7.2
99
Datenerhebung
Im Rahmen der empirischen Erhebung wurden Inhaber und Geschäftsführer kleiner und mittlerer Unternehmen befragt. Die Unternehmensadressen stammten aus der Mitgliederdatei des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft e.V., sodass davon ausgegangen wird, dass ausschließlich mittelständische Unternehmen kontaktiert werden. Die Daten wurden mittels Telefoninterviews, Onlinebefragung und Faxversand erhoben. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 reichte der Untersuchungszeitraum jeweils von Juli bis Oktober. Die Zahl der gesamten auswertbaren Fragebögen betrugen 2337 im Jahr 2006, 2452 im Jahr 2007 und 2429 im Jahr 2008.
8
Empirische Befunde zum Untersuchungsmodell
8.1
Stichprobenmerkmale der ermittelten Datenbasis
Mit zwischen 35,8 bis 38,3% aller auswertbaren Fragebögen stammt der größte Teil der befragten Unternehmen aus den ostdeutschen Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) gefolgt von süddeutschen Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Saarland). Etwas weniger Datensätze mit durchschnittlich 20% aller befragten Unternehmen liegen aus den norddeutschen (Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern) und westdeutschen Bundesländern (NRW und Hessen) vor. Über die Hälfte der befragten Unternehmen können in allen drei Jahren dem Dienstleistungssektor zugeordnet werden. Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes sind mit etwa 17 Prozent in den Stichproben vertreten, Handwerksunternehmen und Baubetriebe sowie sämtliche andere Wirtschaftszweige sind mit einstelligen Prozentwerten repräsentiert. Über ein Drittel aller befragten Unternehmen verfügen über bis zu vier Mitarbeiter. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern gehen am wenigsten in die Stichproben ein. Von den insgesamt in die Stichprobe gelangten Unternehmen sind zwischen 26,3% (2008) und 33,1% (2006) sieben Jahre oder jünger. Nicht ganz ein Viertel der Firmen sind zwischen sieben und 13 Jahren alt. Die meisten der untersuchten Unternehmungen sind 14 Jahre oder älter. Ungefähr 30 Prozent der Unternehmer waren in den Jahren 2006 und 2007 bzw. knapp 25% im Jahr 2008 42 Jahre oder jünger. Zwischen 32,2% und 35,1%
100
Region Nord West Ost Süd Wirtschaftszweig Verarbeitendes Gewerbe Dienstleistung Gastgewerbe Einzelhandel Großhandel Baugewerbe Handwerk Andere Wirtschaftszweige Anzahl der Mitarbeiter bis 4 Mitarbeiter 5 bis 9 Mitarbeiter 10 bis 49 Mitarbeiter 50 bis 249 Mitarbeiter 250 und mehr Mitarbeiter Unternehmensalter 7 Jahre oder jünger zwischen 7 und 13 Jahre 14 Jahre oder älter Unternehmeralter 42 Jahre oder jünger 43 bis 51 Jahre 52 Jahre oder älter Geschlecht Männlich Weiblich
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
2008 18,7 20,8 35,8 24,6 2008 17,7 55,2 2,2 4,1 4,6 4,2 3,2 8,8 2008 34,5 17,5 32,2 12,6 3,2 2008 26,3 23,1 50,6 2008 24,9 35,1 40,1 2008 81,1 18,9
2007 19,7 19,7 36,9 23,7 2007 18,8 55,0 3,5 4,7 4,0 4,4 5,2 4,5 2007 36,6 16,4 32,4 12,2 2,3 2007 32,1 22,6 45,3 2007 30,2 32,7 37,1 2007 81,7 18,3
2006 20,4 20,1 38,3 21,2 2006 14,6 55,7 2,8 4,7 4,8 4,8 0,7 5,8 2006 36,5 23,4 28,4 12,0 0 2006 33,1 22,9 44,0 2006 30,4 32,2 37,4 2006 82,1 17,9
Tabelle 1: Deskriptive Statistik der Stichproben (Angaben in Prozent)
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
101
der Befragten sind der Gruppe der zwischen 43- und 51-Jährigen zuzuordnen. Etwa 37% bis 40,1% (2008) haben das 52. Lebensjahr bereits vollendet, was im Übrigen auf ein Demographieproblem hindeutet. 2005 lag der Vergleichswert nämlich noch bei rund 34 Prozent.46 Von den befragten Unternehmen werden ca. 82 Prozent von männlichen Unternehmern geführt. Die einzelnen Stichprobencharakteristika der befragten Unternehmen von 2006 bis 2008 können der Tabelle 1 entnommen werden.
8.2
Ergebnisse der empirischen Kovarianzstrukturanalyse
Bei der Berechnung des Cronbachs Alpha hinsichtlich der Überprüfung der Reliabilität der Konstrukte werden zufrieden stellende Werte bei der Freude am Unternehmertum mit 0,79 (2006), 0,81 (2007) und 0,76 (2008) ermittelt. Auch die Ergebnisse bei der wahrgenommenen Geschäftslage geben mit 0,73, 0,75 bzw. 0,72 keinen Grund zur Beanstandung. Für die Bereitschaft zur Schaffung neuer Arbeitsplätze liegt Cronbachs Alpha mit 0,49, 0,46 und 0,45 ebenfalls über dem geforderten Wert von mindestens 0,4 bei Konstrukten mit zwei Items. Die kausalanalytische Untersuchung zur Beurteilung der Forschungsmodelle erfolgte auf Grundlage der in der Literatur gebräuchlichsten globalen Anpassungsmaße. Hinsichtlich der globalen Gütekriterien zur Beurteilung der empirischen Anpassungsgüte erfüllt das Forschungsmodell für alle drei Jahre in fast allen Fällen die geforderten Werte (vgl. Tabelle 2). Besonders auffallend ist jedoch der χ²/df -Wert, der in allen drei Jahren über dem geforderten Wert liegt. Allerdings wird in der Literatur darauf verwiesen, dass dieses Maß im Vergleich zu den üblichen Gütekriterien die häufigsten Probleme verursacht;47 insbesondere bei großen Stichproben48 reagiert der χ²-Wert besonders empfindlich.49 Für die vorliegende Untersuchung soll der χ²/df -Wert als ergänzendes Maß herangezogen werden und trotz der Überschreitung des Wertes nicht zu einer Ablehnung der Untersuchungsmodelle führen.50 Im Kausalmodell von 2007 liegen der IFI und der CFI-Wert marginal unter dem geforderten Wert. 46
Vgl. Lingenfelder/Wieseke/Liebernickel (2005), S. 4. Vgl. Fritz (1992), S. 125. 48 Große Stichproben bedeuten in diesem Zusammenhang n > 200. 49 Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber (2003), S. 482 f. 50 In der Literatur werden manchmal auch Quotienten gefordert, die kleiner als fünf und sogar kleiner als zehn ausfallen dürfen, bevor empfohlen wird, ein Modell abzulehnen. Vgl. Fritz (1992), S. 126. 47
102
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
Abschließend muss konstatiert werden, dass die geforderten Mindestwerte nicht als Falsifikationskriterium betrachtet werden sollen, sondern als Richtwerte, die sich in den letzten Jahren als zuverlässig erwiesen haben. Insgesamt zeigen die dargestellten Befunde hinsichtlich ihrer Güte, dass die geforderten Ausprägungen der globalen Anpassungsmaße in einem akzeptablen Bereich liegen und alle drei Modelle zur weiteren Beurteilung des kausalen Wirkungsgefüges akzeptiert werden. Modellfit-Maße: Discrepancy/df GFI AGFI IFI CFI RMSEA
2008 8,94 0,95 0,93 0,90 0,90 0,06
2007 10,25 0,95 0,93 0,89 0,89 0,06
2006 9,34 0,95 0,93 0,90 0,90 0,06
Tabelle 2: Gütekriterien der Kausalmodelle Das Pfaddiagramm in Abbildung 2 zeigt die empirischen Ergebnisse für alle drei Jahre. Mittels Kovarianzstrukturanalyse werden u.a. folgende Befunde diagnostiziert: Alle Modelle enthalten ausschließlich signifikante Pfadkoeffizienten auf dem 1-%-Niveau. Werte von 2007* und 2006** in Klammern
Unternehmerbild in der Öffentlichkeit
+.20 (+.14)* (+.18)**
Freude am Unternehmertum
Erklärte Varianz 2008: 64% 2007: 29% 2006: 32%
+.56 (+.55)* (+.57)**
Wahrgenommene Geschäftslage
Erklärte Varianz 2008: 64% 2007: 67% 2006: 68% Schaffung von Arbeitsplätzen +.73 (+.82)* (+.83)**
Abbildung 2: Koeffizienten des Forschungsmodells Den Parameterwerten ist zu entnehmen, dass sich, wie in Hypothese 1 vermutet, ein positiver Einfluss des wahrgenommenen Unternehmerbildes in der Öffent-
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
103
lichkeit auf die Freude am Unternehmertum ergibt. Hypothese 1 kann somit als bestätigt gelten. Die Hypothese 2 geht von einem positiven Effekt der Freude am Unternehmertum auf die wahrgenommene Geschäftslage aus und erfährt für alle Jahre ebenfalls empirische Evidenz. Auch die Hypothese 3 kann bestätigt werden: Die wahrgenommene Geschäftslage prägt die Bereitschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen mit .73 (2008), .82 (2007) und .83 (2006).
8.3
Ergebnisse der Mittelwerte zur Freude am Unternehmertum
Wie die Ergebnisse des Kausalmodells belegen, ist die Freude am Unternehmertum ein entscheidender Erfolgsfaktor für ein Unternehmen. Aus diesem Grund werden in der folgenden Analyse die Mittelwerte der Freude am Unternehmertum für die Jahre 2006 bis 2008 sowie deren Mittelwertabweichungen hinsichtlich verschiedener unternehmer- und unternehmensbezogener Merkmale ermittelt. Die Beurteilung der Freude am Unternehmertum erfolgte anhand einer Skala von Eins bis Sechs. Zur besseren Anschaulichkeit wurden die Werte auf ein Kontinuum von Null bis 100 umgerechnet, wobei 100 einen maximal positiven Wert markiert. Für jedes Jahr wurde anschließend aus den drei Items ein Mittelwert gebildet.51 Die berechneten Mittelwerte zur Freude am Unternehmertum ergeben, dass es den meisten mittelständischen Unternehmern hieran mangelt (siehe Abbildung 3). Für alle drei Jahre konnten lediglich Werte zwischen 51,3 bis maximal 61,2 ermittelt werden.
51
Bei der additiven Verknüpfung wird von der Unabhängigkeit der Items ausgegangen.
104
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
Je höher die Werte, desto positiver wird der Faktor eingeschätzt.
-
+ 0
Die Freude am Unternehmertum
10
20
30
40
50
60
80
90
100
2008
53,2 61,2 51,3
70
2007
2006
Abbildung 3: Ergebnisse der Mittelwerte zur Freude am Unternehmertum Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Ausprägung der Freude am Unternehmertum hinsichtlich verschiedener Merkmale zeigt sich, dass je nachdem die Freude am Unternehmertum teilweise sehr unterschiedlich ausfallen kann. Abbildung 4 zeigt die Mittelwertabweichungen für das Jahr 2008. Für die Jahre 2007 und 2006 werden nicht die Werte, sondern die Platzierungen angegeben. Die höchste Platzierung erhält jeweils die Merkmalsausprägung mit dem höchsten Mittelwert der Freude am Unternehmertum. Beim Vergleich über die Jahre zeigt sich, dass Unternehmer a) b) c)
aus mehr als 14 Jahren existierenden Betrieben, die älter als 52 Jahre sind und/oder aus den süd- und ostdeutschen Bundesländern stammen die schlechtesten Werte aufweisen.
Gleichzeitig kann konstatiert werden, dass Unternehmer, a) b) c)
aus jünger als 7 Jahren existierenden Betrieben, die jünger als 42 Jahre sind und/oder aus den nord- und westdeutschen Bundesländern stammen über die Jahre hinweg die besten Werte aufweisen.
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
105
Je höher die Werte, desto positiver wird der Faktor eingeschätzt.
Die Freude am Unternehmertum Ø 53,2 (2008) +3,1
Mitarbeiter
10 bis 49 Mitarbeiter
250 und mehr Mitarbeiter
Platzierung 2006
Ź 1
Ź- *
+0,6
bis 4 Mitarbeiter
Ź 3
Ź- *
+0,4
50 bis 249 Mitarbeiter
Ź 2
Ź- *
Ź 4
Ź- *
Ź 5
Ź- *
Ź 2
Ź 1
Ź 1
Ź 2
Ź 3
Ź 4
Ź 4
Ź 3
Dienstleistung
Ź 1
Ź 2
Groß- und Außenhandel
Ź 2
Ź 1
Einzelhandel
Ź 4
Ź 4
Verarbeitendes Gewerbe
Ź 3
Ź 3
Handwerk
Ź 5
Ź 5
Baugewerbe
Ź 6
Ź 6
Ø 61,2
Ø 51,3
-0,6
5 bis 9 Mitarbeiter -0,7 +5,1
Region +3,2 +1,7
Nord West
Süd
-4,3
Ost
Platzierung 2007
Branche +3,1 -2,0 -2,6 -3,5 -7,9 -10,2
Anmerkung: * = Die Angabe der Platzierungen der Mitarbeiterkategorien für das Jahr 2006 war aufgrund einer von den Jahren 2007 und 2008 abweichenden Gruppeneinteilung nicht möglich.
106
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
Je höher die Werte, desto positiver wird der Faktor eingeschätzt.
Die Freude am Unternehmertum Ø 53,2 (2008) +0,3
Geschlecht Weiblich
+6,3
> 7 bis 14 Jahre
bis 7 Jahre
-0,5 -3,0
Alter der Unternehmer
+4,7
43 bis 51 Jahre -1,0 > 52 Jahre
Männlich
-1,3
Alter der Unternehmen
älter als 14 Jahre
Platzierung 2007
-1,9
< 42 Jahre
Platzierung 2006
Ź2
Ź1
Ź1
Ź2
Ź1
Ź1
Ź2
Ź2
Ź3
Ź3
Ź1
Ź1
Ź2
Ź2
Ź3
Ź3
Ø 61,2
Ø 51,3
Abbildung 4: Ergebnisse des Vergleichs der Mittelwertabweichungen zur Freude am Unternehmertum
9
Zusammenfassung und Implikationen für Praxis und Wissenschaft
In der Literatur zur strategischen Kompetenzforschung wird personale Kompetenz als Eigenschaft zum selbst reflexiven und kritischen Umgang der eigenen Person verstanden. Im Zuge dessen sollen Emotionen, Motive, Einstellungen und Werthaltungen weiterentwickelt und modifiziert werden.52 Die Erkenntnis, dass eine emotionale Stimmungslage die Aufnahmefähigkeit und die Speicherung von Informationen beeinflusst, ist gemäß dem strategischen Kompetenzma52
Vgl. Rosentiel (2004), S. 111.
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
107
nagement nichts Neues,53 jedoch wurde insbesondere die "Freude am Unternehmertum" als herausragende und entscheidende unternehmerische Komponente aus Sicht des ressourcenbasierten Ansatzes bislang sichtlich vernachlässigt.54 Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zur Freude am Unternehmertum verdeutlichen allerdings, dass hinter Unternehmenserfolg letztlich die Persönlichkeit des Unternehmers als essentieller Treiber steht. Aufgrund der zentralen Rolle von kleinen und mittleren Unternehmen für die Gesamtwirtschaft und den Arbeitsmarkt muss es als zentrales Anliegen gelten, ihre Handlungsfähigkeit so weit wie möglich zu fördern. Dass hierbei weiche, psychische Einflussfaktoren eine besondere Rolle spielen, wird durch die Ergebnisse dieser Studie deutlich. In enger Verzahnung mit der Wirtschaft gilt es, diesem Missstand rasch und nachhaltig entgegenzuwirken. Um kleinen und mittleren Unternehmen den Rücken zu stärken, gilt es nach den vorliegenden Befunden insbesondere folgende Punkte zu beachten: Es sollte eine Marketing-Kampagne zur Verbesserung des Unternehmerbildes in der Öffentlichkeit angestoßen und realisiert werden. Mittelständische Unternehmer in Deutschland verspüren ein hohes Maß an Neid und Missgunst in der Öffentlichkeit, welches nachweislich die Freude am Unternehmertum eintrübt. Das völlige Verlagern des Unternehmens in Auslandsmärkte, das Phänomen, dass Unternehmer der nachwachsenden Generation abraten, in die eigenen Fußstapfen zu treten, und weitere Signale sollten als Gefahr ernst genommen werden. Ansonsten drohen in Deutschland die Unternehmer auszugehen, mit ganz erheblichen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Das Negativ-Image muss durch ein Rollenbild des Unternehmers als tragende Säule unserer Gesellschaft ersetzt werden. Positivbeispiele, wie der Erfolg junger Unternehmer und Unternehmerinnen, sollten dabei als Vorbild (auch im Rahmen der medialen Berichterstattung) dienen. Die folgenden Ansatzpunkte setzen an einer Veränderung der Sichtweise zum Unternehmertum in der Gesellschaft an; denn Unternehmer müssen das Gefühl haben, in einem unternehmerfreundlichen Umfeld zu agieren. Um einem Unternehmer eine positive Grundlage für die Entfaltung seiner Freude am Unternehmertum bieten zu können, sollte in Deutschland stärker darauf
53 54
Vgl. Bergmann/Daub (2008), S. 82. Vgl. Jochmann (2007), S. 3; Büser (2004), S. 263.
108
Michael Lingenfelder/Christina Stadler
geachtet werden, eine Kultur der Selbstständigkeit zu schaffen.55 Die Anstrengungen der Bundes- und Landesregierungen, den Arbeitnehmern ausreichende soziale Sicherheiten zu verschaffen und die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes zu verbessern, haben dazu geführt, dass ein arbeitnehmerfreundliches Umfeld geschaffen wurde. Infolgedessen erscheint für viele Erwerbstätige das abhängige Angestelltenverhältnis die attraktivere Form der Erwerbstätigkeit zu sein. Dadurch entsteht allerdings ein Ungleichgewicht, das in der Sozialen Marktwirtschaft in dieser Form nicht aufrechterhalten bleiben sollte. Vielmehr sollte in der Selbstständigkeit eine gleichwertige Alternative zum Angestelltenverhältnis gesehen werden.56 Um potenzielle Gründer zu ermutigen und Unternehmer in ihrem Unternehmertum zu bekräftigen statt abzuschrecken, bedarf es eines gesellschaftlichen Bewusstseinswandels.57 Um langfristig eine Kultur der Selbstständigkeit in der Gesellschaft zu etablieren, bieten sich folgende beide konkreten Ansatzpunkte an: Eine öffentliche Förderung des Unternehmerbildes in der Öffentlichkeit durch den Staat und durch mittelstandsorientierte Institutionen sowie eine Förderung der unternehmerischen Ausbildung bereits während der allgemeinen Ausbildung und der Berufsausbildung.
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55
Eine gezielte Steigerung der unternehmerischen Aktivitäten in einem Land kann dazu beitragen, mehr Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum zu schaffen. Vgl. Stephan (2008), S. 1; Observatory of European SMEs (2004); Reynolds/Bygrave/Autio (2004); Birley (1986). Zur Kultur der Selbständigkeit siehe Stephan (2008); Faltin (1998); Frick et al. (1998). 56 Vgl. Thierstein/Wilhelm/Behrendt (2002), S. 140 f. 57 Vgl. De (2005), S. 29.
Die Freude von mittelständischen Unternehmern am Unternehmertum:
109
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Teil II Kompetenzsicherung und Management von (Innovations-)Kooperationen
Bedeutung des strategischen Kompetenz-Managements für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
Abstract............................................................................................................ 116 1
Einleitung ............................................................................................. 117
2
Bedeutung des Strategischen Kompetenz-Managements für die Erklärung des Offshore-Outsourcing ................................................... 119 2.1 Traditionelle Erklärung des Offshore-Outsourcing aus erweiterten Markt- und Profitmodellen im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung .............................. 121 2.2 Ergänzung der traditionellen Erklärungen des OffshoreOutsourcing durch statische Erklärungen des Kompetenzaufbaus.................................................................... 124 2.3 Erweiterung der traditionellen Erklärungen des OffshoreOutsourcing durch dynamische Erklärungen der Kompetenzentwicklung............................................................. 127 2.4 Zusammenfassung der Bedeutung des Strategischen Kompetenz-Managements für die Erklärung des OffshoreOutsourcing............................................................................... 131
3
Bedeutung des Strategischen Kompetenz-Managements für die Gestaltung des Offshore-Outsourcing .................................................. 132
4
Zusammenfassung und Ausblick.......................................................... 135
Literatur ........................................................................................................... 135
116
Heike Proff/Benedikt Hofmann
Abstract Dieser Beitrag untersucht die Bedeutung des strategischen KompetenzManagements (SKM) für die Entscheidung einer Verlagerung von Wertschöpfungsaktivitäten auf Zulieferer im fernen Ausland, vornehmlich in Niedriglohnländern (Offshore-Outsourcing). Erklärungen des Kompetenzaufbaus und der Kompetenzentwicklung ergänzen und erweitern die traditionellen Erklärungen des Offshore-Outsourcing in erweiterten Markt- und Profitmodellen im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung. Sie können zur Ausgestaltung des Offshore-Outsourcing genutzt werden.
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
1
117
Einleitung
Die Verlagerung von Wertschöpfungsaktivitäten auf Lieferanten im (fernen) Ausland, insbesondere in Niedriglohnländern, nimmt immer mehr zu (vgl. z.B. Grossman, Rossi-Hansberg 2006). Dies deutet auf Gewinnpotenziale hin, die die Unternehmen erschließen können und begründet das anhaltend starke Interesse von Wissenschaft und Praxis an dieser internationalen Wertschöpfungsoption. Offshore-Outsourcing ist eine internationale Wertschöpfungsoption neben Onshore-Inhouse (interne Wertschöpfung an traditionellen Standorten), Offshore-Inhouse (Produktionstransfer bzw. interne Wertschöpfung in einer Tochterfirma im in der Regel fernen Ausland) und Onshore-Outsourcing (externer Wertschöpfung bei einem Lieferanten an traditionellen Standorten, vgl. Grossman, Helpman 2002; 2003 und 2005; Grossman u.a 2006). Mit Offshoring möchten Unternehmen komparative Kosten- bzw. Ausstattungsvorteile, meist Lohnkostenvorteile nutzen, die sie selber oder Lieferanten an den traditionellen Standorten nicht haben; mit Outsourcing Spezialisierungsvorteile von Lieferanten durch Größen- und Verbundvorteile, die bei interner Wertschöpfung nicht erzielt werden können. Sie sind möglich, wenn geeignete Lieferanten vorhanden sind und die Transaktionskosten und die Verhandlungsmacht der Lieferanten gering gehalten werden können. Die Vorteile des Offshore-Outsoucing liegen damit in der Verbindung von komparativen Vorteilen einer Produktion in Niedriglohnländern und Spezialisierungsvorteilen einer Auslagerung von Wertschöpfungsaktivitäten auf spezialisierte Lieferanten (Abb. 1). Komparative und Spezialisierungsvorteile durch Offshore-Outsourcing wurden in den letzten zehn Jahren vielfach mit Hilfe von Markt- und Profitmodellen im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung begründet (vgl. z.B. die Arbeiten von Grossman 2003, 2005 oder Grossman u.a. 2006). Sie ließen diese internationale Wertschöpfungsoption im Vergleich mit anderen internationalen Wertschöpfungsoptionen erfolgversprechender erscheinen. Da dennoch viele Unternehmen negative Erfahrungen mit der Auslagerung von Wertschöpfung auf Zulieferer in Niedriglohländern gemacht haben, werden vermehrt Studien durchgeführt, die die Risiken dieser Wertschöpfungsoption untersuchen. Dabei zeigt sich, dass Offshore-Outsoucing meist nur kurzfristig die Kosten senkt, und deshalb viele Offshore-Out-sourcing-Projekte scheitern bzw. die Erwartungen nicht erfüllen (vgl. z.B. Leiblein, Milller 2003). Als Gründe werden genannt: nur etwa die Hälfte der Zulieferer hält Verträge ein und es bestehen Zweifel an ihrer Expertise und Zuverlässigkeit (vgl. Craig und
118
Heike Proff/Benedikt Hofmann
Willmott 2005; Modarress und Ansari 2007). Damit greifen die aus erweiterten Markt- und Profitmodellen im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung begründeten Kostenvorteile oft nicht. Dies liegt oft daran, dass die vermuteten Kostenvorteile aufgrund hoher Transaktionskosten und der Verhandlungsmacht der Zulieferer nicht realisiert werden können.
hoch
Offshore Inhouse
-
Offshore Outsourcing
Onshore Inhouse
-
Onshore Outsourcing
komparative Kostenvorteile
niedrig
niedrig
hoch
Spezialisierungsvorteile
Abbildung 1: Offshore-Outsourcing als internationale Wertschöpfungsoption Quelle: in Anlehnung an Grossman, Helpman (2002); Robinson, Kotakota (2003) Die statische Kompetenzbetrachtung begründet zudem, dass Offshore-Outsourcing nicht gelingt, wenn die Kompetenzen der Zulieferer denen der Hersteller zu ähnlich sind, so dass Spezialisierungsvorteile fehlen, und wenn die Koordinationsfähigkeit der Hersteller gering ist. Außerdem wird die Gefahr gesehen, dass mit der Verlagerung von Wertschöpfung an ausländische Zulieferer auch Kom-
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
119
petenzen an sie übergehen können, was die Wettbewerbsfähigkeit der offshore auslagernden Unternehmen mittelfristig bedrohen kann. Diese ungünstige Kompetenzentwicklung erklärt sich aus einer dynamischen Kompetenzbetrachtung (vgl. dazu Argyres 1996; Bühner und Tuschke 1997; Leiblein und Miller 2003; Odagiri 2003; Kotabe und Murray 2004; Jacobides und Winter 2005; EspinoRodriguez und Padron-Robaina 2006; Jacobides und Billinger 2006; Kotabe u. a. 2008 oder Proff 2008). In diesem Beitrag wird begründet, wie Erklärungen des Kompetenzaufbaus und der Kompetenzentwicklung die traditionellen Erklärungen (erweiterter) Markt- und Profitmodelle im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung (z.B. vom Grossman 2002 und 2003; Grossman u.a. 2006) ergänzen und erweitern. Dies zeigt die Bedeutung des Strategischen KompetenzManagements für die Erklärung des Offshore-Outsourcing (Abschnitt 2). Aus den Erklärungen des Offshore-Outsourcing werden Hinweise zur Ausgestaltung dieser Wertschöpfungsoption abgeleitet (Abschnitt 3). Damit werden aus dem Strategischen Kompetenz-Management kompetenzbasierte Erklärungen der Entscheidung für Offshore-Outsourcing abgeleitet, die als unterstützende und ergänzende Faktoren in ein erweitertes Markt- und Profitmodellmodell der Theorie der internationalen Unternehmung integriert werden könnten1.
2
Bedeutung des Strategischen Kompetenz-Managements für die Erklärung des Offshore-Outsourcing
Die traditionellen Modelle im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung z.B. von Grossman (2002 und 2003; Grossman u.a. 2006) beziehen sich auf Transaktionskosten, die häufig zur Erklärung des Outsourcing (buy) gegenüber der unternehmensinternen Leistungserstellung (make) herangezogen werden. Sie unterstellen, dass nach einer Anlaufphase mit erhöhten Koordinations- und Abstimmungskosten beim Aufbau der Zuliefererbeziehung ins (ferne) Ausland die Gewinne durch Offshore-Outsourcing bald die Anlaufkosten mehr als kompensieren (Pfeil (1) in Abb. 2 und Abschnitt 2.1). Gewinne entstehen aus komparativen und Spezialisierungsvorteilen der Zulieferer unter der Annahme 1
Das würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen, in dem es um kompetenzbasierte Erklärungen dieser Wertschöpfungsoption und daraus abgeleitete Gestaltungshinweise geht (zur Integration der kompetenzbasierten Effekte in ein erweitertes Markt- und Profitmodell im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung vgl. Hofmann (2009)).
120
Heike Proff/Benedikt Hofmann
minimaler Transaktionskosten und begrenzter Verhandlungsmacht der Zulieferer. Das strategische Kompetenz-Management begründet, dass selbst bei Minimierung von Transaktions- und Verhandlungskosten sich die Gewinne bei Offshore-Outsourcing nicht unbedingt verwirklichen lassen und dass diese Option einer internationalen Wertschöpfung nicht notwendig als Erfolgskonzept gelten kann. Die Höhe der durch Offshore-Outsourcing realisierbaren Gewinne hängt nämlich auch davon ab, wie stark sich die Ressourcen und Kompetenzen der ausländischen Zulieferer von denen der Hersteller unterscheiden (Kompetenzheterogenität) und wie gut die Abstimmung mit den Zulieferern gelingt (Koordinationskompetenz) (Pfeil (2) in Abb. 2). Diese statischen Erklärungen des Kompetenzaufbaus ergänzen die traditionellen Erklärungen des Offshore-Outsourcing im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung (Abschnitt 2.2). Durch Dynamisierung des strategischen Kompetenz-Managements lässt sich zudem die Kompetenzentwicklung erklären, was die traditionellen Modelle erweitert. Danach hängt die Höhe der Gewinne des Offshore-Outsouring auch davon ab, inwieweit ein Kompetenzabfluss (Pfeil (3) in Abb. 2) an ausländische Zulieferer verhindert werden kann (Abschnitt 2.3).
Gewinne (2)
(1)
(3)
Zeit
Anlaufphase (1) Vorteile des Offshore-Outsourcing: komparative und Spezialisierungsvorteile (bei Annahme minimaler Transaktionskosten und Verhandlungsmacht der Lieferanten) (2) Nachteile des Offshore-Outsourcing bei fehlender Spezialisierung (fehlender Ressourcenheterogenität) der Lieferanten und fehlender Koordinationskompetenz (3) Nachteile des Offshore-Outsourcing bei Kompetenzabfluss im Zeitablauf
Abbildung 2: Erklärungen des Offshore-Outsourcing und Beitrag des Strategischen Kompetenz-Managements
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
2.1
121
Traditionelle Erklärung des Offshore-Outsourcing aus erweiterten Markt- und Profitmodellen im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung
Die Theorie der internationalen Unternehmung fasst Forschungsarbeiten zusammen, die zu erklären versuchen, warum multinationale Unternehmen entstehen (vgl. Demsetz 1997), welche Internationalisierungsformen gewählt werden und wie multinationale Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen können. Diese Theorie greift zur Untersuchung des Offshore-Outsourcing auf Profit- und Marktmodelle zurück, die Aspekte der Außenhandelstheorie mit Aspekten der neuen Institutionenökonomie und der Mikroökonomie verbinden. Die Vertreter der Theorie der internationalen Unternehmung berücksichtigen aufgrund formaler Ableitungen vier Effekte (vgl. Grossman, Helpman 2002, 2003, 2005 sowie Grossman u.a. 2006): 1. Ausstattungseffekt. Lassen sich Vorteile durch Ausnutzung komparativer Vorteile des Lieferanten in Niedriglohnländern erzielen, werden die Gewinne durch Offshore-Outsourcing positiv beeinflusst. Dieser extern (durch die Wahl eines Lieferanten mit Lohnkostenvorteilen) bestimmte Vorteil sollte bei Entscheidung für diese Wertschöpfungsoption möglichst groß sein, 2. Größen- und Verbundeffekt. Lässt sich ein Größen- und Verbundvorteil durch Auslagerung auf spezialisierte Zulieferer und durch eine Fokussierung der Organisation und Leistungserbringung erzielen, werden die Gewinne durch Offshore-Outsourcing positiv beeinflusst. Auch dieser Vorteil sollte möglichst groß sein, 3. Transaktionseffekt. Wenn hohe Koordinationskosten Transaktionskosten bringen, werden die Gewinne durch Offshore-Outsourcing negativ beeinflusst. Dieser Nachteil sollte möglichst gering sein. 4. Verhandlungsmachteffekt. Wenn Verhandlungsnachteile bei Nachverhandlungen mit verhandlungsstarken Lieferanten bestehen, werden die Gewinne durch Offshore-Outsourcing negativ beeinflusst. Auch dieser Nachteil sollte möglichst gering sein. Grossman und andere Autoren, die Offshore-Outsourcing untersuchen, integrieren die wesentlichen Elemente des Transaktionskostenansatzes (vgl. z.B. Williamson 1973, 1975, 1979 und Riordan, Williamson 1985), der die unternehmensexterne Wertschöpfung (outsourcing und damit buy) der unternehmensinternen Wertschöpfung (make) vorzieht. Der Tranksaktionskostenansatz thematisiert Produktionskosten (Größen- und Verbundeffekte) der Auslagerung auf speziali-
122
Heike Proff/Benedikt Hofmann
sierte Lieferanten sowie Governancekosten (Transaktions- und Verhandlungsmachteffekte) und greift damit Effizienzaspekte hinsichtlich der Koordination2 und Hold-up-Effekte zwischen interner und externer Wertschöpfung (vgl. Grossman, Hart 1986 und Siemer 2004, S. 154) auf und bildet sie in den Modellen ab (vgl. Grossman, Helpman 2002, S. 87). Der Transaktionskostenansatz kann die Vorteile des Outsourcing gegenüber der internen Wertschöpfung erklären, jedoch nicht Vorteile des Offshore-Outsourcing gegenüber der Auslagerung an traditionelle Zulieferer (Onshore-Outsourcing), da er die Faktorkosten vernachlässigt (vgl. die Kritik von Teece 1996, S. 219; Pepall, Norman 2001, S. 226; Buckley, Ghauri 2004, S. 86). Die traditionellen Markt- und Profitmodelle im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung zeigen, dass Offshore-Outsourcing immer dann die gewinnmaximale Wertschöpfungsoption für einen Hersteller ist, wenn dadurch nicht nur hohe (unternehmensextern bestimmte) Ausstattungs- sowie intern beeinflusste Größen- und Verbundvorteile realisiert werden können, die die Gewinne dieser Wertschöpfungsoption positiv beeinflussen, sondern wenn darüber hinaus – ebenfalls unternehmensintern beeinflusst – eine hohe Transaktionskosteneffizienz und Verhandlungsmacht gegenüber den Lieferanten geschaffen wird. Dadurch werden die Transaktionskosten und negative Verhandlungsmachteffekte begrenzt, die die Gewinne negativ beeinflussen (vgl. Grossman, Helpman 2002, 2005; Grossman, Rossi-Hansberg 2006 und Abb. 3 in Erweiterung von Abb. 1). A priori lässt sich der Erfolg des Offshore-Outsourcing allerdings nicht eindeutig abschätzen. Auf kompetenzbasierte Effekte, die bei der Erklärung und Durchführung des Offshore-Outsourcing ebenfalls zu berücksichtigen sind (Barney u.a. 2001; Proff 2004; 2007b; Kotabe u.a. 2008), wird in den traditionellen Markt- und Profitmodellen nicht eingegangen. Zur Integration von Erklärungen durch den Kompetenzansatz müssen diese Modelle allerdings auch erweitert werden, da unterstellt wird, dass alle Unternehmen – Hersteller wie Lieferanten – gleich gut bzw. effizient sind (Grossman, Helpman 2002, 2003; 2005 sowie Grossman u.a. 2006). Um Kompetenzaspekte 2
Der Transaktionskostenansatz begründet Vorteile des Outsourcing gegenüber der internen Wertschöpfung (Williamson 1973, 1975, 1979 und Riordan, Williamson 1985), wenn bei dieser Wertschöpfungsoption die Summe der Produktions- und Governancekosten niedriger ist als bei der internen Wertschöpfung. Dies ist bei niedriger Spezifität der Produktionsfaktoren der Fall: Zum einen sind dann die Produktionskosten am Markt aufgrund von Größen- und Verbundvorteilen niedriger als bei interner Leistungserstellung. Zum anderen sind auch die Governancekosten im Outsouricng-Fall aufgrund geringerer Holdup-Probleme und der starken Incentives des Marktes niedriger als bei interner Wertschöpfung.
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
hoc
1. Ausstattungseffekt Ziel: Wahl Lieferanten mit maximalen Ausstattungsvorteilen
123
OffshoreInhouse
OffshoreOutsourcing
Onshor Inhouse
Onshor Outsourcing
niedri
hoc
komparative Kostenvorteile
niedrig
=> Effekt ist extern bestimmt
Spezialisierungsvorteile 2. Größen- und Verbundeffekt Ziel: Maximierung der Größenund Verbundvorteile 3. Transaktionseffekt 4. Verhandlungsmachteffekt
Ziel: Minimierung der Transaktionsund Verhandlungskosten
=> Effekte sind intern beeinflusst
Abbildung 3: Effekte des Offshore-Outsourcing gemäß den Markt- und Profitmodellen im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung Quelle: in Erweiterung von Abb.1 und damit Unterschiede zwischen den offshore auslagernden Unternehmen abbilden und die Wahl der Wertschöpfungsoptionen auch als Funktion interner Unterschiede, wie z.B. der Ressourcen- und Kompetenzen, untersuchen zu können, muss diese Annahme aufgegeben werden. Zur Abbildung von Unterschieden zwischen Unternehmen können die Arbeiten von Machlup (1987), Jacobson (2000), Shaked, Sutton (1982) sowie Krugman, Helpman (1987) herangezogen werden. Sie modellieren in monopolistischen Wettbewerbsszenarien Markteintrittsbarrieren bzw. Kundenpräferenzen, die die Abbildung von Unterschieden zwischen Unternehmen ermöglichen. Derart erweiterte Markt- und Profitmodelle erklären ebenfalls die vier genannten Effekte des Offshore-Outsoucing (Ausstattungseffekt, Größen- bzw. Verbundeffekt, Transaktionskosten- und Verhandlungsmachteffekt), erlauben
124
Heike Proff/Benedikt Hofmann
aber die Ergänzung von Kompetenzüberlegungen in die Erklärungen des Offshore-Outsourcing.
2.2
Ergänzung der traditionellen Erklärungen des Offshore-Outsourcing durch statische Erklärungen des Kompetenzaufbaus
Die Überlegungen im letzten Abschnitt lassen sich so interpretieren, dass Offshore-Outsourcing negative Effekte bringt, wenn Verträge nicht gemeinsam von Einkauf, Produktion und Logistik verhandelt und umgesetzt werden, was z.B. bei Ausstattungsschwankungen zu Abstimmungsproblemen bzw. zu erhöhten Transaktions- und Verhandlungskosten führt und das auslagernde Unternehmen die internen Prozesse nicht beherrscht, was z.B. bei unklaren Schnittstellen und Schwankungen in der Menge und Reihenfolge der Produktion zu ebenfalls Abstimmungsproblemen und höheren Transaktions- und Verhandlungskosten führt. Die Berücksichtigung des Strategischen Kompetenz-Managements bei der Erklärung des Offshore-Outsourcing kann helfen, die negativen Effekte bzw. Transaktions- und Verhandlungskosten zu senken, die mit dem Lieferanten insbesondere über große Distanzen entstehen. Das Strategische Kompetenz-Management ergänzt zunächst statische kompetenzbasierte Erklärungen des Outsourcing und Offshore-Outsourcing, die sich aus dem Modell des Kompetenzaufbaus durch Veredelung von Ressourcen (vgl. Rasche 1994) begründen lassen. Danach werden Ressourcen zu Kompetenzen, wenn sie einen Nutzen stiften, nicht oder nur begrenzt handel- und imitierbar sind und zur Dynamik des Umfeldes passen (vgl. auch Proff 2000, 2002). Offshore-Outsourcing Entscheidungen hängen auch von den bei den Lieferanten und Herstellern vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen ab (Bettis u.a. 1992; Argyres 1996 und Grant 1996, aber auch (Baden-Fuller-Volberda 1997; Sanchez, Heene 1997; Takeichi 2001 oder Ulrich, Ellison 2005). Dafür gibt es zwei Gründe
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
125
gemäß der Heterogenitätsbedingung des Kompetenzansatzes3 unterscheiden sich die beim Kompetenzaufbau eingesetzten Ressourcen (Fähigkeiten und Vermögenswerte, vgl. Abb. 3) zwischen Herstellern und Lieferanten stark voneinander (vgl. Peteraf 1993, S. 180; Leiblein und Miller 2003, S. 842; Jacobides und Winter 2005, S. 400). bei Offshore-Outsourcing müssen die wertschöpfenden Kompetenzen sowohl über Unternehmens- als auch über Ländergrenzen hinweg koordiniert werden (vgl. Prahalad und Hamel 1990, S. 88; Teece 1996, S. 202; Sanchez und Heene 1997, S. 308). Die Koordination ist somit komplexer als bei Verfolgung einer alternativen Wertschöpfungsoption. Dies betrifft den gesamten Prozess der Ressourcenveredelung von der Sicherstellung der Nutzenstiftung am Markt bei der Wahl der Inputressourcen und der begrenzten Handel- und Imitierbarkeit bis zur Abstimmung mit der Umfelddynamik (durch Verbesserungs- und Veränderungslernen in einem weitgehend stabilen und Prozesslernen in einem dynamischen Umfeld, vgl. Abb. 4). Deshalb sind bei einem Offshore-Outsourcing zwei weitere Effekte bedeutsam, die die aus den traditionellen Erklärungen begründeten Effekte ergänzen (vgl. ebenfalls Abb.4): 5. Heterogenitätseffekt. Hat der Lieferant gegenüber dem Hersteller überlegene Kompetenzen der Leistungserstellung, werden die Gewinne des OffshoreOutsourcing positiv beeinflusst. Deshalb sollten die Kompetenzvorteile des Lieferanten bei dieser Wertschöpfungsoption möglichst groß sein. 6. Koordinationseffekt. Gelingt die Koordination der Ressourcen durch geeignete Kompetenzen, werden die Gewinne des Offshore-Outsorcing positiv beeinflusst. Diese Koordinationskompetenz sollte bei dieser Wertschöpfungsoption möglichst groß sein.
3
Die Heterogenitätsbedingung besagt erstens, dass Kompetenzen und Ressourcen über Unternehmen heterogen verteilt sind. Zweitens besagt sie, dass die Heterogenität der Kompetenz- und Ressourcenbasen der Unternehmen zu Unterschieden hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Unternehmen führt. Daraus folgt, dass Unternehmen mit überlegenen Kompetenzen und Ressourcen, Wettbewerbsvorteile realisieren können und Unternehmen, mit unterlegenen Kompetenzen und Ressourcen, entsprechende Nachteile erleiden (Wernerfelt 1984; Grant 1991).
126
Heike Proff/Benedikt Hofmann
Erklärung des Kompetenzaufbaus Vermögenswerte
Ressourcen
Ergänzung der traditionellen Effekte des Offshore-Outsourcing im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung
Fähigkeiten (1.)
Übergangsbedingung: Prüfung der Ressourcenposition an den Absatzmärkten
Teilanforderungen:
1. Wahl geeigneter und effizienter Inputressourcen 2. unternehmensdienliche Verwendung der Inputressourcen 1. Hauptanforderung: Nutzenstiftung am Markt (2.)
Übergangsbedingung: Prüfung der Ressourcenposition an den Faktormärkten
Teilanforderungen:
3. Stillschweigen über effiziente Ressourcen 4. Komplexität der Ressourcen und Fähigkeiten in Routinen 5. Spezifität der Ressourcenposition 2. Hauptanforderung: Begrenzte Handel- und Imitierbarkeit (3.)
1. Ausstattungseffekt
hoch komparative Kostenvorteile
6. Optimierung der Managementprozesse durch Verbesserungslernen in einem stabilen Umfeld 7. Anpassung der Managementprozesse durch Veränderungslernen in einem evolvierenden Umfeld 8. Änderung der Managementprozesse durch Prozesslernen in einem dynamischen Umfeld 3. Hauptanforderung: Abstimmung von Umfelddynamik und Kompetenzvorteilen
OffshoreOutsourcing
OnshoreInhouse
OnshoreOutsourcing
niedrig
Übergangsbedingung: Prüfung der Ressourcenposition an der „wirklichen Zeit“
Teilanforderungen:
OffshoreInhouse
niedrig
hoch
5. kompetenzbasierter Heterogenitätseffekt Spezialisierungsvorteile Ziel: Maximierung der Herterogenitä von Hersteller und Zulieferer 2. Größen- und Verbundeffekt 3. Transaktionseffekt 4. Verhandlungsmachteffekt
6. kompetenzbasierter Koordinationseffekt Ziel: Maximierung Koordinationskompetenzen
1. – 3. Kompetenzen
Abbildung 4: Ergänzung der traditionellen Erklärungen des OffshoreOutsourcing durch statische Erklärungen des Kompetenzaufbaus Die beiden statischen kompetenzbasierten Offshore-Outsourcing Effekte ergänzen die - zumindest unternehmensintern beeinflussbaren - traditionellen Effekte, die aus den Markt- und Profitmodellen im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung begründet wurden: der Heterogenitätseffekt den Größen- und Verbundeffekt (eine gute Ausstattung mit Ressourcen erlaubt Größen- und Verbundvorteile) und der Koordinationseffekt den Transaktionskosten- und Verhandlungsmachteffekt entsprechend der Transaktionskostentheorie (Koordinationsfähigkeiten erlauben die Reduzierung von Transaktions- und Verhandlungskosten)4. Beide Effekte lassen sich empirisch belegen: Der Koordinationseffekt deutet sich z.B. an bei Leiblein, Miller (2003), der Heterogenitätseffekt z.B. bei Craig, 4
Die Ausstattungseffekte sind extern mit der Wahl des Lieferanten gegeben.
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
127
Willmott (2005) oder Modarress, Ansari (2007). Sie lassen die Auswirkungen von Kompetenz- und Ressourcenschwächen der Lieferanten auf OffshoreOutsourcing erkennen. Die statischen kompetenzbasierten Erklärungen des Offshore-Outsourcing zeigen, dass diese Wertschöpfungsoption nur dann gewinnmaximal für einen Hersteller ist, wenn er dadurch - neben Ausstattungsvorteile - Größen- bzw. Verbundvorteile maximiert und die Transaktionskosten und die Verhandlungsmachteffekte minimiert werden können und wenn die Lieferanten eine überlegene Kompetenzausstattung und die Hersteller Koordinationskompetenzen besitzen.
2.3
Erweiterung der traditionellen Erklärungen des Offshore-Outsourcing durch dynamische Erklärungen der Kompetenzentwicklung
Der Kompetenzansatz erweitert die bislang statischen (traditionellen und kompetenzbasierten) Erklärungen des Offshore-Outsourcing um dynamische kompetenzbasierte Erklärungen, die sich aus dem Modell der Kompetenzentwicklung begründen lassen. Sie beruhen auf der Annahme, dass Kompetenzen im Zeitablauf weiterentwickelt werden müssen, weil sie an Wert verlieren können (McGrath u.a. 1995). Dynamische Erklärungen begründen, dass Offshore-Outsourcing zu Kompetenz- und Ressourcenverlusten der Hersteller führen kann (vgl. Argyres 1996, S. 130; Proff 2007a, S. 11), was vor allem durch die zunehmende Modularisierung der Produkte beschleunigt wird (vgl. auch Proff 2008) und dass Kompetenz- und Ressourcenverluste schwer zu begrenzen sind (vgl. Teece u. a. 1997; Dietz u. a. 2005)5. Bestimmend für dynamische Erklärungen der Kompetenzentwicklung sind Störfaktoren beim Aufbau von Kompetenzen (vgl. z.B. Proff 2002 und 2007, Kap. 11 sowie Abb. 4). Sie gelten als Bausteine einer dynamischen Theorie der Kompetenzentwicklung (vgl. Abb. 5). Die Störfaktoren zwingen zur Korrektur der Kompetenzen entweder durch verbesserte oder durch neue Kompetenzen (vgl. Baden-Fuller, Volberda 1997 und Volberda, Baden-Fuller 1998). Überall, 5
Theoretisch kann Offshore-Outsourcing in manchen Fällen auch zu Kompetenz- und Ressourcengewinnen führen (vgl. Sanchez 1997 oder Bettis 1992). Darauf wird hier nicht näher eingegangen.
128
Heike Proff/Benedikt Hofmann
wo Kompetenzen gebildet werden, können Störungen eintreten, d. h. sowohl beim Ressourceninput als auch bei den Hauptanforderungen an Kompetenzen. Damit lassen sich vier Störfaktoren des Kompetenzaufbaus unterscheiden. Sie bilden die Bausteine einer Theorie der Kompetenzentwicklung: (1) Veränderungen der Vermögenswerte und Fähigkeiten können eine Kompetenzentwicklung notwendig werden lassen, um den Ressourceninput als Voraussetzung für eine Veredelung zu Kompetenzen dauerhaft zu sichern. (2) Die Nutzenstiftung einer Ressource am Markt als erste Hauptanforderung an Kompetenzen kann sich in der Wahrnehmung der Manager verändern. Zur Erhöhung der Nutzenstiftung kann dann ebenfalls eine Kompetenzentwicklung notwendig werden, um die Nutzenstiftung am Markt sicherzustellen. (3) Eine ungewollte Diffusion von Wissen kann die Begrenzung der Handelund Imitierbarkeit als zweite Hauptanforderung an Kompetenzen aufweichen und zur Wiederherstellung einer begrenzten Handel- und Imitierbarkeit eine Kompetenzentwicklung erforderlich machen. (4) Eine Veränderung der unternehmensspezifischen Umfelddynamik kann die Abstimmung von Umfelddynamik und Kompetenzvorteilen als dritte Hauptanforderung an veredelte Ressourcen beeinträchtigen. Eine Verbesserung dieser Abstimmung ist notwendig, um die Abstimmung der Kompetenzen mit den Wettbewerbsvorteilen zu sicherzustellen. Bei einer additiven Verknüpfung der vier hier gleich gewichteten Störfaktoren des Kompetenzaufbaus entspricht die Kompetenzentwicklung im Anpassungszeitraum der Summe der durch die Störfaktoren verursachten Fehlentwicklungen. Sie erklärt umfassend die Kompetenzentwicklung der Unternehmen im Zeitablauf (Abb. 5). Sie zeigt eine idealtypische Abfolge („cycling“) zwischen Kompetenzerneuerung und Kompetenzverbesserung gemäß den Störfaktoren, wobei im Zeitablauf die Kompetenzerneuerung gegenüber der Kompetenzverbesserung aufgrund der verbesserten unternehmensspezifischen Ressourcenbasis und der zunehmenden ungewollten Diffusion von Wissen im Zeitablauf überdurchschnittlich an Bedeutung gewinnt (steigende Trendlinie, vgl. z.B. Proff 2002)). Die statischen traditionellen und kompetenzbasierten Erklärungen von Offshore-Outsourcing lassen sich durch die Erklärung des Kompetenzentwicklung erweitern: Sie nennen sechs Gründe für einen möglichen Kompetenzverlust durch Offshore-Outsourcing (vgl. Abb. 5): Durch Offshore-Outsourcing von Wertschöpfungsaktivitäten verschlechtert sich die Ressourcenausstattung der Hersteller, da die Unternehmen bei gerin-
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
129
gerer eigener Wertschöpfung weniger Polster und Spielraum besitzen. Damit begrenzt Offshore-Outsourcing über die Verringerung der Ressourcenbasis die Möglichkeit der Kompetenzerneuerung. Nach einem Offshore-Outsourcing von Wertschöpfungsaktivitäten kommt es oft zu einem relativen Kompetenzverlust der Hersteller, weil sie ihre Kompetenzen und Ressourcen in den ins ferne Ausland ausgelagerten Bereichen tendenziell weniger stark weiterentwickeln, als sie es beispielsweise bei Onshore-Inhouse tun (vgl. Proff 2007, S. 14; Kotabe u. a. 2008, S. 83). Damit dürfte durch die Wertschöpfungsoption die Wahrnehmung der Nutzenstiftung bei den Kunden sinken. Offshore-Outsourcing beeinflusst die Kompetenz- und Ressourcengewinne bzw. -verluste in den an die offshore-ausgelagerten Bereiche angrenzenden Wertschöpfungsfeldern der Hersteller (vgl. Bettis u. a. 1992, S. 14; Argyres 1996, S. 130). Dies geschieht, weil über die Schnittstelle zwischen Herstellern und Lieferanten bei Offshore-Outsourcing deutlich mehr Kompetenzen und Ressourcen imitierbar werden, als z.B. über die Schnittstellen zu anderen Unternehmen beim Onshore-Inhouse (vgl. Quelin und Duhamel 2003; Buckley und Ghauri 2004). Damit kommt es durch Offshore-Outsourcing tendenziell zu einer Diffusion von Wissen des Herstellers. Die Anfälligkeit bei einer Änderung der unternehmensspezifischen Umfelddynamik durch externe Schocks erhöht sich durch Offshore-Outsourcing, weil die Reaktionsmöglichkeiten bei verminderter Wertschöpfung geringer werden. Damit wird eine Kompetenzentwicklung durch eine Abfolge von Verbesserung und noch stärker Erneuerung von Kompetenzen notwendig. Sie wird jedoch ebenfalls begrenzt, weil eine Kompetenzverbesserung wie auch kontinuierliche Verbesserungsprozesse nicht mehr alleine durch den Hersteller getrieben werden können, sondern mit Auslagerung von Wertschöpfung und Kompetenzen auf die Zulieferer auch bei diesen erfolgen müssen. Darauf hat der Hersteller aber – selbst bei vertraglicher Fixierung – nur begrenzt Einfluss. eine Kompetenzerneuerung umso leichter möglich ist, je größer die Kompetenzbasis ist. Da Kompetenzen aber immer auch an Wertschöpfung gebunden ist, sinkt die Kompetenzbasis mit steigender Auslagerung und begrenzt die Erneuerung. Durch den begründeten Kompetenzverlust im Zeitablauf der OffshoreOutsourcing Beziehung gewinnt ein weiterer (dynamischer) Effekt an Bedeu-
130
Heike Proff/Benedikt Hofmann
tung, der die statischen Erklärungen im Rahmen der aus der Theorie der internationalen Unternehmung und die sie ergänzenden statischen Erklärungen des Kompetenzaufbaus erweitert (vgl. Abb.5): (5) Kompetenzentwicklungseffekt. Kann der Hersteller seine Kompetenzen im Zeitablauf sichern, verbessern oder sogar erneuern, werden die Gewinne durch Offshore-Outsourcing positiv beeinflusst. Die Kompetenzentwicklung und insbesondere die Kompetenzerneuerung sollte bei Entscheidung für und Durchführung dieser Wertschöpfungsoption möglichst groß sein.
1. Veränderung der unternehmensspezifischen Ressourcenbasis 2. Veränderung der Wahrnehmung der Nutzenstiftung von Kompetenzen durch die Manager
3. ungewollte Diffusion von Wissen
traditionelle Effekte des Offshore-Outsourcing im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung
b) Modell der Kompetenzentwicklung
Kompetenzentwicklung
a) mögliche Störfaktoren des Kompetenzaufbaus
Kompetenzerneuerung (KE)
Trendlinie KE > KV
Ziel: Kompetenzentwicklung im Zeitablauf durch
Kompetenzverbesserung (KV) Zeit
4. Veränderung der unternehmenspezifischen Umfelddynamik
1. Ausstattungseffekt 7. Kompetenzent-. wicklungseffekt
* andauernde Abfolge von Verbesserung und Erneuerung von Kompetenzen * Vorrang der Kompetenzerneuerung
hoch komparative Kostenvorteile
OffshoreInhouse
OffshoreOutsourcing
OnshoreInhouse
OnshoreOutsourcing
niedrig niedrig
kompetenzbasierte Effekte des Offshore Outsourcing im Rahmen der Theorie der internationalen Unternehmung
hoch
Spezialisierungsvorteile
5. kompetenzbasierter Heterogenitätseffekt 2. Größen- und Verbundeffekt 3. Transaktionseffekt 4. Verhandlungsmachteffekt
6. kompetenzbasierter Koordinationseffekt
Abbildung 5: Erweiterung der statischen traditionellen und kompetenzbasierten Erklärungen des Offshore-Outsourcing durch dynamische Erklärungen der Kompetenzentwicklung Die dynamischen kompetenzbasierten Erklärungen des Offshore-Outsourcing zeigen, dass diese Wertschöpfungsoption erst dann gewinnmaximal für einen Hersteller ist, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
131
Ausstattungs- sowie Größen- bzw. Verbundvorteile werden maximiert und die Transaktionskosten und die Verhandlungsmachteffekte minimiert, verstärkt durch überlegene Kompetenzausstattung der Lieferanten und Koordinationskompetenzen der Hersteller, einem Kompetenzverlust im Zeitablauf wird durch überdurchschnittliche Kompetenzerneuerung (im Vergleich zur Kompetenzverbesserung) begegnet.
2.4
Zusammenfassung der Bedeutung des Strategischen Kompetenz-Managements für die Erklärung des OffshoreOutsourcing
In Abschnitt 2.1 wurde begründet, dass Offshore-Outsourcing auf den ersten Blick uneingeschränkt positiv erscheint, weil es komparative und Spezialisierungsvorteile verbindet und damit hohe Gewinne verspricht. Bei genauerer Betrachtung, stehen diesen beiden Effekten (Ausstattungseffekte durch komparative Vorteile und Größen- bzw. Verbundvorteile durch spezialisierte Zulieferer, die die Gewinne positiv beeinflussen) negative Transaktions- und Verhandlungsmachteffekte aufgrund von Transaktionskosten und Verhandlungsnachteilen gegenüber. Diese Effekte beeinflussen die Gewinne negativ, so dass Offshore-Outsourcing a priori nicht uneingeschränkt vorteilhaft erscheint. Bei kompetenzbasierter Betrachtung des statischen Kompetenzaufbaus (Abschnitt 2.2) zeigt sich, dass Transaktions- und Verhandlungskosten durch Heterogenitäts- und Koordinationseffekte bei Kompetenzheterogenität zwischen Zulieferern und Herstellern und Koordinationskompetenzen verringert werden können. Dadurch können die Gewinne durch Offshore-Outsourcing positiv beeinflusst – wenngleich trotzdem nicht im Vorfeld abschätzbar – werden. Eine dynamische kompetenzbasierte Betrachtung (Abschnitt 2.3) deckt schließlich wieder Nachteile des Offshore-Outsourcing auf: die Gefahr eines Kompetenzverlusts im Zeitablauf, die die Gewinne negativ beeinflusst und durch Kompetenzentwicklung begrenzt werden muss. Damit ergibt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht insgesamt eine unbefriedigende Entscheidungsperspektive, positive wie negative Auswirkungen auf die Gewinne aus Offshore-Outsourcing. Sie bieten Ansatzpunkte zur Verbesserung des Offshore-Outsourcing. Deshalb werden im nächsten Abschnitte Hinweise zur Gestaltung abgeleitet.
132
3
Heike Proff/Benedikt Hofmann
Bedeutung des Strategischen Kompetenz-Managements für die Gestaltung des Offshore-Outsourcing
Die Gestaltung des Offshore-Outsourcing muss auch bei den kompetenzbasierten Effekten ansetzen, die den Erfolg dieser Wertschöpfungsoption beeinflussen: d.h. beim Heterogenitäts-, beim Koordinations- und beim Kompetenzentwicklungseffekt. Infolge der positiven Gewinnwirkung gilt es heterogene Kompetenzen und die Fähigkeit der Koordination dieser Kompetenzen zu nutzen und infolge der negativen Wirkung eines Kompetenzabflusses die Kompetenzentwicklung und insbesondere die Kompetenzerneuerung zu verstärken. Gemäß dem Heterogenitätseffekt (Abschnitt 2.2) sollte beim OffshoreOutsourcing die Heterogenität der Kompetenzen zwischen Herstellern und Zulieferern maximiert werden. Bei der Wahl der Offshore-Outsourcing-Partner ist deshalb sicherzustellen, dass die Lieferanten Größen- und Verbundvorteile bestmöglich nutzen können, denn es gilt: Je besser die Lieferantenkompetenzen und -ressourcen, desto positiver wirkt sich der Heterogenitätseffekt auf die Wertschöpfung aus (vgl. Dekkers 2000, S. 4091; Kotabe und Murray 2004, S. 8). Dementsprechend muss sichergestellt werden, dass die Offshore-Lieferanten schon zu Vertragsbeginn über möglichst hochwertige Kompetenzen und Ressourcen verfügen (vgl. Kaka u. a. 2006, S. 21). Bei der Auswahl der Offshore-Outsourcing-Partner ist zu beachten, dass ausreichend genaue Kompetenz- und Ressourcenprüfungen oftmals nur durch Besuche der Lieferanten möglich sind, weil Kompetenzen und Ressourcen nur schwer erkennbar sind (vgl. Amit und Schoemaker 1993, S. 35). Die Entwicklung der Leistungsfähigkeit und der Kosten der Lieferanten sollten mit Hilfe von Lieferanten-Monitoring-Systemen verfolgt werden. Lieferanten-MonitoringSysteme lassen erkennen, wo die Verhandlungsposition der Hersteller gestärkt werden kann (vgl. Leiblein und Miller 2003, S. 846; Quelin und Duhamel 2003, S. 655). So können sie die Kostentransparenz bei Offshore-Outsourcing steigern und positive Offshore-Outsourcing-Effekte verstärken, indem sie z.B. über Linear-Price-Performance-, Clean-Sheet-Cost- und Best-of-Benchmark-Berechungen weitere Ansatzpunkte zur Verschiebung der Gewinnverteilung zu Gunsten der Hersteller aufzeigen (vgl. Proff 2008). Linear-Price-Performance-Berechungen ermöglichen einen besseren Kostenvergleich von Produkten, die die gleichen Hauptfunktionen aufweisen, Clean-Sheet-Cost-Berechnungen eine Kalkulation der tatsächlich bei den Lieferanten anfallenden Kosten und Best-ofBenchmarkings die Ermittlung der minimalen Kosten für Bauteile und Wertschöpfungsschritte.
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
133
Daraus ergibt sich als erster kompetenzbegründeter Gestaltungshinweis für Offshore-Outsourcing: G1: Beim Offshore-Outsourcing muss eine sehr hohe Kompetenz der Lieferantenbeurteilung und -entwicklung aufgebaut werden. Gemäß dem Koordinationseffekt (ebenfalls Abschnitt 2.2) sollten beim Offshore-Outsourcing Koordinationskompetenzen aufgebaut werden, da die Wertschöpfung nur bei ausreichend guten Koordinationskompetenzen und ressourcen effizient über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg koordiniert werden kann (vgl. Teece 1996, S. 207; Espino-Rodriguez und Padron-Robaina 2006, S. 58). Dazu ist z.B. ein Team von Juristen, Produktionsplanern und Einkäufern notwendig, das Routinen schafft, um das Offshore-Outsourcing zu optimieren. Ein solches Team sollte Verträge mit den Lieferanten verhandeln und umsetzen und die internen Prozesse sehr gut kennen, um die Transaktions- und Verhandlungskosten senken und die Wertschöpfungskoordination optimieren zu können. Daraus ergeben sich zwei weitere kompetenzbasierte Gestaltungshinweise für Offshore-Outsourcing: G2: Beim Offshore-Outsourcing müssen Routinen zur Koordination der Interaktionen mit den Lieferanten aufgebaut werden a) bei häufigen Outsourcing-Aktivitäten als unternehmensinterne Routinen, b) bei seltenem Outsourcing mit Hilfe externer Berater. Durch Dienstleister zur Unterstützung der Wertschöpfungskoordination können Hersteller durch Imitation bzw. Replikation der Kompetenzen und Ressourcen der Dienstleister Kompetenzen und Ressourcen schneller aufbauen, als bei Koordination mit Hilfe interner Kompetenzen und Ressourcen (vgl. Bettis u. a. 1992, S. 20; Madhok 1998, S. 261). Offshore-auslagernde Unternehmen sollten zudem sicherstellen, dass sie weniger von den Lieferanten abhängig sind als die Lieferanten von ihnen (vgl. Rothaermel u. a. 2006, S. 1051; Proff 2007, S. 18), z.B. indem sie OffshoreOutsourcing-Beziehungen nur mit Lieferanten eingehen, bei denen sie signifikante Umsatzanteile erzielen können. Dann sind die Lieferanten auf die Kompetenzen und Ressourcen der offshore-auslagernde Unternehmen angewiesen und damit verstärkt von diesen abhängig. G3: Bei Offshore-Outsourcing müssen die Lieferanten ans Unternehmen gebunden werden.
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Heike Proff/Benedikt Hofmann
Gemäß dem Kompetenzentwicklungseffekt (Abschnitt 2.3) sollten beim Offshore-Outsourcing Kompetenzen entwickelt werden, um dem Kompetenzabfluss zu den Lieferanten entgegenzuwirken. Aus dieser originären kompetenzbasierten Erklärung des Offshore-Outsourcing lassen sich die wichtigsten Gestaltungshinweise ableiten, die bei den Störfaktoren des Kompetenzaufbaus ansetzen (vgl. Bettis u. a. 1992, S. 14; Argyres 1996, S. 130; Proff 2007, S. 6). Diese Gestaltungshinweise geben hier Antwort auf die Frage, welches Produkt gewinnmaximal offshore verlagert werden kann. G4: Es können nur Produkte offshore verlagert werden, wenn die Ressourcenbasis nicht geschwächt wird. G5: Es können nur Produkte offshore verlagert werden, wenn die Verlagerung die Nutzenstiftung des Produktes am Markt nicht verringert, G6: Es können nur Produkte offshore verlagert werden, wenn die Verlagerung nicht zu einer Diffusion von zentralem Wissen führt. G7: Es können nur Produkte offshore verlagert werden, wenn die Verlagerung die Verletzbarkeit bei externen Schocks nicht erhöht. G8: Es können nur Produkte offshore verlagert werden, die nicht für die Entwicklung von Innovationen und neuen Kompetenzen erforderlich sind. G9: Es können nur Produkte offshore verlagert werden, die nicht die Produktivität der Hersteller und damit auch nicht für die Verbesserung bestehender Kompetenzen bestimmen. Unternehmen, die offshore auslagern, müssen immer das Kompetenzportfolio im Auge behalten und versuchen, Kompetenzen und Ressourcen überdurchschnittlich zu erneuern, z.B. durch die Ideenwettbewerbe und Lieferantenmessen sowie durch Wettbewerberbenchmarks gemeinsam mit den Lieferanten (vgl. Bettis u.a. 1992; Teece u. a. 1997, S. 524; Madhok 1998, S. 261 und Proff 2007, S. 195). Die Hersteller müssen versuchen, trotz Offshore-Outsourcing in die ausgelagerten Wertschöpfungsschritte involviert zu bleiben und dadurch ihre Kompetenzen und Ressourcen zu erhalten (vgl. Rothaermel u. a. 2006, S. 1050), auch wenn sie tendenziell durch eine Verringerung der eigenen Produktion abnehmen. Die Aufrechterhaltung der Wertschöpfung ist möglich durch Taper-Integration, also die nur teilweise Verlagerung der Wertschöpfungsschritte zu Lieferanten (vgl. Odagiri 2003, S. 188; Jacobides und Billinger 2006, S. 250).
Bedeutung des SKM für Offshore-Outsourcing-Entscheidungen
4
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Zusammenfassung und Ausblick
Dieser Beitrag sollte zeigen, dass das Strategische Kompetenz-Management zur Erklärung des Offshore-Outsourcing beitragen kann. Kompetenzbasierte Erklärungen ergänzen und erweitern die a priori unklaren Gewinnwirkungen dieser internationalen Wertschöpfungsoption, ohne eindeutig Erfolgswirkungen begründen zu können. Die neun abgeleiteten kompetenzbasierten Gestaltungshinweise können dazu beitragen, das Offshore-Outsourcing erfolgreich zu machen. Die kompetenzbasierten Erklärungen des Offshore-Outsourcing müssen in künftigen Forschungsarbeiten in die erweiterten Markt- und Profitmodelle integriert und überprüft werden. Dabei gilt es auch die Vermutung zu überprüfen, dass die Kompetenzverlagerung auf die Lieferanten im Zeitablauf davon abhängt, welche Wettbewerbsstrategie ein Unternehmen in den Geschäftsbereichen verfolgt. Für differenzierende und innovative Unternehmen dürfte die Gefahr eines Kompetenzabflusses sehr viel bedeutender sein als für Kostenführer, die vor allem auf die möglichen komparativen Kostenvorteile und auf die Spezialisierungsvorteile einer Auslagerung von Wertschöpfungsaktivitäten auf ausländische Lieferanten schauen. Sie werden deshalb Offshore-Outsourcing wesentlich vorsichtiger angehen.
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Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
Abstract............................................................................................................ 140 1
Einführung............................................................................................ 141
2
Stand der wissenschaftlichen Forschung zur (Produkt-) Piraterie ........ 142
3
Erklärungsinhalte des ressourcen- bzw. kompetenzbasierten Ansatzes ............................................................................................... 145
4
Schutzsysteme zum Umgang mit (Produkt-)Piraterie .......................... 148
5
Ansatzpunkte des RBV/CBV zur Erklärung von Schutzsystemen....... 154
6
Schlussfolgerung .................................................................................. 157
Literatur ........................................................................................................... 159
140
Martin Schneider
Abstract Eine Vielzahl an Studien legt dar, dass die Möglichkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes alleine nicht für ein effektives Schutzsystem in Unternehmen vor Produkt-, Marken- oder Konzeptpiraterie ausreichen. Vielmehr ist ein breites Spektrum an juristischen, technologischen, politischen und managementorientierten Instrumenten in einem integrierten Schutzsystem zu konfigurieren. Hierbei treten Probleme im Kontext der Strategiedefinition, Maßnahmenwahl und Informationsgewinnung bei Pirateriefällen auf. Neben Wissensdefiziten bezüglich entsprechender Schutzmöglichkeiten sind insbesondere Fehler in der Betrachtung bzw. die Nichtbeachtung spezifischer Ressourcen und Kompetenzen bei der Maßnahmenselektion und dem Instrumenteneinsatz zu beobachten. Ziel des vorliegenden Beitrags ist somit die Untersuchung der Ansatzpunkte des Ressource- bzw. Competence-Based-View (RBV/CBV) zur Generierung einer Schutzkompetenz als Erklärung unternehmerischer Potenziale im Kampf gegen (Produkt-) Piraterie. Hierfür werden in einem ersten Schritt die Erklärungsinhalte des RBV/CBV erarbeitet. Anschließend wird mittels einer qualitativen empirischen Untersuchung die grundlegende Ausarbeitung der Schutzkompetenz vorgenommen.
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
1
141
Einführung
Mansfield/Schwartz/Wagner haben bereits in einer empirischen Studie aus den 1980er Jahren festgestellt, dass durchschnittlich 60 Prozent der Neuprodukte innerhalb von vier Jahren auf legale Weise durch Wettbewerber imitiert werden und diese Imitationskosten lediglich 65 Prozent der ursprünglichen Innovationskosten betragen (vgl. Mansfield/Schwartz/Wagner 1981). Es ist davon auszugehen, dass in vielen Branchen der legale Imitationsdruck seit den 1980er Jahren deutlich angestiegen ist (vgl. Gerybadze 2004, S. 85 ff). Mittlerweile sind nahezu alle Branchen von Fälschungen betroffen, zunehmend gilt dies auch für Produkte aus dem Maschinenbau, der Elektro-, Automobil-(zulieferer-) und Pharmaindustrie (vgl. Wildemann et al., 2007 S. 3 f). So zeigt eine Studie, dass je nach Branchenzugehörigkeit zwischen zehn und 70 Prozent der Unternehmen an ProduktMarken- und Konzeptpiraterie leiden (vgl. VDMA 2008; APM 2007). Die Internationale Handelskammer (ICC) rechnet mit einem Piraterieanteil von fünf bis sieben Prozent am gesamten Welthandel (vgl. ICC 2007). Die Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) beziffert den Schaden auf 450 Milliarden US-Dollar (ca. fünf Prozent des Welthandels; Wildemann et al. 2007, S. 2) und der Aktionskreis Deutsche Wirtschaft gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V. (APM) gibt fünf bis acht Prozent an, was einer Schadenshöhe zwischen 450 und knapp 800 Milliarden US-Dollar (im Jahr 2005) entspricht (APM o.J.). Starke Appropriability Regimes ermöglichen Vorteile für Innovatoren gegenüber Imitatoren (vgl. Teece 2000, S. 49). Angesichts der Bedrohung durch illegale Imitation, d.h. durch Produkt-, Marken- und Konzeptpiraterie besteht die Gefahr, dass innovationsorientierte Unternehmen ihren Technologie- und Wettbewerbsvorsprung verlieren (vgl. u. a. Schneider 2008b, S. 22 ff; Stephan/ Schneider 2008a, S. 1 ff; Burr et al. 2007, S. 276). Somit sind die Fähigkeiten und die Bedingungen zur Aneignung von Innovationserträgen die entscheidenden Faktoren für den Schutz vor legalen und illegalen Nachahmungen. Diverse Studien gelangen zu dem Ergebnis, dass gewerbliche Schutzrechte, v. a. in Schwellen- und Entwicklungsländern, allein nicht zur Bekämpfung ausreichend sind und durch alternative Schutzinstrumente ergänzt werden müssen (vgl. u. a. Blind et al. 2009; BMF 2008; VDMA 2008; Burr et al. 2007; ICC 2007; OECD 2007; Rodwell et al. 2007; Fuchs et al. 2006, Holtbrügge/Puck 2005; You/ Katayama 2005; Hussinger 2004; Michael/Rivette 2004; Blind et al. 2003; Sattler 2003; Gottschalk et al. 2002; Arundel 2001; Harabi 1995; König/Licht 1995; Wyatt/Bertin/Pavitt 1995; Levin et al. 1987; Mansfield/Schwartz/Wagner 1981).
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2
Martin Schneider
Stand der wissenschaftlichen Forschung zur (Produkt-) Piraterie
Bei der Behandlung der Fälschungsthematik wird das Wort Produktpiraterie als Oberbegriff für jede Art der Fälschung verwendet. Unter Produktpiraterie (im engeren Sinne) wird die illegale Nachahmung und Vervielfältigung von Waren, für die der rechtmäßige Hersteller Erfindungs-, Design- oder Verfahrensrechte besitzt, verstanden. Die Bezeichnung Markenpiraterie beinhaltet die illegale Verwendung von geschützten Zeichen, Namen und Kennzeichnungen (Marken) sowie geschäftlichen Bezeichnungen, die von Markenherstellern zur Kennzeichnung der eigenen Produkte im Handel eingesetzt werden. Im Gegensatz zur Produkt- und Markenpiraterie bezieht sich die Konzeptpiraterie auf entwickelte Geschäftsprozesse. So übernehmen bspw. chinesische Nachahmer ein erprobtes Konzept und bieten das gleiche Geschäftsmodell mit anderem Branding an (vgl. Stephan/Schneider 2008a, S. 1 ff; Sokianos 2006, S. 20 f.). Nachfolgend wird zur Vereinfachung die Formulierung (Produkt-)Piraterie für die Zusammenfassung von Produkt-, Marken- sowie Konzeptpiraterie verwendet. Staake/Thiesse/Fleisch (2009) unterteilen den Stand der Forschung im Bereich der (Produkt-)Piraterie, wie in Abbildung 1 dargestellt, in sechs Beobachtungsebenen (vgl. Staake/Thiesse/Fleisch 2009, S. 324 f).
Abbildung 1: Beobachtungsebenen innerhalb der Forschung zur (Produkt-) Piraterie (Quelle: Staake/Thiesse/Fleisch 2009, S. 324).
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
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Die Beschreibung des allgemeinen Phänomens beschäftigt sich mit der Darstellung und Wahrnehmung der unterschiedlichen Piraterieformen. Umweltbzw. Einflussanalysen untersuchen den Einfluss der (Produkt-)Piraterie auf Kenngrößen wie bspw. Umsatzverluste oder Markenverwässerung. Untersuchungen zum Fälscherverhalten analysieren deren Strategien und Maßnahmen. Kundenspezifische Untersuchungen fokussieren auf das Käuferverhalten und die Preissensibilität der Käufer. Juristische Beiträge liefern Hinweise auf die Rechtsanmeldung und -durchsetzung. Die letzte Betrachtungsebene stellen Handlungsempfehlungen für das Management von Unternehmen dar (vgl. Staake/ Thiesse/Fleisch 2009, 324 ff). Bisher überwiegen in der ökonomischen Erforschung von Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie, mit wenigen quantitativ orientierten Studien, explorative fallbasierte Analysen zur Identifikation der jeweils wichtigen Strategien und Maßnahmen, Umweltfaktoren und Schäden sowie Quellen für den Wissensabfluss (vgl. u. a. Blind et al. 2009; Keupp/ Beckenbauer/Gassmann 2009; Chaudhry/Zimmerman 2009; Schuh/Kreysa/Haag 2009; Staake/Fleisch 2008; Geiger 2008; Stephan/Schneider 2008a; Stephan/ Schneider 2008b; Schneider 2008a; Voigt/Blaschke/Scheiner 2008; Chaudhry/ Stumpf 2007; Neemann 2007; Rodwell et al. 2007; Wildemann et al. 2007; Lybecker 2007; Welser/González 2007; Fuchs et al. 2006; Sokianos 2006; Krüger/Nickolay/Verhasselt 2006, Peitz/Waelbroeck 2006; Belleflamme/Picard 2005; Chaudhry/Cordell/Zimmerman 2005; Horan/Johnson/Sykes 2005; Hussinger 2004; Givon/Mahajan/Muller 1995). Dies liegt darin begründet, dass die Forschung im Bereich der illegalen Nachahmungen noch zu den relativ jungen Forschungsgebieten zählt und sich noch kein eigenständiger Forschungszweig etabliert hat. Vielmehr handelt es sich um ein stark interdisziplinäres Forschungsfeld (vgl. Staake/Thiesse/Fleisch 2009, S. 322 ff). Die Forschung zu Strategien und Maßnahmen für die Unternehmensführung hat sich dabei als wichtiges Element herausgestellt. Allerdings richten sich die auf Beobachtungen basierenden Handlungsempfehlungen größtenteils an Praktiker (vgl. Staake/Thiesse/Fleisch 2009, S. 338 ff.), obwohl innerhalb der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Unternehmensführung eine Vielzahl an unterschiedlichen Theorien zur Erklärung der Vorteilhaftigkeit unternehmerischen Handelns existiert (vgl. Macharzina/Wolf 2008, S. 45; Kieser 2006, S. 1 f.). Allein Blaeser-Benfer (2005) bewertet Schutzmaßnamen aus transaktionskostentheoretischer Sicht (vgl. Blaeser-Benfer 2005). Den meisten Arbeiten fehlt es aber aus wissenschaftlicher Sicht an einer expliziten theoretischen Fundierung in der Innovationsökonomik (z. B. evolutorische Ökonomik, Theorie
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Martin Schneider
nationaler Innovationssysteme) bzw. in der Managementtheorie (z. B. im RBV/CBV oder in der Neuen Institutionenökonomik) zur Generierung einer ganzheitlichen theoriegeleiteten Forschungsmethodik. Die Modellierung des gesamten Pirateriephänomens inklusive der verschiedenen Rahmenbedingungen und Akteuren hat folglich noch nicht stattgefunden. Im vorliegenden Beitrag werden deshalb als erster Schritt zu einer ganzheitlichen Erfassung des Pirateriephänomens Ansatzpunkte aus dem RBV/CBV zur Erarbeitung des Konstrukts Schutzkompetenz als wichtiges Element unternehmensbezogener Faktoren im Pirateriekontext erarbeitet. Zur Bestimmung der einzelnen zu untersuchenden Teilkomponenten wird der Schutzprozess verwendet. Im Anschluss daran werden die relevanten Kompetenzen mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse rekonstruiert (vgl. Gläser/Laudel 2009). Daran schließt sich die Diskussion der Eignung des RBV/CBV zur Erarbeitung der „Schutzkompetenz“ an. Der Beitrag endet mit einer Schlussfolgerung sowie der Bestimmung des weiteren Forschungsbedarfs. Vor der Inhaltsanalyse wurden 97 Experten aus 86 Unternehmen und Institutionen persönlich oder in Ausnahmefällen in Form eines Telefoninterviews auf Basis eines semistrukturierten Gesprächsleitfadens zu Schutzsystemen befragt. Abbildung 2 zeigt die Verteilung der Unternehmen gemäß der Klassifikation der Wirtschaftszweige (vgl. Statistisches Bundesamt 2009). Die Experten haben aus hierarchischer Sicht Positionen in Geschäftsführung, stellvertretende Geschäftsleitung oder Abteilungsleitungsfunktionen inne. Aufgrund der vermuteten Interdisziplinarität der Thematik wurden aus funktionaler Perspektive eine Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben wie bspw. Recht, Strategische Planung, Forschung und Entwicklung, Qualitätsmanagement, Vertrieb, Patentmanagement, Unternehmenskommunikation, Risikomanagement, Datenschutz und Einkauf abgebildet. Neben Unternehmen haben auch Vertreter staatlicher Institutionen sowie von Verbänden an den Expertengesprächen teilgenommen.
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
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Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 9%
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung 9%
Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 10% Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen 7% Information und
Verarbeitendes Gewerbe 58%
Kommunikation 7%
Abbildung 2: Untersuchungssample – Unternehmen (n=86)
3
Erklärungsinhalte des ressourcen- bzw. kompetenzbasierten Ansatzes
Zur Erzielung von unternehmerischen Renten sind Industrieattraktivität und Wettbewerbsvorteile erklärungsrelevante Determinanten (vgl. Grant 1991, S. 117). In den unterschiedlichen Untersuchungen zum Einsatz von Schutzstrategien und -maßnahmen wird weitestgehend auf die Analyse des Unternehmens verzichtet und auf externe Marktbeobachtungen zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen zurückgegriffen (vgl. Staake/Thiesse/Fleisch 2008, S. 324). Da jedoch Marktstrukturen durch Schwankungen gekennzeichnet sind (vgl. Grant 2008, S. 124; Prahalad/Hamel 1990, S. 80) und im Pirateriekontext eine sehr geringe bzw. unsichere Informationsverfügbarkeit vorzufinden ist (vgl. Schneider 2008b S. 20 f, S. 31 f; Fuchs et al. 2006; Holtbrügge/Puck 2005; Yao 2005), scheint die Betrachtung von unternehmensinternen Ressourcen und Fähigkeiten ein geeigneter Weg zur Formulierung von Strategien zu sein (vgl. Grant 2008, S. 125). Mit den bestehenden Untersuchungsergebnissen kann aber nicht erklärt werden, weshalb eine Schutzstrategie oder -maßnahme bei einem Unternehmen erfolgreich anwendbar ist oder nicht bzw. welche Voraussetzungen zur Aneignung der Rente des Innovators gegenüber dem illegalen Nachahmer vorhanden sein müssen.
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Seit den 1980er Jahren hat sich der ressourcenbasierte Ansatz nach der ursprünglichen Arbeit von Edith Penrose zu einem wichtigen Paradigma der Managementforschung zur Erklärung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen (competitive advantage) entwickelt (vgl. u. a. Wernerfelt 1995; Grant 1991; Barney 1991, Wernerfelt 1984; Penrose 1959). Unternehmen bestehen dieser Sichtweise nach aus einem Bündel an unterschiedlichen Ressourcen (vgl. Rumelt 1984, S. 561; Penrose 1959, S. 24), welches entgegen der marktorientierten Sichtweise (vgl. Porter 1980) nicht für jedes Unternehmen gleich ist – es existiert somit Ressourcenheterogenität (vgl. Barney 1991, S. 100). Ressourcen sind hierbei alle Elemente, welche unternehmerische Handlungsoptionen ermöglichen (vgl. Barney 1991, S. 101) und können als tangibel (finanzielle und physische Ressourcen), intangibel (Technologien, Reputation, Unternehmenskultur) sowie organisational bzw. mitarbeiterbezogen (Fertigkeiten/Wissen, Kommunikations-/ Kooperationskapazität und Motivation) charakterisiert werden (vgl. Grant 2008, S. 131). Diese sind zwischen Unternehmen nicht ohne weiteres transferierbar. Durch die Kombination aus der Ressourcenheterogenität und -immobilität kann ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil erwachsen (vgl. Barney 1991, S. 105). Zur Selektion der erfolgsversprechenden Ressourcen müssen diese strategisch wertvoll, selten, schwer imitierbar und schwer substituierbar bzw. organisatorisch verankert sein (vgl. Barney 2008; Barney 1991, S. 105 ff), wobei diese Kriterien nicht überschneidungsfrei bzw. klar definiert sind (vgl. Sanchez 2008, 26 ff). Entscheidend ist jedoch nicht nur der Besitz, sondern vor allem auch die Kombination und Nutzung der Ressourcen zur Bildung von (Kern-)Kompetenzen (vgl. Prahalad/Hamel 1990; Wernerfelt 1984, S. 171; Penrose 1959). Die Leistungserstellung sollte zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen auf den Kompetenzen bzw. Kernkompetenzen des jeweiligen Unternehmens basieren (vgl. Prahalad/Hamel 1990, S. 81 f). Zur Identifikation von Kernkompetenzen müssen diese einen Zugang zu vielen unterschiedlichen Märkten ermöglichen, einen deutlichen Beitrag zum Kundennutzen stiften und schwierig zu imitieren sein (vgl. Prahalad/Hamel 1990, S. 83 f.). Es ist jedoch anzumerken, dass die Bedingungen und Entstehungsprozesse von (Kern-)Kompetenzen noch weiter zu erforschen sind (vgl. Burr et al. 2005, S. 25). Für die Erzielung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen durch die Anpassung von unternehmensinternen und -externen Ressourcen sowie (Kern-) Kompetenzen an sich ändernde Umweltbedingungen müssen Unternehmen Dynamic Capabilities entwickeln (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1107; Teece/Pisano/ Shuen 1997, S. 510 f). Ein wesentlicher Bestandteil hierbei ist die Erkennung und Beurteilung von Umweltentwicklungen sowie die im Vergleich zu den
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Wettbewerbern schnellere organisatorische Umsetzung der erforderlichen Veränderungsprozesse (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1107 ff; Teece/Pisano/Shuen 1997, S. 516 f). Über die Strategieformulierung erfolgt die Zusammenführung der unternehmensinternen Ressourcenposition mit den unternehmensexternen und branchenspezifischen Erfolgsfaktoren zur Erzielung nachhaltiger und appropriierbarer Wettbewerbsvorteile (vgl. Grant 2008, S 147; 1991, S. 123f, 129 f). Der sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergebene Erklärungszusammenhang als Ausgangslage für die Ausarbeitung einer Schutzkompetenz ist in Abbildung 3 zusammengefasst.
Abbildung 3: Ressourcen, (Kern-)Kompetenzen und Competitive Advantage (Eigene Darstellung in Anlehnung an Grant 2008, S. 131; Grant 1991, S. 155 ff; Burr 2004, S. 132 zitiert nach Burr et al. 2005, S. 19)
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Aus ressourcentheoretischer Sicht werden Tacitness, Spezifität und Komplexität bzw. Ambiguität zur Verhinderung von Imitation als Quelle für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil hervorgehoben (vgl. Reed/DeFillippi 1990). Zur Operationalisierung des Konstrukts der Nicht-Imitierbarkeit werden bspw. Patentzitationen, der vermutete Imitationsschwierigkeitsgrad, Ressourcennotwendigkeit und -wichtigkeit, die Unfähigkeit zur Erklärung von Produktbestandteilen und Designentscheidungen, das Ausmaß der Spezifität von Wissen in Form von Produktbestandteilen, das Ausmaß der Wissensgenerierung durch kunden- oder anwendungsindividuelle Lösungen, Unstimmigkeiten innerhalb des Managements bezüglich der Wettbewerbsvorteile, das Ausmaß der Fähigkeit des Managements zur Ressourcenartikulation, der Ort des Wissens im Bezug auf eine Ressource, Erfahrung oder auch der Umsatz verwendet (vgl. Newbert 2007, S. 132; Hatch/Dyer 2004; Carolis 2003). Weder in der Literatur zum ressourcenbasierten Ansatz (vgl. Newbert 2007; Barney/Arikan 2001) noch in Veröffentlichungen zur Bekämpfung von (Pro dukt-)Piraterie (vgl. Staake/Fleisch 2008) wird jedoch explizit die Bestimmung des Konstrukts der Schutzkompetenz thematisiert. Darunter soll im vorliegenden Beitrag das Zusammenspiel von unternehmensspezifischen Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen im Umgang mit der Pirateriebedrohung verstanden werden.
4
Schutzsysteme zum Umgang mit (Produkt-)Piraterie
Im Rahmen der Etablierung von Schutzsystemen ist eine Vielzahl von betrieblichen Funktionen wie bspw. Führung, Technologie- und Innovationsmanagement, Finanzierung, Produktion, Personal, Marketing, Informations- oder Facilitymanagement beteiligt (vgl. Wurzer 2008, S. 3). Unabhängig von den beteiligten Abteilungen werden Bekämpfungs- bzw. Schutzprozesse in unterschiedliche Phasen gegliedert. Diese beinhalten regelmäßig die Situationsanalyse, Zieldefinition, Informationsgewinnung, Strategieformulierung, Maßnahmenselektion, Ressourcenbereitstellung, Monitoringelemente sowie Evaluations- bzw. Feedbackmechanismen (vgl. Chaudhry/Zimmerman 2009, S. 162; Staake/Fleisch 2008, S. 85 ff; Welser/González 2007, S. 377 ff; Fuchs et al. 2006, S. 118 ff; Jacobs/Samli/Jedlik 2001, S. 507). Abbildung 4 fasst diese zusammen. Im Rahmen der Situationsanalyse wird die Ausgangslage für den anschließend zu durchlaufenden Schutzprozess bestimmt. Hierbei ist die richtige Einschätzung der Ist-Situation ein Kernelement zur Bestimmung der weiteren Vor-
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gehensweise. Es sollten hierbei sowohl unternehmensinterne als auch -externe Rahmenbedingungen analysiert werden. (vgl. Welser/Gonzáles 2007, S. 377 ff; Fuchs et al. 2006, S. 119, 131 ff) Bei der Zieldefinition sind die Ziele im Bezug auf den Schutz der geistigen Eigentumsrechte zu definieren und entsprechend der Wichtigkeit zu priorisieren. So können Unternehmen bspw. zwischen dem Schutz von kurzfristigen Umsatzverlusten oder dem langfristigen Markenschutz unterscheiden (vgl. Fuchs et al. 2006, S. 119). Es kann somit eine zeitliche und inhaltliche Ausrichtung des gesamten Prozesses bestimmt werden. Eine weitere Komponente ist in der geografischen Reichweite zu sehen (vgl. Welser/Gonzáles 2007, S. 382). Die Bestimmung von Zielländern und Regionen fällt in den Bereich der geografischen Reichweite. Diese Ausrichtungen sollte weiter präzisiert werden: Der zeitliche Rahmen bezieht sich auf den Bekämpfungszeitraum bzw. die Dauer der Strategien und Maßnahmen sowie auf die Fristigkeit der Zielrichtung selbst. Für den Inhalt ist der Schutzgegenstand (die Art des Wissens) zu betrachten. Als Beispiele lassen sich Produkte und Prozesse unterscheiden.
Abbildung 4: Kernelemente des Schutzprozesses (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Chaudhry/ Zimmerman 2009, S. 162; Staake/Fleisch 2008, S. 85 ff; Welser/González 2007, S. 377 ff; Fuchs et al. 2006, S. 118 ff; Jacobs/Samli/Jedlik 2001, S. 507) Die Bereitstellung von Ressourcen bezieht sich auf die direkte Zuweisung von finanziellen Mitteln und einer entsprechenden Personalausstattung (vgl. Welser/ Gonzáles 2007, S. 385 ff). Darüber hinaus sind aufbau- und ablauforganisatorische Fragestellungen zu klären und auf die Anforderungen der Bedrohung auszurichten (vgl. Staake/Fleisch 2008, S. 87 f.).
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Strategische Relevanz hoch niedrig
Bevor Unternehmen konkrete Schutzmaßnahmen und schutzstrategische Empfehlungen zur Abwehr der Pirateriebedrohung formulieren, sind diese, nicht nur aus betriebswirtschaftlichen, sondern ergänzend auch aus volkswirtschaftlichen Effizienzgesichtspunkten, an den unternehmerischen Kontext anzupassen (vgl. Stephan/Schneider 2008b). Nicht in jedem Fall sind Sanktions- bzw. Präventationsmaßnahmen erforderlich, es gibt Konstellationen in denen auch eine Duldung von oder Kooperation mit Fälschern sinnvoll sein können (vgl. Stephan/Schneider 2008; Schneider 2008; Sokianos 2006). Eine Orientierung bieten in diesem Zusammenhang innovationsökonomische und managementheoretische Ansätze, insbesondere die beiden Determinanten Stärke des Appropriability Regimes (Möglichkeit zum Schutz des Betrachtungsobjekts) und strategische Relevanz (des Betrachtungsobjekts). Mittels dieser Determinanten kann die Strategiewahl, wie in Abbildung 5 dargestellt, operationalisiert werden (vgl. Stephan/Schneider 2008b; Pisano/Teece 2007).
Kooperation/ Prävention
Prävention/ Sanktion
Duldung
Kooperation (Sanktion & Prävention)
schwach stark Appropriierungsregime Abbildung 5: Strategien zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie (Quelle: Stephan/Schneider 2008, S. 18)
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
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In starken Appropriierungsregimes können Innovatoren ihre Technologien bzw. Innovationen effektiv schützen und sich die Erträge aus einer Innovation aneignen. In schwachen Appropriierungsregimes ist dies nicht möglich ist. Die strategische Relevanz kann für Technologien, Produkte oder Zielmärkte bestimmt werden. Kriterien hierfür können neben monetären Größen wie bspw. Umsatz, EBIT oder Deckungsbeitrag auch der Einfluss auf kritische Erfolgsfaktoren im jeweiligen Markt bzw. auf neue Produkte, die Bedeutung der Knowhow Absicherung für das eigene Unternehmen vor Wissensabfluss oder das Wachstumspotenzial sein. (vgl. Stephan/Schneider 2008b, S. 19, Gerybadze 2004, S. 173 f.; Picot 1991) Aus den jeweiligen Kombinationen ergeben sich die strategischen Empfehlungen für die Vorgehensweise bei der Maßnahmenselektion und -anwendung. Die Duldung setzt auf die Freisetzung von Ressourcen für eine alternative Verwendung. Kooperative Strategien beinhalten eine Zusammenarbeit mit betroffenen Unternehmen, Konkurrenten oder den Fälschern selbst. Über die Prävention sollen zukünftige Pirateriefälle erschwert bzw. verhindert werden. Die Sanktion zielt auf die juristische Bekämpfung ab (vgl. Stephan/Schneider 2008b; Sokianos 2006). Entsprechend der grundlegenden strategischen Vorgaben und den verfügbaren Ressourcen sind die Schutzinstrumente auszuwählen. Diese können in juristische, politische, technologische und managementorientierte Instrumente gegliedert werden (vgl. Stephan/Schneider 2008b; Schneider 2008b; Fuchs et al. 2006) Eine Zusammenstellung an möglichen Schutzinstrumenten beinhaltet Abbildung 6. Juristische Maßnahmen können entsprechend der Rechtsgrundlagen und der mit den jeweiligen Instrumenten erzielbaren Rechtsfolgen gegliedert werden. Politische Maßnahmen umfassen die Möglichkeiten staatlicher und privatwirtschaftlicher Organisationen oder Institutionen. Technologische/technische Optionen beziehen sich auf das zu schützende Objekt. Als weiteres wichtiges Element ist das Handlungsfeld des Managements zu sehen. Hierbei kann sowohl wertschöpfungsübergreifend als auch unternehmensspezifisch agiert werden. Die Selektion passender Maßnahmen stellt Unternehmen in der Praxis vor große Herausforderungen. In den meisten Fällen wird ohne systematische Entscheidungsgrundlage fallbasiert eine Maßnahme ergriffen. Eine Auseinandersetzung mit Schutzsystemen erfolgt nicht. Auch unternehmensinterne Kompetenzanalysen sind nicht anzutreffen (vgl. u. a. Staake/Thiesse/Fleisch 2008; Stephan/ Schneider 2008a,b; Schneider 2008a, b). Nach der Anwendung der Instrumente ist für eine regelmäßige Überprüfung der Fälscher ein Monitoring durchzuführen bzw. zu etablieren (vgl. u. a. Chaudhry/Zimmerman 2009, S. 163; Schneider 2008b, S. 34; Staake/Fleisch 2008, S. 202; Fuchs et al. 2006, S. 120).
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Rechtsgrundlagen: Patent, Marke, Urheberrecht, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Sortenschutz, Halbleiter, Herkunftsangaben, UWG, Rechtsansprüche: Zivilrecht: Unterlassung, Schadensersatz, Bereicherungsausgleich, Auskunft, Besichtigung, Urkundenvorlage, Vernichtung Strafrecht: Vorsätzliche Schutzrechtsverletzung, Arzneimittelfälschung , Bannbruch, Geheimnisverrat und Betriebsspionage, Vorlagenfreibeuterei, irreführende Werbung, Betrug Zollrecht: Produktpiraterieverordnung, nationales Recht Rechtsdurchsetzung: Zivilrecht: Abmahnung, Einstweilige Verfügung, Dinglicher Arrest, Klage Strafrecht: Einziehung, Verfall, sichernde Beschlagnahme/ dinglicher Arrest, Zurückgewinnungshilfe, Durchsuchung, Beweismittelsicherstellung, Adhäsionsverfahren, Geld- bzw. Freiheitsstrafen, Zollrecht: Grenzbeschlagnahme
Privatwirtschaftliche Organisationen International: ICC (BASCAP, CIB), IACC, GACG, AIPPI, GBLAAC Regional: SNB React, ACG, BSA, CIPR, AGMCA National: APM, Aktion Plagiarius, DIHK, VBP, Markenverband, BITKOM, BPI, VDMA, ZVEI, Instrumente: Verbandsarbeit, Kooperationsmöglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit, Erstberatung, Kommunikation, Erfahrungsaustausch, Lobbying
Selektion und Konfiguration
Unternehmensspezifisch: Primäre Aktivitäten: Ausschusskontrollen, Informationsgewinnung, Partnerselektion, Kompl. Assets, Preispolitik, Zugangskontrollen, Markenmanagement, Monitoring, Kundenbindung, Informationsweitergabe, Kompl. Dienstleistungen, Kundenbenachrichtigung, Entfernung der Fälschungsware Sekundäre Aktivitäten: Schadens- und Maßnahmenevaluation, Personalmanagement, Schulungen, Innovationsfolgen, Lizenzierung, Time-To-Market, IPM, Publikationen, Wissensmanagement, IP-Strategie, Pirateriestrategie, FDI, Öffentlichkeitsarbeit, Competitive Intelligence, Lobbying, Organisatorische Verankerung
.
Sichtbar: Hologramme, Tinten, OVD, Folien, Sicherheitsetiketten, -siegel, -tinten, -papier und -druck
Unsichtbar: DNA, Mikrofarbstoffe, Isotope, Nano- /Biotechnologie, Chromogene Systeme Maschinengestützt: RFID, Barcodes, Chipkarten, OCR, DRM, Biometrie, Internet Monitoring, digitale Wasserzeichen, intelligente Verpackungen, chemische Marker, Selbstzerstörung Kombinationen: Sicherheitslabel, Certificate of Authenticity, Track & Trace
Technologisch
Management
Wertschöpfungsübergreifend: Make-or-buy, Kooperationen, Partnerselektion, Kooperationen, Partnerselektion, Supply-Chain Management, Distributionskanalwahl, Nutzung externer Dienstleister
Staatliche Organisationen International: Interpol, OECD, WCO, WIPO, WTO; z.B. TRIPS Regional: ASEAN, EU, NAFTA; Intervention National: Ministerien Instrumente: Intervention, Dialogforen, Gesetzgebung, Rechtssprechung, Bildungspolitik
Politisch
Juristisch
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Abbildung 6: Schutzinstrumente zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Chaudhry/ Zimmerman 2009; Staake/Fleisch 2008; Schneider 2008b; Stephan/Schneider 2008 a, b; Neemann 2007; Welser/González 2007; Fuchs et al. 2006; Sokianos 2006) Ein geeignetes Instrument hierfür ist die Erstellung von Fälscherprofilen (Schneider 2008b, S. 35). Den eigentlichen Schutzprozess begleitet die Informationsgewinnung und -bearbeitung (vgl. Staake/Fleisch 2008, S. 92, 200 f; Welser/Gonzáles 2007, S. 377). Die Informationsverfügbarkeit hat sich im Kontext der (Produkt-)Piraterie als großes Problem herausgestellt, so dass Competitive Intelligence in Form von Markt-, Konkurrenz und Technologieanalysen (sog. Competitive Intelligence) einen wichtigen Bestandteil des Informationssystems darstellt (vgl. Stephan/Schneider 2008b; Schneider 2008b; Michaeli 2006). Die Ablaufschritte des typischen Competitive Intelligence Zyklus‘ gliedern sich wie in Abbildung 7 dargestellt. Als Besonderheiten dieser Vorgehensweise werden die Entscheidungsorientierung, die Einbeziehung von oftmals subjektiven
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
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qualitativen und unvollständigen quantiativen Daten, deren Aufbereitung und Analyse mittels eines Expertennetzwerks sowie der Aufbau als Monitoringinstrument genannt (vgl. Michaeli 2006, S. 36). Bedarfsermittlung
Bewertung
Planung
Reporting
Datenerhebung
Aufbereitung und Analyse
Abbildung 7: Der Competitive Intelligence Zyklus (Quelle: Stephan/Schneider 2008b; Schneider 2008b; Michaeli 2006; Ashton/Klavans 1997) Ergänzend zum Schutzprozess und der Informationsgewinnung sind alle Prozessschritte zur ständigen Prozessverbesserung einer Evaluation zu unterziehen. Es müssen also Möglichkeiten zur Leistungsmessung (Performance Measurement) gefunden werden, so dass Unternehmen die Erfolgswirkung von Schutzstrategien und -maßnahmen bspw. im Verlauf einer Lebenszyklusbetrachtung abbilden können. Schutzmanagement und -controlling sollten diesbezüglich eine enge Zusammenarbeit anstreben. Dies ist in Abbildung 8 skizziert. Als Primärkoordination ist die Gestaltung des Schutzprozesses zu sehen. Die Zusammenarbeit mit anderen Führungsteilsystemen ist durch die Sekundärkoordination abgedeckt. Die Unterstützungsfunktion liegt beim Schutzcontrolling. Zusätzlich müssen die durch die Bekämpfung gewonnen Informationen und Erfahrungen durch die Wahl eines geeigneten Reportingsystems im Unternehmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit verbreitet werden (vgl. Chaudhry/ Zimmerman 2009; Stephan/Schneider 2008b; Fuchs et al. 2006; Michaeli 2006).
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Sekundärkoordination
Schutzcontrolling Unterstützung der Gestaltung des Schutzprozesses
Schutzmanagement Gestaltung der Schutzprozesse Primärkoordination
Schutzprozesse
Abbildung 8: Die Zusammenarbeit zwischen Schutzcontrolling und -management
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Ansatzpunkte des RBV/CBV zur Erklärung von Schutzsystemen
In den Expertengesprächen wurde als Gesprächsgrundlage die vorangestellte Vorgehensweise zur Etablierung von Schutzsystemen verwendet. In keinem der befragten Unternehmen konnte die direkte Ausarbeitung einer Schutzkompetenz vorgefunden werden. Dominierend ist die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aspekten der zuvor vorgestellten Prozessschritte nachdem ein erstes Imitat oder eine Fälschung zufällig entdeckt wurden. Als oberstes Ziel wird nicht die Zerstörung eines Fälschers gesehen. Dazu sind nach Aussage der Experten insbesondere Fälscher aus den asiatischen Schwellenländern zu flexibel und zahlreich. Deshalb wird der Aufbau einer Reputation in der Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie als oberste Zielsetzung mit drei Funktionen vorangetrieben. Erstens sollen durch die Abschreckungsfunktion bzw. Schutzfunktion Fälscher von den eigenen Produkten und Schutzrechten abgehalten werden. Zweitens kann eine höhere Reputation im Vergleich zu direkten Wettbewerber dazu führen, dass diese Ziel der Fälscheraktivitäten werden. Drittens erhöht dies das Vertrauen der Kunden in das Unternehmen. Die Reputation wird von den Experten als indirekter Ausdruck der Schutzfähigkeit verstanden und ermöglicht einen mehrstufigen Wettbewerbsvorteil. Aufgrund der sich schnell wandelnden Produkte und Lerneffekten auf Seiten von Wettbewerbern, legalen Imitatoren und illegalen Fälschern ist die Aufrechterhaltung der Reputation ein zentrales Element zur Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils und der Schutz vor Fälschungen kann somit als eine Kernkompetenz insbesondere in Schwellenländern gesehen werden. Aus den Interviews wird dabei deutlich, dass die Anpassungs-, Wandlungs- oder Erhaltungs-
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
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fähigkeit in der Praxis durch die dynamische Rekonfiguration der aus der Theorie bekannten Prozessschritte bestimmt wird. Als Anpassungsgründe sind Reaktionen der Unternehmensumwelt zu sehen. Vor allem Fälscher, Wettbewerber, gesetzliche Änderungen sowie sich wandelnde Kundenpräferenzen, kulturelle bzw. politische Einflüsse und technologische Entwicklungen sind zu beachten. Die Prozessschritte dienen der Generierung von Reputation und werden jeweils als Kompetenz in der Bekämpfung von (Produkt-) Piraterie verstanden. Hierbei handelt es sich um Schutzinstrumente, Informationsgewinnung, Strategie, Kontrolle/Evaluation und Organisation. Die Kompetenz „Schutzinstrumente“ wird in den Unternehmen hauptsächlich durch die Selektion, Implementierung, Anwendung und Pflege der verschiedenen Instrumente bestimmt. Ergänzend ist die Verwaltung der zur Verfügung stehenden Ressourcen – sofern ein Schutzbudget besteht – und die Reproduzierbarkeit der jeweiligen Maßnahmen zu beachten. Beim Thema Informationsmanagement wird von den Experten auf Routinen bei Informationsgewinnung und -verarbeitung hingewiesen. Durch die flexibel agierenden Fälscher ist ein schnell reagierendes Berichtssystem notwendig. Auch die Nutzung der Information in Form von Monitoring ist ein bestimmender Faktor. Aufgrund der Unsicherheit der Informationen ist die Informationsverifizierung sicherzustellen. Die Strategiewahl bestimmt den grundlegenden Umgang mit der Pirateriethematik. Entsprechend sind Strategiefindung und -umsetzung sowie die Fähigkeit zur Ressourcenbereitstellung kritisch. Die Strategien sollten darüber hinaus in unterschiedlichen Unternehmensbereichen reproduzierbar sein. Zur nachhaltigen Durchsetzung und Kommunikation der Strategien ist die Mobilisierung der Unterstützung der Geschäftsleitung bzw. des Top-Managements notwendig. Gemäß den Expertenmeinungen bestimmen die aufbau- und ablauforganisatorischen Elemente die Eingliederung der Pirateriebekämpfung und dadurch die Reaktionsgeschwindigkeit bei Pirateriefällen. Im konkreten Bekämpfungsfall kommt der Teamzusammenstellung eine wichtige Rolle zu. Hierzu zählt auch die klare Vorgabe der Zuständigkeiten und Weisungsbefugnisse. Bei der Informationsgewinnung, der Strategiefindung und der Instrumentenanwendung wird auf die Wichtigkeit der Bildung von Expertennetzwerken hingewiesen. Begründet wird dies im Sample durch das mangelnde Vertrauen in die zur Verfügung stehenden Informationen, die Unklarheit bezüglich der möglichen Strategien und der Unkenntnis von oder Anwendungsproblemen bei Schutzinstrumenten. Teilbereiche der Netzwerkkompetenz sind die Identifizierung, Selektion und Aktivierung der relevanten Experten, die Etablierung der Netzwerk-
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strukturen und die Steuerung der Netzwerke auf nationaler und internationaler Ebene. Die Fähigkeit zur interkulturellen Arbeit ergänzt die Netzwerkfähigkeit durch das globale Ausmaß des Pirateriephänomens. Der Einfluss dieser Kompetenz auf Markteintrittsstrategien dürfte hierbei eine wichtige Rolle einnehmen. Durch die Inhaltsanalyse konnte als letzte notwendige Kompetenz die Kontrolle und Evaluation des Schutzsystems selbst und der jeweiligen Teilprozesse herausgearbeitet werden. Kritische Elemente sind die Nutzung der Analyseinstrumente und die Bereitstellung von Kennzahlen zur Erfolgsmessung sowie deren Kommunikation. Im Kontext des aktuellen Entwicklungsstands der Pirateriebekämpfung wurde von den Experten verstärkt auf die Bedeutung von Ressourcen hingewiesen. Bei tangiblen Faktoren werden ausreichende finanzielle Ressourcen, Datenbanken zu Piraterieinformationen und Kontakte zu staatlichen Institutionen, Detektiven sowie Länderexperten angegeben. Als intangible Ressourcen werden Schutzrechte und das Wissen um Schutzstrategien, -prozesse und -instrumente genannt. Die Unternehmenskultur ist um das Bewusstsein für (Produkt-)Piraterie zu erweitern. Entscheidungs- bzw. Weisungsbefugnisse und die Rückendeckung des Managements ergänzen diese. Die Mitarbeiter und Organisationen müssen über die erforderlichen Kenntnisse bezüglich Schutzstrategien, Markt-, Konkurrenzund Technologieanalysen, Schutzinstrumenten und Leistungsmessung verfügen. Darüber hinaus wird die Erfahrung in entsprechenden Funktionen, Märkten und Ländern als noch wichtigere Ressource für die erfolgreiche Etablierung einer Schutzreputation angesehen. Bei den aufgezeigten Kompetenzen und Ressourcen ist die Frage zu klären, wie diese zu identifizieren sind. In den Interviews wurde deutlich, dass der strategische Wert vor allem aus dem Beitrag zum Aufbau und der Erhaltung der Schutzreputation oder der Verhinderung eines Know-how zu bestimmen ist. Auch die Verringerung von Haftungsfragen durch aktive Pirateriebekämpfung wurde genannt. Das Kriterium der Knappheit ist nicht klar zu erkennen. Die Möglichkeit zum proprietären Besitz oder zur Verfügung über Expertennetzwerke, Schutzrechte und Anwenderwissen scheinen diese zu charakterisieren. Grundsätzlich ist eine vollständige Verhinderung der Imitierbarkeit im illegalen Wettbewerb nach Expertenmeinung nicht möglich. Schwierigkeit, Zeitdauer und Ressourceneinsatz zur Erlangung, Entwicklung oder Reproduktion der Kompetenzen und Ressourcen werden als wichtige Kriterien der Imitierbarkeit gesehen. Auf Basis der Textvergleiche wird die organisatorische Nutzung bzw. Substituierbarkeit durch die vorhandenen Erfahrungen in den jeweiligen Bereichen ge-
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
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prägt. Abbildung 9 fasst die zentralen Erkenntnisse aus der Untersuchung als Grundmodell einer Schutzkompetenz abschließend zusammen.
6
Schlussfolgerung
Der vorliegende Beitrag deckt Kompetenzen und Ressourcen für die Bestimmung der Schutzkompetenz in Unternehmen als weiteren Einflussfaktor bei der Strategie- und Maßnahmenwahl auf. Die Ausarbeitung und Einbettung des RBV/CBV in das Pirateriephänomen als Darstellungsebene für das Unternehmen ist möglich und sollte in Zukunft weiter erforscht werden. Auf der Unternehmensebene könnte die Schutzkompetenz bestimmt und anschließend mit dem Fälscher verglichen werden. Alternativ könnte auch ein Abgleich mit den Wettbewerbern erfolgen. Somit wird deutlich, dass es sich um zwei getrennte Ebenen handelt, welche als notwendige und hinreichende Bedingung zu betrachten sind. Kann sich das betrachtete Unternehmen besser als der Wettbewerber schützen, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass dieser Ziel der Fälscher wird. Erst wenn auch die „Pirateriekompetenz“ geringer als die „Schutzkompetenz“ sein sollte, ist davon auszugehen, dass eine Bekämpfung effektiv durchgeführt werden kann. Dadurch ist die Schutzkompetenz auch als Markteintrittsbarriere zu sehen. Die Expertengespräche zeigten darüber hinaus deutlich auf, dass keine vollständige Schutzkompetenz in den Unternehmen vorhanden ist, da jeweils nur ein bis zwei Kompetenzfelder aus Abbildung 9 bewusst bearbeitet werden. Der Erfüllungsgrad bzw. die Ausarbeitung dieser Kompetenzen könnte als unternehmensinterne Erklärungsvariable neben Branchen, Ländern oder Schutzrechtssystemen verwendet werden. Die Wirkungsweise der Mechanismen und die Ausarbeitung der VRIOKriterien sind sowohl für Schutz- als auch Fälschungskompetenz weiter zu verfeinern. Für einen ressourcen- und kompetenzbasierten Vergleich müssen Kompetenzen und Ressourcen der Fälschungsseite bestimmbar sein. Der Einfluss unterschiedlicher Pirateriearten auf die Gewichtung der Schutzkompetenzen bedarf zusätzlich einer Untersuchung. Die dynamische Anpassungsfähigkeit könnte durch eine Lebensyzklusmodellierung verbessert werden. Neben diesem inhaltlichen Forschungsbedarf ist eine quantitative Überprüfung der jeweiligen Kompetenzen und Ressourcen zur weiteren Vervollständigung des Modells bzw. der Mechanismen anzuraten und durch die betriebliche Anwendung zu ergänzen.
Strategiewahl
Ressourcenbereitstellung Strategiefindung und -umsetzung Strategiereproduktion Strategiekommunikation Mobilisierung
TANGIBEL Finanzielle Ressourcen Pirateriedatenbanken Expertenkontakte
Informationsroutinen und -prozesse Gestaltung der Berichts- und Bewertungssysteme Informationsverifizierung Monitoring
Informationsmanagement Aufbauorganisation Ablauforganisation Teamzusammenstellung Zuständigkeiten/ Weisungsbefugnisse
Instrumentenselektion Instrumentenimplementierung Instrumentenanwendung Instrumentenpflege Ressourcenmanagement Instrumentenreproduktion
INTANGIBEL Schutzrechte Unternehmenskultur Wissen bzgl. Schutzsystemen Hierarchie
Schutzorganisation
Schutzinstrumente
Schutzkompetenz
Rekonfiguration des Schutzsystems
Reputation in der Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
Analyseinstrumente Kennzahlenbereitstellung Ergebniskommunikation
Kontrolle und Evaluation
ORGANISATION/ MITARBEITER Fertigkeiten bzgl. Schutzsystemen Fertigkeiten bzgl. Informationssystemen Fertigkeiten bzgl. Analysen Kommunikations- und Kooperationskapazität Motivation Funktionale, kulturelle und geografische Erfahrung
Expertenidentifizierung Expertenselektion Expertenansprache Netzwerkfindung Netzwerketablierung Netzwerkführung Interkulturelle Elemente
Netzwerkmanagement
Ressourcen
Fähigkeit
Kompetenz
Kernkompetenz
Dynamische Fähigkeit
Wettbewerbsvorteil
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Abbildung 9: Faktoren zur Bestimmung der Schutzkompetenz
Ansatzpunkte des Competence-Based View zur Bekämpfung von (Produkt-)Piraterie
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Martin Schneider
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Die Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissens- und Technologietransfer in verteilter Teamarbeit und F&EKooperationen
1
Einleitung..............................................................................................167
2
Wissensdimensionen und Merkmalsausprägungen ..............................168
3
Fallstudien zum Wissenstransfer ..........................................................173 3.1 Fallstudie 1: Prozessübertragung...............................................175 3.2 Fallstudie 2: Prozessentwicklung ..............................................176 3.3 Fallstudie 3: Produktentwicklung ..............................................177
4
Analyse der Wissensmerkmale in den Kooperationen .........................179
5
Ergebnisse zur Wirkung der Wissensmerkmale ...................................185 5.1 Einfluss der Explizitheit auf den Wissenstransfer .....................185 5.2 Einfluss der Mehrdeutigkeit auf den Wissenstransfer ...............187 5.3 Dynamische Betrachtung der Wissensmerkmale im Projektverlauf ............................................................................189
6
Diskussion und Ausblick ......................................................................191
Literatur............................................................................................................193
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
1
167
Einleitung
Die Bedeutung von Wissen für die Tätigkeiten eines Unternehmens wurde von Penrose in ihren Untersuchungen 1959 zum Wachstum des Unternehmens betont: „...the significance of resources to a firm and the productive services they can yield [are] functions of knowledge...“1. Später nehmen Kogut und Zander (1993) bei ihren Forschungsarbeiten zur evolutionären Entwicklung von multinationalen Unternehmen ausdrücklich die Perspektive ein, dass die Bearbeitung und der Transfer von Wissen sowie die Umsetzung von Wissen in Produkte und Dienstleistungen der Kern der unternehmerischen Tätigkeit sind: „…firms are social communities that serve as efficient mechanisms for the creation and transformation of knowledge into economically rewarded products and services…”2 Die Ausführungen von Grant (1996) und Penrose (1995) sowie Kogut und Zander (1993) stellen Wissen neben die weiteren Ressourcen des Unternehmens. Es erscheint deshalb sinnvoll, den wissensbasierten Ansatz vom ressourcenbasierten Ansatz abgegrenzt zu betrachten. Nach Grants (1996) Auffassung ist die primäre Rolle des Unternehmens, die Wissensintegration zwischen Spezialisten zu ermöglichen: „Given the efficiency gains of specialization, the fundamental task of organization is to coordinate the efforts of many specialists.”3 Damit diese Spezialisten effektiv zusammenarbeiten können, muss unter anderem eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen dem individuell vorhandenen Wissen vorliegen.4 Zudem erfordert die Zusammenarbeit ein gemeinsames Verständnis5 zwischen den Spezialisten. Diese Betrachtungsweise stellt den Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung der Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in Forschungs- und Entwicklungskooperationen (F&E-Kooperationen) und Innovationsprojekten dar. In diesen Kooperationen wird intensiv auf Wissen zurückgegriffen, weshalb zu erwarten ist, dass sich Auswirkungen der Wissensmerkmale dann deutlicher zeigen und gut beobachten lassen. Dabei wird die Betrachtungsebene auf die Prozesse und Parameter der F&E-Kooperationen auf der Projektebene fokussiert. Solche F&E-Kooperationen finden meist auch in verteilter Teamarbeit statt. Die Mitarbeiter aus den verschiedenen beteiligten Unternehmenseinheiten bzw. Unternehmen arbeiten an verschiedenen Standorten und kommen nur gelegentlich zu gemeinsamen Sitzungen zusammen. 1 2 3 4 5
Penrose (1995), S. 77. Kogut/Zander (1993), S. 627. Grant (1996), S. 113. Bei Grant (1996, S. 116) als commonality of specialized knowledge bezeichnet. Im Original shared meaning (Grant 1996, S. 116).
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Christopher Gresse
Die Kenntnis der Auswirkungen der Wissensmerkmale auf die Projektarbeit erlaubt ein effektiveres Management des Wissenstransfers und der F&EKooperationen. Diese Auswirkungen sind aber, insbesondere für die Wissensdimension der Mehrdeutigkeit, noch wenig erforscht. Zunächst werden im Folgenden die beiden relevanten Wissensdimensionen und ihre Merkmalsausprägungen erläutert. Es werden anschließend drei Fallstudien vorgestellt, in denen die Wissensmerkmale und ihre Auswirkungen qualitativ untersucht wurden. Abschließend werden die Erkenntnisse aus den Fallstudien diskutiert und Implikationen für die weitere Forschung abgeleitet.
2
Wissensdimensionen und Merkmalsausprägungen
Bei der Untersuchung von Wissen in Organisationen werden oft Charakteristika oder Merkmale des Wissens studiert und beschrieben. Die Annahme dabei ist, dass bestimmte Merkmale des Wissens den Umgang mit diesem Wissen beeinflussen. Eine Übersicht über die große Zahl an Untersuchungen zu Arten von Wissen findet sich bei Romhardt.6 Dabei handelt es sich meist um Dichotomien7, es sind aber auch komplexere, mehrstufige Betrachtungen vertreten.8 In dieser Untersuchung wird die Betrachtung des Wissens, der Arbeit von Gerybadze (2004) folgend, auf zwei Dimensionen begrenzt. Das Einbeziehen weiterer Dimensionen würde den Untersuchungsraum schnell zu komplex werden lassen. Zum einen wird die Dimension der Explizitheit nach Nonaka und Takeuchi (1995) herangezogen. Diese hat mit den bereits existierenden Studien eine solide empirische Basis für den hier verfolgten Ansatz. Als neue Dimension wird die von Gerybadze (2004) vorgeschlagene Einteilung in äquivokes und kanonisches Wissen herangezogen. Diese soll Effekte im Wissenstransfer erklären helfen, die über die Dimension von Nonaka und Takeuchi nicht abgedeckt werden könnten. Nonaka und Takeuchi (1995) untersuchten den Unterschied zwischen der Wissenserzeugung in westlichen und in japanischen Unternehmen. Als wesentlichen Unterschied beschrieben sie eine stärkere Berücksichtigung des sog. tacit knowledge in japanischen Unternehmen, womit sie Bezug nahmen auf die Arbeit von Polanyi (1983). Dieser hatte in seiner Untersuchung zum Wissen des Menschen dargelegt, dass man mehr wisse, als man berichten könne9, und dies als 6 7 8 9
Vgl. Romhardt (1998), S. 51f. Vgl. Stichweh (1994): universal/particular; Nevis/DiBella/Gould (1995): internal/external. Vgl. Willke (1995), Winter (1987). “…we can know more than we can tell.” Polanyi (1983), S. 4
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
169
tacit knowing10 bezeichnet. Er verwendete den Begriff knowing anstatt knowledge, um damit sowohl das praktische als auch das theoretische Wissen gleichermaßen zu bezeichnen. Dabei machte er deutlich, dass dies kein permanenter Zustand sei, sondern dass durch die Verfügbarkeit angemessener Kommunikationsmittel auch dieses tacit knowing mitgeteilt werden kann. Nonaka und Takeuchi (1995) formulieren ein Modell der Wissenserzeugung, das auf der Übertragung von Wissen basiert. Explizites Wissen (explicit knowledge) bezeichnet Wissen, welches in Worten und Zahlen ausgedrückt werden kann und sich einfach übertragen und mitteilen lässt.11 Implizites Wissen (tacit knowledge12) dagegen ist schwer auszudrücken, es ist sehr persönlich und kann nur schwer formalisiert werden.13 Dabei kann Wissen beim Transfer entweder in seiner Art gleich bleiben, wie bei der Sozialisierung durch Übertragung von implizitem Wissen zwischen Personen oder der Kombination von verschiedenen expliziten Wissensbestandteilen, oder in die jeweils andere Form übertragen werden, wie bei der Externalisierung durch Umwandlung von implizitem in explizites Wissen und der Internalisierung durch Umwandlung von explizitem in implizites Wissen. Die Art des Wissens kann sich also mit der Zeit verändern bzw. in der Wissenserzeugung verändert werden. Wie das Wissen zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschaffen ist, hat wesentlichen Einfluss auf den Umgang und auch auf die Übertragung zum Zwecke der Erzeugung neuen Wissens. Als zweite relevante Dimension des Wissens wird hier die Mehrdeutigkeit betrachtet. Gerybadze (2004) und Kohler (2008) sprechen von interpretive coherence bzw. interpretativer Kohärenz. Damit wird das Ausmaß der Mehrdeutigkeit von Wissen ausgedrückt, welche bei sonst explizitem Wissen trotzdem zu Schwierigkeiten bei der Übertragung und dem Verständnis des Wissens führen kann. Grund hierfür ist Wissen, dessen Interpretation nicht eindeutig ist. Dieses Wissensmerkmal wurde laut Gerybadze (2004) in den bisherigen Studien zu Wissen, die deklarative und objektive Aspekte des Wissens betonen, vernachlässigt. Gerybadze (2004) baut hier auf den Überlegungen von Weick (2001) auf, der diskutiert, welche Schwierigkeiten für den Umgang mit neuen Technologien aus der Mehrdeutigkeit entstehen.14 Weick sieht auch das Problem darin, dass
10
Vgl. Polanyi (1983), S. 7. Vgl. Nonaka/Takeuchi (1995), S. 8. 12 Eine wörtliche Übersetzung von tacit knowledge als stilles Wissen ist unüblich, in der deutschsprachigen Literatur hat sich die Bezeichnung implizites Wissen durchgesetzt. 13 Vgl. Nonaka/Takeuchi (1995), S. 8. 14 Vgl. Weick (2001), S. 148ff. 11
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sich Mehrdeutigkeit nicht mit einem Mehr an Informationen beheben lasse.15 McCaskey (1982) hat durch zwölf Charakteristiken von mehrdeutigen Situationen sehr anschaulich illustriert, wie solche Situationen beschaffen sein können. In einer mehrdeutigen Situation kann das Problem selbst in Frage gestellt werden, die Menge und Verlässlichkeit an verfügbarer Information kann Schwierigkeiten erzeugen, zahlreiche widersprüchliche Interpretationen existieren16, verschiedene Werteorientierungen treffen aufeinander, Ziele sind unklar oder in Konflikt, die Ressourcenausstattung ist unangemessen, Widersprüche und Paradoxien tauchen auf, die Rollen- und Verantwortungsverteilung ist unklar, es gibt keine Erfolgsmaße, Ursache-Wirkungsbeziehungen werden nicht verstanden, Symbole und Metaphern werden anstelle von klaren Definitionen zur Kommunikation genutzt und die Entscheidungsträger wechseln ständig.17 Treffen nur einige dieser Merkmale zu, dann wird selbst bei explizitem Wissen die Übertragung von Wissen nicht ohne Schwierigkeiten ablaufen können. Gerybadze (2004) unterscheidet daher in seiner Untersuchung zwischen kanonischem Wissen, welches eine hohe Kohärenz, also klare Interpretation und wenig Zusammenhang mit den verschiedenen Denkmustern aufweist, und äquivokem Wissen, welches ausgeprägte Mehrdeutigkeit zeigt. Dies soll erklären, weshalb in Untersuchungen trotz objektiv expliziten Wissens Probleme beim Wissenstransfer auftreten können. Kanonisches Wissen liegt demnach vor, wenn die an der Wissensübertragung beteiligten Personen zu den gleichen Interpretationen des Wissens gelangen, also unter gegebenem Wissen das gleiche verstehen. Äquivokes Wissen liegt dagegen vor, wenn die Beteiligten zu unterschiedlichen Interpretationen kommen. Diese subjektive Dimension des Wissens lenkt den Fokus der Untersuchung verstärkt auf soziale und kognitive Aspekte der Wissensübertragung und auf die subjektive Seite dieses Prozesses. Eine Wissenstransfersituation kann mit Hilfe dieser beiden Wissensdimensionen besser eingeschätzt werden, es können angemessene Übertragungsaktivitäten unternommen und Probleme beim Transfer vermieden werden. Gerybadze (2004) hat dies in einer Darstellung zusammengefasst, die hier wiedergegeben ist (siehe Abbildung 1).
15
“The problem in ambiguity is not that the real world is imperfectly understood and that more information will remedy that. The problem is that information may not resolve misunderstandings.” Weick (1995), S. 92. 16 Vgl. Weick (1995), S. 94f „...the word equivocal [...] explicitly points to the presence of two or more interpretations…”. 17 Vgl. McCaskey (1982), S. 5.
äquivok kanonisch
Grad der Mehrdeutig keit
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
Äquivokes, explizites Wissen
Äquivokes, impliz ites Wissen
• Missve rständnisse
• sc hwe rwiegende Ko mmunik ationsprobleme
• verbor gene, indire kte Kosten des Inform ationstr ansfers
• untragbare Kosten des Informationstra nsfers
• internationaler Wissensa ustausch schwie rig
• räumlic he Konfiguration ist se hr wichtig
Kanonisches, explizite s Wissen
Kanonische s, implizites Wissen
• einfac he Übermittlung
• Sc hwierigkeiten be im Tra nsfe r
• sehr niedrige Kosten des Inform ationstr ansfers • globa le Ve rteilung von Aktivitäten mö glic h
explizit
171
• Informationstra nsfer durc h Personaltransfer • inte rnationaler Transfer möglich, ab er teuer
impl izit Grad der Explizitheit
Abbildung 1: Interaktion der Wissensarten Explizitheit und Mehrdeutigkeit18 Die beiden Dimensionen des Wissens sind in dieser Darstellung für die Erklärung des Modells auf die jeweiligen extremen Ausprägungen reduziert. Es wird angenommen, dass es einen Übergang zwischen den Extremausprägungen gibt, d.h. dass die Dimensionen der Explizitheit und der Mehrdeutigkeit kontinuierlich sind und Wissen auch zwischen diesen Polen liegen kann. Des Weiteren wird angenommen, dass die Explizitheit eine stärkere Bedeutung für den unmit18
Nach Gerybadze (2004), S. 113, eigene Übersetzung.
172
Christopher Gresse
telbaren Transfer, also die tatsächliche Übertragung des Wissens hat, während Mehrdeutigkeit primär auf die dem Transfer folgende Anwendung des Wissens wirkt. Wissenstransfer ist nur dann erfolgreich, wenn nicht nur die Übertragung gelingt, sondern auch die Anwendung. Die Kombinationen der hier als Extrempole dargestellten Wissensmerkmale haben unterschiedlich starke negative Auswirkungen auf den Wissenstransfer. In der klassischen Sichtweise von Wissen in Unternehmen, die der Einfachheit halber meist auf die Dimension von Nonaka und Takeuchi (1995) reduziert wird, wird nur unterschieden, wie schwierig die Kodifizierung und damit die unmittelbare Weitergabe des Wissens ist. Explizites Wissen kann relativ einfach und kostengünstig kodifiziert werden und ermöglicht damit auch einen meist problemlosen und günstigen Transfer des Wissens. Implizites Wissen ist aufwendiger zu kodifizieren und damit teilweise auch schwerer zu transferieren, es entstehen höhere Aufwendungen. Wenn nun die Dimension der Mehrdeutigkeit nicht berücksichtigt wird, kann es zu unerwarteten Schwierigkeiten kommen. Bei explizitem und kanonischem Wissen gelingt der Wissenstransfer einfach und mit geringen Kosten, eine globale Verteilung der mit dem Transfer in Zusammenhang stehenden Aktivitäten ist möglich. Bei implizitem und kanonischem Wissen treten die von implizitem Wissen erwarteten Schwierigkeiten auf, also höhere Kosten und Schwierigkeiten des Transfers, der Einsatz von Personaltransfer ist erforderlich, und internationaler Transfer wird kostspieliger. Doch diese Schwierigkeiten sind aufgrund der impliziten Natur des Wissens bereits zu erwarten. Ist das Wissen aber äquivok, kommt es sehr wahrscheinlich zu Schwierigkeiten in der Projektarbeit, die dem Wissenstransfer folgt, wenn diese Dimension des Wissens nicht berücksichtigt wird. Bei explizitem und äquivokem Wissen werden bei Beachtung lediglich der Explizitheits-Dimension keine Probleme erwartet. Diese können aber dadurch auftreten, dass die Mehrdeutigkeit die Verwendung des Wissens beeinträchtigt. Projektpartner verstehen das transferierte Wissen anders als intendiert und handeln entsprechend anders als von der transferierenden Einheit erwartet. Es entstehen so zusätzlicher Abstimmungsbedarf und möglicherweise auch Ressourcenverlust, wenn falsche Aktivitäten im Projekt aufgrund der differierenden Interpretationen des expliziten, aber äquivoken Wissens begonnen werden. Es kommt zu Missverständnissen, verborgene Kosten für den Transfer entstehen und besonders internationaler Transfer wird erschwert. Bei implizitem und äquivokem Wissen liegen schließlich die denkbar schwersten Bedingungen für einen Wissenstransfer vor, die Gefahr von hohen Kosten und Missverständnissen macht einen solchen Transfer äußerst schwierig.
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
3
173
Fallstudien zum Wissenstransfer
Die folgenden Fälle zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass in ihnen der Transfer von Prozesswissen und Produktwissen über Organisationsgrenzen hinweg unternommen wurde, sondern auch durch die multilaterale Struktur der Kooperationen. Besonders Fallstudie 2 ist komplex strukturiert, da hier teilweise neun verschiedene Organisationen an der Kooperation beteiligt waren. Die Fallstudien basieren zum größten Teil auf Expertengesprächen mit Beteiligten der Projekte, aber auch mit externen Vertretern der relevanten Wertschöpfungskette bzw. der relevanten Märkte wurden Fachgespräche geführt (siehe Tabelle 1). Dabei wurde mit einigen Gesprächspartnern mehrmals gesprochen. Da diese wiederholten Gespräche sich inhaltlich stark unterschieden, werden sie für die Anzahl der Interviews einzeln gezählt. Zu den Experteninterviews wurden die entsprechenden Gesprächsnotizen zu Inhaltsprotokollen verarbeitet. Die Interviews wurden im Rahmen des Forschungsprojektes InnoMat zusammen mit Prof. Dr. Alexander Gerybadze und Daniel Gredel durchgeführt. Die externe Betrachtung des Innovationsumfeldes in den Fallstudien 2 und 3 wurde zum Teil mit Forschungsarbeiten am Lehrstuhl Internationales Management abgedeckt. In diesem Zusammenhang wurden Interviews angeleitet, aber nicht selbst durchgeführt. Diese Forschungsarbeiten sind bisher unveröffentlicht. Zusätzlich zu den Interviews wurden Dokumentenstudien und teilnehmende Beobachtungen als Teil der Erhebungen verwendet. Fallstudie 1
Fallstudie 2
Fallstudie 3
Intern
9
13
5
Extern
0
0*
6*
Tabelle 1: Anzahl der für die Fallstudien durchgeführten Interviews19 In Tabelle 1 werden die mit Projektmitgliedern geführten Fallstudien als interne Interviews und die mit Experten aus der Wertschöpfungskette durchgeführten Gespräche als externe Interviews bezeichnet. Die unterschiedliche Anzahl an 19
In den mit * gekennzeichneten Fällen wurden weitere externe Informationen durch empirische Forschungsarbeiten am Lehrstuhl Internationales Management gesammelt. Die Forschungsarbeiten sind noch unveröffentlicht.
174
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internen Interviews in den Fällen ist durch die unterschiedlich großen Projektteams begründet. Die drei Fallstudien werden in Tabelle 2 charakterisiert. Die Partner der Kooperation geben Auskunft darüber, ob lediglich unternehmensintern oder mit externen Partnern zusammengearbeitet wurde. Bei der Relation der Kooperationspartner kann eine horizontale oder vertikale Kooperation zwischen zwei Partnern bezogen auf das betreffende Wertschöpfungssystem vorliegen. Bei mehr als zwei Partnern wird unterschieden zwischen einer Gruppe mit einem zentralen Koordinator und einem Netzwerk gleichberechtigter Teilnehmer. Das Ziel der Kooperation schließlich beschreibt das allgemeine Vorhaben in der Kooperation. Faktor Partner
Anzahl der Partner Relation der Partner Ziel / Problemstellung
Fallstudie 1 andere Einheiten des gleichen Unternehmens 3 Netzwerk Prozessübertragung
Fallstudie 2 Unternehmen und öffentliche Forschungseinrichtungen 4 (1. Kooperation) 9 (2. Kooperation) Zentraler Koordinator 20 (FzK) Prozessentwicklung
Fallstudie 3 Unternehmen und öffentliche Forschungseinrichtungen 3 Zentraler Koordinator (Systemintegrator) Produktentwicklung
Tabelle 2: Struktur der Kooperationen in den Fallstudien Die in den Projekten vorliegenden Wissensmerkmale wurden unter Berücksichtigung aller vorliegenden Interviewergebnisse anhand der von Kohler (2008, S. 183ff.) vorgeschlagenen Skalen für Explizitheit und Mehrdeutigkeit bewertet. In Fallstudie 1 konnte auch in einer Gruppendiskussion das Thema Wissensmerkmale besprochen werden. Die Einschätzung der Explizitheit, die hier gewonnen wurde, deckt sich mit der Analyse mittels der Skalen. Zunächst werden hier die drei Fallstudien genauer beschrieben. Dabei wurden Fallstudie 1 und 3 anonymisiert. In Fallstudie 1 hat das untersuchte Unternehmen darum gebeten, in Fallstudie 3 liegt aktuell noch keine Freigabe der beteiligten Unternehmen vor.
20
In der ersten Kooperation war die Relation der Partner eher ein Netzwerk, aber auch hier hatte das Forschungszentrum Karslruhe (FzK) schon eine koordinierende Rolle inne. In der zweiten Kooperation wurde das FzK zum offiziellen Koordinator der Kooperation.
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
3.1
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Fallstudie 1: Prozessübertragung
In Fallstudie 1 sollte ein neuer Geschäftsprozess der amerikanischen Muttergesellschaft in die deutsche Tochtergesellschaft übertragen werden. Hierzu wurden drei Teams aus verschiedenen Einheiten des Unternehmens gebildet. Das Worldwide Team bestand aus Mitarbeitern der Muttergesellschaft, die bereits Erfahrungen mit dem Geschäftsprozess gesammelt hatten und die Implementierung des Prozesses auch in anderen Ländergesellschaften begleitet hatten. Das lokale Team in Deutschland bestand sowohl aus Mitarbeitern der betroffenen Fachabteilungen als auch aus Spezialisten für die IT-bezogene und rechtliche Implementierung des Geschäftsprozesses. Ein Unterstützungsteam mit Mitarbeitern aus den USA und Indien stand für die Umsetzung der erforderlichen Veränderungen der IT-Infrastruktur in Deutschland zur Verfügung. Zu den Kunden dieses Projektes gehörten in der deutschen Tochtergesellschaft der Geschäftsbereich Finanzierung und die unterstützenden Bereiche wie Buchhaltung und IT. In einer Vorbereitungsphase fand zunächst ein Wissenstransfer primär von der deutschen Accounting-Einheit in Richtung Worldwide Team statt. Dies sollte den bisherigen Geschäftsprozess für das Worldwide Team verständlich machen und der Identifikation von ersten Abweichungen vom neuen Prozess dienen. Danach fand ein Wissenstransfer primär vom Worldwide Team zu den lokalen Einheiten in Deutschland statt. Nachdem das Worldwide Team nachvollzogen hatte, wie der Prozess in Deutschland ablief, stellten sie entsprechende Informationen zur Verfügung. Hier wird von einem Transfer primär in eine Richtung gesprochen, aber es handelt sich auch um einen wechselseitigen Austausch. Die Richtung des Transfers gibt lediglich mit vor, was das Ziel der jeweiligen Transferaktivitäten war. Zunächst sollte das Worldwide Team informiert werden, um dann auf der Basis dieser Informationen das passende Wissen über den neuen Prozess und die notwendigen Veränderungen in Deutschland an das lokale Team zu übertragen. Einzelne Themen waren schon in der Vorbereitungsphase als mögliche Abweichungen identifiziert worden und sollten im Start-Workshop genauer angesprochen werden. Das Worldwide Team hatte bisher in anderen Ländern keine vergleichbaren Schwierigkeiten erlebt. Dies waren allerdings auch immer vom angelsächsischen Rechtsverständnis geprägte Nationen, was die geringe Abweichung der rechtlichen Regelungen vom amerikanischen Standard erklären könnte. Dies bildete hier den Ursprung für die abweichenden Interpretationen des Worldwide Teams. Die rechtlichen Regelungen zum betroffenen Geschäftsprozess in Deutschland weichen zum Teil deutlich von den amerikanischen ab. Dazu kam dann, dass die verschiedenen am Start-
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Workshop beteiligten Experten diese Regelungen zunächst aus unterschiedlichen Perspektiven betrachteten und so nicht zu einer einheitlichen Aussage kommen konnten. Hier zeigten sich mehrere verschiedene Interpretationen des Themas, das vorhandene Wissen hierzu divergierte. In fokussierten Kleingruppendiskussionen konnte im Verlauf des Start-Workshops eine gemeinsame Interpretation erreicht werden. Dass dies nicht zu mehr Schwierigkeiten im Wissenstransfer geführt hat, ist auch der guten Vorbereitung des eigentlichen Projektes durch die Vorbereitungsphase zu verdanken. Das Unternehmen war mit der Aufstellung des Projektteams und dem Vorgehen schon sehr gut vorbereitet für die Schwierigkeiten des Wissenstransfers. Es zeigte sich dann auch nach einer kurzen Phase der Missverständnisse und der Abstimmung zu unklaren Aspekten eine Entwicklung von wechselseitigem Verständnis. Zum einen musste das Worldwide Team zunächst verstehen, wie die Geschäfte in Deutschland abgewickelt werden. Dann konnte dem lokalen Team die Funktionsweise des Software-Paketes erklärt werden, welches den Geschäftsprozess unterstützt. Das Worldwide Team war hier schon erfahrener, da deren Mitglieder sich bereits mehrmals auf lokale Teams einstellen mussten. Dieser Prozess lief allerdings nicht ausschließlich sequentiell ab, sondern teils parallel, teils sequentiell. Dabei gab es zahlreiche Rückmeldeschleifen formaler und informaler Art. In den ersten Monaten der Zusammenarbeit entwickelten die Projektmitglieder auf diese Art ein gemeinsames Verständnis dafür, was mit dem Projekt erreicht werden soll. In einer Gruppendiskussion mit dem lokalen Team wurde das Wissen, dass in diesem Projekt vorliegt, eher als explizit beschrieben. In Workshops und persönlichen Besprechungen, so die einhellige Meinung, versteht man sich am Besten. Bezüglich der Anteile an implizitem Wissen im Team herrschte geteilte Meinung. Interessanterweise waren die Mitarbeiter mit koordinierender Funktion eher der Meinung, dass es mehr implizites Wissen gibt, die anderen Mitarbeiter hielten das Wissen eher für explizit.
3.2
Fallstudie 2: Prozessentwicklung
HEPHAISTOS (High Electromagnetic Power Heating Automated Injected Structures Oven System) ist eine Verfahrenstechnologie zur Erhitzung von Werkstücken mittels Mikrowelleneinwirkung. Diese Technologie wurde in einer ersten Kooperation vom Forschungszentrum Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Institut für Flugzeugbau (IFB) der Universität Stuttgart, der Vötsch Industrietechnik GmbH und der EADS N.V. zu einem Verfahren für die Bearbeitung
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
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von Faserverbundwerkstoffen entwickelt. Dieses Verfahren wird aktuell in einer größeren zweiten Kooperation weiter erforscht. In dieser zweiten vom BMBF geförderten Kooperation sind neun Teilnehmer beteiligt. Dazu gehören aus der ersten Kooperation weiterhin das Forschungszentrum Karlsruhe, das IFB sowie die EADS. Neu hinzugekommen sind Hexion Specialty Chemicals GmbH, Porsche Engineering Group GmbH, SGL Carbon SE, Fritzmeier Composites GmbH, GKN Aerospace GmbH und die BASF AG. Die neuen Kooperationspartner bringen vor allem Werkstoff-Know-how und Anwendererfahrung in die Kooperation ein. Die Dauer der Kooperation um das Verfahren HEPHAISTOS und der Wechsel zwischen zwei Projekten haben es in dieser Fallstudie ermöglicht, die dynamische Veränderung der Wissensmerkmale zu beobachten. Mehrere Aspekte erschwerten die Kooperation und den Wissenstransfer in dieser Fallstudie. Beim Gegenstand der Kooperation handelte es sich um eine eher forschungsgetriebene Erfindung, für die eine Anwendung gesucht wurde. Die beteiligten Projektmitglieder waren stark regional im süddeutschen Raum verteilt. Es bestanden teilweise unterschiedliche Meinungen darüber, welche Ziele mit der ersten Kooperation verfolgt werden sollten. Im BMBF-geförderten zweiten Projekt existiert nun eine Kooperation, die alle wichtigen Schritte der Wertschöpfungskette für die Innovation abdeckt. Die an der ersten und zweiten Kooperation beteiligten Personen sind alle fachlich den Natur- und Ingenieurwissenschaften zuzuordnen. Es gibt hier zwar fachkulturelle Unterschiede zwischen den Chemikern und Ingenieuren, aber alle sind durchweg mit den Materialeigenschaften und dem Prozesskonzept vertraut. Der Wissenstransfer ist durch die zweite Kooperation stärker formalisiert worden, was ihn aber auch etwas eingeschränkt zu haben scheint, denn es kommt eher zum Austausch zwischen Teilnehmern mit ähnlichem fachlichem Fokus und weniger zwischen allen Teilnehmern. Die Kooperation gleicht einer ausführlichen Phase der Prototypenentwicklung und des Testens. Die formalen Anforderungen des BMBF haben zu regelmäßigen und häufigeren Treffen der Partner geführt, was dem Wissenstransfer und der Weiterentwicklung zugute kommen sollte.
3.3
Fallstudie 3: Produktentwicklung
Steigende Anforderungen in der Anwendung bringen das bisherige Bremssystem in der betroffenen Produktgruppe an ihre Leistungsgrenze. In dieser Fallstudie wurde eine Kooperation untersucht, die durch einen neuen Werkstoff die Leis-
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tungsfähigkeit einer Komponente des Bremssystems steigern konnte. Dieser neue Werkstoff war eine spezielle Variante eines bereits bekannten Werkstoffes, der mit Hilfe einer Modifikation eines bereits bekannten Fertigungsprozesses hergestellt wird. Diese F&E-Kooperation war ein primär bilaterales Projekt zwischen einem Institut einer großen deutschen Forschungseinrichtung und einem schweizerischen Unternehmen, das als Systemintegrator für das entsprechende Produkt fungierte. Als dritter wichtiger Partner wurde ein deutsches Unternehmen hinzugezogen, das sich auf technische Prozesse spezialisiert hatte, die zur Herstellung des neuen Werkstoffes erforderlich waren. Dieser dritte Partner vergab einen Teil seines Arbeitspaketes an ein weiteres deutsches Unternehmen, welches aber eher als Auftragnehmer und nicht als Partner in der Kooperation auftrat und deshalb nicht für die Zahl der Kooperationsbeteiligten berücksichtigt wird. Die aus der Kooperation entstandene Werkstoffentwicklung ist bereits erfolgreich im Einsatz, eine Verwendung in weiteren Anwendungsfeldern wird bearbeitet. Die Nutzung des neuen Werkstoffes als Komponente im Bremssystem wurde vom Forschungsinstitut in Zusammenarbeit mit dem Systemintegrator entwickelt. Die ursprünglichen Forschungen zum Werkstoff wurden vom Forschungsinstitut geleistet, das seit über 25 Jahren an Verfahren zur Herstellung der betreffenden Werkstoffklasse forscht. Auf einem Kongress trat der Systemintegrator mit dem Vorschlag einer gemeinsamen Werkstoffentwicklung an das Forschungsinstitut heran. Das Institut wurde aufgrund seiner Reputation in diesem Werkstoffbereich ausgewählt. Der Systemintegrator finanzierte noch im selben Jahr die Herstellung von mehreren alternativen Werkstoffvariationen durch das Forschungsinstitut, die dem Unternehmen dann für Tests und Kennwertermittlungen überlassen wurden. Die vom Forschungsinstitut geleistete Vorlaufentwicklung wurde vom Systemintegrator aufgegriffen und in eine gemeinsame Weiterentwicklung übergeleitet. Nach den Tests mit den Werkstoffvarianten vereinbarten der Systemintegrator und das Forschungsinstitut eine F&EKooperation für die Dauer von drei Jahren. Der eigentliche Technologietransfer zum dritten Partner der Kooperation begann bereits kurz nach Kooperationsbeginn, was dann im folgenden Jahr zum Start der Serienfertigung der Komponente führte. Der Systemintegrator lässt die Bauteile des Bremssystems inzwischen vom dritten Kooperationspartner produzieren und vom Forschungsinstitut prüfen. Die Kooperation in dieser Fallstudie begann unter gänzlich anderen Voraussetzungen als die in Fallstudie 2. Die Werkstoffklasse wird seit über 20 Jahren bearbeitet, und die Leistungsparameter sowie das Herstellungsverfahren sind
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
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bereits gründlich erforscht. Der Partner auf der Industrieseite trat an die Forschungseinrichtung mit einer konkreten Problemstellung heran und hatte seine Partnerwahl aufgrund der dokumentierten Kompetenzen des Forschungsinstitutes auf diesem Feld getroffen. Die Kooperation war klar strukturiert und es wurden angemessene Maßnahmen geplant und durchgeführt, um einen reibungslosen Wissenstransfer sicherzustellen. Insgesamt bietet diese Kooperation ein positives Beispiel für den Wissenstransfer in Projekten zu Werkstoffinnovationen.
4
Analyse der Wissensmerkmale in den Kooperationen
Ausgehend von den Aussagen in den Interviews und den beobachteten Workshops und Teamveranstaltungen wurde mit Hilfe des Instrumentes von Kohler (2008) zur Messung der Wissensmerkmale eine externe Bewertung der Fallstudien vorgenommen. Mit diesem Instrument werden die Wissensmerkmale mit fünf (Explizitheit) bzw. acht Items (Mehrdeutigkeit) auf einer fünfstufigen Bewertungsskala erfasst. Eine Bewertung von 1 bedeutet dabei maximal implizites bzw. äquivokes Wissen, eine Bewertung von 5 dagegen maximal explizites bzw. kanonisches Wissen. In Fallstudie 1 war das Wissen durch mittlere Explizitheit (durchschnittliche Bewertung 3,2) und geringe Mehrdeutigkeit, d.h. kanonische Merkmale (durchschnittliche Bewertung 3,9) gekennzeichnet. Eine Dokumentation der Projektinhalte ist mit vertretbarem Aufwand möglich. Da das Projekt noch in einer frühen Phase steht, ist dies aber erst zum Teil geschehen. Die Projektinhalte lassen sich dafür relativ gut durch Schulungen vermitteln, die Komplexität der Inhalte ist auf einem mittleren Niveau. Da allerdings viele Organisationseinheiten und sowohl Arbeitsprozesse als auch Software Gegenstand der Projektarbeit sind, ist dies nicht ohne weiteres durch Beobachtung zu verstehen. Das Projektteam ist sich größtenteils einig über die Projektaufgaben und Ziele. Im Detail haben das Team in Deutschland und die Kundenseite in Deutschland noch andere Zielvorstellungen. Das Gesamtkonzept des Projektes ist sehr ausführlich visualisiert und durchdacht. Die inhaltlichen Aspekte sind teilweise von der Unternehmenszentrale vorgegeben, nur ein Teil wird gemeinschaftlich abgestimmt. Trotz gewisser Abgrenzungen zwischen den einzelnen Gruppen im Projekt (Worldwide Team, lokales Team) war ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl zu beobachten. Auch die Ansicht, was mit dem Projekt bewirkt werden soll, wird von den meisten Projektmitgliedern geteilt. Die Bewertung der erwarteten Ergebnisse und die Prioritätensetzung dagegen
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sind, ebenfalls bedingt durch die Abgrenzungen zwischen den Gruppen, nur mäßig einheitlich. Die Aufgabenverteilung schließlich ist sehr klar vorgenommen worden und auch schriftlich fixiert. Es zeigte sich zunächst eine uneinheitliche Interpretation eines Teilaspektes des Projektes, die Mitglieder kamen aber recht schnell zu einer gemeinsamen Interpretation. Für Fallstudie 2 ist die externe Bewertung für die beiden Kooperationsphasen (erste Kooperation und BMBF-Projekt) getrennt durchzuführen, da sie sich hinsichtlich der Konfiguration deutlich unterscheiden. Dies ist auch die einzige Fallstudie, in der die Beurteilung nach der Wissensmetrik zu zwei verschiedenen Zeitpunkten vorgenommen werden konnte. Aus den oben wiedergegebenen Analysen der ersten Kooperation lässt sich mit Hilfe der Wissensmetrik ableiten, dass in dieser Kooperation eher implizites (durchschnittliche Bewertung 2,0) und äquivokes Wissen (durchschnittliche Bewertung 1,9) vorlag. Eine Dokumentation der Projektinhalte wäre nur mit erheblichem Aufwand möglich, da es sich um sehr komplexe Abläufe handelt. In der ersten Kooperation wurde eine solche Dokumentation nicht unternommen. Eine Vermittlung der Projektinhalte durch Schulungen scheint eher möglich zu sein, ist aber auch hier mit Aufwand verbunden. Ein Erlernen der Projektinhalte durch Beobachtung ist nahezu ausgeschlossen, da der Prozess durch sehr spezielle elektronische Steuerung geprägt ist. Des Weiteren bewirken das Zusammenspiel von Prozess und verwendetem Material eine ausgeprägte Komplexität des Projektinhaltes, was eine ausführliche Erläuterung durch die Fachleute notwendig macht. In der ersten Kooperation wurde deutlich, dass die Projektbeteiligten unterschiedliche Ziele verfolgen, die aber an dem gleichen Prozess ausgerichtet sind. Eine Visualisierung oder ein formaler Projektplan lagen hier nicht vor. Über die inhaltlich relevanten Aspekte kam es durchaus zum Austausch, aber nicht regelmäßig und strukturiert. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelte sich hier kaum, die Projektpartner schienen eher durch das gemeinsame Interesse an der Technologie verbunden. Darüber, was mit dem Projekt erreicht werden sollte, herrschten deutlich unterschiedliche Ansichten. Auch die Bewertung von Ergebnissen unterschied sich stark zwischen den Beteiligten. Entsprechend der unterschiedlichen Ziele zeigten sich auch bei den gesetzten Prioritäten in der Projektarbeit deutliche Differenzen. Die erste Kooperation zeigte die für eher implizites und äquivokes Wissen vermuteten Schwierigkeiten. Die Partner waren sich teilweise nicht einig über die zu verfolgenden Ziele, und ein Informationsaustausch wurde durch die räumliche Verteilung zusätzlich erschwert. Es kam zu Missverständnissen, die mit einigem Aufwand geklärt werden mussten.
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Im BMBF-Projekt haben sich die Wissensmerkmale gegenüber der ersten Kooperation verändert. Die Einschätzung nach den Interviews deutet auf Wissen mit mittlerer Explizitheit (durchschnittliche Bewertung 3,0) und Tendenz zu eher kanonischem Wissen (durchschnittliche Bewertung 3,5) hin. Im Gegensatz zu der ersten Kooperation wurde die Dokumentation durch den Projektantrag und die Berichtspflichten, die sich aus der Förderung durch das BMBF ergeben, verbessert. Auch die Vermittelbarkeit durch Schulung hat sich wesentlich verbessert. Die Beobachtbarkeit ist nach wie vor gering, dafür hat die Komplexität etwas abgenommen. Was sich wesentlich verändert hat, sind die einheitliche Sicht der Ziele und das dokumentierte Gesamtkonzept, ebenfalls bedingt durch die Dokumentierungspflichten gegenüber dem BMBF. Auch ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl hat sich nicht eingestellt, die Modularisierung der Aufgabenpakete hat hier anscheinend zu einer Aufspaltung in Fachgruppen beigetragen. Über die Wirkung des Projektes dagegen besteht dank der Zielformulierungen der Projektpartner mehr Einigkeit als zuvor. Trotz der regelmäßigen Projekttreffen werden Ergebnisse allerdings nach wie vor sehr unterschiedlich bewertet. Insgesamt haben hier die formalen Anforderungen des BMBF zu mehr Struktur und einer Kanonifizierung des Wissens geführt, es bestehen aber weitere Herausforderungen, die ihren Ursprung teilweise in der noch impliziten Natur des Wissens haben, und teilweise in der räumlichen Verteilung der Projektmitglieder und der Modularisierung der Aufgaben. In Fallstudie 3 war das Wissen in der F&E-Kooperation als eher implizit (durchschnittliche Bewertung 2,4) und weitestgehend kanonisch (durchschnittliche Bewertung 4,5) einzuordnen. Eine Dokumentation der Projektinhalte war teilweise möglich und ist auch bis zu diesem Ausmaß erfolgt, aber es wurden auch Trainings und Beratung durch Mitarbeiter des Forschungsinstitutes durchgeführt, um das Wissen über den Werkstoff und das Herstellungsverfahren direkt zu übertragen. Beobachtung alleine dagegen vermittelte kein Wissen über die erforderlichen Prozesse. Der Herstellungsprozess ist sehr komplex und dürfte nur für Fachleute bei Kenntnis lediglich der einzelnen Bestandteile nachvollziehbar sein. Die Projektziele und –aufgaben waren klar festgelegt, es gab hier, einer Auftragsforschung ähnlich, klare Verträge, die dies regelten. Entsprechend waren auch die Aufgaben der Projektmitglieder größtenteils festgehalten. Zu diesen Abmachungen kamen das Forschungszentrum und der Systemintegrator in gemeinsamen Besprechungen, wobei dem Systemintegrator als Auftraggeber eine leichte Dominanz vorbehalten war. Die Kooperation wurde positiv beschrieben, hier kann man von einem guten Zusammengehörigkeitsgefühl des Projektteams
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sprechen, begrenzt nur durch die unterschiedlichen Organisationszugehörigkeiten. Sehr einheitlich war auch die Einschätzung der Wirkung dieses Projektes, da eine konkrete Anwendung angestrebt wurde. Die Ergebnisse der Arbeiten wurden größtenteils einheitlich bewertet. Die Prioritäten in diesem Projekt waren allen Beteiligten klar, und auch die zu erledigenden Aufgaben und deren Verteilung waren durch die Verträge deutlich geregelt. Insgesamt wirkten die Wissensmerkmale wie erwartet. Das eher implizite Wissen machte eine aufwendigere Übertragung notwendig, aber die kanonische Art des Wissens erlaubte dies ohne größere Missverständnisse. Anhand der verwendeten Transfermethoden ist zu erkennen, dass den Beteiligten in der Kooperation bewusst war, dass es sich hier um eher implizites Wissen handelt, denn es wurden viele direkte Interaktionen wie Workshops und Schulungen durchgeführt, um die Ergebnisse von Versuchen zu besprechen und Inhalte zu vermitteln. Da das Wissen als kanonisch charakterisiert werden kann, reichten diese Maßnahmen aus, um gemeinsames Verständnis für die Inhalte der Kooperation zu entwickeln und das erzeugte Wissen anzuwenden. Abbildung 2 veranschaulicht die Ausprägung der Wissensmerkmale in den drei Fallstudien im Gesamtüberblick. Im Folgenden werden die Wirkungen der Wissensmerkmale in den Fallstudien dargestellt. In Fallstudie 1 wurden die Effekte einer verteilten Teamarbeit sehr deutlich und es zeigten sich Interpretationsdivergenzen zu einem Teilaspekt des Projektes, die zwar noch kein gänzlich äquivokes Wissen darstellten, aber Tendenzen hierzu aufwiesen. Dass diese ohne weitere Probleme aufgedeckt werden konnten, hatte das Projektteam der schon vor Projektbeginn stattgefundenen Vorbereitungsphase zu verdanken und dem Startworkshop des Projektes, in dem genau solche Unklarheiten eingehend und unter Einbezug aller relevanten Experten diskutiert werden konnten. So wurden die unterschiedlichen vorhandenen Interpretationen abgeglichen.
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Mehrdeutigkeit
äquivok
1
Fall 2 (1. Kooperation) 2
3
kanonisch
Fall 2 (2. Kooperation) Fall 1 4 Fall 3
5
4 explizit
3
2 implizit
1
Explizitheit
Abbildung 2: Beurteilung der Wissensmerkmale in den ersten drei Fallstudien In der zweiten Fallstudie waren zwei aufeinander folgende Kooperationen mit gleichem Inhalt zu beobachten. In der ersten Kooperation zeigten sich deutliche Hinweise auf äquivokes und implizites Wissen. Dies veränderte sich mit der zweiten Kooperation in Richtung von eher kanonischem und explizitem Wissen, bleibt aber zum Abschluss der Untersuchung weiter zwischen den Reinformen der Wissensmerkmale. Zusätzlich befand sich die Technologie noch im Entwicklungsstadium. Es handelte sich also um einen Technology-push Fall, in dem für eine an sich viel versprechende Erfindung eine industrielle Anwendung gesucht wird.21 Hier waren unterschiedliche Ansichten der beteiligten Kooperationspart21
Vgl. Chidamber/Kon (1994).
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ner zu beobachten. Die Forschungsseite hat mit einer sehr komplexen Erfindung einen Erfolg verbucht, für die Entwickler auf der Industrieseite muss dies aber noch weiter ausgearbeitet werden, um als Erfolg gelten zu können. In Fallstudie 3 lag dagegen deutlich kanonisches Wissen vor, das aber eher implizit war. Die zugrunde liegende Technologie war schon lange bekannt und auch industriell im Einsatz. Da es hier aber auch teilweise um das Wissen über den Prozess der Herstellung ging, war implizites Wissen auch eher zu erwarten. In der Kooperation war dann die Anpassung des Werkstoffes an eine spezifische Anwendung das Ziel. Die Kooperation wurde vom Industriepartner initiiert und auch gesteuert, es lag also ein Demand-pull Fall vor.22 Der Wissenstransfer selbst wurde gründlich geplant und machte sich verschiedene Transferkanäle zunutze. Insgesamt ist der Wissenstransfer in diesem Projekt sehr gut verlaufen. Es wurde für den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen erwartet, dass zum einen Wissen über das neu entwickelte Verfahren bzw. das neu entwickelte Material von der Forschungsseite an die Unternehmensmitarbeiter weitergegeben wird. Umgekehrt sollte ein Transfer von Wissen über Kundenanforderungen und Machbarkeit von Funktionen/Funktionalitäten in die Forschungseinrichtung hinein geschehen. Der Transfer der grundlegenden Technologie sollte dabei keine Schwierigkeiten bereiten. Trotz teilweise verschiedener Fachrichtungen war das gemeinsame Verständnis der Technologie so einheitlich, dass in den beobachteten Projekten zumindest oberflächlich betrachtet ein erfolgreicher Austausch stattfand. Im Detail zeigte sich aber, dass Teile der Verfahren bzw. Ergebnisse nicht erfolgreich an die Unternehmen weitergegeben wurden. Das Forschungsinstitut in Fallstudie 3 führt für den Systemintegrator die Qualitätsprüfung der Bremsbeläge durch. Dies ist zum einen in dem Entwicklungsstadium der Technologie begründet, zum anderen aber auch mit der Entscheidung, bestimmte Funktionen beim Forschungspartner zu belassen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Fallstdien 2 und 3 ist zudem, dass bei den Komponenten des Bremssystems in Fallstudie 3 eine Demand-pull Situation vorlag, beim Mikrowellenofen in Fallstudie 2 dagegen eine Technology-push Situation.23 Für die Komponente des Bremssystems gab es ein klar definiertes Problem, für das vom Systemintegrator eine Lösung gesucht wurde. Das resultierende Projekt war ein Detailprojekt, also die Arbeit an einem spezifischen, eng abgegrenzten Problem. Beim Mikrowellenofen dagegen ist ein neues Verfahren mit viel Potential entdeckt worden, für das aber noch nach einer Anwendung gesucht wird bzw. für das verschiedene Anwendungen getestet wer22 23
Vgl. Chidamber/Kon (1994). Vgl. Chidamber/Kon (1994).
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den. Entsprechend sollten hier unterschiedliche Methoden der Markterschließung bzw. des Wissenstransfers zur Anwendung kommen. Zusammenfassend lassen sich die Fallstudie 3 und teilweise die Fallstudie 1 als erfolgreicher Wissenstransfer beurteilen. Die Kooperation in Fallstudie 3 profitierte deutlich von günstigen Wissensmerkmalen, einem klar definierten Ziel der Kooperation und einer deutlichen Abgrenzungen zwischen den Aufgaben. In Fallstudie 1 lagen zwar etwas schwierigere Wissensmerkmale vor, dafür fand hier aber eine gründliche Vorbereitung des Transfers statt. Besonders der intensive zweiwöchige Workshop zu Beginn des Projektes trug zum Erfolg der Zusammenarbeit bei. Das Kooperationsteam in Fallstudie 2 dagegen hatte mit sehr schwierigen Wissensmerkmalen zu kämpfen. In dieser Kooperation gab es zudem anfangs keine feste Strukturen, was die zielorientierte Zusammenarbeit weiter erschwerte. In der BMBF-geförderten zweiten Kooperation lag eine stärkere Strukturierung durch die Anforderungen des BMBF vor, allerdings fand nach wie vor nur sehr selektive Kommunikation innerhalb von Teilgruppen des Teams statt. Der Einfluss von günstigen und weniger günstigen Rahmenbedingungen der Kooperation zeigte sich in allen Fallstudien. Hinzu kamen die Wissensmerkmale, die in den betrachteten Fallstudien recht unterschiedlich ausfielen. Eine Berücksichtigung dieser Merkmale kann die Erfolgsaussichten eines Kooperationsprojektes wahrscheinlich wesentlich verbessern.
5
Ergebnisse zur Wirkung der Wissensmerkmale
Im Folgenden werden die Wirkungen der beiden Wissensmerkmale und ihre dynamische Veränderung im Projektverlauf anhand der Fallstudien dargestellt. Neu sind hier vor allem die Erkenntnisse zur Mehrdeutigkeit des Wissens und zur Dynamik der Wissensmerkmale, die keineswegs so statisch sind, wie angenommen wurde. Für die beschriebenen Fallstudien werden zunächst nacheinander die Wirkungen der beiden Wissensdimensionen für sich diskutiert, abschließend wird auf die Interaktion der beiden Wissensdimensionen eingegangen und die dynamische Veränderung diskutiert.
5.1
Einfluss der Explizitheit auf den Wissenstransfer
In der ersten Fallstudie war mäßig kodifizierbares und vermittelbares, aber durchaus komplexes Wissen vorhanden. Somit kann das Wissen dort als ledig-
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lich tendenziell explizit beurteilt werden (Explizitheit 3,2). Die zahlreichen Dokumentationsaktivitäten24, die Handbücher und der rege Austausch von Dokumenten war mit mittlerem Aufwand verbunden. Für die komplexeren Wissensbestandteile, die nicht einfach dokumentiert werden konnten, wurden internationale Zusammenkünfte organisiert. Der Einfluss der Explizitheit zeigte sich somit in einem Arbeitsmodus, in dem typischerweise nach erster kurzer direkter Kommunikation Dokumente ausgetauscht wurden und bei Bedarf detaillierter über diese Dokumente gesprochen wurde. Die Arbeit an dem Projekt konnte entsprechend größtenteils verteilt stattfinden und war für das Unternehmen noch zu vertretbaren Kosten zu organisieren, was den Wissenstransfer an sich anging. In der zweiten Fallstudie wurde die Beurteilung des Wissens durch die beiden aufeinander folgenden Kooperationen erschwert, dafür ergaben sich aber auch interessante Einblicke in die Veränderung der Wissensmerkmale. Das Wissen in der ersten Kooperation war eher schwierig zu kodifizieren, mäßig lehrbar und relativ komplex, es lag eher implizites Wissen vor (Explizitheit 2,0). Es wurden nur wenige Dokumentationen erstellt und kommuniziert wurde hauptsächlich über Ergebnisse von Versuchsreihen. Dabei waren die Interaktionen zwischen den Partnern der ersten Kooperation sporadisch und von teilweise langen Pausen zwischen den Interaktionen unterbrochen, denn es wurde lediglich in unregelmäßigen Abständen im Rahmen von Diplom- und Doktorarbeiten weiter an dem Verfahren geforscht. Mit der zweiten Kooperation änderte sich dies, durch die erste Kooperation hatte sich das Wissen offenbar verändert. Hier war zwar das Wissen nach wie vor komplex und nur mit Aufwand lehrbar, aber es wurde schon stärker in Form von Berichten und Präsentationen kodifiziert. Es lag somit hier teils explizites, teils implizites Wissens vor (Explizitheit 3,0). Eine Schwierigkeit bei der Beurteilung des Wissens in dieser Fallstudie stellt die Projektfinanzierung als mögliche konfundierende Variable dar. Es könnte sein, dass der Grund für die geringe Dokumentationsaktivität in der ersten Kooperation nicht das implizite Wissen, sondern die geringe Finanzierung der Kooperation war. In der zweiten Kooperation war umfangreichere Finanzierung vorhanden, was ebenfalls die Kodifizierung des Wissens begünstigt haben könnte. Andererseits kann dies auch die hier gemachte Einschätzung des Wissens als prinzipiell implizit stützen, denn die Dokumentation dieses Wissens bedeutet höheren Aufwand, welcher in der ersten Kooperation nicht finanzierbar war. Das Wissen wurde als einigermaßen dokumentierbar eingeschätzt (Bewertung 3), wurde aber in der ersten Kooperation eher wenig tatsächlich dokumentiert (Be24
Dazu gehörten Protokolle von Sitzungen, Berichte, automatisch generierte Protokolle der Chats und Emailkorrespondenz.
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wertung 2). Der Wissenstransfer wurde durch das eher implizite Wissen in den beiden Kooperationen merklich erschwert. In der dritten Fallstudie schließlich lag Wissen vor, welches zwar sehr komplex war, aber auch mit mäßigem Aufwand vermittelt und dokumentiert werden konnte. Die Explizitheit wurde mit 2,4 bewertet, das Wissen ist als eher implizit einzuschätzen. In der Kooperation wurden verschiedene Aktivitäten wie Schulungen, Beratungsleistungen und Dokumentationserstellungen geplant und durchgeführt. Diese größtenteils auf Interaktion ausgelegten Wissenstransferaktivitäten verdeutlichen die eher implizite Eigenschaft des Wissens. Eine Interaktion beim Transfer war also erforderlich, um sicherzustellen, dass das Wissen tatsächlich im gewünschten Ausmaß an die Wissensempfänger übertragen wird. Trotz der eher aufwändigen Transfervorbereitung durch das tendenziell implizite Wissen gelang der Transfer in diesem Fall gut. Es waren der Wissensbeschaffenheit entsprechende Vorkehrungen getroffen worden. In den empirischen Untersuchungen zeigt sich somit, dass die Explizitheit die Schwierigkeit der Weitergabe des Wissens beeinflusst, da bei implizitem Wissen mehr Aufwand und Kosten zur Kodifizierung entstehen bzw. häufigere und länger dauernde persönliche Treffen notwendig sind. Explizitheit wirkte in den Fallstudien in der Vorbereitung des Wissenstransfers und auch beim eigentlichen Transfer. Die Ausprägungen der Explizitheit wirken dabei folgendermaßen. Implizites Wissen erfordert umfangreichere Aktivitäten zur Kodifizierung und stärkere Interaktion während der Transferaktivitäten. Bei explizitem Wissen dagegen fallen sowohl die Vorbereitungen als auch die Transferaktivitäten leichter, hier kann ein Großteil der Arbeit in verteilter Form geschehen.
5.2
Einfluss der Mehrdeutigkeit auf den Wissenstransfer
Mehrdeutigkeit ist gekennzeichnet durch Undeutlichkeit des Wissens, durch seine Komplexität, das Vorliegen von widersprüchlichen Wissensbestandteilen (Paradox), Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung und durch unklare Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen. Die Folge dieser negativen Ausprägung der Wissensmerkmale sind verschiedene Interpretationen des gleichen Wissens innerhalb des Teams. Gerybadze (2004) spricht in diesem Fall von äquivokem Wissen. Sind diese negativen Ausprägungen dagegen nicht vorhanden, so wird dies als kanonisches Wissen bezeichnet. Es ist angenommen worden, dass die Mehrdeutigkeit hauptsächlich auf die An-
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wendung des transferierten Wissens wirkt. In den Fallstudien hat sich allerdings gezeigt, dass auch die Wissenstransferaktivitäten durch dieses Wissensmerkmal beeinflusst werden können. In den Fallstudien 1 und 2 finden sich hierfür Beispiele. In Fallstudie 1 war es wegen der sehr unterschiedlichen Interpretation eines Teilaspektes notwendig, alle betroffenen Experten zusammenzubringen und dies zu diskutieren. Dabei konnte eine befriedigende Lösung gefunden werden, und erst dann konnte der Transfer fortgesetzt werden. In Fallstudie 2 bestand in der ersten Kooperation teilweise Unklarheit über die zu verfolgenden Ziele, hier hatten die Kooperationspartner voneinander abweichende Ansichten, die zunächst nicht besprochen wurden und das Vorankommen des Projektes erschwerten. Ergebnisse von Messungen wurden entsprechend der unterschiedlichen Ziele auch unterschiedlich bewertet. Erst in der anschließenden zweiten Kooperation wurden die Ziele offener diskutiert. Im Folgenden wird nun die Mehrdeutigkeit in den Fallstudien dargestellt. In der ersten Fallstudie war das Wissen eher kanonisch (Bewertung 3,9), allerdings bestanden widersprüchliche Informationen zu einem Teilaspekt des zu transferierenden Wissens. Dies führte zunächst zu Missverständnissen im Team, die eine Klärung erforderlich machten. Hier wurde die Äquivokalität des Wissens noch in der Transferphase in einem gemeinsamen Workshop aufgedeckt und behoben. Spätestens in der Anwendung des transferierten Wissens hätten die unterschiedlichen Interpretationen zu Schwierigkeiten geführt bzw. deutlich werden müssen. Dass das gesamte Team zum Workshop zusammen gekommen war, half hier, die Äquivokalität des Wissens aufzudecken und durch Kommunikation im Team zu verändern. Bei der ersten Kooperation der zweiten Fallstudie wurde die Mehrdeutigkeit mit lediglich 1,9 bewertet, das Wissen war zunächst als eher äquivok einzuordnen. Die Messergebnisse an der Versuchsanlage wurden von den unterschiedlichen Partnern der Kooperation unterschiedlich bewertet und es herrschte hier keine Einigkeit darüber, wie die Technologie weiter zu verfolgen sei, auch wenn alle Beteiligten die Technologie weiter bearbeiten wollten. In der zweiten Kooperation ist auch dank der Erkenntnisse aus der ersten Kooperation ein deutlicher kanonisches Wissen vorhanden (Bewertung 3,5). Eine Klärung der unterschiedlichen Bewertungen der Messergebnisse scheint stattgefunden zu haben, denn ein Großteil der Projektpartner beurteilt dies nun einheitlich. Dieses Wissensmerkmal wurde allerdings von erschwerenden Rahmenbedingungen begleitet. Die Projektteams in beiden Kooperationen waren stark verteilt organisiert, und in beiden Fällen schien die Interaktionshäufigkeit nicht den vorliegenden Wissensmerkmalen angemessen.
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In der dritten Fallstudie dagegen war das Wissen überwiegend kanonisch, die entsprechende Bewertung ergab einen Wert von 4,5. Es zeigten sich keine abweichenden Interpretationen des Wissens im Verlauf des Wissenstransfers oder in der Anwendung. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die zugrunde liegende Technologie seit über zwei Jahrzehnten eingesetzt wird. Im Gegensatz zu dem ersten Fall, in dem ein neuer Prozess eingeführt werden sollte, und dem zweiten Fall, in dem eine neuartige Prozesstechnologie bearbeitet wurde, geht es im dritten Fall zudem um ein Produkt mit klar abgegrenztem Einsatzbereich und definierten Eigenschaften. Insgesamt wurde dieser Wissenstransfer von allen Beteiligten als sehr positiv beschrieben. Mehrdeutigkeit wirkt also auch, wie hier deutlich wurde, auf die Aktivitäten während des Wissenstransfers und kann bei guter Organisation dieser Aktivitäten bereits in dieser Phase bearbeitet werden. Entsprechend kann die Konzeption des Wissenstransfers unter Berücksichtigung der beiden Wissensmerkmale noch erweitert werden. In den drei Phasen des Wissenstransfers (Vorbereitung, Transfer, Anwendung), die auch von den Rahmenbedingungen des Transfers beeinflusst werden, wirken die beiden Wissensmerkmale zeitlich versetzt. Explizitheit wirkt auf die Vorbereitung des Wissenstransfers, Mehrdeutigkeit auf die Anwendung des transferierten Wissens, und beide Wissensmerkmale beeinflussen die Wissenstransferaktivitäten. Äquivokes Wissen wird dabei dazu führen, dass verstärkt Missverständnisse auftreten und die Kommunikation durch die vorliegenden abweichenden Interpretationen des Wissens erschwert wird. Bei kanonischem Wissen dagegen besteht ein einheitliches Verständnis des Wissens und der Transfer wird wenig durch Missverständnisse erschwert.
5.3
Dynamische Betrachtung der Wissensmerkmale im Projektverlauf
Nach der Konzeption von Gerybadze (2004) wirken die beiden Wissensmerkmale der Explizitheit und der Mehrdeutigkeit zumindest kumulativ zusammen. Nach der Zusammenfassung der in den Fallstudien beobachteten Effekte der Wissensmerkmale wird hier außerdem von einer eher sequentiellen Wirkung über den zeitlichen Verlauf eines Projektes ausgegangen. Dabei verändern sich die Wissensmerkmale anscheinend teilweise dynamisch mit der Laufzeit des Projektes. Diese dynamische Veränderung ist bisher so nicht berichtet worden. Über ein gesamtes Projekt betrachtet bedeutet das, dass wahrscheinlich zunächst
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die Schwierigkeiten mit implizitem Wissen auftreten werden, gefolgt von den Schwierigkeiten mit äquivokem Wissen, falls diese Wissensmerkmale so vorliegen sollten. Eine Feldstudie zu dem von Kohler (2008) vorgestellten Messinstrument für die Wissensmerkmale lieferte erste Anstöße für die Überlegung, dass die Wissensmerkmale nicht statisch sind, sondern sich mit der Zeit verändern können.25 In der Feldstudie waren zehn Projekte, die schon relativ weit fortgeschritten waren und teilweise kurz vor dem Abschluss standen, untersucht worden. Hier war mit dem Messinstrument kein Projekt gefunden worden, das deutlich äquivokes Wissen aufwies. Hochgradig implizites Wissen konnte mit dem Messinstrument ebenfalls in dieser Stichprobe nicht nachgewiesen werden. Bei einer solchen Anzahl von Projekten war erwartet worden, zumindest in einem Teil der Stichprobe deutlich äquivokes und implizites Wissen zu finden. Dass dies nicht der Fall war veranlasste die Vermutung, dass sich die Wissensmerkmale in den Projekten mit der Projektdauer verändert haben könnten. Auch in den Fallstudien, besonders in der zweiten Fallstudie, waren Anzeichen für einen Veränderung der Wissensarten von eher implizitem und äquivokem hin zu eher explizitem und kanonischem Wissen zu erkennen. Es ist in Zukunft eine genauere Betrachtung dieser möglichen Wissensveränderungen notwendig. Zwei Prozesse spielen dabei eine wesentliche Rolle. Es geschieht vermutlich zum einen eine zunehmende Kodifizierung und damit Explizierung des Wissens, und zum anderen eine zunehmende Kanonisierung des Wissens im Verlauf der Interaktion in dem Projekt. Das Wissenstransferprojekt stimuliert eine intensive Beschäftigung mit dem zu transferierenden Wissen und regt eine Kodifizierung an, da dies den Wissenstransfer üblicherweise erleichtert und auch den Austausch über das Wissen fördert. Die Kodifizierungsaktivitäten sind dabei wahrscheinlich konzentriert auf die Vorbereitung und einen Teil des eigentlichen Wissenstransfers und dürften danach abnehmen. Mit Beginn der Wissenstransferphase steigt dann die Interaktionsintensität zwischen den beteiligten Projektpartnern und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass abweichende Interpretationen des Wissens aufgedeckt werden. Dadurch verändert sich zeitversetzt sowohl das Ausmaß an implizitem Wissen als auch an äquivokem Wissen. Idealerweise wird das Wissen mit erfolgreicher andauernder Zusammenarbeit zunehmend explizit und kanonisch. Der daraus folgende Verlauf der dynamischen Veränderung der Wissensmerkmale ist in Abbildung 3 dargestellt. Der sequentielle Ablauf der Kodifizierungs- und Interpretationsaktivitäten im Projekt würde 25
Vgl. Gresse (2009).
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
191
bedeuten, dass sich zunächst das Wissensmerkmal der Explizitheit verändert, und erst zeitversetzt das Wissensmerkmal der Mehrdeutigkeit. Dies bedeutet auch, dass zu einem frühen Zeitpunkt im Projektverlauf das Wissen durchaus deutlich implizit und äquivok sein kann, ohne das dies ein Anzeichen für Schwierigkeiten ist. Hier kann es nun zu zwei Entwicklungen bzw. Veränderungen kommen. Entweder die beteiligten Projektpartner entwickeln ein gemeinsames Verständnis für das äquivoke Wissen, indem sie Interpretationen abgleichen und Missverständnisse ausräumen. Dabei entsteht wahrscheinlich auch symmetrisches Kontextwissen. Oder das Wissen selbst wird dergestalt verändert, dass es weniger äquivok ist. Dies kann geschehen durch die Erweiterung des betreffenden Wissens um Bestandteile, die die Mehrdeutigkeit reduzieren und das Wissen eindeutiger machen. Im ersten Fall ist das Wissen zwar unverändert, aber für die am Wissenstransfer Beteiligten verständlich, jedoch nicht für Dritte. Im zweiten Fall verändert sich das Wissensmerkmal und das Wissen wird vollständig kanonisch und damit auch für Dritte verständlicher.
100 % Anteil explizites / kanonisches Wissen 0%
explizites Wissen
Vorbereitung
kanonisches Wissen
Transfer
Anwendung Zeit
Abbildung 3: Dynamische Veränderung der Wissensmerkmale
6
Diskussion und Ausblick
Die Wissensmerkmale zeigten in den Fallstudien die erwartete Wirkung. Implizites Wissen erschwerte die Weitergabe des Wissens und äquivokes Wissen führte zu Missverständnissen und Schwierigkeiten mit der Interpretation des
192
Christopher Gresse
Wissens. Es war davon ausgegangen worden, dass die Explizitheit in der Vorbereitungsphase wirkt und die Mehrdeutigkeit in der Anwendungsphase des Wissens. Durch die Fallstudien wurde deutlich, dass die Wirkung beider Wissensmerkmale sich auch auf die Transferphase erstreckt. Ausgehend von den Fallstudien scheint es so, dass die beiden Wissensmerkmale zeitlich versetzt wirken: zunächst stärker die Explizitheit in der Vorbereitungsphase und während der Transferaktivitäten, dann in der Transferphase und der Anwendungsphase stärker die Mehrdeutigkeit. Zudem konnte ein dynamischer Aspekt der Wissensmerkmale beobachtet werden. Diese Betrachtung wurde durch die zunächst nicht den Erwartungen entsprechenden Ergebnisse der Feldstudie mit dem Messinstrument angestoßen.26 Mit dem Zeitverlauf veränderte sich die Explizitheit des Wissens in der ersten und zweiten Fallstudie von eher implizit zu eher explizit. In der dritten Fallstudie war das Wissen bereits eher explizit, daher war hier keine große Veränderung zu beobachten. Auch die Mehrdeutigkeit zeigte im Projektverlauf Anzeichen von Veränderung von eher äquivokem hin zu kanonischem Wissen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind mit einigen Einschränkungen verbunden. Erstens wurde lediglich eine sehr kleine Fallzahl qualitativ untersucht. Dies war erforderlich, weil zu dem Wissensmerkmal der Mehrdeutigkeit noch wenige konzeptionelle Arbeiten vorliegen. Die Erkenntnisse dieser qualitativen Herangehensweise ermöglichen nun eine verstärkt quantitative Untersuchung des Wissensmerkmals der Mehrdeutigkeit. Zweitens konnte auf Wunsch der untersuchten Unternehmen und Organisationen keine direkte quantitative Erfassung der Wissensmerkmale mit dem vorliegenden Instrument erfolgen. Auch wenn die entsprechende Auswertung der Interviews eine recht gute Einschätzung der Wissensmerkmale anhand der Skalen erlaubt hat, bleibt fraglich, ob nicht eine Erfassung mittels eines Fragebogens bei allen beteiligten Projektmitarbeitern noch genauere Ergebnisse hätte liefern können. Für die weitere Forschung zu den Wissensmerkmalen ist es erforderlich, mit Hilfe von spezifischen Messinstrumenten sowohl für die Wissensmerkmale als auch für die Rahmenbedingungen der Kooperationen als mögliche konfundierende Variablen eine größere Anzahl von Kooperationsprojekten zu untersuchen. Vor allem eine Längsschnittstudie, in der die Projekte zu mehreren Messzeitpunkten mit den entsprechenden Instrumenten analysiert werden, könnte genauere Erkenntnisse über die dynamische Veränderung der Wissensmerkmale erbringen. 26
Vgl. Gresse (2009).
Wirkung der Wissensmerkmale auf den Wissenstransfer in F&E-Kooperationen
193
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Entwicklung von Kundenintegrationskompetenz – Eine Analyse am Beispiel von Innovationspartnerschaften
1
Problemstellung.................................................................................... 197
2
Begriffliche Präzisierung von Kundenintegrations-Kompetenz........... 199
3
Grundlegende Elemente der KundenintegrationsKompetenz............................................................................................ 202 3.1 (Kundenspezifisches) Wissen als Grundelement der Kundenintegrations-Kompetenz................................................ 202 3.2 (Kundenspezifische) Regeln als Ordnungsrahmen der Kundenintegrations-Kompetenz ......................................... 204 3.3 (Kundenspezifische) Routinen als Grundlage der Wiederholbarkeit und Nicht-Zufälligkeit der Kundenintegrations-Kompetenz................................................ 206 3.4 Das „organisationale Ambiente“ als unternehmerischer Hintergrund für die Kompetenzentwicklung............................................................. 208 3.5 Zusammenspiel der grundlegenden Elemente einer Kundenintegrations-Kompetenz................................................ 210
4
Mechanismen des (gezielten) Aufbaus einer KundenintegrationsKompetenz............................................................................................ 212 4.1 Individuelle Lernprozesse als Grundlage der Kompetenzentwicklung............................................................. 212 4.2 „Absorptive Capacity“ als Grundlage der Kompetenzentwicklung............................................................. 213
196
Julia Vesshoff/Jörg Freiling
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 5
Wissensakquisition ........................................................ 215 Wissensassimilation....................................................... 216 Wissenstransformation................................................... 217 Wissensexploitation ....................................................... 218
Fazit...................................................................................................... 219
Literatur ........................................................................................................... 221
Entwicklung von Kundenintegrationskompetenz
1
197
Problemstellung
Kompetenzbasierter Wettbewerb ist in besonderer Weise durch folgende Merkmale gekennzeichnet (ähnlich Hamel/Prahalad 1994): 1. Aufgrund der langen und im Ergebnis unsicheren Entwicklung von Kompetenzen werden zumeist lange Zeiträume der Betrachtung zu Grunde gelegt. 2. Betrachtet man Kompetenzen als Wurzel von Wettbewerbsvorteilen, so wohnt Kompetenzen ein besonderes Gestaltungspotenzial von Märkten inne. Je frühzeitiger es gelingt, Kompetenzen zu entwickeln, desto größer sind die Aussichten unstrukturierte Märkte nach eigenen Vorstellungen zu formen. Vor diesem Hintergrund findet der sog. „vormarktliche Wettbewerb“ Betonung, der insbesondere im dreiphasigen Wettbewerbsmodell von Hamel und Prahalad (1994) diskutiert wird. Abbildung 1 vermittelt einen Überblick über dieses Modell. Durch den Ideenwettbewerb in der ersten Phase werden noch unstrukturierte Märkte mit ersten leistungsrelevanten Konzepten versehen, die in den nachfolgenden Abschnitten die weiteren Schritte lenken. M.a.W. werden durch unternehmerisches Handeln erste Orientierungspunkte gesetzt, die für alle Marktteilnehmer richtungsweisend werden können. Die in dieser Phase zu erarbeitenden Strategischen Architekturen werden zum Teil unter Antizipation der Entwicklung der Kundenbedürfnisse entwickelt, zum Teil aber auch im Wege einer direkten Einbeziehung von „Pilotkunden“. Folgt man dem idealtypischen Modell in die zweite Phase, so geht es hier um die Umsetzung der Strategischen Architektur nebst begleitender Kompetenzentwicklung. Dieser vormarktliche Wettbewerbsabschnitt führt im Ergebnis von der Invention der ersten Phase zur Innovation gegen Ende dieser Phase. Er ist in besonderer Weise auf eine Abstimmung zwischen Anbieter und dem einzelnen Nachfrager angewiesen, wenn die Innovation marktnah sein soll, etwaige Innovationsimpulse des Nachfragers aufzunehmen und die Transaktionen in der Marktphase sinnvoll vorzubereiten sind. Die Betrachtung zeigt, dass die Einbeziehung des einzelnen Nachfragers in den Innovationsprozess für den Kompetenzaufbau und den Innovationserfolg zentral sein kann. Die positiven Wirkungen der Integration von Kunden in die eigenen Innovationsprozesse sind in den vergangenen Jahren im Rahmen zahlreicher Beiträge analysiert und empirisch bestätigt worden (Gruner/Homburg 2000; Enkel et al. 2005; Steinhoff 2006; Reichwald et al. 2007; Steen et al. 2007). Insgesamt lässt sich ein deutlicher Wandel von geschlossenen, unternehmungsinternen hin zu offenen, von partnerschaftlichen Aktivitäten geprägten
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Julia Vesshoff/Jörg Freiling
Innovationsprozessen1 konstatieren (Chesbrough 2003; Rigby/Zook 2003) – trotz zum Teil großer Vorbehalte, mit denen viele Unternehmen dem sensiblen Thema der Innovationskooperation begegnen. Dies erfordert jedoch anbieterseitige Kompetenzen, den Kunden in den Innovationsprozess des Anbieters einzubinden. Intellectual Leadership Gaining industry foresight by probing deeply into industry drivers. Developing a creative point of view about the potential evolution of: functionality core competencies customer interface Summarizing this point of view in a „strategic architecture”.
Management of Migration Paths
Competition for Market Share
Preemptively building core competencies, exploring alternate product concepts, and reconfiguring the customer interface.
Building a worldwide supplier network.
Assembling and managing the necessary coalition of industry participants.
Preempting competitors in critical markets.
Forcing competitors onto longer and more expensive migration paths.
Crafting an appropriate market positioning strategy.
Maximizing efficiency and productivity. Managing competitive interaction
Abbildung 1: Das dreiphasige Wettbewerbsmodell von Hamel und Prahalad (1994, S. 47) Derartige Kompetenzen zur Kundenintegration, Letztere verstanden als die zeitlich begrenzte Mitwirkung des einzelnen Kunden (als Person, aber auch mittels Objekten und Informationen) an der Wertschöpfung dienenden Prozessen des Anbieters (Engelhardt et al. 1993), sind in der Literatur bislang nur äußerst sporadisch im Kontext kompetenzorientierter Forschung untersucht worden (wohl aber ansatzweise bei Iansiti/Clark 1994; Wallin 1997; Jacob 2003; Lettl 2007; Steinhoff 2008). Die Forschungslücke um Kundenintegrationskompetenz besteht in besonderer Weise im Innovationsbereich, woran der hier vorliegende Beitrag ansetzt. Zielsetzung ist zu erforschen, welche Kompetenzen die integrierende Unternehmung benötigt, um die Vorteile der Kundenintegration zu erschließen 1
Als Innovationsprozess wird im Folgenden derjenige Prozess bezeichnet, den eine neuartige Problemlösung von der Ideenfindung über die Produktentwicklung bis hin zur Markteinführung oder Verwendung in der eigenen Unternehmung durchläuft (Weise 2007: 12).
Entwicklung von Kundenintegrationskompetenz
199
und gleichzeitig die – mit jeder Kundenintegration einhergehenden – Reibungsverluste zu minimieren, um so die integrativen (Innovations-) Prozesse so effizient und effektiv wie möglich zu gestalten. Ziel des Beitrags ist es daher erstens, durch die Konzeptualisierung einer sog. „Kundenintegrationskompetenz“ (im Innovationskontext) eine Grundlage für die Erforschung ihrer Wirkungen zu schaffen und einen Beitrag zur Schließung der beschriebenen Forschungslücke zu leisten. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Wirkung auf die erfolgsbezogenen Größen über den Aufbau anbieterseitiger Kompetenz im Umgang mit den betreffenden Einzelkunden vollzieht. Für die Zwecke des Beitrags erfolgt daher zweitens eine Fokussierung auf die Fragestellung, wie die Entwicklung und Nutzung kundenbezogener Kompetenz die Bewältigung von Herausforderungen der Kundenintegration in den Innovationsprozess unterstützt. Zur Betrachtung dieser Fragestellung wird der kompetenztheoretische Ansatz mit seinen Ursache-/Wirkungs-Beziehungen zu Grunde gelegt (Teece et al. 1997; Helfat et al. 2007; Freiling et al. 2008b). Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Nach einer Einführung in die Problemstellung sowie Vorstellung von Zielsetzung und Aufbau des Beitrags (Abschnitt 1) wird das Erfahrungsobjekt der Arbeit, die Integration von Kunden in die Innovationsprozesse eines Anbieters, aufgearbeitet. Ausgehend von einer kurzen terminologischen Diskussion (Abschnitt 2), erfolgt eine eingehende Darstellung der Aufbau- und Unterstützungselemente einer Kundenintegrationskompetenz (Abschnitt 3). Auf dieser Basis werden Mechanismen des gezielten Aufbaus einer Kundenintegrationskompetenz vorgestellt (Abschnitt 4). Dabei ist zu betonen, dass eine derartige Kompetenz nicht zwangsläufig intentional entwickelt werden muss, sondern auch auf emergentem Wege entstehen kann. Der Beitrag schließt in Abschnitt 5 mit einem Fazit, welches die Implikationen der Arbeit für Wissenschaft und Praxis zusammenfasst und einen Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf in diesem Feld gibt.
2
Begriffliche Präzisierung von KundenintegrationsKompetenz
Basierend auf dem Kompetenzverständnis nach Freiling et al. (2006: 57) bezeichnet die auf die Innovationstätigkeit bezogene Kundenintegrationskompetenz das wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotenzial eines Anbieters, die vom
200
Julia Vesshoff/Jörg Freiling
Nachfrager zeitlich begrenzt bereit gestellten externen Faktoren sowohl effektiv als auch effizient in die eigenen betrieblichen (Innovations-) Prozesse zu integrieren. Zum eindeutigen Verständnis dieser Definition erscheinen zwei zusätzliche Anmerkungen sinnvoll: Zunächst ist in Bezug auf die vorgestellte Definition von Kundenintegrations-Kompetenz anzumerken, dass sie – durch die Einschränkung auf die Innovationsprozesse des Anbieters – bereits eine Anpassung an das Erfahrungsobjekt dieses Beitrags erfahren hat. Kundenintegration kann generell auf nahezu jeder Stufe der betrieblichen Wertschöpfungskette erfolgen. Dementsprechend ließe sich die Kundenintegrations-Kompetenz in einer allgemeinen Fassung auf die (effiziente und effektive) Gestaltung jeglichen integrativen Prozesses beziehen. Da in dieser Arbeit aber eine Fokussierung auf integrative Innovationsprojekte erfolgt, wird auch die genutzte Definition auf die Betrachtung von Innovationsprozessen beschränkt. Weiterhin lässt die Definition erkennen, dass die KundenintegrationsKompetenz auf zwei Bezugsgrößen wirkt: Eine hohe Integrationseffektivität bedeutet, dass sich für den Anbieter durch die Kundenintegration eine hohe Wirksamkeit ergibt. Eine hohe Integrationseffizienz liegt dann vor, wenn die mit einer Kundenintegration einhergehenden Reibungsverluste im Sinne eines verschwendungsarmen Prozessablaufs für den Anbieter weitestgehend reduziert werden. Zum Zwecke eines erfolgreichen integrativen Innovationsprozesses ist für den Anbieter sowohl eine hohe Integrationseffektivität als auch eine hohe Integrationseffizienz zu gewährleisten. Für die Erreichung beider Zielgrößen wird die Entwicklung einer ausgeprägten Kundenintegrations-Kompetenz als notwendig erachtet, was sich auf die Argumentationslogik der kompetenzbasierten Theorie der Unternehmung gründet (Freiling et al. 2006 und 2008b). Dieser Argumentation zufolge steuern Kompetenzen das Wertschöpfungssystem einer Unternehmung im Sinne einer effizienten Marktzufuhr und effektiver Marktprozesse durch die Nutzung und Weiterentwicklung der Ressourcen- und Kompetenzbasis. Es ist jedoch anzumerken, dass die beiden Zielgrößen nicht vollständig unabhängig voneinander sind. So kann insbesondere eine hohe Effizienz, d.h. die erfolgreiche Vermeidung von integrationsbedingten Störungen und Problemen während des integrativen Prozesses, dazu führen, dass der Anbieter seine mit der
Entwicklung von Kundenintegrationskompetenz
201
Integration verfolgten Ziele besser erreichen kann und dementsprechend auch die Erreichung einer hohen Integrationseffektivität erleichtert wird. Auch der umgekehrte Fall des positiven Einflusses einer hohen Effektivität auf die Effizienz ist denkbar. So kann zum Beispiel die (Über-)Erfüllung gesetzter Zwischenziele im Innovationsprozess dazu führen, dass es in der Folge zu weniger Konflikten und Problemen zwischen den beteiligten Parteien kommt. Unabhängig von diesen Einflüssen wirkt die Kundenintegrations-Kompetenz jedoch auch direkt auf beide Zielgrößen. Abbildung 2 stellt diese Wirkungsbeziehungen graphisch dar.
Abbildung 2: Wirkungsbeziehungen der Kundenintegrations-Kompetenz Die Kundenintegrations-Kompetenz kann den „Dynamic Capabilities“ (Teece et al. 1997; Eisenhardt/Martin 2000; Helfat et al. 2007) zugerechnet werden. Darunter wird „the firm’s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments” (Teece et al. 1997: 516) verstanden. Genau diese Steuerung des Zusammenspiels von eigenen und kundenseitigen Ressourcen und Kompetenzen zur Sicherstellung von Wettbewerbsfähigkeit in hoch dynamischen Umfeldern ist zentrales Aufgabengebiet der Kundenintegrations-Kompetenz. Noch deutlicher wird die Zuordnung der Kundenintegrations-Kompetenz zu den „Dynamic Capabilities“ insbesondere im hier betrachteten Innovationskontext, wenn man „Dynamic Capabilities“ als Mechanismus zur Schaffung neuen Wissens versteht (Henderson/Cockburn 1994). Zu diesem Zweck sind der Zugang zu unternehmungsexternen Wissensquellen
202
Julia Vesshoff/Jörg Freiling
sowie damit einhergehende Lernprozesse höherer Ordnung unabdingbar (Leonard-Barton 1998). Im Folgenden wird nun dargestellt, welche Elemente die Kompetenz rekrutiert und über welche Mechanismen sie gezielt aufgebaut werden kann.
3
Grundlegende Elemente der KundenintegrationsKompetenz
Eine erste Annäherung an die Grundelemente der KundenintegrationsKompetenz kann über die o.g. Definition erfolgen. Diese beinhaltet drei zentrale Faktoren, die die Kompetenz bestimmen: 1. Die Kompetenz beruht auf der Nutzung eines bestimmten Wissens, 2. sie wird durch die Einhaltung bestimmter Regeln geleitet, 3. sie ist wiederholbar, d.h. sie kann immer wieder abgerufen werden und beruht folglich nicht auf Zufall. Diese unterschiedlichen Bestimmungsfaktoren erlauben vertiefte Einblicke in das Wesen der Kompetenz und werden in den folgenden Abschnitten einzeln beschrieben und analysiert.
3.1
(Kundenspezifisches) Wissen als Grundelement der Kundenintegrations-Kompetenz
Wie der oben genannten Definition entnommen werden kann, beruhen Kompetenzen immer auf Wissen bzw. auf der Nutzung von Wissen durch die handelnden Akteure. Wissen wird in dieser Arbeit verstanden als „die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden“ (Probst et al. 2006: 22).
Die Definition macht deutlich, wo die Trennlinie zwischen Wissen und Information zu ziehen ist: Während Informationen personenunabhängige Bestandteile des Wissens darstellen, die – im Gegensatz zu Zeichen und Daten – jedoch bereits einen kontextspezifischen Hintergrund aufweisen, entsteht Wissen erst durch beim Individuum einsetzende Vernetzungsprozesse mit dessen bisherigem
Entwicklung von Kundenintegrationskompetenz
203
individuellen Wissen. Wissen ist aufgrund der unterschiedlichen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Individuen folglich personenabhängig und singulär ausgeprägt (Hansen 2009; Al-Laham 2003). Um den Kunden effizient und effektiv integrieren zu können, müssen sowohl explizite Kenntnisse über den Kunden und seine spezifischen Charakteristika (z.B. die Betriebsgröße, die Identität und Funktion der kundenseitigen Ansprechpartner) im Sinne eines „Know-that“ vorhanden sein als auch implizites Wissen z.B. bezüglich der Art, wie mit den Mitarbeitern des Kunden zu kommunizieren und umzugehen ist („Know-how“). Dabei ergeben sich folgende zwei Schnittlinien durch den Bereich des Wissens: Erstens müssen die Mitarbeiter des Anbieters kundenspezifisches Wissen über den individuellen Kunden akkumulieren. Dieses Wissen wenden sie dann kontextbezogen, d.h. im Verlauf der Kundenintegration, zielgerichtet an, um effizient und effektiv mit dem Kunden zusammenarbeiten zu können. Im Zeitverlauf erwächst daraus im Rahmen eines Lernprozesses weiteres Wissen über den Kunden und seine individuellen Spezifika, weshalb die Güte der Zusammenarbeit in der Regel mit zunehmender Dauer der Zusammenarbeit wächst. Dieses größtenteils implizite kundenbezogene Wissen der Anbietermitarbeiter stellt Anwendungswissen im Sinne der Systematisierung nach Heene (1993) dar. Dieser unterscheidet die folgenden vier aufeinander aufbauenden Beherrschungs- und Internalisierungsgrade von Wissen: Reproduktionswissen: Das Individuum kann das Wissen in gleicher oder ähnlicher Form wiedergeben. Erklärungswissen: Das Individuum kann das Wissen nicht nur wiedergeben, sondern auch erklären. Es ist sich der Ursache-Wirkungs-Beziehungen bewusst. Anwendungswissen: Das Individuum kann das Wissen im Rahmen eines bestimmten festgelegten Kontextes nutzen bzw. anwenden. Dies setzt wiederum das Verständnis von Ziel-Mittel-Beziehungen voraus. Integrationswissen: Das Individuum kann das Wissen durch eigenständige Modifikationen auf neue Anwendungskontexte übertragen. Während die ersten beiden Wissensformen größtenteils auf sog. Formalwissen expliziter Art beruhen, basieren Anwendungs- und Integrationswissen auf implizitem Wissen aus bereits selbst getätigten Erfahrungen, dem sog. individuellen Erfahrungswissen. Dieses legt als übergeordnete Wissensform die jeweilige Ausprägungsgüte der Anwendung und Integration fest, weshalb ihm eine besondere Bedeutung zukommt (Hansen 2009).
204
Julia Vesshoff/Jörg Freiling
Zweitens lernen die Anbietermitarbeiter durch die Kundenintegration auch neues kundenunspezifisches Wissen über die generellen Abläufe, Anforderungen und Probleme eines kundenintegrativen Prozesses hinzu, welches sie in nachfolgenden Integrationsvorgängen auf andere Kunden übertragen und für diese nutzen können. Dieses ebenfalls größtenteils implizite Erfahrungswissen der Mitarbeiter stellt folglich Integrationswissen im Sinne von Heene (1993) dar und bildet einen weiteren wichtigen Baustein der KundenintegrationsKompetenz.
3.2
(Kundenspezifische) Regeln als Ordnungsrahmen der Kundenintegrations-Kompetenz
Als zweites Grundelement der Kundenintegrations-Kompetenz werden in der Definition die Regeln genannt, durch die die Kompetenz geleitet wird. Regeln werden verstanden als Techniken oder verallgemeinerbare Verfahren zur Bewältigung des gesellschaftlichen Lebens (Giddens 1988) und zeichnen sich durch unterschiedliche Merkmale aus (Gilbert 2004): Sie haben einen konstitutiven Charakter, d.h. sie offenbaren etwas über Wesen bzw. Sinn des Regelgegenstandes (hier die Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Kunde); sie besitzen regulative bzw. sanktionierende Eigenschaften, die bestimmen, wie mit Regelabweichungen umgegangen wird; sie besitzen einen paradigmatischen Charakter, d.h. es besteht eine Lücke zu den konkreten Handlungen – diese Lücke muss von den Handelnden durch Anwendung der Regeln geschlossen werden, so dass es a priori nicht vorhersehbar ist, wie Regeln situativ zum Einsatz kommen und wie die Handelnden Akteure sie interpretieren (Ortmann 1999); sie liefern Prozeduren bzw. Algorithmen, mit denen sich situationsübergreifend Äußerungen, Handlungen oder Entscheidungen generieren lassen. Regeln liefern den Ordnungsrahmen für die soziale Interaktion, reduzieren die Komplexität des Handelns und bieten den Akteuren einen Orientierungsrahmen. In der betrieblichen Praxis existieren formale und informale Regeln zumeist in Form von komplexen Regelsystemen (z.B. formale Unternehmensverfassung und informale Unternehmenskultur). Diese Regeln sind die Grundlage für ein zielgerichtetes und proaktives unternehmerisches Handeln zur Erreichung einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit und beeinflussen die Grundhaltung aller in
Entwicklung von Kundenintegrationskompetenz
205
der Unternehmung beschäftigten Mitarbeiter. Sie sind in einem kompetenztheoretischen Verständnis der Unternehmung nach Sanchez und Heene (1996) Bestandteil der unternehmerischen „strategic logic“. Diese enthält die gemeinsame und fest verankerte Grundhaltung der Unternehmensleitung und der Mitarbeiter, wie die gesteckten Unternehmensziele erreicht werden sollen, und steuert folglich den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, wie die erkannten Marktchancen mit den verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen ausgeschöpft werden können (Sanchez et al. 1996). Bezogen auf die Kundenintegration geben die kompetenzleitenden Regeln den Ordnungsrahmen für die soziale Interaktion der Akteure auf Anbieter- und auf Kundenseite miteinander vor. Ähnlich wie im Falle des der Kompetenz zugrunde liegenden Wissens ergibt sich auch bezüglich dieser Regeln eine Zweiteilung: Zunächst existieren grundlegende, nur in Ausnahmefällen veränderte bzw. angepasste Grundregeln bezüglich des generellen Verhaltens gegenüber zu integrierenden Kunden. Diese Verhaltensregeln sind abhängig von den in einer Unternehmung generell vorherrschenden, in der „strategic logic“ verankerten Werten und Grundhaltungen (z.B. Vertrauen vs. Kontrolle, Offenheit vs. Geheimhaltung) und variieren folglich von Unternehmung zu Unternehmung. Sie stellen das grundlegende Regelwerk für die Zusammenarbeit mit allen Kunden dar und gelten unabhängig von den jeweiligen spezifischen Charakteristika des Kunden und der Situation der Zusammenarbeit. Neben diesen allgemeingültigen grundlegenden Kundenintegrationsregeln existieren außerdem für jede Kundenintegration spezifische Regeln, die nur für eine spezielle Zusammenarbeit mit bzw. Integration von einem individuellen Kunden (nebst seiner zu integrierenden Informationen und Objekte) gelten. Diese Regeln sind vor allem abhängig von in der Vergangenheit bereits gesammelten Erfahrungen mit dem Kunden. So gelten z.B. für die Zusammenarbeit mit einem Kunden, mit dem bereits eine längere vertrauensvolle Zusammenarbeit besteht, andere – möglicherweise weniger strenge – Regeln als für die Integration eines bislang unbekannten Kunden. Auch andere Faktoren wie z.B. die Reputation des Kunden, seine Marktstellung oder generelle Charakteristika wie sein Herkunftsland, seine Betriebsgröße o.ä. können Einfluss auf die Regeln zur Steuerung der Zusammenarbeit mit diesem Kunden nehmen. Die Erfahrungen, die im Rahmen der operativen Prozesse im Verlauf der Zusammenarbeit mit dem Kunden entstehen, führen im Zeitverlauf mitunter zu einer Anpassung der Regeln. So ist z.B. eine gewisse „Aufweichung“ der Regeln bzw. der Kontrolle ihrer Einhaltung im Zeitverlauf denkbar, wenn die Zusammenarbeit reibungslos
206
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verläuft und Vertrauensmechanismen zu greifen beginnen. Ebenso ist eine Verschärfung der Regeln möglich, wenn es zu Problemen im Rahmen der Kundenintegration z.B. durch opportunistisches Verhalten des Kunden oder durch Nicht-Einhaltung von Absprachen kommt. Generell ist festzuhalten, dass die kundenspezifischen und allgemeinen kundenunspezifischen Regeln der Kundenintegration einen weiteren Grundbaustein der Kundenintegrations-Kompetenz darstellen. Sie verleihen der Kundenintegration eine Governance-Struktur.
3.3
(Kundenspezifische) Routinen als Grundlage der Wiederholbarkeit und Nicht-Zufälligkeit der Kundenintegrations-Kompetenz
Die Wiederholbarkeit bzw. die Möglichkeit, die Kompetenz immer wieder abrufen und gezielt einsetzen zu können, ist ein weiteres konstituierendes Merkmal. Diese Wiederholbarkeit beruht in erster Linie auf dem Vorhandensein organisationaler Routinen. Als Routinen werden „regular and predictable patterns of activity which are made up of a sequence of coordinated actions by individuals” (Grant 1991: 122) bezeichnet. Diese „patterns of activity“ stellen teils kodifizierte, teils unkodifizierte Handlungsmuster („Blueprints“) dar, die als interpersonelle bzw. kollektive Speichermedien dienen und die Unternehmung mit einem Potenzial zur Verringerung von Prozess- und Planungsunsicherheit versehen (Freiling 2001). Die Möglichkeit einer gezielten und flexiblen Anpassung der Handlungsmuster an die jeweilige Situation – und im hier betrachteten Kontext an den jeweiligen Kunden und seine spezifischen Anforderungen – bleibt, wie später noch zu zeigen ist, jedoch gegeben. Die kollektiven organisationalen Routinen lassen sich im Sinne des methodologischen Individualismus auf den einzelnen handelnden Akteur zurückführen (Felin/Foss 2006). Sie entstehen, indem eine Gruppe von Individuen (in der Regel die Mitarbeiter eines Teams oder einer Unternehmung, hier jedoch in erster Linie die Mitarbeiter interorganisationaler Projektteams im Rahmen der Innovationskooperation) ihre Tätigkeiten in einer durch mehrfache Ausführung eingeübten Weise aufeinander abstimmen (Freiling 2001). Bezogen auf den Kontext dieses Beitrags ist das Erfahrungswissen der anbieterseitig handelnden Akteure über den integrierten Kunden und seine individuellen Bedürfnisse, Anforderungen, Ziele, organisationalen Strukturen, Strategien und Abläufe zentral für die Entwicklung partnerbezogener Routinen. Je mehr Wissen über bzw.
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Erfahrungen mit dem Kunden ein Anbieter bereits akkumuliert hat, desto stärker wird die Abstimmung der eingeübten Handlungsmuster auf den Partner und desto reibungsloser und verschwendungsärmer verläuft in der Regel die Zusammenarbeit. Diese Effizienzsteigerung basiert auf mit der Dauer der Zusammenarbeit steigenden Lern- und Erfahrungseffekten bei beiden Partnern. Das den Routinen zugrunde liegende Erfahrungswissen der Mitarbeiter verändert sich mit der Zeit im Sinne sog. „generativer Potenziale“ und in Abgrenzung zu erschöpflichen und regenerativen Faktoren (Moldaschl 2005). Der Beherrschungsgrad des Wissens durch die Mitarbeiter steigt, das Wissen wird impliziter und die Abläufe werden immer stärker durch die Mitarbeiter verinnerlicht und laufen folglich immer effizienter ab. Durch diese Prozesse gelangen auch die kundenbezogenen Routinen zunehmend zielgerichtet zum Einsatz. Routinen weisen demzufolge eine starke Zeitpfadbezogenheit auf. Sie entwickeln sich über einen längeren Zeitraum hinweg und können nicht „ad hoc“ implementiert werden. Darüber hinaus gilt, dass es schwieriger wird, eine Routine zu modifizieren bzw. neu auszurichten, je länger und intensiver sie entwickelt wurde (Nelson/Winter 1982). Dies verdeutlicht erneut den bereits mehrfach betonten Wert einer bereits etablierten vertrauensvollen Geschäftsbeziehung mit einem Kunden für eine effiziente und effektive Integration. Die Herausbildung von Routinen geht für den Anbieter mit unterschiedlichen Vorteilen einher. Neben der beschriebenen Effizienzsteigerung ist hier vor allem die Isolationswirkung der Routinen zum Schutz vor Imitations- und Substitutionsbestrebungen der Konkurrenz von Bedeutung. Wichtig für eine erfolgreiche Kundenintegration ist jedoch, dass die Routinen nicht zu starren, quasi programmierten Automatismen (im Sinne von Nelson/Winter 1982) werden, sondern dass – wie oben beschrieben – die Möglichkeit der situationsgerechten Anpassung bzw. Variation der Handlungsmuster zu einem gewissen Grad gegeben bleibt. Andernfalls können Routinen zu einer gefährlichen Inflexibilität im Sinne mangelnder Reaktionsfähigkeit der Mitarbeiter bei notwendigen kurzfristigen Verhaltensänderungen – z.B. aufgrund veränderter kundenseitiger Wünsche oder Spezifikationen – führen, was sich gerade im Innovationskontext negativ auf die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Kunden auswirken kann. Die Flexibilität der kollektiven Routine ist wiederum abhängig von der individuellen Flexibilität der handelnden Akteure. Die positiven Wirkungen der Routinenbildung auf Aufbau, Weiterentwicklung und Nutzung der Kompetenz und somit auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung können sich nur entfalten, wenn sichergestellt ist, dass die Möglichkeit der Übertragung der Routine auf ähnliche oder neue Kontexte möglich ist und dass – insbesondere basierend auf
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Lernprozessen der Individuen – eine an die jeweiligen Anforderungen angepasste Wandelbarkeit der Routine im Zeitablauf gegeben ist. Die Einschleifung starrer unveränderlicher Handlungsmuster (Leonard-Barton 1992) ist demnach zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund kann die Kundenintegrations-Kompetenz auch im Hinblick auf die zugrunde liegenden Routinen als zweigeteilt betrachtet werden: Sie basiert zum Teil auf auf Anwendungswissen beruhenden kundenspezifischen Routinen, die sich im Verlauf der Zusammenarbeit mit einem Kunden ergeben und die nicht ohne weiteres für die Zusammenarbeit mit einem neuen Kunden übertrag- und nutzbar sind, da diese neuer gegenseitiger Adaptionen und der Herausbildung eigener partnerspezifischer Routinen bedarf. Daneben beruht die Kundenintegrations-Kompetenz jedoch auch auf eingeübten Handlungsmustern der Mitarbeiter der Anbieterunternehmung, die auf dem Integrationswissen der Mitarbeiter beruhen und – mit marginalen Anpassungen – für die Integration verschiedener Kunden immer wieder einsetzbar sind. Diese betreffen vor allem Tätigkeiten, die mit jeder neuen Kundenintegration in ähnlicher Form einhergehen, wie etwa eingeübte Abläufe und Verfahrensregeln bezüglich der Absorption neuen Wissens in der Anbieterunternehmung oder des Aufbaus von Schutzmechanismen gegen eine unerwünschte Wissensdiffusion an den integrierten Kunden.
3.4
Das „organisationale Ambiente“ als unternehmerischer Hintergrund für die Kompetenzentwicklung
Die in den vorangegangenen Abschnitten diskutierten Basiselemente der Kundenintegrations-Kompetenz entwickeln sich nicht „im luftleeren Raum“, sondern eingebettet in die Strukturen der integrierenden Anbieterunternehmung. Sie konstituiert sich über Aufbau- und Ablaufstrukturen, die teils formaler, überwiegend aber informaler Art sind und eine dauerhafte und flexible Koordination ermöglichen (Freiling et al. 2008a). Diese der organisationalen Tiefenstruktur zurechenbaren (Knyphausen-Aufseß 1995) Elemente verleihen der Unternehmung ein besonderes Motivations- und Koordinationspotenzial und werden in der kompetenztheoretischen Literatur unter dem Stichwort „organisationales Ambiente“ diskutiert, welches wie folgt definiert werden kann (Freiling et al. 2008a: 7): „Das organisationale Ambiente stellt ein auf das Handeln einzelner Menschen zurückführbares Netz aus spezifizierten Potenzialen dar, welches für die Ressourcen- und Kompetenzentwicklung
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einen stabilen, aber nicht statischen Koordinationshintergrund liefert. Dieses Ambiente setzt sich aus mentalen und strukturellen Koppelungen im Gefüge zusammen, die über die Zeit gewachsen sind und durch regelmäßigen Gebrauch eine problemspezifische Weiterentwicklung erfahren. Es fördert die schnelle und gezielte Weiterentwicklung von Ressourcen sowie Kompetenzen und schützt darüber hinaus die betrieblichen Potenziale vor dem Zugriff Dritter im Wettbewerb.“
Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung eines organisationalen Ambientes ist insbesondere die spezifische (vorübergehende oder dauerhafte) Kopplung von Inputgütern bzw. Ressourcen (zur Terminologie: Freiling et al. 2006 und 2008b), durch die eine organisationale Spezifizierung der gebündelten Potenziale entsteht und die zur Entstehung eines idiosynkratischen, komplexen und einmaligen Hintergrundes für die Kompetenzentwicklung führt. Diese Kopplung wird als „(asset) interconnectedness“ (Dierickx/Cool 1989) bezeichnet. Die „interconnectedness“ bezieht sich jedoch nicht nur auf sachliche (tangible und intangible) assets, sondern auch auf die humanen Ressourcen der Unternehmung. Die vielfältigen engen und oftmals langfristigen Relationen, die zwischen den Mitarbeitern einer Unternehmung bestehen, stellen einen zentralen Faktor des organisationalen Ambientes dar und werden unter dem Begriff der „sozialen Komplexität“ (Barney 1991) diskutiert. Die soziale Komplexität geht mit verschiedenen – für die Entwicklung einer (Kundenintegrations-)Kompetenz förderlichen – Entwicklungen einher: Die individuelle Arbeitskraft der einzelnen Mitarbeiter kann so mit anderen Potenzialen vereint werden, dass ein Handlungspotenzial geschaffen wird, das – auf dem Wege der Selbstorganisation – auch ohne bewusste Steuerung von Vorgesetzten und ohne klar erkennbare Planung zu zielführenden Arbeitsabläufen führt und zu einem stabilen Rahmen für die innerbetriebliche Koordination beiträgt (Freiling et al 2008a; Pentland/Rueter 1994; Hodgson 1998). Diese effiziente Zusammenarbeit bzw. Arbeitsteilung beruht auf einem gegenseitigen Verständnis der Kollegen untereinander und ihrer jeweiligen Situation. Hier spielt insbesondere das „transaktive Wissen“ (z.B. Busch 2008) der Mitarbeiter – also das Wissen um das Wissen der Kollegen – eine bedeutende Rolle. Das gegenseitige Kennen und Verstehen der Mitarbeiter untereinander führt zu gemeinschaftlichen Interpretationen von Sachverhalten und einem kollektiven Verständnis in der Unternehmung (Helfat/Peteraf 2003). Aufgrund der engen Zusammenarbeit und des gegenseitigen Verständnisses der Mitarbeiter können Lernprozesse innerhalb der Unternehmung effizienter koordiniert werden als außerhalb (Foss 1996). So ist etwa der interpersonelle Transfer von implizitem Wissen in Unternehmungen viel leichter möglich als
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auf Märkten, wo ein solcher Transfer aufgrund mangelnder Koordinationsund Anreizstrukturen in der Regel nicht stattfindet. In Unternehmungen ist ein Transfer von implizitem Wissen hingegen durch ein permanentes „training on the job“ möglich und wird durch das gegenseitige Verständnis der Mitarbeiter und das gemeinsam vorhandene Ziel gefördert (Freiling et al. 2008c). Die „soziale Komplexität“, wie auch die „asset inteconnectedness“ im Allgemeinen als Basisfaktoren des organisationalen Ambientes können darüber hinaus einen wirksamen Schutz der unternehmerischen Ressourcen und Kompetenzen vor Imitations- und Substitutionsbestrebungen von Dritten bieten, da insbesondere sowohl die Bündelungsprozesse als auch ihre Ergebnisse von unbeteiligten Drittparteien allenfalls unvollständig und oberflächlich eingesehen bzw. nachvollzogen werden können. Diese Isolationswirkungen können v.a. bei kundenintegrativen Prozessen eine große Rolle spielen, da diese immer mit der Gefahr einer unerwünschten Wissensdiffusion an den integrierten Kunden einhergehen. Die beschriebenen Wirkungen des organisationalen Ambientes ermöglichen erst die (Weiter-)Entwicklung von Wissen, Regeln und Routinen und bilden folglich das notwendige Umfeld für den Aufbau einer Kundenintegrations-Kompetenz. Die vielfältigen „mentalen und strukturellen Kopplungen im Potenzialgefüge“ der Unternehmung, insbesondere in Form der Relationen und Interaktionen unter ihren Mitarbeitern, aber auch durch die Bereitstellung eines komplexen, idiosynkratischen Netzwerks aus Inputgütern, Ressourcen und Kompetenzen sind folglich die Grundvoraussetzung für die Entwicklung der KundenintegrationsKompetenz und müssen neben den beschriebenen Grundelementen als Umfeldbzw. Hintergrundbedingungen mit in die Betrachtung einfließen.
3.5
Zusammenspiel der grundlegenden Elemente einer Kundenintegrations-Kompetenz
In den vorangegangenen Abschnitten wurden die grundlegenden Bausteine, auf denen die Kundenintegrations-Kompetenz beruht, sowie das organisationale Ambiente als Umfeld, in dem diese Bausteine entwickelt werden, beschrieben. Dabei wurde bereits an verschiedenen Stellen deutlich, dass die Elemente der Kompetenz nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern aufeinander aufbauen bzw. sich gegenseitig bedingen.
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So basiert nicht nur die Kundenintegrations-Kompetenz unmittelbar auf dem kundenspezifischen und kundenunspezifischen Wissen der handelnden Akteure, sondern auch die kompetenzleitenden Regeln und Routinen als weitere Grundelemente der Kundenintegrations-Kompetenz beruhen auf dem (Erfahrungs-) Wissen der Mitarbeiter. Ohne ein Mindestmaß an Wissen, über das die Akteure verfügen, können weder Regeln definiert werden, noch können sich Routinen herausbilden. Das Wissen bildet folglich das grundlegende Fundament für alle weiteren Kompetenzbausteine. Die auf dem Wissen basierenden kompetenzleitenden Regeln stellen ebenfalls ein Kernelement der Kundenintegrations-Kompetenz dar. Neben diesem unmittelbaren Einfluss auf die Kompetenz bilden sie jedoch auch eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von kundenspezifischen und kundenunspezifischen Routinen. Das Vorhandensein handlungsleitender Regeln ist notwendig für die Abstimmung und Einübung der Handlungen und Interaktionen der zusammenarbeitenden Mitarbeiter, die letztendlich zur Herausbildung einer Routine führen. Abbildung 3 stellt die in den vorangegangen Abschnitten dargestellten Grundbausteine einer Kundenintegrations-Kompetenz sowie die beschriebenen Zusammenhänge unter diesen Elementen und das organisationale Ambiente als Rahmen der Kompetenzentwicklung überblicksartig dar. Die Abbildung ist allein aus Darstellungsgründen bewusst vereinfacht. Grundsätzlich können die Beziehungen noch weitaus komplexer als hier überblickshaft dargestellt sein. So ist z.B. auch Wissen – zumindest im organisationalen Bereich – nicht voraussetzungsfrei, sondern ist mit geltenden Governance-Mechanismen verquickt, die in den Regeln ihren Niederschlag finden.
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Abbildung 3: Grundbausteine der Kundenintegrations-Kompetenz
4
Mechanismen des (gezielten) Aufbaus einer Kundenintegrations-Kompetenz
4.1
Individuelle Lernprozesse als Grundlage der Kompetenzentwicklung
Der konkrete Entwicklungsprozess einer Kompetenz beruht ausgehend vom methodologischen Individualismus immer auf der Weiterentwicklung der Fähigkeiten der einzelnen Individuen als Träger der kollektiven Kompetenz. In diesem Zusammenhang spielt der bei den Individuen ablaufende Lernprozess eine zentrale Rolle. Lierow (2006) beschreibt den individuellen Lernprozess sowie die Integration des Wissens unter den Individuen als zentrale Teilprozesse der Kompetenzbildung. Jeder Lernprozess führt zu einer Steigerung des Erfahrungswis-
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sens des Individuums, in dem sich die Resultate vergangener Lernprozesse akkumulieren. Das in der Vergangenheit akkumulierte Erfahrungswissen verringert die Unsicherheit in nachfolgenden Entscheidungen und erhöht somit ihre Qualität und damit letztendlich den Erfolg kundenintegrativer Projekte, was die Bedeutung des individuellen Lernprozesses auf die Entwicklung einer Kundenintegrations-Kompetenz verdeutlicht. Neben dem Lernen aus eigenen Erfahrungen lernen die Mitarbeiter einer Unternehmung auch voneinander durch einen interindividuellen Wissenstransfer, also die Weitergabe von Wissen von einem Individuum zum anderen. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Unterstützung der Kommunikation unter den Mitarbeitern durch die Unternehmensleitung wichtig (Henderson/Cockburn 1994). In diesem Zusammenhang wird vor allem auf die Schaffung einer kommunikationsfördernden Atmosphäre in der Unternehmung verwiesen (Senge 1990). So ist zum Beispiel die Entwicklung einer gemeinsam genutzten „Sprache“ von Bedeutung (Sanchez/Heene 1997), darüber hinaus können strukturelle Kommunikationshilfen wie Diskussionsrunden oder sog. „Communities of Practice“ (Zboralski 2007) den Wissenstransfer unter den Mitarbeitern gerade auch im Innovationskontext fördern. Für die Kundenintegrations-Kompetenz gilt der besondere Fall, dass es – aufgrund des unternehmensübergreifenden Bezugs dieser speziellen Kompetenz – notwendig wird, nicht nur von den Kollegen in der eigenen Unternehmung, sondern auch von den Mitarbeitern des Kunden zu lernen. Nur so können kundenspezifisches Wissen akkumuliert sowie kundenspezifische Routinen und Regeln implementiert werden. Die Kommunikation bzw. der Transfer von Wissen über Unternehmensgrenzen hinweg gehen jedoch häufig mit speziellen Schwierigkeiten einher. Vor diesem Hintergrund stellt insbesondere die sog. „Absorptive Capacity“ der Unternehmung einen entscheidenden Faktor dar. Diese wird daher im folgenden Abschnitt einer genaueren Betrachtung unterzogen.
4.2
„Absorptive Capacity“ als Grundlage der Kompetenzentwicklung
Ein zentraler Grund für die Integration von Kunden in den Innovationsprozess ist der Wunsch, Inputgüter des Kunden, die dieser dem Anbieter im Rahmen der Integration als externe Faktoren zur Verfügung stellt, für die eigenen Belange nutzen zu können. Zu diesen kundenseitigen Inputgütern zählt – neben anderen denkbaren Innovationsbeiträgen wie z.B. Patenten, Technologien aber mitunter
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auch Finanzmitteln, Maschinen oder Arbeitskraft – insbesondere das Kundenwissen. Um das komplementäre Wissen des Kunden so wirkungsvoll wie möglich für den Innovationsprozess nutzen zu können, reicht es nicht aus, ihn zur Preisgabe seines Wissens zu bewegen. Das transferierte Wissen muss vom Anbieter als relevant erkannt, in die eigenen Strukturen integriert, verstanden und für eigene Zwecke genutzt werden. Die Kompetenz zur Beherrschung dieses Prozesses der Wissensabsorption wird in der Literatur als „Absorptive Capacity“ (Cohen/Levinthal 1989; 1990) bezeichnet. Diese wird verstanden als „a set of organizational routines and processes by which firms acquire, assimilate, transform, and exploit knowledge to produce a dynamic organizational capability.” (Zahra/George 2002: 186)
Dieses Verständnis erscheint aus zwei Gründen als besonders passend für diesen Beitrag: 1. Die Absorptionskompetenz wird als auf Routinen beruhender Mechanismus zur Entwicklung einer sog. „Dynamic Capability“ verstanden und weist daher eine hohe Kompatibilität zum diesem Beitrag zugrunde liegenden Verständnis der Kundenintegrations-Kompetenz auf, die als „auf Wissen beruhende, durch Regeln geleitete“ Dynamic Capability verstanden wird. 2. Die Autoren unterscheiden vier Dimensionen der Absorptionskompetenz, anhand derer der Prozess der Wissensabsorption vollzogen wird: Wissensakquisition (einschließlich Wissensidentifikation), Wissensassimilation, Wissenstransformation und Wissensexploitation (Zahra/George 2002). Jede Dimension erfordert wiederum eine bestimmte Kompetenz der absorbierenden Unternehmung, die unterschiedliche, aber komplementäre und aufeinander aufbauende Rollen für die erfolgreiche Absorption des neuen, externen Wissens spielen. Anhand der vier Dimensionen lässt sich sehr detailliert und umfassend abbilden, welche Kompetenzen die Anbieterunternehmung für die Nutzung des Kundenwissens im Innovationsprozess benötigt. Alle Dimensionen haben unterschiedliche, aber komplementäre Aufgaben und sind notwendig, aber allein nicht ausreichend für eine Absorption neuen Wissens. Wird der Fokus zu stark auf die Akquisition und Assimilation neuen Wissens gelegt, kann zwar die eigene Wissensbasis vergrößert werden, den Kosten steht allerdings kein ausreichender Nutzen gegenüber, da das neue Wissen nicht genutzt werden kann. Wird hingegen ein zu starker Fokus auf Wissenstransformation und -exploitation gelegt, können zwar kurzfristige Effekte erzielt, jedoch nicht mehr flexibel auf Verände-
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rungen der Umwelt reagiert werden (Ahuja/Lampert 2001; Jansen et al. 2005; Escribano et al. 2009). Im Folgenden wird analysiert, wie die einzelnen Dimensionen ausgestaltet werden müssen bzw. welche Kompetenzen von der absorbierenden Unternehmung jeweils benötigt werden.
4.2.1 Wissensakquisition Um das kundenseitige Wissen erfolgreich für den Innovationsprozess nutzen zu können, ist es zunächst notwendig, relevantes, für den Innovationsprozess nützliches Wissen des Kunden zu identifizieren und zu akquirieren. Die Möglichkeit, den Wert kundenseitigen Wissens zu erkennen, ist abhängig von der A-priori-Wissensausstattung des Anbieters. Dieser muss über ein bestimmtes themenbezogenes Basiswissen verfügen, um den Wert des Kundenwissens für seine Zwecke einordnen zu können. Ohne ein solches Basiswissen des Anbieters besteht die Gefahr, dass das relevante Wissen des Kunden gar nicht als solches erkannt wird, da es außerhalb des Suchfeldes des Anbieters liegt. Das Basiswissen bezieht sich auf ein generelles Verständnis der allgemeinen Abläufe und Technologien in dem Bereich, in dem innoviert werden soll (Lane/Lubatkin 1998; Cohen/Levinthal 1989). Über das geteilte Basiswissen hinaus müssen sich Teile des kundenseitigen Wissens jedoch vom Wissen des Anbieters unterscheiden, ansonsten wäre die Integration des Kunden sinnlos. Die Chance auf einen effizienten und effektiven Wissenstransfer ist folglich dann am größten, wenn die Wissensbasen der Anbieters und des integrierten Kunden sich “überlappen” bzw. komplementär zueinander verhalten (Abecassis-Moedas/ Mahmoud/Jouini 2008; Cockburn/Henderson 1998). Die beiden Parteien sollten demnach über ein ähnliches (und „verbundenes“) Grundlagenwissen, aber unterschiedliches Spezialwissen verfügen. Im Fall der Kundenintegration im Innovationskontext ist es häufig der Fall, dass sowohl Kunde als auch Anbieter über ein breites Basiswissen bezüglich des Feldes verfügen, auf dem innoviert wird. Darüber hinaus besitzt der Anbieter häufig ein tiefgehendes Spezialwissen hinsichtlich der technologischen Möglichkeiten und Entwicklungen („solution information“), während der Kunde über ein vertieftes Marktwissen („need information) verfügt. Die Akquisition eben dieses Spezialwissens des Kunden ist häufig der Hauptgrund für seine Integration in den Innovationsprozess (Hamel 1991).
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Neben der Wissenskomplementarität ist die Fähigkeit zur Akquisition externen Wissens auch abhängig vom Bewusstsein des Anbieters, über welches nützliche Wissen der Kunde eigentlich verfügt. Dieses Wissen darüber, wer welches Wissen besitzt, wer bei welchem Problem behilflich sein kann oder für wen eine neue Information besonders relevant ist, kann für den Erfolg eines gemeinschaftlichen Innovationsprozesses von großer Bedeutung sein (von Hippel 1988). Dieses (auf ein interorganisationales Verständnis erweiterte) transaktive Wissen wächst mit steigender Dauer und Intensität der Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Kunde und ist ein weiterer Grund dafür, dass Kunden, zu denen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht, von besonderem Wert für den Anbieter sein können und sich aufgrund des bereits akkumulierten Wissens darüber, was dieser Kunde kann bzw. weiß, besonders für die Integration in den Innovationsprozess eignen.
4.2.2 Wissensassimilation Die Wissensassimilation beschreibt den Prozess der Analyse und Interpretation des neuen Wissens, der in ein Verständnis des akquirierten Wissens innerhalb der integrierenden Anbieterunternehmung mündet (Zahra/George 2002). Auch die Kompetenz zur Assimilation externen Wissens hängt von der A-prioriAusstattung mit komplementärem Wissen ab (Teece 1981). Interpretation und Verständnis des neuen Wissens sind ohne vorhandenes Komplementärwissen nahezu unmöglich. Die Bedeutung der vorhandenen Wissensausstattung der Unternehmung für die Akquisition und Assimilation neuen Wissens macht deutlich, dass die Absorptionskompetenz eine starke Pfadbezogenheit aufweist, da sie in einem funktionalen Zusammenhang zu dem bereits akkumulierten Wissen steht (Freiling 2001). Dieses Erfahrungswissen ist im „organisationalen Gedächtnis“ (Walsh/Ungson 1991) gespeichert und bestimmt den Suchraum für die Identifikation neuen relevanten Wissens in der Unternehmungsumwelt. Versäumt es eine Unternehmung, in einem bestimmten Feld Wissen aufzubauen, können langfristige „Lock-out-Effekte“ entstehen, die es nahezu unmöglich machen, dieses Versäumnis in den Folgejahren auszugleichen und den Vorsprung der Wettbewerber aufzuholen. Der Prozess der Assimilation ist darüber hinaus abhängig von den Wissensund Kommunikationswegen innerhalb des Systems (Cohen/Levinthal 1990). Diese geben die Grundregeln vor, wie Wissen akquiriert, gespeichert und weitergeleitet wird (Lane/Lubatkin 1998). Die Wissensausstattung der Unterneh-
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mung ist eingebettet in dieses System und bildet die Basis für die unternehmerischen Kompetenzen und folglich ihre Wettbewerbsfähigkeit (Leonard-Barton 1992). Es erleichtert die Assimilation neuen Wissens, wenn Kunde und Anbieter über ähnliche Wissenswege und -strukturen verfügen (Lane/Lubatkin 1998). Indikatoren für diese Ähnlichkeit sind z.B. die Organisationsstrukturen (Grad an Formalisierung und Zentralisierung, Verantwortlichkeiten, Hierarchien etc.) sowie Kompensationspraktiken und Problemlösungsmechanismen der Unternehmungen. Demnach erleichtern auch ähnliche Organisationsstrukturen zwischen Anbieter und Kunde die anbieterseitige Wissensassimilation. Wie Nooteboom (2000) herausarbeitet, nimmt nicht nur die Ähnlichkeit der Organisationsstrukturen der Unternehmungen, sondern auch die Ähnlichkeit der kognitiven Strukturen der am Wissenstransfer beteiligten Individuen auf die Absorptionskapazität Einfluss. Basierend auf dieser Annahme lässt sich eine optimale kognitive Distanz auf dem Spannungsfeld zwischen Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit der Akteure hinsichtlich ihrer Kognition ermitteln. Dieses Spannungsfeld beschreibt Nooteboom (2000: 72) als „trade-off (…) between cognitive distance, for the sake of novelty, and cognitive proximity, for the sake of efficient absorption.”
4.2.3 Wissenstransformation Die Transformation neuen Wissens folgt auf dessen Assimilation innerhalb der absorbierenden Unternehmung und beruht auf der Kompetenz der Unternehmung, Routinen zu entwickeln, die die Kombination des neuen assimilierten Wissens mit dem bereits vorhandenen erleichtern (Zahra/George 2002). Diese Kombination vollzieht sich über die Aufnahme des neuen Wissens unter Beibehaltung des vorhandenen Wissens (Wissensaddition), über das Ersetzen vorhandenen Wissens durch neues Wissen (Wissenslöschung) oder durch die Neuinterpretation des vorhandenen Wissens aufgrund der neu hinzugewonnenen Informationen (Wissensneuinterpretation) (Abecassis-Moedas/Mahmoud-Jouini 2008). Die Wissenskombination führt zu neuen Sichtweisen, erleichtert die Erschließung neuer Möglichkeiten und verändert darüber hinaus die Selbstwahrnehmung der Unternehmung sowie die Einschätzung der eigenen Situation und Möglichkeiten im Wettbewerb. Dadurch können neue Kompetenzen entwickelt und strategische Weichenstellungen beeinflusst werden. Für die Transformation des neuen Wissens sind Mitarbeiter notwendig, die sowohl über ausreichendes
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Fachwissen in ihrem Feld verfügen als auch die idiosynkratischen Anforderungen und organisationalen Regeln, Routinen, Ressourcen, Kompetenzen und Beziehungen der eigenen Unternehmung kennen und verstehen (Cohen/Levinthal 1990). Dieses implizite Verständnis der Abläufe kann nur im Rahmen von längerfristigen Erfahrungen mit bzw. in der Unternehmung entwickelt werden. Diese Tatsache verdeutlicht, dass es zwar über den „Einkauf“ neuer Mitarbeiter möglich ist, Wissen zu akquirieren, die Transformation dieses Wissens in der Unternehmung jedoch aufgrund mangelnder unternehmungsbezogener Erfahrung und Kenntnis des neuen Mitarbeiters schwierig ist. Durch die Transformation des neu assimilierten kundenseitigen Wissens vollzieht sich ein Veredelungsprozess von einem akquirierten Inputgut zu einer koalitionsspezifischen Ressource. Koalitionsspezifische Ressourcen basieren auf den Investitionen der Koalitionspartner und erzielen einen Wert, der durch die Verwendungsmöglichkeiten bestimmt wird. Dieser Wert ist innerhalb der Koalition größer als außerhalb (Alchian 1984; Fließ 2004). Das kombinierte innovationsprojektspezifische Wissen, das durch diesen Veredelungsprozess entsteht, stellt eine solche koalitionsspezifische Ressource dar. Es ist singulär und kann die Grundlage für einen Wettbewerbsvorteil beider Partner darstellen.
4.2.4 Wissensexploitation Die Kompetenz zur Wissensexploitation erlaubt es der absorbierenden Unternehmung, durch die Einbindung akquirierten und transferierten Wissens in die eigenen Prozesse bestehende Kompetenzen zu verfeinern, weiterzuentwickeln oder auf neue Anwendungsfelder zu übertragen oder gänzlich neue Kompetenzen zu entwickeln (Zahra/George 2002). Von zentraler Bedeutung für die nachhaltige Exploitation und die darauf basierende Generierung dauerhafter Wettbewerbsvorteile sind die Routinen, Regeln und Strukturen, die der Wissensexploitation zugrunde liegen. Diese ermöglichen erst die Entwicklung von Innovationen mithilfe des externen Wissens. Für die Wissensexploitation ist die Verteilung bzw. Weiterleitung des Wissens unter den Mitarbeitern der Unternehmung notwendig. Diesem Prozess der Wissens(ver)teilung oder „Intelligence Dissemination“ (Kohli/Jaworski 1990) stehen unterschiedliche Barrieren entgegen (Garud/Nayyar 1994), die durch geeignete Integrationsmechanismen überwunden werden müssen. Diese können formeller oder informeller Natur sein. Informelle Mechanismen wie z.B. soziale Netzwerke fördern den kreativen Ideenaustausch, wohingegen formelle Mecha-
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nismen, wie etwa der Einsatz von geschulten Koordinatoren, mit dem Vorteil einer größeren Systematik einhergehen und so die Verteilung und Interpretation von Informationen wie auch die Identifikation von Trends erleichtern (Zahra/George 2002). Der Einsatz von sogenannten „Gatekeepern“ (Allen 1977; Gemünden 1981) an der Schnittstelle zwischen Unternehmung und Kunde sowie an den Schnittstellen zwischen den betroffenen Abteilungen innerhalb der absorbierenden Unternehmung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn das akquirierte Wissen hoch spezialisiert ist und ein tiefgehendes technisches Verständnis erfordert. Gatekeeper können dann helfen, das Wissen in eine für alle verständliche Form zu „übersetzen“. Die Absorptionskompetenz muss folglich auch über innengerichtete Komponenten verfügen, die es ermöglichen, Wissen unter den beteiligten Abteilungen der Unternehmung zu transferieren und zu teilen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Anbieter alle vier Dimensionen der Absorptionskompetenz erfüllen muss, um das für den Innovationsprozess relevante Wissen des Kunden transferieren und zielgerichtet nutzen zu können. Die Absorptionskompetenz des Anbieters stellt eine wichtige Voraussetzung für den Entwicklungsprozess einer Kundenintegrations-Kompetenz dar.
5
Fazit
In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Grundelemente einer Kundenintegrations-Kompetenz und die Mechanismen, über die die auf diesen Elementen beruhende Kompetenz entwickelt werden kann, dargestellt. Dabei wurde vor allem auf die Absorptionskompetenz als notwendige Voraussetzung insbesondere für die Entwicklung der kundenspezifischen Bausteine der Kundenintegrations-Kompetenz hingewiesen. Die Analyse der Mechanismen deutet darauf hin, dass bei der Entwicklung einer Kundenintegrations-Kompetenz insbesondere die Akkumulation des (kundenspezifischen) Wissens gezielt vorangetrieben werden sollte, da dieses die grundlegende Ausgangsbasis für die Kompetenzentwicklung darstellt. Ungeachtet bestehender Wechselwirkungen ist in der Tendenz davon auszugehen, dass sich Regeln und Routinen als weitere Elemente der Kompetenz tendenziell auf dieser Basis herausbilden. Oftmals, aber nicht immer vollzieht sich deren Entwicklung sogar ohne gezielte Maßnahmen. Insbesondere mit Blick auf die Routinen ist ein gezielter Aufbau in manchen Fällen auch gar nicht möglich, da diese sich langfristig durch die Abstimmung der (Tätigkeiten der) Mitarbeiter aufein-
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ander in einer durch mehrfache Ausführung eingeübten Weise entwickeln und sich nicht ad hoc implementieren lassen. Auch wenn die zentrale Bedeutung der Akkumulation des (kundenspezifischen) Wissens als ein Hinweis für integrierende Unternehmungen zu verstehen ist, bleibt dennoch festzuhalten, dass die Kompetenz zur Kundenintegration kein statisches und unveränderbares Konstrukt darstellt, sondern sich im Zeitverlauf dynamisch entwickelt und sich darüber hinaus sowohl interorganisational als auch intraorganisational von Integrationsprojekt zu Integrationsprojekt unterscheiden kann, weshalb die Ableitung strikter Handlungsanweisungen für den Kompetenzaufbau nicht möglich und auch nicht zielführend ist. Diese Tatsache betonen z.B. auch Zahra und George (2002: 189): „Although these capabilities have some commonalities across different firms and attain equifinality, they are idiosyncratic in the specific ways firms pursue, develop, and employ them. This variability gives firms a basis to develop different types of competitive advantage”
oder Jansen et al. (2005: 1000): „Combinative capabilities are path-dependent in their emergence and idiosyncratic in detail; however they exhibit common features (Eisenhardt & Martin 2000: 1116). These commonalities involve organizational mechanisms, such as cross-functional teams and participation in decision making, which each provide specific ways of dealing with dimensions of absorptive capacity.”
Auch wenn mit diesem Beitrag mit der kompetenztheoretischen Herleitung der Grundelemente sowie der Analyse gezielter Aufbaumechanismen ein erster Schritt auf dem Weg zu einer Konzeptualisierung gegangen wurde, besteht hinsichtlich der Kundenintegrations-Kompetenz dennoch sowohl in wissenschaftlicher als auch in praxeologischer Hinsicht weiterhin großer Forschungsbedarf, und zwar insbesondere auf folgenden Feldern: empirische Überprüfung der unterstellten Zusammenhänge, Untersuchung der Wirkungsweisen der Kundenintegrations-Kompetenz auf verschiedene Aufgabenbereiche der integrierenden Anbieterunternehmungen (verschiedener Branchen), Übertragung vom Innovationsbereich auf andere integrative Prozesse (insb. Produktionsprozess).
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Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von WerkstoffInnovationen: Eine Analyse von Kooperationsprojekten zwischen Industrie und öffentlicher Forschung
1
Einleitung..............................................................................................227
2
Der Innovationsprozess neuer Werkstoffe............................................229 2.1 Tradierte und neuere Prozessmodelle........................................230 2.2 Die Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Innovationsprozess neuer Werkstoffe .................................................................................231
3
Die Kommerzialisierung neuer Werkstoffe ..........................................232 3.1 Herausforderungen und Barrieren im Kommerzialisierungsprozess neuer Werkstoffe ........................232 3.2 Beitrag des kompetenzbasierten Forschungsansatzes für das Verständnis der Erfolgsfaktoren und Barrieren im Kommerzialisierungsprozess neuer Werkstoffe ........................235 3.3 Die Qualität, Frequenz und Reziprozität des Wissensaustausches als Einflussfaktor auf die Synchronisierung von Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenzen............................................238
4
Empirische Fallstudie............................................................................239 4.1 Bisherige Applikationspfade der Werkstoffklasse ....................240 4.2 Vorbereitung der Kooperation...................................................241 4.3 Kooperationsphase: Weichenstellung für die Kommerzialisierung ..................................................................242 4.4 Kompetenzverteilung in der Kooperation .................................242
226
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
4.5 5
4.4.1 Verteilung der Forschungskompetenz............................242 4.4.2 Verteilung der Kommerzialisierungskompetenz ............245 Die Synchronisierung von Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenz zwischen den Akteuren .........247
Fazit und Impulse für die kompetenzbasierte Theorie..........................250
Literatur............................................................................................................251
Danksagung Die Autoren danken der Helmholtz-Gemeinschaft für die Förderung des Projektes „InnoMat“, in dessen Rahmen die empirische Basis für diesen Beitrag erhoben wurde. In das Projekt waren das Institut für Technikfolgenabschätzung der Helmholtz-Gemeinschaft (Projektleitung), das Fraunhofer Institut für Systemund Innovationsforschung und die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer eingebunden. Wir danken den Forschungspartnern für ihre wertvollen Hinweise und Kommentare.
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
1
227
Einleitung
Innovationen bei Werkstoffen und Materialien sind für viele Schlüsselindustrien der Weltwirtschaft von herausragender Bedeutung. Werkstoff-Innovationen nehmen auch im deutschen Innovationssystem eine wichtige Rolle ein und sind insbesondere im Fahrzeugbau, dem Maschinenbau und der chemischen Industrie ein wettbewerbsrelevanter Faktor (Portella 2008:21; BMBF 2003:4). Auch auf europäischer Ebene spiegelt sich die Wichtigkeit neuer Werkstoffe in deren starken Berücksichtigung im siebten Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union wider.1 Dennoch finden sich in der Managementforschung nur vereinzelt Beiträge, die sich mit Werkstoff-Innovationen befassen. Unsere Studie greift den Mangel an empirischer Forschung in diesem Innovationsfeld auf und untersucht anhand einer Fallstudie, wie in Kooperationsprojekten zwischen Industrieunternehmen und öffentlichen Forschungsorganisationen Werkstoff-Innovationen generiert und kommerzialisiert werden. Die Untersuchung einer Kooperation dieser Art, die in der angelsächsischen Literatur auch als „university-industry-interaction“ bezeichnet wird, ist in der außerordentlich hohen Bedeutung von Wissensimpulsen aus der öffentlichen Forschung für den Innovationsprozess neuer Werkstoffe begründet (Legler u. Krawczyk 2009:30). Der Kommerzialisierungsprozess neuer Werkstoffe wurde bislang nur stellenweise und meist anhand von ressourcenbasierten oder industrieökonomisch geprägten Studien untersucht.2 Wir nutzen für unsere Analyse einen kompetenzbasierten Forschungsansatz und erweitern damit die Literatur zur Kommerzialisierung von neuen Werkstoffen um die Perspektive des Kompetenz-Managements. Weiterhin tragen wir mit unserem Beitrag zu der Theoriebildung im Bereich des kompetenzbasierten Managements bei generischen Innovationen, zu denen neue Werkstoffe gezählt werden, bei. Empirische Fallstudien zu Werkstoff-Innovationen, wie die von Musso (2005) oder Christensen, Musso und Anthony (2004), legen nahe, dass einerseits Forschungskompetenzen und andererseits marktgerichtete Kompetenzen eine wichtige Rolle im Kommerzialisierungsprozess spielen. Unser Beitrag versucht empirisch belegte Erkenntnisse zu der Rolle von organisationalen Kompetenzen für die Kommerzialisierung neuer Werkstoffe zu schaffen, die in einem Kooperationsprojekt generiert wurden. Bei der Untersuchung von Werkstoff-Innova1
2
Im siebten Forschungsrahmenprogramm wird der Bereich „Nanosciences, nanotechnologies, materials & new production technologies (NMP)“ mit 3,5 Milliarden Euro gefördert, vgl. Europäische Kommission (2009). Vgl. hierzu insbesondere Maine und Garnsey (2006, 2007) und Musso (2005).
228
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
tionsprojekten zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen stellt sich die grundlegende Frage, wie und inwieweit sich die originären Kompetenzbereiche des Unternehmens und der Forschungseinrichtung auf die Kommerzialisierung auswirken.3 In einem ersten Schritt erscheint es sinnvoll, diese beiden Kompetenzbereiche zu differenzieren und die Kausalitäten zwischen den Kompetenzbereichen und dem Kommerzialisierungserfolg isoliert herauszuarbeiten. Hieraus leitet sich die erste Forschungsfrage ab: Forschungsfrage 1: Welche Rolle kommt den originären Kompetenzbereichen eines Unternehmens (stärker marktbezogene Kompetenzen) und einer Forschungseinrichtung (stärker forschungsbezogene Kompetenzen) für die Generierung und Kommerzialisierung einer erfolgreichen Werkstoff-Innovation zu?
Mehrere Studien, die sich mit der Kommerzialisierung von neuen Werkstoffen befassen, stellen die Bedeutung eines „Matching“-Prozesses zwischen Erfordernissen des Marktes und technologischen Möglichkeiten heraus (Maine u. Garnsey 2006, 2007). Diese Studien beziehen ihre Argumentationsgrundlage auf die klassischen Arbeiten zu dem Prozess der Kommerzialisierung von Technologien von Freeman (1982) und Schmookler (1966), stellen jedoch nur die grundlegende Systematik des „Matching“-Prozesses dar. Aus der Perspektive des Kompetenz-Managements stellt sich die Frage, welche Rolle den Kompetenzen von Akteuren in Kooperationsprojekten bei diesem „Matching“-Prozess zukommt. Folgt man dieser Argumentation, müssten Kompetenzen mit Markt- und Forschungsbezug miteinander synchronisiert werden um eine erfolgreiche Kommerzialisierung einer Werkstoff-Innovation zu erreichen. Unsere zweite Forschungsfrage ist diesem Zusammenhang gewidmet: Forschungsfrage 2: Wie kann eine Synchronisierung von forschungs- und marktbezogenen Kompetenzen realisiert werden, die die Durchsetzbarkeit einer Werkstoff-Innovation steigert?
Die empirische Basis der Fallstudie wurde im Rahmen des Forschungsprojektes InnoMat erhoben. In diesem Projekt wurden von einer interdisziplinären Forschungsgruppe zwischen 2006 und 2009 intensive Untersuchungen zu dem Wissens- und Technologietransfer zwischen staatlich finanzierten Forschungsein-
3
Unter originären Kompetenzbereichen verstehen wir, dass die von einem Unternehmen in eine Kooperation eingebrachten Kompetenzen aufgrund des unternehmerischen Auftrages stärker auf die Marktprozesse ausgerichtet und in diesen verwurzelt sind. Die Kompetenzen der Forschungseinrichtung sind stärker auf die Fragen der grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung konzentriert.
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
229
richtungen und Industrieunternehmen durchgeführt.4 Unser Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Im zweiten Kapitel wird der Innovationsprozess neuer Werkstoffe vorgestellt, worauf im dritten Kapitel eine spezifische Darstellung der Kommerzialisierung neuer Werkstoffe und der dort relevanten Einflussfaktoren erfolgt. Im vierten Kapitel wird anhand einer empirischen Fallstudie vorgestellt, wie Unternehmen und öffentliche Forschungseinrichtungen bei der Forschung und Entwicklung (F&E) und der anschließenden Kommerzialisierung zusammenarbeiten und wie sich die originären Kompetenzbereiche dieser beiden Organisationen wechselseitig ergänzen. In Kapitel 5 werden Impulse für die Theoriebildung rekapituliert und ein Fazit gezogen.
2
Der Innovationsprozess neuer Werkstoffe
Von einer Werkstoff-Innovation kann gesprochen werden, wenn durch F&EAktivitäten ein neuer Werkstoff hergestellt, in ein marktfähiges Produkt integriert und kommerzialisiert wird. Werkstoff-Innovationen kommen vielfach in verschiedenen Anwendungsfeldern zum Einsatz und sind damit in den meisten Fällen generischer Natur.5 Für die Generierung und Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen sind meist komplementäre Innovationen auf vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufen notwendig (Klein 2001:1ff.). Werkstoff-Innovationen rücken weiterhin ins Zentrum von vier komplementären Innovationstypen und -feldern, zu denen funktionierende Interfaces aufgebaut werden müssen. Diese sind, angelehnt an die Definition im Oslo-Manual der OECD (OECD 2005), (1) die Produktinnovation, (2) die Prozessinnovation, (3) nutzerinduzierte Innovationen bzw. „Application Engineering“ sowie (4) die Produktions- und Verfahrenstechnik, welche einen starken Einfluss auf die technologische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit neuer Werkstoffe ausübt. Die Koordination dieser Interfaces macht Werkstoff-Innovationen oft langwierig, schwer steuerbar und riskant.
4
5
Zu der Forschungsgruppe zählten das Institut für Technikfolgenabschätzung des Karlsruhe Institute of Technology der Helmholtz-Gemeinschaft (Projektleitung), das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und die Forschungsstelle für Internationales Management und Innovation der Universität Hohenheim. Maine/Garnsey (2007) bezeichnen Werkstoff-Innovationen daher auch als „enabling technologies“.
230
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
2.1
Tradierte und neuere Prozessmodelle
Tradierte Modelle des Innovationsprozesses neuer Werkstoffe, wie das Modell von Jones (1970), berücksichtigen die im vorherigen Abschnitt aufgezeigten Interaktionen nur ansatzweise. Meist liegt ihnen eine linear-sequentielle Sichtweise zugrunde, welche jedoch durch neuere Studien zum Innovationsprozess kritisiert und durch die Integration von „Feedback-/Feedforward“-Schleifen und Interaktionen zwischen den verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses abgelöst wurde (Kline u. Rosenberg 1986). Diese neue Sichtweise ist für den Innovationsprozess neuer Werkstoffe von herausragender Bedeutung, da die Generierung einer Werkstoff-Innovation die Koordination der Interfaces zu anderen Innovationstypen und -feldern erfordert. Weiterhin lösen neue Werkstoffe oftmals eine schwer überschaubare Menge an Applikationsmöglichkeiten aus, was ebenfalls ein gesteigertes Maß an Interaktion zwischen verschiedenen Wertschöpfungsstufen notwendig macht. Dennoch stellen Braun, Gerybadze, Rätz und Witzel (1993) fest, dass gerade diese wertschöpfungsstufenübergreifende Zusammenarbeit im Bereich der Werkstoff-Innovation vielfach nicht ausreichend berücksichtigt wird. Ein weiteres wichtiges, bislang nicht ausreichend beschriebenes Merkmal des Innovationsprozesses neuer Werkstoffe ist die klare Differenzierung von Wertschöpfungsstufen, die sich direkt auf die Integration eines neuen Werkstoffes in Komponenten, Subsysteme und Gesamtsysteme konzentrieren. Aufgrund der geschilderten Faktoren schlagen wir ein erweitertes Modell des Innovationsprozesses neuer Werkstoffe vor, das in der folgenden Abbildung dargelegt wird.6
6
Wichtig zu betonen ist zudem, dass die Phasenübergänge in neueren Prozessmodellen nicht mehr kategorisch abgeteilt sind, sondern dass vielmehr ein fließender Phasenübergang vorliegt. So ist bspw. der Übergang von Forschungs- zu Entwicklungsaufgaben oft nicht klar abgrenzbar.
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
Problemerkenntnis & Ideengenerierung
Forschung & Entwicklung
WerkstoffHerstellung
Werkstoffintegration auf Komponentenebene
Werkstoffintegration auf Sub-Systemebene
Werkstoffintegration auf Systemebene
231
Markteinführung & Durchsetzung
Feedback-/Feed-Forward-Schleifen im Innovationsprozess
Abbildung 1: Generischer Innovationsprozess neuer Werkstoffe (vgl. Gerybadze, Gredel und Gresse 2010).
2.2
Die Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Innovationsprozess neuer Werkstoffe
Ein wichtiges Charakteristikum des Innovationsprozesses neuer Werkstoffe ist die zunehmende Bedeutung der interorganisationalen Zusammenarbeit, sei es in Form von Unternehmenskooperationen oder Interaktionen zwischen Unternehmen und dem Forschungssystem. Peters, Groenewegen und Fiebelkorn (1998) stellen fest, dass die komplexen Zusammenhänge der Materialentwicklung dazu führen, dass insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Firmen und Forschungseinrichtungen an Bedeutung gewinnt. Jedoch gelten Kooperationen zwischen Unternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen als ausgesprochen problembehaftet. Dies ist maßgeblich auf die unterschiedlichen Organisationskulturen zurückzuführen, die u.a. von Schmoch (2003) und Burnside und Witkin (2008:27f) thematisiert werden. Dort wird dargelegt, dass der Leistungserstellungsprozess von Forschungseinrichtungen und Unternehmen auf sehr unterschiedliche Ziele ausgerichtet ist und in einem jeweils stark voneinander abweichenden Regelungsrahmen verläuft. So ist ein Unternehmen maßgeblich auf die Gewinnmaximierung und die Steigerung seiner Wettbewerbsfähigkeit fokussiert, während die Forschungseinrichtungen durch die öffentliche Finanzierung und das wissenschaftliche Selbstverständnis den Erkenntnisgewinn und die Diffusion von Forschungsergebnissen in die „Scientific Community“ als Hauptziele verfolgen (Brainard 1999:9). Hall, Link und Scott (2001:6) fassen diese Zusammenhänge prägnant in einem bildhaften Vergleich von „zwei Welten“ zusammen. Sie versuchen anhand dieses Bildes zu veranschaulichen, dass eine kulturelle Lücke zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen
232
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
klafft, die auf unterschiedliche Umfeldfaktoren und Konventionen zurückgeführt werden kann. Schmoch (2003:345) betont jedoch, dass sich die kulturelle Lücke zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen nicht generalisieren lasse, da diese immer von den jeweiligen Akteuren und Projektkonstellationen abhänge. Schmoch führt weiter aus, dass die Frage der unterschiedlichen Organisationskultur besonders dann thematisiert und gelöst werden muss, wenn stark grundlagenorientierte Forschungseinrichtungen in Kooperationsprojekte mit Unternehmen eingebunden werden sollen und sich diese Projekte mit eher inkrementellen Verbesserungen in anwendungsnahen Feldern beschäftigen. Es bleibt festzuhalten, dass kulturelle Unterschiede bei der Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und Unternehmen berücksichtigt werden müssen und Einfluss auf die Qualität der Zusammenarbeit ausüben können. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die Qualität, Reziprozität und Frequenz des Wissenstransfers zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Auf diese Thematik und auf ihren Einfluss im Kommerzialisierungsprozess gehen wir in Kapitel 3.3 näher ein.
3
Die Kommerzialisierung neuer Werkstoffe
In diesem Kapitel arbeiten wir die Herausforderungen innerhalb des Kommerzialisierungsprozesses neuer Werkstoffe und die hierfür relevanten Barrieren heraus und gehen daraufhin näher auf die Rolle des Kompetenz-Managements bei der Kommerzialisierung ein. Abschließend erläutern wir die Bedeutung des Wissensaustausches für die Synchronisierung von Marktchancen und technologischen Möglichkeiten.
3.1
Herausforderungen und Barrieren im Kommerzialisierungsprozess neuer Werkstoffe
Wie bereits im Eingangskapitel dargelegt wurde, handelt es sich bei neuen Werkstoffen um „enabling technologies“ und generische Innovationen, die in verschiedenen Anwendungsfeldern zum Einsatz kommen können. Dies bedeutet, dass neue Werkstoffe meist in verschiedenen Märkten kommerzialisiert werden können. Beispielhaft zeigt sich dies an dem Werkstoff SN-235P des japanischen Unternehmens Kyocera Fineceramics. Dieser anorganische, keramische Werkstoff kann sowohl als Wälzkörper für Wälzlager, Lagerring für Wälzlager, Düse,
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
233
Drahtziehstein und als Fadenführer eingesetzt werden.7 Dies bedeutet also, dass Kyocera Fineceramics den Werkstoff in mehreren Märkten, beispielsweise in den Märkten für Wälzlager, Düsen und Fadenführer, kommerzialisieren könnte und nicht lediglich auf einen Zielmarkt limitiert wäre. Die Vielzahl von Anwendungsmärkten führt generell dazu, dass das Kommerzialisierungspotential eines neuen Werkstoffes außerordentlich hoch sein kann (Musso 2005). Jedoch löst ein breites Anwendungsspektrum eines Werkstoffes auch diverse Herausforderungen aus, die erkannt und in der Kommerzialisierungsstrategie berücksichtigt werden müssen. Als erste Herausforderung ist hier die Notwendigkeit zu nennen, die Wahl von Zielmärkten (Anwendungsfeldern) zu organisieren. Vielfach ist im Bereich der Werkstoff-Innovation zu beobachten, dass die hohe Zahl der technologisch erreichbaren Anwendungsfelder Unternehmen und Forschungseinrichtungen dazu veranlasst, zu viele verschiedene Entwicklungslinien zu verfolgen. Diese Strategie führt oft dazu, dass den Akteuren die Ressourcen für die Kommerzialisierung in den entscheidenden Feldern fehlen und dort keine adäquaten Kommerzialisierungsmaßnahmen realisiert werden können.8 Musso (2005:35) schließt daraus, dass die Priorisierung von Anwendungen eine wichtige Rolle für den Kommerzialisierungserfolg spielt und bezeichnet den Prozess der Selektion von Zielmärkten als den entscheidenden Faktor für eine erfolgreiche und schnelle Kommerzialisierung eines neuen Werkstoffes. Unternehmen, die eine Werkstoff-Innovation kommerzialisieren wollen, wählen dennoch oftmals eine Kommerzialisierung, die mehrere Anwendungsfelder adressiert. Einerseits ist dies im Sinne der Risikostreuung und der Maximierung von potentiellen Kommerzialisierungsgewinnen eine attraktive Strategie. Dennoch sind hiermit auch Tücken verbunden, die typisch für die Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen sind. Eine dieser Tücken sind die steigenden Kommerzialisierungskosten bei der Übertragung einer Innovation in einen neuen Anwendungskontext. Arora, Fosfuri und Gambardella (2001) beschreiben dies in ihrer Studie und führen dieses Phänomen auf die intensive Entwicklungsarbeit zurück, die für die Adaption auf weitere Anwendungsbedingungen erforderlich sind. Sie führen weiterhin aus, dass diese Kosten teilweise so beträchtlich sind, dass sie die Kosten für die isolierte Neuentwicklung einer gleichartigen Technologie in dem neuen Anwendungsfeld übersteigen können. Aus diesen Gründen ist es für die Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen ent7 8
Vgl. die Datenbank des Bayrischen Online-Materialinformationssystems unter http://www. format.mwn.de/ Werkstoffe/. In den Expertengesprächen für die Studien in Bräutigam und Gerybadze (2010) war hier von einem „Springen“ von Anwendungsfeld zu Anwendungsfeld die Rede.
234
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
scheidend, die technologisch erreichbaren Anwendungsfelder hinsichtlich ihrer Marktattraktivität zu analysieren und zu priorisieren. Ein wichtiger Faktor der Marktattraktivität ist das Marktvolumen, das mit einem Anwendungsfeld verbunden wird. Da neue Werkstoffe vielfach nur für Nischenmärkte relevant sind, in denen ein geringes mengenbasiertes Absatzpotential vorliegt,9 ist die Identifikation von potentiellen Massenanwendungen ein wichtiger Erfolgsfaktor. Ein fundamentales Charakteristikum von Werkstoff-Innovationen ist die enorme Zeitspanne, die ab der ersten Forschungsaktivität bis hin zur Markteinführung einzukalkulieren ist (Maine, Probert u. Ashby 2005:16). Dieses Charakteristikum wird gemäß Musso (2005:42) im angelsächsischen Raum auch als die „20-year barrier“ bezeichnet, da neue Werkstoffe durchaus einen derartigen Zeitraum benötigen können, um von allen Marktakteuren akzeptiert zu werden.10 In Verbindung mit dem hohen kumulativen Investment in WerkstoffInnovationen erklärt sich bereits sehr anschaulich, warum viele privatwirtschaftliche Unternehmen und Investoren vor Investitionen in neue Werkstoffe zurückschrecken (Musso 2005:43). Weiterhin ist die Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen durch diverse Risiken gekennzeichnet. Zuerst ist hier das hohe Entwicklungsrisiko zu nennen, unter dem das Risiko eines Misserfolgs bei der Generierung einer ausreichend performanten Werkstoff-Innovation zu verstehen ist.11 Ein weiteres Risiko für die Kommerzialisierung einer Werkstoff-Innovation ist das der fehlenden Marktakzeptanz des Werkstoffes und der Endprodukte, in welche der Werkstoff integriert wird. Haftungsrisiken bei einem Materialfehler und eine fehlerhafte Einschätzung hinsichtlich der Kostenstrukturen des Werkstoffes, die zu einem Wegfall der im Bereich der Werkstoff-Innovation wichtigen „Economies of Scale“ führen, sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren (Musso 2005). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen als eine außerordentlich komplexe Managementaufgabe anzusehen ist, da das Innovationsfeld neuer Werkstoffe diverse Charakteristika aufweist, die den Kommerzialisierungsprozess erschweren. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Anzahl der technologisch erschließbaren Anwen9
Insbesondere bei Funktionswerkstoffen oder Schichtmaterialien ist dies der Fall, vgl. BMBF (2003), S.5. 10 Die Problematik eines langen Time-to-Market wird noch dadurch verschärft, dass die Materialeigenschaften erst nach und nach vollständig in Zielmärkten bekannt werden, vgl. OECD (1990), S.25f. 11 Vgl. BMBF (2003), S.11, zu den Unsicherheiten auch OECD (1990), S. 25f., Klein (2001) und Maine/Garnsey (2007).
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
235
dungsfelder sowohl ein Segen als auch ein Fluch sein kann. Die Kommerzialisierung von Werkstoff-Innovationen erfordert daher einen strukturierten Synchronisierungsprozess zwischen Marktbedürfnissen und potentiellen Anwendungsfeldern sowie den durch eine Werkstoff-Innovation ausgelösten technischen Möglichkeiten. Dies wurde auch in den Studien von Maine und Garnsey (2006, 2007) festgestellt. Maine, Probert und Ashby (2005) stellen weiterhin die Wichtigkeit einer Priorisierung von Anwendungsfeldern neuer Werkstoffe heraus.12 Diese Erkenntnis wird durch empirische Ergebnisse in Gerybadze, Gredel und Gresse (2010) unterstützt. Auch bei dieser Priorisierung, die mit einer Zielmarktselektion gleichgesetzt werden kann, übt ein Synchronisierungsprozess zwischen technologischem Wissen und Wissen über die Märkte eine positive Wirkung aus.
3.2
Beitrag des kompetenzbasierten Forschungsansatzes für das Verständnis der Erfolgsfaktoren und Barrieren im Kommerzialisierungsprozess neuer Werkstoffe
Bislang konnte festgestellt werden, dass die Synchronisierung von Marktbedürfnissen und technisch machbaren Anwendungen ein wichtiger Einflussfaktor für den Erfolg der Kommerzialisierung eines neuen Werkstoffes ist. Gleiches gilt für die Priorisierung von Anwendungsfeldern. Bislang wurde dieser Synchronisierungsprozess jedoch nicht spezifisch auf die Rolle von Kompetenzen untersucht. Wie wir bereits bei der Ableitung unserer Forschungsfragen dargelegt haben, liegt hier noch eine Forschungslücke vor. Der kompetenzbasierte Forschungsansatz, in der angelsächsischen Literatur als „competence-based view“ oder auch „capabilities-based view“ bezeichnet, erweitert die Perspektive des ressourcenbasierten Ansatzes. Dieser ist noch statisch auf die Ressourcenausstattung einer Organisation gerichtet, wohingegen der kompetenzorientierte Ansatz die Kompetenzen zur Entwicklung und Nutzung von Ressourcen in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Autoren wie Grant (1991:122) sehen eine enge Verbindung des Kompetenzbegriffes mit dem der organisatorischen Routinen. Auch Foss (1998:487) argumentiert ähnlich und 12
Die Autoren schlagen vor, die Marktparameter der wichtigsten Anwendungsfelder als Grundlage für weitere Analysen zu Kostenpräferenzen hinsichtlich des neuen Werkstoffes im jeweiligen Anwendungskontext heranzuziehen. Nur auf diese Weise wird ein klares Bild darüber erreicht, in welchen Anwendungsfeldern die Grundlage für die gewinnbringende Kommerzialisierung vorhanden ist.
236
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
versteht Kompetenzen als die Ansammlung der Routinen einer Unternehmung. Javidan (1998:62) unterscheidet zwischen den Begriffen der Fähigkeit (capability) und der Kompetenz (competence), indem er der Kompetenz das Attribut zuschreibt, die verschiedenen Fähigkeiten einer Unternehmung über verschiedene Funktionsbereiche zu integrieren und zu koordinieren. Weiterhin basieren Kompetenzen auf Wissen und auf Lernprozessen. Sie sind damit kognitiver Natur.13 Sanchez, Heene und Thomas (1996:8) rücken in ihrer Kompetenzdefinition den Begriff der „ability“ in den Mittelpunkt: “Competence is an ability to sustain the coordinated deployment of assets in a way that helps a firm achieve its goals. Here we use the word ability in the ordinary language meaning of a ‘power to do something’.“ (Sanchez, Heene u. Thomas 1996:8).
Der Beitrag des kompetenzbasierten Forschungsansatzes für das Verständnis der Synchronisierungsprozesse zwischen Marktbedürfnissen und technologischen Möglichkeiten liegt darin, dass hierzu kognitive Prozesse, respektive Kompetenzen, notwendig sind. Diese zu identifizieren, zu systematisieren und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Kompetenztypen festzustellen, würde das Verständnis über die Synchronisierungsprozesse verbessern. Die Literatur schlägt bereits verschiedene Kompetenztypen vor, die hierbei entscheidend sind. Zum einen sind dies Kompetenzen aus dem Bereich der Grund- und Anwendungsorientierten Forschung (Forschungskompetenzen), zum anderen Kompetenzen, die auf die Einführung und Durchsetzung von Produkten, die Bildung von Allianzen und die Strukturierung einer Wertschöpfungskette bezogen sind (Kommerzialisierungskompetenzen).14 Der Synchronisierungsprozess zwischen Forschungskompetenzen und Kommerzialisierungskompetenzen kann auf zwei Ebenen betrachtet werden: der des Gegenstandes der Synchronisierung und der des Synchronisierungsprozesses selbst. Gegenstand der Synchronisierung sind die Kompetenzen der in einer Kooperation beteiligten Akteure in Bezug auf die F&E sowie die Kommerzialisierung. Diesen Kompetenzen liegt jeweils eine Wissensbasis zugrunde. Im Falle der Forschungskompetenz ist dies das Wissen über Zusammenhänge der F&E, im 13
Vgl. für einen Überblick zu dieser Thematik u.a. Amit und Schoemaker (1993), Hall (1993), Prahalad und Hamel (1990) oder Javidan (1998). 14 Vgl. u.a. Musso (2005). Andere Studien, wie Zahra und Nielsen (2002) heben die Kompetenzen zur Herstellung eines Produktes („manufacturing capabilites“) als entscheidenden Faktor der Kommerzialisierungskompetenz heraus. In unserem Beitrag subsumieren wir dies unter dem Begriff der Organisation der Wertschöpfungskette, durch die ein Unternehmen die Herstellungsschritte in Wertschöpfungsstufen unterteilt und jeweils Produktionsschritte selbst übernimmt, in Kooperation erstellt oder komplett fremdvergibt.
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
237
Falle der Kommerzialisierungskompetenz das Wissen über Märkte und Markbearbeitungsstrategien. Das Wissen eines Unternehmens bzw. einer Organisation wird im Sinne der ressourcenbasierten Literatur als eine Ressource verstanden, deren Mobilisierung dann im Sinne des kompetenzbasierten Ansatzes eine Kompetenz darstellt (Sanchez, Heene u. Thomas 1996:8). Der Synchronisierungsprozess selbst kann als ein Prozess des interorganisationalen Lernens verstanden werden, da sich die Kompetenzbasis der beteiligten Akteure durch einen reziproken Wissensaustausch ergänzt. Die Bedeutung von Wissen für den Austausch bzw. die Interaktion von verschiedenen Kompetenzbereichen wird auch von Prevót (2005:172) betont, der die Art des Wissens für die Einstufung der Komplexität der Kompetenz und die Art des Wissenstransfers für die Bestimmung der Interaktion eines Kompetenzaustausches bzw. einer Kompetenzsynchronisierung berücksichtigt. Prevót (2005:172) stellt weiterhin heraus, dass insgesamt fünf Transferebenen zu unterscheiden wären, von denen tangible Assets am einfachsten und Kompetenzen am schwierigsten transferiert werden könnten.15 Aus der Kooperationsperspektive wechselt in dem Synchronisierungsprozess der Fokus im Kompetenzmanagement von der Kompetenzerweiterung (capability broadening) zu einer Kompetenzvertiefung (capability deepening), in der kein neues Wissen mehr geschaffen, sondern vorhandenes Wissen der Akteure effektiver genutzt wird.16 Das bei den Kooperationsakteuren vorhandene Wissen in Bezug auf die Kommerzialisierung wird also in eine Art „Wissens-Pool“ eingebracht und miteinander verknüpft. Hierauf aufbauend können die Akteure ihre jeweilige Wissensbasis um eine neue Perspektive verbessern und ihren Blick für bislang unklare Zusammenhänge schärfen. Diese Beobachtung deckt sich mit der Aussage von Proff und Haberle (2008:456), dass der kompetenzbasierte Ansatz die Entstehung und Funktionsweise von Märkten erklären könne. Die Kommerzialisierungskompetenz eines Unternehmens kann gemäß der Aussagen der Autoren als die Fähigkeit interpretiert werden, die Interdependenz von Branchen, Anwendungsfeldern, Netzwerken und Unternehmen zu erfassen und daraus initiativ neue Anwendungsmöglichkeiten von Werkstoffen zu antizipieren. Hierin liegt ein Anknüpfungspunkt zu dem Konzept der dynamischen Fähigkeiten nach Teece, Pisano und Shuen (1997).
15 16
Prevót bezieht sich hierbei auf Sanchez, Heene und Thomas (1996). Vgl. Argyres (1996), S.398, zitiert nach Proff/Haberle (2008), S.453.
238
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
3.3
Die Qualität, Frequenz und Reziprozität des Wissensaustausches als Einflussfaktor auf die Synchronisierung von Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenzen
Wie bereits im vorigen Kapitel angesprochen wurde, spielt der Austausch von Wissen eine große Rolle für die Synchronisierung von Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenzen. Dieser Wissensaustausch erfolgt in der Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen oft in mangelnder Qualität, Frequenz und Reziprozität (Schmoch 2003). Auch Walter (2003) argumentiert, dass die Akteure dieses Defizit oft bewusst nicht abbauen würden, da sie einen zu hohen Aufwand und eine zu niedrige Wahrscheinlichkeit für einen Nutzen vermuten. Ein besonders kritischer Punkt ist hierbei die Reziprozität des Wissensaustausches zwischen den Kooperationspartnern. In den empirischen Arbeiten von Gerybadze, Gredel und Gresse (2010) wurde festgestellt, dass ein Rückfluss von anwendungs- und marktbezogenem Wissen in die Forschungsorganisation gerade in der Materialforschung nur geringfügig erfolgt.17 Die mangelnde Reziprozität des Wissensaustausches führt zu diversen Problemen, Missverständnissen und strukturellen Hemmnissen im Management von Werkstoff-Innovationsprojekten. Schmoch (2003) fasste dieses Phänomen folgendermaßen zusammen: „Nur mit Aussicht auf einen wechselseitigen Wissensaustausch ist aus der Perspektive der akademischen Forschung die Interaktion mit Unternehmen mittel- und langfristig tragfähig.“ (Schmoch 2003:281)
Benneworth (2001) kritisiert in diesem Zusammenhang die in vielen Kooperationsprojekten vorliegende Trennung von Wissensgenerierung und Wissensverwertung. Er bezieht sich dabei auf die Kritiker des linearen Modells der Technologiekommerzialisierung, welches die Forschungseinrichtungen und Hochschulen lediglich als Wissensproduzent ansieht und die Technologiekommerzialisierung als alleinige Aufgabe der Industrie versteht. Hierdurch wird die Verbindung von Forschungsprojekten und den aus ihnen resultierenden Produkten, Techniken und Geschäftsmodellen nicht ausreichend berücksichtigt. Es kann also festgehalten werden, dass ein reziproker, qualitativ hochwertiger und häufiger Wissensaustausch zwischen Kooperationspartnern die Synchronisierung von 17
Diese von Schmoch (2003) aufgeworfene Problematik hat sich auch in den empirischen Studien des InnoMat-Projektes bestätigt, vgl. Gerybadze, Gredel und Gresse (2010).
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
239
Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenzen fördert. Dies fördert dann wiederum das „Matching“ von technologischen Möglichkeiten und Marktchancen und damit die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Kommerzialisierung eines Werkstoffes.
4
Empirische Fallstudie
Anhand einer Fallstudie soll nun das Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei der Kommerzialisierung von neuen Werkstoffen analysiert werden. Die Fallstudienanalyse hat den Vorteil, dass eine genaue Beschreibung der untersuchten Prozesse die Möglichkeit erlaubt, Hypothesen und Modelle zur Erklärung des gesamten Phänomens, in diesem Fall die Kommerzialisierung neuer Werkstoffe, abzuleiten (Nonaka, Toyama u. Hirata 2008:4). Weiterhin dient die Fallstudienarbeit dazu, die mit quantitativen Analysen verbundenen Nachteile zu vermeiden, die bei der Untersuchung komplexer Phänomene anfallen. Auch Freiling, Gersch und Goeke (2008:397) sowie Proff und Haberle (2008:451) unterstreichen die besondere Eignung qualitativer Methoden für die Untersuchungen von kompetenzbasierten Forschungsfragen. Für die Fallstudie wurden zehn Experteninterviews mit Projektbeteiligten durchgeführt. Diese wurden in einem iterativen Prozess jeweils zu verschiedenen Zeitpunkten des Kooperationsablaufes angesetzt und ausgewertet (Freiling, Gersch u. Goeke 2008:397). Weiterhin wurden Patentinformationen als Indikator für Forschungskompetenzen der Akteure herangezogen. In der hier analysierten Kooperation sind zwei Hauptakteure zu unterscheiden: ein marktführendes, multinationales Unternehmen (MNU) und eine öffentliche Forschungseinrichtung. Das MNU steuerte als Endsystemhersteller maßgeblich die Zusammenarbeit. Weiterhin waren noch zwei Nebenakteure in den Produktionsprozess, jedoch nicht in die Entwicklung, involviert. Der Kooperationsgegenstand war die Entwicklung eines Werkstoffes, der die bislang genutzte Werkstoffbasis einer Komponente ersetzen sollte.18 Weiterhin wurden während der Zusammenarbeit wichtige technologische Fragen der Kommerzialisierung geklärt und Weichenstellungen für die Zertifizierung des Werkstoffes vorgenommen. Da die Aktivitäten der Akteure auf unterschiedliche Stufen des Wertschöpfungsprozesses konzentriert sind und unterschiedliche Aufgaben innerhalb 18
Wenn wir uns im weiteren Verlauf der Fallstudie auf den Kooperationsgegenstand beziehen sprechen wir lediglich von dem Begriff der „Komponente“.
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Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
der Wertschöpfungskette übernommen wurden, handelte es sich um eine vertikale Kooperation.19 Die Fallstudie ist folgendermaßen strukturiert: Kapitel 4.1 dient dazu, die bisherigen Applikationspfade der relevanten Werkstoffklasse nachzuzeichnen. Kapitel 4.2 geht auf die Vorbereitung der untersuchten Kooperation ein, worauf in Kapitel 4.3 die Analyse der eigentlichen Kooperationsphase erfolgt. In Kapitel 4.4 wird dann betrachtet, wie die Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenzen innerhalb der Kooperation verteilt sind. Abschließend veranschaulicht Kapitel 4.5 die Synchronisation der Kompetenzbündel der Akteure.
4.1
Bisherige Applikationspfade der Werkstoffklasse
Bei der Werkstoffklasse, die der Gegenstand der untersuchten Kooperation war, handelte es sich um einen Verbundwerkstoff, der ursprünglich in der Raumfahrt eingesetzt wurde. Insbesondere im deutschen Forschungssystem wurde die Werkstoffklasse in den 90er Jahren in der Grundlagenforschung vorangetrieben und spielte dort in einem bedeutenden Raumfahrt-Forschungsprojekt eine wichtige Rolle. Das in dieser Fallstudie betrachtete Institut leistete hierbei einen signifikanten Beitrag. Nachdem sich die Werkstoffklasse für verschiedene Vorzeigeanwendungen in der Raumfahrt bewährt hatte, wurden erste Überlegungen dahingehend angestellt, den Werkstoff in anderen Anwendungsbereichen einzusetzen. Aufgrund der sehr vorteilhaften Materialeigenschaften unter hohen Temperaturen eignet sich der Werkstoff unter anderem hervorragend für Bremsanwendungen. Diese potentielle Anwendung stieß auf großes Interesse in mehreren Industriezweigen. Die ersten vielversprechenden Forschungsergebnisse führten bald dazu, dass erste Projekte mit Industriebeteiligung gestartet wurden, die die Applikation der Werkstoffklasse außerhalb der Raumfahrt zum Gegenstand hatten. Der erste Meilenstein für den Werkstoff war ein Prestigeprojekt mit einem großen europäischen MNU, in dem der neue Werkstoff in eine Bremskomponente in Kleinserie integriert wurde. Bald darauf startete die Serienfertigung eines ähnlichen Bauteils in einem anderen international aufgestellten Unternehmen. Das in dieser Fallstudie dargestellte und analysierte Projekt ist ein weiterer Meilenstein für die Werkstoffklasse, da eine neue Werkstoffvariante generiert
19
Auch Gerybadze (2004) betrachtet die Zusammenarbeit von einer Forschungseinrichtung und einem Unternehmen, welches „upstream“ in der Wertschöpfungskette agiert, als eine vertikale Konstellation.
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
241
wurde, die ein neues und attraktives Anwendungsfeld im Anlagenbau erschließen konnte.
4.2
Vorbereitung der Kooperation
Wie bereits Schmoch in seinen Arbeiten zu dem Wissens- und Technologietransfer aus der öffentlichen Forschung anmerkt, spielte auch in dem hier untersuchten Fall die Vortragstätigkeit von Wissenschaftlern eine entscheidende Rolle für das Zustandekommen einer Kooperation mit der Industrie (Schmoch 2003). Auf diesem Wege wurde das MNU auf die Werkstoffklasse aufmerksam und kam mit der Forschungseinrichtung darüber ins Gespräch, ob die Werkstoffklasse eine mögliche Lösung für ein technologisches Problem des MNU wäre. Die ersten Gespräche auf dem Kongress führten bald zu einem intensiveren Austausch und zu dem Entschluss, die grundsätzliche Eignung der Werkstoffklasse für das technologische Problem des MNU durch diverse Materialtests festzustellen. Das MNU erklärte sich bereit, die Herstellung verschiedener Werkstoffvarianten zu finanzieren, die für diese Vorstudien und die Kennwertermittlung genutzt wurden. Nachdem die Tests mit viel versprechenden Ergebnissen endeten, vereinbarten das MNU und die Forschungseinrichtung eine gemeinsame Kooperation, um die Anwendung bis zur Serienreife zu führen. Entscheidend für das Zustandekommen der Kooperation war das „Matching“ der Werkstoff-Kompetenz der Forschungseinrichtung mit den Impulsen, die das MNU aus der Ebene des Endsystems und des Subsystems einbrachte. Das MNU lieferte eine klare Definition des technologischen Problems, das als eine wettbewerbsrelevante Fragestellung eingestuft wird. Es handelt sich somit um die Einbringung einer „market challenge“ im Sinne von Maine und Garnsey (2007). Das Forschungsinstitut ermöglichte mit seiner Werkstoff-Kompetenz erst die Testphase für verschiedene Werkstoffvarianten, deren Herstellung und Auswahl für das MNU alleine nicht möglich gewesen wäre. Es kann festgehalten werden, dass noch vor dem Beginn der eigentlichen Kooperation der erste Ansatzpunkt für eine erfolgreiche Synchronisierung von marktgerichteten und forschungsgerichteten Kompetenzen zwischen der Forschungseinrichtung und dem MNU festzustellen ist.
242
4.3
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
Kooperationsphase: Weichenstellung für die Kommerzialisierung
Nach dem Abschluss eines F&E-Vertrages begann die eigentliche Kooperationsphase zwischen den beiden Hauptakteuren. Das MNU brachte beträchtliche Forschungskompetenzen in die Kooperation ein, welche jedoch primär auf die Wertschöpfungsstufen der Werkstoff-Integration auf der Komponenten-, Subsystem- und Systemebene beschränkt waren. Die Forschungseinrichtung war dahingegen eher auf die Bereitstellung und Generierung von Forschungsergebnissen, die Materialkonzeptentwicklung und die Materialprozessentwicklung konzentriert. Jedoch war innerhalb des Projektes festzustellen, dass dieser primäre Fokus von den beiden Akteuren immer wieder durch punktuelle Beiträge auf anderen Wertschöpfungsstufen des Projektes ergänzt wurde. So wirkte das Unternehmen auch in der Materialkonzeptentwicklung mit, indem es die Leitlinien für den Werkstoff gemäß den Anforderungen auf den Absatzmärkten definierte. Folgende Abbildung stellt die Rollen der Akteure zusammenfassend dar und skizziert die damit zusammenhängenden Wertschöpfungsstufen des Projektes.20
4.4
Kompetenzverteilung in der Kooperation
Bei der Betrachtung der Kompetenzen der Akteure sollen zwei Kompetenzbereiche berücksichtigt werden: die Forschungskompetenz und die Kommerzialisierungskompetenz. Wir gehen in Kapitel 4.4.1 zuerst auf die Verteilung der Forschungskompetenzen ein und erläutern anschließend in Kapitel 4.4.2 die Kommerzialisierungskompetenzen in der Kooperation.
4.4.1 Verteilung der Forschungskompetenz Die in Abbildung 2 differenzierten Wertschöpfungsstufen werden insbesondere in den ersten Stufen (Forschung, Materialkonzeptentwicklung, Materialprozessentwicklung) und in den Stufen der Werkstoff-Integration von der Forschungskompetenz beeinflusst. Differenziert man die Forschungskompetenzen nochmals 20
Die Abgrenzung der Wertschöpfungsstufen erfolgte in Anlehnung an eine Systematik des National Research Council (1999). Die nicht zugewiesenen Wertschöpfungsstufen übernehmen externe Partner, die jedoch nicht direkt in die Entwicklung eingebunden waren.
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
243
in verschiedene Kompetenzbündel, ist in den ersten drei Stufen (Forschung, Materialkonzeptentwicklung, Materialprozessentwicklung) die Werkstoff-Kompetenz das dominierende Kompetenzfeld. Bei der Werkstoff-Integration sind die Forschungskompetenzen entscheidend, die direkt auf die im Projekt angepasste Komponente, das Subsystem oder die Systemebene ausgerichtet sind. Daher können also wiederum verschiedene Kompetenzfelder mit dem Bezug auf die Komponente, das Subsystem und das Endsystem unterschieden werden. Kompetenzbündel der Forschungseinrichtung
Problemerkenntnis & Ideengenerierung
Forschung (Synchronisierung von Forschungsergebnissen und technologischer Problemstellung)
Materialkonzeptentwicklung
Materialprozessentwicklung
Anpassung der Produktionsprozesse (weitgehend Fremdvergabe)
Werkstoff-Herstellung (weitgehend Fremdvergabe)
Werkstoff-Integration auf Komponentenebene
Werkstoff-Integration auf Subsystemebene
Werkstoff-Integration auf Systemebene
Markteinführung und Durchsetzung
Kompetenzbündel des MNU (Endsystemhersteller)
Abbildung 2: Wertschöpfungsstufen und Rollen der beteiligten Hauptakteure Um festzustellen, wie die Forschungskompetenzen in den Kompetenzfeldern verteilt sind, wurden die angemeldeten Patentfamilien21 ermittelt, über die die Akteure in diesen Bereichen verfügen.22 Abgegrenzt werden die Kompetenzfelder anhand einer Systematik, die auf der internationalen Patentklassifikation 21
Unter eine Patentfamilie wird die Summe von Patenten bzw. Patentanmeldungen verstanden, die sich auf die gleiche Prioritätsanmeldung (Erstanmeldung), bezieht. Dieser Ansatz wurde gewählt, um nur die Ursprungserfindung als technologische Kompetenz heranzuziehen, nicht jedoch geringfügige Verbesserungen oder Nachmeldungen des Ursprungspatentes in anderen Ländern. 22 Patentdaten weisen diverse Einschränkungen hinsichtlich ihrer Validität als Kompetenzindikator auf. Gerade die auf implizitem Wissen beruhenden Forschungskompetenzen sind anhand Patentdaten schwer nachweisbar. Diese Aspekte werden in Stephan (2003) ausführlich diskutiert..
244
Alexander Gerybadze/Daniel Gredel/Christopher Gresse
(International Patent Classification, IPC) basiert. In einem ersten Schritt erfolgte die Abgrenzung der Kompetenzfelder, denen anhand von Expertengesprächen und Technologieanalysen eine oder mehrere IPC-Klassen zugewiesen werden konnten.23 Für die Zuordnung von IPC-Klassen zu den Kompetenzfeldern erfolgte eine Recherche im IPC-Klassifikationssystem anhand von Stichwörtern und dem Review einer Stichprobe von relevanten Patentschriften.24 Dann wurden Patentdaten anhand der „Worldwide Patent Database“ des Europäischen Patentamtes abgefragt, ausgewertet und den zuvor festgelegten Kompetenzfeldern zugewiesen. Die Zuweisung von Patentfamilien zu Kompetenzfeldern erfolgte nicht nur nach der Haupt-, sondern auch nach der Nebenklassifikation der Patentfamilie. Daher ist zu berücksichtigen, dass eine Zuweisung einer Patentfamilie zu mehreren Kompetenzfeldern möglich ist. Der zeitliche Fokus lag bei der Untersuchung auf den Patentfamilien, die zwischen 1990 und 2000, also in einem Zehnjahreszeitraum vor dem offiziellen Start der Kooperation, angemeldet wurden. Die in den Patentdaten erkennbare Verteilung der Forschungskompetenzen in der untersuchten Kooperation war komplementär, da beide Akteure wichtige Forschungskompetenzen auf jeweils unterschiedlichen Ebenen beitrugen. Die Ausprägungen der Forschungskompetenzen im Projekt sind in der untenstehenden Tabelle dargestellt: Kompetenzfelder
Akteur 1: MNU
Akteur 2: Forschungsinstitut
Werkstoff-Kompetenzen
0
57
Komponentenbezogene Kompetenzen
0
25
Subsystembezogene Kompetenzen
291
0
Systembezogene Kompetenzen
483
0
Tabelle 1: Forschungskompetenz der Hauptakteure anhand von Patentfamilien (EPO Worldwide Database, 1990-2000)
23
Vgl. Gerybadze (2001), der die Notwendigkeit zu der Abgrenzung von Kompetenzfeldern bzw. Kompetenzbündeln beschreibt und eine diesbezügliche Methodik detaillierter vorstellt. 24 Auf eine Nennung der expliziten IPC-Klassen und Stichwörter muss aus Vertraulichkeitsgründen verzichtet werden, da dies einen direkten Rückschluss auf die Akteure des Projektes ermöglichen würde.
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
245
Der Projektgegenstand legt nahe, dass die Werkstoffkompetenz das entscheidende Kompetenzfeld innerhalb der Forschungskompetenz ist. Anhand der Patentdaten wird deutlich, dass die Forschungseinrichtung über einen großen Erfahrungsschatz und eine hohe Expertise in Bezug auf die in dem Projekt relevante Werkstoffklasse verfügt. Die Forschungseinrichtung verfügt über ein Patentportfolio von 57 Patentfamilien in diesem Kompetenzfeld. Dennoch bringt das Unternehmen durch seine Forschungskompetenzen, die auf der Systemebene besonders stark ausgeprägt sind, ebenfalls wichtiges Know-how in die Zusammenarbeit ein. Abseits der Patentdaten ist anzumerken, dass das Forschungsinstitut diverse Publikationen in renommierten Zeitschriften zu der relevanten Werkstoffklasse veröffentlicht hat und auch auf wichtigen Konferenzen regelmäßig mit Vorträgen präsent ist. Das Institut ist gut in der Scientific Community vernetzt und wird als einer der Vorreiter in Bezug auf die Forschungsarbeiten an der Werkstoffklasse anerkannt. Diese Faktoren untermauern nochmals die Feststellung, dass die Werkstoff-Kompetenz der Forschungseinrichtung als exzellent einzustufen ist. Auch die Ergebnisse aus den Expertengesprächen bestätigten die aus den Patentdaten zu folgernde Verteilung der Forschungskompetenzen in der Kooperation.25
4.4.2 Verteilung der Kommerzialisierungskompetenz Hinsichtlich der Kommerzialisierungskompetenz dominiert das Unternehmen erwartungsgemäß die Kooperation. Das Unternehmen verfügt über die Kompetenzen, die für eine Einführung und Durchsetzung von Produkten in seiner Branche notwendig sind. Ein wichtiger Bereich hierbei ist die Organisation von Wertschöpfungsketten, bei der die Bildung von Allianzen eine wichtige Rolle spielt. Das Unternehmen hat durch die Initiierung der Kooperation bewiesen, dass es die Bedürfnisse des Marktes antizipieren kann. Es hat für den Start des Kooperationsprojektes einen Zeitpunkt gewählt, der den Markteintritt mit der neuen technologischen Lösung zu einem vorteilhaften Zeitpunkt ermöglichte 25
Hiermit tragen wir der Tatsache Rechnung, dass eine rein quantitative Messung von Forschungskompetenzen vielfach zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen führt und durch ein qualitatives Vorgehen durch Experteninterviews bzw. Workshops ersetzt oder zumindest ergänzt werden sollte. Auf diesem Wege ist sichergestellt, dass das für eine Kompetenzmessung notwendige, detaillierte Verständnis der Technologien und des Branchenkontextes vorhanden ist. Vgl. hierzu auch Gerybadze (2001).
246
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und dem Unternehmen einen technologisch begründeten Wettbewerbsvorteil sicherte. Im Sinne von Teece (2007:1345) weist das Unternehmen mit der Fähigkeit zur Antizipation der in der Zukunft wichtigen Wettbewerbsfaktoren eine dynamische Fähigkeit auf.26 Ein Aspekt, der noch detailliertere Beachtung finden sollte, ist die Organisation der Wertschöpfungskette durch das Unternehmen. Das MNU verfügte über die Kompetenz, die Wertschöpfungskette für die Komponente von Beginn an bis zur Integration des fertigen Serienbauteils in das Endsystem zu planen. Hierbei erfolgten die Evaluation der Aufgaben in den verschiedenen Wertschöpfungsstufen und die Abwägung, welche Aufgaben in dieser Wertschöpfungskette fremdvergeben werden sollten. Weiterhin war das Unternehmen in der Lage, die Planung der Wertschöpfungskette durch den Abschluss von rechtssicheren und für das Unternehmen vorteilhaften Verträgen zu manifestieren und damit Planungssicherheit zu schaffen. Zu der Planung der Wertschöpfungskette gehörte die Entscheidung zur Fremdvergabe an mehrere externe Partner, die für wichtige Schritte im Produktionsprozess verantwortlich waren, sowie die Organisation der Zusammenarbeit und des Wissensaustausches zwischen dem Forschungsinstitut und diesen Partnern. Die Forschungseinrichtung verfügt nur sehr eingeschränkt über Kommerzialisierungskompetenzen. Sie kommt nur punktuell mit Industrieunternehmen in Kontakt und lernt in diesen Projekten oft nur teilweise die ökonomischen Erfolgsfaktoren von Industrien kennen. Jedoch verfügt sie über die Kompetenz, die Anwendungsmöglichkeiten des Werkstoffes aus technologischer Sicht hervorragend zu beschreiben. Diese Kompetenz ist zwar eher der Forschungskompetenz zuzuordnen, kann aber auch in Teilen als Kommerzialisierungskompetenz angesehen werden.27 Dieser Sachverhalt wird jedoch noch im folgenden Kapitel detaillierter ausgeführt. 26
Vgl. hierzu ebenfalls Teece, Pisano und Shuen (1997) für die Ursprünge des Konzeptes der dynamischen Fähigkeiten und Kramer, Lassleben und Kirrane (2009) für einen kritischen Review der Literatur zu den ressourcenbasierten und kompetenzbasierten Ansätzen sowie dem Konzept der „dynamic capabilities“. 27 In Projekten, in denen der Unternehmenspartner über ein stark diversifiziertes Produktportfolio verfügt, könnte diese Kompetenz der Forschungseinrichtung eine besonders positive Auswirkung ausüben. In diesem Fall könnte die Forschungseinrichtung dem Unternehmen helfen, weitere Anwendungsbereiche innerhalb des Produktportfolios zu identifizieren, die technologische Machbarkeit bzw. Vorteilhaftigkeit abzuschätzen und neue Projekte zu starten. Dies wäre ein Beispiel für die positive Beeinflussung zwischen den beiden Kompetenzbereichen (Forschungskompetenz und Kommerzialisierungskompetenz), die in der klassischen Literatur im Rahmen des „Matching“-Prozesses zwischen technologischen und marktbedingten Anforderungen themati-
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
4.5
247
Die Synchronisierung von Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenz zwischen den Akteuren
Die Synchronisierung der Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenzen der Akteure ist ein komplexer Prozess, zu dessen Verständnis eine Differenzierung verschiedener Betrachtungsebenen erfolgen soll. Insgesamt können vier Synchronisierungsebenen (SE) unterschieden werden: 1. SE1: Beitrag der Forschungskompetenz (Grundlagenorientiert) der Forschungseinrichtung für die Forschungskompetenz (Anwendungsorientiert) des MNU 2. SE2: Beitrag der Forschungskompetenz (Anwendungsorientiert) des MNU für die Forschungskompetenz (Grundlagenorientiert) der Forschungseinrichtung 3. SE3: Beitrag der Forschungskompetenz (Grundlagenorientiert) der Forschungseinrichtung für die Kommerzialisierungskompetenz des MNU 4. SE4: Beitrag der Kommerzialisierungskompetenz des MNU für die Forschungskompetenz (Grundlagenorientiert) der Forschungseinrichtung Es ist erkennbar, dass die Synchronisierungsebenen einerseits die Art der Kompetenzen der Akteure (Fokus auf Forschung vs. Fokus auf Kommerzialisierung) und andererseits die verschiedenen Richtungen der Einflussnahme berücksichtigen. Die Zusammenhänge sind in dem folgenden Modell veranschaulicht, in dem auch die Verbindung der Kompetenzen mit den jeweiligen Wertschöpfungsstufen der Kooperation erkennbar wird. Auf SE1 konnte festgestellt werden, dass die grundlagenorientierte Forschungskompetenz der Forschungseinrichtung positiv auf die Entwicklung der Forschungskompetenz des MNU einwirkte. Das in das Projekt eingebundene F&E-Team des MNU arbeitete stärker anwendungsorientiert und eher im Bereich der Entwicklung als in der Forschung. Dennoch haben die Verantwortlichen des MNU die Wichtigkeit neuer Werkstoffe, gerade für Sicherheitsbauteile, erkannt und sich bewusst das Know-how aus der Forschung angeeignet. Von Seiten des MNU wurde insbesondere herausgestellt, dass mit dem Projekt das Denken „outside the box“ gefördert wurde und bewusst über komplett neue Ideen und Lösungen nachgedacht werden konnte. Die Forschungskompetenz der Forschungseinrichtung, die noch stärker auf die kreative Leistung ausgerichtet siert wird, vgl. Freeman (1982) und die neuere Literatur zur Werkstoff-Innovation (u.a. Maine u. Garnsey 2006, 2007).
248
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ist, hat hier einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Forschungskompetenz des MNU geleistet. Weiterhin profitierte das MNU von dem ForschungsKnow-how der Forschungseinrichtung hinsichtlich des Materialaufbaus sowie verschiedener Herstellungs- und Testverfahren. Kompetenzbündel Forschungseinrichtung Forschung
SE4
Materialkonzeptentwicklung
Forschungskompetenzen (Grundlagenorientiert)
SE2
Materialprozessentwicklung
Anpassung der Produktionsprozesse
Werkstoff-Herstellung
Kompetenzbündel MNU
Werkstoff-Integration auf Komponentenebene
Werkstoff-Integration auf Subsystemebene
SE1
Forschungskompetenzen (Anwendungsorientert)
SE3
Kommerzialisierungskompetenz
Werkstoff-Integration auf Systemebene
Markteinführung und Durchsetzung
Abbildung 3: Zusammenhang der Kompetenzbündel und der Synchronisierungsebenen in der Kooperation. Auf SE2 wurde der Einfluss der anwendungsorientierten Forschungskompetenzen des MNU auf die Forschungskompetenzen der Forschungseinrichtung betrachtet. Diese Wirkung war zwar ebenfalls positiv, jedoch in einem geringeren Ausmaß als der auf SE1 untersuchte Zusammenhang. In diesem Sinne lag kein reziproker Austausch auf der Ebene SE1 und SE2 vor. Einer der Gründe hierfür war die geringe Weitergabe von Informationen über das Endsystem an die Forschungseinrichtung. Ein tieferes Verständnis über die zusätzlichen Applikati-
Kompetenzmanagement bei der Durchsetzung von Werkstoff-Innovationen
249
onsmöglichkeiten in dem Endsystem wäre für die Forschungseinrichtung interessant und auch für die Zusammenarbeit nützlich gewesen. Das Know-how über das Subsystem wurde hingegen von dem MNU weitergegeben, bspw. in Form der Überlassung eines Musters. In SE3 waren mehrere Beiträge der Forschungskompetenz der Forschungseinrichtung für die Kommerzialisierungskompetenzen des MNU feststellbar. Ein Beitrag war das Aufzeigen von Perspektiven für die Kostensenkung des Materials, die die Anwendung des neuen Werkstoffes auch in den mittel- und unterklassigen Produkten des MNU möglich machen soll. Ein weiterer Beitrag war die Hilfestellung der Forschungseinrichtung in Bezug auf die Zertifizierung des neuen Werkstoffes. Diese Zertifizierung ist der Grundstein für die Kommerzialisierung. Der wohl wichtigste Beitrag war die Hilfe der Forschungseinrichtung bei der Organisation der Wertschöpfungskette. Die Forschungseinrichtung konnte aufgrund der Nutzung des Netzwerkes der Projektleitung passende Partner für die Übernahme kritischer Produktionsschritte empfehlen, deren Produktionskompetenz abschätzen und abschließend die Qualitätskontrolle für die in der Wertschöpfungskette erbrachten Leistungen übernehmen. Ein Beitrag der Forschungseinrichtung für die Identifikation und Analyse zusätzlicher Anwendungsfelder für den Werkstoff fand nur am Rande statt. In anderen Kooperationen, die im Forschungsprojekt InnoMat untersucht wurden, ist dies stärker der Fall (Bräutigam u. Gerybadze 2010). Abschließend soll nun noch die vierte Synchronisierungsebene (SE4) betrachtet werden. Die Kommerzialisierungskompetenz des MNU hat hier zwar ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Forschungskompetenzen der Forschungseinrichtung ausgeübt, jedoch war dieser geringer als der in SE3 festgestellte Beitrag. Das MNU ließ nur sehr begrenzt den Transfer von marktbezogenem Wissen in die Forschungseinrichtung zu, da dieser Wissenstransfer für die Erfüllung der Projektaufgaben vordergründig nicht notwendig war und das MNU mit diesem Transfer wohl mehr Risiken als Chancen verband. Ein Grund für diese Herangehensweise wurde bereits auf SE3 deutlich. Da die Forschungseinrichtung ihr Know-how nicht für die Suche und Analyse neuer Anwendungsfelder einbringen sollte, wurde ihr auch nicht das notwendige Maß an Marktinformationen zugespielt, das hierfür notwendig gewesen wäre. Dennoch konnte die Forschungseinrichtung anhand der Analyse des Pflichtenheftes erkennen, welche Kostenparameter in dem betreffenden Markt eingehalten werden müssen und welche weiteren Anforderungen der Markt an die Komponente stellt. Weiterhin konnte die Forschungseinrichtung Erkenntnisse über Zertifizierungspro-
250
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zesse und weitere Aktivitäten gewinnen, die für den Aufbau einer funktionierenden Serienfertigung erforderlich sind.
5
Fazit und Impulse für die kompetenzbasierte Theorie
Es hat sich gezeigt, dass Werkstoff-Innovationen aus der öffentlichen Forschung dann erfolgreich durchgesetzt werden, wenn ein Synchronisierungsprozess zwischen Marktbedürfnissen und technischen Möglichkeiten durch einen reziproken Wissensaustausch zwischen den Unternehmen und Forschungseinrichtungen vorangetrieben wird. Ein reziproker Wissensaustausch ist notwendig, da in den Projekten meist eine komplementäre Kompetenzverteilung gegeben ist. Die beteiligten Unternehmen weisen durch ihre Marktnähe stärkere Kommerzialisierungskompetenzen auf, die öffentlichen Forschungseinrichtungen verfügen hingegen über stärkere Forschungskompetenzen, insbesondere in Bezug auf die Orientierung auf Themen der Grundlagenforschung. Um den für die Kommerzialisierung notwendigen Synchronisierungsprozess zu organisieren, muss eine wechselseitige Ergänzung der originären Kompetenzen der Beteiligten erfolgen. Die Forschungskompetenzen der Institute tragen in diesem Synchronisierungsprozess dazu bei, die Unternehmen bei den für die Kommerzialisierung notwendigen Schritten zu unterstützen. Insbesondere bei der Zertifizierung von Werkstoffen oder Bauteilen und bei der Vorbereitung der Serientauglichkeit leisten Forschungsinstitute einen wichtigen Beitrag. Weiterhin können die Institute die Unternehmen dabei unterstützen, die volle Bandbreite der werkstofftechnisch adressierbaren Anwendungen einer Werkstoff-Innovation zu erfassen. Unternehmen sind erst dann in der Lage, die werkstofftechnischen Potentiale mit den Bedürfnissen der Zielmärkte und der Unternehmen auf anderen Wertschöpfungsstufen abzugleichen. Hieraus resultiert also die strukturierte Identifikation und Abgrenzung von Zielmärkten für neue Werkstoffe. Dies kann in vielen Projektkonstellationen ein besonders wichtiger Schritt sein, der nach Musso (2005) ein Schlüssel für den Erfolg einer Werkstoff-Kommerzialisierung ist. In dem empirischen Fall dieses Beitrages war die Wahl des Anwendungsfeldes jedoch unproblematisch und vor Beginn des Projektes bereits klar getroffen worden. Die Kommerzialisierungskompetenz der Unternehmen leistet wiederum einen Beitrag dazu, in den Forschungsorganisationen ein Verständnis über die Bedürfnisse der Marktakteure in den zu adressierenden Wertschöpfungsstufen zu schaffen. Ohne dieses Verständnis können die Institute weder die originäre
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Werkstoffentwicklung auf die Marktgegebenheiten adäquat ausrichten, noch frühzeitig die Entwicklung komplementärer Innovationen vorantreiben. Doch gerade an diesem Punkt hat auch der empirische Fall Schwierigkeiten aufgezeigt. Der Transfer von marktbezogenem Wissen in die Forschungseinrichtung wird vielfach nur verschwindend gering vorangetrieben. Hierdurch entstehen Abweichungen von dem Ideal des reziproken Wissensaustausches. Aus der Perspektive der Unternehmen ist dies oft eine verständliche Vorgehensweise, da die Gefahr des Wissensabflusses aus der Forschungseinrichtung als relativ hoch eingeschätzt wird. Weiterhin sehen die Unternehmen die Weitergabe von marktbezogenem Wissen als nicht notwendig an, da die eng definierten Projektaufgaben vordergründig auch ohne dieses Wissen lösbar sind. Dennoch plädieren wir dafür, dass Unternehmen gegenüber ihren Kooperationspartnern aus der öffentlichen Forschung offener und intensiver Wissen über ihre Märkte und deren Anforderungen an die relevanten Technologien zur Verfügung stellen. Damit könnten die Forschungseinrichtungen gezielter ihre Forschungskompetenz in den „Matching“-Prozess von Marktchancen und technologischen Möglichkeiten einbringen und ihre F&E-Leistung adäquater auf die Gesetzmäßigkeiten der Märkte ausrichten. Da wir für diesen Beitrag einen explorativen, fallstudienbasierten Forschungsansatz nutzen, ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse aus dem empirischen Fall sicherlich nicht in allen Bereichen gegeben. Es bedarf daher noch weiterer empirischer Arbeiten, die unsere Ergebnisse in einem anderen Projektund Technologiekontext bestätigen. Die Systematisierung in verschiedene Synchronisierungsebenen, auf denen die wechselseitige Beeinflussung von Forschungs- und Kommerzialisierungskompetenzen in Kooperationsprojekten erfolgt, ist ein Modell, das in Zukunft noch detaillierter und anhand weiterer Fälle untersucht werden könnte.
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Dynamic Relational Capabilities (DRC) – Dynamische Beziehungsfähigkeiten und interorganisationaler Wissenstransfer von Unternehmen
1
Dynamische Beziehungsfähigkeiten von Unternehmen....................... 257
2
Dynamische Beziehungsfähigkeiten (DRC) als Bezugsrahmen eines interorganisationalen Wissenstransfers von Unternehmen................... 259
3
Zusammenhänge und Interdependenzen dynamischer Beziehungsfähigkeiten ......................................................................... 262
4
Evolutionsperspektiven dynamischer Beziehungsfähigkeiten für den interorganisationalen Wissenstransfer und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ............................................ 267
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Conclusio und Aspekte künftiger Forschung zu Dynamischen Beziehungsfähigkeiten (DRC).............................................................. 272
Literatur ........................................................................................................... 273
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“Besides internalizing external knowledge, companies may maintain knowledge in interfirm relationships over time. Thus interorganizational relations may be regarded as an extended knowledge base to which a firm has privileged access.” (Lichtenthaler 2008: 200)
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Dynamische Beziehungsfähigkeiten von Unternehmen
Eine der zentralen Diskussionen in der Disziplin des Strategischen Managements ist das Feld rund um dynamische (Beziehungs-)Fähigkeiten (vgl. Acedo et al. 2006; Nerur et al. 2008; Newbert 2007). Als ein Entwicklungsast der Resourcebased View (vgl. Barney 1991; Penrose 1959, Wernerfelt 1984), welche Unternehmen aus einer ressourcenorientierten Sichtweise analysiert, fokussiert die momentane Auseinandersetzung oftmals Wissen und dessen Transfer zwischen Unternehmen für deren Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Grant 1996; Teece 2007; Weissenberger-Eibl 2004a, b, 2006; Weissenberger-Eibl/Schwenk 2009). In diesem Nexus existiert eine Vielzahl von Ideen, Ansätzen und Konzepten, die entsprechende Beziehungsfähigkeiten in Bezug auf das Generieren und den Transfer von Wissen hin untersuchen (vgl. Dyer und Hatch 2006; Dyer und Kale 2007; Mesquita et al. 2008). So beschäftigt sich auch Duschek (2004) mit der Relational View und bespricht den Zusammenhang zwischen interorganisationaler Ressourcen und nachhaltigem Wettbewerbserfolg. Kern seiner Arbeit ist die Annahme, dass im beziehungsorientierten Ansatz die Quelle von Wettbewerbsvorteilen oftmals spezifischen interorganisationalen Netzwerken entspringt. Während die Resource-based View “assumes that competitive advantage deals with resources owned and controlled by a single firm, the relational view points out that resources generating competitive advantage often span firm boundaries” (Duschek 2004: 61; s. a. Dyer und Singh 1998). Damit ist der zentrale Untersuchungsgegenstand nicht mehr die rein interorganisationale Ressourcenbetrachtung sondern die Untersuchung intraorganisationaler Fähigkeiten für den Wissenstransfer zwischen Unternehmen (vgl. Capaldo 2007; Koka und Prescott 2008; Weissenberger-Eibl 2004a, b). Aus diesem Grund werden in diesem Beitrag der Wissenstransfer und relevante Beziehungsfähigkeiten zwischen Unternehmen als Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt gestellt (vgl. Dyer und Hatch 2006; Kachra und White 2008; Mesquita et al. 2008; Weissenberger-Eibl 2006).
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Für dieses Vorhaben werden die vier kritischen Fähigkeiten der Relational View von Dyer und Singh (1998) – Relation-Specific Assets, Knowledge Sharing Routines, Complementary Resources/Capabilities und Effective Governance – besprochen. Den Anforderungen einer rapide dynamischen Umwelt wird durch eine Dynamisierung der vier Fähigkeiten mittels Konnexion mit dem Dynamic Capability Ansatz von Teece (2007) Rechnung getragen. Das Theoriegerüst und entsprechende Ansätze der wissenschaftlichen Diskussion in diesem Feld führen zu Forschungsfragen, die Schlüsselgrößen für dynamische Beziehungsfähigkeiten enthalten: Wie kann ein fundiertes theoretisches Fundament von dynamischen Beziehungsfähigkeiten - Dynamic Relational Capabilities (DRC) - aussehen? Im Besonderen stellt die Analyse auf die Diskussion der zwei Forschungsströmungen - Dynamic Capabilities und Relational View - und die Verbindung dieser zu einer Dynamisierung von Beziehungsfähigkeiten für interorganisationalen Wissenstransfer dar. Wie sind dynamische Beziehungsfähigkeiten (DRC), deren Zusammenhänge sowie Interdependenzen für den Wissenstransfer zwischen Unternehmen zu entwickeln? Wie kann die differenzierte Analyse der grundlegenden Theoriebausteine zu einem inhaltlich konsistenten Konzept des interorganisationalen Wissenstransfers führen? Welche Schlussfolgerungen können basierend auf den theoretischen Ausführungen für Evolutionsperspektiven der DRC, bezüglich des Zusammenhangs zwischen dynamischen Beziehungsfähigkeiten für den interorganisationalen Wissenstransfer und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen getroffen werden? Welche Rolle spielt dabei das Kriterium der Spezifität in Verbindung mit dem Kriterium der Imitierbarkeit von Fähigkeiten und Wissen? Zusammenfassend soll der vorliegende Beitrag auf Basis theoretischer Ausführungen ein Weiterentwickeln der Teilbereiche der Disziplin des Strategischen Managements liefern. Neuer theoretischer Erkenntnisgewinn für den interorganisationalen Wissenstransfer und Wettbewerbsfähigkeit in Form einer ersten Konzeption von dynamischen Beziehungsfähigkeiten (DRC) wird erarbeitet. Abschließend werden Aspekte künftiger Forschung in dem vorliegenden Forschungsfeld konstatiert und ein Ausblick auf die erwartete Forschungsagenda gegeben.
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Dynamische Beziehungsfähigkeiten (DRC) als Bezugsrahmen eines interorganisationalen Wissenstransfers von Unternehmen
„The firm’s essence, in our view, is its managers that both design businesses and run them. The resource/dynamic capabilities framework does a better job of capturing this essence than do the classical theories, especially in the context of innovation (Pitelis und Teece 2009: 12). In dem Fall dynamischer Beziehungsfähigkeiten (Dynamic Relational Capabilities DRC) eines interorganisationalen Wissenstransfers von Unternehmen wird in diesem Zusammenhang in einem ersten Schritt ein theoretischer Bezugsrahmen entwickelt, der die Grundlage für das Gestalten dieser Fähigkeiten durch das Management bildet. In einer sich rapide verändernden Unternehmensumwelt hat sich die Hauptquelle der Wettbewerbsvorteile in Unternehmen von der Fähigkeit des effizienten Produzierens hin zur Nutzung und dem wirksamen Einsatz von organisationalen Wissen verschoben (Fey und Furu 2008). Wie wichtig Wissen und dessen Management in Theorie und Praxis sind, zeigen auf der einen Seite Arbeiten von Drucker (1991), Grant (1996), Nonaka (1991) zur Einordnung und Bedeutung von Wissen sowie Metaanalysen wie von Begona Lloria (2008), die eine Zusammenfassung der Vielzahl von Ansätzen und Publikationen in dem Bereich des Managements von Wissen liefert. Diese ressourcenorientierte Sichtweise (Ressource-based View RBV) zeichnet sich bis Mitte der 1990er Jahre hauptsächlich durch das Erklären des Wettbewerbserfolgs und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch deren interne Ressource Wissen aus (vgl. Grant 1996, Kyphausen-Aufseß zu, D. 1993, Wernerfelt 1984). Mitte der 1990er Jahre vermehrt sich die Kritik an der rein unternehmensinternen, hauptsächlich statischen Sicht des Erklärens mittels der Resource-based View und es tritt zunehmend die Forderung nach einer dynamischen Erklärungstheorie in den Vordergrund (vgl. Hungenberg 2001, Teece et al. 1997). Amit und Shoemaker (1993) sowie Teece et al. (1997) initiieren daraus resultierend die Kritik aufnehmend den Evolutionsast der Dynamic Capabilities des Strategischen Managements. Damit begegnen diese dem Vorwurf gegenüber den originären markt- und ressourcenorientierten Ansätzen, die in einer dynamischen sozio-ökonomischen Unternehmensumwelt für das Erklären von Wettbewerbsvorteilen nicht ausreichend geeignet sind. Der Kritik an der stark unternehmensintern orientierten Theorie wird wenig später entsprochen und mit der Entwicklung der Relational View, einer Perspektive die für das Erklären nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit explizit unternehmensexterne Ressourcen mit einbezieht
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(vgl. Dyer und Singh 1998) entsprochen. Die damit etablierte beziehungsorientierte Perspektive entwickelt daher einen Ansatz der die wesentliche Quelle des Erfolges außerhalb der Unternehmen sieht. Unternehmen, die für sich alleine agieren sind gleichwohl ihrer bereits inhärenten Ressourcen und Fähigkeiten nicht fähig nachhaltig im Wettbewerb zu agieren. Somit ist der Fokus der Dynamic Capabilities für die Realisierung beziehungsabhängiger Renten gezielt zu erweitern. Eine Ausrichtung der Strategie in Richtung interorganisationaler Wertschöpfung durch im Unternehmen zu generierende Beziehungsfähigkeiten erscheint in diesem Zusammenhang als geeignet. Somit ergibt sich seit der Mitte der 1990er Jahre eine paradoxe Situation. Auf der einen Seite werden interne Ressourcen als entscheidend angesehen auf der anderen Seite wird die gezielte Einbindung externer Ressourcen als essentiell konstatiert. Als Ergebnis ergibt sich daraus die Diskussion einigender Paradigmen in der Disziplin des Strategischen Managements, so dass ein Zusammenlaufen der Materie beobachtet werden kann (vgl. Nicolai 2000). Ein Ansatz der in diese Richtung geht, ist die Überlegung von unternehmenseigenen Beziehungsfähigkeiten zu anderen Unternehmen, die eine Optimierung der Beziehungen zum interorganisationalen Ressourcen- und Wissenstransfer für das explizite Einbinden externer Ressource unterstützen. Für das Bilden dieser Beziehungen und der analog dazu korrespondierenden Kommunikation sowie entsprechendem Wissenstransfer werden in der Relational View vier etwaige Quellen interorganisationalen Wettbewerbsfähigkeit gesehen (vgl. Dyer und Singh 1998). Relation-Specific Assets, die sich theoretischer Überlegungen der Institutionenökonomik bedienen und als basale konstituierende Determinante Vertrauen festlegen (vgl. Dyer und Hatch 2006, Williamson 1975). Die Relation-specific Assets von Dyer und Singh (1998) bilden dabei weitgehend in inhaltlicher und konzeptioneller Kongruenz zu der Asset Specifity (Site Specificity, Physical Asset Specificity, Human Asset Specificity) von Williamson (1985) ein Konstrukt, das sich mit Austauschbeziehungen (Transaktionen zwischen) von Akteuren beschäftigt. In dem Zusammenhang von interorganisationalen Wissenstransfer ist besonders die Human Asset Specificity relevant, da diese sich auf transaktionsspezifisches Wissen durch nachhaltige Beziehungen gründet (vgl. Williamson 1985, Williamson 1988). Knowledge Sharing Routines, die vor allem auf die partnerspezifische Absorptionsfähigkeit zwischen den Unternehmen basieren. Hierbei ist es wichtig, dass externe Wissensressourcen nur dann aufgenommen werden können, wenn teilweise überschneidendes Wissen zwischen den Akteuren besteht (vgl. Cohen
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und Levinthal 1990, Dyer und Kale 2007). Eine idealtypische Struktur des Wissens für den Transfer kann folgendermaßen beschrieben werden. Ein komplementäres gemeinsames Basiswissen der Unternehmen trifft auf ein nicht identisches Spezialistenwissen (vgl. Lane et al. 2006, March und Simon 1958). Dazu auch ähnlich Lichtenthaler (2008), der mit seinem Begriff der Relative Capacity als pfadabhängiger Dynamic Capability besonders die intertemporale Natur der external knowledge rentention betont. Complementary Resources/Capabilities, die durch die gemeinsame Zusammenarbeit sowie durch Investments in die Entwicklung gemeinsamen Unternehmensfähigkeiten in wissensintensiven Bereichen generiert werden (vgl. Dyer und Sing 1998). Dabei wird neben den basalen komplementären Ressourcen und Fähigkeiten auf einer übergeordneten Ebene die strategische Ausrichtung der Unternehmen adressiert. So ergibt sich daraus, dass in diesem Nexus sich ergänzende strategische Vorgehensweisen und Zielvorgaben ebenfalls diesbezüglich einander entsprechen sollten um damit positiv auf den Wissenstransfer von Unternehmen wirken zu können (vgl. Gosh und John 2005, Hamel und Prahalad 1989). Effective Governance, die ebenfalls stark institutionenökonomisch geprägt ist, zielt im Grunde genommen auf die Reduktion von Transaktionskosten ab. Neben den originären Schutzmaßnahmen gegen Opportunismus, wie schriftlichen Verträgen sind insbesondere nicht institutionalisierte Schutzmaßnahmen wirkvoll. Auch hier bildet Vertrauen und dazugehörige Vertrauensbeziehungen eine wichtige, wenn nicht die entscheidende Komponente (vgl. Coase 1937, Lado et al. 2008, Williamson 1985). Damit zeigt sich, dass Vertrauen auf der einen Seite eine eminent wichtige Rolle im Zusammenhang von Beziehungsfähigkeiten darstellt, aber auf der anderen Seite Vertrauen gleichzeitig redundanter Bestandteil der vier Quellen interorganisationaler Wettbewerbsfähigkeit ist. Für die geforderte Dynamisierung der angesprochenen Beziehungsfähigkeiten in einer sich stets rapide wandelnden Umwelt, wird eine Konnexion mit dem Konzept der Dynamic Capabilities von Teece (2007) vollzogen. So bilden die angesprochenen Relational Capabilities in dieser Arbeit die Grundlage der (inter)organisationalen Prozesse „to sense and shape opportunities and threats, to seize opportunities, and to maintain competitiveness trough enhancing, combining, protecting, and when necessary, reconfiguring the business enterprise’s intangible and tangible assets” (Teece 2007: 1319).
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Zusammenhänge und Interdependenzen dynamischer Beziehungsfähigkeiten
Das Kapitel 2 „Dynamische Beziehungsfähigkeiten (DRC) als Bezugsrahmen eines interorganisationalen Wissenstransfers von Unternehmen“ liefert ein Grundgerüst von unternehmenseigenen Beziehungsfähigkeiten zu anderen Unternehmen, die eine Optimierung der Beziehungen zu interorganisationalen Wissenstransfer für die Integration der externen Ressource unterstützen. Für die Optimierung in diesem Zusammenhang werden vier mögliche Quellen RelationSpecific Assets, Knowledge Sharing Routines, Complementary Resources/Capabilities, Effective Governance mit ihren Komponenten diskutiert (vgl. Dyer und Hatch 2006, Dyer und Kale 2007, Dyer und Singh 1998). Für die notwendige Dynamisierung den Anforderungen einer sich dramatisch verändernden Umwelt entsprechend wird ein Verbinden mit den Dynamic Capabilities von Teece (2007) durchgeführt. Die bis jetzt grundlegend erörterten Theoriebausteine der interorganisationalen Beziehungsfähigkeiten und entsprechender Dynamic Capabilities werden im Folgenden differenziert betrachtet. Dazu werden in Kapitel 3 Zusammenhänge und Interdependenzen zwischen den zusammengeführten dynamischen Beziehungsfähigkeiten analysiert, um ein inhaltlich konsistentes Konzept für den interorganisationalen Wissenstransfer für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu generieren. „The thesis advanced is that while the lung-run performance of the enterprise is determined in some measure by how the (external) business environment rewards its heritage, the development and exercise of (internal) dynamic capabilities lies at the core of enterprise success (and failure)”, so Teece (2007: 1320). In Anlehnung werden in dieser Arbeit ebenfalls intraorganisationale Fähigkeiten als Basis für Wissenstransfer und Wettbewerbserfolg gesehen. Die kritischen Ressourcen für nachhaltigen Erfolg in Form von Wissen werden allerdings außerhalb gesehen und können durch Beziehungsfähigkeiten ins Unternehmen geholt werden. Dazu werden die vier diskutierten Größen in das Erkennen und Beschreiben von Möglichkeiten und Bedrohungen, in das Umsetzen von Möglichkeiten sowie in das Aufrechterhalten der Wettbewerbsfähigkeit durch das Kombinieren, Beschützen und wenn notwendig in die Um- und Neugestaltung von intangiblen und tangiblen Unternehmenswerten integriert. Spätestens mit Michael E. Porter von der Harvard Business School und seinen Arbeiten „Competitive Strategy“ (1980) sowie „Competitive Advantage“ (1985), die die theoretische Grundlage der Market-based View darstellen ist der Einfluss, die Beobachtung und das Agieren im Bezug auf die externe Umwelt im
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Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit im Strategischen Management grundsätzlich von großer Bedeutung. Obwohl in der Resource-based View etwas in den Hintergrund getreten (vgl. Barney et al 2001, Clulow 2007) findet der Umweltbezug in der Disziplin neben den internen Fähigkeiten und Ressourcen aktuell wieder zunehmend an Beachtung (vgl. Ahuja 2000, Rodan und Galunic 2004). In der sich schnell verändernden globalen, wettbewerbsbezogenen Unternehmensumwelt verändern sich ökonomische Möglichkeiten und Bedrohungen ständig (vgl. Fitzroy und Hulbert 2005, Matzler et al. 2004). Um den notwendigen interorganisationalen Wissenstransfer für fortwährend neue Herausforderungen der sozioökonomischen Umwelt zwischen Unternehmen gewährleisten zu können, werden im Folgenden dynamische Beziehungsfähigkeiten entwickelt. Deshalb ist das Erkennen und Beschreiben von Möglichkeiten und Bedrohungen (to sense and shape opportunities and threats) in einem ersten Schritt essentiell um den relevanten Wissenstransfer zwischen Unternehmen für deren Wettbewerbsfähigkeit initiieren zu können. Um dies Umsetzen zu können müssen Unternehmen ständig Informationen über neue Entwicklungen in ihrer Umwelt generieren (vgl. Müller-Stewens und Lechner 2005, Steinmann und Schreyögg 2005). Diese Aufgabe erfordert nicht nur Investitionen in Forschungsaktivitäten und das Erheben von Kundenwünschen, sondern auch das Wahrnehmen schwacher Signale sowie die strukturelle Entwicklung von Industrien und Märkten (vgl. Ansoff 1975, Teece 2007). Für den so wichtigen interorganisationalen Wissenstransfer spielen in diesem Zusammenhang RelationSpecific Assets und insbesondere die Human Asset Specificity eine essentielle Rolle. „Asset specificity means that hold-up or opportunism problems must be confronted by the transacting parties“, so Joskow (1988, S. 107). In unserem Fall im Speziellen die Konfrontationen mit den Human Asset Specifity durch Investitionen in beziehungsorientiertes Humankapital, das oftmals in learning-by-doing Prozessen entsteht (vgl. Williamson 1985). Vertrauensbildende Maßnahmen wie die interorganisationale Zusammenarbeit in Teams, die gemeinsame Aus- und Weiterbildung und das fördern von Co-Spezialisierung der Mitarbeiter unterstützen dies (vgl. Dyer und Kale 2007). In einem zweiten Schritt ist es notwendig identifizierte, besonders relevante Möglichkeiten umzusetzen (to seize opportunities). Das konkrete Wahrnehmen und Verwirklichen von Realisierungsopportunitäten schließt das Optimieren von entsprechenden Kompetenzen und komplementären Wissensressourcen mit ein. Hat die Umsetzungsoption an Reife gewonnen ist gezieltes Investment und Vorantreiben dieser grundlegend (Teece 2007). Der Austausch von Wissen, der den
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Verwirklichungsprozess begleiten soll setzt in einem ersten Schritt zur Realisierung der dabei wichtigen Knowledge Sharing Routines partnerspezifische Absorptionsfähigkeit voraus, die auf Grundlage von gleichem geteilten Wissen entsteht (vgl. Bergh und Ngah-Kiing Lim 2008, Dyer und Singh 1998, Lane et al. 2006). Zur Institutionalisierung der gemeinsamen Arbeit von Unternehmen und dem dazugehörigen interorganisationalen Wissenstransfer schlagen Dyer und Kale (2007) einen linearen Wissensmanagementprozess mit den nacheinander ablaufenden Schritten Wissensartikulation, Wissenskodifikation, Wissensinternalisierung und Wissensteilung vor. In unserer Arbeit wird vorgeschlagen diesen zu einem Wissenskreislauf zu entwickeln. Die Artikulation von Wissen hängt mit dem in Kenntnis bringen von im Unternehmen existierenden Wissen zusammen und bildet die Basis für die Kodifikation von Wissen, die sich mit den Erkenntnissen über überschneidendes und fehlendes Wissen sowie welches für die Zusammenarbeit generiert werden soll auseinandersetzt. Kodifikation selbst bezieht sich auf den Umgang mit implizitem Wissen, die Entstehen von äquivalenten Kontexten als Prämisse für die Wissensteilung ansieht. Die individuelle Fähigkeit der daran beteiligten Akteure Information zu entschlüsseln, zu explizieren sowie zu kommunizieren erweist sich dabei als kritisch (vgl. Klein 2008, Polanyi 1966, Shariq und Vendelo 2006). Für die Internalisierung sehen wir einhergehend mit Grant (1996), Regeln und Vorgaben, Widerholung und Routinen im täglichen Work-Flow als entscheidend an. Internalisiertes Wissen wird somit Teil der organisationalen Wissensbasis, so dass für die Wissensartikulation ein neuer Ausgangspunkt geschaffen wird. Der Wissenskreislauf ist geschlossen. Der dritte Schritt hängt, wie bereits die ersten beiden Schritte, stark mit diesen zusammen und umfasst das Kombinieren, Schützen sowie Um- und Neugestalten von Assets (combining, protecting, and when necessary, reconfiguring the business enterprise’s intangible and tangible assets). „Generally there is plethora of business models that can be designed and employed, but some will be better adapted to the ecosystems than others. Selecting, adjusting, and/or improving the business model is a complex art” (Teece 2007: 1330). Die Fähigkeit von Unternehmen ihre Architektur, ihr Geschäftsmodell und damit einhergehend ihre intangiblen und tangiblen Assets der sozio-ökonomischen Umwelt anzupassen stellt einen Kern intraorganisationaler dynamischer Fähigkeiten dar (vgl. Teece et al. 1997, Teece 2007). Nach dem ersten Schritt des Erkennens und Beschreiben von Möglichkeiten und Bedrohungen, und dem Anstoßen der Umsetzung von Möglichkeiten im zweiten Schritt, ist es um Erfordernisse der Umwelt auch nachhaltig realisieren zu können oftmals notwendig Unternehmensassets tiefergehend zu adaptieren.
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Für die Anpassung dieser an die Unternehmensumwelt sehen wir in der vorliegenden Arbeit allerdings nicht rein intern orientierte dynamische Fähigkeiten, sondern explizit dynamische Beziehungsfähigkeiten und den damit verbundenen intraorganisationalen Wissenstransfer zwischen Unternehmen als kritisch an. Um den relevanten Wissenstransfer in Bezug auf die Adaption von Assets zwischen Unternehmen generieren zu können ist es von großer Bedeutung, dass diese zur Bewältigung der Umweltanforderungen durch sich ähnelnde Ressourcen und Fähigkeiten (Complementary Ressources/Capabilities) gekennzeichnet sind (vgl. Dyer und Hatch 2006, Lichtenthaler 2008). Wie bereits diskutiert kann dies durch den „strategic fit“ zwischen Unternehmen, mittels äquivalenter strategischer Ausrichtung und Zielerreichung unterstützt werden (Hamel und Prahalad 1989). Weiterhin können Überlegungen von O’Reilly et al. (1991) den „personorganization fit“ betreffend auch über Unternehmensgrenzen hinweg relevante Ansatzpunkte liefern. Ein Zusammenpassen von persönlicher und organisationaler Kultur zwischen den Unternehmen kann als gleichermaßen wichtig konstatiert werden. Ebenso können hier die intensive Kooperation und das Invest in identische Unternehmensfähigkeiten in stark von Wissen geprägten Bereichen, wie zum Beispiel in die Forschungs- und Entwicklungsabteilung als relevant fokussiert werden. Co-Spezialisierung der Mitarbeiter gilt als ein weiterer möglicher Ansatzpunkt in diesem Nexus (vgl. Dyer und Kale 2007, Dyer und Singh 1998). “A minimal defining characteristic of a formal organization is the distinction between members and non-members, with an organization existing to the extent that some persons are admitted, while others are excluded, thus allowing an observer to draw a boundary around the organization” (Aldrich und Herker 1977: 217). Die Boundary Spanning Theorie legt diese Annahmen zugrunde und präsentiert mit den sogenannten “boundary spanner”-Rollen eine zusätzliche Konzeptionalisierung die im Zusammenhang des Generierens von äquivalenten Ressourcen und Fähigkeiten Einsatz finden kann. Boundary spanner sind Akteure, die an der Schnittstelle zweier oder mehrer Unternehmen agieren und somit eine Art Kommunikationsmedium zwischen diesen darstellen (vgl. Tushmann 1977). Dabei können diese zwei Funktionen wahrnehmen: Generieren und Transfer von Informationen und Wissen zwischen Unternehmen sowie externe Repräsentation des Unternehmens nach außen hin. Somit kann auf der einen Seite interorganisationaler Wissenstransfer durch das Verbinden zu externen Quellen realisiert wer-den. Auf der anderen Seite kann eine Beeinflussung der sozio-ökonomischen Umwelt durch Boundary Spanner festgehalten werden (vgl. Aldrich und Herker 1977, Kachra und White 2008). Grundlagen die für die Realisierung dieser nötig sind, sind zum einen die klare Formulierung derer
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Aktivitätsfelder zum anderen derer Zugang zu entsprechenden High-Performern in den Feldern externen Wissens (vgl. Tushmann 1977). Um den Wissenstransfer in derartigen Beziehungen zu optimieren spielt neben den bereits diskutierten Vertrauensbedingungen, die erwartete Reziprozität der Austauschbeziehung einen wichtigen Stellenwert. Hier gilt es durch das Management nicht nur Verhaltensstrategien im Falle der Zusammenarbeit mit Wettbewerbern aufzustellen sondern auch für die Zusammenarbeit mit Nichtwettbewerbern, die in komplementären Feldern arbeiten. Das Unterstützen von „work exchange“ und gemeinsamen Projekten über Unternehmensgrenzen hinweg kann die Boundary Spanner Aktivitäten, interorganisationalen Wissenstransfer und damit das Entwickeln von sich ähnelnde Ressourcen und Fähigkeiten nachhaltig fördern (vgl. Ethiraj, S. K. und Levinthal, D. 2004, Kachra und White 2008). Unterliegen Unternehmen in Folge gleicher Adaptionsforderungen der sozioökonomischen Umwelt und gehen von einer sich ähnelnden Ressourcen- und Fähigkeitsbasis aus, diese zu bewältigen, so kann geeignetes Wissen zwischen den Unternehmen ausgetauscht werden. Je nach Intensität der Einwirkungen durch die Umwelt, ist somit eine Optimierung des Kombinierens, Neu- und Umgestalten von Unternehmensassets durch den ermöglichten interorganisationalen Wissenstransfer anzunehmen. Der Angst vor einem Abwandern von wettbewerbsrelevantem Wissen kann mit dem Argument der institutionenökonomisch geprägten Effective Governance begegnet werden. Konstituierende Determinante bildet Vertrauen und entsprechende Vertrauensbeziehungen, die beispielsweise durch langjährige Zusammenarbeit entstehen können (vgl. Coase 1937, Williamson 1985). Reputationsinformationen sowie Principal-Agent Beziehungen bezüglich möglicherweise kooperierender Akteure und Unternehmen können in einem frühen Stadium positiv auf die Vertrauensbildung und transaktionstheoretische Gegebenheiten in Punkto Wissen und dessen Transfer wirken (vgl. 2009, Lado et al. 2008, Weigelt und Camerer 1988). In Kapitel 3 konnte somit gezeigt werden, dass die hier differenzierte Betrachtung von Zusammenhängen und Interdependenzen dynamischer Beziehungsfähigkeiten den theoretischen Bezugsrahmen aus Kapitel 2 gezielt zu einem inhaltlichen konsistenten Konzept erweitert (siehe Abbildung 1). Der so ermöglichte interorganisationale Wissenstransfer legt dabei die Basis für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
Dynamic Relational Capabilities (DRC)
267
Firm Interorganisationaler Wissenstransfer Dynamische Beziehungsfähigkeiten = Dynamic Relational Capabilities
Firm
Sense / Shape
Relation-Specific Assets
Seize
Firm
Reconfigure
Complementary Resources/Capabilities
Knowledge Sharing Routines Firm
Effective Governance Firm
Firm
Abbildung 1: Dynamische Beziehungsfähigkeiten und interorganisationaler Wissenstransfer
4
Evolutionsperspektiven dynamischer Beziehungsfähigkeiten für den interorganisationalen Wissenstransfer und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen
Greves Arbeit (2009: 1) “justifies a greater role of interorganizational networks in the theory of competitive advantage.” Der Zusammenhang zwischen dynamischen Beziehungsfähigkeiten für den interorganisationalen Wissenstransfer
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zwischen Unternehmen und damit verbundener Wettbewerbsfähigkeit bildet den Kern des folgenden Kapitels 4. In der Resource-based View - diese umschließt in dieser Arbeit wissens- und fähigkeitsorientierte Überlegungen als Evolutionsäste des Strategischen Managements - wird Wettbewerbsfähigkeit großteils mittels Einzigartigkeit, durch das Kriterium der Spezifität und Nichtimitierbarkeit von Unternehmen erklärt (vgl. Barney 1991, Collis 1996). Je spezifischer Wissen und Fähigkeiten, insbesondere implizites Wissen von Unternehmen, desto geringer ist deren Imititier- und Anwendbarkeit in anderen Unternehmen und desto größer ist die Chance für das Generieren von Wettbewerbsvorteilen für das eigene Unternehmen (vgl. Grant 1996, Lee und Kelley 2008, Nonaka 1991). Dazu Jonson und Regner (2009: 1): “Imperfectly imitable resources are central in contemporary analysis of sustainable competitive advantage.” Wie sich dieser Zusammenhang im Nexus dynamischer Beziehungsfähigkeiten darstellen lässt, soll hier gezeigt werden. Für den Zusammenhang dynamischer Beziehungsfähigkeiten, interorganisationalem Wissenstransfer und Wettbewerbsfähigkeit wird auf Al-Lahams (2004) Konzeptionalisierung der Knowledge-based View als Evolutionsast der ressourcenorientierten Sichtweise, der Resource-based View zurückgegriffen. Die Konzeption umfasst auf der einen Seite eine inhaltlich-strukturelle Dimension auf der anderen Seite eine prozessuale Dimension organisationalen Wissens. Die beiden wechselseitig miteinander in Verbindung stehenden Dimensionen, die inhaltlich-strukturelle Dimension mit den Komponenten Wissensarten, -ebenen, -inhalten sowie die prozessuale mit den Komponenten Wissensgeneration und integration, legen die Grundlage für Einzigartigkeit und Unternehmensspezifität der organisationalen Wissensbasis. Somit legen sie auch die Basis für die wesentliche Ressource zum Schaffen von Wettbewerbsvorteilen in der postindustriellen Unternehmensumwelt (vgl. Drucker 1991). Wesentliche Einflussnahme erfolgt durch die drei zentralen Konzepte der Absorptive Capacity (vgl. Cohen und Levinthal 1990), der Path-Dependency (vgl. Nelson und Winter 1982) sowie der Causal Ambiguity (vgl. Simonin 1999). Abbildung 2 fasst die getroffenen theoretischen Ausführungen nochmals zusammen (vgl. Al-Laham 2004). Im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit wird der Weg zu Wettbewerbsfähigkeit nicht auf die drei Konzepte Absorptive Capacity, Path Dependency und Causal Ambiguity beschränkt, sondern wird über die hier entwickelten Dynamischen Beziehungsfähigkeiten erklärt, die diese Konzepte teilweise mit einschließen.
Dynamic Relational Capabilities (DRC)
269
Organisationales Wissen Inhaltlichstrukturelle Dimension
Prozessuale Dimension
Absorptive Capacity Path Dependency Causal Ambiguity
Einzigartigkeit
Potential für Wettbewerbsvorteile
Abbildung 2: Konzeptioneller Bezugsrahmen der Knowledge-Based View nach Al-Laham (2004) “(…) RBV scholars hypothesize that (1) if a firm posses and exploit resources and capabilities that are both valuable and rare, it will attain a competitive advantage, (2) if these resources and capabilities are also both inimitable and nonsubstitutable, the firm will sustain this advantage, and (3) the attainment of such advantages will enable the firm to improve its short-term and long-term performance”, so Newbert (2008: 745). Diese Hypothesen werden durch eine von Crook et al. (2008) durchgeführte Metaanalyse gestützt, die von einer zu managenden Verbindung zwischen Ressourcen und Fähigkeiten und dem Generieren von Unternehmensperformance sprechen. Auch die Arbeit von Zott (2003) bewegt sich in diesem Wissenschaftsfeld, wobei dieser konkret den Zusammenhang von Dynamic Capabilites und Wettbewerbserfolg adressiert. Ergebnis seiner Ausführungen ist, dass es drei relevante Performanceattribute gibt. Ein zeitorientiertes, ein kostenorientiertes und ein lernorientiertes Attribut in Punkto Anwendung der Dynamic Capabilities.
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Wie bereits erwähnt werden in der vorliegenden Arbeit, die konzeptionellen Vorarbeiten von Al-Laham (2004) bezüglich der Knowledge-based View adaptiert. Zwar wird auch in der Konzeption dynamischer Beziehungsfähigkeit für interorganisationalen Wissenstransfer Wissen als wesentliche Ressource für Einzigartigkeit, Unternehmensspezifität und in Folge als Basis von Wettbewerbsfähigkeit gesehen. Der spezifische Charakter von Unternehmen wird allerdings neben dem Zusammenspiel zwischen inhaltlich-struktureller und prozessualer Dimension, mittels der drei Konzepte Absorptive Capacity, Path Dependency und Causal Ambiguity, hauptsächlich durch die entwickelten dynamischen Beziehungsfähigkeit des Unternehmens zum Transfer von Wissen zwischen diesen determiniert. So bilden in einem ersten Schritt die zu entwickelnden Relation-Specific Assets für den Prozess des Erkennen und Beschreiben von Möglichkeiten und Bedrohungen eine Grundlage zum Erkennen von Wissensbedarfen. In dem darauf aufbauenden zweiten Schritt unterstützen die Knowledge-Sharing Routines und der diese einschließende Wissenskreislauf, das Umsetzen der als besonders relevant identifizierten Möglichkeiten und einen Teil des über die Unternehmensgrenzen hinweg zu leistenden Wissenstransfers. Für das Kombinieren, Schützen sowie Um- und Neugestalten von Assets ist in einem letzten Schritt das Bilden von sich ähnelnden Ressourcen und Fähigkeiten - für das Schützen von Assets das Bilden von Effective Governance - relevant. So wird auf der einen Seite bereits beim Bilden gemeinsamer Ressourcen und Fähigkeiten lösungsorientiertes Wissen transferiert, auf der anderen Seite schafft dieses Wissen ein neues, besser geeignetes Verständnis für künftige äquivalente Herausforderungen und Bedarfe über Unternehmensgrenzen hinweg, so dass der künftige Wissenstransfer zwischen diesen optimiert werden kann. Die dabei zunächst aufkommende Vermutung, dass das hier generierte Konzept eher zur Annäherung von Unternehmen und Auflösung deren Spezifität führt, kann bei genauer Betrachtung nicht aufrechterhalten bleiben. Vielmehr determinierten unternehmensbezogene Path Dependency, unterschiedliche Wissensbasen und die Fähigkeit zur Entwicklung und Anwendung von dynamischen Beziehungsfähigkeiten die Realisierung des interorganisationalen Wissenstransfers. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass Unternehmen, die es Schaffen ihre dynamischen Beziehungsfähigkeiten und den damit verbundenen interorganisationalen Wissenstransfer gegenüber der Konkurrenz zu optimieren, diejenigen sind deren Wissen und Fähigkeiten am schwersten zu imitieren sind und somit das größte Potential für Spezifität und Wettbewerbsfähigkeit aufweisen (siehe Abbildung 3).
Dynamic Relational Capabilities (DRC)
271
Organisationales Wissen Inhaltlichstrukturelle Dimension
Relation-Specific Assets
Prozessuale Dimension
Complementary Resources/Capabilities
Knowledge Sharing Routines
Sense / Shape
Effective Governance
Seize
Reconfigure
Dynamische Beziehungsfähigkeiten für interorganisationalen Wissenstransfer
Einzigartigkeit
Potential für Wettbewerbsvorteile
Abbildung 3: Dynamische Beziehungsfähigkeiten und Wettbewerbsfähigkeit Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das so generierte Wissen sowohl direkt als auch indirekt auf den Wettbewerbserfolg wirkt. Dem direkten steht demnach ein indirekter Beziehungszusammenhang über den Erfolgseinfluss verschiedenartiger wissensbasierter Strategien gegenüber (vgl. Al-Laham 2004).
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5
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Conclusio und Aspekte künftiger Forschung zu Dynamischen Beziehungsfähigkeiten (DRC)
In einer sich rapide verändernden sozio-ökonomischen Umwelt von Unternehmen ist es mit unter oberste Priorität, sich den ständig verändernden Herausforderungen anzunehmen. In der Disziplin des Strategischen Managements entwickelt sich in diesem Zusammenhang eine Diskussion, die dynamische Unternehmensfähigkeiten und interorganisationalen Wissenstransfer als Schlüssel für nachhaltigen Wettbewerbserfolg ansieht. Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit dafür ein theoretisches Konzept von dynamischen Beziehungsfähigkeiten entwickelt. Zentraler Untersuchungsgegenstand waren somit intraorganisationale Fähigkeiten zur Optimierung und Realisierung des Transfers von Wissen und des interorganisationalen Wettbewerbserfolges von Unternehmen: Dazu wurde ein theoretisches Konzept von dynamischen Beziehungsfähigkeiten – Dynamic Relational Capabilities (DRC) - entwickelt. Dieses wurde durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung der zwei Forschungsströmungen, der Dynamic Capabilities und Relational View angestoßen und durch deren Konnexion zu einer Dynamisierung von Beziehungsfähigkeiten für interorganisationalen Wissenstransfer vollzogen. Darauf folgend wurden die in Kapitel 2 grundlegend erörterten Theoriebausteine zu einem inhaltliche konsistenten Konzept des interorganisationalen Wissenstransfers weiterentwickelt. Zusammenhänge und Interdependenzen zwischen Relation-Specific Assets, Knowledge Sharing Routines, Complementary Resources/Capabilities, Effective Governance und dem Erkennen und Beschreiben von Möglichkeiten, dem Umsetzen besonders relevanter Möglichkeiten sowie dem Kombinieren, Schützen sowie Um- und Neugestalten von Assets waren hier zentraler Untersuchungsgegenstand. Im letzten Kapitel wurden Evolutionsperspektiven der DRC im Nexus von interorganisationalen Wissenstransfer und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen erörtert. Es konnte theoretisch hergeleitet werden, wie es Unternehmen gelingen kann mittels dynamischer Beziehungsfähigkeiten und dem damit optimierten Transfer von Wissen zwischen Unternehmen Spezifität, Nichtimitierbarkeit und somit Wettbewerbsfähigkeit zu generieren. Zusammenfassend kann somit für den vorliegenden Artikel ein Beitrag zur theoretischen Weiterentwicklung der Disziplin des Strategischen Managements konstatiert werden. So konnte durch die Konzeption von dynamischen Beziehungsfähigkeiten für interorganisationalen Wissenstransfer in Unternehmen
Dynamic Relational Capabilities (DRC)
273
neuer Erkenntnisgewinn in diesem Teilbereich erarbeitet werden. Für Aspekte künftiger Forschung lassen sich folgenden Bedarfe ableiten. “(…), one goal of future research should be to converge on specific, carefully validated measures for any strategic resource under examination. This will help scholars clearly define which resources are most valuable without fear that the construct measurement problems are distorting the results, and thus, enable stronger tests of RBT” (Crook et al. 2008: 1151). Einhergehend mit Crook et al. (2008) ist auch für das Konzept der Dynamic Relational Capabilities (DRC) im Zusammenhang von interorganisationalen Wissenstransfer und Wettbewerbsfähigkeit neben der weiterzuentwickelnden theoretischen Fundierung vor Allem empirische Arbeit zu leisten. Die Überprüfung des Konstrukts sowie das Herausarbeiten und die Analyse wesentlicher Bestandteile können dabei helfen, echte Handlungsempfehlungen an das Management von Unternehmen für die Implementierung dynamischer Beziehungsfähigkeiten zu geben.
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Shared Mental Models – ein integratives Konzept zur Erklärung von Kooperationskompetenz in Netzwerken
1
Einleitung..............................................................................................279
2
Kooperationskompetenz als Basis erfolgreicher Teamund Netzwerkarbeit...............................................................................281
3
Shared Mental Models auf Teamebene.................................................283 3.1 Teamdesign................................................................................286 3.2 Teamprozesse ............................................................................288 3.3 Teamkultur ................................................................................290
4
Shared Mental Models auf Netzwerkebene ..........................................291 4.1 Netzwerkdesign .........................................................................292 4.2 Netzwerkprozesse......................................................................294 4.3 Netzwerkkultur ..........................................................................295
5
Messung und Gestaltung von Shared Mental Models ..........................296
6
Zusammenfassung und Ausblick ..........................................................300
Literatur............................................................................................................302
Shared Mental Models
1
279
Einleitung
Die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit stellt heutzutage nicht nur für große, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen eine wichtige strategische Option dar, um Herausforderungen anzugehen, die im Alleingang nicht (mehr) zu bewältigen sind. Aus ressourcentheoretischer Perspektive geht es um die Erweiterung der eigenen Kompetenzbasis, d. h. durch die Zusammenführung eigener mit fremden Ressourcen steigt etwa die Wahrscheinlichkeit, erfolgreiche Innovationen hervorzubringen (z. B. Entwicklung eines Hybrid-Autos, Durchführung von Großprojekten). Neben der Absenkung des finanziellen Risikos sprechen vor allem „Synergieargumente“ für die Bildung von Netzwerken, denn durch die organisationsübergreifende Zusammenarbeit von Personal und den damit einhergehenden Wissens- und Erfahrungstransfer eröffnen sich weitreichende Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für Unternehmen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es über die Frage warum Unternehmen kooperieren bereits eine hinlänglich große, ja kaum mehr zu überschauende Anzahl von Studien (für einen Überblick vgl. Ireland et al. 2002: 416 ff.) und Erklärungsansätzen (z. B. Transaktionskostenansatz oder Resource-based View, vgl. ausführlich Swoboda 2005: 40 ff.) gibt. Die Frage hingegen, wie die Kooperation als solche durch integrative Erklärungskonzepte erfasst bzw. konzipiert werden kann, ist noch weitgehend unbeantwortet. Zwar gibt es zahlreiche Einzelkonzepte (z. B. Relational Capability, Absorptive Capacity, Kooperationsroutinen), die wichtige theoretische Teilaspekte unternehmensspezifischer Kooperationsfähigkeit beleuchten. Außerdem existieren genügend praxisrelevante Analysen über die spezifischen Anforderungen, die an einzelne Kooperationsphasen zu stellen sind (z. B. Auswahl der Partner und Bestimmung der Kooperationsform in der Anbahnungsphase, Formen effektiver Zusammenarbeit und Controlling-Instrumente in der Arbeitsphase sowie Möglichkeiten der Auswertung der Kooperationsergebnisse in der Beendigungsphase). Doch theoretische Ansätze zur Erklärung der Funktionsfähigkeit von Kooperationen in einem ganzheitlichen Sinne sind noch dünn gesät. Um diese Lücke zu schließen, wird nachfolgend auf das in der soziokognitiven Teamforschung Anfang der 1990er Jahre vorgebrachte und seitdem intensiv diskutierte Konzept der geteilten mentalen Modelle („Shared Mental Models“) zurückgegriffen. Teams werden innerhalb dieses Forschungszweiges als informationserzeugende und -verarbeitende Systeme begriffen, deren Mitglieder geteilte Vorstellungen über das Teamdesign (z. B. Teamziel, Fähigkeiten der Teamkollegen), die Teamprozesse (z. B. Entscheidungsfindung, Konfliktlösung,
280
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Feedbackmechanismen) und die Teamkultur (z. B. Arbeitsnormen und gelebte Werte) zu entwickeln haben. Das Konzept der „Sharedness“ wird dabei zunehmend als zentrale Klammer zur Integration der inhaltlich und fachlich ebenfalls weit gestreuten (Teil-)Erkenntnisse der Teamliteratur begriffen (vgl. Tindale/Kameda 2000: 123). Da Projektteams und Unternehmensnetzwerke als Kooperationseinheiten einige unübersehbare Parallelen aufweisen, werden geteilte mentale Modelle als adäquates theoretisches Konstrukt zur Erklärung erfolgreichen Kooperierens nicht nur für die Team-, sondern auch für die Netzwerkebene begriffen. Die Parallelen beziehen sich auf − die Neuartigkeit der Aufgabe, − die Beteiligung mehrerer, sehr unterschiedlicher und einander zumeist unbekannter Akteure, − die Komplementarität der von den Akteuren eingebrachten Ressourcen, − die Entwicklung eines gemeinsamen Aufgabenverständnisses, − die Klärung von Verantwortlichkeiten inklusive der Schaffung von Regeln, Kooperationsroutinen und Normen der Zusammenarbeit, − die Steuerung durch einen primus inter pares (Teamführer/fokales Unternehmen), − die Interdependenz der Aufgabenstruktur bzw. die wechselseitige Angewiesenheit sowie − die daraus resultierende Notwendigkeit, eine kooperative Grundlage, also eine gemeinsame Vertrauens- und Verständigungsbasis schaffen zu müssen („Common Ground“). So wie aus einem Team von Experten erst ein Expertenteam geformt werden muss, müssen auch die an einem Netzwerk beteiligten Unternehmen lernen, die selbstbezogene Sichtweise zu überwinden. Durch die Übertragung des Konzepts der geteilten mentalen Modelle von der Mitarbeiterkooperation in Teams auf die Unternehmenskooperation in Netzwerken (in denen ja letztlich auch Unternehmensmitglieder bzw. interorganisationale Teams zusammenarbeiten) soll ein differenzierteres Verständnis der unternehmensübergreifenden Kompetenzentstehung und -steuerung erlangt werden. Das Problem der kausalen Ambiguität, welches nicht nur im Hinblick auf die Verknüpfung inner-, sondern auch zwischenbetrieblicher Ressourcen besteht, soll dadurch reduziert werden (vgl. Freiling 2001: 132 ff.). Dabei werden zunächst Hintergrund und Forschungsstand des Konzepts geteilter mentaler Modelle referiert. Das Konzept wird anschließend auf die Netzwerkebene übertragen. Danach werden Ansätze zur Messung mentaler Modelle und praktische
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Maßnahmen zu deren Aufbau erörtert. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und künftige Herausforderungen skizziert.
2
Kooperationskompetenz als Basis erfolgreicher Teamund Netzwerkarbeit
Sicherlich ist es kein leichtes, vielleicht sogar ein unmögliches Unterfangen, in der Literatur letztgültige Definitionen für die beiden Begriffe „Team“ und „Netzwerk“ zu finden. Zum einen gehen unterschiedliche Autoren von je unterschiedlichen Grundannahmen aus, zum anderen werden beide Begriffe in je unterschiedlichen Kontexten gebraucht und auf je unterschiedliche Erkenntnisobjekte bezogen. So wie es allgemein Arbeits-, Innovations- und Entscheidungsteams und speziell Vertriebs-, Fertigungs- oder Neuproduktentwicklungsteams gibt, gibt es auch entsprechend vielfältige Netzwerkformate. Nach Kooperationsrichtung kann in horizontale, vertikale und laterale Netzwerke unterschieden werden. Nach Kooperationsbereich etwa in Beschaffungs-, Produktions-, Logistik- oder F&E-Netzwerke (vgl. zu einer ausführlicheren Typologisierung Zentes/Swoboda/Morschett 2005: 22 ff.). An dieser Stelle können daher nur die für den folgenden Beitrag als gültig bzw. brauchbar erachteten Definitionen aufgeführt werden. Wenn nachfolgend von Teams die Rede ist, so verstehen wir darunter gemäß einer allgemein anerkannten Definition „a distinguishable set of two or more people who interact dynamically, interdependently, and adaptively toward a common and valued goal/objective/mission, and who each have some specific roles or functions to perform” (Tannenbaum/Beard/Salas 1992: 118).
Im Besonderen denken wir hierbei an Teams, die mit der Ersterzeugung von Informationen betraut sind, die also innovative Aufgaben innerhalb eines zumeist zeitlich begrenzten Rahmens zu bewältigen haben und dabei auf heterogenes Mitgliederwissen zurückgreifen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Entwicklung eines neuen Produktes, bei der Mitarbeiter aus den Bereichen Forschung und Entwicklung, Konstruktion, Prototypenbau und -test sowie Software in je unterschiedlicher Intensität und Zusammensetzung zu kooperieren haben (vgl. Gerybadze 2004: 29). Die hier für Teams gewählte Definition ist derart allgemein, dass sie auch auf Netzwerke bezogen werden könnte, sofern man ‚people’ durch ‚corporations’ ersetzen würde. Allerdings sind Netzwerke weitaus vielschichtigere Phänomene. Auf Unternehmensebene entstehen sie durch eine dauerhafte zwischenbetriebli-
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che Zusammenarbeit von mehr als zwei Unternehmungen. Die (partielle) Kompatibilität von Interessen der beteiligten Unternehmen sowie deren Interaktion führt zu kooperativem Verhalten, welches Netzwerke gegenüber den Koordinationsformen Markt und Hierarchie abgrenzt (vgl. Sydow 1992: 98 ff.). Netzwerkunternehmen sind über relativ stabile Beziehungen miteinander verflochten und ergänzen sich dabei in ihren Kernkompetenzen durch Poolung gleichartiger Ressourcen („Critical-Mass-Allianz“) bzw. Verknüpfung komplementärer Ressourcen („Closing-Gap-Allianz“). Hieraus ergibt sich eine wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen den Partnern, wobei jedoch jedes Unternehmen rechtlich unabhängig bleibt. Ein Unternehmensnetzwerk ist eine sehr komplexe Organisationsform und besitzt oftmals mehrere Entscheidungszentren, deren Hauptaufgaben im Aufbau, in der Koordination und in der Pflege von Beziehungen liegen (Lorenzoni/Baden-Fuller 1995: 146 ff.). Nachfolgend gehen wir jedoch von nur einem Entscheidungszentrum aus – dem sog. fokalen Unternehmen. Trotz erheblicher Wertschöpfungspotentiale zwischenbetrieblicher Kooperationen scheitern jedoch viele Kooperationen. Als wesentliche Faktoren werden hierfür Zieldivergenz, opportunistisches Verhalten und kulturelle Unterschiede genannt (vgl. Ireland et al. 2002: 433). Andererseits konnte in mehreren Studien ein positiver Zusammenhang zwischen Kooperationserfahrung und Kooperationserfolg ermittelt werden (vgl. Gulati 1998; Lorenzoni/Lipparini 1999; Anand/Khanna 2000; Inkpen/Pien 2006), was darauf schließen lässt, dass Unternehmen mit der Zeit spezielles Kooperations-Know-how aufbauen. Die Fähigkeit erfolgreich zu kooperieren wird daher zunehmend als eigenständige Kernkompetenz verstanden (vgl. Eisenhardt/Martin 2000: 1105; Zollo/Winter 2002: 340). Als wesentliche Elemente werden eine allgemeine Beziehungsfähigkeit, die Auswahl geeigneter Partner und der Aufbau von Koordinationsroutinen genannt. Die Forschung beschränkt sich jedoch größtenteils auf die Untersuchung von Teilaspekten, ohne die Entstehung und Entwicklung von Kooperationsfähigkeit näher zu beleuchten.1 Genau hier liegt die Erklärungskraft geteilter mentaler Modelle, die den soziokognitiven „Quellcode“ des Kooperierens offenlegen. Die Schilderung ihrer Entstehung im Teamkontext und ihre dortige Verwendung soll dies aufzeigen.
1
Eine Ausnahme hiervon bildet das integrative Konstrukt der Kooperationkompetenz, welches die erfolgreiche Kooperation aus Sicht eines Unternehmens auf dessen übergeordnete (Meta-) Fähigkeit zurückführt, das Kooperieren selbst zu erlernen bzw. reflexiv zu thematisieren (vgl. von der Oelsnitz/Graf 2006).
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Shared Mental Models auf Teamebene
Innerhalb der Teamforschung galt lange Zeit das sog. Input-Process-OutputModell als dominantes Erklärungsschema der Teamarbeit (vgl. Högl 1998: 22 ff.). Demzufolge gibt es bestimmte Input-Größen (z. B. Teamzusammensetzung, Teamgröße, Aufgabenstellung), die über die prozessuale Verknüpfung (z. B. Informationsverarbeitung, Koordination, Entscheidungsbildung) zu Outputs führen. Hierbei können wiederum die rein formalen Arbeitsergebnisse (bewertet nach Kosten-, Zeit- und Qualitätskriterien) von den sozialen Ergebnissen abgegrenzt werden (wie dem Gruppenzusammenhalt oder der individuellen Bereitschaft, erneut in diesem Team arbeiten zu wollen). Ähnlich wie die Kooperationsforschung auf Unternehmensebene hat sich die Forschung auf Teamebene in den letzten Jahrzehnten in der Regel einzelnen Erfolgsfaktoren zugewandt, d. h. insbesondere den Input- und den Prozessgrößen. Das typische Frageschema lautet daher: Wie wirkt sich X auf Y aus und welchen moderierenden Einfluss nimmt Z? Sicherlich sind hierbei interessante, leider allzu oft aber auch einander widersprechende Ergebnisse zu Tage gefördert worden. Ursache ist die kontextuelle Vielfalt der im betrieblichen Alltag anzutreffenden Formen der Teamarbeit. Da Teams auf allen Unternehmensebenen, in allen funktionalen Bereichen und für ganz unterschiedliche Zwecke von Routinearbeiten über Produktinnovationen bis hin zu strategischen Entscheidungen eingesetzt werden, sind die empirischen Studien kaum miteinander vergleichbar. Wenn dann noch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Branchenstruktur oder Landeskultur hinzugenommen werden, erstaunt es nicht, dass zahlreiche Forscher laborgestützte Experimente favorisieren, um Vergleichbarkeit wenigstens künstlich herzustellen. Dennoch: Es fällt schwer, innerhalb dieses Dickichts den Überblick zu wahren. Schaut man schließlich auf die Gestaltungsempfehlungen, die aus den einzelnen Studien abgeleitet werden, so sind diese ebenfalls oft sehr dürftig oder recht vage formuliert. Das Management der einzelnen Stellgrößen innerhalb der Teamarbeit erscheint so nicht selten als Balanceakt zwischen unterschiedlichen Extremen: Von dem einen nicht zu wenig (z. B. Gruppenzusammenhalt), aber auch nicht zu viel (z. B. Groupthink). Ein weiteres Beispiel ist der Wettbewerb innerhalb des Teams: Ein gewisses Maß an Wettbewerb untereinander kann die einzelnen Teammitglieder dazu anspornen, mehr zu leisten und über die eigenen Grenzen zu gehen. Ein Zuviel an Wettbewerb wiederum kann zu einer feindseligen, sich gegenseitig „zerfleischenden“ Atmosphäre führen, in der das Team kein Team mehr ist, sondern lediglich eine Ansammlung von Einzelkämpfern.
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Vor diesem letztlich nicht zufriedenstellenden Hintergrund ist es zu verstehen, dass sich Teamforscher auf die Suche nach dem „archimedischen Punkt“ begeben haben, von dem aus eine Bündelung der heterogenen Forschungsergebnisse möglich wird. Diesen Punkt glaubt die soziokognitiv ausgerichtete Teamforschung in kollektiven Schemata ausgemacht zu haben (vgl. CannonBowers/Salas/Converse 1993; Klimoski/Mohammed 1994; Salas/Fiore 2004; Letsky et al. 2008).2 Sie geht also davon aus, dass der Teamerfolg bzw. das Funktionieren von Teams am Ende davon abhängen, inwieweit Teammitglieder gemeinsame mentale Modelle über grundlegende Aspekte der Teamwirklichkeit aufgebaut haben. So wie der einzelne Mensch vereinfachte Abbildungen („Repräsentationen“) über die Umwelt zu formen hat, um der Fülle an einströmenden Informationen Herr zu werden, haben auch Teammitglieder gemeinsame Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie sie ihre Wirklichkeit begreifen und ihre Zusammenarbeit gestalten. Kollektive Wissensstrukturen werden damit zum Schlüssel, um das Tor zur umfassenden Erklärung von Kooperationsphänomenen auf Teamebene aufzustoßen. Die soziokognitive Teamforschung folgt damit der bereits früh getroffenen Abgrenzung zwischen Taskwork und Teamwork (vgl. Salas/CannonBowers/Blickensderfer 1993: 86). Während Taskwork auf das individuelle Wissen verweist, d. h. auf die Befähigung des Einzelnen zur Beherrschung seines ihm zugewiesenen Aufgabengebiets, umfasst Teamwork das kooperationsrelevante Wissen in Gestalt der geteilten mentalen Modelle. Der Blick auf ein Orchester als typisches Beispiel für eine stark voneinander abhängige Arbeitseinheit kann dies besser veranschaulichen: Neben der Notwendigkeit, dass jedes einzelne Orchestermitglied sein Musikinstrument vollauf beherrscht, macht erst das harmonische Zusammenspiel aller aus dem Orchester einen unverwechselbaren Klangkörper. Individuelle Unfähigkeit kann demnach nicht durch Teamfähigkeit ausgeglichen werden, genauso wenig wie Teamunfähigkeit durch individuelle Fähigkeit gutzumachen ist. Anders ausgedrückt ist die Zusammenführung individueller Talente die notwendige, das reibungslose Zusammenwirken im 2
Die begriffliche Vielfalt ist allerdings verwirrend. McComb (2008: 36) etwa nennt – mit entsprechenden Referenzierungen – cognitive consensus, group mind, interpretive schema, intersubjectivity, shared beliefs, shared cognition, shared meaning, sociocognition, team cognition und teamwork schema agreement. In einem älteren Beitrag führt Walsh (1995: 284 f.) an die achtzig (!) Begrifflichkeiten auf und beklagt eine „Zusammenarbeit [der Forscher] in Einzelarbeit“. Zwar kann die Vielfalt als Indiz für die allgemeine Bedeutung des zugrundeliegenden Phänomens interpretiert werden, doch drängt sich zugleich der Verdacht auf, dass Forscher im Zuge des Publish-or-Perish-Zwangs immer neue Konstrukte erfinden. Das Re-Labeling ersetzt den substantiellen Mehrwert.
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Teamverbund die hinreichende Bedingung für den gemeinsamen Erfolg. Bei fachlichen Defiziten kann also auch das mit umfassenden mentalen Modellen ausgestattete und daher nahtlos funktionierende Team erfolglos bleiben. Dieser Aspekt sollte im Anschluss im Hinterkopf behalten werden. Doch auf was genau beziehen sich nun gemeinsame mentale Modelle bzw. kollektive Wissensstrukturen? Für Cannon-Bowers/Salas/Converse (1993: 232) bestehen mentale Modelle auf Teamebene aus folgenden grundlegende Elementen: „[O]ne that describes the equipment (equipment model), one that describes the task (task model), and two that describe the team – one that describes the roles, responsibilities, and interactions of team members (team interaction model) and one that describes the team members themselves (team model).” Abbildung 1 fasst diese Komponenten in etwas abgeänderter Terminologie zusammen. SHARED MENTAL MODELS Teamführung Teamdesign • Teamziel • Ressourcenausstattung • Rollen- und Verantwortungsstruktur • Transaktives Wissen
Teamprozesse • Informationsverarbeitung • Kommunikation und Koordination • Feedbackmechanismen • Problem- und Konfliktlösung • Entscheidungsfindung
Teamkultur • Identifikation und Identität • Kohäsion und Erfolgsglaube • Arbeitsnormen und Werte
Abbildung 1: Shared Mental Models in Teams Shared Mental Models gelten dabei für das gesamte Team, d. h. sowohl für die Teammitglieder als auch für die Teamführung. Der Teamführung kommt jedoch ein Sonderstatus zu, da sie nicht nur von mentalen Modellen beeinflusst wird, sondern selbst gestaltend auf diese einwirken kann. Als Wahrnehmungsobjekt ist der Teamführer zunächst selbst Teil mentaler Modelle, denn aus der attributiven Führungsforschung ist bekannt, dass Menschen im Zuge ihrer Erfahrungen in einer Kultur prototypische Vorstellungen über die ideale Führungskraft aufbauen, aus denen sich Erwartungen über ein als angemessen eingestuftes Führungsverhalten ableiten (vgl. Lord/Maher 1993). Daran hat sich dann der jeweilige Vorgesetzte zu messen. Der Abgleich geschieht in alltäglich ausgetauschten Beobachtungen und Auswertungen des Füh-
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rungsverhaltens unter den Teammitgliedern. In der Regel fragt sich aber auch der Vorgesetzte selbst, wie er auf seine Untergebenen wirkt. Sein Verhalten wird durch Untergebenenreaktionen somit mehr oder weniger modifiziert. In Teams ist diese Anpassung durch die prinzipiell partizipativer angelegte Führungssituation ohne Zweifel noch wahrscheinlicher als unter klassischen hierarchischen Bedingungen. Gleichwohl bleibt auch in Teams die Führung in letzter Konsequenz Fremdbestimmung. Der Teamführer erzeugt durch sein Verhalten und seine Maßnahmen Sinn, baut also selbst mentale Modelle im Team auf. An dieser Vorlage orientieren sich die Teammitglieder. „Mit ihrer Aufmerksamkeit und entsprechenden Belohnungen, mit der Zuweisung von Ressourcen, mit ihrer Vorbildfunktion, mit ihrer Bewältigung kritischer Situationen und mit ihren Kriterien für Einstellung, Auswahl, Beförderung und Ausschluss dokumentieren Führungspersönlichkeiten explizit wie implizit ihre wirklichen Prämissen“ (Schein 1995: 203). Wenn daher nachfolgend die einzelnen Komponenten geteilter mentaler Modelle in Teams behandelt werden, so darf die exponierte Stellung der Teamführung bei deren Entwicklung nie aus dem Blick geraten. Sei es bei der Entwicklung und Überwachung von Zielen, der Klärung von Verantwortlichkeiten, der Aufstellung und Durchsetzung von Regeln oder der Stärkung des Wir-Gefühls und des gemeinsamen Glaubens an den Erfolg – stets kommt der Teamführung eine besondere Bedeutung zu, indem sie maßgeblich an der Verhaltens- und Interpretationslenkung beteiligt ist.
3.1
Teamdesign
Eine gemeinsame Vorstellung über das zu erreichende Ziel bildet ohne Zweifel die Existenzgrundlage eines jeden Teams (vgl. Katzenbach/Smith 1998: 78 ff.). Das Teamziel ist dabei einerseits formal zu begreifen, indem es Informationen über die Beschaffenheit des angestrebten Arbeitsergebnisses enthält (z. B. Qualitäts-, Zeit- und Kostenvorgaben des Auftraggebers bzw. des Managements), andererseits aber auch visionär, indem es „etwas idealisiert, was zwar noch nicht erreicht, im Prinzip aber erreichbar ist“ (von der Oelsnitz 1999: 165). Senge (1996: 184) spricht daher von der Lücke, die zwischen dem tatsächlichen IstZustand der Gegenwart und dem erhofften Soll-Zustand der Zukunft klafft. Diese Lücke setzt kreative Spannungen und damit Energien frei.
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287
Doch reichen abstrakte Vorstellungen alleine nicht aus, d. h. aus dem Oberziel („Mission“) eines Teams sind umsetzbare Unterziele („Meilensteine“) abzuleiten. Diese sollten die aus dem Projekt- bzw. Selbstmanagement bekannten Voraussetzungen erfüllen (s. Abbildung 2). SMART(S) goals S
= Specific (d.h. präzise Leistungsziele)
M
= Measurable (d.h. quantifizierbare Leistungsstandards)
A
= Action-oriented (d.h. mit konkreten Handlungsweisen verknüpfte Leistungsziele)
R
= Realistic or reachable (d.h. keine Über-, aber auch keine Unterforderung)
T
= Timely goals (d.h. innerhalb einer bestimmten Periode realisierbar)
S
= Self-determined (d.h. Zielvereinbarung erfolgt in Absprache mit Untergebenem)
Abbildung 2: Anforderungen an Ziele (Quelle: in Anlehnung an Smith 2007: 83 f.) Eng verknüpft mit der Entwicklung gemeinsamer Zielvorstellungen ist das Wissen um die im Team geltende Rollen- und Verantwortungsstruktur. Jeder sollte seinen eigenen Aufgabenbereich, aber auch die Bereiche der Teamkollegen genau kennen, ansonsten treten Koordinationsverluste, Doppelarbeit und Kompetenzstreitigkeiten auf. Ist dieser Aspekt des kollektiven Wissens rein aufgabenbezogen (= interpositionales Wissen), so betrifft die wechselseitige Kenntnis um die jeweiligen Fähig- und Fertigkeiten hingegen den personenbezogen Aspekt (= interpersonales bzw. transaktives Wissen, vgl. Wegner 1987). Die Forschung hat dieses transaktive Wissen, d. h. das Wissen um das Wissen und die Charaktermerkmale der Teamkollegen als Fundament für eine erfolgreiche Informationsverarbeitung und Kompetenzkoordination in Teams erkannt (vgl. von der Oelsnitz/Busch 2008: 370 ff.). So lassen sich etwa durch dieses Wissen − Feedbacks besser erteilen, weil die Eigenheiten des Gegenübers, d. h. seine Offenheit gegenüber sachlicher und persönlicher Kritik bekannt sind; − realistischere Leistungsziele festlegen, weil Kenntnisse über die Einsetz- und Belastbarkeit des Gegenübers vorliegen; − Konflikte leichter lösen, weil man mit den grundsätzlichen Standpunkten und Argumentationslinien der Kollegen vertraut ist;
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− Probleme zügiger identifizieren und eingrenzen, weil die jeweiligen Fähigkeiten und die „blinden Flecken“ der Teammitglieder richtig eingeschätzt werden können; − Informationen punktgenauer zuweisen, wenn der „Lieferant“ die Wünsche und Bedürfnisse des „Abnehmers“ genau kennt; dasselbe gilt in umgekehrter Richtung für die Informationsnachfrage (vgl. Busch 2008: 109). Schließlich spielt in Teams die Kenntnis der Ressourcenausstattung eine Rolle. Neben den zur Verfügung stehenden Sachmitteln ist hier vor allem an die technische Ausstattung zu denken (z. B. gemeinsam genutzte Datenbanken). In virtuellen Entwicklungsteams bezieht sich dies auf das Anwendungswissen im Hinblick auf die verwendeten kollaborativen Systeme. Die gemeinsame Kenntnis der verfügbaren Technik sowie das Wissen um die individuelle Technikbeherrschung ist zudem in sog. Hochleistungsteams (z. B. im Rettungsbereich, im Militärischen oder bei Sondereinsatzkommandos) besonders wichtig (vgl. Pawlowsky/Mistele/ Geithner 2008: 23), da hier der Umgang mit technischem Gerät im Sinne der Ermöglichung einer strukturierten Einsatzdurchführung im Zentrum steht. Gerade im Hochsicherheitsbereich müssen Handlungsabläufe hochstandardisiert vonstatten gehen, denn nur so kann die Veränderlichkeit der Situation in Grenzen beherrscht werden. Damit ist bereits auf die nächste Teilkomponente geteilter mentaler Modelle verwiesen, nämlich die mentale Abbildung teamrelevanter Prozesse in den Köpfen der einzelnen Teammitglieder.
3.2
Teamprozesse
Teamprozesse betreffen sämtliche Mitgliederaktivitäten, die in direkter oder indirekter Weise der Erreichung des Teamziels dienen. Shared Mental Models wirken hierbei verhaltenslenkend und schaffen Berechenbarkeit. Im Ergebnis bringen sie teamspezifische Gewohnheiten bzw. Handlungsroutinen hervor. Es kommt zu konvergierenden Erwartungen unter den Teammitgliedern. Insofern können geteilte mentale Modelle ganz allgemein auch als Mechanismen zur Reduktion von Komplexität begriffen werden. Sie erzeugen eine ureigene Teamwirklichkeit. Die Umwelt wird für Teams dadurch beschreib- und erklärbar (vgl. Klimoski/Mohammed 1994: 419). Mit der Freiheit von Teams, über die Wahl von Mitteln, Methoden und Interaktionsformen auf dem Weg zur Zielerreichung weitgehend autonom entscheiden zu können, geht nämlich zugleich die Pflicht einher, eine bestimmte Aus-
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wahl treffen zu müssen. Handlungsspielräume sind im Sinne der Ordnungsstiftung wiederum einzugrenzen (vgl. Burr 1998: 314 ff.). Besonders augenscheinlich wird dies bei der Informationsverarbeitung. Ohne die gemeinsame Kenntnis der auf diesem Gebiet zu beachtenden Regeln und Koordinationsformen kann es zu zeitraubenden Verzögerungen kommen. Teammitglieder sollten demnach wissen − wer wem was über welchen Kommunikationskanal zu melden hat; − wie detailliert und regelmäßig Informationen weiterzugeben sind; − bei wem Informationen beschafft werden können und als wie verlässlich diese Informationen einzustufen sind; − welche Informationen als besonders dringlich gelten; − wann die Beschaffung externen Wissens erforderlich wird; − wer für die Speicherung bestimmter Informationen verantwortlich ist und − unter welchen Schlagwörtern und auf welchen Speichermedien bestimmte Informationen abzulegen sind (vgl. Busch 2008: 100 f.). Ein solches Informationsverarbeitungssystem erhöht nicht nur die Abstimmungseffizienz, sondern sorgt auch für den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Team Situation Awareness. Über den regelmäßigen kommunikativen Austausch und den Abgleich von Wahrnehumgen und Interpretationen im Hinblick auf Umweltveränderungen entwickelt das Team mithin ein einheitliches Situationsverständnis (vgl. Endsley 2000; Gutwin/Greenberg 2004). Dieses kann, muss aber nicht korrekt sein, wie das bekannte Groupthink-Phänomen zeigt. Geteilte Vorstellungen sind schließlich auch über Entscheidungsprozesse, die Art der Konflikthandhabung, die Lösung von Problemen oder die Frage, welche Feedbackmechanismen innerhalb eines Teams installiert werden sollen (z. B. offene versus strukturierte Teambesprechungen, rein informelles Lernen), aufzubauen.3 Da jedes Teammitglied aufgrund gesammelter Arbeitserfahrungen 3
Bierhals (2008: 103) nennt als negative Konsequenzen von Teamprozessen ohne klare Führungsstrukturen und ohne ein geteiltes Verständnis: Aufgaben bleiben unbearbeitet, weil sich keiner dafür zuständig fühlt; wichtige Informationen werden nicht gesichtet oder gelangen nicht in die Gruppendiskussion; zwischen Teammitgliedern wird nicht thematisiert bzw. herrscht kein Konsens darüber, wer Entscheidungen fällen darf; häufig machen alle alles, weil Aufgaben nicht konkret zugewiesen worden sind; klare Verantwortlichkeiten werden gescheut oder nach Status (statt nach Fähigkeiten) vergeben; einige Teammitglieder sind von wichtigen Entscheidungen abgekoppelt, da keiner darauf achtet, wer alles informiert werden muss; Stellvertreter werden nicht benannt, wenn die ursprüngliche Führungsperson abwesend ist; zwischen den Teammitgliedern herrscht ein unterschiedliches Verständnis darüber, wie welche Aufgaben auszuführen sind.
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eigene mentale Modelle mit in das Team einbringt (vgl. Tschan/Semmer 2001: 227), ist die vielzitierte Tuckman’sche Storming-Phase im Anschluss an die Teambildung auch als Ringen um die Vorherrschaft über „richtige“ Arbeits- und Verhaltensweisen zu begreifen. Erst wenn sich in Teams ein Konsens darüber entwickelt hat, nach welchen Mustern Teamprozesse ablaufen sollen, wird das Team zu einer funktionsfähigen Arbeitseinheit. Wenn das Wie des Kooperierens geklärt ist, kann das Was des Kooperierens beherzter angegangen werden. Die Reibungsfreiheit auf der Ebene der Zusammenarbeit entlastet somit und schafft Raum für die wichtigeren Reibungen auf inhaltlicher Ebene, d. h. für die berechtigten fachlichen Auseinandersetzungen, die zu einer Verbesserung der Arbeitsergebnisse führen. Hier kommt dann auch der kulturelle Aspekt ins Spiel, denn nur in einem offenen und lernorientierten Klima ist Feedbackgeben und -nehmen ohne Gesichtsverlust möglich. Prozesseffizienz alleine reicht nicht aus.
3.3
Teamkultur
Die Erörterung kultureller Gemeinsamkeiten für die Teamarbeit zählt ohne Zweifel zu den ältesten Gebieten der Gruppenforschung. Schon im 19. Jahrhundert gab es Überlegungen im Hinblick auf ein Gruppenbewusstsein (vgl. Klimoski/Mohammed 1994: 406). Daneben interessiert sich die Forschung bereits seit langem für das Wir-Gefühl, d. h. den Gruppenzusammenhalt bzw. die Kohäsion (vgl. Mullen/Copper 1994). Die Empfindung des einzelnen Teammitglieds, Teil eines Ganzen zu sein und Verantwortung für dieses Ganze zu übernehmen, wurde und wird als eine der Grundvoraussetzungen erfolgreicher Teamarbeit betrachtet. Zugleich gilt Kohäsion als „Schutzschild“ gegen opportunistische Verhaltensweisen des Individuums wie Leistungszurückhaltung oder fehlende Bereitschaft zur Wissensteilung. Nicht umsonst zielen die meisten Teamentwicklungsmaßnahmen wie Outdoor-Trainings oder die Durchführung von Workshops darauf ab, dass Teammitglieder lernen, an „einem Strang“ zu ziehen. Das Gruppengefühl soll demnach dazu beitragen, sich mit dem eigenen Team zu identifizieren und sich als deutlich abgrenzbare Einheit innerhalb der Organisation, für die einzusetzen es sich lohnt, wahrzunehmen. Hierzu gehört auch der gemeinsame Erfolgsglaube („Collective Efficacy“), ein soziokognitives Konstrukt, das auf die Zuversicht des Teams verweist, gesteckte Ziele erreichen zu können (vgl. Zaccaro et al. 1995). Und schließlich ist der Aufbau einheitlicher, d. h. geteilter, akzeptierter und realistischer Leistungsstandards ein ganz wesentlicher Bestandteil der Teamkul-
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tur. Der Zustand einer offenen und auf gegenseitiger Hilfeleistung aufbauenden Lernkultur wird auch mit dem Begriff der „psychologischen Sicherheit“ umschrieben. Teams, die diesen Zustand erreichen, sind geprägt durch „seeking feedback, sharing information, asking for help, talking about errors, and experimenting“ (Edmondson 1999: 351). Ein hochentwickeltes Team ist überdies in der Lage, sich selbst zu reflektieren (vgl. West 2004: 5 f.; von der Oelsnitz/Busch 2009: 251 ff.). Die jeweilige Teamkultur lässt es also zu, dass handlungsleitende Theorien („Theories in Use“, vgl. Argyris/Schön 2006: 29), d. h. die im Alltag tatsächlich gelebten Normen und Werte, kritisch hinterfragt werden können.
4
Shared Mental Models auf Netzwerkebene
Während die Erforschung geteilter mentaler Modelle auf Teamebene bereits sehr weit fortgeschritten ist, findet sie auf Netzwerkebene häufig nur indirekt oder andeutungsweise statt. Zwar gibt es Begriffe wie „Shared Language“ (vgl. Nahapiet/Ghoshal 1998), „Shared Understanding“ (vgl. Podolny/Baron 1997) oder „Knowledge-Sharing Routines“ (vgl. Dyer/Singh 1998), die auf den Rückgriff mentaler Modelle schließen lassen. Die Entstehung bzw. bewusste Etablierung interorganisationaler mentaler Modelle wird jedoch selten näher beleuchtet (Ausnahmen bilden Standifer/Bluedorn 2006 und Zoogah 2006). Dies mag daher rühren, dass das Netzwerkmanagement als eine auf Unternehmensebene angesiedelte strategische Aufgabe konzipiert wird und weniger als eine operative Aufgabe zwischen unterschiedlichen Unternehmenseinheiten bzw. -mitgliedern. Die harten Kriterien in Form eines „richtigen“ Netzwerkdesigns, d. h. die kooperationsvertraglich verankerten Rechte und Pflichten, die Festlegung des Ziels und der Dauer der Zusammenarbeit sowie die Ressourcenzuweisung stehen im Vordergrund. Betrachtet man dann aber die darauf folgende Netzwerkentstehung, so treten ähnliche Herausforderungen wie auf Teamebene auf. Es ist für einen reibungslosen Wissens- und Erfahrungstransfer Sorge zu tragen, denn schließlich bieten Netzwerke die Möglichkeit, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern (vgl. Gulati 1999: 399). Durch Zugriff auf komplementäres Know-how der Netzwerkpartner sollen bestehende Ressourcen schneller und kostengünstiger als im Alleingang weiterentwickelt werden. Dasselbe gilt für den Aufbau neuer Ressourcen.
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Die Nutzung des Partnerwissens scheitert jedoch oftmals an der Wissensübertragung, da nur ein Teil des betrieblich relevanten Wissens durch Dokumente oder Lizenzen kodifiziert und damit kooperationsvertraglich verankert und ausgetauscht werden kann. Implizites Wissen, welches an Erfahrungshintergründe einzelner Wissensträger gebunden und in gewachsenen Beziehungsstrukturen verborgen ist, lässt sich dagegen nur schwer übertragen. Ein vollständiger Wissenstransfer komplexer und sozial relevanter Sachverhalte setzt somit einen möglichst weitreichenden Kontexttransfer voraus (vgl. Müller-Stewens/Osterloh 1996: 18). Unterschiedliche Unternehmenskulturen oder Konkurrenzverhältnisse der Netzwerkpartner verschärfen dieses Zugangsproblem zusätzlich. Auf Grund häufig wechselnder Kooperationen müssen sich Unternehmen zudem regelmäßig an die Eigenheiten des jeweils neuen Partners anpassen. Genau hier setzt die Bedeutung geteilter mentaler Modelle auch in Netzwerken an: Je präziser das Partner-, Prozess- und Kulturwissen in Netzwerken entwickelt ist, je genauer also in Form von Shared Mental Models die Art der Zusammenarbeit mental verankert wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es auch zu einem Austausch an kontextgebundenem Erfahrungswissen zwischen den Partnern kommt. Im Folgenden sollen daher Entstehung sowie Bedeutung mentaler Modelle für die Netzwerkebene genauer herausgearbeitet werden.
4.1
Netzwerkdesign
Der Struktur mehrfach-dyadischer Partnerschaften kommt in der Netzwerkforschung eine besondere Bedeutung zu. Durch das Design wird die strukturelle Einbettung der einzelnen Akteure innerhalb eines Netzwerks abgebildet. Diese ist abhängig von der Dichte eines Netzwerks, welche anhand der Anzahl interner und externer Verbindungen gemessen wird. Je verflochtener die Unternehmen innerhalb des Netzwerks und je geringer die Anzahl an Verbindungen zu Unternehmen außerhalb des Netzwerks sind, desto stärker ist die soziale Bindung unter den Netzwerkpartnern (vgl. Coleman 1988). Nach Granovetter beeinflusst die Einbettung der Unternehmen im Beziehungsnetzwerk folglich deren Handeln: „Embeddedness refers to the fact that economic action and outcomes, like all social action and outcomes, are affected by actors’ dyadic (pairwise) relations and by the structure of the overall network of relations” (Granovetter 1992: 33). Je enger und stabiler die Zusammenarbeit der Partnerunternehmen, desto besser können sich gemeinsame Routinen und gegenseitiges Vertrauen herausbilden
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(vgl. Uzzi 1997). Durch kollektive Verhaltensmuster und die hohe Geschwindigkeit, mit der Informationen in einem solchen Netzwerk fließen, erhöht sich nicht nur der soziale Druck zu konformem Verhalten. Auch das Bewusstsein über das Verhalten der Netzwerkpartner, also die netzwerkbezogene Situation Awareness, wird verstärkt (vgl. Simsek et al. 2003: 432). Neben der Netzwerkdichte ist die kognitive Distanz zwischen den Partnerunternehmen für den Wissenstransfer von hoher Bedeutung – ein Aspekt, der von der Forschung als immer wichtiger eingestuft wird (vgl. Gilsing/Nooteboom 2005: 181). Charakteristisch für unternehmensspezifische Kognitionen sind u. a. spezifische Interpretationsmuster der Umwelt, Wertvorstellungen und die Ressourcenbasis (vgl. Nooteboom et al. 2007: 1017). Zunächst ist also eine gemeinsame kognitive Basis zwischen den Netzwerkpartnern herzustellen, damit komplexe Wissensbestände transferiert bzw. absorbiert werden können. Daher werden bereits in der Phase der Partnerwahl solche Kooperationspartner bevorzugt, die über ähnliche mentale Modelle verfügen (vgl. Baker 1990). Doch selbst bei sehr unterschiedlichen Akteuren führt die strukturelle Einbettung in ein Netzwerk dazu, dass sich die kognitiven Sichtweisen der Kooperationspartner über die Zeit hinweg angleichen (vgl. Mowery et al. 1996; Nakamura et al. 1996). Dies hängt mit der Entstehung partnerbezogenen Wissens zusammen. In Netzwerken führt transaktives Wissen daher ebenfalls zu einer Verbesserung der Kommunikation, da die Akteure nicht nur die Stärken und Schwächen der Partner genauer kennen (lernen), sondern durch ähnliche Wahrnehmungsmuster auch rascher zu einer gemeinsamen Situationseinschätzung gelangen. Diese wiederum ermöglicht eine zügigere Entscheidungsfindung. Die bisherigen Erörterungen mögen nahe legen, dass das Netzwerkdesign quasi natürlich entsteht. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus, indem hier in der Regel ein fokales Unternehmen die federführende Rolle bei der Formierung des Netzwerks einnimmt (vgl. Sydow 1992: 81). Ähnlich wie der Teamführer kann dieses Unternehmen aufgrund seiner Machtposition zu Beginn der Zusammenarbeit Kooperationsziele und Koooperationsstrukturen nach eigenen Vorstellungen durchsetzen. Damit werden die Weichen für die Bildung spezifischer mentaler Modelle gestellt. Und schließlich wird auch der Wissensfluss innerhalb eines Netzwerks durch die Machtverhältnisse reguliert. Die Machtstruktur wird in der Netzwerkforschung anhand des Zentralitätsmaßes einzelner Netzwerkakteure bewertet. Als Kriterien für die Zentralität eines Netzwerkakteurs dienen die Anzahl direkter Beziehungen zu anderen Akteuren (Degreebasierte Zentralität), die Summe der kürzesten Pfade zu allen anderen Akteuren als Maß für die indirekten Beziehungen (Closeness-basierte Zentralität) und die
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Vermittlungsfähigkeit des Akteurs zwischen zwei anderen Akteuren (Betweenness-basierte Zentralität) (vgl. Jansen 2003: 129 ff.; Rank 2003: 69 ff.). Die Vermittlungsfähigkeit gilt dabei als Maß für die Informations- und Ressourcenkontrolle des Akteurs, indem untersucht wird, ob und wie häufig ein Knoten auf den kürzesten Pfaden zwischen anderen Paaren enthalten ist. Ein vollkommen zentraler Netzwerkakteur ist somit in der Lage, direkt mit allen anderen Netzwerkakteuren zu kommunizieren, während andere Verbindungen nur über das zentrale Unternehmen zustande kommen.
4.2
Netzwerkprozesse
Das Netzwerkdesign stellt somit auf die harten Transfermechanismen ab und gibt den Rahmen vor, in welchem miteinander interagiert und gelernt wird. Daneben bilden sich im Laufe der Interaktion der Netzwerkpartner weiche Transfermechanismen heraus. Während die harten Transfermechanismen relativ unabhängig vom spezifischen Netzwerkkontext auf den Wissenstransfer einwirken (etwa durch die erwünschte bzw. zugelassene Kommunikationsstruktur), bilden sich weiche Transfermechanismen partner- bzw. netzwerkspezifisch durch gemeinsam gesammelte Erfahrungen innerhalb der vorgegebenen Kommunikationswege aus. Der Wissenstransfer geht dabei über die Übertragung von Faktenwissen hinaus, d. h. es werden zunehmend Erfahrungshintergründe und damit Lernkontexte ausgetauscht. Die Kooperationspartner lernen etwa, wie gemeinsame Ziele formuliert und überprüft werden, wie bei Konflikten zu verfahren ist oder wer die entscheidenden Wissensträger im Partnerunternehmen sind. Durch die tiefgreifende Kommunikation können somit höhere Lernniveaus im Sinne eines Double-Loop-Learnings erlangt werden (vgl. Argyris/Schön 2006: 36). Auf dieses Kontextwissen können die Netzpartner in späteren Kooperationen zurückgreifen – sowohl bei Kooperationen mit demselben Partner als auch mit anderen Netzwerkakteuren. Haben bspw. Unternehmen A und Unternehmen B sowie Unternehmen B und Unternehmen C in der Vergangenheit miteinander kooperiert, so haben sich bereits indirekt zwischen Unternehmen A und C gemeinsame mentale Modelle aufgebaut, auf die bei einer möglichen Kooperation zurückgegriffen werden kann. Dadurch können schneller beiderseitige Kooperationserfolge erzielt werden, sofern die Erfahrungen aus vergangenen Kooperationen systematisch aufgearbeitet wurden (vgl. Kale/Singh 2007). Der Aufbau unternehmensübergreifender Shared Mental Models erhöht demzufolge die Wahrscheinlichkeit, dass auch implizite Wissenselemente ausge-
Shared Mental Models
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tauscht werden. Dies verstärkt wiederum den Aufbau und die Erweiterung mentaler Modelle, da durch zunehmende kognitive Überlappung die Bindung der Unternehmen an das Netzwerk steigt. Sofern die Lernerfahrungen positiv sind, trägt dies zu einer spürbaren Stabilisierung der Beziehungen bei (vgl. Doz 1996). Ein solcher netzwerkbezogener Entwicklungszyklus wird jedoch nur dann erfolgen, wenn die Akteure durch das Netzwerk Zugriff auf die individuell benötigten Ressourcen erhalten. Ansonsten werden sich die Unternehmen außerhalb des Netzwerks auf die Suche nach geeigneteren Partnern begeben und sich damit vom lokalen Netzwerk distanzieren. Die Entwicklung intensiver Netzwerkbeziehungen wird somit wesentlich von der Wahrnehmung und den Bedürfnissen der einzelnen Unternehmen beeinflusst (vgl. Simsek et al. 2003: 437 f.). Zusammenfassend betrachtet findet im Laufe der Netzwerkevolution eine Interaktion zwischen harten und weichen Transfermechanismen statt. Harte Transfermechanismen schaffen zwar die Voraussetzung für den Wissenstransfer, aber nur durch weiche Transfermechanismen können die für die Übertragung komplexer Wissensbestände notwendigen Kooperationsroutinen aufgebaut und weiterentwickelt werden. Für das Verständnis von Netzwerkstrukturen und Netzwerkbeziehungen ist daher das Zusammenspiel harter und weicher Transfermechanismen von zentraler Bedeutung. Das Konzept geteilter mentaler Modelle kann diesen Zusammenhang auf Netzwerkebene integrativ abbilden, indem die Netzwerkpartner eben nicht nur eine gemeinsame Kenntnis der harten (Macht-)Struktur sondern auch ein geteiltes Wissen über die gewachsenen Beziehungen und Prozesse aufzubauen haben (vgl. Mason/Leek 2008: 795). Daraus kann sich – im Idealfall – eine unverwechselbare Netzwerkkultur entwickeln.
4.3
Netzwerkkultur
Die Netzwerkkultur kann als ein unternehmensübergreifendes Wertesystem begriffen werden. Vorausgegangen ist dieser ein weitreichender Wissenstransfer zwischen den Netzwerkpartnern. Führte der Wissensaustausch nicht zu opportunistischem Verhalten, kann durch eine auf Vertrauen basierende Netzwerkkultur ein einzigartiger, nur schwer imitierbarer Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen außerhalb des Netzwerks entstehen. Durch die Annäherung der Wissensbasen und die zunehmende kognitive Überlappung der Netzwerkpartner wird eine Situation geschaffen, in der die Akteure nicht nur voneinander lernen, sondern gemeinsam neues Wissen aufbauen können. Das für einen vollständigen
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Wissenstransfer benötigte Kontextwissen besteht dabei exklusiv innerhalb des Netzwerks. Zwar spielen die unternehmensspezifischen Ressourcen der Netzwerkakteure für die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils eine grundsätzliche Rolle, entscheidend ist aber die Art der Beziehung zwischen den Unternehmen (vgl. Mesquita et al. 2008: 935 f.). Durch Vertrauensbildung wird der Umfang der Ressourcen, die in die Kooperation eingebracht werden, größer, und die potentielle Kooperationsrente steigt an. Selbst das Abwerben einzelner Schlüsselpositionen reicht nicht aus, weil der Wissensvorsprung aus dem gemeinsam geteilten Wissen innerhalb der spezifischen Netzwerkkonfiguration entsteht (vgl. MüllerStewens/Osterloh 1996: 18). Auch die Netzwerkkultur wird durch das (Vorbild-)Verhalten und die Vorreiterrolle des fokalen Unternehmens erheblich beeinflusst. So investieren Unternehmen wie Toyota oder John Deere ganz bewusst Ressourcen in den Beziehungsaufbau mit ihren Zulieferern. Durch gezieltes Training soll vor allem der Wissenstransfer zwischen den Zulieferern verbessert werden, wodurch ein insgesamt höheres Lernniveau innerhalb des Netzwerks angestrebt wird. Die Trainingsmaßnahmen helfen dabei letztlich nicht nur den Trainierten, sondern auch dem Trainer. Es entsteht eine Win-win-Situation. Dyer/Hatch konnten in einer Studie der Zuliefernetzwerke in der amerikanischen Automobilindustrie feststellen, dass Toyota mit diesem Vorgehen weitaus erfolgreicher seine Kooperationsbeziehungen gestaltet als die Konkurrenten GM, Ford und Chrysler. Zwar arbeiten die amerikanischen Automobilhersteller größtenteils mit denselben Zulieferern wie Toyota zusammen, investieren aber weniger in den Beziehungsaufbau, was sich letztlich in niedrigeren Lernniveaus widerspiegelt (vgl. Dyer/Hatch 2006: 714). Für das Management von Unternehmensnetzwerken ist es daher wesentlich, sich dieser zusätzlichen Kooperationsrente bewusst zu werden und die dazu notwendigen Mechanismen zu verstehen.
5
Messung und Gestaltung von Shared Mental Models
Gemäß dem häufig zitierten Grundsatz, wonach nur das Messbare auch gestaltbar ist, stellt sich die berechtigte Frage, wie Shared Mental Models erfasst werden können. Da sie – ähnlich wie menschliche Motive – ein theoretisches Konstrukt darstellen, sind sie nicht unmittelbar greifbar. Einig ist sich die Forschung dahingehend, dass anerkannte Befragungs- und Beobachtungsmethoden der empirischen Sozialforschung auch zur Erfassung
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geteilter mentaler Modelle zum Einsatz kommen können (vgl. zu einem umfassenden Überblick Langan-Fox/Code/Langfield-Smith 2000: 244 ff.). Genutzt werden hierbei etwa Erinnerungsmaße, Ratingskalen und Dokumentenanalysen. Es kann also sowohl eine fragebogengestützte Einschätzung des prozentualen Umfangs als auch eine kategorial-beschreibende Einschätzung des Inhalts einzelner Modellkomponenten in (halb-)strukturierten Interviews erfolgen. Daneben ist auch an eine indirekte Erfassung mittels Verhaltensbeobachtung zu denken (z. B. teilnehmende Beobachtung, videogestützte Interaktions- bzw. Satzanalyse von Teambesprechungen, Critical Incident Technique). Gegenüber (inter-)subjektiven Einschätzungen haben solche Beobachtungen den Vorteil der wirklichkeitsnäheren und unverzerrteren Beschreibung. Der tatsächliche Entwicklungsstand wird dabei indirekt über Prozessverluste erschlossen (z. B. fehlgeleitete Informationen, Doppelarbeit, Streitigkeiten über das Arbeitstempo, fehlende Leistungsbereitschaft, unklare Ziele). Diese dienen somit als Hinweis für mögliche Defizite bei den geteilten Vorstellungen Das breite Angebot an Instrumenten darf jedoch nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass sich die Forschung noch weitgehend uneinig darüber ist, was genau unter dem Konstrukt „Sharedness“ zu verstehen ist: „Current measures are generally time and labour intensive and may fail to tap into the desired construct (...) One problem is that the measurement tool can define the construct. However, the paradox is that until the construct is defined, it is very difficult to design measures for it” (Langan-Fox 2005: 100 f.). Neben grundsätzlichen methodologischen Problemen (z. B. Aggregierbarkeit von Selbst- und Fremdeinschätzungen, Erfassung dynamischer Veränderungen von Modellen, nomothetischer versus idiographischer Zugang) geht es bei der Spezifizierung von Sharedness vor allem um die Frage, ob mentale Modelle identisch oder nur ähnlich sein sollten. Cooke et al. (2004: 89) verweisen überdies auf den für innovative Teamarbeit wie für Unternehmensnetzwerke relevanten Umstand der Komplementarität von Modellen: „The division of cognitive labor is quite common (e.g., surgery, battlefield command) and enables teams to tackle tasks too complex for any individual. In this context, shared knowledge may be likened to sharing a piece of pie (i.e., each team member has a different but complementary piece) rather than sharing in the sense of a belief or value (i.e., in which the belief or value is identical for all team members)” (dies., a.a.O.). Unseres Erachtens beziehen sich komplementäre Modelle vor allem auf das transaktive Wissen (= Taskwork Models), denn es erscheint logisch, dass bei unterschiedlichem fachlichen Hintergrund nur grobe Vorstellungen übereinander
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aufgebaut werden können (vgl. von der Oelsnitz/Busch 2008: 372). Anders sieht dies bei so grundlegenden Aspekten wie dem Kooperationsziel, den Kooperationsprozessen und der Kooperationskultur aus (= Teamwork Models). Hier sind wenn nicht identische, so doch wenigstens ähnliche mentale Modelle geradezu konstitutiv für eine erfolgreiche Zusammenarbeit (vgl. Tschan/Semmer 2001: 225).4 Die Stärke bzw. der Reifegrad geteilter mentaler Modelle lässt sich in Analogie zur Erfassung der Unternehmenskultur an den drei Kriterien Prägnanz, Verbreitungsgrad und Verankerungstiefe festmachen (vgl. zum folgenden Schreyögg 2008: 377 f.). Während die Prägnanz umschreibt, wie klar die Vorstellungen darüber sind, „was erwünscht ist und was nicht, wie Ereignisse zu deuten und Situationen zu strukturieren sind“, betrifft der Verbreitungsgrad das Ausmaß, in dem die Vorstellungen von allen Kooperationspartnern geteilt werden. Gerade in sehr großen Kooperationseinheiten sind nämlich auch Koalitionsbzw. Subkulturbildungen mit den entsprechenden Abschottungstendenzen denkbar. Die Verankerungstiefe schließlich betrifft den Internalisierungsgrad, d. h. die Frage, inwiefern die Modelle „zum selbstverständlichen Bestandteil des täglichen Handelns“ geworden sind und somit als weitgehend unbewusste Verhaltenslenker fungieren. Die Messung gibt Aufschluss über den Entwicklungsstand geteilter mentaler Modelle in Kooperationsbeziehungen. Aus dem Entwicklungsstand lässt sich dann der Gestaltungsbedarf ableiten. Treffen Teammitglieder oder Netzwerkpartner erstmals aufeinander, so kann die Gestaltung geteilter mentaler Modelle als zweistufiger Prozess aufgefasst werden. In der ersten Stufe der Zusammenarbeit geht es um die Etablierung bzw. Aushandlung geteilter mentaler Modelle. Dem vorgelagert ist die Bewusstmachung bisheriger Modelle, deren Kompatibilität es zu prüfen gilt. Dass dies oft nicht geschieht, zeigen viele gescheiterte 4
So auch McComb (2007: 108 ff.), die zwischen gemeinsam („in common“) und geteilt („divide“) unterscheidet. Beide Dimensionen verlaufen auf einem Kontinuum. „If knowledge structures are held »in common«, the degree of integration is determined by examining the level of detail commonly held among team members. Commonality could range from conceptual commonality (i.e., very little detail is shared across team members) to identical (i.e., complete detail is shared across team members) (...) When »to divide« definition of sharing is applied, knowledge is distributed among team members. Distribution implies that the team’s knowledge is stored in dispersed locations (...) This type of mental model is applicable to content that represents indivdual responsibilities, such as work allocation and expertise”. Letztlich betrifft dieser Aspekt den Unterschied zwischen Objekt- und Metawissen. Das Verhältnis zwischen beiden Ebenen sollte künftig noch genauer analysiert werden, da dadurch viele der bestehenden Unklarheiten beseitigt werden könnten (vgl. Busch 2008: 78 ff.).
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Kooperationen. Der allgemeine Verweis auf die Kultur als Scheiterungsgrund greift allerdings zu kurz. Shared Mental Models bieten ein sehr viel umfassenderes Erklärungsgerüst, denn es treffen ja nicht nur unterschiedliche Normen und Werte, sondern auch unterschiedliche Ziel- und Umsetzungsvorstellungen aufeinander. Gerade die Art, wie etwas richtig zu machen ist, ist durch Übungseffekte oft derart tief verankert, dass es zunächst externer Auslöser bedarf, um die Mechanik des alltäglichen Handlungsvollzugs zu durchbrechen. Diesen Umstand der unterschiedlichen „mentalen Programmierung“ (Hofstede) gilt es zu Beginn der Zusammenarbeit zu berücksichtigen. Neininger/Kauffeld (2009: 236 ff.) schlagen daher Reflexionsworkshops vor, in denen bisherige Modelle offengelegt und neue Modelle diskutiert werden können. Der federführenden Partei (d. h. der Teamführung bzw. dem fokalen Unternehmen) kommt hier natürlich der größte Einfluss zu. Neben dieser eher reflexiven Gestaltungsmaßnahme hat die angewandte Forschung bereits ganz konkrete Trainingsmethoden entwickelt. Transaktives Wissen etwa kann durch Cross Training etabliert werden. Dabei werden auf informations-, demonstrations- und handlungsgeleitetem Weg Kenntnisse über den Kooperationspartner aufgebaut (vgl. Blickensderfer/Cannon-Bowers/Salas 1998: 301 f.; Busch 2008: 121 ff.). Die Kenntnisse schließen seine Fähigkeiten, sein Aufgabengebiet und seine Arbeitsweise mit ein. Daneben kommen Interaktionstrainings (z. B. Szenarioentwicklung, Simulationen, Planspiele) zum Einsatz, um das Abstimmungsverhalten (Planungs-, Koordinations-, Kontrollprozesse) zu üben. Im Ergebnis erhofft man sich eine quantitative und qualitative Verbesserung geteilter mentaler Modelle. Wie gut entwickelt geteilte Vorstellungen zu Beginn der Zusammenarbeit auch sein mögen, am Ende müssen sie sich in der Praxis bewähren, um zu einem festen Bestandteil der jeweiligen Kooperationsbeziehung zu werden. In der zweiten Stufe der Gestaltung geht es daher um die situative Anpassung bzw. die schrittweise Verbesserung geteilter mentaler Modelle. Schwachstellen und Prozessverluste sind aufzudecken. Alle hier vorgeschlagenen Methoden laufen auf strukturiertes Feedbacklernen hinaus („Guided Team Self-Correction“, vgl. Smith-Jentsch et al. 2008: 311 ff.). Das kritische (Über-)Denken geteilter mentaler Modelle soll hierbei bewusst angeregt werden: „For teams to »self-correct« coordination breakdowns effectively, team members must accurately determine which specific teamwork processes they use well and which they do not. Moreover, all team members must agree with this diagnosis and commit themselves to an agreed-on solution” (Smith-Jentsch et al. 1998: 272). Angesichts der notorischen Zeitknappheit in der Praxis dürfte die zweite in der Regel auch die einzige
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Gestaltungsstufe darstellen. Zumindest hier sollte daher ein hoher Professionalisierungsgrad angestrebt werden.
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Zusammenfassung und Ausblick
Sowohl in Teams als auch in Netzwerken besteht die grundlegende Erfolgsbedingung in der Schaffung einer gemeinsamen Kooperationsgrundlage. Trotz der ähnlichen Problemkonstellation in beiden Bereichen hat sich die Forschung bisher weitgehend getrennt voneinander entwickelt, obwohl „Crossovers“ geradezu ins Auge springen. Neben der wissenschaftlichen Spezialisierung mag dies vor allem darin begründet sein, dass die Netzwerkforschung die Unternehmens-, nicht aber die Teamebene als bevorzugte Analyseebene betrachtet. Die Wahl der Kooperationsform bzw. -partner wird dabei wie die Standort- und Rechtsformwahl als konstitutive Entscheidung des strategischen Managements gesehen. Entsprechend erscheint dann auch die Kooperation als ein Zusammenwirken „monolithischer Blöcke“, obwohl dies natürlich an den Tatsachen der Kooperationswirklichkeit vorbeigeht. In Anlehnung an Karl E. Weick sollte daher deutlicher zwischen der Kooperation als rahmengebender Struktur (strategische Ebene) und dem Prozess des Kooperierens als realisierende Umsetzung im betrieblichen Alltag (operativ-taktische Ebene) unterschieden werden. Diese Umsetzung erfolgt letzten Endes über den Kontakt zwischen einzelnen Mitarbeitern der im Netzwerk beteiligten Unternehmen – nicht selten in Form von interorganisational zusammengesetzten Kooperationseinheiten bzw. Teams. Angesichts dieser Situation liefert das der Teamforschung entstammende Konzept der geteilten mentalen Modelle einen besonders vielversprechenden integrativen Ansatz, um auch das Kooperieren in Netzwerken besser erklär- und verstehbar zu machen. Shared Mental Models stellen sozusagen eine passende Schablone dar, die auch auf Netzwerke gelegt werden kann. Aus der Messung des Geteiltheitgrades unterschiedlicher Kooperationselemente lassen sich zudem konkrete Gestaltungsaussagen ableiten. Dieses Aufzeigen praktisch verwertbarer Erkenntnisse wird durch viele andere Erklärungsansätze wenn überhaupt, so oft nur in Form von sehr abstrakten Gestaltungsempfehlungen geleistet. Der soziokognitive Zugang bietet dagegen den Vorteil, nicht im analytisch-diagnostischen Bereich stecken zu bleiben, sondern er liefert auch wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung „therapeutischer“ Maßnahmen. Darauf, dass die Messung von Shared Mental Models durchaus anspruchsvoll ist und methodisch nicht problemfrei vonstatten geht, wurde bereits hinge-
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wiesen. Dies lässt erkennen, dass die soziokognitive Kooperationsforschung noch keineswegs abgeschlossen ist. Zwei noch ungelöste Probleme sind beispielsweise: 1. Die Situationsdynamik, d. h. die soziokognitive Abbildung der Umweltveränderungen innerhalb und außerhalb des Netzwerkes. 2. Die Netzwerkdynamik, d. h. die soziokognitive Bewältigung von Partnerwechseln innerhalb des Netzwerks. Die Situationsdynamik stellt vor allem auf die Frage ab, wie es den Netzwerkpartnern fortlaufend gelingt, ein geteiltes und zugleich korrektes Bild der Umweltveränderungen (= Team Situation Awareness) zu konstruieren. Dies ist durch die in der Regel anzutreffende räumliche Distanz der Netzwerkpartner vor allem ein technologisches Problem, indem die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen sind, die eine standortübergreifende Verarbeitung und Integration von Informationen zulassen (vgl. Busch 2006: 205 ff.). Dagegen betrifft die Netzwerkdynamik den keineswegs unüblichen Fall, dass bisherige Unternehmen das Netzwerk verlassen oder neue Unternehmen in das Netzwerk eintreten. Einerseits ist also das Wissen der „Alten“ zu sichern, andererseits ist dafür zu sorgen, dass die neuen Kooperationspartner möglichst rasch in den Netzwerkverbund integriert werden. Der Erfahrungs- und Wissenstransfer ist jedoch alles andere als trivial, da Shared Mental Models über die Zeit hinweg nicht nur stark ausdifferenzierte Strukturen annehmen, sondern auch zu internalisierten, d. h. weitgehend unbewussten und verinnerlichten Bestandteilen des Handelns der Netzwerkakteure werden. Rentsch/Delise/Hutchison (2008) weisen in dem Zusammenhang auf den ganz zentralen Punkt der Unterschiede zwischen „Experten“ und „Novizen“ hin: „Because experts’ schemas are structured differently than those of novices, experts may have difficulty in sharing their expert information so that it transfers useful knowledge to relative novices. Expert schemas tend to contain multiple levels with connections within and between the levels. Experts tend to conceptualize and represent problems in more general and abstract terms than novices, who possess schemas that contain many details and center on concrete features. These differences may explain why experts and novices transfer knowledge differently. For example, experts explain tasks in broad terms, whereas beginners (relative novices) (...) explain tasks using concrete statements” (Rentsch/Delise/Hutchison 2008: 133). Demzufolge sind unterschiedliche Gestaltungs- und Trainingsansätze im Aufbau geteilter mentaler Modelle zu wählen, je nachdem, ob diese für alle Kooperationsmitglieder neu zu
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errichten oder nur an einen neu hinzukommenden Kooperationspartner zu transferieren sind.
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Teil III Empirische Befunde zum CBV
Kompetenz-Management als Praxis: Empirische Befunde der deutschen Biotechnologie-Branche
Abstract ............................................................................................................310 1
Einleitung..............................................................................................311
2
Strategisches Kompetenz-Management in jungen Unternehmen ........312 2.1 Handlungsbereiche strategischen Kompetenz-Managements....312 2.2 Einflussfaktoren strategischen Kompetenz-Managements in jungen Unternehmen .................................................................314
3
Methodologie ........................................................................................315 3.1 Beschreibung der Stichprobe.....................................................316 3.2 Kompetenz-Management und Einflussfaktoren ........................316 3.3 Unternehmenserfolg ..................................................................317
4
Darstellung der Befragungsergebnisse .................................................318
5
Diskussion: Kompetenz-Management als Praxis in jungen Unternehmen.........................................................................................322 5.1 Welches Spektrum an Handlungsmöglichkeiten umfasst das Kompetenz-Management in jungen Unternehmen? ..................322 5.2 Wie wirkt sich Kompetenz-Management auf den Unternehmenserfolg aus? ..........................................................325
6
Zusammenfassung ................................................................................327
Literatur............................................................................................................328
310
Martin Friesl
Abstract Der Beitrag untersucht die Praxis Strategischen Kompetenz-Managements in jungen Technologieunternehmen. Dies geschieht am Beispiel der deutschen Biotechnologie-Branche durch die explorative und integrative Analyse von quantitativen Daten einer Befragung von CEOs, sowie Interviews mit verschiedenen Branchenexperten. Folgende Fragestellungen stehen dabei im Mittelpunkt der Analyse: Welches Spektrum an Handlungsmöglichkeiten umfasst das Kompetenz-Management in jungen Unternehmen? Wie wirkt sich KompetenzManagement auf den Unternehmenserfolg aus? Inwiefern wird KompetenzManagement durch den CEO, das Unternehmensalter, sowie die Erwartung zukünftiger Veränderung beeinflusst?
Kompetenz-Management als Praxis
1
311
Einleitung
Strategisches Kompetenz-Management hat sich als Forschungsfeld fest innerhalb der Organisations- und Managementwissenschaften etabliert (Freiling/ Gemünden, 2007; Krüger und Homp, 1997; Schreyögg/Conrad, 2006). In den letzten Jahren wurden dazu zahlreiche Ansätze entwickelt, welche KompetenzManagement in verschiedene Phasen operationalisieren, angefangen von der Analyse der Ressourcenposition eines Unternehmens, der Antizipation zukünftiger Kompetenzfelder, der Etablierung organisationaler Fähigkeiten, bis hin zur Verteidigung gegenüber dem Wettbewerb (Bouncken, 1999; Deutsch et al., 1996; Hamel/Prahalad, 1995; Krüger/Homp, 1997; Nasner, 2004). Im Fokus der aktuellen theoretisch-konzeptionellen, als auch empirischen Forschung sind jedoch nahezu ausschließlich (teilweise implizit) multinationale Großunternehmen. Die Anwendung der ‚capability based view‘ im Kontext junger Unternehmen gewinnt erst langsam an Bedeutung (Bergmann Lichtenstein/Brush, 2001; Branzei/Vertinsky, 2006), die Anwendbarkeit im Kontext dieser Unternehmen wird u.a. kritisch diskutiert (Fallgatter, 2001; Pisano, 2000). Hauptkritikpunkt ist, dass diesen Unternehmen gerade der ‚Untersuchungsgegenstand‘, das Portfolio an Ressourcen und Kompetenzen fehlt (Fallgatter, 2001). Diese Argumentation basiert jedoch auf der Annahme, dass sich Kompetenz-Management lediglich mit ‚ausgewachsenen‘ Fähigkeiten beschäftigt. Dies vernachlässigt den dynamischen Charakter organisationaler Fähigkeiten, die situationsspezifisch realisiert werden, sich über die Zeit hinweg verändern und damit eher durch Entwicklung als durch Gleichgewichtszustände beschrieben werden können (Feldman/Pentland, 2003; Orlikowski, 2002; Pisano, 2000). Die aktuelle Forschung greift diesen Aspekt zunehmend auf und versucht diese Dynamik sowohl konzeptionell (Abell et al., 2008; Felin/Foss, 2009a,b), als auch empirisch zu untersuchen (Orlikowski, 2002). Im Lichte dieses Kompetenzbegriffs beschreibt strategisches KompetenzManagement die Praxis in Organisationen zur (Weiter-) Entwicklung organisationaler Kompetenzen und schließt damit das Kompetenz-Management junger Unternehmen mit ein. Im Rahmen dieses Beitrags wird versucht durch eine empirisch-explorative Herangehensweise Kompetenz-Management als Praxis in jungen Unternehmen zu operationalisieren. Der Beitrag untersucht folgende Fragestellungen: a) Welches Spektrum an Handlungsmöglichkeiten umfasst das KompetenzManagement in jungen Unternehmen? b) Wie wirkt sich Kompetenz-Management auf den Unternehmenserfolg aus?
312
Martin Friesl
c) Inwiefern wird Kompetenz-Management durch den CEO, das Unternehmensalter, sowie die Erwartung zukünftiger strategischer Veränderung beeinflusst? Diese Forschungsfragen werden auf Basis eines komplexen Forschungsdesigns untersucht, in welchem Ergebnisse einer quantitativen Studie der deutschen Biotechnologie Industrie durch Interviews mit CEOs und weiteren Branchenexperten ergänzt und kritisch reflektiert werden. Der Beitrag ist folgendermaßen aufgebaut. In einem ersten Schritt wird ein Verständnis strategischen Kompetenzmanagements in jungen Unternehmen auf Basis aktueller Literatur erarbeitet. Im Anschluss daran werden die Methodologie der Studie und das der Analyse zugrunde liegende Sample erläutert. Den Hauptteil des Beitrags bildet die Darstellung und Diskussion der empirischen Ergebnisse. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung wesentlicher Erkenntnisse, mit einer kritischen Stellungnahme hinsichtlich der verwendeten Methodologie, sowie einer Diskussion von Anknüpfungspunkten für weitergehende Forschung im Bereich des strategischen Kompetenz-Managements.
2
Strategisches Kompetenz-Management in jungen Unternehmen
2.1
Handlungsbereiche strategischen Kompetenz-Managements
Strategisches Kompetenz-Management im Kontext junger Unternehmen hat den Aufbau und die Etablierung organisationaler Fähigkeiten, sowie der korrespondierenden Ressourcenposition im Unternehmen zum Ziel. Im Kontext wissensintensiver Unternehmen, wie hier die Biotechnologie Industrie, wird strategisches Kompetenz-Management als die Aneignung und Verteilung von Wissen und Know-How verstanden - sowohl durch externe, als auch interne Kanäle. Auf Basis eines Überblicks aktueller Literatur kann Kompetenz-Management in jungen Unternehmen in verschiedene Teilaspekte, bzw. Handlungsbereiche differenziert werden. Kooperationen und Allianzen McEvily und Marcus (2005), George und Zheng (2004), sowie Mota und Castro (2005) zeigen im Rahmen empirischer Studien, dass Kooperationen und Allianzen wichtige Know-How-Quellen darstellen und einen wesentlichen Beitrag zum Kompetenzaufbau leisten. Mildenberger (2001) differenziert zusätzlich nach der
Kompetenz-Management als Praxis
313
Art der Kooperation. Forschungs- und Entwicklungskooperationen werden dabei besonders hervorgehoben, da die Partner hier ein tiefes Verständnis für die Prozesse des anderen Unternehmens entwickeln müssen. Eine wesentliche Voraussetzung um Kooperationen als ‚Lernvehikel’ optimal nutzen zu können ist dabei die Entwicklung einer Vertrauensbeziehung zum Kooperationspartner (McEvily und Marcus, 2005). Orientierung an Rollenmodellen Eine zweite Gruppe an Studien identifiziert die Orientierung an Rollenmodellen, sowie den Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche als Mittel des Kompetenzaufbaus. Giesecke (2001) zeigt in einer historischen Betrachtung der Biotechnologie Branche in Deutschland, dass die Entwicklung dieser Unternehmen maßgeblich durch die Orientierung an US amerikanischen Rollenmodellen geprägt ist. Im Rahmen einer Fallstudien Analyse der Börse in Ecuador verdeutlicht Montealegre (2002) den Zusammenhang zwischen Benchmarking und der Etablierung organisationaler Fähigkeiten. Beratung und informelle Kontakte Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen, zur Aneignung externen KnowHows, ist die Beratung durch externe Experten. Als externe Experten können z.B. Vertreter verschiedener externer Anspruchsgruppen, wie Universitäten und Forschungsinstitute, Banken, Venture Capitalists, Private Equity Gesellschaften und wichtige Kunden fungieren. Die Bedeutung externer Stakeholder hinsichtlich strategischen Kompetenz-Managements wird von Helleloid und Simonin (1994) hervorgehoben. Der Know-How-Transfer muss jedoch nicht immer über formelle ‚Berater-Kunden‘ Beziehungen laufen. Gerade im Kontext junger Unternehmen betonen zahlreiche Studien die Bedeutung informeller Kontakte und die Aneignung von Wissen im Netzwerk als wichtige Erfolgsfaktoren (Kang/Kang, 2009; Liebeskind et al., 1996; Porter, 1998). Erfahrungslernen und Wissensaustausch Eine weitere Gruppe von Studien befasst sich mit Erfahrungslernen im Unternehmen, dem Austausch von Wissen, sowie der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern als Handlungsmöglichkeiten des Kompetenz-Managements. Zollo und Winter (2002) thematisieren auf Basis einer evolutionstheoretischen Perspektive Prozesse der aktiven Artikulation und Kodifizierung von Erfahrungswissen, um organisationale Routinen zu etablieren. D.h. individuelle Erfahrungen (implizites Wissen) müssen durch geplante Interventionen (z.B. Debriefing
314
Martin Friesl
Sessions) in explizites und damit kommunizierbares Wissen umgewandelt und letztlich für alle (relevanten) Mitarbeiter zugänglich gemacht werden. Der Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern führt zur Etablierung eines geteilten Verständnisses über das im Unternehmen vorhandene Know-How und ist damit entscheidend für die Institutionalisierung des Wissens in Form von Routinen und Regeln (Crossan und Berdrow, 2003). Aus- und Weiterbildung Auf individueller Ebene wird gezielte Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter als Aspekt strategischen Kompetenz-Managements identifiziert (De Saá-Pérez und García-Falcón, 2002). Branzei und Vertinsky (2006) zeigen im Rahmen einer empirischen Studie von KMU in Kanada, dass Investitionen des Unternehmens in das Humankapital der Mitarbeiter die Entstehung neuer (organisationaler) Fähigkeiten unterstützen. Dies wird zum einen auf extensivere Suchprozesse in Bezug auf Wissen und Ideen außerhalb des Unternehmens, als auch auf die gegenseitige ‚Befruchtung’ der Mitarbeiter mit neuen Ideen innerhalb der Organisation zurückgeführt. Diese Handlungsmöglichkeiten wurden größtenteils im Rahmen von Fallstudienanalysen einzelner Unternehmen identifiziert. Um die Relevanz im Kontext junger Unternehmen zu überprüfen, bzw. Dimensionen strategischen Kompetenz-Managements zu identifizieren, wurden diese Handlungs-möglichkeiten in einem Fragebogen abgebildet und an CEOs deutscher Biotechnologie Unternehmen versendet. Nachfolgend werden die Ergebnisse dieser Befragung dargestellt und anhand von Interviewdaten mit Branchenexperten vertieft.
2.2
Einflussfaktoren strategischen Kompetenz-Managements in jungen Unternehmen
Junge Unternehmen sind mit einer enormen Herausforderung konfrontiert. Diese resultiert aus der Etablierung marktfähiger Produkte und der zugrundeliegenden Kompetenzen und der gleichzeitige Aufbau der Organisation inklusive seiner Strukturen und Prozesse. Die Entrepreneurship Literatur identifiziert zahlreiche Einflussfaktoren auf die Unternehmensentwicklung im Allgemeinen, diese können hier nicht in Gänze diskutiert werden. Jedoch, folgende Einflussfaktoren werden in Bezug auf strategisches Kompetenz-Management im Rahmen dieser Studie untersucht: Managementerfahrung des CEO, Unternehmensalter, sowie die Erwartung zukünftiger Veränderung.
Kompetenz-Management als Praxis
315
Managementerfahrung des CEO Aktuelle Forschung im Bereich Entrepreneurship, sowie Entrepreneurial Learning betont die Erfahrung des CEOs für die Strategie- und Unternehmensentwicklung (Baum and Locke, 2004; Colombo and Grilli, 2005; Lee and Tsang, 2001). Hinsichtlich der Aneignung von Know-How zeigen empirische Studien zudem, dass externe Quellen insbesondere in dynamischen Umwelten von Bedeutung sind (Hazy et al., 2003), positiv korreliert mit dem Netzwerk des CEO in einer bestimmten Branchen (McGee and Sawyer, 2003; McPherson et al., 2001; Ucbasaran et al., 2003). Dies legt die Vermutung nahe, dass KompetenzManagement in jungen Unternehmen im Sinne der relativen Bedeutung verschiedener Handlungsmöglichkeiten, von der Erfahrung des CEO beeinflusst wird. Unternehmensalter Das Unternehmensalter wird häufig als Kontrollvariable im Kontext junger Unternehmen verwendet. Freier (2000) zeigt bspw. im Kontext der Biotechnologie Industrie die schrittweise Ausdifferenzierung der Aufbauorganisation über die Zeit. Forschung & Entwicklung wird in diesen Unternehmen zeitlich vor Funktionen wie Business Development etabliert. Das Alter eines Unternehmens wird daher auch als Einflussfaktor auf das Kompetenz-Management im Unternehmen vermutet. Erwartung zukünftiger Veränderung Aktuelle Forschung im Kontext junger Unternehmen zeigt darüber hinaus, dass die Erwartungshaltung des CEOs hinsichtlich zukünftiger Veränderungen Auswirkungen auf die Suchaktivitäten nach neuen Technologien und die Art der Aneignung von Know-How besitzt. Dies gilt z.B. in Bezug auf den Besuch von Messen und das Eingehen von Allianzen etc. (Ahuja/Katila, 2004; Liebeskind et al., 1996). In Analogie wird die Erwartungshaltung des CEO auch als Einflussfaktor strategischen Kompetenz-Managements vorgeschlagen.
3
Methodologie
Um Kompetenz-Management im Kontext junger Unternehmen zu untersuchen, wird ein komplexes Forschungsdesign verwendet, welches sowohl auf Daten einer Fragebogenstudie von CEOs und Geschäftsführer deutscher Biotechnologie Unternehmen, als auch auf Interviews mit CEOs und weiteren Branchenver-
316
Martin Friesl
tretern wie Venture Kapitalgeber, Pharmaunternehmen, Universitäten und Verbänden zurückgreift. Ziel ist es ein möglichst reichhaltiges Bild des KompetenzManagements in jungen Unternehmen zu zeichnen. Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte der standardisierten Befragung kurz zusammen gefasst.
3.1
Beschreibung der Stichprobe
Die Erhebung wurde 2006 durchgeführt, wobei der Fragebogen an insgesamt 476 Unternehmen versandt wurde, was 100% der Branche entspricht (gemäß der Branchendatenbank des BMBF). Die Rücklaufquote betrug 18.5%. Trotz des relativ geringen Rücklaufs erscheint dies im Vergleich zu anderen Studien im Kontext junger Unternehmen akzeptabel. Die Verteilung der Stichprobe hinsichtlich Alter, Unternehmensgröße, Ausrichtung (rote, grüne, graue, weiße Biotechnologie) entspricht der vom BMMF angegeben Verteilung. Darüber hinaus wurde ein Vergleich von ‚respondents‘ und ‚non-respondents‘ (Vergleich Rückläufer erste und zweite Welle) durchgeführt, der T-Test ergab keine signifikanten Mittelwertunterschiede.
3.2
Kompetenz-Management und Einflussfaktoren
Die meisten der in im vorangegangen Kapitel zusammen gefassten KompetenzManagement-Methoden wurden durch Single-Items mit einer 5-stufigen Likert Skala gemessen, mit Ausnahme von Kooperationen, Erfahrungslernen, Wissensaustausch, hier wurde jeweils der Durchschnitt mehrerer Items verwendet1. Die folgende Abbildung fasst die Ergebnisse der Faktorenanalyse (Varimax Rotation, Eigenwert>1) zusammen: Unternehmensalter wurde aus dem Gründungsjahr des Unternehmens errechnet. Um die Kernfähigkeit des Unternehmens abzubilden wurden die Befragten zunächst gebeten diejenige Fähigkeit in Worten zu beschreiben, welche sie von ihren Wettbewerbern unterscheidet. Im Anschluss daran musste diese Fähigkeit einer Kategorie zugeordnet werden, z.B. F&E, Produkt/Service, Marketing/Vertrieb oder Sonstige. Die Managementerfahrung des CEO wird durch vier Items abgebildet welche nach bisheriger Führungserfahrung in der Biotech-, Life Science oder einer beliebigen anderen Branche fragen. 1
Für eine ausführliche Beschreibung des Fragebogens siehe Friesl (2008)
Kompetenz-Management als Praxis
Item Koop1 Koop2 Koop3 Erfahrungsl.1 Erfahrungsl.2 Erfahrungsl.3 Erfahrungsl.4 Wissenaust.1 Wissenaust.2 KMO Bartlett-Test χ2 df Sig.
Faktor 1 .115 .222 .150 .870 .821 .869 .644 .277 .136
317
Faktor 2 .849 .839 .754 .182 .070 .189 .217 .439 -.001
Faktor 3 .094 .048 .106 .151 .214 -.029 .212 .646 .913
Cronbach’s Į .797
.826 .596
.760 305.272 36.000 .000
Tabelle 1: Ergebnisse der Faktorenanalyse
3.3
Unternehmenserfolg
Die Messung des Unternehmenserfolgs junger Biotechnologie Unternehmen gestaltet sich als schwierig, da diese Unternehmen selten über signifikante Umsätze verfügen. Die Problematik der Erfolgsmessung mangels objektiver Kriterien wurde an anderer Stelle bereits ausführlich diskutiert (Dess/Robinson, 1984; Venkatraman/Ramanujam, 1986). Zahlreiche Autoren schlagen daher die Verwendung von ‚self-rating scales‘ als Proxy für den Unternehmenserfolg vor (z.B. Zollo et al. 2002 für die Biotech Branche). Die Messung des Unternehmenserfolgs im Rahmen dieser Studie basiert auf dem vom Jeschke (1993) und Jenner (1999) beschriebenen Verfahren. Performance wird durch die Erreichung von Unternehmenszielen gemessen. Dazu bewerten die Befragten die Wichtigkeit bestimmter Ziele und im Anschluss deren Erfüllungsgrad, jeweils auf einer 5stufigen Likert Skala. Die Ziele wurden im Rahmen von Experteninterviews im Vorfeld der Befragung generiert: Aus beiden Werten (Zielgewichtung und Zielerreichung) wird durch Multiplikation und Aufsummierung der Werte pro Ziel, ein Indexwert errechnet. Da der Erfolgsindex nicht unabhängig erhoben wurde, kann Common-Method-Bias nicht vollständig ausgeschlossen werden. ‚Harmon’s one factor test‘ aller Variablen ergibt jedoch insgesamt 8 Faktoren mit Eigenwerten > 1 und einer erklärten Varianz von 70.8%.
318
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Unternehmensziele a) b) c) d) e) f)
Einwerben von Venture Capital Steigerung des Marktanteils/Umsatzes Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachjournalen Stärkung der Patentsituation Erreichen der nächsten Phase im Produktentwicklungsprozess Eingehen von Kooperationen mit Pharmaunternehmen
Tabelle 2: Unternehmensziele zur Performancemessung
4
Darstellung der Befragungsergebnisse
Die in Kapitel 2 erläuterten Handlungsmöglichkeiten strategischen KompetenzManagements legen die Vermutung nahe, dass diese verschiedenen Dimensionen/Kategorien angehören. Dies wird im Rahmen einer Faktorenanalyse (Eigenwert > 1; PROMAX Rotation) untersucht. Die nachfolgende Tabelle 3 zeigt die Faktorladungen, sowie Cronbach’s Į. Die verschiedenen Facetten strategischen Kompetenz-Managements lassen sich klar drei Faktoren zuordnen. Dies gilt nicht für Kooperationen, dieser Aspekt wird daher separat betrachtet. Faktor 1 umfasst die Aspekte Aus- und Weiterbildung, Wissensaustausch, sowie Erfahrungslernen und wird deshalb im Folgenden mit ‚Organisationales Lernen‘ bezeichnet. Auf Faktor 2 laden die Items welche die Orientierung an anderen Unternehmen, sowie die Aneignung von Wissen über informelle Kontakte abbilden. Inhaltlich kann dies als ‚Marktbeobachtung‘ interpretiert werden. Faktor 3 schließlich fasst Benchmarking, sowie Beratung durch externe Experten zusammen. Dies macht Sinn, da Erstere kaum ohne die Unterstützung spezialisierter Berater durchzuführen sind. Dieser Faktor wird daher als ‚Beratung‘ bezeichnet. Cronbach’s Į ist jedoch mit .479 sehr niedrig, die jeweiligen Faktorladungen sind jedoch ausreichend hoch. Darüber hinaus wird Cronbach’s Į von der Stichprobengröße, sowie von der Anzahl der Items beeinfluss, beide Aspekte wirken sich in diesem Fall negativ auf die Höhe von Cronbach’s Į aus. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen, wird der Wert noch als akzeptabel betrachtet.
Kompetenz-Management als Praxis
319
Item Aus- und Weiterbildung Strukturen zur Aus- und Weiterbildung Erfahrungslernen Wissensaustausch Strukturen zum Wissensaustausch Orientierung an anderen Unternehmen Orientierung an US amerikanischen Unternehmen Nutzen informeller Kontakte Externe Beratung Benchmarking Aneignung von Know-How durch Kooperation Cronbach‘s Į KMO .783 Bartlett-Test 282.608 χ2 df 55.000 Sig. .000
Faktor 1 .826 .741 .716 .619 .858 .073 .112 .211 .196 .249 .496 .834
Faktor 2 .147 -.036 .280 .609 .248 .784 .641 .687 .212 .418 .497 .650
Faktor 3 .173 .085 -.034 -.364 .318 .223 .283 .097 .782 .649 -.433 .479
Tabelle 3: Dimensionen strategischen Kompetenzmanagements Zur Ermittlung eines Wertes für jede dieser Dimensionen (Faktoren 1 bis 3), werden die Ausgangsvariablen mit den jeweiligen Faktorladungen gewichtet und der Mittelwert berechnet. Die Werte liegen dann wieder innerhalb der Ursprungsskala von 1 bis 5, was die inhaltliche Interpretation erleichtet. Hinsichtlich Forschungsfrage a) kann strategisches Kompetenz-Management damit in vier Teildimensionen differenziert werden: Kooperation, Marktbeobachtung, Organisationales Lernen sowie Beratung. Variable
MW
s.d.
Kooperation Marktbeob. Org. Lernen Beratung
3.78 2.90 3.64 2.22
.909 .884 .882 1.037
ManErf 1.48 * p<0.05; ** p<0.01; + p<0.1
.574
Modell 1 R2 = .390 .257* .112 .207+ .334**
Modell 2 R2 = .393 .260* .107 .204+ .329** .054
Tabelle 4: Kompetenzmanagement und Unternehmenserfolg (Lineare Regressionsanalyse)
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Martin Friesl
Strategisches Kompetenz-Management befasst sich mit der langfristigen (Weiter-)Entwicklung der organisationalen Fähigkeiten eines Unternehmens mit dem Ziel Wettbewerbsvorteile zu generieren und zu erhalten. Forschungsfrage b) fragt diesbezüglich nach dem Beitrag strategischen Kompetenz-Managements zum Erfolg junger Unternehmen. Die Ergebnisse der linearen Regressionsanalyse sind in Tabelle 4 zusammen gefasst. In Modell 1 wurden die oben identifizierten Dimensionen als erklärende Variablen integriert, diese erklären 39% der Varianz des Erfolgsindexes. Signifikante Korrelationen ergeben sich für Kooperation, Organisationales Lernen, sowie Beratung. Die Entwicklung junger Unternehmen wird maßgeblich durch den CEO beeinflusst. Modell 2 testet diesbezüglich die Vermutung, dass der Grad der Managementerfahrung des CEO’s den Zusammenhang von Kompetenz-Management und Unternehmenserfolg moderiert. Diese Hypothese kann auf Basis der vorliegenden Daten jedoch nicht verifiziert werden. Mediator
Kooperation R2 = .095 Alter -.182 ManErf .107 Erwartung .238** * p<0.05; ** p<0.01; + p<0.1
Marktbeob. R2 = .084 -.195+ .195+ .105
Org. Lernen R2 = .043 -.136 .091 .149
Ext. Beratung R2 = .040 -.136 .137 .063
Tabelle 5: Einflussfaktoren strategischen Kompetenzmanagements (Lineare Regressionsanalyse) Forschungsfrage c) fragt nach den Einflussfaktoren strategischen Kompetenzmanagements, insbesondere hinsichtlich des Unternehmensalters, der Erfahrung des CEO, sowie der Erwartungshaltung des CEO, die Kernfähigkeit seines Unternehmens in naher Zukunft gravierend verändern zu müssen. Wie Tabelle 5 zeigt, können diese Einflussfaktoren jedoch nur sehr wenig Varianz des Kompetenz-Managements in den befragten Unternehmen erklären. Hinsichtlich Kooperation ergibt sich eine positive Korrelation (.238; p<0.01) mit der erwarteter Veränderung. Hinsichtlich Marktbeobachtung zeigt sich eine schwach positiv signifikante (p<0.1) Korrelation mit der Erfahrung des CEO und eine negative Korrelation mit dem Unternehmensalter.
Kompetenz-Management als Praxis
321
Management Erfahrung Wissensquelle
MW
Zulieferer
2.23
Kunden
4.33
Wettbewerber
3.36
Unternehmensberater
1.66
Universitäten
3.60
Kammern
1.44
Venture Capitalists
1.56
Cluster Organisationen
2.14
ja nein ja nein ja nein ja nein ja nein ja nein ja nein ja nein
Management Erfahrung Life Sciences
Wissenschaftler mit Management Erfahrung
N
MW
N
MW
N
MW
40 46
3.95** 3.30**
31 46
3.81* 3.30*
24 39
3.88* 3.33*
40 46
1.85** 1.30**
31 46
1.74* 1.30* 24 39
1.67* 1.26*
* p<0.05; ** p<0.01; + p<0.1 (‘ja’ und ‘nein’ geben an, ob die Antwortenden über die in den Spalten angegebene Erfahrung verfügen)
Tabelle 6: Quellen externer Beratung Im Rahmen der Befragung wurden CEOs zudem nach der Bedeutung verschiedener externer Anspruchsgruppen für die Aneignung von Wissen befragt. Tabelle 6 zeigt hierzu, dass Kunden, Universitäten, sowie Wettbewerber von größter Bedeutung sind. Eine Unterscheidung (T-Test) nach unterschiedlichen Erfahrungshintergründen der CEOs zeigt positive Implikationen für Universitäten, Venture Capitalists, sowie im Falle früherer Wissenschaftler, auch Cluster Organisationen wie BioM, welche jungen Unternehmen mit Beratungsleistung zu verschiedenen Themen zur Seite stehen.
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5
Diskussion: Kompetenz-Management als Praxis in jungen Unternehmen
Ziel dieses Beitrags ist es, die Praxis des Kompetenz-Managements in jungen Unternehmen, am Beispiel der Biotechnologie Branche zu beschreiben und Einflussfaktoren auf diese Praxis zu identifizieren. Unter Kompetenz-Management wurde dabei insbesondere die Aneignung und Verteilung von Wissen sowohl auf der Ebene des Individuums, der Gruppe und der Gesamtorganisation verstanden. Im Folgenden werden die zu Anfang formulierten Forschungsfragen diskutiert. Die im letzten Abschnitt dargestellten Ergebnisse der standardisierten Befragung werden dabei mit Zitaten aus Interviews mit CEOs und verschiedenen Branchenexperten verglichen, angereichert und diskutiert.
5.1
Welches Spektrum an Handlungsmöglichkeiten umfasst das Kompetenz-Management in jungen Unternehmen?
Die Analyse der CEO-Befragung zeigt insgesamt vier Dimensionen strategischen Kompetenz-Managements, denen die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zugeordnet werden können - Kooperationen, Marktbeobachtung, Organisationales Lernen und Beratung. Der Vergleich mit Interviewergebnissen unterstreicht die Bedeutung der identifizierten Dimensionen und liefert zudem weitere kontextuelle Informationen. Kooperation Kooperationen werden in einer Vielzahl an Studien im Kontext junger Unternehmen als wesentliche Quelle von Know-How betont, wie Tidd et al. (1997, 200) dies formulieren – „Competency development requires a firm to have an explicit policiy or intent to use collaboration as an opportunity to learn…”. Im Rahmen der Faktorenanalyse konnte der Aspekt Kooperation nicht eindeutig einem Faktor zugeordnet werden. Die Bedeutung von Kooperationen für das strategische Kompetenz-Management lässt jedoch zu, dies als eigene Dimension zu betrachten. Kooperationen erlauben nicht nur die eigene Technologie, die eigene Kompetenz zu testen, sondern bieten die Möglichkeit diese fundamental weiter zu entwickeln. Dies zeigt sich in folgenden Zitaten aus ExpertenInterviews. „Aber es kann eine echte Zusammenarbeit sein, [auch] in einer frühen Forschungsphase, wo wir auch neue Methoden zusammen explorieren, wo der Partner kommt und sagt, wir haben da etwas
Kompetenz-Management als Praxis
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ganz tolles, das könnte einen Durchbruch geben, methodisch. Wir machen dann Feasibility Studies auf unseren Projekten zusammen mit dem Partner. So wird der Partner, die kleine Firma, ein ganz anders Forschungsumfeld erfahren und ganz andere Projekte sehen, neue ‚Challenging Applications‘, von denen die im Allgemeinen noch nie etwas gesehen haben. Und damit tut sich dann, wenn es eine gute Methode ist, die Methode ganz dramatisch aufbessern und verbreitern.“ (VP Pharmaceutical Relations - Pharmaunternehmen) „Entscheidend sind vor allem unsere Netzwerkbeziehungen zu anderen Unternehmen und insbesondere zu Universitäten. Wir brauchen diese Kontakte, um unsere bestehenden Methoden zu verbessern, wie bspw. unsere Proteindatenbank“ (Account Manager – Biotech Unternehmen I)
Marktbeobachtung Als zweite Dimension wurde der Aspekt Marktbeobachtung identifiziert, welcher die Orientierung an anderen Unternehmen der Branche, an US amerikanischen Unternehmen speziell, sowie die Ausnutzung informeller Branchenkontakte umfasst. Informelle Kontakte scheinen auf den ersten Blick nichts mit dem Aspekt Marktbeobachtung gemeinsam zu haben. Die Informationen welche dadurch generiert werden, haben jedoch eher den Charakter von ‚BranchenKlatsch‘; Technologiespezifische Aspekte werden eher geheim gehalten, wie einer der befragten Branchen-Experten, ein ehemaliger Gründer eines Biotech Unternehmens, betonte. „Der informelle Aspekt ist meiner Meinung nach absolut unwichtig und sehr selten. Zwischen den Wissenschaftlern herrscht großer Konkurrenzkampf, deshalb findet auf dieser Ebene fast kein Austausch statt. Lediglich die CEOs der Unternehmen tauschen sich über allgemeinere Themen aus…“ (Biotech Consultant)
Kritisch zu hinterfragen ist generell, welche Art von Know-How durch die Orientierung an anderen Unternehmen gewonnen werden kann: „Das ist natürlich schwer von außen da wirklich zu sehen was die gemacht haben, weil nicht alles visibel an der Oberfläche ist. Prinzipiell ist es aber schon hilfreich, auf Unternehmen zurück zu gehen, die einige Entwicklungsphasen voraus sind. Da die sicher auch vieles falsch gemacht haben, was sie heute so nicht mehr machen würden.“ (Venture Capitalist) „Das Imitieren von Branchengrößen ist gängige Praxis bei der Planung und Gestaltung in der Frühphase des Unternehmens. Es ist dabei keine Seltenheit, dass die Unternehmen ihr Geschäftsmodell innerhalb von 2-3 Jahren, 2-3 mal ändern. Dies schließt sehr grundlegende Änderungen des Geschäftsmodells ein, z.B. eine komplette Änderung des Unternehmensgegenstands.“ (Biotech Consultant)
Diese Zitate geben etwas detaillierter Aufschluss über die Hintergründe von Marktbeobachtung im Rahmen des Kompetenz-Managements. Sie lassen erstens die Vermutung zu, dass die Bedeutung von Marktbeobachtung vom Unternehmensalter abhängig ist und zweitens, dass der Nutzen der Marktbeobachtung
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Martin Friesl
insbesondere in der Vermeidung von Fehlern liegt. Giesecke (2001) zeigt diesbezüglich, dass die Entwicklung der Biotech Branche in Deutschland maßgeblich durch die Vermeidung von Fehlern US amerikanischer Unternehmen beeinflusst wurde. Organisationales Lernen Die Dimension ‚Organisationales Lernen‘ umfasst gemäß der Faktorenanalyse insbesondere drei Aspekte: Aus- und Weiterbildung auf der Individuumsebene, Erfahrungslernen auf der Gruppenebene, sowie der Wissensaustausch (unterstützt durch Strukturen) zwischen allen Mitarbeitern der Ebene der Organisation. Inhaltlich macht diese Gruppierung Sinn, da sich diese Aspekte gegenseitig ergänzen und daher in ihrem Zusammenspiel zu sehen sind. Die nachfolgenden Zitate verdeutlichen, dass die betriebliche Aus- und Weiterbildung verschiedene Funktionen erfüllt. Zum einen dient sie der Aneignung komplementären Know-Hows (z.B. Business Development), der Vertiefung einer spezifischen technologischen Expertise und fungiert zudem als Instrument um Mitarbeiter zu rekrutieren bzw. an das Unternehmen zu binden. „Ich persönlich habe mich auch über Seminare zur Unternehmensplanung, Business Development usw. versucht betriebswirtschaftliches Know How anzueignen.“ (Mitarbeiter – Biotech Unternehmen IV) „Um am Ball zu bleiben, ist die ständige Weiterbildung in unserem Bereich absolut entscheidend und die Rekrutierung exzellenter Wissenschaftler. Weiterbildung ist zudem absolut notwendig um diese Personen zu halten.“ (Account Manager – Biotech Unternehmen I)
Nennungen im Rahmen der standardisierten Befragung geben zudem detaillierter Aufschluss über die gelebte Praxis hinsichtlich des Erfahrungslernens und Wissensaustauschs in der Organisation. Die Unternehmen haben teilweise sehr pragmatische Strukturen und Prozesse etabliert, um den Erfahrungsaustausch zu unterstützen. Dies reicht von regelmäßigen Projektbesprechungen, Intranetlösungen und Job Rotation, bis hin zu Journal Clubs, in denen aktuelle Forschungsergebnisse ausgetauscht werden. Einige berichten zudem von internen Beratungsstrukturen, d.h. Experten eines Projektes fungieren als externe Berater in einem anderen Projekt (Friesl, 2008, 2009). Beratung Diese Dimension umfasst die Aspekte Beratung durch externe Experten, sowie Benchmarking Studien. Dies macht Sinn, da der Vergleich mit anderen Unternehmen häufig in Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen mit spezifischem Branchen-Know-How durchgeführt wird. Interessant ist, dass diese Dimension den geringsten Mittelwert, jedoch die größte Standardabweichung aufweist. Dies
Kompetenz-Management als Praxis
325
zeigt, dass hier große Unterschiede innerhalb der Branche vorliegen. Welchen Nutzen der Einbezug externer Expertise bringt, zeigen folgende Zitate: „Nachdem wir uns von unserem CFO getrennt haben, aufgrund schwerwiegender Kommunikationsprobleme, sowie dessen mangelnde Erfahrung, decken wir die betriebswirtschaftliche Expertise über einen Unternehmensberater ab.“ (CEO – Biotech Unternehmen II) „Es ist wichtig, sich mit Unternehmensberatern zu unterhalten, um eine Außenansicht, bzw. eine betriebswirtschaftliche Expertise in das Unternehmen zu holen.“ (Mitarbeiter – Biotech Unternehmen IV) „Die 'crazy scientists' haben oft Schwierigkeiten damit, die marktorientierte Umsetzung ihrer Entwicklung zu vollziehen.“ (CEO – Biotech Unternehmen III) „Gerade am Anfang hatten wir großen Beratungsbedarf, wir haben dann professionelle Unternehmensberater engagiert um unseren Marketing und Vertriebsbereich aufzubauen. Diese Professionalisierung ist notwendig, da unsere Services sehr speziell und für den Kunden sehr erklärungsbedürftig sind.“ (Account Manager – Biotech Unternehmen I) „Früher wurden von jungen Unternehmen häufig BWL Grundlagenseminare nachgefragt, dies hat sich jedoch gewandelt. Heute werden eher Spezialthemen im Bereich Biotechnologie gefordert.“ (Business Development – Cluster Management)
Diese Interviewauszüge lassen drei Bereiche erkennen, in denen externe Experten involviert werden: Komplementäre betriebswirtschaftliche Expertise, technologische Themen, sowie hinsichtlich der Verbesserung der marktorientierten Ausrichtung des Unternehmens.
5.2
Wie wirkt sich Kompetenz-Management auf den Unternehmenserfolg aus?
Kompetenz-Management hat die (Weiter-) Entwicklung der für ein Unternehmen strategisch relevanten Fähigkeiten zum Ziel und ist damit ein wesentlicher Treiber langfristigen Unternehmenserfolgs. Die Analyse der Befragungsdaten zeigt, dass immerhin 39% der Varianz des Erfolgsindexes durch die identifizierten Dimensionen strategischen Kompetenz-Managements erklärt werden kann. Dies ist in Abbildung 1 nochmals überblicksartig zusammengefasst. Interessant, weil unerwartet auf Basis aktueller Forschung, ist die starke Korrelation von Beratung und Unternehmenserfolg. Die Interviewauszüge im letzten Abschnitt helfen dies zu erklären. Junge Biotechnologie Unternehmen sind zu einem großen Teil Ausgründungen aus Universitäten. Wissenschaftler wechseln, ganz oder Teilweise in verschiedene Rollen im Unternehmen und sind damit auch mit unterschiedlichen Anforderungen der neuen Rolle konfrontiert. Dies wurde oben als fehlende „Marktorientierung“ beschrieben:
326
Martin Friesl
„Es fangen viele Hoffnungsvoll an und die Umsetzung kriegen sie nicht hin…Na ja, das ist eben dieses Problem. [Das liegt]…zum einen am fehlenden Know How, am mangelnden Bewusstsein was alles auf sie zukommt...“ (Director – BPI)
Beratung durch verschiedene externe Experten kann die Unternehmen dabei unterstützen, diesen Schritt von der Wissenschaft in die Wirtschaft zu vollziehen. Tabelle 6 fasst einige Anspruchsgruppen in ihrer Bedeutung für die Aneignung externen Know-Hows zusammen.
Kooperationen
Kooperation
.257* Informelle Kontakte
Orientierung an anderen Unternehmen
Marktbeobachtung
Performance
Aus-und Weiterbildung (inkl. Strukturen) Erfahrungslernen
.112
.207+
Organ. Lernen .335**
Wissensaustausch (inkl. Strukturen)
Benchmarking
Beratung Externe Beratung
Abbildung 1: Kompetenz-Management und Unternehmensperformance Der auf Basis aktueller Forschung vermutete moderierende Effekt der Managementerfahrung des CEO konnte jedoch nicht verifiziert werden. R2 steigt lediglich marginal. Die Erfahrung des CEOs ist nicht signifikant. Interessant ist dennoch, dass mit zunehmender Erfahrung des CEO der Erfolgsbeitrag von Beratung abnimmt. Dies macht Sinn, da der CEO evtl. durch seine Erfahrung in ver-
Kompetenz-Management als Praxis
327
schiedenen Branchen, Funktionen etc. zusätzliche externe Expertise überflüssig macht. „Ganz klar Management dazu holen. Management heißt hier nicht nur im kaufmännisch, administrativen Sinne, auch so was wie Business Development, wenn man schon so weit ist, dass man strategische Partner sucht, das ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt…und für mich heißt dann auch Management, durchaus Management im Sinne von, ja Scientists mit einer gewissen klinischen Expertise. Die also wissen, wie man auf einer Technologiebasis, sauber eine Präklinik macht…“ (Technologie Transfer – Forschungszentrum)
6
Zusammenfassung
Dieser Beitrag versucht die Praxis strategischen Kompetenz-Managements in jungen Technologieunternehmen am Beispiel der deutschen Biotechnologie Branche zu beschreiben. Die Arbeit leistet dabei insbesondere zwei Beiträge zur aktuellen Diskussion im Forschungsbereich ‚Strategisches Kompetenz-Management‘. Erstens, auf Basis der quantitativen Analyse wird vorgeschlagen Kompetenz-Management in jungen Unternehmen anhand von vier Dimensionen zu operationalisieren: Kooperation, Marktbeobachtung, Organisationales Lernen, sowie Beratung. Die Bedeutung dieser Dimensionen in der Praxis, wird durch Interviewauszüge zusätzlich konkretisiert, teilweise problematisiert und in Perspektive hinsichtlich des spezifischen Kontextes der Biotechnologie Branche gesetzt. Zweitens zeigt die Analyse dass strategisches Kompetenz-Management einen signifikanten Beitrag zum Erfolg der befragten Unternehmen leistet, gemessen durch einen Erfolgsindex basierend auf Zielerreichungsgraden. Die Verallgemeinerbarkeit der präsentierten Ergebnisse wird jedoch durch einige Punkte eingeschränkt. Das zugrunde liegende Sample ist relativ klein, was die Qualität statistischer Methoden wie Faktoren- und Regressionsanalyse negativ beeinflusst. Eine weitere Einschränkung ergibt sich hinsichtlich der Messung des Unternehmenserfolgs. Durch den Mangel an objektiven Erfolgskriterien beruht der Erfolgsindex auf der Selbsteinschätzung des CEO, hinsichtlich Zielgewichtung und Zielerreichung und ist daher anfällig für sozial-erwünschtes Antwortverhalten. Diese Items waren zudem Teil des Fragebogens, Common-MethodBias kann damit nicht vollständig ausgeschlossen werden. Drittens, pro Unternehmen wurde ausschließlich der CEO befragt. Die Ergebnisse sind daher auf die Perspektive dieser Rolle beschränkt und verzerren ggf. die Daten diesbezüglich. Schließlich sind die Ergebnisse stark von dem spezifischen Kontext der
328
Martin Friesl
Biotechnologie Branche abhängig, dies beeinflusst ggf. die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse für andere Branchen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Studie und den eben dargestellten Einschränkungen können mehrere Implikationen für zukünftige Forschung abgeleitet werden. Die vorgeschlagene Differenzierung von Kompetenz-Management für den Kontext junger Unternehmen in vier Dimensionen bedarf der Überprüfung in weiteren Branchen und ggf. der Erweiterung um weitere Handlungsmöglichkeiten und Dimensionen. Dies bezieht sich auch auf zusätzliche Einflussfaktoren, da die hier berücksichtigen Kontrollvariablen keinen signifikanten Erklärungsbeitrag liefern. Weiterführende Studien können zudem objektive Performance-Kriterien berücksichtigen, um eine robustere Einschätzung des Zusammenhangs von Kompetenz-Management und Unternehmenserfolg abzuleiten. Schließlich, durch branchenübergreifende Forschungsdesigns können ggf. kontext-spezifische Muster strategischen Kompetenz-Managements identifiziert werden.
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Kompetenz-Management als Praxis
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Kompetenzmanagement live! Entwicklungskompetenz als Metakompetenz für Unternehmen – eine empirische Untersuchung
1
Einführung ............................................................................................333
2
Theoretische Grundlagen......................................................................335 2.1 Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen (Fearns 2004) ....335 2.2 Selektionsmechanismen und Lernen .........................................338 2.3 Ableitung der Beratungslogik....................................................340
3
Kompetenzmanagement live: Der Beratungsansatz in der Praxis ........342 3.1 Der Fall ABC.............................................................................343 3.2 Analyse der Ausgangssituation und Interventionen ..................344 3.2.1 Variationserfordernisse in der Ausgangssituation ..........................................................344 3.2.2 Analyse des Selektionsprofils ........................................346 3.2.3 Soll-Ist-Vergleich auf Teilprozessebene .......................346
4
Erkenntnisse aus der Anwendung des Kompetenzmodells...................355
Literatur............................................................................................................357
Kompetenzmanagement live!
1
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Einführung
Die kompetenzbasierte Perspektive im strategischen Management geht davon aus, dass Unternehmen sich aufgrund eines vorhandenen Bestands an Ressourcen und Kernkompetenzen langfristige Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Dies gelingt, wenn die Kernkompetenzen des Unternehmens einen hohen Kundennutzen stiften, von der Konkurrenz nicht imitiert werden können und auf verschiedene Produkte und/oder Branchen transferierbar sind (Prahalad/ Hamel 1991). Diese Kernkompetenzen eines Unternehmens bestehen aus lange eingeübten Routinen und Prozessen, die durch interne Lernprozesse optimiert wurden (Prahalad/Hamel 1991). Erfolgreiche Unternehmen verfügen über ein ganzes Bündel von organisationalen Kompetenzen, die ihnen das Bestehen auf dem Markt ermöglichen. Dieses Kompetenzportfolio muss laufend an die Marktgegebenheiten angepasst werden, d.h. bestimmte Kompetenzen müssen gestärkt, andere verändert oder abgebaut werden (Fearns 2004, 2009). Die fortwährende Reorientierung und Wandelfähigkeit des Unternehmens und seiner Kompetenzen ist erforderlich, da sich andernfalls im Unternehmen sogenannte „core rigidities“ (Leonard-Barton 1992) ausbilden: Verlieren Kernkompetenzen durch Umweltentwicklungen an Wert, so fällt es dem Unternehmen schwer, die bislang so erfolgreichen Kompetenzen zu reflektieren und zu verändern. Damit können „core rigidities“ ein hohes Risiko für die Unternehmensentwicklung darstellen. Ein Unternehmen, welches auf seine Kernkompetenzen fokussiert ist und diese nicht laufend hinterfragt, entwickelt u. U. eine Starrheit, die dazuführt, „...to fall victim to past glories...“ (Grant 1991: 115). Die Fähigkeiten eines Unternehmens, das jeweilige Kompetenzportfolio nicht nur aktiv zu nutzen sondern auch einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen und weiter zu entwickeln, werden in der Literatur häufig als Metakompetenzen bezeichnet oder auch unter dem Konzept der „dynamic capabilities“ (Teece et al 1997, Helfat 1997) beschrieben. Krüger/Homp bezeichnen als Metakompetenzen die „Anpassungs-, Wandlungs- und Transformationskompetenz“ (Krüger/Homp 1997: 49): „...immer wichtiger wird es, über das Beherrschen bestehender Geschäfte hinaus nach einer (stetigen) Anpassung und Verbesserung der Geschäftsprozesse sowie einem Aufbau neuer Prozesse zu streben. Unternehmungen, die sich schneller anpassen als andere, besitzen Kompetenzen einer höheren Ebene, hier kurz als Entwicklungskompetenzen (Metakompetenzen) bezeichnet (...) Die anspruchsvollste Form der Entwicklungskompetenz ist erreicht, wenn die gesamte Unternehmensentwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg und durch die verschiedenen Entwicklungsstadien hindurch (z. B. Pionierunternehmen, Internationalisierung, Globalisierung) gelingt. Dann liegt geplante Evolution vor.“ (Krüger/Homp 1997:42)
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Hanna Fearns/Martina Schott
Leider beschreibt die Literatur nur vage, wie Unternehmen diese Meta- bzw. Entwicklungskompetenz aufbauen können. Es bleibt bei allgemeinen Formulierungen wie z. B. „Beherrschung einzelner Wandlungsprozesse“ oder „kontinuierliche Verbesserungsprozesse“ (ebd. 1997: 42). Das von uns entwickelte Kompetenzmodell (Fearns/Schott 2007) kann unserer Meinung nach einen wichtigen Beitrag dazu leisten, konkrete und theoriegeleitete Empfehlungen für den Aufbau dieser strategisch zentralen Metakompetenz zu leisten. Allerdings fehlte bislang eine entsprechende Ausarbeitung und Evaluation des Modells in der konkreten Anwendung in einem Unternehmen. Mit dem vorliegenden Beitrag kann diese Lücke nun geschlossen werden, da wir eine empirische Untersuchung zum geplanten Aufbau einer solchen Entwicklungskompetenz in einem mittelständischen Unternehmen vorstellen können. Der vorliegende Beitrag hat damit zum Ziel, das theoretische Modell und den daraus entwickelten Beratungsansatz vorzustellen, seine Praxistauglichkeit anhand des Fallbeispiels zu evaluieren und die Ergebnisse der Anwendung abschließend in Bezug auf die Implikationen für das theoretische Modell und die Beratungspraxis zu reflektieren. Dadurch soll zum einen ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Kompetenzforschung in Bezug auf das Konzept der Metakompetenzen geleistet werden. Zum anderen sollen im Sinne einer angewandten Managementforschung der Aussagewert und die Anwendungsmöglichkeiten unseres Modells geprüft werden. Hierfür werden zunächst die Grundüberlegungen des theoretischen Bezugsrahmens (struktureller und prozessualer Aufbau von Kompetenzen, lernbasierte Definition der Variations- und Selektionsmechanismen) erläutert (Kapitel 2). Basierend auf dem Evolutionsmodell der Kernkompetenzen (Fearns 2004) und dem Lernmodell (Schott 2003) wird im Kompetenzmodell dargestellt, wie ein Unternehmen die erforderliche Entwicklungskompetenz aufbauen kann. Durch die Anwendung des Kompetenzmodells lassen sich für die theoriegeleitete Beratung Handlungsfelder für den gezielten Aufbau der Entwicklungskompetenz identifizieren. Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen gibt beispielsweise vor, dass zunächst die so genannte strukturelle Dimension der Entwicklungskompetenz beschrieben werden muss. Diese umfasst die Frage, welche organisationalen Routinen, Prozesse und Ressourcen die Entwicklungskompetenz eines Unternehmens ausmachen. Identifiziert werden in unserem Fallbeispiel drei zentrale Prozesse, die den strukturellen Aufbau der Entwicklungskompetenz beschreiben können: den Innovationsprozess, den Human-Ressource-Prozess (HR-Prozess) und einen Prozess, der die bewusste Steuerung von Lernprozessen im Unternehmen sicherstellt (Lernprozess-Management). Diese zentralen Pro-
Kompetenzmanagement live!
335
zesse und die dazugehörigen Ressourcen müssen nach unserem Beratungsverständnis in ihrem Ist- und Soll-Zustand definiert werden. Daraus ergeben sich dann entsprechende Interventionen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie die internen Variations- und Selektionsprozesse gestaltet werden müssen, damit im Unternehmen die gewünschte Entwicklungskompetenz entstehen kann. Aus dem Lernmodell ergeben sich entsprechend die Aussagen zur Gestaltung des erforderlichen Veränderungsprozesses der Variations- und Selektionsmechanismen im Unternehmen (Fearns/Schott 2007). Im Anschluss an diese theoretischen Vorüberlegungen und die Ableitung des Beratungsansatzes erfolgt die Darstellung des Fallbeispiels (Kapitel 3). Dabei handelt es sich um ein Unternehmen mit ca. 80 Mitarbeitern, das über den Zeitraum von 4 Jahren (2005-2009) in Bezug auf den Aufbau seiner organisationalen Entwicklungskompetenz beraten wurde. Ausgehend von der Ist-Situation im Jahr 2005 wurde anhand von teilnehmender Beobachtung, jährlichen Einzel- und Gruppeninterviews (mit Geschäftsführung, Führungskräften und Mitarbeitern) und Dokumentenanalysen erhoben, mit welchen Maßnahmen das Unternehmen versuchte, über die Gestaltung der oben genannten Prozesse seine Entwicklungskompetenz auszubauen und welche Interventionen auf der Ebene der unterschiedlichen Evolutionsmechanismen nötig waren, um dies zu erreichen. Abschließend werden die Erkenntnisse aus der Anwendung des theoretischen Modells kritisch reflektiert und die Implikationen für die theoretische Weiterentwicklung des Modells und die Beratungspraxis zusammengefasst (Kapitel 4).
2
Theoretische Grundlagen
2.1
Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen (Fearns 2004)
Das Evolutionsmodell der Kernkompetenzen basiert auf der Annahme, dass Unternehmen auf dem Markt nicht nur in Bezug auf ihre Produkte im Wettbewerb stehen, sondern unterschiedliche Kompetenzportfolios aufweisen (z. B. Beschaffungs-, Vertriebs-, Marketing-, Innovations- und Herstellungskompetenzen), die ihren Erfolg sicher stellen. Unternehmen, die ein Kompetenzportfolio aufweisen, das optimal an die Umwelterfordernisse angepasst ist, bestehen am Markt, während die anderen scheitern. Die optimale Gestaltung diese Kompetenzportfolios stellt eine so genannte Metakompetenz dar. Diese Metakompetenz oder dynamic capability beschreibt die Fähigkeit der Organisation, Veränderungserfordernisse aus der Umwelt zu identifizieren, zu verarbeiten und in inter-
336
Hanna Fearns/Martina Schott
nen Veränderungsprozessen eine Anpassung des Kompetenzportfolios und der dahinter stehenden organisationalen Routinen, Prozesse und auf dem Markt handelbaren Elementarressourcen zu erreichen. Diese Komponenten, aus denen sich die organisationale Kompetenz des Unternehmens zusammensetzt, beschreiben die strukturelle Dimension des Kompetenzaufbaus. 1
Organisationale Kompetenzen
Organisationale Routinen und Prozesse
(Handelbare) Elementarressourcen
Abbildung 1: Strukturelle Dimension des Kompetenzaufbaus Aufgrund des hierarchischen Aufbaus von organisationalen Kompetenzen erfolgt eine Veränderung oder Weiterentwicklung des Kompetenzbestandes des Unternehmens dann, wenn sich an einer oder mehreren Stellen auf den unterschiedenen Systemebenen Veränderungen ergeben. Diese Veränderungen werden im Evolutionsmodell als interne Variationen bezeichnet. Die interne Variation ist einer von drei Evolutionsmechanismen, die erklären, wie organisationale Kompetenzen entstehen und sich entwickeln (prozessuale Dimension). Die Mechanismen werden im Folgenden beschrieben: Interne Variation wird im Evolutionsmodell der Kernkompetenzen als jegliche Form von Veränderung definiert, die auf den verschiedenen Modellebenen stattfinden kann.
1
Siehe zur präzisen Definition der strukturellen Komponenten Fearns 2004, S.88 ff.
Kompetenzmanagement live!
337
Interne Selektion beschreibt einen Auswahlmechanismus, dem die auftretenden Variationen unterliegen. Positive Selektion bedeutet, dass sich eine Variation im System durchsetzen kann und überlebt; negative Selektion bedeutet das Aussortieren der aufgetretenen Variation. Interne Speicherung oder Retention beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, Erfolg generierendes Wissen und Handeln zu speichern und bei Bedarf zu reproduzieren. Will ein Unternehmen also organisationale Kompetenzen gezielt aufbauen, ist es nach dem Kompetenzmodell erforderlich, zunächst die strukturellen Komponenten der zu entwickelnden Kompetenz zu ermitteln. Anschließend muss untersucht werden, welche Variations-, Selektions- und Retentionsmechanismen zu aktivieren oder deaktivieren sind, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Selektionsmechanismus zu: Trotz unzähliger geplanter und ungeplanter Variationen, die tagtäglich an allen Stellen des Unternehmens auftreten, erweisen sich Organisationen als ausgesprochen stabile Gebilde, die in der Lage sind, Produkte und Dienstleistungen über viele Jahre hinweg zu erzeugen, Gehälter zu bezahlen, Produkte zu entwickeln usw. Sie verfügen also über stark ausgeprägte Selektionsmechanismen, welche Variationen – seien sie geplant oder ungeplant - verhindern. Bedeutsam für die Veränderungen im Unternehmen ist also nicht nur die interne Variation als solche, sondern die Wahrscheinlichkeit, ob eine Variation sich durchsetzt oder nicht, das heißt, ob sie positiv selektiert wird oder nicht. Der internen Selektion kommt bei der Gestaltung des Kompetenzportfolios damit eine zentrale Rolle zu. Das Evolutionsmodell unterscheidet im Rückgriff auf den Biologen Riedl (1975) vier verschiedene interne Selektionsmechanismen (normativ, interdependent, hierarchisch und historisch), die dafür sorgen, dass die Durchsetzungswahrscheinlichkeit von Variationen im System verringert wird. Die normative Selektion beschreibt, dass ein System Abweichungen von der Norm nur in festgelegten Toleranzgrenzen zulässt. Dies stellt sicher, dass auftretende Variationen in das Gesamtsystem integrierbar bleiben (Riedl 1975: 146f.). Jede Elementarressource, die von der üblichen Norm abweicht, jede Änderung in den organisationalen Routinen, die nicht als professionell oder branchenüblich eingeschätzt wird, würde im Fall von ‚perfekter’ normativer Selektion überprüft. Ein Beispiel: Gilt in einem Unternehmen der Hochschulabschluss als Muss für die Karriere, werden Bewerber eines Führungskräftenachwuchsprogramms ohne akademischen Abschluss negativ selektiert.
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Hanna Fearns/Martina Schott
Mit der interdependenten Selektion wird die Stimmigkeit einer Systemeinheit mit den hierarchisch auf gleicher Ebene angeordneten Einheiten überprüft. Dieser Mechanismus stellt sicher, dass bewährte Kombinationen von Ressourcen und Routinen beibehalten werden, weil ihnen ein besondere ‘Schutz’ zukommt, der sich auf optimierte Vernetzungen bezieht. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenstellung eines Teams von Mitarbeitern, das bereits mehrere Projekte erfolgreich bearbeitet hat. Die interdependente Selektion stellt sicher, dass bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters überprüft wird, ob und wie die bestehenden Teamstrukturen und -leistungen durch die Neueinstellung betroffen sind. Mittels der hierarchischen Selektion wird die Stimmigkeit von Variationen bei den Elementarressourcen und Routinen zu den jeweils hierarchisch übergeordneten Routinen und Kompetenzen des Unternehmens überprüft. Dabei muss analysiert werden, ob der Kompetenzbestand durch Variationen gefährdet wird. So kann beispielsweise die variierende Qualität eines Bauteils die Durchführung einer Herstellungsroutine gefährden. Die hierarchische Selektion verhindert, dass dieses Bauteil in den Herstellungsprozess gelangt. Historische Selektion beschreibt, dass nur die Veränderungen in das System integriert werden, welche mit der Vorgängerstruktur vereinbar sind. Der Mechanismus der historischen Selektion ist damit in besonderem Maße dafür verantwortlich, dass die Evolutionsprozesse nicht revolutionär sondern in kleinen Schritten ablaufen. Interne Veränderungsmöglichkeiten des Unternehmens hängen vom aktuellen Status quo ab, wodurch bestimmte Entwicklungsschritte nicht übersprungen werden können. Während es in biologischen Evolutionsmodellen einen Automatismus in Hinblick auf die Entstehung der Selektionsmechanismen gibt, ist beim Transfer der internen Selektionsmechanismen in den organisationalen Kontext die Frage zu beantworten, wer in sozialen Systemen selektiert und wie diese Selektionsmechanismen zustande kommen.
2.2
Selektionsmechanismen und Lernen
Die Antwort auf die Frage nach der Selektion in sozialen Systemen haben wir in unserer Forschungsarbeit 2007 aus dem Lernmodell zum transformationalen Wandel (Schott 2003) abgeleitet. Demnach entstehen die Selektionsmechanismen in Unternehmen durch individuelle und kollektive Lernprozesse. Dabei lernen die Organisationsmitglieder die Selektionsmuster und Entscheidungsre-
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geln einflussreicher Organisationsmitglieder. Mit zunehmendem Wachstum des Unternehmens entwickeln sich so dezentral Entscheidungs- und Verhaltensregeln, die ihren Niederschlag, in der Unternehmenskultur, ihren Subkulturen und in der Struktur des Unternehmens finden. Darüber hinaus bringt jedes Organisationsmitglied individuelle Werte und Verhaltensweisen ein, die ebenfalls die Selektion beeinflussen. Diese Lernprozesse finden in der Regel ungeplant und ungesteuert statt, so dass sich an vielen Stellen im Unternehmen Selektionsmechanismen etablieren, die in ihrer Gesamtheit und Streuung praktisch nicht zu erfassen sind. Dies kann in Veränderungsprozessen erfolgskritisch sein, da Selektionsmechanismen für das Unternehmen schädlich wirken, wenn sie dringend erforderliche Veränderungen verhindern. Kategorisiert man die Ausprägungen der Selektion, so können die internen Selektionsmechanismen „...den Organisationsmitgliedern bewusst oder unbewusst sein, auf der Ebene der Individuen oder Gruppen auftreten und in der Kultur oder Struktur des Unternehmens verankert sein“ (Fearns/Schott 2007: 315).
So ergibt sich für die Veränderung von Selektionsmechanismen, dass diese entweder auf der Ebene der Akteure, der Struktur oder der Kultur ansetzen muss (Interventionsebenen). Damit der Kompetenzaufbau im Unternehmen gelingt, ist also die Analyse des Selektionsprofils und die anschließende Veränderung der Selektionsmechanismen notwendige Voraussetzung, um die Durchsetzungswahrscheinlichkeit der geplanten Variationen zu erhöhen. Je größer die Differenz zwischen den bisherigen und den zukünftigen Kompetenzen ist, umso mehr muss ein grundlegender Lern- und Veränderungsprozess initiiert werden, um die Selektionsmechanismen zu gestalten und in der Kompetenzentwicklung erfolgreich zu sein (Fearns/Schott 2007: 320). Erforderlich hierfür ist die Initiierung eines Lernprozesses, der einem professionellen Prozessdesign folgt, in dem die Akteure und ihre Rollen definiert sind, unterschiedliche Lernebenen berücksichtigt werden und vielfältige Lernimpulse dafür sorgen, dass die grundlegende Veränderung im Unternehmen stattfinden kann (Schott 2003). Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass für den geplanten Aufbau von organisationalen Kompetenzen drei wesentliche Schritte zu gehen sind: Die Definition der strukturellen Komponenten der aufzubauenden Kompetenz, um festzulegen welche Prozesse und Ressourcen erforderlich sind, damit das Unternehmen diese Kompetenz entwickeln kann.
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Die Analyse der prozessrelevanten Evolutionsmechanismen mithilfe von Fragen, welche Variationen auf welcher Systemebene durchzuführen sind, welches Selektionsprofil das Unternehmen zeigt und wie erfolgsgenerierendes Wissen und Handeln gespeichert wird. Die systematische Gestaltung der Variations- und Selektionsprozesse mittels Lern- und Veränderungsprozessen im Unternehmen. Um diese Erkenntnisse für den Aufbau von Entwicklungskompetenz anzuwenden, wird gemäß der obigen Ausführung im nächsten Schritt der Beratungsansatz aufgezeigt.
2.3
Ableitung der Beratungslogik
Der erste Schritt in der Beratung zum Kompetenzaufbau ist die Definition der strukturellen Dimension der angestrebten organisationalen Kompetenz. Sie liefert die Grundlage für die Bestandsaufnahme der im Unternehmen vorhandenen Prozesse und Ressourcen und ihrer qualitativen Ausprägung. Für die Definition der strukturellen Dimension der Entwicklungskompetenz eines Unternehmens lassen sich aus der Literatur verschiedene Handlungsfelder identifizieren, die ein Unternehmen gestalten muss, um entwicklungsfähig zu sein. Unserer Meinung nach sind es drei wesentliche Prozesse, welche ein entwicklungsfähiges Unternehmen in einer dynamischen Umwelt bearbeiten muss: der Innovationsprozess, der Human Resources (HR)-Prozess und das systematische Lernprozessmanagement. Ein systematischer Innovationsprozess stellt sicher, dass das Unternehmen den Markt regelmäßig beobachtet und analysiert, um Veränderungen und Trends zu identifizieren und mit entsprechenden Angeboten auf den Markt zu reagieren. Auf der Basis dieser Informationen werden regelmäßig neue Ideen generiert, gesammelt und bewertet und in einem strukturierten Prozess in Produktinnovationen umgesetzt (vgl. u.a. Gerpott 2001, Hausschildt/Salomo 2007). Die Gestaltung der zentralen HR-Prozesse in Form von Planung, Rekrutierung, Einsatz und Weiterbildung stellen sicher, dass das Unternehmen die für die Unternehmensentwicklung erforderlichen Humanressourcen in entsprechender Anzahl und Qualifikation zur Verfügung hat. Ohne qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte sind strategisch notwendige Entwicklungen nicht zu bewältigen (vgl. u.a. Klimecki/Gmür 2005, Gmür/Thommen 2006). Das dritte Handlungsfeld, das erforderlich ist, damit ein Unternehmen als „entwicklungskompetent“ bezeichnet werden kann, ist der Bereich des Lernpro-
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zessmanagements. Darunter ist zu verstehen, dass ein Unternehmen in der Lage sein muss, den Lernbedarf auf individueller und organisationaler Ebene zu identifizieren und zweckmäßige Lernprozesse zu initiieren (vgl. u.a. Eberl 2009, Klimecki et al 1994, Klimecki et al 2000, Schott 2003, 2009). Erst wenn dieser Prozess beherrscht wird, kann in Kombination mit dem HRund Innovationsprozess unserer Meinung nach von der Entwicklungskompetenz des Unternehmens gesprochen werden. Auf der Ebene der Elementarressourcen sind qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte, finanzielle und technische Ressourcen notwendig, um die übergeordneten Prozesse zu ermöglichen. Daraus ergibt sich das folgende Bild für die Kompetenzstruktur:
Entwicklungskompetenz
HRProzess
Mitarbeiter
Lern ProzessInnovationsManagement Prozess
Finanzen Führungskräfte
EDV
Rohstoffe
Gebäude
Abbildung 2: Struktureller Aufbau von Entwicklungskompetenz Der zweite Schritt in der Beratung ist die Planung von Variationen auf der Ebene der Ressourcen und Prozesse. Hierfür werden der Soll-Zustand und die erforderlichen Variationen auf beiden Ebenen definiert. So lassen sich beispielsweise als relevante Bausteine des HR-Prozesses folgende Teilprozesse identifizieren, die das Unternehmen beherrschen muss:
Strategische Personalplanung Personalmarketing Personalrekrutierung Probezeit/Einarbeitung
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Strategische Personalentwicklung Operative Personalentwicklung Freisetzung von Mitarbeitern Personaladministration
Für die konkrete Anwendung des Evolutionsmodells ist also eine Ausdifferenzierung der Prozesse notwendig. Auf der Ebene der Elementarressourcen sind in Bezug auf den HR-Prozess vor allem die Mitarbeiter (Anzahl und Qualifikation) und die finanziellen Ressourcen/das Budget zu berücksichtigen. Bevor die identifizierten Variationen initiiert werden, ist im dritten Schritt zu überprüfen, welche Selektionsmechanismen im Unternehmen vorliegen und auf welcher Lernebene sie bearbeitet werden müssen, um die geplanten Variationen auch durchsetzen zu können. In unserem Artikel von 2007 haben wir aufgezeigt, dass Unternehmen beim Aufbau der Kompetenzen einen Gestaltungsschwerpunkt auf den Evolutionsmechanismus der internen Variationen legen, beispielsweise in Form von Weiterbildungen, Optimierung von Prozessen, Änderungen von Strukturen, Einführung neuer Managementtools etc. (Fearns/Schott 2007: 304f.). Vernachlässigt wird in der Unternehmenspraxis dagegen die massive Wirkung interner Selektionsprozesse, die in Unternehmen für die erforderliche Stabilität sorgen. Diese Erkenntnisse berücksichtigen wir in der Ausgestaltung unseres Beratungsansatzes. Gegebenenfalls müssen deshalb im vierten Schritt die identifizierten Selektionsmechanismen durch die Initiierung von Lernprozessen verändert werden. Der fünfte Schritt ist die Speicherung und Stabilisierung der erfolgreich etablierten Veränderungen.
3
Kompetenzmanagement live: Der Beratungsansatz in der Praxis
Im Folgenden wird am Fallbeispiel eines mittelständischen Unternehmens aufgezeigt, in welcher Weise dort die Entwicklungskompetenz durch gezielte Variationen und durch die Gestaltung der Selektionsmechanismen aufgebaut wurde. Der Zugang zum empirischen Feld entstand durch einen Beratungsauftrag zur Durchführung von Führungstrainings. Aus diesem Auftrag entwickelte sich 2006 ein größeres Beratungsprojekt mit dem Auftrag, das Unternehmen zu einer lernenden Organisation mit entsprechender organisationaler Entwicklungskompetenz umzugestalten. Der Geschäftsführer des Unternehmens wollte die Entwicklungskompetenz des Unternehmens aufbauen, damit das Unternehmen langfristig in der Lage ist, erforderliche Innovationen bei Produkten und Dienstleis-
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tungen laufend zu erzeugen und das entwicklungsbedingte Wachstum des Unternehmens mit qualifizierten Mitarbeitern und Führungskräften in geeigneten Strukturen zu bewältigen. Die Beratung und die Datenerhebung für die Untersuchung des Falls erfolgten vor dem Hintergrund der tiefgehenden Analyse des Kompetenzmodells, das auf der SKM-Tagung 2007 vorgestellt wurde. Schwerpunktmäßig forschten wir zu der Fragestellung, welche Selektionskriterien im vorliegenden Fall zu beobachten sind und welche Möglichkeiten der bewussten Gestaltung von Selektion gegeben sind, um das angestrebte Ergebnis, eine lernende Organisation zu kreieren und damit den zielgerichteten Aufbau von Entwicklungskompetenz, zu erzeugen und zu fördern.
3.1
Der Fall ABC
Das untersuchte Unternehmen ist die ABC GmbH, Tochterunternehmen eines bundesweit aktiven Verbandes (BLeV). Die in dem Verband organisierten Vereine wurden vor ca. 50 Jahren als Selbsthilfeorganisationen gegründet. Der BLeV ist der deutschlandweite Zusammenschluss von 257 regionalen Vereinen. Ziel der Regionalvereine ist der Zusammenschluss von Landwirten zur überbetrieblichen Auslastung der in Privatbesitz befindlichen Maschinen gegen Bezahlung. Darüber hinaus bietet der Verein seinen Mitgliedern Lösungen für den wirtschaftlichen Bereich (Zuerwerb, Kostensenkung durch Beratung und s.g. Poolgeschäfte) und den sozialen Bereich (Betriebshilfe im Krankheitsfall, Urlaubsreisen) an. Der BLeV hat in Deutschland 192.000 Mitglieder, 250 Geschäftsstellen und ist in 12 Landesverbänden organisiert. Die hier untersuchte Tochtergesellschaft ABC GmbH wurde 1996 gegründet, um deutschlandweite Verträge mit Lieferanten und Großkunden zu schließen (z. B. Handys, Stromhandel etc.). Die Zielgruppen für die angebotenen Leistungen sind die über den Verband angeschlossenen landwirtschaftlichen Betriebe. Die ABC GmbH fungiert als Großhändler für die 250 Vereins-Geschäftsstellen in ganz Deutschland. Dabei gelang dem Unternehmen seit seiner Gründung ein solides Wachstum. Der Umsatz entwickelte sich von 0,5 Mio. Euro (1996) auf 67 Mio. Euro (2008). Die Anzahl der MitarbeiterInnen stieg im selben Zeitraum von 1 auf 87 MitarbeiterInnen. Auf Grund des Wachstums der Firma hielt es der Führungskreis, das so genannte Kernteam (KL) der ABC GmbH 2005 für notwendig und sinnvoll, eine zweite Hierarchieebene einzuziehen. Es wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgewählt, die zukünftig als Teamleiter (TL) die Arbeit der Kern-
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teammitglieder unterstützen sollten, indem sie operative Führungsaufgaben übernahmen. Ausgewählt wurden Personen, die in der Vergangenheit zunehmend Stellvertreterfunktionen ausgefüllt hatten, ohne dass diese Position formal in der Organisation installiert war. Der ursprüngliche Beratungsauftrag lautete, die neuen TeamleiterInnen für ihre zukünftigen Aufgaben zu qualifizieren und dafür ein internes Programm aufzulegen und umzusetzen. Bis dato gab es keine internen Qualifizierungsangebote für Mitarbeiter. Nach einem Workshop im August 2005 wurde der Auftrag erteilt. Da die Inhalte der angebotenen Qualifizierung die Neugierde des Kernteams weckte, wurde zeitgleich mit der Teamleiterqualifizierung auch ein Qualifizierungsprogramm für das Kernteam ins Leben gerufen. Ab 2006 entstand dann der Wunsch, die ABC GmbH nach dem Modell von Schott (2003) zu einer lernenden Organisation umzugestalten und damit bewusst Zukunftsabsicherung über einen aktiven Kompetenzaufbau zu betreiben. In den Jahren 2006 bis 2009 wurden vielfältige und starke Lernimpulse gesetzt und unterschiedlichste Maßnahmen auf den Ebenen Kultur, Struktur und Prozesse für alle Organisationsmitglieder initiiert. Beispiele für umgesetzte Maßnahmen:
Interne Kurzseminare zu ausgewählten Themen Trainings on the Job (Telefontrainings) Workshops mit allen Mitarbeitern zum Thema: Organisationales Lernen Qualifizierungsreihe für Kernteam und Teamleiter Kollektives Lernen auf Kernteam-Teamleiter-Tagen Kollegiale Beratung auf Praxistransfertagen Kunden- und Mitarbeiterbefragungen Analysen durch Externe (AGP-Sterne, Gallup) Train the Trainer Seminare für Mitarbeiter Bilanzierungsworkshops zu den beobachtbaren Lernschritten
Diese Maßnahmen werden nun aus der Perspektive unseres Beratungsansatzes systematisch dargestellt.
3.2
Analyse der Ausgangssituation und Interventionen
3.2.1 Variationserfordernisse in der Ausgangssituation Betrachtet man die Ausprägung der Entwicklungskompetenz des Unternehmens im Jahr 2005, indem man die Qualität der drei definierten relevanten Prozesse (Innovation, HR, Lernen) analysiert, so lässt sich als Ausgangssituation folgen-
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des festhalten: Der Innovationsprozess der ABC GmbH war sehr gut ausgeprägt, es gab eine Vielzahl von Instrumenten, Maßnahmen und Teilprozessen, die den Innovationsprozess systematisch stützen. Daraus ergab sich die Einschätzung, dass dieser Prozess keiner Variation bedarf, sondern lediglich zu stabilisieren ist. Der HR-Prozess war nur geringfügig ausgeprägt. Geplant wurden Variationen, welche die bestehenden Prozesse optimieren und solche, bei denen ganz neue Prozesse etabliert werden sollten. Das Lernprozessmanagement als dritter Prozessbaustein für die Entwicklungskompetenz war nicht vorhanden. Hier sollten im Beratungsprozess Variationen zu wesentlichen Elementen vorgenommen werden (Identifikation von Lernbedarf, Initiierung von Lernprozessen etc.). Die unten stehende Tabelle zeigt die Ausprägungen der Prozesse und die dafür eingesetzten Ressourcen. Prozess/ Ressourcen Prozess 1 Innovationsprozess Hoher Ressourceneinsatz in Bezug auf Zeit
Prozess 2 HR-Prozesse
Bewertung 2005 Gut ausgeprägt
Innovationsclub mit Kunden, Innovationsmeetings der Führungsmannschaft Prämien für gute Ideen KVP Besuch von Fachmessen Innovationsziele für Teams Innovationskraft als Leistungsmerkmal in der Führungskräftebewertung Teilweise vorhanden
0,5 MA
Prozess 3 Lernprozessmanagement Ressourcen: 0
Erforderliche Variationen Keine
Personalrekrutierung über Anzeigen, kein definierter Prozess Auswahlgespräche Unsystematische Einarbeitung von Mitarbeitern Operative Personalentwicklung: bei akutem Bedarf werden externe Seminare gebucht Nicht vorhanden
Variation Typ A) Variationen an bestehenden Prozessen Variation Typ B) Variationen durch Etablierung neuer Prozesse Variation Typ B) Variationen durch Etablierung neuer Prozesse
Abbildung 3: Bewertung der kompetenzrelevanten Ressourcen und Prozesse 2005
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3.2.2 Analyse des Selektionsprofils Bei der Einschätzung der Durchsetzungswahrscheinlichkeit von Variationen ließ sich im Vorfeld nur begrenzt das Selektionsprofil des Unternehmens ermitteln, da insbesondere die individuellen Selektionsmechanismen aber auch die unbewusst kollektiven und die kulturell verankerten Selektionsmechanismen nur schwer vorab identifiziert werden konnten. Erst in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zeigten sich zentrale Selektionskriterien der handelnden Akteure. Folgende Beispiele verdeutlichen identifizierte Aspekte des Selektionsprofils: Es herrscht im Unternehmen eine Art von „Bürokratieverbot“, d.h. dass jene Maßnahmen negativ selektiert wurden, die zu einer Bürokratisierung führen könnten (Formulare, standardisierte Prozesse, formale Wege, ausgiebige Dokumentation, zentrale Speicherung von Wissen). Ein weiteres Selektionsmuster zeigte sich in Bezug auf den erzeugten Kundennutzen und die Umsetzbarkeit von Maßnahmen. Maßnahmen, die rasch umsetzbar sind und einen schnellen Kundennutzen versprechen, werden positiv selektiert. Dieses Selektionsmuster scheint auch den Innovationsprozess im Unternehmen zu unterstützen. Wichtiges Selektionskriterium war auch der „Neuheitscharakter“ von Maßnahmen. Die Organisation selektiert Neues positiv, während die Weiterarbeit und Vertiefung von Bewährtem eher negativ selektiert wird. Auch dies wirkt sich positiv auf den Innovationsprozess aus und hält diesen stabil. Diese Ausprägung ist auch im Hinblick auf die anstehenden Veränderungsprozesse als positiv zu bewerten, da Vorschläge „die Dinge anders zu tun“ mit Wohlwollen aufgenommen werden.
3.2.3 Soll-Ist-Vergleich auf Teilprozessebene Als nächstes wird vorgestellt, welche Teilprozesse in Bezug auf die angestrebte Entwicklungskompetenz des Unternehmens als Soll definiert wurden, wie diese ausgeprägt waren und welche Variationen in den Teilprozessen 2 (HR) und 3 (Lernen) geplant und initiiert wurden. Anschließend wird dargestellt, welche der initiierten Variationen positiv oder negativ selektiert wurden und welcher Selektionstyp dabei zum Tragen kam. Die Analyse des Selektionstyps gibt vor, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um im Falle einer negativen Selektion den Selektionsmechanismus zu gestalten. Wegen der Vielzahl von Maßnahmen werden hier beispielhaft einzelne Teilprozesse vorgestellt. Die Auswahl erfolgte
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dabei anhand der Aussagekraft für die Untersuchung. Auch der Innovationsprozess wird ausgeklammert, da hier wie bereits erwähnt keine Variationen geplant werden mussten. Für eine weitere Studie bietet dieser Prozess jedoch auch viel Material, da er die stabilisierende Wirkung der Selektionsmechanismen deutlich macht.
3.2.3.1 HR-Prozesse In der unten stehenden Tabelle finden sich die untersuchten Teilprozesse zum HR-Prozess ihre Ausprägung im Jahr 2005. Ausgehend von dieser Beschreibung wurden die Variationen entwickelt. Teilprozesse 1 (HR) Strategische Personalplanung Personalmarketing Personalrekrutierung
Probezeit/Einarbeitung Strategische Personalentwicklung Operative Personalentwicklung Trennung von Mitarbeitern Personaladministration
Abbildung 4: Teilprozesse HR
Stand 2005 Nicht vorhanden Nicht vorhanden ½ Stelle MA bekommt den Auftrag, Anzeigen zu schalten, 2 Freiwillige helfen bei den Auswahlgesprächen, BL und GF entscheiden. Kriterien werden nicht klar benannt. Begrüßung durch den BL und das Team, keine Einarbeitungspläne, keine systematische Eignungsüberprüfung während der Probezeit Nicht vorhanden Bei Bedarf werden externe Seminare gebucht Ungeregelt Keine einheitliche Lohn- und Gehaltsregelung, Einzelabsprachen, Zeugnisse werden von BL geschrieben, keine Vorlagen
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Strategische Personalplanung Um Kompetenzen aufbauen zu können, ist es hilfreich strategische Personalplanung zu betreiben. Abgeleitetet von den Zielen der Organisation wird sowohl quantitative Ressourcenbedarf benannt als auch ausgeführt, welche Fähigkeiten die Organisation benötigt, um die angestrebten Ziele erreichen zu können. Werden Kapazitätslücken identifiziert, entscheidet man, ob man Stellen aufstockt, neues Personal einstellt oder sich zeitweilig Kapazitäten (Zeitarbeitskräfte) zukauft. Identifiziert man Wissenslücken, entscheidet man, ob man Menschen mit dem erforderlichen Wissen rekrutiert, bestehendes Personal ausbildet oder einen Wissensträger für einen gewissen Zeitraum als Ressource einkauft (z. B. einen Arbeitsrechtspezialisten, einen Steuerberater usw.). Wird diese strategische Personalplanung nicht betrieben, erlebt die Organisation immer wieder Phasen, in denen die auftretenden Lücken geschlossen werden müssen, was Stress auslösen kann. Die untersuchte Organisation betrieb 2005 keine strategische Personalplanung, die empfohlene Variation war die Einführung einer solchen Planung.
Entwicklung strategische Personalplanung 2005-2009 Der Vorschlag eine strategische Personalplanung einzuführen, wurde mit Verweis auf die geringe Planungsbereitschaft des Aufsichtsrats abgelehnt. Auch der Vorschlag regelmäßige HR-Konferenzen durchzuführen, um im Kernteam einen Überblick über die aktuell bestehenden Fähigkeiten von Personen und deren Entwicklungsmöglichkeiten zu bekommen, ist bisher nicht realisiert worden. Das Kernteam führt jährlich moderierte Strategieklausuren durch, es kommt aber lediglich zur Ableitung von produktorientierten und quantitativen Zielen. Variationen negativ selektiert Die strategischen Themen stehen im Widerspruch zur Idee der „raschen Umsetzbarkeit“ Sie entwickeln keinen unmittelbaren Kundennutzen Selektionstyp: normativ, kollektiv, kulturbasiert
Personalmarketing Personalmarketing unterstützt die Rekrutierungsprozesse von Organisationen. Da es sich bei der untersuchten Organisation um eine KMU handelt, die als eine verbandliche GmbH-Ausgründung zwar wirtschaftlich handelt, aber gleichzeitig nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen gesehen wird, werden relativ geringe Gehälter gezahlt. Dies macht die Rekrutierung von erfahrenen Arbeitskräften
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fast unmöglich. Es werden viele Berufsanfänger eingestellt. Um möglichst gute Arbeitskräfte rekrutieren zu können und damit den eigenen Qualifizierungsaufwand gering zu halten, sollte die Organisation über einen gewissen Bekanntheitsgrad und ein gutes Image verfügen. Diese Aufgabe erfüllt das Personalmarketing. Die untersuchte Organisation betreibt 2005 kein Personalmarketing, die empfohlene Variation war die Einführung entsprechender Instrumente.
Entwicklung Personalmarketing 2005-2009 Im Bereich Personalmarketing hat die Organisation bis 2009 erfolgreich Aktivitäten in die Tat umgesetzt. Es gibt gezielte Präsentationen auf AuszubildendenMessen, Vorträge des Geschäftsführers an Fachhochschulen, eine Netzwerkstrategie, die beschreibt, wie man auf eigene Kontakte zurückgreifen kann, um Diplomanden, Praktikanten oder neue Mitarbeiter zu gewinnen. Gemeinsam wurde überlegt, welche Fähigkeiten in den nächsten Monaten benötigt werden und an welchen Orten Menschen sein könnten, die diese Fähigkeiten haben. Es wurde auch eine Analyse des Fachzeitschriftenmarktes vorgenommen, um Personalanzeigen gezielter zu schalten als bisher.
Variationen positiv selektiert Knüpft an bestehende Werte an, ist neu und erfordert kreatives Denken Passt in bestehende Prozesse Selektionstyp: interdependent, kollektiv, kultur- und strukturbasiert
Operative Personalentwicklung Die Qualifizierung von Personen durch „training on the job“, Seminare, regelmäßiges Feedback etc. ist notwendig, um Personen für ihre Aufgaben zu befähigen. Diese Form von individuellem Kompetenzaufbau wurde in der Organisation teilweise betrieben. Einzelne Mitarbeiter wurden in externe Seminare entsendet. Mit der Notwendigkeit, die Teamleiter zu qualifizieren, entstand zum ersten Mal die Idee, eine firmeninterne Qualifizierung systematisch aufzubauen. Geplante Variation zur Erhöhung der Entwicklungskompetenz war nach der Durchführung der internen Seminare für Teamleiter die Umsetzung von Seminaren für Kernteammitglieder. 2007 wurden zusätzlich Seminare für Mitarbeiter angeboten. Einführung von Mitarbeiterjahresgesprächen mit Erhebung der Qualifizierungswünsche und Erarbeitung eines Multiplikatorenkonzepts.
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Entwicklung operative Personalentwicklung 2005-2009 In der operativen Personalentwicklung hat sich ein stabiler Prozess entwickelt, der mit Einführung der Mitarbeitergespräche angeschoben wurde. In den jährlichen Mitarbeitergesprächen werden regelmäßig die Qualifizierungswünsche der Mitarbeiter erfasst, sie dienen als Grundlage zur Entwicklung eines InhouseSeminarangebots. Ab 2008 begannen einzelne Kernteammitglieder und Teamleiter, Inhalte der selbst erlebten Trainings in ihren eigenen Bereichen in Form von Workshops an die Mitarbeiter weiter zu geben. 2009 wurde dann ein dreiteiliges Train-the-Trainer-Seminar durchgeführt, in dessen Verlauf die Teilnehmer Wissen zur Konzeption und Umsetzung von kleineren Trainings aufbauten. 2008 wurde ein Mitarbeiter ausgebildet, um die Bedarfserfassung zu steuern, auszuwerten und in ein Qualifizierungsprogramm zu überführen. Dies erschien notwendig, um den externen Berater von dieser Aufgabe zu entbinden und dem Selektionsmechanismus „Bürokratieverbot“ zu entgehen. Leider hat die ausgebildete Person das Unternehmen verlassen, so dass der Berater für 2009/2010 beauftragt wurde, das Qualifizierungsangebot zu betreuen, bis ein Ersatz eingearbeitet ist. Dies ist ein typischer Fall von ungeplanter Variation. Das angestrebte Ziel, mindestens 50% der Inhouse-Seminare durch Interne bestreiten zu lassen, ist bisher nicht erreicht worden. Vorwiegend Führungskräfte aus dem Kernteam und einige Teamleiter sind bereit, Seminare zu entwerfen und umzusetzen, Mitarbeiter (bis auf eine Ausnahme) noch nicht. Zwei geplante Umfragen mit dem Ziel, potenzielle Trainer für InhouseTrainings zu identifizieren, wurden von den Mitarbeitern abgelehnt (Normalerweise haben Umfragen in dieser Organisation eine Rücklaufquote von 90%). Vermutlich wurden sie abgelehnt, weil Seminare als eine Form von Zuwendung definiert werden, die diesen Charakter verlieren, wenn man die Seminare selbst macht (normative Selektion). Die Konzeption und Umsetzung von Trainings werden offenbar nicht als eine Form von persönlicher Weiterentwicklung gesehen. Im Gegensatz dazu haben Mitarbeiter begonnen, Seminare für Verbandsmitglieder anzubieten, das heißt, sie trauen sich diese Form von Arbeit sehr wohl zu.
Variationen weitgehend positiv selektiert Etwas Neues lernen ist positiv besetzt Führungskräfte werden als Wissensträger und Ausbilder anerkannt Selektionstyp hierarchisch, normativ kollektiv, kultur- und strukturbasiert
Die Ausnahme: Für die umgesetzten Seminare, Praxistage und Workshops gibt es umfassende Dokumentationen. Auf Grund des Bürokratieverbotes ist es der
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Organisation bisher nicht gelungen, dieses Material zentral zu speichern. Gleiches gilt für die in den Workshops selbst entwickelten Tools. Speicherung und Dokumentation werden durch zwei Selektionstypen bedroht: Bürokratieverbot (bewusst, kollektiv, normativ) und Neuigkeitswunsch (nur Neues wird positiv selektiert; Vertiefung von Bestehendem wird negativ selektiert). Die Einrichtung einer Lernplattform im Intranet ist negativ, interdependent selektiert worden (wurde nicht von IT unterstützt, gleichzeitig wirkt das Bürokratieverbot). Insgesamt lässt sich für den HR-Prozess festhalten, dass es an vielen Stellen gut gelungen ist, Variationen zu initiieren, und dass das Unternehmen im Aufbau seiner Entwicklungskompetenz deutlich vorangeschritten ist. Kritisch für den Aufbau der Entwicklungskompetenz ist die Ablehnung der Beschäftigung mit strategischen Fragestellungen zu bewerten.
3.2.3.2 Lernprozess Management In Bezug auf das Lernprozess-Management lässt sich festhalten, dass viele der damit verbundenen Teilprozesse zu Beginn durch die externe Beratung in das Unternehmen eingeführt wurden, der Fremdheitsgrad des Themas intern also sehr groß war. Das Unternehmen hatte keine Vorstellung davon, wie ein solcher Prozess aussehen könnte. Entsprechend waren 2009 die entsprechenden Teilprozesse und Ressourcen nicht vorhanden. Teilprozesse Lernen Prozessdesign entwickeln Lernauslöser bestimmen Promotoren finden Lernträger definieren Lernimpulse setzen Lernergebnisse sichern Lernebenen bedienen
Stand 2005 Nicht vorhanden Analyse durch externe Beratung Geschäftsführung unterstützt den Prozess Auftrag Teamleiter zu schulen Analyse durch externe Beratung Nicht vorhanden Noch nicht bedient
Abbildung 5: Teilprozesse Lernen Die initiierten Variationen und ihre Wirkungen werden im Folgenden wieder beispielhaft an drei Teilprozessen (Prozessdesign, Promotoren, Lernträger) aufgezeigt.
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3.2.3.3 Prozessdesign Die Entwicklung eines Prozessdesigns für den Aufbau von Lernprozessen mit großer Reichweite ist unerlässlich (Schott, 2003), weil der Komplexitätsgrad dieser Prozesse sehr hoch ist. Die vorausschauende Planung ist wichtig, um Ressourcen zum Umgang mit ungeplanten Variationen frei zu haben, die im Verlauf des Prozesses auftauchen können. Durch die Definition von anzustrebenden Prozesszielen und die gedankliche Vorwegnahme von Aktionen, Interventionen, Ressourceneinsatz, Verteilung von Aufgaben, Identifikation von Akteuren und einer zeitlichen Planung, gelingt es, Reaktionen des Systems rechtzeitig einzuordnen, bevor sich unerwünschte Wirkungen entfalten. Das Prozessdesign erlaubt es, durch gezielte Aktionen zum richtigen Zeitpunkt, Selektionsmechanismen sinnvoll zu stärken oder abzuschwächen. Zum Prozessdesign gehören ein klassisches Projektmanagement zur Umsetzung und darüber hinaus Reflexionsschleifen, um das Soll und Ist der Planung permanent abzugleichen. Das Prozessdesign erfordert einen systemischen Blick auf die Organisation, um die geeigneten Maßnahmen auf der kulturellen und strukturellen Ebene entwickeln zu können.
Entwicklung Prozessdesign 2005-2009 2005 war die ABC GmbH nicht in der Lage, eigenständig ein Prozessdesign für diese Lernprozesse zu entwickeln. Es wurden Ziele gesetzt und Einzelmaßnahmen erfolgreich initiiert. Es gab aber kein Bewusstsein in Bezug auf die zusätzlichen Komponenten des Prozessdesigns, so dass diese keine Beachtung fanden. Die Konsequenz daraus war, dass Einzelaktionen umgesetzt wurden, aber in ihren systemweiten Auswirkungen ungeplante Variationen erzeugten, die teilweise negative Folgen für die Organisationen hatten. Trotz mehrerer Trainings der Führungskräfte zu den Themen Planung und Gestaltung von Veränderungsprozessen hat sich die Planungsfähigkeit bis 2009 nicht wesentlich verbessert. Die Organisation hat ein rudimentäres Verständnis von Veränderungsprozessen und deren Gestaltung entwickelt. Beispielsweise ließ sich beobachten, dass Organisationsmitglieder kleinere Veränderungsprozesse zu vertrauten Themen planvoll umsetzen. Sobald die Prozesse aber komplexer werden, findet keine umfassende Planung statt. Selektionsmechanismen werden nur dann wahrgenommen und berücksichtigt, wenn sie besonders stark sind. Ein anderes Bild zeigt sich hingegen bei der Anwendung von Methoden zur partizipativen Gestaltung von Lern- und Veränderungsprozessen. Hier ist die
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Bereitschaft, vielfältige Impulse zu setzen und die Mitarbeiter frühzeitig aktiv einzubinden, stark gewachsen. Das schlägt sich nachweisbar motivational nieder (Gallup-Studie 2009). Vieles, was die Ebene des Handelns in Entwicklungsprozessen ausmacht, wurde positiv selektiert. Planung hingegen wird negativ selektiert, weil es mit unnötigem administrativen Aufwand und Entschleunigung assoziiert wird (Nachdenken bevor etwas getan werden kann). Variation positiv und negativ selektiert Positive Selektion: normativ, kollektiv, kultur- und strukturbasiert (kreative aktionsorientierte Methoden zur Einbeziehung von Mitarbeitern knüpft an Kompetenzen der Organisation an und kollidiert nicht mit den Werten) Negative Selektion: normativ, individuell, kulturbasiert (planvolles Vorgehen kollidiert mit den Normen ausgewählter Machtpromotoren)
Promotoren Um Lernprozesse von großer Reichweite umsetzen zu können, hilft es, Promotoren zu identifizieren. Zur Absicherung des Gesamtprozesses bedarf es eines oder mehrerer Machtpromotoren, die auf Grund ihres Einflusses und ihrer Entscheidungskompetenzen den Prozess sowohl durch Ressourcenentscheidungen als auch durch die Durchsetzung von unattraktiven Entscheidungen absichern können. Der sichtbare Einsatz von Machtpromotoren für einen Prozess sorgt dafür, dass sich Akteure für den Prozess entscheiden, um sich nicht mit dem Machtpromotor auseinandersetzen zu müssen. Auf Grund spezifischer Aufgaben im Unternehmen gilt es auch, Fachpromotoren zu berücksichtigen, die das nötige Expertenwissen über die Organisation zur Verfügung stellen (IT-Spezialisten, Marketing, Produktentwicklung etc.). Darüber hinaus bedarf es eines oder mehrerer Prozesspromotoren. Sie haben die Aufgabe, das Prozessdesign zu entwickeln, die notwendigen Maßnahmen in Abstimmung mit den übrigen Promotoren (und den ggf. zu bildenden Steuerungsgruppen) zu initiieren. Sie überwachen den Prozess und seine Wirkungen, um rechtzeitig intervenieren zu können.
Entwicklung Promotoren 2005 - 2009 Die ABC GmbH verfügte 2005 über Macht- und Fachpromotoren. Der Prozess wurde durch Machtpromotoren in den wesentlichen Aspekten unterstützt. 2005 gab es noch keine Prozesspromotoren. In einer geplanten Variation wurde die Kompetenz durch Seminare, Vorträge und Workshops zunehmend in die Organisation hineingetragen. 2009 ist über die Hälfte der Führungskräfte in der Lage,
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kleinere Lernprozesse zu initiieren. Außerdem gibt es einen Fachpromotor, der seinerseits durch die schrittweise Einführung von Prozessmanagement die Fähigkeiten der Organisation in Bezug auf Routinen und Speicherung erhöht. Variation nur teilweise positiv selektiert Selektionstyp: normativ, individuell, kulturbasiert (Bürokratieverbot)
Lernträger Lernträger sind Individuen, die von der Organisation zum Lernen beauftragt werden. Da Organisationen nicht als Entität lernen können, sind sie auf Lernsubstitution angewiesen. Die systematische Auswahl und gezielte Beauftragung von Personen als Lernende im Auftrag der Organisation ist die Voraussetzung dafür, dass neues Wissen erworben werden kann.
Entwicklung Lernträger 2005-2009 Zum Startpunkt der Untersuchung im Jahr 2005 war es in der untersuchten Organisation nicht üblich, dass einzelne Personen gesteuert lernten. Es fand keine systematische Beauftragung statt, so dass zwar Individuen Wissen erwarben, dies aber nur in Bruchteilen in der Organisation ankam und in der Regel nicht gespeichert wurde. Wenn also Personen die Organisation verließen, ging deren Wissen für das Unternehmen verloren. 2009 ist ein Bewusstsein für dieses Phänomen vorhanden. Menschen, die im Auftrag der Organisation lernen, haben vor dem Besuch eines Seminars ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten. Auf Basis eines Leitfadens werden gemeinsam Lernziele ermittelt, deren Erreichung nach Abschluss des Lernprozesses überprüft wird. Zur Streuung des neuen Wissens halten Lerner Vorträge für Kollegen und setzen interne Seminare um. Variation positiv selektiert (Beauftragung von Lernträgern) Selektionstyp: normativ, kollektiv, kultur- und strukturbasiert (Neues lernen, Kundennutzen erhöhen) Die Speicherung von Wissen ist noch nicht befriedigend gelöst. Nach wie vor kann es vorkommen, dass Wissen verloren geht oder nicht allen Organisationsmitgliedern zugänglich ist. Dadurch sind die implementierten HR-Teilprozesse (z. B. Rekrutierung, Einarbeitung, Entwicklung) in ihrem Fortbestehen gefährdet. Variation negativ selektiert (Dokumentation und Speicherung)
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Selektionstyp: normativ, kollektiv, kulturbedingt (Bürokratieverbot, kein direkter Kundennutzen) Ungeplante Variation: Gerüchte stoppen die Teilnahme von Mitarbeitern an bestimmten Lernmaßnahmen, sie sprechen sich selbst die Lernträgerschaft ab. Insgesamt ist das Lernprozess-Management nur punktuell umgesetzt worden und Bedarf immer noch der Unterstützung durch den externen Berater.
Gestaltung von Selektionsmechanismen Wie in den vorausgehenden Ausführungen verdeutlich wurde, sind im Rahmen des Veränderungsprozesses eine Reihe von geplanten Variationen negativ selektiert worden. Unser Beratungsansatz empfiehlt in diesem Fall die Änderung der Selektionsmechanismen in Abhängigkeit vom identifizierten Selektionstyp. Unterschieden haben wir bei den Selektionstypen die akteursbedingte Selektion sowie die kultur- oder strukturbasierte Selektion. Der Selektionstyp bestimmt dabei, auf welcher Ebene die Interventionen ansetzen müssen. So kann zum Beispiel das „Bürokratieverbot“ durch folgende Maßnahmen auf der Akteursebene beeinflusst werden: Permanentes Thematisieren des identifizierten Selektionsmechanismus Initiierung versteckter Interventionen unter Einbeziehung von Akteuren, die diesen Mechanismus nicht aufweisen Bewusstseinsbildung bei Macht- und Fachpromotoren durch Einzelgespräche, Reflexionen, Workshops, Seminare Diese Maßnahmen wirken sich dann wiederum auf Kultur und Struktur aus, wenn beispielsweise der Machtpromotor eine ausführliche Dokumentation befürwortet und strukturell ein entsprechender Prozess mit Prozessverantwortlichen implementiert wird. Grundsätzliches Ziel der Interventionen ist es also, die identifizierten Selektionsmechanismen entweder zu beseitigen, abzuschwächen oder zu umgehen.
4
Erkenntnisse aus der Anwendung des Kompetenzmodells
Mit der Anwendung unseres Beratungsansatzes auf den geschilderten Fall lassen sich nun zentrale Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Modells und für die Beratungspraxis ableiten.
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In der Anwendung des Kompetenzmodells hat sich gezeigt, dass die Aufteilung der angestrebten Kompetenz in verschiedene hierarchische Ebenen (strukturelle Dimension) für die Beratung sehr hilfreich ist. Aus dem komplexen Kompetenzkonzept werden so handhabbare und gestaltbare Komponenten abgeteilt, die beschrieben und geändert werden können. Diese Definition der Kompetenzstruktur liefert eine gute Grundlage für die Planung von Variationen auf Prozess- und Ressourcenebene. Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass für die Arbeit in der Praxis eine noch stärkere Untergliederung der Prozesse in weitere Teilprozesse erforderlich ist (siehe beispielsweise Ausdifferenzierung des HRProzesses). Wir konnten bestätigen, dass erfolgreiche Veränderungen des Kompetenzportfolios möglich sind, indem geplante Variationen auf den Ebenen der Prozesse und Ressourcen vorgenommen werden. Bestätigt hat sich auch, dass die identifizierten internen Selektionsmechanismen berücksichtigt werden müssen, um Variationen erfolgreich umzusetzen. Hierfür ist es hilfreich, einen Prozess des Veränderungslernens zu initiieren. Von großer Bedeutung sind die Erkenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung der Selektionsmechanismen. Um geplant vorgehen zu können, ist die genaue Untersuchung der Selektionsmuster der Organisation unabdingbar. Wir haben jedoch festgestellt, dass im Verlauf der Einführung von Variationen immer wieder Selektionsmechanismen wirksam wurden, die trotz gründlicher Analyse vorab nicht erfasst werden konnten. Sie sind latent und deshalb in der Organisation nicht einfach aufzuspüren. Erst durch die Kombination verschiedener Aktivitäten und die damit verbundenen Irritationen im System werden sie aktiviert. Das im Evolutionsmodell bereits beschriebene Phänomen dezentraler weit gestreuter Selektionsmechanismen wurde im ausgearbeiteten Beratungsansatz offensichtlich nicht ausreichend berücksichtigt. Es erwies sich als nicht praktikabel, im Vorfeld alle Selektionsmechanismen zu einem „Selektionsprofil“ zusammen zu fassen (Fearns/Schott 2007). Wir ziehen daraus den Schluss, dass die erfolgreiche Arbeit am Kompetenzportfolio einer Organisation voraussetzt, dass über den Entwicklungsprozess der Kompetenzen hinweg eine permanente Beobachtung des Systems im Hinblick auf Selektion erfolgen muss. Hier ist der Beratungsansatz entsprechen zu ergänzen. Spezifizieren lässt sich unser Modell nun auch in Bezug auf die Rolle zentraler Personen. Es ließ sich beobachten, dass Machtpromotoren sehr erfolgreich positiv und negativ selektieren und dies ungleich relevanter ist als die Selektion anderer Individuen in Organisationen. Dies mag zunächst trivial erscheinen, ist aber für die Analyse der Selektionsmuster bedeutsam. Wir empfehlen, ein be-
Kompetenzmanagement live!
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sonderes Augenmerk auf die Selektionsmuster der Machtpromotoren zu richten und die geplante Vorgehensweise spezifisch darauf auszurichten. Als hilfreich hat es sich erwiesen, den Akteuren die Chance zur Metareflexion einzuräumen, ihr Wissen in Bezug auf Selektionen auszuweiten und dadurch ihre Wahrnehmungskompetenz zu erhöhen. So wird die Wirksamkeit von unbewussten Selektionen deutlich minimiert. Für die Beratung von Unternehmen, die Kompetenzen aufbauen wollen, sind aus unserer heutigen Sicht also die folgenden Schritte erforderlich: Gewünschte Kompetenz in definierte und erfolgskritische Teilprozesse zerlegen (Definition der Kompetenzstruktur) Soll-Ist-Analysen durchführen, Variationen planen und initiieren Selektionsmatrix der Organisation anlegen Machtpromotoren und deren Selektionskriterien identifizieren Selektionskriterien während des Prozesses überprüfen und Selektionsmatrix fortlaufend ergänzen Beteiligten Akteuren die eigenen Selektionskriterien verdeutlichen Zu guter Letzt wollen wir noch eine grundsätzlich Bemerkung zum Aufbau von Meta- oder Entwicklungskompetenzen in KMU machen. Aufgrund der hohen Anforderungen, die sich insbesondere aus der Steuerung des unserer Meinung nach erforderlichen Lernprozesses ergeben, stellt sich uns die Frage, ob das Unternehmen selbst tatsächlich eine solche Fähigkeit aufbauen muss oder ob hier der Zukauf von externem Wissen in Bezug auf Effizienz und Qualität des Prozesses nicht Ziel führender ist.
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358
Hanna Fearns/Martina Schott
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Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale eines identitätsbasierten Markenmanagements
1
Einleitung und Problemstellung............................................................361
2
Grundlagen von Markenführungskompetenzen im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagements ..........................362
3
Fundierung von Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale einer identitätsbasierten Markenführung............366
4
Empirische Befunde zur Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg...........................371 4.1 Kompetenzprofile von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Markenorganisationen .........................................372 4.2 Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg .............................................................................376
5
Zusammenfassung und Fazit.................................................................383
Literatur............................................................................................................383
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
1
361
Einleitung und Problemstellung
Marken stellen heute mehr als Images oder mit Zeichenbündeln markierte Produkte in einer funktional-qualitativ hochwertigen Hülle dar. In der betriebswirtschaftlichen Forschung werden Marken aufgrund ihrer Kaufverhaltensrelevanz als wichtige Vermögensgegenstände eines Unternehmens gekennzeichnet (u. a. Aaker/Joachimsthaler 2000, 19; Hammann 2002, 344). Dies wird durch empirische Studien belegt.1 Sie tragen nachhaltig zur Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs bei, indem sie für Nachfrager über einen längeren Zeitraum einen Zusatznutzen stiften, der spezifische (oftmals vor allem symbolische) Bedürfnisse befriedigt. Primäres Ziel der Markenführung ist somit die nachhaltig positive Beeinflussung des Nachfragerverhaltens durch Generierung eines Zusatznutzens. Trotz der Fortschritte in der Entwicklung der Markenforschung in den letzten 60 Jahren liegt der Markenführung in einer Vielzahl von Unternehmen immer noch ein veraltetes und verkürztes Verständnis zugrunde. Marken und ihre Führung werden häufig auf kommunikationspolitische Aspekte reduziert (vgl. zu einer Studie, die diese Ausrichtung beschreibt Lensker 2004). Eine Verankerung der Markenführung in der strategischen Unternehmensführung findet bislang ebenso selten statt wie eine Nutzung der Erkenntnisse aus der kompetenzorientierten Theorie der Unternehmung (Freiling 2004a; Gersch et al. 2005). Dies überrascht, da aus der Perspektive des Ressource- and Competence-based Views die Identifikation und zielgerichtete Gestaltung von Kompetenzen den Kern aller Markenführungsaktivitäten darstellen sollte (Hammann 2002, 350; Burmann/Meffert 2005a, 41). So stellen auch Freiling und Welling in einem der wenigen Beiträge, die versuchen, die beiden Themengebiete der Kompetenzforschung und der Markenforschung zu verknüpfen, die große Bedeutung einer „momentan noch nicht diskutierten kompetenzbasierten Markenführung“ heraus (Freiling/Welling 2005, 106). Die Defizite in der Kompetenzorientierung weiter Teile der Markenforschung sind auffallend. Sie beginnen mit einer diffusen Abgrenzung wesentlicher Konstrukte (z. B. Kompetenzen, Kernkompetenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten), die zu Recht als „Begriffswirrwar“ bezeichnet werden kann (Freiling/ 1
Eine von BOOZ ALLEN HAMILTON und WOLFF OLINS europaweite unter 1.700 Marketing- und Vertriebsleitern durchgeführte Befragung ergab, dass der operative Gewinn bei rund 80% der mit starkem Markenfokus geführten Unternehmen fast doppelt so hoch ist wie im Branchenvergleich. Die Eigenkapitalrendite starker Marken war in dieser Untersuchung mit 19% mehr als doppelt so hoch wie bei schwachen Marken (Harter et al. 2005).
362
Christoph Burmann/Lars Blinda
Welling 2005, 105). Die Schwierigkeiten in der terminologischen Abgrenzung führen zu einer Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich der Frage, welche Kompetenzen einer Unternehmung als Markenführungskompetenzen bezeichnet werden können. Schließlich mangelt es bisher auch an empirischen Untersuchungen zu den Wirkungen von Markenführungskompetenzen auf die Bewährung von Unternehmen und ihren Marken im Wettbewerb. Eine systematische Einbettung der Ressourcen- und Kompetenzforschung in die Markenführung steht somit noch aus. Dieser Beitrag knüpft an einen SKM-Beitrag von Burmann/Blinda/Lensker (2006) an, der erste konzeptionelle und empirische Erkenntnisse einer Untersuchung von Blinda (2007) zu Markenführungskompetenzen darlegte. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die im SKM-Jahrbuch (Burmann/Freiling/ Hülsmann 2006) geschilderten Erkenntnisse vor allem durch empirische Befunde zu Erfolgswirkungen von Markenführungskompetenzen zu ergänzen. Damit soll ein weiterer Beitrag zur Erforschung von Markenführungskompetenzen und ihren Wirkungen geleistet werden. Als Grundlage dient der Competence-based View (CBV) (u. a. Collis 1991; Grant 1991; Heene/Sanchez 1997; Freiling 2004a; Gersch et al. 2005) sowie der identitätsbasierte Markenführungsansatz (Kapferer 1992; Meffert/Burmann 1996; Burmann et al. 2003; Burmann/Meffert 2005a). Der CBV gehört zu den am weitesten entwickelten Ansätzen der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung. Der identitätsbasierte Markenführungsansatz ist durch seine Innenund Außenorientierung als einziger, derzeitiger Markenführungsansatz der Marketingliteratur geeignet, die Erkenntnisse des CBV zu integrieren.
2
Grundlagen von Markenführungskompetenzen im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagements
Aus der Perspektive der identitätsbasierten Markenführung kann der Terminus „Marke“ wie folgt definiert werden: „Eine Marke ist ein Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht der relevanten Zielgruppen nachhaltig differenziert“(Burmann et al. 2005, 7 in Anlehnung an Keller 1993, 2). Dabei konstituiert sich das Nutzenbündel „Marke“ stets aus materiellen und immateriellen Komponenten. Die Nutzengenerierung einer Marke erfolgt durch eine Bündelung von physisch-funktionalen Nutzenkomponenten und symboli-
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
363
schen Nutzenkomponenten. Hieraus entspringt die komplexe Herausforderung für Unternehmen, Marken in ihren physisch-funktionalen und symbolischen Dimensionen so zu gestalten, dass sie den Ansprüchen der Kunden wettbewerbsüberlegen gerecht werden. Dies ist jedoch bspw. weder allein durch kommunikationspolitische Instrumente des Marketings noch durch ingenieursgetriebene Innovationen möglich. Lediglich eine holistische Perspektive und die Verzahnung aller markenrelevanten Aktivitäten vermag das gesamte Wirkungspotenzial von Marken zu erschließen. Dies bedingt bei Unternehmen die Existenz von Kompetenzen2 als spezifische organisationale Handlungspotenziale entlang eines ganzheitlichen Markenmanagementprozesses sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene der Unternehmensführung. Sie repräsentieren das Bindeglied zwischen dem Markt und den Ressourcen einer Unternehmung (Teece et al. 1997, 515). Diese Handlungspotenziale ermöglichen es einer Unternehmung, markenbezogene Inputgüter3 und Ressourcen4 zu bündeln und ihr Potenzial relativ zum Wettbewerb ebenbürtig oder sogar in überlegener Weise auszuschöpfen. An dieser Stelle wird deutlich, dass Marken als Ressourcen eines Unternehmens erst durch entsprechende Kompetenzen entstehen, dem Markt zugeführt und im Zeitablauf verändert werden können. Dabei beruhen sie auf gezielten sozialen Interaktionen und einem nicht nur zufälligem Verhalten von zwei oder mehr Personen (Freiling 2004a, 13). Die Qualität der Markenführungskompetenzen entscheidet letztlich direkt über den Markterfolg von Marken. Das Konzept der identitätsbasierten Markenführung geht somit über die einseitige Ausrichtung auf die Wahrnehmung der Marke beim Nachfrager (Fremdbild) hinaus. Die Outside-in-Perspektive der Marke wird hier um eine Insideout-Perspektive ergänzt. Diese analysiert das Selbstbild der Marke aus Sicht der internen Zielgruppen der markenführenden Institution. Die Markenidentität wird 2
3
4
Nach Gersch/Freiling/Goeke (2005) können Kompetenzen als „wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete, und daher nicht zufällige Handlungspotenziale einer Organisation, die zielgerichtete Prozesse sowohl im Rahmen der Disposition zukünftiger Leistungsbereitschaften als auch konkreter Marktzufuhr- und Marktprozesse ermöglichen. Sie dienen dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsfähigkeit und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile“definiert werden (Gersch et al. 2005, 48). „Inputgüter sind homogene, prinzipiell marktgängige, unternehmensextern oder- intern erstellte Faktoren, die den Ausgangspunkt weiterer Verwertungs- oder Veredelungsaktivitäten bilden.“ (Gersch et al. 2005, 45). „Ressourcen sind das Ergebnis durch Veredelungsprozesse weiter entwickelter Inputgüter, die wesentlich zur Heterogenität der Unternehmung und zur Sicherstellung aktueller und zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung beitragen (sollen).“ (Gersch et al. 2005, 46).
364
Christoph Burmann/Lars Blinda
aus der Perspektive des identitätsbasierten Markenmanagements als eine Sonderform der Gruppenidentität interpretiert (Burmann et al. 2003, 16). Die Gruppenidentität drückt sich in gemeinsamen Werten, Überzeugungen, Eigenschaften und Verhalten aus, welche die Gruppe von anderen abgrenzt und differenziert. Das die Marke tragende Personenkollektiv (zum Beispiel Markeninhaber, Führungskräfte, Mitarbeiter) verfügt demzufolge über eine eigene, die Marke erschaffende und prägende Identität (vgl. Abb. 1). Führungsebene: Markenidentität als Erklärungs- und Führungskonzept:
Wirkungsebene: Markenimage als Marktwirkungskonzept
Vision Wohin wollen wir?
Markenversprechen (Positionierung)
Wie treten wir auf?
Werte Woran glauben wir?
Kompetenzen
Leistungen Was tun wir?
Persönlichkeit
Was können wir?
Markenerwartungen
Funktionale Nutzenassoziationen der Marke
Marke-KundenBeziehung Markenverhalten (Mitarbeiter)
Symbolische Nutzenassoziationen („Sinn“) der Marke
Markenerlebnis
Markenattribute
Herkunft
Woher kommen wir?
Markenbekanntheit
Selbstbild der internen Zielgruppen
Fremdbild der externen Zielgruppen
Abbildung 1: Grundkonzept der identitätsbasierten Markenführung Die Identität ist die eigentliche Substanz einer Marke, auf der ihre Differenzierungskraft beruht. Meffert und Burmann definieren die Markenidentität als eine „in sich widerspruchsfreie, geschlossene Ganzheit von Merkmalen einer Marke, die diese von anderen dauerhaft unterscheidet“ (Burmann/Meffert 2005a, 49). Sie bringt die wesensprägenden und charakteristischen Merkmale einer Marke, für die eine Marke zunächst nach innen und später auch nach außen stehen soll, zum Ausdruck. Der Markenidentität kommt insoweit die Funktion eines innengerichteten Führungskonzeptes zu. Die Markenidentität kann auf Basis verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse in sechs Komponenten zerlegt werden
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
365
(Burmann/Meffert 2005a, 56 ff.): Markenherkunft, Markenführungskompetenzen, Markenwerte, Markenpersönlichkeit, Markenvision und Markenleistungen (vgl. Abb. 1). Die Markenidentität soll zunächst das Markenversprechen (Positionierung) und das Markenverhalten (Mitarbeiterverhalten) und anschließend das Markenimage5 bei den Nachfragern prägen. Eine möglichst hohe Konsistenz von Markenidentität und Markenimage ist die Grundlage für die Identifikation der Nachfrager mit einer Marke und damit für die Entstehung einer festen MarkeKunden-Beziehung. Sie ist umso stabiler, je besser das Markenversprechen zu den Markenerwartungen der Nachfrager passt, das Markenversprechen im täglichen Verhalten der Marke und ihrer Mitarbeiter eingelöst wird und damit das Markenversprechen von den externen Zielgruppen an allen Markenkontaktpunkten tatsächlich erlebbar ist. Die Aufgaben der Markenführung bedingen eine Vielzahl komplexer Tätigkeiten und Maßnahmen, welche nur dann zur Zielerreichung für das Unternehmen führen können, wenn sie auf entsprechenden Kompetenzen basieren und in hinreichend stabile Prozesse eingebettet sind (vgl. Abb. 2). Diese Prozesse dienen der Planung, Umsetzung, Koordination und Kontrolle aller Maßnahmen zum Aufbau und der Pflege (Burmann/Meffert 2005b, 75). Die Gesamtheit der mit der identitätsbasierten Markenführung einhergehenden Prozesse kann entsprechend der Darstellung in Abbildung 2 strukturiert werden. Dieser Ablauf systematisiert die Aktivitäten anhand ihrer zeitlichen Folge. Zunächst werden im strategischen Markenmanagement die Grundsatzentscheidungen über die Ziele und das Wesen der Corporate Brand und der übrigen Marken eines Unternehmens getroffen sowie die grundlegenden Verhaltenspläne zur Erreichung dieser Ziele festgelegt. Das operative Markenmanagement hat die Aufgabe der konkreten Ausgestaltung aller Markenführungsinstrumente, die sich aus dem strategischen Markenmanagement ableitet. Die Positionierung der Marke entsteht aus den Planungs- und Umsetzungsaktivitäten dieser beiden Teilbereiche. Den dritten Teilbereich stellt das Marken-Controlling dar. Dessen Aufgabe ist die Informationsversorgung aller an der Markenführung beteiligten Personen und die Beurteilung aller Markenmanagementaktivitäten hinsichtlich der Effektivität und Effizienz (Burmann/Kullmann 2005).
5
Das Markenimage erfasst die Wahrnehmung externer Zielgruppen von der Marke und ist ein „in der Psyche relevanter Zielgruppen fest verankertes, verdichtetes, wertendes Vorstellungsbild von einer Marke“ (Burmann/Meffert 2005a, 53). Da es sich um ein Marktwirkungskonzept handelt, kann sich ein aus Sicht des Unternehmens zielführendes Markenimage erst durch die externe Vermittlung der intern konzipierten Markenidentität bilden.
366
Christoph Burmann/Lars Blinda
2. Operatives Markenmanagement
Situationsanalyse:
Intern
Markenziele
Markenorientiertes Personalmanagement
Markenidentität der Corporate Brand
Markenarchitektur
Markenevolution
Extern
Markenidentität der übrigen Marken
Innengerichtete Kommunikation
Positionierungskonzept
Markenorientierte Mitarbeiterführung
Markenleistungen Markenintegration
(Nachfrager, Wettbewerb, eigene Marken)
Markenkommunikation
Markenpricing
Rechtliche Absicherung
1. Strategisches Markenmanagement
Markendistribution
Markenorganisation
Markenberichtswesen
Markenerfolgsmessung
3. Marken-Controlling
Abbildung 2: Ablauf der identitätsbasierten Markenführung (i. A. a. Burmann et al. 2003, 10)
3
Fundierung von Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale einer identitätsbasierten Markenführung
Die Markenidentität kann nur dann differenzierend und kaufverhaltensrelevant wirken, wenn das Markenversprechen durch das tatsächliche Markenverhalten der Mitarbeiter eingelöst wird. Markenführungskompetenzen nehmen als Identitätskomponente eine exponierte Stellung ein, da sie diese Leistungsfähigkeit ermöglichen und damit die Wettbewerbsfähigkeit und potenziell den spezifischen Wettbewerbsvorteil einer Marke begründen. Burmann und Meffert führen diesbezüglich an, dass „als Kernbestandteil [der Identität] […] die Kompetenz einer Marke als wichtige Voraussetzung für die Gewinnung des Vertrauens der Nachfrager“ interpretiert werden kann (Burmann/Meffert 2005a, 42).
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
367
Die Markenführungskompetenz(en) als Komponente der Markenidentität lässt sich unmittelbar aus den sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen von MEAD ableiten. Hiernach sind die Fähigkeiten einer Person(engruppe) identitätsstiftend, da sie sich besonders als Mittel der Abgrenzung zu anderen eignen. In diesem Kontext führt Mead aus: „Wir verändern Dinge durch Fähigkeiten, die andere Menschen nicht haben. Solche Fähigkeiten machen uns effektiv. Die unmittelbare Handlung bringt ein Gefühl der Überlegenheit, der Behauptung der eigenen Identität mit sich. Die Überlegenheit ist ein nicht zu erreichendes Ziel, sie ist ein Mittel, die eigene Identität zu behaupten. Wir müssen uns von anderen Menschen unterscheiden, und das geschieht dadurch, daß [!] wir etwas tun, das andere Menschen nicht oder nicht so gut tun können“ (Mead 1978, 252). Diese Fähigkeiten sind somit als das Handlungspotenzial im Sinne von organisationalen Fähigkeiten einer markenführenden Organisation zu verstehen. Sie geben Auskunft, ob und wie ein Unternehmen in der Lage ist, Inputgüter zu Markenressourcen zu veredeln, einer sinnvollen Nutzung zuzuführen und ihr vorhandenes Wirkungspotenzial auszuschöpfen (Vgl. in diesem Kontext ähnlich Freiling 2001a, 23). Ziel bei der Entwicklung und Ausgestaltung der Markenführungskompetenzen ist die Sicherstellung des versprochenen Markennutzens durch das Ermöglichen eines markenkonformen Verhaltens an allen Markenkontaktpunkten der externen Zielgruppen (vgl. Abb. 3). Erst diese Konsistenz lässt Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Marke entstehen und bildet die Grundlage für eine stabile Marke-Kunden-Beziehung und letztendlich den Markenerfolg. Bei der terminologischen Abgrenzung von Markenführungskompetenzen soll der Definition von Freiling und Welling (2005) gefolgt werden, die sich an die Kompetenzdefinition von Gersch/Freiling/Goeke (2005) anlehnen. Danach können Markenführungskompetenzen definiert werden als: „wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotentiale einer markenführenden Organisation, die diejenigen Prozesse (vgl. Abb. 2) zielgerichtet ermöglichen, die im Zusammenhang mit den Aufgaben der Markenführung dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsbewährung und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile der markenführenden Organisation dienen“ (in enger Anlehnung an Freiling/Welling 2005, 125).
368
Christoph Burmann/Lars Blinda
Markenidentität
Markenversprechen (Positionierung)
Persönlichkeit Werte
Markenführungskompetenzen
Markenleistung
Vision
Sichern die Leistungsfähigkeit der Marke ab
Image der Nachfrager
Konsistenz
Vertrauen in die Marke
Stabile MarkeKundenBeziehung
Herkunft
Markenverhalten (Mitarbeiter)
Markenerfolg
Abbildung 3: Markenführungskompetenzen als Komponente der Markenidentität (Blinda 2007, 107) Markenführungskompetenzen sind aufgrund des Isolationselements der sozialen Komplexität nur schwer imitierbar. Sie können daher ebenso wenig ohne weiteres substituiert werden. Sie ermöglichen einen Ausgleich zwischen den Anforderungen der Nachfrager bzw. des Marktes allgemein einerseits und der markenführenden Institution andererseits. Damit fungieren sie als Steuerungsinstrument mit einem hohen Koordinationspotenzial und ermöglichen es der markenführenden Institution, sich hinsichtlich der Wachstumspotenziale (handelnde Menschen, Wissen, Markenressourcen) weiterzuentwickeln (vgl. ähnlich Freiling/ Welling 2005, 111). Dabei basieren sie gemäß obiger Definition auf Wissensvorsprüngen gegenüber Wettbewerbern (Vgl. zum Wissenskonstrukt im Überblick Burmann 2002, 184-273). Diese Wissensvorsprünge sind stets temporär. Es bedarf somit permanenter Investitionen in die Erneuerung von Markenführungskompetenzen, um mit ihnen verknüpften Wettbewerbsvorteile der Marke zu verteidigen (Burmann et al. 2003, 20 f.). Im Folgenden wird lediglich knapp auf die Herleitung der Strukturierung der Markenführungskompetenzen im Kontext eines identitätsbasierten Markenmanagements eingegangen, da dies bereits ausführlich im Rahmen des SKMBeitrags von Burmann/Blinda/Lensker (2006) beschrieben wurde. Ferner kann hierfür auf die detaillierte Untersuchung von Blinda (2007) verwiesen werden. Als Ausgangspunkt einer Strukturierung von Markenführungskompetenzen dient der Ablauf der identitätsbasierten Markenführung in Abbildung 2. Auf dieser Basis können zunächst sechs Markenführungskompetenzen der identitätsbasierten Markenführung hergeleitet werden (vgl. Abb. 4), die sich in ähnlicher
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
369
Form ebenfalls in anderen Strukturierungen von Unternehmensführungs-, Marketing- und Markenführungskompetenzen wiederfinden (u.a. Snow/Hrebiniak 1980; Hitt/Ireland 1985; Conant et al. 1990; Dutta et al. 1999; Day 1994; Vorhies 1998; Noble/Mokwa 1999; Ramaswami et al. 2004; Desarbo et al. 2005; Vorhies/Morgan 2005). Marken-MetaKompetenz
Marken-MetaKompetenz
Markenführungskompetenzen
1. Strategisches Markenmanagement
2. Operatives Markenmanagement
Strategische Markenplanungskompetenz
Operative Markenumsetzungs kompetenz
Markenevolutionskompetenz
Kundenbindungskompetenz
Kundenakquisitionskompetenz
Markeninformations absorptionskompetenz
Interne Markendurchsetzungskompetenz
Markencontrollingkompetenz 3. Marken-Controlling
Veredelungskompetenzen
Marktzufuhrkompetenzen
Marken-Meta-Kompetenzen
Abbildung 4: Strukturierung von Markenführungskompetenzen im identitätsbasierten Markenmanagement (i.A. an Blinda 2007, 177 u. 320) Es lassen sich sechs identitätsbasierte Markenführungskompetenzen identifizieren. In Anlehnung an die Kategorisierung von Gersch/Freiling/Goeke (2005) können sie zwei Arten von Kompetenzen zugeordnet werden: (i) den Kompetenzen, die mit der Gestaltung der Leistungsbereitschaft zusammenhängen (Veredelungskompetenzen) und (ii) den Kompetenzen, die mit der Gestaltung der Leistungserstellung zusammenhängen (Marktzufuhrkompetenzen). Die Markeninformationsabsorptionskompetenz, die strategische Markenplanungskompetenz und die Markencontrollingkompetenz repräsentieren demnach Veredelungskompetenzen, da sie als Handlungspotenziale die Gestaltung der Leistungsbereitschaft ermöglichen. Die Markenevolutionskompetenz, die interne Markendurch-
370
Christoph Burmann/Lars Blinda
setzungskompetenz und die operative Markenumsetzungskompetenz repräsentieren dagegen Marktzufuhrkompetenzen, da sie als Handlungspotenziale die Gestaltung der Leistungserstellung ermöglichen. Neben diesen sechs identitätsbasierten Markenführungskompetenzen können auf Basis der besonderen Bedeutung der Marke-Kunden-Beziehung und den Arbeiten von Day (1994), Ramaswami et al. (2004) und Desarbo et al. (2005) zwei weitere Kompetenzen abgeleitet werden, die als Meta-Kompetenzen der Markenführung kategorisiert werden können. Die Kundenakquisitionskompetenz und die Kundenbindungskompetenz repräsentieren Meta-Kompetenzen der Markenführung, da sie sich auf das gesamte Rahmensystem der Markenführung beziehen und dadurch die Ausgestaltung der Markenführungskompetenzen übergeordnet beeinflussen. Sie ermöglichen in Kombination mit den sechs skizzierten Markenführungskompetenzen das Erschließen und Ausschöpfen von Marke-Kunden-Beziehungspotenzialen als Meta-Aufgaben der Markenführung (vgl. hierzu u. a. Mühlmeier 2004).
Marken-Metakompetenzen
Markenführungskompetenzen
Informationsabsorptionskompetenz Strategische Planungskompetenz Evolutionskompetenz
Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, markenrelevante Informationen der Unternehmensumwelt, insbesondere latente Entwicklungen, zu absorbieren. Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, Entscheidungen über die zielführende Gestaltung der Markenidentität zu treffen sowie grundlegende Verhaltenspläne zur identitätskonformen Gestaltung aller markenrelevanten Wertschöpfungsprozesse zu entwickeln. Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, eine Markenidentität dauerhaft mit physisch-funktionalen und symbolischen Neuerungen anzureichern und dadurch aktuell zu halten.
Interne Durchsetzungskompetenz
Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, bei allen Mitarbeitern, wichtigen Zulieferern und wichtigen Absatzmittlern einer Marke das für die Zielerreichung notwendige „Brand Citizenship Behaviour“ aufzubauen.
Operative Umsetzungskompetenz
Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, das strategische Markenidentitätskonzept in konkrete, detaillierte Maßnahmen des Marketing-Mix umzusetzen.
ControllingKompetenz
Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution zur systematischen Aufbereitung markenrelevanter Führungsinformationen, der Ausrichtung der Mitarbeiterhandlungen auf das Ergebnis sowie der Gestaltung und Abstimmung des Informations- und Planungssystems.
Kundenakquisitionskompetenz
Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, neue werthaltige und nachhaltig an die Marke bindbare Kunden zu gewinnen.
Kundenbindungskompetenz
Das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, durch gezielte Maßnahmen werthaltige Kunden langfristig an sich zu binden.
Abbildung 5: Terminologische Abgrenzung der Markenführungs- und MarkenMeta-Kompetenzen (Blinda 2007, 178 ff.)
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
371
Abbildung 5 führt die terminologischen Abgrenzungen der jeweiligen Markenführungs- und Meta-Kompetenzen auf. Für ihre Ableitung wird auf die dezidierte Aufarbeitung bei Blinda (2007) verwiesen. Die Güte aller acht Markenführungskompetenzen entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit eines markenführenden Unternehmens und letztendlich über den Markenerfolg. Markensubstanz und -managementprozess
Markenführungskompetenzen Veredelungs- und Meta-Kompetenzen Marktzufuhrkompetenzen
Wirkungen der Marke im Absatzmarkt
Kundenakquisitionskompetenz
Markenidentität
Markeninformationsabsorptionskompetenz
Markenimage
Strategische Markenplanungskompetenz
Markenführungskompetenz
Markenevolutionskompetenz
Identitätsbasierter Managementprozess 2. Operatives Markenmanagement
Markenziele
Markenevolution
Markenidentität der übrigen Marken
Innengerichtete Kommunikation
Positionierungskonzept
Markenorientierte Mitarbeiterführung
Markenleistungen
Markenkommunikation
Markenpricing
Markendistribution
Markenorganisation
Markenberichtswesen
Interne Markendurchsetzungskompetenz Operative Markenumsetzungskompetenz Markencontrollingkompetenz
Markenerfolgsmessung
- Differenzierungskraft der Marke - Kundenzufriedenheit - Umsatzwachstum - Wachstum des Marktanteils - Ertragskraft
Kundenbindungskompetenz
3. Marken-Controlling
Veredelungskompetenz
Markenerfolg
Extern
Markenorientiertes Personalmanagement
Markenidentität der Corporate Brand
Markenarchitektur
Intern
Markenintegration
Situationsanalyse:
Rechtliche Absicherung
1. Strategisches Markenmanagement (Nachfrager, Wettbewerb, eigene Marken)
Marktzufuhrkompetenz
MetaKompetenz
Marktliche Rahmenbedingungen
Abbildung 6: Strukturierung und Wirkungsmodell von Markenführungskompetenzen im Kontext der identitätsbasierten Markenführung (in Anlehnung an Blinda 2007, 198)
4
Empirische Befunde zur Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg
Neben den identifizierten konzeptionellen Lücken bei der systematischen Integration der kompetenzorientierten Erkenntnisse in die Markenforschung, kann ferner kritisch konstatiert werden, dass bislang belastbare empirische Untersuchungen zu den Wirkungen von Markenführungskompetenzen auf die Bewäh-
372
Christoph Burmann/Lars Blinda
rung von Marken im Wettbewerb fehlen.6 Speziell diese Forschungslücke ist elementar, da Marken heute durch die Shareholder Value-Orientierung vieler markenführender Unternehmen und einer damit verbundenen verstärkten Relevanz des Markenwertes unter einem hohen Rentabilitätsdruck stehen. Für markenführende Unternehmen ist daher die Kenntnis, welche Markenführungskompetenzen sich überdurchschnittlich positiv auf den Erfolg von Marken auswirken, von hohem Wert. Hierbei knüpft die Untersuchung unmittelbar an den Erkenntniszielen der kompetenzorientierten Forschung an, einerseits zu erklären, wie die beobachtbare divergierende Performance von Unternehmen aus der unterschiedlichen Verfügbarkeit von Ressourcen und Kompetenzen zu erklären ist (ex-post Betrachtung); andererseits zu erklären, wie die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auf Märkten aus den Ausprägungen von Ressourcen und Kompetenzen erklärt werden kann (ex-ante Betrachtung). Daher werden im Folgenden Ergebnisse einer empirischen Untersuchung vorgestellt, die zum einen untersucht, inwiefern sich erfolgreiche und weniger erfolgreiche Markenorganisationen in ihren Kompetenzprofilen unterscheiden, und zum anderen welche Wirkungen Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg aufweisen.
4.1
Kompetenzprofile von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Markenorganisationen
Im Rahmen eines Forschungsprojektes am Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement (LiM) der Universität Bremen wurde empirisch untersucht, inwiefern sich erfolgreiche Marken von weniger erfolgreichen Marken in den acht skizzierten Kompetenzen unterscheiden. Hierfür wurde die grundsätzliche Hypothese (H1) aufgestellt, dass „markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken ein anderes Kompetenzprofil aufweisen als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken.“ Die sechs Veredelungs- und Marktzufuhrkompetenzen der Markenführung (vgl. Abb. 4) wurden im Rahmen einer Online-Befragung unter 1.250 markenführenden Unternehmen bzw. verantwortlichen Marketingleitern (u. a. aus der FMCG-, Telekommunikations-, Elektronik-, Finanz- und Versicherungsbranche) 6
Diese Forschungslücke fügt sich in die grundlegende Kritik an der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung ein, dass empirische Untersuchungen zur Falsifizierung von grundlegenden Aussagen dieser Forschungsrichtung immer noch unterentwickelt seien (vgl. Hoopes/ Madsen/Walker 2003, 889).
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
373
gemessen,, von denen sich 161 Probanden an der Befragung beteiligten und 124 Fälle für die empirische Untersuchung verwendet wurden. Aufgrund seiner Vorteile bei der Datenerhebung wurde der allgemein übliche Self-Typing Ansatz verwendet. Die Ermittlung der Ausprägung einer Kompetenz bzw. eines Kompetenzprofils erfolgt somit aus der Selbsteinschätzung des Unternehmens. Die beiden Meta-Kompetenzen wurden direkt abgefragt. Bei der Erhebung der Kompetenzindikatoren wurde nach den Fähigkeiten in den jeweiligen Bereichen bzw. Aktivitäten gefragt. Die Indikatoren wurden von den Probanden anhand einer 5er-Likert Skala (+2: wesentlich besser bis -2: wesentlich schlechter als bei dem Hauptwettbewerber bzw. 1: sehr gut bis 5: sehr schlecht) bewertet. Darüber hinaus wurde der Markenerfolg in Anlehnung an Vorhies/Morgan (2005) über fünf Indikatoren gemessen, die von den Markenverantwortlichen evaluiert werden mussten: der Differenzierungskraft der Marke, der Kundenzufriedenheit, dem Umsatzwachstum, dem Wachstum des wertmäßigen Marktanteils und der Ertragskraft. Ferner wurden in Anlehnung an Desarbo et al. (2005) die Rahmenbedingungen der jeweiligen Branchen erhoben (Stabilität des Kaufverhaltens, Veränderung der Wettbewerbsstrategien, Veränderung der Produktund Prozesstechnologien, Preisdruck in der Branche, Marktwachstum der letzten 5 Jahre, Marktwachstum der kommenden 5 Jahre). Zur Überprüfung der Haupthypothese (H1) wurde eine multivariate Diskriminanzanalyse durchgeführt. Sie repräsentiert ein statistisches Verfahren zur Analyse von Gruppendivergenzen, welches univariaten Mittelwertvergleichen überlegen ist (Vgl. ursprünglich Fisher 1936 sowie Backhaus et al. (2006), S. 156). Bei der Analyse wurden 124 Unternehmen einbezogen. Zur Einteilung der Gruppen wurden die fünf erhobenen Erfolgsindikatoren verwendet. In Anlehnung an Hooley et al. wurde der Datensatz hierfür anhand des arithmetischen Mittelwertes der Erfolgsindikatoren in zwei Gruppen eingeteilt (Hooley et al. 1999, 269). Solche Unternehmen mit einem Mittelwert 2,0 (d. h. die über alle Performanceindikatoren gemittelt besser oder deutlich besser als andere Markenorganisationen abschnitten) wurden der Gruppe der überdurchschnittlich erfolgreichen Markenorganisationen (Gruppe A: N=48) zugeordnet.7 Solche Unternehmen mit einem Mittelwert > 2,0 wurden der Gruppe der durchschnittlich oder weniger erfolgreichen Markenorganisationen (Gruppe B: N=76) zugeordnet. Mithilfe einiger im Rahmen der multivariaten Diskriminanzanalyse angewendeten Gütekriterien wurden die Diskriminanzkriterien geprüft. Hierbei kam 7
Der Gesamtmittelwert über alle fünf Erfolgsindikatoren lag bei 2,318.
374
Christoph Burmann/Lars Blinda
Wilks’ Lambda mit dem damit verbundenen Signifikanzwert sowie das Bestimmtheitsmaß R2, welches sich aus dem Eigenwert und der kanonischen Korrelation ableiten lässt, zur Anwendung (Backhaus et al. 2006, 181 ff). Hierdurch wurde eine genauere, multivariate Analyse der Divergenzen beider Gruppen ermöglicht. Abbildung 7 führt die Ergebnisse der Diskriminanzanalyse mit den entsprechenden Werten der Gütekriterien auf. Kompetenzen der identitätsbasierten Markenführung
Überdurchschnittlich erfolgreiche Markenorganisationen*
Markeninformationsabsorptionskompetenz
Durchschnittliche und weniger erfolgreiche Markenorganisationen
2,13
Strategische Markenplanungskompetenz
R2
Sig.
Wlk.
0,198
***
0,802
0,163
***
0,837
0,250
***
0,750
2,59
0,322
***
0,678
2,65
0,266
***
0,734
2,64
1,95
2,41 2,33
Markenevolutionskompetenz Interne Markendurchsetzungskompetenz
2,92
2,29
Operative Markenumsetzungskompetenz
2,22
2,72
2,60
Markencontrollingkompetenz
2,23
Kundenakquisitionskompetenz
2,88
1,91
Kundenbindungskompetenz
2,68
2,65
2,47
Marktliche Rahmenbedingungen 1
1,5
2
Besser als Hauptwettbewerber *Jene, die nach eigener Einschätzung im Durchschnitt über die fünf Erfolgsindikatoren deutlich besser abschneiden als ihre Wettbewerber
2,5
Mittelwerte
3
0,953
0,047
0,126
****
0,874
0,190
****
0,810
0,098
*
0,902
5 Schlechter als Hauptwettbewerber
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į = 0,001 N = 124
Abbildung 7: Ausprägung von Markenführungskompetenzen nach Markenerfolgssplit (in Anlehnung an Blinda 2007, 275 ff.) Die Ergebnisse sind eindeutig: Unternehmen mit überdurchschnittlich erfolgreichen Marken verfügen bei sieben der acht Kompetenzen über signifikante Vorteile. Beide Gruppen unterscheiden insbesondere die Ausprägungen der Markenevolutionskompetenz, der interne Markendurchsetzungskompetenz sowie der operativen Markenumsetzungskompetenz. Keine signifikanten Unterschiede konnten hingegen bei der Markencontrollingkompetenz festgestellt werden. Im Gegenteil: die Markencontrollingkompetenz stellt das einzige Kompetenzfeld dar, in dem die Unternehmen der Grup-
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
375
pe B bei drei der Indikatorvariablen besser abschneiden als die Gruppe mit den erfolgreichen Marken. Anscheinend stellen die organisationalen Fähigkeiten im Markencontrolling (noch) keine signifikanten Erfolgstreiber dar. Hierfür lassen sich theoretische Argumente anführen. Zum einen handelt es sich bei der Markencontrollingkompetenz um eine Veredelungskompetenz. Diese Kompetenzkategorie ist in den empirischen Analysen bisher stets durch einen geringeren Erklärungsgehalt aufgefallen als die Marktzufuhrkompetenzen. Das Ergebnis aus Abbildung 7 heißt jedoch nicht, dass sich der Erfolg von Marken durch ein professionelles, identitätsbasiertes Markencontrolling nicht noch steigern ließe. Es belegt lediglich, dass der aktuelle Markenerfolg offenkundig ohne spezifisch ausgeprägte Kompetenzen im Bereich des Markencontrollings erzielt wurde. Bei der Einschätzung der marktlichen Rahmenbedingungen konnten ebenfalls keine nennenswerten Unterschiede festgestellt werden. Hieraus wird deutlich, dass beide Gruppen die Rahmenbedingungen ähnlich beurteilen. Dies kann als Indiz gewertet werden, dass die marktlichen Rahmenbedingungen lediglich eine untergeordnete Rolle spielen und vielmehr die Kompetenzen für den Erfolg von markenführenden Organisationen von Relevanz sind. Dieses Bild wird noch deutlicher, wenn analysiert wird, welcher Prozentsatz der Marken in beiden Gruppen jeweils angibt, bei den Kompetenzen besser zu sein als der jeweilige Hauptwettbewerber. Abbildung 8 visualisiert, welcher Prozentsatz der beiden Gruppen jeweils angibt, in den Markenführungskompetenzen „wesentlich besser“ oder „besser“ zu sein als der Wettbewerb. Aus dieser Analyse wird ersichtlich, dass sich ein größerer Anteil der Gruppe A in den Markenführungskompetenzen besser beurteilt als in der Gruppe B. Lediglich wiederum bei der Markencontrollingkompetenz existiert hierbei keine signifikante Divergenz. Auch bezüglich der Einschätzung über die Dynamik der marktlichen Rahmenbedingungen herrschen keine nennenswerten Unterschiede (vgl. Abb. 6). Somit konnte die Untersuchungshypothese H1, dass markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken ein anderes Kompetenzprofil aufweisen als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken, nicht abgelehnt werden. Ebenso belegen die Ergebnisse, dass die Rahmenbedingungen eines Marktes für die Erklärung des Erfolgs einer Marke offenkundig nur eine geringe Bedeutung haben. Mit anderen Worten: Sind im Unternehmen entsprechende Markenführungskompetenzen vorhanden, kann eine Marke unter nahezu allen Marktbedingungen erfolgreich sein.
376
Christoph Burmann/Lars Blinda
Kompetenzen der identitätsbasierten Markenführung
Besser als Hauptwettbewerber (Anteil in %) 10
Markeninformationsabsorptionskompetenz
*
20
28,9
*
60
70
80
90 (%)
64,6
31,3
29,2
9,2
** Interne Markendurchsetzungskompetenz
50 43,8
11,8
Operative Markenumsetzungskompetenz
40
17,1
Strategische Markenplanungskompetenz
Markenevolutionskompetenz
30
31,3
10,5
Markencontrollingkompetenz
30,1
30,4 37,8
Kundenakquisitionskompetenz
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken* Durchschnittliche und weniger erfolgreiche Marken
68,1
*** Kundenbindungskompetenz
45,3
Marktliche Rahmenbedingungen *
Veredelungskompetenz
**
Marktzufuhrkompetenz
23,4 ***
MetaKompetenz
83,3
23,7 *Jene, die nach eigener Einschätzung im Durchschnitt über die fünf Erfolgsindikatoren deutlich besser abschneiden als ihre Wettbewerber
Abbildung 8: Divergenzen in der Beurteilung über die Ausprägungen der Markenführungskompetenzen im Vergleich zum Wettbewerb (Blinda 2007, 276)
4.2
Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg
Um dem gängigen Vorwurf eines inhärenten Zirkelschlusses der Analyse zu entgehen („erfolgreiche Unternehmen sind deshalb erfolgreich, weil sie die besseren Fähigkeiten besitzen“), wurde neben der Diskriminanzanalyse ferner anhand einer multiplen Regressionsanalyse untersucht, inwiefern die einzelnen Markenführungs- und Meta-Kompetenzen dazu geeignet sind, prognostische Erklärungen für das Erreichen von Markenerfolgen zu liefern. Die Grundsatz-
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
377
hypothese (H2) hierbei lautet, dass je positiver Markenführungskompetenzen in einer markenführenden Organisation ausgeprägt sind, desto größer ist der Markenerfolg. Ferner wurde angenommen, dass die marktlichen Rahmenbedingungen der markenführenden Organisationen keinen Einfluss auf den Markenerfolg haben. Diese Untersuchungen wurde in Anlehnung an Hooley et al. anhand einer multiplen Regressionsanalyse durchgeführt (Hooley et al. 1999, 271 ff.). Der Markenerfolg als abhängige Variable wurde in diesem Modell durch die Summe der im Rahmen der Untersuchung erhobenen Erfolgsindikatoren dargestellt (vgl. Kap. 4.1). Die Markenführungskompetenzen repräsentieren die unabhängigen Variablen im Regressionsmodell. Hierbei flossen alle betrachteten Untersuchungskonstrukte zusammen in die Analyse ein, um zu untersuchen, welche unabhängigen Variablen den höchsten Einfluss auf den Markenerfolg ausüben. Hierfür wurden die einzelnen Indikatorvariablen der Kompetenzen zunächst zu einem Faktor verdichtet, indem das arithmetische Mittel der einzelnen Werte der Indikatoren gebildet und diese als unabhängige Variable in die Berechnung aufgenommen wurden. Auch diese Analysen konnten empirisch belastbare Ergebnisse generieren, die in der Mehrheit die postulierten Wirkungszusammenhänge der Forschungshypothesengruppe 2 entsprechen. Das Regressionsmodell wurde zunächst auf das Vorliegen von Prämissenverletzungen hin untersucht. Diese konnten nicht festgestellt werden. Die VIF- und die Toleranz-Werte zur Überprüfung auf Multikollinearität liegen weit unterhalb risikobehafteter Schwellenwerte (vgl. Abbildung 9). Dennoch konnten durch das Aufstellen einer Korrelationsmatrix mehrere signifikante Korrelationen zwischen den einzelnen Markenführungskompetenzen ermittelt werden, so dass von einem gewissen Grad an Multikollinearität ausgegangen werden muss (vgl. Abbildung 11). Nach Backhaus et al. muss dies allerdings nicht unbedingt störend sein (Backhaus et al. 2006, 88). Auch die standardisierten Residuen liegen in einem Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Der maximale Wert der Abweichung eines Residuums liegt bei -2,156. Daher liegt keine Heteroskedastizität vor. Der zusätzlich durchgeführte Durbin-Watson-Test zur Überprüfung der Autokorrelation ermittelt einen Wert von 1,966 und liegt somit unterhalb des in der Durbin-WatsonTabelle festgelegten Grenzwertes.
378
Christoph Burmann/Lars Blinda
Gütebeurteilung des Regressionsmodells für das Gesamtmodell der Markenführungskompetenzen und den marktlichen Rahmenbedingungen Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Markenführungskompetenz
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
Markeninformationsabsorptionskompetenz
0,090
1,011
0,314
0,632
0,609
1,643
Strategische Markenplanungskompetenz
0,197
2,068
0,041
0,612
0,534
1,872
Markenevolutionskompetenz
0,064
0,649
0,518
0,622
0,492
2,032
Interne Markendurchsetzungskompetenz
0,121
1,381
0,170
0,563
0,628
1,593
Operative Markenumsetzungskompetenz
0,172
1,609
0,110
0,789
0,423
2,362
Markencontrollingkompetenz
-0,162
-2,049
0,043
0,022
0,772
1,295
Kundenakquisitionskompetenz
0,051
0,541
0,590
0,600
0,547
1,828
Kundenbindungskompetenz
0,288
3,564
0,001
0,757
0,736
1,358
Marktliche Rahmenbedinungen
-0,023
-0,313
0,755
-0,214
0,887
1,127
N = 124;
Gesamtmodell
R
korrigiertes R2
0,450
0,407
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,163
****
1,966
10,378
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 9: Beurteilung des Gesamtmodells zum Zusammenhang zwischen Markenführungskompetenzen, Meta-Komptenzen, marktlichen Rahmenbedingungen und Markenerfolg (Blinda 2007, 312) Der Erklärungsbeitrag aller in die Regressionsfunktion aufgenommenen abhängigen Variablen liegt mit einem Determinationskoeffizienten von 0,450 auf einem befriedigenden Niveau. Zieht man den Wert des korrigierten Bestimmtheitsmaßes R2korr heran, kann das Gesamtmodell einen Anteil von 40,7% der Varianz erklären. Die empirische Signifikanz des F-Wertes ermittelt einen höchst signifikanten Wirkungszusammenhang. Somit kann die Nullhypothese verworfen werden, wonach der von dem Modell erklärte Zusammenhang zufällig ist. Betrachtet man die Strukturkoeffizienten der einzelnen Markenführungskompetenzen, aufgeteilt nach ihrer Zuordnung zu den Gruppen der Veredelungs, Marktzufuhr- und Meta-Kompetenzen, lassen sich Rückschlüsse auf den Einfluss der Kompetenzen auf den Markenerfolg ziehen (vgl. Abb. 10).
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
379
Markenführungs- und Meta-Kompetenzen des identitätsbasierten Markenmanagements Kundenakquisitionskompetenz Markeninformationsabsorptionskompetenz
0,600 Strategische Markenplanungskompetenz
Markenevolutionskompetenz
Interne Markendurchsetzungskompetenz
0,632
Marktliche Rahmenbedingungen
-0,214
0,612 0,622
Markenerfolg Gesamt
0,563 0,789
Operative Markenumsetzungskompetenz
0,022 0,757
Markencontrollingkompetenz
Kundenbindungskompetenz
Veredelungskompetenz
Marktzufuhrkompetenz
Strukturkoeffizienten MetaKompetenz
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
N = 124
Abbildung 10: Strukturkoeffizienten des Regressionsmodells zur Interpretation der Einflussstärke der Kompetenzen auf den Markenerfolg Hinsichtlich der Veredelungskompetenzen bietet sich ein geteiltes Bild. Auf der einen Seite weisen sowohl die Markeninformationsabsorptionskompetenz als auch die strategische Markenplanungskompetenz relativ hohe Einflüsse innerhalb des Gesamtmodells auf. Beide Strukturkoeffizienten liegen über 0,6 (vgl. Abbildung 10). Somit kann argumentiert werden, dass beide Veredelungskompetenzen in ähnlichem Ausmaße zum Markenerfolg beitragen. Auf der anderen Seite lässt sich dies jedoch nicht für die Markencontrollingkompetenz feststellen. Hier weist der Strukturkoeffizient mit 0,022 einen fast nicht existenten Einfluss auf den Markenerfolg aus. Diese Beobachtung bestätigt die Ergebnisse der voran gegangenen Regressionsanalyse, die einen nicht signifikanten Determinationskoeffizienten R2korr von lediglich 0,017 auswies. Insgesamt kann somit erneut überspitzt konstatiert werden, dass anscheinend die Markencontrollingkompetenz noch keinen direkten Einfluss auf den Markenerfolg ausübt. Hier besteht
380
Christoph Burmann/Lars Blinda
ein großes Potenzial für Unternehmen. Allerdings ergab die Korrelationsmatrix verschiedene signifikante Korrelationen zu anderen Kompetenzen, insbesondere der strategischen Markenplanungskompetenz (Korrelationsfaktor von 0,419, vgl. Abbildung 11). Dies lässt sich theoretisch gut argumentieren, da insbesondere Entscheidungen der strategischen Markenplanung von Informationen beeinflusst werden, die durch das Markencontrolling bereitgestellt werden. Daher ist zu vermuten, dass die Markencontrollingkompetenz indirekte Wirkungseinflüsse aufweist. Die Strukturkoeffizienten der drei Marktzufuhrkompetenzen liegen in einem Bereich zwischen 0,563 (interne Markendurchsetzungskompetenz) und 0,789 (operative Markenumsetzungskompetenz). Auch diese Ergebnisse bestätigen die Analyse der vorangegangen Diskriminanz- und Regressionsanalysen. Anzumerken ist dabei, dass die Ergebnisse der Regressionsanalysen direkt die im Rahmen der Untersuchung von Zeplin (2006) postulierten (aber damals nicht empirisch nachweisbaren) positiven Wirkungen des Brand Commitments und des Brand Citizenship Behaviours auf den Markterfolg von Unternehmen belegen.8 Das mit Abstand größte Wirkungspotenzial für die Erlangung von Markenerfolgen birgt nach dieser Analyse die operative Markenumsetzungskompetenz. Dies kann zwar als eine wenig überraschende, allerdings als eine durchaus gut zu begründende Erkenntnis festgestellt werden. Denn letztlich entscheidet trotz aller Relevanz der vorgelagerten Kompetenzen die Gestaltung der gesamten Markenleistung an den Markenkontaktpunkten des Nachfragers wesentlich über den Erfolg einer Marke. In den meisten Fällen wird an den Punkten, an denen Nachfrager die Markenleistung hautnah erfahren können, die Entscheidung über den Kauf oder Nicht-Kauf einer Marke getroffen. Die Güte und Kaufverhaltensrelevanz dieser Marken-Kontaktpunkte werden wesentlich durch die operative Umsetzungskompetenz beeinflusst.
8
Die Generierung von Brand Commitment und Brand Citizenship Behaviour hängt unmittelbar von der Güte der interne Markendurchsetzungskompetenz einer markenführenden Organisation zusammen. Die Ergebnisse der empirischen Analyse der internen Markendurchsetzungskompetenz ergänzen somit die Untersuchung von Zeplin und Burmann/Zeplin zum innengerichteten Markenmanagement und deren Erfolgswirkung für Unternehmen (Burmann/Zeplin 2004 u. 2005; Zeplin 2006).
Markeninformationsabsorptionskompetenz 1 Signifikanz (2-seitig) 124 N Strategische Marken0,429 planungskompetenz Signifikanz (2-seitig) **** 124 N Markenevolutions0,504 kompetenz Signifikanz (2-seitig) **** N 124 Interne Markendurch0,242 setzungskompetenz Signifikanz (2-seitig) *** 124 N Operative Marken0,498 umsetzungskompetenz Signifikanz (2-seitig) **** 124 N Markencontrolling0,196 kompetenz Signifikanz (2-seitig) ** 113 N Kundenakquisitions0,383 kompetenz Signifikanz (2-seitig) **** N 121 Kundenbindungs0,382 kompetenz Signifikanz (2-seitig) **** N 123 * Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Korrelationen
0,568 **** 124
0,376 **** 124 1 124 0,265 *** 124 0,622 **** 124 0,224 ** 113 0,570 **** 121 0,346 **** 123
1 124 0,376 **** 124 0,568 **** 124 0,432 **** 124 0,419 **** 113 0,304 *** 121 0,251 *** 123
*** 123
0,255
** 121
0,180
**** 113
0,346
**** 124
0,412
124
1
*** 124
0,265
*** 124
**** 124
**** 124
0,242
0,504
0,429
**** 123
0,451
**** 121
0,595
* 113
0,165
124
1
**** 124
0,412
**** 124
0,622
**** 124
0,432
**** 124
0,498
n.s. 113
0,037
n.s. 112
0,039
113
1
* 113
0,165
**** 113
0,346
** 113
0,224
**** 113
0,419
** 113
0,196
**** 120
0,350
121
1
n.s. 112
0,039
**** 121
0,595
** 121
0,180
**** 121
0,570
*** 121
0,304
**** 121
0,383
Korrelationsmatrix der aggregierten Markenführungskompetenzen und Meta-Kompetenzen Interne Marken- Operative MarkenMarkeninforma- Strategische MarkenevolutionsMarkencontrolling-Kundenakquisidurchsetzungs- umsetzungstionsabsorptions- Markenplanungskompetenz kompetenz tionskompetenz kompetenz kompetenz kompetenz kompetenz
123
1
**** 120
0,350
n.s. 113
0,037
**** 123
0,451
*** 123
0,255
**** 123
0,346
*** 123
0,251
**** 123
0,382
Kundenbindungskompetenz
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale 381
Abbildung 11: Korrelationsmatrix der aggregierten Markenführungskompetenzen und der Meta-Kompetenzen der Markenführung (Blinda 2007, 314)
382
Christoph Burmann/Lars Blinda
Allerdings ist sachlogisch zu argumentieren, dass auch diese operative Marktzufuhrkompetenz nur dann zu einem Erfolg führen kann, wenn die anderen Markenführungskompetenzen ähnlich gut ausgeprägt sind. Dies spiegelt sich auch in den ähnlich hohen Strukturkoeffizienten der beiden übrigen Marktzufuhrkompetenzen wider (vgl. Abbildug 10). Aus der Diskussion über die Bedeutung der beiden Meta-Kompetenzen wurde konzeptionell ein hohes Maß an Wirkungspotenzial antizipiert. Dieses wurde bereits in den Diskriminanz- und Regressionsanalyen teilweise bestätigt. Die Strukturkoeffizienten der beiden Meta-Kompetenzen in Abbildung 10 können diese Erkenntnisse weiter bestätigen. Hiernach weist insbesondere die Kundenbindungskompetenz einen sehr hohen Einfluss auf den Markenerfolg auf. Ferner ist anhand der aufgestellten Korrelationsmatrix festzustellen, dass zwischen beiden Meta-Kompetenzen und den Markenführungskompetenzen bis auf die Markencontrollingkompetenz durchweg signifikante Korrelationen bestehen. Dies bestärkt die konzeptionelle Argumentation, dass diese Kompetenzen nicht nur direkt den Markenerfolg beeinflussen, sondern darüber hinaus in einem hohen Maße die Ausgestaltung der Markenführungskompetenzen determinieren. Für eine genauere Analyse bedarf es allerdings tiefer gehender Untersuchungen im Rahmen zukünftiger Forschungsbemühungen. Als letzter Punkt kann durch die Analyse des Gesamtmodells eine positive Wirkung von dynamischen Marktbedingungen auf den Markenerfolg nicht bestätigt werden. Sowohl der Beta-Koeffizient (-0,023, n.s.) als auch der Strukturkoeffizient weisen mit negativen Werten auf einen negativen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von dynamischen marktlichen Rahmenbedingungen und dem Erreichen eines hohen Maßes an Markenerfolg hin. Dies fügt sich gut in die Ergebnisse und die Argumentation der Diskriminanz- und Regressionsanalyse der marktlichen Rahmenbedingungen ein. Diese waren bis auf die Veränderungen der Produkt- und Prozesstechnologien ebenfalls durch negative Wirkungen gekennzeichnet. Der Erfolg von Marken scheint somit eher auf statischen und leichter prognostizierbaren Märkten möglich. Allerdings kann auch bei dieser Analyse konstatiert werden: der Erfolg von Marken wird im Wesentlichen durch die Ausgestaltung der Markenführungskompetenzen entlang des dargestellten Managementprozesses determiniert. Somit können auch unter dynamischen Marktbedingungen markenführende Unternehmen grundsätzlich erfolgreich agieren.
Markenführungskompetenzen als Handlungspotenziale
5
383
Zusammenfassung und Fazit
Basierend auf der Ressourcen- und Kompetenzforschung sowie dem Ansatz der identitätsbasierten Markenführung wurde ein Strukturierungsansatz entwickelt, der sechs Kompetenzfelder und zwei Meta-Kompetenzfelder der Markenführung identifiziert (vgl. auch Burmann et al. 2006; Blinda 2007). Der Ansatz ermöglicht die notwendige holistische Betrachtung von Markenführungskompetenzen. Darüber hinaus konnten in einer ersten empirischen Untersuchung Hinweise gewonnen werden, dass Unternehmen mit überdurchschnittlich erfolgreichen Marken tatsächlich über spezifische Markenführungskompetenzen verfügen. Ferner wurden empirische Befunde für einen positiven Einfluss von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg identifiziert, die die Argumentation der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung unterstützen, dass vor allem die Heterogenität von Ressourcen und Kompetenzen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auf Märkten zu erklären vermag. Die Ergebnisse sollten jedoch aufgrund der begrenzten konzeptionellen Erkenntnisse der Forschung in diesem Bereich, der beschränkten Stichprobengröße der Unternehmensbefragung sowie aufgrund der Key-Informant-Problematik bei der Datenerhebung9 vorsichtig interpretiert werden. Sie sollten daher eher als ein weiterer, explorativer Hinweis angesehen werden, dass die Existenz spezifischer Markenführungskompetenzen positive Wirkungen auf den Markenerfolg haben kann. Aufgrund der hohen Relevanz von Marken als Ressourcen von Unternehmen und der geringen Anzahl der Publikationen zur Kompetenzorientierung in der Markenführung, insbesondere zu Markenführungskompetenzen, erscheinen weitere Forschungsbemühungen in diesem Bereich dringend geboten.
Literatur Aaker, D. A./Joachimsthaler, E. (2000): Brand leadership, Free Press, New York, NY [u.a.]. Backhaus, K. et al. (2006): Multivariate Analysemethoden: eine anwendungsorientierte Einführung, 11. Aufl., Springer, Berlin [u.a.]. Blinda, L. (2007): Markenführungskompetenzen eines identitätsbasierten Markenmanagements – Konzeptualisierung, Operationalisierung und Wirkungen, Diss., Bd. 9, Reihe: Innovatives Markenmanagement, Dt. Univ.-Verl., Wiesbaden. Burmann, C. (2002): Strategische Flexibilität und Strategiewechsel als Determinanten des Unternehmenswertes, Neue betriebswirtschaftliche Forschung, Bd. 292, Dt. Univ.-Verl., Wiesbaden.
9
Vgl. hierzu u. a. die Ausführungen bei Ernst (2001).
384
Christoph Burmann/Lars Blinda
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Christoph Burmann/Lars Blinda
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Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern: Eine empirische Studie
1
Einleitung..............................................................................................389
2
Theoretische Grundlagen und Hypothesen...........................................391 2.1 Einfluss der vertikalen Spezialisierung auf die Entwicklung der technologischen Kompetenzbasis von Endherstellern.........392 2.2 Einfluss der vertikalen Spezialisierung auf die Entwicklung der technologischen Kompetenzbasis von Zulieferern..............395 2.3 Einfluss der unterschiedlichen Positionierung von Unternehmen in der Wertschöpfungskette auf die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis ................396
3
Untersuchungsdesign ............................................................................397 3.1 Datengrundlage..........................................................................397 3.2 Operationalisierung der Breite der technologischen Kompetenzbasis als abhängige Variable ...................................398 3.3 Operationalisierung der vertikalen Spezialisierung und Akteurskategorie als unabhängige Variablen ............................402
4
Ergebnisse der empirischen Analyse ....................................................404 4.1 Deskriptive Statistik und Korrelationen ....................................404 4.2 Regressionsanalyse zum Einfluss der vertikalen Spezialisierung auf die Veränderung der Breite der technologischen Kompetenzbasis..............................................408
388
Birthe Soppe/Michael Stephan
4.3
Regressionsanalyse zum Einfluss der Akteurskategorie auf die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis ..........410
5
Diskussion der Ergebnisse ....................................................................413
6
Fazit ......................................................................................................414
Literatur............................................................................................................415
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
1
389
Einleitung
In den letzten Dekaden lässt sich eine eindeutige Verringerung des Wertschöpfungsumfangs in bedeutenden Industriebranchen beobachten. Insbesondere in technologieintensiven Industrien, die mit der Produktion komplexer Produkte wie Automobile, Halbleiter oder Software beschäftigt sind, zeigt sich zunehmend ein Trend zur vertikalen Spezialisierung (Pfaffmann, 2001; Burr/Stephan, 2004; Takeishi, 2001; Ethiraj et al., 2005). Das Phänomen der vertikalen Spezialisierung beschreibt den Veränderungsprozess von einer vertikal integrierten hin zu einer zunehmend desintegrierten Wertschöpfungskette. Im Zuge der vertikalen Spezialisierung unterliegen die jeweiligen Stufen einer Wertschöpfungskette der Kontrolle unterschiedlicher, unabhängiger Unternehmen (vgl. Macher/Mowery, 2004, S. 318).1 Dieser Spezialisierungsprozess geht einher mit einer verstärkten Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen an externe Zulieferer und führt somit zu einer Verringerung der Wertschöpfungstiefe bei den Endherstellern. Vor allem bei Endherstellern ist eine Tendenz zur verstärkten Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen an externe Zulieferer beobachtbar. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass Endhersteller bestimmte Wertschöpfungsprozesse outsourcen, um sich verstärkt auf ihre Kernkompetenzen fokussieren zu können, während externe Zulieferer komplementäres und spezialisiertes technologisches Wissen für den Herstellungsprozess liefern. Vor dem Hintergrund dieser Motivation erscheint es auf den ersten Blick unnötig und kostspielig, dass Endhersteller spezialisiertes technologisches Wissen in an Zulieferer ausgelagerten Bereichen in-house halten (Tiwana/Keil, 2007). Es könnte daher argumentiert werden, dass die Auslagerung von Wertschöpfungsleistungen an externe Zulieferer in einem Abbau technologischer Kompetenzen in den ausgegliederten Bereichen mündet. In Studien, die sich mit der kompetenzbasierten Theorie von Unternehmen beschäftigen, wurde jedoch beobachtet, dass Unternehmen auch spezialisiertes Wissen in vollständig fremdvergebenen Bereichen aufrecht erhalten (Prencipe, 1997; Gambardella/Torrisi, 1998; Granstrand et al., 1997). Die zentrale Forschungsfrage des vorliegenden Beitrags lautet daher wir folgt:
1
Das gegenläufige Phänomen zur vertikalen Spezialisierung stellt die vertikale Integration von Unternehmen dar, welche die Ausdehnung von Unternehmensaktivitäten auf bisher nicht bearbeitete, vor- oder nachgelagerte Stufen der Wertschöpfungskette beschreibt.
390
Birthe Soppe/Michael Stephan
Forschungsfrage: Welchen Einfluss übt der Trend der vertikalen Spezialisierung auf die technologische Kompetenzverteilung von Endherstellern und Zulieferern aus? Insbesondere seitens der Endhersteller ist eine Tendenz zur zunehmenden Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen an externe Zulieferer beobachtbar2 Studien, die sich mit der wissensbasierten Theorie von Unternehmen beschäftigen, haben dabei beobachtet, dass Unternehmen auch spezialisiertes Wissen in vollständig ausgelagerte Bereiche aufrechthalten. Bspw. weist Prencipe (1997) in einer Studie über Flugzeugturbinenhersteller darauf hin, dass die Endhersteller über technologisches Wissen für bestimmte Komponenten verfügen, deren Produktion vollständig ausgelagert ist. Eine Studie von Gambardella/ Torrisi (1998) über Unternehmen der Elektronikindustrie bekräftigt, dass die Endhersteller trotz Outsourcingaktivitäten ihr Technologiespektrum weiter ausgebaut haben. Eine generalisierende Untersuchung von Granstrand et al. (1997) über Großunternehmen zeigt, dass diese grundsätzlich ihr Technologiespektrum weiter ausdehnen, obwohl das Produktspektrum zunehmend eingeschränkt wird.3 Gänzlich vernachlässigt worden ist in bisherigen Studien zu dieser Thematik jedoch die Analyse, welche Auswirkungen die zunehmende vertikale Spezialisierung auf die unterschiedliche Rolle und Positionierung der Unternehmen als Endhersteller oder Zulieferer in der Wertschöpfungskette hat. In der Regel bestehen komplexe, systemische Produkte aus zahlreichen Komponenten und Subsystemen, die in einem engen, komplementären Verhältnis zueinander stehen (vgl. Brusoni et al., 2001; Ethiraj/Puranam, 2004). Üblicherweise beliefern große Zulieferunternehmen die Endhersteller solcher Industrien mit technisch anspruchsvollen, komplementären Systemen. Diese Systemzulieferer werden wiederum von kleineren Lieferanten (so genannten 2nd und 3rd Tier-Lieferanten) mit weniger komplexen Modulen und Komponenten versorgt. Der Endhersteller bzw. OEM (Original Equipment Manufacturer)4, welcher das Endprodukt schließlich veräußert, bildet das Ende einer Wertschöpfungskette. 2 3 4
Einen Überblick über die Entwicklung der Wertschöpfungstiefe verschiedener Branchen bietet Sydow, 1992, S. 19 ff. Weitere Studien zu dieser Thematik: vgl. Brusoni et al., 2001 sowie Stephan, 2007. Im eigentlichen Sinne versteht man unter dem Begriff OEM (Originalausrüstungshersteller) einen Hersteller von Komponenten oder Produkten, der diese jedoch nicht unter eigenem Namen vertreibt. Jedoch hat sich in einigen Branchen, wie bspw. in der Maschinenbau- oder Automobilindustrie, eine gegensätzliche Bedeutung des Begriffs durchgesetzt. Hier versteht man unter
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
391
Die vorliegende Arbeit stellt daher eine differenzierte empirische Studie über die technologische Wissensbasis von Endherstellern und Zulieferern dar. Als Datengrundlage für den empirischen Test dient eine Stichprobe von insgesamt 29 multinationalen Unternehmen der Automobilindustrie. Die Auswahl der Endhersteller und Zulieferer erfolgte aus der Grundgesamtheit der Top-100 umsatzstärksten Unternehmen der Automobilbranche. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf insgesamt 20 Jahre (1983 bis 2002).
2
Theoretische Grundlagen und Hypothesen
Der zentrale Untersuchungsaspekt dieser Arbeit zielt auf die Frage, welche Auswirkungen die Strategie der vertikalen Spezialisierung auf die technologische Kompetenzbasis von Endherstellern und Zulieferern hat. Die technologische Basis eines Unternehmens umfasst dessen technologische Assets und Aktivitäten. Ein Unternehmen kann das Spektrum seiner technologischen Ressourcenbasis erweitern, indem es bestehende technologische Vermögenswerte und Aktivitäten ausbaut oder neue Technologiebereiche erschließt. Diese Differenzierung zwischen dem Ausbau bestehender technologischer Assets und der Erschließung neuer Technologiebereiche impliziert eine erste Präzisierung der Forschungsleitfrage: In Hinblick auf die Innovationsbemühungen von OEMs und Zulieferern besteht zum einen die Frage, ob der Prozess der vertikalen Desintegration einen technologischen Kompetenzabbau bedingt oder ob die technologischen Kompetenzen weiterhin in-house gehalten werden. Zum anderen ist ungewiss, ob Unternehmen trotz Outsourcingaktivitäten in neue bzw. fremdvergebene Technologiebereiche diversifizieren. Die Zerlegbarkeit eines komplexen Gesamtprodukts orientiert sich an der Beziehung zwischen den Subsystemen des Produkts. Die Beziehung zwischen Subsystemen eines hierarchisch aufgebauten Produkts ist die Produktarchitektur. Genauer lässt sich unter der Produktarchitektur die systematische Beschreibung der Relation zwischen den Funktionen eines Produkts und dessen physischen Komponenten bzw. Subsystemen verstehen (vgl. Ulrich, 1995, S. 420). Dabei sind zwei Arten von Produktarchitekturen zu unterscheiden: Die modulare und die integrale Architektur. Eine modulare Produktarchitektur liegt vor, wenn jede Funktion klar einer physischen Komponente zugeordnet werden kann. Bei der OEM ein Unternehmen, welches das Endprodukt unter eigenem Namen veräußert. In diesem Beitrag werden die Begriffe Endhersteller und OEM daher synonym verwendet.
392
Birthe Soppe/Michael Stephan
integralen Architektur sind die Funktionen und Subsysteme stark miteinander verbunden und können nur schwer separiert werden. Als Voraussetzung für eine intensive Arbeitsteilung und einer damit einhergehenden Spezialisierung der Akteure gilt die modulare Beziehung zwischen den Subsystemen des Gesamtprodukts. Nur bei Vorliegen einer solchen Architektur können die einzelnen Bestandteile eines Produkts entkoppelt und auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette gefertigt werden. Umgekehrt lässt sich argumentieren, dass eine modulare Produktarchitektur die Spezialisierung von Unternehmen im Wertschöpfungsprozess fördert. Aufgrund genau definierter Schnittstellen und eindeutig festgelegter Funktionen wirkt sich die Modularität positiv auf die Kompetenzverteilung und die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit innerhalb einer Industrie aus (vgl. Burr/Stephan, 2004, S. 258). Bei Vorliegen einer integralen Architektur ist es dagegen nicht möglich, einzelne Systeme isoliert voneinander zu fertigen. Die modulare Struktur eines Produkts gilt daher als eine wichtige Voraussetzung für die Herausbildung der vertikalen Spezialisierung von Akteuren auf unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen. Das organisatorische Pendant zu einer modularen Produktarchitektur stellen Outsourcingaktivitäten dar (vgl. Sako, 2003, S. 249).
2.1
Einfluss der vertikalen Spezialisierung auf die Entwicklung der technologischen Kompetenzbasis von Endherstellern
Überträgt man diese einführenden Überlegungen zur Produktarchitektur auf die Industrien mit komplexen, systemischen Produkten, so lässt sich feststellen, dass keine modulare Produktarchitektur im eigentlichen Sinne vorliegt. Das komplexe Gesamtgerüst eines solchen Produktes lässt sich zwar zerlegen in einzelne große Subsysteme, die wiederum tiefer untergliedert werden können in weitere Subsysteme. Die einzelnen Systeme umfassen jedoch oftmals eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen. Um nun diese Vielzahl von Funktionen, die ein Subsystem umfasst, aufeinander abstimmen zu können, sind Systemintegratoren nötig. Die Aufgabe von Systemintegratoren ist es, als eine zentralisierte Einheit den gesamten Herstellungsprozess zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Systemintegratoren verfügen über das architektonische Wissen des gesamten Produkts und ermöglichen es daher, die Leistungserstellung auf unterschiedliche Akteure zu verteilen (vgl. Sako, 2003, S. 232 f.). Die physische Trennbarkeit eines komplexen Produkts und die damit einhergehende Herausbildung vertikaler Speziali-
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
393
sierung kann demnach nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn der gesamte Herstellungsprozess von einer zentralen Stelle koordiniert wird. Zwei mögliche Szenarien bezüglich der Auswirkungen der zunehmenden vertikalen Spezialisierung auf die Veränderung der technologischen Basis von OEMs sind vorstellbar. Zum einen könnte die Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen mit einer Abgabe von (nicht mehr benötigten) technologischen Kompetenzen einhergehen. In diesem Fall würden die OEMs ihre Innovationsbemühungen verringern und sich verstärkt auf ihre spezifischen Kernbereiche fokussieren. Zum anderen lässt sich argumentieren, dass die Endhersteller aufgrund ihrer Funktion als Koordinator des gesamten Wertschöpfungsprozesses technologisches Wissen auch außerhalb ihrer Kernbereiche beibehalten bzw. aufbauen müssen, um Schnittstellenprobleme zu überwinden. Dies würde bedeuten, dass die OEMs ihre Wissensbasis trotz Outsourcingaktivitäten weiter ausbauen. Ein theoretischer Ansatz zur Begründung, warum der Umfang technologischen Wissens vom Spektrum produktiver Aktivitäten der Unternehmen entkoppelt ist, stellt bspw. die Transaktionskostentheorie dar. Zur Absicherung gegen opportunistisches Verhalten seitens der Wertschöpfungspartner müssen Endhersteller auch über spezifisches Wissen in den ausgelagerten Bereichen verfügen (vgl. Williamson, 1985). Argumente für eine erhöhte Wissensbasis finden sich auch hinsichtlich der Rolle und Positionierung der Unternehmen in der Wertschöpfungskette. OEMs übernehmen die Rolle des Produktendherstellers. Mit dieser Rolle geht u. a. die Aufgabe einher, den gesamten Wertschöpfungsprozess sowie das umfassende Zuliefernetzwerk einer (systemischen) Industrie zu organisieren. Die Herausforderung besteht dabei darin, die vielschichtigen Technologien, welche in einem komplexen Endprodukt involviert sind, aufeinander abzustimmen. Ohne technologische Kompetenzen auch in den an Zulieferer ausgelagerten Bereichen ist eine solche Koordinationsleistung nicht möglich. Insbesondere das Herstellen komplexer Produkte erfordert ein gewisses Maß an technologischem Verständnis, um die Integration und Anpassung von Zuliefertechnologien sicherstellen zu können (vgl. Stephan, 2007, S. 5). Um ein funktionsfähiges Produkt herzustellen, müssen die Endhersteller daher über Integrationskompetenzen verfügen, welche nur durch die Beibehaltung technologischen Hintergrundwissens fremdvergebener Bereiche erzielt werden können (vgl. Sako/Murray, 1999, S. 4). Nur so können zwischenbetriebliche Schnittstellen überwunden werden. Auch die ressourcen- bzw. kompetenzbasierten Erklärungsansätze liefern Argumente für die Entkopplung des Umfangs technologischen Wissens vom
394
Birthe Soppe/Michael Stephan
Spektrum der produktiven Aktivitäten von OEMs. So argumentiert bspw. Pfaffmann (2001), dass angesichts des systemischen Charakters architektonischer Kompetenz von OEMs bei der kontinuierlichen Erstellung komplexer Produkte die Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen nicht mit einer Abgabe von korrespondierenden technologischen Kompetenzen einhergehen sollte. Demzufolge kann die Auslagerung von Komponenten, um sich auf Kernkompetenzen zu beschränken, zum Verlust der architektonischen Kompetenz beitragen und die dynamische Innovationsfähigkeit des Unternehmens zerstören (vgl. Pfaffmann, 2001, S. 357). Die angeführten Argumente sprechen zunächst dafür, dass die Endhersteller aufgrund ihrer Rolle als Systemintegratoren im Wertschöpfungsprozess ihre technologische Wissensbasis trotz zunehmender vertikaler Spezialisierung inhouse halten. Um wettbewerbsfähig bleiben zu können, wird der geschmälerte Umfang produktiver Aktivitäten nicht mit einer Vernachlässigung oder Abgabe technologischer Kompetenzen einhergehen. Hinsichtlich der Innovationstätigkeit von OEMs und ihrer Rolle im Wertschöpfungsprozess führt diese Argumentationslinie zu einer ersten zentralen Hypothese dieser Arbeit: H1a: Die zunehmende vertikale Spezialisierung hat keinerlei Einfluss auf den Abbau technologischer Kompetenzen: Aufgrund ihrer Rolle als Systemintegratoren behalten OEMs trotz Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen entsprechende technologische Kompetenzen weiterhin in-house. In Hinblick auf die Untersuchung der Innovationstätigkeit von Endherstellern komplexer Produkte ist zudem von Interesse, inwiefern sich die Breite der technologischen Ressourcenbasis bzw. der Umfang des Technologieprofils von OEMs im Zuge von Outsourcingaktivitäten verändert. Reduzieren Endhersteller das Spektrum ihrer technologischen Innovationsbemühungen im Zuge der Vergabe von Wertschöpfungsaktivitäten an externe Zulieferer? Oder diversifizieren OEMs trotz Outsourcingaktivitäten weiterhin in neue bzw. fremdvergebene Technologiebereiche? Argumente für eine zunehmend diversifizierte Wissensbasis und einen kontinuierlichen Kompetenzaufbau von OEMs liegen in den Anforderungen, die ein dynamisch technologisches Industrieumfeld mit sich bringt. Der beständige Aufbau technologischer Kompetenzen auch außerhalb von Kernprozessen scheint gerade für Endhersteller in dynamischen Industrien entscheidend zu sein, um ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Neben der bereits angesprochenen Integrationsleistung fällt den Endherstellern in diesem Zusammenhang auch die Aufgabe zu, die erforderlichen technologischen Neuerungen
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
395
an die Zulieferer zu kommunizieren, um komplementäre systemische Innovationen erzielen zu können (vgl. dazu auch Pfaffmann, 2001). Die Einführung technologischer Neuerungen und deren Abstimmung mit den Zulieferunternehmen erfordern demnach einen gewissen Kompetenzaufbau in neue bzw. ausgelagerte Bereiche. Die Komplexität der Zuliefernetzwerke systemischer Industrien ist ein weiterer Grund, warum Endhersteller über eine Wissensbasis verfügen, die über ihre eigenen Wertschöpfungsaktivitäten hinausreicht. Um ein komplexes Zuliefernetzwerk koordinieren zu können und um Schnittstellen zu externen Fertigungs- und Technologiequellen überwinden zu können, ist davon auszugehen, dass OEMs Kompetenzen in Technologiebereichen ausbauen, die nicht zur ihren eigentlichen technologischen Kernfähigkeiten zählen (vgl. auch Brusoni et al., 2001, S. 597). Diese Argumente zielen darauf ab, dass Endhersteller trotz Outsourcingaktivitäten ihre technologische Wissensbasis nicht auf ihre Kerntechnologiebereiche beschränken. Zur Aufrechterhaltung ihrer Innovationsfähigkeit sowie im Zuge von Abstimmungs- und Koordinationsleistungen müssen OEMs auch Kompetenzen in neuen bzw. fremdbestimmten Technologiebereichen erschließen. Eine weitere zentrale Hypothese dieser Arbeit bezieht sich demnach auf den Zusammenhang zwischen der vertikalen Spezialisierung und der Breite der technologischen Ressourcenbasis im Zeitablauf. H1b: Die zunehmende vertikale Spezialisierung hat keinerlei Einfluss auf die Veränderung der Breite der technologischen Basis von OEMs: Aufgrund ihrer Abstimmungs- und Koordinationsfunktion diversifizieren OEMs trotz Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen weiterhin in neue bzw. ausgelagerte Technologiebereiche.
2.2
Einfluss der vertikalen Spezialisierung auf die Entwicklung der technologischen Kompetenzbasis von Zulieferern
Die Technologien in komplexen, systemischen Produkten bestehen in der Regel aus zahlreichen Komponenten und Subsystemen, die in einem engen, komplementären Verhältnis zueinander stehen (vgl. dazu Brusoni et al., 2001; Ethiraj/ Puranam, 2004). In der Regel beliefern große Zulieferunternehmen die Endhersteller dieser Industrien mit solchen technisch anspruchsvollen, komplementären Systemen. Die Analyse der Zulieferunternehmen im Rahmen dieses Beitrags bezieht sich prinzipiell auf große Systemzulieferer, welche die Endhersteller mit technisch anspruchsvollen Systemen beliefern. Im Gegensatz zu den Endherstel-
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Birthe Soppe/Michael Stephan
lern sind diese Unternehmen nicht mit der Koordinationsfunktion der gesamten Wertschöpfungskette betraut. Im Zuge des Spezialisierungsdrucks seitens der Endhersteller hat jedoch auch das Anforderungsprofil dieser Zulieferer eine Veränderung erfahren. Neben der Systemkompetenz müssen diese zunehmend mehr Integrationsarbeit leisten. Damit ihre Technologien auch mit angrenzenden Systemen anderer (System-)Lieferanten kompatibel sind, müssen die Systemzulieferer technologisches Know-how auch in Technologiebereichen aufbauen, welche nicht zu ihren spezifischen Kernbereichen zählen. Zudem bringt die Rolle als Systemlieferant mit sich, dass die Leistungserstellung der in der Wertschöpfungskette hierarchisch tiefer positionierten Zulieferer teilweise mit koordiniert werden muss, da die Fertigung vielschichtiger Systeme die Einbindung von weniger komplexen Vorleistungen kleinerer Lieferanten erfordert. Durch den Aufbau von technologischem Hintergrundwissen können die Systemzulieferer daher mögliche zwischenbetriebliche Schnittstellen sowohl zu OEMs als auch zu anderen Zulieferunternehmen überwinden. Demnach kann die Hypothese 1 der Arbeit, die ursprünglich mit Blick auf die Endhersteller konzipiert wurde, auch auf große Zulieferunternehmen übertragen werden: Trotz der verstärkten Arbeitsteilung und der damit einhergehenden vertikalen Spezialisierung bauen auch Systemzulieferer ihre technologische Kompetenzbasis weiter aus, da auch sie gewisse Integrations- und Koordinationsleistungen zu erfüllen haben. H2: Die zunehmende vertikale Spezialisierung hat keinerlei Einfluss auf die Veränderung der Breite der technologischen Basis von Systemlieferanten: Aufgrund ihrer Integrations- und Abstimmungsfunktion diversifizieren Zulieferer trotz verstärkter Arbeitsteilung weiterhin in neue bzw. anderweitig ausgelagerte Technologiebereiche.
2.3
Einfluss der unterschiedlichen Positionierung von Unternehmen in der Wertschöpfungskette auf die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis
Falls sich die Überlegungen bestätigen und sowohl OEMs als auch Systemzulieferer ihre technologische Ressourcenbasis im Zeitablauf ausdehnen, so stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Akteursgruppe prinzipiell über ein breiter ausgeprägtes Technologieportfolio verfügt. Da davon auszugehen ist, dass OEMs den gesamten Wertschöpfungsprozess maßgeblich bestimmen und das gesamte Zuliefernetzwerk zu koordinieren haben, werden sie auch über ein
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
397
umfassenderes technologisches Wissen verfügen als die Zulieferer. Es besteht daher die Annahme, dass sich der Grad der technologischen Diversifikation von Unternehmen am Umfang ihrer Koordinations- und Integrationsleistungen orientiert bzw. an ihrer Rolle im Wertschöpfungsprozess. Eine weitere Hypothese dieser Arbeit beschäftigt sich daher mit der unterschiedlichen Ausprägungsform der technologischen Kompetenzbasis von Endherstellern und Systemzulieferern. H3: Die unterschiedliche Positionierung von Unternehmen in der Wertschöpfungskette hat einen positiven Einfluss auf die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis: Aufgrund ihres erhöhten Umfangs an Koordinationsund Integrationsleistungen verfügen Endhersteller über ein breiter aufgestelltes Technologieprofil als Systemzulieferer.
3
Untersuchungsdesign
3.1
Datengrundlage
Zur Überprüfung der aufgestellten Hypothesen konzentriert sich die empirische Analyse auf eine dynamische und technologieintensive Industrie, anhand derer der Trend zur vertikalen Spezialisierung besonders gut zu beobachten ist. Eine solche Industrie stellt die Automobilindustrie dar. Im Zuge des starken Wachstums der Industrie – 1910 in Nordamerika, 1930 in Europa und 1960 in Japan – sowie der zunehmenden Komplexität der Produkte waren die Automobilhersteller nicht mehr in der Lage, ihr zu Beginn hohes Level an Integration zu halten. Das Delegieren wertschöpfender Aktivitäten seitens der Hersteller hin zu den Zulieferern nahm somit schon Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts seinen Lauf und hält bis heute kontinuierlich an. Insbesondere die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Automobilendhersteller bzw. Original Equipment Manufacturers (OEMs) ihre Wertschöpfungstiefe erheblich verringert haben, indem sie zunehmend mehr Wertschöpfungsleistungen an externe Zulieferer vergeben (vgl. Maxton/Wormald, 2004, S. 144 ff.). Als Untersuchungssample wurde eine Stichprobe von 29 multinationalen Unternehmen aus der Automobilindustrie herangezogen. Diese Stichprobe umfasst in Hinblick auf die Überprüfung der Arbeitshypothesen sowohl Zulieferunternehmen als auch Endhersteller. Die Auswahl der Unternehmen erfolgte aus der Grundgesamtheit der 100 größten Unternehmen, gemessen anhand ihrer automobilen Umsätze der Geschäftsjahre 2001 bis 2003. Jedes Unternehmen der Stichprobe musste darüber hinaus weitere Selektionskriterien abdecken, die über
398
Birthe Soppe/Michael Stephan
den gesamten Untersuchungszeitraum von 1983 bis 2002 erfüllt sein mussten. Zu diesen zählen ein Unternehmensstammsitz sowie Wertschöpfungsleistungen in den Ländern der Triade. Die Auswahl der Unternehmen erfolgte damit unabhängig von ihrer Wertschöpfungstiefe sowie ihres Technologieprofils. Von den derzeit 13 unabhängigen Endherstellern konnten somit zehn Endhersteller in die vorliegende Untersuchung einbezogen werden. Bei der Selektion der Zulieferunternehmen wurde darüber hinaus darauf geachtet, dass sie als Systemlieferanten agieren und von den ausgewählten Endherstellern mit Teilen des Wertschöpfungsprozesses betraut werden. Insgesamt konnten so 19 Zulieferunternehmen identifiziert werden. Von den 29 Unternehmen stammen zehn Unternehmen aus den USA, 15 aus Europa und vier aus Japan. Die dominante Gruppe des Samples bilden Unternehmen mit Stammsitz in Europa, bestehend aus acht Unternehmen aus Deutschland, drei aus Frankreich, zwei aus Großbritannien und jeweils ein Unternehmen aus Italien und Schweden. Zusammen erzielten die Endhersteller und Systemzulieferer der Stichprobe im Geschäftsjahr 2002 einen Gesamtumsatz von mehr als 1.152 Milliarden Euro. Die kumulierte Summe der F&E - Investitionen der Unternehmen des Untersuchungssamples beträgt nahezu 51 Milliarden Euro. Davon entfallen 74 Prozent auf die zehn Endhersteller, während die Zulieferunternehmen, trotz ihrer Überzahl im Sample, zusammen lediglich einen Anteil von 26 Prozent in F&E investierten. Die Ermittlung der F&E - Intensität für die beiden Akteurskategorien zeigt jedoch ein anderes Bild der Forschungsaktivitäten von Systemzulieferern im Vergleich zu Endherstellern. Letztere generieren eine durchschnittliche F&E - Intensität von 4,23 Prozent, während die der Zulieferer 4,86 beträgt. Die Ermittlung der Kennzahl verdeutlicht den hohen Grad an Forschungsaktivitäten der Automobilzulieferer und zeigt, dass diese im Zuge der ansteigenden Komplexität der Produkte nicht mehr nur mit Montage- und Fertigungsaufgaben betraut werden, sondern von den Endherstellern vermehrt in forschungsintensive Phasen des Wertschöpfungsprozesses einbezogen werden.
3.2
Operationalisierung der Breite der technologischen Kompetenzbasis als abhängige Variable
Für die Erfassung der technologischen Wissensbasis von Unternehmen stehen keine direkt beobachtbaren Größen zur Verfügung. Zur Identifikation der technologischen Wissensbasis werden daher indirekte Maßgrößen verwendet. Diese lassen sich prinzipiell in input- und outputorientierte Indikatoren differenzieren.
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
399
Inputorientierte Indikatoren erfassen den Ressourceneinsatz, der für den Aufbau technologischer Kompetenzen verwendet wird, während outputorientierte Indikatoren auf die Ergebnisse der technologischen Aktivitäten eines Unternehmens hinweisen (vgl. Stephan, 2003, S. 174). Während aus der Perspektive der Inputseite Aufwendungen für F&E als gängiger Indikator der technologischen und innovativen Tätigkeiten von Unternehmen gelten, wird die Anzahl an Patentanmeldungen als wichtigster outputorientierter Indikator herangezogen (vgl. Gavetti, 1994, S. 3 sowie Pavitt, 1988, S. 513). In Hinblick auf die Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit der Daten zeichnen sich Patente, im Gegensatz zu den alternativ aufgeführten Indikatoren, als verlässliche und gut zugängliche Informationsquelle aus. Teilweise einheitliche Anmelde- und Erteilungsverfahren der verschiedenen nationalen und supranationalen Patentbehörden erleichtern zudem Vergleiche zwischen verschiedenen Akteuren im Markt, die auf der Auswertung von Patentdaten basieren.5 Aufgrund der konsistenten Verfügbarkeit ermöglicht die Auswertung von Patentdaten auch zeitlich längerfristig angelegte Untersuchungen (vgl. Gavetti, 1994, S. 4 sowie Pavitt, 1988). Im Rahmen einer vergleichenden Analyse von Patentinformationen von Unternehmen, die in unterschiedlichen Ländern beheimatet sind, erscheint der Rückgriff auf ein internationales Patentamt als Datenquelle sinnvoll. Bei vergleichenden Unternehmensanalysen mit internationalem Fokus hat sich insbesondere das Europäische Patentamt (EPA) als vorteilhaft erwiesen, da so Verzerrungen unterschiedlicher Herkunftsländer von Unternehmen minimiert werden können (vgl. Schmoch, 1999, S. 122). Das zentralisierte Anmelde- und Erteilungsverfahren beim EPA ermöglicht einen Anspruch auf Patentschutz in mehreren Ländern gleichzeitig.6 Im Zuge der Erhebung von Patentdokumenten ist zu beachten, dass sich die Gesamtzahl der europäischen Patentdaten zusammensetzt aus Anmeldungen, die direkt beim EPA eingehen sowie indirekten europäischen Anmeldungen. Grundsätzlich verwaltet die WIPO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die im Rahmen des Vertrags über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT - Patent Cooperation Treaty) eingereichten internationalen Patentanmeldungen. Die PCT-Anmeldungen durchlaufen ein ähnlich zentralisiertes Verfahren wie beim EPA und bieten eine territorial noch 5 6
Zum Anmeldeverfahren an nationalen und internationalen Patentämtern vgl. Burr et al., 2007. Bei der Anmeldung beim Europäischen Patentamt können einzelne Länder individuell benannt werden, in denen die Schutzwirkung erfolgen soll, oder ein zentrales europäisches Verfahren durchgeführt werden. Letzteres ist bei einer Bestimmung von mehr als drei Bestimmungsländern aus Kostengründen rentabler gegenüber mehreren nationalen Verfahren. Vgl. Schmoch, 1990, S. 21.
400
Birthe Soppe/Michael Stephan
weiter reichende Möglichkeit des Patentschutzes (vgl. Burr et al., 2007). Um ein möglichst vollständiges Abbild der weltweiten Patentaktivitäten der Stichprobenunternehmen zu erhalten, wurde bei der Datenerhebung der Patentdokumente darauf geachtet, neben den direkt eingegangenen EPA-Patenten auch die EuroPCT-Dokumente der relevanten Unternehmen zu erfassen. Für die Recherche der Patentdokumente wurde auf die ESPACE-Produkte des Europäischen Patentamts zurückgegriffen. Obwohl Patentanmeldungen am EPA bereits seit 1978 möglich sind, beginnt ein sinnvoller Erhebungszeitraum erst ab 1983, da die Etablierung des europäischen Patentsystems, insbesondere dessen Nutzung von nicht-europäischen Unternehmen, zunächst einige Zeit benötigte (vgl. Stephan, 2003, S. 184). Der Erhebungszeitraum dieser Arbeit erstreckt sich über zwanzig Jahre (1983 bis 2002). Für diesen Zeitraum wurden die gesamten Patentaktivitäten für jedes Unternehmen der Stichprobe mittels Namensrecherche sowie anhand des Anmeldedatums erhoben. Jedoch ist die reine Anzahl an Patentanmeldungen noch keine Maßgröße für die Breite der technologischen Basis eines Unternehmens. Diese kann jedoch anhand von Daten ermittelt werden, die in den Patentschriften enthalten sind. Zur Bestimmung quantitativ messbarer Faktoren für die Breite der technologischen Kompetenzbasis eignet sich die Internationale Patentklassifikation (IPC) als weltweit anerkanntes Klassifizierungssystem für patentiertes technologisches Wissen. Jede technische Neuheit wird im Rahmen des europäischen Patentanmeldeverfahrens einschlägigen IPC-Technologiebereichen zugeordnet und somit hierarchisch erfasst. Die IPC basiert auf einer Gliederung von fünf Ebenen (Sektionen, Klassen, Unterklassen, Hauptgruppen und Untergruppen), wobei der Detaillierungsgrad mit der Tiefe der Ebenen zunimmt (vgl. ausführlich Burr et al., 2007, S. 140 ff.). Je tiefer dabei die Untergliederung der IPC-Klasse gewählt wird, desto detaillierter fällt das Technologieprofil eines Unternehmens aus. Jedoch gestaltet sich bei einem zu stark differenzierten Technologieprofil die Zuordnung der Patente zu den einzelnen Technologiebereichen teilweise problematisch. Um eine zu tiefe Abgrenzung zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Identifikation der Technologiebereiche anhand von IPC-Unterklassen vorzunehmen (vgl. Soppe/Stephan, 2006, S. 23). Ein weiterer Grund für die Verwendung von IPC-Unterklassen findet sich darin, dass die Gliederungssystematik der Internationalen Patentklassifikation einigen Veränderungen im Zeitablauf unterliegt. Alle fünf Jahre wird eine periodische Revision der IPC-Systematik vorgenommen (vgl. dazu Makarov, 2000). Würde ein Technologieprofil für einen längeren Zeitraum auf Basis von IPC- Haupt- oder Untergruppen erstellt,
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
401
so würden die starken Modifikationen auf dieser Ebene einen Vergleich der Patentdaten erheblich erschweren. Ein erster Operationalisierungsversuch zur Ermittlung der Breite der technologischen Kompetenzbasis eines Unternehmens stellt das bloße Abzählen von IPC-Unterklassen dar, in denen ein Unternehmen aktiv ist. Jedoch wird bei der Abzählmethode die Breite der technologischen Ressourcenbasis erheblich durch die Gesamtzahl der Patentanmeldungen eines Unternehmens beeinflusst. Um diese Verzerrung zu umgehen, wird die Breite der technologischen Basis (TB) durch die Berechnung des einfachen Entropiemaßes erfasst. Die Berechnung lautet wie folgt: N
TB = ¦ Ti ln(1 / Ti )
(1),
i =1
wobei Ti der Anteil der Patentanmeldungen in der Unterklasse i (i=1…N, N 620) an den gesamten Patentanmeldungen eines Unternehmens darstellt. Der Wert des Entropiemaßes bemisst sich demnach durch die Anzahl der IPCUnterklassen, in denen ein Unternehmen Patente angemeldet hat sowie durch die Verteilung der Patente auf die verschiedenen Technologieunterklassen.7 Somit berücksichtigt das einfache Entropiemaß zudem Schwerpunkte in den Technologieprofilen von Unternehmen. Die Erstellung von Technologieprofilen erfolgt üblicherweise für einen Zeitraum von fünf Jahren, da ein Technologieprofil auf jährlicher Basis erheblichen Schwankungen unterliegt. Die Zusammenfassung von Patentschriften zu Fünfjahresintervallen immunisiert gegen solche zufälligen oder zyklischen Schwankungen (vgl. Stephan, 2003, S. 188). Der Untersuchungshorizont der empirischen Analyse umfasst den Zeitraum der Jahre 1983 bis 2002. Dieser Zeitraum von zwanzig Jahren wird daher zu weiteren Analysezwecken in vier Perioden (1983 – 1987, 1988 – 1992, 1993 – 1997 und 1998 – 2002) unterteilt. Die Erhebung von Patentdaten verschiedener Unternehmen für eine Zeitreihenanalyse birgt jedoch einige Schwierigkeiten, die zu systematischen Verzerrungen der Ergebnisse führen können. Ein relevanter Diskussionspunkt bei der Erstellung von Technologieprofilen sind Veränderungen des Konsolidierungskreises im Zeitablauf. Insbesondere die Automobilindustrie ist aufgrund des anhaltenden Konzentrationsprozesses von einer Vielzahl von Akquisitionen, 7
Zu einer vergleichenden Vorgehensweise siehe Stephan, 2003, S. 189 ff. Hier orientiert sich die Berechnung des einfachen Entropiemaßes jedoch nicht direkt an den 620 IPC-Unterklassen, sondern fasst diese zunächst zu übergeordneten Technologiebereiche zusammen.
402
Birthe Soppe/Michael Stephan
Fusionen und Deinvestitionen betroffen, die eine Veränderung des Konsolidierungskreises bewirken und damit zu einer Erhöhung bzw. Verringerung der Patentsituation von Endherstellern und Zulieferern führen. Da der Name des Anmelders bzw. Inhabers einer Patentschrift nicht nachträglich berichtigt wird, müssen im Zuge der Datenerhebung diesbezügliche Veränderungen einbezogen werden. Somit wurde für die Patenterhebung dieser Arbeit die entsprechenden Konsolidierungskreise der Jahre 1987, 1992, 1997 sowie 2002 zugrunde gelegt. Diese Jahre markieren jeweils das letzte Jahr der vier Fünfjahresintervalle, in die der gesamte Analysezeitraum zugunsten der Erstellung von Technologieprofilen unterteilt wurde. Anzumerken ist jedoch, dass sich bei dieser Vorgehensweise Akquisitionen, Fusionen und Neugründungen, die während einer Teilperiode stattfanden, positiv auf den Umfang der technologischen Kompetenzbasis auswirken. Veräußerungen von Gesellschaften während eines solchen Untersuchungsintervalls verringern hingegen die Breite der technologischen Basis.
3.3
Operationalisierung der vertikalen Spezialisierung und Akteurskategorie als unabhängige Variablen
Das Konstrukt der vertikalen Spezialisierung beschreibt die Reduktion des Integrationsgrads bzw. der Wertschöpfungstiefe von Unternehmen. Bei der Ermittlung der Wertschöpfungstiefe ist jedoch zu beachten, dass es grundsätzlich kein einheitliches Berechnungsverfahren gibt (vgl. Haller, 1997, S. 65). Als eine Maßgröße zur Bestimmung der Wertschöpfungstiefe wird die Wertschöpfungsquote vorgeschlagen (vgl. Haller, 1997, S. 349.). Dieser Quotient entspricht inhaltlich dem Grad der Wertschöpfungstiefe. Üblicherweise bildet die handelsrechtliche Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) eines Unternehmens die Basis für die Berechnung der Wertschöpfungsquote. Die Ermittlung der Wertschöpfungstiefe erfordert zwei Schritte. Zum einen muss die Gesamtleistung eines Unternehmens erfasst werden und zum anderen die Vorleistungen. Die Gesamtleistung eines Unternehmens bestimmt sich aus den Umsatzerlösen und den Bestandsveränderungen, während die Vorleistungen zugekauftes Material, Abschreibungen oder Zinskosten beinhalten. Die Wertschöpfungstiefe berechnet sich als Differenz der Gesamtleistung abzüglich der Vorleistungen. In allgemeiner Form kann die Wertschöpfung demnach als die von Wirtschaftsakteuren geschaffenen Werte abzüglich der von ihnen verzehrten Werte interpretiert werden (vgl. Wurm, 1993, S. 16). Das Verhältnis von der Wertschöpfung zur Gesamtleistung eines Unternehmens ergibt die Wertschöp-
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
403
fungsquote. Eine hohe Wertschöpfungsquote ist ein Indikator für ein hohes Integrationsniveau, während eine geringe Wertschöpfungsquote ein Parameter für die vertikale Spezialisierung darstellt. Anlehnend an den in der GuV enthaltenen Angaben kann die Wertschöpfungstiefe sowohl über die Entstehungs- als auch über die Verwendungsrechnung ermittelt werden (vgl. Haller, 1997, S. 42 ff.). Für die Berechung über die Entstehungsseite werden GuV-Angaben über die von Dritten bezogenen Vorleistungen im Produktionsprozess benötigt. Diese Vorleistungen umfassen den verbrauchten Materialaufwand an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie sonstige Vorleistungen. Ebenso zu den Vorleistungen kann die Erfassung von Abschreibungen auf Sachanlagen sowie immateriellen Vermögenswerten gezählt werden.8 Die Differenz zwischen der Gesamtleistung und den bezogenen Vorleistungen ergibt die Wertschöpfung nach der Entstehungsrechnung (vgl. Haller, 1997, S. 42 f.). Im Gegensatz dazu wird bei der Berechnung der Wertschöpfungstiefe nach der Verwendungsrechnung die an Dritte vergebenen Leistungen berücksichtigt. Zu diesen Leistungen zählen Personalkosten für Mitarbeiter, Abgaben an die Öffentliche Hand in Form von Steuern sowie Zahlungen an Darlehensgeber, Gesellschafter und Unternehmen. Die Zahlungen an Darlehensgeber und Gesellschafter umfassen Zinsen und sonstige Finanzierungskosten für bereitgestellte Finanzierungsmittel sowie Dividenden. Die Zahlungen an Unternehmen beziehen sich auf die Rücklagenbildung (vgl. Haller, 1997, S. 147). Die Wertschöpfungstiefe nach der Verwendungsrechnung ergibt sich aus der Aufsummierung aller an Dritte geleisteten Zahlungen. Die Wertschöpfungsrechnung nach der Entstehungsrechnung stellt damit auf die Ermittlung der produktiven Leistungen eines Unternehmens ab, während die Verteilungsrechnung das Ziel verfolgt, das an die Partizipantengruppe verteilte Einkommen darzustellen. Somit orientiert sich die Wertschöpfungsrechnung nach der Entstehungsrechnung an GuV-Angaben nach dem Gesamtkostenverfahren. Hingegen bildet die GuV nach dem Umsatzkostenverfahren die Basis für die Entstehungsrechnung. Bei der Berechnung der Wertschöpfungstiefe nach der vorgestellten Systematik ergeben sich systematische Verzerrungen insbesondere infolge der unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften. Während deutsche Unternehmen meist nach dem Gesamt- und Umsatzkostenverfahren publizieren, ist bspw. für Unternehmen aus den USA oder Japan nur das Umsatzkostenverfahren zulässig. Das größte Hindernis bei der Ermittlung der Wertschöpfungstiefe stellt dabei das Problem fehlender Angaben zu den Personalkosten, insbesondere bei U.S.8
Die Erfassung von Abschreibungen als Vorleistungen ist jedoch umstritten. Vgl. bspw. Beier/ Schlossarek, 1980, S. 1132.
404
Birthe Soppe/Michael Stephan
amerikanischen und japanischen Unternehmen, dar. Um diese Problematik zu umgehen, können die Personalkosten vergleichbarer Unternehmen herangezogen werden. Weitere Probleme bei der Ermittlung der Wertschöpfungstiefe von Unternehmen ergeben sich mit Blick auf die Datenerhebung über einen längeren Zeitraum. Insbesondere Unternehmen der Automobil- und Zulieferindustrie sind durch eine Vielzahl von Fusionen oder Akquisitionen gekennzeichnet. Um eine möglichst konsistente Datenermittlung über eine längere Untersuchungsperiode zu gewährleisten, sind solche Besonderheiten in der Historie eines Unternehmens auch bei der Berechnung der Wertschöpfungstiefe zu beachten. Als weitere unabhängige Variable wird die Variable „Akteurskategorie“ als Ausdruck der Zugehörigkeit der Unternehmen zu einer der beiden Kategorien Endhersteller oder Systemzulieferer in die Modellgleichung integriert. Für die Regression sind grundsätzlich nur intervallskalierte Variablen verwendbar. Falls jedoch eine nominal skalierte Variable als erklärende Variable lediglich zwei Ausprägungen aufweist, so kann diese als Dummy-Variable in die Regression einbezogen werden. Ob die unterschiedliche Positionierung der Unternehmen in der Wertschöpfungskette einen entscheidenden Einfluss auf die Breite der technologischen Kompetenzbasis ausübt, lässt sich daher mit Hilfe der DummyVariablen „Akteurskategorie“ in der Regressionsanalyse berücksichtigen, wobei die Ausprägung „null“ für die Zugehörigkeit zur Gruppe der Systemzulieferer steht und die Ausprägung „eins“ die Akteursgruppe der Endhersteller beziffert.
4
Ergebnisse der empirischen Analyse
4.1
Deskriptive Statistik und Korrelationen
Abbildung 1 enthält ausgewählte Kennzahlen der deskriptiven Statistik und bietet einen detaillierten Überblick über die Entwicklungsverläufe der abhängigen und unabhängigen Modellvariablen über den Untersuchungszeitraum 1983 bis 2002. Die unabhängige Modellvariable ist dabei die vertikale Spezialisierung, erfasst über die jährliche Wertschöpfungstiefe der Unternehmen (WTt) bzw. deren Entwicklung über den gesamten Untersuchungszeitraum (¨WT83-02). Für die geeignete Operationalisierung der Breite der technologischen Basis als zu erklärende Variable (TBPeriode t) sowie ihr Veränderungswert (¨TBPeriode (t-1)-t) ist der Untersuchungszeitraum von 20 Jahren in vier Perioden à fünf Jahren unterteilt worden. Da im Rahmen dieses Beitrags der Analysefokus auf der unterschiedlichen Positionierung von Unternehmen in der Wertschöpfungskette
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
405
liegt, sind die Daten der Stichprobenunternehmen zu Vergleichszwecken jeweils für die beiden Akteurskategorien Endhersteller und Systemzulieferer aufbereitet. Betrachtet man die Entwicklung der Wertschöpfungstiefe auf jährlicher Basis (WTt) sowie über den gesamten Untersuchungszeitraum (¨WT83-02) im Stichprobendurchschnitt, so zeigt sich, dass nicht nur die Endhersteller, sondern überraschenderweise auch die Zulieferunternehmen das Ausmaß ihrer vertikalen Integration insgesamt reduziert haben. Wie die Entwicklung der Mittelwerte über den kompletten Untersuchungszeitraum zeigt, haben jedoch insbesondere die Endhersteller ihren Wertschöpfungsumfang kontinuierlich verringert (insgesamt um 41,2 Prozent). Selbst die Minimum- und Maximumwerte verzeichnen einen beständig negativen Trend. Auch der Streubereich der einzelnen Werte um den Mittelwert ist vergleichsweise gering ausgeprägt. Für die ZulieferunternehEndhersteller (N=10) Variablen Wertschöpfungstiefe (WT) WT1983 WT1987 WT1992 WT1997 WT2002 ¨WT83-02 Technologische Basis (TB) TBPeriode1 TBPeriode2 TBPeriode3 TBPeriode4 ¨TB83-02
Systemzulieferer (N=19)
Minimum
Maximum
MW
SA
Minimum
Maximum
MW
SA
0,258 0,228 0,180 0,167 0,119 -0,688
0,381 0,380 0,304 0,269 0,213 -0,185
0,301 0,276 0,225 0,209 0,177 -0,412
0,042 0,051 0,039 0,035 0,032 0,146
0,182 0,228 0,187 0,208 0,133 -0,646
0,502 0,417 0,506 0,460 0,455 0,632
0,369 0,369 0,360 0,362 0,333 -0,098
0,076 0,047 0,083 0,081 0,086 0,338
5,177 5,157 5,593 5,773 0,012
6,938 7,623 7,607 7,55 0,458
5,868 6,24 6,601 6,536 0,114
0,55 0,832 0,829 0,625 0,131
0,227 2,617 1,362 2,09 -0,59
6,413 6,777 7,177 6,742 23,225
4,049 4,454 4,52 4,624 0,142
1,632 1,241 1,403 1,206 5,314
Abbildung 1: Deskriptive Statistik men ergibt sich im Durchschnitt ebenfalls ein negativer, wenn auch ungleichmäßigerer Entwicklungsverlauf (Absenkung der Wertschöpfungstiefe um insgesamt 9,8 Prozent). Diese Beobachtung ist insofern überraschend, als dass sich damit für die Mehrzahl der Systemlieferanten im Zeitablauf ebenso ein vertikaler Spezialisierungsprozess abzeichnet. Die breitere Streuung der Werte deutet jedoch darauf hin, dass dieser Trend nicht für alle Zulieferer gleichermaßen zuzutreffen
406
Birthe Soppe/Michael Stephan
scheint. Darüber hinaus ist deutlich erkennbar, dass die Zulieferer insgesamt durch ein konstant höheres Wertschöpfungsniveau gekennzeichnet sind als die Endhersteller: Die Mittelwerte der Variable Wertschöpfungstiefe liegen für die Zulieferer für jedes Untersuchungsjahr über den Werten für die OEMs. Die Veränderungsdynamik des Mittelwerts der Breite der technologischen Basis über den vollständigen Untersuchungszeitraum (¨TBPeriode1-4) verdeutlicht auf den ersten Blick die insgesamt positive Ausdehnung der technologischen Ressourcenbasis für beide Akteurskategorien. Hiernach erweitern die Endhersteller ihre technologische Basis um 11,4 Prozent, während die Systemzulieferer ihre Basis um 14,2 Prozent ausbauen. Dennoch zeichnen sich die Endhersteller im Vergleich zu den Systemlieferanten durch eine grundsätzlich breiter diversifizierte Ressourcenbasis aus. Dies zeigt ein Vergleich der beiden Akteursgruppen anhand der Mittelwerte pro Untersuchungsintervall (TBPeriode t). Es ist ersichtlich, dass die Endhersteller beständig höhere Werte des einstufigen Entropiemaßes erzielen. Während jedoch die Zulieferer kontinuierliche Steigerungsraten ihrer technologischen Diversifikation vorweisen, zeigt die Betrachtung der Mittelwerte für die OEMs zwischen der letzten und vorletzten Periode eine leicht rückläufige Entwicklung. Erklären lässt sich dieser Rückgang jedoch dadurch, dass das einfache Entropiemaß auch Technologieschwerpunkte im Profil der Unternehmen berücksichtigt. Einige Endhersteller haben zwischen den letzten Intervallen ihre technologischen Aktivitäten im Hinblick auf die Technologieunterklassen zwar ausgedehnt, sich aber im Vergleich zur Entwicklung der gesamten Patentanmeldezahl auf insgesamt weniger Technologiebereiche konzentriert. Die Analyse der deskriptiven Statistik gibt erste Aufschlüsse über die zeitliche Entwicklung der zentralen Untersuchungsvariablen. Während die Mehrzahl der Stichprobenunternehmen ihre Wertschöpfungstiefe im Zeitablauf verringert, erweitern sie zugleich ihr Technologieprofil. Dabei wirkt sich die Positionierung der Unternehmen in der Wertschöpfungskette offensichtlich auf die Ausprägung der Variablen aus. Die Zulieferer sind prinzipiell durch einen höheren vertikalen Integrationsgrad gekennzeichnet als die Endhersteller. Für Letztere ist hingegen eine breitere technologische Ressourcenbasis zu verzeichnen. Die nachfolgende Korrelationstabelle zeigt die Stärke der stochastischen Abhängigkeiten zwischen den zentralen Untersuchungsvariablen, welche in die Regressionsanalyse einfließen. Da es sich ausschließlich um intervallskalierte Variablen handelt, erfolgt die Überprüfung der stochastischen Zusammenhänge mittels Berechnung von Korrelationskoeffizienten nach Pearson. Die Zugehörigkeit der Unternehmen zu einer der beiden Akteursgruppen (Dummy-Variable) kann bei der Berechnung der Korrelationskoeffizienten nicht erfasst werden.
0,268
-0,312
-0,236
,418*
WT1992
WT1997
WT2002
¨WT83-02
TBPeriode1
TBPeriode2
TBPeriode3
TBPeriode4
¨TB83-02
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Abbildung 2: Stochastische Zusammenhänge der Modellvariablen (N=29)
** signifikant auf 0.01-Niveau * signifikant auf 0.05-Niveau
-0,261
-0,336
-,433*
,550**
,692**
,763**
WT1987
2
1,00
WT1983
1
1
Variablen
0,176
-0,330
-0,250
-,412*
-,432*
0,033
,484**
,665**
,859**
1,00
2
0,352
-0,347
-0,366
-,571**
-,546**
0,250
,679**
,791**
1,00
3
0,212
-,605**
-,635**
-,618**
-,477**
,557**
,879**
1,00
4
0,163
-,626**
-,628**
-,635**
-,416*
,812**
1,00
5
-0,066
-,501**
-,496**
-,417*
-0,157
1,00
6
-,596**
,413*
,607**
,779**
1,00
7
-0,363
,608**
,797**
1,00
8
-0,212
,871**
1,00
9
0,054
1,00
10
1,00
11
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern 407
408
4.2
Birthe Soppe/Michael Stephan
Regressionsanalyse zum Einfluss der vertikalen Spezialisierung auf die Veränderung der Breite der technologischen Kompetenzbasis
Hypothese 1 (a & b) und 2 besagen, dass die vertikale Spezialisierung keinen Einfluss auf die Breite der technologischen Kompetenzbasis von Endherstellern und Zulieferern im Zeitablauf ausübt und somit nicht zu einem Abbau technologischer Kompetenzen führt, sondern dass die Akteure weiterhin neue Technologiebereiche erschließen. Die Hypothesenüberprüfung erfolgt mittels linearer (multipler) Regressionsanalyse, wobei die Veränderung der Breite der technologischen Basis über den gesamten Untersuchungszeitraum (¨TBPeriode1-4) als zu erklärende Variable eingesetzt wird und die Veränderung der Wertschöpfungstiefe (¨WT1983-2002) als erklärende, d. h. als unabhängige Variable verwendet wird. Als weitere unabhängige Variable wird die Dummy-Variable „Akteurskategorie“ als Ausdruck der Zugehörigkeit der Stichprobenunternehmen zu einer der beiden Akteurskategorien in die Modellgleichung integriert. Als Kontrollvariable fließt der absolute Wert der Breite der technologischen Basis des ersten Untersuchungsintervalls (TBPeriode1) ein. Es wird vermutet, dass ein nicht signifikanter Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Entwicklung der Breite der technologischen Kompetenzbasis besteht. Die Ergebnisse der Regression sind in Abbildung 3 zusammengefasst (es konnten alle 29 Stichprobenunternehmen in der Analyse berücksichtigt werden). Die Regression wird nach der schrittweisen Methode durchgeführt, wobei das Signifikanzniveau 0,05 beträgt. Das Bestimmtheitsmaß r2 sowie das korrigierte Bestimmtheitsmaß umfasst die Werte 0,355 und 0,331. Demzufolge können die unabhängigen Variablen 33,1 Prozent der Veränderung der Breite der technologischen Ressourcenbasis (¨TB1983-2002) erklären. Mit einer Signifikanz von 0,001 ist das Modell äußerst signifikant. Wie der Koeffiziententabelle zu entnehmen ist, verfügt lediglich die Kontrollvariable TBPeriode1, also die Breite der technologischen Basis während der ersten Untersuchungsperiode, über einen ausreichend signifikanten Regressionskoeffizienten. Die Variable TBPeriode1 zeugt mit einem Beta-Koeffizienten von -0,596 von einem negativen Einfluss auf die zu erklärende Variable. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen, die während des ersten Untersuchungsintervalls bereits über ein breit aufgestelltes Kompetenzniveau verfügten, im Laufe der nächsten 15 Jahre ihr Technologiespektrum nicht mehr so stark ausgebaut haben.
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
Modellzusammenfassung
ANOVA Regression
R
0,596
Quadratsumme
R-Quadrat
0,355
Korrigiertes R-Quadrat Standardfehler des Schätzers
0,331
Df Mittel der Quadrate
3,524
409
Residuen
Gesamt
184,437
335,376
519,813
1
27
28
184,437
12,421
14,848
F Signifikanz
0,001
Koeffizienten Konstante
TBPeriode1
Regressionskoeffizient
8,449
-1,597
Standardfehler
2,045
0,414 -0,596
Beta T-Wert
4,131
-3,853
Signifikanz
0,000
0,001
Abbildung 3: Multiple Regressionsanalyse zur Erklärung der Veränderungsdynamik der Breite der technologischen Kompetenzbasis im Zeitraum 1983-2002 Die unabhängige Variable Veränderung der Wertschöpfungstiefe wurde, wie erwartet, aufgrund mangelnder Signifikanz aus der Analyse der Kausalzusammenhänge ausgeschlossen. Mit einem Beta-Koeffizienten von -0,163 und einer Signifikanz von 0,305 wurde die Variable ¨WT1983-2002 aus dem Modell ausgeschlossen. Wie vermutet, dient auch die Zugehörigkeit zur Akteurskategorie nicht als erklärende Variable für die Veränderung des Diversifikationsgrades. Diese Variable fällt mit einem Beta-Koeffizienten von 0,255 und einem Signifikanzwert von 0,172 aus der Kausalanalyse heraus. Insgesamt unterstützt dieses Ergebnis die aufgestellten Hypothesen: Die zunehmende vertikale Spezialisierung hat keinerlei Einfluss auf die Veränderung der Breite der technologischen Basis. Sowohl Endhersteller als auch Systemzulieferer erweitern trotz verstärkter Abgabe von Wertschöpfungsleistungen be-
410
Birthe Soppe/Michael Stephan
ständig ihre technologische Basis und halten entsprechende technologische Kompetenzen in-house. Wie in den Hypothesen 1 (a & b) und 2 vorhergesagt, besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen der Veränderung des Wertschöpfungsumfangs und der Veränderung der technologischen Ressourcenbasis.
4.3
Regressionsanalyse zum Einfluss der Akteurskategorie auf die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis
Eine weitere Regressionsanalyse dient der Überprüfung des kausalen Zusammenhangs zwischen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Akteursgruppe und der Ausprägung der Technologieprofile von Unternehmen (Hypothese 3). Die zu testende Hypothese geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Akteurskategorie eine signifikante Erklärungsgröße für die absolute Breite der technologischen Kompetenzbasis darstellt. Im Gegensatz zur vorherigen Regressionsanalyse werden daher die abhängige sowie die unabhängigen Variablen nicht als Veränderungswerte über den gesamten Zeitraum, sondern in ihrer absoluten Größe in der Modellgleichung erfasst. Als abhängige Variable wird demzufolge die Breite der technologischen Basis in ihrem absoluten Wert (TBPeriode t) verwendet. Neben der Dummy-Variablen Akteurskategorie wird als weitere unabhängige Variable das Niveau der Wertschöpfungstiefe pro Untersuchungsperiode (WTt) in die Modellgleichung integriert, um den Einfluss der Wertschöpfungstiefe auf die Breite der technologischen Basis auch in ihrer absoluten Größe pro Untersuchungsperiode bestimmen zu können. Da unter Verwendung absoluter Werte die Abhängigkeit der zu erklärenden Variable von den unabhängigen Variablen für jede der vier Teilperioden separat getestet werden muss (d. h. es werden vier Regressionen durchgeführt), um die Kausalzusammenhänge für den gesamten Untersuchungszeitraum von 20 Jahren überblicken zu können, müssen bei der Variablen WTt zeitliche Verzögerungen berücksichtigt werden. Der Einfluss der Wertschöpfungstiefe wird daher sowohl für das zeitlich vor der jeweiligen Untersuchungsperiode liegende Jahr erfasst (WTt-1), sowie für die Jahre, die den Beginn (WTt) und das Ende der Periode (WTt+1) markieren. Entsprechend der bereits positiv getesteten Hypothesen wird auch für die vorliegende Regressionsrechnung angenommen, dass die vertikale Spezialisierung keinen signifikanten Einfluss auf den technologischen Diversifikationsgrad hat. Abbildung 4 stellt die Ergebnisübersicht der Regressionsanalyse dar, separiert für die vier Fünfjahresintervalle 1983 – 1987,
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
411
1988 – 1992, 1993 – 1997 sowie 1998 – 2002 (schrittweisen Methode, Signifikanzniveau von 0,05, N=29). Das korrigierte Bestimmtheitsmaß, als Maß für die Güte der Messung, steigt kontinuierlich über den Zeitraum hinweg an und umfasst Werte von 0,274 bis 0,426. Dieses Bild zeugt von einer kontinuierlich ansteigenden, starken kausalen Abhängigkeit der Breite des Technologieportfolios von den erklärenden Variablen. Zugleich zeugen die niedrigen Signifikanzwerte von einem hohen Erklärungsgehalt der Modelle. Wie vermutet, übt die Wertschöpfungstiefe erneut keinerlei Einfluss auf den Diversifikationsgrad der Unternehmen aus. Die Variablen WTt-1, WTt sowie WTt+1 fallen aus jedem der vier Modelle aufgrund mangelnder Signifikanzwerte heraus. Dagegen zeugen die Beta-Koeffizienten der erklärenden Variable Modellzusammenfassung 1983-1987
1988-1992
1993-1997
1998-2002
R
0,547
0,617
0,637
0,668
R-Quadrat
0,300
0,381
0,405
0,447
Korrigiertes R-Quadrat
0,274
0,358
0,383
0,426
Standardfehler des Schätzers
1,370
1,122
1,242
1,049
ANOVA Regression Quadratsumme
1983-1987 Residuen
Gesamt
Regression
1988-1992 Residuen
Gesamt
21,669
50,653
72,322
20,882
33,964
54,846
1
27
28
1
27
28
21,669
1,876
20,882
1,258
Df Mittel der Quadrate F
11,550
16,600
0,002
0,000
Signifikanz
1993-1997 Regression Residuen Quadratsumme
Gesamt
Regression
1998-2002 Residuen
Gesamt
28,361
41,637
69,998
23,954
29,686
53,640
1
27
28
1
27
28
28,361
1,542
23,954
1,099
Df Mittel der Quadrate F
18,391
21,787
0,000
0,000
Signifikanz
412
Birthe Soppe/Michael Stephan
Koeffizienten Konstante
1983-1987 Akteurskategorie
Regressionskoeffizient
4,049
1,819
4,454
Standardfehler
0,314
0,535
0,257
Konstante
1988-1992 Akteurskategorie
0,547
Beta
1,785 0,438 0,617
12,886
3,399
17,312
4,074
0,000
0,002
0,000
0,000
Konstante
1993-1997 Akteurskategorie
Regressionskoeffizient
4,520
2,081
4,624
Standardfehler
0,285
0,485
0,241
T-Wert Signifikanz
Signifikanz
1998-2002 Akteurskategorie
0,637
Beta T-Wert
Konstante
1,912 0,410 0,668
15,867
4,288
19,221
4,668
0,000
0,000
0,000
0,000
Abbildung 4: Multiple Regressionsanalyse zum Einfluss der Akteurskategorie auf die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis „Akteurskategorie“ mit Werten zwischen 0,547 und 0,668 von einer starken positiven Bestimmungsgröße auf die abhängige Variable. Die kontinuierlich ansteigenden Beta-Werte zeigen, dass die erklärende Variable offensichtlich einen zunehmend stärkeren Einfluss auf die Breite der technologischen Basis im Zeitablauf ausübt. Die kausale Abhängigkeit zwischen der Variablen „Akteurskategorie“ und der Breite der technologischen Basis ist für jede Periode gegeben, womit Hypothese 3 Unterstützung erfährt: Die unterschiedliche Positionierung von Unternehmen in der Wertschöpfungskette stellt eine signifikante Erklärungsgröße für die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis dar. Zudem bietet die nähere Analyse des positiven Kausalzusammenhangs Aufschluss über die Unterschiede in der Ausprägung der Technologieprofile zwischen OEMs und Zulieferern. Die Regressionsanalyse mit der Dummy-Variablen ist dabei wie folgt zu interpretieren: Steigt die Dummy-Variable um eine Einheit, so besagt dies einen Wechsel der Akteursgruppe von Zulieferer zu Endherstellern. Dieser Wechsel wirkt sich aufgrund der positiven kausalen Abhängigkeit in die gleiche Richtung auf die abhängige Variable TBPeriode t aus. In Bezug auf die vorliegenden Regressionsergebnisse lässt sich demnach konstatie-
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
413
ren, dass die Zugehörigkeit zur Gruppe der Endhersteller über den gesamten Untersuchungszeitraum einen positiven Einfluss auf den Diversifikationsgrad ausübt. Dieses Ergebnis wird auch von den Ergebnissen der deskriptiven Statistik unterstützt, womit insgesamt festgehalten werden kann, dass die Endhersteller grundsätzlich über ein breiter diversifiziertes Technologieprofil verfügen als die Zulieferunternehmen.
5
Diskussion der Ergebnisse
Die zu Beginn aufgestellte Forschungsfrage, welchen Einfluss die zunehmende vertikale Spezialisierung auf das Spektrum technologischer Innovationsbemühungen von Endherstellern und Zulieferern ausübt, führte zunächst dazu, die Wertschöpfungstiefe als Determinante der vertikalen Spezialisierung für die Unternehmen des Untersuchungssample zu bestimmen. Dabei stellte sich als ein überraschendes Ergebnis der deskriptiven Statistik heraus, dass nicht nur Endhersteller ihre Wertschöpfungstiefe während des Untersuchungszeitraums von 20 Jahren (1983-2002) zunehmend verringert haben, sondern auch die Mehrzahl der Zulieferunternehmen. Diese Beobachtung scheint jedoch bei näherer Betrachtung des hierarchischen Aufbaus systemischer Industrien nur natürlich. Die Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen seitens der Endhersteller verbleibt nicht auf Ebene der Systemzulieferer, sondern wird von Letzteren wiederum an die Unternehmen der untergeordneten Lieferanten weitergereicht. Schließlich verantworten die großen Zulieferer die Herstellung komplexer und technisch anspruchsvoller Systeme, die nicht ohne Vorleistungen von tiefer positionierten Lieferanten in der Wertschöpfungskette gefertigt werden können. Des Weiteren ergab die Analyse der Wertschöpfungstiefe, dass die Endhersteller im Vergleich zur Akteursgruppe der Zulieferer durch einen deutlich geringeren vertikalen Integrationsgrad gekennzeichnet sind. Zudem lieferte die deskriptive Analyse erste Hinweise auf eine Entkopplung des vertikalen Spezialisierungsprozesses von der Veränderung der Breite der technologischen Kompetenzbasis (Hypothese 1 und 2). Die Berechnungen zur Entwicklungsdynamik der technologischen Basis deuteten bereits an, dass der Prozess der vertikalen Spezialisierung nicht zwangsläufig zu einer Abgabe technologischen Wissens führt. Sowohl OEMs als auch große Zulieferer haben trotz Reduzierung der Wertschöpfungstiefe im Zeitablauf das Spektrum ihrer technologischen Aktivitäten ausgedehnt. Dieser Trend der Erweiterung der Technolo-
414
Birthe Soppe/Michael Stephan
giebasis deutet darauf hin, dass für beide Akteursgruppen der Aufbau technologischer Kompetenzen eine wichtige Rolle im Leistungserstellungsprozess spielt. Unter Verwendung einer Regressionsanalyse konnten die aufgestellten Hypothesen zum Einfluss der vertikalen Spezialisierung auf die Breite der technologischen Basis empirisch überprüft werden. In keiner der Regressionen besaß die (Veränderung der) Wertschöpfungstiefe einen signifikanten Erklärungsgehalt. Damit bestätigt sich, dass die Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen nicht zu einem Abbau technologischer Kompetenzen führt, sondern dass die Unternehmen trotz Outsourcingaktivitäten die Breite ihrer technologischen Basis sogar noch erweitern. Diese empirischen Befunde gelten dabei für Endhersteller und Systemzulieferer gleichermaßen (Hypothese 1 und 2). Damit lässt sich die zu Beginn aufgestellte Forschungsleitfrage beantworten: Die zunehmende vertikale Spezialisierung übt keinen Einfluss auf das Spektrum technologischer Innovationsbemühungen von Endherstellern und Zulieferern aus. Jedoch zeichnete sich auch schon im Rahmen der deskriptiven Analyse ab, dass das Spektrum der technologischen Aktivitäten der Endhersteller im Vergleich zu dem ihrer Lieferanten eindeutig breiter angelegt und somit klar diversifizierter ist. Dieser offensichtliche Einfluss der unterschiedlichen Rolle bzw. Positionierung von Unternehmen im Wertschöpfungsprozess auf die Ausgestaltung der technologischen Kompetenzbasis konnte im Rahmen der Regressionsanalyse voll bestätigt werden. Die Positionierung von Unternehmen in der Wertschöpfungskette besitzt eine signifikante Erklärungskraft für die Ausgestaltung der technologischen Basis. Endhersteller verfügen dabei prinzipiell über ein breiter aufgestelltes Technologieprofil als Systemzulieferer (Hypothese 3).
6
Fazit
Die Notwendigkeit der vorliegenden empirischen Analyse ergab sich aus der Frage, ob die Strategie der vertikalen Spezialisierung zu einem Abbau technologischer Kompetenzen führt. Die Arbeit erweitert das Verständnis für die Leistungserstellung komplexer systemischer Produkte sowie für die Thematik der vertikalen Integration und Fremdvergabe von Wertschöpfungsleistungen. Die differenzierte Analyse für Endhersteller und Systemzulieferer bietet zudem tiefere Einblicke in die Form der Zusammenarbeit zwischen den Akteursgruppen. Allerdings wird die Aussagekraft des vorliegenden Beitrags durch das kleine Untersuchungssample geschmälert. Hierzu ist jedoch relativierend anzumerken, dass dieser Beitrag nach Kenntnissen der Autoren die erste empirische Arbeit
Technologische Kompetenzverteilung zwischen Endherstellern und Systemzulieferern
415
darstellt, welcher den Einfluss der (Veränderung der) Wertschöpfungstiefe auf die technologische Kompetenzbasis von Endherstellern und Zulieferern anhand der vorgestellten Messmethoden operationalisiert und empirisch überprüft. Einschränkend zu erwähnen bleibt, dass sich die Ergebnisse der Arbeit ausschließlich auf eine Untersuchung der Automobilindustrie stützen. Um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen, empfiehlt es sich für zukünftige Untersuchungen, eine solche Analyse auch für andere Industrien mit systemischen Produkten und umfassenden Zuliefernetzwerken durchzuführen. Außerdem umfasst die Studie eine Längsschnittanalyse für Endhersteller und große Systemzulieferer. Noch genauere und interessante Einblicke bezüglich der Rolle und Positionierung von Endherstellern und Zulieferern im Wertschöpfungsprozess würden sich ergeben, wenn neben großen Systemzulieferern ebenfalls Zulieferer nachfolgender „Tiers“ in die Untersuchung einbezogen werden. In zukünftigen Beiträgen sollten daher auch kleinere Zulieferunternehmen Berücksichtigung finden
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416
Birthe Soppe/Michael Stephan
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Value delivery through IT-based healthcare architectures Towards a competence-based view of services
1
Moving the productivity frontier in the healthcare sector.....................419
2
The economic landscape of the healthcare industry: Challenging entrenched wisdoms and paradigms for the purpose of value creation 421 2.1 Determinants of value creation in the healthcare sector ............421 2.2 Solving virulent healthcare problems by means of rationing and rationalization? ...................................................................424
3
In search of an organic blueprint for value creation: Automatic integration of heterogeneous service sources .......................................427 3.1 Service-based view of the firm..................................................427 3.2 jABC: Empowering the business developer ..............................432 3.3 Applications in the strategic IT planning...................................433 3.4 Applications in the healthcare sector.........................................434
4
Evaluation: does XMDD have a chance to prevail? .............................435
5
Conclusions and perspectives ...............................................................440
Literatur............................................................................................................441
Value delivery through IT-based healthcare architectures
1
419
Moving the productivity frontier in the healthcare sector
The competiveness of the healthcare industry increasingly hinges on the strategic competence to create value for patients, insurance companies, employees and investors, alike under conditions of hyper-turbulence (Braun von Reinersdorff, 2007). While in the past public healthcare institutions took advantage of strong national regulation regimes, free-wheeling market forces in European service sectors will take on added significance and endanger entrenched business models (Olmsted Teisberg, 2007). To make things worse, the demographic changes towards geriatric societies and ensuing chronic diseases may cause a financial collapse of national healthcare institutions, which are anything, but adaptive and robust (Porter and Teisberg, 2004). Given scarce healthcare resources facing an inflating demand for medical treatment, healthcare companies should harness the value potential of IT-induced process innovations. Instead of launching medical ‘rocket science’ output innovations, sometimes even missing evidence criteria due to their early-stage status, healthcare companies will be forced to adopt core elements of the industrial production paradigm (Braun von Reinersdorff, 2007). Otherwise DRG1-induced cost targets cannot be met and healthcare companies run the risk of financial bankruptcy. Benchmarking hospitals against leading edge organizations of highly competitive industries leads to the conclusion that the strategic use of IT-architectures may explain a good share of the estimated productivity gaps, calling for flexible automation, process management and intelligent service engineering. Adopting the standpoint of strategic management, the value creating role of IT does not lie in its single application use, but in the real option to create networked healthcare systems and resulting productivity gains through organizational flow regimes instead of hierarchy-driven expert silos and encapsulated competences (Glouberman and Mintzberg, 2001a/b). The latter will outlive their usefulness if they are not interconnected and coordinated for the purpose of holistic healthcare competence. In this context IT-architectures do not only resemble ‘enabling technologies’, but are core drivers of organizational change in the healthcare sector. Rule-breaking business models, such as tele-medical treatment, tele-portal clinics, remote surgery, RFID-based workflow manage1
The acronym DRG stands for diagnosis related groups, representing pre-defined medical treatments according to a fixed pricing system. In short, competitive pricing is prevented through stipulated DRG-prices for necessary medical treatments to establish competition on quality instead of aggressive price dumping. The latter might provoke the execution of unethical quality dumping strategies in order to maximize profit margins per patent and treatment.
420
Christoph Rasche/Tiziana Margaria/Andrea Braun von Reinersdorff
ment, diagnosis related data management, case management, network-based health maintenance organizations, or the establishment of healthcare franchising systems corroborate the viewpoint that IT competence itself is more than just an auxiliary force. Moreover, it promotes organizational progress in an ‘undermanaged’ but ‘over-administrated’ service area, employing high-end medical technologies while clinging to archaic business models and old-fashioned governance systems. To put it in a nutshell, many hospitals try to tackle complex healthcare issues with default IT solutions and outmoded organizational designs (Rasche, Braun von Reinersdorff and Heitele, 2010). The jABC approach (Steffen, Margaria, Nagel, Jörges, and Kubczak, 2006) bridges the IT hemisphere with the management hemisphere for the sake of overcoming monolithic process orders. It represents a fine granulated service paradigm of modeling healthcare processes whereby being able to synthesize a plethora of dispersed data to achieve the knowledge bedrock for controlling and consulting topics in healthcare organizations. We challenge conventional wisdom in the healthcare sector when contrasting the pluralistic and interface supporting jABC approach with the logic of tight hospital steering systems, which – paradoxically – enhance organizational inertia, static routines and inefficient path dependencies. The one thing approach (Margaria and Steffen, 2009) is designed to overcome the classical communication hurdles between application experts and the various levels of IT experts. Technically, it is realized in terms of eXtreme Model Driven Design (XMDD, Margaria and Steffen, 2008), a technique that puts the user-level process in the center of the development. It enables customers/users to design, animate, validate, and control their processes throughout the whole life cycle, starting with the first requirement analysis, and ending with the demand-driven process evolution over its entire life span. This strict way of top-down thinking emphasizes the primary goal of every development: customer satisfaction and customer self-empowerment. In the next section we will present the healthcare application background, before sketching out the technical setting in section 3, and outlining our solution for global control and management in section 4. Section 5 attempts at a first evaluation of the chances on the proposed approach in the healthcare sector, and finally section 6 presents our conclusions.
Value delivery through IT-based healthcare architectures
421
2
The economic landscape of the healthcare industry: Challenging entrenched wisdoms and paradigms for the purpose of value creation
2.1
Determinants of value creation in the healthcare sector
The healthcare sector as one of the most knowledge-intensive industries suffers from a flurry of discrete data, information and process chunks in multiple qualities and granulation modes. To make things worse, the dispersed and mostly poorly connected IT-infrastructures and hospital information systems hamper the process of holistic and interdisciplinary competence building. Opposite to commercial lead industries, hospitals and the vast majority of healthcare institutions are endemically ridden by regulatory constraints and discipline-driven mindsets hampering institutional change on the industry as well as on the firm level. To harness the full potential of IT-innovations in the healthcare sector, the clinics have to assimilate the behavioral cornerstones of competence-based project management (Braun von Reinersdorff, Margaria, Rasche and Steffen, 2009). Managerial practice evidences that the success of innovative IT-projects critically depends not only on the technological acumen, but on the human and political factor. Although often being interpreted as professional services companies ‘in a broader sense’, hospitals do not display the features of archetypical expert organizations (i.e. consulting companies, multimedia agencies) due to bureaucratic governance regimes and highly sequential service delivery. Despite the command for seamless care processes, patient-centered case management and holistic disease management programs, most of the hospitals still have not adopted the service principles of the ‘best in class’, when benchmarked against them. It goes without saying that hospitals cannot be compared with airlines, software firms, leisure companies or car makers alongside the whole value chain. Nevertheless, some promising pilot research was triggered by process-driven business models of industries, which might serve as a platform for hospital redesign according to core levers of value creation. In the hospital industry the economic logic of value creation has to be slightly modified and broadened to accommodate public and stakeholder interests (Braun von Reinersdorff, Heitele and Rasche, 2010). Hospitals’ pivotal reference point of value creation are not the shareholders (Prahalad, 1997), but patients, which can be either qualified as customers (i.e. cosmetic surgery) or just medical cases (i.e. heart surgery), when it comes to
422
Christoph Rasche/Tiziana Margaria/Andrea Braun von Reinersdorff
necessary and urgent clinical treatments. Increasingly, hybrid constellations emerge, because in many instances medical treatment reflects a bundle of services and elective options. Think of medical cases leaving enough choice space for hotel and convenience services or high end medical treatment insurance companies are not willing to pay for. Thus the patient withers between a medical case on the one hand and a customer on the other hand with respect to desirable add-on services that are not covered by the insurance companies. Since the market performance of expert organizations decisively depends on competence exploration and exploitation processes, value creation for personnel evolves into a critical success factor (Teisberg Olmsted, 2008). Hardware and software in terms of sophisticated medical infrastructure may be regarded as a necessary condition of value creation, but the sufficient condition is only met, if hospitals manage on satisfying their ‘human capital’ with respect to multiple dimensions, such as individual training, research options or fair payment (Braun von Reinersdorff and Rasche, 2002). Last but not least, in continental Europe, healthcare institutions are expected to create public value within the overarching framework of corporate social responsibility (Nahapiet and Ghoshal, 1998). The latter commands companies to commit to procedural justice, medical outcome justice and non discriminating selection rules in terms of patients’ treatment (Kim and Mauborgne, 2008). Especially, nonprofit hospitals following charitable aims are morally challenged to meet high ethical standards to avoid triage constellations deriving from the social and/or economic status of the patient (capability and willingness to pay). Process management, business modeling and service engineering in the healthcare sector will have to reflect the imperative of balanced value creation according to the expectations of patients, employees, payers, investors, and the public. To add more complexity, service delivery in the healthcare sector requires hospitals to optimize process chains alongside multiple performance criteria, such as procedural safety, convenience, duration of treatment, waiting times, responsiveness to emergency cases, compliance to ethical standards, evidence-based outcomes, and cost efficiency (Rasche, 2002, Hogan, Singh and Rasche, 2009). Since trying to perform on all of these process items excellently, means squaring the circle. Hospitals will have to capitalize on their core competencies to fulfill the key success factors instead of overstretching scarce resources by setting well-balanced priorities (Prahalad and Hamel 1990, Rasche, 1994). In welfare focused industries value management does not correspond with ‘cherry picking’ as supposed to be in truly competitive industries, but with high impact resource management leading to ethically and economically accepted outcomes. In sharp contrast to the commercial sector, hospi-
Value delivery through IT-based healthcare architectures
423
tals always have to bear in mind, that they are multi-purpose expert organizations in a yet highly regulated market. Thus Braun von Reinersdorff (2007) coined the term of balanced management to indicate that strategy and process design as well as value creation are conducted on behalf of heterogeneous agents who may cause tensions between the market system and the non market system (Baron, 1995). There hospitals are forced to accumulate ambidextrous capabilities (Tushman and O’Reilly, 1996). Whereas the market system resembles the economic ideal of free-wheeling entrepreneurial competition on lead performance indicators, such as price, quality, innovation, design, service delivery, or responsiveness to customers, the non-market system shows classic signs of political agenda setting and governmental interference. In face of geriatric societies, a steadily rising demand for medical services, boosting pharmaceutical and equipment costs as well as inflating patients’ expectation levels and social polarization tendencies, policymakers step in the arena of healthcare administration, but not in the one of management and entrepreneurship! While acknowledging the need for market regulation to assure minimum welfare, healthcare administrations often achieve the reverse: The status quo is often just marginally optimized instead of strategically redesigned to reinvigorate flawed healthcare systems by means of process innovation and networked healthcare webs (Rasche, Braun von Reinersdorff and Heitele, 2010). Irrespective of the productivity boost of intelligent IT solutions in the healthcare sector – being the foundation of high-performance organizations – corporate governance and leadership issues will play a pivotal role to pave the rocky road of value creation. At the moment over-regulation leads to overadministration which culminates in change resistant organizational formats. They succumb to core rigidities, inertia, path dependencies and entrenched corporate cultures, which together hamper innovation and radical business process redesign as proposed by Hammer and Champy (1993). Many progressive hospitals employ internal and external change agents to trigger and accompany the transformation process from mere healthcare administrations to market-, competence- and process-driven service companies, whereby complying with moral and ethical standards (Stubblefield, 2005). Unfortunately, radical thinking in the healthcare sector all too often amounts to evolutionary muddling-through which should be considered in advance when redesigning hospitals through path breaking IT-architectures and overlapping flow models of value creation (Glouberman and Mintzberg, 2001a/b).
424
2.2
Christoph Rasche/Tiziana Margaria/Andrea Braun von Reinersdorff
Solving virulent healthcare problems by means of rationing and rationalization?
Healthcare goods are trust-based, interface-dependent vulnerable to information asymmetries, ethically impacted and normally display low price elasticity. In the emergency case many patients would pay even prohibitive prices for the sake of medical treatment as can be seen in the field of transplantation medicine or heart surgery. To circumvent waiting lists, patients are even willing to take advantage of ‘grey transplantation markets’ emerging in India, Pakistan or other poor countries. To avoid unethical price discrimination and undersupply of underprivileged people welfare states ‘paralyze’ those market forces that are held accountable for undesirable outcomes. Healthcare competition takes place on an real option spectrum ranging from social Darwinism (in terms of capability and willingness to pay) to the steps of cost competition (compete on efficiency, not on price), administered quality competition (compete on highest medical standards) to socialist healthcare monopolies and orthodox planning autocracies (Borgonovi and Brovetto, 1994). The latter curtail competition for the sake of procedural and outcome justice, but will never meet the productivity and innovation frontier due to missing entrepreneurial zest, as can be observed in many socialist countries. The wide-spread diagnosis related group system may be interpreted as a ‘third way’ between discriminatory market systems on the one hand and bureaucratic non-market systems on the other hand – being vulnerable to misallocations induced by central planning. From the micro viewpoint healthcare institutions are forced to anticipate and describe feasible industry scenarios to shift investments towards supra-normal value generation options within the regulatory framework. The latter will always be a straightjacket that can be indirectly influenced by political impact management to further micro- and macro-interests of the healthcare industry (Baron, 1995). The evolutionary path of legal framework should be projected into the future in terms of best and worst case agendas to be braced for alternative legal settings. The latter can be easily integrated into our jABC-model to dynamically adjust healthcare processes and business models to volatile legal rules. To put it short, sound business models on the micro-level as well as balanced healthcare systems on the macro-level are wanted to cope with the challenge of (ethical) value creation (Braun von Reinersdorff, 2007). The economic paradigm does not only focus on resource bottlenecks pertaining to medical treatment, pharmaceuticals and care of multi-morbid patients, but tries to strike a balance
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between rising expectation levels and limited healthcare resources. To cope with this dilemma two key approaches are vividly discussed: Rationing on the one hand and rationalization on the other. Both have a strong bearing on process architectures, value chain management and IT utilization. Rationing of healthcare services: This concept culminates in discriminating supply models, when desirable healthcare outcomes are restricted according to questionable selection algorithms. In its ultimate form the rationing and budgeting of medical services leads to triage constellations and an ensuing selection process in terms of discriminating criteria (i.e. age, morbidity status, income and social status, probability of reconvalescence). The most prominent mode of rationing leads to waiting lists and waiting times, when urgent needs cannot be satisfied. Waiting times, if valid for all patients irrespective of the monetary or social status, are often regarded as ‘just and fair’ opposite to the ‘capability and willingness to pay’. Certainly, it should be economically possible to calculate the societal ‘net present value’ of a life and to adjust the provision of scarce healthcare services correspondingly. In this model healthcare distribution is a function of the estimated residual value of an individual accruing to the public. Geriatric people, parenthetically, having outlived their usefulness for society in a crude economic sense, are not eligible to first-class medical treatment giving rise to ethical discussions. Apart from this kind of obvious rationing, unobservable modes of subtle supply shortages take place more and more, as can be exemplified by the ‘rocket-science medicine’. Hospitals are often forced to resort to cost-efficient second class treatments although better alternatives are available, but not affordable. This kind of technical rationing revolves around reserved qualities, not quantities with respect to medical treatment. From an ethical standpoint rationing should be a means of last resort, if no further productivity progress is possible by means of rationalization. Therefore, healthcare institutions should first and foremost think of business models and process innovations to maximize value return on invested resources. Unfortunately, rationalization efforts in the healthcare sector are often confused with parochial cost, quality and service dumping, irrespective of the paradigm of ‘innovation-triggered rationalization’. Innovation-triggered rationalization: We coined this term to stipulate that multi-stakeholder value creation and rationalization may be coalesced into a double-edged paradigm of value creation thriving on strategic and operational excellence. While radical process and business model innovations in the healthcare sector shift the old productivity line towards a hitherto unreached level, incremental process innovations aim at reducing organizational slack and mobi-
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lizing untapped resources within a given value architecture (Kim and Mauborgne, 2005). Instead of challenging and replacing the established system of value creation, hospital management favors piecemeal Kaizen-like improvements to ‘stretch and stress’ the productivity line for the purpose of either resource mobilization or slack liposuction as a means of last resort (Porter, 1996). Advanced information technologies may trigger radical as well as incremental rationalization in the healthcare sector if the convergence of hardware, software and peopleware initiates a self-enhancing value system. Think of newly established healthcare networks connecting formerly dispersed microcells of highly granulated value creation. The jABC approach excels in interconnecting highly granular and sometimes fuzzy value cells to become part of a higher granulated value order. According to Nobel laureate North (1990) up to 40 percent of all costs are transaction costs which must be incurred by one or more parties if nontrivial services and goods shall be traded under conditions of complexity, uncertainty and risk. Under the premise that economic agents display at least moderate opportunism and selfishness, smart information technology may be conducive to slumping transaction costs. We defend the thesis that transaction costs are exceptionally high in the healthcare sector with respect to present architecture of value creation. It often resembles a patchwork of value destruction on the strategic level. While single islands of value creation are all-pervading on the institutional microcell level, these encapsulated cell structures miss an organic blueprint for value creation and holistic competence building (Braun von Reinersdorff, Heitele and Rasche, 2010)– let alone the accumulation of dynamic capabilities (Sanchez, 2008). The granular, adaptive and robust jABC approach harmonizes the flurry of heterogeneous data sets generated by the multiple tools and techniques being employed during the value creation process. Empirical and managerial evidence shows that innovative IT-competence does not only resemble a portfolio of systems, services and storage processes. Moreover, it may serve as platform on which to orchestrate networked competence building in the healthcare sector leading to 21th century hospitals still being in its infancy (Grote, Levine and Mango, 2006)). Our core argument in favor IT-induced change in the healthcare sector lies not in the technological progress, itself, but in its implication for economic, medical and ethical value creation. Recurring to the competence-based theory, high performance organizations represent a unique source corporate success (Sanchez, 2008). Due to their social complexity, cultural ambiguity and value system tacitness they cannot be easily replicated and may preordain market success on the service level (Collis, 1991, Rasche, 1994). Examples and case studies abound where information
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technologies turned out to be driving forces of flat process and network organizations. They display ‘virtual’ features and leave entrenched paths of communication, cooperation and coordination with respect to value creation. Medical outsourcing, remote surgery, telemedicine, networked homecare concepts and real time data processing as well as web-based logistics solutions may contribute to higher efficiency and effectiveness without compromising quality outcome. To turn full circle, personalized, localized and individualized healthcare concepts may be endorsed by the XMDD and ultimately by jABC technologies enabling data synthesis across multiple interfaces, organizational units and dispersed systems. But value creation in the healthcare sector is not only a function of localized, personalized and individualized services to address patients in a ‘customized’ manner. Moreover assisted care concepts and disease management programs are highly depend on the integration of the external factor (patient, customer) into the healthcare service process. Smart IT-concepts emulate real life situations and become a seamless part of patients’ lifestyles.
3
In search of an organic blueprint for value creation: Automatic integration of heterogeneous service sources
3.1
Service-based view of the firm
The following section enters the field of operational competence building and execution from the viewpoint of computer sciences, which often miss out on the requested co-alignment with (strategic) management topics. Urgently needed is a paradigm which assimilates the core elements of competence-based, marketbased management and service-based management. Given the added significance of expertise-driven services in port-modern knowledge societies we sketch-out the necessity of a service-based view – stemming from the dominant views of strategic management such market-based, competence-based, finance-based, of stakeholder-based. Figure 1 resembles the holistic core logic of the service-based view. All too often strategic management does not address service design, service engineering and service implementation, although such issues lie at the heart of global service competitiveness. The service-based view forges a link between sovereign business models and their underlying competence stocks as well as concrete implementation issues – ranging from coarse service architectures to atomic process and step models of static or dynamic routine execution. The pivotal role of IT is often underestimated within strategic management the-
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ory because of its assumed commodity character which is to be rejected when it comes to the interplay of hardware, software, peopleware, and overarching service-landscapes which itself resemble meta-competences. Think of complex service networks in the healthcare sector and underlying tele-medical ITinfrastructures and ensuing capabilities to generate value in multi-agent constellations. Technology fusion such as the convergence of IT, electromechanical devices and nano-applications increasingly coalesce with the human factor into a highly complex service system on the strategic as well as the operational level, fulfilling the VRIO-criteria of the resource-based paradigm (Sanchez, 2008). Service-based Management = Co-alignment of service design, service engineering & service marketing for the purpose of achieving and defending sustainable advantages by means of seamless hardware, software & peopleware coordination Resource & Competence-based View = Design and implement a VRIO-fitting service infrastructure for the purpose of sustainable value creation
Market-based View = Capitalize on healthcare competences
Service design = In search of new business applications & solutions
Service engineering = Co-alignment of Hardware, Software & Peopleware
Service marketing = Client-based and value creating problem solutions
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Future conferences IT roadmapping & forecasting Future talks Interdisciplinary task forces IT-Trendscouting Lead user partnerships Service laboratories Virtual service design spaces Design thinking (i.e. IDEO) …
Case: Web-based disease mgmt.: (i.e. diabetes, cancer, poly-morbidity)
Systems’ integrations Seamless interfaces Co-value creation Architecture mgmt. One-thing approach XMDD-applications IT simply works Intuitive IT-landscapes Robust & adaptive solutions …
Case: Trans-sectoral systems’ integration according to OTA/XMDD
Service delivery Client satisfaction Service branding Service life-cycle management Client empowerment Client involvement & commitment Value pricing Service quality measurement Networked service bundling …
Case: [IT] simply works-Weblandscapes (robust, intuitive, adaptive)
Abbildung 1: Service based Management Paradigm Globalization is a general and inevitable trend. It started with enterprises and politics and is now increasingly characterizing the process landscape: global operations require a global process modelling, global coordination, and, at least since Sarbanes-Oxley Act and Basel II, global transparency and sound corporate governance systems. This trend puts enormous pressure on the process management, its efficiency, its compliance, its reliability, and its agility. Especially, in large organizations it requires a large amount of automation and standardization, and often radical re-organization, in order to minimize the total cost of ownership, to control risks, and to protect the corresponding investment. These are necessary preconditions for enterprises to be able to consolidate their business
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leadership by using innovative processes as their distinguishing intellectual property. At the same time, they need to commit to new regulations, like the Sarbanes-Oxley Act and Basel II,2 which ask for just-in-time audits and retraceability of any business-relevant decision and operation. In the health industry, all these concerns need to be addressed. Implementing mandatory regulations often leads to hierarchical structures stemming from new safety and risk provisions that must be reflected in complex process models. The ambidextrous capability to be flexible and to comply to changing regulations, while assuring process stability at the same time, contrasts with the current state of the art in business process development, where essentially each business process, even if modelled by business developers, requires the manual support of IT experts for their realization, the (IT-supported) realization is a totally separate ‘thing’ from the original model, even though perhaps partially and semi-automatically generated from it, and where changes in one thing (the model or the implementation) typically do not show up at the respective other level, let alone they are automatically taken care of. We follow instead a holistic approach to close the classical gap between business-driven requirements on one side and IT-based realization on the other. For this purpose we provide a seamless method called the one thing approach, and a matching toolset that supports this method along the entire life span. The toolset is based on the jABC Framework (Jörges et al., 2006) to cover the business development phase and the business-to-IT transition, and on Integrated Development Environments (IDEs), like e.g. the popular Eclipse or NetBeans (http://www.netbeans.org), to support the IT development and deployment. The name ‘One-Thing Approach' (OTA) (Steffen and Narayan, 2007) reflects the fact that there is only one artefact during the whole systems’ life cycle. This artefact is successively refined in various dimensions in order to add details concerning roles, rights, permissions, performance constraints, simulation code (to animate the models), productive code, pre/post conditions, etc. The central 2
The financial crises and the ensuing downturn of key industrial sectors and collapsing national economies highlight the importance of effective governance and compliance rules as well as moderate market regulation to assure sustainable value creation, procedural justice and fair competitive advantages. Opposite to the request for lean, speedy and cost-efficient processes the latter might accumulate more complexity due conformance to stricter modes of external regulation. Additionally, many firms voluntarily design and implement complex process models, including security gates, control loops and other ramifications, to reduce corruption, selfish behavior and operational risks.
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effect is that all stakeholders, including the application expert, can follow the progress from their own perspective (view): initially, application experts may for instance only browse the documentation and annotate the models, but as soon as some simulation code is available, they may start playing with the system in order to check and enforce an adequate user experience. The user experience gets the more realistic the further the development progresses. This continuous involvement of the application expert allows one to control for the harm of the classic business/IT gap, because misconceptions and misunderstandings become immediately apparent. Key to our solution for reducing this endemic cultural gap is the tight combination of two central principles of software and system design: service orientation and model driven design. Service-orientation helps reducing the gap between requirements and implementation in the software development process in a very pragmatic fashion: in service oriented environments, a very high-level kind of programming in terms of orchestration coordinates and harmonizes application-level ‘things’ that are provided as services. Realizing the individual services is a clearly distinct task, which may well follow the classical software engineering practice (Margaria and Steffen, 2009). Model-driven design also addresses the same gap reduction. However, while service orientation is very much an engineering and structuring concept, model driven design is highly conceptual. Models, if expressed in terms of well-understood mathematical structures, are the basis from which codes (fragments) are (semi-) automatically generated. This should guarantee that the resulting implementations inherit essential properties, characteristics, and features from their source models. By combining the power of these two paradigms we can play with the requirement/implementation gap, and turn it into a playground for the stakeholders, who can this way define the range of possible alternative solutions. With adequate tool support, we can regard orchestration graphs as (hierarchical) formal models, and thus we can apply various analysis and verifications techniques, like data flow analyses and model checking, to service orchestrations in order to enforce required policies, technical frame conditions, e.g. for interoperability or executability, and compliance. By choosing an adequate level for the elementary services within the hierarchical modelling, this enables formerly excluded professionals (business developers and business analysts) to perform formally controlled high-level modelling
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in terms of orchestration graphs or process models. The implementation of such models hinges on elementary services, which themselves virtualize the often complex implementation of their respective functionality. This nicely and effectively decouples the service composition from the basic service realization, in a hierarchical separation of concerns that gives non-IT stakeholders an unprecedented degree of control and ownership, independently of IT. This combined approach, which we call eXtreme Model-Driven Design (XMDD), is very flexible, since the level of modelling and its granularity can be varied at need during the modelling, design, and development process. This happens for example according to the skills and responsibility of the persons currently in charge, or according to the properties and features one intends to establish for the final product. One of its major strengths is that it enables non-IT experts to control the whole process life cycle from the process modelling level. In particular, roles and rights or permissions can be controlled (defined, modified, monitored) by business experts without requiring any IT support, making them ‘easy to use’ models for non specialists. These models are then successively refined in our jABC-based approach up to a level where the basic functionalities can be implemented as simple services. This empowerment of the application expert, which we consider essential for a truly agile process management, becomes feasible with XMDD because of the harmonic combination of the ‘one thing’ philosophy, where changing the model directly changes the process and the code all the way down to the deployable product, and conversely, changing the implementation of a component directly becomes operational as part of the overall process, the model-level control via formal methods, that allows an early and precise control of essential frame conditions at the model level - which, besides others, may be required to guarantee the executability of the modelled process or to obey certain business rules and policies, and the virtualization infrastructure provided by the underlying IDE, which seamlessly takes over the support of all facets of implementation and deployment. A major benefit of this approach are the two dimensions of looseness, which allow one to precisely describe the essentials at an abstract level, without being forced by the formalism to take design decision before they become important. One dimension of looseness is due to the model hierarchy, which allows one to refine parts only on demand and as far as necessary at a time.
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The other dimension concerns the orchestration. Using temporal logic constraints, that express in a natural way precedences , causalities, exclusions, global do’s and don’ts, one can impose orchestration structure without being forced to go to the level of concrete process structures. E.g. one can enforce precedences, like ”no surgery before interpreting radiological images and histological results” or “access allowed only after authentication” for all processes of a certain medical unit, just by formulating such constraints once. This layer taps directly into the business knowledge of the stakeholders, and makes it an independent steering wheel for all the models and processes. This is particular beneficial when dealing with product lines, where the individual products are all different but have an essential common kernel, e.g., because they all need to conform to the same business rules. This is essential when building families of process variants. Also the first dimension of looseness, model hierarchy, supports product line management: e.g. in case of an international enterprise, business processes may look identical from a high level managerial perspective, and only become diverse at lower abstraction levels. Our approach allows one to maintain as much similarity as possible, and to reduce the difference only to parts that are really different. In many cases this means that high-level modifications of business processes can be done just once at the, e.g. managerial level, without having to touch the corresponding individual processes of the product line. This is particularly important for the evolution process later in the products´ lifecycle: since evolution is market driven, it is again under the lead of the business experts (Margaria, 2007).
3.2
jABC: Empowering the business developer
jABC (http://www.jabc.de, Steffen, Margaria, Nagel, Jörges and Kubczak, 2006) is a flexible framework that supports the whole lifecycle of a business process. It can be used by business and application experts to graphically orchestrate complex end-to-end business processes into running applications on the basis of a service library. Used this way, it does not require any programming skills. On the other hand, it is a mature framework for service development based on Lightweight Process Coordination (Margaria and Steffen, 2004). Predecessors of jABC have been used since 1995 to design, among others, industrial telecommunication services, Web-based distributed decision support systems, and test automation environments for Computer-Telephony integrated systems (Margaria
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and Steffen, 2006).Characteristic is its combination of the following five features: Agility: We expect requirements, models, and artefacts to change over time, therefore the process supports evolution as a normal process phase. Customizability: The building blocks which form the model can be freely renamed or restructured to fit the habits of the application experts. Consistency: The same modelling paradigm underlies the whole process, from the very first steps of prototyping up to the final execution, guaranteeing traceability and semantic consistency. Veri¿cation: With techniques like model checking and local checks we support the user to consistently develop/modify his model and still guarantee vital frame conditions, like specific requirements or policies. The basic idea is to define local or global properties that the model must satisfy, and to provide automatic checking mechanisms for model compliance to them. Service orientation: Existing or external features, applications, or services can be easily integrated into a model by wrapping their functionality into building blocks that can be seamlessly used as services inside the models. The key to this wide range of users and of uses is its support of different model types and its offer of different functionalities depending on the phase of development and on the user group.
3.3
Applications in the strategic IT planning
The companion paper (Kopka, Margaria and Steffen, 2009) illustrates the application of the early modeling phase of the XMDD approach in a strategic planning context in the IT industry. The concrete application, carried out inside BASF IT Europe, shows that the mere existence of a simple, but formalized and easily understandable graphical process can bring enormous benefits to all the stakeholders involved in complex IT-Outsourcing decisions in a post-merger context. So far there are no operational models, and of course no standards, that guide companies and large subisdiaries or divisions throught the complex decision process of an IT consolidation and harmonization. Already the simple, abstract process models shown and discussed in (Kopka, Margaria and Steffen, 2009) clarify the stage to all the parties, provide a guideline for the process to be followed systematically and uniformly in deciding pro or contra an IT outsourcing, function by function, service by service, and server by server. The discus-
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sion is streamlined, the exceptions are easily documented and justified, the processes are validated in a number of scenarios in the different countries and industries. Lengthy processes that ran verbally, and were perceived as a personal negotiation matter, tied to the people meeting and therefore with a strong subjective component (which is important later, when decisions might need to be reassessed and modified) were simplified and sped up, with an added feeling of more objective handling among all the participants. The competence (skills, decision spheres, etc.. ) of the actors was not touched, but better framed. Only the concrete handling was in fact supported in a more objective way, better sustainable in the long term.
3.4
Applications in the healthcare sector
In the healthcare sector we considered so far two case studies coming from different application domains within healthcare and assisted living at large: an emergency scenario for Ambient Assisted Living, realized in the form of a multiparty, multiplatform mashup that combines a selection of service collections and platforms, and selected overarching processes from the elektronische Fallakte (eFA), one of the candidate applications to be proposed on top of the German electronic Health card (elektronische Gesundheitskarte - eGK), which is being rolled out in four phases in the entire country in 2009. They are in our opinion representative of the kind of processes for which agility and flexibility play a central role, and that are currently insufficiently or not at all supported by the installed IT landscapes. The cost of realization and roll out in practice in traditional environments would be for them currently prohibitive. In both cases, we have been able to produce in a short time models of the processes that are easy to understand to the public, yet formally correct, so that IT experts can directly work with them as if they were UML models or even code. The central issue for us was here to overcome the Knowing-doing gap on the side of the wide public and of engaged professionals. Engaged professionals are for example medicine doctors and nurses, who live these processes, and who should be able to modify them in case of exceptions or adaptations. This has been shown to the German Congress of the Emergency doctors, in Weimar in October, with positive resonance. The wide public has been addressed at fairs
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like the CeBIT 2009 and 2010 in Hannover, the IFA in Berlin, and other more specialized Assisted Living Forums like the Telemed 2009 and 2010.
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Evaluation: does XMDD have a chance to prevail?
Two forces in the overall landscape are drifting apart: IT providers on one side frequently capitalize on customer lock-in strategies causing exceptionally high migration barriers by means of closed innovation paradigms and proprietary IT design. Healthcare players on the other side, have vested interest in evolving into process own status to achieve process sovereignty and far reaching independence from (opportunistic) IT providers. Healthcare players want to be able to quickly adapt and modify process designs and value system architectures, without compromising on the auditability and the compliance levels. In this context, we can attempt a first SWOT analysis for the ability of XMDD-based IT frameworks and solution to conquer significant market shares, and this way to shift the balance in the deployed solutions towards more flexible and agile, end-user qualified techniques. Strengths: The agility and intuition inherent in the XMDD approach match the pace of evolution, the culture of the parties, and the requirements of rules, law, and regulations. In times where compliance and governance issues are capturing the attention of top to middle management, and where certification and certifiability of solutions and of processes rise to central requirements, XMDD seems excellently suited to deliver adequate IT and strong abilities to validate, audit, and control. XMDD forges a link between the management hemisphere and the IT hemisphere when bridging gaps between separate competence fields. Weaknesses: The current novelty of the XMDD philosophy, which has a revolutionary potential, but few developers, no mighty true promoters, and negligible market share. The market success and the adoption of the XMDD philosophy amounts to a paradigm shift and thus require the recruitment of complementary down-steam assets (marketing & sales) to substitute for hitherto dominant designs and architectures. Technological leapfrogging may cause disruptive changes which provoke the emergence of blocking strategies and hypercompetitive counterstrikes to defend spheres of influence (Christensen, Bohmer and Kenagy, 2000). Examples abound where mighty incumbents suffocated innovative technologies right from the beginning by means of acquisition, defamation, deep pockets or shrewd contracting for the sake of territory preservation. Em-
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pirical and theoretical evidence holds, that large scale market and value capture depends on reaching the ‘critical mass’ to capitalize on installed customer bases and increasing returns due to network effects (Arthur, 1994). For this reason incumbents are inclined to employ political strategies such as powerplay, intimidation or retaliation. Microsoft is an often cited example of political acumen – fighting off competitors not by means of innovation excellence, but by means of power, political impact and proliferation of cluster technologies. This is reinforced by the current attitude of the IT solution providers, who tend to repackage under an SOA façade the previously available products, thus hollowing out the concept of service orientation (which goes hand in hand with XMDD) in an attempt to protect their current investments and product base. Indeed, this substitution effort by the solution providers may work at the pure architecture level, that concerns just the structure of an IT landscape, but it definitely does not at the process and engineering level. Accessing from the outside, single fine-granular activities (whether packaged as Web services or not) have been feasible, although discouraged, for a long time. Accessing and modifying processes that are buried inside the current stronghold applications, and thus neither be made explicit nor documented, is impossible. Layering new heterogeneous, end-to-end processes on top of the existing ones, across IT platforms and applications, as required in case of mergers and of overarching healthcare alliances, is thus in that traditional setting nearly impossible. The latter resembles a ‘computing black box’ foreclosing the opportunity of esteeming process implications in the case of organizational change and restructuring. The key benefit of XMDD lies in its agile, robust and disruptive character being the foundation of service-centered business models emulating the requirements of hypercompetitive arenas (performing excellently on multiple items). Opportunities: Three core aspects play an intertwined role, when it comes to the features, advantages and benefits of the XMDD approach: a technical one, an economic one, and a societal one. On the IT side, SOA is ubiquitous. As a promise for flexibility, interoperability and integration it has reached out of the computing rooms to management and strategy levels of all organizations. As such, there is now a window of opportunity for massive, strategic-level change in the IT organization in general, which is accepted throughout the organizational pyramid to an unprecedented level. Economically, the general need for savings and radical cost cutting measures play a pivotal role in times of recession. Eras of economic downturn force single companies exploit existing market niches, while preempting the future through strategic and operational initiatives to explore prospective profit sources (Ansoff
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and Sullivan, 1993). This kind of ambidextrous management challenges conventional wisdom of traditional organizations which often do not harness the full potential of robust, agile and adaptive IT solutions, such as XMDD. By the way, the prospective deregulation of core service markets on the EU level will cause competitive races for efficiency, quality, innovation and total customer integration at the same time. Globalization forces are estimated to further industry concentration through mergers & acquisitions in formerly protected services sectors, such as healthcare, transportation, finance, consulting or legal matters. Enormous cost pressure arises from low cost competitors and their willingness to act as high-end service providers in face of radical outsourcing initiatives – encompassing increasingly processional services such as data processing, engineering, programming, or medical services. The XMDD approach may enable firms and healthcare companies to focus on home based, but highly efficient and automated value chains. Thus insourcing instead of outsourcing might be a value enhancing alternative under the premise of IT induced efficiency gains and dramatically falling transaction costs. In Germany, for example the newly introduced DRG-system radically changes the logic of value creation towards cost efficiency, budget control and predefined qualities (Plaster, 2008). The XMDD approach endorses networked hospital workflows across functional discipline silos to meet cost and quality standards, alike. Reflected from a higher granulated viewpoint XMDD could serve as the foundation of intersectoral healthcare models which first and foremost hinge on data integration and ensuing communication flows. Again, in Germany the hospital and care sector faces teasing human capital bottlenecks (Scheck McAlearney, 2006). Hospital personnel are in short supply not only in absolute quantities, but also with respect to qualification dimensions. Yet, throughout job descriptions are necessary to avoid waste of medical competence given highly qualified doctors often absorbed by trivial jobs (i.e. paperwork, injections). For the purpose of getting highest value return invested on human capital, new job profiles should be sketched-out with respect to matching competence and medical services to be done. Highly qualified nursed, having received BA or even MA honors could be empowered to focus on the execution of routine treatments, formerly done by doctors. The latter are freed from standard operation procedures leaving enough intellectual space for diagnosis and sophisticated peak level treatments. Smart information technology promotes organizational effectiveness through the mobilization of entrenched and absorbed human resources which can be readjusted to the professional fulfillment of medical core tasks. If doctors are not interested in IT and workflow topics
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medical process managers could adopt an interdisciplinary bridging function when steering and coordinating the medical processes on behalf of the patient. Apart from medical considerations, from an IT point of view smart communication technologies introduce a new dimension of differentiation and fragmentation in the hospital’s everyday practice, including new layers of roles, capabilities, responsibilities, liabilities, and new, possibly dynamic groups of personnel, who all need to be efficiently, effectively, and safely integrated into the overarching IT landscapes. The latter are not to be considered as the new mantra for value creation in 21th century hospitals, but as driving forces of high performance organizations – being able to make many ends meet. More economic, legal and medical movement is expected in the next years, with several potentially painful reforms waiting in line. This is a fertile ground for postulating ‘multi-agenda organizations’ to cope with multi-stakeholder interests and rising expectation levels. Heavyweight IT systems are out of pace with this highly dynamic landscape showing critical signs path dependent core liabilities. As has been proven after 9/11 in the aviation industry, the flight companies who were able to handle sudden changes could reschedule flights and service, and reduce losses. Those who could not, disappeared. This is a matter of agile and resilient IT which might even compensate for inflexible personnel. Ambient and life assisting IT is anything but all pervading hardware and software preordaining and limiting our choice portfolio. Moreover, IT is challenged to widen and to deepen the choice portfolio of patients and clinic personnel, alike. Think of nano-medical devices or the convergence of in-vivo, in-vitro and in-silicio technologies having a much greater impact on life improvement than overestimated care robots. Societally, the literacy in the use of computers, of lightweight devices like mobile phones and PDAs, and the familiarization with the use of online services (in essential and trusted application areas like banking, travel booking, purchases, as well as for information and search) has reached vast proportions of the population. Even elderly people are increasingly accustomed to using smart communication technologies in a rather professional manner. Especially, handicapped people are given the opportunity to be actively involved in web communities and social spheres of interest (Prahalad and Ramaswamy, 2005). For sure, IT cannot replace social face to face contacts but it may serve as a valuable migration path for physically or mentally isolated people to keep in contact with other peer groups, institutions and support personnel in the emergency case. This means, that the traditional acceptance barrier towards computer-based version transactions and online services will crumble more and more. The pervasive
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societal change of the last decade forcing people to become ‘digitally connected’ let many ‘best agers’ become at least solid IT users. Agile convenient and selfexplaining IT unfolds its potential not only for the working class, but also for elderly, retired and disabled people with respect to societal integration. XMDD-based IT co-aligns the technological, economic and societal paradigm by means of seamless process integration and the reflection multiple objectives to be achieved in complex healthcare landscapes. Drawing a parallel to warfare, agile platoons, guerilla tactics and interconnected combat units are good examples for a radical paradigm shift in leading edge armies. Contemporary IT and healthcare is not that far away from this scenario challenging monolithic mainstream ideology of giant ERP systems. Hitherto, the latter proved incapable of emulating complex healthcare processes in a professional manner – let alone flexibly adapting them to a dynamic landscape. Threats: The resistance of dominant software firms to move towards XMDDlike approaches is a matter of fact, since this would mean abandoning the traditional (and so far successful) development style. They would be commanded to switch to a much more flexible, modular, and abstract (since model-driven) product development. The extent to which existing market leaders are able and willing to do so is still unclear. The quest for short-term shareholder value let them resist endangering their current revenues and core competencies. Adopting the viewpoint of IT buying companies, they do not want to run the risk of vendor changes, although often unsatisfied with the performance of the leading IT providers. Since IT vendors and their customers have established long-term relations, ‘social capital’ and path dependent lock-in constellations, high migration costs would arise if they opted in favor of (long-term) superior XMDD applications. The latter might suffer from the hockey stick effect being conducive to performance decline for limited period of time short after paradigm shift or technology replacement, because of intersected routines, adaptation problems and cultural turmoil. But in the long run, these negative side effects of IT innovation will be overcompensated by aspired quantum leaps. Vested interests, long-term contracting, fuzzy property rights and parochial regulations also represent a strong barrier to innovation. All-pervading corporatism needs to be overcome in order to make the vision of networked value creation happen in the still institutionally fragmented healthcare sector. Although XMDD cannot be required to harmonize opposing stakeholder interests in the healthcare sector, politically, it enables and promotes the lightweight collaboration between heterogeneous stakeholders, capitalizing on their diversity and complementarity and ensuring transparence of information to avoid hidden
440
Christoph Rasche/Tiziana Margaria/Andrea Braun von Reinersdorff
agenda bargaining. The latter give rise to high transaction costs resembling waste of value potential which might be tapped when resorting to smart IT solutions such as XMDD.
5
Conclusions and perspectives
Healthcare institutions must brace for industrial earthquakes and hypercompetitive shifts caused by a flurry of micro- and macro-level parameters reaching from geriatric societies to technological progress and globalization forces. Opposite to highly deregulated industries, the institutions of the administrated healthcare sector were protected from fierce competition for a long period of time. Bearing in mind that the healthcare resources will be marginalized in their outcome value in light of a constantly rising demand for medical treatments and inflating expectation levels. To avoid unpopular and unethical rationing practices hospitals should first and foremost overhaul their outmoded and value destroying organizational designs, governance systems and workflow models, together hampering high performance value delivery processes. Although IT is allpervading in the healthcare sector it often unfortunately contributes marginally to envisioned efficiency gains. The reason for this dilemma lies not in IT itself but in its lack of interconnectedness and monolithic order regimes as reflected by comparatively rigid ERP architectures. As a negative consequence internal and external transaction costs diminishing hospitals in their ability to create value in terms of multiple stakeholders. Smart IT solutions empower organizations to exploit residual value gaps arising from ‘black transactions holes’. Transaction costs emerge as a function of risk, uncertainty and complexity. Healthcare services normally score high on each of these three items and are thus endemically vulnerable to opportunistic behavior leading to high contractual, monitoring and agency costs (Coff, 1997 and 1999). Transforming a good portion of the latter into economic, medical and societal value streams will challenge hospital orthodoxies and entrenched cultures. The XMDD approach fits comfortably into this train of thought. Additionally, smart IT addresses topics of high governance and agency costs arising as function of principal ownership and control for managerial opportunism. These costs incurred by the patients, insurance companies and the public can be reduced by means of seamless bottom-up and top-down information flows. Although many governance problems are politically induced, IT may serve as the bedrock for transparency on the horizontal and vertical axis. Recurring to the theory of the firm, IT is a neglected force when it comes to the
Value delivery through IT-based healthcare architectures
441
explanation of differing hospital types and value chains – ranging from isolated medical atoms to macromolecular healthcare networks and fully integrated university hospitals or diversified healthcare holdings. The rapid progress of IT on the micro- and macro-level spurs institutional change and business model innovation in the healthcare sector as can be exemplified by ambulant networks, satellite clinics and hub and spoke services systems. At the moment the strategic and organizational impact of IT is unfortunately marginalized to leaner, meaner and faster processes or better and cheaper outcome. The real value of IT is at the heart of value creating organizational designs – which many hospitals are missing due the dominance of old fashioned legacies which cannot be compensated by singular high technology islands.
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Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen: Kalkulation von IT Services und wirtschaftliche Erfolgskontrolle durch Prozessautomatisierung
1
Vorstellung des Themas........................................................................447 1.1 Motivation und Hinführung zum Thema...................................447 1.2 Gesamtübersicht ........................................................................448
2
Business Analyse des IT-Integrationsprozesses ...................................449 2.1 Analyse der Post Merger IT-Integration....................................449 2.2 Spezielle Herausforderung für die IT ........................................450 2.3 jABC zur Bündelung und Steuerung von Kompetenzen...........451 2.3.1 Standardisierung durch Dokumentation .........................451 2.3.2 Aufbau, Steuerung und Kontrolle einer Projektorganisation.........................................................453 2.3.3 Bereitstellung von Entscheidungswegen........................454
3
Erfolgskontrolle durch nachhaltige Kalkulationsmethodik .................455 3.1 Spezielle Anforderung an die Kalkulationsmethodik................455 3.2 jABC als Brücke zwischen Business und IT .............................459 3.3 Nutzen........................................................................................460
4
Fazit ......................................................................................................461
Literatur............................................................................................................462
Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen
1
Vorstellung des Themas
1.1
Motivation und Hinführung zum Thema
447
Eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahre 2003 beziffert die Erfolgsquote bei durchgeführten IT-Projekten in Unternehmen mit ca.16 % und bescheinigt damit einen sehr geringen Anteil. Misslungene Projekte sind nicht nur ärgerlich, sondern mit (zum Teil erheblichen) wirtschaftlichen Konsequenzen behaftet. Gerade im Bereich des IT-Outsourcing gibt es zwei Parteien, die dieser Erfolgsrechnung Folge leisten müssen. Längst berichtet die einschlägige Fachpresse über Schwierigkeiten und Erfolgsgeschichten auf Kundenseite mit fremdbetriebenen IT-Systemen. Die Erfolge und wirtschaftlichen Risiken auf Seiten der Provider werden weniger in das öffentliche Interesse gestellt. Die Anwendung des IT-Outsourcing-Gedankens auf weiterführende Themen findet ebenfalls nur auf einem Nebenschauplatz statt. So existieren zwar theoretische Modelle zur IT-seitigen Integration von Unternehmen bei Unternehmenszusammenschlüssen (Merger & Acquisitions), allerdings kaum etablierte Standards, die in der Praxis durchgängig ihre Anwendung finden. Vor dem Hintergrund der hohen praktischen Evidenz der Thematik macht es Sinn, die Logik des strategischen Kompetenzmanagements auf die bisweilen vernachlässigte Ebene der prozessualen Strategieumsetzung anzuwenden. Zahlreiche Projekte im Bereich Outsourcing und Post Merger Integration scheitern an der so genannten „Knowing-Doing“-Gap im Sinne einer klaffenden Lücke zwischen den akkumulierten Kompetenzen einerseits und den operativen Fähigkeiten andererseits, um Leistungspotenziale („Stocks“) in Leistungsprozesse („Flows“) und final in wahrnehmbaren Kundennutzen („Benefit“) zu transformieren. Das von der TU Dortmund konzipierte jABC-Framework (Steffen, Margaria, Nagel, Jörges & Kubczak, 2006) ist dazu konzipiert worden, eben diese Lücke im Sinne einer flexiblen Prozessmodellierung zu schließen. Damit wird IT-seitig die Vision der „Dynamic Capabilities“ (Teece, Pisano & Shuen 1997, Rasche 1994) assimiliert, indem auf die Etablierung statisch-effizienter Ablaufroutinen verzichtet wird. Diese führen regelmäßig zu Pfadabhängigkeiten, die in komplexen Wettbewerbs-Konstellationen oftmals nachteilhafte Prozessrigiditäten auslösen (vgl. Leonard-Barton 1992). Der jABC-Ansatz kann einen wertvollen Beitrag zur Beförderung der Prozessambidextrie betragen: strategisch interpretiert wird ein Process Outpacing durch die Harmonisierung augenscheinlich diametraler Prozessparameter unter-
448
Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen
stützt. Zwar sollen Geschäftsprozesse einerseits stabil, effizient, schnell und damit oft auch kostenökonomisch vonstattengehen, doch dürfen diese Zielgrößen nicht zulasten der Prozessagilität gehen. Schließlich avanciert diese in einer prognostizierten Ära des Hyperwettbewerbs (vgl. D’Aveni 1994, 2001) zu einer Quelle komparativer Konkurrenzvorteile, wie sich auf hoher Granulationsstufe am Beispiel „atmender“ Supply-Chain-Management-Systeme zeigt. Mit dem jABC-Framework soll gleichsam die Brücke vom eher prosaischen Business Process Re-Engineering (vgl. Hammer & Champy 1993) zur dynamischen und IT-modellierten Business Process Execution geschlagen werden (vgl. Margaria & Steffen, 2006): Die betriebliche Praxis zeigt, dass gerade der Mangel an operativer Exzellenz in der Prozessumsetzung sich auf der strategischen Ebene in Form zerstörten Kundenkapitals bemerkbar macht. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll mit dem jABC-Framework demonstriert werden, wie und in welcher Form wachsende Prozesskompetenz das gemeinsame Verständnis von Fach- und IT-Seite verstärkt. Die Tiefenstruktur des Wettbewerbsvorteils besteht dabei weniger in der formalen Architektur des jABC-Frameworks, als vielmehr in seiner Verankerung im Wertschöpfungssystem der Unternehmung und der grundlegenden Bereitschaft des Humankapitals, in holistischen Prozessketten zu denken, zu führen und zu lenken (vgl. Margaria, 2007). Die Adressierung des `semantic gap´ im process engineering hat hier Schlüsselfunktion, getreu der Devise, dass idiosynkratische IT-Kompetenzen immer ein komplexes System aus Hardware, Software und Peopleware begründen.
1.2
Gesamtübersicht
Inhalt dieses Papers ist die Bündelung von Kompetenzen zur Schließung der „Knowing-Doing“-Gap bei IT Projekten, speziell bei IT-Outsourcing und Post Merger IT-Integration (PMI). Zusammengefasst also die Fragestellung: Wie lassen sich IT-Projekte so managen, dass ein wirtschaftlich optimales Ergebnis entsteht und wie könnte eine Kalkulationsmethode aussehen, um eine anschließende Erfolgsmessung möglich zu machen. Welchen Beitrag liefert dazu die jABC Technologie? Dabei wird es interessant sein zu betrachten, welche Kompetenzbereiche eines Unternehmens ganz besonders in IT Projekten mitwirken (Business) und welche Schritte notwendig sind, die arbeitsteilige Projektgestaltung (IT-Fachbereiche) auf einen Nenner zu bringen. Die Analyse und Kopplung des „Business
Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen
449
meets IT“ und die Herausarbeitung und das Management der vorliegenden Kompetenzlücken ist Kern der Nutzung des jABC Frameworks.
2
Business Analyse des IT-Integrationsprozesses
Die Darstellung des allgemeinen Transaktionsprozesses bei Unternehmenszusammenschlüssen erfolgt in der einschlägigen Literatur auf unterschiedliche Art und Weise. Während der historische Prozess drei Phasen (Planung, Durchführung, Integration) beschreibt, gewinnt eine vierte Phase (Erfolgskontrolle und Nachbetreuung) immer stärker an Bedeutung (vgl. Picot, 2005)
Abbildung 1: Allgemeiner Transaktionsprozess (4-phasig) Aus dieser übergreifenden Darstellung lässt sich nun nachfolgend der Post Merger IT-Integrationsprozess ableiten und die spezielle Herausforderung für die IT herausarbeiten.
2.1
Analyse der Post Merger IT-Integration
Abgeleitet aus dem allgemeinen Transaktionsprozess stellt sich der Prozess der technischen IT Integration wie folgt dar (vgl. Kopka, 2008). Die Abbildung 2 zeigt eine sehr grobe Darstellung der einzelnen Prozessschritte auf dem Weg von der Planung bis hin zur angestrebten Erfolgskontrolle. Einen besonders hohen Stellenwert nimmt neben den eigentlichen Integrationsaufgaben die IT-Due Diligence ein. Dabei geht es für den Aufbau der zukünftigen IT-Umgebung im ersten Schritt darum, einen möglichst lückenlosen Einblick in sämtliche Bereiche der Informationsverarbeitung zu erhalten, um im zweiten Schritt die notwendigen Entscheidungen auf dem Weg hin zur zukünftigen IT Umgebung zu treffen. Dies bedarf den Einsatz von speziellen Fachleuten zu den Teilbereichen der IT (z. B. Hardware, Software, Programmierung, etc.)
450
Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen
und wie bereits angedeutet das Know How zu Prozessabläufen aus Unternehmenssicht (z. B. IT-gestützte Ablauforganisation) (vgl. Picot, 2005).
Abbildung 2: IT-Prozess bei Post Merger Integration Die Praxis zeigt, dass sich ein Projekt-Setup und die richtige Zusammenstellung der Ressourcen nur dann durch fundiertes Fach-KnowHow auszeichnen, wenn speziell ausgebildete IT-Spezialisten zum Einsatz kommen. Dies führt in der Umsetzung dazu, dass eine sehr arbeitsteilige Vorgehensweise geschaffen wird, bei der ein straff organisierter Projektplan und Projektleiter die einzelnen Kompetenzen zusammenführt, Lücken erkennt und schließt.
2.2
Spezielle Herausforderung für die IT
Eine Studie von Deloitte zeigt, dass 31% aller IT-Projekte im Rahmen einer Fusion scheitern. Lediglich 16% können innerhalb der vorgegebenen Zeit und mit dem eingeplanten Budget abgeschlossen werden. Ein Ergebnis, dass Deloitte als „brisant“ bezeichnet, da durch die IT das Fundament ganzer Geschäftsfunktionen abgebildet wird. Grund dafür ist auch das Rollenverständnis der IT in den Unternehmen. Für 61% der Befragten war die IT-Organisation bisher ein reiner Service-Provider. Wichtig für eine erfolgreiche Unterstützung von M&A und D Projekten ist eine Erweiterung der Sichtweise der IT. Dies unterstreicht die überdurchschnittliche Erfolgsquote bei solchen Unternehmen, die Ihre IT-Organisation in der Rolle eines Business-Partners sehen (vgl. Deloitte 2008).
Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen
451
Ein IT-Projekt im Rahmen eines Unternehmenskaufes oder -verkaufes zu planen und umzusetzen bedeutet für die IT-Organisation oder den externen Provider eine Doppelrolle einzunehmen (vgl. Strategy Insights 2008). Auf der einen Seite steht die Rolle IT-spezifische Integrations- und Desintegrationsaufgaben zu übernehmen, die einen engen Bezug zu sämtlichen Geschäftsbereichen des Unternehmens aufweist. Auf der anderen Seite muss der reibungslose Fortbetrieb der bestehenden Systemumgebung gewährleistet werden. Ebenfalls stellen Instrumente der Informationstechnologie eine gute Möglichkeit dar, schnelle Ergebnisse der Integration für Mitarbeiter und Außenstehende sichtbar zu machen.
2.3
jABC zur Bündelung und Steuerung von Kompetenzen
Aus der speziellen Herausforderung für die IT und der Analyse der IT Integrationsprozesses ergeben sich zusammenfassend folgende Anforderungen an die Projektdurchführung: Dokumentation des IT-Integrationsprozesses in seiner Gesamtheit Aufbau einer Projektorganisation mit Spezialisten der einzelnen ITDisziplinen Steuerung und Kontrolle der speziellen Kompetenzen durch übergreifendes Projektmanagement Bereitstellung von Entscheidungshilfen für eine zukünftige und integrierte IT-Umgebung Durch die Implementierung des jABC als festen Bestandteil und Instrument der Projektorganisation ergeben sich die nachfolgend beschriebenen Lösungsansätze zur Umsetzung dieser Anforderungen.
2.3.1 Standardisierung durch Dokumentation Bei der Durchführung von IT Projekten jeglicher Art mischt sich in der Praxis eine fundierte Fachkenntnis der einzelnen Spezialisten mit Erfahrungswerten aus abgeschlossenen Projekten und historisch gewachsenen Strukturen und Arbeitsweisen. Diese lückenlos zu dokumentieren und auch für den Projektverantwortlichen (im Regelfall kein Detailspezialist) transparent zu machen versteht sich
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Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen
Abbildung 3: Gesamtprozess einer IT-Post Merger Integration
Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen
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als vorbereitende Maßnahme eines Projektes. Die Nutzung des jABC für eine erste Aufnahme der Projektsituation erweist sich als sehr sinnvoll. Zum einen stellt die Dokumentation für das betroffene Projekt eine Art roten Faden dar, bei dem durch gemeinsame Vervollständigung der einzelnen Fachgebiete mit dem Projektleiter das Bewusstsein für das spezielle Projekt geschärft wird. Zum anderen entsteht durch die Möglichkeit diese Dokumentation im jABC zu einem Standard zu entwickeln der Nutzen, eine Basis für weitere Projekte zu schaffen. Abbildung 3 zeigt die oberste Ebene eines Integrations-Projektes – orientiert am abgeleiteten IT-Integrationsprozess (siehe oben). Richtet man den Blick auf den Zeitpunkt der Due Diligence Phase so lässt sich an der Dokumentation der Fachthemen (SAP, LAN, Backup, etc.) das Setup der Projektorganisation ableiten. Ebenfalls wird durch diese Darstellung deutlich, welche Aktivitäten durch welchen Fachspezialisten im Zuge der Projektvorbereitung zu tätigen sind (Collection Information, Perform Due Diligence, etc.).
2.3.2 Aufbau, Steuerung und Kontrolle einer Projektorganisation Aus den Ergebnissen der einzelnen Aktivitäten ergeben sich für den Projektleiter in Summe der Gesamtprojektplan und damit die Möglichkeit themenübergreifend zu agieren und zu koordinieren. Er erhält durch die Darstellung im jABC die Möglichkeit als fachfremder Koordinator die Kernziele eines jeden Projektes (nämlich „in time & budget“) im Auge zu behalten, ohne sich in den jeweiligen Details zu verlieren. Ebenfalls lässt sich aus dieser geschaffenen Basis und der damit verbundenen Projektinhalte die Ressourcenplanung für den Aufbau der Projektorganisation ableiten und kontrollieren. Neben der darstellenden Funktionalität des jABC besteht die Möglichkeit, die dokumentierten Projektschritte auszuführen und damit nachvollziehbar zu machen (siehe Abbildung rechts). Nutzen entsteht dabei für den Projektleiter im Sinne der Abfrage des Projektstatus. Darüber hinaus lässt sich aus diesem Status ebenfalls ein Reporting für das Unternehmensmanagement abfragen, das in Form einer Management Summary automatisiert erzeugt werden kann. Abbildung 4: Ausschnitt 1
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Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen
2.3.3 Bereitstellung von Entscheidungswegen Während eines Projektes wird es immer wieder Situationen geben, an denen Entscheidungen für eine zukünftige, integrierte IT Landschaft getroffen werden müssen (vgl. Price Waterhouse Coopers, 2000). Stellt man sich zum Beispiel vor, dass sowohl das kaufende als auch das verkaufte Unternehmen ein eigenes Rechenzentrum unterhalten, dann stellt sich die Frage, ob und wie man diese Synergie nutzen kann. Entscheidungen und damit Entscheidungswege beziehen sich auf sämtliche Teilbereiche der IT (vgl. Picot, 2005). Am Beispiel der Integration von Servern in ein gemeinsames Rechenzentrum ist zu prüfen, ob ein Umzug eines Servers an einen anderen Standort überhaupt möglich ist oder z. B. durch neue Technologie gar nicht nötig wird, da die Option der Konsolidierung besteht. Dieser Entscheidungsweg ist durch die nachfolgende Grafik dargestellt:
Abbildung 5: Detailbetrachtung eines Detailthemas
Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen
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Das jABC unterstützt hier in zweierlei Hinsicht. Auf der einen Seite hilft erneut die Dokumentation des Entscheidungsweges bei der Planung der Aktivitäten zur tatsächlichen Umsetzung der Entscheidung. Auf der anderen Seite ist es denkbar die dargestellten Entscheidungsschritte durch Funktionalitäten ausführbar zu machen. Konkret bedeutet dies, dass das notwendige Fachpersonal automatisiert in den Entscheidungsprozess mit eingebunden wird. Am Beispiel der Server Services könnte dies heißen, dass eine Anfrage zur Entscheidung über geschäftskritische Server (Business Critical?) an die Serverspezialisten per automatisierter Auswahlmöglichkeit (ja / nein) versendet und beantwortet wird. Nach Erhalt dieser Antwort (siehe Abbildung rechts) setzt der Prozess seinen geplanten Weg fort. Stellt man sich ein Projekt vor, bei dem eine solche Entscheidung für weit mehr als 100 Server getroffen werden muss, so spart dies auf der einen Seite Zeit und schafft auf der anderen Seite eine nachhaltige Dokumentation der Entscheidung. Abbildung 6: Ausschnitt 2
3
Erfolgskontrolle durch nachhaltige Kalkulationsmethodik
3.1
Spezielle Anforderung an die Kalkulationsmethodik
Bei der Planung der zukünftigen, integrierten IT-Systemlandschaft spielt neben der technischen Evaluierung und Realisierung die wirtschaftliche Bewertung eine übergeordnete Rolle (vgl. Jansen, 2008). Denn neben der zu betreibenden Systemumgebung und Investitionen in Hardware, Software und Lizenzen fallen erhebliche Kosten für das eigentliche Transaktionsprojekt an. Diese Kosten zu bewerten stellt das Unternehmen in der Regel schon bei der ersten Aufwandsschätzung vor eine schwierige Aufgabe.
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Abbildung 7: Ausschnitt 3
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Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen
457
Der Prozess, den eine Kalkulation von der ersten Abschätzung bis hin zur finalen Kostenaufstellung (in Form eines Angebots) durchläuft wird nun schrittweise dargestellt. Hierbei fungierte das jABC als Dokumentationshilfe Die erste Abschätzung der Kosten wird anhand vorliegender Schätzzahlen durchgeführt. Dabei fließen zunächst nur die zu integrierenden IT-Services (Service Topics), die Mengenangaben (Volumes) und festgesetzten Serviceraten mit ein. Kalkuliert werden kann diese erste Abschätzung auf unterschiedliche Art und Weise. Etabliert hat sich in der Praxis die Aufstellung der Kosten mit Hilfe von Microsoft Excel. Die Vielzahl der Rahmenparameter für die Kalkulation eines Service-Topics führt allerdings zu einer wenig übersichtlichen und weniger trivialen Durchführung. Die Einarbeitung in diese Kalkulationsmethode kostet außerdem zusätzlichen Aufwand. Gemeinsam mit der TU Dortmund wurde daher eine alternative und innovative Lösung entwickelt, die mit Hilfe eines Java-basierenden Service-Calculators eine transparente Möglichkeit bietet schon mit wenigen Informationen (Volumes, Servicerate) eine erste Abschätzung zu liefern.
Abbildung 8: Startmaske des jABC Service Kalkulators Verfolgt man den Weg eines Service-Topics weiter, führt der Prozess im nächsten Schritt in die bereits dargestellte IT-Due Diligence – dies am Beispiel des Service-Topics für SAP Services. Zunächst werden in einem Fragenkatalogs (Q&A) die fehlenden und notwendigen Informationen zusammengefasst. Diese verfeinern die erste Kostenabschätzung. Neben den Daten aus dem Fragendokument empfiehlt sich für Standorte ab einer bestimmten Menge von IT-Systemen Vorortbesuche (Perform Due Diligence Onsite Visits). Gespräche mit Anwendern helfen bei der detaillierten
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Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen
Einschätzung zu Themen wie z. B. Service-Qualität. Im Anschluss daran kann eine vorläufige Entscheidung für die zukünftig zu erbringende Serviceleistung getroffen werden. Oftmals findet sich hier die Antwort auf die Fragestellung, ob das akquirierte oder kaufende Unternehmen die Zielrichtung für eine zukünftige, gemeinsame IT-Landschaft vorgibt
Abbildung 9: Ausschnitt 4 Nachdem diese Entscheidung getroffen und die Definition des zukünftigen Services festgelegt wurde ist der erste Teil der Kalkulation erfüllt – es besteht nun Klarheit über die Betriebskosten der IT-Umgebung. Im nächsten Prozessschritt steht nun die Bewertung der Einmalaufwendungen an. Dazu findet zunächst die konzeptionelle Aufstellung eines Projektplans (Sub-Projectplan) statt. Daten zu der geplanten Migration, Auskunft über die Dauer des Projektes und Ressourcen-Planung sind dabei die entscheidenden Rahmenparameter für das Projekt, und damit auch für die Kalkulation. Diese wird abschließend durch die erneute Nutzung des Standard-Calculators ermittelt. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die finale Kalkulation bereits eine Rekalkulation der ersten Aufwandsschätzung darstellt. Sie gibt damit eine erste Indikation über die Genauigkeit der ursprünglichen Schätz- und Erfahrungswerte und legt damit die Grundlage für die spätere Möglichkeit eine Erfolgsberechnung durchzuführen.
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Abbildung 10:
3.2
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Ausschnitt 5
jABC als Brücke zwischen Business und IT
Wie herausgearbeitet besteht bei jedem IT Projekt die Notwendigkeit im Vorfeld ein detailliertes Bild der vorliegenden Systemlandschaft zu zeichnen. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass während des gesamten Planungs- und Umsetzungsprozesses eine Kontrolle über die Informations- und Datensammlung und damit der Detaillierungsgrad der Kalkulation zu setzen ist. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich inhaltlich von Projekt zu Projekt, allerdings bleiben die Rahmenbedingungen immer dieselben. Daher ist davon auszugehen, dass in einem gewissen Rahmen die Automatisierung von Prozessen möglich ist (vgl. Margaria / Steffen, 2009). Verschiedene Teilprozesse sind dazu potentielle Kandidaten: Automatisierte Kontrolle des Projektfortschritts (Projektmanagement) Prozessgestützte Durchführung der Due Diligence zur Sicherstellung einer möglichst lückenlosen Datenerhebung (Dokumentations-Management) Prozessgesteuerte Kalkulationsmethode (Nachhaltiges Kosten-Management) Die Themen Projektmanagement und Dokumentations-Management waren bereits Bestandteil des zweiten Abschnittes dieses Papers. In einem nächsten Schritt ist die Entwicklung einer prozessgesteuerten Kalkulationsmethode - für die im Beispiel dargstellten SAP Services – bereits in der praktischen Umsetzung und Verwendung. Bei der Kalkulation dieses Services nehmen verschiedene Parameter Einfluss auf eine finale Preisfindung. Leistungen wie Rechenzentrumsbetrieb (Strom,
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Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen
Sicherheit, Infrastruktur und Bereitstellung der Räumlichkeiten) lassen sich in der Regel problemlos in eine Kalkulation aufnehmen. Sogenannte CommodityServices (Bereitstellung von Hardware, Installationen, SAP- und Datenbankbetriebsaufwand) sind ebenfalls abschätzbare Größen. Schwierig wird es dann, wenn unbekannte Themen wie zum Beispiel Datenbankwachstum, individuelle Unternehmensanforderungen und die Zusammenarbeit mit dem neuen Unternehmen bemessen werden sollen. Hier bedient sich die Praxis an Erfahrungswerten und Annahmen. Ausgehend von der Tatsache, dass der Markt der IT Services ein sehr wettbewerbsintensives Umfeld ist, spielt bei der Preisfindung die Orientierung am Marktpreis eine übergeordnete Rolle. Diese birgt gemeinsam mit getroffenen Annahmen die größten Risiken und hinterlässt abschließend die Frage, ob sich aus Sicht des Providers die Durchführung der Integration gerechnet hat.
Abbildung 11:
3.3
Ausschnitt 6
Nutzen
Vorteile ergeben sich aus den verschiedenen Ebenen, die durch das jABC Framework angesprochen werden: Fachliche Ebene: Zur Dokumentation und zum Festlegen der Rahmenbedingungen. Technische Ebene: Neben der reinen Dokumentation bietet das jABC die Möglichkeit, die verknüpften Prozessbausteine hinterlegt mit Funktionalitäten direkt ausführbar zu gestalten. Damit lässt sich der dokumentierte Prozess ohne Umwege in die Geschäftsprozess integrieren. Am konkreten Beispiel der Angebotskalkulation (siehe Abbildung links) bedeutet dies eine technische Einbettung der Kalkulati-
Wettbewerbsvorteile durch Prozesskompetenzen
461
onsschritte in den Genehmigungsprozess. Der Baustein „Service Calculation“ greift bei seiner Ausführung auf die hinterlegten Kostenraten des Services zu und erhebt unabhängig der Datenquelle (Datenbank, MS Excel etc.) damit seinen Anspruch auf Flexibilität und Aktualität. Nach der eigentlichen Kalkulation bestimmt der Geschäftsprozess Genehmigungsschritte, die im Rahmen einer „Management Summary“ anschließenden „Management Approval“ durchlaufen werden. Dies geschieht durch Übertrag der kalkulierten Daten in das Management Format (z. B. MS Power Point oder MS Project) und Auslösung der Approvalanforderung (z. B. per E-Mail Benachrichtigung). Der Übertrag in das Angebotsdokument für den Adressaten erfolgt ebenfalls automatisch. Neben der Reduzierung der zeitlichen Komponente findet vor allem eine Risikominimierung beim Übertrag der Zahlenwerke statt. Die Hinterlegung der Kalkulation, erfolgten Approvalschritte und die Übergabe an den Kunden erfolgt in einem Archiv, so dass zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. bei der Rekalkulation von Services) ein Abgleich und damit eine Erfolgskontrolle durchgeführt werden kann. Für das Integrationsprojekt bedeutet dies, dass auch nach Abschluss der technischen Projektumsetzung eine erneute Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ohne erneuten Kalkulationsaufwand möglich wird.
4
Fazit
Da die verschiedenen Akteure direkt in die Lage versetzt werden, die Prozesse zu definieren und zu gestalten, ist auch die Kompetenzlücke zwischen einerseits der IT und andererseits den strategischen Entscheidungen und der betrieblichen Umsetzung weitgehend geschlossen. Die ganzheitliche Durchdringung von Geschäftsvorfällen, hier das Projektmanagement, Prozesssteuerung und die Kalkulation von IT-Services, auf Basis systematischer Prozesstechnologie, hat das Potential, durch Erhöhung von Transparenz, Automatisierung und verkürzten Reaktionszeiten, Entscheidungsgrundlagen zu optimieren, Konsequenzen besser abschätzbar zu machen, schneller steuern zu können, und damit Geschäfts-potentiale besser ausschöpfen und Risiken minimieren zu können.
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Stefan Kopka/Tiziana Margaria/Bernhard Steffen
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Teil IV Interdisziplinäre Ansatzpunkte und Erweiterungsperspektiven des CBV
Kulturelle Kompetenzen Interaktionsökonomische Erweiterungsperspektiven für den Competence-based View des Strategischen Managements
1
Einleitung..............................................................................................467
2
Die Öffnung der Unternehmung gegenüber der Gesellschaft und die Konsequenzen für das Kompetenzkonzept ...........................................................................................469
3
Kulturelle Kompetenzen als praktisches, kontextbezogenes Wissen .................................................................................474
4
Evolutorische Ökonomik als Bezugsrahmen und interaktionsökonomische Perspektiven.................................................482
Literatur............................................................................................................487
Kulturelle Kompetenzen
1
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Einleitung
Die Erklärungskraft und die Faszination des Resource- bzw. Competence-based View1 des Strategischen Managements (klassisch: Penrose 1959, Wernerfelt 1984) scheinen in den vergangenen Jahren an ihre Grenzen gestoßen zu sein. (u. a. Freiling et al. 2006) Die Befunde dazu sollen an dieser Stelle nicht wiederholt, der begonnenen Diskussion dazu freilich eine andere Wendung gegeben werden. Die seit Penrose abgrenzende theoretische Bestimmung der Unternehmung „as a collection of physical and human resources“ gegenüber „the firm in the theory of price and production“ und „the firm as an administrative organization“ hat mit ihrem fokussierenden Blick auf die Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen etc. der Theorie der Unternehmung einerseits außerordentlich viele Impulse gegeben, weil damit der Blick geöffnet werden konnte für die Entwicklung und Stärkung dieser Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen etc. In Bezug auf den Anspruch der kritischen Überwindung produktionstheoretischer und zu eng organisationstheoretischer Konzeptionen ergibt sich allerdings der Befund, dass der Resource- bzw. Competence-based View in allen wesentlichen Ausprägungen einen Unterschied nicht gemacht hat: Wie die beiden anderen unternehmenstheoretischen Ansätze vereinseitigt der Resource- oder Competence-based View die Seite des Unternehmens und damit die unternehmensinternen Vorgänge, anders herum: Er vermag der Rolle der Unternehmung als gesellschaftlichem Akteur nicht angemessen Rechnung zu tragen. Wir haben an anderer Stelle ökonomisches Handeln kürzlich als „individuelles wie kollektives, auf Generierung von Neuem in eine prinzipiell offene Zukunft gerichtetes Handeln in Bezug auf etwas“ (Antoni-Komar, Pfriem 2009, 12) definiert. Der scheinbar triviale „Bezug auf etwas“ steht als Platzhalter insbesondere für Gesellschaft und gesellschaftliche Entwicklung. Die sich dort niederschlagenden Wirkungen konkreter Unternehmensstrategien können als Prüffeld dafür verstanden werden, ob Ressourcen (als Potenzial der Unternehmung) tatsächlich vernünftig eingesetzt worden sind, ob Fähigkeiten und Kompetenzen, die von der Unternehmung schließlich ja auch „für etwas“ aufgebaut worden sind, tatsächlich zum Tragen gekommen sind. Nur die (frühestens ex post wahrzunehmende) Überlegenheit im wirtschaftlichen Wettbewerb in Augenschein zu nehmen, führt nicht weiter, führt 1
Mit Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen u. a. werden durchaus unterschiedliche Begriffe im Rahmen dieses Ansatzes für Strategisches Management verwendet, häufig, ohne diese genauer voneinander abzugrenzen. Warum wir in diesem Text vor allem auf den Begriff der Kompetenzen fokussieren, soll im Folgenden verdeutlicht werden.
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Irene Antoni-Komar/Christian Lautermann/Reinhard Pfriem
nämlich zu tautologischen Erklärungen derart, dass überlegene Fähigkeiten durch Meta-Fähigkeiten erklärt werden usw. – darauf haben Fischer und Nicolai (2000, 235 ff.) bereits vor längerem hingewiesen. Der Kern der jüngsten Weiterentwicklungsprobleme des Resource- bzw. Competence-based View besteht unserer Ansicht nach insofern genau darin, das konkret-inhaltliche Prüffeld Gesellschaft (das bei näherem Hinsehen in einer großen Vielfalt von Prüffeldern besteht, von denen das Kriterium nachhaltiger Entwicklung sicher ein ganz wichtiges ist) weiterhin zu wenig in Blick zu nehmen oder ganz außen vor zu lassen. Positiv ausgedrückt: Wir sehen große Chancen für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung des Resource- bzw. Competencebased View, wenn eine theoretische (und in Beratungsprozessen praktische) Integration dessen erfolgt, woran sich erweist, ob Fähigkeiten und Kompetenzen tatsächlich Fähigkeiten und Kompetenzen sind. Wir fokussieren deshalb in diesem Papier eine Perspektive Strategischen Kompetenz-Managements, die der heutigen Rolle des Unternehmens als gesellschaftlichem Akteur gerecht zu werden versucht. Es scheint uns kein Zufall, dass Peteraf et al. (2008, 1112) in einem Beitrag der Organization Studies anlässlich des 50. Jahrestags des Erscheinens von Penrose’ Buch die Frage „what is the firm’s responsibility towards society?“ als ungeklärte Frage charakterisieren. Es ist ja auch kein Zufall, dass Bezugnahmen der unternehmenspolitischen Praxis auf ihre gesellschaftliche Verantwortung (häufig unter dem Begriff Corporate Social Responsibility, CSR) in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen haben. Wir werden deshalb im folgenden (1) erläutern, was der Resource- bzw. Competence-based View aus dem CSR-Diskurs lernen kann. Vor diesem Hintergrund werden wir (2) zeigen, inwiefern eine zukunftsfähige Entwicklung des Resource- bzw. Competence-based View an das Problem der kulturellen Kompetenzen als praktischem, kontextbezogenem Wissen von Unternehmen gekoppelt ist – an die Frage also, wie sich Unternehmen in die Befähigung hineinarbeiten können, mit der Rekursivität zwischen eigenen Angeboten und gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen und erfolgreich umzugehen. Mit dem letzten Abschnitt versuchen wir (3) erste Hinweise zu geben, wie unsere Konzeption kultureller Kompetenzen als interaktionsökonomische Perspektive in einen evolutionsökonomischen Bezugsrahmen integriert werden könnte.
Kulturelle Kompetenzen
2
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Die Öffnung der Unternehmung gegenüber der Gesellschaft und die Konsequenzen für das Kompetenzkonzept
Ausgehend von der Tatsache, dass die Verantwortung und damit die Öffnung der Unternehmung gegenüber der Gesellschaft als wissenschaftliches wie praktisches Problem heute wie nie zuvor auf der Agenda steht, wollen wir in diesem Abschnitt der Frage nachgehen, welche Bedeutung die gesellschaftlichen Herausforderungen für das Konzept unternehmerischer Ressourcen und Kompetenzen haben. Die praktischen unternehmens-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte haben eine Reihe von Herausforderungen für die Unternehmensführung mit sich gebracht, die heute in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft unter der Überschrift „gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen“ (Corporate Social Responsibility, CSR) diskutiert werden und nicht zuletzt über die sich häufenden Unternehmensskandale den Weg in das öffentliche Bewusstsein gefunden haben. Damit kann sich die theoretische Reflexion über Entstehung, Entwicklung und Erfolg von Unternehmen nicht mehr deren Rolle als gesellschaftlichen Akteuren entziehen. Für die Theoriebildung ist dabei insbesondere von Bedeutung zu konzipieren, wie Unternehmen mit diesen zumeist neuartigen, von außen an sie herangetragenen Herausforderungen kompetent umgehen. Empirischer Anknüpfungspunkt dafür sind die zahlreichen neuen CSR-orientierten Managementbereiche2, -instrumente3 und Handlungsräume4. Wenn unternehmerisches Handeln nun aber nicht mehr nur in ökonomisch-marktlichen Kontexten gesehen werden kann, sondern soziokulturelle Dimensionen fundamental an Bedeutung gewinnen, dann hat dies auch Auswirkungen auf die theoretische Konzipierung von Ressourcen und Kompetenzen. Daraus ergibt sich die Frage, inwiefern ressourcen- und kompetenzorientierte Ansätze diese gesellschaftlichen Dimensionen unternehmerischen Handelns integriert haben und in welcher Form die CSRForschung den Ressourcen- und Kompetenzbegriff fruchtbar gemacht hat. Mitte der 1990er Jahre begannen die ersten Autoren damit, den Resourcebased View (RBV) ausdrücklich auf Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung bzw. des weiteren gesellschaftlichen Umfeldes von Unternehmen zu bezie2 3 4
Neben Public Relations etwa Umweltmanagement, Compliance & Anti-Korruption, Corporate Citizenship. Vgl. als strukturiertem Überblick Lautermann, Pfriem 2009. Unternehmensnetzwerke, Multistakeholderforen, sektorenübergreifende Partnerschaften etc.
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hen. Grundlegend ist der Beitrag von Hart (1995), dessen Ausgangspunkt der Befund ist, dass der RBV die biophysischen Grenzen der natürlichen Umwelt ignoriert, um dann die ökologische Herausforderung mithilfe von drei verbundenen strategischen Fähigkeiten (pollution prevention, product stewardship und sustainable development) konzeptionell in das strategische Management zu integrieren. Insofern besteht das Verdienst dieses Beitrages darin, das Konzept der unternehmerischen Fähigkeiten/Ressourcen in einen Bezug zu einem herausragenden gesellschaftlichen Problem gesetzt zu haben, indem systematisch der Unternehmensbeitrag zu einer Lösung ökologischer Probleme und die Frage der langfristigen Wettbewerbssicherung des Unternehmens integriert werden. Auch wenn die ökologische Krise die vielleicht radikalste Bedrohung unserer Zeit ist, haben sich die gesellschaftlichen Herausforderungen vervielfacht. Somit ist der Ansatz von Hart ein wichtiger Schritt, stellt aber noch kein umfassendes gesellschaftsorientiertes Kompetenz-Konzept dar. Ein erster Ansatz, allgemein die soziale und ethische Dimension unternehmerischer Ressourcen zu thematisieren, stammt von Litz (1996), der das Ziel verfolgt, den RBV mit einschlägigen CSR-Rahmenkonzepten zu integrieren. Dazu bezieht er sich auf das dreistufige Modell adaptiven Verhaltens nach Alfred Kuhn (perception of stimulus – selection of response – performance of response, Kuhn, Beam 1982) und füllt es unter Bezugnahme auf einschlägige Konzepte aus der CSR-Literatur inhaltlich in Form von drei strategischen Fähigkeiten bzw. Ressourcen aus: Die erste Fähigkeit ist die Wahrnehmung wechselseitiger Abhängigkeiten zwischen der Unternehmung und ihren Stakeholdern, was als die Ressource stakeholder perception bezeichnet wird; darauf folgt die Fähigkeit zur ethischen Reflexion, welche angesichts häufig zu beobachtenden amoralischen5 Verhaltens eine vernachlässigte Managementkompetenz darstellt und die Ressource ethical awareness begründet; es schließt sich die Fähigkeit an, wirksam zu (re)agieren, d. h. die wahrgenommenen und reflektierten Probleme einem erwünschten Zustand zuzuführen, womit die Ressource issues management eingeführt wird. In einer spezifischen, nämlich kulturalistischen Ausdeutung werden wir auf diese drei fundamentalen gesellschaftsbezogenen Kompetenzen später zurückkommen. In den letzten Jahren sind weitere Beiträge hinzugekommen, die ausdrücklich die konzeptionelle Verbindung des Kompetenz-/Ressourcen-Konzeptes mit CSR verfolgen und teilweise auf empirischen Untersuchungen basieren. Aus der kritischen Auseinandersetzung damit lassen sich einige Anforderungen an ein zeit5
Nicht: unmoralischen, vgl. zu dieser Unterscheidung Caroll 1987.
Kulturelle Kompetenzen
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gemäßes Verständnis gesellschaftsorientierter Unternehmenskompetenzen ableiten: Die Schwächen dieser Beiträge sollen schließlich zu der Notwendigkeit einer Neukonzeption gesellschaftsorientierter Kompetenzen hinführen. Den empirisch orientierten Ansätzen liegt zumeist eine methodische Vorgehensweise zugrunde, welche den Begriff der Fähigkeiten bzw. Kompetenzen (als eigentlich sich qualitativ von objektiven Inputs deutlich unterscheidende Faktoren) nicht sehr ernst zu nehmen scheint. Das von Black und Härtel (2004) entwickelte „model of CSR management capacity“ etwa schlägt fünf zentrale Fähigkeiten (capabilities) vor, („stakeholder engagement, value-attuned public relations, stakeholder dialogue, ethical business behaviour and accountability“, Black, Härtel 2004, 131), auf deren Basis Unternehmen ihre Fähigkeit zu sozialer Verantwortung messen, managen und verbessern können sollen. Auch wenn die inhaltlichen Beschreibungen dieser Fähigkeiten als komplexer Prozessbündel einige zielführende Anhaltspunkte liefern, stellt sich doch die grundsätzliche Frage, ob das gewählte empirische Verfahren psychometrischer Erhebungen und statistischer Auswertungen (mittels Faktoranalyse und Berechnung von Reliabilitätskoeffizienten) nicht der wissenschaftstheoretischen Grundausrichtung eines Competence-based View (vgl. Freiling et al. 2006) widerspricht: Mit (ausschließlich) statistischen Korrelationen lässt sich jedenfalls nicht viel über qualitative Lern- und Entwicklungsprozesse sagen, geschweige denn angemessen die Situations-, Kontext- und Pfadabhängigkeit einer jeden Kompetenz modellieren. Auch wenn etwa „allgemeine dynamische Fähigkeiten“ als Erklärungsgröße für die Entwicklung „sozialer Kompetenzen“ neben weiteren Faktoren wie der Unternehmensmission und externer technischer Unterstützung konzipiert und diskutiert werden (Marcus, Anderson 2006), so drohen solche Konzepte doch ihren Erklärungswert zu verlieren, wenn mit statistisch-quantitativen Methoden eine eher mechanistische Denkweise zugrunde gelegt wird, anstatt eine subjektivistisch-evolutorische Herangehensweise als Besonderheit und Stärke des Kompetenzansatzes herauszustellen. Als mechanistisch lassen sich so gut wie alle Beiträge einer prominenten Forschungsrichtung in der CSR-Debatte bezeichnen, welche den (kausalen) Zusammenhang zwischen CSR und finanzieller Performance6 untersuchen, auch wenn sie sich teilweise ausdrücklich in einen RBVRahmen einordnen (wie McWilliams, Siegel 2001). Dies führt zu einem zweiten Manko der bisherigen Versuche, Kompetenzorientierung und Gesellschaftsorientierung zusammenzubringen. Häufig läuft die Thematisierung von Ressourcen und Kompetenzen (allein) auf die Frage nach 6
Vgl. als aktuellen Beitrag zu dieser Diskussion die Studie von Schreck 2009.
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dem Beitrag von CSR zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens hinaus. Dies erfolgt beispielsweise in der Form, dass CSR-Kompetenzen eine Risikominderungsfunktion zugesprochen wird, die nicht zu beachten das langfristige Überleben des Unternehmens gefährden könnte (vgl. Litz 1996, 1360 f.). Ein ähnliches Verständnis zeigt sich in dem Standpunkt, dass eine Resource-based-Perspektive helfen kann zu verstehen, warum Unternehmen CSR-Aktivitäten betreiben, indem sie CSR als Quelle von internen Vorteilen (Entwicklung neuer Ressourcen und Fähigkeiten in Bezug auf Wissen und Unternehmenskultur) und externen Vorteilen (Reputation) ansieht (Branco, Rodrigues 2006). Dieser komplementäre Effekt wird auch schon in dem bereits angesprochenen „natural-resourcebased“-Konzept von Hart (1995, 998 ff.) thematisiert, wo neben dem rein internen (kompetitiven) Ansatz auch die Bedeutung der externen (sozialen) Legitimität und Reputation hervorgehoben wird. Die Konzipierung von CSR-Kompetenzen als strategischen Ressourcen bringt durchaus weiterführende und praxistaugliche Unterscheidungen mit sich, wie etwa das 3C-SR-Modell von Meehan et al. (2006): Um CSR eher als ein Mittel denn als eine Belastung für Unternehmen zu verstehen, wird das Konzept der sozialen Ressourcen („social resources“) vorgeschlagen, die eng miteinander zusammenhängen und daher gleichermaßen berücksichtigt werden müssen, um eine echte CSR-Orientierung zu erreichen: „ethical and social commitments; connections with partners in the value network; and consistency of behaviour over time to build trust.“ (Meehan et al. 2006, 391 f.) In diesem Fall wird die CSR-Orientierung eines Unternehmens unter Ausnutzung der drei sozialen Ressourcen als bedeutungsvolle Basis für eine Differenzierungsstrategie am Markt vorgestellt. Doch all diesen Ansätzen liegt ein reduziertes (funktionalistisches) Verständnis sozialer Ressourcen und Kompetenzen zugrunde, insofern als sie letztlich immer auf den Beitrag zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit unter der Nebenbedingung gesellschaftlicher Erwägungen zielen. Dagegen wird die Frage nach dem Beitrag der Ressourcen und Kompetenzen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme nur teil- oder ansatzweise theoretisch konzipiert – und das gesellschaftliche (Mit)Gestaltungsvermögen von Unternehmen sogar überhaupt nicht. Zumindest ist die Dimension der Gestaltung von Gesellschaft durch Unternehmen in den meisten Beiträgen ziemlich begrenzt. Der wesentliche Grund dürfte darin liegen, dass man sich als Heuristik zur Konzipierung der gesellschaftlichen Rolle von Unternehmen fast ausschließlich des in der CSR-Forschung dominanten Stakeholder-Ansatzes bedient.
Kulturelle Kompetenzen
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Der Stakeholder-Ansatz hat sicherlich einen großen Beitrag für die konzeptionelle Verortung von Unternehmen in der Gesellschaft geleistet und sein heuristischer Wert ist angesichts der Weiterentwicklungen um Stakeholdernetzwerke7 nach wie vor sehr groß. Auch die weitere Konzipierung einer „Stakeholder Management Capability“ (Zakhem 2008) ist gewiss ein sinnvolles Projekt. Die (reine) Stakeholder-Betrachtung, die ja immer grundlegend von Beziehungen zwischen Akteuren ausgeht, impliziert allerdings ein Kausalitätsdenken, welches sich auf die (potentielle) Wirkungsmacht der Stakeholder stützt. Insofern lässt sich eine gesellschaftliche Mitgestaltung durch Unternehmen aus dieser Perspektive immer nur dort verorten, wo sie durch Stakeholder provoziert wird (werden kann). Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen nun dadurch zu beschreiben, dass nicht mehr die (kausalen) Einwirkungen zwischen Unternehmen und Stakeholdern, sondern das Vermögen des Unternehmens, zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen, der rechte Maßstab sei („From Causality to Capability“, vgl. Wettstein 2005, 110 f.), ist ein wichtiger Schritt, um von den Beschränkungen der reinen Stakeholder-Orientierung weg zu kommen. Insofern ist es richtig, dass Black (2006) für ihr „Conceptual model of social responsiveness capabilities“ neben der strukturellen die Bedeutung der kulturellen Seite von CSR sowie das Erfordernis einer Integration beider Seiten hervorhebt. Doch fehlt hier eine sozial- bzw. kulturtheoretische Fundierung, um die kulturelle Dimension unternehmerischer Fähigkeiten überzeugend darzulegen. Ohne eine solche theoretische Fundierung wirken (alltagssprachlich vielleicht noch nachvollziehbare) Dichotomien wie die zwischen „social“ und „business“ Kompetenzen, die dann auch noch in kausale Zusammenhänge gebracht werden (Marcus, Anderson 2006), doch ziemlich willkürlich und inkonsistent. Um die Defizite der geschilderten Ansätze zu überwinden, schlagen wir eine kulturalistische Perspektive auf das Konzept gesellschaftsbezogener Unternehmenskompetenzen vor, welche in den folgenden Abschnitten gründlicher ausgeführt wird. An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten: Im Vergleich zur Stakeholder-Perspektive eröffnet die kulturalistische Perspektive eine bessere Wahrnehmung insbesondere zweier Aspekte der gesellschaftlichen Einbettung von Unternehmen: der emergenten Qualität kollektiver Entwicklungen (kulturelle Prozesse) und der subjektiven Dispositionen der sozialen Akteure (eingeübte Fähigkeiten und Bereitschaften: Tugenden). Beide Aspekte machen Gesellschaft in einer anderen Qualität zum relevanten Raum für strategisches Unternehmens7
Vgl. Rowley 1997 und Neville, Menguc 2006.
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handeln. Konzeptionell bilden sie die äußeren und die inneren Referenzgrößen für die Herausbildung kultureller Kompetenzen von Akteuren. Die Bedeutung von kulturellen Prozessen als emergenten Phänomenen, die sich nicht auf das Stakeholder-Konzept zurück führen lassen, kann man anhand eines speziellen Phänomens, welches in jüngster Zeit zunehmend im strategischen Management thematisiert wird, verdeutlichen: anhand so genannter wicked problems (Camillus 2008). Damit sind gesellschaftliche Probleme gemeint, deren Zustandekommen auf solch komplex-dynamischen Interdependenzen beruht, dass Ursachen nicht mehr eindeutig zu identifizieren sind, und deren Auswirkungen so „bösartig“ auszufallen drohen, dass eine echte „Lösung“ hoffnungslos erscheint, sondern allenfalls Möglichkeiten einer Linderung in Aussicht stehen, z. B. Klimawandel, Terrorismus und Armut. Der Umgang mit „wicked problems“ erfordert eine gänzlich neue Kompetenz, die nicht (nur) auf einer Orientierung an Stakeholderinteressen und allgemeinen Werten beruhen kann, sondern die auch eine eigenständige, im prospektiven Sinne verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit befürchteten und wünschenswerten gesellschaftlichen Entwicklungen durch die einzelnen Akteure erfordert. Camillus spricht von einer „feed-forward orientation“ (ebd. 105). Die Bedeutung von kulturellen Prozessen für die Herausbildung kultureller Kompetenzen wird im nächsten Abschnitt ausführlich theoretisch hergeleitet, auf die Bedeutung von eingeübten Fähigkeiten und Bereitschaften im Sinne eines modernen Verständnisses von Tugenden wird am Schluss perspektivisch verwiesen.
3
Kulturelle Kompetenzen als praktisches, kontextbezogenes Wissen
Die Frage der Weiterentwicklung oder Neuausrichtung eines Resource- oder Competence-based View und damit eines Strategischen KompetenzManagements sehen wir an das Problem der kulturellen Kompetenzen als praktischem, kontextbezogenem Wissen von Unternehmen gekoppelt und damit an die Frage: Wie können sich Unternehmen in die Befähigung hineinarbeiten, mit der Rekursivität zwischen eigenen Angeboten und gesellschaftlichen Herausforderungen angemessen und erfolgreich umzugehen? Dies bedeutet zunächst einmal anzuerkennen, dass unternehmerisches Handeln nicht auf zeitlosen Gesetzmäßigkeiten einer Mechanik von Eigeninteresse und Nutzen aufbaut, sondern in emergente kulturelle Prozesse eingebunden ist. In rekursiver Wirkung beeinflus-
Kulturelle Kompetenzen
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sen kulturelle Prozesse einerseits unternehmerisches Handeln, andererseits befördert unternehmerisches Handeln aber auch jene kulturellen Prozesse. Dass der Ökonomik eine Rückgewinnung der Reflexion des kulturellen Kontextes helfen könnte, das mechanistische, abstrakte Denken, wie es im Rationalitätsparadigma des homo oeconomicus und in zahlreichen mathematischen Modellierungen mitschwingt, zu überwinden, dafür hat Kenneth Boulding bereits 1972 in dem Aufsatz „Toward the Development of a Cultural Economics” plädiert und dieses Plädoyer mit dem Votum einer Fokussierung auf Lernprozesse verknüpft: “The emphasis of learning is perhaps the crucial difference between mechanistic economics and cultural economics. Mechanistic economics tends to take preferences and even skills and techniques for granted, as the data or ultimate determinants of the economic process. Cultural economics must look upon both preferences, skills, and techniques as essentially learned in the great processes of cultural transmission … Social learning, indeed, is the central concept of culture.” (Boulding 1972, 273)
An diese Konzeption einer kulturalistischen Ökonomik8 wollen wir anschließen, wenn wir auf die Anforderung an Unternehmen hinweisen, für das Feld der eigenen aktuellen und möglichen späteren Geschäftstätigkeit frühzeitig, sensibel und empathisch kulturelle Prozesse in der Gesellschaft wahrzunehmen, zu reflektieren und marktbezogen zu verarbeiten. Im Lichte aktueller und sich abzeichnender nachhaltigkeitsbezogener Herausforderungen (z. B. Klimaschutzund Klimaanpassungsstrategien) reichen dafür vorliegende strategische Ansätze bei weitem nicht aus. Vielmehr bedeutet dies anzuerkennen, dass multiple (historisch verlaufende) und sich gegenseitig verstärkende Prozesse9 (wie z. B. Technisierung, Beschleunigung, Subjektivierung, Verwissenschaftlichung, Medialisierung) identifiziert und kritisch reflektiert werden müssen, weil diese partiell einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft entgegenwirken (vgl. AntoniKomar 2009; Antoni-Komar, Pfriem 2009). Als wesentliche Bestimmung einer kulturalistischen Ökonomik leiten wir daraus ab: Ökonomische Praxis auf Anbieter- wie Nachfrageseite ist (re)produzierender Teil multipler und ambivalenter kultureller Prozesse. So steht die von Unternehmen wesentlich mit vorange8
9
Wenn wir von einer kulturalistischen Ökonomik sprechen, dann in bewusster Abgrenzung zur „Kulturökonomie“, die sich mit den ökonomischen Faktoren im Kultursektor beschäftigt. Analog zum Begriff der „Kulturökonomie“ wird im Englischen der Begriff der „Cultural Economics“ verwendet. Aus diesem Grund haben wir uns für die englische Sprachregelung des „cultural approach in ecomomic theory“ entschieden (vgl. Antoni-Komar, Pfriem 2009). Shmuel Eisenstadt plädiert dafür, die Gegenwartsgesellschaft und die Moderne als eine Geschichte der Formierung und Neukonstitution multipler, sich wandelnder und oft strittiger und miteinander konfligierender „Modernen“ (multiple modernities) (Eisenstadt 2007) zu lesen.
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triebene Konsumkultur des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts im Spannungsfeld kapitalistischer Industrialisierungsprozesse, die eine Ökonomisierung der sozialen Praktiken bewirken, indem sie z. B. ein Versprechen der Entlastung (Technisierung und Beschleunigung), des Erlebens (Subjektivierung) und der Erkenntnis (Verwissenschaftlichung und Medialisierung) geben. Gleichzeitig geht von diesen Prozessen als temporalen Pfaden (vgl. Spiekermann 2008) eine wachsende Dynamik der Steigerung (vgl. Shove 2003) aus, die nicht nur zu Entmündigung, Überforderung, Orientierungsverlust und Entfremdung der Konsumentinnen und Konsumenten führt, sondern auch weitreichende soziokulturelle und klimaschädliche Folgen in sich birgt. Diese ambivalente Qualität kultureller Prozesse lässt sich am Beispiel der Ernährungswirtschaft ausschnitthaft skizzieren. Aktuelle Befunde aus dem BMBF-Forschungsprojekt „WENKE2 – Wege zum nachhaltigen Konsum – Energie, Ernährung“10 verdeutlichen, dass zeitgenössische Ernährungspraktiken kulturellen Kompetenzverschiebungen unterliegen, die sich einerseits als „verloren gegangenes Wissen“ (Expertin-Interview am 10.07.2008) hinsichtlich der Kompetenzen des Selbermachens und der Wertschätzung von Lebensmitteln sowie der sozialen Funktion von Mahlzeiten umschreiben lassen; andererseits verläuft diese Kompetenzverschiebung in Komplementarität zu den identifizierten temporalen Pfaden der Technisierung, Beschleunigung, Subjektivierung, Verwissenschaftlichung und Medialisierung. Eine solche Komplementarität bzw. Co-Evolution von Konsumgütern und -prozessen kann beispielhaft über die Durchsetzung der Tiefkühltruhe bis hin zur Verbreitung der Mikrowelle in den Haushalten sowie der wachsenden Produktion und Konsumtion von Tiefkühlprodukten und Fertiggerichten verfolgt werden. Parallel führt die empfundene Zeitknappheit zu einer Erosion der Koch- und Mahlzeitenkultur. Der Kompetenzverlust hinsichtlich der Kenntnis von (lokalen) Produktionsweisen und (regionaler) Herkunft der Lebensmittel begründet nicht nur eine mangelnde Wertschätzung der Produktqualität, sondern führt auch zu Fehleinschätzungen hinsichtlich der ökotrophologischen Qualität, die in zunehmender Fehlernährung zum Ausdruck kommen. Um die Komplexität und Dynamik der beschriebenen Herausforderungen auf der Basis multipler und ambivalent verlaufender kultureller Prozesse zu erfassen und gestaltend zu bewältigen, bedarf es einer Herausbildung kultureller Kompetenzen nicht nur auf Seiten der Nachfrager, sondern vor allem auf Seiten der Unternehmen. Dabei verstehen wir Kompetenz zunächst als Programm, welches 10
Vgl. www.wenke2.de.
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„die aufgrund immer größerer wirtschaftlicher, sozialer und politischer Komplexität und Dynamik erforderliche Selbstorganisation des individuellen menschlichen Handelns“ (Erpenbeck, Rosenstiel 2003, XXXI) umfasst. Auffallend an dieser Definition ist jedoch das Fehlen des Kulturbegriffs. Wir schlagen vor, die Ökonomik für kulturelle Kompetenzen von Unternehmen insbesondere von kultursoziologischen Überlegungen zur Praxistheorie (Schatzki 1996; Reckwitz 2003; Hörning, Reuter 2004; Gherardi 2009) befruchten zu lassen. Diesem Ansatz liegt die sozialkonstruktivistische Annahme zugrunde, dass soziale und kulturelle Phänomene nicht „objektiv“ gegeben sind (auch wenn sie Handelnden so erscheinen), sondern stets interaktiv hergestellt werden. Die Konzeption des doing culture begreift soziale und kulturelle Phänomene nicht vorwiegend als Produkt von psychokognitiven Strukturen, Systemgebilden, Diskursen oder Bedeutungsgeweben/Texten, sondern als Handlungsprozesse: „Doing culture sieht Kultur in ihrem praktischen Vollzug. Es bezeichnet ein Programm, das den praktischen Einsatz statt die vorgefertigten kognitiven Bedeutungs- und Sinnstrukturen von Kultur analysiert… Die praktischen Verhältnisse des sozialen Lebens lassen Kultur erst zu ihrer Wirkung gelangen.“ (Hörning, Reuter 2004, 10)
Während frühere Handlungstheorien in der Tradition von Max Weber und Talcott Parsons von der individuellen Entscheidung und deren (rationalen) Intentionalität ausgehen, wird Handeln in der zu beobachtenden Wendung zu einem „practical turn“ in der interpretativen Soziologie bzw. Interaktionstheorie, den Cultural Studies, Wittgensteins Sprachphilosophie, Bourdieus klassentheoretischer Kultursoziologie sowie Giddens’ Konzept der Strukturierung hinsichtlich der es strukturierenden soziokulturellen Praktiken erfasst und diese Praktiken hinsichtlich des ihnen innewohnenden, lokal zur Anwendung gebrachten impliziten Wissens. Schatzki bestimmt „practice“ als die je gegenwärtige Aktivität im Sinne eines „ceaseless performing and carrying out“ und als „a temporally unfolding and spatially dispersed nexus of doings and sayings“ (Schatzki 1996, 89), die auf einer „practical intelligibility“ (Schatzki 1996, 75) der Akteure basiert. Wissen wird damit weder als bloße Information noch als bilanzierbare und strategisch optimierbare Ressource angesehen, sondern als praktisches Wissen konzipiert, das als kollektiv geteiltes Hintergrundwissen und ‘verkörpertes’ Wissen auftritt: „A ‘practice’ is a routinized type of behaviour which consists of several elements, interconnected to one another: forms of bodily activities, forms of mental activities, ‘things’ and their use, a background knowledge in the form of understanding, know-how, states of emotion and motivational knowledge”
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(Reckwitz 2002, 249). Reckwitz identifiziert drei Wissensdimensionen, die das praktische Wissen strukturieren: 1. Wissen als interpretatives Verstehen, d. h. einer routinemäßigen Zuschreibung von Bedeutungen zu Gegenständen, Personen, abstrakten Entitäten, dem „eigenen Selbst“ etc.; 2. Wissen als methodisches Wissen, d. h. script-förmige Prozeduren, wie man eine Reihe von Handlungen „kompetent“ hervorbringt; 3. Wissen als motivational-emotionales Wissen, d. h. ein impliziter Sinn dafür, „was man eigentlich will“, „worum es einem geht“ und was „undenkbar“ wäre. (vgl. Reckwitz 2003, 292). Das von Hörning und Reuter (2004) weiter entwickelte praxeologische Konzept geht von einer dreiteiligen Handlungsstruktur und Wissensqualität aus: 1. Unbewusste Aktionen, die als „eingespielte Handlungsprozeduren“ übersubjektiv eingebettet sind in Routinen sozialer Interaktionsprozesse (Erziehungspraktiken, Praktiken der privaten Lebensführung, Zeitpraktiken, Kommunikationspraktiken, Praktiken der Verhandlung, Arbeitspraktiken, Praktiken der politischen Debatte). 2. Kollektive Wissensrepertoires, die als kollektives Bedeutungs- und Handlungswissen ihren impliziten Ausdruck finden. Kollektive Wissensrepertoires bilden die Voraussetzung gleichartiger Handlungsformen. 3. Kompetenz der Akteure als performatives Wissen im Praxiszusammenhang. In beiden Konzeptionalisierungen sozialer Praxis wird neben den Routinen bzw. unbewussten Aktionen der „Kompetenz“ der Akteure im Handlungszusammenhang eine maßgebliche Relevanz zugeschrieben. Erweitert auf Organisationen, betont Gherardi insbesondere die Bedeutung von Kompetenz als Wissensbestandteil und Fähigkeit, in komplexen Netzen von Beziehungen zwischen Menschen, Artefakten und Aktivitäten teilnehmen zu können: “Knowing is something that people do together and it is done in every mundane activity, in organizations when people work together, and also in academic fields. To know is to be able to participate with the requisite competence in the complex web of relationships among people, material artefacts and activities” (Gherardi 2009, 118).
Die Grundannahme von Interaktion liegt ebenfalls einer von Joutsenvirta und Uusitalo (2009) formulierten Konzeption der cultural competence von Unternehmen zugrunde, wenn sie diese als Sensitivität gegenüber dem sozialen Umfeld und kulturellen Wandel sowie als Fähigkeit, dieses Wissen in eine verantwortungsvolle Unternehmenspraxis zu transferieren, beschreiben. In Erweiterung zu Joutsenvirta/Uusitalo sehen wir kulturelle Kompetenzen jedoch nicht
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nur in der Interaktion von Unternehmen mit Stakeholdern diskursiv angelegt, sondern auch an deren Interdependenz mit multiplen und sich gegenseitig verstärkenden kulturellen Prozessen (wie z. B. Technisierung, Beschleunigung, Subjektivierung, Verwissenschaftlichung, Medialisierung) rekursiv gekoppelt, die partiell einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft entgegenwirken. Kulturelle Kompetenzen sind demnach genuiner Bestandteil des praktischen Wissens der Akteure und führen in spezifischen Krisensituationen des Handelns als kreatives Handlungspotenzial zur Verwerfung brüchig gewordener Routinen und Neuausrichtung der sozialen Praxis, indem kulturelle Prozesse erkannt, die Betroffenheit durch kulturelle Prozesse kritisch reflektiert und nachhaltige Strategien entwickelt werden. Wir gelangen damit zu einer interaktionsökonomischen Denkweise, die im Hinblick auf die Komplexität und Dynamik gesellschaftlicher Wirklichkeit drei Prozessschritte kultureller Kompetenzen impliziert: 1. Kulturelle Prozesse als multiple und ambivalente temporale Pfade erkennen (Recognition). 2. Betroffenheit durch kulturelle Prozesse, handlungsstrukturierende Funktion und gesellschaftspolitische Dimension kritisch reflektieren (Reflection). 3. Wünschenswerte Zukünfte entwerfen und nachhaltige Strategien entwickeln (Reconfiguration). Akteurshandeln als soziale Praxis beruht demnach auf Routinen (culturally based knowledge) und kulturellen Kompetenzen (doing knowledge), in denen sowohl Reproduktion wie auch Transformation kultureller Prozesse möglich ist (Hörning, Reuter 2004). Während Handlungstheorien von der individuellen Entscheidung und deren (rationalen) Intentionalität ausgehen, konzipieren Praxistheorien Handeln als ein Repertoire aus Inkorporiertheit und Performativität (Reckwitz 2004, 45), das sich in einem Netz aus Interaktionen bewegt. Diese doppelte Bestimmung sozialer Praxis aus Wiederholung/Anpassung und Neuerschließung/Entwurf sieht Akteure in der Lage, sowohl reproduzierend in Form von „aufgezeichneten“ kollektiven Wissensrepertoires (culturally based knowledge) wie auch produzierend in Form von kulturellen Kompetenzen als „Wissen-wie“ (doing knowledge) zu handeln – in einer „relativen ‚Geschlossenheit‘ der Wiederholung und einer relativen ‚Offenheit‘ für Misslingen, Neuinterpretation und Konflikthaftigkeit“ (Reckwitz 2003, 294). In spezifischen Konfliktsituationen, denen Marktakteure ausgesetzt sind und den daraus resultierenden Unsicherheiten (vgl. Böhle, Weihrich 2009), kommt es zu einer „Neuinterpretation“ der eingeübten und repetitiven Handlungsproze-
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duren (Routinen). Wenn Akteure eine Dissonanz zwischen ihrem aktuellen routinisierten Handeln und den zukünftigen Anforderungen aufgrund sich wandeln-
Cultural Processes Interdependenc
Customer Interactio
Interactio Firms
Recognition + Reflection + Reconfiguration Cultural Competences Culturally Based Knowledge + Doing Knowledge
Social Practices Reproduction + Transformation
Abbildung 1: Das Unternehmen als gesellschaftlicher Akteur: Kulturelle Kompetenzen zur Erweiterung des Comptence-based View der gesellschaftlicher Herausforderungen (z. B. Klimawandel; Verlust von Biodiversität und kultureller Diversität; soziale Ungleichheit) und/oder aufgrund organisatorischer Instabilitäten (z. B. Skandale) wahrnehmen, werden eingespielte Handlungsprozeduren brüchig, danach gegebenenfalls verworfen und schließlich neu ausgerichtet, um Unsicherheit zu reduzieren. Krisenhafte Situationen provozieren demnach in Folge eine kreative Antwort („creative response“, Schumpeter 1947), die sich als Änderung des Handelns, z. B. in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung auswirken kann. Das kreative Handlungspotenzial ist
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so notwendiger Teil der sozialen Praxis, weil eingespielte Handlungsprozeduren durch Irritationen immer wieder erschüttert und Neuausrichtungen provoziert werden können. Dabei reduziert sich Handeln nicht auf eine Anpassungsleistung, sondern es wird „Kreativität hier als Leistung innerhalb von Situationen, die eine Lösung fordern, gesehen“ (Joas 1992, 190). Der solchermaßen initiierte ökonomische Wandel vollzieht sich in Austauschprozessen (Interaktion) zwischen Produktion und Konsum, zwischen Angebot und Nachfrage, denn Unternehmen und Konsumenten handeln nicht isoliert-autonom, sondern im situativen (kulturellen) Kontext von und mit anderen (Rekursivität und Interdependenz). Unternehmen optimieren also nur scheinbar ihre Strategien, indem sie sich den Marktanforderungen anpassen, bei näherem Hinsehen entwerfen sie gesellschaftliche Zukünfte durch ihre Angebote (Pfriem 2004). Mit dieser unternehmensstrategischen Wende, multiple und ambivalente kulturelle Prozesse als genuinen Bestandteil der Unternehmenspraxis zu erkennen (Recognition), kritisch zu reflektieren (Reflection) und schließlich produktiv zu entwickeln (Reconfiguration), kann es gelingen, die black box des Unternehmens als gesellschaftlichem Akteur zu öffnen. Unternehmerische Verantwortung wird dann nicht als exogene Anforderung an das Unternehmen herangetragen, sondern als endogenes Potenzial kollektiver Wissensrepertoires mobilisiert und als kulturelle Kompetenzen zur Anwendung gebracht. Im Ergebnis zeigen sich selbstorganisierte kulturelle Kompetenzen als unternehmerische Verantwortung, an der zukünftigen Qualität von Gesellschaft mitzuwirken und Vertrauen aufzubauen. Doch erst in der Performance des Unternehmens, in der Produktion und Distribution von Gütern und Dienstleistungen, also der Anwendung und dem Gebrauch, werden die kulturelle Kompetenzen sichtbar und beobachtbar und können somit von den Kunden dem Unternehmen zugeschrieben werden (vgl. Erpenbeck, Rosenstiel 2003, XI). Dies verstärkt im Umkehrschluss für Unternehmen die Notwendigkeit, nicht nur die Unternehmenspraxis, sondern auch Konsumpraktiken in ihrer soziokulturellen Dimension zu reflektieren sowie Lösungen zu entwerfen und zu gestalten, die einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Gesellschaft und deren Akteuren gerecht werden können. Denn darin zeigt sich die besondere Relevanz der Herausbildung unternehmerischer kultureller Kompetenzen: Unternehmen erfahren ihre gesellschaftliche Legitimation nicht nur durch den professionellen Umgang mit Kontingenz, sondern auch durch die Reflexion rekursiver Strukturen und kultureller Prozesse zwischen Angebot und Nachfrage, um damit sowohl die Begrenzung als auch die Ermöglichung ihres Handelns zu gewährleisten.
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Evolutorische Ökonomik als Bezugsrahmen und interaktionsökonomische Perspektiven
Die Reflexion rekursiver Strukturen und kultureller Prozesse zwischen Angebot und Nachfrage als interaktionsökonomische Perspektive verweist auf Innovationen, Veränderungen sowie ökonomischen und kulturellen Wandel, dem alle momentanen Angebote wie Nachfragen unterliegen. Der Resource- und Competence-based View des Strategischen Managements hat mit seinem (teils impliziten, teils expliziten) Widerpart des Market-based View (Porter 1992 und 1992a) zwei wesentliche Merkmale gemein: stärker als in vielen vorherigen Konzeptionen des Strategischen Managements wird der Anschluss an die allgemeine ökonomische Theoriebildung gesucht, noch deutlicher als in einer Reihe anderer Konzeptionen werden die wettbewerbstheoretischen und -politischen Absichten des eigenen Ansatzes vorgetragen. Angesichts der erheblichen Nachteile, die gerade in Deutschland weiterhin aus der institutionellen Trennung der Fachdisziplinen Volks- und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten resultieren, können wir den ersten Punkt geradezu umstandslos als Stärke auszeichnen. Der zweite Punkt erweist sich, je einseitiger darauf fokussiert wird, unter den heutigen Bedingungen als Schwäche: die Vorteilsgewinnung des einen einzelnen Unternehmens gegenüber den anderen allzu sehr in den Vordergrund zu rücken, transportiert das Risiko, die Gesamtbeziehungen zwischen Unternehmen, Markt und Gesellschaft in den blinden Fleck der Untersuchungen zu verschieben, vor allem die Analyse dort stattfindender bzw. sich abzeichnender oder möglicher Veränderungen. Etwa mit strategischen Optionen wie „Mach 18“, womit sich der Volkswagenkonzern für die Zeit bis 2018 konkrete Ziele hinsichtlich der Entwicklung von Umsätzen und Rendite und damit vor allem der verbesserten relativen Stellung im globalen Wettbewerb der Automobilhersteller gesetzt hat, ist noch gar nichts darüber ausgesagt, inwiefern dieses Unternehmen oder andere derselben Branche Innovationen generieren, mit denen die Automobilindustrie selbst hilfreiche gesellschaftliche Beiträge zur Bewältigung des Klimawandels erbringen könnte. Wettbewerbsstrategie und Strategie zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme sind also keineswegs dasselbe. Nun lässt sich der Wettbewerb zwischen Unternehmen insbesondere aus der Sicht externer Beobachter retrospektiv als Ausleseprozess untersuchen. Die Idee,
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den am prominentesten von Darwin (1963, orig. 1859) mit der biologischen Evolutionstheorie vorgetragenen Gedanken natürlicher Auslese (Selektion) auf das System Wirtschaft zu übertragen, wurde schon in Schumpeters Todesjahr 1950 von Alchian aufgebracht (Alchian 1950). Allgemein geht es bei einer Übertragung des biologischen Evolutionsgedankens auf das System Wirtschaft darum, ähnlich den Theorien von Lamarck und Darwin erklärungsfähige Faktoren für längerfristige Entwicklungen und Veränderungen aufzuspüren. Für Darwin selbst folgte aus der Einsicht, dass die Menschen nicht als solche geschaffen wurden, sondern sich aus niederen Tierarten entwickelt haben, allerdings keineswegs, dass Überlegungen zur Evolution der Tiere einfach auf die Menschen und deren weitere Entwicklung übertragen werden können. In seinem 1871 erstmals veröffentlichten zweiten Hauptwerk „Descent of Man“ (Darwin 2002) setzt sich Darwin mit dem moralischen Sinn der Menschen als möglicherweise wichtigstem Unterschied zu den Tieren auseinander. Zutreffend fasst Engels diese Auseinandersetzung so zusammen: „Die mentalen Fähigkeiten des Menschen, die sich für ihn während seiner Evolution als überlebensrelevant erwiesen, sind zugleich Bedingungen seiner Moralfähigkeit. Als organische Grundlage dieser Fähigkeiten ist unser plastisches Gehirn auf Moralfähigkeit eingerichtet, es verfügt über eine diese ermöglichende, komplexe Struktur.“ (Engels 2007, 171) Die in der Evolutorischen Ökonomik recht verbreitete Übertragung des Schemas von Variation – Selektion – Retention ist also mit kritischer Vorsicht zu betrachten. Demgegenüber scheinen uns alle jene Bemühungen Evolutorischer Ökonomik sehr produktiv zu sein, die sich wie Veblen und Schumpeter mit substantiellen Besonderheiten und Veränderungen kapitalistischer Marktwirtschaften beschäftigen.11 Entscheidungen fallen nach Auffassung der Evolutorischen Ökonomik unter Restriktionen, die Ausdruck kultureller sowie institutionell und historisch geprägter kognitiver Muster sind. Sie schaffen und sind zugleich selbst Ergebnis von Pfadabhängigkeiten, die ökonomischen Abläufen eine sich selbst verstärkende, oft irreversible Dynamik verleihen können. Damit hat man aber theoretisch noch gar nicht viel gewonnen für eine konkret-historische Analyse der ökonomischen Situation. Bei Hermann-Pillath findet immerhin der Begriff Kultur Verwendung und wird auf „komplexe kognitive Schemata bezogen, die historische Wurzeln besitzen und über Sozialisationsprozesse übertragen werden.“ (Hermann-Pillath 2002, 707 f.) Das bleibt bis auf weiteres aber erst einmal sehr allgemein. Und wir haben es mit einer gleichsam soziologischen Vereinseitigung 11
S. etwa die brillante Veblen-Analyse bei Hodgson 2004, 123-282. Auch Witt (2003) rückt Veblen und Schumpeter ins Zentrum der theoriegeschichtlichen Herleitung.
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des Kulturbegriffs zu tun, indem, nehmen wir unsere diesbezügliche Erläuterung im vorigen Kapitel – Kultur nur als culturally based knowledge gefasst wird, im Sinne von Inkorporiertheit, nicht jedoch als doing knowledge, in der Dimension der Performativität des konkreten sozialen und ökonomischen Handelns. Wenn die Evolutorische Ökonomik freilich für eine Weiterentwicklung des Resource- und Competence-based View fruchtbar gemacht werden soll, benötigen wir eine Ausgestaltung, die gerade die Seite des doing knowledge integriert, also Möglichkeiten bietet zur Beschreibung und Analyse des Handelns ökonomischer Akteure gegenüber strategischen Herausforderungen, die sich ihnen gegenüber stellen. Angesichts der einerseits geprägten und restringierten, andererseits aber von der nichtmenschlichen Natur deutlich unterscheidbaren Reichweite und Eingriffstiefe menschlichen Handelns kann Evolutorische Ökonomik als Wissenschaft von kollektivem und individuellem menschlichen Handeln nur ein „kultürliches“, kulturalistisches Projekt sein. Die interaktionsökonomische Denkweise und Analysemethode, die aus unseren Überlegungen resultiert, hat eigentlich eine frühe und prominente Quelle: mit dem „Creative Response“ als Gegenbegriff zum „Adaptive Response“ hat bereits Schumpeter (1947) auf das Erfordernis von Unternehmen hingewiesen, sich nicht als bloßer Anpassungsoptimierer zu betätigen, sondern kreativ und insofern interaktiv mit den marktlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen umzugehen. Interaktionsökonomik setzen wir dem in der Ökonomik angeblich nicht hintergehbaren methodologischen Individualismus ausdrücklich und absichtsvoll entgegen. Die Preisgabe des methodologischen Individualismus ist erforderlich, weil sowohl Pfadabhängigkeiten und Routinen angemessen nur als kollektive Phänomene erklärt werden können wie auch die Orientierung eigener ökonomischer Entscheidungen an jenen anderer (Imitationen, Richten nach Peers) eben zum Kern hat, dass es sich nicht um einseitig individuell kalkulierte Entscheidungen handelt. Interaktionsökonomik als angemessene Forschungsrichtung ergibt sich also nicht erst aus der Rekursivität von Angebots- und Nachfrageseite, sondern bereits aus der (kulturellen) Heterogenität der ökonomischen Akteure auf jeder der beiden Seiten. Eine solche Interaktionsökonomik macht allerdings nur Sinn, wenn sie darauf angelegt wird, die heterogene Vielfalt der Akteure und ihrer Spielzüge im Sinne strategischen Handelns ernst zu nehmen, statt in überliefert modernökonomischer Manier dem Primat der Rahmenordnung das Wort zu reden. Wir kommen hier übrigens an einen wissenschaftstheoretisch schwierigen, aber fundamental wichtigen Punkt, vor allem eingedenk dessen, dass in (allzu)
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vereinfachender Anwendung seinerzeitiger Argumentationen von Max Weber sich die Betriebs- wie die Volkswirtschaftslehre des 20. Jahrhunderts das Gebot der Wertfreiheit auf die Stirn geschrieben hatten. Denn für unseren zentralen Untersuchungsgegenstand der kulturellen Kompetenzen tut sich die Frage auf: nach welchen Maßstäben wollen wir beurteilen, ob Fähigkeiten Fähigkeiten sind, kulturelle Kompetenzen kulturelle Kompetenzen, also: wenn ökonomisches Handeln von uns definiert wird als auf Generierung von Neuem in eine prinzipiell offene Zukunft gerichtetes Handeln in Bezug auf etwas: was steckt hinter dem „etwas“? Nicht alle drei Autor/innen dieses Textes kommen mit derselben Langfristigkeit und Stringenz in ihrer persönlichen wissenschaftlichen Biographie aus dem seit nunmehr ein Vierteljahrhundert alten Diskurs über Ökonomie und Ökologie. Die (in absichtsvoller Anlehnung an Kant) regulative Idee nachhaltiger Entwicklung speist sich freilich auch nicht nur aus der vielleicht im engeren Sinne ökologischen Frage, wie die Menschheit im 21. Jahrhundert überleben will (weil die Transformation der Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensmodelle etwa der USA oder Deutschlands schon im technischen Sinne mehr als drei Erden bräuchte). Das begonnene 21. Jahrhundert lässt sich ja auch etwa – ganz jenseits von Fragestellungen im Bereich der ökologischen Umwelt der Menschen – kulturkritisch als Schlachtfeld für die Entscheidung betrachten, ob die Zukunft dieser Menschheit noch wünschenswert ist. Noch schaffen es die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in bemerkenswertem Ausmaß, sich die kulturellen Auswüchse der wirklichen Welt vom Halse zu halten, aber wie lange noch? Wenn die wirkliche Welt zur permanenten Aneinanderreihung von Events wird und (in deutscher Ausrucksweise) die Dieter Bohlens und die Heidi Klums definieren, was „abgeht“, wollen wir uns dann wirklich über eine begrenzte Zahl internationaler Journals noch abstrakt über Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen verständigen? Nachhaltigkeit ist vielleicht noch mehr eine kulturelle als eine ökologische Herausforderung – kontrafaktisch zu den gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen, die uns umgeben. Und eben so kommt Ethik ins Spiel, aber nicht missverstanden als abstrakte Sollenslehre, die den Akteuren mithilfe universeller Regeln, Prinzipien oder Werten normative Handlungsanleitungen zu geben versucht, sondern als moderne Tugendethik, die sich auf das Einüben und das gewohnheitsmäßige Ausüben (auch) moralisch kompetenter Handlungen konzentriert: unsere mögliche Moral heißt kulturelle Bildung. (Pfriem 2007) In der Diskussion über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen haben tugendethische Überlegungen in jüngster Zeit Einzug gehalten. Aus
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dieser scheinbar völlig anders gelagerten Debatte lassen sich freilich wichtige theoretische Anstöße für das Kompetenz-Konzept gewinnen. Als Ausblick für die weitere Konzipierung des kompetenten Handelns (insbesondere hinsichtlich der subjektiven Dispositionen des Akteurs) soll hier der Hinweis genügen, dass die an Tugenden orientierte neuere unternehmensethische Debatte zahlreiche Gemeinsamkeiten mit der hier entwickelten kulturalistischen Sicht auf Unternehmen hat und ihr zahlreiche Anknüpfungspunkte bieten kann.12 Zwei Merkmale von Tugenden sind hier hervorzuheben: zum einen, dass sie die subjektive Dimension des Wollens (als Bereitschaft und Neigung) zu integrieren vermögen, und zum anderen dass Tugenden als eingeübte, zur Gewohnheit gewordene Fähigkeiten ein entscheidendes Augenmerk auf den Kompetenzerwerb legen. Die theoretische Entwicklung von Tugenden als organisationalen Fähigkeiten von Unternehmen (nicht nur Personen) hat aber gerade erst begonnen.13 Auch Überlegungen der Evolutorischen Ökonomik zu „dynamic capabilities“ (Teece, Pisano, Shuen 1997) beziehen sich auf die emergenten Fähigkeiten einer Unternehmung, was uns zu dem wesentlichen Begriff der Entwicklungsfähigkeit führt (Karlstetter 2009). Im Gegensatz zu dem etwa mindestens für die deutsche organisationstheoretische Diskussion jahrelang und scheinbar immer noch prominenten Luhmann (2000), der Evolution und Planung eher schematisch gegenüberstellte, wollen wir mit der Begrifflichkeit von „Evolution with design“ ausdrücklich an Augier und Teece anschließen (Augier, Teece 2008). Die forschungsstrategisch interessante Frage heißt natürlich, wie Routinehandeln, zielorientiertes Handeln und Innovationshandeln bei aller Verknüpfung differenziert analysiert werden können. Im weiteren Forschungsprozess wird dabei sicher auch auf die „General Theory of Economic Evolution“ kritischer Bezug genommen werden müssen, die Dopfer und Potts kürzlich vorgelegt haben (Dopfer, Potts 2008). Jedenfalls, so wollen wir für dieses Papier den Schlusspunkt setzen, sind für uns diejenigen Bemühungen in der Evolutorischen Ökonomik von Interesse, die sich jenseits der naturalistischen Versuchung bemühen, den Quellen und Inhalten performativen ökonomischen Handelns in der rekursiven Beziehung zwischen (kollektivem wie individuellem) Akteur und den diesen umgebenden Handlungsbedingungen = Verhältnissen als Restriktionen wie als Herausforderungen (Ermöglichungsbedingungen) nachzugehen. In theoretisch wie praktisch unauflösbarer Weise kommen dabei sowohl kulturelle Kompetenzen als auch Tugendethik ins Spiel. 12 13
Vgl. Lautermann 2009. Vgl. Moore, Beadle 2006.
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Das Innovationsmanagement internationaler Unternehmen als multifokaler Balanceakt – Eine Analyse aus der Perspektive des Strategischen KompetenzManagements
1
Innovationsmanagement als unternehmerischer Balanceakt ................ 493
2
Radikales Innovationsmanagement ...................................................... 500
3
Inkrementales Innovationsmanagement ............................................... 502
4
Die Balance von inkrementalem und radikalem Innovationsmanagement....................................................................... 504
5
Corporate Entrepreneurship als Lösungsmöglichkeit für ein multifokal balanciertes Innovationsmanagement ................................. 507
6
Perspektiven eines multifokal balancierten CE-basierten Innovationsmanagements ..................................................................... 513
Literatur ........................................................................................................... 515
Das Innovationsmanagement internationaler Unternehmen als multifokaler Balanceakt
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Innovationsmanagement als unternehmerischer Balanceakt
Die zentrale Aufgabe des Innovationsmanagements in etablierten, international tätigen Großunternehmen ist die Sicherung einer nachhaltigen Geschäftsentwicklung über das gesamte bestehende Portfolio an Geschäftsaktivitäten hinweg. In regelmäßigen Zeitabständen sind hierzu gereifte Geschäftsaktivitäten entweder zu revitalisieren oder durch völlig neue Geschäftsaktivitäten zu ersetzen. Für ein etabliertes Großunternehmen erweist es sich folglich als essenziell, von Zeit zu Zeit auch radikale Veränderungen zu generieren und sich dadurch in gewisser Weise selbst „neu zu erfinden“. Für diese weiterreichende Aufgabe eines – zumindest partiellen – unternehmerischen Neubeginns bestehen in etablierten Großunternehmen aus der Perspektive der Ressourcen- und Kompetenzenausstattung per se gute Voraussetzungen. Solche Unternehmen sind im Regelfall zudem konzernartig aufgebaut und somit als ein Zusammenschluss selbstständiger Unternehmen bzw. ein Verband an Unternehmenseinheiten unter einheitlicher Leitung zu verstehen. Es gibt demzufolge potenziell erhebliche Möglichkeiten für dezentrale und autonome unternehmerische Entscheidungen in den einzelnen Unternehmenseinheiten. Diese werden jedoch oftmals nicht im nötigen Umfang ausgeschöpft.1 Der unternehmerische Neubeginn, insbesondere der radikal orientierte unternehmerische Neubeginn, findet meist durch die Entwicklung neuer Geschäfte statt und zielt primär auf den Aufbau und/oder die Akquisition von neuartigen Ressourcen und Kompetenzen ab. Er ist durch ein ausgeprägtes Entrepreneurship charakterisiert (strategisch-unternehmerisches Management). Mit zunehmender Reifung setzt sich hingegen eine eher administrative Führung solcher ehemals neuen Geschäfte durch, welche auf die Aufrechterhaltung des operativen Tagesgeschäfts abzielt und sich durch eine starke BusinessAdministration-Orientierung auszeichnet (operativ-administratives Management). Diese Differenzierung wird auch als Management-Dualität bezeichnet.2 Sie erweist sich insbesondere für etablierte international tätige Unternehmen mit Konzernstruktur von großer Bedeutung, deren Portfolio typischerweise durch Geschäfte in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, Märkten und Regionen charakterisiert ist.3 Etablierte Unternehmen haben oft Probleme bei der Hervorbringung von radikal ausgerichteten Innovationen und konzentrieren sich statt1 2 3
Vgl. Eisenhardt/Brown (1999), S. 72 ff.; Ghemawat/Costa (1993), S. 59 ff.; Michalski (2004), S. 377 ff. Vgl. Hannan/Freeman (1984); Ansoff/Declerck/Hayes (1997); Naujoks (1998); Abell (1999). Vgl. Robins (1992), S. 552 ff.
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dessen eher auf die inkrementale Weiterentwicklung etablierter Geschäfte. Hierbei ist zu betonen, dass die Absicherung gereifter Geschäfte eine ebenso wichtige Management-Aufgabe darstellt wie die Generierung radikaler Innovationen, weil die Unternehmenseinheiten, die solche gereiften Geschäfte betreiben, in der Regel Finanzmittelüberschüsse erzeugen („cash cows“), die für den Aufbau radikal neuartiger Geschäfte mit anfänglich typischerweise negativen Cash Flow erforderlich sind. Die Vernachlässigung von radikalen Innovationen birgt allerdings große Gefahren für den Fortbestand eines etablierten Unternehmens, da reife Geschäftsaktivitäten durch radikale Innovationen schnell obsolet werden können. Dies gilt insbesondere in hyperkompetitiv strukturierten Märkten. Eine nachhaltige Zukunftssicherung durch ein „balanciertes“ Innovationsmanagement, das sowohl inkrementale, als auch radikale Innovationen forciert, sollte deshalb zur Zukunftssicherung von solchen Unternehmen angestrebt werden. Ein Innovationsmanagement, das neben inkrementalen Innovationsaktivitäten auch systematisch den Aufbau radikal neuer Geschäfte fördert, kann also die Gefahr verringern, dass das etablierte Unternehmen von Start-Ups oder „Quereinsteigern“ aus anderen Branchen aus dem Markt gedrängt wird4, welche die Hervorbringung von kompetenzzerstörenden radikalen Innovationen beherrschen. Besonders in hyperkompetitiven Märkten können „Managementschwächen“ beim Sprung aus bestehenden, reifen Geschäftsfeldern in radikal neue Geschäftsfelder eine große Bedrohung darstellen. Für ein etabliertes Unternehmen ist es deshalb empfehlenswert, geeignete Rahmenbedingungen für „Unternehmertum im Unternehmen“ zu schaffen. Es kann also folglich im Rahmen des Innovationsmanagements eines etablierten Unternehmens nicht darauf verzichtet werden, neben Inkrementalinnovationen in regelmäßigen Zeitabständen auch radikale Innovationen hervorzubringen.5 Diese Management-Dualität trifft insbesondere auf die Innovationstätigkeit eines etablierten Großunternehmens zu. Diese Dualität der Innovationstätigkeit leitet sich aus dem aufgezeigten Spannungsverhältnis zwischen der strategischen Entwicklung neuer und der Bestandssicherung existierender Geschäfte durch operative Effizienz ab. Deshalb reicht es für den Aufbau völlig neuer, radikal innovativer Geschäfte nicht aus, undifferenziert das im Unternehmen vorhandene Innovationsmanagement stärker unternehmerisch auszurichten. Stattdessen gilt es, ein in sich geschlossenes, balanciertes Konzept eines Innovationsmanagement zur Förderung des unternehmerischen Neubeginns – bei gleichzeitiger Weiterentwicklung bestehender Geschäfte im Unternehmen – zu entwerfen. 4 5
Vgl. Cooper/Smith (1997), S. 145. Vgl. Linz (2001), S. 72 f.
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Um solche Defizite bei den Innovationsaktivitäten etablierter Unternehmen zu beheben, wird in der Literatur dafür plädiert, Innovationsmanagement in Form eines integralen Innovationsmanagement-Ansatzes zu gestalten.6 Bei diesem integralen Ansatz wird eine gesamtheitliche Betrachtungsweise aller innovationsrelevanten Aspekte angestrebt. Für die Gesamtunternehmensleitung bedeutet dies, dass von den Kundenbedürfnissen über unternehmensbezogene Kompetenzen und Ressourcen bis zu Partnern im Unternehmensnetzwerk alle Aspekte des Innovationsgeschehens möglichst frühzeitig, weitgehend parallelisiert und umfassend zu berücksichtigen sind.7 Ein solcher Ansatz unternimmt demgemäß die Integration einerseits intern funktionsübergreifend (intraorganisational) und andererseits unternehmensübergreifend im Sinne eines Netzwerks aus horizontalen und vertikalen Verbindungen zu diversen Innovationspartnern (interorganisational). Beim integralen Innovationsmanagement wird eine möglichst vollständige interne Parallelisierung der bei einem Innovationsvorhaben auszuführenden Aktivitäten angestrebt, so dass alle relevanten Leistungsbeiträge funktionsübergreifend integriert werden können.8 Hierdurch wird die sequentielle Vorgehensweise der „klassischen“ technologieinduzierten Innovation („technology push“) und der marktinduzierten Innovation („market pull“) abgelöst.9 Dabei ist eine sehr enge Zusammenarbeit der Marketing-Abteilung, der Produktentwicklungs-Abteilung und der Fertigung zu bewerkstelligen. Diese Planung sollte zudem alle Wertschöpfungsstufen bis hin zur umweltschonenden Entsorgung umfassen. Durch weitgehende Parallelisierung kann eine erhebliche Leistungssteigerung des Innovationsprozesses realisiert werden, da durch die frühzeitige Einbeziehung innovationsrelevanten Stellen die heterogene Expertise aller Stellen simultan einfließen kann und Schnittstellenprobleme dadurch systematisch reduziert werden. Das Ergebnis ist eine beschleunigte Produktlancierung in den Markt („time-to-market“), höhere Qualität aus Kundensicht und geringere Innovationskosten.10 Im Konzept des „simultaneous engineering“11 wird dies auch als Optimierung des sog. „magischen Zieldreiecks“ aus Qualität, Kosten und Zeit bezeichnet.12 Voraussetzung ist allerdings, dass der durch die Parallelisierung hervorgerufene zusätzliche Koordinationsaufwand die Zeit- und 6
Vgl. Rothwell (1992), Rothwell (1993), Pleschak/Sabisch (1996), Sommerlatte (1997), Scott (1998), Zahn (2000), Mirow/Linz (2000), Popp (2000), Michalski (2002b), S. 363 ff. 7 Vgl. Scott (1998), S. 226. 8 Vgl. Rothwell (1992), S. 286 f.; Rothwell (1993), S. 36 ff. 9 Vgl. Rothwell (1992), S. 236; Rothwell (1993), S. 35 f. 10 Vgl. Kluge (1995), S. 111 ff. 11 Specht/Beckmann/Amelingmeyer (2002), S. 145. 12 Vgl. Berndes/Stanke (1996), S. 11 ff.
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Kosteneinsparungen, die durch die Parallelisierung erreicht werden können, nicht übersteigt. Eine Simultanisierung kann beispielsweise durch multidisziplinäre Teamansätze erreicht werden.13 Eine solche Simultanisierung sollte nur dann eingeschränkt werden, wenn unvermeidbare Sequenzierungsbedingungen vorliegen. Diese können durch die Notwendigkeit zur Erfüllung von gewissen vorgegebenen Kriterien gegeben sein, etwa durch finanzielle Optimierungsvorschriften in Form der Deckungsbeitrags-Maximierung oder unabdingbare Qualitätsanforderungen, z.B. durch gesetzliche Vorgaben bei der Zulassung neuer Pharmazeutika. Im Rahmen eines integralen Innovationsmanagement-Ansatzes erweist sich neben der intraorganisationalen Integration auch eine unternehmensübergreifende Integration als vorteilhaft, bei der externe Partner mit innovationsrelevanten Kompetenzen in den Innovationsprozess eingebunden werden. Denkbar ist hier die Einbeziehung von Kernzulieferern, Kunden14, Hochschulen und Forschungsinstituten15 sowie weiteren Partnern16 in Form von strategischen Allianzen, Joint Ventures und Gemeinschaftsentwicklungen. Konzernartig strukturierte, etablierte Unternehmen verfügen als hybride wirtschaftliche Organisationsformen zwischen Markt und Hierarchie17 prinzipiell über exzellente Voraussetzungen zum Aufbau komplexer, unternehmensübergreifender innovationsorientierter Kooperationen.18 Vor allem in emergenten technologiegetriebenen Märkten ist eine interorganisationale Zusammenarbeit sinnvoll, da sie dem etablierten Unternehmen hilft, Vorteile aus den typischerweise auf viele Unternehmen – insbesondere Start-Ups und diverse Quereinsteiger – sowie auf forschungsorientierte Institutionen verteilten Ressoucen und Kompetenzen, die für den Innovationserfolg kritisch sind, zu ziehen.19 So kann etwa die Kombination der Ressourcen und Kompetenzen eines etablierten Unternehmens und eines Start-Ups für beide Partner in einem emergenten Markt vorteilhaft sein, wenn hierdurch das etablierte Unternehmen erfolgskritisches Know-how über neue Technologien und/oder Geschäftsmodelle erhält und das Start-Up das Vertriebsnetzwerk des etablierten Unternehmens nutzen kann sowie einen zusammenar-
13 14 15 16 17 18 19
Vgl. Rothwell (1993), S. 34 ff.; Page (1993), S. 277. Vgl. Handfield et al. (1999), S. 59 ff. Vgl. Mowery (1988), S. 351 ff. Vgl. Hauschildt (1999), S. 194; Handfield et al. (1999), S. 59 ff. Vgl. Powell (1987), S. 67 ff. Vgl. Gravis/Bogner (1998), S. 331.; Sanchez/Heene (1996), S. 39 ff.; Kelley/Rice (2002), S. 41 ff.; Amelingmeyer/Specht (2000), S. 313 ff.; Spickers/Lechner (2000), S. 359 ff. Vgl. Quélin/Mothe (1998), S. 29 ff.; Cooper (2002), S. 203 ff.; Hagedoorn/Roijakkers (2002), S. 223 ff.
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beitsbedingten Image- und Reputationsgewinn im Markt realisieren kann.20 Angesichts der Innovationsherausforderungen, die auch für ein etabliertes Unternehmen zunehmend schwieriger zu bewältigen sind, ist eine solche unternehmensübergreifende Innovationskooperation zur Generierung von Innovationen, insbesondere für radikal ausgerichtete Innovationen, in zunehmendem Maße attraktiv.21 Ein solches durch ein etabliertes Unternehmen organisiertes Innovationsnetzwerk zeichnet sich aus durch eine bewusste, nachhaltige, arbeitsteilige und interaktive Zusammenarbeit bei der Innovation.22 Der Übergang von dem autarken Innovationsmodell zu multilateralen Innovationsnetzwerken23 ist in dem Maße zu forcieren, in dem die Komplementarität der für die Innovation notwendigen Ressourcen steigt und zugleich relevantes Know-how besser zugänglich wird.24 Durch die Tatsache, dass sich Innovationsmanagement in zunehmendem Maße in Kooperationen und Netzwerken vollzieht25, steigt auch die Bedeutung von Beziehungspromotoren. So wird dem Beziehungspromotor großes Gewicht für den Innovationserfolg in Netzwerken beigemessen.26 Das Innovationsmanagement kann somit als funktions- und unternehmensübergreifender Integrator von innovationsrelevanten Aktivitäten aufgefasst werden.27 Das Innovationsmanagement ist dabei eingebettet in das strategischunternehmerische und das operativ-administrative Managementsystem und damit in die weiter oben dargestellte Management-Dualität. Das Innovationsmanagement verfügt somit über Berührungspunkte sowohl mit dem strategischuntemehmerischen als auch mit dem operativ-administrativen Management. Die Management-Dualität zwischen Veränderungs- und Bestandsorientierung bzw. zwischen strategisch-unternehmerischen und operativ-administativen Management spiegelt sich in den Aufgaben des Innovationsmanagements wieder, da die divergierenden Anforderungen zwischen der strategischen Entwicklung neuer und der operativen Effizienzsicherung existierender Geschäfte durch innovative Aktivitäten in unterschiedlicher Weise unterstützt und begleitet werden müssen. Deshalb repräsentieren die Schnittstellen zwischen Innovationsmanagement und dem strategisch-unternehmerischen Management einerseits sowie 20 21 22 23 24 25 26 27
Vgl. Rothwell (1992), S. 233; Prahalad/Ramaswamy (2000), S. 79 ff. Vgl. Herden (1991); Gemünden/Heydebreck/Herden (1992); Gemünden/Heydebreck (1994); Heydebreck (1996); Ritter/Gemünden (1998); Hagel/Singer (1999). Vgl. Hauschildt (1997), S. 76. Vgl. Lee/Lee/Pennings (2001), S. 615 ff. Vgl. Gemünden/Heydebreck (1994), S. 266 ff. Vgl. Rothaermel (2001), S. 687 ff.; Sarkar et al. (2001), S. 701 ff. Vgl. Gemünden/Walter (1995), S. 973 ff.; Gemünden/Walter (1996), S. 237 ff. Vgl. Pleschak/Sabisch (1996), S. 6 f.
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zwischen dem Innovationsmanagement und dem operativ-administrativen Management andererseits zwei grundsätzlich unterschiedliche Innovationsherausforderungen für ein etabliertes Unternehmen.28 An der Schnittstelle zwischen strategisch-unternehmerischem Management und Innovationsmanagement steht vorwiegend der Aufbau neuer, zukunftssichernder Geschäftsfelder auf Basis von Radikalinnovationen im Mittelpunkt. Diese sich daraus ergebende Aufgabenstellung wird durch das radikale Innovationsmanagement abgedeckt. An der Schnittstelle zwischen operativ-administrativen Management und dem Innovationsmanagement hingegen ist die Aufgabenstellung überwiegend die Sicherung etablierter Geschäfte durch Inkrementalinnovationen. Man spricht hier auch von inkrementalem Innovationsmanagement.29 Die Dualität zwischen strategischunternehmerischem Management und operativ-administrativem Management induziert somit eine Dualität auf der Ebene des Innovationsmanagements zwischen radikalem und inkrementalem Innovationsmodus. Um die Wettbewerbsstellung eines etablierten Unternehmens zu sichern, sollte auf keinen der beiden Innovations-Modi verzichtet werden. Aus der Marktperspektive zeigt sich, dass je nach Marktphase unterschiedliche Innovationsmanagement-Modi dominieren. Die Marktphasen bzw. die aufeinanderfolgenden Phasen eines Produktlebenszyklus lassen sich aus einer Innovationsperspektive als Abfolge von Innovationen mit unterschiedlichem Neuigkeitsgrad interpretieren. Hierbei beginnt jeder neue Produktlebenszyklus mit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Diskontinuität im Sinne einer oder mehrerer Radikalinnovationen, die den technologischen Status Quo eines reifen Marktes in der Endphase eines gegebenen Produktlebenszyklus durchbricht und kompetenzzerstörend wirkt sowie zum Übergang auf eine neue Trajektorie führt. Eine Phase intensiver Innovationstätigkeit folgt, die durch einen Wettbewerb verschiedener konkurrierender Radikalinnovationen geprägt ist. Nach der Herausbildung eines dominanten Designs oder Industriestandards (Einführungsphase) erfolgt ein Übergang in eine Phase zunehmend inkremental ausgerichteter Innovationen (Wachstumsphase). Parallel zu dem Rückgang des Neuigkeitsgrades der Produktinnovationen nimmt die Bedeutung von Prozessinnovationen zu. Ein Übergang von einem Qualitäts- auf einen Preiswettbewerb folgt (Reifephase). Erst die Diskontinuität einer Radikalinnovation markiert wiederum einen Wendepunkt und fungiert als Auslöser für den nächsten Produktlebenszyklus.30 28
Vgl. Naujoks (1998), S. 113 ff. Vgl. Mezias/Glynn (1993), S. 80 ff. 30 Vgl. Tushman/Nadler (1986), S. 78; Tushman/Anderson/O'Reilly (1998), S. 42 ff; Abernathy/ Utterback (1975), S. 639 ff.; Tushman/O'Reilly (1998), S. 195 ff. 29
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Es wird deutlich, dass zur Bewältigung einer solchen Diskontinuität am Anfang eines Produktlebenszyklus und des sich anschließenden hyperkompetitiven Innovationswettbewerbs sich ein radikales Innovationsmanagement als erforderlich erweist, dass unternehmensfremde Radikalinnovationen durch eigene Radikalinnovationen konterkarriert oder zumindest geschickt kopiert (defensiv ausgerichtetes radikales Innovationsmanagement) oder möglichst mit eigenen radikalen Innovationen „first mover advantages“31 realisiert (proaktiv ausgerichtetes radikales Innovationsmanagement). Hingegen bedingt die Wachstums- und Reifephase, d.h. der Zeitraum von der Etablierung eines dominanten Standards oder Designs bis zur nächsten radikal ausgerichteten innovativen Diskontinuität, die Beherrschung eines inkrementalen Innovationsmanagements, welches inkrementale Innovationen im Rahmen einer gegebenen Trajektorie hervorbringt.32 Das inkrementale Innovationsmanagement hat dabei zunächst seinen Schwerpunkt in der Produkt- und später in der Prozessinnovation.33 Auch die zunehmende Produktdifferenzierung34 spielt hier eine wesentliche Rolle. Eine in manchen Bereichen zu beobachtende Auflösung und/oder Simultanisierung dieser Marktphasen und der begleitenden Innovations-Modi würde dann bedeuten, dass die Innovations-Modi für jedes Produkt parallelisiert betrieben werden müssten. Diese Parallelität der Innovations-Modi ist bei einem etablierten Unternehmen mit vielen Produkten in verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus ohnehin der Normalfall. Es bleibt festzuhalten, dass jedem Innovations-Modus eine spezifische Aufgabe je nach dem Stadium der Marktphase des Produktlebenszyklus zukommt und auf keinen Modus verzichtet werden kann, ohne die Wettbewerbsfähigkeit eines etablierten Unternehmens im Laufe des Produktlebenszyklus zu gefährden. Vielmehr ist es von großem Nutzen, beide Innovations-Modi zu beherrschen, um für jedes Stadium der Marktentwicklung gerüstet zu sein.35 Bevor die Komplementarität der beiden Innovationsmanagement-Modi ausführlicher dargestellt wird, sollen die Spezifika der beiden Innovationsmanagement-Modi verdeutlicht werden. Dazu werden die jeweiligen ManagementAnforderungen an die komplementären Innovationsmanagement-Modi in typologisierter Form gegenübergestellt. Dabei wird in besonderem Maße die Res-
31
Vgl. Lieberman/Montgomery (1998), S. 1111 ff. Vgl. Dosi (1997), S. 1530 ff.; Ruttan (1997), S. 1520 ff.; Nelson (1995), S. 48 ff. 33 Vgl. Fujimoto (2002), S. 280 ff.; Appleyard et al. (2002), S. 183 ff.; Utterback/Abernathy (1975), S. 639 ff. 34 Vgl. Benkenstein (2002). 35 Vgl. Abell (1999), S. 73. 32
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sourcen- und Kompetenzensituation sowie die Kunden- und Wettbewerbsituation für jeden der beiden Innovationsmanagement-Modi beleuchtet.36
2
Radikales Innovationsmanagement
Die Grundausrichtung eines radikalen Innovationsmanagements impliziert in der Regel die Schaffung radikal neuer Erfolgspotenziale für ein etabliertes Unternehmen durch das gezielte Herbeiführen von Diskontinuitäten. Hierzu wiederum ist es u.a. erforderlich, die bestehenden Grundannahmen hinter den momentan von dem Unternehmen eingesetzten Technologien, Geschäftsmodellen und Marktpositionierungen kritisch zu hinterfragen.37 Dabei sollte der Leitgedanke darin bestehen, nicht den gegebenen Status quo inkremental weiterzuentwickeln, sondern ganz bewusst „neue Wege zu gehen“. In dieser Weise können bestehende Wettbewerbsvorteile „unterbrochen“ und neue Wettbewerbsvorteile erreicht werden, welche die Überlebensfähigkeit eines etablierten Unternehmens gewährleisten. Die Verjüngung eines Geschäfts vollzieht sich somit als „Sprung“ aus dem operativ-administrativen in den strategisch-unternehmerischen Management-Modus, so dass ein echter unternehmerischer Neubeginn daraus resultiert. Als Kernaufgabe eines radikalen Innovationsmanagements kann somit die Geschäftsentwicklung durch radikale Innovationen genannt werden, die zu völlig neuen Produkten oder Geschäftsmodellen sowie der Erschließung emergenter Märkte und Marktsegmente führen kann oder die Spielregeln auf existierenden Märkten und Marktsegmenten nachhaltig verändern kann. Typisch für das radikale Innovationsmanagement ist ein relativ langer Zeithorizont und der Wille mittels radikaler Innovationen notfalls auch bestehende Geschäfte zu substituieren und damit unternehmensintern zu kannibalisieren. Diese unternehmensintern wahrgenommene Gefahr der Kannibalisierung macht die Aktivitäten eines radikalen Innovationsmanagements zur potenziellen Bedrohung für existierende Geschäftseinheiten, so dass mit unternehmensinternen Friktionen zu rechnen ist. Die Generierung von radikalen Innovationen kann auch als die Suche nach völlig neuen Betätigungsfeldern interpretiert werden. Nicht alle radikalen Innovationen werden erfolgreich sein. Wegen der großen, zu erwartenden Misserfolgsquote kristallisieren sich aus einer Vielzahl von radikalen Innovationsmöglichkeiten nur wenige erfolgversprechende neue Geschäfte heraus. Diese verfügen 36 37
Vgl. Kühn/Grünig (2000), S. 171 f. Vgl. Hamel (1996), S. 69 ff.; Hinterhuber (1997), S. 55.
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jedoch über das Potenzial einer überdurchschnittlichen Geschäftsentwicklung und können in Zukunft die derzeitigen Kerngeschäfte entweder ergänzen, kannibalisieren oder aber völlig neue Geschäftsfelder erschließen.38 Die ManagementOrientierung des radikalen Innovationsmodus ist durch ausgeprägtes großunternehmensbasiertes Unternehmertum (Corporate Entrepreneurship, Corporate Venturing) charakterisierbar, welches das „innovative Moment“ und den unternehmerischen Neuanfang durch die Suche und Nutzung von Chancen zur „kreativen Zerstörung“ und Neukombination der Produktionsfaktoren im SCHUMPE39 TER'schen Sinne betont. Der großunternehmensbasierte Unternehmer, Unternehmer im Unternehmen, Corporate Entrepreneur oder Corporate Venturer kann in einem gegebenen Geschäft bzw. in einer etablierten Produkt-/Marktkombination eines etablierten Unternehmens mehr strategische Möglichkeiten entdecken und ausschöpfen als das dort agierende Linienmanagement.40 Das vergrößert seinen innovativen Spielraum und kann im Sinne eines „entrepreneurial strategic behavior“41 dazu dienen, den Austausch von obsolet gewordenen Produkt-/Marktkombinationen gegen neue Produkt-/Marktkombinationen frühzeitig zu ermöglichen und zu beschleunigen, welche ein höheres Wachstums- und Gewinnpotenzial aufweisen. Um radikal innovative Produkte hervorzubringen, sollten „fortschrittsorientierte Erneuerer“ neue Entwicklungstrajektorien beschreiten.42 Sie vermuten also dort unternehmerische Chancen, wo andere vor allem Risiken sehen und unternehmerische Fehlschläge antizipieren. Eine solche Corporate Entrepreneurship-Orientierung bzw. Corporate Venturing-Orientierung im Rahmen eines etablierten Unternehmens stellt den Gegenpol zur Business Administration-Orientierung durch Linienmanager dar, wie sie in etablierten Geschäftseinheiten im Regelfall anzutreffen sind.43 Aus der Ressourcen- und Kompetenzenperspektive sollte beim radikalen Innovationsmanagement darauf geachtet werden, dass beim Übergang auf neue Entwicklungstrajektorien die Kompetenzbasis modifiziert wird und neue Ressourcen und Kompetenzen in Antizipation der zukünftigen Tätigkeitsfelder erschlossen werden.44 Zur Schaffung dauerhafter Wettbewerbsvorteile gilt es bei der Erschließung neuer Ressourcen und Kompetenzen darauf zu achten, dass eine Fokussierung auf solche 38 39 40 41 42 43 44
Vgl. Baghai/Coley/White (1999), S. 6. Vgl. Linz (2001), S. 81. Vgl. Kim/Mauborgne (1999), S. 43. Vgl. Ansoff/Declerck/Hayes (1997), S. 108 ff. Vgl. Zahn (2000), S. 160; Dosi et al. (2002), S. 1 ff.; Dosi (1997), S. 1530 ff. Vgl. Faltin (1998), S. 7. Vgl. Abell (1999), S. 75 f., Zahn (2000), S. 156.
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Ressourcen und Kompetenzen vorgenommen wird, bei denen der Zugewinn an Kundennutzen im Mittelpunkt steht. Zum Aufbau solcher Ressourcen und Kompetenzen ist es für ein etabliertes Unternehmen vorteilhaft, sich Handlungsroutinen anzueignen, welche die Erschließung neuartiger Ressourcen- und Kompetenzpfade erlauben und/oder beschleunigen.45 Mit der Erweiterung der Ressourcen- und Kompetenzenbasis steigen auch die Chancen auf radikale Innovationen.46 Strategisch erfolgreich agierende etablierte Unternehmen zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie bestehende Ressourcen und Kompetenzen migrieren und als Ausgangspunkt für den Aufbau neuer, radikal divergierender Ressourcen und Kompetenzen nutzen. Die hierdurch entstehenden radikalen Innovationen wirken kompetenzzerstörend und führen zur Entstehung neuer Entwicklungstrajektorien.47 Beim radikalen Innovationsmanagement kann der Markt als wesentlicher strategischer Referenzpunkt betrachtet werden. Man richtet sich als etabliertes Unternehmen weniger an den bestehenden Wettbewerbern aus, sondern es wird ein sprunghafter Anstieg des Kundennutzens angestebt. Dem wahrgenommenen Zugewinn an Kundennutzen kommt damit eine zentrale Bedeutung zu.48 Im radikalen Innovationsmodus sollen dem Kunden radikal neue Leistungen oder Leistungsbestandteile offeriert werden.49
3
Inkrementales Innovationsmanagement
Dem radikalen Innovationsmodus steht der inkrementale Innovationsmodus gegenüber. Die Grundausrichtung des inkrementalen Innovationsmodus ist es, Wettbewerbsvorteile durch die Weiterentwicklung bestehender Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle anzustreben. Hierfür sind inkrementale Innovationen charakteristisch, die als kleine, moderat-innovative Schritte im Rahmen einer vorgegebenen Entwicklungstrajektorie50 interpretiert werden können.51 Somit kann zwar ein Geschäft bzw. eine Produkt-/Marktkombination graduell verjüngt werden, diese Revitalisierung vollzieht sich jedoch innerhalb des operativ-administrativen Management-Modus und führt nur zu einer tempo45 46 47 48 49 50 51
Vgl. Teece/Pisano/Shuen (1997a), S. 520 f. Vgl. Zahn (2000), S. 160. Vgl. Tushman/Anderson/O'Reilly (1997), S. 5. Vgl. Kühn/Jenner (2000), S. 108. Vgl. Christensen (1997), S. 3 ff.; Kim/Mauborgne (1999), S. 45. Vgl. Dosi (1997), S. 1530 ff.; Ruttan (1997), S. 1520 ff.; Nelson (1995), S. 48 ff. Vgl. Tushman/Anderson/O'Reilly (1997), S. 10.
Das Innovationsmanagement internationaler Unternehmen als multifokaler Balanceakt
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rären Absicherung bestehender Wettbewerbsvorteile und Marktpositionen oder zum Aufbau nur temporär stabilisierbarer kleinerer, neuer Wettbewerbsvorteile und Marktpositionen. Als zentrale Aufgabenstellung kann somit die Sicherung bestehender Geschäfte angesehen werden. Etablierte Geschäfte, als Kernstück eines etablierten Unternehmens und Quelle von positiven Cash Flows und Gewinnen, werden dabei verteidigt und/oder graduell erweitert, wodurch eine Absicherung der nahen Zukunft erreicht werden kann. Inkrementales Innovationsmanagement führt dabei zu einer unmittelbaren Stärkung existierender Geschäftseinheiten, wenngleich auch hier jede inkrementale Innovation eine Störung der operativen Handlungsroutinen verursacht. Als zentrale Aufgabe eines inkrementalen Innovationsmanagements kann die weitere Verbesserung von wettbewerbsfähigen Marktpositionen sowie die Nutzung des in den etablierten Geschäften verbleibenden ökonomischen Potenzials konstatiert werden.52 Auch bei Geschäftsfeldern in der Reifephase ist prinzipiell eine graduelle Revitalisierung durch inkrementales Innovationsmanagement möglich. Angesichts sich rasch ändernder Kundenwünsche und zunehmender Marktsegmentierung gelten inkrementale Innovationen in Form von Produktvariationen als wichtige Maßnahmen, um etablierte Geschäfte weiterhin wettbewerbsfähig zu erhalten.53 Neben den Variationen von Produkten zur Steigerung ihres Kundennutzens, etwa durch ein neues Design oder eine Erweiterung der Produktausstattung, können etablierte Produkte auch durch erweiterte Serviceleistungen erneuert werden. Auch die Bildung und/oder Erweiterung von Produktfamilien und Produktlinien ist hier eine angemessene und realistische Option.54 Die Managementorientierung des inkrementalen Innovationsmanagements wird stark von dem Effizienzkriterium dominiert. Es findet dabei implizit eine Förderung von Stabilität, Konformität und repetitiver Aufgabenerfüllung statt.55 Es wird deshalb auch von dem Vorherrschen einer Business AdministrationOrientierung gesprochen, die als Gegenpol zur Corporate EntrepreneurshipOrientierung bzw. Corporate Venturing-Orientierung aufgefasst werden kann. Der hier vorherrschende Managertypus wird deshalb auch als „effizienzorientierter Pfadoptimierer“56 bezeichnet, der zwar geschäftliche Unsicherheit reduziert, gleichzeitig aber auch strategischen Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt. Aus der Innovationsmanagement-Perspektive bedeutet dies eine Be52
Vgl. Baghai/Coley/White (1999), S. 5 f. Vgl. Rothwell (1992), S. 229. 54 Vgl. Simon/Dolan (1997), S. 248. 55 Vgl. Müller-Stewens (1988), S. 222. 56 Vgl. Zahn (2000), S. 159. 53
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schränkung auf die inkrementale Veränderungen, da man sich gewissermaßen auf der vorgegeben Entwicklungstrajektorie einer inkrementalen und evolutionär ausgeprägten Entwicklung bewegt. Aus der Ressourcen- und Kompetenzenperspektive kann Verbesserungs- und Erfahrungslernen als Basis des inkrementalen Innovationsmanagements angesehen werden, wobei die historische Entwicklung des etablierten Unternehmens zu einer Spezifität der Ressourcen- und Kompetenzenausstattung führt.57 Erfolgreiche Innovatoren profitieren hier von ihren Ressourcen- und Kompetenzvorsprüngen auf bestehenden Entwicklungstrajektorien, indem sie die bestehenden Weiterentwicklungspotenziale schneller und konsequenter nutzen als ihre Wettbewerber.58 Geschäftseinheiten, die sich auf inkrementale Innovationen konzentrieren, können allerdings den Blick für strategische Erneuerungsnotwendigkeiten verstellen und so „betriebsblind“ werden bzw. in eine sog. „Erfahrungsfalle“ geraten. Der Aufbau spezialisierter Ressourcen und Kompetenzen führt zu einem spezifischen Commitment in Form von quasi irreversiblen Investitionen sowie der Perfektionierung von bestehenden Handlungsroutinen.59 Hierdurch schränken diese Einheiten ihre Handlungsfreiheit tendenziell ein und sind gefangen in ihren eigenen Kompetenzen. Ihre ehemaligen „core competencies“ entwickeln sich dann zu „core rigidities“.60 Es ist zu konstatieren, dass beim inkrementalen Innovationsmanagement die Wettbewerber als primäre strategische Referenzpunkte dienen. Dies ist auf den Kontext des operativ-administrativen Managements zurückzuführen, indem sich der inkrementale Innovationsmodus abspielt. Dies wird auch als „Competitive Operating Behavior“61 bezeichnet.62
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Die Balance von inkrementalem und radikalem Innovationsmanagement
Die Gegenüberstellung von radikalem und inkrementalem Innovationsmodus macht deutlich, dass eine Balance der beiden Innovationsmanagement-Modi notwendig ist63, wenn man kurzfristig und zugleich langfristig Wettbewerbs- und 57 58 59 60 61 62 63
Vgl. Teece/Pisano/Shuen (1997a), S. 522 f. Vgl. Zahn (2000), S. 161. Vgl. Ghemawat (1991), S. 13 ff.; Ghemawat/Sol (1998), S. 32 ff. Vgl. Leonard-Barton (1992), S. 111 ff. Vgl. Ansoff/Declerk/Hayes (1997), S. 108. Vgl. Kim/Mauborgne (1999), S. 42. Vgl. Hamel (2001a), S. 135 ff., Hamel (2001b), S. 150 ff.
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Innovationsvorteilen absichern und erweitern will. Damit jeder der beiden Innovationsmanagement-Modi im Unternehmen abrufbar ist, sollten die jeweils angemessenen Prozesse, Systeme und Strukturen bzw. organisationale Ressourcen, Handlungsroutinen und Kompetenzen für die beiden Modi zur Verfügung gestellt werden. Anders ausgedrückt wird die Leistungsfähigkeit eines jeden Modus von den für den jeweiligen Modus zur Verfügung stehenden organisationalen Ressourcen, Handlungsroutinen und Kompetenzen determiniert. Inkrementales Innovationsmanagement zielt dabei auf die Revitalisierung etablierter Geschäfte. Dies ist weitgehend unter Nutzung der existierenden organisationalen Ressourcen, Handlungsroutinen und Kompetenzen möglich. Radikales Innovationsmanagement hingegen fokussiert auf den Aufbau völlig neuartiger Geschäfte mittels radikaler Innovationen und braucht deshalb neuartige organisationale Ressourcen, Handlungsroutinen und Kompetenzen, insbesondere diverse unternehmerisch ausgerichtete organisationale Ressourcen, Handlungsroutinen und Kompetenzen.64 Dies kann anhand von Beispielen leicht plausibilisiert werden: Die Anreizsysteme der Kerngeschäftseinheiten etablierter Unternehmen honorieren vorsichtig-tastende, risikoaverse und trajektoriekonforme Weiterentwicklungen und orientieren sich im Regelfall an der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Unternehmens im Sinne einer Portfoliobetrachtung. Für radikal innovative neue Geschäfte erweisen sie solche Anreizsysteme jedoch als eher kontraproduktiv, da sie unternehmerisches Verhalten nicht ausreichend würdigen und belohnen können. Zudem kann ein radikal innovatives Geschäft mit in den ersten Jahren typischerweise hohen negativen Cash Flows keine Rücksicht auf die Gesamtsituation des Unternehmens nehmen. Ein Planungsund Kontrollsystem für Kerngeschäftseinheiten stellt zwar ein wichtiger Bestandteil des Führungsinstrumentariums eines erfolgreichen etablierten Unternehmens dar, es ist aber auf Grund seiner hohen Standardisierung und Formalisierung zu rigide für radikal neue Geschäfte in hyperkompetitiven, emergenten Märkten. Zudem ist ein solches System meist überdimensioniert und nicht ausreichend flexibel für neue Geschäfte, da Entscheidungen nicht schnell genug getroffen werden können und kaum reversibel sind. Auch der bei Kerngeschäftseinheiten auf Budgets basierende Finanzierungsprozess ist eher dann ein wertvolles Managementinstrument, wenn es sich um Geschäfte in einem eingeschwungenen Zustand handelt. Bei radikal innovativen neuen Geschäften erweist sich der Budgetierungsprozess als kontraproduktiv, da typischerweise das gesamte Budget zu Beginn des Aufbaus eines neuen Geschäftes zugewiesen 64
Vgl. Rothwell (1992), S. 223; Tushman/O'Reilly (1998), S. 189.
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wird und so oftmals eine notwendige Fokussierung und Konzentration auf das Notwendige erschwert. Auf Grund eines umfassenden Qualitätsverständnisses werden im etablierten Unternehmen alle Prozesse auf Fehlerminimierung ausgelegt. Für radikal innovative Geschäfte ist es hingegen wichtig, Fehler gegebenenfalls machen zu können und daraus nachfolgend zu lernen. In einem iterativen Prozess kann so das Geschäft immer weiter im Sinne der Kundenbedürfnisse verbessert werden. Auch bedarf es anderer Bewertungsmaßstäbe bei der Wachstums- und Gewinnbeurteilung radikal innovativer Geschäfte. Es zeigt sich also, dass für ein radikales Innovationsmanagement ein Innovationsmanagement-Konzept erforderlich ist, welches sich deutlich von dem eines inkrementalen Innovationsmanagements unterscheidet. Folglich muss ein dualer Organisationstypus geschaffen werden, der das Nebeneinander inkrementaler Verbesserungen bestehender Geschäfte und das Experimentieren mit radikal neuen Geschäften möglichst friktionsfrei darstellen kann.65 Solche dualen Organisationen können auch als „ambidextrous organizations“ bezeichnet werden.66 Sie werden deshalb als „dual“ bzw. „ambidextrous“ bezeichnet, weil sie auf Grund multipler Organisationsstrukturen sowohl den heutigen Innovationsansprüchen („lokales bzw. kurzfristiges Innovationsoptimum“) als auch den weiter in der Zukunft liegenden Innovationsansprüchen („globales bzw. langfrisitiges Innovationsoptimum“) genügen sollen. Eine solche Organisation schafft einerseits unternehmerische Rahmenbedingungen für den radikalen Innovationsmodus. Hierzu sind unternehmerische Zielsysteme, Führungskräfte, Prozesse, Systeme und Strukturen erforderlich.67 Die hierfür notwendigen unternehmerischen Einheiten sind relativ klein und durch lockere, dezentrale Strukturen, experimentelle Kulturen und eine relativ junge, heterogene Belegschaft charakterisiert.68 Andererseits muss eine solche Organisation Rahmenbedingungen für den inkrementalen Innovationsmodus schaffen. Diese Rahmenbedingungen sind gekennzeichnet durch eher zentralisierte Strukturen, effizienzorientierte Kulturen und eine erfahrene, eher homogene Mitarbeiterschaft sowie auf in einem solchen Umfeld agierende Business Development- und F&E-Abteilungen, die auf inkrementale Innovationstätigkeit spezialisiert sind.69 Dabei erweist sich eine konsistenzbildende, gemeinsame Vision als erforderlich, um die Koexistenz von intern widersprüchlichen Organisationsarchitekturen in einem Unternehmen zu 65
Vgl. Tushman/Anderson/O'Reilly (1997), S. 5. Vgl. Tushman/Anderson/O'Reilly (1997), S. 12 ff.; Tushman/O'Reilly (1998), S. 199 ff. 67 Vgl. Ansoff/Declerck/Hayes (1997), S. 111. 68 Vgl. Tushman/O'Reilly (1998), S. 200. 69 Vgl. Tushman/Anderson/O'Reilly (1997), S. 14. 66
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ermöglichen.70 Noch weiter als die duale Organisationform gehen die von der Theorie geforderten sog. multiplen oder multifokalen Organisationsformen, die nicht nur zwei, sondern eine ganze Reihe von Ressourcen- und Kompetenzmustern aufweisen sollen. Solche Anforderungen treten in besonderem Maße in etablierten Unternehmen in der Form von diversifizierten, multinationalen Konzernen auf.71 Es wird deutlich, dass es von Vorteil ist, in etablierten Unternehmen bzw. diversifizierten, multinationalen Konzernen, unterschiedliche Innovationsfähigkeiten vorzuhalten, d.h. eine analytische und organisatorische Unterscheidung des radikalen vom inkrementalen Innovationsmodus erscheint geboten. Eine solche duale bzw. multifokale Organisationsform kann das Corporate Entrepreneurship Konzept zur Verfügung stellen.
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Corporate Entrepreneurship als Lösungsmöglichkeit für ein multifokal balanciertes Innovationsmanagement
Unter Corporate Entrepreneurship sollen hier in partieller Anlehnung an die Definitionen von COVIN/MILES72, PINCHOT73, SHARMA/CHRISMAN74 und MILLER75 alle Formen des „Unternehmertums im Unternehmen“ im Rahmen eines Großunternehmens gelten. Dies beinhaltet sowohl das Corporate Entrepreneurship in Form des Intrapreneurships, in Form der entrepreneuriale Orientierung ganzer Abteilungen oder Geschäftseinheiten, als auch in Form des Corporate Venturing. Corporate Entrepreneurship ist dabei geprägt durch die Eigenschaften erhöhte Innovationsfähigkeit, Risikoübernahme, proaktives unternehmerisches Handeln und die Fähigkeit zur ständigen Verjüngung und Neudefinition der bestehenden Unternehmensorganisation sowie der dazugehörigen Beschaffungs- und Absatzmärkte und Branchenstrukturen. Der Begriff Corporate Entrepreneurship umfasst somit im Einzelnen in der hier verwendeten Diktion sowohl die interne als auch die externe Perspektive und wird als „große Klammer“ zwischen den unternehmensinternen entrepreneurialen Aktivitäten (Intrapreneurship und entrepreneuriale Orientierung von Abteilungen), die im Sinne 70 71 72 73 74 75
Vgl. Tushman/Anderson/O'Reilly (1997), S. 12 ff. Vgl. Ansoff/Declerck/Hayes (1997), S. 132; Rasche (2002), S. 366 ff. Vgl. Covin/Miles (1999), S. 48. Vgl. Pinchot (1985). Vgl. Sharma/Chrisman (1999), S. 11 ff. Vgl. Miller (1983), S. 770 ff.
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des RBV/CBV tendenziell zu inkrementaler Innovationen führen, und den unternehmensexternen entrepreneurialen Aktivitäten (Corporate Venturing), die im Sinne des RBV/CBV tendenziell zu radikalen Innovation führen, gesehen. Der Begriff umfasst damit nicht nur die internen entrepreneurialen Aktivitäten einzelner Mitarbeiter, sondern auch die entrepreneuriale Orientierung ganzer Abteilungen oder Geschäftsfelder und er beinhaltet das externe Corporate Venturing in Form der Beteiligung an einzelnen Corporate Ventures sowie die direkte oder indirekte Beteiligung an ganzen Corporate Venture Portfolios.76 Anhand obiger Definition des Begriffs des Corporate Entrepreneurships wird seine Bedeutung für ein zwischen inkrementalem und radikalem Innovationsprozessen multifokal ausbalanciertes Innovationsmanagement ersichtlich. Im Gegensatz zum traditionellen, rein inkremental ausgerichteten Innovationsmanagement, das sich vornehmlich auf das Hervorbringen von einzelnen Produkt- oder Prozessinnovationen im Rahmen eines diskontinuierlichen oder kontinuierlichen Verbesserungsprozesses durch eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung konzentriert bzw. die graduelle Verbesserung bestehender Prozesse des bestehenden Systems zum Inhalt hat77, ist der Ansatz des Innovationsmanagements durch Corporate Entrepreneurship wesentlich weitgreifender und umfasst vor allem auch emergente, autonome und optionale Innovationsprozesse an der Unternehmensperipherie und außerhalb des Unternehmens sowie das systematische Bemühen um eine Entfernung von ausschließlich inkrementalen Innovationsprozessen hin zum – im Idealfall – eher multifokal balanciert ausgerichteten Innovationsprozessen. Die notwendige Komplementarität inkrementaler und radikaler Innovationsprozesse wird beim Corporate Entrepreneurship somit ausdrücklich gewürdigt und anerkannt. Über das Hervorbringen von inkrementalen Innovationen hinaus, die weiterhin sehr wichtig für das Unternehmen sind, konzentriert sich das Corporate Entrepreneurship auf das radikale Innovationsmanagement, also auf die Verjüngung und permanente Neudefinition des erreichten „Status Quo“. Dies kann entweder durch die Entwicklung von einzelnen radikalen Innovationen (radikale Einzelinnovationen) oder durch „Kannibalisierung“ bestehender Geschäftsmodelle durch neuartige, innovative Geschäftsmodelle erreicht (Geschäftsmodellinnovationen) werden.78 Diese Konzeption des Corporate Entrepreneurship steht im Gegensatz zum traditionellen Innovationsmanagement, welches im Wesentlichen deckungsgleich ist mit einem inkrementalen Innovationsverständnis. Radikale Innovatio76
Vgl. Michalski (2002a); Michalski (2002b); Michalski (2002c); Covin/Miles (1999). Vgl. Fujimoto (2002), S. 280 ff.; Appleyard et al. (2002), S. 183 ff. 78 Vgl. Hamel (2000), S. 18; Michalski (2006), S. 22 ff.; Michalski/Näfe/Usein (2006), S. 295 ff. 77
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nen gelten im traditionellen Innovationsmanagement gemeinhin als nicht steuerbares Zufallsergebnis. Das traditionelle Innovationsmanagement umfasst alle Aktivitäten des Wertschöpfungsprozesses vom Innovationsanstoß über die Ideengewinnung, Bewertung, Auswahl und Umsetzung bis zur Markteinführung, einschließlich der unterstützenden Funktionen in den Bereichen Personalmanagement, Organisation, Controlling und Finanzierung.79 Diese phasenbezogene Sichtweise impliziert eine sequentielle und linear ausgerichtete Vorgehensweise im Innovationsmanagement, die eher idealtypischer als realtypischer Art ist und die die in der Unternehmenspraxis beobachteten Innovationsprozesse oft nur unzureichend wiedergibt. Der traditionelle Innovationsprozess ist in der F&EAbteilung eines Unternehmens lokalisiert oder wird zumindest von dort aus organisiert.80 Im Unternehmen überwiegen beim traditionellen Innovationsmanagement Top-Down-Prozesse in Bezug auf Unternehmertum, Strategiefindung und Innovation. Die Unternehmensführung übt die Unternehmerfunktion aus und organisiert einen zentral ablaufenden Strategieprozess, der die Innovationsaktivitäten der F&E-Abteilung dominiert. Die F&E-Abteilung und einzeln einberufene Projektteams sind die wesentlichen Umsetzungsinstrumente für Innovationen. Die Innovationen erfolgen als interne Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durch die F&E-Abteilung und einzelne Projektteams auf Grund von Anweisungen der Unternehmensführung. Es wird schließlich eine lineare Geschäftsentwicklung unterstellt, die – wie weiter oben angemerkt – linear geplant und umgesetzt wird. Der Fokus befindet sich auf einzelnen großen Projekten ohne wesentlichen Entscheidungsspielraum für die F&E-Abteilung.81 Das Corporate Entrepreneurship Konzept betont hingegen die unternehmerische Dimension bzw. die entrepreneuriale Innovation. Zentrale Bedeutung hat dabei das unternehmerische Element im Sinne SCHUMPETERS, der dem Unternehmer die Rolle des Schöpfers von Neuerungen sowie des Zerstörers des Bestehenden zuweist.82 Dies bedeutet im Falle eines etablierten Unternehmens, dass unternehmensintern die Revitalisierung der oft bürokratischen Großunternehmen durch die Förderung des internen Unternehmertums im Unternehmen (Intrapreneurship) umgesetzt werden soll und, dass unternehmensextern die Förderung unternehmensfremder Start-Up-Unternehmer im Rahmen von Kapitalbeteiligungen erfolgen sollte. Des Weiteren sollte das Corporate Entrepre79
Vgl. Vahs/Burmester (2002); Specht/Beckmann/Amelingmeyer (2002); Hauschildt (1997); Gerpott (1999), Brockhoff (1999). 80 Vgl.dazu ausführlich: Bürgel/Haller/ Binder (1996). 81 Vgl. Linz (2001), S. 86 u. S. 119. 82 Vgl. Schumpeter (1964), S. 100 ff.
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neurship zwar sowohl inkrementale, als auch radikale Innovationen fördern, sich aber besonders auf die – im traditionellen Innovationsmanagement nicht praktizierte - gezielte Hervorbringung radikaler Innovationen konzentrieren. Ziel sollte hier die Entwicklung völlig neuer Lösungen für den Kunden durch Schaffung neuer Märkte und Marktsegmente sein. Im Sinne von DOSI stellt dies also den Wechsel auf neue Innovationstrajektorien dar.83 Der bestehende Wettbewerb sollte in diesem Zusammenhang möglichst irrelevant gemacht werden, um längerfristige Wettbewerbsvorteile durch proaktive Gestaltung des Marktes generieren zu können. Des Weiteren sollte das Corporate Entrepreneurship die Gründung von neuen innovativen Unternehmen, Tochtergesellschaften oder QuasiGründungen durch Schaffung unternehmerischer Freiräume bei der Umsetzung radikaler Innovationen bzw. neuer Geschäftsmodelle innerhalb eines Unternehmens in den Mittelpunkt stellen. Das Corporate Entrepreneurship sollte sich zudem auf die Geschäftsentwicklung („Business Development“) konzentrieren. Betrachtet wird bei der Geschäftsentwicklung neben dem klassischen, inkrementalen Innovationsprozess des traditionellen Innovationsmanagements, der bei der Markteinführung endet, auch die erfolgreiche Weiterentwicklung des Geschäfts in Richtung einer nachhaltig erfolgreichen am Markt selbstständig überlebensfähigen Einheit innerhalb eines etablierten Konzernverbundes.84 Der Prozess der Geschäftsentwicklung umfasst demnach neben dem eigentlichen Innovationsprozess auch die nachhaltige Durchsetzung der Innovation am Markt, oder anders ausgedrückt, die eigenständige Fortführung des Projektes als überlebensfähige Geschäftseinheit („spin-in“), als konzernunabhängiges Unternehmen am Markt („spin-out“) oder als eigentändiges Unternehmen mit Konzernbeteiligung am Eigenkapital („spin-off“).85 Schließlich sind die Betonung des integrativen Aspekts sowie die Anwendbarkeit in hyperkompetitiven Märkten konstitutiv für das Corporate Entrepreneurship.86 Die Betonung des integrativen Aspekts führt im Gegensatz zum traditionellen Innovationsmanagement, das sich lange Zeit auf Einzelaspekte wie beispielsweise die Produktneuentwicklung konzentriert hat, zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise beim Corporate Entrepreneurship, welches ein integriertes, mit der Unternehmensumwelt vernetztes Innovationskonzept auf Geschäftsmodellebene in den Mittelpunkt der Innovationsanstrengungen stellt. Geschäftsbezogene, organisatorische und technische Innovationsaspekte sowie deren Interdependenzen werden dabei als Einheit gesehen. Es 83
Vgl. Dosi et al. (2002), S. 1 ff; Dosi (1997), S. 1530 ff.; Dosi (1988), S. 221 ff. Vgl. Sykes (1993), S. 2 ff. 85 Vgl. Elfring/Foss (1997), S. 2 ff.; Nadig (1992), S. 109 ff. 86 Vgl. Dosi et al. (2002), S. 6 f.; Teece et al. (2002), S. 334 ff. 84
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erfolgt eine Einbeziehung des gesamten mehrwertschaffenden Systems im Sinne von KIM/MAUBORGNE87, das Lieferanten, Kunden, Geschäftspartner sowie die eigene Wertekette umfasst.88 Die Anwendbarkeit in hyperkompetitiven Märkten bedeutet, dass Corporate Entrepreneurship sich den Anforderungen hyperkompetitiver Märkte explizit stellt. Hyperkompetitive Märkte89 werden definiert als sich neu formierende Märkte, die sich durch ein großes Wachstumspotenzial und ein hohes Entwicklungstempo auszeichnen.90 Der Wettbewerb auf diesen Märkten ist in der Regel hochkompetitiv und allgemeine Industriestandards, Geschäftsmodelle und Marktusancen konnten sich (noch) nicht durchsetzen.91 Diese Märkte sind also einerseits als sehr attraktiv einzuschätzen, andererseits sind sie durch einen vielschichtigen, hochdynamischen und aggressiven Wettbewerb gekennzeichnet. Im Hyperwettbewerb92 existieren keine dauerhaften Wettbewerbsvorteile mehr, da sie von aggressiven Wettbewerbern zügig wieder zunichte gemacht werden.93 Die Treibergrößen des Hyperwettbewerbs sind u.a. Mergers&Akquisitions, Marktliberalisierung, informationsbasierte Wertschöpfung, Netzwerkinstitutionen und Modularprinzipien94 sowie globalisierungsbedingte hohe Lohn- und Regulierungsdifferenzen zwischen verschiedenen Ländern. Aus der Perspektive des RBV/CBV wird Corporate Entrepreneurship zunehmend als geeignete alternative Form des Innovationsmanagement gegenüber dem traditionellen Innovationsmanagement gesehen, da die Markt- und Wettbewerbschancen einer Vielzahl von konkurrierenden Technologien und Geschäftsmodellen bzw. damit korrespondierenden Ressourcen- und Kompetenzenpositionen in sich globalisierten, hyperwettbewerblichen Märkten schneller und flexibler als im Rahmen traditioneller F&E-Abteilungen „ausgetestet“ und erfolgreich in die Realität umgesetzt werden können.95 Das firmeneigene Corporate Entrepreneurship (CE) sucht und aktiviert damit aus der Sicht des RBV/CBV gezielt die für den Innovationserfolg relevanten Ressourcen und Kompetenzen in dem Markt- und Technologieumfeld, in dem das Unternehmen 87 88 89 90 91 92 93 94
95
Vgl. Kim /Mauborgne (1999), S. 49 ff. Vgl. Michalski (2002a), S. 369 f. Vgl. D’Aveni (1999), S. 127. Vgl. D`Aveni (1994); Eisenhardt (1999), S. 66. Vgl. Abernathy/Utterback (1978), S. 41 ff. Vgl. D’Aveni (1999), S. 127. Vgl. Rasche (2000b), S. 74 ff. Vgl. Sanchez/Mahony (1996), S. 63 ff.; Baldwin/Clark (1997), S. 84 ff.; Sawhney (1998), S. 54 ff.; Sanchez (1995), S. 135 ff.; Garud/Kumaraswamy (1995), S. 93 ff.; Hargadon/Sutton (1997), S. 716 ff.; Post (1997), S. 189 ff.; Rasche (2002), S. 58 ff. Vgl. Michalski (2002c), S. 313; Haid (2003), S.293 ff.; Linz (2001), S. 21 ff.
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derzeit tätig ist und/oder in dem es tätig sein will (Ressourcen- und Kompetenzenexploitation). Das firmeneigene CE kann dabei auch gezielt auf unternehmensinterne und unternehmensexterne neu sich entwickelnde Ressourcenspotenziale zurückgreifen (Ressourcen- und Kompetenzenexploration).96 Wenn dem Corporate Entrepreneurship die Aufgabe zukommt, die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von etablierten Großunternehmen vorwiegend durch die Generierung möglichst vieler inkrementaler und radikaler Innovationen zu sichern, heißt das aus der Sicht des RBV/CBV, dass Corporate Entrepreneurship in die strategische Architektur eines kompetenzgeführten Unternehmens integriert werden muss. Innovationen können grundsätzlich als Kernkompetenzen im Sinne des RBV/CBV verstanden werden, da Innovationen den dynamischen Komponenten einer Kompetenz sowie den Charakteristika einer Kernkompetenz entsprechen.97 Die Generierung von solchen Innovationen – bzw. von innovativen Kompetenzen im Sinne des RBV/CBV – kann im Corporate-Entrepreneurship-Konstrukt – wie weiter oben dargelegt – zum einen durch Intrapreneurship bzw. durch eine entrepreneuriale Orientierung von Abteilungen und Geschäftseinheiten erfolgen und zum anderen durch Corporate Venturing.98 Das Intrapreneurship und die entrepreneuriale Orientierung haben hierbei auf Grund der Nähe zum Kernunternehmen tendenziell eine Exploitation von Kompetenzen zur Folge, wohingegen das Corporate Venturing die Exploration von Kompetenzen begünstigt, da das Corporate Venture relativ weit entfernt vom Kernunternehmen agieren kann. Der Kompetenzaufbau und die damit einhergehende Generierung radikaler Innovationen wird vor allem durch Corporate Venturing positiv unterstützt, da das Corporate Venture alleine oder in Zusammenarbeit mit dem Kernunternehmen neue Kompetenzen entwickelt, die vom Kernunternehmen absorbiert werden können. Diese Absorption erweist sich in Bezug auf personengebundene Fähigkeiten allerdings als schwierig, da diese unter anderem auch implizites Wissen und implizite Kompetenzbestandteile enthalten, die nicht kodifizierbar sind. Ebenso führen Prinzipal-Agent-Probleme sowie die unterschiedlichen Unternehmenskulturen und Entscheidungsprozesse zu einer erschwerten Übertragung und Absorption. Durch entsprechende vertrauensbildende Maßnahmen und Kontrollmechanismen können diese Probleme reduziert, aber nicht völlig behoben werden.99 Der Erfolg von Corporate Venturing mit 96
Vgl. Michalski (2002c), S. 291 f.; Michalski (2004), S. 385 f.; Michalski (2005), S. 74 ff. Vgl. Michael/Storey/Thomas (2002), S. 62. 98 Vgl. Michalski (2002a), S. 8 ff.; Michalski (2002c), S. 313 ff.; Hoskisson/Busenitz (2002), S. 151 ff. 99 Vgl. Michalski (2007), S. 173 ff. 97
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dem Ziel der Generierung radikaler Innovationen ist auch von der innovatorischen Metakompetenz des Kernunternehmens abhängig.100 Dabei muss das Unternehmen über eine ausgeprägte Absorptions-, Kommunikations- und Lernfähigkeit verfügen, um entsprechende innovative Kompetenzen durch Corporate Venturing überhaupt aufbauen, transferieren und nutzen zu können.101 Die unter hyperkompetitiven Marktbedingungen notwendige proaktive strategische Beeinflussung von Märkten durch radikale Innovationen kann vor allem durch Corporate Venturing erreicht werden.102 Corporate Venturing fördert dabei die Sammlung zukunftsweisender Informationen durch systematisches Monitoring sowie die Erhöhung der Schnelligkeit durch verkürzte Entwicklungszeiten und Lernkurveneffekte.103 Durch Aufbrechen etablierter Routinen durch den Transfer und die Absorption innovativer Kompetenzen in das Kernunternehmen bewirkt Corporate Venturing zudem eine erhöhte Flexibilität und entrepreneuriale Aktivierung des Kernunternehmens. Eine kompetenzorientierte Unternehmensführung wird allerdings nur in der Lage sein, radikale Innovationen durch Corporate Entrepreneurship bzw. Corporate Venturing zu generieren, wenn sie das Corporate Entrepreneurship als wichtigen Strategiebestandteil für ein multifokal balanciertes und den Hyperwettbewerb würdigendes Innovationsmanagement in ihrer strategische Architektur integriert.104 Dies sollte geschehen durch eine Verankerung des Corporate Entrepreneurship im „strategic intent“.105
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Perspektiven eines multifokal balancierten CE-basierten Innovationsmanagements
Einleitend wurde festgestellt, dass internationale Großunternehmen bzw. diversifizierte globale Konzerne nur in eingeschränktem Maße in der Lage sind, radikal orientierte Innovationen zu lancieren. Solchen Innovationen kommt aber in hyperkompetitiven und beschleunigt emergenten Wettbewerbskonstellationen eine zunehmende strategische Relevanz zu. In diesem Kontext kann auch aus empirischer Perspektive flankierend konstatiert werden, dass Unternehmensgröße ne100 101 102 103 104 105
Vgl. Krüger/Homp (1997), S. 42. Vgl. Michalski (2007), S. 295 ff. Vgl. Hümmer (2001), S. 218; Michalski (2007), S. 318 ff. Vgl. Hümmer (2001), S. 218 ff.; Niederkofler (1989), S. 64 ff.; Block/MacMillan (1993), S. 1. Vgl. Kanter (1983), S. 41. Vgl. Prahalad/Hamel (1990), S. 79 ff.; Hamel/Prahalad (1994), S. 122 ff.; Michalski (2007), S. 334 ff.
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gativ mit Innovationsfähigkeit korreliert ist und eine Vielzahl hochgradig innovativer bzw. radikaler Innovationen ihren Ursprung nicht in großen Unternehmen und Konzernorganisationen106, sondern sehr oft in kleinen, neugegründeten Unternehmen haben.107 Kleine, neugegründete Unternehmen – und Corporate Ventures konkurrierender Großunternehmen – avancieren somit insbesondere unter hyperkompetitiven Marktbedingungen zunehmend zu ernstzunehmenden Konkurrenten, beispielsweise in Form von Neueinsteigern sowie Quer- und Seiteneinsteigern in hyperdynamische und volatile globale Marktkonstellationen. Das traditionell in internationalen Großunternehmen angewandte Innovationsmanagement wird der Herausforderung zunehmend dynamischer Umfeldbedingungen mit beschleunigter Emergenz neuer Marktkonstellationen nicht mehr gerecht, da es im Kern auf der Annahme weitgehend stabiler sowie abgrenzbarer Märkte und einer damit korrespondierenden Dominanz des inkrementalen Innovationsmodus basiert.108 Internationale Großunternehmen sind folglich dazu gezwungen, ihr Innovationsmanagement stärker als bisher mit Hilfe des Corporate Entrepreneurship Konzepts in Richtung eines multifokal balancierten Innovationsmanagements umzugestalten109, in dem radikale Innovationsprozesse eine signifikant größere Rolle spielen, um sich auf diese Weise den Anforderungen hyperkompetitiver Märkte und beschleunigt emergenter Marktkonstellationen erfolgreich anzupassen.110 Die bestehende Innovationslücke in Bezug auf radikale Innovationen kann durch Corporate Entrepreneurship geschlossen werden und auch die Dualität von inkrementalen und radikalen Innovationsprozessen kann durch Corporate Entrepreneurship explizit organisiert werden. Anders ausgedrückt kann die Balance zwischen inkrementalem und radikalem Innovationsmodus mit Hilfe des Corporate Entrepreneurship Konzepts neu kalibriert werden. Zudem kann in diesem Konzept der Übergang von der traditionell autarken und zentralisierten „Unternehmens-F&E“ zum multilateralen Innovationsnetzwerk, wie er vom integrierten Innovationsmanagement-Ansatz gefordert wird, berücksichtigt werden sowie die große Dynamik und hohe Unsicherheit hyperkompetitiver Märkte. Das Innovationsmanagement steht somit vor der anspruchsvollen Aufgabe, eine neue multifokale Balance im Innovationsmanage106
Vgl. Soete (1979), S. 319 ff.; Kaplinsky (1983), S. 39 ff. Vgl. Stringer (2000), S. 71; Kuratko/Hodgetts (2001), S. 10 ff.; Kortum/Lerner (1998), S. 1 ff. 108 Vgl. Geroski (1990), S. 586 ff. 109 Vgl. Christiansen (1998), S. 3 ff. 110 Vgl. Morecroft (2002), S. 19 ff.; Cloutier/Boehlje (2002), S. 57 ff.; Mahnke/Aadne (2002), S. 173 ff.; Illinitch et al. (2001), S. 211 ff.; McGrath (1998), S. 351 ff.; Illinitsch et al. (1996), S. 211 ff.; Grinyer/McKiernan (1990), S. 131 ff. 107
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ment großer, international tätiger Unternehmen herzustellen. Dies kann mit Hilfe des Corporate-Entrepreneurship-Konzeptes prinzipiell möglich gemacht werden.
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Ressourcen, Verfügungsrechte und Innovationen als Determinanten verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile Ansatzpunkte zur Integration des Innovations- und Verfügungsrechtemanagements in das Ressourcen- und Kompetenzmanagement
1
Einführung und Problemstellung ..........................................................525
2
Grundlegende Zusammenhänge und Begriffsabgrenzungen im Ressourcen- und Kompetenzmanagement ............................................526 2.1 Das Konzept des verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteils ..................................................................526 2.2 Zur Definition von Ressourcen und Kompetenzen ...................527 2.3 Der ressourcenorientierte Ansatz als Theorie der Firma und als Theorie des strategischen Managements ............530
3
Integrationsnotwendigkeit von Verfügungsrechten, Transaktionskosten und Innovationsaspekten in das Ressourcenund Kompetenzmanagement.................................................................531 3.1 Verfügungsrechte im Ressourcen- und Kompetenzmanagement ............................................................531 3.2 Eingeschränkte Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen als Konsequenz unvollständig spezifizierter Verfügungsrechte.................................................533 3.2.1 Transaktionskosten.........................................................533 3.2.2 Eingeschränkt rationales Verhalten................................535 3.2.3 Unvollständige Verträge ................................................536 3.3 Innovationen im Ressourcen- und Kompetenzmanagement......537
524
Wolfgang Burr/Torsten Frohwein
3.4 3.5
3.3.1 Ressources are not, they become....................................537 3.3.2 Innovationen als Neuentdeckung von Ressourcenfunktionen ....................................................538 Determinanten des Ressourcenwerts .........................................541 Fallbeispiele der Ressourcenentdeckung und -bewertung.........543
4
Integrationsfähigkeit des Verfügungsrechteansatzes in das Ressourcen- und Kompetenzmanagement ............................................545 4.1 Komplementaritätsaspekte.........................................................545 4.2 Methodologische Integrierbarkeit..............................................546
5
Schlussfolgerungen und Ausblick ........................................................548
Literatur............................................................................................................551
Ressourcen, Verfügungsrechte und Innovationen
1
525
Einführung und Problemstellung
Das strategische Kompetenz-Management hat sich aus den Ursprüngen des Ressourcenansatzes heraus zu einem vielversprechenden Managementansatz entwickelt. Die Frage, ob und wie dem Anspruch des Kompetenz-Managements, sich zu einem Schlüsselparadigma in der betriebswirtschaftlichen Managementforschung weiterzuentwickeln, genüge getan werden kann, steht im Mittelpunkt dieser Forschungsarbeit. Die übergeordnete Forschungsfrage ist, ob der ressourcenbasierte Ansatz in seiner bisherigen methodologischen Grundausrichtung sein Erklärungsziel hinreichend erfüllt. Konkret, ob das strategische Ressourcenund Kompetenzmanagement die Entstehung, die Besetzung und das Vergehen verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile und die Appropriierung von Renten ausreichend zu erklären vermag. Die theoretische Grundlage für unsere Argumentation liegt in der Verfügungsrechte- und Transaktionskostentheorie. Ziel des Beitrags ist es, das klassische Konzept des verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteils (‚sustainable competitve advantage’) um den aus unserer Sicht wesentlichen Aspekt der Verfügungsrechte zu erweitern. Ein wichtiger Baustein in unserer Argumentation liegt in der bislang unbeantworteten Frage, in welcher Weise der Innovationsaspekt in die ressourcenbasierte Kompetenzforschung integriert werden kann. Ausgangspunkt der weiteren Vorgehensweise ist die Analyse des Ressourcen- und Kompetenzbegriffes (Kap. 2). Die Betrachtung von Anspruch und theoretischen Grundaussagen des Ressourcen- und Kompetenzmanagements begründet eine Integrationsnotwendigkeit von verfügungsrechtlichen und transaktionskostenökonomischen Aspekten in den ressourcenbasierten Ansatz, die in Kap. 3 näher untersucht werden. Unter Berücksichtigung des Innovationsaspekts treten diese Zusammenhänge noch deutlicher hervor. Mit der Integrationsnotwendigkeit drängt die Klärung der Frage nach der methodologisch und wissenschaftstheoretisch abgesicherten Integrationsfähigkeit in den Vordergrund. Wir gehen deshalb der Frage nach, ob und in welcher Form die Integration beider Ansätze neben methodologischen Gemeinsamkeiten auch an wissenschaftstheoretisch bemessenen Kriterien abgesichert erfolgen kann (Kap. 4). Bei Erfüllung der wissenschaftstheoretischen Kriterien deutet sich an, dass die auf Barney (1991) zurückgehenden inhärenten Ressourcenmerkmale (VRIO-Bedingungen) als alleinige Bedingungen der Besetzung von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen in einem neuen Licht gesehen werden müssen. Auch scheint es geboten, die Bedeutung von Transaktionskosten aufzuwerten und sie in einen näheren Zusammenhang mit erweiterten Merkmalen der Verteidigungsfähigkeit
526
Wolfgang Burr/Torsten Frohwein
von Wettbewerbsvorteilen zu rücken. Insbesondere an dieser Stelle erscheinen uns Schnittstellen zur Innovationstheorie möglich und sinnvoll, aus der sich neue Erkenntnisse für das Entstehen, Bestehen und Vergehen von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen ergeben. Bleiben die Verfügungsrechte- und Transaktionskostentheorie mit dem Ressourcenansatz in wesentlichen Punkten methodologisch unvereinbar, müsste zumindest für die Verbindung des Ressourcen- und Kompetenzmanagements mit innovationsökonomischer Aspekten auf ein eklektisches Vorgehen zurückgegriffen werden.
2
Grundlegende Zusammenhänge und Begriffsabgrenzungen im Ressourcen- und Kompetenzmanagement
Aus den verschiedenen Grundansätzen und Kernparadigmen des strategischen Managements zeichnet sich keine Entwicklung hin zu einer vereinheitlichten Theorie ab. Dennoch besteht grundsätzliche Übereinkunft über die Sicherung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens durch eine aktive und zielgerichtete Steuerung der Unternehmensentwicklung als Ziel der strategischen Unternehmensführung (Rasche/Wolfrum 1994: S. 501). Die Sicherstellung der langfristigen Unternehmensentwicklung erfolgt hiernach durch den Aufbau und den Erhalt strategischer Wettbewerbsvorteile und anhaltender Erfolgspotenziale. Die Analyse von Wettbewerbsvorteilen gibt Antworten auf die Fragen nach der Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen. Erklärungsziel des Ressourcen- und Kompetenzansatzes sind aus verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen heraus generierte unternehmerische Renten. Verteidigungsfähigkeit als theoretisches Konstrukt beruht auf spezifischen Ressourcenmerkmalen und deren Umsetzung in Wettbewerbsvorteile durch geeignete Kompetenzen. Die primäre Aufgabe des strategischen Managements ist aus ressourcenorientierter Sicht der Aufbau und der Schutz unternehmensspezifischer Fähigkeiten und Kompetenzen (Rasche/Wolfrum 1994: 502).
2.1
Das Konzept des verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteils
Um in der Dynamik des Wettbewerbs bestehen zu können, muss ein Unternehmen aus seinen Ressourcen sogenannte verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile generieren (Barney 1991; Wernerfelt 1984). Verteidigungsfähigkeit im Sinn
Ressourcen, Verfügungsrechte und Innovationen
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einer „resource protection barrier“ (Wernerfelt 1984: 173) ermöglicht anhaltende (sustainable) Wettbewerbsvorteile. Ein anhaltender Wettbewerbsvorteil ist dann erreicht, wenn eine auf Unternehmensressourcen aufbauende „… value creating strategy [is] not simultaneously being implemented by any current or potential competitors and when these other firms are unable to duplicate the benefits of this strategy.” (Barney 1991: 102). In einem sehr eng gefassten Verständnis sind von einem Unternehmen erzielte verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile von anderen Unternehmen prinzipiell nicht besetzbar. Nicht alle Ressourcen in einem Unternehmen beinhalten das Potenzial eines anhaltenden Wettbewerbsvorteils. Ressourcen, aus denen sich ein anhaltender Wettbewerbsvorteil generieren lässt, müssen als Indikatoren von Ressourcenheterogenität und -immobilität die Merkmale der Werthaltigkeit (valuable), der Seltenheit (rareness), der NichtImitierbarkeit (imperfectly imitable) und der Nicht-Substituierbarkeit (nonsubstitutable) erfüllen (Barney 1991: 105 f). Zu dieser Kernproblematik des strategischen Managements versucht das Ressourcen- und Kompetenzmanagement theoretisch begründete Antworten zu liefern. Als Ausdruck des Erzielens von wettbewerblichen Vorteilen gegenüber der Konkurrenz gelten anhaltende überdurchschnittliche Gewinne in Form ökonomischer Renten. Die Erklärungsbasis für den Unternehmenserfolg ist auf der organisationalen Ebene zu verorten und insbesondere auf ressourcen- und kompetenzbasierte Unternehmensfaktoren zurückzuführen.
2.2
Zur Definition von Ressourcen und Kompetenzen
Der Begriff der Ressource bietet breiten Interpretationsspielraum. Weder die volkswirtschaftliche Interpretation noch die in der Tradition Gutenbergs stehende deutschsprachige Betriebswirtschaftslehre teilen das terminologische und inhaltliche Verständnis über den Begriff der Ressource, wie es dem Ressourcenansatz zu Grunde liegt (Freiling 2001: 11 ff.). Auch in der Ressourcentheorie selbst herrscht keine ausreichende terminologische Differenzierung. Wernerfeldt (1984: 172) versteht unter Ressourcen alle „…(tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm“. Wählt Penrose noch eine Einteilung der Unternehmensressourcen in materielle („tangible“) und personale („human“) Ressourcen (Penrose 1995: 24 f.), erweitert Barney die Klassifikation auf drei Kategorien: physische Ressourcen, menschliche Ressourcen und organisatorische Ressourcen (Barney 1991: 101 f.). Mit Grant (1991: 119) können in einem erweiterten Verständnis finanzielle Ressourcen, technologische Ressour-
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cen und Reputation in einen umfassenden Ressourcenbegriff eingeschlossen werden. Ressourcen sind zu verstehen als Bündel möglicher Funktionen, denn: „It is never resources themselves that are the ‘inputs’ in the production process, but only the services that the resources can render.” (Penrose 1995: 25). Das Erfolgspotenzial eines produktiven Ressourceneinsatzes hängt von der Funktion der eingesetzten Ressource ab. Während die Definition einer bestimmten Ressource unabhängig von ihrem Einsatzzweck erfolgen kann, bleibt die Definition einer Ressourcenfunktion zwingend an ihren Einsatzzweck gebunden. Mit der Unterscheidung in Ressourcen und Ressourcenfunktionen liefert Penrose eine Erklärung für die beobachtbare Heterogenität von Unternehmen, die in folgender Kernaussage des Ressourcenansatzes kumuliert: Die über die Zeit in einem Unternehmen akkumulierten Ressourcen ergeben in ihrer Gesamtheit einen hohen Grad an ressourcenspezifischer Heterogenität, aus der sich Wettbewerbsvorteile und die Chance auf überdurchschnittliche Gewinne im Sinne einer ökonomischen Rente erzielen lassen. Als ursächlich für die Heterogenität von Ressourcen gelten unvollkommene Faktormärkte (Amit/Schoemaker 1993: 36 f; Peteraf 1993: 180 f; Bamberger/Wrona 1996: 130) oder zufällige Gegebenheiten und „glückliche“ Entscheidungen der Unternehmensführung bei der Ressourcenbeschaffung (Barney 1986) sowie unterschiedliche Entwicklungspfade von Unternehmen durch unternehmensspezifischen Einsatz ihrer Ressourcenpotenziale. Aus der Möglichkeit des breiten Ressourcenbegriffs folgt ein wesentliches Grundproblem des Ressourcenansatzes. Während der methodologische Kern und damit die Grundposition des Ressourcenansatzes in der Literatur nachvollziehbar hervortreten, herrschen über die terminologische Basis weder einheitliche noch klar formulierte Übereinstimmungen. Die hier aufgezählten Bestimmungsversuche zeigen auf, mit welchen Unschärfen und Operationalisierungsproblemen zentrale Begriffe des Ressourcenansatzes auch heute noch belegt sind. Freiling (2001: 3) verweist darauf, dass nur unter Kenntnis der Forschungsziele des Ressourcenansatzes eine geeignete terminologische Basis geschaffen werden kann. Grundlegend bedarf der Ressourcenbegriff danach einer Eingrenzung auf die Erklärung langfristiger Erfolgspositionen und Kennzeichnung einer dauerhaften Abhebung von Wettbewerbern durch einen wirkungsvollen Nutzungsausschluss. Problematisiert wird von Freiling (2001: 22) damit ein Ressourcenbegriff, der sich auf marktlich gehandelte (generische) Inputgüter bezieht, die durch Veredelungsprozesse Ressourceneigenschaften erhalten. Im Ergebnis des Transformationsprozesses von generischen Inputgütern zu Ressourcen stehen unternehmensspezifische Merkmale der verteidigungsfähigen Wettbewerbsfähigkeit, für die
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eine anhaltende Möglichkeit des Ausschlusses konkurrierender Drittparteien um die Nutzung besteht. Zwingender Bestandteil der Definition des Ressourcenbegriffs ist das Vermögen der Kontrolle von Ressourcen durch das Unternehmen (Barney 1991: 101; Amit/Schoemaker 1993: 35). Die Heterogenität von Ressourcen entsteht durch die Ausübung von Kontrolle durch Individuen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen im Zuge der Transformation generischer Inputgüter in unternehmensspezifische Wettbewerbsvorteile. Die Herleitung und Weiterentwicklung der Verschiedenartigkeit von Unternehmen wird in einer funktionalen Abhängigkeit von unternehmensspezifischen Kompetenzen gesehen (Schneider 1997: 60; Mahoney/Pandian 1992: 365). In Abgrenzung zu Ressourcen als Teilmenge von Inputfaktoren bezeichnen Kompetenzen das Handlungsvermögen der Unternehmung für eine Umsetzung des Ressourcenpotenzials in faktische Wettbewerbsvorteile (Grant 1991: 119). Amit/ Schoemaker (1993: 35) kategorisieren Kompetenzen als wissensbasierte, materielle oder immaterielle unternehmensspezifische Prozesse, die sich in historischer Zeit gemeinsam mit den Ressourcen entwickeln. Burr (2004: 123) unterscheidet Kompetenzen als prozessuale Fähigkeiten in organisatorische Routinen, technologische Kompetenzen und Kernkompetenzen. Vor allem auf den Arbeiten von Sanchez (1997, 2002) und Sanchez/Heene (1997) baut der Ansatz des kompetenzbasierten strategischen Managements auf, der den Anspruch auf einen ganzheitlichen Ansatz der strategischen Unternehmensführung erhebt. Unter den Bedingungen eines dynamischen, wettbewerbsintensiven Unternehmensumfelds, unvollständiger Information und beschränkter Rationalität liegen die erfolgsentscheidenden Faktoren zur Besetzung eines andauernden Wettbewerbsvorteils in einem adaptionsfähigen Kompetenzmanagement, mit dem eine ausreichende strategische Flexibilität zur Etablierung und Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen bei Änderungen im Unternehmensumfeld gesichert werden kann (Sanchez 1997: 941). Der Zugriff und die Verfügung über ‚firm-specific-assets’ und ‚firm-adressable-assets’ ermöglichen dem Kompetenzmanagement, den Veredelungsprozess zur Generierung von Ressourcen, denn „the strategic value of a given resource depends on the way a firm combines, coordinates, and deploys that resource with other firm-specific and firmadressable resources.“ (Sanchez/Heene 1997: 313). Als Implikationen des vorgestellten kompetenzbasierten strategischen Managements ergibt sich die Notwendigkeit eines permanenten Anpassungsprozesses der Kompetenzentwicklung, um Chancen im Wettbewerb zu erkennen. Festzustellen bleibt, dass die Literatur ähnlich wie beim Ressourcenbegriff auf keine einheitliche Position zum Kompetenzbegriff verweist. Inhaltliche Übereinstim-
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mungen herrschen weitgehend über die Kompetenzfunktion, die in der faktischen Nutzbarmachung des durch Ressourcen vorgegebenen Erfolgspotenzials liegt.
2.3
Der ressourcenorientierte Ansatz als Theorie der Firma und als Theorie des strategischen Managements
Eine vertiefte Diskussion des Anspruchsgedankens des Ressourcen- und Kompetenzansatzes verlangt nach einer Auseinandersetzung mit den Grundcharakteristika einer Theorie der Unternehmung. Aus einer solchen Theorie müssen sich Fragen nach (i) der Entstehung, der Existenz und dem Untergang von Unternehmen, (ii) zum Erfolg am Markt und der Erfolgsdimension sowie (iii) zur Erklärung von Unternehmensgrenzen formulieren und beantworten lassen (Foss 1996: 470; Freiling 2001: 53). Die Entstehung und die Existenz von Unternehmen folgen neben der Verfügbarkeit und Veredelung einzelner Inputfaktoren aus ihrer Bündelung zu Ressourcenpaketen sowie der Entwicklung von Kompetenzen, die Edith Penrose (1995: 25) als von Ressourcen abgegebene Services im Sinne von Nutzleistungen versteht. Für Edith Penrose ist das Unternehmen ein heterogenes Ressourcenbündel, das von einem administrativ-organisatorischen Rahmen gesteuert und gelenkt wird. In einem Verständnis des ressourcenorientierten Ansatzes als eine Theorie des strategischen Managements rücken die Fragen nach dem Entstehen, Bestehen und Vergehen verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile in den Vordergrund. Es bedarf einer genauen Überprüfung, ob mit den bislang formulierten Lösungsansätzen die aufgeworfenen Probleme des strategischen Managements (Entstehen, Bestehen, Vergehen von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen) zur vollständigen Befriedigung gelöst sind. In jedem der drei Fragekomplexe verbergen sich bei genauerer Betrachtung Erklärungslücken im ressourcenbasierten Ansatz, die möglicherweise ein integrierter Ansatz, der ressourcenökonomische Argumente mit verfügungsrechtlichen Aspekten und der Innovationsthematik verknüpft, erhellen könnte.
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Integrationsnotwendigkeit von Verfügungsrechten, Transaktionskosten und Innovationsaspekten in das Ressourcen- und Kompetenzmanagement
Auf die Fragen nach den Ursachen für die Aneignungsfähigkeit von Renten aus der Position eines verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteils heraus und die als zentral anzunehmende Bestimmung des Wertes eines Ressourcenbündels findet der traditionelle Ressourcenansatz keine befriedigenden Antworten. Auch die Fragen nach dem Ressourcenwert, dem Prozess des Ressourcenwerdens und nach Innovationen als letztendliche Ursache verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile bleiben in der klassischen Literatur zum Ressourcen- und Kompetenzmanagement weitgehend ausgeblendet. Für die beschriebenen Zusammenhänge versprechen Aspekte der Verfügungsrechte- und Transaktionskostentheorie weiterführende Erklärungsbeiträge.
3.1
Verfügungsrechte im Ressourcen- und Kompetenzmanagement
In der Theorie des Ressourcenansatzes finden sich implizite Verweise, die einen Einfluss von Verfügungsrechten auf verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile deutlich machen. Verschiedene Definitionen des Ressourcenbegriffs verweisen implizit auf eine Verfügungsrechtedimension. Hinter dem Ressourcenbegriff bei Amit/Schoemaker (1993: 35), die Ressourcen als „…stocks of available factors that are owned or controlled by the firm.” verstehen, wird explizit auf die unbedingte Verfügungsgewalt und Kontrolle von Inputfaktoren verwiesen, die konzentrierte und exklusiv zugeordnete Verfügungsrechte voraussetzt. Ressourcen und Kompetenzen erlangen in der ressourcenbasierten Theorie der Firma einen ökonomischen Wert in Form von Wettbewerbsvorteilen, wenn das Unternehmen Kontrolle über die Ressourcen- und Kompetenzbündel ausüben kann. Verfügungsrechte sind Rechte an Gütern (res corporales). Forderungen, Patente, Autorenrechte, Bergrechte oder Wegerechte sind Rechte an unkörperlichen Sachen (res incorporales), die wie dingliche Güter behandelt werden und in den Gesamtwert eines Vermögensbestandes eingehen (Meyer 1983: 8 f). In einer genauen Betrachtungsweise werden auf Märkten keine dinglichen Güter, sondern die Verfügungsrechte an diesen Gütern gehandelt. Die Kontrolle der Verfügungsrechte über ein dingliches Gut verleiht diesem seinen Wert. „[T]he value what is being traded depends upon the allowed rights of action…and upon the
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degree to which these rights are enforced...A proper definition of a right of action includes the degree to which [it] is allowed to enforce the right.“ (Demsetz 1964: 18f). Verfügungsrechte treten in unterschiedlichen Formen auf. Unterschieden nach (i) dem Recht auf Nutzung eines materiellen oder immateriellen Gutes und dem Nutzungsausschluss Dritter (ius usus), (ii) dem Recht, das Gut in seiner Form und Substanz zu verändern (ius abusus), (iii) dem exklusiven Recht der Aneignung von Erträgen oder dem Tragen von Verlusten aus der Nutzung eines Gutes (ius usus fructus) und (iv) dem Recht, die Teilrechte teilweise an Dritte zu übertragen oder ganz zu veräußern (ius successionis) sind einem Gut verschiedene Nutzleistungen und differenzierte Einzelrechte zugeordnet (Burr 2004: 102; Zöllner 2007: 66). Effektive Verfügungsrechte ermöglichen Kontrolle über Ressourcen, die Art des Ressourceneinsatzes und Einflussnahme auf die Verteilung der Renten aus der Allokation von Ressourcen (Grossmann 2001: 347). Ertrags- und Veräußerungsrechte beschreiben Residualrechte. Residualrechte sind vertraglich nicht-spezifizierte Rechte, sich die aus der Verfügungsgewalt an Gütern erzielbaren Gewinne anzueignen. Kontrollrechte sind mit dem Veränderungs- und Nutzungsrecht verbunden. Residualrechte und Kontrollrechte generieren ökonomische Renten (Ricardorenten), die sich aus der ungleichen Verteilung und der Knappheit von Verfügungsgewalten über ein Gut ergeben. Ressourcen haben eine physische Seite (die dinglichen Eigenschaften der Ressource) und eine immaterielle, verfügungsrechtliche Dimension. Handlungsund Verfügungsrechte bestimmen zusammen mit den physischen Eigenschaften den Wert von Ressourcen. Folgen wir Coase (1960: 43 f), so werden im Werterstellungsprozess zwar dingliche (Input-)Güter genutzt, in Märkten jedoch nur die Verfügungsrechte an diesen Gütern gehandelt. Ähnlich argumentieren Alchian/ Demsetz (1973: 17) „it is not the resource that is owned; it is a bundle…of rights to use of a resource that is owned.” Die von Penrose beschriebenen Nutzleistungen sind nicht mehr nur mit einzelnen Funktionen von Ressourcen, sondern mit partiellen Verfügungsrechten an Nutzleistungen von Ressourcen gleichzusetzen und erhalten eine zusätzliche Dimension. Ressourcen und Kompetenzen beinhalten ein Bündel potenzieller Nutzleistungen, die sich wiederum durch einzelne Vektoren von Verfügungsrechten beschreiben lassen (Foss/Foss 2005: 543; Foss 2009: xxi; Kim/Mahoney 2002: 2006). Damit spezifiziert die Verfügungsrechtetheorie den Begriff der ‚Ressource’. Einer jeden Ressourcenausprägung, funktionalität und -anwendung sind Verfügungsrechte zugeordnet. Verfügungsrechte können zu eigenständigen Ressourcen aggregiert und auf Märkten separat gehandelt werden (z. B. Leasing, Pacht und Miete basieren im Kern auf ius usus und dessen Separierbarkeit von den anderen Teilrechten an einer Ressource). Je
Ressourcen, Verfügungsrechte und Innovationen
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vollständiger diese Vektoren bei einem Unternehmen konzentriert sind, desto stärker kann das Ressourcenpotenzial am Markt anhaltend durchgesetzt und verteidigt werden.
3.2
Eingeschränkte Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen als Konsequenz unvollständig spezifizierter Verfügungsrechte
Das Konzept des ressourcenbasierten Ansatzes zur Erzielung von überdurchschnittlichen Gewinnen durch die Besetzung verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile impliziert die Annahme der uneingeschränkten Verteidigungsfähigkeit aufgrund spezifischer Ressourcenmerkmale (Amit/Schoemaker 1993, Barney 1991, Lippmann/Rumelt 1982, Diericks/Cool 1989) und damit die vollständige Appropriierbarkeit von Renten. In einer realitätsnäheren Betrachtung sprechen sowohl die Theorie der unvollständigen Verträge als auch die Berücksichtigung der Transaktionskostendimension dafür, dass nicht von einer vollständigen Appropriierbarkeit von Renten aus verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen ausgegangen werden kann.
3.2.1 Transaktionskosten In einer transaktionskostenfreien Welt spielt die Zuordnung von Verfügungsrechten für das Ergebnis von Markthandlungen keine Rolle (Coase 1960). Auch dem Ressourcen- und Kompetenzmanagement in seiner bisherigen Form liegt implizit eine transaktionskostenfreie Welt zu Grunde. „While the rudiments of the resource-based view of sustainable competitive advantage (Barney, 1991; Peteraf, 1993) are thus far consistent with the zero transaction cost assumption, this assumption only leaves limited room for understanding the links between resources and sustained competitive advantage. In order to explore these links in detail, the assumption that transaction costs are zero must be abandoned.” (Foss/Foss 2005: 546). Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen ist kostenfrei und wird allein durch spezifische Ressourcenmerkmale (Barney 1991: 105 f) konstituiert. Beinhaltet eine realitätsnahe Betrachtung neben multiplen Nutzleistungen einer Ressource zusätzlich auch die Transaktionskostendimension, wird die Bedeu-
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tung von Verfügungsrechten im Ressourcen- und Kompetenzmanagement nochmals deutlicher. Zu den Transaktionskosten gehören Kosten der Festlegung, des Austauschs, der Überwachung und der Durchsetzung von Verfügungsrechten (Furubotn/ Pejovich 1972: 1143). „Transaction costs may be defined as the cost of exchanging ownership titles.” (Demsetz 1968: 35). Konkret treten Transaktionskosten in Form von Suchkosten nach geeigneten Tauschpartnern, Aushandlungskosten des Tauschprozesses sowie Durchsetzungs-, Wertsicherungs- oder Kontrollkosten der Vertragserfüllung auf (Schüller 1983: 158 f). Vor einem derartigen Hintergrund bleibt eine Vielzahl an Nutzleistungen einer Ressource zwangsläufig unspezifiziert. Wenn eine Verteidigung der Ressourcenpotenziale mit großer Wahrscheinlichkeit nur unvollständig erfolgen kann, werden Nutzleistungen zum Ziel von Fremdaneignungsbemühungen (‚capturing’) Dritter. Fremdaneignung beschreibt einen nicht internalisierten externen Effekt, der von ressourcenverzehrenden Aktivitäten Dritter mit dem Ziel der Nutzenappropriierung ausgeht (Foss/Foss 2005: 544). Kann das Recht zum Ausschluss Dritter von jedweder Nutzung einer Ressource und deren Nutzleistungen durch zu hohe Transaktionskosten nicht in jedem Fall wahrgenommen werden, sinkt die Stärke der Verfügungsgewalt des Rechtebesitzers über die Ressource bis hin zur gänzlichen Überlassung der nicht kontrollierbaren Nutzleistungen oder Einzelrechte an Dritte. Positive Transaktionskosten sprechen dafür, dass Verfügungsrechte nicht optimal geschützt werden können und eine Fremdaneignung prinzipiell möglich ist. Absicherungsbestrebungen bezeichnen ressourenverzehrende Aktivitäten des Rechtebesitzers mit dem Ziel, Fremdaneignung zu verhindern. Absicherung geht dabei weit über Verhinderung von Imitation und Substitution hinaus. Moral Hazard oder HoldUp kann mit geeigneten Governancestrukturen begegnet werden. Die Nutzung des Rechtssystems, Abschreckungsstrategien vor dem Markteintritt und Angebotsstrategien zur Verhinderung von adverser Auswahl sind weitere Möglichkeiten von Absicherungsstrategien (Foss/Foss 2005: 544). Im Grenzfall erodieren Fremdaneignungs- und Absicherungsaktivitäten die von den angeeigneten und abgesicherten Ressourcen und deren Nutzleistungen generierten Renten auf Null. Darüber hinaus ist mit der Einführung von Transaktionskosten eine Relativierung der Bestimmung von Eigentumspositionen verbunden, die insbesondere aus der Ausübung von Residualrechten resultieren. “Ownership is a function of the costs of enforcement and capture…” (Foss 2009: xx). Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass “sustained competitive advantage depends on transaction costs.” (Foss/Foss 2005: 549). Unter Berück-
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sichtigung von Transaktionskosten erfährt der Ressourcenbegriff eine weitere Definitionsdimension. In einer genauen Betrachtung sind damit nicht wie bei Foss/Foss (2005: 543) Ressourcen “…the outcomes of processes of economizing with transaction costs.“, sondern einzelne Ressourcenfunktionen entstehen und bestehen durch Minimierung der Transaktionskosten für eigene Absicherungsbestrebungen und Maximierung der Transaktionskosten der Fremdaneignung. Des weiteren erfährt auch der Begriff der Kompetenzen unter Berücksichtigung der Transaktionskostendimension eine Bedeutungserweiterung, weil “the ability to reduce transaction costs can be a distinct source of competitive advantage.” (Foss 2009: xxi). Die Kompetenzen eines Unternehmens zur Reduktion von Transaktionskosten werden zur hinreichenden Bedingung bei der dauerhaften Besetzung und Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen. Transaktionskosten begrenzen den effektiven Verfügungsrechtevektor eines Unternehmens. Die Dauerhaftigkeit und Durchsetzungsstärke von Wettbewerbsvorteilen kann nicht als vollständig und zeitraumunabhängig gegeben angenommen werden. Technische oder institutionelle Innovationen können Transaktionskosten von Absicherheitsbestrebungen oder Fremdaneignung reduzieren und damit für ein Unternehmen oder den Wettbewerber verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile begründen (überlegene Effizienz durch Transaktionskostenvorteile). Im Fall der einseitigen Erhöhung von Transaktionskosten durch technische oder institutionelle Innovationen bei einer Marktpartei besteht die Gefahr des Verlustes von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen. Der von Kompetenzen gesteuerte kreative Prozess der Neukombination von Inputfaktoren zu Ressourcen ist wissensabhängig und spiegelt sich als „the prime resource and the one that defines all others.“ (De Gregori 1987: 1242) wider.
3.2.2 Eingeschränkt rationales Verhalten Unter der Annahme von begrenzt rationalem Verhalten und unvollständiger Information kann die Vielfalt der potenziellen Nutzleistungen von Ressourcen und Kompetenzen a priori nicht vollständig bestimmt werden. Im Gegensatz zu vertraglich spezifizierten Handlungs- und Verfügungsrechten an Nutzleistungen beschreiben Residualrechte vertraglich nicht-spezifizierte Rechte von Verwertungsmöglichkeiten über a priori unbestimmte Nutzleistungen von Ressourcen (Grossmann/Hart 1986; Hart 1988; Hart/Moore 1990). Das Eigentum an Nutzleistungen einer Ressource lässt sich über die Ausübung von Residualrechten definieren. In Rückgriff auf die Definition von Verfügungsrechten tritt die Be-
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deutung von Kontrolle deutlich hervor. „…the key word is ‚control’ rather than ‚ownership’. Formal property rights do not count for much if they do not confer control rights. By the same token, sufficiently strong control rights may do the trick even in the absence of formal property rights.“ (Rodrik 2000: 6, Hervorh. i. O.). (Un-)Teilbarkeit und die Fähigkeit zur Durchsetzung von Residualrechten bestimmen die Zuordnung einer Nutzleistung zu einem oder mehreren Eigentümern (Foss/Foss 2001: 27 f). Aus der a priori unvollständigen Spezifizierbarkeit von Nutzleistungen folgt gleichzeitig die Unmöglichkeit der vollständigen Zuordnung von Verfügungsrechten über diese Nutzleistungen zu einer einzigen Markt- oder Vertragspartei. Somit ist es möglich, dass „[m]ore than one party can claim some ownership interest in the same resource” (Alchian/Demsetz 1973: 17). Im Ergebnis wird eine eindeutige Bestimmung eines bestimmten Eigentümers einer Ressource bzw. Ressourcennutzungsmöglichkeit nahezu unmöglich (Foss/Foss 2001: 27). „…property rights are rarely absolute, even when set formally in the law.“ (Rodrik 2000: 6). Die Eigentumsverhältnisse lassen sich ähnlich einem Vektor an Verfügungsrechten beschreiben. Die Grenzen des Eigentums sind gleichzusetzen mit den auf Verfügungsrechten basierenden Ausschlussmöglichkeiten Dritter. Die Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen ist somit neben bestimmten Eigenschaften einer Ressource an einen umfassenden Verfügungsrechtevektor und eine möglichst vollständige Spezifizierbarkeit von Verfügungsrechten gekoppelt.
3.2.3 Unvollständige Verträge Aus der Vertragstheorie folgt die Unterscheidung in vollständige und unvollständige Verträge über die interne und externe Verwendung ressourcen- und kompetenzbezogener Nutzleistungen. Begrenzt rationales Verhalten, asymmetrische Information, opportunistisches Verhalten und die Existenz von Transaktionskosten sind Gründe dafür, dass es in der Realität nur möglich ist, unvollständige Verträge (Williamson 1985) abzuschließen. Aus der prinzipiellen Unvollständigkeit von Verträgen folgt, dass Allokationen von Verfügungsrechten über Nutzleistungen von Ressourcen nicht für alle zukünftigen Umweltzustände vollständig spezifizierbar sind. Unvollständige Verträge liefern eine präzisierende Begründung für Residualrechte und -renten, denn auch hier gilt „...the issue of ownership can be separated from the issue of contractual compensation.“ (Grossmann/Hart 1986: 694). Als Zwischenergebnis folgt auch hier, dass Verfü-
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gungsrechte über Ressourcen oder über deren Nutzleistungen (Kompetenzen) nicht bei einer Partei konzentriert sind, wie auch die eindeutige Bestimmung eines Eigentümers einer Ressource nahezu unmöglich wird, da einzelne Verfügungsrechtevektoren von Nutzleistungen auf Drittparteien verteilt sein können. “[O]wnership is not absolute: sometimes a non-owner has some residual rights of control…“ (Hart 1988: 124). Die Theorie der unvollständigen Verträge spricht für eine begrenzte Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Durchsetzungsstärke.
3.3
Innovationen im Ressourcen- und Kompetenzmanagement
Der ausgangs festgehaltene Anspruch des Ressourcen- und Kompetenzmanagements war, wesentliche Grundsatzfragen und Zielstellungen einer strategischen Unternehmensführung zu beantworten. Für sich betrachtet, bleibt das reine Ressourcenmanagement statisch und ist in seinem Kern gleichgewichtsorientierten Ansätzen zuzuordnen (Foss/Ishikawa 2007: 751). In der Beschränkung auf ein statisches Theorieverständnis kreist das ökonomische Problem um den effizienten Einsatz von strategisch bedeutenden Ressourcen unter der Nebenbedingung minimaler Transaktionskosten bei gegebener Technologie und Organisationsform. Innovationen als Entdeckungsprozess neuer Handlungsmöglichkeiten bleiben bis auf die dynamische Sichtweise von Kompetenzen weitgehend ausgeblendet.
3.3.1 Ressources are not, they become Die Ausführungen zum Ressourcenbegriff von z.B. Freiling (2001: 21) verdeutlichen, dass die Entstehung von Ressourcen prozessorientiert und zeitbezogen verstanden werden muss. Geeignetes und relevantes Vehikel, die Entwicklung eines Unternehmens in historischer Zeit zu betrachten, ist seine zeitraumbezogene Ausstattung mit Kompetenzen. Wenn „…competence[s] may be exercised in a creative, entrepreneurial or in a rule-following way.” (Foss 1993: 135), dann sind Kompetenzen in einer heuristischen Sicht vergleichbar als routinenbehaftetes Verhalten wie bei Nelson/Winter (1982) zu betrachten. Erst in einer kompetenzbezogenen Betrachtung tritt der dynamische Charakter des im Zentrum des strategischen Managements stehenden wettbewerblichen Prozesses hervor.
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Eine nähere Analyse zeigt auf, dass für das Entstehen von Ressourcen ein im Kern noch stärker evolutionär geprägtes und dynamisches Konzept zur Erklärung herangezogen werden muss. Treffend formuliert De Gregori (1987: 1241) „Resources are not; they become“. De Gregori (1987) führt aus, dass auch neue technologische Möglichkeiten (z. B. zum Abbau von bisher nicht zugänglichen Rohstoffvorkommen oder zur gewinnbringenden Verarbeitung von bisher nicht im Produktionsprozess sinnvoll einsetzbaren Rohstoffen) bestimmen, ob ein Inputgut den Charakter einer Ressource erhält. Das beste Beispiel hierfür sind Produktionsrückstände, die durch neue Recyclingverfahren zu Ressourcen im betrachteten Sinn geworden sind. Daneben bestimmen institutionelle Arrangements, wie z. B. die Verteilung von Verfügungsrechten, darüber, welche Inputgüter den Prozess des Ressourcenwerdens absolvieren und welche Inputgüter den Veredelungsprozess nicht durchlaufen und bei denen ein Ausschluss Dritter nicht möglich ist. So hat in Deutschland beispielsweise die regulatorisch erzwungene Einspeisevergütung für Solarstrom zu einer erhöhten Nachfrage nach Solarmodulen geführt. Daraufhin verknappte sich der Ausgangsrohstoff Silizium und wurde wertvoll im Sinn der Ressourcenmerkmale nach Barney (1991). Ebenfalls nehmen die Nachfrage und das Angebot auf Märkten Einfluss darauf, ob eine Ressource besteht oder nicht. Existieren spezifizierte Verfügungsrechte, so ist es wahrscheinlich, dass funktionierende Märkte entstehen, auf denen sich Marktpreise für Ressourcen bilden. Das beste Beispiel hierfür sind politisch gewollte Verbriefungen von Emissionsrechten, deren Handel an Emissionsbörsen stattfindet. Ohne ordnungspolitischen Eingriff und Definition entsprechender Verfügungsrechte würden Märkte, auf denen Emissionsrechte zu Ressourcen für die industrielle Produktion werden könnten, nicht existieren. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Zusammenspiel von technologischen und institutionellen Faktoren gemeinsam mit Konsumentenpräferenzen darüber bestimmt, ob ein bisher freies marktgehandeltes Inputgut zu einer Ressource wird. Trotz der getroffenen definitorischen Zuspitzung bleibt der Ressourcenbegriff innerhalb des ressourcenorientierten Ansatzes der Unternehmensführung in einigen Teilen letztlich noch unscharf.
3.3.2 Innovationen als Neuentdeckung von Ressourcenfunktionen Aus der Ressourcenperspektive betrachtet, bedeutet der Schumpeter’sche Wettbewerb um Innovationsrenten die Etablierung neuer verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile durch die Entdeckung neuer gewinnbringender Kombinationen
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aus Nutzleistungen von Ressourcen (Mahoney/Pandian 1992: 369). Schöpferische Zerstörung ist Ausfluss der Kontrolle über Verfügungsrechtevektoren von ressourcenbezogenen Nutzleistungen, die (als Residualrechte betrachtet) erlaubte Handlungsbeeinträchtigungen Dritter darstellen. Innovative Aktivitäten als externe Effekte stellen eine Reaktion auf veränderte Kosten-Nutzen-Relationen dar (Demsetz 1967: 350). Ursachen sind unvollständige Verträge und die Existenz von Transaktionskosten. Bedingung ist immer ein kreatives Momentum. Innovationen können in diesem Sinne als nicht vertraglich festgelegte Veränderung des Umfangs der Stärke von Verfügungsrechten Dritter an bekannten oder unbekannten Nutzleistungen von Ressourcen aufgefasst werden (Meyer 1983: 21). In Abkehr von der statischen Betrachtungsweise der Ressourcenausstattung von Unternehmen „…unknown and unused productive services immediately become of considerable importance…“ (Penrose 1995: 77). Die Erschließung ungenutzter und unbekannter Nutzleistungen von Ressourcen bietet die einzigartige Gelegenheit zu Wettbewerbsvorsprüngen (Mahoney/Pandian 1992: 366). Sanchez (2002: 525 f) geht in der Betrachtung unterschiedlicher Formen von Unternehmenskompetenzen indirekt von bekannten und gegebenen Nutzleistungen von Ressourcen aus, wenn er nach intrinsischen Ressourcenfunktionen fragt. Die Möglichkeiten des Kompetenzmanagements bei der Verwertung von Inputfaktoren sind dadurch ebenso beschränkt, wie die Entdeckung grundlegend neuer Ressourcenfunktionen ausgeschlossen bliebe. Foss (2008) zeigt, dass im Sinne der Österreichischen Schule dem Inhaber und Dritten nicht alle Möglichkeiten zur Nutzung von Ressourcen im Vorhinein bekannt sein können, sondern vielmehr als unternehmerische Möglichkeit entdeckt und erschlossen werden müssen. Das Entstehen von Ressourcen beruht somit auf einem wettbewerblichen Such- und Entdeckungsverfahren (Hayek 1976): Akteure suchen nach neuen Ressourcen (z.B. neue Werkstoffe mit neuen physikalischen Eigenschaften) und nach neuen Verwendungsmöglichkeiten für bestehende Ressourcen (z. B. bekannte Wirkstoffe in der Pharmaforschung, die für neue Krankheitsbilder und neue Patientengruppen anwendbar sind). Technologische, rechtliche oder durch die Marktteilnehmer z. B. mit neuen Organisationsformen selbst hervorgerufene Änderungen von Transaktionskosten der Definition und Verteidigung von Verfügungsrechten liefern den Anreiz zur Suche und Aufdeckung neuer potenzieller Nutzleistungen und deren Kombinationen, mit denen verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile besetzt werden können (Foss/Foss 2008: 192). Genauso wie Produkte in Märkten können auch Ressourcen der schöpferischen Zerstörung durch Innovationen unterworfen werden: technologische Durchbrüche können bisher wertvolle Ressourcen (z. B.
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Naturkautschuk, Expertenwissen) durch Substitution (z. B. Verfahren zur synthetischen Herstellung von Gummi auf Basis anderer Rohstoffe) entwerten. Institutionelle Veränderungen (z. B. neue Regeln für den offenen Netzzugang im Telekommunikations- oder Strombereich) können strategisch bedeutende Ressourcen (z. B. Ortsnetze der Telekommunikation, Überland-Hochspannungsleitungen) entwerten. Unternehmen, die ihre Ressourcenbasis nicht rechtzeitig an derartige Änderungen anpassen, laufen Gefahr, verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile zu verlieren, was den Niedergang von Unternehmen begründen kann. Sollte es für ein Unternehmen nicht möglich sein, einen ressourcenbasierten Wettbewerbsvorteil zu verteidigen, so empfiehlt Grant (1991) eine Strategie der kurzfristigen Ausbeutung dieses Vorteils (‚harvesting’), bevor Wettbewerber ihn imitieren bzw. substituieren können. Hinter der Suche nach neuen Kombinationen von Ressourcenfunktionen ist wiederum eine Abhängigkeit von Transaktionskosten verborgen. Im Prozess der Exploration von Ressourcenfunktionen beeinflussen die von den Innovatoren erwarteten Transaktionskosten die Aneignungsbedingungen durch die Definierbarkeit und den Absicherungsaufwand von Verfügungsrechtevektoren. Durch diesen Zusammenhang wird der Anreiz zur und die Intensität bei der Suche nach neuen Ressourcenfunktionen wesentlich bestimmt (Furubotn/Pejovich 1972: 1140; Foss/Foss 2008: 194). Diese Aussage unterstützt die These, die Verfügungsrechtetheorie als Theorie der Anreize aufzufassen (Schmidtchen 1999: 6). Verfügungsrechte liefern Anreize, Motivation und Kompetenz zu steigern und somit das Innovationsverhalten positiv zu beeinflussen. „Property rights are, of course, a motivating force.“ (Leibenstein 1983: 831). Die Abhängigkeit der Entdeckung und Bewertung neuer Ressourcenfunktionen von den erwarteten Transaktionskosten verengt die Auswahl der Ressourcenfunktionen, die für den Entdeckungsprozess in Frage kommen. Für den verbleibenden Bereich werden Innovationsmöglichkeiten einem Kompetenztest (Röpke 1987: 234) unterworfen. Heterogenität von Ressourcen ist somit auch das Ergebnis des Veredelungsprozesses von generischen Inputgütern durch mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und verschiedenen Kompetenzen ausgestatteten Individuen. Gleichzeitig wird durch Transaktionskosten ein gewisser Lenkungsmechanismus bzw. eine Co-Evolution in Gang gesetzt, mit dem es bei mit vergleichsweise niedrigen Transaktionskosten konfrontierten Ressourcenfunktionen zu verstärkten firmspezifischen Lernprozessen begleitet von einem umfassenden Wissensaufbau von Kompetenzen kommt. Im Zuge der Exploitation von Ressourcenfunktionen wird so eine Pfadabhängigkeit begründet, die als ursächlich für die Wahl des verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile zu be-
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trachten ist (Foss/Foss 2008: 193). Die erwarteten Vorteile aus dem Lernen über Ressourcenfunktionen müssen die relevanten Transaktionskosten des iterativen Prozesses der Auswahl und der Problemlösungskapazität einzelner Ressourcenfunktionen inklusive der Definition ihres Einsatzspektrums, der Produktivitätsmessung und Koordination übersteigen. Versuche der Fremdaneignung durch innovative Aktivitäten von Konkurrenten mobilisieren ein Sanktionspotenzial bei eigenen besetzten Wettbewerbsvorteilen. Es entsteht eine Anreizwirkung, durch Innovationen Absicherungskosten zu senken und Kosten der Fremdaneignung zu erhöhen. „[The] relative reduction in transactions costs depends, inter alia, on technical progress.“ (Furubotn/ Pejovich 1972: 1145). Die Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen ist gefährdet, wenn prohibitiv hohe Transaktionskosten die Absicherung der Rechte an Nutzleistungen von Ressourcen verhindern und die Summe notwendig gewordener Absicherungskosten den Nutzen aus dem durchgesetzten Besitz an Nutzrechten übersteigt. Das Ziel innovativer Bestrebungen liegt zusammengefasst in der Internalisierung von Externalitäten, die entweder in der exklusiven Aneignung selbst geschaffener Innovationsvorsprünge (Aneignung von Schumpeter-Renten) liegen oder die Transaktionskosten der Fremdaneignung von Verfügungsgewalten über Nutzleistungen bei Dritten prohibitiv erhöhen (Aneignung von Ricardo-Renten). Verfügungsrechte und Transaktionskosten sind immanent wichtige Antecedens für die Entdeckung neuer und anhaltende Durchsetzung bestehender verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile im Kontext des Ressourcen- und Kompetenzansatzes.
3.4
Determinanten des Ressourcenwerts
Im klassischen Ressourcen- und Kompetenzmanagement spiegelt sich der Wertbeitrag von Ressourcen und Kompetenzen im Besetzen verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile wider. Als Bedingungen für die Besetzung von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen gelten den Ressourcen zuzurechnende inhärente Merkmale (Barney 1991: 105f). Ähnlich zur klassischen Betrachtung ist in der hier vorgetragenen erweiterten Sicht die Bemessung des Wertes von Ressourcen und Kompetenzen bestimmbar über ihren Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Durchsetzungsstärke. “…property rights make resources valuable and as resources become more valuable, property rights become more precise.” (Mahoney/Pandian
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1992: 370). Bei Akzeptanz von Ressourcen als Bündel von Verfügungsrechtevektoren seiner Nutzleistungen wird der Wert einer Ressource aus den Wertbeiträgen der Verfügungsrechtevektoren abzüglich der Transferkosten für die Handelbarkeit der Ressourcen (auf Märkten oder unternehmensintern), der Kosten zur Absicherung vor Fremdaneignung sowie abzüglich des verbleibenden ‚residual loss’ trotz aller Absicherungsbemühungen bestimmt (Foss/Foss 2008: 195). Die Einbindung von Verfügungsrechten in das Ressourcen- und Kompetenzmanagement ermöglicht „…to move beyond potential value creation and to analyze … strategic management issues concerning realized value creation.“ (Kim/Mahoney 2002: 225). Das Thema des Wertes von Ressourcen wird in klassischen Ansätzen zum Ressourcen- und Kompetenzmanagement vernachlässigt. Dies erstaunt umso mehr, als dass das Erklärungsziel die aus verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen erzielbaren Renten sind. Eine Wertbetrachtung, die Entstehung und Höhe des Ressourcen- und Kompetenzwertes untersucht, fehlt gleichwohl. Dieser Mangel an Erklärungskraft kann über die Integration mit der Verfügungsrechtetheorie und mit Transaktionskostenüberlegungen reduziert werden. Enge Beziehungen bestehen zusätzlich sowohl zwischen Transaktionskosten und der Wertentstehung als auch zwischen Transaktionskosten und der Wertappropriierung (Foss/Foss 2005: 542 f). Die mit dem Austausch, dem Schutz und der Aneignung von Verfügungsrechten verbundenen Transaktionskosten beeinflussen in besonderer Weise die Appropriierung von Wettbewerbsvorteilen. Die Ausprägung der Transaktionskosten ist mitbestimmend über die Höhe der Wertschöpfung und der Aneignung von Gewinnen (Foss/Foss 2005: 542). Bei positiven Transaktionskosten zum Schutz vor Fremdaneignung verbleiben einige der potenziellen Nutzleistungen einer Ressource und somit deren Residualrenten zwangsläufig bei Drittparteien. Für den Ressourceninhaber sind diese verbliebenen Fremdaneignungsmöglichkeiten der unvermeidliche ‚residual loss’ trotz aller Schutzbemühungen gegen Fremdaneignung. In einer Welt unvollständiger Verträge und Verfügungsrechte sowie unvollständiger Information ist ein vollständiger Schutz gegen Fremdaneignung nicht möglich. In einer Welt mit positiven Transaktionskosten ist ein gewisses Maß an Verlust des potenziellen Ressourcenwertes durch den Kosteneinsatz bei Absicherung gegen Fremdaneignung nicht zu verhindern. Die Erhöhung des Absicherungseinsatzes senkt einerseits zwar den Abfluss von Ressourcenwerten durch Fremdaneignungsbestrebungen, erhöht aber gleichzeitig den Abfluss von Ressourcen durch die Aufwendungen der Absicherung. Andererseits erhöht das
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Absenken von Absicherungsaufwendungen den möglichen Abfluss von Ressourcenwerten durch Fremdaneignung seitens Dritter. Es lassen sich zwei Formen des Verlustes von Ressourcenwerten ableiten (Foss/Foss 2005: 546). Im Vergleich zu einer transaktionskostenfreien Welt mindern Absicherungs- und Fremdaneignungsaktivitäten in direkter Weise den Ressourcenwert, weil beide Aktivitäten nicht kostenfrei sind und Ressourcenwerte verzehren. Bereits in der klassischen Literatur zum ressourcenbasierten Ansatz (Dierickx/Cool 1989: 6) finden sich Hinweise, die eine derart beschriebene Wertminderung im Sinn einer Werterosion durch Fremdaneignungs- und Absicherungskosten beschreiben. Auf der anderen Seite eröffnen sich in einer Welt mit Transaktionskosten aber auch Handlungsoptionen, die eine Wertschöpfung und Werteaneignung ermöglichen (Foss/Foss 2005: 546). Der direkte Wertverlust kann durch Ausnutzen von Kostensenkungspotenzialen beim vermindert werden. Innovative technische oder organisatorische Lösungen könnten bei gegebenem Schutzniveau die Schutzkosten senken oder bei gegebenen Schutzkosten ein höheres Schutzniveau ermöglichen. Eine Überabsicherung kann vermieden werden, indem sich Absicherungskosten nach der geschätzten Höhe der Kosten für Fremdaneignung richten (Barzel 1994: 395 f). Eine grundsätzlich andere Strategie kann darin bestehen, mit Hilfe von technischen und institutionellen Innovationen die Fremdaneignungskosten für Dritte zu erhöhen. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Verschlüsselungssoftware und Digital Rights Management (DRM), um beispielsweise Musikstücke im Internet gegen illegales Kopieren und Verbreiten abzusichern. Diese Systeme erhöhen für Dritte die Kosten der Fremdaneignung, weil sie Aufwand bei der Umgehung des DRM-Systems verursachen.
3.5
Fallbeispiele der Ressourcenentdeckung und -bewertung
Carbon Capture and Storage ist ein neuartiges technisches Verfahren zur Bindung und Speicherung von CO2-Emissionen bei Kohlekraftwerken. Dieses Verfahren wird für die Stromversorger wirtschaftlich attraktiv, weil politisch definierte und durchgesetzte Emissionsrechte für CO2 den Betrieb von Kohlekraftwerken mit entsprechenden Emissionen verteuern. Die von den Stromversorgern für die unterirdische Einlagerung von abgesondertem CO2 an die einzelnen Bundesländer zu zahlenden Tarife bestimmen entscheidend über die Attraktivität des CCS-Verfahrens für die Stromversorger. Es zeigt sich an diesem Beispiel, wie technische Innovationen (CCS-Verfahren) im Zusammenspiel mit Neudefinitio-
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nen von Verfügungsrechten (Emissionsrechte, politisch festgelegte Gebühren für CO2-Einlagerung) dazu führen könnten, dass die Technik der Kohlekraftwerke für Stromversorger attraktiv bleibt und nachfolgend die Nachfrage der Stromversorger nach Kraftswerkskohle wieder steigen könnte. An dem Beispiel wird deutlich, wie der Wert der Ressource Kraftwerkskohle durch ein Zusammenspiel von technischen und institutionellen Innovationen gesteigert werden kann. Als weiteres Beispiel für die Ressourcenwerdung kann der Abbau von Ölschiefersand in Kanada dienen. Entscheidende Faktoren sind hier der Erdölpreis und das Auftreten neuer Verfahren zur Extraktion von Erdöl aus dem Ölschiefersand. Die deutsche Einspeiseregelung für Solarstrom in Stromnetzwerke hat die Anwendung der Solartechnik zur Stromerzeugung gefördert. Daraus resultierte eine stark gestiegene Nachfrage nach Anlagen zur Herstellung von Solarstrom, weil bei den gegebenen Einspeisevergütungen der Betrieb von Solaranlagen bislang zu unrentabel war. Als Folge davon ergaben sich erhebliche Verknappungstendenzen und Preissteigerungen bei Silizium als Rohstoff für Solarmodule. Damit verbunden, entstanden für die Solarmodulhersteller große Anreize für Innovationen zur Verbesserung des Wirkungsgrades der Solarmodule und zur Reduktion oder Substitution des für die Herstellung eines Solarmoduls benötigten Siliziums durch andere Rohstoffe und verbesserte technologische Wirkungsprinzipien. Die institutionelle Regelung (Stromeinspeisevergütung) hat in Verbindung mit technischen Innovationen nicht nur die Nachfrage nach Silizium insgesamt erhöht, sondern auch dessen Preis. Die Verfügung über den Rohstoff Silizium war für die Solarmodulhersteller zumindest bis zum Jahr 2008 eine strategisch bedeutende Ressource, auf die sich Wettbewerbsvorteile gründen ließen. Als analog in der Wirkung können gesetzliche Vorgaben zum Abfallrecycling (Quotenvorgabe, Strafzahlungen, Rücknahmepflichten für Hersteller) gelten, die in Verbindung mit innovativen Recyclingverfahren (die z. B. bis zu 95 % der Teile eines Automobils verwerten können) und stark steigenden Rohstoffpreisen (zumindest bis zum Jahr 2008) Altpapier und Stahlschrott zu wertvollen Ressourcen machten. Die obigen Beispiele zeigen, dass Ressourcen und ihr Wert durch ein Zusammenspiel von institutionellen Regelungen seitens des Staates, technischen Innovationen und Marktpreisen auf vor- und nachgelagerten Märkten definiert werden: Resources are not, they become. Für ein im Vergleich zum heutigen Stand der Forschung besseres Verständnis des Entstehens und Vergehens strategisch bedeutsamer Ressourcen, bedarf es einem tieferen Verständnis der CoEvolution von institutionellen Regeln, technischen Innovationen und Märkten zur Bildung von Ressourcen. Hier können eine Integration des Verfügungsrech-
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teansatzes und die Berücksichtung der Transaktionskostendimension wertvolle Einsichten und Erkenntnisfortschritte liefern.
4
Integrationsfähigkeit des Verfügungsrechteansatzes in das Ressourcen- und Kompetenzmanagement
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass um der Anspruchserfüllung des Ressourcen- und Kompetenzmanagements als einem gesamtheitlichen Ansatz im strategischen Management zu genügen, eine verstärkte Einbeziehung der Verfügungsrechtetheorie notwendig erscheint. Dieses Kapitel soll klären, in wie weit von Komplementaritäten der Ansätze gesprochen und ob eine Integration beider Ansätze methodologisch gesichert erfolgen kann.
4.1
Komplementaritätsaspekte
Methodologische Gemeinsamkeiten beider Ansätze werden von vielen Autoren betont. Mahoney und Pandian (1992: 370) gehen davon aus, dass „…not only are there substantive areas of overlap between organizational economics and the resource-based view of the firm but there are methodological similarities as well.” Konkret können Gemeinsamkeiten in der Unternehmensfunktion gefunden werden. Genau wie der ressourcenbasierte Ansatz besteht in der Verfügungsrechtetheorie die unternehmerische Funktion in der Kombination und damit produktiven Nutzung von Ressourcenfunktionen. Anreiz für die Bündelung individuell zurechenbarer Ressourcenfunktionen sind ökonomische Renten, die aus komplementären und co-spezialisierten Ressourcenfunktionen entstehen. Neben den Gemeinsamkeiten in der Wertschaffung durch Co-Spezialisierung von Ressourcen und Kompetenzen wird als weitere gemeinsame Voraussetzung zur Besetzung verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile die Kontrolle über Verfügungsrechte betrachtet (Kim/Mahoney 2002: 236). Der Prozess der Ressourcenakkumulation wird in beiden Ansätzen durch Pfadabhängigkeit gekennzeichnet angesehen. Im ressourcenbasierten Ansatz wird die Ressourcenakkumulation durch die Co-Evolution mit Kompetenzen gesteuert. Aus Sicht der Verfügungsrechtetheorie erfolgt die Ressourcenakkumulation gebunden an den bereits vorhandenen Verfügungsrechtevektor. Insgesamt sind Einsatz und Bündelung von Ressourcen(-funktionen) in beiden Ansätzen in Abhängigkeit von unternehmensspezifischen Bedingungen zu sehen. Die
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komplementäre Intention auf den Prozess des Ressourcenwerdens beider Ansätze lässt sich mit “…the more valuable the resources, the more incentives there are to make property rights of resources more precise and the more precisely delineated the property rights of resources, the more valuable resources become.“ (Kim/Mahoney 2002: 235) anschaulich wiedergeben. Während der Resource-based View die Entstehung der Heterogenität von Unternehmen über gegebene Ressourcenmerkmale hinaus nicht problematisiert, bieten die Elemente der Neuen Institutionenökonomik und insbesondere die Verfügungsrechtetheorie „…the theoretical underpinnings for the resource-based approach by analyzing the nature of market failure” (Mahoney/Pandian 1992: 370). In der Abbildung von Ressourcenfunktionen als Bündel von Verfügungsrechten ist Heterogenität das Ergebnis des Umgangs mit Transaktionskosten und spiegelt sich in der unternehmensspezifischen Bündelung von Ressourcenfunktionen wider. Eine wichtige Rolle kommt hierbei der Kompetenzverteilung im Unternehmen zu, von der die Auswahl der Innovationsmöglichkeiten und das Ressourcenwerden im Veredelungsprozess von Inputgütern abhängen. Unterschiede zwischen beiden Ansätzen lassen sich in der Diskussion von Unternehmensgrenzen finden, die aus dem ressourcenbasierten Ansatz nur unzureichend in einer Leistungsbreiten und -tiefengestaltung abgeleitet werden können, sich in komplementärer Weise in der Verfügungsrechtetheorie in der Ausübung von Kontrollrechten über den realisierten Ausschluss Dritter finden lassen. Friktionen des Marktes sind im Ressourcenansatz unvollständigen Faktormärkten, in der Verfügungsrechtetheorie unvollständigen Verträgen und opportunistischem Akteursverhalten geschuldet. Thematisiert werden Verteilungsaspekte allein im verfügungsrechtlichen Ansatz. Das Explanandum im Ressourcen- und Kompetenzmanagement sind potenzielle Erfolgsunterschiede im Wettbewerb, währenddessen im Zentrum des Verfügungsrechteansatzes realisierte Rückflüsse aus Wettbewerbsvorteilen stehen, die Rückschlüsse auf die Effizienz der jeweiligen Verfügungsrechtekonstellation erlauben.
4.2
Methodologische Integrierbarkeit
Im Fokus einer wissenschaftstheoretischen Analyse von Gemeinsamkeiten und Unterschieden stehen neben Betrachtungsebene und Analyseeinheit die Beurteilung des Effizienzbegriffs, das Erklärungsobjekt und die zugrundeliegenden Verhaltensannahmen.
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Betrachtungsebene im ressourcenbasierten Ansatz ist das Unternehmen, welches Penrose (1995) definiert als in einen administrativen Rahmen eingebundenes Ressourcenbündel. Das Unternehmen als Betrachtungsebene im ressourcenbasierten Ansatz lässt sich zunächst eindeutig von der methodologischen Grundposition der Verfügungsrechtetheorie abgrenzen. Foss (1996: 470) vertritt die Auffassung von Unternehmen als „efficient contractual entity“ und steht damit in direkter Tradition von Demsetz (1988: 154), der Unternehmen mit einem “nexus of contracts” beschreibt. Wenn von einer relationalen Natur von Verfügungsrechten ausgegangen werden kann, dann entsprechen Unternehmen in dieser Übersetzung einem aggregierten Vertragsnexus, der sich zumindest annähernd in individuell zurechenbare Verfügungsrechtevektoren über Innen- und Außenbeziehungen des Unternehmens auflösen lässt. Analyseeinheiten im Ressourcen- und Kompetenzmanagement sind Ressourcen. Im Verfügungsrechteansatz ist “…the unit of analysis […] the individual property right.” (Foss/Foss 2005: 543). Beide Ansätze scheinen sich auf den ersten Blick deutlich in ihren Analyseeinheiten zu unterscheiden. Dieser Unterschied der Analyseeinheiten entfällt, wenn in der Coase’schen Tradition Ressourcen und ihre Nutzleistungen als Bündel von Verfügungsrechten betrachtet werden. Eine Ressource entspricht dann einer „…aggregation of the unit of analysis (the individual property right).“ (Foss/Foss 2005: 543). Auf diese Weise, die der gesamten vorangegangenen Argumentation entspricht, wird eine einheitliche Betrachtung des Analyseobjektes beider Ansätze erreicht. Sowohl im originären ressourcenbasierten als auch im verfügungsrechtlichen Ansatz leitet sich der Effizienzbegriff aus einer komparativ-statischen Sichtweise ab. Eine Ausnahme bildet hier die dynamischen Charakter besitzende prozessorientierte Kompetenzbetrachtung. Explanandum im Ressourcen- und Kompetenzansatz sind Ressourcen als Ursache für verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile. Für die Verfügungsrechtetheorie kann unterstellt werden, dass “…the EPR agrees with the RBV position that resources matter for the analysis of competitive advantage.” (Foss/Foss 2005: 543). Ergänzend werden aus Sicht der Verfügungsrechtetheorie Effizenzund Anreizwirkungen aus der Konstellation der Verfügungsrechtevektoren abgeleitet. Die Verhaltensannahmen der Ressourcentheorie entsprechen einem Rationalverhalten der Akteure. In einer Kompetenzbetrachtung muss diese Aussage auf beschränkt rationales Verhalten ausgedehnt werden. Beschränkt rationales Verhalten wird auch der Verfügungsrechtetheorie zu Grunde gelegt.
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Wenn die Neue Institutionenökonomik mit ihren verschiedenen Ansätzen und geringen methodologischen Differenzen in der gängigen Lehrmeinung als integriertes Theoriegebäude bezeichnet wird, kann aus unserer Sicht von einer prinzipiellen Integrierbarkeit von Ressourcen- und Kompetenzmanagement mit der Verfügungsrechtetheorie ausgegangen werden. Nicht nur, dass sich durch eine Integration das Erklärungsziel des Ressourcenansatzes theoretisch begründet darstellen lässt, es lassen sich Konvergenzen in den wesentlichen methodologischen Dimensionen beider Theorieansätze finden. Für die Sinnhaftigkeit einer Integration spricht weiterhin die Vielzahl an neuen Einsichten, wenn das Ressourcen- und Kompetenzmanagement in ein realitätsnahes Umfeld gerückt wird, in dem Innovationen stattfinden und von unvollständigen Verträgen mit individuell nutzenmaximierenden Akteuren ausgegangen werden kann.
5
Schlussfolgerungen und Ausblick
Das Ressourcen- und Kompetenzmanagement erhebt zu Recht den Anspruch, zu einem eigenständigen Schlüsselparadigma des strategischen Managements zu werden. Im Kern wird der Zugang zu den wesentlichen Fragen einer Theorie der Firma eröffnet. Die Einbeziehung von Verfügungsrechten kann unter Einbeziehung der Transaktionskostendimension eine ressourcenbasierte Theorie der Unternehmung vervollständigen und für Kernfragen des strategischen Managements ein umfassenderes Erklärungsbild ermöglichen. Das Entstehen von ressourcenbasierten verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen kann nicht nur erklärt werden mit unvollkommenen Faktormärkten und „Glück“ der Unternehmensleitung bei der Beschaffung von Inputfaktoren vom Markt. Vielmehr bieten (i) die strategische Auf- oder Entwertung von Ressourcen durch technische Innovationen, (ii) die Innovationskompetenz einzelner Akteure, mit der nach neuen Verwendungsmöglichkeiten für bekannte Ressourcenfunktionen und/oder nach neuen Ressourcenfunktionen gesucht wird, (iii) institutionelle Regeln, mit denen unter Veränderung von Verfügungsrechtestrukturen Märkte für Ressourcen geschaffen bzw. neuartige Verteidigungsmöglichkeiten für Wettbewerbsvorteile eröffnet werden und (iv) gesenkte Transaktionskosten der Ressourcennutzung und Absicherung gegen Fremdaneignung alternative Erklärungsmöglichkeiten für das Entstehen von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen. Die Heterogenität von Unternehmen steht also in einer multifaktoriellen Abhängigkeit, die über die in der klassischen Literatur zum ressourcenbasierten Ansatz diskutierten Beziehungen hinausgeht.
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Eine Erklärung des Fortbestehens von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen ist nicht nur auf Ressourcenmerkmale, sondern insbesondere auch auf die Verfügungsrechte an der Ressource und den Ressourcennutzungsmöglichkeiten zurückzuführen. Hohe Transaktionskosten können für Dritte Barrieren bei der Imitation und Substitution ressourcenbasierter Wettbewerbsvorteile errichten. Das Schwinden von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen kann nicht nur mit der Veränderung der Ressourcenmerkmale erklärt werden. Alternative Erklärungen stellen auf schöpferische Zerstörung dieser Wettbewerbsvorteile durch technische Innovation oder institutionelle Reformen bzw. durch Bedarfsverschiebungen auf Ressourcenmärkten ab. Auf dem Weg zu einem Schlüsselparadigma muss das Ressourcen- und Kompetenzmanagement die Forderung erfüllen, Begründungen für das Erreichen potenziell erzielbarer Wettbewerbsvorteile nicht allein aus den strukturellen Kriterien der Ressourcenmerkmale abzuleiten. Als paradigmatisch gleichwertig müssen prozessorientierte Erklärungsbeiträge der Realisierung eines verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorsprungs enthalten sein. Indem “…the EPR refines the RBV understanding of resources, and how they create and appropriate value.” (Foss/Foss 2005: 543), wird dieser Forderung nachgekommen. Die Verfügungsrechtetheorie erweitert die Aussage- und Erklärungskraft des Ressourcen- und Kompetenzmanagements über das Erzielen potenzieller verteidigungsfähiger Wettbewerbsvorteile hinaus auf die für das strategische Management zentrale Erklärung der vielfältigen Ursachen für die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen. Gleichzeitig erfährt der Ressourcenbegriff weitere Spezifikationen. Ressourcen sind nicht mehr nur als Bestandsgrößen (‚stock’) zu betrachten. Die Bündel der (als unvollständig bekannt anzunehmenden) Nutzleistungen von Ressourcen sind in einer funktionalen Beziehung abhängig von der Art der Nutzung (Penrose 1995: 25) und nähern sich damit mehr Flussgrößen (‚flows’) an. Mit Betonung des Ressourcenverständnisses als Abbildung eines Verfügungsrechtevektors seiner Bündel von Nutzleistungen fügt die Verfügungsrechtetheorie der Unternehmens- und Ressourcenheterogenität als Explanans des Ressourcenansatzes eine zusätzliche Dimension hinzu (Foss/Foss 2005: 549). Darüber hinaus trägt die Verfügungsrechtetheorie dazu bei, die Existenz von Marktunvollkommenheiten zu erklären, auf deren Basis überdurchschnittliche Gewinne erzielt werden können. Dem Paradigma der Ressourcentheorie folgend, müssen Ressourcen allein den VRIN-Bedingungen (Barney 1991) genügen, um verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile zu erzeugen. Die Entdeckung der notwendigen Ressourcenkombinationen, deren Durchsetzung und anhaltende Verteidigung erfolgt vollständig und kostenfrei. In Synthese mit der Verfügungs-
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rechtetheorie werden die realisierenden Prozesse der Entstehung, der Durchsetzung, Verteidigung und den Schwindens von verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen auf eine theoretisch konsistente Basis gestellt. Die von Freiling (2001: 77 f.) vorgenommene Positionierung des Ressourcen- und Kompetenzmanagements als marktprozesstheoretischer Ansatz wird mit der in diesem Aufsatz vertretenen Argumentation unterstützt. Fluktuationen in der Heterogenität von Unternehmen und Ressourcen werden erklärbar durch innovative Aktivitäten. “Because it is the source of new value creation, opportunity discovery seems central to strategic management. … the RBV, has still to find room for opportunity discovery in its theoretical edifice.” (Foss/Foss 2008: 202). In diesem Aufsatz nur tangiert, bedarf die Kompetenz eines Unternehmens Neues zu schaffen unter Einbeziehung der Verfügungsrechte- und Transaktionskostentheorie weitergehender Spezifizierungen. Die Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen ist neben den inhärenten Eigenschaften der Ressource selbst eine Funktion der Exklusivität von Verfügungsrechtebündeln und der Innovationskompetenz. Zwei Wirkungszusammenhänge sind zu beachten. Zum einen können Innovationen aus bisher unbekannten oder ungenutzten Nutzleistungen von Ressourcen neue verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile hervorbringen. “Worthless things become scarce resources as soon as somebody discovers that they could be converted into marketable goods.” (Pejovich 1983: 41). Damit ist zwingend auch eine Neubewertung von Verfügungsrechtebündeln verbunden, die Anreize für eine Reallokation bei der Ressourcenexploitation und -akquisition setzt. Wird andererseits eine für die Verteidigungsfähigkeit von Wettbewerbsvorteilen notwendige Nutzleistung einer Ressource knapp, steigert sich der Wert des gegebenen Verfügungsrechtebündels. Knappheitspreise und Wertsteigerung bieten Anreize zu Innovationen, die entweder ein effizienteres Verfahren der Nutzung der bestehenden Nutzleistung zum Ziel haben oder die Ressourcenfunktion an sich mit einer neuen Nutzleistung aus anderen Ressourcen erfüllen. Im letzteren Fall der Substitution der Funktion folgt auf die Innovation eine Neubewertung der Verfügungsrechte über die substitutive Nutzleistung. Die Verfügungsrechtetheorie verspricht, ein intermediäres Element in der Vereinheitlichung des strategischen Managements, insbesondere für den Kontext des Ressourcen- und Kompetenzmanagements zu sein. Für weitere Forschungsarbeiten bietet die „...intersection of the economics of property rights (EPR) and the resource-based view (RBV), an emerging theoretical lens in strategic management research.” (Foss/Foss 2008: 192). Zukünftig weiter zu bearbeitende Fragen schließen z.B. an das von Penrose (1995) vorgeschlagene Konzept der
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‚Limits to Growth’ an. Ansatzpunkte bietet hier die Innovationskompetenz zur Entdeckung neuer und zur Absicherung von bestehenden verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen.
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The Evolution of XML: Ambiguity in Standards Scope
1
Introduction .......................................................................................... 557
2
Technology & Institutions.................................................................... 559
3
Standards Scope and Openness ............................................................ 565
4
Value Capture....................................................................................... 573
5
Conclusions .......................................................................................... 578
References ....................................................................................................... 580
556
André P. Slowak
Abstract Research previously conducted gives insights into the trade-off between open and closed standards, particularly value creation vs. value capture. It also discusses the relationship between strong standards and product variety. Nonetheless, research has not yet addressed the many facets of standards scope from an economic perspective. Our paper fills that gap with a study on the relationship between standards scope, openness, the use / business case and value capture. Our study on XML argues that technology and institutions co-evolve. Furthermore, the early growth of the Internet and the diffusion of XML were driven by governmental initiatives and public research institutions. Our study provides new insights on standards scope given a variety of standard-setting communities, projects and limited opportunities for formal appropriation of XML technology. The term ‘open’ varies with respect to industry and technical application domains.
.
The Evolution of XML
1
557
Introduction ‘The growth in the broadcasting, computer, electronics, telecommunication, video and audio recording, and related industries in the twentieth century has increased the importance of physical routines such as the definition of technical standards and the importance of social routines such as those of standard setting institutions’ (Funk, 2009, p. 76).
Freiling and colleagues (2008) suggest that competence-based theory has its foundations in the core competencies of debate, dynamic capabilities,1 knowledge-based approaches2 and competence-based strategic management.3 There are also fruitful insights from a more economics / Austrian Economics perspective on competence (cf. Foss and Robertson, 2000). Nonetheless, there is little research on those competencies not related to the traditional functions of the firm. Such processes, for instance, are leveraging of user communities & open innovation, or standard-setting routines. Our study helps to fill that gap by a concept of standards scope. This refers to the practices of standard-setting institutions, namely the network of Internet institutions and XML-related industry consortia. We show how standards design to some extent determines the application scope of a standard. The bundle of specifications s0...n and application domains d0...m represents the scope of a standard. It is a dynamic capability to find and adjust the appropriate scope through collaboration between incumbent firms. Within this paper, standard-setting is defined as processes & institutions, organisations and agreements which pursue the establishment of a new dominant design based on new technology.4 By conducting a conceptual study on value creation and value capture from standards, this paper also contributes to the debate on exploration vs. exploitation activities (cf. March, 1991; Li and colleagues, 2008). We argue that technology is best exploited if the development of products and standards specification is supported by strong institutions. More precisely, such development builds on a co-evolution of technology and standard-setting institutions. In the case of XML, adoption of technology is driven by user integration (via industry groups in standard-setting communities), network effects and the market power of big implementers. Network effects unfold because XML is used in various Internet applications / Internet-based software plat-
1 2 3 4
Cf. Menon, 2008; Teece, 2007, 2009. Cf. Grant, 1996. Cf. Sanchez and colleagues, 1996; Sanchez, 1996. For a basic model of the standard setting process (technology, specification, adoption and use) cf. West (2007, p. 95 Table 3.2 and Figure 3.2 ).
558
André P. Slowak
forms.5 If the Internet functions as the backbone of XML standards derivates, then few big institutions make the direction of technological change. Individual developers, user-driven communities and open source projects only influence standards shape in the moment of time. Also note that common infrastructure technology within an industry calls for semi-open technology: ‘Internet policy in particular calls for the federal government and standard-setting bodies to play an important role in supporting and coordinating the development of the common information technology standards that would not be developed by any proprietary firm ... even with intellectual property protection, these standards are appropriately treated as a commons because they are not likely to be developed or maintained by a proprietary firm. But if the Internet’s entire software infrastructure, including rival applications, is treated as a commons, individual firms will not invest in developing and extending its potential.’ (Weiser, 2003, p. 613).
Standard-setting for infrastructure-dependent technology is presented with an ambiguous relationship between openness and temporary monopoly / ownership. XML as a meta-standard for data exchange needs to be supported by a large number of firms. Otherwise it would not be used in daily business as it could not compete with established standards such as Electronic Data Interchange (EDI). Opposite to closed standards, fully open standards provide no incentives for competitors to go against them. The structure of this paper is as follows. Section two briefly outlines the history of XML, and historically grown Internet infrastructure. It introduces the argument of co-evolution between technology (technical standards) and institutions (standard-setting communities). Then, section three defines dimensions of standards scope. It also discusses the many dimensions of ‘open’. The concept of value capture is applied and discussed in section four. We also provide three industry examples – from industrial automation, office suites software and financial services. Section five concludes this study.
5
‘On the Internet, the addition of a user potentially (i) adds to the information that all others can reach; (ii) adds to the goods available for sale on the Internet; (iii) adds one more customer for ecommerce sellers; (iv) adds to the collection of people who can send and receive e-mail or otherwise interact through the Internet’ (Economides, 2007, p. 11f). Buxmann and colleagues (2005) find that EDI and XML compete for markets of electronic business data exchange. Furthermore, users are locked into EDI as dominant design; network effects determine the success or failure of XML.
The Evolution of XML
2
559
Technology & Institutions
Originally, Mark-up Language (ML) was an abstract concept developed by IBM researcher Charles Goldfarb with Edward Mosher and Raymond Lorie in the early 1980s. ML was the result of an IBM project in 1969. In the 1980s, the ARPANET was split into MILNET (military use) and ARPANET (later evolving into the TCP/IP-based Ethernet). In 1986 the Internet Engineering Task Force was established and in 1992 the Internet Society was chartered. The Britannica Online Encyclopaedia defines Extensible Markup Language (XML) as follows: ‘A document formatting language used for some World Wide Web pages. XML began to be developed in the 1990s because HTML (hypertext mark-up language), the basic format for Web pages, does not allow the definition of new text elements; that is, it is not extensible’ (http://www.britannica. com/).
We will see that this definition narrows the case of XML to the activities of the World Wide Web Consortium. There are several application fields handling extensive volumes and quality of data which could profit from an innovative and strict but flexible mark-up language. One of the most prominent business cases for XML is former EDI applications. ‘The model underpinning EDI is the translation of paper-based documents into electronic messages that may be exchanged between computer systems … XML includes the use of schemas which can be centrally held in a trading community and define as metadata the acceptable values of message elements so that XML messages can be validated.’ (Graham and colleagues, 2003, p. 1).
Charles Goldfarb and his team came up with the idea that documents should be marked up with structural tags.6 Standard Generalized Mark-up Language (SGML) then emerged from that idea within the umbrella of the American National Standards Institute (ANSI).7 The core idea behind SGML is as follows: content should be specified separately from presentation. Whereas the mark-up defines different types of content within a document, the user specifies how it will be represented through the web browser. This specification by the user must not be included in the document itself. SGML became an ISO de jure standard (ISO 8879) in 1986. It is labelled ‘Information processing – Text and office systems – Standard Generalized Markup Language (SGML)’. Corrections were 6 7
For the detail see http://xml.coverpages.org/sgmlhist0.html, OASIS: Cover Pages, SGML Users’ Group History. Also see http://www.sgmlsource.com/history/sgmlhist.htm, Charles F. Goldfarb's SGML SOURCE HOME PAGES, GML Users' Group: A Brief History of the Development of SGML, Jun 11, 1990.
560
André P. Slowak
made in 1996 and 1999, and one amendment in 1988 (see http://www.iso.org/ iso/catalogue_detail.htm? csnumber=16387, ISO Standards: 8879). Both Hypertext Mark-up Language (HTML) and Extensible Mark-up Language (XML) build on Goldfarb’s mark-up concept. For a comprehensive historic-technical overview on XML applied to the Internet domain, see Hranitzky (2000). As noted earlier, an XML file set is divided into mark-up tags for representation and contents & data. The meaning of mark-up tags is stored in a separate file, the so-called Document Type Definition (DTD). Today, there are several DTDs tailored to the different industries’ use cases. Major contributors to the development of DTD within the W3C were Jon Bosak (Sun Microsystems), Tim Bray (Textuality), Dan Connolly (W3C), Eve Maler (Sun Microsystems), Gavin Nicol (Inso), Michael Sperberg-McQueen (W3C), Lauren Wood (SoftQuad) and James Clark (see http://www.w3.org/XML/1998/06/xmlspec-report.htm, Guide to the W3C XML Specification). The Extensible Stylesheet Language (XSL) specification 1.0 was released by the W3C in 2001, a draft having been published in 1999 (see http://www.w3.org/XML/2009/02/xsl-charter.html, W3C: XSL Working Group, and http://www.dpawson.co.uk/xsl/sect1/history.html, XSL History). An XML document / set of files consists of generic information (meta-information such as character set, relation between the files, etc.), a definition of tags and document structure, marked content, unmarked content / raw data and sometimes information about preferred representation such as XSL. XML is also used as technology within Internet-based platform software such as Sun Microsystems’ Java and Microsoft’s Active Server Pages and .NET. We actually see a standards competition between browser-based web applications (e.g. Google Docs) & Open Source Web 2.0 applications, Java and .NET-related extensions. Figure 1 illustrates how XML was commercialised within the context of the Internet but also how it evolved from a research project to a generic standard / a variety of potential industry standard. Their application goes beyond the information and telecommunications industry.
Abbildung 1: XML Institutional History
1969
GML (research project)
De jure standardisation
1983
SGML (GCA 1011983, ANSI) 1986
SGML (ISO)
De jure s.
1998
Industry standards
Internetbased platforms (IT industry)
Use case development
joint projects, consortia of users
SGML conf. in 1996
De facto standardisation and Institution building
1993
(OASIS)
1995
1994 (SGML Open)
HTML (W3C/ IETF)
(W3C)
WWW
The Evolution of XML 561
562
André P. Slowak
The success of XML is not merely owed to technology; the concept became diffuse owing to strong institutions which were created along the way. Two organisations in particular advanced the ML concept and turned it into sound standards, the World Wide Web Consortium (W3C) and the Organization for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS). The case shows how technology (the concept of ML), standards and institutions co-evolve. We define institutions as suggested by Murmann (2003). Institutions are ‘actions, rules, social structures, and practices that persist over time and are features of social aggregates that are larger than a single organization’ (Murmann, 2003, p. 19). In the case of XML they are particularly standard-setting communities but also public US and European research organisations (NSF, CERN) and DAPRA which developed the early Internet. The World Wide Web Consortium was established by the MIT/LCS in cooperation with CERN, DARPA and the European Commission in 1994.8 HTML, which today is the backbone of the Internet mark-up, was specified by the HTML Working Group of the IETF in November 1995.9 The Internet Engineering Task Force / Internet Engineering Steering Group are chartered by the Internet Society. The Internet Society is a standard-setting community with regional chapters worldwide; it shapes future Internet infrastructure standards. The mission of W3C and the Internet Society may, however, be in competition: ‘W3C's mission is: To lead the World Wide Web to its full potential by developing protocols and guidelines that ensure long-term growth for the Web. ... By publishing open (non-proprietary) standards for Web languages and protocols, W3C seeks to avoid market fragmentation and thus Web fragmentation’ (http://www.w3.org/Consortium/About the World Wide Web Consortium).
Recently, the W3C totalled 355 organisational members (as to 2 Aug 2009, http://www.w3.org/Consortium/Member/List) whereas the Internet Society lists 90 organisational members in its 2007 report (Internet Society, 2007, p. 16). P. Banerjee of HP Labs states as follows: ‘The Internet Society is an important industry forum to provide leadership for the Internet evolution … [also for] geographies that are just beginning to benefit from ubiquitous network communications’(Internet Society, 2007, p. 16). The Organization for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS) seeks to be the global standard-setting authority for XML: ‘We (OASIS) have the critical mass to insure standards developed within OASIS will be adopted by industries around the world’ (http://www.oasis-open.org/news/ 8 9
Also see http://www.w3.org/History.html, W3C: A Little History of the World Wide Web. Also see http://www.w3.org/MarkUp/html-spec/, W3C: HTML 2.0 Materials.
The Evolution of XML
563
oasis_news_10_03_00.php, New OASIS Process Supports XML Industry Standards Development). Furthermore, like several other standard-setting communities for the Internet the organisation promotes ‘open’10 standard development processes. OASIS members are organised in different topic sections; each section bundles a small number of interrelated standardisation projects. W3C members are organised in working groups or in special interest groups. The working groups are each responsible for the development of particular standards (called ‘W3C recommendations’). Kim (2005) describes in detail how the rise of the Internet / Ethernet took place through academic network building and inter-country competition for technological leadership in converging information and telecommunication technologies. Between 1983 and 1988 the Internet was established at the National Science Foundation (NSF) research community (NSFNET). In 1984 the Defense Advanced Research Projects Agency (DAPRA) created domain and suffix names such as .mil, .gov and .com. In 1983, a number of task forces were created by the American government. Their mission was to coordinate the further development of the Internet in times of explosive growth of the network. From these task forces the Internet Engineering Task Force emerged in 1986. Several institutions were involved in commercialising the Internet. For instance, the Department of Commerce, the National Institute of Standards and Technology, the Environmental Protection Agency and the National Institute of Health (cf. Kim, 2005, pp. 93-97). The timeline of XML standards development suggests that the ML concept, the Internet and institutions for the advancement of mark-up language coevolved. ‘Two evolving populations co-evolve if and only if they both have a significant causal impact on each other’s ability to persist. ... What is central about a coevolutionary process ... is the bidirectional causality linking the two parties in the relationship’ (Murmann, 2003, p. 22f).
However, XML derivates do not necessarily relate to each other; they thus do not meet the terminology of Murmannian co-evolution. Nonetheless, the more they refer to the same kind of use cases (e.g. Internet applications / web pages), the more their design is similar and agents behind standardisation overlap. The case 10
‘Without a legally accountable, open development process, XML standards are likely to be established by, and engineered to benefit, just a few large corporate players, locking out small- to medium-size enterprises. By establishing a framework for the open development of XML standards, OASIS puts the present and future control over such standards firmly in the hands of those who will use them.’ (http://www.oasis-open.org/news/oasis_news_10_03_00.php, New OASIS Process Supports XML Industry Standards Development).
564
André P. Slowak
of XML exemplifies how a national de jure standard (here SGML by ANSI) is diffused throughout world markets and then transformed into various standards derivates. The concept of XML inter alia has become a success through its coordinated backing by industry, policymakers and academia. SGML conferences have created a loosely coupled knowledge network of XML-developing consortia and firms. Industrial history also indicates that social structures and institutions play an important role in the support and design of emerging standards. Murmann (2003, pp. 63-73) argues that firms require a variety of supporting organisations. Those he lists are professional organisations, trade organisations, academia, the state, and knowledge networks. Despite evolution and co-evolution we may also distinguish the mechanisms by which standards are designed – integrated versus modular problem-solving. ‘There was a slow move towards modular problems in the second half of the twentieth century that accelerated in the 1970s and 1980s as firms and governments began to realize that service providers did not need to be responsible for defining all the specifications in a telephone system’ (Funk, 2009, p. 78, 81, with reference to Fransman, 2002).
Modular problem-solving and open standard development in the United States (AMPS standard) and in Scandinavian countries (NMT standard) led to successful global standards. Conversely, the early period of mobile Internet needs an integrated problem-solving mechanism. ‘There are multiple interfaces in the mobile Internet where each interface involves a different application and the importance of an application must be recognized before a standard can be set for the application’ (Funk, 2009, p. 87).
Note that problem-solving takes place within institutions. Agents need to be ready to specify the right technology at the right moment. ‘The potential (readiness for action) at one point in time is the basis for a specific action. This action, which is also based on intention and expectation, can also yield new insights, for example via customer feedback in the market process. In this way, the potential at the next point in time will be modified so that the readiness for action later on will change: time matters. ... preparing the employees for specific action in contextual value-added activities is significantly different from the more or less anonymous “arm’s-length” context of markets’ (Freiling and colleagues, 2008, pp. 1151 and 1159).
But what about the industry for electronic business data exchange and mark-up language as regards XML? The XML standard-setting processes can be described as modularised between industry (such as OASIS) and dominant institutions for Internet standardisation (particularly W3C and Internet Society). Fast adoption of a standard requires that standard-setting processes anticipate the use case, level of competitive rivalry and status hierarchies in relevant prod-
The Evolution of XML
565
uct markets. Thus ‘standards scope’ and ‘openness’ will be discussed in the next section. Openness can be forced if competitive rivalry is intense and users prefer open technologies. Users' needs have to be anticipated so that there is a functional equivalence between standards design, the consumers’ use case and application domains.
3
Standards Scope and Openness
Standards releases and standards vintages optimally fill a canopy so that a variety of products is created from their embodiment. We can define standards scope as an array of characteristics – standards deptht0...i, standards breadthti, standards life timet0...j in products, product relatedness, and standards specificityb0...k. Depth at [t0...ti] describes the number of standards releases from the first finalised specification to the latest. Breadth represents the number of variants within a family of specifications at time ti. Standards lifetime expresses the time span where the pool of available, finalised specifications is implemented in new products. Standards specificity describes the number and market volume of businesses b0...k for which the standard is designed. Considering standards specificity also includes reflecting on potential technological competition between businesses and industries. Such competition may be owed to converging standards. For instance, high technology may challenge unit costs and component standards in lower-technology industries (cf. Gerybadze and Slowak, 2008). It would therefore be wise to address and to defend only narrow fields by tailored standards and to adapt related high technology. In the case of industrial automation, standard-setting communities had to defend their field bus design against Internet-related high technology such as TCP/IP and Wireless LAN. A narrow rather than a broad definition of target segments and thus a more specific standard design is easier to control by the standard-setting community whereas a more generic standard has the potential to accelerate diffusion rates via multi-use strategy / implementation in different application domains. Note, however, that at some point such a generic standard becomes meaningless owing to arbitrary interpretation in implementation. As regards the World Wide Web Consortium (W3C), XML has ten design goals. The following goals shed light on how the term ‘open’ is perceived: ‘XML shall support a wide variety of applications’ (http://www.w3.org/ TR/xml/, Extensible Markup Language 1.0: Fifth Edition, W3C Recommenda-
566
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tion 26 Nov, 2008). This statement stresses that XML is a standard with multiple use cases, not tailored to one industry or business only. ‘It shall be easy to write programs which process XML documents’ (http://www.w3.org/ TR/xml/, Extensible Markup Language 1.0: Fifth Edition). XML is not a technology which promotes complexity and thus does not promote concealment of software’s competitive advantage in complicated, diffuse source codes. ‘The number of optional features in XML is to be kept to the absolute minimum, ideally zero’ (http://www.w3.org/ TR/xml/, Extensible Markup Language 1.0: Fifth Edition). The statement expresses the danger of modifying or enriching the basic concept. As XML is a meta-standard, a kind of language for exchanging all kinds of data, ambiguous meanings of tags in the document would make tags useless without additional knowledge of the non-standard-conform coding. ‘XML documents should be human-legible and reasonably clear’ (http://www.w3.org/ TR/xml/, Extensible Markup Language 1.0: Fifth Edition). XML is readable and thus open to each user along an information chain. It cannot be protected by secrecy. And, ‘The design of XML shall be formal and concise’ (http://www.w3.org/ TR/xml/, Extensible Markup Language 1.0: Fifth Edition). The standard creates value from a strict set of coding rules, not from features. Economically speaking, it defines how documents become interoperable so that data can be exchanged with a clarified meaning attached. The above statements illustrate that standards design and openness have to be seen in the context of use case. Concerning ‘open’ standards, literature distinguishes between free (in terms of free beer), fully open in terms of open source, semi-open, sponsored but open, dressed-up, contested but claimed to be open, and closed standards. We suggest that openness is best described by four dimensions: Fair process (F); Open access (A); Freedom to participate (P); and Freedom to operate (O). Tables 1 and 2 summarise the various aspects of openness as well as stakeholders. The three dimensions are complemented by claims to ensure diffusion and worldwide support (D). To exemplify this point, two examples – One world and Ongoing support – are included in the table. The tables below demonstrate that ‘fairness’ is generally perceived as the ability to fully participate in standard-setting activities being equal partners. ‘Fairness’ may also cover ‘freedom to operate’ for complementors; and ‘freedom to operate’ for those firms which develop derived works. ‘Open access’ refers to standards documents for testing and implementation. ‘Freedom to participate’ thus seems to be an issue among criteria of ‘fairness’. Finally, the ‘freedom to
The Evolution of XML
567
operate’ is determined by intellectual property terms but also free consumer choice between the different vendors. F
Due, fair and clear process
F
No favour of one agent
F
Open change
F
Open Interface
A
Open, accessible documents
A
Open Access
‘Balloting and an appeals process may be used to find resolution.’ (Krechmer, 2005). Closed vs. open vs. needlessly bureaucratic process (Updegrove, 2005b). Clear process fairness with the mission to be vendorneutral, e.g. OpenGroup-workstations-standard (West, 2007). No favour of one agent over another, particular not one implementer over another. (Perens, no date; Open Source Initiative, 2010). No membership requirements (West, 2007). All changes are presented and agreed in a forum supporting the following requirements: Open Meeting, Consensus, Due Process, Open IPR, and One World. (Krechmer, 2005). ‘Each interface is not hidden or controlled; each interface of the implementation supports migration.’ (Krechmer, 2005). Drafts and completed standard documents are easily available for all to read, for implementation and use. (Krechmer, 2005; Perens, no date). ‘The program must include source code, and must allow distribution in source code as well as compiled form. … Deliberately obfuscated source code is not allowed. Intermediate forms such as the output of a preprocessor or translator are not allowed.’ (Open Source Initiative, 2010). ‘Objective conformance mechanisms for implementation testing and user evaluation.’ (Krechmer, 2005).
Tabelle 1: The Many Facets of Openness Own synthesis from Krechmer (2005), Open Source Initiative (2010) and Perens (no date), Updegrove (2005b) and West (2007).
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P
Open Meeting
P
Open discussion
P
Achieve Trust by Openness
O
Open IPR / low or no royalties
O
No Discrimination
O
Ability to create Extension or Subset
O
Free and fair Redistribution
O
Ability to prevent Predatory Practices
O
Maximise End-User Choice
O O
Enduring Competition (Consumer Choice) Independence from Other Standards
D
One World
D
On-going Support
‘All [interested parties] may participate in the standard development process.’ (Krechmer, 2005) ‘All interests are discussed and agreement found, no domination.’ (Krechmer, 2005). ‘Anyone can have an equal say in a process.’ (Updegrove, 2005b). A standard which is generally useful to all stakeholders, equally valuable to all, durable, and used by all on equal terms. (Updegrove, 2005b) Holders of relevant IPR should make provide it free of charge (Perens, no date; Updegrove, 2005b) or under RAND terms (Krechmer, 2005). No Discrimination Against Fields of Endeavour, Distribution of Licence with all previous rights attached. (Perens, no date; Open Source Initiative, 2010) Implementations may be modified (extended or offered in subset form). (Perens, no date) ‘The license shall not restrict any party from selling or giving away the software as a component of an aggregate software distribution containing programs from several different sources. The license shall not require a royalty or other fee for such sale.’ (Open Source Initiative, 2010) ‘The license must allow modifications and derived works, and must allow them to be distributed under the same terms as the license of the original software.’ (Open Source Initiative, 2010) Licenses and reference information attached to a standard allow for its extension. (Krechmer, 2005; Perens, no date). The standard does not lock the customer into a particular vendor or group. (Perens, no date). Multiple (system) vendors, e.g. Wintel, GSM. (West, 2007) License Must Not Be Specific to a Product, License Must Not Restrict Other Software (Open Source Initiative, 2010) ‘Same standard for the same capability, worldwide.’ (Krechmer, 2005) ‘Standards are supported until user interest ceases rather than when implementer interest declines.’ (Krechmer, 2005).
Tabelle 2: The Many Facets of Openness (continued) Own synthesis from Krechmer (2005), Open Source Initiative (2010) and Perens (no date), Updegrove (2005b) and West (2007).
The Evolution of XML
569
Referring to Gerybadze and Slowak (2008), we can describe ‘open’ as a continuum between ‘closed’ – ‘semi-open’ – ‘open’. Semi-open innovation processes are characterised as follows: Businesses and technical domains which are broken down into different activity domains where particular activities are open to a broad circle of members. Other activities are only accessible to few members – the ‘core’ (cf. Gerybadze and Slowak, 2008, p. 56 Table 3.1). XML technical standards are implemented in various application domains. In IT industries, XML is often embedded in open standards such as in HTML (XHTML) whereas traditional industries it is more often related to projects of user groups or strategic projects of standard-setting communities (e.g. Electronic Device Description Language – EDDL, or Open Diagnostic Data eXchange ODX). The scope of standards design of XML ranges from standards for specific business segments such as GS1 (wholesale and logistics) to cross-industry standards such as Statistical Data and Metadata eXchange. Furthermore, we find a variety of industry standards such as W3C standards for web applications and web pages mark-up. Whereas the innovative part of industry and cross-industry development of XML standards is implementation, innovation for narrow standards such as those tailored to a business rather comes from knowing the user/use case. The more standardisation itself creates products; the more commercialisation of standards within superior business models becomes the bottleneck. If standards are pre-competitive concepts, firms rather compete on implementation. Tables 3 and 4 illunstrates the various XML application domains. Note that XML standards may have natural boundaries in specificity. A specific standard must not embody too much information about competitive assets. Interpretation and data definition can be competitive, particularly if details of database structures are disclosed (e.g. strict secrecy for pharmaceutical research databases). Then, data representation and exchange mechanisms are seldom discussed outside the firm; they are not subject to standard-setting communities. A generic standard must not be without reference to concrete business / use cases. Its specification requires much effort in terms of negotiation and during implementation but creates less functional equivalent utility for the user than a specific standard.
570
André P. Slowak
Darwin Information Typing Architecture (OASIS, 1.0 / May 2005)
Designing, writing, managing, and publishing information
Open Diagnostic Data Exchange (Association for Standardization of Application and Measurement Systems, ISO 22901-1 / 2008) ebXML (OASIS, ISO 15000 / Mar 2004) Electronic Device Description Language (ISA104 / ISO TC 184/SC 4 / IEC SC 65E WG 7, standardisation since 2004) Geospatial eXtensible Access Control Markup Language (Open Geospatial Consortium, draft from Feb 2008)
Standardised name areas for exchanging diagnosis data between OEM and Tier
GS1 XML (GS1 / Jul 2001)
IDtrust (OASIS) Open Document Format (OASIS, ISO/IEC 26300 / Nov 2006) Security Assertion Mark-up Language (OASIS) Service-Oriented Architecture (Open SOA Collaboration) Statistical Data and Metadata eXchange (Bank for International Settlements, ECB, EUROSTAT, IMF, OECD, UN, World Bank / Sept-Dec 2004) Universal Business Language (OASIS) Universal Description, Discovery, and Integration (OASIS) Web Services Business Process Execution Language (OASIS, 2.0 / Apr 2007)
To conduct business over the internet (electronic data interchange) Component description in industrial automation To support the declaration and enforcement of access rights across jurisdictions; To implement interoperable access control systems for geospatial applications such as Spatial Data Infrastructures By Global Data Synchronisation Network (members from mass consumer goods, e.g. Procter & Gamble), an Global Upstream Supply Initiative (members are food and beverage makers) To provide trusted infrastructures, including Public Key Infrastructure For documents which contain text, spreadsheets, charts, and graphical elements (office documents) To exchange security information between online partners Infrastructure for reuse of web services To exchange statistical information
To exchange business documents, e.g. purchase orders or invoices To publish and to discover web services implementations (both within and between enterprises) To do business transactions
Tabelle 3: XML Application Domains Data source: http://www.xml.org/, OASIS: Focus Areas. And own completion.
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Darwin Information Typing Architecture (OASIS, 1.0 / May 2005)
Designing, writing, managing, and publishing information
Open Diagnostic Data Exchange (Association for Standardization of Application and Measurement Systems, ISO 22901-1 / 2008) ebXML (OASIS, ISO 15000 / Mar 2004)
Standardised name areas for exchanging diagnosis data between OEM and Tier
Electronic Device Description Language (ISA104 / ISO TC 184/SC 4 / IEC SC 65E WG 7, standardisation since 2004) Geospatial eXtensible Access Control Markup Language (Open Geospatial Consortium, draft from Feb 2008)
GS1 XML (GS1 / Jul 2001)
IDtrust (OASIS) Open Document Format (OASIS, ISO/IEC 26300 / Nov 2006) Security Assertion Mark-up Language (OASIS) Service-Oriented Architecture (Open SOA Collaboration) Statistical Data and Metadata eXchange (Bank for International Settlements, ECB, EUROSTAT, IMF, OECD, UN, World Bank / Sept-Dec 2004) Universal Business Language (OASIS) Universal Description, Discovery, and Integration (OASIS) Web Services Business Process Execution Language (OASIS, 2.0 / Apr 2007)
To conduct business over the internet (electronic data interchange) Component description in industrial automation To support the declaration and enforcement of access rights across jurisdictions; To implement interoperable access control systems for geospatial applications such as Spatial Data Infrastructures By Global Data Synchronisation Network (members from mass consumer goods, e.g. Procter & Gamble), an Global Upstream Supply Initiative (members are food and beverage makers) To provide trusted infrastructures, including Public Key Infrastructure For documents which contain text, spreadsheets, charts, and graphical elements (office documents) To exchange security information between online partners Infrastructure for reuse of web services To exchange statistical information To exchange business documents, e.g. purchase orders or invoices To publish and to discover web services implementations (both within and between enterprises) To do business transactions
Tabelle 4: XML Application Domains (continued) Data source: http://www.xml.org/, OASIS: Focus Areas. And own completion.
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Not only does the meaning of ‘open’ vary from industry to industry, there are also different approaches to organising the standard-setting process. ‘There are three routes seen in the formation of B2B standards. The first route is for a major player to define the standards, embody them in software and market them to users. Second, individuals and enterprises may form a consortium to develop and maintain the standard. These consortia represent an institutionalization of standards development, and may be classified by their membership rules, range of activities, intellectual property policies, standards development procedures and organizational form, including number of staff employed. In creating a standards consortium the developers may draw upon existing institutions ... Third, groups interested in developing standards may add their activities to an existing organization, effectively adopting this organisation’s institutions. This was seen in the developers of EDI messages in Europe channelling their activities through UN/ECE because it was seen as having less bureaucratic and cumbersome processes than ISO, leading to an organization with a role in international trade standardization widening its remit to incorporate all EDI transactions’ (Graham and colleagues, 2003, p. 3f).
There has been a massive dispute in industry about what constitutes an ‘open’ XML document standard for office suites. In order to claim that Microsoft’s Office Open XML represents an open standard, the company has issued two novel licence term statements, namely the Covenant Not to Sue (CNS) and the Open Specification Promise (OSP). The novelty is that Microsoft does not impose certain obligations on the user (cf. Baker & McKenzie International, 2008). Baker & McKenzie International (2008, pp. 4ff.) explain how the CNS and OSP statements conform to ISO Patent Policy on the one hand and that they nonetheless could still be unreasonable on the other. The term ‘reasonable’ refers to the notion of the RAND and FRAND debate. Microsoft grants a ‘free of charge license to an unrestricted number of applicants on a worldwide, non-discriminatory basis and under other reasonable terms and conditions to make, use, and sell implementations of the above document [Open XML specification]’(Baker & McKenzie International, 2008, p. 5). Nonetheless, a narrow scope of the grant or certain grounds for termination or suspension of the licence promise could be unreasonable (Baker & McKenzie International, 2008, p. 5). The authors of the Baker & McKenzie International paper, however, do not find any unreasonable restriction of the user’s freedom by the Covenant Not to Sue or the Open Specification Promise. Restriction may rather derive from third party licences when a software code is developed for the Office Open XML format, regardless of whether they are open source or not. Conversely, the following issues indicate that OOXML is a relatively closed standard: ‘…its length; its support for vague legacy products; a lack of openness in the development process; Microsoft’s tight control of the format; its contradiction to numerous other international standards and accepted norms; its immaturity and inconsistency in technical terms; its reliance
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on undisclosed information; significant interoperability difficulties that prevent implementation by other vendors; and lastly, a development process that is not open, democratic or the result of a true industry consensus’ (Shah and colleagues, 2007, p. 148f).
Note that Microsoft’s Office Open XML format maintains backward compatibility with previous Microsoft Office suites through a free software download package labelled ‘compatibility pack’, but it did originally not provide interoperability with the OpenDocument Format which is the XML standard used by Open Office.
4
Value Capture
The concept of XML is too generic and too simple to claim copyrights. It is to be debated if DTD could be subject to copyrights. The scope of patents for XMLrelated technology depends on whether XML can be considered a program.11 Do mark-up languages qualify as programs which process data and do web browsers qualify as their virtual machines (cf. Horns, 2001)? Intellectual property over the Internet can also be claimed via domain names. ‘A company may cause confusion to the consumers worldwide by using a domain name that conflicts with a trademark ... there can be different legitimate trademark owners for the same trademark ... [a free-trade conflict emerges] if a country protects a trademark, but allows a company to practice unfair competition through the registration of a domain name’ (Rosenberg, 2001, p. 20).
Domain names and copyrights, however, seem to be complementary instruments for the appropriation of XML standards. Some institutions such as W3C and OASIS use their web pages actively to market their open standards. Copyrights could be used to prohibit an uncontrolled circulation of documents while developing business for an upcoming standard. An informal appropriation instrument in particular seems to be complexity and business integration / bundling. Microsoft’s power in the case of XML is owed to the large installed user base in the office segment. Being an abstract idea, XML cannot be directly appropriated through patents or trademarks. It creates value where the ‘XML standard’ provides tailored functionalities and at the same time guarantees seamless interaction and data ex11
For a European-German perspective on the patentability of software and its implications for markets with network effects cf. Blind and colleagues (2003; 2005). Additionally see BMWi, (2006); European Patent Office (2009). For patenting in the United States and Asia see Harison (2008); Goldstein and Straus (2009).
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change / information flows within the entire industry or business. Tailored functionality, however, comes with fragmentation of the basic concept. In consequence, the pace of technological change but also adoption dynamics varies between industries. ‘[The tension between value creation and value capture] is particularly evident in the ongoing debate over intellectual property rights (IPR) in the standard setting process. On one side, proponents of the open source model are working to create a set of legal institutions that make it impossible for firms to capture value through IP licensing. On the other side, some firms are actively “gaming” SSO in an effort to ensure that industry standards will eventually infringe on their own patents. ... Firms that do not rely heavily on intellectual property rights to capture value are often praised by standards practitioners for “cooperating on standards and competing on implementation” (Simcoe, 2006, p. 162).
Figure 2 depicts how value created from standards is leveraged by products and services. Institutions, profitable use cases and valuable technology are the crucial assets to create a sound standard. The crucial question is what distinguishes products and standards if the two somewhat converge within an integrated business model / services or within a product solution. Standards spillovers from other industries Institutions Use case
Value from standards
A
B
Value from products
Product offers
Technology Service offers
Abbildung 2: The Relationship between Standards and Products A: Demand-side increasing returns (DSIR), commoditisation of technology. B: Use case-tailored standardisation includes best practices for implementation; it may be close to product offers.
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Figure 2 demonstrates how value created from standards and value created from products overlap. Swann (2000) suggests standard setters should create a healthy standards tree. The overlap between Value from standards and Value from products represents the shared value proposition of standard-setting partners and implementers. ‘Standards form part of the infrastructure on which a canopy of new products and services are grown. The quality and usefulness of the standards system plays an important role in determining the growth of markets and the quality and number of products and services that can be built from those foundations’ (Swann, 2000, p. 24f).
Strong standards rely on supportive institutions, competitive technology and they are at their best rich in potential use cases. Moreover, ‘An efficient innovation process should be able to build up a large canopy of technologically feasible and marketable products. The health of the process can be measured by the size and richness of the canopy’ (Swann, 2000, p. 26).
Note that we describe this canopy by the dimensions standard depth and standard breadth. Furthermore, if the pace of technological change and adoption rates vary among industries, then open standards allow for multi-use strategies. That is, one business adapts the open standards of another business. First, therefore selected standards are slightly re-specified and the own business’s use case is addressed. Firms benefit from introducing new technology while decreasing development costs, development time and unit costs owing to economies of scale. Second, firms in the standards-creating industry profit from a larger installed base of implementers and users. We may speak of standards spill over effects between industries. On the other hand, multi-use of standards across businesses and industries fragments the original standards specification. In the following we describe how XML unfolds value for lower-technology (industrial automation), high-technology (offices software suites) and nontechnology (services) domains. ‘The advantages of XML with respect to HTML are clear: The data structure and style (DTD and XSL files) are transmitted only once during system initialization and only raw data is transferred during operation (XML file). Moreover, as data is clearly an element of the XML file, data retrieval is much easier. The emerging architecture for industrial automation derives from the CIS [consumer information technology] architectures and it is based on a network protocol using Ethernet plus TCP/IP, a switched-Ethernet configuration, a client/server structure for data sorting and service request, and XML/XSL for data exchange. The standardization proposals are checked and validated by the W3C. Several companies and organizations have defined standard DTDs for different environments, including medical data, insurance, mathematics, and financial markets. The definition of a dictionary of DTDs for industrial automation will open again the discussion that was born with fieldbus regarding device profiles. At the very beginning of field-
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bus history, one of the first ideas to guarantee interoperability among the devices connected to a digital fieldbus was to define standard device profiles that address all data that can be transmitted from/to a given type of field device. The profile definition took several years, and today these profiles exist for some fieldbuses’ (Pinceti, 2002).
In industrial automation big firms differentiate open standards through a respecification of other industries’ standards within their own industry’s standardsetting communities and through minor differences in implementation. Examples are Industrial Ethernet, Wireless LAN and EDDL. According to Murmann (2003, p. 12), one key selection process in evolutionary models is about ‘how readily organizations can adapt to changing environments’. In the case of Industrial Ethernet, the incumbent standard-setting communities from conventional field busses – such as ODVA and PROFIBUS – successfully established Ethernet field busses and only few more medium-size/international firms such as Beckhoff building on open source concepts could strengthening their market position. ‘[According to OASIS, the purpose of the OpenDocument Committee is to] create an open, XML-based file-format specification for Office applications. This means the file format is not specialized for a certain application, but it provides a formal standard for arbitrary office applications. ... In September 2005, OpenDocument was submitted for ratification to the International Organization for Standardization (ISO). Within weeks, Microsoft reacted with a Statement supporting standards, but announced it would promulgate a new Office Open XML Standard, instead of adopting OpenDocument, despite the fact that Microsoft is a member of OASIS. Microsoft’s Office Open XML was formally proposed as a Standard by Jean Paoli, senior director of XML architecture tor Microsoft (and co-creator of the W3C XML Standard) ... [and also proposed to ECMA International in December 2005].’(Doyle, 2006).
De facto standards for office documents are the proprietary Microsoft formats .doc (word processing), .ppt (slide presentations) or .xls (spreadsheets); Microsoft’s Office Open XML (OOXML); the OpenDocument Format (ODF: .odt, .odp, .ods); and LaTeX. The last represents a common standard in Linux office suites. Nonetheless, there are LaTeX packages which can also be used on Windows and Apple operation systems. ODF is supported by several open source products, e.g. OpenOffice (a project founded by Sun Microsystems in October 2000), NeoOffice and KOffice, Sun Microsystems' StarOffice and Google Docs. In March 2006, incumbent software firms founded the OpenDocument Format Alliance which has now grown to a global standard-setting community for the advancement of the ODF office standard (cf. http://opendocument.xml.org/ milestones, History of Open Document; and http://www.odfalliance.org/, OpenDocument Format Alliance).
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Microsoft’s recent strategy to win standard wars is to network software and web applications / browsing technology to their operating platform, Windows. That method has been best documented for browser technology (Microsoft Explorer vs. Netscape browser). Bresnahan (2001) argues that Microsoft had to win the war through their market position in desktop computer operation systems, namely using the Windows 95 platform. The idea is that bundling avoids ‘divided technical leadership’ (cf. Bresnahan, 2001, p. 24). Furthermore, ‘Systems products can offer better quality features that they deliver directly, such as a better user interface. To encourage complementary supply, systems providers may offer a higher quality development environment, for example, superior Applications Programming Interfaces (“APIs”)’ (Bresnahan, 2001, p. 5).
In quasi-monopolistic markets such as PC operations systems, the incumbent must try to leave ‘no hole in strategy’ where complementors could develop technical leadership relevant to consumer mass markets. For Microsoft that means integrating ‘into all [PC software] technologies’ (Bresnahan, 2001, p. 27). Another strategy of firms is to appropriate a standard via core / essential intellectual property. Big firms which are experienced in standard-setting pursue control over the population of a standard development. They should use market politics (cf. Fligstein, 1997; 2001) to establish or to maintain control over the market for standards. Politics shapes standards against competitors with the purpose of influencing the various smaller but innovative firms. Two examples are given as follows. Within standard-setting consortia, incumbent firms from automotive electronics provide relevant intellectual property rights royalty free if their rules are met. In industrial automation, basic technological standards are often developed by incumbents such as Siemens or Mitsubishi Electric and then provided royalty-free within standard-setting consortia. In both application domains, automotive electronics and industrial automation, incumbents gain high status from their symbolic donation. Value creation from XML standards essentially covers the exploration of an idea. That idea is to separate data definition from data. As ideas themselves cannot be appropriated by formal instruments such as patents or trademarks, firms need to create structures / institutions and superior business models while adapting XML to their business. To be appropriated formally, XML needs to manifest itself in process technologies, software applications, artefacts or essential symbols. The challenge is thus to create a standard which is a commodity while establishing a fenced implementation. Secrecy as an informal appropriation instrument cannot be applied because the value of XML builds on publicly available document-type definitions (DTD). If DTD were closed and only transferred
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in each business transaction, there is an advantage in separating data and markup. Finally, value capture from standards faces two fundamental problems. First of all, a demanding user requires products to be interoperable and thus interfaces to be open in terms of access, use rights and adaptability. Adaptability is required in order to plug in each and every component without regard to supplier brand and technology. Second, markets for standards may be saturated – they may be thin. Value creation can be understood as ‘orchestrating assets to create both firms and markets’ (Pitelis and Teece, 2009, p. 12). ‘When markets are thin and assets are not easily traded, accessing assets and valuing them can be difficult. In such circumstances the ownership of an asset creates both liabilities and opportunities. ... fuzzy property rights (as with intangibles), appropriability issues, and co-specialization are among the reasons why asset markets can be thin’ (Pitelis and Teece, 2009, pp. 6 and 9).
XML is also used in non-technology domains such as services or law databases. For example, real-time information in financial markets might be represented by XML. De jure standardisation is conducted by the ISO 15022 XML Working Group / the ISO Committee for Banking. According to Ogbuji (2004), XML is like a language which facilitates text files to communicate with each other. ‘The standards organizations that convey authority are not the likes of W3C, OASIS, or WS-I, but rather ISO, UN, and financial regulators. Documents and financial instruments (a catch-all term for formal contracts and transactions used in financial management), whether expressed in XML or other formats, are mechanically standardized as much as possible, but ultimately local control and interpretation of the documents is the most important consideration ... ebXML and the many initiatives for XML formats specific to financial services focus on augmenting basic XML syntax with facilities for semantic transparency so that each organization can develop specialized XML processing systems without losing all ability to automate some aspects of their business transactions. ... ISO 15022 is also pursuing a top-down and bottom-up approach by establishing a repository of basic data elements adopted from FIX, SWIFT, and other contributing specifications. Basic data models constructed within this repository then work through XML design rules to emerge as coherent document standards’.
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Conclusions ‘Will XML become just a notational convenience in the latest fashions of tightly-coupled interchange technologies, or will it continue to influence the fundamental way we see such interchange. Unless industries come to appreciate XML as an important tool in separating the information from the machine, it's very likely that XML will lapse into obsolescence, because without the benefits of such separation, its costs start to weigh pretty heavily. XML is so much more bloated than traditional CORBA, EDI and ASN.1 exchange formats that if it is no less than a more readable version of these, there is little reason why it should take their place.’ Ogbuji (2006).
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Research, specification of technology and industry support, commercialization and business development12 together form a nonlinear market process. That process must transform an idea or technology into knowledge with regard to standards specification implemented and thus embodied in products. Furthermore, as stated above, only the strict implementation of the idea (separation of content from representation) creates value for business. In the Microsoft Office Open XML versus OpenDocument’s de jure standard-war, negotiations were about how to reach a common understanding of the terms of ‘openness’ among Microsoft, Sun Microsystems and the Open Source community. It can be assumed that Microsoft does not intend to comply with a fully open standard. In non-IT industries such as industrial automation or financial services, competitive advantage is not embodied in the software source code. Thus, complexity or control over the mark-up standards is not essential. It matters instead how dominant XML standards create secure and compatible interfaces for their products and data. Industrial automation firms influence standards to make them best address their own proprietary components. Financial service firms work on standards to provide reliable data at all times but also to control what information can be obtained through a specific user licence. To orchestrate assets for standard-setting, firms need to be ready to negotiate. They need to develop methods to collaborate on standards but appropriate some core technology of a standard. Alternatively, they may control essential resources such as end user market share, de jure bodies or system interfaces. In the case of XML, formal appropriation depends on the US vs. EU IPR regime for software inventions. Informal appropriation depends on the power and assets of incumbent firms but also on the opacity of the de facto standards they control (e.g. Microsoft Office program files and source code include available documentation). Strategies to capture value from standards are seeking rents from closed innovation, competing on closed implementation for open standards (industrial automation: ‘industry solutions’), bundling and opacity in documentation (office suites software) or the subtle exploitation of core patents (automotive electronics). To displace conventional standards such as EDI or DATEV formats, XML must deliver a better functional equivalence to the end user or it must increase the value capture of dominant firms. The case of XML represents a dilemma where intellectual property rights do not cover the core innovation and status from dedicated standard-setting commitment does not lead to an exclusive status position (except in the IT industry). The reasons are as follows. First, the poten12
That is, attaching application domains to a standard.
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tially indirect relationship between user and technology provider (e.g. financial services: institutional and private investors – funds – brokerage trading software – brokerage; industrial automation: user from manufacturing – system integrator/solution provider – component manufacturer). Second, XML represents a kind of language or meta-standard. Like weighing scales, speed scales or paper formats, such standards naturally are public goods. They create value for use through open access. The market for XML standards thus gives little stimulus to innovate. It needs governmental support and would profit from temporary monopolies of big consortia over future ideas on how to structure an industry’s business data and data exchange. Drawing upon Funk, policymakers should promote integral problem-solving routines for XML standard development. Such routines, for instance, could be established in co-operation with OASIS, the W3C, the Internet Society and ISO. Standards scope matters; it determines the necessary effort for a group of dominant firms so that they are able to control the market. Standards scope also affects standards time to market as well as the number of variants. Generic standards might be difficult to implement; spacious application of a specific standard leads to fragmentation over time but it creates a canopy. XML as a generic concept suffers from the many derivates within each application domain. The shape of the standards tree is determined by both adoption rates and timing of diversification. Strategic behaviour between competitors or consortia can decrease consistency of XML standards (e.g. Microsoft’s XML versus Open Office’s XML).
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Einleitung..............................................................................................587
2
Strukturierung von Unternehmungen ...................................................588 2.1 Eine rekursive Systemsicht als Ausgangspunkt.........................588 2.2 Implikationen der rekursiven Systemsicht für Unternehmensstrategie und Wissensmanagement.....................589 2.3 Zur rekursiven Struktur von Effizienz und Effektivität.............590 2.4 Rekursive Unternehmensstrukturen und das Viable-System-Modell...............................................................592 2.5 Das Problem der „Superadditivität“ oder „Ist in Systemen 2 + 2 = 5 ?“....................................................593 2.6 Varietätsmanagement unter Berücksichtigung von Ashby´s Varietätsgesetz.............................................................596 2.6.1 Ashby´s Varietätsgesetz .................................................596 2.6.2 Ashby´s Varietätsgesetz in einem ökonomischen Kontext. ..........................................................................598 2.7 Die Unternehmung als autopoietisches System.........................602 2.8 Strukturelles oder akkumulatives Wissen? ................................603
3
Lenkung von Systemen.........................................................................605 3.1 Eine rekursive Prozesssicht und rekursive Problemlösung als Ausgangspunkt.....................................................................605 3.2 Systemstabilisierung durch Regelung........................................606 3.3 Systemidentifikation durch Rückkopplung und Grenzen der Erkenntnis............................................................................607
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Bernd Schiemenz
3.4 3.5
Duale Kontrolle: Wissenserwerb und Lenkung.........................608 Expansion durch positive Rückkopplung. .................................608
Literatur............................................................................................................609
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
1
587
Einleitung
In den Publikationen zum strategischen Management findet man bereits eine Fülle von Forschungsgegenständen und Forschungsprogrammen mit Bezug zur ressourcenorientierten Sicht. Exemplarisch genannt sei der Forschungsgegenstand Strategiekonzepte mit Forschungsprogrammen wie Agency Theorie, Netzwerktheorie, Theorie der Firma und Organisationslernen. Genannt seien weiterhin Fragen der sozialen Verantwortlichkeit, der Strategieformulierung, der Umfeldanalyse, formale Planungssysteme, strategische Kontrolle und das Personalmanagement. (Priem/Butler 2001, Tabelle 2, S. 26) Diese Breite ist wenig verwunderlich, wenn man die mögliche Extension des Begriffes „ressourcenorientierte Sicht“ bzw. „resource based view“ berücksichtigt, selbst wenn man diesen nur in den Kontext des strategischen Managements stellt. Die Breite wird auch nicht wesentlich reduziert, wenn man die wichtigen Ergebnisse dieser Sicht betrachtet: Um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erlangen müssen Ressourcen ökonomischen Wert besitzen, gegenwärtig knapp, schwer zu imitieren, nicht substituierbar und am Faktormarkt nicht leicht erwerbbar sein (Powell 1992, S. 552). Die Faktoren Werkstoffe und Betriebsmittel sind, von Sonderfällen wie monopolistischen Anbietermärkten einmal abgesehen, an den Faktormärkten in der Regel erwerbbar und können deshalb aus den folgenden Überlegungen ausgeklammert werden. Anders ist es bei der menschlichen Arbeitsleistung. Hier kann bereits objektbezogene Arbeitsleistung Wettbewerbserfolge bringen und zwar sowohl physiologisch als auch geistig basierte. Auf solchen, durch unser duales Ausbildungssystem, oft nur durch implizite Wissensübertragung, erworbenen Fähigkeiten beruht in starkem Umfange die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie. Insbesondere werden es aber die dispositiven, die ManagementFähigkeiten sein, die zu Wettbewerbsvorteilen führen. Zentrale Managementfähigkeiten sind die der Strukturierung und der Lenkung. Zu diesen können nach unserer Auffassung Kybernetik und Systemtheorie einen wertvollen Beitrag leisten. Die folgenden Ausführungen wollen helfen, dieses Wissen zu verbreiten. Dabei ist dem Verfasser bewusst, dass der Wissensbestand der Leser sehr unterschiedlich und autopoietischer Natur1 ist. Deshalb hat er die Bitte, dass der Leser versuche, die Anschlussfähigkeit der Ausführungen an die jeweils eigenen Vorstellungen wohlwollend zu prüfen und so weit wie möglich herzustellen. 1
Zum Begriff Autopoiese siehe Abschnitt 2.7.
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Bernd Schiemenz
2
Strukturierung von Unternehmungen
2.1
Eine rekursive Systemsicht als Ausgangspunkt
Systeme sind Gebilde aus Elementen und Beziehungen zwischen diesen (z.B. Ackoff, 1971). Nun ist es sicherlich kein großes „Aha-Erlebnis“, wenn festgestellt wird, die Unternehmung sei ein System, und auch ein Mensch, eine Stadt etc. Zu Recht wurde eingewendet, dass alles ein System sei und man dann statt von Systemtheorie auch von Objekttheorie o. ä. sprechen könne, der Begriff also leer sei, keine Differenzierungskraft besitze (Kosiol, 1973, S. 7). Im Gegensatz zum Objekt, das dann von unterschiedlichen Disziplinen unter unterschiedlicher Perspektive untersucht werden kann, beinhaltet „System“ jedoch selbst eine bestimmte Herangehensweise, ähnlich etwa dem Begriff Menge. Man sieht das Objekt aus Elementen und – über den Mengenbegriff hinaus - den Beziehungen zwischen diesen bestehend. Bleibt man bei diesem Ein-Ebenen-Ansatz stehen, ergibt sich eine ungeheure Komplexität. Dem auf dem Varietätsmaß von Ross Ashby (1961) aufbauenden Komplexitätsmaß von Stafford Beer (1979, S. 37 ff.) folgend, können wir diese für ein System mit n Elementen wie folgt messen: Ein erstes Maß V1 = n misst nur die Zahl der Elemente. Ein zweites Maß V2 = n(n-1) misst die Zahl der möglichen (unidirektionalen) Beziehungen. Für 10 Elemente wären letzteres 90 mögliche Beziehungen, also keinesfalls spektakulär. Betrachten wir aber die möglichen Zustände, die entstehen können, je nachdem welche der Elemente bzw. Beziehungen gerade aktiv sind, erhalten wir bei n Elementen V3 = 2n und bei n(n-1) möglichen Beziehungen V4 = 2n(n-1) mögliche Zustände. Letzteres sind bereits bei 10 Elementen2 290 bzw. über 1027 mögliche Zustände. Wichtiger ist deshalb für den Verfasser eine im Systembegriff enthaltene Rekursion: Ähnlich wie russische Puppen (Matrioschkas) oder chinesische Kästchen sind die Elemente ihrerseits Systeme, die Systeme Elemente eines umfassenderen Systems. Wir haben also Systeme in Systemen in Systemen … oder anders ausgedrückt, Modellrekursion, die ein Modell auf ein Modell der gleichen Klasse, aber geringerer Bedeutung zurückführt. Man versucht, die Diskurswelt aus bspw. 1000 Elementen also nicht „flach“ sondern über bspw. 3 Ebenen mit jeweils Gruppen von 10 Elementen zu sehen bzw. zu strukturieren 2
Und das menschliche Gehirn hat etwa 100 000 000 000 Nervenzellen mit jeweils bis zu 15 000 Kontakten zu anderen.
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
589
Gerade die heute gestellte Fragen, ob und welche Banken „systemrelevant“ seien, und ob das auch für Opel gelte und für wen sonst noch machen deutlich, dass sich hier erhebliche Forschungsperspektiven eröffnen. Aber auch schon kleinere Beispiele machen die Bedeutung einer solchen Mehr-Ebenen-Sicht, die ins Große und auch ins Kleinere blickt, deutlich: Automobile sind nicht (längerfristig) mobil, wenn sie nicht aus einem übergeordneten Tankstellensystem mit Treibstoff versorgt werden. Das Tankstellensystem funktioniert nicht, wenn das Raffineriensystem nicht funktioniert, dieses nicht, wenn die Ölversorgung nicht funktioniert und diese versagt möglicherweise beim Versagen der politischen Beziehungen, die ihrerseits durch andere Faktoren bedingt sind. Zu Recht greift deshalb auch die Logistik auf eine Systemsicht zurück. Ein Automobil ist aber auch nicht attraktiv, wenn nicht jedes seiner Elemente Triebwerk (aus Motor, Getriebe etc.), Fahrwerk und Karosserie attraktiv sind und zueinander passen. Attraktives Triebwerk setzt voraus, dass sein Motor sparsam ist. Das wiederum setzt eine gute Einspritzanlage voraus, deren Elemente ihrerseits bestimmte Bedingungen erfüllen müssen.
2.2
Implikationen der rekursiven Systemsicht für Unternehmensstrategie und Wissensmanagement
Für die strategische Unternehmensführung ergibt sich daraus die Frage, die Funktionsfähigkeit welcher Elemente welcher Systemebene in die Planung mit einbezogen werden muss. Inwiefern muss bspw. der Vorstand einer Automobilunternehmung die Entwicklung des Tankstellensystems, der Raffinerien, der Erdölversorgung und der Erdöllieferanten in die strategische Planung einbeziehen. Inwiefern erfordert die „Systemkompetenz“ auch Kompetenz für die verschiedenen Subsysteme der eigenen Produkte. Reicht es, wenn man weiß, wo man gute und zueinander passende Fahrwerke, Triebwerke und Karosserien erhält und wie man diese zusammenbaut – oder sogar zusammenbauen lässt? Mit dieser Systemkompetenz könnte man dann vom Schreibtisch aus mittels Internetanschluss eine Automobilfabrik aufmachen. Oder ist zumindest eine eigene Kernkompetenz im Motorbau erforderlich? Ich leite daraus ab, dass man die eigene Kompetenz bzw. Qualität eigener Ressourcen nur beurteilen kann, indem man sowohl die Qualität der Subsysteme als auch der Supersysteme verschiedener Ebenen des eigenen Kompetenzfeldes berücksichtigt.
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Bernd Schiemenz
Wegen oft als „Totalinterdependenz“ charakterisierten Beziehungen in der Realität besteht allerdings die Gefahr, dass die Entscheidungsfelder unpraktikabel weit ausgeweitet werden. Der Verfasser schlägt deshalb ein „Zoom-Modell“ vor. Je näher man die eigenen Aufgaben heranholt, umso genauer muss man über diese Bescheid wissen und über das erforderliche Wissen zur Lösung verfügen. Dadurch, dass man aber auch über Wissen über andere Bereiche, wenn auch mit zunehmendem Abstand immer weniger scharf, verfügt, ergibt sich eine gewisse Überlappung und Redundanz. Das ist aber positiv. Nonaka und Takeuchi (1995, S. 81) zufolge ist ‚Redundanz‘ eine wichtige Voraussetzung für Wissensgenerierung. Sie beschreiben Redundanz als gemeinsamen Informationsbestand, der den Beteiligten die ‚Grenzüberschreitung‘ ins Wissen des anderen erlaubt, gegenseitige Beratung ermöglicht und neue Perspektiven schafft. Der Gedanke lässt sich aber auch ins Kleine hinein übertragen. Inwieweit muss man Detailwissen bzw. Wissen über die Details der Struktur von selbst gelenkten Objekten haben. Eine Orientierung über die Zweckmäßigkeit, ein bestimmtes Wissen zu erwerben, bieten folgende Überlegungen. Sie gelten sowohl für das Zoomen ins Große als auch ins Kleine hinein: Je bedeutsamer das Wissen für eine anstehende Entscheidung ist, je kostengünstiger man es erwerben kann und je länger oder häufiger man es nutzen kann um so eher sollte man es erwerben.
2.3
Zur rekursiven Struktur von Effizienz und Effektivität
Die rekursive Systemsicht liefert auch einen sinnvollen Zugang zu den Begriffen Effizienz und Effektivität. Das sind zwei positiv besetzte Begriffe, die (deshalb) als Erfolgsmaßstäbe für Unternehmensführung oft, zunehmend zusammen, gefordert werden. In die Diskussion eingeführt wurden sie wohl in dem Werk „The functions of the executive“ von Chester I. Barnard (1938). Effizienz fordert dort die Erfüllung der individuellen und sozialen Ziele der Organisationsmitglieder, während Effektivität sich auf die Erfüllung des objektiven Zwecks der Organisation bezieht. Heute wird, im Anschluss an weitere angloamerikanische Quellen, Effizienz oft als Input-Output-Verhältnis und Effektivität als Zielerreichungsgrad gemessen. (Scholz, 1992, S. 533) Bezüglich einer solchen Sicht schreibt Eberhard Witte (1995, S. 263): „Es ist versucht worden, zwischen den beiden etwa dahingehend zu differenzieren, daß Effektivität als Maßgröße für die wirksame Aufgabenerfüllung (Output) und Effizienz als Maßgröße der wirtschaftlichen Zielerreichung (Output-Input-Relation)
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
591
verstanden wird. Diese Versuche haben jedoch nicht zu einem einheitlichen wissenschaftlichen Sprachgebrauch geführt.“ Versteht man unter Effizienz eine Output-Input-Relation, wäre Rentabilität als Verhältnis zwischen Gewinn (Output) und Kapitaleinsatz (Input) ein Effizienzmaß, obwohl es offensichtlich der Zielerreichung dient. Der Verfasser präferiert deshalb einen (entscheidungstheoretischen) Effizienzbegriff, wie er beispielsweise von Bohr (1993, S. 859 f.) formuliert wurde. „Eine mögliche output-input-Kombination y = (x1,x2, ...,xn,r1,r2,...,rm), die auch (mögliche) Aktivität (Produktionsprozeß → Aktivitätsanalyse) heißt, wird effizient genannt, wenn keine andere (mögliche) Kombination y’ = (x1’, x2’, ..., xn’, r1’, r2’, ..., rm’) existiert derart, daß x1’ > x1, ..., xn’ > xn, r1’ < r1, ..., rm’ < rm, wobei mindestens einmal die strikte Ungleichung gilt.“ Aufbauend auf diesem Effizienzbegriff empfiehlt sich eine Begriffsdifferenzierung, wie sie bereits bei Drucker (1963) zu finden ist. „... the major problem ... is fundamentally the confusion between effectiveness and efficiency that stands between doing the right things and doing the things right. There is surely nothing quite so useless as doing with great efficiency what should not be done at all. Yet our tools - especially our accounting concepts and data - all focus on efficiency. What we need is (1) a way to identify the areas of effectiveness (of possible significant results), and (2) a method for concentrating on them.“
Demnach erfordert Effizienz, die Dinge richtig zu tun, Effektivität, die richtigen Dinge zu tun. Nach Bohr (1993, S. 855 f.) wird, wenn differenziert wird, meist mit dieser griffigen Formulierung differenziert. Nach Auffassung des Verfassers wird das Problem allerdings zu sehr als ein Problem mit nur zwei Ebenen gesehen. Effizienz bezieht sich auf die OutputInput-Relation, Effektivität misst den Output an einem übergeordneten Bewertungskriterium. Das setzte voraus, dass alle möglichen Inputgrößen und alle möglichen Outputgrößen sowie alle möglichen Bewertungskriterien berücksichtigt würden. Bei der Bewertung der Effizienz und Effektivität der Modelle von Magna und Fiat zur Rettung von Opel würde das die Erfassung aller möglichen Faktoreinsätze und aller Produkte und deren Bewertung an den Zielen der an der Entscheidung Beteiligten erfordern und möglicherweise der Nichtbeteiligten, z.B. (auch zukünftigen) Steuerzahler, (auch potentiellen) Konkurrenten, Kunden etc. Die Komplexität würde die Bildung und Lösung eines solchen Modells verhindern. Das Problem lässt sich nur als Mehrebenenproblem sehen und gestuft lösen. Die Frage nach der Effektivität wird dann eine Frage danach, ob der Produkte- bzw. Ergebnisraum im Sinne der übergeordneten Ebene (n+1) richtig ist.
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Bernd Schiemenz
Wenn ja wird man auf diese bezogen auf der Ebene n die richtigen Dinge tun und kann dort effizient sein im Sinne nichtdominierte Lösungen zu finden. Diese Aussage gilt für jede Ebene n = 1, 2, …, N. Auf jeder der Ebenen macht man es richtig, wenn man im Sinne der übergeordneten Ebene die richtigen Dinge tut. Auf diese Weise lassen sich komplexe Probleme rekursiv lösen, wie unter 3.1 näher beschrieben.
2.4
Rekursive Unternehmensstrukturen und das Viable-System-Modell
Eine rekursive Strukturierung, wie sie in der Systemsicht zum Ausdruck kommt, ist auch ein bedeutsames Gestaltungskonzept. Darauf weist bereits Simon in einem Artikel über die Architektur komplexer Systeme hin mit der Aussage „Hierarchy ... is one of the central structural schemes that the architect of complexity uses.“ (Simon, 1962, S. 468) Darin ist Hierarchie nicht etwa – wie meist - im
Sinne von Weisungshierarchie sondern genau in dem oben angeführten Sinne einer Systemschachtelung zu verstehen. Das zeigt auch die Metapher, mit der Simon seine Feststellung verdeutlicht und begründet: Zwei Uhrmacher produzierten Uhren mit jeweils 1000 Teilen. Der eine montierte sie nichthierarchisch aus 1.000 Einzelteilen. Der andere fasste zunächst Gruppen von jeweils 10 Einzelteilen zu stabilen Baugruppen zusammen, dann jeweils 10 dieser Baugruppen zu Uhrteilen und erst diese 10 Uhrteile zu einer Uhr. Bei Störungen des Montageprozesses zerfiel die Uhr des Ersteren in lauter Einzelteile, die des Letzteren nur in Uhrteile, das letzte noch nicht vollendete Uhrteil in Baugruppen und die letzte Baugruppe in Einzelteile. Bei Störung jedes hundertsten Montageschrittes war der letztere Uhrmacher (nach Simon)3 4000 mal so produktiv wie der erstere. Wir finden dieses Prinzip in der Natur (z.B. Organe, Zellen, Moleküle, Atome etc.), Technik (z.B. Produkt, „System“, Modul etc.) und Gesellschaft (z.B. Gemeinden, Kreise, Regierungsbezirke, Länder, Bund). Ähnlich sind Konzerne aufgebaut. Vorteil einer solchen Struktur ist auch, dass bei Zerfall auf einer der Ebenen eine leichtere Einordnung in das Gesamtgebilde oder auch ein anderes Gebilde möglich ist. Man denke akut an die Restrukturierung von General Motors.
3
M. E. bringt Ersterer es nie zu einer kompletten Uhr.
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
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Für soziale bzw. sozio-technische Systeme wurde dieser Gedanke von Stafford Beer (1979) und weiteren Autoren zum Konzept „lebensfähiger Systeme“ (viable systems) weiterentwickelt. Ihm zufolge benötigt jedes lebensfähige System 5 Lenkungsmechanismen: 1. eine Lenkung der jeweiligen lokalen Operationen, 2. eine Abstimmung zwischen den Lenkungen der jeweiligen lokalen Operationen, 3. eine interne Optimierung dieser Abstimmungsmaßnahmen, 4. eine Anpassung an die externe Umwelt und 5. eine Gesamtleitung, die für einen Ausgleich zwischen interner Optimierung und externer Anpassung sorgt. Schaut man in das sogenannte „System 1“, in dem die Operationen lokal gelenkt werden, hinein, kann man wiederum diese 5 Funktionen erkennen u.s.w. Als Vorteil dieser Strukturierung nennt Malik, der dieses Konzept offensiv vertritt: „Aufgrund der Rekursivität der Systemstrukturen ist es möglich, auf allen Systemebenen dieselbe Denkweise, Detailstrukturierungsprinzipien, Methoden, Techniken, Programme usw. anzuwenden. Dies bedeutet eine bemerkenswerte Verbesserung der gestalterischen Varietät und führt zu erheblichen Rationalisierungseffekten.“ (Malik 1996, S. 102). Der Ansatz ist verwandt dem der „Unternehmung in der Unternehmung“. Eine interessante Frage ist, was System 4 als externe Umwelt ansehen sollte. Ist es nur das jeweils übergeordnete System oder kann es sogar ein auf der gleichen Ebene seines „Obersystems“ liegendes System sein. Sollte aktuell der Vorstand von Opel z.B. nur an GM Europa denken oder auch an Fiat, an seinen bisherigen oder einen neuen Markt etc.?
2.5
Das Problem der „Superadditivität“ oder „Ist in Systemen 2 + 2 = 5 ?“
Insbesondere in der Biologie wird deren Objekten eine Systemeigenschaft zugeschrieben derart, dass das Ganze mehr sei als die Summe seiner Teile. Das gilt offensichtlich dann, wenn man daran denkt, dass nach Zerlegung eines Lebewesens in Organe und Gliedmaßen die wesentlichen Eigenschaften nicht mehr vorhanden sind. Dieser Gedanke wird, oft unter der Überschrift „Synergetik“, auch auf technische, soziale und sozio-technische Objekte übertragen. Viel spricht dafür. Erst
594
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nach der Montage ist das Auto ein Auto (wenn auch noch nicht auto-mobil). Wenn sich zwei Personen zusammentun, können sie nicht nur die Arbeiten erledigen, die jeder alleine tun kann, sondern auch die, die sie nur zusammen erledigen können. Schon formal lässt sich nachweisen, dass sich diese Superadditivität nicht automatisch ergibt (Nagel, 1966). Sie ist dann entweder eine Definitionsvoraussetzung für „Ganze“ oder eine Richtlinie derart, dass nur solche Teile vereinigt werden sollen, die diese Forderung erfüllen. Prinzipiell kann man zwar von einer „Nutzenasymmetrie“ ausgehen zwischen den beiden Fällen, dass über zwei Einheiten nur je einzeln oder aber zusammen verfügt werden kann. Wer über beide Teile gemeinsam verfügen kann, kann, indem er sie als je Einzelne behandelt, zumindest die Summe der Nutzen der Einzelteile erreichen. Kann er aber aus der Integration der Teile Vorteile, „Synergien“4, ziehen, lässt sich ein höherer Nutzen realisieren. Doch müssen diese Synergien erst gefunden und realisiert werden, wie Porter richtig feststellt: „Synergie scheiterte, weil die Unternehmen sie weder erkennen noch implementieren konnten, nicht weil das Konzept an sich falsch wäre. Unternehmen benutzten es oft, um Maßnahmen zu rechtfertigen, die aus anderen Gründen ergriffen worden waren. Unzureichend definierte Vorstellungen vom Wesen der Synergie lagen der Akquisitionsstrategie vieler Unternehmen zugrunde. Selbst in Fällen, wo Unternehmen echte Chancen besaßen, Synergie zu nutzen, hatten sie keinen Erfolg damit, weil ihnen das Instrumentarium zu deren Analyse fehlte oder weil sie die erheblichen Probleme der Implementierung nicht bewältigen konnten.“ (Porter, 1999, S. 410) Zahlreiche empirische Untersuchungen zeigen die Häufigkeit einer solchen „Wertvernichtung“ durch Zusammenschlüsse. 5 Nun wird man dann nicht maximalen Nutzen aus der Verfügung über 2 Systeme ziehen, wenn man alle deren Subsysteme (auf den verschiedenen Auflösungsebenen, also auch der Subsysteme der Subsysteme etc.) unter eigener Verfügung behält und nur solche Ganze konzipiert, die all diese Subsysteme verwenden. Man muss auch die höhere Systemebene ins Auge fassen mit Systemen, die nicht in eigener Verfügungsgewalt stehen und in die sich eigene Subsysteme möglicherweise besser einfügen als in das eigene Ganze. In unserem Kontext bedeutet das, dass man Subsysteme der zu integrierenden Systeme verkauft (und 4 5
Intensiv und allgemein behandelt wird dieses systemtheoretische Phänomen in der Synergetik, der Lehre vom Zusammenwirken. Siehe z. B. Haken (1981). Siehe etwa Bühner (1990), oder für spätere Zusammenschlüsse Habeck/ Kröger/Träm (2000); siehe auch Strohmer (2001), der, auf weitere Quellen gestützt, aufzeigt, dass etwa 80% der Zusammenschlüsse scheiterten.
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
595
für den Verkaufserlös möglicherweise weitere Subsysteme akquiriert). Konkret kann das nach der Akquisition einer Holding den Verkauf ganzer Unternehmungen, von Betriebsstätten oder Betriebsmitteln bedeuten und analog dazu entsprechende Neuerwerbungen. Da die zu integrierenden Systeme aus mehreren Subsystemen mehrerer Auflösungsebenen bestehen, liegt das Integrationsproblem weiterhin darin, zu entscheiden, welche Subsysteme mit welchen anderen wie intensiv vereinigt werden sollen. Bestehen zwei Produktionssysteme Pi, i = 1,2 beispielsweise jeweils aus den Subsystemen Fertigungssteuerung Si, Konstruktion Ki, Logistik Li und Fertigung Fi, so sind sehr unterschiedliche Vereinigungen möglich, beispielsweise die vollständige Vereinigung (S1 ∪ S2; K1 ∪ K2; L1 ∪ L2; F1 ∪ F2).6 Es wäre aber auch möglich, allein die Fertigungssteuerung zu zentralisieren und die operativen Einheiten getrennt beizubehalten, das „Ganze“ also aus den drei Systemen (S1 ∪ S2), (K1, L1, F1) und (K2, L2, F2) bestehen zu lassen. Welche Subsysteme mit welchen anderen sinnvoller weise zusammengefasst werden sollen, sagt uns formal deren „Konnektivität“. Das ist ein Maß über die Intensität der Beziehungen zwischen Elementen. Es sollen solche Elemente zusammengefügt werden, die untereinander eine hohe Konnektivität, also starke Beziehungen aufweisen. Wo die Beziehungen stärker sind, etwa, im obigen Fall, zwischen S1, K1, L1 und F1 bzw. S2, K2, L2 und F2 einerseits oder zwischen S1 und S2, K1 und K2, L1 und L2 sowie F1 und F2, bzw. Kombinationen aus diesen, muss im konkreten Falle unter Berücksichtigung der „Aufgabenumwelt“ (Dülfer, 1999, S. 210 ff.) entschieden werden. Je stärker sich diese Aufgabenumwelt im Zeitablauf ändert, umso mehr ist auch zu beachten, dass Integration kein einmaliger Vorgang ist, sondern kontinuierlich erforderlich, und dass wir es hier mit einem sequentiellen Entscheidungsproblem derart zu tun haben, dass heutige Entscheidungen zukünftige Entscheidungen präjudizieren. Wir stehen also vor einem Problem, wie es theoretisch in der Kontrolltheorie7 abgehandelt wird: Das anzustrebende optimale Ganze GOPT ist eine Funktion der Aufgabenumwelt A, die ihrerseits zeitabhängig ist, so dass GOPT = GOPT (A(t)). Die Vereinigung der Subsysteme zu einem Ganzen ist mit Kosten verbunden, die durch den größeren Nutzen des Ganzen, also die Synergien, zunächst kompensiert werden müssen. Je turbulenter die Aufgabenumwelt ist, umso schwerer ist dies, denn bevor die Änderungskosten kompensiert sind fallen möglicherweise neue Änderungserfordernisse und –kosten an. Man denke exemplarisch an eine zentrale Zusammenfassung von Produktionssystemen, die sich noch wäh6 7
A ∪ B soll die Vereinigung (Integration) der Systeme A und B symbolisieren Siehe z.B. Tou (1964) sowie, als Anwendung im Management-Bereich, Tapiero (1977).
596
Bernd Schiemenz
rend ihrer Verwirklichung als unzweckmäßig erweist, weil neue Handelsschranken errichtet werden. „Deshalb sind die Realisationsdauer und die Lebensdauer von Synergien explizit im Akquisitionscontrolling zu berücksichtigen.“ (Mochty, 2001, S. 422) Dann erweist sich ein Aspekt als sinnvoll, den Schäffer als „Integralqualität“ bezeichnet. Sie „... ist um so höher, je höher der erreichbare neue Integrationsgrad .. des Gesamtsystems und je kleiner der Anpassungsaufwand .. zur Integration ist“ und erfasst damit „wie einfach es ist, eine neue Komponente in ein bestehendes System zu integrieren.“ (Schäffer, 1996, S. 91). Angesichts wachsender Turbulenz der Aufgabenumwelt besteht heute zunehmend die Tendenz, Produktionssubsysteme mit hoher Integralqualität zu präferieren. Man bevorzugt mehrere kleinere mobile gegenüber einem großen immobilen Betriebsmittel, also multiple statt dimensionierende Betriebsgrößenvariation, wenn die Kosten nicht zu stark variieren. Auch flexible Fertigungszellen, flexible Fertigungssysteme, flexible Fertigungsinseln sowie flexible Fertigungslinien resp. Transferstraßen lassen sich hier nennen.8 Ergänzt werden muss diese Sicht noch um den Aspekt der Desintegration. Man könnte der „Integralqualität“ der Elemente eine „Dekompositionsqualität“ der durch deren Integration geschaffenen Systeme gegenüberstellen. Die „Integralqualität der Bauelemente im Hochbau ist sicherlich sehr hoch. Man kann mit ihnen sehr verschiedene Bauwerke errichten. Bei deren Rückbau werden aber je nach dem dabei betriebenen Aufwand die verwendeten Elemente mehr oder weniger unbrauchbar. Durch Integration der Elemente verliert oder reduziert man die Freiheit alternativer Verwendungen. Unter diesem Aspekt wäre dann das Ganze sogar weniger als die Summe seiner Teile.
2.6
Varietätsmanagement unter Berücksichtigung von Ashby´s Varietätsgesetz
2.6.1 Ashby´s Varietätsgesetz Ashbys Gesetz der erforderlichen Varietät besagt, dass die Varietät der Ergebnisse von Handlungen nicht geringer sein kann als der Quotient aus der Varietät der Umweltzustände und der Varietät der potentiellen Aktionen. Dabei wird Varietät als Zahl der verschiedenen Elemente gemessen. (Ashby, 1963). Prämis8
Siehe hierzu auch Abschnitt 2.6.
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
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se dieses Modells ist, dass für jede Aktion das Ergebnis für jeden Umweltzustand variiert und dass sich für jeden Umweltzustand das Ergebnis für jede der Handlungen ändert. Abbildung 1 soll helfen, dies zu erläutern.
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Abbildung 1: Eine generelle Handlungs – Zustands – Ergebnis Matrix In dieser Matrix bedeuten ai (i = 1, 2, ..., i, ...., m) die Handlungsmöglichkeit i, sj (j = 1, 2, ..., j, ...., n) den Umweltzustand j und eij das Ergebnis der Handlung ai wenn die Umwelt im Zustand sj ist. Die Varietät der möglichen Aktionen ist dann m, die der möglichen Umweltzustände n. Ashbys Prämisse besagt, dass für jedes ai die Varietät von eij gleich n ist und für jedes sj die Varietät von eij gleich m ist. In dieser Situation ist es nie möglich, die Varietät der Ergebnisse geringer als n/m zu halten. Ist bspw. n = 4 und m = 2 muss der Handelnde zumindest zwei verschiedene Ergebnisse akzeptieren. Es sind nur dann nur zwei, wenn die zwei verschiedenen Aktionen für verschiedene Zustände zum selben Ergebnis führen. Ein Beispiel dafür ist in der Matrix der Abb. 2 enthalten. Wenn der Aktor in der abgebildeten Situation den Umweltzustand mit Sicherheit kennt, kann er gewährleisten, dass nur e oder f resultieren. Wollte er das Ergebnis auf e allein begrenzen, müsste er eine erste Aktion finden, die im Zustand s2 in e und eine weitere, die im Zustand s4 in e resultiert. Ashby´s Gesetz der erforderlichen Varietät fand breite Akzeptanz sowohl in den Kontrollwissenschaften als auch der Managementkybernetik. Für erstere stellte Brian Porter fest, dass “... Ashby’s law of requisite variety .. has the same crucial significance for regulation and control as has the second law of thermodynamics for physics.... (It) imposes strict bounds on the achievable behaviour of regulators regardless
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of their structure or design.” (Brian Porter, 1976, p. 227) Ähnlich schrieb Malik, dass dieses Gesetz zu den fundamentalen Erkenntnissen der Kybernetik gehört (Malik, 1996, S. 102). Und wenn man im Google nach “requisite variety” sucht, erhält man 83 Seiten mit mehr als 800 Seitenverweisen aus so verschiedenen Wissenschaften wie Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Neurologie, Pädagogik etc. Im Google Scholar alleine erhalten wir 40 Seiten.
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Abbildung 2: Möglichkeit der Reduktion der Ergebnisse auf zwei Einer der Gründe für diese breite Akzeptanz mag sein, dass das Gesetz eine große emotionale Attraktivität besitzt. Denn die Anzahl alternativer Aktionen korrespondiert mit den eigenen Freiheitsgraden. Und Heinz von Foerster’s ethischer Imperativ fordert: “Act always so as to increase the number of choices.” (von Foerster, 1984)
2.6.2 Ashby´s Varietätsgesetz in einem ökonomischen Kontext. 2.6.2.1 Robuste Alternativen Aus ökonomischer Sicht muss man allerdings berücksichtigen, dass die Fähigkeit zu unterschiedlichen Aktionen erst erworben werden muss. Für eine individuelle Person erfordert dies Ausbildung, Lernen sowie gewisse Investitionen in Ausrüstung und Werkzeuge. Auch für Unternehmungen, insbesondere industrielle, erhöhen sich die Kosten mit der Varietät der Handlungsmöglichkeiten. Dies gilt bereits für einzelne Mitarbeiter. Eine Mitarbeiterin, die in der Lage ist, verschiedene Stellen einzunehmen, z.B. als Springerin, kostet in der Regel mehr als eine auf eine Stelle spezialisierte Mitarbeiterin. Ähnlich ist eine Mehrzweckmaschine teurer als eine Einzweckmaschine. Wüsste die Betriebsleitung, welche Auftragstypen die Zukunft bringt, könnte sie das Produktionssystem so organisieren, dass minimale Kosten resultieren.
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
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Abbildung 3 zeigt 5 verschiedene Produktionssysteme und für welche Anzahl verschiedener Erzeugnisse bzw. Teile einerseits, Volumen pro Erzeugnisart bzw. Teil andererseits sie jeweils geeignet sind. Wenn die Auftragsmenge sehr hoch und die Teilevielfalt sehr gering sind erscheinen Transferlinien oder Spezialmaschinen geeignet. Im entgegengesetzten Fall wäre Werkstattfertigung am günstigsten.
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Abbildung 3: Zur Eignung unterschiedlicher Prodktionssysteme (nach Will, 2000, S. 711) Die Frage ist, was man tun kann, wenn man nicht vorhersagen kann, welche und wie viele Aufträge in welchen Auftragsmengen in Zukunft erteilt werden. Wäre es dann sinnvoll, einen Betrieb zu haben, der alle diese verschiedenen Betriebssysteme enthält? Wohl nicht, denn das würde, zumindest im Allgemeinen, zu hohe Kosten verursachen. Aber welches System sollte gewählt werden? Man steht vor dem Dilemma der Flexibilität einerseits, Produktivität andererseits. Transferlinien sind sehr produktiv, erfordern aber sehr große Losgrößen. Werkstattfertigung ist wenig produktiv aber sehr flexibel, wenn unvorhergesehene Produkte produziert werden müssen. Ein Kompromiss könnte sein, flexible Fertigungssysteme zu nutzen. Sie können befriedigende Ergebnisse in allen Markt-
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situationen bzw. Umweltzuständen erbringen. Wir können solche Alternativen robust (in einem ersten Sinne) nennen. Die Entscheidungs- und Investitionstheorie können uns helfen, solche robusten Alternativen zu finden und solche Probleme zu lösen. Ein ähnlicher Ansatz ist der der Kernkompetenzen im Sinne von “...competencies that empower individual businesses to adapt quickly to changing opportunities”, “the root system that provides nourishment, sustenance, and stability
...”. Core competence first “...provides potential access to a wide variety of markets.” It second “... should make a significant contribution to the perceived customer benefits of the end product” and finally it should be difficult for competitors to imitate them. (Prahalad/ Hamel, 1990, p. 81 ff.)
2.6.2.2 Robuste Schritte Nicht enthalten in Ashby´s einfachem Modell ist auch die Zeitdimension. Die Vorbereitung zukünftiger Aktionen (Lernen, Investieren) erfordert aber Zeit. Die Vorbereitung selbst kann im Allgemeinen hierarchisch in mehrere Schritte unterteilt werden. Und oft enthalten die Vorbereitungsmaßnahmen auf unterschiedliche Aktivitäten gleichartige Schritte (z. B. Kauf eines Grundstückes, trotz möglicherweise unterschiedlicher Produktionssysteme). In dieser Situation wird empfohlen, zunächst solche gleichartigen Schritte zu unternehmen, weil sie robust sind (in einem zweiten Sinne) bezüglich möglicher zukünftiger Umweltzustände. (Gupta/Rosenhead, 1968; Hanssmann, 1978, S. 65). Ganz generell muss man bedenken, welche zukünftigen Optionen durch die eigenen Tätigkeiten eröffnet werden.
2.6.2.3 Änderung der Umweltzustände durch Änderung der Umwelt. So wie Aktionen, Betriebe und Unternehmungen können auch Umweltzustände hierarchisch aggregiert und disaggregiert sowie auf gleicher hierarchischer Ebene geändert werden. Nehmen wir als Beispiel den Zustand „Wachstum der deutschen Wirtschaft“. Er kann disaggregiert werden in die Zustände „Wachstum der Industrie“, „Wachstum des Dienstleistungssektors“ etc. Er kann (mit anderen) aggregiert werden zu “Wachstum der europäischen Wirtschaft” und horizontal verschoben werden in “Wachstum der polnischen Wirtschaft”.
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
601
Im allgemeinen ist ein Handlungsträger nicht an eine spezifische Umwelt gebunden. So änderte Preussag sein Umfeld von Industrie zu Dienstleistung (TUI). Nationale Unternehmungen wurden zu multinationalen (z.B. Telekom), andere transferierten ihren Betrieb in ein anderes Land wie z.B. Polen. All das bedeutet, dass der/die Handelnde nicht nur die Aktionen bestimmt, sondern auch das Umfeld, in dem sie erfolgen, und damit die Umweltzustände. Dies ist allerdings wiederum ein Entscheidungsproblem das im Hinblick auf den Aspekt der erforderlichen Varietät in Ashby´s Matrix modelliert werden kann, nun allerdings auf einer anderen Ebene.
2.6.2.4 Schaffung einer Balance zwischen Umfeld und Aktionenraum. Als Synthese können wir feststellen, dass ein Management eine Balance finden muss zwischen seinem Handlungsraum, das ist die Menge seiner möglichen Aktionen, und seinem durch Zustandsmöglichkeiten beschriebenen Umsystem. Ein Maß für die Qualität dieser Balance ist weniger die Varietät der Aktionen als der von der jeweiligen Nutzenfunktion abhängige erwartete Nutzen. Soweit es – auf einem bestimmten Aggregationsniveau – ein bestimmtes Umfeld zu akzeptieren gilt, kann man nur seinen Handlungsraum bestimmen. Im Hinblick auf niedrigere Aggregationsebenen kann man das relevante Umfeld beeinflussen, dann wohl verbunden mit einer Anpassung des Aktionenraums. Das geschah bspw. als RWE seine Wasserinteressen aufgab und sich auf Gas und Öl konzentrierte. Das Management mag ebenso erwägen, seine Umwelt horizontal zu verändern und dabei seine Handlungsmöglichkeiten im wesentlichen beibehalten. Ein prinzipielles Beispiel ist die Verlagerung der Produktion nach Polen, weil dort die Arbeitslöhne niedriger sind oder nach Südafrika, weil dort die Betriebsmittel wirtschaftlich noch nicht überholt sind. Auch ist beides zugleich möglich: Sowohl horizontal das Umfeld als auch den Handlungsraum zu ändern. Als Beispiel könnte man die britische Intermediate Technology Development Group nennen, die spezielle Technologien für Entwicklungsländer konzipierte und dort realisierte (Schiemenz, 2000). In den letzten Jahrzehnten waren viele Unternehmungen gezwungen zu globalisieren. Ihr Umfeld expandierte also auf eine höhere Ebene, möglicherweise die gesamte Welt. Aber selbst dann kann es möglich sein, den Handlungsraum recht begrenzt zu halten, wie bspw. McDonalds oder Coca Cola.
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Diese Ausbalancierung des eigenen Handlungsraumes und des Umfeldes findet sich auch in Porter’s Empfehlungen zur Wettbewerbsstrategie wieder (Michael Porter, 1980). Man kann in einen Massenmarkt gehen, muss dann aber als Kostenführer zu minimalen Kosten produzieren. In einem Luxusgütermarkt muss man dagegen die individuellen Wünsche anspruchsvoller Kunden befriedigen und damit eine Differenzierungsstrategie verfolgen. Eine solche Balancierung zwischen Handlungs- und Zustandsraum ist übrigens auch ein allgemeines Prinzip der Natur. Als eines von vielen möglichen Beispielen sei auf Viren verwiesen, über die Heylighen schreibt: “For example, according to some theories, viruses, the simplest of living systems, are degenerated forms of what were initially much more complex organisms. Since viruses live as parasites, using the host organisms as an environment that provides all the resources they need to reproduce themselves, maintaining a metabolism and reproductory systems of their own is just a waste of resources. Eventually, natural selection will eliminate all superfluous structures, and thus partially decrease complexity.” (Heylighen, 1995)
2.6.2.5 Unternehmensgröße und mögliche Varietät. Bisher konzentrierten wir uns auf nur eine Ebene bzw. einen Entscheidungsoder Handlungsträger. Wenn wir größere Betriebseinheiten über mehrere Ebenen in kleinere unterteilen, bleiben die bisher gemachten Aussagen für jede einzelne Einheit auf jeder der Ebenen gültig. Nun kann jedoch die größere Einheit spezialisierte Untereinheiten aufweisen, so dass die Varietät der Aktionen wesentlich größer sein kann. So kann, in Hinblick auf Abb. 3 ein Betrieb einen (Teil-)Betrieb mit Transferlinie und einen weiteren mit Werkstattfertigung aufweisen. Insofern besteht eine Asymmetrie zwischen kleineren und größeren Betrieben. Was die kleineren Einheiten können, kann auch die größere. Sie muss sich nur als mehrere kleinere Einheiten organisieren. Zusätzlich kann sie sich aber auch anders organisieren, um Synergien zu nutzen. Dieser Aspekt wurde bereits in Abschnitt 2.5 angesprochen. Andererseits vernetzen sich neuerdings kleinere Einheiten miteinander, wodurch der Vorteil der größeren reduziert wird.
2.7
Die Unternehmung als autopoietisches System.
Es ist immer wieder erfreulich festzustellen, welchen Einfluss einzelne Gedanken von Kybernetikern in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen gewon-
Ein kybernetisch-systemtheoretischer Blick auf Unternehmensressourcen
603
nen haben und wie sich bei systemtheoretischer Orientierung einzelne Fachgebiete gegenseitig befruchten können. So gründete der zunächst eher mathematisch-physikalisch orientierte Heinz von Foerster 1957 an dem Department of Electrical Engineering der University of Illinois das Biological Computer Laboratory. In diesem entwickelten, aufbauend auf Ideen von Heinz von Foerster und anderen dort tätigen sehr renommierten Wissenschaftlern, die Biologen Maturana und Varela das Konzept der Autopoiese des menschlichen Gehirns. Es wird nicht – allopoietisch – gestaltet, sondern gestaltet sich auf der Basis von externen Anregungen selbst. Dieser Gedanke wurde in den Gesellschaftswissenschaften, maßgeblich von Luhmann und Willke auf soziale Systeme übertragen. Von dort her fand er auch Eingang in Betriebswirtschaftslehre und Managementlehre. Solche autopoietischen Systeme kreisen in gewissem Sinne in sich selbst. Externe Anregungen – Störungen – werden nur aufgenommen, wenn sie an das eigene Erkenntnisbild anschlussfähig sind. Es verbleibt etwas, was das soziale System wegen seiner relativen Geschlossenheit einfach nicht sieht. Im Anschluss an die Stelle, wo der Sehnerv in das menschliche Auge eintritt und wo rein physiologisch optische Signale nicht aufgenommen werden, spricht man hier vom blinden Fleck. Die aufgrund der blinden Flecke nicht aufgenommenen Informationen kann nur ein externer Beobachter, der Beobachter der Beobachter im sozialen System, erkennen. Es erscheint mir wichtig zu wissen, dass es solche blinden Flecke gibt.9 Es regt an, das Wissen externer Institutionen „anzuzapfen“, etwa wissenschaftlicher Institute oder von Unternehmensberatungen, die aufgrund ihrer Tätigkeit auch über das Wissen anderer Unternehmungen verfügen und so den Wissensstand unterschiedlicher Unternehmungen miteinander vergleichen können. In ähnliche Richtung gehen Benchmarking-Studien.
2.8
Strukturelles oder akkumulatives Wissen?
In diesem Zusammenhang soll ein weiterer auf Erkenntnisse des Kreises um Heinz von Förster zurückgehender Gedanke vorgetragen werden, nämlich der, 9
Diese Sicht erscheint mir präziser als die bei Davenport, Thomas H. / Prusak, Laurence: Wenn Ihr Unternehmen wüsste, was es alles weiß ... – das Praxisbuch zum Wissensmanagement, 2. Aufl. Landsberg/Lech 1999, S. 40, zu findende Aussage „Wissen bedeutet auch, dass man weiß, was man nicht weiß.“ Wir haben dort ein ähnliches Mehrebenen-Problem wie bei dem Buchtitel selbst.
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strukturelles Wissen zu Lasten enzyklopädischen resp. akkumulativen Wissens zu verstärken. Er geht auf einen Vortrag von Heinz von Foerster über „Gedächtnis ohne Aufzeichnung“ zurück, den dieser 1963 auf der Ersten Konferenz über Lernen, Erinnern und Vergessen in Princeton hielt. (v. Foerster, 1985, S. 133 – 171) Grundgedanke dieses Beitrages ist, dass das menschliche Gehirn Informationen nicht abspeichert, sondern sich so vernetzt, dass es diese jeweils neu errechnen kann. Es ist eine „…Rechenvorrichtung, die ihre eigene innere Organisation aufgrund von Interaktionen mit ihrer Umwelt verändert.“ (v. Foerster, 1985, S. 137) „Die Veränderungen der inneren Organisation dieses Rechners finden so statt, dass bestimmte Gesetzlichkeiten der Umwelt, die für deren Ordnung verantwortlich sind, in der Struktur dieses Rechners abgebildet werden. Diese Homomorphie ‚UmweltSystem’ ist das ‚Gedächtnis …“ (v. Foerster, 1985, S. 152 f.)
Die darauf aufbauende Unterscheidung zwischen akkumulativem und strukturellem Wissen entstammt aber einer Arbeit des Instituts für Höhere Studien in Wien (Müller 1994) und soll zunächst durch ein kleines Beispiel erläutert werden. In der Grundschule lernen wir das kleine Einmaleins. Wir können uns das so vorstellen, dass wir den Inhalt einer Matrix mit 10 Zeilen und 10 Spalten abspeichern. Physiologisch sind wohl auch das schon Vernetzungsvorgänge, die Multiplikand und Multiplikator mit einem Produkt vernetzen. Immerhin könnten wir eine solche 10 x 10 Matrix auch noch neuronal abspeichern. Völlig unmöglich wäre es aber, auf diese Weise die Produkte zehnstelliger Zahlen abzuspeichern. Die Matrix hätte 1020 bis zu zwölfziffrige Elemente und würde damit die neuronale Kapazität des menschlichen Gehirns bei weitem überfordern. Wir müssen das Problem deshalb vorwiegend durch die Verwendung strukturellen Wissens lösen, wie man in Kenntnis des kleinen Einmaleins multipliziert. Damit sind wir in der Lage, beliebigziffrige Faktoren miteinander zu multiplizieren. Einige Gedanken, wie dieser Ansatz betrieblich genutzt werden kann: Wollte Siemens enzyklopädisch wissen, was Siemens weiß, würde das zu einem unendlichen Regress führen. Bereits bei zwei Personen, A und B, müsste A wissen was B über A, der über B .. weiß. Strukturelles Wissen liefe auf das Wissen der Vernetzung des eigenen Wissens bzw. Wissensbedarfs mit den Wissensgebieten, nicht dem Detailwissen, anderer Organisationsmitglieder hinaus. Dieses Wissen kann von wesentlich geringerem Umfang sein, da es sich nur auf Wissensaggregate bezieht. Darüber hinaus muss man wissen, wie man den Anderen zur Wissenskommunikation gewinnen kann. Bei Wissensdistribution im Sinne des Push-
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Prinzips ist darüber hinaus noch Wissen über die Probleme der anderen erforderlich. Die Notwendigkeit, Wissen auf diese Weise zu vernetzen, wird insbesondere in Beratungsunternehmungen erkannt. Um Transparenz über solche Beziehungen zu gewinnen, kann man auf Expertenverzeichnisse und Gelbe Seiten sowie Wissensträger-, Wissensbestands- und Wissensstrukturkarten und ähnliches zurückgreifen. (z.B. Probst/Raub/Romhardt, 1998, S. 107 ff.)
3
Lenkung von Systemen
3.1
Eine rekursive Prozesssicht und rekursive Problemlösung als Ausgangspunkt
Die oben erläuterte rekursive Systemsicht lässt sich auch auf Prozesse und deren Lenkung übertragen, was sich sogar bereits in einer DIN-Norm niedergeschlagen hat. Im DIN-Fachbericht 50 wird wie folgt abgegrenzt: „Die Bearbeitung einer Aufgabe durch einen Agenten (eine Person oder eine Maschine, B.S.) wird als Aktivität bezeichnet.“ Weiterhin heißt es: „Ein Prozeß ist definiert als miteinander verbundene Aktivitäten oder Teilprozesse zur Bearbeitung einer Aufgabe oder aus einer einzelnen Aktivität.“ Letzteres entspricht rekursionstheoretisch der „Verankerung“. Und ganz explizit wird formuliert: „Somit ist der Prozeßbegriff rekursiv definiert.“ (DIN
Fachbericht 50, 1996, S. 15 f). Mit Ausnahme der letztlich verbleibenden kleinsten Aktivität als Verankerung bestehen also Prozesse aus Prozessen aus Prozessen ... Rekursive Problemlösung liegt in der „... Zurückführung der allgemeinen Aufgabe auf eine ‘einfachere’ Aufgabe derselben Klasse.“ (Bauer/Goos/Dosch, 1991, S. 59.) Der Ansatz besteht darin, das Gesamtproblem in zwei Teilprobleme aufzuteilen, eines, dessen Lösung bekannt ist und ein anderes, das zwar die gleiche Struktur wie das ursprüngliche Problem aufweist, aber vom Umfang her kleiner und damit leichter lösbar ist. „Elementarfall und Reduktion der Problemgröße in Richtung auf den Elementarfall sind die wesentlichen strukturellen Eigenschaften rekursiver Funktionen und Prozeduren.“ (Wagenknecht 1994, S. 42.)
So lässt sich der Wert n! = n ⋅ (n-1) ⋅ (n-2) ⋅ ... ⋅ 2 ⋅ 1 Rekursiv formulieren und errechnen gemäß n! = n ⋅ (n-1)! 1! = 1
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Wagenknecht charakterisiert den Ansatz als Little-Man-Modell. Der „kleine Mensch“ erhält das Problem, beispielsweise die Errechnung von x!, merkt sich die eigene Teilaufgabe, hier „multipliziere x mit (x-1)!“ und gibt die Aufgabe (x1)! an den nächsten kleinen Menschen weiter. Schließlich gibt der letzte den Wert 1! = 1 nach vorne in die Kette usw. Obwohl jeder „kleine Mensch“ nur in seiner kleinen Welt lebt und nichts von dem weiß, was drum herum geschieht, wird durch die „kleinen Menschen“ insgesamt aufgrund ihrer Verkettung das Gesamtproblem gelöst. Ein anschauliches Beispiel für rekursive Problemlösung ist auch das Einsortieren einer Karteikarte in eine Kartei. Man teilt diese in zwei Teile und entscheidet, in welche der beiden (nun kleineren) Karteien die Karte einzusortieren ist und wiederholt das, bis die „leere Kartei“ als Anker gefunden ist, in die die Karte hineingehört. Anspruchsvollere betriebliche Beispiele finden wir in der Netzplantechnik, der Routenplanung und der Stücklistenauflösung sowie allen der Dynamischen Optimierung zugänglichen Problemen.
3.2
Systemstabilisierung durch Regelung
Aber auch die Regelung verwendet rekursive Problemlösung. Das wird bereits in der Definition nach DIN 19226 angedeutet. Danach handelt es sich bei Regelung um den „... Vorgang, bei dem eine Größe*, die zu regelnde Größe (Regelgröße*), fortlaufend erfaßt, mit einer anderen Größe, der Führungsgröße*, verglichen und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflußt wird“ (DIN 19226, 1968, S. 3). Die Regelgröße wird also „im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße“
beeinflusst. Das größere Problem einer größeren Abweichung zwischen Führungsgröße und Regelgröße wird in ein kleineres Problem einer kleineren Abweichung zwischen Führungsgröße und Regelgröße transformiert, das aber von der gleichen Klasse wie das größere Problem ist. Besteht die Regelstrecke ihrerseits aus einem oder mehreren Regelkreisen haben wir ein vermaschtes Regelungssystem rekursiver Natur in Form von Regelkreisen in Regelkreisen …Vom hierarchisch übergeordneten System der Ebene n werden den untergeordneten Systemen der Ebene (n+1) Sollwerte vorgegeben die diese zu erreichen versuchen. Die realisierten (Ist-) Werte werden zurückgegeben und führen möglicherweise zu einer Sollwertkorrektur. Regler und Regelstrecke sind insofern interdependent und formal ist kaum unterscheid-
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607
bar, ob die dem Regler seinerseits vorgegebenen Sollwerte oder die auf die Strecke einwirkenden Einflüsse, z.B. „Störgrößen“ den Prozess determinieren. Soweit der Regler allerdings über Einflussmöglichkeiten (Stellgrößen) verfügt, die die Regelstrecke zur Erreichung des Sollwertes veranlassen können, determiniert er den Prozess.
3.3
Systemidentifikation durch Rückkopplung und Grenzen der Erkenntnis
Mich fasziniert an dem der Regelung zu Grunde liegenden Prinzip, dass dadurch vorgegebene Sollwerte erreicht werden können selbst wenn man die auf die Regelstrecke, das zu lenkende Objekt, einwirkenden Einflüsse ihrer Art und Höhe nach gar nicht kennt und wenn auch die Reaktion der Regelstrecke auf diese und die eigenen lenkenden Eingriffe nicht bzw. nur begrenzt bekannt ist. Natürlich kann das Regelungssystem umso besser gestaltet werden, je mehr Kenntnisse man von diesen Größen hat, bspw. durch Störgrößenaufschaltung und Verwendung eines Modells der Regelstrecke im Regler. Ein in der Kybernetik zentraler, von Conant und Ashby aufgestellter, Satz besagt: "Every good regulator of a system must be a model of that system". (Conant/Ashby, 1970) Dieses Theorem gilt sowohl für Regelungs- als auch Selbstregelungsprozesse und technische wie auch biologische oder soziale Objekte. Um aber ein solches Modell originär zu erwerben sind wiederum Rückkopplungsprozesse erforderlich. Um bspw. eine Preis-Absatz-Funktion zu erhalten ist die Rückkopplung der Nachfragemenge auf eine bestimmte Preisstellung nötig. Dabei ergeben sich allerdings schnell gewaltige Probleme. Nur wenn der Absatzmarkt sofort und linear reagiert und nicht stochastischer und zeitvariabler Natur ist, lässt sich das Modell einfach bilden. Schon bei Nichtlinearität müssen zahlreiche Preisstellungen erfolgen, um die funktionale Beziehung zu ermitteln. Erfolgt die Reaktion nicht sofort sondern dynamisch, z.B. zeitverzögert mit Totzeit, muss jeweils gewartet werden, bis die Reaktion eintritt. Ist diese noch stochastischer Natur, muss jede Preisstellung mehrfach wiederholt werden, um die Häufigkeitsverteilung zu erkennen. Die erforderliche Zahl an Input-OutputBeziehungen in einem nichtlinearen, dynamischen, stochastischen Reaktionssystem ist schließlich so groß, und die für die Versuchsreihe erforderliche Zeit so lang, dass sich das Verhalten schon wieder geändert haben kann, was bspw. beim Absatzmarkt der Fall sein dürfte. Ein solches System ist prinzipiell nicht exakt modellierbar. Physiker mit ihren (zumindest weitgehend, je nach Gültig-
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keitsdauer der Modelle) stationären, nicht zeitvariablen Systemen haben es da einfacher. Aus ökonomischer Sicht wird man bezüglich des Conant/Ashby-Theorems auch die Kosten der Ermittlung des exakten Modells berücksichtigen müssen, und ob der Modellnutzen diese rechtfertigt. Oft reicht ein auf den engeren Handlungsbereich begrenztes Modell. Oft ist sogar nur ein erster plausibler Startpunkt, im Beispiel eine erste Preis-Absatz-Relation erforderlich, von der aus man sich nach dem Grenzkosten-Grenznutzenkonzept unter Verwendung von Optimum-Suchverfahren weiterhangelt.
3.4
Duale Kontrolle: Wissenserwerb und Lenkung.
Ein mit dem genannten Informationsproblem verwandter interessanter kybernetischer Gedanken ist der der dualen Kontrolle. Im Rahmen der Interaktion mit zu lenkenden Systemen lernt man diese näher kennen, greift aber möglicherweise in diese auch beeinflussend ein. Die Problemstellung der dualen Kontrolle ist, inwiefern wir die Interaktion mit dem Ziel der Wissensmehrung einerseits, dem Ziel der Beeinflussung des Systems andererseits betreiben sollen. So schlägt beispielsweise Itami vor, „Produktionsprozesse auch immer unter der Perspektive ihrer Bedeutung für die Wissensakkumulation zu verstehen. Dies kann in der Praxis beispielsweise bedeuten, zentrale Produktkomponenten unabhängig von Kostenüberlegungen im eigenen Haus herzustellen, um das dabei generierte Know-how zu bewahren.“ (Nach Probst/Raub/Romhardt, 1998, S. 76). Der Ansatz der dualen Kontrolle geht allerdings viel weiter. Er möchte diesen Prozess über die Zeit optimieren. (Fel’dbaum,
1961)
3.5
Expansion durch positive Rückkopplung.
Wichtig ist auch, dass man neben den unter 3.2 angesprochenen negativen, stabilisierenden Rückkopplungsbeziehungen die Bedeutung positiver (sich verstärkender respektive in einer Richtung wirkender) Rückkopplungsbeziehungen kennt, und zwar jeweils positiv als auch negativ zu wertende. Eine positive Rückwirkungsbeziehung besteht beispielsweise zwischen Kapital und Zinsen sowie - für das vertreibende Unternehmen – im „Lock-in-Effekt“. Man denke exemplarisch daran, wie ein kleiner Marktvorsprung eines Betriebssystems die Entwicklung darauf aufbauender Anwendungssysteme verstärkte, die ihrerseits
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den Absatz des Betriebssystems förderten und die Kunden wegen der getätigten Investitionen an diese Systeme banden. Aus Unternehmenssicht negativ zu bewerten ist der Wirkungskreis schlechteres Rating -> höhere Kreditzinsen -> niedrigerer Gewinn -> schlechteres Rating oder das wechselseitige Hochschaukeln von Preiszugeständnissen.
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Autoren / Tagungsteilnehmer Antonacopoulou, Elena P., University of Liverpool Antoni-Komar, Irene, Universität Oldenburg Blinda, Lars, Boston Consulting Group Braun von Reinersdorff, Andrea, Universität Osnabrück Burmann, Christoph, Universität Bremen Burr, Wolfgang, Universität Stuttgart Busch, Michael W., TU Braunschweig Fearns, Hanna, Konstanz Freiling, Jörg, Universität Bremen Friesl, Martin, Lancaster University Management School Frohwein, Torsten, Universität Stuttgart Gersch, Martin, Freie Universität Berlin Gerybadze, Alexander, Universität Hohenheim Goeke, Christian, Freie Universität Berlin Gredel, Daniel, Universität Hohenheim Gresse, Christopher, Universität Hohenheim Güttel, Wolfgang H., Johannes Kepler-Universität Linz Haberle, Kathrin, Zeppelin University Konstanz Hansen, Nina Katrin, Universität Hamburg Hofmann, Benedikt, Universität Duisburg-Essen Kerber, Wolfgang, Philipps-Universität Marburg Kessler, Tim, Philipps-Universität Marburg Klein, Torsten, Universität Siegen Lautermann, Christian, Universität Oldenburg Lingenfelder, Michael, Philipps-Universität Marburg Lorenz, Marcus, TU Braunschweig Margaria, Tiziana, Universität Potsdam Martin, Alexander, Freie Universität Berlin Michaelski, Tino, Fachhochschule Frankfurt Moldaschl, Manfred, TU Chemnitz Nietert, Bernhard, Philipps-Universität Marburg Pfaffmann, Eric, DB Schenker Rail Deutschland AG Pfriem, Reinhard, Universität Oldenburg Proff, Heike, Universität Duisburg-Essen
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Autoren / Tagungsteilnehmer
Rasche, Christoph, Universität Potsdam Sanchez, Ron, Copenhagen Business School Schiemenz, Bernd, Philipps-Universität Marburg Schneider, Martin, Philipps-Universität Marburg Schott, Martina, Speyer Schwenk, Johann, Universität Kassel Slowak, André, Universität Hohenheim Soppe, Birthe, Universität Regensburg Stadler, Christina, Philipps-Universität Marburg Stein, Volker, Universität Siegen Stephan, Michael, Philipps-Universität Marburg Vesshoff, Julia, Universität Bremen Weissenberger-Eibl, Marion A., Universität Kassel Wessel, Lauri, Freie Universität Berlin
Im Jahrbuch „Strategisches Kompetenz-Management“ 2009/10 „Ambidextrie“: Der unternehmerische Drahtseilakt zwischen Ressourcenexploration und -exploitation“ erscheinen: Martin Gersch/Christian Goeke/Lauri Wessel Netzwerk-Ambidextrie: Ist eine Balance explorativen und exploitativen Lernens auch in Netzwerken möglich? Tim Kessler The Shift Towards Services – Eine empirische Untersuchung der Tertiarisierung des Industriesektors aus der Ressourcenperspektive Heike Proff/Kathrin Haberle Sinkende Bedeutung von Ambidextrie durch konsistentes dynamisches Management Volker Stein/Torsten Klein Organizational Slack als Quelle zur Dynamisierung organisationaler Kompetenzen Michael Stephan Kreativität und Improvisationsfähigkeit als Kernherausforderungen innovativer Unternehmen: Jazz als Referenzkonzept für das Innovationsmanagement