Günter Neroth | Dieter Vollenschaar (Hrsg.) Wendehorst Baustoffkunde
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Günter Neroth | Dieter Vollenschaar (Hrsg.) Wendehorst Baustoffkunde
Günter Neroth | Dieter Vollenschaar (Hrsg.)
Wendehorst Baustoffkunde Grundlagen – Baustoffe – Oberflächenschutz 27., vollständig überarbeitete Auflage Mit 376 Abbildungen und 363 Tabellen PRAXIS
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Bis zur 26. Auflage erschien das Werk im Vincentz Verlag, Hannover.
2., vollständig überarbeitete Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dipl.-Ing. Ralf Harms | Sabine Koch Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz/Layout: KLEMENTZ publishing services, Freiburg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8351-0225-5
Vorwort zur 27. Auflage „Ein guter Konstrukteur muss mit den Eigenschaften des Werkstoffes so vertraut sein, dass er unmittelbar ein Gefühl dafür hat, wie es dem Werkstoff unter den betriebsmäßigen Beanspruchungen zumute ist.“ MAX EYTH
Für die erfolgreiche Planung und Errichtung von Baukonstruktionen ist eine genaue Kenntnis über die Eigenschaften der verwendeten Baustoffe unabdingbar. Denn allzu oft haben in der Vergangenheit fehlerhafte oder falsch eingesetzte Baustoffe zu umfangreichen, oft nur mit großem finanziellem Aufwand instand zu setzenden Bauschäden geführt. Hinzu kommen der rasche Wandel in der Technologie der Herstellung und die schnelle Entwicklung neuer Baustoffe und Stoffkombinationen, die von allen Bauschaffenden mehr denn je die Vertiefung ihres Wissens um die Zusammenhänge zwischen den Baustoffeigenschaften einerseits und dem Verhalten in der Konstruktion andererseits erfordern. In zunehmendem Maße müssen aber auch Fragen der Dauerhaftigkeit, Umweltverträglichkeit, Recyclingfähigkeit usw. bei der Auswahl der Baustoffe berücksichtigt werden. Die maßgebenden Eigenschaften – die Baustoffkenngrößen – werden in Abschnitt 1.2 umfassend dargestellt. Neben den mechanischen und physikalischen Kenngrößen wird hier ein besonderes Augenmerk auf die Dauerhaftigkeit der Baustoffe gelegt. Aufgabe der Materialprüfung ist die Bestimmung von Baustoffkenngrößen im Experiment. Bei der Auswertung der gewonnenen Prüfergebnisse werden statistische Methoden eingesetzt, deren Grundlagen in Abschnitt 1.3 „Statistische Methoden in der Qualitätssicherung“ behandelt werden. Die Einführung der neuen europäischen Normengeneration schreitet nach der nunmehr vollzogenen Öffnung des europäischen Binnenmarktes immer weiter voran, und die Bauschaffenden werden mit neuen Regelwerken konfrontiert, z. B. Bauregellisten, harmonisierte EUNormen, Bauproduktenrichtlinie usw. In dem neu eingefügten Abschnitt 1.4 „Regelwerke für Baustoffe“ wird diese komplexe Thematik anschaulich dargestellt. Das Bauen im Bestand – Umbau, Schutz, Instandsetzung usw. – nimmt in der deutschen Bauwirtschaft einen immer größeren Stellenwert ein; besondere Bedeutung kommt hierbei der Beton- und Stahlbetonbauweise zu. Aus diesem Grunde wurde das Kapitel 17 „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ neu aufgenommen. Auch die übrigen Kapitel wurden in wesentlichen Teilen einer umfassenden Neu- bzw. Überarbeitung unterzogen und inhaltlich dem neuesten Stand der Technik angepasst. Wie bereits bei den früheren Auflagen dieses Lehrbuches und Nachschlagewerks hat auch dieses Mal wieder eine Reihe von Fachleuten aus den jeweiligen Fachgebieten an der Zusammenstellung des Manuskriptes mitgewirkt. Den nachfolgend genannten Autoren sei an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt.
VI
Vorwort zur 27. Auflage
Kapitel 9 „Glas“ Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller, Dipl.-Ing. Philipp Krampe Technische Universität Dresden, Institut für Baukonstruktion Kapitel 13 „Bitumenhaltige Baustoffe“ Prof. Dr.-Ing. Ulf Zander Universität Siegen, Institut für Straßenwesen (ifs) Kapitel 14 „Holz und Holzwerkstoffe“ Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Gerhardt Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen Kapitel 15 „Kunststoffe“ Prof. Dr.-Ing. Klaus P. Großkurth Technische Universität Braunschweig, Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB) Kapitel 16 „Oberflächenschutz“ Dr.-Ing. Robert Engelfried Technische Universität Dortmund, Institut für Bauforschung Kapitel 17 „Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken“ Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach RWTH Aachen, Institut für Bauforschung (ibac) Der Herausgeber dankt allen Lesern, die in ihren Zuschriften Verbesserungen des Buches angeregt haben, und wünscht sich auch für die nun vorliegende 27. Auflage rege Stellungnahmen aus dem Leserkreis. Ein besonderer Dank gilt Herrn Ralf Harms und Frau Sabine Koch vom Vieweg+TeubnerVerlag für die gute Zusammenarbeit. Die umfangreiche Normensammlung wurde von den Herren Joachim Schröder und Christian Krafft fortlaufend aktualisiert; hierfür möchte ich mich recht herzlich bei ihnen bedanken. Abschließend möchte ich noch ein ganz besonderes Dankeschön an meine Gattin richten, die mir durch ihr Verständnis, ihre Geduld und ihre Unterstützung die Arbeit an dem vorliegenden Buch erst ermöglicht hat.
Siegen, im Januar 2011
Prof. Dr.-Ing. Günter Neroth
Autorenverzeichnis Dr.-Ing. Robert Engelfried war nach seiner Meisterprüfung im Malerhandwerk zunächst an der Universität Stuttgart in der Abteilung Anstriche und Kunststoffbeschichtungen der FMPA Bauwesen tätig. Nach dem anschließenden Studium der Chemietechnik trat er am Lehrstuhl Bauphysik der Fakultät Bauwesen der Universität Dortmund ein und übernahm dort später die Leitung des Bauphysikalischen Labors. Er führte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu den Themen Bautenschutz, Korrosionsschutz, Bauwerksunteruntersuchungen, Beschichtungs- und Instandsetzungswerkstoffe, Instandsetzungsüberwachung durch und promovierte über ein Thema zu Polymeren Beschichtungen. Er arbeitete in Arbeitskreisen des DAfStb, ZTV SIB, VGB mit, hielt Vorträge im In- und Ausland und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen. Seit 2006 ist er als ö.b.u.v. Sachverständiger für Betoninstandsetzung; Beschichtungen im Bauwesen tätig. Prof. Dr.-Ing. Ulrich Gerhardt studierte Holzwirtschaft an der Universität Hamburg. Er promovierte während seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Holzchemie auf dem Gebiet der Strukturaufklärung von Holzinhaltsstoffen. Anschließend war er in Möbel- und Spanplattenwerken tätig. Später wurde er an die Fachhochschule Hildesheim/ Holzminden/Göttingen Fachbereich Bauingenieurwesen Studiengang Holzingenieurwesen in Hildesheim berufen. Seine Lehrgebiete waren hauptsächlich Qualitätsmanagement, Holztechnologie und Holzvergütung. Daneben war er als Beratender Ingenieur in der Möbel- und Holzindustrie tätig. Prof. Dr.-Ing. Klaus P. Großkurth studierte an der Universität Hannover Maschinenbau mit Schwerpunkt Werkstofftechnik. Er promovierte an der Universität Stuttgart mit einem Thema aus dem Bereich der Polymerwerkstoffe und war dort am Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde als Abteilungsleiter tätig. 1977 nahm er einen Ruf an die TU Braunschweig wahr, wo er das Fachgebiet Struktur und Anwendung der Baustoffe im Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz und die Abteilung Polymerwerkstoffe und Umweltanalytik der MPA für das Bauwesen aufbaute und leitete. Er ist Mitglied in Ausschüssen des DIN, DAfStb, CEN und des DIBt in Berlin, in mehreren Forschungsgremien und Institutsbeiräten, ferner Autor von über hundert wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Fachbüchern sowie nationalen und internationalen Fachzeitschriften. Seit 1980 leitet er ein eigenes Ingenieurbüro und ist als ö.b.u.v. Sachverständiger tätig. Dipl.-Ing. Philipp Krampe arbeitete nach Abschluss seines Studiums an der Technischen Universität Berlin mit den Vertiefungen Stahlbau und Grundbau zunächst mehrere Jahre in verschiedenen Ingenieurbüros im In- und Ausland in den Bereichen Tragwerkplanung und Projektmanagement. Er ist seit 2007 an der Technischen Universität Dresden als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Der Hauptaufgabenbereich umfasst den Konstruktiven Glasbau und Fassadenkonstruktionen.
VIII
Autorenverzeichnis
Prof. Dr.-Ing. Günter Neroth studierte an der RWTH Aachen Bauingenieurwesen mit Vertiefung Konstruktiver Ingenieurbau. Während seiner anschließenden Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Bauforschung (ibac) der RWTH Aachen promovierte er zu einem betontechnologischen Thema. Danach war er im Bereich Materialprüfung der LGA (Landesgewerbeanstalt) in Nürnberg tätig, zuletzt als Leiter der Abteilung „Baustoffe und Brandschutz“. 1996 wurde er für das Fach Baustoffkunde an die Universität Siegen berufen; außerdem lehrt er in den Fachgebieten Betontechnologie, Baustoffrecycling, Bauwerkserhaltung und Qualitätsmanagement. Im Jahre 2000 übernahm er zusätzlich die Leitung des Baustofflabors der Universität Siegen, in dem hauptsächlich F+E-Vorhaben zu betontechnologischen Fragestellungen bearbeitet werden. Daneben ist er als Beratender Ingenieur für die Baustoffindustrie tätig. Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach studierte an der RWTH Aachen Bauingenieurwesen. Dort promovierte er 1991 zum Thema der chloridinduzierten Makroelementkorrosion von Stahl in Beton. Anschließend war er Geschäftsführer verschiedener Ingenieurbüros in den Bereichen Baustofftechnologie und Bauwerkserhaltung. Im Jahr 2000 wurde er zum Universitätsprofessor für das Lehr- und Forschungsgebiet Baustoffkunde – Bauwerkserhaltung und Instandsetzung - der RWTH Aachen berufen und übernahm die Leitung des Instituts für Bauforschung, ibac. Er ist seit 2001 Vorsitzender des Technischen Ausschusses Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen des DAfStb und Deutscher Delegierter bei der Erstellung der Europäischen Instandsetzungsnormen. Im Jahr 2008 gründete er das Aachener Ingenieurbüro Raupach · Bruns · Wolff, das ebenfalls im Bereich der Bauwerkserhaltung arbeitet. Im Jahr 2009 wurde er für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Dauerhaftigkeit von Betonbauwerken zum Ehrenprofessor der Technischen Universität Ningbo, China, ernannt. Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller studierte Bauingenieurwesen mit Vertiefung Konstruktiver Ingenieurbau an der RWTH Aachen. Später war er als Beratender Ingenieur tätig mit anschließender Promotion. Nach seiner Professur für Tragwerksplanung an der Fachhochschule Frankfurt/Main ist er jetzt am Lehrstuhl für Baukonstruktionslehre an der Technischen Universität Dresden und dort seit 2002 außerdem Direktor des Instituts für Baukonstruktion. 2005 war er als Visiting Professor an der Columbia University New York tätig. Im Jahre 2008 gründete er das Friedrich-Siemens-Laboratorium (Prüfzentrum für Glasbau und Klebtechnik), Dresden. Prof. Dr.-Ing. Ulf Zander studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Braunschweig. Nach seiner fünfjährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Straßenwesen dieser Hochschule wechselte er zur Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach, wo er zunächst seine Promotion beendete und nach einigen Jahren die Leitung des Referats "Straßenbeanspruchung, Straßenbemessung" übernahm. Heute ist er Inhaber des Instituts für Straßenwesen an der Universität Siegen und lehrt innerhalb dieser Fachrichtung mit den Schwerpunkten Straßendimensionierung und Infrastrukturmanagement.
Inhalt 1 Grundlagen .............................................................................................................. Günter Neroth 1.1 Einleitung ....................................................................................................... 1.2 Baustoffkenngrößen ....................................................................................... 1.2.1 Definition und Einteilung ................................................................. 1.2.2 Maßeinheiten und Formelzeichen ..................................................... 1.2.3 Masse, Kraft, Dichte, Porigkeit ........................................................ 1.2.3.1 Masse, Kraft ...................................................................... 1.2.3.2 Dichten .............................................................................. 1.2.3.3 Porigkeit ............................................................................ 1.2.4 Formänderungen ................................................................................ 1.2.4.1 Begriffe, Einteilung der Formänderungen ........................ 1.2.4.2 Spannungs-Dehnungs-Diagramm ..................................... 1.2.4.3 Elastische Formänderungen .............................................. 1.2.4.4 Plastische Formänderungen .............................................. 1.2.4.5 Viskose Formänderungen ................................................. 1.2.4.6 Wärmedehnung ................................................................. 1.2.4.7 Feuchtedehnung ................................................................ 1.2.4.8 Chemische Dehnung ......................................................... 1.2.5 Festigkeiten ........................................................................................ 1.2.5.1 Begriffe ............................................................................. 1.2.5.2 Druckfestigkeit.................................................................. 1.2.5.3 Zugfestigkeit ..................................................................... 1.2.5.4 Biegefestigkeit .................................................................. 1.2.5.5 Spaltzugfestigkeit.............................................................. 1.2.5.6 Oberflächenzugfestigkeit .................................................. 1.2.5.7 Haftfestigkeit .................................................................... 1.2.5.8 Scherfestigkeit .................................................................. 1.2.5.9 Torsionsfestigkeit.............................................................. 1.2.5.10 Schlagfestigkeit ................................................................. 1.2.5.11 Dauerstandfestigkeit ......................................................... 1.2.5.12 Dauerschwingfestigkeit .................................................... 1.2.6 Härte .................................................................................................. 1.2.7 Reibung, Verschleiß .......................................................................... 1.2.7.1 Allgemeines ...................................................................... 1.2.7.2 Rutschhemmung ............................................................... 1.2.7.3 Verschleiß ......................................................................... 1.2.8 Kennwerte des Bruchverhaltens ........................................................
1 1 4 4 5 7 7 8 10 12 12 13 14 16 17 18 19 20 20 20 21 22 23 24 25 26 26 27 28 28 28 30 31 31 32 33 34
X
Inhalt
1.2.9
1.3
1.4
Feuchtetechnische Eigenschaften....................................................... 1.2.9.1 Eigenschaften von Wasser ................................................ 1.2.9.2 Wassergehalt, Feuchtegehalt von Baustoffen ................... 1.2.9.3 Wassertransport in Baustoffen .......................................... 1.2.10 Wärmetechnische Eigenschaften ....................................................... 1.2.10.1 Begriffe ............................................................................. 1.2.10.2 Wärmespeicherung ............................................................ 1.2.10.3 Wärmeübertragung ............................................................ 1.2.11 Akustische Eigenschaften und Schallschutz ...................................... 1.2.11.1 Grundlagen, Begriffe ........................................................... 1.2.11.2 Arten von Schallanregung ................................................. 1.2.11.3 Luftschalldämmung........................................................... 1.2.11.4 Trittschalldämmung .......................................................... 1.2.11.5 Schallabsorption ................................................................ 1.2.12 Beständigkeit ...................................................................................... 1.2.12.1 Raumbeständigkeit ............................................................ 1.2.12.2 Frostbeständigkeit ............................................................. 1.2.12.3 Witterungsbeständigkeit .................................................... 1.2.12.4 Korrosionsbeständigkeit .................................................... 1.2.12.5 Feuerbeständigkeit ............................................................ Statistische Methoden in der Qualitätssicherung ............................................. 1.3.1 Prinzip der statistischen Auswertung ................................................. 1.3.2 Streuung von Prüfergebnissen ........................................................... 1.3.3 Kenngrößen einer Stichprobe............................................................. 1.3.4 Kennwerte für die Normalverteilung ................................................. 1.3.5 Grafische Auswertung mittels Wahrscheinlichkeitspapier ................ 1.3.6 Prüfplan, Operationscharakteristik, Konformität ............................... Regelwerke für Baustoffe ................................................................................ 1.4.1 Baurechtliche Anforderungen ............................................................ 1.4.1.1 Landesbauordnungen, Musterbauordnung ........................ 1.4.1.2 Bauproduktenrichtlinie, Bauproduktengesetz ................... 1.4.2 Technische Regeln ............................................................................. 1.4.2.1 Technikklauseln ................................................................ 1.4.2.2 Normen.............................................................................. 1.4.2.3 Technische Baubestimmungen .......................................... 1.4.3 Verwendbarkeit von Baustoffen ........................................................ 1.4.3.1 Übereinstimmungsnachweis.............................................. 1.4.3.2 Konformitätsnachweis....................................................... 1.4.4 Bauregellisten..................................................................................... 1.4.4.1 Bauregelliste A .................................................................. 1.4.4.2 Bauregelliste B .................................................................. 1.4.4.3 Liste C ............................................................................... 1.4.5 Umsetzung von europäischen Normen in das nationale Regelwerk .. 1.4.5.1 Zeitplan für die Umsetzung ............................................... 1.4.5.2 Anwendungs- und Restnormen .........................................
34 34 36 37 41 42 43 44 46 46 47 48 50 51 52 52 52 52 53 53 59 59 60 61 64 66 67 73 73 73 73 76 77 78 80 81 81 84 86 86 89 90 90 91 92
XI
Inhalt
1.4.5.3
1.5
Harmonisierte Regeln für die Tragwerksplanung: die Eurocodes.................................................................... 1.4.6 Revision der Bauproduktenrichtlinie ................................................. Literatur ........................................................................................................... 1.5.1 Normen, Richtlinien .......................................................................... 1.5.2 Gesetze, Verordnungen ..................................................................... 1.5.3 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................ 1.5.4 Internet-Adressen...............................................................................
2 Natursteine ................................................................................................................ Günter Neroth 2.1 Stoffliche Zusammensetzung .......................................................................... 2.2 Einteilung der Gesteine nach ihrer Entstehung ............................................... 2.2.1 Magma- oder Erstarrungsgesteine ..................................................... 2.2.2 Sedimentgesteine (Ablagerungsgesteine) .......................................... 2.2.3 Metamorphe Gesteine (Umwandlungsgesteine) ................................ 2.3 Bautechnisch wichtige Gesteinsmerkmale ...................................................... 2.3.1 Physikalisch-petrographische Kenngrößen ....................................... 2.3.1.1 Mineraldiagnose................................................................ 2.3.1.2 Gefüge............................................................................... 2.3.1.3 Chemische Analyse........................................................... 2.3.1.4 Dichte, Porosität................................................................ 2.3.2 Technische Kenngrößen .................................................................... 2.3.2.1 Festigkeitsprüfung ............................................................ 2.3.2.2 Witterungs- und Frostbeständigkeit .................................. 2.3.2.3 Verschleißwiderstand........................................................ 2.3.3 Prüfverfahren ..................................................................................... 2.4 Bautechnisch wichtige Gesteine und deren Verwendung ............................... 2.4.1 Erstarrungsgesteine ............................................................................ 2.4.1.1 Tiefengesteine ................................................................... 2.4.1.2 Ergussgesteine .................................................................. 2.4.2 Sedimentgesteine ............................................................................... 2.4.2.1 Klastische Sedimente ........................................................ 2.4.2.2 Chemische Sedimente ....................................................... 2.4.2.3 Organogene Sedimente ..................................................... 2.4.3 Metamorphe Gesteine ........................................................................ 2.4.3.1 Marmor (kristalliner Marmor) .......................................... 2.4.3.2 Quarzite............................................................................. 2.4.3.3 Gneise ............................................................................... 2.4.3.4 Chloritschiefer, Talkschiefer............................................. 2.4.3.5 Phyllite .............................................................................. 2.4.3.6 Glimmerschiefer ............................................................... 2.4.3.7 Serpentinite .......................................................................
94 96 97 98 99 99 99 101 101 103 103 104 104 105 105 105 105 106 107 107 108 108 108 108 109 109 110 111 112 112 114 116 116 117 117 117 118 118 118 118
XII
Inhalt
2.5
Zerstörung und Schutz ..................................................................................... 2.5.1 Ursachen für die Zerstörung .............................................................. 2.5.2 Maßnahmen gegen die Zerstörung ..................................................... Literatur ........................................................................................................... 2.6.1 Normen, Richtlinien ........................................................................... 2.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................
119 119 120 121 121 123
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton .............................................................. Günter Neroth 3.1 Stand der Normung.......................................................................................... 3.2 Arten von Gesteinskörnungen ......................................................................... 3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen ............................................................ 3.3.1 Allgemeines ....................................................................................... 3.3.2 Allgemeine Eigenschaften ................................................................. 3.3.2.1 Probenahme ....................................................................... 3.3.2.2 Einengung von Proben ...................................................... 3.3.3 Geometrische Eigenschaften .............................................................. 3.3.3.1 Korngruppen ..................................................................... 3.3.3.2 Kornzusammensetzung ..................................................... 3.3.3.3 Kornform ........................................................................... 3.3.3.4 Muschelschalengehalt ....................................................... 3.3.3.5 Anteil an gebrochenen Körnern ........................................ 3.3.3.6 Feinanteile ......................................................................... 3.3.4 Physikalische Eigenschaften .............................................................. 3.3.4.1 Dichten .............................................................................. 3.3.4.2 Feuchte und Wasseraufnahme ........................................... 3.3.4.3 Kornfestigkeit .................................................................... 3.3.4.4 Verformungseigenschaften ............................................... 3.3.4.5 Widerstand gegen Zertrümmerung.................................... 3.3.4.6 Widerstand gegen Verschleiß............................................ 3.3.4.7 Widerstand gegen Polieren................................................ 3.3.4.8 Widerstand gegen Oberflächenabrieb ............................... 3.3.4.9 Widerstand gegen Abrieb durch Spike-Reifen.................. 3.3.5 Dauerhaftigkeit von Gesteinskörnungen ............................................ 3.3.5.1 Frost-Tau-Widerstand ....................................................... 3.3.5.2 Raumbeständigkeit ............................................................ 3.3.5.3 Alkali-Kieselsäure-Reaktion ............................................. 3.3.6 Chemische Eigenschaften .................................................................. 3.3.6.1 Chloride ............................................................................. 3.3.6.2 Schwefelhaltige Bestandteile ............................................ 3.3.6.3 Bestandteile, die die Oberflächenbeschaffenheit von Beton beeinflussen ............................................................ 3.3.6.4 Bestandteile, die das Erstarrungs- und Erhärtungsverhalten des Betons verändern .......................
125
2.6
126 126 128 128 128 128 129 131 131 132 137 140 140 141 144 144 146 149 150 150 152 152 153 153 154 154 156 157 160 161 161 162 163
XIII
Inhalt
3.4
Anforderungen an Gesteinskörnungen ............................................................ 3.4.1 Regelanforderungen an normale Gesteinskörnungen ........................ 3.4.2 Anforderungen an leichte Gesteinskörnungen................................... 3.4.2.1 Geometrische Anforderungen ........................................... 3.4.2.2 Physikalische Anforderungen ........................................... 3.4.2.3 Dauerhaftigkeit ................................................................. 3.4.2.4 Chemische Anforderungen ............................................... 3.4.3 Anforderungen an rezyklierte Gesteinskörnungen ............................
163 164 165 165 166 166 167 167
3.5
Korngrößenverteilung und Sieblinien ............................................................. 3.5.1 Anforderungen an die Kornzusammensetzung .................................. 3.5.2 Betontechnologische Sieblinien ......................................................... 3.5.3 Kennwerte von Sieblinien.................................................................. 3.5.4 Sieblinienverbesserung ...................................................................... 3.5.4.1 Schätzverfahren ................................................................ 3.5.4.2 Mischkreuzverfahren ........................................................ Literatur ........................................................................................................... 3.6.1 Normen, Richtlinien .......................................................................... 3.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................
170 170 171 175 177 177 179 180 180 185
4 Mineralische Bindemittel ......................................................................................... Günter Neroth 4.1 Gipsbaustoffe .................................................................................................. 4.1.1 Allgemeines ....................................................................................... 4.1.1.1 Rohstoffe........................................................................... 4.1.1.2 Herstellung ........................................................................ 4.1.1.3 Erhärtung .......................................................................... 4.1.1.4 Systematik der Einteilung ................................................. 4.1.2 Gipsbinder und Gipsprodukte ............................................................ 4.1.2.1 Baugipse ohne werkseitig beigegebene Zusätze ............... 4.1.2.2 Baugipse mit werkseitig beigegebenen Zusätzen ............. 4.1.2.3 Prüfverfahren .................................................................... 4.1.2.4 Anforderungen .................................................................. 4.1.2.5 Bezeichnung, Lieferformen, Transport, Lagerung ........... 4.1.3 Bindemittel für Calciumsulfatestriche ............................................... 4.1.3.1 Arten ................................................................................. 4.1.3.2 Anforderungen, Prüfverfahren .......................................... 4.1.4 Physikalische und chemische Eigenschaften von Gipsbaustoffen..... 4.1.4.1 Verhalten gegenüber Feuchtigkeit .................................... 4.1.4.2 Wärmeleitfähigkeit ........................................................... 4.1.4.3 Brandschutz ...................................................................... 4.1.4.4 Schädliche chemische Reaktionen ....................................
187
3.6
187 187 187 187 188 189 190 191 191 192 192 193 193 193 194 195 195 195 196 196
XIV 4.2
4.3
Inhalt
Baukalke .......................................................................................................... 4.2.1 Luftkalke ............................................................................................ 4.2.1.1 Rohstoffe ........................................................................... 4.2.1.2 Herstellung ........................................................................ 4.2.1.3 Erhärtung von Luftkalk ..................................................... 4.2.1.4 Sorten von Luftkalken ....................................................... 4.2.2 Hydraulische Kalke ............................................................................ 4.2.2.1 Natürliche hydraulische Kalke NHL ................................. 4.2.2.2 Hydraulische Kalke HL..................................................... 4.2.2.3 Hydraulische Kalksorten und ihre Verwendung ............... 4.2.3 Benennung von Baukalk .................................................................... 4.2.4 Anforderungen, Prüfverfahren ........................................................... 4.2.4.1 Mahlfeinheit ...................................................................... 4.2.4.2 Schüttdichte ....................................................................... 4.2.4.3 Ergiebigkeit ....................................................................... 4.2.4.4 Erstarrungszeiten ............................................................... 4.2.4.5 Raumbeständigkeit ............................................................ 4.2.4.6 Untersuchungen an Norm-Frischmörtel ............................ 4.2.4.7 Druckfestigkeit .................................................................. 4.2.5 Verwendung im Bauwesen ................................................................ 4.2.6 Lieferung, Bezeichnung ..................................................................... 4.2.7 Lagerung der Baukalke auf der Baustelle .......................................... Zement ............................................................................................................. 4.3.1 Herstellung von Zement ..................................................................... 4.3.1.1 Ausgangsstoffe .................................................................. 4.3.1.2 Brennen des Zementklinkers ............................................. 4.3.1.3 Mahlen und Mischen ......................................................... 4.3.2 Hydratation des Zementes .................................................................. 4.3.2.1 Hydratphasen..................................................................... 4.3.2.2 Zeitlicher Ablauf der Hydratation ..................................... 4.3.2.3 Hydratationswärme ........................................................... 4.3.3 Gefüge des Zementsteins ................................................................... 4.3.3.1 Aufbau des Gefüges .......................................................... 4.3.3.2 w/z-Wert und Poren .......................................................... 4.3.4 Eigenschaften, Prüfverfahren ............................................................. 4.3.4.1 Mahlfeinheit, Korngrößenverteilung ................................. 4.3.4.2 Dichte ................................................................................ 4.3.4.3 Farbe.................................................................................. 4.3.4.4 Erstarren ............................................................................ 4.3.4.5 Raumbeständigkeit ............................................................ 4.3.4.6 Festigkeitseigenschaften.................................................... 4.3.4.7 Verformungsverhalten....................................................... 4.3.4.8 Wasser- und Gasdurchlässigkeit ....................................... 4.3.4.9 Dauerhaftigkeit ..................................................................
197 197 197 198 198 199 199 200 201 201 202 203 203 204 204 204 204 205 207 207 208 208 208 209 209 210 211 211 211 213 214 215 215 217 218 218 219 219 220 221 222 224 225 226
XV
Inhalt
4.3.5
Zementarten ....................................................................................... 4.3.5.1 Normung ........................................................................... 4.3.5.2 Normalzement nach DIN EN 197 ..................................... 4.3.5.3 Zement mit besonderen Eigenschaften nach DIN 1164.... 4.3.5.4 Sonderzemente .................................................................. 4.3.5.5 Kennzeichnung, Lieferung................................................ Sonstige kalk- oder zementhaltige Bindemittel............................................... 4.4.1 Putz- und Mauerbinder (MC) ............................................................ 4.4.2 Hydraulische Boden- und Tragschichtbinder (HRB) ........................ Magnesiabindemittel ....................................................................................... 4.5.1 Rohstoffe, Herstellung ....................................................................... 4.5.2 Erhärtung ........................................................................................... 4.5.3 Eigenschaften und Verwendung ........................................................ Literatur ........................................................................................................... 4.6.1 Normen, Richtlinien .......................................................................... 4.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................ 4.6.3 Internet-Adressen...............................................................................
228 228 228 234 236 239 241 241 242 242 242 243 243 244 244 246 246
5 Beton .......................................................................................................................... Günter Neroth 5.1 Begriffsbestimmungen .................................................................................... 5.1.1 Einteilung des Betons ........................................................................ 5.1.2 Qualitätssicherung ............................................................................. 5.1.3 Güteüberwachung .............................................................................. 5.2 Betonkomponenten ......................................................................................... 5.2.1 Zementstein ....................................................................................... 5.2.1.1 Wasser............................................................................... 5.2.1.2 Zement .............................................................................. 5.2.1.3 Wasser-Zement-Wert ........................................................ 5.2.2 Gesteinskörnungen ............................................................................ 5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons ............................................................... 5.3.1 Mischungsverhältnis .......................................................................... 5.3.1.1 Zementgehalt .................................................................... 5.3.1.2 Wassergehalt, Wasser-Zement-Wert ................................ 5.3.2 Konsistenz des Betons ....................................................................... 5.3.2.1 Allgemeines ...................................................................... 5.3.2.2 Verdichtungsmaß .............................................................. 5.3.2.3 Ausbreitmaß ...................................................................... 5.3.2.4 Kennzeichnung der Konsistenzbereiche; Einsatzbereiche 5.3.3 Mehlkorngehalt .................................................................................. 5.3.4 Frischbeton-Rohdichte ....................................................................... 5.3.5 Luftporengehalt ................................................................................. 5.3.6 Frischbetontemperatur .......................................................................
247
4.4
4.5
4.6
247 247 255 257 260 261 261 261 263 265 269 270 270 270 271 271 275 276 277 277 279 279 280
XVI 5.4
5.5
5.6
5.7
Inhalt
Zusammensetzen von Beton ............................................................................ 5.4.1 Festlegung des Betons (Leistungsbeschreibung) ............................... 5.4.1.1 Standardbeton .................................................................... 5.4.1.2 Beton nach Zusammensetzung .......................................... 5.4.1.3 Beton nach Eigenschaften ................................................. 5.4.2 Entwerfen von Betonmischungen ...................................................... 5.4.2.1 Anforderungen an die Betonzusammensetzung ................ 5.4.2.2 Grundlagen des Betonentwurfs ......................................... 5.4.2.3 Betonentwurf mit Hilfe der Stoffraumrechnung ............... 5.4.2.4 Zementleimdosierung ........................................................ 5.4.3 Betonentwurf - Beispiele.................................................................... 5.4.3.1 Standardbeton .................................................................... 5.4.3.2 Beton nach Eigenschaften ................................................. 5.4.3.3 Betonentwurf mittels Zementleimdosierung ..................... 5.4.4 Größe und Mischwirkung von Betonmischern .................................. Herstellen und Verarbeiten des Betons............................................................ 5.5.1 Dosierung und Mischen der Ausgangsstoffe ..................................... 5.5.1.1 Dosierung der Betonausgangsstoffe .................................. 5.5.1.2 Mischen des Betons........................................................... 5.5.2 Befördern ........................................................................................... 5.5.3 Fördern und Einbauen des Betons ..................................................... 5.5.3.1 Fördern .............................................................................. 5.5.3.2 Einbringen ......................................................................... 5.5.3.3 Betondeckung .................................................................... 5.5.3.4 Verdichten ......................................................................... 5.5.4 Nachbehandlung ................................................................................ 5.5.5 Ausschalfristen ................................................................................... Eigenschaften des erhärteten Betons ............................................................... 5.6.1 Festigkeit ............................................................................................ 5.6.1.1 Festigkeitsentwicklung des Betons ................................... 5.6.1.2 Festigkeitsprüfung ............................................................. 5.6.1.3 Konformitätskontrolle für die Druckfestigkeit .................. 5.6.2 Formänderungsverhalten von Beton .................................................. 5.6.2.1 Elastische Formänderung .................................................. 5.6.2.2 Kriechen des Betons .......................................................... 5.6.2.3 Schwinden und Quellen des Betons .................................. 5.6.2.4 Wärmedehnung ................................................................. 5.6.3 Weitere Eigenschaften des Festbetons ............................................... 5.6.3.1 Porigkeit ............................................................................ 5.6.3.2 Dichtigkeit gegenüber Flüssigkeiten und Gasen ............... 5.6.3.3 Wärmeleitung, Wärmedämmung ...................................... Betonzusätze .................................................................................................... 5.7.1 Betonzusatzmittel ............................................................................... 5.7.1.1 Allgemeines....................................................................... 5.7.1.2 Betonverflüssiger (BV) .....................................................
281 282 282 283 283 283 283 286 286 290 291 291 291 293 294 295 295 295 295 297 298 298 299 300 302 305 309 310 310 310 312 319 320 320 322 322 322 323 323 323 324 325 325 325 327
XVII
Inhalt
5.8
5.7.1.3 Fließmittel (FM) ............................................................... 5.7.1.4 Luftporenbildner (LP) ....................................................... 5.7.1.5 Dichtungsmittel (DM)....................................................... 5.7.1.6 Verzögerer (VZ) ............................................................... 5.7.1.7 Beschleuniger (BE) ........................................................... 5.7.1.8 Einpresshilfen (EH) .......................................................... 5.7.1.9 Stabilisierer (ST) ............................................................... 5.7.1.10 Chromatreduzierer (CR) ................................................... 5.7.1.11 Recyclinghilfen (RH) ........................................................ 5.7.1.12 Schaumbildner (SB) .......................................................... 5.7.1.13 Spritzbetonbeschleuniger (SBE) ....................................... 5.7.1.14 Sedimentationsreduzierer (SR) ......................................... 5.7.1.15 Multifunktionale Zusatzmittel .......................................... 5.7.2 Betonzusatzstoffe ............................................................................... 5.7.2.1 Allgemeines ...................................................................... 5.7.2.2 Mineralische Betonzusatzstoffe ........................................ 5.7.2.3 Organische Betonzusatzstoffe ........................................... 5.7.2.4 Pigmente ........................................................................... Betone mit besonderen Eigenschaften ............................................................ 5.8.1 Beton mit hohem Wassereindringwiderstand, FD-Beton, WU-Beton 339 5.8.1.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.1.2 Verarbeiten des Betons ..................................................... 5.8.1.3 Konstruktive Hinweise ..................................................... 5.8.2 Beton mit hohem Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand ................... 5.8.2.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.2.2 Verarbeiten des Betons ..................................................... 5.8.3 Beton mit hohem Widerstand gegen chemische Angriffe ................. 5.8.3.1 Ermittlung der Angriffsgrade nach DIN 4030 bzw. DIN 1045-2 ....................................................................... 5.8.3.2 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.3.3 Verarbeiten des Betons ..................................................... 5.8.3.4 Schutzmaßnahmen für den Beton ..................................... 5.8.4 Beton mit hohem Verschleißwiderstand ............................................ 5.8.4.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.4.2 Verarbeiten des Betons ..................................................... 5.8.5 Beton für hohe Gebrauchstemperaturen ............................................ 5.8.6 Beton für Unterwasserschüttung........................................................ 5.8.6.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.6.2 Verarbeiten des Betons ..................................................... 5.8.7 Massenbeton ...................................................................................... 5.8.7.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.7.2 Verarbeiten des Betons .....................................................
327 328 329 329 329 330 330 331 331 331 331 331 331 331 331 332 338 338 339
339 340 341 341 342 343 343 343 345 346 346 346 346 347 347 348 348 348 349 350 350
XVIII
Inhalt
5.8.8
Spritzbeton ......................................................................................... 5.8.8.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.8.2 Verarbeiten des Betons...................................................... 5.8.9 Faserbeton .......................................................................................... 5.8.9.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.9.2 Verarbeitung von Faserbeton ............................................ 5.8.10 Pumpbeton ......................................................................................... 5.8.10.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.10.2 Verarbeiten des Betons...................................................... 5.8.11 Sichtbeton .......................................................................................... 5.8.11.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.11.2 Verarbeiten des Betons...................................................... 5.8.12 Selbstverdichtender Beton (SVB) ...................................................... 5.8.13 Schwerbeton ....................................................................................... 5.8.13.1 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.13.2 Verarbeiten des Betons...................................................... 5.8.14 Hochfester Beton................................................................................ 5.8.15 Straßenbeton ...................................................................................... 5.8.15.1 Allgemeines....................................................................... 5.8.15.2 Zusammensetzung des Betons .......................................... 5.8.15.3 Verarbeiten des Betons...................................................... Leichtbeton ...................................................................................................... 5.9.1 Struktur von Leichtbeton ................................................................... 5.9.2 Konstruktionsleichtbeton ................................................................... 5.9.2.1 Leichte Gesteinskörnungen ............................................... 5.9.2.2 Eigenschaften von Konstruktions-Leichtbeton ................. 5.9.2.3 Hochfester Konstruktions-Leichtbeton ............................. 5.9.2.4 Anwendung, Wirtschaftlichkeit von Konstruktions-Leichtbeton ................................................ 5.9.3 Wärmedämmender Leichtbeton ......................................................... Literatur ........................................................................................................... 5.10.1 Normen, Richtlinien ........................................................................... 5.10.1.1 Normen.............................................................................. 5.10.1.2 Richtlinien des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb).......................................................... 5.10.1.3 Regelwerke für den Straßenbau ........................................ 5.10.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................ 5.10.3 Internet-Adressen ...............................................................................
351 351 352 352 352 353 354 354 355 355 355 356 357 357 358 358 359 359 359 360 363 364 364 368 368 370 376
6 Mörtel......................................................................................................................... Günter Neroth 6.1 Allgemeines ..................................................................................................... 6.1.1 Bestandteile ........................................................................................ 6.1.2 Mörtelarten .........................................................................................
383
5.9
5.10
376 376 377 377 377 379 380 380 381
383 383 385
XIX
Inhalt
6.1.3
6.2
6.3
Mörtelherstellung ............................................................................... 6.1.3.1 Baustellenmörtel ............................................................... 6.1.3.2 Werkmörtel ....................................................................... 6.1.4 Allgemeine Prüfverfahren für Mörtel ................................................ 6.1.4.1 Probenahme, Herstellung von Prüfmörteln....................... 6.1.4.2 Konsistenz......................................................................... 6.1.4.3 Rohdichte von Frischmörtel.............................................. 6.1.4.4 Luftgehalt .......................................................................... 6.1.4.5 Trockenrohdichte von Festmörtel ..................................... 6.1.4.6 Biegezug- und Druckfestigkeit von Festmörtel ................ 6.1.4.7 Kapillare Wasseraufnahme von Festmörtel ...................... Mauermörtel .................................................................................................... 6.2.1 Allgemeines ....................................................................................... 6.2.2 Prüfverfahren für Mauermörtel.......................................................... 6.2.2.1 Verarbeitbarkeitszeit, Korrigierbarkeitszeit ...................... 6.2.2.2 Zusätzliche Druckfestigkeitsuntersuchungen ................... 6.2.2.3 Längs- und Querdehnungsmodul ...................................... 6.2.2.4 Haftscherfestigkeit ............................................................ 6.2.3 Anforderungen an Mauermörtel ........................................................ 6.2.3.1 Allgemeine Anforderungen .............................................. 6.2.3.2 Anforderungen an Normalmauermörtel............................ 6.2.3.3 Anforderungen an Leichtmauermörtel .............................. 6.2.3.4 Anforderungen an Dünnbettmörtel ................................... 6.2.4 Anwendung der unterschiedlichen Mörtelgruppen............................ 6.2.4.1 Mörtelgruppe I .................................................................. 6.2.4.2 Mörtelgruppe II und II a ................................................... 6.2.4.3 Mörtelgruppe III und III a................................................. 6.2.4.4 Mauermörtel für Mauerwerk nach Eignungsprüfung ....... 6.2.4.5 Mauermörtel für bewehrtes Mauerwerk ........................... 6.2.5 Kennzeichnung von Mauermörtel ..................................................... 6.2.6 Sonstige Mauermörtel ........................................................................ 6.2.6.1 Fugenmörtel ...................................................................... 6.2.6.2 Schornsteinmörtel ............................................................. 6.2.6.3 Sondermörtel..................................................................... 6.2.7 Ausblühungen und Kalkauslaugungen .............................................. 6.2.7.1 Herkunft ............................................................................ 6.2.7.2 Ursachen ........................................................................... 6.2.7.3 Feuchtigkeitsquellen ......................................................... 6.2.7.4 Vermeidung ...................................................................... 6.2.7.5 Beseitigung ....................................................................... Putzmörtel ....................................................................................................... 6.3.1 Festlegungen nach DIN EN 998-1 ..................................................... 6.3.2 Einteilung der Putze nach DIN V 18550 ...........................................
385 385 386 387 387 387 388 388 389 389 390 391 391 393 393 394 395 395 395 395 397 398 399 399 399 400 400 401 401 401 402 402 403 403 403 404 404 405 405 405 406 406 409
XX
Inhalt
6.3.3
Prüfverfahren für Putzmörtel ............................................................. 6.3.3.1 Haftfestigkeit von erhärteten Putzmörteln ........................ 6.3.3.2 Wasserdampfdurchlässigkeit von Putzmörtel ................... 6.3.3.3 Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten............... 6.3.4 Anforderungen an Putz ...................................................................... 6.3.4.1 Allgemeine Anforderungen ............................................... 6.3.4.2 Putzaufbau, Putzsysteme ................................................... 6.3.4.3 Putzdicke ........................................................................... 6.3.4.4 Außenputz ......................................................................... 6.3.4.5 Innenputz ........................................................................... 6.3.4.6 Putze für besondere Anwendungen ................................... Estrichmörtel ................................................................................................... 6.4.1 Begriffe .............................................................................................. 6.4.2 Estrichmörtelarten .............................................................................. 6.4.2.1 Zementestrich (CT) ........................................................... 6.4.2.2 Calciumsulfatestrich (CA)................................................. 6.4.2.3 Magnesiaestrich (MA)....................................................... 6.4.2.4 Gussasphaltestrich (AS) .................................................... 6.4.2.5 Kunstharzestrich (SR) ....................................................... 6.4.3 Eigenschaften, Anforderungen........................................................... 6.4.3.1 Umfang der Prüfungen, Lagerungsbedingungen .............. 6.4.3.2 Druckfestigkeit .................................................................. 6.4.3.3 Biegezugfestigkeit ............................................................. 6.4.3.4 Verschleißwiderstand ........................................................ 6.4.3.5 Widerstand gegen Rollbeanspruchung bei Bodenbelägen 6.4.3.6 Oberflächenhärte ............................................................... 6.4.3.7 Haftzugfestigkeit ............................................................... 6.4.4 Estrichbauarten................................................................................... 6.4.4.1 Verbundestrich .................................................................. 6.4.4.2 Estrich auf Trennschicht.................................................... 6.4.4.3 Estrich auf Dämmschicht (schwimmender Estrich) .......... 6.4.4.4 Heizestrich......................................................................... 6.4.4.5 Hochbeanspruchbare Estriche (Industrieestriche) ............. Einpressmörtel ................................................................................................. Literatur ........................................................................................................... 6.6.1 Normen, Richtlinien ........................................................................... 6.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................
411 411 412 413 413 413 414 417 418 419 420 422 422 423 423 425 425 427 427 427 427 429 429 429 430 431 431 431 431 433 434 436 437 441 441 441 445
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten .................................................................. Günter Neroth 7.1 Allgemeines zum Thema Mauerwerk .............................................................. 7.1.1 Begriffe .............................................................................................. 7.1.2 Tragverhalten von Mauerwerk ........................................................... 7.1.3 Stand der Normung bei Mauersteinen................................................ 7.1.4 Steinformate .......................................................................................
447
6.4
6.5 6.6
447 447 448 449 449
XXI
Inhalt
7.2 7.3
7.4
7.5 7.6
7.7
7.1.5 Rohdichteklassen ............................................................................... 7.1.6 Festigkeitsklassen .............................................................................. Mauerziegel ..................................................................................................... Kalksandsteine ................................................................................................ 7.3.1 Herstellung......................................................................................... 7.3.2 Steinarten und Formate ...................................................................... 7.3.3 Steinmaße, Grenzabmaße .................................................................. 7.3.4 Stein-Rohdichte, Druckfestigkeit....................................................... 7.3.5 Bezeichnung, Kennzeichnung ........................................................... 7.3.6 Oberflächengestaltung ....................................................................... 7.3.6.1 Sichtmauerwerk ................................................................ 7.3.6.2 Beschichtungen und Imprägnierungen ............................. Porenbeton ...................................................................................................... 7.4.1 Herstellung von Porenbeton .............................................................. 7.4.2 Eigenschaften..................................................................................... 7.4.3 Bauteile aus Porenbeton .................................................................... 7.4.3.1 Unbewehrte Bauteile......................................................... 7.4.3.2 Bewehrte Bauteile ............................................................. 7.4.4 Ausführung und Verarbeitung ........................................................... 7.4.5 Oberflächenbehandlung ..................................................................... Hüttensteine..................................................................................................... Betonerzeugnisse............................................................................................. 7.6.1 Mauersteine aus Beton ....................................................................... 7.6.1.1 Ausgangsstoffe ................................................................. 7.6.1.2 Herstellung ........................................................................ 7.6.1.3 Steinarten .......................................................................... 7.6.1.4 Hohlblöcke aus Leichtbeton (DIN V 18151-100) ............ 7.6.1.5 Vollsteine und Vollblöcke aus Leichtbeton (DIN V 18152-100) .......................................................... 7.6.1.6 Mauersteine aus Normalbeton (DIN V 18153-100) ......... 7.6.2 Deckensteine ...................................................................................... 7.6.3 Dachsteine ......................................................................................... 7.6.4 Straßenbauerzeugnisse aus Beton ...................................................... 7.6.4.1 Übersicht ........................................................................... 7.6.4.2 Pflastersteine (DIN EN 1338) ........................................... 7.6.4.3 Gehwegplatten (DIN EN 1339) ........................................ 7.6.4.4 Bordsteine (DIN EN 1340, DIN 483) ............................... Gipsbauteile..................................................................................................... 7.7.1 Allgemeines ....................................................................................... 7.7.2 Arten von Gipsbauplatten .................................................................. 7.7.2.1 Gipsplatten ........................................................................ 7.7.2.2 Gipsplatten-Produkte aus der Weiterverarbeitung ............ 7.7.2.3 Faserverstärkte Gipsplatten ............................................... 7.7.2.4 Gips-Wandbauplatten .......................................................
452 453 453 454 454 455 459 461 461 462 462 462 463 463 465 466 466 470 473 474 474 475 475 475 476 476 478 480 482 483 483 485 485 485 487 487 488 488 488 488 492 495 496
XXII
Inhalt
7.7.2.5 Gipselemente für Unterdecken .......................................... 7.7.2.6 Sonstige Gipsbauelemente ................................................ Literatur ........................................................................................................... 7.8.1 Normen, Richtlinien ........................................................................... 7.8.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................ 7.8.3 Internet-Adressen ...............................................................................
497 498 499 499 504 504
8 Keramische Baustoffe ............................................................................................... Günter Neroth 8.1 Allgemeines ..................................................................................................... 8.1.1 Rohstoffe und Rohstoffeigenschaften ................................................ 8.1.2 Herstellung der Ziegel- und Tonwaren .............................................. 8.1.3 Einteilung nach der Scherbenbeschaffenheit ..................................... 8.2 Mauerziegel ..................................................................................................... 8.2.1 Allgemeines ....................................................................................... 8.2.2 Normen, Begriffe ............................................................................... 8.2.3 Arten von Mauerziegeln..................................................................... 8.2.3.1 Vollziegel und Hochlochziegel ......................................... 8.2.3.2 Hochlochziegel W und Wärmedämmziegel WDz ............ 8.2.3.3 Vormauerziegel, Klinker, Keramikklinker ........................ 8.2.3.4 Formziegel, Formklinker, Handformziegel ....................... 8.2.3.5 Leichtlanglochziegel und Leichtlangloch-Ziegelplatten ... 8.2.3.6 Planziegel .......................................................................... 8.2.4 Eigenschaften von Mauerziegeln ....................................................... 8.2.4.1 Form und Maße der Mauerziegel ...................................... 8.2.4.2 Rohdichte, Druckfestigkeit................................................ 8.2.4.3 Wasseraufnahme (feuchtetechnische Eigenschaften)........ 8.2.5 Bezeichnung und Kennzeichnung ...................................................... 8.2.6 Verwendung im Mauerwerksbau ....................................................... 8.2.6.1 Einschaliges Mauerwerk ................................................... 8.2.6.2 Zweischaliges Mauerwerk................................................. 8.2.7 Mauerwerksausblühungen ................................................................. 8.3 Deckenziegel ................................................................................................... 8.3.1 Konstruktionsprinzip, Arten............................................................... 8.3.2 Deckenziegel – statisch mitwirkend................................................... 8.3.2.1 Ziegel für Ziegeldecken .................................................... 8.3.2.2 Ziegel für Stahlbetonrippendecken ................................... 8.3.2.3 Ziegel als Zwischenbauteile für Stahlbetonrippendecken .................................................... 8.3.2.4 Ziegel für Vergusstafeln .................................................... 8.3.2.5 Bezeichnung, Kennzeichnung ........................................... 8.3.3 Deckenziegel – statisch nicht mitwirkend .......................................... 8.3.4 Tonhohlplatten und Hohlziegel – statisch beansprucht......................
505
7.8
505 505 506 508 509 509 509 510 510 512 513 514 514 516 516 516 517 519 520 521 521 522 524 525 525 526 526 529 529 531 531 531 533
XXIII
Inhalt
8.4
Dachziegel und Formteile ............................................................................... 8.4.1 Dachziegelarten ................................................................................. 8.4.2 Anforderungen ................................................................................... 8.4.3 Anwendung........................................................................................ Fliesen und Platten .......................................................................................... 8.5.1 Begriffe, Klassifizierung.................................................................... 8.5.2 Stranggepresste Fliesen und Platten .................................................. 8.5.3 Trocken gepresste Fliesen und Platten............................................... 8.5.4 Anwendung und Verlegung von Fliesen und Platten ........................ Sonstige keramische Erzeugnisse.................................................................... 8.6.1 Schornsteinziegel ............................................................................... 8.6.2 Kanalklinker ...................................................................................... 8.6.3 Riemchen, Sparverblender ................................................................. 8.6.4 Dränrohre ........................................................................................... 8.6.5 Drahtziegelgewebe ............................................................................ 8.6.6 Feuerfeste Keramik ............................................................................ 8.6.7 Steinzeugrohre, -formstücke .............................................................. 8.6.8 Pflasterziegel...................................................................................... Fachliteratur .................................................................................................... 8.7.1 Normen, Richtlinien .......................................................................... 8.7.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................ 8.7.3 Internet-Adressen...............................................................................
533 534 536 537 538 538 541 542 543 544 544 544 545 546 546 546 547 550 550 550 553 554
9 Glas ............................................................................................................................ Bernhard Weller, Philipp Krampe 9.1 Allgemeines..................................................................................................... 9.1.1 Definition des Werkstoffes Glas ........................................................ 9.1.2 Zusammensetzung und struktureller Aufbau ..................................... 9.1.2.1 Zusammensetzung ............................................................ 9.1.2.2 Struktureller Aufbau ......................................................... 9.1.3 Glasprodukte ...................................................................................... 9.2 Glaseigenschaften ........................................................................................... 9.2.1 Allgemeine Eigenschaften ................................................................. 9.2.2 Viskosität ........................................................................................... 9.2.3 Festigkeit von Glas ............................................................................ 9.2.3.1 Grundlagen der Bruchmechanik ....................................... 9.2.3.2 Glas unter Dauerbelastung ................................................ 9.2.3.3 Einflussfaktoren auf die Glasfestigkeit ............................. 9.2.3.4 Charakteristische Werte der Glasfestigkeit ....................... 9.2.4 Bauphysikalische Eigenschaften........................................................ 9.2.4.1 Begriffsbestimmungen ...................................................... 9.2.4.2 Optische Eigenschaften von Flachgläsern ........................ 9.2.4.3 Schallschutz ...................................................................... 9.2.5 Chemische Beständigkeit................................................................... 9.2.6 Brandverhalten...................................................................................
555
8.5
8.6
8.7
555 555 555 555 558 559 562 562 563 565 566 568 570 572 573 573 577 582 583 584
XXIV 9.3
9.4
9.5
9.6
Inhalt
Glasherstellung ................................................................................................ 9.3.1 Allgemeines ....................................................................................... 9.3.2 Gussverfahren .................................................................................... 9.3.3 Ziehverfahren ..................................................................................... 9.3.4 Floatverfahren .................................................................................... 9.3.5 Pressverfahren .................................................................................... 9.3.6 Herstellung von Glasfasern ................................................................ 9.3.7 Herstellung von Schaumglas .............................................................. Glasbearbeitung ............................................................................................... 9.4.1 Allgemeines ....................................................................................... 9.4.2 Schneiden ........................................................................................... 9.4.3 Bohren ................................................................................................ 9.4.4 Biegen ................................................................................................ 9.4.5 Fügen durch Kleben ........................................................................... 9.4.6 Kantenausbildung............................................................................... 9.4.7 Beschichtungen .................................................................................. 9.4.8 Legen, Weben und Stricken ............................................................... Glasveredelung ................................................................................................ 9.5.1 Allgemeines ....................................................................................... 9.5.2 Thermische Vorspannung .................................................................. 9.5.2.1 Vorspannverfahren ............................................................ 9.5.2.2 Mechanismus der Vorspannung ........................................ 9.5.2.3 Spontanbruch durch Nickel-Sulfid-Einschlüsse................ 9.5.2.4 Heat-Soak-Test .................................................................. 9.5.2.5 Bruchbilder und Festigkeit ................................................ 9.5.3 Chemische Vorspannung ................................................................... 9.5.3.1 Herstellung ........................................................................ 9.5.3.2 Bruchbild und Festigkeit ................................................... 9.5.4 Verbund- und Verbund-Sicherheitsglas ............................................. 9.5.5 Mehrscheiben-Isolierverglasung ........................................................ 9.5.6 Brandschutzverglasung ...................................................................... 9.5.7 Sicherheitsgläser ................................................................................ Glasprüfung ..................................................................................................... 9.6.1 Allgemeines ....................................................................................... 9.6.2 Prüfungen am Glasprodukt ................................................................ 9.6.2.1 Doppelringbiegeversuch ................................................... 9.6.2.2 Vierschneiden-Verfahren .................................................. 9.6.2.3 Prüfung der Bruchstruktur bei vorgespanntem Glas ......... 9.6.2.4. Prüfung von Profilbauglas................................................. 9.6.3 Bauteilprüfungen ................................................................................ 9.6.3.1 Pendelschlagversuch ......................................................... 9.6.3.2 Prüfung der Betretbarkeit, Begehbarkeit und Resttragfähigkeit ...............................................................
586 586 586 587 588 589 590 592 593 593 594 595 596 598 598 600 602 603 603 604 604 605 607 607 608 609 609 610 611 613 614 617 617 617 618 619 620 621 621 623 623 624
XXV
Inhalt
9.7
Glasrecycling................................................................................................... 9.7.1 Allgemeines ....................................................................................... 9.7.2 Aufbereitung und Wiederverwertung ................................................ 9.7.3 Einsparungen ..................................................................................... 9.7.3.1 Rohstoffe und Eingriffe in die Natur ................................ 9.7.3.2 Energie .............................................................................. 9.7.3.3 Emissionen ........................................................................ Literatur ........................................................................................................... 9.8.1 Normen und Richtlinien .................................................................... 9.8.2 Bücher und Veröffentlichungen ........................................................
625 625 625 627 627 628 629 629 629 634
10 Eisen und Stahl ......................................................................................................... Günter Neroth 10.1 Allgemeines..................................................................................................... 10.2 Herstellung von Roheisen ............................................................................... 10.2.1 Rohstoffe ........................................................................................... 10.2.2 Hochofenprozess ............................................................................... 10.2.3 Hochofenprodukte ............................................................................. 10.3 Gusseisen ........................................................................................................ 10.3.1 Gusseisen mit Lamellengraphit – GJL (DIN EN 1561) .................... 10.3.2 Gusseisen mit Kugelgraphit – GJS (DIN EN 1563) .......................... 10.3.3 Temperguss – GJM (DIN EN 1562) .................................................. 10.3.4 Bezeichnungssystem für Gusseisen (DIN EN 1560) ......................... 10.4 Stahl ................................................................................................................ 10.4.1 Stahlherstellung ................................................................................. 10.4.2 Nachbehandlung von Stahl ................................................................ 10.4.3 Vergießen von Stahl .......................................................................... 10.5 Aufbau und Zustandsformen von Stahl........................................................... 10.5.1 Gefüge von Stahl ............................................................................... 10.5.2 Einfluss von Fremdelementen auf das Gefüge .................................. 10.6 Weiterverarbeitung von Stahl.......................................................................... 10.6.1 Umformung ....................................................................................... 10.6.1.1 Einfluss der Verformung auf das Gefüge ......................... 10.6.1.2 Technische Formgebungsverfahren .................................. 10.6.2 Wärmebehandlung des Stahls ............................................................ 10.6.2.1 Glühen............................................................................... 10.6.2.2 Härten ............................................................................... 10.6.2.3 Stahlvergütung .................................................................. 10.6.2.4 Altern ................................................................................ 10.7 Mechanisch-technologische Kennwerte und Prüfverfahren............................ 10.7.1 Zugversuch ........................................................................................ 10.7.2 Biege- und Faltversuche .................................................................... 10.7.3 Kerbschlagbiegeversuch ....................................................................
637
9.8
637 639 639 639 641 643 643 644 645 646 647 647 649 651 651 651 655 657 657 657 658 660 661 662 663 664 664 665 669 669
XXVI
Inhalt
10.7.4 Ermüdungsfestigkeit .......................................................................... 10.7.4.1 Dauerschwingfestigkeit ..................................................... 10.7.4.2 Dauerstandverhalten (Kriechen, Relaxation) .................... 10.7.5 Härteprüfungen .................................................................................. 10.8 Einteilung und Benennung der Stähle ............................................................. 10.8.1 Einteilung der Stähle .......................................................................... 10.8.1.1 Unterteilung nach der chemischen Zusammensetzung ..... 10.8.1.2 Unterteilung nach Hauptgüteklassen ................................. 10.8.2 Benennung der Stähle ........................................................................ 10.8.2.1 Kurznamen nach DIN EN 10027-1 ................................... 10.8.2.2 Werkstoffnummern ........................................................... 10.9 Stahlsorten für den Stahlbau ............................................................................ 10.9.1 Unlegierte Baustähle (DIN EN 10025-2) ........................................... 10.9.2 Feinkornbaustähle .............................................................................. 10.9.3 Wetterfeste Baustähle (DIN EN 10025-5, DASt RL 007) ................. 10.9.4 Nichtrostende Stähle .......................................................................... 10.10 Stahlsorten für den Massivbau ........................................................................ 10.10.1 Betonstahl nach DIN 488 ................................................................... 10.10.1.1 Stand der Normung ........................................................... 10.10.1.2 Betonstahlsorten ................................................................ 10.10.1.3 Lieferformen von Betonstahl ............................................ 10.10.1.4 Kennzeichnung des Herstellerwerkes ............................... 10.10.2 Betonstahl nach Zulassung................................................................. 10.10.2.1 Betonstahl mit Sonderrippung ........................................... 10.10.2.2 Betonstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand ............... 10.10.2.3 Sonderdyn-Matten ............................................................. 10.10.3 Spannstähle ........................................................................................ 10.10.3.1 Anforderungen .................................................................. 10.10.3.2 Arten und Eigenschaften ................................................... 10.11 Literatur ........................................................................................................... 10.11.1 Regelwerke......................................................................................... 10.11.1.1 Normen.............................................................................. 10.11.1.2 Sonstige Regelwerke .......................................................... 10.11.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................
671 671 673 673 674 674 674 674 676 676 678 679 681 682 683 683 685 685 685 685 687 693 695 695 696 696 696 696 698 699 699 699 702 702
11 Nichteisen-Metalle .................................................................................................... Günter Neroth 11.1 Allgemeines ..................................................................................................... 11.2 Aluminium ....................................................................................................... 11.2.1 Vorkommen, Herstellung ................................................................... 11.2.2 Aluminiumwerkstoffe ........................................................................ 11.2.3 Aluminiumerzeugnisse.......................................................................
703 703 704 704 705 706
XXVII
Inhalt
11.3
11.4
11.5
11.6
11.7
11.8
11.2.4 Formgebung und Bearbeitung ........................................................... 11.2.4.1 Spanabhebende Formgebung ............................................ 11.2.4.2 Spanlose Formgebung ...................................................... 11.2.4.3 Wärmebehandlung ............................................................ 11.2.4.4 Verbindungsarbeiten ......................................................... 11.2.5 Oberflächenbehandlung ..................................................................... Kupfer ............................................................................................................. 11.3.1 Eigenschaften..................................................................................... 11.3.2 Kupferwerkstoffe ............................................................................... 11.3.3 Formgebung und Bearbeitung ........................................................... 11.3.3.1 Spanabhebende Formgebung ............................................ 11.3.3.2 Spanlose Formgebung ...................................................... 11.3.3.3 Wärmebehandlung ............................................................ 11.3.3.4 Verbindungsarbeiten ......................................................... 11.3.4 Oberflächenbehandlung ..................................................................... Zink ................................................................................................................. 11.4.1 Eigenschaften..................................................................................... 11.4.2 Zinkerzeugnisse ................................................................................. 11.4.3 Formgebung und Bearbeitung ........................................................... 11.4.3.1 Spanabhebende Formgebung ............................................ 11.4.3.2 Spanlose Formgebung ...................................................... 11.4.3.3 Wärmebehandlung ............................................................ 11.4.3.4 Verbindungsarbeiten ......................................................... 11.4.4 Oberflächenbehandlung ..................................................................... Blei .................................................................................................................. 11.5.1 Eigenschaften..................................................................................... 11.5.2 Bleierzeugnisse .................................................................................. 11.5.3 Formgebung und Bearbeiten.............................................................. Magnesium ...................................................................................................... 11.6.1 Eigenschaften..................................................................................... 11.6.2 Magnesiumerzeugnisse ...................................................................... 11.6.3 Formgebung und Bearbeitung ........................................................... 11.6.3.1 Spanabhebende Formgebung ............................................ 11.6.3.2 Spanlose Formgebung ...................................................... 11.6.3.3 Verbindungsarbeiten ......................................................... 11.6.4 Oberflächenbehandlung ..................................................................... Zinn ................................................................................................................. 11.7.1 Eigenschaften..................................................................................... 11.7.2 Zinnerzeugnisse ................................................................................. Lotmetalle ....................................................................................................... 11.8.1 Weichlote ........................................................................................... 11.8.2 Hartlote .............................................................................................. 11.8.3 Silberlote ............................................................................................ 11.8.4 Sonderlote ..........................................................................................
707 707 707 708 708 709 710 710 711 713 713 713 714 714 715 717 717 718 719 719 720 720 720 721 722 722 723 724 724 724 725 725 726 726 726 726 727 727 728 728 728 729 729 730
XXVIII
Inhalt
11.8.5 Lötverfahren ....................................................................................... 11.8.5.1 Weichlöten ........................................................................ 11.8.5.2 Hartlöten ............................................................................ Literatur ........................................................................................................... 11.9.1 Regelwerke......................................................................................... 11.9.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................ 11.9.3 Internet-Adressen ...............................................................................
730 730 730 731 731 732 733
12 Korrosion der Metalle .............................................................................................. Günter Neroth 12.1 Einführung ....................................................................................................... 12.2 Elektrochemische Grundlagen der Korrosion ................................................. 12.2.1 Anodische Teilreaktion ...................................................................... 12.2.2 Kathodische Teilreaktion ................................................................... 12.2.3 Korrosionsvorgang – Gesamtreaktion ............................................... 12.3 Korrosionsarten und ihre Bedeutung im Bauwesen ........................................ 12.3.1 Korrosionsarten ohne mechanische Beanspruchung .......................... 12.3.1.1 Gleichmäßige Flächenkorrosion ....................................... 12.3.1.2 Muldenkorrosion/Lochkorrosion ...................................... 12.3.1.3 Korrosion durch unterschiedliche Belüftung .................... 12.3.1.4 Kontaktkorrosion (Galvanische Korrosion) ...................... 12.3.2 Korrosionsarten bei zusätzlicher mechanischer Beanspruchung ....... 12.3.2.1 Spannungsrisskorrosion .................................................... 12.4 Korrosionsschutzverfahren .............................................................................. 12.4.1 Passivierung ....................................................................................... 12.4.2 Kathodischer Korrosionsschutz ......................................................... 12.4.3 Metallische Überzüge......................................................................... 12.4.4 Nichtmetallische anorganische Überzüge .......................................... 12.4.5 Nichtmetallische organische Überzüge .............................................. 12.4.5.1 Bituminöse Überzüge ........................................................ 12.4.5.2 Kunststoffüberzüge ........................................................... 12.4.6 Chemische Oberflächenbehandlung................................................... 12.5 Literatur ........................................................................................................... 12.5.1 Regelwerke......................................................................................... 12.5.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................
735
11.9
13 Bitumenhaltige Baustoffe ......................................................................................... Ulf Zander 13.1 Bitumen ........................................................................................................... 13.1.1 Gewinnung von Bitumen ................................................................... 13.1.2 Bitumen-Zusammensetzung ............................................................... 13.1.3 Bitumen-Struktur ...............................................................................
735 735 736 736 737 737 737 737 738 738 739 740 740 742 742 743 743 746 746 746 746 748 748 748 748 751 751 752 752 753
XXIX
Inhalt
13.1.4 Eigenschaften des Bitumens .............................................................. 13.1.4.1 Temperaturabhängigkeit ................................................... 13.1.4.2 Verformungsverhalten/Konsistenz ................................... 13.1.4.3 Rheologische Eigenschaften ............................................. 13.1.4.4 Haftverhalten (Adhäsion) ................................................. 13.1.4.5 Alterung ............................................................................ 13.1.4.6 Verhalten gegenüber Wasser ............................................ 13.1.4.7 Verhalten gegenüber chemischen Einflüssen ................... 13.1.4.8 Toxikologie ....................................................................... 13.1.4.9 Brandverhalten .................................................................. 13.1.4.10 Weitere Eigenschaften ...................................................... 13.1.5 Verwendungsformen des Bitumens ................................................... 13.1.5.1 Straßenbaubitumen ........................................................... 13.1.5.2 Modifiziertes Bitumen ...................................................... 13.1.5.3 Industriebitumen ............................................................... 13.1.6 Prüfverfahren für Bitumen................................................................. 13.1.6.1 Penetration (Pen) DIN EN 1426 ....................................... 13.1.6.2 Erweichungspunkt Ring und Kugel (EP RuK) DIN EN 1427 .................................................................... 13.1.6.3 Brechpunkt (BP) DIN EN 12 593 ..................................... 13.1.6.4 Elastische Rückstellung DIN EN 13 398 .......................... 13.1.6.5 Kraftduktilität DIN EN 13589 .......................................... 13.1.6.6 Verformungsverhalten mit dem Dynamischen Scherrheometer (DSR) DIN EN 14 770 ........................... 13.1.6.7 Verhalten bei tiefen Temperaturen mit dem Biegebalkenrheometer (BBR) DIN EN 14 771 ................ 13.1.6.8 Bestimmung des Flammpunktes und des Brennpunktes im offenen Tiegel nach Cleveland DIN EN 22 592 .......... 13.1.7 Bitumenhaltige Bindemittel ............................................................... 13.1.7.1 Fluxbitumen ...................................................................... 13.1.7.2 Kaltbitumen ...................................................................... 13.1.7.3 Bitumenanstrichstoff ......................................................... 13.1.7.4 Bitumenemulsion .............................................................. 13.1.8 Prüfverfahren für bitumenhaltige Bindemittel ................................... 13.1.8.1 Bestimmung der Ladungsart von Bitumenemulsionen mit Hilfe der Elektrophorese (DIN EN 1430)................... 13.1.8.2 Bestimmung der Viskosität von Bitumenemulsionen mit dem Straßenteer-Ausflussgerät (DIN EN 12846) ....... 13.1.9 Kennzeichnung von Bitumen und bitumenhaltigen Bindemitteln ..... 13.1.10 Verarbeitung von Bitumen ................................................................ 13.1.10.1 Heißverarbeitung .............................................................. 13.1.10.2 Kaltverarbeitung ...............................................................
753 754 756 756 758 758 759 759 760 760 761 762 762 763 763 765 766 766 766 766 767 768 768 768 769 769 769 769 770 772 772 773 773 776 776 776
XXX 13.2
13.3
Inhalt
Asphalt ............................................................................................................. 13.2.1 Gesteinskörnungen ............................................................................. 13.2.1.1 Stoffliche Eigenschaften ................................................... 13.2.1.2 Körnungen ......................................................................... 13.2.2 Einteilung und Merkmale von Asphalten .......................................... 13.2.2.1 Walzasphalt ....................................................................... 13.2.2.2 Gussasphalt, Asphaltmastix .............................................. 13.2.2.3 Mischgut für den Warm- und Kalteinbau ......................... 13.2.3 Mischguteigenschaften....................................................................... 13.2.3.1 Verarbeitbarkeit................................................................. 13.2.3.2 Verdichtbarkeit .................................................................. 13.2.3.3 Hohlraumgehalt ................................................................. 13.2.3.4 Standfestigkeit ................................................................... 13.2.3.5 Verschleißfestigkeit ........................................................... 13.2.3.6 Griffigkeit .......................................................................... 13.2.3.7 Sonstige Eigenschaften ..................................................... 13.2.4 Einflussfaktoren ................................................................................. 13.2.4.1 Gesteinskörnungen ............................................................ 13.2.4.2 Bindemittel ........................................................................ 13.2.4.3 Herstellung ........................................................................ 13.2.4.4 Transport und Einbau ........................................................ 13.2.5 Prüfverfahren für Asphalt .................................................................. 13.2.6 Asphalte für den Straßenbau .............................................................. 13.2.6.1 Mischgut für Asphalttragschichten ................................... 13.2.6.2 Mischgut für Asphalttragdeckschichten ............................ 13.2.6.3 Mischgut für Asphaltbinder .............................................. 13.2.6.4 Asphaltbetonmischgut für Deckschichten ......................... 13.2.6.5 Mischgut für Splittmastixasphalt....................................... 13.2.6.6 Mischgut für Offenporigen Asphalt .................................. 13.2.6.7 Mischgut für Gussasphalt .................................................. 13.2.6.8 Sondermischgut ................................................................. 13.2.6.9 Oberflächenschutzschichten .............................................. 13.2.7 Asphalte für den Wasserbau .............................................................. 13.2.8 Asphalte für den Hochbau.................................................................. 13.2.8.1 Gussasphaltestriche ........................................................... 13.2.8.2 Asphaltplatten ................................................................... Bitumenhaltige Baustoffe im Bautenschutz .................................................... 13.3.1 Abdichtungsbahnen............................................................................ 13.3.1.1 Nackte Bitumenbahnen ..................................................... 13.3.1.2 Dichtungsbahnen ............................................................... 13.3.1.3 Bitumenschweißbahnen .................................................... 13.3.1.4 Polymerbitumen-Schweißbahnen...................................... 13.3.1.5 Dachbahnen und Dachdichtungsbahnen ........................... 13.3.1.6 Kaltselbstklebende Bitumendichtungsbahnen ................... 13.3.2 Anstrichmassen (Sperrstoffe) .............................................................
778 778 778 779 780 780 781 782 782 783 783 784 785 785 786 786 787 787 787 789 789 791 792 794 795 796 796 797 797 798 799 799 800 801 801 801 802 802 803 803 803 804 804 805 805
XXXI
Inhalt
13.4
Literatur ........................................................................................................... 13.4.1 Regelwerke ........................................................................................ 13.4.1.1 Normen ............................................................................. 13.4.1.2 Regelwerke für den Straßenbau ........................................ 13.4.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................
806 806 806 809 810
14 Holz und Holzwerkstoffe ......................................................................................... Ulrich Gerhard 14.1 Holz ................................................................................................................. 14.1.1 Zusammensetzung und Beschaffenheit der Holzbestandteile............ 14.1.1.1 Cellulose ........................................................................... 14.1.1.2 Hemicellulose ................................................................... 14.1.1.3 Lignin ................................................................................ 14.1.1.4 Holzinhaltsstoffe ............................................................... 14.1.1.4.1 Harze ............................................................... 14.1.1.4.2 Gerbstoffe ....................................................... 14.1.1.4.3 Anorganische Bestandteile ............................. 14.1.2 Makroskopischer Bau des Holzes ...................................................... 14.1.2.1 Querschnitt ........................................................................ 14.1.2.2 Radialschnitt (Spiegelschnitt) ........................................... 14.1.2.3 Tangentialschnitt (Fladerschnitt) ...................................... 14.1.3 Eigenschaften des Holzes .................................................................. 14.1.3.1 Dichte ................................................................................ 14.1.3.2 Beziehung Holz – Wasser ................................................. 14.1.3.3 Festigkeitseigenschaften ................................................... 14.1.3.4 Thermische Eigenschaften ................................................ 14.1.3.4.1 Wärmeleitfähigkeit λ ...................................... 14.1.3.4.2 Wärmeausdehnungskoeffizient α ................... 14.1.3.4.3 Spezifische Wärmekapazität c ........................ 14.1.3.4.4 Brandverhalten des Holzes ............................. 14.1.3.5 Akustische Eigenschaften ................................................. 14.1.4 Gütemerkmale des Holzes und Holzschädlinge ................................ 14.1.4.1 Gütemerkmale des Holzes ................................................ 14.1.4.2 Holzschädlinge.................................................................. 14.1.4.2.1 Pilze ................................................................ 14.1.4.2.2 Tierische Holzschädlinge ................................ 14.1.4.2.3 Holzschutz ...................................................... 14.1.4.2.3.1 Baulicher Holzschutz ............... 14.1.4.2.3.2 Chemischer Holzschutz ............ 14.2 Holzwerkstoffe ................................................................................................ 14.2.1 Holzspanplatten ................................................................................. 14.2.1.1 Flachpressplatten .............................................................. 14.2.1.2 Strangpressplatten ............................................................. 14.2.1.3 Kalanderspanplatten..........................................................
813 813 815 816 818 819 820 820 821 821 821 822 828 830 834 834 835 840 844 844 844 845 845 845 846 846 852 852 856 860 861 863 870 871 871 875 877
XXXII
Inhalt
14.2.1.4 Spanplatten mit anorganischen Bindemitteln .................... 14.2.1.4.1 Zementgebundene Spanplatten ....................... 14.2.1.4.2 Magnesiagebundene Spanplatten .................... 14.2.1.4.3 Gipsgebundene Spanplatten ............................ 14.2.1.4.4 Holzwolleleichtbauplatten ............................... 14.2.2 Holzfaserplatten ................................................................................. 14.2.3 Sperrholz ............................................................................................ 14.2.3.1 Normtypen nach dem Plattenaufbau ................................. 14.2.3.2 Normtypen nach der Verwendung .................................... 14.2.4 Zuordnung der Bauplatten-Typen zu den Holzwerkstoffklassen ....... Holzklebstoffe ................................................................................................. 14.3.1 Begriffe .............................................................................................. 14.3.2 Wichtige Holzklebstoffe .................................................................... 14.3.2.1 Reaktionsklebstoffe ........................................................... 14.3.2.1.1 Harnstoff-Formaldehyd-Harz (UF) ................. 14.3.2.1.2 Phenol-Formaldehyd-Harz (PF) ...................... 14.3.2.1.3 Resorcin-Formaldehyd-Harz (RF) .................. 14.3.2.1.4 Polyurethan-Klebstoffe (PUR) ........................ 14.3.2.2 Nichtreaktionsklebstoffe ................................................... 14.3.2.2.1 Polyvinylacetatleim (Weißleim)...................... 14.3.2.2.2 Schmelzklebstoff ............................................. 14.3.2.3 Beanspruchungsgruppen für Holzklebstoffe ..................... Gebrauchtholz-Recycling ................................................................................ Normen und Literatur ...................................................................................... 14.5.1 Normen .............................................................................................. 14.5.1.1 Spanplatten ........................................................................ 14.5.1.2 Faserplatten ....................................................................... 14.5.1.3 Sperrholz ........................................................................... 14.5.1.4 Holzwerkstoffe .................................................................. 14.5.1.5 Holz ................................................................................... 14.5.1.6 Holzschutz ......................................................................... 14.5.2 Literatur..............................................................................................
877 877 877 877 877 879 880 880 882 882 883 883 884 884 884 886 887 887 888 888 889 889 891 895 895 895 895 895 896 896 896 896
15 Kunststoffe................................................................................................................. Klaus P. Großkurth 15.1 Aufbau und Einteilung .................................................................................... 15.1.1 Thermoplaste ...................................................................................... 15.1.2 Duroplaste .......................................................................................... 15.1.3 Elastomere .......................................................................................... 15.1.4 Erkennen von Kunststoffen ................................................................ 15.2 Wichtige Eigenschaften ................................................................................... 15.2.1 Mechanische Eigenschaften ............................................................... 15.2.2 Thermische Eigenschaften ................................................................. 15.2.3 Verhalten gegen Feuchtigkeit ............................................................
899
14.3
14.4 14.5
899 900 902 902 902 903 904 906 908
Inhalt
15.3
15.4
XXXIII 15.2.4 Chemische und biologische Beständigkeit ........................................ 15.2.5 Alterung ............................................................................................. 15.2.6 Elektrische, optische, akustische Eigenschaften ................................ Umformen und Bearbeiten .............................................................................. 15.3.1 Umformen .......................................................................................... 15.3.2 Recken ............................................................................................... 15.3.3 Schweißen .......................................................................................... 15.3.4 Kleben ................................................................................................ 15.3.4.1 Kleben von Dach- und Abdichtungsbahnen ..................... 15.3.4.2 Verkleben von Wärmedämmstoffen ................................. 15.3.4.3 Verkleben von Boden- und Wandbelägen ........................ 15.3.5 Spanende Bearbeitung ....................................................................... Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen .................................................. 15.4.1 Abdichtungen..................................................................................... 15.4.1.1 Hochpolymere Dichtungsbahnen ...................................... 15.4.1.2 Beschichtungen und Flüssigabdichtungen ........................ 15.4.1.3 Fugenbänder, Fugenprofile und Fugendichtstoffe ............ 15.4.2 Wärme- und Schalldämmung ............................................................ 15.4.2.1 Hartschaum-Bahnen und -Platten für die Wärmedämmung............................................................... 15.4.2.2 Wärmedämmung mit Ortschäumen .................................. 15.4.2.3 Trittschalldämmung .......................................................... 15.4.2.4 Lärmschutzwälle ............................................................... 15.4.2.5 Lärmschutzwände ............................................................. 15.4.3 Versorgungs-, Entsorgungs- und Schutzrohrleitungen ...................... 15.4.3.1 Versorgungsrohrleitungen ................................................ 15.4.3.2 Entsorgungsrohrleitungen ................................................. 15.4.3.3 Rohre für den Gebäude- und Bauwerksschutz.................. 15.4.4 Heizungs- und Energiegewinnungsanlagen ....................................... 15.4.4.1 Fußboden-Heizungsrohre und -Systeme ........................... 15.4.4.2 Solarkollektoren ................................................................ 15.4.4.3 Photovoltaik (PV) ............................................................. 15.4.5 Fassaden- und Wandbauelemente...................................................... 15.4.5.1 Wellplatten- und bahnen ................................................... 15.4.5.2 Lichtwandelemente ........................................................... 15.4.5.3 Verbundelemente .............................................................. 15.4.6 Dachelemente und -beläge ................................................................. 15.4.6.1 Lichtkuppeln ..................................................................... 15.4.6.2 Lichtbänder, Lichtdächer .................................................. 15.4.6.3 Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) ....................... 15.4.6.4 Flachdach-Gefälledämmung ............................................. 15.4.6.5 Steildach-Dämmelemente ................................................. 15.4.6.6 Steildach-Zubehör .............................................................
909 910 911 912 912 912 912 913 913 913 914 914 914 914 914 918 920 922 922 925 927 928 928 928 932 934 935 937 937 939 940 942 942 942 946 946 946 947 948 949 949 949
XXXIV
15.5
15.6
Inhalt
15.4.7 Fenster und Türen .............................................................................. 15.4.7.1 Kunststoff-Fenster ............................................................. 15.4.7.2 Fensterzubehör .................................................................. 15.4.7.3 Türen und Tore.................................................................. 15.4.8 Ausbau-Halbzeuge ............................................................................. 15.4.8.1 Dekorative Schichtpressstoffplatten .................................. 15.4.8.2 PVC-Integralschaumplatten .............................................. 15.4.8.3 Strukturschaumtapeten ...................................................... 15.4.9 Fußbodenbeläge ................................................................................. 15.4.9.1 Platten und Bahnen ........................................................... 15.4.9.2 Textile Bodenbeläge .......................................................... 15.4.10 Kunststoffe im Erd-, Landschafts-, Verkehrswege- und Wasserbau . 15.4.10.1 Schaumstoffe als Frostschutz ............................................ 15.4.10.2 Geotextilien ....................................................................... 15.4.10.3 Sekundärkunststoffe .......................................................... Bauchemische Produkte .................................................................................. 15.5.1 Beton- und Mörtelzusätze .................................................................. 15.5.1.1 Kunststoffdispersionen ...................................................... 15.5.1.2 Kunststoffmodifizierte Zementmörtel und -betone ........... 15.5.1.3 Haftbrücken ....................................................................... 15.5.1.4 Putzmörtel ......................................................................... 15.5.2 Reaktionsharzmörtel und -betone ...................................................... 15.5.2.1 Reaktionsharze .................................................................. 15.5.2.2 Reaktionsharzbeton ........................................................... 15.5.2.3 Reaktionsharzklebemörtel ................................................. 15.5.2.4 Reaktionsharzestriche........................................................ 15.5.2.5 Reaktionsharzbeschichtungen ........................................... 15.5.2.6 Reaktionsharzversiegelungen ............................................ 15.5.3 Klebstoffe ........................................................................................... 15.5.3.1 Dispersionsklebstoffe ........................................................ 15.5.3.2 „Baukleber“ ....................................................................... 15.5.3.3 Kontaktklebstoffe .............................................................. 15.5.3.4 Reaktionsharz-Klebstoffe .................................................. 15.5.4 Silicon-Bautenschutzmittel ................................................................ 15.5.4.1 Siliconate ........................................................................... 15.5.4.2 Silane und Siloxane ........................................................... 15.5.4.3 Siliconharzlösungen .......................................................... 15.5.4.4 Siliconemulsionen mit -pulver .......................................... 15.5.4.5 Siliconkautschuk ............................................................... 15.5.4.6 Kieselsäureester................................................................. Literatur ........................................................................................................... 15.6.1 Regelwerke......................................................................................... 15.6.1.1 Normen.............................................................................. 15.6.1.2 Sonstige Regelwerke ......................................................... 15.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen ................
950 950 953 954 955 955 955 955 955 955 957 958 958 959 960 962 962 962 963 964 964 964 964 966 966 967 967 967 967 967 967 968 968 968 969 969 969 970 970 970 970 970 970 982 983
Inhalt
16 Oberflächenschutz .................................................................................................... Robert Engelfried 16.1 Definition des Oberflächenschutzes ................................................................ 16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz ................................................................ 16.2.1 Komponenten und Klassifizierung der Werkstoffe ........................... 16.2.2 Charakterisierung der wichtigsten Bindemittelarten ......................... 16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz .................................... 16.3.1 Grundsätzliches ................................................................................. 16.3.2 Betrachtungen zur Funktionalität von Beschichtungen ..................... 16.3.2.1 Die Beschichtung als Karbonatisationsbremse ................. 16.3.2.2 Die Beschichtung als Feuchteregulativ ............................. 16.3.2.3 Die Beschichtung als rissüberbrückende Schicht ............. 16.3.2.4 Verbund im Beschichtungssystem und zum Untergrund.. 16.3.2.5 Schichtdickendefinitionen als Grenzwerte........................ 16.3.3 Maßnahmen im Vorfeld des Beschichtens ........................................ 16.3.4 Konstruktive Voraussetzungen zum Beschichten.............................. 16.3.5 Vorbereitung und Vorbehandlung der Baustoffoberfläche ............... 16.4 Anwendung der Beschichtungswerkstoffe ...................................................... 16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung .......................... 16.5.1 Holz und Holzwerkstoffe................................................................... 16.5.2 Kunststoffe......................................................................................... 16.5.3 Kalk-, Kalkzement- und Zementputze ............................................... 16.5.4 Beton und Stahlbeton......................................................................... 16.5.4.1 Trockenhaltung der Oberfläche – temporäre Wasserrückhaltung .......................................... 16.5.4.2 Visuelle Gestaltung der Oberfläche .................................. 16.5.4.3 Beschichtungen zum Betonschutz/Betoninstandsetzung .. 16.5.4.4 Beschichtungen zum Schutz gegen Oberflächenwasser ... 16.5.4.5 Beschichtungen für die Unterwasserbeanspruchung und im Gewässerschutz ........................................................... 16.5.4.6 Bodenbeschichtungen ....................................................... 16.5.5 Porenbeton ......................................................................................... 16.5.6 Verblendmauerwerk aus Ziegeln und Kalksandsteinen..................... 16.5.6.1 Verhinderung von Salzausblühungen und Verschmutzungen ............................................................. 16.5.6.2 Verbesserung des Schlagregenschutzes ............................ 16.5.6.3 Steigerung der Dauerhaftigkeit ......................................... 16.5.7 Natursteinmauerwerk ......................................................................... 16.5.8 Korrosionsschutz von Stahlbauten .................................................... 16.5.9 Zink, verzinkter Stahl und Aluminium .............................................. 16.6 Polymerbeschichtungen zur Abdichtung gegen Wasser ................................. 16.6.1 Abdichtungen im Verbund mit Fliesen und Platten........................... 16.6.2 Mineralische Dichtungsschlämmen, Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen (KMB) ............
XXXV 985 985 985 985 990 998 998 999 999 1001 1003 1008 1011 1016 1017 1019 1027 1031 1031 1034 1034 1036 1036 1037 1037 1039 1039 1040 1042 1044 1044 1046 1046 1047 1049 1052 1054 1055 1057
XXXVI
Inhalt
16.7 16.8
Qualitätssicherung der Anwendung am Bauobjekt ......................................... 1059 Fachliteratur ..................................................................................................... 1060
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken ................................................. Michael Raupach 17.1 Regelwerke ...................................................................................................... 17.2 Angriffe auf Stahlbeton ................................................................................... 17.2.1 Allgemeines ....................................................................................... 17.2.2 Schäden des Betons durch chemische, physikalische und mechanische Einwirkungen ............................................................... 17.2.2.1 Chemische Einwirkungen ................................................. 17.2.2.2 Lösender Angriff ............................................................... 17.2.2.3 Treibender Angriff ............................................................ 17.2.2.4 Biogener Schwefelsäureangriff ......................................... 17.2.2.5 Frost- und Frost-Tausalz-Angriff auf Beton ..................... 17.2.2.6 Mechanischer Verschleiß .................................................. 17.2.3 Korrosion infolge Karbonatisierung des Betons ................................ 17.2.4 Chloridinduzierte Korrosion .............................................................. 17.3 Bauwerksdiagnose ........................................................................................... 17.3.1 Allgemeines ....................................................................................... 17.3.2 Bestimmung der Karbonatisierungstiefe ............................................ 17.3.3 Bewertung des Chloridgehaltes.......................................................... 17.3.4 Klassifizierung der Betonfeuchte ....................................................... 17.3.5 Potentialmessungen zur Detektion von Bereichen mit hoher Korrosionswahrscheinlichkeit ............................................................ 17.3.6 Diagnose größerer Flächenbereiche ................................................... 17.4 Instandsetzungsprinzipien ............................................................................... 17.4.1 Instandsetzungsprinzipien bei Bewehrungskorrosion nach RL-SIB .. 17.4.1.1 Instandsetzungsprinzip R .................................................. 17.4.1.2 Instandsetzungsprinzip W ................................................. 17.4.1.3 Instandsetzungsprinzip C .................................................. 17.4.1.4 Instandsetzungsprinzipien bei Bewehrungskorrosion infolge Chlorideinwirkung ................................................ 17.4.1.5 Kathodischer Korrosionsschutz......................................... 17.4.2 Instandsetzungsprinzipien nach EN 1504 .......................................... 17.5 Vorbereitung von Betonuntergründen ............................................................. 17.5.1 Allgemeines ....................................................................................... 17.5.2 Anforderungen ................................................................................... 17.5.2.1 Oberflächenbeschaffenheit ................................................ 17.5.2.2 Mechanische Eigenschaften .............................................. 17.5.2.3 Chemische Eigenschaften ................................................. 17.5.2.4 Betonfeuchte ..................................................................... 17.5.2.5 Temperaturen .................................................................... 17.5.2.6 Witterungsbedingungen außer Temperatur ....................... 17.5.2.7 Erschütterungen.................................................................
1067 1067 1069 1069 1070 1070 1072 1073 1076 1078 1078 1079 1081 1082 1082 1083 1084 1084 1085 1086 1087 1087 1089 1091 1091 1092 1093 1094 1096 1096 1097 1097 1097 1099 1099 1099 1100 1101
Inhalt
17.6
XXXVII
Instandsetzen von Rissen ................................................................................ 17.6.1 Allgemeines ....................................................................................... 17.6.2 Ursachen, die eine Behandlung von Rissen erforderlich machen...... 17.6.3 Mögliche Maßnahmen zur Rissbehandlung ...................................... 17.6.4 Füllstoffe für Risse und Hohlräume .................................................. 17.6.5 Verfahren zum Füllen von Rissen und Hohlräumen ......................... 17.7 Ersatz geschädigten Betons ............................................................................. 17.7.1 Allgemeines ....................................................................................... 17.7.2 Beanspruchbarkeitsklassen nach RL-SIB .......................................... 17.7.3 Anforderungen nach RL-SIB............................................................. 17.7.4 Beton und Spritzbeton ....................................................................... 17.7.5 Zementmörtel..................................................................................... 17.7.6 Kunststoffmodifizierte Mörtel PCC, SPCC ....................................... 17.7.7 Kunststoffmörtel PC .......................................................................... 17.7.8 Haftbrücke und Feinspachtel ............................................................. 17.8 Oberflächenschutzsysteme .............................................................................. 17.8.1 Einteilung und Aufbau....................................................................... 17.8.2 Erforderliche Schichtdicken .............................................................. 17.9 Kathodischer Korrosionsschutz ...................................................................... 17.9.1 Allgemeines ....................................................................................... 17.9.2 Elektrochemische Vorgänge .............................................................. 17.9.3 Anodensysteme für den KKS von Stahlbeton ................................... 17.9.4 Bauaufsichtliche Regelungen für Anodensysteme in Deutschland ... 17.9.5 Schutzkriterien ................................................................................... 17.9.6 Planung, Installation, Inbetriebnahme und Überwachung ................. 17.10 Instandhaltung nach erfolgter Instandsetzung ................................................. 17.10.1 Allgemeines ....................................................................................... 17.10.2 Instandhaltungsplanung nach RL-SIB und EN 1504-9 ..................... 17.10.3 Instandhaltungsmanagement.............................................................. 17.10.4 Einsatz von Monitoring-Systemen im Rahmen des Bauwerksmanagements ..................................................................... 17.10.4.1 Allgemeines ...................................................................... 17.10.4.2 Sensoren für die Überwachung des Tragverhaltens.......... 17.10.4.3 Sensoren für die Überwachung relevanter Betoneigenschaften ........................................................... 17.10.4.4 Sensoren zur Überwachung des Korrosionsverhaltens der Bewehrung .................................................................. 17.11 Literatur ........................................................................................................... 17.11.1 Regelwerke ........................................................................................ 17.11.1.1 Normen ............................................................................. 17.11.1.2 Sonstige Regelwerke......................................................... 17.11.2 Bücher, Zeitschriften, sonstige Veröffentlichungen ..........................
1101 1101 1101 1102 1105 1108 1110 1110 1113 1115 1115 1115 1116 1119 1121 1122 1122 1125 1127 1127 1128 1129 1132 1133 1135 1135 1135 1135 1136 1138 1138 1138 1139 1140 1141 1141 1141 1142 1143
XXXVIII
Inhalt
18 Dämmstoffe ............................................................................................................... Günter Neroth 18.1 Allgemeines ..................................................................................................... 18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz .................................................................. 18.2.1 Prinzip der Wärmedämmung ............................................................. 18.2.2 Materialien für Wärmedämmstoffe ....................................................
1145
18.3
18.4
18.5 18.6
18.2.2.1 Überblick ........................................................................... 18.2.2.2 Anorganische Dämmstoffe aus synthetischen Rohstoffen 18.2.2.3 Anorganische Dämmstoffe aus natürlichen Rohstoffen .... 18.2.2.4 Organische Dämmstoffe aus synthetischen Rohstoffen .... 18.2.2.5 Organische Dämmstoffe aus natürlichen Rohstoffen ........ 18.2.3 Eigenschaften von Wärmedämmstoffen ............................................ 18.2.3.1 Überblick ........................................................................... 18.2.3.2 Geometrische Eigenschaften ............................................. 18.2.3.3 Festigkeitseigenschaften.................................................... 18.2.3.4 Verformungseigenschaften ............................................... 18.2.3.5 Wasseraufnahme ............................................................... 18.2.3.6 Wärmetechnische Eigenschaften....................................... 18.2.3.7 Brandverhalten .................................................................. 18.2.3.8 Akustische Eigenschaften ................................................. 18.2.3.9 Bezeichnungsschlüssel, CE-Kennzeichnung..................... 18.2.4 Anforderungen an Wärmedämmstoffe............................................... 18.2.4.1 Werkmäßig hergestellte Produkte ..................................... 18.2.4.2 An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmungen ........................................................... 18.2.4.3 Wärmedämmverbundsysteme ........................................... 18.2.5 Transparente Wärmedämmung .......................................................... 18.2.6 Vakuum-Isolations-Paneele (VIP) ..................................................... 18.2.7 Latentwärmespeicher – Phase Change Materials ............................... Dämmstoffe für den Schallschutz.................................................................... 18.3.1 Schallabsorption ................................................................................. 18.3.2 Luftschalldämmung ........................................................................... 18.3.3 Trittschalldämmung ........................................................................... Dämmstoffe für den Brandschutz .................................................................... 18.4.1 Brandschutztechnische Eigenschaften, Anforderungen ..................... 18.4.1.1 Baustoffklassen nach DIN 4102........................................ 18.4.1.2 Brandparallelerscheinungen .............................................. 18.4.1.3 Schmelzpunkt, Schmelzbereich ........................................ 18.4.1.4 Spezifische Wärmekapazität und Oberfläche.................... 18.4.1.5 Stehvermögen, Verbundeigenschaften .............................. 18.4.2 Dämmschichtbildende Brandschutzbeschichtungen .......................... Verhalten von Dämmstoffen bei Feuchtigkeit ................................................. Gesundheitliche Aspekte bei Faserdämmstoffen.............................................
1145 1145 1145 1147 1147 1149 1150 1150 1151 1152 1152 1154 1154 1155 1155 1155 1156 1156 1156 1157 1157 1162 1162 1163 1165 1165 1167 1167 1168 1170 1172 1172 1172 1173 1174 1174 1174 1174 1175 1176
Inhalt
18.7
XXXIX Literatur ........................................................................................................... 18.7.1 Regelwerke ........................................................................................ 18.7.1.1 Normen ............................................................................. 18.7.1.2 Sonstige Regelwerke......................................................... 18.7.2 Bücher, Aufsätze, sonstige Veröffentlichungen ................................
1178 1178 1178 1181 1181
Anhang ............................................................................................................................ 1183 Sachwortverzeichnis ...................................................................................................... 1193
1 Grundlagen 1.1 Einleitung Das Bauen gehört von jeher zu den Grundbedürfnissen einer jeden Zivilisation. Für die Errichtung von Bauwerken wurden regional verfügbare, in der Natur vorkommende Materialien verwendet, z. B. Holz, Naturstein oder Lehm. Diese Materialien dienten jedoch nicht nur als Baustoffe, sondern sie wurden auch zu anderen Zwecken eingesetzt, z. B. zur Herstellung von Haushaltswaren, Werkzeugen, Waffen usw. Die Bedeutung der Werkstoffe für frühe Zivilisationen spiegelt sich in der Benennung einzelner Zeitalter nach Werkstoffen (Stein-, Bronze-, Eisenzeit) wider. Die Eigenschaften der Baustoffe sind maßgebend für die Konstruktion und Gestaltung der daraus hergestellten Bauteile, d. h. Baustoff und Konstruktion bedingen sich gegenseitig. Beispielsweise können Dachkonstruktionen aus Holz oder Stahl als Flachdach ausgeführt werden, weil die auftretenden Biegebeanspruchungen von diesen Baustoffen aufgenommen werden können. Natursteine hingegen weisen nur sehr geringe Biegezugfestigkeiten auf; Dachkonstruktionen aus Naturstein werden deshalb in Form von Gewölben bzw. Kuppeln, d. h. als nur auf Druck beanspruchte Bauteile ausgeführt. Über Jahrtausende hinweg wurden die gleichen „klassischen“ Baustoffe eingesetzt. Deren Einsatzgebiete sowie ihre Ver- und Bearbeitung ergab sich aus der langen Erfahrung, die bereits vorherige Generationen mit den Baustoffen gesammelt und an die Nachkommen weitergegeben hatten. Baumeister und Handwerker arbeiteten ihr Leben lang immer mit den gleichen, wenigen Baustoffen, die ihnen vertraut waren. Dabei wurde die Qualität der zu verwendenden Baumaterialien visuell und mittels einfacher Prüfungen, z. B. Klang bei Schlagbeanspruchung, kontrolliert. So bezeichnet man mit dem heute noch verwendeten Begriff „Klinker“ ursprünglich ein keramisches Material, das „klingend“ hart gebrannt wurde. Das 19. Jahrhundert war gekennzeichnet durch die Weiterentwicklung der Eisenwerkstoffe und die daraus resultierenden technischen Möglichkeiten. Mit der Entwicklung der Dampfmaschine wurden die Voraussetzungen für die Industrialisierung und die Revolutionierung des Verkehrswesens (Eisenbahn, Dampfschifffahrt) geschaffen. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes stellte auch an die Bauschaffenden neue Herausforderungen; der Bau großer Brücken und Hallen wäre damals ohne die verbesserten Eisenwerkstoffe nicht möglich gewesen. Andererseits zeigten Dampfkesselexplosionen, Eisenbahnunglücke und Einstürze immer wieder die Grenzen des technisch Machbaren auf. Die Ursachen dieser Unglücke bestanden oftmals darin, dass die Eigenschaften der verwendeten Werkstoffe nicht ausreichend berücksichtigt wurden bzw. zum Teil noch gar nicht bekannt waren. Der Ruf wurde laut nach Stellen, die – mit den erforderlichen Prüfeinrichtungen ausgerüstet – die notwendigen Untersuchungen als Dienstleistung für jedermann durchführen konnten. Aus dieser Forderung resultierten letztlich die Gründungen der ersten Materialprüfanstalten in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Grundlagen
Der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg stellte für die deutsche Bauwirtschaft eine große Herausforderung dar. Die Forderung nach rationellen und wirtschaftlichen Bauweisen führte zur Entwicklung neuer Baustoffe; hier sind vor allem die Leichtbaustoffe (Leichtbeton, Aluminium), Dämmstoffe und Kunststoffe zu nennen. Anstelle der bislang üblichen monolithischen, d. h. aus einem einzigen Baustoff bestehenden Bauteile, werden zunehmend Verbundbaustoffe eingesetzt. Die Nachkriegszeit steht ganz unter dem Zeichen der Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbauweise. Wesentliche Voraussetzungen hierfür waren die Entwicklung hochwertiger Zemente und Beton- bzw. Spannstähle. Beton, der „Baustoff des Jahrhunderts“, zeichnet sich aus durch seine fast unbeschränkte Formbarkeit, allgemeine Verfügbarkeit seiner Ausgangsstoffe, hohe Festigkeit sowie relativ niedrige Kosten. Die Eigenschaften des Betons lassen sich den vielfältigen Anforderungen unterschiedlichster Bauaufgaben anpassen; dabei hat sich Beton leider nicht immer als ein dauerhafter Baustoff erwiesen. In zunehmendem Maße setzen sich mehrschichtige Bauteile durch, bei denen die einzelnen Schichten die unterschiedlichen Funktionen des Bauteils übernehmen. Außenwände beispielsweise müssen verschiedene Aufgaben wie Tragfähigkeit, Wärmedämmung, Witterungsschutz erfüllen. Während diese Aufgaben früher von einem einzigen Baustoff übernommen wurden, verteilen sie sich nunmehr auf die einzelnen Komponenten: Mauerwerk oder Stahlbeton für die tragende Konstruktion, Wärmedämmplatten aus Mineralfasern oder geschäumten Kunststoffen für die Wärmedämmung, Putz als Witterungsschutz. Eine derartige Aufgabenteilung erlaubt einerseits wirtschaftliche Konstruktionen, erfordert andererseits aber auch genaue Kenntnisse über die Eigenschaften der verwendeten Materialien und ihr Zusammenwirken, damit spätere Bauschäden vermieden werden können. Die Ursachen für die immer wieder auftretenden Bauschäden sind äußerst vielfältig; sie können u. a. durch Fehler bei der Planung, bei der Bauausführung oder infolge einer mangelhaften Bauwerksunterhaltung auftreten. Bei der Auswahl eines Baustoffes für einen bestimmten Anwendungszweck muss der Planer die Anforderungen, die sich aus der Bauaufgabe ergeben, und die Eigenschaften der in Frage kommenden Baustoffe gegenüberstellen und bewerten. Anforderungen an den Baustoff resultieren einerseits aus der Konstruktion und Gestaltung des Bauwerkes, aber auch aus den Umwelteinflüssen, denen das Bauwerk ausgesetzt ist, sowie dem verfügbaren Kostenrahmen. Besonderes Augenmerk ist auf die bei der Bauausführung vorgegebenen Rahmenbedingungen zu richten, d. h. die praktischen Möglichkeiten unter Baustellenbedingungen, die handwerklichen Fähigkeiten der Bauarbeiter, die Qualifikation der auf der Baustelle tätigen Ingenieure usw. Grundvoraussetzung für die richtige Auswahl eines Baustoffes ist die Kenntnis der maßgeblichen Baustoffeigenschaften; diese Eigenschaften werden als Baustoffkenngrößen bezeichnet und im Abschnitt 1.2 umfassend dargestellt. Bei der Fülle an Baustoffen, die mittlerweile auf dem Markt verfügbar sind, ist eine systematische Einteilung unbedingt erforderlich. In Tabelle 1.1 ist die „klassische“ Unterscheidung der Baustoffe hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung dargestellt. Die Einteilung gilt für so genannte Einkomponenten-Baustoffe wie z. B. Glas, Holz oder Reinmetalle. Mehrkomponenten-Baustoffe werden bei der vorgegebenen Systematik nur dann aufgeführt, wenn alle Komponenten, aus denen der Baustoff besteht, der gleichen Gruppe zuzuordnen sind. Dies ist z. B. bei Mörteln und Betonen der Fall, wenn sie aus mineralischen Gesteinskörnungen und mineralischen Bindemitteln beste-
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1.1 Einleitung
hen, oder auch bei Holzwerkstoffen, bei deren Herstellung organische Klebstoffe verwendet werden. Tabelle 1.1 Einteilung der Baustoffe Anorganische Baustoffe mineralische
metallische
Natursteine, Glas, keramische Baustoffe, Mörtel, Beton u. a.
Gusseisen, Stahl, Aluminium, Kupfer u. a.
Organische Baustoffe
Holz u. Holzwerkstoffe, Bitumen, Asphalt, Kunststoffe
Bei vielen modernen Baustoffen handelt es sich um Materialkombinationen, bei denen eine eindeutige Zuordnung nach den obigen Kriterien nicht mehr möglich ist, z. B. Stahlbeton, glasfaserverstärkte Kunststoffe, mineralisch gebundene Holzwolleleichtbauplatten, kunststoffbeschichtete Fassadenbleche, Kunstharzmörtel und ähnliches. Die Eigenschaften dieser Baustoffe werden bestimmt durch ein oft recht komplexes Wechselspiel zwischen den Eigenschaften der einzelnen Komponenten, ihrem Mengenverhältnis und ihrem Verbundverhalten. Durch die umfangreiche Verwendung neuer Baustoffe und Baustoffkombinationen ist das Gebiet so vielschichtig und unübersichtlich geworden, dass der Bauausführende hinsichtlich seiner Kenntnisse oft überfordert ist. Diesem Umstand, der zwangsläufig bei der Bauausführung zu Fehlern und nachfolgenden Bauschäden führen wird, kann man dadurch begegnen, dass man den wissenschaftlichen Zusammenhängen bei den einzelnen Baustoffen mehr Beachtung schenkt. Ohne diese Kenntnis ist heutzutage eine sichere Beurteilung der Baustoffe für die vielfältigen Bauaufgaben unter Berücksichtigung der möglichen späteren Einwirkungen nicht mehr möglich. Die Lehre von den Baustoffen war schon immer eine überwiegend empirische, d. h. auf Erfahrungen begründete Wissenschaft. Die Erfahrungen resultieren einerseits aus Beobachtungen an bestehenden Bauwerken insbesondere im Hinblick auf ihre Schadensanfälligkeit, andererseits aus den Ergebnissen unterschiedlichster Laboruntersuchungen. Leider ist die Übertragbarkeit der im Labor gewonnenen Ergebnisse auf praktische Bauwerksverhältnisse nicht immer ohne Weiteres möglich. Die Beschäftigung mit den Baustoffeigenschaften – in Abschnitt 1.2 wird ein Überblick über die wichtigsten Baustoffkenngrößen gegeben – bedeutet daher gleichzeitig auch eine Auseinandersetzung mit den zugehörigen Prüfverfahren und Messmethoden. Für die Auswertung der Prüfergebnisse und die darauf aufbauende weitere Interpretation sind Grundkenntnisse der Statistik erforderlich; diese werden in Abschnitt 1.3 vermittelt. Im gesamten Baubereich gibt es kaum ein Gebiet, bei dem so viele Normen, Richtlinien und sonstige Vorschriften zu berücksichtigen sind wie in der Baustoffkunde. Das ist schon seit langem so. In den letzten Jahren hat aber die Zahl an neuen Normen, Änderungen und Berichtigungen von Normen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene dermaßen zugenommen, dass es kaum noch möglich ist, den Überblick zu bewahren.
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1 Grundlagen
Aus diesem Grunde kann auch ein Lehrbuch wie das hier vorliegende für sich nur kurzzeitig den Anspruch auf Aktualität erheben. Umso wichtiger ist es, dem Leser – wie in Abschnitt 1.4 geschehen – die Struktur der für Baustoffe maßgeblichen Regelwerke zu erläutern und ihm damit die selbstständige Orientierung und Überprüfung auf Aktualität zu ermöglichen.
1.2 Baustoffkenngrößen 1.2.1 Definition und Einteilung Die Verwendungsmöglichkeiten eines Baustoffes hängen ab von seinen Eigenschaften und von den Anforderungen, die sich aus dem jeweiligen Anwendungsfall ergeben. Beispielsweise müssen Baustoffe, die für die Herstellung von tragenden Bauteilen verwendet werden, über eine ausreichende Festigkeit verfügen, damit die Tragfähigkeit des Bauteils sichergestellt werden kann. Oft werden an die Bauteile zusätzliche Anforderungen gestellt, z. B. hinsichtlich Wärme-, Schall- und Brandschutz. Können die Konstruktionsbaustoffe diese zusätzlichen Funktionen nicht bzw. nicht ausreichend sicherstellen, kommen meist mehrschichtige Konstruktionen zur Ausführung, wobei auf der eigentlichen Tragkonstruktion z. B. eine zusätzliche Wärmedämmschicht, eine Brandschutzverkleidung usw. angeordnet wird. Die maßgeblichen Eigenschaften der Baustoffe werden durch so genannte Baustoffkenngrößen beschrieben; diese setzen sich aus einem Zahlenwert und der zugehörigen Maßeinheit (Dimension) zusammen. Vor der Verwendung eines Baustoffes müssen die Kenngrößen durch Versuche bestimmt werden. Da die Versuchsergebnisse häufig durch das angewandte Prüfverfahren beeinflusst werden, müssen die Prüfbedingungen in allen Einzelheiten genau festgelegt werden (z. B. in Prüfnormen). Im Folgenden wird ein Überblick über die wichtigsten allgemeinen Baustoffkenngrößen gegeben. Spezielle Eigenschaften, die nur bei einzelnen Baustoffen zutreffen, werden bei den entsprechenden Baustoffen behandelt (z. B. Erstarren von Bindemitteln, Kornzusammensetzung von Gesteinskörnungen, Viskosität von Bitumen, Konsistenz von Frischbeton und Mörtel). Eine Systematisierung der Eigenschaften lässt sich entsprechend der in den Naturwissenschaften gebräuchlichen Unterscheidung vornehmen. Für die Bautechnik sind in erster Linie physikalische Eigenschaften von Bedeutung, wobei der physikalischen Teildisziplin Mechanik eine besondere Bedeutung zukommt. Die Dauerhaftigkeit von Baustoffen stellt eine äußerst komplexe Thematik dar, bei der – je nach Baustoff – chemische, biologische und physikalische Einflüsse, ggf. in Kombination, beachtet werden müssen. Den Ausführungen in den nachfolgenden Kapiteln liegt die in Tabelle 1.2 dargestellte Einteilung der Baustoffkenngrößen zugrunde.
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1.2 Baustoffkenngrößen Tabelle 1.2 Einteilung der Baustoffkenngrößen Baustoffkenngrößen Physikalische Kenngrößen
Mechanische Kenngrößen
Dauerhaftigkeit
Dichten Hygrische Kenngrößen Thermische Kenngrößen Akustische Kenngrößen
Festigkeiten Formänderungen Härte Reibung Verschleiß
Raumbeständigkeit Frostbeständigkeit Witterungsbeständigkeit Korrosionsbeständigkeit Feuerbeständigkeit
1.2.2 Maßeinheiten und Formelzeichen Zur Bestimmung von Baustoffeigenschaften benötigt man im Wesentlichen die Technik der Kraft-, Längen-, Temperatur- und Zeitmessung. Die Beschreibung der Kenngrößen erfolgt mit Hilfe der zugehörigen Maßeinheiten, die wiederum in einem Maßsystem festgelegt sind. Die Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen technischen Maßsystems gehen auf das von Carl Friedrich Gauß begründete CGS-System (Centimeter-Gramm-Sekunde) zurück. Mit dem Gesetz über die Einheiten im Messwesen wurde 1970 in Deutschland das Internationale Einheitensystem (SI = Système International d’Unités) eingeführt. DIN 1301 enthält die wesentlichen Informationen zum Aufbau des SI-Systems. Tabelle 1.3 Basisgrößen und Basiseinheiten des SI-Systems Basisgröße Masse
Formelzeichen
SI-Basiseinheit
Einheitenzeichen
m
Kilogramm
kg
Länge
l
Meter
m
Zeit
t
Sekunde
s
Elektrische Stromstärke
I
Ampere
A
Thermodynamische Temperatur
T
Kelvin
K
Stoffmenge
n
Mol
mol
Lichtstärke
I
Candela
cd
Grundlage des SI-Systems sind die in Tabelle 1.3 aufgeführten Basisgrößen mit den zugehörigen Basiseinheiten. Alle übrigen Einheiten des Systems lassen sich aus den Basiseinheiten ableiten, und zwar als kohärente, d. h. mit dem Zahlenfaktor Eins gebildete Produkte, Quotienten oder Potenzprodukte. Eine abgeleitete SI-Einheit kann mit den Namen der SIBasiseinheiten (z. B. Geschwindigkeit in Meter/Sekunde) oder mit besonderen Namen (z. B. Kraft in Newton) ausgedrückt werden. Tabelle 1.4 zeigt eine Auswahl der für das Bauwesen wichtigsten abgeleiteten Einheiten mit besonderen Namen.
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1 Grundlagen
Tabelle 1.4 Abgeleitete SI-Einheiten mit besonderen Namen Größe
Beziehung
SI-Einheit Name
Kraft
Zeichen
Newton
N
1 N = 1 kg·m/s²
Druck, mechanische Spannung
Pascal
Pa
1 Pa = 1 N/m² = 1 kg/(m·s²)
Energie, Arbeit, Wärme
Joule
J
1 J = 1 N·m = 1 W·s = 1 kg·m²/s²
Leistung, Wärmestrom
Watt
W
1 W = 1 J/s = 1 kg·m²/s³
Um die bei den Größenangaben auftretenden Zahlenwerte in einer praktikablen Größenordnung zu halten (möglichst im Bereich zwischen 0,1 und 1000), können die Größen um dezimale Vielfache oder Teile verändert werden, z. B. Millimeter (mm), Kilonewton (kN) oder Megapascal (MPa). Dabei sind durch 10³ teilbare Vorsätze zu bevorzugen (d. h. Länge in m oder mm anstatt cm oder dm). Bei zusammengesetzten Einheiten sollte ein dezimaler Vorsatz nur einmal, d. h. entweder im Zähler oder im Nenner, verwendet werden. Mögliche Einheiten für die mechanische Spannung sind demnach N/mm² oder MN/m², jedoch nicht kN/cm². Allerdings wird diese Vorgabe selbst in Normen nicht konsequent beachtet; so wird z. B. die Dichte oft in kg/dm³ angegeben. Eine weitere Einheit für die Spannung ist Pascal bzw. Megapascal, die sich international bereits weitgehend durchgesetzt haben, in Deutschland aber erst seit einigen Jahren im Baubereich allmählich Einzug halten. 1 Megapascal entspricht 1 N/mm². Tabelle 1.5 Dezimale Vielfache und Teile nach dem SI-System Faktor
SI-Vorsatz Name
Faktor
Zeichen
SI-Vorsatz Name
Zeichen
-1
Dezi
d
-2
10
18
10
15
Peta
P
10
Zenti
c
1012
Tera
T
10-3
Milli
m
109
Giga
G
10-6
Mikro
Mega
M
-9
10
Nano
n
Kilo
k
10-12
Piko
p
h
10
-15
Femto
f
10
-18
Atto
a
10
6
103 10
2
10
1
Exa
Hekto Deka
E
da
10
Formelzeichen sind Symbole, die in Formeln und Gleichungen für eine bestimmte, meist physikalische Größe verwendet werden. Für viele Größen sind die Formelzeichen vereinheitlicht, z. B. l für Länge, V für Volumen oder m für Masse. Bei einigen Kenngrößen sind mehrere Formelzeichen üblich, wenn die Größe in verschiedenen Anwendungsbereichen benutzt wird oder wenn Abweichungen zwischen nationalen und internationalen Festlegungen bestehen.
1.2 Baustoffkenngrößen
7
Die Verwendung von Formelzeichen im Bauingenieurwesen ist in DIN 1080 geregelt. Formelzeichen werden aus Hauptzeichen und zusätzlich aus Nebenzeichen (Indizes) gebildet. Nebenzeichen sind dann erforderlich, wenn ein Hauptzeichen durch zusätzliche Begriffsmerkmale näher gekennzeichnet werden soll. In der zwischenzeitlich zurückgezogenen DIN 1080 wurde beispielsweise als Formelzeichen für die Festigkeit durchgehend der griechische Buchstabe festgelegt. Angefügte Indizes in Form von Großbuchstaben zeigten an, bei welcher Beanspruchungsart die Festigkeit ermittelt wurde (z. B. BZ für die Biegezugfestigkeit), Kleinbuchstaben hingegen kennzeichneten den Baustoff (b für Betonfestigkeit). In den europäischen Baustoffnormen wird die Festigkeit oft mit f abgekürzt, vereinzelt wird sie auch mit R bezeichnet. Die Indizes sind teilweise schwer nachvollziehbar; zur Wahrung des Überblicks enthält jede Norm eine Zusammenstellung aller in ihr verwendeten Formelzeichen. In diesem Buch werden Formelzeichen und Einheiten entsprechend der Vorgaben in den jeweiligen Normen verwendet. Dadurch kann es zu unterschiedlichen Bezeichnungen in den einzelnen Kapiteln kommen; dieser Nachteil wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass der Einstieg in die jeweilige Norm wesentlich erleichtert wird.
1.2.3 Masse, Kraft, Dichte, Porigkeit 1.2.3.1 Masse, Kraft
Die Masse m beschreibt die Eigenschaft eines Körpers, die sich sowohl in Trägheitswirkungen gegenüber einer Änderung seines Bewegungszustandes als auch in der Anziehung auf andere Körper äußert (Definition nach DIN 1305). Die Masse eines beliebigen Körpers hängt vom Material und vom Volumen des Körpers ab. Basiseinheit für die Masse ist das Kilogramm (kg). Befindet sich eine Masse in einem Beschleunigungsfeld a, so übt sie auf ihre Unterlage oder auf jemanden, der sie bewegen will, eine Kraft F aus: F = m⋅a
(1.1)
Im Beschleunigungsfeld der Erde wirkt die Erdbeschleunigung g, d. h. a = g = 9,81 m/s²
(1.2)
Damit ergibt sich die Gewichtskraft G zu: G = m⋅ g
(1.3)
Anstelle der zusammengesetzten Einheit [kgm/s²] wird bei Kräften die Dimension Newton [N] verwendet. Eine Masse von 1 kg übt demzufolge auf der Erde eine Gewichtskraft G von G = 1 ⋅ 9,81 ≈ 10 N
(1.4)
8
1 Grundlagen
aus. Die Größe der Erdbeschleunigung g ist regional unterschiedlich, variiert jedoch nur um wenige Promille. Für die Belange des Bauwesens ist eine Aufrundung auf 10 m/s² zulässig, weil der dadurch verursachte Fehler von rd. 2 % kleiner ist als die Unsicherheiten in den Lastannahmen bzw. die Streuungen in den Materialkennwerten. Der Begriff Last wird in der Technik mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Nach DIN 1080 wird im Bauwesen die Benennung Last für Kräfte verwendet, die von außen auf ein System einwirken, aber keine Reaktionskräfte sind (z. B. der Begriff Eigenlast statt Gewichtskraft nach DIN 1305). Wenn Missverständnisse zu befürchten sind, sollte der Begriff Last vermieden werden.
1.2.3.2 Dichten
Die Dichte ist die Masse m bezogen auf das Volumen V des Stoffes; sie wird üblicherweise in den Einheiten [kg/m³], [Mg/m³] oder [g/cm³] angegeben:
ρ=
m V
(1.5)
Eine Übersicht über die verschiedenen Dichtebegriffe gibt DIN 1306. Abhängig davon, ob man die Poren und Zwischenräume zum Volumen rechnet oder nicht, unterscheidet man bei Schüttgütern folgende Dichten (siehe Bild 1-1): Schüttdichte; Rohdichte; Reindichte (Dichte). Die Reindichte (Dichte) ist die Masse eines Stoffes, bezogen auf sein hohlraumfreies Volumen. Zur Dichtebestimmung muss der Stoff – falls er Poren enthält – soweit zerkleinert werden, dass die Bestandteile der Probe keine Poren mehr enthalten. Die Messung erfolgt i. A. in einem Pyknometer; bei der Wahl der Prüfflüssigkeit ist darauf zu achten, dass die Prüfflüssigkeit nicht mit der Probe reagiert.
Bild 1-1 Bezugsvolumen für die Bestimmung der verschiedenen Dichten
9
1.2 Baustoffkenngrößen
Die Rohdichte R errechnet sich aus der Masse eines Stoffes bezogen auf sein Volumen einschließlich der so genannten Kornporen (Eigenporen). Die Rohdichte von Baustoffen ist ein wichtiger Kennwert für die Beurteilung bzw. den Vergleich von deren Festigkeit, Wärmeleitfähigkeit, Wasserdurchlässigkeit und so weiter. Das Volumen wird bei geometrisch geformten Probekörpern durch Ausmessen, ansonsten durch Wasserverdrängung oder Unterwasserwägung ermittelt. Stoffe, die Wasser aufnehmen können, müssen vor der Prüfung bis zur Sättigung in Wasser gelagert werden oder mit einer dünnen hydrophoben Schicht überzogen werden. Bei Baustoffen, die besonders geformte Hohlräume enthalten, z. B. Lochsteine, unterscheidet man zwischen Steinrohdichte (bezogen auf das Volumen des gesamten Probekörpers einschließlich der besonders geformten Hohlräume) und der Stoff- oder Scherbenrohdichte (bezogen auf das Volumen ohne diese Hohlräume). Die Schüttdichte S ist das Verhältnis der Masse eines körnigen Stoffes zu dem eingenommenen Schüttvolumen einschließlich aller Korneigenporen und Zwischenräume zwischen den Körnern (so genannte Haufwerksporen). Zur Bestimmung der Schüttdichte werden Messgefäße in unterschiedlicher Größe verwendet, wobei deren Größe von der Korngröße des Schüttgutes abhängt. Insbesondere bei feinkörnigen Materialien beeinflusst der Einfüllvorgang den gemessenen Wert; hier können große Unterschiede in der Schüttdichte auftreten, je nachdem, ob der Stoff in das Messgefäß lose eingefüllt oder verdichtet wird. Außerdem wirkt sich ggf. die Feuchtigkeit des Stoffes auf das Messergebnis aus. Tabelle 1.6 Dichten von Konstruktionsbaustoffen Baustoff
Dichte
Rohdichte
Schüttdichte
in Mg/m³ Zement
2,8 ... 3,2
–
0,9 ... 1,9
Normale Gesteinskörnungen
2,6 ... 3,1
1,7 ... 3,1
1,1 ... 1,5
Leichte Gesteinskörnungen
1,5 ... 2,0
0,1 ... 2,2
0,1 ... 1,4
Normalbeton
2,5 ... 3,0
2,0 ... 2,8
–
Leichtbeton
1,9 ... 2,5
0,2 ... 2,0
–
–
0,5 ... 2,0
–
Stahl
7,8 ... 7,9
–
–
Aluminium
2,7 ... 2,8
–
–
Holz
1,5 ... 1,6
0,1 ... 1,4
–
Kunststoffe
0,9 ... 2,2
0,01 ... 2,2
–
Wandbausteine
In Tabelle 1.6 sind die verschiedenen Dichten für die wichtigsten Konstruktionsbaustoffe zusammengestellt. Die Schüttdichte von Zement beispielsweise ist stark vom Einfüllvorgang abhängig (unterer Wertebereich: lose eingefüllt – oberer Bereich: verdichtet). Bei den leich-
10
1 Grundlagen
ten Gesteinskörnungen sind die Schwankungen von Rohdichte und Schüttdichte i. W. auf eine unterschiedlich starke Porigkeit der Körner zurückzuführen. Die Wichte ist der Quotient aus der Gewichtskraft G und dem Volumen V einer Stoffportion, angegeben in kN/m3:
γ =
G = ρ⋅g V
(1.6)
1.2.3.3 Porigkeit
Poren sind bei vielen Baustoffen ein wesentlicher Gefügebestandteil. Die Porigkeit, d. h. der Anteil der Poren am Gesamtvolumen, beeinflusst z. B. die Festigkeiten und Verformungen, die Abnutzung und die thermischen Eigenschaften. Für das Verhalten gegenüber Wasser, Gasen und Witterungseinflüssen hingegen ist neben der Porigkeit vor allem die Porenart (geschlossene oder offene Poren) maßgebend. Bei offenen Poren können Wasser, Gase und darin enthaltene Substanzen in den Baustoff eindringen, und zwar umso stärker, je mehr durchgehende zusammenhängende Poren vorhanden sind. Geschlossene Poren sind von außen nicht zugänglich und verhalten sich gegenüber Wasser und Gasen i. W. wie ein dichter, nicht poriger Stoff.
Bild 1-2 Porenarten bei porösen Baustoffen
Die Porigkeit von Baustoffen kann aus den oben beschriebenen Dichten ermittelt werden. Aus der Rohdichte R und der Reindichte wird zunächst der Dichtigkeitsgrad d bestimmt:
ρ d= R ρ
(1.7)
11
1.2 Baustoffkenngrößen
Der Dichtigkeitsgrad d entspricht dem Festkörperanteil eines Stoffes. Bei porenfreien Stoffen, d. h. bei gleicher Roh- und Reindichte, gilt d = 1. Der Anteil der Poren im Stoff kann durch den Undichtigkeitsgrad u beschrieben werden:
ρ u =1− d =1− R
(1.8)
ρ
Daraus ergibt sich die Porigkeit p: § ρ · p = 100 ⋅ u = ¨ 1 − R ¸ ⋅ 100 [Vol.-%] ρ ¹ ©
(1.9)
Somit kann bei Kenntnis der Rohdichte und der Reindichte eines Stoffes seine Porigkeit berechnet werden. Rückschlüsse auf die Porenstruktur, d. h. eine Aufteilung der Gesamtporigkeit in geschlossene und offene Porenanteile ist hierbei nicht möglich. Die offene Porigkeit kann jedoch mit verschiedenen anderen Methoden (z. B. Wasseraufnahme unter Druck, Quecksilberdruckporosimetrie, Sorption) getrennt bestimmt werden; der Anteil an geschlossenen Poren wird dann aus der Differenz zwischen Gesamtporigkeit und offener Porigkeit berechnet. Bei Schüttgütern unterscheidet man zwischen den Kornporen (Eigenporen der Körner) und den Haufwerksporen (Räume zwischen den Körnern). Mit der gemessenen Schüttdichte, Rohdichte und Reindichte lassen sich die einzelnen Porigkeiten (in Vol.-%) folgendermaßen berechnen: Kornporigkeit
§ ρ · pK = ¨1 − R ¸ ⋅ 100 ρ ¹ ©
(1.10)
Haufwerksporigkeit
§ ρ · pH = ¨1 − S ¸ ⋅ 100 ρ © R ¹
(1.11)
Gesamtporigkeit
§ ρ · pges = ¨1 − S ¸ ⋅ 100 ρ ¹ ©
(1.12)
Achtung: Die Haufwerksporigkeit und die Gesamtporigkeit werden jeweils auf das Gesamtvolumen bezogen, während bei der Kornporigkeit das Kornvolumen die Bezugsgröße ist. Deshalb entspricht die Gesamtporigkeit nicht der Summe aus (Kornporigkeit + Haufwerksporigkeit).
12
1 Grundlagen
1.2.4 Formänderungen 1.2.4.1 Begriffe, Einteilung der Formänderungen
Die Formänderungen von Bauteilen werden durch verschiedene Einwirkungen verursacht: äußere Lasten, Temperaturänderungen, Wasserabgabe bzw. Wasseraufnahme oder im Innern ablaufende chemische Reaktionen. Formänderungen können sofort oder zeitversetzt auftreten; sie können reversibel (umkehrbar) oder irreversibel (nicht umkehrbar) sein. Tabelle 1.7 zeigt eine systematische Einteilung der Formänderungen, wie sie bereits in den 1950er Jahren von Rüsch vorgeschlagen wurde. Tabelle 1.7 Einteilung der Formänderungen spannungsabhängig sofort auftretend
spannungsunabhängig
zeitabhängig
umkehrbar (reversibel)
elastisch
verzögert elastisch
Wärmedehnung Feuchtedehnung (Schwinden, Quellen)
nicht umkehrbar (irreversibel)
plastisch
viskos
chemische Dehnung (Schrumpfen, Treiben)
Die Terminologie der Formänderungen ist nicht einheitlich und stellenweise verwirrend. So wird beispielsweise bei Beton mit dem Begriff „Fließen“ die zeitabhängige viskose Formänderung bezeichnet, während bei Metallen die sofort oberhalb der Elastizitätsgrenze auftretende plastische Formänderung gemeint ist. Formänderungen sind in der Regel räumliche, d. h. dreidimensionale Vorgänge. Für viele Aufgabenstellungen reicht es jedoch aus, die Formänderungen nur in einer Richtung zu betrachten. Beispiele hierfür sind die Setzung einer druckbeanspruchten Stütze oder die Durchbiegung einer Decke. Eindimensionale Formänderungen werden mit dem Oberbegriff Verformungen bezeichnet; ihre Größe wird in einer Längeneinheit (z. B. in mm) angegeben. Zur Charakterisierung von Baustoffen ist es meist sinnvoller, relative Längenänderungen anstelle von Absolutwerten anzugeben. Dividiert man die Längenänderung l einer Probe durch ihre Ausgangslänge l0, so erhält man die Dehnung :
ε=
Δl l0
(1.13)
Die Dehnung als Quotient von zwei Längen ist eine dimensionslose Größe; sie wird daher entweder dezimal oder in %, 0/00, mm/m usw. angegeben. Für negative Dehnungen, d. h. bei Druckbeanspruchung, wird auch der Begriff „Stauchung“ benutzt.
1.2 Baustoffkenngrößen
13
Bild 1-3 Schematische Darstellung eines Zugversuches
1.2.4.2 Spannungs-Dehnungs-Diagramm
Jede mechanische Belastung eines Baustoffes führt auch zu einer Verformung. Die hierfür erforderliche, auf die Flächeneinheit bezogene Kraft bezeichnet man als (mechanische) Spannung. Wirkt diese Kraft senkrecht zur Bezugsfläche, so nennt man sie Normalspannung , wirkt sie parallel (tangential) zur Bezugsfläche, bezeichnet man sie als Schubspannung . Bild 1-3 zeigt die schematische Darstellung eines Zugversuches. Die Spannung entspricht dem Quotienten aus der Zugkraft F (in N) und der Bezugsfläche A0 (in mm²); die zugehörige Einheit für die Spannung lautet N/mm² bzw. MPa.
σ=
F A0
(1.14)
Infolge der dargestellten Zugbeanspruchung wird die Probe länger; gleichzeitig verringert sich mit zunehmender Belastung der Durchmesser der Probe und damit die Querschnittsfläche A. Dieser Vorgang wird als Querdehnung bezeichnet. Demzufolge muss zwischen der Längsdehnung – üblicherweise nur mit Dehnung bezeichnet – und der senkrecht dazu auftretenden, entgegengesetzt orientierten Querdehnung q unterschieden werden. Für einen runden Querschnitt mit dem Durchmesser d und der Durchmesseränderung d folgt:
14
1 Grundlagen
εq =
Δd d0
(1.15)
Der Quotient aus Querdehnung q und Längsdehnung ist die Querdehnzahl (auch Poissonzahl genannt):
μ=
εq ε
(1.16)
Um die tatsächliche Spannung – auch als „wahre Spannung“ bezeichnet – bei einer bestimmten Laststufe zu bestimmen, müsste eigentlich die Querschnittsänderung infolge Querdehnung berücksichtigt werden. Dies geschieht wegen dem damit verbundenen messtechnischen Aufwand nur sehr selten. Üblicherweise bezieht man die variierende Kraft F auf die Ausgangsfläche A0 und erhält die so genannte „Nennspannung“.
Spannung σ
Der Zusammenhang zwischen lastabhängigen Spannungen und den daraus resultierenden Dehnungen wird in Spannungs-Dehnungs-Diagrammen dargestellt. Der Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linie ist charakteristisch für das Formänderungsverhalten eines Baustoffes.
Stahl Glas Naturstein
Beton
Dehnung ε
Bild 1-4 Qualitativer Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linien einiger Baustoffe
Bild 1-4 zeigt den typischen Verlauf der Spannungs-Dehnungs-Linien einiger Baustoffe. Bei einer großen Zahl von Baustoffen geht der zunächst lineare Kurvenverlauf, der den überwiegend elastischen Beanspruchungsbereich kennzeichnet, in eine gekrümmte Linie über, die von einem zunehmenden Anteil plastischer bzw. viskoser Verformungen gekennzeichnet ist. 1.2.4.3 Elastische Formänderungen
Elastische Formänderungen treten direkt in Folge einer Belastung auf und gehen nach Entlastung vollständig zurück. Spannungen und Dehnungen sind einander proportional oder können näherungsweise als proportional angenommen werden. Die Spannungs-Dehnungs-Linie verläuft (nahezu) linear; in diesem Bereich gilt das Hooke´sche Gesetz. Der Proportionalitäts-
1.2 Baustoffkenngrößen
15
faktor zwischen Normalspannung (Kraftwirkung rechtwinklig zur Bezugsfläche) und Dehnung wird als Elastizitätsmodul E bezeichnet:
E=
σ ε
(1.17)
Da die Dehnung dimensionslos ist, hat der E-Modul prinzipiell die gleiche Einheit wie die Spannung (N/mm² bzw. MPa); wegen der deutlich größeren Werte werden beim E-Modul auch die Einheiten kN/mm² bzw. GPa verwendet. Rein elastische Baustoffe, z. B. Glas, zeigen bis zum Bruch eine lineare SpannungsDehnungs-Beziehung; hier ist der E-Modul im gesamten Belastungsbereich konstant. Bei Baustoffen, die zusätzlich plastische Verformungsanteile aufweisen, z. B. Stahl, ist der EModul bis zur Elastizitäts- bzw. Proportionalitätsgrenze konstant. Treten neben den elastischen auch viskose Formänderungen auf, so ist die Spannungs-Dehnungs-Linie von Anfang an gekrümmt; der E-Modul wird dann meist als Sekantenmodul, vereinzelt auch als Tangentenmodul im Ursprung bestimmt.
Bild 1-5 Bestimmung des E-Moduls bei gekrümmter Spannungs-Dehnungs-Linie [1.01]
Der E-Modul wird für die Berechnung der elastischen Verformungen von Bauteilen unter Gebrauchslast benötigt. Umgekehrt ist auch die Berechnung von Spannungen bei einer vorgegebenen Dehnung, z. B. infolge Temperaturänderung, möglich. Es gilt: Je kleiner der E-Modul, d. h. je flacher die Steigung der Hooke´schen Geraden ist, desto größer sind die auftretenden elastischen Formänderungen – und umgekehrt. Bei Mauermörtel wird neben der Längsdehnung zusätzlich die Querdehnung gemessen und daraus – analog zu dem aus der Längsdehnung bestimmten E-Modul – der Querdehnungsmodul Eq ermittelt. Je kleiner Eq, d. h. je größer die Querverformbarkeit des Mörtels ist, desto
16
1 Grundlagen
geringer ist die Druckfestigkeit des Mauerwerks; Ursache hierfür sind Zugspannungen in den Mauersteinen in Richtung der Lagerfugen, die durch die hohe Querdehnung insbesondere bei Leichtmörteln entstehen (siehe hierzu Abschnitt 7.1.2). Tabelle 1.8 Elastizitätsmoduln und Querdehnzahlen einiger Baustoffe Baustoff Stahl Aluminium
E-Modul [N/mm²]
Querdehnzahl [-]
170.000 … 210.000
0,27 … 0,30
60.000 … 70.000
0,33
Bauglas Normalbeton
70.000
0,25
15.000 … 50.000
0,10 … 0,35
1 … 40.000
0,10 … 0,50
Kunststoffe
Analog zum Elastizitätsmodul wird der Proportionalitätsfaktor zwischen Schubspannung (Kraftwirkung parallel zur Bezugsfläche) und zugehöriger elastischer Schubverformung in Form der Winkeländerung als Schubmodul G (auch Gleitmodul) bezeichnet: G=
τ γ
(1.18)
Schubmodul G und Elastizitätsmodul E sind über die Querdehnzahl folgendermaßen miteinander verknüpft: G=
E 2 ⋅ (1 + μ )
(1.19)
1.2.4.4 Plastische Formänderungen
Bei vielen kristallinen Stoffen treten nennenswerte plastische Formänderungen erst auf, wenn eine bestimmte Grenzspannung (Fließgrenze) erreicht ist. Ab diesem Punkt nehmen die Verformungen deutlich zu, ohne dass zunächst die Spannung weiter ansteigt. Ursache für die plastischen Verformungen sind Versetzungen im Kristallgitter oder Gleitungen zwischen den Kristallen, wodurch auch die oft zu beobachtende weitere Verfestigung des Werkstoffes erklärbar ist. Unbehandelter Stahl ist ein typischer elastoplastischer Werkstoff (siehe Bild 1-6). Die Spannungs-Dehnungs-Linie verläuft bis zur Fließgrenze linear. Wird der Stahl nur innerhalb dieses elastischen Bereiches belastet und anschließend wieder vollständig entlastet, geht die Dehnung auf Null zurück (a). Bei Überschreiten der Fließgrenze – bei den Metallen auch Streckgrenze genannt – treten plastische, d. h. nicht umkehrbare Verformungen auf. Bei einer Entlastung geht die Spannungs-Dehnungs-Linie parallel zu der Hooke´schen Geraden der Erstbelastung zurück (b). Bei neuerlicher Belastung (c) erhöht sich der geradlinige Verlauf gegenüber der Erstbelastung um den Betrag k. Das Erreichen der Fließgrenze ist jetzt wegen der bereits vorweggenommenen Fließverformung nicht mehr deutlich erkennbar; außerdem wird dadurch die Bruch-
1.2 Baustoffkenngrößen
17
dehnung des Stahles entsprechend geringer. Eine derartige Behandlung bezeichnet man als Kaltverformung; sie wird bei Stählen oft eingesetzt, weil dadurch die Zugfestigkeit erhöht werden kann.
Bild 1-6 Effekt einer Kaltverformung auf die Spannungs-Dehnungs-Linie von Stahl
1.2.4.5 Viskose Formänderungen
Rein viskoses Verhalten ist nur bei einigen Flüssigkeiten zu beobachten. Der zugehörige Materialkennwert heißt Viskosität; niedrigviskose Flüssigkeiten sind dünnflüssig, hochviskos bedeutet zähflüssig. Die Viskosität ist z. B. bei Harzen für die Rissverpressung oder bei selbstverdichtenden Mörteln und Betonen von besonderem Interesse. Festkörper zeigen neben ihren elastischen Eigenschaften meist zusätzliche viskose Verformungsanteile. Bei Stahl sind diese Anteile gering und dürfen deshalb oftmals vernachlässigt werden. Bei Kunststoffen und Beton hingegen können die viskosen Anteile ein Vielfaches der elastischen Verformung betragen; ein derartiges Materialverhalten wird als viskoelastisch bezeichnet. Die viskoelastischen Eigenschaften eines Baustoffes äußern sich im Laufe einer dauernden Beanspruchung entweder als Kriechen oder als Relaxation (siehe Bild 1-7). Kriechen
Bringt man auf einen viskoelastischen Stoff zum Zeitpunkt t0 rasch eine Spannung 0 auf, so stellt sich sofort die elastische Dehnung 0 = el ein; die Größe von 0 kann aus der Spannung 0 und dem E-Modul E durch Umstellen von Gleichung 1.17 berechnet werden:
ε0 =
σ0 E
(1.20)
Hält man 0 längere Zeit aufrecht, so nimmt die Dehnung im Laufe der Zeit zu; diese zeitabhängige Verformungszunahme wird mit Kriechen bezeichnet. Bei einer Entlastung zum Zeitpunkt t1 geht sofort die elastische Dehnung el und in der Folgezeit die verzögert-elastische Dehnung v zurück; es verbleibt die viskose Fließdehnung f. Die gesamte Kriechdehnung setzt sich demnach zusammen aus dem irreversiblen Fließanteil f und dem reversiblen verzögert-elastischen Anteil v (Bild 1-7).
18
1 Grundlagen
Relaxation
Unter Relaxation versteht man den zeitabhängigen Spannungsabbau bei einer dauernden konstanten Dehnung. Wird zum Zeitpunkt t0 eine Dehnung 0 aufgebracht, resultiert daraus sofort eine Spannung 0, deren Größe mithilfe von E berechnet werden kann:
σ 0 = ε0 ⋅ E
(1.21)
Hält man 0 konstant, so baut sich die Spannung im Laufe der Zeit ab und strebt einem Grenzwert, der Restspannung ∞ entgegen. Kriechen und Relaxation müssen z. B. im Spannbetonbau beachtet werden. Bei dieser Bauweise werden die Stahleinlagen (spezielle hochfeste Spannstähle) im Beton planmäßig vorgespannt, wobei hier wegen der hohen Zugspannungen die Relaxation des Spannstahles zu berücksichtigen ist. Die Zugkräfte in den Spannstählen werden über Verankerungselemente auf den Beton übertragen und erzeugen dort eine andauernde Druckspannung. Als Folge dieser Druckbeanspruchung verkürzt sich das gesamte Betonbauteil mitsamt den innen liegenden Spannstählen, zunächst nur um den sofort auftretenden elastischen Verformungsanteil und im Laufe der Zeit um die sich allmählich aufbauende Kriechverformung. Sowohl die Relaxation des Spannstahles als auch die gemeinsame Verkürzung von Betonbauteil und Spannstählen führen zu Spannkraftverlusten, deren Größe bei der Bemessung des Bauteiles berücksichtigt werden muss.
Bild 1-7 Kriechen und Relaxation
1.2.4.6 Wärmedehnung
Die meisten Materialien dehnen sich bei Erwärmung aus und ziehen sich bei Abkühlung zusammen. Die auftretende Dehnung T hängt von der Größe der Temperaturänderung T und vom Temperaturausdehnungskoeffizienten αT des verwendeten Materials ab:
ε T = α T ⋅ ΔT
(1.22)
19
1.2 Baustoffkenngrößen
Der Temperaturausdehnungskoeffizient, auch Wärmedehnungskoeffizient oder Wärmedehnzahl genannt, hat die Einheit 1/K. Da die Werte sehr klein sind, werden sie oft in 10-6/K angegeben. In Tabelle 1.9 sind die αT-Werte einiger Baustoffe zusammengestellt. Tabelle 1.9 Temperaturausdehnungskoeffizienten einiger Baustoffe Baustoff
Temperaturausdehnungskoeffizient αT in 10-6/K
Stahl Rechenwert
10 ...17 12
Aluminium
23 ... 24
Beton Rechenwert
5 ... 14 10
Mauerwerk
5 ... 12
Glas
3 ... 10
Holz parallel zur Faser senkrecht zur Faser
3 ... 8 15 ... 60
Kunststoffe
10 ... 230
Temperaturänderungen bewirken bei Bauteilen, die sich frei verformen können, lediglich Formänderungen, wobei auch hier anstelle der Volumenänderung oft nur die in einer Richtung auftretenden Verformungen betrachtet werden. Sind die Verformungen hingegen behindert, so resultieren hieraus Spannungen, deren Größe u. a. vom E-Modul sowie vom Relaxationsvermögen des Baustoffes abhängt. Derartige Behinderungen ergeben sich zum einen aus der Lagerung eines Bauteiles (äußere Behinderung infolge Einspannung oder Reibung), aber auch bei Temperaturunterschieden im Querschnitt des Bauteiles (innere Behinderung). Kühlt die Bauteiloberfläche stark ab, so zieht sich das Material in der Randzone zusammen, und es entstehen hier Zugspannungen. Wird dabei die Zugfestigkeit erreicht, kommt es zur Rissbildung an der Oberfläche.
1.2.4.7 Feuchtedehnung
Die Volumenverringerung bei Feuchtigkeitsabgabe nennt man Schwinden, die Volumenvergrößerung bei Feuchtigkeitsaufnahme wird Quellen genannt. Feuchtedehnungen treten vor allem bei Holz („Arbeiten“ von Holz) und bei mineralischen Baustoffen auf; sie sind überwiegend reversibel. Größe und zeitlicher Verlauf der Feuchtedehnungen hängen wesentlich von der Bauteildicke und von den Umgebungsbedingungen (Temperatur, relative Luftfeuchte) während der Lagerung ab. Tabelle 1.10 enthält Grenzwerte für das Schwinden von Baustoffen (Endschwindmaße).
20
1 Grundlagen
Tabelle 1.10 Endschwindmaße einiger Baustoffe Baustoff Beton Mauerwerk Holz längs zur Faser radial tangential
Endschwindmaß in mm/m 0,1 ... 1,0 0 ... 0,6 1 ... 6 20 ... 80 40 ... 130
Bei Bauteilen aus hydraulisch gebundenen Baustoffen, z. B. Beton, wird das überschüssige Wasser im Laufe der Zeit über die Bauteiloberflächen an die umgebende Luft abgegeben. Dadurch trocknet das Bauteil im Randbereich stärker und schneller aus als im Kern. An der Oberfläche entstehen Zugspannungen und es treten – falls die Zugfestigkeit erreicht wird – Schwindrisse auf. 1.2.4.8 Chemische Dehnung
Ursache für die chemische Dehnung sind Volumenänderungen bei chemischen Reaktionen. Weisen die Reaktionsprodukte – im Vergleich zur Summe der Ausgangsstoffe – ein kleineres Endvolumen auf, so spricht man von Schrumpfen, bei einer Volumenzunahme von Treiben. Der Begriff Treiben wird außerdem oft benutzt, um die Zerstörung eines Stoffes durch nachträglich stattfindende Reaktionen zu beschreiben. Schrumpfen findet z. B. bei der Aushärtung von Reaktionsharzen (bei UP bis zu 8 Vol.-%) und bei der Hydratation von Zement statt. Hingegen ist bei der Erhärtung von Gips eine Volumenvergrößerung von bis zu 1 Vol.-% zu beobachten. Dieser Vorgang wird meist als Bindedehnung bezeichnet und darf nicht mit dem so genannten Gipstreiben (Sulfattreiben infolge nachträglicher Ettringitbildung im Beton) verwechselt werden.
1.2.5 Festigkeiten 1.2.5.1 Begriffe
Die Spannungs-Dehnungs-Linie eines Baustoffes ist charakteristisch für das Verhalten des Stoffes bei Belastung. Jede Spannungs-Dehnungs-Linie erreicht einen Punkt, an dem die Spannung nicht mehr gesteigert werden kann. Die zugehörige maximal aufbringbare Spannung nennt man Festigkeit. Bei manchen Spannungs-Dehnungs-Linien tritt der Bruch erst nach dem Erreichen des Spannungsmaximums auf; die Kurve weist dann einen so genannten „abfallenden Ast“ auf. In solchen Fällen ist die Bruchspannung (die zum Zeitpunkt des Bruches bzw. kurz davor aufnehmbare Spannung) kleiner als die Festigkeit. Die beiden Begriffe dürfen also nicht grundsätzlich als Synonyme verwendet werden; aus demselben Grunde sollte auch der Begriff „Bruchfestigkeit“ vermieden werden.
21
1.2 Baustoffkenngrößen
Je nach Art der Beanspruchung unterscheidet man zwischen Zug-, Druck-, Biegefestigkeit usw.; dabei wird die Last in der Regel nur in einer Richtung aufgebracht. Mit Druckfestigkeit wird also das Ergebnis von Prüfungen bei einaxialer Druckbeanspruchung bezeichnet. Werden bei der Prüfung Druckkräfte in mehreren Richtungen gleichzeitig aufgebracht, so spricht man von mehraxialer Druckfestigkeit. Bei der Festigkeitsprüfung wird eine Probe des zu untersuchenden Baustoffes in die Prüfmaschine eingebaut; anschließend wird die Last kontinuierlich bis zum Bruch der Probe gesteigert. In seltenen Fällen wird bei dem Versuch anstelle der Last die Verformung bzw. Dehnung geregelt. Die Dauer derartiger Versuche liegt im Bereich von Sekunden bis zu wenigen Minuten; ein so ermittelter Wert wird deshalb auch als Kurzzeitfestigkeit bezeichnet. Im Bauwerk treten verschiedene Belastungen auf, die sich hinsichtlich Art und Dauer der Einwirkung unterscheiden: Verkehrslasten und Windlasten wirken nur kurzzeitig, wiederholen sich aber, so dass der Baustoff dynamisch (schwingend) beansprucht wird. Demgegenüber treten Belastungen aus Eigengewicht nur einmal auf, bleiben aber über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks bestehen. Neben der Kurzzeitfestigkeit muss bei Baustoffen demnach auch ihre Langzeitverhalten (Dauerstandfestigkeit bzw. Dauerschwingfestigkeit) untersucht werden. 1.2.5.2 Druckfestigkeit
Die Druckfestigkeit ist bei einer großen Zahl von Baumaterialien, die im Bauwerk auf Druck beansprucht werden (Natursteine, keramische Stoffe, Ziegel, Beton, usw.) eine äußerst wichtige Kenngröße. Unter der Druckfestigkeit D versteht man die bei einer zügigen, einachsigen Druckbeanspruchung ertragbare Höchstkraft max FD bezogen auf den Ausgangsquerschnitt A 0:
β D = max σ D =
max FD A0
(1.23)
Bestimmt wird die Druckfestigkeit vorzugsweise an würfelförmigen, prismatischen oder zylindrischen Probekörpern. Die Durchführung erfolgt auf einer Druckprüfmaschine zwischen zwei ebenen und völlig planen Stahlplatten, die ohne Zwischenlage auf dem Probekörper aufliegen. Auf Grund der Reibung zwischen den steifen Prüfplatten der Prüfmaschine und den Auflagerflächen der Proben ergibt sich eine Behinderung der Querdehnung. Dies führt im Bereich der Auflagerflächen zu einem dreiaxialen Spannungszustand, was eine Erhöhung der tatsächlichen Belastbarkeit mit sich bringt. Mit zunehmender Schlankheit (Verhältnis Probekörperhöhe : Kantenlänge bzw. Durchmesser) des Probekörpers verringert sich der Einfluss der Querdehnungsbehinderung, d. h. der Messwert für die Druckfestigkeit wird also immer kleiner. Bild 1-8 zeigt schematisch die Wirkung der Querdehnungsbehinderung bei verschiedenen Probekörperformen.
22
1 Grundlagen Ausbauchung bei zähen Materialproben Bereich der Querdehnungsbehinderung
Prisma oder Zylinder
Würfel
Platte
Bild 1-8 Einfluss der Querdehnungsbehinderung bei verschiedenen Prüfkörperformen
Der Druckfestigkeitswert ist aber nicht nur gestalts- sondern auch größenabhängig. Mit steigender Probenkörpergröße (bei gleicher Schlankheit) verringert sich in der Regel der Messwert für die Druckfestigkeit ebenfalls. Das Ergebnis einer Druckfestigkeitsprüfung bei porigen Baustoffen hängt neben der Größe und Gestalt des Probekörpers auch in starkem Maße von seinem Feuchtigkeitsgehalt ab. Mit steigendem Austrocknungsgrad wird die Belastbarkeit in der Regel größer. 1.2.5.3 Zugfestigkeit
Mit Zugfestigkeit wird üblicherweise die Festigkeit bei zentrischer Zugbeanspruchung bezeichnet; zur Verdeutlichung spricht man auch von zentrischer oder axialer Zugfestigkeit. Zugspannungen treten aber auch bei einer Biege- oder Spaltbeanspruchung auf; die zugehörigen Festigkeiten (Biegezugfestigkeit, Spaltzugfestigkeit) werden in den nachfolgenden Abschnitten behandelt. Die Zugfestigkeit Z wird aus der maximalen Zugkraft max FZ und der Fläche des Ausgangsquerschnittes A0 berechnet:
β Z = max σ Z =
max FZ A0
(1.24)
Die Zugfestigkeit ist besonders bei metallischen Baustoffen (z. B. Baustahl, Betonstahl, Spannstahl), Holz und Kunststoffen von Wichtigkeit. Die Bestimmung der Zugfestigkeit an spröden, heterogenen und wenig dehnbaren Stoffen, wie z. B. Mörtel oder Beton, bereitet versuchstechnische Schwierigkeiten, vor allem durch die Art der Einspannung sowie der Forderung nach zentrischer Krafteinleitung in die Probe. Deshalb wählt man bei derartigen Baustoffen zur Abschätzung der Zugfestigkeit oft indirekte Prüfverfahren, wie z. B. den Biege- oder den Spaltzugversuch.
1.2 Baustoffkenngrößen
23
1.2.5.4 Biegefestigkeit
Der Biegeversuch hat für zähe Werkstoffe praktisch keine Bedeutung, da sich das Biegeverhalten homogener zäher Werkstoffe hinreichend genau aus den Kennwerten des Zugversuchs abschätzen lässt, zumal sich zähe Werkstoffe über die Streckgrenze hinaus weiter biegen lassen, ohne dass der Bruch eintritt. Als technologisches Prüfverfahren wird in diesen Fällen der so genannte Faltversuch durchgeführt. Mehr Bedeutung hat der Biegeversuch für spröde Baustoffe, wie z. B. Gusseisen, Mörtel oder Beton. Bei diesen Baustoffen, bei denen die Zugfestigkeit kleiner ist als die Druckfestigkeit, erfolgt der Bruch durch ein Versagen in der Zugzone; statt der Biegefestigkeit spricht man hier von der Biegezugfestigkeit. Bei Werkstoffen mit größerer Zug- als Druckfestigkeit, z. B. Holz, tritt erstes Versagen in der Druckzone auf. Die Biegezugfestigkeit BZ ist die am Balken auf zwei Stützen ermittelte maximal aufnehmbare Biegezugspannung; sie errechnet sich aus dem maximalen Biegemoment max MB und dem Widerstandsmoment WB nach der Formel:
β BZ =
max M B WB
(1.25)
Die Probebalken können entweder mit einer mittigen Einzellast (so genannter Dreipunktversuch) oder mit zwei gleich großen Lasten in den Drittelpunkten (Vierpunktversuch) beansprucht werden (siehe Bild 1-9). Für die Biegezugfestigkeit gilt im Falle einer mittigen Einzellast:
β BZ =
3 ⋅ max F ⋅ l 2 ⋅ b ⋅ h2
(1.26)
und bei Belastung durch zwei Einzellasten in den Drittelpunkten:
β BZ =
max F ⋅ l b ⋅ h2
(1.27)
Für die Breite b und die Höhe h werden die Querschnittsabmessungen des Balkens zugrunde gelegt. In den Formeln 1.26 und 1.27 bezeichnet l die Stützweite (Abstand zwischen den beiden Auflagern) und nicht die Gesamtlänge des Balkens!
24
1 Grundlagen
F
A=F/2
F/2
A=F/2 l/3
B=F/2
l
F/2
B=F/2 l/3
l/3
Biegemomentenverlauf Einwirkung einer mittigen Einzellast
Lasteinwirkung in zwei Drittelpunkten
Bild 1-9 Versuchsanordnungen für die Biegeprüfung
Bei einer Einzellast tritt der Bruch unabhängig von den üblichen Festigkeitsschwankungen innerhalb eines Probekörpers nur in der Mitte des Probekörpers an der Stelle des Maximalmomentes auf. Bei der Lasteinwirkung in zwei Drittelpunkten sind die Spannungen im mittleren Drittel des Probebalkens gleich groß; der Bruch wird in diesem Bereich an der schwächsten Stelle erfolgen. Die auf diese Weise ermittelte Biegezugfestigkeit kann zwar bis zu ca. 30 % geringer sein als bei einer Einzellast, sie ist aber statistisch genauer und besser reproduzierbar. 1.2.5.5 Spaltzugfestigkeit
Beim Spaltzugversuch werden die Probekörper über zwei gegenüberliegende parallele Lastverteilungsstreifen bis zum Spaltbruch belastet (siehe Bild 1-10); die Prüfung kann an Zylindern, Balken oder Würfeln erfolgen. Oberseite bei der Herstellung F
F
h > =2
h
l
90° b
d
Hartfilzstreifen 5x10
Hartfilzstreifen 5x10
an zylindrischen Prüfkörpern
an prismatischen Prüfkörpern
Bild 1-10 Versuchsanordnungen für die Spaltzugprüfung
1.2 Baustoffkenngrößen
25
Bei dieser Versuchsanordnung treten senkrecht zur Belastungsrichtung in den Randbereichen hohe Druckspannungen auf, die jedoch mit zunehmender Tiefe schnell abgebaut werden. Im übrigen Querschnitt, d. h. im inneren Bereich wirken Spaltzugspannungen, deren Größe über den gesamten Querschnitt nahezu konstant bleibt (siehe Bild 1-11). σZ
σD
Bild 1-11 Spannungsverteilung bei der Spaltzugprüfung
Das Verfahren kann nur sinnvoll angewandt werden bei Baustoffen, deren Druckfestigkeit deutlich größer ist als ihre Zugfestigkeit, also bei Naturstein, Mörtel, Beton usw. Die gute Spaltbarkeit von Holz in Faserlängsrichtung ist auf die Anisotropie des Holzes (geringe Zugfestigkeit senkrecht zur Faserrichtung) zurückzuführen. Für die Berechnung der Spaltzugfestigkeit SZ gilt bei der Prüfung an Zylindern:
βSZ =
2 ⋅ max F π⋅d ⋅l
(1.28)
bei der Prüfung an Balken bzw. Würfeln:
βSZ =
2 ⋅ max F π⋅b⋅h
(1.29)
Spaltzugspannungen treten in der Praxis z. B. beim Einschlagen von Nägeln oder beim Einleiten von Vorspannkräften im Spannbeton auf. Bei mineralischen Baustoffen ist die Spaltzugfestigkeit deutlich einfacher zu bestimmen als die axiale Zugfestigkeit. Außerdem ist ihre Prüfung unempfindlicher gegenüber Lagerungseinflüssen, insbesondere gegenüber Austrocknung und daraus resultierenden Schwindspannungen. 1.2.5.6 Oberflächenzugfestigkeit
Die Oberflächenzugfestigkeit OZ dient zur Beurteilung der Oberfläche von mineralischen Baustoffen. Das Verfahren wird häufig bei Instandsetzungen angewandt, um die Beschichtungsfähigkeit der Bauteiloberfläche beurteilen zu können. Bei der Prüfung wird – nach Vorbohren einer Nut – ein runder Stahlstempel auf die Oberfläche geklebt. Nach ausreichender Erhärtung des Klebers wird senkrecht zur Oberfläche eine
26
1 Grundlagen
Kraft F kontinuierlich bis zum Bruch gesteigert. Die Oberflächenzugfestigkeit OZ entspricht dem Quotienten aus der Höchstkraft max F und der Beanspruchungsfläche A:
β OZ =
max F A
(1.30)
Für die Beurteilung ist neben der Größe der Oberflächenzugfestigkeit auch das Bruchbild (Bruch im Beton und/oder in der Fuge Kleber/Beton) maßgebend.
Bild 1-12 Bestimmung der Oberflächenzugfestigkeit
1.2.5.7 Haftfestigkeit
Die Haftfestigkeit ist ein Maß für den Verbund zwischen zwei Stoffen; je nach Beanspruchungsart unterscheidet man zwischen Haftzugfestigkeit und Haftscherfestigkeit. Die Prüfung der Haftzugfestigkeit erfolgt prinzipiell nach dem in Abschnitt 1.2.5.6 beschriebenen Verfahren, z. B. bei der Bestimmung der Haftung von Putzen oder Anstrichen. Haftscherversuche sind wesentlich aufwändiger als Haftzugversuche und werden daher seltener durchgeführt. 1.2.5.8 Scherfestigkeit
Bauteile, die auf Abscheren beansprucht werden, sind z. B. Verbindungsmittel (Schrauben, Nieten, Bolzen, Nägel), aber auch Schweiß- und Klebeverbindungen im Stahl-, Holz- und Kunststoffbau. Außerdem treten Scherspannungen in querkraftbeanspruchten Bauteilen auf, z. B. in Auflagernähe von Balken und Platten.
Bild 1-13 Scherbeanspruchung einer Nietverbindung
1.2 Baustoffkenngrößen
27
In Bild 1-13 ist die Scherbeanspruchung einer einfachen Nietverbindung dargestellt. Die Scherfestigkeit S wird aus der maximal aufnehmbaren Kraft max F und der Querschnittsfläche A des Niets bestimmt. Da die Kraft in Richtung der beanspruchten Ebene wirkt, handelt es sich um eine Schubspannung.
βS = max τ =
max F A
(1.31)
1.2.5.9 Torsionsfestigkeit
Die Torsionsfestigkeit ist die höchste erreichbare Spannung bei Beanspruchung durch Verdrehen. Eine Torsionsbelastung tritt meist in Kombination mit einer Biegebelastung auf. Bei reiner Torsion wirkt ein Torsionsmoment MT um die Bauteilachse und erzeugt Torsionsspannungen (Schubspannungen) in der Ebene senkrecht zur Bauteilachse.
Bild 1-14 Beanspruchung auf Torsion
Bei Kreisquerschnitten nimmt die Torsionsspannung von der Drehachse bis zur Randfaser linear mit dem Radius zu; sie wird – analog zur Biegespannung – aus dem Torsionsmoment MT und dem Torsionswiderstandsmoment WT berechnet. Für die Torsionsfestigkeit T ergibt sich somit:
βT =
max M T WT
(1.32)
Das Torsionswiderstandsmoment WT hängt von der Größe und Form des Bauteilquerschnittes ab; für quadratische Querschnitte gilt WT = 0,208h3, für runde Querschnitte WT = d3/16. Bei vielen üblichen Bauteilquerschnitten treten infolge Torsionsbeanspruchung Querschnittsverwölbungen auf, wodurch zusätzliche Spannungen (sekundäre Normal- und Schubspannungen) hervorgerufen werden.
28
1 Grundlagen
1.2.5.10 Schlagfestigkeit
Die Schlagfestigkeit kennzeichnet den Widerstand eines Baustoffes oder Bauteiles gegen Schlag- bzw. Stoßbeanspruchung. Bei Bauteilen treten derartige Beanspruchungen auf beim Rammen von Spundwänden und Pfählen, beim Aufprall von Objekten, bei Explosionen usw. Die Bezeichnung Schlagfestigkeit ist insofern irreführend, als es sich hierbei - im Gegensatz zu den übrigen Festigkeitskennwerten – nicht um eine Spannung in N/mm² handelt. Zur Beurteilung der Schlagfestigkeit wird vielmehr die Anzahl definierter Schläge bis zum Bruch der Probe bzw. bis zum Auftreten eines Risses herangezogen. Außerdem werden unterschiedliche Schlagprüfungen bei der Untersuchung von Baustoffen angewandt und die dabei gemessenen Eigenschaften fälschlicherweise als Schlagfestigkeit bezeichnet: Bei Gleisschotter und Straßenbaustoffen bestimmt man den Schlagzertrümmerungswert, bei Metallen wird die Kerbschlagarbeit bestimmt, und bei Beton dienen verschieden Schlaggeräte (Rückprallhammer, Kugelschlaghammer) zur zerstörungsfreien Bestimmung der Druckfestigkeit. Die genannten Verfahren werden in den jeweiligen BaustoffKapiteln näher beschrieben. 1.2.5.11 Dauerstandfestigkeit
Die größte konstante Spannung, die ein Baustoff während seiner gesamten Lebensdauer ertragen kann, wird mit Dauerstandfestigkeit bezeichnet. Hierfür werden Dauerstandversuche durchgeführt, bei denen Proben mit unterschiedlich hohen Dauerlasten beansprucht werden. Trägt man die Spannung über der Zeit auf, so erhält man eine Kurve, aus der durch Extrapolation die Dauerstandfestigkeit entnommen werden kann. Das Verfahren entspricht prinzipiell der Wöhlerkurve für die Dauerschwingfestigkeit (siehe 1.2.5.12). Die Dauerstandfestigkeit ist bei vielen Baustoffen deutlich kleiner als die Kurzzeitfestigkeit, was auf die bei den hohen Spannungen auftretenden Verformungen zurückzuführen ist. Der Festigkeitsunterschied ist bei Stahl sehr gering; bei Beton beträgt er rd. 15 %, bei Holz 40 bis 50 %, bei Kunststoffen zum Teil deutlich mehr als 50 %. 1.2.5.12 Dauerschwingfestigkeit
Zur Bestimmung der Dauerschwingfestigkeit wird die zu untersuchende Probe einer dynamischen, meist sinusförmigen Belastung ausgesetzt. Die Beanspruchung kann entweder durch Angabe der Oberspannung o und Unterspannung u oder durch Angabe von Mittelspannung m und Spannungsausschlag a beschrieben werden (siehe Bild 1-15). Die Dauerschwingfestigkeit wird im Allgemeinen nach dem Wöhler-Verfahren ermittelt. Eine Serie gleicher Materialproben wird Schwingbeanspruchungen mit unterschiedlichem Spannungsausschlag bei gleicher Mittelspannung ausgesetzt; dabei wird die Anzahl der bis zum Bruch ertragenen Schwingspiele gemessen. Man beginnt bei einer geringfügig unter der Kurzzeitfestigkeit liegenden Oberspannung und reduziert – bei gleicher Mittelspannung – den Spannungsausschlag so lange, bis die Probe „unendlich viele“ Lastspiele ertragen kann. Die insgesamt erforderliche Lastspielzahl hängt vom Material ab: bei Stahl reichen 2 106 Lastspiele, während bei Aluminiumwerkstoffen 10 106 bis 50 106 Lastspiele zur Bestimmung der Dauerschwingfestigkeit erforderlich sind.
29
1.2 Baustoffkenngrößen σ
σD = Oberspannung σu = Unterspannung σm = Mittelspannung σa = Spannungsausschlag
σa
Δσ
σD σa
σm
σu
Zeit
Δσ = Schwingbreite der Spannung
Lastspiel
Bild 1-15 Spannungs-Zeit-Diagramm bei der Dauerschwingbeanspruchung
Spannungsausschlag σa (log)
Kurzzeitfestigkeit Zeitfestigkeit
Zeitfestigkeitsgerade
σA Dauerfestigkeit ND
Lastspielzahl N (log) Bild 1-16 Wöhlerkurve
Trägt man den Spannungsausschlag über der Lastspielzahl auf, so ergibt sich der in Bild 1-16 dargestellte Kurvenverlauf. Die Dauerschwingfestigkeit (Betriebsfestigkeit) Be entspricht dem größten Spannungsausschlag A oberhalb der Mittelspannung M, der unendlich oft (NDmal) ertragen werden kann:
β Be = σ M + σ A
(1.33)
Anmerkung: Bei den für die Dauerschwingfestigkeit maßgeblichen Größen werden für die Indizes Großbuchstaben verwendet; die Indizierung mit Kleinbuchstaben kennzeichnet den allgemeinen Fall. In anderen Bereichen, z. B. im Maschinenbau, werden deutlich geringere Lastspielzahlen angesetzt; anstelle der Dauerfestigkeit wird dann mit einer Zeitfestigkeit gearbeitet.
30
1 Grundlagen
1.2.6 Härte Unter Härte versteht man den Widerstand, den ein Körper dem Eindringen eines anderen, härteren Körpers entgegensetzt. Zur Bestimmung verwendet man je nach Art und Struktur eines Stoffes verschiedene Prüfverfahren bzw. Härtebegriffe. Die Härte kann nach folgenden grundsätzlichen Möglichkeiten ermittelt werden: Ritzen der Oberfläche; Eindringen eines Prüfkörpers unter statischer Belastung; Eindringen eines Prüfkörpers unter stoßartiger Belastung; Rückprall infolge des elastischen Verhaltens des Prüfstücks. Die Ergebnisse der einzelnen Härteprüfmethoden und damit die erhaltenen Härtekennwerte sind untereinander nicht vergleichbar. Zur Kennzeichnung der Härte bei Gesteinen verwendet man die Ritzhärte nach Mohs oder die Rosiwalhärte gegen Schleifbeanspruchung. Beim Ritzhärteverfahren nach Mohs wird der Härtegrad eines Materials durch Ritzen mit 10 Leitmineralien unterschiedlicher Härte festgestellt, wobei die Härteskala so festgelegt wurde, dass jedes Mineral höherer Härte die weicheren zu ritzen vermag (siehe Tabelle 1.11). Mit der Rosiwal-Härte wird das Verhalten der Minerale quantitativ mit Zahlenwerten beschrieben, während bei der Mohshärte die Zahlen 1 bis 10 lediglich die Reihenfolge der Minerale kennzeichnen. Für die Härteprüfung von Metallen sind diese Härteskalen zu grob. Deshalb prüft man bei Metallen die Härte nach der Eindringmethode. Eindringkörper einer bestimmten Form werden mit einer ruhenden, stoßfrei aufgebrachten Kraft in die Probenoberfläche eingedrückt. Je nach Art des Eindringkörpers unterscheidet man die Prüfverfahren nach Brinell (Eindringkörper: Hartmetallkugel), Vickers (Eindringkörper: Diamantpyramide) und Rockwell (Eindringkörper: Diamantkegel mit abgerundeter Spitze, Stahl- oder Hartmetallkugel). Die Brinell- und Vickershärte errechnet sich aus Prüfkraft und bleibender Eindruckfläche, die Rockwellhärte wird aus der Eindrucktiefe bestimmt. Neben den genannten Verfahren, die wegen der langsamen Kraftaufbringung auch als statische oder quasi-statische Methoden bezeichnet werden, existieren dynamische Härteprüfungen, bei denen die Belastung schlagartig aufgebracht wird. Der wesentliche Vorteil der dynamischen gegenüber den statischen Verfahren liegt darin, dass die Prüfung mit transportablen Handgeräten erfolgt, so dass auch Messungen an bestehenden Konstruktionen möglich sind. Obgleich diese Prüfmethoden ursprünglich für Metalle entwickelt wurden, lassen sie sich auch für Härteuntersuchungen bei porigen Baustoffen recht gut einsetzen. Anwendungen bei Beton (Prüfung mit dem Kugelschlaghammer oder Rückprallhammer), bei Estrichen, Fußbodenbelägen usw. ermöglichen gewisse Rückschlüsse auf die Homogenität, Festigkeit und das Abriebverhalten an der Oberfläche.
31
1.2 Baustoffkenngrößen Tabelle 1.11 Mohshärte und Rosiwalhärte von Mineralien Mineral
Mohshärte
Rosiwalhärte
Hilfsprüfung
Talk
1
0,03
Gips
2
1,25
Mit Fingernagel ritzbar
Kalkspat
3
4,5
Mit Kupfermünze ritzbar
Flussspat
4
5
Mit Messer leicht ritzbar
Apatit
5
6,5
Mit Messer noch ritzbar
Feldspat
6
37
Mit Stahlfeile ritzbar
Quarz
7
120
Ritzt Fensterglas
Topas
8
175
Korund
9
1.000
Diamant
10
140.000
Mit Fingernagel schabbar
1.2.7 Reibung, Verschleiß 1.2.7.1 Allgemeines
Unter Verschleiß versteht man den fortschreitenden Materialverlust aus der Oberfläche eines festen Körpers, der durch Kontakt und Relativbewegung eines festen, flüssigen oder gasförmigen Gegenkörpers hervorgerufen wird. Im Bauwesen tritt Verschleiß auf bei begangenen bzw. befahrenen Flächen, in Bauwerken mit strömenden Gewässern usw. Für derart beanspruchte Bauteile ist der Verschleißwiderstand eine wichtige Kenngröße bei der Baustoffauswahl. Im Gegensatz zur Korrosion, bei der ein Werkstoff chemisch angegriffen wird, wird Verschleiß durch mechanische Einwirkungen verursacht; dabei spielen Reibungsvorgänge eine entscheidende Rolle. Reibung ist der mechanische Widerstand, der in der Berührungsfläche zweier Körper bei einer Relativbewegung gegeneinander auftritt. Reibung und Verschleiß sind keine reinen Werkstoffkennwerte; vielmehr hängt ihre Größe – wie bei vielen anderen Kennwerten auch – von einer Reihe verschiedener Einflussfaktoren ab. Die beiden Phänomene wurden lange Zeit getrennt betrachtet; erst seit den 1960er Jahren befasst sich die Tribologie (griech. für Reibungslehre) mit der wissenschaftlichen Beschreibung von Reibung, Verschleiß und Schmierung sowie der Entwicklung von Technologien zur Verminderung reibungs- und verschleißbedingter Energie- und Stoffverluste. Hierfür bedient sie sich so genannter tribologischer Systeme, kurz Tribosysteme. Tribosysteme bestehen aus den vier Elementen Grundkörper, Gegenkörper, Zwischenstoff und Umgebungsmedium (siehe Bild 1-17). Den Grundkörper bildet der zu untersuchende Baustoff; Umgebungsmedium ist in der Regel die Umgebungsluft, die durch Temperatur und relative Luftfeuchte charakterisiert wird.
32
1 Grundlagen Beanspruchungskollektiv
Struktur des Tribosystems
2
3
1
Reibungskenngrößen
1 2 3 4
Grundkörper Gegenkörper Zwischenstoff Umgebungsmedium
4
Verschleißkenngrößen
Bild 1-17 Kenngrößen von Tribosystemen
Auf das System wirkt ein komplexes Beanspruchungskollektiv ein, welches durch Verlauf und Dauer der Belastung, Bewegungsart (Gleiten, Wälzen, Stoßen, Strömen), Bewegungsform (kontinuierlich, oszillierend, intermittierend) usw. gekennzeichnet ist. Als Folge der Beanspruchung treten Reibung und Verschleiß auf, die über entsprechende Kenngrößen definiert werden. Ein gebräuchlicher Reibungskennwert ist der Reibungskoeffizient (auch Reibungszahl genannt), der als Quotient aus Reibungskraft und zugehöriger Normalkraft berechnet wird. Die Anforderungen bzgl. Reibungseigenschaften können sehr unterschiedlich sein. Während die Reibung bei Lagern, auch bei den im Bauwesen verwendeten Gleitlagern, möglichst gering sein soll, müssen Verkehrsflächen aus Sicherheitsgründen große Reibungskoeffizienten aufweisen: Straßen, Parkdecks und andere befahrene Flächen müssen über eine ausreichende Griffigkeit der Fahrbahnoberfläche als Maß für den Gleitwiderstand verfügen. Rutschgefahr besteht ferner in Innenräumen, z. B. in Bädern, oder in den Nassbereichen von Arbeitsstätten, insbesondere der Lebensmittel- und Getränkeherstellung (Schlachthäuser, Molkereien usw.); hier müssen die Fußböden auf ihre rutschhemmenden Eigenschaften überprüft werden. 1.2.7.2 Rutschhemmung
In Bild 1-18 ist die Einrichtung zur Prüfung der Rutschhemmung von Bodenbelägen dargestellt. Der zu untersuchende Bodenbelag wird in dem schrägstellbaren Begehungsbereich eingebaut. Eine Prüfperson bewegt sich in aufrechter Haltung vorwärts und rückwärts auf dieser „schiefen Ebene“; dabei wird die Neigung der Ebene so lange vergrößert, bis die Prüfperson beginnt, unsicher zu werden. Bei Bodenbelägen für nassbelastete Barfußbereiche, z. B. Schwimmbäder, wird die schiefe Ebene während der Begehung (die Prüfperson geht barfuß) kontinuierlich mit netzmittelhaltigem Wasser überflutet. Je nach Neigungswinkel wird der Belag in eine Bewertungsgruppe der Rutschhemmung (A, B, C nach DIN 51097) eingestuft.
1.2 Baustoffkenngrößen
33
Legende 1 Sicherheitsgurt und Auffangsystem 2 Antriebseinheit 3 Schrägstellbarer Begehungsbereich, auf dem der Prüfbelag oder die Verifizierungsplatte befestigt ist 4 Winkelgeber Bild 1-18 Einrichtung zur Prüfung der Rutschhemmung von Bodenbelägen (Schiefe Ebene nach DIN 51097)
Für Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr wird in DIN 51130 prinzipiell das gleiche Prüfverfahren angewandt; dabei trägt die Prüfperson Sicherheitsschuhe eines festgelegten Typs, und auf die Begehungsfläche wird vor der Prüfung ein Gleitmittel (MotorenSchmieröl SAE 10 W-30) aufgebracht. Die so geprüften Beläge werden in eine von 5 Klassen der Rutschhemmung (R9, R10 .... R13) eingeordnet. 1.2.7.3 Verschleiß
Der Verschleiß von Baustoffen wird – im Gegensatz zu den Reibungseigenschaften – üblicherweise trocken geprüft. Zur Beurteilung der Verschleißeigenschaften werden je nach Prüfverfahren z. B. der Massen-, Dicken- oder Volumenverlust einer Probe infolge einer festgelegten Beanspruchung bzw. eine optische Veränderung der Oberfläche bestimmt. Bei mineralischen Baustoffen wird der Verschleiß üblicherweise mit der Schleifscheibe nach Böhme (DIN 52108) bestimmt. Platten oder Würfel mit einer quadratischen Prüffläche von 50 cm² werden auf die Schleifbahn einer rotierenden Scheibe, die mit 20 g Normschleifmittel (künstlicher Korund) bestreut ist, aufgesetzt und mit einer Druckkraft von 295 N belastet. Nach 16 Prüfperioden von jeweils 22 Umdrehungen mit einer Drehzahl von 30 Umdrehungen pro Minute wird der Dickenverlust oder der Volumenverlust der Probe bestimmt. Nach jeder Prüfperiode ist das Schleifmittel auszutauschen und die Prüffläche um 90° zu drehen.
34
1 Grundlagen
Bei keramischen Fliesen und Platten unterscheidet man zwischen Tiefenverschleiß (Materialabtrag infolge Schleifbeanspruchung bei unglasierten Erzeugnissen nach DIN EN 10545-6) und Oberflächenverschleiß (visuelle Prüfung auf sichtbare Veränderungen bei glasierten Produkten nach DIN EN 10545-7).
1.2.8 Kennwerte des Bruchverhaltens Je nach Bruchverhalten unterscheidet man zwischen duktilen (d. h. zähen) und spröden Baustoffen. Ideal spröde Materialien, z. B. Glas, zeigen bis zum Bruch ausschließlich elastische Formänderungen; der Bruch erfolgt plötzlich ohne größere Verformungen. Duktile Baustoffe hingegen zeigen vor dem Bruch neben elastischen Verformungen zusätzlich größere Anteile an plastischen bzw. viskosen Formänderungen. Somit lässt das Spannungs-DehnungsDiagramm eines Baustoffes Rückschlüsse über sein Bruchverhalten zu; dabei ist die Bruchdehnung einer der maßgeblichen Kennwerte. Für den Begriff Bruchdehnung bestehen unterschiedliche Definitionen; man versteht darunter entweder die Gesamtdehnung zum Zeitpunkt des Bruches oder aber nur den plastischen Dehnungsanteil, d. h. Gesamtdehnung abzüglich der elastischen Dehnung. Bei Betonstahl wird zwischen normalduktilen und hochduktilen Stählen unterschieden; die Duktilität wird dabei durch das Verhältnis Zugfestigkeit/Steckgrenze und durch die Gesamtdehnung bei Höchstkraft definiert. Als Kriterium für die Neigung eines Werkstoffes zum Sprödbruch wird ferner die bei schlagartiger Beanspruchung verbrauchte Schlagarbeit ermittelt (z. B. Kerbschlagbiegeversuch bei Metallen).
1.2.9 Feuchtetechnische Eigenschaften Viele Baustoffeigenschaften werden durch den Wassergehalt bestimmt. So nimmt z. B. die Wärmeleitfähigkeit mit zunehmender Feuchte zu, d. h. die Wärmedämmung eines Bauteiles verschlechtert sich infolge einer Durchfeuchtung. Darüber hinaus ist Wasser bei vielen Schädigungsprozessen an Baustoffen maßgeblich beteiligt, z. B. bei Frost- und Korrosionsschäden. Die Feuchtigkeit kann über verschiedene Transportwege in das Bauwerk gelangen: im Baustoff verbliebene Restfeuchte (z. B. Holz, Beton), Eindringen von Wasser durch Risse, Fugen und Poren, kapillares Saugen, Kondensation usw. Um die bei der Wasseraufnahme bzw. Wasserabgabe stattfindenden Vorgänge beurteilen zu können, müssen vorab die Eigenschaften des Wassers näher betrachtet werden. 1.2.9.1 Eigenschaften von Wasser
Je nach Temperatur- und Druckverhältnissen liegen alle Stoffe in einem der drei möglichen Aggregatzustände fest, flüssig oder gasförmig vor. Wasser wird je nach Aggregatzustand als Eis, flüssiges Wasser und Wasserdampf bezeichnet (siehe Bild 1-19). Die Phasenübergänge zwischen den einzelnen Aggregatzuständen hängen von der Temperatur und vom Druck ab (bei Wasser: Schmelzpunkt 0 °C, Siedepunkt 100 °C, jeweils bei 1013,25 hPa).
35
1.2 Baustoffkenngrößen
Gas/ Dampf n
Ve r
re
ie
im bl
en
u es
m
nd
r ie
R
da
Ko
en
im bl
Su
Erstarren
Festkörper
Schmelzen
pf
en
si
er
en
Flüssigkeit
Bild 1-19 Übergänge zwischen den Aggregatzuständen
Beim Gefrieren (Erstarren) von Wasser zu Eis vergrößert sich das Volumen um knapp 10 Vol.-%. Bei porigen Baustoffen, deren Poren großenteils wassergefüllt sind, kann diese Volumenvergrößerung zu einer Gefügeschädigung (Frostschaden) führen. Wasserdampf entsteht nicht erst bei einer Temperatur von 100 °C, sondern ist bereits bei üblichen Temperaturen in der Luft vorhanden und macht dabei einen Teil des gesamten Luftdruckes aus. Dieser Anteil wird Wasserdampfpartialdruck (vereinfacht: Wasserdampfdruck) genannt; der maximal mögliche Wasserdampfdruck wird mit Sättigungsdampfdruck bezeichnet. Jedem Sättigungsdampfdruck entspricht eine bestimmte Sättigungsfeuchte, d. h. eine von der Luft maximal aufnehmbare Wassermenge. Ihre Größe ist sehr stark von der Lufttemperatur abhängig, wie Bild 1-20 zeigt.
Wassergehalt der Luft in g/m3
Sättigungsdampfdruck in Pa
100
%
30 25
3000 %
20
75
17,3 g/m3
2000
50
%
15
8,65 g/m3
5 0 -20
-10
0
10
1000 Sättigung
zunehmende
10
20
30
Lufttemperatur in °C
Bild 1-20 Wassergehalt der Luft und Sättigungsdampfdruck in Abhängigkeit von der Temperatur
36
1 Grundlagen
Die Zusammenhänge sollen anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden (siehe Bild 1-20): Bei einer Temperatur von 20 °C kann Luft maximal 17,3 g/m³ Wasserdampf aufnehmen; dies entspricht der Sättigungsfeuchte (= relative Luftfeuchte von 100 %). Die relative Luftfeuchte wird aus der vorhandenen Luftfeuchte und der Sättigungsfeuchte bei der entsprechenden Temperatur berechnet:
ϕ=
vorhandene Luftfeuchte ⋅ 100 [%] Sättigungsfeuchte
(1.34)
50 % relative Luftfeuchte bei 20 °C entsprechen demnach einer Wassermenge von 0,5 · 17,3 = 8,65 g/m³. Kühlt die Luft jetzt ab, nimmt die relative Luftfeuchte zu und erreicht bei einer Temperatur von 9,1 °C die Sättigungskurve, d. h. eine relative Luftfeuchte von 100 %. Bei einer weiteren Temperaturabsenkung unter 9,1 °C kann die Luft die vorhandene Wassermenge nicht mehr vollständig in Form von Wasserdampf aufnehmen; flüssiges Überschusswasser fällt an, welches bevorzugt auf kühleren Oberflächen kondensiert. Kondensation findet nicht nur auf Bauteiloberflächen statt; sie tritt ebenfalls in mehrschichtigen Konstruktionen sowie im Innern von porigen Baustoffen (in Form der so genannten Kapillarkondensation) auf. 1.2.9.2 Wassergehalt, Feuchtegehalt von Baustoffen
Der Wassergehalt (Feuchtegehalt) eines Baustoffes kann entweder massebezogen oder volumenbezogen angegeben werden. Die in einer Probe enthaltene Wassermenge mw wird aus der Differenz der Massen der feuchten Probe mh und der trockenen Probe md berechnet:
mw = mh − md
(1.35)
Die massebezogene Feuchte hm (engl.: humidity) entspricht der Wassermenge mw bezogen auf die Masse der trockenen Probe md:
hm =
mw m − md ⋅ 100 = h ⋅ 100 [M.-%] md md
(1.36)
Baustoffe mit unterschiedlichen Rohdichten können besser anhand der volumenbezogenen Feuchte hv verglichen werden:
ρ hv = hm ⋅ d [Vol.-%] ρw
(1.37)
Dabei entspricht d der Trockenrohdichte des Baustoffes und w der Dichte von Wasser. Üblicherweise wird der Wassergehalt durch Wiegen der Probe zunächst im feuchten und anschließend im trockenen Zustand bestimmt. Die Trocknung erfolgt durch Erhitzen auf eine Temperatur von rd. 105 °C; bei manchen Baustoffen müssen niedrigere Temperaturen gewählt werden, damit kein Kristallwasser ausgetrieben wird (z. B. wird Gips bei 40 °C getrocknet). Die Trocknung ist bis zur Massekonstanz der Probe durchzuführen; die Massekonstanz ist dann erreicht, wenn sich die Masse innerhalb von 24 Stunden um höchstens 0,1 M.-% ändert (übliche Definition der Massekonstanz).
37
1.2 Baustoffkenngrößen
Der Feuchtegehalt kann auch mit Hilfe indirekter Verfahren bestimmt werden. Bei der Calciumcarbid-Methode reagiert die feuchte Probe in einem geschlossenen Gefäß mit Calciumcarbid zu Acetylen; der dabei entstehende Überdruck ist ein Maß für den Wassergehalt. Dieses Verfahren wird z. B. bei der Untersuchung von Gesteinskörnungen oder Estrichproben angewandt. Eine weitere indirekte Methode ist die Messung der elektrischen Leitfähigkeit, die u. a. bei der Prüfung von Holz oder bei der Feuchtebestimmung von Sand für die Betonherstellung verwendet wird. 1.2.9.3 Wassertransport in Baustoffen
Für die Wasseraufnahme poröser Materialien können unterschiedliche Mechanismen maßgebend sein, die im Folgenden näher betrachtet werden. Eine Änderung der Feuchte ist oft mit Formänderungen verbunden. Dabei bezeichnet man die Volumenverringerung bzw. Verkürzung des Baustoffes infolge Wasserabgabe als Schwinden, die Volumenzunahme bzw. Verlängerung infolge Wasseraufnahme als Quellen (siehe 1.2.4.7). Wasserdampfaufnahme
Durch die Wechselwirkung mit der Umgebung tritt bei porigen Baustoffen eine Sorption von Wassermolekülen im Porengefüge des Materials auf. Dabei stellt sich im Laufe der Zeit ein Gleichgewicht zwischen Luftfeuchte und Stofffeuchte ein; man spricht von der Ausgleichsfeuchte oder Gleichgewichtsfeuchte des Stoffes. Der Zusammenhang zwischen dem Wassergehalt des Materials und der relativen Luftfeuchte wird in so genannten Sorptionsisothermen dargestellt (siehe Bild 1-21); dabei ist zu unterscheiden zwischen Adsorption (Aufnahme von Wasserdampf bei zunehmender Luftfeuchte) und Desorption (Abgabe von Wasserdampf bei abnehmender Luftfeuchte). Zwischen der Adsorptions- und der Desorptionskurve tritt eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Hysterese auf. relative Stofffeuchte in % 100 Adsorption Desorption
75
50
25
0 0
25
50
75
100
relative Luftfeuchte in %
Bild 1-21 Adsorptions- und Desorptionsisotherme
38
1 Grundlagen
Der Begriff Sorption umfasst verschiedene Phänomene, die sich gegenseitig überlagern und deshalb messtechnisch nicht bzw. nur schwer trennbar sind: Chemisorption: Wassermoleküle werden an der Porenoberfläche chemisch gebunden; der Vorgang ist irreversibel. Der auf Chemisorption entfallende Sorptionsanteil ist in der Regel vernachlässigbar. Physisorption: Wassermoleküle werden an der Porenoberfläche physikalisch angelagert. Maßgebend für die physisorbierte Wassermenge ist die innere Oberfläche des Materials und die Anzahl der übereinander gelagerten Wassermolekülschichten. Der Vorgang ist reversibel. Kapillarkondensation: In dünnen Kapillaren (d < 0,1 μm) findet eine Kondensation schon frühzeitig statt, weil hier der Sättigungsdampfdruck durch Oberflächenkräfte erniedrigt wird. Der Vorgang ist – mit zeitlicher Verzögerung - reversibel, was sich in der Hysterese zwischen Adsorptions- und Desorptionsisotherme äußert. Kapillarkondensation findet vor allem im Bereich höherer Luftfeuchten statt. Der Verlauf der Sorptionsisotherme ist charakteristisch für porige Materialien und lässt Rückschlüsse auf seinen inneren Aufbau und auf sein Verhalten gegenüber Wasser zu. Bild 1-22 zeigt die Kurven für verschiedene Baustoffe.
Massebezogener Wassergehalt (%) 20 z
ol
ah
s al
B
15 lz
Ho
tel
ör
m nt
10 lk Ka
40 C°
el
ört
tm en
m
Ze
60 C°
5
me
ze
20 C°
n to be n re Po ton Be l ge Zie
0 0
20
40
60
80
100
relative Luftfeuchte (%) Bild 1-22 Sorptionsisothermen verschiedener Baustoffe
Wasserdampfdiffusion
Bei vielen Baukonstruktionen, insbesondere im Wohnungsbau, Industriebau und landwirtschaftlichen Bauten, kommt der Wasserdampfdiffusion besondere Bedeutung zu. Bei unterschiedlichem Dampfdruck auf beiden Seiten eines Bauteiles wandert der Wasserdampf in Richtung des Dampfdruckgefälles. Diesen Diffusionsvorgängen setzen die Baustoffe einen
39
1.2 Baustoffkenngrößen
unterschiedlichen Widerstand entgegen, der insbesondere vom Porensystem abhängt. Als Kennwert für die Wasserdampfdurchlässigkeit verwendet man die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl . Die dimensionslose Größe gibt an, um wie viel der Diffusionswiderstand des Materials größer ist als der einer ruhenden Luftschicht gleicher Dicke bei gleicher Temperatur. In Tabelle 1.12 sind die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahlen verschiedener Baustoffe zusammengestellt. Tabelle 1.12 Wasserdampfdiffusionswiderstandszahlen von verschiedenen Baustoffen (nach DIN EN ISO 10456) Baustoff
Beton Putze, Mörtel (mineralisch gebunden) Holz Sperrholz Spanplatten
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl μ trocken
feucht
100...130
60...80
10
6
50
20
150...250
50...110
50
10...20
Glas
Metalle
Kunststoffe (massiv)
5.000...100.000
Schaumkunststoffe
50...150
Asphalt, Bitumen
50.000
Bei einigen Baustoffen sind die Diffusionswiderstandszahlen von den Umgebungsbedingungen abhängig, weshalb man bei den μ-Werten zwischen trockenen und feuchten Bedingungen unterscheidet. Dies liegt daran, dass bei geringer Umgebungsluftfeuchte der Wasserdampf durch poröse Stoffe überwiegend durch Wasserdampfdiffusion befördert wird; bei hohen Luftfeuchten hingegen füllen sich die Poren mit flüssigem Wasser, so dass der Flüssigkeitsstrom den maßgebenden Transportmechanismus darstellt. Mit zunehmender Feuchte sinkt daher der scheinbare Wasserdampfdiffusions-Durchlasswiderstand; dies trifft nur bei kapillarporösen Baustoffen zu, z. B. bei mineralisch gebundenen Mörteln und Betonen, Holz und Holzwerkstoffen. Bei Folien, Beschichtungsstoffen u. ä. ist es üblich und zweckmäßiger, die wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke sd anzugeben, das Produkt aus Diffusionswiderstandszahl und der Schichtdicke d:
sd = μ ⋅ d [m]
(1.38)
Wasseraufnahme
Bei Baustoffen, die mit Wasser in Berührung kommen, ist die Aufnahmefähigkeit von Wasser wichtig, z. B. zur Beurteilung der Frostbeständigkeit. Die Wasseraufnahme wird nach Gleichung 1.36 aus den Massen der wassergelagerten und der trockenen Probe bestimmt und
40
1 Grundlagen
üblicherweise in M.-% angegeben. Sollen Rückschlüsse auf die Porigkeit des Baustoffes gezogen werden, ist eine Umrechnung in Vol.-% gemäß Gleichung 1.37 sinnvoll. Die Wasseraufnahme wird durch Lagerung von Proben unter Wasser geprüft; dabei kann die Prüfung bei unterschiedlichen Wasserdrücken erfolgen. Bei Atmosphärendruck werden nicht alle Poren in dem Baustoff mit Wasser gefüllt; deshalb bezeichnet man den hieraus ermittelten Kennwert für die Porigkeit des Materials auch als „scheinbare Porosität“. Zur Bestimmung der „tatsächlichen Porosität“ werden die trockenen Proben einer Vakuumbehandlung unterzogen und anschließend einem Wasserdruck von 150 bar ausgesetzt. Den Quotienten aus Wasseraufnahme bei Normaldruck zu Wasseraufnahme bei 150 bar bezeichnet man als Sättigungsbeiwert. Je kleiner der Sättigungsbeiwert ist, umso weniger ist der Porenraum eines Baustoffes bei normaler Wassereinwirkung tatsächlich mit Wasser gefüllt. Der Sättigungsbeiwert ist beispielsweise zur Beurteilung des Frostwiderstandes wichtig. Kapillare Wasseraufnahme
Bei Baustoffen, die Kapillarporen enthalten, kann Wasser infolge von Kapillarkräften über große Höhen aufgesaugt werden, z. B. bei aufsteigender Feuchte in Wänden ohne Abdichtung gegen das Erdreich. Die kapillare Steighöhe hängt wesentlich vom Porendurchmesser ab; sie steigt mit kleiner werdendem Durchmesser an. Die Ermittlung der kapillaren Wasseraufnahme erfolgt durch Eintauchen der Proben in wenige mm tiefes Wasser. Dabei wird in der Regel die Massezunahme über der Zeit gemessen; außerdem kann bei unbeschichteten Proben die kapillare Steighöhe (Wasseranstieg an den Seitenflächen) beobachtet werden; dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Wasseranstieg im Innern je nach Prüfkörpergeometrie hiervon deutlich abweichen kann. Die kapillare Wasseraufnahme kann auch an Probekörpern mit abgedichteten Seitenflächen bestimmt werden, wodurch eine Wasserabgabe über die Seitenflächen verhindert und somit das Verhalten eines dicken Bauteils simuliert werden kann. Die zeitabhängigen Veränderungen der Wasseraufnahme sowie der kapillaren Steighöhe folgen annähernd einem t -Gesetz. Wasserabgabe
Die Austrocknungsgeschwindigkeit eines feuchten Baustoffes wird durch sein Wasserabgabevermögen bestimmt. In der Regel ist eine möglichst schnelle Wasserabgabe gewünscht, weil durch die Durchfeuchtung des Baustoffes seine Dauerhaftigkeit (z. B. Frostbeständigkeit), Wärmedämmfähigkeit, Festigkeit usw. vermindert werden kann. Lediglich bei hydraulisch erhärtenden Baustoffen, z. B. Beton, muss ein zu schnelles Austrocknen in der Anfangsphase vermieden werden, damit dem Baustoff das für die Hydratation benötigte Wasser nicht frühzeitig entzogen wird. Zur Bestimmung der Wasserabgabe wird der untersuchte Stoff getrocknet (im Exsikkator über einem Trocknungsmittel oder bei erhöhten Temperaturen im Trockenschrank) und zu unterschiedlichen Zeitpunkten gewogen. Die Wasserabgabe wird analog zur Wasseraufnahme berechnet; sie wird entweder absolut oder masse- bzw. volumenbezogen angegeben.
1.2 Baustoffkenngrößen
41
Bei der Wasserabgabe von Baustoffen muss u. U. damit gerechnet werden, dass die Materialien nicht über den gesamten Querschnitt gleichmäßig austrocknen, sondern an der Oberfläche bereits trocken sind, während die Feuchte im Inneren noch sehr hoch ist. In solchen Fällen kann es durch das größere Schwinden der oberflächennahen Randzone gegenüber dem Kern zu Oberflächenrissen kommen. Wasserdichtheit, Wasserundurchlässigkeit
Zur Prüfung der Wasserdichtheit oder Wasserundurchlässigkeit wird auf die zu untersuchende Probe einseitig ein bestimmter Wasserdruck aufgebracht. Ein Baustoff gilt dann als wasserdicht, wenn kein Wasser in sein Inneres eindringt. Als wasserundurchlässig werden Stoffe bezeichnet, bei denen nach einer festgelegten Prüfzeit auf der dem Druckwasser gegenüber liegenden Seite kein Wasser austritt oder die Wassereindringtiefe einen bestimmten Wert nicht überschreitet. Das Verhalten der verschiedenen Baustoffe hängt ab von ihrer Porigkeit und Porengrößenverteilung, bei der Wasserundurchlässigkeit zusätzlich von der Bauteildicke, außerdem von der Höhe und Dauer des aufgebrachten Wasserdrucks.
1.2.10 Wärmetechnische Eigenschaften Der bauliche Wärmeschutz hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Während in den 1950er und 1960er Jahren die Vermeidung von Feuchteschäden das Hauptanliegen des hygienischen Wärmeschutzes war, rückten mit den Ölkrisen in den 70er Jahren energetische Betrachtungen in den Vordergrund. Damals zwang der sprunghafte Anstieg der Ölpreise zur Energieeinsparung; heute werden vornehmlich die ökologischen Auswirkungen, die sich aus der Verbrennung fossiler Energieträger ergeben, diskutiert. Neben diesem winterlichen Wärmeschutz muss im Sommer eine zu starke Aufheizung der Räume infolge Sonneneinstrahlung vermieden werden (sommerlicher Wärmeschutz). 1.2.10.1 Begriffe
Vor einer Behandlung der wärmetechnisch relevanten Baustoffkenngrößen ist es erforderlich, einige wärmetechnische Begriffe zu definieren. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe Wärme und Temperatur oft fälschlicherweise als Synonyme verwendet, wobei mit „Wärme“ bzw. „Kälte“ subjektiv empfundene Temperaturbereiche beschrieben werden. Wärme, Wärmemenge
Physikalisch betrachtet stellt Wärme eine Energieform dar; Ursache für die Wärme sind die ungeordneten Bewegungen der Moleküle in einem Körper (sog. Brown’sche Molekularbewegung). Die Wärmemenge Q, d. h. der Energieinhalt des Körpers, entspricht der kinetischen Energie der in Bewegung befindlichen Moleküle; sie wird – wie andere Energieformen auch – in Joule [J] angegeben.
42
1 Grundlagen
Temperatur
Die Temperatur T beschreibt den Wärmezustand eines Körpers. Um seine Temperatur zu erhöhen, muss man dem Körper zusätzliche Energie zuführen; für die Erwärmung von 1 ml Wasser um 1 K benötigt man 4,185 Joule (früher: 1 Kalorie). Die SI-Einheit für die Temperatur ist das Kelvin (K). Der Nullpunkt der Kelvin-Temperaturskala entspricht derjenigen Temperatur, bei der die kinetische Energie, d. h. die Molekülbewegung, gleich Null ist. Weitaus gebräuchlicher ist die Einheit Grad Celsius (°C), deren Nullpunkt dem Schmelzpunkt von Eis entspricht. In den USA und einigen anderen englischsprachigen Ländern wird die Temperatur in Grad Fahrenheit (°F) angegeben. Die Umrechnung zwischen den verschiedenen Temperaturskalen ist mit folgenden Formeln möglich: von Kelvin (TK) nach Grad Celsius (TC):
TC = TK − 273,15
(1.39)
von Grad Fahrenheit (TF) nach Grad Celsius (TC):
TC = (TF − 32) / 1,8
(1.40)
Wärmestrom
Der Wärmestrom Φ entspricht der innerhalb einer bestimmten Zeit transportierten Wärmemenge; Maßeinheit ist das Watt (1 W = 1 J/s). 1.2.10.2 Wärmespeicherung Spezifische Wärmekapazität
Die spezifische Wärmekapazität c gibt an, wie viel Energie zur Erwärmung von 1 kg eines Stoffes um 1 K erforderlich ist; ihre Einheit lautet J/(kgK). Baustoffe mit einer hohen spezifischen Wärmekapazität benötigen zwar mehr Energie für die Erwärmung, andererseits gleichen sie aber starke Temperaturschwankungen besser aus. Deshalb bleibt es an heißen Sommertagen im Innern von massiven Bauwerken angenehm kühl, während leichte Außenwandund Dachkonstruktionen die Temperaturschwankungen schnell an die Innenräume weiterleiten. Wärmespeichervermögen
Aus der spezifischen Wärmekapazität c [J/(kgK)] und der Rohdichte des Baustoffes R [kg/dm³] berechnet man das Wärmespeichervermögen QS des Baustoffes; die Einheit ist J/(dm³K):
QS = c ⋅ ρ R
(1.41)
In Tabelle 1.13 sind Werte für die spezifische Wärmekapazität und das Wärmespeichervermögen der wichtigsten Baustoffe gegenübergestellt. Die Tabelle enthält außerdem die ent-
43
1.2 Baustoffkenngrößen
sprechenden Angaben für Wasser und Luft; aus den unterschiedlichen Werten für Wasser und Luft lässt sich ableiten, dass bei porigen Baustoffen die angegebenen wärmetechnischen Kenngrößen stark vom Feuchtegehalt abhängen. Tabelle 1.13 Spezifische Wärmekapazität und Wärmespeichervermögen verschiedener Baustoffe Baustoff
spezifische Wärmekapazität c in J/(kg·K)
Wärmespeichervermögen QS in J/(dm³·K)
Stahl
450
3500
Aluminium
880
2500
Beton
1000
2300
Glas
750
1900
Kunststoffe (massiv)
900 ... 2200
1300 ... 2200
Wärmedämmstoffe
1000 ... 2300
90 ... 160
Wasser
4190
4190
Luft
1000
1
1.2.10.3 Wärmeübertragung
Zwischen zwei Körpern mit unterschiedlichen Temperaturen wird so lange Wärmeenergie in Richtung des Temperaturgefälles übertragen, bis sich die Temperaturen angeglichen haben. Der Wärmetransport kann dabei durch Wärmeleitung, Konvektion oder Wärmestrahlung erfolgen. Wärmeleitung: Wärmefluss in einem Feststoff, einer Flüssigkeit oder einem Gas infolge eines Temperaturunterschiedes. Die Wärmeenergie wird durch die Bewegungen der Moleküle übertragen; es findet kein Stofftransport statt. Kenngrößen für die Wärmeleitung sind die Wärmeleitfähigkeit und die Wärmeeindringzahl. Konvektion: Temperaturdifferenzen in Flüssigkeiten oder Gasen führen zu Dichteunterschieden, die ihrerseits Strömungen verursachen. Dadurch findet ein Stofftransport von Teilchen, die Wärmeenergie mitführen, statt. Bei porösen Baustoffen tritt Konvektion verstärkt in größeren luftgefüllten Poren auf; dadurch erhöht sich die Wärmeleitfähigkeit des Baustoffes. Wärmestrahlung: Wärme wird als elektromagnetische Strahlung von einem Körper abgegeben bzw. aufgenommen. Je nach Oberflächenbeschaffenheit wird die Wärmestrahlung überwiegend reflektiert (helle Oberflächen), durchgelassen (Glas) oder absorbiert (dunkle Oberflächen). Wärmeleitfähigkeit
Die Wärmeleitfähigkeit gibt an, welcher Wärmestrom Φ durch 1 m2 einer 1 m dicken Schicht eines Stoffes fließt, wenn die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Oberflächen 1 K beträgt (siehe Bild 1-23).
44
1 Grundlagen
Bild 1-23 Definition der Wärmeleitfähigkeit
Die höchsten Wärmeleitfähigkeiten weist die Gruppe der metallischen Baustoffe auf, wobei zwischen einzelnen Metallen deutliche Unterschiede bestehen. In Tabelle 1.14 sind die Wärmeleitfähigkeiten für die wichtigsten Baumetalle zusammengestellt. Tabelle 1.14 Wärmeleitfähigkeiten der wichtigsten Baumetalle Baumetall Stahl
Wärmeleitfähigkeit in W/(m·K) 37 ... 65
Aluminium
210 ... 230
Kupfer
350 ... 370
Zink
110
Blei
35
Bei den mineralischen Baustoffen liegen die -Werte im Bereich zwischen etwa 0,1 bis 3,0 W/(mK). Mit zunehmender Porigkeit nimmt die Wärmeleitfähigkeit ab, da die in den Poren enthaltenen Luft eine deutlich geringere Wärmeleitfähigkeit aufweist als der umgebende Feststoff (λLuft = 0,026 W/(mK)). Bei gleichem Porenvolumen wirken sich viele kleine Poren günstiger aus als wenige große Poren. In Bild 1-24 ist die Wärmeleitfähigkeit verschiedener Baustoffen in Abhängigkeit von der Trockenrohdichte dargestellt. Bei porösen Baustoffen wird der λ-Wert sehr stark von der Porigkeit beeinflusst; als Maß für die Porigkeit dient die Rohdichte. Neben der Porosität hängt die Wärmeleitfähigkeit auch sehr stark vom Feuchtegehalt des Materials ab. Da die Wärmeleitfähigkeit von Wasser ca. 20mal größer ist als diejenige von Luft, steigt der -Wert mit zunehmendem Feuchtegehalt des Baustoffes an. Deshalb muss bei wärmedämmenden Stoffen eine Durchfeuchtung vermieden werden, damit die wärmedämmende Wirkung erhalten bleibt.
1.2 Baustoffkenngrößen
45
Bild 1-24 Wärmeleitfähigkeit verschiedener Baustoffen in Abhängigkeit von der Rohdichte [1.01]
Wärmeeindringzahl
Die Wärmeeindringzahl b wird als Maß für die Geschwindigkeit einer Wärmeübertragung bei Berührung verwendet. Ihre Größe hängt von der Rohdichte R, der Wärmekapazität c und der Wärmeleitfähigkeit des Baustoffes ab und errechnet sich nach der Formel:
ªW ⋅ s º b = λ ⋅c⋅ ρ « » ¬« m² ⋅ K ¼»
(1.42)
Die Wärmeeindringzahl ist vor allem bei Fußböden eine wichtige Kenngröße. Je größer die Wärmeeindringzahl b ist, umso kälter fühlt sich die Baustoffoberfläche bei einer direkten Berührung der Haut mit dem Fußboden an, d. h. umso schneller wird die Wärme entzogen.
1.2.11 Akustische Eigenschaften und Schallschutz 1.2.11.1 Grundlagen, Begriffe
Der Schallschutz in Gebäuden ist für die Gesundheit und das Wohlbefinden der sich darin aufhaltenden Menschen sehr wichtig. Insbesondere im Wohnungsbau, aber auch in Gebäuden, die zum zeitweisen Aufenthalt dienen (z. B. Krankenhäuser, Schulen, Hotels), kommt daher dem Schallschutz eine besondere Bedeutung zu. Dabei richtet sich der Schutz sowohl gegen Geräusche aus benachbarten Räumen (z. B. Nachbarwohnungen), gegen Geräusche von Anlagen der Technischen Gebäudeausrüstung (z. B. sanitäre Einrichtungen) und gegen Außenlärm (z. B. Verkehrslärm, Lärm aus Gewerbe- und Industriebetrieben). Der Schallschutz im Hochbau ist in DIN 4109 geregelt.
46
1 Grundlagen
Schall entsteht durch die Schwingungen einer Schallquelle (z. B. menschliche Stimmbänder, Lautsprechermembran). Diese Schwingungen breiten sich in einem elastischen Medium (Gas, Flüssigkeit, Festkörper) wellenförmig aus, wobei die Ausbreitung in Gasen und Flüssigkeiten nur longitudinal, in Festkörpern zusätzlich transversal erfolgt. Im Bauwesen unterscheidet man je nach Art des Mediums zwischen Luftschall und Körperschall; wegen ihrer großen baupraktischen Bedeutung wird die Körperschallanregung von Decken gesondert unter dem Begriff Trittschall betrachtet. Beim Luftschall treten durch das Schwingen der Luftteilchen Druckunterschiede auf, die dem atmosphärischen Luftdruck überlagert sind. Dieser so genannte Schalldruck wird vom menschlichen Gehör als Schallsignal wahrgenommen. Dabei wird die Lautstärke durch die Höhe der Druckschwankungen und die Tonhöhe durch die Häufigkeit der Druckschwankungen bestimmt. Die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde wird als Frequenz bezeichnet und in Hertz (Hz) angegeben.
Bild 1-25 Bauphysikalisch wichtige Frequenzbereiche des Schalls
In Bild 1-25 ist das Frequenzspektrum in unterschiedliche Bereiche eingeteilt. Für den baulichen Schallschutz wird der bauakustisch relevante Bereich von 100 bis 3.150 Hz definiert; für die Raumakustik liegt das Frequenzspektrum im Bereich von 63 bis 8.000 Hz. Das menschliche Ohr kann Frequenzen im Bereich zwischen 16 Hz und 20.000 Hz wahrnehmen (so genannter Hörbereich). Mit zunehmendem Alter sinkt die obere Grenze des Hörbereiches bis auf ca. 12.000 Hz ab. Der Bereich, in dem das menschliche Gehör den Schalldruck wahrnehmen kann, erstreckt sich über etwa 7 Zehnerpotenzen; daher war es zweckmäßig, für den Schalldruck ein logarithmisches Maß, den Schalldruckpegel L, einzuführen: L = 20log
p [dB] p0
(1.43)
In obiger Gleichung bezeichnet p den effektiven Schalldruck; der Bezugswert p0 entspricht dem bei 1000 Hz gerade noch wahrnehmbaren Schalldruck von 210-5 N/m². Einheit für den Schalldruckpegel ist das Dezibel (dB).
1.2 Baustoffkenngrößen
47
Das menschliche Ohr ist nicht im gesamten Hörbereich gleich empfindlich; vielmehr werden Töne im Bereich zwischen 1000 und 4000 Hz bei gleichem Schalldruck lauter wahrgenommen als Töne in dem darunter bzw. darüber liegenden Frequenzbereich. Deshalb wurde ein so genannter A-Schallpegel eingeführt, bei dem der mittlere, d. h. lauter empfundene Frequenzbereich stärker gewichtet wird als die leiser empfundenen Randbereiche. Der so bewertete Schalldruckpegel wird durch den Zusatz dB(A) gekennzeichnet; er bildet das menschliche Hörempfinden zwar nicht genau ab, stellt aber eine ausreichend genaue Näherung dar. 1.2.11.2 Arten von Schallanregung
Der in einem Raum – z. B. durch Sprechen – erzeugte Luftschall kann die raumabgrenzenden Wände und Decken in Biegeschwingungen versetzen. Dadurch werden die Luftteilchen im Nachbarraum zu Schwingungen angeregt, d. h. es wird hier Luftschall erzeugt. Dieser Vorgang wird als Luftschallübertragung/-anregung bezeichnet.
Bild 1-26 Anregung einer Wand durch Luftschall und Körperschall
Wird z. B. mit einem Hammer gegen die Wand geklopft, werden dadurch ebenfalls Biegeschwingungen in der Wand und folglich Luftschall im Nachbarraum erzeugt; man spricht hier von Körperschall. Weitere Formen der Körperschallanregung im Wohnbereich sind z. B. von Sanitärinstallationen ausgehende Schwingungen oder das Schließen von Türen. Der Begriff Trittschall kennzeichnet eine besondere Form von Körperschall, die bei Decken auftritt. Hier werden Schwingungen nicht nur durch das Begehen (daher der Begriff Trittschall), sondern auch durch Haushaltsgeräte (z. B. Waschmaschine), Stühlerücken, Aufprall von Gegenständen usw. erzeugt. Maßgebend für den Trittschallpegel ist letztlich das Zusammenwirken von Rohdecke, Estrich und Bodenbelag. Die Ursachen für unzureichende Trittschalldämmwerte liegen meist in Planungs- und Ausführungsfehlern wie keine durchgehende Trennung des Estrichs von Rohdecke, Wänden, Türzargen usw.; starre Verbindungen zwischen harten Bodenbelägen (z. B. Fliesen) und Wänden, Türzargen usw.; ungeeignete Trittschalldämmplatten; zu geringe Dämmstoffdicke durch Rohre, Einbauten usw.
48
1 Grundlagen
1.2.11.3 Luftschalldämmung
Beim Auftreffen einer Schallwelle auf ein Bauteil (siehe Bild 1-27) wird zunächst ein Teil des auftreffenden Schalls (1) an der Oberfläche reflektiert (2). Der in das Bauteil eindringende Schall wird zum Teil in dem Bauteil weitergeleitet (3) bzw. absorbiert (4), wobei die absorbierte Energie in Wärme umgewandelt wird. Der durchgehende Schall (5) wird als Luftschall im angrenzenden Raum wahrgenommen; neben dieser direkten Schallübertragung muss aber auch die Schalllängsleitung (3) über flankierende Bauteile berücksichtigt werden.
Bild 1-27 Verteilung der Schallenergie
Das Schalldämm-Maß R des Trennelementes wird aus der auftreffenden Schallenergie P1 und der durchgehenden Schallenergie P5 nach folgender Formel berechnet: P R = 10 ⋅ lg 1 [dB] P5
(1.44)
Die Schalldämmung von Bauteilen ist abhängig von der Frequenz der Schallwellen. Zur Beurteilung der Luft- und Trittschalldämmung benutzt man daher Bezugskurven, die die Frequenzverteilung üblicher Geräusche sowie die Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs im Frequenzbereich von 100 bis 3200 Hertz berücksichtigen. Die so ermittelte Größe wird als bewertetes Schalldämm-Maß Rw bzw. R'w bezeichnet. Beim bewerteten Schalldämm-Maß Rw wird der Schall ausschließlich durch das Bauteil, nicht jedoch über flankierende Bauteile übertragen, wodurch z. B. eine Aussage über die Schalldämmung eines zu prüfenden Bauteiles im Prüfstand möglich ist. Rw wird deshalb auch als Labor-Schalldämm-Maß bezeichnet. In ausgeführten Bauten wird der Schall jedoch zusätzlich über flankierende Bauteile bzw. über andere Nebenwege wie Rohrleitungen, Schächte, Undichtigkeiten usw. übertragen; deshalb wird hier das Bau-Schalldämm-Maß R'w verwendet. In Bild 1-28 sind die möglichen Flankenübertragungswege für eine biegesteif eingebundene Trennwand dargestellt. Der Großbuchstabe kennzeichnet dabei das schallaufnehmende (D: direkt = trennendes Bauteil, F: flankierendes Bauteil) und der Kleinbuchstabe das schallabstrahlende Bauteil (d: direkt = trennendes Bauteil, f: flankierendes Bauteil). Bei einer biegeweichen Anbindung der Trennwand (kein kraftschlüssiger Verbund, Anordnung einer weichen Zwischenlage) findet eine Schallübertragung nur längs der Wege Dd und Ff statt.
1.2 Baustoffkenngrößen
49
Bild 1-28 Wege der Luftschallübertragung
Bei einschaligen Bauteilen verbessert sich das Schalldämm-Maß mit zunehmendem Flächengewicht, d. h. mit größerer Bauteildicke und/oder höherer Rohdichte des Baustoffes. Als einschalig werden Bauteile bezeichnet, die aus einem einheitlichen Material bestehen (z. B. Beton, Mauerwerk) oder aus mehreren Schichten unterschiedlicher Materialien, die fest miteinander verbunden sind und in ihren schalltechnischen Eigenschaften verwandt sind (z. B. Mauerwerk mit Putzschichten). Die im Bild 1-29 dargestellten Kurven gelten für: Kurve a: massive Bauteile aus Mauerwerk oder Beton mit flankierenden Bauteilen einer flächenbezogenen Masse von ca. 400 kg/m²; Kurve a’: Rechenwerte nach DIN 4109 Bbl. 1; Kurve b: Bauteile aus Holzwerkstoffen; Kurve c: biegeweiche Platten aus Bleiblech, Gummi oder Stahl bis 2 mm Dicke. Die abgeflachten Bereiche der Kurven a und b sind auf ein Dämmungsminimum vor allem dünner Platten bei höheren Frequenzen zurückzuführen; Ursache hierfür ist der so genannte Spuranpassungseffekt, der in der weiterführenden Literatur näher beschrieben wird [z. B. 1.11, 1.12]
Bild 1-29 Abhängigkeit des bewerteten Schalldämm-Maßes R 'w von der flächenbezogenen Masse m '
50
1 Grundlagen
Bei zweischaligen Konstruktionen können gleiche Schalldämm-Maße bei geringerem Gewicht als bei einschaligen Konstruktionen erzielt werden, vorausgesetzt dass die schalltechnischen Besonderheiten mehrschaliger Konstruktionen berücksichtigt werden. Wegen der besonderen Bedeutung der verwendeten Dämmstoff-Zwischenlage werden zweischalige Konstruktionen im Kapitel 18 „Dämmstoffe“, Abschnitt 18.3.2 behandelt. Damit Sprache oder Musik aus einem Nachbarraum nicht mehr durchzuhören ist, muss die Luftschalldämmung umso größer sein je geringer das Grundgeräusch im Raum ist (siehe Tabelle 1.15). Deshalb sollte in einer ruhigen Umgebung die Schalldämmung zwischen den Räumen besonders gut sein. Tabelle 1.15 Bewertetes Schalldämm-Maß Rw und das Durchhören von normal lauter Sprache Sprachverständlichkeit
erforderliches bewertetes Schalldämmmaß Rw in dB Grundgeräusch 20 dB(A)
Grundgeräusch 30 dB(A)
nicht zu hören
67
57
zu hören, jedoch nicht zu verstehen
57
47
teilweise zu verstehen
52
42
gut zu verstehen
42
32
Bei allen schallschutztechnischen Maßnahmen sind sowohl eine sorgfältige Planung als auch eine gewissenhafte Ausführung äußerst wichtig. 1.2.11.4 Trittschalldämmung
Zur Bestimmung der Trittschallanregung und -übertragung wird auf der zu prüfenden Decke ein genormtes Hammerwerk betrieben; gemessen wird der im Raum unter der Decke auftretende Schalldruckpegel L. Die Frequenzabhängigkeit von L wird ähnlich wie beim Luftschalldämm-Maß berücksichtigt. Wie bei der Luftschalldämmung wird auch hier zwischen der Trittschalldämmung in Prüfständen und der Trittschalldämmung in Gebäuden unterschieden. In Gebäuden erfolgt die Schallübertragung zwischen zwei Räumen nicht nur über das trennende Bauteil, sondern auch über flankierende Bauteile (siehe Bild 1-30). Die zahlenmäßige Kennzeichnung der Trittschalldämmung von Decken und Treppen erfolgt mithilfe der bewerteten Norm-Trittschallpegel Ln,w (Labor) bzw. L’n,w (Bau). Im Gegensatz zum Luftschalldämm-Maß, das möglichst groß sein sollte, muss der Trittschallpegel möglichst klein sein, um eine gute Dämmwirkung zu erzielen. Für das akustische Verhalten einer Decke sind die Rohdecke ohne Auflage (z. B. Stahlbetondecke), die Deckenauflage (z. B. schwimmender Estrich) sowie der Fußbodenbelag (Fliesen, Holz-, Teppichboden) maßgebend. Weichfedernde Bodenbeläge dürfen wegen ihrer leichten Austauschbarkeit bei dem Nachweis der Anforderungen an den Trittschallschutz im Allgemeinen nicht berücksichtigt werden.
1.2 Baustoffkenngrößen
51
Bild 1-30 Wege der Trittschallübertragung
Zur Charakterisierung einer Massivdecke oder -treppe ohne Auflage verwendet man den äquivalenten bewerteten Norm-Trittschallpegel Ln,w,eq. Die Decken- oder Treppenauflage wird durch das Trittschallverbesserungsmaß ΔLw berücksichtigt. Somit ergibt sich für den NormTrittschallpegel Ln,w bzw. L’n,w des gebrauchsfertigen Bauteiles:
Ln,w = Ln,w,eq + ΔLw
(1.45)
Das Trittschallverbesserungsmaß spielt bei schwimmenden Estrichen bzw. den dabei eingesetzten Dämmschichten eine wichtige Rolle. Weitere Ausführungen hierzu folgen im Kapitel 18 „Dämmstoffe“ Abschnitt 18.3.3.
1.2.11.5 Schallabsorption
Der in einem Raum erzeugte Schall breitet sich als Luftschallwelle aus und wird von den Begrenzungsflächen des Raumes teilweise reflektiert und teilweise absorbiert. Der Schallpegel im Raum resultiert daher nicht nur von dem von der Schallquelle direkt ausgehenden Anteil, sondern auch von dem an den Raumbegrenzungsflächen reflektierten Anteil. Schallreflexion und -absorption hängen von der Oberflächenausbildung der Wände und Decken ab. Eine hohe Schallabsorption (Schallschluckung) weisen Materialien mit zum Raum hin offenen Poren auf. Neben diesen porösen Schallabsorbern werden spezielle als MasseFeder-System konzipierte Bauteile verwendet, die im Bereich der Resonanzfrequenz eine ausgeprägte Schallabsorption zeigen (Resonanz-Absorber). Maßgebliche Kenngröße ist der Schallabsorptionsgrad als Verhältnis zwischen nicht reflektierter und auftreffender Schallenergie. Mit den Bezeichnungen in Bild 1-26 ergibt sich
α=
P1 − P2 P1
(1.46)
kann Werte zwischen 0 (vollständige Reflexion) und 1 (vollständige Absorption, „schalltoter Raum“) annehmen.
52
1 Grundlagen
Durch Anbringen von schallabsorbierenden Verkleidungen kann z. B. die Lärmbelastung am Arbeitsplatz reduziert bzw. die Nachhallzeit eines Raumes verkürzt werden. Der letztgenannte Aspekt ist insbesondere an Stätten von Bedeutung, an denen gute Hörverhältnisse für Sprache und Musik gefordert werden, z. B. in Konzertsälen, Versammlungsstätten und Hörsälen.
1.2.12 Beständigkeit Baustoffe sind den verschiedensten äußeren Einflüssen, wie z. B. Frost, Witterung, evtl. Feuer usw. ausgesetzt. Kennwerte über die Beständigkeit gegen diese Einwirkungen sind zur Beurteilung der Gebrauchsfähigkeit der Baustoffe von großer Wichtigkeit. 1.2.12.1 Raumbeständigkeit
Bei verschiedenen porigen Baustoffen – wie z. B. keramischen Materialien, Mörtel, Beton usw. – ist die Gewährleistung der Raumbeständigkeit (Volumenkonstanz) ein wichtiger Faktor. Falls Baustoffe nicht ausreichend raumbeständig sind, besteht die Gefahr von Rissbildungen, Absprengungen oder völliger Zerstörung des Bauteils. Die entsprechenden Normen schreiben daher je nach Baustoff besondere Raumbeständigkeitsprüfungen vor. 1.2.12.2 Frostbeständigkeit
Allgemein bezeichnet man als Frostbeständigkeit die Eigenschaft eines Baustoffes, im durchfeuchteten Zustand wiederholte Frostbeanspruchungen ohne Zerstörung oder Schäden zu überstehen. Der Angriff durch Frost entsteht durch die Ausdehnung des Wassers in den wassergefüllten Poren beim Gefrieren. Die Beurteilung der Frostbeständigkeit erfolgt mittels Temperaturwechselprüfung. Je nach Art des Baustoffs wird eine bestimmte Anzahl von Frost-Tau-Wechseln unter bestimmten Temperaturbedingungen an wassergesättigten Proben durchgeführt. Nach Beendigung der Frost-Tauwechselprüfung wird dann der Grad der Schädigung der Prüfkörper als Maß für die Frostbeständigkeit herangezogen. Die Ergebnisse ermöglichen zwar eine vergleichende Bewertung von Baustoffen (z. B. von verschiedenen Natursteinen oder unterschiedlich zusammengesetzten Betonen); sie erlauben aber in der Regel keine direkte Übertragung der Ergebnisse auf das Baustoffverhalten unter baupraktischen Bedingungen, z. B. in Form einer Lebensdauervorhersage. Bei der Verwendung von Taumitteln, z. B. Salzstreuung auf Straßen, wird die Bauteiloberfläche zusätzlich beansprucht, weil ihr die zum Auftauen von Eis und Schnee nötige Schmelzwärme entzogen wird und dadurch die Temperatur weiter absinkt. Deshalb ist hier ggf. die zusätzliche Überprüfung der Frost-Tausalz-Beständigkeit erforderlich. 1.2.12.3 Witterungsbeständigkeit
Unter Witterungsbeständigkeit versteht man das Verhalten der Baustoffe bei Verwendung im Freien unter gegebenen klimatischen Verhältnissen. Wegen der Vielschichtigkeit der Beanspruchungen (Feuchtigkeit, chemischer Angriff durch aggressive Wässer, Frost, höhere Tem-
1.2 Baustoffkenngrößen
53
peraturen usw.) ist die Erfassung dieser Eigenschaft durch eine genormte Prüfvorschrift kaum möglich. Etwaige Prüfungen müssen daher immer im Einzelfall mit den auf die Baustoffe einwirkenden Klimafaktoren abgestimmt werden. Vor allem bei transparenten und organischen Baustoffen ist in diesem Zusammenhang stets auch die so genannte UV-Beständigkeit eine wichtige Kenngröße. 1.2.12.4 Korrosionsbeständigkeit
Durch die Korrosionsbeständigkeit wird meist der von der Oberfläche eines Werkstoffes ausgehende Widerstand beschrieben, den das Material chemischen oder elektrochemischen Angriffen entgegensetzt. Bei mineralischen Baustoffen hängt der Korrosionswiderstand unter anderem von der Dichtigkeit ab, bei metallischen Werkstoffen vor allem von ihrem elektrochemischen Potenzial. In vielen Fällen empfiehlt sich ein dauerhafter Schutz der Baustoffe durch entsprechende Überzüge oder Beschichtungen. 1.2.12.5 Feuerbeständigkeit
Von einem Brand in Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen gehen Gefahren für das Leben von Personen und Tieren aus; außerdem besteht die Gefahr der Beschädigung von Sachgütern bis hin zu ihrer vollständigen Zerstörung. Aufgabe des baulichen Brandschutzes ist es, Brände zu verhindern, zumindest aber räumlich einzugrenzen und die Flucht- und Rettungswege zu sichern. Grundsätzlich muss zwischen dem Brandverhalten von Baustoffen und dem Brandverhalten von Bauteilen unterschieden werden. a) Brandverhalten von Baustoffen
Durch die im Brandfall auftretenden hohen Temperaturen werden die mechanischen Eigenschaften negativ beeinflusst: die Festigkeiten werden stark verringert und die Verformungen werden deutlich größer. Bei fortschreitendem Brandverlauf kommt es schließlich zur Zerstörung der Baustoffe. Bei mineralischen Baustoffen treten Abplatzungen und Risse auf, Holz und andere organische Materialien verbrennen, Metalle und Kunststoffe erweichen und schmelzen. Für die Beurteilung sind ferner die Entflammbarkeit, die Brandweiterleitung und die Wärmeentwicklung der Baustoffe im Brandfall wichtig. Außerdem ist im Hinblick auf die Personenrettung zu überprüfen, ob die verwendeten Baustoffe beim Brand Rauch (Erstickungsgefahr, Sichtbehinderung) und/oder toxische Brandgase (Vergiftungsgefahr) entwickeln bzw. ob brennendes Abfallen bzw. Abtropfen des Baustoffes stattfindet (Gefahr von Verbrennungen, Brandweiterleitung). Die Beurteilung des Brandverhaltens von Baustoffen erfolgt nach der in DIN 4102-1 festgelegten Klasseneinteilung (siehe Tabelle 1.16). Die Norm unterscheidet zwischen nichtbrennbaren Baustoffen der Klasse A und brennbaren Baustoffen der Klasse B. Baustoffe der Klasse A1 müssen in ihrer Zusammensetzung vollständig nicht brennbar sein. A2-Baustoffe enthalten in geringem Umfang brennbare Materialien, die sich jedoch nicht aktiv an einem Brand beteiligen können.
54
1 Grundlagen
Tabelle 1.16 Baustoffklassen nach DIN 4102-1 Baustoffklasse
Bauaufsichtliche Benennung
Nachweis*)
Beispiele für Baustoffe nach DIN 4102-1 und -4
A A1 A2
nicht brennbare Baustoffe
DIN 4102-4 abP abZ
Beton, Ziegelsteine, Gipsbauplatten mit geschlossener Oberfläche, Glas, Stahl, Mineralwolle
B B1
brennbare Baustoffe schwer entflammbare Baustoffe
DIN 4102-4 abP abZ
PS-Hartschäume, HolzwolleLeichtbauplatten, Eichenparkett, Gussasphaltestriche, Gipsplatten mit gelochter/geschlitzter Oberfläche
B2
normal entflammbare Baustoffe
DIN 4102-4 abP
Holz, PUR-Hartschäume, eine Vielzahl der Holzwerkstoffplatten und organischen Faserdämmstoffe
B3
leicht entflammbare Baustoffe
–
im Bauwesen nicht zulässig
*) abP = Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis abZ = Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung
Baustoffe der Klasse B (brennbare Baustoffe) werden nach ihrer Entflammbarkeit in die Untergruppen B1, B2 und B3 unterteilt. B1-Baustoffe brennen bei einem vorhandenen Feuer mit und müssen deshalb im Hinblick auf Brandlasten berücksichtigt werden. Nach Erlöschen des Feuers dürfen sie jedoch nicht selbstständig weiter brennen. B2-Baustoffe lassen sich durch Zündquellen entflammen und brennen je nach Umgebungsbedingungen von allein weiter. B3-Baustoffe können mit einer kleinen Zündquelle entflammt werden und brennen mit steigender Geschwindigkeit weiter. Wegen des hohen Brandrisikos dürfen B3-Baustoffe in baulichen Anlagen in der Regel nicht verwendet werden. In DIN 4102-4 sind Baustoffe und Bauteile zusammengestellt, die auf der Grundlage vorangegangener Brandprüfungen klassifiziert wurden. Für Baustoffe und Bauteile, die in diesem Katalog erfasst sind, ist der Nachweis über das Brandverhalten damit erbracht. Bei nicht aufgeführten oder wesentlich von der jeweiligen Norm abweichenden Produkten ist ein Nachweis durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis – jeweils auf der Grundlage von Brandprüfungen - erforderlich. Aber auch bei klassifizierten Baustoffen und Bauteilen kann eine Brandprüfung sinnvoll sein, weil hierdurch eine günstigere Einstufung als nach DIN 4102-4 erzielt werden kann. Das europäische Klassifizierungssystem für Baustoffe ist in DIN EN 13501-1 beschrieben. Die Norm unterscheidet insgesamt 7 Baustoffklassen (A1, A2, B, C, D, E, F) anhand der Hauptkriterien Entzündbarkeit, Flammenausbreitung und freiwerdende Wärme (DIN 4102 betrachtet primär nur die Brennbarkeit eines Baustoffes). Außerdem werden in der Euronorm die folgenden Brandnebenerscheinungen festgestellt und klassifiziert: Rauchentwicklung („smoke“ – Klassen s1, s2, s3) brennendes Abtropfen/Abfallen („droplets“ – Klassen d0, d1, d2)
55
1.2 Baustoffkenngrößen
Somit ist das System nach DIN EN 13501-1 wesentlich komplexer als die nationalen Festlegungen in DIN 4102. Um eine Zuordnung der europäischen Klassen zu den bauaufsichtlichen Anforderungen der Landesbauordnungen zu ermöglichen, wird in der Bauregelliste A Teil 1, Anlage 0.2.2 eine entsprechende Zuordnungstabelle veröffentlicht (siehe Tabelle 1.17). Tabelle 1.17 Europäische Klassifizierung nach DIN EN 13501-1 und zugehörige bauaufsichtliche Anforderungen Bauaufsichtliche Anforderung
nicht brennbar
Zusatzanforderungen
Europäische Klasse nach DIN EN 13501-1
Klasse nach DIN 4102-1
kein Rauch
kein brennendes Abfallen/ Abtropfen
×
×
A1
A1
×
×
A2 – s1, d0
A2
×
×
B – s1, d0 / C – s1, d0
×
A2 – s2, d0 / A2 – s3, d0 B – s2, d0 / B – s3, d0 C – s2, d0 / C – s3, d0
schwer entflammbar
B1
A2 – s1, d1 / A2 – s1, d2 B – s1, d1 / B – s1, d2 C – s1, d1 / C – s1, d2
×
A2 – s3, d2 / B – s3, d2 / C – s3, d2 × normal entflammbar
leicht entflammbar
D – s1, d0 / D – s2, d0 / D – s3, d0 E D – s1, d1 / D – s2, d1 / D s3, d1 D – s1, d2 / D – s2, d2 / D s3, d2 E – d2
B2
F
B3
Die Prüfverfahren für die Euroklassen A1, A2 und E entsprechen i. W. den bisherigen deutschen Prüfverfahren. Für das mittlere Beanspruchungsniveau (A2, B, C, D) wurde ein neuer Brandtest (SBI-Test) entwickelt, der einen Entstehungsbrand in einer Zimmerecke durch einen einzelnen brennenden Gegenstand (engl.: Single Burning Item, abgekürzt SBI), z. B. einen brennenden Papierkorb, simuliert. Die Ergebnisse von Brandprüfungen hängen wesentlich von den Einbau- und Prüfbedingungen ab. Solange hierzu noch verbindliche Festlegungen fehlen, dürfen augenblicklich nur Baustoffe der Euroklasse A1 nach DIN EN 13501-1 uneingeschränkt verwendet werden. Baustoffe anderer Euroklassen benötigen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Die meisten Hersteller von Baustoffen der Euroklassen A2 bis E kennzeichnen ihre Produkte zusätzlich nach DIN 4102-1.
56
1 Grundlagen
Die Europäische Kommission hat bereits im Jahre 1996 mit der Entscheidung 96/603/EG festgelegt, welche Materialien ohne Prüfung in die Euroklasse A1 eingestuft werden können. Zu den Materialien zählen i. W. mineralische und keramische Baustoffe sowie die wichtigsten Baumetalle, sofern sie nicht in fein verteilter Form vorliegen. Keines dieser Materialien darf mehr als 1 M.-% bzw. 1 Vol.-% organische Bestandteile enthalten (maßgebend ist derjenige Wert, der der größeren Masse entspricht).
b) Brandverhalten von Bauteilen
Das Brandverhalten von Bauteilen wird nach DIN 4102-2 beurteilt. Maßgebliches Kriterium ist die Feuerwiderstandsdauer der Bauteile; diese hängt nicht nur vom Brandverhalten der verwendeten Baustoffe, sondern auch von deren Dicke und Lage im Bauteil ab. Die Feuerwiderstandsdauer wird durch Brandversuche mit einer festgelegten TemperaturZeit-Charakteristik (Einheits-Temperaturzeit-Kurve ETK) bestimmt. Die Einordnung in eine Feuerwiderstandsklasse erfolgt anhand der im Versuch erzielten Feuerwiderstandsdauer in Minuten (siehe Tabelle 1.18) Tabelle 1.18 Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102 Feuerwiderstandsklasse
Feuerwiderstandsdauer in Minuten
F 30
≥ 30
F 60
≥ 60
F 90
≥ 90
F 120
≥ 120
F 180
≥ 180
Die bauaufsichtlichen Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen werden durch die Bezeichnungen feuerhemmend, hochfeuerhemmend und feuerbeständig ausgedrückt, ggf. mit dem Zusatz „und aus nichtbrennbaren Baustoffen“. Die Zuordnung der bauaufsichtlichen Anforderungen zu den Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102-2 zeigt Tabelle 1.19. Tabelle 1.19 Bauaufsichtliche Bezeichnungen und Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102-2 Bauaufsichtliche Anforderung
Klasse nach DIN 4102-2
Kurzbezeichnung nach DIN 4102-2
feuerhemmend
Feuerwiderstandsklasse F 30
F 30 – B
feuerhemmend und aus nichtbrennbaren Baustoffen
Feuerwiderstandsklasse F 30 und aus nichtbrennbaren Baustoffen
F 30 – A
hochfeuerhemmend
Feuerwiderstandsklasse F 60 und in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen
F 60 – AB
Feuerwiderstandsklasse F 60 und aus nichtbrennbaren Baustoffen
F 60 – A
57
1.2 Baustoffkenngrößen Bauaufsichtliche Anforderung
Klasse nach DIN 4102-2
Kurzbezeichnung nach DIN 4102-2
feuerbeständig
Feuerwiderstandsklasse F 90 und in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen
F 90 – AB
feuerbeständig und aus nichtbrennbaren Baustoffen
Feuerwiderstandsklasse F 90 und aus nichtbrennbaren Baustoffen
F 90 – A
Mit dem Kurzzeichen F werden nur die nach DIN 4102-2 geprüften Bauteile (Wände, Decken, Stützen, Unterzüge, Treppen usw.) gekennzeichnet. Für Bauteile mit brandschutztechnischen Sonderanforderungen sind andere Kurzzeichen zu verwenden; Tabelle 1.20 gibt hierzu einen Überblick. Tabelle 1.20 Kurzzeichen für Feuerwiderstandsklassen unterschiedlicher Bauteile nach DIN 4102 Normteil
Kurzzeichen
Bauteile
DIN 4102-2
F
Wände, Decken, Stützen, Unterzüge, Treppen
DIN 4102-3
F
Brandwände
DIN 4102-3
W
Nichttragende Außenwände, Brüstungen
DIN 4102-5
T
Feuerschutzabschlüsse, z. B. Türen
DIN 4102-6
L bzw. K
DIN 4102-9
S
Kabelabschottungen
DIN 4102-11
I
Installationsschächte und -kanäle
DIN 4102-11
R
Rohrabschottungen
DIN 4102-12
E
Funktionserhalt von elektrischen Kabeln
DIN 4102-13
F
Verglasungen, wärmestrahlungsundurchlässig
DIN 4102-13
G
Verglasungen, wärmestrahlungsdurchlässig
Lüftungsleitungen
Die europäische Norm DIN EN 13501-2 kennzeichnet die Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen in einer äußerst komplexen Vielfalt. Für jedes einzelne nachzuweisende Leistungskriterium (Zusammenstellung siehe Tabelle 1.21) wird eine Klassifizierungszeit in Minuten angegeben, wobei folgende Zeiten zu verwenden sind: 10, 15, 20, 30, 45, 60, 90, 120, 180, 240 oder 360. Nicht alle Klassifizierungszeiten gelten für alle Bauteile. Beispiel: Ein tragendes Bauteil erfüllt im Brandversuch 155 Minuten lang die Anforderungen an die Tragfähigkeit (R) und wird – bei alleiniger Betrachtung dieses Kriteriums – in die Feuerwiderstandsklasse R 120 eingeordnet. Zusätzlich wurden im Versuch ermittelt: Raumabschluss (E) 80 Minuten (daraus folgt RE 60) und Wärmedämmung unter Brandeinwirkung (I) 40 Minuten (daraus folgt REI 30). Das Bauteil wird demnach als REI 30/RE 60/R 120 klassifiziert.
58
1 Grundlagen
Tabelle 1.21 Kurzzeichen für Feuerwiderstandsklassen nach DIN EN 13501-2 (Auszug) Herleitung des Kurzzeichens
Kriterium
Anwendungsbereich
R (Résistance)
Tragfähigkeit
E (Etanchéité)
Raumabschluss
I (Isolation)
Wärmedämmung (unter Brandeinwirkung)
W
Begrenzung des Strahlungsdurchtritts
M (Mechanical)
Mechanische Einwirkung auf Wände (Stoßbeanspruchung)
io Richtung der klassifizierten Feuerwiderstandsdauer
i o i o (in – out) a b (above – below)
Richtung der klassifizierten Feuerwiderstandsdauer
f (full)
Beanspruchung durch „volle“ ETK
ef
Beanspruchung durch Außenbrand
zur Beschreibung der Feuerwiderstandsfähigkeit
Nichttragende Außenwände, Installationsschächte/kanäle, Lüftungsanlagen/klappen Unterdecken
Die nach DIN EN 13501-2, -3 und -4 klassifizierten Eigenschaften zum Feuerwiderstandsverhalten entsprechen den in Tabelle 1.22 genannten Anforderungen in den bauaufsichtlichen Verwendungsvorschriften. Tabelle 1.22 Feuerwiderstandsklassen von Bauteilen nach DIN EN 13501 und ihre Zuordnung zu den bauaufsichtlichen Anforderungen (aus BRL A1, Anlage 0.1.2)
ohne Raumabschluss
mit Raumabschluss
nichttragende Innenwände
feuerhemmend
R 30
REI 30
EI 30
hochfeuerhemmend
R 60
REI 60
EI 60
feuerbeständig
R 90
REI 90
EI 90
Feuerwiderstandsfähigkeit 120 Minuten
R 120
REI 120
–
REI 90-M
Bauaufsichtliche Anforderung
Brandwand
Tragende Bauteile
nichttragende Außenwände
Doppelböden
E 30 (io) und EI 30-ef (i o)
REI 30
E 60 (io) und EI 60-ef (i o) E 90 (io) und
Selbstständige Unterdecken EI 30 (a b) EI 60 (a b)
EI 90-ef (i o)
EI 90 (a b)
–
–
–
EI 90-M
–
–
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung
59
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung 1.3.1 Prinzip der statistischen Auswertung Die Statistik als Teilgebiet der Mathematik beschäftigt sich mit der Beschreibung, Auswertung und Beurteilung von Daten. Statistische Methoden werden in verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichen Fragestellungen und Vorgehensweisen angewandt; daher unterscheidet man z. B. zwischen Wirtschaftsstatistik, Bevölkerungsstatistik, technische Statistik usw. Aufgrund ihrer hohen Komplexität stößt die Statistik aber immer wieder auf Vorbehalte, die sich in den berühmten Zitaten „Es gibt Lügen, Erzlügen und Statistiken“ oder „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast!“ widerspiegeln. An dieser Stelle werden die Grundlagen der technischen Statistik nur soweit erläutert, wie es für die Belange der Baustoffkunde erforderlich ist. Insgesamt umfasst die Statistik verschiedene Teilgebiete, von denen in diesem Zusammenhang zwei von besonderer Bedeutung sind: die deskriptive und die induktive Statistik. Die deskriptive Statistik beschreibt das vorliegende Datenmaterial, stellt es grafisch dar und reduziert die oft sehr großen Datenmengen auf wenige charakteristische Größen. Die induktive Statistik befasst sich mit der Beurteilung und der Verallgemeinerung des statistischen Befundes. Die Zusammenhänge sollen an folgendem Beispiel näher betrachtet werden (siehe auch Bild 1-28). Bei Baustoffen, die für tragende Bauteile verwendet werden, müssen im Rahmen der Qualitätskontrolle u. a. Festigkeitskennwerte geprüft werden. Hierfür werden aus der laufenden Produktion Proben entnommen und geprüft; die Ergebnisse der Prüfungen werden ausgewertet. Da die Festigkeitsuntersuchung eine zerstörende Prüfung darstellt, kann verständlicherweise nicht die gesamte Produktionsmenge untersucht werden. Vielmehr muss man sich mit einer Stichprobe begnügen, deren Prüfergebnisse mittels deskriptiver Statistik beschrieben werden. Interessierender Sachverhalt Grundgesamtheit
Entnahme einer Zufallsstichprobe
Erfassung
Schluss von der bekannten Stichprobe auf die unbekannte Grundgesamtheit mittels technischer Statistik
Aufbereitung tabellarisch zeichnerisch rechnerisch
Bild 1-28 Grundmodell der technischen Statistik [1.10]
60
1 Grundlagen
Aus den Ergebnissen der Stichprobenprüfungen wird nun eine Aussage über die Qualität der gesamten Produktionsmenge, der Grundgesamtheit, abgeleitet. Dabei muss berücksichtigt werden, dass auf Basis einer Stichprobe keine sichere Aussage über die Grundgesamtheit möglich ist. Vielmehr können nur Bereiche angeben werden, innerhalb derer die unbekannten Kenngrößen der Grundgesamtheit mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (statistischen Sicherheit) liegen. Die Festlegung eines Prüfprogramms stellt somit eine Optimierungsaufgabe dar, bei der Prüfaufwand einerseits und Aussagegenauigkeit andererseits gegeneinander abgewogen werden müssen.
1.3.2 Streuung von Prüfergebnissen Bei den Ergebnissen von Baustoffprüfungen treten immer mehr oder weniger große Streuungen auf. Derartige Größen, die nicht mit Sicherheit voraussagbar sind, werden in der Statistik als Zufallsgrößen oder Zufallsvariablen bezeichnet. Es liegt zunächst einmal nahe, die auftretenden Streuungen durch Schwankungen in den Materialeigenschaften zu erklären. Abweichungen können aber auch bei Wiederholungsmessungen (mittels zerstörungsfreier Prüfmethoden) an ein und demselben Prüfkörper beobachtet werden, woraus folgt, dass weitere Ursachen für die auftretenden Streuungen verantwortlich sein müssen. In der Materialprüfung werden als Ursache für Streuungen die „vier M“ genannt: Material, Methode, Maschine, Mensch. Zwar wird es im Einzelfall kaum möglich sein, eine beobachtete Gesamtstreuung exakt auf die einzelnen „M“ aufzuteilen; jedoch kann allein das Wissen um die unterschiedlichen Ursachen bei der Planung, Durchführung und Auswertung von Prüfungen sehr nützlich sein. Inhomogenitäten innerhalb des Materials führen zu Ergebnisstreuungen bei den untersuchten Eigenschaften. Der Baustoffhersteller wird bemüht sein, die materialbedingten Streuungen möglichst klein oder zumindest konstant zu halten. Die Konstanz von Eigenschaften ist somit ein wesentliches Qualitätsmerkmal. Gelingt es in einem Produktionsprozess, die Eigenschaften eines Produktes konstant zu halten, so spricht man von Qualitätsbeherrschung. Die Methode, das zweite „M“, umfasst das angewendete Prüfverfahren mitsamt dem der Auswertung zugrunde liegenden Modell. Die Methode muss für die jeweilige Prüfaufgabe geeignet sein und eine ausreichende Präzision gewährleisten. Der diesbezügliche Nachweis, auch als Validierung des Prüfverfahrens bezeichnet, erfolgt meist durch Ringversuche. Dabei werden identische Untersuchungsobjekte in verschiedenen Laboren durch verschiedene Bearbeiter mit verschiedenen Prüfeinrichtungen nach demselben Verfahren untersucht; die zwischen den einzelnen Laboren auftretenden Abweichungen sind ein Maß für die Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse. Neben der Vergleichbarkeit ist die Wiederholbarkeit eine wesentliche Anforderung an Prüfverfahren. Dabei werden die Prüfungen in einem Labor von demselben Bearbeiter mit derselben Prüfeinrichtung nach demselben Verfahren mehrmals durchgeführt. Vergleichende Prüfungen durch einen anderen Bearbeiter bzw. mit einer anderen Prüfeinrichtung erlauben eine Aussage bzgl. der beiden verbleibenden „M’s“ Mensch und Maschine.
61
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung
1.3.3 Kenngrößen einer Stichprobe Als Grundgesamtheit bezeichnet man – allgemein formuliert – die Gesamtmenge aller möglichen Ereignisse oder Elemente für eine bestimmte Fragestellung. Aus pragmatischen Gründen wird in der Regel nicht die Grundgesamtheit, sondern nur eine Stichprobe untersucht. Damit aus den Ergebnissen der Stichprobe auf die Grundgesamtheit geschlossen werden kann, muss die Stichprobe repräsentativ sein, d. h. sie muss die Verhältnisse in der Grundgesamtheit möglichst genau abbilden. Wird eine Anzahl von n Beobachtungen einer bestimmten Eigenschaft vorgenommen, so erhält man die Größen x1, x2, x3 ..... xn. Die Anzahl n der in einer Stichprobe vereinigten Werte heißt Umfang der Stichprobe. Der für die Untersuchung verschiedener Baustoffeigenschaften erforderliche Stichprobenumfang ist oft in den jeweiligen Normen festgelegt. Tabelle 1.23 Ergebnisse der Druckfestigkeitsprüfung von Beton (Urliste, n=35) Prüfdatum
Druckfestigkeit in N/mm²
Prüfdatum
Druckfestigkeit in N/mm²
Prüfdatum
Druckfestigkeit in N/mm²
01.04.2008
37,0
05.05.2008
33,5
05.06.2008
40,5
03.04.2008
33,2
07.05.2008
37,6
10.06.2008
32,6
08.04.2008
34,7
08.05.2008
35,9
12.06.2008
29,4
09.04.2008
31,6
14.05.2008
32,5
17.06.2008
33,0
11.04.2008
30,3
16.05.2008
34,7
18.06.2008
38,4
14.04.2008
35,8
19.05.2008
36,4
23.06.2008
36,2
17.04.2008
34,3
21.05.2008
33,6
24.06.2008
32,1
22.04.2008
39,3
25.05.2008
41,2 (max)
27.06.2008
36,4
23.04.2008
34,4
27.05.2008
31,4
30.06.2008
33,9
25.04.2008
38,5
30.05.2008
35,5
02.07.2008
31,7
28.04.2008
27,9 (min)
02.06.2008
36,7
04.07.2008
35,2
29.04.2008
37,8
04.06.2008
34,9
Die beobachteten Werte werden in der zeitlichen Reihenfolge in einer Urliste dokumentiert. Tabelle 1.23 zeigt die Ergebnisse von Druckfestigkeitsprüfungen an Beton in Form einer solchen Urliste. Eine anschaulichere Darstellung ist mit Hilfe eines Diagramms (siehe Bild 129) möglich, bei dem die Ergebnisse über der Zeit aufgetragen werden. Diese Form der Darstellung wird als Qualitätsregelkarte oder Kontrollkarte bezeichnet.
1 Grundlagen
01.07.2008
24.06.2008
17.06.2008
10.06.2008
03.06.2008
27.05.2008
20.05.2008
13.05.2008
06.05.2008
29.04.2008
22.04.2008
15.04.2008
08.04.2008
43 41 39 37 35 33 31 29 27 25 01.04.2008
Druckfestigkeit in N/mm²
62
Prüfdatum
Bild 1-29 Grafische Darstellung der Urliste
Ordnet man die Werte der Größe nach, so erhält man die Rangliste. Der erste bzw. letzte Wert der Rangliste entspricht dem kleinsten bzw. größten beobachteten Wert (xmin, xmax); aus diesen beiden Werten wird die Spannweite R der Stichprobe berechnet:
R = xmax − xmin
(1.47)
Teilt man die Spannweite R in k gleich breite Klassen, so ergibt sich die Klassenbreite c aus
c=
R xmax − xmin = k k
(1.48)
Als erste Abschätzung für die Anzahl der zu wählenden Klassen gilt:
k= n
(1.49)
mit
k Anzahl der Klassen; n Anzahl der Beobachtungen. Die Klassenbreite sollte so groß gewählt werden, dass keine leeren Klassen im Bereich der Messwerte auftreten. In der Praxis wählt man im allgemeinen 5 < k < 25. Außerdem empfiehlt es sich, möglichst glatte Zahlen für die Klassengrenzen zu wählen. Bei den in Tabelle 1.24 dargestellten Ergebnissen folgt aus R = xmax – xmin = 41,2 – 27,9 = 13,3 und k = √35 ≈ 6 für die Klassenbreite c = 13,3/6 = 2,2. Wegen der besseren Handhabbarkeit wird c = 2,0 gewählt.
63
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung Tabelle 1.24 Klassierung und Auswertung der Prüfergebnisse Klassengrenzen in N/mm²
Strichliste
absolute Häufigkeit nj
absolute Summenhäufigkeit Nj
relative Summenhäufigkeit Hj
27,1...29,0
/
1
1
0,03
29,1...31,0
//
2
3
0,09
31,1...33,0
//// /
6
9
0,26
33,1...35,0
//// ////
10
19
0,54
35,1...37,0
////
8
27
0,77
37,1...39,0
////
5
32
0,91
39,1...41,0
//
2
34
0,97
41,1...43,0
/
1
35
1,00
Die beobachteten Werte werden nun in die zugehörigen Klassen eingeordnet, und man erhält für jede Klasse j die absolute Häufigkeit nj bzw. durch Aufsummierung über die einzelnen Klassen die absolute Summenhäufigkeit Nj. Dividiert man nj durch die Gesamtzahl der Beobachtungen n, so ergibt sich daraus die relative Häufigkeit hj der Klasse j:
hj =
nj
(1.50)
n
Für die relative Summenhäufigkeit Hj gilt analog:
Hj =
Nj n
bzw. H j =
Nj n
⋅ 100 [%]
(1.51)
In Tabelle 1.22 wurden die Ergebnisse der Urliste weiter ausgewertet. Die Klassengrenzen wurden der festgelegten Klassenbreite entsprechend festgelegt; die Häufigkeit wurde zunächst mittels Strichliste bestimmt. Trägt man nj bzw. hj über den Klassen auf, so erhält man ein Histogramm (Säulendiagramm), aus dem sich der Typ der vorliegenden Häufigkeitsverteilung abschätzen lässt. In Bild 1-30 sind verschiedene Histogramme und die zugehörigen Verteilungstypen dargestellt. Die im Bauwesen wichtigste Verteilungsfunktion ist die so genannte Normalverteilung; sie wurde von Carl Friedrich Gauß definiert und wird daher auch als „Gauß’sche Glockenkurve“ bezeichnet (im Bild links).
0
Merkmal x
0
Merkmal x
0
Bild 1-30 Verschiedene Arten von Häufigkeitsverteilungen
Merkmal x
64
1 Grundlagen
Stichproben werden durch Lagemaße und Streumaße beschrieben; als Lagemaß wird üblicherweise der Mittelwert verwendet, als Streumaße sind entweder die Varianz oder die Standardabweichung gebräuchlich. Die Kennwerte werden aus den beobachteten Einzelwerten x1 ... xn folgendermaßen ermittelt: Mittelwert (arithmetisches Mittel) x =
1 n ¦ xi n i =1
(1.52)
1 n ¦ ( xi − x )2 n − 1 i =1
(1.53)
Varianz
s² =
Standardabweichung
s = + s²
(1.54)
Zu Vergleichszwecken wird vielfach der aus der Standardabweichung s und dem arithmetischen Mittel x gebildete Variationskoeffizient v als relatives Streumaß benutzt: v=
Variationskoeffizient
s s bzw. v = ⋅100 [%] x x
(1.55)
Er berücksichtigt, dass eine kleine Streuung bei kleinem Mittelwert von gleichem Gewicht ist wie eine große Streuung bei einem großen Mittelwert. Für das Zahlenbeispiel in Tabelle 1.22 folgt:
x=
s² =
35
1 35
xi = 35 (37,0 + 33, 2 + ... + 35, 2) = 34,8
1
1 34
( xi − 34,8)² = 34 [2, 2² + (−1,6)² + ... + 0, 4²] = 9,16
i =1 35
1
(1.57)
i =1
s = + 9,16 = 3,0 v=
(1.56)
(1.58)
3,0 = 0,086 = 8,6 % 34,8
(1.59)
1.3.4 Kennwerte für die Normalverteilung Die Dichtefunktion der Normalverteilung – vereinfachend auch Normalverteilungsfunktion oder Gauß’sche Glockenkurve genannt – ist eine achsensymmetrische Kurve, die durch die Gleichung 1 § x−μ ·
ϕ ( x) =
¸ 1 1 − ¨ ⋅ ⋅ e 2© σ ¹ σ 2π
2
(1.60)
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung
65
beschrieben wird. Darin bezeichnet μ den so genannten Erwartungswert (Mittelwert) und σ die Standardabweichung; μ und σ erhalten ggf. den Buchstaben der betrachteten Zufallsgröße als Index (z. B. μx, σx). Kennzeichnend für die Normalverteilungskurve ist, dass sie die Abszisse an keinem Punkt berührt, sondern sich ihr nur asymptotisch nähert. Dies hat zur Folge, dass sehr kleine oder sehr große Merkmalswerte zwar nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit auftreten, sie aber nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können.
Bild 1-31 Charakteristische Werte einer Normalverteilung
Der Erwartungswert μ stellt den Lageparameter und die Standardabweichung σ den Streuparameter der Verteilung dar. Die Punkte x1 = μx – σx und x2 = μx + σx entsprechen den Wendepunkten der Kurve; in dem Intervall x1 x x2 liegen ca. 68 % aller Werte. Die verbleibenden 32 % teilen sich zu jeweils 16 % auf die beiden Randbereiche auf. Demzufolge beschreibt die untere Intervallgrenze x1 = μx – σx denjenigen Wert, der von 16 % aller Werte unterschritten wird. Eine derartige Grenze, unterhalb derer ein gewisser Prozentsatz der Verteilungsfläche liegt, wird das Quantil (früher: die Fraktile) genannt; vereinzelt wird auch der Begriff Perzentil verwendet. Im obigen Beispiel entspricht die untere Intervallgrenze x1 also dem 16%-Quantil, d. h. 16 % der Gesamtfläche liegen links von diesem Wert.
66
1 Grundlagen
Tabelle 1.25 Parameter zur Beschreibung der Normalverteilung Flächenanteil p
kp
0,001
-3,090
0,01
-2,326
0,05
-1,645
0,10
-1,282
0,16
-1,000
0,50
0
0,84
1,000
0,90
1,282
0,95
1,645
0,99
2,326
0,999
3,090
Aus der Geometrie der Normalverteilungskurve lässt sich (fast) jedes beliebige Quantil mit Hilfe von μx und σx beschreiben. Allgemein gilt: xp = μ x + kp ⋅ σ x
(1.61)
woraus folgt
μ x = xp + kp ⋅ σ x
(1.62)
In Tabelle 1.25 sind einige Werte für kp in Abhängigkeit vom Flächenanteil p angegeben. Das bei Baustoffen oft verwendete 5 %-Quantil x0,05 wird demnach wie folgt berechnet:
x0,05 = μx − 1,645 ⋅ σ x
(1.63)
1.3.5 Grafische Auswertung mittels Wahrscheinlichkeitspapier Für die Normalverteilung können Näherungswerte für die statistischen Kenngrößen x , s und x0,05 auch grafisch im so genannten „Wahrscheinlichkeitspapier“ ermittelt werden. Die Ordinatenskala des Wahrscheinlichkeitspapiers ist so verzerrt, dass die Kurve der Normalverteilungsfunktion sich als Gerade abbildet. Man trägt die relativen Summenhäufigkeiten der einzelnen Klassen in das Wahrscheinlichkeitspapier ein, legt eine Ausgleichsgerade durch diese Punkte und kann dann die gewünschten Ergebnisse ablesen. Bild 1-32 zeigt den Gebrauch des Wahrscheinlichkeitsnetzes am Beispiel der Betondruckfestigkeiten aus Tabelle 1.22. Zunächst müssen – wie bereits in Tabelle 1.22 geschehen – die Prüfergebnisse klassiert und die Häufigkeitskennwerte der einzelnen Klassen berechnet werden. Anschließend werden die Prozentzahlen über den oberen Klassengrenzen als Punkte in das Diagramm eingetragen, und es wird eine Ausgleichsgerade gebildet.
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung
67
99
95 90 80 70 60 50 40 30 20
n = 35
10
s ≈ (35 – 32) =3 N/mm2
16
x ≈ 35 N/mm2 x0,05 ≈ 30 N/mm2
5
1 30 Summenhäufigkeit [%] Summenhäufigkeit [–]
60
50
10
57-58
55-56
53-54
51-53
49-51
45-47 47-49
43-45
39-41 41-43
37-39
35-37
33-35
31-33
29-31
27-29
25-27
Klassen 2 [N/mm ]
23-25
5
21-23
Häufigkeitsdiagramm
Häufigkeit [–]
40
3 9 26 54 77 91 97100 1 3 9 19 27 32 34 35 1 2 6 10 8 5 2 1
59-60
Summenhäufigkeit [%]
84
Bild 1-32 Anwendung des Wahrscheinlichkeitspapiers
Liegen die Punkte annähernd auf einer Geraden, so kann man davon ausgehen, dass die Stichprobe aus einer normalverteilten Grundgesamtheit stammt. Der Schnittpunkt der Geraden mit der 50 %-Linie entspricht dem Mittelwert; das 5 %-Quantil liegt am Schnittpunkt mit der 5 %-Linie. Die Standardabweichung erhält man aus der Differenz zwischen den Schnittpunkten der Ausgleichsgeraden bei 50 % und 16 % (oder 84 %) Summenhäufigkeit. Das Wahrscheinlichkeitspapier findet nur noch vereinzelt Anwendung, weil die Auswertungen heutzutage überwiegend rechnergestützt, z. B. mit Tabellenkalkulationsprogrammen, vorgenommen werden.
1.3.6 Prüfplan, Operationscharakteristik, Konformität Eine wesentliche Aufgabe der technischen Statistik ist der Schluss von der untersuchten Stichprobe auf die Grundgesamtheit. Dabei muss man berücksichtigen, dass verschiedene
68
1 Grundlagen
Stichproben, die zufällig aus einer Grundgesamtheit entnommen wurden, nicht unbedingt exakt gleiche Ergebnisse liefern werden. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass aus den Ergebnissen einer Stichprobe nicht exakt auf die entsprechenden Parameter der Grundgesamtheit geschlossen werden kann. Vielmehr können für die Parameter lediglich Bereiche angegeben werden, innerhalb derer die Werte mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegen werden; diese Vorgehensweise wird in der Statistik als Schätzung bezeichnet. Bei vielen Baustoffeigenschaften kann man – zumindest näherungsweise – von einer Normalverteilung der Eigenschaftswerte ausgehen. Dies gilt auch für die im Beispiel betrachtete Betondruckfestigkeit, solange die Streuungen gering sind. Bei größeren Streuungen hingegen kann sich das Problem negativer Eigenschaftswerte ergeben, weshalb in solchen Fällen die logarithmische Normalverteilung von Vorteil ist (bei der log-Normalverteilung sind die Logarithmen der Eigenschaftswerte normalverteilt). Wegen der oben bereits beschriebenen Besonderheit der Normalverteilungskurve (asymptotische Annäherung an die Abszisse) ist es unmöglich, für die betrachtete Eigenschaft (z. B. die Druckfestigkeit) einen Wert anzugeben, der mit Sicherheit nicht unterschritten wird. Deshalb muss die Möglichkeit einer Unterschreitung grundsätzlich in Kauf genommen und demzufolge ein bestimmter „Schlechtanteil“ der Fertigung toleriert werden. Die erforderliche Abgrenzung zwischen „guter“ und „schlechter“ Fertigung erfolgt mit Hilfe von Operationscharakteristiken OC (früher: Annahmekennlinien) unter Zugrundelegung von Prüfplänen.
Prüfpläne sind Vorschriften, welche die zu prüfenden Merkmale, die anzuwendenden Prüfverfahren, den Prüfumfang usw. beinhalten. Außerdem werden in den Prüfplänen Entscheidungsregeln für die Annahme oder Ablehnung einer Fertigung festgelegt, die auf den o. g. Operationscharakteristiken (OC) basieren. Der tolerierbare Schlechtanteil für eine Fertigung wird durch ein Quantil festgelegt. Für die Beurteilung der Betondruckfestigkeit ist das 5%-Quantil maßgebend. Dies besagt, dass Betone mit einem Anteil an Minderfestigkeiten bis zu 5 % angenommen und bei Anteilen größer als 5 % abgelehnt werden. Trägt man in einem Diagramm die Annahmewahrscheinlichkeit über dem Schlechtanteil auf, so erhält man die Operationscharakteristik. Die in Bild 1-33 dargestellte Stufenlinie entspricht der idealen OC, die sich im hypothetischen Fall einer Prüfung der Grundgesamtheit ergeben würde. Dabei können nur die beiden folgenden Fälle auftreten: Schlechtanteil 5 % ˇ Annahmewahrscheinlichkeit = 100 % ˇ Annahme Schlechtanteil > 5 % ˇ Annahmewahrscheinlichkeit = 0 %
ˇ Ablehnung
Fehlentscheidungen können in diesem Idealfall nicht auftreten, weil die Werte der Grundgesamtheit als bekannt vorausgesetzt wurden. Auf der Basis einer Stichprobe ist die ideale Stufenkurve nicht erreichbar. Die reale OC für eine Stichprobe weicht von der Ideallinie mehr oder weniger stark ab; ihr Verlauf kann folgendermaßen charakterisiert werden:
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung
69
Bild 1-33 Beispiel für eine Operationscharakteristik mit 5 % Schlechtanteil [1.01]
Eine Annahmewahrscheinlichkeit von 1,0 (= 100 %) ist nur möglich, wenn der Schlechtanteil = 0 % ist, d. h. wenn im Falle der Festigkeitsuntersuchung keine Minderfestigkeiten vorhanden sind. Sobald ein – wenn auch noch so geringer – Anteil an Minderfestigkeiten auftritt, ist die Annahmewahrscheinlichkeit kleiner als 100 %. Bei der dargestellten Operationscharakteristik hat eine Stichprobe mit 2 % Schlechtanteil eine Annahmewahrscheinlichkeit von 95 %. Somit ist es durchaus möglich, dass eine Fertigung als schlecht bewertet und abgelehnt wird, obwohl der Schlechtanteil der Grundgesamtheit < 5 % ist. Dieses Risiko wird als Herstellerrisiko (Lieferantenrisiko) bezeichnet; es beträgt im vorliegenden Fall = (1,00 – 0,95) = 5 %. Andererseits kann eine Fertigung mit einem Schlechtanteil > 5 % als gut bewertet und angenommen werden. Bei einem Schlechtanteil in der Probe von 11 % beträgt die Annahmewahrscheinlichkeit = 5 %; dieses Risiko wird als Abnehmerrisiko (Kundenrisiko) bezeichnet. Der Verlauf der OC hängt vom Stichprobenumfang n ab; mit zunehmendem n verläuft die Kurve steiler und nähert sich der idealen OC immer mehr an, so dass die Wahrscheinlichkeit für Fehlentscheidungen mit zunehmendem Stichprobenumfang abnimmt. Operationscharakteristiken stellen somit eine Optimierung dar hinsichtlich Herstellerrisiko, Abnehmerrisiko und Stichprobenumfang in Abhängigkeit vom Schlechtanteil, d. h. demjenigen Prozentsatz, auf dem der geforderte charakteristische Wert basiert (im Allgemeinen 5%- oder 10%-Quantil). Die Konformitätsnachweise in den Baustoffnormen basieren großenteils auf Operationscharakteristiken; dabei kann die Schärfe der Prüfung bzw. der Anforderungen variiert werden. Die genaue Vorgehensweise bei der Entwicklung von Operationscharakteristiken ist der weiterführenden Literatur zu entnehmen; beispielsweise wird in [1.06] ausführlich beschrieben, welche Operationscharakteristiken (Annahmekennlinien) sich aus bestimmten Prüfplänen ergeben und umgekehrt. Konformitätskriterien
Der Begriff Konformität kennzeichnet die Übereinstimmung eines Produktes mit den festgelegten Anforderungen; die zugehörige Überprüfung findet im Rahmen der Konformitätskon-
70
1 Grundlagen
trolle statt. In den maßgeblichen Produktnormen werden die für den Konformitätsnachweis erforderlichen Parameter angegeben: zu prüfende Eigenschaften; anzuwendende Prüfverfahren; Mindestprüfhäufigkeiten; Konformitätskriterien. Konformitätskriterien stellen Entscheidungsregeln auf Stichprobenbasis dar; mit ihrer Hilfe wird die Übereinstimmung eines Produktes mit der Festlegung und mit den Normanforderungen an die Prüfmerkmale überprüft. Je nach Produkteigenschaft wird hierfür entweder die Attributprüfung oder die Variablenprüfung angewendet. Attributprüfung
Bei der Attributprüfung kann das Prüfmerkmal lediglich die Werte „gut“ oder „schlecht“ annehmen. Man ermittelt im Allgemeinen die Anzahl cD der „schlechten“ Elemente und vergleicht sie mit einer annehmbaren Anzahl cA. Die Konformität gilt als nachgewiesen, wenn folgende Gleichung erfüllt ist: cD ≤ cA
(1.64)
Der Wert cA hängt von folgenden Größen ab: Quantil, auf dem der geforderte charakteristische Wert basiert (bei der Attributprüfung i. d. R. das 10%-Quantil); zulässige Annahmewahrscheinlichkeit CR, d. h. die Annahmewahrscheinlichkeit für einen vorgegebenen Probenahmeplan mit einem charakteristischen Wert außerhalb des geforderten charakteristischen Werts (CR „Consumer Risk“ = Kundenrisiko); Stichprobenumfang, d. h. Anzahl der Prüfergebnisse n. In Tabelle 1.26 sind die cA-Werte für das 10 %-Quantil bei einem Kundenrisiko CR = 5 % zusammengestellt. Tabelle 1.26 Werte für cA (Pk = 10 %, CR = 5 %) Anzahl der Prüfergebnisse n a)
0 ... 39 40 ... 54 55 ... 69 70 ... 84 85 ... 99 100 ... 109 > 110 a)
cA 0 1 2 3 4 5 0,075⋅(n – 30)
Bei einer Anzahl an Prüfergebnissen n < 20 (für p0 = 10 %) ist ein statistisches Konformitätskriterium nicht möglich. Trotzdem ist ein Kriterium von cA = 0 in diesen Fällen (n < 20) zu verwenden.
1.3 Statistische Methoden in der Qualitätssicherung
71
Die Attributprüfung ist auch ohne EDV-Einsatz einfach durchführbar, weil sie auf einer einfachen Ja/Nein-Entscheidung basiert. Typische Beispiele für Attributprüfungen bei Bauprodukten sind: Prüfung der Abmessungen auf Einhaltung vorgegebener Toleranzen; chemische Untersuchungen auf Überschreitung von Grenzwerten; Augenscheinprüfung auf Rissfreiheit, auf Vorhandensein von Verfärbungen usw. Variablenprüfung
Die Variablenprüfung ist eine Stichprobenprüfung anhand quantitativer Merkmale, die in der Normenreihe DIN EN 3951 allgemein dargestellt wird. Im Gegensatz zur Attributprüfung, bei der lediglich die beiden Ergebnisse „gut“ und „schlecht“ möglich sind, wird hier ein quantitativer Wert für das Prüfmerkmal ermittelt. Die Prüfergebnisse werden statistisch ausgewertet und meist durch Angabe von Mittelwert und Standardabweichung charakterisiert; dabei wird vorausgesetzt, dass die Werte normalverteilt bzw. zumindest näherungsweise normalverteilt sind. Typisches Beispiel für eine Variablenprüfung ist die Bestimmung von Festigkeitswerten. Zum Nachweis der Konformität müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: x − kA ⋅ s ≥ L
(1.65)
x + kA ⋅ s ≤ U
(1.66)
bzw.
mit
x
arithmetischer Mittelwert aller Ergebnisse der Stichprobe
s kA L U
Standardabweichung aller Ergebnisse der Stichprobe Annahmekonstante festgelegte untere Grenze („lower limit“) festgelegte obere Grenze („upper limit“)
Gleichung (1.64) gilt für den Fall einer festgelegten unteren Grenze, z. B. einer Mindestfestigkeit; Gleichung (1.65) gilt analog für eine obere Grenze. Die Schreibweise wurde aus der Zementnorm DIN EN 197-1 übernommen; die Formeln werden in weiteren Baustoffnormen in dieser oder ähnlicher Form angegeben. Die Annahmekonstante kA hängt vom Quantil, auf dem der geforderte charakteristische Wert basiert, von der zulässigen Annahmewahrscheinlichkeit CR und von der Anzahl n der Prüfergebnisse ab. In Tabelle 1.27 sind einige Werte für CR = 5 % zusammengestellt. Die Werte wurden DIN EN 197-1 entnommen; in dieser Norm wird das Quantil mit Perzentil bezeichnet und mit Pk abgekürzt.
72
1 Grundlagen
Tabelle 1.27 Annahmekonstante kA kAa)
Anzahl der Prüfergebnisse für Pk = 5 %
für Pk = 10 %
(Anfangs- und Normfestigkeit, untere Grenze)
(andere Eigenschaften)
20 bis 21
2,40
1,93
22 bis 23
2,35
1,89
24 bis 25
2,31
1,85
26 bis 27
2,27
1,82
28 bis 29
2,24
1,80
30 bis 34
2,22
1,78
35 bis 39
2,17
1,73
40 bis 44
2,13
1,70
45 bis 49
2,09
1,67
50 bis 59
2,07
1,65
60 bis 69
2,02
1,61
70 bis 79
1,99
1,58
80 bis 89
1,97
1,56
n
90 bis 99
1,94
1,54
100 bis 149
1,93
1,53
150 bis 199
1,87
1,48
200 bis 299
1,84
1,45
300 bis 399
1,80
1,42
> 400
1,78
1,40
ANMERKUNG: Die in dieser Tabelle angegebenen Werte gelten für CR = 5 %. a)
Es darf auch der für jeden Wert von n geltende Zwischenwert für kA verwendet werden.
Obwohl die Gleichung (1.65) strukturell mit Gleichung (1.63) übereinstimmt, ist die Bedeutung unterschiedlich. Mittels Gleichung (1.63) wird ein Quantilwert berechnet, z. B. eine Festigkeit. Bei Festigkeiten basiert der geforderte charakteristische Wert meist auf dem 5%-Quantil (daher kp = 1,645) für die Grundgesamtheit. Gleichung (1.65) hingegen gibt die kritische Grenze für eine Entscheidungsregel unter Zugrundelegung einer Stichprobe an, wobei die Annahmekonstante kA von mehreren Größen (n, CR, Pk) abhängt und daher nicht ohne weiteres mit dem Parameter kp verglichen werden kann.
1.4 Regelwerke für Baustoffe
73
1.4 Regelwerke für Baustoffe Bauingenieure und Architekten werden in ihrer täglichen Berufspraxis mit einer nahezu unüberschaubaren Flut von Vorschriften konfrontiert. Für das Bauwesen existieren eine Vielzahl unterschiedlichster Regelungen in Form von Gesetzen, Verordnungen, Normen, Richtlinien usw. Hinzu kommt, dass die maßgeblichen Regelwerke einer dauernden Veränderung unterworfen sind. Ein Beispiel hierfür ist die bereits seit geraumer Zeit laufende, aber längst noch nicht abgeschlossene Umstellung von nationalen auf europäische Regelungen.
1.4.1 Baurechtliche Anforderungen Bei dem Begriff Baurecht unterscheidet man zwischen privatem und öffentlichem Baurecht. Im privaten Baurecht geht es um das Rechtsverhältnis der am Bau Beteiligten (Bauherr, Architekt, Baufirma usw.) zueinander. Das öffentliche Baurecht regelt die Zulässigkeit von Bauvorhaben und deren ordnungsgemäße Errichtung im Interesse der Allgemeinheit und Nachbarn; es umfasst i. W. das Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht. 1.4.1.1 Landesbauordnungen, Musterbauordnung
Das Bauordnungsrecht ist Ländersache und wird von den jeweiligen Landesbauordnungen (LBO) geregelt; diese basieren auf der von den Bundesländern gemeinsam erarbeiteten Musterbauordnung (MBO). Die aktuelle Fassung der MBO stammt vom November 2002. Bauliche Anlagen sind nach §3 Abs. 1 MBO „so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden.“ Nach §3 Abs. 2 MBO dürfen Bauprodukte „nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer die Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erfüllen und gebrauchstauglich sind.“ Die allgemeinen Anforderungen an die Bauausführung nach LBO betreffen: Standsicherheit (§12 MBO) Schutz gegen schädliche Einflüsse (§13 MBO) Brandschutz (§14 MBO) Wärme-, Schall-, Erschütterungsschutz (§15 MBO) Verkehrssicherheit (§16 MBO) Grundsätzliches Ziel ist die Abwehr von Gefahren für die Öffentlichkeit, die sich aus dem Baugeschehen ergeben können. 1.4.1.2 Bauproduktenrichtlinie, Bauproduktengesetz
Ziel der Europäischen Union ist die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes und die Gewährleistung eines freien Verkehrs von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital.
74
1 Grundlagen
Hierfür ist eine Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Bestimmungen unerlässlich. Um bei Bauprodukten Handelshemmnisse zu vermeiden und den freien Warenverkehr zu gewährleisten, hat der Rat der Europäischen Union im Jahre 1988 die Bauproduktenrichtlinie (BPR) erlassen; sie ist in Deutschland durch das Bauproduktengesetz (BauPG) in nationales Recht umgesetzt. Das Bauproduktengesetz regelt das Inverkehrbringen von Bauprodukten und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten. Hingegen wird die Verwendung von Bauprodukten in den Landesbauordnungen behandelt. Bauprodukte im Sinne des BauPG sind 1. Baustoffe, Bauteile und Anlagen, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen des Hoch- oder Tiefbaus eingebaut zu werden, 2. aus Baustoffen und Bauteilen vorgefertigte Anlagen, die hergestellt werden, um mit dem Erdboden verbunden zu werden, wie Fertighäuser, Fertiggaragen und Silos. Eine Besonderheit der Bauproduktenrichtlinie besteht darin, dass die wesentlichen Anforderungen nicht in Bezug auf das Bauprodukt selbst, sondern in Bezug auf das Bauwerk formuliert werden. Für die Anwendung der BPR sind deshalb weitere über den Richtlinientext hinausgehende Erläuterungen erforderlich; hierzu zählen die Grundlagendokumente und die Leitpapiere. Die „wesentlichen Anforderungen“ der BPR an Bauwerke sind 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Mechanische Festigkeit und Standsicherheit Brandschutz Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz Nutzungssicherheit Schallschutz Energieeinsparung und Wärmeschutz
Die genannten Anforderungen stimmen von ihrer Zielsetzung her mit den Anforderungen nach den Landesbauordnungen überein. Zu jeder der sechs wesentlichen Anforderungen existiert ein zugehöriges Grundlagendokument. In den Grundlagendokumenten werden – im Hinblick auf die europäische Normungsarbeit - Terminologie und technische Grundlagen harmonisiert. Außerdem werden aus den wesentlichen Anforderungen an das Bauwerk diejenigen Eigenschaften abgeleitet, die von den verwendeten Bauprodukten erfüllt werden müssen. Umgesetzt werden diese Anforderungen durch harmonisierte europäische Normen, die auf der Grundlage eines Mandates der EUKommission an das CEN („Comité Européen de Normalisation“ = Europäisches Komitee für Normung) erarbeitet werden. Die Grundlagendokumente können bei Bedarf fortgeschrieben werden. Eine Druckversion ist beim DIBt gegen Gebühr erhältlich. Eine englischsprachige Fassung der Grundlagendoku-
75
1.4 Regelwerke für Baustoffe
mente („Interpretative Documents“) ist auf der Internetseite der Europäischen Kommission (http://ec.europa.eu/) abrufbar. Die Leitpapiere behandeln besondere Fragen der praktischen Umsetzung und der Anwendung der BPR. Ziel ist es, eine möglichst weitgehende Übereinstimmung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten bei der Handhabung der Richtlinie sicherzustellen. Demzufolge sind die Leitpapiere vornehmlich für Stellen gedacht, die mit der Umsetzung der BPR befasst sind, (z. B. Normungsgremien). Die englische Version der „Guidance Papers“ ist ebenfalls auf der Internetseite der Europäischen Kommission zu finden. Tabelle 1.28 Wesentliche Anforderungen an Bauwerke nach der Bauproduktenrichtlinie Erläuterungen
Wesentliche Anforderungen nach BPR, Anlage I 1. Mechanische Festigkeit und Standsicherheit
Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass die während der Errichtung und Nutzung möglichen Einwirkungen keines der nachstehenden Ereignisse zur Folge haben: a) Einsturz des gesamten Bauwerks oder eines Teils; b) größere Verformungen in unzulässigem Umfang; c) Beschädigungen anderer Bauteile oder Einrichtungen und Ausstattungen infolge zu großer Verformungen der tragenden Baukonstruktion; d) Beschädigungen durch ein Ereignis in einem zur ursprünglichen Ursache unverhältnismäßig großen Ausmaß.
2. Brandschutz
Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass bei einem Brand die Tragfähigkeit des Bauwerks während eines bestimmten Zeitraums erhalten bleibt, die Entstehung und Ausbreitung von Feuer und Rauch innerhalb des Bauwerks begrenzt wird, die Ausbreitung von Feuer auf benachbarte Bauwerke begrenzt wird, die Bewohner das Gebäude unverletzt verlassen oder durch andere Maßnahmen gerettet werden können, die Sicherheit der Rettungsmannschaften berücksichtigt ist.
3. Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz
Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass die Hygiene und die Gesundheit der Bewohner und der Anwohner insbesondere durch folgende Einwirkungen nicht gefährdet werden:
Freisetzung giftiger Gase, Vorhandensein gefährlicher Teilchen oder Gase in der Luft, Emission gefährlicher Strahlen, Wasser- oder Bodenverunreinigung oder -vergiftung, unsachgemäße Beseitigung von Abwasser, Rauch und festem oder flüssigem Abfall, Feuchtigkeitsansammlung in Bauteilen und auf Oberflächen von Bauteilen in Innenräumen.
76
1 Grundlagen
Wesentliche Anforderungen nach BPR, Anlage I
Erläuterungen
4. Nutzungssicherheit
Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass sich bei seiner Nutzung oder seinem Betrieb keine unannehmbaren Unfallgefahren ergeben, wie Verletzungen durch Rutsch-, Sturz- und Aufprallunfälle, Verbrennungen, Stromschläge, Explosionsverletzungen.
5. Schallschutz
Das Bauwerk muss derart entworfen und ausgeführt sein, dass der von den Bewohnern oder von in der Nähe befindlichen Personen wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufrieden stellende Nachtruhe-, Freizeit- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind.
6. Energieeinsparung und Wärmeschutz
Das Bauwerk und seine Anlagen und Einrichtungen für Heizung, Kühlung und Lüftung müssen derart entworfen und ausgeführt sein, dass unter Berücksichtigung der klimatischen Gegebenheiten des Standortes der Energieverbrauch bei seiner Nutzung gering gehalten und ein ausreichender Wärmekomfort der Bewohner gewährleistet wird.
Tabelle 1.29 Leitpapiere zur Bauproduktenrichtlinie Leitpapier
Titel
Leitpapier A:
Benennung von notifizierten Stellen im Rahmen der BPR
Leitpapier B:
Bestimmung der werkseigenen Produktionskontrolle in technischen Spezifikationen für Bauprodukte
Leitpapier C:
Behandlung von Bausätzen und Systemen nach der BPR
Leitpapier D:
CE-Kennzeichnung nach der Bauproduktenrichtlinie
Leitpapier E:
Stufen und Klassen in der BPR
Leitpapier F:
Dauerhaftigkeit und die BPR
Leitpapier H:
Harmonisiertes Konzept bezüglich der Behandlung von gefährlichen Stoffen nach BPR
Leitpapier I:
Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der BPR
Leitpapier J:
Übergangsvereinbarungen nach der BPR
Leitpapier K:
Die Systeme der Konformitätsbescheinigung und die Rolle und Aufgaben der notifizierten Stellen auf dem Gebiet der BPR
Leitpapier L:
Anwendung der EUROCODES
Leitpapier M:
Konformitätsbewertung unter der BPR – Erstprüfung und werkseigene Produktionskontrolle
1.4.2 Technische Regeln Zu den für das Bauwesen relevanten technischen Regeln zählen in erster Linie Normen, aber auch Richtlinien, Merkblätter usw. Die Vielzahl der zu beachtenden Regeln und die ständigen
1.4 Regelwerke für Baustoffe
77
Veränderungen führen dazu, dass die Anforderungen an Produkte und Verfahren oft nicht mehr detailliert beschrieben werden, sondern stattdessen generelle Ziele (Sicherheit, Gesundheitsschutz, Mangelfreiheit usw.) gefordert werden. Die Anforderungen werden dabei durch grundlegende Formulierungen (sog. Technikklauseln) umschrieben. 1.4.2.1 Technikklauseln
Eine Technikklausel ist eine Formulierung, die einen bestimmten Kenntnisstand in Wissenschaft und Technik widerspiegelt. Im deutschen Sprachgebrauch unterscheidet man die folgenden drei Stufen: Allgemein anerkannte Regeln der Technik Bei der Planung, Berechnung und Ausführung von baulichen Anlagen sind die (allgemein) anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Hierunter versteht man Regeln, die wissenschaftlich begründet sind, von der Mehrheit der Fachleute anerkannt werden, praktisch erprobt sind und sich in der Praxis ausreichend bewährt haben. Der Begriff kennzeichnet somit eine bewährte konventionelle Ausführung. Stand der Technik Der Stand der Technik beschreibt die technischen Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt. Er basiert auf gesicherten Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik, ist wirtschaftlich durchführbar; allerdings liegen noch keine ausreichenden praktischen Erfahrungen vor. Im Patentwesen kennzeichnet der Begriff die bereits bekannten Verfahren und Vorrichtungen, deren Kenntnis für die Beurteilung der zu schützenden Neuerung erforderlich ist. Die Klausel Stand der Technik beschreibt den technisch und wirtschaftlich realisierbaren Fortschritt. Stand von Wissenschaft und Technik Der Stand der Wissenschaft stellt den aktuellen Forschungsstand in einem Fachgebiet dar. Er kennzeichnet einen technischen Entwicklungsstand, bei dem sich wissenschaftlich begründete Verfahren im Versuch als technisch durchführbar erwiesen haben. Eine Umsetzung in der Praxis steht jedoch noch aus. Mit diesen drei Technikklauseln werden unterschiedliche Anforderungsniveaus bezeichnet. Die Frage, welche Klausel zu wählen ist, richtet sich nach dem Gefährdungspotenzial, das von der jeweiligen Technik ausgeht, sowie nach ihrer Beherrschbarkeit. Der Begriff „Stand von Wissenschaft und Technik“ umschreibt das höchste Anforderungsniveau und wird daher in Fällen mit sehr hohem Gefährdungspotenzial verwendet, z. B. in den Bereichen Kernenergie, Pharmazie und Gentechnik. Dagegen wird die Klausel „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ für Fälle mit vergleichsweise geringem Gefährdungspotenzial oder für Fälle verwendet, die auf Grund gesicherter Erfahrungen technisch beherrschbar sind. Der Begriff wird in der Bauproduktenrichtlinie sowie in den Landesbauordnungen verwendet. Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik stellt eine Minimalforderung dar, d. h. bei Nichteinhaltung liegt ein Mangel vor. Die Technikklauseln definieren sich z. B. durch technische Normen oder wissenschaftliche Veröffentlichungen.
78
1 Grundlagen
1.4.2.2 Normen
Normen stellen im Bauwesen den überwiegenden Teil der technischen Regeln dar. In Deutschland werden die Normen vom Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) herausgegeben. Normen sind das Ergebnis nationaler, europäischer oder internationaler Normungsarbeit. Zweck der Normung ist eine Vereinheitlichung mit den Zielen Rationalisierung, Qualitätsverbesserung sowie Erhöhung der Sicherheit. Die fachliche Normungsarbeit wird von Arbeitsausschüssen wahrgenommen, denen Sachverständige aus Wissenschaft, Industrie, Bauverwaltung, Materialprüfung usw. angehören. Im Regelfall sind mehrere Arbeitsausschüsse zu einem Normenausschuss, z. B. Normenausschuss Bauwesen (NABau), zusammengefasst. Zurzeit existieren rd. 30.000 gültige DINNormen; davon werden über 3.000 Normen vom NABau betreut. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind nicht mit den Normen identisch, sondern gehen über diese hinaus. Andererseits stellt nicht jede Norm automatisch eine anerkannte Regel der Technik dar. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Beispielsweise können ältere Normen nicht mehr dem aktuellen technischen Stand entsprechen, während sich neu erschienene Normen noch nicht ausreichend in der Praxis bewährt haben. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bei der Erarbeitung einer Norm von den Ausschussmitgliedern unterschiedliche Interessenstandpunkte vertreten und in die Norm eingebracht werden. DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, d. h. ihre Anwendung ist freiwillig. Verbindlich werden sie erst, wenn sie vertraglich vereinbart werden oder der Gesetzgeber ihre Einhaltung zwingend vorschreibt, z. B. durch bauaufsichtliche Einführung. Normen sind keine Lehrbücher; sie liefern weder Erklärungen für die in einer Norm getroffenen Festlegungen noch vermitteln sie erforderliches Hintergrundwissen. Normen sind nicht für Laien gedacht; vielmehr muss der Anwender einer Norm über einen ausreichenden Sachverstand auf dem jeweiligen Gebiet verfügen, so wie dies für Rechtsnormen (Gesetze, Verordnungen usw.) ebenfalls gilt.
Bild 1-34 Logos der Normenorganisationen DIN, CEN und ISO
Für Normen auf Europäischer Ebene ist das Europäische Komitee für Normung (Abk.: CEN = Comité Européen de Normalisation) verantwortlich. CEN deckt alle technischen Bereiche außer Elektrotechnik (CENELEC) und Telekommunikation (ETSI) ab. Internationale Normen werden von der International Organisation for Standardization (ISO) herausgegeben. Als Vertreter der deutschen Interessen wirkt das DIN in den europäischen und internationalen Normungsorganisationen mit.
1.4 Regelwerke für Baustoffe
79
Die europäischen Normen (EN-Normen) werden zurzeit noch von den nationalen Normenorganisationen herausgegeben; sie werden in Deutschland mit DIN EN (plus Zählnummer, z. B. DIN EN 206) bezeichnet. Gleiches gilt für ISO-Normen, die hierzulande als DIN ISO (plus Zählnummer) herausgegeben werden. DIN EN ISO bezeichnet die deutsche Ausgabe einer Europäischen Norm, die mit einer internationalen Norm identisch ist und die unverändert von allen Mitgliedern der europäischen Normungsorganisationen CEN/CENELEC/ETSI übernommen wurde. Für das Bauwesen sind i. W. folgende Arten von Normen maßgebend: Produktnormen; Prüfnormen; Planungsnormen; Bemessungsnormen; Ausführungsnormen; Begriffsbestimmungsnormen. Die nationalen DIN-Normen sind im Allgemeinen deskriptiv aufgebaut. Dies bedeutet, dass sie ein Produkt präzise beschreiben, die anzuwendenden Prüfverfahren festlegen, seinen Verwendungszweck genau definieren und die ggf. erforderliche Bemessung regeln. Die harmonisierten Euro-Normen (hEN) hingegen sollen gemäß Bauproduktenrichtlinie dem so genannten „Performance-Konzept“ entsprechen. Dies bedeutet, dass nicht die Eigenschaften der Bauprodukte, sondern die aufgabenbezogene Leistungsfähigkeit der daraus hergestellten Bauteile oder Bauwerke nachgewiesen wird. Die Produkte werden nicht detailliert beschrieben, sondern es werden nur Produkteigenschaften und im Idealfall auch die Ermittlung von zugehörigen Leistungskennwerten genormt. Diese Leistungskennwerte werden vom Hersteller deklariert und bilden die Grundlage für die CE-Kennzeichnung. Dies hat u. a. zu einer strengen Trennung zwischen Produktnormen einerseits und Prüfnormen andererseits geführt. Ferner kommt hinzu, dass die Zuständigkeit für die Anwendung von Bauprodukten in der alleinigen Verantwortung der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten liegt. Deshalb dürfen hEN-Normen ausschließlich die Produkte, nicht jedoch deren Verwendung regeln. Solange die Bemessung noch nach nationalen Normen erfolgt, muss zwischen europäisch harmonisierter Produktnorm und nationaler Bemessungsnorm ein Bindeglied geschaffen werden. Diese Verbindung ist entweder über eine Anwendungsnorm oder eine Restnorm möglich. In Abschnitt 1.4.5 werden die Zusammenhänge am Beispiel Mauerwerk näher erläutert. Aufgrund der dargestellten Zusammenhänge fällt es den Bauschaffenden zunehmend schwieriger, den Überblick in der Normung – sofern überhaupt noch möglich – zu wahren. Die große Anzahl neu erscheinender bzw. ständig überarbeiteter Normen führt zu großen Unsicherheiten, welche Normen denn überhaupt relevant sind. Deshalb wurde es erforderlich, Hilfsmittel zu entwickeln, die hierzu Hilfestellung leisten können (siehe 1.4.2.3). Die Internetseite des Beuth-Verlages (www.beuth.de) bietet die Möglichkeit, gültige Normen zu einem bestimmten Thema zu recherchieren bzw. zu überprüfen, ob eine Norm noch aktuell ist. Außerdem werden hier Hinweise auf demnächst neu erscheinende Normen gegeben. Damit steht eine einfache Hilfe zur Verfügung, die von jedermann kostenfrei in Anspruch genommen werden kann; hingegen ist der Bezug von Normen (als pdf-Dateien) kostenpflichtig.
80
1 Grundlagen
1.4.2.3 Technische Baubestimmungen
Unter dem Begriff „Technische Baubestimmungen“ sind diejenigen Regeln der Technik zu verstehen, die zur Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen unerlässlich sind. Sie werden von den Obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder bekannt gemacht und damit bauaufsichtlich eingeführt. Die Technischen Baubestimmungen sind allgemein verbindlich und müssen von allen am Bau Beteiligten bei der Planung, Berechnung, Ausführung und baurechtlichen Überprüfung von baulichen Anlagen beachtet werden. Eine technische Regel kann – je nach Inhalt – entweder über die Liste der Technischen Baubestimmungen oder über die Bauregelliste A (siehe 1.4.3.1) als Technische Baubestimmung eingeführt werden. Die Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB) enthält technische Regeln zur Standsicherheit von Gebäuden sowie zum Brand-, Wärme-, Schall-, Erschütterungs- und Gesundheitsschutz. Das Deutsche Institut für Bautechnik bereitet im Auftrag der Länder die Einführung der LTB vor. Hierzu wird eine Musterliste der Technischen Baubestimmungen herausgegeben; sie wird zweimal jährlich aktualisiert und kann auf den Internetseiten des DIBt abgerufen werden (http://www.dibt.de/de/aktuelles_technische_baubestimmungen.html). Die LTB wird auf der Basis der Musterliste von den Bundesländern gesondert bekannt gemacht. Geringfügige inhaltliche Abweichungen zwischen den Listen der einzelnen Länder sind daher möglich. Im Teil I der LTB werden technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen bekannt gemacht. Die Liste ist vor allem für Planer und Ausführende von Interesse. Ihr inhaltlicher Aufbau ist in Tabelle 1.30 dargestellt. Falls die Regeln auf harmonisierte Bauprodukte Bezug nehmen und eine Anwendungsnorm für das Produkt existiert, werden die Anwendungsnormen im jeweiligen mit „E“ gekennzeichneten Anhang genannt (siehe 1.4.5). Sonstige Anwendungsregelungen werden in den Teilen II und III bekannt gemacht. Tabelle 1.30 Aufbau der LTB Teil I Teil I:
Technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen und ihrer Teile
1 Technische Regeln zu Lastannahmen und Grundlagen der Tragwerksplanung 2 Technische Regeln zur Bemessung und zur Ausführung 2.1 Grundbau 2.2 Mauerwerksbau 2.3 Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbau 2.4 Metallbau 2.5 Holzbau 2.6 Bauteile 2.7 Sonderkonstruktionen 3 Technische Regeln zum Brandschutz 4 Technische Regeln zum Wärme- und zum Schallschutz
1.4 Regelwerke für Baustoffe
81
4.1 Wärmeschutz 4.2 Schallschutz 5 Technische Regeln zum Bautenschutz 5.1 Schutz gegen seismische Einwirkungen 5.2 Holzschutz 6 Technische Regeln zum Gesundheitsschutz 7 Technische Regeln als Planungsgrundlagen
1.4.3 Verwendbarkeit von Baustoffen Bauprodukte dürfen für die Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen nur verwendet werden, wenn sie für den jeweiligen Verwendungszweck brauchbar sind. Der Nachweis der Verwendbarkeit richtet sich danach, ob für das betreffende Produkt nach wie vor nationale technische Regeln maßgebend sind oder bereits harmonisierte europäische Spezifikationen bestehen. Hiervon hängt auch die Kennzeichnung des Produktes entweder mit dem europäischen CE-Zeichen oder dem nationalen Übereinstimmungszeichen (ÜZeichen) ab. 1.4.3.1 Übereinstimmungsnachweis
In die Normen werden nur Bauprodukte aufgenommen, die allgemein gebräuchlich sind und sich in der Praxis bewährt haben. Diese Produkte werden in der MBO als geregelte Bauprodukte bezeichnet. Ihre Verwendbarkeit wird durch den für sie geforderten Übereinstimmungsnachweis bestätigt, bei dem die Übereinstimmung des Bauproduktes mit den maßgeblichen technischen Regeln geprüft wird. Die Bekanntgabe der Regeln erfolgt durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in der Bauregelliste A (siehe 1.4.4). Neu entwickelte Baustoffe und Bauarten lassen sich oftmals nicht in die bestehenden Normen einordnen; die Brauchbarkeit dieser nicht geregelten Bauprodukte muss daher anderweitig nachgewiesen werden. Dies gilt gleichermaßen für Bauprodukte, die wesentlich von vorhandenen technischen Regeln abweichen. In derartigen Fällen kann der Verwendbarkeitsnachweis durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis oder Zustimmung im Einzelfall erfolgen. Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ)
Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung ist beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) zu beantragen. Das DIBt legt die zu erbringenden Nachweise fest, beurteilt die vorgelegten Prüfergebnisse und entscheidet über die Zulassung – jeweils in Abstimmung mit dem Sachverständigenausschuss. Die Zulassungen gelten in der gesamten Bundesrepublik; ihre Gültigkeitsdauer ist in der Regel auf 5 Jahre begrenzt.
82
1 Grundlagen
Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP)
Anstelle der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung reicht bei einem Teil der nicht geregelten Bauprodukte ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis einer anerkannten Prüfstelle aus, und zwar dann, wenn das Bauprodukt keine erheblichen Anforderungen an die Sicherheit baulicher Anlagen erfüllen muss oder nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden kann. Zustimmung im Einzelfall (ZiE)
Der Nachweis der Verwendbarkeit von Bauprodukten kann für ein konkretes Bauvorhaben durch eine Zustimmung im Einzelfall erbracht werden. Für ihre Erteilung sind die Obersten Bauaufsichtsbehörden der einzelnen Bundesländer zuständig.
Bild 1-35 Systematik der Bauprodukte nach LBO
Die Verwendbarkeit von Bauprodukten ergibt sich somit bei geregelten Bauprodukten aus der Übereinstimmung mit den ihnen zugrunde liegenden technischen Regeln laut Bauregelliste A, bei nicht geregelten Bauprodukte aus der Übereinstimmung mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, dem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis oder der Zustimmung im Einzelfall. Der Nachweis der Übereinstimmung ist nach drei verschiedenen Formen möglich, wobei Unterschiede hinsichtlich Einbeziehung von Drittstellen (Prüf-, Überwachungs-, Zertifizierungsstellen) bestehen. Wichtigstes Element bei allen drei Nachweisformen ist die werkseigene Produktionskontrolle durch den Hersteller.
83
1.4 Regelwerke für Baustoffe
Folgende Formen des Übereinstimmungsnachweises werden unterschieden: Übereinstimmungserklärung des Herstellers (ÜH): Werkseigene Produktionskontrolle durch den Hersteller; Bestätigung der Übereinstimmung durch den Hersteller. Übereinstimmungserklärung des Herstellers nach vorheriger Prüfung des Produktes durch eine anerkannte Prüfstelle (ÜHP): Werkseigene Produktionskontrolle durch den Hersteller; Bestätigung der Übereinstimmung durch den Hersteller, vorherige Produktprüfung durch eine Prüfstelle. Übereinstimmungszertifikat einer anerkannten Zertifizierungsstelle (ÜZ): Werkseigene Produktionskontrolle durch den Hersteller; Bestätigung der Übereinstimmung durch eine Zertifizierungsstelle; laufende Fremdüberwachung durch eine Überwachungsstelle. In der Bauregelliste A ist festgelegt, welche der drei Nachweisformen bei den jeweiligen Baustoffen anzuwenden ist. Der Hersteller dokumentiert die Übereinstimmung des Produktes durch Kennzeichnung mit dem Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen). Das Ü-Zeichen besteht aus dem Buchstaben Ü und hat die Angaben gemäß Bild 1-36 zu enthalten. 1) Name des Herstellers, ggf. Herstellwerk 2) Grundlage der Übereinstimmungsbestätigung a) Kurzbezeichnung der technischen Regel oder b) Nummer der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung "Z..."oder c) Nummer des allgemeinen bauaufsichtlichen "P....."mit Bezeichnung der Prüfstelle oder
Prüfzeugnisses
d) die Bezeichnung für eine Zustimmung im Einzelfall als "ZiE" und die Behörde. 3) ggf. besondere Merkmale des Bauproduktes 4) Bezeichnung oder Logo der Zertifizierungsstelle – sofern erforderlich Bild 1-36 Übereinstimmungszeichen
Das Ü-Zeichen mit den zugehörigen Angaben wird auf der Verpackung, einem Beipackzettel oder dem Lieferschein angebracht; zusätzlich ist eine Anbringung des Ü-Zeichens auf dem Bauprodukt zulässig. Neben den geregelten und den nicht geregelten Bauprodukten wird in der MBO der Begriff Sonstige Bauprodukte verwendet. Hierunter sind Bauprodukte zu verstehen, die nicht der Erfüllung wesentlicher Anforderungen an ein Bauwerk dienen, d. h. von untergeordneter Bedeutung sind. Der Nachweis der Verwendbarkeit ist hier nicht erforderlich. Dies bedeutet
84
1 Grundlagen
allerdings nicht, dass an diese Produkte keine Anforderungen gestellt werden. Selbstverständlich müssen auch die Sonstigen Bauprodukte Anforderungen, z. B. hinsichtlich Tragfähigkeit, Dauerhaftigkeit, Brandschutz usw. erfüllen. Sonstige Bauprodukte dürfen nicht mit dem Ü-Zeichen gekennzeichnet werden. 1.4.3.2 Konformitätsnachweis
Der Konformitätsnachweis findet Anwendung bei Bauprodukten, für die bereits harmonisierte europäische Spezifikationen nach der Bauproduktenrichtlinie bestehen. Hierzu zählen: harmonisierte europäische Normen und europäische technische Zulassungen. Die Ausarbeitung von harmonisierten europäischen Normen wird von der Europäische Kommission durch Mandate (Normungsaufträge) bei der Europäischen Normenorganisation CEN in Auftrag gegeben. Ein Mandat gibt z. B. vor, welche Produkteigenschaften in der Norm zu erfassen sind; dabei werden diese Produkteigenschaften den sechs Wesentlichen Anforderungen nach der BPR zugeordnet. Bei der Erarbeitung einer hEN werden oft zusätzliche nicht im Mandat aufgeführte Eigenschaften mit aufgenommen. Die Bezeichnung „harmonisiert“ bezieht sich daher eigentlich nicht auf die gesamte Norm, sondern nur auf die vom Normungsauftrag abgedeckten Teile. Jede hEN enthält einen Anhang ZA, in dem die vom Mandat abgedeckten maßgeblichen Produkteigenschaften aufgelistet werden und auf die zugehörigen Kapitel in der Norm verwiesen wird. Außerdem sind im Anhang ZA das anzuwendende Konformitätsnachweissystem sowie Angaben zur CE-Kennzeichnung zu finden. Die Europäische Technische Zulassung (ETA – European Technical Approval) ist ein europäisches Nachweisverfahren der Brauchbarkeit eines Bauproduktes (analog zur nationalen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung). Sie kann für Bauprodukte erteilt werden, für die (noch) keine harmonisierten Normen nach der Bauproduktenrichtlinie vorliegen oder die wesentlich von einer harmonisierten Norm abweichen. Die Verwendung von Bauprodukten, für die bereits harmonisierte europäische Spezifikationen bestehen, ist im Bauproduktengesetz geregelt. Danach darf ein Bauprodukt nur dann in den Verkehr gebracht und frei gehandelt werden, wenn die Konformität, d. h. seine Übereinstimmung mit der entsprechenden europäischen Spezifikation, nachgewiesen wurde. Das Nachweisverfahren der Konformität kann aus einem oder mehreren der folgenden Elemente bestehen: Erstprüfung des Bauproduktes durch den Hersteller oder eine Prüfstelle; Prüfungen von im Werk entnommenen Proben nach festgelegtem Prüfplan durch den Hersteller oder eine Prüfstelle; Stichprobenprüfung von im Werk, im freien Verkehr oder auf der Baustelle entnommenen Proben durch den Hersteller oder eine Prüfstelle; ständige Eigenüberwachung der Produktion durch den Hersteller (werkseigene Produktionskontrolle):
85
1.4 Regelwerke für Baustoffe
Erstinspektion des Werkes und der werkseigenen Produktionskontrolle durch eine Überwachungsstelle; laufende Überwachung, Beurteilung und Auswertung der werkseigenen Produktionskontrolle durch eine Überwachungsstelle.
Tabelle 1.31 Systeme der Konformitätskontrolle Systeme nach BPR Anhang III 2(i)
Elemente der Konformitätskontrolle 1+
2(ii)-1 1
2+
2
2(ii) -2
2(ii) -3
3
4
Hersteller
Erstprüfung des Bauproduktes Prüfungen von im Werk entnommenen Proben werkseigene Produktionskontrolle
zugelassene Stelle
Erstprüfung des Bauproduktes Stichprobenprüfung von im Werk, im freien Verkehr oder auf der Baustelle entnommenen Proben Erstinspektion des Werkes und der werkseigenen Produktionskontrolle laufende Überwachung, Beurteilung und Auswertung der werkseigenen Produktionskontrolle Bestätigung der Konformität durch
Zertifizierung
Herstellererklärung
Die Bestätigung der Konformität erfolgt entweder durch ein Konformitätszertifikat (Systeme 1+, 1) oder durch eine Konformitätserklärung des Herstellers (Systeme 2+, 2, 3, 4). Im Anhang ZA der jeweiligen Produktnorm ist angegeben, welches System anzuwenden ist. Der Hersteller bestätigt die Konformität des Produktes mit der CE-Konformitätskennzeichnung, kurz CE-Zeichen genannt („Communauté Européenne“ = Europäische Gemeinschaft). Bei Verkleinerung oder Vergrößerung der CE-Kennzeichnung müssen die in Bild 1-37 dargestellten Proportionen eingehalten werden. Neben der CE-Kennzeichnung sind weitere Angaben erforderlich, die im Anhang ZA der jeweiligen Produktnorm genannt werden. Die CE-Kennzeichnung wird auf dem Produkte selbst, auf der Verpackung und in den Begleitpapieren (z. B. Lieferschein) angebracht.
86
1 Grundlagen
Bild 1-37 CE-Kennzeichnung
Die EU-Mitgliedsstaaten dürfen das Inverkehrbringen von oder den Handel mit CEgekennzeichneten Produkten nicht behindern oder einschränken. Die CE-Kennzeichnung wird deshalb auch als "europäischer Reisepass“ für Produkte bezeichnet. Das CE-Zeichen ist kein Qualitätssiegel oder Gütezeichen, sondern vor allem ein Verwaltungszeichen für die Marktüberwachungsbehörden in der Europäischen Gemeinschaft. Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung werden in die Bauregelliste B aufgenommen.
1.4.4 Bauregellisten Die maßgeblichen technischen Regeln für Bauprodukte und Bauarten werden vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in den Bauregellisten (BRL) aufgestellt und bekannt gemacht. Man unterscheidet die Bauregellisten A und B, die wiederum aus mehreren Teilen bestehen, sowie die Liste C. Die BRL werden ständig fortgeschrieben; jährlich erscheint eine Komplettausgabe als Sonderheft der DIBt-Mitteilungen. 1.4.4.1 Bauregelliste A
In der Bauregelliste A werden diejenigen Regeln bekannt gemacht, die erforderlich sind, um die in der jeweiligen LBO gestellten Anforderungen an bauliche Anlagen zu erfüllen. Die BRL A gibt in ihren drei Teilen eine Übersicht geregelter und nicht geregelter Bauprodukte und Bauarten. Bauregelliste A Teil 1
Teil 1 der Bauregelliste A enthält diejenigen Bauprodukte, für die es technische Regeln gibt (geregelte Bauprodukte). Bei den angegebenen Regeln ist zu unterscheiden zwischen a) Regeln für Produkte, die europäisch noch nicht harmonisiert sind. Hier gelten weiterhin die bisherigen DIN-Normen. b) Restnormen, die eine hEN ergänzen, wenn dort bestimmte Produkteigenschaften nicht geregelt sind. Die zugehörige hEN wird in der Bauregelliste B Teil 1 bekannt gemacht. Die Bauprodukte in der BRL A Teil 1 werden gemäß Tabelle 1.32 nach Produktgruppen geordnet angegeben. In der Tabelle ist außerdem die Anzahl der Einträge Stand 2006-10 und Stand 2009-07 im Vergleich dargestellt. Man erkennt, dass in einigen Bereichen (Beton- und
87
1.4 Regelwerke für Baustoffe
Stahlbetonbau, Mauerwerksbau, Metallbau) die Zahl der Einträge deutlich zurückgegangen ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in zunehmendem Maße Euronormen eingeführt werden und die nationalen Normen aus der BRL A Teil 1 gestrichen werden.
Tabelle 1.32 Gliederung der Bauregelliste A Teil 1 Kapitel
Bezeichnung
Anzahl der Einträge Stand 2006-10
Stand 2009-07
1
Bauprodukte für den Beton- und Stahlbetonbau
59
43
2
Bauprodukte für den Mauerwerksbau
32
17
3
Bauprodukte für den Holzbau
28
23
4
Bauprodukte für den Metallbau
119
67
5
Dämmstoffe für den Wärme- und Schallschutz
4
4
6
Türen und Tore
15
17
7
Lager
5
3
8
Sonderkonstruktionen
6
9
9
Bauprodukte für Wand- und Deckenbekleidungen und nichttragende innere Trennwände
11
10
10
Bauprodukte für die Bauwerksabdichtung und Dachabdichtung
27
6
11
Bauprodukte aus Glas
10
8
12
Bauprodukte der Grundstücksentwässerung
37
37
13
Abwasserbehandlungsanlagen
1
0
14
Feuerungsanlagen
17
13
15
Bauprodukte für ortsfest verwendete Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen von wassergefährdenden Stoffen
29
29
16
Gerüstbauteile
11
13
17
Technische Gebäudeausrüstung
5
5
Die Bauregelliste A Teil 1 enthält folgende Angaben: das Bauprodukt; die technischen Regeln; die erforderlichen Übereinstimmungsnachweise (ÜH, ÜHP, ÜZ); die bei Abweichung von den technischen Regeln erforderlichen Verwendbarkeitsnachweise (Z = allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, P = allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis).
88
1 Grundlagen
Tabelle 1.33 Auszug aus der Bauregelliste A Teil 1 Übereinstimmungsnachweis
Verwendbarkeitsnachweis bei wesentlicher Abweichung von den technischen Regeln
DIN 1164-12:2005-06
ÜZ
Z
Rezyklierte Gesteinskörnungen, Typ 1 und Typ 2
DIN 4226-100:2002-02
ÜZ
Z
1.4.1
Betonstabstahl
DIN 488-2, -6:1986-06
ÜZ
Z
2.1.23
Mauerziegel nach EN 771-1 mit besonderen Eigenschaften
DIN V 105-100:2005-10, Abschnitte 4.8 und 4.9
ÜH
Z
2.3.5
Werkmörtel mit besonderen Eigenschaften
DIN V 18580:2004-03
ÜH
Z
Lfd. Nr.
Bauprodukt
1.1.9
Zement mit einem erhöhten Anteil an organischen Bestandteilen
1.2.6
Technische Regeln
ÜH Übereinstimmungserklärung des Herstellers ÜHP Übereinstimmungserklärung des Herstellers nach vorheriger Prüfung des Bauprodukts durch eine anerkannte Prüfstelle ÜZ Übereinstimmungszertifikat durch eine anerkannte Zertifizierungsstelle Z Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung P Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis
Bauregelliste A Teil 2
Die BRL A Teil 2 enthält nicht geregelte Bauprodukte, deren Verwendung nicht der Erfüllung erheblicher Anforderungen an die Sicherheit baulicher Anlagen dient und für die es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik gibt oder für die es Technische Baubestimmungen oder allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht oder nicht für alle Anforderungen gibt und die hinsichtlich dieser Anforderungen nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden können. Die Produkte benötigen als Verwendbarkeitsnachweis anstelle einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung lediglich ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (P). Die Liste enthält u. a. Abdichtungs- und Beschichtungsstoffe, Instandsetzungsmaterialien, verschiedene Bauelemente mit Anforderungen hinsichtlich Brand- und/oder Schallschutz. Bauregelliste A Teil 3
Die BRL A Teil 3 gilt entsprechend für nicht geregelte Bauarten. Unter Bauarten versteht man „das Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen“ (§ 2 Abs. 10 MBO).
89
1.4 Regelwerke für Baustoffe 1.4.4.2 Bauregelliste B
In der Bauregelliste B sind Produkte aufgeführt, die nach den Vorschriften der EU-Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen und die die CE-Kennzeichnung tragen. Bauregelliste B Teil 1
Hier sind Bauprodukte aufgelistet, die die Vorgaben der Bauproduktenrichtlinie erfüllen. Im ersten Abschnitt werden Bauprodukte im Geltungsbereich harmonisierter Normen behandelt. Die übrigen Abschnitte befassen sich mit Produkten auf der Grundlage von europäischen technischen Zulassungen. Die Bauregelliste B enthält für die aufgelisteten Bauprodukte folgende Angaben: die Bezeichnung des Bauproduktes, die maßgebliche technische Regel (Norm bzw. Europäische Technische Zulassung ETA), die in Abhängigkeit vom Verwendungszweck erforderlichen Stufen und Klassen. Tabelle 1.34 Auszug aus der Bauregelliste B Teil 1 Lfd. Nr.
Bauprodukte Bezeichnung
1.2.1.1
Mauerziegel
Norm
In Abhängigkeit vom Verwendungszweck erforderliche Stufen und Klassen
EN 771-1:2003-04,
Anlage 01
EN 771-1/A1:2005-02
Zusätzlich gilt: Anlage 1/2.2
In Deutschland umgesetzt durch DIN EN 771-1:2005-05 1.2.3.1
Werkmauermörtel
EN 998-2:2003
Anlage 01
In Deutschland umgesetzt durch DIN EN 998-2:2003-09
Bei sämtlichen in der BRL B Teil 1 aufgeführten Bauprodukten wird in der rechten Spalte die Anlage 01 aufgeführt. Anlage 01 verweist auf die Gültigkeit der Stufen, Klassen und Verwendungsbedingungen, die in den Landesbauordnungen vorgegeben sind. Außerdem findet sich dort ein Hinweis bzgl. Zuordnung von Feuerwiderstandsklassen und Brandeigenschaften von Baustoffen zu den bauaufsichtlichen Benennungen (siehe 1.2.12.5). Sofern zusätzlich geltende Anlagen genannt sind, enthalten diese produktspezifische Informationen. So findet man z. B. in Anlage 1/2.2 Hinweise zum Frostwiderstand von Mauerziegeln.
Bauregelliste B Teil 2
In der Bauregelliste B Teil 2 werden Bauprodukte aufgenommen, die aufgrund anderer Richtlinien als der BPR in Verkehr gebracht werden, z. B. Maschinenrichtlinie oder Gasgeräterichtlinie. Hierbei handelt es sich um Produkte für die technische Gebäudeausrüstung
90
1 Grundlagen
(z. B. Lüftungsanlagen, Feuerstätten), Bauprodukte für Umschlaganlagen von wassergefährdenden Stoffen (z. B. Überfüllsicherungen, Leckanzeigegeräte) sowie Zubehörteile für den Brandschutz (z. B. automatische Schiebetüren in Rettungswegen). Für Baustoffe ist dieser Teil nicht relevant; deshalb wird auf weitere Ausführungen an dieser Stelle verzichtet. 1.4.4.3 Liste C
Bauprodukte, für die es weder technische Baubestimmungen noch allgemein anerkannte Regeln der Technik gibt, und die für die Erfüllung bauordnungsrechtlicher Anforderungen nur eine untergeordnete Bedeutung haben, werden in die Liste C aufgenommen. Bei diesen Produkten entfallen Verwendbarkeits- und Übereinstimmungsnachweise. Bauprodukte der Liste C dürfen kein Übereinstimmungszeichen tragen. Tabelle 1.35 Gliederung der Liste C Kapitel
Beispiele
1 Bauprodukte für den Rohbau
Dränelemente, Dachunterspannbahnen
2 Bauprodukte für den Ausbau
Türen und Fenster, Bodenbeläge
3 Bauprodukte der Haustechnik
Öl-Nassbrenner, Lüftungsleitungen
4 Bauprodukte für ortsfest verwendete Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen von wassergefährdenden Stoffen
– keine Eintragungen –
5 Andere Bauprodukte
Regen- und Trinkwasserbehälter
6 Bauprodukte für Deponien
Entwässerungsrohre, Dichtungselemente
7 Bauprodukte für die Instandsetzung
Betonbeschichtungen, Rissfüllstoffe (sofern keine Anforderungen an Standsicherheit und Dichtheit)
Ungeachtet dessen können an die in Liste C genannten Bauprodukte Anforderungen gestellt werden, z. B. hinsichtlich Brandschutz, Umwelt- oder Gesundheitsschutz. Aus dem generellen Verwendungsverbot für leichtentflammbare Baustoffe ergibt sich Normalentflammbarkeit als Mindestanforderung. Ferner können sich z. B. aus der Gefahrstoffverordnung oder dem Chemikaliengesetz stoffliche Verbote oder Beschränkungen ergeben.
1.4.5 Umsetzung von europäischen Normen in das nationale Regelwerk Nach Fertigstellung einer europäisch harmonisierten Produktnorm ist es erforderlich, sie in das deutsche Regelwerk umzusetzen. Dabei muss das CE-gekennzeichnete Produkt als solches akzeptiert werden; ein Eingriff in den Regelungsbereich der hEN ist nicht zulässig. Allerdings kann die Verwendung des Bauproduktes geregelt und sein Einsatz auf bestimmte Bereiche begrenzt werden.
91
1.4 Regelwerke für Baustoffe 1.4.5.1 Zeitplan für die Umsetzung
Auf Grundlage der Bauproduktenrichtlinie werden seit 1988 harmonisierte europäische Normen für Bauprodukte erarbeitet. Dabei erweist sich die Normung auf europäischer Ebene stellenweise als ein schwieriges und langwieriges Unterfangen. So wurde erst im April 2001 mit Inkrafttreten der Zementnorm EN 197 die erste CE-Kennzeichnung eines Bauproduktes möglich. Die Umsetzung einer harmonisierten europäischen Norm erfolgt nach einem festgelegten Zeitplan, der in Bild 1-38 dargestellt ist. Folgende Termine sind dabei von besonderem Interesse: DAV: Datum der Verfügbarkeit (Date of Availability) Datum, zu dem der endgültige Normentext in den offiziellen Sprachfassungen zur Verfügung steht. DAPP: Datum der Anwendbarkeit (Date of Applicability) Von diesem Termin an kann die CE-Kennzeichnung erfolgen, vorausgesetzt die harmonisierte Norm ist national umgesetzt (DIN EN) und im Bundesanzeiger veröffentlicht. DOW: Datum der Zurückziehung (Date of Withdrawal) Spätestes Datum, zu dem nationale Normen, die einer EN entgegenstehen, zurückgezogen werden müssen. Die Vorbereitungszeit beträgt im Allgemeinen nur 9 Monate. Innerhalb dieses Zeitraumes müssen die Mitgliedstaaten ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften anpassen und ggf. nationale technische Regeln erlassen, um die Verwendbarkeit der harmonisierten Produkte sicherzustellen. Die hEN wird im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht; gleichzeitig werden DAPP und DOW, d. h. Anfang und Ende der Übergangszeit, bekannt gemacht. Somit ist die Vorbereitungszeit in erster Linie für die Mitgliedstaaten von Bedeutung. Datum der Verfügbarkeit (DAV)
Datum der Anwendbarkeit (DAPP)
Vorbereitungszeit
Datum der Zurückziehung (DOW)
Übergangszeit (Koexistenzperiode)
ca. 9 Monate i.d.R. 12 Monate Gültigkeitzeitraum der nationalen DIN
Gültigkeitszeitraum der harmonisierten EN
Kennzeichnung des Produktes oder
Bild 1-38 Zeitplan für die Umsetzung einer harmonisierten EN
92
1 Grundlagen
Die Länge der Übergangszeit hingegen ist vor allem für die Hersteller, aber auch für Planer und Bauausführende von Interesse. Der Hersteller muss während dieser Zeit u. a. sein Produkt bzw. die Produktionseinrichtungen und -prozesse an die neuen Gegebenheiten anpassen, alle für die CE-Kennzeichnung notwendigen Vorbereitungen treffen und ggf. noch vorhandene Lagerbestände absetzen. Sobald die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Hersteller sein Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen. Die Übergangszeit wird auch Koexistenzperiode genannt, weil in diesem Zeitraum die alte DIN-Norm und die neue hEN nebeneinander gültig sind. Demzufolge können Produkte während dieser Phase entweder mit dem Ü-Zeichen oder dem CE-Zeichen gekennzeichnet werden. Die Koexistenzperiode dauert bei harmonisierten Normen im Regelfall 12 Monate. Spätestens zum Zeitpunkt der Zurückziehung (DOW) müssen alle nationalen Normen, die der hEN entgegenstehen, zurückgezogen sein. Alle Hersteller müssen bis dahin ihr Produkt auf die CE-Kennzeichnung umgestellt haben. 1.4.5.2 Anwendungs- und Restnormen
In etlichen harmonisierten europäischen Produktnormen werden die Produkteigenschaften nicht in der gleichen Art und Weise beschrieben wie in den bisher gültigen nationalen Produktnormen; außerdem sind in den hEN teilweise nicht alle Produkteigenschaften erfasst, die in Deutschland für deren Verwendung gefordert werden. Solange die Bemessung noch nach nationalen Vorschriften erfolgt, bedarf es daher zusätzlicher Regeln, die ein Bindeglied zwischen europäischer Produktnorm und nationaler Bemessungsnorm darstellen. Derartige nationale Anwendungsregeln können entweder als Norm oder als Zulassung formuliert werden. Normen werden meist als Vornormen (DIN V ...) veröffentlicht, weil für Vornormen keine vorherige Veröffentlichung eines Normentwurfs erforderlich ist und dadurch das Normungsverfahren beschleunigt werden kann. Durch ihre Aufnahme in die BRL bzw. LTB sind die Vornormen trotzdem verbindlich. Man unterscheidet zwischen so genannten Restnormen und Anwendungsnormen.
Restnormen sind ergänzende nationale Produktnormen und richten sich damit an den Hersteller, der für die Einhaltung der zusätzlich in den Restnormen geforderten Eigenschaften verantwortlich ist. Als Beispiel sei die in Tabelle 1.32 unter lfd. Nr. 2.1.23 aufgeführte Restnorm DIN V 105-100 „Mauerziegel nach EN 771-1 mit besonderen Eigenschaften“ genannt; sie enthält u. a. die in EN 771-1 nicht enthaltenen Angaben bzgl. Frostwiderstand. Außerdem finden sich hier die bisher in Deutschland üblichen Steinformate, Rohdichte- und Druckfestigkeitsklassen, die für die Bemessung nach DIN 1053 benötigt werden. Bauprodukte, die die zusätzlichen Anforderungen einer Restnorm erfüllen, tragen neben der CE-Kennzeichnung zusätzlich das Übereinstimmungszeichen. Solche Produkte können ohne weitere Nachweise wie bisher verwendet werden; für den Anwender ändert sich praktisch nichts.
Anwendungsnormen sind keine Produktnormen; sie richten sich somit nicht an den Hersteller, sondern an den Anwender des Bauproduktes, d. h. an Planer und Bauherren. Sie enthalten technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion von baulichen Anlagen bei
1.4 Regelwerke für Baustoffe
93
Verwendung der entsprechenden CE-gekennzeichneten Produkte. Für die Einhaltung der in Anwendungsnormen getroffenen Regelungen ist der Anwender verantwortlich. In Anwendungsnormen wird u. a. geregelt, wie die vom Hersteller deklarierten Werte aus der CE-Kennzeichnung in Bemessungswerte umzurechnen sind. Beispielsweise dürfen Hersteller von Mauerziegeln nach EN 771-1 die Druckfestigkeit ihres Produktes durch Angabe eines Mittelwertes deklarieren, der an ofengetrockneten Proben bestimmt wird. Für die Bemessung von Mauerwerk nach DIN 1053 ist jedoch die Angabe einer Steinfestigkeitsklasse notwendig, bei deren Festlegung zusätzlich die Prüfkörperschlankheit sowie ggf. unterschiedliche Trocknungsbedingungen zu berücksichtigen sind; die hierfür erforderlichen Umrechnungsfaktoren sind in der Anwendungsnorm DIN V 20000-401 „Regeln für die Verwendung von Mauerziegeln nach DIN EN 771-1“ festgelegt.
Bild 1-39 Funktion von Anwendungsnorm und Restnorm am Beispiel Mauerwerk aus Mauerziegeln
In Bild 1-39 ist der gesamte Normenzusammenhang für Mauerwerk aus Mauerziegeln grafisch dargestellt. Das Bindeglied zwischen der europäischen Produktnorm EN 771-1 und der nationalen Bemessungsnorm DIN 1053 stellt alternativ die Restnorm DIN V 105-100 bzw. die Anwendungsnorm DIN V 20000-401 dar. Die Angaben in Klammern geben die Stelle der Bekanntmachung in der Bauregelliste (BRL) bzw. in der Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB) an. Für den Anwender von Mauerziegeln ergeben sich grundsätzlich die folgenden beiden Möglichkeiten:
94
1 Grundlagen
1. Es werden Ziegel verwendet, die die Anforderungen der Restnorm DIN V 105-100 erfüllen und daher neben der CE-Kennzeichnung zusätzlich das Ü-Zeichen tragen; dies ist bei praktisch allen in Deutschland hergestellten Mauerziegeln der Fall. Weitere Nachweise sind nicht erforderlich, d. h. DIN V 20000-401 muss in diesem Fall nicht beachtet werden. Das Produkt kann wie bisher üblich verwendet werden. 2. Bei Ziegeln, die die CE-Kennzeichnung aber kein Ü-Zeichen tragen, muss die Anwendungsnorm DIN V 20000-401 beachtet werden; für die Einhaltung der dort festgelegten Anforderungen ist der Anwender verantwortlich. Die beschriebene Wahlmöglichkeit ist selbstverständlich nur in denjenigen Fällen möglich, in denen eine Restnorm parallel zur Anwendungsnorm existiert; ansonsten ist die entsprechende Anwendungsnorm verbindlich zu beachten.
1.4.5.3 Harmonisierte Regeln für die Tragwerksplanung: die Eurocodes
Im Jahre 1975 beschloss die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ein Programm, dessen Zielsetzung die Beseitigung technischer Handelshemmnisse und die Harmonisierung technischer Normen im Bauwesen war. Im Rahmen dieses Programms wurde die Bearbeitung von harmonisierten technischen Regelwerken für die Tragwerksplanung von Bauwerken eingeleitet. Diese unter der Bezeichnung „Eurocodes“ bekannt gewordenen Regeln dienten zunächst als Alternative zu den in den Mitgliedsländern geltenden Regeln. Die erste Generation der Eurocodes wurde ab Mitte der 90er Jahre als Europäische Vornorm (ENV) veröffentlicht. Diese ENV waren zur Anwendung empfohlen, um Erfahrungen mit den zum Teil grundlegend neuen Inhalten sammeln zu können. Aufbauend auf den praktischen Erfahrungen wurde Ende der 90er Jahre mit der Überarbeitung begonnen; dabei werden die Eurocodes schrittweise in Europäische Normen (EN) überführt. Die Eurocodes haben, da sie sich auf Bauwerke beziehen, eine direkte Verbindung zu den Grundlagendokumenten, die die sechs Wesentlichen Anforderungen der Bauproduktenrichtlinie an Bauwerke konkretisieren. Besondere Bedeutung kommt den Eurocodes zu bei der Wesentlichen Anforderung Nr. 1 „Mechanische Festigkeit und Standsicherheit“ und bei einem Teil der Anforderung Nr. 2 „Brandschutz“, aber auch bei der Dauerhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit der Bauwerke. Die Übernahme der Eurocodes in das nationale Normenwerk erfolgt analog zur Einführung von harmonisierten Produktnormen. Während der Übergangszeit können entweder die Eurocodes oder die noch gültigen nationalen Regelungen angewendet werden. Spätestens mit Ablauf der Übergangsfrist müssen alle den Eurocodes widersprechenden nationalen Normen überarbeitet oder außer Kraft gesetzt worden sein.
95
1.4 Regelwerke für Baustoffe Tabelle 1.36 Eurocodes Eurocode 0
Titel
Normenreihe
Grundlagen der Tragwerksplanung
DIN EN 1990
1
Einwirkungen auf Tragwerke
DIN EN 1991
2
Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken
DIN EN 1992
3
Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten
DIN EN 1993
4
Bemessung und Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton
DIN EN 1994
5
Bemessung und Konstruktion von Holzbauten
DIN EN 1995
6
Bemessung und Konstruktion von Mauerwerksbauten
DIN EN 1996
7
Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik
DIN EN 1997
8
Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben
DIN EN 1998
9
Bemessung und Konstruktion von Aluminiumtragwerken
DIN EN 1999
Als Zurückziehungsdatum der nationalen Bemessungsnormen wurde vom CEN der 31. März 2010 vorgegeben. Dieser Termin konnte nicht eingehalten werden, weil erst Ende 2010 mit der Fertigstellung aller 58 Eurocode-Teile in Deutschland zu rechnen ist. In den Eurocodes wird ein wesentlicher Grundsatz der BPR umgesetzt: Nach Artikel 3 Absatz 2 sind „unterschiedliche Bedingungen geographischer, klimatischer und lebensgewohnheitlicher Art sowie unterschiedliche Schutzniveaus zu berücksichtigen, die gegebenenfalls auf einzelstaatlicher, regionaler oder lokaler Ebene bestehen“. Um den unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, erlauben die Eurocodes die Festlegung von so genannten „national bestimmbaren Parametern“ („Nationally Determined Parameter“ NDP). Diese Parameter werden in einem nationalen Anhang veröffentlicht, der zu jedem Eurocode-Teil – sofern erforderlich – erscheinen wird. Beispiel: Die Normenreihe EN 1991 „Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke“ regelt im Teil 1-3 die Einwirkung von Schneelasten. Schneelasten sind ja bekanntermaßen europaweit, aber auch innerhalb Deutschlands regional sehr unterschiedlich. Der zugehörige nationale Anhang DIN EN 1991-1-3/NA1 enthält u. a. eine Karte mit den unterschiedlichen Schneelastzonen in Deutschland. Aus Sicht der Baustoffkunde stellt sich die Frage, welche Änderungen sich im Hinblick auf Baustoffe mit der verbindlichen Einführung der Eurocodes ergeben werden. Grundsätzlich soll jede Baustoffeigenschaft X möglichst als charakteristischer Wert Xk angegeben werden. Dieser Wert entspricht i. d. R. einem bestimmten Quantil der statistischen Verteilung (z. B. 5 %-Quantil bei Festigkeiten).
96
1 Grundlagen
Der für die Tragwerksplanung maßgebliche Bemessungswert Xd wird folgendermaßen berechnet: Xd = η ⋅
Xk
γm
(1.66)
Dabei sind: Xk
charakteristischer Wert einer Baustoffeigenschaft Umrechnungsbeiwert zwischen Probeneigenschaften und maßgebenden Eigenschaften im Bauteil, der die Auswirkung von - Volumen- und Maßstabseffekten, - Feuchtigkeits- und Temperaturauswirkungen und - anderen maßgebenden Parametern berücksichtigt.
m
Teilsicherheitsbeiwert für die Baustoffeigenschaft, der Folgendes abdeckt: - Möglichkeit ungünstiger Abweichungen der Baustoff- oder Produkteigenschaft vom charakteristischen Wert, - die Streuung des Umrechnungsbeiwertes .
In einigen Fällen wird der Umrechnungsbeiwert implizit im charakteristischen Wert Xk bzw. im Teilsicherheitsbeiwert berücksichtigt.
1.4.6 Revision der Bauproduktenrichtlinie Eine Revision der Bauproduktenrichtlinie ist bereits seit Längerem im Gespräch. Die mit der BPR gesammelten Erfahrungen zeigen, dass die Richtlinie Handelsschranken nur teilweise beseitigt und keine optimalen Bedingungen für den freien Warenverkehr in der Gemeinschaft schafft. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die BPR in den Mitgliedstaaten zeitlich, aber auch inhaltlich sehr unterschiedlich umgesetzt wurde. So ist die CE-Kennzeichnung von Bauprodukten in einigen Mitgliedstaaten freiwillig, während sie in den übrigen Staaten verbindlich gefordert wird. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen kann die CE-Kennzeichnung einen beträchtlichen Kostenfaktor darstellen, so dass die national unterschiedliche Umsetzung zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Ohnehin ist die Bedeutung des Zeichens weitgehend unklar, woraus vielerorts ein Misstrauen gegenüber der CE-Kennzeichnung selbst bzw. gegenüber CE-gekennzeichneten Produkten resultiert. Im Mai 2008 legte die Europäische Kommission einen ersten Entwurf zur geplanten Neufassung der Bauproduktenrichtlinie 89/106/EWG vom 21. Dezember 1988 vor. Im Unterschied zur bestehenden Richtlinie soll die „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten“ als Verordnung verabschiedet werden, wodurch sie unmittelbar Anwendung findet und von den Mitgliedsstaaten nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die erste Lesung des Verordnungsentwurfes fand Ende April 2009 statt. Rechtskräftig wird die neue Verordnung frühestens ab Mitte 2011.
97
1.5 Literatur
1.5 Literatur 1.5.1 Normen, Richtlinien Norm
Ausgabe
Titel
DIN V 105-100
2005-10
Mauerziegel – Teil 100: Mauerziegel mit besonderen Eigenschaften
DIN 1053-1
1996-11
Mauerwerk – Teil 1: Berechnung und Ausführung
DIN 1053-100
2007-09
Mauerwerk – Teil 100: Berechnung auf der Grundlage des semiprobabilistischen Sicherheitskonzepts
DIN 1301-1
2010-10
Einheiten – Teil 1: Einheitennamen, Einheitenzeichen
DIN 1301-2
1978-02
Einheiten – Teil 2: Allgemein angewendete Teile und Vielfache
DIN 1301-3
1979-10
Einheiten – Teil 3: Umrechnungen für nicht mehr anzuwendende Einheiten
DIN 1304-1
1994-03
Formelzeichen – Allgemeine Formelzeichen
DIN 1305
1988-01
Masse, Wägewert, Kraft, Gewichtskraft, Gewicht, Last – Begriffe
DIN 1306
1984-06
Dichte – Begriffe, Angaben
DIN 1341
1986-10
Wärmeübertragung – Begriffe, Kenngrößen
DIN 4102-1
1998-05
Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 1: Baustoffe – Begriffe, Anforderungen und Prüfungen
DIN 4102-1/Ber1
1998-08
Berichtigung 1 zu DIN 4102-1:1998-08
DIN 4102-2
1977-09
Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 2: Bauteile – Begriffe, Anforderungen und Prüfungen
DIN 4108-1
1981-08
Wärmeschutz im Hochbau – Größen und Einheiten
DIN 4108-3
2001-07
Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Klimabedingter Feuchteschutz, Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung
DIN 4109
1989-11
Schallschutz im Hochbau – Anforderungen und Nachweise
DIN V 20000-401
2005-06
Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Regeln für die Verwendung von Mauerziegeln nach DIN EN 771-1:2005-05
DIN 51097
1992-11
Prüfung von Bodenbelägen – Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft – Nassbelastete Barfußbereiche, Begehungsverfahren – Schiefe Ebene
98
1 Grundlagen
DIN 51130
2010-10
Prüfung von Bodenbelägen – Bestimmung der rutschhemmenden Eigenschaft – Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr, Begehungsverfahren – Schiefe Ebene
DIN 52108
2010-05
Prüfung anorganischer nichtmetallischer Werkstoffe – Verschleißprüfung mit der Schleifscheibe nach Böhme – Schleifscheiben-Verfahren
DIN EN 771-1
2005-05
Festlegungen für Mauersteine – Teil 1: Mauerziegel
DIN EN 13501-1
2010-01
Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten
DIN EN 13501-2
2010-02
Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 2: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Feuerwiderstandsprüfungen, mit Ausnahme von Lüftungsanlagen
DIN EN ISO 10456
2010-05
Baustoffe und -produkte – Verfahren zur Bestimmung der wärmeschutztechnischen Nenn- und Bemessungswerte
DIN EN ISO 10545-6 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 6: Bestimmung des Widerstandes gegen Tiefenverschleiß – Unglasierte Fliesen und Platten
DIN EN ISO 10545-7 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 7: Bestimmung des Widerstandes gegen Oberflächenverschleiß – Glasierte Fliesen und Platten
1.5.2 Gesetze, Verordnungen Bauproduktenrichtlinie (BPR)
Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (89/106/EWG)
Bauproduktengesetz (BauPG)
Gesetz über das Inverkehrbringen von und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten zur Umsetzung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte und andere Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften
Musterbauordnung (MBO)
Musterbauordnung der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGE-BAU), Fassung November 2002
Landesbauordnungen (LBO)
Bauordnungen der einzelnen Bundesländer in der jeweils gültigen Fassung
99
1.5 Literatur
1.5.3 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [1.01] Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Bd. 1 Grundlagen. 3. Auflage Wiesbaden; Berlin : Bauverlag, 1996 [1.02] Dehn, F.; König, G.; Marzahn, G.: Konstruktionswerkstoffe im Bauwesen. 1. Auflage Berlin : Ernst & Sohn, 2003 [1.03] Hiese, W. (Hrsg.): Scholz Baustoffkenntnis. 16. Auflage 2007, Köln : Werner [1.04] Gösele, K.; Schüle, W.; Künzel, H.: Schall – Wärme – Feuchte. 10. Auflage Wiesbaden; Berlin : Bauverlag, 1997 [1.05] Zäschke, W.: Konformitätskontrolle und Konformitätskriterien. In: Schriftenreihe Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), Heft 526, Erläuterungen zu den Normen DIN EN 206-1, DIN 1045-2, DIN 1045-3, DIN 1945-4 und DIN 4226. Berlin : Beuth, 2003 [1.06] DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): Grundlagen zur Feststellung von Anforderungen und Prüfplänen für die Überwachung von Baustoffen und Bauteilen mit Hilfe statistischer Betrachtungsweisen (DIN-Fachbericht 32). Berlin; Köln : Beuth, 1991 [1.07] Hintzen, W.: Bauaufsichtliche Regelungen. In: F. Stöckl u. a.: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Parkhaus- und Bodenbeschichtungen. Schriftenreihe Kontakt & Studium Band 669, Expert-Verlag 2006 [1.08] Bonzel, J.; W. Manns, W.: Beurteilung der Betondruckfestigkeit mit Hilfe von Annahmekennlinien. In: Beton 19 (1969), Heft 7, S. 303–307; Heft 8, S. 355–360 [1.09] Scheer, O.: Statistische Auswerteverfahren in der Betontechnologie. In: BetonInformationen 25 (1985), Heft 1+2, S. 3–19 [1.10] John, B.: Statistische Verfahren und technische Messreihen. München; Wien: Hanser, 1979 [1.11] Willems, W. M.; Schild, K.; Dinter, S.: Vieweg Handbuch Bauphysik Teil 2. 1. Auflage Wiesbaden : F. Vieweg & Sohn, 2006 [1.12] Fischer, H.-M. et al.: Lehrbuch der Bauphysik. 6. Auflage Wiesbaden : Vieweg+ Teubner, 2008
1.5.4 Internet-Adressen http://www.din.de
Deutsches Institut für Normung
http://www.dibt.de
Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin http://www.dibt.de/de/data/hEN_Liste.pdf → Liste der harmonisierten europäischen Normen nach der BPR
http://ec.europa.eu
Europäische Kommission
100
1 Grundlagen
http://www.bauministerkonferenz.de Aktuelle Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB) abrufbar unter > Mustervorschriften / Mustererlasse > Bauaufsicht / Bautechnik http://www.beuth.de
Beuth-Verlag GmbH Berlin
http://www.eurocode-online.de
Informationen rund um die Eurocodes vom BeuthVerlag
2 Natursteine Als Natursteine bezeichnet man die durch geologische Vorgänge gebildeten natürlich gewachsenen Gesteine. Sie sind ein Gemenge aus Mineralien, deren Zusammenhalt durch direkte Verwachsung oder durch ein Bindemittel gewährleistet wird. Die Gesteine sind die bedeutendsten Rohstoffe der Bauindustrie und finden in vielfältiger Art und Weise je nach ihrer Beschaffenheit in unterschiedlichster Form Verwendung. Sie können als Findlinge, grobe Bruchsteine, als bearbeitete und maßgerechte Werksteine und als Gesteinskörnungen für die Mörtel- und Betonherstellung verwendet werden. Natürliche Bausteine sind solche Steine, die aus den in der Natur vorkommenden Gesteinen gewonnen werden. Damit die Natursteine als Bausteine verlegt und versetzt werden können, müssen diese dem Verwendungszweck entsprechend maschinell und handwerklich bearbeitet werden. Die so behandelten Werkstücke werden im Bauwesen als Naturwerkstein bezeichnet. Die chemische Zusammensetzung – d. h. der Mineralbestand – und ihre geologische Entstehung bestimmen im Wesentlichen die Eigenschaften und Verwendbarkeit der Natursteine.
2.1 Stoffliche Zusammensetzung Die Bausteine der uns in der Natur begegnenden Gesteine sind die Mineralien, im physikalisch-chemischen Sinne einheitliche (homogene) Bestandteile mit bestimmten Eigenschaften. In den meisten Fällen sind diese kristallisiert, daneben gibt es nur wenige völlig amorphe Mineralien. Jedes Gestein setzt sich aus Körnern eines oder mehrerer Minerale zusammen, die nach Art und Menge den Charakter der Gesteine bestimmen. Die wichtigsten gesteinsbildenden Minerale in Baugesteinen sind: Feldspäte und Feldspatvertreter (ca. 55 – 60 M.-%); Augite und Hornblenden (ca. 16 M.-%); Quarz (ca. 12 M.-%); Glimmer (ca. 4 M.-%). Über 90 % der Masse der Erdkruste bestehen aus diesen Mineralien, also Silicaten. Ferner treten auf: Olivin, Kalkspat, Aragonit (ca. 1,5 M.-%), Dolomit, Gips, Anhydrid, Tonmineralien (ca. 1 bis 1,5 M.-%) und andere.
Feldspatgruppe
Sie umfasst kieselsäurereiche Alkali-Aluminium-Verbindungen, kleine Kristalle heller, rötlicher oder grüner Farbe; erkennbar an ebenen Kristallspaltflächen, i. A. leichtes Spaltvermögen, glasglänzend, wenig wetterbeständig, verwitternd, wobei ihre Farben in stumpfes Grau übergehen. Verwitterungsrückstand = reiner Ton (Kaolin), Mohshärte 6 bis 6,5.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Natursteine
Zahlreiche Arten unterscheidbar nach chemischen Bestandteilen und Kristallisationsformen: Kalifeldspat (Orthoklas): trübweiß, gelblich, hellgrün, aber auch rötlich bis tiefrot; Natronfeldspat (Albit): weiß, graublau, blaugrün; selten rötlich; Kalkfeldspat (Anorthit): trübe, bisweilen farblos, hell- bis dunkelgrau, dunkelgrün, nie rot oder gelb. Die 3 Feldspäte, die selten in reiner Form auftreten, sind untereinander im beliebigem Verhältnis mischbar, aber nur Orthoklas und Albit = Alkalifeldspat sowie Albit und Anorthit = Plagioklas. Feldspatvertreter: Leucit: muscheliger Bruch, trüb-weiß bis grau, grünlich; Nephelin: unvollkommen spaltbar, muschelig, Fettglanz ähnlich Quarz, trüb, weiß, gelblich, grünlich, auch rötlich bis kräftig rotbraun; Labradorit: schillernde Farben; Sanidin: farblos, als größere glasartige Kristalle im Trachyt vorkommend. Augite, Hornblenden, Olivine, Pyroxene
Basische Silicate verschiedenster Zusammensetzung, dunkle (grünliche) Färbungen, stets körniges Gefüge, zäh, ähnliche Eigenschaften wie Glimmer. Mohshärte 5 bis 6,5. Augit und Hornblende: wetterbeständig, ziemlich beständig gegen Säuren und Laugen; Olivin: nicht wetterbeständig, Salzsäure greift an, Umwandlung zu Serpentin, Talk und Asbest. Im Diabas und als Einsprenglinge oft im Basalt vorkommend. Quarzgruppe
Sie bestehen aus reiner oder annähernd reiner Kieselsäure [SiO2], bilden kleine bis große Kristalle heller Farbe, immer durchscheinend bis durchsichtig, selten trüb, glitzernd, glasglänzend, zum Teil durchsichtig oder durchscheinend. Erkennbar am muscheligen Bruch, keine Spaltbarkeit: spröde, sehr wetterbeständig, säurefest (Ausnahme Flusssäure), daher überwiegend als Sand und Kiesel vorhanden. Technisch wertvollstes Material. Mohshärte 7. Bergkristall (durchsichtige, kristalline Form); Abarten: Rosenquarz, Rauchquarz, Amethyst; Kryptokristallin: Chalcedon; Abarten: Achat, Onyx; Amorph: Opal, Feuerstein (Flint). Glimmergruppe
Wasserhaltige Alumino-Silicate mit Na, K, Mg, Li, Fe, Mn bilden tafelige, blättrige Schichtkristalle von dunkler bis silberweißer Farbe, Perlmutterglanz, oft Metallglanz, in Schichtebenen leicht spaltbar, gibt dem Gestein leicht schiefriges Gefüge, wenig wetterfest. Mohshärte 2 bis 3.
2.2 Einteilung der Gesteine nach ihrer Entstehung
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Die beiden wichtigsten Glimmer sind: Kaliglimmer (Muskovit = Moskauer Glas!): hell-silbrig, durchscheinend, ziemlich säurebeständig; Ausgangsstoff zur Herstellung von Blähglimmer zur Wärmedämmung. Magnesiaglimmer (Biotit): schwarzgrün-glänzend, nicht durchscheinend, nicht säurebeständig. Kalkspatgruppe
Reine oder annähernd reine Calciumcarbonate, heller bis weißlicher Farbe, durch Beimengungen häufig grau, bläulich, gelb, creme, rötlich sogar fast schwarz, leicht spaltend, schiefwinklige Spaltflächen, wetterfest aber nicht säurebeständig, nicht temperaturbeständig > 600 bis 700 °C, Mohshärte 3 bis 4. Neben diesen Gruppen ist noch die Gruppe der Tonminerale (durch Verwitterung feldspatführender Gesteine entstanden) von Bedeutung, die infolge ihrer Blattstruktur leicht spaltbar sind, durch Wassereinlagerung zwischen den Schichten oft quellfähig, z.B. Kaolinit, Montmorillonit (Montmorillonit ist Hauptgemengeteil der Bentonite) von Natur aus hellfarbig, meist durch Verunreinigungen dunkel gefärbt.
2.2 Einteilung der Gesteine nach ihrer Entstehung Die Gesteine stellen i. A. Gemenge verschiedenartiger Mineralien dar, teilweise bestehen sie auch nur aus einer Mineralart (z.B. Gipsstein, Kalkstein). Die Kombinationsmöglichkeiten der Mineralien und damit die chemische Zusammensetzung der Gesteine sind durch die physikochemischen und geologischen Bildungsbedingungen bestimmt. In jeder Epoche der Entstehung der Erde spielten sich ganz bestimmte Vorgänge ab, aufgrund derer sich typische Gesteinsarten bildeten. Das bedeutet, dass sich die Eigenschaften und Merkmale der Naturgesteine zumeist aus ihrer geologischen Entstehung herleiten lassen. Nach ihrer Entstehung unterteilt man die Gesteine in die drei Hauptgruppen Magmagesteine, Sedimentgesteine und metamorphe Gesteine. Die Erdoberfläche wird zu etwa 75 M.-% von Sedimenten bedeckt und nur zu 25 M.-% von Magmagesteinen und metamorphen Gesteinen.
2.2.1 Magma- oder Erstarrungsgesteine Sie sind aus glutflüssigem Magma (ursprüngliche Zusammensetzung entspricht etwa dem Gabbro) entstanden. Sie eignen sich gut zum Brechen und werden wegen ihrer guten mechanischen Eigenschaften – dicht (< 1 Vol.-% Poren), verschleißfest, wetterbeständig, druckfest ( = 160 bis 400 N/mm2) – bevorzugt zur Herstellung hochwertiger Massen eingesetzt. Bei den Magmagesteinen unterscheidet man Tiefengesteine und Ergussgesteine sowie Ganggesteine.
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2 Natursteine
Tiefengesteine (Plutonite) kühlen relativ langsam ab. Sie sind gekennzeichnet durch ein vollkristallines, gewöhnlich grobkörniges, dichtes Gefüge. Sie besitzen gut polierbare Eigenschaften. Ergussgesteine (Vulkanite) sind durch das Deckgebirge ausgepresst und dann relativ schnell erstarrt zu einer feinkristallinen bis scheinbar amorphen (oft glasigen) Grundmasse. Sie besitzen daher feinkörnige bis kaum erkennbare Strukturen. Viele Ergussgesteine enthalten in der feinkörnigen Grundmasse größere Mineralkörner (Einsprenglinge), die schon vor Erreichen der Erdoberfläche aus dem Magma auskristallisieren; dann liegt eine porphyrische Struktur vor. Charakteristisch ist die oft zu beobachtende Säulenbildung. Nicht selten sind sie mit mehr oder minder großen Poren durchsetzt. Ganggesteine sind innerhalb der Erdkruste in Spalten und Gängen erstarrte Magmen. Sie sind ungleichförmig kristallisiert, enthalten des Öfteren nur kristallisierte Einsprenglinge. Ergussgesteine sind der Verwitterung ausgesetzt. Auch bei gleichem Mineralbestand können daher die Gesteinseigenschaften der Ergussgesteine je nach Verwitterungsgrad sehr verschieden sein. International wird heutzutage nicht mehr zwischen alten und jungen Ergussgesteinen unterschieden und nur noch die Ausdrücke für den jungen Vulkanismus verwendet. Das Natursteingewerbe in Deutschland verwendet aber nach wie vor beide Ausdrucksformen.
2.2.2 Sedimentgesteine (Ablagerungsgesteine) Sedimentgesteine entstehen aus oftmals schichtförmig abgelagerten, durch Verwitterung zerstörten und aufbereiteten Gesteinsmaterialien, die mit Hilfe des Wassers (Urströme, Gletscher) transportiert und als Geröll, Kies oder Sand wieder abgelagert werden. Durch zunehmende Verfestigung (Diagenese) unter Druck und Zutritt eines entsprechenden Binders bilden sich die Sedimentgesteine. Häufig finden sich in Schichtgesteinen Versteinerungen von Tier- und Pflanzenresten (Fossilien). Klastische Sedimente (Trümmergesteine) bestehen aus mechanisch zertrümmerten, chemisch nicht oder nur wenig veränderten Teilen des Ausgangsgesteins. Herrscht bei der Zerstörung des Urgesteins die chemische Zersetzung oder Umwandlung vor, so entstehen so genannte chemische Sedimente oder Ausscheidungsgesteine. Sie entstehen nicht durch Absetzen bereits vorgeformter Gesteinspartikel, sondern aus Lösungen entweder als Niederschlag als Folge chemischer Reaktionen oder als Niederschlag infolge Übersättigung einer Lösung. Organogene Sedimente entstehen als klastische oder chemische Anhäufungen bei starker Mitwirkung von Organismen; auf dem Festland besonders die Pflanzen (Kohlegesteine), im Meer die Tiere (Muscheln, Schnecken, Korallen).
2.2.3 Metamorphe Gesteine (Umwandlungsgesteine) Metamorphe Gesteine bilden sich durch nachträgliche Umwandlung von Erstarrungs- (Orthogesteine) oder Schichtgesteinen (Paragesteine) unter großem Druck und/oder hohen Temperaturen oder durch chemische Einflüsse, wodurch meistens ihr Gefüge, ihre Eigenschaften und Farbe verändert werden.
2.3 Bautechnisch wichtige Gesteinsmerkmale
105
2.3 Bautechnisch wichtige Gesteinsmerkmale Die Beurteilung der Brauchbarkeit eines Gesteins erfolgt durch Ermittlung bestimmter Kenngrößen und Vergleich dieser Werte mit den je nach Verwendungszweck an die Gesteinsbaustoffe zu stellenden Anforderungen. Bei den Kenngrößen unterscheidet man zwischen den von den Versuchsbedingungen unabhängigen physikalisch-petrographischen Merkmalen und den von den Versuchsbedingungen abhängigen technischen Kennmerkmalen.
2.3.1 Physikalisch-petrographische Kenngrößen 2.3.1.1 Mineraldiagnose
Die wichtigste petrographische Kenngröße ist der Mineralbestand. Eine erste Ansprache kann der Bau- und Baustoffingenieur sowie der Architekt durch Bestimmung von so genannten „äußerlichen Kennzeichen" wie Härte, Farbe und Struktur durchführen. Für genaue Mineralbestimmungen sind aufwändigere Laboruntersuchungen erforderlich. Härte
In der Mineralogie dient als Maßstab für die Härte die Mohs’sche Härteskala. In der Tabelle 1.11 ist die Mohs’sche Härteskala zusammen mit Hilfsmitteln zur Härtebestimmung angegeben. Nach einiger Übung kann man auch allein aus der Intensität, mit der sich ein Mineral mit dem Taschenmesser ritzen lässt, auf die Mohs’sche Härte des Minerals schließen. Farbe
Kieselsäurereiche Minerale sind meist hellfarbig, kieselsäurearme/eisenreiche silicatische Minerale dagegen meist dunkler gefärbt. Auch der Strich als Farbe des Mineralpulvers, das auf einer unglasierten Porzellantafel beim Darüberstreichen mit dem Mineral hängen bleibt, ist für jedes Mineral spezifisch (Der Strich braucht der Mineralfarbe nicht gleich zu sein). Kristallstruktur (Kristallform, Habitus)
Die Beurteilung der Kristallform ist im Allgemeinen sehr schwierig und meist nur bei größeren Mineralkörnern möglich. 2.3.1.2 Gefüge
Für das allgemeine Festigkeitsverhalten von mineralischen Baustoffen sind das Gefüge und die räumliche Anordnung der mineralischen Gemengeteile von ganz wesentlicher Bedeutung. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Merkmale: gleichmäßig körnig: grobes Korn mindert Festigkeit und Wetterbeständigkeit Tendenz zu größerer Zähigkeit. Zackig oder lappig geformte Mineralien ergeben guten, solche mit ebenen oder gerundeten Oberflächen schlechten Kornverband;
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2 Natursteine
dicht oder felsitisch: Mineralien mit bloßem Auge nicht erkennbar, felsitische Gesteine sind vorwiegend spröde und ergeben glatt werdendes Pflaster; glasig: Mineralien auch mit dem Mikroskop nicht erkennbar; porphyrisch: größere Kristalle oder Einsprenglinge in feinkörniger Grundmasse; oolithisch: aus hirse- bis erbsengroßen Kügelchen zusammengesetzt (wie Fischrogen); schiefrig: Mineralien in einer Richtung angeordnet; geschichtet: aus plattenförmigen Lagen zusammengesetzt; flaserig: wellenförmig ausgebildete Schichtflächen; blasig: von größeren, rundlichen Hohlräumen durchsetzt; porig: feine Hohlräume zwischen den Mineralien, von der Porosität hängen Wasseraufnahme, Luftdurchlässigkeit und Wärmeleitung ab; trümmerartig: verkittete, wenigstens haselnussgroße, angerundete oder kantige Gesteinstrümmer (wie Beton); sandsteinartig: verkittete kleinere Gesteinstrümmer; schlammartig: verkittete staubförmige Gesteinstrümmer; lose: unverkittete Gesteinstrümmer.
2.3.1.3 Chemische Analyse
Die chemische Analyse ist eine weitere petrographische Kenngröße. Die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung gehört eigentlich nicht zu den äußerlichen Kennzeichen der Minerale. Es gibt aber einfache, auch außerhalb des Labors durchführbare Prüfmethoden, die Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Minerale erlauben. In der geologischen Geländearbeit ist die Karbonatdiagnose mit verdünnter Salzsäure üblich: Aufbrausen mit verdünnter Salzsäure: Kalkspat oder Aragonit [CaC03]; Aufbrausen erst mit warmer, verdünnter Salzsäure: Dolomit [CaMg(C03)2]; Grünfärbung der Salzsäure beim Betropfen: Eisenspat [FeC03].
107
2.3 Bautechnisch wichtige Gesteinsmerkmale 2.3.1.4 Dichte, Porosität
Physikalische Kenngrößen sind die Reindichte und die Rohdichte. Die aus ihnen errechnete Gesamtporosität lässt erkennen, wie sich der geprüfte Mineralstoff in den Bereich der zugehörigen Mineralstoffgruppe einordnet.
2.3.2 Technische Kenngrößen Die wichtigsten mechanisch-technischen Kenngrößen sind die Festigkeiten, die Frostbeständigkeit und die Polierfähigkeit. Die thermisch-technischen Kennwerte betreffen mehr die Rohstoffe der Keramik- und der Glasindustrie, weniger den Bereich der Gesteinsbaustoffe.
Tabelle 2.1 Richtwerte gesteinstechnischer Kenngrößen für die Bewertung von Natursteinen Gesteinsgruppe
Magmagesteine
Reindichte
Rohdichte
Porosität
Wasseraufnahme
[g/cm³]
[g/cm³]
[Vol.-%]
[M.-%]
Würfeldruckfestigkeit (trocken) [N/mm²]
2,60 … 2,80
0,4 … 1,5
0,2 … 0,5
160 … 240
1)
Granit, Syenit
(T) 2,62 … 2,85
Diorit, Gabbro
(T) 2,85 … 3,05
2,80 … 3,00
0,5 … 1,2
0,2 … 0,4
170 … 300
Basalt, Melaphyr (E) 3,00 … 3,15
2,95 … 3,00
0,2 … 0,9
0,1 … 0,3
250 … 400
Basaltlava
(E) 3,00 … 3,15
2,20 … 2,35
20 … 25
4,0 … 10
80 … 150
Diabas
(E) 2,85 … 2,95
2,80 … 2,90
0,3 … 1,1
0,1 … 0,4
180 … 250
Porphyre
(E) 2,58 … 2,83
2,55 … 2,80
0,4 … 1,8
0,2 … 0,7
180 … 300
Tonschiefer
2,82 … 2,90
2,70 … 2,80
1,6 … 2,5
0,5 … 0,6
60 … 170
Quarzit, Grauwacke
2,64 … 2,68
2,60 … 2,65
0,4 … 2,0
0,2 … 0,5
150 … 300
Sandstein, quarzitisch
2,64 … 2,68
2,60 … 2,65
0,4 … 2,0
0,2 … 0,5
120 … 200
sonstige Sandsteine
2,64 … 2,72
2,00 … 2,65
0,5 … 25
0,2 … 9,0
30 … 180
dichte Kalksteine, Dolomite
2,70 … 2,90
2,65 … 2,85
0,5 … 2,0
0,2 … 0,6
80 … 180
Sedimentgesteine
sonstige Kalksteine
2,70 … 2,74
1,70 … 2,60
0,5 … 30
0,2 … 10
20 … 90
Travertin
2,69 … 2,72
2,40 … 2,50
5,0 … 12
2,0 … 5,0
20 … 60
Gneise
2,67 … 3,05
2,65 … 3,00
0,4 … 2,0
0,1 … 0,6
160 … 280
Serpentinite
2,62 … 2,78
2,60 … 2,75
0,3 … 2,0
0,1 … 0,7
140 … 250
Metamorphe Gesteine
1)
(T) = Tiefengestein, (E) = Ergussgestein
108
2 Natursteine
2.3.2.1 Festigkeitsprüfung
Bautechnisch haben folgende Festigkeitsuntersuchungen Bedeutung: Druck-, Biegezug-, Spaltzug-, Scher- und Schlagfestigkeit. Von Bedeutung ist bei diesen Versuchen auch das Aussehen des zertrümmerten Probematerials. Biegezug-, Spaltzug- und Scherfestigkeit sind nur dann von Interesse, falls eine entsprechende Belastung im Bauteil zu erwarten ist. Die Druckfestigkeit der Natursteine schwankt (siehe Tabelle 2.1), auch bei gleichartiger Mineralführung und gleichem Bindemittel. Gesetzmäßige Beziehungen zwischen Rohdichte und Druckfestigkeit bestehen nicht. Im Allgemeinen nimmt die Festigkeit mit Verschwinden der Bruchfeuchtigkeit zu, durch Wasseraufnahme erleidet sie eine erhebliche Einbuße. 2.3.2.2 Witterungs- und Frostbeständigkeit
Ein Kennwert zur Beurteilung des Verhaltens gegen Witterungs- und Frosteinflüsse ist die Bestimmung der Wasseraufnahmefähigkeit. Zur Beurteilung der Widerstandsfähigkeit gegen Frost gibt es verschiedene Frost-Tauwechsel-Verfahren. Man unterwirft dazu im Frostversuch eine wassergesättigte Probe nach vorgeschriebenen Versuchsbedingungen dem Gefrieren und Auftauen und registriert das Verhalten der Probe nach jedem Frosttauwechsel (Absplitterungen, Zerstörung). Die verschiedenen Verfahren und Methoden liefern einander zum Teil widersprechende Ergebnisse. Bei diesen Verfahren wird häufig auch außer acht gelassen, dass Mineralstoffe ohne größere Schäden Frost-Tau-Wechsel-Beanspruchungen zwar überstehen, in ihrem Gefüge jedoch so geschwächt werden können, dass ihre Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Beanspruchung in unzulässigem Maße absinkt. Starker Abfall der Druckfestigkeit bei wassergesättigten und ausgefrorenen Proben ist ein Hinweis auf mangelnde Frost- und Witterungsbeständigkeit. 2.3.2.3 Verschleißwiderstand
Als Maß für den Widerstand von Gesteinsmaterial gegen Verschleiß, besonders durch Verkehr, wird die Abriebfestigkeit im Trommelmühlenversuch oder der Schleifverschleiß auf einer rotierenden, mit Schleifmittel bestreuten Schleifscheibe (nach Böhme) bestimmt.
2.3.3 Prüfverfahren Neben den in den Normvorschriften und technischen Richtlinien festgelegten Prüfvorschriften gibt es einige einfache Feldprüfungen, die dem Ingenieur eine grobe Beurteilung erlauben; dabei ist aber vor allem zu beachten, dass die Begutachtung der Gesteine immer nur an frischen Bruchflächen des Gesteinsmaterials erfolgen sollte. Zu einer ersten vorläufigen Beurteilung können die in Tabelle 2.2 angegebenen Merkmale dienen.
109
2.4 Bautechnisch wichtige Gesteine und deren Verwendung Tabelle 2.2
Faustregeln zur Unterscheidung guter und minderwertiger Gesteine an Hand frisch angeschlagener Bruchflächen (nach Breyer) gute Gesteine
←
hell, klingend
Merkmale
→
Klang beim Anschlagen
gleichmäßig, glatt, muschelig
Bruchfläche
fest schwer zu brechen, schwer zerschlagbar
minderwertige Gesteine dumpf, scheppernd uneben rau, hakig, griffelig
Festigkeit an Ecken und Kanten
leicht abzuschlagen
Zähigkeit
leicht zerschlagbar
nicht ritzbar
Härte
ritzbar
kompakt, massiv
Gefüge
rissig, brüchig, schiefrig aufspaltend, gestört
spiegelnd, glänzend
Mineralien
kräftig, rein, dunkel
Farbe
papierdünn bis fehlend
Verwitterungshaut
gleichmäßig rau, hart, fest geruchlos
matt, blass, schmutzig stark, dicke Schwarten und Schalen
Aufbau
stark wechselnd
Gefühl
seifig, fettig, weich
Geruch (nach Anhauchen)
tonig, erdig, süßlich
gering bis fehlend
Abrieb
gering bis fehlend, wasserabweisend
Wasseraufnahme
keilförmig, eckig, gedrungen
blind, stumpf, getrübt, ausdruckslos
Kornform von Brechprodukten
groß, kreidig absondernd, staubend, absandend auffällig hoch, wasserannnehmend plattig, spießig, tafelig, scherbig, splittrig, rund
2.4 Bautechnisch wichtige Gesteine und deren Verwendung Im Steingewerbe werden vielfach irreführende Handelsnamen (= Sortenbezeichnungen) verwendet, die keinerlei Hinweis auf die Gesteinsart und technische Eignung geben und dadurch zum Teil. zu einer völlig falschen Einstufung des Gesteins führen können.
2.4.1 Erstarrungsgesteine Da sich die einzelnen Bildungsbereiche der Gesteine deutlich durch den Si02-Gehalt unterscheiden (mit zunehmender Tiefe nimmt der Si02-Gehalt zu), gliedert man die Gesteine nach diesen Bereichen:
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Saures Magma Intermediäres Magma Basisches Magma Ultrabasisches Magma
2 Natursteine
≥ 70 M.-% SiO2 ; ~ 60 M.-% SiO2 ; ~ 50 M.-% SiO2 ; 40 M.-% SiO2 .
2.4.1.1 Tiefengesteine Granit
Granit ist das bekannteste und häufigste Tiefengestein aus saurem Magma, bestehend aus Kalifeldspat, Quarz und Glimmer. Es kommt in allen Verwitterungsgraden vor und ist technisch deshalb sehr verschieden geeignet. Da beim Granit der Anteil des dunklen Magnesiaglimmers (Biotit) etwa 20 M.-% beträgt, bestimmen seine anderen Gemengeteile - Quarz und Kalifeldspat - den allgemein hellen Farbton, welcher vom Weiß zum Gelb, vom gelblichen Grün oder Rot bis zum zarten Blau reicht. Die helleren Steine sind die spezifisch leichteren, die dunkleren die spezifisch schwereren. Quarz bestimmt die Härte. Feldspat bestimmt die Farbe. Glimmer bestimmt den Verwitterungsgrad (rostartige Flecken und Adern), größere Anteile können festigkeitsmindernd wirken. Hoher Quarzgehalt, geringer Glimmeranteil und gleichmäßiges, grob- bis mittelkörniges Gefüge (selten ausgesprochen feinkörnig) garantieren daher gute technologische Eigenschaften: sehr hart, schwer zu bearbeiten, gut schleif- und polierbar, wetterbeständig. Zerspringt bei Bränden durch Löschwasser und einseitige Erhitzung. Feinkörniger Granit („Pfeffer und Salz“-Struktur) ist im Allgemeinen widerstandsfähiger als grobkörniger, dekorativer Granit. Achtung! Sogenannter „belgischer Granit" ist ein Kohlenkalkstein bzw. bituminöser Kalkstein, „schwarzer schwedischer Granit“ ein Syenit, „Schweizer Spaltgranit“ ein Gneis. Syenit
Syenit ist verhältnismäßig selten (saures Magmagestein). Seine Farbe ähnelt der des Granits, auf Grund des geringeren oder völlig fehlenden Quarz-Gehaltes – Hauptbestandteile sind der rote Kalifeldspat und die grünlich bis schwarze Hornblende – ist er aber etwas dunkler als Granit; Farbskala reicht von Graublau über Braunrot, Dunkelgrün bis zum Schwarz. Syenit ist weicher und zäher als Granit, körnig, leichter zu bearbeiten; wetterfest. Als Baustein ähnlich zu verwenden wie Granit, wichtiger norwegischer Dekorationsstein, so genannter „schwedischer (schwarzer) Granit“. Diorit, Quarzdiorit
Diorit ist ein intermediäres Magmagestein, kieselsäurearm mit weißlich-glasklarem Kalknatronfeldspat (Plagioklas) und dunkler Hornblende; weist dunkelgrüne bis tiefschwarze Farbe auf (wegen Fehlen des Orthoklases nie rötlich). Im Allgemeinen fehlt Quarz. Er kann jedoch in geringer Menge mit brauner, grauer oder gelblicher Farbe eingelagert sein (Quarzdiorit); grünlich, mittel- bis dunkelgrau, sogar bis schwarz. Ähnliche technologische Eigenschaften wie Granit, zäher, Struktur mittel- bis feinkörnig.
2.4 Bautechnisch wichtige Gesteine und deren Verwendung
111
Gabbro (Norit)
Gabbro ist ein basisches Magmagestein, besteht hauptsächlich aus kalkreichem Kalknatronfeldspat und dem zum Teil dunklen Augit (Quarz und Glimmer fehlt ganz). Frischer Gabbro ist tiefschwarz bis schwarz/weiß gesprenkelt, verwittert ein dunkel- bis olivgrünes, auch grünlichgraues oder bräunlichgrünes, weißgeflecktes oder gesprenkeltes (Forellenstein) Industriegestein. Er ist neben Granit das häufigste Tiefengestein. Diese Naturwerksteine haben hohe Festigkeit, Zähigkeit und lassen sich manuell schwer bearbeiten; weniger feuchtigkeitsbeständig als Syenit. Gegenüber anderen Tiefengesteinen meist grobkörniger. Gabbro mit rhombischem Augit heißt Norit. Verwendung finden alle Tiefengesteine z. B. für Fundamente, Sockel, Pfeiler, Widerlager, Unterlagssteine, Stützmauern, Stufen; poliert für Denkmäler, Säulen, Umrahmungen; im Straßenbau für Bordsteine, Pflastersteine, Schotter, Splitt. 2.4.1.2 Ergussgesteine
Bei der Einteilung der Ergussgesteine hält man sich heute an die Gliederung der Tiefengesteine. Die früher übliche Unterteilung in altvulkanische und jungvulkanische Gesteine, die im Natursteingewerbe z. T. noch verwendet wird, entspricht nicht mehr dem heutigen Erkenntnisstand. Weiteres typisches Unterscheidungsmerkmal ist die vom Gefüge der Tiefengesteine deutlich abweichende Struktur. Kompakte, helle Ergussgesteine
Zu dieser Gruppe zählen fast alle sauren und einige intermediäre Gesteinsarten. Rhyolit (Porphyr)
Der Feldspat tritt hier großtafelig-weiß aus der Grundmasse hervor; Hornblende und Glimmer sind selten zu sehen. Glimmer ist nur selten kristallisiert. Rhyolit ist ein zähes, hartes, polierbares und wetterbeständiges gelb-rötliches bis violettgraues Gestein (seltener weißlich-grünlich); dunkle Töne sind auf glasartig erstarrte Anteile zurückzuführen. Infolge plattiger Absonderung lassen sich die Steine hervorragend spalten. Die an Einsprenglingen reichen, quarzhaltigen Rhyolite wurden früher als Quarzporphyr bezeichnet. Trachyt
Entspricht in der chemischen Zusammensetzung dem Syenit, quarzfrei (alte Bezeichnung Keratophyr). Trachyt (griechisch trachys – rau) besteht aus hellgrauer bis gelblich-brauner Grundmasse mit dunklen Einsprenglingen (porphyrisch). Infolge poriger Grundmasse gut mörtelanziehend, auch bei Abnutzung stets rau bleibend (Treppenstufen!), gut bearbeitbar, nicht polierbar. Die feinkörnigen bis dichten altvulkanische Sorten werden weniger verwendet. Sehr helle Farbe deutet auf höheren Sandiningehalt (leicht verwitternde Feldspatart), dann nicht wetterbeständig (siehe Kölner Dom). Andesit = dem Trachyt sehr ähnliches Gestein; Färbung sehr unterschiedlich von hell bis schwarz, meist grünlich; fast immer porig, selten polierfähig.
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2 Natursteine
Kompakte, dunkle Ergussgesteine Basalt
Es ist das wichtigste und häufigste jungvulkanische Ergussgestein Mitteleuropas, meist sehr quarzarm, besteht hauptsächlich aus Feldspat und Augit, daher dunkelgrau bis schwarz; sehr dicht, hart, splittrig-muscheliger Bruch. Kaum zu bearbeiten, sehr wetterfest - Einsprenglinge von z. B. Olivin mindern die Wetterfestigkeit -, stark wärmeleitend. Wird bei Abnutzung sehr glatt (wegen Rutschgefahr bei Kleinpflaster nicht mehr zugelassen)! Einschlüsse von nicht wetterfesten Mineralbestandteilen (erkennbar an hellen, sternförmigen Flecken: so genannte „Sonnenbrenner"; Test durch kurzes Erhitzen mit verdünnter Salzsäure) führen aufgrund mineralischer Umwandlungen bestimmter Produkte (z.B. Mineral Nephelin) unter Volumenzunahme zu Rissbildung und zu grusartigem Zerfall. Diabas, Melaphyr
Diabase sind den älteren gabbroiden Ergussmassen zugeordnet. Der Name Diabas wird heute nur noch verwendet für oberflächennah durch Verwitterung metamorph vergrünte Basalte („Grünstein“). Deutsche Diabase sind grünlich, dem Diorit ähnlich, aber meist heller, grobkörnig, gut polierfähig; die Politur ist aber nicht wetterbeständig. Nordische Diabase sind dunkler, schwarz und weiß gefleckt. Für die Architektur sind besonders die dunkelgrünen, geflammten bis gesprenkelten, relativ Si02-armen Olivindiabase interessant. Viele Diabase brausen mit Salzsäure schwach auf. Durch Verwitterung veränderte feinkörnige Basalte bezeichnet man als Melaphyr. Lavagesteine
Basaltlava: in der basaltigen Ergussmasse eingeschlossene Gase bewirken mehr oder minder große, jedoch gleichmäßig verteilte Porosität dieses schwarzen, rötlichen oder blaugrauen Materials (Hartbasaltlava etwa 11 Vol.-%, Weichbasaltlava etwa 20 - 25 Vol.-% Poren). Bimsstein ist ein veralteter Name für sehr schaumige Lava (aufgeschäumter Trachyt); meist sehr weich, nur für Verkleidungen. Verwendung der Ergusssteine: Basalt zu Bordsteinen (Prellsteinen), zu Sockel- und Stützmauern, Grundmauern, Küstenschutz (wegen hohen Gewichts brandungssicher), Pflastersteine, Schotter, Splitt. Diabas auch für Architektur und Bildhauerarbeiten. Basaltlava, Rhyolit und Trachyt besonders für Treppenstufen und Fußbodenplatten, da stets rau bleibend.
2.4.2 Sedimentgesteine 2.4.2.1 Klastische Sedimente
Zu den klastischen Sedimenten zählen die Lockergesteine (Geröll, Kies, Sand, Schluff, Ton) und die verfestigten Trümmergesteine; nur diese sollen hier als Bausteine behandelt werden.
2.4 Bautechnisch wichtige Gesteine und deren Verwendung
113
Die verfestigten klastischen Sedimente unterteilt man nach der Korngröße in: Brockengesteine Korndurchmesser > 3 mm, Sandgesteine Korndurchmesser 0,03 – 3 mm, Tongesteine Korndurchmesser < 0,03 mm. Konglomerate, Brekzien
Unter Druck und Zutritt eines Bindemittels verkittete grobe Gesteinstrümmer (betonartig); bei abgeschliffenen oder gerundeten Gesteinstrümmern entstehen Konglomerate, bei eckigem Gesteinsschutt Brekzien. Lücken zwischen den Gesteinstrümmern können in erheblichem Maße auftreten aber auch völlig ausgefüllt sein. Am festesten und wetterbeständigsten sind die mit kieseligem Bindemittel verfestigten Sedimente. Wegen ihrer lebhaften Struktur und Farbkontraste zwischen Bindemittel und den Gesteinstrümmern sind diese polierfähigen Steine bevorzugtes Baumaterial, z. B. als Bekleidungsmaterial in der Innenarchitektur. Sandgesteine Sandsteine
Sandsteine sind mehr oder weniger verfestigte, geschichtete, fein-, mittel- oder grobkörnige Sande, die überwiegend aus eckigen, kantengerundeten oder völlig gerundeten Quarzkörnern und einem zementierenden Bindemittel (tonig, kalkig oder kieselig) bestehen. Je feiner und gleichmäßiger das Korn, umso besser. Vom Bindemittel hängt in erster Linie die Festigkeit, Wasseraufnahmefähigkeit, Abnutzbarkeit und insgesamt die Wetterbeständigkeit der Sandsteine ab; i. A. sind Sandsteine nicht polierbar. Toniges Bindemittel (zu erkennen nach Anhauchen des Gesteins): nur geringe Festigkeit, wenig wetterfest, da Ton Wasser aufnimmt; unter Umständen frostempfindlich, leicht zu bearbeitende Gesteine, feuerbeständig. Minderwertigste Sandsteinart. Kalkiges oder mergeliges Bindemittel (erkennbar durch Säureprobe): nicht feuerfest, ungeeignet für Seewasserbauten, empfindlich gegen chemische Angriffe (Rauchgase, siehe bayrische Dome), ziemlich weich. Kieseliges Bindemittel: es sind die besten und festesten Sandsteine (Kieselsandsteine), sehr wetterbeständig und widerstandsfähig, wenn die Poren mit Bindemittel verfüllt sind: frostsicher; nicht feuerbeständig. Sandsteine mit kieseligem Bindemittel werden manchmal auch irreführend als Quarzite bezeichnet (Quarzite sind aber den metamorphen Gesteinen zuzuordnen). Auch die Farbe der Sandsteine richtet sich vornehmlich nach dem Bindemittel: sie ist vorwiegend lichtgelb, auch weiß bis elfenbeinfarben, lokal in ganzen Revieren hell- bis dunkelrot; calcitverfestigte weisen hellgraue bis fast bläuliche Färbungen auf. Die weit verbreitete gelblich-bräunliche bis rötliche Färbung beruht auf wechselndem Gehalt an Eisenverbindungen. Grüne Sandsteine weisen auf eine glaukonitische Verkittungsmasse (K-Mg-Fe-AlSilicate + OH) hin. Dunkle Sandsteine sind meist kohlehaltig. In vielen Sandsteinen treten Fossile auf, nach denen sie z. T. sogar benannt werden. Schädliche Beimengungen: Besonders hervortretende Feldspat-, Glimmer- (insbesondere bei schiefriger Schichtung), Brauneisen- und Schwefelkieseinschlüsse. Durch Verwittern z. B. der Glimmeranteile werden dann die Schichten auseinandergetrieben.
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2 Natursteine
Nach Vorkommen, Fundgebiet, Verwendung, Farbe, Fossilgehalt u. a. m. werden unterschieden: Buntsandstein, Mainsandstein, Elbsandstein, Obernkirchener Sandstein, Ruhrsandstein oder Kohlensandstein, Schilfsandstein, Stubensandstein, Burgsandstein, Rätsandstein, Liassandstein, Doggersandstein, Sollingplatten und andere. Grauwacke
Grauwacke ist ein Sandstein, der z. T. auch grobe Gesteinstrümmer älterer Sedimentgesteine enthalten kann. Diese teils konglomeratisch-groben, teils feineren Sandsteine nehmen eine Mittelstellung zwischen Brekzien, Konglomeraten und Sandsteinen ein; sie weisen einen recht unterschiedlichen, unsortierten Mineralbestand auf. Meist von dunkelgrauer oder braunroter Farbe, mit hohem kieseligem Anteil im kalkig-tonigen Bindemittel. Auf Grund ihrer starken Verfestigung erreichen sie hohe Druckfestigkeiten, sehr hart, wetterfest, feuerbeständig, kaum zu bearbeiten. Gut geeignet zur Herstellung von Pflaster, Schotter, Splitt, Bruchsteinmauerwerk. Tongesteine Tonschiefer
Aus tonhaltigen Sedimenten entstanden; neben Quarz, Feldspat und anderen Silicaten bestehen sie hauptsächlich aus Verwitterungsprodukten; ein Teil der Tonminerale kann bereits wieder zu Glimmer und Quarz umkristallisiert sein (deshalb auch oft den metamorphen Gesteinen zugeordnet); bei höherem Quarzgehalt hart, bei viel Glimmer „Seidenglanz“. Tonschiefer ist dunkelgrau bis schwarz, je nach Beimengungen auch dunkelrot und grün; weist ein dichtes, ebenschiefriges Gefüge auf, ist leicht spaltbar, wasserdicht, wetter- und feuerbeständig, zug- und biegungsfest. Tuffe
Tuffe sind lockere oder verfestigte vulkanische Aschen magmatischen Ursprungs, nach dem Auswurf verweht und sedimentiert. Sie weisen dementsprechend Merkmale der Sedimentgesteine auf. Das Gefüge der Tuffe ist klastisch, die Korngröße schwankt in weiten Grenzen, oft mittel- bis grobkörnig oder porphyrisch und dabei stark porös. Tuffe sind bergfeucht leicht bearbeitbar, später hart, polierbar, wetterbeständig. Färbung reicht von gelblich über grünlich, bräunlich bis rot. Verwendung für Verkleidungen. Trass ist ein grauer, gelber oder brauner Trachyttuff, der oft schon im natürlichen Zustand hydraulische Eigenschaften hat. Trachyttuff ist feuerbeständig, meist sehr weich. Verwendung meist bei Verkleidungen. 2.4.2.2 Chemische Sedimente Kalksteine
Entstehung durch Ablagerung aus kalkhaltigen Lösungen als dichter Massenkalk auch mit tierischen und pflanzlichen Versteinerungen. Die im Meer sedimentierten Kalksteine sind meist dicht bis feinkörnig und von weißer bis hellgrauer Farbe. Eisenoxide färben den Kalkstein rot, organische Bestandteile schwarz. Kalkstein besteht chemisch aus CaCO3, ist daher in unserem Klima meist nicht wetterbeständig, poröse Kalksteine sind aber i. A. ziemlich
2.4 Bautechnisch wichtige Gesteine und deren Verwendung
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frostbeständig. Politur und Farbe verschwindet unter dem Einfluss des sauren Regens. Kalksteine sind nicht hitzebeständig (Austreiben von CO2); daher nicht für Geschosstreppen und tragende Pfeiler geeignet. Merkmale minderwertiger Kalksteine sind: erdiges Gefüge (Lupe!), matte Bruchfläche schwärzliche oder bläuliche Färbung (ausgenommen Marmor und Kohlenkalk), Tongeruch beim Anhauchen, Erweichen nach Wasserlagerung. Als Kalksandstein bezeichnet man einen Kalkstein mit zahlreichen Quarzsandkörnern. Viele verschiedene Abarten: Marmor: (griechisch marmarein = glänzen) Alle polierbaren, dichten und körnigen natürlichen Kalk- (und Dolomit-)gesteine in amorpher Form werden als Marmore bezeichnet. Sie weisen interessante Farben und Farbzeichnungen auf, die von Serpentin oder Glimmerlagen durchsetzt sein können; außerdem Beimengungen von Metalloxiden. Je nach Art dieser Beimengungen zeigen sie wechselnde Mischfarben von creme, elfenbeinfarbig über alle Farbkombinationen bis zum Schwarz (rein weiße Färbungen treten praktisch nicht auf). Die häufig in diesen Marmoren auftretenden glasartigen Adern sind durch Einwandern von Kalkspat im Laufe von Jahrmillionen wieder ausgeheilte tektonische (d.h. durch Erdbewegungen entstandene) Risse. Jura-Marmor: ein dichter Kalkstein von gleichmäßiger, gelblicher bis blaugrauer Tönung; enthält viele Versteinerungen. Zur genauen Kennzeichnung von der Jura-Vereinigung für Deutschland festgelegte Materialbezeichnungen: Jura-Marmor blaugelbgemischt, gelb, blaugrau, blaugelb-gebändert, gelbgebändert, blaugebändert, Jura-Travertin. Solnhofener Plattenkalke: Sedimentation von Kalkschlamm in vielen Schichten übereinander mit nachfolgender Verfestigung bildete plattige Ablagerungen unterschiedlicher Dicke (bis zu 30 cm) (so genannte Flinze), leicht spaltbar – daher auch oft die falsche Bezeichnung „Solnhofener Schiefer". Der Solnhofener Stein ist im Durchschnitt gelblich getönt, seltener helloder dunkelblau gefärbt, meist nicht wetterbeständig. Platten oft mit Dendriten = kristalline, farnartige Ausscheidungen aus (Erz)Lösungen; braun: Eisenerz, schwarz: Manganerz - keine versteinerten Pflanzen! Verwendung für Wand- und Bodenplatten, Treppenstufen (da ziemlich widerstandsfähig gegen Abnutzung), Fensterbänke, Abdeckplatten (bruchrau, halbgeschliffen, feingeschliffen, halbgeschliffen und poliert, feingeschliffen und poliert). Verlegung in Kalkmörtel zur Vermeidung von Verfärbungen durch Zement. Onyxmarmor: entstand durch direktes Ausscheiden von feinkristallinem Kalkspat aus kalkhaltigem Süßwasser (heißen Quellen, unterirdischen Wasserläufen, Tropfstein). Es ist ein sehr farbenprächtiges hell/dunkel gebändertes Material, grün oder gelblich, stets stark durchscheinend. Verwendung nicht für tragende Bauteile, da Festigkeit relativ gering. In der Innenarchitektur nur für Dekorationsflächen. Rogenstein: oolithischer Kalkstein heller bis rotbrauner Färbung, gut zu bearbeiten, wetterbeständig. Travertin: Sammelbegriff für grobporige Kalksteine (Süßwasserkalke). Polierfähig (polierbare Travertine werden handelsüblich unter Marmor erfasst), sehr gut bearbeitbar, hellgelb bis
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2 Natursteine
dunkelbraun, meist gebändert, im Allgemeinen wetterbeständig, feinporige Travertine sind frostempfindlicher, enthält oft Versteinerungen. Verwendung für Verkleidungen und als Bodenbelag. Dolomit
Dolomit [CaMg(CO3)2] ist äußerlich dem Juramarmor ähnlich, schwerer, größere Härte, nicht so farbenreich, meist graugelb-grau, allgemein mikrokristallin, zuckerkörnig oder sandsteinähnlich rau, (nicht wetterbeständiger als Kalkstein). Dolomit kommt häufig vermischt mit Kalkspat (Calcit) [CaC03] als so genannter „dolomitischer Kalkstein“ vor. Gipsstein
weißes bis graues, bisweilen auch bläulich oder rötlich gefärbtes dichtes, körniges, aber sehr weiches Gestein. Wird lediglich für Kunsthandwerk wegen seiner oft marmorartigen Färbung und guten Polierfähigkeit einiger Sorten verwendet (Alabaster). 2.4.2.3 Organogene Sedimente
Muschelkalk und Korallenkalk (Riffkalke): aus Rückständen kalkschalenaufbauender Lebewesen; die Hohlräume zwischen den Schalenresten sind durch teilweise chemisch ausgefällte Kalkablagerungen, teils durch Kalkschlamm ausgefüllt, wodurch - oft verbunden mit nachträglichem Umkristallisieren - ein feinkristallines, kompaktes Gestein entstand, ohne dass die muschelartige Struktur verändert wurde. Ist auffallend versteinerungsreich, enthält häufig auch tonige Partien. Technologische Eigenschaften ähneln denen der dichten Handelsmarmore. Trotz leicht porigen Aussehens äußerst festes, widerstandsfähiges Material, wetterbeständig. Kreide: Sediment mit starkem Anteil mikroskopisch kleiner Kalkalgen und tierischen Einzellern.
2.4.3 Metamorphe Gesteine Diese Gesteine sind aus der Umwandlung von Erstarrungs- oder Eruptivgesteinen (metamorphisch), sowie den Sedimentgesteinen (para-morphisch) unter höherem Druck und höherer Temperatur hervorgegangen. Tongesteine werden so zu Phylliten und weiter zu Glimmerschiefern, Sandsteine zu Quarziten und Quarzschiefern, Granite zu Gneisen, SiO2 -arme Magmatite zu Grünschiefern und Hornblendeschiefern, Kalksteine zu Marmor. Durch die hohe Pressung kann es zu einer Änderung der Grobstruktur (Faltung, Schieferung) kommen. In der Regel zeichnen sich metamorphe Gesteine daher durch eine gute Spaltbarkeit infolge des Parallelgefüges aus; daher auch der Oberbegriff „kristalline Schiefer". Kristalline Schiefer ähneln wegen ihrer kristallinen Beschaffenheit den Tiefengesteinen, zeichnen sich aber gegenüber diesen durch eine schiefrige und lagenförmige Anordnung der Mineralgemengteile aus. Durch einfaches Spalten lassen sich plattenförmige Baustoffe herstellen.
2.4 Bautechnisch wichtige Gesteine und deren Verwendung
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Je nach einwirkendem Druck und Temperatur unterscheidet man 3 Tiefenbereiche, in denen sich abhängig vom Ausgangsmaterial ganz charakteristische Mineralkombinationen gebildet haben. Die 3 Zonen sind: 1. Epizone: in geringerer Tiefe, niedrigere Temperaturen; 2. Mesozone: in mittlerer Tiefe, mittlere Temperaturen; 3. Katazone: in größerer Tiefe, höhere Temperaturen. 2.4.3.1 Marmor (kristalliner Marmor)
Ausgehend von Kalkstein entsteht in allen metamorphen Zonen „kristalliner“ oder „echter“ Marmor. „Echter“ oder „edler“ Marmor ist kantendurchscheinend kristallin, enthält keine Fossilien. Besteht aus miteinander verwachsenen Kalkspatkristallen [CaCO3], die Kristallflächen glitzern bei Lichteinfall („zuckerkörnig“); ohne Beimengungen reinweiß (Carrara- und Laaser-Marmor, Bildhauermarmor), sonst auch rötliche, bläuliche und graue Verfärbungen, schwärzliche Fleckungen und Wölkungen. Relativ häufig sind grünliche Marmore, eine Färbung, die bei Kalksteinen (Handelsmarmoren) praktisch nicht vorkommt. Diese Marmore sind feinst- bis grobkörnig im Gefüge, weisen vielfach natürliche Strukturzeichnung infolge mineralisch verheilter tektonischer Risse auf. Besonders die feinkörnigen Materialien weisen gute Wetterbeständigkeit auf. Die technischen Eigenschaften ähneln jenen der dichten Sedimentmarmore. 2.4.3.2 Quarzite
Feinkristalline, aus Sandstein hervorgegangene Quarzmasse (> 80 M.-%). Färbungen wie bei Sandsteinen. Häufig eintretende deutliche Schieferung, z. T. Anreicherung von Glimmer in Schieferungsrichtung bewirkt gute Spaltbarkeit. Nicht oder wenig geschieferte Quarzite sind selten, werden wie Granit verwendet, sehr hart und sehr schwer zu bearbeiten, fast ohne Spaltbarkeit, abnutzungsfest, schlecht mörtelbindend. Verwendung: für Grundmauerwerk, Bodenbeläge, Treppen, Wandverkleidungen, Schottermaterial für Eisenbahn- und Straßenbau (Blendgefahr durch weißen Staub!) . 2.4.3.3 Gneise
Die Gneise sind die am weitesten verbreiteten metamorphen Gesteine. Sie können aus jedem Magma der Tiefengesteine (Orthogneise) oder aus tonigen bis sandigen Sedimentgesteinen (Paragneise) entstehen. Aus den bereits kristallinen magmatischen Gesteinen entsteht ein wenig gerichtetes Gestein, bei den Paragesteinen liegt bereits im Ausgangsgestein meist eine deutliche Schichtung vor, sie werden durch die Metamorphose aber kristallin. Sie werden benannt nach dem Ausgangsgestein; granitische Gneise sind zahlreicher. Je nach Mineralienanteil weiß bis schwarz, Paragneise auch rötlich oder grünlich. Material kann wie Granite gesägt und poliert werden, bleiben bei Abnutzung aber rau, wetterfest; wegen der Schichtung fast immer – insbesondere bei den Paragneisen – leichter spaltbar. Sie bestehen aus > 50 M.-% Feldspat, Glimmer (bei Orthogneisen rel. viel) und Quarz, gleichen somit im Mineralbestand dem Granit. Daher erscheinen sie oft unter der Handelsbezeichnung „Granit". Verwendung für Treppenstufen, Boden- und Wandverkleidungen, Widerlager, Stützmauern, Randsteine.
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2 Natursteine
2.4.3.4 Chloritschiefer, Talkschiefer
Aus magmatischem Urgestein mit weniger SiO2-Gehalt entstehen bei der Metamorphose Grün- und Chloritschiefer. Es sind dunkle, bläulich bis grünlich gefärbte, fettglänzende, sehr weiche Gesteine, die licht- und wetterbeständig sind. Liegt als Ausgangsgestein ein dolomitisches Tonsediment vor, entsteht durch Verwitterung u. a. Talk. Talkschiefer kann u. a. für Verkleidungen verwendet werden. 2.4.3.5 Phyllite
Phyllite sind Übergangsgesteine von Tonschiefern zu Glimmerschiefern, die in der Epizone gebildet wurden. Sie bestehen aus sehr feinschuppigen stark geschieferten, dichten Gemengen von Quarz und Serizit (K-Al-Silicat); letzterer bewirkt den stumpfen grünlich bis bläulichen Seidenglanz dieser Materialien. Leicht spaltbar, weich, frost- und wetterbeständig, geringe Abriebfestigkeit, i. A. nicht polierfähig. Verwendung für Dachschiefer; Steine aus oberen Lagen (,Tagsteine") sind meist stark angewittert, qualitativ schlechter. 2.4.3.6 Glimmerschiefer
Glimmerschiefer besteht fast zur Hälfte aus Quarz, viel Glimmer (> 50 M.-%), etwas Feldspat. Farbe vom Silberweiß über alle Graustufen bis zum Schwarz, auch bräunlich oder grünlich. Flaseriges bis ebenschiefriges Gefüge. Wetterbeständig und hart, feuerbeständig. Beispiel: Norwegischer Quarzschiefer mit silbrigglänzender Bruchfläche. Verwendung zu Be!agplatten. 2.4.3.7 Serpentinite
Serpentinite sind Gesteine, die sich vorwiegend aus ultrabasischen Magmagesteinen, die stark olivinhaltig sind, gebildet haben (z.B. aus Peridotit). Aus dem Olivin entsteht durch chemische Umwandlung Serpentin. Parallel dazu kommt es zu mechanischer Zerstörung und u. U. zur Bildung von konglomeratischen oder brekzienartigen Strukturen. Verfüllung der Zwischenräume durch Calcit oder Asbest. Sie haben relativ geringe Mineralhärte (Mohshärte 3: Weichgesteine – sind mit dem Messer schabbar). Sie sind wie die Handelsmarmore leicht bearbeitbar und auch polierfähig, feinkörnig bis dicht, feuerbeständig, wenig wetterbeständig, wenn mit Calcitadern durchzogen; schlangenhautartig grün-grau-marmoriert oder gefleckt, auch rot geflammt. Verwechslungsgefahr mit Marmor! Verwendung als Dekorationsgestein besonders in Innenräumen. Serpentinhaltige Gesteine können an der Oberfläche Talk und ähnliche Minerale bilden Rutschgefahr, bei Nässe glitschig. Serpentinite sind florafeindlich und wasserabweisend, daher Verwendung als Schotter, Dachpappenabstreuung. Ähnlich entstanden wie Serpentin ist Talk (Speckstein), ein weißliches, durch feinschuppige Struktur sich fettig anfühlendes Gestein; Mohshärte 1.
2.5 Zerstörung und Schutz
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Asbest: Unbrennbare, säurebeständige Mineralfaser aus umgewandelter Hornblende oder aus sekundär umgewandeltem Serpentinmineral.
2.5 Zerstörung und Schutz 2.5.1 Ursachen für die Zerstörung Insbesondere im Außenbereich verwendete Naturgesteine unterliegen den verschiedenartigsten Einflüssen, die nicht selten zur Zerstörung des Materials führen können. Die wichtigsten Ursachen sind hier stichwortartig aufgeführt. Bearbeitungsschäden und Sprengrisse: Selbst feinste Haarrisse, die beim steinmetzmäßigen Bearbeiten (Kröneln, Scharrieren) der Oberfläche nicht zu vermeiden sind, begünstigen die Zerstörung. Witterungseinflüsse: Einseitige Erwärmung durch Sonnenbestrahlung (insbesondere dunkle Gesteine heizen sich sehr stark auf), Befeuchtung durch Regen und Schnee, Quell- und Schwindspannungen, sprengende Wirkung des Frostes, Winderosion. Wasser, besonders solches mit Gehalt an Kohlensäure (auch im Regenwasser) und anderen Gasen, und Wasserdampf: Erweichung toniger und mergeliger Bindemittel, Auflösung und chemische Zersetzung. Pflanzenwuchs (Algen, Moose, Flechten, höhere Pflanzen): Sprengwirkung von Wurzeln und keimendem Samen oder Sporen, Feuchthaltung, organische Säuren. Ammoniak (Mist, Jauche) und Humusboden: Bildung von Mauersalpeter [Ca(NO3)2] bei kalkhaltigen Steinen. Rauchgase: Sie enthalten Schwefeldioxid [SO2] und Stickoxide [NOx], die mit Luftfeuchtigkeit zu Säuren (schweflige und salpetrige Säure [HzSO3; HNO2], Schwefel- und Salpetersäure [H2SO4; HNO3]) reagieren. Zerstörende Wirkung auf kalkhaltige Gesteine, besonders in Groß- und Industriestädten, in Tunneln und an Brücken über Eisenbahngleisen. Ruß, Flugasche und Flugstaub aus industriellen Betrieben: können zur Verkrustung der Oberfläche und chemischer Zersetzung führen. Alle Außenfassaden dunkeln zum anderen in Abhängigkeit von ihrer Oberflächenbeschaffenheit nach. Hohe Temperaturen (Brände): Besonders Granit und ähnliche Gesteine, Kalksteine, Dolomit, kalkhaltige Sandsteine und Basalt werden zerstört. Rostende Dübel und Klammern: Sprengwirkung durch Bildung von voluminösem Rost. Ungeeignete Mörtel: Falsche Wahl des Fugen- und Mauermörtels kann zu Schäden führen. Kalk- und Sandsteine können wasseraufsaugend sein. Diese Steine dürfen nicht mit wasserundurchlässigem Zementmörtel verarbeitet werden, da sich über den Fugen Wassersäcke bilden und die
120
2 Natursteine
Steine sich mit Wasser anreichern. Durch Wärmeschwankungen entstehen durch Verdunsten und Gefrieren des Wassers Spannungen, die das Steingefüge lockern oder absprengen können. Die harten Zementmörtel führen bei weichen Steinen häufig auch zu Kantenabsprengungen. Eindringendes Zementwasser ruft auch hässliche Verfärbungen neben den Fugen hervor. Schädlich wirken ebenfalls manche Abbindebeschleuniger und Frostschutzmittel, die dem Mörtel zugesetzt werden, sowie der Gehalt an eventuell vorhandenen löslichen Salzen, besonders Sulfate. Bei aufgehendem Mauerwerk von Hochbauten ist am besten ein nicht zu fetter Mörtel aus Kalkhydrat und mittelkörnigem Sand geeignet. Ausstreichen der Fugen mit Zementmörtel ist auch aus gestalterischen Gründen abzulehnen. Bei dichtem, hartem Gestein ist selbstverständlich der dichte und harte Zementmörtel zu verwenden. Es werden dann Kalkauslaugungen und Streifenbildung vermieden.
2.5.2 Maßnahmen gegen die Zerstörung Schonende Behandlung: beim Gewinnen und Bearbeiten. Maschinelle Bearbeitung ist besser als Handarbeit. Sorgfältige Auswahl der Gesteinsart: dem Verwendungszweck entsprechend. Friedhöfe (Grabsteine mit Jahreszahlen!) in der Umgebung des Bruchs und alte Gebäude in der Nähe des Bauortes beachten; Rauchgas-, Säure-, Hitze-, Frostbeständigkeit prüfen. Lagerhaftes Bearbeiten und Versetzen: d. h. der Schichtung im Bruch entsprechend. Vom Bruchbesitzer verlangen, dass die Schichtung sofort nach dem Loslösen von der Bruchwand durch Farbanstrich bezeichnet wird. Glatte Flächen: durch Schleifen und Polieren. Trockenhalten: Hydrophobierung der Oberfläche mit Siliconharzen, Silanen, Sperrschichten aus neutralen Stoffen (Vorsicht: keine porenverschließenden Stoffe verwenden!) Abschrägungen, Wassernasen vermeiden, Zinkabdeckung. Für sichtbare Abdeckungen freistehender Natursteinmauern sind ortsübliche Baustoffe, wie Steinplatten, Biberschwänze oder Schiefer, zu verwenden. In offener Landschaft oder bei Gartenmauern empfiehlt sich eine Schicht Kalkmörtel mit beiderseitigem schwachem Gefälle, auf der eine Strohlehmpackung aufgetragen wird. Darüber kommen zwei Lagen Rasenplaggen mit versetzten Fugen; Mauergewächse siedeln sich von selbst an, können aber auch angesät werden. Richtige Fugen: sie müssen dicht schließen und nicht an Stellen liegen, wo Gesimse u. ä. mit der lotrechten Fläche zusammenstoßen. Der Mörtel soll sie gleichmäßig füllen, aber nicht herausquellen. Reinigen: von Flugstaub, Ruß, Asche und Pflanzenwuchs. Weiche Bürsten, Wasser und Kernseife oder Dampfstrahl, keine Säuren verwenden! Drahtbürsten und Sandstrahlgebläse erzeugen raue, schnell verschmutzende Flächen, zerstören die natürliche Schutzschicht und beseitigen die gute Wirkung der Steinmetzarbeit.
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2.6 Literatur
Anstriche: sind nur ein Notbehelf. Sie werden meist erst bei bereits angewittertem Gestein gebraucht. Porenschließende Stoffe sind nicht von Dauerwirkung (Gefahr des Rückstaus von Diffusionsfeuchtigkeit). Manche Gesteine zerfallen („ersticken") unter einer luftabschließenden Deckschicht. Vorherige Probeanstriche sind nötig. Stoffverhüllende Putze: sollten, ebenso wie Ölfarbenanstriche, bei Natursteinen nicht angewendet werden. Verzinken oder Verbleien: von Stahldübeln und -klammern oder Verwendung von „Edelstahl Rostfrei". Feuerhemmende Bekleidung: z. B. 1,5 cm dicker Putz auf Berohrung, bei nicht feuerbeständigen Steintreppen (Marmor, Granit, und so weiter) auf der Treppenunterseite.
2.6 Literatur 2.6.1 Normen, Richtlinien Norm
Ausgabe
Titel
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Straßenbordsteine aus Naturstein
DIN 1053-1
1996-11
Mauerwerk – Berechnung und Ausführung – Abschnitt 12: Natursteinmauerwerk
DIN 18 330
2010-04
VOB, Teil C: Mauerarbeiten
DIN 18 332
2010-04
VOB, Teil C: Naturwerksteinarbeiten
DIN 18 515-1
1998-08
Außenwandbekleidungen – Teil 1: Angemörtelte Fliesen oder Platten: Grundsätze für Planung und Ausführung
DIN 18 516-1
2010-06
Außenwandbekleidungen, hinterlüftet – Teil 1: Anforderungen, Prüfgrundsätze
DIN 18 516-3
2010-06
Außenwandbekleidungen, hinterlüftet – Teil 3: Naturwerkstein; Anforderungen, Bemessung
DIN 52100-2
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Naturstein und Gesteinkörnungen – Gesteinskundliche Untersuchungen – Allgemeines und Übersicht
DIN 52 102
2006-02
Prüfung von Naturstein und Gesteinskörnungen – Bestimmung von Dichte, Trockenrohdichte, Dichtigkeitsgrad und Gesamtporosität
DIN 52 106
2004-07
Prüfung von Gesteinskörnungen – Untersuchungsverfahren zur Beurteilung der Verwitterungsbeständigkeit
DIN 52 108
2007-01
Prüfung anorganischer nichtmetallischer Werkstoffe – Verschleißprüfung mit der Schleifscheibe nach Böhme – Schleifscheiben-Verfahren
122
2 Natursteine
DIN 52108/A1
2008-09
Änderung 1 zu DIN 52108:2007-01
DIN EN 1341
2002-04
Platten aus Naturstein für Außenbereiche – Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 1341/Ber1
2006-06
Berichtigung 1 zu DIN EN 1341:2002-04
DIN EN 1342
2002-04
Pflastersteine aus Naturstein für Außenbereiche – Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 1343
2002-04
Bordsteine aus Naturstein für Außenbereiche – Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 1367-1
2007-06
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 1: Bestimmung des Widerstandes gegen Frost-/TauWechsel
DIN EN 1925
1999-05
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten infolge Kapillarwirkung
DIN EN 1926
2007-03
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung der einachsige Druckfestigkeit
DIN EN 1936
2007-02
Prüfung von Naturstein – Bestimmung der Reindichte, der Rohdichte, der offenen Porosität und der Gesamtporosität
DIN EN 12326-1
2004-10
Schiefer und andere Natursteinprodukte für Dachdeckungen und Außenwandbekleidungen – Teil 1: Produktspezifikationen
DIN EN 12326-2
2004-11
Schiefer und andere Natursteinprodukte für Dachdeckungen für überlappende Verlegung und Außenwandbekleidungen – Teil 2: Prüfverfahren
DIN EN 12371
2010-07
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung des Frostwiderstandes
DIN EN 12372
2007-02
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung der Biegefestigkeit unter Mittellinienlast
DIN EN 12407
2007-06
Prüfverfahren von Naturstein – Petrographische Prüfung
DIN EN 12440
2008-04
Naturstein – Kriterien für die Bezeichnung
DIN EN 12670
2002-03
Naturstein – Terminologie
DIN EN 13161
2008-08
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung der Biegefestigkeit unter Drittellinienlast – Berichtigung 1
DIN EN 13373
2003-08
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung geometrischer Merkmale von Gesteinen
DIN EN 13755
2008-08
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung der Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck
123
2.6 Literatur
DIN EN 13919
2003-03
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung der Beständigkeit gegen Alterung durch SO2 bei Feuchteeinwirkung
DIN EN 14580
2005-07
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung des statischen Elastizitätsmoduls
DIN EN 14581
2005-03
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten
DIN EN ISO 12572
2001-09
Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Baustoffen und Bauprodukten – Bestimmung der Wasserdampfdurchlässigkeit
2.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [20.1] [2.02] [2.03] [2.04] [2.05] [2.06] [2.07] [2.08]
Wagenbreth, O.: Naturwissenschaftliches Grundwissen für Ingenieure des Bauwesens. Band 3: Technische Gesteinskunde. Berlin : VEB Verlag für Bauwesen, 1979 Schumann, W.: Steine – Mineralien. München, BLV Verlagsgesellschaft, 1972 Villwock, R.: Industriegesteinskunde. Offenbach : Stein-Verlag, 1966 Bundesverband Natursteinindustrie e.V., Bonn (Hrsg.): Naturstein - bewährter Baustoff. Informationsstelle Naturwerkstein, Würzburg (Hrsg.): Bautechnische Informationen "Bauen mit Naturstein", Müller, F.: Internationale Natursteinkartei. 3. Auflage Ulm : Ebner, 1990 Müller, F.: Gesteinskunde. 5. Auflage Ulm : Ebner, 2001. – ISBN 978-3871881411 Bruckner, H.; Schneider, U.: Naturbaustoffe. Düsseldorf : Werner, 1998. – ISBN 978-3-8041-4140-7
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton Der Begriff „Gesteinskörnung“ wurde durch die europäische Normung als einheitliche Bezeichnung für körnige mineralische Materialien eingeführt. Gesteinskörnungen kommen im Bauwesen für unterschiedliche Anwendungen zum Einsatz: bei der Herstellung von Mörteln und Betonen (hier wurden die Gesteinskörnungen früher als Zuschlag bezeichnet), im Straßenbau (frühere Bezeichnung: Mineralstoffe) oder im Bahnbau als Gleisschotter. Tabelle 3.1 EN-Produktnormen und Nationale Anwendungsdokumente für Gesteinskörnungen Europäische Produktnorm
Nationales Anwendungsdokument
EN 12620 Gesteinskörnungen für Beton
DIN 1045-2 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 2: Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität
EN 13043 Gesteinskörnungen für Asphalte und Oberflächenbehandlungen für Straßen, Flugplätze und andere Verkehrsflächen
TL Gestein-StB 2004 Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau
EN 13055-1 Leichte Gesteinskörnungen – Teil 1: Gesteinskörnungen für Beton, Mörtel und Einpressmörtel
DIN 1045-2 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 2: Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität
EN 13055-2 Leichte Gesteinskörnungen – Teil 2: Leichte Gesteinskörnungen für ungebundene und gebundene Anwendungen
Anhang zur TL Gestein-StB 2004
EN 13139 Gesteinskörnungen für Mörtel
wird in einzelnen Normen geregelt
EN 13242 Gesteinskörnungen für ungebundene und hydraulisch gebundene Gemische für Ingenieur- und Straßenbau
TL Gestein-StB 2004
EN 13383-1 Wasserbausteine – Teil 1: Spezifikation
DIN V 20000-102 Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Teil 102: Gesteinskörnung nach DIN EN 13383-1:2002-08
EN 13450 Gesteinskörnungen für Gleisschotter
DIN V 20000-105 Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Teil 105: Gesteinskörnung nach DIN EN 13450:2003-06
Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_3, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
126
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
3.1 Stand der Normung Die maßgeblichen Anforderungen an Gesteinskörnungen hängen i. W. vom Verwendungszweck ab. In Tabelle 3.1 sind die Europäischen Gesteinskörnungsnormen für die wichtigsten Anwendungen (Beton, Mörtel, Asphalt usw.) zusammengestellt. Neben den Europäischen Produktnormen, die i. W. die Kennzeichnung mit dem CE-Zeichen regeln, existieren die für die Verwendung maßgebenden Nationalen Anwendungsdokumente. Die Prüfverfahren zu den dort aufgeführten Eigenschaften sind in den folgenden Normenreihen enthalten: EN 932: Prüfverfahren für allgemeine Eigenschaften von Gesteinskörnungen; EN 933: Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen; EN 1097: Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen; EN 1367: Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen; EN 1744: Prüfverfahren für chemische Eigenschaften von Gesteinskörnungen. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton.
3.2 Arten von Gesteinskörnungen In Mörteln, Betonen oder anderen bindemittelhaltigen Systemen bilden die Gesteinskörnungen das Korngerüst, wobei das erhärtete Bindemittel die einzelnen Körner miteinander verkittet. Gesteinskörnungen nehmen im Mörtel und Beton den mit Abstand größten Volumenanteil ein. Üblicherweise werden Korngemische, d. h. ein Haufwerk von Gesteinskörnern unterschiedlicher Korngröße, verwendet; daneben kommen auch Körner in einem engen Korngrößenbereich zum Einsatz („Einkornbeton“). Gesteinskörnungen bestehen überwiegend aus natürlichen oder künstlichen Gesteinen, d. h. aus mineralischen Stoffen; vereinzelt werden auch geschäumte Kunststoffe (z. B. Polystyrolkugeln) oder metallische Stoffe (z. B. Stahlschrott) eingesetzt. Tabelle 3.2 Unterteilung von Gesteinskörnungen nach der Kornrohdichte Art der Gesteinskörnung
Kornrohdichte
schwere Gesteinskörnungen
> 3.000 kg/m³
normale Gesteinskörnungen
2.000 ... 3.000 kg/m³
leichte Gesteinskörnungen
< 2.000 kg/m³
Gesteinskörnungen können nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden. Im Hinblick auf die Anwendung im Betonbau unterscheidet man je nach Kornrohdichte zwischen schwe-
127
3.2 Arten von Gesteinskörnungen
ren, normalen und leichten Gesteinskörnungen (siehe Tabelle 3.2). Dabei weisen die normalen und schweren Gesteinskörnungen i. d. R. ein dichtes Gefüge, die leichten Gesteinskörnungen ein poriges Gefüge auf. Nach der Aufbereitungsart wird unterschieden in ungebrochene (d. h. natürlich gekörnte) und gebrochene (d. h. mechanisch zerkleinerte) Körnungen. Ungebrochene Körnungen werden je nach Korngröße als Sand, Kies oder Grobkies bezeichnet, die gebrochenen Materialien werden Brechsand, Splitt und Schotter genannt. Sande und Brechsande können weiter unterteilt werden in Feinst-, Fein- und Grobsande (Tabelle 3.3). Tabelle 3.3 Bezeichnung von Gesteinskörnungen nach Korngröße und Aufbereitungsart Korngröße
Bezeichnung von ungebrochenen Körnungen gebrochenen Körnungen
< 0,25 mm
Feinstsand
Feinst- Brechsand
< 1 mm
Feinsand
Fein- Brechsand
1 ... 4 mm
Grobsand
Grob- Brechsand
Kies
Splitt
Grobkies
Schotter
4 ... 32 mm > 32 mm
Die in Tabelle 3.3 aufgeführten Bezeichnungen werden häufig ergänzt durch Angaben zur Herkunft (Mainkies, Rheinsand usw.), zum Verwendungszweck (z. B. Mauersand, Gleisschotter) oder zur stofflichen Beschreibung (Quarzsand, Basaltsplitt usw.). Zu den Gesteinskörnungen aus natürlichem Gestein mit dichtem Gefüge zählen gebrochene und ungebrochene Körnungen aus Gruben (oft lehmhaltig), Seen und Flüssen (im Oberlauf: sandarm, wenig abgeschliffen; küstennah: sandreicher, abgerundet, glatt), also die natürlichen Lockergesteine wie Kies und Sand sowie die Gesteinskörnungen aus Steinbrüchen. Natürliche Gesteinskörnungen mit porigem Gefüge sind Bims, Tuffe, Schaumlava und ähnliches. Zu den künstlich hergestellten Gesteinskörnungen rechnen z. B. gebrochene und ungebrochene dichte kristalline Hochofenstückschlacke, Kesselschlacke, Flugaschen, ungemahlener Schlackensand, Ziegelsand, Ziegelsplitt sowie mit porigem Gefüge Blähton, Blähschiefer, Hütten- und Sinterbims. Um Rohstoffressourcen zu schonen, wird seit einiger Zeit in zunehmendem Maße versucht, Material, das bei Abbruch- und Umbauarbeiten anfällt und zu einem Korngemisch zerkleinert worden ist, als rezyklierte Gesteinskörnungen gemäß DIN 4226-100 wiederzuverwerten. Folgende Gesteinskörnungen werden für Sonderzwecke eingesetzt: Hartstoffe wie z. B. Korund, Siliziumcarbid für verschleißfeste Schichten; extrem leichte Körnungen für Wärmedämmung und Feuerschutz wie z. B. Vermiculite, Blähperlite, geschäumtes Polystyrol (EPS); Gesteinskörnungen für den Strahlenschutz wie z. B. Baryt, Eisenerze, Blei- und Kupferschlacken; Gesteinskörnungen für feuerfesten Beton wie z. B. Schamotte; farbige Gesteinskörnungen z. B. für Sichtbeton, Waschbeton, Betonwerkstein.
128
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen 3.3.1 Allgemeines Die Gesteinskörnung muss je nach Verwendungszweck und Aufgabe bestimmten Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Frostbeständigkeit und Verschleißwiderstand, Kornform, Reinheit und Kornzusammensetzung genügen. Sie darf unter Einwirkung von Wasser nicht erweichen oder sich zersetzen und darf keine Stoffe enthalten, die das Erhärten des Bindemittels hemmen, seine Festigkeit mindern oder die Stahleinlagen bei bewehrten Bauteilen angreifen, sowie allgemein die Gebrauchseigenschaften der Bauteile nicht nachteilig beeinflussen. Außerdem dürfen die Umweltbedingungen durch die Eigenschaften der Gesteinskörnungen nicht beeinträchtigt werden. Die Anforderungen an Gesteinskörnungen hängen vom vorgesehenen Verwendungszweck und der Herkunft der Gesteinskörnung ab. Die europäischen Produktnormen unterscheiden zwischen allgemeinen, geometrischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften bzw. Anforderungen. Für viele Eigenschaften sind in den Normen Kategorien aufgeführt; in Abhängigkeit vom jeweiligen Verwendungszweck ist zu entscheiden, welche Merkmale überhaupt relevant sind und welche Kategorie angemessen ist. In den einzelnen Kategorien sind Grenzwerte festgelegt, anhand derer die Eigenschaft der Gesteinskörnung klassifiziert wird; die Bezeichnung NR („no requirement“) besagt, dass diese Eigenschaft ohne Belang ist und deshalb nicht geprüft werden muss.
3.3.2 Allgemeine Eigenschaften 3.3.2.1 Probenahme
Die sachgemäße und sorgfältige Durchführung von Probenahme und Probentransport ist wesentlich für die Qualität der Untersuchungsergebnisse. Ziel der Probenahme ist es, eine Probe zu erhalten, die für die durchschnittlichen Eigenschaften eines Loses repräsentativ ist. Je nach Entnahmeort bzw. Lagerungsart der Gesteinskörnung (Transportband, Aufschüttung, Silo) sind unterschiedliche Probenahmetechniken anzuwenden. Die Masse der zu entnehmenden Probe richtet sich nach der Art und Anzahl der vorgesehenen Prüfungen, der Korngröße und der Schüttdichte der Gesteinskörnung. DIN EN 932-1 empfiehlt, die Mindestmasse nach folgender Gleichung zu berechnen: M = 6 ⋅ D ⋅ ρb
(3.1)
Es bedeuten:
M D
Masse der Probe in kg; Größtkorn in mm;
ρb
Schüttdichte in Mg/m³.
Im Allgemeinen wird es notwendig sein, mehrere Einzelproben zu entnehmen und anschließend zu einer Sammelprobe zu vereinen. Hierfür sind geeignete Entnahmegeräte zu verwen-
129
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
den. Bild 3-1 zeigt beispielhaft die Verwendung eines Probenahmerahmens am stehenden Transportband (links). Im rechten Teil des Bildes ist die Probenahme aus einer kegelförmigen Aufschüttung mittels Holzbrett, Metallplatte u. ä. (a) oder mittels Probenahmespeer (b) dargestellt; bei der Festlegung der Entnahmestellen müssen mögliche Entmischungen innerhalb der Aufschüttung (unten: mehr grobe Gesteinskörnung – oben: mehr Feinanteile) berücksichtigt werden.
Bild 3-1 Verschiedene Geräte zur Probenahme
3.3.2.2 Einengung von Proben
Für die weiteren Untersuchungen müssen aus der Sammelprobe so genannte Laborproben gewonnen werden; hierfür muss die Sammelprobe so oft geteilt werden, bis die für die Laborprobe benötigte Menge erreicht ist. Ggf. ist die Sammelprobe vorher so weit zu trocknen, dass sie frei fließt; bei zu trockenen Proben besteht allerdings die Gefahr, dass Feinanteile verloren gehen oder Körner zusammenbacken. Die Einengung der Proben geschieht i. A. entweder durch Vierteln der Probe (Bild 3-2) oder mit einem Riffelteiler (Bild 3-3)
Bild 3-2 Einengung einer Probe durch Vierteln
Bild 3-3 Riffelteiler
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3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Vierteln der Probe
Die Sammelprobe wird auf einer sauberen, ebenen und harten Unterlage mehrmals durchgemischt, dann zu einem Kegel aufgetürmt und anschließend zu einem flachen kreisförmigen Haufen verzogen. Der abgeflachte Haufen wird durch zwei senkrecht zueinander stehende Diagonalen geviertelt, z. B. mit einem Blech, das durch den Haufen gedrückt wird. Zwei gegenüberliegende Viertel werden zu einer Teilprobe zusammengefasst; dabei ist zu beachten, dass keine Feinanteile verloren gehen. Riffelteiler
Die Vorrichtung besteht aus dem eigentlichen Teiler und 3 Auffangschalen. Die Probe wird in eine Auffangschale gefüllt und anschließend über die Längsseite der Schale oben in den Riffelteiler geschüttet. Über die wechselseitig angeordneten Ausläufe am Teiler verteilt sich die Probe zu gleichen Teilen in die beiden Auffangschalen. Der Vorgang wird so oft durchgeführt, bis die gewünschte Menge erreicht ist. Teilungsverhältnis
Neben der Teilung einer Probe in zwei gleich große Teilproben (1/2-Teilung) können durch weitere Teilungen mit anschließendem Zusammenfügen von Teilproben weitere Teilungsverhältnisse erreicht werden. In Bild 3-4 ist das Vorgehen für die 3/4-Teilung und die 5/8Teilung dargestellt.
- - - - - Teilung einer Probe in zwei Teilproben . . . . . . Hinzufügen einer Teilprobe aus einem vorangegangenen Teilungsschritt
Bild 3-4 3/4-Teilung (oben) und 5/8-Teilung (unten)
131
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
3.3.3 Geometrische Eigenschaften 3.3.3.1 Korngruppen
Gesteinskörnungen werden durch Angabe einer Korngruppe beschrieben; dabei werden die untere (d) und obere (D) Siebgröße in der Form d/D angegeben. Die Bezeichnung 4/8 besagt, dass bei dem vorliegenden Material der Durchmesser der Körner zwischen 4 und 8 mm liegt. Im Idealfall ergeben sich für diese Korngruppe – wie in Bild 3-5 links dargestellt – 0 M.-% Siebrückstand auf dem 8-mm-Sieb und 0 M.-% Siebdurchgang durch das 4-mm-Sieb. Allerdings dürfen in jeder Korngruppe bestimmte Anteile an Unterkorn bzw. Überkorn vorhanden sein (siehe Bild 3-5 rechts). Mit Unterkorn bezeichnet man den Siebdurchgang durch das untere Prüfsieb, mit Überkorn den Rückstand auf dem oberen Sieb.
Überkorn
8 mm Sieb
8 mm Sieb
0% Rückstand Durchgang 100 %
Rückstand z.B. 9 % 91 % Durchgang
4 mm Sieb
4 mm Sieb
Rückstand 100 % 0% Durchgang
Rückstand z.B. 84 % 7% Durchgang
Korngruppe 4/8
Korngruppe 4/8 Unterkorn
Bild 3-5 Darstellung einer Korngruppe am Beispiel der Korngruppe 4/8 (links: ohne Unter- und Überkorn – rechts: mit Unter- und Überkorn) [3.02]
Die Bezeichnung der Korngruppen setzt sich aus den in Tabelle 3.4 dargestellten Werten des Grundsiebsatzes, des Grundsiebsatzes plus Ergänzungssiebsatz 1 bzw. 2 zusammen. Eine Kombination der Siebgrößen aus den beiden Ergänzungssiebsätzen ist nicht zulässig. Das Verhältnis D/d der Korngruppen darf nicht kleiner als 1,4 sein. Je nach Siebgrößen werden für die Korngruppen folgende Bezeichnungen verwendet: Grobe Gesteinskörnung ist die Bezeichnung für größere Korngruppen mit D ≥ 4 mm und d ≥ 2 mm, z. B. 4/8, 8/16. Zusätzlich wird zwischen enggestuften und weitgestuften Korngruppen unterschieden: enggestuft: D > 11,2 mm und D/d 2 (z. B. 8/16) oder D 11,2 mm und D/d 4 (z. B. 2/8); weitgestuft: D > 11,2 mm und D/d > 2 (z. B. 4/16) oder D 11,2 mm und D/d > 4 (2/11,2). Feine Gesteinskörnung bezeichnet kleinere Korngruppen mit D 4 mm, z. B. 0/1, 0/2, 1/4. Korngemisch nennt man eine Mischung aus grober und feiner Gesteinskörnung (z. B. 0/8). Füller ist die Bezeichnung für feine Gesteinsmehle. Bei Füllern werden keine Siebgrößen angegeben.
132
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Tabelle 3.4 Siebgrößen zur Bezeichnung von Korngrößen
[mm]
Grundsiebsatz plus Ergänzungssiebsatz 1 [mm]
Grundsiebsatz plus Ergänzungssiebsatz 2 [mm]
0
0
0
1
1
1
2
2
2
Grundsiebsatz
4
4
4
–
5,6 (5)
–
–
–
6,3 (6)
8
8
8
–
–
10
–
11,2 (11)
–
–
–
12,5 (12)
–
–
14
16
16
16
–
–
20
–
22,4(22)
–
31,5 (32)
31,5 (32)
31,5 (32)
–
–
40
–
–
–
63
63
63
ANMERKUNG: Die in Klammern gesetzten gerundeten Größen können zur vereinfachten Bezeichnung der Korngruppen verwendet werden.
3.3.3.2 Kornzusammensetzung
Die Kornzusammensetzung einer Gesteinskörnung wird im Siebversuch bestimmt; hierfür werden Maschensiebe (Siebweiten von 0,063 mm bis 2,0 mm) und Quadratlochsiebe (Siebweiten von 4,0 mm bis 63 mm) verwendet. Innerhalb eines Siebsatzes kann der Auffangboden als Sieb mit der Siebweite 0 mm bezeichnet werden. In Tabelle 3.5 sind die Ergebnisse einer Siebung an einem Korngemisch mit 16 mm Größtkorn dargestellt. Spalte (1) zeigt die Anordnung der verwendeten Siebe. Die Rückstände auf den einzelnen Sieben werden gewogen (2), daraus werden die prozentualen Anteile der Siebrückstände am Gesamtsiebgut errechnet (3), und in der nachfolgenden Spalte werden die Siebrückstände aufsummiert (4). Alternativ kann die Summenbildung bereits beim Wiegen der Siebrückstände vorgenommen werden; hierzu werden die Rückstände – beginnend mit dem größten Sieb – nacheinander in die Waagschale geschüttet und jedes Mal zusammen mit der bereits vorhandenen Menge gewogen.
133
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
Abschließend wird aus dem Rückstand der Siebdurchgang berechnet (5), und zwar als Ergänzungswert zu 100, da für jedes Sieb die Summe aus Siebdurchgang und Siebrückstand jeweils 100 % ergeben muss. Nach DIN EN 933-1 sind die Siebdurchgänge bei dem 0,063mm-Sieb auf 0,1 % genau, bei den übrigen Sieben auf 1 % genau (Klammerwerte in (5)) anzugeben. Tabelle 3.5 Bestimmung der Kornzusammensetzung
[mm]
Siebrückstand (Einzelsieb) [g]
Siebrückstand (Einzelsieb) [M.-%]
Siebrückstand R (kumuliert) [M.-%]
Siebdurchgang D (kumuliert) [M.-%]
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
16
0
0,0
0
100,0 (100)
8
1145
38,2
38,2
61,8 (62)
4
496
16,5
54,7
45,3 (45)
2
171
5,7
60,4
39,6 (40)
Siebweite
1
193
6,4
66,8
33,2 (33)
0,5
404
13,5
80,3
19,7 (20)
0,25
384
12,8
93,1
6,9
(7) (4)
0,125
87
2,9
96,0
4,0
0,063
58
1,9
97,9
2,1
0
62
2,1
100,0
0,0
3000
100,0
Summe
–
–
Die Ergebnisse werden in einer Sieblinie grafisch dargestellt, wobei der kumulierte Siebdurchgang über der Siebweite aufgetragen wird. Diese Form der Darstellung ist am besten geeignet, um unterschiedliche Sieblinien direkt miteinander vergleichen zu können. Für den Siebdurchgang wird ein linearer Maßstab und für die Siebweite meist ein logarithmischer Maßstab (vereinzelt auch ein Wurzelmaßstab) gewählt. In Bild 3-6 sind die Ergebnisse aus Tabelle 3.5 grafisch dargestellt. Für die vorliegende Siebanalyse wurden nur Siebe des Grundsiebsatzes verwendet; ggf. müssen weitere Zwischensiebe eingeschaltet werden.
134
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Bild 3-6 Sieblinie eines Korngemisches mit 16 mm Größtkorn (Daten aus Tabelle 3.5)
Die Kornzusammensetzung von Gesteinskörnungen, insbesondere von Sanden, kann je nach Vorkommen sehr unterschiedlich sein. Deshalb muss der Hersteller bzw. Lieferant dem Abnehmer auf Anfrage die typische Kornzusammensetzung mitteilen. Zusätzlich hat der Hersteller dafür Sorge zu tragen, dass die Gesteinskörnung eine möglichst gleich bleibende Kornzusammensetzung aufweist. Die Zusammensetzung von Korngruppen wird anhand der Durchgänge durch die Siebe mit den Lochweiten d/2 – d – D – 1,4⋅D – 2⋅D festgelegt. Zur Kennzeichnung der Kategorie werden der Mindestdurchgang durch das Sieb mit der Lochweite D und der Höchstdurchgang durch das Sieb mit der Lochweite d verwendet; dadurch ist der zulässige Überkorn- bzw. Unterkornanteil bestimmt.
Beispiel: Die Korngruppe 8/16 (d = 8 mm; D = 16 mm) wird lt. obiger Festlegung über den Sieben 4 – 8 – 16 – 22,4 – 31,5 mm abgesiebt. Zur Einordnung in die Kategorie Gc85/20 muss der Siebdurchgang bei D = 16 mm mindestens 85 M.-% betragen, d. h. der zulässige Überkornanteil beträgt 15 M.-%. Durch das Sieb mit der Lochweite d = 8 mm dürfen höchstens 20 M.-% hindurchgehen; dies entspricht dem zulässigen Unterkornanteil. Die Anforderungen bzgl. der Siebdurchgänge bei den übrigen Sieben ist Tabelle 3.6 zu entnehmen.
135
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen Tabelle 3.6 Allgemeine Anforderungen an die Kornzusammensetzung
Kategorie Gd
Durchgang in Massenanteil in Prozent Gesteinskörnung
Korngröße 2D
1,4 Da,b
Db
db
d/2a,b
D/d ≤ 2 oder D ≤ 11,2 mm
100 100
98 bis 100 99 bis 100
85 bis 99 80 bis 99
0 bis 20 0 bis 20
0 bis 5 0 bis 5
Gc 85/20 Gc 30/20
D/d > 2 und D > 11,2 mm
100
98 bis 100
90 bis 99
0 bis 15
0 bis 5
Gc 90/15
D ≤ 4 mm und 100 d=0
98 bis 100
88 bis 99
–
–
Gr 85
natürlich zuD = 8 mm und sammengesetzte 100 d=0 Gesteinskörnung 0/8
98 bis 100
90 bis 99
–
–
GNG 90
98 bis 100 98 bis 100
90 bis 99 85 bis 99
–
–
GA 85 GA 85
Grob
Fein
Korngemisch a b c
d
D ≤ 45 mm und d = 0
100 100
Wenn die errechneten Siebgrößen nicht mit der ISO-565:1990-R20-Reihe übereinstimmen, ist stattdessen das nächstliegende Sieb der Reihe heranzuziehen. Für Beton mit Ausfallkörnung oder andere spezielle Verwendungszwecke können zusätzliche Anforderungen vereinbart werden. Der Siebdurchgang durch D darf unter Umständen auch mehr als 99 % Massenanteil betragen; in diesen Fällen muss der Hersteller die typische Kornzusammensetzung aufzeichnen und angeben, wobei die Siebgrößen D, d, d/2 und die zwischen d und D liegenden Siebe des Grundsiebsatzes plus Ergänzungssiebsatz 1 oder des Grundsiebsatzes plus Ergänzungssiebsatz 2 enthalten sein müssen. Siebe, die nicht mindestens 1,4-mal größer sind als das nächstkleinere Sieb, können davon ausgenommen werden. Weitere Produktnormen für Gesteinskörnungen umfassen andere Anforderungen an die Kategorien.
Bei weitgestuften groben Gesteinskörnungen (z. B. Korngruppe 4/16) wird zwischen d und D ein weiteres „mittleres“ Sieb eingefügt, an dessen Siebdurchgang zusätzliche Anforderungen (Siebdurchgang: 25...70 M.-%) gestellt werden. Für feine Gesteinskörnungen gelten ebenfalls die Grenzwerte nach Tabelle 3.6, die sich hier jedoch nur auf die obere Korngröße D und den darüber liegenden Bereich (1,4⋅D, 2⋅D) beziehen. Bei der Betonherstellung und weiteren Anwendungen interessiert jedoch vor allem die Zusammensetzung im Feinbereich. Deshalb werden zusätzliche Anforderungen gestellt, und zwar: Der höchstzulässige Gehalt an Feinanteilen (< 0,063 mm, siehe 3.3.2.6) wird begrenzt. Die Sieblinie darf nur innerhalb festgelegter Grenzabweichungen von der vom Hersteller angegebenen typischen Kornzusammensetzung abweichen (siehe Tabelle 3.7).
136
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Tabelle 3.7 Grenzabweichungen für die vom Hersteller angegebene typische Kornzusammensetzung von feinen Gesteinskörnungen für allgemeine Verwendungszwecke Grenzabweichungen für den Siebdurchgang in Massenanteil in Prozent Siebgröße mm 4
0/4
0/2
0/1
±5
–
–
a
2
–
±5
1
± 20
± 20
± 5a
0,250
± 20
± 25
± 25
0,063b
±3
±5
±5
a
–
a Zusätzlich zu der Grenzabweichung von ± 5 % Massenanteil gelten die Anforderungen an den
Siebdurchgang durch D nach Tabelle 3.6. b Für den Siebdurchgang durch das 0,063-mm-Sieb gelten zusätzlich zu den angegebenen Grenzab-
weichungen die in Tabelle 3.14 für die gewählte Kategorie angegebenen Höchstwerte des Gehaltes an Feinanteilen.
Bild 3-7 zeigt eine vom Hersteller angegebene typische Kornzusammensetzung für eine feine Gesteinskörnung 0/2 mm. Der grau unterlegte Bereich umschreibt den Toleranzbereich, der sich aus den Grenzwerten nach Tabelle 3.6 und den Grenzabweichungen nach Tabelle 3.7 ergibt.
Bild 3-7 Toleranzbereich für eine feine Gesteinskörnung 0/2 mm
137
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
Für natürlich zusammengesetzte Gesteinskörnung 0/8 sowie für Korngemische sind neben den in Tabelle 3.6 genannten Anforderungen zusätzliche Grenzabweichungen bzw. Grenzwerte festgelegt (siehe DIN EN 12620 Tabellen 5 und 6). Aus Gesteinskörnungen hergestellte Füller (Gesteinsmehle) müssen folgende Anforderungen bzgl. Kornzusammensetzung erfüllen: Kornanteile > 2 mm sind nicht zulässig. Der Siebdurchgang durch das 0,063-mm-Sieb muss mindestens 70 M.-% und durch das 0,125-mmSieb mindestens 85 M.-% betragen. Zusätzlich muss der Hersteller für jedes dieser beiden Siebe einen Bereich angeben, innerhalb dessen mindestens 90 % der letzten 20 Untersuchungsergebnisse liegen müssen; dieser Bereich darf maximal 10 M.-% betragen.
Feine Gesteinskörnungen lassen sich im Hinblick auf ihre Grobheit bzw. Feinheit in die drei Klassen C (engl.: „coarse“ für grobkörnig), M (mittelkörnig) und F (feinkörnig) einteilen, wobei entweder der Siebdurchgang durch das 0,5-mm-Sieb in Prozent (Tabelle 3.8) oder der Feinheitsmodul (Tabelle 3.9) bestimmt werden muss. Tabelle 3.8 Grobheit oder Feinheit auf der Grundlage des Siebdurchganges durch das 0,5-mm-Sieb Siebdurchgang in M.-% CP
MP
FP
5 bis 45
30 bis 70
55 bis 100
Tabelle 3.9 Grobheit oder Feinheit auf der Grundlage des Feinheitsmoduls Feinheitsmodul FM CF
MF
FF
4,0 bis 2,4
2,8 bis 1,5
2,1 bis 0,6
Der Feinheitsmodul FM wird als Summe der kumulierten Siebrückstände Ri in M.-% auf den Sieben mit den Lochweiten 0,125 – 0,25 – 0,5 – 1,0 – 2,0 – 4,0 mm bestimmt:
FM =
Σ ( R0,125 + R0,25 + R0,5 + R1,0 + R2,0 + R4,0 ) 100
(3.2)
3.3.3.3 Kornform
Zur Herstellung von Beton sollte die Kornform möglichst gedrungen (kugelig, würfelig) sein, weil sich derart geformte Körner besser verarbeiten lassen als plattiges oder längliches Material. Die Kornform wird an groben Gesteinskörnungen bestimmt, und zwar entweder als Plattigkeitskennzahl (Referenzverfahren) oder als Kornformkennzahl.
138
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Plattigkeitskennzahl (DIN EN 933-3)
Zunächst wird die zu untersuchende Korngruppe durch Absieben über festgelegten Zwischensieben in weitere Kornklassen di/Di aufgeteilt. Bei der Korngruppe 8/16 sind dies die Zwischensiebe mit den Lochweiten 10 und 12,5 mm, wodurch die drei Kornklassen 8/10, 10/12,5 und 12,5/16 entstehen. Die einzelnen Kornklassen werden dann über Stabsieben, bestehend aus Parallelstäben mit Schlitzweiten von Di/2 (siehe Bild 3-8), abgesiebt, d. h. die Kornklasse 8/10 über dem 5mm-Schlitzsieb, 10/12,5 über dem 6,3mm-Sieb usw.
Bild 3-8 Stabsieb zur Bestimmung der Plattigkeitskennzahl
Aus der Summe der Siebdurchgänge M2 und der Gesamtmasse der untersuchten Probe M1 wird die Gesamt-Plattigkeitszahl FI („Flakeness Index“) folgendermaßen berechnet: FI =
M2 ⋅100 M1
(3.3)
Die Plattigkeitskennzahl entspricht somit dem prozentualen Massenanteil von plattigen Körnern in der Gesamtprobe. Anhand des gemessenen Wertes wird die Korngruppe in eine Kategorie gemäß Tabelle 3.10 eingeordnet; bei Werten > 50 wird der tatsächlich gemessene Wert angegeben. Das Verfahren kann im Korngrößenbereich von 4 bis 80 mm angewandt werden.
139
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen Tabelle 3.10 Kategorien für Höchstwerte der Plattigkeitskennzahl Plattigkeitskennzahl 15 20 35 50 > 50 keine Anforderung
Kategorie FI FI15 FI20 FI35 FI50 FIangegeben FINR
Kornformkennzahl (DIN EN 933-4)
In einer Probe grober Gesteinskörnung wird der Anteil an ungünstig geformten Körnern > 4 mm bestimmt. Ein Korn gilt als ungünstig geformt, wenn das Verhältnis Länge zu Dicke größer ist als 3:1. Dabei ist die Länge L die größte Abmessung des Korns, die Dicke E ist die kleinste Kornabmessung. Für die Prüfung wird ein Kornform-Messschieber (Bild 3-9) verwendet. Dabei handelt es sich um eine Schieblehre, die auf die Länge des Kornes eingestellt wird. Die lichte Weite E des schrägen Messschlitzes beträgt immer E = L/3. Passt das Korn durch E hindurch, so ist es ungünstig geformt.
Bild 3-9 Kornformschieblehre
Die Kornformkennzahl wird analog zur Plattigkeitskennzahl aus der Masse der ungünstig geformten Körner und der Gesamtmasse der Probe berechnet. Tabelle 3.11 zeigt die Kategorien der Kornformkennzahl SI („Shape Index“). Das Verfahren ist für Kornklassen di/Di mit Di ≤ 63 mm und di ≥ 4 mm anwendbar.
140
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Tabelle 3.11 Kategorien für Höchstwerte der Kornformkennzahl Kornformkennzahl 15 20 40 55 > 55 keine Anforderung
Kategorie SI SI15 SI20 SI40 SI55 SIangegeben SINR
3.3.3.4 Muschelschalengehalt
In Gesteinskörnungen, die aus dem Meer gewonnen werden, können Muschelschalen enthalten sein. Muschelschalen weisen eine ungünstige Form auf und können zudem stark wassersaugend sein; daher ist ihr Gehalt bei groben Gesteinskörnungen zu bestimmen. Bei der Prüfung werden Muschelschalen und Muschelschalenbruchstücke aus einer Probe der groben Gesteinskörnung manuell ausgesondert. Der Muschelschalengehalt SC („Shell Content“) wird als das Verhältnis der Masse der Muschelschalen und -bruchstücke zur Masse der gesamten Probe bestimmt und in Prozent angegeben. Tabelle 3.12 Kategorien für den Höchstwert des Muschelschalengehaltes grober Gesteinskörnungen Muschelschalengehalt in M.-% 10 > 10 keine Anforderung
Kategorie SC SC10 SCangegeben SCNR
3.3.3.5 Anteil an gebrochenen Körnern
Sande und Kiese weisen i. d. R. glatte Oberflächen auf; daher sind die daraus hergestellten Mörtel und Betone gut verarbeitbar. Bei gebrochenen Körnern ist die Oberfläche rauer und daher der Wasseranspruch größer; andererseits ist – bedingt durch die bessere Haftung zwischen Korn und Zementstein – die Zugfestigkeit größer. In Asphaltschichten sollte die Kornoberfläche möglichst rau sein, weil dadurch eine bessere Kraftübertragung von Korn zu Korn möglich ist. Die Anforderungen an Gesteinskörnungen für den Straßenbau werden in Kapitel 13 beschrieben. Der Anteil an gebrochenen Körnern wird nach DIN EN 933-5 an groben Gesteinskörnungen bestimmt. Dabei wird die Messprobe manuell in 4 Kategorien eingeteilt, wobei die einzelnen Körner nach dem Anteil der gebrochenen Oberfläche an der Gesamtoberfläche beurteilt werden (siehe Tabelle 3.13). Die Massen der einzelnen Gruppen werden bestimmt und als Massenanteil in % der Messprobe ausgedrückt.
141
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen Tabelle 3.13 Definition von gebrochenen und gerundeten Körnern nach DIN EN 933-5 Bezeichnung
Anteil an gebrochener Oberfläche
Gebrochene Körner (c)
> 50 %
Vollständig gebrochene Körner (tc)
> 90 %
Gerundete Körner (r)
< 50 %
Vollständig gerundete Körner (tr)
< 10 %
3.3.3.6 Feinanteile
Als Feinanteile (früher: abschlämmbare Bestandteile) werden bei Gesteinskörnungen diejenigen Anteile bezeichnet, die durch das Sieb mit der Maschenweite 0,063 mm hindurchgehen. Feinanteile können aus schluffigen, tonigen Bestandteilen oder aus Gesteinsmehlen bestehen. Sie können in der Körnung fein verteilt oder zusammengeklumpt enthalten sein und auch an den größeren Körnern haften. Eine einfache Überprüfung besteht darin, dass man die Körner in der Hand reibt und prüft, ob Feinanteile zurückbleiben. Feinanteile können, wenn sie auf der Oberfläche gröberer Körner anhaften, den Verbund zwischen Korn und Bindemittel behindern; außerdem erhöhen sie den Wasseranspruch des Korngemisches. Andererseits können geringe Mengen von Feinanteilen bei gleichmäßiger Verteilung die Sieblinie im Feinbereich ergänzen und dadurch zu einem dichteren Gefüge beitragen. Die Bestimmung der Feinanteile erfolgt nach verschiedenen Methoden. In DIN EN 933-8 wird hierfür das Sandäquivalent-Verfahren bzw. in DIN EN 933-9 das MethylenblauVerfahren beschrieben. Allerdings weist DIN EN 12620 in Anhang D ausdrücklich auf die fehlende Erfahrung mit diesen Prüfverfahren hin, weshalb bislang noch keine genauen Grenzwerte für diese Verfahren festgelegt werden konnten. Nach DIN 52099 werden die Feinanteile entweder mit dem Auswaschversuch nach DIN EN 933-1 oder mit dem Absetzversuch bestimmt. Der Auswaschversuch liefert die genaueren Ergebnisse, während mit dem Absetzversuch eine einfach durchzuführende Baustellenmethode zur Verfügung steht. Außerdem beschreibt DIN 52099 ein Verfahren, mit dem der Anteil mergeliger und toniger Körner überprüft wird; diese können in Form von fest verkitteten Knollen vorliegen und sich augenscheinlich in Größe und Form kaum von den übrigen Körnern des Gemisches unterscheiden. Die Prüfung erfolgt durch 3-stündiges Kochen der Probe, wodurch ggf. vorhandene Knollen aufgelöst werden. Auswaschversuch
Die zu untersuchende Probe wird bis zur Massenkonstanz getrocknet und nach dem Abkühlen gewogen (Masse M1). Danach wird die Probe in einen Behälter gefüllt, mit Wasser überdeckt und nach 24 Stunden kräftig umgerührt, damit eine vollständige Trennung und Aufschlämmung der Feinbestandteile erreicht wird.
142
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Die Probe wird nun über dem 0,063-mm-Sieb so lange ausgewaschen, bis das aus dem Sieb fließende Wasser klar ist. Um eine Beschädigung des sehr feinen Analysensiebes zu vermeiden, wird ein Schutzsieb (Maschenweite 1 mm oder 2 mm) vorgesetzt. Der Rückstand auf den Sieben (0,063-mm-Sieb + Schutzsieb) wird getrocknet und nach dem Abkühlen gewogen (M2). Erfahrungsgemäß werden durch das Waschen nicht alle Feinanteile entfernt. Deshalb wird bei der anschließenden Trockensiebung des Siebrückstandes (zwecks Bestimmung der Kornzusammensetzung) das 0,063-mm-Sieb in den Siebturm mit eingebaut. Nach Durchführung der Trockensiebung befindet sich in der Auffangschale evtl. ein Teil der Siebprobe; dabei handelt es sich um den Siebdurchgang durch das 0,063-mm-Sieb (Masse P), der beim Auswaschen nicht entfernt wurde. Die Feinanteile (abschlämmbaren Bestandteile) werden nach folgender Formel berechnet: f =
( M1 − M 2 ) + P ⋅ 100 M1
(3.4)
Gegebenfalls kann der Gehalt an Feinanteilen allein durch Trockensiebung, d. h. ohne vorheriges Auswaschen, bestimmt werden; für diesen Fall lautet die Formel:
f =
P ⋅ 100 M1
(3.5)
Absetzversuch
Der Absetzversuch gibt einen Anhalt über die Menge der Feinanteile von Gesteinskörnungen mit bis zu 4 mm Größtkorn. 500 g des zu untersuchenden Materials (bei Leichtzuschlag 250 g) und etwa 750 cm³ Wasser werden in einen Mischzylinder gegeben. Nach Verschließen des Mischzylinders wird dieser dreimal im Abstand von 20 min kräftig geschüttelt; nach dem letzten Schütteln wird er erschütterungsfrei abgestellt. Mit der Zeit setzen sich die Feinanteile als deutlich sichtbare Schicht auf den gröberen Bestandteilen ab. Nach einer Stunde wird die Dicke der Schlämmeschicht abgelesen; dabei wird der mit dem bloßen Auge noch erkennbare „scharfe“ Feinsand nicht zur Schlämmeschicht gerechnet. Ist die überstehende Flüssigkeit nach 1 h Absetzdauer noch nicht klar, so ist die Dicke der abgesetzten Schicht nach 24 h abzulesen. Die Masse der abgesetzten Feinanteile ergibt sich als Produkt aus dem Volumen der Schlämmeschicht in cm³ und der Trockenmasse der in 1 cm³ der Schlämmeschicht enthaltenen Feinanteile. Letztere wird für natürliches Gestein nach 1 h Absetzdauer mit 0,6 g/cm³ und nach 24 h Absetzdauer mit 0,9 g/cm³ angenommen.
143
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
Bild 3-10 Bestimmung von Feinanteilen mit dem Absetzversuch
Beispiel: Das Volumen der Schlämmeschicht VS wurde nach einer Stunde zu 30 cm³ abgelesen; hieraus ergibt sich für die Masse der abgesetzten Feinanteile 0,6⋅30 = 18,0 g. Bei einer Gesamtprobe von 500 g folgt f = 100⋅18,0/500 = 3,6 M.-%. Bei bestimmten Gesteinsvorkommen können Abweichungen zu den angegebenen Zahlenwerten auftreten. In derartigen Fällen dürfen abweichende Werte für die Trockenmasse der in 1 cm³ der Schlämmeschicht enthaltenen Feinanteile benutzt werden, sofern diese Werte auf den Ergebnissen von parallel durchgeführten Auswaschversuchen basieren. Tabelle 3.14 Kategorien für Höchstwerte des Gehaltes an Feinanteilen Gesteinskörnung
Grobe Gesteinskörnung
Natürlich zusammengesetzte Gesteinskörnung 0/8
Korngemisch
Feine Gesteinskörnung
Siebdurchgang durch das 0,063-mm-Sieb in M.-%
Kategorie f
1,5 4 >4
f1,5 f4 fangegeben
keine Anforderung
fNR
3 10 16 > 16
f3 f10 f16 fangegeben
keine Anforderung
fNR
3 11 > 11
f3 f11 fangegeben
keine Anforderung
fNR
3 10 16 22 > 22
f3 f10 f16 f22 fangegeben
keine Anforderung
fNR
144
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
3.3.4 Physikalische Eigenschaften 3.3.4.1 Dichten
Bei Gesteinskörnungen und anderen Schüttgütern unterscheidet man zwischen (Rein-)Dichte, Kornrohdichte und Schüttdichte. Hieraus lassen sich – wie in 1.2.3.3 erläutert wurde – die unterschiedlichen Porigkeiten (Korn-, Haufwerks-, Gesamtporigkeit) berechnen. Die Schüttdichte dient zur Umrechnung von Raum- in Massenteile. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass ihre Größe stark von der Oberflächenfeuchte abhängt (Bild 3-11); dies gilt insbesondere bei sandreichen Korngemischen (z. B. Regelsieblinie C32 im Bild 3-11 links). Dieser Feuchteeinfluss lässt sich folgendermaßen erklären: Trockene Körner können ineinander rieseln und somit eine relativ dichte Packung einnehmen. Bei geringer Feuchte bildet sich auf der Kornoberfläche ein dünner Wasserfilm, der zur Adhäsion insbesondere zwischen kleineren Körnern führt; dies bewirkt eine Auflockerung der Schüttung und führt zunächst zu einer Abnahme der Schüttdichte. Bei weiterer Feuchtezunahme wirken die dickeren Wasserschichten als Gleitschicht, so dass dann aufgrund der dichteren Packung die Schüttdichte wieder ansteigt. Wegen der einfachen und schnellen Durchführbarkeit der Schüttdichtebestimmung wird das Verfahren u. a. zur Beurteilung der Gleichmäßigkeit von industriell hergestellten Körnungen angewendet.
2000
Schüttdichte in kg/m3
1600
Regelsieblinien nach DIN 1045
1900
1500 1400 1300
1800
Schüttdichte in kg/m3 8/16 4/8 2/4
1/2
0,25/1
1200 1700
1100
1600
1000
Korngruppen Normalzuschlag
900 1600
800
0/0,25
700
1400 0
2
4
6
8
10
Feuchte in M.-% häufig vorkommende Feuchten
Bild 3-11 Abhängigkeit der Schüttdichte von der Oberflächenfeuchte
Die Schüttdichte wird durch Befüllen eines Messgefäßes mit bekanntem Volumen ermittelt. Dabei wird die Probe üblicherweise lose eingefüllt; sofern andere Einfüllarten Anwendung finden, z. B. Verdichten der Probe, ist dies bei den Ergebnissen mit anzugeben. Um Fehler durch Randeinflüsse möglichst gering zu halten, müssen die Messgefäße ein bestimmtes von der Korngröße abhängiges Mindestvolumen aufweisen (siehe Tabelle 3.15).
145
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen Tabelle 3.15 Mindestvolumen des Messgefäßes zur Bestimmung der Schüttdichte Obere Korngröße der Gesteinskörnung (D) [mm]
Mindestvolumen [dm³]
bis 4
1,0
bis 16
5,0
bis 31,5
10
bis 63
20
Die Kornrohdichte wird für die Berechnung der Betonzusammensetzung benötigt. Ihre Größe hängt bei dichten Gesteinskörnungen i. W. von der Gesteinsart, bei Leichtzuschlägen sehr stark von der Kornporigkeit ab. Nach DIN EN 1097-6 wird die Kornrohdichte von normalen Gesteinskörnungen entweder mit dem Pyknometer-Verfahren (Gesteinskörnungen zwischen 0,063 und 4 mm bzw. zwischen 4 und 32 mm) oder durch Unterwasserwägung mit dem Drahtkorbverfahren (Gesteinskörnungen zwischen 32 und 63 mm) bestimmt. Bei beiden Verfahren muss die Messprobe vor der Prüfung in Wasser gelagert werden, damit während des Versuches kein Wasser mehr aufgesaugt werden kann und dadurch das Prüfergebnis verfälscht wird. Ferner ist wichtig, dass die vorgegebenen Temperaturen eingehalten werden und bei der Auswertung die genaue temperaturabhängige Dichte des Wassers berücksichtigt wird. Bei leichten Gesteinskörnungen wird die Kornrohdichte mit dem Pyknometer bestimmt, wobei ggf. durch Einlegen eines Gitters ein Aufschwimmen leichter Körner verhindert werden muss. In Steinkohlekraftwerken fallen im Feuerraum Aschepartikel an, die über ein Wasserbad als so genannter Kesselsand abgezogen werden. Bei einer Kornrohdichte zwischen 1.000 und 1.800 kg/m³ kann Kesselsand als leichte Gesteinskörnung in Betonen und Mörteln eingesetzt werden. Die Kornfestigkeit wird an Mörtelproben bestimmt; für die Einwaage der Mörtelmischung wird die wirksame Kornrohdichte der wassergesättigten leichten Gesteinskörnung benötigt (siehe DIN V 18004). Aus der Schüttdichte und der Kornrohdichte wird die Haufwerksporigkeit (in der Norm als Hohlraumgehalt bezeichnet) berechnet. Der Hohlraumgehalt ist ein Maß für die Dichtigkeit einer Kornschüttung. Einkorngemische weisen Hohlraumgehalte von mindestens 26 Vol.-% auf (dichteste Kugelpackung), bei Kies ca. 32 Vol.-%, bei Splitt rd. 42 Vol.-%. Durch günstige Kornabstufung in einem Korngemisch kann er auf bis zu 15 Vol.-% reduziert werden. Anhand des Hohlraumgehaltes lässt sich der Zementleimbedarf des Betons abschätzen. Die Dichte (Reindichte) von Gesteinskörnungen wird selten überprüft. Zwar kann aus der Kornrohdichte und der Dichte die Kornporigkeit errechnet werden; die so ermittelten Werte lassen jedoch keine Aussage über die – eher interessierende – offene Porosität bzw. die daraus resultierende Wasseraufnahme zu. Daher wird anstelle der Dichte direkt die Wasseraufnahme bestimmt, wobei die Prüfung zusammen mit der Kornrohdichtebestimmung erfolgen kann.
146
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
In Tabelle 3.16 sind die Dichten und Wasseraufnahme sowie Festigkeits- und Verformungskennwerte einiger normaler Gesteinskörnungen zusammengestellt. Tabelle 3.16 Eigenschaften normaler Gesteinskörnungen [3.03] Rohdichte ρR
Dichte ρ
Mg/m³ Granit
Druckfestigkeit N/mm²
E-Modul
Mg/m³
Wasseraufnahme M.-%
kN/mm²
Wärmedehnzahl 10-6/K
2,60...2,65
2,62...2,85
0,2...0,5
160...240
38...76
7,4
Diorit, Gabbro
2,80...3,00
2,85...3,05
0,2...0,4
170...300
50...60
6,5
Quarzporphyr
2,55...2,80
2,58...2,83
0,2...0,7
180...300
25...65
7,4
Basalt
2,90...3,05
3,00...3,15
0,1...0,3
250...400
96 (ρR = 3,05)
6,5
Quarzit, Grauwacke
2,60...2,65
2,64...2,68
0,2...0,5
150...300
60 (ρR = 2,63)
11,8
Quarzitischer Sandstein
2,60...2,65
2,64...2,68
0,2...0,5
120...200
10...20
11,8
Sonstiger Sandstein
2,00...2,65
2,64...2,72
0,2...9,0
30...180
2...15
11,0
Dichte Kalksteine
2,65...2,85
2,70...2,90
0,1...0,6
80...180
82 (ρR = 2,69)
Sonstige Kalksteine
1,70...2,60
2,70...2,74
0,2...10,0
20...90
Hochofenschlacke
2,50...2,90
2,90...3,10
0,4...5,0
80...240
Gesteinsart
34 (ρR = 2,60)
5,0...11,5
5,5
3.3.4.2 Feuchte und Wasseraufnahme
Wasser ist bei Gesteinskörnungen entweder als Oberflächenfeuchte oder in den Kornporen als Kernfeuchte vorhanden. Bei der Herstellung von Normalbeton, d. h. bei Verwendung dichter Gesteinskörnungen, muss die Oberflächenfeuchte der verwendeten Korngruppen berücksichtigt werden, d. h. das Zugabewasser ist um die Eigenfeuchte der Gesteinskörnung zu vermindern, damit der w/z-Wert des Betons nicht überschritten wird (Bild 3-12 unten). Dies gilt insbesondere für feine Gesteinskörnungen, die aufgrund ihrer großen spezifischen Kornoberfläche entsprechend hohe Oberflächenfeuchten aufweisen können. Bei der Herstellung von Leichtbeton, d. h. bei Verwendung poriger Gesteinskörnungen, kommt das in den Kornporen enthaltene Wasser nicht mit Zement in Kontakt und wirkt sich somit nicht auf den w/z-Wert des Betons aus. Letzteres gilt allerdings nur für den Fall, dass die Kernfeuchte bereits vor Beginn des Mischvorganges in den Poren vorhanden ist. Trockene oder teilgesättigte Leichtzuschläge hingegen saugen einen Teil des Zugabewassers auf, wodurch der effektive w/z-Wert reduziert und die Konsistenz des Betons steifer wird. Deshalb muss bei der Leichtbetonherstellung der Leichtzuschlag entweder vorgenässt werden
147
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
oder das Zugabewasser um die vom Leichtzuschlag aufgesogene Wassermenge vergrößert werden (Bild 3-12 oben). Gleiches gilt – wenn auch in geringerem Maße – bei der Verwendung von rezyklierten Gesteinskörnungen. Untersuchungen an trockenen Leichtzuschlägen haben gezeigt, dass der größte Teil des Sättigungswassers nach einer halben, spätestens nach einer Stunde aufgenommen ist. Bei der Leichtbetonherstellung wird deshalb meist die Wasseraufnahme nach 30 min (w30), seltener nach 60 min (w60) zugrunde gelegt.
Eigenfeuchte
wirksames Wasser
Zugabewasser
GESAMTWASSER = wirksames Wasser Oberflächenfeuchte
Zugabewasser
NORMALBETON
Wasseraufnahme der leichten Gesteinskörnung
LEICHTBETON
GESAMTWASSER
Bild 3-12 Unterschiedliche Wasseranteile bei Leicht- und Normalbeton
Die Wasseraufnahme wird nach DIN EN 1097-6 bestimmt. Die Messprobe wird nach vorhergehender Wasserlagerung an der Oberfläche getrocknet und anschließend gewogen. Die Trocknung geschieht bei Körnungen > 4 mm durch Trocken mit einem saugfähigen Tuch, und zwar so lange bis auf der Oberfläche kein Wasserfilm mehr sichtbar ist, die Gesteinskörnung jedoch noch ein feuchtes Aussehen hat (mattfeuchte Oberfläche). Bei feinen Gesteinskörnungen wird die Probe vorsichtig im Warmluftstrom (z. B. mit einem Föhn) so lange getrocknet, bis die Oberfläche trocken ist, gleichzeitig aber die Kornporen noch wassergesättigt sind. Zur Kontrolle wird ein Teil der Probe in eine Kegelstumpfform eingefüllt und dabei verdichtet. Nach dem Abziehen der Form kann der Feuchtezustand der Probe anhand des sich ausbildenden Schüttkegels abgeschätzt werden (siehe Bild 3-13). Anschließend wird die Probe bis zur Massenkonstanz getrocknet. Die Wasseraufnahme w wird aus der Masse der oberflächentrockenen, wassergesättigten Probe m1 und der Masse der ofengetrockneten Probe m2 berechnet: w=
m1 − m2 ⋅100 [M.-%] m2
(3.6)
148
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
a) Gesteinskörnung feucht; die gesamte Form der Metallform bleibt fast vollständig erhalten
b) Gesteinskörnung etwas feucht, deutliches Abfallen erkennbar
c) Gesteinskörnung wassergetränkt und oberflächentrocken, fast vollständiger Zerfall, jedoch deutlicher Gipfel erkennbar, Neigung ist kantig
d) Gesteinskörnung beinahe ofentrocken, kein deutlich erkennbarer Gipfel, Außenlinie der Oberfläche ist krummlinig begrenzt Bild 3-13 Schüttkegel von feinen Gesteinskörnungen bei unterschiedlichen Feuchten
Neben der oben erwähnten Ofentrocknung können weitere Verfahren zur Feuchtebestimmung angewendet werden: Messung mit dem CM-Gerät (Carbid-Methode)
Bei diesem Verfahren reagiert die feuchte Probe (> 4 mm) in einem Druckgefäß mit einer konstanten Menge Calciumcarbid (CaC2) zu Acetylen (C2H2): CaC2 + 2 H20 → Ca(OH)2 + C2H2 Aus dem Druckanstieg kann mit Hilfe von Kalibriertabellen die Feuchte in M.-% ermittelt werden. Das Verfahren wird beispielsweise auch zur Überprüfung der Belegreife von Zementestrichen angewendet. Wegen der kleinen Prüfgutmenge ist sehr exaktes Arbeiten erforderlich. Abflammmethode
Flüssiger Brennstoff wird über die feuchte Probe gegossen und angezündet (Vorsicht: Explosionsgefahr!). Durch die freiwerdende Wärme verdunstet das Oberflächenwasser. Die Feuchte wird aus der vorher bestimmten Masse der feuchten Probe und der Trockenmasse der Probe berechet. Im Gegensatz zum CM-Gerät ist das Verfahren für alle Korngrößen geeignet.
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
149
Thaulow-Verfahren
Dieses Verfahren beruht auf dem Archimedischen Prinzip, wonach der Auftrieb eines in eine Flüssigkeit eingetauchten Körpers der Masse der von ihm verdrängten Flüssigkeit entspricht. Von der zu untersuchenden Gesteinskörnung werden eine feuchte Probe und eine getrocknete Probe mit genau gleichen Massen eingewogen; danach wird an beiden Proben eine Unterwasserwägung durchgeführt. Aus den dabei ermittelten Massen m*g,feucht und m*g,trocken wird die Feuchte f nach folgender Formel bestimmt: * § mg,feucht f = ¨1 − * ¨ mg,trocken ©
· ¸¸ ⋅ 100 [M.-%] ¹
(3.7)
Sofern sich die Rohdichte der Gesteinskörnung im Laufe einer Messreihe nicht ändert, ist die Feuchtigkeitsbestimmung nach diesem Verfahren auf der Baustelle mit relativ geringem Zeitaufwand durchführbar.
3.3.4.3 Kornfestigkeit
Gesteinskörnungen müssen über eine ausreichende Festigkeit verfügen, damit hieraus Betone im üblichen Festigkeitsbereich hergestellt werden können. Diese Forderung wird von natürlichen Sanden und Kiesen wegen der vorausgegangenen Beanspruchung in der Natur erfüllt. Gesteinskörnungen aus gebrochenem Naturstein können als ausreichend fest angesehen werden, wenn die an einer Natursteinprobe gemessene Druckfestigkeit im durchfeuchteten Zustand mindestens 100 N/mm² beträgt. Naturstein hat im Allgemeinen eine ausreichende Eigenfestigkeit, die je nach Gesteinsart zwischen 100 und 400 N/mm² liegt. Einen orientierenden Hinweis erhält man durch Ritzen mit einem Messer oder durch einen leichten Hammerschlag (Korn auf eine feste Unterlage legen!). Bei Normalbeton ist die Kornfestigkeit der Gesteinskörnung wesentlich größer als die Festigkeit des Zementsteins; daher ist der Zementstein als schwächere Phase maßgebend für die Betonfestigkeit. Bei Leichtbeton hingegen sind die Festigkeiten der beiden Phasen annähernd gleich groß, ggf. liegt die Kornfestigkeit sogar deutlich unter der Matrixfestigkeit, so dass die Festigkeit von Leichtbeton sowohl von der Zementsteinfestigkeit als auch von der Kornfestigkeit bestimmt wird. Zur Sicherstellung der Leichtbetonfestigkeit muss daher die Gleichmäßigkeit des Leichtzuschlages – insbesondere seine Kornfestigkeit – überprüft werden. Hierzu wird die leichte Gesteinskörnung über 4 mm Korngröße in einem Stahlzylinder innerhalb von 100 Sekunden um 20 mm zusammengedrückt. Die hierfür erforderliche Kraft, der so genannte Druckwert D, ist ein Maß für die Kornfestigkeit. Eine allgemeingültige Beziehung zwischen der so bestimmten Korn- und der Betonfestigkeit kann nicht angegeben werden. Das Verfahren dient in erster Linie zur Überprüfung der Gleichmäßigkeit innerhalb einer Produktion. Ein Vergleich unterschiedlicher leichter Gesteinskörnungen ist nur mit Einschränkung möglich, weil u. a. Kornform und Korngröße den Druckwert maßgeblich beeinflussen.
150
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
3.3.4.4 Verformungseigenschaften
Wegen ihrem hohen Volumenanteil im Beton bestimmt die Gesteinskörnung maßgebend die Verformungseigenschaften des Betons. Elastizitätsmodul
Die E-Moduln einiger gebräuchlicher Gesteine für normale Gesteinskörnungen sind in Tabelle 3.16 angegeben. Natürliche Kiese und Sande bestehen meist aus mehreren Gesteinsarten, z. B. Rheinkies aus Sandstein und Quarzit, Weserkies überwiegend aus verschiedenen Sandsteinen, Donaukies aus Sandstein, Kalkstein und Granit [3.03]. Das Verformungsverhalten derartiger Gemische lässt sich aus den Eigenschaften und Anteilen der enthaltenen Gesteinsarten grob abschätzen. Feuchtedehnung
Dichte Gesteine schwinden und quellen im Allgemeinen nur wenig (max. 0,1 mm/m, Ausnahme: Basalt bis zu 0,35 mm/m). Bei porigen Gesteinen treten größere Feuchtedehnungen auf, so dass das Verformungsverhalten des Betons maßgeblich beeinflusst werden kann (z. B. Sandstein bis 1,65 mm/m, Tuff bis 0,85 mm/m) [3.01]. Wärmedehnung
In Tabelle 3.16 sind die Wärmedehnzahlen verschiedener Gesteine zusammengestellt; die Werte erstrecken sich bei den normalen Gesteinskörnungen über einen weiten Bereich von 3 · 10-6 bis 20 · 10-6 K-1. Bei Beton, der hohen Temperaturen ausgesetzt wird, sind Gesteinskörnungen mit geringer Wärmedehnzahl zu verwenden; außerdem sollte die Wärmedehnzahl im gesamten zu erwartenden Temperaturbereich möglichst konstant sein. Ungeeignet hierfür sind Gesteine, deren Wärmedehnung sich sprunghaft ändert oder bei denen infolge chemischer Reaktionen das Gefüge porös wird. Hierzu zählen quarzhaltige Gesteine, die ab einer Temperatur von 573 °C eine erhebliche Volumenzunahme zeigen („Quarzsprung“) und kalkhaltige Gesteine, bei denen oberhalb 900 °C aus dem Karbonat CO2 freigesetzt wird. 3.3.4.5 Widerstand gegen Zertrümmerung
Bei Betonflächen, die einer schlagenden Beanspruchung ausgesetzt sind (z. B. Verkehrsflächen) ist der Widerstand der Gesteinskörnung gegen Zertrümmerung eine wichtige Kenngröße. Der Widerstand gegen Zertrümmerung wird an groben Gesteinskörnungen entweder nach dem Los-Angeles-Verfahren (Referenzmethode) oder mittels Schlagversuch bestimmt. Los-Angeles-Koeffizient
Bei der Los-Angeles-Prüfung wird eine Gesteinsprobe der Kornklasse 10 mm bis 14 mm von 5 kg in einer rotierenden Trommel durch Stahlkugeln beansprucht; dabei wird die Probe infolge Abrieb- und Schlagbeanspruchung zerkleinert. Nach Abschluss der Prüfung wird der Rückstand m auf dem 1,6-mm-Sieb bestimmt. Der Los-Angeles-Koeffizient LA berechnet sich zu:
LA =
5000 − m 50
(3.8)
151
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen Tabelle 3.17 Kategorien für Höchstwerte von Los-Angeles-Koeffizienten Los-Angeles-Koeffizient 15 20 25 30 35 40 50 > 50 keine Anforderung
Kategorie LA LA15 LA20 LA25 LA30 LA35 LA40 LA50 LAangegeben LANR
Schlagzertrümmerungswert SZ
Eine Probe der Kornklasse 8 mm bis 12,5 mm wird in den Mörser des Schlagprüfgerätes eingefüllt. Nach dem Aufsetzen des Stempels wird der Fallhammer zehnmal aus einer festgelegten Höhe von 370 mm auf den Stempel fallen gelassen. Anschließend wird die zertrümmerte Probe ausgebaut und über dem Siebsatz 0,2 / 0,63 / 2 / 5 / 8 mm abgesiebt; die Siebdurchgänge der 5 Siebe (in M.-%) werden zur Summe M aufaddiert. Der Schlagzertrümmerungswert SZ wird wie folgt berechnet: SZ =
M 5
(3.9)
Das Verfahren wird in Deutschland zur Beurteilung von Gesteinskörnungen für den Straßenbau angewendet. Je nach Verkehrsbelastung und Art der herzustellenden Schicht ergeben sich unterschiedliche Anforderungen. Der Schlagzertrümmerungswert ist neben der Gesteinsfestigkeit in starkem Maße von der Kornform abhängig. Schlagzertrümmerungsversuche sind keine Festigkeitsprüfungen im strengen Sinn, da weder die wirkende Druckspannung noch die Beanspruchungsgrenze des Stoffes erfasst wird. Tabelle 3.18 Kategorien für Höchstwerte des Widerstandes gegen Schlagzertrümmerung Schlagzertrümmerungswert % 18 22 26 32 > 32 keine Anforderung
Kategorie SZ SZ18 SZ22 SZ26 SZ32 SZangegeben SZNR
152
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
3.3.4.6 Widerstand gegen Verschleiß
Bei Bauteilen, die schleifend, rollend oder schlagend beansprucht werden, ist das Verschleißverhalten eine wichtige Kenngröße. Besonders stark beansprucht sind z. B. Fahrbahndecken, Industriefußböden oder Wasserbauwerke in geschiebebelasteten Gewässern. Der Verschleißwiderstand von Beton wird in erster Linie durch die Eigenschaften der Gesteinskörnung, insbesondere des Grobkorns, bestimmt. Die verwendeten Gesteine sollten mindestens die Härte 6 aufweisen. Bei besonders starker Beanspruchung werden Hartstoffe nach DIN 1100 verwendet. Das Verschleißverhalten von Gesteinskörnungen wird durch den Micro-Deval-Koeffizienten charakterisiert. Eine Probe von 500 g der Kornklasse 10/14 mm wird gemeinsam mit einer festgelegten Menge Stahlkugeln und Wasser in die Prüftrommel gegeben. Nach einer festgelegten Anzahl von Umdrehungen wird die Probe aus der Trommel ausgebaut und der Siebrückstand m (in g) auf dem 1,6-mm-Sieb bestimmt. Der Micro-Deval-Koeffizient MDE wird mit Hilfe der folgenden Gleichung berechnet: M DE =
500 − m 5
(3.10)
Das Verfahren ist auch bei trockener Beanspruchung, d. h. ohne Wasserzusatz durchführbar; der Micro-Deval-Koeffizient ist dann mit MDS zu bezeichnen. Bei der Prüfung anderer Kornklassen muss die Masse der Kugelladung abgeändert werden; die Ergebnisse können von den an der Kornklasse 10/14 mm ermittelten Werten abweichen. Tabelle 3.19 Kategorien für Höchstwerte des Widerstandes gegen Verschleiß Micro-Deval-Koeffizient 10 15 20 25 30 35 > 35 keine Anforderung
Kategorie MDE MDE10 MDE15 MDE20 MDE25 MDE30 MDE35 MDEangegeben MDENR
3.3.4.7 Widerstand gegen Polieren
Gesteinskörnungen für Fahrbahndecken müssen einen ausreichenden Widerstand gegen Polieren aufweisen, um eine ausreichende dauerhafte Griffigkeit der Fahrbahnoberfläche zu gewährleisten. Zur Beurteilung des Polierverhaltens wird in DIN EN 1097-8 ein zweistufiges Verfahren zur Bestimmung des Polierwertes PSV („polished stone value“) beschrieben. Im ersten Teil werden Proben der Gesteinskörnung einem zeitraffenden Poliervorgang in einem Poliergerät
153
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
unterworfen. Anschließend werden die Proben mit einem Griffigkeitsmessgerät untersucht, und aus den Ergebnissen wird der Polierwert PSV ermittelt. Tabelle 3.20 Kategorien für Höchstwerte des Widerstandes gegen Polieren Polierwert
Kategorie PSV
≥ 68 ≥ 62 ≥ 56 ≥ 50 ≥ 44
PSV68 PSV62 PSV56 PSV50 PSV44 PSVangegeben
Zwischenwerte und solche < 44
PSVNR
keine Anforderung
3.3.4.8 Widerstand gegen Oberflächenabrieb
Probekörper der zu untersuchenden Gesteinskörnung werden in einer Abriebprüfmaschine durch eine festgelegte Anzahl von Umdrehungen einer rotierenden Läppscheibe beansprucht. Der Abriebwert AAV („aggregate abrasion value“) wird aus der Differenz der Probenmasse vor und nach dem Abrieb ermittelt. Tabelle 3.21 Kategorien für Höchstwerte des Widerstandes gegen Oberflächenabrieb Abriebwert der Gesteinskörnung
Kategorie AAV
10 15 20
AAV10 AAV15 AAV20
Zwischenwerte und solche > 20 keine Anforderung
AAVangegeben AAVNR
3.3.4.9 Widerstand gegen Abrieb durch Spike-Reifen
Einzelproben der Gesteinskörnung (Kornklasse 11,2/16,0 mm) mit der Masse m1 rotieren zusammen mit Stahlkugeln und Wasser in einer Stahltrommel. Nach einer festgelegten Umdrehungszahl wird der Inhalt aus der Trommel entnommen, und der Gesteinskörnungsanteil wird auf einem Analysensieb mit 2 mm Maschenweite gesiebt (Rückstand m2). Der Abriebwert AN beträgt: AN = 100 ⋅ (m1 − m2 ) / m1 Das Prüfverfahren wird auch als „Nordische Prüfung“ bezeichnet.
(3.11)
154
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Tabelle 3.22 Kategorien für Höchstwerte des Widerstandes gegen Abrieb durch Spike-Reifen Abriebwert der Gesteinskörnung
Kategorie AN
7
AN7
10
AN10
14
AN14
19
AN19
30
AN30
Zwischenwerte und solche > 30 keine Anforderung
AN,angegeben ANNR
3.3.5 Dauerhaftigkeit von Gesteinskörnungen 3.3.5.1 Frost-Tau-Widerstand
Eine der schwierigsten Aufgaben in der Materialprüfung ist die wirklichkeitsnahe Simulation von Frostbeanspruchungen. Immer wieder treten Widersprüche auf zwischen den Ergebnissen von Laborprüfungen und den Langzeiterfahrungen mit Praxisbetonen, die mit den entsprechenden Gesteinskörnungen hergestellt wurden. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Frost-Laborprüfungen auf Praxisverhältnisse ist deshalb oft fraglich. Aus diesem Grunde sollte zunächst überprüft werden, ob mit der Gesteinskörnung positive Erfahrungen unter ähnlichen Bedingungen wie im Anwendungsfall vorliegen. Falls dies zutrifft, kann die Gesteinskörnung als annehmbar angesehen werden. In Zweifelsfällen sind weitere Laboruntersuchungen erforderlich. Zunächst sollte eine petrographische Untersuchung der Gesteinskörnung nach DIN EN 932-3 erfolgen. Ergeben sich dabei Hinweise auf das Vorhandensein mürber oder stark saugender Körner, ist eines der nachfolgend genannten Prüfverfahren anzuwenden. Wasseraufnahme
Grundsätzlich können Gesteinskörnungen als widerstandsfähig gegen Frost-Tau-Angriff angesehen werden, wenn ihre Wasseraufnahme nicht größer als 1 M.-% ist. Jedoch gibt es viele brauchbare Gesteinskörnungen mit zum Teil deutlich höherer Wasseraufnahme, z. B. einige Kalksteine und Sandsteine, die erfahrungsgemäß ausreichend widerstandsfähig sind. Frost-Tau-Wert
Zur Beurteilung des Frost-Tau-Widerstandes kann der Frost-Tau-Wert nach DIN EN 1367-1 angewendet werden. Bei diesem Prüfverfahren werden Messproben > 4 mm (bevorzugte Kornklasse: 8/16 mm) bei Atmosphärendruck mit Wasser getränkt und anschließend 10 Frost-Tau-Wechseln gemäß Bild 3-14 ausgesetzt (Abkühlen unter Wasser auf -17,5 °C, Auftauen im Wasserbad bei ca. 20 °C).
155
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
Bild 3-14 Temperaturverlauf bei einem Frost-Tau-Wechsel
Nach Abschluss des letzten Frost-Tau-Wechsels wird die Probe über dem Analysensieb mit der halben Lochweite der unteren Prüfkorngröße (z. B. 4-mm-Sieb bei der Kornklasse 8/16) abgesiebt. Aus dem Siebrückstand M2 und der Gesamtmasse der Ausgangsprobe M1 wird der Massenverlust F in M.-% berechnet: F=
M1 − M 2 ⋅100 [M.-%] M1
(3.12)
Außerdem können die Auswirkungen der Frost-Tau-Wechsel-Beanspruchung anhand weiterer Kriterien, z. B. Rissbildung oder Festigkeitsveränderungen, beurteilt werden. Letztere können beispielsweise durch Vergleich der Los-Angeles-Koeffizienten einer durch FrostTau-Wechsel beanspruchten mit einer nicht beanspruchten Probe ermittelt werden. Tabelle 3.23 Kategorien für Höchstwerte des Frost-Tau-Widerstandes Frost-Tau-Widerstand Masseverlust in Prozent*) 1 2 4 >4 keine Anforderung
Kategorie F F1 F2 F4 Fangegeben FNR
*) In extremen Situationen von kaltem Wetter und/oder einer Sättigung mit Salz oder Taumittellösung
kann es sinnvoller sein, Prüfungen unter Verwendung einer Salzlösung oder Urea, wie in EN 1367-1, 1999, Anhang B, beschrieben, durchzuführen. Die Grenzwerte dieser Tabelle sind dann nicht anwendbar.
156
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Magnesiumsulfat-Wert
Das Prüfverfahren wird in DIN EN 1367-2 beschrieben. Eine Probe der Gesteinskörnung (Kornklasse 10/14 mm) wird in eine gesättigte Magnesiumsulfatlösung eingetaucht und anschließend in einer Wärmekammer bei 110 °C getrocknet; dieser Vorgang wird fünfmal wiederholt. Durch die mehrfache Aufnahme von Magnesiumsulfat und Kristallisation in den Kornporen können Gefügezerstörungen auftreten. Nach der letzten Wechselbeanspruchung wird die Probe über dem 10-mm-Sieb abgesiebt und der Magnesiumsulfatwert MS analog zu Gleichung 3.10 aus der Ausgangsmasse und dem Siebrückstand berechnet. Tabelle 3.24 Kategorien für die Magnesium-Widerstandsfähigkeit Magnesiumsulfat-Wert Masseverlust in Prozent 18 25 35 > 35 keine Anforderung
Kategorie MS MS18 MS25 MS35 MSangegeben MSNR
Wird die Gesteinskörnung zur Herstellung von Beton verwendet, kann nach DIN EN 12620 sowohl der Frost-Tau-Widerstand F als auch der Magnesiumsulfat-Wert MS zur Beurteilung angewendet werden, wobei der MS-Wert insbesondere bei Chloridbelastung (Meerwasser, Tausalze) besser geeignet sein soll. Allerdings weist bereits die Prüfnorm DIN EN 1367-2 darauf hin, dass das MS-Verfahren für einige Gesteinsarten nicht geeignet ist; hierzu zählen einige Carbonatgesteine und Gesteinskörnungen mit einem hohen Anteil an magnesiumhaltigen Mineralien. Bei Gesteinskörnungen für Frost- bzw. Frost-Tausalz-beanspruchte Betone (Expositionsklassen XF1 bis XF4) kann alternativ auch eine Prüfung in einprozentiger NaCl-Lösung vereinbart werden. Bei einem Masseverlust 8 M.-% können diese Gesteinskörnungen nach den bisher vorliegenden Erfahrungen für die gleichen Anwendungsgebiete eingesetzt werden wie Gesteinskörnungen der Kategorien MS18 bis MS35. Bei einem Masseverlust > 8 M.-% oder wenn die Kategorien MS25 oder MS18 nicht erreicht werden, können Betonversuche mit der fraglichen Gesteinskörnung durchgeführt werden. DIN V 18004 enthält alle erforderlichen Angaben bzgl. der zu verwendenden Ausgangsstoffe, der Mischungszusammensetzung und der durchzuführenden Prüfungen. Wenn nach 56 Frost-Tauwechseln die Abwitterung des Betons einen Wert von 500 g/m² übersteigt, darf die Gesteinskörnung in den Expositionsklassen XF2 und XF4 nicht eingesetzt werden. 3.3.5.2 Raumbeständigkeit Trocknungsschwinden von Gesteinskörnungen
Bei Gesteinskörnungen mit hoher Feuchteempfindlichkeit muss ggf. deren Trocknungsschwinden untersucht werden. Das Verfahren ist in DIN EN 1367-4 beschrieben. Bei der
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
157
Prüfung darf das Trocknungsschwinden der untersuchten Betone einen Wert von 0,075 % nicht überschreiten. Sonnenbrand bei Basalt
Mit dem Begriff „Sonnenbrand“ bezeichnet man eine bei Basalt verbreitete Art der Verwitterung. Zunächst treten sternförmige grau-weiße Flecken auf, von denen aus sich feine Haarrisse bilden. Hierdurch wird die Festigkeit des Mineralgefüges so weit vermindert, dass das Gestein letztlich in kleine Körner zerfällt. Der Zeitraum, innerhalb dessen sich dieser Prozess abspielt, variiert zwischen einigen Monaten bis zu mehreren Jahrzehnten. Zur Feststellung von Sonnenbrand wird der Kochversuch nach DIN EN 1367-3 angewandt. Raumbeständigkeit von Schlacken
Bei Hochofenstückschlacke kann ein Zerfall stattfinden, der durch eine Umwandlung der instabilen β-Form des Dicalciumsilikates in die γ-Form verursacht wird. Diese Erscheinung wird manchmal ungenau als „Kalkzerfall“ bezeichnet. Der Eisenzerfall in Hochofenstückschlacke resultiert aus der Hydrolyse von Eisen- und Mangansulfiden in der Schlacke bei ausreichendem Feuchteangebot. In Stahlwerksschlacken kann es zu einer Volumenzunahme (Treiben) durch die Hydratation von Freikalk und freiem Magnesiumoxid kommen. Die jeweils anzuwendenden Prüfverfahren sind in DIN EN 1744-1 beschrieben. 3.3.5.3 Alkali-Kieselsäure-Reaktion
Bestimmte Gesteinskörnungen, z. B. Opalsandstein oder Flint, enthalten amorphe Kieselsäuren, die mit dem im Porenwasser des Betons gelösten Alkalihydroxid zu einem Alkalisilikat reagieren können. Diese chemische Reaktion wird als Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) bezeichnet; die erforderlichen Alkalien stammen aus dem Zement und dringen ggf. nachträglich aus Meerwasser oder Tausalzen in den Beton ein (Alkalizufuhr von außen). Unter bestimmten Voraussetzungen führt die Alkali-Kieselsäure-Reaktion zu einer Volumenvergrößerung mit anschließender Schädigung des Betons (Alkalitreiben). Ablauf und Ausmaß der AKR hängen insbesondere von den Eigenschaften der alkaliempfindlichen Gesteinskörnung (Art, Menge, Korngröße, Verteilung), dem Alkalihydroxidgehalt in der Porenlösung sowie den Feuchtigkeits- und Temperaturbedingungen des erhärteten Betons ab. Mögliche Schadensbilder sind Ausblühungen auf der Betonoberfläche, Ausplatzungen von nahe an der Oberfläche liegenden alkaliempfindlichen Gesteinskörnern (pop-outs), netzartige oder strahlenförmig verlaufende Risse sowie gelartige Ausscheidungen im Bereich von Rissen. Unter ungünstigen Bedingungen kann es zu massiven Gefügezerstörungen bis zum Festigkeitsverlust des Betons kommen. Über Betonschäden, die durch eine Reaktion der Gesteinskörnung mit den alkalischen Bestandteilen des Zementes verursacht werden, wurde erstmals um 1940 in den USA berichtet. In Deutschland zog man eine Schädigung von Betonbauteilen durch Alkalireaktion bis Mitte der 60er Jahre nicht in Erwägung. Erst als die 1965/66 erbaute Lachswehrbrücke in Lübeck nach nur dreijähriger Standzeit abgerissen werden musste, wurde Alkalireaktion hierzulande
158
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
als eine Schadensursache für die aufgetretenen Betonschäden mit angeführt. Ursache für diese und weitere zunächst nur in Norddeutschland beobachtete Schäden sind Anteile an Opalsandstein und Flint in den dort gewonnenen Gesteinskörnungen. Der Umgang mit den alkaliempfindlichen norddeutschen Gesteinskörnungen ist seit 1974 durch die zwischenzeitlich mehrmals überarbeitete Alkali-Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb) geregelt. Nach DIN EN 12620 muss die Alkali-Kieselsäure-Reaktivität von Gesteinskörnungen „in Übereinstimmung mit den am Verwendungsort der Gesteinskörnung geltenden Vorschriften“ bestimmt werden; maßgebende nationale Vorschrift ist die DAfStb-Richtlinie „Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton (Alkali-Richtlinie)“. Als nationale Restregelung zu einer harmonisierten europäischen Norm muss die AlkaliRichtlinie nicht mehr wie früher nur die Gesteinskörnungen aus bestimmten Gewinnungsgebieten, sondern alle Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620 abschließend regeln; dies wurde bei der Überarbeitung der aktuellen Fassung vom Februar 2007 berücksichtigt.
Dänemark
Ostsee Eckernförde Kiel
Nordsee
Stralsund Rostock
Lübeck Wismar
Cadenberge
Neubrandenburg
Hamburg
Stettin Gnarrenburg
Niederlande
Oder Oldenburg Bremen
Wulfsode Gyhum SchneverBodenteich digen
Elbe
Polen
Unterlüß Hannover Braunschweig Salzgitter
Havel
Berlin
Osnabrück
Spree Elster
Weser
Frankfurt/ Oder
Magdeburg
Cottbus
Dessau
Boxberg Halle Kassel
Rothenburg
Leipzig Dresden Weimar
Anwendungsbereich der Alkali-Richtlinie, Teil2: Gewinnungsgebiete von Gesteinskörnungen mit Opalsandstein einschließlich Kieselkreide sowie von Flint
Chemnitz Zwickau
Angrenzender Bereich der Alkali-Richtlinie, Teil 2
Bild 3-15 Vorkommen von Gesteinskörnungen mit Alkali-Kieselsäure-Reaktivität
159
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
Teil 2 der Alkali-Richtlinie regelt den Umgang mit den Vorkommen in Norddeutschland. Gesteinskörnungen aus den in Bild 3-15 dargestellten Gewinnungsgebieten werden nach ihrem Anteil an Opalsandstein allein (O) und zusätzlich nach ihrem Anteil Opalsandstein + Flint (OF) beurteilt. Diese Regelung wurde getroffen, weil für Betone mit Zementgehalten z 330 kg/m³ der Einfluss des Flintanteils gering ist, während er bei z > 330 kg/m³ berücksichtigt werden muss. Bei der Prüfung nach Teil 2 wird die zu untersuchende Gesteinskörnung > 1 mm gewaschen, getrocknet und danach in verschiedene Prüfkornklassen (1/2, 2/4, 4/8, 8/16 mm usw.) zerlegt. Anschließend trennt man die Korngruppen 4/8 mm petrographisch in a) alkaliunempfindliche Bestandteile, b) Flint und c) Opalsandstein einschließlich Kieselkreide und einschließlich fraglicher Bestandteile. Die Teilprobe c) wird dann 60 Minuten lang in 10%-iger Natronlauge gelagert; bei den Prüfkorngruppen 1/2 und 2/4 mm wird das gesamte Material eine Stunde lang mit 4%-iger NaOH-Lösung behandelt. Nach Abschluss der Lagerung werden die Proben auf dem nächst kleineren Sieb (Siebweite = d/2) mit Wasser gewaschen. Dadurch werden diejenigen Anteile ausgeschieden, die sich unter der Einwirkung der Natronlauge zersetzt haben; dies sind in erster Linie Opalsandstein einschließlich Kieselkreide und bei den Prüfkornklassen 1/2 mm und 2/4 mm zusätzlich ein Teil des reaktionsfähigen Flints. Bei den Prüfkornklassen 4/8 mm, 8/16 mm usw. wird der Gehalt an reaktionsfähigem Flint aus dem zuvor ausgelesenen Flintanteil b) und dessen mittlerer Kornrohdichte berechnet. Anhand der so gewonnenen Prüfergebnisse wird die Gesteinskörnung in eine der drei Alkaliempfindlichkeitsklassen EI (unbedenklich), EII (bedingt brauchbar) oder EIII (bedenklich) eingestuft (siehe Tabelle 3.25). Tabelle 3.25 Beurteilung der Alkaliempfindlichkeit von Gesteinskörnungen mit Opalsandstein und Flint Grenzwerte in M.-% für die Alkaliempfindlichkeitsklassen Bestandteile E I-O
E II-O
E III-O
E I-OF
E II-OF
E III-OF
0,5
2,0
> 2,0
0,5
2,0
> 2,0
Reaktionsfähiger Flint (über 4 mm)
–
–
–
3,0
10,0
> 10,0
5 x Opalsandstein einschließlich Kieselkreide + reaktionsfähiger Flint
–
–
–
4,0
15,0
> 15,0
Opalsandstein einschließlich Kieselkreide (über 1 mm)*)
*)
in den Prüfkornklassen 1 mm bis 4 mm einschließlich reaktionsfähigem Flint
Teil 3 der Alkali-Richtlinie ist anzuwenden bei den folgenden gebrochenen Gesteinskörnungen: Grauwacken; Quarzporphyr (Rhyolith); gebrochener Kies des Oberrheins (zwischen Karlsruhe und Basel); rezyklierte Gesteinskörnungen; Kiese, die mehr als 10 M.-% gebrochene Anteile der zuvor aufgeführten Gesteinskörnungen enthalten; andere gebrochene Ge-
160
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
steinskörnungen, die nicht als unbedenklich eingestuft werden können sowie gebrochene Gesteinkörnungen, mit denen im Geltungsbereich der Richtlinie keine baupraktischen Erfahrungen vorliegen. Die Alkaliempfindlichkeit wird mit einem Schnellprüfverfahren an Mörteln mit festgelegter Zusammensetzung überprüft. Dabei werden 3 Mörtelprismen 40 mm x 40 mm x 160 mm in 80 °C heißer 1-molarer NaOH-Lösung gelagert und die auftretenden Dehnungen gemessen. Beträgt die Dehnung nach 13 Tagen nicht mehr als 1,0 mm/m, so kann die Gesteinskörnung in die Alkaliempfindlichkeitsklasse E I-S eingeordnet werden; anderenfalls sind weitergehende Betonversuche erforderlich. Für die Betonversuche werden 3 Balken 100 mm x 100 mm x 500 mm für die Dehnungsmessung sowie ein Würfel mit 300 mm Kantenlänge für die Beobachtung einer möglichen Rissbildung hergestellt. Die Probekörper werden 9 Monate lang in einer Nebelkammer bei 40 °C und mindestens 99 % relative Luftfeuchte gelagert. Beträgt die an den Betonbalken gemessene Dehnung 0,6 mm/m und treten während der Nebelkammerlagerung keine Risse auf, kann die Gesteinskörnung in die Empfindlichkeitsklasse E I-S eingeordnet werden. Bei > 0,6 mm/m oder bei starker Rissbildung (Rissbreite w ≥ 0,2 mm) erfolgt eine Einstufung in die Alkaliempfindlichkeitsklasse E III-S. Parallel dazu werden die gleichen Versuche an einer zweiten Betonmischung, die unter Verwendung eines NA-Zementes hergestellt wurde, durchgeführt. Hierdurch kann überprüft werden, inwieweit bei Verwendung eines NA-Zementes Schäden vermieden werden bzw. Dehnungen und Rissbildungen ggf. auf andere Schädigungsmechanismen als eine Alkalireaktion zurückzuführen sind. Die Alkaliempfindlichkeitsklasse EII-S wurde bislang nicht definiert, weil die bisherigen Untersuchungsergebnisse eine so weitgehende Differenzierung noch nicht zulassen. Die Verwendbarkeit alkaliempfindlicher Gesteinskörnungen für die Herstellung von Beton hängt i. W. von zwei Faktoren ab, und zwar von der festgestellten Alkaliempfindlichkeitsklasse und von den Umgebungsbedingungen des Bauteils, vor allem hinsichtlich Feuchte und weiterer Alkalizufuhr von außen (siehe Tabelle 5.3 Punkt 8). Im Kapitel 5 „Beton“ Abschnitt 5.2.2 werden die zu beachtenden vorbeugenden Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton dargestellt.
3.3.6 Chemische Eigenschaften An Gesteinskörnungen werden chemische Anforderungen gestellt, wenn ihre Herkunft bzw. ihre Verwendung dies erfordern. Gesteinskörnungen für die Herstellung von Beton dürfen keine Bestandteile in schädlichen Mengen enthalten, die die Eigenschaften des Betons für den vorgesehenen Zweck ungünstig beeinflussen oder die Korrosion des Stahles (bei Stahlbeton oder Spannbeton) fördern.
3.3 Eigenschaften von Gesteinskörnungen
161
3.3.6.1 Chloride
Um eine Korrosion der Bewehrung und ggf. anderer Metalleinlagen im Beton zu verhindern, muss der Gehalt an korrosionsfördernden Substanzen begrenzt werden; hierzu zählen insbesondere Chloride, aber auch andere Halogenide (außer Fluor) und Nitrate. Der Chloridgehalt von Gesteinskörnungen hängt wesentlich von ihrer Herkunft ab. Gesteinskörnungen, die aus binnenländischen Vorkommen gefördert werden, weisen im Allgemeinen sehr geringe wasserlösliche Chloridgehalte (unter 0,01 M.-%) auf. Bei Gesteinskörnungen, die aus dem Meer gewonnen werden, können die Werte deutlich höher liegen. Für die Beurteilung der Korrosionsgefahr ist letztlich der Gesamtchloridgehalt im Beton, d. h. die gewichtete Summe der Chloridgehalte aller Betonausgangsstoffe, maßgebend. Der zulässige Gesamtanteil an Chloriden im Beton ist von der Betonverwendung (unbewehrt, bewehrt, Spannbeton) abhängig. Demzufolge gelten für Gesteinskörnungen folgende unterschiedliche Grenzwerte: 0,15 M.-% für unbewehrten Beton; 0,04 M.-% für bewehrten Beton; 0,02 M.-% für Spannbeton. Soweit gefordert, muss der Chloridgehalt von Gesteinskörnungen bestimmt und vom Hersteller auf Anfrage angegeben werden. Wenn bekannt ist, dass der Wert 0,01 M.-% oder weniger beträgt, darf dieser Wert für die Berechnung des Chloridgehalts von Beton verwendet werden. 3.3.6.2 Schwefelhaltige Bestandteile
Sulfate in Gesteinskörnungen, z. B. Gips und Anhydrit, können durch chemische Reaktion mit Zementbestandteilen im erhärteten Beton zum Treiben führen. Bei kristalliner Hochofenschlacke ist ein wesentlicher Teil des Sulfatgehaltes in den Schlackenkörnern gebunden und spielt deshalb bei der Hydratation des Zementes keine Rolle. Daher ist ein höherer Sulfatgehalt in Schlacken tolerierbar. Unter Umständen können auch andere Schwefelverbindungen (z. B. Eisensulfid) in den Gesteinskörnungen vorhanden sein. Befinden sich Eisensulfidteilchen an oder nahe der Oberfläche des Betons, können sie braune Flecken bilden, die ggf. nur durch Entfernen der betreffenden Stellen beseitigt werden können. Außerdem können Schwefelverbindungen im erhärteten Beton oxidieren und zu einer weitgehenden Zerstörung des Betons infolge Sulfattreiben führen. Neben dem säurelöslichen Sulfatgehalt können zusätzliche Anforderungen an den Gesamtschwefelgehalt S gestellt werden; folgende Werte sollen nicht überschritten werden: 2,0 M.-% S für Hochofenstückschlacken; 1,0 M.-% S für Gesteinskörnungen außer Hochofenstückschlacken. Bei Vorhandensein von Pyrrhotin (eine nicht stabile Form von Eisensulfid FeS) muss als Höchstwert ein Gesamtschwefelgehalt von 0,1 M.-% zugrunde gelegt werden.
162
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Tabelle 3.26 Kategorien für Höchstwerte säurelöslicher Sulfatgehalte Gesteinskörnung
Säurelöslicher Sulfatgehalt in M.-%
Alle Gesteinskörnungen außer Hochofenstückschlacken
Kategorie AS AS0,2 AS0,8 ASangegeben
0,2 0,8 > 0,8
ASNR
keine Anforderung Hochofenstückschlacken
AS1,0 ASangegeben
1,0 > 1,0
ASNR
keine Anforderung
3.3.6.3 Bestandteile, die die Oberflächenbeschaffenheit von Beton beeinflussen
Neben den oben erwähnten Eisensulfiden können weitere quellfähige Bestandteile, z. B. Holz- oder Kohlestücke, bereits in geringen Mengen zu Verfärbungen oder Aussprengungen („Pop-Outs“) an der Betonoberfläche führen. Derartige Verunreinigungen weisen im Allgemeinen eine geringe Rohdichte (< 2 g/cm³) auf; ihr Anteil wird mit dem Aufschwimmverfahren oder – sofern möglich – durch Aussortieren von Hand bestimmt. Bei dem Aufschwimmverfahren nach DIN EN 1744-1 wird die Probe in eine Lösung mit der Dichte ρ ≈ 2 g/cm³ (Zinkchlorid- oder Natriumwolframatlösung) gegeben und vorsichtig umgerührt. Die leichten Bestandteile schwimmen auf, werden an der Oberfläche der Lösung abgefischt, gewaschen und nach dem Trocknen gewogen. Für leichte Gesteinskörnungen ist das Aufschwimmverfahren nicht geeignet. In DIN EN 12620 Anhang G.4 werden Höchstwerte an leichtgewichtigen organischen Verunreinigungen empfohlen, wenn das Aussehen des Betons als wesentliches Merkmal angesehen wird. Da bereits geringe Mengen an Verunreinigungen in Gesteinskörnungen erhebliche Auswirkungen auf die Qualität bzw. Dauerhaftigkeit der Betonoberfläche haben können, sollte überprüft werden, ob ein Vorkommen für eine bestimmte Verwendung überhaupt geeignet ist. Die empfohlenen Höchstwerte sind in Tabelle 3.27 zusammengefasst. Tabelle 3.27 Empfohlene Höchstwerte an leichten organischen Verunreinigungen Anwendungsfall
Empfohlene Höchstwerte an leichtgewichtigen organischen Verunreinigungen für feine Gesteinskörnungen
grobe Gesteinskörnungen
im Normalfall
0,5 M.-%
0,1 M.-%
bei Sichtbeton
0,25 M.-%
0,05 M.-%
bei Sichtbeton mit besonderen Anforderungen
ggf. besondere Vereinbarungen
3.4 Anforderungen an Gesteinskörnungen
163
3.3.6.4 Bestandteile, die das Erstarrungs- und Erhärtungsverhalten des Betons verändern
Einige organische Verunreinigungen (früher: Stoffe organischen Ursprungs) können den Erhärtungsvorgang des Bindemittels verzögern, evtl. sogar ganz verhindern. Hierzu zählen Humine (Bestandteile von Humus) und zuckerartige Stoffe. Einige Tonminerale beeinflussen die Festigkeitsentwicklung und die Dauerhaftigkeit des Betons ebenfalls negativ. Das Vorhandensein organischer Bestandteile, insbesondere von Humus, wird mit dem Natronlaugeversuch nachgewiesen. Hierbei wird eine Probe der Gesteinskörnung in 3prozentige NaOH-Lösung gegeben und kräftig geschüttelt. Nach 24 Stunden wird die Färbung der überstehenden Flüssigkeit mit einer Farbbezugslösung verglichen. Wenn die Lösung nicht oder nur leicht gefärbt ist, enthält die Probe keine wesentlichen Humusanteile; eine Dunkelfärbung der Flüssigkeit hingegen weist auf hohe Humusgehalte hin. Allerdings kann die Verfärbung auch von anorganischen Verbindungen herrühren, die das Erstarrungs- und Erhärtungsverhalten von Beton nicht beeinträchtigen. Wenn der Natronlaugeversuch einen hohen Humusgehalt anzeigt, muss das Vorhandensein von Fulvosäuren nach DIN EN 1744-1 bestimmt werden. Fulvosäuren gehören zu den Huminsäuren und wirken verzögernd auf die Hydratation von Zement. Wenn bei dieser Prüfung die überstehende Flüssigkeit heller ist als die Standard-Vergleichsfarben, kann man davon ausgehen, dass die Gesteinskörnungen frei von organischen Stoffen sind. Falls die Prüfung höhere Gehalte an Fulvosäure anzeigt, sind die Auswirkungen auf die Erstarrungszeit und die Druckfestigkeit an Mörtelproben zu untersuchen. Dies gilt gleichermaßen für den Fall, dass in der Gesteinskörnung andere Stoffe vermutet werden, die sich auf das Erstarrungs- und Erhärtungsverhalten des Betons negativ auswirken. Hierzu zählen u. a. Zucker oder zuckerähnliche Stoffe, die die Farbe der überstehenden Flüssigkeit weder bei der Prüfung auf Humusgehalt noch bei der Prüfung auf Fulvosäure beeinflussen. An zwei gleich zusammengesetzten Mörteln werden die Erstarrungszeit und die Druckfestigkeit geprüft. Ein Mörtel enthält die fragliche Gesteinskörnung im Anlieferungszustand (Originalprobe); für den anderen Mörtel wurde die Gesteinskörnung erhitzt, um die organischen Anteile zu zerstören (Kontrollprobe). Der Anteil an erstarrungs- bzw. erhärtungsstörenden Stoffen darf höchstens so groß sein, dass bei der Originalprobe im Vergleich zur Kontrollprobe a) die Erstarrungszeit um nicht mehr als 120 min verlängert wird und b) die Druckfestigkeit im Alter von 28 Tagen um nicht mehr als 20 % vermindert wird.
3.4 Anforderungen an Gesteinskörnungen Die Festlegungen für die Anwendung von normalen Gesteinskörnungen für Beton sind in DIN V 20000-103 enthalten; hiervon ausgenommen sind rezyklierte Gesteinskörnungen, für die weiterhin DIN 4226-100 gilt. Für die Anwendung von leichten Gesteinskörnungen ist DIN V 20000-104 maßgebend.
164
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
3.4.1 Regelanforderungen an normale Gesteinskörnungen Für die Verwendung in Beton sind Gesteinskörnungen in der Regel dann geeignet, wenn sie den in Tabelle 3.28 aufgeführten Regelanforderungen entsprechen. In Spalte 2 der Tabelle sind die entsprechenden Abschnitte in DIN EN 12620 angegeben. Tabelle 3.28 Regelanforderungen an normale Gesteinskörnungen Eigenschaft
DIN EN 12620
Regelanforderung
1
Kornzusammensetzung
1a
– Grobe Gesteinskörnungen mit D/d ≤ 2 oder D ≤ 11,2 4.3.2
Gc 85/20
1b
– Feine Gesteinskörnungen
4.3.3
Toleranzen nach DIN EN 12 620 Tabelle 4
1c
– Korngemische
4.3.5
GASO
2
Konform
4.4
Fl50 oder Sl55
3
Muschelschalengehalt
4.5
SC10
4
Feinanteile
4a
– Grobe Gesteinskörnung
4.6
f1,5
4b
– Natürlich zusammengesetzte Gesteinskörnung 0/8 4.6
f3
4c
– Korngemisch
4.6
f3
4d
– Feine Gesteinskörnung
4.6
f3
5
Widerstand gegen Zertrümmerung
5.2
LANR oder SZNR
6
Widerstand gegen Verschließ von groben Gesteinskrönungen
5.3
MDENR
7
Widerstand gegen Polieren
5.4.1
PSVNR
8
Widerstand gegen Oberflächenabrieb
5.4.2
AAVNR
9
Widerstand gegen Abrieb durch Spike-Reifen
5.4.3
ANNR
10
Frost-Tau-Widerstand
5.7.1
F4
11
Magnesiumsulfat-Wert
5.7.1
MSNR
12
Chloride
6.2
Chloridgehalt ≤ 0,04 % Massenanteil
13
Säurelösliches Sulfat für alle Gesteinskörnungen außer Hochofenstückschlacken
6.3.1
AS0,8
14
Säurelösliches Sulfat für Hochofenstückschlacken
6.3.1
AS1,0
15
Gesamtschwefel für alle Gesteinkörnungen außer Hochofenstückschlacken
6.3.2
≤ 1 % Massenanteil
16
Gesamtschwefel für Hochofenstückschlacken
6.3.2
≤ 2 % Massenanteil
17
Leichtgewichtige organische Verunreinigungen
17a
– Feine Gesteinskörnung
6.4.1 und G.4
≤ 0,5 % Massenanteil
17b
– Grobe Gesteinskörnung natürlich zusammengesetzte Gesteinskörnung 0/8 und Korngemisch
6.4 1 und G 4
≤ 0,1 % Massenanteil
3.4 Anforderungen an Gesteinskörnungen
165
Zur Beurteilung des Frost-Tausalz-Widerstandes einer Gesteinskörnung kann anstelle des Magnesiumsulfat-Verfahrens alternativ eine Prüfung in 1-prozentiger NaCl-Lösung (nach DIN EN 1367-1:2000-01 Anhang B) erfolgen. Wird bei dieser Prüfung ein Masseverlust 8 M.-% ermittelt, kann die Gesteinskörnung nach den bisher vorliegenden Erfahrungen für die gleichen Anwendungsgebiete eingesetzt werden wie Gesteinskörnungen der Kategorien MS18 bis MS35. Bei Masseverlusten > 8 M.-% sollte der Frost-Tausalz-Widerstand im Betonversuch nach DIN V 18004 nachgewiesen werden; der Beton der dort angegebenen Zusammensetzung unter Verwendung der entsprechenden Gesteinskörnung darf nach 56 Frost-Tauwechseln eine Abwitterung von höchstens 500 g/m² aufweisen.
3.4.2 Anforderungen an leichte Gesteinskörnungen Die Eigenschaften von leichten Gesteinskörnungen variieren je nach Art und Herkunft sehr stark. Wegen der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten können für viele Eigenschaften keine Regelanforderungen formuliert werden; vielmehr werden die geforderten Eigenschaften nach dem „Performance-Konzept“ an Betonen mit den jeweiligen Gesteinskörnungen nachgewiesen. Für Leichtbeton nach DIN EN 206-1/DIN 1045-2 dürfen nur folgende leichte Gesteinskörnungen verwendet werden: natürliche Gesteinskörnungen: Lava (Lavaschlacke), Naturbims, Tuff; aus natürlichen Rohstoffen und/oder aus industriellen Nebenprodukten hergestellte Gesteinskörnungen: Blähglas, Blähglimmer (Vermikulit), Blähperlit, Blähschiefer, Blähton, gesinterte Steinkohlenflugasche-Pellets, Ziegelsplitt aus ungebrauchten Ziegeln; industrielle Nebenprodukte: Hüttenbims nach DIN 4301, Kesselsand. Folgende Gesteinskörnungen dürfen nicht für Spannbeton verwendet werden: Blähglas, Blähglimmer (Vermikulit), Blähperlit und Kesselsand. 3.4.2.1 Geometrische Anforderungen
Die Korngruppen leichter Gesteinskörnungen werden unter Verwendung der in Tabelle 3.4 dargestellten Siebgrößen, erweitert um die Siebe 0,25 und 0,5 mm, festgelegt und durch Angabe der unteren (d) und oberen (D) Siebgröße in der Form d/D angegeben. Gesteinskörnungen mit einem Verhältniswert D/d < 1,4 dürfen für die Herstellung von Beton nicht verwendet werden. Der Anteil an Unterkorn darf 15 M.-%, der Anteil an Überkorn 10 M.-% nicht übersteigen. Der Gehalt an Feinanteilen ist anzugeben; er darf bei natürlichen leichten Gesteinskörnungen die in Tabelle 3.29 angegebenen Werte nicht überschreiten.
166
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Tabelle 3.29 Höchstwerte des Gehaltes an Feinanteilen von natürlichen leichten Gesteinskörnungen für die Verwendung in Beton und Mörtel Gesteinskörnung
Maximaler Siebdurchgang durch das 0,063-mm-Sieb [M.-%]
Grobe Gesteinskörnung
1,5
Korngemisch
3
Feine Gesteinskörnung (Sand)
3
Bei einigen Leichtzuschlägen kann die Kornrohdichte je nach Korngröße stark variieren; im Allgemeinen nimmt sie mit zunehmender Korngröße ab. Deshalb muss die Korngrößenverteilung nicht nur als Massenverteilung, sondern zusätzlich als Volumenverteilung angegeben werden. 3.4.2.2 Physikalische Anforderungen
Die Schüttdichte muss nach DIN EN 1097-3 bestimmt und vom Hersteller angegeben werden. Sie darf um nicht mehr als ± 15 %, höchstens jedoch um ± 100 kg/m³ von dem vom Hersteller angegebenen Nennwert abweichen. Für die Kornrohdichte – sofern gefordert – ist eine maximale Abweichung vom deklarierten Wert von ± 15 %, höchstens jedoch ± 150 kg/m³ zulässig. Besondere Festlegungen gelten nach DIN V 20000-104 für leichte Gesteinskörnungen mit einem Kornanteil unter 1 mm von mehr als 50 % Massen- oder Volumenanteil (Kesselsand). Bei ihrer Verwendung in Mörtel oder Beton müssen die wirksame Kornrohdichte (= Rohdichte auf wassergesättigter und oberflächentrockener Basis), die Wasseraufnahme und die Kornfestigkeit bestimmt werden. 3.4.2.3 Dauerhaftigkeit
Die Frost-Tau-Wechsel-Beständigkeit von leichten Gesteinskörnungen wird nach DIN EN 13055-1 Anhang C nach einem (gegenüber DIN EN 1367-1) modifizierten Verfahren an Körnungen > 4 mm mit einer Schüttdichte von mindestens 150 kg/m³ nachgewiesen. Die zu untersuchende Probe wird zunächst bei Atmosphärendruck unter Wasser gelagert und anschließend 20 Frost-Tau-Wechseln ausgesetzt. Ein Frost-Tau-Wechsel besteht aus dem Abkühlen der Probe in Luft auf -15 °C und dem anschließenden Auftauen im Wasserbad bei ca. 20 °C. Nach Abschluss der Frost-Tau-Wechsel-Beanspruchung wird der Massenverlust der Probe als Durchgang durch das Sieb mit der halben Öffnungsweite der unteren Korngröße d (z. B. 4-mm-Sieb bei der Korngruppe 8/16) bestimmt.
3.4 Anforderungen an Gesteinskörnungen
167
3.4.2.4 Chemische Anforderungen
Die chemischen Bestandteile werden als Massenanteil in % (M.-%) angegeben. Die Grenzwerte für diese Bestandteile gelten für normale Gesteinskörnungen mit einer Schüttdichte von etwa 1500 kg/m³. Bei deutlich geringeren Schüttdichten müssen die Messwerte vor dem Vergleich mit den entsprechenden Grenzwerten korrigiert werden. Maßgebend ist letztlich diejenige Menge des betrachteten Bestandteiles, die durch die Gesteinskörnung in einen m³ Beton eingebracht wird. Nach EN 13055-1 dürfen deshalb bei leichten Gesteinskörnungen die gemessenen Werte auf einen Vergleichswert umgerechnet werden:
Vc = Vm ⋅
Schüttdichte 1500
(3.13)
Dabei ist Vc der Vergleichswert und Vm der gemessene Wert für die chemische Eigenschaft. Die Schüttdichte der leichten Gesteinskörnung muss in kg/m³ angegeben werden. Folglich kann eine leichte Gesteinskörnung mit einer Schüttdichte von 750 kg/m³ die doppelte Menge eines bestimmten Bestandteiles enthalten und trotzdem den entsprechenden Grenzwert einhalten. Folgende Bestandteile müssen bestimmt und vom Hersteller angegeben werden: wasserlösliches Chlorid, säurelösliches Sulfat, Gesamtschwefel, Glühverlust (nur bei Flugasche und Kesselsand), organische Bestandteile und – falls gefordert – Alkali-Kieselsäure-Reaktivität. Bei Verwendung von Blähglas-Granulat muss dessen Alkaliwiderstand nachgewiesen werden. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn die Druckfestigkeit von Mörtel- bzw. Betonprobekörpern im Alter von einem Jahr höchstens 15 % niedriger ist als im Alter von 28 Tagen. Im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit dürfen in Beton nur Blähglas-Granulate eingesetzt werden, die nicht aus umweltbedenklichen Altgläsern (z. B. Bleiglas) hergestellt wurden. Gesinterte Steinkohlenflugasche-Pellets und Kesselsande dürfen nur verwendet werden, wenn sie aus Kraftwerken stammen, die mit gemahlenem Anthrazit oder Steinkohle befeuert werden. Bei einer Mitverfeuerung von Hartbraunkohle oder Klärschlamm dürfen deren Anteile festgelegte Grenzen, bezogen auf trockene Kohle, nicht überschreiten. Bei Klärschlamm gelten außerdem Grenzwerte für den Gehalt verschiedener (Schwer-)Metalle und für den Phosphatgehalt.
3.4.3 Anforderungen an rezyklierte Gesteinskörnungen Bei Abbruch- und Umbaumaßnahmen sowie beim Straßenaufbruch fallen u. a. mineralische Materialien an, die nach entsprechender Aufbereitung als Gesteinskörnung verwendet werden können. Bei rezyklierten Gesteinskörnungen werden vier Liefertypen unterschieden: Typ 1: Betonsplitt/Betonbrechsand; Typ 2: Bauwerksplitt/Bauwerkbrechsand; Typ 3: Mauerwerksplitt/Mauerwerkbrechsand; Typ 4: Mischsplitt/Mischbrechsand.
168
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Für die Zuordnung zu einem der 4 Typen werden die Bestandteile einer repräsentativen Stichprobe nach Augenschein sortiert und anschließend getrennt gewogen. Anhand der so ermittelten stofflichen Zusammensetzung wird die Gesteinskörnung nach Tabelle 3.30 einem Liefertyp zugeordnet. Tabelle 3.30 Stoffliche Zusammensetzung der Liefertypen rezyklierter Gesteinskörnungen Zusammensetzung [M.-%]
Bestandteile
Beton und Gesteinskörnung nach EN 12345 Klinker, nicht porosierter Ziegel Kalksandstein 1)
1)
2)
Typ 1
Typ 2
Typ 3
≥ 90
≥ 70
20
10
30
Typ 4 ≥ 80
≥ 80 5
Andere mineralische Bestandteile
2
3
5
Asphalt
1
1
1
Fremdbestandteile2)
0,2
0,5
0,5
20 1
Andere mineralische Bestandteile sind zum Beispiel: porosierter Ziegel, Leichtbeton, Porenbeton, haufwerksporiger Beton, Putz, Mörtel, poröse Schlacke, Bimsstein Fremdbestandteile sind zum Beispiel: Glas, Keramik, NE-Metallschlacke, Stückgips, Gummi, Kunststoff, Metall, Holz, Pflanzenreste, Papier, sonstige Stoffe
Die Kornrohdichte (ofentrocken) für jede Korngruppe darf die in Tabelle 3.31 angegebenen Werte nicht unterschreiten. Die dort ebenfalls angegebene Schwankungsbreite bezieht sich auf den vom Hersteller deklarierten Wert der Kornrohdichte. Die Wasseraufnahme wird bei groben Gesteinskörnungen nach 10-minütiger Wasserlagerung des zuvor getrockneten Materials bestimmt. Für rezyklierte Gesteinskörnungen > 2 mm darf die Wasseraufnahme die in Tabelle 3.31 genannten Werte nicht überschreiten. Tabelle 3.31 Kornrohdichte und Wasseraufnahme nach 10 min für rezyklierte Gesteinskörnungen Kornrohdichte und Wasseraufnahme
Rezyklierte Gesteinskörnung Typ 1
Minimale Kornrohdichte [kg/m³]
2000
Schwankungsbreite Kornrohdichte [kg/m³] max. Wasseraufnahme nach 10 min [M.-%]
Typ 2
Typ 3
Typ 4
1800
1500
± 150 10
15
keine Anforderung 20
keine Anforderung
169
3.4 Anforderungen an Gesteinskörnungen
Für die Einstufung von rezyklierten Gesteinskörnungen werden die gleichen Kategorien verwendet wie bei normalen Gesteinskörnungen. Zusätzlich werden für den Chloridgehalt die Kategorien ACl0,04 und ACl0,15 festgelegt; die angegebenen Zahlenwerte geben den maximal zulässigen Gehalt an säurelöslichen Chloriden in M.-% an. Tabelle 3.32 enthält die Regelanforderungen an rezyklierte Gesteinskörnungen. Außerdem ist für folgende Eigenschaften als Regelanforderung die Kategorie NR (keine Anforderung) festgelegt: LANR, SZNR, MDENR, PSVNR, AAVNR, ANNR, FNR, MSNR, Raumbeständigkeit. Erhöhte Anforderungen können für besondere Anwendungsfälle vereinbart werden. Tabelle 3.32 Regelanforderungen an rezyklierte Gesteinskörnungen Eigenschaft
Regelanforderung für Typ 1, 2, 3
Bezeichnung der Korngruppen (Lieferkörnung)
4
Grundsiebsatz + Ergänzungssiebsatz 1
Kornzusammensetzung grobe Gesteinskörnungen mit D/d 2 oder D 11,2 grobe Gesteinskörnungen
GD80
mit D/d > 2 oder D > 11,2 feine Gesteinskörnungen Korngemisch
GD80
GD85
Grenzabweichung nach Tabelle 3.7 GD90
GD85 SI55
Kornform Feinanteile feine Gesteinskörnung
f10
f16
grobe Gesteinskörnung
f4
f4
Säurelösliches Chlorid Säurelösliches Sulfat
ACl0,04
ACl0,15
AS0,8
keine Anforderung
Für rezyklierte Gesteinskörnungen ist – im Gegensatz zu den normalen und leichten Gesteinskörnungen – der Nachweis der Umweltverträglichkeit erforderlich. Hierfür werden folgende Eigenschaften geprüft: am Eluat: pH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, Chlorid, Sulfat, Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink, Phenolindex am Feststoff: Kohlenwasserstoffe (H18), PAK nach EPA, EOX, PCB Die zulässigen Höchstwerte für die genannten Eigenschaften und die anzuwendenden Analyseverfahren sind in DIN 4226-100 Tabelle G.1 angegeben. Nach der DAfStb-Richtlinie „Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN 4226-100“ dürfen zur Herstellung von Beton nur rezyklierte
170
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Gesteinskörnungen der Typen 1 und 2 verwendet werden. Bei rezyklierten Körnungen weist die Sandfraktion < 2 mm ein hohes Wassersaugvermögen auf, welches durch die hohen Zementsteinanteile aus dem Altbeton, vor allem aber durch Mauerwerkbruch verursacht wird. Wegen der daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf die Frischbetoneigenschaften und auf die Dauerhaftigkeit des Festbetons darf nur noch die grobe Körnung > 2 mm zur Betonherstellung verwendet werden. Betone, bei denen die gesamte Gesteinskörnung aus rezykliertem Material besteht, weisen einen deutlich geringeren E-Modul und ein von Normalbeton abweichendes Bruchverhalten auf, so dass ihre Bemessung nach den üblichen Regeln für Normalbeton nicht mehr ohne Weiteres möglich ist. Aus diesem Grunde wird der Anteil des Rezyklats an der Gesamtkörnung begrenzt (siehe Tabelle 3.33); die maximal zulässigen Werte hängen außer vom Liefertyp zusätzlich von der Expositionsklasse des Betons sowie von Anforderungen aus der Alkali-Richtlinie ab. Rezyklierte Gesteinskörnungen dürfen zur Herstellung von Normalbeton bis zur Druckfestigkeitsklasse C30/37 eingesetzt werden; ihre Verwendung für Spannbeton und Leichtbeton ist nicht zulässig. Tabelle 3.33 Zulässige Anteile rezyklierter Gesteinskörnungen > 2 mm, bezogen auf die gesamte Gesteinskörnung (Vol.-%) Gesteinskörnungstyp 1 nach DIN 4226-100
Gesteinskörnungstyp 2 nach DIN 4226-100
45
35
Frost ohne Taumitteleinwirkung XF11) und XF31) und in Beton mit hohem Wassereindringwiderstand
35
25
chemischer Angriff XA1
25
25
Anwendungsbereich AlkaliRichtlinie
DIN EN 206-1 und DIN 1045-2
W0 (trocken)
Karbonatisierung XC1 Kein Korrosionsrisiko X0 Karbonatisierung XC1 bis XC4
WF (feucht)
1)
zusätzliche Anforderungen bzgl. Frostwiderstand: F4 bei XF1, F2 bei XF3
3.5 Korngrößenverteilung und Sieblinien 3.5.1 Anforderungen an die Kornzusammensetzung Zur Herstellung von Beton mit dichtem Gefüge werden abgestufte Korngemische benötigt, die in der Regel aus mehreren Korngruppen zusammengesetzt werden. Da die Qualität des Mörtels bzw. Betons sehr stark durch den Kornaufbau beeinflusst wird, muss die optimale Kornzusammensetzung vorab rechnerisch bestimmt und bei der Betonherstellung möglichst genau eingehalten werden.
3.5 Korngrößenverteilung und Sieblinien
171
Durch einen geeigneten Kornaufbau soll eine möglichst hohe Dichtigkeit und damit eine hohe Dauerhaftigkeit und Festigkeit des Mörtels oder Betons erzielt werden. Gleichzeitig ist man aus wirtschaftlichen Gründen bemüht, den Bindemittelgehalt möglichst gering zu halten. Hieraus folgt: Die Kornzusammensetzung soll so gewählt werden, dass das Korngemisch eine möglichst geringe Haufwerksporigkeit aufweist. Das Korngemisch soll eine möglichst geringe Oberfläche aufweisen, die mit Bindemittelleim umhüllt werden muss. Das Korngemisch muss einen gut verarbeitbaren und gut verdichtbaren Mörtel bzw. Beton ergeben. Die Oberfläche eines Korngemisches und damit der Bindemittelbedarf des Betons hängen entscheidend vom Anteil der unteren Kornfraktionen ab. Ist allerdings der Anteil der groben Körner zu groß, werden die Verarbeitbarkeit und die Verdichtbarkeit des Betons erschwert. Ein gutes Korngemisch muss daher gemischtkörnig sein. Das Verhältnis der Korngrößen ist dann am günstigsten, wenn die kleineren Körner in solcher Menge enthalten sind, dass sie die Hohlräume zwischen den größeren Körnern gerade ausfüllen. Bei günstiger, d. h. kugeliger Kornform wird nach Untersuchungen von Fuller eine besonders dichte Kornpackung erzielt, wenn die Körnungskurve für das trockene Gemisch aus Gesteinskörnung und Zement der Gleichung §d· A = 100 ⋅ ¨ ¸ ©D¹
n
(3.14)
entspricht (so genannte „Fuller-Parabel“). Hierin bedeuten: D d n A
Größtkorn in mm; beliebiger Korndurchmesser zwischen 0 und D in mm; Exponent, abhängig von der Kornform; Anteil der Korngruppe 0/d.
Bei kugelförmigen Körnern gilt n = 0,5. Je mehr die Kornform hiervon abweicht, desto kleiner wird der Exponent: für Kies(sand) liegt er bei etwa 0,4, für gebrochenes Gestein bei etwa 0,3. Bei der Zusammensetzung eines Korngemisches ist außerdem das Größtkorn festzulegen; es muss so gewählt werden, dass ein einwandfreies Einbringen und Verdichten des Betons möglich ist. Aus diesem Grunde soll das Größtkorn höchstens 1/3 der kleinsten Bauteilabmessung betragen. Bei eng liegender Bewehrung muss der überwiegende Anteil des Korngemisches kleiner sein als der lichte Abstand der Bewehrungsstäbe untereinander und kleiner sein als die Betondeckung (Abstand zwischen Schalung und Bewehrungsstab).
3.5.2 Betontechnologische Sieblinien Die Korngrößenverteilung eines Korngemisches wird durch Maschinen- oder Handsiebung bestimmt; im Zweifelsfall ist die Handsiebung maßgebend. Die Darstellung erfolgt grafisch
172
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
in Form einer Sieblinie. In diesen Diagrammen werden auf der Abszisse die Siebweiten in mm und auf der Ordinate die Siebdurchgänge aufgetragen. Die Brauchbarkeit eines Korngemisches wird durch Vergleich mit so genannten Regelsieblinien nach DIN 1045-2 beurteilt. In Bild 3-16 sind die Regelsieblinien für ein Größtkorn von 32 mm dargestellt. Die Regelsieblinien werden mit A, B, C, U und mit einem Index für das Größtkorn bezeichnet (z. B. B32). In der Praxis ist es unmöglich, die Regelsieblinien genau einzuhalten; vielmehr werden hier die Bereiche zwischen den Sieblinien benutzt. Die Gesamtfläche des Siebliniendiagrammes wird durch die Regelsieblinien in die folgenden 5 Bereiche unterteilt:
c Der Bereich unterhalb der Regelsieblinie A bzw. U ist für die Betonherstellung ungünstig, weil das Korngemisch zu grobkörnig ist und daher schlecht verarbeitet und verdichtet werden kann. d Dieser Bereich zwischen den Regelsieblinien A und U gilt nur für so genannte Ausfallkörnungen (unstetige Sieblinien) e Der Bereich zwischen den Regelsieblinien A und B wird als günstig bezeichnet. Die Fuller-Parabel mit n = 0,5 liegt etwa in der Mitte dieses Bereiches. f Der Bereich zwischen den Regelsieblinien B und C wird als brauchbar bezeichnet. g Kornzusammensetzungen oberhalb der Regelsieblinie C weisen eine hohe Oberfläche und demzufolge einen hohen Zementleimbedarf auf; deshalb ist dieser Bereich ungünstig.
Bild 3-16 Regelsieblinien mit einem Größtkorn von 32 mm
173
3.5 Korngrößenverteilung und Sieblinien
Für die Betoneigenschaften, insbesondere für die Frischbetoneigenschaften ist der Sandbereich maßgebend. Bei einem Korngemisch B32 macht allein der Anteil 0/0,25 von 8 % bereits etwa die Hälfte der Gesamtoberfläche aus. Aus diesem Grunde unterscheiden sich die Oberflächen der Regelsieblinien A32 : B32 : C32 ≈ 1 : 2,9 : 4,6 recht deutlich. Neben Korngemischen mit stetigem Sieblinienverlauf werden in besonderen Fällen auch unstetige Sieblinien verwendet. Diese auch als „Ausfallkörnungen“ bezeichneten Sieblinien kommen meist aus wirtschaftlichen Gründen, wenn Korngruppen in natürlichen Vorkommen fehlen, oder aus gestalterischen Gründen, z. B. bei Waschbeton, zum Einsatz. Derartige Kornzusammensetzungen basieren auf theoretischen Überlegungen zum Aufbau von Kugelpackungen, bei denen die kleinen Körner in die noch leeren Haufwerksporen zwischen den groben Körnern „schlüpfen“ können. Bei einer Packung von Kugeln mit dem Durchmesser D kann nur ein Schlüpfkorn mit einem Durchmesser dS 0,155⋅D diese Bedingung theoretisch erfüllen. Da die groben Gesteinskörner unterschiedliche Durchmesser aufweisen, mehr oder weniger stark von der Kugelform abweichen und außerdem noch mit Zementleim umhüllt sind, muss dS 0,14⋅Dm sein; dabei ist Dm der durchschnittliche Grobkorndurchmesser (Anmerkung: Für die Korngruppe 16/32 ergibt sich rechnerisch eine mittlere Korngröße von (16 + 32)/2 = 24 mm. Tatsächlich weist diese Korngruppe jedoch eine geringere durchschnittliche Korngröße von rd. 20 mm auf, die bei der Berechnung des Schlüpfkorns zugrunde gelegt werden muss). Der Haufwerksporenraum einer Kugelpackung bei rhomboedrischer Lagerung beträgt 26 Vol.-% und ist unabhängig von der Kugelgröße, wenn man von den versuchstechnisch unvermeidbaren Randstörungen absieht. Bei Kiesen und Kiessanden liegt der Wert mit rd. 32 Vol.-% etwas höher; Natursteinsplitt weist mit etwa 42 Vol.-% Haufwerksporen einen deutlich höheren Wert auf. Zur Füllung der Haufwerksporen wird demnach ein Schlüpfkornanteil von mindestens 30 Vol.-% benötigt. Tabelle 3.34 Aufbau von Ausfallkörnungen (Sieblinien U) Regelsieblinie
30 Vol.-% Feinkorn der Korngruppe [mm]
Fehlender Korngruppenbereich [mm]
70 Vol.-% Grobkorn der Korngruppe [mm]
U8
0/1
1/4
4/8
U16
0/2
2/8
8/16
U32
0/2
2/16
16/32
U63
0/4
4/32
32/63
Die Regelsieblinien U setzen sich jeweils zu 30 % aus feinen Anteilen und zu 70 % aus Grobanteilen zusammen; die mittleren Korngruppen fehlen – erkennbar am horizontalen Verlauf der Sieblinie. Der genaue Aufbau der Ausfallkörnungen ist der Tabelle 3.34 und den Bildern 3-16 bis 3-19 zu entnehmen.
174
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Die Zusammensetzung von Regelsieblinien wurde – wie oben beschrieben – aufgrund volumetrischer Überlegungen festgelegt; deshalb sollte im Siebliniendiagramm der Siebdurchgang grundsätzlich in Vol.-% angegeben werden. In der Literatur sind jedoch auch Siebliniendiagramme zu finden, bei denen Massenanteile (M.-%) als Einheit für den Siebdurchgang angegeben werden. Dies stimmt jedoch nur in denjenigen Fällen, in den die verwendeten Korngruppen eine annähernd gleiche Kornrohdichte aufweisen.
Bild 3-17 Regelsieblinien mit einem Größtkorn von 8 mm
Bild 3-19 Regelsieblinien mit einem Größtkorn von 63 mm
Bild 3-18 Regelsieblinien mit einem Größtkorn von 16 mm
3.5 Korngrößenverteilung und Sieblinien
175
3.5.3 Kennwerte von Sieblinien Der für eine bestimmte Konsistenz bei Mörteln oder Betonen erforderliche Zementleimbedarf hängt von der spezifischen Oberfläche und von der Packungsdichte des Korngemisches ab. Da die spezifische Oberfläche nur mit beträchtlichem Aufwand zu messen ist, verwendet man in der Betontechnologie aus der Kornverteilung abgeleitete Kenngrößen. Mit Hilfe dieser Kenngrößen lassen sich auch Korngemische beurteilen, die von einer vorgegebenen Sieblinie abweichen. Korngemische mit gleichem Kennwert sind betontechnologisch etwa gleichwertig. Als einfach zu bestimmende Kennwerte für die Kornzusammensetzung dienen die D-Summe und die Körnungsziffer k, die unter anderem zur Herstellung von Korngemischen aus Einzelfraktionen sowie insbesondere zur Abschätzung des Wasseranspruchs eines Korngemisches herangezogen werden. Ein weiterer Kennwert ist der unter 3.3.2.2 beschriebene Feinheitsmodul FM, der jedoch primär angewandt wird, um die Gleichmäßigkeit einer feinen Gesteinskörnung zu überprüfen. Fm-Wert
Für die einzelnen Korngruppen 0/0,25; 0,25/0,5; 0,5/1; 1/2 usw. werden die Mittelwerte der Siebrückstände Ri in % berechnet, addiert und durch 100 dividiert: Fm =
1 R + Ri ⋅ ¦ i −1 100 2
(3.15)
F-Wert nach Hummel
Zunächst bestimmt man aus der unteren (du) und oberen (do) Korngröße der einzelnen Korngruppen die Fi-Werte: Fi =
1 ⋅ 100 [log (10 ⋅ d u ) + log (10 ⋅ do )] 2
(3.16)
Aus den Fi-Werten und den Volumenanteilen ai der Korngruppen ergibt sich der F-Wert des Korngemisches zu: F =¦
ai ⋅ Fi 100
(3.17)
Körnungsziffer (k-Wert)
Die Körnungsziffer ist der in der Betontechnologie gebräuchlichste Sieblinienkennwert. Der k-Wert ergibt sich durch Addieren der jeweiligen Siebrückstände Ri auf den Prüfsieben 0,25 – 0,5 – 1 – 2 – 4 – 8 – usw. und Division der Summe durch 100: k=
1 ⋅ ¦ Ri 100
(3.18)
176
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Quersummenzahl (D-Summe)
Die Quersummenzahl, auch D-Summe, Durchgangsziffer oder D-Wert genannt, ist die Summe aller Durchgänge durch die Prüfsiebe des oben genannten Siebsatzes:
Q=
¦ Di
(3.19)
Für ihre Bestimmung dürfen nur die Durchgänge der Siebe bis einschließlich Größtkorn des Korngemisches angesetzt werden. Beispielsweise ergibt sich für die Sieblinie B16 eine Quersummenzahl Q = 8 + 20 + 32 + 42 + 56 + 76 + 100 = 334 (Siebdurchgänge siehe Bild 3-18). Würde man das nächstgrößere Sieb mit 32 mm Lochweite mit berücksichtigen, würde Q um 100 auf 434 ansteigen. Dadurch ist der Vergleich von Korngemischen mit unterschiedlichem Größtkorn nicht ohne weiteres möglich. Vereinzelt wird durch eine Indexkennzeichnung die größte verwendete Siebweite angegeben, so dass für die Regelsieblinie B16 entweder Q16 = 334 oder Q32 = 434 angegeben werden kann. Wasseranspruchszahl (A-Wert)
Der A-Wert gibt den Wasseranspruch eines Korngemisches für eine plastische Betonkonsistenz an. Dazu muss zunächst der Wasseranspruch Ai jeder einzelnen Korngruppe durch Versuche bestimmt werden. Die Wasseranspruchszahl A des Korngemisches wird aus den AiWerten und den prozentualen Volumenanteilen ai der Korngruppen berechnet: A=
a
¦ 100i ⋅ Ai
(3.20)
Um den Wasseranspruch des gesamten Betontrockengemisches berechnen zu können, müssen zusätzlich Stoffraumanteil und Wasseranspruch des Zementes bekannt sein. Spezifische Oberfläche
Für jede einzelne Korngruppe wird aus der unteren (du) und oberen (do) Korngröße der mittlere Korndurchmesser dm berechnet: d m = do ⋅ d u
(3.21)
Für die spezifische Oberfläche O des Korngemisches folgt: O= mit O af ai
ρRg dmi
af
ρ Rg
⋅
¦
10 ⋅ ai d mi
(3.22)
spezifische Oberfläche in m²/kg, Formbeiwert (Verhältniswert Oberfläche : Volumen für unterschiedliche Kornformen), Anteil der Korngruppe i in M.-%, mittlere Kornrohdichte der Gesteinskörnung in kg/m³, mittlerer Durchmesser der Korngruppe i.
Der Beiwert af beträgt bei kugelförmigen Körnern af = 6, bei plattiger oder nadeliger Kornform kann er auf af = 12...17 ansteigen.
177
3.5 Korngrößenverteilung und Sieblinien Kennwerte für die Regelsieblinien
In Tabelle 3.35 sind die Kennwerte für die Regelsieblinien A, B und C mit 8, 16 und 32 mm Größtkorn zusammengestellt. Tabelle 3.35 Kennwerte für die Regelsieblinien [3.01] Kennwerte A8
B8
C8
A16
B16
C16
A32
B32
C32
Fm-Wert
4,14
3,39
2,77
5,11
4,16
3,26
5,98
4,70
3,80
F-Wert
134
111
82
162
134
107
189
151
123
k-Wert
3,64
2,89
2,27
4,61
3,66
2,75
5,48
4,20
3,30
Quersummenzahl Q
236
311
373
239
334
425
252
380
470
A-Wert [kg/m³]
139
188
239
106
154
220
83
142
192
3,24
5,68
8,46
1,99
4,26
7,35
1,38
3,93
6,26
Spez. Oberfläche O [m²/kg] 1)
Regelsieblinie
1)
für af = 8,5 und ρRg = 2630 kg/m³
3.5.4 Sieblinienverbesserung In der Natur vorkommende, aber auch industriell hergestellte Körnungen sind praktisch nie so zusammengesetzt, dass sie direkt zur Betonherstellung verwendet werden können. Im Regelfall müssen daher mehrere Korngruppen so gemischt werden, dass die vorgesehene Sieblinie möglichst genau erreicht wird. Die vorliegende Optimierungsaufgabe wird heutzutage meist rechnerisch, seltener grafisch gelöst und wird als Sieblinienverbesserung bezeichnet. Im Folgenden werden die beiden wichtigsten rechnerischen Methoden beschrieben. In beiden Fällen besteht die Aufgabe darin, die beiden Korngruppen 0/4 und 4/32 so zusammenzusetzen, dass die Soll-Sieblinie B32 möglichst genau erreicht wird. 3.5.4.1 Schätzverfahren
Beim Schätzverfahren handelt es sich um eine „Probier“-Methode, bei der die Anteile der einzelnen Korngruppen zunächst geschätzt und ggf. in weiteren Schritten iterativ verbessert werden. Die Vorgehensweise wird am Beispiel in Tabelle 3.36 erläutert. In den Zeilen (1) bis (3) sind die Zusammensetzungen der anzustrebenden Soll-Sieblinie B32 und der beiden verfügbaren Korngruppen 0/4 und 4/32 angegeben. Im Bereich bis 2,0 mm weist die Korngruppe 4/32 nur geringe Unterkornanteile auf, die zunächst vernachlässigt werden. Daraus folgt, dass die Soll-Sieblinie im Bereich bis 2,0 mm allein durch die Korngruppe 0/4 abgedeckt werden muss. Der hierfür erforderliche Anteil der Korngruppe 0/4 ergibt sich an den einzelnen Sieben durch Division der Werte in den Zeilen (1) und (2).
178
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Daraus folgt für das Sieb: 0,125 mm 0,25 mm 0,5 mm 1,0 mm 2,0 mm
ˇ ˇ ˇ ˇ ˇ
4/10 = 0,40 8/16 = 0,50 18/34 = 0,53 28/51 = 0,55 37/75 = 0,49 im Mittel: 0,49 = 49 %
Da die Summe aller Korngruppenanteile immer 1,0 oder 100 % ergeben muss, folgt für die Korngruppe 4/32 ein Anteil von (1 – 0,49) = 0,51 bzw. 51 %. Tabelle 3.36 Sieblinienverbesserung nach dem Schätzverfahren
Sieblinie bzw. Korngruppe
Anteil
Siebdurchgang in Vol.-% durch das Sieb mit der Siebweite [mm] 0,125
0,25
0,5
1,0
2,0
4,0
8,0
16,0
31,5
(1)
Soll-Sieblinie B32
–
4
8
18
28
37
47
62
80
100
(2)
Korngruppe 0/4
–
10
16
34
51
75
97
100
100
100
(3)
Korngruppe 4/32
–
0
1
1
3
4
8
32
69
100
(4)
Korngruppe 0/4 = (2) * 0,49
0,49
5
8
17
25
37
48
49
49
49
(5)
Korngruppe 4/32 = (3) * 0,51
0,51
0
1
1
2
2
4
16
36
51
(6)
Ist-Sieblinie = (4) + (5)
1,00
5
9
18
27
39
52
65
84
100
(7)
Differenz (Ist–Soll) = (6) – (1)
–
+1
+1
0
-1
+2
+5
+3
+4
0
In den Zeilen (4) und (5) werden nun die Werte aus den Zeilen (2) und (3) mit den jeweiligen Korngruppenanteilen multipliziert. Die Summe der Zeilen (4) und (5) entspricht der tatsächlichen Ist-Sieblinie (6); die Abweichungen von der angestrebten Soll-Sieblinie werden durch die Differenz (Ist – Soll) in Zeile (7) beschrieben. Bei Überschreitung der Soll-Sieblinie ist die Differenz in Zeile (7) positiv, bei einer Unterschreitung negativ. Durch Mitführen des Vorzeichens lässt sich daher leicht abschätzen, in welche Richtung ein ggf. erforderlicher weiterer Iterationsschritt zu erfolgen hat. Im vorliegenden Fall tritt die größte Abweichung beim 4-mm-Sieb auf, und zwar in Form einer Überschreitung der Soll-Sieblinie (+ 5 Vol.-%). Diese Abweichung kann nur dadurch verkleinert werden, dass der Anteil der Korngruppe 0/4 reduziert wird; der Anteil der Korngruppe 4/32 erhöht sich dann dementsprechend. Da sich eine Veränderung der Korngruppenanteile nicht nur am betrachteten 4-mm-Sieb sondern im gesamten Sieblinienbereich bemerk-
179
3.5 Korngrößenverteilung und Sieblinien
bar macht, müssen die Auswirkungen bei allen Sieben überprüft werden. Ein besonderes Augenmerk ist dabei immer auf möglichst geringe Abweichungen im Feinkornbereich zu richten. Eine Neuberechnung mit veränderten Korngruppenanteilen (0,46/0,54) wird in Tabelle 3.37 vorgenommen. 3.5.4.2 Mischkreuzverfahren
Bei der Anwendung des Mischkreuzverfahrens werden zunächst die k-Werte der anzustrebenden Soll-Sieblinie und der verfügbaren Korngruppen berechnet. Für obiges Beispiel ergibt sich: kB32 = 4,20; k0/4 = 2,27; k4/32 = 5,82. Zur Bestimmung der beiden Unbekannten x0/4 und x4/32 (= Anteile der Korngruppen 0/4 und 4/32) werden folgende Gleichungen aufgestellt: x0 / 4 + x4 / 32 = 1,0
(3.23)
x0/ 4 ⋅ k0/ 4 + x4/32 ⋅ k4/32 = kB32
(3.24)
Durch Auflösen nach x0/4 bzw. x4/32 erhält man: x0/ 4 =
kB32 − k4/32 4, 20 − 5,82 = = 0, 46 2, 27 − 5,82 k0/ 4 − k4/32
(3.25)
k − k0/ 4 x4/32 = B32 = 0,54 k4/32 − k0/ 4
(3.26)
Dieselbe Berechnung kann mit dem Mischkreuzverfahren leicht ermittelt werden: 0/4:
2,27 B32:
4/32:
1,62 (= 5,82 - 4,20)
1,62/3,55 = 0,46
1,93 (= 4,20 - 2,27)
1,93/3,55 = 0,54
4,20
5,82 Σ:
3,55
Mit den so ermittelten Korngruppenanteilen werden die vorhandene Ist-Sieblinie und die Abweichungen gegenüber der Soll-Sieblinie in Tabelle 3.37 neu berechnet. Es empfiehlt sich, diese Berechnung immer zusätzlich zur Kontrolle durchzuführen.
180
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
Tabelle 3.37 Sieblinienverbesserung nach dem Mischkreuzverfahren
Sieblinie bzw. Korngruppe
Anteil
Siebdurchgang in Vol.-% durch das Sieb mit der Siebweite [mm] 0,125
0,25
0,5
1,0
2,0
4,0
8,0
16,0
31,5
(1)
Soll-Sieblinie B32
–
4
8
18
28
37
47
62
80
100
(2)
Korngruppe 0/4
–
10
16
34
51
75
97
100
100
100
(3)
Korngruppe 4/32
–
0
1
1
3
4
8
32
69
100
(4)
Korngruppe 0/4 = (2) * 0,46
0,46
5
7
16
23
35
45
46
46
46
(5)
Korngruppe 4/32 = (3) * 0,54
0,54
0
1
1
2
2
4
17
37
54
(6)
Ist-Sieblinie = (4) + (5)
1,00
5
8
17
25
37
49
63
83
100
(7)
Differenz (Ist–Soll) = (6) – (1)
–
+1
0
-1
-3
0
+2
+1
+3
0
Das Mischkreuzverfahren ist bei einer Kombination von nur zwei Korngruppen einfach zu handhaben. Bei drei oder mehr Korngruppen wird die Berechnung jedoch sehr umständlich; in diesem Fall bietet sich eher das Schätzverfahren an, zumal seine Umsetzung mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms relativ einfach ist. Früher verwendete grafische Lösungsmethoden sind heutzutage praktisch ohne Bedeutung.
3.6 Literatur 3.6.1 Normen, Richtlinien Norm
Ausgabe
DIN 1045-2
2008-08
Titel Tragwerke Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 2: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität – Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1
DIN 1100
2004-05
Hartstoffe für zementgebundene Hartstoffestriche – Anforderungen und Prüfverfahren
DIN 4226-100
2002-02
Gesteinskörnungen für Beton und Mörtel – Teil 100: Rezyklierte Gesteinskörnungen
DIN V 18004
2004-04
Anwendungen von Bauprodukten in Bauwerken – Prüfverfahren für Gesteinskörnungen nach DIN V 20000-103 und DIN V 20000-104
DIN V 20000-102
2004-04
Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Teil 102: Gesteinskörnung nach DIN EN 13383-1:2002-08
181
3.6 Literatur
DIN V 20000-105
2005-04
Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Teil 105: Gesteinskörnungen nach DIN EN 13450:2003-06
DIN 52009
2006-02
Prüfverfahren für Gesteinskörnungen – Bestimmung der Wasseraufnahme unter Druck
DIN 52098
2005-06
Prüfverfahren für Gesteinskörnungen – Bestimmung der Korngrößenverteilung durch Nasssiebung
DIN 52099
2005-04
Prüfung von Gesteinskörnungen – Prüfung auf Reinheit
DIN 52100-2
2007-06
Naturstein – Gesteinskundliche Untersuchungen – Allgemeines und Übersicht
DIN 52101
2005-06
Prüfverfahren für Gesteinskörnungen – Probenahme
DIN 52102
2006-02
Prüfverfahren für Gesteinskörnungen – Bestimmung der Trockenrohdichte mit dem Messzylinderverfahren und Berechnung des Dichtigkeitsgrades
DIN 52106
2004-07
Prüfung von Gesteinskörnungen – Untersuchungsverfahren zur Beurteilung der Verwitterungsbeständigkeit
DIN 52115-2
1997-06
Prüfung von Gesteinskörnungen – Schlagversuch – Teil 2: Schlagversuch an Schotter
DIN EN 932-1
1996-11
Prüfverfahren für allgemeine Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 1: Probenahmeverfahren
DIN EN 932-2
1999-03
Prüfverfahren für allgemeine Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 2: Verfahren zum Einengen von Laboratoriumsproben
DIN EN 932-3
2003-12
Prüfverfahren für allgemeine Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 3: Durchführung und Terminologie einer vereinfachten petrographischen Beschreibung
DIN EN 932-5
2000-01
Prüfverfahren für allgemeine Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 5: Allgemeine Prüfeinrichtungen und Kalibrierung
DIN EN 932-6
1999-07
Prüfverfahren für allgemeine Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 6: Definitionen für die Wiederholpräzision und Vergleichspräzision
DIN EN 933-1
2006-01
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 1: Bestimmung der Korngrößenverteilung – Siebverfahren
DIN EN 933-2
1996-01
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 2: Bestimmung der Korngrößenverteilung – Analysensiebe, Nennmaße der Sieböffnungen
DIN EN 933-3
2003-12
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 3: Bestimmung der Kornform – Plattigkeitskennzahl
182
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
DIN EN 933-4
2008-06
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 4: Bestimmung der Kornform – Kornformkennzahl
DIN EN 933-5
2005-02
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 5: Bestimmung des Anteils an gebrochenen Körnern in groben Gesteinskörnungen
DIN EN 933-6
2002-02
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 6: Beurteilung der Oberflächeneigenschaften – Fließ-Koeffizient für grobe Gesteinskörnungen
DIN EN 933-6 Ber1
2004-09
Berichtigung 1 zu DIN EN 933-6:2002-02
DIN EN 933-7
1998-05
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 7: Bestimmung des Muschelschalengehaltes – Prozentsatz von Muschelschalen in groben Gesteinskörnungen
DIN EN 933-8
1999-05
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 8: Bestimmung von Feinanteilen – Sandäquivalent-Verfahren
DIN EN 933-9
2009-10
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 9: Bestimmung von Feinanteilen – Methylenblau-Verfahren
DIN EN 933-10
2009-10
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 10: Bestimmung von Feinanteilen – Kornverteilung von Füller (Luftstrahlsiebung)
DIN EN 933-11
2009-07
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 11: Prüfung zur Einteilung der Bestandteile von rezyklierter grober Gesteinskörnung
DIN EN 1097-1
2003-12
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 1: Bestimmung des Widerstandes gegen Verschleiß (Micro-Deval)
DIN EN 1097-2
2010-07
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 2: Verfahren zur Bestimmung des Widerstandes gegen Zertrümmerung
DIN EN 1097-3
1998-06
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 3: Bestimmung von Schüttdichte und Hohlraumgehalt
DIN EN 1097-4
2008-06
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 4: Bestimmung des Hohlraumgehaltes an trocken verdichtetem Füller
183
3.6 Literatur
DIN EN 1097-5
2008-06
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 5: Bestimmung des Wassergehaltes durch Ofentrocknung
DIN EN 1097-5 Ber1
2008-09
Berichtigung 1 zu DIN EN 1097-5:2008-06
DIN EN 1097-6
2005-12
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 6: Bestimmung der Rohdichte und der Wasseraufnahme
DIN EN 1097-6 Ber1
2008-08
Berichtigung 1 zu DIN EN 1097-6:2005-12
DIN EN 1097-7
2008-06
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 7: Bestimmung der Dichte von Füller — Pyknometer-Verfahren
DIN EN 1097-7 Ber1
2008-09
Berichtigung 1 zu DIN EN 1097-7:2008-06
DIN EN 1097-8
2009-10
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 8: Bestimmung des Polierwertes
DIN EN 1097-9
2005-10
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 9: Bestimmung des Widerstandes gegen Verschleiß durch Spikereifen – Nordische Prüfung
DIN EN 1097-10
2003-03
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 10: Bestimmung der Wassersaughöhe
DIN EN 1367-1
2007-06
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 1: Bestimmung des Widerstandes gegen Frost-TauWechsel
DIN EN 1367-2
2010-02
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 2: Magnesiumsulfat-Verfahren
DIN EN 1367-3
2001-06
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 3: Kochversuch für Sonnenbrand-Basalt
DIN EN 1367-3 Ber1
2004-09
Berichtigung 1 zu DIN EN 1367-3:2001-06
DIN EN 1367-4
2008-06
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 4: Bestimmung der Trockenschwindung
DIN EN 1367-5
2002-11
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 5: Bestimmung des Widerstandes gegen Hitzebeanspruchung
184
3 Gesteinskörnungen für Mörtel und Beton
DIN EN 1367-6
2008-12
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 6: Beständigkeit gegen Frost-Tau-Wechsel in der Gegenwart von Salz
DIN EN 1744-1
2010-04
Prüfverfahren für chemische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 1: Chemische Analyse
DIN EN 1744-3
2002-11
Prüfverfahren für chemische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 3: Herstellung von Eluaten durch Auslaugung von Gesteinskörnungen
DIN EN 1744-4
2005-10
Prüfverfahren für chemische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 4: Bestimmung der Wasserempfindlichkeit von Füllern für bitumenhaltige Mischungen
DIN EN 1744-5
2006-12
Prüfverfahren für chemische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 5: Bestimmung der säurelöslichen Chloride
DIN EN 1744-6
2006-12
Prüfverfahren für chemische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 6: Bestimmung des Einflusses von Auszügen rezyklierter Gesteinskörnungen auf den Erstarrungsbeginn von Zement
DIN EN 1936
2007-02
Prüfverfahren für Naturstein – Bestimmung der Reindichte, der Rohdichte, der offenen Porosität und der Gesamtporosität
DIN EN 12620
2008-07
Gesteinskörnungen für Beton
DIN EN 13043
2002-12
Gesteinskörnungen für Asphalte und Oberflächenbehandlungen für Straßen, Flugplätze und andere Verkehrsflächen (2002-12)
DIN EN 13043 Ber1
2004-12
Berichtigung 1 zu DIN EN 13043:2002-12
DIN EN 13055-1
2002-08
Leichte Gesteinskörnungen – Teil 1: Leichte Gesteinskörnungen für Beton, Mörtel und Einpressmörtel
DIN EN 13055-1 Ber1 2004-12
Berichtigung 1 zu DIN EN 13055:2002-08
DIN EN 13055-2
2004-09
Leichte Gesteinskörnungen – Teil 2: Leichte Gesteinskörnungen für Asphalte und Oberflächenbehandlungen sowie für ungebundene und gebundene Verwendung
DIN EN 13139
2002-08
Gesteinskörnungen für Mörtel
DIN EN 13139 Ber1
2004-12
Berichtigung 1 zu DIN EN 13139:2002-08
DIN EN 13242
2008-03
Gesteinskörnungen für ungebundene und hydraulisch gebundene Gemische für Ingenieur- und Straßenbau
DIN EN 13383-1
2002-08
Wasserbausteine – Teil 1: Anforderungen
DIN EN 13383-1 Ber1 2004-12
Berichtigung 1 zu DIN EN 13383-1:2002-08
DIN EN 13383-2
Wasserbausteine – Teil 2: Prüfverfahren
2002-07
185
3.6 Literatur
DIN EN 13450
2003-06
Gesteinskörnungen für Gleisschotter
DIN EN 13450 Ber1
2004-12
Berichtigung 1 zu DIN EN 13450:2003-06
Alkali-Richtlinie
2007-02
Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton (Alkali-Richtlinie) Teil 1: Allgemeines Teil 2: Gesteinskörnungen mit Opalsandstein und Flint Teil 3: Gebrochene alkaliempfindliche Gesteinskörnungen
Rezyklierte GK
2004-12
Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN 4226-100 – Teil 1: Anforderungen an den Beton für die Bemessung nach DIN 1045-1
TL Gestein-StB 07
2007
Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau
3.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [3.1] [3.2] [3.3] [3.4]
Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Band 2: Beton, 3. Auflage. Wiesbaden: Bauverlag, 1993 Weber, R.; Tegelaar, R.: Guter Beton – Ratschläge für die richtige Betonherstellung, 20. Auflage. Düsseldorf: Bau + Technik, 2001 Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Zement-Taschenbuch 2002. Düsseldorf : Bau + Technik, 2002 Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Gesteinskörnungen für Normalbeton. Zement-Merkblatt Betontechnik B2, Ausgabe 10.2004
4 Mineralische Bindemittel Mit dem Begriff „Bindemittel“ bezeichnet man Stoffe, die gröbere und/oder feinere Körner fest miteinander verkitten; hierfür kommen anorganische und organische Substanzen in Betracht. Zu den organischen Bindemitteln zählen z. B. Bitumen und Kunstharz. Die wichtigsten anorganischen Bindemittel sind Zement, Kalk und Gips; sie werden aus mineralischen Ausgangsstoffen hergestellt und deshalb auch „mineralische Bindemittel“ genannt.
4.1 Gipsbaustoffe 4.1.1 Allgemeines 4.1.1.1 Rohstoffe
Als Hauptrohstoffe für die Herstellung von Gipsbaustoffen dienen Gipsstein [CaSO4 · 2 H2O] und Anhydrit [CaSO4], die beide als natürliche Minerale vorkommen. Außerdem fällt Calciumsulfat bei verschiedenen technischen Prozessen als Nebenprodukt an, z. B. in RauchgasEntschwefelungs-Anlagen von Steinkohlekraftwerken (REA-Gips), bei der Phosphorsäureherstellung (Phosphogips) oder bei der Flusssäureherstellung (Fluoroanhydrit, auch „synthetischer Anhydrit“ genannt). Vor allem REA-Gips, der technisch und hygienisch dem Naturgips gleichwertig ist, wird in der Baustoffindustrie als Bindemittel eingesetzt. 4.1.1.2 Herstellung
Gipsstein wird durch Brennen entwässert (calciniert), wobei je nach Brennbedingungen (Temperatur, Nass- oder Trockenbrennverfahren) unterschiedliche Phasen entstehen; eine Übersicht enthält Tabelle 4.1. Die verschiedenen Calciumsulfatphasen zeigen recht unterschiedliche Eigenschaften. Durch entsprechende Steuerung des Produktionsprozesses kann man die Eigenschaften der verschiedenen Baugipssorten (siehe unter Stuckgips, Putzgips usw.) durch unterschiedliche Anteile an den beiden Halbhydratformen bzw. an kristallwasserfreiem CaSO4 (Anhydrit) beeinflussen. Des Weiteren können durch werkseitige Zugabe unterschiedlicher Additive die Eigenschaften der Brennprodukte noch weiter modifiziert werden.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
188
4 Mineralische Bindemittel
Tabelle 4.1 Übersicht über die verschiedenen Phasen des Calciumsulfats Chemische Formel
Bezeichnung
CaSO4 · 2 H2O
Calciumsulfat-Dihydrat
CaSO4 · ½ H2O
Calciumsulfat-Halbhydrat
CaSO4
Anhydrit III
CaSO4
Anhydrit II
CaSO4
Anhydrit I
Form
80 ... 180 nass
120 ... 180 trocken
110 nass
290 trocken
AII-s (schwerlöslich)
300 ... 500
AII-u (unlöslich)
500 ... 700
AII-E (Estrichgips) 2)
Bildungstemperatur im technischen Prozess [°C]
> 700 1180 2)
existiert nur oberhalb der angegebenen Temperatur; wandelt sich bei Abkühlung in Anhydrit II um
4.1.1.3 Erhärtung
Bei der Erhärtungsreaktion des Halbhydrats bzw. Anhydrits wird das zugegebene Anmachwasser wieder als Kristallwasser in den Kristallverband eingelagert; somit ergibt sich der in Bild 4.1 dargestellte Gipskreislauf. Dabei reagiert der Anhydrit – im Vergleich zum Halbhydrat – wegen seiner geringeren Löslichkeit erheblich langsamer und erfordert zum Teil sogar die Zugabe von Anregern. Aus Gründen der Verarbeitbarkeit wird beim Anmachen mehr Wasser zugegeben als für die Erhärtung erforderlich ist.
Gipsstein bzw. abgebundener Gips überschüssiges Wasser entweicht
CaSO4 * 2H2O Brennen
Erhärten
je nach Temperatur entsteht
Gipsbrei
CaSO4 * 1/2H2O
CaSO4 * nH2O
(Halbhydrat)
oder
Anmachen (Wasserzugabe)
Bild 4-1 Gipskreislauf
CaSO4
(Anhydrit)
4.1 Gipsbaustoffe
189
Die innige Verfilzung der entstehenden, nadelförmigen Gipskristalle führt nach dem Anmachen zum Erstarren und schließlich zur Verfestigung und Erhärtung. Der Aufbau des sperrigen Kristallgefüges führt zu einer Volumenvergrößerung von bis zu 1 Vol.-%; das ist überall dort von Vorteil, wo Wert auf schwindrissfreie Verarbeitung gelegt wird (Gipsputze, Gipsestriche, Einsetzen von Dübeln usw.). Baugips muss beim Anmachen in das Wasser eingestreut werden, damit alle Gipsteilchen gleichmäßig und vollständig vom Wasser umgeben werden. Nie umgekehrt Wasser zum Gips geben! Die Festigkeitseigenschaften der Gipsbaustoffe werden von der Kristallausbildung und vor allem vom Wasser-Gips-Wert beeinflusst. Für Gipsmassen gilt dieselbe Gesetzmäßigkeit wie für erhärtete Zementmassen: je höher der Wasser-Bindemittel-Wert, desto geringer die erreichbare Festigkeit! Die Erhärtung ist praktisch mit der Kristallwasseraufnahme abgeschlossen (der Zeitpunkt entspricht etwa dem Versteifungsende); der Gips hat dann ca. 40 % seiner Endfestigkeit erreicht. Letztere wird nach vollständiger Trocknung erreicht; längeres Feuchthalten ist – im Gegensatz zu zementhaltigen Massen - deshalb nicht erforderlich. Da das Überschusswasser relativ schnell entweicht, gibt es keine länger anhaltende Baufeuchtigkeit durch Gipsputze! Die Kristallisationsvorgänge lassen sich durch geeignete Zusätze beschleunigen bzw. verzögern. Als Verzögerer wirken z. B. organische Säuren (am häufigsten eingesetzt Wein-, Zitronen-, Äpfelsäure) und deren Salze, organische Kolloide (wie z. B. Leim), ferner Zucker, Kalkmilch, Wasserglas. Stark beschleunigend wirken Reste bereits abgebundenen Gipses (Vorsicht bei verunreinigten Geräten!).
4.1.1.4 Systematik der Einteilung
Mit dem Begriff „Gips“ werden in der deutschen Sprache unterschiedliche Materialien bezeichnet: der in der Natur vorkommende Gipsstein, das entsprechende industrielle Nebenprodukt, der durch Brennen der Ausgangsstoffe entstandene Gipsbinder oder der hieraus durch Zugabe von Zuschlägen und Additiven hergestellte Gips-Trockenmörtel. Die früheren Normen DIN 1168 „Baugipse“ und DIN 4208 „Anhydritbinder“ wurden zwischenzeitlich zurückgezogen und durch europäische Normen ersetzt. Diese EN-Normen führen zum Teil neue Bezeichnungen und Einteilungen ein. Bild 4.2 gibt einen Überblick über die „Familie“ der Gipsbinder und pulverförmigen Gipsprodukte (Baugipse). Im vorliegenden Kapitel werden die Gipsbinder und Gipstrockenmörtel sowie Calciumsulfatbinder behandelt; Gipsplatten und sonstige Bauteile aus Gips werden im Kapitel 7 beschrieben.
190
4 Mineralische Bindemittel
Bild 4-2 Familie der Gipsbinder und Gipsprodukte
4.1.2 Gipsbinder und Gipsprodukte Gipsbinder besteht aus Calciumsulfat in seinen verschiedenen Hydratphasen, z. B. Halbhydrat [CaSO4 · ½ H2O] und Anhydrit [CaSO4]. Durch werkseitige Zugabe von Additiven können die Eigenschaften gezielt verändert werden. Man unterscheidet: Gipsbinder für weitere pulverförmige Produkte; Gipsbinder zur Direktanwendung auf der Baustelle; Gipsbinder zur Weiterverarbeitung in Platten und sonstigen Bauteilen.
4.1 Gipsbaustoffe
191
4.1.2.1 Baugipse ohne werkseitig beigegebene Zusätze
Stuckgips besteht im Wesentlichen aus -Halbhydrat. Stuckgips ist reinweiß, versteift rasch (8 bis 25 min), ist wasserlöslich und nicht wetterbeständig. Stuckgips ist ca. 10 bis 15 min verarbeitungsfähig; bei längerer Bearbeitung besteht die Gefahr des so genannten „Totreibens“ (keine ausreichende Verfestigung). Verwendung findet Stuckgips für Stuck-, Form- und Rabitzarbeiten, zur Fertigung von Gipsplatten und zur Herstellung von Innenputzen (Gipsputz, Gipskalkputz). Putzgips besteht überwiegend aus dem Anhydrit II und dem -Halbhydrat. Putzgips beginnt im Allgemeinen früher zu versteifen als Stuckgips, bindet im Ganzen aber doch langsamer ab und ist daher auch länger verarbeitungsfähig (ca. 30 bis 60 min). Verwendet wird er zur Herstellung von Innenputzen (Gipsputz, Gipskalkputz), für Rabitzarbeiten und bisweilen zum groben Vorziehen von Stuckarbeiten.
4.1.2.2 Baugipse mit werkseitig beigegebenen Zusätzen
Baugipse mit werkseitig beigegebenen Zusätzen bestehen überwiegend aus Stuck- und/oder Putzgips, denen im Herstellwerk Additive zum Erzielen bestimmter Eigenschaften zugesetzt sind. Füllstoffe (Sand, Fasern, Perlite oder ähnliches) dürfen – je nach Baugipssorte – werkseitig zugesetzt sein. Gipsmaschinenputz ist ein speziell für die maschinelle Verarbeitung eingestellter GipsTrockenmörtel, der in verschiedenen Variationen mit variierenden Anteilen an Gipsbinder, Kalkhydrat, Leicht- und Normalzuschlägen hergestellt wird. Er wird mit Wasser zur erforderlichen Konsistenz gemischt und maschinell (durch Aufspritzen) auf den Untergrund aufgetragen. Gipsmaschinenputze werden meist einlagig, bei sehr hohen Putzstärken auch zweilagig verwendet. Gipshandputz ist ein speziell für die manuelle Verarbeitung eingestellter GipsTrockenmörtel, der chargenweise mit Wasser gemischt und per Hand – meist einlagig – auf den Untergrund aufgetragen wird. Für kritische Untergründe, z. B. glatter, wenig saugfähiger Untergrund, gibt es spezielle Haftputzgipse mit haftverbessernden Zusätzen. Spachtelgipse werden zum Verfugen von Gipsplatten und zum Verspachteln von Gipsplatten bzw. anderen geeigneten planebenen Untergründen verwendet. Man unterscheidet zwischen Füllspachtel (Vorfüllung der Fuge, ggf. mit eingelegtem Fugendeckstreifen) und Feinspachtel, der auf den Füllspachtel aufgetragen wird und die fertige Oberfläche der Fuge bildet. Ansetzgips dient zum direkten Befestigen von Gipsplatten und Verbundplatten an Innenwänden. Gipskleber werden zum Verbinden von Gipswandbauplatten oder anderen Gipsbauelementen eingesetzt.
192
4 Mineralische Bindemittel
4.1.2.3 Prüfverfahren
Die Prüfverfahren für Gipsbinder und Gips-Trockenmörtel sind in DIN EN 13279-2 beschrieben. Vor der Probenherstellung für mechanische Prüfungen wird zunächst der WasserGips-Wert bestimmt; dies geschieht nach einem der drei folgenden Verfahren: Einstreumenge-Verfahren (bei Gipsbindern): Es wird diejenige Gipsmenge ermittelt, die beim Einstreuen in 100 g Wasser durchfeuchtet werden kann. Fließmaß-Verfahren (bei Gipsbindern und Gips-Trockenmörteln mit flüssiger Konsistenz): Es wird diejenige Masse an Gipsbinder oder Gips-Trockenmörtel bestimmt, die mit 500 g Wasser ein Fließmaß zwischen 150 und 210 mm ergibt. Ausbreittisch-Verfahren (bei werkgemischten Gips-Trockenmörteln): Es wird eine Mischung hergestellt, deren Ausbreitmaß auf dem Ausbreittisch nach EN 459-2 nach 15 Hubstößen 165 ± 5 mm beträgt. Der Versteifungsbeginn wird bei Gipsbindern mit dem Messerschnitt-Verfahren geprüft; dabei ist der Versteifungsbeginn diejenige Zeit in Minuten, nach der die Ränder eines durch den Gipsbrei geführten Messerschnitts nicht mehr zusammenfließen. Bei werkgemischten Gips-Trockenmörteln wird der Versteifungsbeginn mit dem Vicat-Gerät (siehe 4.3.4.4) über das Eindringverhalten eines definierten Tauchkonus (Vicat-KonusVerfahren) gemessen. Biegezug- und Druckfestigkeit werden an Prismen 40 mm x 40 mm x 160 mm ermittelt. Die Prüfkörper werden vor der Prüfung zunächst 7 Tage lang im Klima 23/50 gelagert und danach bei 40 °C bis zur Massenkonstanz getrocknet. Die Oberflächenhärte wird vor der Festigkeitsprüfung an den gegenüberliegenden geschalten Längsseiten der Prismen durch Eindrücken einer Stahlkugel mit 10 mm Durchmesser bei einer Kraft F = 200 N gemessen. Die Haftzugfestigkeit eines Gipsmörtels auf einem bestimmten Untergrund wird nach dem in 1.2.5.6 beschriebenen Verfahren bestimmt.
4.1.2.4 Anforderungen
Die Anforderungen an Gipsbinder und Gips-Trockenmörtel sind in DIN EN 13279-1 festgelegt. Gipsbinder müssen einen CaSO4-Gehalt von mindestens 50 M.-% aufweisen. Bei Gips-Trockenmörtel werden Anforderungen hinsichtlich Bindergehalt, Versteifungsbeginn, Biegezug-, Druck-, Haftfestigkeit und Oberflächenhärte gestellt. Tabelle 4.2 enthält eine Zusammenstellung der geforderten Werte; zu den verwendeten Kurzzeichen B1...B7 siehe Bild 4-2 sowie DIN EN 13279-1, Abschnitt 3.
193
4.1 Gipsbaustoffe Tabelle 4.2 Anforderungen an Gips-Trockenmörtel Gips- Gehalt an Versteifungsbeginn Biegezug- DruckOberTrocken- Gipsbinder [min] festigkeit festigkeit flächenmörtel härte GipsGipsma[M.-%] [N/mm²] [N/mm²] [N/mm²] handputz schinenputz
a)
B1
> 50
B2
< 50
B3
a)
B4
> 50
B5
< 50
B6
a)
B7
> 50
> 20
> 50
≥ 1,0
≥ 2.0
–
≥ 2,0
≥ 6.0
≥ 2.5
Haftfestigkeit
[N/mm²]
Der Bruch entsteht im Untergrund oder im Gipsputz. Wenn der Bruch zwischen Gipsputz und Untergrund erfolgt, muss der Wert ≥ 0.1 sein.
siehe DIN EN 13279-1, Abschnitte 3.3, 3.4, 3.5 und 3.6
4.1.2.5 Bezeichnung, Lieferformen, Transport, Lagerung
Gipsbinder und Gips-Trockenmörtel werden folgendermaßen bezeichnet: a) Art des Gipsbinders bzw. Gips-Trockenmörtels b) Verweis auf die maßgebende Norm c) Kurzzeichen (siehe Bild 4-2) d) Versteifungsbeginn e) Druckfestigkeit Beispiel: Gips-Trockenmörtel für Putze zur maschinellen Verarbeitung (B1) mit Versteifungsbeginn > 50 min und mit einer Druckfestigkeit von 2,0 N/mm²: GIPSMASCHINENPUTZ-TROCKENMÖRTEL EN 13279-1 – B1/50/2 Geliefert werden Baugipse vorwiegend in Säcken zu 40 bzw. 50 kg, oder lose in Silofahrzeugen. Sackware muss in geschlossenen Räumen, möglichst auf Holzrosten gelagert werden; bei sachgerechter Lagerung ist sie in der Regel 3 Monate lagerfähig. Grundsätzlich sind Gipsprodukte bei Transport und Lagerung vor Feuchtigkeitsaufnahme zu schützen.
4.1.3 Bindemittel für Calciumsulfatestriche 4.1.3.1 Arten
Für die Herstellung von Estrichen werden u. a. Bindemittel auf Calciumsulfatbasis eingesetzt. Diese bestehen aus Anhydrit (aus natürlichen Vorkommen oder aus technischen Prozessen),
194
4 Mineralische Bindemittel
aus Halbhydrat oder aus Mischungen verschiedener CaSO4-Phasen. Es werden folgende Bindemittel unterschieden: Calciumsulfat-Binder (CAB) mit mindestens 85 M.-% Calciumsulfat; CAB können Zusatzmittel und Zusatzstoffe enthalten. Calciumsulfat-Compositbinder (CAC) mit Calciumsulfatgehalten zwischen 50 und 85 M.-%; sie bestehen aus CAB und weiteren Zusatzstoffen wie Puzzolanen oder Kunstharz. 4.1.3.2 Anforderungen, Prüfverfahren
Die Anforderungen an Bindemittel für Calciumsulfatestriche sind in DIN EN 13454-1, die zugehörigen Prüfverfahren in DIN EN 13454-2 festgelegt. Der Erstarrungsbeginn von CAB und CAC darf frühestens nach 30 min und das Erstarrungsende muss spätestens nach 12 h erreicht werden. Die Prüfung erfolgt analog zur Zementprüfung (siehe Kapitel 4.3.4.4) mit dem Vicat-Gerät. Der pH-Wert muss 7,0 sein. Die Bestimmung der Biegezug- und Druckfestigkeit erfolgt wie bei der Zementprüfung an Mörtelprismen 40 mm x 40 mm x 160 mm, die mit einem Mischungsverhältnis Bindemittel : Sand = 1 : 3 hergestellt werden; die Zugabemenge an Wasser ergibt sich aus den Anforderungen an die Konsistenz des Mörtels (Ausbreitmaß nach DIN EN 459-2: 150 ± 5 mm). Je nach Festigkeitsklasse müssen die in Tabelle 4.3 angegebenen Mindestwerte für die Biegezug- und Druckfestigkeit erreicht werden. Die Schwind- und Quelldehnung wird ebenfalls an Mörtelprismen bestimmt; sie darf höchstens 0,2 mm/m betragen. Tabelle 4.3 Festigkeit von Bindern (CAB und CAC) Festigkeitsklasse
Mindest-Biegezugfestigkeit
Mindest-Druckfestigkeit
[N/mm²]
[N/mm²] geprüft nach
3 Tagen
28 Tagen
3 Tagen
28 Tagen
20
1,5
4,0
8.0
20,0
30
2,0
5,0
12,0
30,0
40
2.5
6,0
16,0
40 0
Die Bezeichnung von Calciumsulfat-Bindern umfasst Angaben zur Art des Binders, den Hinweis auf die maßgebende Norm sowie die Angabe der Festigkeitsklasse. Beispiel: CALCIUMSULFAT-BINDER EN 13454-1 – CAB – 30
4.1 Gipsbaustoffe
195
4.1.4 Physikalische und chemische Eigenschaften von Gipsbaustoffen 4.1.4.1 Verhalten gegenüber Feuchtigkeit
Gips ist – wenn auch mit ca. 2 g/l nur geringfügig – in Wasser löslich. Aus diesem Grunde dürfen Gipsbaustoffe in Räumen mit ständiger Einwirkung von Wasser (Hallenbäder, Duschräume und dergleichen) nicht verwendet werden. Auch Regen, aufsteigende Feuchtigkeit oder Kondensfeuchtigkeit verursachen Schäden. Durch den ständigen Wechsel von Auflösung und Wiederauskristallisieren der gelösten Bestandteile entsteht ein beträchtlicher Kristallisationsdruck, der eine Gefügezerstörung bewirkt, die fälschlicherweise als „Faulen“ des Gipses bezeichnet wird. Gipsbaustoffe dürfen daher nur bei Bauteilen im Trockenen verwendet werden. Gips ist jedoch nicht hygroskopisch. Im Kristallgefüge des abgebundenen Gipses sind Hohlräume vorhanden, die durch das inzwischen ausdiffundierte überschüssige Anmachwasser entstanden sind. Diese mikroporige Struktur im Kristallgefüge des abgebundenen Gipses kann Feuchtigkeit in Dampfform aufnehmen (Adsorption) und gibt sie bei sinkender Umgebungsfeuchte allmählich wieder ab. Das Kristallgefüge und somit die Festigkeit wird dadurch praktisch nicht verändert; dies tritt erst dann ein, wenn Wasser in flüssiger Form über längere Zeit ansteht, wodurch die Gipskristalle angelöst werden. In Räumen, die nur kurzzeitig mit hoher Luftfeuchtigkeit beaufschlagt werden und danach bei niedriger Luftfeuchte ein Ausdiffundieren der Feuchtigkeit aus dem Kristallgefüge wieder möglich ist (Feuchträume im Wohnungsbau, wie z. B. Küchen und Bäder) können Gipsprodukte also bedenkenlos eingesetzt werden. Die hohe Wasserdampfdurchlässigkeit (die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahlen für die wichtigsten Gipsprodukte liegen zwischen 2 und 10) und Wasserdampfadsorptionsfähigkeit bewirken, dass Gipsprodukte (insbesondere Gipsputze) einen guten Feuchteausgleich sicherstellen und ein angenehmes Raumklima schaffen, somit ideal für den Innenausbau geeignet sind.
4.1.4.2 Wärmeleitfähigkeit
Die Wärmeleitfähigkeit von abgebundenen Gipsbindern und Gipstrockenmörteln liegt zwischen 0,18 und 0,56 W/(mK) und nimmt mit zunehmender Trockenrohdichte d zu. Die in Tabelle 4.4 angegebenen 23-50-Werte sind Rechenwerte für übliche Umgebungsbedingungen (23 °C, 50 % rel. Luftfeuchte). Gipsprodukte können somit nicht als Wärmedämmstoffe angesehen werden. Zur Verbesserung der Wärmedämmeigenschaften werden deshalb z. B. Gipsplatten mit Wärmedämmmaterialien zu so genannten „Verbundplatten“ kombiniert.
196
4 Mineralische Bindemittel
Tabelle 4.4 Wärmeleitfähigkeit von Gipsprodukten
ρd in kg/m³
λ23-50 in W/(m·K)
600
0,18
700
0,22
800
0,26
900
0,30
1000
0,34
1100
0,39
1200
0,43
1300
0,47
1400
0,51
1500
0,56
4.1.4.3 Brandschutz Brandverhalten
Gipsprodukte werden ohne Prüfung der Klasse A1 (kein Beitrag zum Feuer) zugeordnet, wenn sie weniger als 1 % Massen- oder Volumenanteile (der ungünstigere Wert ist maßgebend) organische Stoffe enthalten. Produkte, die 1 % oder mehr an organischen Stoffen enthalten, müssen geprüft und dann nach EN 13501-1 hinsichtlich ihres Brandverhaltens klassifiziert werden. Feuerwiderstand
Gipsbaustoffe in Form von Platten, Putzen, Verkleidungen u. ä. erhöhen die Feuerwiderstandsdauer der darunter befindlichen Bauteile. Grund hierfür ist der im abgebundenen Gips enthaltene Kristallwasseranteil von ca. 21 M.-%. Dieses Kristallwasser verdampft im Brandfall und bildet auf der dem Feuer zugewandten Seite einen schützenden Dampfschleier, wodurch die Temperatur der Gipsschicht auf der dem Feuer abgewandten Seite nur langsam ansteigt. 4.1.4.4 Schädliche chemische Reaktionen
Gips bzw. Gipslösung ist chemisch neutral. Eine Vermischung von Gipsbaustoffen mit hydraulischen Bindemitteln (Zement, hydraulische Kalke) ist unbedingt zu vermeiden, da es sonst zur Ettringit-Bildung und damit zum Treiben kommen kann (siehe 4.3.4.9). Aus demselben Grund ist das Aufbringen von Gipsputz auf frischem, noch feuchtem, zementgebundenem Untergrund zu unterlassen. Hingegen bestehen keine Bedenken, wenn der Untergrund trocken ist und ein nachträglicher Wasserzutritt nicht zu befürchten ist.
197
4.2 Baukalke
Bei Anwesenheit von Feuchtigkeit ist die stark korrosionsfördernde Wirkung der SO42--Ionen, insbesondere für Eisen, zu berücksichtigen. Stahlteile, die mit frischem Gips in Berührung kommen, sind daher durch eine Korrosionsschutzbeschichtung oder Verzinkung zu schützen.
4.2 Baukalke Baukalk ist ein Sammelbegriff für alle im Bauwesen verwendeten Kalke; weitere Hauptanwendungsgebiete für Kalk sind die Eisen- und Stahlindustrie, chemische Industrie, Umweltschutz und Landwirtschaft. Baukalke sind Bindemittel mit den Hauptbestandteilen Calcium- und Magnesiumoxid [CaO und MgO] und/oder Calcium- und Magnesiumhydroxid [Ca(OH)2 und Mg(OH)2]. Einen Überblick über die verschiedenen Kalkarten gibt Bild 4-3. Baukalk Hydraulischer Kalk
Luftkalk
Natürlicher hydraulischer Kalk NHL dp
Dolomitkalk DL
Weißkalk CL
Hydraulischer Kalk*) HL dp
Legende Ungelöschter Kalk dp, lu
Kalkhydrat dp, sl, pu
Lieferform dp: Pulver sl:
Teig (Kalkmilch)
lu: Klumpen Halbgelöschter Kalk dp
Vollständig gelöschter Kalk dp
pu: Brei *): In manchen Ländern werden diese als künstlicher hydraulischer Kalk bezeichnet
Bild 4-3 Kalkarten und Lieferformen
4.2.1 Luftkalke Luftkalke sind Baukalke, die vorwiegend aus Calciumoxid oder Calciumhydroxid bestehen und unter Einwirkung von CO2 an der Luft langsam erhärten. Da diese Kalke keine hydraulischen Eigenschaften aufweisen, erhärten sie im Allgemeinen nicht unter Wasser. Saure Wässer greifen durch Bildung leichtlöslicher Calciumverbindungen an. 4.2.1.1 Rohstoffe
Als Rohstoff zur Herstellung der Luftkalke dient der natürlich vorkommende Kalkstein [CaCO3], daneben auch Dolomit [CaMg(CO3)2], speziell zur Herstellung von Dolomitkalk.
198
4 Mineralische Bindemittel
4.2.1.2 Herstellung Brennen
Beim Erhitzen auf mindestens 900 °C zersetzt sich Calciumcarbonat unter Bildung von Calciumoxid (= gebrannter Kalk) und Kohlendioxid: > 900 °C
CaCO3 ⎯⎯⎯⎯→ CaO + CO2
(4.1)
Löschen
Gebrannter Kalk [CaO] hat die Eigenschaft, mit Wasser unter starker Wärmeentwicklung und Bildung von Calciumhydroxid (“gelöschter Kalk”) zu reagieren: CaO + H 2O ⎯⎯ → Ca(OH) 2
(4.2)
Diese Reaktion verläuft unter beträchtlicher Volumenvergrößerung des Gesamtgefüges. Achtung: Es besteht die Gefahr des Treibens beim „Nachlöschen“ in bereits erhärtetem Mörtel; daher Mindesteinsumpfdauer beachten! Die stark exotherme Löschreaktion führt zu einer Erwärmung des Systems; es können dabei Temperaturen von > 100 °C auftreten, die zum Verspritzen des stark basischen Breis führen können (Vorsicht: Verätzungsgefahr!). 4.2.1.3 Erhärtung von Luftkalk
Ein Mörtel aus gelöschtem Kalk und Sand erhärtet durch Karbonatisierung nach folgender vereinfachter Gleichung: Ca(OH)2 + CO 2 ⎯⎯ → CaCO3 + H 2O
(4.3)
Die Reaktion findet nur bei Anwesenheit von Wasser statt. Beim Brennen, Anmachen und Erhärten des Luftkalks handelt es sich wie bei den Gipsbaustoffen um einen geschlossenen Kreislauf, an dessen Ende wiederum der Ausgangsstoff CaCO3 vorliegt, allerdings jetzt in der gewünschten Formgebung.
Bild 4-4 Kalkkreislauf
4.2 Baukalke
199
Folgende Faktoren beeinflussen die Erhärtungsgeschwindigkeit verzögernd: Wasserüberschuss im Mörtel; vorzeitiges Austrocknen; ein zu frühzeitig aufgebrachter diffusionsdichter Anstrich führt zum Erliegen des Karbonatisierungsvorganges; beschleunigend: Anreicherung des CO2-Gehaltes der Luft; leichte, aber ständige Durchlüftung. 4.2.1.4 Sorten von Luftkalken
Weißkalk (CL = „Calcium Lime“) wird aus fast reinem CaCO3 gebrannt und besteht daher vorwiegend aus CaO bzw. Ca(OH)2. Er löscht sehr kräftig ab und ist sehr ergiebig. Zu den gelöschten Weißkalken zählen auch Muschelkalke, die durch Brennen von Muscheln und nachfolgendem Löschen entstehen, sowie Carbidkalke, die als Nebenprodukt bei der Herstellung von Acetylen aus Calciumcarbid anfallen. Dolomitkalk (DL = „Dolomitic Lime“) wird aus Dolomit [CaMg(CO3)2] gebrannt; er enthält neben CaO bzw. Ca(OH)2 auch MgO bzw. Mg(OH)2. Dolomitkalk ist nicht so ergiebig wie Weißkalk. DIN EN 459 unterscheidet bei den Luftkalken folgende Handelsformen:
Ungelöschter Kalk (Q) wird in verschiedenen Korngrößen angeboten. Man unterscheidet: Stückkalk: grobkörniger oder stückiger, gebrannter Kalk Feinkalk: feingemahlener, gebrannter Kalk (ungelöscht!) Beide Sorten sind vor dem Verarbeiten nach den Anweisungen des Lieferwerks zu löschen.
Kalkhydrate (S) entstehen durch kontrolliertes Löschen von ungelöschten Kalken; sie werden in folgenden Formen hergestellt: Pulver: fällt beim fabrikmäßigen Löschen mit Wasserdampf („Trockenlöschen“) an. Teig: es wird mehr Wasser zugegeben, als für das Löschen erforderlich ist („Nasslöschen“); dadurch kann Kalkteig einer gewünschten Konsistenz hergestellt werden. Suspension: Kalkmilch, z. B. als mineralischer Anstrich. Bei Dolomitkalken wird ferner unterschieden zwischen halbgelöschtem Dolomitkalk (S1) und vollständig gelöschtem Dolomitkalk (S2).
4.2.2 Hydraulische Kalke Nach DIN EN 459 wird unterschieden zwischen natürlichem hydraulischem Kalk (NHL = Natural Hydraulic Lime) und hydraulischem Kalk (HL = Hydraulic Lime). Hydraulische Kalke erhärten durch Zusammenwirken von Carbonaterhärtung und hydraulischer Erhärtung. Es sind Kalk-Bindemittel, die nach dem Anmachen mit Wasser und einer
200
4 Mineralische Bindemittel
entsprechend langen Vorerhärtung an Luft auch unter Wasser weiter erhärten können. Sie enthalten mindestens 3 M.-% freien Kalk. 4.2.2.1 Natürliche hydraulische Kalke NHL Rohstoffe
Natürliche hydraulische Kalke werden aus mergelhaltigem Kalkstein bei Temperaturen von 1250 °C gebrannt. Mergel sind vorwiegend aus Kalk und Ton bestehende Sedimentgesteine, die je nach Zusammensetzung als Kalkmergel oder Tonmergel bezeichnet werden. Brennen
Beim Brennen von mergeligem Kalkstein (im Schachtofen bei ca. 1200 °C) reagiert das Carbonat zu CaO und CO2. Die Tonminerale spalten bei Temperaturen zwischen 500 °C und 900 °C das chemisch gebundene Wasser ab unter Bildung der wasserfreien Oxide SiO2, Al2O3 und Fe2O3; diese Verbindungen bezeichnet man als Hydraulefaktoren. Zwischen dem CaO und den Hydraulefaktoren treten beim Brennvorgang Reaktionen ein, die zur Bildung von so genannten Klinkermineralien (Tricalciumaluminat, Dicalciumsilicat, Tetracalciumaluminatferrit) führen, die auch im Zement vorkommen. Neben den Klinkermineralien liegt im hydraulischen Kalk vor allem freier gebrannter Kalk [CaO] vor. Da beim Brennen der hydraulischen Kalke die Sinterungstemperatur nicht erreicht wird, bezeichnet man diese Kalke auch als ungesinterte hydraulische Bindemittel. Löschen
Sämtliche im hydraulischen Kalk vorhandenen Verbindungen können mit Wasser reagieren; die Reaktionsgeschwindigkeit ist allerdings sehr unterschiedlich. Während das freie CaO sich schnell und stürmisch mit Wasser zu Ca(OH)2 umsetzt (siehe Luftkalke), reagieren die Klinkerminerale relativ langsam und träge. Beim Löschprozess bleiben daher die Klinkerminerale erhalten; das schafft die Voraussetzung für die nach der Verarbeitung eintretende hydraulische Erhärtung. Erhärtung
Hydraulische Kalke erhärten schneller als Luftkalke und erreichen höhere Festigkeiten. Mit zunehmendem Gehalt an Hydraulefaktoren steigt die Festigkeit an, während die Ergiebigkeit abnimmt. Die Erhärtung hydraulischer Kalke verläuft in zwei Phasen: zu Beginn erfolgt – wie bei den Luftkalken – die carbonatische Erhärtung, darauf folgt die langsamer verlaufende hydraulische Erhärtung. Letztere besteht darin, dass die Klinkerminerale mit Wasser reagieren und dabei neue Verbindungen (Hydratphasen) bilden, die – im Gegensatz zu den Luftkalken – praktisch wasserunlöslich sind. Die hydraulische Verfestigung wird durch eine feinkristalline Verfilzung und durch große Adhäsionskräfte zwischen diesen neu gebildeten Hydratphasen bewirkt. Den natürlichen hydraulischen Kalken können bis zu 20 M.-% geeignete puzzolanische oder hydraulische Stoffe zugegeben werden; derartige Kalke mit zusätzlichem Material werden mit „NHL-Z“ gekennzeichnet.
4.2 Baukalke
201
4.2.2.2 Hydraulische Kalke HL Rohstoffe und Herstellung
Diese Kalke bestehen aus einer Mischung von Kalkhydrat [Ca(OH)2] und geeigneten natürlichen oder künstlichen Puzzolanen oder hydraulischen Stoffen. In manchen Ländern werden diese Produkte als „künstliche hydraulische Kalke“ bezeichnet. Zu den natürlichen Puzzolanen zählen in erster Linie vulkanische Schlacken, so genannte Tuffe. Feingemahlener Trachyttuff der Eifel und des Neuwieder Beckens wird als Trass (genormt gemäß DIN 51043) bezeichnet. Trasskalk, ein fabrikfertiges Gemisch aus Ca(OH)2 und Trass, weist eine hohe Anfangsfestigkeit auf und erreicht annähernd die Endfestigkeit von Zement, ist jedoch elastischer. Aber auch bestimmte Verwitterungsprodukte kieseliger Gesteine oder Kieselskelette pflanzlicher oder tierischer Herkunft (Kieselgur) zählen zu den natürlichen Puzzolanen. Künstliche Puzzolane sind unter anderem: Ziegelmehl (das gilt aber nur für das Mehl schwach gebrannter Ziegel); Flugasche von einigen Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken. Erhärtung
Das hydraulische Erhärtungsvermögen der Puzzolane beruht auf dem Anteil sehr reaktionsfähiger, vorwiegend amorpher Kieselsäure [SiO2]. Das zugemischte Calciumhydroxid reagiert mit der Kieselsäure und Wasser unter Bildung von Calciumsilicathydraten (CSH-Phasen, siehe 4.3.2.1), die die hydraulische Erhärtung bewirken. Daneben spielt – wie auch bei den anderen gebrannten hydraulischen Kalken – die Vorerhärtung durch CO2-Aufnahme und Calciumcarbonatbildung eine wichtige Rolle. 4.2.2.3 Hydraulische Kalksorten und ihre Verwendung
Nach DIN EN 459 werden die folgenden drei hydraulischen Kalksorten unterschieden: a) Hydraulischer Kalk 2
HL 2 und NHL 2 erhärten vorwiegend durch Karbonatisierung; die hydraulischen Eigenschaften sind nur schwach ausgebildet. Frühestens nach einer 7-tägigen Vorerhärtung an Luft sind sie unter Wasser beständig. Hydraulischer Kalk 2 wird für Mauer- und Putzmörtel der Mörtelgruppe MG I und P I eingesetzt. Handelsformen sind der Feinkalk sowie das Kalkhydrat. b) Hydraulischer Kalk 3,5
Hydraulische Kalke 3,5 enthalten einen größeren Anteil an Hydraulefaktoren als die hydraulischen Kalke 2. Löschfähigkeit und Ergiebigkeit sind geringer, Festigkeit und Wasserbeständigkeit hingegen größer. Sie verfestigen sich durch Zusammenwirken von Carbonat- und vorwiegend hydraulischer Erhärtung. Eine Vorerhärtung an der Luft von längstens 5 Tagen zum Erreichen der Wasserbeständigkeit ist erforderlich. Hydraulischer Kalk 3,5 wird für Mauer- und Putzmörtel der Mörtelgruppe MG I und P I eingesetzt. Er wird stets gelöscht geliefert.
202
4 Mineralische Bindemittel
c) Hydraulischer Kalk 5
HL 5 und NHL 5 bestehen überwiegend aus Verbindungen, die hydraulisch erhärten. Eine 1bis 3-tägige Vorerhärtung an Luft ist aber erforderlich, bevor sie stärkerer Wassereinwirkung ausgesetzt werden können. Mörtel aus hydraulischem Kalk 5 sind besonders fest; sie werden in die Mörtelgruppe MG II bzw. P II eingeordnet. Hydraulischer Kalk 5 wird stets gelöscht geliefert.
4.2.3 Benennung von Baukalk Luftkalke werden nach ihrem Gehalt an CaO+MgO, hydraulische Kalke nach ihrer Druckfestigkeit entsprechend Tabelle 4.5 benannt. Luftkalke werden darüber hinaus nach ihren Lieferbedingungen als ungelöschte Kalke (Q) oder Kalkhydrate (S) klassifiziert. Bei gelöschten Dolomitkalken wird der Grad der Hydratation als S1 (halbgelöscht) oder S2 (vollständig gelöscht) angegeben. Tabelle 4.5 Benennung und Kurzzeichen von Baukalken Benennung
Kurzzeichen
Weißkalk 90
CL 90
Weißkalk 80
CL 80
Weißkalk 70
CL 70
Dolomitkalk 85
DL 85
Dolomitkalk 80
DL 80
Hydraulischer Kalk 2
HL 2
Hydraulischer Kalk 3,5
HL 3,5
Hydraulischer Kalk 5
HL 5
Natürlicher hydraulischer Kalk 2
NHL 2
Natürlicher hydraulischer Kalk 3,5
NHL 3,5
Natürlicher hydraulischer Kalk 5
NHL 5
Tabelle 4.6 enthält die chemischen Anforderungen an Baukalke. Bei Luftkalken ist – damit eine ausreichende Festigkeit erreicht wird – ein Mindestgehalt an CaO+MgO erforderlich; aus demselben Grund muss der CO2-Gehalt nach oben begrenzt werden, weil sonst die carbonatische Erhärtung nicht wirksam werden kann. Der SO3-Gehalt wurde begrenzt, um bei Mischungen mit Zement keinen zu hohen Gesamtschwefelgehalt zu erhalten, der unter Umständen zu Treiberscheinungen führen kann.
203
4.2 Baukalke Tabelle 4.6 Chemische Anforderungen an Baukalk Baukalkart CaO + MgO
MgO
CO2
SO3
Freier Kalk
5c
1
GL 90
≥ 90
≤
≤4
≤2
–
2
GL 80
≥ 80
≤ 5c
≤7
≤2
–
3
GL 70
≥ 70
≤5
≤ 12
≤2
–
4
DL 85
≥ 85
≥ 30
≤7
≤2
–
5
DL 80
≥ 80
≥5
≤7
≤2
–
3b
6
HL 2
≤
7
HL 3,5
≤ 3b
≥8 ≥6
8 9
HL 5
≤
3b
≥3
NHL 2
≤ 3b
≥ 15
10
NHL 3,5
≤ 3b
≥9
11
NHL 5
≤ 3b
≥3
ANMERKUNG: Die Werte gelten für alle Baukalkarten. Bei ungelöschten Kalken gelten diese Werte für das Endprodukt, bei allen anderen Kalkarten (Kalkhydrat, Kalkteig und hydraulische Kalke) gelten die Werte für das wasserfreie und kristallwasserfreie Produkt.
a b c
Werte in der Tabelle als Massenanteil in Prozent. Ein SO3-Anteil hoher als 3 % und bis 7 % ist zulässig, wenn die Raumbeständigkeit nach 28 Tagen Wasserlagerung nach einem in EN 196-2 angegebenen Prüfverfahren nachgewiesen wurde. Ein MgO-Anteil bis 7 % ist zulässig, sofern die Prüfung der Raumbeständigkeit nach EN 459-2:2001, 5.3 bestanden wurde.
4.2.4 Anforderungen, Prüfverfahren Die Eigenschaften von Baukalken werden nach den in DIN EN 459-2 festgelegten Prüfverfahren ermittelt; dabei werden zum Teil die Prüfverfahren für Zement nach DIN EN 196 (siehe 4.3.4) angewendet. 4.2.4.1 Mahlfeinheit
Es werden die Rückstände auf den Sieben mit den Maschenweiten 0,09 mm und 0,2 mm bestimmt. Die Anforderungen sind in Tabelle 4.7 dargestellt. Tabelle 4.7 Anforderungen an die Mahlfeinheit von Baukalken Baukalkarten
Rückstand in M.-% auf dem Sieb mit der Maschenweite 0,09 mm
0,2 mm
CL, DL
7
2
HL, NHL
15
5
204
4 Mineralische Bindemittel
4.2.4.2 Schüttdichte
Zur Bestimmung der Schüttdichte wird ein spezielles Einlaufgefäß verwendet. Der in den Füllaufsatz des Einlaufgerätes eingefüllte Kalk fällt nach Lösen einer Verschlussklappe in das darunter befindliche Litergefäß. Nach Abnehmen des Aufsatzes und Abstreichen des überstehenden Kalkes wird die Einfüllmenge gewogen und die Schüttdichte berechnet. Übliche Wertebereiche für die Schüttdichte von Baukalken sind: CL 70, CL 80, CL 90 0,3...0,6 kg/dm3 (für Kalkhydrate) DL 80, DL 85 0,4...0,6 kg/dm3 (für Kalkhydrate) HL 2; NHL 2 0,4...0,8 kg/dm3 HL 3,5; NHL 3,5 0,5...0,9 kg/dm3 HL 5; NHL 5 0,6...1,0 kg/dm3 Zwar stellt DIN EN 459-1 keine direkten Anforderungen an die Schüttdichte, jedoch ist ihre Kenntnis z. B. bei der Druckfestigkeitsprüfung (siehe 4.2.4.7) erforderlich. 4.2.4.3 Ergiebigkeit
Die Ergiebigkeit von Kalken ist definiert als das Volumen an Kalkteig, welches sich beim Löschen von 10 kg ungelöschtem Kalk bildet. Bei der Prüfung werden 200 g ungelöschter Kalk in einem Spezialgefäß gelöscht und das Volumen des entstandenen Kalkteigs gemessen. Die Ergiebigkeit muss mindestens 26 dm³ (bezogen auf 10 kg ungelöschter Kalk) betragen. Schüttdichte und Ergiebigkeit geben Auskunft über die Feinkörnigkeit des Kalkhydrats bzw. des gewonnenen Kalkteigs und sind für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlich. Da die Geschmeidigkeit eines Kalkmörtels mit der Feinkörnigkeit wächst, lassen sich Schlüsse auf die Verarbeitungseigenschaften ziehen. 4.2.4.4 Erstarrungszeiten
Anforderungen an die Erstarrungszeiten bestehen nur für hydraulische Kalke. Der Erstarrungsbeginn darf frühestens nach einer Stunde, das Erstarrungsende muss spätestens nach 15 Stunden eintreten. Die Prüfung erfolgt analog zur Zementprüfung nach DIN EN 196-3 mit dem Vicat-Gerät (siehe Bild 4-12). 4.2.4.5 Raumbeständigkeit
Die Raumbeständigkeit wird je nach Kalkart mit unterschiedlichen Verfahren überprüft. Kalkhydrat und alle hydraulischen Kalke
Ein scheibenförmiger gepresster Prüfkörper (Durchmesser 50 mm, Dicke 10 mm) wird 90 min lang einem Wasserdampfbad ausgesetzt. Wenn die Ablöschung des Kalks unvollständig ist, führt die Dampfhydratation von Calciumoxid zu einer Ausdehnung des Prüfkörpers. Der Scheibendurchmesser darf sich nach der Lagerung im Dampfbad höchstens um 2 mm vergrößert haben.
4.2 Baukalke
205
Alternativ kann die Raumbeständigkeit mit dem Le-Chatelier-Ring nach DIN EN 196-3 überprüft werden, mit der Ausnahme, dass bei hydraulischen Kalken die geformten Prüfkörper 48 h lang bei einer relativen Luftfeuchte von mindestens 90 % und bei einer Temperatur von 20 °C vorzulagern sind. Bei HL 2 und HL 3,5 sowie bei Luftkalk werden die Proben abweichend im Dampfbad gelagert. Die Prüfung gilt als bestanden, wenn sich der Abstand zwischen den Nadelspitzen des Le-Chatelier-Ringes um höchstens 20 mm vergrößert hat. Hydraulische Kalke mit erhöhtem SO3-Gehalt (zwischen 3 und 7 M.-%) werden durch den Kaltwasserversuch auf mögliches Treiben untersucht. Dabei werden scheibenförmige Prüfkörper (Durchmesser 50...70 mm, Dicke etwa 10 mm) zunächst 24 h in einem Feuchtraum bei mindestens 90 % rel. Luftfeuchte und anschließend 27 Tage unter Wasser bei 18 bis 21 °C gelagert. Treiben äußert sich in Form von Verkrümmungen oder klaffenden Kantenrissen, ggf. in Verbindung mit Netzrissen. Auftretende Schwindrisse sind für die Beurteilung ohne Belang. Ungelöschte Kalke, Kalkteig, Dolomitkalk und Dolomitkalkhydrat
Aus Kalkteigen werden scheibenförmige Prüfkörper (Durchmesser 50...70 mm, Dicke etwa 10 mm) auf Filterplatten zwecks Absaugen von überschüssigem Wasser hergestellt. Nach 5 min Liegezeit werden die Proben 4 h im Wärmeschrank bei 105 °C gelagert. Nach dieser Behandlung werden sie durch Inaugenscheinnahme auf Treibrisse überprüft. Ungelöschter Weiß- oder Dolomitkalk muss zunächst nach Herstellerangaben gelöscht und eingesumpft werden. Kalkhydrat, Weißkalkteig und Dolomitkalkhydrat mit Körnern größer als 0,2 mm
Bei der Verwendung als Putze können große Körner von hartgebranntem ungelöschtem Kalk im bereits erhärteten Mörtel nachlöschen und dadurch kreisförmige Aufbrüche und Vertiefungen verursachen. Bei der Prüfung wird ein Kalkteig angesetzt und mit einem nichtverzögerten Stuckgips gemischt. Daraus werden scheibenförmige Prüfkörper (Durchmesser 100 mm, Dicke 5 mm) hergestellt, die nach Trocknung 3 h in gesättigtem Wasserdampf gelagert werden. Der Dampf hydratisiert eventuell unreagiertes Calcium- oder Magnesiumoxid unter Vergrößerung des Volumens. Nach Abkühlen werden die Prüfkörper auf Aufreißen, Aufbrüche oder kreisförmige Vertiefungen hin untersucht. 4.2.4.6 Untersuchungen an Norm-Frischmörtel Herstellung des Normmörtels, Wasseranspruch
Für die folgenden Untersuchungen ist ein Normmörtel mit festgelegter Konsistenz herzustellen. Das Mischungsverhältnis Kalk : CEN-Normsand beträgt 1 : 3 (in Massenteilen); der Wasseranspruch des Kalks entspricht derjenigen Wassermenge, die erforderlich ist, um ein Ausbreitmaß von 185 ± 3 mm zu erzielen. Ausbreitmaß
Das Ausbreitmaß wird mit dem in Bild 4-5 dargestellten Ausbreittisch bestimmt. Auf einer maschinell angetriebenen Welle sitzt eine spiralförmige Hubkurve; diese hebt die Hubachse mitsamt der Tischplatte um 10 mm an und lässt sie dann frei fallen.
206
4 Mineralische Bindemittel
Der zu untersuchende Mörtel wird in den Setztrichter mit Aufsatz (erleichtert das Einfüllen des Mörtels) eingefüllt. Der Aufsatz wird entfernt, überstehender Mörtel abgestrichen, und der Setztrichter wird abgezogen. Innerhalb von 15 Sekunden wird die Tischplatte 15-mal angehoben und fallen gelassen; durch die Hubstöße breitet sich der Mörtelkuchen immer weiter aus. Das Ausbreitmaß entspricht dem Mittelwert des Kuchendurchmessers aus zwei zueinander senkrechten Messungen.
Bild 4-5
Ausbreittisch nach DIN EN 459-2
Bild 4-6
Steifemessgerät nach DIN EN 459-2
Eindringmaß
Das Eindringmaß wird mit dem Steifemessgerät nach Bild 4-6 bestimmt. Der Normmörtel wird in zwei Lagen in den Mörtelbehälter eingefüllt; überstehender Mörtel wird mit einem Stahllineal langsam mit sägender Bewegung abgestrichen und anschließend ebenso geglättet. Der Eindringkörper des Steifemessgerätes wird in die Ausgangsstellung gebracht und mittels Feststellschraube fixiert; der Mörtelbehälter wird in die Grundplatte eingesetzt. Durch Lösen der Feststellschraube wird der Eindringkörper freigegeben und dringt in den Mörtel ein. Das Eindringmaß wird an der oberen Führungsbuchse in mm abgelesen; es muss zwischen 10 und 50 mm betragen.
207
4.2 Baukalke Wasserrückhaltevermögen
Kalkmörtel müssen über ein ausreichendes Wasserrückhaltevermögen verfügen, damit stark saugende Mauersteine dem Mörtel das für die Erhärtung notwendige Wasser nicht frühzeitig entziehen können. Bei der Prüfung wird derjenige Wasseranteil bestimmt, der aus der Normmörtelprobe durch eine Filterplatte innerhalb von 5 min abgesaugt wird. Das Wasserrückhaltevermögen (in M.-%) ist die im Mörtel verbleibende Wassermenge bezogen auf den Ausgangswassergehalt des Normmörtels; die Werte sollen zwischen 65 und 85 M.-% liegen. Luftgehalt
Der Luftgehalt des Frischmörtels wird wie bei Beton (siehe 5.3.5) nach dem Druckausgleichsverfahren gemessen, jedoch mit einem kleineren Luftporen-Topf von 1 dm³ oder 0,75 dm³ Volumen. In DIN EN 459-1 sind folgende Höchstwerte festgelegt: für Luftkalke 12 Vol.-%, für hydraulische Kalke 20 Vol.-%. 4.2.4.7 Druckfestigkeit
Da bei Luftkalken die Festigkeitsentwicklung unter Umständen je nach äußeren Bedingungen lange Zeit dauern kann, werden nur für hydraulische Kalke Anforderungen an die Druckfestigkeit gestellt (siehe Tabelle 4.8). Um eine bessere Abgrenzung der Festigkeitsbereiche von Baukalk zu den anderen mineralischen Bindemitteln zu erreichen, wurde die Druckfestigkeit nach oben begrenzt. Zur Einhaltung dieses Grenzwertes ist gegebenenfalls die Zugabe fein aufgeteilter, inerter mineralischer Stoffe, wie z. B. Gesteinsmehl, zugelassen. Tabelle 4.8
Druckfestigkeit von hydraulischem Kalk (HL) und natürlichem hydraulischem Kalk (NHL)
Baukalkart
Druckfestigkeit [MPa] 7 Tage
HL 2 und NHL 2
–
≥2
≤7
HL 3,5 und NHL 3,5
–
≥ 3,5
≤ 10
≥5
≤ 15a
HL 5 und NHL 5 a
28 Tage
≥2
HL 5 und NHL 5 mit einer Schüttdichte von weniger als 0,90 kg/dm3 darf eine Festigkeit bis 20 MPa aufweisen.
4.2.5 Verwendung im Bauwesen Baukalke sind bewährte Bindemittel für Mauer- und Putzmörtel (siehe Kapitel 6). Sie weisen ein günstiges Verhältnis von Biegezug- zu Druckfestigkeit sowie eine große Verformbarkeit auf. Durch ihre hohe Ergiebigkeit und große Mörtelausbeute sind sie besonders wirtschaftlich. Da CaCO3 von kohlensäurehaltigem Wasser sehr leicht angegriffen wird, sollte man von der Verwendung eines reinen Luftkalkmörtels für Außenputz absehen. In Industriegegenden ist
208
4 Mineralische Bindemittel
die Verwendung eines Mörtels auf Dolomitkalkbasis nicht unproblematisch, da sich mit dem SO2 der Rauchgase leichlösliches MgSO4 bildet, das Ursache für Ausblühungen und Putzschäden sein kann. Weiterhin werden Luftkalke verwendet für Dünnbeschichtungen (Anstriche) mit desinfizierender Wirkung (Kalktünche) und zum Herstellen von Kalksandsteinen und Porenbeton (siehe Kapitel 7). Gebrannter Kalk (CaO) wird heute nur noch selten auf der Baustelle eingesetzt; er wird dann „nass“ gelöscht (d. h. die Wasserzugabe ist höher als stöchiometrisch für die Umwandlung zu Ca(OH)2 erforderlich) und eingesumpft. Dabei ist die vom Hersteller vorgeschriebene Einsumpfdauer zu beachten; ansonsten besteht die Gefahr, dass noch ungelöschte Partikel vorhanden sind, die durch Nachlöschen zu Abplatzungen u. ä. führen. Im Werk wird Branntkalk in Löschtrommeln mit Wasserdampf „trocken“ gelöscht, d. h. das entstehende Kalkhydrat liegt als trockenes Pulver vor.
4.2.6 Lieferung, Bezeichnung Die Lieferung der Baukalke erfolgt in Säcken oder lose in Silofahrzeugen unter Angabe der Handelsform. Baukalke sind nach DIN EN 459 durch das Kurzzeichen für die Baukalkart, Luftkalke zusätzlich durch die Handelsform (ungelöschter Kalk [Q] oder Kalkhydrat [S]) zu bezeichnen. Beispiele: Weißkalk 90 in Form von ungelöschten Kalken : Weißkalk 80 in Form von Kalkhydrat (gelöschtem Kalk): Dolomitkalk 85 in Form von halbgelöschtem Kalk: Hydraulischer Kalk 5: Natürlicher hydraulischer Kalk 3,5 mit puzzolanischen Zusätzen:
EN 459-1 CL 90 – Q EN 459-1 CL 80 – S EN 459-1 DL 85 – S1 EN 459-1 HL 5 EN 459-1 NHL 3,5 – Z
4.2.7 Lagerung der Baukalke auf der Baustelle Zum Schutz der Bindemittel gegen Feuchtigkeit eignen sich Schuppen mit regendichtem Dach, schlagregensicheren Wänden und Bretterfußboden auf Kanthölzern. Die Feinkalke sind möglichst bald nach der Anlieferung abzulöschen. Kalkhydrat, hydraulische Kalke 3,5 bzw. 5 sind trocken aufbewahrt praktisch unbegrenzt lagerfähig. Es empfiehlt sich, jede Lieferung getrennt zu lagern und die älteste Lieferung zuerst zu verarbeiten.
4.3 Zement Zement ist ein hydraulisches Bindemittel, das durch gemeinsames Vermahlen von Zementklinker (auch „Portlandzementklinker“ genannt) mit sonstigen Zementbestandteilen hergestellt wird. Nach der Zugabe von Wasser (so genanntes „Anmachen“ des Zementes) entsteht ein Zementleim, der sowohl an Luft als auch unter Wasser erstarrt und erhärtet. Die verschie-
209
4.3 Zement
denen dabei ablaufenden Reaktionen werden zusammenfassend als Hydratation bezeichnet. Der erhärtete Zementstein bleibt auch unter Wasser dauerhaft fest. Zement wird vor allem zur Herstellung von Mörteln und Betonen eingesetzt.
4.3.1 Herstellung von Zement 4.3.1.1 Ausgangsstoffe
Die wichtigsten Rohstoffe für die Zementherstellung sind Kalkstein oder Kreide, Ton und ihr natürliches Gemisch, der Kalkmergel. Diese Bestandteile werden in einem festgelegten Verhältnis gemischt und zu Zementklinker gebrannt. Zur Regulierung des Erstarrens werden dem Zement Sulfatträger zugesetzt; dabei handelt es sich um Calciumsulfat in Form von Gips, Halbhydrat, Anhydrit oder als Gemisch (z. B. Gips + Anhydrit). Darüber hinaus können Zemente einen oder mehrere der in Tabelle 4.8 genannten Zumahlstoffe enthalten. Tabelle 4.8 Hauptbestandteile von Zement nach DIN EN 197-1 Hauptbestandteil
Kürzel
Beschreibung
Portlandzementklinker
K
Portlandzementklinker wird durch Sinterung einer genau festgelegten Rohstoffmischung hergestellt.
Hüttensand
S
Hüttensand entsteht bei schneller Abkühlung der bei der Roheisenherstellung anfallenden Hochofenschlacke (granulierte Hochofenschlacke). In fein gemahlenem Zustand ist er latent-hydraulisch, d. h. er braucht zum hydraulischen Erhärten einen Anreger.
Puzzolan – natürlich – natürlich getempert
P Q
Flugasche – kieselsäurereiche – kalkreiche
V W
Gebrannter Schiefer
T
Puzzolane sind natürliche Gesteine, die reaktives SiO2 enthalten. Bei Wasserzugabe reagieren sie mit Calciumhydroxid zu festigkeitsbildenden CSH-Phasen (Calcium-Silicat-Hydrate). Zu den natürlichen Puzzolanen zählen Gesteine vulkanischen Ursprungs wie Trass. Natürliche getemperte Puzzolane sind thermisch aktivierte Gesteine vulkanischen Ursprungs, z. B. Phonolith. Flugasche wird durch elektrostatische oder mechanische Abscheidung staubartiger Partikel aus den Rauchgasen von Kohlekraftwerken gewonnen. Der feinkörnige Staub besteht überwiegend aus kugeligen Partikeln mit amorpher Struktur. Kieselsäurereiche Flugasche (V) besteht überwiegend aus reaktionsfähigem SiO2 und Al2O3 und weist puzzolanische Eigenschaften auf. Kalkreiche Flugasche (W) weist zusätzlich reaktionsfähiges CaO auf; sie hat latent-hydraulische und/oder puzzolanische Eigenschaften. Ölschiefer, der bei ca. 800 °C gebrannt wird, weist in fein gemahlenem Zustand ausgeprägte hydraulische Eigenschaften und daneben puzzolanische Eigenschaften auf.
210
4 Mineralische Bindemittel
Hauptbestandteil
Kürzel
Beschreibung
– TOC 0,50 M.-%
L
– TOC 0,20 M.-%
LL
Kalksteinmehl, das als Hauptbestandteil für Zement verwendet wird, muss mindestens 75 M.-% CaCO3 enthalten. Nach dem Gehalt an organischem Kohlenstoff (TOC) unterscheidet man zwischen den beiden links angegebenen Klassen (L, LL).
Silicastaub
D
Kalkstein
Silicastaub entsteht bei der Reduktion von Quarz in Lichtbogenöfen bei der Herstellung von Silicium- und Ferrosiliciumlegierungen. Er besteht aus sehr feinen kugeligen Partikeln mit mindestens 85 M.-% amorphem SiO2 und weist puzzolanische Eigenschaften auf.
4.3.1.2 Brennen des Zementklinkers
Die zur Herstellung von Zementklinker erforderlichen Rohstoffe (Kalkstein, Ton u. ä.) werden genau dosiert und zu Rohmehl feingemahlen. Das Rohmehl wird dann bei Temperaturen von ca. 1450 °C bis zur Sinterung gebrannt; dies geschieht heute in Deutschland fast ausschließlich in Drehrohröfen (99 % der Klinkerkapazität); lediglich 1 % entfällt auf Schachtöfen. Der Verfahrensablauf der Zementherstellung ist in Bild 4-7 schematisch dargestellt. Aufbereiten der Rohstoffe Kalkstein und Ton Gewinnen
Chemisches Umwandeln Rohstoffe
Brechen
Homogenisieren und Lagern
Rohmehl Trocknen und Mahlen
Homogenisieren und Abscheiden
Brennen Zyklonvorwärmer
Mischbettsilo
Elektrofilter
Calcinator Drehrohrofen
Brecher
Steinbruch
Kühler
Rohmühle
Klinker
Mahlen
Lagern und Homogenisieren
Lagern
andere Hauptbestandteile Sulfatträger Klinker Sichter
Abfüllen, Verladen, Transportieren
Zement CEM I bis CEM V
Sackware
Klinkersilo
Iose Ware Zementmühle
Bild 4-7 Verfahrensablauf der Zementherstellung (schematisch)
211
4.3 Zement
Beim Brennvorgang bilden sich aus den Ausgangsstoffen neue Verbindungen, die so genannten Klinkerphasen (siehe Tabelle 4.9). Zu ihrer Beschreibung wird in der Zementchemie üblicherweise eine verkürzte Schreibweise mit den folgenden Abkürzungen verwendet: C = CaO / S = SiO2 / A = Al2O3 / F = Fe2O3 / H = H2O. Tabelle 4.9 Phasen des Zementklinkers Klinkerphase
Chemische Formel
Kurzbezeichnung
Tricalciumsilicat (Alit)
3 CaO · SiO2
C3 S
Dicalciumsilicat (Belit)
2 CaO · SiO2
C2 S
Tricalciumaluminat
3 CaO · Al2O3
C3A
Calciumaluminatferrit
4 CaO · Al2O3 · Fe2O3
C4AF
4.3.1.3 Mahlen und Mischen
Das anfallende Brennprodukt, der (Portlandzement-)Klinker, ist ein grobkörniges Material ohne nennenswertes Reaktionsvermögen mit Wasser; es ist sogar längere Zeit – auch im Freien – lagerfähig. Zur Entfaltung seiner Bindemitteleigenschaften muss der Klinker nach dem Kühlen auf hohe Feinheit gemahlen werden. Zur Regelung des Erstarrens wird dem Mahlgut beim Mahlen ein Sulfatträger zugesetzt. Der maximal zulässige Gehalt an SO3 ist wegen der Gefahr des Sulfattreibens (siehe 4.3.4.9) je nach Zementart und Mahlfeinheit auf 3,5 bis 4,5 M.-% begrenzt. Bei Zementen, die neben Klinker weitere Zumahlstoffe gemäß Tabelle 4.13 enthalten, werden die Bestandteile meist gemeinsam vermahlen. Bei unterschiedlichen Mahlbarkeiten können die Zementbestandteile auch getrennt feingemahlen und anschließend gemischt werden; dadurch lassen sich die Mahlfeinheit und vor allem die Korngrößenverteilung der einzelnen Komponenten optimieren.
4.3.2 Hydratation des Zementes 4.3.2.1 Hydratphasen
Bei der Reaktion des Zementes mit dem Anmachwasser bilden sich neue kristallwasserhaltige Verbindungen, die so genannten Hydratphasen. Dabei reagieren alle im Zementklinker enthaltenen Phasen mit Wasser; ihre Reaktionsgeschwindigkeit sowie ihr Beitrag zur Festigkeitsentwicklung sind jedoch sehr unterschiedlich. Bild 4-8 zeigt die Festigkeitsentwicklung der reinen Klinkerphasen. Die Festigkeit von Zement beruht im Wesentlichen auf der Bildung von Calciumsilicathydraten (CSH-Phasen), die bei der Hydratation von C3S und C2S entstehen. Dabei trägt das C3S in erster Linie zur Frühfestigkeit bei, wogegen die Druckfestigkeit des Dicalciumsilicates erst langsam ansteigt; der Beitrag des C2S für die hydraulische Erhärtung liegt also vorwiegend im Bereich der so ge-
212
4 Mineralische Bindemittel
nannten Nacherhärtung, d. h. der Festigkeitszunahme nach 28 Tagen. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu dem natürlichen Mineral Tobermorit werden die CSH-Phasen auch als „tobermoritähnliche Phasen“ bezeichnet.
Bild 4-8 Druckfestigkeitsentwicklung der reinen Klinkerphasen [4.2]
Da die neu gebildeten CSH-Phasen kalkärmer sind als die Ausgangsverbindungen, wird bei dieser Reaktion Calciumhydroxid freigesetzt. Das stark basische Calciumhydroxid erhöht den pH-Wert des Porenwassers (pH-Wert 12,6) und stellt dadurch den Korrosionsschutz des Bewehrungsstahls im Beton sicher. Das Tricalciumaluminat C3A weist von allen Klinkerphasen die höchste Reaktionsgeschwindigkeit auf, trägt jedoch nur wenig zur Festigkeit bei. Nach dem Anmachen von reinem C3A mit Wasser tritt bereits nach wenigen Sekunden das Erstarren ein (daher auch die Bezeichnung „Löffelbinder“); dies ist auf die Bildung großer blättchenförmiger Calciumaluminathydrate zurückzuführen, die ein kartenhausähnliches Gefüge aufbauen. Durch Zugabe von Sulfatträgern bei der Zementherstellung wird diese Reaktion „gebremst“, weil sich in Anwesenheit von Sulfat bevorzugt Calciumaluminatsulfathydrate (Trisulfat = Ettringit, Monosulfat) bilden. Die Hydratation von C4AF verläuft ähnlich zur Hydratation des C3A; in den entstehenden Hydratationsprodukten wird das Al2O3 zum Teil durch Fe2O3 ersetzt. Die bei der Hydratation von Zement stattfindenden Reaktionen verlaufen sehr komplex und sind stark von den Randbedingungen (Temperatur, Konzentrationsverhältnisse usw.) abhängig; sie lassen sich daher nicht durch einfache Reaktionsgleichungen beschreiben. Hinzu kommt, dass sich Hydrate in wechselnder Zusammensetzung bilden bzw. anfangs gebildete Hydrate sich zu neuen Hydraten umbilden können.
4.3 Zement
213
Zusammenfassend kann festgestellt werden: Für die Festigkeit des Zementes sind vor allem die silicatischen Klinkerphasen C3S und C2S bedeutsam, während die aluminatischen und ferritischen Phasen die Verarbeitbarkeit und das Erstarren maßgeblich beeinflussen. 4.3.2.2 Zeitlicher Ablauf der Hydratation
Das Gemisch von Zement und Wasser, der so genannte Zementleim, weist zunächst eine plastische Konsistenz auf. Bereits unmittelbar nach der Wasserzugabe finden die ersten Reaktionen statt; diese führen zunächst zu einem geringen, nach einiger Zeit verstärkten Ansteifen des Zementleims. Die daran anschließende Phase wird als Erstarren, die weitere Verfestigung als Erhärten bezeichnet. Erstarrungsbeginn und Erstarrungsende eines Zementes werden an einem mit Normkonsistenz hergestellten Zementleim bestimmt.
Bild 4-9 Hydratation von Zement (schematische Darstellung) [4.2]
Der gesamte Hydratationsprozess lässt sich in die folgenden vier Stufen unterteilen (siehe Bild 4-9):
Stufe I: Sofort nach Zugabe des Anmachwassers setzt eine kurze, aber intensive Hydratation ein. Calciumsulfate gehen in Lösung und reagieren mit Tricalciumaluminat zu Ettringitkristallen, die sich auf der Oberfläche der Klinkerkörner bilden. Zu Treiberscheinungen kommt es jedoch nicht, weil die mit der Ettringitbildung verbundene Volumenvergrößerung von dem noch plastischen Zementleim aufgenommen werden kann.
214
4 Mineralische Bindemittel
Neben der Ettringitbildung kommt es durch Hydratation des C3S zur Bildung der ersten CSHPhasen. Die Hydratationsprodukte auf der Kornoberfläche behindern den weiteren Wasserzutritt; die Reaktion kommt praktisch zum Stillstand („Ruheperiode“). Die Kristalle auf der Oberfläche der Klinkerkörner sind noch zu klein, um den Raum zwischen den einzelnen Partikeln zu überbrücken und ein zusammenhängendes Gefüge aufzubauen. Die Partikel sind daher noch gegeneinander beweglich; der Zementleim ist noch plastisch und einbaufähig.
Stufe II: Nach ca. 1 bis 3 Stunden beginnt das Erstarren. Es werden faserförmige CSH-Phasen gebildet, die den wassergefüllten Zwischenraum überbrücken und die Beweglichkeit der Körner behindern. Der Zementleim kann nicht mehr verarbeitet werden, weist jedoch noch keine messbare Festigkeit auf. Stufe III: Nach etwa 4 Stunden beginnt die so genannte „Beschleunigungsperiode“. Es setzt eine verstärkte Reaktion der Silicatphasen unter Bildung langfaseriger Calciumsilicathydrate ein. Es entsteht ein Grundgefüge mit noch relativ geringer Festigkeit, welches aus faserigen CSHPhasen, länglichen Ettringitkristallen und plattigem Calciumhydroxid besteht. Die größeren Hydratationsprodukte durchwachsen den mit Wasser gefüllten Porenraum zwischen den Zementkörnern und verzahnen sich mehr und mehr mit den Reaktionsprodukten der benachbarten Körner. Stufe III endet nach 12 bis 24 Stunden. Stufe IV: Die Verfestigung des Gefüges schreitet fort, jedoch mit reduzierter Reaktionsgeschwindigkeit. Die noch vorhandenen Poren zwischen den langfaserigen Kristallen werden durch feinkristallines, kurzfaseriges Calciumsilicat- und Calciumaluminathydrat immer stärker ausgefüllt. Es entsteht ein stabiles Gefüge mit höherer Festigkeit, welches Zementstein genannt wird. Dieser Erhärtungsvorgang ist nur möglich, wenn Wasser in ausreichendem Maße vorhanden ist. Im Kern eines massigen Betonbauteils ist dies praktisch immer der Fall; an der Betonoberfläche hingegen ist durch entsprechende Maßnahmen (Nachbehandlung) dafür zu sorgen, dass das Wasser nicht verdunstet. 4.3.2.3 Hydratationswärme
Die Hydratation des Zementes ist ein exothermer Prozess, bei dem Wärmeenergie – die so genannte Hydratationswärme – freigesetzt wird. Die Hydratationswärme ist abhängig von der Zusammensetzung des Zementes; bei vollständiger Hydratation werden folgende Wärmemengen freigesetzt: Portlandzement 375 ... 525 J/g; Portlandhütten- und Hochofenzement 355 ... 440 J/g; Portlandkalksteinzement 310 ... 420 J/g; Portlandpuzzolanzement 315 ... 420 J/g; Portlandschieferzement 360 ... 480 J/g; Tonerdezement 545 ... 585 J/g.
215
4.3 Zement
Neben den genannten Gesamtwärmemengen ist für die Baupraxis vor allem der zeitliche Verlauf der Wärmefreisetzung von Interesse. Die Geschwindigkeit der Wärmeentwicklung hängt von der Reaktionsfähigkeit des Zementes ab; diese wird durch die Phasenzusammensetzung des Klinkers, den Klinkeranteil des Zementes und durch seine Mahlfeinheit bestimmt. Vor allem bei massigen Betonbauteilen kann die Hydratationswärmeentwicklung zu einem deutlichen Anstieg der Betontemperatur führen und dadurch temperaturbedinge Spannungsrisse verursachen. Für derartige Anwendungsfälle wären Zemente mit hoher Anfangsfestigkeit und zugleich niedriger Hydratationswärme wünschenswert, die aber technisch nicht realisierbar sind. In Tabelle 4.10 ist die Hydratationswärme deutscher Zemente in Abhängigkeit von der Zementfestigkeitsklasse und vom Alter angegeben. Tabelle 4.10 Hydratationswärme deutscher Zemente (Lösungskalorimetrie nach DIN EN 196-8) Zementfestigkeitsklasse
Hydratationswärme in J/g nach ... Tagen 1
3
7
28
32,5 N
60 ... 175
125 ... 250
150 ... 300
200 ...375
32,5 R; 42,5 N
125 ... 200
200 ... 235
275 ... 375
300 ... 425
42,5 R; 52,5 N; 52,5 R
200 ...275
300 ... 350
325 ... 375
375 ... 425
Zemente mit niedriger Hydratationswärme (früher: NW) werden heute durch das Kurzzeichen LH („Low Heat“) gekennzeichnet. Die Hydratationswärme von LH-Zementen darf den charakteristischen Wert von 270 J/g nicht überschreiten. Sonderzemente mit sehr niedriger Hydratationswärme nach DIN EN 14216 (VLH = „Very Low Heat“) dürfen maximal 220 J/g freisetzen. Die Bestimmung der Hydratationswärme erfolgt entweder nach 7 Tagen gemäß DIN EN 196-8 (Lösungsverfahren) oder nach 41 Stunden gemäß DIN EN 196-9 (teiladiabatisches Verfahren).
4.3.3 Gefüge des Zementsteins 4.3.3.1 Aufbau des Gefüges
Die Eigenschaften eines frisch angemachten Zementleims, aber auch des erhärteten Zementsteins, sind sehr stark vom Mischungsverhältnis Wasser : Zement abhängig. Das Mischungsverhältnis wird durch den Wasser-Zement-Wert (w/z-Wert) charakterisiert, welcher das Massenverhältnis von Wasser zu Zement angibt. Die Konsistenz des Zementleims verändert sich mit zunehmendem w/z-Wert deutlich. Bei w/z = 0,20 liegt eine krümelige Masse vor, die bei weiterer Wasserzugabe allmählich in eine Paste und danach in einen zähflüssigen Leim übergeht. Bei w/z = 0,40 liegt eine mit Motorenöl vergleichbare Konsistenz vor. Bei weiter steigendem Wasser-Zement-Wert wird der Zementleim zunehmend dünnflüssiger; ab w/z = 1,0 weist er eine wasserähnliche Konsistenz auf.
216
4 Mineralische Bindemittel
Übliche Mörtel und Betone werden mit w/z-Werten zwischen 0,40 und 0,70 hergestellt. Niedrigere Werte sind z. B. für die Herstellung hochfester Betone erforderlich; höhere w/z-Werte finden bei Injektionen (Abdichtung, Baugrundverfestigung) Anwendung. Die Dichte von Zement ist rd. dreimal so groß wie diejenige von Wasser; deshalb kann Zementleim zum Entmischen infolge Sedimentation neigen. Dabei sinken die schwereren Zementkörner im Zementleim nach unten, und an der Oberfläche sammelt sich eine Wasserschicht an; dieser Vorgang wird auch als „Wasserabsondern“ oder „Bluten“ bezeichnet. Bild 4-10 zeigt schematisch die Hydratation eines einzelnen Zementkorns in vereinfachter Darstellung; danach lässt sich der Ablauf folgendermaßen erklären: Im Zementleim sind die einzelnen Zementkörner von Wasserhüllen umgeben. Sofort nach Zugabe des Anmachwassers beginnt der Zement an der Korngrenze zu hydratisieren. Dabei wachsen die entstehenden Hydratationsprodukte in den wassergefüllten Raum hinein; der mittlere Durchmesser der Neubildungen beträgt nur rd. ein Tausendstel der mittleren Zementkorngröße. Dieser Vorgang setzt sich solange fort, bis das gesamte Zementkorn in die Reaktionsprodukte umgewandelt ist.
Bild 4-10 Schematische Darstellung der Hydratation eines Zementkorns
Die im Verlauf der Hydratation neu gebildeten Hydratphasen bilden ein dreidimensionales Netzwerk, dessen Poren mit Wasser gefüllt sind; derartige Strukturen stellen ein kolloidales Gel dar. Erhärteter Zementstein wird daher auch als „Zementgel“, die feinen Poren als „Gelporen“ bezeichnet. Bei vollständiger Hydratation nimmt das Zementgel bei unbehinderter Ausdehnung mehr als doppelt soviel Raum ein wie das ursprüngliche Zementkorn. Bei Behinderung der Ausdehnung, z. B. im Beton, führt dieser Vorgang zu einer Verdichtung der Gelmasse und dadurch zu einer Verfestigung des Zementsteines. Sehr feine Zementkörner können bereits nach wenigen Stunden vollständig hydratisiert sein, grobe Teilchen sind erst nach Monaten oder gar Jahren vollständig umgewandelt.
4.3 Zement
217
4.3.3.2 w/z-Wert und Poren
Die zur vollständigen Hydratation von Zement erforderliche Wassermenge beträgt ca. 21 bis 25 M.-% des Zements. Diese Wassermenge – auch als „Kristallwasser“ bezeichnet – wird in den Hydratationsprodukten (CSH-Phasen, Calciumhydroxid, Calciumaluminat- und Calciumferrithydrate) chemisch gebunden. Zur Ausbildung des Zementgels ist zusätzlich zu dem chemisch gebundenen Wasser noch eine bestimmte Wassermenge als Dispersionsmittel der neu gebildeten Hydratphasen erforderlich; der Anteil dieses physikalisch in den Gelporen angelagerten Gelwassers beträgt etwa 15 M.-% des Zementes; die mittlere Größe der Gelporen liegt im Nanometerbereich. Zur vollständigen Hydratation ist also mindestens die Summe aus Hydratwasser und Gelwasser erforderlich; dies entspricht rund 40 M.-% des Zementes, entsprechend einem WasserZement-Wert von w/z = 0,40 (siehe Bild 4-11 Mitte). Bei w/z-Werten < 0,40 reicht die vorhandene Wassermenge für eine vollständige Hydratation nicht aus; von den Zementkörnern bleiben unhydratisierte Reste in der Mitte zurück (siehe Bild 4-11 oben). Bei w/z-Werten > 0,40 ist überschüssiges Wasser vorhanden, das weder chemisch gebunden noch in den Gelporen eingelagert werden kann und daher zusätzliche Poren – die so genannten Kapillarporen – verursacht (siehe Bild 4-11 unten). Kapillarporen sind rund 1000-mal so groß wie Gelporen. Während der Gelporenanteil vom w/z-Wert nahezu unabhängig ist, steigt der Kapillarporenanteil mit zunehmendem w/z-Wert sehr stark an. Dies wirkt sich negativ auf die Festigkeit, vor allem aber auf die Dauerhaftigkeit des Zementsteins aus, weil der Transport von aggressiven Lösungen und Gasen über die Kapillarporen erfolgt.
Bild 4-11 Schematische Darstellung der Hydratation bei unterschiedlichen w/z-Werten
218
4 Mineralische Bindemittel
Die Kapillarporen können das Wasser im Laufe der Zeit abgeben bzw. später wieder aufnehmen. Diese reversiblen Vorgänge verursachen Volumenänderungen, die mit Schwinden und Quellen bezeichnet werden (siehe Kapitel 1.2.4.7). Ihr Ablauf wird maßgeblich durch die Umgebungsbedingungen, insbesondere die relative Luftfeuchte, bestimmt.
4.3.4 Eigenschaften, Prüfverfahren Je nachdem, welche Eigenschaft des Zementes betrachtet wird, werden die Untersuchungen entweder am trockenen Zementpulver, an Zementleim oder an Zementmörtel bestimmt. 4.3.4.1 Mahlfeinheit, Korngrößenverteilung
Die Mahlfeinheit von Zement wird als spezifische Oberfläche in cm²/g angegeben und nach dem in DIN EN 196-6 beschriebenen Luftdurchlässigkeitsverfahren nach Blaine bestimmt (daher auch die Bezeichnung „Blaine-Wert“ für die Mahlfeinheit). Bei der Prüfung wird diejenige Zeit gemessen, die eine bestimmte Luftmenge zum Durchströmen eines zusammengedrückten Zementpulverbettes gegebener Größe und Porosität benötigt. Bei grobem Zement strömt die Luft relativ schnell, bei feinem Zement langsam durch das Zementbett. Das Verfahren liefert schnell bestimmbare Vergleichswerte; andere Messmethoden für die spezifische Oberfläche, z. B. mittels Gasadsorption, liefern zum Teil deutlich höhere Werte als das Blaine-Verfahren. Je feiner ein Zement gemahlen ist, desto schneller kann er wegen der größeren Oberfläche mit Wasser reagieren. Deshalb ist die Festigkeit, aber auch die Hydratationswärme fein gemahlener Zemente in jungem Alter größer. Auf die Endfestigkeit hat die Mahlfeinheit jedoch praktisch keinen Einfluss mehr. Grob gemahlene Zemente binden an der Oberfläche nur wenig Wasser und neigen daher zum Wasserabsondern (Bluten). Angaben über die durchschnittlichen Mahlfeinheiten enthält Tabelle 4.11. Anforderungen an die Mahlfeinheit werden nicht mehr generell, sondern nur für bestimmte Anwendungen gestellt (z. B. Zemente zum Füllen von Rissen: mind. 4.500 cm²/g). Tabelle 4.11 Spezifische Oberfläche von Zementen Feinheitsstandard
Spezifische Oberfläche [cm²/g]
grob
< 2800
mittel
2800...4000
fein sehr fein
> 4000 5000...7000
Beispiel CEM I 32,5 N CEM III/B 32,5 N CEM I 52,5 R Spezialzemente, z. B. für Injektionen
Die spezifische Oberfläche dient in erster Linie zur schnellen Kontrolle des Mahlprozesses im Zementwerk. Ansonsten ist sie kein eindeutiges Feinheitsmerkmal, weil Zemente auch bei gleichem Blaine-Wert unterschiedliche Korngrößenverteilungen aufweisen können. Eine
219
4.3 Zement
möglichst genaue Kenntnis der Kornverteilung ist aber erforderlich, um die Zementeigenschaften gezielt beeinflussen zu können. Im Bereich größer 0,125 mm werden die Partikelgrößen pulverförmiger Stoffe in der Regel durch Siebanalyse ermittelt. Für Messungen im Bereich unterhalb 0,125 mm wird meist das Laser-Granulometer eingesetzt. 4.3.4.2 Dichte
Die (Rein-)Dichte von Zement hängt im Wesentlichen von der Art und Menge der Zumahlstoffe ab. In Tabelle 4.12 sind die Werte für die wichtigsten Zementarten angegeben. Die Dichte von Zement wird bei der Mischungsberechnung von Beton benötigt. Die Schüttdichte von Zement hängt vom Einfüllvorgang in das Messgefäß ab und schwankt daher sehr stark. Deshalb darf Zement nicht nach Volumen, sondern er muss immer nach Masse dosiert werden. Tabelle 4.12 Dichte und Schüttdichte von Zement Zementart
Dichte in kg/dm³
Portlandzement
3,10
Portlandhüttenzement
3,05
Portlandkalksteinzement
3,05
Hochofenzement
3,00
Portlandschieferzement
3,00
Flugaschezement
2,95
Portlandpuzzolanzement
2,90
Schüttdichte in kg/dm³ lose eingelaufen
eingerüttelt
0,9 ... 1,2
1,6 ... 1,9
4.3.4.3 Farbe
Die Farbe eines Zementes hängt von den verwendeten Rohstoffen, der Zementart, dem Herstellungsverfahren und der Mahlfeinheit ab. Fein gemahlene Zemente sind in der Regel heller als gröbere Zemente. Schwankungen im Grauton der Zemente sind unvermeidlich. Bei Zementen desselben Lieferwerks und der gleichen Festigkeitsklassen sind sie jedoch so gering, dass ihre Auswirkung auf die Farbe des Betons von anderen Einflüssen überdeckt wird. Die meisten Zemente sind grau; Portlandschieferzement weist eine rot-braune Färbung auf. Weißer Zement wird aus ausgewählten Ausgangsstoffen mit besonderen Verfahren hergestellt (siehe 4.3.5.4)
220
4 Mineralische Bindemittel
4.3.4.4 Erstarren
Erstarrungsbeginn und -ende werden nach DIN EN 196-3 an Zementleim mit einer definierten Ausgangsviskosität V0 („Normsteife“) ermittelt. Die zur Erzielung der Normsteife erforderliche Wassermenge wird durch Vorversuche ermittelt; sie liegt üblicherweise zwischen 23 und 34 M.-% des Zementes, wobei feine Zemente meist einen höheren Wasseranspruch aufweisen als gröbere Zemente. Die Normsteife wird mit dem Vicat-Gerät gemäß Bild 4-12 bestimmt, wobei der unter c) dargestellte Tauchstab verwendet wird.
Bild 4-12 Vicat-Gerät zur Bestimmung der Normsteife und der Erstarrungszeiten
4.3 Zement
221
Nach dem Anmachen verändert sich die Viskosität des Zementleims stetig (siehe Bild 4-13). Der Erstarrungsbeginn entspricht derjenigen Zeit nach Wasserzugabe, bei der die Viskosität VA erreicht wird; das Erstarrungsende liegt bei Erreichen von VE vor. Nach DIN EN 196-3 werden VA und VE mit dem Vicat-Gerät durch das Eindringverhalten unterschiedlicher Nadeln (siehe Bild 4-12, d) und e)) in den Zementleim definiert. Die vom Anmachen bis zum Erstarrungsbeginn stattfindende Viskositätsänderung von V0 bis VA wird als Ansteifen bezeichnet. Der Bereich zwischen VA und VE kennzeichnet das Erstarren, der nach dem Erstarrungsende über VE hinausgehende Viskositätsbereich das Erhärten. Um eine ausreichende Verarbeitbarkeitsdauer zu gewährleisten, darf der Erstarrungsbeginn je nach Festigkeitsklasse des Zementes frühestens nach 45 bis 75 Minuten eintreten. Anforderungen an das Erstarrungsende bestehen nicht mehr. Die Ergebnisse der Prüfungen nach DIN EN 196-3 sind nicht ohne weiteres auf die Praxis übertragbar, weil das Erstarren von Mörtel und Beton von zahlreichen weiteren Faktoren – insbesondere von der Temperatur – beeinflusst wird. Bei langer Lagerungsdauer von Zement kann sich das Erstarrungsverhalten verändern, insbesondere durch Reaktionen mit dem CO2 aus der Luft. Es empfiehlt sich daher, länger gelagerten Zement vor dem Verarbeiten auf sein Erstarren – insbesondere auf eine Verkürzung des Erstarrungsbeginns – zu überprüfen.
Bild 4-13 Ansteifen, Erstarren und Erhärten von Zementleim [4.2]
4.3.4.5 Raumbeständigkeit
Zement muss raumbeständig sein, d. h. er darf keine treibenden Bestandteile enthalten, die nach erfolgter Verfestigung das Volumen vergrößern und dadurch zu Rissbildung bzw. Gefügezerstörung führen. Treiben kann auftreten durch die nachträgliche Hydratation von unge-
222
4 Mineralische Bindemittel
bundenem gebranntem CaO (Kalktreiben) oder MgO (Magnesiatreiben) bzw. durch Bildung von Ettringit bei zu hohem Gipszusatz (Sulfattreiben). Die Raumbeständigkeit wird nach DIN EN 196-3 mit dem Le-Chatelier-Ring gemessen (Bild 4-14). Dabei wird ein Prüfkörper aus Zementleim mit Normsteife im Alter von einem Tag 3 Stunden lang im Wasserbad gekocht. Eine Ausdehnung des Prüfkörpers infolge Treiben führt zu einer Öffnung des Ringspaltes und dadurch zu einem größeren Abstand zwischen den am Ring angebrachten Nadelspitzen. Der Abstand zwischen den Nadelspitzen wird vor dem Kochen und im Anschluss daran nach Abkühlen auf Umgebungstemperatur gemessen; er darf sich höchstens um 10 mm vergrößern.
Bild 4-14 Le-Chatelier-Ring
4.3.4.6 Festigkeitseigenschaften
Bei praktisch allen mineralischen Baustoffen ist die Druckfestigkeit deutlich größer als die Zugfestigkeit; dies gilt auch für Zement bzw. zementgebundene Baustoffe. Die bei der Zementprüfung üblicherweise ermittelte Biegezugfestigkeit dient in erster Linie zur Kontrolle der Gleichmäßigkeit; Anforderungen werden nur an die Druckfestigkeit gestellt. Druckfestigkeit
Aus dem zu untersuchenden Zement wird ein Zementmörtel mit einem Mischungsverhältnis Zement : Normsand : Wasser = 1 : 3 : 0,5 (in Massenteilen) gemischt. Aus dem Mörtel werden Prismen 40 mm x 40 mm x 160 mm hergestellt und bis zur Prüfung unter Wasser bei 20 ± 1 °C gelagert. Im Alter von 2 Tagen (bei CEM 32,5 N: 7 Tage) sowie im Alter von 28 Tagen wird an jeweils drei Prismen zunächst die Biegezugfestigkeit und anschließend an den sechs Prismenhälften die Druckfestigkeit gemessen. Zemente werden in verschiedenen Festigkeitsklassen hergestellt und geliefert. Für die Zuordnung zu einer bestimmten Festigkeitsklasse ist die Mindestdruckfestigkeit im Alter
4.3 Zement
223
von 28 Tagen (Normfestigkeit) in N/mm² (= MPa) maßgebend. Folgende Festigkeitsklassen werden unterschieden: 22,5 – 32,5 – 42,5 – 52,5. Für die einzelnen Festigkeitsklassen ist nicht nur eine Mindest-, sondern auch – mit Ausnahme der Klasse 52,5 – eine Höchstdruckfestigkeit bei der 28-Tage-Prüfung festgelegt; die Spanne zwischen Mindest- und Höchstwert beträgt 20 N/mm². Durch die Begrenzung nach oben sollen die bei der Zementherstellung unvermeidbaren Schwankungen möglichst konstant gehalten werden, was für die Gleichmäßigkeit von Beton und anderen zementgebundenen Produkten sehr wichtig ist. Die 28-Tage-Druckfestigkeit ist i. W. für die Bemessung von Betonbauteilen maßgebend; daneben ist es aber auch wichtig, die Festigkeitsentwicklung des Zements zu kennen. Bei Bauteilen, die schnell ausgeschalt (z. B. Betonfertigteile) oder früh belastet werden sollen, muss sich die Festigkeit möglichst schnell entwickeln, während sie bei massigen Bauteilen wegen der Hydratationswärmeentwicklung und der damit verbundenen Gefahr von Temperaturrissen langsam erfolgen soll. Deshalb wird bei Normalzementen neben der Normfestigkeit (28-Tage-Wert) zusätzlich die Anfangsfestigkeit im Alter von 2 bzw. 7 Tagen bestimmt. Die Festigkeitsentwicklung wird mittels Kennbuchstaben (R „rapid“ = schnell, N = normal, L = langsam) gekennzeichnet. Beispiele: CEM 42,5 N / CEM 52,5 R / CEM 22,5 L Bis zur vollständigen Aushärtung stellt sich ein über die 28-Tage-Druckfestigkeit hinausgehender Festigkeitszuwachs, die so genannte „Nacherhärtung“, ein. Sie beträgt: bis zu 10 % bei schnell erhärtenden Zementen; 10 bis 25 % bei normal erhärtenden Zementen; 25 bis 40 %, vereinzelt bis 50 % bei langsam erhärtenden Zementen. Unter baupraktischen Bedingungen wird der Erhärtungsverlauf zementgebundener Baustoffe von zahlreichen weiteren Parametern beeinflusst. Neben dem Wasser-Zement-Wert spielen insbesondere die Temperatur und das Feuchteangebot eine wichtige Rolle. Höhere Temperatur beschleunigt, niedrige Temperatur verzögert den Erhärtungsvorgang; dies gilt besonders in jungem Alter, d. h. für die Frühfestigkeit. Der kritische Bereich liegt bei Temperaturen unter +8 °C; darunter gehen die Festigkeiten stark zurück, bei Temperaturen unter –5 °C kommt die Hydratation vollständig zum Erliegen. Wird die Anfangserhärtung verzögert, z. B. durch Lagerung bei niedrigen Temperaturen oder durch Zugabe von Zumahlstoffen, so entstehen mehr langfaserige Calciumsilicathydrate; deshalb ist die Endfestigkeit ggf. höher als bei normaler Lagerung. Wird die Reaktion beschleunigt, z. B. durch höhere Temperaturen, so ist zwar die Anfangsfestigkeit höher, die Endfestigkeit aber meist niedriger, da weniger langfaserige CSH-Phasen entstehen. Für die vollständige Hydratation des Zementes ist ein ausreichendes Feuchteangebot erforderlich; dies gilt insbesondere in der ersten Erhärtungsphase. Deshalb muss Beton von Beginn an feucht gehalten werden (so genannte „Nachbehandlung“). Zu frühzeitiges Austrocknen des Betons beeinträchtigt die Qualität in der oberflächennahen Randzone (Absanden
224
4 Mineralische Bindemittel
durch „Verdursten“ des Betons, höhere Porigkeit, geringere Festigkeit, schnellere Carbonatisierung usw.) und kann zur Bildung von Schwindrissen führen. 4.3.4.7 Verformungsverhalten
Reiner Zementstein sowie zementgebundene Mörtel und Betone zeigen ein komplexes Verformungsverhalten, welches vor allem durch die viskoelastischen Eigenschaften sowie die feuchteabhängigen Formänderungen gekennzeichnet ist. Elastizitätsmodul
Bei einer Belastung werden die elastischen Formänderungen von Beginn an mit viskosen Verformungen überlagert, so dass die auftretenden Formänderungen mit der Spannung überproportional ansteigen und daher das Hooke’sche Gesetz nicht mehr gilt. Da die viskosen Verformungen nach mehrfacher Be- und Entlastung weitgehend abgeklungen sind, wird der Elastizitätsmodul zementgebundener Baustoffe nach mehreren Lastwechseln bestimmt. Der E-Modul von reinem Zementstein liegt zwischen 6000 und 30 000 N/mm²; er nimmt mit steigendem w/z-Wert stark ab, d. h. die auftretenden Verformungen sind umso größer, je höher der w/z-Wert ist. Darüber hinaus spielt die Feuchte eine entscheidende Rolle: wassergesättigte Zementsteine weisen – wegen der Inkompressibilität des Wassers – geringere Verformungen, d. h. einen höheren E-Modul, im Vergleich zu trockenen Zementsteinen auf. Kriechen
Unter Kriechen versteht man die zeitabhängige viskose Verformung eines Werkstoffes unter dauernder Belastung (siehe 1.2.4.5). Bei Zementstein ist die auftretende Kriechverformung abhängig von der Festigkeit und der Höhe der Belastung, von der Belastungsdauer, vom EModul und von der Feuchte des Zementsteins. Im Bereich üblicher Gebrauchslasten ist das Kriechen der Dauerlast etwa proportional. Die Kriechverformungen verlaufen anfangs relativ schnell, verlangsamen sich im Laufe der Zeit, um sich asymptotisch einem Grenzwert zu nähern, der nach mehreren Jahren erreicht wird. Völlig ausgetrockneter Zementstein kriecht praktisch nicht; man geht deshalb davon aus, dass das Kriechen im Wesentlichen durch eine Verdrängung des Wassers zwischen den Gelpartikeln verursacht wird. Falls der Zementstein während der Belastung austrocknet, beeinflussen sich Kriechen und Schwinden gegenseitig. Feuchteabhängige Verformungen
Zementstein neigt bei Austrocknung zum Schwinden bzw. bei Durchfeuchtung zum Quellen; dabei ist das Quellen von ständig unter Wasser gelagertem Zementstein wesentlich geringer als das Schwinden; es liegt in der Größenordnung von 1 mm/m. Beim erstmalig scharfen Trocknen kann das Schwindmaß des Zementsteins bis 10 mm/m betragen. Die danach durch Wiederbefeuchten und erneutes Trocknen hervorgerufenen Dehnungen sind reversibel und liegen im Bereich zwischen 3 und 4 mm/m. Das Schwinden steigt mit zunehmender Kapillarporosität, d. h. mit größer werdendem w/zWert an. Die Zementart wirkt sich nur indirekt über die Mahlfeinheit aus; fein gemahlene Zemente neigen etwas stärker zum Schwinden als gröbere Zemente.
225
4.3 Zement
Mit zunehmender Austrocknungsdauer sowie mit geringer werdender relativer Luftfeuchte der Umgebung nehmen die Schwindverformungen zu. Einen wesentlichen Einfluss hat außerdem der Beginn der Austrocknung: mit zunehmendem Alter, d. h. höherem Hydratationsgrad bei Austrocknungsbeginn wird das Schwindmaß geringer. Möglichst langes Feuchthalten (Nachbehandlung) ist deshalb die wirksamste Methode, um das Schwinden gering zu halten. Das Schwindmaß von Normalbeton beträgt nur einen Bruchteil der bei reinem Zementstein beobachteten Verformungen, weil im Beton das Schwinden des Zementsteins durch die (in der Regel nicht schwindenden) Gesteinskörnungen behindert wird. Wärmedehnung
Zemenstein dehnt sich – wie andere Materialien auch – bei einer Temperaturänderung der Umgebung aus. Außerdem kann die bei der Hydratation freigesetzte Wärme zu thermischen Spannungen im Bauteil führen, die besonders bei massigen Bauteilen Risse an der Oberfläche verursachen können. Der Temperaturausdehnungskoeffizient T von Zementstein beträgt etwa 10 · 10–6 K–1, unabhängig von Zementart, w/z-Wert usw.; dieser Wert gilt allerdings nur bei völlig trockenem oder bei wassergesättigtem Zementstein. Ansonsten werden durch die Temperaturänderung Feuchtigkeitsbewegungen und damit Feuchtedehnungen verursacht, die die wahre Wärmedehnung überlagern. Die so ermittelte scheinbare Wärmedehnung kann doppelt so groß sein wie der o. g. Wert. 4.3.4.8 Wasser- und Gasdurchlässigkeit
Für die Durchlässigkeit des Zementsteines gegenüber Wasser spielt die Porengröße und ihr Volumenanteil eine wesentliche Rolle. In den sehr kleinen Gelporen findet praktisch kein Transport statt; dies ist erst bei w/z-Werten ab 0,40 – bedingt durch die dann entstehenden Kapillarporen – der Fall. Mit zunehmendem w/z-Wert wird der Wassertransport zunehmend erleichtert. Wasserdurchlässigkeit in mm/s · 10
-11
140 120 100 80 60 40 20 0
Hydratationsgrad in % 100 80 60 40
0
0,2 10
0,3 20
0,4 30
0,8 = w/z 0,7 0,6 0,5 40
Kapillarporenraum in Vol.-%
Bild 4-15 Wasserdurchlässigkeit von Zementstein in Abhängigkeit vom Kapillarporenraum, Wasser-Zement-Wert und Hydratationsgrad
226
4 Mineralische Bindemittel
Bild 4-15 zeigt das Wasserdurchlässigkeitsdiagramm nach Powers. Bei vollständiger Hydratation entsteht etwa ab w/z = 0,50 ein zusammenhängendes Kapillarporensystem, durch das flüssiges Wasser transportiert werden kann. Ab einem Wasser-Zement-Wert von 0,60 ist Zementstein wasserdurchlässig. Neben dem w/z-Wert beeinflusst der Hydratationgrad den Kapillarporenraum und damit die Wasserdurchlässigkeit des Zementsteins. Der Hydratationsgrad nimmt mit zunehmendem Alter, vor allem aber auch mit der Dauer und Intensität der Nachbehandlung zu. So weist nach Bild 4-15 ein vollständig hydratisierter Zementstein mit w/z = 0,60 einen vergleichbaren Kapillarporenraum wie ein Zementstein mit w/z = 0,40 bei einem Hydratationsgrad von 60 % auf. Gasdurchlässigkeit
Die Gasdurchlässigkeit von Zementstein ist insbesondere im Hinblick auf die Karbonatisierung von Interesse. Bei der Karbonatisierung dringt das in der Luft enthaltene Kohlendioxid in den Zementstein ein und reagiert mit dem Ca(OH)2 in der Porenlösung zu CaCO3 (siehe Gl. 4.3). Dadurch wird der ursprüngliche pH-Wert der Porenlösung > 12,5 auf Werte unter pH = 9 verringert; der Korrosionsschutz für den Bewehrungsstahl im Beton ist damit nicht mehr sichergestellt. Geringe w/z-Werte und gute Nachbehandlung verringern die Karbonatisierungsgeschwindigkeit Außerdem wird sie von den Umgebungsbedingungen des Bauteiles beeinflusst: bei relativen Luftfeuchten zwischen 50 und 70 % ist der Karbonatisierungsfortschritt am größten; trockene sowie wassergesättigte Zementsteine karbonatisieren hingegen praktisch nicht. Weitere Ausführungen zur Karbonatisierung von Beton finden sich in Abschnitt 17.2.3. 4.3.4.9 Dauerhaftigkeit Frostbeständigkeit
Der Frostangriff beruht im Wesentlichen auf der Volumenvergrößerung von rd. 10 Vol.-% beim Phasenübergang von Wasser zu Eis. Wenn der Zementstein einen kritischen Wassersättigungsgrad aufweist, d. h. nicht genügend Ausweichräume (wasserfreie Poren) zur Verfügung stehen, bauen sich Zugspannungen auf, die zu einer Gefügezerstörung führen können. Kapillarporenfreier Zementstein ist unter praktischen Verhältnissen frostbeständig, weil die Gefriertemperatur in den Gelporen unter –38 °C liegt. Eine zusätzliche Beanspruchung durch Tausalze verstärkt den Frostangriff, kann jedoch durch künstlich eingeführte Luftporen reduziert werden. Insgesamt lässt sich bei Beton durch betontechnologische Maßnahmen ein ausreichender Frostwiderstand erzielen. Chemischer Angriff
Zementgebundene Baustoffe sind häufig chemischen Angriffen ausgesetzt. Nach den chemischen Reaktionen lassen sich zwei Arten der Einwirkung unterscheiden: Lösender Angriff auf den Zementstein: verursacht durch leichtlösliche Neubildungen auf der Zementsteinoberfläche, die abgetragen werden; zu erkennen am Absanden der Oberfläche. Treibender Angriff: verursacht durch voluminöse Neubildungen im Zementsteininneren, die sprengend wirken können.
4.3 Zement
227
Lösender Angriff
Weiches Wasser mit einer Härte von c (Ca2++ Mg2+) 0,5 mmol/l vermag die Verbindungen des Zementsteins in geringem Umfang zu lösen; fließende Wässer sind dabei stärker aggressiv als stehende. Bei sehr dichtem Zementstein ist ein solcher Angriff aber relativ unbedeutend; d. h. weiche Wässer sind relativ ungefährlich. Fast alle Säuren lösen den Zementstein, lediglich Säuren, die schwerlösliche Calciumsalze bilden, sind unschädlich (z. B. Phosphorsäure, Flusssäure, Kieselfluorwasserstoffsäure; letztere wird z. B. sogar verwendet, um die Oberfläche zementgebundener Baustoffe durch „Fluatieren“ resistenter gegen Umwelteinflüsse zu machen). Die starken anorganischen Säuren lösen alle Bestandteile des Zementsteins; schwache Säuren reagieren dagegen vor allem mit dem Calciumhydroxidanteil des Zementes, können aber auch die anderen Hydratphasen mehr oder weniger langsam angreifen.
Basische Wässer greifen Zementstein im Allgemeinen nicht an. Verschiedene Salzlösungen (insbesondere Ammonium- und Magnesium-Salze) können durch so genannte Austauschreaktionen mit Kalkanteilen leichtlösliche Verbindungen bilden und so den Zementstein angreifen und zerstören. Von den organischen Säuren greifen Ameisensäure, Essigsäure und Milchsäure den Zementstein stärker an; auch „Huminsäuren“ (Moorböden und -wässer) zersetzen den Zementstein langsam; auslaugend wirken auch Zuckerlösungen und Glycerin.
Mineralöle, wie z. B. Heizöl, Motorenöle usw. sind nicht als schädlich einzustufen; Altöle können jedoch aggressiv wirken, da sie unter Umständen Oxidationsprodukte (Säuren) enthalten. Pflanzliche und tierische Öle und Fette greifen an; sie bestehen aus Glycerinestern, die durch „Verseifung“ das Zementsteingefüge aufweichen. Folgen des lösenden Angriffs auf den Zementstein ist meist das Auftreten von Ausblühungen, Aussinterungen oder Absandungen. Treibender Angriff
Zement muss raumbeständig sein, d. h. er darf sein Volumen nach erfolgter Verfestigung nicht mehr verändern, da sonst Spannungen entstehen würden, die zu Gefügezerstörungen führen. Treiberscheinungen treten bei nachträglichen Reaktionen im bereits erhärteten Beton oder Mörtel auf, und zwar als Folge ungebundener Zementbestandteile (siehe 4.3.4.5); alkaliempfindlicher Gesteinskörnungen (siehe 3.3.5.3); nachträglich in den Beton eindringender Substanzen (siehe 17.2.2). Bei dem treibenden Angriff auf Zementstein ist vor allem der Sulfatangriff zu nennen („Gipstreiben“). In die Zementsteinmatrix eindringende Sulfatlösungen bilden bei Berührung mit den tonerdehaltigen Verbindungen des erhärteten Zements als neue Verbindung vor allem das sehr voluminöse so genannte „Ettringit“. Infolge seines großen Raumbedarfs verursacht es Treiben (Rissbildung, schalenförmige Abplatzungen). Durch Herabsetzen des C3A-Gehaltes kann man den Zement sulfatbeständiger machen, da die Möglichkeit der Bildung von Ettringit hierdurch herabgesetzt ist. Zemente, die einen hohen
228
4 Mineralische Bindemittel
Sulfatwiderstand aufweisen, werden gemäß DIN 1164-10 mit den Kennbuchstaben „HS“ zusätzlich gekennzeichnet. In Abschnitt 17.2.2 sind die chemischen, physikalischen und mechanischen Einwirkungen auf Beton im Hinblick auf Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen ausführlich dargestellt.
4.3.5 Zementarten 4.3.5.1 Normung
Unterschiedliche Rohstoffvorkommen, unterschiedliche klimatische Bedingungen sowie unterschiedliche Bautechniken in den einzelnen Regionen Westeuropas führten zu einer großen Vielfalt von Zementarten. Im Hinblick auf die große Zahl der in Europa verwendeten Zementarten, wurde es als notwendig erachtet, „Normalzemente“ von solchen mit zusätzlichen oder besonderen Eigenschaften getrennt zu behandeln. Die DIN EN 197 erfasst daher alle Normalzemente, die von den einzelnen EU-Ländern als traditionell und bewährt eingestuft werden sind und über die ausreichende, langjährige Erfahrungen vorliegen. Die Erhärtung dieser Zemente hängt hauptsächlich von der Hydratation von Calciumsilicaten ab. Zemente mit anderen Erhärtungsmechanismen sowie Zemente mit besonderen Eigenschaften werden in anderen, meist nationalen Normen behandelt. 4.3.5.2 Normalzement nach DIN EN 197
DIN EN 197-1 legt die Eigenschaften und Anforderungen von insgesamt 27 unterschiedlichen Normalzementarten fest. Sie definiert Anforderungen an die Zementbestandteile, an die Zusammensetzung der Zemente und an ihre mechanischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften. Außerdem enthält die Norm die Konformitätskriterien und die damit verbundenen Regeln des Konformitätsnachweises. Normalzemente können neben Portlandzementklinker und dem als Erstarrungsregler zugegebenen Sulfatträger verschiedene Zumahlstoffe enthalten (siehe Tabelle 4.13). Je nach Art, Menge und hydraulischer Aktivität des Zumahlstoffes werden die Zementeigenschaften – im Vergleich zu reinem Portlandzement – mehr oder weniger stark verändert: Abnahme der Hydratationsgeschwindigkeit; mit steigender Mahlfeinheit des Zumahlstoffes kann diese jedoch deutlich gesteigert werden. geringere Hydratationswärme durch den kleineren Anteil an den stark exotherm reagierenden Klinkerphasen C3A und C3S. Diese geringere Hydratationswärme wird außerdem in einem größeren Zeitraum freigesetzt, so dass nur mäßige Temperaturerhöhungen auftreten. bessere Beständigkeit gegen aggressive Medien, da weniger Ca(OH)2 und C3A (höhere Sulfatbeständigkeit) enthalten ist. Normalzemente werden nach DIN EN 197-1 in folgende 5 Hauptgruppen unterteilt: CEM I Portlandzement; CEM II Portlandkompositzement; CEM III Hochofenzement; CEM IV Puzzolanzement; CEM V Kompositzement.
4.3 Zement
229
a) Portlandzement (CEM I)
enthält als Hauptbestandteil ausschließlich Portlandzementklinker. Er darf – wie alle anderen Normzemente – bis zu 5 M.-% Nebenbestandteile enthalten; dabei handelt es sich um anorganische mineralische Stoffe, die aus der Klinkerherstellung stammen oder hierfür als Ausgangsstoff eingesetzt werden. b) Portlandkompositzemente (CEM II)
enthalten neben Portlandzementklinker weitere zusätzliche Hauptbestandteile gemäß Tabelle 4.13, deren Anteil zwischen 6 und 35 M.-% betragen darf (Ausnahme: Silicastaub D mit 6 bis max. 10 M.-%). Die in der Tabelle angegebenen Kürzel (S, P, Q usw.) werden bei der Bezeichnung von CEM II-Zementen verwendet; die vorangestellten Kennbuchstaben A oder B geben den Mengenbereich der zusätzlichen Bestandteile an (A: 6 ... 20 M.-% / B: 21 ... 35 M.-%). Beispiel: CEM II/A-V bezeichnet einen Portlandflugaschezement mit 6 bis 20 M.-% (A) Flugasche (V), CEM II/B-S einen Portlandhüttenzement mit 21 bis 35 M.-% (B) Hüttensand (S).
Portlandhüttenzement (CEM II-S) besteht aus Portlandzementklinker und 6 bis 35 M.-% Hüttensand (siehe auch c) Hochofenzement). Portlandsilicastaubzement (CEM II-D) besteht aus Portlandzementklinker und Silicastaub. Bei hohen Silicastaubgehalten kann durch die starke puzzolanische Reaktion der pH-Wert der Porenlösung und damit der Korrosionsschutz des Bewehrungsstahles abgesenkt werden; aus diesem Grunde ist der Gehalt an Silicastaub im Portlandsilicastaubzement auf max. 10 M.-% begrenzt. Portlandpuzzolanzement (CEM II-P, CEM II-Q) wird hergestellt durch Mischung und werkmäßiges Feinmahlen von 6 bis 35 M.-% eines Puzzolans und entsprechend 65 bis 94 M.-% PZ-Klinker. Als Zumahlstoffe können natürliche Puzzolane (z. B. Trass) oder durch Tempern bei ca. 400° C thermisch aktiviertes vulkanisches Gestein (z. B. Phonolith, Lavamehl) eingesetzt werden. Trasszement (CEM II/A-P oder CEM II/B-P) weist folgende Vorteile auf: erhöhte Dichtigkeit des Zementsteins, da besonders feine Aufmahlung; deshalb höhere Widerstandsfähigkeit gegen aggressive Wässer; Verringerung des Kalkhydratanteils, der durch das reaktionsfähige SiO2 zu CSH gebunden wird. Die zusätzlich entstehenden, gelartigen CSH-Massen lagern sich in den Kapillarporen ab und erhöhen dadurch die Dichtigkeit des Zementsteins. Geringe Neigung zu Kalkausblühungen; Verringerung des „Zementblutens“ und verbesserte Plastizität des Zementmörtels (vorteilhaft für Pumpbeton); geringe und zeitlich verzögerte Hydratationswärmeentwicklung. Trasszement wird in Deutschland ausschließlich in der Festigkeitsklasse 32,5 N hergestellt. Betone mit Trasszement müssen daher lange feucht gehalten (nachbehandelt) werden; bei niedrigen Temperaturen sind die Ausschalfristen u. U. zu verlängern. Trasszement ist nicht zugelassen für Spannbeton sowie für Frost-Tausalz-beanspruchte Bauteile.
230
4 Mineralische Bindemittel
Typische Anwendungsgebiete sind Bauwerke des Wasserbaus sowie allgemein massige Bauteile. Trassmörtel werden bevorzugt zum Verlegen von Naturstein verwendet (Verhinderung von Kalkausblühungen).
Portlandflugaschezement (CEM II-V, CEM II-W) Flugasche entsteht beim Verbrennen von Steinkohlenstaub in Kraftwerken und wird aus den Rauchgasen in mechanischen Filtern oder Elektrofiltern abgeschieden; Asche aus anderen Verfahren darf nicht verwendet werden. Man unterscheidet zwischen kieselsäurereicher Flugasche (V) und kalkreicher Flugasche (W). Zemente mit kieselsäurereicher Flugasche dürfen für alle Expositionsklassen nach DIN 1045-2 verwendet werden, während die Anwendung bei kalkreicher Flugasche auf die Expositionsklassen X0 und XC2 beschränkt ist. Die wesentlichen Eigenschaften von Portlandflugaschezementen sind: langsamere Erhärtung mit geringerer Frühfestigkeit; geringere Hydratationswärme; bei entsprechender Nachbehandlung (länger als bei CEM I) mittlere Nacherhärtung; längere Verarbeitbarkeitszeit; bei niedrigerer Temperatur stärkere Erhärtungsverzögerung; geringerer Wasseranspruch; Verbesserung der Pumpfähigkeit von Beton. Einsatzgebiete sind insbesondere der Wasserbau und Tunnelbau.
Portlandschieferzement (CEM II-T) Bei ca. 800 °C gebrannter Ölschiefer weist in fein gemahlenem Zustand sowohl hydraulische als auch puzzolanische Eigenschaften auf. Portlandschieferzement enthält außer Portlandzementklinker 6 bis 35 M.-% Ölschiefer; seine Mahlfeinheit liegt über 4.000 cm²/g. In Deutschland wird CEM II-T nur im Zementwerk Dotternhausen (Baden-Württemberg) hergestellt.
Portlandkalksteinzement (CEM II-L, CEM II-LL) Durch die Zugabe von 6 bis 35 M.-% Kalksteinmehl zum Portlandzementklinker wird die Mahlbarkeit verbessert und eine größere Mahlfeinheit im Vergleich zu Portlandzement erreicht. Der Gesamtgehalt an enthaltenem organischen Kohlenstoff (TOC) wird durch die Buchstaben L (Massenanteil TOC 0,5 M.-%) bzw. LL (Massenanteil TOC 0,20 M.-%) gekennzeichnet. Die deutschen Portlandkalksteinzemente erfüllen die Bedingungen für die Klasse LL. Portlandkalksteinzement erhärtet sehr schnell, erreicht daher eine hohe Frühfestigkeit und hat fast keine Nacherhärtung. Die Erhärtungsverzögerung durch niedrige Temperaturen ist minimal. Hydratationswärme und Wasseranspruch sind etwas geringer als bei CEM I, die Verarbeitbarkeit etwas verbessert. Bei LP-Beton lässt sich ein relativ hoher Frost-TausalzWiderstand erzielen.
4.3 Zement
231
CEM II/A-LL darf für Beton nach DIN 1045-2 bei allen Expositionsklassen eingesetzt werden, CEM II/B-LL hingegen nur in den Expositionsklassen X0, XC1 und XC2.
Portlandkompositzement (CEM II-M) Portlandkompositzement enthält neben Portlandzementklinker mehrere weitere Hauptbestandteile, wobei alle Zumahlstoffe nach DIN EN 197-1 (siehe Tabelle 4.13) eingesetzt werden dürfen. Die verwendeten Hauptbestandteile außer Klinker müssen in der Zementbezeichnung angegeben werden (z. B. CEM II/B-M (S-LL)). Die Verwendbarkeit von CEM II-M bleibt auf die Expositionsklassen X0, XC1 und XC2 beschränkt. c) Hochofenzement (CEM III)
besteht aus Portlandzementklinker und Hüttensand als Hauptbestandteilen; der Hüttensandgehalt liegt zwischen 36 und 95 M.-%. Die bei der Eisengewinnung im Hochofen anfallende, durch Abschreckung des Schmelzflusses granulierte, basische Hochofenschlacke – so genannter „Hüttensand“ – ist ein latent hydraulischer Stoff. Die Zusammensetzung dieser Hochofenschlacke ist ähnlich der des Portlandzements, sie ist aber wesentlich kalkärmer. Das hydraulische Erhärtungsvermögen wird durch Kalk [Ca(OH)2] angeregt, der bei der Hydratation von Portlandzementklinker freigesetzt wird. Die Hydratationsprodukte entsprechen denen des Portlandzementes, wobei jedoch freies Ca(OH)2 praktisch fehlt. Hüttenzemente – hierzu zählen neben CEM III auch CEM II-S - werden durch Mischen von Hüttensand mit Portlandzementklinker und anschließendem gemeinsamem Aufmahlen hergestellt. Wesentliche Merkmale der Hüttenzemente sind: langsamere Erhärtung bei praktisch gleicher Endfestigkeit wie bei CEM I; mit steigendem Hüttensandgehalt feinere Porenstruktur, dadurch Erhöhung des Diffusionswiderstands z. B. gegenüber Chloriden; Bildung von weniger Kalkhydrat bei der Hydratation; niedrigere Hydratationswärme, daher besonders geeignet für massige Bauteile; Verbesserung der Sulfatbeständigkeit durch geringeren C3A-Gehalt (Hochofenschlacke enthält praktisch kein C3A). Ab einem Hüttensandanteil von 66 M.-% gelten sie als hochsulfatbeständig (HS-Zement). d) Puzzolanzement (CEM IV)
Puzzolanzement enthält neben Zementklinker 11 bis 55 M.-% eines Gemisches aus Silicastaub (D), Puzzolanen (P, Q) und Flugasche (V, W). e) Kompositzement (CEM V)
Kompositzement besteht aus 20 bis 64 M.-% Zementklinker, 18 bis 50 M.-% Hüttensand sowie 18 bis 50 M.-% Puzzolanen und/oder kieselsäurereicher Flugasche. Die Mahlfeinheit beträgt 4.000 bis 5.000 cm2/g; der Zement ist also relativ fein gemahlen. Die Dichte liegt bei 2,8 bis 2,9 kg/dm3. Er hat eine sehr langsame Festigkeitsentwicklung und eine entsprechend
232
4 Mineralische Bindemittel
gute Nachhärtung. Die Hydratationswärme ist relativ niedrig; der Frostwiderstand ist etwas geringer. Zu den Kompositzementen zählt der frühere Trasshochofenzement (TrHOZ), der vor allem bei massigen Bauwerken und im Wasserbau Verwendung findet. Tabelle 4.13 Bezeichnung und Zusammensetzung der 27 Normalzementarten Zusammensetzung: (Massenanteile in Prozent)a
Haupt- Bezeichnung der 27 Produkte zement(Normalzementarten) arten
Hauptbestandteile PortHüt- Silica- Puzzolane Flugasche GeKalkstein Neland- tensand staub brannbenzementter benatür- natür- Kiesel- kalkklinker standlich lich säure- reich Schiefer teile getem- reich pert
CEM I Portlandzement CEM I CEM II Portlandhütten- CEM II/A-S zement CEM II/B-S PortlandsilicaCEM II/A-D staubzement PortlandCEM II/A-P puzzolanCEM II/B-P zement CEM II/A-Q CEM II/B-Q PortlandflugCEM II/A-V aschezement CEM II/B-V CEM II/A-W CEM II/B-W PortlandCEM II/A-T schieferzement CEM II/B-T PortlandCEM II/A-L kalksteinzement CEM II/B-L CEM II/A-LL CEM II/B-LL CEM II Portlandkompo- CEM II/A-M sitzementc CEM II/B-M CEM III Hochofenzement CEM III/A CEM III/B CEM III/C CEM IV Puzzolanzementc CEM IVA CEM IV/B CEM V KompositCEM V/A zementc CEM V/B a b c
K 95–100 80–94 65–79
S – 6–20 21–35
90–94
Db – – –
P – – –
Q – – –
V – – –
W – – –
T
L
LL
– – –
– – –
– – –
0–5 0–5 0–5
6–1D
–
–
–
–
–
–
–
0–5
80–94 65–79 80–94 65–79 80–94 65–79 80–94 65–79 80–94 65–79 80–94 65–79 80–94 65–79 89–94
– – – – – – – – – – – – – –
– – – – – – – – – – – – – –
35–64 20–34 5–19 65–89 45–64 40–64
36–65 66–80 61–95 – – 18–30
– – –
20–3B
31–50
–
–
6–20 – – – – – – 21–35 – – – – – – – 6–20 – – – – – – 21–35 – – – – – – – 6–20 – – – – – – 21–35 – – – – – – – 6–20 – – – – – – 21–35 – – – – – – – 6–20 – – – – – – 21–35 – – – – – – – 6–20 – – – – – – 21–35 – – – – – – – 6–20 – – – – – – 21–35 ← 6–20 → ← 12–35 → – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – ← 11–35 → – – – ← 36–55 → – – – ← 16–30 → – – – – ← 31.50 →
–
–
–
–
0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5 0–5
Die Werte in der Tabelle beziehen sich auf die Summe der Haupt- und Nebenbestaridteile. Der Anteil von Silicastaub ist auf 10 % begrenzt. In den Portlandkompositzementen CEM II/A-M und CEM ll/B-M, in den Puzzolanzementen CEM IV/A und CEM IV/B und in den Kompositzementen CEM V/A und CEM V/B müssen die Hauptbestandteile außer Portlandzementklinker durch die Bezeichnung des Zementes angegeben werden.
233
4.3 Zement
In Tabelle 4.13 sind die Anforderungen an die Zusammensetzung der Normalzementarten nach DIN EN 197-1 zusammengestellt. Tabelle 4.14 enthält die Festigkeitsklassen mit den jeweiligen Anforderungen bzgl. Druckfestigkeit, Erstarren und Raumbeständigkeit. Die vollständige Bezeichnung für Normalzement nach DIN EN 197-1 setzt sich zusammen aus: Produktbezeichnung, maßgebliche Norm, Kurzzeichen für die Zementart, Festigkeitsklasse. Beispiele: Portlandzement EN 197-1 – CEM I 42,5 R Portlandkalksteinzement EN 197-1 – CEM II/A-L 32,5 N Bei Portlandkompositzement CEM II-M, Puzzolanzement (CEM IV) und Kompositzement (CEM V) werden zusätzlich die verwendeten Hauptbestandteile (außer Klinker) in Klammern angegeben. Beispiele: Portlandkompositzement EN 197-1 – CEM II/B-M (S-LL) 42,5 R Kompositzement EN 197-1 – CEM V/A (S-V) 32,5 N Normalzement mit niedriger Hydratationswärme wird zusätzlich mit LH (low heat) gekennzeichnet. Beispiel: Hochofenzement EN 197-1 – CEM III/B 32,5 N – LH Tabelle 4.14 Mechanische und physikalische Anforderungen an Normalzemente nach DIN EN 197-1 Festigkeitsklasse
Druckfestigkeit [MPa] Anfangsfestigkeit 2 Tage
7 Tage
32,5 N
–
≥ 16,0
32,5 R
≥ 10,0
–
42,5 N
≥ 10,0
–
42,5 R
≥ 20,0
–
52,5 N
≥ 20,0
–
52,5 R
≥ 30,0
–
Normfestigkeit 28 Tage
Erstarrungsbeginn
Raumbeständigkeit (Dehnungsmaß)
[min]
[mm]
≥ 32,5
≤ 52,5
≥ 75
≥ 42,5
≤ 62,5
≥ 60
≥ 52,5
–
≥ 45
≤ 10
Die in Tabelle 4.14 genannten Anfangsfestigkeiten werden von manchen Zementarten nicht erreicht; dies gilt insbesondere für Hochofenzemente mit mittlerem und hohem Hüttensandanteil. Daher werden in DIN EN 197-4 Hochofenzemente mit niedriger Anfangsfestigkeit gesondert behandelt. Für derartige Zemente werden verminderte Anforderungen an die Anfangsfestigkeit im Alter von 2 bzw. 7 Tagen gestellt (siehe Tabelle 4.15). Die langsame Erhär-
234
4 Mineralische Bindemittel
tung wird durch den Buchstaben L in der Festigkeitsklasse gekennzeichnet; ansonsten stimmt die Zementbezeichnung mit derjenigen nach DIN EN 197-1 überein. Beispiel: Hochofenzement mit niedriger Anfangsfestigkeit EN 197-4 – CEM III/B 32,5 L Tabelle 4.15 Anforderungen an die Druckfestigkeit von Hochofenzementen mit niedriger Anfangsfestigkeit nach DIN EN 197-4 Festigkeitsklasse
Druckfestigkeit [MPa] Anfangsfestigkeit
Normfestigkeit
2 Tage
7 Tage
28 Tage
32,5 L
–
≥ 12,0
≥ 32,5
≤ 52,5
42 5 L
–
≥ 16,0
≥ 42,5
≤ 62,5
52,5 L
≥ 10,0
–
≥ 52,5
–
4.3.5.3 Zement mit besonderen Eigenschaften nach DIN 1164
Zemente mit besonderen Eigenschaften müssen die Anforderungen für die allgemeinen Eigenschaften nach DIN EN 197-1 erfüllen und weisen darüber hinaus noch besondere Eigenschaften auf. Sie tragen sowohl die CE-Kennzeichnung als auch das Übereinstimmungszeichen. Bei der Bezeichnung der Zemente wird auf DIN 1164 verwiesen und die besondere Eigenschaft durch zusätzliche Kennbuchstaben beschrieben. Zement mit hohem Sulfatwiderstand (HS-Zement)
Bei HS-Zementen ist die nachträgliche Ettringitbildung infolge Sulfatangriff stark eingeschränkt; die Zemente werden deshalb bei hohem Sulfatgehalt im Grundwasser oder im Boden verwendet. Als sulfatbeständig gelten Portlandzement CEM I mit einem rechnerischen Gehalt an C3A von höchstens 3,0 M.-% und mit einem Gehalt an Al2O3 von höchstens 5 M.-%; Hochofenzement CEM III/B und CEM III/C mit mindestens 66 M.-% Hüttensand und höchstens 34 M.-% Portlandzementklinker. Beispiel: Hochofenzement DIN 1164 – CEM III/C 32,5 N – HS Zement mit niedrigem wirksamem Alkaligehalt (NA-Zement)
Alkaliempfindliche Gesteinskörnungen (siehe 3.3.5.3) können in feuchter Umgebung mit den Alkalien des Zementes reagieren und zu Treiberscheinungen (Absprengungen, Rissbildungen usw.) im Beton führen. Die Gefahr der Alkalireaktion kann durch Verwendung von Zement mit niedrigem wirksamem Alkaligehalt deutlich verringert werden. Zu den NA-Zementen zählen alle Zemente (CEM I ... CEM V) mit einem Na2O-Äquivalent 0,60 M.-%, außerdem:
CEM II/B-S mit ≥ 21 M.-% Hüttensand und 0,70 M.-% Na2O-Äquivalent; CEM III/A mit 49 M.-% Hüttensand und 0,95 M.-% Na2O-Äquivalent;
235
4.3 Zement
CEM III/A mit ≥ 50 M.-% Hüttensand und 1,10 M.-% Na2O-Äquivalent; CEM III/B mit 2,00 M.-% Na2O-Äquivalent; CEM III/C mit 2,00 M.-% Na2O-Äquivalent. Beispiel: Portlandhüttenzement DIN 1164 – CEM II/B-S 32,5 R – NA Zement mit frühem Erstarren (FE-Zement)
Bei diesen Zementen darf der Erstarrungsbeginn frühestens nach 15 min und spätestens nach 75, 60 oder 45 min (je nach Festigkeitsklasse: 32,5 / 42,5 / 52,5) erfolgen. Bei entsprechend kurzen Verarbeitungszeiten sind FE-Zemente insbesondere für die Herstellung von Betonfertigteilen einsetzbar. Beispiel: Portlandkalksteinzement DIN 1164 – CEM II/A-LL 42,5 R – FE Zement mit schnellem Erstarren (SE-Zement)
Diese Zemente weisen einen Erstarrungsbeginn von weniger als 45 Minuten auf und sind daher für die normale Betonherstellung nicht geeignet. Ihre Anwendung beschränkt sich auf besondere Betonierverfahren, z. B. Spritzbeton. Beispiel: Portlandzement DIN 1164 – CEM I 32,5 N – SE Zement mit erhöhtem Anteil organischer Bestandteile (HO-Zement)
Abweichend von DIN EN 197-1 darf HO-Zement nach DIN 1164 bis zu 1 M.-% organische Bestandteile enthalten. Dabei handelt es sich um stark verflüssigend wirkende Zusätze, die die Konsistenz des Zementleims verändern. Beispiel: Portlandzement DIN 1164 – CEM I 42,5 R – HO Zement mit niedriger Hydratationswärme
Diese Zemente wurden früher in DIN 1164 behandelt (damalige Bezeichnung: NW-Zement), sind mittlerweile aber in DIN EN 197-1 erfasst (LH-Zement). Zemente, die mehrere besondere Eigenschaften erfüllen, werden durch Angabe aller zutreffenden Eigenschaften gekennzeichnet. Beispiel: Hochofenzement DIN 1164 – CEM III/B 42,5N – LH/HS/NA Tabelle 4.16 Kennfarben für die Festigkeitsklassen Festigkeitsklasse 32,5 N 32,5 R 42,5 N 42,5 R 52,5 N 52,5 R
Kennfarbe hellbraun grün rot
Farbe des Aufdrucks schwarz rot schwarz rot schwarz weiß
236
4 Mineralische Bindemittel
Bei Zementen nach DIN 1164 sind die Kennfarben der Säcke (bei Siloware: des Lieferscheins) und die Farbe des Aufdrucks festgelegt (siehe Tabelle 4.16). DIN EN 197 enthält keine entsprechende Regelung, jedoch halten die deutschen Zementhersteller auch bei Normalzementen nach DIN EN 197 die farbliche Kennzeichnung gemäß Tabelle 4.16 bei. 4.3.5.4 Sonderzemente
Bei Sonderzementen muss beachtet werden, dass verschiedene Gruppen zu unterscheiden sind. Genormte und bauaufsichtlich zugelassene Zemente dürfen entsprechend ihren besonderen Eigenschaften für Beton und Stahlbeton verwendet werden. Nicht zugelassene Zemente hingegen dürfen für tragende Bauteile nicht verwendet werden. In besonderen Fällen kann eine Zustimmung im Einzelfall beantragt werden. Zement mit sehr niedriger Hydratationswärme
In DIN EN 14216 werden Sonderzemente mit sehr niedriger Hydratationswärme, so genannte VLH-Zemente („Very Low Heat“), behandelt. Die Hydratationswärme von VLH-Zementen darf höchstens 220 J/g betragen. Wegen der damit verbundenen sehr langsamen Festigkeitsentwicklung wird für VLH-Zemente die Festigkeitsklasse 22,5 definiert. Dabei wird eine 28-Tage-Druckfestigkeit (Normfestigkeit) zwischen 22,5 und 42,5 N/mm² gefordert; es bestehen keine Anforderungen bzgl. Anfangsfestigkeit. Tabelle 4.17 Bezeichnung und Zusammensetzung der 6 VLH-Zementarten Hauptzementart
Bezeichnung der 6 Produkte (Sonderzemente mit sehr niedriger Hydratationswärme)
Zusammensetzung (Massenanteile in Prozent)a Hauptbestandteile Klinker Hüttensand Silicatstaub
Puzzolane
Flugachse
natür- natürlich kieselsäurelich getempert reich
VLH III Hochofenzement VLH IV Puzzolanzementc
VLH V a b c
Kompositzementc
Nebenbestandteile
kakreich
K
S
Db
P
Q
V
W
VLH III/B
20–34
66-30
–
–
–
–
–
0–5
VLH III/C
5–19
81-95
–
–
–
–
–
0–5
VLH IV/A
65–35
–
← 11–35 →
VLH IV/B
45–64
–
← 36–55 →
VLH V/A
40–64
18-30
–
← 18–30 →
–
0–5
VLH V/B
20–38
31–50
–
← 31–50 →
–
0–5
0–5 0–5
Die Werte in der Tabelle beziehen sich auf die Summe der Haupt- und Nebenbestandteile. Der Massenanteil an Silicastaub ist auf 10 % begrenzt. In den Puzzolanzementen VLH IV/A und den VLH IV/B und den Kompositzementen VLH V/A und VLH V/B müssen die Hauptbestandteile neben Klinker durch die Bezeichnung des Zementes angegeben werden.
Bei VLH-Zementen handelt es sich um Hochofen-, Puzzolan- und Kompositzemente mit einer Zusammensetzung entsprechend Tabelle 4.17. Die Zemente werden vor allem beim Bau von Dämmen oder anderen massigen Bauwerken eingesetzt; für die Verwendung in hohen Stahlbetonbauwerken, z. B. in Brücken oder Gebäuden, sind VLH-Zemente nicht geeignet.
4.3 Zement
237
Weißzement
Weißzement ist ein eisenoxidarmer Portlandzement CEM I nach DIN EN 197. Er wird aus ausgewählten eisen- und manganarmen Rohstoffen mit speziellen Verfahren hergestellt und ist deshalb wesentlich teurer als Grauzement. Übliche Festigkeitsklassen sind 42,5 R und 52,5 R. Der Zement wird in weißen Säcken mit schwarzem Aufdruck geliefert. Außer der weißen Farbe weist Weißzement die gleichen technologischen Eigenschaften wie ein entsprechender grauer Portlandzement auf. Weißzement ergibt einen hellen Beton, der auch gut eingefärbt werden kann. Deshalb wird er vorwiegend verwendet für Sichtbeton, für hellfarbigen Vorsatzbeton, außerdem für Putze, wetterfeste Anstriche, Fugen, Terrazzo usw. Hydrophobierter Zement
Hydrophobierter Zement ist in der Regel ein Portlandzement EN 197-1 – CEM I 32,5 R, bei dem die Zementpartikel durch Zumischung eines wasserabweisenden (hydrophoben) Stoffes umhüllt sind. Er wird vor allem zur Bodenverfestigung verwendet. Der Zement ist gegen Feuchtigkeit (Regen) unempfindlich und kann daher ungeschützt auf der Baustelle praktisch unbegrenzt gelagert werden. Die hydrophobe Umhüllung wird durch Reibung mit dem Boden oder mit den Gesteinskörnungen (beim Mischen von Beton) zerstört; erst danach setzt die volle Festigkeitsentwicklung ein. Zement für den Straßenbau
Für die Herstellung von Fahrbahndeckenbeton sind gemäß ZTV Beton-StB 07 Zemente nach DIN EN 197-1 oder DIN 1164-10 zu verwenden. In der Regel kommt ein Portlandzement CEM I 32,5 R zum Einsatz; ggf. kann die Anwendung eines Zements der Festigkeitsklasse 42,5 zweckmäßig sein (z. B. CEM I 42,5 R für die Herstellung von frühhochfestem Straßenbeton). Nach Absprache mit dem Bauherrn können auch Portlandhüttenzement, Portlandschieferzement oder Portlandkalksteinzement der Festigkeitsklassen 32,5 und 42,5 bzw. Hochofenzement CEM III/A (mindestens Festigkeitsklasse 42,5 N) verwendet werden. Wegen der Besonderheiten beim Bau von Fahrbahndecken aus Beton (großflächige, verhältnismäßig dünne Betonteile, hohe Anforderungen an die Oberfläche, längere Transportwege, höhere Einbautemperaturen) werden über die Anforderungen von DIN EN 197-1 hinaus an die Zemente zusätzliche Anforderungen gestellt: Portlandzemente müssen einen Gesamtalkaligehalt (als Na2O-Äquivalent) ≤ 0,80 M.-% aufweisen; für andere Zemente gelten die Gesamtalkaligehalte gemäß Alkali-Richtlinie (sog. Fahrbahndeckenzemente, siehe Tabelle 4.18). Bei allen Zementen – ausgenommen Zemente für frühhochfesten Straßenbeton – darf der Erstarrungsbeginn bei 20 °C frühestens nach 2 Stunden einsetzen. Für CEM I 32,5 R gilt zusätzlich: Mahlfeinheit ≤ 3500 cm²/g, Wasseranspruch ≤ 28,0 M.-%, 2-Tage-Druckfestigkeit ≤ 29,0 N/mm².
238
4 Mineralische Bindemittel
Tabelle 4.18 Höchstzulässige charakteristische Werte des Alkaligehaltes von Zementen für Bauteile in der Feuchtigkeitsklasse WS nach Alkali-Richtlinie Zement
Hüttensandgehalt Alkaligehalt des Zements Alkaligehalt des Zements Na2O-Äquivalent ohne Hüttensand bzw. Ölschiefer [M.-%] [M.-%] Na2O-Äquivalent in M.-% –
≤ 0,80
–
CEM II/B-T
–
–
≤ 0,90
CEM II/B-S
21 bis 29
–
≤ 0,90
CEM II/B-S
30 bis 35
–
≤ 1,00
CEM III/A
36 bis 50
–
≤ 1,05
CEM I + CEM II/A
Tonerdezement
Tonerdezement besteht im Wesentlichen aus Calciumaluminaten (ca. 70 bis 80 M.-%). Die Ausgangsstoffe Kalkstein und Bauxit werden bis zur Sinterung ( 1500 °C) oder bis zum Schmelzen ( 1600 °C, Bezeichnung: Tonerdeschmelzzement) erhitzt und anschließend fein gemahlen. Die Hauptphase des Klinkers bildet das Monocalciumaluminat CA, weitere Klinkerphasen sind C4AF, C12A7 und C2AS, jedoch kein C3A. Tonerdezement erstarrt normal und ist etwa 1,5 bis 2 h verarbeitbar. Er erhärtet aber sehr schnell; deshalb ist die Hydratationswärme (545 bis 585 J/g) zum Teil deutlich höher als bei anderen Zementen. Bei der Hydratation bindet er ca. 50 M.-% Wasser chemisch und liefert dadurch auch bei hohem w/z-Wert noch sehr hohe Festigkeiten. Eine wesentliche Besonderheit von Tonerdezement besteht darin, dass die entstehenden Hydratationsprodukte und deren Stabilität stark von der Temperatur abhängen. Bei Temperaturen unter 25 °C entstehen aus dem CA festigkeitsbildende, aber metastabile Hydratphasen; diese wandeln sich je nach Lagerungsbedingungen mehr oder weniger schnell in stabile Phasen um: eine vollständige Umwandlung (auch „Konversion“ genannt) dauert bei 20 °C mehrere Jahre, bei 80 °C hingegen nur wenige Stunden. Als Folge dieser unvermeidbaren Konversion nimmt die Porigkeit zu und demzufolge die Festigkeit ab. Seit 1962 ist die Verwendung von Tonerdezement für tragende Betonbauteile in Deutschland verboten, nachdem im gleichen Jahr einige Stalldecken in Niederbayern eingestürzt waren. Bei den dort eingebauten Spannbetonfertigteildecken wurde neben dem Festigkeitsrückgang des Betons als weitere Schadensursache eine Wasserstoffversprödung der Spannstähle festgestellt. Tonerdezement wird heute in Deutschland vor allem im Feuerungsbau, als Korrosionsschutz von Stahl- und Gussrohren (Zementmörtelauskleidung) sowie für Schnellzement, Spachtelmassen u. ä. verwendet. Tiefbohrzement
Tiefbohrzemente (Bohrlochzemente) dienen zum Auskleiden von tiefen Bohrlöchern für die Erdöl- und Erdgasgewinnung. Es sind Portland- und Puzzolanzemente, die mit stark verzö-
4.3 Zement
239
gernden Zusätzen auch bei den in großen Tiefen herrschenden Temperaturen (bis 150 °C) und unter hohem Druck (bis 1.000 bar) erst nach längerer Zeit ansteifen und erstarren. Sie weisen eine hohe Sulfatbeständigkeit sowie geringe Neigung zum Wasserabsondern (Bluten) auf. Tiefbohrzemente sind nicht genormt. Schnellzement
Schnellzement ist ein kalkreicher Portlandzement mit erhöhtem Gehalt an Aluminaten und erheblichem Fluorgehalt. In Deutschland wird „Wittener Schnellzement“ als werkseitige Mischung aus CEM I, Tonerdeschmelzzement und weiteren Zusätzen hergestellt. Er darf nicht mit anderen Bindemitteln und nicht mit Betonzusatzstoffen (außer inertem Gesteinsmehl) vermischt werden; außerdem darf er nicht wärmebehandelt werden. Schnellzement erstarrt und erhärtet sehr schnell; die Verarbeitungszeit beträgt ca. 30 min. Nach 2 Stunden wird eine Druckfestigkeit von etwa 5 N/mm², nach 2 Tagen von rd. 40 N/mm² erreicht; der weitere Festigkeitszuwachs ist nur noch gering. Verwendet wird er hauptsächlich bei schnell auszuführenden Reparaturen (z. B. von Straßendecken), beim Betonieren unter Wasser, zur Befestigung von Dübeln, Ankern u. ä. Quellzement
Bei Quellzement wird das unvermeidbare Schwinden des Zementsteins durch ein kontrolliertes Treiben kompensiert. Er entsteht durch Vermischen oder Vermahlen von Portlandzement mit treibenden Zusätzen (z. B. Tonerdeschmelzzement + Gips), wodurch es bei der Hydratation zu einem Sulfattreiben infolge Ettringitbildung kommt. In Deutschland darf Quellzement nicht für Konstruktionsbauteile verwendet werden, weil das Treibmaß vom nur schwer regelbaren Feuchteangebot im Bauteil abhängt und deshalb nicht gezielt steuerbar ist. 4.3.5.5 Kennzeichnung, Lieferung
Nach DIN EN 197-1 sollten das CE-Zeichen, die Kennnummer der Zertifizierungsstelle und die Begleitinformationen bei losem Zement in den Begleitdokumenten angegeben, bei Sackzement zusätzlich auf den Sack aufgedruckt werden. Zemente mit besonderen Eigenschaften nach DIN 1164 werden neben der CE-Kennzeichnung zusätzlich mit dem Übereinstimmungszeichen gekennzeichnet. DIN EN 197-1 enthält für Normalzemente keine Regelungen zum Sackgewicht sowie zu den Kennfarben der Verpackung, des Sackaufdrucks sowie für das bisher geforderte witterungsfeste Blatt zum Anheften am Silo. Die deutschen Zementhersteller haben sich jedoch darauf geeinigt, die Regelungen zum Sackgewicht (25 kg) sowie die farbliche Unterscheidung der Verpackung (siehe Tabelle 4.16) beizubehalten, zumal für die Zemente mit besonderen Eigenschaften nach DIN 1164 die früheren Regelungen weiterhin gelten. Nach der Gefahrstoffverordnung handelt es sich bei Zement um eine „gefährliche Zubereitung“, auf deren mögliche gesundheitliche Gefahren ausdrücklich hingewiesen werden muss. Neben dem Gefahrensymbol Xi (reizend) werden Gefahrenhinweise (R-Sätze) und Sicherheitshinweise (S-Sätze) angegeben, die insbesondere bei Hautkontakt zu befolgen sind (siehe Bild 4-17).
240
4 Mineralische Bindemittel
Bild 4-16 Beispiel einer CE-Kennzeichnung von Zement
Bild 4-17 Kennzeichnung von Zement nach der Gefahrstoffverordnung
Zemente enthalten in geringen Mengen allergisch wirkende Chromate, durch die es zusammen mit der Alkalität des angemachten Zementes bei unsachgemäßer Verarbeitung von Hand zu allergischen Hautreaktionen kommen kann. Das Risiko, an dieser so genannten „Maurerkrätze“ zu erkranken, nimmt mit steigendem Chromatgehalt zu.
4.4 Sonstige kalk- oder zementhaltige Bindemittel
241
Die deutschen Zementhersteller bieten seit dem Jahr 2000 chromatarme Zemente an, bei denen der Chromatanteil nach TRGS 613 (TRGS = Technische Regeln für Gefahrstoffe) auf weniger als 2 ppm reduziert ist. Diese Zemente sind mit dem Aufdruck „Chromatarm gemäß TRGS 613“ gekennzeichnet. Nach der EU-Richtlinie 2003/53/EG müssen seit Anfang 2005 sämtliche Zemente europaweit den Grenzwert von 2 ppm einhalten. Durch die Chromatreduzierung werden die Eigenschaften der Zemente bzw. der daraus hergestellten Mörtel und Betone nur unwesentlich beeinflusst. Lediglich bei Kontakt mit verzinkten Metallen (verzinkte Einbauteile, verzinkte Stahlfasern) wurde eine Oberflächenreaktion zwischen der Zinkschicht und der alkalischen Umgebung in Form von gasförmigen verbundstörenden Reaktionsprodukten beobachtet.
4.4 Sonstige kalk- oder zementhaltige Bindemittel 4.4.1 Putz- und Mauerbinder (MC) Putz- und Mauerbinder ist ein werkmäßig hergestelltes fein gemahlenes hydraulisches Bindemittel. Seine Hauptbestandteile sind Zement nach DIN EN 197 und Gesteinsmehl; er darf Kalkhydrat nach DIN EN 459 und Zusätze zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit enthalten. Putz- und Mauerbinder wird mit Sand und Wasser ohne Zugabe weiterer Stoffe zu einem verarbeitbaren Mörtel gemischt, der für die Verwendung bei Putz- und Mauerarbeiten geeignet ist. Er erhärtet sowohl an der Luft als auch unter Wasser und bleibt auch unter Wasser fest. Die Anforderungen an Putz- und Mauerbinder sind in DIN EN 413-1 festgelegt; die zugehörigen Prüfverfahren werden in DIN EN 413-2 beschrieben. Putz- und Mauerbinder wird durch das Kurzzeichen MC („Masonry Cement“) bezeichnet. DIN EN 413 unterscheidet nach der Mindestdruckfestigkeit im Alter von 28 Tagen folgende drei Festigkeitsklassen: MC 5 / MC 12,5 / MC 22,5. Putz- und Mauerbindern niedrigerer Festigkeitsklassen (MC 5 / MC 12,5) werden luftporenbildende Zusätze zugegeben, um ihre Verarbeitbarkeit und ihre Dauerhaftigkeit zu verbessern. Um eine gute Verbundfestigkeit mit den Mauersteinen zu erzielen, wird der Luftgehalt nach oben begrenzt. Putz- und Mauerbinder ohne Luftporenbildner werden zusätzlich mit dem Buchstaben X gekennzeichnet (MC 12,5X / MC 22,5X). Binder der Festigkeitsklasse MC 5 müssen mindestens 25 M.-% Portlandzementkinker, Binder der übrigen Festigkeitsklassen mindestens 40 M.-% Portlandzementklinker enthalten. Der Siebrückstand auf dem 90-m-Sieb darf höchstens 15 M.-% betragen. Der Erstarrungsbeginn darf frühestens nach 60 min erfolgen. Wenn der Erstarrungsbeginn nach weniger als 6 h erfolgt, besteht keine Anforderung für das Erstarrungsende. Wenn der Erstarrungsbeginn nach 6 h oder später erfolgt, darf das Erstarrungsende spätestens nach 15 h erfolgen.
242
4 Mineralische Bindemittel
Alle Putz- und Mauerbinderarten müssen ein ausreichend hohes Wasserrückhaltevermögen aufweisen, damit der Mörtel bei der Verwendung von Mauersteinen mit hohem Saugvermögen nicht „verdurstet“ und eine geeignete Qualität des Mauerwerks erreicht wird.
4.4.2 Hydraulische Boden- und Tragschichtbinder (HRB) Hydraulische Boden- und Tragschichtbinder (HRB = „Hydraulic Road Binder“) sind werkgefertigte hydraulische Bindemittel, die besonders für hydraulische gebundene Tragschichten (HGT), Bodenverfestigungen und -verbesserungen unter Verkehrsflächen aller Art verwendet werden. HRB erhärtet sowohl an der Luft als auch unter Wasser und bleibt unter Wasser fest. Die Hauptbestandteile von hydraulischen Boden- und Tragschichtbindern entsprechen denjenigen der Zemente nach DIN EN 197-1 (siehe Tabelle 4.8, mit Ausnahme von Silikastaub); darüber hinaus können sie Kalke nach DIN EN 459-1, Calciumsulfat zur Regelung des Erstarrens sowie bis zu 5 M.-% aus der Klinkerproduktion stammende Nebenbestandteile enthalten. Die Anforderungen an HRB sind in DIN 18506 festgelegt; bei der Untersuchung von HRB kommen die Prüfverfahren für Zement nach EN 197 zur Anwendung. Der Siebrückstand auf dem 0,09-mm-Sieb darf höchstens 15 M.-% betragen. Der Erstarrungsbeginn darf frühestens nach 2 h, das Erstarrungsende spätestens 12 h nach dem Anmachen erreicht sein. Das Dehnungsmaß nach Le Chatelier (Raumbeständigkeit) darf höchstens 10 mm betragen. Hydraulische Boden- und Tragschichtbinder werden in die drei Festigkeitsklassen 12,5 / 12,5 E / 32,5 E eingeteilt; für die mit E gekennzeichneten Klassen werden neben der 28Tage-Druckfestigkeit zusätzlich Anforderungen an die Mindestdruckfestigkeit nach 7 Tagen gestellt.
4.5 Magnesiabindemittel 4.5.1 Rohstoffe, Herstellung Als Rohstoff zur Herstellung von Magnesiabinder dienen Magnesit [MgCO3] und Dolomit [CaMg(CO3)2]. Die Herstellung von Magnesiabinder erfolgt durch Brennen der Ausgangsstoffe bei Temperaturen von 800 bis 900 °C: Magnesit: MgCO3 Dolomit:
MgO + CO2
CaMg(CO3)2 CaCO3 + MgO + CO2
Das bei diesen Temperaturen entstehende Magnesiumoxid, das mit Wasser reagieren kann, wird „kaustische Magnesia“ genannt (kaustisch = ätzend). Früher wurde Magnesiabinder nach seinem Erfinder auch als Sorel-Zement bezeichnet. Bei Temperaturen > 1600 °C gebrannt erhält man aus Magnesit gesintertes Magnesiumoxid, ein nicht mehr mit Wasser reagierendes Produkt, das zur Herstellung hochfeuerfester Steine (Magnesitsteine) dient.
4.5 Magnesiabindemittel
243
4.5.2 Erhärtung Kaustische Magnesia erhärtet nur durch Zugabe von Salzlösungen 2-wertiger Metalle, z. B. Magnesiumsalzlösung (diese Mischung bezeichnet man im Allgemeinen als Magnesiabinder), unter Bildung komplex zusammengesetzter basischer Magnesiumsalze (Mg2(OH)3C1·4 H20 oder ähnliches) in wenigen Stunden zu einer marmorartigen polierfähigen Masse. Das Erstarren des Magnesiabreies darf frühestens 30 min nach dem Anmachen beginnen und muss spätestens 5 h nach dem Anmachen beendet sein (DIN EN 14016-1). Wichtig ist das Einhalten eines bestimmten Mischungsverhältnisses bei der Magnesiamörtelherstellung. Nach DIN 18560-1 (Estriche im Bauwesen) sollte das Mischungsverhältnis von wasserfreiem Magnesiumchlorid (MgCl2) zu Magnesiumoxid (MgO) zwischen 1 : 2,0 und 1 : 3,5 Massenanteilen liegen. Bei MgCl2-Überschuss neigt die erhärtete Mischung zur Durchfeuchtung, da Magnesiumchlorid hygroskopisch ist; bei zuviel Mg0 erhält man ein poröses Produkt mit geringerer Festigkeit. Bei Verwendung von MgSO4-Lösung ist die Gefahr hygroskopischer Durchfeuchtung nicht gegeben, die erzielbaren Festigkeiten sind jedoch etwas geringer.
4.5.3 Eigenschaften und Verwendung Kaustische Magnesia muss einen MgO-Gehalt von mindestens 80 M.-% aufweisen. Bei der Prüfung der Mahlfeinheit darf der Rückstand auf dem 0,09-mm-Sieb höchstens 30 M.-% betragen. Magnesiabinder neigt bei wechselnder Feuchtigkeit im Allgemeinen zum Schwinden und Quellen. Im Alter von 28 Tagen muss eine Biegezugfestigkeit von ≥ 9 N/mm² und eine Druckfestigkeit ≥ 60 N/mm² erreicht werden. Bei der Prüfung im Alter von 3 Tagen sollten die entsprechenden Festigkeitswerte bei etwa 8 bzw. 50 N/mm² liegen. Magnesiabinder wird zur Herstellung von Estrichen nach DIN 18560 verwendet. Je nach verwendetem Füllstoff besitzen diese Estriche eine ganze Reihe günstiger Eigenschaften: fußwarm, federnd, zäh, widerstandsfähig gegen Schlag und Stoß, trittschalldämmend, gleitsicher, nicht staubend, beständig gegen Benzin und Benzol. Mörtel aus Magnesiabinder und Sägemehl wurden in der Nachkriegszeit besonders im Wohnungsbau, aber auch im gewerblichen Bereich (so genannte „Steinholzböden“), verwendet. Ein wesentlicher Nachteil magnesiagebundener Baustoffe ist die geringe Feuchtebeständigkeit, weshalb sie für eine Anwendung in Feuchträumen oder im Freien nicht geeignet sind. Im feuchten Zustand sind diese Materialien außerdem elektrisch leitend. Bei Verwendung von MgCl2-Lösung können stark korrosionsfördernde Chloride austreten; deshalb muss bei Stahlbetonbauteilen eine Sperrschicht angeordnet werden. In der Nähe von Spannbetonbauteilen ist die Verwendung von Magnesiamörtel nicht zulässig. Eine weitere Verwendung findet Magnesiabinder bei der Herstellung von künstlichen Steinen und von Holzwolle-Leichtbauplatten (Bindemittel + Holzmehl oder -späne; z. B. Heraklith®); zur Verminderung der Korrosionsgefahr wird anstelle von MgCl2-Lösung eine MgSO4Lösung eingesetzt. Zur Befestigung sind stets verzinkte oder auf andere Art korrosionsgeschützte Nägel zu verwenden.
244
4 Mineralische Bindemittel
Die hohe Feuchtigkeitsempfindlichkeit, die Korrosionsgefährdung für Metallteile und das relativ hohe Schwinden und Quellen haben im Laufe der Zeit immer mehr zum Ersatz des Magnesiabinders durch andere Bindemittel geführt.
4.6 Literatur 4.6.1 Normen, Richtlinien Norm
Ausgabe
Titel
DIN 272
1986-02
Prüfung von Magnesiaestrich
DIN 1164-10
2004-08
Zement mit besonderen Eigenschaften – Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Normalzement mit besonderen Eigenschaften
DIN 1164-11
2003-11
Zement mit besonderen Eigenschaften – Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Zement mit verkürztem Erstarren
DIN 1164-12
2005-06
Zement mit besonderen Eigenschaften – Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Zement mit einem erhöhten Anteil an organischen Bestandteilen
DIN 18506
2002-02
Hydraulische Boden- und Tragschichtbinder - Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien
DIN 18560-1
2009-09
Estriche im Bauwesen – Allgemeine Anforderungen, Prüfung und Ausführung
DIN EN 196-1
2005-05
Prüfverfahren für Zement – Bestimmung der Festigkeit
DIN EN 196-3
2009-02
Prüfverfahren für Zement – Bestimmung der Erstarrungszeiten und der Raumbeständigkeit
DIN EN 196-6
2010-05
Prüfverfahren für Zement – Bestimmung der Mahlfeinheit
DIN EN 196-8
2010-07
Prüfverfahren für Zement – Hydratationswärme; Lösungsverfahren
DIN EN 196-9
2010-07
Prüfverfahren für Zement – Hydratationswärme; Teiladiabatisches Verfahren
DIN EN 197-1
2004-08
Zement – Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzement
DIN EN 197-1/Ber1
2004-11
Berichtigung 1 zu DIN EN 197-1:2004-08
DIN EN 197-1/A3
2007-09
Zement – Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzement, Änderung A3
DIN EN 197-2
2000-11
Zement – Konformitätsbewertung
245
4.6 Literatur
DIN EN 197-4
2004-08
Zement – Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Hochofenzement mit niedriger Anfangsfestigkeit
DIN EN 413-1
2004-05
Putz- und Mauerbinder – Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien
DIN EN 413-2
2005-08
Putz- und Mauerbinder – Prüfverfahren
DIN EN 459-1
2002-02
Baukalk – Definitionen, Anforderungen und Konformitätskriterien
DIN EN 459-2
2002-02
Baukalk – Prüfverfahren
DIN EN 459-3
2002-02
Baukalk – Konformitätsbewertung
DIN EN 12860
2002-07
Gipskleber für Gips-Wandbauplatten; Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 13279-1
2008-11
Gipsbinder und Gips-Trockenmörtel – Begriffe und Anforderungen
DIN EN 13279-2
2004-10
Gipsbinder und Gips-Trockenmörtel – Prüfverfahren
DIN EN 13454-1
2005-01
Calciumsulfat-Binder, Calciumsulfat-Compositbinder und Calciumsulfat-Werkmörtel für Estriche – Begriffe und Anforderungen
DIN EN 13454-2
2007-11
Calciumsulfat-Binder, Calciumsulfat-Compositbinder und Calciumsulfat-Werkmörtel für Estriche – Prüfverfahren
DIN EN 13963
2005-08
Materialien für das Verspachteln von Gipsplatten-Fugen – Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 14016-1
2004-04
Bindemittel für Magnesiaestriche – Kaustische Magnesia und Magnesiumchlorid – Begriffe und Anforderungen
DIN EN 14016-2
2004-04
Bindemittel für Magnesiaestriche – Kaustische Magnesia und Magnesiumchlorid – Prüfverfahren
DIN EN 14216
2004-08
Zement - Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Sonderzement mit sehr niedriger Hydratationswärme
DIN EN 14647
2006-01
Tonerdezement - Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien
DIN EN 14496
2006-02
Kleber auf Gipsbasis für Verbundplatten zur Wärmeund Schalldämmung und Gipsplatten – Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
ZTV Beton-StB
2007
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton
246
4 Mineralische Bindemittel
GefStoffV
2008
Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV) vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3758, 3759), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768)
4.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [4.1] [4.2] [4.3] [4.4] [4.5] [4.6] [4.7]
Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Band 2: Beton, 3. Auflage. Wiesbaden: Bauverlag, 1993 Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Zement-Taschenbuch 2008, 51. Ausgabe. Düsseldorf: Bau+Technik, 2008 Verein Deutscher Zementwerke (Hrsg.): Zemente und ihre Herstellung. ZementMerkblatt B 1, Ausgabe 1.2006 Hiese, W. (Hrsg.): Scholz Baustoffkenntnis, 16. Auflage. Köln: Werner, 2007 CEMEX Deutschland AG (Hrsg.): Baustofftechnische Daten, 19. Auflage 2005 HeidelbergCement AG (Hrsg.): Betontechnische Daten, Ausgabe 2008 Bundesverband der Gipsindustrie e.V. (Hrsg.): GIPS-Datenbuch, Ausgabe 2006
4.6.3 Internet-Adressen www.vdz-online.de
Verein Deutscher Zementwerke Download aller Zementmerkblätter, u. a. [4.3], möglich
www.bdzement.de
Bundesverband der Deutschen Zementindustrie
www.beton.org
BetonMarketing Deutschland GmbH
www.heidelbergcement.de HeidelbergCement AG Download von [4.6] möglich
www.cemex.de
CEMEX Deutschland AG Download von [4.5] möglich
www.gips.de
Bundesverband der Gipsindustrie e.V. Download von [4.7] möglich
5 Beton Beton ist neben Stahl einer der wichtigsten Konstruktionsbaustoffe unserer Tage; weit über 50 % aller Bauwerke bestehen heute aus Beton. Beton ist ein künstlicher Baustoff, der dadurch entsteht, dass Gesteinskörnungen durch ein anorganisches Bindemittel zu einem künstlichen Konglomerat verkittet werden. Unter Gesteinskörnungen versteht man im Allgemeinen Sand und Kies oder Splitt; als Bindemittel wird üblicherweise Zement verwendet. Darüber hinaus können dem Beton zur Verbesserung der Frisch- oder Festbetoneigenschaften Zusatzstoffe und/oder Zusatzmittel beigegeben werden. Zur Vermeidung von Bauschäden ist eine gute Betonqualität erforderlich. Dazu ist nicht nur die Auswahl der einzelnen Stoffe und deren Zusammensetzung von Bedeutung, sondern genauso wichtig ist eine fachgerechte Herstellung, Verarbeitung und Nachbehandlung des Betons. Umfassende Stoffkenntnisse sind wegen des sehr komplex zusammengesetzten Baustoffes Beton auf kaum einem Gebiet der Baustoffkunde so nötig wie hier. Zielbewusste Forschung führte zu einer Weiterentwicklung und damit zur heutigen Bedeutung des Baustoffes Beton und des Stahlbetons. Nach Aufbau und Verwendung grundsätzlich zu unterscheiden sind der Normal- und Schwerbeton sowie der Leichtbeton. Während beim Normalbeton gute Festigkeit und Dichtigkeit die Hauptforderungen sind, steht bei Leichtbeton die Porigkeit, die Wärmedämmfähigkeit im Vordergrund. Die Regeln für den Aufbau eines guten Normalbetons müssen naturgemäß anders sein, als die für einen Leichtbeton. In den nachfolgenden Kapiteln 5.1 bis 5.8 wird deshalb zunächst der Normalbeton, im darauffolgenden Teil 5.9 dann der Leichtbeton behandelt.
5.1 Begriffsbestimmungen 5.1.1 Einteilung des Betons Die Einteilung des Betons kann nach sehr verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen, die sich aus der Zusammensetzung, der Verarbeitung, den Eigenschaften und der Verwendung ergeben (siehe Tabelle 5.1). Die wichtigste Einteilung des Betons ist die nach Betonfestigkeitsklassen (siehe Tabelle 5.2). Gegenüber der vorherigen Normfassung wurde der Anwendungsbereich der DIN 1045 um hochfeste Betongüten erweitert, so dass nunmehr 16 Festigkeitsklassen unterschieden werden. Ermittelt wird die Druckfestigkeit im Alter von 28 Tagen an Zylindern mit 150 mm Durchmesser und 300 mm Höhe (fck,cyl) oder an Würfeln mit einer Kantenlänge von 150 mm (fck,cube).
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_5, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
248
5 Beton
Tabelle 5.1 Begriffsbestimmungen von Beton Einteilungsmerkmal
Begriff
Trockenrohdichte
Leichtbeton Normalbeton
Erläuterung 2,0 Mg/m³ Trockenrohdichte
Bewehrung
unbewehrter Beton
2,0...2,8 Mg/m³ ≥ 2,8 Mg/m³
Schwerbeton gemäß DIN 1045
Stahlbeton Spannbeton Ort der Herstellung
Ort des Einbringens
Erhärtungszustand
Baustellenbeton
Beton, dessen Bestandteile auf der Baustelle zugegeben und gemischt werden.
Transportbeton
Beton, dessen Bestandteile außerhalb der Baustelle zugemessen werden und der an der Baustelle in einbaufertigem Zustand übergeben wird.
Ortbeton
Beton, der als Frischbeton in Bauteile in ihrer endgültigen Lage eingebracht wird und dort erhärtet.
Fertigteilbeton
Betonfertigteile, Betonwaren, Betonwerkstein
Frischbeton
Beton, solange er verarbeitet werden kann.
grüner Beton (nur bei Betonwaren)
Beton unmittelbar nach dem Verarbeiten, ohne dass Erhärtung eingesetzt hat (vor dem Erstarren).
junger Beton
erhärtender Beton, der nicht mehr verarbeitbar ist (nach dem Erstarren).
Festbeton
Beton, sobald er erhärtet ist.
Die Bezeichnung der Festigkeitsklasse erfolgt für Normal- und Schwerbeton durch den Großbuchstaben C gefolgt von den Festigkeitsangaben. Die unterschiedliche Probekörpergeometrie (siehe Kap. 1.2.5.2) wird dadurch berücksichtigt, dass für die Festigkeitsklassen zwei durch einen Schrägstrich getrennte Werte für die charakteristische Festigkeit angegeben werden: Die erste Zahl gibt den Wert der Zylinderdruckfestigkeit, die zweite Zahl den entsprechenden Wert der Würfeldruckfestigkeit an. Die charakteristische Festigkeit fck ist definiert als erwarteter Festigkeitswert, unter den 5 % der Grundgesamtheit aller möglichen Festigkeitsmesswerte der Menge des betrachteten Betons fallen (5%-Quantil).
249
5.1 Begriffsbestimmungen Tabelle 5.2 Druckfestigkeitsklassen für Normal- und Schwerbeton Druckfestigkeitsklasse
Charakteristische Mindestdruckfestigkeit von Zylindern fck,cyl [N/mm²]
Charakteristische Mindestdruckfestigkeit von Würfeln fck,cube [N/mm²]
C8/10
8
10
C12/15
12
15
C16/20
16
20
C20/25
20
25
C25/30
25
30
C30/37
30
37
C35/45
35
45
C40/50
40
50
C45/55
45
55
C50/60
50
60
C55/67
55
67
C60/75
60
75
C70/85
70
85
C80/95
80
95
C90/105
90
105
C100/115
100
115
Durch Umwelteinflüsse werden Bauteile aus Beton immer stärker beansprucht. Neben der statisch erforderlichen Festigkeit spielt deshalb die Dauerhaftigkeit von Beton eine wichtige Rolle; Standsicherheit und Dauerhaftigkeit sind gleichrangige Kriterien. Die Dauerhaftigkeit des Betons ist definiert als die geforderte Eigenschaft des Betons während der vorgesehenen Lebensdauer des Bauwerks den Bewehrungsstahl vor Korrosion zu schützen; den Umwelt- und Arbeitsbedingungen zufriedenstellend ohne wesentlichen Verlust der Nutzungseigenschaften standzuhalten. Dazu müssen geeignete Annahmen für die zu erwartenden Umwelteinwirkungen getroffen werden. In DIN 1045-2 sind die Anforderungen an den Beton in Abhängigkeit von den möglichen Einwirkungen durch 7 Expositionsklassen festgelegt (siehe Tabelle 5.3).
250
5 Beton
Tabelle 5.3 Expositionsklassen Klasse
Beschreibung der Umgebung
Beispiele für die Zuordnung von Expositionsklassen (informativ)
1 Kein Korrosions- oder Angriffsrisiko Für Bauteile ohne Bewehrung oder eingebettetes Metall in nicht betonangreifender Umgebung kann die Expositionsklasse X0 zugeordnet werden. X0
Für Beton ohne Bewehrung oder eingebettetes Metall: alle Umgebungsbedingungen, ausgenommen Frostangriff, Verschleiß oder chemischer Angriff
Fundamente ohne Bewehrung ohne Frost, Innenbauteile ohne Bewehrung
2 Bewehrungskorrosion, ausgelöst durch Karbonatisierung Wenn Beton, der Bewehrung oder anderes eingebettetes Metall enthält, Luft und Feuchte ausgesetzt ist, muss die Expositionsklasse wie folgt zugeordnet werden: Anmerkung: Die Feuchtebedingung bezieht sich auf den Zustand innerhalb der Betondeckung der Bewehrung oder anderen eingebetteten Metalls; in vielen Fällen kann jedoch angenommen werden, dass die Bedingungen in der Betondeckung den Umgebungsbedingungen entsprechen. In diesen Fällen darf die Klasseneinteilung nach der Umgebungsbedingung als gleichwertig angenommen werden. Dies braucht nicht der Fall sein, wenn sich zwischen dem Beton und seiner Umgebung eine Sperrschicht befindet.
XC1
trocken oder ständig nass
Bauteile in Innenräumen mit üblicher Luftfeuchte (einschließlich Küche, Bad und Waschküche in Wohngebäuden); Beton, der ständig in Wasser getaucht ist
XC2
nass, selten trocken
Teile von Wasserbehältern; Gründungsbauteile
XC3
mäßige Feuchte
Bauteile, zu denen die Außenluft häufig oder ständig Zugang hat, z. B. offene Hallen, Innenräume mit hoher Luftfeuchtigkeit z. B. in gewerblichen Küchen, Bädern, Wäschereien, in Feuchträumen von Hallenbädern und in Viehställen
XC4
wechselnd nass und trocken
Außenbauteile mit direkter Beregnung
3 Bewehrungskorrosion, verursacht durch Chloride, ausgenommen Meerwasser Wenn Beton, der Bewehrung oder anderes eingebettetes Metall enthält, chloridhaltigem Wasser, einschließlich Taumittel, ausgenommen Meerwasser, ausgesetzt ist, muss die Expositionsklasse wie folgt zugeordnet werden: XD1
mäßige Feuchte
Bauteile im Sprühnebelbereich von Verkehrsflächen; Einzelgaragen
XD2
nass, selten trocken
Solebäder; Bauteile, die chloridhaltigen Industrieabwässern ausgesetzt sind
XD3
wechselnd nass und trocken
Teile von Brücken mit häufiger Spritzwasserbeanspruchung; Fahrbahndecken; direkt befahrene Parkdecksa)
251
5.1 Begriffsbestimmungen Klasse
Beschreibung der Umgebung
Beispiele für die Zuordnung von Expositionsklassen (informativ)
4 Bewehrungskorrosion, verursacht durch Chloride aus Meerwasser Wenn Beton, der Bewehrung oder anderes eingebettetes Metall enthält, Chloriden aus Meerwasser oder salzhaltiger Seeluft ausgesetzt ist, muss die Expositionsklasse wie folgt zugeordnet werden: XS1
salzhaltige Luft, aber kein unmittelbarer Kontakt mit Meerwasser
Außenbauteile in Küstennähe
XS2
unter Wasser
Bauteile in Hafenanlagen, die ständig unter Wasser liegen
XS3
Tidebereiche, Spritzwasser- und Sprühnebelbereiche
Kaimauern in Hafenanlagen
5 Frostangriff mit und ohne Taumittel Wenn durchfeuchteter Beton erheblichem Angriff durch Frost-Tau-Wechsel ausgesetzt ist, muss die Expositionsklasse wie folgt zugeordnet werden: XF1
mäßige Wassersättigung, ohne Taumittel
Außenbauteile
XF2
mäßige Wassersättigung, mit Taumittel
Bauteile im Sprühnebel- oder Spritzwasserbereich von taumittelbehandelten Verkehrsflächen, soweit nicht XF4; Betonbauteile im Sprühnebelbereich von Meerwasser
XF3
hohe Wassersättigung, ohne Taumittel
offene Wasserbehälter; Bauteile in der Wasserwechselzone von Süßwasser
XF4
hohe Wassersättigung, mit Taumittel
Verkehrsflächen, die mit Taumitteln behandelt werden; überwiegend horizontale Bauteile im Spritzwasserbereich von taumittelbehandelten Verkehrsflächen; Räumerlaufbahnen von Kläranlagen; Meerwasserbauteile in der Wasserwechselzone
6 Betonkorrosion durch chemischen Angriff Wenn Beton chemischem Angriff durch natürliche Böden, Grundwasser, Meerwasser nach Tabelle 5.4 und Abwasser ausgesetzt ist, muss die Expositionsklasse wie folgt zugeordnet werden: Anmerkung: Bei XA3 und unter Umgebungsbedingungen außerhalb der Grenzen von Tabelle 5.4, bei Anwesenheit anderer angreifender Chemikalien, chemisch verunreinigtem Boden oder Wasser, bei hoher Fließgeschwindigkeit von Wasser und Einwirkung von Chemikalien nach Tabelle 5.4 sind Anforderungen an den Beton oder Schutzmaßnahmen in DIN 1045-2, Abschnitt 5.3.2 vorgegeben.
XA1
chemisch schwach angreifende Umgebung nach Tabelle 5.4
Behälter von Kläranlagen; Güllebehälter
XA2
chemisch mäßig angreifende Umgebung nach Tabelle 5.4 und Meeresbauwerke
Betonbauteile, die mit Meerwasser in Berührung kommen; Bauteile in betonangreifenden Böden
XA3
chemisch stark angreifende Umgebung nach Tabelle 5.4
Industrieabwasseranlagen mit chemisch angreifenden Abwässern; Futtertische der Landwirtschaft; Kühltürme mit Rauchgasableitung
252 Klasse
5 Beton Beschreibung der Umgebung
Beispiele für die Zuordnung von Expositionsklassen (informativ)
7 Betonkorrosion durch Verschleißbeanspruchung Wenn Beton einer erheblichen mechanischen Beanspruchung ausgesetzt ist, muss die Expositionsklasse wie folgt zugeordnet werden: XM1
mäßige Verschleißbeanspruchung
Tragende oder aussteifende Industrieböden mit Beanspruchung durch luftbereifte Fahrzeuge
XM2
starke Verschleißbeanspruchung
Tragende oder aussteifende Industrieböden mit Beanspruchung durch luft- oder vollgummibereifte Gabelstapler
XM3
Sehr starke Verschleißbeanspruchung
Tragende oder aussteifende Industrieböden mit Beanspruchung durch elastomer- oder stahlrollenbereifte Gabelstapler; Oberflächen, die häufig mit Kettenfahrzeugen befahren werden; Wasserbauwerke in geschiebebelasteten Gewässern, z. B. Tosbecken
8 Betonkorrosion infolge Alkali-Kieselsäure-Reaktion Anhand der zu erwartenden Umgebungsbedingungen ist der Beton einer der vier nachfolgenden Feuchtigkeitsklassen zuzuordnen: W0
Beton, der nach normaler Nachbehandlung nicht längere Zeit feucht und nach dem Austrocknen während der Nutzung weitgehend trocken bleibt.
Innenbauteile des Hochbaus; Bauteile, auf die Außenluft, nicht jedoch z. B. Niederschläge, Oberflächenwasser, Bodenfeuchte einwirken können und/oder die nicht ständig einer relativen Luftfeuchte von mehr als 80 % ausgesetzt werden.
WF
Beton, der während der Nutzung häufig oder längere Zeit feucht ist.
Ungeschützte Außenbauteile, die z. B. Niederschlägen, Oberflächenwasser oder Bodenfeuchte ausgesetzt sind; Innenbauteile des Hochbaus für Feuchträume, wie z. B. Hallenbäder, Wäschereien und andere gewerbliche Feuchträume, in denen die relative Luftfeuchte überwiegend höher als 80 % ist; Bauteile mit häufiger Taupunktunterschreitung, wie z. B. Schornsteine, Wärmeübertragerstationen, Filterkammern und Viehställe; Massige Bauteile gemäß DAfStb-Richtlinie „Massige Bauteile aus Beton“, deren kleinste Abmessung 0,80 m überschreitet (unabhängig vom Feuchtezutritt).
WA
Beton, der zusätzlich zu der Beanspruchung nach Klasse WF häufiger oder langzeitiger Alkalizufuhr von außen ausgesetzt ist.
Bauteile mit Meerwassereinwirkung; Bauteile unter Tausalzeinwirkung ohne zusätzliche hohe dynamische Beanspruchung (z. B. Spritzwasserbereiche, Fahr- und Stellflächen in Parkhäusern); Bauteile von Industriebauten und landwirtschaftlichen Bauwerken (z. B. Güllebehälter) mit Alkalisalzeinwirkung.
253
5.1 Begriffsbestimmungen Klasse WS
a)
Beschreibung der Umgebung
Beispiele für die Zuordnung von Expositionsklassen (informativ)
Beton, der hoher dynamischer Beanspruchung und direktem Alkalieintrag ausgesetzt ist.
Bauteile unter Tausalzeinwirkung mit zusätzlicher hoher dynamischer Beanspruchung (z. B. Betonfahrbahnen)
Ausführung nur mit zusätzlichen Maßnahmen (z. B. rissüberbrückende Beschichtung, s. a. DAfStb Heft 526)
Die detaillierte Festlegung der Eigenschaften, die ein Beton zur Erfüllung seiner Aufgaben im Bauwerk benötigt, beginnt mit der Einstufung in die Expositionsklassen in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen. Unter Umgebung werden in diesem Zusammenhang die chemischen und physikalischen Einwirkungen verstanden, denen der Beton ausgesetzt ist und die zu Wirkungen auf den Beton oder die Bewehrung führen, die bei der statischen Berechnung des Bauwerks nicht als Lasten in Ansatz gebracht werden. Diese Einwirkungen werden nach Tabelle 5.3 klassifiziert. Grundsätzlich werden drei Gruppen unterschieden: kein Angriffsrisiko, Bewehrungskorrosion, Betonangriff. Mit den Expositionsklassen kann man die Umgebungseinflüsse auf den Beton in Bezug auf mögliche Schädigung genauer als früher differenzieren. Der für die jeweilige Expositionsklasse erforderliche Widerstand des Betons wird dann durch die Anforderungen an die Ausgangsstoffe und die Betonzusammensetzung sozusagen maßgeschneidert. Die Wahl dieser Expositionsklassen schließt die Berücksichtigung besonderer Bedingungen, die am Ort der Verwendung des Betons gelten, oder die Anwendung von Schutzmaßnahmen, wie die Verwendung rostfreien Stahls oder anderer korrosionsbeständiger Metalle oder die Verwendung von Schutzschichten für den Beton oder die Bewehrung, nicht aus. Ist der Beton mehr als einer der in der Tabelle genannten Einwirkungen ausgesetzt, müssen diese als Kombination von Expositionsklassen ausgedrückt werden. Aus der Kombination der Expositionsklassen muss die Betonzusammensetzung so gewählt werden, dass die Anforderungen aller Expositionsklassen der Kombination erfüllt werden. Nach Tabelle 5.3 Punkt 8 ist der Beton anhand der zu erwartenden Umgebungsbedingungen zusätzlich einer Feuchtigkeitsklasse zuzuordnen. Diese Zuordnung ist bei der Verwendung von alkaliempfindlichen Gesteinskörnungen (siehe Abschnitt 3.3.5.3) wichtig, weil bei der Betonherstellung ggf. vorbeugende Maßnahmen gegen Alkali-Kieselsäure-Reaktion (siehe Tabelle 5.8) erforderlich werden.
254 Tabelle 5.4
5 Beton Grenzwerte für die Expositionsklassen bei chemischem Angriff durch natürliche Böden und Grundwasser
Die folgende Klasseneinteilung chemisch angreifender Umgebungen gilt für natürliche Böden und Grundwasser mit einer Wasser-/Boden-Temperatur zwischen 5 °C und 25 °C und einer Fließgeschwindigkeit des Wassers, die klein genug ist, um näherungsweise hydrostatische Bedingungen anzunehmen. Hinsichtlich Vorkommen und Wirkungsweise von chemisch angreifenden Böden und Grundwasser siehe DIN 4030-1. Der schärfste Wert für jedes einzelne chemische Merkmal bestimmt die Klasse. Wenn zwei oder mehrere angreifende Merkmale zu derselben Klasse führen, muss die Umgebung der nächsthöheren Klasse zugeordnet werden, sofern nicht in einer speziellen Studie für diesen Fall nachgewiesen wird, dass dies nicht erforderlich ist. Auf eine spezielle Studie kann verzichtet werden, wenn keiner der Werte im oberen Viertel (bei pH im unteren Viertel) liegt. Chemisches Merkmal
Referenzprüfverfahren
XA1
XA2
XA3
Grundwasser SO42- mg/l
EN 196-2
pH-Wert
ISO 4316
CO2 mg/l angreifend
prEN 13577:1999
40
NH4+ mg/l d)
ISO 7150-1 oder ISO 7150-2
15 und 30
60
100
Mg2+ mg/l
ISO 7980
300 und
> 1000 und
1000
3000
> 3000 bis zur Sättigung
> 3000 c) und
> 12000 und
12000
24000
200 und
> 600 und
> 3000
600
3000
6,5 und
< 5,5 und
< 4,5 und
5,5
4,5
4,0
15 und
> 40 und 100
> 100 bis zur Sättigung
> 30 und
> 60 und
Boden
a
b
c
d e
SO42- mg/kg a) insgesamt
EN 196-2 b)
Säuregrad
DIN 4030-2
2000 und 3000
c)
> 200 BaumanGully
in der Praxis nicht anzutreffen
Tonböden mit einer Durchlässigkeit von weniger als 10–5 m/s dürfen in eine niedrigere Klasse eingestuft werden. Das Prüfverfahren beschreibt die Auslaugung von SO42- durch Salzsäure; Wasserauslaugung darf stattdessen angewandt werden, wenn am Ort der Verwendung des Betons Erfahrung hierfür vorhanden ist. Falls die Gefahr der Anhäufung von Sulfationen im Beton – zurückzuführen auf wechselndes Trocknen und Durchfeuchten oder kapillares Saugen – besteht, ist der Grenzwert von 3000 mg/kg auf 2000 mg/kg zu vermindern. Gülle kann, unabhängig vom NH4+-Gehalt, in die Expositionsklasse XA1 eingeordnet werden. Falls der Sulfatgehalt des Grundwassers > 600 mg/l beträgt, ist dieser im Rahmen der Festlegung des Betons anzugeben.
5.1 Begriffsbestimmungen
255
5.1.2 Qualitätssicherung Zur Sicherstellung einer einwandfreien guten Betonqualität sind die Ausgangsstoffe sowie der Frisch- und Festbeton durch ständige Prüfungen zu überwachen. Grundsätzlich wurde das Prinzip der Eigen- und Fremdüberwachung in den neuen Normvorschriften beibehalten. Die Betonüberwachung umfasst die Produktionskontrolle und die Konformitätskontrolle durch den Betonhersteller und die Überwachungsprüfung durch das Bauunternehmen. Jeder Beton ist unter der Verantwortung des Herstellers, heutzutage in der Regel das Transportbetonwerk, einer werkseigenen Produktionskontrolle zu unterziehen. Sie ist für alle Betone – ausgenommen Standardbeton – mindestens alle 2 Jahre durch eine anerkannte Überwachungsstelle in Form einer Fremdüberwachung zu kontrollieren und zu bewerten. Der Nachweis wird durch ein Übereinstimmungszertifikat erteilt, das durch eine anerkannte Zertifizierungsstelle ausgestellt wird. Für Standardbeton ist die Erfüllung der Normanforderungen durch eine Herstellererklärung nachzuweisen. Die Produktionskontrolle umfasst alle Maßnahmen, die für die Aufrechterhaltung der Konformität (Übereinstimmung) des Betons mit den festgelegten Anforderungen erforderlich sind. Sie enthalten: Baustoffauswahl; Betonentwurf; Betonherstellung; Überwachung und Prüfung; Verwendung der Prüfergebnisse im Hinblick auf Ausgangsstoffe, Frisch- und Festbeton und Einrichtungen; falls zutreffend, Überprüfung der für den Transport des Frischbetons verwendeten Einrichtungen; Konformitätskontrolle. Im Rahmen der Produktionskontrolle wird zwischen der Konformitäts- und der Identitätskontrolle unterschieden. Die Konformitätskontrolle ist die eigentliche Kontrolle zur Einstufung in eine Festigkeitsklasse. Der Nachweis der Identität soll vom Verwender durchgeführt werden. Diese Prüfung, mit der lediglich nachgewiesen wird, ob der jeweilige Beton den Anforderungen entspricht, soll besonders dann erfolgen, wenn Zweifel an der Qualität bestehen. Da die Identitätskriterien für die Druckfestigkeit denen der Überwachungsprüfung durch das Bauunternehmen auf der Baustelle nach DIN 1045-3 entsprechen, werden diese beiden Prüfungen miteinander verschmelzen. Konformitätsprüfung
Um die Übereinstimmung des Betons mit den Festlegungen nachzuprüfen, wird eine Konformitätskontrolle durchgeführt. Für die Beurteilung der Konformität dürfen Prüfungen der Produktionskontrolle herangezogen werden, wenn sie dieselben wie bei der Konformitätskontrolle sind. Die Betoneigenschaften, die bei der Konformitätskontrolle berücksichtigt werden, sind die mit genormten Prüfverfahren gemessenen Eigenschaften.
256
5 Beton
Bei Beton nach Eigenschaften muss die Prüfung für Normalbeton und Schwerbeton der Festigkeitsklassen von C8/10 bis C55/67 oder Leichtbeton der Festigkeitsklassen von LC8/9 bis LC55/60 an einzelnen Betonzusammensetzungen oder an so genannten Betonfamilien (siehe unten) durchgeführt werden. Für Beton nach Zusammensetzung einschließlich Standardbeton muss für jede Charge eines vorgeschriebenen Betons die Konformität mit dem Zementgehalt, mit dem Nennwert des Größtkorns, mit der Kornverteilung der Gesteinskörnung (falls zutreffend), sowie mit dem Wasserzementwert und dem Gehalt an Zusatzmitteln oder Zusatzstoffen – falls maßgebend – nachgewiesen werden. Die Erstprüfung als Bestandteil der Konformitätskontrolle wird bei Beton nach Eigenschaften durchgeführt. Unterschieden wird zwischen der Erstherstellung und der stetigen Herstellung während der Produktion. Für jede Betonzusammensetzung ist eine Erstprüfung (früher Eignungsprüfung) durchzuführen. Die Prüfung soll nachweisen, dass die von der Betonmischung für das Bauvorhaben angestrebten Eigenschaften (z. B. Festigkeit oder auch der Luftporengehalt im Frischbeton usw.) mit einem ausreichenden Vorhaltemaß mit Sicherheit erreicht werden, ob die Mischung also geeignet ist. Das bedingt, dass die Eignungsprüfung rechtzeitig vor Baubeginn (28-TageFestigkeit!) durchgeführt wird. Die Verhältnisse der betreffenden Baustelle sind bei den Prüfungen zu berücksichtigen. Das Vorhaltemaß sollte ungefähr das Doppelte der erwarteten Standardabweichung sein, d. h. mindestens ein Vorhaltemaß von 6 N/mm2 bis 12 N/mm2 in Abhängigkeit von der Herstellungseinrichtung, den Ausgangsstoffen und den verfügbaren Angaben über die Schwankungen. Die Konsistenz des Betons muss zum Zeitpunkt, zu dem der Beton voraussichtlich eingebracht wird, oder bei Transportbeton zum Zeitpunkt der Übergabe, innerhalb der Grenzen der Konsistenzklasse liegen. Neue Erstprüfungen sind erforderlich, wenn sich die Ausgangsstoffe des Betons oder die Verhältnisse auf der Baustelle, die bei der Eignungsprüfung zugrunde gelegt wurden, wesentlich geändert haben. Für jede bei der Erstprüfung angesetzte Mischung sind mindestens drei Probekörper herzustellen. Während der Produktion hat der Betonhersteller eine statistische Produktionskontrolle durchzuführen, um die Konformität mit der Festlegung nachzuprüfen. Die Konformitätskontrolle kann an jeder einzelnen Betonsorte oder an so genannten „Betonfamilien“ durchgeführt werden. Durch Zusammenfassung ähnlicher Betonsorten zu Betonfamilien lässt sich der Überwachungsaufwand verringern. Bei einer Betonfamilie handelt es sich um eine Gruppe von Betonzusammensetzungen, für die ein verlässlicher Zusammenhang zwischen maßgebenden Eigenschaften festgelegt und dokumentiert ist. Folgende Voraussetzungen müssen für eine Betonfamilie erfüllt sein: gleiche Zementart, Festigkeitsklasse und gleicher Ursprung der Ausgangsstoffe; nachweisbar ähnliche Gesteinskörnungen und Zusatzstoffe des Typs I (gleiche geologische Herkunft, dieselbe Art bzw. gleiche Leistungsfähigkeit im Beton); Betone mit einem begrenzten Bereich der Festigkeitsklassen.
5.1 Begriffsbestimmungen
257
Beim Einsatz von Zusatzstoffen des Typs II (siehe 5.7.2) und bei Zusatzmitteln, welche die Druckfestigkeit beeinflussen, sind auf jeden Fall getrennte Betonfamilien zu wählen. Betone der Druckfestigkeitsklassen C8/10 bis C50/60 sind in mindestens zwei Betonfamilien einzuteilen. Das Prinzip der Betonfamilien ist nicht auf hochfeste Betone anwendbar. Grundsätzlich kann man festhalten, dass die Probenhäufigkeit bei der Konformitätskontrolle in Vergleich zur alten DIN 1045:1988 geringer geworden ist. Identitätsprüfung
Unter der Identitätsprüfung versteht man eine Prüfung, bei der nachgewiesen wird, dass ein definiertes Betonvolumen zu derselben Grundgesamtheit gehört, für die die Konformität mit den Herstellerangaben nachgewiesen wurde. Das Ergebnis der Prüfung lässt also den Schluss zu, dass die festgestellten Kennwerte des geprüften Betons identisch sind mit den statistischen Kennwerten des hergestellten Betons. Anstelle der Identitätsprüfung auf der Baustelle ist eine Überwachungsprüfung nach DIN 1045-3 durchzuführen. Erhärtungsprüfung
Da die Bedingungen am Bauwerk im Allgemeinen nicht den genormten Herstell- und Lagerungsbedingungen der Güteprüfung entsprechen, kann die Festigkeit des Betons im Bauwerk von der der Probekörper abweichen. Um hierüber eine Aussage zu bekommen, wird eine Erhärtungsprüfung durchgeführt. Sie dient dazu, nach dem Betonieren zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Anhalt über die erzielte Festigkeit des Betons im Bauwerk zu erhalten, z. B. zur Bestimmung des Zeitpunktes für das Ausschalen, Vorspannen usw. Um Rückschlüsse auf die tatsächliche Bauwerksfestigkeit ziehen zu können, müssen selbstverständlich die Probewürfel den gleichen Erhärtungs- und Nachbehandlungsbedingungen unterliegen wie das Bauwerk selbst. Bei der Beurteilung der Ergebnisse ist außerdem zu beachten, dass Bauteile, deren Abmessungen von denen der Probekörper wesentlich abweichen, unter Umständen einen anderen Erhärtungsgrad aufweisen als die Probewürfel, z. B. auf Grund unterschiedlicher Wärmeentwicklung im Bauteil. Es sind mindestens 3 Probekörper herzustellen; mehr sind zu empfehlen, damit bei unzureichenden Festigkeitswerten die Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden kann. In Sonderfällen kann es nötig werden, die Betondruckfestigkeit am fertigen Bauteil durch zerstörungsfreie Prüfung oder durch Entnahme von Probekörpern zu bestimmen.
5.1.3 Güteüberwachung Zur Qualitätssicherung bei der Verarbeitung von Beton gehört die Überwachung des Betonierens durch das Bauunternehmen mit der Überprüfung der maßgebenden Frisch- und Festbetoneigenschaften. Maßgebend für die Güteüberwachung sind die Vorschriften der DIN 1045-3. Für diese Überprüfung wird der Beton in drei Überwachungsklassen eingeteilt (siehe Tabelle 5.5), wobei für die Einordnung des Betons bei mehreren Überwachungsklassen die höchste Klasse maßgebend ist.
258
5 Beton
Tabelle 5.5 Überwachungsklassen für Beton nach DIN 1045-3 Gegenstand
Überwachungsklasse 1
Überwachungsklasse 2a)
Überwachungsklasse 3a)
Festigkeitsklasse für Normal- und Schwerbeton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2
C25/30b)
C30/37 und C50/60
C55/67
D 1,0 bis D 1,4
nicht anwendbar
LC25/28
LC30/33
D 1,6 bis D 2,0
LC25/28
LC30/33 und LC35/38
LC40/44
Festigkeitsklasse für Leichtbeton nach DIN 1045-2 und DIN EN 206-1 der Rohdichteklassen
Expositionsklasse nach DIN 1045-2 Besondere Betoneigenschaften
X0, XC, XF1 –
c)
XS, XD, XA, XM , XF2, XF3, XF4 – Beton für wasserundurchlässige Baukörper (z. B. Weiße Wannen)d)
–
– Unterwasserbeton – Beton für hohe Gebrauchstemperaturen T 250 °C – Strahlenschutzbeton (außerhalb des Kernkraftwerkbaus) – Für besondere Anwendungsfälle (z. B. Verzögerter Beton, Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) sind die jeweiligen DAfStb-Richtlinien anzuwenden. a)
b) c) d)
Wird Beton der Überwachungsklassen 2 und 3 eingebaut, muss die Überwachung durch das Bauunternehmen zusätzlich die Anforderungen von DIN 1045-3 Anhang B erfüllen und eine Überwachung durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle nach DIN 1045-3 Anhang C durchgeführt werden. Spannbeton der Festigkeitsklasse C25/30 ist stets als Überwachungsklasse 2 einzuordnen. Gilt nicht für übliche Industrieböden. Beton mit hohem Wassereindringwiderstand darf in die Überwachungsklasse 1 eingeordnet werden, wenn der Baukörper maximal nur zeitweilig aufstauendem Sickerwasser ausgesetzt ist und wenn in der Projektbeschreibung nichts anderes festgelegt ist.
259
5.1 Begriffsbestimmungen Tabelle 5.6
Umfang und Häufigkeit der Prüfungen von Beton nach Eigenschaften gemäß DIN 1045-3
Prüfgegenstand
Mindestprüfhäufigkeit für Überwachungsklasse 1
2
3
Lieferschein
jedes Lieferfahrzeug
Konsistenzmessung1)
nur in Zweifelsfällen
Frischbetonrohdichte von Leicht- und Schwerbeton
bei Herstellung von Probekörpern für die Festigkeitsprüfung; in Zweifelsfällen
Gleichmäßigkeit des Betons
Stichprobe
jedes Lieferfahrzeug
Druckfestigkeit2)
in Zweifelsfällen
3 Proben je 300 m³ oder je 3 Betoniertage3)
Luftgehalt von Luftporenbeton
nicht zutreffend
zu Beginn jedes Betonierabschnittes; in Zweifelsfällen
beim ersten Einbringen jeder Betonzusammensetzung; bei der Herstellung von Probekörpern für die Festigkeitsprüfung; in Zweifelsfällen
3 Proben je 50 m³ oder je 1 Betoniertag3)
1)
zusätzlich Augenscheinprüfung der Konsistenz als Stichprobe an jeder Mischung für die Überwachungsklasse 1 bzw. an jedem Lieferfahrzeug für die Überwachungsklassen 2 und 3.
2)
Prüfung muss für jeden verwendeten Beton erfolgen. Betone mit gleichen Ausgangsstoffen und gleichem Wasser-Zement-Wert aber anderem Größtkorn gelten als ein Beton. Maßgebend ist diejenige Anforderung, welche die größte Anzahl Proben ergibt.
3)
Für Beton nach Eigenschaften sind die in Tabelle 5.6 aufgeführten Prüfungen durchzuführen. Bei Beton nach Zusammensetzung sind zusätzlich folgende Prüfungen erforderlich: Konsistenzmessung ist auch bei Überwachungsklasse 1 und bei Prüfung des Luftgehaltes durchzuführen. Festbetonrohdichte ist an jedem Probekörper für die Festigkeitsprüfung sowie in Zweifelsfällen zu überprüfen. Druckfestigkeitsprüfung: für Beton der Druckfestigkeitsklasse C55/67 ist bei Erstherstellung je 100 m3 oder je Produktionstag, bei stetiger Herstellung je 400 m3 oder je Produktionswoche eine Prüfung durchzuführen. Außerdem ist sowohl bei Beton nach Eigenschaften wie bei Beton nach Zusammensetzung zusätzlich eine Funktionskontrolle der Verdichtungsgeräte sowie der Mess- und Laborgeräte vorgeschrieben. Für Standardbeton ist der Lieferschein jedes Lieferfahrzeugs zu überprüfen sowie stichprobenweise per Augenschein die Gleichmäßigkeit des Betons und die Konsistenz zu beurteilen; in Zweifelsfällen ist eine Konsistenzprüfung durchzuführen.
260
5 Beton
Sofern nichts anderes vereinbart ist, kann das Prinzip der Betonfamilien angewendet werden, wodurch der Prüfumfang verschiedener Prüfungen verringert werden kann. Wird Beton der Überwachungsklasse 2 oder 3 eingebaut, so hat das Unternehmen eine ständige Betonprüfstelle (firmeneigen oder nicht unternehmenseigene Prüfstelle, mit der langfristige Prüfverträge mit einer Mindestlaufzeit von 1 Jahr abgeschlossen werden müssen) für die Eigenüberwachung zu unterhalten, die unter der Leitung eines erfahrenen Betonfachmannes stehen muss (Betoningenieur mit erweiterter betontechologischer Ausbildung – so genannter E-Schein –; die Bescheinigung einer hierfür anerkannten Stelle muss vorliegen). Das Unternehmen darf jedoch keine Prüfstelle beauftragen, die auch den Hersteller des Betons überwacht. Darüber hinaus hat das Unternehmen eine Fremdüberwachung durch eine anerkannte Überwachungsstelle zu veranlassen. Die Übereinstimmung mit den technischen Regeln (DIN EN 206-1, DIN 1045-2) wird durch das Übereinstimmungszeichen dokumentiert. Bei Verwendung von hochfestem Beton (ab C55/67) dürfen auf Baustellen nur solche Führungskräfte eingesetzt werden, die bereits an der Verarbeitung und Nachbehandlung von Beton mindestens der Festigkeitsklasse C30/37 verantwortlich beteiligt gewesen sind. Das Personal ist hierfür vor jedem Bauvorhaben besonders zu schulen. Beim Einbau von Beton der Überwachungsklasse 2 oder 3 sind folgende Angaben aufzuzeichnen (z. B. im Bautagebuch): Zeitpunkt und Dauer der einzelnen Betoniervorgänge; Lufttemperatur und Witterungsverhältnisse zurzeit der Ausführung einzelner Bauabschnitte oder Bauteile bis zum Ausschalen und Ausrüsten; Art und Dauer der Nachbehandlung; bei Lufttemperaturen < +5 °C und > +30 °C: Messen und Aufzeichnen der Frischbetontemperatur; Namen der Lieferwerke und Nummern der Lieferscheine, das Betonsortenverzeichnis mit Angaben der entsprechend einschlägigen Normen und Regelwerke und dem zugehörigen Bauabschnitt oder Bauteil; Aufzeichnungen sowie Ergebnisse der Prüfungen. Die Aufzeichnungen sind mindestens 5 Jahre aufzubewahren und nach Beendigung der Bauarbeiten der bauüberwachenden Behörde und der Überwachungsstelle zu übergeben. Als Kennzeichen der Güteüberwachung muss an der Baustelle die Angabe „DIN 1045-3“ und die Überwachungsstelle deutlich sichtbar angebracht sein.
5.2 Betonkomponenten Beton ist ein Gemisch aus mindestens drei Stoffen: Zement, Gesteinskörnung, Wasser; außerdem können Betonzusatzstoffe und/oder Betonzusatzmittel enthalten sein. Daraus kann man steifen oder weichen Frischbeton herstellen, kann aber je nach Mischungsverhältnis der einzelnen Ausgangsstoffe auch ganz unterschiedliche Festbetoneigenschaften erzielen. Beton kann als ein Zweistoffsystem betrachtet werden, das aus dem Korngerüst und der die Körner umhüllenden Matrix besteht. Unter dem Begriff „Matrix“ versteht man das Gemisch von Zement und Wasser, welches im frischen Zustand als Zementleim, im erhärteten Zustand
5.2 Betonkomponenten
261
als Zementstein bezeichnet wird. Zementleimmenge und -zusammensetzung beeinflussen die Verarbeitbarkeit des Frischbetons sowie die Dichtigkeit des Zementsteins und damit die Qualität des Betons. Auf Grund der Erkenntnis, dass die Druckfestigkeit eines Normalbetons fast ausschließlich von der Festigkeit der Zementsteinmatrix als der schwächsten Komponente abhängt (die Druckfestigkeit der normalen Gesteinskörnungen liegt im Allgemeinen wesentlich höher), kann man die Aufgabe, einen Beton bestimmter Festigkeit zusammenzusetzen, somit auf das viel leichter zu lösende Problem zurückführen, eine bestimmte Zementsteinfestigkeit zu erreichen. Ein Zweistoffsystem ist leichter zu erfassen und der Beton somit zielsicherer herzustellen. Die zwei Komponenten sind also Zementstein und Gesteinskörnung.
5.2.1 Zementstein 5.2.1.1 Wasser
Als Anmachwasser sind fast alle in der Natur vorkommenden, nicht verunreinigten Wässer geeignet. Normales Leitungswasser ist immer geeignet. Für die Herstellung von Spannbeton muss das Wasser trinkwasserrein sein. Selbst ein Wasser, welches bei dauernder Einwirkung auf den erhärteten Beton als aggressiv einzustufen ist, kann als Zugabewasser geeignet sein. Ungünstigenfalls verursacht das Zugabewasser einen einmaligen chemischen Angriff im Frischbeton, der aber auf Grund des Überschusses an Bindemittelanteilen meist als ungefährlich angesehen werden kann. Bei einer Eignungsprüfung an zwei Parallelversuchen mit Leitungswasser und dem in Frage kommenden Wasser kann man nach dem Erhärten des Betons bei der Druckfestigkeitsprüfung eine eventuelle Festigkeitsminderung erkennen. Durch höhere Zementzugabe kann meistens ein Ausgleich erfolgen. Um die Trinkwasserressourcen zu schonen, wird zunehmend Restwasser zur Betonherstellung eingesetzt. Restwasser fällt an beim Auswaschen der Gesteinskörnung aus nicht verwendeten Restbetonmengen, beim Reinigen der Betonmischer, -pumpen und Fahrtrommeln, beim Sägen und Schleifen von Festbeton usw. Seine Verwendung für Beton ist – wie die Verwendung aller übrigen Wässer auch – in DIN EN 1008 geregelt. Für die Herstellung von hochfestem Beton und LP-Beton darf Restwasser nicht verwendet werden. 5.2.1.2 Zement
Alle Normzemente sind für Beton zugelassen; sie entsprechen den Festlegungen der DIN EN 197-1 und DIN 1164 und werden regelmäßig überwacht. Nicht genormte Zemente dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie bauaufsichtlich zugelassen sind. Bei der Auswahl der Zementarten sind die Anwendungsbereiche in Abhängigkeit von den Expositionsklassen zu berücksichtigen (Tabelle 5.7).
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A
A/B P/Q
A/B Vi
A
CEM III A
B
C
CEM IVei A
B
CEM Vei A
B
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L
LL
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XS3
Chloride aus Meerwasser
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Frostangriff
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×b
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XA1
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d
d
×
XA3
XA2
aggressive chemische Umgebung
Betonangriff
× = gültiger Anwendungsbereich; ο = für die Herstellung von Beton nach DIN 1045-2 nicht anwendbar; Fußnoten siehe DIN 1045-2 Tabelle F.3.3
B
A
B
A
B
A
CEM II A/B T
B
×
×
D
×
×
CEM I
XC2
XC1
X0
andere Chloride als Meerwasser
durch Chloride verursachte Korrosion
Bewehrungskorrosion
durch Karbonatisierung verursachte Korrosion
A/B S
Expositionsklassen
kein Korrosions/Angriffsrisiko
Tabelle 5.7 Anwendungsbereiche für Normzemente zur Herstellung von Beton nach DIN 1045-2
ο
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XM2
ο
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ο
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ο
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ο
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×
ο
ο
×
×
×
×
×
XM3
Verschleiß
Spannstahlverträglichkeit ο
ο
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×
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ο
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×
ο
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×
262 5 Beton
5.2 Betonkomponenten
263
Die Festigkeitseigenschaften eines Betons stehen – sofern alle anderen Parameter konstant gehalten werden (Mischungsverhältnis, Kornzusammensetzung, w/z-Wert, Lagerungsbedingungen, usw.) – im direkten Verhältnis zur Normdruckfestigkeit des Zementes. Je höher die Normdruckfestigkeit eines Zementes ist, umso höher sind unter sonst gleichen Voraussetzungen die Zementstein- und somit auch die Betondruckfestigkeit. Da es in der Praxis nahezu unmöglich ist, die tatsächliche Normdruckfestigkeit eines angelieferten Zementes sofort anzugeben, andererseits eine Prüfung einen Zeitraum von 28 Tagen erfordert, kommt man nicht umhin, eine Annahme über die Normdruckfestigkeit zu machen, sich also so genannter Rechenwerte zu bedienen, die man beim Entwurf einer Betonmischung zugrunde legen kann. Betrachtet man einmal in Tabelle 4.14 die Normdruckfestigkeiten der Zemente, so kann man feststellen, dass neben den Mindestfestigkeiten auch maximal zulässige obere Grenzwerte festgelegt sind, die jeweils um 20 MPa (N/mm2) höher liegen (außer CEM 52,5). Aus verfahrenstechnischen Gründen versucht man bei der Zementherstellung jeweils den Mittelwert zwischen diesen Grenzen als Zielwert einzustellen. Diese Zielwerte werden dann als Rechenwerte beim Entwurf von Betonmischungen zugrunde gelegt. 5.2.1.3 Wasser-Zement-Wert
Der Wasser-Zement-Wert (einschließlich der Oberflächenfeuchte) ist bestimmend für die Porosität des Zementsteins; daher beeinflusst er entscheidend dessen Festigkeitswerte. Da der Zementstein die Verkittung zwischen den einzelnen Zuschlagkörnern herstellt, deren Festigkeit im Normalbeton wesentlich höher ist als die des Zementsteins, ist die Festigkeit eines Betons abhängig vom Wasser-Zement-Wert und von der Zementfestigkeitsklasse (1. Grundregel der Betontechnologie). Dabei werden gute Gesteinskörnungen und eine einwandfreie Verarbeitung und Nachbehandlung des Betons vorausgesetzt. Bei der Hydratation werden ungefähr 40 % des Zementgewichts an Wasser chemisch und physikalisch gebunden; dies entspricht einem Wasser-Zement-Wert von 0,40. In der Betonpraxis liegen die Wasser-Zement-Werte zwischen 0,40 und 0,75; lediglich hochfeste Betone weisen geringere w/z-Werte (zum Teil w/z 0,25) auf. Das über 40 M.-% hinaus im Leim befindliche Wasser ist Überschusswasser und bildet im erhärteten Zementstein verästelte Poren und Kapillaren mit Durchmessern von 1/100 bis 1/1000 mm. Je größer ihre Anzahl und ihr Durchmesser sind, umso geringer ist die Festigkeit des Betons. Dabei spielt es für die Festigkeit nur eine untergeordnete Rolle, ob die Poren noch wassergefüllt sind oder inzwischen ausgetrocknet sind und als Luftporen vorliegen. Ein hoher Wasser-Zement-Wert verschlechtert alle Eigenschaften des Betons, ein geringer verbessert sie. Deshalb werden die Eigenschaften eines Betons durch die Einhaltung eines bestimmten, maximal zulässigen Wasser-Zement-Wertes erreicht, der abhängig ist von den zu erwartenden Beanspruchungen, z. B. Wasserundurchlässigkeit: w/z 0,60; Frostwiderstand: w/z 0,60; Widerstand gegen starken chemischen Angriff: w/z 0,50.
264
5 Beton
Den relativen Festigkeitsabfall eines beliebig zusammengesetzten Betons in Abhängigkeit vom w/z-Wert zeigt Bild 5-1. Aus der Kurve lassen sich zugleich Schlüsse auf die Veränderung der Betondruckfestigkeit ziehen, z. B.: Für einen Beton mit einem w/z-Wert von 0,50 wird eine mittlere Würfeldruckfestigkeit fcm von 52 N/mm2 ermittelt; dies entspricht laut Bild 5-1 80 bis 83% der Festigkeit bei w/z = 0,4. Wird nun durch Wasserzugabe der w/z-Wert auf 0,80 erhöht, erzielt man nur noch 38 bis 46 % der Festigkeit bei w/z = 0,40. Die Druckfestigkeit verringert sich also im Verhältnis der Ordinaten 42 : 81 auf fcm = 27 N/mm2. Fazit: Der Beton hat aufgrund der Wasserzugabe rund die Hälfte seiner Druckfestigkeit eingebüßt.
Bild 5-1 Einfluss des w/z-Wertes auf die relative Druckfestigkeit von Beton
Die Druckfestigkeit des Betons ist also abhängig vom Wasser-Zement-Wert, gleichzeitig aber auch von der Druckfestigkeit des Zementes. Zwar lässt die Zementfestigkeit keine Umrechnung auf die zu erwartenden absoluten Betonfestigkeiten zu, es gibt aber Erfahrungswerte, mit deren Hilfe man aus der Normdruckfestigkeit eines Zementes auf die zu erzielende Festigkeit des Betons schließen kann. Die im Bild 5-2 dargestellten Kurven geben diesen Zusammenhang wieder. Sie ermöglichen eine bestimmte Betonfestigkeit in Abhängigkeit vom Wasser-Zement-Wert und von der Zementfestigkeit zielsicher zu erreichen. Aus den Beispielen ist ersichtlich, dass man zum Erreichen einer bestimmten Festigkeit zwei Wege gehen kann: Ein niedriger Wasser-Zement-Wert mit einem Zement der Festigkeitsklasse CEM 32,5 ergibt die gleiche Festigkeit wie ein höherer Wasser-Zement-Wert mit einem Zement einer höheren Festigkeitsklasse, z. B. CEM 52,5. Für die Entscheidung, welche Zementfestigkeitsklasse mit welchem Wasser-Zement-Wert kombiniert werden soll, sind vor allem folgende Gesichtspunkte maßgebend: Verarbeitungseigenschaften, Erhärtungsgeschwindigkeit und Hydratationswärmeentwicklung, Schwindverhalten. Als Faustregel für durchschnittlich zusammengesetzte Betone gilt:
5.2 Betonkomponenten
265
für Betonfestigkeitsklassen bis einschließlich C20/25 ist ein CEM 32,5 zweckmäßig; für die Betonfestigkeitsklassen C30/37 und C35/45 ein CEM 42,5; für Betone der Festigkeitsklasse C50/60 kommen praktisch nur CEM 42,5 und CEM 52,5 in Frage, wobei letztere insbesondere dann vorzuziehen sind, wenn gleichzeitig eine hohe Anfangsfestigkeit gefordert wird. Auf die Zusammenhänge zwischen Zement-, Betondruckfestigkeit und w/z-Wert und die daraus für die Baupraxis zu ziehenden Erkenntnisse wird im Abschnitt 5.4.2 „Entwerfen von Betonmischungen“ noch ausführlich eingegangen.
Bild 5-2 Abhängigkeit der Würfeldruckfestigkeit fc,dry,cube des Betons vom w/z-Wert und von der Festigkeitsklasse des Zements
5.2.2 Gesteinskörnungen Die Vorschriften fordern, dass nur gütegesicherte Baustoffe für die Betonherstellung verwendet werden dürfen. Gesteinskörnungen für Beton müssen den Anforderungen der DIN EN 12620 (normale Gesteinskörnungen) bzw. DIN EN 13055 (leichte Gesteinskörnungen) entsprechen.
266
5 Beton
Da die Eigenschaften der Gesteinskörnungen als Naturprodukt größeren Schwankungen unterliegen, sind sie besonders sorgfältig auszuwählen und zu überwachen. Zur Bestätigung der Konformität wird daher das System „2+“ (siehe 1.4.3.2) gefordert. Wenn einleitend im Abschnitt 5.2 davon gesprochen wird, dass die Druckfestigkeit eines Betons von den Gesteinskörnungen, sofern sie ausreichend fest und sauber sind, praktisch nicht beeinflusst wird, so ist man versucht die Frage zu stellen, warum denn nun bei der Verwendung der Gesteinskörnungen so viel zu beachten ist (z. B. getrennte Anlieferung nach Korngruppen bei höheren Betongüten, Sieblinie im günstigen Bereich und anderes mehr). Dem muss entgegengehalten werden, dass die Kornform und insbesondere die Korngrößenverteilung eines Korngemisches bestimmend ist für den Zementleimbedarf und somit für den Zementgehalt. Mehr Zementleim bedeutet aber z. B. größeres Schwindmaß, höhere Hydratationswärmeentwicklung usw. Allgemein müssen Gesteinskörnungen für Normalbeton die Regelanforderungen erfüllen (siehe Tabelle 3.28). Erfordert Beton aufgrund seiner Beanspruchung durch Gebrauchs- oder Umweltbedingungen die Einhaltung zusätzlicher Anforderungen an die Gesteinskörnungen, z. B. bei Betonfahrbahndecken oder bei Bauteilen des Wasserbaus, so sind diese durch den Betonhersteller unter Berücksichtigung der Forderungen der Baustelle mit dem Herstellwerk der Gesteinskörnung zu vereinbaren und von diesem sicherzustellen. Gesteinskörnungen, die hinsichtlich bestimmter Eigenschaften die Regelanforderungen nicht erfüllen, dürfen für gewisse Anwendungen des Betons verwendet werden, wenn der Betonhersteller unter Berücksichtigung der Forderungen des Betonverarbeiters die Eignung des mit solchen Gesteinskörnungen hergestellten Betons durch eine Erstprüfung nachweist. Die Kornzusammensetzung beeinflusst den Zementbedarf, den Wasseranspruch, die Verarbeitbarkeit und die Verdichtungswilligkeit des Betons. Im Anhang L der DIN 1045-2 sind informativ Regelsieblinien für Korngemische mit einem Größtkorn von 8 mm, 16 mm, 32 mm und 63 mm (siehe Kapitel 3, Bilder 3-16 bis 3-19) dargestellt. Weitere Ausführungen zum Thema Sieblinien sind Abschnitt 3.5.2 zu entnehmen. Grundsätzlich ist eine Sieblinie entsprechend den Erfordernissen der Baustelle – Bewehrungsdichte, Bauteilabmessung, Geräte zur Betonförderung, Kornbeschaffenheit – vorzugeben. Mit der vorgegebenen Sieblinie werden dann Eignungsversuche durchgeführt und die Brauchbarkeit der Betonzusammensetzung überprüft. Zur Herstellung von Beton soll das Körnungsgemisch möglichst grobkörnig und hohlraumarm sein (gemischtkörnig). Das Größtkorn ist so zu wählen, wie Mischen, Fördern, Einbringen und Verarbeiten des Betons dies zulassen; seine Nenngröße darf 1/3 (besser 1/5) der kleinsten Bauteilabmessung nicht überschreiten. Bei eng liegender Bewehrung oder geringer Betondeckung soll der überwiegende Teil der Gesteinskörnung kleiner als der Abstand der Bewehrungsstähle untereinander und von der Schalung sein. Bei der Bestellung und Lieferung ist die Gesteinskörnung anhand folgender Merkmale zu bezeichnen: a) Herkunft – falls das Material über ein Lager ausgeliefert worden ist, muss dieses zusätzlich angegeben werden; b) Art der Gesteinskörnung ( natürlich, industriell hergestellt, normal, schwer); c) einfacher Hinweis auf den petrographischen Typ;
267
5.2 Betonkomponenten
d) Korngruppe; e) Anforderungskategorien, soweit diese von den Regelanforderungen abweichen; f) zusätzliche Angaben, die zur Identifikation der jeweiligen Gesteinskörnung benötigt werden; g) Sorten- oder Codenummer zur Kennzeichnung auf dem Lieferschein. Bei getrennt anzuliefernden Korngruppen muss die Lagerung so erfolgen, dass auch an den Randzonen eine Vermischung ausgeschlossen ist. Um eine ausreichende Entwässerung sicherzustellen, sind die Lagerflächen mit Gefälle anzulegen und zu befestigen. Die Trennwände der Lagerboxen müssen standfest und in ausreichender Höhe errichtet werden. Natürlich zusammengesetzte Gesteinskörnung darf nur für Beton der Druckfestigkeitsklassen C12/15 verwendet werden. Der höchstzulässige Chloridgehalt von Beton ist in DIN 1045-2 festgelegt und von der Betonverwendung abhängig. Die Grenzwerte werden bezogen auf den Zementgehalt z angegeben ( Cl−z ) und betragen bei unbewehrtem Beton: 1,0 M.-% Cl−z bei bewehrtem Beton:
0,4 M.-% Cl−z
bei Spannbeton:
0,2 M.-% Cl−z
Gesteinskörnungen mit alkalilöslicher Kieselsäure (siehe Abschnitt 3.3.5.3) können in feuchter Umgebung mit den Alkalien im Beton reagieren, was unter ungünstigen Umständen zu einer Volumenzunahme und dadurch zu Rissen im Beton führen kann (Alkalitreiben). Deshalb werden die Gesteinskörnungen nach ihrem Anteil an Opalsandstein allein (O) und zusätzlich nach ihrem Anteil Opalsandstein + Flint (OF) beurteilt und in eine der drei Alkaliempfindlichkeitsklassen EI (unbedenklich), EII (bedingt brauchbar) oder EIII (bedenklich) eingestuft (Tabelle 3.25). Eine besondere Beurteilung ist bei gebrochenen alkaliempfindlichen Gesteinskörnungen (S) nach Teil 3 der Alkali-Richtlinie notwendig. Das zu betonierende Bauteil wird nach Tabelle 5.3 Punkt 8 einer der Feuchtigkeitsklassen W0, WF, WA oder WS zugeordnet. Aus der Empfindlichkeitsklasse der Gesteinskörnung und der Feuchtigkeitsklasse des Bauteils ergeben sich nun die zu treffenden betontechnologischen Maßnahmen (Tabelle 5.8). Für die Herstellung von hochfestem Beton sind hinsichtlich Alkalireaktion unbedenkliche Gesteinskörnungen zu verwenden.
Zusätzliche Anforderungen an künstliche Gesteinskörnungen
Neben einer umweltschonenden Produktion wird immer mehr Wert darauf gelegt, dass Baustoffe wiederverwendet werden können, da sowohl Deponieräume als auch Rohstoffe knapper werden.
268
5 Beton
Tabelle 5.8 Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton Alkaliempfindlichkeitsklasse
Zementgehalt in kg/m³
E I; E I-S
W0
WF
WA
WS
ohne Festlegung
–
–
–
Zement nach Tab. 4.18
≤ 3301)
–
–
–
Zement nach Tab. 4.18
E II-O
–
–
NA-Zement
Austausch der Gesteinskörnung
E III-O
–
NA-Zement
Austausch der Gesteinskörnung
Austausch der Gesteinskörnung
–
–
–
Zement nach Tab. 4.18
E II-OF
–
NA-Zement
NA-Zement
Austausch der Gesteinskörnung
E III-OF
–
NA-Zement
Austausch der Gesteinskörnung
Austausch der Gesteinskörnung
≤ 300
–
–
–
Zement nach Tab. 4.18
300 < z ≤ 350
–
–
PerformancePrüfung3) oder NAZement
Zement nach Tab. 4.18 + Austausch der Gesteinkörnung oder Gutachten4)
>350
–
PerformancePrüfung3) oder NAZement
PerformancePrüfung3) oder Austausch der Gesteinskörnung
Zement nach Tab. 4.18 + Austausch der Gesteinkörnung oder Gutachten4)
E I-O
E I-OF
E III-S
1) 2) 3)
4)
Feuchtigkeitsklasse und zugehörige Maßnahme
> 3302)
Bei z > 330 kg/m³ ist E I-OF bis E III-OF maßgebend. Bei z ≤ 330 kg/m³ ist E I-O bis E III-O maßgebend. Die Performance-Prüfung wird in einem zukünftigen Teil 4 der Richtlinie beschrieben werden. Bis auf Weiteres erfolgt die Festlegung von vorbeugenden Maßnahmen auf Grundlage eines Gutachtens4). Für die Erstellung von Gutachten sind besonders fachkundige Personen einzuschalten.
Hochofenschlacke nach DIN 4301
Die so genannte „saure“ Hochofenschlacke ist als Gesteinskörnung für Stahlbeton gut geeignet, wenn sie ein gleichbleibend dichtes, kristallines Gefüge aufweist. Ihre Schüttdichte, gemessen an der Kornklasse 16/32, muss 0,9 kg/dm3 betragen. Schaumige und glasige Schlackenstücke vermindern die Druckfestigkeit des Betons. Ihr Gehalt darf daher 5 M.-% nicht überschreiten. Hochofenschlacke (HOS) muss die zusätzlichen Prüfungen zur Bestimmung der Raumbeständigkeit (Prüfung auf Kalk- und Eisenzerfall) bestehen. Kalkzerfall (Umwandlung von -C2S -C2S) ist erkennbar an frischen Bruchflächen unter UV-Licht durch zahlreiche
5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons
269
hell leuchtende, bronze- und zimtfarbige Flecken auf violettem Untergrund. Eisenzerfall: Bei 2-tägiger Lagerung unter Wasser tritt ein Zerfall der Schlackenstücke durch Umwandlung von eisenhaltigen Verbindungen ein (Vorsicht insbesondere bei alten Haldenschlacken!) Schmelzkammergranulat
Schmelzkammergranulat ist ein Kraftwerksnebenprodukt, eine im Wasserbad abgeschreckte, glasartig erstarrte Ascheschmelze. Es wird bei der Verbrennung von Steinkohle in so genannten Schmelzkammerfeuerungen gewonnen. Besonderes Merkmal ist das geringe Schüttgewicht von 1,05 bis 1,40 kg/dm3. Es enthält keine relevanten Mengen an Schadstoffen; Beton und Stahl werden nicht angegriffen. Rezyklierte Gesteinskörnungen
Der Einsatz von Betonsplitt aus Altbeton für die Herstellung von Beton nach DIN 1045-2 ist möglich. Rezyklierte Gesteinskörnungen müssen die Anforderungen nach DIN 4226-100 erfüllen. Bei der Herstellung von Beton ist die DAfStb-Richtlinie „Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN 4226-100“ zu beachten. Entsprechend der stofflichen Zusammensetzung rezyklierter Gesteinskörnungen nach Tabelle 3.32 werden 4 Liefertypen unterschieden: Typ 1: Betonsplitt/Betonbrechsand Typ 2: Bauwerksplitt/Bauwerkbrechsand Typ 3: Mauerwerksplitt/Mauerwerkbrechsand Typ 4: Mischsplitt/Mischbrechsand Für die Herstellung von Beton nach DIN 1045-2 dürfen nur die Liefertypen 1 und 2 verwendet werden. Das Wassersaugvermögen des Recyclingmaterials kann zu einem schnelleren Ansteifen des Frischbetons führen; dies ist bei der Betonherstellung zu berücksichtigen (Splitt vornässen). Die zulässigen Anteile der rezyklierten Gesteinskörnungen sind von der Feuchtigkeitsklasse gemäß Alkali-Richtlinie und den Expositionsklassen abhängig; sie betragen bei Typ 1 maximal 45 Vol.-%, bei Typ 2 maximal 35 Vol.-%, jeweils bezogen auf die gesamte Gesteinskörnung. Die Verwendung von Brechsand bis 2 mm ist wegen der hohen Wasseraufnahme nicht mehr erlaubt.
5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons Die Zusammensetzung eines Betons ist neben seiner Verdichtung und Nachbehandlung von ausschlaggebender Bedeutung für alle Betoneigenschaften. Während die Betonzusammensetzung früher überwiegend durch die gewünschten Festbetoneigenschaften bestimmt wurde, haben in jüngerer Zeit die Frischbetoneigenschaften zunehmend an Bedeutung gewonnen. Betontechnologisch und bautechnisch wichtige Eigenschaften des Frischbetons sind das Mischungsverhältnis, die Konsistenz als Maß für die Verarbeitbarkeit des Frischbetons sowie die Rohdichte als Kennwert für den Porenraum bzw. Dichtigkeitsgrad des verdichteten Frischbetons.
270
5 Beton
5.3.1 Mischungsverhältnis Das Mischungsverhältnis des Betons MV gibt das Verhältnis Zement (z) : Gesteinskörnung (g) : Wasser (w) in Massenteilen, bezogen auf den Zementgehalt z, an:
MV =
z g w : : = 1: γ :ω z z z
(5.1)
Beispiel: MV = 1 : 6,5 : 0,60. Um bei bewehrtem Beton den Korrosionsschutz der Stahleinlagen sicherzustellen, wird in der Mehrzahl der maßgeblichen Vorschriften – so auch in der DIN 1045-2 – die Betonzusammensetzung durch Angaben über den Mindestzementgehalt und den w/z-Wert festgelegt. Zement-, Gesteinskörnungs- und Wassergehalt werden immer bezogen auf einen m³ verdichteten Frischbeton angegeben. 5.3.1.1 Zementgehalt
Der für einen Beton erforderliche Zementgehalt ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Im Hinblick auf die Verarbeitbarkeit des Betons müssen die Gesteinskörner mit Zementleim umhüllt sein; dabei hängt die Dicke der Zementleimschicht von der Konsistenz des Betons ab. Darüber hinaus wird zusätzlicher Zementleim benötigt, um die verbleibenden Haufwerksporen im Beton zu füllen und damit ein dichtes Betongefüge zu erzielen. Bei Stahlbeton ist ein ausreichend hoher Zementgehalt außerdem notwendig, um eine sichere Umhüllung des Stahls mit Zementleim und damit den Korrosionsschutz der Bewehrung zu gewährleisten. Da der im Rahmen der Stoffraumrechnung bestimmte Zementgehalt auf einen m³ verdichteten Frischbeton bezogen wird, wirkt sich eine unterschiedliche Verdichtung – wenn auch nur geringfügig – auf die Größe des Zementgehaltes aus. Zur Überprüfung kann der tatsächliche Zementgehalt z aus den Einwaagen der Mischerfüllung (z, g, w) und der gemessenen Frischbetonrohdichte f bestimmt werden. Analog zu Gleichung 5.1 gilt
γ=
g' z'
und ω =
w' z'
(5.2)
Daraus folgt:
z=
ρf (1 + γ + ω )
(5.3)
5.3.1.2 Wassergehalt, Wasser-Zement-Wert
Der Wassergehalt setzt sich aus dem Zugabewasser und der Eigenfeuchte der Gesteinskörnungen zusammen. Der zur Erzielung einer bestimmten Konsistenz notwendige Wassergehalt ist i. W. abhängig von der Zusammensetzung (k-Wert) und von der Art der Gesteinskörnungen, vom Zementgehalt und von der Mahlfeinheit des Zements. Das für die Hydratation des Zementes notwendige Wasser ist dadurch im Allgemeinen ausreichend vorhanden.
5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons
271
Die Überprüfung des Wassergehaltes von Frischbeton erfolgt wie bei den Gesteinskörnungen für die Baustellenpraxis bevorzugt durch die Darrprobe oder den Thaulow-Versuch. Hat man den Zementgehalt und den Wassergehalt für 1 m3 Beton ermittelt, so lässt sich hieraus der w/z-Wert berechnen. Bei gegebenem Zementgehalt bestimmt der Wassergehalt den w/z-Wert und damit die Dichtigkeit des Zementsteins. Daher ist für den Korrosionsschutz die Festlegung des w/z-Wertes sinnvoller als die der Mindestzementgehalte; bei einem großen w/z-Wert ist selbst bei einem hohen Zementgehalt der Korrosionsschutz der Bewehrung nicht gewährleistet. Dies gilt gleichermaßen für aggressive Einwirkungen auf den Beton; mit zunehmendem w/z-Wert steigt die Porigkeit, wodurch die Betonkorrosion erhöht wird. DIN 1045-2 legt deshalb sowohl für Stahlbeton (Expositionsklassen XC, XD und XS) als auch für Beton, auf den aggressive Einwirkungen zu erwarten sind (Expositionsklassen XF, XA und XM) Obergrenzen für den w/z-Wert fest, die nicht überschritten werden dürfen und die als zusätzliche Bedingungen bei der Betonherstellung zu beachten sind (siehe Tabelle 5.16).
5.3.2 Konsistenz des Betons 5.3.2.1 Allgemeines
Unter der Konsistenz versteht man die äußere Beschaffenheit des Frischbetons, mit deren Hilfe die komplexe, nicht genau definierbare Eigenschaft der Verarbeitbarkeit eines Betons charakterisiert werden kann. Welche Konsistenz man für eine Konstruktion wählt, hängt von den praktischen Gegebenheiten ab: von der Arbeitsweise des Mischers, der Art der Förderung des Betons, von den Verdichtungsmöglichkeiten ebenso wie von den Abmessungen des Bauteils und dessen Bewehrung. In jedem Fall ist die Konsistenz eines Frischbetons so zu wählen, dass sich der Beton mit den vorhandenen Geräten fehlerfrei einbauen und vollständig verdichten lässt. Die Frischbetonkonsistenz wird durch mehrere Faktoren bestimmt: den Zementleimgehalt der Mischung, durch die Kornzusammensetzung insbesondere den Mehlkorngehalt, die Kornform sowie etwaige Betonzusatzmittel. Ob man nun einen weichen oder steifen Frischbeton erzielt, ist – bei einer bestimmten Gesteinskörnung und ohne Verwendung von Zusatzmitteln – allein von der Menge des Zementleims abhängig. Ist viel Leim vorhanden, d. h. wird jedes Korn mit einer dicken Leimschicht umhüllt, ist der Beton weich. Ist nur soviel Leim vorhanden, dass die einzelnen Zuschlagkörner gerade mit einer dünnen Schicht umhüllt werden, dann ist der Beton steif. Die Konsistenz eines Betons ist also abhängig von der Leimmenge, und diese wiederum hängt von der zu umhüllenden Oberfläche der Gesteinskörner, also von der Kornzusammensetzung ab (2. Grundsatz der Betontechnologie). Grobe Kornzusammensetzungen benötigen weniger Leim als feine Körner, da die spezifische Oberfläche der Gesteinskörnung mit kleiner werdendem Korndurchmesser zunimmt. Die Frage ist nun, wie der Zementleimbedarf für eine angestrebte Konsistenz bestimmt werden kann. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass der Zement die Verarbeitbarkeit
272
5 Beton
des Betons im Bereich üblicher Zementgehalte nur unwesentlich beeinflusst; maßgebend ist in erster Linie die Zusammensetzung des Korngemisches (Sieblinie). Man kann deshalb die Konsistenz des Betons allein über die Wassermenge regeln; die zur Erzielung einer bestimmten Konsistenz erforderliche Wassermenge wird als Wasseranspruch des verwendeten Korngemisches bezeichnet. Hin und wieder wird die Behauptung aufgestellt, dass die Konsistenz vom w/z-Wert abhängig sei; diese Kopplung von Konsistenz und w/z-Wert ist nicht richtig! Zweifellos hat ein niedriger Wasser-Zement-Wert eine steifere „Viskosität“ des Zementleims zur Folge, die Konsistenz des Betons wird davon jedoch nur unwesentlich beeinflusst. Dafür ist in jedem Fall die Menge und nicht die Viskosität des Zementleims maßgebend. Man kann einen Beton bestimmter Konsistenz also mit hohem wie mit niedrigem w/z-Wert herstellen. Unterschiedlich ist dabei nur die Zementleimmenge und somit also auch der Zementgehalt. Der weiche Beton hat unter sonst gleichen Bedingungen einen höheren Zementgehalt als der steife Beton. Im Schnitt tritt eine Erhöhung von Konsistenzbereich zu Konsistenzbereich um ca. 10 % ein. Hat man für einen Frischbeton also eine ganz bestimmte Konsistenz vorgeschrieben, dann richtet sich der Wasseranspruch nach der Zusammensetzung der Gesteinskörnung: eine überwiegend feinkörnige Gesteinskörnung erfordert einen höheren Wasserzusatz als eine grobkörnigere. Da aber die Wassermenge von einschneidender Bedeutung für die Betonfestigkeit ist, so ist die Kornzusammensetzung auch unmittelbar über den Wasseranspruch von großem Einfluss auf die Betonfestigkeit. Mit Hilfe unterschiedlicher Kennwerte (siehe 3.5.3) lässt sich der Wasseranspruch von Korngemischen abschätzen; ein häufig verwendeter Kennwert ist die Körnungsziffer k. In Bild 5-3 sowie in Tabelle 5.9 ist der Wasseranspruch für unterschiedliche Konsistenzen in Abhängigkeit von der Körnungsziffer dargestellt.
Bild 5-3
Wasseranspruch von Frischbeton in Abhängigkeit von der Konsistenz und der Körnungsziffer
273
5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons
Aus dem Verlauf der Kurven in Bild 5-3 ist klar zu erkennen, dass mit steigender Körnungsziffer, d. h. zunehmendem Größtkorn oder gröber zusammengesetztem Korngemisch, und steifer werdender Konsistenz der Wasseranspruch kleiner wird. Der Wasserbedarf steigt hingegen, wenn die Konsistenz weicher und die Kornzusammensetzung feiner wird, d. h. eine kleinere Körnungsziffer vorliegt. Bei Verwendung dichter, nicht saugender Gesteinskörnungen entspricht der Wasseranspruch dem effektiven Wassergehalt des Betons. Bei feuchten Gesteinskörnungen muss deren Oberflächenfeuchte berücksichtigt und das Zugabewasser entsprechend reduziert werden. Tabelle 5.9
Wasseranspruch verschiedener Regelsieblinien in Abhängigkeit vom Konsistenzbereich des Frischbetons
Regelsieblinie
Körnungsziffer
Konsistenzbereich steif
plastisch
weich
A 32 B 32 C 32
5,48 4,20 3,30
130 150 170
150 170 190
170 190 210
A 16 B 16 C16
4,60 3,66 2,75
140 160 190
160 180 210
180 200 230
A8 B8 C8
3,64 2,89 2,27
161 185 208
183 205 227
205 224 245
Die angegebenen Werte für den Wasseranspruch sind lediglich Orientierungswerte; sie gelten nur für rundes Korn und Zementgehalte zwischen 240 und 400 kg/m³. Allgemein sind Frischbetone aus rundlichen Gesteinskörnungen verdichtungswilliger als solche aus gebrochenen, kantigen, splittrigen Gesteinskörnungen, die sich als sperrig und widerspenstig erweisen und für die sich der Wasseranspruch erhöht. Bei Verwendung von Splitt ab 8 mm erhöht sich der Wasseranspruch um ca. 5 %, bei Splitt ab 4 mm ist der aus der Tabelle oder den Kurven entnommene Wert um 10 % zu erhöhen. Neben der Kornform wirken sich auch Art und Herkunft der Gesteinskörnung auf den Wasseranspruch aus. Sofern erforderlich sollte der Wasserbedarf einer Betonmischung stets durch eine Erstprüfung ermittelt werden. Auch eine Erhöhung des Mehlkornanteils über 350 kg/m3 Beton hinaus erhöht den Wasseranspruch (als Richtwert ca. um 1 kg/m3 pro 10 kg Mehrgehalt an Mehlkorn/m3 Beton). Die Konsistenz von Beton wird heute nicht mehr allein über die Wasserzugabe, sondern durch Verwendung speziell entwickelter Betonzusatzmittel (Betonverflüssiger, Fließmittel) geregelt (siehe Abschnitt 5.7.1). Die Frischbetonkonsistenz beeinflusst lediglich die Verarbeitbarkeit und Verdichtbarkeit des Frischbetons sowie die Art und Gleichmäßigkeit des Betongefüges. Je steifer ein Beton ist,
274
5 Beton
desto größer ist der Verdichtungsaufwand, um eine vollkommene Betonverdichtung zu erzielen. Weiche Betone hingegen neigen eher zum Entmischen, insbesondere dann, wenn sie übermäßig stark verdichtet werden. Art und Dauer der Verdichtung müssen daher stets auf die Konsistenz abgestimmt sein. Die Konsistenz ist jedoch kein Maßstab für die Festigkeit oder andere Eigenschaften des Festbetons. Bei der Betonüberwachung auf der Baustelle hat die Konsistenzmessung lediglich den Sinn, die gewünschte Verarbeitbarkeit und Verdichtbarkeit des Frischbetons sicherzustellen. Außerdem geben Konsistenzänderungen Hinweise auf Mischungsänderungen; daher schreibt DIN 1045-3 für alle drei Überwachungsklassen eine Konsistenzüberprüfung vor. Eine Aussage über die spätere Festigkeit des Betons ist nur durch Messung der Druckfestigkeit bzw. unter Umständen durch zusätzliche Überwachung des w/z-Wertes möglich. Die Beurteilung der Verarbeitbarkeit kann nach unterschiedlichen in DIN EN 12350 beschriebenen Konsistenzprüfverfahren erfolgen: Setzmaß (DIN EN 12350-2); Setzzeitmaß (Vébé) (DIN EN 12350-3); Verdichtungsmaß (DIN EN 12350-4); Ausbreitmaß (DIN EN 12350-5). Anhand der Prüfergebnisse wird der untersuchte Beton in eine Konsistenzklasse nach DIN EN 206-1 eingestuft. In Deutschland werden vorzugsweise der Ausbreitversuch und der Verdichtungsversuch durchgeführt. Beide Verfahren sind einfach zu handhaben und deshalb für die Baustelle gut geeignet. Mittels Ausbreitmaß lassen sich am besten weiche und fließfähige Betone charakterisieren, während das Verdichtungsmaß vorwiegend bei steifen Betonen angewendet wird. Im Übergangsbereich wird das Verdichtungsmaß bevorzugt angewendet bei Splittbeton, Leicht- und Schwerbeton sowie bei mehlkornreichem Beton. Bei Ausbreitmaßen > 700 mm ist die Richtlinie „Selbstverdichtender Beton“ des DAfStb zu beachten. Hochfester Beton muss eine Konsistenzklasse F3 oder weicher haben. Die mit unterschiedlichen Prüfverfahren ermittelten Konsistenzklassen sind nicht direkt vergleichbar; deshalb müssen das anzuwendende Prüfverfahren und die einzuhaltende Konsistenzmaße vereinbart werden. Bei der Erst- und Güteprüfung ist das gleiche Verfahren anzuwenden. Der Beton muss die vereinbarte Konsistenz zum Zeitpunkt des Betoneinbaus, bei Transportbeton zum Zeitpunkt der Lieferung aufweisen. Weicht die Verarbeitbarkeit von der erforderlichen nach der trockeneren Seite hin ab (in Richtung F1 oder C1), so können unter Umständen die Förderaggregate verstopfen, und im Allgemeinen ist mit der vorgesehenen Verdichtungsart keine vollständige Verdichtung mehr möglich bzw. es muss die Verdichtungsenergie erhöht werden. Bei sehr weichen Betonen, die mit erhöhtem Wassergehalt hergestellt worden sind, besteht die Gefahr der Entmischung. Für Betone F4 muss deshalb die nötige Konsistenz durch die Zugabe von Fließmitteln erreicht werden.
275
5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons Tabelle 5.10 Ausbreitmaß- und Verdichtungsmaßklassen Ausbreitversuch
Verdichtungsversuch
Klasse
Ausbreitmaß (Durchmesser) [mm]
Klasse
Verdichtungsmaß
–
–
C0
1,46
Konsistenzbeschreibung
sehr steif
F1
340
C1
1,45 bis 1,26
steif
F2
350 bis 410
C2
1,25 bis 1,11
plastisch
F3
420 bis 480
C3
1,10 bis 1,04
weich
F4
490 bis 550
C4
< 1,04
sehr weich
F5
560 bis 620
–
–
fließfähig
F6
630
–
–
sehr fließfähig
Tabelle 5.11 Erläuterung der Konsistenzbeschreibungen Konsistenzbeschreibung
Eigenschaften des Feinmörtels
Eigenschaften des Frischbetons beim Schütten
sehr steif
erdfeucht
lose
steif
erdfeucht und etwas nasser
lose/schollig
plastisch
weich
schollig bis zusammenhängend
Rütteln
weich
flüssig
schwach fließend
Stochern oder leichtes Rütteln
fließend
Leichtes Rütteln, Entlüften durch Stochern
sehr weich fließfähig
sehr flüssig
sehr fließfähig
Verdichtungsart kräftig wirkende Rüttler und/oder kräftiges Stampfen bei dünner Schüttlage
Entlüften durch Stochern
5.3.2.2 Verdichtungsmaß
Beim Verdichtungsversuch (Bild 5-4) wird der Beton in einen 400 mm hohen feucht ausgewischten Blechkasten (quadratischer Grundriss mit 200 mm Kantenlänge) lose eingefüllt, indem der Beton mit einer trapezförmigen Kelle (180 mm lang, vorn 95 mm, hinten 125 mm breit) reihum von allen vier Behälterkanten aus über eine Längsseite der Kelle abgekippt wird. Danach wird zunächst der überstehende Beton ohne Verdichtungseinwirkung bündig abgestrichen und der Beton anschließend auf dem Rütteltisch oder mit einem Innenrüttler möglichst vollkommen verdichtet, d. h. bis er nicht mehr weiter zusammensackt. Jeweils in der Mitte der Seitenflächen des Kastens wird der Abstich von oben bis zur Betonoberfläche
276
5 Beton
gemessen und daraus das mittlere Abstichmaß s errechnet. Das Verdichtungsmaß v ergibt sich, indem man die ursprüngliche Höhe der Betonsäule (= 400 mm) durch die Höhe nach dem Verdichtungsvorgang dividiert:
v=
400 400 − s
Bild 5-4 Bestimmung des Verdichtungsmaßes
(5.4)
Bild 5-5 Bestimmung des Ausbreitmaßes
5.3.2.3 Ausbreitmaß
Das Ausbreitmaß wird mit Hilfe eines Ausbreittisches bestimmt; dieser besteht aus einer 700 × 700 mm großen beweglichen Platte, die mit Scharnieren an einen festen Rahmen angeschlossen ist. Die Platte wird bis zu einer Höhe von 40 mm angehoben und anschließend auf den Rahmen fallen gelassen; dieser Vorgang wird 15mal wiederholt. Eine Kegelstumpfform (Abmessungen siehe Bild 5-5) wird mittig auf den Ausbreittisch gestellt; danach wird der Beton lose in zwei Schichten eingefüllt, die jeweils mit Hilfe eines Holzstabes ohne Verdichtungswirkung etwa horizontal geebnet werden. Danach wird die Oberfläche mit einem Stahllineal bündig abgezogen und der Trichter nach Säubern der Platte senkrecht hochgezogen. Zur Bestimmung des Ausbreitmaßes hebt man nun innerhalb von 2 bis 5 Sekunden die Platte am Handgriff langsam ruckfrei bis zum Anschlag an und lässt sie frei fallen; dieser Vorgang wird 15mal wiederholt. Dabei breitet sich der Beton aus, und zwar umso stärker je weicher er ist. Der mittlere Durchmesser (zwei Messungen parallel zu den Tischkanten) des Betonkuchens ergibt nun das Ausbreitmaß. Vor Beginn des Versuches sind die Plattenoberfläche sowie die Innenfläche der Aufsetzform feucht auszuwischen.
5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons
277
Im Gegensatz zum Verdichtungsversuch, mit dem i. W. die Verdichtbarkeit des Betons festgestellt wird, kann mit dem Ausbreitversuch Zusammenhaltevermögen, Verformungswilligkeit und Fließvermögen beurteilt werden. Das Ausbreitmaß wird vor allem bei plastischem bis sehr fließfähigem Beton angewendet. Tritt beim Ausbreitvorgang eine Entmischung (Bildung eines Leimringes am Außenrand) ein, so ist dies im Prüfbericht anzugeben und die Prüfung als unzureichend zu bezeichnen. Fällt der Beton bereits beim Abziehen der Form auseinander oder ergibt sich bei der Prüfung kein zusammenhängender Betonkuchen, so ist der Ausbreitversuch zur Beurteilung des Betons nicht geeignet. In derartigen Fällen sollte der Verdichtungsversuch angewendet werden. 5.3.2.4 Kennzeichnung der Konsistenzbereiche; Einsatzbereiche
Nach der Art der Verdichtung und nach den Anwendungsgebieten ist folgende grobe Kennzeichnung der drei Konsistenzbereiche möglich: Beton der Konsistenzklassen C0 und C1 (steifer Beton) wird auch als Stampfbeton bezeichnet. Er wird verwendet für Fundamente im Wohnungsbau, als Ausgleichs- und Sauberkeitsschichten. Bei massigen Bauteilen mit schwacher Bewehrung kann er unter Umständen eingesetzt werden, da er sich durch kräftige Innenrüttler noch verdichten lässt. Zur Vermeidung von Fehlstellen ist wegen der relativ starken Verdichtungsunwilligkeit auf sachgemäßes Rütteln unbedingt zu achten. Beton im Konsistenzbereich F2 (plastischer Beton) lässt sich durch Rütteln leicht verdichten – auch durch Stochern oder Stampfen von Hand ist er zuverlässig zu verdichten –, selbst in enger Schalung oder bei dichter Bewehrung, die das Rütteln erschweren; auch auf geneigten Flächen kann er gut durch Rütteln verdichtet werden. Er ist mit der Schaufel zu bewegen. Weicher Beton der Konsistenzklassen F3 und F4 erfordert keine größere Verdichtungsarbeit. Er lässt sich meist schon durch Stochern oder leichtes Rütteln verdichten und findet überall dort Verwendung, wo entweder keine Verdichtungsgeräte zur Verfügung stehen, oder aber die dichte Bewehrung ein Arbeiten mit Innenrüttlern erschwert. Feingliedrige Querschnitte und dicht bewehrte Bauteile erfordern in der Regel einen weichen Beton in der Mitte des Konsistenzbereiches F3 (Ausbreitmaß a = 450 ± 30 mm). Bei dieser Konsistenz ist aber unbedingt auf eine gute Betonzusammensetzung zu achten, da es sonst sehr leicht zu Entmischungserscheinungen kommen kann. Für Standardbeton, der als Ortbeton eingebaut wird, ist vorzugsweise weicher Beton F3 oder F4 zu verwenden. Bei fließfähigen Betonen der Konsistenzklassen F5 und F6 kann oft auf eine Verdichtung verzichtet werden; der Beton muss nur noch entlüftet werden, z. B. durch leichtes Stochern.
5.3.3 Mehlkorngehalt Mit dem Begriff Mehlkorn bezeichnet man in der Betontechnologie alle Feinanteile < 0,125 mm; dazu gehören Zement, ggf. Zusatzstoffe und die entsprechenden Anteile der Gesteinskörnung, vor allem des Feinsandes.
278
5 Beton
Der Mehkorngehalt hat einen wesentlichen Einfluss auf die Verarbeitungseigenschaften des Frischbetons. Ein optimaler Mehlkorngehalt verbessert durch seine plastifizierende Wirkung die Verarbeitbarkeit des Betons, wirkt einer Neigung des Frischbetons zum Entmischen entgegen, erhöht die Dichtigkeit (wichtig für wasserundurchlässigen Beton) und garantiert eine einwandfreie Oberflächenbeschaffenheit (wichtig für Sichtbeton). Besonders wichtig ist der Mehlkorn- und Feinsandgehalt für Beton, der in Rohrleitungen gefördert wird (Pumpbeton) sowie bei dünnwandigen eng bewehrten Bauteilen. Der Mehlkorngehalt sollte allerdings auf das für die Verarbeitung notwendige Maß beschränkt bleiben, da ein zu hoher Anteil die Betoneigenschaften negativ beeinflussen kann. U. a. sind zu nennen: Erhöhung des Wasseranspruchs und Zementbedarfs für gleiche Konsistenz, schädlicher Schlempeüberschuss (Feinmörtelschicht) auf der Oberfläche, Erhöhung der Schwind- und Kriechmaße, Verminderung des Frost- und Tausalzwiderstandes sowie des mechanischen Abnutzungswiderstandes. Nach DIN 1045-2 gilt als allgemeine Obergrenze für den Mehlkorngehalt eines Betons ein Wert von 550 kg/m3. Für folgende Betone wurden abweichende, vom Zementgehalt abhängige maximal zulässige Werte festgelegt (siehe Tabelle 5.12): Betone bis Festigkeitsklasse C50/60 und LC50/55 bei den Expositionsklassen XF und XM; Betone ab der Festigkeitsklasse C55/67 und LC55/60 bei allen Expositionsklassen. Tabelle 5.12 Höchstzulässiger Mehlkorngehalt für Beton mit einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 16 mm bis 63 mm Betonfestigkeitsklassen bis C 50/60 und LC 50/55 bei den Expositionsklassen XF und XM Zementgehalta)
a) b)
c)
d)
[kg/m³]
höchstzulässiger Mehlkorngehaltb), d) [kg/m³]
300
400
350
450
Betonfestigkeitsklassen ab C 55/67 und LC 55/60bei allen Expositionsklassen Zementgehalta) [kg/m³]
höchstzulässiger Mehlkorngehaltc), d) [kg/m³]
400
500
450
550
500
600
Für Zwischenwerte ist der Mehlkorngehalt geradlinig zu interpolieren. Die Werte dürfen erhöht werden, – wenn der Zementgehalt 350 kg/m³ übersteigt, um den über 350 kg/m³ hinausgehenden Zementgehalt; – wenn ein puzzolanischer Betonzusatzstoff des Typs II verwendet wird, um den Gehalt des Betonzusatzstoffes, jedoch insgesamt um höchstens 50 kg/m³. Die Werte dürfen erhöht werden, wenn ein puzzolanischer Betonzusatzstoff des Typs II verwendet wird, um den Gehalt des Betonzusatzstoffes, jedoch insgesamt um höchstens 50 kg/m³. Bei 8 mm Größtkorn darf der Mehlkorngehalt um zusätzlich 50 kg/m³ erhöht werden.
5.3 Güteeigenschaften des Frischbetons
279
5.3.4 Frischbeton-Rohdichte Die Rohdichte des verdichteten Frischbetons bildet die Grundlage für eine Ermittlung des genauen Baustoffbedarfs zur Herstellung von einem m3 verdichteten Betons. Daneben kann man aus der Rohdichte Rückschlüsse auf die Güte der Kornzusammensetzung und die Verdichtung des Betons sowie auf die später zu erwartende Druckfestigkeit ziehen. Die Frischbetonrohdichte wird sehr stark vom w/z-Wert und vom Luftgehalt beeinflusst; steigender w/zWert und zunehmender Porengehalt ergeben eine Verringerung der Rohdichte. Bei gleicher Zement- und Gesteinskörnungsmenge bringt eine höhere Rohdichte im Allgemeinen eine höhere Druckfestigkeit. Zusammen mit der Konsistenz ermöglicht die Rohdichte eine gute Kontrolle der Betongüte. Die Frischbetonrohdichte wird im 8-l-Topf des Luftporenprüfgerätes oder bei der Würfelherstellung ermittelt, indem man jeweils das mit verdichtetem Beton gefüllte Gefäß (LP-Topf oder Würfelform) wiegt. Das nach Abzug des Gefäßgewichtes ermittelte Betongewicht wird dann durch das Gefäßvolumen dividiert und liefert so die Frischbetonrohdichte. Ein Vergleich der tatsächlich vorhandenen Ist-Rohdichte und der rechnerischen SollRohdichte gemäß Stoffraumrechnung (siehe Abschnitt 5.4.2.3) gibt Hinweise auf mögliche Fehler bei der Betonherstellung: Ist = Soll: Der Beton ist vollkommen verdichtet. Ist < Soll: Der Beton enthält noch Luftporen oder überhöhten Wassergehalt. Ist > Soll: Der Beton ist überverdichtet, er muss seine Zusammensetzung durch Entmischen verändert haben; Wasser und wasserreicher Zementleim steigen nach oben, werden abgestrichen, d. h. der Anteil leichterer Bestandteile wird geringer.
5.3.5 Luftporengehalt In jedem frisch verdichteten Beton verbleiben trotz sorgfältiger Verdichtung noch Poren, die aus unterschiedlicher Ursache (ungünstige Zusammensetzung der Gesteinskörnung, unzureichende Verdichtung und anderes) entstehen und verschiedene Auswirkungen auf die Festbetoneigenschaften haben. Ein gut verdichteter Frischbeton mit 32 mm Größtkorn hat im Allgemeinen noch einen Luftporengehalt von 1 bis 2 Vol.-% (feinkörnige, sandreiche Korngemische haben einen höheren Luftporengehalt als grobkörnige; er kann bis zu 6 Vol.-% ansteigen). Da ein absolut porenfreier Frischbeton unter praktischen Bedingungen nur schwer erzielt werden kann, spricht man bei diesem Porengehalt trotzdem von vollständiger Verdichtung. Diese in sich abgeschlossenen Poren haben im Allgemeinen noch keine allzu großen nachteiligen Einflüsse auf die Betoneigenschaften. Jeder über diesen Gehalt hinausgehende Porengehalt aber hat negative Auswirkungen auf die Dichtigkeit und Festigkeit. Mit jedem Vol.-% weiterer Luftporen fällt die Druckfestigkeit um etwa 7 bis 8 % ab. Dieser starke Einfluss zeigt, dass eigentlich bei jeder Eignungsprüfung – unabhängig davon, ob luftporenbildende Zusatzmittel verwendet wurden oder nicht – der Luftporengehalt einer Frischbetonmischung geprüft werden sollte.
280
5 Beton
Der LP-Gehalt kann nach DIN EN 12350-7 entweder mit dem Wassersäulenverfahren oder mit dem Druckausgleichsverfahren bestimmt werden. In Deutschland wird meist das Druckausgleichsverfahren angewendet; es beruht auf dem Gesetz von Boyle-Mariotte, wonach das Produkt aus (Druck × Volumen) bei gleicher Temperatur konstant ist. Eine exakte Bestimmung des LP-Gehaltes und der Porengrößen ist nur nachträglich an einer erhärteten, geschliffenen Betonfläche durch Auszählen und Ausmessen der Poren unter dem Mikroskop möglich. Das Prinzip des Druckausgleichsverfahrens ist in Bild 5-6 dargestellt. Der in den 8-l-Behälter eingebrachte Frischbeton wird auf dem Rütteltisch vollständig verdichtet. Nach Aufsetzen des dicht schließenden Oberteils wird der verbliebene Hohlraum unter dem Deckel mit Wasser gefüllt. In der Druckkammer wird mittels eingebauter Luftpumpe der Anfangsluftdruck aufgebracht. Nach Öffnen des Ventils zwischen Druckkammer und LP-Topf sinkt der Luftdruck in der Kammer ab, und zwar umso stärker je größer der LP-Gehalt des Betons ist. Auf dem justierten Druckmanometer kann der Luftporengehalt direkt in Vol.-% abgelesen werden.
Bild 5-6 Bestimmung des Luftporengehaltes mittels Druckausgleichsverfahren
5.3.6 Frischbetontemperatur Bei extremen Außentemperaturen, d. h. bei Temperaturen über +30 °C und unter –3 °C, kann die Ermittlung der Frischbetontemperatur wichtig sein, denn die Frischbetontemperatur beeinflusst das Erstarrungsverhalten und damit die Verarbeitbarkeit. Höhere Temperaturen bewirken ein schnelles Ansteifen und Erstarren, schlechtere Verarbeitbarkeit, höhere Früh- aber geringere Endfestigkeiten und unter Umständen durch Feuchtigkeitsentzug größeres Schwinden. Durch niedrige Temperaturen werden das Erstarren und Erhärten verzögert. Wenn keine Austrocknung oder Gefügezerstörung durch Frost eintritt, liegen die Festigkeiten im Alter sogar etwas höher als bei Normaltemperatur.
281
5.4 Zusammensetzen von Beton
Alle Einflüsse, die sich ungünstig auf das Ansteifen und Erstarren auswirken, steigern meist auch den Wasseranspruch. So bewirken höhere Frischbetontemperaturen nicht nur ein früheres Ansteifen und Erstarren, sondern ebenso einen deutlich höheren Wasseranspruch zur Erzielung gleicher Verarbeitungskonsistenz, was in der Praxis beim Entwurf von Betonmischungen oft nicht hinreichend berücksichtigt wird. Die Frischbetontemperatur muss zum Zeitpunkt der Lieferung gemäß DIN 1045-2, Abschnitt 5.2.8, mindestens +5 °C und darf höchstens +30 °C betragen. Für das Betonieren bei kühler Witterung fordert die DIN 1045-2 die in der Tabelle 5.13 angegebenen Mindesttemperaturen beim Einbau. Tabelle 5.13 Frischbetontemperaturen bei kühler Witterung Lufttemperatur [°C]
+5 bis –3 < –3 a)
Anwendungsbedingungen
Frischbetontemperatur [°C]
allgemeiner Stahlbetonbau
+5
Einsatz von NW-Zementen
+10
Zementgehalt < 240 kg/m³
+10
allgemeiner Stahlbetonbau
+10a)
Diese Temperatur soll wenigstens 3 Tage gehalten werden.
Eine Temperaturveränderung des Frischbetons lässt sich am einfachsten durch Erwärmen oder Abkühlen des Zugabewassers erreichen. Dabei gilt die folgende Faustregel: Veränderung der Wassertemperatur um 40 K bewirkt eine Temperaturänderung des Frischbetons um ca. 10 K. Veränderung der Temperatur der Gesteinskörnung um 20 K bewirkt eine Temperaturänderung des Frischbetons um ca. 10 K. Zum Kühlen des Frischbetons in der warmen Jahreszeit durch Einsatz von Eiswasser ist zusätzlich zu der Temperatur von 0 °C noch die Schmelzwärme des Eises besonders wirksam. Jede Anforderung hinsichtlich künstlichen Kühlens oder Erwärmens des Betons vor der Lieferung muss zwischen Hersteller und Verwender vereinbart werden.
5.4 Zusammensetzen von Beton Die Grundforderung für das Zusammensetzen von Beton lautet: Der Beton muss so zusammengesetzt werden, dass er als Frischbeton verarbeitbar ist. Er muss soviel Zement enthalten, dass die geforderte Druckfestigkeit und bei bewehrtem Beton ein ausreichender Korrosionsschutz der Stahleinlagen erreicht werden kann. Die Dauerhaftigkeit der daraus hergestellten Betonbauwerke muss sichergestellt sein.
282
5 Beton
Nach DIN 1045 gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, die Zusammensetzung des Betons festzulegen: als Standardbeton, als Beton nach Zusammensetzung, als Beton nach Eigenschaften.
Standardbeton ist ein Beton, dessen Zusammensetzung von der Norm vorgegeben ist. Bei diesem Beton ist keine Erstprüfung durch den Betonhersteller erforderlich. Der Überwachungsaufwand ist gering, der Anwendungsbereich allerdings auch sehr eingeschränkt. Beim Beton nach Zusammensetzung werden dem Hersteller die Zusammensetzung und die Ausgangsstoffe, die verwendet werden müssen, vorgegeben. Der Hersteller ist für die Zusammensetzung und die Produktionskontrolle verantwortlich, während der Verfasser der Festlegung für die Eigenschaften des Betons die Erstprüfung durchzuführen oder zu veranlassen hat. Beim Beton nach Eigenschaften ist der Verfasser der Festlegung verantwortlich für die vollständige Angabe der Anforderungen an die erforderlichen Betoneigenschaften. Der Hersteller des Betons wählt dann eine Zusammensetzung aus, mit der die geforderten Eigenschaften erfüllt werden können. Er ist für die Auswahl der Betonausgangsstoffe, die Betonzusammensetzung, die Erstprüfung, die Eigenschaften des Frisch- und Festbetons sowie die Produktionskontrolle verantwortlich.
5.4.1 Festlegung des Betons (Leistungsbeschreibung) 5.4.1.1 Standardbeton
Für Standardbeton sind in der Leistungsbeschreibung als Grundanforderungen die Druckfestigkeitsklasse, die Expositionsklasse, der Nennwert des Größtkorns der Gesteinskörnung, die Konsistenzklasse und – falls erforderlich – die Festigkeitsentwicklung festzulegen. Standardbeton darf nur als Normalbeton für unbewehrte und bewehrte Betonbauwerke verwendet werden. Beim Standardbeton handelt es sich um Betone der Festigkeitsklassen C16/20, die mit von der Norm vorgeschriebenen Mindestzementgehalten (siehe Tabelle 5.14) nur für die Expositionsklassen X0, XC1 und XC2 hergestellt werden. Diese Zementgehalte sind so hoch angesetzt, dass die angestrebte Betonfestigkeit mit Sicherheit erreicht wird und der Korrosionsschutz der Bewehrung sichergestellt ist. Der Zementgehalt nach Tabelle 5.14 muss vergrößert werden um 10 % bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 16 mm; 20 % bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 8 mm. Der Zementgehalt nach Tabelle 5.14 darf verringert werden um höchstens 10 % bei Zement der Festigkeitsklasse 42,5; höchstens 10 % bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 63 mm.
283
5.4 Zusammensetzen von Beton
Tabelle 5.14 Mindestzementgehalt für Standardbeton mit einem Größtkorn von 32 mm und Zement der Festigkeitsklasse 32,5 nach DIN EN 197-1 Druckfestigkeitsklasse
Mindestzementgehalt in kg/m³ für Konsistenzbezeichnung steif
plastisch
weich
C8/10
210
230
260
C12/15
270
300
330
C16/20
290
320
360
Für Standardbeton dürfen nur natürliche Gesteinskörnungen verwendet werden. Zusatzstoffe und Zusatzmittel dürfen nicht zugegeben werden. Durch diese Festlegungen sind die Einsatzmöglichkeiten für Standardbeton stark eingeschränkt. 5.4.1.2 Beton nach Zusammensetzung
Die Leistungsbeschreibung für diese Betonart muss folgende Angaben enthalten: Zementgehalt, Zementart und Festigkeitsklasse, Wasserzementwert oder Konsistenz, Art und Kategorie der Gesteinskörnung, Nennwert des Größtkorns und gegebenenfalls Beschränkungen der Körnungsverteilung, Art und Menge der Zusatzstoffe und/oder Zusatzmittel. 5.4.1.3 Beton nach Eigenschaften
Folgende Grundangaben müssen in der Leistungsbeschreibung gemacht werden: Druckfestigkeits- und Expositionsklassen, Festigkeitsentwicklung, Nennwert des Größtkorns der Gesteinskörnung, Angaben über die Verwendung des Betons (unbewehrter Beton, Stahl- oder Spannbeton), Konsistenzklasse oder Zielwert der Konsistenz, Rohdichteklasse. Weitere zusätzliche Angaben sind erforderlich für besondere Bedingungen.
5.4.2 Entwerfen von Betonmischungen 5.4.2.1 Anforderungen an die Betonzusammensetzung
Auf Grund der Leistungsbeschreibung für Beton nach Eigenschaften, in der alle Anforderungen festgelegt sind, kann eine Betonrezeptur entworfen werden. Aufbauend auf der Klasseneinteilung werden für die verschiedenen Expositionsklassen in der DIN 1045-2 Grenzwerte für die Zusammensetzung und Eigenschaften des Betons festgelegt, die der Betonhersteller auf Grund der festgelegten Einstufung in die Expositionsklasse zu beachten hat (siehe Tabelle 5.15). Im Wesentlichen sind folgende Anforderungen zu erfüllen: höchstzulässiger Wasser-Zement-Wert; Mindestzementgehalt; Mindestdruckfestigkeitsklasse des Betons.
284
5 Beton
In einzelnen Fällen sind zusätzliche Anforderungen an die Ausgangsstoffe oder den Luftporengehalt des Frischbetons zu beachten. Bei der Auswahl der Zementsorte ist zu berücksichtigen, dass auf Grund nicht ausreichender Erfahrung über die Dauerhaftigkeit für einige Zementsorten Anwendungsbeschränkungen bestehen (siehe Tabelle 5.7). Ist ein Bauteil mehreren unterschiedlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt, müssen diese als Kombination der entsprechenden Expositionsklassen alle angegeben werden, da sich aus den einzelnen Klassen unter Umständen unterschiedliche Grenzwertfestlegungen für die einzelnen Anforderungen ergeben; maßgebend sind jeweils die höchsten Anforderungen.
Tabelle 5.15 Grenzwerte für Zusammensetzung und Eigenschaften von Beton – Teil 1 kein Korrosions- oder Angriffsrisiko
Bewehrungskorrosion durch Karbonatisierung verursachte Korrosion
durch Chloride verursachte Korrosion Chloride außer aus Meerwasser
X0a
XC1 XC2
XC3
XC4
XD1
XD2
XD3
Höchstzulässiger w/z
–
0,75
0,65
0,60
0,55
0,50
0,45
Mindestdruckfestigkeitsklasseb
C8/10
C16/20
Mindestzementgehaltc in kg/m³
–
240
Mindestzementgehaltc bei Anrechnung von Zusatzstoffen in kg/m³
–
240
240
270
270
270
270
Mindestluftgehalt in Vol.-%
–
–
–
–
–
–
–
–
–
Expositionsklassen
Andere Anforderungen a b c d
e
Chloride aus Meerwasser XS1
XS2
XS3
C20/25 C25/30 C30/37d C35/45d,e C35/45d 260
280
300
320
320 siehe siehe siehe XD1 XD2 XD3
–
Nur für Beton ohne Bewehrung oder eingebettetes Metall. Gilt nicht für Leichtbeton. Bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 63 mm darf der Zementgehalt um 30 kg/m3 reduziert werden. Bei Verwendung von Luftporenbeton, z. B. aufgrund gleichzeitiger Anforderungen aus der Expositionsklasse XF, eine Festigkeitsklasse niedriger. In diesem Fall darf Fußnote e nicht angewendet werden. Bei langsam und sehr langsam erhärtenden Betonen (r < 0,30) eine Festigkeitsklasse niedriger. Die Druckfestigkeit zur Einteilung in die geforderte Druckfestigkeitsklasse nach DIN 1045-2, 4.3.1 ist auch in diesem Fall an Probekörpern im Alter von 28 Tagen zu bestimmen. In diesem Fall darf Fußnote d nicht angewendet werden.
270
Mindestzementgehaltc bei Anrechnung von Zusatzstoffen in kg/m³
l
k
j
i
h
g
f
e
0,50
g
0,55
XF3 0,50
0,50
g
XF4 0,60
XA1 0,50
XA2 0,45
XA3 0,55
XM1
–
270 g
320
f
270
300
–
270
320
f,j
270 g
320
F4
MS25
F2
MS18
Gesteinskörnungen für die Expositionsklassen XF1 bis XF4
f
270g
300
–
–
270
280
–
–
270
320
l
–
270
320
–
–
270
300i
Oberflächenbehandlung des Betonsk
–
270
300 i
C30/37d
0,55
XM2
–
270
320 i
C35/45d
0,45
0,45
XM3
Einstreuen von Hartstoffen nach DIN 1100
–
270
320 i
C35/45d
Verschleißbeanspruchungh
und siehe Fußnoten in Tabelle 5.15 Teil 1. Der mittlere Luftgehalt im Frischbeton unmittelbar vor dem Einbau muss bei einem Größtkorn der Gesteinskörnung von 8 mm ≥ 5,5 % (Volumenanteil), 16 mm ≥ 4,5 % (Volumenanteil), 32 mm ≥ 4,0 % (Volumenanteil) und 63 mm 3,5 % (Volumenanteil) betragen. Einzelwerte dürfen diese Anforderungen um höchstens 0,5 % (Volumenanteil) unterschreiten. Die Anrechnung auf den Mindestzementgehalt und den Wasserzementwert ist nur bei Verwendung von Flugasche zulässig. Weitere Zusatzstoffe des Typs II dürfen zugesetzt, aber nicht auf den Zementgehalt oder den w/z angerechnet werden. Bei gleichzeitiger Zugabe von Flugasche und Silikastaub ist eine Anrechnung auch für die Flugasche ausgeschlossen. Es dürfen nur Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620 verwendet werden. Höchstzementgehalt 360 kg/m3, jedoch nicht bei hochfesten Betonen. Erdfeuchter Beton mit w/z ≤ 0,40 darf ohne Luftporen hergestellt werden. Z. B. Vakuumieren und Flügelglätten des Betons. Schutzmaßnahmen siehe DIN 1045-2 Abschnitt 5.3.2.
b, c, d
Andere Anforderungen
–
280
Mindest-Luftgehalt in Vol.-%
0,55
XF2 g
Aggressive chemische Umgebung
C25/30 C25/30 C35/45e C25/30 C35/45e C30/37 C25/30 C35/45d,e C35/45d C30/37d
0,60
Mindestzementgehaltc in kg/m³
Mindestdruckfestigkeitsklasseb
Höchstzulässiger w/z
XF1
Frostangriff
Betonkorrosion
Tabelle 5.15 Grenzwerte für Zusammensetzung und Eigenschaften von Beton – Teil 2
5.4 Zusammensetzen von Beton
285
286
5 Beton
5.4.2.2 Grundlagen des Betonentwurfs
Unter Berücksichtigung der Eigenschaften der Ausgangsstoffe Zement, Wasser, Gesteinskörnung und gegebenenfalls Zusatzstoffe und -mittel und ihrer gegenseitigen Wechselwirkung wird beim Betonentwurf die Rezeptur für einen Beton ermittelt, mit der die geforderte Verarbeitbarkeit, die zu erreichende Druckfestigkeit sowie weitere Anforderungen, die sich aus den Expositionsklassen ergeben, erfüllt werden können. Die Erstprüfung muss dann beweisen, dass der Beton die gewünschten Eigenschaften auch erreicht. An die Stelle des früheren 3-Stoff-Systems Zement/Gesteinkörnung/Wasser ist durch das Mitwirken von Zusatzstoffen und -mitteln schon seit geraumer Zeit das 5-Stoff-System Zement/Gesteinskörnung/Wasser/Zusatzstoff/Zusatzmittel getreten. Der Betonentwurf ist dadurch umfangreicher, aber nicht unbedingt komplizierter geworden. Moderne Anlagen in Transportbeton- und Fertigteilwerken arbeiten ohnehin rechnergestützt, so dass ein erhöhter Rechenaufwand kaum noch zu Buche schlägt. Basis für den „klassischen“ Betonentwurf sind nach wie vor die so genannten Walz-Kurven (siehe Bild 5-2). Sie erlauben die Mischungsberechnung für Normalbetone mit den Zielgrößen Konsistenz und 28-Tage-Druckfestigkeit. Hierfür müssen folgende Daten festgelegt werden bzw. durch Vorversuche bekannt sein: von der Gesteinskörnung : Sieblinie; Größtkorn (abhängig von den Bauteilabmessungen und vom Abstand der Bewehrungsstäbe); Kornrohdichte; vom Zement: Zementart; Normdruckfestigkeit; Dichte; vom Beton: Festigkeitsklasse, Vorhaltemaß; Konsistenz. Für die Aufgabe des Betonentwurfs sind verschiedene Verfahren entwickelt worden. Besonders genau und zielsicher ist eine Mischungsberechnung, bei der die Anteile der verschiedenen Komponenten nach der Stoffraumrechnung ermittelt werden. Wegen dem zunehmenden EDV-Einsatz ist die Bedeutung der hierfür früher oft verwendeten Formblätter in den Hintergrund getreten. 5.4.2.3 Betonentwurf mit Hilfe der Stoffraumrechnung
Die Berechnung des Mischungsverhältnisses wird zweckmäßigerweise in folgender Reihenfolge durchgeführt: 1) Ermittlung des w/z-Wertes entsprechend der geforderten Betondruckfestigkeit und der verfügbaren Zementfestigkeitsklasse; 2) Ermittlung des Wasserbedarfs w entsprechend der geforderten Konsistenz und der Kornzusammensetzung (Körnungsziffer k);
5.4 Zusammensetzen von Beton
287
3) Berechnung des Zementgehaltes z = w/. Überprüfung, ob der Zementgehalt den Anforderungen der DIN 1045-2 aus den Expositionsklassen entspricht. 4) Schätzung des Luftporengehaltes p. Nach Erfahrung i. M. 1,5 Vol.-% = 15 dm³/m³; 5) Berechnung des Gesteinskörnungsgehaltes g aus dem verbleibenden Restvolumen; 6) Berechnung des Mischungsverhältnisses z : g : w = 1 : : .
a) Betonfestigkeit, Wasser-Zement-Wert
Der Wasser-Zement-Wert wird aus Bild 5-2 entsprechend der geforderten Betondruckfestigkeit und der gewählten Zementfestigkeitsklasse abgelesen. Die Kurvendarstellungen sind für einen mittleren Luftporengehalt des Betons von 1,5 Vol.-% ausgelegt. Falls der Luftporengehalt durch Zusatz von luftporenbildenden Zusatzmitteln höher liegt, ist die dadurch bedingte Festigkeitsminderung durch entsprechende Korrektur zu berücksichtigen. Da die zusätzlichen Luftporen annähernd den gleichen festigkeitsmindernden Einfluss haben wie die volumengleiche Menge Wasser, fasst man den zusätzlichen Luftporengehalt und den Wassergehalt zu einem (w+p)/z-Wert zusammen. Damit die geforderte Druckfestigkeit bei der Güteprüfung des Betons mit Sicherheit erreicht wird, muss bei der Erstprüfung die unvermeidliche Streuung berücksichtigt werden. Für die Erstprüfung muss deshalb die mittlere Druckfestigkeit einer Würfelserie um das Vorhaltemaß über der charakteristischen Festigkeit fck festgelegt werden (= Nachweisfestigkeit). Das Vorhaltemaß sollte ungefähr das Doppelte der erwarteten Standardabweichung sein, d. h. mindestens ein Vorhaltemaß von 6 N/mm2 bis 12 N/mm2 in Abhängigkeit von der Herstellungseinrichtung, den Ausgangsstoffen und den verfügbaren Angaben über die Schwankungen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die in Bild 5-2 dargestellten Kurven für eine Lagerung der Würfelproben nach DIN 12390-2, Anhang NA gelten (siehe Abschnitt 5.6.1.2). Die gemessenen Druckfestigkeiten müssen daher nach Gleichung (5.14) oder (5.15) abgemindert werden; auch dies ist bereits beim Mischungsentwurf zu berücksichtigen. Die Konsistenz des Betons muss zum Zeitpunkt, zu dem der Beton voraussichtlich eingebracht wird, oder bei Transportbeton zum Zeitpunkt der Übergabe, innerhalb der Grenzen der Konsistenzklasse liegen. Erweist sich der Beton mit dieser Konsistenz für einzelne schwierige Betonierabschnitte als nicht ausreichend verarbeitbar und soll daher der Wassergehalt erhöht werden, so muss auch der Zementanteil entsprechend vergrößert werden. Der Beton darf mit keinem größeren Wasser-Zement-Wert hergestellt werden, als es durch die Eignungsprüfung festgelegt worden ist. Da der Wasser-Zement-Wert neben der Festigkeit auch die anderen Festbetoneigenschaften beeinflusst, dürfen in Abhängigkeit von weiteren Anforderungen (z. B. Wasserundurchlässigkeit, erhöhter Widerstand gegen Frosteinwirkung oder Einwirkung aggressiver Wässer) sowie zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes bei Stahlbeton obere Grenzwerte nicht überschritten werden. Die aus Bild 5-2 ermittelten Wasser-Zement-Werte sind also mit den maximal zulässigen Werten aus Tabelle 5.15 zu vergleichen und gegebenenfalls zu korrigieren. Maßgebend für den Mischungsentwurf ist jeweils der kleinste Wasser-Zement-Wert, auch wenn sich dadurch höhere Festigkeiten als gefordert ergeben. Um diese Überdimensionierung zu vermeiden, ist es in einem solchen Fall im Allgemeinen wirtschaftlicher, möglichst Zemente
288
5 Beton
geringerer Festigkeitsklasse zu verwenden, wobei dann w/z-Wert, Betonfestigkeit und besondere Anforderungen besser aufeinander abgestimmt werden können. Bei Verwendung von Betonzusatzstoffen des Typs II (Flugasche, Silikastaub) ist eine Anrechnung auf den Wasser-Zement-Wert und den Mindestzementgehalt möglich (siehe Abschnitt 5.7.2.2) b) Wasseranspruch
Die für die Konsistenzbereiche steif bis weich erforderliche Gesamt-Wassermenge lässt sich in erster Näherung aus der Kornzusammensetzung der Gesteinskörnung abschätzen und kann aus entsprechenden Diagrammen (Bild 5-3) oder Tabellen (Tabelle 5.9) entnommen werden. Bei sehr weichen und fließfähigen Betonen (Konsistenzbereiche F4 bis F6) darf die Konsistenz nicht durch Wasserzugabe eingestellt werden; derartige Betone sind aus weichen Ausgangsbetonen (F3) durch Zugabe entsprechender Zusatzmittel (Betonverflüssiger, Fließmittel) herzustellen. c) Zementgehalt
Ausgehend vom ermittelten Wasserbedarf w und dem Wasser-Zement-Wert errechnet sich der Zementgehalt z nach der Formel z=
w
ω
(5.5)
d. h., durch den w/z-Wert und den Wasseranspruch w ist der geforderte Zementgehalt bereits festgelegt. Zu beachten ist, dass der für die Umweltbedingungen und die Korrosionssicherheit der Stahleinlagen erforderliche Mindestzementgehalt gemäß Tabelle 5.15 nicht unterschritten sowie der aus wirtschaftlichen und technologischen Gründen maximale Gehalt an Zement nicht überschritten wird. Betontechnologisch ist ein Beton umso besser, je weniger Zementleim für eine einwandfreie Verdichtung erforderlich ist. Weniger Zementleim bedeutet bei konstantem w/z-Wert auch geringerer Zementgehalt bei gleicher Festigkeit. Mit sinkendem Zementgehalt werden aber andere wichtige Betoneigenschaften, wie z. B. Schwinden, Kriechen, E-Modul, Widerstandsfähigkeit gegen Frost und aggressive Wässer positiv beeinflusst. Eventuell anzurechnender Zusatzstoff ist zu berücksichtigen. d) Anteil der Gesteinskörnung
Die Stoffraumrechnung beruht auf der Überlegung, dass die Summe aus den Einzelvolumina der Betonbestandteile Zement, Wasser, Gesteinskörnung und Luft das Volumen von einem m3 verdichteten Frischbeton ausfüllen (hieraus ergibt sich für die Volumina die Einheit m³/m³ oder dm³/m³). Somit ergibt sich für die Stoffraumrechnung folgende Berechnungsgrundlage:
Vz + Vw + Vg + Vp = 1 m³/m³ = 1000 dm³/m³
(5.6)
Die Einzelvolumen können aus den Gehalten und (Roh-)Dichten der Ausgangsstoffe berechnet werden:
289
5.4 Zusammensetzen von Beton
z
ρz
+
w
ρw
+
g
ρ Rg
+ p = 1000 [dm³/m³]
(5.7)
Es sind: z, g, w: Zement-, Gesteinskörnungs- und Wassergehalt in kg/m³ z, w, Rg: Zement-, Wasserdichte, Kornrohdichte in kg/dm³ Mit Hilfe dieser Formel lässt sich nun die Masse der trockenen Gesteinskörnung g je m3 Beton errechnen, sofern die Dichten der einzelnen Stoffe bekannt sind. Die Gesamtmasse g wird dann entsprechend der geforderten Sieblinie auf die einzelnen Korngruppen aufgeteilt. Vorab muss der Restluftporengehalt p im verdichteten Frischbeton von im Mittel 1,5 Vol.-% berücksichtigt werden. Da in Gleichung 5.7 die übrigen Parameter in dm³/m³ berechnet werden, muss der Luftporengehalt p hier mit 15 dm³/m³ eingesetzt werden. Die Stoffraumrechnung lässt sich sehr übersichtlich in Form der folgenden Tabellenrechnung durchführen.
Schritt 1: Der ermittelte Wasser- und Zementgehalt, die (Roh-)Dichten der Ausgangsstoffe und der geschätzte Luftporengehalt werden in die Tabelle eingetragen; die Volumina von Zement und Wasser werden berechnet. Ausgangsstoff Zement
Gehalt in kg/m³ z
(Roh-)Dichte in kg/dm³
Volumen in dm³/m³
z
Vz = z/z
Rg
Gesteinskörnung Wasser
w
w
Vw = w/w
Poren
–
–
p (=15)
–
1000
Summe
Schritt 2: Das Volumen der Gesteinskörnung Vg wird berechnet. Durch Multiplikation von Vg mit der Kornrohdichte Rg erhält man den Gesteinskörnungsgehalt g. Bei mehreren Korngruppen mit unterschiedlichen Kornrohdichten ist für jede Korngruppe eine eigene Zeile vorzusehen. Das Gesamtvolumen der Gesteinskörnung wird dann entsprechend der Sieblinie auf die Korngruppen aufgeteilt (siehe 5.4.3.2, Beispiel 2). Ausgangsstoff Zement Gesteinskörnung Wasser Poren Summe
Gehalt in kg/m³
(Roh-)Dichte in kg/dm³
Volumen in dm³/m³
z
z
Vz = z/z
g = Vg × Rg
Rg
Vg = 1000 – Vz – Vw - p
w
w
Vw = w/w
–
–
p (=15)
f = z + g + w
–
1000
290
5 Beton
Schritt 3: Die Summe (z + g + w) entspricht der rechnerischen Frischbetonrohdichte f. Weicht die gemessene Frischbetonrohdichte hiervon stärker ab, kann dies z. B. an einer Fehleinschätzung des Luftporengehaltes liegen; deshalb sollte parallel zur Messung der Frischbetonrohdichte immer der Luftporengehalt überprüft werden. Weitere mögliche Ursachen sind Ungenauigkeiten bei den angenommenen (Roh-)Dichten der Ausgangsstoffe oder Einwaagefehler. Ausgangsstoff
Gehalt in kg/m³ z
z
Vz = z/z
Rg
Vg = 1000 – Vz – Vw – p
w
w
Vw = w/w
–
–
(=15)
f = z + g + w
–
1000
Wasser Poren Summe
Volumen in dm³/m³
g = Vg × Rg
Zement Gesteinskörnung
(Roh-)Dichte in kg/dm³
Bei der Verwendung von Betonzusatzstoffen ist pro Zusatzstoff eine weitere Zeile einzufügen. Betonzusatzmittel werden wegen ihrer geringen Zugabemengen in der Stoffraumrechnung nicht berücksichtigt. Bei Verwendung feuchter Gesteinskörnungen ist die Einwaage um die Eigenfeuchte zu erhöhen. Gleichzeitig muss der Feuchteanteil beim Zugabewasser abgezogen werden, damit der w/z-Wert nicht überschritten wird (siehe 5.4.3.2, Beispiel 2). e) Mischungsverhältnis
Aus den ermittelten Baustoffmengen lässt sich nun das Mischungsverhältnis (MV) nach Massenteilen (Gewichtsteilen) errechnen: MV = z : g : w = 1: : . 5.4.2.4 Zementleimdosierung
Dieses Verfahren, das etwas aufwändiger ist als die Stoffraumrechnung, wird bevorzugt dann angewendet, wenn man eine zuverlässige Aussage über die Verarbeitbarkeit der angestrebten Betonmischung erhalten will. Das Verfahren arbeitet im Prinzip so, dass man im Labor zu einer vorgegebenen Menge Gesteinskörnung, die einerseits trocken und zum anderen natürlich genauso zusammengesetzt sein muss wie sie später verarbeitet werden soll, stufenweise solange Zementleim zusetzt, bis die geforderte bzw. gewünschte Konsistenz erreicht ist. Aus den Baustoffmengen, die zur Herstellung der Probemischung verbraucht werden, lässt sich nun das Mischungsverhältnis ermitteln. Die Masse der Gesteinskörnung war vorgegeben. Aus der verbrauchten Zementleimmasse mzl sowie dem genau wie bei der Stoffraumrechnung ermittelten w/z-Wert errechnet sich die Zementmasse mz und die Wassermasse mw der Probemischung nach den Gleichungen: mz =
mzl 1+ω
[kg]
(5.8)
mw = mzl − mz [kg]
(5.9)
5.4 Zusammensetzen von Beton
291
Aus der Rohdichte f des Betons, die an der Probemischung zu ermitteln ist, und dem Mischungsverhältnis lassen sich die Anteile der einzelnen Komponenten nun leicht nach den folgenden Gleichungen errechnen: z=
ρf
[kg/m³]
(5.10)
g =γ ⋅z
[kg/m³]
(5.11)
w=ω⋅z
[kg/m³]
(5.12)
1+ γ +ω
5.4.3 Betonentwurf - Beispiele 5.4.3.1 Standardbeton
Beispiel 1.1: Standardbeton C12/15 mit einer Gesteinskörnung A16/B16 und Zement CEM I 32,5 N; Konsistenzklasse F3. Wegen Größtkorn der Gesteinskörnung von 16 mm Erhöhung des Zementgehaltes um 10 %: Mindestzementgehalt nach Tabelle 5.14: 360 kg/m3 + 10 % = 396 kg/m3 Beton. Beispiel 1.2: Standardbeton C16/20 mit einer Gesteinskörnung B8/C8 und Zement CEM I 42,5 N; Konsistenzklasse F2. Wegen Größtkorn der Gesteinskörnung von 8 mm Erhöhung des Zementgehaltes um 20 %, wegen Verwendung eines CEM I 42,5 N Verminderung des Zementgehaltes um 10 %: Mindestzementgehalt nach Tabelle 7.51 320 kg/m3 + (20 % – 10 %) = 352 kg/m3 Beton. 5.4.3.2 Beton nach Eigenschaften
Beispiel 2: Für einen Beton C30/37 für eine 30 cm dicke Kelleraußenwand (Expositionsklassen XC4/XF1) sind die einzelnen Bestandteile zu bestimmen. Vorgesehen ist die Konsistenzklasse F2 mit einem Ausbreitmaß von 38 cm, Kornzusammensetzung der Gesteinskörnung im günstigen Bereich zwischen den Grenzsieblinien A und B, Hochofenzement DIN EN 197-1 – CEM III/A 32,5N mit einer Dichte von 3,00 kg/dm3. Die Gesteinskörnung wird aus folgenden 4 Korngruppen mit unterschiedlichen Kornrohdichten Rg zusammengesetzt: 40 Vol.-% Korngruppe 0/2, Rg = 2,64 kg/dm3 11 Vol.-% Korngruppe 2/8, Rg = 2,63 kg/dm3 24 Vol.-% Korngruppe 8/16, Rg = 2,79 kg/dm3 25 Vol.-% Korngruppe 16/32, Rg = 2,77 kg/dm3 Für das Korngemisch mit der Körnungsziffer k = 4,53 ergibt sich nach Bild 5-3 bzw. Tabelle 5.9 für eine plastische Konsistenz im mittleren Bereich ein Wasseranspruch von w = 162 kg/m3.
292
5 Beton
Mit dem gewählten Vorhaltemaß von 7 N/mm2 wird für die Erstprüfung eine Druckfestigkeit von fcm,cube = fck,cube + 7 = 37 + 7 = 44 N/mm2 angestrebt. Damit ergibt sich aus Bild 5-2 für Zement CEM 32,5 N ein erforderlicher Wasser-Zement-Wert von 0,48. Der maximal zulässige w/z-Wert für die Expositionsklassen XC4 und XF1 beträgt 0,60. Maßgebend für die Betonrezeptur ist jeweils der kleinere der beiden Wasser-Zement-Werte, in diesem Fall also w/z 0,48. Der Zementgehalt errechnet sich damit zu z = 162 : 0,48 = 338 kg/m3. Die Forderung für den Mindestzementgehalt von 280 kg/m3 (Tabelle 5.15) ist somit erfüllt. Der Luftporengehalt wird mit p = 1,5 Vol.-% = 15 dm³/m3 angenommen. Das Volumen der Gesteinskörnung wird den Anteilen der einzelnen Korngruppen entsprechend aufgeteilt. Durch Multiplikation mit der Kornrohdichte enthält man für jede Korngruppe den Gesteinskörnungsgehalt. Ausgangsstoff Zement Gesteinskörnung 0/2 2/8 8/16 16/32 Wasser Poren Summe
Gehalt in kg/m³
(Roh-)Dichte in kg/dm³
Volumen in dm³/m³
338
3,0
113
(1922) 750 205 474 493
2,64 2,63 2,79 2,77
(710) 0,40 × 710 = 284 0,11 × 710 = 78 0,24 × 710 = 170 0,25 × 710 = 178
162
1,0
162
–
–
15
2422
–
1000
Damit kann nun die Zusammensetzung für 1 m3 verdichteten Beton angegeben werden. Die Frischbetonrohdichte errechnet sich zu f = 2422 kg/m3. Der Mehlkorngehalt ist zu ermitteln (Summe aus Zementgehalt und Kornanteilen < 0,125 mm), und es ist zu überprüfen, ob der maximal zulässige Gehalt nach Tabelle 5.12 nicht überschritten wird. Mit dem rechnerisch ermittelten Mischungsverhältnis der einzelnen Betonbestandteile wird zunächst eine Erstprüfung durchgeführt. Wenn dabei hinsichtlich Verarbeitung und Eigenschaften die Eignung des Betons nachgewiesen wurde, kann mit der Betonherstellung begonnen werden. Für die Betonproduktion ist dann die Rezeptur für eine Mischerfüllung entsprechend der Mischergröße zu berechnen; dabei sind die Ausführungen in Abschnitt 5.4.4 zu beachten. Da die Gesteinskörnung im Regelfall nicht trocken abgewogen wird, sondern eine bestimmte Oberflächenfeuchte besitzt, ist diese beim Abwiegen der Gesteinskörnung zu berücksichtigen. Um die gleiche Menge ist auch die Wasserzugabe zu verringern. Die Ermittlung der Oberflächenfeuchte ergab folgende Werte:
293
5.4 Zusammensetzen von Beton
5,5 M.-% Feuchte bei Korngruppe 0/2 1,5 M.-% Feuchte bei Korngruppe 2/8 0,6 M.-% Feuchte bei Korngruppe 8/16 0,3 M.-% Feuchte bei Korngruppe 16/32 Somit ergeben sich für die einzelnen Korngruppen folgende Einwaagen: 0/2: 750⋅(1 + 5,5/100) = 791 kg/m³ 2/8: 205⋅(1 + 1,5/100) = 208 kg/m³ 8/16: 474⋅(1 + 0,6/100) = 477 kg/m³ 16/32: 493⋅(1 + 0,3/100) = 494 kg/m³ Summe:
1922 (trocken)
1970 (feucht)
Aus den Summen der trockenen und feuchten Korngruppenanteile folgt, dass (1970 – 1922) = 48 kg/m³ Wasser in Form von Oberflächenfeuchte in die Betonmischung gelangen. Demzufolge muss – damit der w/z-Wert nicht überschritten wird – das Zugabewasser auf (162 – 48) = 114 kg/m³ reduziert werden. Anmerkung: Im Hinblick auf die Genauigkeit des Verfahrens reicht es üblicherweise aus, nur die Eigenfeuchte des Sandes (hier: Korngruppe 0/2) zu berücksichtigen und diejenige der gröberen Fraktionen zu vernachlässigen. 5.4.3.3 Betonentwurf mittels Zementleimdosierung
Beispiel 3: Zu ermitteln sind die Stoffmengen für 1 m3 Beton C20/25 für eine Stahlbetonaußenwand mit einer Konsistenz F2, angestrebtes Ausbreitmaß a 400 mm. Als Bindemittel wird ein Portlandzement DIN EN 197-1 – CEM I 32,5 R eingesetzt. Die Ermittlung des höchstzulässigen Wasser-Zement-Wertes erfolgt wie in Beispiel 2. Mit dem gewählten Vorhaltemaß von 8 N/mm2 ergibt sich aus Bild 5-2 für einen CEM 32,5 ein Wasser-Zement-Wert von 0,63. Der Beton ist in die Expositionsklassen XC4 und XF1 einzuordnen: der maximal zulässige -Wert für XC4 und XF1 beträgt 0,60 und ist damit maßgebend für die weiteren Betrachtungen. Entsprechend dem w/z-Wert von 0,60 wird aus 10,0 kg Zement und 6,0 kg Wasser ein Zementleim angerührt. Zu 40 kg des oberflächentrockenen fertigen Korngemischs wird unter ständigem Mischen solange Zementleim zugegeben, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Durch Rückwiegen der Restmenge wird der Zementleimverbrauch zu 9,6 kg ermittelt. Aus dem Zementleimverbrauch wird die Zementmasse zu 9,6/1,6 = 6,0 kg (siehe Gl. 5.8) und die Wassermasse zu 9,6 – 6,0 = 3,6 kg (siehe Gl. 5.9) berechnet. Somit ergibt sich ein Mischungsverhältnis MV = 6,0 : 40,0 : 3.6 = 1 : 6,67 : 0,60. An der Probemischung wurde eine Frischbetonrohdichte f = 2398 kg/m³ gemessen. Aus der Frischbetonrohdichte und dem Mischungsverhältnis errechnen sich dann die Stoffmengenanteile für 1 m3 Beton: z = 2398/(1+6,67+0,60) = 290 kg/m³ w = 290 × 0,60 = 174 kg/m³ g = 290 × 6,67 = 1934 kg/m³
294
5 Beton
Die Ermittlung der Zusammensetzung für eine Mischerfüllung mit einem bestimmten Nenninhalt sowie die Berücksichtigung der Eigenfeuchte der Gesteinskörnung erfolgt wie in Beispiel 2.
5.4.4 Größe und Mischwirkung von Betonmischern Wenn man die Betonzusammensetzung ermittelt, werden die Baustoffmengen für einen Kubikmeter verdichteten Frischbeton angegeben. In den seltensten Fällen wird der Mischer genau die Größe von 1 m³ aufweisen; die ermittelten Stoffmengen müssen daher auf die jeweilige Mischergröße umgerechnet werden. Nach DIN 459-1 wird der Nenninhalt eines chargenweise arbeitenden Mischers definiert als das Volumen des verdichteten Frischbetons in m3, das der Mischer in der vorgeschriebenen Mischzeit gleichmäßig durchzumischen vermag. Der Nenninhalt wird mit einem steifen Beton mit einem Verdichtungsmaß von v = 1,45 festgestellt. Das Volumen der Trockenfüllung ist für Kiesbeton mit dem 1,5-fachen und für Splittbeton mit dem 1,62-fachen des Nenninhaltes anzunehmen. Tabelle 5.16 Nutzinhalt von Betonmischern Nenninhalt des Mischers nach DIN 459-1 [m³]
Nutzinhalt [m³] für Konsistenz
0,15
0,25
0,33
0,50
0,75
1,00
steif
0,15
0,25
0,33
0,50
0,75
1,00
plastisch
0,17
0,29
0,38
0,57
0,88
1,15
weich
0,19
0,31
0,41
0,62
0,94
1,25
Entsprechend dem kleineren Verdichtungsmaß ist der nutzbare Inhalt eines Mischers beim Betonieren von Betonen mit plastischer Konsistenz (Konsistenzklasse F2 oder C2) um etwa 15 % und bei weicher Konsistenz (Konsistenzklasse F3 oder C3) um etwa 25 % größer (siehe Tabelle 5.16). Bei einem stetig arbeitenden Betonmischer ist die Mischergröße durch den theoretischen Mischerdurchsatz der unverdichteten Frischbetonmenge in m3/h gekennzeichnet. Bei sackweiser Zugabe von Zement ist die Zementmenge auf ein Vielfaches von 25 kg aufzurunden. Bei der Mischerbeschickung ist die Oberflächenfeuchte der Gesteinskörnungen zu berücksichtigen, da sonst die Wassermenge im Beton unzulässig erhöht würde, was ggf. beträchtliche Festigkeitsverluste zur Folge hätte (siehe Bild 5-1). Das Zugabewasser errechnet sich als Differenz aus der berechneten Wassermenge abzüglich der Oberflächenfeuchte der Gesteinskörnungen.
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons
295
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons Zur Herstellung von Bauteilen und Bauwerken aus Beton gehört nicht nur das Ermitteln der richtigen Betonrezeptur aus geeigneten Ausgangsstoffen. Es gehören auch dazu das Erstellen der Schalung, das Verlegen der Bewehrung, das richtige Mischen der Komponenten, das ordnungsgemäße Einbauen, Verdichten und Nachbehandeln des Betons sowie das Ausschalen zum richtigen Zeitpunkt. Erst durch eine fachgerechte Ausführung aller dieser Arbeiten ist eine einwandfreie Qualität der Betonbauteile zu erzielen. Diese Arbeiten liegen in der Verantwortung des Bauausführenden und sind in der DIN 1045-3 geregelt.
5.5.1 Dosierung und Mischen der Ausgangsstoffe 5.5.1.1 Dosierung der Betonausgangsstoffe
Die für eine Mischerfüllung ermittelte Zusammensetzung ist an der Mischstelle deutlich lesbar anzuschlagen; sie muss folgende Angaben enthalten: Festigkeitsklasse des Betons; Expositionsklasse(n); Konsistenzmaß des Frischbetons mit Angabe von Verdichtungs- bzw. Ausbreitmaß; Art und Festigkeitsklasse des Zements sowie Zementgehalt je m3 verdichteten Betons; die Mengen je Mischerfüllung für Zement, Zugabewasser und die einzelnen Korngruppen (feucht); gegebenenfalls Art und Menge der Betonzusatzstoffe und –mittel; außerdem w/z-Wert und Gesamtwassergehalt. DIN 1045-2 schreibt vor, dass alle Ausgangsstoffe mit einer Genauigkeit von ± 3 % dosiert werden müssen. Zement, Gesteinskörnungen und pulverförmige Zusatzstoffe müssen nach Masse zugegeben werden. Die Dosierung nach Raumteilen wäre – insbesondere im Sandbereich – wegen unterschiedlicher Schüttdichten sehr empfindlich gegen Schwankungen der Oberflächenfeuchte (siehe Bild 3-11). Bei der Dosierung des Zugabewassers ist die Oberflächenfeuchte des Korngemisches zu berücksichtigen. Neuere Einrichtungen zielen darauf hin, den Wassergehalt in der Mischmaschine elektrisch zu messen und zu regeln. Alle Abmessvorrichtungen müssen nach den in DIN EN 206-1 festgelegten Intervallen überprüft werden. 5.5.1.2 Mischen des Betons
Die Reihenfolge bei der Dosierung der Komponenten soll eine Vermischung begünstigen. Keinesfalls soll zuerst Zement in den Mischer gegeben werden, weil sich sonst leicht Krusten
296
5 Beton
an der Gefäßwandung bilden. Zusatzmittel müssen während des Hauptmischgangs zugegeben werden. Die Zusammensetzung des Frischbetons darf nach Verlassen des Mischers nicht verändert werden. Eine Ausnahme bilden Fließmittel (FM), die auch zu einem späteren Zeitpunkt zugegeben werden dürfen, wenn dies im Entwurf vorgesehen ist. a) Baustellenbeton
Eine gute Durchmischung und eine gleichmäßige Verteilung der Betonkomponenten ist nicht durch Handmischung, sondern nur durch Maschinenmischung zu erreichen. Die Bauart des Mischers, z. B. Freifallmischer oder Zwangsmischer, ist auf das Mischgut abzustimmen. Für Betone C20/25, für zementreiche Mischungen mit Kalk- oder Trasszusatz, für sehr steife Betone mit hohem Mehlkorngehalt, sperrige Kornformen und Leichtbeton sollten Mischer mit besonders guter Mischwirkung verwendet werden. Die zur Erzielung einer gleichmäßigen Betonkonsistenz erforderlichen Mischzeiten betragen erfahrungsgemäß bei Mischern mit besonders guter Mischwirkung mindestens 30 s, in allen übrigen Mischern mindestens 60 s. Bei der Herstellung von Betonen mit besonderen Anforderungen, wie z. B. selbstverdichtenden Betonen, Sichtbeton oder bei Einsatz von Luftporenbildnern, können längere Mischzeiten erforderlich sein. b) Transportbeton
Etwa 95 % der insgesamt auf Baustellen verarbeiteten Betonmenge ist heutzutage Transportbeton. Hierbei handelt es sich um Beton, dessen Bestandteile außerhalb der Baustelle gemischt werden und der in einbaufertigem Zustand angeliefert wird. Bei Transportbeton unterscheidet man zwischen werkgemischtem Beton und fahrzeuggemischtem Beton. Bei letzterem ist es möglich, zunächst nur Zement und Gesteinskörnung zentral zu dosieren und das Wasser erst nach Eintreffen auf der Baustelle zuzuführen. Dadurch lässt sich die Transportzeit verlängern, weil die Begrenzung durch das beginnende Ansteifen praktisch ausgeschaltet wird. Der Beton soll dabei mit Mischgeschwindigkeit (4 bis 12 Umdrehungen/min) durch mindestens 50 Umdrehungen gemischt werden; werkgemischter Beton ist unmittelbar vor Entleeren des Mischfahrzeugs nochmals durchzumischen. In einem Fahrmischer darf die Mischdauer nach Zugabe eines Zusatzmittels nicht weniger als 1 min/m3 und nicht kürzer als 5 min sein. Wenn Fließmittel nach dem Hauptmischgang zugegeben werden, muss der Beton nochmals so lange durchgemischt werden, bis sich das Fließmittel vollkommen in der Mischung verteilt hat und voll wirksam ist. Grundsätzlich gelten für die Herstellung von Transportbeton dieselben Festlegungen wie für Baustellenbeton. Jede Betonsorte eines Transportbetonwerkes muss in einem Sortenverzeichnis geführt werden. Sofern ein gewünschter Beton nicht im Betonsortenverzeichnis aufgeführt ist, muss die Bestellung mindestens 5 Wochen vor der Lieferung erfolgen, damit die erforderliche Erstprüfung (u. a. 28-Tage-Druckfestigkeit) vom Werk noch durchgeführt werden kann. Bei der Bestellung von Transportbeton müssen alle erforderlichen Festlegungen (Leistungsbeschreibungen) angegeben werden. Außerdem ist mit dem Hersteller Lieferdatum, Uhrzeit, Menge und Abnahmegeschwindigkeit zu vereinbaren.
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons
297
Der Abnehmer ist bei Verwendung von Transportbeton von der Durchführung einer Erstprüfung entbunden. Transportbeton (Beton nach Eigenschaften) ist ein zertifiziertes Produkt. Die Übereinstimmung mit der DIN 1045-2 wird durch das Übereinstimmungszeichen dokumentiert, für das Kennzeichnungspflicht besteht und der Hersteller verantwortlich ist. Auf der Baustelle sind Prüfungen am Beton in Abhängigkeit von der Überwachungsklasse gemäß DIN 1045-3 durchzuführen.
5.5.2 Befördern Die DIN 1045-3 unterscheidet begrifflich zwischen dem Befördern und dem Fördern des Frischbetons. Unter Befördern wird der Transport von der Mischstelle zur Baustelle verstanden; das kann auch die Auslieferung des Betons von einer benachbarten Baustelle sein (als benachbart gelten Baustellen mit einer Luftlinienentfernung bis zu 5 km von der Mischstelle). Fördern ist der Transport auf der Baustelle. Während des Beförderns muss – unabhängig von der Beförderungsart – Sorge dafür getragen werden, dass ein Entmischen nicht eintreten kann und keine Bestandteile, insbesondere kein Zementleim, verloren gehen; ferner ist der Beton während des Beförderns vor schädlichen Witterungseinflüssen zu schützen. Steifer Beton kann mit Fahrzeugen ohne Mischer oder Rührwerk transportiert werden. Frischbetone mit plastischer bis fließfähiger Konsistenz dürfen nur in Fahrmischen oder Fahrzeugen mit Rührwerk zur Verwendungsstelle transportiert werden. Während des Beförderns ist dieser Beton mit Rührgeschwindigkeit (2 bis 6 Umdrehungen/min) zu bewegen, es sei denn, er wird unmittelbar vor dem Entladen nochmals so durchgemischt, dass er auf der Baustelle gleichmäßig durchmischt übergeben wird. Bei der Übergabe des Betons muss die vereinbarte Konsistenz im Rahmen der zulässigen Toleranzen vorhanden sein und durch den Ausbreit- oder den Verdichtungsversuch kontrolliert werden. Die Aussage beider Verfahren kann verschieden sein, deshalb sollte das Messverfahren vorher vereinbart werden. Auf keinen Fall ist es zulässig, den Beton nach Abschluss des Mischvorganges noch in irgendeiner Weise zu verändern, z. B. durch nachträgliche Wasserzugabe zur Konsistenzveränderung, es sei denn, diese ist in besonderen Fällen planmäßig vorgesehen. In diesem Fall gelten folgende Bedingungen: Die Gesamtwassermenge und die nachträglich noch zugebbare Wassermenge entsprechend der Erstprüfung des Betons müssen auf dem Lieferschein angegeben werden. Der Fahrmischer muss mit einer geeigneten Dosiereinrichtung ausgestattet sein. Die geforderte Dosiergenauigkeit ist einzuhalten. Die Proben für die Produktionskontrolle sind nach der letzten Wasserzugabe zu entnehmen. Falls dem Beton im Fahrmischer auf der Baustelle mehr Wasser oder Zusatzmittel zugegeben werden als nach der Festlegung zulässig, sollte die Betoncharge im Lieferschein als „nicht konform“ bezeichnet werden. Diejenige Person, die diese Zugabe veranlasst hat, ist auch für die Konsequenzen verantwortlich und sollte deshalb im Lieferschein vermerkt werden. Ausgenommen vom Verbot nachträglicher Zugabe ist auch der Ausgangsbeton für sehr weiche und fließfähige Betone der Konsistenzbereiche F4 bis F6.
298
5 Beton
Bei zu langen Misch- oder Rührzeiten kann eine Versteifung des Frischbetons eintreten. Aus diesem Grunde sind maximale Zeiten festgelegt, bis zu denen das Transportfahrzeug entleert sein muss. Mischfahrzeuge und Fahrzeuge mit Rührwerk sollen spätestens 90 min, Fahrzeuge ohne Rührwerk für die Beförderung von steifem Beton spätestens 45 min nach der ersten Wasserzugabe vollständig entladen sein. Warme Witterung oder starke Sonneneinstrahlung können kürzere Zeiten erforderlich machen. Wenn durch Zugabe von Zusatzmitteln die Verarbeitbarkeitszeit des Betons um mindestens 3 Stunden verlängert wurde, gilt die „Richtlinie für Beton mit verlängerter Verarbeitbarkeitszeit (Verzögerter Beton)“ des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb). Mit dem Entleeren des Fahrzeugs endet der Verantwortungsbereich des Transportbetonwerkes und der des Abnehmers beginnt.
5.5.3 Fördern und Einbauen des Betons 5.5.3.1 Fördern
Das Fördern des Frischbetons beginnt mit der Übergabe des Transportbetons auf der Baustelle bzw. bei Baustellenbeton mit der Entleerung des Mischers; es endet an der jeweiligen Einbaustelle. Förderart und Frischbetonkonsistenz sind so aufeinander abzustimmen, dass Entmischungen zuverlässig verhindert werden und der Beton vor schädlichen Witterungseinflüssen geschützt ist. Krankübel
Plastischer Beton oder weicher Beton eignet sich für das Fördern in Kran- oder Aufzugkübeln. Eine Entmischung ist bei dieser Förderart nicht zu befürchten, solange die Verschlussklappen der Kübel dicht schließen und somit kein Zementleim auslaufen kann. Förderband
Mit Förderbändern (nicht profiliert) sollte nur plastischer Beton gefördert werden. Bei der Beförderung von steifem oder weichem Beton ist wegen der Entmischungsgefahr Vorsicht geboten. Um Entmischungen am Bandende zu vermeiden, ist es erforderlich, an der oberen Umlenkrolle des Förderbandes ein Prallblech und zum Entfernen des Zementleims vom Band einen Abstreifer anzuordnen (siehe Bild 5-7). Förderbänder sollten möglichst in einen Falltrichter entleeren. Pumpen
Das Fördern des Frischbetons in Rohrleitungen (keine Leichtmetallrohre verwenden), insbesondere der Pumpbeton (siehe Abschnitt 5.8.10), hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, denn bei größeren Betonmengen je Betonierabschnitt lässt sich der Beton am wirtschaftlichsten durch Betonpumpen einbringen (Fördermengen bis 120 m3 Beton je Stunde sind möglich). Voraussetzung dafür ist die Anpassung der Betonzusammensetzung an die Art der Pumpe. Die Konsistenz des Frischbetons sollte wenigstens plastisch sein, mit einem Verdichtungsmaß von v = 1,19 bis 1,08 oder einem Ausbreitmaß a bis 410 mm.
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons
299
Bild 5-7 Fördern von Beton mit Förderbändern
Um Störungen beim Pumpen zu vermeiden, sollten bei der Verlegung der Rohrleitungen einige Punkte beachtet werden: Die ersten 6 bis 8 m Rohrleitung sind möglichst geradlinig und waagerecht zu verlegen. Waagerechte Leitungen sind ausreichend zu unterstützen, um ein Abknicken zu vermeiden. Keine unnötigen Bögen einbauen; die Rohrleitungen sollen nur die unbedingt erforderlichen Richtungsänderungen aufweisen. Bei einer Hochförderung sollte die Rohrleitung nicht schräg, sondern senkrecht verlegt werden; sie ist gut zu befestigen. Die Entfernung Betonpumpe – Steigleitung ist möglichst groß zu wählen, damit die Reibung des Betons in der waagerechten Leitung den Druck der Betonsäule aufnehmen kann. Ein Verhältnis Länge der Steigleitung zur unteren horizontalen Leitungslänge von etwa 2 : 1 hat sich als zweckmäßig ergeben. Auch der Einbau eines Absperrschiebers in die horizontale Leitung hat sich bewährt. Das ist vor allem dann vorteilhaft, wenn wegen eines Verstopfers im Übergangsstück an der Pumpe die Leitung geöffnet werden muss. Bei einer Abwärtsförderung darf die Betonsäule im Rohr nicht abreißen. Um dieses zu vermeiden, sind Widerstände in Form von Rohrkrümmern (Staubögen) einzubauen, vor allem dann, wenn keine längere horizontale Leitung anschließt. Es ist zweckmäßig, die Rohrleitung so zu verlegen, dass zunächst über die größte Entfernung gepumpt wird und die Leitung dann im Verlauf der Betonierarbeiten verkürzt wird. Falls keine Verteilerschläuche angeschlossen sind, ist an der Einbaustelle die Rohrleitung so hoch zu legen, dass der Beton ohne häufiges Umlegen der Rohrleitung oder Abnehmen einzelner Rohrstücke über Rutschen verteilt werden kann. 5.5.3.2 Einbringen
Bei trockenem und warmem Wetter sollte Baustellenbeton im Allgemeinen innerhalb einer halben Stunde – bei kühler und feuchter Witterung innerhalb einer Stunde – eingebracht und verdichtet sein. Bei Zusatz von Verzögerern kann der Zeitpunkt entsprechend verschoben werden. In diesem Fall ist die „Richtlinie für Beton mit verlängerter Verarbeitbarkeitszeit (Verzögerter Beton)“ zu beachten.
300
5 Beton
Grundsätzlich muss gewährleistet sein, dass der Beton verarbeitet ist, bevor das Erstarren einsetzt. Auch beim Einbringen des Betons in die Schalung ist Vorsorge gegen ein Entmischen zu treffen: bei Fallhöhen > 1 m (bei hohem Sandgehalt > 2 m) sollte der Beton durch Fallrohre zusammengehalten werden, die bis kurz über den bereits eingebrachten Beton führen (gegebenenfalls Fallpolster, 10 bis 20 cm hoch, aus weichem, feinen Beton vorweg einbauen). Als Richtmaß für die Schütthöhe des Betons gelten maximal 50 cm, die möglichst gleichmäßig mit waagerechter Oberfläche zu schütten sind. Die Steiggeschwindigkeit des Betons in der Schalung muss der Schalungskonstruktion angepasst werden; die Regelungen der DIN 18218 „Frischbetondruck auf lotrechte Schalungen“ sind zu berücksichtigen. Bei fließfähigem Beton ist zu beachten, dass sich ein höherer Druck auf die Schalung ergibt als bei normalem weichem Beton. Auch bei Einsatz von Betonverzögerern bis 15 h tritt eine erhebliche Erhöhung des Schalungsdrucks auf. Unterbrechungen des Betoniervorgangs – insbesondere bei Sichtbeton – sind zu vermeiden, da sich sonst Absätze abzeichnen können. Ein Schütten des Betons gegen die Schalung ist tunlichst zu vermeiden, da es leicht zu Nesterbildung führen kann – vor allem bei Wänden und Säulen. Die Verschmutzung von Bewehrung, Einbauteilen und Schalungsflächen später zu betonierender Abschnitte ist zu vermeiden. 5.5.3.3 Betondeckung
Bei der Herstellung von bewehrten Bauteilen ist beim Einbringen des Betons vor allem auch darauf zu achten, dass eine ausreichende Betondeckung der Stahleinlagen zum Schutz gegen Korrosion und zur Übertragung von Verbundkräften sichergestellt ist. Ein wirksamer Korrosionsschutz ist garantiert, wenn die Stähle vollständig mit alkalischem Zementstein umhüllt sind. Die hohe Alkalität des Betons kann jedoch im Laufe der Zeit durch Einwirkung des Kohlendioxides aus der Luft bei gleichzeitiger Anwesenheit von Feuchtigkeit abgebaut werden (Karbonatisierung); die Randzone des Betons wird mehr und mehr neutralisiert. Dringt die Karbonatisierungsfront bis zur Bewehrung vor, kann es zu Korrosionsschäden kommen. Für das Auftreten von Korrosion sind drei Voraussetzungen erforderlich: Aufhebung der Passivierung des Stahls durch Abbau der Alkalität (pH-Wert < 9); Sauerstoffzutritt; Feuchtigkeit. Stets trockener Beton oder stets wassersatter Beton bietet keine Voraussetzungen für eine Stahlkorrosion. Die zwischen trocken und nass wechselnden Verhältnisse bei unseren Klimabedingungen ermöglichen jedoch eine Korrosion, wenn kein ausreichender Schutz des Stahls vorhanden ist. Die Bewehrung muss also durch eine ausreichende Betondeckung geschützt werden, die dicht genug ist, um das Eindringen von CO2 möglichst zu verhindern und dicker ist als die während der Nutzungsdauer eines Bauteils eintretende Karbonatisierungstiefe.
301
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons
Tabelle 5.17 Mindestbetondeckung cmin zum Schutz gegen Korrosion und Vorhaltemaß Δc in Abhängigkeit von der Expositionsklasse Mindestbetondeckung cmin [mm]a,b
Expositionsklasse
Betonstahl
Spannglieder im sofortigen Verbund und im nachträglichen Verbundc
XC1
10
20
XC2
20
30
XC3
20
30
XC4
25
35
40
50
40
50
Vorhaltemaß Δc [mm]
10
XD1 XD2
15
XD3d XS1 XS2 XS3 a
b
c
d
Die Werte dürfen für Bauteile aus Normalbeton, deren Betonfestigkeit um 2 Festigkeitsklassen höher liegt, als nach Tabelle 5.3 für die Expositionsklassen XC, XD bzw. XS mindestens erforderlich ist, um 5 mm vermindert werden. Für Bauteile der Expositionsklasse XC1 ist diese Abminderung nicht zulässig. Für die Dauerhaftigkeit von Leichtbetonbauteilen ist die Erhöhung der Dichtheit für die Reduktion der Mindestbetondeckung unabhängig von der Festigkeitsklasse über die Anpassung der Betonzusammensetzung in Analogie zum Normalbeton entsprechend DIN 1045-2 sicherzustellen. Wird Ortbeton kraftschlüssig mit einem Fertigteil verbunden, dürfen die Werte an den der Fuge zugewandten Rändern auf 5 mm im Fertigteil und auf 10 mm (bzw. 5 mm bei rauer Fuge) im Ortbeton verringert werden. Die Bedingungen zur Sicherstellung des Verbundes (siehe Text weiter unten) müssen jedoch eingehalten werden, sofern die Bewehrung im Bauzustand ausgenutzt wird. Auf das Vorhaltemaß der Betondeckung darf auf beiden Seiten der Verbundfuge verzichtet werden. Die Mindestbetondeckung bezieht sich bei Spanngliedern im nachträglichen Verbund auf die Oberfläche des Hüllrohrs. Im Einzelfall können besondere Maßnahmen zum Korrosionsschutz der Bewehrung nötig sein.
Die Mindestmaße für die Betondeckung sind abhängig vom Stabdurchmesser der Bewehrung und von den Umweltbedingungen (siehe Tabelle 5.17). Festgelegt sind diese Maße in der DIN 1045-1, Abschnitt 6.3. Die Betondeckung jedes Bewehrungsstabes, auch der Bügel, darf an allen Seiten das Mindestmaß cmin nicht unterschreiten. Um diese Maße einzuhalten, sind die Verlegemaße hinsichtlich der Betondeckung um einen Sicherheitszuschlag Δc zu vergrößern. Das sich so ergebende Nennmaß cnom = cmin + Δc der Betondeckung ist bei der Planung und Ausführung zugrunde zu legen (Abstandhaltermaß); es ist auf den Bewehrungszeichnungen anzugeben. Zur Sicherstellung des Verbundes darf aber die Mindestbetondeckung cmin nicht kleiner sein als:
302
5 Beton
der Stabdurchmesser ds der Betonstahlbewehrung oder der Vergleichsdurchmesser eines Stabbündels dsV; der 2,5-fache Nenndurchmesser dp einer Litze oder der 3-fache Nenndurchmesser dp eines gerippten Drahtes mit sofortigem Verbund; der äußere Hülldurchmesser eines Spanngliedes im nachträglichen Verbund.
Bei Verschleißbeanspruchung kann alternativ zum Austausch der Gesteinskörnungen auch eine Vergrößerung der Betondeckung berücksichtigt werden, bei XM1 um 5 mm, bei XM2 um 10 mm und bei XM3 um 15 mm. Schichten aus natürlichen oder künstlichen Steinen, Holz oder Beton mit haufwerkporigem Gefüge dürfen nicht auf die Betondeckung angerechnet werden. Für einen ausreichenden Feuerwiderstand kann die von der DIN 1045-1 geforderte Betondeckung möglicherweise nicht ausreichend sein (siehe hierzu DIN 4102-2 und 4102-4). Bei Verwendung von Gesteinskörnungen mit einem Größtkorn > 32 mm sind die Mindestund Nennmaße der Betondeckung um 5 mm zu vergrößern. Eine angemessene Vergrößerung der Betondeckungsmaße ist auch erforderlich bei besonders dicken Bauteilen, bei Betonflächen aus Waschbeton oder bei Flächen, die z. B. gesandstrahlt, steinmetzmäßig bearbeitet oder durch Verschleiß stark abgenutzt werden. Die Lage der Bewehrung im Bauteil muss den Bewehrungszeichnungen entsprechen und ist während des Einbaus durch Abstandhalter nach allen Seiten gegen die Schalung so zu sichern, dass Verschiebungen beim Einbringen und Verdichten des Betons nicht möglich sind. Bei dichter, obenliegender Bewehrung, z. B. über Stützen, sind zum Einbringen des Betons Lücken vorzusehen, ebenso sind bei engliegender Bewehrung und Verdichtung mit dem Innenrüttler Rüttellücken anzuordnen. 5.5.3.4 Verdichten
Der eingebrachte Frischbeton ist eine lose Schüttung, die je nach Zusammensetzung und Konsistenz einen erheblichen Luftgehalt aufweisen kann. Voraussetzung für die Erreichung guter Festigkeit und Dichtigkeit ist eine gute Verdichtung des Betons. Grundsätzlich ist jeder Beton – selbstverdichtende Betone ausgenommen – zu verdichten, da bei allen Entwurfsgrundlagen eine vollständige Frischbetonverdichtung, d. h. unter Praxisbedingungen ein Restluftporengehalt von 1 bis 2 Vol.-%, vorausgesetzt wird. Besondere Sorgfalt auf die Verdichtung ist insbesondere bei dicht liegender Bewehrung und in den Schalungsecken zu legen. Die Bedeutung der Verdichtungsarbeit für die Betongüte lässt sich nach Hummel in folgender Regel zusammenfassen: Je steifer ein Beton verarbeitet wird, desto mehr werden Betondichtigkeit und -festigkeit durch eine erhöhte Verdichtungsarbeit verbessert. Je weicher ein Frischbeton verarbeitet wird, desto mehr tritt der Einfluss der Verdichtungsarbeit zurück. Bei sehr weichem Beton kann eine Verdichtung, insbesondere durch zu langes Rütteln, sogar zu Nachteilen, nämlich zu Entmischungen führen. Nach der Art der Verdichtungsarbeit unterscheidet man Stampfen, Stochern und Rütteln. Die Wahl des Verfahrens richtet sich nach der Verarbeitbarkeit des Betons (siehe Tabelle 5.18).
303
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons Tabelle 5.18 Wahl der Verdichtungsart in Abhängigkeit von der Konsistenz Verdichtungsart
Konsistenz des Betons steif
Stampfen
Oberflächenrüttler
plastisch
weich
fließfähig
×
×
×
×
a
Platte
×
Bohle
×
Innenrüttler
×
Außenrüttler (Schalungsrüttler)
×
×
×
×
×
×
×
×
×
×
Stochern bzw. mehrmaliges Abziehen zusätzliches Klopfen an der Schalung a
×
nur für untergeordnete Bauteile, z. B. Fundamentstreifen o. ä.
Die heutzutage überwiegend angewandte Vibrationsverdichtung (Rütteln) (DIN 4235, Teile 1 bis 5) setzt einen Schwingungserreger voraus, der je nach Bauteil und Art des Betons unterschiedlich angeordnet werden kann (siehe Bild 5-8). Durch die Vibration erhält der Frischbeton eine stark verbesserte Fließfähigkeit, was die Verdichtung auch steifer Gemische ermöglicht. Die Rüttelenergie und der Zeitaufwand müssen der Konsistenz angepasst werden. Um wirtschaftlich zu arbeiten, muss mit einem Minimum an Zeit die beste Verdichtung erreicht werden; dafür sind höhere Frequenzen zweckmäßig. Diese erhöhen aber den Schalungsdruck, weshalb die Schalung dann stabiler ausgeführt werden muss.
Bild 5-8 Prinzipien der Vibrationsverdichtung
Die heute auf Baustellen am häufigsten anzutreffenden Rüttler sind Innenrüttler, so genannte Tauchrüttler oder Rüttelflaschen. Die Rüttelflasche ist in möglichst gleichen Abständen
304
5 Beton
rasch in den Beton einzuführen und im Zuge der nach oben fortschreitenden Verdichtung langsam (ca. 8 cm/s) herauszuziehen, so dass sich die Rüttelgasse schließen kann. Schließt sich die Oberfläche des Betons nicht mehr, war entweder die Rütteldauer nicht ausreichend, die Konsistenz für den verwendeten Rüttler zu steif oder das Erstarren des Zements hat bereits begonnen. Bei schichtweisem Betonieren (als Richtmaß für die Schichthöhe gelten im Allgemeinen 50 cm) „frisch in frisch“ ist zur Verbesserung des Anschlusses die Rüttelflasche etwa 10 bis 15 cm in die darunterliegende, bereits verdichtete und noch nicht erstarrte Betonschicht einzutauchen („Vernähen“ bzw. „Vernadeln“) (siehe Bild 5-9).
Bild 5-9
Richtiges Einsetzen des Innenrüttlers
Da dann die oberste Zone der zuletzt geschütteten Schicht noch nicht verdichtet ist, kann die Luft beim langsamen Ziehen des Rüttlers nach oben entweichen. Ein Verteilen des Betons durch Innenrüttler ist wegen der damit verbundenen Gefahr von Entmischungen und Nesterbildungen nicht ratsam; eine Ausnahme kann die Unterfüllung von Einbauten sein. Eine Alternative für derartige Fälle ist der Einsatz von fließfähigem oder selbstverdichtendem Beton (siehe Abschnitt 5.8.12) Der Abstand der Tauchstellen ist so zu wählen, dass sich die Wirkungsbereiche überschneiden – je nach Rüttlergröße und Betonkonsistenz zwischen 25 und 70 cm. Eine Faustregel besagt, dass der Abstand gleich dem 10fachen Durchmesser des Innenrüttlers sein soll. Ferner ist ausreichender Abstand (> 10 cm) von der Schalung einzuhalten, um eine Schwingungsübertragung auf die Schalung zu vermeiden; ansonsten ist eine Beeinträchtigung von Sichtbetonflächen zu befürchten. Auch ein längeres Berühren der Bewehrung mit dem Rüttler ist zu vermeiden; anderenfalls reichert sich wasserreiche Schlämme unter den Bewehrungsstählen an und vermindert den Verbund zwischen Stahl und Beton. Außerdem kann sich die Bewehrung an der Betonoberfläche abzeichnen. Der Beton ist so lange zu verdichten, bis das Aufsteigen von Luftblasen merklich nachlässt und sich an der Oberfläche eine dünne Schicht zäher Schlempe (Feinmörtel) bildet.
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons
305
Hochfrequente Schalungsrüttler werden vor allem bei großflächigen, dünnwandigen Platten oder Wänden eingesetzt; außerdem können sie die Arbeit des Innenrüttlers unterstützen. Da diese Rüttelart (Außenrüttler) die Schalung sehr stark beansprucht, muss diese besonders stabil konstruiert sein, und die Schalungsfugen müssen eine gute Dichtigkeit aufweisen. Außerdem werden die Rüttler auf die Schalungsversteifungen, nicht auf die Schalhaut gesetzt; für diese Verdichtungsart werden deshalb vorzugsweise Stahlschalungen eingesetzt. Sie sollten bei Sichtbeton nicht zu lange rütteln, da dadurch die Feinstanteile nach außen gepumpt werden, was zu Netzrissen an der Betonoberfläche führen kann; Schalungsklopfer eignen sich bei Sichtbeton besser. Bei waagerechten oder schwach geneigten Betonflächen wie Deckenbeton steifer Konsistenz, bei Betonfußböden und Betonfahrbahnen sowie Estrichen eignen sich hochfrequente Oberflächenrüttler. Je nach Stärke des Rüttlers lassen sich dadurch mehr oder weniger dicke Betonschichten verdichten. Handgeführte Oberflächenrüttler sollte man nur bis maximal 15 cm Schichtdicke nach erfolgter Verdichtung verwenden, Straßenfertiger haben je nach Vortriebsgeschwindigkeit eine Verdichtungswirkung bis zu 30 cm Tiefe. Eine ausreichende Verdichtung kann dann angenommen werden, wenn hinter dem Oberflächenrüttler der Beton mitschwingt und nur noch wenige Luftblasen austreten. Auch eine Vakuumbehandlung weicher bis plastischer Betone – insbesondere horizontaler Betonflächen – kann zu den Verdichtungsverfahren gerechnet werden. Durch das Absaugen von Überschusswasser entsteht in den Poren ein starker Unterdruck, der u. a. zu einer erhöhten Dichtigkeit der oberflächennahen Bereiche und durch die Verringerung des w/z-Wertes zu einer Festigkeitssteigerung und zu größerer Wasserundurchlässigkeit führt. Wegen der großen Bedeutung, die der Verdichtung hinsichtlich der Betongüte zukommt, sollte die erreichte bzw. die zu erreichende Verdichtung möglichst regelmäßig kontrolliert werden.
5.5.4 Nachbehandlung Unter Nachbehandlung des Betons werden Maßnahmen verstanden, die den jungen Beton bis zur ausreichenden Erhärtung gegen schädliche Einflüsse schützen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen gegen vorzeitiges Austrocknen. Hell werdende Betonflächen sind soweit ausgetrocknet, dass in Oberflächennähe keine weitere Erhärtung mehr stattfinden kann: der Beton ist „verdurstet“. Eine mangelhafte oder unsachgemäße Nachbehandlung führt auch bei gutem Beton zu Schädigungen des Betons, wie z. B. Rissbildung oder zu geringen Festigkeiten. Das Austrocknen sollte erst dann beginnen, wenn der Beton eine Festigkeit erreicht hat, bei der er die Schwindspannungen ohne Rissbildung aufnehmen kann. Die Folgen zu frühen Wasserentzugs sind geringere Festigkeit, Neigung zum Absanden, geringere Wasserundurchlässigkeit, verminderte Witterungsbeständigkeit, geringere Widerstandsfähigkeit gegen chemische Angriffe, erhöhte Gefahr der Schwindrissbildung. Der Schutz ist umso erforderlicher, je exponierter das Bauteil liegt, und je ungünstiger die Verdunstungsbedingungen sind. Beton trocknet umso schneller aus, je geringer die relative
306
5 Beton
Luftfeuchtigkeit, je größer die Luftgeschwindigkeit und je höher der Temperaturunterschied zwischen Beton- und Umgebungstemperatur ist. Liegt die relative Luftfeuchte über 85 % und die Luftgeschwindigkeit unter 10 km/h, sind besondere Schutzmaßnahmen in der Regel nicht erforderlich. Bei Umweltbedingungen, die den Expositionsklassen außer X0, XC1 und XM entsprechen, muss die Nachbehandlung so lange aufrecht erhalten werden, bis die Festigkeit des oberflächennahen Betons 50 % der charakteristischen Festigkeit erreicht ist. Dazu ist die in Tabelle 5.19 angegebene Mindestdauer einzuhalten. Bei Umweltbedingungen, die den Expositionsklassen X0 und XC1 entsprechen, muss der Beton mindestens 1/2 Tag nachbehandelt werden. Bei Betonoberflächen, die einem Verschleiß entsprechend der Expositionsklasse XM ausgesetzt sind, muss der Beton so lange nachbehandelt werden, bis im oberflächennahen Bereich mindestens 70 % der charakteristischen Festigkeit erreicht sind. Ohne genauen Nachweis sind die Werte der Tabelle 5.19 zu verdoppeln. Tabelle 5.19 Mindestdauer der Nachbehandlung von Beton bei den Expositionsklassen nach DIN 1045-2 außer X0, XC1 und XM in Abhängigkeit von der Oberflächentemperatur Mindestdauer der Nachbehandlung in Tagen Oberflächentemperatur ϑ in °Ce
a b
c
d e
Festigkeitsentwicklung des Betonsc r = fcm2/fcm28d schnell
mittel
langsam
sehr langsam
r ≥ 0,50
r ≥ 0,30
r ≥ 0,15
r < 0,15
ϑ ≥ 25
1
2
2
3
25 > ϑ ≥ 15
1
2
4
5
15 > ϑ ≥ 10
2
4
7
10
10 > ϑ ≥ 5
3
6
10
15
b
Bei mehr als 5 h Verarbeitbarkeitszeit ist die Nachbehandlungsdauer angemessen zu verlängern. Bei Temperaturen unter 5 °C ist die Nachbehandlungsdauer um die Zeit zu verlängern, während der die Temperatur unter 5 °C lag. Die Festigkeitsentwicklung des Betons wird durch das Verhältnis der Mittelwerte der Druckfestigkeiten nach 2 Tagen und nach 28 Tagen (ermittelt nach DIN EN 12390-3) beschrieben, das bei der Eignungsprüfung oder auf der Grundlage eines bekannten Verhältnisses von Beton vergleichbarer Zusammensetzung (d. h. gleicher Zement, gleicher w/z-Wert) ermittelt wurde. Wird bei besonderen Anwendungen die Druckfestigkeit zu einem späteren Zeitpunkt als 28 Tage bestimmt, ist für die Ermittlung der Nachbehandlungsdauer der Schätzwert des Festigkeitsverhältnisses entsprechend aus dem Verhältnis der mittleren Druckfestigkeit nach 2 Tagen (fcm,2) zur mittleren Druckfestigkeit zum Zeitpunkt der Bestimmung der Druckfestigkeit zu ermitteln oder eine Festigkeitsentwicklungskurve bei 20 °C zwischen 2 Tagen und dem Zeitpunkt der Bestimmung der Druckfestigkeit anzugeben. Zwischenwerte dürfen eingeschaltet werden. Anstelle der Oberflächentemperatur des Betons darf die Lufttemperatur angesetzt werden.
307
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons
Die in der Tabelle angegebenen Nachbehandlungszeiten sind zu verlängern bei verzögertem Beton um die Verzögerungszeit; bei Temperaturen < +5 °C um die Zeit, während der die Temperatur < 5 °C lag; bei Temperaturen der Betonoberfläche unter 0 °C um die Frostdauer; bei Beton mit Flugasche unter gleichzeitiger Abminderung des Mindestzementgehaltes und/oder Erhöhung des Höchst-Wasser-Zement-Wertes um 2 Tage; bei allen Bauteilen, an die besondere Anforderungen gestellt werden, wie z. B. hoher Widerstand gegen Frost- und Tausalzeinwirkung, gegen chemischen Angriff, gegen Verschleiß oder gegen das Eindringen von Flüssigkeiten und Gasen. Soll die im Regelfall mindestens erforderliche Nachbehandlungsdauer verkürzt werden, so ist nachzuweisen, dass der Beton im oberflächennahen Bereich am Ende der Nachbehandlungsdauer mindestens 50 % der charakteristischen Festigkeit hat. Für die Expositionsklassen XC2, XC3, XC4 und XF1 können anstelle der Werte von Tabelle 5.19 die erforderlichen Nachbehandlungsdauern nach Tabelle 5.20 festgelegt werden. Bei Verwendung einer Stahlschalung oder bei ungeschalten Betonoberflächen darf Tabelle 5.20 jedoch nur angewendet werden, wenn ein übermäßiges Auskühlen des Betons im Anfangsstadium der Erhärtung aufgrund entsprechender Schutzmaßnahmen ausgeschlossen werden kann. Tabelle 5.20 Mindestdauer der Nachbehandlung von Beton bei den Expositionsklassen XC2, XC3, XC4 und XF1 nach DIN 1045-2 in Abhängigkeit von der Frischbetontemperatur Frischbetontemperatur ϑfb zum Zeitpunkt des Betoneinbaus
a b
c
Mindestdauer der Nachbehandlung in Tagena Festigkeitsentwicklung des Betonsb r = fcm2/fcm28c schnell
mittel
langsam
r ≥ 0,50
r ≥ 0,30
r ≥ 0,15
ϑfb ≥ 15 °C
1
2
4
10 °C ≤ ϑfb < 15 °C
2
4
7
5 °C ≤ ϑfb < 10 °C
4
8
14
Bei mehr als 5 h Verarbeitbarkeitszeit ist die Nachbehandlungsdauer angemessen zu verlängern. Die Festigkeitsentwicklung des Betons wird durch das Verhältnis der Mittelwerte der Druckfestigkeiten nach 2 Tagen und nach 28 Tagen (ermittelt nach DIN EN 12390-3) beschrieben, das bei der Eignungsprüfung oder auf der Grundlage eines bekannten Verhältnisses von Beton vergleichbarer Zusammensetzung (d. h. gleicher Zement, gleicher w/z-Wert) ermittelt wurde. Wird bei besonderen Anwendungen die Druckfestigkeit zu einem späteren Zeitpunkt als 28 Tage bestimmt, ist für die Ermittlung der Nachbehandlungsdauer der Schätzwert des Festigkeitsverhältnisses entsprechend aus dem Verhältnis der mittleren Druckfestigkeit nach 2 Tagen (fcm2) zur mittleren Druckfestigkeit zum Zeitpunkt der Bestimmung der Druckfestigkeit zu ermitteln oder eine Festigkeitsentwicklungskurve bei 20 °C zwischen 2 Tagen und dem Zeitpunkt der Bestimmung der Druckfestigkeit anzugeben. Zwischenwerte dürfen eingeschaltet werden.
308
5 Beton
Gebräuchliche Schutzmaßnahmen gegen vorzeitiges Austrocknen sind: Bauteile in der Schalung belassen; Betonflächen mit Folien abdecken; wasserhaltende Abdeckungen aufbringen; flüssige Nachbehandlungsmittel (Curing-Mittel) aufsprühen; kontinuierliches Besprühen mit Wasser oder eine Kombination aus diesen Maßnahmen. Solange der Beton in der Schalung ist, ist er im Allgemeinen gegen zu schnelles Austrocknen geschützt; ausgenommen sind Stahlschalungen, die durch Sonneneinstrahlung im Sommer stark aufgeheizt werden und somit auch bei eingeschaltem Beton zu vorzeitiger Wasserverdunstung führen können. Saugende Holzschalung ist möglichst feucht zu halten. Die gebräuchlichste Methode bei freien Oberflächen ist die Abdeckung mit Folien; bei direkt anliegender Folie kann es durch Kondenswasser zu Ausblühungen kommen (eine „Kaminwirkung“ infolge Luftzug zwischen Beton und Folie ist jedoch zu vermeiden). Beim Abdecken mit feuchten Matten, feuchtem Sand oder Sägemehl ist darauf zu achten, dass die Abdeckung ständig feucht zu halten ist; gegebenenfalls ist sie zusätzlich durch eine Folie vor Austrocknung zu schützen. Bei Verwendung von filmbildenden Aufsprühmitteln ist darauf zu achten, dass stets ein geschlossener Film entsteht (unter Umständen mehrmaliger Auftrag erforderlich). Um den gleichmäßigen flächendeckenden Auftrag besser kontrollieren zu können, ist diesen Mitteln meist ein heller Farbstoff beigemischt. Die zurzeit verfügbaren Nachbehandlungsmittel unterscheiden sich hinsichtlich der Zusammensetzung, der Verwendungsmöglichkeit, z. B. auf trockenen oder feuchten Betonoberflächen, und der Wirksamkeit. Soweit mit dem vorgesehenen Mittel keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen, ist seine Eignung für den vorgesehenen Verwendungszweck zu überprüfen. Für spätere Oberflächenbehandlung (Anstriche, Beschichtungen, Beläge) ist eine eventuelle Haftungsbeeinträchtigung zu beachten. Zur Vermeidung vorzeitiger Austrocknung ist auch ein Feuchthalten durch Benetzen der Betonoberflächen möglich. Diese Maßnahme darf jedoch nur angewendet werden, wenn die Betonoberfläche kontinuierlich feucht gehalten wird; wechselweises Anfeuchten und Austrocknen führt zu Spannungen und Rissen. Ein direktes Bespritzen des Betons mit einem harten Wasserstrahl ist zu vermeiden, da infolge Abkühlung der Betonoberfläche – insbesondere bei sonnenbestrahltem Beton – durch die Wassertemperatur und die Verdunstungskälte Spannungen und Risse entstehen können. Als Hilfsmittel sind Düsen oder perforierte Schläuche, wie sie zum Rasensprengen benutzt werden, geeignet, am besten in Kombination mit wasserhaltenden Abdeckungen. Die Nachbehandlung mit Wasser ist bei Frost nicht erlaubt. Bei niedrigen Temperaturen reicht die Verhinderung des Wasserverlustes an der Betonoberfläche allein nicht aus. Es sind zusätzliche Maßnahmen gegen Auskühlung durch Wärmedämmung rechtzeitig vorzubereiten. Bei kühler Witterung muss unbedingt ein Gefrieren des jungen Betons vermieden werden, da die Ausdehnung des gefrierenden Wassers das entstehende Festigkeitsgefüge zerstören würde. Beton ist im Allgemeinen gefrierbeständig, wenn seine Druckfestigkeit mindestens 5 N/mm2 beträgt oder wenn er einen Gehalt schnell erhärtenden Zementes von ≥ 270 kg/m³ und einen w/z-Wert ≤ 0,60 aufweist und seine Temperatur 3 Tage lang + 10 °C nicht unterschreitet.
5.5 Herstellen und Verarbeiten des Betons
309
Voraussetzung für die Gefrierbeständigkeit ist aber, dass der junge Beton gegen Zutritt von Fremdwasser geschützt ist. Durch Einsatz von Zusatzmitteln (Erstarrungsbeschleuniger, Betonverflüssiger) kann die Gefrierbeständigkeit positiv beeinflusst werden. Luftporenbildner verbessern allerdings die Gefrierbeständigkeit nicht, sondern nur die Frostbeständigkeit (siehe Abschnitt 5.7.1.4). Bei zu frühzeitigem Ausschalen und Entfernen wärmedämmender Abdeckungen treten Temperaturunterschiede und damit Spannungen im Bauteil auf, die bei Überschreiten der Zugfestigkeit zu Rissen führen. Die Bauteile sind daher durch Wärmedämmung und entsprechende Schalungsfristen oder andere Maßnahmen (z. B. Zuführen von Wärme) möglichst lange vor Auskühlung zu schützen. Auch die Nachverdichtung des Betons kann man zur Nachbehandlung rechnen. Frühschwindrisse oder feine Hohlräume – entstanden durch Wasserabsondern oder durch Absetzen im Bereich von Bewehrung oder Verankerungen, insbesondere im oberen Bereich höherer Bauteile, durch Wasseraufsaugen der Zuschläge oder der Schalung – werden hierdurch geschlossen. Nachverdichten ist stets beim Betonieren mit hoher Steiggeschwindigkeit > 2 m/h im oberen Bereich hoher Bauteile erforderlich. Dem Nachverdichten des Betons kommt wegen der Qualitätsverbesserung bei Sichtbeton und wasserundurchlässigem Beton besondere Bedeutung zu. Das Nachrütteln bringt jedoch nur Vorteile, solange der Beton unter dem Einfluss der Rüttelschwingungen noch beweglich wird und sich die Rüttelgasse beim langsamen Herausziehen des Innenrüttlers wieder schließt; ein zu spätes Nachrütteln schädigt den Beton.
5.5.5 Ausschalfristen Kein Bauteil darf ausgerüstet oder ausgeschalt werden, bevor der Beton ausreichend erhärtet ist. Die Ausschalfristen des Betons sind von der Beton- und Zementqualität, von den Belastungsbedingungen des Bauwerks sowie wesentlich von den Witterungsverhältnissen abhängig. DIN 1045-3 enthält keine Zahlenangaben für die Ausschalfristen. Sofern nicht durch Erhärtungsprüfungen oder Reifegradprüfungen (siehe Abschnitt 5.6.1.1) andere Gesichtspunkte maßgebend sind, kann man sich an Erfahrungswerten orientieren, die in der früheren Ausgabe der DIN 1045 angegeben wurden (siehe Tabelle 5.21). Liegen die Temperaturen während der Erhärtungszeit überwiegend unter + 5 °C, so sind die Ausschalfristen entsprechend (unter Umständen 2mal) größer. Bei Frostanfall sind für ungeschützten Beton die Schalfristen mindestens um die Anzahl der Frosttage zu verlängern. Die endgültige Entscheidung gibt der Bauleiter, wenn er sich von der ausreichenden Festigkeit des Betons überzeugt hat. Nach dem Ausschalen sind Hilfsstützen möglichst lange unter den Bauteilen zu belassen oder aufzustellen, besonders bei Bauteilen, die schon kurz nach dem Ausschalen einen großen Teil ihrer planmäßigen Last erhalten. Bei Platten und Balken mit Stützweiten < 3 m sind Hilfsstützen in der Regel entbehrlich, bis 8 m Stützweite genügt eine mittige Hilfsstütze, bei Stützweiten > 8 m sind mehr Hilfsstützen zu stellen. Sie sollen in den einzelnen Stockwerken übereinander stehen.
310
5 Beton
Tabelle 5.21 Ausschalfristen in Tagen (Anhaltswerte) Zementfestigkeitsklasse
Ausschalfrist in Tagen für die seitliche Schalung der Balken und für die Schalung der Wände und Stützen
für die Schalung der Deckenplatten
für die Rüstung (Stützung) der Balken, Rahmen und weitgespannten Platten
CEM 32,5 N
3
8
20
CEM 32,5 R; CEM 42,5 N
2
5
10
CEM 42,5 R; CEM 52,5 N; CEM 52,5 R
1
3
6
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons 5.6.1 Festigkeit 5.6.1.1 Festigkeitsentwicklung des Betons
Beeinflusst wird die Entwicklung der Betonfestigkeit vornehmlich durch die Eigenschaften des Zements, die Zusammensetzung des Betons und die Umweltbedingungen, denen der Beton während der Herstellung und Erhärtung ausgesetzt ist. Wegen der Vielzahl der Einflussgrößen, die sich zum Teil auch noch gegenseitig beeinflussen, ist eine hinreichend genaue und allgemein gültige Darstellung der Festigkeitsentwicklung nur schwer möglich. a) Einfluss des Alters
Je älter der Beton wird, desto höher wird auch seine Festigkeit. Bei der Beurteilung der Festigkeitsentwicklung in Abhängigkeit des Alters unterscheidet man zwischen der so genannten Frühfestigkeit und der Festigkeit im späteren Alter.
Frühfestigkeit Unter Frühfestigkeit versteht man im Allgemeinen die Betonfestigkeit im Alter von einigen Stunden oder Tagen. Meist verbindet man damit die Vorstellung einer über der normalen Entwicklung liegenden Festigkeit. Bei gleicher 28-Tage-Druckfestigkeit liefern schnell erhärtende Zemente (Zusatzbezeichnung R, z. B. CEM 32,5 R) eine höhere Frühfestigkeit als normal erhärtende Zemente der gleichen Festigkeitsklasse (Zusatzbezeichnung N). Besonders ausgeprägt ist der festigkeitssteigernde Einfluss des Zements im frühen Alter, wenn eine höhere Festigkeitsklasse gewählt wird, also z. B. statt CEM 32,5 R etwa CEM 42,5 R oder gar CEM 52,5 R. Man kann davon ausgehen, dass Zemente mit hoher Normdruckfestigkeit eine größere Erhärtungsgeschwindigkeit haben als Zemente mit einer niedrigeren Normdruckfestigkeit.
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons
311
Auf die Festigkeit in jungem Alter haben auch der Wasser-Zement-Wert und die Konsistenz Einfluss. Je niedriger der Wasser-Zement-Wert ist, umso größer ist unter sonst gleichen Bedingungen die Frühfestigkeit, und zwar sowohl absolut als auch bezogen auf die 28-TageFestigkeit. Steifere Betone, d. h. Betone mit im Allgemeinen dünneren Zementsteinschichten, erbringen eine höhere Frühfestigkeit.
Festigkeit in späterem Alter (Nacherhärtung) Auch nach dem 28. Tag erhärtet Beton weiter und wird dadurch immer fester, sofern er nicht vollständig austrocknet. Das Maß dieser Nacherhärtung ist je nach Zement, Betonzusammensetzung und weiteren Einflussgrößen recht unterschiedlich. Bezogen auf die 28-Tage-Druckfestigkeit ist mit einer umso größeren Nacherhärtung zu rechnen, je langsamer der Zement erhärtet, je höher der w/z-Wert ist und je niedriger die Lagerungstemperatur ist. Die Nacherhärtung von Betonen aus sehr schnell erhärtenden Zementen CEM 52,5 N, CEM 52,5 R und CEM 42,5 R ist klein und übersteigt in diesem Zeitraum 10 % praktisch nicht, zumal mit diesen Zementen zum Erreichen einer sehr hohen Frühfestigkeit meist zugleich niedrige w/z-Werte gewählt werden. Demgegenüber weisen Betone aus dem langsam erhärtenden Zement CEM 32,5 N beträchtliche Nacherhärtungen auf, die in einzelnen Fällen 50 % erreichen oder sogar überschreiten können. Bei gleicher Betonzusammensetzung ist der Einfluss der Zementfestigkeitsklasse auf die Druckfestigkeit des Betons in jungem Alter sehr ausgeprägt. Sofern die für eine weitere Hydratation erforderliche Feuchtigkeit ständig vorhanden ist, gleichen sich die zementbedingten Unterschiede durch die unterschiedliche Nacherhärtung immer mehr aus, so dass bereits in einem Alter von 180 Tagen alle Betone gleicher Zusammensetzung – unabhängig von der Zementgüteklasse – größenordnungsmäßig die gleiche Druckfestigkeit aufweisen. b) Einfluss der Temperatur
Als allgemeine Formulierung für den Temperatureinfluss gilt: höhere Temperaturen beschleunigen, tiefere Temperaturen verzögern den Erhärtungsverlauf. Die Grenztemperatur, bei der die Festigkeitsentwicklung zum Stillstand kommt, ist zementabhängig und liegt in der Größenordnung von –10 °C; allerdings werden hierzu von den Wissenschaftlern unterschiedliche Auffassungen vertreten. Ist die Festigkeitsentwicklung eines Betons bei Normallagerung von +20 °C bekannt, so kann die Festigkeitsentwicklung bei abweichenden Temperaturen über die so genannte Saulsche Reifeformel abgeschätzt werden. Dabei geht Saul davon aus, dass bis –10 °C noch eine Erhärtung des Betons möglich ist:
R=
¦ ai ⋅ (δi + 10)
Es ist: R Reife in °C ⋅ d
δi Erhärtungstemperatur in °C ai Erhärtungszeit in d bei der Temperatur δi
(5.13)
312
5 Beton
Betone gleicher Zusammensetzung haben bei gleicher Reife auch eine annähernd gleiche Festigkeit. Anders ausgedrückt: Bei welcher Temperatur und wie lange ein Beton auch erhärtet, sobald er eine bestimmte Reife erreicht hat, ist damit auch eine bestimmte Festigkeit verbunden.
Beispiel: Ein Beton erreicht nach 7tägiger Erhärtungsdauer bei 20 °C eine Reife R = 7 (20 + 10) = 210 °C · d; die gleiche Reife erreicht der Beton auch bei 5 °C nach 14 Tagen: R = 14 (5 + 10) = 210 °C · d. In beiden Fällen hat der Beton die gleiche Reife und damit auch eine annähernd gleiche Druckfestigkeit. Ein Beton muss zur Erzielung der gleichen Druckfestigkeit bei +5 °C also etwa doppelt so lange erhärten wie bei +20 °C. Die Saulsche Regel gilt jedoch exakt nur für CEM I 32,5 R und CEM I 42,5 R (im Temperaturbereich von –10 bis +20 °C). Bei höherwertigem CEM I 52,5 sowie bei CEM III ist mit Abweichungen zu rechnen, da diese Zemente temperaturempfindlicher sind. Eine Ausnutzung dieser Art der Erhärtungsbeschleunigung findet man bei der Dampfhärtung von Betonwaren und Fertigteilen. Die Beschleunigung des Erhärtungsvorganges geht jedoch im Allgemeinen auf Kosten der Endfestigkeit, die etwas geringer ausfällt. Die höhere Endfestigkeit bei dauernd niedrigen Temperaturen ist auf die Bildung langfaseriger CSH-Kristalle zurückzuführen. Aus Gründen der Dauerhaftigkeit müssen bei der Wärmebehandlung Temperaturgrenzwerte in Abhängigkeit von den Nutzungsbedingungen der Bauteile (trockene oder feuchte Umgebung) eingehalten werden, um Gefügestörungen infolge Wärmedehnung zu vermeiden. Eine ohne zusätzliche Energiezufuhr mögliche „Wärmebehandlung“ in Betonwerken ist die Ausnutzung der Hydratationswärme, z. B. durch wärmedämmende Abdeckung der Bauteile. c) Einfluss der Feuchtigkeit
Ein zu frühes Austrocknen des Betons stört den Erhärtungsverlauf; deshalb erreichen dauernd feucht gelagerte Betone in jungem Alter höhere Druckfestigkeiten als trocken gelagerte. Nach einer ausreichenden Hydratationsdauer bewirkt ein Austrocknen des Betons jedoch höhere Festigkeiten als bei einer weiteren Feuchtlagerung (siehe nachfolgenden Abschnitt 5.6.1.2) 5.6.1.2 Festigkeitsprüfung
Wenn nichts anderes vereinbart ist, wird gemäß DIN 1045-2 in Deutschland die Druckfestigkeit an Probewürfeln mit einer Kantenlänge von 150 mm im Alter von 28 Tagen bestimmt. Daneben können Druckfestigkeitsprüfungen an zylindrischen Probekörpern durchgeführt werden. In Sonderfällen kann es nötig werden, die Betondruckfestigkeit am fertigen Bauteil durch Entnahme von Probekörpern aus dem Bauwerk (Bohrkerne oder aus dem Bauteil herausgeschnittene Würfel) oder mit zerstörungsfreien Prüfverfahren zu bestimmen. Dabei sind Alter und Erhärtungsbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit) des Bauwerkbetons zu berücksichtigen. Im Folgenden werden näher behandelt: Festigkeitsprüfung an gesondert hergestellten Probekörpern, Festigkeitsprüfung an Bohrkernen, Zerstörungsfreie Prüfverfahren.
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons
313
a) Druckfestigkeitsprüfung an gesondert hergestellten Probekörpern
Form, Maße und zulässige Abweichungen von Probekörpern aus Beton sind in DIN EN 12350-1 festgelegt. Danach sind folgende Nennmaße einzuhalten: Würfel (Kantenlänge): 100, 150, 200, 250, 300 mm Zylinder (Durchmesser): 100, 113, 150, 220, 250, 300 mm; Höhe = 2 × Durchmesser Die kleinste Abmessung des Probekörpers sollte mindestens dem 3,5fachen Größtkorn der Gesteinskörnung entsprechen. Da die Probekörper die gleiche Konsistenz und den gleichen Verdichtungsgrad aufweisen müssen wie der Baustellenbeton, erfolgt deren Verdichtung in entsprechender Weise (Stampfen, Stochern, Rütteln). Beton mit luftporenbildenden Zusatzmitteln wie auch Leichtbeton darf nicht mit Innenrüttlern verdichtet werden; hierfür und für steifen Beton ist das Verdichten auf dem Rütteltisch zu empfehlen (eventuell mit Auflast). Sofort nach dem Verdichten des Betons ist der über die Form überstehende Beton mit zwei Glättkellen abzustreichen und die Betonoberfläche bündig mit der Formoberkante so abzuziehen, dass sie möglichst eben und glatt wird. Unmittelbar nach der Herstellung sind die Probekörper dauerhaft zu bezeichnen und anschließend erschütterungs- und zugluftfrei bei +15 °C bis +22 °C zu lagern (Zylinder stehend). Die Kennzeichnung soll das Datum des Herstellungstages enthalten. Die Lagerung der Proben für die Konformitätsprüfung erfolgt nach einer der beiden in DIN EN 12390-2 beschriebenen Arten: Referenzlagerung: Ausschalen der Probekörper nach frühestens 16 h, spätestens nach 3 Tagen; weitere Lagerung bei 20 °C in Wasser oder in einer Feuchtekammer bei mindestens 95 % rel. Luftfeuchte. Lagerung nach nationalem Anhang (Anhang NA): Ausschalen der Probekörper nach 24 h, danach 6 Tage bei 20 °C in Wasser oder in einer Feuchtekammer, ab dem 7. Tag in einem geschlossenen Raum (vor Zugluft schützen!) bei einer Temperatur von 15 bis 22 °C auf einem Lattenrost. Für die Erhärtungsprüfung sind die Probekörper zunächst in der Form und dann entformt so zu lagern und nachzubehandeln, dass ihr Wärme- und Feuchtigkeitsaustausch möglichst dem des Bauwerksbetons entspricht, für den sie maßgebend sein sollen. Die Lastaufbringung erfolgt bei Würfeln senkrecht zur Einfüllrichtung, bei Zylindern auf die Stirnflächen des Zylinders, d. h. in Einfüllrichtung des Betons. Voraussetzungen für einwandfreie Prüfungsergebnisse sind ebene und planparallele Druckflächen der Prüfkörper. Diese Voraussetzung ist bei Würfeln im Allgemeinen erfüllt, da die Lasteinleitung über die geschalten Seitenflächen erfolgt. Bei Zylindern ist die Einfüllseite wegen kleiner Unebenheiten nicht als Druckfläche verwendbar; daher muss bei Zylinderproben zur Erzielung einer gleichmäßigen Druckverteilung eine Ausgleichsschicht aus Zementmörtel o. ä. aufgebracht oder die Oberfläche abgeschliffen werden. Zwischenlagen aus Blei, Pappe, Filz, Kunststoff oder ähnlichem zwischen der Druckplatte und dem Probekörper sind unzulässig. Die Prüfung der Druckfestigkeit erfolgt nach DIN EN 12390-3. Der Probekörper ist genau mittig auf die untere Druckplatte der Druckprüfmaschine nach DIN EN 12390-4 zu stellen. Die Last ist stetig mit einer Belastungsgeschwindigkeit von (0,6 ± 0,2) N/(mm2 · s) zu stei-
314
5 Beton
gern, bis die Höchstlast erreicht ist. Aus der erreichten Höchstlast und der Querschnittsfläche errechnet sich die Druckfestigkeit. Da die beiden Lagerungsbedingungen nach DIN EN 12390-2 zu unterschiedlichen Festigkeitsergebnissen führen, muss dies bei der Auswertung rechnerisch berücksichtigt werden. Für den Konformitätsnachweis und im Streitfall ist die Referenzlagerung (Wasserlagerung) maßgebend; die so ermittelte Druckfestigkeit wird mit fc,cube bezeichnet. Bei der in Deutschland üblichen Lagerung der Proben nach Anhang NA wird ein im Regelfall größerer Festigkeitswert fc,dry gemessen; dieser muss in Abhängigkeit von der Festigkeitsklasse nach folgenden Gleichungen abgemindert werden: bis einschließlich C50/60:
fc,cube = 0,92 ⋅ fc,dry
(5.14)
ab C55/67:
fc,cube = 0,95 ⋅ fc,dry
(5.15)
Diese Beziehungen gelten nur für die Umrechnung von Würfeldruckfestigkeiten und berücksichtigen ausschließlich die unterschiedlichen Lagerungsbedingungen. Die bei der Prüfung ermittelte Druckfestigkeit ist kein absoluter Wert, sondern ein von zahlreichen Einflüssen abhängiger Kennwert. So haben vor allem Größe, Form und Schlankheit der Prüfkörper – darunter versteht man das Verhältnis von Höhe zu Durchmesser bzw. Seitenlänge des Prüfkörpers – Einfluss auf das Messergebnis. Grundsätzlich nimmt die Druckfestigkeit von Beton mit zunehmender Prüfkörpergröße zu. Werden anstelle von Würfeln mit 150 mm Kantenlänge solche mit 100 mm Kantenlänge verwendet, dann dürfen die Werte nach folgender Beziehung umgerechnet werden:
f c,dry(150mm) = 0,97 ⋅ fc,dry(100mm)
(5.16)
Für die Umrechnungen vom Würfel mit 200 mm bzw. 300 mm Kantenlänge auf den Würfel mit 150 mm Kantenlänge muss das Druckfestigkeitsverhältnis zum 150er Würfel durch ausreichende Vergleichsprüfungen gesondert nachgewiesen werden. Auch in jüngerem oder höherem Alter als 28 Tage können die Verhältnisse völlig anders sein; in diesen Fällen sind ebenfalls Vergleichsprüfungen zur Ermittlung der Umrechnungsfaktoren erforderlich! Ein weiterer Einflussfaktor auf die Druckfestigkeit ist die Schlankheit der Prüfkörper. In Abschnitt 1.2.5.2 wurde bereits gezeigt, dass dieser Einfluss auf die unterschiedliche Querdehnungsbehinderung zurückzuführen ist. Hieraus erklärt sich auch das typische Bruchbild von auf Druck beanspruchten Prüfkörpern: bei Würfeln zwei mit den Spitzen aufeinander stehende Pyramiden, bei Zylindern zwei mit den Spitzen aufeinander stehende Kegel. In manchen Fällen kann es erforderlich sein, aus der 28-Tage-Festigkeit die Betondruckfestigkeit in einem anderen Alter oder umgekehrt zu ermitteln. Dies ist mit Hilfe der in Tabelle 5.22 angegebenen Richtwerte für die Festigkeitsentwicklung möglich, wobei die Werte nur eine grobe Abschätzung erlauben.
315
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons
Tabelle 5.22 Richtwerte für die Festigkeitsentwicklung von Beton bei ständiger Lagerung bei +20 °C in Abhängigkeit von der Zementfestigkeitsklasse Zementfestigkeitsklasse 32,5 N 32,5 R; 42,5 N 42,5 R; 52,5 N; 52,5 R
Betondruckfestigkeit in % der 28-Tage-Druckfestigkeit nach 3d
7d
28 d
90 d
180 d
30…40 50…60
50…65 65…80
100 100
110…125 105…115
115…130 110…120
80…90
80…90
100
100…105
105…110
b) Druckfestigkeitsprüfung an Bohrkernen
Bei der Festlegung der Bohrstellen sind mögliche konstruktive Auswirkungen durch die Bohrkernentnahme zu berücksichtigen. Bohrkerne sollten möglichst nicht nahe der Fugen und Kanten des Bauteils, sondern an Stellen mit geringer Bewehrung entnommen werden. Bohrkerne für die Bestimmung der Druckfestigkeit dürfen keine Bewehrungsstäbe in oder nahe der Richtung der Längsachse enthalten. Der Durchmesser der Bohrkerne richtet sich nach den Bauteilabmessungen, dem Bewehrungsgrad und dem Größtkorn der Gesteinskörnung (der Bohrkerndurchmesser sollte mindestens das Dreifache des Größtkorndurchmessers betragen). Übliche Bohrkerndurchmesser sind 100 und 150 mm; ihre Festigkeiten dürfen derjenigen eines wassergelagerten Würfels mit 150 mm Kantenlänge gleichgesetzt werden. Die an Bohrkernen mit 50 mm Durchmesser gemessenen Druckfestigkeiten sind um 10 % abzumindern. Durchmesser unter 50 mm sind nicht zulässig. Die Länge der Bohrkerne hängt vom Durchmesser, dem Angleichverfahren (Schleifen oder Abgleichen) und davon ab, ob ein Vergleich mit der Würfel- oder Zylinderfestigkeit erfolgen soll. Beim Vergleich mit der Zylinderfestigkeit sollte das Verhältnis Länge : Durchmesser = 2 : 1, beim Vergleich mit der Würfelfestigkeit 1 : 1 betragen. Für die Durchführung der Festigkeitsprüfung gelten die unter a) für gesondert hergestellte Prüfkörper gemachten Angaben sinngemäß. Die Druckfestigkeit von Bauwerksbeton kann niedriger sein als diejenige, die an genormten Probekörpern derselben Betoncharge gemessen wurde, z. B. wegen unterschiedlicher Erhärtungsbedingungen. Dies wird bei der Bewertung der Bauwerksfestigkeit dadurch berücksichtigt, dass die charakteristische Mindestdruckfestigkeit von Bauwerksbeton nur 85 % derjenigen von gesondert hergestellten Probekörpern entspricht; für Bauwerksbetone sind die Werte in Tabelle 5.2 daher entsprechend zu reduzieren.
c) Zerstörungsfreie Prüfverfahren
Um einen Anhalt über die Festigkeit des Betons in einem Bauteil zu einem beliebigen Zeitpunkt und damit z. B. auch für die Ausschalfristen zu erhalten, genügt die zerstörungsfreie Prüfung. Zerstörungsfreie Prüfungen sind im Allgemeinen nur als Ergänzung zu den zerstö-
316
5 Beton
renden Prüfungen anzuwenden. Folgende Verfahren sind in Bild 5-10 in ihrer Wirkungsweise schematisch dargestellt: Messung des Rückpralls R mit dem Rückprallhammer nach Schmidt, Messung des Kugeleindrucks mit dem Kugelschlaghammer, Messung der Schalllaufzeit mit dem Ultraschallgerät und anschließende Berechnung der Schallgeschwindigkeit (im Beton 3500 bis 4500 m/s)
Bild 5-10 Wirkungsweise zerstörungsfreier Prüfverfahren (schematisch)
Bei der Ultraschallprüfung wird ein Schallimpuls durch den Beton geschickt und die Schalllaufzeit zwischen Sender und Empfänger gemessen. Aus der Schalllaufzeit t und der Dicke des Bauteils l (= Abstand zwischen Sender und Empfänger) wird die Ultraschallgeschwindigkeit v = l/t berechnet. Das Verfahren ist in DIN EN 12504-4 beschrieben. Die Messung kann zur Abschätzung der Festigkeitseigenschaften, jedoch nicht als Ersatz für eine direkte Druckfestigkeitsmessung angewendet werden. Die Aussagekraft von Ultraschallmessungen für einen Beton kann erhöht werden, wenn parallel die Druckfestigkeit an Würfeln oder Bohrkernen bestimmt und eine Korrelation zwischen Druckfestigkeit und Ultraschallgeschwindigkeit aufgestellt wird. Die beiden ersten Verfahren sind Schlagprüfungen. Dabei treffen am vorderen Ende leicht gerundete Schlagbolzen, die unter der Wirkung von Federn beschleunigt werden, auf die Oberfläche des Betons. Die Schlagenergie wird zum Teil durch einen Rücksprung des Schlaggewichtes, zum Teil durch Erzeugung eines bleibenden Eindrucks in der Betonoberfläche verbraucht. Durch diese beiden Verfahren wird ein Kennwert für das elastische bzw. plastische Verhalten des Betons in oberflächennahen Schichten ermittelt. Bei der Kugelschlagprüfung mit dem Kugelschlaghammer wird der Durchmesser des erzeugten Eindrucks als Maß für die Druckfestigkeit herangezogen (Ablesung mit einer Messlupe auf 0,1 mm genau.) Je größer die Druckfestigkeit des Betons ist, desto kleiner ist der in bleibende Verformung der Betonoberfläche umgewandelte Anteil der Schlagenergie, d. h. desto kleiner wird der Eindruck in die Betonoberfläche. Das Verfahren ist – im Vergleich zur Rückprallprüfung – sehr aufwändig und wird heutzutage nur noch selten angewendet.
317
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons
Die Rückprallprüfung mit dem Rückprallhammer ist das auf Baustellen am häufigsten durchgeführte zerstörungsfreie Prüfverfahren. Dabei wird der Rückprallweg eines Schlagbolzens nach dem Auftreffen auf die Betonoberfläche gemessen und aus diesen Werten auf die Druckfestigkeit geschlossen. Mit zunehmender Betondruckfestigkeit wird die am Rückprallhammer in Skalenteilen (Skt) ablesbare Rückprallstrecke R größer (siehe Tabelle 5.23). Die Hauptanwendungsgebiete der Rückprallprüfung sind: Überprüfung der Gleichmäßigkeit des Betons innerhalb eines Bauteils; Abschätzung der Festigkeitsentwicklung, z. B. im Hinblick auf Ausschalfristen; Ermittlung einer vergleichbaren Druckfestigkeit für den Tragfähigkeitsnachweis. Tabelle 5.23 Rückprallzahlen und vergleichbare Druckfestigkeiten nach DIN EN 206-1/DIN 1045-2 Druckfestigkeitsklasse
Mindestmedian für jede Messstelle Skalenteile
Mindestmedian für jeden Prüfbereich Skalenteile
C8/10
26
30
C12/15
30
33
C16/20
32
35
C20/25
35
38
C25/30
37
40
C30/37
40
43
C35/45
44
47
C40/50
46
49
C45/55
48
51
C50/60
50
53
Sehr raue oder weiche Oberflächen sind vor der Prüfung mit einem Schleifstein zu glätten, ebenso Oberflächen mit lose anhaftendem Mörtel. Auf den Betonoberflächen befindliches Wasser ist zu entfernen. Bei Betonflächen, die durch besondere Einwirkungen (z. B. Feuer, Frost oder chemischen Angriff) verändert wurden, sind die Prüfergebnisse zur Beurteilung der vorhandenen Druckfestigkeit nicht anwendbar. Bei älteren Betonbauteilen muss vor der Prüfung die Karbonatisierungstiefe gemessen werden; bei Werten > 5 mm ist eine Bewertung nach Tabelle 5.23 nicht möglich. Auf einer Prüffläche von ungefähr 300 mm × 300 mm sind mindestens neun Einzelschläge durchzuführen. Der Abstand zwischen zwei Aufschlagpunkten muss mindestens 25 mm betragen, ebenso der Abstand zur Bauteilkante. Bei dünnwandigen Bauteilen (< 100 mm Dicke) kann die Prüfung aufgrund von Eigenschwingungen des Bauteils falsche Ergebnisse liefern. Der Rückprallwert für die untersuchte Messstelle entspricht dem Medianwert der Ablesungen. Bei Abweichung von der horizontalen Schlagrichtung müssen die Werte den Hersteller-
318
5 Beton
angaben entsprechend angeglichen werden. Wenn mehr als 20 % aller Ablesungen um mehr als 6 Skalenteile vom Medianwert abweichen, ist die gesamte Ablesungsreihe zu verwerfen. Die Prüfergebnisse gestatten nur eine Aussage über die Druckfestigkeit zum Zeitpunkt der Prüfung; eine Umrechnung auf ein anderes Alter ist im Allgemeinen nicht möglich. Die Prüfung an gesondert hergestellten Prüfkörpern, z. B. im Rahmen der Konformitätskontrolle, kann durch eine zerstörungsfreie Prüfung nicht ersetzt werden, es sei denn, dies wurde vor Beginn der Lieferung zwischen den Beteiligten ausdrücklich vereinbart. Im Falle der Nichtkonformität können zerstörungsfreie Methoden allein oder in Kombination mit Bohrkernprüfungen eingesetzt werden; entsprechende Leitlinien enthält DIN EN 13791.
d) Zugfestigkeiten
Der Nachweis weiterer Festigkeiten des Betons wird nur bei besonderen Anforderungen notwendig. Vor allem bei Straßenbeton und bei Betonbauteilen, die auf Biegung beansprucht werden, spielt die Biegezugfestigkeit eine wichtige Rolle. Bei dünnwandigen Betonkonstruktionen, wie z. B. im Behälterbau, ist die Kenntnis der Zugfestigkeit von Wichtigkeit. Die Bestimmung der zentrischen Zugfestigkeit ist aber mit größeren versuchstechnischen Schwierigkeiten verbunden (Gefahr der exzentrischen Einleitung der Kraft). Kennwerte für das Verhalten des Betons unter Zugbeanspruchung werden daher meist durch die Bestimmung der Spaltzugfestigkeit ermittelt. Die Biegezugfestigkeit wird sehr stark vom Feuchtigkeitsgehalt des Prüfkörpers beeinflusst. Die Bestimmung erfolgt deshalb an balkenförmigen Probekörpern, die bis zum Prüftermin unter Wasser gelagert werden müssen. Die bei vorzeitiger Austrocknung auftretenden Schwindzugspannungen würden die Prüfergebnisse verschlechtern. Die Last ist so auf den Balken zu übertragen, dass die Biegedruckzone von der Balkenseite gebildet wird, die beim Betonieren des Balkens oben lag. Die Spaltzugfestigkeit kann an zylindrischen Prüfkörpern oder an solchen mit rechtwinkligem Querschnitt ermittelt werden. Der Vorteil dieser Prüfung liegt darin, dass die Spaltzugfestigkeit weitgehend unabhängig von den Abmessungen üblicher Probekörper ist, und der Austrocknungsgrad der Probekörper den Messwert weniger beeinflusst als bei den anderen Festigkeitsprüfungen. Da bei der Prüfung der Spaltzugfestigkeit der größte Teil der Belastungsebene auf Zug und nur ein kleiner Teil im Bereich der Lasteintragung auf Druck beansprucht wird, kommt die Spaltzugfestigkeit der Zugfestigkeit näher als die Biegezugfestigkeit. Nach DIN 1045-1 darf die zentrische Zugfestigkeit fct aus der Spaltzugfestigkeit fct,sp nach der Gleichung f ct = 0,9 ⋅ f ct,sp
(5.17)
berechnet werden. Alle Festigkeitskenngrößen stehen generell in Beziehung zur Druckfestigkeit fc. Aus experimentellen Ergebnissen lassen sich folgende Relationen ableiten [7.38]:
319
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons
Biegezugfestigkeit f ct,fl = 0,35...0,56 ⋅ f cn
(5.18)
Spaltzugfestigkeit fct,sp = 0, 22...0,32 ⋅ fcn
(5.19)
Der Exponent n ist von der Kornform und -oberfläche abhängig. So erhöht die Zugabe von Splitt anstelle von Kies als Gesteinskörnung die Zug-, Biegezug- und Spaltzugfestigkeit. Für rundliches Korn gilt n = 0,66 bis 0,72, für gebrochenes Korn n = 0,60 bis 0,66. Die mittlere Zugfestigkeit fctm lässt sich nach DIN 1045-1 aus der charakteristischen Zylinderdruckfestigkeit fck,cyl wie folgt berechnen: für Betone bis C50/60:
f ctm = 0,3 ⋅ f (2/3)
(5.20)
für Betone C55/67:
f ctm = 2,12 ⋅ ln (1 + [ f ck,cyl + 8] / 10)
(5.21)
ck,cyl
5.6.1.3 Konformitätskontrolle für die Druckfestigkeit
Im Rahmen der Konformitätskontrolle wird die Übereinstimmung der Betoneigenschaften mit den Festlegungen überprüft. Im Folgenden wird der Konformitätsnachweis für die Druckfestigkeit für Beton nach Eigenschaften erläutert; die Konformitätskontrolle für andere Eigenschaften sowie für Beton nach Zusammensetzung und für Standardbeton ist in DIN EN 206-1 beschrieben. Es wird zwischen Erstherstellung und stetiger Herstellung unterschieden. Die Erstherstellung beinhaltet die Herstellung bis zum Erreichen von mindestens 35 Prüfergebnissen. Stetige Herstellung ist erreicht, wenn innerhalb von nicht mehr als 12 Monaten mindestens 35 Prüfergebnisse erhalten wurden. Die Mindesthäufigkeit der Probenahme ist in DIN EN 206-1 und in DIN 1045-2, jeweils Abschnitt 8.2.1.2, festgelegt. Die Konformität des Betons ist nachgewiesen, wenn die Prüfergebnisse beide Kriterien nach Tabelle 5.24 erfüllen. Falls – wie in Deutschland üblich – nach DIN EN 12390-2 Anhang NA gelagerte Würfel für den Nachweis verwendet werden, müssen die Prüfergebnisse entsprechend Gleichung (5.14) bzw. (5.15) abgemindert werden. Tabelle 5.24 Konformitätskriterien für die Druckfestigkeit Herstellung
Anzahl „n“ der Prüfergebnisse für die Druckfestigkeit in der Reihe
Kriterium 1
Kriterium 2
Mittelwert von „n“ Ergebnissen (fcm) [N/mm²]
jedes einzelne Prüfergebnis (fci) [N/mm²]
Erstherstellung
3
≥ fck + 4 hochfester Beton: ≥ fck + 5
≥ fck – 4 hochfester Beton: ≥ fck – 5
Stetige Herstellung
15
≥ fck + 1,48⋅σ; σ ≥ 3 N/mm²
≥ fck – 4
hochfester Beton: ≥ fck + 1,48⋅σ; σ ≥ 5 N/mm²
hochfester Beton: ≥ 0,9⋅fck
320
5 Beton
Beispiel: Im Rahmen der Erstherstellung wurden 3 Würfel mit 150 mm Kantenlänge geprüft, die bis zur Prüfung im Alter von 28 Tagen nach DIN EN 12390-2 Anhang NA gelagert wurden. Bei der Prüfung wurden bestimmt: Mittelwert fcm,cube,dry = 47,5 N/mm²; kleinster Einzelwert fci,cube,dry = 42,0 N/mm². Aus Gleichung (5.17) folgt: Mittelwert fcm,cube = 0,92·47,5 = 43,7 N/mm²; kleinster Einzelwert fci,cube = 0,92·42,0 = 38,6 N/mm². Nun wird überprüft, ob der Beton die Anforderungen an einen C30/37 erfüllt. Da die Druckfestigkeit an Würfeln geprüft wurde, ist als charakteristische Druckfestigkeit fck = 37 N/mm² anzusetzen.
Kriterium 1: fcm,cube = 43,7 ≥ 37 + 4 = 41 N/mm² 9 Kriterium 2: fci,cube = 38,6 ≥ 37 – 4 = 33 N/mm² 9 Sowohl Kriterium 1 als auch Kriterium 2 werden erfüllt; damit ist die Konformität für die Festigkeitsklasse C30/37 nachgewiesen.
5.6.2 Formänderungsverhalten von Beton Bei Beton können alle in Abschnitt 1.2.4.1, Tabelle 1.7 dargestellten Arten von Formänderungen auftreten. Neben den Formänderungen durch Lasteinwirkungen, deren Anteil an der Gesamtverformung ca. 2/3 ausmacht, ergeben sich Formänderungen durch Veränderung des Feuchtigkeitsgehaltes im Beton sowie durch Temperaturänderungen. Da sich die einzelnen Formänderungen zum Teil überlagern, ist eine getrennte Erfassung sehr schwierig. 5.6.2.1 Elastische Formänderung
Schon im Kurzzeitversuch und bei geringen Belastungen zeigen sich bei Beton außer elastischen auch bereits plastische Verformungsanteile. Der Beton gehorcht also nicht dem Hookeschen Gesetz. Der Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung ist zunächst nicht linear; die Spannungs-Dehnungs-Linie der Erstbelastung stellt eine mehr oder weniger stark gekrümmte Linie dar. Nach mehrmaliger Vorbelastung ändert sich jedoch die Form der Spannungs-Dehnungs-Linie und sie verläuft annähernd linear. Aus diesem Grunde wird der Elastizitätsmodul erst im 3. Belastungsast bestimmt.
Bild 5-11 Prüfung des Elastizitätsmoduls von Beton (schematischer Ablauf)
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons
321
Der Ablauf der E-Modul-Prüfung ist schematisch in Bild 5-11 dargestellt. Auf die Prüfkörper (Zylinder, seltener Prisma) wird eine untere Prüfspannung von etwa 0,5 N/mm² aufgebracht. Anschließend wird die Druckfestigkeit kontinuierlich bis zum Erreichen der oberen Prüfspannung gesteigert; diese beträgt etwa ein Drittel der zu erwartenden Druckfestigkeit. Der gesamte Versuch wird mit einer Belastungsgeschwindigkeit von (0,5 ± 0,2) N/(mm² ⋅ s) durchgeführt. Vor Beginn und ca. 30 Sekunden nach Ende der 3. Belastung werden die Prüfspannungen (bzw. die Kräfte, aus denen dann die Spannungen berechnet werden) und die zugehörigen Dehnungen registriert. Der E-Modul des Betons Eb wird folgendermaßen berechnet: Eb =
Δσ σ o − σ u = Δε εo − εu
(5.22)
Hierbei bedeuten: Eb Elastizitätsmodul des Betons (Sekantenmodul) in N/mm²;
σo obere Prüfspannung in N/mm² bei der 3. Belastung; σu untere Prüfspannung in N/mm² bei der 3. Belastung; εo die bei σo am Punkt B nach Bild 5-11 gemessene bzw. aus den Messwerten errechnete Dehnung;
εu die bei σu am Punkt A nach Bild 5-11 gemessene bzw. aus den Messwerten errechnete Dehnung.
Der E-Modul hängt von vielen Einflussgrößen ab und nimmt vor allem mit der Rohdichte und der Druckfestigkeit des Betons zu. Für Normalbeton mit seiner relativ konstanten Rohdichte sind – mit einer im Allgemeinen für die Praxis ausreichenden Genauigkeit – in DIN 1045 Rechenwerte für den mittleren E-Modul Ecm in Abhängigkeit von der Betonfestigkeitsklasse festgelegt worden. Die Werte liegen zwischen Ecm = 21 800 N/mm2 für einen C12/15 und Ecm = 45 200 N/mm2 für einen C100/115; sie können aus DIN 1045-1 Tabelle 7 entnommen oder nach folgender Gleichung aus der charakteristischen Druckfestigkeit fck berechnet werden: Ecm = 9500 ⋅ ( f ck + 8)1/3
(5.23)
Die angegebenen Werte gelten vor allem für Betone mit Kies als Gesteinskörnung; bei Verwendung anderer Gesteinskörnungen können erhebliche Abweichungen von bis zu ± 15 000 N/mm² auftreten. Bei höheren Temperaturen fällt der E-Modul des Betons – im Gegensatz zur Druckfestigkeit – von Beginn der Erwärmung an stark ab, was zu größeren Verformungen im Brandfall führen kann.
322
5 Beton
5.6.2.2 Kriechen des Betons
Unter Kriechen versteht man die zeitabhängige viskose Verformung des Betons unter Dauerlast. Das Kriechen, das sich nur im Zementstein abspielt, wird auf Feuchtewanderung aus den Spannungszonen und damit verbundene Verformung des Gels zurückgeführt. Das Kriechen des Betons hängt daher vor allem von der Feuchte der umgebenden Luft und dem Wasser- und Zementgehalt des Betons ab. Es wird außerdem von dem Erhärtungsgrad des Betons beim Belastungsbeginn und von der Art, Dauer und Höhe der Beanspruchung des Betons beeinflusst. Die Kriechgeschwindigkeit ist in der Regel in der ersten Zeit nach der Lastaufbringung groß, klingt mit zunehmender Belastungsdauer allmählich ab und nähert sich nach 1 bis 4 Jahren asymptotisch einem Grenzwert, dem so genannten Endkriechmaß. Das spezifische Endkriechmaß für Beton, der im Alter von 28 Tagen belastet wird, liegt im Allgemeinen zwischen 0,1 bis 0,4 (mm/m)/(N/mm2). Das Kriechen ist insbesondere im Spannbetonbau wegen dem damit verbundenen Spannkraftverlust der Spannglieder von Bedeutung und muss daher bei der Berechnung berücksichtigt werden. 5.6.2.3 Schwinden und Quellen des Betons
Als Schwinden und Quellen des Betons bezeichnet man die zeitabhängigen, überwiegend reversiblen, teilweise auch irreversiblen Volumenveränderungen, die durch Abgabe bzw. Aufnahme des Kapillar- bzw. Gelwassers bei der Austrocknung und Wiederdurchfeuchtung des Betons auftreten. Insbesondere das Schwinden ist zu beachten, wohingegen sich das Quellen nur wenig auswirkt und im Allgemeinen vernachlässigt werden kann. Diese Formänderungen sind aus den Eigenschaften des Zementsteins abzuleiten; die Gesteinskörnung selbst ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen – diesem Vorgang nicht unterworfen. Maßgebend für das Schwind- und Quellmaß sind also die Eigenschaften des Zementsteins sowie das Zementsteinvolumen im Beton; hoher Wasser-Zement-Wert und hoher Zementgehalt erhöhen das Schwinden. Der Schwindverlauf wird maßgeblich durch die Austrocknungsbedingungen beeinflusst und nimmt daher mit zunehmender Temperatur und abnehmender Luftfeuchtigkeit der Umgebung zu. Da im Beton zunächst die Außenflächen abtrocknen, während der Kern noch feucht ist, entstehen in äußeren Bereichen Zugspannungen, die unter Umständen die Zugfestigkeit in der Randzone erreichen und zu Schwindrissen führen. Aus diesem Grunde kommt der sorgfältigen Betonnachbehandlung besondere Bedeutung zu. Wie das Kriechen strebt auch das Schwinden einem Grenzwert, dem Endschwindmaß, zu. Das Endschwindmaß ist bei dünnen Bauteilen schon nach 1 bis 2 Jahren, bei dickeren Bauteilen erst nach wesentlich längerer Zeit erreicht. 5.6.2.4 Wärmedehnung
Wie alle anderen Baustoffe dehnt sich der Beton bei Temperaturerhöhung aus und zieht sich beim Abkühlen zusammen. Diese reversiblen Volumenänderungen, die recht schnell erfolgen
5.6 Eigenschaften des erhärteten Betons
323
und bei Behinderung zu beträchtlichen Spannungen führen können, sind abhängig von den Wärmedehnzahlen der Gesteinskörnung, des Zementsteins, deren anteiligem Volumen und vor allem vom Feuchtigkeitsgehalt des Betons. Die Wärmedehnzahl T beträgt für lufttrockenen Beton im Mittel 10 · 10–6 K–1; für vollständig trockenen sowie wassersatten Beton liegt der Wert niedriger. Wärmedehnung und Schwinden überlagern sich; bei Betonherstellung im Frühjahr subtrahiert sich die Wirkung, beim Betonieren im Herbst addiert sie sich jedoch und führt zu einer größeren Rissgefahr. Besonders bei Verbundbaustoffen müssen die Formänderungen durch Temperatureinwirkung berücksichtigt werden. Bei unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten können Spannungen auftreten, die zu Schäden im Verbundsystem führen. Die gute Verbundwirkung von Beton und Stahl beruht auf der annähernd gleichen Wärmedehnzahl. Die Wärmeleitfähigkeit von Stahl ist jedoch ca. 30mal größer als die von Beton, d. h. die Temperatur und die Dehnung des Stahls verändern sich schneller, was bei schnell ablaufenden Temperaturänderungen, z. B. im Brandfall, zu hohen Zwangsspannungen führen kann. Auch bei Verbindung von Stahl und Beton außerhalb der Stahlbetonkonstruktion, z. B. bei Brückengeländern, kann dies zu Schäden führen; diese Gefahr kann jedoch durch einfache konstruktive Maßnahmen (Geländer verschiebbar anordnen) abgemindert werden.
5.6.3 Weitere Eigenschaften des Festbetons 5.6.3.1 Porigkeit
Die Gesamtporigkeit des Festbetons ist die dominierende Kenngröße, weil sich aus ihr prinzipiell alle technischen Eigenschaften direkt oder indirekt ableiten lassen. Sie setzt sich zusammen aus der Haufwerksporigkeit und der Zementsteinporigkeit. Die geringe Porigkeit normaler Gesteinskörnungen übt keinen Einfluss auf die Eigenschaften aus und kann daher unberücksichtigt bleiben; bei leichten Gesteinskörnungen hingegen muss ggf. noch deren Kornporigkeit betrachtet werden Der Haufwerksporenraum ist der verbleibende Raum zwischen den Gesteinskörnern, der nicht von der Zementleimmatrix ausgefüllt wird. Bei guter Verdichtung und ausreichender Leimmenge beträgt er bei Normalbeton ca. 1 bis 2 Vol.-% des Betons. Die Zementsteinporosität ist sehr stark abhängig vom Wasser-Zement-Wert und liegt zwischen ca. 30 Vol.-% bei = 0,40 und ca. 70 Vol.-% bei = 1,5. Für Normalbetone ergibt sich daraus je nach Mischungsverhältnis, d. h. Zementleimgehalt, und Wasser-Zement-Wert im getrockneten Zustand ein Porenvolumen von ca. 9 bis 25 Vol.-%. 5.6.3.2 Dichtigkeit gegenüber Flüssigkeiten und Gasen
Man muss zwischen der absoluten Dichtheit des Betons und der Undurchlässigkeit eines Bauteils unterscheiden, bei der das Medium zwar in den Beton eindringen, aber nicht hindurchdringen kann. Für die meisten Fälle, ausgenommen bei chemischen Angriffen, ist die Undurchlässigkeit des Betons ausreichend. Die Undurchlässigkeit des Festbetons gegenüber
324
5 Beton
Flüssigkeiten und Gasen ist von der Gesamtporigkeit des Betons, insbesondere von der Größe und Verteilung der Poren, sowie dem Druck der anstehenden Medien abhängig. Alle Maßnahmen, welche die Porigkeit des Betons herabsetzen, erhöhen somit auch seine Undurchlässigkeit. Wasserundurchlässige Betone sind z. B. im Behälterbau, beim Bau von Sperrmauern, Kühltürmen, Betonrohren, im Grund- und Tunnelbau usw. erforderlich. Die Prüfung auf Wasserundurchlässigkeit erfolgt nach DIN EN 12390-8 an Probekörpern in Form von Würfeln, Zylindern oder Prismen. Die Prüffläche muss eine Kantenlänge von mindestens 150 mm aufweisen; die Probekörperdicke muss mindestens 100 mm betragen. Bei der Prüfung wirkt über 3 Tage ein konstanter Wasserdruck von 500 kPa (0,5 N/mm2) senkrecht zur Einfüllrichtung des Betons ein. Unmittelbar nach Ende des Versuchs werden die Probekörper gespalten, die Durchfeuchtung festgestellt und die größte Wassereindringtiefe in mm gemessen. Ein Beton gilt dann als wasserundurchlässig, wenn die Eindringtiefe des Wassers nach diesem Prüfverfahren im Mittel 50 mm ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass trotz Wasserundurchlässigkeit sehr feinporige, feinsandreiche Betone Wasser durch kapillares Saugen aufnehmen können. Öldichtheit
Wasserundurchlässiger Beton braucht nicht unbedingt gegen leichtflüchtige Öle, Benzin, Petroleum usw. dicht zu sein; diese organischen Flüssigkeiten verursachen kein Quellen des Zementsteins und haben außerdem eine niedrigere Oberflächenspannung als Wasser, so dass sie leichter in die Poren eindringen können. Öle mit einer kinematischen Viskosität ≤ 15 mm²/s, z. B. Heizöle EL und L, dringen in trockenen Beton ein. Bei Ölbehältern ist daher im Allgemeinen eine Schutzbeschichtung erforderlich. Gasdichtheit
Die Gasdichtigkeit von Beton wird im Behälter-, Schornstein- und Senkkastenbau gefordert, aber auch für die Betondeckung der Bewehrung im Stahlbetonbau, um die Karbonatisierungsgeschwindigkeit herabzusetzen und den Korrosionsschutz der Stahleinlagen langfristig sicherzustellen. Wenn Beton feucht oder nass ist, ist wasserundurchlässiger Beton im Allgemeinen auch gasdicht. 5.6.3.3 Wärmeleitung, Wärmedämmung
Die Wärmeleitfähigkeit des Betons ist abhängig: vom Porengehalt und von der Porenart, von der Art der Gesteinskörnung, vom Feuchtegehalt. Als Rechenwerte für die Wärmeleitfähigkeit können für Normalbeton in Abhängigkeit von der Rohdichte R nach DIN EN 12524 zugrunde gelegt werden: R = 2200 kg/m3: = 1,6 W/(m · K) R = 2400 kg/m3: = 2,1 W/(m · K)
5.7 Betonzusätze
325
Da Stahl eine ca. 30mal höhere Wärmeleitfähigkeit hat als Beton, liegt der Wert bei Stahlbeton in Abhängigkeit vom Bewehrungsgrad erheblich höher, und zwar = 2,3 W/(m · K) bei 1 % Bewehrungsanteil bzw. = 2,5 W/(m · K) bei 2 % Bewehrungsanteil. Normalbeton allein kann also bei normalen, d. h. wirtschaftlich vertretbaren Wanddicken nicht die Anforderungen des Wärmeschutzes erfüllen, sondern muss mit Wärmedämmschichten, z. B. zu Sandwichplatten, kombiniert werden.
5.7 Betonzusätze Das Anwendungsgebiet für Beton wurde durch die vielfältigen Aufgaben im Bauwesen in den letzten Jahren so erweitert, dass zusätzliche Eigenschaften gefordert wurden, die sich ohne Zusätze nicht zufriedenstellend lösen lassen. Bei Verwendung von Zusätzen muss aber beachtet werden, dass neben den gewünschten Eigenschaften oft auch unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. Bei den Betonzusätzen ist zu unterscheiden zwischen Betonzusatzmitteln und Betonzusatzstoffen. Unter Betonzusatzmitteln versteht man flüssige oder pulverförmige Stoffe, die dem Beton zugesetzt werden und die durch chemische und/oder physikalische Wirkung die Betoneigenschaften des Frisch- oder Festbetons verändern, wie z. B. die Verarbeitbarkeit, das Erstarren oder das Erhärten. Der Volumenanteil der Zusatzmittel im Beton ist von untergeordneter Bedeutung, da die Zugabe in relativ geringen Mengen erfolgt (i. d. R. < 5 M.-% des Zementanteils); sie bleiben daher – ausgenommen die durch sie erzeugten Luftporen im Beton – bei der Stoffraumrechnung des Beton unberücksichtigt. Andere Zusätze, deren Anteil im Beton relativ groß sein kann, und deren Volumenanteile dementsprechend zu berücksichtigen sind, werden zur Unterscheidung als Zusatzstoffe bezeichnet. Zusatzstoffe sind nach DIN EN 206-1 fein verteilte Betonzusätze, die verwendet werden, um bestimmte Betoneigenschaften zu verbessern oder zu erreichen.
5.7.1 Betonzusatzmittel 5.7.1.1 Allgemeines
Für Beton nach DIN 1045-2 dürfen nur Zusatzmittel zugesetzt werden, welche die Anforderungen der DIN EN 934-2 erfüllen. DIN EN 934-2 ist eine Produktnorm, welche die Definitionen, Anforderungen, Konformität, Kennzeichnung und Beschriftung von Betonzusatzmitteln regelt. Sie enthält demzufolge keine Bestimmungen für die praktische Anwendung von Zusatzmitteln bei der Betonherstellung, d. h. Anforderungen bezüglich der Betonzusammen-
326
5 Beton
setzung, der Mischung, der Verarbeitung und Nachbehandlung usw. sind nicht Gegenstand dieser Norm. Da die Wirkung der Mittel von der Zugabemenge, von der Temperatur, zum Teil auch von der Betonzusammensetzung und insbesondere der verwendeten Zementsorte abhängen kann, ist für jeden Fall, bei dem der Einsatz von Betonzusatzmitteln vorgesehen ist, mit der geplanten Betonzusammensetzung eine Erstprüfung durchzuführen. Die in der Gebrauchsanweisung angegebenen maximal zulässigen und die empfohlenen Zusatzmengen sind zu beachten; insbesondere Überdosierungen können mitunter zu einem Umschlagen in der Wirkung führen. Tabelle 5.25 Zugabemengen für Betonzusatzmittel Anwendungsbereich1)
Zugabemengen in ml/kg Zement bzw. g/kg Zement Höchstzugabe2)
Mindestzugabe
Beton, Stahlbeton hochfester Beton 1) 2) 3) 4)
23)
eines Mittels
mehrerer Mittel
50
60
4)
70
80
Bei Beton mit alkaliempfindlicher Gesteinskörnung Alkali-Richtlinie beachten. Maßgebend sind die Angaben des Zulassungsbescheides. geringere Mengen nur erlaubt, wenn sie in einem Teil des Zugabewassers aufgelöst sind. eines verflüssigenden Zusatzmittels
Die zulässigen Zugabemengen sind in der Tabelle 5.25 angegeben. Verträglichkeit und Wirksamkeit muss vom Lieferanten nachgewiesen werden. Werden von Zusatzmitteln in flüssiger Form dem Beton mehr als 3 l/m3 zugegeben, so ist deren Menge auf den Wasser-ZementWert anzurechnen. Zu beachten ist, dass ein Mittel gleichzeitig mehrere Wirkungen haben kann, unter Umständen auch eine nachteilige Beeinflussung einer anderen Betoneigenschaft. Nicht alle Zusatzmittel sind unbegrenzt lagerfähig; älteres Material ist daher vor seiner (Wieder-)Verwendung auf etwaiges Absetzen, Entmischungen usw. zu überprüfen. Für Stahl- und Spannbetonarbeiten dürfen grundsätzlich nur chloridfreie Zusatzmittel verarbeitet werden. Betonzusatzmittel werden in verschiedene Wirkungsgruppen eingeteilt, die in Deutschland durch bestimmte Farben auf den Gebinden gekennzeichnet werden (siehe Tabelle 5.26).
327
5.7 Betonzusätze Tabelle 5.26 Wirkungsgruppen der Betonzusatzmittel und ihre Kennzeichnung Wirkungsgruppe
Kurzzeichen
Farbkennzeichen
Grundlage2)
Betonverflüssiger
BV1)
grün
DIN EN 934-2
Fließmittel
FM
1)
grau
DIN EN 934-2
Luftporenbildner
LP1)
blau
DIN EN 934-2
Dichtungsmittel
DM1)
braun
DIN EN 934-2
1)
Verzögerer
VZ
Beschleuniger
BE1)
Stabilisierer
ST
rot
DIN EN 934-2
grün
DIN EN 934-2
1)
violett
DIN EN 934-2
1)
Einpresshilfen
EH
weiß
DIN EN 934-4
Chromatreduzierer
CR
rosa
abZ
Recyclinghilfen für Waschwasser
RH
schwarz
abZ
SB
orange
abZ
SBE
grün
abZ
Schaumbildner Spritzbetonbeschleuniger 1)
Korrosionsprüfung nach DIN 18998, Abschnitt 7 erforderlich
2)
abZ = allgemeine bauaufsichtliche Zulassung
5.7.1.2 Betonverflüssiger (BV)
Durch Zugabe eines Betonverflüssigers erreicht man eine Verminderung der Oberflächenspannung des Anmachwassers, wodurch Zement und Gesteinskörnung intensiver mit Wasser benetzt werden. Der Beton wird geschmeidiger und verdichtungswilliger. Dadurch kann man unter Beibehaltung der Konsistenz einen niedrigeren Wasser-Zement-Wert einhalten (mögliche Wassereinsparungen zwischen 5 und 10 %) und somit die Betongüte erhöhen bzw. bei unverändertem Wassergehalt die Verarbeitbarkeit des Frischbetons verbessern, was z. B. bei gleicher Verdichtungsarbeit ebenfalls die Festigkeit erhöht. Nachteilige Wirkungen des Betonverflüssigers können sein: Einführung von Luftporen, die dann die erwartete Festigkeitssteigerung unter Umständen verhindern, erhöhtes Schwinden, Erstarrungsverzögerung. Typische Einsatzbereiche für Betonverflüssiger sind: Pumpbeton, wasserundurchlässiger Beton, Sichtbeton, feingliedrige Bauteile. 5.7.1.3 Fließmittel (FM)
Fließmittel („Superverflüssiger“) ermöglichen die Herstellung von Frischbeton mit vergleichsweise niedrigem Wassergehalt in sehr weicher bis fließfähiger Konsistenz, so dass nur eine geringe Verdichtungsenergie aufgewendet werden muss. Trotz zu erreichender Ausbreitmaße bis zu 600 mm neigt der Beton nicht zur Entmischung. Die Wirkungsdauer der Fließmittel ist zeitlich sehr begrenzt; sie kann zwischen 15 bis 45 min nach Zumischen
328
5 Beton
zum Beton liegen. Sie sind daher in der Regel bei Transportbeton erst auf der Baustelle dem Mischer kurz vor dessen Entleerung zuzusetzen. Beton der Konsistenzklassen F4 bis F6 ist mit Zugabe von Fließmitteln herzustellen. Als Nebenwirkung werden gelegentlich Abbindeverzögerungen, Festigkeitsminderung, erhöhtes Schwinden sowie Luftporenbildung beobachtet. Einsatzbereiche sind: Industriefußböden, Straßen, schmale, hohe, dichtbewehrte Bauteile, frühhochfester Beton mit niedrigem Wasser-Zement-Wert. Durch Zugabe bestimmter Fließmittel ist es möglich, einen selbstverdichtenden Beton (SVB) herzustellen. (siehe Richtlinie für „Selbstverdichtender Beton“ des DAfStb) 5.7.1.4 Luftporenbildner (LP)
Luftporenbildner (auch LP-Mittel genannt) bewirken beim Mischen das Entstehen von vielen kleinen, kugelförmigen Luftporen. Diese Poren erhöhen den Frost-Tausalz-Widerstand des Betons, weil sie das kapillare Saugen unterbrechen und – da sie nie wassergefüllt sind – einen Ausweichraum für gefrierendes Wasser bieten. Die Mikroluftporen wirken ähnlich wie Wasser oder Feinsand günstig auf die Konsistenz und Verarbeitbarkeit des Betons. Sie wirken wie kleine Kugellager im Beton und setzen den Scherwiderstand der Frischbetonmasse herab. Faustregel: 1 % zusätzlich eingeführter Luftporen ermöglicht eine Wassereinsparung von etwa 5 l je m3 Frischbeton und erzielt im Hinblick auf die Verarbeitbarkeit die gleiche Wirkung wie etwa 10 bis 15 kg Mehlkorn. Die Wirkung der Luftporenbildner hängt sehr stark von der Frischbeton-Konsistenz und der Temperatur ab: Bei weichem Beton sowie bei niedriger Temperatur wird bei gleicher Dosiermenge des LP-Mittels ein höherer Luftgehalt erzielt. Erstprüfungen müssen deshalb unbedingt unter den zu erwartenden Baustellenbedingungen durchgeführt werden. Um wirksam zu sein, müssen die Poren einen Durchmesser < 0,3 mm aufweisen und gleichmäßig verteilt sein, d. h. einen bestimmten Abstandfaktor (≤ 0,2 mm) aufweisen. Die Überprüfung dieser Luftporenkennwerte ist nur nachträglich durch eine aufwändige mikroskopische Untersuchung einer Festbetonprobe nach DIN EN 480-11 möglich. Im Regelfall wird der Luftporengehalt vor dem Einbau am Frischbeton ermittelt, und zwar nach dem in Abschnitt 5.3.5 beschriebenen Druckausgleichsverfahren. Die im Frischbeton noch vorhandenen Mikroluftporen werden durch Einbau und Verdichtung des Betons zum Teil zerstört; deshalb muss der am Frischbeton gemessene LP-Gehalt deutlich größer sein als bei der mikroskopischen Untersuchung einer Festbetonprobe (siehe hierzu auch Abschnitt 5.8.15.2). Mögliche Nebenwirkungen von LP-Mitteln sind: Minderung der Betonfestigkeit (dadurch Begrenzung des maximalen Luftporengehaltes), erhöhtes Schwinden und Kriechen, Erstarrungsverzögerung, unter Umständen Minderung der Pumpfähigkeit. Einsatzbereiche: Straßenbau, Flugplatzbau, Wasserbau.
5.7 Betonzusätze
329
5.7.1.5 Dichtungsmittel (DM)
Betondichtungsmittel haben meist eine hydrophobierende (wasserabweisende) Wirkung und sollen die Wasseraufnahme eines sachgemäß hergestellten Betons bzw. das Eindringen von Wasser in den Beton vermindern. Ihre Wirksamkeit wird jedoch im Allgemeinen weit überschätzt. Die Betonzusammensetzung, die Verarbeitung und Nachbehandlung des Betons haben einen wesentlich größeren Einfluss auf die Wasserundurchlässigkeit eines Betons als die Dichtungsmittel. Zahlreiche DM erwiesen sich insbesondere nach längerer Einwirkungszeit als nicht mehr wirksam. Nach DIN EN 206-1/DIN 1045-2 ist die Herstellung eines wasserundurchlässigen Betons ohne Dichtungsmittel vorgesehen. Ein schlecht zusammengesetzter Beton kann auch trotz Zugabe eines Betondichtungsmittels nicht mehr „wasserdicht“ gemacht werden. Mögliche Nebenwirkungen: starke Einführung von Luftporen in den Beton, dadurch Verringerung der Festigkeit, verflüssigende Wirkung, erhöhtes Schwindmaß. Einsatzbereiche: Behälterbau, Absperrung gegen aufsteigende Bodenfeuchtigkeit. 5.7.1.6 Verzögerer (VZ)
Verzögerer bewirken eine deutliche Verlängerung der Erstarrungszeit des Zementleims und damit eine langsamere Wärmeentwicklung im Beton (Verminderung der Gefahr von Temperaturspannungen). Die Erstarrungsverzögerer behindern die Einleitung der Hydratation des Zementes; somit ist ihre Wirkung sehr stark von dem verwendeten Zement und vor allem von der Temperatur abhängig, und es sind besonders sorgfältige Erstprüfungen unter Beachtung der späteren Verarbeitungstemperatur erforderlich. Die Abbindezeiten des Betons können mit Hilfe dieser Mittel um ca. 2 bis 12 Stunden, teilweise auch mehr, verzögert und damit die Verarbeitungszeiten verlängert werden. Der Frischbeton ist stark der Gefahr des Austrocknens ausgesetzt; gute Nachbehandlung ist daher wichtig. Die Festigkeit nach 28 Tagen ist in der Regel ebenso hoch oder sogar geringfügig höher als ohne Verzögerer. Wenn die Verarbeitbarkeit um mehr als 3 Stunden verlängert wird, ist die „Vorläufige Richtlinie für Beton mit verlängerter Verarbeitbarkeit (Verzögerter Beton)“ des DAfStb zu beachten. Mögliche Nebenwirkungen: „Umschlagen“ der Wirkung bei überhöhter Dosierung, erhöhtes Schwinden, verflüssigende Wirkung, stärkere Ausblühungen, Farbunterschiede bei glattem Sichtbeton. Einsatzbereiche: massige Bauteile, die ohne Arbeitsfugen betoniert werden müssen, bei heißem Wetter, oder bei Frischbeton, der weit transportiert werden muss. 5.7.1.7 Beschleuniger (BE)
Beschleuniger bewirken eine beschleunigte Hydratation des Zements. Da sie, wie die Verzögerer, in den chemischen Vorgang der Hydratation eingreifen, ist ihre Wirkung sehr stark vom verwendeten Zement sowie von der Temperatur abhängig. Aus diesem Grunde sind auch hier sehr sorgfältige Erstprüfungen erforderlich. Mit diesen Mitteln erzielt man eine erhebliche Verkürzung der Erstarrungs- bzw. der Erhärtungszeit. DIN EN 934-2 unterscheidet zwischen Erstarrungs- und Erhärtungsbeschleunigern.
330
5 Beton
Mit den Erstarrungsbeschleunigern verkürzt man die Zeit vom Beginn des Übergangs der Betonmischung vom plastischen in den festen Zustand. Erhärtungsbeschleuniger werden dann eingesetzt, wenn eine erhöhte Frühfestigkeit gefordert wird, ohne Einfluss auf das Erstarrungsverhalten. Der Beton soll bei 20 °C nach 24 h 120 % der Druckfestigkeit des Referenzbetons aufweisen, bei 5 °C nach 48 h 130 %. Die 28-Tage-Festigkeit muss mindestens 90 % derjenigen des Referenzbetons betragen. Die Beschleunigung ist verknüpft mit einer schnelleren Wärmeentwicklung. Der Einsatz von Beschleunigern erfolgt nur in außergewöhnlichen Fällen; für „normale“ Betonarbeiten kommt eine Zugabe aus wirtschaftlichen Gründen im Allgemeinen nicht in Frage. Zu den Beschleunigern werden auch die so genannten Frostschutzmittel gezählt. Bei Verwendung als Frostschutzmittel im Winter sind jedoch meist die „klassischen“ Winterbaumaßnahmen (Verwendung eines Zementes höherer Festigkeitsklasse, Erwärmen des Betons und Wärmedämmmaßnahmen nach dem Einbau) zusätzlich notwendig. Mögliche Nebenwirkungen: Minderung der Betonfestigkeit, geringere Nacherhärtung, geringere Wasserundurchlässigkeit, Umschlagen in der Wirkung. Einsatzbereiche: Spritzbeton, Fertigteile (Verkürzung der Ausschalfristen), beim Einsetzen von Ankern und Steinschrauben, bei Abdichtungen gegen Wassereinbrüche im Tiefbau, Arbeiten bei tiefen Temperaturen. Für Stahl- und Spannbeton sind nur wenige Beschleuniger zugelassen. 5.7.1.8 Einpresshilfen (EH)
Einpresshilfen sind Zusatzmittel für Einpressmörtel und werden nur zum Verpressen von Spannkanälen im Spannbetonbau mit nachträglichem Verbund verwendet. Sie machen den Einpressmörtel geschmeidig, verbessern das Fließvermögen und wirken dem Absetzen des Zementmörtels im Spannkanal entgegen. Durch den Gehalt eines Treibmittels wird der frische Mörtel geringfügig aufgetrieben, so dass eine hohlraumfreie Füllung des Spannkanals und einwandfreie Umhüllung der Spannstähle ermöglicht wird. Eine verzögernde Komponente stellt eine ausreichend lange Verarbeitungszeit sicher. DIN EN 447 „Einpressmörtel für Spannglieder“ ist zu beachten (siehe auch Abschnitt 6.5). Mögliche Nebenwirkungen: zu lange Erstarrungsverzögerung, Minderung der Mörtelfestigkeit. 5.7.1.9 Stabilisierer (ST)
Durch Stabilisierer wird der innere Zusammenhalt des Betons vergrößert. Die Betonmischung wird sämiger und gleitfähiger, seine Verarbeitbarkeit verbessert und das Wasserabsondern („Bluten“) vermindert. Stabilisierer werden überwiegend bei sehr flüssigen Betonen, z. B. SVB, eingesetzt. Mögliche Nebenwirkungen: bei Überdosierung Einführung von Luftporen, Kleben des Feinmörtels. Einsatzbereiche: Pumpbeton, Spritzbeton (weniger Rückprall), Unterwasserbeton, Sichtbeton, Betonwaren, Leichtbeton (Aufschwimmneigung der Gesteinskörnungen wird herabgesetzt).
5.7 Betonzusätze
331
5.7.1.10 Chromatreduzierer (CR)
Die chromatreduzierenden Zusätze setzen den Gehalt an wasserlöslichen Chrom(VI)Verbindungen herab (Umwandlung in Chrom(II)-Verbindungen), die Auslöser von allergischen Hauterkrankungen („Maurerkrätze“) sein können. 5.7.1.11 Recyclinghilfen (RH)
Recyclinghilfen sollen die Wiederverwendung des Reinigungswassers der Mischgeräte ermöglichen, indem sie die Hydratation des im Waschwasser enthaltenen Zements verzögern. Zusätzlich vermögen sie die Hydratation des Frischbetons bis zu 3 Tagen zu unterbinden. 5.7.1.12 Schaumbildner (SB)
Schaumbildner erzeugen einen sehr feinen stabilen Schaum im Frischbeton. Sie werden eingesetzt zur Herstellung von Beton mit sehr hohem Gehalt an Luftporen, wie z. B. Schaumbeton, Porenleichtbeton, Leichtmauermörtel u. ä. 5.7.1.13 Spritzbetonbeschleuniger (SBE)
Spritzbetonbeschleuniger beschleunigen das Erstarren von Beton, und zwar deutlich schneller als Erstarrungsbeschleuniger BE. Sie werden vor allem für Spritzbeton eingesetzt. 5.7.1.14 Sedimentationsreduzierer (SR)
Sedimentationsreduzierer vermindern das Sedimentieren von Betonbestandteilen im Frischbeton, z. B. bei selbstverdichtendem Beton. 5.7.1.15 Multifunktionale Zusatzmittel
Multifunktionale Zusatzmittel beeinflussen mehrere Frischbeton- und/oder Festbetoneigenschaften gleichzeitig. Von der DIN EN 934-2 werden folgende Kombinationen erfasst: Verzögerer/Betonverflüssiger Verzögerer/Fließmittel Erstarrungsbeschleuniger/Betonverflüssiger In Deutschland dürfen multifunktionale Betonzusatzmittel der Wirkungsgruppen „Verzögerer/Betonverflüssiger“ und „Erstarrungsbeschleuniger/Betonverflüssiger“ nicht verwendet werden (siehe DIN 1045-2, Abschnitt 5.2.6).
5.7.2 Betonzusatzstoffe 5.7.2.1 Allgemeines
Nach DIN EN 206-1 sind Betonzusatzstoffe fein verteilte Stoffe, die im Beton verwendet werden, um bestimmte Eigenschaften zu beeinflussen. Zusatzstoffe können sich auf be-
332
5 Beton
stimmte Frischbetoneigenschaften, z. B. Konsistenz und Verarbeitbarkeit, und/oder auf Festbetoneigenschaften wie Festigkeit, Dichtigkeit, Dauerhaftigkeit, Farbe des Betons usw. auswirken. Aufgrund ihrer hohen Feinheit sind sie auf den Mehlkorngehalt des Betons anzurechnen. Zusatzstoffe dürfen dem Beton nur zugesetzt werden, wenn sie das Erhärten des Zements, die Festigkeit und die Beständigkeit des Betons sowie den Korrosionsschutz der Bewehrung nicht beeinträchtigen. Deshalb dürfen nur Betonzusatzstoffe verwendet werden, die der Gesteinskörnungsnorm DIN EN 12620 oder einer dafür vorgesehenen Norm (z. B. Trass DIN 51043, Flugasche für Beton DIN EN 450, Pigmente DIN EN 12878) entsprechen. Anderenfalls muss eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vorliegen, oder es muss ein Prüfzeichen vom DIBt erteilt sein. Für die Herstellung von Spannbeton, bei dem die Spannstähle im direkten Kontakt zu dem Beton stehen, dürfen als Betonzusatzstoffe nur Flugasche und Silikastaub oder inerte Gesteinsmehle nach DIN EN 12620 und Pigmente mit nachgewiesener Unschädlichkeit auf Spannstahl verwendet werden. Für andere Zusatzstoffe muss der Nachweis im Rahmen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung erbracht werden. Da die Zusatzstoffe dem Beton im Gegensatz zu den Zusatzmitteln in deutlich größerer Menge zugesetzt werden, ist ihr Volumenanteil bei der Stoffraumrechnung zu berücksichtigen. Da einige Betonzusatzstoffe gleichzeitig andere Betoneigenschaften nachteilig beeinflussen können, ist die Betonzusammensetzung bei Verwendung von Zusatzstoffen, die nicht mineralisch sind oder die auf den Bindemittelgehalt angerechnet werden sollen, nach DIN 1045-2 ausschließlich aufgrund von Erstprüfungen festzulegen. Zu den Betonzusatzstoffen gehören inerte oder nahezu inerte Stoffe, wie z. B. Gesteinsmehle, Pigmente (Zusatzstoffe Typ I) und latent hydraulische oder puzzolanische Stoffe, wie z. B. Flugasche und Silikastaub (Zusatzstoffe Typ II). Sie können entsprechend ihrer Partikelgröße kleinste Hohlräume ausfüllen und – falls sie puzzolanisch sind – zusätzlich zur Bildung von Hydratationsprodukten beitragen, die ebenfalls eine Hohlraumausfüllung und somit noch eine intensivere Verklebung der Gesteinskörnungen im Beton zur Folge haben. Reaktive Betonzusatzstoffe des Typs II dürfen bei nachgewiesener Eignung auf den WasserZement-Wert und auf den Mindestzementgehalt angerechnet werden. Für Steinkohlenflugasche und Silikastaub ist die Eignung nachgewiesen. Ihre Wirkung wird pauschal durch einen k-Wert-Ansatz gemäß DIN 1045-2 berücksichtigt. 5.7.2.2 Mineralische Betonzusatzstoffe
In Tabelle 5.27 sind einige Kennwerte für mineralische Zusatzstoffe zusammengestellt.
333
5.7 Betonzusätze Tabelle 5.27 Kennwerte von mineralischen Zusatzstoffen Kennwert
Silikastaub
Flugasche
Trass
Gesteinsmehle
Pulver
Suspension
DIN EN 450
DIN 51043
Kalkstein
Quarz
0,02-mm-Sieb
–
–
≤ 70
–
–
–
0,04-mm-Sieb
< 15
< 15
≤ 50
–
–
–
Mahlfeinheit: Rückstand [M.-%] auf dem
spezifische Oberfläche
≥ 180.000
nach Blaine [cm²/g]
≥ 250.000
–
≥ 2.000
≥ 5.000
≥ 3.500
≥ 1000
~ 2,2
~ 1,4
2,2…2,6
2,4…2,6
2,6…2,7
2,65
0,3…0,6
–
1,0…1,1
0,7…1,0
1,0…1,1
1,35
Dichte [kg/dm³] Schüttdichte [kg/dm³] Glühverlust [M.-%]
≤ 3,0
≤ 3,0
≤ 5,0
≤ 12
~ 40
0,2
SO3-Gehalt [M.-%]
≤ 2,0
≤ 2,0
≤ 3,0
≤ 1,0
≤ 1,0
≤ 1,0
Cl-Gehalt [M.-%]
≤ 0,10
≤ 0,10
≤ 0,1
≤ 0,1
≤ 0,02
≤ 0,02
Gesteinsmehle
Mineralische Feinststoffe, z. B. als inert geltendes Gesteinsmehl aus geeignetem Gestein, verwendet man z. B. zur Ergänzung des erforderlichen Mehlkorngehaltes, zur Verbesserung der Sieblinie, zur Erhöhung der Wasserundurchlässigkeit oder zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit des Frischbetons. Solches Gesteinsmehl erfüllt im Allgemeinen die Bedingungen der DIN EN 12620 und kann ohne zusätzliche Prüfungen eingesetzt werden. Bei der Betonherstellung werden in Deutschland vor allem Kalksteinmehle und Quarzmehle eingesetzt. Zu den Gesteinsmehlen zählt auch der Bentonit, ein Ton aus Verwitterungsprodukten saurer, vulkanischer Glastuffe, der durch Windverblasung weiter entfernter Vulkane als Ablagerung in Seen und Flüssen entstanden ist. Bentonit enthält außer dem Hauptmineral Montmorillonit weitere Begleitmineralien wie Quarz, Glimmer, Feldspat, Kalk und andere. Außer in Form von Suspensionen als stabilisierende Flüssigkeit für die Herstellung unverrohrter Bohrungen, für Rohrdurchpressungen und für Schlitzwandbauweise kann Bentonit auch als Betonzusatzstoff verwendet werden. Ein Zusatz von 0,5 M.-% bis maximal 3 M.-% des Zementgewichts zu Beton macht ihn geschmeidiger. Dadurch wird die Transportierbarkeit von weichem Beton verbessert, er wird besser pumpbar und neigt weniger zu Entmischungen. Bei höherer Dosierung ist mit Festigkeitsabfall zu rechnen; außerdem nehmen der Frost- und Tausalzwiderstand ab. Bei Zementinjektionen führt die Zugabe von Bentonit (2 bis 3 M.-% vom Zementgewicht) zu einer starken Erhöhung der Fließgrenze und Viskosität der Schlämme. Dadurch ist es möglich, auch größere Hohlräume schneller und wirksamer zu schließen.
334
5 Beton
Hochofenschlacke
Durch schnelles Abkühlen der bei der Roheisenherstellung anfallenden Schlackenschmelze entsteht granulierte, glasartig erstarrte Hochofenschlacke, die auch als Hüttensand bezeichnet wird. Durch Feinmahlung werden die latent-hydraulischen Eigenschaften aufgeschlossen. Eine Anrechnung von Hochofenschlacke auf den Wasser-Zement-Wert ist bei tragenden Bauteilen aus Stahlbeton nicht zugelassen. Anwendung findet dieser Zusatzstoff z. B. bei massigen Bauteilen, die länger feucht gehalten werden können, wie Fundamente, Widerlager, Pfeiler, Talsperren, Wehre; Beton in betonschädlichen Wässern und Böden im Sinne der DIN 4030. Trass
Trass ist feingemahlener Tuffstein (Trachyttuff), der vulkanischen Auswurfmassen entstammt. Er ist ein mehlfeiner Zusatzstoff, der die Anforderungen der DIN 51043 erfüllen muss. Er besteht überwiegend aus Kieselsäure [SiO2], Tonerde [Al3O2] sowie chemisch und physikalisch gebundenem Wasser. Trass ist ein natürliches Puzzolan, d. h. dass er bei normalen Temperaturen in Gegenwart von Wasser und freiem Kalk unter Bildung von beständigen CSH-Verbindungen reagiert. Durch die Bindung von Kalk wird die Entstehung von Ausblühungen verhindert und durch die zusätzliche Gelbildung erhält man einen dichteren Beton. Ohne Anrechnung auf den Wasser-Zement-Wert darf Trass als Ergänzung des Mehlkorngehaltes dem Beton zugesetzt werden. Eine Anrechnung auf den Zementgehalt ist unter bestimmten Bedingungen zulässig (Zulassungsbescheid des DIBt). Trass darf bei Bauteilen aus Beton und Stahlbeton, die zum Schutz gegen vorzeitiges Austrocknen länger feucht gehalten werden können und müssen, zugesetzt werden. Durch die große spezifische Oberfläche besitzt Trass ein gutes Wasserrückhaltevermögen, verbessert dadurch die Verarbeitbarkeit bei gleichem Wassergehalt und verhindert das durch Sedimentation auftretende Bluten. Durch Trass wird der statische Elastizitätsmodul verringert, d. h. die Elastizität erhöht; der Beton ist dadurch weniger rissgefährdet. Anwendungsgebiete für den Trasszusatz sind: Massenbeton, wasserundurchlässiger Beton, Beton in angreifenden Wässern, Pumpbeton, Sichtbeton. Steinkohlenflugasche
Die größte Bedeutung als Zusatzstoff hat die Steinkohlenflugasche. Knapp 2/3 der in Deutschland anfallenden Steinkohlenflugasche wird im Betonbau eingesetzt, etwa 65 % im Transportbetonbereich und die restlichen 35 % im Betonwerkbereich. Flugasche ist ein feinkörniger, hauptsächlich aus kugelförmigen, glasigen Partikeln bestehender Staub, der bei der Verbrennung fein gemahlener Kohle anfällt, puzzolanische Eigenschaften hat und im Wesentlichen aus SiO2 und Al2O3 besteht. Der Gehalt an reaktionsfähigem SiO2 muss mindestens 25 M.-% betragen. Die Flugasche wird durch Abscheidung staubförmiger Partikel aus den Rauchgasen in den Elektrofiltern gewonnen und daher auch als Elektrofilterasche (EFA) bezeichnet. Die Anforderungen an die chemischen und physikalischen Eigenschaften sowie die Dauerhaftigkeit sind in DIN EN 450-1, die Konformitätsbewertung in DIN EN 450-2 enthalten.
5.7 Betonzusätze
335
Festlegungen für die praktische Verwendung von Flugasche bei der Betonherstellung, z. B. Anforderungen an die Zusammensetzung, das Mischen, die Verarbeitung, die Nachbehandlung von Beton sind nicht Gegenstand der EN 450; hierfür sind vielmehr die diesbezüglichen Betonvorschriften am Verwendungsort, d. h. in Deutschland DIN EN 206-1 in Verbindung mit DIN 1045-2, maßgebend. Als Puzzolan reagiert Flugasche mit dem Ca(OH)2 aus dem Zement unter Bildung von CSHPhasen. Diese Hydratationsprodukte verändern die Porenstruktur des Zementsteins und können sich teils günstig, teils ungünstig auf die verschiedenen Dauerhaftigkeitseigenschaften des Betons auswirken. Bei Verwendung von Flugasche sollte jedoch beachtet werden, dass unter Umständen – unabhängig von den puzzolanischen Eigenschaften – Eigenschaften des Frischbetons sowie des erhärtenden Betons beeinflusst werden können, wie z. B. der Wasserbedarf (i. A. geringer), die Erstarrungszeit (normalerweise verlängert) oder die Frühfestigkeit (Verringerung). Eine Anwendung ist dort zweckmäßig, wo außer einer Erhöhung des Mehlkorngehaltes im Beton eine Verringerung des Wasseranspruchs, Verbesserung der Verarbeitbarkeit, Verhinderung der Entmischung, Herabsetzung der Wärmeentwicklung und Erhöhung der Wasserundurchlässigkeit erreicht werden soll. Bezüglich der Frostbeständigkeit haben Untersuchungen jedoch ergeben, dass der Frostwiderstand flugaschehaltiger Betone unter dem reiner Zementbetone liegt. Bei Sichtbeton sollten die Helligkeitsunterschiede der Flugaschen berücksichtigt werden. Bei Verwendung von zugelassener Steinkohlenflugasche darf der Mindestzementgehalt gemäß Tabelle 5.15 verringert werden (vgl. Zeilen „Mindestzementgehalt“ und „Mindestzementgehalt bei Anrechnung von Zusatzstoffen“). Die Zugabemenge an Flugasche muss dabei mindestens der Verringerungsmenge an Zement entsprechen. Die Anrechnung auf den Zementgehalt darf nur dann erfolgen, wenn eine der folgenden Zementarten verwendet wird: CEM I, CEM II/A-D, CEM II/A-S oder CEM II/B-S, CEM II/A-T oder CEM II/B-T, CEM II/A-LL, CEM II/A-P, CEM II/A-V, CEM II/A-M mit den Hauptbestandteilen S, D, P, V, T, LL, CEM II/B-M (S-D, S-T, D-T), CEM III/A, CEM III/B mit bis zu 70 M.-% Hüttensandanteil. Der Flugaschegehalt darf außerdem auf den w/z-Wert des Betons angerechnet werden; der nach DIN 1045-2 (siehe Tabelle 5.15) maximal zulässige Wasser-Zement-Wert ist dann durch den äquivalenten Wasser-Zement-Wert (w/z)eq zu ersetzen. Der äquivalente Wasser-ZementWert errechnet sich nach der folgenden Formel: ( w / z )eq = w / ( z + kf ⋅ f ) mit w z f kf
Wassergehalt in kg/m³; Zementgehalt in kg/m³; anrechenbarer Flugaschegehalt in kg/m³; k-Wert der Flugasche (i. d. R. kf = 0,4).
(5.24)
336
5 Beton
Der maximal anrechenbare Flugaschegehalt hängt von der Zementart ab und beträgt f ≤ 0,33·z bei Zementen ohne die Hauptbestandteile P, V und D; f ≤ 0,25·z bei Zementen mit den Hauptbestandteilen P oder V ohne den Hauptbestandteil D; f ≤ 0,15·z bei Zement mit dem Hauptbestandteil D. Falls eine größere Menge Flugasche verwendet wird, darf die Mehrmenge bei der Berechnung des äquivalenten w/z-Wertes nicht berücksichtigt werden. Bei Zementen mit dem Hauptbestandteil D darf keine über f/z = 0,15 hinausgehende Menge Flugasche verwendet werden. Für die Herstellung von Beton mit hohem Sulfatwiderstand darf anstelle von HS-Zement nach DIN 1164 eine Mischung aus Zement und Flugasche verwendet werden, wenn folgende Bedingungen eingehalten werden: Sulfatgehalt des angreifenden Wassers SO42– 1500 mg/l; Zementart CEM I, CEM II/A-S, CEM II/B-S, CEM II/A-T, CEM II/B-T, CEM II/A-LL oder CEM III/A; der Flugascheanteil bezogen auf den Gesamtgehalt an Zement und Flugasche (z + f) muss bei den Zementarten CEM I, CEM II/A-S, CEM II/B-S und CEM II/A-LL mindestens 20 M.-%, bei den Zementarten CEM II/A-T, CEM II/B-T und CEM III/A mindesten 10 M.-% betragen. Flugasche, deren Gesamtalkaligehalt 4,0 M.-% nicht überschreitet, darf auch mit Gesteinskörnungen der Alkaliempfindlichkeitsklasse E II und E III und für Feuchteklassen WF und WA nach der Alkalirichtlinie des DAfStb verwendet werden. Silikastaub
Insbesondere zur Steigerung der Festigkeit wird zunehmend Silikastaub eingesetzt, ein bei der Herstellung von Silizium und Silizium-Legierungen anfallender Stoff, der pulverförmig oder in wässriger Suspension mit etwa 50 M.-% Feststoffanteil geliefert wird. Bei Verwendung von Suspensionen ist der Wasseranteil auf den Wassergehalt des Betons anzurechnen. Silikastaub („Silica Fume“ SF) ist ein mineralischer Betonzusatzstoff, der überwiegend aus amorphem SiO2 besteht und der etwa 100mal feiner ist als Zement. Durch die langsam fortschreitende puzzolanische Reaktion sowie durch Verbesserung der Mikrostruktur in der Kontaktzone zwischen Zementstein und Gesteinskorn wird eine zusätzliche Festigkeitssteigerung erreicht bei gleichzeitiger Erhöhung der Dichtigkeit des Betons. Außerdem werden ein verbesserter Frost- und Tausalzwiderstand und eine Erhöhung des Widerstandes gegen chemische Angriffe erreicht. Die übliche Dosierung liegt bei 3 bis 5 M.-%, bezogen auf die Zementmasse. Die Anforderungen an Silikastaub für Beton sind in DIN EN 13263-1 festgelegt. Danach werden 2 Klassen von Silikastaub unterschieden, die sich hinsichtlich ihres SiliciumdioxidGehaltes unterscheiden: in Klasse 1 darf der SiO2-Gehalt nicht weniger als 85 M.-% und in Klasse 2 nicht weniger als 80 M.-% betragen. Wegen der relativ hohen Materialkosten wird Silikastaub bevorzugt bei Spezialanwendungen eingesetzt. In erster Linie wird SF heute für hochfeste Betone (Druckfestigkeiten > 100 N/mm2) sowie Faserbeton verwendet, ferner für Spritzbeton im Stollen- und Tunnelbau, insbesondere zur Minderung des Rückpralls und zur Verbesserung der Haftung.
5.7 Betonzusätze
337
Aufgrund der großen Feinheit von Silikastaub – die Partikelgröße liegt im Mittel bei ca. 0,1 μm – hat dieser einen recht hohen Wasseranspruch und erfordert daher üblicherweise eine hohe Fließmitteldosierung zur Erreichung einer günstigen Verarbeitungskonsistenz. Wegen einer gewissen Klebwirkung ist auf eine gute Durchmischung (erhöhte Mischenergie) zu achten. Silikastaub kann auf den Zementgehalt und über den k-Wert-Ansatz auch auf den WasserZement-Wert angerechnet werden; hiervon ausgenommen sind die Expositionsklassen XF2 und XF4. Der effektive Wasser-Zement-Wert berechnet sich analog zu Gleichung (5.24) zu ( w / z )eq = w / ( z + ks ⋅ s ) mit w z s ks
(5.25)
Wassergehalt in kg/m³; Zementgehalt in kg/m³; Silikastaubgehalt in kg/m³; k-Wert des Silikastaubs (ks = 1,0).
Der Gehalt an Silikastaub darf einen Anteil von 11 M.-%, bezogen auf den Zementgehalt, nicht überschreiten. Die Minderung des Zementgehaltes darf für alle Expositionsklassen mit Ausnahme von XF2 und XF4 durchgeführt werden, wenn eine der folgenden Zementarten eingesetzt wird: CEM I, CEM II/A-S oder CEM II/B-S, CEM II/A-P oder CEM II/B-P, CEM II/A-V, CEM II/A-T oder CEM II/B-T, CEM II/A-LL, CEM II/A-M mit den Hauptbestandteilen S, P, V, T und LL, CEM II/B-M(S-V), CEM III/A oder CEM III/B.
Gleichzeitige Verwendung von Flugasche und Silicastaub Bei gleichzeitiger Verwendung von Flugasche und Silikastaub darf der Gehalt an Silikastaub 11 M.-%, bezogen auf den Zementgehalt, nicht überschreiten. Der Mindestzementgehalt darf bei gleichzeitiger Anrechnung von Silikastaub und Flugasche für alle Expositionsklassen außer XF2 und XF4 auf die in der Tabelle 5.15 angegebenen Mindestzementgehalte bei Anrechnung von Zusatzstoffen reduziert werden. Dabei darf die Zugabemenge an Flugasche und Silikastaub (f + s) die Verringerungsmenge des Zementes nicht unterschreiten. Um eine ausreichende Alkalität der Porenlösung sicherzustellen, muss bei gleichzeitiger Verwendung von CEM I, Flugasche und Silikastaub die Bedingung f/z 3⋅(0,22 – s/z) erfüllt sein. Für die Zemente CEM II-S, CEM II/A-D, CEM II-T, CEM II/A-LL und für CEM III/A gilt f/z 3⋅(0,15 – s/z). Mit allen anderen Zementen ist keine gemeinsame Verwendung von Flugasche und Silikastaub zulässig. Wegen Sicherstellung der Alkalitätsreserve der Porenlösung ist bei gemeinsamer Verwendung eines Zementes CEM II/A-D mit Flugasche der Silikastaub des Zementes mit s = 10 M.-%, bezogen auf den Zementgehalt, zu berücksichtigen.
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5 Beton
Für alle Expositionsklassen außer XF2 und XF4 darf anstelle des Wasser-Zement-Wertes der äquivalente w/z-Wert verwendet werden: ( w / z )eq = w / ( z + kf ⋅ f + k s ⋅ s ) mit w z f kf s ks
(5.26)
Wassergehalt in kg/m³; Zementgehalt in kg/m³; anrechenbarer Flugaschegehalt in kg/m³; k-Wert der Flugasche (i. d. R. kf = 0,4); Silikastaubgehalt in kg/m³; k-Wert des Silikastaubs (ks = 1,0).
Dabei müssen die Höchstmengen der beiden Zusatzstoffe, die auf den Wasserzementwert angerechnet werden dürfen, den Bedingungen f/z 0,33 und s/z 0,11 (jeweils in Massenanteilen) genügen. Falls eine größere Menge an Flugasche verwendet wird, darf die Mehrmenge bei der Berechnung des äquivalenten Wasser-Zement-Wertes nicht berücksichtigt werden. Die Zugabemenge an Silikastaub darf 11 M.-% bezogen auf den Zement nicht überschreiten. 5.7.2.3 Organische Betonzusatzstoffe
Als Zusatzstoffe mit organischen Bestandteilen sind bisher nur Kunstharzdispersionen von einem gewissen Interesse. Wichtige Voraussetzung ist, dass die Kunststoffe verseifungsbeständig sind. Sie erfordern eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Die Anwendung der Dispersionen erfolgt wegen des relativ hohen Preises jedoch weniger für Beton sondern vorwiegend für Mörtel; bei letzterem liegt das Haupteinsatzgebiet zurzeit bei Instandsetzungsarbeiten. Weitere Ausführungen zu kunststoffmodifizierte Instandsetzungsmörteln enthält Kapitel 14 „Kunststoffe“ Abschnitt 14.5.1 und Kapitel 17 „Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken“ Abschnitt 17.7.6. 5.7.2.4 Pigmente
Pigmente sind nach DIN EN 206-1 Betonzusatzstoffe vom Typ I, die dem Beton zur Erzielung einer bestimmten dauerhaften Farbwirkung zugegeben werden. Pigmente für zementund kalkgebundene Baustoffe sind in DIN EN 12878 genormt und dort definiert als Stoffe in Form feiner Teilchen, die im Anwendungsmedium unlöslich sind und ausschließlich zum Einfärben von Baustoffen dienen. Pigmente sind relativ feinkörnig mit einer Korngröße von meist 0,1 bis 1,0 μm. Sie müssen gegenüber Licht beständig und zementecht, d. h. im basischen Milieu des Betons beständig sein. Daher werden überwiegend Pigmente aus Metalloxiden angewendet; organische Pigmente erfüllen diese Anforderungen meist nicht. Die Dosierung erfolgt im Allgemeinen zwischen 0,5 und 5,0 M.-% des Zementgewichts, sie sind auf den Mehlkorngehalt des Betons anzurechnen. Die mechanischen Betoneigenschaften werden meist nicht beeinflusst. Eine Zugabe über 6 M.-% hinaus erhöht die Farbwirkung
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
339
kaum; es kann jedoch u. U. – wie auch bei Farbstoffen mit sehr hoher Feinheit – der Wasserbedarf so stark erhöht werden, dass nicht alle Zement- und Pigmentteilchen benetzt werden oder der Frischbeton gummiartig wird und nicht ausreichend verdichtet werden kann. Die Zugabemenge sollte daher unbedingt auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Um Farbschwankungen zu vermeiden, ist eine gleichmäßige Zugabe sowie genaue Einhaltung einer ausreichend langen Mischzeit sehr wichtig. Die Farbwirkung hängt auch von der Betonzusammensetzung ab und steigt mit der Feinheit und Zugabemenge der Pigmente. Eignungsprüfungen sind zur sicheren Erzielung der gewünschten Farbwirkung (grundsätzlich ist sie am ausgetrockneten Beton zu beurteilen) immer erforderlich. Als Zementfarben kommen hauptsächlich folgende Pigmente in Frage: Eisenoxidrot, -braun, -schwarz, -gelb, ferner Chromoxidgrün, Spinellblau und Titandioxidweiß, außerdem Ruß. Nicht verwendbar sind: Bleimennige, Cadmiumrot, Chromgelb, Bleiweiß, Zinkweiß, Chromgrün, Berliner- und Preußischblau. Besonders reine und leuchtende Farben werden erzielt, wenn für die Betonherstellung als Bindemittel weißer Zement verwendet wird.
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften 5.8.1 Beton mit hohem Wassereindringwiderstand, FD-Beton, WU-Beton Beton mit hohem Wassereindringwiderstand wird beim Bau wasserundurchlässiger Betonbauwerke wie Wasserbehälter, Wassertürme, Badebecken, Kläranlagen, Wannen im Grundwasser (so genannte „weiße Wannen“), Rohrleitungen, Staumauern, Uferbefestigungen usw. eingesetzt. Die Anforderungen an den Beton sind in DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 festgelegt. Eine wasserundurchlässige Betonkonstruktion erfordert – um funktionsfähig zu sein – jedoch mehr als nur einen Beton mit hohem Wassereindringwiderstand. Vielmehr sind in der Planung weitere Festlegungen z. B. hinsichtlich Konstruktion, Bauausführung und Bauphysik, erforderlich; daher ist bei wasserundurchlässigen Bauwerken zusätzlich die DAfStbRichtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie)“ zu beachten. 5.8.1.1 Zusammensetzung des Betons
Bestimmend für die Wasserundurchlässigkeit ist in erster Linie die Dichtigkeit des Zementsteins. Damit ist das entscheidende Kriterium der Wasser-Zement-Wert; ein wasserundurchlässiger Beton (WU-Beton) sollte nur mit so viel Wasser hergestellt werden, wie zu seiner einwandfreien Verarbeitung unbedingt erforderlich ist. Bei Bauteilen bis 40 cm Dicke darf der w/z-Wert einen Wert von 0,60, bei dickeren Bauteilen 0,70 nicht überschreiten; zur Berücksichtigung der unvermeidlichen Streuungen auf der Baustelle empfiehlt es sich, den w/zWert bei der Bauausführung um 0,05 niedriger anzusetzen. Zur Erzielung einer ausreichenden Verarbeitbarkeit ist eine Konsistenz in der Mitte des plastischen Bereiches (Verdichtungsmaß v = 1,15 bis 1,11) anzustreben. Aus den Forderungen an
340
5 Beton
die Konsistenz und den w/z-Wert ergeben sich Zementgehalte zwischen 300 bis 350 kg/m3. Die Anforderungen an wasserundurchlässige Bauteile entsprechen mindestens der Expositionsklasse XC4; demzufolge wird nach DIN 1045-2 ein Mindestzementgehalt von 280 kg/m3, bei Anrechnung von Zusatzstoffen 270 kg/m3 gefordert. Die Festigkeitsklasse des Betons muss mindestens C25/30 betragen. Bei nicht betonangreifenden Wässern sind alle Normzemente und solche, die bauaufsichtlich zugelassen sind, verwendbar. Bevorzugt werden Zemente, die einen sämigen (nicht „kurzen“) Feinmörtel ergeben. Die Kornzusammensetzung ist so zu wählen, dass der Feinsand 0/0,25 mm höchstens 4 M.-%, die Korngruppe 0/2 mm etwa 30 bis 33 M.-% beträgt. Um eine gute Verarbeitbarkeit und ein geschlossenes Gefüge zu erhalten, muss eine bestimmte Menge an Mehlkorn enthalten sein; als Richtwerte für den Mehlkorngehalt sind bei 16 mm Größtkorn ca. 450 kg/m3, bei 32 mm Größtkorn ca. 400 kg/m3 anzusetzen. Die Sieblinie des Korngemischs sollte möglichst stetig im günstigen Bereich, zweckmäßig dicht unter der Grenzsieblinie B verlaufen; Ausfallkörnungen können jedoch auch eingesetzt werden. Das Größtkorn richtet sich nach Bewehrung und Bauteildicke; gedrungene Kornform ist von Vorteil, da der Beton dann verdichtungswilliger ist. Zusatzmittel können lediglich Hilfen bei der Herstellung des wasserundurchlässigen Betons sein. Einen schlecht zusammengesetzten Beton können sie nicht verbessern. Betonverflüssiger (BV) und Dichtungsmittel (DM) können den Wasserbedarf ermäßigen und erhöhen damit die Dichte und die Festigkeit des Betons. Verzögerer (VZ) ermöglichen, eventuell ohne Arbeitsfugen auszukommen. Für Betonbauwerke, die ohne Oberflächenabdichtung gegen flüssige oder pastöse wassergefährdende Stoffe dicht sein sollen (z. B. Tankstellenbefestigungen), reicht die Herstellung eines wasserundurchlässigen Betons nicht aus. In diesem Fall ist der Beton als flüssigkeitsdichter Beton (FD-Beton) oder als flüssigkeitsdichter Beton nach Eindringprüfung (FDEBeton) nach der DAfStb-Richtlinie „Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ herzustellen. Es ist eine dichte Gesteinskörnung 0/16 oder 0/32 mit einer Sieblinie im grob- bis mittelkörnigen Bereich (Bereich 3) zu verwenden (für FDE-Beton Gesteinskörnung 0/16 oder auch porige Gesteinskörnung gemäß DIN EN 13055). Der Wasser-Zement-Wert soll zwischen 0,45 und 0,50 (für FDE-Beton < 0,45) liegen; ein Flugaschezusatz kann auf den Wasser-Zement-Wert angerechnet werden. Um die Gefahr der Schwindrissbildung gering zu halten, darf der Zementleimgehalt 290 l/m3 nicht überschreiten. Es ist eine weiche Konsistenz anzustreben (F3). Für FD-Beton ist der Einsatz von Restwasser erlaubt. FD-Beton kann auch als LP-Beton (dann ohne Restwasser), FDE-Beton auch unter Verwendung von Kunststoffzusätzen oder Fasern hergestellt werden. 5.8.1.2 Verarbeiten des Betons
Grundsätzlich muss der Beton mit großer Sorgfalt gleichmäßig hergestellt und eingebracht werden. Es muss ein dichtes Gefüge und eine geschlossene Betonoberfläche entstehen. Die Schichthöhe beim Einbringen soll bei Verwendung von Innenrüttlern 50 cm, von Schalungsrüttlern 30 cm nicht überschreiten. Bei Schütthöhen > 2 m sind Falltrichter und Schüttrohre oder ähnliches zu verwenden. Eine gleichmäßige Verdichtung mit Innenrüttlern ist erforderlich. Sandreicher und zu weicher Beton entmischt sich bei zu langem Rütteln. Dadurch kann schichtweise eine Konzentration von Feinstteilen auftreten.
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
341
Um wasserundurchlässigen Beton zu erhalten, ist eine sehr sorgfältige Nachbehandlung erforderlich; das Vernachlässigen der Nachbehandlung stellt die Güte des Betons in Frage, selbst wenn alle anderen Regeln für die Zusammensetzung und Herstellung des Betons beachtet wurden. Die Wasserundurchlässigkeit kann durch Nachrütteln des Betons (je nach Temperatur des Frischbetons 1 bis 5 Stunden nach dem ersten Verdichten) wesentlich verbessert werden. Der Beton ist grundsätzlich vor vorzeitigem Austrocknen zu schützen, um Schrumpf- oder Schwindrisse zu vermeiden. Er muss 7 Tage, besser 14 Tage, nass nachbehandelt werden. Bei massigen Bauteilen muss der Zementgehalt möglichst niedrig sein (vorteilhaft ist auch ein Zement NW), um die Hydratationswärme niedrig zu halten und der Gefahr von Temperaturrissen vorzubeugen. Der junge Beton ist vor Erschütterungen zu schützen. 5.8.1.3 Konstruktive Hinweise
Die Verwendung von Beton mit hohem Wassereindringwiderstand hat nur dann Sinn, wenn auch in statischer Hinsicht die Risssicherheit gewährleistet ist. Deshalb sind die Bauteile nach Zustand I (nicht gerissene Zugzone) zu bemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Risse nicht nur infolge von Lasteinwirkungen, sondern auch durch Temperaturspannungen aus abfließender Hydratationswärme und durch Schwinden des Betons entstehen können. Aufteilen der Bewehrung in kleinere Querschnitte ist zweckmäßig; große Fugenabstände erhöhen die Rissgefahr. Gegebenenfalls ist auch die Anordnung eines engmaschigen Gewebes auf der statischen Bewehrung von Vorteil. Die Anzahl der Arbeitsfugen ist so gering wie möglich zu halten, am besten in einem Arbeitsgang betonieren (eventuell unter Einsatz eines Betonverzögerers). Die unvermeidlichen Arbeitsfugen sind gemeinsam mit dem Statiker schon bei der Planung festzulegen. Sie sind durch Arbeitsfugenbänder wasserundurchlässig auszubilden. Die Betondeckung der Bewehrung ist entsprechend den Umweltbedingungen festzulegen. Um das Auslaufen von Zementleim aus dem Beton zu verhindern, ist eine steife und fugendichte Schalung zu verwenden. Besondere Schalungsanker (mit Konen und Mittelscheibe) verhindern eine Durchlässigkeit im Bereich der Anker; ihre Anzahl ist durch den Einsatz von Schalungsträgern so gering wie möglich zu halten. Kunststoffröhrchen mit Rödeldrähten sowie Abstandhalter aus Kunststoff sollten nicht verwendet werden, da zwischen dem Beton und dem Kunststoff keine Verbindung möglich ist und das Wasser an diesen Abstandhaltern entlang durchsickern kann.
5.8.2 Beton mit hohem Frost- und Frost-Tausalz-Widerstand Beton, der im durchfeuchteten Zustand häufigen und schroffen Frost-Tau-Wechseln ausgesetzt wird, muss mit hohem Frostwiderstand hergestellt werden (Expositionsklassen XF1 bis XF4). Diese Aufgabe stellt sich z. B. bei der Herstellung von Beton für Uferschutzbauten, Hafenmolen, Staustufen und ähnlichem. Eine Schädigung des Betons erfolgt durch die beim Gefrieren des eingedrungenen Wassers eintretende Volumenvergrößerung um ca. 9 Vol.-%. Die oberflächliche Eisbildung dichtet die Oberfläche nach außen ab. Durch die Ausdehnung des in den Kapillarporen gefrierenden Wassers reißen die Porenwandungen auseinander, das Gefüge wird gelockert und dadurch die
342
5 Beton
Oberfläche des Betons zerstört. Die wirksamste Maßnahme gegen Frostschäden ist daher, den Beton so dicht wie möglich herzustellen und, wenn nötig, durch besondere Schutzanstriche vor einer Durchfeuchtung zu schützen. 5.8.2.1 Zusammensetzung des Betons
Da ein Beton mit einem hohen Frostwiderstand grundsätzlich ein wasserundurchlässiger Beton sein muss, gilt hinsichtlich der Zusammensetzung des Betons auch hier Abschnitt 5.8.1.1. Er muss mindestens der Festigkeitsklasse C25/30 entsprechen, bei XF2 und XF3 ohne luftporenbildende Zusätze mindestens C35/45. Zu beachten ist aber, dass für diesen Beton Gesteinkörnungen mit erhöhten Anforderungen an den Frostwiderstand eingesetzt werden müssen (siehe Tabelle 5.15). Ein zu hoher Mehlkorngehalt kann sich ungünstig auf den Frost- und Tausalzwiderstand auswirken, so dass die Menge zu begrenzen ist. Der Wasser-Zement-Wert darf bei XF1 0,60 nicht überschreiten und reduziert sich bei den Expositionsklassen XF2 und XF3 weiter bis auf maximal 0,5. Die Zugabe von luftporenbildenden Zusatzmitteln ist in Abhängigkeit von den Expositionsklassen (mit Ausnahme von XF1) und dem verwendeten Größtkorn erforderlich (siehe Tabelle 5.15). Der mittlere Luftporengehallt im Frischbeton unmittelbar vor dem Einbau muss den Werten der Tabelle 5.28 entsprechen. Zusatzstoffe des Typs II dürfen zugesetzt werden, bei den Expositionsklassen XF2 und XF4 aber nicht auf den Zementgehalt oder den Wasser-ZementWert angerechnet werden. Tabelle 5.28 Luftgehalte im Frischbeton
1)
Größtkorn der Gesteinskörnung [mm]
mittlerer Luftgehalt [Vol.-%]1)
8
≥ 5,5
16
≥ 4,5
32
≥ 4,0
63
≥ 3,5
Einzelwerte dürfen diese Anforderungen um höchstens 0,5 Vol.-% unterschreiten.
Zur Berücksichtigung der unvermeidlichen Streuungen auf der Baustelle empfiehlt es sich, den w/z-Wert bei der Bauausführung um 0,05 niedriger anzusetzen. Der Luftporengehalt sollte aber 6 Vol.-% möglichst nicht überschreiten, da sonst die Druckfestigkeit zu stark abnimmt. Zu beachten ist, dass durch Transport, Einbau und Verdichtung etwa 20 bis 25 % des Luftporengehaltes verloren gehen. Bei zusätzlicher Einwirkung von Tausalzen tritt eine wesentlich erhöhte Beanspruchung auf (Expositionsklasse XF4). Zum einen tritt eine schockartige Abkühlung der Betonoberfläche durch den Entzug der Schmelzwärme auf, zum anderen wird der Gefrierpunkt der in die Betonporen eindiffundierenden Salzlösung je nach Salzkonzentration herabgesetzt. Dadurch gefriert das Wasser zuerst nur an der Oberfläche und in einer tiefer gelegenen, salzärmeren Schicht. Erst bei weiterer Abkühlung kommt es in der dazwischen liegenden Schicht zur Eisbildung. Da sich dieses nicht in die bereits verschlossenen Nachbarporen ausdehnen kann,
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
343
kommt es also zu Absprengungen der äußeren Betonschicht. Solche Frost-Tausalz-Angriffe sind wegen der Streusalzverwendung vor allem bei Verkehrsflächen aus Beton zu erwarten, aber auch bei nur mittelbar mit Salzlösung in Berührung kommenden Bauteilen, wie Schrammborde, Gehwegkappen von Brücken, Pfeiler und Widerlager neben der Fahrbahn usw. Beton, auf den außer Frost auch Tausalze einwirken, muss nach den Anforderungen der Expositionsklasse XF4 hergestellt werden und mindestens der Festigkeitsklasse C30/37 entsprechen. Der Wasser-Zement-Wert darf 0,50 nicht überschreiten. Gesteinskörnungen müssen neben den Regelanforderungen zusätzlich die Anforderungen für einen erhöhten Widerstand gegen Frost- und Tausalzbeanspruchung erfüllen (siehe Tabelle 5.15). Für die Auswahl der Zemente sind die Anwendungseinschränkungen (siehe Tabelle 5.7) zu beachten. Des Weiteren muss dem Beton ein LP-Mittel zugegeben werden, um Mikroluftporen in gleichmäßiger Verteilung im Beton zu erzeugen. Zur Erhöhung des Tausalzwiderstands ist anzuraten, die Mindestluftporengehalte um etwa 1 Vol.-% gegenüber der reinen Frostbeanspruchung zu erhöhen. 5.8.2.2 Verarbeiten des Betons
Für das Verarbeiten eines Betons mit hohem Frost- und hohem Frost-Tausalzwiderstand gilt das gleiche wie für wasserundurchlässigen Beton in Abschnitt 5.8.1.2. Stahlbeton erfordert besondere Maßnahmen, um die Bewehrung dauerhaft gegen Korrosion durch die in den Tausalzen enthaltenen Chloride zu schützen (siehe Mindestbetondeckung für die Expositionsklassen XD1 bis XD3, Tabelle 5.17).
5.8.3 Beton mit hohem Widerstand gegen chemische Angriffe 5.8.3.1 Ermittlung der Angriffsgrade nach DIN 4030 bzw. DIN 1045-2
Beton kann durch bestimmte Bestandteile in Wässern, Böden oder auch Gasen angegriffen werden. Feste trockene Stoffe und Gase greifen trockenen Beton im Allgemeinen nicht merkbar an; die Voraussetzung zur chemischen Betonkorrosion ist die Gegenwart von Feuchtigkeit. Für die Beurteilung des betonangreifenden Charakters des Baugrundes genügt daher im Allgemeinen die Entnahme und Überprüfung von Wasserproben. Angreifende Wässer kann man oft schon an äußeren Merkmalen erkennen: charakteristische dunkle Färbung, ausgeschiedene Salze, fauliger Geruch, Aufsteigen von Gasblasen oder ähnliches. Mit Sicherheit sind die angreifenden Bestandteile jedoch nur durch eine chemische Analyse festzustellen. Für diesen Zweck sollte sich die Untersuchung von Wässern vorwiegend natürlicher Zusammensetzung auf folgende Bestimmungen erstrecken: Farbe Geruch Temperatur Kaliumpermanganatverbrauch
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5 Beton
Härte Härtehydrogencarbonat Differenz zwischen Härte und Härtehydrogencarbonat Chlorid (Cl–) Sulfid (S2–) pH-Wert Kalklösekapazität Ammonium (NH4+) Magnesium (Mg2+) Sulfat (SO42–)
Bei der Beurteilung des Angriffsvermögens betonangreifender Wässer wird zwischen den Expositionsklassen XA1 (schwach), XA2 (mäßig) und XA3 (stark) unterschieden. Maßgebend für die Einordnung sind die Grenzwerte in Tabelle 5.4. Maßgebend für die Beurteilung des Wassers ist der jeweils höchste Angriffsgrad nach Tabelle 5.4, auch wenn er nur von einem Wert der Zeilen 1 bis 5 erreicht wird. Liegen zwei oder mehrere Werte im oberen Viertel eines Bereichs (beim pH-Wert im unteren Viertel), so erhöht sich der Angriffsgrad um eine Stufe, sofern nicht in einer speziellen Studie für diesen Fall nachgewiesen wird, dass dies nicht erforderlich ist. Diese Erhöhung gilt nicht für Meerwasser, da dichter Beton dem Meerwasser trotz seines sehr hohen Mg2+- und SO42–-Gehaltes widersteht. Wegen dem hohen Chloridgehalt muss zum Korrosionsschutz der Bewehrung jedoch die Betondeckung auf mindestens 50 mm erhöht werden. Bei der Beurteilung von natürlichen Wässern auf ihre angreifende Wirkung sind neben den Grenzwerten der Tabelle die Bodenverhältnisse, die Temperatur und die Strömungsverhältnisse des Wassers zu berücksichtigen. So erniedrigt sich der Angriffsgrad mit abnehmender Durchlässigkeit des Bodens, mit niedrigerer Wassertemperatur, bei geringerer Wassermenge, die sich praktisch nicht bewegt. Mit einem verstärkten Angriff ist zu rechnen bei erhöhter Temperatur, bei höherem Druck, bei mechanischem Abrieb durch schnell strömendes Wasser.
Betonangreifende Böden sind meist an ihrer Färbung zu erkennen. Als verdächtig gelten schwarze bis graue Böden, vor allem wenn sie zusätzlich rotbraune Rostflecken aufweisen. Lichtgrau bis weiß gebleichte Schichten unter dunkelbraunen bis schwarzen Humusböden weisen auf einen sauren Charakter des Baugrundes hin. Außerdem ist dort Vorsicht geboten, wo der Beton in Bodenschichten kommt, die Gips, Anhydrit oder andere Sulfate enthalten.
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
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Bei ständiger Einwirkung von betonangreifenden Gasen können sich im Laufe der Zeit die angreifenden Bestandteile im Beton anreichern. Sind betonangreifende Gase in höherer Konzentration zu erwarten, ist eine Gasanalyse erforderlich und die Beurteilung des Angriffsvermögens unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse durch einen Fachmann durchzuführen. 5.8.3.2 Zusammensetzung des Betons
Die bei den verschiedenen Angriffsgraden zu ergreifenden betontechnologischen Maßnahmen sind in der DIN 1045-2 angegeben. Die Widerstandsfähigkeit des Betons gegen chemische Angriffe hängt weitgehend von seiner Dichtigkeit sowie gegebenenfalls der stofflichen Auswahl der Betonkomponenten ab. Beton mit hohem Widerstand gegen chemische Angriffe ist stets als wasserundurchlässiger Beton herzustellen; Zugaben von Flugasche oder Silikastaub erhöhen die Dichtigkeit. Das Korngemisch sollte nicht zu sandreich sein, sondern so zusammengesetzt werden, dass sich ein geringer Wasseranspruch ergibt. Zur Erzielung einer guten Verarbeitbarkeit sowie eines geschlossenen Gefüges ist eine bestimmte Menge an Mehlkorn erforderlich; der Gehalt ist jedoch auf das notwendige Maß zu beschränken. Sowohl ein zu niedriger als auch ein zu hoher Mehlkorngehalt beeinflusst den Widerstand des Betons gegen chemische Angriffe ungünstig. Die maximal zulässigen Gehalte an Feinkorn sind in der Tabelle 5.12 (siehe Abschnitt 5.3.3) zusammengestellt. Bei schwachem Angriff ist bei der Herstellung als Beton der Expositionsklasse XA1 zu beachten, dass der Wasser-Zement-Wert 0,60 betragen muss. Der Beton muss mit einem Mindestzementgehalt von 280 kg/m3 (bei Anrechnung von Zusatzstoffen 270 kg/m3) hergestellt werden und mindestens der Druckfestigkeitsklasse C25/30 entsprechen. Der Beton ist so dicht herzustellen, dass die größte Wassereindringtiefe bei der Prüfung nach DIN EN 12390-8 50 mm nicht überschreitet. Bei Sulfatangriffen mit einem SO42–-Gehalt über 400 mg/l ist die Verwendung von Zement mit hohem Sulfatwiderstand (HS) zu empfehlen. Bei starkem Angriff darf die größte Wassereindringtiefe 30 mm nicht überschreiten. Der Beton ist nach Expositionsklasse XA2 und der Druckfestigkeitsklasse C35/45 herzustellen. Der Wasser-Zement-Wert sollte höchstens 0,50 betragen. Bei Sulfatangriffen mit einem SO42–-Gehalt über 600 mg/l sind stets Zemente mit hohem Sulfatwiderstand (HS) zu verwenden. Zur Berücksichtigung der Streuungen ist der Wasser-Zement-Wert jeweils um 0,05 niedriger einzustellen. Bei sehr stark angreifenden Stoffen muss der Beton die Anforderungen der Expositionsklasse XA3 erfüllen. Das erfordert die Festigkeitsklasse C35/45 mit einem Mindestzementgehalt von 340 kg/m3 (bei Anrechnung von Zusatzstoffen 270 kg/m3) und einen Wasser-Zement-Wert von 0,45 (siehe Tabelle 5.15). Außerdem muss der Beton durch besondere Maßnahmen, z. B. Beschichtungen (siehe Abschnitt 16.5.4) geschützt werden; die erforderliche Dicke der Schutzschichten hängt ab von der Art und Stärke des Angriffs und von der Art der Aufgaben und Ausführung des Bauteils. Als Schutzschichten kommen Beschichtungen, Dichtungsbahnen aus Kunststofffolien oder aus getränkten und beschichteten Pappen und Plattenverkleidungen in Frage. Ein Optimum hinsichtlich Schutzwirkung und Kosten kann durch Verbundausführungen wie z. B. Kunststoff + Glasfaservlies + Kunstharzbeschichtung erzielt werden.
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5 Beton
5.8.3.3 Verarbeiten des Betons
Für Beton mit hohem Widerstand gegen chemische Angriffe sind ebenfalls die Maßnahmen für die Herstellung eines wasserundurchlässigen Betons anzuwenden (siehe 5.8.1.2). Zu berücksichtigen ist, dass die Betondeckung der Bewehrung auf die Umweltbedingungen abzustimmen ist. Bei angreifenden Wässern sind die von der DIN 1045-1 geforderten Mindestmaße gegebenenfalls zu erhöhen. 5.8.3.4 Schutzmaßnahmen für den Beton
Die Konstruktionsteile sollten so entworfen werden, dass die dem Angriff ausgesetzten Flächen möglichst klein sind sowie Ecken und Kanten gut ausgerundet werden. Junger Beton ist bei chemischem Angriff besonders gefährdet. Da jeder Beton mit zunehmendem Alter dichter wird, die Hydratation also fortschreitet und die Kapillarporen mit dem entstehenden Zementgel „zuwachsen“, sollte man jeden Beton so spät wie möglich dem angreifenden Wasser aussetzen. Dies kann durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden. Ist eine Grundwasserhaltung vorhanden, so sollte man diese so lange wie möglich laufen lassen. Bei kleineren Bauteilen kann man den Schutz durch eine Folie auf der Unterseite des Baukörpers oder durch einen Sperranstrich auf den streichbaren Flächen erreichen. Auch ein Ausfüllen des Arbeitsraumes mit einem wasserundurchlässigen Material (z. B. Ton oder Lehm) verhindert eine Berührung des angreifenden Wassers mit dem Beton. Im Falle saurer Angriffe kann man das Fundament oder das Bauteil mit einer Kalksteinschüttung umgeben, um so dem sauren Angriff durch reichliches Kalkangebot zu begegnen. Der billigste Schutz ist häufig die Vergrößerung der Abmessungen der Bauteile um wenige Zentimeter. Diese Maßnahmen haben aber nur dann Erfolg, wenn es sich bei dem angreifenden Grundwasser um stehendes Wasser handelt und die aggressiven Bestandteile nicht ständig erneuert werden. Da die meisten Grundwässer aber zumindest schwach fließend sind, sind diese Maßnahmen nur mit äußerster Vorsicht als ausreichende Schutzmaßnahmen zu empfehlen.
5.8.4 Beton mit hohem Verschleißwiderstand Beton, der besonders starker mechanischer Beanspruchung ausgesetzt wird, muss einen hohen Verschleißwiderstand aufweisen und mindestens der Festigkeitsklasse C30/37 entsprechen. Starke mechanische Beanspruchungen entstehen z. B. durch starken Verkehr, durch rutschendes Schüttgut, durch häufige Stöße oder durch Bewegen von schweren Gegenständen, durch stark strömendes und Feststoffe führendes Wasser und anderes mehr. Je nach Beanspruchungsgrad unterscheidet die DIN 1045-2 die drei Expositionsklassen XM1, XM2 und XM3. 5.8.4.1 Zusammensetzung des Betons
Da der Verschleißwiderstand des Zementsteins und des Feinmörtels geringer ist als der von abnutzungsfestem Zuschlag, sollte die Zementleimmenge nicht größer gewählt werden, als für gute Verarbeitbarkeit unbedingt erforderlich. Der Zementgehalt sollte deshalb den Wert von 300 kg/m3 Beton (ausgenommen bei hochfestem Beton) nicht überschreiten (bei Anrech-
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
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nung von Betonzusatzstoffen max. 270 kg/m3). Die mindestens erforderliche Festigkeitsklasse des Betons und der maximal zulässige Wasser-Zement-Wert sind Tabelle 5.15 zu entnehmen. Beton, der beim Verarbeiten Wasser absondert, ist ungeeignet für diese Beanspruchung. Die Gesteinskörnung bis 4 mm Korngröße muss überwiegend aus Quarz oder aus Stoffen mindestens gleicher Härte bestehen, das gröbere Korn aus Gestein oder künstlichen Stoffen mit hohem Verschleißwiderstand. Bei besonders hoher Beanspruchung sind Hartstoffe nach DIN 1100 zu verwenden. Die Körner sollten eine mäßig raue Oberfläche und eine gedrungene Gestalt haben. Das Korngemisch soll möglichst grobkörnig sowie sand- und hohlraumarm sein (Sieblinie nahe der Sieblinie A oder bei Ausfallkörnungen zwischen den Sieblinien B und U). 5.8.4.2 Verarbeiten des Betons
Für hohen Verschleißwiderstand ist ein möglichst steifer Beton herzustellen, damit sich beim Rütteln die obere Schicht nicht mit Zementschlempe oder Wasser anreichert. Der steife Beton erfordert naturgemäß eine wesentlich stärkere Rüttelverdichtung, als es bei weichem Beton der Fall ist. Da unter Umständen gebrochene Gesteinskörnung verwendet wird, erschwert auch dies die Verdichtungsarbeit. Das sollte bei der Auswahl der Verdichtungsgeräte berücksichtigt werden. Der Beton ist so lange nachzubehandeln, bis in der oberflächennahen Schicht 70 % der charakteristischen Druckfestigkeit erreicht sind. Falls diese Anforderung nicht nachgewiesen wird, müssen die in Tabelle 5.19 (Abschnitt 5.5.4) angegebenen Nachbehandlungsdauern verdoppelt werden.
5.8.5 Beton für hohe Gebrauchstemperaturen Beton darf Gebrauchstemperaturen von > 250 °C über längere Zeit nicht ausgesetzt werden. Für Beton, der Temperaturen bis 250 °C ausgesetzt werden soll, ist eine Gesteinskörnung zu verwenden, die einen möglichst kleinen Temperaturausdehnungskoeffizienten besitzt (z. B. bestimmte Kalksteine, Basalt oder Hochofenschlacke); quarzhaltige Zuschläge sollten nicht verarbeitet werden, da sie eine höhere Wärmedehnung aufweisen. Es ist ein nicht zu grobkörniges Korngemisch mit stetiger Sieblinie und einem Größtkorn von maximal 32 mm vorzusehen. Nach dem Verdichten ist der Beton mindestens doppelt so lange nachzubehandeln wie in Tabelle 5.19 gefordert und danach bis zur ersten Erhitzung im Betrieb langsam auszutrocknen. Beim ersten Erhitzen ist die Temperatur langsam zu steigern, um Gefügespannungen zwischen Oberfläche und Kernbeton möglichst niedrig zu halten. Wenn häufige, schroffe Temperaturwechsel auftreten, sind besondere Maßnahmen zu ergreifen (z. B. Verkleidung mit feuerfestem Mauerwerk, Anordnung von Wärmedämmschichten). Beton für hohe Gebrauchstemperaturen findet fast ausschließlich Verwendung im Industriebau. Bei ständig einwirkenden Temperaturen > 80 °C sind Rechenwerte für die Druckfestigkeit und den E-Modul aus Versuchen abzuleiten. Wirken derartige Temperaturen nur kurzzeitig
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(bis etwa 24 Stunden) ein, so sind die in der DIN 1045-1 angegebenen Rechenwerte für Druckfestigkeit und E-Modul abzumindern; ohne experimentellen Nachweis bei einer Temperatur von 250 °C bei der Druckfestigkeit um 30 %, beim E-Modul um 40 % (Rechenwerte für Temperaturen zwischen 80 und 250 °C sind linear zu interpolieren). Die Herstellung von feuerfestem Beton ist bei Verwendung von Tonerdeschmelzzement und geeigneten Gesteinskörnungen aus Schamotte möglich.
5.8.6 Beton für Unterwasserschüttung In besonderen Fällen muss ein Beton auch unter Wasser eingebracht werden. Unterwasserbeton bietet sich überall dort an, wo die Trockenlegung von Baugruben aus technischen und/oder wirtschaftlichen Erwägungen unvorteilhaft ist. Dieser Beton kommt in der Regel nur für unbewehrte Bauteile in Betracht. 5.8.6.1 Zusammensetzung des Betons
Beton für Unterwasserschüttung muss, da er sich unter Wasser ausbreiten und auch ohne Verdichtung ein geschlossenes Gefüge erhalten soll, im Allgemeinen ein Ausbreitmaß von a = 450 bis 500 mm haben; es darf jedoch auch fließfähiger Beton verwendet werden. Der Wasser-Zement-Wert darf 0,60 nicht überschreiten; er muss kleiner sein, wenn die Betongüte oder chemische Angriffe es erfordern. Der Zementgehalt muss bei Korngemischen 0/32 mindestens 350 kg/m3 Beton betragen; dabei sind Zemente der Festigkeitsklassen 32,5 oder 42,5 zu verwenden. Sofern der Beton keinem chemischen Angriff ausgesetzt ist und da kein Frostangriff zu erwarten ist, kann der Zementanteil bis zu 33 % durch Flugasche ersetzt werden. Es ist nach Möglichkeit rundes, gedrungenes Kiesmaterial zu verwenden. Zu bevorzugen sind Korngemische mit stetigem Sieblinienverlauf, etwa in der oberen Hälfte des günstigen Bereichs, für den Sandbereich bis 4 mm zweckmäßig nahe der Grenzsieblinie B. Um den Zusammenhalt des Betons sicherzustellen, ist ein ausreichend großer Mehlkorngehalt (ca. 400 kg/m3 bei Größtkorn 32 mm) erforderlich; die höchstzulässigen Grenzwerte sind zu beachten. Auch durch Zugabe von Bentonit oder Kunststoffdispersionen kann der Zusammenhalt verbessert werden. 5.8.6.2 Verarbeiten des Betons
Der Beton für Unterwasserschüttungen muss beim Einbringen als zusammenhängende Masse fließen, damit er ohne Verdichtung ein geschlossenes Gefüge bekommt. Er darf i. A. erst dann mit dem Wasser in Berührung kommen, wenn er seine endgültige Lage erreicht hat. Bei Wassertiefen bis 1 m darf der Beton durch vorsichtiges Vortreiben mit natürlicher Böschung eingebracht werden; er muss hierbei über dem Wasserspiegel aufgeschüttet werden. Bei Wassertiefen über 1 m muss der Beton durch Trichter oder Rohre geschüttet oder als Pumpbeton eingebracht werden. Der Beton darf niemals durch das Wasser geschüttet werden. Trichterrohre bzw. das Ende der Schlauchleitung müssen stets ausreichend tief in den Frischbeton eintauchen, so dass der nachdringende Beton den zuvor eingebrachten seitlich und aufwärts
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
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verdrängt, ohne dass er mit Wasser in Berührung kommt. Es gibt jedoch heute Zusatzmittel, die die Entmischungsneigung von Mörtel und Beton so verringern, dass ein freier Fall möglich wird (erosionsfester Beton, z. B. Hydrocrete-Verfahren). Mit diesem Verfahren kann auch bewehrter Beton hergestellt werden. Außerdem ist dafür zu sorgen, dass nie in fließendes Wasser betoniert wird, da sich dabei ein Auswaschen des Zementes nicht vermeiden lässt. Unterwasserbeton darf auch dadurch hergestellt werden, dass ein gut zusammenhaltender Mörtel von unten her in ein vorgepacktes Korngerüst mit geeignetem Kornaufbau (z. B. ohne Fein- und Mittelkorn) eingepresst wird (Mörtelinjektionsverfahren, z. B. Prepact-, Colcrete-, Tectocrete-Verfahren). Die Mörteloberfläche soll dabei gleichmäßig hochsteigen. Zur Vermeidung von Rissen kann bei diesem Verfahren die Zugabe von quellenden Betonzusatzmitteln oder -stoffen von Vorteil sein. Hauptanwendungsgebiete sind neben dem üblichen Unterwasserbeton (z. B. für Brückenpfeiler, Schleusensohlen) die Sanierung (z. B. Kaimauern, Flusssohlen), Dükerummantelungen (z. B. für Gas- und Ölleitungen) und der Reaktorbau.
5.8.7 Massenbeton Unter Massenbeton versteht man einen Beton für massige Bauteile, wie z. B. Stützmauern, Gründungssohlen, Staumauern, Brückenpfeiler und Schleusenkammerwände. Im Allgemeinen werden hierzu Bauteile gezählt, deren kleinste Abmessung 1 m übersteigt. Aber auch bei Bauteilen mit kleineren Abmessungen sind unter Umständen die Besonderheiten des Massenbetons zu berücksichtigen. Die Betondruckfestigkeit spielt hier – von einigen Ausnahmen abgesehen – meistens eine geringere Rolle, wichtig dagegen sind der Widerstand gegen Witterungseinflüsse (besonders Frost) und andere physikalische und chemische Angriffe. Größere Bedeutung bei der Herstellung von Massenbeton kommt dem über den Betonquerschnitt unterschiedlichen Wärmeverlauf und dem unterschiedlichen Schwindverhalten zu. Während die Oberfläche eines Betonbauteils durch den Temperaturausgleich mit der Umgebungsluft sich relativ schnell abkühlt und auch verhältnismäßig schnell austrocknet, und dadurch einer Volumenkontraktion unterliegt, bleiben die Temperaturen und der Feuchtigkeitsgehalt im Kern relativ hoch. Die Temperaturunterschiede sowie das Schwinden führen innerhalb des Querschnitts im Kern zu Druckund in den Randzonen zu Zugspannungen. Werden die Zugspannungen aus einer dieser Beanspruchungen (Temperatur, Schwinden) zu groß, so reißt der Beton. Durch zu große Temperatur- oder Feuchtigkeitsunterschiede zwischen dem Kern und der Schale eines Betonkörpers kann es zu so genannten Schalenrissen kommen. Sie sind im Allgemeinen nur wenige cm tief und schließen sich nach wenigen Wochen wieder. Als Faustregel gilt: Schalenrisse treten häufig auf, wenn der Temperaturunterschied zwischen Kern und Schale 20 K wird. Spaltrisse können entstehen, wenn z. B. ein aufgehendes Bauteil auf ein bereits erhärtetes Fundament betoniert wird. Das aufgehende Bauteil erwärmt sich. Beim späteren Abkühlen will sich der nunmehr auch ausgehärtete Beton des neu betonierten Bauteils zusammenziehen, wird aber durch den Verbund mit dem Fundament daran gehindert. Hier kann es nun zu meist senkrechten und durch die gesamte Konstruktion hindurchgehenden Rissen kommen. Die Risse beginnen kurz über dem Fundament und enden je nach Höhe des Bauteils oben oder im oberen Bereich.
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5 Beton
Neben einer entsprechenden konstruktiven Gestaltung der Bauteile (Unterteilung durch Fugen) kann das Rissrisiko durch betontechnologische und bautechnische Maßnahmen wie Betonzusammensetzung, Betoneinbau und sorgfältige Nachbehandlung weiter verringert werden. 5.8.7.1 Zusammensetzung des Betons
Die Wärmeentwicklung hängt vor allem von der Hydratationswärme des Zements und vom Zementgehalt ab. Die Temperaturerhöhung ΔϑBeton im Kern (~ adiabatische Bedingungen) lässt sich mit folgender Formel abschätzen:
ΔϑBeton = z HW b cb
z ⋅ HW ρb ⋅ cb
(5.27)
Zementgehalt in kg/m3 Hydratationswärme des Zements in kJ/kg Betonrohdichte in kg/m3 spezifische Wärme des Betons in kJ/(kg · K)
Für Normalbeton mit b 2.300 kg/m3 und cb 1,1 kJ/(kg·K) ist der Nenner nahezu konstant, so dass die Temperatur nur vom Zementgehalt und von der Hydratationswärme abhängt. Somit ergeben sich für die Betonzusammensetzung folgende Forderungen: Zemente mit langsamer und niedriger Wärmeentwicklung, d. h. im allgemeinen Verwendung eines NW-Zementes; Kornaufbau des Korngemischs so wählen, dass ein möglichst geringer Zementleimbedarf entsteht, d. h.: gedrungenes Korn mit nicht zu rauer Oberfläche, Sieblinie im günstigen Bereich zwischen den Grenzsieblinien A und B oder Ausfallkörnung; möglichst großes Größtkorn; möglichst niedriger Wasser-Zement-Wert; zur Erzielung einer trotzdem ausreichenden Verarbeitungskonsistenz unter Umständen Zugabe eines Betonzusatzmittels (Betonverflüssiger, Fließmittel). Bei allen Maßnahmen zur Senkung des Zementgehaltes ist jedoch darauf zu achten, dass die sonstigen Forderungen (Wasserundurchlässigkeit, Frostwiderstand, usw.) zuverlässig erfüllt werden. Ein Beton mit geringer Schwindneigung ergibt sich mit einem möglichst niedrigen WasserZement-Wert bei gleichzeitig niedrigem Wassergehalt, sowie Verwendung eines Zements mit nicht zu großer Mahlfeinheit. 5.8.7.2 Verarbeiten des Betons
Um keine zu starke Aufheizung des Betons im Kern zu bekommen, sollte die Temperatur des Frischbetons beim Einbau möglichst niedrig sein. Eine niedrige Frischbetontemperatur kann durch Kühlen des Wassers und der Gesteinskörnung oder durch Zugabe von Eis erreicht
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
351
werden (auch der Zusatz eines Verzögerers kann sich vorteilhaft auswirken). Zur schnelleren Wärmeabführung bei der Betonerhärtung sollte in kleinen Betonierabschnitten oder in Blöcken mit Zwischenraum gearbeitet werden. Eine weitere, wirksame, aber teure Maßnahme ist die Rohrinnenkühlung. Das Schwindmaß lässt sich vor allem durch eine vollständige Betonverdichtung, durch eine zusätzliche Nachverdichtung und eine besonders sorgfältige Nachbehandlung niedrig halten. Eine Verlängerung der Ausschalfrist vermindert die Bildung von Schalenrissen; auf Spaltrisse hat sie dagegen keinen nennenswerten Einfluss. Gegen Spaltrisse schützen nur starke Flächenbewehrungen sowie eine ausreichende Fugenzahl.
5.8.8 Spritzbeton Spritzbeton ist Beton, der in einer geschlossenen Leitung zur Einbaustelle gefördert und dort durch Spritzen aufgetragen und dabei verdichtet wird. Man unterscheidet zwischen dem Trockenspritzverfahren und dem Nassspritzverfahren. Spritzbeton wird für bewehrten sowie unbewehrten Beton im Stollen- oder Tunnelbau, zum Ausbessern von Betonoberflächen oder zum Bau von Behältern und Schalen bis zu ca. 30 cm Dicke verwendet. Bislang gilt in Deutschland die DIN 18551:2005-01; diese Norm regelt die Anforderungen, Herstellung, Bemessung und Konformität von Spritzbeton. Sie gilt für Bauteile aus bewehrtem oder unbewehrtem Normal- oder Leichtbeton mit geschlossenem Gefüge, der im Spritzverfahren aufgetragen und dabei verdichtet wird, sowie für Bauteile, die im Spritzverfahren verstärkt oder instandgesetzt werden. Sie gilt auch für Spritzbeton für die Gebirgssicherung und die Auskleidung von Hohlraumbauten des konstruktiven Ingenieurbaus. Zukünftig werden die Anforderungen hinsichtlich Ausgangsstoffe, Herstellung und Ausführung von Spritzbeton in DIN EN 14487 geregelt, und eine überarbeitete Fassung von DIN 18551 (derzeit Entwurf 2007-11) wird die nationalen Anwendungsregeln zu DIN EN 14487 sowie Regeln für die Bemessung von Spritzbetonkonstruktionen beinhalten. 5.8.8.1 Zusammensetzung des Betons
Als Zement hat sich CEM I 42,5 R besonders bewährt. Der Zementgehalt für einen Spritzbeton sollte mindestens 240 kg/m3 Beton betragen. Rundkörnige Gesteinskörnung (Größtkorn 8 mm) mit stetiger Kornabstufung ist zu bevorzugen. Für Ausbesserungs- und Verstärkungsmaßnahmen eignet sich ein Korngemisch entsprechend der Sieblinie B8. Zur Verbesserung der Pumpbarkeit empfiehlt sich bei Gesteinskörnungen mit geringem Feinanteil oder bei mehlkornarmen Mischungen ein Zusatz von Flugasche. Die Konsistenz wird beim Dünnstromverfahren zwischen steif und plastisch eingestellt, für das Dichtstromverfahren wählt man plastisch bis weich. Beim Trockenspritzverfahren wird an der Spritzdüse der zudosierte Wasseranteil so eingestellt, dass ein Beton mit der Konsistenz steif entsteht. Die Kornabstufung des Korngemisches und der Wassergehalt sind sehr eng zu begrenzen. Wenn zwischen Hersteller und Abnehmer keine abweichenden Festlegungen getroffen werden, so ist für das Bereitstellungsgemisch ein Wasser-Zement-Wert von 0,60 zugrunde zu legen. Zur Erzielung rascher Erhärtungsvorgänge werden Beschleuniger als Zusatzmittel beigegeben (max. 700 ml/kg Zement).
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5 Beton
5.8.8.2 Verarbeiten des Betons
Man unterscheidet zwischen Nassspritzbeton (z. B. Colgunite-, Moser-Verfahren) und Trockenspritzbeton (z. B. Torkret-Verfahren). Die Wasserzugabe erfolgt bei ersterem im Mischer, beim Trockenspritzverfahren an der Spritzdüse. Die Betonmasse wird durch Schlauchleitungen der Dicke von 25 bis 35 mm gefördert und mittels Druckluft gegen die Schalung oder Wand geschleudert und dabei gleichzeitig verdichtet. Die Förderweite liegt zwischen 60 und 250 m und die Förderhöhe bis zu 100 m, dabei lassen sich Leistungen zwischen 0,3 bis 0,8 m3/h erreichen. Je nach der Förderart unterscheidet man zwischen Dünnstrom- und Dichtstromförderung. Bei der Dünnstromförderung „schwimmt“ das Betongemisch in einem Druckluftstrom, bei der Dichtstromförderung wird das Nassgemisch durch Pumpen zur Spritzdüse gefördert und erst dort durch Zuführung von Druckluft auf die nötige Geschwindigkeit zum Aufspritzen gebracht. Der Beton haftet durch den Schleuderdruck; bis sich eine Feinmörtelschicht auf der Spritzfläche ausgebildet hat, ist der Rückprallanteil sehr groß. Um den Rückprall möglichst niedrig zu halten, darf das Größtkorn nicht zu groß gewählt werden. Eine Verbesserung der Eigenschaften sowohl des Frisch- als auch des Festbetons kann durch Zugabe von Silikastaub erreicht werden. Das erhöhte Klebevermögen des Frischbetons durch diesen Zusatzstoff hat eine verbesserte Haftung und eine Einsparung von Erstarrungsbeschleunigern zur Folge. Wegen des Rückpralls ist die Zusammensetzung der Ausgangsmischung (Bereitstellungsgemisch) anders als die des aufgespritzten Betons. Verfahrensbedingt ist der Wasser-ZementWert nicht messbar; er liegt in der Regel beim Herstellen von lotrechten oder über Kopf gespritzten Flächen im Trockenspritzverfahren unter 0,50. Beim Nachweis der für Beton mit besonderen Eigenschaften festgelegten Höchstwerte für darf daher für Spritzbeton ein Wert, der geringer als 0,50 ist, angenommen werden. Eine Aussage über die Güte des Betons ist erst durch die Prüfung am Frisch- und Festbeton möglich. Abweichend von DIN EN 2061/DIN 1045-2 sind daher einige Besonderheiten zu beachten. Um eine Aussage über die Eignung und Güte des Betons zu bekommen, müssen Prüfkörper verwendet werden, die wie bei der Bauausführung in der überwiegend vorkommenden Spritzrichtung und in der vorgesehenen Bauteildicke (mindestens jedoch 12 cm dick) gespritzt werden.
5.8.9 Faserbeton Faserbeton ist ein Baustoff, dem neben den übrigen Betonkomponenten zusätzlich Fasern aus Stahl, Glas, Kunststoff oder Kohlenstoff (Carbonfasern) zugegeben werden. Fasern wirken wie eine Bewehrung und hemmen das Öffnen von Rissen bei Zug- oder Biegebeanspruchung. Hierfür müssen die Fasern ausreichend zugfest und dehnfähig sein sowie einen ausreichenden Verbund mit der Matrix haben. Durch die Beimischung von Fasern werden die Grünstand-, Zug- und Schlagfestigkeit sowie Sprödigkeit und Verformungsverhalten verbessert. 5.8.9.1 Zusammensetzung des Betons
Faserbetone unterscheiden sich vom Normalbeton in ihrer Zusammensetzung durch einen höheren Zementgehalt, geringeren Grobkornanteil und ein kleineres Größtkorn. Der Zemen-
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
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tanteil muss je nach Faserart, Menge und Länge um bis zu 20 % erhöht werden. Der WasserZement-Wert liegt über 0,40. Das Größtkorn des Zuschlags sollte ein Drittel der Faserlänge nicht übersteigen; es liegt im Allgemeinen bei 8 mm, selten bei 16 mm. Der Faseranteil liegt bei Stahlfasern bei ca. 1 bis 2 Vol.-%, bei Glasfasern bei 2 bis maximal 15 Vol.-%, bei Kunststofffasern bei etwa 1,5 Vol.-% je m3 verdichteten Betons. Bei Verwendung von Glas- und Kunststofffasern müssen diese der hohen Alkalität des Betons widerstehen können. 5.8.9.2 Verarbeitung von Faserbeton
Eine große Schwierigkeit beim Herstellen von Faserbeton stellt das Untermischen der Fasern dar. Die Fasern können dem weichen Beton im Mischer zugegeben werden, wonach der Beton mit den üblichen Verfahren zu verarbeiten ist. Beim gleichmäßigen Einmischen der Fasern in den Frischbeton steigen die Verarbeitungsschwierigkeiten mit der Menge, der Länge und dem abnehmenden Durchmesser der Fasern. Bei Stahlfasern (Dicke: 30 bis 500 μm; Länge 12 bis 50 mm) besteht die Gefahr, dass sich beim Mischen 30 bis 50 mm große, mit Stahlfasern angereicherte Mörtelklumpen bilden (sogenannte Stahligel). Glasfasern (Dicke 5 bis 20 μm; Länge 10 bis 60 mm) können durch den Mischvorgang zerbrochen werden. Deshalb werden Glasfasern seltener im Mischer eingemischt sondern in die Mörtelmatrix eingerieselt oder eingespritzt. Kunststofffasern (Dicke: 10 bis 15 μm; Länge: bis 40 mm) können sich zu Ketten und Seilen verknäulen. Wegen dieser Probleme wird Faserbeton häufig gespritzt, da hierbei höhere Faserzugaben und eine Ausrichtung der Fasern in einer Ebene erreicht werden können. Durch entsprechende Ausbildung der Schalung ist es gegebenenfalls möglich, durch Absaugung von Überschusswasser sehr niedrige Wasser-Zement-Werte von = 0,2 bis 0,3 zu erzielen. Stahlfaserbeton ähnelt in seiner Zusammensetzung am meisten dem üblichen Beton. Er kann gegenüber dem üblichen Stahlbeton wirtschaftliche Vorteile besitzen, da die arbeitsintensiven Bewehrungsarbeiten entweder wegfallen oder aber auf wenige Bereiche beschränkt bleiben. Einsatzgebiete sind z. B. Platten mit kurzer Spannweite, Fahrbahnplatten, Industriefußböden, Kellerwände, Bodenplatten im Industrie- und Wohnbereich, dünne Schalen, Reaktordruckbehälter, Tunnel- und Stollenauskleidungen, Hangsicherungen, Rammpfähle, feuerbeanspruchte Bauteile (Auskleidung von Stahlgießformen, Feuerschutzummantelung von Stahlstützen und ähnliches). Glasfaserbeton wird eingesetzt zur Herstellung von Fertigteilen wie z. B. dünnwandige Fassadenplatten, Nasszellen, Schalen und Faltwerke, Rohre, aber auch für faserverstärkte Putze, Estriche und ähnliches. Kunststofffasern werden vor allem bei der Herstellung von Putzen zur Rissüberbrückung, bei der Herstellung von Betonwaren zur Steigerung der Grünstandfestigkeit und zur Verbesserung des Verhaltens der Betonbauteile nach einem Bruch eingesetzt, weil – auf Grund des gegenüber Zementstein kleineren E-Moduls – eine „Tragwirkung“ sich erst nach dem Bruch der Zementsteinmatrix einstellt. Zur Erhöhung der Zugfestigkeit des Betons sind Kunststofffasern daher nicht geeignet. Kunststofffasern werden heute unter anderem als Ersatz für Asbestfasern eingesetzt.
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5.8.10 Pumpbeton Ein Beton, der auf der Baustelle vom Ort der Herstellung zur Einbaustelle über Rohrleitungen gepumpt wird, muss eine gute Gleitfähigkeit aufweisen. Außerdem muss der Beton einen guten Zusammenhalt haben und darf kein Wasser absondern, denn ein entmischter Beton kann zu einer Verstopfung der Rohrleitung führen. Außerdem muss Pumpbeton sich gut verformen lassen; das trifft insbesondere dann zu, wenn der Querschnitt der Förderleitung erheblich kleiner ist als der Pumpenzylinder. Zusätzlich zu den allgemeinen Anforderungen an die Betonzusammensetzung im Hinblick auf Festigkeit und eventuelle besondere Eigenschaften sind daher zur Erzielung einer guten Pumpfähigkeit einige Besonderheiten bei der Betonzusammensetzung zu beachten. 5.8.10.1 Zusammensetzung des Betons
Der verwendete Zement sollte ein gutes Wasserrückhaltevermögen besitzen; Zemente mittlerer Mahlfeinheit sind vorzuziehen. Störungsfreies Fördern setzt das Entstehen einer Schmierschicht aus Feinstsand < 0,25 mm, Zement und Wasser an der Rohrwandung voraus. Zur Bildung einer ausreichenden Menge von Zementleim nicht zu weicher Konsistenz sollte der Zementgehalt möglichst 300 kg/m3 nicht unterschreiten. Dieser Feinmörtel umhüllt die gröberen Gesteinskörner und füllt die Hohlräume zwischen ihnen aus, so dass der ausgeübte Pumpendruck nicht auf das Korngerüst wirkt; letzteres könnte leicht zu Verstopfungen führen. Gedrungene Kornform sowie ein etwas erhöhter Mehlkorngehalt begünstigen die Pumpfähigkeit. Bruchflächiges Zuschlagkorn erfordert auf Grund der größeren Oberfläche mehr Zementleim für die Umhüllung; rundkörniger Zuschlag ist daher vorzuziehen. Die Kornzusammensetzung soll möglichst nahe der Sieblinie B sein, aber auch Ausfallkörnungen sind einsetzbar. Bei Verwendung von Rohrleitungen mit einem Durchmesser von 100 mm ist darauf zu achten, dass nicht zuviel Überkorn über 32 mm im Korngemisch vorhanden ist. Der Mehlkorngehalt sollte möglichst betragen: bei 16 mm Größtkorn etwa 450 kg/m3 verdichteten Betons; bei 32 mm Größtkorn etwa 400 kg/m3 verdichteten Betons. Der Mehlkorngehalt muss erhöht werden, wenn der Zement Wasser abstößt oder splittrige Gesteinskörnung verarbeitet wird. Ein zu großer Gehalt an Mehlkorn erschwert andererseits die Förderung; der Beton kann dadurch zähklebrig und gummiartig werden. Außerdem werden das Schwinden, die Frost- und Tausalzwiderstandsfähigkeit, die Abriebfestigkeit und andere Eigenschaften nachteilig beeinflusst. Die Zugabe von Betonverflüssigern (BV) oder Fließmitteln (FM) kann die Pumpfähigkeit des Betons verbessern, so dass Förderweiten bis 600 m und Förderhöhen über 300 m erreicht werden können. Auch Luftporenbildner (LP) werden vereinzelt zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit verwendet. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Luftporen sich als „Stoßdämpfer“ auswirken können; dadurch kann, insbesondere bei längerer Leitung, die Förderleistung stark beeinträchtigt werden.
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5.8.10.2 Verarbeiten des Betons
Die Konsistenz des Frischbetons sollte wenigstens plastisch sein, mit einem Verdichtungsmaß von v = 1,19 bis 1,08. Beim Fördern durch Rohre mit einem Durchmesser von 100 mm empfiehlt sich eine etwas weichere Konsistenz, die durch Erhöhung des Leimgehaltes erreicht wird. Die Forderung nach besonders weichem, wasserreichem Beton ist im Allgemeinen falsch, da dieser sich unter dem Pumpendruck leichter entmischen kann. Zum Vermeiden von Verstopfern ist vor allem wichtig, dass der Beton über die Betonierzeit hinweg möglichst gleichmäßig zusammengesetzt wird. Besonders Schwankungen im Wassergehalt, die die Konsistenz des Betons beeinflussen, wirken sich ungünstig aus. Deswegen kommt beim Pumpen dem guten und ausreichenden Mischen des Betons und einer gleichmäßigen Konsistenz besondere Bedeutung zu.
5.8.11 Sichtbeton Sichtbeton ist ein Beton, dessen Oberfläche als gestalterisches Element ein weitgehend vorbestimmtes Aussehen haben soll. Das erfordert eine sehr sorgfältige, sauber ausgeführte Schalung und einwandfreies Einbringen des Betons. Konstruktive Details müssen so gelöst werden, dass auch nach jahrelanger Bewitterung keine ungewollten Wasserfahnen, Kalkaussinterungen oder ähnliches auftreten, die das gute Aussehen beeinträchtigen. Unter dem Sammelbegriff „Sichtbeton“ werden Betone mit recht unterschiedlich hergestellten, sichtbar bleibenden Oberflächen zusammengefasst: Betonoberflächen ohne Bearbeitung, die die Struktur der Schalung zeigen; Beton mit steinmetzmäßig bearbeiteten oder auch sandgestrahlten Oberflächen; Waschbeton. Grundsätzlich sollte immer eine Eignungsprüfung durchgeführt werden; außerdem empfiehlt sich ein Betonierversuch an einem ausreichend groß gewählten Bauteil. Regelwerke für die Herstellung von Sichtbeton sind die DIN 18217 „Betonflächen und Schalungshaut“, das DBV-Merkblatt „Sichtbeton“ sowie das „Merkblatt über Sichtbetonflächen von Fertigteilen aus Beton und Stahlbeton“ der Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau e.V. 5.8.11.1 Zusammensetzung des Betons
Das Bild einer Sichtbetonfläche wird im Wesentlichen von den Ausgangsstoffen, der Betonzusammensetzung, Schalung, Herstellung und Witterung beeinflusst. Geringste Ungleichmäßigkeiten beeinträchtigen das Erscheinungsbild des Sichtbetons. Es sind also auch hier einige Besonderheiten zu beachten. Die Zusammensetzung muss so genau wie möglich eingehalten werden. Für ein Bauteil sind stets die gleichen Ausgangsstoffe zu verwenden. Die Farbe einer nichtbearbeiteten Sichtbetonfläche wird im Wesentlichen durch die Eigenfarbe des Zements, der Feinststoffe und den Wasser-Zement-Wert bestimmt. Weißzement hat praktisch keine Farbstreuung. Bewährt haben sich mittelfeine Zemente. Der Zementgehalt soll im Allgemeinen mindestens 300 kg/m3 Beton betragen.
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5 Beton
Das Korngemisch sollte aus möglichst gedrungenen, nicht saugenden, frostbeständigen Körnern aus ein und demselben Vorkommen bestehen. Die Gesteinskörnung darf keine auswaschbaren Anteile enthalten. Das Größtkorn ist unbedingt sehr genau auf die Betondeckung der Bewehrung und die Querschnittsabmessungen abzustimmen. Die Gleichmäßigkeit des Korngemischs, insbesondere im Bereich < 0,25 mm, muss sichergestellt sein. Der Mehlkorngehalt muss in ausreichender Menge vorhanden sein, um die Sedimentationsneigung und Wasserabsonderung möglichst gering zu halten; als Erfahrungswerte gelten in Abhängigkeit vom Größtkorn Dmax: 550 kg/m³ für Dmax = 8 mm; 500 kg/m3 für Dmax = 16 mm und 450 kg/m3 für Dmax = 32 mm. Der Wasser-Zement-Wert sollte 0,55 betragen und muss möglichst genau eingehalten werden. Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass bereits Abweichungen von Δ = ± 0,02 zu deutlich erkennbaren Farbabweichungen führen können. 5.8.11.2 Verarbeiten des Betons
Die Mischzeiten sind wegen der angestrebten Farbgleichheit des Betons gegenüber Normalbeton im Allgemeinen auf etwa das Doppelte zu verlängern; sie sollen möglichst gleichmäßig für alle Mischungen sein. Sichtbeton sollte möglichst mit weicher Konsistenz (Konsistenzklasse F3 bis F6) verarbeitet werden. Beim Betonieren ist vor allem auf gleichbleibende Konsistenz zu achten. Der Betoniervorgang ist möglichst nicht zu unterbrechen; jede Unterbrechung bedeutet bei nicht stark saugender Schalung stets einen Farbunterschied. Unterbrechungen bei der Anlieferung von Transportbeton führen ebenfalls zu Fehlstellen und Farbunterschieden. Bei Sichtbeton ist ein steiferer Schalungsaufbau als sonst üblich zu wählen. Die verschiedenen Schalungsmaterialien geben der Ansichtsfläche ein jeweils charakteristisches Aussehen. Gleichmäßig wassersaugende Schalungen wirken Farbabweichungen entgegen (dunklere Flecken durch stärkere, hellere Flecken bei geringerer Wasserabsaugung). Je nach Material der Schalung wird das Trennmittel auf Grund von Vorversuchen ausgewählt; abtrocknende Trennmittel sind Schalölen vorzuziehen. Sorgfältige, besonders gleichmäßige Verdichtung ergibt eine einwandfreie Ansichtsfläche. Nicht alle Nachbehandlungsverfahren sind für Sichtbeton geeignet. Wasser auf jungen Betonflächen verursacht Ausblühungen. Deshalb muss um Sichtbetonflächen ein Feuchtraum geschaffen werden, in dem keine Luft bewegt wird und in dem sich kein Kondenswasser an der Betonoberfläche sammeln kann. Vor oder bei stärkeren Regenfällen sollten Bauteile aus Sichtbeton nicht ausgeschalt werden. Arbeitsfugen sollten bei Sichtbetonflächen möglichst vermieden werden. Ist das nicht möglich, werden diese Fugen in die Gestaltung der Oberfläche mit einbezogen. Bewährt haben sich Schalungsleisten, die eine größere Ansichtsfläche gliedern, ohne ihre Einheitlichkeit zu stören. Auf diese Weise werden auch mögliche Farbunterschiede einzelner Betonierabschnitte optisch getrennt. Waschbeton ist ein – meist werkmäßig als Fertigteile oder Betonwaren hergestellter – Beton, dessen äußere Zementmörtelschicht vor dem völligen Erhärten entfernt („ausgewaschen“) worden ist, um die groben Gesteinskörner (höchstens bis zu einem Drittel des Korndurchmessers) freizulegen. Durch die Verwendung farbiger, in Kornform und -größe unterschiedlicher Gesteinskörnungen sowie durch Einfärbung des Bindemittels sind zahlreiche farbliche
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
357
und strukturelle Kombinationen möglich. Zur Herstellung von Waschbeton werden meist chemische Hilfsmittel auf die Schalung aufgetragen, die das Erstarren des Zementes verzögern oder unterbinden. Bewährt hat sich die Verwendung von Ausfallkörnungen folgender Zusammensetzung: 25 M.-% Körnung 0/2 und 75 M.-% Körnung 0/8, 8/16 bzw. 16/32.
5.8.12 Selbstverdichtender Beton (SVB) Beim Selbstverdichtenden Beton handelt es sich um einen sehr fließfähigen Beton, der keine zusätzliche Verdichtung erfordert, sondern der allein auf Grund der Schwerkraft entlüftet und den Raum zwischen der Bewehrung und kompliziert geformter Schalungen vollständig ausfüllt. Beim Einbau ist zu beachten, dass die Selbstentlüftung jedoch mit zunehmender Tiefe abnimmt. Trotz seines guten Fließvermögens muss sichergestellt sein, dass es zu keiner Entmischung infolge Sedimentation kommt, was durch Zugabe von Zusatzmitteln (z. B. Stabilisierer) erreicht wird. Auf Grund seiner Konsistenz (Ausbreitmaß 700 mm; zu erreichen durch Einsatz eines hochwirksamen Fließmittels) und des sehr hohen Mehlkornanteils von 450 bis 600 kg/m3 entspricht SVB nicht den geltenden Betonnormen, sondern erfordert eine Zustimmung im Einzelfall oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Selbst geringe Veränderungen der über eine Erstprüfung ermittelten Betonzusammensetzung sind zu vermeiden, da dadurch starke Veränderungen der Betoneigenschaften eintreten können. Beim Entwurf von SVB sind einige Besonderheiten zu beachten; siehe hierzu die Richtlinie Selbstverdichtender Beton des DAfStb sowie den Entwurf zu DIN EN 206-9. Mit SVB kann problemlos die Oberflächenqualität eines Sichtbetons erreicht werden.
5.8.13 Schwerbeton Tresorbeton
Für Wände, Sohle und Decken von Tresorräumen wird i. A. Beton mit einer Druckfestigkeit von 60 N/mm2 im Alter von 180 Tagen (ist nachzuweisen) in einer Gesamtdicke von 80 cm, in Sonderfällen von 100 cm eingebaut. Der Zementgehalt beträgt mindestens 350 kg/m3, als Zementgüteklasse wird ein Z 32,5, möglichst als NW-Zement eingesetzt; der Wasser-Zement-Wert muss 0,45 sein. Zur Erzielung einer plastischen Einbaukonsistenz wird Betonverflüssiger oder Fließmittel zugegeben. Als Gesteinskörnung wird Kiessand, doppelt gebrochenes Hartgestein (Basalt, dichter Kalkstein oder Hochofenschlacke) sowie Leichtzuschlag (Blähton, Blähschiefer) eingesetzt. Frühestens nach 7 Tagen, in denen der Beton kontinuierlich feucht gehalten werden muss, darf ausgeschalt werden, sofern der Temperaturunterschied zwischen Kern- und Außentemperatur 20 K beträgt. Strahlenschutzbeton
Strahlenschutzbeton wird i. A. als Schwerbeton mit Rohdichten zwischen 2,3 und 6,0 kg/dm3 ausgeführt.
358
5 Beton
Der Nachweis der Strahlenschwächung ist keine Aufgabe des Betoningenieurs; die erforderlichen Kennwerte für den Entwurf hat ein Strahlenschutzspezialist bereitzustellen. Vor Verwendung teurer Schwerzuschläge sollte stets geprüft werden, ob die erforderliche Abschirmwirkung nicht auch durch einen dickeren Betonquerschnitt mit Normalbeton oder durch andere Maßnahmen, z. B. Anordnung von Bleiplatten, zu erreichen ist. Die Bemessung auf Strahlenabsorption ergibt i. A. recht beträchtliche Betonquerschnitte, so dass die für Massenbeton geltenden Regeln zu beachten sind. Da auf Rissfreiheit besonderer Wert gelegt wird, ist ein günstiges Verhältnis von Zug- zu Druckfestigkeit anzustreben. Eine Zugfestigkeit unter 3 N/mm2 sollte nicht zugelassen werden. Durch Strahlenabsorption kann die Betontemperatur stark ansteigen (z. B. in Reaktordruckbehältern), wodurch es neben der Entwässerung der Gesteinskörnungen (= Verschlechterung der Abschirmwirkung gegen Neutronen) auch zu Festigkeitsverlusten kommen kann. 5.8.13.1 Zusammensetzung des Betons
Zur Herstellung werden natürliche oder künstliche schwere Gesteinskörnungen mit Rohdichten > 4 kg/dm3 (Schwerspat, Magnetit, Hämatit, Sintererze, Ferrosilicium, Schwermetallschlacken, u. a.) eingesetzt, die eine Mindestdruckfestigkeit von 80 N/mm2 aufweisen sollten. Zu bevorzugen sind gedrungene Kornformen und eine Körnungsverteilung im Sieblinienbereich A/B mit vermindertem Mehlkornanteil. Verwendung von Gesteinskörnungen mit erhöhtem Kristallwassergehalt (Limonit, Serpentin) oder borhaltigen Zusatzstoffen (Borocalcit, Colemanit, Borcarbid) verbessern die Abschirmwirkung gegen Neutronenstrahlung. Als Zemente werden meist NW-Zemente der Festigkeitsklasse 32,5 mit Zementgehalten von 250 bis 300 kg/m3 verwendet, der Wasser-Zement-Wert sollte 0,60 gewählt werden. Der Wassergehalt sollte möglichst gering gehalten werden, da sonst die Rohdichte des Betons herabgesetzt wird, das Schwinden vergrößert und die Rissbildung gefördert wird (= Verringerung der Absorptionswirkung). Wegen des großen Unterschieds in der Rohdichte zwischen Feinmörtel und grobem Zuschlag entmischt sich Schwerbeton leichter als Normalbeton; er sollte daher nur als steifer bis schwach plastischer Rüttelbeton mit möglichst stetigem Kornaufbau verwendet werden. Hinsichtlich der Konformitätskriterien gelten die gleichen Grundsätze wie bei Normalbeton. 5.8.13.2 Verarbeiten des Betons
Durch die erhöhte Frischbetonrohdichte sind Schalung und Rüstung entsprechend zu bemessen. Ebenso ist die höhere Dichte bei der Füllung von Mischern (Füllungsgrad ca. 1/4 bis 1/2) und Transportgefäßen zu berücksichtigen. Die erforderliche Mischzeit ist gegenüber Normalbeton i. A. zu verlängern. Schwerbeton wird am häufigsten mit Kübeln gefördert; bei Nutzung von Betonpumpen können Probleme auftreten. Um Entmischungen zu vermeiden, ist die freie Fallhöhe so klein wie möglich zu halten. Eine Alternative ist der Einsatz von Ausgussbeton (z. B. Prepact-Verfahren: dicht gepacktes Zuschlaggerüst 32 mm, Injektionsmörtel < 4 mm), insbesondere bei Bauteilen mit unregelmäßigen Abmessungen, Rohrdurchführungen oder Aussparungen.
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
359
Der Verdichtungsaufwand ist bei Schwerbeton erhöht. Rüttelzeiten, Rüttelabstände und Eintauchtiefen sind aber so gering wie möglich zu halten; vorrangig sollten Innenrüttler mit hoher Fliehkraft eingesetzt werden. Strahlenschutzbeton ist zur Vermeidung von Rissen besonders sorgfältig und ohne Unterbrechung nachzubehandeln, wobei die Nachbehandlungsdauer gegenüber Normalbeton unbedingt zu verlängern ist (Feuchthaltung mindestens 14 Tage). Für Strahlenschutzbeton wird auf das DBV-Merkblatt „Strahlenschutzbeton“ verwiesen.
5.8.14 Hochfester Beton Beton der Festigkeitsklassen C60/75 (für Leichtbeton LC55/60) wird als hochfester Beton bezeichnet. Diese hohen Festigkeiten werden durch Zugabe von Silikastaub und/oder Flugasche und hochwirksame Verflüssiger und/oder Fließmittel erreicht. Er zeichnet sich durch ein dichtes, kapillarporenarmes Gefüge und extrem niedrige Wasser-Zement-Werte deutlich unter 0,4 aus. Durch die hohe Fließmittelzugabe (bis zu 20 l/m3) erreicht man selbst bei -Werten von 0,25 die erforderliche weiche bis fließfähige Konsistenz. Verwendet werden Gesteinkörnungen mit hoher Kornfestigkeit, z. B. quarzitische Gesteine, Basalt, mit einer Körnungsverteilung im Bereich < 2 mm nahe der Sieblinie B, im Bereich > 2 mm nahe der Sieblinie A und ein möglichst gedrungenes Korn (Dmax = 16 mm) mit mäßig rauer Oberfläche. Verwendung von Restgesteinskörnung und Restwasser ist nicht zulässig. Als Zemente werden hauptsächlich Portlandzemente CEM I der Festigkeitsklasse 42,5 R und 52,5 R verwendet mit Zementgehalten von 400 bis 500 kg/m3. Hochfeste Betone werden vorrangig dort eingesetzt, wo sich wirtschaftliche Vorteile, z. B. Flächengewinne im Hochhausbau oder Einsparung von Druckbewehrungen bei hochbeanspruchten Druckgliedern ergeben (beispielsweise bei Stützen, Wänden und Verbundkonstruktionen). Auf Grund ihrer großen Dichtigkeit und dem daraus resultierenden hohen Widerstand gegen äußere Angriffe (z. B. Karbonatisierung, chemischer Angriff, Frost-TaumittelAngriff usw.) werden sie daher auch als Hochleistungsbetone bezeichnet.
5.8.15 Straßenbeton 5.8.15.1 Allgemeines
Die Beanspruchungen der Fahrbahndecke durch rollenden Verkehr einschließlich des Verschleißes an der Oberfläche, durch Temperaturspannungen infolge unterschiedlicher Aufheizung an der Ober- und Unterseite sowie durch Einwirkungen von Frost und Tausalzen stellen an den Beton hohe Anforderungen. Deshalb werden von Straßenbetonen folgende Eigenschaften gefordert: hohe Druck- und Biegezugfestigkeit, hoher Verschleißwiderstand, hohe Frost-Tausalz-Widerstandsfähigkeit, gute Griffigkeit und Ebenheit, gute Ableitung des Oberflächenwassers, möglichst leises Reifen-Fahrbahn-Geräusch.
360
5 Beton
Bei Beton für Fahrbahndecken handelt es sich um Beton der Druckfestigkeitsklasse C30/37. Da der Beton in hohem Maße auf Biegung infolge Verkehrsbelastung und ungleichmäßiger Temperaturverteilung im Querschnitt beansprucht wird, werden zusätzliche Anforderungen an die Biegezugfestigkeit gestellt, und zwar Biegezugfestigkeitsklasse F 4,5 (für die Bauklassen SV, I bis IV) bzw. F 3,5 (für die Bauklassen V bis VI). Der Beton kann als Beton ohne Fließmittel, aber auch als Beton mit Fließmittel hergestellt werden. Bei Beton mit Fließmittel wird unterschieden zwischen „weichem“ Beton in der Konsistenzklasse F3 und frühhochfestem Beton in der Konsistenzklasse F2. Bei frühhochfestem Beton wird neben der 28-Tage-Festigkeit zusätzlich nach 2 Tagen Wasserlagerung eine Druckfestigkeit von mindestens 30 N/mm² gefordert. Für den Betonstraßenbau gilt ein dreiteiliges Regelwerk:
TL Beton-StB 07 („Technische Lieferbedingungen für Baustoffe und Baustoffgemische für Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton, Ausgabe 2007“) gelten für die Herstellung von Oberbauschichten für Verkehrflächen. Hier sind u. a. die Anforderungen an den Beton, an die Ausgangsstoffe und an die Nachbehandlungsmittel festgelegt. ZTV Beton-StB 07 („Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton, Ausgabe 2007“) enthält Vorschriften hinsichtlich Herstellung der Betondecke und der Fugen, Schutzmaßnahmen und Nachbehandlung, Eigenschaften der Betondecke sowie Art und Umfang der Überwachungs- und Kontrollprüfungen. TP Beton-StB 07 („Technische Prüfvorschriften für Baustoffe und Baustoffgemische für Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton, Ausgabe 2007“) enthalten die maßgebenden Prüfvorschriften. Sofern die o. g. Vorschriften keine anderslautenden Regelungen enthalten, gelten DIN EN 206-1 und DIN 1045-2. 5.8.15.2 Zusammensetzung des Betons
In Tabelle 5.29 sind die Anforderungen an die Betonausgangsstoffe gemäß TL Beton-StB 07 zusammengestellt. Es sind Zemente nach DIN EN 197-1 oder DIN 1164-10 zu verwenden, an die über die Norm hinausgehende Anforderungen gestellt werden. In der Regel wird ein Portlandzement CEM I 32,5 R eingesetzt; in Abstimmung mit dem Bauherrn können aber auch bestimmte Portlandkompositzemente (CEM II) oder Hochofenzement CEM III/A der Festigkeitsklasse 42,5 verwendet werden. Bei zweischichtigen Decken müssen Ober- und Unterbeton mit Zement der gleichen Art und Festigkeitsklasse hergestellt werden. Der Zementgehalt z ist auf Grund einer Erstprüfung festzulegen. Er muss mindestens z ≥ 340 kg/m³ verdichteten Frischbeton betragen; wenn der Oberflächenmörtel entfernt wird, muss z ≥ 420 kg/m³ sein.
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
361
Die Gesteinskörnungen müssen der TL Gestein-StB, Anhang G entsprechen; für die Kornzusammensetzung sind die Siebliniendiagramme aus DIN 1045-2, Anhang L (siehe Bilder 316 bis 3-19) maßgebend. Die Korngemische für den Oberbeton der Bauklassen SV, I bis III müssen mindestens aus 3 Korngruppen bestehen (bei einem Größtkorn ≤ 8 mm reichen 2 Korngruppen aus). Für Unterbeton der Bauklassen SV, I bis III und Fahrbahnbeton für die Bauklassen IV bis VI sind jeweils mindestens 2 Korngruppen ausreichend. Bei Betonen der Bauklassen SV, I bis III ist der Anteil der Gesteinskörnungen mit D ≤ 2 mm so zu begrenzen, dass der Siebdurchgang durch das 1-mm-Sieb 27 M.-% und durch das 2-mm-Sieb 30 M.-% (bei Beton mit 8 mm Größtkorn 35 M.-%) nicht überschreitet. Fahrbahndecken aus Beton sind den Expositionsklassen XF4 und XM2 (XF4 und XM1 bei den Bauklassen IV bis VI) und der Feuchtigkeitsklasse WS (WA bei den Bauklassen IV bis VI) zuzuordnen. Die Gesteinskörnungen müssen einen hohen Frost-Tausalz-Widerstand aufweisen; bei Prüfung mit dem Natriumchlorid-Verfahren nach DIN EN 1367-1 Anhang B muss der Masseverlust ≤ 8,0 M.-%, bei Frosteinwirkungszone III nach RStO 2001 ≤ 5,0 M.-% betragen. Alkaliempfindliche Gesteinskörnungen dürfen nicht verwendet werden; die Richtlinie „Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton (Alkali-Richtlinie)“ ist zu beachten. Als Betonzusatzmittel kommen bei Fahrbahnbetonen LP-Mittel zum Einsatz, um einen hohen Frost-Tausalz-Widerstand zu erzielen (siehe auch Abschnitt 5.7.1.4). Das „Merkblatt für die Herstellung und Verarbeitung von Luftporenbeton“ ist zu beachten. Andere Zusatzmittel dürfen nur nach Vereinbarung verwendet werden. Der Mindestluftgehalt – gemessen am Frischbeton mit dem LP-Topf – ist in Abhängigkeit vom Größtkorn der Gesteinskörnung festgelegt; er beträgt im Mittel: 5,5 Vol.-% bei 8 mm Größtkorn; 5,0 Vol.-% bei 16 mm Größtkorn; 4,5 Vol.-% bei 32 mm Größtkorn. Einzelwerte dürfen die o. g. Anforderungen um 0,5 Vol.-% unterschreiten. Bei gleichzeitiger Verwendung eines LP-Mittels und eines Fließmittels (FM) oder Betonverflüssigers (BV) muss im Rahmen einer Wirksamkeitsprüfung die Einhaltung des Abstandsfaktors von höchstens 0,2 mm und des Mikro-Luftporengehaltes von mindestens 1,5 Vol.-% nachgewiesen werden. Deshalb ist es erforderlich, das Fließmittel bei der Erstprüfung besonders sorgfältig auf das LP-Mittel und den Zement abzustimmen. Die o. g. Luftporenkennwerte werden an Festbetonproben bestimmt, die senkrecht zur Herstellungsoberseite geteilt, geschliffen und mikroskopisch untersucht wurden. Der Abstandsfaktor ist ein Kennwert für die Verteilung der Mikro-Luftporen in der Matrix. Das Verfahren wird in DIN EN 480-11 beschrieben.
Betonzusatzstoffe müssen den Anforderungen der DIN EN 206-1 und der DIN 1045-2 entsprechen. Dem Beton dürfen Zusatzstoffe vom Typ I oder vom Typ II zugegeben werden; sie dürfen jedoch weder auf den Zementgehalt noch auf den w/z-Wert angerechnet werden. Das Zugabewasser muss DIN EN 1008 entsprechen. Da bei der Herstellung von LP-Betonen grundsätzlich kein Restwasser (Recyclingwasser) verwendet werden darf, ist seine Verwendung bei Fahrbahnbetonen, die ja in der Regel als LP-Betone ausgeführt werden, nicht gestattet.
362
5 Beton
Tabelle 5.29 Anforderungen an die Ausgangsstoffe für Fahrbahndeckenbeton nach TL Beton-StB Ausgangsstoff Zement
Gesteinskörnungen
Vorschrift
zusätzliche Anforderungen
DIN EN 197-1, für Fahrbahndecken in der Regel CEM I 32,5 R oder alternativ 42,5 N; ggf. für frühhochfesten Straßenbeton CEM I 42,5 R; DIN 1164-10 in Abstimmung mit Auftraggeber auch Portlandhütten-, Portlandkalkstein-, Portlandschiefer- oder Hochofenzement (Festigkeitsklasse 42,5) möglich; für alle Portlandzemente Gesamtalkaligehalt als Na2O-Äquivalent 0,80 M.-% (für andere Zemente Gesamtalkaligehalt gemäß Alkali-Richtlinie, Tabelle 3-4) für alle Zemente, ausgenommen Zemente für frühhochfesten Straßenbeton, einen Erstarrungsbeginn bei 20 °C 2 Stunden für Portlandzement CEM I 32,5 R gelten zusätzlich – Mahlfeinheit 3500 cm2/g – Wasseranspruch 28,0 M.-% – 2-Tage-Druckfestigkeit 29,0 N/mm2 TL GesteinStB
bei den Bauklassen SV, I bis III – Gesteinskörnungen > 8 mm: mindestens 50 M.-% gebrochen mit C90/1 – gesamte Gesteinskörnungen mindestens 35 M.-% gebrochen mit C90/1 Eigenschaft
Oberbeton
Unterbeton 0/8; SV, I–III
0/22; SV, I–III
IV–VI
Korngrößenverteilung Korngruppen/Lieferkörnungen gemäß Tab. 2 der TL Gestein-StB
GF80 für 0/5 GF85 für 0/2
zusammengefasste Korngruppen gemäß Tab. 3 der TL Gestein-StB
GC85/20 und GC90/15
0/2; 0/4
Toleranzen nach Tab. 4, Zeile 1 oder 2 der TL Gestein
GC80/20 für 5/11; 11/22; 22/32 GTNR; GTC20/15; GTC20/17,5
GC90/10 für 2/5 GC90/15 für 2/5; 5/8; 8/11; 11/16; 16/22 GT15; GT17,5
Gehalt an Feinanteilen Korngruppen 0/2 bis 0/5
f3
Korngruppen 2/4 bis 16/32
f1
Kornform grober Gesteinskörnungen
SI50 (FI50)
SI15(FI15)
Anteil gebrochener Oberflächen
–
C90/1 a; C100/0 C90/1
Widerstand gegen Polieren
–
PSV48; PSV53b
Widerstand gegen Frost-Tausalz
SI20 (FI20) PSV48
C90/3 PSV44
Absplitterung ≤ 8 M.-%
organische Verunreinigungen mLPC0,25
grobe Gesteinskörnungen
mLPC0,05
erstarrungs- und erhärtungsstörende Bestandteile
sind nachzuweisen
Wasser
DIN EN 1008
Betonzusatzmittel
DIN EN 934-2; bei gleichzeitiger Verwendung von LP und FM oder LP und BV Wirksamkeitsprüfung Zulassungen erforderlich; Abstandsfaktor 0,20 mm und Gehalt an Mikroluftporen A300 1,5 Vol.-% sind nachzuweisen.
Betonzusatzstoff a
feine Gesteinskörnungen
Recyclingwasser darf nicht verwendet werden.
Anrechnung auf den Zementgehalt und den Wasser-Zement-Wert nicht zulässig.
gilt nur für Gesteinskörnungen, die sich regional bewährt haben, b bei Waschbeton
5.8 Betone mit besonderen Eigenschaften
363
Bei den Bauklassen SV, I bis III muss der Wasserzementwert w/z ≤ 0,45 und bei den Bauklassen IV bis VI muss w/z ≤ 0,50 sein. Jeder Beton benötigt eine bestimmte Menge an feinen Bestandteilen, damit er gut verarbeitbar ist, ein geschlossenes Gefüge bilden kann und nicht zum Entmischen neigt. Andererseits darf ihr Anteil nicht zu groß sein, weil sonst der Wasseranspruch zu stark ansteigen würde. Aus diesem Grunde legt DIN 1045-2 Anforderungen an den Mehlkorngehalt fest, wobei alle Bestandteile kleiner als 0,125 mm zum Mehlkorn gezählt werden. Für Fahrbahnbeton sind hingegen die feinkörnigen Bestandteile < 0,25 mm maßgebend, die sich aus Zement, ggf. Zusatzstoff und dem Kornanteil < 0,25 mm zusammensetzen. Der Gesamtgehalt an feinkörnigen Bestandteilen darf 450 kg/m³, bei 8 mm Größtkorn 500 kg/m³ nicht überschreiten. Für einen Oberbeton, bei dem der Oberflächenmörtel entfernt wird, dürfen die feinkörnigen Bestandteile den Wert von 500 kg/m³ übersteigen. Die Frost-Tausalz-Beständigkeit von Beton kann außer durch Zugabe von LP-Mitteln auch durch Zugabe von Mikrohohlkugeln (MHK) aus Kunststoff erzielt werden. Ebenso kann bei sehr steifem Beton mit niedrigen w/z-Werten – wie z. B. Walzbeton oder Beton für Pflastersteine – auf LP-Mittel verzichtet werden (siehe hierzu Tabelle 5.15 Teil 2, Fußnote j). 5.8.15.3 Verarbeiten des Betons
Straßenbeton wird in der Regel – von Beton mit Fließmittel abgesehen – als steifer Beton F1 eingebaut, um Schlempebildung an der Oberfläche zu unterbinden, da diese weniger widerstandsfähig ist. Bei Anwendung von Gleitschalungsfertigern tendiert man eher zu einem weicheren Beton der Konsistenz F2. Beton mit Fließmittel (FM) ist ein leicht verarbeitbarer Beton. Je nach Zusammensetzung werden unterschieden: frühhochfester Straßenbeton mit FM (Ausgangskonsistenz F2); „weicher“ Straßenbeton mit FM (Ausgangskonsistenz F3). Wichtig ist die Einhaltung eines sehr engen Konsistenzbereiches. Da jede Betonkonsistenz eine bestimmte Höheneinstellung der Einbaugeräte erfordert, können Konsistenzschwankungen den Fertigungsablauf stören und Unebenheiten verursachen. Der Einbau erfolgt mit schienengeführten Betonfertigern mit integrierter Rüttel- oder Glättbohle oder mit Gleitschalungsfertigern. Bei Einbau von so genanntem Walzbeton kann die Straße bereits sehr früh befahren werden. Die Verdichtung erfolgt mit Oberflächenrüttlern (Rüttelbohle) oder durch Innenrüttler. Nach dem Glätten muss die Betonoberfläche durch eine abschließende Oberflächenbehandlung die erforderliche Textur (im Hinblick auf Lärmminderung, Griffigkeit usw.) erhalten. Hierfür sieht die ZTV Beton 07 folgende Möglichkeiten vor: Herstellung einer Waschbetonoberfläche durch Aufbringen eines Oberflächenverzögerers auf die frisch geglättete Oberfläche, Freilegen der groben Gesteinskörnungen durch Ausbürsten nach ausreichender Erhärtung des Betons; Abziehen der geglätteten Betonoberfläche mit einem Stahlbesen in Querrichtung; Abziehen der geglätteten Betonoberfläche mit einem Kunstrasen in Längsrichtung.
364
5 Beton
Straßenbeton erfordert während und nach der Herstellung der Decke einen besonderen Schutz und eine sehr sorgfältige Nachbehandlung. Wirkungsvollste Methode ist die ununterbrochene Feuchthaltung; maßgebend für die Nachbehandlungsdauer sind die Festlegungen in DIN 1045-3. Gebräuchlich ist auch das Aufbringen eines flüssigen Nachbehandlungsmittels („Technische Lieferbedingungen für flüssige Beton-Nachbehandlungsmittel – TL NBM-StB“ beachten). Die Decke darf erst nach ausreichender Erhärtung und Erreichen eines ausreichenden FrostTausalz-Widerstandes des Betons für den Verkehr freigegeben werden. Eine ausreichende Erhärtung kann bei Druckfestigkeiten ≥ 26 N/mm² angenommen werden. Im Hinblick auf den Frost-Tausalz-Widerstand sollte der Beton wenigstens einmal austrocknen, bevor er mit Tausalz in Berührung kommt, weil durch das Austrocknen die anschließende Wasseraufnahmefähigkeit geringer wird.
5.9 Leichtbeton Unter dem Begriff Leichtbeton (LB) werden strukturell unterschiedliche Betone zusammengefasst. Gemeinsames Merkmal ist die infolge größerer Porigkeit gegenüber dem Normalbeton verminderte Rohdichte, wobei die Grenze zum Normalbeton im Allgemeinen bei einer Trockenrohdichte von 2,0 kg/dm3 angenommen wird. Mit der Verminderung der Rohdichte, d. h. Erhöhung der Porigkeit, sinkt aber im Allgemeinen die Druckfestigkeit und der EModul.
5.9.1 Struktur von Leichtbeton Nachteile des Normalbetons sind unter anderem das hohe Eigengewicht im Verhältnis zu den Nutzlasten und die relativ hohe Wärmeleitfähigkeit. Beide Nachteile können durch eine Verringerung der Betonrohdichte ausgeglichen werden. Eine Verringerung der Rohdichte des Betons – bei gleichzeitiger Steigerung der Wärmedämmfähigkeit – lässt sich nur erreichen, wenn gezielt Poren eingebaut werden. Die Porigkeit kann auf verschiedene Weise erzielt werden: Haufwerksporigkeit
Haufwerksporige Betone entstehen bei Verwendung grober Körnungen und gleichzeitiger Reduzierung oder Wegfall der Fein- und Mittelkornfraktionen (so genannter Einkornbeton); dadurch bleiben zwischen den Körnern möglichst viele Hohlräume (Haufwerksporen) erhalten. Der Zementgehalt kann auf bis zu 100 kg/m³ gesenkt werden; dadurch sind die Körner von einem dünnen Zementleimfilm umhüllt und nur an den Berührungsstellen punktweise miteinander verkittet. Derartige Betone werden in erster Linie bei der Herstellung von Mauersteinen (mit normalen oder porigen Gesteinskörnungen) eingesetzt. Festigkeit und Rohdichte hängen vor allem von der verwendeten Gesteinskörnung ab (siehe Abschnitt 7.6.1).
5.9 Leichtbeton
365
Bild 5-12 Struktur von haufwerksporigem Beton (schematisch), links mit normaler Gesteinskörnung, rechts mit leichter Gesteinskörnung
Für bewehrte Bauteile ist haufwerksporiger Beton nicht geeignet, weil der Beton gasdurchlässig ist, dadurch schnell karbonatisiert und demzufolge keinen Korrosionsschutz für den Bewehrungsstahl bietet. Sollen dennoch bewehrte Bauteile aus haufwerksporigem Beton hergestellt werden, muss der Stahl entsprechend geschützt oder nichtrostender Stahl verwendet werden. Kornporigkeit
Eine andere Möglichkeit zur Herabsetzung der Betonrohdichte gegenüber Normalbeton besteht darin, einzelne Korngruppen durch porige Gesteine (Bims, Blähton, Blähschiefer und ähnliches) auszutauschen. Dabei werden in der Regel nur die groben Kornfraktionen ersetzt; für die feinen Fraktionen werden aus verarbeitungstechnischen Gründen auch bei Leichtbeton meist dichte nichtsaugende Gesteinskörnungen verwendet. Ein derartiger Leichtbeton weist eine stetige Sieblinie auf; Kornabstufung und Bindemittelgehalt entsprechen dem Normalbeton. Da keine Haufwerkporen entstehen, bleibt das geschlossene Gefüge des Normalbetons erhalten. Man bezeichnet diese Betonstruktur auch als gefügedichten Leichtbeton (Bild 5-13).
Bild 5-13 Struktur von gefügedichtem Leichtbeton (schematisch)
366
5 Beton
Da die Reindichte der leichten Gesteinskörnungen auf mineralischer Basis etwa derjenigen üblicher normaler Körnungen entspricht ( = 2,3 bis 2,8 kg/dm³) und auch der Zementleimgehalt bei beiden Betonarten etwa gleich groß ist, ist die Betonrohdichte praktisch nur von der Kornporigkeit abhängig. Für eine Betonrohdichte von Rb = 1,6 kg/dm3 sind etwa 30 bis 40 Vol.-% Kornporen erforderlich. Gefügedichte Leichtbetone können Druckfestigkeiten bis 60 N/mm2 erreichen und finden Verwendung als Konstruktionsleichtbeton im Hoch- und Ingenieurbau. In Sonderfällen werden organische Zuschläge (Holz, Kunststoffschaumkugeln oder ähnliches) verwendet. Die niedrigsten Betonrohdichten, die allein mit Kornporigkeit erreicht werden können, liegen etwa bei: Rb ~ 0,8 kg/dm3 für anorganische Zuschläge und Rb ~ 0,5 kg/dm3 für organische Zuschläge. Blähporigkeit
Die so genannten Porenbetone entstehen durch Einbringung von feinen Poren in den Bindemittelleim. Die Porosierung entsteht dadurch, dass Mörtel durch Treibmittel oder Schaumbildner aufgebläht oder aufgeschäumt werden oder ein in Spezialmischern gesondert aufbereiteter Kunststoffschaum in den Bindemittelleim eingearbeitet wird (Schaumbeton). Porenbeton und Schaumbeton sind im eigentlichen Sinne keine Betone, da bei ihrer Herstellung keine groben Gesteinskörnungen verwendet werden (Bild 5-14). Genau genommen handelt es sich also um Poren- bzw. Schaummörtel. Porenbeton wird ausschließlich werksmäßig produziert (siehe Abschnitt 7.4), während Schaumbeton auf der Baustelle hergestellt und eingebaut wird.
Bild 5-14 Struktur von Poren- und Schaumbeton (schematisch)
Grundsätzlich können die verschiedenen Möglichkeiten zur Erhöhung der Porigkeit miteinander kombiniert werden. Die Kombination von Korn- und Haufwerksporigkeit wurde bereits oben in Bild 5-12 dargestellt. Eine weitere Variante, die in letzter Zeit vor allem bei Wandbauplatten verstärkt zum Einsatz kommt, ist der Leichtbeton mit poriger Matrix (siehe Bild 5-15). Dabei werden die Poren durch Zugabe von Zusatzmitteln (LP-Mittel oder
367
5.9 Leichtbeton
Schaumbildner) zum Beton erzeugt. Mögliche Vorteile gegenüber haufwerksporigem Leichtbeton sind bessere Wärmedämmeigenschaften und eine höhere Festigkeit. Der Korrosionsschutz der Bewehrung ist wie bei haufwerksporigem Beton negativ zu beurteilen.
Bild 5-15 Struktur von Leichtbeton mit poriger Matrix (schematisch)
Für die Praxis erweist sich anstelle der strukturellen Betrachtungen eine anwendungsbezogene Unterteilung in konstruktive, konstruktiv-wärmedämmende sowie ausschließlich wärmedämmende Betone am günstigsten. Die Einteilung und Haupteinsatzbereiche gebräuchlicher Leichtbetone zeigt Tabelle 5.30. Tabelle 5.30 Einteilung und Anwendungsbereiche von Leichtbeton hauptsächliche Einsatzgebiete
Bezeichnung
Trockenrohdichte [kg/dm³]
Gefügestruktur
gebräuchliche Gesteinskörnungen
Druckfestigkeit [N/mm²]
Wärmeleitfähigkeit [W/(m⋅K)]
leichter Leichtbeton (wärmedämmender Beton)
0,2…0,6
schaumstoffhaltig, korn- und haufwerksporig
Polystyrol, Schaumglas, Blähperlit, Blähglimmer
0,2…2,5
0,05…0,2
hochwärmedämmende Aufgaben; Kühlhäuser, Flachdächer
mittelschwerer Leichtbeton
0,6…1,2
schaumstoffhaltig, kornporig, haufwerksporig
Naturbims, Lava, Blähton
2,5…15
0,2…0,5
wärmedämmende und tragende Aufgaben; wärmedämmender Konstruktionsbeton; Außenwände im Hochhaus
gefügedichter Leichtbeton
1,2…2,0
kornporig
Blähton, Blähschiefer, Hütten- und Sinterbims
15…60
0,5…1,2
vorwiegend tragende Aufgaben; Stahlleichtbeton, Spannleichtbeton
368
5 Beton
5.9.2 Konstruktionsleichtbeton Bei Konstruktions-Leichtbeton nach DIN EN 206-1/DIN 1045-2 handelt es sich immer um einen gefügedichten Beton, d. h. Beton mit geschlossenem Gefüge unter Verwendung poriger Gesteinskörnungen. Durch die Entwicklung kornfester Leichtzuschläge – deren Kornrohdichte erheblich unter derjenigen normaler Gesteinskörnungen liegt – ist es möglich, Konstruktions-Leichtbetone mit annähernd gleichen Druckfestigkeiten wie bei Normalbeton bei Rohdichten um ca. 1,6 kg/dm3 herzustellen. 5.9.2.1 Leichte Gesteinskörnungen a) Arten von leichten Gesteinskörnungen
Zu den leichten Gesteinskörnungen mineralischen Ursprungs nach DIN EN 13055-1 zählen natürliche Gesteinskörnungen, aus natürlichen Rohstoffen und/oder aus industriellen Nebenprodukten hergestellte Gesteinskörnungen, industrielle Nebenprodukte sowie rezyklierte Gesteinskörnungen. Zu den natürlichen Gesteinskörnungen zählen u. a. Lavaschlacken, Naturbims und Kalktuffe. Sie weisen einen großen Rohdichtebereich auf (0,5 bis 2,5 kg/dm3) mit Porenanteilen bis zu 80 Vol.-%. Natürliche Gesteinskörnungen werden im Steinbruch abgebaut und brauchen nur noch mechanisch aufbereitet zu werden (Brechen, Waschen, Sieben). Durch das Brechen entstehen Körner mit unregelmäßiger, kantiger, rauer, nicht geschlossener Oberfläche.
Aus natürlichen Rohstoffen hergestellte Gesteinskörnungen werden in der Regel in thermischen Prozessen gewonnen. Glimmerreiche Tonminerale und saures Gesteinsglas (Perlit) mit hohem Gehalt an chemisch gebundenem Wasser werden bei hohen Temperaturen auf ihr 20- bis 30-faches Volumen aufgebläht; so entstehen Blähglimmer (Vermiculite) und Blähperlit (Perlite). Bei der Herstellung von Blähton und Blähschiefer werden die Ausgangsstoffe granuliert und anschließend im Drehrohrofen bei rd. 1200 °C gebläht. Durch diesen Prozess bildet sich um das Korn eine Sinterhaut, die dem Korn eine hohe Festigkeit verleiht, das Korn aber auch schwerer macht, und zwar umso mehr, je größer der Anteil dieser Sinterhaut ist. Kleine, gesinterte Körner sind daher schwerer, aber auch fester. Diese gebrannten Gesteinskörnungen haben gegenüber Kiessand wegen ihrer durch das Blähen entstandenen Kornporen eine geringere Kornrohdichte und Schüttdichte. In Abhängigkeit von Rohstoff und Herstellungsverfahren werden unterschiedliche Produkte hergestellt, von gut wärmedämmenden (Porenanteil bis zu 70 Vol.-%, Rohdichten bis herab zu 0,4 kg/dm3) bis zu hochfesten (Porenanteil bis herab zu 30 Vol.-%, Rohdichten bis zu 1,9 kg/dm3). Bei diesen Prozessen entsteht meist kein Blähmaterial < 1 mm, so dass es durch Brechen von Überkorn (> 25 mm) gewonnen werden muss. Zu den aus industriellen Nebenprodukten hergestellten Gesteinskörnungen zählen u. a. gesinterte Steinkohlenflugaschepellets, die nach dem Granulieren auf dem Sinterband gebläht werden.
369
5.9 Leichtbeton
Industrielle Nebenprodukte, die als leichte Gesteinskörnungen – ggf. nach entsprechender mechanischer Aufbereitung – verwendet werden, sind z. B. Hüttenbims, Sinterbims und Kesselsand. Rezyklierte Gesteinskörnungen werden durch mechanische Aufbereitung von Baurestmassen gewonnen. Hierzu zählen Ziegelsplitt, aufbereiteter Porenbeton oder sonstige rezyklierte Leichtbetone. b) Eigenschaften
Leichtzuschläge für die Herstellung von Leichtbeton müssen ähnliche Anforderungen erfüllen wie Gesteinskörnungen für Normalbeton, z. B. bezüglich des Verhaltens gegen Wasser (kein Erweichen oder Zersetzen), des Frostwiderstandes, des Gehaltes an schädlichen Bestandteilen usw. Der Leichtzuschlag muss daher DIN EN 13055-1 entsprechen. Wichtige Kenngrößen sind die Schüttdichte und Kornrohdichte, die je nach Korngrößen unterschiedlich sein können. Tabelle 5.31 gibt einen Überblick über die kennzeichnenden Eigenschaften der wichtigsten Leichtzuschläge für einen Leichtbeton mit geschlossenem Gefüge.
Tabelle 5.31 Übersicht über die wichtigsten Leichtzuschläge und ihre kennzeichnenden Eigenschaften Stoffgruppe
Leichtzuschläge nach DIN EN 13055-1 Naturbims Schaumlava Hüttenbims Sinterbims Ziegelsplitt Blähton, Blähschiefer Hochwärmedämmende anorganische Leichtzuschläge Kieselgur Blähperlit Blähglimmer Schaumsand, -kies Organische Leichtzuschläge Holzwolle, -späne, -mehl geschäumte Kunststoffe
Kornfestigkeit
Kornrohdichte [kg/dm³]
Schüttdichte (lose eingefüllt) [kg/dm³]
Reindichte
0,4…0,7 0,7…1,5 0,5…1,5 0,5…1,8 1,2…1,8 0,4…1,9
0,3…0,5 0,5…1,3 0,4…1,3 0,4…1,4 1,0…1,5 0,3…1,5
rd. 2,5 rd. 3,0 2,9…3,0 2,6…3,0 2,5…2,8 2,5…2,7
niedrig mittel niedrig…mittel niedrig…mittel mittel niedrig…hoch
0,2…0,4 0,1…0,2 0,1…0,3 0,1…0,3
0,2…0,3 0,1…0,2 0,1…0,3 0,1…0,3
2,6…2,7 2,3…2,5 2,5…2,7 2,5…2,7
sehr niedrig sehr niedrig sehr niedrig sehr niedrig
0,4…1,0 < 0,1
0,2…0,3 < 0,1
1,5…1,8 rd. 1,0
niedrig sehr niedrig
[kg/dm³]
370
5 Beton
Kornfestigkeit Während die Druckfestigkeiten der normalen Gesteinskörnungen (120 bis 430 N/mm2) im Allgemeinen weit über der Zementsteinfestigkeit liegen, die damit als schwächere Phase die Betonfestigkeit allein bestimmt, überschneiden sich die Werte bei Leichtbetonzuschlag, so dass hier neben der Zementsteinfestigkeit auch die Kornfestigkeit für die Betonfestigkeit maßgebend ist. Die Kornfestigkeiten einzelner Leichtzuschläge unterscheiden sich zum Teil sehr stark voneinander (zwischen 2 und 35 N/mm2). Wassersaugvermögen Aufgrund ihrer Porigkeit können leichte Gesteinskörnungen eine sehr hohe Wasseraufnahme aufweisen. Das Wassersaugvermögen der verschiedenen Leichtzuschläge ist jedoch recht unterschiedlich. Diese Wasseraufnahme muss bei der Herstellung des Betons berücksichtigt und zusätzlich zum Anmachwasser zugegeben werden, damit die angestrebte Konsistenz und der vorgesehene wirksame Wasser-Zement-Wert in verhältnismäßig engen Grenzen eingehalten werden können (siehe auch Abschnitt 3.3.4.2) Im Allgemeinen wird der größte Teil des aufgenommenen Sättigungswassers (= Kernfeuchte) in den ersten 30 min Wasserlagerung aufgesogen. Die Wasseraufnahme von Leichtzuschlag wird daher zweckmäßig nach 30-minütiger Wasserlagerung für jede Korngruppe bestimmt; bis auf die Korngruppe 0/1 sind die Wasseraufnahmen verschiedener Korngruppen eines Zuschlags meist nahezu gleich. Die Wasseraufnahme in 30 min (w30) wird in M.-% bezogen auf die Trockenmasse angegeben. Da handwarme Leichtzuschläge mehr Wasser aufsaugen als abgekühlte Zuschläge, ist unbedingt auf die Einhaltung der Prüftemperatur zu achten. Wegen des Wassersaugvermögens haben wechselnde Zuschlagfeuchten in viel stärkerem Maße als beim Normalbeton das Auftreten von Fehlmischungen zur Folge. 5.9.2.2 Eigenschaften von Konstruktions-Leichtbeton a) Besonderheiten bei der Herstellung
Kornzusammensetzung Da beim Leichtzuschlag die Kornrohdichte im Allgemeinen mit der Zunahme der Korngröße fällt, muss die Sieblinie nach dem eingenommenen Stoffraum gebildet werden, wobei für die Auswahl die Sieblinien der DIN 1045-2 genommen werden können. Aus Gründen ausreichender Verdichtbarkeit werden weniger grobkornreiche Zuschlaggemische als bei Normalbeton angewendet; deshalb wurde anstelle der Korngruppe 0/32 für Leichtzuschlag die Korngruppe 0/25 eingeführt. Bezüglich des Mehlkorngehaltes gilt, dass dieser wegen der schlechteren Verdichtbarkeit etwas höher gewählt werden soll als bei Normalbeton. Es ist zu beachten, dass Leichtzuschläge je nach Rohstoff, Herstellverfahren und Wasserangebot unterschiedliche Feuchtegehalte annehmen können. Voraussetzung für eine gleichmäßige Betonherstellung ist die ofentrockene Anlieferung der Zuschläge, ihre Lagerung in überdachten Boxen, ihre lückenlose Überprüfung bei der Anlieferung.
5.9 Leichtbeton
371
Betonzusammensetzung Der Zementgehalt von gefügedichtem Leichtbeton liegt üblicherweise zwischen 300 und 450 kg/m3. Die untere Grenze von z = 300 kg/m³ ist im Hinblick auf einen ausreichenden Korrosionsschutz der Bewehrung erforderlich, während die obere Grenze von z = 450 kg/m³ durch die Hydratationswärme bedingt ist, welche bei Leichtbeton nicht so schnell abfließen kann wie bei Normalbeton. Eine Erhöhung des Zementgehaltes wirkt festigkeitssteigernd, aber nicht in dem Maße wie bei Normalbeton. Der Gesamtwassergehalt des verdichteten Leichtbetons umfasst das Wasser, das zur Zementleimbildung benötigt wird (entspricht etwa dem Wasserbedarf wie bei Normalbeton), und das Wasser, das von den Leichtzuschlägen aufgenommen wird (w30). Als wirksamer WasserZement-Wert wird das Massenverhältnis des wirksamen Wassers, also Gesamtwasser abzüglich w30 zum Zementgehalt bezeichnet. Ein Senken des wirksamen Wasser-Zement-Wertes wirkt auch bei Leichtbeton festigkeitssteigernd, jedoch im Allgemeinen nicht in gleichem Maße wie bei Normalbeton. Betonzusätze haben eine vergleichbare Wirkung wie bei Normalbeton.
Abmessen und Mischen Die Dosierung der Leichtzuschläge kann nach Gewicht oder nach Volumenteilen erfolgen; Zement und Zusatzstoffe sind stets abzuwiegen. Beim Mischen ist folgende Reihenfolge einzuhalten: Leichte Gesteinskörnung + 2/3 Wasser + Zement + Restwassermenge. Mischen im Mischer mit guter Mischwirkung ist gegenüber dem Freifallmischer vorzuziehen. Zu langes Mischen (Erfahrungswert 1,5 min) kann bei wenig kornfestem Zuschlag zu Abrieb und Zerstörung der groben Körner führen.
Einbau und Verdichtung Einbau und Verdichtung erfolgen wie bei Normalbeton, es sind aber einige Besonderheiten zu beachten. Wegen der geringeren Betonrohdichte des Leichtbetons ist bei der Beurteilung der Konsistenz das Verdichtungsmaß gegenüber dem Ausbreitmaß vorzuziehen. Dabei ist zu beachten, dass Leichtbeton gleicher Verdichtbarkeit ein größeres Verdichtungsmaß und ein um ca. 20 mm kleineres Ausbreitmaß als entsprechender Normalbeton aufweist. Um Entmischungen durch Aufschwimmen der größeren Körner beim Verdichten zu vermeiden, soll der Beton so steif wie möglich verarbeitet werden – vorteilhaft ist eine Konsistenz im mittleren Bereich von F2. Bei einem längeren Zeitraum zwischen Mischen und Einbau kann der Leichtbeton durch Wasseraufnahme der Zuschläge ansteifen; das ist vor allem bei Transportbeton zu beachten. Für derartige Fälle ist es zweckmäßig, die Konsistenz am Mischer etwas weicher einzustellen. Bei der Erstprüfung ist daher der praktische Ablauf bis zum Einbau des Leichtbetons zu berücksichtigen. Der Verdichtungsaufwand ist im Vergleich mit Normalbeton bei gleicher Konsistenz jedoch größer (da Leichtbeton die Rüttelschwingungen stärker dämpft!); deshalb sind die Abstände der Rüttelstellen kleiner zu wählen. Ein zu langes Rütteln ist zu vermeiden, da es zur Entmischung (Aufschwimmen der groben Körnung) führen kann. Die Frischbetonrohdichte ist bei gleichem Beton vom Wassersättigungsgrad der Zuschläge abhängig. Zur Überwachung des
372
5 Beton
Wasser-Zement-Wertes oder der Mischungszusammensetzung des Frischbetons auf der Baustelle ist die Rohdichte daher nur bedingt zu benutzen.
Hydratationswärme, Nachbehandlung Wegen der schlechteren Wärmeableitung und der geringeren Wärmekapazität (wegen geringerer Masse) wird Leichtbeton infolge Hydratationswärme stärker aufgeheizt als Normalbeton. Hieraus resultiert jedoch wegen dem deutlich geringeren E-Modul keine erhöhte Gefahr der Temperaturrissbildung. Die Anordnung von Bauwerksfugen kann daher wie bei Normalbeton gewählt werden. Der junge Leichtbeton muss im Hinblick auf die größere Schwindgefahr vor Feuchtigkeitsabgabe geschützt werden. Sonst gelten für die Nachbehandlung die gleichen Regeln wie für Normalbeton. Das vom Leichtzuschlag aufgesaugte Wasser steht jedoch noch längere Zeit für die Hydratation des Zementes zur Verfügung („innere Nachbehandlung“) und beeinflusst damit Schwinden und Kriechen positiv. Die Gleichgewichtsfeuchte wird unter Umständen erst nach Monaten erreicht. b) Festbetoneigenschaften
Die entscheidende Eigenschaft des Leichtbetons ist seine geringere Trockenrohdichte, was sich im Vergleich zum Normalbeton durch eine bessere Wärmedämmung und durch ein günstigeres Brandverhalten ausdrückt. Gegenüber Normalbeton zeigen Leichtbetone auch veränderte Festbetoneigenschaften, z. B. haben Leichtbetone gleicher Druckfestigkeit niedrigere EModuln (LC: 5 000 bis 23 000 N/mm2; C: 22 000 bis 39 000 N/mm2) und oft auch geringere Zugfestigkeiten als Normalbeton. Für die Betondruckfestigkeit von Konstruktions-Leichtbeton gilt die in der Tabelle 5.32 angegebene Einteilung.
Druckfestigkeit und Rohdichte Wie bereits angesprochen, fehlt bei Leichtbeton ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Zementsteinfestigkeit und Betonfestigkeit, da sich beim Leichtbeton Art und Anteil der verwendeten Leichtzuschläge entscheidend auswirken. Solange die Festigkeit der Zementsteinmatrix deutlich unter der Zuschlagfestigkeit bleibt, gelten dieselben Zusammenhänge wie bei Normalbeton. Liegt die Zuschlagfestigkeit aber unter der Matrixfestigkeit, müssen beim Leichtbeton die Zuschlageigenschaften berücksichtigt werden. Die vom Normalbeton bekannte Gesetzmäßigkeit, dass die Betondruckfestigkeit praktisch mit der Matrixfestigkeit gleichgesetzt werden kann, die wiederum durch den Wasser-Zement-Wert und die Normdruckfestigkeit des Zementes bestimmt ist, gilt beim Leichtbeton nur bis zu einer so genannten Grenzfestigkeit cg. Im Gegensatz zum Normalbeton, bei dem die Kornrohdichte der Gesteinskörnung und deren Festigkeit bzw. Verformungsmodul die Druckfestigkeit und die Betonrohdichte kaum beeinflussen, wirken sich beim Leichtbeton Art und Menge der verwendeten Zuschläge also entscheidend aus.
373
5.9 Leichtbeton Tabelle 5.32 Druckfestigkeitsklassen für Leichtbeton Charakteristische Mindestdruckfestigkeit von Zylindern fck,cyl [N/mm²]
Charakteristische Mindestdruckfestigkeit von Würfelna fck,cube [N/mm²]
8
9
LC12/13
12
13
LC16/18
16
18
LC20/22
20
22
LC25/28
25
28
LC30/33
30
33
LC35/38
35
38
LC40/44
40
44
LC45/50
45
50
LC50/55
50
55
LC55/60
55
60
LC60/66
60
66
LC70/77b
70
77
b
80
88
Druckfestigkeitsklasse LC8/9
LC80/88 a
b
Es dürfen andere Werte verwendet werden, wenn das Verhältnis zwischen diesen Werten und der Referenzfestigkeit von Zylindern mit genügender Genauigkeit festgestellt und dokumentiert worden ist. Für LC70/77 und LC80/88 ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich.
In Bild 5-16 ist der Zusammenhang zwischen Matrix- und Betondruckfestigkeit für verschiedene leichte Gesteinskörnungen dargestellt. Die Grenzfestigkeit cg für eine bestimmte Zuschlagart entspricht demjenigen Punkt, an dem die Kurve von der 45°-Linie abweicht. Wird diese Grenzfestigkeit überschritten, werden die Zuschlagkörner zerdrückt; sie wirken als Fehlstellen im Gefüge. Um die Betonfestigkeit weiter steigern zu können, muss nun die Matrixfestigkeit sehr stark erhöht werden. Beispielsweise muss bei einem Beton mit Blähton der unteren Linie die Matrixdruckfestigkeit von 15 auf 30 N/mm² verdoppelt werden, um die Festigkeit des Leichtbetons um 1/3 (von 15 auf 20 N/mm²) zu steigern. Eine sichere Voraussage der Druckfestigkeit von Leichtbeton ist somit deutlich schwieriger als bei Normalbeton. Daher sind grundsätzlich Erstprüfungen erforderlich. Die Druckfestigkeitsentwicklung von Leichtbeton entspricht in den ersten Tagen der des Normalbetons, da in diesem Zeitraum die Zuschlagfestigkeit noch über der Matrixfestigkeit liegt. Danach ist die Steigerung deutlich langsamer, vor allem bei nieder- oder mittelfestem Korn. Im Verhältnis zur 28-Tage-Festigkeit weisen Leichtbetone in jüngerem Alter daher eine relativ höhere Festigkeit auf als Normalbetone, d. h. die Festigkeitsentwicklung ist bei Leichtbeton schneller.
374
5 Beton
Bild 5-16 Leichtbetondruckfestigkeit in Abhängigkeit von der zugehörigen Matrixdruckfestigkeit bei verschiedenen Zuschlagarten
Eine Umrechnung der Druckfestigkeit auf ein anderes Betonalter ist bei Leichtbeton nicht möglich; die in Tabelle 5.22 angegebenen Richtwerte dürfen daher nicht angewendet werden. Um die 28-Tage-Festigkeit frühzeitig abschätzen zu können, empfiehlt es sich, die Druckfestigkeit bereits nach 7 Tagen zu bestimmen; die Festigkeitsdifferenz zwischen 7- und 28-TageWert ist wegen der schnellen Festigkeitsentwicklung bei Leichtbeton im Allgemeinen gering. Neben der Druckfestigkeit ist die Trockenrohdichte ein weiteres wichtiges Gütemerkmal von Leichtbeton. Deshalb unterteilt man die gefügedichten Leichtbetone neben der Druckfestigkeit als weitere Zielgröße auch nach Rohdichteklassen (Tabelle 5.33). Tabelle 5.33 Rohdichteklasse, Elastizitätsmodul und Wärmeleitfähigkeit von KonstruktionsLeichtbeton Rohdichteklasse
D1,0
D1,2
D1,4
D1,6
D1,8
D2,0
≥ 800 und ≤ 1000
> 1000 und
> 1200 und
> 1400 und
> 1600 und
> 1800 und
≤ 1200
≤ 1400
≤ 1600
≤ 1800
≤ 2000
Elastizitätsmodul [N/mm²]
5000
8000
11000
15000
19000
23000
Wärmeleitfähigkeit1 (Bemessungswerte) [W/(m⋅K)]
0,39 bis 0,49
0,49 bis 0,62
0,62 bis 0,79
0,79 bis 1,0
1,0 bis 1,3
1,3 bis 1,6
Rohdichtebereich [kg/m³]
1
Bei Quarzsandzusatz erhöhen sich die Bemessungswerte um 20 %.
5.9 Leichtbeton
375
Die Festbetonrohdichte hängt von der Zuschlagart und -menge ab und steigt im Allgemeinen mit steigender Druckfestigkeit an. Es ist daher nicht möglich, Rohdichte- und Festigkeitsklassen beliebig miteinander zu kombinieren. Da man bestrebt ist, bei bestimmter Festigkeit die Rohdichte möglichst niedrig zu halten, zwingt dies dazu, die Festigkeit mit einem möglichst geringen Vorhaltemaß zu erreichen.
Wärmedehnung, -leitfähigkeit Der Temperaturausdehnungskoeffizient T von Blähton und Blähschiefer beträgt 4 bis 6 ⋅ 10–6 K–1 und ist damit deutlich niedriger als bei den meisten normalen Gesteinskörnungen. Leichtbeton mit geschlossenem Gefüge weist einen T-Wert zwischen 5 und 12 ⋅ 10–6 K-1 auf; nach DIN 1045-1 sind 8 ⋅ 10–6 K–1 als Rechenwert anzusetzen. Damit ist die Wärmedehnung von Leichtbeton um 20 % niedriger als bei Normalbeton (Rechenwert: 10 ⋅ 10–6 K–1). Die Wärmeleitfähigkeit von Konstruktions-Leichtbeton hängt vor allem von der Zuschlagart und -menge ab. Mit zunehmender Rohdichte steigt die Wärmeleitfähigkeit an; Bemessungswerte für sind in Tabelle 5.33 enthalten. Im Brandfall bewirkt die höhere Wärmedämmung eine Verbesserung der Feuerwiderstandsfähigkeit und einen besseren Schutz der Stahleinlagen gegen vorzeitige, kritische Erwärmung.
Verhalten gegen Feuchtigkeit, Frost- und Tausalzwiderstand Da die Porosität der Zementsteinmatrix der des Normalbetons entspricht, ist bei gut gesinterter Oberfläche der Zuschlagkörner Wasseraufnahme und Wassereindringtiefe praktisch gleich der von vergleichbarem Normalbeton. Auch die Wasserdampfdurchlässigkeit entspricht ebenfalls der von Normalbeton. Bei Verwendung frostbeständigen Zuschlags und Beachtung der allgemeinen betontechnologischen Verarbeitungsvorschriften ist auch Leichtbeton, insbesondere bei Einsatz von LPZusatzmitteln, wie Normalbeton mit einem ausreichenden Frost- und Tausalzwiderstand herzustellen. Günstig wirkt sich der Einsatz von Zuschlägen aus, die möglichst wenig Wasser aufgenommen haben.
Korrosionsschutz der Bewehrung Durch die meist größere Gasdurchlässigkeit der Leichtzuschläge kann die Karbonatisierungstiefe gegenüber Normalbeton gegebenenfalls wesentlich vergrößert werden. Die Betondeckung muss daher außer für die Expositionsklasse XC1 mindestens 5 mm größer als der Größtkorndurchmesser sein. Kriechen und Schwinden Die Rechenwerte für Kriechen und Schwinden von Leichtbeton unterscheiden sich von vergleichbarem Normalbeton im Allgemeinen nicht wesentlich, weil der niedrigere E-Modul und die größere Zementleimmenge des Leichtbetons durch den geringen effektiven w/z-Wert im Allgemeinen ausgeglichen werden. Der zeitliche Verlauf des Schwindens wird stark durch die Kernfeuchte beeinflusst. Bei größerem Wassergehalt in den Kornporen muss insbesondere bei dünnwandigen Bauteilen wegen der dann sehr intensiven Austrocknung mit erhöhten Schwindmaßen gerechnet werden.
376
5 Beton
5.9.2.3 Hochfester Konstruktions-Leichtbeton
Festigkeitsklassen LC55/60 bezeichnet man allgemein als hochfesten Leichtbeton. Die Steigerung der Festigkeit wird wie bei Normalbeton durch Zugabe von Silikastaub und/oder Flugasche, Einsatz eines Fließmittels und einen niedrigen Wasser-Zement-Wert erreicht. Außerdem werden leichte Gesteinskörnungen mit höherer Kornfestigkeit eingesetzt. Einhergehend mit der Steigerung der Festigkeit und verbesserter Dauerhaftigkeit wegen der größeren Dichtigkeit ist jedoch eine Erhöhung der Sprödigkeit zu verzeichnen. 5.9.2.4 Anwendung, Wirtschaftlichkeit von Konstruktions-Leichtbeton
Da viele Leichtzuschläge gesondert hergestellt werden müssen, ist Konstruktions-Leichtbeton im Mittel teurer als Normalbeton. Die Mehrkosten können jedoch durch die direkten und indirekten Vorteile des Leichtbetons ausgeglichen werden. Bei günstigen Verhältnissen können sogar Kosten gespart werden. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ist daher die Betrachtung des gesamten Bauvorhabens notwendig. Für den Konstrukteur sind vor allem folgende Anwendungsvorteile des Leichtbetons von Bedeutung, aus denen sich eine Vielzahl besonders günstiger Einsatzgebiete ergeben: geringes Eigengewicht, und dadurch mögliche größere Spannweiten, einfachere Gründungen, sowie kleinere Fundamentabmessungen; bei Fertigteilen niedrigere Transport- und Montage-Lasten; geringere Bauhöhe, wenn Bewehrungsanteil beibehalten wird; bessere Wärmedämmung und günstigerer Feuerwiderstand; durch den langsameren Wärmeabfluss günstig beim Betonieren in der kalten Jahreszeit; gute Dämpfung bei Schwingungen und Erdbeben durch den niedrigeren E-Modul.
5.9.3 Wärmedämmender Leichtbeton Die ausschließlich oder überwiegend wärmedämmenden Leichtbetone mit haufwerksporigem Gefüge oder poriger Matrix sind auch mit den Arbeitsbegriffen „leichte Leichtbetone“ oder „sehr leichte Betone“ bekannt geworden. Ihr wesentliches Gütemerkmal ist das sehr große Wärmedämmvermögen, weniger die erzielbare Druckfestigkeit. Hierzu zählen alle Leichtbetone aus geblähtem Glimmer (Vermiculit), geblähtem Obsidian (Perlite) oder Blähglas, die überwiegend für Mörtel, Putze und Dämmplatten Verwendung finden. Betone und Mörtel für hochwärmedämmende Aufgaben lassen sich mit Rohdichten bis hinunter auf 0,2 kg/dm3 herstellen, die dann eine Wärmeleitzahl zwischen 0,05 und 0,10 W/(m · K) aufweisen. Allerdings haben solche Mörtel und Betone eine niedrige Druckfestigkeit von nur 0,2 bis 1,0 N/mm2, so dass sie sich im Wesentlichen nur selbst tragen. Häufig werden daher etwas festere Betone mit 1,0 bis 2,5 N/mm2 Druckfestigkeit bevorzugt, deren Trockenrohdichte bei 0,3 bis 0,5 kg/dm3 liegt und deren Wärmeleitfähigkeit dann mit 0,1 bis 0,25 W/(m · K) immer noch eine außergewöhnlich gute Wärmedämmung sicherstellt. Neben EPS-Leichtbeton lassen sich auch Porenbetone (Kapitel 7.5.1) bis hinunter auf 0,3 kg/dm3 herstellen. Den größten Marktanteil weisen Leichtbetone auf, die eine gute Wärmedämmung mit einer für viele tragende Bauteile ausreichenden Festigkeit verbinden. Hierzu
377
5.10 Literatur
zählen insbesondere die weit verbreiteten Hohlblock- und Vollsteine aus Naturbims und Blähton (siehe Abschnitt 7.6.1.4).
5.10 Literatur 5.10.1 Normen, Richtlinien 5.10.1.1 Normen Norm
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Baustoffmaschinen – Mischer für Beton und Mörtel – Teil 1: Begriffe, Leistungsermittlung, Größen
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Baustoffmaschinen – Mischer für Beton und Mörtel – Teil 2: Verfahren zur Prüfung der Mischwirkung von Betonmischern
DIN 1045-1
2008-08
Tragwerke Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 1: Bemessung und Konstruktion
DIN 1045-2
2008-08
Tragwerke Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 2: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität – Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1
DIN 1045-3
2008-08
Tragwerke Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 3: Bauausführung
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Tragwerke Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 4: Ergänzende Regeln für die Herstellung und die Konformität von Fertigteilen
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Hartstoffe für zementgebundene Hartstoffestriche – Anforderungen und Prüfverfahren
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Zement mit besonderen Eigenschaften – Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Normalzement mit besonderen Eigenschaften
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Zement mit besonderen Eigenschaften – Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Zement mit verkürztem Erstarren
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Zement mit besonderen Eigenschaften – Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Zement mit einem erhöhten Anteil an organischen Bestandteilen
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Verdichten von Beton durch Rütteln – Teil 2: Verdichten mit Innenrüttlern
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1978-12
Verdichten von Beton durch Rütteln – Teil 3: Verdichten bei der Herstellung von Fertigteilen mit Außenrüttlern
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Verdichten von Beton durch Rütteln – Teil 4: Verdichten von Ortbeton mit Schalungsrüttlern
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Prüfung von Festbeton – Teil 4: Bestimmung der Druckfestigkeit
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Prüfung von Festbeton – Teil 5: Biegezugfestigkeit von Probekörpern
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Prüfung von Festbeton – Teil 6: Spaltzugfestigkeit von Probekörpern
DIN EN 12390-7
2009-07
Prüfung von Festbeton – Teil 7: Dichte von Festbeton
DIN EN 12390-8
2009-07
Prüfung von Festbeton – Teil 8: Wassereindringtiefe unter Druck
DIN EN 12620
2008-07
Gesteinskörnungen für Beton
DIN EN 13055-1
2002-08
Leichte Gesteinskörnungen – Teil 1: Leichte Gesteinskörnungen für Beton, Mörtel und Einpressmörtel
DIN EN 13055-1 Ber1 2004-12
Berichtigung 1 zu DIN EN 13055-1:2002-08
5.10.1.2 Richtlinien des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb) Richtlinie (Kurztitel)
Ausgabe
Titel
WU-Richtlinie
2003-11
Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton
WU-Richtlinie Ber
2006-03
Berichtigung zur WU-Richtlinie 2003-11
Rezyklierte GK
2004-12
Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN 4226-100 – Teil 1: Anforderungen an den Beton für die Bemessung nach DIN 1045-1
Alkali-Richtlinie
2007-02
Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton (Alkali-Richtlinie) Teil 1: Allgemeines Teil 2: Gesteinskörnungen mit Opalsandstein und Flint Teil 3: Gebrochene alkaliempfindliche Gesteinskörnungen
Verzögerter Beton
1995-08
Beton mit verlängerter Verarbeitungszeit – Eignungsprüfung, Herstellung, Verarbeitung und Nachbehandlung
Massenbeton
2005-03
Massige Bauteile aus Beton
SVB-Richtlinie
2003-11
Selbstverdichtender Beton
---
2004-10
Beton beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
380
5 Beton
5.10.1.3 Regelwerke für den Straßenbau Regel
Ausgabe
Titel
TL Beton-StB 07
2007
Technische Lieferbedingungen für Baustoffe und Baustoffgemische für Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton
TP Beton-StB 07
2007
Technische Prüfvorschriften für Baustoffe und Baustoffgemische für Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton
ZTV Beton-StB 07
2007
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Tragschichten mit hydraulischen Bindemitteln und Fahrbahndecken aus Beton
TL Gestein-StB 07
2007
Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau
5.10.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [5.1] Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Bd. 2: Beton – Mauerwerk, 3. Auflage. Wiesbaden; Berlin : Bauverlag, 1996 [5.2] Dehn, F.; König, G.; Marzahn, G.: Konstruktionswerkstoffe im Bauwesen, 1. Auflage. Berlin : Ernst & Sohn, 2003 [5.3] Hiese, W. (Hrsg.): Scholz Baustoffkenntnis, 16. Auflage. Köln : Werner, 2007 [5.4] Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Zement-Taschenbuch 2008, 51. Ausgabe. Düsseldorf : Bau + Technik, 2008 [5.5] CEMEX Deutschland AG (Hrsg.): Baustofftechnische Daten, 19. Auflage 2005 [5.6] HeidelbergCement AG (Hrsg.): Betontechnische Daten, Ausgabe 2008 [5.7] Verein Deutscher Zementwerke (Hrsg.): Fahrbahndeckenbeton für Straßen. ZementMerkblatt Straßenbau S 1, Ausgabe 6.2007 [5.8] Verein Deutscher Zementwerke (Hrsg.): verschiedene Zement-Merkblätter Betontechnik, u. a.: B3: Betonzusätze – Zusatzmittel und Zusatzstoffe, Ausgabe 9.2005 B4: Frischbeton – Eigenschaften und Prüfungen, Ausgabe 1.2007 B5: Überwachen von Beton auf Baustellen, Ausgabe 5.2007 B6: Transportbeton, Ausgabe 10.2007 B7: Bereiten und Verarbeiten von Beton, Ausgabe 1.2008 B8: Nachbehandeln von Beton, Ausgabe 9.2009 B9: Expositionsklassen von Beton und besondere Betoneigenschaften, Ausgabe 3.2006 B10: Schwerbeton / Strahlenschutzbeton, Ausgabe 1.2002 B11: Massige Bauteile aus Beton, Ausgabe 7.2006 B13: Leichtbeton, Ausgabe 4.2008
381
5.10 Literatur
5.10.3 Internet-Adressen www.vdz-online.de
Verein Deutscher Zementwerke Download aller Zementmerkblätter, u. a. [5.7, 5.8], möglich
www.bdzement.de
Bundesverband der Deutschen Zementindustrie
www.beton.org
BetonMarketing Deutschland GmbH
www.heidelbergcement.de HeidelbergCement AG Download von [5.6] möglich
www.cemex.de
CEMEX Deutschland AG Download von [5.5] möglich
6 Mörtel
6.1 Allgemeines Mörtel sind Gemische aus Bindemittel, Gesteinskörnung und Wasser, gegebenenfalls unter Zugabe von Zusatzstoffen und/oder Zusatzmitteln; sie enthalten somit die gleichen Ausgangsstoffe wie Beton. Zur Abgrenzung zwischen Mörtel und Beton wird oft das Größtkorn der Gesteinskörnung herangezogen: bis 4 mm Größtkorn wird das Gemisch als Mörtel bezeichnet, bei 8 mm Größtkorn und mehr als Beton. Diese Abgrenzung wird allerdings nicht konsequent beibehalten: so spricht man z. B. von Estrichmörtel, obwohl das Größtkorn 8 mm – zum Teil sogar 16 mm – beträgt, und andererseits von Porenbeton oder auch von (ultra-)hochfestem Beton, obwohl das Größtkorn kleiner als 4 mm ist. Der Begriff Mörtel kennzeichnet im Allgemeinen ein Material, welches in dünnen Schichten bzw. in kleineren Teilbereichen eingesetzt wird, wie z. B. Mauermörtel, Putzmörtel, Estrichmörtel, Einpressmörtel oder Instandsetzungsmörtel.
6.1.1 Bestandteile Mörtel werden heutzutage meist als Werkmörtel, seltener als Baustellenmörtel verwendet. Wird der Mörtel auf der Baustelle gemischt, werden die Mörtelausgangsstoffe – im Gegensatz zum Beton – meist nach Raumteilen zusammengesetzt. Wasser wird nicht abgemessen, sondern so lange zugesetzt, bis die gewünschte Verarbeitungskonsistenz erreicht ist. Die Gesteinskörnungen, z. B. Quarzsand, bilden das mineralische Gerüst des Mörtels, das sich nicht verändert. Sie haben ferner (gemeinsam mit einem später verdunstenden Wasserüberschuss) die Aufgabe, den Mörtel porös zu machen, um z. B. bei einem Luftkalkmörtel den Zutritt von CO2 und somit vollständige Erhärtung zu ermöglichen. Weiterhin sorgen die Gesteinskörnungen dafür, dass der Mörtel beim Erhärten nicht zu sehr schwindet und nicht reißt, d. h. raumbeständig bleibt. Als Sand für Baumörtel werden vorwiegend mineralische Sande verwendet, in den meisten Fällen rundkörniger Natursand. Der Einsatz von Brechsand ist grundsätzlich möglich; Brechsande liefern aber wegen ihrer scharfkantigen Körner weniger gut verarbeitbare Mörtel. Vorsicht ist bei Verwendung von Schlackensand geboten, da dieser mörtelschädliche Bestandteile enthalten kann, die später Ausblühungen verursachen. Gemischtkörnige Sande sind vorzuziehen. Besonders geeignet sind Sandmischungen aus rundem oder gedrungenem Korn, bei denen der Anteil mit einem Korndurchmesser von 0 bis 0,25 mm im Bereich zwischen 10 und 25 M.-%, der Anteil 0,25 bis 1 mm zwischen 30 bis 40 M.-% liegt. Sind weniger als 10 M.-% Feinsand (0 bis 0,25 mm) in der Gesteinskörnung enthalten, muss dem Mörtel, um ihn besser verarbeiten zu können, mehr Bindemittel zugegeben werden. Ein solcher Bindemittelüberschuss erhöht jedoch die Gefahr der Bildung von Schwindrissen.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_6, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
384
6 Mörtel
Um die Wärmedämmung zu verbessern, können dem Mörtel Leichtzuschläge zugegeben werden; derartige Leichtmörtel werden sowohl als Putzmörtel, aber auch als Mauermörtel verwendet. Das Bindemittel, mit Wasser angemacht, umhüllt als Leim die einzelnen Sandkörner und füllt die Zwischenräume zwischen den umhüllten Sandkörnern aus. Beim Erhärten schrumpft das Bindemittel; die dadurch entstehenden Schrumpfporen sowie die durch das Verdunsten des Überschusswassers entstehenden Hohlräume bewirken die notwendige Porigkeit (Porosität) des Mörtels. Das Mischungsverhältnis von Mörteln wird in der Form Bindemittel : Sand angegeben; bei einem Mischungsverhältnis von 1 : 3 ist demnach der Sandanteil dreimal so hoch wie der Bindemittelanteil, wobei die Angabe im Allgemeinen in Raumteilen erfolgt. Das Mischungsverhältnis ist abhängig vom Verwendungszweck des Mörtels, von der Bindemittelart und von der Haufwerksporigkeit des Sandes. Bindemittelarme (magere) Mörtel sind wenig fest, sie sanden leicht ab; bindemittelreiche (fette) Mörtel schwinden stark und können unter Umständen Schwindrisse bilden. Eine Ausnahme bilden hier die Mörtel mit gipshaltigen Bindemitteln, diese sind raumbeständig oder können teilweise sogar geringfügig quellen. Das Anmachwasser (Mörtelwasser) soll frei von Salzen, Ölen, Fetten und Zucker sein. Geeignet sind im allgemeinen Regenwasser, Leitungswasser und Süßwasser aus Seen, Flüssen, Bächen, Brunnen und Quellen, sofern diese nicht durch Abwässer von chemischen Fabriken, Kokereien usw. verunreinigt sind. Bei der Verwendung von Meerwasser können evtl. Ausblühungen auftreten bzw. der Korrosionsschutz von Stahleinlagen gefährdet sein. In Zweifelsfällen werden Probemörtel mit dem verdächtigen Wasser hergestellt und untersucht. Zusätze, d. h. Zusatzstoffe und Zusatzmittel, können dem Mörtel ähnlich wie beim Beton zugegeben werden. Zusätze dürfen keinen schädigenden Einfluss auf den Mörtel ausüben, d. h. sie dürfen das Erhärten des Bindemittels, die Festigkeit und die Beständigkeit des Mörtels sowie gegebenenfalls den Korrosionsschutz von Bewehrungen oder stählernen Verankerungen im Mörtel nicht beeinträchtigen. Zusatzstoffe sind fein verteilte Zusätze, die die Mörteleigenschaften beeinflussen und im Gegensatz zu den Zusatzmitteln in größerer Menge zugegeben werden. Zusatzmittel sind Zusätze, die die Mörteleigenschaften durch chemische und/oder physikalische Wirkungen verändern und in geringerer Menge zugegeben werden. Es handelt sich dabei hauptsächlich um: Dichtungsmittel, die den Mörtel wasserabweisend machen sollen; Stoffe zum Verlängern bzw. Verkürzen der Erstarrungszeit; Stoffe, welche die Verarbeitungseigenschaften des Mörtels verbessern; Farbstoffe; Frostschutzmittel; Haftvermittler, die den Haftverbund zwischen Mörtel und Stein günstig beeinflussen. Alle diese Zusatzmittel sind mit Vorsicht, d. h. nur unter genauer Beachtung der Verarbeitungsvorschriften, zu verwenden; im Zweifelsfall muss man Vorversuche (Mörteleignungsprüfung) durchführen, um schädliche Wirkungen zu vermeiden.
6.1 Allgemeines
385
6.1.2 Mörtelarten Je nach Verwendungszweck werden an die Mörtel ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt. Aus diesem Grunde gibt es keinen Standardmörtel, der überall verwendet werden kann, sondern eine Reihe von Mörtelarten für die unterschiedlichsten Beanspruchungen. Nach der Art der Verwendung unterscheidet man z. B. Mauermörtel, Putzmörtel, Fugenmörtel, Estrichmörtel, Einpressmörtel, feuerfeste Mörtel usw. Je nach Art des verwendeten Bindemittels wird zwischen Gipsmörtel, Gipskalkmörtel, Kalkmörtel, Kalkzementmörtel, Zementmörtel usw. unterschieden. Nach dem Erhärtungsvorgang unterscheidet man zwischen nichthydraulischen Mörteln, die an der Luft erhärten, und hydraulischen Mörteln, die – gegebenenfalls nach einer kurzen Vorerhärtungszeit an der Luft – auch unter Wasser erhärten.
6.1.3 Mörtelherstellung Der Mörtel kann auf der Baustelle oder in einem Mörtelwerk hergestellt werden. Der Anteil des Baustellenmörtels ist sehr gering geworden, heutzutage wird überwiegend Werkmörtel verwendet. Nach dem Herstellungskonzept wird zwischen Mörtel nach Eignungsprüfung und Rezeptmörtel unterschieden. Werkmörtel werden stets nach dem Eignungsprüfungskonzept hergestellt, d. h. der Hersteller legt die Zusammensetzung und das Herstellverfahren so fest, dass bestimmte Eigenschaften erreicht werden; diese Eigenschaften werden dann im Rahmen der Eignungsprüfung überprüft. Baustellenmörtel hingegen wird meist als Rezeptmörtel hergestellt, bei denen bestimmte vorgegebene Mischungsverhältnisse („Rezepte“) einzuhalten sind. Die Eigenschaften dieser Mörtel können aufgrund der umfangreichen vorliegenden Erfahrungen aus den angegebenen Anteilen der Bestandteile abgeleitet werden. 6.1.3.1 Baustellenmörtel
Bei der Herstellung des Mörtels auf der Baustelle müssen Maßnahmen für die trockene und witterungsgeschützte Lagerung der Bindemittel, Zusatzstoffe und Zusatzmittel und eine saubere Lagerung der Gesteinskörnung getroffen werden. Um eine gleichmäßige Mörtelzusammensetzung zu gewährleisten, müssen für das Abmessen der Mörtelausgangsstoffe Waagen oder Zumessbehälter (z. B. Behälter oder Mischkästen mit volumetrischer Einteilung) verwendet werden. Das Zumessen mit der Schaufel ist zu ungenau und daher unter allen Umständen abzulehnen. Die in den Normen angegebenen Mischungsverhältnisse Bindemittel : Sand beziehen sich auf Sand im lagerfeuchten Zustand, d. h. mit etwa 2 bis 4 M.-%, i. M. 3 M.-% Feuchte. In diesem Feuchtebereich weisen Sande eine geringe Schüttdichte auf; sowohl bei trockenen als auch bei sehr nassen Sanden ist die Schüttdichte wegen der dichteren Lagerung der Körner größer. Beim Zumessen solcher Sande müssen deshalb die vorgeschriebenen Sandmengen ihrem Feuchtegehalt entsprechend verringert werden.
386
6 Mörtel
Die Ausgangsstoffe müssen im Mischer so lange gemischt werden, bis ein augenscheinlich gleichmäßiges Gemisch entstanden ist. Eine Mischanweisung ist deutlich sichtbar am Mischer anzubringen. Die angegebenen Mischungsverhältnisse liefern – ausreichende Mischdauer vorausgesetzt – gut verarbeitbare Mörtel mit ausreichenden Festmörteleigenschaften. Ungleichmäßige Mörtelmischungen verursachen Mängel und Schäden, so z. B. fleckige und streifige Putzflächen. Das Mischen in der Maschine ist besser als das Mischen von Hand. Ist Letzteres nicht zu vermeiden, sollte das Mischen der Mörtelstoffe von Hand mit sehr großer Sorgfalt und niemals auf gewachsenem Boden, sondern stets auf einer festen Unterlage (Bohlenbelag oder Blechtafel) erfolgen. Zu empfehlen ist folgender Mischvorgang: Zunächst wird ungefähr die Hälfte der erforderlichen Wassermenge in die Maschine gegeben und dann die halbe Sandmenge. Nach gründlicher Durchmischung werden Bindemittel und der restliche Sand hinzugefügt. Erst nach weiterem Mischen und Steifwerden der Masse wird der letzte Rest des Anmachwassers beigegeben. Um ein gleichmäßiges Mörtelgemisch zu erzielen, ist ausreichend lange zu mischen; der Mischvorgang sollte mindestens 3 min dauern, wenn die Gesamtmenge an Bindemittel und Sand im Mischer enthalten ist. Als Gesamtmischdauer ist eine Mindestzeit von 5 min empfehlenswert. 6.1.3.2 Werkmörtel
Werkmörtel ist ein im Werk genau dosiert zusammengesetzter Mörtel; Werkmörtel wird in folgenden Formen geliefert: Werk-Trockenmörtel ist ein Gemisch der Ausgangsstoffe Bindemittel und ofentrockener Sand, dem auf der Baustelle nur Wasser laut Anweisung der Herstellervorschrift zugegeben wird (Zugabe anderer Stoffe ist unzulässig!). Trockenmörtel wird als Sack- oder Siloware geliefert; bei trockener Lagerung muss er mindestens 4 Wochen verwendungsfähig sein. Werk-Vormörtel wird als Gemisch aus Luftkalk oder hydraulischem Kalk 2, Gesteinskörnungen und ggf. Zusätzen angeliefert; in den europäischen Normen wird hierfür die Bezeichnung Kalk-Sand-Werk-Vormörtel verwendet. Auf der Baustelle wird zusätzliches Bindemittel nach Herstellerangabe – z. B. Zement, um Kalkzementmörtel zu erhalten – und Wasser zugegeben. Werk-Vormörtel ist vor allem in Norddeutschland verbreitet. Werk-Frischmörtel ist ein gebrauchsfertiger Mörtel, der wie Transportbeton in verarbeitbarer Konsistenz auf die Baustelle geliefert wird. Werk-Frischmörtel wird in den Mörtelgruppen II, II a und III hergestellt. Diesem Mörtel sind abbindeverzögernde Zusatzmittel (VZ) zugesetzt, die den gelieferten Mörtel für bis zu 36 Stunden verarbeitbar halten. Nach dem Verarbeiten, d. h. in der Mörtelfuge oder an der Wand, erhärtet der Mörtel sehr viel rascher. Beim Mehrkammer-Silomörtel wird ein Silo werkmäßig mit den Ausgangsstoffen in getrennten Kammern befüllt. Auf der Baustelle werden sie unter Wasserzugabe nach einem vom Lieferwerk eingestellten, auf der Baustelle nicht zu verändernden Programm gemischt und am Mischerauslauf als verarbeitungsfähiger Mörtel entnommen.
387
6.1 Allgemeines
Werk-Vormörtel, dem auf der Baustelle Zement zugegeben werden soll, und Trockenmörtel müssen auf der Baustelle grundsätzlich maschinell, d. h. in einem Mischer, gemischt werden. Werkmörteln dürfen auf der Baustelle keine Gesteinskörnungen oder Zusätze zugegeben werden.
6.1.4 Allgemeine Prüfverfahren für Mörtel Allgemeine Prüfverfahren, die bei mehreren Mörtelarten – z. B. bei Putz- und Mauermörtel – Anwendung finden, werden in diesem Kapitel behandelt; hierzu zählen u. a. die Prüfung von Konsistenz, Rohdichte, Biegezug- und Druckfestigkeit usw. Spezielle Prüfmethoden für einzelne Mörtelarten werden in den zugehörigen Kapiteln dargestellt. 6.1.4.1 Probenahme, Herstellung von Prüfmörteln
Die Zusammensetzung der Proben muss immer repräsentativ für die durchschnittliche Zusammensetzung der zu untersuchenden Charge sein. Nach DIN EN 1015-2 müssen mindestens drei gleichmäßig über die Charge verteilte Zugriffsmengen entnommen und durch sorgfältiges Mischen zu einer Sammelprobe vereint werden. Aus der Sammelprobe wird das für die Untersuchungen benötigte Material als Teilprobe von mindestens 10 kg entnommen. Grundsätzlich soll Frischmörtel, der zu Prüfzwecken oder zur Herstellung von Prüfkörpern verwendet wird, möglichst in anwendungsgerechter Konsistenz vorliegen. Bei Trockenmörteln erfolgen Wasserzugabe und Mischen nach den Angaben des Mörtelherstellers. Sofern nichts anderes festgelegt wurde, ist die Frischmörtelprobe auf ein Ausbreitmaß nach Tabelle 6.1 einzustellen; der zur Einstellung dieser Konsistenz erforderliche Wassergehalt ist durch Versuchsmischungen festzustellen. Tabelle 6.1 Definiertes Ausbreitmaß verschiedener Mörtelarten, bezogen auf die Rohdichte des Frischmörtels Rohdichte des Frischmörtels in kg/m³
Ausbreitmaß in mm
> 1200
175 ± 10
> 600 bis 1200
160 ± 10
> 300 bis 600
140 ± 10
300
120 ± 10
6.1.4.2 Konsistenz
Die Konsistenz von Frischmörtel wird entweder mit dem Ausbreittisch (DIN EN 1015-3) oder mit dem Eindringgerät (DIN EN 1015-4) bestimmt. Die beiden Prüfgeräte wurden bereits in Abschnitt 4.2.5.6 beschrieben und in den Bildern 4-5 und 4-6 dargestellt.
388
6 Mörtel
Zwischen Ausbreitmaß und Eindringtiefe besteht bei zunehmendem Wassergehalt in der Regel eine lineare Korrelation. Dieser Zusammenhang gilt jedoch nur für ein und dieselbe Mörtelart; verschiedene Mörtelarten ergeben unterschiedliche Kurven. Ausbreittisch
Zur Bestimmung des Ausbreitmaßes wird der zu untersuchende Mörtel in zwei Schichten, die jeweils leicht mit einem Stampfer zu verdichten sind, in eine auf der Tischplatte des Ausbreittisches stehende Kegelstumpfform (Setztrichter) eingefüllt. Der überstehende Mörtel wird abgestrichen und der Setztrichter nach ca. 30 s langsam senkrecht nach oben abgezogen. Der Mörtel wird dann auf der Tischplatte mit 15 Hubstößen ausgebreitet und der Durchmesser des ausgebreiteten Mörtels gemessen (siehe Bild 4-5). Eindringgerät
Der Mörtel wird in zwei Lagen in das zylindrische Gefäß eingefüllt, wobei jede Lage durch 10 Stöße mit einem Stampfer verdichtet wird; überstehender Mörtel wird mit einem Lineal abgestrichen. Das gefüllte Gefäß wird auf die Grundplatte gesetzt. Nach Lösen der Feststellschraube fällt der Fallkörper aus seiner Ausgangsstellung im freien Fall herab; die Eindringtiefe in den Mörtel wird an der Skala an der oberen Führungsbuchse abgelesen (siehe Bild 4-6). 6.1.4.3 Rohdichte von Frischmörtel
Zur Bestimmung der Rohdichte nach DIN EN 1015-6 wird ein zylindrisches Messgefäß mit 1 dm³ Fassungsvermögen mit Frischmörtel befüllt und anschließend verdichtet. Die Art der Verdichtung richtet sich nach der Konsistenz des Frischmörtels (siehe Tabelle 6.2). Die Rohdichte wird als Quotient aus der Mörtelmasse (= Massendifferenz zwischen gefülltem und leerem Gefäß) und dem Gefäßvolumen ermittelt. Tabelle 6.2 Mörtelkonsistenz und Verdichtungsart Konsistenzbereich steif plastisch weich
Ausbreitmaß in mm < 140
Verdichtungsart Einfüllen und Verdichten durch Rütteln
140 ... 200
Einfüllen und Verdichten durch Schocken
> 200
Einfüllen, keine zusätzliche Verdichtung
6.1.4.4 Luftgehalt
Der Luftgehalt des Frischmörtels wird nach DIN EN 1015-7 entweder nach dem Druckverfahren oder nach dem Alkoholverfahren bestimmt. Das Druckverfahren (Druckausgleichsverfahren) entspricht der gleichen Methode wie bei der Prüfung des LP-Gehaltes von Beton (siehe Abschnitt 5.3.5); allerdings wird bei Mörtel anstelle des 8-l-Topfes ein LP-Topf von 1 dm3 Inhalt verwendet. Dieses Verfahren kann nur bei Luftgehalten bis maximal 20 Vol.-% angewendet werden.
389
6.1 Allgemeines
Bei Luftgehalten von mehr als 20 Vol.-% ist das Alkoholverfahren anzuwenden. Hierbei werden etwa 200 ml Mörtel hohlraumfrei in einen Messzylinder mit 50 mm Durchmesser gefüllt. Die Mörteloberfläche wird durch Klopfen an den Messzylinder geglättet; das Mörtelvolumen Vm,i wird abgelesen. Anschließend wird ein Alkohol-Wasser-Gemisch (60 Vol.-% Ethanol, 40 Vol.-% Wasser) vorsichtig bis zur 500-ml-Markierung eingefüllt. Der Messzylinder wird mit einem Gummistopfen verschlossen und zwanzigmal umgedreht, um den Mörtel vollständig im EthanolWasser-Gemisch zu verteilen. Nach 5 min Wartezeit wird der Flüssigkeitsstand Vm,f abgelesen. Dieser Vorgang ist so oft zu wiederholen, bis zwei aufeinander folgende Ablesungen um nicht mehr als 1 ml voneinander abweichen. Der Luftgehalt L der Mörtelprobe wird nach folgender Formel berechnet und in Vol.-% angegeben:
L=
(500 − Vm,f ) Vm,i
⋅ 100 [Vol.-%]
(6.1)
6.1.4.5 Trockenrohdichte von Festmörtel
Die Trockenrohdichte wird nach DIN EN 1015-10 an drei Prismen mit den Maßen 40 mm × 40 mm × 160 mm bestimmt. Die Prüfkörper werden im Trockenschrank bei einer Temperatur von (100 ± 5) °C bis zur Massenkonstanz getrocknet. Die Massenkonstanz gilt als erreicht, wenn die Ergebnisse von zwei aufeinander folgenden Wägungen im Abstand von 2 h während des Trocknens um höchstens 0,2 % der Masse des trockenen Prüfkörpers voneinander abweichen. Das Verfahren kann bei Normalmörtel, Leichtmörtel und Dünnbettmörtel angewendet werden. Bei Proben, die organische Bestandteile enthalten, wie z. B. Zuschlag aus Polystyrol, beträgt die Trocknungstemperatur (60 ± 5) °C. 6.1.4.6 Biegezug- und Druckfestigkeit von Festmörtel
Die Biegezug- und Druckfestigkeit von Festmörteln ist nach DIN EN 1015-11 an drei Prismen mit den Maßen 40 mm × 40 mm × 160 mm im Alter von 28 Tagen zu ermitteln; bei verzögerten Mörteln ist ggf. ein späterer Prüfzeitpunkt zu vereinbaren. Je nach Art des verwendeten Bindemittels sind die Probekörper unterschiedlich vorzubereiten und während der ersten 7 Tage unterschiedlich zu lagern (siehe Tabelle 6.3). Die Festigkeitsprüfung erfolgt analog zur Zementprüfung, jedoch sind die Belastungsgeschwindigkeiten nach DIN EN 1015-11 Anhang B auf die jeweilige Mörtelkategorie abzustimmen.
390
6 Mörtel
Tabelle 6.3 Vorbereitung und Lagerung der Probekörper Mörtelart
Vorbereitung nach DIN EN 1015-11, Abschnitt…
Lagerungsdauer in Tagen bei einer Temperatur von (20 ± 2) °C relative Luftfeuchte (95 ± 5) % oder im Plastikbeutel
(65 ± 5) %
in der Form
ausgeschalt
ausgeschalt
Luftkalk-Mörtel
7.2.3
5
2
21
Luftkalk-Zementmörtel mit einem Zementanteil ≤50 % der Gesamtmasse des Bindemittels
7.2.3
5
2
21
Zementmörtel und Luftkalk-Zementmörtel mit einem Luftkalkanteil ≤50 % der Gesamtmasse des Bindemittels
7.2.2
2
5
21
Mörtel mit anderen hydraulischen Bindemitteln
7.2.2
2
5
21
Verzögerte Mörtel
7.2.2
5
2
21
6.1.4.7 Kapillare Wasseraufnahme von Festmörtel
Aus dem zu untersuchenden Mörtel werden nach DIN EN 1015-18 drei Prismen 40 mm × 40 mm × 160 mm hergestellt, wobei die Prismenform vor dem Füllen mit Filterpapier auszulegen ist; nach dem Füllen wird auf die abgezogene Mörteloberfläche ebenfalls ein Filterpapier gelegt. Die Proben werden gemäß Tabelle 6.3 bis zum Alter von 28 Tagen gelagert. Die vier Längsseiten der Probekörper werden mit einem Abdichtmittel (z. B. Paraffinwachs oder Kunstharz mit einem Schmelzpunkt über 60 °C) abgedichtet; anschließend werden die Probekörper in zwei Hälften gebrochen. Nach Trocknung bei (60 ± 5) °C bis zur Massenkonstanz (siehe 6.1.4.5) werden die Prüfkörperhälften mit der Bruchfläche nach unten zeigend 5 bis 10 mm tief in eine mit Wasser gefüllte Schale gestellt. Nach einer Eintauchzeit von 10 min werden – Sanierputzmörtel ausgenommen – die Prüfkörper aus der Schale entnommen, mit einem feuchten Tuch abgewischt und gewogen (m1). Unmittelbar danach werden die Prüfkörper erneut in die Schale gestellt; nach 90-minütiger Eintauchzeit erfolgt eine zweite Wägung (m2).
6.2 Mauermörtel
391
Der Koeffizient der kapillaren Wasseraufnahme C wird nach folgender Gleichung berechnet: C = 0,1⋅ (m2 − m1) [kg/(m²·min0,5)]
(6.2)
Bei Sanierputzmörteln werden die Prüfkörper nach der Trocknung (m0) und nach einer Eintauchzeit von 24 h (m3) gewogen. Unmittelbar nach der zweiten Wägung werden die Prüfkörper in Längsrichtung gespalten, und die Höhe der Wassereindringung wird gemessen. Nur bei Sanierputzmörteln wird die Wasseraufnahme C nach 24 h nach folgender Gleichung ermittelt und in kg/m² angegeben: C = 0,625 ⋅ (m3 − m0 ) [kg/m²]
(6.3)
6.2 Mauermörtel 6.2.1 Allgemeines Mauermörtel wird zur Herstellung von Mauerwerk verwendet, wobei der Mörtel folgende Aufgaben erfüllt: eine kraftschlüssige Verbindung zwischen den Mauersteinen so herzustellen, dass Druck-, Zug-, Scher- und Biegebeanspruchungen aufgenommen werden können, so dass ein zusammenhängender Baustoff Mauerwerk entsteht; die Zwischenräume zwischen den Mauersteinen vollfugig zu verfüllen, um folgende Punkte zu gewährleisten: eine Druckausgleichsschicht zur gleichmäßigen Kraftübertragung; den Feuchtigkeitsschutz; den Wärmeschutz; den Schallschutz; den Brandschutz; die Maßabweichungen der Steine auszugleichen, d. h. durch 1 bis 2 cm dicke Fugen, bei üblichem Mauerwerk, größere Toleranzen in den Abmessungen der Mauersteine zu ermöglichen. Mauermörtel ist ein Gemisch aus einem oder mehreren anorganischen Bindemitteln (Zement, Baukalk, PM-Binder), Sand (mineralischen Ursprungs, gemischtkörnig), Wasser und gegebenenfalls Zusatzstoffen (Trass, Gesteinsmehl, Flugasche, Pigmente) und/oder Zusatzmitteln für Lager-, Stoß- und Längsfugen, Fugenglattstrich und nachträgliches Verfugen. Nach DIN V 18580 werden folgende Mörtelarten unterschieden: Normalmauermörtel (NM); Leichtmauermörtel (LM); Dünnbettmörtel (DM).
Normalmörtel sind Mörtel mit einer Trockenrohdichte von mindestens 1500 kg/m³, die unter Verwendung von Gesteinskörnungen mit dichtem Gefüge hergestellt werden; je nach Druck-
392
6 Mörtel
festigkeit werden sie in die Mörtelgruppen I, II, IIa, III und IIIa eingeteilt. Normalmörtel können als Baustellenmörtel oder als Werkmörtel hergestellt werden. Für Baustellenmörtel (als Rezeptmörtel) müssen die in Tabelle 6.4 angegebenen Mischungsverhältnisse eingehalten werden; außerdem werden besondere Anforderungen an die Gesteinskörnungen gestellt.
Leichtmörtel werden als Werk-Trockenmörtel oder als Werk-Frischmörtel mit einer Trockenrohdichte 1500 kg/m3 hergestellt; verwendet werden in der Regel Gesteinskörnungen mit porigem Gefüge (Leichtzuschläge) wie Perlite, Blähton, Bims, EPS-Kugeln usw. Leichtmörtel werden nach dem Rechenwert der Wärmeleitfähigkeit in die Mörtelgruppen LM 21 und LM 36 eingeteilt. Bei einer Trockenrohdichte 1000 kg/m3 werden die Mörtel als Wärmedämm-Mörtel eingestuft.
Dünnbettmörtel sind werkmäßig vorgefertigte Trockenmörtel zur Errichtung von Mauerwerk mit Lager- und Stoßfugendicken von etwa 1 bis 3 mm. Sie bestehen aus feinen mineralischen Gesteinskörnungen mit einem Größtkorn von 1 mm, Zement nach DIN EN 197, eventuell auch anorganischen Füllstoffen und geringen Anteilen von organischen Zusätzen (plastifizierende und verzögernde Wirkung, verbessertes Wasserrückhaltevermögen). Die organischen Bestandteile dürfen einen Massenanteil von 2 % nicht überschreiten. Wegen des unterschiedlichen Saugverhaltens der Mauersteine muss die Mörtelsorte auf die Steine abgestimmt werden. Tabelle 6.4 Mischungsverhältnisse (in Raumteilen) für Normalmauermörtel als Baustellenmörtel Mörtelgruppe MG
I
II
IIa III a
Luftkalk Kalkteig
Kalkhydrat
1 – – – 1,5 – – – – – –
– 1 – – – 2 – – 1 – –
Hydraulischer Kalk (HL2)
Hydraulischer Kalk (HL5), Putzund Mauerbinder (MC5)
Zement
Sanda aus natürlichem Gestein
– – 1 – – – 2 – – – –
– – – 1 – – – 1 – 2 –
– – – – 1 1 1 – 1 1 1
4 3 3 4,5 8 8 8 3 6 8 4
Die Werte des Sandanteils beziehen sich auf den lagerfeuchten Zustand.
393
6.2 Mauermörtel
An die Ausgangsstoffe zur Herstellung von Mauermörteln werden die in Tabelle 6.5 genannten Anforderungen gestellt. Bei Einsatz von Materialien, die die genannten Anforderungen nicht erfüllen, ist für die Verwendung des daraus hergestellten Mauermörtels eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Tabelle 6.5 Anforderungen an die Ausgangsstoffe
Bindemittel
Zemente nach DIN EN 197-1, die nach DIN 1045-2 für die Expositionsklasse XF 3 verwendet werden dürfen und Zemente nach DIN 1164-10, DIN 1164-11 und DIN 1164-12; Putz- und Mauerbinder nach DIN EN 413-1; Baukalke nach DIN EN 459-1.
Gesteinskörnungen
Als geeignet gelten die folgenden Gesteinskörnungsarten nach DIN EN 13139: natürliche Gesteinskörnungen; industriell hergestellte Gesteinskörnungen: Kristalline Hochofenstückschlacke, ungemahlener Hüttensand nach DIN 4301 und Schmelzkammergranulat; sowie die folgenden Gesteinskörnungsarten nach DIN EN 13055-1 (ggf. muss zusätzlich DIN V 20000-104 beachtet werden): natürliche Gesteinskörnungen: Lava (Lavaschlacke), Naturbims, Tuff; aus natürlichen Rohstoffen und/oder aus industriellen Nebenprodukten hergestellte Gesteinskörnungen: Blähglas, Blähglimmer (Vermikulit), Blähperlit, Blähschiefer, Blähton, gesinterte Steinkohlenflugasche-Pellets, Ziegelsplitt aus ungebrauchten Ziegeln; industrielle Nebenprodukte: Hüttenbims nach DIN 4301, Kesselsand. Baukalk nach DIN EN 459-1; Gesteinsmehle nach DIN EN 12620;
Zusatzstoffe
Trass nach DIN 51043; Flugasche nach DIN EN 450; Pigmente nach DIN EN 12878. Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2, DIN EN 934-3 oder mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung.
Zusatzmittel
Für andere Zusatzmittel ist die Unschädlichkeit nach den Zulassungsrichtlinien für Betonzusatzmittel durch Prüfung des Halogengehaltes und durch die elektrochemische Prüfung nachzuweisen.
6.2.2 Prüfverfahren für Mauermörtel Neben den allgemeinen Mörtelprüfverfahren, die in Abschnitt 6.1.4 beschrieben wurden, werden bei Mauermörteln zusätzlich die im Folgenden dargestellten Prüfverfahren angewandt. 6.2.2.1 Verarbeitbarkeitszeit, Korrigierbarkeitszeit
Die maßgeblichen Prüfverfahren sind in DIN EN 1015-9 festgelegt. Die Verarbeitbarkeitszeit entspricht derjenigen Zeit in min, nach deren Ablauf sich die Konsistenz des Frischmörtels um einen festgelegten Betrag geändert hat. Bei Normalmörtel
394
6 Mörtel
wird der Widerstand gegen das Eindringen eines genormten Eindringstabes gemessen; bei Dünnbettmörtel wird die Änderung des Ausbreitmaßes bestimmt. Die Korrigierbarkeitszeit wird an Dünnbettmörteln in Kombination mit einer festgelegten Mauersteinart bestimmt; das Verfahren eignet sich nicht für Hochlochsteine. Für die Untersuchungen werden ganze Mauersteine sowie daraus gesägte Würfel mit 50 mm Kantenlänge in ausreichender Zahl benötigt; sämtliche Proben werden zunächst getrocknet. Auf die Lagerflächen der Mauersteine wird eine 2 bis 3 mm dicke Schicht Dünnbettmörtel aufgebracht. Ein Würfel wird mit der aus einer Lagerfläche stammenden Kontaktfläche auf die Mörtelschicht aufgesetzt und nach 30 Sekunden langer zusätzlicher Belastung wieder abgehoben. Der prozentuale Anteil der mit Mörtel bedeckten Kontaktfläche des Würfels wird geschätzt und auf 10 % gerundet angegeben. Die Prüfungen sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu wiederholen. Die Korrigierbarkeitszeit ist diejenige Zeit in Minuten, nach der 50 % der Kontaktfläche eines Würfels noch mit Mörtel bedeckt ist. 6.2.2.2 Zusätzliche Druckfestigkeitsuntersuchungen
Neben dem allgemeinen in 6.1.4.6 beschriebenen Verfahren werden bei Mauermörteln noch weitere Prüfungen zur Druckfestigkeit durchgeführt. Die Saugfähigkeit der Mauersteine kann im Mauerwerk zu einer Veränderung der Mörteldruckfestigkeit in der Fuge führen. Deshalb wird bei Normal- und Leichtmauermörtel (nicht bei Dünnbettmörtel) die Fugendruckfestigkeit nach DIN 18555-9 nachgewiesen. Hierzu werden Probekörper hergestellt, bei denen der zu prüfende Mauermörtel zwischen zwei Mauersteinen vermauert wird. Im Alter von 28 Tagen werden die beiden Mauersteine abgetrennt, und aus der entstandenen Mörtelplatte werden Proben für die Festigkeitsprüfung entnommen. Bei der Prüfung müssen Kalksandsteine DIN V 106 – KS12 – 2,0 – NF als Referenzsteine verwendet werden. Es werden 3 Verfahren unterschieden. Bei Verfahren I wird beim Vermauern in die Lagerfuge ein Gitter mit einer Höhe gleich der Lagerfugendicke (etwa 12 mm) eingelegt; der Mörtel wird in die quadratischen Gitteröffnungen von 20 mm x 20 mm eingefüllt. Am Tage der Prüfung werden die Mauersteine abgetrennt, die entstandenen kleinen Prüfkörper aus dem Gitter entnommen und auf Druckfestigkeit geprüft. Bei Verfahren II werden aus der Mörtelplatte zwei Prüfkörper mit den ungefähren Maßen 80 mm x 80 mm (die Höhe entspricht der Lagerfugendicke von ca. 12 mm) geschnitten. Bei der anschließenden Druckfestigkeitsprüfung werden die Prüfkörper mittels quadratischem Druckstempel auf einer Teilfläche von 40 mm x 40 mm belastet. Verfahren III wird analog zu Verfahren II, jedoch an Prüfkörpern 50 mm x 50 mm mittels rundem Druckstempel mit 20 mm Durchmesser durchgeführt. Je nach Verfahren weichen die Ergebnisse aufgrund der unterschiedlichen Prüfkörpergeometrien deutlich voneinander ab. Die Verfahren II und III können auch zur Beurteilung von ausgeführtem Mauerwerk eingesetzt werden.
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6.2 Mauermörtel
Bei Dünnbettmörteln ist zusätzlich zur Druckfestigkeitsprüfung nach Abschnitt 6.1.4.6 die Druckfestigkeit nach Feuchtlagerung zu prüfen. Dazu werden Mörtelprismen bis zum Alter von 7 Tagen im Feuchtraum bei mindestens 95 % rel. LF, danach 7 Tage bei 65 % rel. LF und anschließend 14 Tage unter Wasser – jeweils bei 20 °C – gelagert. Der Festigkeitsabfall durch den Einfluss der Feuchtlagerung darf höchstens 30 % betragen. 6.2.2.3 Längs- und Querdehnungsmodul
Eine zu große Verformbarkeit des Mauermörtels wirkt sich festigkeitsmindernd auf das Mauerwerk aus; dies gilt insbesondere für Leichtmauermörtel. Deshalb schreibt DIN V 18580 Mindestwerte für den Längs- und Querdehnungsmodul von Leichtmauermörtel vor. Prismen mit den Abmessungen 100 mm x 100 mm x 200 mm werden stehend bis zu einem Drittel ihrer Druckfestigkeit belastet. Aus den auftretenden Längs- und Querdehnungen werden die jeweiligen Moduln als Sekantenmoduln berechnet (siehe 1.2.4.3). 6.2.2.4 Haftscherfestigkeit
Die Verbundfestigkeit zwischen Mauermörtel und Mauerstein wird indirekt über die Haftscherfestigkeit bestimmt. Für die Prüfung nach DIN EN 1052-3 wird ein 3-Stein-Prüfkörper mit zwei Lagerfugen verwendet (siehe Bild 6-1); nach DIN 18555-5 erfolgt die Prüfung an einem 2-Stein-Körper mit einer Lagerfuge. Aufgrund der unterschiedlichen Prüfanordnungen weichen die Prüfwerte stark voneinander ab; die nach DIN EN 1052-3 ermittelten Werte sind etwa halb so groß wie die nach dem bisher angewandten Prüfverfahren nach DIN 18555-5.
Bild 6-1 Haftscherfestigkeitsprüfung nach DIN EN 1052-3
6.2.3 Anforderungen an Mauermörtel 6.2.3.1 Allgemeine Anforderungen
Alle Mauermörtel müssen gut verarbeitbar sein, d. h. eine verarbeitungsgerechte Konsistenz aufweisen. Voraussetzung für leichtes und kellengerechtes Aufbringen, gute Haftung und
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6 Mörtel
Verformungswilligkeit des Mörtels sind Geschmeidigkeit, Plastizität und Wasserrückhaltevermögen des Frischmörtels. Dazu ist eine plastische Konsistenz erforderlich. Durch das Wassersaugen der Mauersteine wird einerseits die Grünstandfestigkeit (d. h. die „Festigkeit“ des Frischmörtels, ermöglicht durch Kohäsion und innere Reibung) verbessert, andererseits besteht aber bei Verwendung eines hydraulischen Mörtels die Gefahr des „Verdurstens“. Das Wasserrückhaltevermögen des Mörtels ist daher auf das Saugverhalten der Steine abzustimmen. Mauermörtel müssen ausreichend lange verarbeitbar sein; der Hersteller hat daher die Mindestverarbeitbarkeitszeit anzugeben. Der Chloridgehalt darf nicht größer als 0,1 M.-% bezogen auf die Trockenmasse des Mörtels sein. Luftporenbildner dürfen nur in einer solchen Menge zugeführt werden, dass die Trockenrohdichte des Mörtels um höchstens 300 kg/m³ vermindert wird. Für Mauermörtel nach Eignungsprüfung ist die Druckfestigkeit des Mauermörtels vom Hersteller anzugeben und in eine der folgenden Mörtelklassen einzuordnen: M 1 – M 2,5 – M 5 – M 10 – M 15 – M 20 – M d. Die Zahlenwerte geben die Mindestdruckfestigkeit in N/mm² an. „M d“ beschreibt eine Mörtelklasse, bei der die vom Hersteller angegebene Druckfestigkeit d > 25 N/mm² ist. Zusätzlich ist die Druckfestigkeit des Mörtels in der Fuge zu prüfen. Die Anforderungen an die Fugendruckfestigkeit gelten als erfüllt, wenn der Nachweis nach einem der drei in Tabelle 6.6 genannten Verfahren erfolgt ist. Weiterhin werden Anforderungen an die Verbundfestigkeit gestellt; sie können nach einem der beiden in Tabelle 6.7 genannten Verfahren nachgewiesen werden. Tabelle 6.6 Mindestanforderungen an die Fugendruckfestigkeit im Alter von 28 Tagen nach DIN V 18580 Mörtelart
a b
Mörtelgruppe
Fugendruckfestigkeita, b [N/mm²]
Mörtelklasse nach DIN EN 998-2
Verfahren I
Verfahren II
Normalmauermörtel
I II IIa III IIIa
M1 M 2,5 M5 M 10 M 20
– 1,25 2,5 5,0 10,0
– 2,5 5,0 10,0 20,0
– 1,75 3,5 7,0 14,0
Leichtmauermörtel
LM 21 LM 36
M5 M5
2,5 2,5
5,0 5,0
3,5 3,5
Dünnbettmörtel
DM
M 10
–
–
–
Verfahren III
Die Prüfung erfolgt nach DIN 18555-9. Die Prüfung der Fugendruckfestigkeit erfolgt mit Referenzsteinen (Kalksandsteine DIN 106-KS12-2,0-NF ohne Lochung bzw. Grifföffnung) mit einer Eigenfeuchte von 3 bis 5 M.-%.
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6.2 Mauermörtel
Tabelle 6.7 Mindestanforderungen an die Verbundfestigkeit im Alter von 28 Tagen nach DIN V 18580 Mörtelart
Verbundfestigkeita
Mörtelgruppe
charakteristische Anfangsscherfestigkeit (Haftscherfestigkeit)b [N/mm²]
Mindesthaftscherfestigkeit (Mittelwert)c [N/mm²]
bei Prüfung nach
a
b
c
d
DIN EN 1052-3d
DIN 18555-5
Normalmauermörtel
I II IIa III IIIa
– 0,04 0,08 0,10 0,12
– 0,10 0,20 0,25 0,30
Leichtmauermörtel
LM 21 LM 36
0,08 0,08
0,20 0,20
Dünnbettmörtel
DM
0,20
0,50
Die Prüfung der Anfangsscherfestigkeit (Haftscherfestigkeit) erfolgt mit Referenzsteinen (Kalksandsteine DIN 106-KS12-2,0-NF ohne Lochung bzw. Grifföffnung) mit einer Eigenfeuchte von 3 bis 5 M.-%. Die maßgebende Verbundfestigkeit ergibt sich aus dem ermittelten Wert der charakteristischen Anfangsscherfestigkeit (Haftscherfestigkeit) multipliziert mit dem Prüffaktor 1,2. Die maßgebende Verbundfestigkeit ergibt sich aus dem Prüfwert der Haftscherfestigkeit (Mittelwert) multipliziert mit dem Prüffaktor 1,2. Abweichend von DIN EN 1052-3 darf die Prüfung ohne Vorbelastung an 5 Prüfkörpern durchgeführt werden. Die charakteristische Anfangsscherfestigkeit (Haftscherfestigkeit) ergibt sich dann aus dem mit 0,8 multiplizierten Mittelwert.
6.2.3.2 Anforderungen an Normalmauermörtel
Normalmauermörtel der Mörtelgruppen I, II, IIa und III können bei Einhaltung der in Tabelle 6.4 angegebenen, in der Praxis erprobten Mischungsverhältnisse als Rezeptmörtel ohne weitere Eignungsprüfungen hergestellt werden. Bei Abweichung von den Mischungsverhältnissen sind – ebenso bei Mörtelgruppe IIIa – grundsätzlich Eignungsprüfungen durchzuführen. Mörtelgruppe IIIa (entspricht der Mörtelklasse M 20 nach DIN EN 998-2) ist wie MG III (M 10) ein Zementmörtel, bestehend aus 1 RT Zement + 4 RT Sand; die gegenüber MG III deutlich höhere Druckfestigkeit soll durch eine günstige Zusammensetzung des Sandes erreicht werden. Bei Verwendung von Normalmauermörtel beträgt die Solldicke der Lagerfuge 12 mm.
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6 Mörtel
6.2.3.3 Anforderungen an Leichtmauermörtel
Die Wärmedämmeigenschaften von Mauerwerk hängen nicht nur von den verwendeten Steinen, sondern auch vom Mörtel ab. Normalmauermörtel weist wegen seiner relativ hohen Rohdichte eine hohe Wärmeleitfähigkeit auf; deshalb bilden Fugen aus Normalmauermörtel in einem mit wärmedämmenden Steinen gemauerten Mauerwerk stets eine Wärmebrücke. Durch die Verwendung von Leichtmauermörtel werden die Wärmedämmeigenschaften von Mauerwerk verbessert. Leichtmauermörtel werden nach ihrer Wärmeleitfähigkeit in die Gruppen LM 21 und LM 36 eingeteilt. Die Zahlen entsprechen dem 100-fachen Rechenwert der Wärmeleitfähigkeit λR, d. h. λR = 0,21 W/(m⋅K) für LM 21; λR = 0,36 W/(m⋅K) für LM 36. Die Trockenrohdichte darf im Alter von 28 Tagen für LM 21 höchstens 700 kg/m³ und für LM 36 höchstens 1.000 kg/m³ betragen; bei Einhaltung dieser Werte gelten die o. g. Anforderungen an die Wärmeleitfähigkeit ohne weitere Nachweise als erfüllt. Eine derartige Regelung ist möglich, weil die Wärmeleitfähigkeit unmittelbar von der wesentlich einfacher zu prüfenden Trockenrohdichte abhängt. Werden die Grenzwerte für die Trockenrohdichte jedoch überschritten, so muss die Wärmeleitfähigkeit durch Prüfung nach DIN EN 1745 nachgewiesen werden. Bei der Prüfung nach DIN EN 1745 wird die Wärmeleitfähigkeit λ10,trocken bestimmt; dabei darf der gemessene Wert bei LM 21 nicht größer als 0,18 W/(m⋅K) und bei LM 36 nicht größer als 0,27 W/(m⋅K) sein. Die Wärmeleitfähigkeit λ10,trocken entspricht dem bei einer Temperatur von 10 °C in trockenem Zustand ermittelten Messwert und weicht daher von dem für die Bezeichnung maßgebenden Rechenwert der Wärmeleitfähigkeit λR ab. Leichtmauermörtel werden immer als Werkmörtel, meist als Werk-Trockenmörtel geliefert; ihre Herstellung auf der Baustelle ist nicht zulässig. Die Solldicke der Lagerfugen beträgt bei Verwendung von Leichtmauermörtel wie bei Normalmauermörtel 12 mm. Die Druckfestigkeit von Leichtmauermörtel muss mindestens 5 N/mm2 betragen; dies entspricht der Mörtelgruppe II a bei Normalmörtel. Bei Verwendung von Leichtmauermörtel sind jedoch die Grundwerte der zulässigen Druckspannungen für Mauerwerk zu reduzieren, da bei gleicher Belastung trotz gleicher Festigkeit aufgrund des niedrigeren E-Moduls die Verformungen eines Leichtmörtels gegenüber einem Normalmörtel größer sind und dadurch größere Zugspannungen in den Wandbausteinen auftreten. Deshalb werden bei Leichtmauermörtel zusätzliche Anforderungen an den Quer- und Längsdehnungsmodul gestellt (siehe Tabelle 6.8). Tabelle 6.8 Anforderungen an die Verformbarkeit von Leichtmauermörtel im Alter von 28 Tagen
a
Leichtmauermörtel
Längsdehnungsmodul El a [N/mm²]
Querdehnungsmodul Eq a [N/mm²]
LM 21 LM 36
≥ 2.000 ≥ 3.000
≥ 7.500 ≥ 15.000
Prüfung nach DIN 18555-4
6.2 Mauermörtel
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6.2.3.4 Anforderungen an Dünnbettmörtel
Dünnbettmörtel besteht aus Zement, Sand mit einem Größtkorn von 1 mm und Zusätzen zur Plastifizierung und zur Erhöhung des Wasserrückhaltevermögens. Dünnbettmörtel wird als Werk-Trockenmörtel geliefert; ihm darf auf der Baustelle nur noch Wasser zugegeben werden. Dünnbettmörtel wird zur Vermauerung von Mauersteinen mit sehr geringen Maßabweichungen in der Steinhöhe ( 1,0 mm, so genannte „Plansteine“) verwendet. Mit Dünnbettmörtel vermörtelte Fugen haben eine Dicke von 1 bis 3 mm; das Aufbringen des Mörtels erfolgt üblicherweise mit einem Mörtelschlitten. Durch die Verwendung von Dünnbettmörtel kann der Fugenanteil im Mauerwerk deutlich verringert werden. Es entsteht ein praktisch fugenloses Mauerwerk, bei dem keine Wärmebrücken oder Fugenabzeichnungen auftreten; vorteilhaft ist auch die niedrige Baufeuchtigkeit durch den geringen Mörtelanteil. Dünnbettmörtel kann daher trotz seiner relativ hohen Trockenrohdichte für wärmedämmendes Mauerwerk eingesetzt werden. Wegen der geringen Fugendicke, der Maßhaltigkeit der Plansteine und der hohen Verbundfestigkeit zwischen Stein und Mörtel ist die Mauerwerksfestigkeit deutlich größer als bei Verwendung anderer Mörtelarten. Dünnbettmörtel ist daher vorteilhaft für hochbelastetes Mauerwerk. Die Druckfestigkeit muss mindestens 10 N/mm2 betragen; damit entspricht Dünnbettmörtel mindestens der Mörtelgruppe III. Nachteilig ist, dass bei hohen Anteilen der zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit zugegebenen organischen Zusätze und längerer Durchfeuchtung unter Umständen die Festigkeit stark herabgesetzt werden kann. Deshalb wird bei Dünnbettmörtel zusätzlich die Druckfestigkeit nach Feuchtlagerung geprüft; der Festigkeitsabfall infolge Feuchtlagerung darf maximal 30 % betragen. Außerdem werden folgende für die Verarbeitung relevanten Anforderungen gestellt: Verarbeitbarkeitszeit 4 Stunden (= Zeit vom Beginn des Anmachens bis zu merklicher Änderung der Konsistenz); Korrigierbarkeitszeit 7 Minuten (= Zeit, während der die Lage des vermauerten Steines noch korrigiert werden kann, ohne dass die Mörtelhaftung beeinträchtigt wird).
6.2.4 Anwendung der unterschiedlichen Mörtelgruppen Die Zusammensetzung und Konsistenz des Mörtels müssen ein vollfugiges Vermauern ermöglichen. Der Mörtel muss vor Beginn des Erstarrens verarbeitet sein. Mörtel unterschiedlicher Arten und Gruppen dürfen auf einer Baustelle nur dann gemeinsam verwendet werden, wenn sichergestellt ist, dass keine Verwechslung möglich ist. 6.2.4.1 Mörtelgruppe I
Mörtel der Mörtelgruppe I sind geschmeidige, gut zu verarbeitende Mörtel. MG I umfasst Kalkmörtel mit geringen Druckfestigkeiten (Druckfestigkeitsklasse M 1 nach DIN EN 998-2). Anforderungen hinsichtlich Fugendruckfestigkeit bzw. Verbundfestigkeit werden nicht gestellt.
400
6 Mörtel
Mauerwerk aus Mörtelgruppe I kann daher praktisch nur Druckspannungen aufnehmen. Hinsichtlich der Anwendung gelten folgende Einschränkungen: Die Verwendung von Mörtel der MG I ist nicht zulässig für Gewölbe und Kellermauerwerk, mit Ausnahme bei der Instandsetzung von altem Mauerwerk, das mit MG I gemauert ist; bei mehr als 2 Vollgeschossen und bei Wanddicken kleiner als 240 mm; bei zweischaligen Außenwänden ist die Dicke der Innenschale maßgebend; für das Vermauern der Außenschale bei zweischaligem Mauerwerk; für Mauerwerk nach Eignungsprüfung gemäß DIN 1053, Teil 2 und für bewehrtes Mauerwerk gemäß DIN 1053, Teil 3. Bei ungünstigen Witterungsverhältnissen (Nässe, niedrige Temperaturen) sollte MG I nicht verwendet werden; besser ist in diesen Fällen der Einsatz von MG II, da bei den hydraulischen Mörteln die Festigkeitsentwicklung im Mörtel schneller verläuft. 6.2.4.2 Mörtelgruppe II und II a
Die Mörtelgruppen II und IIa umfassen hochhydraulische Kalkmörtel, Mörtel mit Putz- und Mauerbinder und Kalkzementmörtel im mittleren Druckfestigkeitsbereich (M 2,5 bzw. M 5 nach DIN EN 998-2). Mörtel der MG II und IIa sind die vorherrschenden Mörtel. Sie haben in der Regel ausreichende Festigkeit und infolge ihres Kalkgehaltes die erforderliche Verarbeitbarkeit. MG IIa ist hinsichtlich der Festigkeitsentwicklung zwischen MG II und MG III einzuordnen. Für Normalmörtel gibt es keine Einschränkungen; sie sind geeignet für alle belasteten Wände auch im Kellergeschoss. MG II bzw. IIa sollten stets dann eingesetzt werden, wenn das Mauerwerk frühzeitig belastet werden soll. Normalmörtel der MG II und IIa dürfen nicht zusammen auf einer Baustelle verarbeitet werden (Verwechslungsgefahr!). Für Leichtmörtel gilt folgende Einschränkung: nicht zulässig für Gewölbe und der Witterung ausgesetztes Sichtmauerwerk (Verblendschalen). Die gleichzeitige Verwendung von Normalmörtel der MG II und von Leichtmauermörtel IIa auf einer Baustelle ist zulässig, da beide Mörtel so gut optisch zu unterscheiden sind, dass eine Verwechslungsgefahr nicht besteht. Werden bei zweischaligen Außenwänden Drahtanker in Leichtmörtel eingebettet, so ist dafür LM 36 erforderlich. 6.2.4.3 Mörtelgruppe III und III a
Mörtel der MG III und IIIa sind reine Zementmörtel mit entsprechend hohen Festigkeiten (M 10 bzw. M 20). Die Verarbeitungseigenschaften (Geschmeidigkeit, Fugenausfüllung) dieser reinen Zementmörtel sind meist schlechter als bei den Mörteln der anderen Gruppen. Deshalb enthalten sie meist Zusatzmittel oder Zusatzstoffe wie z. B. Kalkhydrat, Trass und andere.
6.2 Mauermörtel
401
Für die Anwendung der Mörtelgruppen MG III und MG IIIa gibt es keine Beschränkungen, ausgenommen bei Mauerwerk für freistehende Schornsteine (geforderte Mörtelfestigkeit 2,5 bis 8 N/mm2) und für Verblendschalen von zweischaligem Mauerwerk ohne Luftschicht; hier muss die Außenschale (ausgenommen nachträgliches Verfugen) und die Schalenfuge aus Mörtel der MG II oder IIa ausgeführt werden. Abweichend von dieser Einschränkung darf MG III auch für diejenigen Bereiche von Außenschalen verwendet werden, die als bewehrtes Mauerwerk ausgeführt werden. Für Dünnbettmörtel gelten folgende Einschränkungen: nicht zulässig für Gewölbe und für Mauersteine mit Maßabweichungen in der Höhe von mehr als 1,0 mm (Anforderungen an Plansteine). 6.2.4.4 Mauermörtel für Mauerwerk nach Eignungsprüfung
Beim Mauerwerk nach DIN 1053 wird zwischen Rezeptmauerwerk und Mauerwerk nach Eignungsprüfung unterschieden. Bei Rezeptmauerwerk nach DIN 1053-1 werden Grundwerte für die zulässigen Druckspannungen 0 des Mauerwerks in Abhängigkeit von Steinfestigkeitsklassen, Mörtelarten und Mörtelgruppen ermittelt. Die hierfür verfügbaren Tabellen unterscheiden jedoch nicht nach Steinart bzw. Steinsorte, so dass für die Festlegung der angegebenen Grundwerte 0 die jeweils ungünstigste Mauerstein-Mauermörtel-Kombination maßgebend ist. Hieraus ergeben sich für bestimmte Stein-Mörtel-Kombinationen ggf. hohe Sicherheitsreserven. Diese können genutzt werden, indem die Druckfestigkeit des Mauerwerks durch Eignungsprüfung versuchsmäßig bestimmt und daraus der Grundwert abgeleitet wird. Bei derartigem Mauerwerk nach Eignungsprüfung gemäß DIN 1053-2 können die Mauerwerksfestigkeiten um bis zu zwei Festigkeitsklassen höher liegen als bei Rezeptmauerwerk. Mauerwerk nach Eignungsprüfung wird mit Mauermörtel nach DIN 1053-1 hergestellt, jedoch dürfen Mörtel der MG I nicht verwendet werden. 6.2.4.5 Mauermörtel für bewehrtes Mauerwerk
Werden die zulässigen Spannungen in normalen Mauerwerkskörpern, die auf Biegung beansprucht sind, überschritten, so darf in den Fugen gerippter Betonstahl nach DIN 488-1 als Bewehrung eingelegt werden. Die Bewehrung darf nur in Normalmörtel der MG III oder der MG IIIa eingebettet werden. Zur Herstellung der unbewehrten Teile des Mauerwerks dürfen auch alle anderen Mörtel nach DIN 1053-1 außer Normalmörtel der MG I verwendet werden.
6.2.5 Kennzeichnung von Mauermörtel Mauermörtel, deren Konformität nach DIN EN 998-2 nachgewiesen ist, tragen die CEKennzeichnung. Produkte, die zusätzlich die Anforderungen der nationalen Restnorm DIN V 18580 erfüllen, werden mit CE- und Ü-Zeichen gekennzeichnet. Derartige Mauermörtel können ohne weitere Nachweise wie bisher für Mauerwerk nach DIN 1053 verwendet werden.
402
6 Mörtel
Bei Produkten, die allein die CE-Kennzeichnung tragen, muss zusätzlich DIN V 20000-412 berücksichtigt werden. In dieser Anwendungsnorm werden keine zusätzlichen Anforderungen gestellt, sondern es werden den Mörtelgruppen nach DIN 1053-1 die entsprechend erforderlichen Mörteleigenschaften nach DIN EN 998-2 zugeordnet. Allerdings fehlen in DIN EN 998-2 wichtige Eigenschaften wie die Fugendruckfestigkeit (für NM und LM), der Längs- und Querdehnungsmodul (für LM) sowie die Druckfestigkeit nach Feuchtlagerung (für DM). Aus diesem Grunde kann die Druckfestigkeit von Mauermörtel, der nur das CE-Zeichen trägt, nicht so hoch ausgenutzt werden wie bisher üblich, weshalb in DIN V 20000-412 für die einzelnen Mörtelgruppen höhere Druckfestigkeitsklassen gefordert werden.
Beispiel: Mörtelgruppe IIa nach DIN 1053 Die Restnorm DIN V 18580 fordert für MG IIa die Druckfestigkeitsklasse M 5 und zusätzlich den Nachweis der Fugendruckfestigkeit (siehe Tabelle 6.6). Nach der Anwendungsnorm DIN V 20000-412 muss die Fugendruckfestigkeit nicht nachgewiesen werden, allerdings wird für die Mörtelgruppe IIa eine höhere Druckfestigkeitsklasse (M 10) gefordert.
6.2.6 Sonstige Mauermörtel 6.2.6.1 Fugenmörtel
Um regendichtes Sichtmauerwerk herzustellen, ist zu beachten, dass die Fuge ebenso dicht sein muss wie der Stein. Zu bevorzugen ist die Verfugung durch Glattstrich (d. h. Mauern und Verfugen in einem Arbeitsgang) des Mauermörtels MG II oder MG IIa. Die nachträgliche Verfugung nach ca. 1,5 cm tiefem Auskratzen des Mauermörtels erfolgt mit einem Mörtel der MG II oder IIa, gegebenenfalls auch der MG III. Bei Verwendung eines gemischtkörnigen Sandes 0/2 mit einem Kornanteil 0/0,25 mm von 15 bis 25 M.-% erfordert dieser Mörtel keinen Zusatz eines Dichtungsmittels. Ein solcher Mörtel ist nicht nur sehr dicht, sondern auch außerordentlich fest und wenig elastisch. Zur Erhöhung der Geschmeidigkeit kann dem Fugenmörtel bis zu 20 M.-% Kalkhydratpulver zugesetzt werden; der Zementgehalt darf dabei nicht vermindert werden. Schwach plastische Mörtelkonsistenz gewährleistet einen fugendichten Gefügeschluss und verbesserte Wasserdichtigkeit. Fehlendes Feinstkorn kann durch Zugabe von Gesteinsmehl oder Trass ersetzt werden. Durch Einsatz von Gießmörtel bei Stoßfugen ist die erforderliche vollfugige Vermauerung sicher zu erreichen. Für schlagregenbeanspruchtes Verblendmauerwerk hat sich trasshaltiger Mörtel besonders bewährt, der durch den sehr feinkörnigen Trass eine besonders geschmeidige Verarbeitungskonsistenz aufweist und den erhärteten Mörtel elastischer macht. Die Trassanteile setzen durch vermehrte Gelbildung die Porosität des Mörtels herab und wirken außerdem Kalkausblühungen entgegen, da sie einen Teil des freien Kalkes [Ca(OH)2] binden, der bei der Hydratation des Zementes frei wird.
6.2 Mauermörtel
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Folgende Mischungsverhältnisse (in Raumteilen) werden bei trasshaltigen Mörteln empfohlen: hochhydraulischer Trasskalk (HL 5, fabrikfertig) : Sand = 1 : 2,5 (MG II); Portlandzement : hochhydraulischer Trasskalk (HL 5) : Sand = 1 : 2 : 8 (MG II a); Portlandzement : Trasspulver : Sand = 1 : 1 : 4...6 (MG III); Portlandzement : Trasspulver : Kalkhydrat : Sand = 0,5 : 1 : 1 : 7 (MG III). Bei Betonfertigteilen und Zwischenbauteilen aus Beton bis zur Festigkeitsklasse C50/60 werden Zementmörtel eingesetzt, die nach DIN 1045-2 folgende Anforderungen erfüllen müssen: Zement nach DIN EN 197-1 oder DIN 1164 (Zement muss für die jeweilige Expositionsklasse zugelassen sein); Zementgehalt mindestens 400 kg/m³; Gesteinskörnungen bis 4 mm, gemischtkörnig, sauber. 6.2.6.2 Schornsteinmörtel
Mauermörtel für Schornsteine müssen gegen die Einwirkung von Temperatur sowie von Rauch- und Abgasen beständig sein. Sie müssen nicht nur druckfest, sondern auch gut verformbar sein, um größere Temperaturspannungen infolge ungleicher Wärmedehnung zu vermeiden. Für Heiß- und Warmschornsteine eignen sich Mörtel der MG II oder MG IIa und Kalk-Zement-Mörtel aus 3 bis 4 Raumteilen (RT) Luftkalkhydrat, 1 RT Zement (meist CEM III), und 10 bis 12 RT Mauersand (Quarzsand 1mm). Andere Kalk-Zement-Mörtel dürfen verwendet werden, wenn ihre Druckfestigkeit zwischen 2,5 und 8 N/mm2 liegt. Die Zusammensetzung des Mörtels für Kaltschornsteine richtet sich nach der erforderlichen Festigkeit und der gegebenenfalls erforderlichen chemischen Widerstandsfähigkeit gegen Säureangriff. 6.2.6.3 Sondermörtel
Für spezielle Einsatzgebiete können bzw. müssen Sondermörtel verwendet werden, z. B. Mörtel für Glasbausteinwände, Mörtel für Betonformsteine, Gieß- oder Kolloidalmörtel, Klebemörtel, Mörtel für Gärfuttersilos usw.
6.2.7 Ausblühungen und Kalkauslaugungen An der Oberfläche von Mauerwerk oder Putz treten gelegentlich Verfärbungen auf, die auf sichtbare Ablagerungen meist weißer, seltener auch farbiger Substanzen zurückzuführen sind. Bei den Ausblühungen handelt es sich in den meisten Fällen um Sulfate oder Chloride. Nitrate („Mauersalpeter“) ist heute kaum noch anzutreffen; er bildet sich durch Eindringen von Jauche, Urin, Kunstdünger und anderen nitrathaltigen Wässern und führt zur völligen Zerstörung des Mauerwerks. Neben den Ausblühungen, die auf bleibend wasserlösliche Verbindungen zurückgehen, gibt es Verfärbungen, die zwar nach dem gleichen Prinzip entstehen, aber an der Oberfläche schnell wasserunlöslich werden, die Kalkauslaugungen (eigentlich Ausschwemmungen von Kalkanteilen, überwiegend an Neubauten) und Kalkaussinterungen. Sie entstehen durch Lösung kalkhaltiger Anteile und nachträglicher Wiederausfällung auf der Bauteiloberfläche.
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6 Mörtel
Allen Arten ist gemeinsam, dass sie nur durch (erhöhte) Wassereinwirkung entstehen und um so stärker und nachhaltiger in Erscheinung treten, je höher und länger die Feuchtigkeitseinwirkung ist. 6.2.7.1 Herkunft
Die ausblühenden Stoffe können aus dem Mörtel, aus den Ziegeln oder aus anderen Baustoffen herausgelöst sein. Die in den Rohstoffen enthaltenen, mit Wasser herauslösbaren Anteile, werden bei der Herstellung keramischer Produkte während des Brennens zum größten Teil ausgetrieben oder in unlösliche bzw. schwerlösliche Verbindungen überführt. Beim Vermauern können aber von den Ziegeln aus dem Mörtelanmachwasser mehr oder weniger große Anteile leichtlöslicher Verbindungen, vorzugsweise Alkalisulfate, aufgesogen werden, wenn die Ziegel vor dem Vermauern nicht genässt wurden. 6.2.7.2 Ursachen
In größerem Ausmaß können diese Bindemittelsalze aber vor allem dann in die Ziegel gelangen, wenn im Mauerwerk ein Wasserdurchfluss gegeben ist, was ein späteres Auslaugen des Mörtels zur Folge haben kann. Kann sich die entstehende Lösung durch den porösen Baustoff zu dessen Oberfläche bewegen, so scheiden sich beim Verdunsten des Wassers die gelösten Stoffe dort ab. Das Entstehen der Ausblühungen hat damit folgende wesentliche Voraussetzungen: die Anwesenheit löslicher Stoffe; die Einwirkung von Wasser; Porosität der Bauteile; witterungs- und konstruktionsbedingte Einflüsse, die ein Lösen und Transportieren der Salze ermöglichen. Nur das flüssige Wasser kann ausblühfähige Stoffe lösen und transportieren, weshalb die gelösten Substanzen stets an der Stelle abgeschieden werden, wo das Wasser verdunstet. Steigt die Verdunstungsgeschwindigkeit oder wird die Kapillarleitung des Bauteils behindert, so kommt es in steigendem Maße zur Verdunstung des Wassers innerhalb der Poren, und die Salze scheiden sich unter der Oberfläche des Bauteils ab, was auf Grund des Kristallisationsdrucks zu Absprengungen der Bauteiloberfläche führen kann. Die Ausblühneigung an der Oberfläche ist bei den genannten Voraussetzungen umso größer, je langsamer die Verdunstungsgeschwindigkeit ist. Diese Tatsache erklärt auch, warum Ausblühungen besonders im Frühjahr auftreten. Im Unterschied zu den Ausblühungen entstehen Kalkauslaugungen überwiegend an Neubauten, wenn das noch nicht karbonatisierte Calciumhydroxid aus den Mörtelfugen, manchmal auch nur aus dem Fugenmörtel, ausgelaugt wird. Bei Austritt des sich durch undichte Stellen des Fugennetzes bewegenden Wassers an der Bauteiloberfläche entstehen die typischen „Kalkfahnen“. Aussinterungen entstehen dagegen vor allem bei älterem Mauerwerk, wenn kohlensäurehaltiges Regenwasser über längere Zeit das Mörtelgitter durchsickern kann. Hierbei wird der
6.2 Mauermörtel
405
bereits als Calciumcarbonat abgebundene Kalk [CaCO3] in leichtlösliches Calciumhydrogencarbonat [Ca(HCO3)2] überführt und gelöst, das nach Austritt an der Wand wieder als unlösliches Carbonat ausgefällt wird („Tropfsteinhöhleneffekt“). Die Ursache der Kalkauslaugungen und -aussinterungen sind also Undichtigkeiten im Mauerwerk, wie unvermörtelte oder nicht haftschlüssig ausgefüllte Fugen usw. Beide Erscheinungen sind daher als Hinweis auf Vermauerungsfehler anzusehen. 6.2.7.3 Feuchtigkeitsquellen
In neu erstelltem Mauerwerk ist stets Feuchtigkeit (Mörtelanmachwasser, Neubaufeuchte) vorhanden. Bei sorgfältiger Ausführung kann diese in das Mauerwerk eingebrachte Feuchtigkeit nur dann Ausblühungen hervorrufen, wenn überhöhte Salzanteile vorliegen. In solchen Fällen verschwinden die Ausblühungen jedoch schnell, da der Wasser- und Salznachschub rasch nachlässt. Die bedeutsamste Feuchtequelle für die Entstehung von Ausblühungen, Auslaugungen und Aussinterungen ist aber die Regenbeanspruchung an Wetterseiten. Bei nicht vollfugiger Vermauerung entstehen in Hohlräumen des Mörtels regelrechte Wasserdurchflüsse, die sowohl Wanddurchfeuchtungen als auch Ausblühungen, Auslaugungen und Aussinterungen zur Folge haben können. Lang anhaltende Feuchtigkeitsquellen sind weiter alle fehlerhaft ausgeführten oder falsch geplanten Anschlüsse und Abdichtungen, die Regenwasser oder Bodenfeuchtigkeit ungehindert in das Mauerwerk eindringen lassen. Auch im Bauteilinneren entstehendes Kondensat durch fehlende oder falsch angeordnete Wärmedämmungen und Dampfsperren kann zu verstärkter Feuchtigkeitsbildung führen. 6.2.7.4 Vermeidung
Die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung all dieser Erscheinungen ist die Schaffung eines möglichst regendichten Mauerwerks. Dazu gehören die durchgehend vollfugige und haftschlüssige Vermörtelung und Verfugung des Mauerwerks und ein richtig aufgebauter, in seiner Konsistenz auf die Mauersteinart abgestimmter Mörtel. 6.2.7.5 Beseitigung
Die meisten Ausblühungen verschwinden unter Witterungseinwirkung nach verhältnismäßig kurzer Zeit von allein. Dieser Vorgang lässt sich durch mehrmaliges trockenes Abbürsten beschleunigen. Das trockene Beseitigen ausgeblühter Stoffe stellt die bei weitem wirksamste Maßnahme zur Entfernung von Ausblühungen dar. Das Abwaschen mit Wasser hat den Nachteil der Feuchteanreicherung im Mauerwerk, wobei ein großer Teil der Salze von den Ziegeln und dem Fugenmörtel eventuell wieder aufgesogen wird und beim Austrocknen des Mauerwerks erneut an der Oberfläche ausblühen kann.
406
6 Mörtel
Die Reinigung mittels Dampfstrahlverfahren hat den Vorteil, dass dabei nur wenig Feuchtigkeit in das Mauerwerk gelangt, dieses auch infolge der Erwärmung sehr schnell wieder abtrocknet, so dass ggf. vorgesehene Imprägnierungen unmittelbar nach dem Dampfstrahlen vorgenommen werden können. Zum Entfernen von Kalkauslaugungen und Kalkaussinterungen können nur Säuren zum Lösen der schwerlöslichen Carbonate eingesetzt werden. Bei Verwendung von Salzsäure entsteht dabei das stark hygroskopische Calciumchlorid, das – wenn es in die Fugen eindiffundieren kann – zu einer ständigen Durchfeuchtung des Mauerwerks führt. Um dies zu vermeiden, muss das Mauerwerk gut vorgenässt und nach der Säurebehandlung sofort gründlich mit klarem Wasser abgespült werden. Besser bewährt haben sich daher Präparate, die auf Phosphorsäurebasis aufgebaut sind. Selbstverständlich sind derartige Reinigungsmittel unter genauer Beachtung der Verarbeitungsvorschriften anzuwenden.
6.3 Putzmörtel Putz ist gemäß DIN V 18550 ein an Wänden und Decken ein- oder mehrlagig in bestimmter Dicke aufgetragener Belag aus Putzmörteln, der seine endgültigen Eigenschaften erst durch Verfestigung am Baukörper erreicht. Putze dienen zur Gestaltung von Oberflächen und zur Erfüllung von bauphysikalischen Aufgaben (z. B. Witterungsschutz, Feuchteregulierung, Wärmeschutz, Schallschutz, Raumakustik). Aufgrund unterschiedlicher zu erfüllender Aufgaben sowie regional unterschiedlicher Ausgangsstoffe und Bautraditionen ist es unmöglich, genormte Rezepte für Putzmörtel festzulegen. Die Eigenschaften von Putzmörtel hängen wesentlich von der Mörtelzusammensetzung ab, insbesondere von der Art des Bindemittels (bei Verwendung mehrerer Bindemittel zusätzlich von deren Mischungsverhältnis), sowie der Art der verwendeten Gesteinskörnungen, Zusatzmittel und/oder Zusatzstoffe.
6.3.1 Festlegungen nach DIN EN 998-1 DIN EN 998-1 ist eine harmonisierte europäische Produktnorm; sie gilt für im Werk hergestellte Putzmörtel aus anorganischen Bindemitteln außer Gips und legt die CE-Kennzeichnung für diese Putzmörtel fest. Nach der Art der Eigenschaften und/oder dem Verwendungszweck wird unterschieden zwischen:
Normalputzmörtel (GP): Mörtel ohne besondere Eigenschaften. Er kann als Mörtel nach Rezept und/oder als Mörtel nach Eignungsprüfung hergestellt werden. Leichtputzmörtel (LW): Mörtel nach Eignungsprüfung mit einer Trockenrohdichte des Festmörtels 1.300 kg/m³.
407
6.3 Putzmörtel
Edelputzmörtel (CR): farbiger Putzmörtel. Einlagenputzmörtel für außen (OC): Mörtel nach Eignungsprüfung, der in einer Lage verarbeitet wird und dieselben Funktionen erfüllt, die von einem mehrlagigen AußenPutzsystem gefordert werden und der üblicherweise farbig ist. Einlagenputzmörtel für außen können mit normalen und/oder leichten Gesteinskörnungen hergestellt werden. Sanierputzmörtel (R): Mörtel nach Eignungsprüfung, der für das Verputzen von feuchten Mauerwerken, die wasserlösliche Salze enthalten, geeignet ist. Diese Mörtel weisen eine hohe Porosität und Wasserdampfdiffusion sowie eine verminderte kapillare Leitfähigkeit auf. Wärmedämmputzmörtel (T): Mörtel nach Eignungsprüfung mit spezifischen wärmedämmenden Eigenschaften.
Je nach Verwendungszweck und den daraus resultierenden Beanspruchungen müssen Putzmörtel unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und demzufolge unterschiedliche Leistungsanforderungen erfüllen. Zu diesem Zweck werden die Druckfestigkeit, die Wasseraufnahme und die Wärmeleitfähigkeit nach Tabelle 6.9 klassifiziert.
Tabelle 6.9 Klassifizierung der Eigenschaften von Putzmörtel nach DIN EN 998-1 Eigenschaften
Kategorien
Werte
Druckfestigkeit nach 28 Tagen
CS I CS II CS III CS IV
0,4 bis 2,5 N/mm² 1,5 bis 5,0 N/mm² 3,5 bis 7,5 N/mm² ≥ 6 N/mm²
Kapillare Wasseraufnahme
W0 W1 W2
nicht festgelegt c ≤ 0,40 kg/(m²⋅min0,5) c ≤ 0,20 kg/(m²⋅min0,5)
Wärmeleitfähigkeit
T1 T2
λ ≤ 0,1 W/(m⋅K) λ ≤ 0,2 W/(m⋅K)
Weitere Eigenschaften, die für den jeweiligen Verwendungszweck bzw. für die jeweilige Produktart von Bedeutung sind, werden nach Tabelle 6.10 deklariert. Eigenschaften, für die keine Anforderungen festgelegt sind (sie sind in Tabelle 6.10 durch einen Strich gekennzeichnet), dürfen zusätzlich angegeben werden, sofern es für den Verwendungszweck des Putzmörtels erforderlich ist.
408
6 Mörtel
Tabelle 6.10 Zusammenfassung der Anforderungen an Putzmörtel nach DIN EN 998-1 Prüfparameter
Prüfverfahren
Normalputzmörtel
Leichtputzmörtel
Edelputzmörtel
Einlagenputzmörtel für außen
Sanierputzmörtel
Wärmedämmputzmörtel
Trockenrohdichte (kg/m³)
EN 1015-10
deklarierter Bereich der Werte
deklarierter Bereich der Werte
deklarierter Bereich der Werte
deklarierter Bereich der Werte
deklarierter Bereich der Werte
deklarierter Bereich der Werte
Druckfestigkeit (Kategorien)
EN 1015-11 a CS I bis CS IV CS I bis CS III CS I bis CS IV CS I bis CS IV
CS II
CS I bis CS II
Haftzugfestigkeit (N/mm² und Bruchbild A, B oder C)
EN 1015-12
≥ deklarierter ≥ deklarierter ≥ deklarierter Bereich und Bereich und Bereich und Bruchbild Bruchbild Bruchbild
–
≥ deklarierter Bereich und Bruchbild
≥ deklarierter Bereich und Bruchbild
Haftzugfestigkeit nach der Bewitterung (N/mm² und Bruchbild A, B oder C)
EN 1015-21
–
–
–
≥ deklarierter Bereich und Bruchbild
–
–
kapillare Wasseraufnahme (Kategorien) (für Mörtel zur Verwendung in Außenbauteilen)
EN 1015-18
W 0 bis W 2
W 0 bis W 2
W 0 bis W 2
W 1 bis W 2
≥ 0,3 kg/m² nach 24 h
W1
Wassereindringung nach der Prüfung der Wasseraufnahme (in mm)
EN 1015-18
–
–
–
–
≤ 5 mm
–
Wasserdurchlässigkeit auf bestimmten Untergründen nach der Bewitterung (ml/cm² nach 48 h)
EN 1015-21
–
–
–
≤ 1 ml/cm² nach 48 h
–
–
≤ 15
≤ 15
Koeffizient der Wasserdampfdurchlässigkeit (μ) a,b ≤ deklarierter ≤ deklarierter ≤ deklarierter ≤ deklarierter (für Mörtel zur Verwen- EN 1015-19 Wert Wert Wert Wert dung in Außenbauteilen)
EN 1745:2002, Tabelle A 12 Tabellenwert Tabellenwert Tabellenwert Tabellenwert Tabellenwert (für Mörtel zur Verwendung in Bauteilen, an die wärmeschutztechni- EN 1745:2002, – – – – – sche Anforderungen 4.2.2 gestellt werden) Wärmeleitfähigkeit
a b
Brandverhalten (Klasse)
EN 1305-1
nach 5.2.2 anzugeben
Dauerhaftigkeit
–
nach 5.2.3 anzugeben
– T 1: ≤ 0,10 T 2: ≤ 0,20
Zur Bestimmung der Lagerbedingungen ist der Luftkalkgehalt als Calciumhydroxid Ca(OH)2 zu berechnen. Im Gegensatz zum Prüfverfahren nach EN 1015-19, mit dem der Feuchtedurchlasskoeffizient Λ (in kg/(m²⋅s⋅Pa)) bestimmt wird, wird hier der Wasserdampf-Diffusionsleitkoeffizient μ ermittelt. Die Berechnung von μ aus Λ erfolgt nach der folgenden Gleichung: μ = 1,94⋅10–10/Λ Dabei entspricht 1,94⋅10–10/Λ dem Wasserdampfdiffusionsfaktor in Luft bei 20 °C und 101.325 Pa Atmosphärendruck.
409
6.3 Putzmörtel
6.3.2 Einteilung der Putze nach DIN V 18550 DIN V 18550 gilt für die Verwendung von Putzen nach DIN EN 998-1. In der Norm wird u. a. eine systematische Einteilung der Putze vorgenommen und dadurch ein Überblick über die zahlreichen Begriffe im Zusammenhang mit Putzen gegeben. Putzmörtel mit mineralischen Bindemitteln werden je nach Bindemittelart in die Putzmörtelgruppen P I bis P IV eingeteilt (siehe Tabelle 6.11) Tabelle 6.11 Putzmörtelgruppen Putzmörtelgruppe
Mörtelart
PI
Luftkalkmörtel, Wasserkalkmörtel, Mörtel mit hydraulischem Kalk
P II
Kalkzementmörtel, Mörtel mit hochhydraulischem Kalk oder mit Putz- und Mauerbinder
P III
Zementmörtel mit oder ohne Zusatz von Kalkhydrat
P IV
Gipsmörtel und gipshaltige Mörtel
DIN V 18550 erfasst auch Putze mit organischen Bindemitteln (Kunstharzputze), die wegen ihrer geringen Schichtdicke auch als „Beschichtungen mit putzähnlichem Aussehen“ bezeichnet werden. Die für die Herstellung derartiger Putze verwendeten Bindemittel sind Polymerisatharze in Form von Dispersionen oder als Lösungen. Die Norm unterscheidet zwischen den beiden Kunstharzputzen P Org 1: Anwendung als Außen- und Innenputz; P Org 2: Anwendung nur als Innenputz. Nach der örtlichen Lage im Bauwerk und der daraus resultierenden Beanspruchung wird zwischen folgenden Putzanwendungsbereichen unterschieden:
Außenputz: a) b) c) d) Innenputz:
Außenwandputz; Außensockelputz im spritzwassergefährdeten Bereich; Kellerwandaußenputz im Bereich der Erdanschüttung; Außendeckenputz auf Deckenuntersichten, die der Witterung ausgesetzt sind.
a) Innenwandputz für Räume üblicher Luftfeuchte einschließlich der häuslichen Küchen und Bäder; b) Innenwandputz für Feuchträume (z. B. gewerbliche Küchen); c) Innendeckenputz für Räume üblicher Luftfeuchte einschließlich der häuslichen Küchen und Bäder; d) Innendeckenputz für Feuchträume (z. B. gewerbliche Küchen).
410
6 Mörtel
Putzarten sind Putze, die allgemeinen Anforderungen genügen. Putze, die zusätzlichen Anforderungen genügen: wasserhemmender Putz; wasserabweisender Putz; Innenwandputz mit erhöhter Abriebfestigkeit; Innenwand- und Innendeckenputz für Feuchträume; Wärmedämmputz. Putze für Sonderzwecke: Sanierputz; Putz als Brandschutzbekleidung; Putz mit Strahlungsabsorption; schallabsorbierender Putz (Akustikputz). Die Putzweise kennzeichnet den Putz nach der Ausführung, insbesondere hinsichtlich der Oberflächenbearbeitung und der daraus resultierenden Oberflächenstruktur (Tabelle 6.12). Tabelle 6.12 Putzweisen Putzweise
Erläuterungen
Geglätteter Putz
Er erhält seine Oberfläche durch Bearbeitung mit der Glättkelle (Traufel).
Gefilzter Putz
Er erhält seine Oberfläche durch Bearbeitung mit der Filz-, Schwamm- oder Holzscheibe.
Geriebener Putz oder Reibeputz
Er wird je nach Art des verwendeten Werkzeugs (Kunststoff- oder Holzscheibe, Traufel und dergleichen) und des Materials z. B. als Münchener Rauputz, Rillenputz, Scheibenputz bezeichnet.
Kellenwurfputz
Er erhält seine Struktur ausschließlich durch das Anwerfen des Mörtels. Im Regelfall wird ein Zuschlag grober Körnung verwendet.
Modellierputz
Er wird nach dem Auftrag mittels Kelle oder Traufel bearbeitet bzw. frei strukturiert (z. B. Kellenstrichputz, Altdeutscher Putz).
Spritzputz
Er wird durch mehrfaches Aufspritzen eines feinkörnigen, dünnflüssigen Mörtels mittels Spritzputzgerät hergestellt.
Kratzputz
Er wird durch Kratzen mit einem Nagelbrett, einem Sägeblatt oder einer Ziehklinge hergestellt. Hierdurch wird die bindemittel- und damit spannungsreiche Oberfläche des angetragenen Oberputzes entfernt. Durch das herausspringende Korn entsteht die hierfür charakteristische Putzstruktur. Der richtige Zeitpunkt des Kratzens richtet sich nach dem Erhärtungsverlauf des Putzes. Er ist dann erreicht, wenn das Korn beim Kratzen herausspringt und nicht im Nagelbrett hängen bleibt. Kratzputze sind nach dem Erhärten von losen Teilen zu befreien. Dennoch können sich beim Abreiben mit der Hand einzelne Teilchen lösen lassen, was nicht zu bemängeln ist.
Waschputz
Er erhält seine Struktur durch Abwaschen der an der Oberfläche befindlichen, noch nicht erhärteten Bindemittelschlämme. Er erfordert ausgewählte Zuschläge grober Körnung sowie einen Unterputz, der mindestens der Kategorie CS III nach DIN EN 998-1 entspricht.
411
6.3 Putzmörtel
6.3.3 Prüfverfahren für Putzmörtel Neben den allgemeinen Mörtelprüfverfahren, die in Abschnitt 6.1.4 beschrieben wurden, werden bei Putzmörteln zusätzlich die im Folgenden dargestellten Prüfverfahren angewandt. 6.3.3.1 Haftfestigkeit von erhärteten Putzmörteln
Die Haftfestigkeit von Putzmörtel wird nach DIN EN 1015-12 durch Zugbeanspruchung senkrecht zur Oberfläche (Haftzugfestigkeit) bestimmt (siehe 1.2.5.6). Bei Putzsystemen für einen bestimmten Untergrund, d. h. Mauerziegel, Kalksandsteine, Mauersteine aus Beton, Betonplatten oder Ortbeton usw., sollten diese Materialien im lufttrockenen Zustand als Prüfuntergrund verwendet werden. Wenn kein bestimmter Untergrund vorgeschrieben wird, werden Platten aus Beton mit einer festgelegten Zusammensetzung verwendet. Der Putzmörtel wird auf den lufttrockenen, senkrecht stehenden Untergrund in einer Dicke von (10 ± 1) mm aufgebracht und im Alter von 28 Tagen geprüft. Mögliche Bruchbilder zeigt Bild 6-2. Bei den Bruchbildern b und c sind die Prüfergebnisse als untere Grenzwerte anzusehen; sie werden bei der Berechnung des Mittelwertes der Haftfestigkeit berücksichtigt.
Bruchbild a
Bruchbild b
Bruchbild c
Adhäsionsbruch in der Berührungsfläche zwischen Mörtel und Untergrund
Kohäsionsbruch im Mörtel
Kohäsionsbruch im Untergrund
Der Prüfwert ist gleich der Haftfestigkeit.
Die Haftfestigkeit ist größer als der Prüfwert.
Die Haftfestigkeit ist größer als der Prüfwert.
Bild 6-2 Mögliche Bruchbilder bei der Haftfestigkeitsprüfung
412
6 Mörtel
Die Haftzugprüfung wird außerdem bei der Untersuchung der Verträglichkeit von Einlagenputzmörteln mit Untergründen eingesetzt. Nach DIN EN 1015-21 werden die zu prüfenden Einlagenputzmörtel auf zwei verschiedene Untergründe aufgetragen, und zwar: „steifer Untergrund“: Betonplatte; „weicher Untergrund“: Leichtmauersteine, z. B. Porenbetonsteine oder Ziegel mit geringer Rohdichte. Die erhärteten Prüfkörper werden in einer ersten Prüfreihe 4 Temperaturwechseln und daran anschließend in einer zweiten Prüfreihe 4 Feuchte-/Temperaturwechseln ausgesetzt. Nach dieser Bewitterung werden die Haftfestigkeit und die Wasserdurchlässigkeit durch Eintauchen der verputzten Fläche in Wasser mit einer festgelegten Höhe bestimmt. 6.3.3.2 Wasserdampfdurchlässigkeit von Putzmörtel
Die Prüfkörper werden entsprechend abgedichtet auf die Öffnung von runden Behältern aufgesetzt, in denen bestimmte Wasserdampfdrücke mittels gesättigter Salzlösungen konstant gehalten werden. Als Salzlösungen werden verwendet: gesättigte Kaliumnitratlösung [KNO3] (93,2 % rel. LF bei 20 °C); gesättigte Lithiumchloridlösung [LiCl] (12,4 % rel. LF bei 20 °C). Die Behälter werden in eine Kammer mit einer Temperatur von 20 °C und 50 % rel. LF gestellt und in entsprechenden Zeitabständen gewogen; in einem Diagramm wird die Masse des Behälters über der Zeit aufgetragen. Sobald drei Messpunkte geradlinig miteinander verbunden werden können, sind die Bedingungen als stabil anzusehen, d. h. die je Zeiteinheit durch den Prüfkörper gelangende Wasserdampfmenge ist konstant. Aus der Massenänderung G und dem zugehörigen Zeitintervall t ist der Wasserdampf-Diffusionsstrom G/t in kg/s zu berechnen. Der Wasserdampf-Diffusionsdurchlasskoeffizient wird folgendermaßen bestimmt:
Λ=
1 [kg/(m²·s·Pa)] A ⋅ Δ p / (ΔG / Δt ) − RA
(6.4)
Es bedeuten: A
Fläche der Behälteröffnung in m²;
p
Wasserdampfdruckdifferenz zwischen der Umgebungsluft und der Salzlösung in Pa; sie ist den entsprechenden Tabellen zu entnehmen.
G/ t Wasserdampf-Diffusionsstrom in kg/s; RA
Dampfwiderstand des Luftzwischenraums zwischen dem Prüfkörper und der Salzlösung. RA entspricht 0,048·109 Pa·m²·s/kg je 10 mm Luftzwischenraum.
Die Wasserdampfdurchlässigkeit Wvp wird aus dem Mittelwert des Wasserdampf-Durchlasskoeffizienten , multipliziert mit der mittleren Prüfkörperdicke t in m berechnet:
Wvp = Λ ⋅ t Das Verfahren wird in DIN EN 1015-19 beschrieben.
(6.5)
6.3 Putzmörtel
413
6.3.3.3 Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten
Die Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten w von Putzen erfolgt in Anlehnung an DIN EN ISO 15148 nach dem in DIN V 18550 Anhang A beschriebenen Verfahren. Hierbei werden kreisrunde Putzproben (Durchmesser 200 mm, Dicke 20 mm) 5 mm tief in ein Wasserbad eingetaucht und zu bestimmten Zeiten gewogen. In einem Diagramm wird die Massenänderung infolge Wasseraufnahme über der Wurzel aus der Zeit aufgetragen (siehe Bild 6-3). Der Wasseraufnahmekoeffizient w [in kg/(m²⋅ t )] entspricht der Steigung der in Bild 6-3 links dargestellten Ausgleichsgeraden. Dabei werden anfängliche nichtlineare Anlaufeffekte, die bei manchen Baustoffe zu beobachten sind, nicht berücksichtigt. Bei dem im Bild rechts dargestellten Versuch wird noch vor Versuchsende eine Wassersättigung der Probe erreicht; dies äußert sich im Knick der Kurve und einem nahezu horizontalen weiteren Verlauf der Messwerte.
Bild 6-3 Grafische Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten nach DIN EN ISO 15148
6.3.4 Anforderungen an Putz 6.3.4.1 Allgemeine Anforderungen
Putzmörtel müssen eine gute Haftung am Putzgrund sowie zwischen den einzelnen Putzlagen aufweisen. Innerhalb der einzelnen Lagen soll der Mörtel ein gleichmäßiges Gefüge besitzen. Die Festigkeit des Putzes ist dem jeweiligen Putzgrund anzupassen. Abriebfestigkeit und Oberflächenbeschaffenheit sind auf die Putzanwendung abzustimmen; dabei sind die Gegebenheiten der Putzweise (z. B. einlagig, mehrlagig, Kratzputz, Kellenputz, Waschputz, geglätteter Putz usw.) zu berücksichtigen. Die Oberfläche des Putzes sollte keine Risse, Flecken oder Ausblühungen zeigen. Haarrisse in begrenztem Umfang sind nicht zu bemängeln, wenn sie den technischen und optischen Wert des Putzes nicht beeinträchtigen. DIN V 18550 gibt im Anhang C Hinweise zur Bewertung von Rissen.
414
6 Mörtel
6.3.4.2 Putzaufbau, Putzsysteme
Der Aufbau eines Putzes wird durch die Anforderungen an den Putz sowie durch die Beschaffenheit des Putzgrundes, insbesondere Festigkeit, Verformungsvermögen, Saugfähigkeit und Oberflächenbeschaffenheit, bestimmt. Bei Außenputzen sind zusätzlich witterungsbedingte Einwirkungen zu berücksichtigen. Die zu stellenden Anforderungen sind stets vom Putzsystem in seiner Gesamtheit zu erfüllen, wobei der Nachweis der Eigenschaften durch Bewährung aufgrund vorliegender Erfahrungen oder anhand von Eignungsprüfungen erfolgen kann. Die Eigenschaften der verschiedenen Putzlagen eines Systems sollen dabei so aufeinander abgestimmt sein, dass die in den Berührungsflächen der einzelnen Putzlagen und des Putzgrundes z. B. durch Schwinden oder Temperaturdehnungen auftretenden Spannungen aufgenommen werden können. Dadurch wird die Gefahr des Abscherens der äußeren Putzschale und die Rissbildung im Oberputz gemindert. Diese Forderung kann bei Putzen mit mineralischen Bindemitteln im Allgemeinen dann als erfüllt angesehen werden, wenn die Festigkeit des Oberputzes geringer als die Festigkeit des Unterputzes ist oder beide Lagen gleich fest sind. Keinesfalls darf der Oberputz eine höhere Festigkeit als der Unterputz haben. Der Unterputz bildet die tragende Schicht für den Oberputz. Besteht der Putzgrund aus einem wenig festen oder elastischen Material, so muss die Festigkeit des Unterputzes diesen Eigenschaften angepasst werden. Der Oberputz übernimmt gestalterische Aufgaben und ist Träger für Tapeten, Anstriche und Beschichtungen. Er soll dünn aufgetragen werden, damit Spannungen aus Temperatur- und Feuchteänderungen durch ein Netz feinster Risse abgebaut werden können. Bei Außenputzen übernimmt der Unterputz die Aufgabe des Wetterschutzes, der durch Zusätze so eingestellt werden kann, dass das Eindringen der Niederschlagsfeuchte gehemmt wird. Die Dichtigkeit muss von innen nach außen abnehmen, damit eingedrungene Feuchtigkeit wieder ausdiffundieren kann. Umgekehrt würde sie nach innen in das Mauerwerk ziehen. Außerdem bestünde die Gefahr von Frostschäden, da wegen der geringen Wasserdampfdurchlässigkeit von innen kommende Feuchtigkeit sich hinter der Putzschale stauen würde. In den Tabellen 6.13, 6.14 und 6.16 sind bewährte Putzsysteme für verschiedene Anwendungsbereiche zusammengestellt. Bei Anwendung dieser Putzsysteme und entsprechend fachgerechter Ausführung können die genannten Anforderungen an den Putz aufgrund der vorliegenden Erfahrungen ohne weiteren Nachweis als erfüllt angesehen werden. Sollen andere Putzsysteme angewendet werden, so sind Eignungsprüfungen für das vorgesehene Putzsystem durchzuführen. Hiermit sind die für den speziellen Anwendungsbereich geforderten Eigenschaften nachzuweisen.
415
6.3 Putzmörtel Tabelle 6.13 Putzsysteme für Außenputze Zeile
Anforderung bzw. Putzanwendung
1 2 3a 3b 4a 4b 5a 5b 5c 6 7 8 9 10 11a 11b 12a 12b 13a 13b 13c 14 15 16 17 18a 18b 19 20a 20b 21a 21b 21c 22 23
ohne besondere Anforderung
wasserhemmend
wasserabweisend
Mörtelgruppe für Unterputz
– PI – – P II P II P II P II P II P II – – PI – – – P II P II P II P II P II P II – – PI P II P II – – – P II P II P II P II –
Druckfestigkeitskategorie des Unterputzes nach DIN EN 998-1 – CS I – – CS II CS III CS II CS III CS III CS III – – CS I – – – CS II CS III CS II CS III CS III CS III – – CS I CS II CS III – – – CS II CS III CS III CS III –
Mörtelgruppe bzw. Beschichtungsstoff-Typ für Oberputz PI PI P II P II PI PI P II P II P II P Org 1 P Org 1a P III PI PI P II P II PI PI P II P II P II P Org 1 P Org 1a P III PI PI PI PI P II P II P II P II P II P Org 1 P Org 1a
Druckfestigkeitskategorie des Oberputzes nach DIN EN 998-1 CS I CS I CS II CS III CS I CS I CS II CS II CS III – – CS IV CS I CS I CS II CS III CS I CS I CS II CS II CS III – – CS IV CS I CS I CS I CS I CS II CS III CS II CS II CS III – –
416 Zeile
24 25 26 27 30 31 32d a b
c d
6 Mörtel Anforderung bzw. Putzanwendung
Kellerwandaußenputz Außensockelputz
Mörtelgruppe für Unterputz
Druckfestigkeitskategorie des Unterputzes nach DIN EN 998-1
Mörtelgruppe bzw. Beschichtungsstoff-Typ für Oberputz
Druckfestigkeitskategorie des Oberputzes nach DIN EN 998-1
– –
– –
P III P IIIb
CS IV CS IV
– P III P III P II P II
– CS IV CS IV CS III CS IIc
P IIIb P IIIb P IIb P IIb P IIb
CS IV CS IV CS III CS IIc CS IIc
Nur bei Beton mit geschlossenem Gefüge als Putzgrund. Ein Sockelputz sowie ein Kellerwandaußenputz sind im erdberührten Bereich immer abzudichten. Der Putz dient als Träger der vertikalen Abdichtung. > 2,5 N/mm² Gilt nur für Sanierputze.
Tabelle 6.14 Putzsysteme für Innenputze Zeile
Anforderung bzw. Putzanwendung
Mörtelgruppe bzw. Beschichtungsstoff-Typ für Unterputz
Druckfestigkeitskategorie des Unterputzes nach DIN EN 998-1
1 2 3 4a 4b 4c 4d 4e 5 6a 6b 6c 6d 6e 6f 7 8a 8b
übliche Beanspruchung
– PI – P II P II P II P II P II – P III P III P III P III P III P III – P IV P IV
– CS II – CS II CS II CS II CS II CS II – CS III CS III CS IV CS IV CS III CS III – b b
Mörtelgruppe bzw. Beschichtungsstoff-Typ für Oberputza PI PI P II PI P II P IV P Org 1 P Org 2 P III PI P II P II P III P Org 1 P Org 2 P IV P Id P IId
Druckfestigkeitskategorie des Oberputzes nach DIN EN 998-1 CS I CS I CS II CS I CS II b
– – CS IV CS I CS II CS III CS IV – – b
CS I CS II
417
6.3 Putzmörtel Zeile
8c 8d 8e 9a 9b 10 11 12a 12b 13a 13b 14a 14b 14c 14d 15 a
b c d
Anforderung bzw. Putzanwendung
Feuchträume
Mörtelgruppe bzw. Beschichtungsstoff-Typ für Unterputz P IV P IV P IV – – – P II P II P II – – P III P III P III P III –
Druckfestigkeitskategorie des Unterputzes nach DIN EN 998-1 b b b
– – – CS II CS II CS III – – CS III CS IV CS III CS IV –
Mörtelgruppe bzw. Beschichtungsstoff-Typ für Oberputza P IV P Org 1 P Org 2 P Org 1c P Org 2c P II P Id P II P Org 1 P III P III P II P III P Org 1 P Org 1 P Org 1c
Druckfestigkeitskategorie des Oberputzes nach DIN EN 998-1 b
– – – – CS II CS I CS II – CS III CS IV CS II CS IV – – –
Oberputze dürfen mit abschließender Oberflächengestaltung oder ohne ausgeführt werden (z. B. bei zu beschichtenden Flächen). Druckfestigkeit ≥ 2,0 N/mm². Nur bei Beton mit geschlossenem Gefüge als Putzgrund. Dünnlagige Oberputze.
6.3.4.3 Putzdicke
Zur Erfüllung der an Putze gestellten Anforderungen ist die Einhaltung bestimmter Putzdicken erforderlich. Im Folgenden werden die mittleren Dicken und in Klammern die zulässigen Mindestdicken angegeben; letztere müssen sich auf einzelne Stellen beschränken. Außenputz: 20 mm (15 mm); Innenputz: 15 mm (10 mm); einlagiger Innenputz aus Werktrockenmörtel: 10 mm (5 mm); einlagiger wasserabweisender Putz aus Werktrockenmörtel: 15 mm (10 mm). Für Putze mit besonderen Eigenschaften (z. B. Wärmedämmputz, Sanierputz, Dünnlagenputz) gelten andere Putzdicken.
418
6 Mörtel
6.3.4.4 Außenputz
Neben den allgemeinen Anforderungen nach 6.3.3.1 müssen Außenputze vor allem witterungsbeständig sein, d. h. der Einwirkung von Feuchte und wechselnden Temperaturen widerstehen. Putzsysteme nach Tabelle 6.13 gelten als witterungsbeständig; bei anderen Systemen muss die Witterungsbeständigkeit nachgewiesen werden. Nach DIN 4108-3 wird im Hinblick auf die Beurteilung der Regenschutzwirkung zwischen wasserhemmenden und wasserabweisenden Putzsystemen unterschieden.
Wasserhemmende Systeme müssen nach Tabelle 6.13 Zeile 9 bis 16 aufgebaut sein; außerdem muss die den Regenschutz hauptsächlich bewirkende Schutzlage bei der Prüfung an dem entsprechenden Mörtel folgende Anforderung erfüllen: 0,5 < w < 2,0 kg / (m 2 ⋅ h 0,5 )
(6.6)
Für wasserabweisende Putzsysteme wird ein Aufbau nach Tabelle 6.13 Zeile 17 bis 24 gefordert; außerdem muss folgende Prüfanforderung eingehalten werden: w ⋅ sd ≤ 0, 2 kg / (m ⋅ h 0,5 )
(6.7)
w ≤ 0,5 kg / (m 2 ⋅ h 0,5 )
(6.8)
sd ≤ 2,0 m
(6.9)
Dabei ist w Wasseraufnahmekoeffizient in kg/(m2⋅h0,5) sd diffusionsäquivalente Luftschichtdicke in m Anmerkung: Bei mineralischen Putzen gelten besondere Festlegungen bzgl. w (siehe DIN V 18550, 7.4.2.2, Fußnote 1).
Kellerwandaußenputz (siehe Tabelle 6.13, Zeile 25) muss aus hydraulischen Bindemitteln der Druckfestigkeitskategorie CS IV hergestellt werden. Allerdings sollte bei Mauerwerk aus Steinen der Druckfestigkeitsklassen ≤ 8 eine Mindestdruckfestigkeit von 6 N/mm² für CS IV nicht wesentlich überschritten werden. Im erdberührten Bereich muss Kellerwandaußenputz zusätzlich abgedichtet werden, z. B. mit bituminösen Abdichtungen oder mineralischen Dichtungsschlämmen.
Außensockelputze müssen ausreichend fest, wasserabweisend und widerstandsfähig gegen eine kombinierte Belastung durch Feuchte und Frost sein, wie dies z. B. bei Putzen mit mineralischen Bindemitteln der Kategorie CS IV gegeben ist. Bei Mauerwerk aus Steinen der Druckfestigkeitsklassen ≤ 8 sollte der Außensockelputz jedoch aus wasserabweisenden Mörteln mit hydraulischen Bindemitteln der Kategorie CS III hergestellt werden. Mineralische Oberputze im Sockelbereich sollten eine Mindestdruckfestigkeit von 2,5 N/mm2 aufweisen; organische Oberputze müssen der Gruppe P Org 1 entsprechen. Wird ein Außensockelputz auf Dämmplatten aufgebracht, müssen die Platten mit einem kunstharzmodifizierten mineralischen Haftmörtel vorbehandelt werden.
419
6.3 Putzmörtel 6.3.4.5 Innenputz
Werden an die Innenputze übliche Anforderungen gestellt (z. B. Träger von Anstrichen und Tapeten), müssen Putzmörtel mit mineralischen Bindemitteln der Kategorie CS II verwendet werden oder sie müssen der Tabelle 6.14, Zeile 1 bis 9 entsprechen. In Feuchträumen müssen Innenwand- und Innendeckenputze gegen langzeitig einwirkende Feuchte beständig sein, wie sie u. a. in gewerblichen Küchen, Wäschereien usw. vorliegt; die Verwendung von Gipsmörteln ist daher hier nicht möglich. Hingegen sind in häuslichen Küchen und Bädern Putzsysteme unter Verwendung von Baugips grundsätzlich geeignet; besondere Maßnahmen müssen ggf. in Bereichen ergriffen werden, in denen die Wandbekleidungen und Beläge (Fliesen) auf dem Putz einer direkten Wasserbelastung ausgesetzt sind, z. B. in Duschkabinen und im Wannenbereich. Für Treppenhäuser, Flure in Schulen sowie andere Wandflächen, die mechanischer Beanspruchung ausgesetzt sind, ist Putz mit erhöhter Abriebfestigkeit vorzusehen. Bei der Planung von Innenputzen muss nach DIN V 18550 Anhang B die Oberflächenbeschaffenheit beschrieben werden. Es werden vier Qualitätsstufen festgelegt, die sich hinsichtlich Beschaffenheit/Eignung und Maßtoleranz der Putzoberfläche bei unterschiedlichen Putzweisen unterscheiden (Tabelle 6.15).
Qualitätsstufea
Tabelle 6.15 Übersicht der Qualitätsstufen für Innenputzoberflächen
Q1
Abgezogene Putzoberfläche
Beschaffenheit/ Eignung der Oberflächen Geschlossene Putzfläche
Q 2 Geeignet z. B. für: Stan- – dekorative Oberputdard ze ≤ 2,0 mm – Wandbeläge aus Keramik (Fliesen), Natur- und Kunststein usw.
Q3
Geeignet z. B. für: – dekorative Oberputze ≤ 2,0 mm – Wandbeläge aus Fein-Keramik, großformatige Fliesen, Glas, Naturund Kunststein usw.
Geglättete Putzoberfläche
Gefilzte/abgeriebene Putzoberfläche
Maßtoleranz
Eignung der Oberflächen
Maßtoleranz
Eignung der Oberflächen
Maßtoleranz
–
–
–
–
–
Standardanfor- Geeignet für: derungen an – dekorative Oberputze die Ebenheit >1,0 mm nach DIN – mittel bis grob struktu18202:1997rierte Wandbekleidun04, Tabelle 3, gen, z. B. RaufasertapeZeile 6 ten mit mittlerer oder grober Körnung – matte, gefüllte Anstriche/Beschichtungen (z. B. Dispersionsanstrich), die mit grober Lammfell- oder Strukturrolle aufgetragen werden
Standardanforderungen an die Ebenheit nach DIN 18202:199704, Tabelle 3, Zeile 6
Gefilzte oder abgeriebene Putzoberflächen sind geeignet für: – matte, nicht strukturierte Anstriche/ Beschichtungen. Abgeriebene Putzoberflächen sind auch geeignet für: – grob strukturierte Wandbekleidungen, z. B. Raufasertapeten mit grober Körnung
Standardanforderungen an die Ebenheit nach DIN 18202:199704, Tabelle 3, Zeile 6
Geeignet für: Erhöhte Anforderungen an – dekorative Oberputze b die Ebenheit >1,0 mm nach DIN – fein strukturierte 18202: 1997Wandbekleidungen 04, Tabelle 3, – matte, fein strukturierZeile 7 te Anstriche/Beschichtungen
Standardanforderungen an die Ebenheit nach DIN 18202:199704, Tabelle 3, Zeile 6
Putzoberflächen der Qualitätsstufe 3 sind geeignet für: – matte, nicht strukturierte Anstriche/ Beschichtungen
Standardanforderungen an die Ebenheit nach DIN 18202:199704, Tabelle 3, Zeile 6
420
a
b c
6 Mörtel Geglättete Putzoberfläche
Qualitätsstufea
Abgezogene Putzoberfläche
Beschaffenheit/ Eignung der Oberflächen
Maßtoleranz
Eignung der Oberflächen
Q4
–
–
Geeignet für glatte oder strukturierte Wandbekleidungen mit Glanz, z. B.: – Metall, Venyl- oder Seidentapeten – Lasuren oder Anstriche/Beschichtungen bis zum mittleren Glanz – Spachtel- und Glättetechniken
Maßtoleranz Erhöhte Anforderungen an die Ebenheitc nach DIN 18202: 1997-04, Tabelle 3, Zeile 7
Gefilzte/abgeriebene Putzoberfläche Eignung der Oberflächen
Maßtoleranz
Diese Qualitätsstufe wird nur durch Aufbringen einer zusätzlichen Lage aus Dekor-Filzputz, gegebenenfalls mit Anstrich/ Beschichtung, erreicht. Der Unterputz muss mindestens der Qualitätsstufe 3 von eben abgezogenen Putzen entsprechen.
Erhöhte Anforderungen an die Ebenheitc nach DIN 18202: 1997-04, Tabelle 3, Zeile 7
Bei den Qualitätsstufen Q 2 bis Q 4 muss immer die Ausführungsart „abgezogen“ oder „geglättet“ oder „gefilzt“ oder „abgerieben“ zu der Herstellung der Putzoberfläche genannt werden, z. B. „Q 2 – geglättet“. Ausführung mit Unterputzprofilen oder Putzleisten. Im Allgemeinen sind Unterputzprofile oder Putzleisten einzusetzen.
6.3.4.6 Putze für besondere Anwendungen Wärmedämmputze
Bei Verwendung von Zuschlägen mit niedriger Rohdichte können Mörtel mit erhöhter Wärmedämmung hergestellt werden. Wärmedämmputze weisen einen Rechenwert für die Wärmeleitfähigkeit ≤ 0,2 W/(m⋅K) auf; die Anforderung an die Wärmeleitfähigkeit gilt als erfüllt, wenn die Trockenrohdichte des erhärteten Mörtels ≤ 600 kg/m³ beträgt. Bei den Bemessungswerten der Wärmeleitfähigkeit für Wärmedämmputze wird zwischen den Kategorien I und II unterschieden (siehe DIN V 18550, Tabelle 4). In Abschnitt 18.2.3.6 werden die beiden Kategorien für Dämmstoffe genauer erläutert. Der Mörtel für den Unterputz muss eine Druckfestigkeit von mindestens 0,4 N/mm² aufweisen, und er muss wasserhemmend sein. Die Druckfestigkeit des Mörtels für den Oberputz muss mindestens 0,8 N/mm² betragen und darf 3,0 N/mm² nicht überschreiten. Die allgemeine Putzregel, dass der Oberputz keinesfalls eine höhere Festigkeit als der Unterputz haben darf, gilt für Wärmedämmputzsysteme nicht. Der Oberputz muss wasserabweisend sein. Dadurch wird sichergestellt, dass die Wärmedämmung auch bei Einwirkung von Feuchtigkeit – z. B. bei Schlagregen – nicht gemindert wird. Leichtputzmörtel
Leichtputze sind keine Wärmedämmputze, sondern Putze mit niedriger Trockenrohdichte. Nach DIN EN 998-1 weisen Leichtputze eine Trockenrohdichte ≤ 1.300 kg/m³ auf. Der Oberputz soll der Kategorie CS I bzw. CS II entsprechen. Das Putzsystem muss wasserabweisend sein.
421
6.3 Putzmörtel
Der Putzaufbau richtet sich nach der Beschaffenheit des Putzgrundes und nach den Anforderungen an den Putz. Mechanische und physikalische Eigenschaften des Unter- und Oberputzes müssen aufeinander abgestimmt sein. Tabelle 6.16 zeigt Putzsysteme für Außenputze, bei denen die Anforderungen an den Putz als erfüllt angesehen werden können. Für Innenputze ist Tabelle 6.14 anzuwenden. Bei Verwendung anderer Putzsysteme muss deren Eignung nachgewiesen werden. Werden Leichtputze mit organischen Zuschlägen mit einer Farbbeschichtung versehen, so sind ausschließlich wässrige Systeme zu verwenden, um ein Auflösen der Zuschläge durch Lösungsmittel zu vermeiden. Tabelle 6.16 Putzsysteme für Außenputze mit Leichtputz Anforderungen an das Putzsystem
wasserabweisend nach DIN V 18550, 7.4.2.2 a b
Oberputzmörtela entsprechend Mörtelgruppe
Unterputz Leichtputzmörtel entsprechend Mörtelgruppe
Druckfestigkeitskategorie des Unterputzes nach DIN EN 998-1
–
–
PI
CS I
–
–
P II
CS II
P II
CS II
PI
CS I
P II
CS II
P II
CS II
P II
CS III
P II
CS II/CS IIIb
Druckfestigkeitskategorie des Oberputzes nach DIN EN 998-1
Leichtputze mit organischem Zuschlag mit porigem Gefüge sind außen nur als Unterputze zu verwenden. Wird ein Leichtputz als Sockelputz verwendet, ist er im erdberührten Bereich immer zusätzlich abzudichten.
Sanierputz Sanierputzmörtel nach DIN EN 998-1 sind Mörtel nach Eignungsprüfung, die für das Verputzen von feuchtem salzhaltigem Mauerwerk geeignet sind. Diese Mörtel weisen eine hohe Porosität und Wasserdampfdiffusion sowie eine verminderte kapillare Leitfähigkeit, d. h. ein geringes Saugvermögen, auf. Sanierputzmörtel besitzen einen hohen Anteil an Luftporen (> 40 Vol.-%). Durch den hohen Porengehalt wird die Verdunstung der Feuchtigkeit bereits in der Putzschicht ermöglicht; die im Wasser gelösten Salze kristallisieren ebenfalls in der Putzschicht aus, so dass Ausblühungen verhindert werden. In DIN V 18550 wird darauf hingewiesen, dass bei höheren Belastungen feuchter salzhaltiger Untergründe ein Sanierputzmörtel allein unter Umständen nicht ausreichend sein kann. In derartigen Fällen müssen dann Sanierputzsysteme, bestehend aus Sanierputz, Saniergrundputz und ggf. Spritzbewurf, eingesetzt werden. Solche Systeme werden von verschiedenen Werkmörtelherstellern angeboten und sind nach den Herstellerangaben zu verarbeiten. Hinweise zu bestimmten Sanierputzsystemen gibt das WTA-Merkblatt „Sanierputzsysteme“.
422
6 Mörtel
Weitere Putze für Sonderzwecke
Für Putze als Brandschutzbekleidung sind die Anforderungen in DIN 4102-4 geregelt. Bei Putzen mit Strahlenabsorption werden die Anforderungen, insbesondere an Zusammensetzung und Putzdicke, unter Beachtung der einschlägigen Strahlenschutz-Richtlinien im Einzelfall festgelegt. Schallabsorbierende Putze (Akustikputze) werden bevorzugt dort eingesetzt, wo nur geringe Aufbauhöhen zur Verfügung stehen. Der Putzhersteller muss für sein Produkt eine der sechs in DIN EN ISO11654 festgelegten Schallabsorptionsklassen angeben. Keine Putze im Sinne von DIN EN 998-1 und DIN V 18550 sind Mörtel zur Oberflächenbehandlung von Bauteilen, wie z. B. gespachtelte Glätt- und Ausgleichsschichten, Wischputz, Schlämmputz, Bestich, Rappputz sowie Imprägnierungen und Anstriche. Ebenso sind Flächenbekleidungen aus vorgefertigten Elementen, wie z. B. Gipskartonplatten, nicht Gegenstand dieser Normen.
6.4 Estrichmörtel 6.4.1 Begriffe Gemäß DIN EN 13318 „Estrichmörtel und Estriche – Begriffe“ sind Estriche dünne Schichten aus Estrichmörtel, die auf der Baustelle direkt auf den Untergrund verlegt werden, um eine vorgegebene Höhenlage zu erreichen, einen Bodenbelag aufzunehmen bzw. unmittelbar genutzt zu werden. Estriche können einschichtig oder mehrschichtig aufgebaut sein. Ein einschichtiger Estrich wird in einem Arbeitsgang in der erforderlichen Dicke eingebracht. Beim mehrschichtigen Estrich werden die einzelnen Schichten im Verbund, ggf. frisch in frisch, hergestellt. Wird die obere Schicht unmittelbar beansprucht, wird sie auch Nutzschicht genannt. Mehrschichtige Estriche werden angewendet, wenn an die Oberfläche besondere Anforderungen gestellt werden und die entsprechenden Eigenschaften nicht für den gesamten Estrichquerschnitt gefordert werden. Die Dicke eines Estrichs sowie – bei mehrschichtigem Estrich – die Dicke der Oberschicht (Nutzschicht) müssen auf die jeweilige Estrichart und den jeweiligen Verwendungszweck des Estrichs abgestimmt werden. Im Allgemeinen bewegt sich die Estrichnenndicke zwischen 10 mm und 80 mm, die Nenndicke der Oberschicht mehrschichtiger Estriche zwischen 4 mm und 20 mm. Je nach Art des verwendeten Bindemittels unterscheidet man: Zementestrich (CT); Calciumsulfatestrich (CA); Magnesiaestrich (MA); Gussasphaltestrich (AS); Kunstharzestrich (SR).
6.4 Estrichmörtel
423
Nach der Konstruktion des Estrichs auf dem tragenden Untergrund unterscheidet man folgende Estrichbauarten (Bild 6-4): Verbundestrich; Estrich auf Trennschicht; Estrich auf Dämmschicht (schwimmender Estrich). Heizestriche werden als Estriche auf Dämmschicht in unterschiedlichen Bauarten ausgeführt (siehe 6.4.4.4)
Bild 6-4 Bauarten von Estrichen
6.4.2 Estrichmörtelarten 6.4.2.1 Zementestrich (CT)
Zementestriche (CT, früher: ZE) werden aus Zement, Gesteinskörnung, Wasser und ggf. Zusatzstoffen und/oder Zusatzmitteln hergestellt. Für die Herstellung gelten die gleichen Grundsätze wie bei Beton. Es werden Zemente nach DIN EN 197 oder DIN 1164 verwendet, vorwiegend der Festigkeitsklassen 32,5 R, für hohe und frühe Festigkeit 42,5 R, in besonderen Fällen (z. B. bei kühler Witterung) auch 52,5 N. Der Zementgehalt ist auf das notwendige Maß zu beschränken; je nach verlangter Festigkeitsklasse und Größtkorn der Gesteinskörnung liegt er meist zwischen 340 und 480 kg/m³ fertigen Estrichs. Bei schwimmenden Estrichen soll der Zementgehalt 400 kg/m³, bei Estrichen auf Trennschicht und bei Verbundestrichen 450 kg/m³ nicht überschreiten; ansonsten besteht die Gefahr der Rissbildung infolge Schwinden. Die Gesteinskörnung sollte gemischtkörnig und so grobkörnig wie möglich sein. Die Festigkeit des Estrichs sollte in erster Linie durch einen günstigen Kornaufbau und nicht durch hohe Zementzugabe erreicht werden. Bei Estrichdicken bis 4 cm sollte das Größtkorn 8 mm, bei größeren Dicken (maximal) 16 mm betragen. Günstig sind Gemische aus 50 M.-% Sand 0/2 und 50 M.-% Kiessand 2/8 bzw. aus 35 M.-% Sand 0/2, 35 M.-% Kiessand 2/8 und 30 M.-% Kies 8/16 (Sieblinien im günstigen Bereich, obere Hälfte zwischen A und B nach
424
6 Mörtel
DIN 1045-2). Der Anteil an Feinanteilen soll 3 bis 4 M.-% nicht überschreiten (sonst erhöhter Wasseranspruch, Schwindgefahr, Festigkeitsminderung). Der Estrich sollte mit möglichst kleinem w/z-Wert und Wassergehalt hergestellt werden. Dadurch ergibt sich in der Regel ein Mörtel mit erdfeuchter bis schwach-plastischer Konsistenz. Durch Zusatz von Flugasche (für Fließestrich empfohlen) kann eine bessere Verarbeitungskonsistenz erreicht werden. Mit verflüssigenden Zusatzmitteln lässt sich eine Verbesserung der Verarbeitbarkeit erreichen. Fließestrich ist ein Mörtel, der durch einfaches Verteilen mit geringem Verdichtungsaufwand eingebaut werden kann. Ferner ist der Estrich wenigstens drei Tage, bei niedrigen Temperaturen oder bei langsam erhärtenden Zementen (in diesem Fall entsprechend länger) vor dem Austrocknen und auch danach noch wenigstens eine Woche vor schädlichen Einwirkungen, z. B. durch Wärme, Schlagregen und Zugluft, zu schützen. Der Schutz vor Zugluft ist bei kleineren Bauwerken im Allgemeinen ohne besondere Maßnahmen sichergestellt, wenn das Bauwerk geschlossen ist. Zementestrichmörtel sind nach Beendigung des Mischvorgangs bzw. nach Anlieferung auf der Baustelle unverzüglich einzubringen, zu verteilen und – bei nicht fließfähiger Konsistenz – abzuziehen und zu verdichten. Um eine Anreicherung von Wasser oder Feinmörtel an der Oberfläche zu verhindern, sollte das Glätten auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Pudern mit Zement, Aufbringen von Feinmörtel oder das Aufsprühen von Wasser um eine geschlossene Oberfläche zu erreichen, sind nicht zulässig. Eine Verbesserung der Beanspruchbarkeit kann durch eine Oberflächenbehandlung der Estrichschicht erreicht werden (Fluatierung, Imprägnierung, Versiegelung, Beschichtung). Die Temperatur des Mörtels muss beim Einbau mindestens 5 °C betragen und danach wenigstens 3 Tage lang mindestens auf dieser Temperatur gehalten werden. Zementestrich ist wenigstens 3 Tage – bei niedrigen Temperaturen oder bei langsam erhärtenden Zementen entsprechend länger – vor dem Austrocknen zu schützen, z. B. durch Feuchthalten, Abdecken mit Folien oder Matten, Aufsprühen eines flüssigen Nachbehandlungsmittels. Danach ist der Estrich noch wenigstens eine Woche vor schädlichen Einwirkungen (Wärme, Schlagregen, Zugluft) zu schützen. Bei kleineren Bauwerken ist im Allgemeinen der Schutz vor Zugluft ohne besondere Maßnahmen sichergestellt, wenn die Außenwandöffnungen geschlossen sind. Schwimmend verlegte Zementestriche sollten frühestens nach 3 Tagen begangen und nicht vor Ablauf von 7 Tagen höher belastet werden. Bei Estrichen auf Trennschicht und bei Verbundestrichen können die Fristen ggf. verkürzt werden. Durch die Verwendung von Beschleunigern kann eine frühere Nutzung der Estrichoberfläche erreicht werden. Je länger der Estrich feucht gehalten wird, umso günstiger ist sein Schwindverhalten. Um den Estrich gegen zu schnelles Austrocknen zu schützen, können geeignete KunstharzDispersionen, wie z. B. Polyvinylacetate, -propionate oder Polymethylmethacrylate, bis zu 30 M.-% vom Zementgewicht zugegeben werden. U.U. kann dadurch gleichzeitig die Verarbeitbarkeit sowie die Haftung am Untergrund verbessert, eine höhere Biegezugfestigkeit und eine Erniedrigung des E-Moduls erzielt werden, d. h. Herabsetzung der Rissneigung und
6.4 Estrichmörtel
425
Sprödigkeit. Bei Flächen im Freien, die einer Gefährdung durch Frost- oder Tausalzeinwirkung ausgesetzt sind, muss der Estrich in der Regel einen hohen Frost-Tausalz-Widerstand haben. In diesem Fall muss – in Anlehnung an DIN 1045-2 – ein auf das Größtkorn abgestimmter Gehalt an Mikroluftporen durch Zugabe eines luftporenbildenden Zusatzmittels erreicht werden. Auf Grund der sich zum Teil einstellenden Nachteile ist bei Verwendung von Zusatzmitteln stets eine Eignungsprüfung erforderlich. Durch Zugabe von weißen oder farbigen, polierfähigen Gesteinskörnungen kann ein Spezialestrich, der Terrazzo, hergestellt werden, meist unter Verwendung von weißem Zement. Die Oberfläche des in 1 bis 2 cm Dicke eingebrachten Estrichs wird nach dem Erhärten geschliffen. Zementestriche sind ohne Oberflächenschutz nicht säurebeständig. Auch gegen Salze – insbesondere Sulfate – müssen sie sorgfältig geschützt werden. 6.4.2.2 Calciumsulfatestrich (CA)
Calciumsulfatestrich (CA) wird aus Calciumsulfatbinder nach DIN EN 13454-1 (siehe 4.1.3.1), Gesteinskörnung, Wasser und ggf. Zusatzmitteln (z. B. Fließmittel) hergestellt. Calciumsulfatbinder umfassen u. a. auch Anhydritbinder, weshalb der früher gebräuchliche Anhydritestrich (AE) nicht mehr eigens in der Norm aufgeführt wird. Nach Beendigung des Mischvorgangs bzw. nach Anlieferung auf der Baustelle ist der CAMörtel unverzüglich einzubringen, zu verteilen, eben abzuziehen und zu verdichten; letzteres kann bei Fließestrichen entfallen. Die Oberfläche ist – bei nicht fließfähiger Konsistenz – abzureiben und zu glätten; dabei ist ein Pudern oder Nässen der Oberfläche nicht zulässig. Die Temperatur des Mörtels muss beim Einbau mindestens 5 °C betragen und danach wenigstens 2 Tage lang mindestens auf dieser Temperatur gehalten werden. Der Estrichmörtel muss wenigstens 2 Tage lang vor schädlichen Einwirkungen (Wärme, Schlagregen, Zugluft) geschützt werden. Im Gegensatz zu Zementestrich sollte Calciumsulfatmörtel ungehindert austrocknen können; er darf keiner dauernden Feuchtigkeitsbeanspruchung ausgesetzt werden. Sofern mit Feuchtigkeitsanreicherungen zu rechnen ist, müssen die betroffenen Bereiche geschützt werden (z. B. durch eine Dampfsperre); die zu treffenden Maßnahmen sind vom Planer bei der Bauwerksplanung festzulegen. Calciumsulfatestrich sollte frühestens nach 3 Tagen begangen und darf frühestens nach 5 Tagen höher belastet werden. 6.4.2.3 Magnesiaestrich (MA)
Magnesiaestrich (MA, früher: ME) wird nach DIN EN 14016 aus kaustischer Magnesia [Magnesiumoxid MgO] und einer wässrigen Magnesiumsalzlösung [MgCl2, MgSO4] sowie anorganischen oder organischen Füllstoffen und gegebenenfalls weiteren Zusätzen (z. B. Pigmente) hergestellt. Bei der Herstellung von Magnesiaestrichmörtel sollte das Mischungsverhältnis von wasserfreiem Magnesiumchlorid zu Magnesiumoxid zwischen 1 : 2,0 und 1 : 3,5 liegen; die MgO-
426
6 Mörtel
reicheren Mischungen werden bei ungünstigen klimatischen Verhältnissen (z. B. hohe Luftfeuchtigkeit im Bau, niedrige Temperaturen) empfohlen. Bei zu geringem MgCl2-Angebot (weniger als 2 Massenanteile) erhärtet der Mörtel nicht ausreichend. Hingegen führt ein MgCl2-Überschuss bei feuchtem Wetter zur Feuchtigkeitsaufnahme und zum Quellen, da MgCl2 stark hygroskopisch ist. Vorsicht ist deshalb auch in nicht unterkellerten Räumen (Gefahr aufsteigender Feuchtigkeit) geboten. Eine Verwendung im Freien oder in Feuchträumen sowie über Heizräumen (Schwindrissgefahr durch starke Austrocknung) ist nicht zulässig. Magnesiaestrichmörtel ist unverzüglich nach Beendigung des Mischvorgangs bzw. nach Anlieferung auf der Baustelle einzubringen, zu verteilen und der Konsistenz entsprechend abzuziehen und zu verdichten. Die Oberfläche ist erforderlichenfalls abzureiben und zu glätten. Die Temperatur des Mörtels muss beim Einbau mindestens 5 °C betragen und danach wenigstens 2 Tage lang mindestens auf dieser Temperatur gehalten werden. Der Estrichmörtel muss wenigstens 2 Tage lang vor schädlichen Einwirkungen, wie z. B. Wärme, Schlagregen und Zugluft, geschützt werden. Der Mörtel sollte ungehindert austrocknen können und darf keiner dauernden Feuchtigkeitsbeanspruchung ausgesetzt werden. Bereiche im Estrich, in denen mit Feuchtigkeitsanreicherung zu rechnen ist, müssen durch eine Dampfsperre oder sonstige geeignete Maßnahmen geschützt werden; eine derartige Maßnahme ist vom Planer bei der Bauwerksplanung festzulegen. Magnesiaestrich sollte frühestens nach zwei Tagen begangen und frühestens nach fünf Tagen höher belastet werden. Beim Eindringen von MgCl2-Lösung in aufgehende Wände können sich später hier nasse Flecken zeigen; zur Vorbeugung sollten die anschließenden Wandteile abgedichtet werden (z. B. mit einem Bitumenanstrich). Durch eine Oberflächenbehandlung mit säurefreien Ölen oder mit Bohnerwachs kann man den Estrich gegen Nässeeinwirkung von oben schützen. Wird der Magnesiaestrich direkt auf eine Betontragschicht aufgebracht, ist zu beachten, dass durch in den Beton eindringende MgCl2-Lösung Schäden durch Magnesiatreiben des Zementes auftreten können. Deshalb sollte man Magnesiaestriche erst dann auf eine Betondecke aufbringen, wenn der Beton eine ausreichende Festigkeit erreicht hat und die durch die Volumenzunahme auftretenden Spannungen aufnehmen kann (erforderliches Betonalter ca. 4 Wochen). Um Chloridkorrosion der Bewehrung zu unterbinden muss man verhindern, dass Mörtelfeuchtigkeit bis an die Stahleinlagen vordringen kann; auf ausreichende Betonüberdeckung und ein dichtes Betongefüge ist zu achten. Alle mit dem Belag in Berührung kommenden Metallteile sind nachhaltig, z. B. mittels Bitumenanstrich oder ähnlichem, vor dem Zutritt der stark korrosionsfördernden Chloridlösung zu schützen. Nach dem Erhärten greift der Mörtel Metalle nicht mehr an. Er wird aber erneut aggressiv, wenn er wieder feucht wird. Über Spannbetondecken sind Magnesiaestriche wegen der Korrosionsgefahr unzulässig!
6.4 Estrichmörtel
427
6.4.2.4 Gussasphaltestrich (AS)
Gussasphaltestrich (AS, früher: GE) wird aus Bitumen nach DIN EN 12591 und Gesteinskörnungen (inkl. Füller) ähnlich wie Straßenbaugussasphalt hergestellt. Die Estrichmasse wird gebrauchsfertig in beheizbaren Rührwerkskesseln zur Baustelle transportiert und bei einer Temperatur von 220 °C bis 250 °C je nach Härteklasse eingebaut. Die Oberfläche des heißen Gussasphaltestrichs wird in der Regel mit Sand abgerieben. Der frisch verlegte Gussasphaltestrich darf nach dem Abkühlen, in der Regel nach zwei bis drei Stunden, genutzt werden. Der Abkühlvorgang darf nicht beschleunigt werden. Generell sollten Gussasphaltestriche der Härteklasse ICH 10 nicht unter +10 °C, der Härteklasse IC 10 nicht unter +5 °C, solche der Härteklasse IC 15 nicht unter 0 °C abkühlen. 6.4.2.5 Kunstharzestrich (SR)
Für die Herstellung von Kunstharzestrichen werden ein- bzw. mehrkomponentige Kunstharze, Gesteinskörnungen und meist Farbpigmente verwendet; als Kunstharze kommen Epoxid(EP), Polyester- (UP), Polymethylmetacrylat- (PMMA) und Polyurethanharz (PUR) zur Anwendung. Kunstharzestrichmörtel sind unmittelbar nach Beendigung des Mischvorgangs auf dem Untergrund zu verteilen und der Konsistenz entsprechend zu verdichten und abzuziehen. Die Verarbeitungstemperatur hängt vom Kunstharztyp ab; im Regelfall müssen folgende Mindesttemperaturen (Luft, Untergrund und Mörtel) eingehalten werden: PMMA > –10 °C; EP und PUR > 8 °C; UP > 10 °C. Die Luft- und Untergrundtemperaturen (Bauteiltemperatur) müssen mindestens 3 K über dem Taupunkt liegen. Die Verarbeitungsrichtlinien und die Sicherheitsvorschriften des Materiallieferanten für die Ausführung müssen beachtet und eingehalten werden. Die Aushärtezeiten von Kunstharzestrichen auf der Basis von ein- bzw. mehrkomponentiger Harze sind von der Ausführungs- und Aushärtungstemperatur, der Art des Kunstharzes und dem Härtesystem erheblich abhängig. Allgemein kann bei Temperaturen von 15 °C bis 25 °C davon ausgegangen werden, dass Kunstharzestriche nach acht bis zwölf Stunden begangen und nach drei bis sieben Tagen mechanisch belastet werden können.
6.4.3 Eigenschaften, Anforderungen 6.4.3.1 Umfang der Prüfungen, Lagerungsbedingungen
Für die verschiedenen Estrichmörtelarten werden in DIN EN 13813 die jeweils maßgeblichen Eigenschaften und durchzuführenden Prüfungen angegeben (siehe Tabelle 6.17); die Prüfverfahren werden in DIN EN 13892, Teile 1 bis 8, beschrieben.
428
6 Mörtel
Magnesit
N
N
Ο
Ο
Ο
Gussasphalt
–
–
Ο
Ο
Ο
Kunstharz N Ο – a
Ο
Ο
–
Na (eine von zwei)
–
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Ο
Οa
Ο
Ο
–
Ο
Ο
Ο
Ο
N
Ο
–
Ο
–
Ο
–
Ο
Ο
Ο
Ο
–
Ο
N
Ο
–
–
–
–
–
–
–
– Ο
–
Ο
–
Ο
Ο
–
Ο
N
a
Haftzugfestigkeit
Ο
Ο
Schlagfestigkeit
Ο
Elastizitätsmodul
Ο
pH-Wert
N
Konsistenz
N
Schwinden und Quellen
Calciumsulfat
Verarbeitungszeit
Na (eine von drei)
Widerstand gegen Rollbeanspruchung von Estrichen mit Bodenbelägen
Verschleißwiderstand nach Böhme Verschleißwiderstand nach BCA
N
Eindringtiefe
Biegezugfestigkeit
N
Oberflächenhärte
Druckfestigkeit
Zement
Verschleißwiderstand gegen Rollbeanspruchung
Estrichmörtel auf der Basis von
Tabelle 6.17 Prüfungen für die verschiedenen Estrichmörtelarten
N
Normativ Optional, wenn zutreffend nicht zutreffend nur für Estrichmörtel, die für Nutzflächen vorgesehen sind.
Der Zeitpunkt, ab dem die gewünschten Eigenschaften erreicht sein müssen, wird für jede Bindemittelart in DIN EN 13892-1 festgelegt. Im Allgemeinen gilt ein Mörtelalter von 28 Tagen; die Lagerungsbedingungen der Prüfkörper bis zum Prüftermin sind in Tabelle 6.18 dargestellt. Wenn der Hersteller nachweisen kann, dass die geforderten Eigenschaften früher erreicht werden, darf dieser Zeitpunkt unter der Voraussetzung in die Bezeichnung aufgenommen werden, dass zu diesem Zeitpunkt alle für die Klassen deklarierten Werte erreicht worden sind. Die in Tabelle 6.17 genannten Eigenschaften werden in den folgenden Kapiteln behandelt. Darüber hinaus sind ggf. weitere Eigenschaften anzugeben, wenn diese z. B. durch gesetzliche Anforderungen verlangt werden oder wenn sich der Hersteller für die Angabe einer Leistung entscheidet, auch wenn diese durch Verordnungen nicht erfasst wird. Zu diesen besonderen Eigenschaften zählen: elektrischer Widerstand; chemische Beständigkeit; Brandverhalten; Freisetzung korrosiver Stoffe oder Korrosivität von Estrichmörteln; Wasserdampfdurchlässigkeit; Wärmedämmung; Wasserdurchlässigkeit; Trittschallisolierung; Schallabsorption.
429
6.4 Estrichmörtel Tabelle 6.18 Lagerungsdauer und Lagerungstemperatur der Prüfkörper Estrichmörtel auf der Grundlage von
Lagerungsdauer (Tage)
Lagerungstemperatur
in der Form
°C
ohne Form
relative Luftfeuchte im Lagerungsraum (95±5)% (65±5)% (50±5)% (95±5)% (65±5)%
Zementa
2
–
–
5
21
–
Calciumsulfat
20 ± 2
2
–
–
–
26
–
Magnesia
20 ± 2
–
1
–
–
27
–
–
c
–
–
27c
b
Kunstharz a
b
c
(50±5)%
20 ± 2
23 ± 2
–
1
Zementestrichmörtel, die vom Hersteller als kunstharzmodifiziert ausgewiesen sind, müssen wie Kunstharzestrichmörtel gelagert werden. Proben für die Bestimmung des Schwindens und Quellens sollten nach dem in prEN 13454-2 angegebenen Verfahren nachbehandelt werden. Oder eine kürzere vom Hersteller angegebene Dauer.
6.4.3.2 Druckfestigkeit
Die Druckfestigkeit von Zement-, Calciumsulfat-, Magnesia- und Kunstharzestrich wird nach DIN EN 13892-2 an Prismen 40 mm x 40 mm x 160 mm nach vorangegangener Biegezugprüfung durch Teilflächenbelastung der Prismenhälften bestimmt. Mit dem in DIN EN 13813 festgelegten statistischen Konformitätsnachweisverfahren wird der Estrichmörtel in eine der folgenden Druckfestigkeitsklassen („C“ für „Compression“ = Druck; Druckfestigkeit in N/mm²) eingeordnet: C5 – C7 – C12 – C16 – C20 – C25 – C30 – C35 – C40 – C50 – C60 – C70 – C80. 6.4.3.3 Biegezugfestigkeit
Die Biegezugfestigkeit von Zement-, Calciumsulfat- und Magnesiaestrich wird nach DIN EN 13892-2 an Prismen 40 mm x 40 mm x 160 mm bestimmt. Für Kunstharzestrichmörtel, die in einer Dicke bis zu 5 mm aufgebracht werden sollen, wird die Biegezugfestigkeit nach EN ISO 178, ansonsten nach DIN EN 13892-2 geprüft. Die Estrichmörtel werden in eine der folgenden Biegezugfestigkeitsklassen („F“ für „Flexural“ = Biege-; Biegezugfestigkeit in N/mm²) eingeordnet: F1 – F2 – F3 – F4 – F5 – F6 – F7 – F10 – F15 – F20 – F30 – F40 – F50. 6.4.3.4 Verschleißwiderstand
Für Estrichmörtel, die als Nutzschicht verwendet werden, kann der Verschleißwiderstand nach einem der folgenden Verfahren bestimmt werden:
430
6 Mörtel
Verschleißwiderstand nach Böhme
Das Verfahren wurde bereits in Abschnitt 1.2.7.3 dargestellt; seine Anwendung bei Estrichen ist in DIN EN 13892-3 beschrieben. Der Verschleißwiderstand nach Böhme wird mit „A“ (für „Abrasion“ = Abrieb) und der in cm³/(50 cm²) angegebenen Abriebmenge gekennzeichnet; folgende Verschleißwiderstandsklassen werden unterschieden: A22 – A15 – A12 – A9 – A6 – A3 – A1,5 Verschleißwiderstand nach BCA
Bei diesem in DIN EN 13892-4 beschriebenen Verfahren wird die Estrichoberfläche durch eine Maschine mit drei gehärteten Stahlrädern, die mit einer bestimmten Anzahl von Umdrehungen und einer normierten Auflast über einen ringförmigen Prüfbereich laufen, beansprucht. Die mittlere Verschleißtiefe innerhalb des ringförmigen Prüfbereiches gibt den Verschleißwiderstand an der jeweiligen Prüfstelle an. Der BCA-Verschleißwiderstand wird mit „AR“ (für „Abrasion Resistance“ = Abriebbeständigkeit) und der auf 100 μm angegebenen maximalen Abriebtiefe bezeichnet (AR4 = 400 μm Abrieb). Folgende Verschleißwiderstandsklassen nach BCA sind festgelegt: AR6 – AR4 – AR2 – AR1 – AR0,5. Verschleißwiderstand gegen Rollbeanspruchung
Betonplatten mit aufgebrachtem Estrichmörtel werden wiederholt Überläufen mit einem hoch belasteten Laufrad ausgesetzt; dabei bewegt sich der Probekörper horizontal in zwei im rechten Winkel kreuzenden Richtungen bei unterschiedlichen Drehzahlen. Diese Bewegung verursacht Normal- und Scherspannungen im Estrichmörtel sowie eine an den Wendepunkten des Laufrades durch Torsion hervorgerufene Scherkraft. Der Verschleißwiderstand gegen Rollbeanspruchung wird durch die Änderung des Oberflächenprofils bzw. die daraus resultierende Abriebmenge bestimmt. Er wird mit „RWA“ (für „Rolling Wheel Abrasion“ = Abrieb durch Rollbeanspruchung) und der in cm³ angegebenen Abriebmenge bezeichnet. Folgende Verschleißwiderstandsklassen werden unterschieden: RWA300 – RWA 100 – RWA20 – RWA10 – RWA1. 6.4.3.5 Widerstand gegen Rollbeanspruchung bei Bodenbelägen
Bei Bodenbelägen, die auf Estrichen verklebt werden, kann es infolge Rollbeanspruchungen zu Ablösungen kommen. Für die Prüfung nach DIN EN 13892-7 wird die unter 6.4.3.3 beschriebene Prüfeinrichtung (Laufrad) eingesetzt. Als Prüfkörper werden Betonplatten mit aufgebrachtem Estrichmörtel und einem definierten Bodenbelag aus PVC verwendet. Die Prüfung wird bei zunehmender Last wiederholt. Der Widerstand gegen Rollbeanspruchung ist die höchste Last, bei der die Prüfung bestanden wird, ohne dass eine Ablösung des Bodenbelags vom Estrich eintritt. Der Widerstand gegen Rollbeanspruchung wird mit „RWFC“ (für „Rolling Wheel Floor Covering“ = Bodenbeläge für Rollbeanspruchung) und der in N angegebenen Radlast bezeichnet. Folgende Widerstandsklasssen werden unterschieden: RWFC150 - RWFC250 – RWFC350 – RWFC450 – RWFC550.
6.4 Estrichmörtel
431
6.4.3.6 Oberflächenhärte
Bei der Prüfung der Oberflächenhärte nach DIN EN 13892-6 wird die bleibende Eindrucktiefe t bestimmt, die durch eine auf die Oberfläche gelegte Stahlkugel (d = 10 mm) unter einer festgelegten Last F = 500 N entstanden ist. Die Oberflächenhärte SH („Surface Hardness“) wird als die auf der Kugel einwirkende Last dividiert durch die Oberfläche des Eindrucks berechnet und in N/mm² angegeben:
SH =
F d ⋅π⋅t
(6.10)
Die Oberflächenhärte wird an 3 Prismen mit den Abmessungen 40 mm x 40 mm x 160 mm gemessen und kann mit einer nachfolgenden Biegezug- und Druckfestigkeitsprüfung kombiniert werden. Für Magnesiaestrichmörtel, die als Nutzflächen verwendet werden, muss die Oberflächenhärte bestimmt werden; für sonstige Estrichmörtel mit Feinkorn (< 4 mm) darf sie vom Hersteller angegeben werden. Folgende Oberflächenhärteklassen werden unterschieden: SH30 – SH40 – SH50 – SH70 – SH100 – SH150 – SH200. 6.4.3.7 Haftzugfestigkeit
Bei Verbundestrichen muss eine ausreichende Haftung zwischen Estrich und Untergrund gewährleistet sein; zur Überprüfung wird die Haftzugfestigkeit nach DIN EN 13892-8 geprüft. Das Prüfverfahren wurde bereits in Abschnitt 1.2.5.6 vorgestellt. Der zu prüfende Estrich wird auf eine Unterlage aus Beton mit festgelegter Zusammensetzung aufgebracht. Die Kernbohrung zur Definition der Prüffläche (50 mm Durchmesser) wird durch den Estrich bis in den Untergrund eingebracht. Nach ausreichender Erhärtung des aufgeklebten Stahlstempels wird eine Zugkraft senkrecht zur Verbundfläche erzeugt. Die Haftzugfestigkeit wird aus dem Quotienten der Bruchkraft und der Prüffläche ermittelt. Bei Estrichdicken von mehr als 30 mm ist keine Betonunterlage erforderlich. Anstelle von runden Stahlstempeln können auch quadratische Stahlabzugsplatten (50 mm Kantenlänge) verwendet werden.
6.4.4 Estrichbauarten 6.4.4.1 Verbundestrich
Verbundestriche werden im Verbund mit dem tragenden Untergrund hergestellt, um dessen Oberfläche nutzfähig zu gestalten; sie können unmittelbar (ohne Belag) genutzt oder mit einem Belag versehen werden. Für Verbundestriche gilt DIN 18560-3. Aus fertigungstechnischen Gründen sollte die Estrichdicke mindestens das Dreifache des Größtkorns der Gesteinskörnung betragen. Bei einschichtigem Zement-, Calciumsulfat-, Magnesia- und Kunstharzestrichen sollte die Nenndicke maximal 50 mm betragen. Bei Guss-
432
6 Mörtel
asphalt sollten 20 mm nicht unterschritten und 40 mm nicht überschritten werden. Durch den festen Verbund zwischen Estrich und tragendem Untergrund ist die Übertragung aller statischen und dynamischen Kräfte sichergestellt, so dass die Estrichdicke bei Verbundestrichen für die Beanspruchbarkeit nicht die entscheidende Rolle spielt. Die Festigkeitsklasse des Estrichmörtels bzw. Härteklasse der Estrichmasse für den Verbundestrich muss auf die Art der Nutzung und der Beanspruchung abgestimmt werden. Zement-, Calciumsulfat-, Magnesia- und Kunstharzestriche müssen mindestens der Festigkeitsklasse C20/F3 (bei Nutzung mit Belag) bzw. C25/F4 (bei Nutzung ohne Belag) entsprechen. Bei Gussasphaltestrichen gelten die gleichen Anforderungen wie bei Estrichen auf Trennschicht (siehe Tabelle 6.20). Der tragende Untergrund muss zur Aufnahme des Verbundestrichs geeignet sein, d. h. er muss die statischen und konstruktiven Anforderungen erfüllen. Tabelle 6.19 enthält verschiedene Untergrundarten und ihre Eignung für die einzelnen Estrichmörtelarten. Tabelle 6.19 Eignung tragender Untergründe für Verbundestriche Estrichmörtelart
Untergrund Beton
Calciumsulfatestrich
Magnesiaestrich
Zementestrich
Gussasphaltestricha
Holzb
Stahlb
Calciumsulfatestrich
+
+
Ο
+
Ο
Ο
Ο
Gussasphaltestrich
Ο
–
–
Ο
+
Ο
Ο
Kunstharzestrich
+
Ο
Ο
+
Ο
Ο
Ο
Magnesiaestrichc
+
Ο
+
+
Ο
+
Ο
Zementestrich
+
Ο
–
+
Ο
Ο
Ο
+ geeignet; Ο mit besonderen Maßnahmen (Untergrund und/oder Produkte) geeignet; – nicht geeignet a b c
Sowie andere bitumengebundene Trag- und Deckschichten Bei ausreichender Biegesteifigkeit Bei Stahlbetondecken ist eine Sperrschicht vorzusehen.
Der Untergrund muss die Ebenheitstoleranzen nach DIN 18202 einhalten; dies gilt nicht für Zementestrich, der „frisch auf frisch“ auf einen Betonuntergrund aufgebracht wird. Wenn der tragende Untergrund größere Unebenheiten aufweist oder wenn Rohrleitungen, Kabel usw. darauf verlegt sind, ist ein Ausgleichsestrich erforderlich; dieser muss die Unebenheiten so weit überdecken, dass er seinerseits als tragender Untergrund geeignet ist. Um einen kraftübertragenden Verbund zu gewährleisten, muss die Untergrundoberfläche ausreichend fest, griffig, sauber und möglichst frei von Rissen und losen Bestandteilen sein. Außerdem darf sie nicht durch Öl, Kraftstoff, Mörtelreste, Anstrichmittel oder Ähnliches
6.4 Estrichmörtel
433
verschmutzt sein. Bei Untergründen aus Beton darf der Verbund mit dem Estrich nicht durch Anreicherungen von Feinstteilen sowie durch Betonzusatzmittel oder Nachbehandlungsmittel beeinträchtigt werden. Bietet die Oberfläche des Untergrundes keine ausreichende Haftung für den Estrich, muss die Oberfläche mechanisch bearbeitet oder mit einer speziellen Haftbrücke versehen werden. Verbundestriche sind mit der Benennung „Estrich“, der DIN-Hauptnummer, dem Kurzzeichen für die Estrichmörtelart sowie der Druck- und der Biegezugfestigkeits- bzw. Härteklasse nach DIN EN 13813 und darüber hinaus mit dem Buchstaben „V“ (für Verbund) sowie mit der Nenndicke der Estrichschicht in mm zu bezeichnen. Wird ein Verbundestrich unmittelbar genutzt, ist zusätzlich die Verschleißwiderstandsklasse anzugeben. Beispiel: Estrich DIN 18560 – CT – C30 – F5 – A15 – V 25 ist die Bezeichnung eines Zementestrichs (CT) der Druckfestigkeitsklasse C30, der Biegezugfestigkeitsklasse F5, der Verschleißwiderstandsklasse A15 (nach Böhme) als Verbundestrich (V) mit 25 mm Nenndicke. 6.4.4.2 Estrich auf Trennschicht
Beim Estrich auf Trennschicht (DIN 18560-4) wird der Estrich durch eine dünne Zwischenlage vom tragenden Untergrund getrennt; er kann direkt genutzt oder mit einem Belag versehen werden. Ein solcher Estrich wird eingesetzt, wenn in der Tragkonstruktion starke Biegebeanspruchungen zu erwarten sind oder der Tragbeton wasserabweisend ist. Die Trennschichten sind in der Regel zweilagig, bei Calciumsulfat- und Gussasphaltestrich einlagig auszuführen; bei zweilagiger Verlegung dürfen Abdichtungen und Dampfsperren als eine Lage der Trennschicht gelten. Die einzelnen Lagen sollen glatt und ohne Aufwerfungen verlegt werden; Stöße sind zu verkleben bzw. ausreichend zu überlappen. Für die Trennschicht ist Polyethylenfolie von mindestens 0,1 mm Dicke; kunststoffbeschichtetes Papier von mindestens 0,15 mm Dicke; bitumengetränktes Papier von mindestens 100 g/m² Flächengewicht; Rohglasvlies von mindestens 50 g/m² Flächengewicht oder ein anderes Erzeugnis mit vergleichbaren Eigenschaften zu verwenden. Bei Gussasphalt müssen temperaturbeständige, nicht komprimierbare Trennschichten verwendet werden. Die Dicke von Estrichen auf Trennschicht soll aus fertigungstechnischen Gründen nicht weniger als etwa das Dreifache des Größtkorns der Gesteinskörnung betragen; sie sollte bei einschichtigem Estrich folgende Werte nicht unterschreiten: 15 mm bei Kunstharzestrichen; 25 mm bei Gussasphaltestrichen; 30 mm bei Calciumsulfat- und Magnesiaestrichen sowie 35 mm bei Zementestrichen. Die Festigkeitsklasse bzw. Härteklasse des Estrichs auf Trennschicht muss vom Planer auf die Art der Nutzung und der Beanspruchung abgestimmt werden. In Tabelle 6.20 sind die jeweiligen Mindestanforderungen angegeben.
434
6 Mörtel
Tabelle 6.20 Festigkeits- bzw. Härteklassen für Estrich auf Trennschicht Estrichart
Festigkeitsklasse bzw. Härteklasse nach DIN EN 13813 bei Nutzung mit Belag
ohne Belag
Calciumsulfatestrich
≥F4
≥F4
Kunstharzestrich
≥F7
≥F7
Magnesiaestrich
≥F4
≥F7
Zementestrich
≥F4
≥F4
Gussasphaltestrich − für beheizte Räume − für nicht beheizte Räume und im Freien − für Kühlräume
IC 10 oder IC 15 IC 15 oder IC 40 IC 40 oder IC 100
Bei der Bezeichnung von Estrichen auf Trennschicht ist das Kurzzeichen für die Estrichart sowie die Druck- und Biegezugfestigkeits- bzw. Härteklasse nach DIN EN 13813 anzugeben, gefolgt von dem Buchstaben „T" (für Trennschicht) und der Nenndicke der Estrichschicht in mm. Bei direkt genutztem Zementestrich auf Trennschicht wird zusätzlich die Verschleißwiderstandsklasse nach Böhme (A) angegeben. Beispiel: Estrich DIN 18560 – AS – IC 15 – T 25 bezeichnet einen Gussasphaltestrich (AS) der Härteklasse 15 (IC 15), als Estrich auf Trennschicht (T) mit 25 mm Nenndicke. 6.4.4.3 Estrich auf Dämmschicht (schwimmender Estrich)
Ein schwimmender Estrich nach DIN 18560-2 wird – um die Anforderungen an den Wärmeund Tritt-Schallschutz zu erfüllen – als lastverteilende Platte auf einer Dämmschicht aufgebracht. Er hat keine direkte Verbindung mit der Unterlage und angrenzenden, aufgehenden Bauteilen, so dass er sich bei Formänderungen oder mechanischer Einwirkung weitestgehend ungehindert bewegen kann. Die Dämmschicht, die meist aus Dämmmatten oder -platten aus mineralischen oder organischen Fasern oder aus Schaumkunststoffen besteht, muss sorgfältig und lückenlos auf die ausreichend trockene und saubere Rohdecke vollflächig verlegt werden. An der Wand wird sie durch hochgestellte Dämmstreifen weitergeführt. Die Dämmschichten sind in der Regel durch geeignete Maßnahmen vor Feuchtigkeit, z. B. durch Dampfsperren zu schützen. Nach dem Verlegen wird die Dämmschicht zweckmäßigerweise mit einer wasserundurchlässigen Folie abgedeckt, die Schallbrücken und ein Durchfeuchten der Dämmschicht beim Einbringen des Estrichs verhindern soll. Beim Einbringen des Estrichs ist besonders darauf zu achten, dass die Dämmschicht nicht verschoben oder beschädigt wird. Schubkarren müssen deshalb auf einer Bretterbahn gefahren werden, gelegentlich werden auch Förderbänder eingesetzt. Das Entleeren darf nicht unmittelbar auf die Dämmschicht, sondern nur auf eine Holz- oder Blechunterlage oder ähnliches erfolgen.
435
6.4 Estrichmörtel
Ein schwimmender Estrich kann auch beheizt werden. Er wird dann als Heizestrich bezeichnet. Schwimmender Estrich sollte – mit Ausnahme von Heizestrichen der Bauart C (siehe Bild 6-5) – stets einschichtig eingebaut werden. Die Nenndicken für unbeheizte Estriche sind in Tabelle 6.21 in Abhängigkeit von der Nutzlast nach DIN 1055-3, der Art des Estrichs und der Zusammendrückbarkeit der Dämmschicht C angegeben. Größere Estrichdicken werden innerhalb einer Estrichart im Allgemeinen mit kleiner werdender Biegezugfestigkeitsklasse sowie mit steigender Verkehrslast erforderlich. Bei Flächenlasten > 5,0 kN/m² sind die Estrichnenndicken vom Planer festzulegen. Tabelle 6.21 Nenndicken und Biegezugfestigkeit bzw. Härte unbeheizter Estriche auf Dämm1) 2) schichten für unterschiedliche lotrechte Nutzlasten Estrichart
Biegezugfestigkeitsklasse bzw. Härteklasse nach DIN EN 13813
Estrichnenndickea in mm bei einer Zusammendrückbarkeit der Dämmschicht
Bestätigungsprüfung
C in mm ≤ 5,0
b,d
≤ 5,0b
≤ 3,0
≤ 3,0
Biegezugfestigkeit βBZ
Eindringtiefe
bis 4,0
N/mm²
mm
Einzellasten in kN –
bis 2,0
bis 3,0
Flächenlasten in kN/m² ≤2
≤3
≈4
≈5
bei kleinster Mittelbei Einzel- wert (22±1) (40±1) wert °C °C
CalciumsulfatFließestrich CAF
F4 F5 F7
≥ 35 ≥ 35 ≥ 35
≥ 50 ≥ 45 ≥ 40
≥ 60 ≥ 50 ≥ 45
≥ 65 ≥ 55 ≥ 50
≥ 3,5 ≥ 4,5 ≥ 6,5
≥ 4,0 ≥ 5,0 ≥ 7,0
– – –
– – –
CaciumsulfatEstrich CA
F4 F5 F7
≥ 45 ≥ 40 ≥ 35
≥ 65 ≥ 55 ≥ 50
≥ 70 ≥ 60 ≥ 55
≥ 75 ≥ 65 ≥ 60
– – –
IC 10 ICH 10
≥ 25 ≥ 35
≥ 30 ≥ 40
≥ 30 ≥ 40
≥ 35 ≥ 45
≥ 2,5 ≥ 3,5 ≥ 4,5 – –
– – –
GussasphaltEstrich AS
≥ 2,0 ≥ 2,5 ≥ 3,5 – –
KunstharzEstrich SR
F7 F10
≥ 35 ≥ 30
≥ 50 ≥ 40
≥ 55 ≥ 45
≥ 60 ≥ 50
≥ 4,5 ≥ 6,5
≥ 5,5 ≥ 7,0
≤ 1,0 ≤ 1,0 – –
≤ 4,0 ≤ 2,0 – –
MagnesiaEstrich MA
F4c F5 F7
≥ 45 ≥ 40 ≥ 35
≥ 65 ≥ 55 ≥ 50
≥ 70 ≥ 60 ≥ 55
≥ 75 ≥ 65 ≥ 60
≥ 2,0 ≥ 2,5 ≥ 3,5
≥ 2,5 ≥ 3,5 ≥ 4,5
– – –
– – –
Zementestrich CT
F4 F5
≥ 45 ≥ 40
≥ 65 ≥ 55
≥ 70 ≥ 60
≥ 75 ≥ 65
≥ 2,0 ≥ 2,5
≥ 2,5 ≥ 3,5
– –
– –
a Bei Dämmschichten 40 mm kann bei Calciumsulfat-, Kunstharz-, Magnesia- und Zementestrichen die Estrich-
dicke um 5 mm reduziert werden, die Mindestdicke von 30 mm darf nicht unterschritten werden (außer Gussasphalt). b Bei Gussasphaltestrichen darf die Zusammendrückbarkeit der Dämmschichten nicht mehr als 3 mm betragen. c Die Oberflächenhärte bei Steinholzestrichen muss mindestens SH 30 nach DIN EN 13813 entsprechen. d Bei höherer Zusammendrückbarkeit ( 10 mm) muss die Estrichnenndicke um 5 mm erhöht werden. 1) 2)
Die Dämmschicht kann aus einer oder mehreren Lagen aus den für die vorgesehene Art des Estrichs geeigneten Dämmstoffen bestehen; die Zusammendrückbarkeiten werden addiert. Bei Einzellasten sind für deren Aufstandsflächen im Allgemeinen zusätzliche Überlegungen erforderlich. Dasselbe gilt für Fahrbeanspruchung.
436
6 Mörtel
Weist der Estrich eine andere Biegezugfestigkeitsklasse als in Tabelle 6.21 angegeben auf, so sind abweichende Estrichnenndicken möglich; die Mindestdicke muss jedoch 30 mm betragen. Unter Stein- und keramischen Belägen darf die Estrichnenndicke 40 mm bei Calciumsulfat-Fließestrichen (CAF) und 45 mm bei allen anderen Estrichen nicht unterschreiten. Bei geringeren Nenndicken muss eine Eignungsprüfung auf Tragfähigkeit und auf Durchbiegung nach DIN 18560-2 Abschnitt 6.2 durchgeführt werden. Bei Gussasphaltestrichen können je nach Nutzungstemperatur andere Härteklassen als in Tabelle 6.21 angegeben erforderlich werden; dies ist in unbeheizten Räumen oder in Räumen mit niedrigen Temperaturen (z. B. Kühlräume) zu beachten. Eine Bewehrung von Estrichen auf Dämmschicht ist grundsätzlich nicht erforderlich, kann jedoch – insbesondere bei Zementestrichen zu Aufnahme von Stein- oder keramischen Belägen – zweckmäßig sein, weil dadurch eine Verbreiterung eventuell auftretender Risse und Höhenversatz der Risskanten vermieden wird. Das Entstehen von Rissen kann dadurch jedoch nicht verhindert werden. Da die Verdichtung von schwimmendem Estrich unter Umständen problematisch ist, wird die Konsistenz des Mörtels weich bis fließfähig eingestellt. Schwimmende Estriche sind mit der Benennung „Estrich“, der DIN-Hauptnummer, dem Kurzzeichen für Estrichmörtelart und der Biegezugfestigkeits- bzw. Härteklasse nach DIN EN 13813 und darüber hinaus mit dem Buchstaben „S“ (für schwimmend) sowie der Nenndicke der Estrichschicht in mm zu bezeichnen, z. B.:
Estrich DIN 18560 – CA – F4 – S40. Heizestriche sind ferner mit dem Buchstaben „H“ und der Überdeckung der Heizelemente in mm zu bezeichnen, z. B.:
Estrich DIN 18560 – CT – F4 – S70 H45 6.4.4.4 Heizestrich
Bei Heizestrichen werden folgende Bauarten (siehe auch Bild 6-5) unterschieden: A: Systeme mit Rohren innerhalb des Estrichs; B: Systeme mit Rohren unterhalb des Estrichs; C: Systeme mit Rohren im Ausgleichsestrich, auf den der Estrich mit einer zweilagigen Trennschicht aufgebracht wird.
Bild 6-5 Bauarten von Heizestrichen nach DIN 18560-2
6.4 Estrichmörtel
437
Folgende Temperaturen dürfen im Bereich der Heizelemente im Estrich auf Dauer nicht überschritten werden: Warmwasser-Fußbodenheizungen: bei Gussasphaltestrichen 45 °C; bei Calciumsulfat- und Zementestrichen 55 °C. Elektro-Fußbodenheizungen: bei Gussasphaltestrichen und Calciumsulfatestrichen 55 °C; bei Zementestrichen 65 °C. Die Estrichnenndicken von Calciumsulfat- und Zement-Heizstrichen sind nach Tabelle 6.21 in Abhängigkeit von den Nutzlasten und von der Biegezugfestigkeitsklasse des Estrichs festzulegen. Bei Bauart A muss die Estrichnenndicke zusätzlich um den Außendurchmesser des Heizrohres erhöht werden. Die Rohrüberdeckung muss bei der Biegezugfestigkeitsklasse F4 mindestens 45 mm, bei Fließestrichen CAF-F4 mindestens 40 mm betragen. Werden Estriche mit anderen als den angegebenen Biegezugfestigkeitsklassen verwendet, so sind abweichende Dicken möglich; allerdings muss eine Rohrüberdeckung von mindestens 30 mm eingehalten werden. Bei Estrichen mit geringerer Dicke ist eine Prüfung auf Tragfähigkeit, bei Stein- und keramischen Belägen zusätzlich auf Durchbiegung erforderlich (Prüfverfahren siehe DIN 18560-2, 6.2). Bei Ausgleichsestrichen bei der Bauart C ist die Überdeckung der Heizelemente gering; deshalb neigen Ausgleichsestriche zu Schwindrissen, die jedoch in der Regel ihre Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Ausgleichsestriche haben keine lastverteilende Funktion. Wird bei Bauart C Calciumsulfatestrich als Ausgleichsestrich verwendet, muss die Feuchte beim Aufbringen der Trennschicht unter 0,3 M.-% liegen. Bei Gussasphalt-Heizestrich ist ausschließlich die Härteklasse „ICH 10“ zulässig. Die Rohrüberdeckung muss mindestens 15 mm betragen. 6.4.4.5 Hochbeanspruchbare Estriche (Industrieestriche)
Estriche, die hohen Beanspruchungen unterliegen, werden als so genannte Industrieestriche nach DIN 18560-7 ausgeführt. Die Norm unterscheidet zwischen leichten, mittleren und schweren Beanspruchungen; für die Einordnung in eine Beanspruchungsgruppe sind das Gewicht der Güter und Flurförderzeuge (Bereifungsart) sowie die Arbeitsabläufe maßgebend (Tabelle 6.22). Industrieestriche können als Gussasphalt-, Kunstharz-, Magnesiaestrich und als zementgebundener Hartstoffestrich ausgeführt werden.
438
6 Mörtel
Tabelle 6.22 Beanspruchungsgruppen für Industrieestriche Beanspruchung durch Flurförderzeuge, Bereifungsarta, Arbeitsabläufe und Fußgängerverkehr – Beispiele
Beanspruchungsgruppe I (schwer)
Bearbeiten, Schleifen und Kollern von Metallteilen, Absetzen von Gütern mit Metallgabeln, Fußgängerverkehr mit mehr als 1000 Personen pro Tag
Stahl und Polyamid
Schleifen und Kollern von Holz, Papierrollen und Kunststoffteilen;
Urethan-Elastomer II (mittel)
III( leicht) a
(Vulkollan) und Gummi
Fußgängerverkehr von 100 bis 1000 Personen/Tag
Elastik und Luftreifen
Montage auf Tischen, Fußgängerverkehr bis 100 Personen/Tag
Gilt nur für saubere Bereifung. Eingedrückte harte Stoffe und Schmutz auf Reifen erhöhen die Beanspruchung.
Gussasphaltestrich
Gussasphaltestrich wird im Regelfall als Estrich auf Trennschicht einschichtig, bei Nenndicken über 40 mm zweischichtig hergestellt. Härteklasse und Größtkorn der Gesteinskörnung sind nach Tabelle 6.23 auszuwählen. Bei Gussasphaltestrich der Klasse IC 10 darf unter der Einwirkung einer Einzellast auf Dauer keine Pressung größer als 1,0 N/mm2 entstehen. Bei anderen Härteklassen ist die Belastbarkeit des Gussasphaltestrichs geringer. Tabelle 6.23 Gussasphaltestrich – Nenndicken, Körnungen und Härteklassen Beanspruchungsgruppe nach Tabelle 6.22
Nenndicke
Größtkorn der Gesteinskörnung
[mm]
[mm]
I
≥ 35
11
(schwer)
≥ 30
8
II
≥ 30
8
(mittel)
≥ 25
5
III
≥ 30
8
(leicht)
≥ 25
5
Härteklassen nach DIN EN 13813 bei beheizten Räumen
IC 10 oder IC 15
nicht beheizten Räumen und im Freien
IC 15 oder IC 40
Kühlräumen
IC 40 oder IC 100
Kunstharzestrich
Kunstharzestriche für hohe Beanspruchungen werden in der Regel als Verbundestriche hergestellt. Als Gesteinskörnung ist feuergetrockneter Quarzsand bzw. Hartkorn mit optimierter Sieblinie zu verwenden. Der Durchmesser des Größtkorns darf höchstens ein Drittel der Estrichdicke betragen.
439
6.4 Estrichmörtel
Tabelle 6.24 enthält die Anforderungen an Estrichnenndicke, Druck-, Biegezug- und Haftzugfestigkeitsklasse in Abhängigkeit von der Beanspruchungsgruppe. Tabelle 6.24 Kunstharzestriche – Nenndicken, Druck-, Biegezug- und Haftzugfestigkeitsklassen Beanspruchungsgruppe
Druckfestigkeitsklasse
Biegezugfestigkeitsklasse
Estrichnenndicke
Haftzugfestigkeitsklassea
[mm]
a
I (schwer)
≥ C 60
≥ F 20
≥ 10
≥ B 2,0
II (mittel)
≥ C 60
≥ F 20
≥ 10
≥ B 2,0
III (leicht)
≥ C 40
≥ F 12
≥5
≥ B 1,5
Die Haftzugfestigkeitsklasse an einem genormten Untergrund nach DIN EN 13892-8 kann nach der Verlegung (vor Ort) nicht geprüft werden.
Magnesiaestrich
Magnesiaestrich wird üblicherweise als Verbundestrich hergestellt. Falls er in Sonderfällen auf Dämm- oder Trennschicht ausgeführt werden soll, ist er zweischichtig herzustellen; die Unterschicht muss dann mindestens der Druckfestigkeitsklasse C 12 entsprechen. Einschichtige Magnesiaestriche sollten eine Nenndicke von höchstens 25 mm aufweisen und mindestens der Rohdichteklasse 1,4 entsprechen. Bei zweischichtigem Verbundestrich muss die Dicke der Unterschicht mindestens 15 mm und die der Oberschicht (Nutzschicht) mindestens 8 mm betragen. Bei Ausführung auf Dämmschicht muss die Unterschicht mindestens 80 mm, bei Ausführung auf Trennschicht mindestens 30 mm dick sein. Die Biegezugfestigkeitsklasse und die Oberflächenhärte von Magnesiaestrich (bzw. der Nutzschicht bei zweischichtiger Ausführung) müssen mindestens den Werten nach Tabelle 6.25 entsprechen. Tabelle 6.25 Magnesiaestrich – Biegezugfestigkeitsklassen und Oberflächenhärte Beanspruchungsgruppe
Biegezugfestigkeitsklasse
Oberflächenhärte (Nennwert) [N/mm²]
I (schwer)
F 11
SH 200
II (mittel)
F 10
SH 150
III (leicht)
F8
SH 100
Zementgebundener Hartstoffestrich
Zementgebundener Hartstoffestrich wird unter Verwendung von Hartstoffen nach DIN 1100 hergestellt. Als Verbundestrich wird er im Regelfall einschichtig, als Estrich auf Trenn- oder Dämmschicht ist er zweischichtig auszuführen.
440
6 Mörtel
Zweischichtiger Estrich besteht aus einer oben liegenden Hartstoffschicht und einer darunter liegenden Übergangsschicht; einschichtiger Estrich besteht nur aus der Hartstoffschicht. Die erforderliche Dicke der Hartstoffschicht ist Tabelle 6.26 zu entnehmen. Die Buchstabenerweiterung bei den Festigkeitsklassen (A, M, KS) entspricht den Hartstoffgruppen nach DIN 1100: Hartstoffgruppe A: natürliche Gesteinskörnung und/oder dichte Schlacke oder Gemische davon mit Stoffen der Hartstoffgruppen M und/oder KS; Hartstoffgruppe M: Metall; Hartstoffgruppe KS: Elektrokorund und Siliziumcarbid. Tabelle 6.26 Zementgebundener Hartstoffestrich – Nenndicke der Hartstoffschicht Beanspruchungsgruppe
Nenndicke in mm bei Festigkeitsklasse F 9A
F 11M
F 9KS
I (schwer)
≥ 15
≥8
≥6
II (mittel)
≥ 10
≥6
≥5
III (leicht)
≥8
≥6
≥4
Zweischichtiger Hartstoff-Verbundestrich muss eine mindestens 25 mm dicke Übergangsschicht aufweisen. Bei Hartstoffestrich auf Trennschicht muss die Übergangsschicht mindestens 80 mm dick sein und in ihrer Zusammensetzung DIN 1045-2 entsprechen. Die Ausführung von zementgebundenem Hartstoffestrich auf Dämmschicht ist vom Planer festzulegen, weil in Abhängigkeit von der Dämmschicht und der Größe der Verkehrslast eine größere Dicke der Übergangsschicht und/oder eine Bewehrung nach statischer Berechnung erforderlich werden können. Übergangsschichten müssen mindestens der Festigkeitsklasse C 35 bzw. F 5 entsprechen. Sie dürfen nicht zur Herstellung von Gefälle auf waagerechten Flächen verwendet werden, d. h. ein erforderliches Gefälle muss bereits vor Verlegung des Estrichs im tragenden Untergrund vorhanden sein. Bei der Bezeichnung von Industrieestrichen sind anzugeben: Estrichart (Gussasphalt-, Kunstharz-, Magnesia- oder Hartstoffestrich), DIN-Hauptnummer, Kurzzeichen für die Estrichart, Druck- und Biegezugfestigkeitsklasse bzw. Härteklasse, Verschleißwiderstandsklasse, Kennbuchstabe für Estrichbauart (S = schwimmender Estrich, V = Verbundestrich, T = Estrich auf Trennschicht) sowie die Nenndicke in mm. Beispiel:
Magnesiaestrich DIN 18560 – MA – C 50 – F10 – SH 150 – V 15 Bei zweischichtigen Estrichen werden die Nenndicken beider Schichten angegeben. Bei Hartstoffestrichen erfolgt zusätzlich der Hinweis auf DIN 1100 und die Angabe der Hartstoffgruppe. Beispiel:
Hartstoffestrich DIN 18560 – CT – C 60 – F 10 – A 1,5 – DIN 1100 – A – V – 10/30
441
6.6 Literatur
6.5 Einpressmörtel Bei vorgespannten Bauteilen mit nachträglichem Verbund müssen die Hüllrohre nachträglich verpresst werden, um den Korrosionsschutz der Spannglieder sowie den Verbund zwischen Spannglied und Hüllrohr zu gewährleisten. Hierfür werden Einpressmörtel nach DIN EN 447 verwendet. Einpressmörtel ist ein Gemisch aus Portlandzement (CEM I nach DIN EN 197-1), Zusatzmitteln und Wasser. Zur Gewährleistung eines ausreichenden Korrosionsschutzes der Spannglieder darf der Chloridgehalt des Einpressmörtels höchstens 0,1 M.-% bezogen auf den Zementgehalt betragen; dieser Wert entspricht der Summe der Chloride, die als zulässige Verunreinigungen in den Bestandteilen vorhanden sind. Das absichtliche Hinzufügen von Chloriden ist nicht zulässig! Als Zusatzmittel werden verflüssigende Zusätze sowie Treibmittel zur Kompensation des Schwindens verwendet. Der höchstzulässige Wasser-Zement-Wert beträgt 0,44. Bei Einpressmörteln werden Anforderungen bzgl. Fließvermögen, Wasserabsonderung, Volumenänderung und Druckfestigkeit gestellt; die entsprechenden Prüfverfahren enthält DIN EN 445. Das Fließvermögen des Einpressmörtels muss so eingestellt sein, dass der Mörtel auf wirksame Weise eingepumpt, die Hüllrohre ausreichend ausgefüllt und gleichzeitig im Hüllrohr vorhandene Luft und Wasser ausgetrieben werden können. Das Fließvermögen wird nach DIN EN 445 mit dem Eintauchversuch und dem Trichterverfahren bestimmt. Die Wasserabsonderung muss so gering sein, dass ein übermäßiges Entmischen und Absetzen der Mörtelbestandteile vermieden wird; sie muss nach 3 Stunden weniger als 2 % des Anfangsvolumens des Einpressmörtels betragen. Die Volumenänderung muss im Bereich zwischen -1 Vol.-% (Volumenverringerung) und +5 Vol.-% (Volumenvergrößerung) liegen. Bei Verwendung von Treibmitteln darf keine Volumenverringerung auftreten. Bei der Prüfung wird vornehmlich die durch Entmischung oder Quellen bewirkte Volumenänderung bestimmt. Die Druckfestigkeit des Einpressmörtels wird üblicherweise an Prismen mit den Abmessungen 40 mm × 40 mm × 160 mm bestimmt, kann aber auch an Zylindern oder Würfeln geprüft werden. Die 28-Tage-Druckfestigkeit muss mindestens 30 N/mm² betragen.
6.6 Literatur 6.6.1 Normen, Richtlinien Norm
Ausgabe
Titel
DIN 1053-1
1996-11
Mauerwerk – Teil 1: Berechnung und Ausführung
DIN 1053-2
1996-11
Mauerwerk – Teil 2: Mauerwerksfestigkeitsklassen aufgrund von Eignungsprüfungen
442
6 Mörtel
DIN 1053-3
1990-02
Mauerwerk – Teil 3: Bewehrtes Mauerwerk – Berechnung und Ausführung
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2006-03
Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 3: Eigen- und Nutzlasten für Hochbauten
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2004-05
Hartstoffe für zementgebundene Hartstoffestriche – Anforderungen und Prüfverfahren
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1994-03
Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile
DIN 4102-4/A1
2004-11
Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile; Änderung A1
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2001-07
Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Klimabedingter Feuchteschutz, Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung
DIN 4108-3 Ber1
2002-04
Berichtigung 1 zu DIN 4108-3: 2001-07
DIN 18202
2005-10
Toleranzen im Hochbau – Bauwerke
DIN V 18550
2005-04
Putz und Putzsysteme – Ausführung
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Prüfung von Mörteln mit mineralischen Bindemitteln – Teil 3: Festmörtel – Bestimmung der Biegezugfestigkeit, Druckfestigkeit und Rohdichte
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1986-03
Prüfung von Mörteln mit mineralischen Bindemitteln – Teil 4: Festmörtel – Bestimmung der Längs- und Querdehnung sowie von Verformungskenngrößen von Mauermörteln im statischen Druckversuch
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1987-11
Prüfung von Mörteln mit mineralischen Bindemitteln – Teil 6: Festmörtel – Bestimmung der Haftzugfestigkeit
DIN 18555-7
1987-11
Prüfung von Mörteln mit mineralischen Bindemitteln – Teil 7: Frischmörtel – Bestimmung des Wasserrückhaltevermögens nach dem Filterplattenverfahren
DIN 18555-9
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Prüfung von Mörteln mit mineralischen Bindemitteln – Teil 9: Festmörtel – Bestimmung der Fugendruckfestigkeit
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2009-09
Estriche im Bauwesen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen, Prüfung und Ausführung
DIN 18560-2
2009-09
Estriche im Bauwesen – Teil 2: Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche)
DIN 18560-3
2006-03
Estriche im Bauwesen – Teil 3: Verbundestriche
DIN 18560-4
2004-04
Estriche im Bauwesen – Teil 4: Estriche auf Trennschicht
443
6.6 Literatur
DIN 18560-7
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Mauermörtel mit besonderen Eigenschaften
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2004-03
Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Teil 412: Regeln für die Verwendung von Mauermörtel nach DIN EN 998-2
DIN EN 445
2008-01
Einpressmörtel für Spannglieder – Prüfverfahren
DIN EN 447
2008-01
Einpressmörtel für Spannglieder – Allgemeine Anforderungen
DIN EN 998-1
2003-09
Festlegungen für Mörtel im Mauerwerksbau – Teil 1: Putzmörtel
DIN EN 998-1 Ber1
2006-05
Berichtigung 1 zu DIN EN 998-1:2003-09
DIN EN 998-2
2003-09
Festlegungen für Mörtel im Mauerwerksbau – Teil 1: Mauermörtel
DIN EN 1015-1
2007-05
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 1: Bestimmung der Korngrößenverteilung (durch Siebanalyse)
DIN EN 1015-2
2007-05
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 2: Probenahme von Mörteln und Herstellung von Prüfmörteln
DIN EN 1015-3
2007-05
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 3: Bestimmung der Konsistenz von Frischmörtel (mit Ausbreittisch)
DIN EN 1015-4
1998-12
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 4: Bestimmung der Konsistenz von Frischmörtel (mit Eindringgerät)
DIN EN 1015-6
2007-05
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 6: Bestimmung der Rohdichte von Frischmörtel
DIN EN 1015-7
1998-12
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 7: Bestimmung des Luftgehaltes von Frischmörtel
DIN EN 1015-9
2007-05
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 9: Bestimmung der Verarbeitbarkeitszeit und der Korrigierbarkeitszeit von Frischmörtel
DIN EN 1015-10
2007-05
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 10: Bestimmung der Trockenrohdichte von Festmörtel
DIN EN 1015-11
2007-05
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 11: Bestimmung der Biegezug- und Druckfestigkeit von Festmörtel
444
6 Mörtel
DIN EN 1015-12
2000-06
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 12: Bestimmung der Haftfestigkeit von erhärteten Putzmörteln
E DIN EN 1015-14
1999-07
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 14: Bestimmung der Dauerhaftigkeit von erhärtetem Mauermörtel (Festmörtel) (mit einem Zementanteil an der Gesamtbindemittelmenge von mehr als 50 %) (Entwurf)
DIN EN 1015-17
2005-01
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 17: Bestimmung des Gehaltes an löslichem Chlorid von Frisch- und Festmörteln
DIN EN 1015-18
2003-03
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 18: Bestimmung der kapillaren Wasseraufnahme von erhärtetem Mörtel (Festmörtel)
DIN EN 1015-19
2005-01
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 19: Bestimmung der Wasserdampfdurchlässigkeit von Festmörteln aus Putzmörteln
DIN EN 1015-21
2003-03
Prüfverfahren für Mörtel für Mauerwerk – Teil 21: Bestimmung der Verträglichkeit von Einlagenputzmörteln mit Untergründen
DIN EN 1745
2002-08
Mauerwerk und Mauerwerksprodukte – Verfahren zur Ermittlung von Wärmeschutzrechenwerten
DIN EN 12591
2009-08
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Anforderungen an Straßenbaubitumen
DIN EN 13318
2000-12
Estrichmörtel und Estriche – Begriffe
DIN EN 13454-1
2005-01
Calciumsulfat-Binder, Calciumsulfat-Compositbinder und Calciumsulfat-Werkmörtel für Estriche – Teil 1: Begriffe und Anforderungen
DIN EN 13454-2
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Calciumsulfat-Binder, Calciumsulfat-Compositbinder und Calciumsulfat-Werkmörtel für Estriche – Teil 2: Prüfverfahren
DIN EN 13813
2003-01
Estrichmörtel, Estrichmassen und Estriche – Estrichmörtel und Estrichmassen – Eigenschaften und Anforderungen
DIN EN 13892-1
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Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 1: Probenahme, Herstellung und Lagerung der Prüfkörper
DIN EN 13892-2
2003-02
Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 2: Bestimmung der Biegezug- und Druckfestigkeit
445
6.6 Literatur
DIN EN 13892-3
2004-07
Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 3: Bestimmung des Verschleißwiderstands nach Böhme
DIN EN 13892-4
2003-02
Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 4: Bestimmung des Verschleißwiderstands nach BCA
DIN EN 13892-5
2003-09
Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 5: Bestimmung des Widerstandes gegen Rollbeanspruchung von Estrichen für Nutzschichten
DIN EN 13892-6
2003-02
Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 6: Bestimmung der Oberflächenhärte
DIN EN 13892-7
2003-09
Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 7: Bestimmung des Widerstandes gegen Rollbeanspruchung von Estrichen mit Bodenbelägen
DIN EN 13892-8
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Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen – Teil 8: Bestimmung der Haftzugfestigkeit
DIN EN 14016-1
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Bindemittel für Magnesiaestriche – Kaustische Magnesia und Magnesiumchlorid – Teil 1: Begriffe und Anforderungen
DIN EN 14016-2
2004-04
Bindemittel für Magnesiaestriche – Kaustische Magnesia und Magnesiumchlorid – Teil 2: Prüfverfahren
DIN EN ISO 11654
1997-07
Akustik – Schallabsorber für die Anwendung in Gebäuden – Bewertung der Schallabsorption (ISO 11654:1997)
DIN EN ISO 15148
2003-03
Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Baustoffen und Bauprodukten – Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten bei teilweisem Eintauchen (ISO 15148:2002)
6.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [6.1] [6.2] [6.3] [6.4] [6.5]
[6.6]
Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Band 2: Beton, 3. Auflage. Wiesbaden: Bauverlag, 1993 Timm, H.: Estriche und Bodenbeläge: Arbeitshilfen für die Planung, Ausführung und Beurteilung, 4. Auflage. Wiesbaden : Vieweg + Teubner, 2009 Ross, H.; Stahl, F.: Handbuch Putz: Stoffe, Verarbeitung, Schadensvermeidung, 3. Auflage. Köln : R. Müller, 2003 Bundesverband der Gipsindustrie e.V. (Hrsg.): GIPS-Datenbuch, 2006. Schneider, K.-J.; Schubert, P.; Wormuth, R.: Mauerwerksbau – Gestaltung, Baustoffe, Konstruktion, Berechnung, Ausführung, 6. Auflage. Düsseldorf : Werner-Verlag, 1999 Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Zementestrich. Zement-Merkblatt Betontechnik B 19, Ausgabe 11/2008.
446 [6.7] [6.8] [6.9]
6 Mörtel
Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Industrieböden aus Beton. ZementMerkblatt Tiefbau T 1, Ausgabe 1/2006 Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Zement-Taschenbuch 2008, 51. Ausgabe. Düsseldorf : Bau + Technik, 2008 Riechers, H.-J.: Mauermörtel. In: Mauerwerk-Kalender 2005. Berlin : Ernst & Sohn, 2005
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
7.1 Allgemeines zum Thema Mauerwerk 7.1.1 Begriffe Mauerwerk ist ein Verbundwerkstoff, der aus Mauersteinen und Mauermörtel (siehe Abschnitt 6.2) besteht; eine Ausnahme bildet das selten vorkommende mörtellose „Trockenmauerwerk“. Dabei werden die Eigenschaften von Mauerwerk durch die Eigenschaften der beiden Einzelkomponenten Stein und Mörtel, aber auch durch deren Zusammenwirken beeinflusst. Die Bezeichnung der Maße und Oberflächen von Mauersteinen ist in Bild 7-1 dargestellt; die Steinbreite entspricht im Allgemeinen der Wanddicke. Im Mauerwerk sind zwischen den Mauersteinen horizontal und vertikal verlaufende Fugen vorhanden. Die horizontale Fuge wird als Lagerfuge, die vertikale Fuge als Stoßfuge bezeichnet (Bild 7-2).
Bild 7-1 Maße und Oberflächen von Mauersteinen
Bild 7-2 Fugen und Überbindemaß
Lagerfugen sind stets vollflächig zu vermörteln. Stoßfugen können je nach Gestaltung der Stirnfläche unterschiedlich vermauert werden. In Bild 7-3 sind vier verschiedene Möglichkeiten dargestellt: a) vollflächige Vermörtelung der Stoßfuge; b) Mörtelauftrag auf die Steinflanken; c) „Knirsch“-Verlegung von Steinen mit Vermörtelung der Mörteltasche; d) „Knirsch“-Verlegung von Nut-Feder-Steinen ohne Stoßfugenvermörtelung. „Knirsch“ bedeutet, dass die Mauersteine möglichst dicht aneinander gestoßen werden.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_7, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
448
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Bild 7-3 Gestaltung von Stoßfugen
Die Dicke der Lagerfugen soll so gewählt werden, dass das Maß von (Steinhöhe + Fugendicke) dem Baurichtmaß entspricht (siehe unten). Um die auftretenden Kräfte gleichmäßig zu verteilen, muss im Verband gemauert werden, d. h. die Stoßfugen übereinanderliegender Schichten müssen um das Überbindemaß ü versetzt sein (siehe Bild 7-2).
7.1.2 Tragverhalten von Mauerwerk Wie bei allen mineralischen Baustoffen ist auch bei Mauerwerk die Druckfestigkeit wesentlich größer als die Zug- und Biegezugfestigkeit; deshalb wird Mauerwerk in der Regel für druckbeanspruchte Bauteile (Wände, Pfeiler) verwendet. Die Druckfestigkeit von Mauerwerk hängt zwar einerseits von der Stein- und Mörteldruckfestigkeit ab, wird darüber hinaus aber wesentlich vom Zusammenwirken der beiden Komponenten beeinflusst. Bei einer Druckbeanspruchung von Mauerwerk senkrecht zu den Lagerfugen entstehen im Mauerstein Querzugspannungen, die bei Erreichen der Steinquerzugfestigkeit zum Druckversagen des Mauerwerks führen. Ursache hierfür ist die unterschiedliche Querverformbarkeit von Mauermörtel und Mauerstein. Infolge der vorhandenen Druckbeanspruchung will sich der Mauermörtel stärker querverformen als der Stein, wird daran jedoch durch den Verbund mit dem Stein gehindert. Hieraus resultieren Querzugspannungen im Stein und entsprechende Querdruckspannungen im Mörtel (siehe Bild 7-4). Somit ist die Druckfestigkeit von Mauerwerk im Wesentlichen von der Steinquerzugfestigkeit und von der Mörtelquerverformung abhängig.
Bild 7-4 Spannungszustand im Mauerwerk unter Druckbeanspruchung – vereinfachte schematische Darstellung [7.1]
449
7.1 Allgemeines zum Thema Mauerwerk
7.1.3 Stand der Normung bei Mauersteinen Die wichtigsten Mauersteinarten sind: Mauerziegel, Porenbetonsteine, Kalksandsteine sowie Betonsteine (Normal- und Leichtbeton). Außerdem werden noch Hüttensteine hergestellt, deren Marktanteil jedoch sehr gering ist. Für die o. g. Mauersteinarten liegen – mit Ausnahme der Hüttensteine – mittlerweile europäisch harmonisierte Produktnormen vor; darüber hinaus existieren für diese Steinarten sowohl Restnormen als auch Anwendungsnormen. Die Bedeutung von Rest- und Anwendungsnormen wurde in Abschnitt 1.4.5.2 am Beispiel Mauerziegel ausführlich beschrieben. In Tabelle 7.1 sind die maßgeblichen Mauersteinnormen zusammengestellt. Tabelle 7.1 Normen für Mauersteine europäische Produktnorm
nationale Restnorm
nationale Anwendungsnorm
Mauerziegel
EN 771-1
DIN V 105-100
DIN V 20000-401
Kalksandsteine
EN 771-2
DIN V 106
DIN V 20000-402
Mauersteinart
Betonsteine
EN 771-3
DIN V 18151
a)
DIN V 20000-403
DIN V 18152 b) DIN V 18153 c) Porenbeton a) b) c)
EN 771-4
DIN V 4165-100
DIN V 20000-404
DIN V 18151: Hohlblöcke aus Leichtbeton DIN V 18152: Vollsteine und Vollblöcke aus Leichtbeton DIN V 18153: Mauersteine aus Normalbeton
7.1.4 Steinformate Mauersteine werden in unterschiedlichen Formaten angeboten. Die Steinformate wurden nach DIN 4172 „Maßordnung im Hochbau“ im oktametrischen System (Grundlage: 1/8 m = 125 mm = 1 am (Achtelmeter)) unter Berücksichtigung einer Lagerfugendicke von 12 mm und einer Stoßfugenbreite von 10 mm festgelegt. Bei kleinformatigen Steinen weicht die erforderliche Lagerfugendicke geringfügig ab (siehe Bild 7-5).
Bild 7-5 Steinformate und Lagerfugendicke
450
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Bild 7-6 Formate von Mauersteinen (Auswahl) [7.2]
Das kleinste Steinformat ist das Format DF (Dünnformat) mit 240 mm Länge, 115 mm Breite und 52 mm Höhe. Die Formate größerer Steine werden – mit Ausnahme des Normalformates NF – ihrem Volumen entsprechend als Vielfache des Dünnformats angegeben (siehe Bild 7-6). Die Abmessungen der gängigen Formate sind in Tabelle 7.2 zusammengestellt. Die Steinbreite entspricht immer der Wanddicke. Bei einigen Formaten sind Länge und Breite austauschbar; in solchen Fällen wird dem Kurzzeichen die Steinbreite in Klammern hinzugefügt. Beispiel: 10 DF (240) entspricht dem Steinformat 300 x 240 x 238 (Länge × Breite × Höhe). Tabelle 7.2 Format-Kurzzeichen und Abmessungen von Mauersteinen Format-Kurzzeichen
Maße in mm Länge l
Breite b
Höhe h
DF (Dünnformat)
240
115
52
NF (Normalformat)
240
115
71
2 DF
240
115
113
3 DF
240
175
113
4 DF
240
240
113
5 DF
240
300
113
6 DF
240
365
113
8 DF
240
240
238
10 DF
240
300
238
12 DF
240
365
238
15 DF
365
300
238
18 DF
365
365
238
16 DF
490
240
238
20 DF
490
300
238
7.1 Allgemeines zum Thema Mauerwerk
451
Plansteine zeichnen sich durch eine besonders hohe Maßgenauigkeit aus und können daher in Dünnbettmörtel verlegt werden. Wegen der geringen Lagerfugendicke des Dünnbettmörtels muss die Höhe der Plansteine größer sein, damit das oktametrische Maß eingehalten werden kann; gleiches gilt für die Steinlänge. Bei der Bezeichnung von Plansteinen werden deshalb anstelle der Format-Kurzzeichen die Maße meist direkt angegeben (Länge × Breite × Höhe in mm). Bei den künstlich hergestellten Mauersteinen ist seit einiger Zeit eine Entwicklung hin zu immer geringeren Rohdichten erkennbar. Mit abnehmender Rohdichte wird das Wärmedämmvermögen der Steine verbessert, so dass die steigenden Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz leichter erfüllt werden können.
Bild 7-7 Mauerwerkverbände (Auswahl) [7.2]
Wegen der geringeren Rohdichte können die Steine in größeren Formaten hergestellt und verarbeitet werden. Deshalb wird die erforderliche Wanddicke heutzutage im Allgemeinen durch Einsteinmauerwerk (Steinbreite = Wanddicke) erzielt. Das früher gängige Verbandmauerwerk, bei dem zwei oder mehr Steinreihen nebeneinander gesetzt werden, ist sehr aufwändig und wird daher kaum noch ausgeführt; eine Ausnahme bilden die Zierverbände (z. B. Kreuz-, Blockverband) bei Sichtmauerwerk (siehe Bild 7-7). Kleinformatige Mauersteine werden als so genannte Einhandsteine produziert, d. h. die Steine können mit einer Hand gegriffen und gemauert werden. Die Greifspanne muss zwischen 40 und 115 mm liegen; deshalb weisen die Steine oft eine oder mehrere Grifföffnungen auf. Das maximal zulässige Verarbeitungsgewicht (einschließlich Steinfeuchte) ist bei Steinen mit
452
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
einer Greifspanne bis 75 mm auf max. 7,5 kg, bei größeren Greifspannen auf max. 6 kg begrenzt. Bei Zweihandsteinen ist das zulässige Verarbeitungsgewicht auf max. 25 kg beschränkt; diese Gewichtsobergrenze sowie die Steinrohdichte haben Konsequenzen auf die Steinformate. Steine, die mehr als 25 kg Verarbeitungsgewicht aufweisen, müssen mit Versetzhilfen (z. B. Minikrane) verarbeitet werden.
7.1.5 Rohdichteklassen Mauersteine werden anhand ihrer Trockenrohdichte bestimmten Rohdichteklassen zugeordnet (Tabelle 7.3). Die Trockenrohdichte ist für die Beurteilung der Wärme- und Schallschutzeigenschaften sowie für die Lastannahmen von Interesse; außerdem wirkt sie sich auf eine Reihe weiterer Eigenschaften, z. B. Druckfestigkeit, aus. Je höher die Steinrohdichte, desto größer sind im Allgemeinen Druckfestigkeit und Schalldämmung, desto geringer ist aber die Wärmedämmung. Tabelle 7.3 Rohdichteklassen für verschiedene Mauersteinarten
Mauersteine aus NB
Vollblöcke aus LB
Hohlblöcke aus LB
Porenbeton
Kalksandsteine
HD-Ziegel
LD-Ziegel
Mauersteinart Wärmedämmziegel
Rohdichteklasse
Wertebereich der Steinrohdichtea)
[kg/dm³]
0,35
•
0,31 bis 0,35
0,40
•
0,36 bis 0,40
0,45
•
•
•
0,41 bis 0,45
0,50
•
•
•
0,46 bis 0,50
•
•
•
0,51 bis 0,55
•
•
•
0,51 (0,56) bis 0,60
•
•
•
0,61 bis 0,65
•
•
•
0,61 (0,66) bis 0,70
0,55
•
0,60
•
0,65
•
0,70
•
0,75
•
0,80
•
0,85
•
0,90
•
0,95
•
1,00
•
• •
• •
0,71 bis 0,75 •
•
•
•
•
•
0,71 (0,76) bis 0,80 0,81 bis 0,85
•
•
•
•
•
•
0,81 (0,86) bis 0,90
•
•
•
•
•
•
0,91 (0,96) bis 1,00
0,91 bis 0,95
453
7.2 Mauerziegel
Hohlblöcke aus LB
Vollblöcke aus LB
Mauersteine aus NB
•
•
•
•
1,01 bis 1,20
1,40
•
•
•
•
•
1,21 bis 1,40
1,60
•
•
•
•
•
1,41 bis 1,60
1,80
•
•
•
•
1,61 bis 1,80
2,00
•
•
•
•
1,81 bis 2,00
2,20
•
•
•
2,01 bis 2,20
2,40
•
•
2,21 bis 2,40
Porenbeton
•
LD-Ziegel
1,20
Wärmedämmziegel a)
Wertebereich der Steinrohdichtea)
Kalksandsteine
Mauersteinart
HD-Ziegel
Rohdichteklasse
[kg/dm³]
Die Klammerwerte gelten bei Abstufung der Rohdichteklassen in 0,05er-Schritten
7.1.6 Festigkeitsklassen Bei der Auswahl einer Mauersteinart sind neben bauphysikalischen Aspekten wie Wärmedämmvermögen und Schallschutzeigenschaften bei tragendem Mauerwerk zusätzlich statische Aspekte zu berücksichtigen; hierfür ist die Druckfestigkeit der Mauersteine maßgebend. In den EN-Produktnormen wird zwischen Mauersteinen der Kategorie I und Steinen der Kategorie II unterschieden; die jeweilige Kategorie ist bei der CE-Kennzeichnung anzugeben. Mauersteine der Kategorie II dürfen nicht für tragendes Mauerwerk verwendet werden; sie werden deshalb im Folgenden nicht weiter behandelt. Mauersteine werden verschiedenen Festigkeitsklassen zugeordnet (Tabelle 7.4). Für die Zuordnung zu einer Festigkeitsklasse sind Mittelwert und kleinster Einzelwert der an einer Prüfkörperserie ermittelten Druckfestigkeit maßgebend; dabei werden unterschiedliche Steinformate sowie vom lufttrockenen Zustand abweichende Konditionierungsbedingungen durch Umrechnungsfaktoren berücksichtigt.
7.2 Mauerziegel Mauerziegel, Mauertafeln und sonstige baukeramischen Produkte werden im Kapitel 8 behandelt.
454
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Tabelle 7.4 Festigkeitsklassen für verschiedene Mauersteinarten Mauersteinart Mauersteine aus Normalbeton
•
•
•
•
•
2,0
2,5
4
•
•
•
•
•
•
4,0
5,0
6
•
•
•
•
•
•
6,0
7,5
8
•
•
•
•
•
•
8,0
10,0
10
•
•
10,0
12,5
12
•
•
•
•
•
12,0
15,0
16
•
•
16,0
20,0
20
•
•
•
20,0
25,0
28
•
•
•
28,0
35,0
36
•
•
•
36,0
45,0
48
•
•
•
48,0
60,0
60
•
•
60,0
75,0
Kalksandsteine
2
Ziegel
Vollblöcke aus Leichtbeton
mittlere Mindestdruckfestigkeit
Hohlblöcke aus Leichtbeton
kleinster Einzelwert
Porenbeton
Festigtigkeitsklasse
•
[N/mm²] [N/mm²]
7.3 Kalksandsteine Kalksandsteine (KS-Steine) werden aus den natürlichen Rohstoffen Kalk (als Bindemittel) und quarzhaltigen Gesteinskörnungen (Feinsand) unter Zugabe von Wasser hergestellt. Die verwendeten Gesteinskörnungen sollen DIN EN 12620 entsprechen; soweit die Eigenschaften nicht ungünstig beeinflusst werden, sind auch Leichtzuschläge nach DIN EN 13055-1 mit Ausnahme von Blähglas und Kesselsand zulässig. Die Beigabe von Wirkstoffen und Farbstoffen ist zulässig.
7.3.1 Herstellung Die Herstellung von Kalksandsteinen ist in Bild 7-8 schematisch dargestellt. Die wesentlichen Stationen der KS-Produktion sind: (1) Die in Silos gelagerten Ausgangsstoffe Kalk und Sand werden im Gewichtsverhältnis 1:12 dosiert, unter Wasserzugabe intensiv vermischt und über eine Förderanlage in Reaktoren geleitet.
7.3 Kalksandsteine
455
(2) In den Reaktoren löscht der Branntkalk unter Wasserverbrauch zu Kalkhydrat ab. Gegebenenfalls wird das Mischgut im Nachmischer durch weitere Wasserzugabe auf Pressfeuchte gebracht. (3) Mit vollautomatisch arbeitenden Pressen werden die Steinrohlinge geformt und anschließend auf Härtewagen gestapelt. (4) Das Härten der Rohlinge erfolgt im Dampf-Härtekessel (Autoklav) bei Temperaturen von ca. 200 °C unter Wasserdampfdruck, je nach Steinformat etwa 4 bis 8 Stunden. Dabei wird Kieselsäure von der Oberfläche der Quarzkörner angelöst; diese reagiert mit dem Kalkhydrat zu Calciumsilikathydraten (CSH-Phasen), die auf die Sandkörner aufwachsen und diese fest miteinander verzahnen. (5) Nach dem Abkühlen sind die Kalksandsteine gebrauchsfertig. Eine werkseitige Vorlagerung ist nicht erforderlich.
Bild 7-8 Herstellung von Kalksandsteinen [7.2]
7.3.2 Steinarten und Formate Kalksandsteine werden für tragendes und nichttragendes Mauerwerk vorwiegend zur Erstellung von Außen- und Innenwänden verwendet. Es werden verschiedene Steinarten für unter-
456
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
schiedliche Anwendungsbereiche angeboten, wobei folgende Kriterien zu beachten sind: Lochanteil (Vollsteine/Lochsteine), Schichthöhe, Steinhöhe (Normal- oder Planstein), Kantenausbildung (Fase), Stoßfugenausbildung (mit/ohne Nut-Feder-System), Frostwiderstand. Nach DIN V 106 unterscheidet man: Vollsteine: (KS)
Steinhöhe 113 mm. Ungelocht bzw. senkrecht zur Lagerfläche gelocht (maximal 15 % der Lagerfläche).
Lochsteine: (KS L)
Steinhöhe 113 mm. Lochung senkrecht zur Lagerfläche (15 bis höchstens 50 % der Lagerfläche).
Blocksteine: (KS)
Steinhöhe > 113 mm. Lochung senkrecht zur Lagerfläche (maximal 15 % der Lagerfläche).
Hohlblocksteine: (KS L)
Steinhöhe > 113 mm. Lochung senkrecht zur Lagerfläche (15 bis höchstens 50 % der Lagerfläche).
Plansteine: (KS … P)
Voll-, Loch-, Block- und Hohlblocksteine zur Vermauerung mit Dünnbettmörteln (erhöhte Anforderungen an die Grenzabmaße der Höhe sowie an die Planparallelität und Ebenheit der Lagerflächen).
Planelemente: (KS XL)
großformatige Vollsteine mit einer Höhe > 248 mm und einer Länge 498 mm, mit Lochung senkrecht zur Lagerfläche bis zu maximal 15 % der Fläche, zur Vermauerung mit Dünnbettmörteln (erhöhte Anforderungen an die Grenzabmaße der Höhe sowie an die Planparallelität und Ebenheit der Lagerflächen). Planelemente (KS XL) werden unterteilt in werkseitig konfektionierte Bausätze (KS XL-PE) und Rasterelemente (oktametrisches Raster) im Baukastenprinzip (KS XL-RE). KS XL-PE werden mit einem Versetzgerät nach einem vom KS-Werk mitgelieferten Verlegeplan verarbeitet; Passelemente werden bereits werkseitig maßgenau zugeschnitten.
Fasensteine: (KS F)
Plansteine mit abgefasten Kanten.
Bauplatten: (KS BP)
Kalksandstein für nichttragende innere Trennwände mit einer Regelhöhe von 248 mm, der mit einem umlaufenden Nut-Feder-System ausgebildet sein kann und an den erhöhte Anforderungen hinsichtlich der Grenzabmaße für die Höhe gestellt werden.
Formsteine:
Kalksandsteine in einer nicht nur von Rechtecken begrenzten Form.
KS-Steine mit Nut-Feder-Systemen werden durch den Zusatz „-R“ gekennzeichnet. Beispiel: „KS L-R P“ bezeichnet einen Hohlblockstein (L) mit Nut-Feder-System (-R) als Planstein (P).
457
7.3 Kalksandsteine
Bild 7-9 Kalksandsteine für Normalmörtel [7.2], links: KS-Steine und KS-Verblender, rechts: KS-R-Blocksteine
Alle o. g. Kalksandsteinarten sind für die Ausführung von nicht witterungsbeanspruchtem Hintermauerwerk vorgesehen; sie sind nicht frostwiderstandsfähig und benötigen daher einen zusätzlichen Witterungsschutz. Für Außenbauteile können ohne zusätzlichen Schutz folgende auf Frostbeständigkeit geprüften Steine verwendet werden: KS-Vormauersteine: (KS Vm)
Kalksandsteine mindestens der Druckfestigkeitsklasse 10, die den Nachweis des Frostwiderstandes (25 Frost-Tau-Wechsel) erbracht haben.
KS-Verblender: (KS Vb)
Kalksandsteine mindestens der Druckfestigkeitsklasse 16, an die höhere Anforderungen hinsichtlich Grenzabmaße und Frostwiderstand (50 Frost-Tau-Wechsel) als an einen KS-Vormauerstein gestellt werden.
Riemchen:
Kalksandsteine mit einer Breite 10 mm b < 90 mm, die für Fassadenbekleidungen verwendet werden und an die die erhöhten Anforderungen für KS-Verblender hinsichtlich Frostwiderstand gestellt werden.
458
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Bild 7-10 Kalksandsteine für Dünnbettmörtel [7.6], oben: KS XL-Rasterelemente, unten: KS XL-Planelemente
KS-Vormauersteine (KS Vm) und KS-Verblender (KS Vb) sind frostbeständig und für Sichtmauerwerk für Innen- sowie Außenwände geeignet. Zusätzlich werden an KS-Verblender Anforderungen hinsichtlich ihrer optischen Beschaffenheit gestellt. Für ihre Herstellung werden ausgewählte Rohstoffe verwendet; diese müssen frei sein von schädlichen Einschlüssen aus organischen Stoffen oder Ton, die durch Abblätterungen, Ausblühungen oder Verfärbungen das Aussehen der unverputzten Wände beeinträchtigen könnten. Block-, Loch- und Hohlblocksteine sind – abgesehen von durchgehenden Grifföffnungen – fünfseitig geschlossene Mauersteine, d. h. die Löcher sind auf der Oberseite geschlossen. Die Löcher sollen gleichmäßig über die Lagerfläche verteilt und annähernd gleich groß sein. Bei Loch- und Hohlblocksteinen sollen sie in den Lochachsen gegeneinander versetzt sein, um den Wärmedurchgang durch die Stege möglichst gering zu halten. Weitere Anforderungen an das Lochbild sind in Tabelle 7.5 zusammengestellt.
459
7.3 Kalksandsteine Tabelle 7.5 Anordnung der Lochreihen bei Loch- und Hohlblocksteinen Anzahl der Lochreihen
Anforderungen an den Durchmessera) der Einzellöcher [mm]
< 175
1 2 ≥3
≤ 60b) ≤ 40 keine
≥ 175 und < 240
1 2 ≥3
≤ 70b) ≤ 60 keine
≥ 240 und < 300
3 ≥4
≤ 60 keine
≥ 300 und < 365
4 ≥5
≤ 60 keine
365
5 ≥6
≤ 60 keine
Steinbreite (= Wanddicke) [mm]
a)
b)
Die Löcher dürfen sich zur Deckelseite hin schwach konisch verjüngen. Die Abstände zwischen den Lochrändern dürfen 7 mm nicht unterschreiten; einzelne, abweichende Innenstegdicken eines Steines sind bis zu einer Mindestdicke von 5 mm zulässig. Die Außenstegdicken dürfen an keiner Stelle 10 mm unterschreiten. Gesamtquerschnitt der Grifföffnungen und Lochungen 25 % der Lagerfläche.
7.3.3 Steinmaße, Grenzabmaße KS-Steine (Voll-, Lochsteine) werden in Formaten bis 6 DF, Blocksteine bis 20 DF hergestellt; neben den „klassischen“ DF-Formaten lässt DIN V 106 auch Zwischenmaße zu (siehe Tabelle 7.6). Zum Höhenausgleich am Wandfuß bzw. Wandkopf werden für alle Wanddicken so genannte Kimmsteine angeboten; die verfügbaren Höhen sind den Lieferprogrammen der KS-Werke zu entnehmen. Grundsätzlich ist bei KS-Produkten zu beachten, dass nicht alle Formate regional verfügbar sind. Die nach DIN V 106 zulässigen Grenzabmaße für die verschiedenen Produkte enthält Tabelle 7.7. Die hohe Maßgenauigkeit von Plansteinen (KS-R P) und Planelementen (KS XL) ermöglicht besonders ebenflächiges Mauerwerk; dadurch wird die Verwendung von Dünnlagenputzen (Dicke ca. 5 mm) möglich. Darüber hinaus werden weitere KS-Produkte wie Stürze, U-Schalen, Rolladengurtsteine, E-Steine (mit durchgehenden Installationskanälen) angeboten.
460
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Tabelle 7.6 Nennmaße von KS-Steinen, KS-Planelementen und KS-Bauplatten (in mm)
Längec) 240 (248)
Breite e)
115
e)
Höhe
Bauplatteng)
Planelemente
Voll-, Loch-, Block-, Hohlblock-, Planund Fasensteinea,b)
Länge
52
498
Breite 100
f)
Höhe
Länge
Breite
Höhe
498
248
100
248
300 (298), (308)
120
71
623
115
598
498
50
150
113 (123)d)
898
120
623
623
70
365 (373)
175
155
998
150
898
90
490 (498)
200
238 (248)d)
175
998
(623)
240
200
300
214
365
240 265 300 365
a)
b)
c) d) e) f) g)
Für KS-Vormauersteine und KS-Verblender, die für Verblendschalen für zweischaliges Mauerwerk verwendet werden, dürfen hiervon abweichende Maße gewählt werden, die jedoch in folgenden Grenzen liegen müssen: 190 mm Länge 290 mm; 90 mm Breite 115 mm (für Fasensteine muss die Aufstandsbreite 90 mm betragen); 52 mm Höhe 113 mm. Steine dürfen auch in den Breiten 123 mm, 140 mm, 190 mm, 214 mm, 248 mm, 265 mm, 298 mm und in den Höhen 175 mm, 190 mm, 198 mm sowie in den für Sanierungen erforderlichen historischen Steinmaßen hergestellt werden. Für Steine mit Nut-Feder-System gelten zusätzlich die Klammerwerte. Die Klammerwerte gelten nur für Plansteine und Fasensteine. Gilt für Fasensteine nur mit den Einschränkungen nach 4.3.1. Für nichttragende Wände. Für nichttragende innere Trennwände.
Tabelle 7.7
Zulässige Grenzabmaße nach DIN V 106 (in mm)
Bezeichnung
KS, KS-R
KS-R P
KS XL
KS Vm
KS Vb
Steinlängen und -breiten Einzelwerte
±3
±2
Mittelwerte
±2
±1
Höhenmaß bei DF und NF Einzelwerte
±3
–
±3
±2
Mittelwerte
±2
–
±2
±1
461
7.3 Kalksandsteine Bezeichnung
KS, KS-R
KS-R P
KS XL
KS Vm
KS Vb
Höhenmaß bei Steinen ≥ 2 DF Einzelwerte
±4
±1
±4
±2
Mittelwerte
±3
±1
±3
±1
KS-Verblender mit strukturierter Oberfläche (bossiert, bruchrauh): Das Breitenmaß (Aufstandsbreite) darf bis zu 5 mm (Einzelwerte) bzw. 4 mm (Mittelwerte) unterschritten werden.
7.3.4 Stein-Rohdichte, Druckfestigkeit Kalksandsteine werden nach DIN V 106 in die Rohdichteklassen 0,6 bis 2,2 unterteilt. Vollund Blocksteine sind den Rohdichteklassen ≥ 1,6 zuzuordnen, Loch- und Hohlblocksteine den Rohdichteklassen ≤ 1,6 (die Zuordnung von Steinen der Klasse 1,6 zu den Voll- oder Lochsteinen ist abhängig von der Lochung). In der Praxis werden überwiegend Steine der Rohdichteklassen 1,4 – 1,8 – 2,0 verwendet; andere Klassen sind meist nur auf Anfrage regional lieferbar. Kalksandsteine sind in den Druckfestigkeitsklassen 4 bis 60 genormt, wobei im Wesentlichen die Druckfestigkeitsklassen 12 und 20 verwendet werden. KS-Vormauersteine müssen mindestens der Festigkeitsklasse 10, KS-Verblender mindestens der Festigkeitsklasse 16 entsprechen. Maßgebend für die Zuordnung zu einer Festigkeitsklasse sind Mittelwert und kleinster Einzelwert einer Serie von 6 Prüfkörpern (siehe Tabelle 7.4). Dabei erfolgt die Prüfung an ganzen Steinen; bei Vollsteinen DF und NF ist auch eine Prüfung an zwei gegenläufig übereinander gelegten Steinhälften oder zwei aufeinander gelegten ganzen Steinen möglich. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Prüfkörpergeometrien werden durch Formfaktoren berücksichtigt. Bei der Untersuchung von Planelementen werden entweder das ganze oder das in der Länge halbierte Element oder aus den Elementen herausgeschnittene Prüfkörper mit festgelegten Abmessungen geprüft.
7.3.5 Bezeichnung, Kennzeichnung Die Bezeichnung von Kalksandsteinen nach DIN V 106 setzt sich zusammen aus: Steinsorte, DIN-Nummer, Steinart, Druckfestigkeitsklasse, Rohdichteklasse und Format-Kurzzeichen, ab Format 4 DF zusätzlich die Wanddicke. Anstelle des Format-Kurzzeichens dürfen auch die Maße (Länge × Breite × Höhe in mm) angegeben werden. Bei Plansteinen, Planelementen, Fasensteinen und Bauplatten sind immer die Maße anzugeben. Beispiele: Kalksandstein DIN V 106-KS L 12-1,2-3 DF Kalksandstein DIN V 106-KS L-R P 12-1,4-248 × 240 × 248 Kalksandstein DIN V 106-KS Vb-20-2,0-NF
462
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Neben der CE-Kennzeichnung nach EN 771-2 werden bei Kalksandsteinen nach DIN V 106 zusätzlich die Druckfestigkeits- und Rohdichteklasse angegeben. Die Kennzeichnung erfolgt bei paketierten Steinen entweder durch Stempelung oder Farbmarkierung eines außen liegenden Steines oder durch Kennzeichnung der Verpackung oder durch Beilage eines entsprechenden Begleitzettels.
7.3.6 Oberflächengestaltung 7.3.6.1 Sichtmauerwerk
Da der Begriff „Sichtmauerwerk“ nicht eindeutig definiert ist, muss die zu erbringende Leistung möglichst vollständig und eindeutig in der Leistungsbeschreibung festgelegt werden. Dabei sind insbesondere folgende Einflüsse auf die Gestaltung des Sichtmauerwerks zu berücksichtigen: Steinart und Steinformat; Steinoberfläche; Mauerverband; Verfugung; Oberflächenbehandlung. Für Außensichtmauerwerk sind frostwiderstandsfähige Steine, d. h. KS-Verblender oder KSVormauersteine zu verwenden; bei Innensichtmauerwerk ohne Anforderungen an die Frostbeständigkeit kommen bei geringen optischen Anforderungen auch „normale“ Kalksandsteine in Betracht (z. B. Industriebauten, Kellermauerwerk). KS-Verblender werden sowohl mit glatten als auch mit strukturierten Sichtflächen (gefast, bruchrau, bossiert) angeboten. KS-Vormauersteine und KS-Verblender haben im Allgemeinen herstellungsbedingt jeweils nur eine kantensaubere Kopf- und Läuferseite; dies ist beim Vermauern durch entsprechendes Drehen der Steine zu berücksichtigen. Wegen der unvermeidbaren Farbunterschiede zwischen verschiedenen Herstellwerken sollten Verblendsteine für ein Gebäude nur von einem Herstellwerk bezogen werden. Die Liefermengen für einen Bauabschnitt oder zumindest für einen Wandabschnitt sollten aus einer Produktionscharge stammen, weil auch innerhalb eines Werkes Farbabweichungen zwischen einzelnen Chargen auftreten können. Beim Mauern und Verfugen sollte darauf geachtet werden, dass die Sichtflächen der Steine nicht mit Mörtel, Mörtelwasser o. ä. verschmutzt werden, da die Steine durch Absäuern nicht wieder gereinigt werden können; ggf. müssen die Sichtflächen geschützt werden, z. B. durch Folienabdeckungen während der Bauarbeiten. 7.3.6.2 Beschichtungen und Imprägnierungen
Sichtmauerwerk aus KS-Verblendern ist – bei ordnungsgemäßer Ausführung, insbesondere der Bauteilanschlüsse – ohne zusätzlichen Oberflächenschutz frostwiderstandsfähig. Be-
7.4 Porenbeton
463
schichtungen und Imprägnierungen vermindern vielmehr die Feuchtigkeitsaufnahme bei Regen und wirken dadurch einer Verschmutzung entgegen; sie sind nicht in der Lage, Konstruktions- und Ausführungsmängel zu überdecken. Farblose Imprägnierungen belassen das ursprüngliche Aussehen des Mauerwerks, d. h. der Kontrast zwischen Stein und Fuge bleibt sichtbar. Deckende Beschichtungen werden meist weiß oder in hellen Farbtönen ausgeführt; dunkle Farbtöne sind möglich, führen jedoch auf besonnten Flächen zu einer stärkeren Erwärmung und dadurch zu größeren Verformungen. Folgende Anforderungen müssen von den Oberflächenschutzsystemen erfüllt werden: hohe Haftfestigkeit auf dem Untergrund; hohe Elastizität auch bei niedrigen Temperaturen; geringe Wasseraufnahme; hohe Wasserdampfdurchlässigkeit (sd 0,4 m); geringe Austrocknungsbehinderung; Alkalibeständigkeit (frisches KS-Mauerwerk weist einen pH-Wert von ∼ 13 auf); Alterungs- und UV-Beständigkeit; Widerstandsfähigkeit gegen Pilz- und Algenbefall. Eine farblose Imprägnierung kann bereits kurz nach Fertigstellung des Bauteils bei trockener Witterung und Temperaturen über 5 °C aufgebracht werden. Der Untergrund muss „handtrocken“ und genügend saugfähig sein. Die Arbeiten sollten von unten nach oben erfolgen, um Laufspuren zu verhindern. Soll auf eine imprägnierte Fläche zu einem späteren Zeitpunkt eine Beschichtung aufgebracht werden, ist unbedingt auf Systemverträglichkeit zu achten. Folgende Imprägniermittel sind geeignet, sofern die o. g. Anforderungen erfüllt werden und der Hersteller die Eignung des Produktes ausdrücklich bestätigt: Kieselsäure-, Silikon-, Silanund Siloxan-Imprägnierungen. Deckende Anstriche bestehen im Allgemeinen aus einem oft hydrophoben Grundanstrich und zwei Deckschichten. Der Grundanstrich kann unmittelbar nach Fertigstellung des Bauteils aufgebracht werden und schützt es gegen Verschmutzung. Die Deckanstriche sollten frühestens 3 Monate nach Fertigstellung des Bauteils aufgebracht werden, wenn das Mauerwerk genügend ausgetrocknet ist und keine Setzungen und Verformungen mehr zu erwarten sind. Folgende Mittel sind geeignet: Dispersions-Silikatfarben, Silikonharz-Emulsionsfarben, Kunststoff-Dispersionsfarben, Siloxanfarben.
7.4 Porenbeton 7.4.1 Herstellung von Porenbeton Porenbeton ist ein feinporiger Baustoff, der ausschließlich stationär in Werksanlagen hergestellt wird. Als Bindemittel werden gemahlener Branntkalk und Zement verwendet; weitere Ausgangsstoffe sind feingemahlene oder feinkörnige kieselsäurehaltige Stoffe (Quarzsand,
464
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Flugasche), Gips oder Anhydrit, Aluminiumpulver oder Aluminiumpaste als Treibmittel, Wasser und ggf. Zusatzmittel. Außerdem wird wieder verwendbarer Porenbeton aus der Produktion, von der Baustelle oder aus dem Rückbau eingesetzt. Porenbeton wird im Allgemeinen zur Gruppe der Leichtbetone gerechnet, obwohl es richtigerweise ein Porenmörtel ist, da die groben Gesteinskörnungen fehlen.
Bild 7-11 Herstellung von Porenbeton
Die Ausgangsstoffe werden dosiert und zu einer wässrigen Suspension verarbeitet, die nach dem Mischen in große Stahlformen gegossen wird. Für bewehrte Produkte wie Dach- und Deckenplatten werden vorab Bewehrungskörbe hergestellt. Hierfür wird Stahldraht von Rollen abgezogen, gerichtet und abgelängt; die Bewehrungsstäbe werden durch maschinelles Punktschweißen zu Matten gefertigt und ggf. zu Körben zusammengefügt. Im Vergleich zu Normalbeton weist Porenbeton einen geringen pH-Wert auf, so dass sich auf der Stahloberfläche keine Passivschicht ausbilden kann; deshalb und wegen der hohen Porigkeit, die das Eindringen von korrosionsfördernden Substanzen begünstigt, muss der Bewehrungsstahl vor Korrosion geschützt werden. Der Korrosionsschutz wird durch Eintauchen des
7.4 Porenbeton
465
Bewehrungskorbes in flüssiges Korrosionsschutzmittel erzielt; hierbei kommen sowohl organische (Bitumen- oder Kunststoffdispersion) als auch anorganische Materialien (Zementschlämme) zum Einsatz. Nach dem Eingießen der Masse in die Formen reagiert das Aluminium mit Calciumhydroxid und Wasser; dabei entsteht Wasserstoffgas, welches zur Bildung von kugeligen Poren von 0,5 bis 1,5 mm Durchmesser führt und die Rohstoffmischung in der Form auftreiben lässt. Der Treibvorgang ist nach ca. 30 bis 60 Minuten abgeschlossen. Nach 3 bis 6 Stunden wird der Rohblock aus der Gießform entnommen und in einer Schneideanlage mit straff gespannten Stahldrähten und Profilmessern zu Produkten unterschiedlicher Abmessungen geschnitten. Anschließend erfolgt die Härtung im Autoklaven bei einer Temperatur von etwa 190 °C und einem Überdruck von ca. 11 bar über einen Zeitraum von 6 bis 12 Stunden. Bei dieser Dampfdruckhärtung reagiert das Siliciumdioxid des Sandes mit dem Calciumoxid des Zements und Kalks zu Calciumsilikathydraten (CSH-Phasen). Im Vergleich zur Erhärtung bei Normaltemperatur wird durch die Autoklavhärtung eine höhere Festigkeit und ein geringeres Restschwindmaß (<0,1 mm/m) erzielt. Nach Abschluss des Herstellungsprozesses hat der Porenbeton seine endgültige Festigkeit und Rohdichte erreicht.
7.4.2 Eigenschaften Die Vorteile des Porenbetons liegen vor allem darin, dass sich mit ihm leichte massive monolithische Konstruktionen ausführen lassen, welche gleichzeitig die Anforderungen an die Tragfähigkeit, den Wärmeschutz, den Schallschutz und den Brandschutz erfüllen. Die Rohdichte des Porenbetons, die durch die Dosierung von Treib- und Bindemittel gesteuert wird, liegt zwischen 0,30 und 1,00 kg/dm3, die Druckfestigkeit im Mittel zwischen 2,5 und 10 N/mm2. Die Kombination von niedriger Rohdichte und relativ guter Festigkeit ist das hervorstechende Merkmal von Porenbeton. Der E-Modul für Porenbeton ist abhängig von der jeweiligen Rohdichte und liegt bei Werten zwischen 1.200 und 2.500 N/mm2. Die Zugfestigkeit beträgt ca. 1/10, die Biegezugfestigkeit ca. 1/5 der Würfeldruckfestigkeit. Die Wärmeleitfähigkeit von Porenbeton ist sehr niedrig. Die Bemessungswerte nach DIN V 4108-4 liegen zwischen λ = 0,10 W/(m · K) für die Rohdichteklasse 0,35 und λ = 0,31 W/(m · K) für die Rohdichteklasse 1,0. Die spezifische Wärmekapazität beträgt bei Ausgleichsfeuchte 1,00 kJ/(kg · K). Die thermische Ausdehnung beträgt im Temperaturbereich zwischen 20 und 100 °C ca. 8 · 10-6 K–1 und ist damit etwas geringer als bei Normalbeton. Die Wärmespeicherung des Porenbetons liegt mit ca. 90 kJ/(m2 · K) zwischen den Extremen des Leichtbaus (Holztafelbauweise mit ca. 50 kJ/(m2 · K)) und des Massivbaus (Mauerwerk oder Stahlbeton mit ca. 250 kJ/(m2 · K)), so dass der Porenbeton gute temperaturstabilisierende Eigenschaften aufweist. Die Mikroporen sorgen für die Wasserdampfadsorption, d. h. den Feuchtigkeitsausgleich im Wechselspiel mit der jeweils in der Luft vorhandenen Feuchtigkeit. Die Gleichgewichts-
466
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
feuchte bei Porenbeton liegt sehr niedrig; nach DIN EN ISO 10456 beträgt sie 2,6 M.-% im Klima 23/50 (23 °C, 50 % rel. LF) bzw. 4,5 M.-% im Klima 23/80. Durch das untereinander verbundene Kapillarporensystem ist der Baustoff in der Lage, an der Oberfläche schnell Wasser aufzusaugen und durch Kapillarwirkung weiterzuleiten. Unterhalb des kritischen Feuchtegehaltes von 15 bis 20 Vol.-% ist jedoch kein nennenswerter Feuchtetransport durch Kapillarleitung mehr möglich. Hier erfolgt der Feuchtetransport nur durch Wasserdampfdiffusion (μ-Werte sind sehr niedrig und liegen zwischen 5 und 10) und damit entsprechend langsamer, so dass nur eine langsame Austrocknung möglich ist. Bei außergewöhnlicher hoher Durchfeuchtung sind daher Frostschäden möglich: Porenbeton muss deshalb bei Lagerung durch Abdeckung, im eingebauten Zustand durch Putz oder Anstrich gegen Eindringen von Feuchtigkeit geschützt werden. Porenbetonerzeugnisse sind feuerbeständig und für alle Feuerwiderstandsklassen einsetzbar. Die zahlreichen Poren und die daraus resultierende hohe Wärmedämmung, d. h. niedrige Wärmeleitfähigkeit, verhindern bei Brandbeanspruchung eine schnelle Temperaturübertragung. Eine Temperaturerhöhung auf der dem Feuer abgewandten Seite ist bei einer Brandwand aus Porenbeton-Plansteinen bei der zulässigen Dicke von 240 mm praktisch nicht feststellbar. Die Festigkeit des Porenbetons selbst wird bei Brandbeanspruchung in den oberflächennahen Zonen gemindert. Die Tragfähigkeit der einzelnen Bauteile bleibt aber in der Regel erhalten; dies ist im Einzelfall zu prüfen. Bezüglich der schallschutztechnischen Eigenschaften haben Messungen ergeben, dass sich Porenbeton bei der Schalldämmung günstiger verhält als vergleichbare Baustoffe. Durch die Herstellung auf Sägemaschinen ist die Oberfläche durch die angeschnittenen Poren rau. Dadurch liegt der Schallabsorptionsgrad einer Porenbetonoberfläche, die nicht behandelt oder mit einem porösen Anstrich versehen ist, um das 5- bis 10-fache höher als der einer glatten Wand. Dies hat besonders in gewerblich genutzten Räumen eine große Bedeutung.
7.4.3 Bauteile aus Porenbeton 7.4.3.1 Unbewehrte Bauteile
Nach DIN V 4165-100 werden folgende Porenbetonsteine unterschieden: Planstein:
abgesehen von Griffhilfen und Hantierlöchern quaderförmiger Vollstein mit einer Steinhöhe ӊ249 mm, der in Dünnbettmörtel zu versetzen ist.
Planelement:
abgesehen von Griffhilfen und Hantierlöchern quaderförmiger Vollstein mit einer Höhe > 249 mm und einer Länge Ӌ499 mm, der in Dünnbettmörtel zu versetzen ist.
Bauplatte:
Porenbetonstein für nichttragende innere Trennwände, an den erhöhte Anforderungen hinsichtlich der Grenzabmaße für die Höhe und keine Anforderungen an die Druckfestigkeit gestellt werden.
467
7.4 Porenbeton
Außerdem werden in der Norm noch Porenbeton-Blocksteine (sie werden in Normal- oder Leichtmauermörtel versetzt) aufgeführt. Da die Blocksteine mittlerweile durch die Plansteine vom Markt verdrängt wurden, werden sie im Folgenden nicht mehr behandelt. Plansteine, Planelemente
Bei Plansteinen und Planelementen werden 11 Rohdichteklassen und 4 Festigkeitsklassen unterschieden; die möglichen Kombinationen der beiden Klassen zeigt Tabelle 7.8. Von den Festigkeitsklassen werden die Klassen 2 und 4 am häufigsten verwendet. Tabelle 7.8 Rohdichte-Druckfestigkeitsklassen-Kombinationen bei Porenbeton Druckfestigkeitsklasse
Rohdichteklasse 2
4
6
8
0,35
•
–
–
–
0,40
•
–
–
–
0,45
•
–
–
–
0,50
•
–
–
–
0,55
–
•
–
–
0,60
–
•
–
–
0,65
–
•
•
–
0,70
–
•
•
–
0,80
–
•
•
•
0,90
–
–
–
•
1,00
–
–
–
•
Porenbeton-Plansteine und -Planelemente müssen die Gestalt eines von Rechtecken begrenzten Körpers haben. Die Lagerflächen müssen eben und planparallel sein. Die Stirnflächen der Porenbeton-Plansteine und -Planelemente dürfen ebenflächig ausgeführt oder mit Nut- und Federausbildung versehen werden. An den Stirnseiten der Porenbeton-Plansteine dürfen Grifföffnungen oder Grifftaschen, an den Stirnseiten der Porenbeton-Planelemente Greifnute angeordnet werden. Die Maße und Grenzabmaße der Plansteine und Planelemente sind in Tabelle 7.9 angegeben. Ergänzungssteine mit abweichenden Maßen sind zulässig.
468
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Tabelle 7.9 Maße und Grenzabmaße für Porenbeton-Plansteine und -Planelemente (Maße in mm) Porenbeton-Plansteine Steinlänge ± 1,5 249
a),b)
Porenbeton-Planelemente c)
Steinbreite ± 1,5
Steinhöhe ± 1,0
Elementlängea) ± 1,5
Elementbreite ± 1,5
Elementhöhec) ± 1,0
115
124
499
115
374 499
299
120
149
599
125
312
125
164
624
150
599
332
150
174
749
175
624
374
175
186
999
200
399
200
199
1124
240
499
240
249
1249
250
599
250
1374
300
624
300
1499
365
365
375
375
400
400
500
500 a)
Bei Steinen mit Nut-Federausbildungen gelten die Maße als Abstand der Stirnflächen ohne Berücksichtigung von Nut und Feder. b) Zwischenlängen sind möglich. c) Die Nennmaße dürfen innerhalb eines Herstellwerkes auch um 1 mm reduziert werden.
Porenbeton-Plansteine (PP) und -Planelemente (PPE) sind in der Reihenfolge Benennung, DIN-Hauptnummer, Steinart und Festigkeitsklasse, Rohdichteklasse und Maße zu bezeichnen, z. B.: Porenbeton-Planstein DIN V 4165 – PP2 – 0,4 – 499 x 300 x 249 Porenbeton-Planelement DIN V 4165 – PPE4 – 0,60 – 999 x 300 x 499 Auf mindestens jedem 10. Planstein oder Planelement sind Steinart, Maße, Festigkeitsklasse, Rohdichteklasse und das Herstellerkennzeichen anzugeben. Die Kennzeichnung kann durch Prägung, Stempelung mit schwarzer Farbe oder Farbstempelung erfolgen. Bei Paketierung genügt eine Kennzeichnung auf der Verpackung, auf einem im Paket außen liegenden Stein bzw. Element oder auf einem beigefügten Beipackzettel. Porenbeton-Bauplatten, -Planbauplatten
Bauplatten und Planbauplatten nach DIN 4166 sind für nichttragende, leichte Trennwände vorgesehen. Bauplatten werden mit normaler Fugendicke, Planbauplatten in Dünnbetttechnik versetzt.
469
7.4 Porenbeton
Die Stirnflächen oder Stirnseiten dürfen ebenflächig ausgebildet, mit Aussparungen (z. B. Mörteltaschen) und/oder mit Nut- und Federausbildung versehen sein. Nut- und Federausbildungen dürfen auch in der Lagerfugenfläche von Planbauplatten vorgenommen werden. Die Einteilung in Rohdichteklassen entspricht denen der Plansteine und Planelemente (siehe Tabelle 7.8). Druckfestigkeitsanforderungen werden nicht gestellt. Für die Bauplatten fordert DIN 4166 eine Biegezugfestigkeit bei mittig aufgebrachter Last (Stützweite 4-fache Plattenbreite) von mindestens 0,4 N/mm2. Die Maße und Grenzabmaße für Bauplatten und Planbauplatten sind in Tabelle 7.10 zusammengestellt. Tabelle 7.10 Maße und Grenzabmaße für Porenbeton-Bauplatten und -Planbauplatten (Maße in mm) Porenbeton-Bauplatten a)
Porenbeton-Planbauplatten
Plattenbreite ±3
Plattenhöhe ±3
Plattenlänge ± 1,5
Plattenbreite ± 1,5
Plattenhöhe ± 1,0
365
25
190
374
25
199
390
30
240
399
30
249
499
50
399
Plattenlänge ±3
390
490
50
590
75
599
75
499
615
100
624
100
624
740
115
749
115
990
120
999
120
150
125
175
150
200
175 200
a)
Für Platten mit Mörteltaschen darf und für Platten mit Nut-Federausbildung muss die Länge der Platte um 9 mm erhöht werden.
Bauplatten sind wie folgt zu bezeichnen: Benennung, DIN-Hauptnummer, Kurzzeichen für Plattenart (Bauplatten Ppl, Planbauplatten PPpl), Rohdichteklasse und Maße (Länge × Breite × Höhe in mm). Platten mit Nuten werden zusätzlich mit dem Kurzzeichen N, Platten mit Nut und Feder mit dem Kurzzeichen NF bezeichnet. Beispiele: Porenbeton-Bauplatte DIN 4166 – Ppl – 0,50 – 490 × 100 × 240 Porenbeton-Planbauplatte DIN 4166 – PPpl – 0,50 – 499 × 100 × 249 NF Mindestens jede 10. Platte ist mit der Plattenart, der Rohdichteklasse und dem Herstellerkennzeichen durch Stempelung oder Prägung zu kennzeichnen. Bei Paketierung gelten die Festlegungen für Porenbetonsteine.
470
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Neben den genormten kleinen Bauteilen liefert die Porenbetonindustrie auch bauaufsichtlich zugelassene großformatige Planelemente und geschosshohe Wandtafeln, die nur mit einer Transportbewehrung versehen sind. Sie können für tragende Wände eingesetzt werden und sind entsprechend der bauaufsichtlichen Zulassung belastbar. Müssen zusätzlich horizontale Lasten aufgenommen werden, so sind die Bauteile den statischen Erfordernissen entsprechend zu bewehren. Ergänzend werden noch Sonderbauteile (z. B. U-Schalen, Verblendschalen usw.) hergestellt mit dem Ziel, für das gesamte Gebäude gleichbleibende bauphysikalische Eigenschaften zu schaffen. 7.4.3.2 Bewehrte Bauteile
Mit DIN EN 12602 liegt seit August 2008 eine Produktnorm für vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton vor, allerdings war bei Drucklegung der Zeitpunkt des Gültigkeitsbeginns noch offen. Diese Norm enthält nur Regelungen zum Bauprodukt selbst (einschließlich Bemessungsregeln); Anwendungsregeln, die die Verwendung der Porenbetonfertigteile im Bauwerk betreffen, werden in nationalen Regelungen (DIN 4223 Teile 1 bis 5, Ausgabe Dezember 2003) behandelt. Auf Biegung beanspruchte Bauteile müssen in der Lage sein, Zugkräfte aufzunehmen. Hierzu werden Porenbetonbauteile mit einer aus punktgeschweißten Betonstahlmatten, Körben aus Betonstahl oder nichtrostendem Stahl hergestellten Bewehrung versehen. Je nach Funktion der Bauteile wird zwischen statisch anrechenbarer oder statisch nicht anrechenbarer Bewehrung unterschieden. Zu beachten ist, dass Porenbeton keinen ausreichenden Korrosionsschutz für Stahleinlagen bietet, so dass zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind (siehe 7.4.1). Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton gemäß DIN 4223 sind: BA:
Balken
DA:
Dachbauteil
DE:
Deckenbauteil
LW:
liegend angeordnetes Wandbauteil mit statisch nicht anrechenbarer Bewehrung
WL:
liegend angeordnetes Wandbauteil mit statisch anrechenbarer Bewehrung
WS:
stehend angeordnetes Wandbauteil mit statisch anrechenbarer Bewehrung
SW:
geschosshohes stehend angeordnetes Wandbauteil mit statisch nicht anrechenbarer Bewehrung
Bei Dachbauteilen (DA) und bei Wandbauteilen (WL und WS), die nach DIN 4223-4 mit Dünnbettmörtel an den ebenen Verbindungsflächen verbunden werden, ist der Bauteilbezeichnung ein „D“ anzufügen (z. B. DA–D) Porenbeton-Bauteile werden in die Rohdichte- und Druckfestigkeitsklassen gemäß Tabelle 7.11 eingeordnet, wobei zwischen Bauteilen mit statisch anrechenbarer Bewehrung (P) und Bauteilen mit statisch nicht anrechenbarer Bewehrung (PP) unterschieden wird. Die Druckfestigkeitsklassen für P und PP sind unterschiedlich; die genauen Festlegungen hierzu sind DIN 4223-1 zu entnehmen.
471
7.4 Porenbeton
Tabelle 7.11 Rohdichteklassen und Rohdichte-Druckfestigkeitsklassenkombinationen für Bauteile mit statisch anrechenbarer (P) und statisch nicht anrechenbarer Bewehrung (PP) Rohdichteklasse
Druckfestigkeitsklassen für Bauteile mit statisch anrechenbarer Bewehrung P
statisch nicht anrechenbarer Bewehrung PP
0,35
–
2
0,40
2,2
2
0,45
2,2 oder 3,3
2
0,50
2,2 oder 3,3
2
0,55
3,3 oder 4,4
2 oder 4
0,60
3,3 oder 4,4
4
0,65
4,4
4 oder 6
0,70
4,4
4 oder 6
0,80
4,4
4 bis 8
0,90
–
4 bis 8
1,00
–
4 bis 8
Die Abmessungen der Bauteile (Länge, Dicke, Breite) werden nicht mehr von der Norm festgeschrieben, sondern sind vom Hersteller zu deklarieren. Die Norm schreibt lediglich die in Tabelle 7.12 zusammengestellten Grenzen vor. Tabelle 7.12 Maße und Grenzabmaße von Dach-, Decken- und Wandbauteilen nach DIN 4223-1 Länge l in mm
Breite b in mm
Dicke d in mm
Dachbauteile (DA), Deckenbauteile (DE)
≤ 8000 (± 5)
≥ 500 (± 3)
≥ 100 (± 3)
Dachbauteile für Dünnbettmörtel (DA-D)
≤ 7000c) (± 5)
≥ 500b) (± 1)
≥ 200 (± 1,5)
Wandbauteile mit statisch anrechenbarer Bewehrung (WL, WS)
≤ 8000 (± 5 / ± 3)d)
≥ 500b) (± 3)
≥ 100 (± 3)
Wandbauteile mit statisch nicht anrechenbarer Bewehrung stehend (SW) liegend (LW)
≤ 3500 (± 3) ≥ 3000e) ≤ 8000 (± 5)
≥ 500b) (± 1) ≥ 500b) (± 1)
≥ 100 (± 1,5) ≥ 100 (± 1,5)
Bauteil
a) b) c) d) e)
a)
b)
maximale Stützweite 7500 mm Sonderbauteile mit Breiten zwischen 200 und 500 mm sind als Passbauteile zulässig. maximale Stützweite 6000 mm bei l > 2500 mm: ± 3 mm; bei l ≤ 2500 mm: ± 5 mm Passbauteile sind mit Längen zwischen 0,4 × Breite und 0,3 × Systemwandfeldlänge (s. DIN 4223-3) zulässig.
472
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Bei Decken- und Dachplatten beträgt die Regellänge 6 m und die Regelbreite 62,5 cm. Die Fugen sind mit einer Nut-Feder-Verbindung, einer Vergussnut oder mit einer Kombination aus beiden Verbindungstechniken ausgestattet (Bild 7-12). Die Vergussnut wird mit Mörtel der Mörtelgruppe III oder Beton C12/15 vergossen.
Bild 7-12 Ausbildung der Längskanten von Porenbeton-Dachplatten (Beispiele)
Geschosshohe tragende Wandtafeln werden für Bauvorhaben mit bis zu drei Vollgeschossen eingesetzt. Sie werden bis zu 3,50 m Höhe, 1,50 m Breite und 36,5 cm Dicke hergestellt. Wegen der kurzen Montagezeiten sind Wandtafeln vor allem bei langen, wenig gegliederten Wandflächen besonders wirtschaftlich. Die Stoßflächen sind entweder glatt oder mit einer Nut-Feder-Verbindung versehen; sie werden mit Dünnbettmörtel vollflächig und kraftschlüssig vermörtelt. Außerdem werden NutNut-Verbindungen ausgeführt, bei denen in die Nut eine Bewehrung eingebracht und die Nut anschließend mit Beton vergossen wird. Vor allem im Wirtschaftsbau werden stehend oder liegend angeordnete Wandplatten eingesetzt, die zur Ausfachung von Skelettbauten aus Stahl, Stahlbeton oder Holz dienen. Sie werden in einer Regellänge von 6 m und einer Regelbreite von 62,5 cm in Dicken bis zu 37,5 cm produziert. Längs- und Stirnkanten werden glatt, mit Nut-Feder-System oder mit Vergussnut hergestellt. Porenbeton-Bauteile werden durch folgende Angaben bezeichnet: die Benennung „Porenbeton“, DIN-Hauptnummer, Kurzzeichen für die Bauteilart, Druckfestigkeitsklasse, Rohdichteklasse, Maße. Beispiel: Porenbeton DIN 4223 – DA – P 3,3 – 0,55 – 5000 × 625 × 250. Jedes Bauteil ist an den Stirn- und/oder Längsseiten mit folgenden Kennzeichnungen zu versehen: Bezeichnung des Bauteils, Druckfestigkeits- und Rohdichteklasse des Porenbetons, Zeichen des Herstellers und des Herstellwerks, Einbaulage (soweit diese nicht eindeutig aus der Form des Bauteils z. B. anhand der Randprofile erkennbar ist), Herstellungstag, Angabe
7.4 Porenbeton
473
„DIN 4223“, Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen). Bauteile mit Anforderungen an die Feuerwiderstandsklasse sind besonders zu kennzeichnen. Die Porenbeton-Produktpalette wird durch bewehrte und unbewehrte Sonderbauteile ergänzt, z. B. Höhenausgleichssteine, Deckenrandsteine, Stürze, U-Steine, Treppenstufen, Mantelsteine.
7.4.4 Ausführung und Verarbeitung Porenbeton-Erzeugnisse zeichnen sich u. a. durch hohe Wärmedämmfähigkeit und leichte Bearbeitbarkeit (sie können gesägt, behauen, gebohrt und genagelt werden) aus. Plansteine, Planelemente und Planbauplatten sind in Dünnbettmörtel zu versetzen. Dadurch entsteht ein praktisch fugenloses Mauerwerk mit verbesserter Wärmedämmung. Bei gleicher Festigkeitsklasse der Steine ist außerdem die Druckfestigkeit von Plansteinmauerwerk mit Dünnbettmörtel höher als die von Mauerwerk mit Normal- oder Leichtmörtel. Mauerwerk mit Dünnbettmörtel spart an Mörtelmenge, verringert dadurch die eingebrachte Baufeuchte und führt zu wirtschaftlicheren Arbeitsverfahren. Für Mauerwerk mit Dünnbettmörtel ist die Fugendicke mit 1 bis 3 mm auszuführen. Zur Verarbeitung wird ein besonderer Fertigmörtel der Mörtelgruppe III geliefert. Er ist mit der Zahnkelle aufzutragen; es erübrigt sich, die Planblöcke vor dem Verarbeiten anzufeuchten. Höhendifferenzen können nicht mehr mit dem Mörtelbett ausgeglichen werden; der versetzte Stein wird durch ein Schleifbrett (Hobel) bearbeitet und abgeglichen. Porenbeton-Bauteile werden als tragende Bauteile (liegend und stehend angeordnete Wandbauteile, Dach- und Deckenplatten, Balken) und als nichttragende Bauteile (geschosshohe Trennwände) verwendet. Sie dürfen nur bei vorwiegend ruhender und gleichmäßig verteilter Verkehrslast verwendet werden. Liegend oder stehend angeordnete Wandplatten werden in der Regel zur Ausfachung von Skelettbauten eingesetzt. Sie dürfen nur zur Abtragung des Eigengewichts und zur Aufnahme von senkrecht zur Platte wirkenden Windlasten und Horizontallasten zur Sturzabsicherung von Personen verwendet werden. Stehend bewehrte Wandtafeln übernehmen neben den vertikalen zusätzlich auch Biegebeanspruchungen senkrecht zur Wandebene z. B. aus Erddruck. Porenbeton-Dachplatten und -Deckenplatten können durch konstruktive Maßnahmen bei der Bauausführung zu Dach- und Deckenscheiben zusammengefasst werden. Sie können dadurch auf das Gebäude wirkende Horizontalkräfte, z. B. aus Wind, aufnehmen.
7.4.5 Oberflächenbehandlung Bauteile aus Porenbeton müssen durch geeignete Maßnahmen gegen Witterungseinflüsse geschützt werden; hierfür kommen Putze, Beschichtungen und Bekleidungen in Betracht. Auf Porenbetonfassaden werden mineralische Leichtputze als Werktrockenmörtel verwendet. Diese Putze sind in ihren physikalischen Eigenschaften auf Porenbeton abgestimmt und weisen ähnliche Rohdichten und Festigkeiten wie der Untergrund auf. Leichtputze werden einla-
474
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
gig oder zweilagig ausgeführt. Hinsichtlich der Untergrundvorbehandlung (Vornässen, Grundierung oder Spritzbewurf) sind die Verarbeitungsrichtlinien der Putzmörtelhersteller zu beachten. Da Mauerwerk aus Plansteinen bzw. Planelementen bei ordnungsgemäßer Ausführung besonders eben sind, kann man für innere Wandflächen auch Putzverfahren mit dünnen Putzschichten verwenden. Solche Dünnputze (Dicken bis etwa 5 mm) werden ohne Vorspritzen und Grundieren einlagig aufgetragen und ermöglichen einen schnellen Arbeitsfortschritt sowie Kosteneinsparungen. Alternativ können Innenflächen mit Beschichtungen oder Bekleidungen, z. B. Fliesen, versehen werden. Leichtputze werden meist für Mauerwerk aus Porenbeton-Plansteinen und Planelementen eingesetzt; hingegen erhalten großformatige Montagebauteile überwiegend eine Beschichtung. Außenbeschichtungen auf Porenbeton müssen – neben allgemeinen Anforderungen wie Witterungsbeständigkeit, optischer Qualität usw. - eine niedrige Wasseraufnahme und eine hohe Wasserdampfdiffusionsfähigkeit aufweisen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei einem wärmedämmenden Baustoff wie Porenbeton die durch Sonneneinstrahlung verursachte Wärme nur langsam in das Baustoffinnere abfließt. Dadurch kommt es zu einer Erwärmung und demzufolge zu thermischen Spannungen an der Oberfläche, die von der Beschichtung aufgenommen werden müssen. Bei Außenbeschichtungen ist insbesondere darauf zu achten, dass die Fugen und die Schnittflächen an korrosionsgefährdeten Stellen (z. B. Schnittstellen von Bewehrungsstählen) dauerhaft abgedichtet werden. Bei längerer Rohbaustandzeit ist eine hydrophobierende Imprägnierung oder Grundierung empfehlenswert; diese muss mit dem später aufzubringenden Beschichtungssystem verträglich sein. Für den Außenbereich kommen vor allem Beschichtungen auf Dispersionsacrylat- und auf Dispersionssilikatbasis zum Einsatz; dabei sollten nur von den Porenbetonherstellern empfohlene Beschichtungssysteme verwendet werden. Ausführliche Informationen zur Oberflächenbehandlung enthält das Berichtsheft 7 des Bundesverbandes Porenbeton [7.4].
7.5 Hüttensteine Hüttensteine gemäß DIN 398 werden aus Hütten- bzw. Schlackensand, einer durch Wasseroder Luftstrahl schnell gekühlten und dadurch granulierten, d. h. gekörnten Hochofenschlacke, unter Zugabe von Zement oder Baukalk hergestellt und nach der Formgebung durch Pressen an der Luft, unter Dampf oder kohlensäurehaltigen Abgasen gehärtet. Hüttensteine sind gekennzeichnet durch ein gleichmäßiges Feingefüge mit scharfkantigen Splittteilchen. In ihren Formen und Eigenschaften entsprechen sie in etwa den Kalksandsteinen. Die Wärmeleitfähigkeit ist jedoch bei gleicher Dichte geringer als bei Kalksandsteinen, weil bei den Hüttensteinen anstatt eines kristallinen Gefüges wie bei den Kalksandsteinen ein glasiges Gefüge vorliegt.
475
7.6 Betonerzeugnisse
Hüttensteine werden als Hütten-Vollsteine (HSV) ungelocht oder mit Lochung senkrecht zur Lagerfläche ( 25 % der Lagerfläche), sowie als Hütten-Lochsteine (HSL) und als großformatige Hütten-Hohlblocksteine (HHbl) hergestellt. Wie bei Kalksandsteinen handelt es sich um fünfseitig geschlossene Steine (ausgenommen Griffschlitze). DIN 398 unterscheidet 6 Rohdichteklassen (1,0 – 1,2 – 1,4 – 1,6 – 1,8 – 2,0) sowie 4 Druckfestigkeitsklassen (7,5 – 15 – 25 – 35). Für die Bezeichnung der Festigkeitsklassen ist der Mittelwert einer Prüfkörperserie und nicht – wie sonst üblich – der kleinste Einzelwert maßgebend (siehe Tabelle 7.13). Tabelle 7.13 Festigkeitsklassen von Hüttensteinen Festigkeitsklasse
mittlere Druckfestigkeit [N/mm²]
kleinster Einzelwert [N/mm²]
Farbkennzeichnung
7,5
7,5
6,0
rot
15
15,0
12,0
schwarz
25
25,0
20,0
weiß
35
35,0
28,0
braun
Hütten-Vollsteine (HSV) werden in den Festigkeitsklassen 15, 25 und 35 bei Rohdichteklassen zwischen 1,6 und 2,0 hergestellt. Lochsteine (HSL) und Hohlblöcke (HHbl) sind in den Festigkeitsklassen 7,5 und 15 bei Rohdichteklassen zwischen 1,0 und 1,6 verfügbar. Frostbeständigkeit wird gefordert von Hüttensteinen ab der Festigkeitsklasse 15, wenn diese als Vormauersteine verwendet werden sollen.
7.6 Betonerzeugnisse 7.6.1 Mauersteine aus Beton 7.6.1.1 Ausgangsstoffe
Mauersteine werden aus Normalbeton oder Leichtbeton hergestellt; dabei weist der Beton meist ein haufwerksporiges Gefüge auf. Als Bindemittel dürfen nur Zemente nach DIN EN 197-1 und DIN 1164-10 verwendet werden. Zemente nach DIN EN 197-1 sind für Vormauersteine und Vormauerblöcke jedoch nur geeignet, wenn sie für die Expositionsklasse XF1 verwendet werden dürfen. Als Gesteinskörnungen dürfen normale Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620 in Verbindung mit DIN V 20000-103 und leichte Gesteinskörnungen nach DIN EN 13055-1 in Verbindung mit DIN V 20000-104 verwendet werden.
476
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Als Betonzusatzstoffe sind Baukalk nach DIN EN 459-1, Gesteinsmehle nach DIN EN 12620, Trass nach DIN 51043, Flugasche nach DIN EN 450 und anorganische Farbstoffe nach DIN EN 12878 zulässig. Die Verwendung weiterer Zusatzstoffe ist möglich, allerdings muss ihre Verwendbarkeit durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nachgewiesen werden. Außerdem dürfen Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 oder Zusatzmittel, deren Verwendbarkeit durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nachgewiesen ist, verwendet werden. 7.6.1.2 Herstellung
Mauersteine aus Beton werden in Betonsteinwerken hergestellt. Die Betonausgangsstoffe werden in der Mischanlage gemischt; dabei wird so viel Wasser zugegeben, dass eine erdfeuchte Konsistenz erzielt wird. Im Gegensatz zur Technologie gefügedichter Betone (der Zementgehalt wird in kg/m³ verdichteten Betons angegeben) wird bei der Steinproduktion der Zementanteil in % der Gesamtmischung angegeben (8 bis 12 %, dies entspricht einem Zementgehalt von ca. 100 bis 140 kg/m³). In der automatisch arbeitenden Steinformmaschine wird der fertig gemischte Beton in Steinformen aus Stahl eingefüllt; die Steinformen enthalten, je nach Anforderung, Kerne für Schlitze oder Kammern im Stein. Anschließend werden die Steine mit Auflast durch Vibration verdichtet. Nach Abschluss der Verdichtung weisen die Steine bereits eine Frühstandfestigkeit von ca. 0,5 N/mm² auf, so dass sie direkt entformt und auf Unterlagsbrettern oder –blechen in ein Hochregallager transportiert werden können; dort härten die Steine aus. Nach 24 bis 36 Stunden reicht die Festigkeit aus, um die Steine mechanisch zu greifen, zu stapeln und zu palettieren. Dabei werden die Steine um 180° gedreht, damit sie verarbeitungsgerecht mit den Hohlkammern nach unten auf die Baustelle kommen. Zum Schutz vor Witterungseinflüssen werden die Steine mit einer Schrumpfhaube verpackt und auf den Lagerplatz gebracht; dort lagern sie mindestens 28 Tage, bis die geforderte Druckfestigkeit erreicht ist. 7.6.1.3 Steinarten
Mauersteine aus Normalbeton oder Leichtbeton werden als Vollsteine, Vollblöcke oder Hohlblöcke hergestellt; sie werden in Normal- oder Leichtmörtel vermauert. Für die Verlegung in Dünnbettmörtel werden diese Steine auch als Plansteine angeboten. Außerdem sind Vormauersteine und –blöcke aus Normalbeton zur Vermauerung mit Normalmauermörtel verfügbar. Neben der europäischen Produktnorm EN 771-3 sind folgende nationalen Restnormen maßgebend: DIN V 18151-100 für Hohlblöcke aus Leichtbeton; DIN V 18152-100 für Vollsteine und Vollblöcke aus Leichtbeton; DIN V 18153-100 für Mauersteine aus Normalbeton.
477
7.6 Betonerzeugnisse
Vollsteine sind kleinformatige Mauersteine ohne Kammern oder Schlitze mit einer Sollhöhe von 52 (60) mm bis 115 (123) mm (Werte in Klammern gelten für Plan-Vollsteine). Außerdem zählt das Format 6,8 DF mit den Maßen 500 × 95 × 240 (248) zu den Vollsteinen. Vollblöcke hingegen sind großformatige Mauersteine mit einer Regel-Sollhöhe von 238 (248) mm, die regional auch mit 175 und 190 mm Höhe angeboten werden. Hieraus resultieren die in den Normen enthaltenen schwer verständlichen Definitionen, wonach Vollsteine eine Sollhöhe von 52 mm bis 240 mm und Vollblöcke eine Sollhöhe 238 mm aufweisen. Hohlblöcke haben senkrecht zur Lagerfläche angeordnete Kammern, wobei oberhalb der Kammern eine Abdeckung von mindestens 10 mm Dicke vorhanden sein muss; bzgl. der Maße stimmen sie mit den Vollblöcken überein. Zur Kennzeichnung der einzelnen Erzeugnisse werden die Kurzbezeichnungen gemäß Tabelle 7.15 verwendet. Plansteine werden durch den Zusatz „-P“ gekennzeichnet (Hbn-P, Vbl SW-P usw.) Tabelle 7.15 Kurzbezeichnungen von Mauersteinen aus Normal- und Leichtbeton Steinart
Normalbeton
Leichtbeton
Vollstein
Vn
V
Vollblock
Vbn
Vbl
mit Schlitzen
–
Vbl S
mit Schlitzen und besonderen Wärmedämmeigenschaften
–
Vbl SW
Hohlblock
Hbn
Hbl
Vormauerstein
Vm
–
Vormauerblock
Vmb
–
Die industriellen Herstellungsverfahren bewirken eine hohe Maßhaltigkeit und Gleichmäßigkeit der Außenabmessungen, so dass die zulässigen Abweichungen von den Sollwerten relativ gering sind. Die Grenzabmaße betragen für alle Steinsorten: Länge ± 3 mm, Breite ± 3 mm, Höhe ± 4 mm (bei V ± 3 mm) bzw. ± 1 mm bei allen Plansteinen und -blöcken. Die Lagerflächen von Plansteinen und -blöcken müssen eben und planparallel sein. Die Abweichung von der Ebenheit der Lagerfläche darf nicht mehr als 1,0 mm betragen; die Abweichung von der Planparallelität der Lagerflächen darf ebenfalls 1,0 mm nicht überschreiten. Für die Beurteilung der Eignung eines Mauersteins sind vor allem seine Rohdichte – sie bestimmt vor allem dessen bauphysikalische Eigenschaften wie Wärme- und Schalldämmung – und seine Festigkeit ausschlaggebend. Die Betonsteine werden deshalb sowohl in Rohdichteklassen als auch in Festigkeitsklassen eingeordnet. Die Festigkeitsangabe bezieht sich auf die Mindestdruckfestigkeit im Alter von 28 Tagen. Frostbeständigkeit wird bis auf Vormauersteine und Vormauerblöcke aus Normalbeton im Allgemeinen nicht erwartet.
478
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Eine Verringerung der Rohdichte erreicht man durch Verwendung von Gesteinskörnungen hoher Kornporigkeit wie Naturbims, Hüttenbims, Steinkohleschlacke, Tuff, gebrochene porige Lavaschlacke, Blähton, Blähschiefer und porig gesinterte Flugaschen; Ausbildung von Hohlkammern, Schlitzen und Löchern im Stein bei der Fertigung; Hohlkammern und Schlitze haben in der Regel einen rechteckigen Querschnitt, meist mit ausgerundeten Ecken; Löcher sind rund oder auch mit unregelmäßig eckigem Profil üblich; gesteuerten Aufbau der Gesteinskörnungen (haufwerksporiges Gefüge durch Einkornbeton oder Ausfallkörnungen). Betonsteine werden überwiegend für einschaliges Außen- und Innenmauerwerk in tragenden, aussteifenden oder nichttragenden Wänden eingesetzt: dabei entspricht die Steinbreite gewöhnlich der Wanddicke. Bei der Erstellung von Mauerwerk aus Leichtbetonsteinen wird üblicherweise wärmedämmender Leichtmauermörtel (LM21, LM36) verwendet, um Wärmebrücken in der Wand zu vermeiden. Mauersteine aus Normalbeton werden für Mauerwerk eingesetzt, an das keine Anforderungen bzgl. Wärmeschutz gestellt werden bzw. der Wärmeschutz anderweitig (z. B. durch ein Wärmdämmverbundsystem) gewährleistet wird. Neben diesen genormten Betonsteinen bietet der Markt eine Vielzahl weiterer Arten an, für die bauaufsichtliche Zulassungen erteilt sind. Zu nennen sind hier insbesondere Steine mit integrierter Wärmedämmung sowie Schalungssteine, deren Hohlräume mit Mörtel oder Beton ausgegossen und ggf. bewehrt werden können, so dass sie zusätzliche Tragfunktionen übernehmen können. 7.6.1.4 Hohlblöcke aus Leichtbeton (DIN V 18151-100)
Hohlblöcke aus Leichtbeton (Hbl) sind großformatige fünfseitig geschlossene Mauersteine mit Kammern senkrecht zur Lagerfläche, mit einer Sollhöhe 238 mm, einer Abdeckung (oberhalb der Kammern) mit einer Dicke von mindestens 10 mm, zur Vermauerung mit Normal- oder Leichtmauermörtel. Planhohlblöcke (Hbl-P) weisen eine Sollhöhe 249 mm auf und sind mit Dünnbettmörtel zu vermauern. Hohlblocksteine werden nach der Anzahl der Luftkammern in Richtung der Steinbreite (= Wanddicke) mit 1K- bis 6K-Hbl bezeichnet. Als Beispiel ist in Bild 7-13 ein Fünfkammerhohlblock (5K-Hbl) dargestellt. Die Kammern müssen gleichmäßig verteilt angeordnet werden. Die Anordnung und Mindestanzahl von Querstegen richten sich nach Steinlänge, Steinbreite und Kammeranzahl. Die inneren Querstege von 370 mm und 495 mm langen 3K-, 4K-, 5K- und 6K-Hbl müssen gegeneinander versetzt werden, damit keine Wärmebrücken entstehen. Das Versetzen der inneren Querstege ist auch bei anderen Hohlblöcken zulässig.
7.6 Betonerzeugnisse
479
Bild 7-13 Fünfkammer-Hohlblock 5K-Hbl (Beispiel)
Hohlblöcke aus Leichtbeton weisen je nach Steinrohdichte einen unterschiedlich hohen Anteil an Hohlräumen auf, der sich aus dem Volumen der Luftkammern, den Haufwerksporen und den Kornporen der verwendeten leichten Gesteinskörnungen zusammensetzt. Neben der Verringerung des Steingewichtes wird dadurch gleichzeitig eine bemerkenswerte Verbesserung der Wärmedämmung erzielt; hierbei spielen die Kornporen wegen ihrer geringen Größe eine besondere Rolle. Einige Hersteller bieten Steine an, bei denen zur Verringerung der Wärmeleitfähigkeit zusätzlich die Luftkammern mit Ortschaum oder Mineralwolle gefüllt sind. Bei der Herstellung von Hbl dürfen neben Leichtzuschlägen auch normale Gesteinskörnungen mit dichtem Gefüge verwendet werden. Allerdings darf – im Hinblick auf die Wärmedämmung – ihr Anteil bei Rohdichteklassen ≤ 1,2 höchstens 15 Vol.-% und bei Rohdichteklassen > 1,2 höchstens 25 Vol.-% des verdichteten Betons betragen. Die Stirnseiten der Hohlblöcke dürfen ebenflächig, mit Aussparung (Stirnseitennut) und/oder mit Nut- und Federausbildung versehen sein (siehe Bild 7-14). Stirnseitennuten können an einer oder an beiden Stirnseiten angeordnet werden. Eine Nut-Feder-Ausbildung muss eine einwandfreie Verzahnung der Stoßstellen sicherstellen. Hohlblöcke aus Leichtbeton werden in den Druckfestigkeitsklassen 2 – 4 – 6 – 8 – 12 und in den Rohdichteklassen 0,45 bis 1,6 (genaue Abstufung siehe Tabelle 7.3) hergestellt.
480
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Bild 7-14 Möglichkeiten der Stirnseitenausbildung
Die Wärmeleitfähigkeiten liegen bei Vermauerung mit Leichtmauermörtel LM21 zwischen 0,20 W/(m⋅K) in der Rohdichteklasse 0,45 und 0,34 W/(m⋅K) in der Rohdichteklasse 0,90; bei den angegebenen Werten handelt es sich um Bemessungswerte nach DIN V 4108-4 für Steine der Gruppe 1 (bis 25 Vol.-% Lochanteil). Bei Verwendung von LM36 erhöhen sich die Werte um 0,01 bis 0,02, bei Normalmörtel um 0,04 bis 0,05 W/(m⋅K). Hohlblöcke aus Leichtbeton sind folgendermaßen zu bezeichnen: DIN-Hauptnummer, Mauersteinart (einschließlich Anzahl der Kammerreihen in Steinquerrichtung), Festigkeitsklasse, Rohdichteklasse, Formatkurzzeichen, Steinmaße (Länge/Breite/Höhe in mm) und evtl. Zusatzangaben (z. B. SN oder N+F, siehe Bild 7-14). Beispiele: Hohlblock DIN 18151 – 2K Hbl 4 – 0,8 – 16 DF – 497/240/238 – SN Hohlblock DIN 18151 – 4K Hbl-P 2 – 0,50 – 10 DF – 247/300/248 – N+F Auf mindestens jedem 50. Hohlblock sind Steinart, Maße, Festigkeitsklasse, Rohdichteklasse und das Hersteller-Kennzeichen anzugeben; dies kann durch Aufdruck oder Stempelung erfolgen. Werden Hohlblöcke paketiert, genügt es, wenn die Verpackung oder der Beipackzettel die vorgenannten Angaben enthält. Alternativ können die Angaben auch in Form einer Artikelnummer gemacht werden. Die Festigkeitsklasse kann entweder durch Nuten auf der Längsseite (etwa 10 mm breit, 5 mm tief und mindestens 40 mm lang) oder durch eine Farbmarkierung auf der Längs- oder Stirnseite angegeben werden. Sind die Steine durch Farbzeichen und Nuten gekennzeichnet, so gilt die Farbkennzeichnung. 7.6.1.5 Vollsteine und Vollblöcke aus Leichtbeton (DIN V 18152-100)
Bei Vollblöcken aus Leichtbeton ist zu unterscheiden zwischen Vollblöcken ohne Schlitze (Vbl); Vollblöcken mit Schlitzen (Vbl S); Vollblöcken mit Schlitzen und besonderen Wärmedämmeigenschaften (Vbl SW).
7.6 Betonerzeugnisse
481
Bild 7-15 Anordnung von Schlitzen bei Vollblöcken
Bei Vbl SW werden zur Verbesserung der Wärmedämmung ausschließlich Naturbims (NB) oder Blähton (BT) oder ein Gemisch aus diesen (NB/BT) als Gesteinskörnungen verwendet; außerdem werden die Schlitze versetzt angeordnet (Bild 7-15 rechts) und die Rohdichteklasse auf max. 0,80 begrenzt. Vollsteine und Vollblöcke Vbl sind – abgesehen von Grifföffnungen – sechsseitig geschlossene Mauersteine. Vollblöcke Vbl S dürfen mit von Lagerfläche zu Lagerfläche durchgehenden Schlitzen bzw. mit einer Abdeckung abgeschlossenen Schlitzen ausgestattet sein. Die Schlitze von Vbl SW und Vbl SW-P müssen stets mit einer Abdeckung abgeschlossen sein. Die Schlitze müssen mit gleichem Abstand gleichmäßig über den Querschnitt verteilt sein. Der Flächenanteil von Schlitzen und Grifflöchern (Lochanteil) darf 10 % der Lagerfläche nicht überschreiten. Die Gestaltung der Stirnflächen ist wie bei Hohlblöcken aus Leichtbeton möglich (siehe Bild 7-14). Vollsteine und Vollblöcke aus Leichtbeton werden in den Druckfestigkeitsklassen 2 – 4 – 6 – 8 – 12 – 20 hergestellt, wobei die Druckfestigkeitsklasse 20 nur von Vollsteinen V, V-P und von Vollblöcken Vbl, Vbl-P erreicht wird. Die Rohdichteklassen reichen von 0,45 bis 2,0 (genaue Abstufung siehe Tabelle 7.16). Vbl SW dürfen nur in den Rohdichteklassen 0,45 bis 0,80 hergestellt werden. Die Bemessungswerte der Wärmeleitfähigkeit nach DIN V 4108-4 sind in Tabelle 7.16 für Vollsteine, Vollblöcke Vbl und Vbl S sowie Vollblöcke Vbl SW vergleichend gegenübergestellt. In jeweils drei Spalten sind die Werte bei Vermauerung mit Leichtmauermörtel LM21, LM36 und Normalmörtel enthalten; für Plansteine mit Dünnbettmörtel (DM) gelten die Werte von LM21. Die Einflüsse der Rohdichteklasse und der Mörtelart auf die Wärmeleitfähigkeit sind deutlich erkennbar. Vollblöcke mit Schlitzen und besonderen Wärmedämmeigenschaften (Vbl SW) weisen deutlich geringere Wärmeleitfähigkeiten als die übrigen Steine auf. Die Bezeichnung erfolgt durch Angabe von DIN-Hauptnummer, Mauersteinart (Kurzzeichen), Festigkeitsklasse, Rohdichteklasse, Formatkurzzeichen, Steinmaße (Länge/Breite/Höhe in mm) und evtl. Zusatzangaben (z. B. SN oder N+F, siehe Bild 7-14). Beispiele: Vollstein DIN 18152 – V 6 – 1,2 – 2 DF – 240/115/113 Vollblock DIN 18152 – Vbl SW–P 2 – 0,50 – 20 DF – 497/300/248 – N+F
482
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Tabelle 7.16 Wärmeleitfähigkeit von Vollsteinen und Vollblöcken aus Leichtbeton nach DIN V 18152 (Bemessungswerte nach DIN V 4108-4) Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit λ in W/(m⋅K)
Rohdichteklasse
Vollblöcke Vbl, Vbl S a)
Vollsteine
a)
Vollblöcke Vbl SW
LM21/ DM
LM36
NM
LM21/ DM
LM36
NM
LM21/ DM
LM36
NM
0,45
0,21
0,22
0,31
0,22
0,23
0,28
0,14
0,16
0,18
0,50
0,22
0,23
0,32
0,23
0,24
0,29
0,15
0,17
0,20
0,55
0,23
0,25
0,33
0,24
0,25
0,30
0,16
0,18
0,21
0,60
0,24
0,26
0,34
0,25
0,26
0,31
0,17
0,19
0,22
0,65
0,25
0,27
0,35
0,26
0,27
0,32
0,18
0,20
0,23
0,70
0,27
0,29
0,37
0,27
0,28
0,33
0,19
0,21
0,25
0,80
0,30
0,32
0,40
0,29
0,30
0,36
0,21
0,23
0,27
0,90
0,33
0,35
0,43
0,32
0,32
0,39
0,25
0,26
0,30
1,00
0,36
0,38
0,46
0,34
0,35
0,42
0,28
0,29
0,32
1,20
0,54
0,49
1,40
0,63
0,57
1,60
0,74
0,62
1,80
0,87
0,68
2,00
0,99
0,74
aus Leichtbeton mit anderen leichten Zuschlägen als Naturbims und Blähton
Vollsteine und Vollblöcke aus Leichtbeton dürfen auch nach den verwendeten Gesteinskörnungen benannt werden, wenn der Volumenanteil der anderen Gesteinskörnungen 15 % des verdichteten Betons nicht überschreitet. Solche mögliche Benennungen sind beispielsweise „Naturbims“ oder „Blähton“. Vollblöcke SW sind stets nach der verwendeten Gesteinskörnung zu benennen (NB, BT, NB/BT; siehe oben). Die Kennzeichnung von Vollsteinen und Vollblöcken erfolgt wie bei Hohlblöcken aus Leichtbeton (siehe 7.5.1.4). 7.6.1.6 Mauersteine aus Normalbeton (DIN V 18153-100)
Bei Mauersteinen aus Normalbeton wird – wie bei Leichtbeton – zwischen Vollsteinen (Vn), Vollblöcken (Vbn) und Hohlblöcken (Hbn) unterschieden. Bzgl. Abmessungen und Geometrie gelten prinzipiell die gleichen Anforderungen wie bei den entsprechenden Leichtbetonprodukten. Außerdem werden in DIN V 18153-100 Vormauersteine (Vm) und Vormauerblöcke (Vmb) behandelt. Bei diesen Produkten sind Nut- und Federausbildungen an den Stirnseiten unzu-
483
7.6 Betonerzeugnisse
lässig. Die Grenzabmaße betragen für Länge, Breite und Höhe jeweils ± 3 mm. Bei Vm bis zu 71 mm Höhe beträgt das Grenzabmaß für die Höhe ± 2 mm. Bei bruchrauer oder werksteinmäßig bearbeiteter Oberfläche darf die Breite von Vormauersteinen um +5 mm / - 3 mm an der tiefsten Stelle der Fläche abweichen. Für Mauersteine aus Normalbeton gelten folgende Grenzen der Rohdichte- und Druckfestigkeitsklassen: Steinart:
Rohdichteklassen:
Druckfestigkeitsklassen:
Hbn
0,80 bis 2,00
2 bis 12
Vbn und Vn
1,40 bis 2,40
4 bis 28
Vm und Vmb
1,60 bis 2,40
6 bis 48
Mauersteine aus Normalbeton werden analog zu den entsprechenden Leichtbetonprodukten bezeichnet. Beispiele: Vollstein DIN 18153 – Vn-P 20 – 1,8 – 6 DF – 240/365/123 Hohlblock DIN 18153 – 4K Hbn 4 – 1,4 – 15 DF – 370/300/238 – SN/N+F Vormauerstein DIN 18153 – Vm 12 – 2,0 – 190/90/95 Vormauerblock DIN 18153 – Vmb 6 – 1,6 – 4 DF 115 – SN Die Kennzeichnung erfolgt ebenfalls wie bei den entsprechenden Leichtbetonerzeugnissen.
7.6.2 Deckensteine Deckensteine oder Deckenhohlkörper werden für die Herstellung von Stahlbeton- und Spannbetondecken verwendet; die Bauart entspricht prinzipiell derjenigen von Ziegeldecken (siehe Abschnitt 8.3). Die Deckensteine werden aus Normal- oder Leichtbeton in unterschiedlichsten Formen und Abmessungen hergestellt. Sie sind in DIN 4158 als „Zwischenbauteile“ genormt, wobei zwischen statisch nicht mitwirkenden Zwischenbauteilen für Balken- und Rippendecken; statisch mitwirkenden Zwischenbauteilen für Rippendecken mit Rippen aus Ortbeton oder mit teilweise vorgefertigten Stahlbetonrippen unterschieden wird.
7.6.3 Dachsteine Betondachsteine nach DIN EN 490 werden für das Eindecken von Dächern sowie als Fassadenbekleidung verwendet. Ausgangsstoffe für ihre Herstellung sind Zement, gereinigter Quarzsand, Wasser und ggf. Zusatzstoffe wie Pigmente und Flugasche. Eine Farbgebung wird durch farbige Überzüge und/oder durchgehende Färbung des Mörtels erreicht. Der Farbton darf sich im Laufe der Jahre nicht wesentlich verändern.
484
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Nach dem Mischen der Ausgangsstoffe wird der Frischmörtel unter starkem Druck als endloser Strang auf einer Unterlagsplatte geformt, mit Spezialmessern auf Dachsteinlänge abgelängt und ggf. an der Oberfläche mit Farbe besprüht. Anschließend werden die frischen Dachsteine in einer Härtekammer bei 60 °C für 6 bis 12 Stunden eingelagert. Nach einer eventuellen zweiten Oberflächenbehandlung werden die Steine von den Unterlagsplatten getrennt, verpackt und bis zum Alter von 28 Tagen im Freien gelagert. Je nach Form unterscheidet man – wie bei den Dachziegeln auch – ebene Formen und Konturformen (auch Dachpfannen genannt); eine Auswahl an Formen zeigt Bild 7-16. Betondachsteine werden überwiegend mit Deckbreiten von 300 mm (10er-Format, d. h. 10 Steine pro m² Dachfläche erforderlich), vereinzelt auch 330 mm (7er-Format) hergestellt. Die Regeldachneigung der in Bild 7-16 dargestellten Dachsteine beträgt 22°; die Regeldachneigung ist die unterste Dachneigungsgrenze, bei der sich in der Praxis eine Dachdeckung als regensicher erwiesen hat. Die Decklänge ist variabel und von der Dachneigung abhängig; sie beträgt für die dargestellten Dachpfannen 312 bis 345 mm, wobei die obere Grenze nur bei Dachneigungen > 30° zulässig ist. Für die unterschiedlichen Dachsteinarten werden etliche Sonderformen angeboten wie First-, Ortgang-, Pult-, Lüftungssteine usw.
Bild 7-16 Auswahl gängiger Betondachsteine (Fa. Braas)
Neuere Entwicklungen bei Betondachsteinen zielen auf eine Optimierung der Oberflächeneigenschaften ab. Durch Aufbringen einer Schicht aus titandioxidhaltigem Mikrobeton wird eine extrem porenarme Oberfläche erzeugt, in der sich kaum noch Schmutzpartikel einlagern können. Luftschadstoffe wie Stickoxide werden photokatalytisch in ungefährliche Substanzen umgewandelt und zusammen mit anderen Schmutzpartikeln durch den Regen abgespült (selbstreinigende Oberflächen).
7.6 Betonerzeugnisse
485
7.6.4 Straßenbauerzeugnisse aus Beton 7.6.4.1 Übersicht
Zu den Straßenbauerzeugnissen aus Beton zählen Pflastersteine (DIN EN 1338); Platten (DIN EN 1339); Bordsteine (DIN EN 1340 und DIN 483). Für die Herstellung von Straßenbauerzeugnissen dürfen nur Materialien verwendet werden, deren Eignung aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Leistungsvermögens nachgewiesen sind; die Anforderungen an die Eignung müssen in der Dokumentation der Produktionskontrolle angegeben werden. Straßenbauerzeugnisse werden meist zweischichtig hergestellt, d. h. sie bestehen aus dem Kernbeton und einer Vorsatzschicht auf der Oberseite; die Vorsatzschicht muss mindestens 4 mm dick sein. Beide Betone weisen ein meist erdfeuchte Konsistenz auf und werden „frisch in frisch“ verarbeitet. Für den Vorsatzbeton werden oft gebrochene, besonders harte Gesteinskörnungen verwendet; außerdem werden Vorsatzbetone häufiger eingefärbt. Die Produkte können mit funktionalen und/oder dekorativen Profilierungen versehen werden; diese dürfen in den Nennmaßen nicht enthalten sein. Die Oberfläche kann glatt, strukturiert, mechanisch bearbeitet oder chemisch behandelt sein; die Oberflächenbeschaffenheit bzw. Oberflächenbehandlung muss vom Hersteller beschrieben und angegeben werden. Die Oberseite der Erzeugnisse darf keine Schäden wie Abplatzungen oder Risse zeigen. Bei zweischichtigen Produkten darf kein Ablösen (d. h. Trennen) zwischen den beiden Schichten eintreten. Ausblühungen beeinträchtigen nicht die Gebrauchstauglichkeit und werden von daher in den o. g. Normen nicht als bedeutend betrachtet. Anforderungen, die durch unterschiedliche Klassen ausgedrückt werden, bestehen hinsichtlich Witterungswiderstand, Abriebwiderstand, Maßabweichungen und Biegezugfestigkeit; die jeweiligen Klassen werden durch Kennbuchstaben gemäß Tabelle 7.17 bezeichnet. 7.6.4.2 Pflastersteine (DIN EN 1338)
DIN EN 1338 gilt für Pflastersteine und Ergänzungssteine aus Beton im Fußgänger- und Verkehrsbereich und auf Dächern, z. B. Fußwege, Fußgängerzonen, Radwege, Parkplätze, Straßen, Autobahnen, Industriebereiche (einschließlich Docks und Häfen), Rollbahnen auf Flughäfen, Busbahnhöfe und Tankstellen. Sie erfasst sowohl Steine mit dichtem Gefüge als auch Steine, die auf Grund ihres Gefüges den Wasserdurchgang durch den Stein ermöglichen. Pflastersteine können mit Abstandhaltern, seitlichen Abschrägungen oder geschlitzten und profilierten Seitenflächen hergestellt werden. Wegen des Rastermaßes sollte bei den Maßen des Pflastersteins ein Abzug für Fugen und Abweichungen berücksichtigt werden. Nach der Form werden z. B. Quadrat-, Rechteck- und Sechseckpflastersteine sowie zahlreiche Arten von Verbundpflastersteinen unterschieden. Die Kanten der Nutzflächen können gebrochen, abgerundet, ungefast oder mit einer Fase, mit einem Radius versehen oder abgeschrägt sein.
486
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Kennbuchstabe
Bordsteine EN 1340
Witterungswiderstand
Klasse
Platten EN 1339
Leistungskriterium
Pflaster EN 1338
Tabelle 7.17 Klassifizierte Anforderungen an Straßenbauerzeugnisse aus Beton Anforderung
1
A
Wasseraufnahme – keine Anforderung
•
•
•
2
B
Wasseraufnahme ≤ 6 M.-% (als Mittelwert)
•
•
•
3
D
Masseverlust nach der Frost-Tausalz-Prüfung ≤ 1,0 kg/m² (als Mittelwert, kein Einzelwert > 1,5)
•
•
•
•
•
•
Prüfung nach Anhang G (breite Schleifscheibe) Abriebwiderstand
zul. Abweichungen der Diagonalen (Rechtwinkligkeit)
zul. Abweichungen von den Nennmaßen
Biegezugfestigkeit
maßgebend für
Prüfung nach Anhang H (Böhme-Scheibe)
1
F
keine Anforderung
keine Anforderung
2
G
26 mm
26000 mm³/ 5000 mm²
3
H
23 mm
20000 mm³/ 5000 mm²
•
•
•
4
I
20 mm
18000 mm³/ 5000 mm²
•
•
•
Diagonale in mm
max. Differenz in mm
≤ 850 > 850
5 8
•
•
≤ 850 > 850
3 6
•
•
≤ 850 > 850
2 4
1
J
2
K
3
L
•
•
Nennmaß der Platte in mm
Länge in mm
Breite in mm
Dicke in mm
1
N
alle
±5
±5
±3
•
2
P
≤ 600 > 600
±2 ±3
±2 ±3
±3 ±3
•
3
R
alle
±2
±2
±2
•
1
S
Charakteristische Biegezugfestigkeit in MPa
Mindestbiegezugfestigkeit in MPa
3,5
2,8
•
•
2
T
4,0
3,2
•
•
3
U
5,0
4,0
•
•
7.7 Gipsbauteile
487
In der Norm werden nur qualitative Anforderungen festgelegt; es sind keine Vorgaben für Formate oder Abmessungen enthalten. Pflastersteine aus Beton werden mit Vorzugshöhen von 60, 80, 100, 120 und 140 mm sowie einer maximalen Länge von 280 mm hergestellt. Die charakteristische Spaltzugfestigkeit muss mindestens 3,6 MPa betragen, wobei kein Einzelwert < 2,9 MPa sein darf. 7.6.4.3 Gehwegplatten (DIN EN 1339)
DIN EN 1339 gilt für Platten und Ergänzungsplatten aus Beton, die für verkehrsmäßig genutzte befestigte Flächen und auf Dächern verwendet werden. Sie können – wie Pflastersteine – mit Abstandhaltern, seitlichen Abschrägungen oder geschlitzten und profilierten Seitenflächen hergestellt werden. Neben der Biegezugfestigkeit werden aus dem Biegeversuch abgeleitete Bruchlastklassen (3, 4, 7, 11, 14, 25, 30) angegeben; die Zahlenwerte entsprechen der charakteristischen Bruchlast in kN. Beispiel für die Bezeichnung einer Gehwegplatte der Bruchlastklasse 7 (D, I und K siehe Tabelle 7.17): Platte aus Beton DIN EN 1339 Qualität DIK7 7.6.4.4 Bordsteine (DIN EN 1340, DIN 483)
Für Bordsteine aus Beton ist neben DIN EN 1340 die Restnorm DIN 483 maßgebend, in der die Formen und Maße der vorzugsweise in Deutschland zur Anwendung kommenden Bordsteine festgelegt sind. Unterschieden werden gerade Bordsteine und Kurvensteine (Außen- und Innenbogen für Kurvenradien von 0,5 bis 12,0 m) in unterschiedlichen Querschnittsformen (siehe Bild 7-17) sowie Übergangssteine, bei denen die Querschnittsform allmählich von einem Profil in ein anderes übergeht.
Bild 7-17 Querschnittsformen von Bordsteinen nach DIN 483
488
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
7.7 Gipsbauteile 7.7.1 Allgemeines Die leichte Formbarkeit und die kurze Versteifungs- und Erhärtungszeit von gipsgebundenen Baustoffen stellen günstige Voraussetzungen für die Produktion von Bauteilen dar. Dazu kommt, dass die Festigkeiten, welche diese Bauelemente sowohl mit als auch ohne Zuschläge oder Füllstoffe erreichen, den Bedürfnissen der Praxis gut entsprechen. Gipsbauplatten werden aus rasch versteifendem Gips (z. B. Stuckgips) hergestellt. Das Bindemittel wird dabei maschinell mit Wasser angemacht; dabei können gegebenenfalls besondere Zusätze zur Regulierung des Abbindens sowie zur Erzielung besonderer Platteneigenschaften (z. B. Porenbildner, Fasern usw.) zugemischt werden. Darauf wird die Masse einem Formgebungsprozess zugeführt und anschließend – meist künstlich – getrocknet. Der Trockenvorgang, bei dem das überschüssige Anmachwasser des Gipsbreis langsam aus dem Gipskern ausgetrieben wird, ist für die Qualität der Platten von ausschlaggebender Bedeutung. Beim Abbinden bildet sich dann eine chemisch dem natürlichen Gipsstein entsprechende feste Masse. Gipsbauplatten dürfen – wie alle Gipsbaustoffe – länger andauernder Feuchtebelastung nicht ausgesetzt werden, weil dadurch ihr Gefüge zerstört werden würde. Damit ist die Verwendung dieser Bauelemente im wesentlichen auf den Innenausbau beschränkt; beim Einsatz im Freien muss man sie durch geeignete Maßnahmen – Putz, Bekleidung, Anstrich oder ähnliches – gegen Wassereinwirkung schützen. Eine nachteilige Beeinflussung der Gipsbauplatten durch hohe Luftfeuchtigkeit tritt ebenso wenig ein wie eine Durchfeuchtung, solange diese Einwirkungen nur vorübergehend bestehen und die Gipsbauteile immer wieder die Gelegenheit zum Austrocknen haben. Andauernder hoher Feuchtigkeit, wie sie etwa in gewerblichen Feuchträumen (Wäschereien, Flaschenabfüllräumen usw.) herrscht, sollten Gipsprodukte nicht ausgesetzt werden. Für Brandschutzmaßnahmen sind Gipsbaustoffe sehr gut geeignet. Im Brandfall verdampft das Kristallwasser des Dihydrats und bildet auf der dem Feuer zugewandten Seite einen schützenden Wasserdampfschleier, der die weiterer Erwärmung des Bauteils verlangsamt.
7.7.2 Arten von Gipsbauplatten 7.7.2.1 Gipsplatten
Gipsplatten sind werkmäßig gefertigte, im Wesentlichen aus Stuckgips und Zusatzstoffen bestehende Bauplatten, deren Flächen und Längskanten mit einem fest haftenden, dem Verwendungszweck entsprechenden Karton ummantelt sind (daher auch die Bezeichnung „Gipskartonplatten“). Der Karton wirkt als Armierung der Zugzone und verleiht – in Verbindung mit dem Gipskern – den Platten die erforderliche Festigkeit und Biegesteifigkeit. Gipsplatten sind in EN 520 sowie in der Restnorm DIN 18180 genormt.
7.7 Gipsbauteile
489
Bild 7-18 Herstellung von Gipskartonplatten [7.5]
Gipsplatten werden – wie in Bild 7-18 schematisch dargestellt – auf großen Bandanlagen im kontinuierlichen Betrieb hergestellt. Die wichtigsten Teile der Produktionsanlage sind: Zulauf des Kartons unten, der die Sichtseite der Platte bildet und für die Kantenformung angeritzt wird (1); Zulauf von Gipsbrei mit Verteilung durch die Formstation mit gleichzeitigem Kartonzulauf von oben (2 – 3); Abbindestrecke mit Schere als Schneidevorrichtung (4 – 5); Wendetisch mit Eintrag in einen Mehretagentrockner (6 – 8); Plattenaustrag mit Besäumung der Querkanten und Plattenbündelung (9 – 11). Das Abbindeverhalten des Gipskerns sowie die Länge und Bandgeschwindigkeit der Abbindestrecke sind aufeinander abgestimmt. Bei den modernen Anlagen mit hoher Bandgeschwindigkeit erreichen die Abbindestrecken eine Länge von mehreren hundert Metern. Die besonderen Merkmale von Gipskartonplatten sind: geringes Gewicht (Rohdichte: 680 kg/m³); große Elastizität (E-Modul: 2.800 N/mm² in Plattenlängsrichtung, 2.200 N/mm² in Plattenquerrichtung); gute Festigkeit (Biegefestigkeiten je nach Plattendicke zwischen 4,2 und 6,5 N/mm²); gute Wärmedämmung (Wärmeleitfähigkeit: 0,21 W/(m·K)); günstige Biegeweichheit; idealer Anstrichuntergrund; durch Sägen, Schneiden, Fräsen, Bohren leicht zu bearbeiten und durch Nageln, Schrauben und Leimen gut auf dem Untergrund zu befestigen. Festigkeit und Elastizitätsmodul sind in Plattenlängsrichtung höher als in Plattenquerrichtung. Feuerschutzplatten (GKF, GKFI) weisen eine höhere Rohdichte (800 kg/m³) und dadurch eine größere Druckfestigkeit auf.
490
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Gipskartonplatten stehen dem Verbraucher in mehreren Plattenarten und Lieferformen, auf den jeweiligen Verwendungszweck abgestimmt, zur Verfügung. Sie werden insbesondere als Wand- und Deckenbekleidungen, als Beplankungen für Trennwände und Vorsatzschalen sowie für die Herstellung vorgefertigter Bauteile verwendet. Für die Verarbeitung gilt DIN 18181. Bei Trennwänden und Vorsatzschalen sind DIN 4103-1, DIN 4103-4 und DIN 181831, bei Unterdecken und Deckenbekleidungen ist DIN 18168 zusätzlich zu beachten. Ungelochte Gipsplatten sind als Baustoffe der Klasse A2 nach DIN 4102-4 und als Baustoffe der Euroklasse A2 – s1, d0 nach DIN EN 13501-1 klassifiziert; gelochte Platten entsprechen der Klasse B1 (DIN 4102). Sofern die Gipsplatten werkmäßig weiter bearbeitet werden (zugeschnitten, gelocht, kaschiert, beschichtet), werden sie als werkmäßig bearbeitete Platten, ansonsten als bandgefertigte Platten bezeichnet. a) Bandgefertigte Gipskartonplatten
Bandgefertigte Gipskartonplatten sind ebene rechteckige Platten mit einer Standardbreite von 1250 mm (625 mm bei größeren Dicken) und Längen meist zwischen 2000 und 3000 mm. Standarddicken sind 9,5 / 12,5/ 15 /20 / 25 mm. Die Längskanten sind kartonummantelt, die Querkanten sind maschinenschnittrau oder scharfkantig geschnitten und lassen den Gipskern sichtbar. Die üblichen Kantenausbildungen von Gipskartonplatten sind in Bild 7-19 dargestellt.
Bild 7-19 Kantenausbildung von Gipskartonplatten
491
7.7 Gipsbauteile
Nach DIN 18180 werden folgende bandgefertigten Plattenarten unterschieden: 1) Bauplatten (GKB) Bauplatten zum Befestigen auf flächiger Unterlage, zum Ansetzen als Wand-Trockenputz nach DIN 18181 und zur Herstellung von Gips-Verbundplatten nach DIN 18184; Bauplatten ab 12,5 mm Dicke bei baustellenmäßiger Verarbeitung zum Befestigen auf Unterkonstruktion für Wand- und Deckenbekleidungen nach DIN 18181, für Decklagen an Unterdecken und Deckenbekleidungen nach DIN 18168 sowie für die Beplankung von Trennwänden und Vorsatzschalen nach DIN 18183 und von nichttragenden inneren Trennwänden nach DIN 4103-4. 2) Feuerschutzplatten (GKF) Feuerschutzplatten für Anwendungsbereiche nach 1) mit Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer der Bauteile (Anwendung nach DIN 4102-4 oder entsprechend einem Prüfzeugnis einer dafür bauaufsichtlich anerkannten Prüfstelle). 3) Bauplatten-imprägniert (GKBI) Bauplatten-imprägniert können für die Anwendungsbereiche nach 1) Verwendung finden. Sie haben zusätzlich eine verzögerte Wasseraufnahme entsprechend H2 nach DIN EN 520. 4) Feuerschutzplatten-imprägniert (GKFI) Feuerschutzplatten-imprägniert können für die Anwendungsbereiche nach 2) Verwendung finden. Sie haben zusätzlich eine verzögerte Wasseraufnahme entsprechend H2 nach DIN EN 520. 5) Putzträgerplatten (GKP) Putzträgerplatten werden vorwiegend als Putzträger auf Unterkonstruktionen verwendet. Gipsplatten werden bezeichnet mit der DIN-Hauptnummer, dem Kurzzeichen der Plattenart, der Dicke und Länge (in mm) sowie der Ausbildung der Längskanten, z. B. Gipsplatte DIN 18180 – GKB 12,5 – 2000 AK Jede Gipsplatte ist zusätzlich zur CE-Kennzeichnung nach DIN EN 520 auf der Rückseite in Plattenlängsrichtung mit folgenden Angaben zu versehen: Herstellwerk, Herstelldatum, DINHauptnummer und Kurzzeichen der Plattenart. Der Aufdruck ist in den Farben gemäß Tabelle 7.18 auszuführen; zur besseren Unterscheidung können Gipsplatten mit verschiedenfarbigen Kartonen ausgestattet werden. Tabelle 7.18 Gegenüberstellung der Plattenbezeichnungen nach DIN 18180 und DIN EN 520 sowie Kennfarben von Aufdruck und Karton Plattenart
Kurzbezeichnung für Gipsplatten nach DIN 18180
DIN EN 520
GKB
Typ A
Feuerschutzplatten
GKF
Typ DF
Bauplatten (imprägniert)
GKBI
Typ H2
Feuerschutzplatten (imprägniert)
GKFI
Typ DFH2
Putzträgerplatten
GKP
Typ P
Bauplatten
Kartonfarbe
Aufdruckfarbe der Kennzeichnung
weiß bis gelblich Rückseite: grau
blau rot blau
grünlich grau
rot blau
492
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
b) Werkmäßig mechanisch bearbeitete Gipskartonplatten
Bandgefertigten Gipskartonplatten können für bestimmte Anwendungszwecke werkmäßig weiterbearbeitet werden. Hierzu gehören: Zuschnitt-Gipsplatten Zuschnitt-Gipsplatten sind im Regelfall rechteckig zugeschnittene Platten mit geschlossener Oberfläche für Wand- oder Deckenbekleidungen. Die Kanten können allseitig scharfkantig (SK) oder gefast (FK) ausgebildet sein. Quadratische Zuschnitt-Gipsplatten werden als GipsKassetten bezeichnet. Gelochte Gipsplatten Gelochte Gipsplatten sind Gipsplatten mit durchgehenden Löchern verschiedener Form (z. B. Rundlöcher, Schlitze) für dekorative und schallschluckende Wand- und Deckenbekleidungen. Die Löcher können in besonderen Lochfeldern und Mustern angeordnet sein. Quadratische gelochte Gipsplatten werden als gelochte Gipsplattenkassetten bezeichnet. Rückseitig mit Glasfaservlies beschichtete Gipskarton-Lochplatten werden als Gipskarton-Schallschluckplatten bezeichnet. 7.7.2.2 Gipsplatten-Produkte aus der Weiterverarbeitung
Aus Gipskartonplatten nach 7.5.2.1 werden werkmäßig weitere Ausführungsformen hergestellt, die in Bild 7-20 dargestellt sind. Bild 7-20 enthält außerdem die zugehörigen Nebenprodukte (Kleber, Spachtel, Befestigungsmittel, Profile usw.), auf die im Folgenden jedoch nicht näher eingegangen wird. a) Gips-Verbundplatten
Gips-Verbundplatten sind Bauelemente, die aus einer Gipsplatte und einer darauf geklebten Dämmstoffplatte bestehen; zwischen den beiden Schichten kann eine Dampfsperre angeordnet sein. Gips-Verbundplatten sind in DIN EN 13950 genormt; zusätzlich gilt die Restnorm DIN 18184, die wesentliche Festlegungen für die Ausführung und Dimensionierung der Gipsplatten-Verbundelemente enthält. Für die Herstellung müssen Gipsplatten nach DIN 18180 und Dämmstoffplatten nach dem Normenpaket DIN EN 13162 ff. (siehe Kapitel 18 „Dämmstoffe“) verwendet werden. DIN 18184 beschreibt Verbundelemente mit Dämmstoffen aus expandiertem Polystyrol (EPS nach EN 13163); extrudiertem Polystyrolschaum (XPS nach EN 13164) und Polyurethan-Hartschaum (PUR, PIR nach EN 13165). In DIN EN 13950 werden zusätzlich Verbundelemente mit Mineralwolle (MW nach EN 13162) und Phenolharzschaum (PF nach EN 13166) beschrieben.
7.7 Gipsbauteile
493
Bild 7-20 Produkte aus der Weiterverarbeitung von Gipsplatten und Nebenprodukte
Länge und Breite der Gips-Verbundplatten richten sich nach den Maßen der verwendeten Gipsplatten; es gelten die Regelmaße, z. B. Länge 2.500 mm, Breite 1.250 mm. Zur Sicherstellung dichter Fugenstöße ist die Dämmschicht sowohl in Längs- als auch in Querrichtung mit einem Überstand zu versehen; der Überstand kann einseitig oder beidseitig angeordnet sein. Die Dämmschichtdicke richtet sich nach der Dicke der verwendeten Gipsplatte; die üblichen Kombinationen zeigt Tabelle 7.19. Gips-Verbundplatten werden hauptsächlich zur Wärme- und/oder Schalldämmung von Wänden in Gebäuden verwendet, wobei Verbundplatten mit Mineralfaserplatten sowohl für Schallschutz- als auch für Wärmedämm-Zwecke eingesetzt werden. Verbundplatten mit Schaumkunststoffen sind allein für den Wärmeschutz bestimmt (siehe auch Kapitel 18 „Dämmstoffe“).
494
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Tabelle 7.19 Schichtdicken für Gips-Verbundplatten Schichtdicke in mm Gipsplatte
Dämmschicht (Nennmaße)
≥ 6,5
20
≥ 9,5
20 30 20 30
≥ 12,5
40 50 60 80
b) Gipsplatten-Produkte aus der Weiterverarbeitung
Eine große Zahl von Produkten wird durch die Weiterverarbeitung von Gipsplatten hergestellt. Neben den in Abschnitt 7.5.2.1 unter b) genannten Verfahren (Zuschnitt, Lochung) werden u. a. folgende Verfahren entweder einzeln oder kombiniert angewendet: Neuprofilieren von Kanten und Enden; Anbringen oder Ankleben von verdeckten Befestigungsteilen; Abdichten der Sichtseite und/oder Rückseite; dekorative Vorbehandlung der Sichtfläche durch Aufbringen von Farbe, Kunststofffolien, Metallfolien oder anderen Materialien; Laminieren der Rückseite mit Aluminiumfolie (Dampfsperre) oder Walzblei (Schutz vor Röntgenstrahlen); Laminieren der Rückseite mit Dämmstoffen; Aufeinanderkleben von Platten zu Mehrschichtelementen; Verkleben von Mehrschichtelementen mit Dämmstoffen zu Unterbodenelementen; Einfräsen von Gipsplatten in präzisen Winkeln an vorbestimmten Stellen, um sie faltbar zu machen; Vorformen von Einzel- oder Mehrschicht-Gipsplatten zu bogenförmigen Elementen. c) Gipsplatten-Wandbaufertigtafeln
Gipsplatten-Wandbautafeln bestehen aus zwei bis zu 15 mm dicken Gipsplatten nach EN 520, die durch einen Kartonwabenkern miteinander verbunden sind. Die Eigenschaften und Leistungsmerkmale der Tafeln sind in DIN EN 13915 festgelegt. Gipsplatten-Wandbautafeln werden üblicherweise als Leichttrennwände, Wandbekleidungen und Ummantelungen in Gebäuden verwendet. Sie weisen an den Verbindungsstellen Vorrichtungen auf, die ein leichtes Versetzen, vielfach auch eine einfache spätere Demontage und anschließenden Wiederaufbau ermöglichen.
7.7 Gipsbauteile
495
7.7.2.3 Faserverstärkte Gipsplatten
Zur Verbesserung insbesondere der Festigkeits-, Steifigkeits- und bauphysikalischen Eigenschaften können Gipsplatten mit Fasern verstärkt werden. Dies kann durch Zugabe von Fasern und/oder Anbringen einer Vliesarmierung auf oder unmittelbar unter der Oberfläche erreicht werden. Gipsplatten mit Vliesarmierung (DIN EN 15283-1) Gipsplatten mit Vliesarmierung bestehen aus einem abgebundenen Gipskern mit einem fest anhaftenden Vlies aus anorganischen oder organischen Fasern. Das Vlies kann aus einer oder mehreren Lagen bestehen und durch Einzelfasern oder mit einem Gewebe aus Fasersträngen verstärkt sein. Der Gipskern kann zusätzlich Fasern, Zusätze und/oder Füllstoffe enthalten. Gipsplatten mit Vliesarmierung werden in der Regel im industriellen Maßstab im kontinuierlichen Betrieb hergestellt. Gipsfaserplatten (DIN EN 15283-2) Gipsfaserplatten sind ebene, rechteckige Platten, die aus einem abgebundenen Gipskern bestehen, der mit im Kern verteilten anorganischen und/oder organischen Fasern verstärkt ist. Als Fasermaterial kommen u. a. Zellulosefasern aus recyceltem Altpapier zum Einsatz. Es dürfen auch Zusatzmittel und Füllstoffe verwendet werden. Die Platten werden in der Regel im kontinuierlichen Betrieb im Industriemaßstab hergestellt.
Sowohl Gipsplatten mit Vliesarmierung als auch Gipsfaserplatten sind besonders für Verwendung in Bereichen geeignet, für die Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz, Wärmeschutz oder Streckfestigkeit bzw. Schubfestigkeit bestehen. Sie können z. B. als Trockenputz für Wände, für direkt befestigte Deckenbekleidungen oder abgehängte Decken, für Trennwände oder als Bekleidung von Stützen und Trägern verwendet werden. Sie können auch für Fußböden, Lüftungs- und Rauchabzugskanäle, Kabelbrücken und Beplankungen eingesetzt werden. Beide Plattentypen können auf verschiedene Arten befestigt werden, z. B. durch Nageln, Schrauben, Klammern oder Kleben mit einem Kleber auf Gipsbasis oder mit anderen Klebstoffen. Sie können mit einer direkten Oberflächendekoration oder mit Gipsputz versehen werden. Ein weiteres Anwendungsgebiet liegt in der werksmäßigen Weiterverarbeitung der Platten. Vor allem Gipsfaserplatten sind für die Systeme Trockenestriche/Trockenunterböden, Hohlböden und Doppelböden besonders geeignet und können mit allen üblichen Bodenbelägen belegt werden; sie sind außerdem geeignet für Fußbodenheizungssysteme. Gipsplatten mit Vliesarmierung werden mit der Abkürzung GM, Gipsfaserplatten mit GF bezeichnet. Ferner enthält die Bezeichnung Angaben zu zusätzlichen Merkmalen – sofern zutreffend – wie verringerte Wasseraufnahme (H), erhöhte Dichte (D), erhöhte Festigkeit (R) usw. Außerdem werden die Maße, bei GF zusätzlich das Grenzabmaß der Dicke (C1, C2) sowie die Ausbildung der Längskanten (siehe Bild 7-19) angegeben. Beispiele: Gipsplatte mit Vliesarmierung EN 15283-1 GM / 1200 / 2400 / 15 / AK Gipsplatte mit Vliesarmierung EN 15283-1 GM-H1 / 1250 / 3000 / 12,5 / VK Gipsfaserplatte EN 15283-2 GF-DR1 / 1250 / 3000 / 25 – C2 / VK
496
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
7.7.2.4 Gips-Wandbauplatten
Gips-Wandbauplatten nach DIN EN 12859 werden zur Herstellung nicht tragender Trennwände, freistehender Wandvorsatzschalen sowie Brandschutzbekleidungen von Stützen, Schächten usw. eingesetzt. Die Platten werden werkmäßig aus Calciumsulfat und Wasser hergestellt, wobei Fasern, Füll- und Zuschlagstoffe sowie andere Zusätze enthalten sein dürfen, sofern diese Stoffe nicht in europäischen Bestimmungen als Gefahrstoffe eingestuft sind. Gips-Wandbauplatten sind rechteckig, haben parallele ebene Oberflächen und an mindestens zwei sich gegenüber liegenden Stoß- und Lagerflächen Nuten bzw. Federn. Sie werden unter Verwendung von Fugengips zusammengefügt. Das Nut-Feder-System gewährleistet eine hohe Passgenauigkeit, so dass die Wände in der Regel keinen Putz benötigen. Bei der Ausführung von inneren Trennwänden aus Gips-Wandbauplatten ist DIN 4103-2 zu beachten. Für häusliche Küchen und Bäder werden hydrophobierte Platten mit reduzierter Wasseraufnahme empfohlen (siehe Tabelle 7.21). Die Plattendicke muss mindestens 50 mm betragen und darf 150 mm nicht überschreiten. Die Länge ist auf maximal 1000 mm begrenzt. Die Höhe ist in Abhängigkeit von der Länge festzulegen; dabei muss die Sichtfläche der Platte mindestens 0,20 m² betragen. Vorzugsmaße sind: Dicke: 50, 60,70, 80, 100 mm – Länge: 666 mm – Höhe: 500 mm (siehe Bild 7-21).
Bild 7-21 Gips-Wandbauplatten – Form und Vorzugsmaße
Gips-Wandbauplatten werden entweder massiv, d. h. ohne Hohlräume, oder mit vorgeformten Hohlräumen hergestellt. Bei Platten mit Hohlräumen dürfen die Wandungen an keiner Stelle dünner als 15 mm sein, und das Gesamtvolumen der Hohlräume darf 40 % des Plattenvolumens nicht überschreiten. Die Platten werden verschiedenen Rohdichteklassen (Tabelle 7.20) und Wasseraufnahmeklassen (Tabelle 7.21) zugeordnet. Zur visuellen Identifizierung der verschiedenen Plattenarten werden die Platten mit Pigmenten eingefärbt.
497
7.7 Gipsbauteile Tabelle 7.20 Rohdichteklassen von Gips-Wandbauplatten Rohdichteklasse
Wertebereich in kg/m³
Farbe
hoch
1.100 ≤ ρ ≤ 1.500
rosa a)
mittel
800 ≤ ρ < 1.100
Natur
niedrig
600 ≤ ρ < 800
gelb a)
a)
Farbkennzeichnung der Dichteklassen gilt nur für die Wasseraufnahmeklasse H3
Tabelle 7.21 Wasseraufnahmeklassen von Gips-Wandbauplatten
a)
Wasseraufnahmeklasse
Wasseraufnahme in M.-%
Farbe
H3a)
keine Anforderung
Natur
H2
≤ 5,0
blau
H1
≤ 2,5
grün
Farbkennzeichnung der Dichteklassen gilt nur für die Wasseraufnahmeklasse H3
Wände aus Gips-Wandbauplatten bieten einen sehr wirksamen Brandschutz. Nach DIN 4102-4 erreichen Wände mit einer Dicke von 60 mm die Feuerwiderstandsklasse F 30-A (feuerhemmend). Wände mit 80 mm Dicke sind den Klassen F 60-A, F 90-A und F 120-A zugeordnet (feuerbeständig); ab 100 mm Dicke erfüllen die Wände bei entsprechender Ausführung die Anforderungen der Feuerwiderstandsklasse F 180-A und sind somit hochfeuerbeständig. Die Rechenwerte für die Wärmeleitfähigkeit von Gipsprodukten sind in der Tabelle 4.4 zusammengestellt. Gipsbauplatten müssen eine für ihren Verwendungszweck ausreichende Biegezugfestigkeit haben. DIN EN 12859 fordert daher einen Mindestwert der mittleren Bruchlast; dieser liegt in Abhängigkeit von der Plattendicke zwischen 1,7 kN (50 mm Dicke) und 4,0 kN (100 mm Dicke). Wandbauplatten aus Gips werden insbesondere für leichte, nicht tragende Trennwände verwendet, daneben für Ummantelungen, Vorsatzschalen, Ausfachungen und ähnliches. Für die Verbindung der Einzelplatten werden vornehmlich Fugen- und Spachtelgips verwendet. Nach dem Verspachteln der Fugen sind die Wände im Allgemeinen malerfertig; nur wenn eine absolut schattenfreie Wandfläche verlangt wird, ist der Auftrag einer 1 bis 3 mm dicken Gipsglättschicht erforderlich. 7.7.2.5 Gipselemente für Unterdecken
DIN EN 14246 behandelt werkmäßig formgegossene Gipselemente, die in abgehängten Unterdecken unter üblichen Deckenkonstruktionen im Innenbereich eingebaut werden. Sie unterscheidet zwischen Gips-Deckenelementen und Gips-Deckenplatten.
498
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
Gips-Deckenelemente sind rechteckige Bauelemente mit ebener und glatter Sichtseite zur Herstellung einer ebenen und durchlaufenden Unterdecke; die Kanten sind gerade oder gefalzt ausgebildet. Ihre Befestigung erfolgt mittels integrierter Abhänger. Gips-Deckenplatten werden in Deckenrastern aus Metallprofilen eingelegt. In Tabelle 7.22 sind verschiedene Möglichkeiten der Kantenausbildung und des Deckenrasters dargestellt. Die Platten sind quadratisch oder rechteckig; die Oberfläche kann glatt, gemustert oder strukturiert sein. Zur Verbesserung der Schallabsorptionseigenschaften können die Platten gelocht und rückseitig mit einer geschützten Mineralfasermatte versehen sein. Tabelle 7.22 Kantenausbildung von Gips-Deckenplatten nach DIN EN 14246 Deckenplatte Typ:
A
B
C
Kantenausbildung:
rechtwinklig
gefalzt, abgeschrägt
versetzt, gefalzt
sichtbar
halbverdeckt
verdeckt
Deckenraster:
7.7.2.6 Sonstige Gipsbauelemente Trockenestrich-Elemente
Trockenestrich-Elemente werden werkseitig durch zwei versetzt verklebte (Stufenfalz) Gipsfaserplatten (2 × 10 mm bzw. 2 × 12,5 mm Dicke) hergestellt. Die Elemente werden auch monolithisch mit profilierter Kantenausbildung in Dicken von 18 bis 25 mm gefertigt. Beide Elementtypen können zusätzlich werkseitig mit unterschiedlichen Dämmmaterialien (Mineralfaser MW, Polystyrol-Hartschaum EPS/XPS, Holzfaser WF) kaschiert werden. Trockenunterboden- Elemente
Diese Elemente dienen zur Herstellung von auf Stützen aufgeständerten Böden. Hier ist zu unterscheiden zwischen Hohlböden und Doppelböden. Hohlböden sind auf Stützen aufgeständerte Böden, bei denen der entstehende Hohlraum üblicherweise für Installationsleitungen bzw. -rohre genutzt wird. Als Tragschicht werden Gipsfaserelemente eingesetzt, die üblicherweise im Verband verlegt und an der Nut miteinander verklebt werden. Doppelböden werden ebenfalls auf Stützen aufgeständert. Die Tragschicht besteht jedoch aus einzeln aufnehmbaren, nicht fest miteinander verbundenen Platten, wodurch der Installationsraum für Wartungsarbeiten zugänglich ist. Doppelbodenelemente bestehen aus Gipsfaserplatten mit hoher Rohdichte (ca. 1.500 kg/m³), auf die der Fußbodenbelag häufig bereits im Werk aufgebracht wird.
499
7.8 Literatur Gips-Deckenkörper
Die Gestaltung von Decken beeinflusst sehr stark die Atmosphäre und Ausstrahlung eines Innenraumes. Neben den ästhetischen Aspekten müssen Decken zusätzliche Anforderungen z. B. hinsichtlich Akustik, Brandschutz, Raumklima und Beleuchtung erfüllen. Durch verschiedene Techniken können aus ebenen Gipsplatten architektonisch interessante profilierte und geschwungene Deckenformen realisiert werden. Bei der Falttechnik wird die Gipsplatte V-förmig gefräst, anschließend gefaltet und ggf. verleimt. Einfach zu realisierende Formen sind L-Winkel (eine Fräsung) sowie U-Schalen und Z-Winkel (2 Fräsungen). Die V-Fräsung selbst kann abweichend von der 90°Standardlösung in nahezu allen Winkeln hergestellt werden. Auf diese Weise sind eine Vielzahl unterschiedlicher Formen wie Stützen- und Trägerbekleidungen, Lamellen, Friese, Kapitelle usw. herstellbar. Mit Hilfe der Biegetechnik können Bogenelemente gefertigt werden. Hierzu werden mit Glasvlies bewehrte Gips-Formplatten mit einer Dicke von 6,5 mm trocken oder nass gebogen. Trockenbiegen ist ab einem Radius von 1000 mm, Nassbiegen ab einem Radius von 300 mm möglich. Das rückseitige Schlitzen der Platten ist in der Regel nicht mehr erforderlich. Bogenelemente werden meist mehrlagig ausgeführt.
7.8 Literatur 7.8.1 Normen, Richtlinien Norm
Ausgabe
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Kalksandsteine mit besonderen Eigenschaften
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1996-11
Mauerwerk – Teil 1: Berechnung und Ausführung
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2004-08
Zement mit besonderen Eigenschaften – Teil 10: Zusammensetzung, Anforderungen und Übereinstimmungsnachweis von Normalzement mit besonderen Eigenschaften
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Nichttragende innere Trennwände – Teil 1: Anforderungen, Nachweise
500
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
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Nichttragende innere Trennwände – Teil 2: Trennwände aus Gips-Wandbauplatten
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1988-11
Nichttragende innere Trennwände – Teil 4: Unterkonstruktion in Holzbauart
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2007-06
Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 4: Wärme- und feuchteschutztechnische Bemessungswerte
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Zwischenbauteile aus Beton, für Stahlbeton- und Spannbetondecken
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2005-10
Porenbetonsteine – Teil 100: Plansteine und Planelemente mit besonderen Eigenschaften
DIN 4166
1997-10
Porenbeton-Bauplatten und Porenbeton-Planbauplatten
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2003-12
Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 1: Herstellung, Eigenschaften, Übereinstimmungsnachweis
DIN 4223-2
2003-12
Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 2: Bauteile mit statisch anrechenbarer Bewehrung; Entwurf und Bemessung
DIN 4223-3
2003-12
Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 3: Wände aus Bauteilen mit statisch nicht anrechenbarer Bewehrung; Entwurf und Bemessung
DIN 4223-4
2003-12
Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 4: Bauteile mit statisch anrechenbarer Bewehrung; Anwendung in Bauwerken
DIN 4223-5
2003-12
Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 5: Sicherheitskonzept
E DIN 4223-100
2008-09
Anwendung von vorgefertigten bewehrten Bauteilen aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 100: Eigenschaften und Anforderungen an Baustoffe und Bauteile (Entwurf)
E DIN 4223-101
2008-09
Anwendung von vorgefertigten bewehrten Bauteilen aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 101: Entwurf und Bemessung (Entwurf)
E DIN 4223-102
2008-09
Anwendung von vorgefertigten bewehrten Bauteilen aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 102: Anwendung in Bauwerken (Entwurf)
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2008-09
Anwendung von vorgefertigten bewehrten Bauteilen aus dampfgehärtetem Porenbeton – Teil 103: Sicherheitskonzept (Entwurf)
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Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Teil 402: Regeln für die Verwendung von Kalksandsteinen nach DIN EN 771-2
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DIN EN 197-1/A2
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Zement – Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzement, Änderung A2 (Zement mit hohem Sulfatwiderstand)
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Zement – Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzement, Änderung A3
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Flugasche für Beton – Teil 1: Definition, Anforderungen und Konformitätskriterien
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Baukalk – Teil 1: Definitionen, Anforderungen und Konformitätskriterien
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7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
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Dach- und Formsteine aus Beton für Dächer und Wandbekleidungen - Produktanforderungen
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Dach- und Formsteine aus Beton für Dächer und Wandbekleidungen – Prüfverfahren
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Bordsteine aus Beton – Anforderungen und Prüfverfahren
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Berichtigung 1 zu DIN EN 1340:2003-08
DIN EN 12602
2008-08
Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton
DIN EN 12620
2008-07
Gesteinskörnungen für Beton
DIN EN 12859
2008-06
Gips-Wandbauplatten – Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 12878
2006-05
Pigmente zum Einfärben von zement- und/oder kalkgebundenen Baustoffen – Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 13055-1
2002-08
Leichte Gesteinskörnungen – Teil 1: Leichte Gesteinskörnungen für Beton, Mörtel und Einpressmörtel
DIN EN 13162
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle (MW) – Spezifikation
DIN EN 13163
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus expandiertem Polystyrol (EPS) – Spezifikation
503
7.8 Literatur
DIN EN 13164
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus extrudiertem Polystyrolschaum (XPS) – Spezifikation
DIN EN 13165
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Polyurethan-Hartschaum (PUR) – Spezifikation
DIN EN 13166
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Phenolharzschaum (PF) – Spezifikation
DIN EN 13501-1
2010-01
Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten
DIN EN 13915
2007-11
Gipsplatten-Wandbaufertigtafeln mit einem Kartonwabenkern – Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 13950
2006-02
Gips-Verbundplatten zur Wärme- und Schalldämmung – Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 14190
2005-11
Gipsplattenprodukte aus der Weiterverarbeitung – Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 14246
2006-09
Gipselemente für Unterdecken (abgehängte Decken) – Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 14246 Ber1
2007-11
Berichtigung 1 zu DIN EN 14246:2006-11
DIN EN 15318
2008-01
Planung und Ausführung von Bauteilen aus GipsWandbauplatten
DIN EN 15283-1
2009-12
Faserverstärkte Gipsplatten - Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren – Teil 1: Gipsplatten mit Vliesarmierung
DIN EN 15283-2
2009-12
Faserverstärkte Gipsplatten - Begriffe, Anforderungen und Prüfverfahren – Teil 2: Gipsfaserplatten
DIN EN ISO 10456
2008-04
Baustoffe und Bauprodukte - Wärme- und feuchtetechnische Eigenschaften – Tabellierte Bemessungswerte und Verfahren zur Bestimmung der wärmeschutztechnischen Nenn- und Bemessungswerte (ISO 10456:2007)
TL Pflaster-StB 06
2006
Technische Lieferbedingungen für Bauprodukte zur Herstellung von Pflasterdecken, Plattenbelägen und Einfassungen
504
7 Mauersteine, Bauelemente, Bauplatten
7.8.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [7.1]
[7.2]
[7.3] [7.4] [7.5] [7.6]
Schneider, K.-J.; Schubert, P.; Wormuth, R.: Mauerwerksbau – Gestaltung, Baustoffe, Konstruktion, Berechnung, Ausführung, 6. Auflage. Düsseldorf: Werner-Verlag, 1999 Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. Hannover (Hrsg.): Kalksandstein – Planung, Konstruktion, Ausführung. Düsseldorf: Werner-Verlag, Stand: Januar 2008 Homann, M.: Porenbeton-Handbuch – Planen und Bauen mit System, 6. Auflage. Gütersloh: Bauverlag, 2008 Bundesverband Porenbeton (Hrsg.): Porenbeton-Berichtsheft Nr. 7 Oberflächenbehandlung – Putze, Beschichtungen, Bekleidungen, 4. Auflage. September 2007 Bundesverband der Gipsindustrie e.V. (Hrsg.): Gips-Datenbuch. 2006 Rich, H.: Kalksandstein – Die Maurerfibel, 7. Auflage. Düsseldorf: Verlag Bau+Technik, 2004
7.8.3 Internet-Adressen www.bv-porenbeton.de
Bundesverband Porenbetonindustrie e.V.
www.gips.de
Bundesverband der Gipsindustrie e.V.
www.kalksandstein.de
Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V.
8 Keramische Baustoffe Unter keramischen Erzeugnissen versteht man technische Produkte, welche aus einem weichen (plastischen) Stoff geformt und anschließend steinähnlich durch Glühen („Brennen“) gehärtet worden sind. Gebrannter Ton ist der älteste künstlich hergestellte Werkstoff, aus dem bereits vor 10 000 Jahren Gefäße gefertigt wurden. Keramische Werkstoffe haben den natürlichen Bausteinen gegenüber bestimmte Vorzüge: sie sind gleichmäßiger im Gefüge und haben die für den jeweiligen Verwendungszweck erwünschten, durch die Rohstoffauswahl bedingten Eigenschaften in höherem Grade als die meisten Natursteine. Für viele Gegenden sind sie auch wirtschaftlicher, da sie in der Nähe des Bauortes hergestellt werden können. Weil der Rohstoff leicht formbar ist, kann man ohne Schwierigkeiten die verschiedensten Formen herstellen.
8.1 Allgemeines Ziegel und Tonwaren sind „gebrannte Erden“ (Ton, Lehm), deren Festigkeit und Scherbenrohdichte durch entsprechende Aufbereitung der Rohstoffe und durch verschieden hohe Brenntemperaturen bewirkt wird. Nach der Aufbereitungsart unterscheidet man: Grobkeramik: Bei der Herstellung werden Rohstoffe mit einer Korngröße größer 0,1 bis 0,2 mm verwendet, die an einer Bruchfläche des gebrannten Produktes mit bloßem Auge als Inhomogenitäten erkennbar sind. Bei der Grobkeramik steht die Funktionalität im Vordergrund. Zu dieser Gruppe zählt im Wesentlichen die Baukeramik (Ziegel, Klinker). Feinkeramik: Die Korngröße der Rohstoffe liegt unterhalb der oben genannten Werte. Feinkeramik wird vorwiegend zur Herstellung dünnwandiger Erzeugnisse verwendet, z. B. Wand- und Bodenfliesen, Sanitärkeramik, Geschirr- und Zierkeramik sowie technische Keramik.
8.1.1 Rohstoffe und Rohstoffeigenschaften Rohstoff für die durch Brennen hergestellten technischen keramischen Produkte ist Ton; seine Hauptbestandteile sind kristallwasserhaltige Aluminium-Silikat-Verbindungen, z. B. Kaolinit [Al2O3·2 SiO2·2H2O], ein Verwitterungsprodukt von Feldspat mit Verunreinigungen von Quarz, Glimmer, Feldspatresten, Kalkspat, organischen Substanzen und Fe-Oxiden. Reiner Ton (Kaolin) ist eine weiße Substanz und dient als Ausgangsmaterial für die Porzellanherstellung. Die Rohstoffe haben eine gute Verformbarkeit durch Wasseranlagerung in den blättchenförmigen Grundbestandteilen (Silikatstruktur), was bei Austrocknung und beim Brennen andererseits ein Schwinden der Masse zur Folge hat. Rohstoffe mit viel Tonsubstanz (fette Tone) müssen deshalb im Allgemeinen gemagert werden. Als Magerungsmittel bezeichnet man
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_8, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
506
8 Keramische Baustoffe
solche Bestandteile, die selbst nicht schwinden und somit die Formbeständigkeit erhöhen, wie z. B. Sande, Quarzmehl, Ziegelmehl, Aschen oder organische Stoffe (Sägespäne oder ähnliches). Der Anteil an Magerungsstoffen darf nicht zu hoch sein, da sonst die Festigkeit und Formbarkeit abnimmt.
8.1.2 Herstellung der Ziegel- und Tonwaren Im Bild 8-1 ist beispielhaft die Herstellung von Mauerziegeln dargestellt. Bei anderen keramischen Erzeugnissen ist der Produktionsvorgang ähnlich.
Bild 8-1 Herstellung von Ziegeln
Tone und Lehme (Mischung aus Ton und Sand) als Rohstoffe für Mauerziegel werden in den Lagerstätten abgebaut (1). Bei der Aufbereitung (2) werden die Rohstoffe gemischt und ggf. weitere Materialien zugegeben, z. B. Sand und Kalkgranulat zur Magerung zu fetter Tone, Kalkund Natursteinmehl zur Erhöhung der Rohdichte (besserer Schallschutz) oder Porosierungsmittel bei der Herstellung wärmedämmender Ziegel. Die Rohstoffmischung wird im Kollergang
8.1 Allgemeines
507
zerkleinert und im Walzwerk auf die gewünschte Korngröße gebracht. Anschließend wird Wasser zugegeben, um eine homogene, plastisch verformbare Masse zu erhalten. In einer Strangpresse mit entsprechendem Mundstück wird ein Endlosstrang geformt (3); das Abtrennen der einzelnen Rohlinge vom Strang erfolgt mechanisch durch den nachgeschalteten Drahtabschneider. Neben Mauerziegeln werden Strangpressen auch bei der Produktion von Strangdachziegeln, stranggepressten Fliesen und Platten, Dränrohren usw. eingesetzt. Die Herstellung von Pressdachziegeln und trockengepressten Fliesen und Platten erfolgt auf automatischen Stempelpressen (Revolverpressen). Für oberflächenprofilierte Verblendsteine ist auch heute noch die Herstellung im Handstrich vereinzelt üblich. Das zur Aufbereitung zugesetzte Wasser muss den Rohlingen vor dem Brennprozess wieder entzogen werden; hierfür kommen die feuchten Rohlinge in den i. W. mit der Abwärme des Brennofens betriebenen Trockenofen (4). Die Trocknungszeit variiert je nach Format und Rohdichte zwischen 24 und 48 Stunden. Zur Energieeinsparung wird neuerdings der Rohmischung bei der Aufbereitung weniger Wasser zugesetzt und das Material schon bei der Aufbereitung aufgeheizt, wodurch die Trockenzeit unter Umständen auf wenige Stunden reduziert und der Wärmeaufwand für die Trocknung vermindert werden kann. Das Brennen erfolgt heute meist in Tunnelöfen mit ca. 100 m Länge und ca. 2,5 m Breite. Vor dem Brennen werden die Rohlinge auf Tunnelofenwagen gestellt, die sich programmgesteuert langsam durch die Vorwärm-, Brenn- und Abkühlzone des Tunnelofens bewegen. Die Luft wird gegen die Fahrtrichtung der Tunnelwagen geblasen, erwärmt sich in der Feuerzone und heizt die Rohlinge auf. Das Kennzeichnende des Tunnelofens ist, dass das Brenngut durch das feststehende Feuer wandert. Der gesamte Brennvorgang dauert zwischen 15 und 70 Stunden. In der Brennzone erfolgt bei Temperaturen von ca. 900 bis 1100 °C der so genannte Garbrand, durch den der Ziegel seine endgültigen Eigenschaften erhält. Dabei werden die Rohstoffkomponenten miteinander „verbacken“ – daher auch die frühere Bezeichnung Backsteine. Nach dem Durchlaufen der Abkühlzone sind die Ziegel am Ofenende nur noch handwarm und können sofort verpackt werden. Beim Brennen verlieren die Rohlinge mit ihrem chemisch gebundenen Wasser zugleich ihre Formbarkeit. Nach dem Brennen ist eine erneute Wasseranlagerung nicht mehr möglich; auch bei ständiger Wasserlagerung erweicht der entstandene Scherben nicht mehr. Die Eigenschaften der keramischen Baustoffe wie Dichte, Porosität, Festigkeit und Wasseraufnahme werden im Wesentlichen durch Brenntemperatur und Stoffzusammensetzung bestimmt. Bleibt man mit der Brenntemperatur unterhalb der Sintergrenze, entsteht ein fester Scherben, der durch das ausgetriebene Wasser Poren enthält. Da die Kristallstruktur erhalten bleibt, ist die Schrumpfung der Masse gering. Die Poren ermöglichen eine hohe Wasseraufnahme. Wird beim Brennen die Sintergrenze überschritten, verändert sich die Struktur, da einzelne Phasen beginnen aufzuschmelzen. Es entsteht eine glasartige Struktur, die nicht geschmolzene Kristalle und Poren einschließt. Die Wasseraufnahme dieses Scherbens ist gering. Bei der Herstellung der Rohlinge ist zu beachten, dass diese beim Trocknen und Brennen ihr Volumen infolge Schwinden verringern, so dass die Maße der Formen entsprechend größer ausgelegt werden müssen, damit das Fertigprodukt den verlangten Maßen entspricht. Aus diesem Grunde sind bei Mauerziegeln größere Maßtoleranzen zugelassen als bei anderen Mauersteinen.
508
8 Keramische Baustoffe
Je nach Produkt wird mit folgenden Brenntemperaturen gearbeitet: Ziegelwaren: 900…1.100 °C; Steingut, Steinzeug, Klinker: 1.100…1.300 °C; Porzellan: 1.300…1.450 °C; feuerfeste Erzeugnisse: 1.300…1.800 °C; Oxid-Keramik: 1.500…2.100 °C; Sonderkeramik: bis 2.500 °C. Um eine Farbnuancierung oder auch eine abdichtende Wirkung der Oberfläche – insbesondere bei Dachziegeln – zu erzielen, werden die Brennprodukte manchmal engobiert, d. h. mit einem keramischen Überzug versehen, einer mitgebrannten, farbigen Tonschlämme. Fliesen und Platten sowie Sanitärkeramik werden vielfach auch mit einer Glasur – manchmal farbig – versehen (Aufstreuen von Glaspulver und Nachbrennen bei niedrigeren Temperaturen im so genannten Glattbrand). Eine durchgehende Farbgebung des Brenngutes erhält man durch Zugabe geringer Mengen von Metalloxiden. Daneben gibt es auch Verfahren, bei denen durch Brennen im reduzierenden Feuer (Dämpfen) eine Buntfärbung erreicht wird. Eisenverbindungen färben das Brennprodukt bräunlich bis rot, bei sehr hoher Brenntemperatur blau-schwarz; ein gleichzeitig geringer Kalkgehalt ergibt gelb gefärbte Erzeugnisse. Zusätze von Mangan ergeben schwarzbraune, bei Zugabe von Graphit graue Färbungen. Weiße und sehr helle Erzeugnisse erfordern eisenarmen Ton mit viel Tonsubstanz.
8.1.3 Einteilung nach der Scherbenbeschaffenheit Die Verwendungseigenschaften der gebrannten Erzeugnisse werden weitgehend von der Güte des Scherbens bestimmt. Nach der Struktur des Scherbens und der Reinheit und Mahlfeinheit der Rohstoffe teilt man keramische Werkstoffe wie in Tabelle 8.1 dargestellt ein. Tabelle 8.1 Einteilung tonkeramischer Werkstoffe Irdengut (Tongut) poröser Scherben, unterhalb der Sintergrenze gebrannt
Sinterzeug (Tonzeug) dichter Scherben, oberhalb der Sintergrenze gebrannt
grobkeramische Erzeugnisse
feinkeramische Erzeugnisse
grobkeramische Erzeugnisse
feinkeramische Erzeugnisse
nicht weiß brennend
Ziegeleierzeugnisse wie Mauer-, Decken-, Dachziegel, Tonrohre, Kabelschutzhauben
weiß/hell brennend
Feuerfesterzeugnisse wie Schamotte-, Dolomit-, Dinassteine
nicht weiß brennend
Töpfereierzeugnisse wie Blumentöpfe, Majolika, Fayancen, Ofenkacheln
weiß brennend
Steingut bzw. Halbporzellan wie Wandfliesen, Waschtische, Spülbecken, Badewannen
nicht weiß brennend
Klinker, Riemchen, Spaltplatten, Bodenklinkerplatten, glasierte Steinzeugwaren
weiß/hell brennend
technisches Porzellan
nicht weiß brennend
Feinterrakotten, Steinzeugfliesen für Wand und Boden, Spülwannen, Viehtröge, chemische Geräte
weiß brennend
Porzellan
8.2 Mauerziegel
509
8.2 Mauerziegel 8.2.1 Allgemeines Mauerziegel sind aus Ton, Lehm oder tonigen Massen gebrannte Produkte, die mit oder ohne Zusatz von Magerungsmitteln oder Poren bildenden Stoffen hergestellt werden (siehe 8.1.2). Der Sandanteil sollte 40 bis 80 M.-% betragen; bei mehr als 80 M.-% erreichen die Ziegel keine ausreichende Festigkeit. Die Zugabe von organischen Stoffen (Sägespäne, Braunkohlengrus, Torfmull) ergibt nach dem Brand der Steine leichte porosierte Ziegel. Durch die Verbrennung der organischen Stoffe bleiben unter Umständen Aschensalze zurück, die bei Durchfeuchtung des Steines zu Ausblühungen neigen können; deshalb sollten derartige Ziegel nur im Trockenen verarbeitet werden. Porenziegel werden auch durch Beimengung von Polystyrolkügelchen hergestellt. Bei dem Brennvorgang wird das Polystyrol zu über 99 % ausgebrannt, ohne Rückstände zu hinterlassen; deshalb besteht keine Gefahr von Ausblühungen. Die Herstellung der Mauerziegel erfolgt entweder als Vollziegel oder als Lochziegel. Vollziegel sind ungelocht oder (zur Gewichtsersparnis) senkrecht zur Lagerfläche gelocht mit einem Lochanteil von maximal 15 % der Lagerfläche. Bei Lochziegeln unterscheidet man zwischen Hochlochziegeln, bei denen die Lochkanäle senkrecht zur Lagerfläche, und Langlochziegeln, bei denen die Lochkanäle parallel zur Lagerfläche angeordnet sind; letztere werden nur als Leichtziegel hergestellt.
8.2.2 Normen, Begriffe Die maßgeblichen Normen für Mauerziegel sind DIN EN 771-1, DIN V 20000-402, DIN V 105-100 sowie DIN 105-5 und DIN V 105-6. Die europäische Produktnorm DIN EN 771-1 bildet die Grundlage für die CE-Kennzeichnung. Die Verwendung für Mauerwerk nach DIN 1053 wird in der Restnorm DIN V 105-100 bzw. in der Anwendungsnorm DIN V 20000-401 geregelt. DIN 105-5 enthält Festlegungen zu Leichtlanglochziegeln und LeichtlanglochZiegelplatten, DIN V 105-6 zu Planziegeln. Mit DIN EN 771-1 wurden einige neue Begriffe eingeführt, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen: Kategorie I, Kategorie II
Bei Mauersteinen der Kategorie I kann die Druckfestigkeit aufgrund einer statistischen Auswertung als 5%-Quantil deklariert werden. Hingegen erreichen Mauersteine der Kategorie II nicht das Vertrauensniveau der Kategorie I. Für tragendes Mauerwerk nach DIN 1053 dürfen nur Mauersteine der Kategorie I verwendet werden (siehe auch 7.1.6). Brutto- und Netto-Trockenrohdichte
Das Bezugsvolumen bei der Ermittlung der Brutto-Trockenrohdichte (Ziegelrohdichte) entspricht den äußeren Abmessungen des Ziegels einschließlich aller Hohlräume, d. h. einschließlich der Poren, Löcher, Grifflöcher und Mörteltaschen. Bei der Netto-Trockenrohdichte (Scherbenrohdichte) wird das Volumen des Scherbens zugrunde gelegt, d. h. Volumen einschließlich Poren, aber ohne Löcher, Grifflöcher und Mörteltaschen.
510
8 Keramische Baustoffe
Geschütztes / ungeschütztes Mauerwerk
Die Bezeichnungen beziehen sich auf den Schutz gegen eindringendes Wasser. Geschützt ist das Mauerwerk in Außenwänden mit einer geeigneten Putzschicht oder einer Verkleidung, die innere Wandschale einer zweischaligen Mauer oder eine Innenwand. LD- und HD-Ziegel
LD-Ziegel (low density) sind Mauerziegel mit einer Steinrohdichte (Brutto-Trockenrohdichte) 1000 kg/m³ zur Verwendung in geschütztem Mauerwerk. Zu den HD-Ziegeln (high density) zählen alle Mauerziegel zur Verwendung in ungeschütztem Mauerwerk (Vormauerziegel, Klinker) sowie Mauerziegel mit einer Steinrohdichte > 1000 kg/m³ zur Verwendung in geschütztem Mauerwerk (Vollziegel, Hochlochziegel).
8.2.3 Arten von Mauerziegeln 8.2.3.1 Vollziegel und Hochlochziegel
Vollziegel (Mz) sind ungelochte HD-Ziegel, deren Querschnitt jedoch zur Gewichtsersparnis durch Lochung senkrecht zur Lagerfläche bis 15 % gemindert sein darf (Einzelquerschnitt max. 6 cm²) oder Mulden aufweist, deren Anteil höchstens 20 %, bezogen auf das Volumen der Ziegel, betragen darf.
Bild 8-2 Arten von Vollziegeln
Hochlochziegel (HLz) sind LD- oder HD-Ziegel mit senkrecht zur Lagerfläche verlaufender Lochung der Arten A, B oder C. Die Löcher sollen möglichst gleichmäßig über die Lagerfläche verteilt sein; ihre Querschnittsform ist beliebig. Der Gesamtlochquerschnitt beträgt > 15 % bis 50 % der Lagerfläche (bei einigen LD-Ziegeln 55 %). Die Bezeichnung der Lochungsart (A, B, C) richtet sich i. W. nach den Maßen und der Querschnittsfläche der einzelnen Löcher (siehe Tabelle 8.2); sie sagt nichts über deren Querschnittsform aus. Mauerziegel der Lochungsart C sind fünfseitig geschlossen; sie weisen eine mindestens 5 mm dicke Abdeckung auf.
511
8.2 Mauerziegel Tabelle 8.2 Anforderungen an die Lochgeometrie von Hochlochziegeln Maße in mm
Lochungsart
Locheinzelquerschnitt in cm²
A
2,5
B
6
15
20
18
C
16
25
45
35
kleinere Seitenlänge bei rechteckigem Lochquerschnitt
Durchmesser bei Kreisquerschnitt
kleinerer Durchmesser oder kleinere Diagonale bei ellipsenförmigem oder rhombischem Lochquerschnitt
keine Festlegungen
Bild 8-3 Hochlochziegel (Beispiele)
Füllziegel, Mauertafelziegel Füllziegel sind Mauerziegel mit besonderer Lochung, die zur Verfüllung mit Beton oder Mörtel geeignet sind. Für die Herstellung von bewehrtem Mauerwerk oder geschosshohen Tafeln aus Mauerwerk werden Mauertafelziegel (HLzT) verwendet; diese verfügen über senkrecht verlaufende Kanäle, die mit Mörtel oder Beton verfüllt werden.
512
8 Keramische Baustoffe
Bild 8-4 Beispiele: Füllziegel (links), Mauertafelziegel (rechts)
8.2.3.2 Hochlochziegel W und Wärmedämmziegel WDz
Hochlochziegel W sind LD- oder HD-Ziegel der Lochungsart W. Wärmedämmziegel sind LD-Ziegel der Lochungsart WDz; hier sind die Rohdichteklassen enger begrenzt, um die erhöhten Anforderungen an die Wärmedämmung zu erfüllen (Abstufung in 0,05-erSchritten). Bei beiden Ziegelarten entsprechen die Anforderungen an die Lochgeometrie denen von HLzB (siehe Tabelle 8.2). Außerdem ist die Lochreihenanzahl in Richtung der Wanddicke (Ziegelbreite) festgelegt. Wird die Lochreihenzahl gemäß Tabelle 8.3 unterschritten, darf die Scherbenrohdichte in Abhängigkeit von der Ziegelrohdichte höchstens die in Tabelle 8.4 genannten Werte erreichen. Die Summe der Stegdicken senkrecht zur Wanddicke bzw. bezogen auf die Ziegellänge muss bei Hochlochziegeln W 250 mm/m, aber 180 mm/m und bei Wärmedämmziegeln WDz 250 mm/m, aber 170 mm/m sein. Tabelle 8.3 Lochreihenanzahl bei den Lochungsarten W und WDz Lochreihenanzahl min.b)
115
5
6
145
6
8
175
8
240
11
300
13
Lochung W
Lochung WDz
9 12
a)
13
15
a)
17
a)
21
365
16
18
425
19
21 a)
25
21
a)
29
490 a)
Lochreihenanzahl max.
Ziegelbreite mm
Gilt auch für HLzB;
b)
siehe auch Tabelle 8.4
23
513
8.2 Mauerziegel
Tabelle 8.4 Zulässige Scherbenrohdichte für Hochlochziegel W und WDz bei Unterschreitung der Mindestlochreihenzahl nach Tabelle 8.3 Rohdichteklasse
max. Scherbenrohdichte [kg/dm³]
0,55
1,12
0,60
1,18
0,65
1,24
0,70
1,30
0,75
1,38
0,80
1,45
0,85
1,53
0,90
1,60
0,95
1,68
1,00
1,75
Bild 8-5 Wärmedämmziegel mit verschiedenen Lochbildern, rechts mit Dämmstoffeinlage
8.2.3.3 Vormauerziegel, Klinker, Keramikklinker
Vormauerziegel sind HD-Ziegel, deren Frostbeständigkeit durch Prüfung nachgewiesen ist. Vormauerziegel dürfen in ungeschütztem Mauerwerk verwendet werden, d. h. sie sind für Sichtmauerwerk im Außenbereich geeignet. Die Oberflächen können aus gestalterischen Gründen strukturiert sein. Vormauerziegel werden als Vormauer-Vollziegel (VMz) und als Vormauer-Hochlochziegel (VHLz) hergestellt. Klinker sind oberflächig gesinterte HD-Ziegel, erkennbar an der glänzend gesinterten Oberfläche. Klinker sind sehr dicht, druckfest und wenig saugend, daher widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse und Chemikalien. Die Wasseraufnahme beträgt bis zu ca. 6 M.-%; Wassertropfen bleiben längere Zeit (mindestens 3 Minuten) auf der Oberfläche stehen.
514
8 Keramische Baustoffe
Klinker müssen mindestens der Druckfestigkeitsklasse 28 entsprechen und eine Scherbenrohdichte von 1,9 kg/dm³ aufweisen. Ihre Frostbeständigkeit wird durch Prüfung nachgewiesen. Sie werden vor allem als Sichtmauerwerk verarbeitet; die Oberfläche darf strukturiert sein. Klinker sind als Vollklinker (KMz), deren Querschnitt durch Lochung senkrecht zur Lagerfläche bis 15 % gemindert sein darf, und als Hochlochklinker (KHLz) mit senkrecht zur Lagerfläche verlaufender Lochung der Arten A, B oder C verfügbar. Hochfeste Ziegel / hochfeste Klinker müssen mindestens der Druckfestigkeitsklasse 36 entsprechen; ansonsten gelten die gleichen Anforderungen wie bei Klinker. Keramikklinker werden aus dichtbrennenden Tonen mit oder ohne Zusatzstoffe geformt und gebrannt. Sie sind frostbeständig und haben eine Wasseraufnahme von bis zu ca. 6 M.-%. Keramikklinker entsprechen mindestens der Druckfestigkeitsklasse 60 und der Rohdichteklasse 1,4 bei einer Scherbenrohdichte von mindestens 2,0 kg/dm³. Darüber hinaus bestehen zusätzliche Anforderungen hinsichtlich der Ritzhärte, Farb- und Lichtbeständigkeit, Säure- und Laugenbeständigkeit sowie des Aussehens der Sichtflächen. Keramikklinker werden vorwiegend dort eingesetzt, wo eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber aggressiven Stoffen und gegenüber mechanischen Oberflächenbeanspruchungen sowie Farb- und Lichtbeständigkeit gefordert wird. Unterschieden wird zwischen Keramik-Vollklinker (KK) mit bis zu 15 % Lochanteil, bezogen auf die Lagerfläche, und Keramik-Hochlochklinker (KHK) mit der Lochungsart A, B oder C. 8.2.3.4 Formziegel, Formklinker, Handformziegel
Formziegel und Keramikformklinker weisen eine nicht nur von Rechtecken begrenzte Form auf. Hierzu zählen u. a. Formziegel für abgeschrägte oder abgerundete Ecken, Laibungsziegel, Ornamentziegel, Brüstungs- und Sohlbankziegel mit Tropfnase usw. Handformziegel sind HD-Ziegel als Vollziegel mit unregelmäßiger Oberfläche, deren Gestalt von der prismatischen Form geringfügig abweichen darf. 8.2.3.5 Leichtlanglochziegel und Leichtlangloch-Ziegelplatten
Langlochziegel werden nur als Leichtziegel hergestellt und sind in DIN 105-5 genormt. Leichtlanglochziegel (LLz) sind parallel zur Lagerfläche gelochte Ziegel mit einer Rohdichte von 1,0 kg/dm³. Die Höhe der Ziegel ist höchstens so groß wie die Breite. Leichtlanglochziegel werden in den Druckfestigkeitsklassen 2 bis 12, den Rohdichteklassen 0,5 bis 1,0 und in Formaten bis 20 DF hergestellt. Die Querschnittsform der Löcher ist beliebig, Rechtecklöcher sind jedoch zu bevorzugen. Unterschieden wird zwischen Großlochung (Einzellochquerschnitt > 6 cm²) und Kleinlochung (Einzellochquerschnitt 6 cm²). Bei Ziegeln, die in den Stoßflächen vermörtelt werden sollen, ist der ganze Querschnitt mit Kleinlochung zu versehen, zumindest sind aber doppelte Außenwandungen mit dazwischen liegender Kleinlochung anzuordnen (siehe Bild 8-6).
8.2 Mauerziegel
515
Leichtlanglochziegel werden vorwiegend zur Erstellung von tragenden und nichttragenden Innenwänden verwendet. Bezeichnung eines Leichtlanglochziegels (LLz) der Druckfestigkeitsklasse 12, der Rohdichteklasse 0,9, der Länge l = 240 mm, der Breite b = 175 mm und der Höhe h = 113 mm (3 DF): Ziegel DIN 105 – LLz 12 – 0,9 – 3 DF
Bild 8-6 Leichtlanglochziegel, Leichtlangloch-Ziegelplatte (Beispiele)
Leichtlangloch-Ziegelplatten (LLp) sind ebenfalls parallel zur Lagerfläche gelochte Ziegel mit beliebiger Lochanordnung; im Gegensatz zu LLz ist bei LLp die Höhe der Ziegel größer als die Dicke. LLp müssen beim Biegeversuch mit mittiger Einzellast eine Kraft von mindestens 500 N aufnehmen können; eine weitere Einteilung in Festigkeitsklassen wird nicht vorgenommen. Die Rohdichteklassen entsprechen denjenigen der Leichtlanglochziegel. Leichtlangloch-Ziegelplatten sind für nicht tragende Wände bestimmt und werden vorwiegend zur Erstellung von Innenwänden verwendet. Die Ziegelplatten werden in folgenden Abmessungen hergestellt: Länge l: 330, 495, 990 mm Höhe h: 175, 238, 320 mm Breite s: 40, 50, 60, 70, 80, 100, 115 mm Standardformat: l = 330 mm; h = 238 mm Bei der Bezeichnung werden Rohdichteklasse und Maße, beim Standardformat nur die Dicke mit Zusatz „s“ angegeben. Beispiele: Ziegel DIN 105 – LLp 0,6 – 495 × 320 × 60 Ziegel DIN 105 – LLp 0,6 – 80 s
516
8 Keramische Baustoffe
8.2.3.6 Planziegel
Für die Verlegung in Dünnbettmörtel wurden Ziegel entwickelt, bei denen die Lagerflächen geschliffen werden und dadurch eine besondere Maßhaltigkeit für die Höhe erzielt wird. Die Maßspanne für die Höhe beträgt bei Planziegeln 1 mm, bei Vormauer-Planziegeln und Planklinkern 2 mm. Zum Vergleich: Bei „normalen“ Ziegeln liegen die Werte je nach Format zwischen 3 und 6 mm. Wegen der nur 1 bis 3 mm dicken Lagerfuge bei Dünnbettmörtel sind Planziegel um bis zu 11 mm höher. In den übrigen Anforderungen entsprechen sie den Mauerziegeln nach DIN V 105-100. Planziegel werden geliefert als Planvollziegel (PMz), Planhochlochziegel (PHLz), VormauerPlanziegel (PVMz), Mauertafel-Planziegel (PHLzT), Planklinker (PKMz) und Planformziegel.
8.2.4 Eigenschaften von Mauerziegeln 8.2.4.1 Form und Maße der Mauerziegel
Mauerziegel sollen – mit Ausnahme der Form- und Handformziegel – die Gestalt eines von Rechtecken begrenzten Körpers haben. Ihre Stirnflächen dürfen mit Nuten und Federn oder bei Ziegelbreiten 175 mm mit Mörteltaschen versehen sein. Zur besseren Putzhaftung ist eine Profilierung (Putzrillen) an den Seitenflächen zulässig. Bei gelochten Ziegeln sollten die Löcher möglichst gleichmäßig über die Lagerfläche verteilt sein; ihre Querschnittsform ist beliebig. Bei Vollziegeln und Vollklinkern darf der Querschnitt durch Lochung senkrecht zur Lagerfläche bis 15 % gemindert sein. Grifflöcher sind nur dort anzuordnen, wo sie zur Handhabung erforderlich sind. Die Gesamtfläche der Grifflöcher und Mörteltaschen darf nicht mehr als 12,5 % der Lagerfläche betragen. Bei der Ermittlung des Gesamtlochquerschnittes sind die Grifflöcher, jedoch nicht die Mörteltaschen, zu berücksichtigen. Weitere Anforderungen an die Größe und Anordnung der Grifflöcher sind in DIN V 105-100, Abschnitt 4.4.2 festgelegt. Bei den Abmessungen von Mauerziegeln sind außer Mindest- und Höchstmaßen zusätzlich Maßspannen festgelegt (Tabelle 8.5). Innerhalb der Lieferungen für ein Bauwerk dürfen sich die Maße der größten und kleinsten Ziegel höchstens um diese Maßspanne unterscheiden. Ziegel mit Mörteltaschen müssen diese an mindestens einer Stoßfläche aufweisen. Die Tiefe der Mörteltaschen beträgt bei beidseitiger Anordnung zwischen 15 und 25 mm, bei einseitiger Anordnung zwischen 30 und 40 mm. Die Mörteltaschen müssen etwa über die halbe Steinbreite reichen; die verbleibenden Randbereiche müssen mindestens 40 mm breit sein.
517
8.2 Mauerziegel Tabelle 8.5 Maße von LD-Ziegeln Maßea)
Ziegelbreite b
Ziegellänge lb)
Ziegelhöhe h
a) b)
Nennmaß [mm]
Mindestmaß [mm]
Höchstmaß [mm]
Maßspanne [mm]
90
85
95
5
115
110
120
6
145
139
148
7
175
168
178
8
240
230
245
10
300
290
308
12
365
355
373
12
425
415
433
12
490
480
498
12
175
168
178
8
247
237
252
10
307
297
315
12
372
362
380
12
432
422
440
12
497
487
505
12
52
50
54
3
71
68
74
4
113
108
118
4
155
150
160
5
175
170
180
5
238
233
243
6
weitere Maße zulässig (siehe DIN V 105-100 Tabelle A.3) Von den angegebenen Nenn-, Mindest- und Höchstmaßen der Länge sind bei Ziegeln mit Mörteltaschen je 2 mm, bei Ziegeln für Stoßfugenvermörtelung je 7 mm abzuziehen.
8.2.4.2 Rohdichte, Druckfestigkeit
Die Klassifizierung der Mauersteine erfolgt nach Rohdichte und Druckfestigkeit analog zu den übrigen Mauersteinarten (siehe 7.1.5 und 7.1.6). Die Zuordnung zu den Rohdichteklassen (siehe Tabelle 7.3) erfolgt anhand der BruttoTrockenrohdichte (Ziegelrohdichte) in kg/dm³; maßgebend ist der Mittelwert von mindestens 6 Probekörpern. Die Rohdichteklassen sind folgendermaßen abgestuft: LD-Ziegel: 0,6 / 0,7 / 0,8 / 0,9 / 1,0 HD-Ziegel: 1,2 / 1,4 / 1,6 / 1,8 / 2,0 / 2,2 / 2,4 Wärmedämmziegel: 0,55 / 0,60 / 0,65 / 0,70 / 0,75 / 0,80 / 0,85 / 0,90 / 0,95 / 1,00 Leichtlanglochziegel: 0,5 / 0,6 / 0,7 / 0,8 / 0,9 / 1,0
518
8 Keramische Baustoffe
Anforderungen an die Netto-Trockenrohdichte (Scherbenrohdichte) bestehen für alle Klinkerarten, für hochfeste Ziegel sowie für Wärmedämmziegel bei Unterschreitung der geforderten Mindestlochreihenzahl in Richtung der Wanddicke (siehe 8.2.3). Die Druckfestigkeitsklassen von Ziegeln und anderen Mauersteinen zeigt Tabelle 7.4. Die gebräuchlichste Festigkeitsklasse bei HD-Ziegeln ist die Klasse 12. Wärmedämmziegel weisen im Allgemeinen wegen der kleineren Rohdichte geringere Druckfestigkeitswerte auf. Klinker müssen mindestens der Festigkeitsklasse 28, hochfeste Ziegel und hochfeste Klinker mindestens der Klasse 36 und Keramikklinker der Klasse 60 entsprechen. Die Druckfestigkeit wird in der Regel an 6 lufttrockenen Probekörpern senkrecht zur Lagerfläche geprüft. Abweichende Konditionierungsbedingungen werden durch Umrechnungsfaktoren berücksichtigt (nach DIN EN 772-1: 0,8 bei Ofentrocknung, 1,2 bei Wasserlagerung). Folgende Prüfkörper werden verwendet: Vollziegel: ganzer Ziegel, bei Nennhöhen 71 mm zwei gegenläufig aufeinander gemauerte Ziegelhälften; Hochlochziegel: ganzer Ziegel, bei Nennhöhen 71 mm zwei aufeinander gemauerte Ziegel. Um Unebenheiten auszugleichen, werden die Druckflächen vor der Prüfung mit Zementmörtel (1 Raumteil CEM I 42,5 R; 1 Raumteil gewaschener Natursand 0/1) abgeglichen. Mörtel gleicher Zusammensetzung wird auch – sofern notwendig – als Fugenmörtel verwendet. Dem Mörtel muss bis zur Durchführung der Versuche ausreichend Zeit zum Erhärten gelassen werden. Im Rahmen der werkseigenen Produktionskontrolle darf das Abgleichen mit Zementmörtel durch folgende alternativen Oberflächenbehandlungen ersetzt werden: Abgleichen mit Gips; Verwendung von Erhärtungsbeschleunigern für die Zementabgleichsschicht; Schleifen der Prüfflächen. Prüfkörper geringer Höhe weisen – bedingt durch die Querdehnungsbehinderung (siehe 1.2.5.2) – günstigere Prüfergebnisse auf als höhere Körper. Aus diesem Grunde wird die an den Proben im lufttrockenen Zustand gemessene Druckfestigkeit fst,l mit einem Formfaktor f entsprechend Tabelle 8.6 multipliziert: fst = fst,l ⋅ f
(8.1)
Mittelwert und kleinster Einzelwert der so ermittelten umgerechneten Druckfestigkeiten fst sind maßgebend für die Zuordnung der geprüften Ziegel zu einer Druckfestigkeitsklasse gemäß Tabelle 7.4.
519
8.2 Mauerziegel
Tabelle 8.6 Formfaktoren zur Berücksichtigung der Ziegelhöhe bei der Druckfestigkeitsprüfung
a) b)
Nennmaß der Ziegelhöhe
Formfaktor f a)
40 h < 52
0,6
52 h < 75
0,8
75 h < 100
0,9
100 h < 175
1,0
175 h < 238
1,1b)
238
1,2b)
Bei der Prüfung von zwei aufeinander gemauerten Ziegeln oder Ziegelhälften gilt f = 1,0. Gilt nur für die Druckfestigkeitsklassen 4. Für die Druckfestigkeitsklasse 2 ist f = 1,0 einzusetzen.
8.2.4.3 Wasseraufnahme (feuchtetechnische Eigenschaften)
Je nach Grad der Sinterung sind die Eigenschaften des gebrannten Ziegels unterschiedlich. Ziegel sind umso dichter, je stärker sie gebrannt sind; deshalb nimmt die Wasseraufnahme mit zunehmendem Brenngrad ab (siehe Tabelle 8.7). Außerdem steigen mit dem Brenngrad die Festigkeit, die Widerstandsfähigkeit gegen atmosphärische Einflüsse sowie die Wärmeleitfähigkeit. Tabelle 8.7 Wasseraufnahme von Ziegeln in Abhängigkeit vom Brenngrad Brenngrad
Wasseraufnahme [M.-%]
Weichbrand
10 bis 22
Mittelbrand
8 bis 14
Hartbrand
6 bis 8
angeklinkertes Material Klinker
ca. 8 0 bis 6
Mauerziegel erfordern bei Außenmauerwerk einen Wetterschutz durch Putz oder frostbeständige Bekleidung, da sie nicht frostbeständig sein müssen. Hingegen wird bei Vormauerziegeln und bei Klinkern Frostbeständigkeit gefordert. Da Vormauerziegel einen noch recht porösen Scherben, Klinker hingegen einen porenarmen, bis zur Sinterung gebrannten Scherben aufweisen, ergibt sich ein voneinander abweichendes Feuchtigkeitsverhalten. Die Kapillarleitfähigkeit ist bei niedrigem Ziegelbrand am größten. Durch das Kapillarsystem ist der Vormauerziegel in der Lage, Feuchtigkeit aufzunehmen, zu speichern, aber auch rasch wieder abzugeben. Dadurch trocknen Vormauerziegel auch sehr schnell und fast gleichmäßig auf die „praktische Gleichgewichtsfeuchte“ zurück, und es kommt nicht zu der bei anderen Baustoffen bekannten Kernfeuchte im Wandquerschnitt. Sie sind deshalb besonders geeignet
520
8 Keramische Baustoffe
zur Verwendung in Sicht- bzw. Verblendflächen von Außenwandkonstruktionen, die weitgehend atmungsfähig bleiben sollen. Gefügedichte Klinker nehmen nur wenig Wasser auf, ihr Saugvermögen ist niedrig. Sie eignen sich deshalb vor allem zur Verwendung in Verblendschalen solcher Außenwände, bei denen die möglichst völlige Abweisung des Regenwassers bereits auf der äußeren Wandoberfläche beabsichtigt ist. Dazu bedarf es aber einer mängelfreien Vermauerung der Klinker, einer fachgerecht hergestellten Luftschicht, da die Klinker den unmittelbaren Durchtritt von Regenwasser über Anschlussfehler in der Vermauerung nicht durch Aufsaugen dieser Feuchtigkeit verhindern können. Der Feuchteausgleich über den Wandquerschnitt (Atmungsfähigkeit) erfolgt bei Außenwänden aus Klinkern weitgehend über das vermörtelte Fugensystem. Bei Klinkerverblendungen durch Risse oder mangelhafte Fugen eingedrungenes Wasser wird durch den sehr dicht gebrannten Klinkerscherben – insbesondere die gesinterte Oberfläche – nicht wieder nach außen durchgelassen und zieht durch das saugfähige Hintermauerwerk nach innen. Daraus erklärt sich, dass Mauerwerk mit Klinkerverblendung oft eher zur Durchfeuchtung neigt als reines Ziegelmauerwerk. Die Wasserdichtigkeit ist nur bei vollkommen risse- und porenfreier Oberfläche und vollkommener, am gleichmäßig dichten Bruch kenntlicher Durchsinterung gewährleistet. Kleinere kurze Haarrisse wirken sich nicht nachteilig auf den Feuchtehaushalt der Wand und die Witterungsbeständigkeit aus. Eine nachträgliche Dichtung schadhafter Oberflächen durch Anstriche mit hydrophobierender Wirkung hat meist keinen Erfolg (Durchschlagen bei starkem Regen, kein Zurücklassen zur Verdunstung).
8.2.5 Bezeichnung und Kennzeichnung Die vollständige Bezeichnung eines Ziegels erfolgt in der Reihenfolge DIN-Hauptnummer, Kurzzeichen der Ziegelart ggf. mit Lochungsart, Druckfestigkeitsklasse (nicht bei LLp), Rohdichteklasse und Format-Kurzzeichen. Beispiele: Vollziegel der Druckfestigkeitsklasse 12, der Rohdichteklasse 1,8, der Länge l = 240 mm, der Breite b = 115 mm und der Höhe h =113 mm (2 DF): Ziegel DIN 105 – Mz 12 – 1,8 – 2 DF Hochlochklinker (KHLz) mit Lochung B der Druckfestigkeitsklasse 36, der Rohdichteklasse 1,4, der Länge l = 240 mm, der Breite b = 300 mm und der Höhe h = 113 mm (5 DF): Klinker DIN 105 – KHLzB 36 – 1,4 – 5 DF Bei Hochlochziegeln W ohne Mörteltasche ist die vorgesehene Wanddicke in mm hinter dem Format-Kurzzeichen anzufügen, z. B. Wanddicke = 300 mm: Ziegel DIN 105 – HLzW 6 – 0,7 – 10 DF 300 Bei Stoßfugenausführung mit Nut und Feder kann die Kurzbezeichnung N + F zusätzlich verwendet werden.
521
8.2 Mauerziegel Tabelle 8.8 Farbkennzeichnung der Druckfestigkeitsklassen
a)
Druckfestigkeitsklasse
Farbe
4
blau
6
rot
8
a)
10
a)
12
ohne
16
a)
20
gelb
28
braun
36
ein violetter Streifen
48
zwei schwarze Streifen
60
drei schwarze Streifen
keine Kennzeichnung. Kennzeichnung erfolgt durch Aufstempelung der Druckfestigkeitsklasse in schwarzer Farbe
Sämtliche Ziegel (außer Ziegel für sichtbar bleibendes Mauerwerk) sind mit einem Werkzeichen (Herstellerzeichen) zu kennzeichnen. Ferner müssen sie auf einer Längsseite eine mindestens 20 mm breite Farbkennzeichnung der Druckfestigkeitsklasse (siehe Tabelle 8.8) und eine Angabe über die Rohdichteklasse erhalten. Es muss mindestens jeder 200. Ziegel, bei Formaten 10 DF jeder 50. Ziegel gekennzeichnet sein. Werden Ziegel paketiert, genügt es, wenn die Verpackung oder ein Beipackzettel die Angaben über Werkzeichen, Lochungsart, Rohdichteklasse und Druckfestigkeitsklasse enthält.
8.2.6 Verwendung im Mauerwerksbau Bei Außenwandkonstruktionen stehen neben den statischen Anforderungen vor allem bauphysikalische Aspekte, insbesondere Schlagregen- und Wärmeschutz im Vordergrund. Ziegelmauerwerk kann einen ein- oder zweischaligen Aufbau aufweisen. Aufgrund erhöhter bauphysikalischer Anforderungen ist aber eine eindeutige Tendenz zu den zweischaligen Außenwänden erkennbar. 8.2.6.1 Einschaliges Mauerwerk Einschaliges verputztes Ziegelmauerwerk (Bild 8-7, links)
Dieses besteht aus Hintermauerziegeln, die in regelgerechtem Verband gemauert werden. Hierfür verwendet man meist großformatige Hochloch- oder Blockziegel, die nicht frostbeständig sein müssen. Der Feuchteschutz wird vom Außenputz oder anderen Wandbekleidungen übernommen, die das Eindringen des Regenwassers hemmen, ohne den Feuchtigkeitsaustausch zu unterbinden.
522
Bild 8-7
8 Keramische Baustoffe
Einschaliges Mauerwerk: verputztes Mauerwerk (links), Verblendmauerwerk (rechts)
Einschaliges Ziegel-Verblendmauerwerk (Bild 8-7, rechts
Bleibt bei einschaligen Außenwänden das Mauerwerk an der Außenseite sichtbar, müssen die in den Sichtflächen liegenden Steine frostbeständig sein. Hier übernimmt der gesamte Wandquerschnitt alle Aufgaben wie Lastabtrag, Wärme- und Feuchteschutz. Bei einschaligem Verblendmauerwerk gehört die Verblendung zum tragenden Querschnitt. Für die zulässige Beanspruchung ist die im Querschnitt verwendete niedrigste Steinfestigkeitsklasse maßgebend. Aus Gründen der Schlagregensicherheit muss jede Mauerschicht mindestens zwei Steinreihen gleicher Höhe aufweisen, zwischen denen eine durchgehende, schichtweise versetzte 2 cm dicke Längsfuge verläuft. Alle Fugen müssen vollfugig und haftschlüssig vermörtelt werden. Die Mindestwanddicke nach DIN 1053-1 beträgt 310 mm. Sie sollte jedoch nur bei geringer Wetterbeanspruchung und ausreichendem Wärmeschutz gewählt werden. Sonst soll die Wanddicke für Außenwände 375 mm sein. Einschaliges Ziegel-Verblendmauerwerk ist bei richtiger Materialauswahl handwerklich einfach und funktionssicher ausführbar. Hierfür haben sich insbesondere Vormauerziegel (Lochanteil < 15 %) mit höherer Wasseraufnahmefähigkeit (> 7 M.-%), entsprechender kapillarer Leitfähigkeit und Austrocknung bewährt. Sie können bei Regenanfall im äußeren Wandbereich viel Feuchte festhalten, dadurch die Feuchtebelastung des Fugensystems verringern und einer Wanddurchfeuchtung wirksam entgegenwirken. 8.2.6.2 Zweischaliges Mauerwerk
Nach dem Wandaufbau wird gemäß DIN 1053-1 unterschieden zwischen zweischaligen Außenwänden mit Luftschicht; mit Luftschicht und Wärmedämmung; mit Kerndämmung; mit Putzschicht auf der Innenschale.
8.2 Mauerziegel
523
Zum Vermauern der Verblendschale sind wegen der Verformungsfähigkeit nur die Mörtelgruppen II und IIa zugelassen. Zweischaliges Mauerwerk mit Luftschicht (Bild 8-8a)
Diese Außenwandbauart ist gekennzeichnet durch eine klare Trennung der Funktionen für Vorsatz und tragender Innenschale. Dieser Mauerwerkstyp mit durchgehender 60 bis 150 mm dicker Luftschicht wird vorwiegend dort ausgeführt, wo die Außenschale hohen Witterungsbeanspruchungen durch Regen und Wind ausgesetzt ist (z. B. Küstengebiete). In Regionen mit hohem Schlagregenanfall bewährt, bietet sie nicht nur einen guten Wetterschutz, sondern bei vertretbarer Wanddicke in hohem Maße bauphysikalische Spitzenwerte und raumklimatische Vorteile. Der äußere Wettermantel bewahrt die tragende Innenschale vor Temperaturund Feuchteschwankungen. Die mindestens 90 mm dicke (in der Regel 115 mm dicke) Verblendschale kann aus Vormauerziegeln oder aus Klinkern bestehen; für die Innenschale, deren Dicke sich nach den statischen und wärmetechnischen Anforderungen richtet, sollten möglichst wasserspeicherungsfähige Ziegel verwendet werden, da diese die konstant anfallende innere Wohnfeuchtigkeit an die Luftschicht abgeben. Die Luftschicht darf nicht durch Mörtelbrücken unterbrochen werden (Abdecken beim Aufmauern) und muss an den Fußpunkten und am oberen Abschluss Lüftungsöffnungen aufweisen. Die beiden Mauerwerksschalen sind durch Drahtanker aus nichtrostendem Stahl mit 3 mm Durchmesser oder entsprechende andere bauaufsichtlich zugelassene Verankerungsarten zu verbinden. Der vertikale Abstand der Drahtanker, die in Form und Maßen DIN 1053-1 entsprechen müssen, soll höchstens 500 mm, der horizontale Abstand höchstens 750 mm betragen. Zweischaliges Mauerwerk mit Luftschicht und Wärmedämmung (Bild 8-8b)
Hier wird das Luftschichtmauerwerk durch Einbau einer Dämmschicht auf der Außenseite der Innenschale wärmeschutztechnisch noch verbessert, wobei hinsichtlich der Schalenabstände und der verbleibenden Luftschichtdicke bestimmte Mindestmaße einzuhalten sind. Der lichte Abstand der Mauerwerksschalen darf 150 mm nicht überschreiten, die Luftschichtdicke von mindestens 40 mm darf nicht durch Unebenheiten der Wärmedämmschicht eingeengt werden.
Bild 8-8 Zweischaliges Mauerwerk
524
8 Keramische Baustoffe
Zweischaliges Mauerwerk mit Kerndämmung (Bild 8-8c)
Hierbei handelt es sich um eine Variante des Luftschichtmauerwerks zur Erhöhung des Wärmedurchlasswiderstandes der Wandbauteile. Der Hohlraum zwischen den Mauerwerksschalen kann voll bzw. fast voll bis auf Fingerspaltbreite verfüllt werden. Hier fehlt also der bei Luftschichtmauerwerk mit Zusatzdämmung wirksame durchlüftete Hohlraum, der sich hinsichtlich Feuchtegehalt und Austrocknung der Vorsatzschale sowie eventuell möglichen Wärmestaus und daraus resultierender Verformungs- und Rissgefahr positiv auswirkt. Aus bauphysikalischer Sicht ist diese Konstruktion nicht ganz unproblematisch. Diese Nachteile müssen durch eine entsprechende Materialauswahl und durch konstruktive Maßnahmen, z. B. Anordnung von Bewegungsfugen, berücksichtigt werden. Für die Außenschale sind keine glasierten Steine oder Steine bzw. Beschichtungen mit vergleichbar hoher WasserdampfDiffusionswiderstandszahl zulässig. Auf die vollfugige Vermauerung der Verblendschale und die sachgemäße Verfugung der Sichtflächen ist besonders zu achten. Zweischaliges Mauerwerk mit Putzschicht auf der Innenschale (Bild 8-8d)
Auf der Außenseite der Innenschale ist eine zusammenhängende Putzschicht aufzubringen, die den Übertritt der Feuchtigkeit in die tragende Wandkonstruktion verhindert. Davor ist so dicht wie es das Vermauern erlaubt (Fingerspalt) die Außenschale (Verblendschale) vollfugig zu errichten. Wird eine verputzte Außenschale gewählt, so darf die vorgenannte innere Putzschicht entfallen. Der Putzauftrag anstelle des früher üblichen, oft mit erheblichen Mängeln ausgeführten Schalenvergusses soll die Schlagregenwiderstandsfähigkeit erhöhen. Diese Ausführungsart ist zwar in DIN 1053-1 beschrieben, wird jedoch in Fachkreisen aus folgenden Gründen kritisch beurteilt: Der arbeitstechnisch zwischen Verblendschale und geputzter Innenschale verbleibende schmale Hohlraum ist anfällig gegen das Entstehen von Mörtelbrücken aus dem Vermauern der Verblendschale. Die Wirkung der Aufsteckscheiben auf die Drahtanker wird zudem aufgehoben, da die Scheiben nicht berührungsfrei gesetzt werden können; die Drahtanker werden also der Feuchteübertragung in die Innenschale Vorschub leisten. Im Fußbereich sind auf jeden Fall Entwässerungsöffnungen unerlässlich.
8.2.7 Mauerwerksausblühungen Verfärbungen des Mauerwerks durch Ausblühungen gehören zu den ärgerlichsten Baumängeln. Unter Ausblühungen versteht man die sichtbare Ablagerung von Stoffen, meist Salzen, auf der Oberfläche von Bauteilen. Die Ablagerungen kommen dadurch zustande, dass bleibend oder vorübergehend lösliche Substanzen in Wasser gelöst und mit der Feuchtigkeitswanderung an die Oberfläche transportiert werden, wo sie sich beim Verdunsten des Wassers abscheiden. Das Entstehen der sichtbaren Ausblühungen hat damit drei wesentliche Voraussetzungen: die Anwesenheit von löslichen, ausblühfähigen Stoffen; die Anwesenheit von Feuchtigkeit und die Porosität der Bauteile sowie witterungs- und konstruktionsbedingte Einflüsse, die das Lösen und Transportieren der Salze erlauben. Alle gebräuchlichen Baustoffe für den Mauerwerksbau, d. h. künstliche und natürliche Bausteine, Bindemittel, Gesteinskörnungen usw. entstammen Naturvorkommen bzw. sind aus solchen hergestellt. Solche mineralischen Stoffe enthalten stets – je nach Art, Vorkommen, Lagerstätte usw. – kleine Beimengungen löslicher Verbindungen.
8.3 Deckenziegel
525
Soweit die Baustoffe direkt, d. h. ohne Brennen oder einen anderen chemischen Umwandlungsprozess, zur Verarbeitung kommen, können die ursprünglich enthaltenen löslichen Verbindungen auch unmittelbaren Anlass zu Ausblühungen geben. Wesentlich anders liegen die Verhältnisse, wenn die Baustoffe vor ihrer Verarbeitung erst einen Brennprozess durchlaufen. Bei Ziegeln erfahren die eventuell im Rohmaterial vorhandenen löslichen Salze Umwandlungen. Sie werden während des Brandes ausgetrieben oder in un- bzw. schwerlösliche Verbindungen überführt. Richtig gebrannte Ziegel enthalten dementsprechend gewöhnlich nur noch Calciumsulfat und besitzen damit keine nennenswerte eigene Ausblühneigung. Die leichtlöslichen Alkalisulfate werden bei den meisten normgerecht hergestellten Ziegeln so weit abgebaut, dass ihr Gehalt die Ausblühgrenze unterschreitet. Insgesamt spielen die Eigensalzanteile der Ziegel als Ausblühungsursache nur eine untergeordnete Rolle. Stärkere Ausblühungen des Mauerwerks sind in der Regel auf Ausblühsalze im Mauermörtel zurückzuführen; dieses Thema wird im Abschnitt 6.2.7 behandelt.
8.3 Deckenziegel 8.3.1 Konstruktionsprinzip, Arten Deckenziegel mit Hohlräumen werden zur Ausführung nicht zu schwerer, schall-, wärmeund brandschutztechnisch günstiger Decken hergestellt. Das Konstruktionsprinzip der Ziegeldecken (siehe Bild 8-9) besteht darin, dass die in Reihen ausgelegten Deckenziegel im Verbund mit den Betonrippen die Biegedruckspannungen aufnehmen, während die Zugspannungen wie in Stahlbetonplatten von den Stahleinlagen aufgenommen werden. Die Ziegel übernehmen zugleich die Funktion der Hohlraumbildung in statisch gering beanspruchten Bereichen der Decke, wodurch das Eigengewicht der Decken vermindert wird. Die Bewehrung liegt in den Rippen zwischen den Ziegeln bzw. in den Stoßfugenaussparungen.
Bild 8-9 Konstruktionsprinzip von Ziegeldecken
526
8 Keramische Baustoffe
Der Verbund der Stahleinlagen und der Ziegel erfolgt durch Mörtel bzw. Beton. Die Deckenziegel bilden mit ihren Unterseiten einen stofflich einheitlichen, ebenen Putzgrund, an dem der Mörtel gut haftet. Bei den Deckenziegeln unterscheidet man: Ziegel statisch mitwirkend nach DIN 4159; Ziegel statisch nicht mitwirkend nach DIN 4160; Tonhohlplatten (Hourdis) und Hohlziegel nach DIN 278.
8.3.2 Deckenziegel – statisch mitwirkend DIN 4159 gilt für Ziegel, die als statisch mitwirkende Bauteile verwendet werden, und zwar als Ziegel für Ziegeldecken nach DIN 1045-100; Ziegel für Stahlbetonrippendecken mit Ortbetonrippen nach DIN 1045; Zwischenbauteile für Stahlbetonrippendecken mit ganz oder teilweise vorgefertigten Rippen; Ziegel für Vergusstafeln nach DIN 1053-4. 8.3.2.1 Ziegel für Ziegeldecken
An einer oder an beiden Stirnseiten der Ziegel befinden sich Aussparungen zur Aufnahme von Beton bzw. Mörtel. Nach der Tiefe der Aussparungen wird zwischen Ziegeln mit vollvermörtelbaren Stoßfugen (Kurzzeichen ZDV) und mit teilvermörtelbaren Stoßfugen (Kurzzeichen ZDT) unterschieden (siehe Bilder 8-10 und 8-11). Bei ZDT befinden sich die Fugenaussparungen und die Lochzone im oberen Bereich der Ziegel. Vollvermörtelte Stoßfugen sind dann erforderlich, wenn die Deckenziegel zur Druckübertragung im Bereich negativer Momente herangezogen werden.
Bild 8-10 Ziegel für Ziegeldecken mit vollvermörtelbaren Stoßfugen
8.3 Deckenziegel
527
Bild 8-11 Ziegel für Ziegeldecken mit teilvermörtelbaren Stoßfugen
Die Fußleisten müssen so ausgebildet sein, dass eine Längsbewehrung mit der erforderlichen Betondeckung eingebracht werden kann; sie müssen an der dünnsten Stelle mindestens 5mm dick sein. Beispiele für die Ausbildung von Fußleisten zeigt Bild 8-12.
Bild 8-12 Fußleisten von Ziegeln (Beispiele)
Um einen ausreichenden Verbund mit dem Verfüllbeton zu erzielen, müssen die Ziegel an beiden Seitenflächen Rillen mit etwa 2 mm Tiefe und höchstens 10 mm Breite aufweisen; zusätzlich können Rillen an der Ober- und Unterseite angeordnet sein. Alle Außenwandungen müssen mindestens 12 mm, im Bereich einer Rille mindestens 10 mm dick sein. Außerdem muss die Gesamtdicke aller senkrechten Stege und Wandungen mindestens 50 mm betragen. In Tabelle 8.9 sind die Nennmaße der Ziegel für vollvermörtelbare, in Tabelle 8.10 für teilvermörtelbare Stoßfugen angegeben. Ergänzungsziegel mit mindestens halber Breite sind zulässig. Die Mittelwerte der Rohdichte sind festgelegt mit höchstens 0,60 – 0,70 – 0,80 – 1,00 – 1,20 – 1,40 (kg/dm³). Die Ziegel werden in den Druckfestigkeitsklassen 16 – 18 – 20 – 24 – 28 – 30 – 36 (N/mm²) hergestellt. Sie dürfen keine die Festigkeit mindernden Risse oder Beschädigungen aufweisen. Frostbeständigkeit wird nicht gefordert.
528
8 Keramische Baustoffe
Tabelle 8.9 Maße für Ziegel für vollvermörtelbare Stoßfugen für Ziegeldecken (Maße in mm) Breite
Länge
Dicke2)
b
l
s0
Breite der Fußleiste a min.
90
25 (203))
40
80
115
25 (203))
40
105
140
25 (203))
40
130
165
25
40
155
190
25
40
180
215
25
40
205
240
25
40
230
265
25
50
255
290
25
50
280
315
25
50
305
250
1) 3)
166 bis 5001)
Stoßfugenaussparung Breite Tiefe2) sb st min. min.
340
25
50
330
3653)
25
50
355
für l > 333 mm nur bei Decken ohne Querbewehrung. Nur für Vergusstafeln.
2)
Zwischengrößen sind zulässig (st = s0 – 10 mm).
Tabelle 8.10 Maße für Ziegel für teilvermörtelbare Stoßfugen für Ziegeldecken (Maße in mm) Breite
Länge
Dicke2)
b
l
s0
Breite der Fußleiste a min.
115
25 (203))
250
1) 3)
166 bis 5001)
3)
Stoßfugenaussparung Breite Tiefe sb st min. min.
Dicke der Druckplatte s1 min.
40
45
50
140
25 (20 )
40
50
55
165
25
40
55
60
190
25
40
60
65
215
25
40
65
70
240
25
40
70
75
265
25
50
75
80
290
25
50
80
85
315
25
50
85
90
340
25
50
90
95
3653)
25
50
90
95
für l > 333 mm nur bei Decken ohne Querbewehrung. Nur für Vergusstafeln.
2)
Zwischengrößen sind zulässig (st = s0 – 10 mm).
529
8.3 Deckenziegel 8.3.2.2 Ziegel für Stahlbetonrippendecken
Es wird unterschieden zwischen Ziegeln für Stahlbetonrippendecken für teilvermörtelbare Stoßfugen (ZRT) und für vollvermörtelbare Stoßfugen (ZRV). Die Nennmaße der Ziegel für Stahlbetonrippendecken sind in Tabelle 8.11 angegeben. Im Übrigen gelten die Festlegungen in 8.3.2.1. Tabelle 8.11 Maße der Ziegel für Stahlbetonrippendecken (Maße in mm) Breite
Länge
Dicke1)
b
l
s0
Breite der Fußleiste a
Stoßfugenaussparung
Dicke der Druckplatte
bei b = 500 und 625 min. 35
Breite sb min.
Tiefe st min.
s1 min.
115
bei b = 250 und 333 min. 25
40
45
50
140
25
35
40
50
55
165
25
35
40
55
60
250
190
25
35
40
60
65
333
215
30
40
40
65
70
240
30
40
40
70
75
265
30
40
50
75
80
290
35
40
50
80
85
315
35
40
50
85
90
340
35
40
50
90
95
500
166 bis 500
625
Anmerkung: Bei Ziegeln, die zur Druckübertragung im Bereich negativer Momente herangezogen werden, muss die Tiefe der Stoßfugenaussparung st = s0 – 10 mm nach Tabelle 8.9 betragen. 1)
Zwischengrößen sind zulässig.
8.3.2.3 Ziegel als Zwischenbauteile für Stahlbetonrippendecken
Zwischenbauteile werden mit Aussparungen für teilvermörtelbare Stoßfugen (Kurzzeichen: ZZT) nach den in Bild 8-13 dargestellten Beispielen produziert. Vollvermörtelbare Stoßfugen (ZZV) sind erforderlich bei Zwischenbauteilen, die zur Druckübertragung im Bereich negativer Momente herangezogen werden. Die Stoßfugen können ein- oder beidseitig ausgeführt werden; die Seitenflächen können geneigt sein. Für die Ziegelrohdichte und die Druckfestigkeit gelten die in Abschnitt 8.3.2.1 angegebenen Klassen. Die Bruchlast für Ziegel als Zwischenbauteile muss unabhängig von ihrer Breite mindestens
F = 12 ⋅ l
(8.2)
betragen; dabei ist die Bruchlast F in N und die Länge l in mm einzusetzen. Die Maße von Ziegeln als Zwischenbauteile sind Tabelle 8.12 zu entnehmen.
530
8 Keramische Baustoffe
Bild 8-13 Ziegel als Zwischenbauteil für einseitige Stoßfugen (links) und beidseitige Stoßfugen (rechts) Tabelle 8.12 Maße von Ziegeln als Zwischenbauteile (Maße in mm) Vorzugswerte für Rippenachsabstände1)2)
Länge
l
333 500 625 750
1)
2)
166 bis 500
Dicke2)
Stoßfugenaussparung
Dicke der Druckplatte
s0
Auflagertiefe auf vorgefertigten Rippen c min.
115
25
40
45
50
140
25
40
50
55
165
25
40
55
60
190
25
40
60
65
215
25
40
65
70
240
25
40
70
75
265
25
50
75
80
290
25
50
80
85
315
25
50
85
90
340
25
50
90
95
Breite sb min.
Tiefe st min.
s1 min.
Die Breite eines Zwischenbauteils ergibt sich aus dem Rippenachsabstand unter Berücksichtigung der Ausbildung der ganz oder teilweise vorgefertigten Rippen. Zwischengrößen sind zulässig.
8.3 Deckenziegel
531
8.3.2.4 Ziegel für Vergusstafeln
In DIN 4159 werden neben Ziegeln für Decken auch Ziegel für Vergusstafeln geregelt. Vergusstafeln sind vorgefertigte Wandbauelemente, die in liegenden Formkästen hergestellt werden. Dabei werden Bewehrungsstäbe (als Transport- und/oder tragende Bewehrung) in die Aussparungen der Ziegel eingelegt und mit Beton vergossen. Ziegel für Vergusstafeln werden mit vollvermörtelbaren Stoßfugen (ZVV) und mit teilvermörtelbaren Stoßfugen (ZVT) angeboten. Die Formen der Fußleisten sollten Bild 8-12 entsprechen. Alle Außenwandungen müssen mindestens 10 mm, im Bereich von Rillen mindestens 8 mm dick sein. Die Ziegel werden in den Rohdichteklassen 0,60 – 0,70 – 0,80 – 1,00 – 1,20 – 1,40 (kg/dm³) und in den Druckfestigkeitsklassen 6 – 8 – 12 – 18 – 24 – 30 – 36 (N/mm²) hergestellt. Sie dürfen keine die Festigkeit mindernden Risse oder Beschädigungen aufweisen. Die Maße der Ziegel für Vergusstafeln sind in Tabelle 8.9 (vollvermörtelbare Stoßfugen) und Tabelle 8.10 (teilvermörtelbare Stoßfugen) angegeben. 8.3.2.5 Bezeichnung, Kennzeichnung
Sämtliche Deckenziegel nach DIN 4159 sind in der Reihenfolge Benennung, DIN-Nummer, Kurzzeichen, Druckfestigkeit, Rohdichte, Maße (Breite × Länge × Dicke in mm) zu bezeichnen. Beispiel: Ziegel DIN 4159 – ZRT – 18 – 1,0 – 250 × 333 × 190
Bei Ziegeln für Ziegeldecken wird nach den Maßen der Rechenwert der Stegdicke und Wandungen angegeben: Ziegel DIN 4159 – ZDT – 18 – 1,0 – 250 × 333 × 190 – 60
Bei Zwischenbauteilen wird hinter dem Kurzzeichen der Kennbuchstabe für die Ausbildung der Flanken (S = senkrecht; N = geneigt) eingefügt: Ziegel DIN 4159 – ZZT – N – 18 – 1,0 – 250 × 333 × 190
Herstellwerk oder Werkkennzeichen sind auf jedem 30. Ziegel oder auf der Verpackung der Ziegel anzugeben. Die Druckfestigkeit muss durch Eindruck oder dauerhaften Aufdruck auf jedem 2. Ziegel gekennzeichnet sein. Eine Kennzeichnung ist nicht erforderlich, wenn die Ziegel im Herstellwerk zu Fertigteilen verarbeitet werden.
8.3.3 Deckenziegel – statisch nicht mitwirkend Statisch nicht mitwirkende Deckenziegel werden in DIN 4160 behandelt. Die Norm unterscheidet für unterschiedliche Einsatzbereiche folgende vier Formen von Ziegeln (Bild 8-14): Form A: Ziegel für Stahlbetonrippendecken mit Ortbetonrippen
Die seitlichen Fußleisten der Ziegel sind so ausgebildet, dass sich zwischen den Ziegeln mindestens 50 mm breite Längsrippen aus Beton herstellen lassen. Die Form der Fußleisten sollte Bild 8-12 entsprechen; für die Breite der Fußleisten a siehe Tabellen 8.10 und 8.11.
532
8 Keramische Baustoffe
Zur Sicherstellung des Verbundes müssen die Ziegel an beiden Seitenflächen Rillen mit etwa 2 mm Tiefe und höchstens 10 mm Breite aufweisen; zusätzlich können Rillen an der Oberund Unterseite angeordnet sein. Alle Außenwandungen müssen mindestens 12 mm, im Bereich einer Rille mindestens 10 mm dick sein. Form B: Ziegel als Zwischenbauteile für Stahlbetonrippen- und Plattenbalkendecken mit ganz oder teilweise vorgefertigten Rippen
Die Seitenflächen (Flanken) der Ziegel sind so gestaltet, dass die Ziegel auf den vorgefertigten Rippen aufgelagert werden können. Die Seitenflächen über dem Auflager verlaufen je nach Art der Rippen entweder senkrecht (Bs) oder geneigt (Bn); zwischen Rippe und Zwischenbauteil muss sich Ortbeton in ausreichender Schichtdicke einbringen lassen (mindestens 30 mm bei senkrechten Seitenflächen). Form C: Ziegel für Balkendecken mit Ortbetonrippen
Die Ziegel haben seitliche Fußleisten (wie bei Form A). Im oberen Bereich sind die Außenwandungen – wie in Bild 8-14 dargestellt – flach zu neigen; dadurch wird der Ortbetonbalken oben verbreitert und die Druckzone vergrößert. Form D: Ziegel für Zwischenbauteile für Balkendecken mit ganz oder teilweise vorgefertigten Rippen.
Für die Seiten- und Auflagerflächen gelten die gleichen Festlegungen wie bei Form B; die Neigung der Außenwandungen im oberen Bereich ist analog zu Form C vorzunehmen.
Bild 8-14 Formen von Deckenziegeln nach DIN 4160
8.4 Dachziegel und Formteile
533
Die Rohdichten von statisch nicht mitwirkenden Deckenziegeln sind festgelegt mit höchstens 0,60 – 0,80 – 0,90 – 1,00 – 1,20. Wegen der Beanspruchung beim Einbau wird von Deckenziegeln und Zwischenbauteilen bei der Biegeprüfung mit einer mittigen Last unabhängig von ihrer Breite eine Bruchlast F gemäß Gleichung 8.2 gefordert. Da die eingebauten Deckenziegel nur als Schalkörper dienen und statisch nicht mitwirken, werden keine weiteren Anforderungen hinsichtlich ihrer Druckfestigkeit gestellt.
8.3.4 Tonhohlplatten und Hohlziegel – statisch beansprucht Tonhohlplatten (Hourdis) und Hohlziegel nach DIN 278 sind dünnwandige Hohlkörper, die im Wesentlichen für folgende Anwendungsgebiete eingesetzt werden: lastabtragende Zwischenbauteile zwischen Deckenträgern aus Stahl, Stahlbeton, Spannbeton oder Holz (HD); Breite: 200/250 mm Länge: 500…1100 mm Dicke: 60…120 mm Rohdichteklassen je nach Abmessungen: 0,8/1,0 Hohlziegel für Verbundtafeln (HV); Breite: 200…313 mm Länge: 250/330 mm Dicke: 80…140 mm Rohdichteklassen je nach Abmessungen: 0,8/1,0/1,2 Druckfestigkeitsklassen: 6…38 Hohlziegel für Wandtafeln (HW); Maße: siehe HD; Rohdichteklassen je nach Abmessungen: 0,8/1,0/1,2 Druckfestigkeitsklassen (je nach Rohdichteklasse): 6/12,5/18 Langlochziegel für leichte Trennwände (HT); Maße und Rohdichteklassen: siehe HD; Druckfestigkeit senkrecht zur Lochkanalrichtung i. M. mindestens 2,5 N/mm² (kleinster Einzelwert 2,0 N/mm²). Tonhohlplatten müssen mindestens 12 M.-% Wasser aufnehmen. Ein Nachweis für Frostbeständigkeit wird nur für Tonhohlplatten und Hohlziegel verlangt, die im Freien der direkten Feuchtigkeitseinwirkung ausgesetzt sind.
8.4 Dachziegel und Formteile Dachziegel nach DIN EN 1304 sind flächige keramische Bauteile zur überlappenden Verlegung auf geneigten Dachflächen sowie für die Bekleidung von Fassaden. Sie werden aus tonigen Massen – gegebenenfalls mit Zusätzen – geformt und gebrannt. Dachziegel unterscheiden sich nach Art der Herstellung, Form und Abmessung. Sie werden in natürlicher Brennfarbe (gelb-rot), durchgehend gefärbt, engobiert, glasiert oder gedämpft hergestellt.
534
8 Keramische Baustoffe
Mindestens 50 % aller Dachziegel müssen mit einer unauslöschlichen und lesbaren Kennzeichnung mit Angabe von Hersteller und/oder Produkttyp, Herkunftsland sowie Jahr und Monat der Fabrikation versehen sein. In den Begleitdokumenten einer Lieferung muss außerdem die erreichte Anforderungsstufe 1 oder 2 der Wasserundurchlässigkeit und die bestandene Prüfung auf Frostwiderstandsfähigkeit bescheinigt sein.
8.4.1 Dachziegelarten Dachziegel werden nach der Art der Herstellung in Strangdachziegel und Pressdachziegel unterteilt. Strangdachziegel werden im Strangpressverfahren hergestellt; dabei wird – ähnlich wie bei der Herstellung von Mauerziegeln – die Rohmasse durch Formen gepresst und so ein endloser Strang geformt. Zu den Strangfalzziegeln zählen Ziegel ohne Falz (z. B. Biberschwanz- und Hohlpfannenziegel) und die mit einem Seitenfalz versehenen Strangfalzziegel (Bild 8-15).
Bild 8-15 Strangdachziegel (Beispiele)
8.4 Dachziegel und Formteile
535
Bild 8-16 Pressdachziegel (Beispiele)
Pressdachziegel werden auf Stempelpressen ausgestanzt. Nach diesem Verfahren werden falzlose Ziegel wie Mönch und Nonne (Bild 8-16 unten) oder Krempziegel hergestellt. Zum anderen können Pressdachziegel ein oder mehrere Kopf-, Fuß- und/oder Seitenfalze aufweisen, wie z. B. Doppelfalzziegel und Flachdachziegel (Bild 8-16), Reformziegel usw. Verschiebeziegel sind Falzziegel, bei denen die Form des Ziegels und die Verfalzung eine Höhenverschiebbarkeit von mindestens 30 mm und demzufolge eine variable Decklänge ermöglicht. Formziegel sind Ergänzungsziegel zum Erzielen einer geschlossenen funktionsfähigen Dachfläche mit allen Anschlüssen, Übergängen und Abschlüssen. Diese Formziegel sind nicht genormt, sie werden vom Hersteller nach eigener Wahl ausgeführt. Es handelt sich z. B. um: First- und Gratziegel mit Anfangs- und Endstück, Kehlziegel, Windbordziegel, Ortgangzie-
536
8 Keramische Baustoffe
gel, First- und Wandanschlussziegel, Be- und Entlüftungsziegel, Ziegel mit Durchlässen für Dunstrohr und Antenne usw.
8.4.2 Anforderungen Die Anforderungen an Dachziegel sind in DIN EN 1304 festgelegt. Bedingt durch die Vielzahl an Modellen haben Dachziegel unterschiedliche Abmessungen und Deckmaße. Die Norm legt daher keine Abmessungen, sondern nur Grenzabmaße (Toleranzen, innerhalb derer sich die Maße bewegen müssen) fest. Die kennzeichnenden Maße werden vom Hersteller angegeben – für verfalzte Ziegel Deckmaße, bei nicht verfalzten Ziegeln Einzelmaße (Länge, Breite). Dachziegel dürfen weder Fabrikationsfehler, welche das gute Zusammenfügen der Dachziegel untereinander beeinträchtigen, noch Strukturfehler wie Brüche, Sprünge oder Verlust einer Einhängenase aufweisen. Zur Beurteilung der Struktureigenschaften sind die Dachziegel mit bloßem Auge bei einem Sichtabstand von 30 bis 40 cm bei üblicher Arbeitsplatzbeleuchtung zu betrachten. Als Oberflächenfehler werden in DIN EN 1304 definiert: Blasen mit einem mittleren Durchmesser über 10 mm sowie Krater und Absplitterungen mit mittleren Durchmessern über 7 mm. Allerdings finden sich keine weiteren Hinweise, wie derartige Oberflächenfehler zu bewerten sind bzw. in welchem Umfang sie zulässig sind. Kratzer, Längssplitter und Reibungsspuren, wie sie z. B. durch Verpackung oder Transport verursacht werden können, stellen keine Fehler dar. Gleiches gilt für Rillen, Reliefs, Flecken usw., die absichtlich aus ästhetischen Gründen erzeugt werden (zwecks „antikem“ Aussehen). Bei einfarbigen Dachziegeln sind Farbnuancen zulässig, sofern sie sich aus dem keramischen Verfahren ergeben. Dachziegel müssen möglichst frei von ausblühfähigen Salzen sein, weil diese – sofern in größeren Mengen vorhanden – herausgelöst und dadurch den Ziegel porös machen würden. In der ersten Zeit nach der Verlegung kann ein schwacher weißer Schleier auftreten, der die normale Farbgebung an der Oberfläche der Produkte mehr oder weniger verdeckt. Hierbei handelt es sich meist um vorübergehende Ausblühungen, die allmählich unter Witterungseinfluss von der Oberfläche verschwinden und keinerlei Auswirkungen auf die funktionellen Eigenschaften der Dachziegel haben. Dachziegel müssen wasserundurchlässig, wetter- und frostbeständig sein. Die Prüfung der Frostbeständigkeit erfolgt in Deutschland nach DIN EN 539-2, Verfahren B. Als wasserundurchlässig gelten Ziegel, wenn bei Prüfung nach DIN EN 539-1 bei Anforderungsstufe 1 der Wasserundurchlässigkeitsfaktor i. M. ≤ 0,5 cm³/(cm²⋅d) ist. Ziegel der Anforderungsstufe 2 mit einem Wasserdurchtritt von ≤ 0,8 cm³/(cm²⋅d) erfordern die Anordnung eines wasserdichten Unterdaches.
537
8.4 Dachziegel und Formteile Tabelle 8.13 Biegetragfähigkeit von Dachziegeln Ziegelart
Mindestlast [N]
Flachziegel (Biberschwanzziegel)
600
Falzziegel mit ebener Sichtfläche
900
Mönch- und Nonnenziegel
1000
alle übrigen Ziegel
1200
Die mechanische Festigkeit wird durch die Biegetragfähigkeit nach DIN EN 538 geprüft. Die Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Ziegel unter den in Tabelle 8.13 angegebenen Mindestlasten nicht zu Bruch gehen.
8.4.3 Anwendung Grundsätzlich ist jeder Dachbelag – so auch die Dachziegel – an eine Mindestdachneigung gebunden. Als Regeldachneigung (siehe Tabelle 8.14) wird die untere Dachneigungsgrenze verstanden, bei der sich eine Dachdeckung in der Praxis als ausreichend regensicher erwiesen hat; meist gelten ab dieser Dachneigung die Garantien der Hersteller. Sturmsicherheit kann nicht verlangt werden. Tabelle 8.14 Regeldachneigung gemäß „Fachregel für Dachdeckungen mit Dachziegeln und Dachsteinen“ des Deutschen Dachdeckerhandwerks Form
Deckungsart
Regeldachneigung (Sparrenneigung)
Dachziegel mit Verfalzung mehrfache Ringverfalzung
Flachdachziegel
unterbrochene Ringverfalzung
Doppelmuldenfalz-/ Reformziegel
Einfachdeckung
22° 30°
Verschiebefalz
30°
Seitenverfalzung
35°
Dachziegel ohne Verfalzung Seitenaufkantung
Krempziegel
Einfachdeckung
35°
gewölbt
Hohlpfanne
Aufschnittdeckung
35°
Hohlpfanne
Vorschnittdeckung
40°
Mönch und Nonne
Einfachdeckung
40°
Biberschwanzziegel
Doppel- und Kronendeckung
30°
Einfachdeckung mit Spließen
40°
eben
538
8 Keramische Baustoffe
Eine Unterschreitung der Regeldachneigung ist möglich, setzt allerdings die Anordnung zusätzlicher Maßnahmen sowie die Zustimmung des Herstellers voraus. Zusatzmaßnahmen sind auch erforderlich, wenn erhöhte Anforderungen an die Dacheindeckung gestellt werden, z. B. wegen Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken, bei stark gegliederten Dachflächen und besonderen Dachformen oder bei extremen klimatischen Verhältnissen. Bei Unterschreitung der Regeldachneigung um bis zu 6° muss eine Unterspannung mittels Unterspannbahnen eingebaut werden. Bei größeren Unterschreitungen ist die Anordnung eines regensicheren Unterdaches erforderlich. Derartige Unterkonstruktionen erhöhen die Sicherheit gegen das Eindringen von Treibregen, Flugschnee und Staub. Bei TonDachziegeln muss stets eine Mindestdachneigung von 10° eingehalten werden.
8.5 Fliesen und Platten 8.5.1 Begriffe, Klassifizierung Keramische Fliesen und Platten sind dünne Platten für Bodenbeläge und Wandbekleidungen, die aus einer Mischung von Tonen, Kaolin, feingemahlenem Quarzsand, Farbstoffen und anderen mineralischen Rohstoffen mit einer Korngröße < 0,1 mm mit Wasser aufbereitet, unter hohem Druck ausgeformt und nach sorgfältigem Trocknen bei hohen Temperaturen gebrannt werden. Die Produkte werden gemäß DIN EN 14411 nach dem Formgebungsverfahren und der Wasseraufnahme des Scherbens E (in M.-%) in verschiedene Gruppen eingeteilt (siehe Tabelle 8.15). Die Gruppen geben jedoch keine Hinweise auf den Verwendungszweck der Fliesen und Platten. Bei den Formgebungsverfahren unterscheidet man: stranggepresste Fliesen und Platten (Formgebungsverfahren A, siehe 8.5.2); trocken gepresste Fliesen und Platten (Formgebungsverfahren B, siehe 8.5.3); gegossene Fliesen und Platten (Formgebungsverfahren C); sie werden in DIN EN 14411 nicht mehr behandelt. In Abhängigkeit von der Wasseraufnahme E werden zur Produktbeschreibung nach wie vor folgende traditionelle Begriffe verwendet: Feinsteinzeug: E ≤ 0,5 %; Steinzeug: 0,5 % < E ≤ 3 %; Halbsteinzeug: 3 % < E ≤ 10 %; Steingut: E > 10 %. Die Gütemerkmale von keramischen Fliesen und Platten in Abhängigkeit von der Verwendung (Boden/Wand, innen/außen) sind ebenfalls in DIN EN 14411 festgelegt. Die zugehörigen Prüfmethoden werden in DIN EN ISO 10545 Teile 1 bis 16 beschrieben. Tabelle 8.16 gibt einen Überblick über die maßgeblichen Gütemerkmale und Prüfmethoden.
539
8.5 Fliesen und Platten
Tabelle 8.15 Klassifizierung der keramischen Fliesen und Platten im Hinblick auf Wasserauf1 nahme und Formgebung nach DIN EN 14411 Formgebung
A stranggepresst
Gruppe III E > 10 %
Gruppe I E≤3%
Gruppe IIa 3%<E≤6%
Gruppe IIb 6 % < E ≤ 10 %
Gruppe AIa E ≤ 0,5 %
Gruppe AIIa-1a
Gruppe AIIb-1a
(Anhang B)
(Anhang D)
Gruppe AIIa-2a
Gruppe AIIb-2a
(Anhang C)
(Anhang E)
(Anhang G)
Gruppe BIIa
Gruppe BIIb
Gruppe BIIIb
Gruppe BIb 0,5 % < E ≤ 3 %
(Anhang J)
(Anhang K)
(Anhang L)
(Anhang M)
Gruppe AIb 0,5 % < E ≤ 3 %
Gruppe AIII (Anhang F)
(Anhang A)
Gruppe BIa E ≤ 0,5 % B trockengepresst
(Anhang H) a b
1
Gruppen AIIa und AIIb werden in zwei Teile (Teile 1 und 2) mit verschiedenen Produktspezifikationen unterteilt. Gruppe BIII trifft ausschließlich auf glasierte Fliesen und Platten zu. Es besteht eine geringe Anzahl trockengepresster unglasierter Fliesen und Platten, die mit einer Wasseraufnahme über 10 % hergestellt werden und auf die diese Produktgruppe nicht zutrifft. In den Anhängen A bis M von DIN EN 14411 sind die Anforderungen an die Produktgruppen festgelegt.
Tabelle 8.16 Gütemerkmale in Abhängigkeit von der Verwendung Gütemerkmale
Böden
Wände
Prüfung
innen
außen
innen
außen
Verweisung
Länge und Breite
×
×
×
×
EN ISO 10545-2
Dicke
×
×
×
×
EN ISO 10545-2
Geradheit der Seiten
×
×
×
×
EN ISO 10545-2
Rechtwinkligkeit
×
×
×
×
EN ISO 10545-2
Ebenflächigkeit (Wölbung und Windschiefe)
×
×
×
×
EN ISO 10545-2
Oberflächenbeschaffenheit
×
×
×
×
EN ISO 10545-2
innen
außen
innen
außen
Verweisung
Wasseraufnahme
×
×
×
×
EN ISO 10545-3
Bruchlast
×
×
×
×
EN ISO 10545-4
Biegefestigkeit
×
×
×
×
EN ISO 10545-4
Widerstand gegen Tiefenverschleiß – unglasierte Fliesen und Platten
×
×
Maße und Oberflächenbeschaffenheit
Physikalische Eigenschaften
EN ISO 10545-6
540
8 Keramische Baustoffe
Gütemerkmale
Böden
Wände
Prüfung
Widerstand gegen Oberflächenverschleiß – glasierte Fliesen und Platten
×
×
Lineare thermische Dehnunga
×
×
×
×
EN ISO 10545-8
Temperaturwechselbeständigkeit
×
×
×
×
EN ISO 10545-9
Widerstand gegen Glasurrisse – glasierte Fliesen und Platten
×
×
×
×
EN ISO 10545-11
Frostbeständigkeit
×
×
×
×
EN ISO 10545-12
Reibungskoeffizient
×
×
×
×
×
×
EN ISO 10545-10
×
×
×
×
EN ISO 10545-16
×
×
innen
außen
a
Feuchtigkeitsdehnunga a
Kleine Farbabweichungen a
Schlagfestigkeit
Chemische Eigenschaften
EN ISO 10545-7
Angabe des angewendeten Prüfverfahrens
EN ISO 10545-5 innen
außen
Beständigkeit gegen Fleckenbildner
Verweisung EN ISO 10545-14
×
×
×
×
EN ISO 10545-14
– unglasierte Fliesen und Platten
×
×
×
×
EN ISO 10545-14
Beständigkeit gegen Säuren und Laugen mit niedriger Konzentration
×
×
×
×
EN ISO 10545-13
Beständigkeit gegen Säuren und Laugen mit hoher Konzentration
×
×
×
×
EN ISO 10545-13
Beständigkeit gegen Haushaltschemikalien und Badezusätze (Schwimmbad)
×
×
×
×
EN ISO 10545-13
Abgabe von Blei und Cadmium – glasierte Fliesen und Plattena
×
×
×
×
EN ISO 10545-15
– glasierte Fliesen und Platten a
a b
Prüfverfahren ist vorhanden, jedoch legt diese Norm keine Anforderungswerte fest. Für Fliesen und Platten, die unter Frostbedingungen eingesetzt werden sollen.
Keramische Fliesen und Platten müssen je nach Produktgruppe unterschiedliche Anforderungen erfüllen; diese sind in DIN EN 14411 Anhang A bis M (siehe Tabelle 8.15) festgeschrieben. Tabelle 8.17 zeigt auszugsweise die Anforderungen hinsichtlich Bruchlast, Biegefestigkeit und Tiefenverschleiß.
541
8.5 Fliesen und Platten
Tabelle 8.17 Anforderungen nach DIN EN 14411 hinsichtlich Bruchlast, Biegefestigkeit und Tiefenverschleiß Bruchlast [N] Dicke Dicke < 7,5 mm ≥ 7,5 mm
Biegefestigkeita [N/(mm²] Mittelwert Einzelwert
Widerstand gegen Tiefenverschleiß – Vol.Verlust [mm³]
Gruppe
DIN EN 14411, Anhang...
AIa AIb
M
1.300
600
28
21
≤ 275
A
1.100
600
23
18
AIIa-1
B
950
600
20
18
≤ 275 ≤ 393
AIIa-2
C
800
600
13
11
≤ 541
AIIb-1
D
900
900
17,5
15
≤ 649
AIIb-2 AIII
E
750
750
9
8
≤ 1062
F
600
600
8
7
≤ 2365
BIa
G
1.300
700
35
32
≤ 175
BIb
H
1.100
700
30
27
≤ 175
a b
BIIa
J
1.000
600
22
20
≤ 345
BIIb
K
800
500
18
16
BIII
L
600
200
15
12
≤ 540 –
Nicht anwendbar auf Fliesen und Platten mit einer Bruchlast 3 000 N. Gilt nur für unglasierte Fliesen und Platten.
8.5.2 Stranggepresste Fliesen und Platten Stranggepresste Fliesen und Platten werden in bestimmter Länge von einem Strang abgeschnitten, der mit einer Strangpresse aus der plastischen Masse geformt wurde. Traditionelle Begriffe, die für stranggepresste Produkte verwendet werden, sind „Spaltplatte“ und „einzeln gezogene Platte“ („quarry tiles“). Keramische Spaltplatten sind witterungs- und korrosionsbeständige Bauteile von hoher Festigkeit für Wand- und Bodenbeläge insbesondere im Fassaden-, Schwimmbad- und Behälterbau. Die Ausgangsmischung wird in plastischem Zustand vorzugsweise zu Doppelplatten stranggepresst, getrocknet und gebrannt. Nach dem Brennen werden die Doppelplatten in Einzelplatten gespalten. Die sich ergebenden, in der Regel schwalbenschwanzförmigen Stege auf der Rückseite ermöglichen eine sichere Haftverbindung. Spaltplatten werden in verschiedenen Abmessungen, Formen, Oberflächengestaltungen und Farben unglasiert (UGL), teilglasiert und glasiert (GL) hergestellt. Der Scherben ist gesintert, hat aber eine etwas höhere Porosität als Steinzeug. Frostbeständigkeit wird generell nur für stranggepresste Platten der Gruppe AI gefordert, für die Gruppen AIIa, AIIb und AIII muss diese im Bedarfsfall gesondert vereinbart werden. Platten der Gruppe AIII sind generell nicht für Anwendungsbereiche bestimmt, wo Frost auftreten kann. Spaltplatten müssen temperaturwechselbeständig, säure- und laugenbeständig sein (außer gegen Flusssäure); die Farben müssen lichtecht sein. Die Ansichtsfläche muss frei von Scherbenrissen, Glasurrissen (Haarrissen) und Blasen sein.
542
8 Keramische Baustoffe
Als Ergänzung zu den Platten werden diverse Formteile (Hohlkehlen, Kehlsockel, Schenkel, Formstücke für Schwimmbecken usw.) angeboten. Einzeln gezogene Platten erhalten ihre Form durch Abschneiden von einem einzeln gezogenen Strang. Sie werden vielfach nachgepresst und manchmal glasiert.
8.5.3 Trocken gepresste Fliesen und Platten Es handelt sich um feinkeramische Produkte, die aus pulverförmiger und feinkörniger Masse unter hohem Druck in Formen gepresst werden. Sie können glasiert, teilglasiert oder unglasiert sein, die Oberfläche der unglasierten Produkte kann glatt, geraut oder profiliert sein. Fliesen und Platten mit niedriger Wasseraufnahme sind gekennzeichnet durch einen feinkörnigen, kristallinen, durchgesinterten Scherben mit höchstens 3 M.-% Wasseraufnahme, hoher Festigkeit, Frostbeständigkeit und chemischer Widerstandsfähigkeit. Vollkommen dicht gesinterte Fliesen weisen eine Wasseraufnahme 0,5 M.-% auf. Für unglasierte Fliesen und Platten mit heller Scherbenfarbe, die gewöhnlich auf der Basis weißer Rohstoffmassen hergestellt werden, beträgt die Wasseraufnahme in der Regel weniger als 1,5 M.-%. Fliesen und Platten der Gruppe BI sind geeignet zur Herstellung von feuchtigkeitsbeständigen, wasserabweisenden und gegen mechanische und chemische Beanspruchungen widerstandsfähigen sowie witterungs- und frostbeständigen Belägen im Innen- und Außenbereich von Bauten und Behälterauskleidungen. Produkte der Gruppen BIIa und BIIb sind geeignet für Wand- und Bodenbeläge im Innen- und Außenbereich von Bauten. Wird Frostbeständigkeit gefordert, muss diese gesondert vereinbart werden. Fliesen und Platten mit hoher Wasseraufnahme (Gruppe BIII) sind gekennzeichnet durch einen feinkörnigen Scherben mit einer Wasseraufnahme von mehr als 10 M.-% (durch Brennen unterhalb der Sintergrenze enthält der Scherben ein Porenvolumen von bis zu 30 Vol.-%). Auf diesen, im ersten Brand („Biskuitbrand“) hergestellten porösen Scherben, bei dem keine Sinterung erfolgt ist, wird eine Glasurmasse aufgetragen, die in einem zweiten Brand („Glattbrand“) zum Schmelzen gebracht wird. Glasierte feinkeramische Fliesen mit hoher Wasseraufnahme sind geeignet zur Herstellung von hygienischen, feuchtigkeitsbeständigen, widerstandsfähigen, leicht zu reinigenden und zu desinfizierenden Belägen. Da sie nicht frostbeständig sind, dürfen sie nur im Innenbereich von Bauten als Wand- oder Bodenbelag eingesetzt werden, und zwar nur in Bereichen, die keinen schweren mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Diese Fliesen bezeichnet man bei weißem oder leicht getöntem Scherben als Steingutfliesen, bei farbigem Scherben als Irdengutfliesen. Bodenklinkerplatten nach DIN 18158 werden als unglasierte Bodenbeläge im gewerblichen Bereich sowie im Wohnbereich für Balkon- und Terrassenbeläge verwendet. Die Platten müssen abriebfest und frostwiderstandsfähig sein sowie eine Biegefestigkeit von 20 N/mm2 aufweisen. Für besondere Einsatzfälle wird zusätzlich eine Druckfestigkeit von 150 N/mm2 sowie gegebenenfalls Chemikalienbeständigkeit gefordert.
8.5 Fliesen und Platten
543
8.5.4 Anwendung und Verlegung von Fliesen und Platten Bei waagerechten Flächen (Fußböden) spricht man von „Verlegen“, bei senkrechten Flächen (Wänden) von „Ansetzen“. Als Wandbelag können alle Fliesenarten eingesetzt werden. Meistens wählt man Steingutfliesen mit Glasuren. Die Wandfliesen dürfen beim Versetzen weder zu nass noch zu trocken sein; sie enthalten die richtige Wassermenge, wenn sie mehrere Stunden ins Wasser gelegt und etwa 1 Stunde vor dem Ansetzen wieder zum Abtropfen herausgeholt werden. Frostsichere Wandfliesen mit gesintertem Scherben dürfen nicht getaucht werden. Die Auswahl des Bodenbelags richtet sich nach der Beanspruchungsart (Wohnbereich oder gewerblicher Bereich). Bei höheren Beanspruchungen sind im Allgemeinen nur Steinzeugfliesen oder Spaltplatten zu verwenden. Boden- oder Steinzeugfliesen sind so dicht gesintert, dass sie wenig Wasser aufnehmen; sie bestehen aus einem nicht mehr saugenden, feinkörnigen Scherben, können mit oder ohne Glasur verwendet werden. Bei glasierten Fliesen Verschleißbeanspruchung beachten; durch neuentwickelte Hartglasuren mit einer Ritzhärte nach Mohs von 8 lassen sich erheblich höhere Verschleißfestigkeiten erreichen. Bei Verlegung in Arbeitsräumen, Barfußbereichen von Schwimmbadanlagen und Sportstätten Trittsicherheit beachten, gegebenenfalls Fliesen mit profilierter Oberfläche verwenden. Ansetzen sowie Verlegen von Fliesen und Platten können sowohl im herkömmlichen Mörtelbett-(Dickbett-)verfahren, als auch in dem modernen Dünnbettverfahren erfolgen.
Dickbett-Verfahren
In früheren Jahren war die Dickbettverlegung die Standardmethode für die Verlegung von Keramikbelägen. Durch die Entwicklung der Klebemörtel wurde diese Methode jedoch weitestgehend durch die Dünnbettverlegung ersetzt. Das Dickbettverfahren weist jedoch immer noch gewisse Vorteile gegenüber der Dünnbettverlegung auf. So können Unebenheiten des Untergrundes oder der Belagsstoffe (vor allem bei Natursteinplatten wichtig) ausgeglichen und dadurch eine sehr ebene Oberfläche erzielt werden. Nachteilig sind der höhere Zeitaufwand, die höheren Konstruktionsdicken und daraus resultierend die größeren Flächengewichte. Der hohe Wassergehalt des Verlegemörtels bewirkt Schwindverformungen im Untergrund, welche zu Rissbildungen und Ablösungen der Platten führen können. Beim Verlegen von Bodenfliesen muss der Untergrund fest sein und von Sand und sonstigen Mörtelresten gut gesäubert und angenässt werden. Bei stark saugendem Untergrund ist es erforderlich, einen Spritzbewurf aus Zementmörtel 1:3 aufzubringen. Die Verlegung erfolgt in einem plastischen Zementmörtel 1:5, dessen Dicke nicht größer als 20 mm sein soll. Die maximale Sandkorngröße soll 3 mm nicht überschreiten. Zum Ansetzen glasierter Fliesen darf kein Mörtel verwendet werden, in dem Sulfide enthalten sind, weil sonst sehr leicht hässliche Verfärbungen auftreten können (Glasur oft bleihaltig, Bildung von schwarzem Bleisulfid). Hochofenzement und Schlackensande sind deshalb nicht zu verwenden. Fugen sind mit Zementbrei ausfüllen. Nach dem Verlegen wird der Boden gereinigt und mit Nadelholzsägemehl abgerieben.
544
8 Keramische Baustoffe
Dünnbett-Verfahren
Hydraulische Dünnbett-Mörtel bestehen aus Zement und Sand zu etwa gleichen Teilen und 1 bis 2 M.-% Kunststoffzusatz, der den frischen Mörtel geschmeidiger macht und vorzeitiges Austrocknen verhindert. Das Dünnbett hat nur eine Dicke von 2 bis 4 mm, so dass ein ebener Untergrund sowie ebenflächige Platten von gleichmäßiger Dicke vorhanden sein müssen. Die Art des Mörtels muss sich nach der Art des Untergrundes richten. Der Dünnbettmörtel wird mit einem Kammspachtel auf den Untergrund (Boden- oder Wandfläche) oder auf die Rückseite der Fliesen aufgetragen. Durch Anpressen, Anklopfen oder Zurechtschieben werden die Fliesen unter Druck mit dem Untergrund fest verbunden. Bei Feinsteinzeugfliesen wird wegen der geringen Wasseraufnahme bei zementgebundenen Dünnbettmörteln nur eine geringe Verbundhaftung erzielt; deshalb sollten hier kunststoffvergütete Kleber oder Kunstharzkleber eingesetzt werden. Kleber auf der Basis Epoxidharz sind frost- und wasserbeständig, Kleber auf Polyurethanbasis sind elastischer, aber nicht in allen Fällen frost- und wasserbeständig. Auch Dispersionskleber können eingesetzt werden; da diese jedoch nicht frost- und wasserbeständig sind, ist ihr Einsatz nur im Innenbereich zulässig.
8.6 Sonstige keramische Erzeugnisse 8.6.1 Schornsteinziegel Radialziegel für freistehende Schornsteine sind in DIN 1057-1 genormt. Die jeweiligen für die verschiedenen Schornsteinhalbmesser geeigneten Formate werden in drei unterschiedlichen, durch entsprechende Kerbung gekennzeichneten Größen hergestellt. Die Ziegel müssen frostbeständig sein. Sie werden als Vollziegel mit oder ohne Lochung mit einer Druckfestigkeit von 12 N/mm2 und einer Rohdichte von 1,8 kg/dm3 hergestellt. Ansonsten müssen sie die für Mauerziegel in DIN 105 festgelegten Eigenschaften aufweisen.
8.6.2 Kanalklinker Kanalklinker (DIN 4051) werden bei der Herstellung von Abwasserschächten und -kanälen verwendet. Sie werden im Allgemeinen ungelocht hergestellt (Lochung bis zu 10 % der Lagerfläche ist zugelassen). Durch die Verwendung von Keilklinkern ist es möglich, eiförmige Profile ohne klaffende Fugen zu mauern. Kanalschachtklinker werden für runde Einstiegsschächte verwendet. Kanalklinker werden in folgenden Formen hergestellt: Kanalklinker Normalformat (NF K) – allseitig rechteckig Kanalkeilklinker A für Kopfgewölbe Kanalkeilklinker B für Sohlgewölbe Kanalschachtklinker C
8.6 Sonstige keramische Erzeugnisse
545
Die Scherbenrohdichte der Kanalklinker muss 1,9 kg/dm3, die Wasseraufnahme 6 M.-% und die Druckfestigkeit 45 N/mm2 betragen. Sie müssen widerstandsfähig gegen Verschleiß, säure- und frostbeständig sein.
8.6.3 Riemchen, Sparverblender Riemchen und Sparverblender sind dünne Ziegelprodukte, die zur Gestaltung von Außenfassaden, seltener im Innenbereich eingesetzt werden. Sie vermitteln den visuellen Eindruck einer konventionell gemauerten Ziegelverblendung und werden in den üblichen Ziegelformaten (meist DF, NF, vereinzelt auch 2DF) hergestellt. Anwendung finden sie bei einer nachträglichen Vormauerung, insbesondere wenn wenig Platz zur Verfügung steht, z. B. nach Aufbringen einer Wärmedämmung. Ferner bilden sie eine preiswerte Alternative zum Vollstein. Sparverblender sind Verblendsteine mit geringer Dicke (ca. 50 mm). Sie werden aus längs geteilten Vormauerziegeln und Klinkern hergestellt, die – der besseren Spaltbarkeit halber – meist gelocht sind (Bild 8-17). Neben gespaltenen gibt es aber auch geformte Sparverblender.
Bild 8-17 Sparverblender
Riemchen werden in Dicken von ca. 10 bis 20 mm produziert. Da es sich hierbei – wie bei Sparverblendern auch – um grobkeramische Erzeugnisse handelt, sollten bei der Herstellung, Prüfung und Überwachung die Mauerziegelnormen DIN 105 und DIN EN 771-1 Anwendung finden. Es sind aber auch Riemchen auf dem Markt, die den Anforderungen an keramische Spaltplatten (DIN EN 14411) genügen. Bei Auswahl und Bestellung ist deshalb auf die Bezugsnorm hinzuweisen. Die Benennung Riemchen lässt nicht erkennen, dass es sich hierbei um ein gebranntes Ziegeleierzeugnisse handelt, insbesondere nicht, ob es sich um Material mit dichtem oder porösem Scherben handelt. Deshalb ist es zweckmäßiger, von Ziegelriemchen und Klinkerriemchen zu sprechen. Gebäudeecken, Fensterstürzen und –laibungen werden mit Winkelriemchen verkleidet, wodurch – nach anschließender Verfugung – die Fassade nicht mehr von einer konventionell gemauerten Wand zu unterscheiden ist. Zur Herstellung von Winkelriemchen wird entweder die Tonmasse bereits in die gewünschte Winkelform gepresst und anschließend gebrannt, oder die Winkelriemchen werden nachträglich aus ganzen Steinen gesägt. Die Begriffe Sparverblender und Riemchen werden oft als Synonyme verwendet.
546
8 Keramische Baustoffe
8.6.4 Dränrohre Dränrohre nach DIN 1180 sind innen runde Rohre, unglasiert, ohne Muffen, die aus kalkund mergelfreiem Ton auf Strangpressen geformt werden. Die Mindestlängen betragen 333 mm, die Nennweiten liegen zwischen 40 und 300 mm. Dränrohre werden zur Entwässerung von Wiesen, Mooren usw. verwendet.
8.6.5 Drahtziegelgewebe Drahtziegelgewebe sind Drahtnetze (ca. 2 cm Maschenweite) mit aufgepressten kreuzförmigen, durch Brennen verfestigten Tonkörperchen. Sie sind im Handel als Streifen oder Bahnen erhältlich. Drahtziegelgewebe findet Anwendung als Putzträger, z. B. zur feuerbeständigen Ummantelung von Holz und Stahl, für Decken, Treppenuntersichten, Trennwände usw.
8.6.6 Feuerfeste Keramik Als feuerfeste Werkstoffe bezeichnet man Materialien, die in thermischen Prozessen mit Temperatur über 600 °C verwendet werden. Nach DIN 51060 unterscheidet man zwischen feuerbeständigen (< 1500 °C), feuerfesten (> 1500 °C) und hochfeuerfesten (> 1800 °C) Werkstoffen. Feuerfeste Steine werden zum Auskleiden von Öfen, Schornsteinen und Maschinen, zum Bau von Glaswannen, Tiegeln usw. verwendet. Typische Einsatzgebiete sind die Metallproduktion (Roheisen, Stahl, Aluminium), die Zement-, Kalk-, Glas-, Feuerfest-, keramische und chemische Industrie, Energieerzeugung, thermische Abfallbehandlung usw. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden häufig alle feuerfesten Werkstoffe unter dem Begriff „Schamotte“ zusammengefasst. Allerdings gibt es eine große Zahl weiterer feuerfester Werkstoffe, die für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden. Zur Herstellung von Feuerfestmaterialien werden vorwiegend Oxide mit höherem Erweichungspunkt verwendet, z. B. SiO2, Al2O3, MgO, Cr2O3. Je nach Zusammensetzung können Bestandteile des Feuerfestmaterials mit dem Inhalt des Ofens reagieren; deshalb muss bei der Auswahl der Werkstoffe ihr chemischer Charakter (sauer, basisch, kontaktindifferent) berücksichtigt werden. Ebenso ist beim Ofenbau darauf zu achten, dass nur Steine eines chemischen Charakters miteinander vermauert werden. Bei der Herstellung unterscheidet man Trockenpressverfahren, Feuchtpressverfahren, plastische Formgebung und das Gießen von gießfähigem Schlicker mit nachfolgendem Brand. Schamottesteine werden aus feuerfestem Ton und Schamottemehl bei Temperaturen über 1250 °C gebrannt. Schamottemehl wird aus besonders reinem Ton gebrannt, gemahlen und als Magerungsmittel zugegeben. Im Vergleich zu Steinen aus reinem Ton wird dadurch ein Großteil der Brennschwindung vorweggenommen, wodurch der Stein weniger rissanfällig wird. Schamotte ist der meistverwendete feuerfeste Baustoff. Produziert werden Rost-, Ofen-, Futtersteine und Unterlagplatten für Wärmeröhren zum Ausbau von Öfen und Herden. Die weichen, porigen Sorten sind feuerbeständiger, aber weniger säurebeständig als die festen, dichten Sorten. Hochfeuerbeständige Quarzschamottesteine enthalten außerdem Quarzmehl.
8.6 Sonstige keramische Erzeugnisse
547
Durch Erhöhung des Tonerdegehaltes [Al2O3] lässt sich die Erweichungstemperatur heraufsetzen. Tonerdereiche Sillimanitsteine erweichen erst bei 1850 °C. Magnesitsteine werden aus Magnesit [MgCO3] bei über 1500 °C zu MgO gebrannt. Sie sind basisch, hochfeuerbeständig und werden zum Ausfüttern von Schmelzöfen und dergleichen verwendet. Silikasteine bestehen zu mindestens 93 M.-% aus SiO2; zur Herstellung müssen daher chemisch reine tonerdearme Quarzite eingesetzt werden. Die Steine werden bei etwa 1500 °C gebrannt. Unterhalb von 700 °C sind sie wegen der sprunghaften Kristallumwandlung sehr empfindlich gegen schnelles Aufheizen und Abkühlen. Oberhalb 700 °C weisen sie jedoch eine sehr gute Temperaturwechselbeständigkeit auf und können bis 1650 °C verwendet werden. Dinassteine ist die Bezeichnung für mit Ton oder Kalk gebundene kieselsäurereiche Steine, die erstmals aus dem in Südwales anstehenden Dinassandstein hergestellt wurden. Ton-Dinassteine werden aus einem Gemisch von Quarzsand und Ton gebrannt; sie enthalten 80 bis 83 M.-% SiO2 und 17 bis 20 M.-% Al2O3. Bei 1350 °C beginnen sie zu erweichen, oberhalb von 1650 °C schmelzen sie. Kalk-Dinassteine sind sehr kieselsäurereich (96 bis 98 M.-% SiO2) und enthalten 1 bis 2 M.-% Kalk. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 1700 bis 1750 °C.
8.6.7 Steinzeugrohre, -formstücke Die Herstellung der Produkte erfolgt aus Steinzeugtonen in einem Brennprozess, der bis zur Sinterung geführt wird. Das Material zeichnet sich aus durch extreme Widerstandsfähigkeit gegen chemischen Angriff, hohe Festigkeit und hohe Dichtheit. Die durch Zugabe von Flussmitteln aufgebrachte Spat- oder Salzglasur ist eine Oberflächenvergütung, durch die die hydraulische Leistung und die Verschleißfestigkeit noch gesteigert werden. Steinzeugrohre und Formstücke für die Kanalisation einschließlich Rohrverbindungen sind in DIN EN 295 genormt. Für die Werke des Fachverbandes Steinzeugindustrie ist die Werknorm WN 295 maßgebend, die zum Teil deutlich höhere Anforderungen als EN 295 stellt. Produkte, die diese Anforderungen erfüllen, werden mit dem Qualitätszeichen DINplus (Bild 8-18) gekennzeichnet.
Bild 8-18 Qualitätszeichen DINplus
Die Nennweiten DN von Steinzeugrohren liegen zwischen 100 mm und 1400 mm; die bevorzugten Baulängen sind in Abhängigkeit von den Nennweiten gestaffelt. Für die Tragfähigkeit wurden neben der Klasse L (leichte Klasse) die Tragfähigkeitsklassen 95, 120, 160, 200 usw.
548
8 Keramische Baustoffe
(weitere Stufen um jeweils 40 höher) festgelegt. Für Rohre ab DN 200 wird die Scheiteldruckkraft FN (in kN/m) folgendermaßen bestimmt: FN = Tragfähigkeitsklasse × Nennweite / 1000 [kN/m]
(8.3)
Im Bereich der Nennweiten zwischen 200 und 800 mm wird zwischen Produkten der Normallastreihe N und der Hochlastreihe H unterschieden; letztere liegen um mindestens eine, meist zwei Tragfähigkeitsklassen über der N-Reihe. Die Dichtungen zwischen den Rohren müssen neben der Dichtheit auch eine ausreichend große Abwinkelbarkeit und Scherlastbeständigkeit aufweisen. Außerdem werden chemische, biologische sowie Alterungsbeständigkeit gefordert. Eine ausreichende Temperaturdauerbeständigkeit ist bei +45 °C, die Temperaturwechselbeständigkeit zwischen –10 °C und +70 °C nachzuweisen. Absätze in der Fließsohle benachbarter Rohre und Formstücke dürfen folgende Werte nicht überschreiten: 5 mm bis einschließlich DN 300, 6 mm über DN 300 bis einschließlich DN 600, 1 % der Nennweite in mm bei über DN 600. Wegen der hohen Anforderungen, die an Dichtungen zu stellen sind, werden alle Rohre und Formstücke mit werkseitig vorgefertigten Verbindungen ausgeliefert. Nach DIN EN 295 werden die Verbindungssysteme A bis G unterschieden, wobei jedoch in der Praxis parallel die Steckmuffenbezeichnungen der alten DIN 1230 verwendet werden. In Bild 8-19 sind folgende Systeme dargestellt: Steckmuffe L (Verbindungssystem F): Lippendichtung aus einem Kautschuk-ElastomerProfilring mit Stahlringeinlage zur Zentrierung des Spitzendes, Anwendung bei Nennweiten DN 100 bis DN 200; Steckmuffe K (Verbindungssystem C): Kompressionsdichtung, bestehend aus einem Ausgleichselement in der Muffe (Polyurethan-hart) und einem Dichtelement am Spitzende (Polyurethan-weich), Anwendung bei Nennweiten DN 200 bis DN 1000; Steckmuffe S (Verbindungssystem C): Kautschuk-Elastomer-Dichtung am Spitzende, bei gleicher Nennweite und Tragfähigkeitsklasse mit Rohren mit Steckmuffe K kompatibel, Anwendung bei Nennweiten DN 250 bis DN 600. Neben Steinzeugrohren sind auf dem Markt eine große Anzahl verschiedener Formstücke erhältlich, wie z. B.: Bögen (bevorzugte Winkel: 11,25°; 15°; 22,5°; 30°; 45°; 90°); Abzweige (bevorzugte Winkel: 45°; 90° – siehe Bild 8-20); Gelenkstücke, Übergänge, Abschlusselemente, Verschlussteller usw. Außerdem werden für Sonderzwecke folgende Spezialrohre angeboten: Drän- und Versickerungsrohre, gelocht oder geschlitzt; Vortriebsrohre für die geschlossene Bauweise; Steinzeug-Stahlbeton-Verbundrohre (Vortriebsrohre); Reliningrohre.
8.6 Sonstige keramische Erzeugnisse
Bild 8-19 Ausbildung von Steckmuffen
Bild 8-20 Abzweige
549
550
8 Keramische Baustoffe
8.6.8 Pflasterziegel Pflasterziegel sind in DIN EN 1344 genormt; es handelt sich hierbei um rechtwinklig und nicht rechtwinklig geformte Bauprodukte, die vorwiegend in Außenbereichen angewendet werden, aber auch in Innenbereichen verwendet werden können. Pflasterziegel werden entweder ungebunden (mit schmalen sandgefüllten Fugen auf einem Sandbett) oder gebunden (mit Zementmörtelfugen auf gebundenem Untergrund im Zementmörtelbett) verlegt. Pflasterziegel müssen so geformt sein, dass sie in einem sich wiederholenden Muster verlegt werden können; dazu sind gegebenenfalls speziell geformte Ergänzungsziegel erforderlich. An den Kanten dürfen sie mit einer Fase versehen sein. Sofern sie zum Verlegen im ungebundenen Sandbett vorgesehen sind, dürfen sie an den Seiten, die senkrecht in einer Pflasterfläche liegen, mit Abstandhaltern versehen sein. Erfüllen die Ziegel zusätzliche Anforderungen an die Scherbenrohdichte ( 2,0 kg/dm3) und die Wasseraufnahme ( 6 M.-%) werden sie als Pflasterklinker nach DIN 18503 eingestuft.
8.7 Fachliteratur 8.7.1 Normen, Richtlinien Norm
Ausgabe
Titel
DIN 105-5
1984-05
Mauerziegel – Teil 5: Leichtlanglochziegel und Leichtlangloch-Ziegelplatten
DIN V 105-6
2002-06
Mauerziegel – Teil 6: Planziegel
DIN V 105-100
2005-10
Mauerziegel – Teil 100: Mauerziegel mit besonderen Eigenschaften
DIN 278
1978-09
Tonhohlplatten (Hourdis) und Hohlziegel – statisch beansprucht
DIN 1045-100
2005-02
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 100: Ziegeldecken
DIN 1053-4
2009-12
Mauerwerk – Teil 4: Fertigbauteile
DIN 1057-1
1985-07
Baustoffe für freistehende Schornsteine – Teil 1: Radialziegel
DIN 1089-1
1995-02
Feuerfeste Werkstoffe für Koksöfen – Teil 1: Silikasteine – Anforderungen und Prüfung
DIN 1089-2
1995-02
Feuerfeste Werkstoffe für Koksöfen – Teil 2: Schamottesteine – Anforderungen und Prüfung
DIN 1089-3
1990-10
Feuerfeste Werkstoffe für Koksöfen – Teil 3: Mörtel für Silika- und Schamottesteine – Anforderungen und Prüfung
DIN 1180
1971-11
Dränrohre aus Ton – Maße, Anforderungen, Prüfung
551
8.7 Fachliteratur
DIN 4051
2002-04
Kanalklinker – Anforderungen, Prüfung, Überwachung
DIN 4159
1999-10
Ziegel für Decken und Vergusstafeln – statisch mitwirkend
DIN 4159 Ber1
2000-06
Berichtigung 1 zu DIN 4159:1999-10
DIN 4160
2000-04
Ziegel für Decken – statisch nicht mitwirkend
DIN 18157-1
1979-07
Ausführung keramischer Bekleidungen im Dünnbettverfahren – Teil 1: Hydraulisch erhärtende Dünnbettmörtel
DIN 18157-2
1982-10
Ausführung keramischer Bekleidungen im Dünnbettverfahren – Teil 2: Dispersionsklebstoffe
DIN 18157-3
1986-04
Ausführung keramischer Bekleidungen im Dünnbettverfahren – Teil 3: Epoxidharzklebstoffe
DIN 18158
1986-09
Bodenklinkerplatten
DIN 18352
2010-04
VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Fliesen- und Plattenarbeiten
DIN 18503
2003-12
Pflasterklinker – Anforderungen und Prüfverfahren
DIN 18515-1
1998-08
Außenwandbekleidungen – Teil 1: Angemörtelte Fliesen oder Platten – Grundsätze für Planung und Ausführung
DIN 18902
1986-06
Steinzeugteile für den Stallbau – Schalen, Platten, Tröge – Maße, Anforderungen, Prüfung
DIN V 20000-401
2005-06
Anwendung von Bauprodukten in Bauwerken – Teil 401: Regeln für die Verwendung von Mauerziegeln nach DIN EN 771-1
DIN 51060
2000-06
Feuerfeste keramische Rohstoffe und feuerfeste Erzeugnisse – Definition der Begriffe feuerfest, hochfeuerfest
DIN 51094
1996-09
Keramische Fliesen und Platten – Prüfung der Lichtechtheit der Färbungen von keramischen Fliesen und Platten für Wand- und Bodenbeläge
DIN EN 295-1
1999-05
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 1: Anforderungen
DIN EN 295-2
1999-05
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 2: Güteüberwachung und Probenahme
DIN EN 295-3
1999-02
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 3: Prüfverfahren
DIN EN 295-4
1995-05
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 4: Anforderungen an Sonderformstücke, Übergangsbauteile und Zubehörteile
552
8 Keramische Baustoffe
DIN EN 295-5
1999-03
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 5: Anforderungen an gelochte Rohre und Formstücke
DIN EN 295-6
1995-12
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 6: Anforderungen für Steinzeugschächte
DIN EN 295-7
1995-12
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 7: Anforderungen an Steinzeugrohre und Verbindungen beim Rohrvortrieb
DIN EN 295-10
2005-05
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle – Teil 10: Leistungsanforderungen
DIN EN 295 Bbl1
2000-02
Steinzeugrohre und Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserkanäle und -leitungen – Beiblatt 1: Verzeichnis der Normen und anderen Unterlagen
DIN EN 771-1
2005-05
Festlegungen für Mauersteine – Teil 1: Mauerziegel
DIN EN 1344
2002-07
Pflasterziegel – Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 1457
2003-04
Abgasanlagen – Keramik-Innenrohre – Anforderungen und Prüfungen
DIN EN 1745
2002-08
Mauerwerk und Mauerwerksprodukte – Verfahren zur Ermittlung von Wärmeschutzrechenwerten
DIN EN 14411
2007-03
Keramische Fliesen und Platten – Begriffe, Klassifizierung, Gütemerkmale und Kennzeichnung
DIN EN 14411 Ber1
2007-07
Berichtigung 1 zu DIN EN 14411:2007-03
E DIN EN 15037-3
2008-08
Betonfertigteile – Balken mit Zwischenbauteilen – Teil 3: Keramische Zwischenbauteile
DIN EN ISO 10545-1 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 1: Probenahme und Grundlagen für die Annahme
DIN EN ISO 10545-2 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 2: Bestimmung der Maße und der Oberflächenbeschaffenheit
DIN EN ISO 10545-3 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 3: Bestimmung von Wasseraufnahme, offener Porosität, scheinbarer relativer Dichte und Rohdichte
DIN EN ISO 10545-4 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 4: Bestimmung der Biegefestigkeit und der Bruchlast
DIN EN ISO 10545-5 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 5: Bestimmung der Schlagfestigkeit durch Messung des Rückprallkoeffizienten
553
8.7 Fachliteratur
DIN EN ISO 10545-6 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 6: Bestimmung des Widerstandes gegen Tiefenverschleiß – Unglasierte Fliesen und Platten
DIN EN ISO 10545-7 1999-03
Keramische Fliesen und Platten – Teil 7: Bestimmung des Widerstandes gegen Oberflächenverschleiß – Glasierte Fliesen und Platten
DIN EN ISO 10545-8 1996-09
Keramische Fliesen und Platten – Teil 8: Bestimmung der linearen thermischen Dehnung
DIN EN ISO 10545-9 1996-09
Keramische Fliesen und Platten – Teil 9: Bestimmung der Temperaturwechselbeständigkeit
DIN EN ISO 10545-10 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 10: Bestimmung der Feuchtigkeitsdehnung
DIN EN ISO 10545-11 1996-09
Keramische Fliesen und Platten – Teil 11: Bestimmung der Widerstandsfähigkeit gegen Glasurrisse – Glasierte Fliesen und Platten
DIN EN ISO 10545-12 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 12: Bestimmung der Frostbeständigkeit
DIN EN ISO 10545-13 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 13: Bestimmung der chemischen Beständigkeit
DIN EN ISO 10545-14 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 14: Bestimmung der Beständigkeit gegen Fleckenbildner
DIN EN ISO 10545-15 1997-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 15: Bestimmung der Abgabe von Blei und Cadmium – Glasierte Fliesen und Platten
DIN EN ISO 10545-16 2000-12
Keramische Fliesen und Platten – Teil 16: Bestimmung kleiner Farbabweichungen
8.7.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [8.1]
[8.2] [8.3] [8.4] [8.5]
Schneider, K.-J.; Schubert, P.; Wormuth, R.: Mauerwerksbau – Gestaltung, Baustoffe, Konstruktion, Berechnung, Ausführung, 6. Auflage. Düsseldorf: Werner-Verlag 1999 Telle, R. (Hrsg.): Salmang Scholze Keramik.,7. Auflage. Berlin; Heidelberg: Springer 2007 Routschka, G.; Wuthnow, H. (Hrsg.): Feuerfeste Werkstoffe – Aufbau, Eigenschaften, Prüfungen, 4. Auflage Essen: Vulkan-Verlag 2007 Richter, H. W.: Instandsetzung von Rohrleitungen, Band 2: Sanierung von Abwasserleitungen und -kanälen. Essen: Vulkan-Verlag 2006 Hornbogen, E.; Eggeler, G.; Werner, E.: Werkstoffe – Aufbau und Eigenschaften von Keramik-, Metall-, Polymer- und Verbundwerkstoffen, 9. Auflage. Berlin; Heidelberg: Springer 2008
554
8 Keramische Baustoffe
8.7.3 Internet-Adressen www.ziegel.de
Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V.
www.fliesenverband.de
Industrieverband Keramische Fliesen und Platten e.V.
9 Glas
9.1 Allgemeines Auf Grund seiner Transparenz hat sich Glas zu einem wesentlichen Bestandteil zeitgenössischer Architektur entwickelt. In seinen Eigenschaften ist Glas als Werkstoff schon länger bekannt und genormt. Die Produkt- und Anwendungsmöglichkeiten von Glas sind äußerst vielfältig, nicht nur auf baupraktische Belange beschränkt und werden weiter zunehmen. Allerdings wird an dieser Stelle der Werkstoff Glas nur mit Bezug zum Bauwesen erläutert. Dazu gehören die Flachglasprodukte der Gebäudehüllen, Glasfasern als Verstärkungsmaterial für Baustoffe geringer Zugfestigkeiten und Dämmstoffe auf Glasbasis (Glaswolle und Schaumglas). Im Folgenden werden die Basisprodukte des Werkstoffes Glas hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften, sowie ihrer Veredelung und Fügung erläutert. Ausführung und konstruktive, anwendungsbezogene Durchbildung werden nicht behandelt. Dazu sei auf entsprechende Fachliteratur verwiesen [9.05 – 9.09, 9.21, 9.23].
9.1.1 Definition des Werkstoffes Glas Eine erste Definition des Werkstoffes Glas hatte TAMMANN (1861–1938) geliefert: „Der Glaszustand ist der eingefrorene Zustand einer unterkühlten Flüssigkeit, die ohne zu kristallisieren erstarrt ist.“ Nach der heute gebräuchlichen nationalen Norm DIN 1259-1 verankerten Definition ist Glas ein „anorganisches nichtmetallisches Material, das durch völliges Aufschmelzen einer Mischung von Rohmaterialien bei hohen Temperaturen erhalten wird, wobei eine homogene Flüssigkeit entsteht, die dann bis zum festen Zustand abgekühlt wird, üblicherweise ohne Kristallisation.“
9.1.2 Zusammensetzung und struktureller Aufbau 9.1.2.1 Zusammensetzung
Glas ist chemisch gesehen ein anorganischer, nichtmetallischer Werkstoff. Die wesentlichen Bestandteile sind neben Siliziumoxid (SiO2) verschiedene Alkalien wie Natriumoxid (Na2O) und Kaliumoxid (K2O), Erdalkalien wie Calciumoxid (CaO) und Magnesiumoxid (MgO) sowie Aluminiumoxid (Al2O3) beziehungsweise Tonerde (Na2O·11 Al2O3) [9.07, 9.11]. Die Alkalien bewirken eine Herabsetzung der Schmelztemperatur von reinem Siliziumoxid (Kieselerde). Allerdings wird durch die Zugabe von Alkalioxiden das Glas zu chemisch unbeständigem und wasserlöslichen Wasserglas (Na2SiO3). Durch die Beimischung von Erdalkalioxiden steigt die chemische Beständigkeit wieder an [9.10].
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
556
9 Glas
Nahezu alle Flachgläser im Bauwesen bestehen aus einem Kalk-Natron-Silikat-Gemisch. Für die Massenanteile der verschiedenen Bestandstoffe sind in der DIN EN 572-1 Prozentbereiche angegeben. In Ergänzung dazu sind die Massenanteile für Borosilikatglas als spezielles Basiserzeugnis nach DIN EN 1748-1-1 als häufig verwendetes Glasprodukt mit aufgeführt. Erdalkali-Silikatgläser nach DIN EN 14178 besitzen keine breite Verwendung im Bauwesen und werden nur der Vollständigkeit halber ebenfalls aufgelistet. Tabelle 9.1 Chemische Zusammensetzung von Silikatgläsern Bestandteil
Kalk-Natron-Silikatglas DIN EN 572-1
Borosilikatglas DIN EN 1748-1-1
Erdalkali-Silikatglas DIN EN 14178-1
SiO2
69 % – 74 %
70 % – 87 %
55 % – 70 %
CaO
05 % – 14 %
05 % – 14 %
03 % – 12 %
B2O3 / SrO
05 % – 14 %
07 % – 15 %
01 % – 15 %
Na2O / K2O
10 % – 16 %
00 % – 08 %
05 % – 14 %
MgO
00 % – 06 %
05 % – 14 %
05 % – 14 %
Al2O3
00 % – 03 %
00 % – 08 %
00 % – 15 %
ZrO2
05 % – 14 %
05 % – 14 %
00 % – 08 %
Weitere Bestandteile kommen in handelsüblichem Bauglas nur in Mindermengen vor, beeinflussen jedoch die mechanischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften des Glases. Durch eine entsprechende Beigabe dieser Substanzen können verschiedene Funktionen wie Absorption und Färbung gezielt verändert werden. Tabelle 9.2 Bestandteile in Mindermengen und ihre Auswirkungen [9.07] Bestandteil
Chemisches Zeichen Auswirkung
Bortrioxid
B2O3
Höhere Temperaturwechselbeständigkeit
Aluminiumoxid
Al2O3
Erhöhte Bruchfestigkeit
Magnesiumoxid
MgO
Erhöhter Widerstand gegen atmosphärische Einwirkungen
Zinkoxid
ZnO
Flussmittel zur Herabsetzung der Schmelztemperatur
Bleioxid
PbO
Erhöhung des Brechungsindex
Bariumoxid
BaO
Cer
Erhöhung des Brechungsindex / Strahlungsabsorption
Ce
UV- und Infrarotfilter / Enttrübungsmittel
Kupfer
Cu2+
Chrom
3+
Cr / Cr
Mangan / Titan
Mn3+ / Ti3+
Färbung violett
Eisen
Fe2+ / Fe3+
Färbung blau-grün / gelb-braun
Kobalt Vanadium
2+
Färbung schwach blau 6+
3+
Co / Co V3+
Färbung grün / gelb
Färbung intensiv blau / grün Färbung grün, braun
557
9.1 Allgemeines
Zur Herabsetzung der Schmelztemperatur werden dem Ausgangsgemisch (Gemenge) recycelte Glasscherben hinzugefügt. Der Anteil der Scherben in der Schmelze für Flachglas beträgt etwa 20 %. Bei Glasfasern hängt die Glasart von dem jeweiligen Einsatz ab. Die Einteilung ist in DIN 1259-1 definiert. Tabelle 9.3 Glasfasern und ihre Anwendungen [9.18], DIN 1259-1 Faserart
Glasart
Nutzung und Auswirkung
E-Glas
AlumoBorosilikat
Standardfaser für elektrische Anwendungen und für Verstärkungen, etwa 90 % Anteil aller Anwendungen
A-Glas
Wie C-Glas
Faser für Spezialanwendungen
S-Glas
Alumosilikat
Erhöhte Festigkeit (S = Strength, USA), erhöhter Anteil an SiO2, MgO, Al2O3
R-Glas
Alumosilikat
Erhöhte Festigkeit (R = Resistance, Europa), sonst wie S-Glas
C-Glas
AlkaliKalksilikat
Erhöhung der chemischen Beständigkeit (C = Corrosion), höherer Anteil an B2O3 gegenüber A-Glas
ECR-Glas
AlumoKalksilikat
Sehr hohe chemische Beständigkeit (ECR = E-Glass-CorrosionResistance)
D-Glas
Borosilikat
Niedriger dielektrischer Verlustfaktor (D = Dielectric), hoher Anteil an B2O3
AR-Glas
NatriumZirkonsilikat
Alkali-resistente Betonfaser (AR = Alkaline-Resistance) durch Zugabe von Zirkoniumoxid (ZrO2)
M-Glas
Erhöhte Steifigkeit (M = Modulus), Zugabe von Berylliumoxid (BeO)
Die Gemengestoffe und prozentuale Massenverteilung von Glasfasern weichen von denen der üblichen Flachglasprodukte auf Grund der verschiedenartigen Anwendungsgebiete ab. Die Zusammensetzung wird auf die gewünschten mechanischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften des jeweiligen Einsatzzweckes abgestimmt. Tabelle 9.4 Chemische Zusammensetzung von Glasfasern [9.11, 9.18] Bestandteil
E-Glas
A-Glas
R/S-Glas
C-Glas
ECR-Glas
AR-Glas
SiO2
54 %
65 % – 72 %
60 %
60 % – 65 %
69 % – 74 %
54 %
CaO
–
8 % – 10 %
14 %
14 %
21 %
5%–9%
B2O3
16 % – 9 %
0%–1%
<1%
05 % –
7 % – 15 %
< 0,5 %
<1%
10 % – 14 %
<1%
02 % – 07 %
< 0,1 %
12 % – 15 %
Na2O / K2O MgO
20 % – 24 %
1%–3%
3%
01 % – 03 %
5%
1 % – 04 %
Al2O3
14 % – 15 %
1%–3%
25 %
02 % – 16 %
12 % – 13 %
5 % – 14 %
ZrO2
–
–
–
–
–
17 %
558
9 Glas
9.1.2.2 Struktureller Aufbau
Das geschmolzene Gemenge kühlt ohne Bildung einer Kristallstruktur ab. Es entsteht ein räumliches, zufallsbedingtes Netzwerk [9.11]. Der tatsächliche molekulare Aufbau ist wegen der fehlenden Kristallstruktur nicht vollständig geklärt, allerdings ist das Modell von ZACHARIASEN (1932) das heute noch gebräuchliche. Danach besteht die Mikrostruktur aus einem unregelmäßigen System von SiO4-Baugruppen (Netzwerkbildner), das zusätzlich durch die Einlagerung von Fremdatomen wie Natrium oder Magnesium (Netzwerkwandler) aufgelockert wird [9.10]. Die Zusammensetzung des Glases ist stöchiometrisch nicht zu beschreiben. Näherungsweise kann der chemische Aufbau mit Na2O · CaO · 6 SiO2 angegeben werden [9.06, 9.11]. Das Fehlen dieser Kristallstruktur ist ursächlich für die Transparenz des Glases. Da Glas diese räumlich unstrukturierte und amorphe Struktur aufweist, sind die physikalischen Eigenschaften richtungsunabhängig. Diese Isotropie ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass in einer hinreichend großen Untersuchungsfläche alle Eigenschaften statistisch gleich verteilt sind [9.11]. Si
O
Na
a) kristallines SiO2 a) regelmäßiges Kristallgitter a) nicht transparent
b) Kieselglas SiO2
c) Alkali-Silikatglas a) räumlich unstrukturiert a) transparent
Bild 9-1 Molekulare Glasstruktur [9.11]
Diese Unregelmäßigkeit im Mikroskopischen erklärt die kontinuierlich abnehmende Viskosität bei Temperaturerhöhung im Gegensatz zum Phasensprung bei reinen Kristallen. Der Übergang vom linear-elastischen in den visko-plastischen Bereich verläuft bei Glas kontinuierlich in einem Temperaturbereich, dem so genannten Transformationsbereich. Bei reinen Kristallen sind alle atomaren Bindungen auf Grund der Regelmäßigkeit annähernd gleich stark, das heißt bei einem bestimmten Energieniveau werden alle atomaren Bindungen nahezu gleichzeitig gelöst. In unregelmäßigen Systemen herrschen unterschiedlich starke Bindungskräfte zwischen den Baugruppen, die bei verschiedenen Energiebeträgen aufgespalten werden. Für Glas kann daher keine bestimmte Schmelztemperatur definiert werden. Aus Bild 9-2 ist die kontinuierliche Volumenzunahme gegenüber der sprunghaften Zustandsänderung bei Kristallen ersichtlich. Als Anhaltswert wird die Temperatur der Schmelze bei einer bestimmten Viskosität als Transformationstemperatur angegeben, die im Bereich von 1012
559
9.1 Allgemeines
bis 1013,5 Pa · s bei etwa 520 °C bis 550 °C liegt [9.11]. Ab dieser Grenze ist die Viskosität so hoch, dass sich andere Gleichgewichtszustände in der Struktur nicht mehr einstellen können. Diese Eigenschaft ist wesentlich für die Herstellung von thermisch vorgespanntem Glas.
Schmelze
Volumen
unterkühlte Schmelze
TUmw: Umwandlungstemperatur Tg m : Transformationstemperatur TSchm: Schmelztemperatur
β-Mod.
Glas α-Mod. Kristall TUmw
Tg
TSchm
Temperatur Bild 9-2 Volumenzunahme von Glas bei Temperaturerhöhung [9.11]
9.1.3 Glasprodukte Die Einteilung von Glasprodukten kann nach dem Herstellungsverfahren, der Geometrie oder nach der Anwendung vorgenommen werden [9.11]. Nach DIN EN 572 werden folgende Basisprodukte nach dem Herstellungsverfahren unterschieden. Tabelle 9.5 Basisprodukte Basisprodukt
Kennzeichen
1, 4
Floatglas
DIN EN 572-2 2, 4
Gezogenes Flachglas
plan, durchsichtig, klar/gefärbt
Poliertes Drahtglas3, 4 Ornamentglas3, 4 Drahtornamentglas
3, 4
Profilbauglas mit und ohne Drahtnetz3 1
DIN EN 572-4 DIN EN 572-3
plan, durchscheinend, klar/gefärbt profiliert, durchscheinend, klar/gefärbt
Hergestellt mit dem Floatverfahren. Hergestellt mit dem Ziehverfahren, veraltet. 3 Hergestellt mit dem Gussverfahren. 4 Basisprodukte auch aus Borosilikatglas nach DIN EN 1748-1. 2
Norm
DIN EN 572-5 DIN EN 572-6 DIN EN 572-7
560
9 Glas
Das folgende Diagramm zeigt die Basisprodukte des Glases in seiner ersten Verarbeitungsstufe mit dem zugehörigen Fertigungsprozess.
Floatverfahren
Ziehen
Flachglas
Profilbauglas
Flachglas (veraltet)
Bild 9-3 Glasherstellung und Basisprodukte
Aus den verschiedenen Basisprodukten können durch anschließende Veredelung, Fügung und Kombination mit anderen Gläsern und Stoffen weitere Glasprodukte mit definierten Eigenschaften hergestellt werden. Exemplarisch ist dieses für Floatglas dargestellt.
Emaillieren
VG / VSG
MIG
Beschichten
Funktionsgläser
Bild 9-4 Veredelung von Floatglas und Endprodukte
Glasfasern werden disziplinübergreifend mit entsprechenden Modifikationen in verschiedenen Industriezweigen verwendet. Die Standardanwendung mit etwa 90 % Anteil ist das E-Glas mit Einsatzgebieten in der Elektro- und Kunststoffindustrie. Durch Zuschläge in
561
9.1 Allgemeines
der Schmelze werden bestimmte Eigenschaften dem jeweiligen Einsatzzweck angepasst. So wird das AR-Glas wegen seiner erhöhten Alkali-Resistenz durch Zirkoniumoxid (ZrO2) als Faser im Betonbau verwendet.
Elektrotechnik
Bauwesen
Leiter / Schaltungen
Verstärkung
Verstärkung
Bild 9-5 Glasfasern und ihre Einsatzbereiche
Speziell zur Verstärkung von Kunststoff- und Betonbauteilen werden neben kurzen und langen Fasern als Garne Rovings, Matten, Gewebe und Gelege verwendet. Die Weiterverarbeitung der Glasfilamente (Einzelfäden) erfolgt mit den in der Textilindustrie üblichen Verfahren.
Weben und Legen
Garn
Matten
Verdrehen gegenläufig
Zwirn
Bild 9-6 Glasfilamente und ihre Weiterverarbeitung
Stricken / Vermaschung
Gestricke / Gewirke
562
9 Glas
9.2 Glaseigenschaften 9.2.1 Allgemeine Eigenschaften Grundsätzliche physikalische und mechanische Eigenschaften verschiedener Flachglasprodukte für den Einsatz im Bauwesen sind in den jeweiligen Basisnormen geregelt. Dabei unterscheidet sich der Umfang der geregelten Eigenschaften in der DIN EN 572-1, der DIN EN 1748-1 und der DIN EN 14178-1 nicht. Die entsprechenden Eigenschaften sind nachfolgend aufgeführt. Tabelle 9.6 Eigenschaften verschiedener Basisgläser nach Normung Eigenschaft
Dichte ρ
Einheit
Kalk-Natronglas DIN EN 572-1
Borosilikatglas DIN EN 1748-1
ErdalkaliSilikatglas DIN EN 14178
kg/m3
2500
2200 – 2500
2700
N/mm
2
6000
4500 – 6000
5000 – 6000
N/mm
2
70 000
60 000 – 70 000
77 000
–
0,20
0,20
0,20
Charakteristische Biegezugfestigkeit fg,k
N/mm2
45
45
45
Spezifische Wärmekapazität c
J/(kgK)
720
800
700
Mittlerer thermischer Ausdehnungskoeffizient α (20 °C bis 300 °C)
K-1
9,010–6
3,1 – 6,010–6
8,010–6
Temperaturwechselbeständigkeit (TWB)
K
40
80
40
Wärmeleitfähigkeit λ
W/(mK)
1,00
1,00
0,80 – 1,10
Brechungsindex n
–
1,50
1,50
1,50
Emissivität ε
–
0,837
0,837
0,837
Härte (Knoop) HK0,1/20 Elastizitätsmodul E Poissonzahl μ
Die optischen Eigenschaften sind in Anwendungsnormen wie DIN EN 410 oder DIN EN 673 geregelt. Diese Kennwerte werden durch Messung oder Berechnung aus den Basisgläsern oder veredelten Produkten gewonnen und sind dem jeweiligen Einsatzgebiet und -zweck angepasst. Für Glasfasern und deren Produkte wie Glaswolle werden andere Schwerpunkte auf die allgemeinen Eigenschaften als für Flachglas gelegt. Optische Eigenschaften sind dort irrelevant. Vielmehr sind dann mechanische und thermische Eigenschaften ausschlaggebend.
563
9.2 Glaseigenschaften
9.2.2 Viskosität Eine wesentliche Eigenschaft zur Beschreibung des Glasverhaltens ist die Viskosität. Bei Zimmertemperatur beträgt die Viskosität des Glases etwa η = 1018 Pa · s und entspricht somit einem spröden Körper [9.12]. Wie bei den meisten Stoffen ist die Viskosität stark temperaturabhängig. Die Viskosität erlaubt eine Beschreibung und Erklärung der Bildung des Glaszustandes als unterkühlte Flüssigkeit. In einer Schmelze sind bei einer bestimmten Temperatur nicht alle Bindungen der Zuschläge aufgebrochen, sondern nur ein gewisser Teil. Die Bewegungsmöglichkeiten der Bruchstücke und somit die Viskosität sind eingeschränkt. Bei einer weiteren Temperaturerhöhung steigt die thermische Energie in der Schmelze, und weitere Bindungen werden unter Zunahme der Beweglichkeit der Teilchen untereinander aufgebrochen. Im umgekehrten Fall der Abkühlung sinkt die thermische Energie, und es kommt zur Neubildung der Bindungen. Zur Kristallisation des Stoffes müssen in der Schmelze entsprechend ausgeprägte Komponenten vorliegen. Im geschmolzenen Glas liegen diese in Form von SiO4Tetraedern vor. Allerdings ist durch das kontinuierliche Öffnen und Schließen der Bindungen die Lage und Orientierung solcher Verknüpfungen einem ständigen Wechsel unterworfen. Erst bei Bildung einer symmetrischen und geordneten Anordnung der Komponenten kann die Kristallisation an solchen Keimen einsetzen. Die Bildung der Kristallisationskeime ist zeitabhängig. Bei ausreichend langen Abkühlphasen und -zeiträumen wird die Schmelze in einem regelmäßigen und symmetrischen Aufbau kristallisieren. Bei kurzen Abkühlphasen nimmt die Bewegungsmöglichkeit der einzelnen Komponenten dafür zu schnell ab. Eine geregelte Anordnung findet bei Bildung willkürlicher Verknüpfungen bis zum kompletten Stillstand der Kristallisation nicht mehr statt [9.12]. Ein ungeordneter Zustand wird eingefroren.
Einfrierbereich
1020
Viskosität η [ Pa·s ]
1016
Verarbeitungsbereich
1013,7 1012,2
1012 108
106,6
104 ϑf4
100
Schmelzbereich
0
200
400
ϑf3
ϑf2
Tg 600
ϑf1 800
1000
Temperatur T [ °C ] Bild 9-7 Temperatur-Viskositätsverlauf nach DIN EN ISO 7884-1
103
1200
1400
1600
564
9 Glas
Die T-η-Kurven unterscheiden sich je nach Zusammensetzung der Schmelze. Eine einheitliche Formel zur Beschreibung der Viskosität über den gesamten Temperaturbereich liegt für das Glas nicht vor. Analytische Ansätze gelten nur für Bereiche sehr hoher und sehr geringer Viskosität. Im Zwischenbereich gelten diese Vorschriften nicht mehr. Oberhalb der Transformationstemperatur Tg kann das Verhalten mit einem modifizierten Boltzmann-Ansatz angenähert werden [9.12]: logη = A +
B . ϑ −C
(9.1)
A Konstante in Art einer Viskosität in dPa·s, Größenordnung –100 B Konstante in Art einer Temperatur in °C, Größenordnung 103 C Konstante in Art einer Temperatur in °C, Größenordnung 102
Diese Vogel-Fulcher-Tammann-Gleichung (VFT-Gleichung) ist die Grundlage der Bestimmung der Viskosität einer Glasschmelze nach der DIN EN ISO 7884-1. Die einzelnen Teile der Norm beschreiben die Ermittlung der Viskosität an den verschiedenen Fixpunkten wegen der unterschiedlich erforderlichen Messmethoden in den Temperaturbereichen. Die dort gebräuchliche Einheit ist dPa·s zur Erfassung der alten Einheit Poise (P), im Rahmen dieses Abschnittes wird allerdings die Einheit Pa·s verwendet. Tabelle 9.7 Bestimmung der T-η-Kurve nach DIN EN ISO 7884 Teil
Temperatur
Temperaturbereich
bei Viskosität [ Pa·s ]
DIN EN ISO 7884-2 Verarbeitungstemperatur ϑf1
600 °C – 1600 °C
103,61
DIN EN ISO 7884-5 Verarbeitungstemperatur ϑf1
800 °C – 1200 °C
103,61
DIN EN ISO 7884-6 Erweichungstemperatur ϑf2
370 °C – 1000 °C
106,61
DIN EN ISO 7884-7 Obere Kühltemperatur ϑf3 Untere Kühltemperatur ϑf4
300 °C – .800 °C
1012,2
DIN EN ISO 7884-8 Transformationstemperatur Tg
350 °C – .800 °C
1013,7 1012,3
Die Glasschmelze verhält sich wie eine newtonsche Flüssigkeit. Die Schergeschwindigkeit ist direkt proportional zur Schubspannung. Der Proportionalitätsfaktor ist die Viskosität η. Glas ist nur in einem bestimmten Viskositätsbereich zwischen etwa η = 102 Pa·s und η = 107 Pa·s verarbeitbar. Darunter ist die Temperatur der Schmelze mit T = 1150 °C zur weiteren Verarbeitung zu hoch. Darüber ist der Stoff nicht mehr formbar.
565
9.2 Glaseigenschaften
9.2.3 Festigkeit von Glas
200 ESG TVG Float
120 70 45 1
2
3
240 200
fy,k
100
4 [‰]
Glas - Zug
σ [ N/mm2 ]
σ [ N/mm2 ]
σ [ N/mm2 ]
Glas verhält sich bis zum Erreichen der Bruchdehnung von etwa 0,10 % linear-elastisch. Der Bruch tritt schlagartig ohne Vorankündigung einschnürungsfrei auf. Die Bruchkörper weisen die für spröde Stoffe typischen Ausmuschelungen auf.
1
2
3
200 100 45
4 [‰]
Stahl (S235) - Zug
fc,k 1
2
3
4 [‰]
Beton (C45/55) - Druck
Bild 9-8 Bemessungs-Spannungs-Dehnungs-Diagramme verschiedener Materialien [9.06]
Auf Grund des Fehlens einer Kristallstruktur kann ein Gleiten verschiedener Ebenen wie beim Stahl nicht auftreten. Bei Beanspruchung oberhalb der Bruchdehnung werden die Bindungen im Glas aufgebrochen. Eine Nachverfestigung mit einer gegenseitigen Blockierung der jeweiligen Kristallebenen an Fehlstellen im Gitter und ein plastisches Verformungsvermögen stellt sich beim Glas nicht ein. Die theoretische Zugfestigkeit lässt sich nach [9.11, 9.22] für Kieselglas an Hand der Molekularbindung wie folgt berechnen.
th = max =
E·γ 0 d0
E
Elastizitätsmodul (70 000 N/mm2)
γ0
freie spezifische Oberflächenenergie (0,30·10–6 N/mm2·m) Ionenabstand (2,00·10–10 m)
d0
(9.2)
Damit ergibt sich für reines Kieselglas (SiO2) eine Festigkeit von 10 000 N/mm2. Auf Grund der Einlagerung von Fremdatomen wird die theoretische Zugfestigkeit auf 8000 bis 6500 N/mm2 herabgesetzt [9.11]. Die tatsächliche Kurzzeitfestigkeit liegt jedoch nur in einem Bereich von 30 bis 100 N/mm2 bei etwa 1 % der theoretischen Festigkeit. Die Ursachen dafür lassen sich mit der Bruchmechanik erklären.
566
9 Glas
Festigkeit σz [ N/mm² ]
theoretische Festigkeit 104
103
102
101
Fehler in der Glasstruktur
Festigkeit von Glasfasern Festigkeit von jungfräulichem und säurepoliertem Glas
Mikrofehler in der Oberfläche
Festigkeit von normalen Glasprodukten Festigkeit von be-schädigten Gläsern
Makrofehler in der Oberfläche
Bild 9-9 Festigkeit von Glas mit bruchverursachenden Risstypen [9.12]
9.2.3.1 Grundlagen der Bruchmechanik
Die Bruchmechanik beschreibt das Materialverhalten unter Einbeziehung möglicher Defekte und Schädigungen im Hinblick auf die rheologischen Werkstoffeigenschaften, den Rissursprung und die einwirkenden Spannungen. Bezüglich des Glases lassen sich mehrere Vereinfachungen der allgemeinen Theorie treffen. Auf die Materialeigenschaften des Glases lässt sich die linear-elastische Bruchmechanik uneingeschränkt anwenden. Weiter ist davon auszugehen, dass die bruchverursachenden Spannungen immer Normalspannungen sind. Schubspannungen sind sehr selten die Bruchursache. Daher lässt sich das Problem auf die Rissöffnungsart nach Modus I reduzieren [9.22]. Modus I: Aufklaffung
Normalspannung
Modus II: Längsscherung
Modus III: Querscherung
Schubspannung
Bild 9-10 Rissöffnungsarten und zugehörige Spannungen [9.07]
Schubspannung
567
9.2 Glaseigenschaften
Betrachtet wird ein rechteckiger Probekörper unter Zugspannung mit einer Vorschädigung in Form einer Kerbe (oder Riss). Am Grund bauen sich hohe Zugspannungen auf, die nicht durch Plastizieren abgebaut werden können. σ0
σ σ0
x a σ0 Bild 9-11 Spannungszunahme am Kerbgrund
Die Spannungszunahme am Rissgrund wird mit Hilfe des Spannungsintensitätsfaktors K ausgedrückt. Voraussetzung für diese Annahme ist eine geringe Risstiefe gegenüber der Probendicke (so genannter „Griffith“-Riss), was in der Praxis für Glas immer erfüllt ist. Unter der Voraussetzung, dass bei Eintritt des Risswachstums die Rissausbreitungskraft gleich der Risswiderstandskraft ist, gilt für den Spannungsintensitätsfaktor folgender Zusammenhang [9.07, 9.08, 9.22]. K I = σ 0· f · a
(9.3)
KI a
Spannungsintensitätsfaktor für Rissmodus I in MN·m Anfangsrisstiefe in m
σ
von außen angelegte Spannung in MN/m2 Geometriefaktor (gebräuchlich f = 1,99 [9.08])
f
-3/2
Bei Überschreitung des Spannungsintensitätsfaktor KI über einen bestimmten Schwellenwert KIc versagt das Bauteil mit einer für das Material spezifischen Rissausbreitungsgeschwindigkeit schlagartig. Für Kalk-Natron-Silikatglas beträgt diese Geschwindigkeit maximal v = 1520 m/s. Der Schwellenwert KIc wird als die Bruchzähigkeit bezeichnet und wird von den Umweltbedingungen stark beeinflusst. Tabelle 9.8 Bruchzähigkeiten Werkstoff
KIc [ MN·m-3/2 ]
Glas
0,78
Beton
0,20 – 1,40
Stahl
50
Aluminium
14 – 28
568
9 Glas
Bei gegebener Spannung und bekanntem Spannungsintensitätsfaktor kann auf die Tiefe des bruchverursachenden Risses geschlossen werden.
§K a =¨¨ Ic © σ ·f
· ¸¸ ¹
2
(9.4)
9.2.3.2 Glas unter Dauerbelastung Unterkritisches Risswachstum
Chemische Reaktionen am Kerbgrund führen bereits bei Spannungsintensitäten unterhalb der kritischen zu einem Risswachstum. Die Geschwindigkeit dieses unterkritischen Risswachstums ist von den Umgebungsbedingungen und der Höhe der angelegten Dauerspannung abhängig. Für das Risswachstum werden nach [9.12] verschiedene Ursachen angegeben. Durch chemische Reaktionen lösen sich atomare Bindungen des Glases am Kerbgrund auf. Dabei können sich eine Rissverlängerung und ein veränderter Radius der Rissspitze einstellen. Eine Rissverlängerung Δa sowie ein kleinerer Radius der Rissspitze führen nach Gleichung (9.3) zu einer Erhöhung des Spannungsintensitätsfaktors. Eine weitere Deutung setzt eine Herabsetzung der spezifischen Oberflächenenergie und somit eine frühere Einsetzung des Bruches voraus. Unabhängig von der tatsächlichen Ursache bewirkt eine von außen angelegte Spannung eine Zunahme der chemischen Reaktionsgeschwindigkeit am Kerbgrund. In einer inerten Umgebung liegt kein unterkritisches Risswachstum vor. Für das unterkritische Risswachstum müssen als Reaktionspartner Wasser oder chemisch gleich wirksame Stoffe an der Rissspitze vorliegen. Die sich aus diesen Prozessen ergebende Risswachstumsgeschwindigkeit lässt sich mit einer empirischen Formel beschreiben [9.07, 9.08]. v = S ⋅ K In
(9.5)
S Materialkonstante aus Versuchen, umgebungsabhängig in m/(s·[ MN·m-3/2]n) n Materialkonstante aus Versuchen, umgebungsabhängig, ohne Einheit Tabelle 9.9 Materialkonstanten S und n [9.09] S [ m/(s·[MN·m–3/2]n) ]
n [/]
Wasser 25 °C
005,00
16,0
50 % rel. Feuchte, 25 °C
000,45
18,1
Vakuum, 25 °C
251,20
70,0
10 % rel. Feuchte, 25 °C
000,87
27,0
50 % rel. Feuchte, 2 °C
000,82
16,0
Umgebung
569
9.2 Glaseigenschaften
Durch die gleichwertige, differentielle Formulierung der Geschwindigkeit v v=
da dt
(9.6)
ergibt sich nach Einsetzen der Gleichung (9.3) für KI, Umformen und Integrieren eine Gleichung zur Berechnung der zu erwartenden Lebensdauer eines Bauteils unter einer konstanten Dauerbelastung. tL = tL
− 2 ⋅ (σ ⋅ f )− n ⋅ a (n − 2) ⋅ S
n −2 2
(9.7)
Zu erwartende Lebensdauer des Bauteils in Sekunden
Rissfestsetzung
Glas muss bei uneingeschränkter Annahme der oben beschriebenen Effekte unter einer Dauerbelastung nach einem hinreichend langen Zeitraum unter Eigengewicht ohne Einwirkung von Außen versagen, was sich in der Praxis jedoch nicht bestätigt. Bei Unterschreitung der Dauerbelastung und somit des Intensitätsfaktors KI unter einen bestimmten Wert tritt eine Rissfestsetzung oder Rissheilung ein, und das unterkritische Risswachstum wird verlangsamt. Als Ursache wird dafür eine Ausrundung oder Vergrößerung des Kerbgrundes auf Grund chemischer Reaktionen mit einer gleichzeitigen Ablagerung der Abtragungsprodukte genannt [9.07, 9.08, 9.09, 9.12]. Der Grenzwert wird als Spannungs-Korrosionsgrenze KI0 nach [9.07] bezeichnet und ist wie KIc von den Umgebungsbedingungen abhängig. In der Praxis lassen sich diese Effekte an unterschiedlich lang spannungsfrei gelagerten Glasproben erkennen. Auf Vorrat gelagertes Glas weist auf Grund einer Heilung der herstellungsbedingten Defekte bis zu 20 % höhere Prüfbiegefestigkeiten als frisch produziertes Glas auf. Tabelle 9.10 KIc und KI0 in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen [9.07] Umgebung Wasser 25 °C
KIc [ MN·m-3/2 ]
KI0 [ MN·m-3/2 ]
0,82
0,20
In Luft
0,78
0,27
Wasser 23 °C
0,77
0,32
Zusammenfassung
Die Rissausbreitungsgeschwindigkeiten lassen sich in drei Bereiche unterteilen. Bei kleinen Spannungsintensitäten unterhalb KI0 bewirken die Effekte der Rissheilung eine Tendenz zur Rissfestsetzung mit einer verlangsamten Ausbreitungsgeschwindigkeit (Bereich I). Die Zugfestigkeit steigt durch Heilungsprozesse wieder an. Die Rissausbreitungsgeschwindigkeit hängt von der Geschwindigkeit der chemischen Reaktion am Kerbgrund ab. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt mit der Spannung und Temperatur zu.
570
9 Glas 1 E+03 I
Bereich II
Rissfestsetzung
Unterkritische Rissausbreitung
v [ m/s ]
1 E+00 1 E-03 1 E-06
III Bruch
Approximationsgerade
1 E-09
Inerte Umgebung
In Wasser KI0
KIc
1 E-12 0
0,10
0,20
0,30
0,40
KI [
0,50
0,60
MN/m3/2
0,70
0,80
0,90
1,00
]
Bild 9-12 Rissausbreitungsgeschwindigkeiten, qualitative Darstellung [9.07]
Im Bereich II wird das korrosive Medium nicht mehr schnell genug zum Kerbgrund transportiert. Daher hängt die Rissausbreitungsgeschwindigkeit fast ausschließlich von der angelegten Spannung ab. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit nimmt mit zunehmender Spannungsintensität nahezu ohne Steigung der Geraden zu. Oberhalb der Bruchzähigkeit KIc pflanzt sich der Riss mit der Maximalgeschwindigkeit bis zu vB,max = 1520 m/s fort. Bei Erreichen von vB,max an einem Punkt im Glas teilt sich der Riss. 9.2.3.3 Einflussfaktoren auf die Glasfestigkeit Materialdefekte
Zur Berechnung der realen Spannungen im Glas müssen die Art, Form und Tiefe der Risse und Defekte bekannt sein. Da auf Grund des Sprödbruchverhaltens von Glas alle möglichen Schädigungen unter einem bestimmten Spannungszustand als Rissursache angesehen werden müssen, ist eine Berechnung der absoluten Festigkeit nicht möglich. Vielmehr kann nur mit Versuchen und deren statistischer Auswertung eine hinreichend geringe Bruchwahrscheinlichkeit angegeben werden. Größe der Fläche unter Zugspannungen
Da Oberflächendefekte nur mit statistischen Methoden erfasst werden können, ist die Festigkeit immer von der Größe des Flachglasproduktes abhängig. Je größer die Prüffläche ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein schwerer, rissverursachender Defekt in dieser Fläche vorliegt (linkes Diagramm, ausgewertet nach [9.09] mit β = 25 als Formparameter der Weibull-Verteilung, Nomenklatur nach [9.09]).
571
9.2 Glaseigenschaften
1,00
Zugfestigkeit σz [ N/mm² ]
Modifikationsfaktor α(A) [ / ]
Bei Glasfasern ist der Oberflächeneinfluss ausgeprägt. Mit abnehmenden Durchmesser und somit geringerer Oberfläche steigt die Festigkeit exponentiell an (rechtes Diagramm). Allerdings nimmt dieser Effekt mit zunehmender Fasernlänge wieder ab [9.12].
0,96 0,92 0,88 0,84 0
5
10
15
Fläche A [ m² ]
20
1200
800
400
0
0
0,5
1,0
1,5
Faserdurchmesser d [ mm ]
Bild 9-13 Festigkeit von Glasprodukten in Abhängigkeit der Fläche [9.07, 9.12]
Umweltbedingungen
Die Umweltbedingungen haben maßgeblichen Einfluss auf die Festigkeit von Glas. Der Hauptreaktionspartner für die Glaskorrosion ist Wasser. Das unterkritische Risswachstum ist sehr stark abhängig von der Temperatur und dem zur Verfügung stehenden Wassergehalt beziehungsweise die Möglichkeit des Nachführens von Wasser. In Bild 9-12 sind die Unterschiede zwischen einer inerten Umgebung und einer Umgebung im Wasser ersichtlich. Belastungsdauer
Unter konstanter Dauerbelastung oberhalb des Schwellenwerts KI0 kommt es zum unterkritischen Risswachstum. Da die Intensitätsfaktoren direkt proportional zur angelegten Spannung sind, nimmt die Geschwindigkeit des Wachstums unter einer höheren Belastung zu. Glasbauteile unter einer Dauerbelastung haben über ihren Einsatzzeitraum eine höhere Bruchwahrscheinlichkeit als kurzzeitig belastete Bauteile. Daher werden in geltenden Richtlinien unterschiedliche zulässige Spannungen für vertikale oder horizontale Gläser angeben, da bei den horizontalen Verglasungen mindestens das Eigengewicht dauerhaft und konstant wirkt. Berücksichtigung in der Bemessung
Die bisher eingeführten technischen Regeln zur Bemessung von Glaskonstruktionen TRLV, TRAV und TRPV berücksichtigen das Konzept mit globalen Sicherheitsfaktoren. Dieses wird den verschiedenen Einflüssen auf die Glasfestigkeit nur bedingt gerecht. In [9.07, 9.08, 9.09] werden semi-probalistische Sicherheitskonzepte vorgestellt und erörtert. Diese erfassen in einzelnen Modifikationsbeiwerten als Nenner die verschiedenen Einflüsse wie die Spannungsverteilung in der Fläche, die Größe der Fläche, die Belastungsdauer und das Verhältnis der ständigen zu den veränderlichen Lasten [9.09]. In der DIN 18008 wird dieses Konzept in vereinfachter Weise einzig mit der Berücksichtigung der Belastungsdauer für Floatglas verfolgt.
572
9 Glas
Belastungsdauer tD [ sec ]
Modifikationsfaktor α(t) [ / ]
1,E+00 1,0
1,E+02
1,E+04
1,E+06
1,E+08
1,E+10
0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 α(t)Float α(t)ESG
0,1 0,0
Bild 9-14 Festigkeitsabnahme des Glases in Abhängigkeit der Belastungsdauer [9.07, 9.09]
9.2.3.4 Charakteristische Werte der Glasfestigkeit
Mindestfestigkeiten stellen auf Grund der genannten Ursachen nur ein Maß der Qualität des Glasprodukts dar. Die in den Regelwerken angegeben Festigkeiten sind die charakteristischen Biegzugfestigkeiten mit einem 5 %-Fraktil bei 95 % Aussagewahrscheinlichkeit. Zulässige Spannungen für die Bemessung von Bauteilen sind den technischen Vorschriften zu entnehmen (TRLV, TRAV). Tabelle 9.11 Mindestfestigkeiten verschiedener Glasarten Norm
Floatglas
DIN EN 572-21
045
Poliertes Drahtglas
DIN EN 572-31
025
1
025
Ornamentglas / Gussglas
1
Biegezugfestigkeit fg,k [ N/mm2 ]
Glasart
DIN EN 572-5
ESG aus Floatglas
DIN 18516-4 / DIN EN 12150-1
120
ESG aus Floatglas, emailliert
DIN EN 12150-1
075
ESG aus Ornamentglas
DIN EN 12150-1
090
in Verbindung mit BRL A, Anhang 11
Für Glasfasern existiert keine Norm zur Regelung der Festigkeit. Für die jeweiligen Einsatzgebiete sind Werte für die Eigenschaften der Verbundwerkstoffe angegeben, zum Beispiel für glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) das Material E17 oder E23 nach DIN EN 13706-3. Die Festigkeiten weichen in den verschiedenen Literaturquellen ab, bewegen sich aber in dem beschriebenen Rahmen. Die angegebenen Werte beziehen sich auf jungfräuliche Glasfasern. Im Gebrauchsfall fallen die Werte auf etwa 50 % ab [9.18].
573
9.2 Glaseigenschaften
Tabelle 9.12 Festigkeit einiger Glasfasern [9.18] Zugfestigkeit [ N/mm2 ]
E-Modul [ N/mm2 ]
Bruchdehnung [%]
E-Glas
3400
73 000
< 4,80
S/R-Glas
4400
86 000
< 4,60
C-Glas
2400
70 000
< 4,80
ECR-Glas
3440
73 000
< 4,80
AR-Glas
3000
73 000
< 4,40
Faserart
9.2.4 Bauphysikalische Eigenschaften Die wesentliche Eigenschaft von Glas als Flachglasprodukt ist die Durchlässigkeit für Licht des sichtbaren Spektrums. Hinsichtlich der Beurteilung von Wärme- und Sonnenschutz muss zwischen der Licht- und der Energiedurchlässigkeit unterschieden werden. Seine baupraktische Bedeutung erhält Glas als Sonnen- und Wärmeschutzelement erst in weiteren Verarbeitungsstufen als beschichtetes Glas, Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) oder in Kombination von beiden. Bezüglich des Schallschutzes sind für Gläser als raumabschließende Elemente besondere Bedingungen zu beachten.
9.2.4.1 Begriffsbestimmungen
Alle folgenden Werte sind über den sichtbaren Bereich des Lichtspektrums in Abhängigkeit der Wellenlänge des Lichts veränderlich. In DIN EN 572-1 sind Mindestwerte für den Lichttransmissionsgrad für durchsichtiges und durchscheinendes Glas angegeben. Die Berechnung, Definition und Bezeichnung der einzelnen Werte sind in DIN EN 410 beschrieben. Die Bezeichnungsweise an dieser Stelle wird aus DIN EN 410 übernommen.
Einstrahlung Sekundäre Wärmeabgabe nach außen qa Reflexion ρ
Bild 9-15 Sonneneinstrahlung auf Glas [9.03]
Sekundäre Wärmeabgabe nach innen qi
Direkte Transmission τe
574
9 Glas
Brechzahl n
Licht wird beim Übergang von einem Medium in ein anderes mit einer höheren Brechzahl an der Grenzschicht gebrochen. Dabei ändern sich die Geschwindigkeit und daraus resultierend der Winkel der eintreffenden Welle.
α0
einfallender Strahl
α0
reflektierter Strahl n > 1 c1
Grenzfläche
c2 α1
Fall c1 < c2
gebrochener Strahl
Bild 9-16 Brechung von Licht [9.07]
Die Brechzahl ist von der Temperatur und der Wellenlänge des Lichts abhängig. Für baupraktische Belange wird im sichtbaren Bereich des Lichtspektrums mit einer Brechzahl von 1,50 gerechnet (DIN EN 572-1). Physikalisch lässt sich das Brechungsgesetz wie folgt ausdrücken. n= c0 c1
α0 α1
c0 sin α 0 = c1 sin α1
(9.8)
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in km/s Lichtgeschwindigkeit im Glas in km/s Auftreffwinkel aus dem Vakuum zur Lotrechten in ° Winkel des Lichts im Festkörper zur Lotrechten in °
Transmissionsgrad τ
Die Transmission ist der Anteil der Strahlung, der direkt durch das Glas hindurch dringt. Er ist abhängig von der Zusammensetzung, Dicke und Oberfläche (Beschichtungen) des Glases. Der Begriff gilt für den Licht- (Index v) ebenso wie für den Energiedurchlass (Index e). Der Transmissionsgrad ist abhängig vom Einfallswinkel der Strahlung zur Scheibe. Alle angegebenen Werte beziehen sich gemäß DIN EN 410 auf senkrechten Lichteinfall (0° zum Lot). Bei steigenden Winkeln nimmt der Anteil der Reflektion immer zu. Ab einem Einfallswinkel von mehr als 60° zum Lot nimmt die Transmission steil bis zur Totalreflektion ab. Reflektionsgrad ρ
An der Grenzfläche von Glas zu anderen Medien wird ein Teil der eintreffenden Strahlung direkt reflektiert. Der Prozentsatz der Reflektion für senkrecht einfallende Strahlung ist über die Brechzahl n gegeben. § n −1· ¸ © n +1¹
ρ =¨
2
in %
(9.9)
575
9.2 Glaseigenschaften 1,0
T ransmission Reflektion
0,9 0,8
τ[/]
0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Einfallswinkel [ ° ] Bild 9-17 Transmission und Reflektion abhängig vom Einfallswinkel bei 5 mm Floatglas [9.11]
Bei einer Brechzahl von n = 1,50 ergibt sich an zwei Grenzflächen, Vorder- und Rückseite des Glases, eine Reflektion von 8 %. Absorptionsgrad α
Die Absorption ist der Strahlungsanteil, der durch Wechselwirkung mit Elektronen oder anderen Bestandteilen des Glases in andere Energieformen umgewandelt wird. Der Energiegewinn wird durch Wärmestrahlung über beide Scheibenseiten wieder abgegeben. Gesamtbilanz
Die Gesamtsumme aller Strahlungsanteile muss immer 100 % ergeben, das heißt es gilt immer für Licht- und Gesamtdurchgang.
τ + ρ + α = 100
(9.10)
Emission ε
Das Emissionsvermögen ist das Strahlungsvermögen eines Körpers. Er wird als Prozentsatz der Strahlung angegeben, die ein idealer Strahler (genannt Schwarzer Körper) abgibt. Das genormte Emissionsvermögen von normalen Flachglas liegt bei ε = 0,837 (DIN EN 673). Gesamtenergiedurchlassgrad g
Der Gesamtenergiedurchlassgrad unterscheidet sich vom Transmissionsgrad der Energieeinstrahlung durch die Berücksichtigung der nach innen abgegebenen Sekundäranteile aus der absorbierten Strahlung in der Gesamtbilanz. g = τ e + qi
in % mit qi ~ α
(9.11)
576
9 Glas
Selektivitätskennzahl S
Mit der Selektivitätskennzahl S wird das Verhältnis von Lichttransmissionsgrad τv zum Gesamtenergiedurchlassgrad g gekennzeichnet.
S=
τv g
(9.12)
Die Kennzahl S bewertet Sonnenschutzgläser in Bezug auf eine (erwünschte) hohe Lichtdurchlässigkeit im Verhältnis zu dem jeweils angestrebten niedrigen Energiedurchlassgrad. Der Lichttransmissionsgrad ist auf Grund physikalischer Grenzen nie mehr als doppelt so groß wie der Gesamtenergiedurchlassgrad, das heißt die technische Grenze liegt bei S 2,00. Derzeit werden maximale Verhältnisse von etwa S = 1,88 (Interpane) erreicht. b-Faktor
Der b-Faktor wird auch shading coefficient oder mittlerer Durchlassfaktor genannt und ist nach VDI 2078 das Verhältnis aus g-Wert der jeweiligen Verglasung und dem g-Wert eines Zweischeiben-Normalglasfensters.
b≈
g 0,80
(9.13)
Der b-Faktor ist ein wesentlicher Kennwert zur Berechnung der Kühllast eines Gebäudes. Für Isolierverglasungen liegt der Wert zwischen 0,46 bis 0,88 und für Sonnenschutzverglasung bei 0,09 bis 0,56. Ein niedriger b-Faktor bedeutet wegen der Kopplung über die Selektivitätszahl S gleichzeitig einen niedrigen Lichttransmissionsgrad. Durch entsprechende Umformung und der Tatsache, dass S < 2,00 ergibt sich als maximale Lichttransmission
τ v < 1,60 ⋅ b .
(9.14)
Wärmedurchgangskoeffizient Ug
Der Wärmedurchgangskoeffizient ist der Parameter, der den Wärmedurchgang auf Grund von Konvektion, Strahlung und direkten Wärmetransport durch eine Scheibe angibt. Beeinflussende Randeffekte wie beispielsweise Rahmen werden nicht berücksichtigt. Farbwiedergabeindex Ra
Der Farbwiedergabeindex ist ein Maß für die relative Farbverschiebung des Lichts bei einer Durchstrahlung durch ein Glas zu seinem Ursprung. Bei Ra < 90 tritt eine Verfälschung der Farbwiedergabe auf, bei 90 < Ra < 95 ist das Glas sichtbar eingefärbt und oberhalb Ra = 95 ergeben sich keine optischen Veränderungen [9.15]. Der Farbwiedergabeindex ist relevant für beschichtete oder in der Masse eingefärbte Glasprodukte. Gläser mit einem Wert Ra > 80 haben nach der Definition in DIN EN 410 hinsichtlich der Qualität eine gute, und Gläser mit Ra > 90 eine sehr gute Farbwiedergabe.
577
9.2 Glaseigenschaften
10000
100
5000
3000
2000
n [ cm-1 ] Wellenzahl
Sichtbarer Bereich
Transmission τ [ % ]
9.2.4.2 Optische Eigenschaften von Flachgläsern
75 50 25
Absorptionskanten 1 0.38 μm
UV
2
3
4
5
Wellenlänge λ [ μm ]
0.78 μm
5.00 μm
IR kurzwellig
IR langwellig
Bild 9-18 Transmissionsgrad über den glasrelevanten Spektralbereich [9.12]
Bei der Betrachtung der Eigenschaften von Glas in bestimmten Spektralbereichen ist der Bereich zwischen 0,05 μm bis 1000 μm maßgeblich. Dabei reicht der UV-Bereich von 0,05 μm bis 0,38 μm und das sichtbare Spektrum von 0,38 μm bis 0,78 μm. Oberhalb dessen liegt der infrarote Bereich. Die maßgebenden Kennzahlen zur Beurteilung der optischen Eigenschaften sind der Transmissionsgrad τ und der Gesamtenergiedurchlassgrad g. UV-Bereich (0,05 μm < λ < 0,38 μm)
Der UV-Bereich wird zusätzlich in zwei weitere Abschnitte unterteilt. Im betrachteten Spektralbereich sind es die Bereiche der UV-A- (0,20 bis 0,38 μm) und UV-B-Strahlung (0,05 bis 0,20 μm). Die biologisch wirksame UV-B-Strahlung wird komplett absorbiert. Nur für langwellige UV-Strahlung ist Glas durchlässig. Eintretende kurzwellige UV-Strahlung tritt mit den Elektronen des Glases in Wechselwirkung und wird so durch Umwandlung in Wärme absorbiert. Die bezeichnete Absorptionskante ist von den Bindungszuständen der SauerstoffIonen in den Silikatverbindungen abhängig und verschiebt sich mit der Veränderung der Zusammensetzung des Glasgemisches [9.07, 9.12]. Sichtbarer Bereich (0,38 μm < λ < 0,78 μm)
Die Transmission im sichtbaren Bereich des Spektrums ist nahezu gleichförmig. DIN EN 410 gibt als spektrale Lichttransmission im sichtbaren Bereich für Grün gefärbtes Glas Werte von τv = 0,59 bis 0,78 an (Klarglas etwa τv = 0,82 bis 0,90). Die Stärke der Absorptionsbanden bei 0,38 μm oder 0,48 μm ist abhängig vom Gehalt an Eisen(III)-Oxid (Fe2O3) in der Glasschmelze [9.11] und ist nicht mit den bezeichneten Absorptionskanten zu verwechseln. Das eintreffende Licht gerät mit den freien Elektronen der Metall-Ionen in Wechselwirkung und wird absorbiert. Auf Grund dieser Wechselwirkung kann mit verschiedenen beigefügten Stoffen, meist Metallen, die Farbgebung und der Absorptionsgrad α des Glases gesteuert werden [9.07, 9.12]. Der prozentuale Massenanteil dieser Farbgebungsstoffe beträgt etwa 0,002 % bis 0,30 % [9.11].
578
9 Glas
1,0
Transmission τ [ / ]
0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3
Grünglas Klarglas Bronze eingefärbt
0,2 0,1 0,0 0,30
0,40
0,60
0,50
0,70
0,80
Wellenlänge λ [ μm ] Bild 9-19 Lichttransmission eingefärbter Gläser DIN EN 410 und [9.16]
Der Transmissions- und Gesamtenergiedurchlassgrad sind ohne aufgebrachte Beschichtungen nur von der Stärke und der Färbung des Glases abhängig. Ein Transmissionsverlust wird immer durch eine Zunahme der Absorption auf Grund der zunehmenden Wechselwirkung mit den Glasbestandteilen ausgeglichen. Der Reflektionsgrad bleibt auf Grund seiner Kopplung an die Brechzahl über das gesamte Spektrum nahezu konstant. Bei einer Erhöhung der Brechzahl von n = 1,50 auf n = 1,60 ändert sich der Reflektionsgrad an einer Grenzschicht von 4 % auf 5,30 %.
1,0
Transmission Absorption Gesamtenergiedurchlass
0,9 0,8
τ/α/g[/]
0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0
0
5
10
15
20
25
Glasdicke d [ mm ], Grünglas Bild 9-20 Optische Eigenschaften in Abhängigkeit der Glasstärke DIN EN 410, λ = 0,55 μm
30
579
9.2 Glaseigenschaften
Infrarot-Bereich (λ > 0,78 μm)
Infrarotstrahlung ist Wärmestrahlung im nicht mehr sichtbaren Bereich. Analog der UVStrahlung muss hier zwischen langwelliger und kurzwelliger IR-Strahlung unterschieden werden. Langwellige Strahlung ab etwa 5 μm wird vollständig absorbiert. Glas ist dagegen für kurzwelliges Infrarot fast vollständig durchlässig. Speziell im Sommer kann dieses zu einer ungewollten Aufheizung der Räume und einem erhöhten Energiebedarf zur Kühlung führen. Im Winter dagegen sind solche solaren Energiegewinne nutzbar und gewollt. Die langwellige Strahlung wird auf Grund der Wechselwirkung mit ganzen Molekülgruppen in Wärmeenergie umgewandelt und somit absorbiert. Ebenso wie beim sichtbaren Spektrum liegen im kurzwelligen Bereich mehr oder minder ausgeprägte Absorptionsbanden vor. Die Lage dieser Banden kann durch die Zugabe von bestimmten Stoffen beziehungsweise mit einer Änderung der prozentualen Zusammensetzung der Ausgangsstoffe verändert werden. Durch Beschichtungen und Beimengungen in der Glasschmelze wird das Transmissions-, Reflektions- und Absorptionsvermögen von Glas gesteuert. Je nach Anwendung und System kann spezielles Sonnen- oder Wärmeschutzglas entwickelt werden. Wärmeschutz / Sonnenschutz von Flachgläsern
Auf Grund der gegenseitigen Beeinflussung der geforderten Eigenschaften sind der Wärmeund Sonnenschutz von Verglasungen nicht getrennt voneinander zu betrachten. Mit selektiven Beschichtungen lassen sich zufriedenstellende Ergebnisse für beide Eigenschaften erzielen. Für den Wärmeschutz ist eine gute Dämmung durch einen geringen Wärmedurchgang bei gleichzeitig hohem Energiedurchlassgrad zur Nutzung der Energie aus Sonneneinstrahlung und hoher Reflektion der Wärmestrahlung erforderlich [9.17]. Sonnenschutzverglasung soll einen Blendschutz [9.11] bieten sowie eine Aufheizung der Räume in Jahreszeiten mit erhöhter Strahlungsintensität durch eine Blockierung der Infrarot-Strahlung vermeiden. Selektivität der Beschichtung bedeutet Transparenz im sichtbaren Spektrum bei gleichzeitiger Undurchlässigkeit ab einer Wellenlänge von 2,50 μm (langwelliger IR-Bereich) [9.17]. Wärmedurchgang Ug [ W/m²·K ]
6,0
Luft Luft beschichtet ε=0.10 Luft beschichtet ε=0.03 Xenon beschichtet ε=0.03
5,0 4,0 3,0 15,54
2,0
15,54 15,54
1,0 6,69
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
Scheibenzwischenraum s [ mm ] Bild 9-21 Wärmedurchgangskoeffizienten verschiedener Isoliergläser DIN EN 673
24
580
9 Glas
Glas hat eine hohe Wärmeleitfähigkeit von λ = 1,00 W/(m·K). Eine signifikante Dämmwirkung wird nur durch MIG mit Wärmeschutzbesichtungen und Füllungen mit Gasen geringerer Wärmeleitfähigkeit erreicht. Bis zu einer Stärke von etwa 16 mm des Scheibenzwischenraums (SZR) sind Wärmeverluste aus Emission maßgebend. Bei einem größeren Abstand steigen die Verluste durch Konvektion zwischen den Scheiben stärker an. Ein Scheibenabstand größer als 16 mm hat wärmeschutztechnisch keine Vorteile. Der optimale Abstand der Scheiben voneinander hängt von der Wärmeleitfähigkeit des Füllgases ab. Metalloxidbeschichtungen setzen das Emissionsvermögen von etwa 84 % einer normalen Glasscheibe auf 3 % bis 10 % herab. Diese Maßnahme ist effektiver als eine Füllung des SZR mit Gasen einer geringeren Wärmeleitfähigkeit, weil der Verlust aus Emission 70 % des Gesamtwärmeverlusts beträgt. Durch Wärmeschutzbeschichtungen nehmen der Transmissions- und der Energiedurchlassgrad geringfügig ab. Durch einen hohen Gesamtenergiedurchlassgrad g werden in kalten Jahreszeiten solare Energiegewinne zur Ermittlung des Gesamtenergiebedarfs eines Gebäudes genutzt (EnEV). Die kurzwellige Infrarotstrahlung trifft im Raum auf weitere Bauteile und wird dabei diffus mit veränderter Wellenlänge gestreut. Die langwellige Infrarotstrahlung (λ > 5,00 μm) kann die Verglasung nicht mehr durchdringen und heizt durch Reflektion den Raum auf. innen Beschichtung (Funktionsschicht) Wärmestrahlung Wärmeleitung (Edelgas < Luft) Wärmeleitung durch Konvention dL
dSZR
dL
Bild 9-22 Wärmeverluste einer Isolierverglasung – Darstellung ohne Rahmen
In warmen Jahreszeiten mit einer hohen Strahlungsintensität führen diese Energiegewinne zu einer Aufheizung der Räume mit einer Erhöhung der erforderlichen Kühllast. Eine Steuerung der Sonneneinstrahlung kann durch entsprechende Schutzelemente wie aussenliegende Lamellen oder durch eine Beschichtung des Glases erreicht werden. Die Wirkung einer Beschichtung besteht in der Erhöhung zum einen von der Brechzahl und somit der Reflektion und von der Absorption durch in der Masse eingefärbtes Glas. Beide Maßnahmen können in Kombination oder einzeln auftreten. Bei eingefärbten Gläsern verringert sich die Farbwiedergabe auf etwa Ra = 0,90 und somit stärker als bei beschichtetem Glas (Ra 0,96) [9.11]. Üb-
581
9.2 Glaseigenschaften
liche Sonnenschutzbeschichtungen auf metallischer Basis haben eine Brechzahl von n = 2,3 bis 2,5. Der Reflektionsgrad beträgt damit an einer Grenzschicht 16 % beziehungsweise 18 % [9.15]. Wärmeschutz von Glasfaser- und Schaumglasdämmungen
Wärmedämmungen aus Glasfasern (Glaswolle) gehören zu den mineralischen Dämmstoffen. Die Dämmung wird durch die hohe Porosität des Materials zusammen mit einer großen Anzahl von kleinsten Luftzellen gewährleistet [9.11]. Das Volumen des Grundstoffes Glas beträgt etwa 1 % bis 8 %, das restliche Volumen wird von Luft eingenommen. Die Wärmeleitfähigkeit von Luft liegt bei λ = 0,025 W/(m·K). Alle Materialien mit der Ausnutzung von stehender, normaler Luft als Dämmstoff werden wegen der Wärmeleitfähigkeit des Grundstoffs diesen Wert übersteigen. Mineralische Dämmstoffe liegen wegen des geringen Volumenanteils des Basismaterials und dessen relativ geringer eigener Leitfähigkeit nach DIN 4108-10 und DIN EN 13162 in der Wärmeleitfähigkeitsgruppe 035 bis 050.
0,12 0,10 0,08 0,06 Luft
0,04 0,02 0,00 0
100
200
Temperatur T [ °C ]
300
Wärmeleitfähigkeit λ [ W/(m·K) ]
Wärmeleitfähigkeit λ [ W/(m·K) ]
Eine geringe Rohdichte des Dämmstoffs bedeutet nicht automatisch beste Dämmeigenschaften. Mit abnehmender Rohdichte steigt die Größe der luftgefüllten Poren an. Ab einer bestimmten Größe überwiegt wie bei MIG die Konvektion als Wärmetransportmechanismus. Der beste Wirkungsbereich liegt bei Rohdichten zwischen 20 kg/m3 bis 100 kg/m3 [9.20]. Darüber hinaus steigt die Wärmeleitfähigkeit von Luft mit zunehmender Temperatur an.
0,1
0,01 10
100
1000
Rohdichte ρ [ kg/m3 ]
Bild 9-23 Wärmeleitfähigkeit mit steigender Temperatur und Rohdichte [9.11, 9.20]
Schaumglasdämmungen bestehen aus einem gasgefüllten, geschlossenen Hohlzellensystem. Das eingeschlossene Gas entsteht aus dem im Aufschäumprozess verwendeten Treibmittel, meist Kohlenstoff. Das Porenvolumen beträgt etwa 95 % und somit hinsichtlich der Dämmeigenschaften mit der mineralischen Dämmung gleichzusetzen. Im Gegensatz zu Glaswolle ist Schaumglas wegen der geschlossenzelligen Struktur wasserdampfdiffusionsdicht. Es kann daher kein Wasser aufnehmen oder abgeben und bleibt deswegen formstabil und über einen langen Zeitraum in seinen Dämmeigenschaften unveränderlich. Der wesentliche Unterschied zwischen mineralischer Dämmung und Schaumglas besteht in der Druckfestigkeit der Materialien. Während mineralische Dämmung aus Glasfasern bereits
582
9 Glas
bei geringem Druck stark komprimierbar ist, weist Schaumglas eine weitaus höhere Druckfestigkeit auf Grund seines strukturellen, geschlossenzelligen Aufbaus auf. Daher wird Schaumglas überall dort verwendet, wo besondere Anforderungen an die Festigkeit des Dämmstoffes gestellt werden, zum Beispiel unter Bodenplatten, Fahrwegen in Tiefgaragen und Parkhäusern oder an Kellerwänden mit sehr hohem seitlichem Erddruck. 9.2.4.3 Schallschutz
Die Schalldämmung von Glas als Einfachverglasungen hängt im Wesentlichen von seiner Stärke, der Frequenz und dem Einfallswinkel des Schalls ab. Diese wird sehr stark von flankierenden Bauteilen wie Rahmen und Laibung beeinflusst, was eine Berechnung des bewerteten Schalldämmmaßes unmöglich macht. In DIN 4109, Beiblatt 1 und 2 sind daher bewertete Konstruktionen angegeben. Durch Zugabe von bestimmten Stoffen in der Glaszusammensetzung oder Beschichtungen ist eine Modifikation der Schalldämmung analog der optischen und wärmeschutztechnischen Eigenschaften nicht möglich. Bei bestimmten Auftreffwinkeln ϑ des Schalls zur Flächennormalen auf das Glas kommt es zu Einbrüchen der Schalldämmung, was auf eine Spuranpassung oder Koinzidenz zurückzuführen ist. Die Lage der Frequenz kann durch Gleichung (9.15) erfasst werden [9.11, 9.14]. fs =
12000 d ·sin 2 ϑ
(9.15)
fs Koinzidenzfrequenz in Hz d Scheibenstärke in mm ϑ Auftreffwinkel in ° Verbundglas (VG) mit insgesamt gleicher Stärke wie eine Einfachverglasung erhöht die Schalldämmung in hohen Frequenzbereichen und glättet die Koinzidenz bis zu einem bestimmten Grad aus. Dieser Effekt wird durch die Anordnung zweier unterschiedlich dicker Einzelscheiben verstärkt. Flächenbezogene Masse m' [ kg/m2 ] 10
20
40
..50
Schalldämmmaß R [ dB ]
Schalldämmmaß Rw [ dB ]
.50
5
.40
.30
.20 2
4
8
Scheibendicke d [ mm ]
16
= 0° .40
= 45°
.30
= 75° .20 100
200
400
800
fs 1600
fs 3200
Frequenz f [ Hz ]
Bild 9-24 Schalldämmung und Koinzidenz einer einfachen Glasscheibe VDI-Richtlinie 2719
583
9.2 Glaseigenschaften
Für Isolierverglasungen kann der proportionale Zuwachs der Schalldämmung mit der Gesamtglasstärke auf Grund von Resonanzerscheinungen im SZR nicht angenommen werden. Erst bei Frequenzen oberhalb der doppelten Resonanzfrequenz wird die Schalldämmung höher als bei einer Einfachverglasung gleicher Gesamtstärke. [9.14] gibt eine Gleichung zur Bestimmung der Resonanzfrequenz an.
f r = 1200 ⋅
1 §1 1 · ·¨ + ¸ d L © d1 d 2 ¹
(9.16)
dL Stärke SZR in mm d1, d2 Scheibenstärken in mm Im MIG werden bei unterschiedlichen Scheibenstärken die Spuranpassungseffekte minimiert. Eine Verbesserung des Schallschutzes wird auch hier durch VG und weiterhin durch ein Befüllen des SZR mit schwereren Edelgasen (Argon, Krypton, Xenon) erreicht. Die besten Dämmeigenschaften weist Schwefelhexafluorid (SF6) auf, was aus Umweltschutzgründen allerdings nicht mehr verwendet wird [9.10].
9.2.5 Chemische Beständigkeit Glas ist in einer normalen Umgebung sehr beständig. Nur in Fällen von dauerhaft stehendem Wasser, einer erhöhten Belastung aus Industrieabgasen oder der Ableitung von kalkhaltigem Wasser über Verglasungen treten Schäden an der Oberfläche auf. Diese Schäden beeinträchtigen in erster Linie die Gebrauchstauglichkeit durch Erblinden und nicht die Standsicherheit der Scheiben. Die Oberfläche wird über die Zeit stumpf, was mit einem Irisieren der Scheiben einsetzt. Normales Flachglas wird durch verschiedene Prüfungen auf seine chemische Beständigkeit hin untersucht. Tabelle 9.13 Einteilung von Flachglas in chemische Widerstandsklassen Beständigkeit gegen
nach Norm
Klasse
Säure
DIN 12116
Klasse 1, säurebeständig
Laugen
DIN EN ISO 695
Klasse 1-2, schwach bis mäßig laugenlöslich
Wasser
DIN 52296
Hydrolytische Klasse 3-4
Bei wässrigen Lösungen werden die Alkali-Ionen an der Oberfläche ausgelaugt. Das Silikatgerüst bleibt vollständig erhalten. Die Auslaugung bewirkt die Bildung eines unlöslichen Films aus SiO2, der weitere Zersetzungsprozesse stoppt [9.11]. Daher nimmt mit steigendem Silizium-Gehalt und gleichzeitig reduziertem Alkali-Gehalt die Widerstandsfähigkeit gegen aggressive Medien zu. Ausnahmen sind heiße alkalische Lösungen, starke Säuren wie Flusssäure (HF) und andere fluorhaltige Stoffe, die als Ätzmittel zur weiteren Glasveredelung verwendet werden. Diese zerstören das Silikat-Gefüge direkt. Heiße, basische Lösungen lösen die Silikat-Verbindungen im Glasgerüst und tragen diese Stoffe bis zur kompletten Zerstörung ab. Dabei wirken OH--Ionen als Katalysatoren in der
584
9 Glas
Reaktion. Für diese Reaktion ist allerdings das Vorhandensein von Wasser unabdingbar [9.12]. Gegenüber organischen Stoffen ist Glas sehr reaktionsträge. Eine Ausnahme bilden Silikone auf Grund ihrer Verbindungsfähigkeit mit Silikaten. Diese lösen den Werkstoff nicht auf, sondern gehen mit dem Silikat im Glas eine chemische Verbindung ein. Daher sind Rückstände von Silikonen auf Gläsern immer nur sehr schwer zu entfernen. Darüber hinaus ist dieses aber ein wesentlicher Vorteil zur Nutzung von Silikon als Klebstoff in Structural-Sealant-Glazing-Fassaden (SSG). Glasfasern weisen in aller Regel eine sehr hohe chemische Beständigkeit auf. Nur unter besonderen Bedingungen wie eine stark alkalische Umgebung im Beton wird die Faser im Grundstoff zersetzt. Dort kommen Fasern aus AR-Glas mit einem erhöhten Widerstand durch Zugabe von Zirkoniumoxid (ZrO2) gegen alkalische Stoffe zum Einsatz. Im Bereich erhöhter Anforderungen beim Einsatz in chemisch aggressiver Umgebung werden entsprechend in ihrer Zusammensetzung modifizierte Fasern, in aller Regel Fasern aus CGlas, verwendet. Auf Grund der hohen Beständigkeit sind Wärmedämmungen aus Glasfasern nahezu unverrottbar, beständig gegen schwache Laugen, Säuren, organischen Lösungsmitteln und biologischen Belastungen wie Schimmel, Fäulnis oder Ungeziefer [9.20]. Schaumglas besitzt eine annähernd gleiche chemische Beständigkeit wie Mineralwolle und ist bezüglich des Basismaterials in die hydrolytische Klasse 3 einzuordnen. Allerdings ist bei diesem wegen der sehr geringen Wandstärke der Poren die chemische Beeinflussung höher als bei Kompaktgläsern [9.11]. Dieser Effekt ist allerdings bei einem intakten, geschlossenen Gefüge wegen einer Verklebung und somit Abdichtung mit Bitumen vernachlässigbar. Im Falle eines zerstörten Gefüges mit offenen Poren kann Wasser eindringen, welches bei FrostTau-Wechseln zu einer fortschreitenden Zerstörung des Materials bis hin zur kompletten Zersetzung führt [9.15, 9.20]. Daher ist bei einer Anwendung von Schaumglasdämmung auf eine sorgfältige Versiegelung der Fugen zu achten.
9.2.6 Brandverhalten Normales Flachglas ist nicht brennbar und hat keinen definierten Schmelzpunkt. Ab einer Temperatur von 600 bis 700 °C wird Glas weich. Das Verhalten von Glas in einer Brandsituation ist sehr stark von seiner Temperaturwechselbeständigkeit (TWB) abhängig. Unter der Wechselbeständigkeit wird das Widerstandsvermögen gegen starke Temperaturwechsel verstanden. Die in verschiedenen Normen und Veröffentlichungen angegebenen Werte beruhen auf allgemein anerkannten Erfahrungswerten. Bei dem in [9.11] angegebenen, heute nicht mehr genormten Verfahren ergibt sich durch das Abschrecken der gesamten Probe ein Spannungsverlauf analog der thermisch eingeprägten Eigenspannung mit umgekehrten Vorzeichen. Die resultierenden Zugspannungen aus der Temperaturverteilung an der Glasoberfläche in Verbindung mit Makrorissen führen zum Bruch der Scheibe. Die Temperaturwechselbeständigkeit hängt vom thermischen Ausdehnungskoeffizienten in Verbindung mit der Wärmeleitfähigkeit und der Bruchdehnung ab. Je geringer der Ausdehnungskoeffizient und je höher die Bruchspannung und somit die Bruchdehnung auf Zug sind, desto höher ist die Wechselbeständigkeit. Ein direkter physikalischer Zusammenhang zwi-
585
9.3 Glasherstellung
schen den einzelnen Parametern ist rechnerisch nicht herzuleiten. Auf Grund eines geringeren Temperaturausdehnungskoeffizienten und einer höheren Wechselbeständigkeit gegenüber normalem Kalk-Natron-Silikatglas werden für Brandschutzverglasungen häufig vorgespannte Borosilikatgläser eingesetzt. Neuere Entwicklungen verwenden glaskeramische Produkte für Anwendungen in hohen Temperaturbereichen wie für Kochfelder. Tabelle 9.14 Temperaturwechselbeständigkeit verschiedener Glasarten Glasart
1
[%]
Thermischer Ausdehnungskoeffizient α [ 1/K ]
Temperaturwechselbeständigkeit [K]
045
0,064
9,0 x 10–6
0401
120
0,171
9,0 x 10–6
Festigkeit
Rechnerische Bruchdehnung
[ N/mm2 ] Floatglas ESG aus Floatglas
150 – 2002
Borosilikatglas
045
0,064
3,1 – 6,0 x 10
0803
ESG aus Borosilikatglas
120
0,171
3,1 – 6,0 x 10–6
3004
Chemisch vorgespannt
150
0,214
wie Basisglas
100 – 2005 – 3006
2
3
4
5
-6
6
DIN EN 572; DIN EN 12150; prEN 1748; DIN EN 13024; DIN EN 12337; nach [9.11]
Eine Einfachverglasung erfüllt nur die reduzierten Anforderungen hinsichtlich des bauaufsichtlich geforderten Brandschutzes der Kategorie G. Für höhere Sicherheitsanforderungen der Kategorie F sind Brandschutzverglasungen immer weiterverarbeitete Glasprodukte, die in Kombination mit anderen Stoffen den Brandschutz in den geforderten Kategorien erfüllen. Glasfasern und Schaumglas unterscheiden wegen ihrer Struktur im Brandverhalten gegenüber Kompaktgläsern. Wegen des Fehlens einer ausgeprägten flächigen oder räumlichen Anordnung der Struktur ist die TWB zweitrangig. Wegen ihrer anorganischen Bestandteile sind Glasfasern beziehungsweise Dämmstoffe aus diesen nicht brennbar und entsprechen somit der Kategorie A1 der DIN 4102. Durch die Verwendung von Haft-, Binde- oder Matrixmaterialien auf organischer Basis kommt es zu einer Änderung der Baustoffklasse. Allerdings weisen alle Glasfaserdämmstoffe mindestens die Klasse B1 auf. Die maximale Anwendungstemperatur mineralischer Dämmung liegt in Abhängigkeit der verwendeten Bindemittel bei etwa 210 °C. Kurzzeitig sind höhere Temperaturen möglich [9.20]. Bei glasfaserverstärkten Kunststoffen werden die Brandeigenschaften des Verbundwerkstoffs über das Matrixmaterial gesteuert. Eine Matrix aus Phenolharzen weist eine sehr hohe Feuerwiderstandfähigkeit bei geringer Rauchentwicklung auf. Schaumglas ist der Bauklasse A1 oder A2 nach der DIN 4102 einzuordnen und somit nicht brennbar. Im Falle einer Beschichtung mit Bitumen ändert sich die Klasse zu B2, normal entflammbar. Wegen des Fehlens von organischen Binde- oder Haftmitteln ist der Anwendungsbereich von Schaumglas bei Temperaturen von –250 °C bis 450 °C ausgedehnter.
586
9 Glas
9.3 Glasherstellung 9.3.1 Allgemeines Herstellungsverfahren von Flachglas mittels so genannter Glasmacherpfeifen wurden schon frühzeitig entwickelt. Dabei wurde das Glas zu zylindrischen Hohlkörpern geblasen und anschließend aufgeschnitten und flachgebogen. Auch schon vorher gab es Methoden zum Schmelzen und Bearbeiten von Glas. Allerdings bezogen sich diese Erzeugnisse auf Schmuckstücke und kleinere Gefäße, meist zum kultischen Gebrauch. Von baurelevantem Interesse sind heute nur noch industriell hergestellte Glasprodukte. Daher werden die im industriellen Zeitalter entwickelten Verfahren genauer beschrieben. In diesem Abschnitt wird nur der erste Schritt der Herstellung des Grundmaterials beschrieben. Weiterverarbeitungen und Veredelung sind Bestandteil des Abschnitts 9.5. Traditionelle Verfahren wie das Glasblasen finden nur noch Anwendungen im Kunstglashandwerk. Die anwendungsgerechte Mischung der Ausgangsstoffe und die Herstellung der Schmelze stehen unabhängig vom Herstellungsverfahren am Anfang eines jeden Prozesses.
9.3.2 Gussverfahren Das Gussverfahren zur Herstellung von Glas wurde im 17. Jahrhundert entwickelt. Dabei wurde die Glasschmelze je nach Verfahren kontinuierlich oder in Portionen auf einem Tisch ausgegossen und anschließend gewalzt. Heute erfolgt die Glasherstellung zu einem Glasband im Gussverfahren kontinuierlich durch ein Auslaufen der zähen Glasschmelze durch Walzen. Durch den Walzprozess können Drahteinlagen mit eingefügt oder die Oberflächen mittels entsprechender Rollen strukturiert werden. Gussglas ist durchscheinend und lichtstreuend aber auf Grund von Unebenheiten der Walzenoberflächen nicht völlig klar durchsichtig [9.11]. Für durchsichtige Glasprodukte müssen anschließend beide Oberflächen geschliffen und poliert werden. Dazu wurde das TwinVerfahren zur gleichzeitigen Bearbeitung der beiden Oberflächen entwickelt. Auf Grund dieser erforderlichen Nachbehandlung und der trotzdem auftretenden Oberflächendefekte wie Lufteinschlüsse wird das Guss-Verfahren zur Herstellung von klar durchscheinendem Flachglas nicht mehr verwendet. Das Verfahren findet aber weiterhin zur Produktion von Ornamentglas, Drahtglas und Profilbauglas Anwendung. Das Profilbauglas stellt einen Sonderfall des Gussglases dar und kann mit oder ohne zusätzliche Drahteinlage hergestellt werden. Die Glasmasse wird mit anschließendem Hochbiegen der Ränder zu Flanschen gewalzt. Die nach den Zulassungen einzig erhältliche Form ist ein U-Profil und kann trotz der gekanteten Geometrie thermisch vorgespannt werden. Die Steifigkeit des Profils steigt durch die Form stark an. Somit sind unterstützungsfreie Konstruktionen über eine größere Länge beziehungsweise Höhe möglich. Profilbauglas wird hinsichtlich seiner Geometrie in DIN EN 572-7 und hinsichtlich seiner physikalischen Eigenschaften in Zulassungen geregelt. Die Oberfläche von Profilbauglas ist immer ornamentiert.
587
9.3 Glasherstellung
Schmelze Walzen
Abkühlen Schneiden
Bild 9-25 Herstellung von Profilbauglas [9.09]
Neuere Untersuchungen zeigen Abweichungen der Festigkeiten im Steg und den Flanschen. Deshalb wurde die Norm für Profilbauglas aus der Bauregelliste (BRL) entfernt. Diese Produkte werden nun über allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ) mit Mindestfestigkeiten für Steg und Flansche geregelt. Abweichend von den anderen Produktnormen sind dort 5 %-Fraktilwerte mit nur einer 75 % Aussagenwahrscheinlichkeit angegeben. Tabelle 9.15 Liefergrößen von Profilbauglas mit und ohne Drahteinlage nach DIN EN 572-7 Basisprodukt1
H
c
Länge L [ m ]
L
Höhe H [ mm ]
Dicke c [ mm ]
232 – 498
41
6
232 – 331
60
7
n · 0,25 ≤ 7,00
B 11
Breite B [ mm ]
Liefergrößen sind der jeweiligen Zulassung zu entnehmen.
9.3.3 Ziehverfahren Das Ziehen stellt die erste Entwicklung zur kontinuierlichen industriellen Massenfertigung von Flachglas dar. Durch entsprechende Entwicklungen in der Chemie und den neuen Verfahren zur Herstellung von Soda (Na2CO3) durch Solvey standen die Grundstoffe zur Glasherstellung nahezu unbegrenzt zur Verfügung. Fourcault entwickelte 1904 das erste Ziehverfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Flachglas, welches dann ab 1913 in der industriellen Produktion eingesetzt wurde. Dabei wird das Glas durch eine auf der Schmelze schwimmende Düse als Band entnommen und mittels Walzen durch einen 8 m hohen Kühlturm gezogen. Am Ende des Kühlturms wurde das fertige Flachglas zugeschnitten. Die Glasdicke wurde über die Ziehgeschwindigkeit gesteuert.
588
9 Glas Fourcault
Libbey-Owens
Pittsburgh
Bild 9-26 Glasherstellung im Ziehverfahren [9.08]
Weiterentwicklungen waren das Libbey-Owens- (1917) und das Pittsburgh-Verfahren (1928). Die wesentlichen Unterschiede bestanden in einer Modifikation des Kühlprozesses und in der Art des Abgreifens des geschmolzenen Glases aus der Wanne. Bei beiden Verfahren schwimmt keine Düse mehr auf der Schmelze. Beim Libbey-Owens-Verfahren wurde das Glasband direkt aus der freien Oberfläche abgezogen, nach einer Höhe von 70 cm in die Waagerechte umgelenkt und anschließend durch einen 60 m langen Kühltunnel geleitet. Beim Pittsburgh-Verfahren wurde das Glas durch einen Leitkörper an der Aushebestelle geleitet und durch einen weiterhin senkrechten aber längeren Kühlturm gezogen. Beide Methoden haben gemein, dass eine doppelte Produktionsgeschwindigkeit bei besserer Oberflächenqualität gegenüber dem Fourcault-Verfahren erreicht wurde [9.07]. Auf Grund des Ziehens mit Walzen ist die Oberfläche von so hergestelltem Glas niemals absolut eben. Es verbleiben immer sichtbare Wellen. Sämtliche Zieh-Verfahren sind ab 1960 vom Float-Verfahren abgelöst worden. Zieh-Verfahren finden in der heutigen industriellen Produktion von Glas keine Verwendung mehr.
9.3.4 Floatverfahren Das Floatverfahren stellt den heutigen Stand der Technik in der Produktion von Flachglas dar. Bei diesem Verfahren wird das Glas kontinuierlich aus der Schmelzpfanne in ein Bad aus flüssigem Zinn gegossen. Dabei werden die Eigenschaften des Zinns mit einer Schmelztemperatur von 232 °C und Verdampfungstemperatur von 2720 °C genutzt. Zur Vermeidung der Bildung von Zinnoxid findet der gesamte Herstellungsprozess in einer Schutzgasatmosphäre aus Stickstoff und Wasserstoff statt.
589
9.3 Glasherstellung 1560 °C Schmelzwanne
1100 °C 600 °C Überlauf
40 °C Lift-out
30 °C
Kühltunnel
Gasseite Zinnseite Rohstoffe
Mischen
Schmelzen Läutern
Feuerpolieren
Kühlen
Schneiden/Brechen
Lagern
Bild 9-27 Glasherstellung im Floatverfahren [9.08]
Auf Grund seines geringeren spezifischen Gewichts schwimmt Glas auf dem flüssigen Zinn. Wird die Schmelze auf dem Zinnbad sich selbst überlassen, stellen sich automatisch planparallele Glasoberflächen mit einer Gleichgewichtsstärke von 6 bis 7 mm ein [9.09]. Die Steuerung der Glasstärke wird über eine Änderung der Ziehgeschwindigkeit des Bandes mittels Rollen im Kühlbereich erzielt. Eine meist zusätzliche Methode zur Steuerung der Dicke sind so genannte Top-Roller, die mit gezackten Rändern in den Rand des flüssigen Bandes eingreifen und die Masse auseinanderziehen oder zusammenführen. Anschließend werden die Glasränder beschnitten. Daher sind Glasplatten trotz einer Anlagenbreite von 3,50 m nur mit einer maximalen Breite von 3,21 m erhältlich [9.07]. Zur Herstellung von größeren Scheibenstärken als 19 mm wird die Ausbreitung der flüssigen Glasmasse durch Fender verhindert. Das bereits im Zinnbad annähernd vollständig erstarrte Glas tritt dann mit einer Temperatur von 600 °C in den Kühlkanal ein, wo es auf 100 °C heruntergekühlt und anschließend zu Platten mit den Maximalabmessungen 3,21 x 6,00 m (nach DIN EN 572-2) geschnitten und gestapelt wird. Abweichend von den Normmaßen sind mittlerweile auch größere Plattenlängen erhältlich. Die Oberflächen sind absolut eben und klar durchscheinend. Allerdings muss bei diesem Herstellungsverfahren zwischen der Bad- und Atmosphärenseite unterschieden werden. Hinsichtlich der Festigkeit sind die aufnehmbaren Zugspannungen auf der Badseite geringer. Die Ursachen hierfür sind noch nicht vollständig geklärt. Als eine Möglichkeit wird das Aufliegen dieser Seite auf den Transportrollen und daraus resultierenden Oberflächendefekten angenommen. Zinneinlagerungen in der Glasoberfläche können nach [9.09] als Ursache ausgeschlossen werden. Allerdings können diese Einlagerungen zu optischen Störungen führen. Die Tiefe dieser Zinneinlagerungen beträgt etwa 10 bis 20 μm und ist abhängig von der Dauer des Kontaktes des Glases mit dem Zinn. Dickere Gläser haben auf Grund der geringeren Ziehgeschwindigkeit einen höheren und tieferreichenden Anteil an eindiffundiertem Zinn [9.08].
9.3.5 Pressverfahren Glasbausteine und Betonsteine werden durch Pressen in eine bestimmte Form hergestellt. Pressgläser besitzen meist eine glatte äußere Oberfläche und eine ornamentierte Innenseite. Dadurch sind die Gläser transluzent mit einer Lichttransmission von τv = 75 % bis τv = 80 %. Der Grad des Sichtschutzes kann durch die Ornamentierung beziehungsweise Profilierung
590
9 Glas
der Innenseiten gesteuert werden. Zur Farbgebung können die Innen- oder Außenseiten beschichtet, die Grundmasse eingefärbt oder die Stege geschwärzt werden [9.10]. Glasbausteine werden zu Halbschalen gepresst und anschließend durch Verschweißen der noch heißen und viskosen Hälften beziehungsweise durch Verkleben der abgekühlten Hälften zu Hohlkörpern zusammengefügt. Durch die anschließende Abkühlung der heißen Luft im inneren entsteht ein Unterdruck. Dieser bewirkt einen besseren Wärmedurchgangskoeffizienten unter Vernachlässigung des Wärmetransports über Randverbunde als normales, unbeschichtetes Isolierglas mit einem vergleichbaren Scheibenzwischenraum [9.11]. Eine Kondensation von Feuchtigkeit wird somit ebenfalls ohne Einsatz von Trocknungsmitteln vermieden [9.15]. Betongläser werden nicht zwangsläufig zu Hohlkörpern verbunden. Die Produkte und Anwendungen einschließlich der Liefergrößen und Konstruktionsvorgaben sind in DIN EN 1051-1 und DIN 4242 geregelt. Nach der BRL gilt für Betongläser weiterhin die mittlerweile zurückgezogene Norm DIN 4243. Diese wurde von der DIN EN 1051 ersetzt, welche allerdings noch nicht in der BRL aufgeführt ist [9.21]. Glassteine dürfen nur als nichttragende, raumabschließende Wände verwendet werden. Alle Pressgläser weisen an den Seiten eine Profilierung zwecks besseren Verbundes zum umgebenden Material wie Beton oder Mörtel auf. Glasbausteinwände erfüllen in geregelten Aufbauten und Abmessungen die Brandschutzklasse G60 beziehungsweise G120 der DIN 4102 [9.11, 9.15].
9.3.6 Herstellung von Glasfasern Glasfasern in Form von dünnen Fäden wurden schon im alten Ägypten als Zierrat an anderen Glasprodukten hergestellt. Dabei wurden von erhitzen Glasstäben einzelne Fäden abgezogen. Diese Technologie wurde bei stetig feiner werdenden Fertigungsmethoden bis etwa 1842 beibehalten. Danach wurden Glasfäden mit industriellen Verfahren produziert. 1896 wurde von Hermann Schuller das Stabtrommelziehverfahren entwickelt, welches die Herstellung von Glasfasern mit definierten Durchmessern erlaubte. Zur Produktion von Glasfilamenten, das heißt einzelnen, dünnen Glasfäden, wird das Düsenziehverfahren angewendet. Dabei wird die geschmolzene Glasmasse durch feine Düsen aus einer Platin-Rhodium-Legierung gezogen. Die Düsen sind selbst soweit erhitzt, dass kurz nach dem Austritt des Glasfadens dieser mit einem Durchmesser von etwa 1 mm bis 2 mm erstarren würde. Durch die Aufwicklung des Fadens auf einen Spinnstand mit schnell rotierenden Walzen wird dieser gestreckt. Dabei kann die Faser quasi endlos produziert werden. Die Stärke der Faser wird mit der Aufwickelgeschwindigkeit gesteuert. Für Fasern mit einem Durchmesser von 10 bis 14 μm beträgt die Geschwindigkeit etwa 160 km/h [9.18]. Die Art der Aufwicklung bestimmt den späteren Verwendungszweck. Mehrere zu einem Strang nebeneinander aufgewickelte Filamente ergeben die Rovings für den weiteren Einsatz als Webund Strickmaterial für Gewebe und Gestricke. Miteinander verdrillte Fäden ergeben die Garne, welche wiederum mit einer gegenläufigen Verdrehung die Zwirne bilden. Vor dem Aufwickeln werden die Glasfasern je nach Weiterverarbeitung mit einer Schlichte oder Schmälze versehen. Dabei wird zwischen einem Einsatz als Textilprodukt wie Matten, Gewebe und Gestricke und Verstärkungen für andere Werkstoffe wie Kunststoffe oder Beton unterschieden. Die Schlichte soll eine Haftung der Glasfilamente untereinander bewirken und einen Schutz der Oberfläche bieten [9.18].
591
9.3 Glasherstellung
Schmelzofen
Homogenisierung
Vorherd
1.540 °C
1.425 °C
1.370 °C
Schlichte aufsprühen Fadenwicklung Bild 9-28 Glasfaserherstellung im Düsenziehverfahren [9.18]
Bei der Weiterverarbeitung zu Matten werden die Faser mit einer textilen Schmälze aus Stärke und Pflanzenöl als wässrige Emulsion verwendet. Diese soll die Herstellung von Matten durch ein leichteres Gleiten der Fasern untereinander vereinfachen und die Gefahr von Beschädigungen minimieren. Bei Verstärkungszwecken in Kunststoffen werden Haftvermittler auf Silanbasis zur Verbesserung der Verbindung zwischen den anorganischen Fasern und dem organischen Matrixmaterial aufgebracht. Im Falle von Matten als Verstärkungsmaterial wird erst eine textile Schlichte aufgebracht, die nach der Herstellung der Matte in einem thermischen Prozess entfernt wird. Anschließend wird dann der Haftvermittler aufgetragen. Weitere Bestandteile der Schmälze besitzen eine antistatische Wirkung [9.19].
Schmelzofen Spinndüsen Abzugtrommel
Spinntrichter Glasstapelfaser Vorgarn
Bild 9-29 Glasfaserherstellung im Trommelziehverfahren [9.20]
Glasfasern zur Produktion von Vliesen und Dämmwolle werden im Trommelzieh-, Schleuderoder kombinierten Verfahren hergestellt [9.15, 9.20]. Dabei sind die ersten Schritte des Aufschmelzens des Glases und Auslaufens aus den platinlegierten Düsen analog der Filamentherstellung. Die Zusammensetzung des Gemenges ist annähernd gleich dem Flachglas mit einem 70 %igen Altglasanteil. Die Fäden werden allerdings auf einer rotierenden Trommel aufgespult. Diese wird kontinuierlich mechanisch abgeschabt. Dabei ergeben sich Faserlängen in undefinierter Verteilung zwischen 2 cm bis 100 cm. Diese werden dann entweder ebenfalls zu ei-
592
9 Glas
nem Garn versponnen, welches die Grundlage zur Herstellung von Vliesen bildet, oder werden direkt weiter zur Glaswolle mit entsprechenden Haftmitteln verarbeitet. Die so entstandenen Glasstapelfasern sind wegen der unregelmäßigen Längenverteilung nicht mit auf bestimmte Maße geschnittenen oder gebrochenen Filamenten gleichzusetzen. Mineralische Dämmstoffe werden aus Glasstapelfasern innerhalb einer Prozesskette hergestellt. Dabei werden im ersten Schritt Glasstapelfasern mittels des Trommelzieh- oder Schleuderverfahrens produziert. Unmittelbar nach der Zerfaserung wird ein Bindemittel zum späteren Zusammenhalt der Fasern beigemischt. Die heiße Mischung wird auf ein Förderband geschichtet, geformt und bei 200 °C bis 250 °C zum Härten heruntergekühlt. Dabei vernetzen die Fasern in ihren Kreuzungspunkten untereinander und verleihen dem Dämmstoff damit seine Festigkeit [9.20]. Die Fasern werden nicht speziell gerichtet. Die Bahnen und Matten können mit Aluminiumfolien kaschiert oder mit verschiedenen Deckschichten aus Holzwolle-Leichtbau- oder Gipskartonplatten versehen werden. Schmelzofen Zerfaserung Bindemittel
Trocknung mit Formgebung
Schnitt und Ablängen
Bild 9-30 Herstellung von Glasfaserdämmung (Glaswolle), schematisch nach [9.20]
Die optimale Viskosität zur Herstellung von Glasfasern mit der höchsten Bruchfestigkeit liegt bei etwa η = 3,80 Pa·s [9.12]. Die Glasfasern werden nicht nur an Hand ihres Durchmessers sondern auch nach ihrer Feinheit bestimmt. Die Feinheit Tt drückt das Längengewicht der Einzelfäden, Rovings, Garnen und Zwirnen aus. Die Bestimmung dieser erfolgt nach der DIN EN ISO 1889 und wird in der Einheit 1 tex = 1 g/km angegeben [9.19]. Glasfasern sind mit einer Stärke von mindestens 3 μm und einer Mindestlänge von 1,40 μm nach WHO-Klassifizierung als lungengängig eingestuft. Allerdings gelten sie nicht als kanzerogen. Eine übliche Krankheitserscheinung ist die Silikose. Bei Arbeiten in unbelüfteten und engen Räumen mit einer hohen Konzentration an Glasfasern über einen längeren Zeitraum sind besondere Schutzmaßnahmen nach gängigen Arbeitsvorschriften zu ergreifen.
9.3.7 Herstellung von Schaumglas Das Verfahren zur Herstellung wurde um 1940 von der Firma Pittsburgh Corning unter dem Namen Foamglas entwickelt. Schaumglas besteht aus der gleichen Zusammensetzung wie Flachglasprodukte [9.11, 9.15, 9.20]. Der Altglasanteil beträgt etwa 65 %.
593
9.4 Glasbearbeitung Schmelze
Zugabe von Zusatzstoffen
Erstarren
Kugelmühle
Aufschäumofen
Zuschneideanlage
Bild 9-31 Herstellung von Schaumglas [9.20]
Die Glasschmelze wird abgekühlt und anschließend zu Pulver zermahlen und mit weiteren Zuschlagstoffen vermengt. Dabei ist Kohlenstoff mit 0,15 Gew.-% als Treibmittel für den Aufschäumprozess die wesentliche Zugabe. Die Mischung wird dann in Edelstahlwannen bei Temperaturen von 700 °C bis 1000 °C aufgeschäumt. Der zugegebene Kohlenstoff oxidiert unter Volumenzunahme zu Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Überschüssiger Kohlenstoff bewirkt die charakteristische, schwärze Färbung des Materials. Im Aufschäumprozess entsteht eine geschlossenzellige Struktur [9.11, 9.15, 9.20]. Eine besondere Art des Schaumglases ist das Blähglas. Es wird in einem analogen Verfahren hergestellt. Dabei wird aber im Gegensatz zum Schaumglas keine großformatige Platte produziert sondern ein granuliertes Material. Häufig wird Blähglas daher auch als Schaumglasschotter bezeichnet. Es weist wegen der gleichen Zusammensetzung auch im Hinblick auf den Altglasanteil gleiche chemische und mechanische Eigenschaften auf. Haupteinsatzgebiet sind Dämmungen unter Fundamenten und als Dämmschotter unter Bodenplatten.
9.4 Glasbearbeitung 9.4.1 Allgemeines Glas liegt nach seinem industriellen Herstellungsprozess meistens in Form von großformatigen Platten vor. Bis zur endgültigen Verwendung müssen diese noch veredelt und weiterbearbeitet werden. Dazu gehören unter anderem das Schneiden in gewünschte Größen, das Bohren von Löchern zur Befestigung mit Punkthaltern, das Biegen, das Fügen, die Kantenbearbeitung und das Beschichten. Weitere Weiterverarbeitungsprodukte sind MIG und VG beziehungsweise VSG.
594
9 Glas
9.4.2 Schneiden Das Schneiden von Glas mittels eines gehärteten Schneidrädchens stellt eigentlich eher eine Behandlung durch Ritzen und Brechen dar. Die Oberfläche des Glases wird geritzt und anschließend gebrochen. Auf Grund dieser Bearbeitungsweise sind gekrümmte Schnitte nur bedingt möglich, da das anschließende Brechen wegen der häufigen Abweichung der Bruchkante von der Anrisslinie problematisch ist.
Anriss mit dem Glasschneider
Druck
Druck Bild 9-32 Schneiden von Glas [9.07]
Zur Vermeidung weiterer Oberflächenschäden auf Grund einer Lagerung auf einem harten Untergrund wird Glas auf einer Filzunterlage geschnitten. Die Druckkraft des Schneidrädchens beträgt 10 bis 30 N in Abhängigkeit von der Glasstärke. Ab 10 mm Glasstärke sind Schneidkräfte bis zu 100 N erforderlich [9.11]. Mit steigendem Schneidwinkel nimmt die erforderliche Schneidkraft ebenfalls zu. Mechanisch geschnittene Glaskanten müssen nachbearbeitet werden. Durch das Anritzen in der Oberfläche entstehen plastische Verformungen, die die darunter liegenden Bereiche elastisch verspannen. Beim Anritzen fallen kaum Splitter an, die das Volumen der entstandenen Rissspur ausfüllen könnten. Bei anschließender Entlastung werden die verspannten Bereiche unter Zugspannungen gesetzt, die zu Tiefenrissen und somit zum Bruch führen [9.11]. Durch Zusatz von verschiedenen Flüssigkeiten (Öl, Petroleum) wird die Qualität der Rissspur durch eine Erhöhung der spezifischen Bruchenergie des Glases verbessert. Die plastische Verformbarkeit wird erhöht und die Anzahl der ungewollten und die Qualität mindernden Ausmuschelungen verringert. Gleichzeitig nimmt ebenfalls der erforderliche Schneidendruck zu. Verbund-Sicherheits- oder Verbundglas wird nacheinander auf beiden Seiten geschnitten und gebrochen. Anschließend wird das Zwischenmaterial mit einer Klinge getrennt. Bei automatisierten Verfahren werden beide Oberflächen gleichzeitig geritzt, und das Zwischenmaterial mit einer IR-Heizung getrennt. Ein Schneiden von bereits vorgespannten Gläsern führt auf Grund der hohen gespeicherten elastischen Energie zum Bruch der Scheiben. Thermisch verfestigte Gläser müssen daher vor dem Vorspannprozess auf das geforderte Maß gebracht werden. In der Massenproduktion und in automatisierten Prozessen wird das Glas durch Ritzen und Brechen, Wasserstrahl- und Laserstrahl-Verfahren geschnitten. Mit beiden letzten Methoden wird die Qualität der Schnittkante soweit erhöht, dass eine Nachbehandlung nur noch bedingt
595
9.4 Glasbearbeitung
erforderlich ist. Ausmuschelungen oder Ausbrüche können nahezu komplett vermieden werden. Computergestützt sind beliebige Schnittformen im Gegensatz zum herkömmlichen Anritzen möglich, einhergehend mit einem optimalen Schnittmuster der Basisscheibe.
9.4.3 Bohren Technisch gesehen sind Bohrungen in allen Arten von Scheiben möglich. Aber auf Grund hoher lokaler Beanspruchungen im Bohrloch durch Punkthalterungen muss das Glas anschließend vorgespannt werden. Da thermisch behandelte Gläser nicht mehr nachbearbeitet werden dürfen, müssen alle Bohrungen und sonstige Anpassungen vor dem Verfestigungsprozess ausgeführt werden. Die Bohrlöcher können im Schnitt gerade oder mit einer konischen Senkung ausgeführt werden. Bei dickeren Scheiben oder VG können auch Hinterschnittbohrungen angewendet werden. In allen Fällen müssen die Bohrlochkanten angefast werden.
b>d
b
b>d
Normales Bohrloch
d
0.40·d 0.60·d
d
d
>d/2
90°
Senkloch
Loch für Hinterschnittanker
Bild 9-33 Bohrlochvarianten [9.07]
Das Bohren wird entweder mit dem Wasserstrahl- oder dem Diamantbohrverfahren vorgenommen. Beide Methoden ermöglichen durch Rechnerunterstützung eine hohe Präzision und Qualität der Bohrungen. Gegenüber dem Diamantbohren weist die Wasserstrahlmethode eine stärkere Welligkeit der Bohrlochwandungen auf, erlaubt aber die Herstellung komplizierter Bohrlochgeometrien. Zur Vermeidung von Abplatzungen wird beim Diamantbohrverfahren in aller Regel von beiden Seiten gleichzeitig gebohrt. Der entstehende Grat wird durch nachträgliches Schleifen beseitigt. bL
c
b
a2
a1
bL
DIN EN 12150
DIN 18516-4
ai a1 2, wenn ai < 35 mm c1 b1 d1 = Scheibendicke
ai2- a1 a2i- a1
TRPV L
i
a2 - a1 wenn a2 = 80 mm 1
d1 = Scheibendicke
Bild 9-34 Bohrungen nach verschiedenen Vorschriften
b1 d1 = Scheibendicke
596
9 Glas
Der Konus bei Senklöchern wird meistens in zwei Arbeitsschritten hergestellt. Zuerst wird das Loch komplett gebohrt und anschließend wird die Senkung ausgefräst. Diese getrennte Behandlung erfordert eine hohe Präzision zur Zentrierung von Konus und Loch. Die Randabstände von Bohrungen zu freien Kanten sind in den jeweiligen Produktnormen der thermisch verfestigten Gläser DIN EN 12150-1, DIN EN 1863-1 sowie in TRAV, TRPV und DIN 18516-4 geregelt, wobei die Dokumente nicht aufeinander abgestimmt sind. Bei konischen Löchern darf der gesenkte Teil nicht tiefer als die Hälfte der Glasstärke sein, und die Stärke des geraden Teils der Bohrlochwandung muss mindestens 5 mm betragen. Für eine homogene Vorspannung am Bohrlochrand durch das Anblasen mit Luft beim Verfestigungsprozess sollte ein ausreichend großer Bohrlochdurchmesser gewählt werden, der mindestens der Glasstärke entsprechen sollte. Abweichungen von dieser Regelung sind Sondermaße und müssen direkt beim Hersteller abgefragt werden.
9.4.4 Biegen Es gibt zwei wesentliche Verfahren zum Biegen von Glas. Die traditionelle Variante ist das Heiß-Biegeverfahren. Dabei werden die Glasscheiben zum Biegen auf eine Temperatur nahe des Erweichungspunkts erhitzt. Je nach Krümmungsradius wird das Schwerkraftbiegeverfahren bei schwach gekrümmten Scheiben oder ein maschinelles Verfahren für starke Krümmungen verwendet, bei dem das Glas in eine Form aus Stahl gezwungen und danach hängend vorgespannt wird [9.07]. Als Trennmittel zwischen der Form und dem Glas wird in aller Regel Talkum-Pulver verwendet, was allerdings zu Oberflächeneinschlüssen führen kann. Optische Beeinträchtigungen oder Mängel im Sinne der Normung ergeben sich dadurch zwangsläufig aber nicht. Bogen S < 4000 mm (Vorgespanntes Glas) Bogen S < 5850 / 4100 mm (Floatglas / MIG) Bogen S < 5000 mm (VSG aus Floatglas)
Länge L < 2400 mm (Vorgespanntes Glas) Länge L < 2750 / 3750 mm (Floatglas /MIG) Länge L < 3000 mm (VSG aus Floatglas) Winkel α
Stich f P < 0700 mm (Vorgespanntes Glas) Stich f P < 0800 mm (Floatglas / MIG / VSG)
Radius R > 1000 mm, α < 190° (Vorgespanntes Glas) Radius R > 1100 mm, α < 180° (Floatglas) Radius R > 1200 mm, α < 150° (MIG / VSG)
Bild 9-35 Grenzabmessungen von einfach gekrümmtem Glas (Herstellerangaben)
597
9.4 Glasbearbeitung
Die Angaben des Bogens und der Länge können vertauscht werden. Neben normalen Floatglasscheiben können ebenfalls thermisch vorgespannte Gläser, Verbundgläser und Isoliergläser gebogen hergestellt werden. Allerdings ist das Gesamtgewicht der Verglasung meist auf 1000 kg begrenzt. Gekrümmte Scheiben mit Bohrungen sind wegen der Maßtoleranzen hinsichtlich ihrer Herstellung und ihres Einbaus sehr schwierig und aufwendig [9.07]. Bei der Herstellung von VSG aus gebogenen Scheiben kann nicht auf den normalen Prozess des Vorverbunds durch Walzen zurückgegriffen werden. In diesem Fall wird der erforderliche Druck mit einem Vakuumsack erzeugt.
ius R Rad
V1
Boge nS
Radius R2
S2 en Bog
1
g erun
Winkel α
Bog en S
α
äng Verl
R Radius 1
ke l
Lä ng eL
Lä ng e
W in
el α 2
L
1
V2
nk Wi
R2 α2
Sphärische Biegung
1
Biegung mit Geraden
Win kel α
Konische Biegung
Radius R1
Bild 9-36 Weitere mögliche Biegeformen
Die Glasdicken liegen in aller Regel im Bereich von 2 bis 19 mm für Floatglas. Die maximale Stärke für TVG beträgt 10 mm und für ESG 12 mm. Allerdings ist der minimale Biegeradius von der Glasstärke abhängig. Je dicker die Scheiben desto größer wird der Biegeradius. In jedem Fall ist die Geometrie frühzeitig mit den Herstellern abzustimmen. Eine Beschichtung von gebogenen Gläsern ist nachträglich nicht mehr möglich. Einzig Gläser mit so genannten Hard Coatings und bestimmte Soft Coatings nach Herstellerangaben können gebogen und müssen vor dem Prozess aufgebracht werden [9.07]. Allerdings kann ein Schillern der Oberflächen auf Grund der eingeprägten Spannungen wegen geänderter Brechungsverhältnisse nicht ausgeschlossen werden. Die zweite Variante des Biegens von Glas ist die Kaltverformung. Dabei wird die Verglasung durch Klemmprofile, andere starre, mechanische Bauteile oder bereits beim Laminieren (Laminatbiegen) in die endgültige Lage und Form gezwungen. Dabei entstehen dauerhafte Spannungen, die mit denen aus äußeren Einwirkungen überlagert werden müssen. Vorteile dieses Verfahrens sind, dass keine optischen Beeinträchtigungen auftreten, und Zeit- und Kostenersparnisse bei der Herstellung. VSG und MIG können herkömmlich als Flachprodukte hergestellt werden. Allerdings ist der Biegeradius gegenüber dem Heiß-Biegeverfahren wesentlich größer und kann nach der folgenden Gleichung vereinfacht ermittelt werden:
598
9 Glas
E = z R
(9.17)
σ Spannung, die man als permanente Biegespannung zulässt, in N/mm2 z Halbe Scheibenstärke, maximaler Schwerpunktabstand der gezogenen Faser in mm E E-Modul des Glases in N/mm2 R Zulässiger Biegeradius in mm
9.4.5 Fügen durch Kleben Das Fügen von Basiserzeugnissen zu weiteren Glasprodukten geschieht bisher auf zwei Arten. Zum einen durch flächenhaften Verbund zu Verbund- oder Verbund-Sicherheitsglas (VSG) oder durch einen linienartigen Randverbund (MIG). Das flächige Fügen geschieht in aller Regel mit Folien oder Klebstoffen. Geeignete Materialien sind unter anderem Polyvinyl-Butyral-Folien (PVB), Ethylen-Vinyl-Acetat-Folien (EVA), Polyethylen-Folien (PE) und zugelassene Gießharze. PVB-Folien besitzen besondere Eigenschaften und werden für VSG verwendet. Der linienartige Randverbund beim MIG wird mit geklebten und abgedichteten Abstandhaltern aus perforiertem Metall oder aus Thermo Plastic Spacern mit eingelagertem Trocknungsmittel hergestellt. Bei allen Anwendungen müssen die Oberflächen der Fügeteile gereinigt und fettfrei sein. Die Haftungseigenschaften der Oberflächen können durch Vorbehandlung oder durch Haftvermittler (Primer) verbessert werden. Gegebenenfalls müssen die Ränder von beschichteten Gläsern vor dem Fügeprozess mit einem Randverbund entschichtet werden. Darüber hinaus sind allen Verbindungsmitteln die Forderungen nach ausreichender Alterungs- und UVBeständigkeit, sowie eine Verträglichkeit mit den übrigen, verwendeten Baustoffen gemein.
9.4.6 Kantenausbildung Die Kanten von geschnittenen Platten werden zur Verminderung der Verletzungsgefahr nachbehandelt, sofern sie nicht in einem Rahmen eingebunden sind. Das Schleifen erfolgt automatisch mit Kantenschleifautomaten je nach Anwendung ein- oder zweiseitig. Hinsichtlich ihres Bearbeitungsgrades sind verschiedene Kantenarten möglich. Neben geraden Schnittkanten können auch halbrunde Kanten, Facettenschliffe oder Gehrungskanten hergestellt werden.
Schnittkante
gesäumte Kante
Gehrungskante
Facettenkante
halbrunde Kante
flachrunde Kante
Bild 9-37 Kantenformen [9.11]
599
9.4 Glasbearbeitung
Die jeweiligen Kantenarten haben einen Einfluss auf die Biegefestigkeit der Glasprodukte. Gläser mit der Kantengüte KG haben auf Grund der höchsten Vorschädigung die geringste Biegefestigkeit. Je hochwertiger die Kantenbearbeitung ist, desto höher sind die Festigkeiten, wobei die Unterschiede mit steigender Güte geringer werden. Glasprüfungen mit Einfluss der Kante sind in DIN EN 1288-3 geregelt.
Querschnitt
KG:
Geschnittene Kanten, geschnittene, unbearbeitete Glaskante.
KGS:
Gesäumte Kanten, Schnittkante mit gefasten Rändern.
KMG:
Maßgeschliffene Kanten, auf Maß geschl iffen, blanke Stellen oder Ausmuschelungen sind sichtbar.
KGN:
Geschliffene Kanten, w ie KMG, schleifmattes Aussehen ohne blanke Stellen und Ausmuschelungen
KPO:
Polierte Kante, verfeinerte KGN
Ansicht
Bild 9-38 Kantengüten nach DIN EN 1863-1 und DIN EN 12150
Die aufgeführten Kurzbezeichnungen entstammen aus der mittlerweile auf Grund der Harmonisierung der europäischen Normung zurückgezogenen DIN 1249-11. Nach der europäischen Normung sind die Kantengüten nur noch für vorgespannte Produkte geregelt. Entsprechend fallen geschnittene Kanten aus der Regelung. Weiter wird, obwohl die Kantengüte KMG in der Norm geregelt ist, diese von Herstellern häufig nicht mehr angeboten. Die ausgeführte Kante ist dann die qualitativ höherwertigere KGN. Kantenmembrandruckspannung σ2 Dickenspannung σ3
iefe ußt l f n nei is 2·d nte Ka ~ 1 b
-
+
σ3 = 0 + 2 -
2
σ3 = 0
x2
-
1
-
x3
1
+
-
1 = σ 2
-ran mb σ 2 e M ng u ere inn spann g + zu
x1
Bild 9-39 Vorspannungsverlauf an einer freien Kante [9.09]
600
9 Glas
Da bei scharfen Kanten die Scheiben während des Vorspannungsprozesses brechen, ist eine vorherige Bearbeitung bei thermisch vorgespannten Gläsern notwendig [9.07]. Durch die Behandlung stellt sich an der Glaskante ein gleichmäßigerer Verlauf der Vorspannung ein [9.08, 9.09]. Eine Kantennachbearbeitung von verfestigten Gläsern ist unzulässig. Allgemein sind nach der BRL A jegliche weitere Nachbehandlungen von vorgespannten Glasprodukten untersagt.
9.4.7 Beschichtungen Durch Beschichtungen werden der Sonnenschutz, der Wärmeschutz und weitere Schutzfunktionen von Glas gezielt verändert. Als Überzüge werden metallische und keramische Materialien für den jeweilig gewünschten Einsatzbereich verwendet. Metalloxide werden mit Schichtstärken im Nanometerbereich aufgebracht und bewahren damit die Transparenz des Glases. Tabelle 9.16 Glasbeschichtungen und ihre Wirkung [9.07] Metall
Sonnenschutz
Wärmeschutz
Gold
X
X
Silber
X
X
Kupfer
X
X
Zink
X
Zinn
X
NiCrO 1
Entspiegelung
Sonstiges1
X X X
Verbesserung der chemischen Beständigkeit der Beschichtungen, Haftverbesserung
Wärmeschutzverglasungen hingegen sollen zur Gewinnung von solarer Energie eine gleichbleibend hohe Transmission für Energie aufweisen, gleichzeitig aber die Wärmeverluste auf Grund von Strahlung durch eine niedrige Emissivität vermindern. Die behandelten Gläser erreichen ein minimales Emissionsvermögen von etwa 3 % [9.16] gegenüber unbeschichteten Glas mit bis zu ε = 84 %. Kombinationen von Sonnen- und Wärmeschutzbeschichtungen mit zufriedenstellenden Resultaten hinsichtlich der jeweiligen Schutzziele sind mittels selektiver Beschichtungen möglich. Die Anordnung der Schichten und deren Kategorisierung werden in DIN EN 1096 geregelt. Die Klasse S umfasst Spezialbeschichtungen für zum Beispiel entspiegeltes Glas für Schaufenster.
601
9.4 Glasbearbeitung
Transmission τ (λ=550) [ / ]
1,0 0,8
Grünglas unbeschichtet Grünglas beschichtet Klarglas unbeschichtet Klarglas beschichtet
0,6 0,4 0,2 0,0
0
5
10
15
20
25
30
Glasdicke d [ mm ] Bild 9-40 Transmission beschichteter und unbeschichteter Gläser (DIN EN 410, Anhang A)
Die gebräuchlichen Verfahren zum Aufbringen der metallischen Überzüge sind die OnlineBeschichtung im Pyrolyse-Verfahren („Hard Coating“), das Kathodenzerstäubungs- und das Sol-Gel-Verfahren (beides Offline-Beschichtungen). Andere Methoden sind veraltet. Beim Online-Verfahren wird ein Metalloxid direkt auf die heiße Oberfläche des Floatglases noch während des Herstellungsprozesses aufgebracht. Durch diese Verbindung erreicht die Beschichtung eine Beständigkeit wie unbehandeltes Glas und entspricht Klasse A und B. Die Dauerhaftigkeit einer Beschichtung mit dem Kathodenstrahlverfahren liegt unterhalb der von Hard Coatings. Daher sind die auf diese Weise behandelten Oberflächen immer von einer freien Bewitterung auszuschließen. In aller Regel zeigen diese Beschichtungen in den SZR von Isolierverglasungen und werden in die Klassen C und D nach DIN EN 1096 eingeordnet. Beständiger sind dagegen die Oberflächen nach dem Sol-Gel-Verfahren. Dabei werden die Glasscheiben in flüssiges Metall getaucht, welches später mit Hitze (pyrolitisch) zu einem Metalloxid umgewandelt wird. Hard Coatings lassen sich nachträglich thermisch vorspannen und biegen. Dagegen können nur ausgewählte Soft Coatings auf Grund des Wärmeeinsatzes nach Herstellerangaben entsprechend veredelt werden. Eine weitere besondere Art der Beschichtung stellt das Emaillieren dar. Emaillierte Gläser sind gleichzeitig auf Grund des Herstellungsprozesses thermisch verfestigt. Die keramische Glasfarbe wird im Siebdruck-, Walz- oder Sprühverfahren nach dem Erkalten („offline“) aufgebracht [9.07, 9.11]. Die Farbgebung erfolgt durch Metalloxide als Pigmente in der Beschichtung. Anschließend wird die Farbe, auch Glasfluss genannt, bei Temperaturen bis zu 700 °C eingebrannt. Im Abkühlungsprozess wird die Vorspannung in das Glas eingeprägt. Die entstehende Beschichtung hat eine Stärke von 10 bis 100 μm, kann transparent oder undurchsichtig hergestellt werden und ist wegen der glasierten Oberfläche äußerst widerstandsfähig gegen mechanische Einwirkung und Witterungseinflüsse. Trotzdem ist eine Außenanwendung vorher mit den Herstellern abzustimmen. Durch eine Emaillierung wird die Festigkeit des Glases herabgesetzt.
602
9 Glas
Klasse A a/i
Klasse B
i/a a/i
i/a
1/i
1/i
1/i
2/i
2/i
2/i
3/i
3/i
3/i
i/a
Klasse D a/i
a/i
Klasse C
oder i/a 1/i 2/i 3/i
a/i
Legende: i/a 1 2 1/i 3 3/i 4 a 4/i i
Glas SZR Beschichtung Zwischenschicht außen innen
Bild 9-41 Anordnung von Beschichtungen bei Isolierverglasungen nach DIN EN 1096
9.4.8 Legen, Weben und Stricken Die Bearbeitung durch Legen, Weben oder Stricken ist nur für Glasfasern möglich. Aus den einzelnen Rovings, Garnen und Glasstapelfasern werden auf diese Weise flächige Produkte wie Gelege, Gewebe oder Gestricke für verschiedene technische Anwendungen hergestellt. Die im Herstellungsprozess aufzubringende Schlichte richtet sich nach dem späteren Verwendungszweck der weiterverarbeiteten Faser. Gelege sind Matten aus übereinander gelegten, nur durch einen Binder fixierten und glatten Endlosfasern. Die auch mehrschichtige Anordnung der Lagen kann in einem beliebigen Winkel zueinander und mit unterschiedlichen Fasermengen in jeder Richtung hergestellt werden. Bei einer unidirektionalen Verstärkung reichen in der Regel wenige Schussfäden oder Vliese aus unregelmäßig angeordneten Glasstapelfasern zur Lagefixierung aus. Bei Geweben werden die Fäden räumlich miteinander vernetzt. Ebenso wie bei Gelegen können symmetrische Matten oder Matten mit einer ausgeprägten unidirektionalen Ausrichtung hergestellt werden. Die Eigenschaften der Matten wie Biegsamkeit, Feinheit der Oberfläche, die Dimensionsstabilität und die Vermeidung von Ausfransungen an Schnitträndern können durch die Webart beeinflusst werden. Die DIN 61854 regelt die verschiedenen Webarten von Textilgläsern. Im Gegensatz zu Gelegen können die Schuss- und Kettfäden nur in einem senkrechten Winkel zueinander angeordnet werden. Gestricke besitzen auf Grund der Maschenbildung keine festgelegte Tragrichtung der Glasfasern und eignen sich daher nicht zur Anwendung als Verstärkungsmaterial für Kunststoffe oder Beton [9.18].
603
9.5 Glasveredelung
Leinwandbindung
Gleichgratkörper 4-bindig
Schußatlas 8-bindig
Schußkreuzkörperbindung
Schussfäden Kettfäden
Uni-direktionale Anordnung
Multi-direktionales mehrschichtiges Gelege
Bild 9-42 Gewebearten nach DIN 61854
9.5 Glasveredelung 9.5.1 Allgemeines Das Anwendungsspektrum von Basisglas wird durch Veredelungsprozesse wie Verfestigen, Laminieren oder Fügen wesentlich erweitert. Bestimmte Anwendungen werden erst durch diese Maßnahmen ermöglicht. Zum Vorspannen von Glas gibt es zwei Verfahren: das thermische und das chemische Vorspannen. Bei beiden Verfahren wird eine Druckspannung in die Oberflächen von Glasscheiben, in aller Regel aus Floatglas, eingeprägt. Der sich ergebende Spannungsverlauf stellt unabhängig vom Verfahren immer einen Eigenspannungszustand dar, das heißt die resultierende Kraft über den Querschnitt ist Null. Der Verlauf und die Verteilung der Eigenspannungen hängen vom Grad der Vorspannung und dem Verfahren ab. Aus fertigungstechnischen Gründen können derzeit keine Gläser dünner als 3 mm thermisch vorgespannt werden. Dort muss man auf die chemische Vorspannung zurückgreifen, wobei im Bauwesen wegen der Gesundheitsgefährdung auf Grund der verwendeten Stoffe und der langen Prozessdauer diese selten angewendet wird. Beim Fügen werden Glasscheiben mit Folien oder weiteren Materialien adhäsiv linienförmig oder flächig zu Produkten mit speziellen Eigenschaften zusammengeführt. Die wesentlichen
604
9 Glas
Eigenschaften sind unter anderem eine verbesserte Wärmedämmung beim MehrscheibenIsolierglas (MIG), eine Verbesserung der Resttragfähigkeit durch Verbund-Sicherheitsglas (VSG) und verbesserte Wirkungen gegen Durchbruch oder Durchschuss oder für den Schallschutz mit Verbundgläsern (VG).
9.5.2 Thermische Vorspannung Das gebräuchliche Vorspannverfahren ist das thermische Vorspannen. Grundsätzlich wird zwischen zwei Endprodukten unterschieden, die sich hinsichtlich Vorspanngrad, Biegefestigkeit und Bruchbild unterscheiden. Aus diesen Eigenschaften ergeben sich dann die verschiedenen Einsatzgebiete dieser Veredelungsprodukte. Im Falle vom voll vorgespannten Glas wird vom Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) gesprochen (DIN EN 12150). Im Fall einer beschränkten Vorspannung wird teilvorgespanntes Glas (TVG) nach DIN EN 1863 beziehungsweise nach allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) erhalten. Basisprodukte wie Floatglas, gezogenes Flachglas und Ornamentglas können vorgespannt werden. Mit der thermischen Vorspannung können teilweise auch beschichtete Glaserzeugnisse veredelt werden. Profilbauglas und Drahtglas können auf Grund der Form beziehungsweise wegen der unterschiedlichen Temperaturausdehnungskoeffizienten von Glas und Stahl nicht vorgespannt werden. 9.5.2.1 Vorspannverfahren
Beide Veredelungsprodukte, ESG und TVG, werden nach dem gleichen Verfahren hergestellt. Das Glas wird nach dem Bohren, Schneiden und Bearbeiten der Kanten erneut auf etwa 620 °C bis 670 °C erhitzt. Anschließend wird das Glas durch Luftzufuhr sehr schnell gekühlt. Die Abkühlgeschwindigkeit der Oberflächen bestimmt den Grad der Vorspannung. Eine schnellere Abkühlung erzeugt wegen der höheren resultierenden Temperaturdifferenz über die Dicke des Glases eine höhere Verfestigung. TVG wird langsamer gekühlt als ESG und besitzt daher eine geringere Festigkeit.
Reinigung
Erhitzen
Anblasen
Bild 9-43 Herstellung von vorgespanntem Glas [9.07]
Vorgespannte Gläser dürfen nach dem Veredelungsprozess nicht mehr durch Schneiden, Bohren oder Kantenschliff bearbeitet werden. Eine Weiterverarbeitung durch Fügen zu VSG oder MIG ist möglich.
605
9.5 Glasveredelung
9.5.2.2 Mechanismus der Vorspannung
Zur thermischen Vorspannung wird das Glas über seine Transformationstemperatur hinaus erhitzt. Durch das anschließende Anblasen mit normaler Luft kühlen die Oberflächen schneller aus und verkürzen sich stärker als der heiße, innere Kern der Scheibe. In Abhängigkeit von der Ausgangstemperatur, der Temperaturdifferenz zwischen Scheibe und Kühlmedium, der Dichte, der spezifischen Wärmekapazität, der Wärmeleitfähigkeit und dem Wärmeübergangskoeffizienten stellt sich ein zu jedem Zeitpunkt näherungsweise berechenbarer, parabelförmiger Temperaturverlauf über die Glasdicke ein, der sein Maximum in der Mitte erreicht [9.09, 9.17].
σ0 =
α′ ⋅
d 2
α ⋅E ⋅ (Tc − Tk ) d 1− μ λ + α′ ⋅ ⋅
(9.18)
2
σ0 α α´ λ μ E Tc Tk d
eingeprägte Druckspannung an der Oberfläche in N/mm2 Linearer Temperaturausdehnungskoeffizient in 1/K Wärmeübergangskoeffizient Glas-Kühlmittel in W/(m2·K) Wärmeleitkoeffizient in W/(m·K) Poissonzahl E-Modul in N/mm2 Erwärmungstemperatur in °C Kühlmitteltemperatur in °C Scheibenstärke in mm
Durch die Kühlung ist die Temperatur in Oberflächennähe geringer als im Kern. Da eine freie Gleitung innerhalb des Materials nicht möglich ist, wird die Verkürzung der oberflächennahen Bereiche durch den noch heißen Kern behindert. Auf Grund der Zwängung ergeben sich an den Oberflächen zunächst Zugspannungen und im Kern Druckspannungen. Oberhalb der Transformationstemperatur ist Glas viskos-plastisch mit einem ausgeprägten Vermögen, Spannungen durch Relaxation abzubauen. Ein Spannungsabbau durch Relaxation in den oberflächennahen Bereichen ist bei Unterschreitung der Oberflächentemperatur unterhalb der Transformationstemperatur nicht mehr möglich. Glas verhält sich unterhalb dieser Temperatur ideal-elastisch. Der noch heiße und plastische Kern verkürzt sich durch den weiteren Abkühlungsprozess. Diese Längenänderung wird durch die nun verfestigten Oberflächen behindert. Es bauen sich im Kern Zugspannungen auf, die mit resultierenden Druckspannungen in den Oberflächenbereichen im Gleichgewicht stehen. Eine zu geringere Ausgangstemperatur führt zum Bruch der Scheibe bereits im Vorspannofen mit einem Bruchbild analog des unveredelten normalen Floatglases. Die Versagensursache ergibt sich daraus, dass bei einer zu geringen Temperatur die Oberflächen zu schnell auskühlen und die anfänglichen Zugspannungen durch Relaxation wegen der zu schnellen Zunahme
606
9 Glas
der Viskosität noch nicht abgebaut worden sind. Diese wirken an den im Glas vorhandenen Mirko- und Makrorissen und verursachen den glastypischen Sprödbruch [9.07, 9.08]. Andererseits stellt sich im Falle von unversehrten Scheiben nicht der gewünschte Vorspanngrad ein. Wegen der noch nicht durch Relaxation abgebauten Zugspannungen müssen die sich im folgenden Prozess einstellenden Druckspannungen diese erst kompensieren. Der geforderte Vorspanngrad kann sich somit nicht mehr einstellen [9.07].
T=TOfen = konst.
d
T
zähflüssig
Eigenspannung: 1
-z σ=0
zähflüssig zähflüssig
Abkühlung
Abkühlung
1
Viskosität:
+z
TRaum Tg TOfen zähfest
Relaxation Zug
2 Abkühlung
Abkühlung
2
+
T
zähflüssig
-
Druck
+
zähfest
3
Relaxation Zug
fest
Zug
3
Abkühlung
+
T
zähflüssig
-
Druck
+
Zug
fest
4
fest
elastisch
Abkühlung
Temperaturprofil:
Druck 4
zähfest
Abkühlung
T
Zug
+ -
fest
elastisch
Druck
T
5
T=TRaum = konst.
Druck 5
fest -
T
fest
+ -
fest
-
Zug
+ -
Druck
Bild 9-44 Mechanismus der thermischen Vorspannung [9.09, 9.17]
Abkühlung
-
607
9.5 Glasveredelung
9.5.2.3 Spontanbruch durch Nickel-Sulfid-Einschlüsse
Thermisch vorgespanntes ESG kann unter bestimmten Umständen spontan ohne Lasteinwirkung oder äußeren Zwang versagen. Grund dafür sind unvermeidbare Unreinheiten im Glasgemisch durch Nickel-Sulfid (NiS) mit einer Korngröße von 100 μm bis 500 μm [9.09]. Bruchursache sind die unterschiedlichen Temperaturausdehnungskoeffizienten von Glas und Nickel-Sulfid [9.09]. In der Schmelze liegt Nickel-Sulfid in der α-Modifikation als hexagonale Kristallform vor. Dieses Kristall hat einen höheren Temperaturausdehnungskoeffizienten als das Glasgemisch. Es kommt daher bei Abkühlung zu Ablösungen vom umgebenden Material und zu Fehlstellen im Glas, die Ausgangspunkt von Rissen und Brüchen unter Zugspannungen sein können. NiS in α-Modifikation
T < 580 °C
rissgeschädigte, innere Oberfläche
NiS in β-Modifikation
Volumenvergrößerung NiS
T < 350 °C
Durchmesser meist 100 bis 200 μm
2
-20 bis 100 °C
T > 1000 °C
NiS-Fehleinschluss im Glasinneren
3
d
1
Sonne
4 Spontanbruch Überschreitung der inneren Glaszugfestigkeit
Bild 9-45 Spontanbruch durch NiS-Einschlüsse [9.09]
Nickel-Sulfid ist ein allotropes Material. Es liegt als Festkörper in zwei verschiedenen molekularen Aufbauten vor. Unterhalb einer Temperatur von 350 °C wandelt sich das NickelSulfid von der α- in seine β-Modifikation um (rhomboedrische Kristallform). Dies geschieht unter Volumenzunahme (etwa 4 %) mit Beibehaltung der chemischen Zusammensetzung. Volumenvergrößerung und eine unterschiedliche Temperaturdehnung bei Erwärmung beispielsweise durch Sonneneinstrahlung üben auf Grund der Behinderung durch das umgebende Material einen Zwang auf das Glas aus. Die so entstehenden Zugspannungen im Glas überlagern sich mit den planmäßig eingeprägten Zugspannungen aus der Vorspannung. Erreichen die entstehenden Zugspannungen die Zugfestigkeit des Glases, führt dieses zum schlagartigen Versagen der Scheibe. 9.5.2.4 Heat-Soak-Test
Die Umwandlung von α-NiS zu β-NiS verläuft bei Umgebungstemperatur langsamer, so dass es noch nach Jahren des Einbaus zum Spontanbruch kommen kann. Mit NiS-Einschlüssen liegt die Versagenswahrscheinlichkeit von unbehandelten ESG bei etwa 10–3 bis 10–4 pro Scheibe und Jahr und überschreitet damit den in GruSiBau geforderten Wert von 10–6 [9.06].
608
9 Glas
Durch eine Heißlagerung wird diese Kristallumwandlung beschleunigt. Die Temperatur liegt dabei knapp unterhalb der Wandlungstemperatur von 350 °C. Nach DIN EN 14179-1 müssen die Scheiben mindestens über einen Zeitraum von zwei Stunden bei einer konstanten Temperatur von 290 °C ± 10 °C gelagert werden. Dabei ist sicherzustellen, dass das Glas über seine gesamte Fläche gleichmäßig diese Temperatur erreicht. Daher sind nach Norm die Abstände der Scheiben im Ofen geregelt. Die Ausfallrate von ESG beträgt beim Heat-Soak-Test je nach Herkunft des Glases etwa 1 % bis 2 % [9.09]. Die Ausfallwahrscheinlichkeit in der späteren Anwendung wird durch diese Behandlung um zwei Zehnerpotenzen verringert und liegt somit oberhalb des geforderten Grenzwerts von 10–6 nach GruSiBau [9.06]. In dieser Weise behandeltes ESG wird mit dem Zusatz „H“ versehen. ESG-H kennzeichnet heißgelagertes Einscheiben-Sicherheitsglas. Spontanbruchverhalten beim TVG ist äußerst selten und liegt hinsichtlich der Ausfallwahrscheinlichkeit weit unterhalb des Wertes von ESG. Dieses ist wahrscheinlich auf die geringere Zugspannung im Kern wegen der nur teilweisen Vorspannung zurückzuführen. ESG-H ist in Bereichen erhöhter Sicherheitsanforderungen einzusetzen. Genaue Regelungen sind den Anwendungsrichtlinien TRAV, TRLV, TRPV, DIN 18516-4 zu entnehmen. 9.5.2.5 Bruchbilder und Festigkeit
An Hand der Bruchbilder sind ESG und TVG unterscheidbar. Während ESG beim Bruch in viele kleine, stumpfe Krümel ohne Bindung untereinander zerfällt, bricht TVG grobschollig mit von Kante zu Kante durchgehenden Rissen. Die Teilbruchstücke sind größer und haben dadurch im Verbund mit Folien eine höhere Resttragfähigkeit. Daher wird TVG in aller Regel in Verbindung mit PVB-Folien zu VSG zusammengefügt. Das Tragverhalten kann annähernd mit gerissenem Stahlbeton verglichen werden. Das Glas wirkt zwischen den Rissen mit. Tabelle 9.17 Biegefestigkeiten von ESG und TVG Glasart
Biegefestigkeit [ N/mm2 ] ESG DIN EN 12150-1
TVG DIN EN 1863-1
Klares, in der Masse gefärbtes und beschichtetes Floatglas
120
70
Emailliertes Floatglas (Emaillierte Oberfläche unter Zugspannung)
075
45
Ornamentglas, gezogenes Flachglas
090
55
Nach den derzeit geltenden Regeln der Technik ist TVG bauaufsichtlich nicht nach Norm sondern mit Zulassungen geregelt. Allerdings stimmen die Werte und Anforderungen der Zulassungen mit denen der DIN EN 1863-1 weitgehend überein. Beim Anschlagen der Scheiben breitet sich ausgehend von diesem Punkt auf Grund der gespeicherten elastischen
609
9.5 Glasveredelung
~0,2·d d
75 N/mm² +z
~0,2·d
d
~0,6·d
σv =
~0,6·d
-z
-z σv = 25 N/mm²
~0,2·d
~0,2·d
Energie infolge Vorspannung der Riss mit einer bestimmten Geschwindigkeit aus. Je höher die Vorspannung ist, desto höher sind auch die gespeicherte Energie und somit auch die Risswachstumsgeschwindigkeit. An allen Stellen, an denen die vorhandene Rissausbreitungsgeschwindigkeit die maximale erreicht, bildet sich eine Rissverzweigung [9.08]. Das heißt, mit zunehmender Vorspannung nimmt die Größe der Bruchstücke ab.
+z
Bild 9-46 Eigenspannungszustand und Bruchbild von ESG links und TVG rechts
Der Verlauf der Eigenspannungen über die Dicke des Glases kann nach [9.07] mit der folgenden Formel angenähert werden.
σ = σ 0·(1 − 3 ⋅ ζ 2 ) 2⋅ z d
mit
ζ =
σ0 σ
eingeprägte Zugspannung in der Scheibenmitte in N/mm2
z d
(9.19) (9.20)
Wert der verteilten Spannung in N/mm2 Laufvariable der Scheibenstärke, von der Mittelebene ausgehend in mm Scheibenstärke in mm
9.5.3 Chemische Vorspannung Die chemische Vorspannung wird nur angewandt, wenn auf Grund der Geometrie der Scheiben eine thermische Vorspannung nicht möglich ist. Dieses gilt meist für Scheibenstärken unter 3 mm und für besonders gebogene Scheiben. Sie ist in der DIN EN 12337 geregelt. Bei chemischer Vorspannung erhöht sich die Schlag- und Kantenfestigkeit des Glases. Eine nachträgliche Bearbeitung durch Schneiden ist im Gegensatz zum ESG und TVG möglich. 9.5.3.1 Herstellung
Die chemische Vorspannung wird durch eine Einlagerung des Glasprodukts in eine Salzlösung knapp unterhalb der Transformationstemperatur erreicht. In aller Regel wird in der Praxis eine Kaliumsalz-Schmelze verwendet.
610
9 Glas
Die Vorspannung wird durch einen Ionenaustausch in den oberflächennahen Bereichen eingeprägt. Dabei werden kleine Natrium-Ionen gegen große Kalium-Ionen ausgetauscht. Gegenüber der thermischen Vorspannung ist die Tiefe der Druckspannungszone mit 60 μm bis 300 μm sehr gering und ist sehr stark von der Dauer der Behandlung abhängig. So wird bei einer 24-stündigen Einlagerung eine Druckzonentiefe von 20 μm erreicht [9.07, 9.17]. Die entsprechende Prozessdauer ist bei konstanter Temperatur proportional zu t, das heißt, für eine doppelte Tiefe der ausgetauschten Ionen wird die vierfache Zeit benötigt [9.17]. Bedingt durch den Zeitaufwand sowie der Aufbereitung der verwendeten Chemikalien sind die Herstellungskosten sehr hoch. Daher kommen chemisch vorgespannte Gläser nur in Sonderanwendungen zum Einsatz. Der Vorspannprozess lässt sich durch Modifikationen der Glaszusammensetzung beschleunigen. Als besonders geeignet haben sich Natrium-Aluminium-Silikatgläser erwiesen. Bei diesen reicht eine Einlagerungszeit von 1 bis 4 Stunden aus, um Druckzonentiefen von 100 μm zu erzeugen [9.17]. 9.5.3.2 Bruchbild und Festigkeit
Das Bruchbild des chemisch vorgespannten Glases entspricht dem des normal gekühlten Glases [9.07].
d
< 300 m
Durch den Ionenaustausch können Oberflächendruckspannungen im Bereich von 400 N/mm2 bis 800 N/mm2 aufgebaut werden [9.06, 9.17]. Diese müssen wie bei allen Eigenspannungszuständen über die Höhe des Querschnitts im Gleichgewicht mit inneren Zugspannungen stehen.
-z σv =
< 300 m
800 N/mm² +z
Bild 9-47 Eigenspannungszustand und Bruchbild von chemisch vorgespanntem Glas
Chemisch vorgespanntes Glas besitzt auf Grund der nur oberflächennahen Vorspannung nur für Sonderanwendungen und -bauteile baupraktische Relevanz. Mit den Methoden der Bruchmechanik lassen sich aus der gemessenen und experimentell gewonnenen Biegefestigkeit die Tiefen der bruchverursachenden Risse und Oberflächenschädigungen bestimmen. Daraus ergibt sich eine Tiefe der kritischen Risse von 0,15 mm = 150 μm. Somit ist chemisch vorgespanntes Glas wegen der geringen Dicke der vorgespannten Zugzone wesentlich anfälliger gegen Oberflächenbeschädigungen in Form von Makrorissen als thermisch vorgespanntes Glas [9.06, 9.07].
611
9.5 Glasveredelung
Die Biegefestigkeit ist in der Norm als 5 %-Fraktilwert mit 150 N/mm2 für chemisch vorgespanntes Floatglas und mit 100 N/mm2 für chemisch vorgespanntes Ornamentglas angegeben.
9.5.4 Verbund- und Verbund-Sicherheitsglas Verbundgläser bestehen nach DIN EN ISO 12543 aus mindestens zwei mit einer Zwischenschicht verbundenen Glasscheiben. Der vorgesehene Einsatzbereich bestimmt die Anzahl der Glasschichten. Die einzelnen Scheiben der Verbundgläser können unterschiedlich stark sein und aus verschiedenen Glasprodukten bestehen. Als Zwischenschichten dienen ein- oder mehrlagige Folien oder Gießharze, die den Verbund gewährleisten und je nach Zusammensetzung eine transparente, transluzente, opake oder farbige Optik erzeugen.
Glasscheibe Zwischenschicht nach DIN EN ISO 12543 (VG bzw. BRL A Teil 1 Anhang 11.8 (VSG) Glasscheibe
Bild 9-48 Aufbau von Verbund- und Verbund-Sicherheitsglas
Spezielle physikalische Eigenschaften wie Sonnenschutz, Schallschutz, Brand- und Stoßwiderstand können mit Verbundgläsern gezielt beeinflusst werden. Bei erhöhten Sicherheitsanforderungen wie zum Beispiel Absturzsicherung und Stoßsicherheit dürfen nach BRL A nur PVB-Folien (Bruchfestigkeit mindestens 20 N/mm2 und Bruchdehnung größer als 250 %) als Zwischenschicht verwendet werden. Entsprechende Laminate aus Glas und PVB werden als Verbund-Sicherheitsglas (VSG) bezeichnet. Die Folie muss neben den genannten bestimmte Eigenschaften aufweisen. Beispielsweise müssen eine Resttragfähigkeit nach dem Bruch der Scheiben, eine Splitterbindung, eine Begrenzung der Größe von Öffnungen und eine Minimierung der Gefahr durch Schnitt- und Stichverletzungen gewährleistet werden. Bei der Herstellung werden die einzelnen Glasscheiben mit dazwischen liegender Folie geschichtet. Anschließend wird der gesamte Aufbau in einer Vorverbundanlage gewalzt. Das Paket wird daraufhin im Autoklaven bei einer Temperatur von 140 °C bei einem Druck von 14 bar endgültig laminiert.
612
9 Glas
Bild 9-49 Herstellung von Verbund-Sicherheitsglas [9.07]
Die Verbundwirkung der Zwischenschichten ist abhängig von der Umgebungstemperatur, der Belastungsdauer und den Scheibendicken. Auf Grund der Randbedingungen kann sich ein voller, ein teilweiser oder kein Verbund einstellen. Besonders unter Langzeitbelastung wird die Verbundwirkung durch das visko-elastische Materialverhalten der Zwischenschichten abgebaut. Unter kurzzeitigen, stoßartigen Belastungen kann vielfach von vollem Verbund ausgegangen werden.
M
Voller Verbund
Teilverbund
Kein Verbund
Bild 9-50 Spannungsverteilung in zweischichtigen, symmetrischen Verbundglas
Allerdings ist nach geltenden Regeln der Technik TRAV, TRLV ein Ansatz des vollen oder teilweisen Verbundes für dauerhafte Lasten nicht zulässig. Die Scheiben müssen als frei gleitend zueinander angenommen werden. Für Verbundgläser in Isolierverglasungen gelten besondere Bestimmungen. Dort muss ein voller Verbund zur Ermittlung der Klimalasten und deren Verteilung angenommen werden, wenn dieser ungünstigere Lastsituationen ergibt. VG entspricht vom Aufbau mit Ausnahme der Zwischenschicht dem des VSG. Als Verbundmaterial werden Gießharze mit einer Stärke von 1 mm bis 4 mm verwendet. Dabei werden die Scheiben auf den geforderten Abstand fixiert und der Zwischenraum mit einem Reaktionsharz vergossen. Weitere nicht in der BRL speziell benannte Folien (EVA und PE) können ebenfalls als Flächenverbund für VG verwendet werden. VG mit Gießharzen besitzen gegenüber VSG auf Grund des Herstellungsprozesses eine bessere Maßhaltigkeit bei Bohrlochversätzen [9.07].
613
9.5 Glasveredelung
9.5.5 Mehrscheiben-Isolierverglasung Mehrscheiben-Isolierverglasung besteht aus mindestens zwei Scheiben aus jedem beliebigen genormten Glasprodukt mit einem dazwischen liegenden Scheibenzwischenraum (SZR). Die Einzelscheiben können wiederum thermisch oder chemisch vorgespannt, VG oder VSG, und mit Beschichtungssystemen nach DIN EN 1096 versehen sein. Andere Arten von Oberflächen wie gesandstrahlte oder geätzte sind ebenfalls möglich. Die Füllung im SZR ist entweder normale Luft oder wegen der erhöhten Wärmedämmeigenschaften ein Edelgas. Das Standardfüllgas ist Argon. Schwerere Gase wie Krypton und Xenon weisen eine geringere Wärmeleitfähigkeit und somit bessere Dämmeigenschaften auf, werden aber wegen ihres hohen Preises aus wirtschaftlichen Gründen nur in besonderen Fällen verwendet. Einbauten in den SZR wie lichtlenkende Lamellen, Drahtgewebe oder andere Stoffe sind ebenfalls zulässig, wenn sie bestimmten nach Norm geregelten Anforderungen entsprechen. Für die Geometrie der Scheiben gelten keine Einschränkungen, außer für gebogene Gläser mit einem Biegeradius R < 1,00 m. In diesem Fall sind dann besondere Tests hinsichtlich der Wasserdampfdiffusionsdichtigkeit zu erbringen. Der Abstand der Gläser und die Verbindung dieser sowie der Abschluss des Zwischenraums werden durch einen Randverbund entweder im einstufigen oder zweistufigen System gewährleistet. MIG wird in der Regel zu Wärmeschutzzwecken eingesetzt, aber auch andere Eigenschaften wie Sonnenschutz oder Schallschutz können mit weiteren Maßnahmen verbessert werden. In absturzsichernden Verglasungen aus MIG nach TRAV besteht mindestens eine Scheibe aus VSG. Gleiches gilt auch für die untere Scheibe bei Überkopfverglasungen nach TRLV. MIG wird dann in DIN EN 1279 in Verbindung mit den Anwendungsrichtlinien geregelt. Gelötete oder randverschweißte Verbindungen sind nicht mehr gebräuchlich. Moderne Systeme sehen entweder geklebte, perforierte Aluminium-Abstandhalterrahmen als zweistufiges oder geklebte Thermo Plastic Spacer (TPS-System) als einstufiges System vor. Für die Herstellung der Klebung üblicher Randverbunde müssen eventuelle Beschichtungen an den Rändern entfernt werden, um eine ausreichende Haftung des Klebstoffes zu erzielen. Die Scheiben werden mit dem Abstandhalter unter Druck verklebt, anschließend wird das Gas in den Zwischenraum eingeleitet und der Rand versiegelt. Die Anforderungen an die Dichtigkeit gegen Feuchtigkeits- oder Gasdurchtritt sind in DIN EN 1279 definiert. Einstufiges System 7
1
1 Glas 2 perforierter Abstandhalterrahmen
6 5
(Aluminium) 3 Absorber (Trocknungsstoff)
Zweistufiges System 2
7
1
4 Primärabdichtung 5 Sekundärabdichtung 6 Primärabdichtung mit eingelagertem Trocknungsmitte
4
3 5
(Thermo Plastic Spacer) 7 Scheibenzwischenraum
Bild 9-51 Randverbundarten
614
9 Glas
Trocknungsmittel entfeuchten das eingeschlossene Gas (Luft oder Edelgase). Somit wird der Taupunkt im Inneren zur Vermeidung von Kondensation auf einen Wert unter –60 °C zum Zeitpunkt der Auslieferung abgesenkt [9.10, 9.11]. Daher werden an die Dichtstoffe besondere Anforderungen gestellt. Sie müssen dauerhaft, bei direkter Sonnenbestrahlung UVbeständig und diffusionsdicht sein. Bei Verwendung von Edelgasen sollte kein Silikon auf Grund seiner erhöhten Permeabilität gegenüber diesen Gasen als Dichtungsmittel verwendet werden [9.01]. In aller Regel werden dann Butyl-Dichtstoffe verwendet. Der Anfangsdruck im SZR entspricht dem Luftdruck der Herstellungsumgebung. Unter anderen meteorologischen und geographischen Randbedingungen kommt es zu einem Aufbau von Druckunterschieden zwischen dem Gasvolumen im Inneren der Verglasung und der Umgebungsluft. Die einzelnen Glasscheiben werden somit mit einer Klimalast beaufschlagt. Die einzelnen Scheiben sind durch das eingeschlossene Gas miteinander gekoppelt, das heißt, die Belastung einer Scheibe wird teilweise auch auf die lastabgewandte Scheibe umgelagert. Der Grad der Umlagerung ist vom Verhältnis der Scheibendicken abhängig. Genaue Bemessungshinweise finden sich dazu in der TRLV. Druck pi
= pa
Kopplung pi
< pa <
pi w
Ti
= Ta
Ti
< Ta <
Ti
Temp. Bild 9-52 Klimalasten Kopplung bei äußerer Belastung
9.5.6 Brandschutzverglasung Je nach Brandschutzklassifizierung bestehen Brandschutzverglasungen aus besonderen Einfachverglasungen oder Verbundgläsern, wobei immer komplette Systeme aus Glas, Rahmen und Dichtung betrachtet werden. Die Einteilung erfolgt nach DIN 4102-13 in die Brandschutzkategorien G und F. Bauteile nach der Kategorie F sollen in dem geforderten Beanspruchungszeitraum den Raumabschluss und einen Hitzedurchtritt verhindern. Systeme nach der Kategorie G hingegen müssen die Anforderungen hinsichtlich der Hitzeentwicklung nicht und hinsichtlich des Raumabschlusses in reduziertem Maße erfüllen. Beiden Kategorien ist ein Verbot des Rauchdurchtritts und der Entflammung des Bauteils und seiner weiteren Komponenten auf der brandabgewandten Seite gemein.
615
9.5 Glasveredelung
Tabelle 9.18 Kategorien von Brandschutzverglasungen nach DIN 4102-13 Kategorie
Vermeidung von Flammendurchtritt
Rauchdurchtritt
Hitzedurchtritt
GF (30, 60, 90, 120)
X
X
-
FG (30, 60, 90, 120)
X
X
X
Die Prüfung der Brandschutzverglasung erfolgt nach DIN 4102-2 an kompletten Einheiten im Normbrandversuch mit der Einheitstemperaturkurve (ETK). Dabei werden Verglasungen der Kategorie F nach DIN 4102 wie Wände betrachtet. Brandschutzverglasungen jeglicher Art bedürfen einer eingeführten bauaufsichtlichen Zulassung oder einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE) [9.06]. Auf Grund einer höheren TWB und eines niedrigeren Wärmeausdehnungskoeffizienten werden vielfach Borosilikat- und Drahtglas als Brandschutzgläser eingesetzt. Das Risiko des Zerplatzens unter starken Temperaturwechseln in Verbindung mit einem Herausfallen von Teilstücken und einer Öffnung des Raumabschlusses mit einhergehendem Flammenoder Rauchgasdurchtritt wird somit stark reduziert. Zum Beispiel erfüllt vorgespanntes Borosilikatglas die Anforderungen der Klasse G120 bereits mit einer Stärke von 8 mm [9.07]. Unveredelte, nicht spezielle Flachglasprodukte sind unter diesen Aspekten als Bestandteil einer Brandschutzverglasung nicht geeignet. Bei Brandschutzverglasungen der Kategorie F darf auf der brandabgewandten Oberfläche die Temperatur im Mittel nicht mehr als 140 K über der Umgebungstemperatur liegen, und die Maximaldifferenz nicht mehr als 180 K betragen. Ein weiteres Kriterium ist, dass sich ein auf die dem Feuer abgewandte Seite angehaltener Wattebausch nicht entzünden darf. Eine hitzehemmende Wirkung wird durch spezielle Zwischenschichten in der Isolierverglasung erreicht. Dabei kommen Hydrogel- und Wasserglasschichten zum Einsatz. Hydrogelschichten hindern den Wärmedurchtritt durch ein Verdampfen der Schicht mit einer gleichzeitigen Wärmedämmung durch entstehende Salzstrukturen. Wasserglasschichten schäumen auf und spalten Wasser ab [9.07]. Allerdings ist beim Einsatz in Außenwänden zu prüfen, ob die Zwischenschichten nicht bereits auf Grund der klimatischen Temperaturwechsel reagieren oder sich verändern [9.01, 9.11]. i
i
i
Legende:
1/i
1/i
1/i
2/i
2/i
2/i
3/i
3/i
3/i
1 2 2 3 i
Brandschutzverglasung
Bruch Scheibe 1
Glas Alkali-Silikat-Schicht (Dämmschichtbildner) SZR innen
Aufschäumen Isolationsschicht
Bild 9-53 Aufbau und Wirkung von Brandschutzverglasung Kategorie F [Quelle: Saint Gobain]
616
9 Glas
Im Zuge der europäischen Normung werden Brandschutzverglasungen bezüglich ihrer Leistungskriterien in DIN EN 357 geregelt. Die Prüfverfahren mit der Möglichkeit der Anpassung der ETK an weitere Brandszenarien wie eine Beflammung von Außen zur Beurteilung von Fassaden sind in DIN EN 1363 und DIN EN 1364 beschrieben und genormt. Die Einteilung in entsprechende Kategorien ist gegenüber der DIN 4102-13 in Teilbereichen abweichend. Tabelle 9.19 Kategorien von Brandschutzverglasungen nach DIN EN 357 Kategorie
1
Vermeidung von Flammendurchtritt
Rauchdurchtritt
Hitzedurchtritt
Strahlungsdurchtritt
DIN 4102-13
E
X
X
–
–
G1
EI
X
X
X
–
F1
EW
X
X
–
X
Keine
abweichend zur Kategorie G darf sich kein angehaltener Wattebausch entzünden
Die Kategorie E beinhaltet Bauteile, die einzig den Raumabschluss über den geforderten Zeitraum gewährleisten sollen. Verglasungen, die ebenfalls die thermische Isolation gewährleisten, entsprechen der Klassifizierung EI. Diese sind mit der Kategorie F nach DIN 4102-13 gleichzusetzen. Darüber hinaus regelt die DIN EN 357 Systeme, die die Wärmestrahlung reduzieren. Danach darf die Wärmestrahlung in einem definierten Abstand von der Verglasung einen bestimmten Wert der Strahlungsintensität nicht überschreiten. Diese Systeme nach der Kategorie EW besitzen in aller Regel entsprechende Beschichtungen und sind keiner Klassifizierung nach DIN 4102-13 zuzuordnen.
Temperatur [ °C ]
Wände aus Glasbausteinen sind ebenfalls als Brandschutzverglasungen geeignet [9.11].
Bild 9-54 Brandtemperaturentwicklung unter verschiedenen Bedingungen
617
9.6 Glasprüfung
9.5.7 Sicherheitsgläser Sicherheitsgläser erfüllen je nach Klassifizierung unterschiedlich hohe Anforderungen an die Hemmung von Durchbrüchen auf Grund mechanischer Einwirkungen. Analog zur Brandschutzverglasung muss nicht nur die Glasscheibe sondern auch der Rahmen mit seinen Befestigungsmitteln an das umgebende Bauwerk ausreichend widerstandsfähig sein. Tabelle 9.20 Widerstandskategorien Norm
Bezeichnung
Beschreibung [9.06, 9.07]
DIN EN 356
Durchwurfhemmend
Behinderung der Durchdringung von geworfenen oder geschleuderten Gegenständen
DIN EN 356
Durchbruchhemmend
Verzögerung der Herstellung einer Öffnung zum Ein- oder Ausbruch
DIN EN 1063
Durchschusshemmend
Behinderung der Durchdringung von Geschossen
DIN EN 13541
Sprengwirkunghemmend
Widerstand gegen Druck und Impuls einer bestimmten Stoßwelle
DIN 18032-3
Ballwurfsicher
Zerstörungsverhinderung durch geworfene oder geschleuderte Gegenstände
Als Gläser werden immer Verbundgläser mit einer dem Zweck entsprechenden Zusammenstellung verwendet. Als ballwurfsichere Verglasungen reichen 8 mm ESG oder VSG aus 2 x 4 mm Floatglas mit einer 0,38 mm dicken PVB-Folie aus [9.07]. Je nach Widerstandsklasse sind die Scheibenpakete zwischen 10 mm und 90 mm stark. Die Gesamtdicke einer Isolierverglasung ergibt sich aus den beiden Scheiben, von denen die eine die Sicherheitsverglasung darstellt, sowie dem SZR. Das Flächengewicht beträgt bis zu 250 kg/m2. Im Fensterbau führt dieses in der Ausführung zu sehr massiven Dimensionen der Rahmen. Zur Gewichtsreduzierung werden daher häufig Polycarbonatplatten als Zwischenschichten verwendet, die auf Grund ihrer Zähigkeit vorteilhaft sind und gleichzeitig analog einer PVB-Folie im Flächenverbund wirken.
9.6 Glasprüfung 9.6.1 Allgemeines Zahlreiche Prüfungen dienen der Qualitätskontrolle von Glas. Weitere Versuche sind Bestandteil von Bauteilprüfungen im Rahmen von Zulassungsverfahren für nicht geregelte Bauprodukte und -arten. Die aufgeführten Verfahren dienen der Kontrolle beziehungsweise dem Nachweis der Festigkeit und Sicherheit. Weitere Verfahren beziehen sich auf die Prüfungen der Dauerhaftigkeit und Beständigkeit verschiedener Maßnahmen wie Beschichtungen oder Gasdichtigkeit. Die entsprechenden Methoden sind den jeweiligen Produktnormen zu entnehmen.
618
9 Glas
Tabelle 9.21 Versuche zur Glasprüfung Norm
Prüfgegenstand
DIN EN 1288-2 DIN EN 1288-3 DIN EN 1288-4
Flachglas, Ornamentglas Biegefestigkeit
DIN EN 1288-5 DIN EN 12600 / TRAV
Zu prüfendes Produkt
Flachglas, Ornamentglas Profilbauglas, zurückgezogen Flachglas, Ornamentglas
Stoßfestigkeit
Absturzsicherungen
9.6.2 Prüfungen am Glasprodukt Glas besitzt auf Grund des bruchmechanischen Verhaltens keine definierte mechanische Festigkeit. Vielmehr stellt die in den Normen angegebene Festigkeit ein zu erfüllendes Qualitätsmerkmal des Glasprodukts dar. Der Bruch einer Probe tritt nicht an der Stelle der höchsten Spannung sondern an der Stelle der ungünstigsten Kombination von Oberflächendefekt und Spannung ein. Daher hat die Verteilung dieser einen maßgeblichen Einfluss auf die Festigkeit. Aus diesem Grund sind alle Biegeversuche so aufgebaut, dass ein möglichst großer Teil der Prüffläche unter einer homogenen Zugspannung steht. Somit wird durch eine möglichst große Fläche die Auftretenswahrscheinlichkeit solcher ungünstiger Kombinationen erhöht. Der tatsächliche Bruchursprung ist dann von untergeordneter Bedeutung, sofern er nicht außerhalb dieser Fläche auftritt. Der maßgebende Festigkeitskennwert ist die Biegefestigkeit von Glas. In der praktischen Anwendung ist eine reine Druck- oder Zugbeanspruchung äußerst selten. Glas wird meistens als biegebeanspruchtes Bauteil verwendet. Nur bei eigenspannungsfreien Prüfkörpern trifft der Begriff der Biegefestigkeit zu. Bei verfestigten Gläsern mit einem planmäßigen Eigenspannungsverlauf wird immer nur die Prüfbiegefestigkeit angegeben [9.08]. DIN EN 1288 regelt drei Versuche zur Ermittlung der Biegefestigkeit beziehungsweise Prüfbiegefestigkeit. Bei den Doppelring-Biegeversuchen nach Teil 2 und 5 wird der Kanteneinfluss ausgeschlossen, welcher im Vierschneiden-Versuch nach Teil 3 mit erfasst wird. Die beiden Doppelring-Versuche unterscheiden sich hinsichtlich der Probengröße. Alle Versuche haben gemein, dass die Prüfungen an ungeschädigten Proben durchgeführt werden sollen. Dafür sollen die Oberflächen vor dem Versuch auf nicht herstellungsbedingte Fehler und Defekte hin untersucht und gegebenenfalls aussortiert werden. Die Versuche müssen in einer genormten Umgebung mit einer Temperatur von 23 °C und bei einer Luftfeuchtigkeit im Bereich von 40 % bis 70 % auf Grund der Abhängigkeit der Biegefestigkeit von den Umweltbedingungen durchgeführt werden. Außerhalb der Norm wird auch vorgeschlagen, die Versuche an vorgeschädigten Proben durchzuführen [9.09]. Als Vorschädigung sind das Schmirgeln mit Schleifpapier mit einer Körnung 220 oder das Berieseln mit Korund F16 genannt. Mit dieser Art der Vorbehandlung soll der höchste, in der Praxis auftretende Grad der Schädigung abgebildet werden. Dieses Verfahren ist nach dem Anhang der BRL A zur Eingrenzung des Variationskoeffizienten für die statistische Auswertung der Prüfung der Biegefestigkeit zugelassen. Ergänzend zu dieser
619
9.6 Glasprüfung
Regelung schlägt [9.09] vor, dass wegen der Berücksichtigung einer erhöhten Schädigung eine Berechnung mit Sicherheitsfaktoren als hinfällig betrachtet werden kann. Diese Vorgehensweise entspricht aber nicht den derzeit anerkannten Regeln der Technik. 9.6.2.1 Doppelringbiegeversuch
p
F
Lastring Justierbacken
Probe
r2 L/2
r1 Probenrahmen
Bild 9-55 Aufbau Doppelringbiegeversuch
In Rahmen der Normenreihe gibt es zwei Versuche mit dem Doppelring, die sich hinsichtlich der Probenfläche unterscheiden. Bei diesen Versuchen wird der Einfluss der Kante und ihrer Schädigung ausgeschlossen. Durch die Versuchsanordnung sollen möglichst gleich große Radial- und Tangentialspannungen erzeugt werden. Bis zu einer Belastung, die eine Verformung in der Höhe der halben Probendicke hervorruft, gelten die Berechnungsmethoden der linearen Mechanik, und der Anspruch an gleiche Spannungen in radialer und tangentialer Richtung ist erfüllt. Beim kleinen Doppelring-Biegeversuch ist dieses auf Grund des darauf abgestimmten Ringdurchmesserverhältnisses immer eingehalten. Bei größer werdenden Verformungen wachsen die geometrisch nichtlinearen Effekte an, so dass die Radialspannungen unter dem Lastring ansteigen, der Verlauf der Tangentialspannungen aber gleichförmig bleibt. Eine Berechnung der Spannungen nach der linearen Elastizitätstheorie ergibt zu hohe Ergebnisse, das heißt, die Biegefestigkeit wird überschätzt. Zur Vermeidung dieses Effekts und zur Vereinfachung der Berechnung der Spannungen wird beim großen Doppelring-Biegeversuch die Fläche innerhalb des Lastrings unter Druck gesetzt. Dabei werden die Radialspannungen wieder gleichförmig, die Tangentialspannungen fallen von der Mitte zum Lastring hin ab. In Probenmitte sind Tangential- und Radialspannungen gleich groß. Ein gleichmäßiger Verlauf der Spannungen in beiden Richtungen ist technisch nicht durchführbar. Der Innendruck verringert die aufgebrachte Stempelkraft. Daher muss zwischen der Ring- und der Stempelkraft in der Auswertung unterschieden werden. Die Spannungen in beiden Richtungen fallen vom Last- zum Stützring hin ab. Außerhalb des Stützringes sind die Radialspannungen Null, die Tangentialspannungen nehmen über die gesamte Probendicke negative Werte an. Somit ist ein Kanteneinfluss auf die Ergebnisse ausgeschlossen.
620
9 Glas Spannungen Tangential Radial
Lastring
.50
Stützring
Spannung σ [ N/mm2 ]
.70 .60
.40 .30 .20 .10
-500
-400
-300
-200
100
0
100
200
300
400
500
Radius r vom Mittelpunkt [ mm ] Bild 9-56 Qualitativer Verlauf der Radial- und Tangentialspannung bei großen Verformungen
Der Bruch der Proben ist innerhalb des Lastringes zu erwarten, weil dort planmäßig die höchsten Biegespannungen vorliegen. Bruchursprünge außerhalb des Lastringes resultieren meistens aus einer Verschmutzung des Stützringes mit scharfkantigen Materialien. Die sich daraus ergebenden lokalen Spannungsspitzen führen zum Bruch. Proben mit einem Bruchursprung außerhalb des Lastringes sind von der Auswertung auszuschließen. Tabelle 9.22 Doppelringbiegeversuche Prüfverfahren
Einrichtung
Prüffläche [ cm2 ]
Relative Biegefestigkeit
DIN EN 1288-2
–
2400,00
100 %
DIN EN 1288-5
R45
0002,54
140 % – 270 %
DIN EN 1288-5
R30
0001,13
145 % – 300 %
Die Versuchsergebnisse an kleinen Prüfflächen werden erwartungsgemäß höhere Mittelwerte der Biegefestigkeiten liefern, da bei kleineren Proben die Wahrscheinlichkeit eines schweren Defekts innerhalb der Prüffläche geringer ist. In den Normen sind die Auswertungsverfahren ausführlich beschrieben. Zum Vergleich sind in der Norm relative Biegefestigkeiten zwischen den Verfahren angegeben. Diese sind allerdings auf Grund des hohen Streubereichs aber nur als Anhalt zu nehmen. 9.6.2.2 Vierschneiden-Verfahren
Im Gegensatz zu den Doppelring-Biegeversuchen wird bei diesem Versuch der Kanteneinfluss mit erfasst. Die Probengröße beträgt 1100 mm x 360 mm in einem Toleranzbereich von 5 mm. Die Lastrollen haben eine Breite von 365 mm und ragen so im Idealfall über die Plattenkanten hinaus. Somit werden Querspannungen auf Grund zu kurzer Rollen vermieden.
621
9.6 Glasprüfung
Auf Grund dieser Versuchsanordnung mit zwei zur vertikalen Mittelachse symmetrischen Lasteinleitungsrollen stellt sich zwischen diesen Punkten ein nahezu gleichförmiger Längsspannungsverlauf ein. F Zwischenlager aus Gummi
h
Biegerolle Auflagerrollen
Lb
Probestück
Ls
Bild 9-57 Vierschneiden-Verfahren
Alle Probekörper müssen die gleiche Oberflächenausrichtung haben, das heißt die Scheiben müssen von einer Seite geschnitten sein, wobei die entstehende Kante immer die gleiche Ausrichtung besitzen muss. Bei schmalen Prüfkörpern sind die Spannungen quer zur Längsachse Null. Mit zunehmender Breite bauen sich aber Querspannungen auf, die über die Querkontraktionszahl mit den Längsspannungen gekoppelt sind. Diese Querspannungen erzeugen eine Umlagerung der Biegespannungen über die Breite der Versuchsprobe. Die Längsspannungen in Plattenmitte nehmen ab, an den Rändern werden sie erhöht. Auf Grund dessen ist eine Auswertung unter Einbeziehung des tatsächlichen Spannungsverlaufs sehr aufwendig. Die Ergebnisse sind bei der Auswertung bezüglich des Rissursprungs zu unterscheiden. Proben mit Bruchursprüngen außerhalb der Lasteinleitungsrollen sind aus der Auswertung zu entfernen. Bei einer Berücksichtigung aller Versuche in der Auswertung wird die GesamtBiegefestigkeit einschließlich des Kanteneinflusses ermittelt. Die Kantenfestigkeit wird unter Vernachlässigung aller Proben, die nicht ihren Bruchursprung an der Kante besitzen, berechnet. Die Auswertungsverfahren und notwendigen Formeln sind in der Norm ausführlich beschrieben. 9.6.2.3 Prüfung der Bruchstruktur bei vorgespanntem Glas
An das Bruchbild von vorgespanntem Glas werden nach den geltenden Produktnormen bestimmte Anforderungen gestellt. Aus Gründen der Sicherheit soll ESG zu kleinen, stumpfkantigen Krümeln zerfallen, wohingegen grob brechendes TVG als Bestandteil einer VSGScheibe im Verbund mit der PVB-Folie die Reststandfähigkeit gewährleisten soll. Das Bruchbild für ESG definiert DIN EN 12150. TVG nach DIN EN 1863 ist kein Bauprodukt nach der BRL und wird über eine abZ geregelt. Allerdings ist die DIN EN 1863 hinsichtlich der Prüfkriterien für TVG und der Maßtoleranzen in den abZ vorgeschrieben. Die Prüfung beider Bauprodukte geschieht in gleicher Weise. An einem definierten Punkt werden die Scheiben mit einem spitzen Gegenstand bis zum Bruch angeschlagen. Anschlie-
622
9 Glas
ßend wird das entstandene Bruchbild unter Ausschluss von Anschlags- und Randbereichen ausgewertet. Nach beiden Normen muss eine Mindestanzahl von 5 Scheiben mit den Abmessungen von 1100 mm x 360 mm je Versuch geprüft werden. kleine Insel
25 100
ausgenommene Bereiche
große Insel
Bild 9-58 Prüfung des Bruchbildes bei ESG / TVG
Prüfung von ESG
Mit einer genormten Schablone wird der Bereich der größten Bruchstücke abgegrenzt. Liegen die Bruchstücke komplett in der Schablone werden sie einfach gewertet, liegt das Bruchstück auf dem Rand wird es halb gewertet. In Abhängigkeit der Glasstärke muss eine Mindestanzahl von Bruchstücken innerhalb der Schablone vorliegen. Weiter darf das größte Bruchstück eine Länge von 100 mm nicht überschreiten. Erst bei Erfüllung beider Kriterien der charakteristischen Festigkeit und des Bruchbilds ist das Glas als ESG klassifiziert. Prüfung von TVG
Jedes entstandene Bruchstück muss mit mindestens einer Kante an einem der ausgenommenen Bereiche angrenzen. Grenzt ein Bruchstück nicht an eine entsprechende Kante, müssen solche Inseln weitergehende Anforderungen erfüllen. Dabei darf nur eine Mindestanzahl von Inseln mit einer definierten Flächenmasse je Scheibe vorliegen, und die Summe aller kleinen Bruchstücke ein festgelegtes Flächen-Massenäquivalent nicht überschreiten. Erst bei Erfüllung aller Kriterien der charakteristischen Festigkeit und des Bruchbilds ist das Glas als TVG klassifiziert. 9.6.2.4. Prüfung von Profilbauglas
Wegen der Abhängigkeit der charakteristischen Festigkeiten von der Lage des Spannungspunktes müssen Profilbaugläser immer in beide Richtungen um die schwache Achse geprüft werden. Der Versuch ist analog dem Vierschneiden-Verfahren aufgebaut, wobei die Länge und die Lasteinleitung modifiziert werden. Die Lasteinleitung erfolgt über Luftkissen als Streckenlast.
623
9.6 Glasprüfung
In DIN EN 1288-4 sind der Versuchsaufbau und die Durchführung beschrieben. Allerdings wurde Profilbauglas und daher auch das Prüfverfahren wegen der Schwierigkeiten der unterschiedlichen Festigkeiten in Steg und Flanschen aus der BRL als geregeltes Bauprodukt entfernt. Die Prüfung von Profilbauglas wird deswegen in den jeweiligen Herstellerzulassungen geregelt und dient der werkseigenen Qualitätskontrolle.
9.6.3 Bauteilprüfungen Gegenüber den Prüfungen am Glasprodukt sind einige Prüfverfahren für Bauteile und Konstruktion normativ nicht geregelt. Die Anforderungen werden dann von den zuständigen Behörden im Rahmen von Zustimmungs- oder Zulassungsverfahren festgelegt. 9.6.3.1 Pendelschlagversuch
Der Pendelschlagversuch ist eine Methode zur Prüfung von gesamten Bauteilen, bei denen eine stoßartige Belastung mit hoher Wahrscheinlichkeit wie zum Beispiel bei absturzsichernden Verglasungen zu erwarten ist. In DIN EN 12600 sind der Versuchsaufbau und die Art des Pendels geregelt. Allerdings ist der nach der BRL eingeführte Versuch in den TRAV mit gegenüber der Norm abweichenden Fallhöhen des Pendels beschrieben. In diesem Versuch werden im Gegensatz zur DIN EN 12600 komplette Bauteile mit ihren tatsächlichen Größen und Halterungen berücksichtigt. Fallhöhen nach TRAV
Ringschraube Gewicht 5 < a < 15
Stoßkörper nach DIN EN 12600
Reifen
Pendellänge
Kategorie Fallhöhe A 900 B 700 C 450
Stoßkörper nach DIN EN 12600
Gewindestift zu prüfendes Bauteil in-situ
Anprallhöhe
Fallhöhe
Felge
Bild 9-59 Pendelschlagversuch am Bauteil
Nach dieser Norm gilt der Versuch als bestanden, wenn der Prüfkörper im Versuch nicht bricht oder nach dem Bruch Öffnungen und Risse in ihrer Größe begrenzt sind. Weiter dürfen die Splittermenge und die Größe der Bruchstücke bei Bruch in der Norm festgelegte Werte
624
9 Glas
nicht überschreiten. Nach TRAV wird zusätzlich die ausreichende Tragfähigkeit der Haltekonstruktion unter Stoßbelastung gefordert. 9.6.3.2 Prüfung der Betretbarkeit, Begehbarkeit und Resttragfähigkeit
Für Überkopfverglasungen werden nach TRLV besondere Anforderungen hinsichtlich der Betretbarkeit beziehungsweise Begehbarkeit und Resttragfähigkeit des Bauteils gestellt. Resttragfähigkeit bedeutet, dass das Bauteil auch nach seiner Zerstörung unter einer bestimmten Belastung über einen bestimmten Zeitraum in seiner Lage fixiert ist. Das heißt, dass gebrochene Scheiben oder gefährliche Bruchstücke einer Überkopfverglasungen nicht auf darunter liegende Verkehrsflächen fallen dürfen. Eine Horizontalverglasung kann zu Reinigungs- und Wartungszwecken betretbar sein. Entsprechende Anforderungen an den Arbeitsschutz werden den Unfallverhütungsvorschriften zum Beispiel der GS-Bau-18 entnommen. Als untere Scheibe bei Überkopfverglasungen muss Drahtglas oder VSG aus Floatglas oder TVG verwendet werden. Dabei ist die Anwendung der jeweiligen Verglasung zusätzlich von seinen Lagerungsbedingungen abhängig. Die Resttragfähigkeit wird dann durch die Drahteinlage beziehungsweise durch die PVB-Folie gewährleistet. Die Einhaltung des Resttragvermögens umfasst das gesamte Bauteil inklusive Halterungen und gegebenenfalls der Unterkonstruktion. Ein einheitliches Regelwerk zur Prüfung einer Resttragsicherheit gibt es nicht. Vielmehr werden die Kriterien und der Prüfumfang inklusive der Testdauer und der Belastungen von den genehmigenden Behörden festgelegt. Im Rahmen der Prüfung von Vordachverglasungen wird zum Beispiel als Last die Hälfte der Schneelast über eine bestimmte Dauer angesetzt. Diese Last wird in Form von Sand- oder Zementsäcken aufgebracht.
Bild 9-60 Leinensack nach GS-Bau-18 und Stoßkörper für begehbare Verglasung
9.7 Glasrecycling
625
Zur experimentellen Überprüfung der Betretbarkeit und der Durchbruchsicherheit der Verglasung kommt ein abgewandelter Kugelfallversuch zur Anwendung. Die Fallhöhen werden objektbezogen von den Bauaufsichtsbehörden im Rahmen der ZiE abweichend von der DIN 52338 festgelegt. Im Prüfablauf können als Stoßkörper ein Glaskugelsack mit einer Masse von 50 kg und eine Stahlkugel mit 4,10 kg Gewicht in Kombination mit statischen Gewichten zur Simulation der Mannlast gefordert werden. Der Stoßkörperversuch wird bei der Prüfung der Resttragfähigkeit von begehbaren Verglasungen angewandt. Dabei wird mit einem definierten Stoßkörper die Verglasung aus VSG planmäßig zum Bruch gebracht. Anschließend wird das gebrochene Bauteil mit Gewichten belastet und die Reststanddauer gemessen. Der Nachweis der ausreichenden Restragfähigkeit ist bei Einhaltung einer geforderten Standzeit erbracht. Die Anzahl der Testkörper wird von der Prüf- beziehungsweise Genehmigungsstelle festgelegt.
9.7 Glasrecycling 9.7.1 Allgemeines Die über die kommenden Jahre zunehmende Verknappung an natürlichen Rohstoffen erfordert neue energiesparende Methoden zur Nutzung und Wiederaufbereitung von Altmaterialien. Bereits in den 70er Jahren wurde ein leistungsfähiges und flächendeckendes RecyclingSystem für Altglas in Deutschland aufgebaut. Auf Grund der Beibehaltung und Konformität der mechanischen Eigenschaften auch bei mehrmaligem Aufschmelzen und Abkühlen ist der Werkstoff Glas hervorragend zur Wiederverwertung geeignet. Man muss allerdings bei der Altglasverwertung zwischen den Endprodukten Flachglas und Behälterglas – neben anderen – unterscheiden.
9.7.2 Aufbereitung und Wiederverwertung Am Anfang des Wiederverwertungsprozesses steht das Sammeln und Trennen der verschiedenen Glasarten und -produkte. Das Ablaufschema ist für Glasabfälle aus Getränkebehältnissen und Bauelementen prinzipiell gleich. Die Trennung der Fremdstoffe bei VG, VSG und MIG erfolgt mehrheitlich mechanisch durch zerkleinern. Beschichtungen auf Gläsern können nicht vom Substrat durch Aufbereitungsprozesse getrennt werden. Da allerdings Überzüge in sehr geringen Schichtdicken mit geringen Massenanteilen zum Substrat aufgebracht werden, nimmt man den entsprechenden Anteil an Fremdstoffen hin. Darüber hinaus verdampfen Beschichtungen auf Basis von Metalloxiden in der Schmelze. Der erste Schritt des Wiederaufbereitungsvorgangs besteht im Zerkleinern des Altglases. Anschließend werden grobe, artfremde Stoffe wie Metalle und organische Stoffe durch Handverlesung entfernt. Anschließend werden die Glasabfälle weiter zerkleinert. Dabei wird schon ein Großteil des Glases von Folien und anderen Verbindungsmitteln mechanisch getrennt. Der Effekt kann durch eine vorlaufende Freibewitterung verstärkt werden.
626
9 Glas
Bild 9-61 Aufbereitungsschritte von Altglas
Darauf folgend findet eine automatisierte Trennung von den noch enthaltenen Fremdstoffen wie Folien und farbfremde Gläser statt. Endprodukte sind zwei verschiedene Kornfraktionen mit einem unterschiedlichen Gehalt an Folienresten. Der Fremdstoffgehalt der Fraktion bis 4 mm beträgt etwa 600 g/t und in der Fraktion bis 12 mm etwa 2.500 g/t. Beide Fraktionen sind für sich nicht zum Einschmelzen geeignet. Die leichte Fraktion bis 4 mm schmilzt wegen der sehr geringen Größe schon beim Einbringen oberhalb der Schmelze auf und gelangt auf Grund des geringen Gewichts in die Umgebungsluft. Solch kleine Scherben sind allein für sich genommen in der industriellen Glasherstellung technisch nicht nutzbar. Die größere Fraktion weist einen zu hohen Anteil an Fremdstoffen auf. Diese verunreinigen die Schmelze. Eine Mischung aus beiden Fraktionen in gleichen Massenanteilen ergibt das zum Einschmelzen geeignete Gemenge. Bei der Flachglasproduktion werden der Schmelze ungefärbte Glasscherben bis zu einem Massenanteil von 25 % zugegeben. Dieses besteht zu 100 % aus herstellungsbedingten Randverschnitten aus der Floatglasproduktion, sowie Bruchgläser und Verschnittreste aus der Verarbeitung von reinem Flachglas. Scherben für die Behälterglasproduktion werden durch das Sammeln von Altglas erhalten. Dabei ist auf eine Trennung der Buntgläser zu achten. Der Anteil der Fremdfarben in einer bestimmten Glassorte ist begrenzt. Grünglas kann wegen der Überdeckung anderer Farben einen höheren Anteil an Fremdglas als andere Glassorten enthalten. Bei der Behälterglasproduktion kann Grünglas aus bis zu 100 % Altglasanteil hergestellt werden, in aller Regel sind es aber etwa nur 70 %. Für Weiß- und Braunglas ist der Anteil geringer. Die Wiederverwertung von
627
9.7 Glasrecycling
VG/VSG- und Isolierglasscheiben erfolgt auf Grund des Verbundes mit artfremden Materialien wie PVB-Folien nicht in der Flachglasproduktion. Gleiches gilt für beschichtete Gläser. Zur Gewährleistung konformer mechanischer Eigenschaften sind die Anteile der Fremdstoffe sehr eingeschränkt. Keramische Bestandteile und Glaskeramik zum Beispiel werden in der Schmelze nicht gelöst und stellen im fertigen Glasprodukt Fehlstellen dar. Tabelle 9.23 Maximalanteil an Fremdstoffen im Altglas [9.15] Fremdstoff
Auswirkung
Maximalmenge
Wasser
Höherer Energieaufwand
<2%
Keramik
Fehlstellen im abgekühlten Glas
25 g/t
Glaskeramik
Verklumpung der Schmelze
0 g/t
Aluminium
Bildung von Siliziummetall in der Schmelze
5 g/t
Blei
Schädigung des Schmelzwannenbodens
1 g/t
Organische Stoffe
Einfluss auf die chemische Reduktion
Fehlfarben Weißglas Braunglas Grünglas
Farbtrübung / Entfärbung
500 g/t 0% <8% < 15 %
Die nicht wieder verwertbaren Reste machen etwa 4 % der Gesamtmenge des recycelten Glases aus und werden zur Wiederverfüllung von stillgelegten Bergwerken genutzt. Tabelle 9.24 Ausgangsstoffe und Neuprodukte Ausgangsstoff
Neuprodukt
Behälterglas
Behälterglas
Flachglas / TVG / ESG
Flachglas
MIG / VG / VSG
Behälterglas / Glaswolle
Beschichtete Gläser
Behälterglas
9.7.3 Einsparungen 9.7.3.1 Rohstoffe und Eingriffe in die Natur
Durch die Wiederverwertung reduziert sich der Bedarf an Primärrohstoffen wie Quarz oder Kalk. Zur Gewinnung von 1 m3 Primärrohstoff fallen 7 m3 Abraum an. Die Eingriffe in die Natur werden durch den geringeren Abbau der Rohstoffe vermindert. Ebenfalls ist ein Großteil des Deponieraums einerseits zur Beseitigung des Altglases und andererseits zur Lagerung des Abraums nicht mehr erforderlich.
628
9 Glas
9.7.3.2 Energie
Seit 1970 konnte auf Grund des Recyclings in Verbindung mit einer Verbesserung der Herstellungstechnologie der Energieeinsatz in der Glasindustrie um 77 % gesenkt werden [9.15]. Der Einsatz von Scherben senkt die notwendige Energie zur Glasherstellung durch eine Herabsetzung der Schmelztemperatur aufgrund veränderter chemischer Prozesse. Beim Einsatz von Primärrohstoffen wie Sand, Kalk und Dolomit müssen chemische Bindungen aufgebrochen, umgelagert, und die neue Verbindung Glas gebildet werden. Dieser Sinterprozess hat eine höhere Reaktionstemperatur als die Erweichungstemperatur von Glas. Eingesetzte Scherben müssen nur noch eingeschmolzen werden. Eine Stoffneubildung ist nur für die zugesetzte Menge an Rohstoffen notwendig. Außerdem besitzen Mischungen von verschiedenen Stoffen auf Grund chemisch-physikalischer Gesetzmäßigkeiten einen niedrigeren Schmelzpunkt. Durch Verwendung von wieder aufbereitetem Material ergeben sich Energieeinsparungen in Höhe von 2,50 % bis 3,00 % je 10 % Massenanteil Altglas. Allerdings ist der Prozentsatz an Scherben in einer Schmelze für die Flachglasproduktion nicht unbegrenzt. Zum einen können trotz einer sehr sorgfältigen Aufbereitung des Altmaterials Verunreinigungen in die Schmelze gelangen. Dieses führt zu Qualitätsverlusten in der Produktion.
Bild 9-62 Energieeinsparungen in Abhängigkeit des Scherbenanteils in der Schmelze [9.15]
Zum anderen müssen ausreichend Scherben vorhanden sein. Da nicht alle Weißglasscherben sondern nur besondere, aus der Flachglasproduktion und -verarbeitung stammende Reststoffe verwendet werden können, ist die Verfügbarkeit stark eingeschränkt. Darüber hinaus wird die Verschnittmenge durch optimierte Schnittmuster der Basisscheiben mittels computergestützter Verfahren der Verschnitt sehr reduziert. Daher ist der Anteil an Altglas in der Flachglasproduktion wegen der Beschaffungsproblematik auf maximal 25 % begrenzt.
629
9.8 Literatur
9.7.3.3 Emissionen
Die Verminderung des Einsatzes an Energie und Primärrohstoffen ist direkt mit einer gleichzeitigen Reduzierung der Emissionen verbunden. Der CO2-Ausstoß wird einerseits durch den niedrigeren spezifischen Energieeinsatz und andererseits durch den geringeren Bedarf an Primärrohstoffen wegen der chemischen Reaktion von Calziumcarbonat (CaCO3) zu Calziumoxid (CaO) und Kohlendioxid (CO2) abgesenkt [9.15]. Emissionen von weiteren Stoffen wie Schwefel- und Stickoxide werden ebenfalls signifikant vermindert. Eine Verdoppelung des Scherbenanteils bewirkt eine Reduzierung des Ausstoßes von Schwefeldioxid (SO2) um 35 % [9.15]. Wegen der niedrigeren Oberofentemperatur auf Grund des geringeren Schmelzpunktes ist auch die Emission von Stickoxiden (NOx) herabgesetzt. Darüber hinaus wird die Feinstaubbelastung wegen des geringen Anteils an Primärrohstoffen mit Feinkornfraktionen von kleiner 0,10 mm vermindert.
9.8 Literatur 9.8.1 Normen und Richtlinien Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über den derzeitigen Normungsstand für Glasarten, Glasprodukte und deren Prüfung. Bauarten und Anwendungsnormen, sowie allgemeine Normen zur Bauphysik und zum Brandschutz werden nicht aufgeführt. Die BRL regelt nur die Vorschriften für Bauprodukte und Bauarten. Geltende technische Baubestimmungen werden in der Liste der technischen Baubestimmungen (LTB) geführt. Normen, die in der LTB aufgeführt sind, müssen nicht zwangsläufig in der BRL enthalten sein. Tabelle 9.25 Normung für Glasarten und Glasprodukte (DIN)
DIN
Ausgabe
1249-1 1249-1 1249-3 1249-4 1249-10 1249-11
09.81 02.80 08.81 08.90 09.86
1249-12
09.90
1259-1 1249-1 1249-2
09.01 09.01
Titel
Bemerkungen
Flachglas im Bauwesen Fensterglas, Begriff, Maße Spiegelglas, Begriff, Maße Gussglas, Begriff, Maße Chemische und physikalische Eigenschaften Glaskanten, Begriff, Kantenformen und Ausführung Einscheiben-Sicherheitsglas – Begriff, Maße, Bearbeitung, Anforderungen Glas Begriffe für Glasarten und Glasgruppen Begriffe für Glaserzeugnisse
Nach BRL 2008/1 zurückgezogen
630
9 Glas
DIN
Ausgabe
1286-1 1249-1 1249-2
03.94 05.89
4242-1
01.79
4243-1
03.78
12116-1
03.01
18008-1 -1 -2 -3 -4 -5 -6 -7 18032-3
Entwurf Entwurf Entwurf Entwurf Entwurf Entwurf Entwurf 04.97
18175-1
05.77
18516-1 1249-1 -4
12.99 02.90
52296-1
12.89
Titel Mehrscheiben-Isolierglas MIG luftgefüllt; Zeitstandverhalten MIG gasgefüllt; Zeitstandverhalten, Grenzabweichungen des Gasvolumenanteils Glasbaustein-Wände – Ausführung und Bemessung Betongläser – Anforderungen, Prüfung
Beständigkeit gegen eine siedende wässrige Salzsäurelösung Glas im Bauwesen - Bemessungs- und Konstruktionsregeln Begriffe und allgemeine Grundlagen Linienförmig gelagerte Verglasungen Punktförmige gelagerte Verglasungen Absturzsichernde Verglasungen Begehbare Verglasungen Bedingt betretbare Verglasungen Sonderkonstruktionen Hallen für Turnen und Spielen und Mehrzwecknutzung – Ballwurfsicherheit Glasbausteine - Anforderungen, Prüfung Außenwandbekleidungen, hinterlüftet Anforderungen, Prüfgrundsätze Einscheiben-Sicherheitsglas; Anforderungen, Bemessung, Prüfung Wasserbeständigkeit der Oberfläche von Glas- und Glaskeramik-Platten bei 98 °C
Bemerkungen Nach BRL 2008/1 zurückgezogen
Nach BRL eingeführt, Norm zurückgezogen Prüfnorm Bemessungsnorm im Entwurf, wird TRLV, TRAV und TRPV ersetzen
Prüfnorm Prüfnorm, zurückgezogen
Prüfnorm
631
9.8 Literatur
Tabelle 9.26 Normung für Glasarten und Glasprodukte (DIN EN)
DIN EN
Ausgabe
Titel
356-1
02.00
410-1
12.98
572-1 -1
01.95
-2 -3 -4 -5 -6 -7 673-1
01.95 01.95 01.95 01.95 01.95 01.95 06.03
1051-1 -1 -2 1063-1
04.03 12.07 01.00
1096-1 -1 -2
01.99 05.01
-3
05.01
Sicherheitssonderverglasungen – Prüfverfahren und Klasseneinteilungen des Widerstandes gegen manuellen Angriff Bestimmung der lichttechnischen und strahlungsphysikalischen Kennwerten von Verglasungen Basiserzeugnisse aus Kalk-Natronglas Definitionen und allgemeine physikalische und mechanische Eigenschaften Floatglas Poliertes Drahtglas Gezogenes Flachglas Ornamentglas Drahtornamentglas Profilbauglas mit und ohne Drahteinlage Bestimmung des Wärmedurchgangskoeffizienten Glassteine und Betongläser Begriffe und Beschreibungen Konformitätsbewertung/Produktnorm Sicherheitssonderverglasungen – Prüfverfahren und Klasseneinteilungen für den Widerstand gegen Beschuss Beschichtetes Glas Definitionen und Klasseneinteilungen Anforderungen an und Prüfverfahren für Beschichtungen der Klassen A, B und S Anforderungen an und Prüfverfahren für Beschichtungen der Klassen C und D Glas im Bauwesen – Mehrscheiben-Isolierglas Allgemeines und Maßtoleranzen Langzeitprüfverfahren und Anforderungen bezüglich Feuchtigkeitsaufnahme Langzeitprüfverfahren und Anforderungen bezüglich Gasverlustrate und Grenzabweichungen für die Gaskonzentration Verfahren zur Prüfung der physikalischen Eigenschaften des Randverbundes
1279-1 -1 -2
09.95 06.03
-3 05.03 -4
10.02
Bemerkungen
Prüfnorm
Nach BRL nur für Verwendung nach TRLV und TRAV
Berechnungsverfahren Nachfolgenorm für DIN 4242 und DIN 4243
Nach BRL nur für Verwendung nach TRLV und TRAV Nach BRL nur für Verwendung nach TRLV und TRAV
632
9 Glas
DIN EN
Ausgabe
1288-1
03.00 01.05
Glas im Bauwesen, Bestimmung der Biegefestigkeit von Glas Grundlagen Doppelring-Biegeversuch an plattenförmigen Proben mit großen Prüfflächen Prüfung von Proben bei zweiseitiger Auflagerung (Vierschneiden-Verfahren) Prüfung von Profilbauglas Doppelring-Biegeversuch an plattenförmigen Proben mit kleinen Prüfflächen Spezielle Basiserzeugnisse Borosilikatgläser – Definitionen und allgemeine physikalische und mechanische Eigenschaften Borosilikatgläser – Konformitätsbewertung/Produktnorm Glaskeramik – Definitionen und allgemeine physikalische und mechanische Eigenschaften Glaskeramik – Konformitätsbewertung/Produktnorm Teilvorgespanntes Kalknatronglas Definition und Beschreibung Konformitätsbewertung/Produktnorm
11.00 01.05
Thermisch vorgespanntes Kalk-Natron-ESG Definition und Beschreibung Konformitätsbewertung/Produktnorm
-1 -2
09.00 09.00
-3
09.00
-4 -5
09.00 09.00
1748-1 1249-1-1
12.04
1249-1-2
01.05
1249-2-1
12.04
1249-2-2
04.98
1863-1 -1 -2 12150-1 -1 -2
Titel
12337-1 -1 -2 12600-1
11.00 01.05 04.03
13024-1 -1 -2 13162-1
08.02 01.05 10.01
Chemisch vorgespanntes Kalk-Natronglas Definition und Beschreibung Konformitätsbewertung/Produktnorm Pendelschlagversuch; Verfahren zur Stoßprüfung und Klassifizierung von Flachglas Thermisch vorgespanntes Borosilikat-ESG Definition und Beschreibung Konformitätsbewertung/Produktnorm Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle
Bemerkungen Prüfnorm
Produktnorm
Bauaufsichtlich nicht eingeführt, TVG nur über abZ Nach BRL nur für Verwendung nach TRLV und TRAV Produktnorm
Prüfnorm
633
9.8 Literatur
DIN EN
Ausgabe
Titel
13167-1
04.08
13541-1
02.01
14178-1 -1 -2 14179-1
01.05 01.05
-1 -2
09.05 08.05
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Schaumglas Sicherheitssonderverglasungen – Prüfverfahren und Klasseneinteilungen des Widerstandes gegen Sprengwirkung Basiserzeugnisse aus Erdalkali-Silikatglas Definition und Beschreibung Konformitätsbewertung/Produktnorm Heißgelagertes thermisch vorgespanntes Kalk-Natron-ESG Definition und Beschreibung Konformitätsbewertung/Produktnorm
14321-1 -1 -2 14449-1
09.05 10.05 07.05
Thermisch vorgespanntes Erdalkali-SilikatESG Definition und Beschreibung Konformitätsbewertung/Produktnorm Verbundglas und Verbund-Sicherheitsglas – Konformitätsbewertung/Produktnorm
Bemerkungen
Nach BRL nicht eingeführt, Produkt im Anhang BRL geregelt
Nach BRL nur für Verwendung nach TRLV und TRAV
Tabelle 9.27 Normung für Glasfaserprodukte (DIN EN ISO)
DIN EN ISO
Ausgabe
Titel
695-1
02.94
1889-1 1890-1 2078-1 12543-1 -1
08.97 08.97 12.94 08.98
-2 -3 -4 -5 -6
03.06 08.98 08.98 08.98 08.98
Beständigkeit gegen eine siedende wässrige Lauge Garne – Bestimmung der Feinheit Garne – Bestimmung der Drehungszahl Textilglas – Garne – Bezeichnung Verbund- und Verbund-Sicherheitsglas Definition und Beschreibung von Bestandteilen Verbund-Sicherheitsglas Verbundglas Verfahren zur Prüfung der Beständigkeit Maße und Kantenbearbeitung Aussehen
Bemerkungen Prüfnorm Prüfnorm Prüfnorm Nach BRL nicht eingeführt, VSG im Anhang der BRL geregelt, allerdings Definitionsnorm nach DIN EN 14449
634
9 Glas
Tabelle 9.28 Sonstige Richtlinien Richtlinie
Ausgabe
TRLV-1
08.06
TRAV-1
01.03
TRPV-1
08.06
Titel
Bemerkungen
Technische Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen Technische Regeln für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen Technische Regeln für die Bemessung und die Ausführung punktförmig gelagerter Verglasungen
9.8.2 Bücher und Veröffentlichungen [9.01] [9.02] [9.03] [9.04] [9.05] [9.06] [9.07] [9.08] [9.09] [9.10] [9.11] [9.12] [9.13] [9.14] [9.15] [9.16]
Schittich, C., Staib, G., Balkow, D., Schuler, M., Sobek, W.: Glasbau Atlas, 2. Auflage. Basel: Birkhäuser 2006 Wendehorst Bautechnische Zahlentafeln, 34. Auflage. Wiesbaden: Teubner 2011 Wendehorst Baustoffkunde, 26. Auflage. Hannover: Vincentz 2004 Luible, A.: Stabilität von Tragelementen aus Glas. Dissertation. Lausanne: EPFL 2004 Wörner, J.-D.: Konstruktiver Glasbau. In: Betonkalender 2001, Teil 2. Berlin: Ernst & Sohn 2001 Schreiner, H., Nordhues, H.-W.: Fassaden. In: Betonkalender 2003, Teil 1. Berlin: Ernst & Sohn 2003 Wörner, J.-D., Schneider, J., Fink, A.: Glasbau, Grundlagen: Berechnung, Konstruktion. Berlin, Heidelberg: Springer 2001 Siebert, G.: Entwurf und Bemessung von tragenden Bauteilen aus Glas. Berlin: Ernst & Sohn 2001 Sedlacek, G., Blank, K., Laufs, W., Güsgen, J.: Glas im konstruktiven Ingenieurbau. Berlin: Ernst & Sohn 1999 Scholz, W., Hiese, W.: Baustoffkenntnis. München: Werner 2003 Petzold, A., Marusch, H., Schramm, B.: Der Baustoff Glas. Berlin: Verlag für Bauwesen 1990 Scholze, H.: Glas, Natur, Struktur und Eigenschaften, 3.Auflage. Berlin Heidelberg: Springer 1988 Marquardt, H.: Verglasungen. In: Bauphysik-Kalender 2001. Berlin: Ernst & Sohn 2001 Verein deutscher Ingenieure: VDI-Richtlinie 2719: Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtungen, Ausgabe 08/1987 Fröhler, A. W.: Lexikon für Glas und Glasprodukte. Schorndorf: Hofmann 2005 Saint Gobain: Memento, Glashandbuch, Produktinformation, 2005
9.8 Literatur
[9.17]
[9.18] [9.19] [9.20] [9.21] [9.22] [9.23]
635
Weißmann. R.: Oberflächencharakterisierung, chemisches Vorspannen und physikalische Beschichtungsverfahren von Glas, in Veränderung und Veredelung von Glasoberflächen. Fortbildungskurs 1989. Hüttentechnische Vereinigung der Glasindustrie 1989 Ehrenstein, G. W.: Faserverbund-Kunststoffe, 2.Auflage. München, Wien: Hanser 2006 Dehn, F., König, G., Marzahn, G.: Konstruktionswerkstoffe im Bauwesen. Berlin: Ernst & Sohn 2003 Reyer, E., Schild, K., Völkner, S.: Wärmedämmstoffe. In: Bauphysik-Kalender 2002. Berlin: Ernst & Sohn 2002 Weller, B., Härth, K., Tasche, S., Unnewehr, S.: Konstruktiver Glasbau – Grundlagen, Anwendungen, Beispiele. Reihe: Detail Praxis. München: Edition Detail 2008 Kerkhof, F.: Bruchvorgänge in Gläsern. Frankfurt: Verlag der deutschen glastechnischen Gesellschaft 1970 Weller, B.; Nicklisch, F.; Thieme, S.; Weimar, T.: Glasbau-Praxis. Konstruktion und Bemessung, 2. Auflage. Berlin: Bauwerk 2010
10 Eisen und Stahl
10.1 Allgemeines Wegen ihrer ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften, ihrer guten Form- und Bearbeitbarkeit, sowie der Möglichkeit, sie durch Legieren weitgehend den jeweiligen Anforderungen anzupassen, bilden Metalle eine der wichtigsten Baustoffgruppen. Metalle kommen in der Natur nur selten in gediegener Form vor (Edelmetalle), sondern meistens in chemisch gebundener Form in Erzen, die auf dem Wege des Bergbaus unter Tage oder sogar im Tagebau gewonnen werden. Die in Betracht kommenden Erze der wichtigsten Gebrauchsmetalle sind meist Oxide oder Sulfide, gelegentlich Carbonate oder Silicate. Vielfach sind sie vermengt mit anderen Metallen oder Gangart. Es ist die Aufgabe der Erzverhüttung, aus den vorliegenden Verbindungen die gewünschten Metalle frei zu machen. Hierzu müssen sie aus ihren Verbindungen reduziert werden. Da sie meist starke Verunreinigungen enthalten, ist vor dem eigentlichen Reduktionsprozess im Allgemeinen eine Erzaufbereitung erforderlich. Die Erzaufbereitung umfasst alle Verfahren, durch die Erze angereichert oder teilweise reduziert werden, d. h. in eine Form und Größe gebracht werden, die für die Weiterverarbeitung günstig ist. Die Anreicherungs- und Verhüttungsverfahren setzen bestimmte Korngrößen voraus, so dass größere Brocken zerkleinert und kleinere Kornfraktionen abgesiebt werden müssen. Feinerze müssen zum Verhütten im Schachtofen „stückig“ gemacht werden, damit ein Durchströmen von Gasen möglich ist. Dieses Stückigmachen erfolgt heute meistens in Sinteranlagen, bei denen das Feingut bei Temperaturen zwischen 900 und 1400 °C zu porösen, gasdurchlässigen Stücken gesintert wird, die sich dann gut verhütten lassen. Aus den aufbereiteten Erzen werden die Metalle meist durch Reduktion ihrer Oxide gewonnen. Es gibt eine große Zahl von Reduktionsverfahren, die zum Teil auf örtliche Gegebenheiten wie besondere Erzsorten oder Energiequellen abgestimmt sind. In allen erdenklichen Situationen unseres täglichen Lebens ist Stahl im Spiel. Kein anderes Material präsentiert sich mit so unterschiedlichen und variantenreichen Eigenschaften wie Stahl. Dazu kommt, dass sich Stahl durch ein anerkannt gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bei Herstellung und Verarbeitung auszeichnet. Vorbildlich ist seine Umweltfreundlichkeit, denn Stahl ist so recyclingfreudig wie wohl kein anderer Werkstoff und lässt sich ohne Qualitätsverlust wieder in hochwertige Stähle rückverwandeln, so dass unsere knappen Ressourcen geschont werden. Mit weit über 2.000 Werkstoffsorten in verschiedenen Güten auf dem gegenwärtigen Markt – von denen die meisten in den letzten 10 Jahren neu- oder weiterentwickelt wurden – zeigt er sich als das innovationsfreudigste Spitzentechnologie-Material überhaupt. Durch die technischen Herausforderungen der modernen Zeit gewinnt Stahl als Baumaterial zunehmend an Aktualität. Vielversprechende neue Werkstoffentwicklungen sind z. B. super-
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_10, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
638
10 Eisen und Stahl
plastische Stähle, gekennzeichnet durch ein sehr feines Gefüge mit Korndurchmessern von nur einigen Hundert Nanometern (1 nm = 10–9 m), wodurch optimale Formbarkeit erreicht wird. Eine weitere völlig neue Werkstoffklasse sind die Metallschäume, die ursprünglich für Aluminiumwerkstoffe entwickelt wurden. Stahlschäume können hervorragend Energie absorbieren, etwa die Aufprallenergie bei einem Auffahrunfall. Im heutigen Bauwesen sind Stahl und Eisen nicht mehr wegzudenken, manche Bauaufgaben konnten überhaupt erst gelöst werden, seit es den Baustoff Stahl gibt: Brücken mit gewaltigen Spannweiten, stützenlos überspannte riesige Hallenräume, kühne Wasserbauanlagen, Bürohochhäuser in Stahlskelettbauweise, Anlagen der Energieerzeugung, verfahrenstechnische Einrichtungen der Großchemie, schwerstbelastete Industriebauten usw. Neben diesen mehr außergewöhnlichen Bauvorhaben möchte man aber auch im allgemeinen Bauwesen nicht auf Stahl verzichten, und zwar für die Funktionen des Tragens ebenso wie für die mannigfachen Aufgaben des Ausbaus. Bei Stahlskelettbauten und Stahlbindern, bei Stahlträgerdecken, bei Stahlstützen und Unterzügen z. B. ist der Stahl häufig alleiniges Tragelement; bei entsprechenden Bauteilen aus Stahlbeton ist der Stahl ein wesentlicher Teil des Tragkörpers. Über diese Anwendungen des Stahls als Baustoff im engeren Sinne hinaus bestehen natürlich noch viele andere Verwendungsmöglichkeiten von Bauelementen und -teilen aus Stahl im Hausbau, wie Stahltüren und -fenster, Fassadenelemente, Dachdeckungen, Zargen, Treppen, Geländer, Gitter, Führungs- und Ankerschienen, Rohrleitungen, Sanitärinstallation, Heizkessel und Heizkörper, Müllboxen, Schlösser, Schlüssel, Briefkästen, Baubeschläge, Leitplanken, usw.; nicht zu vergessen auch die Kantenschutzschienen und Putzträger aus Streckmetall, Rippenstreckmetall oder Drahtgeweben. Eisen wird in chemisch reiner Form als Fe im Bauwesen wegen seiner geringen Festigkeit praktisch nicht verwendet. Das technisch verwertbare Eisen, das uns in mancherlei Form begegnet besteht zwar vorwiegend aus Fe, enthält aber Beimengungen (Legierungsstoffe) metallischer oder nichtmetallischer Art in mehr oder weniger großen Mengen, die je nach Art und Anteil seine Verarbeitung und Eigenschaften beeinflussen und diesen Werkstoff zum wichtigsten und meistverwendeten metallischen Werkstoff unserer Zeit werden ließen. Durch die zusätzlichen Bestandteile wie auch durch die verschiedenartigsten Wärmebehandlungsverfahren, durch die Kaltverfestigung genauso wie durch die überaus vielseitige Bildsamkeit durch Walzen, Schmieden, Pressen, Ziehen und Drücken, – neuerdings auch die Verformung durch Elektromagnetismus oder Detonationen – können dem Werkstoff Eigenschaften verliehen werden, die eine gezielte Anpassung an jeden nur denkbaren Verwendungszweck ermöglichen. Nicht zuletzt sind es zwei Faktoren, die dem Stahl bei vielen Anwendungen seinen Vorrang sichern: die Schweißbarkeit und der relativ hohe Elastizitätsmodul ( 200.000 N/mm2), was sich besonders bei stoßartigen Belastungen auswirkt (Aufnahme der Stoßenergie bereits hauptsächlich vor Einsetzen der plastischen Verformung!).
10.2 Herstellung von Roheisen
639
Die für das Bauwesen wichtigsten Stahlerzeugnisse sind: Formstahl
Trägerprofile 80 mm Höhe I-Profile schmal mittelbreit (Europaträger) breit (früher Breitflanschträger) U-Profile
Stabstahl
Trägerprofile 80 mm Höhe verschiedenster Querschnitte wie: I-,T-, Z-, L-, U-, Rund-, Vierkant-, Halbrund-, Sechskant-, Flach-, Breitflachstahl Rundprofil < 5 mm = Draht
Bleche
GrobMittelFeinFeinst-
Rohre
nahtlos gezogene geschweißte: längs- oder spiralgeschweißt
Spezialprofile
Spundwand-, Schienen-, Kantenschutz-, Bandstahl; Fenster- und Tür-, Wellbleche, gelochte Bleche, Trapezbleche und Fassadenelemente, Quadrat- und Rechteck-Hohlprofile, Draht- und Drahtgeflechte, Drahtseile, Ketten, Nägel, Niete, Schrauben, Befestigungsschellen, Dachrinnen und Rinnenhalter, usw.
> 4,75 mm (Riffel-, Warzen-, usw.) 3,0 – 4,75 mm 0,5 – 3,0 mm (Schwarz-, Zieh-, Stanz-, usw.) < 0,5 mm kaltgewalzt
10.2 Herstellung von Roheisen 10.2.1 Rohstoffe Im Allgemeinen werden Erze verarbeitet, die einen Gehalt von 30 bis 65 M.-% Fe enthalten. Die für die Eisengewinnung wichtigsten Erzarten sind: 60…70 M.-% Fe Magneteisenstein (Magnetit) Fe3O4 30…50 M.-% Fe Roteisenstein (Hämatit) Fe2O3 Brauneisenstein (Limonit) Fe2O3· x H2O 20…25 M.-% Fe 30…40 M.-% Fe Spateisenstein (Siderit) FeCO3 Manganerze (z. B. Pyrolusit) ca. 20 M.-% Fe
10.2.2 Hochofenprozess Die Reduktion aus den verschiedenen Eisenerzsorten erfolgt fast ausschließlich im Hochofenprozess. Die heute weltweit in der Stahlindustrie verwendeten Hochöfen sind Schachtöfen, in denen aus den aufbereiteten Erzen im Reduktionsverfahren im Gegenstromprinzip das Roheisen erschmolzen wird. Der Hochofen besteht im Prinzip aus zwei mit den breiten Enden zusammenstoßenden Kegelstümpfen aus dickem Stahlblech, die innen mit feuerfesten Steinen aus-
640
10 Eisen und Stahl
gekleidet sind. Der untere Kegel (Rast) sitzt auf einem zylindrischen Teil (Gestell) auf, der seinerseits auf einer aus feuerfestem Material bestehenden Unterlage (Bodenstein) ruht. Die Außenwand von Rast und Gestell wird mit Wasser gekühlt. Die größten Hochöfen der Welt haben ein Volumen von bis zu 5000 m3 und eine Tagesleistung bis zu 10 000 t Roheisen.
Bild 10-1 Schematische Darstellung der Vorgänge im Hochofen
Der Hochofen wird von oben, über die so genannte Gicht, im Wechsel aber kontinuierlich mit druckfestem Koks und Möller (Erz + Zuschläge) beschickt. In zunehmendem Maße ist man bemüht, den teuren Koks durch andere Brennstoffe zu ersetzen, z. B. durch Öl, neuerdings auch durch Altkunststoffe.
10.2 Herstellung von Roheisen
641
Je nach Gangart des Erzes muss der entsprechende Zuschlag gewählt werden, der mit den unerwünschten Beimengungen eine leicht schmelzbare Schlacke bilden soll. Zur Förderung des Verbrennungsvorganges wird in den unteren Teil des Hochofens vorgewärmte Luft (700 bis 1300 °C), so genannter Wind, mit einem Überdruck von bis zu 4 bar eingeblasen.
Chemische Vorgänge im Hochofen
An den Eintrittsstellen des vorerhitzten Windes in den Ofen (Formebene) wird zunächst der glühende Koks zu CO oxidiert (wegen C-Überschuss und hoher Temperatur nicht zu CO2!). Das entstehende CO-Gas steigt auf und reduziert nun in der folgenden Erzschicht das Eisenoxid, wobei es selbst wieder zu CO2 oxidiert wird. Der durch das CO eingeleitete Reduktionsvorgang wird als indirekte Reduktion bezeichnet. In der darüber liegenden Koksschicht erfolgt erneute Umwandlung in CO, in der folgenden Erzschicht wieder Reduktion des Eisenoxids. So erfolgt ein steter Wechsel, bis etwa in halber Schachthöhe des Ofens die Temperatur soweit abgesunken ist, dass das CO nicht mehr zur Reduktion des Eisenoxids wirksam werden kann (Reduktion = endotherme Reaktion). In diesen weniger heißen Schichten (500 bis 900 °C) zerfällt das Kohlenmonoxid teilweise unter Bildung von CO2 und feinstverteiltem, elementarem Kohlenstoff. Dieser feinstverteilte Kohlenstoff ist einerseits in der Lage, im unteren sehr heißen Bereich des Hochofens (Kohlungszone, Temperatur > 1000 °C) ebenfalls Eisenoxid unmittelbar zu reduzieren (direkte Reduktion), andererseits löst er sich im Eisen auf (Kohlungszone). Für den Erschmelzungsvorgang ist diese so genannte Aufkohlung des Eisens besonders wichtig, da aufgekohltes Eisen im Vergleich zu reinem Eisen einen erheblich niedrigeren Schmelzpunkt (1100 bis 1200 °C) hat und sich dadurch im Gestell flüssig sammeln kann. Auf Grund der verschiedenen Dichten von Schlacke (2,6 g/cm3) und flüssigem Roheisen (7,8 g/cm3) ist eine Trennung der beiden Komponenten möglich; nach Beendigung der Reduktion werden das flüssige Roheisen und die Schlacke je nach Ofengröße alle 45 bis 90 min abgestochen.
10.2.3 Hochofenprodukte Gichtgas
Als gasförmiges Produkt entweicht aus dem Hochofen über die so genannte Gicht das Gichtgas. Dieses Abgas enthält ca. 25 bis 30 Vol.-% Kohlenmonoxid und wird als Energieträger heute ausschließlich im Werk eingesetzt; es dient z. B. zum Aufheizen der Winderhitzer und für den Antrieb von Gebläsekraftmaschinen. Hochofenschlacke
Die Schlackenschmelze, ein vorwiegend aus Ca-Silicaten und Ca-Aluminaten bestehendes Produkt, das mit 1400 bis 1500 °C flüssig aus dem Hochofen abgezogen wird, fällt als Nebenerzeugnis an und stellt ein für die Bauwirtschaft sehr begehrtes Material dar, das durch vielfältige Verwendungsmöglichkeiten ausgezeichnet ist (Tabelle 10.1).
642
10 Eisen und Stahl
Tabelle 10.1 Verwertungsmöglichkeiten der Hochofenschlacke Art der Gewinnung
Struktur
Schlackenart
Verwendung
langsam erkaltet durch Kippen auf Halden
kristallin
Stückschlacke
Schotter, Splitt, Brechsand für Straßenbaustoffe, Gleis- u. Wasserbaustoffe, Betonzuschlag
schnell abgekühlt durch Abschrecken mit Wasserüberschuss
glasig (Granulat)
Hüttensand
Bindemittel (Hüttenzemente), Hüttensteine, Hüttensand für Mörtel
schnelles, schäumendes Erkalten bei Berührung mit Wasser
porig
Hüttenbims
Hüttenbimskörnungen als Zuschlag für Leichtbeton, Leichtbetonsteine, Hohldielen und Hohlblocksteine, Hüttenbims und Schaumschlacke für Dämmstoffe
Zerstäuben bzw. verblasen durch Dampf- oder Gasstrom
faserig
Hüttenwolle
Dämmstoffe für Dämmplatten und matten, lose Hüttenwolle
Roheisen
Das Hauptprodukt des Hochofens ist das Roheisen. Das anfallende Roheisen weist einen hohen Gehalt an Fremdelementen auf, vor allem einen höheren Kohlenstoffgehalt (2,5 bis 5 M.-%) sowie wechselnde Mengen an Mn, Si, P und S, die bei der Weiterverarbeitung auf die gewünschten Werte reduziert werden müssen. Roheisen verträgt nämlich wegen dieser Verunreinigungen keine mechanische Formgebung und kann wegen seiner Sprödigkeit nicht zu Werkstücken verarbeitet werden. Ca. 90 % des Roheisens gehen in die Stahlerzeugung, der Rest wird zu Gusseisen verarbeitet. Je nach dem Aussehen des Bruchgefüges unterschied man früher zwischen grauem und weißem Roheisen. Heute unterteilt man nach dem Verwendungszweck in Gießerei- und Stahlroheisen. Bei langsamer Abkühlung eines Si-reichen Roheisens scheidet sich der gelöste Kohlenstoff als Graphit aus; dieses graue Roheisen wird wegen seiner dünnflüssigen Beschaffenheit vorzugsweise zu Gussprodukten verarbeitet. Bei raschem Abkühlen (insbesondere eines Si-ärmeren, Mn-reichen Roheisens) bleibt der Kohlenstoff als Eisencarbid (Fe3C – Zementit) gebunden; es entsteht ein hartes, sprödes Roheisen mit silbrig heller (weißer) Bruchfläche, welches in erster Linie zur Herstellung von Stahl und Temperguss (schmiedbares Eisen) verarbeitet wird.
10.3 Gusseisen
643
10.3 Gusseisen Das Roheisen wird mit Koks im Kupol-, Flammen- oder Tiegelofen umgeschmolzen, wobei je nach Erfordernis eine „Veränderung“ der Materialeigenschaften durch Schrottzusatz erfolgen kann. Eisen-Kohlenstoff-Legierungen mit einem Kohlenstoffgehalt 2,06 M.-%, die im Normalfall nicht für eine Warmformgebung (Walzen, Schmieden) geeignet sind (Ausnahme: Temperguss), sondern deren endgültige Form durch Gießen oder eventuell spanabhebendes Arbeiten erreicht wird, werden unter dem allgemeinen Oberbegriff Gusseisen zusammengefasst. Neben Kohlenstoff enthält Gusseisen noch andere Elemente, z. B. Silizium mit erheblich hohen Anteilen und eventuell andere Legierungsbestandteile. Nach dem Fertigungsverfahren unterscheidet man zwischen Gusseisen erster und zweiter Schmelzung. Gusseisen erster Schmelzung wird unmittelbar vom Hochofen aus, ohne dass es zwischenzeitlich wieder erstarrt ist, zum Teil unter Einschaltung eines Mischers in Form gegossen. Gusseisen zweiter Schmelzung gewinnt man durch Wiederaufschmelzen von zu Masseln vergossenem Roheisen, von Schrott, Gussbruch und entsprechenden Legierungszusätzen. Gusseisen wird nach dem Vergießen im Allgemeinen keiner weiteren Wärmebehandlung unterworfen. Es hat eine hohe Druckfestigkeit (500 bis 1100 N/mm2) jedoch eine geringere Zugfestigkeit als Stahl (100 bis 400 N/mm2). Die Bruchdehnung ist sehr gering; der Werkstoff ist spröde, d. h. plastisch nicht verformbar. Es ist ausgezeichnet durch eine leichte Schmelzbarkeit und gute Gießbarkeit, ist ferner – wegen der Si-haltigen Gusshaut – korrosionsbeständiger als Stahl. Je nach Abkühlungsgeschwindigkeit scheidet sich – wie beim Roheisen – der Kohlenstoff in unterschiedlicher Form aus, und man unterscheidet danach zwischen grauem und weißem Gusseisen. Enthält die Bruchfläche grau- und weißgefleckte Bereiche, spricht man von meliertem Gusseisen. Da die Eigenschaften des Gusseisens in erster Linie durch die Menge und Form der Graphitausscheidungen beeinflusst werden, unterscheidet man danach die verschiedenen Gusseisensorten.
10.3.1 Gusseisen mit Lamellengraphit – GJL (DIN EN 1561) Da der Kohlenstoff überwiegend als Graphit ausgeschieden wird, entsteht ein graues Bruchgefüge, daher die alte, heute nicht mehr zu verwendende Bezeichnung „Grauguss“. Der Graphit bildet sich lamellenförmig aus und unterbricht den metallischen Zusammenhang der Grundmasse. Da Graphit praktisch keine Zugfestigkeit aufweist, können an den Stellen, wo in das Gefüge Graphitadern eingelagert sind, keine Zug- und Schubspannungen übertragen werden, wohl aber Druckspannungen. Die Graphitlamellen verringern nicht nur die tragfähigen Querschnitte, sondern üben außerdem Kerbwirkungen aus; infolgedessen entstehen im Material Spannungsspitzen, die für die geringe Zugfestigkeit des Gusseisens mit Lamellengraphit verantwortlich sind. Durch Legieren kann man die Eigenschaften von Gusseisen mit Lamellengraphit verbessern und für bestimmte Bedarfsfälle gezielt variieren.
644
10 Eisen und Stahl
Nach DIN EN 1561 unterscheidet man 6 Festigkeitsklassen mit Zugfestigkeiten von 100 N/mm2 bis 350 N/mm2. Der Werkstoff muss entweder durch das Werkstoffkurzzeichen oder durch die Werkstoffnummer bezeichnet werden (siehe Kap. 10.3.4) GJL hat infolge seines billigen Preises und seiner verschiedenen guten mechanischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften ein ausgedehntes Anwendungsgebiet gefunden. Folgende Eigenschaften sind zu erwähnen: gute Gießbarkeit; gutes Formfüllungsvermögen (da gut dünnflüssig!); große Verschleißfestigkeit; gute Säurebeständigkeit und hohe Dämpfungsfähigkeit (4,3 mal besser als Stahl! – daher gut geeignet für Maschinen aller Art, Kurbelwellen, Brückenlager, usw.). Gusseisen mit Lamellengraphit ist jedoch sehr spröde, d. h. stoßempfindlich, und plastisch schlecht verformbar. GJL hat eine viel geringere Bruchdehnung als Stahl, mit Meißel und Feile ist es jedoch bearbeitbar, Schmied- und Schweißbarkeit sind schlecht. Mit ausreichendem C-Gehalt ist GJL zwar bedingt härtbar, neigt aber zum Auftreten von Rissen. Bei 500 bis 600 °C lässt sich GJL spannungsfrei glühen. Anwendungsgebiete: Heizkörper, Baumaschinen- und Kfz-Teile, Zylinder und Kolben, Abwasserrohre, Kanalroste, Brückenbaulager, Druckrohre und Tübbinge (= Zylindersegmente) im Schacht-, Stollen- und Tunnelbau.
10.3.2 Gusseisen mit Kugelgraphit – GJS (DIN EN 1563) Durch spezielle Schmelzverfahren, insbesondere Mg- oder Cer-Zusätze von wenigen hundertstel M.-% wird Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss) hergestellt (bekannt erst seit 1948). GJS zeichnet sich bei einem C-Gehalt von ca. 3,7 M.-% durch feindispers-kugelige Graphiteinlagerungen aus, deren Kerbwirkung wesentlich geringer als die der Lamellen ist, so dass GJS gegenüber GJL höhere Zugfestigkeiten (400 bis 800 N/mm2) besitzt und verformungsfähiger ist (duktiles Gusseisen). Durch eine thermische Nachbehandlung lässt sich die Zähigkeit auf Kosten der Zugfestigkeit verbessern und man erhält stahlähnliche Eigenschaften; das Produkt ist jedoch wegen der Wärmebehandlung ca. zwei- bis dreimal teurer. GJS ist gut zerspanbar, besitzt außerdem einen höheren Korrosionswiderstand und größeren Verschleißwiderstand als GJL und ist – unter Beachtung des großen C-Gehaltes, d. h. thermische Vor- und Nachbehandlung – schweißbar. Die Dämpfungsfähigkeit für Schwingungen ist jedoch nur etwa halb so groß wie bei GJL. Nach DIN EN 1563 unterscheidet man 8 Festigkeitsklassen mit Zugfestigkeiten von 350 N/mm2 bis 900 N/mm2 (Kennzeichnung siehe Kapitel 10.3.4).
10.3 Gusseisen
645
Bevorzugte Anwendungsgebiete sind dort, wo ein Gusserzeugnis zwar wünschenswert erscheint, aber besondere Anforderungen an die elastische Verformbarkeit gestellt werden müssen, z. B. Armaturen, Gesenke, Turbinenschaufeln, Zahnräder, Düker, Kurbelwellen, (kalt biegbare) Rohre, Holzbearbeitungswerkzeuge usw.
10.3.3 Temperguss – GJM (DIN EN 1562) Durch ein besonderes, mehrtägiges nachträgliches Glühverfahren (Tempern) bei 800 bis 1000 °C eines graphitfrei (weiß) erstarrten Rohgusses, der auf Grund des als Fe3C gebundenen Kohlenstoffs hart, spröde und nicht bearbeitbar ist, erhält man ein Gusseisen mit stahlähnlichen Eigenschaften. Durch das Tempern zerfallen die Carbide unter Abscheiden von so genannter Temperkohle (kugelige Gebilde, die gleichförmig im Grundgefüge verteilt sind). Temperguss besitzt einen C-Gehalt von 2,3 bis 3,4 M.-%. Je nach der Glühbehandlung des zunächst „weiß“ gegossenen Gusseisens unterscheidet man weißen und schwarzen Temperguss; die Bezeichnungen wurden nach dem Aussehen des Bruchgefüges des fertig getemperten Gusses vorgenommen. GJMW
weißer Temperguss: Randentkohlung durch Glühen in oxidierenden Mitteln (z. B. Fe3O4); niedriger S- und Si-Gehalt, höherer Mn-Gehalt ergibt schweißbaren Temperguss.
GJMB
schwarzer Temperguss: nicht entkohlend geglüht (z. B. in Sandpackung), das Fe3C zerfällt bei den hohen Temperaturen in Fe + C, wobei letzterer als Temperkohle ausgeschieden wird und dadurch das Bruchgefüge dunkel färbt. Zulegieren von B oder Bi führt zu flockiger C-Ausscheidung. Zulegieren von Mg zu kugelförmiger Temperkohle.
Beim Temperguss nützt man den gießtechnischen Vorteil des dünnflüssigen und damit gut formfüllenden, hochgekohlten Eisen-Kohlenstoff-Werkstoffes aus und verwandelt das Gefüge erst hinterher durch Glühen in einen relativ duktilen und konstruktiv wertvollen Werkstoff. Temperguss hat eine verhältnismäßig hohe Zähigkeit und ist schlagunempfindlich, auch bei tiefen Temperaturen; seine Eigenschaften sind in gewissen Grenzen durch Warmbehandlungen noch zu verbessern. DIN EN 1562 unterscheidet beim weißen Temperguss 5 Sorten (Zugfestigkeiten von 350 bis 550 N/mm2) und beim schwarzen Temperguss 9 Sorten (Zugfestigkeiten von 300 bis 800 N/mm2) (Kennzeichnung siehe Kapitel 10.3.4). Angewendet wird GJM vorwiegend für kleinere Gussteile, wie z. B. Maschinenbauelemente, Beschläge, Schlüssel, Fittings (Rohrverbindungsstücke) usw. Sphäroguss (GJS) und Temperguss (GJM) weisen gegenüber Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL) verbesserte Verformungseigenschaften sowie beschränkte Schmied- und Schweißbarkeit auf, was insbesondere auf die Ausbildung des Graphits zurückzuführen ist. Beide Gusseisensorten vereinigen in gewissem Maße die Eigenschaften des GJL mit denen des Stahlgusses (sie bilden gewissermaßen eine Brücke zum Stahlguss). Wegen der teureren Herstellung verdrängt GJS in zunehmendem Maße den GJM.
646
10 Eisen und Stahl
10.3.4 Bezeichnungssystem für Gusseisen (DIN EN 1560) Gusseisenwerkstoffe jeder Klasse können entweder durch Werkstoffkurzzeichen oder durch Werkstoffnummern bezeichnet werden. Werkstoffkurzzeichen
Die Kurzzeichen werden aus Kennbuchstaben und -ziffern gebildet und bestehen aus höchstens 6 Positionen, die ohne Zwischenraum aneinander zu reihen sind. An die Vorsilbe EN(Pos. 1) schließt sich das Symbol GJ für Gusseisen an (Pos. 2); es folgt in der Pos. 3 ein Buchstabe für die Graphitstruktur (L = lamellar, S = kugelig, M = Temperkohle u. a.). In der Pos. 4 wird, falls erforderlich, die Mikro- oder Makrostruktur durch Kennbuchstaben gekennzeichnet, z. B. W = entkohlend geglüht, B = nicht entkohlend geglüht, T = vergütet, Q = abgeschreckt u.a. Die Pos. 5, die durch einen Bindestrich von der vorhergehenden Position zu trennen ist, dient zur Klassifizierung des Werkstoffes entweder durch mechanische Eigenschaften oder durch die chemische Zusammensetzung. Allgemein wird hier die Zugfestigkeit in N/mm2 angegeben und – falls gefordert, z. B. beim Gusseisen mit Kugelgraphit – mit einem Bindestrich die Mindest-Dehnung in % angehängt. Ein Zusatzbuchstabe kennzeichnet die Herstellungsmethode für das Probestück: S = getrennt gegossenes, U = angegossenes, C = einem Gussstück entnommenes Probestück. Bei der Klassifizierung nach der chemischen Zusammensetzung folgen auf ein X die chemischen Symbole der wesentlichen Legierungselemente in der Reihenfolge fallenden Gehaltes und darauf die auf ganze Zahl gerundeten Prozentgehalte der einzelnen Elemente, die untereinander durch Bindestriche zu trennen sind. Die Pos. 6 enthält dann ggf. Buchstabenzeichen für zusätzliche Anforderungen, wie z. B. für die Schweißeignung (W), wärmebehandelt (H), u. a., die durch einen Bindestrich abzutrennen sind: Beispiele: EN-GJL-150C; EN-GJS-350-22U; EN-GJMW-450-7S-W oder EN-GJL-NiMn13-7 Wenn Gusseisen z. B. auf Verschleiß beansprucht werden soll, wird anstelle der Zugfestigkeit die Angabe der mittleren Härte (Brinell- [HB], Vickers- [HV] oder Rockwell-Härte [HR]) als kennzeichnende Eigenschaft bevorzugt: Beispiele: EN-GJL-HB155; EN-GJS-HV350
647
10.4 Stahl Werkstoffnummern
Die Werkstoffnummer besteht aus 9 Positionen aus Buchstaben und Ziffernangaben: Position
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Zeichen
E
N
-
J
L
n
n
n
n
L = Großbuchstabe; n = arabische Ziffer
Pos. 5: Pos. 6:
Kennzeichnung der Graphitstruktur wie beim Werkstoffkurzzeichen Hauptmerkmal: 1 Zugfestigkeit 2 Härte 3 chemische Zusammensetzung
Pos. 7 und 8: Zählnummern Pos. 9:
gibt Aufschluss über besondere Anforderungen
10.4 Stahl Roheisen ist wegen seines hohen C-Gehaltes und der anderen Beimengungen spröde, in der Regel nicht schweiß- und nicht schmiedbar. Es muss daher „gereinigt“ werden, d. h. die verschiedenen Begleitelemente müssen durch Oxidation entfernt und das Material sodann gegebenenfalls mit Legierungselementen versetzt werden, um als Stahl in den verschiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt werden zu können. Durch Nachbehandlungsverfahren können wesentliche Eigenschaften gezielt weiter verbessert werden. Diese Werkstoffe sind zähfest, kalt und warm plastisch verformbar (schmiedbar), zum Teil härtbar und meist schweißbar. Als Stahl werden gemäß DIN EN 10020 Eisenwerkstoffe bezeichnet, deren Massenanteil an Eisen größer ist als der jedes anderen Elementes und die im Allgemeinen für eine Warmformgebung geeignet sind. Mit Ausnahme einiger chromreicher Sorten enthält er höchstens 2 M.-% Kohlenstoff, was ihn von Gusseisen unterscheidet.
10.4.1 Stahlherstellung Bei den Verfahren zur Herstellung von Stahl unterscheidet man grundsätzlich zwei verschiedene Verfahrensweisen: Konverterverfahren; Herdofenverfahren. Bei beiden Verfahren werden durch so genanntes Frischen die unerwünschten, im Roheisen gelösten Begleiter herausoxidiert bzw. deren Konzentration auf das gewünschte Maß herabgesetzt. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Verfahrensweisen ist der, dass die Konverterverfahren ohne zusätzliche Energiezufuhr arbeiten, während die Herdofenverfahren eine zusätzliche Energiezufuhr durch Brenngasflammen oder elektrische Energie benötigen, auf der
648
10 Eisen und Stahl
anderen Seite aber die Möglichkeit bieten, dass sie auch ohne Roheisen lediglich mit Schrott arbeiten können. Von den Konverterverfahren werden heute weltweit überwiegend Blasstahlverfahren eingesetzt, während Thomas- oder Bessemer-Verfahren praktisch ganz verschwunden sind. Bei den Herdofenverfahren wurde in der EG der letzte Siemens-Martin-Ofen im Dezember 1993 stillgelegt.
Bild 10-2 Konvertoren zur Herstellung von Stahl nach verschiedenen Sauerstoffblasverfahren
Beim Blasstahlverfahren (siehe Bild 10-2) wird der zur Oxidation benötigte Sauerstoff in technisch reiner Form (99,5 – 99,8 Vol.-% O2) durch eine wassergekühlte Lanze auf flüssiges Stahlroheisen von oben mit ca. 16 bar aufgeblasen (LD-Verfahren, 1950). Wegen der sehr
10.4 Stahl
649
stark exothermen Natur dieser Reaktionen würde sich die Schmelze zu stark aufheizen. Zur Kühlung der Schmelze wird deshalb bis zu 35 M.-% Schrott oder auch Erz (bis 10 M.-%) zugegeben. Bei phosphorreichem Roheisen muss Kalkstaub zugegeben werden (LDAC-Verfahren), der den Phosphor als Calciumphosphat bindet und in die Schlacke überführt („Thomasmehl“). Bei den Herdofenverfahren handelt es sich um flache, ausgemauerte Wannen mit Fassungsvermögen bis zu 900 t Roheisen. Das Beschicken der Öfen erfolgt im Allgemeinen mit flüssigem Roheisen und Schrott (ca. 75 M.-%) oder auch mit Schrott allein. Der zum Frischen erforderliche Sauerstoff stammt bei diesen Verfahren vorwiegend aus dem Schrott bzw. Erz. Zur Aufrechterhaltung der metallurgischen Prozesse ist eine zusätzliche Energiezufuhr erforderlich. Beim Siemens-Martin-Verfahren (1865) wird auf ca. 1300 °C in Regeneratoren vorgeheizte Luft über das Schmelzbad geblasen, wodurch die Schmelze (unterstützt durch Brenngas- oder Ölflammen) auf ca. 1700 bis 1800 °C (bei Einsatz O2-angereicherter Luft auf ca. 2000 °C) aufgeheizt wird. Beim Elektrostahl-Verfahren (um 1900) liefert ein zwischen Graphitelektroden und dem Schmelzbad gezündeter elektrischer Lichtbogen die notwendige Energie. Hierbei werden Temperaturen bis ca. 3800 °C erreicht, was auch die Zugabe hochschmelzender Legierungselemente möglich macht. Durch die hohen Energiekosten ist das Verfahren relativ teuer und wird daher bevorzugt nur für höherwertige Stähle sowie legierte Stähle eingesetzt. Es dient aber auch zur Herstellung von Stahlformguss in Stahlgießereien. Vergleicht man die nach den verschiedenen Verfahren hergestellten Stahlqualitäten, so kann man feststellen, dass gegenüber den früheren Konverterstählen (Thomas- und BessemerStahl) Blasstahl vor allem einen niedrigen Stickstoffgehalt hat und in seiner Qualität etwa dem Siemens-Martin-Stahl vergleichbar ist. Auch außerhalb der EG wird wohl das Blasstahlverfahren das Siemens-Martin-Verfahren in der Zukunft weitestgehend verdrängen.
10.4.2 Nachbehandlung von Stahl Der nach dem Frischen im Konverter oder Herdofen vorliegende Rohstahl entspricht nicht mehr den heutigen erhöhten Qualitätsanforderungen. Deshalb schließt sich an den Frischprozess eine Nachbehandlung in nachgeschalteten, besser geeigneten Aggregaten an (Sekundärmetallurgie). Ein wesentlicher Teil dieser metallurgischen Arbeiten wird heute durch Prozesse erfüllt, die in der Gießpfanne durchgeführt werden, in die der Rohstahl aus dem Stahlerzeugungsaggregat „abgestochen“ wird. Durch die Einführung der pfannenmetallurgischen Verfahren wird eine Reihe von Verbesserungen erzielt. Zu den Verfahren der Sekundärmetallurgie zählen unter anderem: Desoxidation; Entgasung.
650
10 Eisen und Stahl
Desoxidation
Nach dem Frischen enthält das Stahlbad immer eine unerwünschte Menge an gelöstem Sauerstoff, der die technologischen Eigenschaften des Stahls nachteilig beeinflusst (Versprödung) und daher weitgehend entfernt werden muss (Desoxidation). Anderenfalls setzt beim Abkühlen der Schmelze eine Gasentwicklung ein und die noch nicht erstarrte Kernzone gerät in eine wallende Bewegung, der Stahl erstarrt also „unruhig“. Ursache ist hauptsächlich die Reaktion des gelösten Sauerstoffs mit dem bei der Erstarrung in der Restschmelze angereicherten Kohlenstoff unter Verdoppelung seines Volumens zu COGasblasen, die nach oben steigend Schmelze mitreißen und so zum „Kochen“ führen. Die Eisenbegleiter C, P, S sowie weitere Fremdelemente werden durch diese Schmelzbadbewegung in den Kern des Blockes abgedrängt und reichern sich nun in den zuletzt erstarrenden Kristallen an: sie „seigern“. Der Stahl wird also inhomogen im Aufbau, worunter insbesondere auch die Schweißbarkeit leidet; auch neigt ein solcher Stahl sehr stark zum Altern. Bei Stahl, der im Strang vergossen werden soll, sowie bei hochwertigeren Stählen können Seigerungen, Alterungsanfälligkeit, schlechtere Schweißbarkeit u. a. nicht in Kauf genommen werden. Durch Zusetzen von Desoxidationsmitteln (wie z. B. Si, Al, Ca oder Mn; diese Elemente haben eine größere Affinität zum Sauerstoff als C) vor dem Vergießen, kommt es nicht zur CO-Bildung, wodurch die Gasentwicklung stark unterbunden wird („beruhigen“). Der Stahl erstarrt dann ruhig, und die Zusammensetzung im Kern und in der Randzone bleibt ziemlich gleichartig. Nach dem Grad der Desoxidation unterscheidet man zwischen unberuhigtem, halbberuhigtem, beruhigtem und besonders beruhigtem Stahl. Die Wahl richtet sich nach dem Verwendungszweck. Unberuhigt vergossene Stähle haben eine weiche Randzone und einen Kern mit geringerer Zähigkeit, aber höherer Festigkeit. Auf Grund der weichen Randzone lassen sie sich besonders gut kalt umformen. Außerdem ist die relativ saubere Randschicht bei einer Oberflächenbeschichtung vorteilhaft. Anwendung des unberuhigten Stahls
Teile, an deren Oberfläche bei Verarbeitung und Gebrauch hohe Anforderungen gestellt werden und deren Kerneigenschaften von geringerer Bedeutung sind: z. B. Feinbleche, Bandstahl, Draht, einfache Hochbaustähle usw. Anwendung des beruhigten Stahls
Beruhigt vergossene Stähle werden für solche Zwecke verwendet, wo es auf hohe Gleichmäßigkeit des Gefüges und der Festigkeit ankommt, z. B. Teile, die stark tiefgezogen oder zerspant werden sollen; höher und besonders dynamisch beanspruchte Teile. Die meisten Stähle im Maschinenbau (Qualitätsstähle) sind stets beruhigt. Anwendung des besonders beruhigten Stahls
Bei noch höheren Anforderungen, wie z. B. bei Qualitäts- und vor allem Edelstählen, muss auch der letzte Rest Sauerstoff gebunden sein. In diesem Fall setzt man dem Stahl außer Si Stoffe wie Ti, V und andere zu, die ein noch größeres Bindungsbestreben zu Sauerstoff haben.
10.5 Aufbau und Zustandsformen von Stahl
651
Bei diesen besonders beruhigten Stählen erfolgt durch Desoxidation mit Al zusätzlich eine Bindung eventuell vorhandenen gelösten Stickstoffs zu Aluminiumnitrid; der Stahl wird dadurch feinkörniger („Feinkornstahl“) und alterungsbeständiger. Vakuumbehandlung
Durch die verschiedenen Verfahrensgruppen der Vakuumbehandlung kann der Gasgehalt des Stahles herabgesetzt werden. Zusätzlich zur Entgasung werden weitere metallurgische Reaktionen im Vakuum durchgeführt (z. B. Homogenisierung, Feinentkohlung, Legieren), wodurch Stahl mit verbessertem Reinheitsgrad, gleichmäßigerem Gefüge und verringerter Rissanfälligkeit entsteht.
10.4.3 Vergießen von Stahl Der gefrischte und nachbehandelte Stahl erhält durch das Vergießen im Hüttenwerk seine erste feste Form. Bis vor einigen Jahren war es üblich, den Stahl „portionsweise“ in Dauerformen (Kokillen) im Standguss zu Blöcken oder Brammen zu vergießen. Für Stahl, der durch Walzen zu so genanntem Halbzeug weiterverarbeitet werden soll, wird heute überwiegend der Strangguss in unten offenen, wassergekühlten Kokillen aus Cu durchgeführt; unterhalb der Kokille wird der äußerlich erstarrte Strang fortlaufend abgezogen und mit Schweißbrennanlagen auf Länge geschnitten; es entstehen so genannte Knüppel (quadratisch, rund) oder Vorbrammen (rechteckig). Da diese eine geringere Dicke aufweisen, erfordern sie weniger Walzarbeit. Die neueste Entwicklung zielt darauf, noch dünnere Querschnitte beim Strangguss herzustellen (Dünnbandgießen; Banddicken von nur 1 mm). Gegenüber dem konventionellen Stranggießen mit anschließendem Warmwalzen werden bis zu 85 % der benötigten Energie eingespart und die Abgasemissionen um mehr als 70 % verringert. Im Bereich der Weiterverarbeitung durch Schmieden wird der Blockguss weiter in Anwendung bleiben.
10.5 Aufbau und Zustandsformen von Stahl Alle Metalle sind im festen Zustand kristallinisch aufgebaut, d. h. sie bestehen aus einem Konglomerat kleinster kristalliner Körper mit unregelmäßig ausgebildeten Grenzflächen, die durch gegenseitige Behinderung des Kristallwachstums in der abkühlenden Schmelze entstanden sind. Die unregelmäßig begrenzten Kristallbrocken heißen Kristallite oder Körner. Die Gesamtheit des kristallinen Haufwerks, die räumliche Zuordnung der Körner, ihre Größe und Form wird unter dem Oberbegriff Gefüge zusammengefasst.
10.5.1 Gefüge von Stahl Viele Metalle können in verschiedenen Gittertypen (= Modifikationen, bezeichnet mit griechischen Buchstaben) kristallisieren, wobei jedes dieser Gitter in einem bestimmten Tempera-
652
10 Eisen und Stahl
turbereich auftritt. Der Übergang von einer Modifikation zur anderen bedeutet, dass innerhalb der festen kristallinen Substanz bei einer bestimmten Temperatur eine gegenseitige Verschiebung der Kristallbausteine, eine Umkristallisation, stattfindet. Da die neue Modifikation einen anderen atomaren Bauplan aufweist, ändern sich dabei zugleich die physikalischen Eigenschaften des Stoffes. Die mechanischen Eigenschaften der Metalle sind daher eng mit ihrem kristallinen Aufbau verknüpft. Reines Eisen hat eine kubische, d. h. würfelförmige, Grundstruktur, wobei je nach Temperaturbereich kubisch-raumzentrierte (krz) oder kubisch-flächenzentrierte (kfz) Kristallgittertypen vorliegen (siehe Bild 10.3).
Bild 10-3 Raumgitterformen des Eisens
Bei Raumtemperatur weist reines Eisen ein krz-Gitter auf (α-Eisen), das bei Erwärmung auf 911 °C sich in ein kfz-Gitter umwandelt (γ-Eisen). Dieses ist bis zu einer Temperatur von 1392 °C beständig, wo es wieder in ein krz-Gitter (δ-Eisen) umgewandelt wird, das bis zur Schmelztemperatur von 1536 °C beständig ist. Der wichtigste Vorgang in den Kristallumwandlungen des Eisens (wie fast aller anderen Gebrauchsmetalle) ist die γ/α-Umwandlung. Das α-Gitter ist kleiner als das γ-Gitter. Dies hat für die Kohlenstoff-Löslichkeit eine ungeheuer wichtige Bedeutung. Das Lösungsvermögen hängt nämlich von der Gitterform und damit von der Temperatur ab. So vermag das flächenzentrierte γ-Eisen Kohlenstoff weit besser zu lösen, als das raumzentrierte α-Eisen, dessen Löslichkeit für C praktisch gleich Null ist! Reines Eisen hat wegen seiner geringen Festigkeit und Härte als technischer Werkstoff keine Bedeutung. Für technische Zwecke wird Eisen stets legiert, wodurch sich die Umwandlungspunkte verschieben, gleichzeitig werden die chemischen, physikalischen und technologischen Eigenschaften verändert. Wirksamstes und technisch wichtigstes Legierungselement ist der Kohlenstoff. Er beeinflusst bereits in kleinen Mengen die Stahleigenschaften ganz erheblich. Wegen des entscheidenden Einflusses des C-Gehaltes gibt das Eisen-KohlenstoffZustandsschaubild den wertvollsten Einblick in die Eigenschaften der Eisenwerkstoffe. Dieses Diagramm dient vor allem dem Verständnis der bei der Wärmebehandlung des Stahls ablaufenden Vorgänge. Gerade der in der Praxis tätige Ingenieur kann dem Schau-
10.5 Aufbau und Zustandsformen von Stahl
653
bild wertvolle Angaben entnehmen, da die im Schaubild angegebenen Linienzüge Beginn und Ende von inneren Kristall-Umwandlungen angeben, die in ihrer Auswirkung naturgemäß die Eigenschaften der Stoffe beeinflussen müssen. Eisen-Kohlenstoff-Diagramm
Die Erstarrung aus der homogenen Schmelze kann auf zwei Arten erfolgen, nämlich: „stabil“, d. h. nicht mehr veränderbar, wobei der Kohlenstoff als Graphit im Gefüge vorhanden ist; „metastabil“, das Gefüge enthält nur die beiden Komponenten Fe und Fe3C, aber keinen freien Kohlenstoff. Durch gewisse Maßnahmen, z. B. langzeitiges Glühen, ist das System aber noch veränderbar; das Eisencarbid kann dadurch zum Zerfall gebracht werden, so dass sich elementarer Kohlenstoff ausscheidet. Die Werkstoffe Stahl und Stahlguss bestehen ausschließlich aus Gefügebestandteilen des metastabilen Systems, der Werkstoff Gusseisen sowie der Temperguss aus solchen beider Systeme. Bild 10-4 zeigt wegen der besseren Übersicht nur das metastabile System in einer vereinfachten Darstellungsweise.
Bild 10-4 Vereinfachtes Eisen-Kohlenstoff-Zustandsdiagramm
654
10 Eisen und Stahl
Da Stähle durch den Kohlenstoffgehalt, nicht über den Fe3C-Gehalt, gekennzeichnet werden, wählt man auch im metastabilen Fe3C-Diagramm als Konzentrationsangabe auf der Abszisse den Kohlenstoffgehalt. Im stabilen Diagramm tritt gegenüber dem metastabilen keine grundsätzliche Änderung ein, nur dass anstelle von Zementit (Fe3C) jetzt für die Reinkomponente rechts im Diagramm die Bezeichnung Graphit verwendet werden muss. Die Temperaturlagen sind nur minimal verändert. Sehr verschieden sind jedoch das Gefügeaussehen sowie die Eigenschaften, da statt des harten und spröden Zementits der weiche Graphit in charakteristischen Formen auftritt. Bei sehr langsamer Abkühlung aus der Schmelze treten je nach Temperatur und C-Gehalt in einer Fe-C-Legierung folgende Kristallarten oder Gefügebestandteile auf: Homogene Gefügebestandteile (Mischkristalle)
Ferrit: Unter der Gleichgewichtslinie GSK liegen krz α-Mischkristalle mit sehr geringem Lösungsvermögen für C vor. Das maximale Lösevermögen für C beträgt bei 723 °C 0,02 M.-%; es nimmt mit fallender Temperatur ab. Ihre Eigenschaften gleichen denen des reinen Eisens. Austenit ist ein γ-Mischkristall, der im unlegierten Fe-C-System und bei langsamer Abkühlung nur bei Temperaturen über der Phasengrenzlinie GSE beständig ist. Er hat ein kfz-Gitter, ist relativ weich, zäh, gut verformbar sowie verschleißfest. Bei 1147 °C kann Austenit maximal 2,06 M.-% C lösen; C wird im kfz-Gitter in der Mitte der flächenzentrierten Gitterstruktur eingebaut. Im krz-Gitter des α-Gitters ist die Würfelmitte durch ein Fe-Atom besetzt, daher die sehr geringe Löslichkeit für C im Ferrit. Beim Abkühlen unter die Temperatur von 1147 °C sinkt die Lösungsfähigkeit für C, eventuell zuviel vorhandener Kohlenstoff scheidet sich als Fe3C (Sekundärzementit) längs der Linie ES aus dem Mischkristall aus. Zementit ist der metallographische Name für das als Gefügebestandteil auftretende Fe3C. Er ist sehr hart, spröde und weist ein kompliziertes Gitter auf (so genannte intermetallische Phase). Heterogene Gefügebestandteile (Kristallgemische)
Perlit ist ein „eutektoides“, aus dem bei tieferen Temperaturen nicht mehr beständigen γMischkristall entstandenes, mittelhartes Gemisch zweier neuer Kristallarten, dem Ferrit und dem Zementit. Der Ferrit und der Zementit ist im Perlit im Allgemeinen in einer charakteristischen Lamellenform angeordnet. Während der Perlitbildung müssen im festen Zustand Kohlenstoff und Eisen durch Diffusion transportiert werden. Es ist verständlich, dass dieser Vorgang sehr unterkühlungsanfällig ist, d. h. durch höhere Abkühlgeschwindigkeiten wird der Massentransport erheblich beeinträchtigt, und man kann unter Umständen den eutektoiden Zerfall des Austenits zum Perlit ganz oder teilweise unterdrücken. Die auf diese Weise zu erzielenden verschiedensten Übergangsstufen und die sich daraus ergebenden Eigenschaftsänderungen spielen bei technischen Fe-C-Legierungen eine große Rolle (siehe Kap. 10.5.2.2). Ledeburit ist das Eutektikum des metastabilen Systems Fe-Fe3C mit 4,3 M.-% C. Es entsteht unmittelbar aus der Schmelze bei 1147 °C (Phasengrenze ECF) als feines Gemenge von γMischkristallen und Zementit-Kristallen (Primärzementit). Alle hier ausgeschiedenen γMischkristalle besitzen zunächst einen Kohlenstoffgehalt von 2,06 M.-%. Mit sinkender Temperatur nimmt nun aber die Löslichkeit von Kohlenstoff – wie bekannt – bis auf letztlich
10.5 Aufbau und Zustandsformen von Stahl
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0,8 M.-% C bei 723 °C ab; bei dieser Temperatur erfolgt dann der eutektoide Zerfall zu Perlit. Nach Umwandlung der γ-Mischkristalle zu Perlit besteht der auch bei Raumtemperatur so genannte Ledeburit phasenmäßig aus α-Mischkristallen und Fe3C, gefügemäßig aus einem feinen Gemenge von Fe3C-Kristallen und Perlitbereichen. Solche Legierungen werden als Gusseisen bezeichnet, weil sie nicht mehr schmiedbar (warm verformbar) sind. Als Gleichgewichts-Schaubild und Zweistoffsystem hat das Fe-C-Diagramm nur Gültigkeit für den Grenzfall unendlich langsamer Temperaturveränderungen und für reine EisenKohlenstoff-Legierungen. Bei den technisch genutzten Eisenwerkstoffen haben wir es aber in der Regel mit Mehrstoffsystemen zu tun und die technischen Wärmebehandlungen laufen mit endlichen Erwärmungs- und Abkühlgeschwindigkeiten ab, so dass eine exakte Beschreibung anhand des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms nicht möglich ist. Diese beiden Voraussetzungen schränken seine Anwendbarkeit auf die Praxis also stark ein. Die Kenntnis dieses Diagramms ist aber die Voraussetzung zum Verständnis der Wirkung der verschiedensten Wärmebehandlungen. Die meisten Stahl- und Gusslegierungen bestehen also nach langsamer Abkühlung bei Raumtemperatur aus Ferrit und Zementit, wenn man berücksichtigt, dass Perlit aus Ferrit und Zementit und Ledeburit aus Perlit und Zementit bestehen. Die Werkstoffeigenschaften werden also maßgeblich durch die Eigenschaften und die charakteristische Anordnung von Ferrit und Zementit bestimmt. Ferrit ist sehr weich (ca. 60 HV) und hervorragend verformbar (Bruchdehnung A 50 %, Einschnürung Z 80 %), Zementit extrem hart (ca. 1100 HV) und spröde. Mit zunehmendem Zementitgehalt nimmt daher die Zugfestigkeit zu und das Verformungsvermögen ab.
10.5.2 Einfluss von Fremdelementen auf das Gefüge Das Gefüge des Stahls und damit seine mechanischen Eigenschaften werden durch den Gehalt an Fremdelementen beeinflusst. Bei den Fremdelementen unterscheidet man zwischen Stahlbegleitern, die zumeist als unerwünschte Nebenbestandteile bei der Verhüttung und Verarbeitung in den Stahl gelangen, und den eigentlichen Legierungselementen, die dem Stahl bewusst zur Erzielung bestimmter Eigenschaften zugesetzt werden. Unlegierter Stahl
Als unlegiert wird ein Stahl bezeichnet, der außer 0,06 bis 2,06 M.-% C nur noch sehr geringe Mengen an Fremdelementen (vorwiegend die Eisenbegleiter Mn, Si, P, S, O, N und H) enthält. Die Höhe der Anteile an Begleitelementen sowie vor allem die Art ihrer Verteilung in der Gefügematrix des Stahls (homogene Verteilung oder örtlich konzentriert) bei sonst gleicher chemischer Zusammensetzung können zu sehr unterschiedlichen Stahleigenschaften führen. Im Allgemeinen verschlechtern sie schon in kleinen Mengen die Gebrauchseigenschaften; für bessere Stahlqualitäten sind deshalb ihre Maximalmengen begrenzt (siehe DIN EN 10020). Kohlenstoff beeinflusst bereits in kleinen Mengen die Stahleigenschaften ganz erheblich. Mit steigendem C-Gehalt wächst der Perlitanteil im Gefüge untereutektoider Stähle bzw. der Anteil an Zementit in der perlitischen Grundmasse übereutektoider Stähle. Damit steigen Härte, Streckgrenze, Zug- und Verschleißfestigkeit; Bruchdehnung und Brucheinschnürung sowie Kerbschlagarbeit nehmen ab. Für die unlegierten Stähle zeigt Bild 10-5 diesen Zusammenhang.
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10 Eisen und Stahl
Bild 10-5 Festigkeits- und Verformungseigenschaften eines naturharten Stahles in Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt
Ein Stahl mit 0,1 M.-% C ist weich, zäh und leicht zu bearbeiten, während bereits 0,6 M.-% C-Gehalt den Stahl hart, wenig verformbar und schlecht bearbeitbar machen. Die Schmelztemperatur sinkt ebenfalls mit steigendem C-Gehalt, Schmied- und Schweißbarkeit verschlechtern sich. Ab einem C-Gehalt von 0,3 M.-% wird Stahl durch Abschrecken technisch härtbar. Unlegierte Stähle mit einem C-Gehalt < 0,6 M.-% sind so genannte unlegierte Baustähle. Stähle mit C-Gehalten von 0,3 bis 1,6 M.-% bezeichnet man als Werkzeugstähle. Legierter Stahl
An keinem anderen Werkstoff lassen sich die Gebrauchseigenschaften durch Legieren, d. h. gezielte Zugabe bestimmter Elemente, in einem so breiten Umfang und in einem solchen Ausmaß verändern wie beim Stahl. Die legierten Stähle enthalten praktisch außer Eisen und Kohlenstoff mehrere Legierungsstoffe, wodurch sich komplizierte Legierungssysteme mit komplexen Eigenschaften ergeben. Da sich die Eigenschaften mit zugegebener Menge eines Legierungselements nicht gleichmäßig ändern, zum andern sich auch die Wirkungen verschiedener, gleichzeitig vorhandener Elemente nicht einfach addieren, ist die zahlenmäßige Voraussage über die Eigenschaftsveränderungen niemals möglich. Aus praktischer Erwägung werden die legierten Stähle unterteilt in: niedriglegierte Stähle – Summe der Legierungselemente < 5 M.-%; legierte Stähle – Legierungsgehalt > 5 M.-%. Die Zugabe der Legierungselemente verändert systematisch das Gleichgewicht zwischen Eisen und Kohlenstoff, d. h. die Gleichgewichtslinien im Fe-C-Diagramm werden verschoben; insbesondere der Temperaturpunkt für die /-Umwandlung. Grob lassen sich zwei Gruppen von Legierungselementen unterscheiden:
10.6 Weiterverarbeitung von Stahl
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Elemente, die das Austenitgebiet erweitern Elemente wie z. B. Ni, Co, Mn, N verschieben die /-Umwandlungstemperatur zu tieferen Temperaturen, d. h. der Temperaturbereich, in dem der Austenit stabil ist, wird erweitert. Bei ausreichend hohen Gehalten kann die Umwandlungstemperatur bis tief unter die Raumtemperatur gesenkt werden; die Stähle liegen dann im gesamten Gebrauchstemperaturbereich bis zur Schmelztemperatur im Gefügezustand des γ-Mischkristalls vor. Man nennt diese Stähle „austenitische Stähle“. Ihre besonderen Eigenschaften sind: nicht magnetisierbar, niedrige Streckgrenze bei hoher Festigkeit, große Zähigkeit, gut verformbar, hohe Verfestigung durch Kaltverformung, hochwarmfest, hoher Temperaturausdehnungskoeffizient, nicht abschreckhärtbar, im allgemeinen besserer Korrosionswiderstand. Elemente, die das Ferritgebiet erweitern Elemente wie z. B. Cr, Al, Ti, Ta, Si, Mo, V, W schnüren das Gebiet des Austenits stark ein. Sie erhöhen die /-Umwandlungstemperatur. Dadurch wird mit steigenden Gehalten an diesen Elementen der Bereich, in dem der Austenit beständig ist, immer kleiner, bis ab bestimmten Gehalten überhaupt keine Umwandlung bei der Erwärmung mehr erfolgt. Der Stahl liegt also im gesamten Gebrauchstemperaturbereich im Gefügezustand des Ferrits vor: „ferritischer Stahl“. Seine besonderen Eigenschaften sind: warmfest, besondere magnetische Eigenschaften, nicht abschreckhärtbar, neigt zur Bildung von grobem Korn. Weitere Wirkungen der Elemente Eine der wichtigsten Wirkungen der Legierungselemente ist die Verringerung der Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlenstoffs im α- und γ-Eisen, d. h. die kritische Abkühlungsgeschwindigkeit wird herabgesetzt. Elemente, die eine hohe Affinität zu C haben, vor allem Mn, Cr, Mo, W, Ta, V, Nb, Ti, können bei Anwesenheit von ausreichend C sehr beständige Carbide bilden. Stähle mit den genannten Zusatzelementen besitzen auf Grund der Carbide eine hohe Härte und Verschleißfestigkeit, sowie eine erhöhte Warm- und Kriechfestigkeit. Daher wichtig für warmfeste Stähle, die bei hohen Temperaturen eingesetzt werden, so genannte „dauerstandfeste Stähle“. Die Kaltverformbarkeit derartiger Stähle ist allerdings geringer.
10.6 Weiterverarbeitung von Stahl 10.6.1 Umformung 10.6.1.1 Einfluss der Verformung auf das Gefüge
Bei der plastischen Formgebung werden gleichzeitig mit der äußeren Form auch das Gefüge und die Struktur in erheblichem Maße verändert. Je nach Umformtemperatur wird zwischen Warm- und Kaltverformung unterschieden. Die Grenze zwischen beiden ist nicht durch die Begriffe „warm“ und „kalt“ im üblichen Sinne, sondern durch die Rekristallisationstemperatur (siehe Kapitel 10.5.2) gegeben. Dadurch ergeben sich zwischen Warm- und Kaltverformung grundsätzliche Unterschiede.
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10 Eisen und Stahl
Bei der Verformung im niedrigen Temperaturbereich wird die Rückbildung der elastischen Verformung der einzelnen deformierten Kristallite im polykristallinen Haufwerk stark behindert, so dass nach der Verformung das ideale Raumgitter nicht mehr besteht; es bleiben örtliche Verzerrungen zurück. Diese bei dem Verformungsprozess entstandenen Gitterfehler bewirken eine Verfestigung des Metalls bei gleichzeitiger Abnahme des Verformungsvermögens; der Werkstoff wird spröder, härter. Bei weitergehender Verformung wird der Verformungswiderstand schließlich so groß, dass seine gewaltsame Überwindung zum Bruch des Werkstückes führt. Deshalb kann man mit dieser Verformung nur relativ geringe Verformungsgrade erreichen. Man bezeichnet diesen Vorgang als Kaltverfestigung; besser wäre es, von einer Verformung unterhalb der Rekristallisationstemperatur zu sprechen. Kaltformgebungsverfahren haben den Vorteil, dass keine Oxidation oder Verzunderung auftritt und so die Oberflächen blank bleiben. Es können Teile hoher Maßgenauigkeit hergestellt werden, wobei kleine, durch Warmformgebung nicht erreichbare Abmessungen mit hoher Festigkeit (z. B. Oberflächenhärtung) möglich sind. Beim Einsatz solcher Produkte ist unbedingt die erhöhte Korrosionsempfindlichkeit zu berücksichtigen, weil die bei der Verformung eingebrachten Eigenspannungen bei Korrosion zu plötzlicher Rissbildung führen können. Durch eine Umformung bei erhöhten Temperaturen, d. h. Verformung deutlich oberhalb der Rekristallisationstemperatur, setzt während oder kurz nach der Verformung eine Kornneubildung, d. h. Rekristallisation, ein, wodurch die Gitterfehler durch atomare Platzwechselvorgänge abgebaut werden. Auf diese Weise wird erreicht, dass die Formänderungsfestigkeit, das ist die auf den jeweils vorhandenen Querschnitt bezogene Kraft, bei zunehmendem Verformungsgrad nicht mehr ansteigt und das rekristallisierte Gefüge immer wieder volle Verformungsfähigkeit hat; es können daher mit relativ geringem Kraftaufwand große Verformungsgrade erzielt werden. Das Gefüge wird während der Verformung feinkörniger. Die Festigkeit des Werkstoffes resultiert nur aus seiner chemischen Zusammensetzung; man bezeichnet ihn als naturhart. Nachteil bei dieser Verformungsart ist die schlechtere Oberflächenbeschaffenheit. 10.6.1.2 Technische Formgebungsverfahren Gießen
Stahlguss (GS) ist nach DIN jeder in Formen gegossene Stahl, der im Gegensatz zum Kokillenguss keine nachträgliche Warmverformung mehr, sondern nur noch eine spangebende Bearbeitung erfährt. Er kommt zur Anwendung, wenn die dem Gießen eigenen Vorteile der Formgebung genutzt werden sollen, aber die Festigkeitseigenschaften von Temperguss, Gusseisen mit Lamellen- oder Kugelgraphit nicht ausreichen. Da sich beim Vergießen keine Gasblasen bilden dürfen, muss Stahlguss stets beruhigt vergossen werden. Da die Zähigkeit nach dem Gießen gering ist, wird Stahlguss stets geglüht oder vergütet – dies auch nach dem Bearbeiten oder Schweißen. Danach sind die Eigenschaften grundsätzlich die gleichen wie bei Walzstahl. Dieser Gusswerkstoff ist korrosionsbeständig, warmfest und kaltzäh sowie auf Grund des C-Gehaltes von < 2,06 M.-% schweißgeeignet. Anwendungsbereiche für Stahlguss: Brückenlager und vor allem Maschinenbauteile.
10.6 Weiterverarbeitung von Stahl
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Walzen
Walzen ist Formgebung durch zwei gegenläufig rotierende, glatte oder profilierte Zylinder (Walzen). Das Aggregat, in dem die Zylinder eingebaut sind, heißt Walzgerüst oder Walzstuhl. Die ganze Walzeinrichtung wird im Allgemeinen als Walzstraße bezeichnet; deren Hauptbestandteile sind die Walzgerüste mit den Walzen und die Rollgänge, auf denen das Walzstück zu den Walzgerüsten bewegt wird. Beim Walzen wird durch die Druckverformung zwischen den Walzen der Werkstoff vorwiegend in Walzrichtung gestreckt. Warmwalzen dient im Allgemeinen dazu, den Querschnitt des Gussblockes oder der -bramme bzw. der Knüppel oder der Vorbrammen (bei Strangguss) bis nahe an die Dimensionen des endgültigen Werkstücks zu reduzieren. Der Werkstoff rekristallisiert überwiegend zwischen den Walzgerüsten. Kaltwalzen wird zur Fertigstellung verwendet. Nach der Art des Walzgutes unterscheidet man: Block-/Brammen-Walzwerk In diesem Aggregat wird der im Tiefofen auf Walztemperatur von ca. 1.200 °C aufgeheizte Gussblock oder die -bramme warm zu so genanntem Halbzeug (Vorbrammen, -blöcke, Knüppel) heruntergewalzt. Dieses Walzwerk arbeitet meist reversierend. Grobblech-Walzwerk Hier wird ein Teil des im Brammenwalzwerk hergestellten Halbzeugs bzw. die Vorbrammen aus dem Strangguss warm weiter zu schweren Blechen (Grobbleche > 5 mm, Mittelbleche < 5 mm bis 3 mm) ausgewalzt. Feinblech-Walzwerk Hier werden breite dünne Bänder (< 3 mm bis 0,2 mm und dünner) kalt gewalzt. Kaliber-Walzwerk (Profilwalzwerk) Hier werden zwischen profilierten (kalibrierten) Walzen vor allem Formstähle (Trägerprofile
80 mm) und Stabstähle (Profile < 80 mm) ausgehend vom Rechteckquerschnitt über eine Anzahl Übergangsformen allmählich in das gewünschte Profil warm ausgewalzt. Draht-Straße Ähnlich wie bei den Kaliberwalzwerken wird hier der Draht (= rundes Kaliber) warm heruntergewalzt bis auf 5 mm Durchmesser. Bei gerippten Drähten werden die Rippen zum Schluss durch Spezialwalzen aufgewalzt. (Herstellung von naturharten Beton- und Spannstählen). Rohr-Walzwerke Geschweißte Rohre werden aus Blechstreifen durch schräg angestellte Walzen warm überwalzt und anschließend an den spiralförmig verlaufenden Stößen verschweißt. Bei längs geschweißten Rohren werden Blechtafeln im Allgemeinen kalt gebogen und am Stoß sodann (stumpf oder überlappt) verschweißt. Nahtlose Rohre werden in zwei Schritten (Verfahren Mannesmann) durch Schrägwalzen über einen Dorn zunächst warm gewalzt zu so genannten „Rohrluppen“ (kurze, relativ dickwandige Rohrstücke). Diese werden dann im „Pilgerschrittwalzwerk“ oder durch Ziehen auf den endgültigen Querschnitt gebracht.
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10 Eisen und Stahl
Ziehen
Hier handelt es sich in der Regel um eine Kaltverformung. Stangen-, Draht- und Rohrziehen sind Formgebungsverfahren, bei denen das Material durch ein „Ziehhol“ gezogen wird, dessen Öffnung die Größe und Form des gewünschten Querschnitts hat (Herstellung von kaltverfestigtem Beton- und Spannstahl). Pressen, Drücken
Pressen bzw. Drücken (insbesondere in der NE-Industrie angewendet) dient zur Herstellung komplizierter Stabstahl-Profile oder auch Hohl-Profile (z. B. Rohre und anderes) durch eine Warm- oder Kaltverformung. Wie beim Ziehen wird auch hier der Werkstoff durch ein Werkzeug gepresst, dessen Öffnung die Form des gewünschten Profils hat. Durch den länger und langsamer einwirkenden Druck gegenüber dem Schmieden wird beim Pressen ein weitergehendes Fließen erreicht. Schmieden
Schmieden ist eine Formgebung durch kurze, schlagartig wirkende Stöße. Schmieden wird kalt oder warm ausgeführt. Unterschieden wird zwischen dem Freiformen (Kunst-, Hufschmied auf dem Amboss) und dem Gesenkschmieden, wo das Material in eine Hohlform (= Gesenk) hineingeschmiedet wird (ähnlich dem Plastillin in Knetformen). Recken
ist eine Formgebung im kalten Zustand und diente unter anderem zur Herstellung von so genanntem Noreck-Betonstahl. Verdrillen (Tordieren)
Formgebung im kalten Zustand zur Herstellung von Rippentorstahl. Ein warmgewalzter, gerippter Rundstahl wird auf einer Tordiermaschine verdrillt (Verdrillgrad 8·d … 14·d).
10.6.2 Wärmebehandlung des Stahls Durch Temperaturbehandlung des Stahls lassen sich Werkstoffeigenschaften erzielen, die auf anderem Wege nicht erreichbar sind. Jede Wärmebehandlung besteht aus Erwärmen, Halten und Abkühlen. Maßgebend für die Auswirkung und Benennung der Behandlung sind Temperatur und Dauer des Haltens sowie die Geschwindigkeit des Abkühlens. Man unterscheidet danach drei Wärmebehandlungsverfahren für Stahl: Glühen (langsames Abkühlen z. B. an Luft); Härten (rasches Abkühlen z. B. in Wasser oder Öl); Vergüten (Härten, Wiedererwärmen und langsames Abkühlen). Die meisten Wärmebehandlungen werden nach Abschluss der wesentlichen Umformvorgänge des Stahls durchgeführt. Neben den separat durchgeführten Wärmebehandlungen gewinnen die in Verbindung mit dem Umformverfahren durchgeführten kontrollierten Abkühlungen eine zunehmende Bedeutung, da die zusätzlichen Anwärmvorgänge entfallen.
10.6 Weiterverarbeitung von Stahl
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Die thermomechanische Behandlung ist ein Warmumformverfahren, bei dem sowohl Temperatur als auch Umformung in ihrem zeitlichen Ablauf gesteuert werden, um einen bestimmten Werkstoffzustand – und somit bestimmte Werkstoffeigenschaften – einzustellen (z. B. Tempcore®-Stahl). 10.6.2.1 Glühen
Glühen wird durchgeführt um: Inhomogenitäten des Gusses (z. B. Seigerungen) zu beseitigen; Guss-, Verformungs- oder Wärmespannungen abzubauen; Form und/oder Verteilung von Kristalliten zu ändern. Je nach angestrebtem Zweck ist die Glühtemperatur verschieden hoch zu wählen. Bei hohen Glühtemperaturen können Oberflächen stark „verzundern“ oder auch Veränderungen der chemischen Zusammensetzung durch Einwirkung der Glühatmosphäre erleiden (Randentkohlung); um das zu vermeiden, erfolgt das Glühen unter Schutzgas. Die wichtigsten Glühbehandlungen sind: Diffusionsglühen; Glühen zum Abbau von Spannungen; Glühen zwecks Änderung der Kornform. Diffusionsglühen
Dadurch können Konzentrationsunterschiede im Gefüge – z. B. Seigerungen – ganz oder wenigstens zum größten Teil ausgeglichen werden. Glühen zum Abbau von Spannungen
Durch den Glühprozess sollen innere Spannungen (Eigenspannungen) abgebaut werden, die durch Kaltverformen, ungleichmäßiges Abkühlen oder durch Schweißen entstanden sind. Im Grenzfall kann es durch kombinierte Zeit- und Temperatureinwirkung (Temperatur allerdings deutlich unterhalb der Perlitlinie; übliche Temperatur 550 bis 650 °C) bis zum Verschwinden der inneren Spannungen führen. Das Material wurde dann „spannungsfrei geglüht“. Nach Überschreitung einer bestimmten Temperatur entsteht ein neuer Effekt, nämlich die Bildung eines neuen Gefüges aus neuen Kristalliten, der als Rekristallisation bezeichnet wird. Das rekristallisierte Gefüge besitzt keine inneren Spannungen mehr und ist deshalb ebenso weich wie das Ursprungsgefüge. Rekristallisation ist zeit- und temperaturabhängig. Bei allen Metallen muss ein gewisser Mindestverformungsgrad sowie eine bestimmte Mindesttemperatur überschritten werden, um die Rekristallisation einzuleiten. Diejenige Temperatur, bei der die Bildung neuer Körner beginnt, heißt Rekristallisationsschwelle TRekr. Grundsätzlich hängt sie vom Werkstoff ab; näherungsweise kann man sie aus der Schmelztemperatur des Metalls TS (angegeben in K) nach der Formel TRekr ≈ 0, 4 ⋅ TS abschätzen.
(10.1)
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10 Eisen und Stahl
Sie beträgt z. B. bei: Ni ca. 600 °C; Fe ca. 450 °C; Al ca. 150 °C; Zn, Cd, Sn etwa Raumtemperatur, Pb –33° C; für unlegierten Stahl 500 bis 600 °C, für legierten und hochlegierten Stahl 600 bis 800 °C. Ein zunehmender Verformungsgrad lässt die Rekristallisationsschwelle absinken. Man erkennt, dass die in der Praxis oft verwendeten Bezeichnungen „Kaltverformung“, „Kaltverfestigung“ usw. irreführend sind, wenn man die Begriffe „kalt“ und „warm“ auf Raumtemperatur bezieht. Entscheidend für das entstehende Gefüge und seine Festigkeitseigenschaften ist, ob die plastische Verformung bzw. das „Glühen“ unterhalb oder oberhalb der betreffenden Rekristallisationstemperatur stattfindet. Je höher die Rekristallisationstemperatur gewählt wird, desto kürzer ist die zur vollkommenen Rekristallisation erforderliche Zeit. Glühen zwecks Änderung der Kornform
Bei jedem umwandlungsfähigen Stahl kann man durch nochmaliges Erhitzen bis in das Temperaturgebiet des homogenen Austenits (20 bis 40 K über der GSK-Linie) und anschließende Abkühlung an ruhender Luft eine Rückverwandlung zu einem feinen, gleichmäßigen, von der Vorbehandlung unabhängigem Gefüge von -Kristallen erreichen. Diese Glühbehandlung bezeichnet man als Normalglühen oder Normalisieren. In diesem „Normalzustand“ besitzt der Stahl immer wieder die ihm eigenen reproduzierbaren Kennwerte für Zugfestigkeit, Streckgrenze, Bruchdehnung, Kerbschlagarbeit usw. Davon zu unterscheiden ist das Weichglühen, bei dem die streifige (lamellare) Form des Zementit im Perlit (siehe Kapitel 10.4) in körnigen Zementit umgeformt werden soll. Der Stahl wird dadurch weicher und erhält beste Verarbeitbarkeit bei spanloser Umformung (Kaltverformung) sowie bessere spanabhebende Verarbeitbarkeit. Weichglühen lässt sich am einfachsten als mehrstündiges Glühen direkt unterhalb der Perlitlinie (723 °C) oder bei C > 0,8 M.-% pendelnd um die Perlitlinie („Pendelglühen“) mit anschließendem langsamen Abkühlen durchführen. 10.6.2.2 Härten
Durch Härten kann man die Naturhärte des normal abgekühlten Stahls erhöhen. Vor allem Werkzeugstähle erhalten durch diese Behandlung ihre größere Härte und Verschleißfestigkeit, allerdings auf Kosten der Zähigkeit und Kaltverformbarkeit. Ausgangszustand für die Abschreckhärtung ist immer der Gefügezustand des γ-Mischkristalls, d. h. Temperaturen oberhalb der GSK-Linie im Fe-C-Diagramm. Durch erhöhte Abkühlgeschwindigkeit (Abschrecken) wird die normale Umwandlung Austenit zu Perlit unterdrückt, die Diffusion des Kohlenstoffs wird unterbunden. Um das Ausdiffundieren des Kohlenstoffs vollständig zu unterdrücken, muss jedoch mit einer Mindestabkühlgeschwindigkeit, der so genannten kritischen Abkühlgeschwindigkeit, abgekühlt werden. Bei der schnellen Umstellung (Umklappen) auf das bei tieferen Temperaturen stabile α-Gitter verbleibt der Kohlenstoff dadurch im Gitter, dessen Aufnahmefähigkeit für C sehr klein ist, zwangsweise gelöst. Es entsteht daher nicht Ferrit, sondern ein durch den Kohlenstoff verspanntes und verzerrtes Gitter, ein stark übersättigter α-Fe-C-Mischkristall. Als Folge dieser Spannungen entsteht ein nadeliges, sehr hartes Gefüge mit hoher Zugfestigkeit, aber fast keiner Bruchdehnung, der sehr spröde Martensit. Die Härte des Martensits
10.6 Weiterverarbeitung von Stahl
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hängt vom C-Gehalt ab; ab ca. 0,2 bis 0,3 M.-% C-Gehalt wird der Härtungseffekt technisch nutzbar. Mit abnehmender Abkühlgeschwindigkeit vermag immer mehr Kohlenstoff auszudiffundieren, so dass immer mehr Perlit entsteht; Härte und Festigkeit nehmen dadurch ständig ab, die Verformungsfähigkeit nimmt zu. Je nach Abkühlgeschwindigkeit kann man also die verschiedensten Zwischenstufen zwischen Perlit und Martensit erzeugen. Wegen der sehr hochliegenden kritischen Abkühlgeschwindigkeit können reine Kohlenstoffstähle nur bis ca. 10 mm Tiefe durchgehärtet werden. Durch Zusatz von Legierungselementen, die die Diffusion des C behindern, ist es aber möglich, auch mit langsamerer Abkühlung (Öl, Luft) eine vollständige Durchhärtung zu erreichen. So legierte Stähle sind aber schlechter schweißbar, weil sie auch bei langsamer Abkühlung nach dem Schweißen zur Aufhärtung neigen. Unter den Begriffen Aufkohlen (Einsetzen oder Zementieren), Nitrieren, Karbonitrieren versteht man Verfahren, die zur Oberflächenhärtung nicht härtbarer, da kohlenstoffarmer Stähle eingesetzt werden, indem man die Oberfläche künstlich mit Kohlenstoff oder Stickstoff anreichert. Bei ungenauer Prozessführung treten derartige Effekte ungewollt auf. Alle Verfahren sind nur unter werkmäßigen Bedingungen handhabbar. 10.6.2.3 Stahlvergütung
Der gehärtete martensitische Stahl ist im Allgemeinen für die meisten Verwendungszwecke zu spröde. Die verschiedenen Zwischenstufengefüge sind aber fertigungstechnisch nur sehr schwierig in dem gewünschten Maße zu steuern. Hat man durch Abschrecken Martensitgefüge (Zwangszustand, daher nicht stabil!) hergestellt, so kann man durch anschließendes Erwärmen auf unterschiedlich hohe Temperaturen über verschieden lange Zeiten eine Reihe von Übergangsstufen erzielen. Bei diesem so genannten Anlassen erreicht man, dass ein Teil der Kohlenstoffatome aus ihrer Zwangslage im Gitter befreit wird (ausdiffundieren); dadurch kann der Härtungseffekt gemildert werden, d. h. man erreicht eine Verbesserung der Zähigkeitseigenschaften auf Kosten der Härte bei allerdings nur geringer Abnahme der Festigkeitswerte. Diese Anlassgefüge – gekennzeichnet durch Angabe der Anlasstemperatur – sind feiner, zäher und vor allem sicherer einzustellen und werden daher dem Zwischenstufenabschrecken vorgezogen.
Vergüten ist der Gesamtvorgang, d. h. also Härten mit nachfolgendem Anlassen auf Temperaturen < A1 (723 °C). Die Anlasstemperatur liegt allgemein bei 500 bis 600 °C, für Werkzeugstähle bei 100 bis 300 °C. Kennzeichen aller vergüteten Stähle ist also, dass sie trotz hoher Zugfestigkeit, Streckgrenze und Elastizitätsgrenze hohe Zähigkeitseigenschaften aufweisen. Vergütungsstähle werden durch diese Wärmebehandlung mechanisch höher belastbar, dadurch können die Abmessungen der Bauteile bei gleicher Belastung verringert werden. Bei Walzdrähten mit C-Gehalten > 0,4 M.-% wird vor dem Ziehen häufig eine besondere Art des Vergütens, das so genannte „Patentieren“ durchgeführt, wenn daraus z. B. dünne Spannbetonstähle, Seildrähte und ähnliches hergestellt werden sollen. Hierbei durchlaufen die
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Stahldrähte nach dem Glühen ein Blei- oder Salzbad von 500 bis 550 °C. Ziel aller Patentierungsverfahren ist es, ein feinlamellares (streifiges) Perlitgefüge zu erzielen, das beim Ziehen gut verformbar ist und sich stark verfestigt (Zugfestigkeit bis zu 3.000 N/mm2!) aber trotzdem noch ausreichende Zähigkeit aufweist. Kaltziehen und Patentieren werden mehrfach nacheinander angewandt. Ohne die zwischengeschaltete Wärmebehandlung wären die hohen Verformungsgrade beim Kaltziehen nicht erreichbar, da der Draht vorher durch Versprödung reißen würde. 10.6.2.4 Altern
Unter normalen Bedingungen ist auch bei Raumtemperatur eine in längeren Zeiträumen auftretende Kristallumwandlung (Rekristallisation) insbesondere kaltverformter, niedrig gekohlter Stähle möglich (z. B. allg. Baustähle), die zu einer Versprödung führt. Diese ungewollte, zeit-, temperatur- und beanspruchungsunabhängige Veränderung der Werkstoffeigenschaft, die also ohne äußeres Zutun abläuft, bezeichnet man mit Alterung (auch Aushärtung oder Auslagerung) des Werkstoffes. Hierbei sinken die plastische Verformbarkeit, Bruchdehnung und die Kerbschlagarbeit, während die Härte, Streckgrenze und die Zugfestigkeit ansteigen. Die nach einer geringen Kaltverformung eintretende Alterung wird als Reckalterung bezeichnet. Bei Stahl ist diese Erscheinung vor allem auf nicht abgebundene Stickstoffgehalte zurückzuführen, die Ausscheidungen im Ferrit bilden, wodurch Gleitvorgänge behindert werden und eine Abnahme der Zähigkeit bewirkt wird. Das natürliche Altern kann beschleunigt werden, indem man den Stahl einmal oder wiederholt auf eine Temperatur von 100 bis 250 °C anwärmt und diese eine Zeitlang hält (künstliches Altern). Patentierte und gezogene Spannbetondrähte wie auch gezogene und gewalzte Drähte für Baustahlmatten werden heute in großem Maße künstlich gealtert. Das Anlassen wirkt sich vor allem auf die Rp0,01- und die Rp0,2-Dehngrenzen (siehe Kap. 10.7.1) aus, die merklich erhöht werden. Wärmebehandlung auf der Baustelle kann in begrenztem Umfang erforderlich werden. Derartige Maßnahmen sind dann von Fachleuten zu planen und auszuführen; Bauingenieure und Architekten sind mit diesen Aufgaben überfordert!
10.7 Mechanisch-technologische Kennwerte und Prüfverfahren Wegen der Sicherheit der Bauteile muss der Ingenieur, der einen Baustoff einsetzen will, die Spannungen kennen, unter denen der Werkstoff seine Widerstandsfähigkeit verliert, sei es, dass er dabei seinen intermolekularen Zusammenhalt verliert, d. h. zu Bruch geht, oder sich unzulässig verformt. Die mechanischen Kennwerte werden bevorzugt in Versuchen bestimmt, bei denen sich unter Belastung einachsige Spannungszustände im Werkstoff einstellen. Die auf diese Weise ermittelten Kennwerte gelten nur unter vereinfachenden Annahmen und nur unter Versuchs- oder Prüfbedingungen, die durch Übereinkunft, häufig durch Normen, festgelegt sind.
10.7 Mechanisch-technologische Kennwerte und Prüfverfahren
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10.7.1 Zugversuch Der statische Kurzzeit-Zugversuch dient zur Ermittlung des Werkstoffverhaltens bei einachsiger, gleichmäßig über den Querschnitt verteilter Zugbeanspruchung. Dazu wird eine Zugprobe zügig und stoßfrei gereckt, bis der Bruch eintritt. Durch den Zugversuch nach DIN EN 10002 kann man unter anderem folgende Kennwerte zur Beurteilung des Werkstoffverhaltens ermitteln (DIN EN 10002 verwendet von DIN 1304 bzw. DIN 1080 abweichende Formelzeichen für die Kennwerte): Zugfestigkeit, Streckgrenze, Proportionalitätsgrenze, Elastizitätsmodul oder die Dehnzahl, Bruchdehnung, Einschnürung oder Querschnittsverminderung. Aus der Vielzahl der direkten oder abgeleiteten Messwerte geht hervor, dass der Zugversuch das wichtigste und grundlegende Werkstoffprüfverfahren für Stahl ist. Form und Maße der Proben, deren Querschnitt kreisförmig, quadratisch, rechteckig oder ringförmig sein darf, hängen von der Form und den Maßen der zu untersuchenden metallischen Erzeugnisse ab. Im Allgemeinen werden so genannte „proportionale Proben“ eingesetzt, bei denen das Verhältnis von Anfangsmesslänge L0 zum Ausgangsquerschnitt S0 durch die Gleichung
L0 = 5,65 ⋅ S 0
(10.2)
ausgedrückt wird. Für kreisförmige Querschnitte mit dem Durchmesser d0 ergibt sich hieraus L0 = 5,0 ⋅ d 0
(10.3)
Bild 10-6 zeigt einen runden Proportionalstab nach DIN 50125, der die o. g. Bedingung erfüllt. Um die Prüfkörper in die Prüfmaschine einspannen und die Zugkraft sicher übertragen zu können, müssen die Prüfkörperenden entsprechend ausgebildet sein. Im Bild ist eine der möglichen Formen (so genannte „Schulterköpfe“, Form C) dargestellt.
Bild 10-6 Proportionale Rundprobe nach DIN 50125 (Form C)
Die Anfangsmesslänge darf nicht kleiner als 20 mm sein. Für Betonstahl nach DIN 488 sind abweichend von DIN EN 10002 unbearbeitete Proben mit einer freien Einspannlänge von etwa 15·dS zu verwenden.
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10 Eisen und Stahl
Bild 10-7 Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines naturharten Stahles
Bild 10-8 Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines kaltverformten Stahles
Die Bilder 10-7 und 10-8 zeigen das Spannungs-Dehnungs-Diagramm für einen naturharten und einen kaltgereckten Stahl. Aus dem Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung im elastischen Bereich lässt sich der Elastizitätsmodul E bestimmen; E liegt üblicherweise im Bereich zwischen 190 000 und 230 000 N/mm² (Ausnahme: nichtrostende Stähle). Als Rechenwert wird angesetzt: bei Baustahl: E = 210 000 N/mm² (DIN 18800, DIN EN 1993-1-1) bei Betonstahl: E = 200 000 N/mm² (DIN 1045-1) Der elastische Bereich hört bei der Proportionalitätsgrenze auf. Aus messtechnischen Gründen ermittelt man hierfür die 0,01-Dehngrenze Rp0,01; diese 0,01-Dehngrenze wird als die einer bleibenden Dehnung von 0,01 % zugeordnete Spannung definiert: Rp0,01 =
F0,01 [N/mm²] S0
(10.4)
Die bei dieser Spannung auftretende bleibende Verformung ist vernachlässigbar klein, Rp0,01 wird deshalb oft auch als „technische Elastizitätsgrenze“ bezeichnet. Ab einer bestimmten Spannung beginnt der Stahl sich ohne Zunahme der Zugkraft stark plastisch zu verformen. Während naturharte Stähle durch einen deutlichen Fließbereich gekennzeichnet sind – zu erkennen an der Unstetigkeit im Diagramm –, zeigen die meisten
10.7 Mechanisch-technologische Kennwerte und Prüfverfahren
667
anderen Stähle, z. B. kaltverformte Stähle, hochfeste Baustähle und Spannstähle kein ausgeprägtes Fließen. Die Spannung, die den Beginn des plastischen Fließens kennzeichnet, wird als Streckgrenze Re bezeichnet, wobei zwischen ReH (obere Streckgrenze) und ReL (untere Streckgrenze) unterschieden wird. Die Streckgrenze wird aus der zugehörigen Kraft Fe und dem Ausgangsquerschnitt der Probe S0 berechnet: Re =
Fe [N/mm²] S0
(10.5)
Für konstruktive Zwecke ist nun dieser Punkt weit wichtiger als die maximale Belastbarkeit, da die Gebrauchsfähigkeit eines Bauteils nicht nur von seiner Festigkeit (Tragfähigkeit) abhängt, sondern in weit größerem Maße von seinen Verformungen unter Belastung. Bei stark verformbaren Baustoffen (wie z. B. Stahl) geht die Sicherheitsbetrachtung anstelle von der Festigkeit von dieser Verformungsgrenze aus. Für Stähle, bei denen dieser elasto-plastische Übergang nicht eindeutig zu erkennen ist, muss deshalb eine der Streckgrenze äquivalente Spannung festgelegt werden. Man hat die einer bleibenden Dehnung von 0,2 % zugeordnete Spannung gewählt, die man entsprechend als 0,2-Dehngrenze definiert: Rp0,2 =
F0,2 [N/mm²] S0
(10.6)
Nach Überschreiten der Streckgrenze erreicht man im Spannungs-Dehnungs-Diagramm bei der Höchstkraft die Zugfestigkeit. Die Zugfestigkeit wird als die auf den Anfangsquerschnitt bezogene maximal auftretende Zugkraft definiert: Rm =
Fm [N/mm²] S0
(10.7)
Der scheinbare Spannungsabfall nach dem Überschreiten von Rm ist effektiv nicht vorhanden, sondern dadurch bedingt, dass die der jeweiligen Belastung zugeordnete Spannung unter der Annahme des gleichbleibenden Ausgangsquerschnitts der Probe berechnet wird (Nennspannung). Durch die auftretenden Verformungen kommt es aber zu einer Querschnittsverringerung: diese ist bis zum Erreichen der Zugfestigkeit Rm gleichmäßig über die Länge der Zugprobe verteilt; bei weiterer Belastung erfolgt eine starke Einschnürung, die dann zum Bruch führt. Auf den tatsächlichen Querschnitt bezogen kommt es zu einer weiteren Spannungserhöhung (wahre Spannung) bis zum Bruch (siehe Bild 10-9). Neben den Festigkeitskennwerten sind auch die Verformungskennwerte von großer Bedeutung für die Beurteilung der konstruktiven Eignung des Werkstoffes. Die Verformungskenngrößen – die Bruchdehnung, die Gleichmaßdehnung und die Brucheinschnürung – charakterisieren die Zähigkeit. Besitzt ein Werkstoff eine zu geringe plastische Verformungsfähigkeit, ist er also zu spröde, besteht erhöhte Rissgefahr beim Auftreten von Spannungsspitzen. Je zäher ein Werkstoff ist, desto sicherer werden Mikrorisse in kleinsten Bereichen vermieden, aus denen sich größere Schäden entwickeln können.
668
10 Eisen und Stahl
Bild 10-9 Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines naturharten Stahles – Vergleich zwischen Nennspannung und wahrer Spannung
Die Bruchdehnung A kennzeichnet die Verlängerung der Probe nach dem Bruch und setzt sich aus der Gleichmaßdehnung und der Einschnürdehnung zusammen (siehe Bild 10-7). Die im plastischen Bereich b auftretenden Längenänderungen werden mit zunehmender Probenlänge größer, und zwar proportional zur Probenlänge. Die Gleichmaßdehnung als Quotient aus Längenänderung und Ausgangslänge L0 bleibt jedoch konstant und ist damit unabhängig von der Probenlänge. Nach Überschreiten der Höchstkraft wird die Probe nicht mehr gleichmäßig über die gesamte Länge, sondern praktisch nur noch im Einschnürbereich überproportional verformt; dabei ist die im Einschnürbereich auftretende Verformung unabhängig von der Probenlänge. Die Einschnürdehnung – als Verhältnis von Verformung zu Ausgangslänge – ist deshalb umso größer, je kleiner die Probenlänge ist; mit zunehmender Stablänge geht die Einschnürdehnung gegen Null. Deshalb muss, sobald die Probenlänge vom international festgelegten Wert gemäß Gleichung 10.2 abweicht, die Bruchdehnung A durch einen entsprechenden Index ergänzt werden: bei proportionalen Proben durch den Proportionalitätsfaktor, z. B. A11,3 ; bei nichtproportionalen Proben durch die Anfangsmesslänge, z. B. A80 mm. Neben der Bruchdehnung A wird als Kenngröße für die Zähigkeit auch die von der Messlänge unabhängige Einschnürung Z des Bruchquerschnitts in % herangezogen. Es gilt: Z =
S0 − S u ⋅ 100 [%] S0
(10.8)
mit Su = kleinster Probenquerschnitt nach dem Bruch. Neben den Verformungskennwerten wird auch das Verhältnis zwischen Streckgrenze oder 0,2-Dehngrenze und Zugfestigkeit ReH/Rm bzw. Rp0,2/Rm, das so genannte Streckgrenzenverhältnis, zur Charakterisierung eines Werkstoffes benutzt. Es gibt an, wie weit ein Werkstoff
10.7 Mechanisch-technologische Kennwerte und Prüfverfahren
669
ohne nennenswerte bleibende Verformung ausgenutzt werden kann, und ist damit ein weiteres Maß für die Duktilität des Materials. Temperaturabhängigkeit der Festigkeits- und Verformungskennwerte
E-Modul, Streckgrenze und Zugfestigkeit der normalen Kohlenstoffstähle sinken bei Erwärmung – insbesondere über 200 °C – gegenüber den Werten bei Raumtemperatur ab; gleichzeitig nimmt die Verformbarkeit zu. Daher ist ein Schutz von Stahl- und Stahlbetonkonstruktionen gegen Erwärmung (z. B. durch Brände) besonders wichtig.
10.7.2 Biege- und Faltversuche Der reine Biegeversuch zur Ermittlung von Werkstoffkennwerten hat nur in wenigen Fällen Bedeutung, z. B. für Gusseisen. Bei Betonstahl nach DIN 488 werden zum Nachweis eines ausreichenden Verformungsvermögens neben der Ermittlung der Bruchdehnung im Zugversuch für Stabstähle der Rückbiegeversuch und für Betonstahlmatten zur Prüfung der Widerstand-Punktschweißung ein Faltversuch (Kaltbiegeversuch) nach DIN EN ISO 7438 durchgeführt.
10.7.3 Kerbschlagbiegeversuch Der in DIN EN 10045 genormte Kerbschlagbiegeversuch dient zur Feststellung der Verformungsarbeit durch Schlagbeanspruchung einer gekerbten Probe. Zur Vermeidung unangekündigter (verformungsarmer) Brüche, also zur Sicherheit der Tragwerke, auch oder gerade bei ungünstigen Bedingungen (schlagartige Beanspruchung, mehrachsiger Spannungszustand, wie er in kompliziert geformten Profilbauteilen und im Grund von Kerben gegeben ist, niedrige Temperatur), ist unbedingt eine ausreichende Verformbarkeit der Stähle erforderlich! Von besonderer Bedeutung zur Beurteilung dieses Werkstoffverhaltens ist der Kerbschlagbiegeversuch. Bei dieser Prüfung wird ein gekerbtes Probestück (siehe Bild 10-11) in einem Pendelschlagwerk (siehe Bild 10-10) schlagartig auf Biegung beansprucht; dabei wird die Probe im Bereich der Kerbe stark verformt oder sie zerbricht. Die verbrauchte Kerbschlagarbeit wird je nach Form der Kerbe (V- oder U-förmig) mit KV oder KU bezeichnet und in Joule [J] angegeben; sie ist ein Maß für die Sprödbruchempfindlichkeit des Stahls und stellt eine wichtige Beurteilungsmöglichkeit der Schweißeignung dar. Ist K niedrig, so neigt der Stahl zum Sprödbruch; liegt K hoch, so verformt sich der Werkstoff plastisch, ohne zu brechen. Kerbschlagversuche ergeben keine zahlenmäßigen Werte, die in Festigkeitsrechnungen eingesetzt werden können. Sie eignen sich aber sehr gut für die Überwachung der Güte und Gleichmäßigkeit von Wärmebehandlungen und zur Kontrolle von Schweißnähten, da eventuell aufgetretene Versprödungseffekte deutlich zum Ausdruck kommen, während sie sonst leicht unentdeckt bleiben.
670
10 Eisen und Stahl
Bild 10-10 Pendelschlagwerk für Kerbschlagprüfungen
Bild 10-11 Probe für die Kerbschlagprüfung nach dem Einbau
10.7 Mechanisch-technologische Kennwerte und Prüfverfahren
671
Bild 10-12 Temperaturabhängigkeit der Kerbschlagarbeit
Durch Ermittlung der Kerbschlagarbeit in Abhängigkeit von der Temperatur ist eine sehr gute Aussage über die Sprödbruchanfälligkeit eines Werkstoffes möglich. Das entscheidende Kriterium ist diejenige Temperatur, bei der der Übergang von einem vorherrschenden Verformungsbruch (hohe Schlagarbeit) in einen überwiegend verformungsarmen Bruch (Sprödbruch = niedrige Schlagarbeit) stattfindet, die so genannte Übergangstemperatur uü (siehe Bild 10-12). Je tiefer die Übergangstemperatur liegt, umso größer ist der Bereich der Betriebstemperaturen, in denen der gefährliche Sprödbruch unwahrscheinlich ist. Die Neigung zum Sprödbruch wird durch niedrige Temperaturen verstärkt, desgleichen durch grobkörnige Gefügestrukturen, hohe Verformungsgeschwindigkeit und durch dreiachsige Spannungszustände, wie sie im Bereich von Kerben auftreten können.
10.7.4 Ermüdungsfestigkeit Bei der Ermüdungsfestigkeit unterscheidet man zwischen Dauerschwingfestigkeit und Dauerstandfestigkeit. 10.7.4.1 Dauerschwingfestigkeit
Das Verhalten aller Baustoffe – also auch von Stahl – ist unter oftmals wiederkehrender Belastung anders als bei einmaliger Belastung. Mit der Anzahl der Lastwechsel nimmt die Stahlfestigkeit (maximale Belastbarkeit) ab; es tritt eine Ermüdung des Materials ein. Derartige dynamische Belastungen können bereits zum Bruch des Materials (Ermüdungsbruch) führen, selbst wenn die auftretenden Spannungen wesentlich kleiner als die Zugfestigkeit sind. Dynamisch belastete Bauteile können also bei deutlich geringeren Spannungen zu Bruch gehen als statisch belastete Bauteile.
672
10 Eisen und Stahl
Der Kennwert für dieses Werkstoffverhalten ist die Dauerschwingfestigkeit (oder auch Dauerfestigkeit), die meist nach dem Verfahren von Wöhler ermittelt wird. Die Dauerschwingfestigkeit ist derjenige Spannungsausschlag, den der Stahl bei beliebig vielen Lastwechseln gerade noch ohne Bruch aushält; sie wird bei Stahl bei ca. 2·106 Lastwechseln erreicht, bei Leichtmetallen erst bei ca. 108 Lastwechseln. Die Dauerschwingfestigkeit von Stahl liegt etwa in derselben Höhe wie die zugehörige Streckgrenze. Eine Übersicht über das Verhalten bei verschiedenen Spannungen erhält man durch so genannte Gebrauchsdiagramme; das bekannteste und am meisten angewendete ist das Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith (siehe Bild 10-13).
Bild 10-13 Dauerfestigkeitsschaubild (Gebrauchsdiagramm) nach Smith
In dem Dauerfestigkeitsschaubild werden die Ergebnisse einer Vielzahl von Wöhlerkurven (siehe Kapitel 1.2.5.12) zusammengefasst. Dabei wird der in einer Wöhlerlinie ermittelte Spannungsausschlag σA über der zugehörigen Mittelspannung σm aufgetragen. Mit zunehmender Mittelspannung wird der ertragbare Spannungsausschlag immer kleiner und wird schließlich zu null, wenn die Mittelspannung die Zugfestigkeit Rm erreicht (gestrichelter Bereich in Bild 10-13). Allerdings knickt die Kurve schon bei Erreichen der Streckgrenze ReH bzw. Rp0,2 in die Waagerechte ab, weil diese Grenze in einer Konstruktion wegen der großen Verformungen nicht überschritten werden darf. Das Gebrauchsdiagramm zeigt also die Abhängigkeit des ertragbaren Spannungsausschlags von der Mittelspannung; es bildet damit die Grundlage für die Bestimmung der zulässigen Spannungen in dynamisch belasteten Bauteilen. Einflüsse auf die Dauerfestigkeit
Von wesentlichem Einfluss auf die Dauerschwingfestigkeit ist die Beschaffenheit der Oberfläche: Oberflächenfehler, die durch Bearbeitung oder Korrosion entstanden sind, oder auch Kerben setzen die Dauerschwingfestigkeit herab. Das besonders Gefährliche an diesen Ermüdungserscheinungen ist, dass der Bruch auch bei zähem Stahl ohne Vorwarnung, d. h. ohne vorhergehende sichtbare Verformung, eintritt.
10.7 Mechanisch-technologische Kennwerte und Prüfverfahren
673
10.7.4.2 Dauerstandverhalten (Kriechen, Relaxation)
Im Temperaturbereich bis rd. 400 °C zeigen Baustähle bei dauernder konstanter Belastung weder eine zeitabhängige Verformungszunahme (Kriechen) noch eine Abnahme der Festigkeit; die Dauerstandfestigkeit entspricht somit der Kurzzeitfestigkeit. Unter Dauerstandfestigkeit versteht man diejenige Spannung, die ein Material beliebig lange ertragen kann; sie wird auch als Kriechgrenze bezeichnet, weil bei dieser Grenzspannung die Kriechverformungen nach einer bestimmten Zeit zum Stillstand kommen. Beim Überschreiten der Spannung tritt unmittelbar der Bruch ein. Eine direkte Messung der Dauerstandfestigkeit ist in der Praxis nicht möglich, weil hierfür unendlich lange Prüfzeiten erforderlich wären. Deshalb beschränkt man sich auf Zeitstandversuche mit Versuchsdauern von 100 000 Stunden und mehr, in denen die Zeitstandfestigkeit (= Spannung, die nach einer bestimmten Zeit zum Bruch führt) ermittelt wird. Zeitstandversuche werden an Baustählen u. a. bei hohen Temperaturen durchgeführt, um das Materialverhalten z. B. im Brandfall abschätzen zu können; die Durchführung derartiger Versuche ist in DIN EN 10291 geregelt. Für die Zeitstandfestigkeit wird üblicherweise das Formelzeichen Ru verwendet, dem als weitere Indizes die Bruchzeit in Stunden und die Temperatur in °C angefügt werden. Beispiel: Ru100.000/550 bezeichnet diejenige Zeitstandfestigkeit, die bei einer Beanspruchungsdauer bis zum Bruch von 100 000 h und bei einer Prüftemperatur von 550 °C ermittelt wurde. Bei hochbelasteten Spannstählen treten – im Gegensatz zu den Baustählen – schon bei Raumtemperatur deutliche Kriech- bzw. Relaxationserscheinungen auf. Deshalb ist nach DIN EN 10138 (Entwurf) bei Spannstählen die isothermische Relaxation bei 20 °C zu überprüfen. Hierbei werden Kurven für die Spannungsrelaxation während einer Versuchsdauer von 1000 Stunden bei einer Anfangsspannung von 70 % der Kurzzeitfestigkeit aufgestellt. Je nach Produkt darf die Relaxation maximal bis zu 6 % der Anfangsspannung betragen. Erfahrungsgemäß reichen die so ermittelten Versuchsergebnisse aus, um auf längere, der Nutzungsdauer des Gebäudes entsprechende Zeiträume extrapolieren zu können.
10.7.5 Härteprüfungen Im Allgemeinen versteht man unter Härte den Widerstand, den ein Körper dem Eindringen eines anderen, härteren Körpers entgegensetzt. Härteunterschiede sind als unterschiedliche plastische (= bleibende) Verformungen messbar. Da die Ergebnisse von Härteprüfungen sehr stark vom gewählten Prüfverfahren abhängig sind, ist im Prüfergebnis hinter der Härtezahl die Angabe des Kurzzeichens des Prüfverfahrens erforderlich. Die wichtigsten Härteprüfungen sind: Brinell-Verfahren DIN EN ISO 6506 – Kurzzeichen HBW Vickers-Verfahren DIN EN ISO 6507 – Kurzzeichen HV Rockwell-Verfahren DIN EN ISO 6508 – Kurzzeichen HR
674
10 Eisen und Stahl
Vor dem Kurzzeichen wird jeweils der Härtewert angegeben, hinter dem Symbol folgende Buchstaben oder Zahlen geben Hinweise auf die Prüfbedingungen. Weil die beiden Kenngrößen Härte und Zugfestigkeit in begrenzten Teilbereichen recht gut korrelieren, wird oftmals versucht, aus der wesentlich einfacheren zerstörungsfreien Härteprüfung auf die Zugfestigkeit des Stahles zu schließen. Zu diesem Zweck sind in DIN EN ISO 18265 empirisch ermittelte Tabellen zusammengestellt, mit denen eine Umwertung (keine Umrechnung!) von Härtewerten in Zugfestigkeiten bzw. von Härtewerten untereinander möglich ist. Allerdings weist die Norm ausdrücklich darauf hin, dass derartige Umwertungen große Streuungen und systematische Abweichungen mit sich bringen können. Die Härteprüfung ersetzt in keinem Fall den Zugversuch! Eine durch Umwertung ermittelte Zugfestigkeit ist unter Angabe der maßgeblichen Norm (ISO 18265), der dort verwendeten Tabelle (z. B. A.1) und des Härteprüfverfahrens (z. B. Vickershärte HV) folgendermaßen anzugeben: Umwertung ISO 18265 – 415 MPa – A.1 – HV.
10.8 Einteilung und Benennung der Stähle 10.8.1 Einteilung der Stähle Nach DIN EN 10020 erfolgt die Einteilung der Stahlsorten nach ihrer chemischen Zusammensetzung; nach Hauptgüteklassen aufgrund ihrer Haupteigenschafts- und -anwendungsmerkmale. 10.8.1.1 Unterteilung nach der chemischen Zusammensetzung
Nach ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheidet man die drei Klassen: unlegierte Stähle; nichtrostende Stähle; andere legierte Stähle. Für die Abgrenzung der unlegierten von den anderen legierten Stählen sind in DIN EN 10020 maßgebende Gehalte an Legierungselementen aufgeführt. Wird der Grenzwert von wenigstens einem Element erreicht oder überschritten, so gilt der Stahl als legiert. Nichtrostende Stähle sind Stähle mit einem Gehalt von mindestens 10,5 M.-% Chrom und höchstens 1,2 M.-% Kohlenstoff. 10.8.1.2 Unterteilung nach Hauptgüteklassen
Nach den Anforderungen an ihre Gebrauchseigenschaften unterteilt man nach DIN EN 10020 in folgende Hauptgüteklassen: unlegierte Stähle mit den Untergruppen unlegierte Qualitäts- und unlegierte Edelstähle; nichtrostende Stähle; andere legierte Stähle mit den Untergruppen legierte Qualitäts- und legierte Edelstähle.
10.8 Einteilung und Benennung der Stähle
675
Die bisherigen Grundstähle sind mit den unlegierten Qualitätsstählen zusammengefasst.
Unlegierte Qualitätsstähle sind solche, für die im Allgemeinen festgelegte Anforderungen wie z. B. an die Zähigkeit, Korngröße und/oder Umformbarkeit bestehen. Sie sind im Allgemeinen gekennzeichnet durch eine bessere Oberflächenbeschaffenheit und geringere Sprödbruchempfindlichkeit. Zu dieser Hauptgüteklasse gehören z. B. die allgemeinen Baustähle nach DIN EN 10 025.
Unlegierte Edelstähle sind Stahlsorten, die im Allgemeinen eine größere Reinheit als die Qualitätsstähle aufweisen und die meistens für eine Wärmebehandlung (z. B. Vergütung, Oberflächenhärten) bestimmt sind. Genaue Einstellung der chemischen Zusammensetzung und besondere Sorgfalt im Herstellungsprozess stellen verbesserte Eigenschaften zwecks erhöhter Anforderungen sicher, wie z. B. Sprödbruchempfindlichkeit, Streckgrenze, Schweißbarkeit. Zu dieser Hauptgüteklasse zählen unter anderem: Stähle mit Mindestwerten für KV > 27 J bei –50 °C; für Vergütung oder Oberflächenhärtung bestimmte Stähle, an die hinsichtlich bestimmter Eigenschaften besondere Anforderungen gestellt werden; Stähle, an die bestimmte Anforderungen hinsichtlich der maximal zulässigen P- und SGehalte gestellt werden (z. B. Walzdraht für hochfeste Federn, Reifenkorddraht); Spannstähle; Kernreaktorstähle mit maximal zulässigen Gehalten an Cu, Co, V.
Nichtrostende Stähle werden weiterhin nach ihrem Nickelgehalt (< 2,5 M.-% / 2,5 M.-% Nickel) und nach ihren Haupteigenschaften in korrosionsbeständig, hitzebeständig oder warmfest unterteilt. Legierte Qualitätsstähle sind im Allgemeinen nicht für Wärmebehandlungen vorgesehen. Es bestehen grundsätzlich Anforderungen bezüglich z. B. Zähigkeit, Korngröße, Umformbarkeit. Zu dieser Gruppe gehören unter anderem: schweißgeeignete Feinkornbaustähle mit einer Mindeststreckgrenze < 380 N/mm2; legierte Stähle für Schienen, Spundbohlen, Grubenausbau; legierte Stähle mit Kupfer als einzigem festgelegtem Legierungselement; legierte Stähle für warm- oder kaltgewalzte Flacherzeugnisse für schwierige Kaltumformungen.
Legierte Edelstähle sind Stahlsorten, außer nichtrostenden Stählen, die durch eine genaue Einstellung ihrer chemischen Zusammensetzung und besondere Herstell- und Prüfbedingungen verbesserte Eigenschaften aufweisen. Hierzu gehören z. B.: legierte Maschinenbaustähle; legierte Stähle für Druckbehälter; Wälzlagerstähle; Werkzeugstähle; Stähle mit besonderen physikalischen Eigenschaften wie kontrolliertem Ausdehnungskoeffizienten oder besonderem elektrischen Widerstand.
676
10 Eisen und Stahl
10.8.2 Benennung der Stähle Nach den Normvorschriften gibt es zwei Möglichkeiten zur Bezeichnung eines Werkstoffes: die Kurzbenennung (Kurznamen); die Werkstoffnummer. 10.8.2.1 Kurznamen nach DIN EN 10027-1
Die Bildung der Kurznamen erfolgt durch Kennbuchstaben und Kennziffern, die in den Hauptsymbolen Hinweise auf wesentliche Merkmale, wie Hauptanwendungsgebiete, mechanische oder physikalische Eigenschaften oder die chemische Zusammensetzung geben. Durch Zusatzsymbole werden weitere zusätzliche Eigenschaften dargestellt, um den Stahl und die Stahlerzeugnisse eindeutig zu kennzeichnen. Für die Kurzbenennung werden die Stähle in die beiden Hauptgruppen 1. nach ihrem Verwendungszweck und ihren mechanischen oder physikalischen Eigenschaften bezeichnete Stähle; 2. nach ihrer chemischen Zusammensetzung bezeichnete Stähle eingeteilt. Hauptgruppe 1: nach ihrem Verwendungszweck und ihren mechanischen oder physikalischen Eigenschaften bezeichnete Stähle
Der Kurzname besteht aus einem Kennbuchstaben für den Verwendungszweck des Stahles und (meist) aus einer dreistelligen Zahl, die die kennzeichnende Eigenschaft (Streckgrenze, Zugfestigkeit in N/mm²) angibt. Tabelle 10.2 enthält die entsprechenden Angaben für die im Bauwesen verwendeten Stähle. Für Stahlguss ist den Hauptsymbolen im Kurznamen der Kennbuchstabe G voranzustellen. Tabelle 10.2 Hauptsymbole nach DIN EN 10027-1 Verwendungszweck des Stahles
Hauptsymbole nach DIN EN 10027-1 Kennbuchstabe1)
Kennzeichnende Eigenschaft
Stähle für den Stahlbau
(G)S
Mindeststreckgrenze
Druckbehälterstähle
(G)P
Mindeststreckgrenze
Leitungsrohre
L
Mindeststreckgrenze
Maschinenbaustähle
(G)E
Mindeststreckgrenze
Betonstähle
B
Charakteristischer Wert der Streckgrenze
Spannstähle
Y
Nennzugfestigkeit
Stähle für oder in Form von Schienen
R
Mindesthärte nach Brinell
Bei den Stählen für den Stahlbau wird in Gruppe 1 der Zusatzsymbole die Kerbschlagarbeit in Abhängigkeit von der Prüftemperatur angegeben (siehe Tabelle 10.3). Beispiel: S355 J0 = Stahl mit einer festgelegten Mindeststreckgrenze von 355 N/mm² und einer Kerbschlagarbeit bei 0 °C von mindestens 27 Joule.
677
10.8 Einteilung und Benennung der Stähle Tabelle 10.3 Zusatzsymbole für Stähle für den Stahlbau (S) Gruppe 1
Gruppe 2
Kerbschlagarbeit
Prüftemperatur
in Joule
in °C
27 J
40 J
60 J
JR J0 J2 J3 J4 J5 J6
KR K0 K2 K3 K4 K5 K6
LR L0 L2 L3 L4 L5 L6
+20 0 –20 –30 –40 –50 –60
A = ausscheidungshärtend M = thermomechanisch gewalzt N = normalgeglüht oder normalisierend gewalzt Q = vergütet G = andere Merkmale, falls erforderlich mit 1 oder 2 Ziffern
C D E F H L M N O P Q S T W an
= mit besonderer Kaltumformbarkeit = Schmelztauchüberzüge = für Emaillierung = zum Schneiden = Hohlprofile = für tiefere Temperaturen = thermomechanisch gewalzt = normalgeglüht oder normalisierend gewalzt = Offshore = für Spundbohlen = vergütet = für Schiffbau = für Rohre = wetterfest = chemische Symbole für vorgeschriebene zusätzliche Elemente, falls erforderlich mit einer einstelligen Zahl (= M.-% × 10)
Bei Betonstahl (B) wird als Zusatzsymbol die Duktilitätsklasse angegeben (A = hochduktil, B = normalduktil). Für Spannstähle (Y) gelten folgende Zusatzsymbole: C = kaltgezogener Draht; H = warmgewalzte Stäbe und ggf. behandelte Stähle; Q = vergüteter Draht; S = Litze; G = andere Merkmale, falls erforderlich mit 1 oder 2 nachfolgenden Ziffern.
Hauptgruppe 2: nach ihrer chemischen Zusammensetzung bezeichnete Stähle
Für die Hauptgruppe 2 setzt sich der Kurzname in der nachstehend aufgeführten Reihenfolge aus folgenden Kennbuchstaben bzw. -zahlen zusammen:
Unlegierte Stähle Unlegierte Stähle werden mit dem Kennbuchstaben C und darauf folgender Kohlenstoffkennzahl (= mittlerer C-Gehalt x 100) bezeichnet. Beispiel: C35 kennzeichnet einen unlegierten Stahl mit einem C-Gehalt von 0,35 M.-%.
678
10 Eisen und Stahl
Niedrig legierte Stähle (Gehalt der einzelnen Legierungselemente < 5 M.-%) Die Kennzeichnung gliedert sich wie folgt: 1. Kohlenstoffkennzahl; 2. chemische Symbole der für den Stahl charakteristischen Legierungselemente; 3. Legierungskennzahlen für die zulegierten Elemente, getrennt durch Bindestriche. Die Legierungskennzahl entspricht dem mittleren Gehalt des Legierungselementes, multipliziert mit einem Faktor, der Tabelle 10.4 zu entnehmen ist. Tabelle 10.4 Faktoren der Legierungselemente Element
Faktor
Cr, Co, Mn, Ni, Si, W
4
Al, Be, Cu, Mo, Nb, Pb, Ta, Ti, V, Zr
10
Ce, N, P, S
100
B
1000
Die Reihenfolge der Symbole muss nach abnehmendem Wert des Legierungsgehaltes geordnet sein; wenn die Gehalte mehrerer Elemente gleich sind, müssen die entsprechenden Symbole in alphabetischer Reihenfolge angegeben werden. Beispiel: 13CrMo4-5 bezeichnet einen Stahl mit 0,13 M.-% C (Faktor 100), 1 M.-% Chrom (Faktor 4) und 0,5 M.-% Molybdän (Faktor 10).
Hochlegierte Stähle (mindestens ein Legierungselement 5 M.-%) Die Kennzeichnung gliedert sich wie folgt: 1. Kennbuchstabe X; 2. Kohlenstoffkennzahl; 3. chemische Symbole der für den Stahl charakteristischen Legierungselemente; 4. mittlerer, auf die nächste ganze Zahl gerundeter Legierungsgehalt der zulegierten Elemente, getrennt durch Bindestriche. Für alle Legierungsbestandteile gilt dann der Multiplikator 1, mit Ausnahme des Faktors für Kohlenstoff, der immer unverändert (=100) bleibt. Beispiele: X10CrNi18-9; X10CrNiMo18-11-2. 10.8.2.2 Werkstoffnummern
Neben den genormten Kurzbezeichnungen nach DIN EN 10027-1 kann das in DIN EN 10027-2 aufgestellte Nummernsystem benutzt werden.
679
10.9 Stahlsorten für den Stahlbau
Die Werkstoffnummern sind fünfstellig; sie setzen sich folgendermaßen zusammen: X. XX XX (XX) Werkstoffhauptgruppennummer Stahlgruppennummer Zählnummer Für Stahl wurde die Werkstoffhauptgruppennummer 1 festgelegt. Die Stahlgruppennummern werden im Wesentlichen nach der chemischen Zusammensetzung der Werkstoffe oder nach deren kennzeichnenden Eigenschaften gebildet. Die Einteilung der Stahlgruppen steht im Einklang mit der Einteilung der Stähle nach DIN EN 10020 (unlegierte – legierte Stähle; unlegierte Stähle – nichtrostende Stähle – andere legierte Stähle). Beispiele für Stahlgruppennummern: 01 Allgemeine Baustähle mit Rm < 500 N/mm2 05 Stähle mit im Mittel 0,25 % C < 0,55 % oder 500 Rm < 700 N/mm² 06 Stähle mit im Mittel ≥ 0,55 % C oder Rm ≥ 700 N/mm² Weitere Beispiele für nichtrostende Stähle sind in Abschnitt 10.9.4 enthalten. Für die Zählnummern sind derzeit zwei Stellen vorgesehen. Falls es zukünftig wegen Zunahme der Stahlsorten erforderlich werden sollte, ist eine Erweiterung der Zählnummern auf bis zu vier Stellen möglich.
10.9 Stahlsorten für den Stahlbau Bei den Stählen für den Stahlbau unterscheidet man im Wesentlichen die folgenden vier Gruppen: unlegierte Baustähle; Feinkornbaustähle; wetterfeste Baustähle; nichtrostende Baustähle. Die genannten Stahlsorten wurden alle – mit Ausnahme der nichtrostenden Baustähle – in die neu bearbeitete EN 10025 aufgenommen; die früher gültigen Normen wurden zwischenzeitlich zurückgezogen. Tabelle 10.5 zeigt eine Gegenüberstellung des alten und neuen Normensystems.
680
10 Eisen und Stahl
Tabelle 10.5 Gegenüberstellung der alten und neuen Normen für im Stahlbau verwendete Stahlsorten Stahlsorte
neue Norm
alte Norm
Unlegierte Baustähle
DIN EN 10025-2 (2005-04)
DIN EN 10025 (1994)
Normalisierte/normalisierend gewalzte Feinkornbaustähle
DIN EN 10025-3 (2005-02)
DIN EN 10113-2 (1993)
Thermomechanisch gewalzte Feinkornbaustähle
DIN EN 10025-4 (2005-04)
DIN EN 10113-3 (1993)
Wetterfeste Baustähle
DIN EN 10025-5 (2005-02)
DIN EN 10155 (1993)
Hochfeste, wasservergütete Baustähle
DIN EN 10025-6 (2005-02)
DIN EN 10137-2 (1995)
Allgemeine Lieferbedingungen für alle Teile der neuen Norm
DIN EN 10025-1 (2005-02)
–
Teil 1 der EN 10025 ist eine im Sinne der Bauproduktenrichtlinie „harmonisierte Europäische Norm“, in deren Anhang ZA die CE-Kennzeichnung der Stahlsorten nach den Teilen 2 bis 6 geregelt ist. In die Bauregelliste B Teil 1 wurde daher nur DIN EN 10025-1 (lfd. Nr. 1.4.1.1) aufgenommen. Aus den Stahlsorten S185, E295, E335 und E360 hergestellte Erzeugnisse dürfen nicht CE-gekennzeichnet werden. Mit dem Buchstaben „S“ werden Baustähle, mit „E“ werden Maschinenbaustähle bezeichnet (siehe Tabelle 10.2).
10.9.1 Unlegierte Baustähle (DIN EN 10025-2) Unlegierte Baustähle (früher mit „allgemeine Baustähle“ bezeichnet) sind die am meisten eingesetzten Stähle und werden u. a. im Hochbau, Tiefbau, Wasserbau und Behälterbau sowie im Fahrzeug- und Maschinenbau verwendet. Die Stähle werden im Wesentlichen durch ihre Streckgrenze und ihre Kerbschlagarbeit gekennzeichnet. DIN EN 10025-2 legt insgesamt 8 Stahlgruppen fest, die sich in ihren mechanischen Eigenschaften (Streckgrenze, Zugfestigkeit) unterscheiden: S185, S235, S275, S355, S450, E295, E335 und E360. Die Zahlenwerte geben die Mindeststreckgrenze in MPa (= N/mm²) für die kleinste Erzeugnisdicke an. Die Stahlsorte S185 ist für Konstruktionen nicht geeignet, sie dient vornehmlich für untergeordnete Zwecke (z. B. Treppengeländer, Heizungsverkleidungen und ähnliches). Die Stähle S235 und S355 werden am häufigsten verwendet, wobei S355 der typische Hochbaustahl ist. Je nach Anforderungen an die Kerbschlagarbeit werden unterschiedliche Gütegruppen unterschieden. Die Sorten S235 und S275 sind in den Gütegruppen JR, J0 und J2 lieferbar, die Sorte S355 zusätzlich in der Gütegruppe K2. Die einzelnen Gütegruppen unterscheiden sich voneinander in der Schweißeignung und in den Anforderungen an die Kerbschlagarbeit. Die Schweißeignung verbessert sich von der Gütegruppe JR bis zur Gütegruppe K2.
d
c
b
a
235 235 235
1.0038 1.0114 1.0117
1.0044 1.0143 1.0145
1.0045 1.0553 1.0577 1.0596
1.0590
S275JR S275J0 S275J2
S355JR S355J0 S355J2 S355K2
S450J0d
430
345 345 345 345
265 265 265
410
335 335 335 335
255 255 255
215 215 215
≤ 63
≤ 40
225 225 225
> 40
> 16
390
325 325 325 325
245 245 245
215 215 215
≤ 80
> 63
380
315 315 315 315
235 235 235
215 215 215
≤ 100
> 80
380
295 295 295 295
225 225 225
195 195 195
≤ 150
> 100
275 275 275 275 −
−
205 205 205
175 175 175
≤ 250
> 200
285 285 285 285
215 215 215
185 185 185
≤ 200
> 150
Mindeststreckgrenze ReHa in MPab Nenndicken in mm > 250
≥3 ≤ 250
≤ 150
> 250 ≤ 400c
−
− − 195
−
510…680 510…680 510…680 510…680
450…600 450…600 450…600 450…600 550…720 530…700
470…630 470…630 470…630 470…630
−
−
450…600 − 450…600 − 450…600 450…600 450…600 450…600
> 150
> 100
− − 265 265
≤ 100
360…510 360…510 350…500 340…490 − 360…510 360…510 350…500 340…490 − 360…510 360…510 350…500 340…490 330…480 430…580 410…560 400…540 380…540 − 430…580 410…560 400…540 380…540 − 430…580 410…560 400…540 380…540 380…540
<3
− − 165
≤ 400c
Zugfestigkeit Rma in MPab Nenndicken in mm
Für Blech, Band und Breitflachstahl in Breiten ≥ 600 mm gelten die Werte quer (t) zur Walzrichtung. Für alle anderen Erzeugnisse gelten die Werte in Walzrichtung (l). 1 MPa = 1 N/mm² Die Werte gelten für Flacherzeugnisse. Nur für Langerzeugnisse.
450
355 355 355 355
275 275 275
≤ 16
nach EN 10027-2
nach EN 10027-1 und CR 10260 S235JR S235J0 S235J2
Bezeichnung
Tabelle 10.6 Mechanische Eigenschaften von warmgewalzten Erzeugnissen aus unlegierten Baustählen (aus DIN EN 10025-2)
10.9 Stahlsorten für den Stahlbau
681
682
10 Eisen und Stahl
Besondere Eigenschaften der unlegierten Baustähle werden durch angehängte Kennbuchstaben formuliert: der Kennbuchstabe „C“ zeigt die Eignung für besondere Verwendungszwecke, die Kurzbezeichnungen „+N“ bzw. „+AR“ kennzeichnen den Lieferzustand (+N = normalisierend gewalzt; +AR („as rolled“) = wie gewalzt). Beispiel: Stahl EN 10025-2-S355J0C +N (oder +AR) bezeichnet einen Baustahl (S) mit einer festgelegten Mindeststreckgrenze bei Raumtemperatur von 355 MPa, mit einem Mindestwert der Kerbschlagarbeit von 27 J bei 0 °C (J0) und Eignung zum Abkanten (C); Lieferzustand normalisierend gewalzt (+N) (oder wie gewalzt: +AR). Alternativ kann die Werkstoffnummer zur Bezeichnung verwendet werden; in diesem Fall lautet die Bezeichnung: Stahl EN 100252-1.0554 +N (oder +AR). Unlegierte Baustähle sind nicht für eine Wärmebehandlung bestimmt. Spannungsarmglühen ist zulässig. Erzeugnisse im Lieferzustand +N können nach der Lieferung warm umgeformt und/oder normalgeglüht werden. DIN EN 10025-2 gilt für Flach- und Langerzeugnisse sowie für zur Weiterverarbeitung zu Flach- und Langerzeugnissen vorgesehenes Halbzeug, jedoch nicht für Hohlprofile. Stähle, die nach dem Siemens-Martin-Verfahren hergestellt wurden, werden von der Norm ausgeschlossen.
10.9.2 Feinkornbaustähle Die Entwicklung von Feinkornbaustählen setzte in den 1950er Jahren ein mit dem Ziel, die Festigkeit zu erhöhen, gleichzeitig aber eine gute Dehnfähigkeit, Zähigkeit und Schweißeignung des Stahles zu gewährleisten. Hierfür wurden Stähle mit geringem Kohlenstoffgehalt (max. 0,20 M.-%) entwickelt, denen geringe Mengen an Stickstoff abbindenden Elementen (so genannte Mikrolegierungselemente wie Niob, Titan, Vanadium) zugegeben werden. Die Feinkörnigkeit wird durch Bestimmung der Ferritkorngröße (> 6 nach EN ISO 643) charakterisiert. Feinkornbaustähle sind grundsätzlich besonders beruhigt vergossene Stähle, deren gute Schweißeignung durch den verhältnismäßig niedrigen C-Gehalt erreicht wird. Sie sind gekennzeichnet durch eine geringere Sprödbruchanfälligkeit und besitzen eine sehr tiefe Übergangstemperatur. Die Stähle erreichen bei entsprechender Vergütung Mindeststreckgrenzen bis zu etwa 1000 N/mm2 und Mindestzugfestigkeiten bis zu etwa 1200 N/mm2. Erzeugnisse aus Feinkornbaustahl werden im normalgeglühten / normalisierend gewalzten Zustand (DIN EN 10025-3) oder im thermomechanisch gewalzten Zustand (DIN EN 10025-4) geliefert. In beiden Normenteilen werden folgende Stahlsorten angegeben: S275, S355, S420, S460. Bei den Gütegruppen, d. h. hinsichtlich Kerbschlagarbeit, wird unterschieden zwischen den Bezeichnungen „N“ und „NL“ (DIN EN 10025-3) bzw. „M“ und „ML“ (DIN EN 10025-4). „N“ und „M“ kennzeichnen Produkte, bei denen Mindestwerte der Kerbschlagarbeit bis –20 °C festgelegt sind. Mit „NL“ oder „ML“ gekennzeichnete Stähle müssen bis –50 °C festgelegte Mindestwerte der Kernschlagarbeit erfüllen.
10.9 Stahlsorten für den Stahlbau
683
Wegen ihrer hohen Festigkeit und guten Schweißeignung werden Feinkornbaustähle vorwiegend in hochbeanspruchten geschweißten Konstruktionen eingesetzt, z. B. Brücken, Schleusentore, Lagerbehälter, Wassertanks, Druckrohrleitungen usw. Beim Bau von OffshorePlattformen werden Feinkornstähle mit Mindeststreckgrenzen von 890 bis 960 N/mm² verwendet.
10.9.3 Wetterfeste Baustähle (DIN EN 10025-5, DASt RL 007) Im Vergleich zu unlegierten Baustählen weisen wetterfeste Baustähle einen erhöhten Widerstand gegen atmosphärische Korrosion auf. Auf der Oberfläche bildet sich unter Witterungseinfluss eine oxidische Deckschicht aus, die den Korrosionsvorgang verlangsamt (aber nicht gänzlich verhindert) und so den Widerstand gegen atmosphärische Korrosion erhöht. Ursache dieser Beständigkeit gegenüber Witterungseinflüssen sind geringe Legierungsgehalte von Cu, Cr, Ni und P. Entstehung, Bildungsdauer und Schutzwirkung der Deckschicht hängen weitgehend von den witterungs- und umgebungsbedingten Beanspruchungen ab. Die Oberflächen müssen dem natürlichen Witterungswechsel ausgesetzt sein. Unter bestimmten Bedingungen tritt keine Schutzschichtbildung ein, z. B. in unmittelbarer Meeresnähe, bei ununterbrochener Befeuchtung oder bei Tausalzeinwirkung. Ein vollständiger Stillstand des Korrosionsvorganges tritt jedoch nicht ein; die bei der Verwendung des wetterfesten Stahls im ungeschützten Zustand eintretende Abwitterung ist bei der konstruktiven Auslegung zu berücksichtigen (Zuschläge zur Werkstoffdicke). Wetterfeste Baustähle entsprechen in ihren mechanischen Eigenschaften weitgehend den unlegierten Baustählen nach DIN EN 10025-2. Zur Kennzeichnung wird als Zusatzsymbol der Kennbuchstabe W hinter die Stahlbezeichnung gesetzt; der Zusatz WP wird nur bei der Stahlsorte S355 verwendet und weist auf einen erhöhten Phosphorgehalt hin. Beispiel: Stahl EN 10025-5 – S355J0W+AR bezeichnet einen wetterfesten (W) Baustahl (S) mit einer festgelegten Mindeststreckgrenze bei Raumtemperatur von 355 MPa, mit einem Mindestwert der Kerbschlagarbeit von 27 J bei 0 °C (J0), Lieferzustand wie gewalzt. Wetterfeste Baustähle werden z. B. im Brückenbau, Fassadenbau usw. eingesetzt und können – außer bei Chlorideinwirkung oder dauernder Befeuchtung – ohne zusätzlichen Korrosionsschutz verwendet werden.
10.9.4 Nichtrostende Stähle Nichtrostende Stähle werden in der Normenreihe DIN EN 10088 behandelt. Sie weisen einen Chromgehalt von mindestens 10,5 M.-% auf; der Kohlenstoffgehalt beträgt höchstens 1,2 M.-%. Nach ihren Gebrauchseigenschaften werden die Stähle unterteilt in korrosionsbeständige, hitzebeständige und warmfeste Stähle. Für den Stahlbau sind in erster Linie die korrosionsbeständigen Stähle von Interesse, während hitzebeständige und warmfeste Stähle hauptsächlich im Anlagenbau eingesetzt werden. Nach dem Gefüge wird unterschieden zwischen ferritischen, martensitischen, austenitischen und austenitisch-ferritischen Stählen; die letztgenannte Gruppe wird auch als „DuplexStähle“ bezeichnet.
684
10 Eisen und Stahl
Korrosionsbeständige Stähle weisen eine gute Beständigkeit gegen gleichmäßige oder punktuelle Korrosion aufgrund von Umgebungseinwirkungen auf. Auf der Stahloberfläche bildet sich bei Kontakt mit Sauerstoff eine sehr dünne festhaftende Passivschicht aus Chromoxiden aus, die sich nach mechanischen Oberflächenbeschädigungen sofort wieder neu bildet (selbstheilend). Durch die Zugabe weiterer Legierungsbestandteile (Nickel, Molybdän) kann der Korrosionswiderstand erhöht werden. Bei der Auswahl der Stähle muss unbedingt die im Bauteil auftretende Korrosionsbelastung berücksichtigt werden; durch die Wahl ungeeigneter Stahlsorten kam es in der Vergangenheit wiederholt zu Schadensfällen, vor allem in Schwimmbädern.
Hitzebeständige Stähle sind hauptsächlich ferritische oder austenitische Stähle mit guter Beständigkeit gegen Oxidation sowie gegen den Einfluss von heißen Gasen und Verbrennungsprodukten oberhalb von 550 °C. Warmfeste Stähle sind hauptsächlich martensitische und austenitische Stähle, mit einer hohen Zeitstandfestigkeit bei mechanischer Langzeitbeanspruchung oberhalb von 500 °C. Tabelle 10.7 Sorteneinteilung und Werkstoffnummern nichtrostender Stähle Stahlsorte
Werkstoffnummer
Erläuterungen
Korrosionsbeständige Stähle
1.40xx 1.41xx 1.43xx 1.44xx 1.45xx 1.46xx
< 2,5% Ni, ohne Mo, ohne besondere Zusätze < 2,5% Ni, mit Mo, ohne besondere Zusätze
2,5% Ni, ohne Mo, ohne besondere Zusätze
2,5% Ni, mit Mo, ohne besondere Zusätze mit besonderen Legierungszusätzen wie Ti, Nb oder Cu mit besonderen Legierungszusätzen wie Ti, Nb oder Cu
Hitzebeständige Stähle
1.47xx 1.48xx
< 2,5% Ni
2,5% Ni
Warmfeste Stähle
1.49xx
–
Die technischen Lieferbedingungen für Erzeugnisse aus korrosionsbeständigen Stählen sind in DIN EN 10088 enthalten, und zwar in den Teilen 2 und 3 für die allgemeine Verwendung von korrosionsbeständigen Stählen, in den Teilen 4 und 5 (beide zurzeit noch Entwurf) für das Bauwesen. Bei der Verwendung nichtrostender Stähle für tragende Bauteile ist die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-30.3-6 zugrunde zu legen. Diese Zulassung umfasst insgesamt 17 Stahlsorten, die in den Festigkeitsklassen S235, S275, S355, S460 und S690 hergestellt werden. Im Vergleich zu den allgemeinen Baustählen nach DIN EN 10025 weisen nichtrostende, austenitische Stähle bei gleicher Streckgrenze deutlich höhere Zugfestigkeiten und Bruchdehnungen auf. Die Zulassungsstähle sind in vier Korrosionswiderstandsklassen eingeteilt (I/gering; II/mäßig; III/mittel; IV/stark), woraus sich deren Verwendbarkeit bei unterschiedlichen Korrosionsbelastungen ergibt.
10.10 Stahlsorten für den Massivbau
685
So dürfen Stähle der Widerstandsklasse I (1.4003, 1.4016) nur für Konstruktionen in Innenräumen mit Ausnahme von Feuchträumen eingesetzt werden. Für Bauteile in Schwimmhallenatmosphäre sind – je nach Umgebungsbedingungen – nur noch bestimmte Stähle der Widerstandsklasse IV zugelassen. Für Verankerungen und Verbindungselemente im Mauerwerksbau und im Stahlbetonbau müssen die verwendeten Stahlsorten mindestens die Korrosionswiderstandsklasse III aufweisen.
10.10 Stahlsorten für den Massivbau Im Massivbau unterscheidet man zwischen Betonstahl für schlaff bewehrte Konstruktionen und Spannstahl zur Bewehrung von Spannbetonkonstruktionen. Dabei liegen Festigkeiten von Spannstählen um ein Vielfaches über den Werten der Betonstähle.
10.10.1 Betonstahl nach DIN 488 10.10.1.1 Stand der Normung
Betonstahl wurde in der Vergangenheit in DIN 488 bzw. über allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen geregelt. Zwar erschien im Jahre 2005 mit EN 10080 eine harmonisierte europäische Produktnorm über Betonstahl; diese Norm wurde jedoch aus dem Europäischen Amtsblatt wieder gestrichen. Da in naher Zukunft nicht mit einer harmonisierten europäischen Betonstahlnorm zu rechnen ist, wurde DIN 488 überarbeitet und im August 2009 neu herausgegeben. 10.10.1.2 Betonstahlsorten
Betonstahl ist ein Stahl mit kreisförmigem oder nahezu kreisförmigem Querschnitt zur Bewehrung von Beton. Er wird hergestellt als Betonstabstahl (gerade Stäbe) und als Betonstahl in Ringen. Betonstahl wird entweder direkt verwendet (Betonstabstahl) oder gerichtet (Betonstahl in Ringen) oder weiterverarbeitet zu Betonstahlmatten, Gitterträgern und sonstigen Bewehrungselementen. Die Herstellung von Betonstahl erfolgt durch Warmwalzen, ohne Nachbehandlung; Warmwalzen und einer anschließenden Wärmebehandlung aus der Walzhitze; Warmwalzen und anschließendes Kaltrecken oder Kaltverformung (durch Ziehen oder Kaltwalzen). Sämtliche Betonstähle nach DIN 488 weisen eine Mindeststreckgrenze von 500 MPa (N/mm²) auf. Der E-Modul ist mit 200 000 N/mm² anzusetzen. Die Schnittgrößen von Stahlbetontragwerken im Grenzzustand der Tragfähigkeit können nach DIN 1045-1 auf Basis der Plastizitätstheorie berechnet werden; dies setzt allerdings eine
686
10 Eisen und Stahl
ausreichende Verformbarkeit der zum Einsatz kommenden Betonstähle voraus. Daher wurde es mit Einführung der o. g. Norm (Ausgabe 2001) erforderlich, Anforderungen an die Duktilität von Betonstahl zu formulieren. Nach DIN 1045-1 werden zwei Duktilitätsklassen unterschieden, und zwar normalduktile Betonstähle (B500A) und hochduktile Betonstähle (B500B). Die Duktilität wird durch zwei Kennwerte charakterisiert: 1. Verhältnis Zugfestigkeit Rm/Streckgrenze Re; 2. Gesamtdehnung bei der Höchstkraft Agt. Normalduktile Betonstähle (B500A) weisen ein Streckgrenzenverhältnis Rm/Re ≥ 1,05 auf; die Gesamtdehnung bei der Höchstkraft muss mindestens 2,5 % betragen. Für hochduktile Betonstähle (B500B) gilt Rm/Re ≥ 1,08 und Agt ≥ 5,0 % (siehe Tabelle 10.8). Tabelle 10.8 Sorteneinteilung und Eigenschaften der Betonstähle Kurzname
B500A
B500B
B500A
B500A
Werkstoffnummer
1.0438
1.0439
1.0438
1.0438
gerippt
gerippt
glatt (+G)
profiliert (+P)
Oberfläche Erzeugnisform/ Lieferform
Betonstahl in Betonstabstahl, Ringen, abgewi- Betonstahl in Ringen, ckelte Erzeugnis- abgewickelte Erzeugse, Betonstahlmat- nisse, Betonstahlmatten, Gitterträger ten, Gitterträger
Quantile p (%) bei W=1-α (einseitig)
Bewehrungsdraht in Ringen und Stäben, Gitterträger
Streckgrenze Rea [MPa]b
500
500
500
500
5,0 bei W = 0,90
Streckgrenzenverhältnis Rm/Re
1,05c
1,08
1,05c
1,05c
10,0 bei W = 0,90
Verhältnis Re,ist/Re,nenn
–
1,30
–
–
90,0 bei W = 0,90
2,5c
5,0
2,5c
2,5c
10,0 bei W = 0,90
Prozentuale Gesamtdehnung bei Höchstkraft Agt %
– – 175d d ≤ 28,0 mm:175d Schwingbreite 2σa in MPab bei 1×106 k1 = 4d; k2 = 9d k1 = 4d; k2 = 9d Lastwechseln; Spannungsexponenten k1 d > 28,0 mm: 145 und k2 der Wöhlerkurk1 = 4; k2 = 9 ve (Oberspannung von 0,6 Re,nenn) Biegefähigkeit − ermittelt im Rückbiegeversuch bis d = 32 mm (siehe DIN 488-2 und DIN 488-3). − ermittelt im Biegeversuch für d = 40 mm (siehe DIN 488-2). − ermittelt im Biegeversuch an der Schweißstelle (siehe DIN 488-4). Unter- oder Überschreitung der Nennquerschnittsfläche An %
+6/–4
+6/–4
+6/–4
+6/–4
5,0 bei W = 0,75 (einseitig)
Mindestwert
95,0/5,0 bei W = 0,90
687
10.10 Stahlsorten für den Massivbau Kurzname
B500A
B500B
B500A
B500A
Werkstoffnummer
1.0438
1.0439
1.0438
1.0438
Knotenscherkraft von Betonstahlmattene
0,3 × An × Ree,f
0,3 × An × Ree,f
e
e
5,0 bei W = 0,90
–
g
5,0 bei W = 0,90
bezogene Rippenfläche fR
4,0 und 4,5: 5,0 bis 6,0: 6,5 bis 8,5: 9,0 bis 10,0: 11,0 bis 40,0:
Schweißeignungh
a
b c d
e f g h
i j k
0,036 0,039 0,045 0,052 0,056
Quantile p (%) bei W=1-α (einseitig)
Ceqi 0,50 (0,52) für d 28 mm Ceqi 0,47 (0,49) für d > 28 mm C 0,22 (0,24) P 0,050 ( 0,055) S 0,050 (0,055) N 0,012 (0,014)j Cu 0,60 (0,65)k
Die Streckgrenze (und Zugfestigkeit) wird errechnet aus der Kraft bei Erreichen der Streckgrenze (und Höchstkraft) dividiert durch die Nennquerschnittsfläche (An = d2/4). Als Streckgrenze gilt die obere Streckgrenze ReH. Tritt keine ausgeprägte Streckgrenze auf, ist die 0,2%-Dehngrenze Rp0,2 zu ermitteln. 1 MPa = 1 N/mm2. Rm/Re 1,03 und Agt 2,0 für die Nenndurchmesser 4,0 mm bis 5,5 mm. 100 MPa sowie k1 = 4 und k2 = 5 für Betonstahlmatten. Keine Anforderungen bei Gitterträgern und bei Durchmessern 5,5 mm. Gitterträger nach dieser Norm dürfen nur für Bauteile verwendet werden, die durch vorwiegend ruhende Belastung beansprucht werden. Knotenscherkräfte für Gitterträger, siehe DIN 488-5. Kein Einzelwert darf kleiner sein als 0,25 × An × Re. Für Profilmaße, siehe DIN 488-3. Die Werte (Massenanteil in %) gelten für die Schmelzenanalyse. Die Werte in Klammern gelten für die Stückanalyse. Ceq = C + Mn/6 + (Cr+Mo+V)/5 + (Ni+Cu)/15. Höhere Anteile sind zulässig, wenn Stickstoff abbindende Elemente in ausreichender Menge vorhanden sind. Cu-Anteile bis 0,80 % (0,85 %) sind bei besonderem Nachweis zulässig, siehe DIN 488-6.
ANMERKUNG Die Spannungsexponenten k1 und k2 gelten als nachgewiesen, wenn der Übereinstimmungsnachweis nach DIN 488-6 erbracht ist. Ein Variationskoeffizient ν < 0,40 in Richtung der Lastwechsel wird vorausgesetzt.
10.10.1.3 Lieferformen von Betonstahl a) Betonstabstahl (DIN 488-2)
Betonstabstahl ist ein in Form gerader Stäbe gelieferter gerippter Betonstahl, der durch Warmwalzen hergestellt wird und deshalb hochduktil ist. Er kann zwei oder mehr Reihen von Schrägrippen aufweisen und mit oder ohne Längsrippen hergestellt werden (siehe Bilder 10-14 und 10-15).
688
10 Eisen und Stahl
Bild 10-14 Betonstabstahl B500B mit 2 Reihen von Schrägrippen (links: ohne Längsrippen – rechts: mit Längsrippen)
Bild 10-15 Betonstabstahl B500B mit 4 Reihen von Schrägrippen ohne Längsrippen
Bei Betonstabstahl mit zwei Rippenreihen verlaufen die Schrägrippen in einer Reihe parallel zueinander, während sie in der anderen gegenüberliegenden Reihe zur Stabachse alternierend geneigt sind. Achtung: In DIN 488 Ausgabe August 2009 ist Stabstahl mit zwei Reihen parallel verlaufender Schrägrippen abgebildet. Eine derartige Rippung wies ebenfalls der frühere BSt 420 S (Mindeststreckgrenze 420 MPa) auf, der jedoch seit etwa 1990 in Deutschland nicht mehr produziert wird. Betonstabstahl wird in folgenden Nenndurchmessern (in mm) hergestellt: 6,0 – 8,0 – 10,0 – 12,0 – 14,0 – 16,0 – 20,0 – 25,0 – 28,0 – 32,0 – 40,0. Die lieferbaren Stablängen liegen zwischen 12,0 m und 14,0 m.
10.10 Stahlsorten für den Massivbau
689
Bei der Bestellung sind die Normbezeichnung, die Liefermenge und die gewünschte Stablänge anzugeben. Beispiel für die Bestellung von 50 t Betonstabstahl nach DIN 488 aus der Sorte B500B (1.0439), Nenndurchmesser 20,0 mm, Stablänge 12 m: 50 t Betonstabstahl DIN 488 – B500B – 20,0 – 12 oder 50 t Betonstabstahl DIN 488 – 1.0439 – 20,0 – 12 b) Betonstahl in Ringen (DIN 488-3)
Mit Betonstahl in Ringen bezeichnet man eine Lieferform, bei der Betonstähle bis zu einem Durchmesser von 16 mm aufgespult und in Rollen mit Außendurchmessern von 0,5 bis 1,2 m geliefert werden. Man unterscheidet warmgewalzten (hochduktilen) und kaltgerippten (normalduktilen) Betonstahl in Ringen. Der Stahl wird beim Verwender auf Richt- und Schneideanlagen geradegerichtet und auf Länge geschnitten („abgewickeltes Erzeugnis“) oder in Bügelautomaten zu Bügeln gebogen. Im Vergleich zu Stabstahl fallen kaum Reststücke an; die Materialkosten sind deshalb niedriger. Betonstahl in Ringen weist allerdings den Nachteil auf, dass er durch das Aufrollen und Richten Verformungen erfährt und dadurch an Duktilität verliert. c) Bewehrungsdraht (DIN 488-3)
Bewehrungsdraht wird durch Kaltverformung herstellt und in der Regel in Ringen geliefert. Er wird als normalduktiler Stahl entweder mit glatter (+G) oder profilierter Oberfläche (+P) geliefert (siehe Bild 10-16). Die Verwendung von Bewehrungsdraht ist auf werkmäßig hergestellte Bewehrungen zu beschränken (z. B. Gitterträger, Bewehrungen für Porenbetonbauteile, Stahlbetonrohre usw.); er darf nicht für Stahlbeton- oder Spannbetontragwerke nach DIN 1045-1 verwendet werden.
Bild 10-16 Profilierter Bewehrungsdraht B500A+P
d) Betonstahlmatten
Die Betonstahlmatte ist eine werkmäßig vorgefertigte Bewehrung aus rechtwinklig zueinander verlaufenden Längs- und Querstäben, die an allen Kreuzungsstellen durch automatische Maschinen durch elektrisches Widerstandspunktschweißen (Buckelschweißen) scherfest miteinander verbunden wurden. Betonstahlmatten werden vorwiegend zur Bewehrung plattenförmiger Bauteile eingesetzt. Als großflächige Bewehrungselemente ermöglichen sie einen zügigen Baufortschritt.
690
10 Eisen und Stahl
Die Längs- und Querstäbe können dieselben oder unterschiedliche Nenndurchmesser und Längen aufweisen sowie aus verschiedenen Stahlsorten bestehen. Stäbe in nur einer Richtung dürfen als Doppelstäbe ausgebildet sein. Üblicherweise werden Betonstahlmatten aus der in Bild 10-17 dargestellten Stahlsorte B500A mit drei Rippenreihen hergestellt. Alle drei Reihen weisen parallele Rippen auf; bei einer Reihe müssen die Rippen gegenläufig sein.
Bild 10-17 Stahlsorte B500A mit drei Rippenreihen
Bei den Betonstahlmatten unterscheidet DIN 488 zwischen Lagermatten und Listenmatten.
Lagermatten sind standardisierte normalduktile oder hochduktile Betonstahlmatten mit festgelegten Abmessungen und festgelegtem Aufbau, die häufig nachgefragt werden und daher ab Lager erhältlich sind. Für ihre Beschreibung werden Kurzbezeichnungen verwendet; diese bestehen aus einem Buchstaben (Q oder R), einer dreistelligen Zahl, die den Bewehrungsquerschnitt in Mattenlängsrichtung (in mm² pro m Breite) angibt sowie dem Kennbuchstaben für die Duktilität (A oder B). Q-Matten haben in beiden Tragrichtungen etwa den gleichen Bewehrungsquerschnitt und eignen sich daher besonders für zweiachsig gespannte Platten. R-Matten weisen in Querrichtung eine deutliche geringere Tragfähigkeit als in Längsrichtung auf (35 bis 60 %) und werden daher vor allem in einachsig gespannten Platten eingebaut. Der genaue Aufbau der verfügbaren Lagermatten ist Tabelle 10.9 zu entnehmen.
691
10.10 Stahlsorten für den Massivbau Tabelle 10.9 Aufbau und Gewicht von Lagermatten Typ
Querschnitte längs quer
Länge Breite
[cm²/m]
[m]
Gewicht je Matte je m²
[kg] 41,7
Q 188 1,88
3,02
150
6,0
25
56,8
150
7,0
75
4,12
150
7,0
25
6,00
74,3
150
8,0
75
2,30
5,38
150
8,0
84,4
150
9,0
6,12
150
9,0
100,9
150
10,0
1,88 Q 257 2,57 2,57 Q 335 3,35 3,35 Q 424 4,24 4,24 Q 524 5,24 5,24 Q 636 6,36 6,28
2,01 2,01
7,0
4/4
75
7,0
4/4
62,5
150
10,0
100
9,0
2,35
9,36
125
10,0
25
33,6
150
6,0
125
2,43
250
6,0
25
41,2
150
7,0
125
2,99
250
6,0
25
6,00
50,2
150
8,0
125
2,30
3,64
250
6,0
67,2
150
9,0
4,86
250
8,0
75,7
150
10,0
5,49
250
8,0
1,13
R 524 5,24
75 25
7,31
R 257 2,57
R 424 4,24
4/4
132,0
1,13
1,13
25 7,0
6,00
R 188 1,88
R 335 3,35
Überstände Anfang/Ende StabStabdurchmesser Anzahl der links/rechts abstände LängsrandInnenbe- Randbestäbe reich reich [mm] [mm] [mm] [mm] links/rechts 75 150 6,0
Mattenaufbau in Längs- und Querrichtung
25
25 8,0
2/2
125
8,0
2/2
125
25 25
Listenmatten werden nach den spezifischen Anforderungen des Verwenders gefertigt. Zu ihrer Beschreibung werden die in Bild 10-18 dargestellten geometrischen Merkmale verwendet. Die dabei anzuwendende Schreibweise wird an folgendem Beispiel verdeutlicht: Bestellung von 48 Stück Betonstahlmatten der Stahlsorte B500A mit L = 5,50 m, u1 = 125 mm, u2 = 125 mm, B = 2,45 m, u3 = 25 mm, u4 = 25 mm, Längsstab 8,0 mm doppelt, PL = 150 mm, links 3 Randstäbe 8,0 mm mit PL = 150 mm, rechts 3 Randstäbe 8,0 mm mit PL = 150 mm, Querstab 8,0 mm, Pc = 250 mm, Betonstahlmattenanfang 4 Stäbe 6,0 mm mit Pc = 250 mm, Betonstahlmattenende 4 Stäbe mit Pc = 250 mm: 48 Betonstahlmatten – DIN 488-4 – B500A –
150 × 8,0d/8,0 – 3/3 – 5,50 – 125/125 250 × 8,0 /6,0 – 4/4 – 2,45 – 25/25
692
10 Eisen und Stahl
Bild 10-18 Geometrische Merkmale von Betonstahlmatten
Falls die vom Verwender gewünschte Betonstahlmatte in der obigen Schreibweise nicht dargestellt werden kann, muss die Matte durch eine Zeichnung mit allen erforderlichen Maßangaben (Zeichnungsmatte) beschrieben werden. e) Gitterträger
Gitterträger sind zwei- oder dreidimensionale Bewehrungselemente; sie bestehen aus einem Obergurt, einem oder mehr Untergurten und durchgehenden oder unterbrochenen Diagonalen, die durch Widerstandspunktschweißen mit den Gurten an allen Berührungspunkten verbunden sind (siehe Bild 10-19). Untergurt und Diagonalen bestehen aus Bewehrungsstählen (meist glatter Bewehrungsdraht); der Obergurt kann aus Bewehrungsstahl oder profiliertem Stahlband gefertigt sein. Gitterträger dienen im Wesentlichen als Verbund-/Schubbewehrung von Fertigplatten mit statisch mitwirkender Ortbetonschicht. Sie werden ferner bei Fertigplatten zur Erzielung einer ausreichenden Montagesteifigkeit im Bauzustand eingebaut. Bei Gitterträgern mit Obergurten aus Stahlblech wird das Blechprofil ausbetoniert; dadurch werden unterstützungsfreie Montagestützweiten bis 5,25 m möglich. Typische Anwendungsgebiete für Gitterträger sind z. B. Elementwände und –decken, Betonfußleisten für Hohlsteindecken usw.
10.10 Stahlsorten für den Massivbau
693
Bild 10-19 Typen von Gitterträgern (Beispiele)
10.10.1.4 Kennzeichnung des Herstellerwerkes
Die Betonstähle müssen mit einem für jedes Herstellerwerk festgelegten Werkkennzeichen versehen sein. Ein Verzeichnis der gültigen Werkkennzeichen (Betonstahlverzeichnis) wird vom Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin geführt. a) Betonstabstahl
Land und Herstellerwerk werden jeweils durch eine bestimmte Anzahl von normalbreiten Schrägrippen zwischen verbreiterten Schrägrippen nach dem im Bild 10-20 dargestellten System gekennzeichnet. Das Werkkennzeichen beginnt mit zwei verbreiterten Schrägrippen, gefolgt vom Nummernfeld des Landes mit einer bestimmten Anzahl von normalbreiten Schrägrippen, das durch eine verbreiterte Schrägrippe abgeschlossen wird. Darauf folgt die Werknummer mit einer bestimmten Anzahl von normalen Schrägrippen, die ggf. durch eine verbreiterte Schrägrippe in Zehner- und Einerstellen unterteilt wird. Den Abschluss des gesamten Kennzeichens bildet wiederum eine verbreiterte Schrägrippe. Anstelle von verbreiterten Schrägrippen können die Rippen auch ausgelassen werden.
Bild 10-20 Werkkennzeichnung von Betonstabstahl (links mit einstelliger, rechts mit zweistelliger Werknummer)
694
10 Eisen und Stahl
b) Betonstahl in Ringen
Betonstahl in Ringen weist ein Werkkennzeichen nach Bild 10-20, d. h. wie bei Betonstabstahl, auf. Zusätzlich ist in einer anderen Rippenreihe eine verdickte Rippe anzubringen, eine Rippe wegzulassen oder ein Rippenzwischenraum zu verfüllen. c) Bewehrungsdraht
Das Werkkennzeichen von profiliertem Bewehrungsdraht entspricht sinngemäß dem der gerippten Stäbe (siehe Bild 10-21). Glatter Bewehrungsdraht muss ebenfalls ein aus Punkten oder kurzen Längsrippen bestehendes Werkkennzeichen aufweisen. Bei kaltgezogenem Bewehrungsdraht darf auch ein Etikett angebracht werden. Bei Verwendung des glatten Bewehrungsdrahtes in Gitterträgern kann die Kennzeichnung entfallen, sofern das Herstellerwerk der Gitterträger auch das Herstellerwerk des glatten Bewehrungsdrahtes ist.
Bild 10-21 Beispiele für Werkkennzeichen von profiliertem Bewehrungsdraht
d) Betonstahlmatten
Das Werkkennzeichen von Betonstählen, die für die Herstellung von Betonstahlmatten vorgesehen sind, wird durch die Anzahl von Schrägrippen bestimmt, die zwischen kürzeren oder punktförmigen, zusätzlich eingeschalteten Zwischenrippen liegen (siehe Bild 10-22 a). Alternativ darf die Kennzeichnung auch durch größere Rippenabstände, d. h. Weglassen einer Rippe (siehe Bild 10-22 b) oder durch verdickte Rippen erfolgen. Zusätzlich ist an einem Bund der geschweißten Betonstahlmatten ein Etikett mit Angabe des Herstellerwerkes der geschweißten Betonstahlmatte und der Stahlsorte des Erzeugnisses zu befestigen. Die Etiketten sind je max. 20 Betonstahlmatten anzubringen.
10.10 Stahlsorten für den Massivbau
695
Bild 10-22 Werkkennzeichen für Betonstahlmatten aus einer Stahlsorte mit drei Rippenreihen
10.10.2 Betonstahl nach Zulassung Betonstähle, die nicht der DIN 488 entsprechen, bedürfen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Betonstähle mit Sonderrippung, mit erhöhtem Korrosionswiderstand und um Betonstahlmatten für erhöhte dynamische Beanspruchung. 10.10.2.1 Betonstahl mit Sonderrippung
Die Rippung dieser Betonstähle weicht von den Festlegungen in DIN 488 ab. Hierzu zählen u. a. die so genannten GEWI-Stähle (Gewindestähle). Bei GEWI-Stählen ist die Rippung gewindeähnlich ausgebildet (Linksgewinde), so dass die Stäbe über Gewindemuffen miteinander verbunden werden können.
Bild 10-23 GEWI-Stahl
Bild 10-24 Muffenverbindung und Ankerstück für GEWI-Stahl
696
10 Eisen und Stahl
10.10.2.2 Betonstahl mit erhöhtem Korrosionswiderstand
In dieser Gruppe wurden bisher Zulassungen für nichtrostende Betonstähle sowie verzinkte Betonstähle erteilt. Nichtrostende Betonstähle werden als Betonstahl in Ringen aus den Werkstoffen 1.4571, 1.4462 und 1.4362 hergestellt; die Durchmesser liegen zwischen 5 und 14 mm. Für verzinkte Betonstähle liegt seit 2006 DIN EN 10348 als Entwurf vor, der jedoch noch einer weiteren Bearbeitung bedarf. Ein erhöhter Korrosionswiderstand kann ebenfalls durch eine Kunststoffbeschichtung des Betonstahles erzielt werden. In den USA liegen mittlerweile jahrzehntelange Erfahrungen mit Epoxidharz beschichteten Betonstählen vor. Hierzulande konnte sich beschichtete Bewehrung aus verschiedenen Gründen noch nicht durchsetzen, z. B. wegen der leichten Verletzbarkeit der Oberfläche, mangelnder Alkalibeständigkeit usw. 10.10.2.3 Sonderdyn-Matten
Als Sonderdyn-Matten bezeichnet man Betonstahlmatten, die nur im Randbereich verschweißt sind; dadurch erreichen die Stäbe im nicht verschweißten Innenbereich die höhere Dauerschwingfestigkeit unverschweißter Stäbe. Sonderdyn-Matten werden für Bauteile mit erhöhter dynamischer Beanspruchung (z. B. Decken mit Gabelstaplerverkehr) eingesetzt werden.
10.10.3 Spannstähle Spannstähle werden in erster Linie im Spannbetonbau eingesetzt. Die Stähle werden in Hüllrohren verlegt und nach ausreichender Erhärtung des Betons vorgespannt. Dadurch leiten sie Druckkräfte in den Beton ein, wodurch Zugspannungen aus Eigengewicht und Nutzlasten ganz oder teilweise überdrückt werden. Spannstähle sind in DIN EN 10138 genormt. Diese Norm liegt jedoch nach wie vor nur als Entwurf vor, so dass Spannstähle – wie auch ihre Verankerungen – einer bauaufsichtlichen Zulassung bedürfen. Beim Deutschen Institut für Bautechnik wird ein Verzeichnis der gültigen Zulassungen geführt (unter http://www.dibt.de/de/zv/NAT/zv_referat_I1/SVA_12.pdf abrufbar). 10.10.3.1 Anforderungen
Folgende Anforderungen werden an Spannstähle gestellt: hohe Zugfestigkeit und hohe Streckgrenze (definiert als 0,1 %-Dehngrenze), damit die erforderlichen Gebrauchsspannungen erreicht werden (Bild 10-25); hohe Dauerschwingfestigkeit (Ermüdungsfestigkeit); ausreichende Duktilität (Zähigkeit) zur Vermeidung von Sprödbrüchen; geringe Relaxation und geringes Kriechen des Stahles zur Begrenzung der Spannkraftverluste; guter Haftverbund; ausreichender Korrosionswiderstand.
697
10.10 Stahlsorten für den Massivbau
Bild 10-25 Spannungs-Dehnungs-Linien von Stählen für den Massivbau
Zur Kompensation der Kriech- und Schwindverformungen des Betons sind für Spannstähle wesentlich höhere Streckgrenzen als bei Betonstählen erforderlich. Spannstähle weisen deshalb höhere Kohlenstoffgehalte (0,5 % bis 0,8 % C) auf und sind aus diesem Grund grundsätzlich nicht schweißbar. Wegen der hohen Festigkeiten sind Spannstähle generell wesentlich korrosionsempfindlicher (auch gegen Spannungsrisskorrosion) als normale Baustähle und Betonstähle. Deshalb müssen die Hüllrohre nach dem Vorspannen vollständig mit alkalischem Einpressmörtel verfüllt werden; bis zum Verpressen sind – wie bei Transport und Lagerung – ggf. besondere Korrosionsschutzmaßnahmen erforderlich. Spannstähle mit leichtem Flugrost dürfen ohne weitere Entrostung verwendet werden. Als leichter Flugrost gilt ein gleichmäßiger Rostansatz, der durch Abwischen mit einem trockenen Lappen entfernt werden kann und noch nicht zur Bildung von mit bloßem Auge erkennbaren Korrosionsnarben geführt hat. Bei örtlichen Narben und Löchern darf der Stahl nicht verwendet werden.
698
10 Eisen und Stahl
10.10.3.2 Arten und Eigenschaften
Die Klassifizierung von Spannstählen erfolgt derzeit durch Angabe der charakteristischen Werte von 0,2 %-Dehngrenze und Zugfestigkeit in N/mm²; der Bezeichnung wird „St“ vorangestellt (z. B. St 1570/1770). Die zukünftige Bezeichnung nach DIN EN 10138 setzt sich zusammen aus „Y“ und der Nennzugfestigkeit (z. B. Y1770), gefolgt von weiteren Angaben zur Behandlung des Stahles, dem Nenndurchmesser und der Oberflächengestalt. Spannstähle werden in Form folgender Erzeugnisse produziert (die Zahlen in Klammern geben die Anzahl der bauaufsichtlichen Zulassungen – Stand November 2009 – an): Spannstahlstäbe (4); Spannstahldrähte (26); Spannstahllitzen (26).
Spannstahlstäbe werden im Allgemeinen warmgewalzt, gereckt und angelassen; die verwendeten Stähle sind meist niedriglegiert. Die Stäbe weisen Durchmesser von 18,0 bis 40,0 mm auf und entsprechen den Güteklassen St 835/1030, St 950/1050 oder St 1080/1230. Spannstahlstäbe eignen sich besonders für geradlinig geführte und kurze Spannglieder. Bei Stäben mit glatter Oberfläche wird zur Verankerung in den Endbereichen ein Gewinde aufgerollt. Daneben werden Stäbe mit gewindeförmiger Rippung angeboten (wie GEWI-Stahl, jedoch mit rechtsläufigem Gewinde); eine Kopplung ist wie bei Bewehrungsstäben mit Muffen möglich.
Spannstahldrähte werden entweder kaltgezogen oder vergütet; ihre Oberflächen sind glatt, profiliert oder gerippt. Kaltgezogene Drähte werden in den Güteklassen St 1375/1570, St 1470/1670 und St 1570/1770 mit Durchmessern zwischen 4,0 und 12,2 mm produziert. Hohe Festigkeiten werden nur bei dünnen Drähten erreicht, die durch mehrmaliges Ziehen entstehen. Vergütete Drähte werden mit Durchmessern von 6,2 bis 14,0 mm in den Güteklassen St 1325/1470 und St 1420/1570 hergestellt.
Bild 10-26 Querschnitt einer siebendrähtigen Litze
Spannstahllitzen entstehen durch Verseilen von 3 oder 7 kaltgezogenen Einzeldrähten (Bild 10-26). Bei 7-drähtigen Litzen muss der Durchmesser des Kerndrahtes größer sein (dK = 1,02…1,04 ⋅ d), damit die Außendrähte am Kerndraht anliegen und eine Kraftübertragung zwischen den Drähten möglich ist.
699
10.11 Literatur
Der Durchmesser der Litzen liegt zwischen 6,9 und 18,3 mm; die Einzeldrähte sind glatt oder profiliert (ggf. auch glatter Kerndraht mit profilierten Außendrähten). Die Stahlgüten sind St 1570/1770 und St 1660/1860. Im Gegensatz zu Stäben und Drähten, deren E-Modul mit 205 000 N/mm² anzusetzen ist, weisen Litzen wegen der Verseilung einen geringeren Wert von E = 195 000 N/mm² auf. Litzen sind im Spannbetonbau sehr weit verbreitet. Sie können – im Gegensatz zu Spannstahlstäben – in nahezu beliebiger Länge hergestellt, für Lagerung und Transport auf Ringen aufgewickelt und im Bauwerk in nahezu beliebiger Form verlegt werden. Hingegen sind Verankerungen und Spanngliedkopplungen aufwändiger als bei Stäben.
10.11 Literatur 10.11.1 Regelwerke 10.11.1.1 Normen Norm
Ausgabe
Titel
DIN 488-1
2009-08
Betonstahl – Teil 1: Sorten, Eigenschaften, Kennzeichen
DIN 488-2
2009-08
Betonstahl – Teil 2: Betonstabstahl
DIN 488-3
2009-08
Betonstahl – Teil 3: Betonstahl in Ringen, Bewehrungsdraht
DIN 488-4
2009-08
Betonstahl – Teil 4: Betonstahlmatten
DIN 488-5
2009-08
Betonstahl – Teil 5: Gitterträger
DIN 488-6
2010-01
Betonstahl – Teil 6: Übereinstimmungsnachweis
DIN 1045-1
2008-08
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 1: Bemessung und Konstruktion
DIN 18800-1
2008-11
Stahlbauten – Teil 1: Bemessung und Konstruktion
DIN EN 1560
1997-08
Gießereiwesen – Bezeichnungssystem für Gusseisen Werkstoffkurzzeichen und Werkstoffnummern
DIN EN 1561
1997-08
Gießereiwesen – Gusseisen mit Lamellengraphit
DIN EN 1562
2006-08
Gießereiwesen – Temperguss
DIN EN 1563
2006-08
Gießereiwesen – Gusseisen mit Kugelgraphit
DIN EN 1993-1-1
2010-08
Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau
DIN EN 10002-1
2001-12
Metallische Werkstoffe – Zugversuch – Teil 1: Prüfverfahren bei Raumtemperatur
DIN EN 10020
2000-07
Begriffsbestimmung für die Einteilung der Stähle
700
10 Eisen und Stahl
DIN EN 10025-1
2005-02
Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 1: Allgemeine technische Lieferbedingungen
DIN EN 10025-2
2005-04
Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 2: Technische Lieferbedingungen für unlegierte Baustähle
DIN EN 10025-3
2005-02
Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 3: Technische Lieferbedingungen für normalgeglühte/normalisierend gewalzte schweißgeeignete Feinkornbaustähle
DIN EN 10025-4
2005-04
Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 4: Technische Lieferbedingungen für thermomechanisch gewalzte schweißgeeignete Feinkornbaustähle
DIN EN 10025-5
2005-02
Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 5: Technische Lieferbedingungen für wetterfeste Baustähle
DIN EN 10025-6
2009-08
Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 6: Technische Lieferbedingungen für Flacherzeugnisse aus Stählen mit höherer Streckgrenze im vergüteten Zustand
DIN EN 10027-1
2005-10
Bezeichnungssysteme für Stähle – Teil 1: Kurznamen
DIN EN 10027-2
1992-09
Bezeichnungssysteme für Stähle – Teil 2: Nummernsystem
DIN EN 10045-1
1991-04
Metallische Werkstoffe – Kerbschlagbiegeversuch nach Charpy; Prüfverfahren
DIN EN 10080
2005-08
Stahl für die Bewehrung von Beton – Schweißgeeigneter Betonstahl - Allgemeines
DIN EN 10088-1
2005-09
Nichtrostende Stähle – Teil 1: Verzeichnis der nichtrostenden Stähle
DIN EN 10088-2
2005-09
Nichtrostende Stähle – Teil 2: Technische Lieferbedingungen für Blech und Band aus korrosionsbeständigen Stählen für allgemeine Verwendung
DIN EN 10088-3
2005-09
Nichtrostende Stähle – Teil 3: Technische Lieferbedingungen für Halbzeug, Stäbe, Walzdraht, gezogenen Draht, Profile und Blankstahlerzeugnisse aus korrosionsbeständigen Stählen für allgemeine Verwendung
DIN EN 10088-4
2010-01
Nichtrostende Stähle – Teil 4: Technische Lieferbedingungen für Blech und Band aus korrosionsbeständigen Stählen für das Bauwesen
E DIN EN 10138-1
2000-10
Spannstähle – Teil 1: Allgemeine Anforderungen (Entwurf)
E DIN EN 10138-2
2000-10
Spannstähle – Teil 2: Draht (Entwurf)
E DIN EN 10138-3
2000-10
Spannstähle – Teil 3: Litze (Entwurf)
E DIN EN 10138-4
2000-10
Spannstähle – Teil 4: Stäbe (Entwurf)
701
10.11 Literatur
DIN EN 10291
2001-01
Metallische Werkstoffe – Einachsiger Zeitstandversuch unter Zugbeanspruchung – Prüfverfahren
E DIN EN 10337
2003-11
Spannstahldrähte und -litzen mit Überzug aus Zink und Zinklegierung (Entwurf)
E DIN EN 10348
2006-06
Stahl für die Bewehrung von Beton – Verzinkter Betonstahl (Entwurf)
DIN EN ISO 6506-1
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Brinell – Teil 1: Prüfverfahren
DIN EN ISO 6506-2
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Brinell – Teil 2: Prüfung und Kalibrierung der Prüfmaschinen
DIN EN ISO 6506-3
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Brinell – Teil 3: Kalibrierung von Härtevergleichsplatten
DIN EN ISO 6506-4
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Brinell – Teil 4: Tabelle zur Bestimmung der Härte
DIN EN ISO 6507-1
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Vickers – Teil 1: Prüfverfahren
DIN EN ISO 6507-2
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Vickers – Teil 2: Prüfung und Kalibrierung der Prüfmaschinen
DIN EN ISO 6507-3
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Vickers – Teil 3: Kalibrierung von Härtevergleichsplatten
DIN EN ISO 6507-4
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Vickers – Teil 4: Tabellen zur Bestimmung der Härtewerte
DIN EN ISO 6508-1
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Rockwell – Teil 1: Prüfverfahren (Skalen A, B, C, D, E, F, G, H, K, N, T)
DIN EN ISO 6508-2
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Rockwell – Teil 2: Prüfung und Kalibrierung der Prüfmaschinen (Skalen A, B, C, D, E, F, G, H, K, N, T)
DIN EN ISO 6508-3
2006-03
Metallische Werkstoffe – Härteprüfung nach Rockwell – Teil 3: Kalibrierung von Härtevergleichsplatten (Skalen A, B, C, D, E, F, G, H, K, N, T)
DIN EN ISO 7438
2005-10
Metallische Werkstoffe – Biegeversuch
DIN EN ISO 15630-1 2002-09
Stähle für die Bewehrung und das Vorspannen von Beton – Prüfverfahren – Teil 1: Bewehrungsstäbe, -walzdraht und -draht
DIN EN ISO 15630-2 2002-09
Stähle für die Bewehrung und das Vorspannen von Beton – Prüfverfahren – Teil 2: Geschweißte Matten (2002-09)
DIN EN ISO 15630-3 2002-08
Stähle für die Bewehrung und das Vorspannen von Beton – Prüfverfahren – Teil 3: Spannstähle
DIN EN ISO 18265
Metallische Werkstoffe - Umwertung von Härtewerten
2004-02
702
10 Eisen und Stahl
10.11.1.2 Sonstige Regelwerke
DASt RL 007
1993
Deutscher Ausschuss für Stahlbau DASt Richtlinie 007: Lieferung, Verarbeitung und Anwendung wetterfester Baustähle
10.11.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [10.1] [10.2]
[10.3]
[10.4] [10.5]
Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Bd. 3 Stahl – Aluminium, 2. Auflage. Wiesbaden; Berlin: Bauverlag, 1985 Schröter, F.: Stähle für den Stahlbau – Anwendung moderner Baustähle und Neuerungen im Regelwerk. In: Stahlbau-Kalender 2007, S. 245–316. Berlin: Ernst & Sohn, 2007 Saal, H.; Ulbrich, D.; Volz, M.: Nichtrostende Stähle nach der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung Z-30.3-6. In: Stahlbau-Kalender 2007, S. 317–369. Berlin: Ernst & Sohn, 2007 Rombach, G.: Spannbetonbau, 1. Auflage. Berlin: Ernst & Sohn, 2003 Dehn, F.; König, G.; Marzahn, G.: Konstruktionswerkstoffe im Bauwesen, 1. Auflage. Berlin: Ernst & Sohn, 2003
11 Nichteisen-Metalle
11.1 Allgemeines Nichteisenmetalle, meist abgekürzt „NE-Metalle“ genannt, ist der Oberbegriff für alle Metalle außer Eisen und Legierungen mit überwiegendem Eisenanteil. NE-Metalle besitzen im Vergleich zu Eisen meist eine höhere Beständigkeit gegenüber atmosphärischen Einflüssen, eine bessere Formbarkeit, geringere Festigkeiten, geringere E-Moduln und größere Temperaturausdehnungskoeffizienten. Nach ihrer Dichte unterscheidet man die NE-Metalle in Leichtmetalle mit einer Dichte < 5,0 g/cm³ und in Schwermetalle mit > 5,0 g/cm³. Im Bauwesen werden verstärkt die Leichtmetalle Aluminium, seltener Magnesium, sowie die Schwermetalle Kupfer, Blei und Zink bzw. deren Legierungen verwendet. Die wichtigsten technischen Kenngrößen für einige NE-Metalle sind in Tabelle 11.1 zusammengestellt. Tabelle 11.1 Eigenschaften von NE-Metallen Eigenschaft
Einheit
Aluminium
Kupfer
Blei
Zink
1)
Dichte
g/cm³
2,703 2,6992)
8,94
11,34
7,13
Schmelzpunkt
°C
660,2
1083
327,4
419,4
Wärmeausdehnungskoeffizient
10–6·K–1
23
16,8
29
Wärmeleitfähigkeit
W/(m·K)
222
394
35
113
29
17
210
59
N/mm²
90...1201) 150...2302)
160...2001) 200...2503) 400...4904)
11...19
1505) 2206)
Streck- bzw. 0,2%Dehngrenze
N/mm²
40...701) 80...1102)
40...601) 100...1503) 300...4504)
5...8
160...220
E-Modul
kN/mm²
72,2
120
16
94
Spez. Widerstand Zugfestigkeit
–3
10 ··mm²/m
335) 236)
1)
1)
Bruchdehnung
%
8...251) 2...82)
25...15 50...303) 4...24)
50...70
255) 156)
Brinellhärte
-
24...321) 35...402)
45
4
40
gegossen
2)
gewalzt
3)
geglüht
4)
kaltgezogen
5)
|| zur Walzrichtung
⊥ zur Walzrichtung
6)
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_11, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
704
11 Nichteisen-Metalle
Die Kennzeichnung von Werkstoffen aus Nichteisenmetallen erfolgt analog zur Kennzeichnung von Eisenwerkstoffen entweder durch Kurzzeichen oder durch Werkstoffnummern. Nach wie vor werden die in DIN 17007-4 festgelegten Werkstoffnummern verwendet (siehe Tabelle 11.2); für die NE-Metalle wurde in der ersten Stelle (= Hauptgruppennummer) festgelegt: eine „2“ für Schwermetalle (außer Eisen/Stahl = „1“) eine „3“ für Leichtmetalle Außerdem existieren europäische Bezeichnungssysteme für die einzelnen Metalle, die in den folgenden Kapiteln kurz erläutert werden. Tabelle 11.2 Werkstoffnummernbereiche einiger NE-Grundmetalle Werkstoffnummernbereich
NE-Grundmetall
2.0000 bis 2.1799
Kupfer (Cu)
2.2000 bis 2.2499
Zink (Zn), Cadmium (Cd)
2.3000 bis 2.3499
Blei (Pb)
3.0000 bis 3.4999
Aluminium (Al)
3.5000 bis 3.5999
Magnesium (Mg)
3.7000 bis 3.7999
Titan (Ti)
11.2 Aluminium 11.2.1 Vorkommen, Herstellung Aluminium ist nach Sauerstoff und Silizium das dritthäufigste Element der Erdkruste; sein Massenanteil beträgt 7,3 % und ist damit deutlich größer als der Eisenanteil mit rd. 5 M.-%. Aluminium kommt in der Natur wegen seiner großen Affinität zum Sauerstoff nur in oxidischen Verbindungen vor. Ausgangsmaterial für die Aluminiumherstellung ist Bauxit, ein Gemenge verschiedener Tonmineralien. Aus 4 t Bauxit entstehen im ersten Aufbereitungsschritt 2 t Al2O3, aus denen danach im Elektrolyseofen durch Reduktion 1 t Aluminium gewonnen wird. Zur Herstellung dieses so genannten Primäraluminiums werden 13 000 kWh elektrische Energie benötigt. Wegen der hohen Herstellungskosten und aus Umweltschutzgründen wird in zunehmendem Maße Sekundäraluminium durch Wiedereinschmelzen von Schrott und sonstigen aluminiumhaltigen Reststoffen hergestellt. Der hierfür erforderliche Energiebedarf beträgt lediglich rd. 5 % der für die Herstellung von Primäraluminium erforderlichen Energiemenge.
11.2 Aluminium
705
11.2.2 Aluminiumwerkstoffe Aluminium ist nach Stahl das am häufigsten verwendete Baumetall. Wegen der geringen Dichte von 2,7 g/cm³ wird Aluminium vor allem dort eingesetzt, wo die Gewichtsersparnis eine große Rolle spielt. Wegen seiner geringen Festigkeit und der niedrigen 0,2%-Dehngrenze wird reines Aluminium im Bauwesen nur sehr selten verwendet. Die Festigkeitseigenschaften können durch Legieren, Aushärten und Kaltverfestigung verbessert werden. Legieren
Durch Zugabe von Legierungszusätzen (Cu, Mg, Mn, Si, Zn) tritt im Gefüge eine Mischkristallbildung bzw. die Ausbildung von heterogenen, aus nicht gelösten Legierungsanteilen gebildeten Gefügebestandteilen auf; diese verursachen eine Verspannung des Kristallgitters und eine Blockierung der Gleitebenen, wodurch die Festigkeit erheblich gesteigert werden kann. Aluminiumlegierungen werden nach der Art der Weiterverarbeitung in Knet- und Gusslegierungen unterteilt. Knetlegierungen werden durch Walzen, Strangpressen, Ziehen zu Halbzeug weiterverarbeitet; die Gusslegierungen werden durch Sand-, Kokillen- oder Druckguss zu Werkstücken geformt. Aushärten
Durch Legieren mit bestimmten Elementen (z. B. Cu) und eine auf die Legierungselemente abgestimmte Wärmebehandlung („Aushärten“) werden im Kristallgitter Fremdphasen (z. B. Al2Cu) erzeugt, die zu einer effektiven Behinderung der Versetzungen führen. Dadurch wird die Festigkeit der Legierung deutlich gesteigert, ohne dass die plastische Verformungsfähigkeit allzu stark reduziert wird. Man unterscheidet zwischen aushärtbaren und nicht aushärtbaren Legierungen. Die Aushärtung von Aluminiumlegierungen besteht aus drei Stufen: Glühen, Abschrecken, Auslagern. Anders als beim Stahl setzt die Härtezunahme erst ein, wenn der abgeschreckte Werkstoff eine Zeitlang lagert; dieser Vorgang kann ggf. durch höhere Temperaturen beschleunigt werden. Erfolgt die Auslagerung bei Raumtemperatur, spricht man von Kaltauslagerung; die Warmauslagerung erfolgt bei ca. 150 bis 200 °C. Die Aushärtung kann beliebig oft wiederholt werden. Kaltverformung
Bei der Kaltverformung (z. B. Kaltwalzen von Blechen, Kaltziehen usw.) treten Spannungen oberhalb der Elastizitätsgrenze auf, die – ähnlich wie bei Stahl – zu Kristallverschiebungen im Gefüge führen. Dadurch steigt die Festigkeit deutlich an; gleichzeitig nimmt die Bruchdehnung stark ab. Der geringe Elastizitätsmodul des Aluminiums und der Aluminiumlegierungen muss beim Bau von Tragwerken durch entsprechend biegesteiferes Konstruieren im Vergleich zu Konstruktionen aus Stahl unbedingt berücksichtigt werden. Ähnliches gilt für die thermische Ausdehnung, da der Temperaturausdehnungskoeffizient αT ca. doppelt so groß ist wie der des Stahls.
706
11 Nichteisen-Metalle
Aluminium ist durch eine ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit gekennzeichnet. Diese wertvolle Eigenschaft ist auf das rasche Bilden eines natürlichen Oxidfilms bei Sauerstoffeinwirkung zurückzuführen. Wird die Deckschicht beschädigt, so erfolgt sofort durch Oxidation eine selbsttätige Ausheilung. Dieser zwar sehr dünne (ca. 0,01 μm), aber fest haftende Film schützt das darunter liegende Metall gegen den weiteren Angriff. Gegenüber Wasser und Luft ist Aluminium beständig, hingegen wird es von den meisten nichtoxidierenden Säuren und vor allem Basen angegriffen. Im Bauwesen müssen daher Aluminiumteile für Profile oder Beschläge durch geeignete Maßnahmen (Folie oder ähnliches) geschützt werden, solange noch Putz- oder Fugenarbeiten mit Kalk- oder Zementmörtel oder Beton ausgeführt werden. Auch bei Berührung mit Holz sollte ein entsprechender Schutz erfolgen, da Holzinhaltsstoffe (Säuren) oder Holzschutzmittel aggressiv und zerstörend wirken können.
11.2.3 Aluminiumerzeugnisse Im Baugewerbe werden häufig Halbzeuge verwendet, die aus Aluminiumwerkstoffen bestehen und mit anderen Metallen, z. B. mit Kupfer oder Nickel, plattiert sind. Umgekehrt wird Aluminium als Plattiermaterial auf andere Metalle aufgetragen. Durch diese Verbundwerkstoffe verbindet man die meist höhere Festigkeit des Kernmaterials mit schützenden und/oder dekorativen Eigenschaften des Überzugs. In Tabelle 11.3 sind einige Kennwerte der wichtigsten Aluminium-Knetlegierungsgruppen zusammengestellt; als Vergleich ist auch der Baustahl E 295 mit aufgenommen. Tabelle 11.3 Kennwerte von Aluminium-Knetlegierungen Werkstoff
EN AW-Al99,5 EN AW-AlMn1 EN AW-AlMg3 EN AW-AlSi1MgMn EN AW-AlCu4Mg1
Zustand
Zugfestigkeit
0,2%-Dehngrenze
Bruchdehnung
[N/mm²]
[N/mm²]
[%]
70
20
30
18
kaltverfestigt
130
100
4
33
weich
100
40
20
25
kaltverfestigt
160
130
4
40
weich
180
80
15
45
kaltverfestigt
260
180
3
75
weich
110
50
15
35
ausgehärtet
320
260
8
95
weich
Brinellhärte
weich
180
60
12
55
ausgehärtet
440
290
10
110
EN AW-AlZn5Mg3Cu
ausgehärtet
440
350
8
120
EN AW-AlZn5,5MgCu
ausgehärtet
520
440
6
140
E 295
-
550
295
18
162
11.2 Aluminium
707
Aluminium und Aluminiumlegierungen in Form von Halbzeug sind in DIN EN 573, Teile 1 bis 5 genormt. Die wichtigsten Aluminiumerzeugnisse für das Baugewerbe sind: Für Dachdeckungen und Wandpaneele, Rinnen, Rohre, Fenster und -bänke werden Band, profiliertes Band und Blech aus EN AW-Al99,5, EN AW-AlMn1, EN AW-AlMg1, EN AW-AlMg3, meist ohne Oberflächenbehandlung, verwendet. Die normale Legierung für Profile aller Art, die in der Innenarchitektur fast immer anodisiert eingesetzt wird, ist EN AW-AlMgSi. In Sonderfällen wird auch EN AW-AlMg3 oder EN AW-AlSi1MgMn verwendet. Dekorativ zu anodisierendes Blech besteht meist aus EN AW-Al99,5 oder EN AW-AlMg3. Sowohl für Profile als auch für Blech soll Eloxalqualität dann eingesetzt werden, wenn man an das Aussehen Ansprüche stellt. Für Bleche und Profile im Industrie- und Seeklima ist EN AW-AlMg4,5Mn sowie als Verbindungsmittel EN AW-AlMg5 besonders gut geeignet; es ist korrosionsbeständig, hat gute Festigkeitseigenschaften, ist allerdings weniger gut schweiß- und lötbar. Die für den Ingenieurbau wichtigsten Konstruktionslegierungen sind: EN AW-AlSi1MgMn, die in ihrer Festigkeit sowie ihrer zulässigen Beanspruchung etwa dem S 235 entspricht, und die Legierung EN AW-AlZn4,5Mg1. Verschiedene Firmen haben sich für ihre Fabrikate Markenbezeichnungen schützen lassen (z. B. Duralumin®, Anti-corodal®, Peraluman® usw.). So kommt es, dass für manche Legierungen viele verschiedene Namen existieren. Deshalb sollte man bei der Benennung von Aluminiumwerkstoffen unbedingt Wert auf die Verwendung der normgerechten Kurzbezeichnungen oder der Werkstoffnummern legen, um Verwechslungen auszuschließen.
11.2.4 Formgebung und Bearbeitung Aluminium und seine Legierungen können spanabhebend, spanlos und verbindend be- und verarbeitet sowie oberflächenbehandelt und beschichtet werden. 11.2.4.1 Spanabhebende Formgebung
Aluminium und seine Legierungen lassen sich spanabhebend wesentlich leichter als Stahl, Kupfer-Zink- und Kupfer-Zinn-Legierungen bearbeiten. Zum Sägen und Fräsen werden eine größere Zahnteilung als für Stahl und eine gute Ausrundung des Zahngrundes verlangt, damit sich die Zähne nicht mit Spänen zusetzen. Zum Bohren werden Spiralbohrer mit einem Spitzenwinkel von 140° und einem Drallwinkel von 40 bis 45° eingesetzt. Die Späne des Aluminiums bilden keine Brandgefahr wie beim Magnesium. 11.2.4.2 Spanlose Formgebung
Aluminium zeigt in den Zuständen gegossen, kaltverformt, warmverformt oder ausgehärtet unterschiedliche Eigenschaften. Die niedrigsten Festigkeitswerte weist Guss auf. Sie können durch Walzen, Strecken, Pressen, Ziehen, Schmieden und Stauchen erhöht werden.
708
11 Nichteisen-Metalle
Warmverformung
Die Festigkeit der Aluminiumwerkstoffe nimmt mit steigender Temperatur ab, im Vergleich zum Stahl stärker und bereits ab 100 °C. Die gute plastische Verformbarkeit der Aluminiumwerkstoffe in der Wärme erlaubt, statisch und konstruktiv günstige Profile im Strangpressverfahren mit geringem Energieaufwand herzustellen. Damit kann durch größere Trägheitsmomente der niedrige Elastizitätsmodul ausgeglichen werden. Gusslegierungen verformen sich schwerer als Knetlegierungen. Als oberste Temperaturgrenze für ein Warmverformen gilt der Schmelzpunkt des niedrigstschmelzenden Legierungspartners. Kaltverformung
Grundsätzlich gilt: je weicher der Werkstoff ist, desto besser lässt er sich verformen, desto geringer ist aber auch die Endfestigkeit. Die Ausgangsfestigkeit im Anlieferzustand muss also so gewählt werden, dass die vorgesehene Bearbeitung eben noch durchführbar ist. 11.2.4.3 Wärmebehandlung
Die durch Kaltverformen oder Aushärten entstandene Zunahme der Festigkeit kann durch eine Wärmebehandlung rückgängig gemacht werden. Weichglühen wird dann erforderlich, wenn ein Werkstoff, dessen Kaltverformungsvermögen erschöpft ist, noch weiter verformt werden muss. Dieses Glühen erfolgt, je nach Zusammensetzung der Legierung, zwischen 300 und 450 °C. Eine Glühbehandlung erweicht die aushärtbaren Werkstoffe nicht endgültig. Ein Erhöhen der Festigkeit ist nur durch weiteres Kaltverformen möglich. Bei aushärtbaren Legierungen lässt sich die Ausgangsfestigkeit durch erneutes Aushärten zurückgewinnen. 11.2.4.4 Verbindungsarbeiten Schweißen
Bezüglich der Schweißeignung gelten für Aluminium die gleichen Bedingungen wie bei Stahl. Es sind aber einige Punkte zu beachten: Trotz des niedrigeren Schmelzpunktes gegenüber Stahl benötigen Aluminiumwerkstoffe wegen der etwa drei- bis vierfach höheren Wärmeleitfähigkeit in etwa dieselbe Schmelzwärme wie der Stahl (unter Umständen vor dem Schweißen Vorwärmen). Durch den hoch liegenden Schmelzpunkt der auf der Aluminiumoberfläche fest haftenden Oxidhaut, die beim Aufschmelzen des Grundwerkstoffes festigkeitsmindernde, filmartige Einschlüsse bilden würde, muss beim Gasschweißen ein Flussmittel aufgetragen, beim Metall-Lichtbogenschweißen mit ummantelten Elektroden gearbeitet werden oder aber unter Schutzgas geschweißt werden, bei dem die Oxidhaut durch thermische Dissoziation beseitigt wird (Reinigungswirkung des elektrischen Lichtbogens). Schutzgasschweißverfahren haben das Gasund das Metall-Lichtbogenschweißen heute weitgehend verdrängt. Da die Warmfestigkeit der Aluminiumwerkstoffe gering ist, dürfen die vorgewärmten Teile zwischen Vorwärmen und Abkühlen nach dem Schweißen nicht bewegt werden. Bei Schweißarbeiten an ausgehärteten Legierungen ist der beträchtliche Festigkeitsabfall neben der Schweißnaht in der Wärmeeinflusszone zu beachten, der allerdings bei der kaltaushärtbaren AlZnMg-Legierung wieder rückgängig gemacht wird. Bei Aluminium und seinen Legierungen besteht Gefahr der Bildung von Heißrissen.
11.2 Aluminium
709
Kleben
Zum Kleben sind Schmelzkleber, Lösemittelkleber und Reaktionskleber anwendbar. Die metallisch saubere Klebefläche muss unmittelbar nach dieser Vorbehandlung verklebt werden, damit ein erneutes Oxidieren nicht möglich wird. Der Kleber wird durch Streichen, Spachteln, Spritzen, Walzen, Tauchen oder als Folie aufgebracht. Das Härten erfolgt mit oder ohne Druck bei Raumtemperatur oder Wärme. Reaktionskleber stehen auch als Zweikomponentenprodukte zur Verfügung. Sie werden erst kurz vor dem Anwenden vermischt. Klebverbundene Bauteile sollen möglichst so konstruiert sein, dass sie nur auf Schub und Druck beansprucht werden, Biegebeanspruchung ist zu vermeiden. Löten
Bei sehr geringer Materialdicke, zum Verbinden von Teilen unterschiedlicher Dicke, zum Verbinden von ausgehärteten Teilen, zum Verbinden von Aluminium mit anderen Metallen und dann, wenn ein Verziehen der Teile beim Schweißen zu befürchten ist, wird Löten vorgezogen. Sonst hat Schweißen Vorrang. Hartgelötet wird zwischen 450 und 600 °C. Die verwendeten Hartlote bestehen überwiegend aus Aluminium. Die Lötverbindungen sind von hoher Festigkeit und hoch korrosionsbeständig. Reinaluminium und niedriglegierte Werkstoffe sind gut, höherlegierte Werkstoffe nur bedingt hartlötbar. Es müssen Flussmittel verwendet werden. Nieten, Schrauben
Nieten ist eine zuverlässige Methode zum Verbinden mechanisch höher beanspruchter Bauteile. Nietverbindungen werden besonders bei hochfesten und ausgehärteten Legierungen verwendet, bei denen Löten und Schweißen durch die entstehenden hohen Temperaturen die Festigkeit mindern. Im Gegensatz zum Stahlniet, der warm eingeschlagen wird, nietet man Aluminium kalt. Beim Aluminiumniet wird die Kraft dadurch übertragen, dass der Niet die Bohrung voll ausfüllt und die Nietkraft durch Lochleibungsdruck und Scherkraft übertragen wird. Beim Stahlniet erfolgt die Kraftübertragung durch Klemmreibung. Für Schraubverbindungen werden Aluminiumlegierungen eingesetzt, die in ihren Festigkeitseigenschaften Stahlschrauben entsprechen. Auch die Verwendung von nichtrostenden Stahlschrauben ist möglich; in diesem Fall sind jedoch sichere Maßnahmen gegen Kontaktkorrosion zu treffen (siehe 12.3.1.4).
11.2.5 Oberflächenbehandlung Zur Verbesserung des Korrosionswiderstandes kann die natürliche Oxidschicht der Aluminiumwerkstoffe durch verschiedenste Verfahren künstlich verstärkt werden. Während durch chemische Oxidation die natürliche Schutzschicht auf 1 bis 2 μm verstärkt wird, ist durch elektrolytische anodische Oxidation (Eloxieren) ein Verstärken auf ein Vielfaches (bis 25 μm) möglich. Die anodische Oxidation führt zu Schichten, die gleichzeitig ein guter Haftgrund für organische Überzüge sind. Beim Anwenden spezieller Badlösungen werden Schichten mit besonders hoher Härte gebildet. Alle diese Schichten lassen sich mit Farbstoffen und Metallsalzlösungen einfärben; auch das Einlagern lichtempfindlicher Substanzen ist möglich. Beispiele sind Fensterrahmen, Wandpaneele und Teile für die Innenarchitektur in Bronze-, Messing-, Neusilber-, Gold- und Schwarztönen oder auch Modefarben, sowie Aluminiumbleche für die Schilderfabrikation.
710
11 Nichteisen-Metalle
Beim Beizen in sauren oder alkalischen Lösungen werden von der Aluminiumoberfläche Schmutz, Fett, Öl und vor allem das natürliche Oxid entfernt. Beizlösungen werden durch Tauchen, Fluten, Sprühen und Spritzen angewendet oder durch Aufstreichen, wenn die Beizlösung pastös eingedickt ist. Pasten haben auf der Baustelle Bedeutung, weil sie keine Anlagen benötigen und auch auf großflächigen Teilen genutzt werden können. Gebeiztes Aluminium ist weiß bis silberfarben; durch entsprechende Zusammensetzung der Beizlösung kann man die Oberfläche matt bis blank beizen. Bei Cu- und Si-haltigen Legierungen werden die Stücke schwarz gefärbt. Chromatiert wird in Lösungen aus CrO3 unter Zusatz von Säuren, phosphatiert durch Einsatz von Phosphorsalzlösungen unter Zusatz von Fluoriden. Die entstehenden hauchdünnen Chromat- oder Phosphatfilme sind gute Haftvermittler für organische Schichten und Anstriche. Chromatierte Oberflächen haben messinggelbe, bläuliche oder grünliche Eigenfärbungen, Phosphatschichten sind schwach grünlich, auf Cu-haltigen Legierungen bräunlich. Anstreichen und Lackieren ist ein für das Bauwesen wichtiges Beschichtungsverfahren. Da neben dem Schutz gegen Korrosion oft auch noch dekorative Effekte gewünscht werden, sind folgende Punkte zu beachten: Universalanstrichmittel für Aluminium gibt es nicht. Die Wahl richtet sich nach den gewünschten dekorativen und schützenden Aufgaben sowie nach dem Gebrauchszweck und der damit zu erwartenden Beanspruchung. Durch die dem Aluminium eigene glatte und dichte Oxidhaut ist eine Vorbehandlung (z. B. Beizen, Chromatieren, Phosphatieren oder ähnliches) und Grundierung notwendig. Grundierungen auf Zinkchromatbasis sind anwendbar, wirken schützend, haftvermittelnd und decken gut; als Deckanstriche sind alle kupfer- und bleifreien Produkte anwendbar.
11.3 Kupfer 11.3.1 Eigenschaften Kupfer sowie die Kupferlegierung Bronze wurden als die ersten metallischen Werkstoffe von den Menschen genutzt. Kupfer findet sich in der Natur in geringen Mengen in metallisch gediegener Form, hauptsächlich jedoch chemisch gebunden. Seine Gewinnung erfolgt hüttentechnisch und nassmetallurgisch hauptsächlich aus sulfidischen Erzen. Kupfer zählt zu den hochschmelzenden Schwermetallen und ist charakterisiert durch nur relativ geringe Festigkeit, eher weich, zäh, hohe Dehnung und Plastizität, gute Schmiedbarkeit, vielfach guten Korrosionswiderstand, gute Legierungsfähigkeit vor allem mit Sn, Zn und Ni, hohe elektrische Leitfähigkeit und hohe Wärmeleitfähigkeit. Die Festigkeit lässt sich in hohem Maße durch Kaltreckung steigern. Bereits mäßig erhöhte Temperaturen bewirken aber bei allen Kupfersorten rasch eine Verringerung der Festigkeit. Die ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit an feuchter Luft – auch gegenüber den normalerweise in Großstadt- und Industrieatmosphäre enthaltenen Schwefelverbindungen – ist auf die Patina-Bildung zurückzuführen. Die Patina ist eine witterungsbeständige, festhaftende, nicht giftige Schutzschicht aus komplexen Kupfersalzen, die sich auf Bauteilen aus Kupfer an
11.3 Kupfer
711
der Atmosphäre bildet. Ihre chemische Zusammensetzung ist auf Grund der verschiedenen atmosphärischen Bedingungen regional unterschiedlich. Sie ist als selbstheilend zu bezeichnen, da mechanisch bedingte Oberflächenbeschädigungen durch erneut einsetzende Patinabildung wieder abgedeckt werden. Der Farbton der Patina (er hängt von der Art des Kupfersalzes und den Verunreinigungen der Atmosphäre ab) geht von rotbraun über dunkelbraun bis zu anthrazitgrau oder in grünliche Färbungen. Letztere werden häufig fälschlicherweise als Grünspan angesprochen; Grünspan ist jedoch ein wasserlösliches Kupferacetat und zudem giftig. Von großem Einfluss auf die Bildungsgeschwindigkeit der Patina-Schutzschicht sind die Zusammensetzung der Atmosphäre und vor allem die verschiedenen Feuchtigkeitsphasen. So ergeben sich für die vollständige Ausbildung der Schutzschicht etwa folgende Zeiten: in Meeresluft ca. 4 bis 6 Jahre; in Großstadt- und Industrieatmosphäre ca. 5 bis 8 Jahre; in normaler Stadtatmosphäre ca. 8 bis 12 Jahre; in reiner Gebirgsluft ca. 30 Jahre. In der Anfangszeit der Patinabildung ist mit Abschwemmungen gelöster Oxidationsprodukte von Bauteilen aus Kupfer zu rechnen, so dass Verfärbungen auf benachbarten Baustoffen auftreten können. Dieser Eigenheit ist also durch eine entsprechende Gestaltung der Bauteile Rechnung zu tragen. Gegen die Einwirkung von gips-, kalk- und zementhaltigen Baustoffen, auch gegen Meerwasser, ist Kupfer resistent. Die wichtigsten technischen Kenngrößen für Kupfer sind in Tabelle 11.1 zusammengestellt.
11.3.2 Kupferwerkstoffe Die unlegierten Kupfersorten werden unterteilt in sauerstoffhaltige, sauerstofffreie nicht desoxidierte und sauerstofffreie desoxidierte Kupferwerkstoffe. Im Bauwesen werden vorzugsweise sauerstofffreie mit Phosphor desoxidierte Werkstoffe mit einem Cu-Gehalt > 99,9 M.-% eingesetzt. Hauptanwendungsgebiete im Bauwesen sind Wand- und Dachbekleidungen, Regenrinnen und sonstige Entwässerungselemente sowie Kupferrohre und -fittings für Installationen. Kupferwerkstoffe werden durch Kurzzeichen nach ISO 1190-1 oder Werkstoffnummern nach DIN EN 1412 sowie ggf. durch eine zusätzliche Zustandsbezeichnung nach DIN EN 1173 bezeichnet. Beispiel: Der im Bauwesen oft verwendete Kupferwerkstoff Cu-DHP (Deoxidized High Residual Phophorus, Bezeichnung nach ISO 1190-1) trägt nach DIN EN 1412 die Werkstoffnummer CW024A. Die frühere Bezeichnung dieses Werkstoffes lautete SF-Cu bzw. Werkstoffnummer 2.0090. Um eine eindeutige Zuordnung der unterschiedlichen Bezeichnungen zu gewährleisten, sind in der Vornorm DIN CEN/TS 13388 die europäischen Werkstoffbezeichnungen den früheren DIN-Bezeichnungen gegenübergestellt. Zur Charakterisierung bestimmter Eigenschaften dienen so genannte Zustandsbezeichnungen: so steht beispielsweise die Zustandsbezeichnung R240 für eine Mindestzugfestigkeit Rm ≥ 240 N/mm² oder H065 für eine Mindesthärte HV ≥ 65.
712
11 Nichteisen-Metalle
Bei den Kupferlegierungen unterscheidet man zwischen Gusslegierungen (z. B. für Fittings und andere Formstücke) und Knetlegierungen (für Rohre, Profile, Band, Draht usw.). KupferZink-Legierungen mit mindestens 50 M.-% Cu-Anteil werden als Messing, Kupfer-ZinnLegierungen als Bronze bezeichnet; im Zuge der europäischen Angleichung treten diese Begriffe jedoch immer mehr in den Hintergrund. Kupfer ist im Baugewerbe der ideale Rohrwerkstoff für Kalt- und Warmwasserinstallationen, für Gasanlagen und Fußbodenheizungen. Da Cu nicht in gleichem Maße zur Innenverkrustung neigt wie Stahl, können die Rohrdurchmesser geringer gewählt werden. Bei der Installation ist darauf zu achten, dass das Kupferrohr stets in Fließrichtung nach dem unedleren Rohrmaterial (Fe, Zn o. ä.) anzuordnen ist, da es sonst zu elektrochemischer Korrosion des unedleren Metalls kommt. Die im Bauwesen zum Eindecken von Dächern, zum Herstellen von Dachrinnen und Fallrohren, sowie für Innenverkleidungen von Wänden und als Fassadenpaneele verwendeten Bleche und Bänder sind in DIN EN 1172 genormt. Danach werden zwei Sorten unterschieden: Cu-DHP mit > 99,90 M.-% Cu (Werkstoff-Nr.: CW024A) und CuZn0,5 mit > 99,88 M.-% Cu (Werkstoff-Nr.: CW19C), letztere nur für Dachrinnen, Fallrohre und Zubehör. Die Festigkeit von Kupfer lässt sich durch geringe Legierungszusätze erheblich steigern; je nach Legierungszusatz sind Festigkeiten bis 750 N/mm2 und Härten bis zu 250 HB zu erzielen. Im Baugewerbe werden neben reinem Kupfer vor allem Kupfer-Zink-Legierungen sowie Kupfer-Nickel-Zink-Legierungen (früher „Neusilber“) verwendet. Kupfer-Legierungen mit dem Hauptlegierungselement Zn sind gekennzeichnet durch gute Gießbarkeit, gute Bearbeitbarkeit, Kalthärtbarkeit, gute Korrosionsbeständigkeit (verstärkt durch Zusatz von einigen M.-% Al, Ni, Sn, Mn, Fe oder Si); mit steigendem Zn-Gehalt nehmen Härte, Festigkeit, Aufhellung der Farbe zu, während Korrosionsbeständigkeit und elektrische Leitfähigkeit abnehmen. Legierungen mit > 50 M.-% Zn sind wegen zu großer Sprödigkeit technisch unbrauchbar. Kupfer-Zink-Legierungen werden im Bauwesen für Armaturen aller Art, Beleuchtungskörper, Fassadenprofile und -verkleidungen, als Zierbleche, Fensterbeschläge, -gitter und -griffe, Fittings für Installationen, Handläufe für Geländer, Armaturen und Beschlagteile verwendet. Kupfer-Nickel-Zink-Legierungen wählt man überwiegend für den Innenausbau: Vitrinen, Kleiderablagen, Treppengeländer, Wandverkleidungen und alles, was der Innenarchitektur „das gewisse Etwas“ verleiht. Die im Bauwesen weniger verwendeten Kupfer-Zinn-Legierungen sind gekennzeichnet durch Zugfestigkeiten bis 300 N/mm2, gute Korrosionsbeständigkeit, hohe Verschleißfestigkeit und gute Gleiteigenschaften; sie werden meist als Gusslegierungen verarbeitet und dienen zur Herstellung von Gas-, Wasser- und Dampfarmaturen und Ventilen, von Fittings, Türschildern usw.
11.3 Kupfer
713
11.3.3 Formgebung und Bearbeitung Reinkupfer und Kupferlegierungen können durch Gießen, spanlose, spanabhebende und verbindende Verfahren geformt und verformt sowie dekorativ und funktionell oberflächenbehandelt und beschichtet werden. Das Galvanoformen hat im Baubereich nur Bedeutung beim Herstellen von Reliefplatten, Nachbilden antiker Elemente sowie im Bereich der Innenausstattung. 11.3.3.1 Spanabhebende Formgebung
Durch Drehen, Hobeln, Bohren, Fräsen, Sägen, Reiben, Räumen und Schleifen sind Reinkupfer schlecht, Kupferlegierungen gut bis sehr gut verform- und bearbeitbar. Nicht legiertes Kupfer hat eine hohe Zähigkeit und große Dehnung. Diese Eigenschaften, verbunden mit der relativ niedrigen Festigkeit, führen zu einem schlechten Zerspanverhalten. Voraussetzung für gute, glatte Oberflächenqualitäten sind eine scharfe Werkzeugschneide, gute Spanabfuhr und ausreichendes Schmieren und Kühlen mit Schneidflüssigkeit (schwefelfrei, da sonst Verfärbungen auftreten, die zu Korrosion führen). Als Werkzeuge werden Schnellstahl und Hartmetall sowie mit Hartmetall beschichtete Werkzeugstoffe verwendet, für besonders hohe Ansprüche auch Diamantwerkzeuge. Kupfer-Zink-Legierungen sind gut, Kupfer-Nickel-Zink-Legierungen nur mäßig spanabhebend zu bearbeiten. Sie sollten deshalb nur im mehr oder weniger kaltverfestigten Zustand bearbeitet werden. 11.3.3.2 Spanlose Formgebung Warmverformung
Kupfer hat eine hohe Plastizität und kann in einem weiten Temperaturbereich gewalzt, gepresst und geschmiedet werden. Vorzugsweise werden diese Arbeiten zwischen 800 und 900 °C und nicht über 1000 °C durchgeführt. Beim Verarbeiten > 1000 °C kann das Material durch Oxidation der Korngrenzen verbrennen, außerdem entstehen zu hohe Metallverluste durch Zunder. Kupfer-Zink-Legierungen zeigen das beste Umformverhältnis bei Gehalten von 70 M.-% Cu. Unter 63 M.-% Cu nimmt die Umformbarkeit rasch ab. CuZn-Legierungen mit 56 M.-% Cu sind bei > 600 °C jedoch ausgezeichnet umformbar. CuNiZn-Legierungen zeigen ein sehr unterschiedliches Warmformverhalten. Die -Legierungen sind begrenzt warmverformbar; sie werden überwiegend stranggepresst. (+)-Legierungen lassen sich sehr gut warmumformen; die Warmformgebungstemperatur liegt zwischen 600 und 950 °C. Kaltverformung
Kupfer ist sehr duktil. Deshalb kann es sehr gut durch Walzen, Ziehen, Prägen, Stauchen, Pressen und Drücken kalt umgeformt werden. Da Kupfer nur begrenzt spanabhebend bearbeitet werden kann, spielt die Kaltumformung durch Biegen, Formstanzen und Tiefziehen eine besondere Rolle. Durch Umformen bei Raumtemperatur (die Rekristallisationsschwelle liegt bei ca. +220 °C) kann die Festigkeit durch Kaltverformung bis auf 600 N/mm2 gestei-
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11 Nichteisen-Metalle
gert werden. Auch die Härte steigt an, während die Dehnung abnimmt. Obwohl der Umformbereich beim Kupfer meist größer als bei anderen Metallen ist, empfiehlt sich bei starken Querschnittsabnahmen das Zwischenglühen. Die beste Umformbarkeit zeigt eine Kupfer-Zink-Legierung mit 70 M.-% Cu. Durch Kaltumformung werden einige Eigenschaften des Werkstoffes beeinflusst: die Abmessungen werden genauer, die Oberflächengüte besser und vor allem nehmen die Festigkeitswerte erheblich zu. Für die CuNiZn-Legierungen gilt in etwa das Gleiche. Die bleifreien Legierungen lassen sich besonders gut drücken. Für die gesamte Werkstoffgruppe sind die gleichen Werkzeugarten einzusetzen. 11.3.3.3 Wärmebehandlung
Das Weichglühen des durch Kaltumformung verfestigten Kupfers, der CuZn- und der CuNiZn-Legierungen erfolgt innerhalb eines breiten Temperaturbereiches. Die Mindesttemperatur wird durch den Grad der Umformung und durch etwa vorhandene Begleitelemente bestimmt. Die Glühzeit spielt eine wesentliche Rolle. Kupfer großer Reinheit geht bereits bei < 100 °C und langer Glühdauer in den weichen Zustand über. Kleine Verunreinigungen setzen die Rekristallisationsschwelle erheblich herauf, übliche Glühtemperaturen liegen daher zwischen 400 und 500 °C. Wird eine blanke Oberfläche gewünscht, dann erfolgt das Glühen in nicht oxidierender Atmosphäre. Art und Geschwindigkeit des Abkühlens sind beim Kupfer von untergeordneter Bedeutung. Das Abschrecken in Wasser nach dem oxidierenden Glühen ist praktisch, weil dadurch Schmutz und Zunder beseitigt und anschließendes Beizen und Reinigen erleichtert bis überflüssig werden. Außerdem kühlt der Werkstoff schnell ab, oxidiert nicht durch Luftsauerstoff und kann ohne Zeitverlust weiterverarbeitet werden. Für CuZn-Legierungen liegt die Weichglühtemperatur bei 450 bis 600 °C. Zwischen 300 und 450 °C kann auf gezielte Härte geglüht werden. Zwecks Vermeidung von Spannungsrisskorrosion muss man den Werkstoff entspannen; dies erfolgt zwischen 250 und 300 °C. Für CuNiZn-Legierungen liegt der Temperaturbereich für rekristallisierende Zwischen- und Fertigglühbehandlungen zwischen 580 und 650 °C. Bei bleihaltigen Legierungen liegen die Glühtemperaturen zwischen 580 und 600 °C. Die erforderliche Weichglühtemperatur steigt mit dem Nickelgehalt der Legierung. Spannungsarm geglüht wird während 1 Stunde bei 250 bis 300 °C. 11.3.3.4 Verbindungsarbeiten Schweißen
Schweißverfahren der üblichen Art sind bei Kupfer und seinen Legierungen zwar anwendbar, die gute Wärmeleitfähigkeit erschwert aber das Schweißen. Bei den CuZn-Legierungen ist ein Überhitzen zu vermeiden, weil sonst durch Ausdampfen von Zink Porenbildung im Werkstoff eintritt. CuNiZn-Legierungen lassen sich wegen ihrer geringen elektrischen Leitfähigkeit besonders gut Widerstandspunktschweißen. Bei sauerstoffhaltigem Kupfer besteht bei Einwirkung von Wasserstoff aus Schweißgasen die Gefahr der „Wasserstoffkrankheit“: eindiffundierender, atomarer Wasserstoff setzt sich im Metallinneren mit dem Sauerstoff unter
11.3 Kupfer
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Bildung von Wasserdampf um, wodurch beträchtliche Drücke (bis zu 1000 bar) entstehen können. Das Kupfer verliert dadurch seine Festigkeit und Zähigkeit, es wird spröde und unbrauchbar. Da die Wasserstoffkrankheit nicht rückgängig gemacht werden kann, sind damit befallene Bauteile zu verwerfen. Für das Gasschmelzschweißen sind daher nur sauerstofffreie Kupferqualitäten geeignet. Löten
Zum Weichlöten von Kupfer kommen Zinn-Blei-Lote mit 50 bis 60 M.-% Sn in Frage. Für Lötungen an Trinkwasserleitungen und insgesamt Versorgungsanlagen des tierischen und menschlichen Bereichs müssen bleifreie Lotmetalle verwendet werden. Das Weichlöten der CuZn-Legierungen erfolgt mit antimonarmen Loten, das Weichlöten der CuNiZnLegierungen mit Blei-Zinn-Loten. Beide Legierungsgruppen erfordern beim Löten Flussmitteleinsatz. Zum Hartlöten von Kupfer werden Kupfer-Zink-Lote verwendet. Größere Bedeutung haben silberhaltige Hartlote bekommen. Sie erlauben das Arbeiten mit niedrigerer Temperatur, mindern die Gefahr der Grobkornbildung und gestatten höhere Lötgeschwindigkeiten. Weit verbreitet ist das flussmittelfreie Hartlöten von Kupfer mit phosphorhaltigen Loten. Für autogene Lötverfahren sind sauerstofffreie Kupfersorten vorzusehen („Wasserstoffkrankheit“, siehe oben). Durch Hartlöten können die durch Kaltumformung erzielten höheren Festigkeitswerte verlorengehen. Cadmium enthaltende Lote werden für den Lebensmittel- und Trinkwasserbereich durch silberhaltige Lote ersetzt. CuZn-Legierungen werden mit silberhaltigen Loten hartgelötet, ebenso CuNiZn-Legierungen. Als Flussmittel sind die üblichen Cu- und CuZnSchweißpulver geeignet. Kleben
Kleben wird für Kupfer als wärmearmes Fügeverfahren angewendet. Klebschichten haben eine hohe Isolierwirkung. Auch die gängigen CuZn- und CuNiZn-Legierungen lassen sich durch Klebtechnik verbinden. Nieten, Schrauben
Nieten ist für Kupfer, die CuZn- und die CuNiZn-Legierungen ein zuverlässiges Verbindungsverfahren. In der Regel werden die Niete kalt geschlagen (Hammernietung) oder gequetscht (Quetsch- oder Pressnietung). Schrauben ist dann als Verbindungsverfahren vorzusehen, wenn die Verbindung wieder lösbar sein soll. Schraubenwerkstoffe sind Kupfer, die niedriglegierten Werkstoffe CuTeP, CuSP und CuNi2Si sowie CuZn-Legierungen. Falzen Insbesondere bei großflächiger Verlegung von Kupferblechen bei Dachdeckungen wird wegen der großen Wärmedehnung die Falztechnik eingesetzt.
11.3.4 Oberflächenbehandlung Die Oberflächenbehandlung des Kupfers, der CuZn- und der CuNiZn-Legierungen dient dem Ziel, die Oberfläche zu säubern, metallisch rein zu machen, ihr eine andere Farbe zu verlei-
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11 Nichteisen-Metalle
hen, sie funktionell zu verändern. Für das Baugewerbe sind die folgenden Möglichkeiten von Bedeutung. Das Beizen erfolgt in kalter, mit Wasser verdünnter Schwefelsäure (Mischungsverhältnis 1 :10 bis 1 :20). Durch Erhöhen der Badtemperatur auf 30 bis 40 °C wird ein rascherer Beizangriff erzielt. Schwefelsäure löst nur die Oberflächenoxide ab, greift das Metall jedoch nicht an. Werden eine stärkere Abtragung und Glanz gewünscht, dann wird der Schwefelsäure Salpetersäure oder Kaliumdichromat in geringen Mengen zugegeben. Nach jedem Beizen wird gründlich mit Wasser gespült. Will man bei Fertigteilen noch reinere als durch Beizen erreichbare Oberflächen mit metallisch blankem Aussehen erzielen, dann wendet man das Brennen an. Für das Glanzbrennen werden Lösungen aus einem Gemisch von Salpetersäure, Schwefelsäure und etwas Glanzruß und Kochsalz verwendet. Mit Ammoniumpersulfat kann Kupfer ebenfalls glänzend gebeizt werden, desgleichen CuZn-Legierungen. Diese Bäder sind in ihrer Anwendung handlicher, weil sie keine schädlichen Dämpfe freigeben. Die Badkonzentration beträgt etwa 85 bis 125 g Ammoniumpersulfat pro Liter, die Betriebstemperatur liegt bei 18 bis 35 °C. Die Wasserstoffperoxid enthaltenden Beizen und Brennen für Kupfer und Kupferlegierungen entwickeln keine Stickoxide. Daher lösen sie immer mehr die Salpetersäure enthaltenden Lösungen ab. Polieren wird oft irrtümlich als ein spanabhebendes Bearbeiten definiert. Diese Endbehandlung erfolgt auf Polierscheiben oder Polierwalzen mit festen oder flüssigen Poliermitteln. Man kann jede Bauform, auch großflächige Konstruktionen wie Fassadenpaneele und Türbekleidungen auf Hochglanz polieren. Auf der Baustelle setzt man über flexible Wellen angetriebene Polierscheiben ein. Die Poliermittel werden dann dem zu polierenden Werkstoff angepasst. Metallüberzüge übernehmen dekorative und schützende Aufgaben. Im Baugewerbe ist das Vernickeln, Verchromen und Überziehen mit Edelmetallen von Teilen des Sanitärbereiches üblich. Mit Brauchwasser in Kontakt kommende Leitungen, Boiler und Armaturen werden verzinnt. Färbungen sind zum Teil Nachahmungen von dekorativen Korrosionserscheinungen und zum Teil Effekte, die dem neuen Bauteil das Aussehen eines antiken Altteiles verleihen. Kupfer und die Kupferwerkstoffe lassen sich chemisch in einer breiten Palette von Tönungen färben; Braun, Schwarz und Grün sind die häufigsten Farbgebungen. Obwohl das Erreichen und Einhalten eines bestimmten Farbeffektes Geschick und Erfahrung fordert, ist das Färben großer Montagen auf der Baustelle mit einfachen Mitteln möglich. Auch Reparaturfärben ist auf der Baustelle durchführbar. Wenn ein Auftraggeber für ein mit Kupfer neueingedecktes Dach gleich eine ansprechende Grünpatina verlangt, dann wird die Fläche mit einer Lösung besprüht, die für eine gleichmäßige Patinabildung in kurzer Zeit sorgt. Es werden aber auch patinierte Kupferbleche angeboten, so dass das Dach sofort „patiniert“ ist. Deckende Lackierungen werden für Kupfer und seine Legierungen so gut wie gar nicht verwendet, denn diese edlen Werkstoffe sollen mit ihren Eigenfärbungen zur Geltung kommen. Dagegen sind farblose Lackschichten dort angebracht, wo eine Verfärbungskorrosion verhindert werden soll. Hauptforderung an farblose Lacke ist, dass sie nicht vergilben und eine wasserklare Schicht bieten. Die Lackhaftung auf dem Werkstoff kann nur gut sein, wenn die Werkstoffoberfläche fett-, schmutz- und oxidfrei ist.
11.4 Zink
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11.4 Zink 11.4.1 Eigenschaften Zink ist eines der wichtigsten NE-Metalle; es wird vor allem aus den Erzen Zinkspat und Zinkblende gewonnen. Die Herstellung erfolgt auf trockenem Wege (Röstverfahren); dabei entsteht so genanntes Hüttenzink, das noch kleinere Mengen Eisen, Arsen, Cadmium und Blei enthält. Hüttenzink wird durch Umschmelzen und Destillation gereinigt und zu Feinzink (mind. 99,99 % Zn) verarbeitet. Bei einer anderen Methode wird das Erz zunächst geröstet, danach mit Schwefelsäure behandelt und elektrolytisch gereinigt. Elektrolytzink ist reiner als Feinzink (mind. 99,999 % Zn). Das für Verzinkungen und Zinkfarben verwendete so genannte Umschmelzzink wird aus Zinkabfällen gewonnen und enthält mindestens 96 M.-% Zn. Nahezu die Hälfte des jährlichen Zinkverbrauchs wird für Verzinkungen eingesetzt, ca. 30 % des Verbrauchs entfallen auf die Blechproduktion, davon der größere Teil im Baugewerbe. Die umfangreiche Anwendung von Zinkblech und -band im Bauwesen beruht auf der Fähigkeit des Zinks und der Zinklegierungen, an der Atmosphäre durch Bildung von Hydroxiden und basischen Carbonaten eine dichte und festhaftende Schutzschicht zu bilden. Ein Vergleich mit Stahl zeigt, dass Zink um ein Vielfaches korrosionsbeständiger ist. Das gleiche Verhalten zeigen auch Zinküberzüge auf anderen Werkstoffen. Allerdings ist mit der Deckschichtbildung kein völliger Reaktionsabschluss verbunden. Ein langsamer Deckschichtabbau und Nachbildung aus dem Grundmetall führen zu dessen Abzehrung. Dadurch heilt aber die Schutzschicht nach einer mechanischen Beschädigung auch selbsttätig wieder aus. Im pH-Wertbereich von 7 bis 12,5 kann das Zink auf Grund entstehender stabiler Schutzschichten praktisch als beständig gelten. Sowohl stärker saure als auch basische Lösungen greifen Zink an; Calciumhydroxid greift jedoch wenig an, so dass die Verwendung von verzinktem Bewehrungsstahl im Stahlbetonbau möglich ist. In destilliertem Wasser löst sich Zink mit einer Abtragung von ca. 2 g/(m2·d) auf. Häufig werden auftretende Korrosionserscheinungen unter Blechabdeckungen festgestellt. Dort angesammeltes Schwitzwasser kann wegen der ungenügenden Belüftung keine schützende Deckschicht bilden. Ein Mangel an Kohlensäure verstärkt den Angriff. Zinkblech als Dachabdeckung über frischem Beton und Kalkmörtel wird kurzfristig zerstört, wenn Kohlensäure nicht hinzutreten kann. Von Dächern ablaufendes Regenwasser, das organische Stoffe (Auslaugungen aus Bitumenpappen oder -bahnen, Humussäuren, Holzimprägnierungen usw.) enthält, wirkt auf Zink zum Teil ebenfalls korrodierend (Zerstörung an den Auftropfstellen in Zinkdachrinnen). In trockenen Innenräumen verändert sich Zink nicht oder nur sehr langsam. Küchenluft, die oft Verbrennungsgase aus Feuerungsanlagen mitführt, sowie die durch Kochvorgänge entstehende Luftfeuchtigkeit führen zu Korrosion. Wasser hat in Abhängigkeit von seiner chemischen Zusammensetzung einen mehr oder weniger negativen Einfluss auf Zink. Gegenüber normalem Leitungswasser ist Zink beständig, weil Leitungswasser von Natur aus die Schutzschicht bildenden Verbindungen enthält. Ein Mangel an Kohlensäure verstärkt jedoch den Angriff; Warmwasser führt daher zu narbigem Korrosionsangriff im Temperaturbereich zwischen 70 und 85 °C. Grundsätzlich nimmt die Beständigkeit des Zinks in Wasser
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11 Nichteisen-Metalle
mit abnehmender Härte ab. Normales Trinkwasser greift Zink weniger an als Talsperren-, Küsten- und Gipswasser. Reinzink wird von Wasserdampf wenig, legiertes Zink stark angegriffen. Im Seewasser bilden sich zunächst schützende Filme, die aber von den im Seewasser enthaltenen Chloridionen durchdrungen werden und schließlich zu partieller Korrosion führen. Gegen Seewasser kann Zink z. B. durch Chromatieren, Phosphatieren oder Lackieren geschützt werden. In den Tropen bildet sich durch starke Temperaturunterschiede im Tag-Nacht-Zyklus Schwitzwasser. Dieses ist in seiner Aggressivität dem destillierten Wasser gleichzusetzen; es korrodiert Zink stark. Daher sind Schutzmaßnahmen erforderlich.
11.4.2 Zinkerzeugnisse Die Zinksorten werden in Primärzink nach DIN EN 1179 und Sekundärzink nach DIN EN 13283 unterteilt (siehe Tabelle 11.4). Sekundärzink wird überwiegend durch Recycling von gebrauchten Zinkwerkstoffen bzw. Schrott hergestellt und hauptsächlich für das Feuerverzinken und die Herstellung von Kupfer-Zink-Legierungen verwendet. Tabelle 11.4 Zinksorten aus Primär- und Sekundärzink Sortenklassifizierung
Nominaler Zinkgehalt in M.-%
Primärzink
Z1
99,995
DIN EN 1179
Z2
99,99
Z3
99,95
Z4
99,5
Sekundärzink
Erläuterungen Wird durch Destillation oder durch chemische oder elektrolytische Reduktion aus Erz oder einem anderen zinkhaltigen Material gewonnen
Z5
98,5
ZSA
98,5
Überwiegend aus zinkhaltigen Prozessrückständen, z. B. Zinkasche, erzeugte Sorte
ZS1
98,0
ZS2
97,5
Überwiegend durch das Recyceln von Schrott und gebrauchten Zinkprodukten erzeugte Sorten
DIN EN 13283
Das Baugewerbe benötigt Zink seit mehr als hundert Jahren für Dacheindeckungen, Dachrinnen, Fallrohre und Abdeckungen von Gesimsen. Seit Anfang der 60er Jahre wurde das früher übliche, paketgewalzte Zinkblech weitestgehend durch bandgewalztes Titanzink verdrängt. Durch fortschrittliche Fertigungsverfahren und Verwenden hochwertiger Ausgangsstoffe hat es zahlreiche gute Eigenschaften, durch die seine Anwendungsgebiete zunehmen. Titanzink wird aus elektrolytisch gewonnenem Feinzink Z1 hergestellt und enthält als Legierungsbestandteile Titan (0,06 bis 0,2 M.-%), Kupfer (0,08 bis 1,0 M.-%) und andere. Gewalzte Flacherzeugnisse aus Titanzink zur Verwendung im Bauwesen als Band, Blech oder Streifen sind in der DIN EN 988 genormt. Im Vergleich zu reinem Zink weist Titanzink folgende
11.4 Zink
719
wichtige Merkmale auf: verbesserte Dauerstandfestigkeit, geringe Wärmedehnung, gleichmäßiger feinkörniger Gefügeaufbau, sehr gute Verarbeitbarkeit unabhängig von der Walzrichtung, geminderte Kaltsprödigkeit, erhöhte Rekristallisationsgrenze, d. h. Grobkornbildung erst bei Temperaturen > 300 °C, was bei Lötarbeiten entscheidend ist. Titanzink steht außerdem zur Verfügung für fertige Bauelemente, Fensterzargen, Solarkollektoreindeckrahmen und in zahlreichen vorbereiteten Teilen, die auf der Baustelle lediglich zusammengefügt werden müssen. Ein großer Teil des Z4 und Z5 (sog. Hüttenzink) wird als Überzugsmetall für den Korrosionsschutz, insbesondere von Stahl, eingesetzt. Trotz merklicher Abtragungsrate der Zinkdeckschichten können die Bauteile langzeitig vor Korrosion geschützt werden. Maßgebend für die Lebensdauer ist die Dicke der aufgebrachten Zinkschicht sowie die Klimaeinflüsse; für eine 80 μm dicke Zinkschicht beträgt sie z. B. bei Landluft ca. 24 – 80 Jahre; normaler Stadtluft ca. 13 – 80 Jahre; Seeluft ca. 5 – 33 Jahre; Industrieluft ca. 4 – 21 Jahre. Der Abtrag der Zinkschicht wird stark vom SO2-Gehalt der Luft beeinflusst. Das Aufbringen der Zinkschichten kann nach unterschiedlichsten Verfahren erfolgen: Tauchen im Schmelzfluss, so genannte Feuerverzinkung; elektrolytische Verzinkung; Spritzverzinkung; Diffusionsverzinkung, so genanntes Sherardisieren. Die Schutzdauer der Zinkschicht ist je nach Verzinkungsart sehr verschieden; dies ist in erster Linie auf die unterschiedlichen Schichtdicken des Zinküberzugs zurückzuführen (siehe Abschnitt 16.5.9). Das Verzinkungsverfahren an sich wirkt sich auf die Wirksamkeit des Korrosionsschutzes nicht aus. Auch das Aussehen des Zinküberzuges – blumig glänzend oder mattgrau – spielt für die Qualität des Korrosionsschutzes praktisch keine Rolle. In Industrieatmosphäre scheinen sich graue Überzüge allerdings geringfügig besser als glänzende zu verhalten.
11.4.3 Formgebung und Bearbeitung Die Formgebung von Zink erfolgt entweder durch Walzen (Blech, Band) oder durch Pressen (Profile, Stabmaterial, Rohre, Draht). Die Halbzeuge sind spanabhebend und spanlos verformbar. 11.4.3.1 Spanabhebende Formgebung
Spanabhebende Bearbeitungsverfahren sind nur bei Zinkdruckguss üblich. Da das Baugewerbe Druckgussteile – wie z. B. Armaturen und Sanitärbedarf – einbaufertig geliefert bekommt, werden die spanabhebenden Verfahren nicht näher besprochen.
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11 Nichteisen-Metalle
11.4.3.2 Spanlose Formgebung
Die spanlose Formgebung von Zinkhalbzeug weist gegenüber gleichen Bearbeitungen an anderen Metallen einige Unterschiede auf. Diese sind durch den atomaren Aufbau des Zinks bedingt. Wegen seiner hexagonalen Struktur ist es für die plastische Formgebung nicht besonders gut geeignet (Zink ist bei Raumtemperatur spröde), doch kommt dieser Mangel durch die niedrige Rekristallisationstemperatur (50 bis 80 °C, je nach Reinheitsgrad) für viele Verformungsarbeiten nicht zur Geltung; bei 100 bis 150 °C ist Zink weich. Bei der Umformung massiver Werkstücke erwärmt sich Zink leicht bis auf Temperaturen oberhalb der Rekristallisationstemperatur. Das ermöglicht außerordentlich hohe Umformungsgrade. Beim Kaltwalzen bleiben Zugfestigkeit und Härte konstant, auch nimmt die Bruchdehnung nicht ab. Kaltverfestigung tritt wegen der niedrig liegenden Rekristallisationstemperatur nicht ein. Das Warmwalzen erfolgt bei 90 bis 160 °C; dadurch werden die mechanischen Eigenschaften auffallend verbessert (oberhalb 200 °C versprödet Zink). Die Biegefähigkeit von Zinkblech und -band hängt von der Walzrichtung ab. Rissfreie Biegungen sind mit senkrecht zur Walzrichtung liegenden Biegekanten möglich. Bei Blechtafeln liegt immer die lange Seite in Walzrichtung. Wegen der besseren Biegefähigkeit senkrecht zur Walzrichtung wird deshalb, z. B. beim Fertigen von Dachrinnen, die 1-m-Länge bevorzugt. Wenn die Biegekanten einen ausreichend großen Radius aufweisen – z. B. R ≥ zwei- bis dreifache Blechdicke bei Blech und Band bis etwa 2 mm – dann lassen sich Biegen, Abkanten und ähnliche Verformungen einwandfrei auch in der 2-m-Länge eines Normalbleches durchführen. Scharfkantige Biegungen sind an Blech mit < 0,5 mm Dicke ohne Rücksicht auf die Walzrichtung möglich. Bei Temperaturen unter +10 °C wird die Verformbarkeit schlechter; daher sollten an Frosttagen auf Baustellen möglichst keine verformenden Arbeiten durchgeführt werden. Sind sie dringend notwendig, dann werden die zu verformenden Bleche mit streichender Flamme auf Handtemperatur vorgewärmt. Die Biegefähigkeit des Zinks ist von der Reinheit des Materials mit abhängig. Titanzink ist unabhängig von der Walzrichtung allen Bauformen anzupassen. Umformarbeiten am kalten Metall bei Temperaturen unter +5 °C erfordern ein Vorwärmen. 11.4.3.3 Wärmebehandlung
Wärmebehandlung wird nur bei Druckgussteilen erforderlich und hat daher für den Bausektor keine Bedeutung. 11.4.3.4 Verbindungsarbeiten
Halbzeug aus Zink und Zinklegierungen kann durch Schrauben, Nieten, Falzen, Schweißen, Löten und Kleben miteinander und mit anderen Werkstoffen verbunden werden. Schweißen
Außer dem Lichtbogenschweißen sind alle Schweißverfahren anwendbar. Schweißen hat jedoch an Bedeutung verloren, weil die Weichlöttechnik so weit fortgeschritten ist, dass Schweißen keine technischen Vorteile mehr bietet. Probleme kann ggf. die niedrige Siedetemperatur von 906 °C bringen (Verdampfung von Zn).
11.4 Zink
721
Löten
Löten von reinem Zink und -legierungen ist für das Baugewerbe das wichtigste Verfahren. Zink und Titanzinklegierungen werden nur mit den für CuZn-Legierungen üblichen Loten weichgelötet, weil damit optimale Spaltfüllung, gutes Benetzen und hohe Festigkeit erreicht werden. Kleben
Kleben hat noch immer nicht die technische Bedeutung erlangt wie beim Aluminium. Klebverbindungen sind möglich, wenn die verwendeten Kleber bei niedrigen Temperaturen und mit geringem Druck aushärten. Das Aufkleben von Fensterbänken, Mauerabdeckungen, Wandanschlüssen und ähnlichen Bauteilen aus Titanzink hat sich jedoch inzwischen bewährt. Als Kleber wird eine weich-plastische Masse auf Bitumenbasis verwendet, die Gehalte an rasch verdunstenden Lösemitteln, Haftharzen, Haftvermittlern, UV-Absorbern, Antioxidantien und Füllstoffen enthält. Nieten, Schrauben
Beim Verschrauben und Vernieten von Zink werden Schrauben und Niete aus Aluminium oder verzinktem Stahl verwendet. Falzen
Wegen der hohen Wärmeausdehnung (die größte aller Metalle) ist bei großflächigen Elementen die gefalzte Verlegung vorzuziehen. Falzen wird am besten quer zur Walzrichtung durchgeführt, und zwar bei 80 bis 100 °C.
11.4.4 Oberflächenbehandlung Gebürstet wird mit Fiberbürsten, nicht mit Stahl oder Metall, weil diese Kontaktkorrosion verursachen. Politur erhält man mit Tuchscheiben und Polierpaste. Dabei ist zu beachten, dass die Oberflächentemperatur des Zinks nicht zu hoch ansteigt; es entstehen leicht Anschmelzzonen mit nicht wieder zu beseitigenden Flecken. Zum Reinigen sind organische Lösemittel, Emulgatoren und schwach basische Lösungen anzuwenden. Metallüberzüge werden bevorzugt galvanisch aufgebracht. Sie haben im Bauwesen jedoch nur für Beschläge und Sanitärteile Bedeutung, die fertig angeliefert werden. Nichtmetallische Überzüge sind im Bauwesen die wichtigsten schützenden Schichten. Durch Chromatieren und Phosphatieren wird ein dünner Film erhalten; letzteres ist in Deutschland mehr verbreitet. Obwohl beide Filmtypen unterschiedlich aufgebaut sind, erfüllen sie gleiche Schutzaufgaben. Beide Beschichtungen können im Tauch-, Spritz- oder Streichverfahren hergestellt werden. Obwohl die recht dünnen Schichten für sich allein schon einen guten Schutz gegen Korrosion bieten, werden sie doch überwiegend als Haft- und Verankerungsgrund für nachfolgende organische Beschichtungen aus Lack und Kunststoff aufgebracht. Kombinationen aus Phosphatschicht und Chromatfilm sind üblich, weil sie einen noch besseren Schutz als die einschichtigen Ausführungen bieten. Schichtfolgen aus Phosphatierung + Chromatierung + Lack/Kunststoff bieten das Optimum der Schutzwirkung.
722
11 Nichteisen-Metalle
Anstriche werden als System mit Grundier- und Deckanstrich aufgebracht. Die Grundierungen enthalten Chromate oder/und Phosphate, die beim Berühren mit der Zinkoberfläche einen Film erzeugen mit ähnlichen Schutzeigenschaften wie beim Chromatieren oder Phosphatieren. Soll ein Anstrich ohne Haftgrundierung aufgebracht werden, empfiehlt sich zur Verbesserung der Haftfähigkeit eine vorausgehende ein- bis zweijährige Verwitterung der Zinkoberfläche. Bei geringer Beanspruchung wendet man lufttrocknende Lacke an. Größer ist das Gebiet der ofentrocknenden Lacksorten, obwohl hohe Temperaturen nachteilige Folgen für das Zink haben sollen. Während die deutsche Fachliteratur Temperaturen von nicht mehr als 120 °C nennt, liest man in ausländischen Berichten, dass auch Temperaturen > 120 °C zulässig sind. Neben den üblichen Lackauftragverfahren können auch elektrostatische und elektrophoretische Verfahren sowie das Pulverbeschichten angewendet werden. Beim Beschichten mit Pulverlack muss die Aufschmelztemperatur dem wärmeempfindlichen Werkstoff Zink angepasst werden. Bei flachen Bauteilen erfolgt das Beschichten mit Flüssiglack durch Tauchen oder Aufwalzen. Gleiche Gesichtspunkte sind auch beim Beschichten feuerverzinkter Teile zu beachten (Duplex-Systeme). Der Oberflächenschutz eines durch Anstrich auf feuerverzinktem Stahl geschützten Bauteils währt weitaus länger (Faktor 1,5 bis 2,5) als die bloße Summe der Schutzsystem-Lebensdauern der einzelnen Komponenten jeweils für sich (so genannter synergetischer Effekt). Durch die Beschichtung mit zinkpigmentierten Anstrichen lassen sich partielle Unterbrechungen in der Zinkschicht reparieren oder gealterte Zinkschichten erneut aktivieren.
11.5 Blei 11.5.1 Eigenschaften Das wichtigste Erz zur Gewinnung des Schwermetalls Blei ist der Bleiglanz [PbS], aus dem das Metall durch Reduktion gewonnen wird. Es hat eine bläulich-weiße Eigenfärbung und überzieht sich an der Luft rasch mit einem dünnen, mattblauen bis grauen Bleioxidfilm, der sehr fest haftet und das Metall gegen weitere Oxidation schützt. Blei ist weich und geschmeidig und lässt sich ausgezeichnet durch Walzen, Ziehen, Pressen verformen. Wegen der bei ca. 0 °C liegenden Rekristallisationsschwelle ist eine Verformung bei Raumtemperatur also eine so genannte „Warmverformung“; eine Verfestigung tritt nicht ein. Infolge der Anregung zur Rekristallisation tritt bereits bei geringer Verformung Grobkornbildung auf. Dies begünstigt das Entstehen von Dauerbrüchen an Kabelmänteln, Rohren und Bleiauskleidungen in Behältern. Bei gleichzeitigem Korrosionsangriff durch Fremdstrom (z. B. Kabel parallel zu elektrischen Bahnen = galvanische Korrosion) können Bleibewehrungen überraschend schnell brechen. Durch Legieren lässt sich die Festigkeit von Blei erhöhen, jedoch leider nicht soweit, dass Blei für festigkeitsbeanspruchte Bauteile interessant würde. Zum Verbessern der Festigkeit enthalten fast alle Bleilegierungen Antimon; wird nur Antimon zulegiert, spricht man von Hartblei.
723
11.5 Blei
Für das Baugewerbe ist ganz besonders die Korrosionsbeständigkeit des Bleis unter atmosphärischen Bedingungen wichtig, die diesem Baustoff in seinen vielfältigen Halbzeugformen weitgehende Anwendungsgebiete erschlossen hat. Die ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit beruht auf der raschen Bildung von Oberflächenfilmen, die − je nach dem Umgebungsmedium − unterschiedliche chemische Zusammensetzung haben. Wegen seines schützenden Oxidfilms ist Blei an der Atmosphäre sehr beständig. Die Korrosionsbeständigkeit wird durch Legierungselemente beeinflusst; Kupfer- oder Tellurzusätze von wenigen Zehntel M.-% verbessern die Korrosionsbeständigkeit. Nur wenigen Stoffen gegenüber verhält sich Blei nicht so günstig. Von Trinkwasser wird Blei zwar angegriffen, bildet aber mit den darin enthaltenden Härtebildern Ca(HCO3)2 und CaSO4 schwerlösliche Bleicarbonate und -sulfate, die nach kurzer Zeit als festhaftende Schicht das Blei gegen weiteren Angriff des Wassers schützen. Wenn das Wasser jedoch weich ist (insbesondere bei c (Ca2++ Mg2+) < 1,4 mmol/l) und einen besonders hohen Gehalt an Sauerstoff und Kohlendioxid hat, wird das Blei unter Bildung leichtlöslicher sehr giftiger Bleisalze angegriffen. Da heutzutage die Tendenz dahin geht, vorwiegend weiche Wässer als Trink- und Brauchwasser einzuspeisen, ist die Installation von Bleirohrleitungen in Neuanlagen nicht mehr erlaubt. Basisch reagierende Wässer greifen Blei an. Der Kontakt von Blei mit frischem Beton oder Kalkmörtel führt deshalb zur Korrosion des Metalls. Um dies zu vermeiden, muss man Bleibauteile vor der Einwirkung von feuchtem Beton und Kalkmörtel schützen, z. B. durch Ölpapier, bitumenhaltigen Anstrich, Asphalt oder durch Einschlämmen in Gips (Gips bildet auf der Metalloberfläche eine Schicht aus festhaftendem, praktisch unlöslichem Bleisulfat).
11.5.2 Bleierzeugnisse Nach DIN EN 12659 unterscheidet man die in Tabelle 11.5 genannten Bleisorten. Anforderungen für Bleilegierungen zur Herstellung von Halbzeug und Gussstücken sind in DIN 17640-1 festgelegt, u. a. an die im Bauwesen häufig eingesetzte Legierung Pb99,94Cu (2.3035). Gewalzte Bleche aus Blei zur allgemeinen Verwendung werden in DIN 59610, gewalzte Bleche speziell für das Bauwesen in DIN EN 12588 behandelt. Tabelle 11.5 Bleisorten nach DIN EN 12659
*)
Werkstoffnummer*)
Bleigehalt (Nennwert) in M.-%
PB990R
99,990
PB985R
99,985
PB970R
99,970
PB940R
99,940
R = Reinblei
Bleierzeugnisse werden üblicherweise in Dicken zwischen 0,1 und 10 mm hergestellt. Dicken bis 0,4 mm bezeichnet man als Folien, Dicken ab 0,5 mm als Bleche. Bleibleche für das
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11 Nichteisen-Metalle
Bauwesen nach DIN EN 12588 (hier wird nur der Werkstoff PB810M behandelt) werden in Dicken bis 6 mm, in Breiten zwischen 100 und 2500 mm sowie in Längen bis 12 m (in gewickelter Form) geliefert. Dicken unter 1,25 mm sollten nicht verwendet werden. Zur Kennzeichnung der Produktdicke ist eine Farbkennzeichnung auf dem Etikett oder dem Produkt anzubringen. Bleche aus Blei werden im Bauwesen als Schutz im Dach- und Wandbereich (Dacheindeckungen, Fassadenbekleidungen, Einfassen von Schornsteinen und Dachhauben, Auslegen von Dachkehlen, Brüstungen, Gesimsen und Fensterbänken), als Feuchtigkeitsisolierung sowie im Schallschutz und im Strahlenschutz (Kerntechnik, Nuklearmedizin) angewendet. Zur Absperrung gegen Feuchtigkeit wie auch als Dampfsperre können bitumenkaschierte und glasfaserverstärkte Bleifolien (0,1 bis 0,3 mm Dicke) eingesetzt werden; sie werden mit passierender Flamme verschweißt. Bleiwolle wird zur Befestigung von Bleiblechanschlüssen in Mauerwerksfugen verwendet; ihr Vorteil gegenüber Mörtel ist ihre Plastizität und die bessere Anpassung an Materialbewegungen. Im Strahlenschutz findet Bleiwolle Anwendung zum Abdichten von Rohrdurchführungen oder zur Strahlenabschirmung an schwer zugänglichen Stellen. Für Trinkwasserrohre wird Blei seit den 1970er Jahren nicht mehr eingesetzt. In älteren Häusern kann das Trinkwasser – sofern noch Bleirohre eingebaut sind – erhöhte gesundheitsschädliche Bleigehalte aufweisen.
11.5.3 Formgebung und Bearbeiten Blei ist weich – auch die Hartbleisorten –, daher kann es auf der Baustelle leicht geschnitten, gebogen und gefalzt werden. Fügeverfahren sind Falzen, Kleben und überwiegend Hartlöten. Beim Verstemmen von Muffendichtungen wird die Bleiwolle in mehreren Lagen auf die Hanfdichtung gestemmt; sobald der Klang beim Verstemmen metallisch wird, ist die Dichtung in Ordnung.
11.6 Magnesium 11.6.1 Eigenschaften Magnesium ist das leichteste für Konstruktionszwecke einzusetzende Metall; es weist mittlere Festigkeitseigenschaften auf. Reines Magnesium wird wegen seiner chemischen und mechanischen Unbeständigkeit kaum verwendet, als Konstruktionswerkstoff wird Magnesium fast nur legiert (mit Al, Mn, Zn, Ce, und anderen) verwendet. Sein chemisches Verhalten ähnelt dem des Aluminiums. Es kommt – wie Aluminium – nur in Form von Verbindungen in der Natur vor. Magnesium ist ein silberweiß glänzendes Metall, das sich an der Luft aber sofort mit einem grauweißen Oxidfilm überzieht, der – anders als beim Aluminium – nur eine geringfügige Schutzwirkung aufweist. In aggressiver Atmosphäre, z. B. Seeluft, sind Magnesium und seine
11.6 Magnesium
725
Legierungen nicht beständig. Die hohe chemische Reaktionsfähigkeit und seine große Affinität zum Sauerstoff machen Korrosionsschutzmaßnahmen sowie bei der Verarbeitung besondere Schutzmaßnahmen gegen Selbstentzündung erforderlich. Gegen Alkalien sind Magnesiumwerkstoffe jedoch beständig. Der niedrige E-Modul des Magnesiums ist zwar günstig bei Stoß- und Schlagbeanspruchung, muss aber besonders bei Knickbeanspruchung durch ein größeres Trägheitsmoment konstruktiv berücksichtigt werden. Zu konzentrierte Kräfteeinleitungen müssen bei Magnesiumwerkstoffen vermieden werden. Kombinierte Montagebauweise Stahl/Magnesium erfordert die Berücksichtigung der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Wegen der hohen Kerbempfindlichkeit (geringe Kerbzähigkeit) müssen scharfe Kerben und zu plötzliche Übergänge verschieden großer Werkstoffquerschnitte, insbesondere an hochbeanspruchten Werkstückteilen, vermieden werden, z. B. durch sorgfältiges Ausrunden. Magnesium ist infolge seines negativen Potenzials noch unedler als Aluminium und daher besonders korrosionsgefährdet. Die Verbindung von Magnesium-Legierungen mit anderen Metallen erfordert – um Kontaktkorrosion zu verhindern – eine sorgfältige Isolierung, zumal das Magnesium keine wirksame Schutzschicht zu bilden vermag.
11.6.2 Magnesiumerzeugnisse Magnesium-Knetlegierungen werden in DIN 1729-1 behandelt, Blockmetalle und Gussstücke aus Magnesiumlegierungen in DIN EN 1753. Werden an ein Bauteil nicht zu hohe mechanische Anforderungen gestellt, dann wird man für Konstruktionen bevorzugt Gussteile einsetzen, weil man sie spanabhebend gut bearbeiten kann. Magnesiumlegierungen sind nicht so gut gießbar wie Aluminiumlegierungen; ihr Formfüllungsvermögen ist geringer, und sie neigen mehr zur Bildung von Lunkern, die ein einwandfreies Verschweißen erschweren, oft sogar unterbinden. Abgesehen von einigen Sonderfällen haben Gussstücke im Bauwesen aber keine Bedeutung. Bauprofile werden aus Knetlegierungen gefertigt und stehen in allen im Baugewerbe erforderlichen Querschnittsformen, außerdem als Blech, Band und Rohr sowie als Draht zur Verfügung. Durch die Vielzahl der Pressprofile ist der Bauingenieur in der Lage, Gewicht sparende Konstruktionen zu planen. Magnesium und -legierungen finden im Bauwesen wegen ihres geringen Gewichts vor allem im Leichtbau Verwendung; ferner zur Herstellung von Heizkörperverkleidungen, Bau-, Möbelbeschlägen und ähnlichem.
11.6.3 Formgebung und Bearbeitung Magnesiumwerkstoffe können durch Gieß-, spanlose, spanabhebende und verbindende Verfahren geformt und verformt sowie oberflächenbehandelt und beschichtet werden. Wegen der großen chemischen Reaktionsfähigkeit von Magnesium sind bei der Bearbeitung ganz besondere Schutzmaßnahmen gegen Selbstentzündung beim Schmelzen und Gießen sowie bei der Zerspanung erforderlich.
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11 Nichteisen-Metalle
11.6.3.1 Spanabhebende Formgebung
Magnesiumwerkstoffe sind mit allen üblichen Werkzeugsorten spanabhebend sehr gut zu bearbeiten. Hierbei müssen Späne und Schleifstaub ständig vom Arbeitsplatz entfernt werden, weil wegen der Reaktionsfreudigkeit des Magnesiums mit Luftsauerstoff Brandgefahr besteht. Falls Brände entstehen (z. B. durch Verwenden stumpfer Werkzeuge), sollen diese durch Abdecken mit Abdecksalzen, mit Gusseisenspänen oder trockenem Sand, jedoch niemals mit Wasser gelöscht werden. Bei einem Magnesiumgehalt von mehr als 30 mg je Liter Luft besteht Explosionsgefahr. 11.6.3.2 Spanlose Formgebung
Die Umformbarkeit von Magnesium sowie der Knetlegierungen ohne Anwärmen ist gering (Gefahr der Rissbildung, häufiges Zwischenglühen erforderlich), dagegen bereitet das Umformen oberhalb 200 °C keine Schwierigkeiten. Stranggepresste Halbzeuge sind die im Baugewerbe bevorzugt verwendeten Magnesiumteile. 11.6.3.3 Verbindungsarbeiten Schweißen
Magnesiumlegierungen sind nicht so gut schweißbar wie Stahl oder Aluminium. Die große Affinität zu Sauerstoff und Stickstoff erfordert den Einsatz besonderer Flussmittel, die aber nach dem Schweißen wieder sorgfältig entfernt werden müssen. Warmrissbildung ist darauf zurückzuführen, dass die auftretenden Schweißspannungen größer sein können als die relativ geringe Warmfestigkeit des Magnesiumteils. Magnesiumwerkstoffe haben gegenüber Stahl eine wesentlich höhere spezifische Wärme und latente Schmelzwärme sowie eine erheblich größere Wärmeleitfähigkeit, die eine erhöhte Wärmezufuhr dann notwendig machen, wenn geschweißt werden soll. Ein gutes und gleichmäßiges Vorwärmen ist vor dem Schweißen notwendig. Zur Anwendung kommen vorwiegend elektrische Schutzgas-Schweißverfahren.
11.6.4 Oberflächenbehandlung Die erhebliche Korrosionsanfälligkeit des Magnesiums und seiner Legierungen lässt sich durch Oberflächenbehandlungen weitgehend beheben. Je nach ihrem Verwendungszweck werden Magnesiumkonstruktionen dekorativ und/oder funktionell behandelt. Beizen
Beizverfahren basieren überwiegend auf Chromatlösungen. Die Legierungen überziehen sich dabei mit einer festhaftenden, bronzeähnlich aussehenden oxidischen Schutzschicht, die für normale Beanspruchungen ausreichenden Korrosionsschutz sicherstellt. Die korrosionshemmende Wirkung kann erhöht werden, wenn die Behandlung des Magnesiumwerkstoffes in den Lösungen elektrolytisch erfolgt. Diese Technik wird vor allem im Ausland bevorzugt, wo man auf dem Gebiet der Magnesiumanwendung als Bauwerkstoff mehr Interesse zeigt und auch über größere Praxiserfahrungen verfügt als in Deutschland.
11.7 Zinn
727
Weitere ähnliche Verfahren erzeugen graue, grauschwarze bis tiefschwarze Schichten, deren korrosionshemmende Wirkung von der Magnesiumlegierung abhängt. Färbende Beizverfahren werden auch eingesetzt, wenn Bauteilen ein dekoratives Aussehen gegeben werden soll. Solche Behandlungen erzeugen braune, schwarze und andersfarbige Tönungen, ohne jedoch immer gleichzeitig besondere korrosionshemmende Eigenschaften anzubieten. Das Weißbeizen wird eingesetzt, wenn Fertigteile eine gleichmäßig hell aussehende Oberfläche erhalten sollen. Anodisieren
Analog zum Anodisierverfahren für Aluminium besteht auch für Magnesiumwerkstoffe die Möglichkeit, auf elektrolytischem Wege oxidische Deckschichten zu erzeugen. Von ihnen kann jedoch keinesfalls die gleiche Schutzwirkung erwartet werden, wie man sie vom Aluminium und den Eloxalverfahren her kennt. Die anodisch auf Magnesium erzeugte Oxidschicht (ELOMAG®, SEOMAG®) ist poröser. Durch diese ungünstige Porosität der Oxidfilme auf Magnesium haben angreifende Mittel leichter als beim Aluminium die Möglichkeit eines Vordringens zum Basiswerkstoff. Ein Versiegeln der Oxidschichten auf Magnesium ist also dann von besonders ausschlaggebender Bedeutung, wenn an einen ausreichenden Schutz gegen Korrosion gedacht wird. Außerdem haben die Oxidschichten auf Magnesium nicht die hohe Härte wie jene auf Aluminium, so dass auch die Abriebfestigkeit des Magnesiums nicht wesentlich verbessert wird. Als Vorbehandlung vor dem Beschichten mit Lack oder Kunststoff kommt den anodisch formierten Oxidschichten große Bedeutung zu, denn sie sind ein ausgezeichneter Haft- und Verankerungsgrund für den Beschichtungsstoff. Fluoridschichten werden auf Magnesiumwerkstoffen durch elektrolytische Behandlung in nahezu gesättigtem Ammoniumfluorid erhalten. Lackieren
Wenn Magnesiumoberflächen entfettet und mit einem Chromatfilm oder anodisch formierten Oxidfilm bedeckt sind, dann können ohne Weiteres beliebige Beschichtungsstoffe mit allen üblichen Techniken aufgetragen werden. Mennige und Bleiweiß dürfen als Grundierung jedoch nicht mit Magnesium in Berührung kommen. Titanweiß und Zinkchromat sind üblich. Als Deckanstrich eignen sich alle gängigen Lacksorten.
11.7 Zinn 11.7.1 Eigenschaften Zinn kommt in der Natur nur in Form von Verbindungen vor; das wichtigste Zinnerz ist der Zinnstein [SnO2], aus dem das Metall durch reduzierendes Schmelzen gewonnen wird. Zinn ist ein silberweißes, an der Luft auch bei längerer Lagerung glänzend bleibendes Metall. Die Zugfestigkeit kann durch Zulegieren von Blei und Kupfer erhöht werden. Sie nimmt bei zunehmender Nutzungstemperatur ab und beträgt bei z. B. 180 °C nur noch 20 % des Ausgangswertes.
728
11 Nichteisen-Metalle
Zinn hat eine unter Raumtemperatur liegende Rekristallisationstemperatur, so dass das weiche und geschmeidige Metall im kalten Zustand gut gehämmert, gepresst, gezogen und gewalzt werden kann. Während der Verformung tritt bereits Rekristallisation ein, so dass die Kaltverfestigung ausbleibt. Diese Tatsache erklärt auch die außerordentlich hohe Bruchdehnung des Werkstoffes. Warmformgebung ist nicht üblich, weil der Werkstoff bereits bei 200 °C brüchig und spröde wird und schließlich zerfällt. Eine unbedingt zu beachtende Empfindlichkeit besteht gegen Kälte, insbesondere bei längerer Unterkühlung. Unterhalb +13,2 °C wandelt sich Zinn von der tetragonalen in die kubische Struktur um, deren Dichte kleiner ist. Dadurch kommt es zu einem pulverförmigen Zerfall des Metalls („Zinnpest“). Durch Zulegieren von Sb und/oder Bi wird diese Kälteempfindlichkeit gemindert bis aufgehoben. Da Zinn nur wenig unedler als Wasserstoff ist, hat es bei Raumtemperatur eine sehr gute Beständigkeit gegen Luft, Wasser und auch gegen schwache Säuren und Basen. Da es außerdem ungiftig ist, eignet es sich sehr gut für den Korrosionsschutz von Geräten und Behältern für die Lebensmittelindustrie.
11.7.2 Zinnerzeugnisse Wegen seiner Beständigkeit gegen weiches und säurehaltiges Wasser wird Zinn als Rohrwerkstoff für Leitungen verwendet. Als Blech dient es zum Auskleiden von Behältern (~ 50 % der Zinnerzeugung werden zum Verzinnen von Blech (Weißblech) verbraucht), als Folie zu Isolierzwecken und in Form von Lotmetall (siehe dort) zum Löten.
11.8 Lotmetalle Zum Herstellen von Lötverbindungen werden Lote bzw. Lotmetalle verwendet. Ihre Zusammensetzung richtet sich nach der Lötaufgabe. Lötverbindungen werden durch Erwärmen der Lötstelle auf eine Temperatur gebracht, bei der das verbindende Metall – das Lot(metall) – schmilzt, die zu verbindenden Werkstoffe jedoch im ursprünglichen starren Zustand bleiben. Nachdem das Lotmetall ebenfalls fest geworden ist, besteht eine innige Verbindung zwischen Basis- und Lotmetall. Die Kräfte der Lötverbindung werden durch die Kapillarwirkung feinster Zerklüftungen in der Werkstückoberfläche und auch durch molekulare Anziehungskräfte erklärt. An der Grenzfläche Basismetall/Lotmetall tritt Legierungsbildung ein. Diese wirkt festigkeitsfördernd auf die Lötverbindung. Die durch Löten zu verbindenden Flächen und das Lotmetall selbst müssen metallisch rein sein, um die genannten Erscheinungen und Kräfte wirksam werden zu lassen. Zum Entfernen von Oxidschichten und zum Vermeiden der Neuoxidation werden Flussmittel angewendet. Lote mit Erweichungstemperaturen unter 450 °C werden als Weichlote, über 450 °C als Hartlote bezeichnet.
11.8.1 Weichlote Lötzinn ist das wichtigste Weichlot. Es besteht aus Zinn und Blei. Die Anteile dieser beiden Legierungskomponenten bestimmen den Schmelzpunkt (siehe Bild 11-1).
11.8 Lotmetalle
729
Bild 11-1 Schmelzpunkte von Blei-Zinn-Legierungen
Lötzinn wird für Lötverbindungen mit z. B. Weißblech, CuZn-Legierungen, Zink, Blei, verzinktem und verbleitem Blech eingesetzt. Für das Löten von Teilen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, ist Lötzinn mit 90 M.-% Zinn notwendig. Lötzinn mit Gehalten von 40 bis 50 M.-% Zinn verläuft beim Erwärmen besonders leicht und gleichmäßig. Für Eisenwerkstoffe und Schwermetalle gibt es neben Zinnloten Zinklote mit bis zu 98 M.-% Zinkanteil, Bleilote mit bis zu 98,5 M.-% Bleianteil und Silber-Blei-Lote mit 97 M.-% Blei plus Silber, Calcium und Cadmium als Legierungselemente. Diese Lotmetalle werden auch Wischlot genannt. Weichlote werden in Draht-, Stangen-, Blättchen-, Folien-, Band- und Sonderformen geliefert. Sie enthalten auf Wunsch einen Flussmittelkern.
11.8.2 Hartlote Hartlote, die als silberfreier Werkstoff auch Schlaglote genannt werden, sind Kupferlegierungen, die z. B. bei der Zusammensetzung mit 42 bis 54 M.-% Kupfer einen Schmelzpunkt zwischen 700 und 900 °C haben. Durch Zulegieren von Nickel kann dieses Schmelzintervall wesentlich erhöht werden, außerdem zeigen nickelhaltige Hartlötverbindungen höhere Festigkeiten und Warmfestigkeiten als nickelfreie. Hartlote werden beim Löten von Stahl, CuZnLegierungen, CuSn-Legierungen und CuNiZn-Legierungen sowie weiteren Kupferwerkstoffen verwendet. Ihre Eigenschaften sollen weitgehend den zu verlötenden Werkstoffen angepasst werden. Es hat z. B. keinen Wert, eine besonders harte Lötverbindung an weichen Werkstoffen oder eine besonders weiche an harten Werkstoffen erzielen zu wollen.
11.8.3 Silberlote Diese dienen dem Verlöten von Kupfer, CuSn-Legierungen und CuZn-Legierungen mit > 58 M.-% Kupfer. Durch den Silberanteil erzielt man einen niedrigen Schmelzpunkt und vermeidet dadurch ein Verspröden der Lötverbindung. Silberlote sind mit Silbergehalten bis 50 M.-% handelsüblich. Bevorzugte Lieferformen sind Streifen und Körner bzw. Granulat.
730
11 Nichteisen-Metalle
11.8.4 Sonderlote Im Baugewerbe sind auch an Aluminiumkonstruktionen Lötverbindungen möglich. Die Aluminiumlote bestehen aus Aluminium, Zink, Zinn, Cadmium und Phosphor. Sie führen zu einer besonders korrosionsbeständigen Lötverbindung. Schnelllote sind Weichlote mit extrem niedrigen Schmelzpunkten von 60 bis 145 °C. Sie enthalten Cadmium und Wismut. Ein Beispiel für diese Lote ist das Woods’sche Metall mit 12,5 M.-% Zinn, 25 M.-% Blei, 12,5 M.-% Cadmium, 50 M.-% Wismut und einem Schmelzpunkt um 60 °C.
11.8.5 Lötverfahren Allen Lötverfahren gemeinsam ist die Notwendigkeit, die Verbindungsstellen entweder mit einem Lötkolben, auf elektrischem Wege durch Widerstand oder Induktion, im offenen Feuer einer Gasflamme oder in einem Ofen vorzuwärmen. 11.8.5.1 Weichlöten
Da eine Lötverbindung gut haften und halten soll, müssen die zu verbindenden Oberflächen metallisch rein sein. Oxidschichten werden vor dem Löten mechanisch oder chemisch entfernt. Damit durch die beim Löten entstehende Hitze eine erneute Oxidbildung nicht erfolgen kann, wird mit Löthilfsmitteln, z. B. Lötwasser, gearbeitet. Lötzinn in Form von Hohldraht enthält als Kern ein gebrauchsfertiges Lötwasser, das pastös angemengt wurde und während des Lötvorgangs in einem dem Lötprozess genau angepassten und dosierten Mengenverhältnis mit dem Lotmetall auf die zu lötende Stelle fließt. Zum Weichlöten benutzt man Kupferkolben. Die klassische Form ist der Kolben mit dachförmiger Schrägung. Für Sonderaufgaben wird die Kolbenform dem zu lötenden Objekt angepasst. Das Erwärmen erfolgt durch Einlegen in ein Holzkohlefeuer, Einhängen in eine Gasflamme, elektrisches Beheizen oder durch direkte Wärmezufuhr mit gasgespeister Flamme in einer Vorrichtung, die aus Lötkolben und Heizquelle kombiniert ist. Die Arbeitsbahn des Lötkolbens muss sauber (= metallisch blank) sein. Beim Anwenden von Lötlampen wird die Lötstelle direkt durch die Flamme, also nicht durch einen Überträger wie beim Lötkolben, erwärmt. Unter gleichzeitigem Anwenden von Druckluft ist es möglich, das abgeschmolzene Lotmetall vor der Flamme herzutreiben. Dies ermöglicht ein rasches, sauberes und vor allem gleichmäßiges Arbeiten. Größere Flächen, z. B. Verbindungen von Rohrleitungen, werden durch Tauchen der Lötstelle in flüssiges Lotmetall behandelt. Diese Arbeitsweise ist besonders wirtschaftlich. 11.8.5.2 Hartlöten
Beim Hartlöten verwendet man Schweißpulver in Form von feinstem Glas- oder Quarzmehl bzw. Borax, das die Lötstelle mit einem Glasfluss, der Metalloxide löst, überzieht. Beim Hartlöten auf der Baustelle arbeitet man mit Geräten, die den Ausrüstungen beim Schweißen sehr ähnlich sind. Für das Baugewerbe hat das Induktionslöten Bedeutung für solche Teile erlangt, die durch ihre große Abmessung nicht vollständig vorgewärmt werden können oder dürfen, oder die sich beim vollständigen Erwärmen verziehen. Durch Anlegen von Wechselstrom mit hoher Frequenz erwärmen sich die Bauteile, falls erforderlich auch partiell gelenkt und begrenzt. Leichtmetalle werden bei 450 bis 600 °C gelötet. Wegen des niedrigen Schmelzpunktes von Aluminium muss das Erwärmen äußerst vorsichtig erfolgen.
731
11.9 Literatur
11.9 Literatur 11.9.1 Regelwerke Norm
Ausgabe
Titel
DIN 1729-1
1982-08
Magnesiumlegierungen; Knetlegierungen
DIN 9715
1982-08
Halbzeug aus Magnesium-Knetlegierungen; Eigenschaften
DIN 17007-4
1963-07
Werkstoffnummern; Systematik der Hauptgruppen 2 und 3: Nichteisenmetalle
DIN 17640-1
2004-02
Bleilegierungen für allgemeine Verwendung
DIN 18360
2010-04
VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV); Metallbauarbeiten
DIN 59610
2004-02
Blei und Bleilegierungen - Gewalzte Bleche aus Blei zur allgemeinen Verwendung
DIN CEN/TS 13388
2008-08
Kupfer und Kupferlegierungen - Übersicht über Zusammensetzungen und Produkte (Vornorm)
DIN EN 485-1
2010-02
Aluminium und Aluminiumlegierungen - Bänder, Bleche und Platten - Teil 1: Technische Lieferbedingungen
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2009-01
Aluminium und Aluminiumlegierungen - Bänder, Bleche und Platten - Teil 2: Mechanische Eigenschaften
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Aluminium und Aluminiumlegierungen - Bänder, Bleche und Platten - Teil 2: Mechanische Eigenschaften; Vergleich der Werkstoffzustands-Bezeichnungen – Beiblatt 1
DIN EN 485-3
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Aluminium und Aluminiumlegierungen - Bänder, Bleche und Platten - Teil 3: Grenzabmaße und Formtoleranzen für warmgewalzte Erzeugnisse
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Aluminium und Aluminiumlegierungen; Bänder, Bleche und Platten; Teil 4: Grenzabmaße und Formtoleranzen für kaltgewalzte Erzeugnisse
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Aluminium und Aluminiumlegierungen; Bezeichnungen der Werkstoffzustände
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1994-12
Aluminium und Aluminiumlegierungen - Chemische Zusammensetzung und Form von Halbzeug - Teil 2: Bezeichnungssystem mit chemischen Symbolen
Halbzeug;
732
11 Nichteisen-Metalle
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2009-08
Aluminium und Aluminiumlegierungen - Chemische Zusammensetzung und Form von Halbzeug - Teil 3: Chemische Zusammensetzung und Erzeugnisformen
DIN EN 573-5
2007-11
Aluminium und Aluminiumlegierungen - Chemische Zusammensetzung und Form von Halbzeug - Teil 5: Bezeichnung von genormten Kneterzeugnissen
DIN EN 610
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Zinn und Zinnlegierungen - Zinn in Masseln
DIN EN 988
1996-08
Zink und Zinklegierungen - Anforderungen an gewalzte Flacherzeugnisse für das Bauwesen
DIN EN 1172
1996-10
Kupfer- und Kupferlegierungen - Bleche und Bänder für das Bauwesen
DIN EN 1173
2008-08
Kupfer und Kupferlegierungen - Zustandsbezeichnungen
DIN EN 1179
2003-09
Zink und Zinklegierungen - Primärzink
DIN EN 1412
1995-12
Kupfer und Kupferlegierungen - Europäisches Werkstoffnummernsystem
DIN EN 1753
1997-08
Magnesium und Magnesiumlegierungen - Blockmetalle und Gußstücke aus Magnesiumlegierungen
DIN EN 12588
2007-03
Blei und Bleilegierungen - Gewalzte Bleche aus Blei für das Bauwesen
DIN EN 12659
1999-11
Blei und Bleilegierungen - Blei
DIN EN 13283
2003-01
Zink und Zinklegierungen - Sekundärzink
11.9.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [11.1] [11.2] [11.3] [11.4] [11.5] [11.6] [11.7] [11.8] [11.9]
Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Band 3: Stahl – Aluminium, 2. Auflage. Wiesbaden: Bauverlag, 1985 Bargel, H.-J.; Schulze, G. (Hrsg.): Werkstoffkunde, 10. Auflage. Berlin: Springer, 2008 Weißbach, W.: Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung, 16. Auflage. Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2007 Hornbogen, E.: Werkstoffe, 7. Auflage Berlin: Springer, 2002 Kammer, C.: Aluminium-Taschenbuch, Band 1: Grundlagen und Werkstoffe, 16. Auflage. Düsseldorf: Aluminium-Verlag, 2009 Deutsches Kupfer-Institut (Hrsg.): Kupfer, 2. Auflage. Düsseldorf: DKI, 1982 Deutsches Kupfer-Institut (Hrsg.): Kupfer und Kupferlegierungen im Bauwesen. Loseblatt-Sammlung. Düsseldorf: DKI Johnen, H. J.: Zink-Taschenbuch, 2. Auflage Heidelberg: Metall-Verlag, 1981 Zinkberatung e.V. (Hrsg.): Zink im Bauwesen. Düsseldorf: Zinkberatung, 1971
733
11.9 Literatur
[11.10] [11.11]
Zinkberatung e.V. (Hrsg.): Titanzink im Bauwesen. Düsseldorf: Zinkberatung, 2002/2003 Blomensaht, F.: Titanzink im Bauwesen, 2. Auflage. Stuttgart: Fraunhofer-Gesellschaft, 1991
11.9.3 Internet-Adressen www.wvmetalle.de
WirtschaftsVereinigung Metalle e.V.
www.initiative-zink.de
WirtschaftsVereinigung Metalle e.V. InitiativeZink
www.feuerverzinken.com Institut Feuerverzinken GmbH www.kupferinstitut.de
Deutsches Kupferinstitut e.V.
www.saturnblei.de
Güteschutz Bleihalbzeug
www.aluinfo.de
Gesamtverband der Aluminiumindustrie e.V.
12 Korrosion der Metalle
12.1 Einführung Nach DIN EN ISO 8044 versteht man unter dem Begriff Korrosion die „physikochemische Wechselwirkung zwischen einem Metall und seiner Umgebung, die zu einer Veränderung der Eigenschaften des Metalls führt und die zu erheblichen Beeinträchtigungen der Funktion des Metalles, der Umgebung oder des technischen Systems, von dem diese einen Teil bilden, führen kann“. Der Umfang der Korrosionsschäden ist in den letzten Jahren in einem solchen Maße gestiegen, dass der dadurch entstandene volkswirtschaftliche Schaden beträchtlich ist. In vielen Fällen wurde bereits bei der Planung der Keim für erste Schäden durch die Wahl ungeeigneter und unverträglicher Werkstoffe sowie durch eine fehlerhafte konstruktive Durchbildung gelegt. Die zunehmende Bedeutung der Korrosion und des Korrosionsschutzes bringt es mit sich, dass den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Korrosion und der Korrosionsschutzsysteme mehr Beachtung geschenkt werden muss. Alle technisch verwendeten Metalle sind unter den auf der Erde herrschenden Bedingungen thermodynamisch gesehen instabil, d. h. sie sind bestrebt, stabilere chemische Verbindungen mit anderen Elementen einzugehen. In den meisten Fällen ist diese Reaktion elektrochemischer Natur, in einigen Fällen kann sie jedoch auch chemischer (nichtelektrochemischer) oder metallphysikalischer Natur sein.
12.2 Elektrochemische Grundlagen der Korrosion Die Korrosionsvorgänge, die im Bauwesen an Stahlbauteilen auftreten, sind nahezu ausschließlich elektrochemischer Natur, d. h. sie werden durch den Kontakt eines Elektrolyten (elektrisch leitende Flüssigkeit, z. B. Wasser oder Salzlösung) mit der Stahloberfläche verursacht. Im Folgenden werden die äußerst komplexen Zusammenhänge bewusst knapp und vereinfacht abgehandelt; die Korrosionsmechanismen werden nur soweit dargestellt, dass der Bauingenieur über die für die Planung von Korrosionsschutzmaßnahmen erforderlichen Grundkenntnisse verfügt. Für die ausführliche Darstellung der wissenschaftlichen elektrochemischen Grundlagen wird auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen. Bei der elektrochemischen Korrosion bilden sich elektrochemische Elemente aus, die aus positiven Bereichen (Anoden) und negativen Bereichen (Kathoden) bestehen. Dabei laufen in beiden Bereichen gleichzeitig anodische und kathodische Teilprozesse ab.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_12, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
736
12 Korrosion der Metalle
12.2.1 Anodische Teilreaktion Als anodische Reaktion ist vor allem die Metallauflösung von Bedeutung: Me → Me+ + e−
(12.1)
Dieser Korrosionsvorgang ist sehr stark abhängig von der Stellung des Metalls in der elektrochemischen Spannungsreihe; je unedler das Metall ist, umso gefährdeter ist es im Allgemeinen durch die anodische Auflösungsreaktion.
12.2.2 Kathodische Teilreaktion An der Kathode kann es zu einer Reduktion von im Elektrolyten gelöstem Sauerstoff oder aber zur Wasserstoffabscheidung kommen. Die Bruttoreaktion der Sauerstoffreduktion in saurer Lösung lautet: O 2 + 4 H3O + + 4e − → 6 H 2 O
(12.2)
während in neutraler oder basischer Lösung folgende Reaktion abläuft: O 2 + 2 H 2O + 4e− → 4OH −
(12.3)
Eine Korrosionsart, die durch den Sauerstoff bewirkt wird oder an der Sauerstoff zumindest maßgeblich beteiligt ist, bezeichnet man deshalb als eine elektrochemische Korrosion vom Sauerstofftyp. Durch Absenkung des Sauerstoffgehaltes lässt sich die Korrosionsrate senken. So sollte z. B. eine häufige Frischwasserzugabe bei Zentralheizungen (z. B. wegen Undichtigkeiten) vermieden werden, um eine hohe Sauerstoffkonzentration zu unterbinden.
Bild 12-1 Elektrochemischer Korrosionsvorgang
12.3 Korrosionsarten und ihre Bedeutung im Bauwesen
737
Die kathodische Wasserstoffabscheidung verläuft nach folgender Reaktion: 2 H3O + + 2e− → H 2 + 2 H 2O
(12.4)
2 H 2O + 2e − → H 2 + 2OH −
(12.5)
oder
Die Wasserzersetzung braucht bei der Korrosion des Eisens praktisch nicht berücksichtigt zu werden. Sie ist jedoch für die Beurteilung der Korrosion des Aluminiums und Zinks, die im Allgemeinen in negativeren Potenzialbereichen ablaufen (siehe Spannungsreihe), von Wichtigkeit.
12.2.3 Korrosionsvorgang – Gesamtreaktion Befindet sich ein Metall in einer wässrigen Elektrolytlösung, so laufen in jedem Flächenelement alle genannten Reaktionen gleichzeitig und unabhängig voneinander ab und überlagern sich dabei. Als anodische Reaktion tritt in allen Fällen nur die Metallauflösung auf. Wie weit die einzelnen kathodischen Reaktionen an dem Korrosionsvorgang teilhaben, hängt einerseits von dem Potenzial des Metalls, andererseits von dem pH-Wert des Elektrolyten ab. Für Eisen ist – abgesehen vom stark sauren Bereich – im Allgemeinen die Geschwindigkeit der Sauerstoffreduktion für den Ablauf der Korrosion maßgebend.
12.3 Korrosionsarten und ihre Bedeutung im Bauwesen 12.3.1 Korrosionsarten ohne mechanische Beanspruchung 12.3.1.1 Gleichmäßige Flächenkorrosion
Man bezeichnet diese, bei Freilagerung an Luft bei normaler Umgebungstemperatur auftretenden Korrosionserscheinungen als „atmosphärische Korrosion der Metalle“; sie zeigt sich in erster Linie in einer gleichmäßigen Oberflächenabtragung. Sie tritt auf, wenn das korrodierende Metall auf der gesamten Oberfläche das gleiche elektrische Potenzial hat, z. B. bei gleichmäßiger Berührung mit feuchter Luft. Erfahrungsgemäß tritt bei allen technisch brauchbaren Metallen unter diesen Umständen jedoch kein großer Korrosionsfortschritt auf, wenn die umgebende Luft ausreichend trocken ist. Erst bei Überschreiten einer kritischen relativen Luftfeuchtigkeit von 60 bis 70 % beginnt eine merkliche Korrosion. Neben der Luftfeuchte haben aber auch Luftverunreinigungen einen ganz erheblichen Einfluss auf das Korrosionsgeschehen und können den Korrosionsverlauf drastisch erhöhen. Die Zusammensetzung der Luft beeinflusst daher ganz erheblich das Korrosionsgeschehen.
738
12 Korrosion der Metalle
12.3.1.2 Muldenkorrosion/Lochkorrosion
Es handelt sich hierbei um eine anodische Korrosion in einem lokal begrenzten Bereich. Der örtlich begrenzte Angriff bei meist geringer Flächenabtragung führt zu kraterförmigen Vertiefungen und fortschreitend zu Durchbrüchen. Diese Form der Korrosion kann immer dann auftreten, wenn die Werkstoffoberfläche von einer korrosionsschützenden Deckschicht überzogen ist, die Fehlstellen aufweist und die edler als das Grundmetall ist, beispielsweise Zunderschichten, Passivschichten oder Fremdmetallüberzüge. Im Allgemeinen steht dann einer verhältnismäßig großen Kathode eine sehr kleine Anodenfläche gegenüber, und es führt hier zu einer bevorzugten Auflösung des Grundmetalls. Es entstehen damit in relativ kurzer Zeit sehr tiefe Kerben.
Bild 12-2 Schematische Darstellung der Lochfraßkorrosion durch Chloride
Ein Spezialfall der Lochkorrosion ist die so genannte Chlorid-Korrosion, die bei einbetoniertem, passiviertem Stahl auftreten kann, wenn Chloride an die Stahloberfläche gelangen können. Cl–-Ionen sind in der Lage, die Passivität des Stahles in kleinen Bereichen aufzuheben. Durch die Aufhebung der Passivierung an diesen Stellen erfolgt eine örtliche, punktweise Aktivierung der Oberfläche, und es bildet sich ein Lokalelement mit sehr kleiner, punktförmiger Anode (aktivierte Stelle) und großflächiger Kathode (passive Oberfläche) aus. Die Anreicherung der Korrosionsprodukte in dem Grübchen führt darüber hinaus zu einer Verstärkung der Korrosionsgeschwindigkeit durch Erniedrigung des pH-Wertes des Elektrolyten. Die einmal gebildete Korrosionsnarbe bleibt deshalb beständig aktiv und vertieft sich immer weiter. 12.3.1.3 Korrosion durch unterschiedliche Belüftung
Große Bedeutung haben Korrosionsfälle, bei denen infolge eines unterschiedlichen Sauerstoffangebotes auf verschiedenen Gebieten der Metalloberfläche anodische und kathodische Bereiche gebildet werden; es kommt dann zu einer örtlich beschleunigten Korrosion durch Ausbildung eines Korrosionselementes, wobei die weniger belüfteten Bereiche beschleunigt abgetragen werden. Derartige Korrosionsfälle werden zusammenfassend als Belüftungselemente oder Sauerstoff-Konzentrationselemente bezeichnet.
739
12.3 Korrosionsarten und ihre Bedeutung im Bauwesen
Die Ausbildung eines solchen Korrosionselementes ist immer da möglich, wo Eisen in Berührung mit belüfteten Lösungen steht und sich Sauerstoff-Konzentrationsunterschiede ausbilden können, z. B. in Vertiefungen, Rissen, Spalten, Tropfen usw. In der Praxis sind diese Bedingungen besonders in engen Spaltflächen erfüllt. Derartige Spaltkorrosion tritt z. B. an konstruktiv bedingten Spalten, an Rissen in Anstrichen, Bitumenoder Kunststoffüberzügen auf. Auch beim Auftreten von Kondenswasser-Tropfen kommt es zur Ausbildung solcher Belüftungselemente.
Bild 12-3 Schematische Darstellung der Rostbildung unter einem Wassertropfen
Eine besonders anschauliche Darstellung der Funktion eines Belüftungselementes bietet der Tropfenversuch (Bild 12-3). Die Fläche in Berührung mit dem Elektrolyten geringeren Sauerstoffgehaltes wird zur Anode und wird aufgelöst (z. B. der Mittelbereich der Tropfengrundfläche); die kathodischen Flächen mit örtlich hoher Sauerstoffkonzentration bleiben geschützt (z. B. die Randbereiche des Tropfens). 12.3.1.4 Kontaktkorrosion (Galvanische Korrosion)
Die Erscheinungen der Kontakt- oder galvanischen Korrosion können überall dort auftreten, wo zwei Metalle oder auch verschiedene Legierungen eines Metalls mit unterschiedlichem Potenzial in leitender metallischer Verbindung bei gleichzeitiger Anwesenheit eines Elektrolyten stehen. Dabei kommt es zu einer beschleunigten Auflösung des Metalls der Anode, d. h. des nach der Spannungsreihe unedleren Metalls. Besonders gefährdet bei dieser Korrosionsart ist der unmittelbar an die Kathode angrenzende Bereich der Anode (Bild 12-4); in diesem Bereich ist mit einer erhöhten Metallauflösung zu rechnen, vor allem dann, wenn die Anodenfläche im Verhältnis zur edleren Kathodenfläche relativ klein ist.
740
12 Korrosion der Metalle
Aus diesen Zusammenhängen kann eine wichtige praktische Folgerung gezogen werden, nämlich, dass bei Mischbauweise – wenn sie denn nicht zu vermeiden ist – darauf geachtet werden muss, dass wichtige Funktionsteile nicht als kleine anodische Flächen vorliegen.
Bild 12-4 Kontaktkorrosion zwischen einem Al-Blech und einer Stahlschraube
Bild 12-5 Beispiel für die Isolierung einer Schraubverbindung
Eine Kontaktkorrosion kann durch eine Zwischenlage aus Isoliermaterial oder durch Isolieranstriche verhindert werden (Bild 12-5). Aber auch bei bester Isolierung sollte das Verbindungsmittel mindestens so edel wie das edlere der zu verbindenden Metalle sein. Sollte nämlich eine unvorhergesehene Kontaktkorrosion auftreten, so ist der Flächenabtrag auf einem der Bauteile für die Konstruktion nicht so gefährlich wie die örtliche Zerstörung des Verbindungsmittels. Als Sonderfall der galvanischen Korrosion kann die Korrosion durch Einwirken vagabundierender Gleichströme (Streustrom) in der Nähe von Straßenbahnschienen, elektrischen Eisenbahnen und Galvanisieranstalten verstärkt werden.
12.3.2 Korrosionsarten bei zusätzlicher mechanischer Beanspruchung 12.3.2.1 Spannungsrisskorrosion
Die Spannungsrisskorrosion, eine Korrosionsart, die insbesondere bei Spannstählen auftreten kann, ist ein besonders gefährlicher Korrosionstyp, weil hierbei oft die sonst charakteristischen Korrosionsprodukte fehlen und die Korrosion nur mikroskopisch erkennbar ist. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich bei der Spannungsrisskorrosion um eine Rissbildung, die infolge gleichzeitiger Wirkung mechanischer Zugbelastung und eines Korrosionsangriffs auftritt.
12.3 Korrosionsarten und ihre Bedeutung im Bauwesen
741
Der Korrosionsangriff findet entweder entlang der Korngrenzen des Metalls statt (interkristalline Korrosion) oder geht durch die Körner hindurch (transkristalline Korrosion). Kennzeichnend für die Spannungsrisskorrosion ist das plötzliche Bauteilversagen ohne Vorankündigung. Bei der Spannungsrisskorrosion unterscheidet man zwischen anodischer (elektrolytischer) und kathodischer (wasserstoffinduzierter) Rissbildung. Anodische Spannungsrisskorrosion
Die Voraussetzungen für den Ablauf der anodischen Spannungsrisskorrosion, die gleichzeitig erfüllt sein müssen, sind: Vorliegen eines empfindlichen Werkstoffes, (z. B. bestimmte CrNi-Stähle); Einwirkung eines Korrosionsmittels mit schwach oxidierender Wirkung und spezifisch wirksamen Ionen, (z. B. Cl–, NO3–, CN–, PO43–); gleichzeitiges Vorhandensein von Spannungen (Zugspannungen), sei es durch äußere Belastung oder durch Eigenspannungen. Erfahrungsgemäß tritt eine Schädigung nur an passivierten Stählen auf. Die wichtigsten Methoden, um Spannungsrisskorrosion zu vermeiden/einzuschränken: Vermeiden hoher Zugspannungen, insbesondere Bereiche mit Spannungsspitzen; Vermeidung bzw. Entfernung schädlicher Komponenten im umgebenden Medium; fallweise kathodischer Schutz, Inhibitoren (für Betonstähle z. B. einwandfreie Umhüllung mit Beton) oder Beschichtungen. Kathodische Spannungsrisskorrosion
Während die anodische Spannungsrisskorrosion in der Rissbildungsphase den Vorgängen der Lochkorrosion ähnelt, ist die kathodische Spannungsrisskorrosion auf die Akkumulation von Wasserstoff im plastisch verformten Bereich vor der Rissspitze zurückzuführen. Im Gegensatz zu allen vorher besprochenen Korrosionsmechanismen ist bei der wasserstoffinduzierten Korrosion die kathodische Reaktion, nämlich die Wasserstoffabscheidung, entscheidend für das Auftreten der Schäden. Eine Schädigung tritt bevorzugt unter Zugspannung auf und führt zu ankündigungslosen spröden Brüchen des Metalls. Im Verlauf der Abscheidung des molekularen Wasserstoffs H2 kann unter Umständen (bei Vorliegen von so genannten Katalysatorgiften wie z. B. CN–, S2–) atomarer Wasserstoff in größerer Konzentration an der Elektrodenoberfläche auftreten. Dieser ist infolge seines geringen Atomradius bevorzugt befähigt, in das Elektrodenmetall einzudringen (einzudiffundieren). In allen Hohlräumen, Poren und Gitterfehlern bilden sich dann durch Rekombination H2-Moleküle. Örtlich können hierdurch große Gasdrücke entstehen (bis 2·105 bar), die eine plastische Deformation des umgebenden Metalls zur Folge haben können (Beizblasen). Die wesentliche Wirkung des Wasserstoffs im Stahl ist die Versprödung, die unter Zugspannung zu verformungsarmen Brüchen führt. Da die Rissbildung im Werkstoffgefüge unabhängig von der Herkunft des Wasserstoffs ist, können die Begriffe kathodische Spannungsrisskorrosion und Wasserstoffversprödung auch
742
12 Korrosion der Metalle
gleichgesetzt werden. Besonders kritische Bedingungen können immer dann auftreten, wenn Stahl mit unedleren Metallen ein Lokalelement bildet. Gemäß der Spannungsreihe kommen hier besonders die Metalle Zink und Aluminium in Frage.
12.4 Korrosionsschutzverfahren Korrosionsschutz beginnt am Reißbrett. Das heißt, dass bereits bei der Planung durch entsprechende Baustoffauswahl (siehe Kapitel 10.8.3 und 10.8.4) und -kombination sowie durch konstruktive Maßnahmen der später einsetzende Angriff weitgehend berücksichtigt und eingeschränkt werden soll. Der Schutz vieler Objekte ließe sich dadurch mit wesentlich größerer Sicherheit und geringeren Kosten durchführen. Die Korrosionsschutzverfahren können in aktive und passive Verfahren unterteilt werden (siehe Tabelle 12.1). Tabelle 12.1 Aktive und passive Korrosionsschutzverfahren Korrosionsschutz aktiv:
aktiv:
passiv:
durch Planung
durch Eingreifen in den Korrosionsvorgang
durch Fernhalten angreifender Stoffe von der Bauteiloberfläche
zweckmäßige Gestaltung der Konstruktion; zweckmäßige Auswahl der Werkstoffe
Entfernung/Beeinflussung angreifender Stoffe; Eingriff in den elektrochemischen Vorgang
künstliche Deck- und Schutzschichten; metallische und nichtmetallische Überzüge
12.4.1 Passivierung Es lässt sich häufig beobachten, dass Metalle unter bestimmten Bedingungen durch Bildung von porenfreien Deckschichten gegenüber einem Korrosionsmedium resistent sind und eine Korrosionsrate nicht mehr nachweisbar ist. Diese Erscheinung, die man als Passivität bezeichnet, ist in der Technik von großer Bedeutung (z. B. Eloxal-Verfahren beim Aluminium). Solche Passivschichten können z. B. durch den Einsatz von Inhibitoren erzeugt werden. Bei den Inhibitoren handelt es sich um Substanzen, die dem korrosionsaktiven Medium meist in geringer Konzentration zugesetzt werden und die in der Lage sind, durch physikalische Adsorption oder chemische Reaktion auf der Oberfläche des Werkstoffes festhaftende, porenfreie Schutzschichten zu bilden. Eine erfolgversprechende Anwendung setzt die genaue Kenntnis und Berücksichtigung der Wirkungsweise des Inhibitors und des zu inhibierenden Vorgangs voraus, anderenfalls kann es unter Umständen sogar zu einer Korrosionsbeschleunigung kommen. Der im Bauwesen wichtigste Inhibitor ist der Beton. Es ist bekannt, dass Stahleinlagen im Beton nicht rosten. Das ist in erster Linie auf die basische Reaktion des Zements zurückzuführen. Hierdurch wird der Stahl in einen inaktiven Zustand versetzt, in dem er nicht rostet.
12.4 Korrosionsschutzverfahren
743
Einbetonieren, Einschlämmen oder Spritzen mit Zementleim und Zementmörtel von Stahlteilen beim Stahlskelettbau hat sich allgemein bewährt, wenn die aufgebrachte Schicht fest haftet und einwandfrei hergestellt wurde. Durch Karbonatisierung wird jedoch die Schutzwirkung abgebaut. Auf einen einmaligen Anstrich der Teile, zweckmäßig schon beim Lieferwerk, sollte deshalb nicht verzichtet werden. Diese Technik hat sich allgemein bewährt. So war z. B. ein nach 40 Jahren bei Umbauten der Berliner Hochbahn freigelegter Anstrich noch in gutem Zustand.
12.4.2 Kathodischer Korrosionsschutz Der kathodische Korrosionsschutz wird vielfach bei Bauten angewendet, wo passiver Schutz nicht oder nur schwer zu kontrollieren und zu erneuern ist, wie z. B. bei im Erdreich verlegten Fernheizleitungen, Spundwände, Offshore-Anlagen und dergleichen. Für den kathodischen Korrosionsschutz kennt man verschiedene Ausführungsmöglichkeiten (siehe Bild 12-6): Im einfachsten Fall stellt man eine elektrisch leitende Verbindung zwischen dem zu schützenden Objekt und einem gegenüber diesem unedleren Metall (Opferanode) (Potenzialdifferenz 0,5 V) her. Durch die Feuchtigkeit entsteht ein elektrochemisches Element, bei dem das unedlere Metall zerstört wird. Für Stahlkonstruktionen verwendet man als Anodenmaterial Magnesium oder -legierungen, aber auch Zink oder Aluminium. Eine andere Möglichkeit ergibt sich durch das Anlegen einer zusätzlichen elektrischen Spannung. Der Fremdstrom wird als Gleichstrom zwischen einer Schutzanode (EisenSilicium-Legierungen, Gusseisen, Graphit, usw.) und dem Objekt so angelegt, dass die zu schützende Konstruktion zur Kathode und auf diese Weise die Metallauflösung verhindert wird. Neben dem aktiven Korrosionsschutz spielt im Stahlbau vor allem der passive Korrosionsschutz durch Aufbringen schützender Überzüge zum Fernhalten aggressiver, korrosiver Stoffe eine sehr große Rolle. Der historisch herkömmlichste Korrosionsschutz großer Objekte durch Anstriche (Beschichtungen) wird im Kapitel 16.5.8 behandelt.
Bild 12-6 Schematische Darstellung der Verfahren des kathodischen Korrosionsschutzes nach Brandenberger [12.1]
744
12 Korrosion der Metalle
12.4.3 Metallische Überzüge Ein häufig angewendetes Verfahren zum Fernhalten korrosionsaktiver Stoffe von der zu schützenden Oberfläche metallischer Bauteile besteht darin, die Oberfläche mit einem Fremdmetallüberzug aus einem weniger oder gar nicht korrosionsanfälligen Metall zu versehen. Diese Forderung lässt sich am einfachsten mit gegenüber dem Grundmetall edleren Metallen verwirklichen. Ein ausreichender Schutz ist jedoch nur zu erreichen, wenn keine Poren oder Verletzungen im Überzugsmetall vorliegen, sonst bildet sich ein Kontaktelement (Gefahr der Unterrostung). Überzugsmetalle, die unedler als das Grundmetall sind, können nur dann ausreichenden Schutz bieten, wenn die Auflösung dieses Metalls selbst kinetisch gehemmt ist, z. B. durch Bildung von dichten, gegen das Angriffsmedium beständigen Deckschichten. Zink ist das heute am meisten verwendete Metall für metallische Überzüge auf Stahl. Elektrochemisch ist es ein guter Schutz für Stahl, da es gegenüber diesem im Allgemeinen ein negativeres Potenzial hat, d. h. unedler ist (bei Temperaturen > 63 °C erfolgt Potenzialumkehr, d. h. bei Heißwasser kein Schutz!). Bei sehr aggressiven Umweltbedingungen und großen mechanischen Angriffen wird Aluminium verwendet. Die Schichtdicke beträgt 50 bis 200 μm. Das Aufbringen von metallischen Überzügen auf die zuvor sorgfältigst gereinigten Metalloberflächen kann nach verschiedenen Verfahren erfolgen: elektrolytisch, z. B. galvanisch Vernickeln, Verchromen, usw.; durch Schmelztauchen, z. B. Feuerverzinkung; durch Aufspritzen, z. B. Spritzverzinkung; durch Plattieren, z. B. Aufwalzen dünner Metallfolien. Schmelztauchmetallüberzüge
Eine einfache Art, metallische Überzüge zu erzeugen, besteht darin, das zu schützende Teil in ein Bad von flüssigem Zink, Zinn oder Aluminium zu tauchen. Für jedes der Verfahren sind die Oberflächen durch Beizen vorher gut zu säubern und jeweils besondere Maßnahmen bei der Durchführung zu beachten. Man kann mit dem Tauchschmelzverfahren gleichmäßige und gut wirkende Überzüge erreichen. Die entstehenden Überzüge sind gewöhnlich aus mehreren Schichten aufgebaut und entsprechen jeweils den Phasen der binären Systeme: Überzugsmetall – Grundmetall. Es findet am Grundwerkstoff eine Legierungsbildung statt. Schmelztauchüberzüge sind im Allgemeinen beständiger als die auf anderem Wege erzeugten Schutzschichten. Zinkschichten werden heute vielfach verwendet, um mit einem zusätzlichen Anstrich einen guten Korrosionsschutz zu erreichen (Duplexsystem), da der Oberflächenschutz weitaus langlebiger ist, als die bloße Summe der Schutzsystem-Lebensdauern der einzelnen Komponenten jeweils für sich (so genannter synergetischer Effekt). Galvanische (elektrolytische) Metallüberzüge
Galvanische Überzüge werden aufgebracht, um einen Werkstoff gegen korrodierende Einflüsse zu schützen oder das Aussehen zu verbessern. Für die Überzüge werden Zink, Zinn, Blei, Cadmium, Nickel, Chrom, Kupfer und andere Metalle (auch Edelmetalle und Legierungen) verwendet. Eine Voraussetzung für gute Schutzwirkung ist, dass die aufgebrachten
12.4 Korrosionsschutzverfahren
745
Schutzüberzüge dicht sind und nicht verletzt werden. Da Chromschichten nicht völlig porenfrei sind, muss vorher, um z. B. eine Unterrostung zu verhindern, eine Nickel- oder Kupferschicht aufgebracht werden. Das Werkstück verhält sich dann korrosionstechnisch so, als ob es aus dem reinen Überzugsmetall bestände. Stärkeren Angriffen halten derartige Schichten jedoch nicht sicher und nicht dauernd stand. Aufgespritzte Metallüberzüge
Unter Spritzmetallisierung versteht man die Bildung einer Schutzschicht durch Aufspritzen geschmolzener Metallteilchen auf den zu schützenden, durch Sandstrahlung gesäuberten und aufgerauten Gegenstand. Anders als beim Schmelztauchen findet jedoch keine Legierungsbildung mit dem Grundmetall statt, sondern nur eine physikalische Haftung. Das Metallspritzen erfolgt mit pistolenförmig ausgebildeten Apparaten, meist aus dem drahtförmigen, selten aus dem pulverförmigen oder flüssigen Zustand. Die Güte von Metallspritzschichten hängt weitgehend von deren Gefüge, Dicke, Zustand der Haftfläche, Spritzabstand und Pressluftdruck ab. Für das Metallspritzen eignen sich unter anderem Stahl, Aluminium, Zinn, Blei, Kupfer, Cadmium sowie deren Legierungen. Für den Korrosionsschutz großer Objekte wird meist Aluminium oder Zink eingesetzt. Es ist bei dem derzeitigen Stand der Kenntnisse nicht ohne weiteres möglich, ein bestimmtes Metall zu empfehlen, da immer noch allein die Praxis über die Schutzwirkung gültige Auskunft geben kann. Plattieren
Das mechanische Plattieren hat gegenüber anderen Verfahren den Vorteil, dass die aufgetragenen Schichten vollkommen porenfrei sind. Zur Herstellung von Plattierungen sind im Wesentlichen folgende Verfahren gebräuchlich: Gussplattierung. Hierbei wird das Grundmetall mit dem Plattiermetall umgossen oder umgekehrt das Grundmetall in die mit dem Plattiermetall ausgekleidete Kokille gegossen (z. B. zur Herstellung von rostfrei plattiertem Feinblech.) Walzplattierung. Hierbei wird das Plattiermaterial bei Schweißtemperatur auf das Grundmetall aufgewalzt. Kaltwalzverfahren. Das Plattiermetall wird hier bei Raumtemperatur oder unterhalb der Schweißtemperatur aufgewalzt. Lötplattierung. Die Verbindung erfolgt durch Zwischenlagen eines metallischen Bindemittels unter Wärme und Druck. Das plattierte Metall ist ein vollkommen einheitlicher in sich geschlossener Verbundwerkstoff, der die guten Eigenschaften des Grundwerkstoffes mit der hohen Korrosionsbeständigkeit des Auflagewerkstoffes vereinigt. Als Grundmetall kommt nur solches in Betracht, das sich durch gute Schweißbarkeit auszeichnet. Die größte Verbreitung als Plattiermetalle haben Kupfer, Nickel und Aluminium gefunden, neuerdings auch Metalle oder Legierungen, die besonders große Korrosions- und Säurebeständigkeit aufweisen, wie z. B. „Edelstahl rostfrei“. Die Plattierschichtdicken liegen im Allgemeinen bei ca. 10 % der Gesamtdicke des Werkstoffes. Die Verformung kann nach den üblichen Verfahren ohne Schwierigkeiten ausgeführt werden. Die metallische Verbindung ist so gut, dass sich Plattierungen falzen, bördeln, abkanten, profilieren, drücken oder tiefziehen lassen. Da die Plattierung in der Regel nur an
746
12 Korrosion der Metalle
Halbfertigprodukten vorgenommen wird, die weiterverarbeitet werden, treten oft Schnittkanten auf, die durch andere geeignete Maßnahmen geschützt werden müssen. Diffusionsverfahren
Beim so genannten Diffusionsglühen wird die Randzone des Grundmetalls durch eindiffundierende Metallatome angereichert (Inchromieren mit Chrom, Alitieren mit Aluminium, Sherardisieren mit Zink) und auf diese Weise der Korrosionswiderstand erhöht.
12.4.4 Nichtmetallische anorganische Überzüge Silicatüberzüge (Emaillierung)
Das Email als Oberflächenmaterial für Metalle ist schon lange bekannt. Die hohe Beständigkeit des Emails gegen aggressive Einflüsse macht es als Oberflächenschutz für Metalle sehr geeignet. Emailschichten weisen zwar eine hohe Lebensdauer auf, sind aber schlag- und stoßempfindlich. Gegen Säuren und Laugen sind Spezialemails in Anwendung. Chemisch gesehen handelt es sich bei Email um getrübte Gläser wechselnder Zusammensetzung. Das gebeizte Gut wird nacheinander mit mehreren Schichten von Emailpulver (Fritte) durch Tauchen oder Pudern überzogen und jede Schicht für sich bis zum Sintern gebrannt (800 bis 1100 °C). In England und Amerika werden Eisenbahnwagen und Häuser aus emaillierten Stahlblechen hergestellt. In Deutschland wird es in neuerer Zeit für Paneels viel eingesetzt. Weit verbreitet ist die Anwendung für Küchengeräte, Einrichtungen in der Nahrungsmittelindustrie und im Gärungsgewerbe.
12.4.5 Nichtmetallische organische Überzüge 12.4.5.1 Bituminöse Überzüge
Bitumen, Steinkohlenteerspezialpech und Asphalt werden im geschmolzenen Zustand mit Bürsten oder Spezialspritzgeräten aufgebracht, z. B. auf Stahlteile im Wasserbau, oder es werden gusseiserne Rohre in geschmolzenes Steinkohlenteerpech getaucht. Bei Stahlrohren wird durch ein Band aus Glasvlies, das durch geschmolzenes Bitumen gelaufen ist, eine bituminöse Schutzschicht (Rohrisolation) aufgebracht. 12.4.5.2 Kunststoffüberzüge
Kunststoffe finden für den Korrosionsschutz von Stahl steigende Anwendung. Nach der Verarbeitungstechnik ist zu unterscheiden zwischen Flammspritzen, Wirbelsintern, dem Auftrag von Dispersionen, Plastisolen, Organosolen und Kaschierungen. Die durch Flammspritzen und Wirbelsintern erhaltenen Überzüge dienen vorwiegend dem Schutz von Maschinenteilen, chemischen Apparaturen, zum Auskleiden von Behältern, Wannen, Gefäßen usw.
12.4 Korrosionsschutzverfahren
747
Für das Bauwesen haben an Bedeutung gewonnen:
Überzüge mit Kunststoffdispersionen Derartige Überzüge treten häufig in Wettbewerb mit Anstrichen, Einbrennlackierungen, Folienauskleidungen, Emaillierung und anderen Schutzverfahren. Als Grundstoffe werden Kunststoffe in feiner Pulverform verwendet, die sich zu einer Dispersion aufschwemmen lassen. Sie dürfen jedoch dabei keinen klebenden oder leimartigen Charakter besitzen. Fast alle Thermoplaste können zu Dispersionen verarbeitet werden. Hierzu werden hauptsächlich Polyethylen, Polyvinylchlorid, ferner Polytetrafluorethylen und Polyamide herangezogen. Als Dispersionsflüssigkeit wird meist eine Kombination verschiedener Lösungsmittel benutzt. Auch bei diesem Verfahren ist eine fettfreie, metallisch reine Oberfläche Voraussetzung, die ein gewisses Aufrauhungsprofil zur Verbesserung der Haftung aufweisen muss. Das Auftragen der Dispersionen erfolgt meist mit Spritzpistole, bei kleineren Werkstücken auch durch Tauchen bzw. Fluten. Die erforderliche Schichtdicke ist verschieden. Bei glatten Dünnblechen sind 40 bis 80 μm, bei Behälterauskleidungen 200 bis 250 μm erforderlich. Analog den Schutzanstrichen empfiehlt es sich, die Gesamtschichtdicke in mehrmaligem Auftrag (200 μm etwa in vier Schichten zu 50 μm) aufzubringen. Dadurch werden eine bessere Haftung erzielt und die Poren der einzelnen Schichten abgedeckt. Zum Glattschmelzen der einzelnen Dispersionsschichten werden die Teile in noch nassem Zustand (damit das Pulver nicht abfällt) in einen Umluftoder Infrarottrocknungsofen gebracht. Die erforderliche Temperatur liegt z. B. für Polyethylendispersionen bei 110 bis 125 °C. Die Weiterverarbeitung der mit einer Kunststoffdispersionsschicht überzogenen Teile ist in gewissen Grenzen möglich (z. B. Falzungen bei Blechen). Kunststoffdispersionsüberzüge sind ausreichend beständig gegen anorganische Säuren und Laugen, Wasser, wässrige Salzlösungen und organische Verbindungen, soweit sie nicht quellen. Anwendungsgebiete sind Schutz von Rohrleitungen, z. B. Luttenrohre für Gruben mit salzhaltigen Wässern, Emballagen, Kleinteile, usw.
Überzüge mit Plastisolen und Organosolen Plastisole sind Kunstharz-Weichmacher-Gemische, bei denen die Kunstharzteilchen im Weichmacher dispergiert sind. Die ähnlich aufgebauten Organosole enthalten neben Kunstharz und Weichmacher noch Lösungsmittel. Bei Erwärmung sintern die Teilchen zu einem festen Film zusammen. Die zu schützenden Teile werden mit der pastenähnlichen bis flüssigen Masse im Tauch-, Spritz- oder Streichverfahren überzogen. Hierbei findet eine Gelierung statt, d. h. der Weichmacher oder das Lösungsmittel und die Kunstharzpartikel verschmelzen miteinander, wobei es sich nicht um eine chemische, sondern um eine chemischphysikalische Reaktion, vergleichbar mit einer Quellung, handelt. Schutzschichten dieser Art eignen sich für Stahlteile, z. B. Handgriffe, Stahlbleche und feuerverzinkte Stahlbleche für Isolationen, Hallenverkleidungen, Dacheindeckungen. Folienkaschierung Eine weitere Möglichkeit ist das Kaschieren von Stahl, Aluminium usw. mit Kunststoffen aus z. B. Vinylharzpolymerisaten, Polyethylen und anderen. Die Kanten der Bleche, die ungeschützt sind, müssen durch Anstriche, Wachsüberzüge oder ähnliches geschützt werden. Kunststoffkaschierte Bleche können durch Tiefziehen, Bördeln, Stanzen, Schneiden, Prägen usw. weiterverarbeitet werden, ohne Gefahr des Aufreißens der Beschichtung; Punktschweißen, Hart- und Weichlöten sind jedoch nur bedingt, Nieten- und Falznähte dagegen möglich.
748
12 Korrosion der Metalle
Die Temperaturbeständigkeit liegt je nach Verarbeitung und Art der Kaschierung zwischen 60 und 120 °C. Die Überzüge sind kratz-, verschleiß- und abriebfest. Die Beständigkeit gegen Wasser, verschiedene Chemikalien und allgemeine Korrosionsbelastung ist sehr gut. Die Kunststoffkaschierung wird für Röhren, Maschinengehäuse, Fassaden- und Dachelemente, Tanks, Wandbekleidungen usw. angewendet.
12.4.6 Chemische Oberflächenbehandlung Phosphatieren und Chromatieren haben sich im Laufe der letzten 30 bis 40 Jahre zu sehr verbreiteten Verfahren der Oberflächenbehandlung von Stahl, Zink und Aluminium entwickelt. Durch die Phosphatierung und die Chromatierung entstehen dünne, festhaftende, feinkristalline Phosphat- und Chromatschichten, deren Korrosionsschutzwirkung allein zwar relativ gering ist und die deshalb in erster Linie als Unterlage bzw. Haftgrund für Lacke und Anstriche dienen und zum anderen die Gefahr der Unterrostung herabsetzen. Phosphat- und Chromatschichten finden unter anderem hauptsächlich Anwendung zum Schutz von Metallmöbeln, Autokarosserien, Stahlfenstern sowie bei feuerverzinkten Stahlteilen, zur Erhöhung der Haftung nachfolgender Anstriche und zur Vermeidung der Weißrostbildung. Brünieren Hierbei werden oxidische Überzüge durch Sudverfahren erzeugt. Durch Reaktion von Metallen mit Salzschmelzen (z. B. Soda-Salpeter), in wässrigen Salzlösungen (Natriumhydroxid) mit sauerstoffabgebenden Mitteln (Salpetersäure, Eisenchloridlösungen und andere) lassen sich viele Metalle mit dichten, festhaftenden Oxid- bzw. Salzschichten überziehen, die jedoch nur einen temporären Korrosionsschutz bieten. Die Überzüge werden meist mit Ölen und Fetten, seltener mit farblosen Anstrichstoffen nachbehandelt, wodurch die Korrosionsbeständigkeit erhöht wird. Der Schutzwert ist dann für viele Anforderungen ausreichend.
12.5 Literatur 12.5.1 Regelwerke Norm
Ausgabedatum
DIN 50900-2
Titel
2002-06
Korrosion der Metalle – Begriffe, Teil 2: Elektrochemische Begriffe
DIN EN ISO 8044 1999-11
Korrosion von Metallen und Legierungen - Grundbegriffe und Definitionen
12.5.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [12.1] [12.1]
Wesche, K.: Baustoffe für tragende Bauteile, Band 3: Stahl – Aluminium, 2. Auflage. Wiesbaden: Bauverlag, 1985 Kaesche, H.: Die Korrosion der Metalle, 3. Auflage. Berlin: Springer, 1990
12.5 Literatur
[12.3] [12.4] [12.5]
749
Gellings, P. J.; Tostmann, K.-H.: Korrosion und Korrosionsschutz von Metallen – eine Einführung. München: Hanser, 1988 van Oeteren, K. A.: Korrosionsschutz. Wiesbaden: Bauverlag, 1979/1980 Tostmann, K.-H.: Korrosion – Ursachen und Vermeidung. Weinheim: Wiley-VCH, 2001
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1 Bitumen Bitumen ist ein schwerflüchtiges, dunkelfarbiges Gemisch verschiedener organischer Substanzen, das im Rahmen der Aufarbeitung geeigneter Erdöle als Rückstand des Raffinierprozesses anfällt. Bitumen ist nicht flüchtig und somit praktisch geruchlos und sowohl gegen viele Chemikalien als auch gegen die Einwirkungen von Wasser unanfällig. Auf die Terminologie des Bitumens wird in der DIN EN 12 597 eingegangen. Einige der in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffe sind in Tabelle 13.1 zusammengestellt. Tabelle 13.1 Begriffe aus der DIN EN 12 597: Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Terminologie Nr.
Benennung
Definition
1
Bitumen
nahezu nichtflüchtiges, klebriges und abdichtendes erdölstämmiges Produkt, das auch in Naturasphalt vorkommt und das in Toluen vollständig oder nahezu vollständig löslich ist. Bei Umgebungstemperatur ist es hochviskos oder nahezu fest.
2
bitumenhaltiges Bindemittel
Bindemittel, das Bitumen enthält. Anmerkung: Ein bitumenhaltiges Bindemittel kann in folgenden Formen vorliegen: rein, modifiziert, oxidiert, verschnitten, gefluxt, emulgiert. Zur Klarstellung ist möglichst immer der Begriff zu verwenden, der das betreffende Bindemittel genau beschreibt.
3
Asphalt
Mischung von Gesteinskörnung mit einem bitumenhaltigen Bindemittel.
4
Naturasphalt
Relativ hartes, in natürlichen Lagerstätten vorkommendes Bitumen, das relativ häufig mit feinen oder sehr feinen Mineralstoffanteilen gemischt ist und welches bei 25 °C praktisch fest, bei 175 °C jedoch eine viskose Flüssigkeit ist.
Bitumen hat das früher für die gleichen Verwendungszwecke (Straßenbau, Dachdichtungsbahnen u. ä.) eingesetzte Steinkohlenteerpech (auch Teer genannt) gänzlich ersetzt. Der aus der Verkokung von Steinkohle gewonnene Teer enthält im erheblichen Umfang polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die im menschlichen Körper cancerogen wirken. Der Einsatz von Steinkohlenteerpech ist aus diesem Grund nicht mehr zulässig.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_13, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
752
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1.1 Gewinnung von Bitumen Bitumen gewinnt man technisch aus Erdölen. Mit Hilfe der fraktionierten Destillation werden aus dem Erdöl zunächst die hochwertigen Bestandteile wie Treibstoffe (Benzin, Kerosin, Diesel) sowie leichtere und schwere Öle gewonnen. In einer anschließenden Vakuumdestillation können dem verbliebenen Erdölrückstand weitere Produkte wie Gas- und Schmieröle entzogen werden. Danach verbleibt Bitumen als nicht mehr wirtschaftlich weiter aufbereitbarer Destillationsrückstand. Bei zunehmender Aufbereitung von Ölschiefer fallen auch dort Bitumengrundstoffe an; zurzeit sind diese jedoch technisch noch ohne Bedeutung.
13.1.2 Bitumen-Zusammensetzung Die DIN EN 12597 beschreiben Bitumen als ein kolloidales System, in dem ein disperse Phase (Asphaltene: Weich-, Mittel-, Hart-Asphaltene, Carbene, Carboide) in einer zusammenhängenden Phase aus hochsiedenden Ölen (Maltene: Nicht-Aromaten, Paraffine, Naphtene, Aromaten, Erdölharze, Asphaltharze) in stabiler Verteilung vorliegt. Dieser Aufbau kennzeichnet das Bitumen als eine Flüssigkeit, deren Fließverhalten jedoch besonderen Gesetzmäßigkeiten folgt (thermo-viskoses Verhalten). Bitumen bestehen aus einer sehr großen Anzahl verschiedener Kohlenwasserstoffe und Kohlenwasserstoffderivate. Je nach geographischer Herkunft des Rohöls können Bitumen nach Art und Menge der Substanzen sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein. Wegen der großen Anzahl der sie aufbauenden Stoffe haben sie aber dennoch nahezu gleiche Gebrauchseigenschaften. Diese hängen viel mehr von der Struktur als von der chemischen Zusammensetzung ab. Tabelle 13.2 Hauptbestandteile von Bitumen chemisches Element
Abkürzung des chemischen Elements
Massenanteil [%]
Kohlenstoff
C
80 – 85
Wasserstoff
H
7 – 10
Sauerstoff
O
2–9
Stickstoff
N
0,1 – 1
Schwefel
S
0,5 – 7
Sonstiges
–
< 0,1
13.1 Bitumen
753
13.1.3 Bitumen-Struktur Bitumen sind so genannte kolloidale Systeme, die mit Hilfe geeigneter Trennverfahren (Lösung und Filtration) in einzelne Stoffgruppen deutlich verschiedener Molekültypen aufgetrennt werden können. Zahl und Bezeichnung der isolierten Gruppen schwanken je nach Methode, zumindest aber kann man grundsätzlich drei verschiedene Molekültypen feststellen: I
das Dispersionsmittel: ölige, niedermolekulare, im Lösemittel lösliche Anteile, mit molaren Massen von 500 bis 1500 g/mol,
sowie die dispergierten Anteile: II
die aus qualitativ gleichen Stoffen wie das Dispersionsmittel bestehenden, schmelzbaren, löslichen, rotbraunen Erdölharze mit besonders guter Klebfähigkeit; es handelt sich hierbei um mittelgroße Moleküle mit einer Teilchenmasse von 1000 bis 1500 u1) sowie einem Teilchendurchmesser von 1 bis 5 nm.
III die im Lösemittel unlöslichen, schwarzbraunen, unschmelzbaren Bestandteile mit Teilchenmassen von 5000 bis 9000 u, die so genannten Asphaltene: Teilchendurchmesser 5 bis 10 nm. Auch die Asphaltene sind keine einheitliche Stoffgruppe; sie bilden die höhermolekularen, relativ polaren Anteile im Bitumen. Dispersionsmittel und Erdölharze fasst man des Öfteren unter dem Begriff Maltene zusammen. Die Asphaltene und die Erdölharze sind stabil in der öligen Phase, dem Dispersionsmittel, kolloidal dispergiert. Jedes dispergierte Kolloidteilchen besteht aus mehreren, meist verschiedenen niedermolekularen Bestandteilen. Diese kugelförmigen oder nahezu kugelförmigen Assoziate bezeichnet man als Micellen. Normalerweise sind diese Kolloidsysteme niederviskos, d. h. das System erscheint wie eine viskose Flüssigkeit: ein Sol. Mit steigendem Asphaltengehalt treten deutlich ausgeprägte elastische Eigenschaften auf: es liegt also nicht mehr ein Sol, sondern ein Gel vor. Für die Bestimmung der Zusammensetzung eines Bitumens existieren verschiedene Prüfsysteme, wie die Säulenchromatographie, die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) oder die Dünnschichtchromatographie. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, die Bestandteile des zu analysierenden Bitumens in Aromaten, Erdölharze und gesättigte Kohlenwasserstoffe zu fraktionieren, woraus Schlüsse auf das Verhalten des Bitumens – beispielsweise die Temperaturabhängigkeit oder das Haftverhalten an Gestein – gezogen werden können.
13.1.4 Eigenschaften des Bitumens Die für Bitumen typischen Eigenschaften beruhen auf dem kolloiden System und der chemischen Zusammensetzung des Bitumens. Aufgrund der Veränderungen in der Struktur des Bitumens (Sol-, Gelzustand) infolge der Bildung und Lösung der Micellen bei Abkühlung oder Erwärmung, sind die meisten Eigenschaften von Bitumen von einer z. T. starken Abhängigkeit von der Temperatur geprägt.
1)
atomare Masseneinheit
754
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1.4.1 Temperaturabhängigkeit
Das Heukelom-Diagramm stellt ein System zur Darstellung der Viskositätskennwerte von Bitumen auf der Grundlage der Nadelpenetration (DIN EN 1426), des Erweichungspunkts Ring und Kugel (DIN EN 1427) und des Brechpunkts nach Fraass (DIN EN 12593). Hierbei wird auf der Abszisse des Diagramms die Temperatur aufgetragen. An den Ordinaten (zwei mit unterschiedlicher Teilung) wird die Nadelpenetration bzw. Viskosität aufgetragen. Mit Hilfe dieses Diagramms lassen sich verschiedene Bitumenklassen (S- B- und W-Typ) unterscheiden. S-Typ-Bitumen (S für engl. straight, gerade)
weisen gerade Linien im Heukelom-Diagramm auf. Man kann bei solchen Bitumen das Viskositäts-Temperaturverhalten durch alleinige Messung von Erweichungspunkt Ring und Kugel und Nadelpenetration vorhersagen. B-Typ-Bitumen (B für engl. blown, geblasen, in Deutschland: Oxidationsbitumen)
die nicht im Straßenbau eingesetzt werden, sind durch zwei Geraden unterschiedlicher Neigung im Heukelom-Diagramm gekennzeichnet. W-Typ-Bitumen (W für engl. waxy, wachsartig, in Deutschland: paraffinhaltig)
enthalten viel Paraffin und weisen deshalb bei höheren Temperaturen aufgrund des Schmelzens der Paraffine ein anderes Viskositäts-Temperaturverhalten als S-Typ-Bitumen auf. Sie sind ebenfalls durch zwei Geraden unterschiedlicher Neigung gekennzeichnet. Mit den aus der Praxis bekannten Viskositäten für das Mischen und Verdichten von Asphalt kann man aus dem Heukelom-Diagramm die Temperatur ablesen, die bei der verwendeten Bitumensorte für den jeweiligen Vorgang benötigt wird. Zwei Beispiele: Eine zu niedrig gewählte Temperatur beim Einbau kann zu Problemen (schlechte Verdichtbarkeit des Asphalts) führen, weil die Asphaltmischung zu steif ist. An der Asphaltmischanlage führt eine zu hohe Bitumentemperatur zum Nachhärten des Bindemittels und zu einer niedrigen Viskosität, die bewirkt, dass es vom Gestein ablaufen kann [13.1]. Die Temperaturempfindlichkeit von Bitumen
A=
dlog Pen dϑ
(13.1)
lässt sich mit Hilfe des so genannten Penetrationsindexes PI berechnen: A=
20 − PI 1 ⋅ 10 + PI 50
(13.2)
Der Penetrationsindex PI stellt eine Kenngröße für die Abhängigkeit der Viskosität des jeweiligen Bitumens von der Temperatur dar. Diesen kann man z. B. aus zwei Penetrationsmessungen bei verschiedenen Temperaturen berechnen. Die meisten Straßenbaubitumen haben bei der Temperatur ihres Erweichungspunktes Ring und Kugel eine Nadelpenetration von 800 ⋅ 0,1 mm. Mit diesem Wert und der Kenntnis der Nadelpenetration bei 25 °C kann man im Anschluss den PI berechnen.
13.1 Bitumen
755
Der PI von polymermodifizierten Bitumen ist gegenüber den PI von Normalbitumen weniger aussagekräftig. Dies liegt darin begründet, dass bei polymermodifizierten Bitumen der typische Bitumencharakter in den elastischen Bereich verschoben wird. In der EN 12 591 werden Bitumen mit sehr hoher und sehr niedriger Abhängigkeit der Viskosität von der Temperatur ausgeschlossen. Dies geschieht indirekt durch Vorgabe von Erweichungspunkt- und Nadelpenetrations-Grenzwerten, die so gewählt sind, dass Penetrationsindices über 1,8 und unter –2,4 bei Normbitumen für den Straßenbau nicht vorkommen. Den Penetrationsindex kann man mittels eines Nomogramms (siehe Bild 13-1) aus den Kennwerten Penetration und Erweichungspunkt EPRuK des Bitumens ermitteln oder nach folgender Formel berechnen:
A=
20 − EPRuK + 500 ⋅ lg Pen − 1952 EPRuK − 50 ⋅ lg Pen + 120
(13.3)
Dabei ist: EPRuK der Erweichungspunkt Ring und Kugel, in Grad Celsius; Pen
die Penetration bei 25 °C, in 0,1 mm.
Je höher der Penetrationsindex, desto weniger temperaturempfindlich ist das Bitumen. Handelsübliche Straßenbaubitumen haben PI-Werte von –1,5 bis +0,5; Oxidationsbitumen liegen höher.
Bild 13-1 Nomogramm zur Bestimmung des Penetrationsindexes PI
756
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1.4.2 Verformungsverhalten/Konsistenz
Die Konsistenz von Bitumen ist eine seiner wichtigsten Eigenschaften. Sie bestimmt zum einen die Randbedingungen bei der Verarbeitung, zum anderen das Verhalten des Baustoffs nach dem Einbau unter den vorherrschenden Umgebungsbedingungen. Bei tiefen Temperaturen erscheint Bitumen äußerlich spröde und hart. Beim Erwärmen wird Bitumen langsam weicher, bis es schließlich zwischen 150 und 200 °C flüssig wird. Diese Erscheinung ist reversibel und verleiht dem Bitumen den Charakter eines thermoplastischen Werkstoffes. Thermoviskoses Verhalten
Das thermoviskose Verhalten von Bitumen ist die Grundlage seiner Verarbeitung. Dabei hat jeder Arbeitsvorgang (Pumpen, Spritzen, Mischen, Einbauen, Verdichten) seinen bestimmten Viskositätsbereich. Die zugehörigen Verarbeitungstemperaturen sind von der Bitumensorte abhängig: Härtere Sorten müssen heißer verarbeitet werden als weiche. Nach Abkühlen auf normale Tagestemperaturen hat das Bitumen die für die Belastbarkeit erforderliche Konsistenz erreicht. Elasto-viskoses Verhalten
Die Steifigkeit eines Bitumens hängt in erster Linie von seiner Härte, also von seiner Viskosität, die sich in der Bitumensorte ausdrückt und grundsätzlich temperaturabhängig ist, ab:
Je weicher das Bitumen, desto größer ist der viskose Anteil. Darüber hinaus ändert sich der Verformungswiderstand von Bitumen aber auch in Abhängigkeit von der Zeitdauer einer Belastung: Das Bitumen folgt der spontanen Belastung durch sowohl elastische als auch viskose Verformungsanteile. Bei sehr kurzen Belastungszeiten überwiegt dabei der elastische Anteil, d. h. die aufgezwungene Verformung federt nach der Entlastung vollständig zurück. Je länger die Belastungszeit jedoch ist, desto größer wird der viskose Anteil, der sowohl zeitabhängig als auch irreversibel ist. Relaxationsvermögen
Relaxation ist das Vermögen eines Werkstoffes, sich aufgrund seines elasto-viskosen Verhaltens einer aufgezwungenen Beanspruchung durch viskose Verformungen zu entziehen. Der Spannungsabbau erfolgt dabei nicht spontan, sondern zeitabhängig. Die Geschwindigkeit, mit der die Beanspruchungen abklingen, hängt von der Viskosität des Bitumens ab:
Je weicher das Bitumen, desto schneller erfolgt der Spannungsabbau. Das Relaxationsvermögen von Bitumen ermöglicht es in der Baupraxis, dass daraus erstellte Bauteile beispielsweise bei starker Abkühlung in Verbindung mit verhinderter thermischer Verkürzung nicht reißen. Die dabei entstehenden Zugspannungen im Bauteil können durch Relaxationsverformungen abgebaut werden, so lange die Spannungen nicht zu groß werden und die Temperaturen nicht zu tief sinken. Somit können beispielsweise Asphaltstraßen im Gegensatz zu Betonstraßen ohne Fugen hergestellt werden. 13.1.4.3 Rheologische Eigenschaften
Die Rheologie ist die Lehre von den Verformungen, die ein Stoff unter bestimmten Belastungsbedingungen erfährt. Die Rheologie konzentriert sich dabei im Gegensatz zur Mechanik
13.1 Bitumen
757
weniger auf die Belastung selbst, sondern auf die Eigenschaften des Stoffes, der diese zu ertragen hat. Darüber hinaus integriert die Rheologie neben den mechanischen Beanspruchungen auch die mit der Verformung einhergehenden thermischen, elektromagnetischen und optischen Phänomene (Wärmeleitfähigkeit, Piezoelektrizität, Elektro- und Magnetostriktion usw.). Ziel der Rheologie ist es, geeignete Modelle zu entwickeln, die unter Berücksichtigung der Stoffeigenschaften in der Lage sind, die Verformungen unter aufgebürdeten Belastungen mathematisch darzustellen. Im Gegensatz dazu beschreibt die Rheometrie die Messmethoden und Messgeräte, die zur Erfassung rheologischer Daten erforderlich sind. Die Messgeräte, mit denen das rheologische Verhalten einer Substanz bestimmt wird, werden Viskosimeter (nur Viskositätsmessung möglich) oder Rheometer genannt. Die Viskosität ist eine von einer aufgebrachten Schubspannung bzw. dem dabei auftretenden Geschwindigkeitsgefälle unabhängige Stoffkonstante, die lediglich von der Temperatur beeinflusst wird. Die zur Erreichung einer bestimmten Viskosität erforderliche Temperatur wird als „Äquiviskositäts-Temperatur“ („EVT“) bezeichnet. Zwischen diesen beiden idealisierten Zuständen der reinen Elastizität bei tiefen und des reinen viskosen Fließens bei hohen Temperaturen liegt der gebrauchsrelevante Temperaturbereich für Bitumen. In diesem Bereich ist die Viskosität keine nur temperaturabhängige Kenngröße, sondern wird zusätzlich von der Größe der aufgebrachten Schubspannung beeinflusst. Bitumen verhält sich hier strukturviskos, d. h. es zeigt sowohl viskose als auch elastische Eigenschaften. Es ist also sinnvoll, das Bitumen als so genannten viskoelastischen Körper zu betrachten. Bei Zuschalten viskoser Verformungsanteile zu dem rein-elastischen Verhalten gewinnt die Beanspruchungsdauer eine wichtige Rolle für die bleibende Formänderung. Das zeit- und temperaturabhängige Verformungsverhalten von Bitumen wird gekennzeichnet durch einen Steifigkeitsmodul, kurz als „Steifigkeit“ bezeichnet. Die Steifigkeit des Bitumens und die Steifigkeit von Asphalten stehen im direkten Zusammenhang. Zur Bestimmung der Bitumensteifigkeit aus dem Penetrationsindex PI, dem Erweichungspunkt EPRuK und der Belastungsdauer hat van der Poel ein Nomogramm erarbeitet, das von Heukelom weiterentwickelt wurde. Bild 13-2 zeigt das Nomogramm und ein Anwendungsbeispiel.
Beispiel: Für ein Bitumen mit einem PI = + 2,2 und einem EPRuK = 75 °C wird der Steifigkeitsmodul bei T = 30 °C und bei einer Belastungsdauer von 102 s gesucht. Dazu verbindet man 102 s auf der Zeitachse mit 75 – 30 = 45 K auf der Temperaturunterschiedskala. Im Schnittpunkt dieser Linie mit der Horizontalen bei PI = +2,2 erhält man die Steifigkeit zu S = 105 N/m2.
758
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Bild 13-2 Viskositäts-Temperatur-Diagramm für einige Bitumen
13.1.4.4 Haftverhalten (Adhäsion)
In fast allen Anwendungsgebieten hat Bitumen die Funktion eines „Binde“- bzw. „Klebe“mittels. Die Haftfestigkeit des Bitumens ist eine Eigenschaft, die auf einer Wechselwirkung beider beteiligter Stoffe beruht und an der beide Stoffe einen Anteil haben. Dabei leisten insbesondere die Gesteinskörnungen sehr unterschiedliche Beiträge zur Haftfestigkeit. Eine feste Bindung zwischen Bitumen und Gestein setzt eine vollständige Benetzung des Gesteins durch das Bitumen voraus. Es ist deshalb bei allen Anwendungsfällen darauf zu achten, dass auf den Gesteinsoberflächen keine den Haftverbund behindernden Trennmittel wie Staub oder Feuchtigkeit vorhanden sind. Bei der Asphaltherstellung ist deshalb grundsätzlich besonderen Wert auf eine gründliche Trocknung und eine Reinigung der Gesteinskörnungen vor dem Mischprozess zu legen. Da Wasser immer eine größere Affinität als Bitumen zum Gestein hat, kann aber selbst bei zunächst einwandfreier Haftung ein späterer Wasserzutritt zur Ablösung des Bitumenfilms, d. h. zum Verlust der Klebefähigkeit führen. Ein Eindringen des Wassers in die Konstruktion und insbesondere in den Haftbereich ist deshalb weitgehend zu verhindern bzw. entsprechend zu berücksichtigen. 13.1.4.5 Alterung
Bitumen ist gegen die Einwirkung von Luftsauerstoff nicht gänzlich unempfindlich, vor allem, wenn gleichzeitig kurzwellige UV-Strahlung (Sonnenlicht) einwirkt. Durch die Einflüsse
13.1 Bitumen
759
von Luftsauerstoff, UV-Strahlung (Licht) und Wärme erfährt das Bitumen destillative und oxidative Veränderungen seiner stofflichen Zusammensetzung, die eine Verhärtung des Bitumens (Alterung) bewirken. Diese beschränken sich im Wesentlichen auf den Bereich der Oberfläche. Die destillative Alterung beruht auf dem Abdampfen weicherer Ölanteile aus dem Bitumen. Sie kommt praktisch nur bei hohen Temperaturen wie beispielsweise der Asphaltherstellung und -verarbeitung vor, kann aber eine anschließende weitergehende Alterung verursachen. Bei der destillativen Alterung spielen folgende Faktoren eine Rolle: Bitumensorte: Weiches Bitumen enthält mehr Ölanteile als hartes und altert entsprechend leichter Temperatur: Je höher die Temperatur, desto höher der Dampfdruck und die Menge der verdampfenden Ölanteile spezifische Oberfläche: Je größer die Luftzutrittsmöglichkeit (Mischgutzusammensetzung, Abdeckung, Verweildauer), desto größer die destillative Alterung Die oxidative Verhärtung beruht auf der Reaktion mit Luftsauerstoff. Ausmaß und Geschwindigkeit hängen von folgenden Einflussfaktoren ab: Luftzutrittsmöglichkeit: Bei unbehindertem Luftzutritt an die Bitumenoberfläche bleibt die Wirkung unvermindert anhaltend, weil immer neuer Sauerstoff nachgeliefert wird. Nur in luftdicht verschlossenen Behältern lässt sich die Oxidation eindämmen. Temperatur: Mit einem Anstieg der Temperatur verstärkt sich die Wirkung der oxidativen Alterung. Bereits eine Erhöhung um 10 °C verdoppelt die Reaktionsgeschwindigkeit. Licht: Während die Oxidation im Dunkeln sehr langsam abläuft, wird sie durch die Einwirkung durch Licht erheblich beschleunigt. Die Einwirktiefe des Lichts beträgt jedoch lediglich 4 bis 5 m. 13.1.4.6 Verhalten gegenüber Wasser
Bitumen ist in Wasser praktisch unlöslich, und seine Wasseraufnahme ist außerordentlich gering; Bitumen ist praktisch wasserundurchlässig. Auch gegenüber Wasserdampf ist Bitumen weitgehend undurchlässig. Da die Diffusionskonstante sehr klein ist (ca. 10–8 g/(cm ⋅ h ⋅ mbar)) bzw. der Wert der Diffusionswiderstandszahl μ mit 50 000 relativ hoch liegt, wirkt Bitumen dampfsperrend und ist somit als Korrosionsschutzstoff oder Stoff zur Bauwerksisolierung gut geeignet. Seine Anwendung in diesem Bereich geht auf eine Jahrtausende alte Vergangenheit zurück. Aufgrund dieser Eigenschaften und auch, weil Bitumen weder Phenol noch andere von Wasser auswaschbare Stoffe enthält, kann es ohne Bedenken auch in Trinkwasserschutzgebieten, sogar zum Auskleiden von Trinkwasserbecken und -leitungen verwendet werden (s. „Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten – RiStWag“). 13.1.4.7 Verhalten gegenüber chemischen Einflüssen
Gegen die Einwirkung von organischen und anorganischen Salzen, aggressiven Wässern, Kohlensäure und anderen schwachen Säuren jeder Konzentration und gegenüber Basen (auch
760
13 Bitumenhaltige Baustoffe
wenn diese in konzentrierter Form vorliegen), ist Bitumen bei Raumtemperatur im Großen und Ganzen gut beständig. Stark oxidierende Medien setzen die Konzentrationsgrenze der Beständigkeit herab (Chlor, Königswasser, Bleichlauge usw.). Abgesehen von unterschiedlicher Kreidungsneigung sind Bitumen auch hervorragend witterungsbeständig. Je weicher – z. B. durch erhöhte Temperatur – das Bitumen ist, desto geringer ist im Allgemeinen seine Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Einflüssen. Bitumen ist aber in Erdölfraktionen, wie z. B. Benzin, und Öl, aber auch in vielen anderen organischen Lösungsmitteln, wie Benzol, Tetrachlorkohlenstoff, Schwefelkohlenstoff, Trichlorethen usw. löslich. Verhalten gegenüber Öl
Bitumen ist zwangsläufig löslich in Kohlenwasserstoffen gleicher Herkunft (Öl, Benzin) und bestimmten chemischen Lösemitteln. Diese Eigenschaft wird sogar bewusst technisch genutzt, z. B. bei der Herstellung von Fluxbitumen, Bitumenlösungen (Vorspritzmittel, Regeneriermittel), Bautenschutzmitteln u. a., ferner bei Mischgutuntersuchungen im Labor (Bitumenextraktion). Verdichteter Asphalt zeigt dagegen eine erhebliche Beständigkeit gegenüber Kohlenwasserstoffen und Lösemitteln. Verhalten gegenüber Chemikalien
Die das Bitumen bildenden Kohlenwasserstoffe sind sehr reaktionsträge gegenüber chemischen Substanzen, wobei wiederum gilt, dass härtere Bitumen widerstandsfähiger sind. Bitumen ist also beständig gegen das Einwirken organischer und anorganischer Salze, aggressiver Wässer, Kohlensäure und anderer schwacher Säuren jeder Konzentration. Darüber hinaus wirken weder Laugen und bei normalen Tagestemperaturen sogar ebenso die meisten starken Säuren wie Schwefelsäure, Salpetersäure, Salzsäure u. a. auf Bitumen ein. Von technischer Bedeutung ist die Beständigkeit gegen Tausalzlösung (Winterdienst), Harnstoff (schnell wirkendes Enteisungsmittel für Flugbetriebsflächen) und Jauche (ländlicher Wegebau). 13.1.4.8 Toxikologie
Trotz der mittlerweile langjährigen Verwendung von Bitumen wird der Baustoff nach wie vor häufig mit Straßenpech (früher: Teer) verwechselt. Bitumen hat zwar ein ähnliches Aussehen und eine ähnliche Konsistenz wie Teerpeche und findet zum Teil auch ähnliche Verwendung, seine Grundlage ist jedoch im Gegensatz zum Teer, das aus Kohle gewonnen wird, Erdöl; Bitumen enthält somit im Gegensatz zu Steinkohlenteerpech keine cancerogenen, polycyclischen Kohlenwasserstoffe. Bitumen ist biologisch unschädlich und kann daher ohne Bedenken im Trinkwasserbereich für Abdichtungskonstruktionen eingesetzt werden. 13.1.4.9 Brandverhalten
Die Entflammbarkeit von Bitumen kann anhand des Flammpunktes (im offenen Tiegel nach Cleveland – EN 22592) bestimmt werden. Generell liegt dieser Kennwert oberhalb von 220 °C und umso höher, je härter die Bitumensorte ist. Bitumen ist damit schwer entflammbar und auch Asphalt gilt gemäß DIN 4102 als solcher deklariert.
761
13.1 Bitumen 13.1.4.10 Weitere Eigenschaften
Die Wärmeleitfähigkeit des Bitumens – Wärmeleitzahl = 0,17 W/(m · K) – ist im Vergleich zu der anderer Stoffe niedrig. Bitumen wirkt deshalb wärmedämmend. Auf Grund seiner geringen elektrischen Leitfähigkeit – bei 80 °C: 50 bis 100 S/cm – eignet sich Bitumen gut als Isolierungsmittel in der elektrotechnischen Industrie und in der Kabelindustrie. Das spezifische Gewicht der normalen Bitumensorten liegt bei 25 °C zwischen 1,01 und 1,07 g/cm3. Der thermische Ausdehnungskoeffizient ist praktisch für alle Bitumen in der Temperaturspanne von 15 bis 200 °C gleich und konstant; er beträgt T 6 · 10–4 K–1. Da alle Bitumen aus chemisch sehr ähnlichen Stoffen aufgebaut sind, sind sie untereinander in jedem Verhältnis mischbar. Sehr wichtig ist, dass keinesfalls eine beliebige Verträglichkeit zwischen Bitumen und Pechen bzw. Zubereitungen aus Teerpechen besteht. Ganz im Gegenteil können beim Zusammentreffen beider Arten – sowohl in heißflüssiger Schmelze wie auch in Lösungen als Anstriche und unter Umständen sogar bei anhaltender Berührung im festen Zustand, z. B. Heißbitumen auf Pechgrundierung oder umgekehrt – irreversible Schädigungen durch Fällung oder Öl- (= Weichmacher-)wanderung eintreten. Es kann daher nicht genug davor gewarnt werden, unbekannte „schwarze“ Stoffe jedweder Art beliebig zu mischen oder in anderer Weise zu kombinieren. Die physikalischen Eigenschaften von Bitumen sind in Tabelle 13.3 zusammengefasst. Tabelle 13.3 Physikalische Eigenschaften von Bitumen Eigenschaft
Beschreibung
Farbe
schwarz
Aggregatzustand
im Gebrauchstemperaturbereich üblicherweise praktisch fest
Viskosität
temperaturabhängig
Dichte
1,01 bis 1,07 g/cm3 (bei 25 °C)
Alterung
empfindlich gegenüber – Sauerstoff – UV-Strahlung – thermischer Beanspruchung
Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien
praktisch resistent
Empfindlichkeit gegenüber organischen Lösungsmitteln (Kraftstoffe)
empfindlich
Entflammbarkeit
schwer entflammbar
Verformungsverhalten
visko-elastisch, thermo-viskos
Wasserdurchlässigkeit
praktisch wasserundurchlässig
762
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1.5 Verwendungsformen des Bitumens In Bild 13-3 sind die Begriffe für die verschiedenen Anwendungsformen von Bitumen und Zubereitungen aus Bitumen tabellarisch dargestellt. Da alle reinen Bitumen vor ihrer Verarbeitung auf ca. 150 bis 200 °C erhitzt werden müssen, kann man sie auch als „Heißbitumen“ bezeichnen. Diese Verarbeitungsform des Bitumens erreicht unmittelbar nach dem Abkühlen die Zähigkeit für den Dauergebrauch; es ist kein Abbinden erforderlich.
Bild 13-3 Terminologie der Kohlenwasserstoff-Bindemittel
13.1.5.1 Straßenbaubitumen
Als Straßenbaubitumen bezeichnet man die Bitumensorten, die zur Herstellung von Asphalt für den Bau und die Erhaltung von Verkehrsflächen eingesetzt werden. Sie werden als Bitumen vom Soltyp eingestuft. Die Werte für die Nadelpenetration liegen zwischen 20/10 mm bis 300/10 mm. In Deutschland werden im Straßenbau hauptsächlich die harten bis mittelharten Sorten (30/45 bis 70/100) eingesetzt. Die Temperaturspanne zwischen Erweichen und Verspröden, die so genannte „Plastizitätsspanne“, liegt um 70 K. Sie verschiebt sich bei den härteren Sorten in höhere Temperaturbereiche. Destillationsbitumen
Als Destillationsbitumen werden alle Bitumen benannt, die durch Destillation von Erdölen, vorzugsweise unter Verwendung eines Vakuums hergestellt werden. Destillationsbitumen sind zumeist weich bis mittelhart.
13.1 Bitumen
763
Hochvakuumbitumen
Bitumen, die durch die Verwendung eines erhöhten Vakuums hergestellt werden. Das Produkt ist meist ein hartes bis sprödes Destillationsbitumen. Weichbitumen
Dieses sind die bei der gewöhnlichen Destillation des Erdöls unter geringem Vakuum gewonnenen weichen Sorten mit Penetrationswerten zwischen 250/10 mm bis 900/10 mm oder mit kinematischen Viskositäten bei 60 °C von 1000 mm2/s bis 16 000 mm2/s. Diese niedrigen Viskositäten erreicht man jedoch nur durch Zumischen von langsam verdunstenden Fluxölen auf Mineralölbasis (siehe Fluxbitumen). Hartes Straßenbaubitumen
Eine Untergruppe der Destillationsbitumen sind die harten Straßenbaubitumen (früher Hochvakuumbitumen), bei denen durch Anwendung eines besonders hohen Vakuums weitere Schwerölanteile abdestilliert werden. Sie weisen Penetrationswerte von 10/10 mm bis 30/10 mm auf. Die harten Straßenbaubitumen sind daher steif und spröde. Wegen des relativ hoch liegenden Brechpunktes finden sie vor allem dort Verwendung, wo ihr Sprödverhalten nicht zur Wirkung kommen kann. Sie werden im Bauwesen bevorzugt für Gussasphalte in Innenräumen eingesetzt, da sie eine hohe Standfestigkeit haben. 13.1.5.2 Modifiziertes Bitumen
Es handelt sich um Bitumen, dessen rheologische Eigenschaften bei der Herstellung durch Verwendung chemischer Zusätze modifiziert worden sind. Modifizierte Bitumen können als solche oder verschnitten, emulgiert oder gemischt – z. B. mit Naturasphalt – verwendet werden. Ein Sonderfall ist das polymermodifizierte Bitumen (PmB; TL Bitumen-StB). Die Zugabe polymerer Werkstoffe (vorwiegend Thermoplaste, ca. 3 bis 5 M.-%) beeinflusst vor allem das Temperatur-Viskositäts-Verhalten von Bitumen. Durch die Zusätze lassen sich folgende Tendenzen erkennen: Anstieg des Erweichungspunktes, d. h. Verschiebung der Konsistenz zu einem härteren Bitumen; ausgeprägter Anstieg des Penetrationsindex (PI): Erhöhungen des PI lassen einen tieferen Brechpunkt sowie eine erweiterte Plastizitätsspanne und somit ein gegenüber herkömmlichem Straßenbaubitumen verbessertes Tieftemperaturverhalten sowie eine geringere Temperaturempfindlichkeit erwarten. 13.1.5.3 Industriebitumen
Als Industriebitumen bezeichnet man ein Bitumen, das für andere Zwecke als zum Bau oder zur Erhaltung von Verkehrsflächen eingesetzt wird. Die Einsatzgebiete überschneiden sich jedoch; so werden einige Bitumensorten sowohl im Straßenbau als auch bei industriellen Anwendungen eingesetzt, wie z. B. zur Herstellung von Dach- und anderen Dichtungsbahnen.
764
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Tabelle 13.4 Einsatzmöglichkeiten unterschiedlicher Bitumenarten und -sorten Anwendungsgebiet
Destillationsbitumen nach DIN EN 12591 160/220 70/100
50/70
30/45
20/30
HVB
Oxidationsbitumen 85/25
85/40
95/40
100/25
100/40
105/15
115/15
90/100
Straßen- Asphalttragschichten bau Asphaltbinder Asphaltbeton Splittmastixasphalt Gussasphalt Tragdeckschicht Wasserbau Dachund DichtungsbahnenIndustrie
Tränkmassen Deckmassen Klebemassen polym. modif. Massen
sonstige PapierIndustrie Verbraucher Elektro- u. Kabelindustrie Röhren- u. Behälterindustrie GummiIndustrie EmulsionsIndustrie Anstrich- u. Lack-Industrie Schutzmassen u. Kitte Gussasphaltestriche Fugenvergussmassen übliche Anwendung
Anwendung in Sonderfällen
Oxidationsbitumen
Oxidationsbitumen sind die durch Einblasen von Luft in geschmolzenes, weiches Bitumen hergestellten, hochschmelzenden Bitumensorten (alte Bezeichnung: geblasene Bitumen) mit veränderten rheologischen Eigenschaften. Die Oxidationsbitumen zeigen deutlich ausgeprägte elastische Effekte; sie werden dem Geltyp zugerechnet.
765
13.1 Bitumen
Die Plastizitätsspanne der Oxidationsbitumen ist gegenüber den Straßenbaubitumen auf 100 K und teilweise darüber hinaus ausgeweitet. Es entsteht aber durch diesen primären Oxidationsschub eine gewisse chemische Instabilität, die sich in leichterer Weiteroxidation an der Luft (Kreidung, Versprödung) und Nachdickung in Lösung (Lacke) sowie Empfindlichkeit gegen Überhitzung kundtut, so dass mehr Kenntnisse und Vorsicht für die Verarbeitung notwendig sind. Bevorzugtes Einsatzgebiet für Oxidationsbitumen ist dort zu sehen, wo sowohl extrem hohe als auch tiefe Temperaturen zu erwarten sind, z. B. im Bereich der Dachdeckungen, und zwar sowohl als Beschichtungs- als auch als Verklebungsmittel. Hartbitumen
Als Untergruppe bei den Oxidationsbitumen sind die Hartbitumen zu nennen, Oxidationsbitumen mit der Konsistenz von hartem Straßenbaubitumen.
13.1.6 Prüfverfahren für Bitumen Die Anforderungen für Straßenbaubitumen sind in Deutschland in der TL Bitumen – StB festgelegt. Die Lieferbedingungen legen die Eigenschaften und entsprechende Prüfverfahren für Straßenbaubitumen fest, die zum Bau und zur Erhaltung von Straßen geeignet sind und die durch Raffinationsverfahren aus Rohölen erhalten werden. Bei den in den Lieferbedingungen festgehaltenen – vorzugsweise mechanischen – Prüfungen, handelt es sich zumeist um empirische Konventions-Verfahren. Ihre Messergebnisse sind nur bei den speziellen Prüfbedingungen zutreffend und können meist nicht in physikalischen Größen angegeben werden. Der Aussageschwerpunkt der Prüfergebnisse liegt vorwiegend auf dem Gebiet der Sortenabgrenzung und Reinheit. Die direkte Übertragung auf die Praxis ist meist nicht möglich, und nur in Verbindung mit Erfahrungswerten lässt sich das Verarbeitungs- und Gebrauchsverhalten einigermaßen sicher beurteilen. Die Merkmale und Prüfmethoden für die wichtigsten gebrauchsrelevanten Eigenschaften werden im Folgenden kurz behandelt. Grundunterscheidungsmerkmal der Bitumensorten ist ihre unterschiedliche „Weichheit“, die Konsistenz. Die drei wichtigsten Konsistenzprüfungen sind schematisch in Bild 13-4 dargestellt.
aa aa aa aa aa
aaa aaa aaa aaa aaa
Bild 13-4 Messprinzipien für Nadelpenetration, Erweichungspunkt RuK, Brechpunkt nach Fraaß
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13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1.6.1 Penetration (Pen) DIN EN 1426
Die Penetration eines Bindemittels ist ein Maß für die Härte des Bitumens. Als Ergebnis des Versuchs erhält man die Eindringtiefe einer Nadel in die Bitumenprobe bei einer Temperatur von T = +25 °C innerhalb einer Belastungsdauer von 5 Sekunden. Die Angabe der Einsinktiefe (Penetration) erfolgt in 1/10 mm. Die Bezeichnung eines Bitumens gibt an, in welcher Spannweite sich seine Nadelpenetration befindet, d. h. ein Bitumen 70/100 besitzt eine Nadelpenetration von 70 1/10 mm bis 100 1/10 mm. 13.1.6.2 Erweichungspunkt Ring und Kugel (EP RuK) DIN EN 1427
Bei dieser international gebräuchlichen Methode wird die Temperatur bestimmt, bei der eine Bitumenschicht unter festgelegten Bedingungen bei gleichmäßiger Erwärmung in einem Flüssigkeitsbad eine Verformung von 25,4 mm durch eine aufgelegte Stahlkugel erfährt. Die bei Erreichen dieser Verformung in dem Flüssigkeitsbad gemessene Temperatur wird als Erweichungspunkt in °C angegeben. Der Erweichungspunkt RuK gibt Aufschluss über das Wärmeverhalten eines Bitumens. Mit steigender „Weichheit“ des Bitumens nimmt die Nadelpenetration überproportional zu.
Je niedriger der EPRuK liegt, desto höhere Pen-Werte werden im Allgemeinen ermittelt. Oxidationsbitumen zeigen keinen solchen eindeutigen Zusammenhang zwischen EPRuK und Pen 25 °C. 13.1.6.3 Brechpunkt (BP) DIN EN 12 593
Die Lage des Brechpunktes nach Fraaß gibt einen Anhalt über das Verhalten des Bitumens bei niedrigen Temperaturen. Die auf das Prüfblech mit definierter Schichtdicke aufgebrachte Bitumenschicht wird unter konstanter Abkühlgeschwindigkeit wiederholter Biegung unterworfen, bis ein Riss in der Bitumenschicht auftritt. Die zu diesem Zeitpunkt im Prüfgefäß gemessene Temperatur wird als Brechpunkt definiert. Die Angabe des Brechpunktes erfolgt in °C. Der Brechpunkt gibt die Temperaturgrenze an, bei der das plastische Verhalten des Bitumens in ein starr-elastisches Verhalten übergeht. Plastizitätsspanne
Brechpunkt oder Erweichungspunkt sind Temperaturpunkte, bei denen die Bitumen jeweils etwa vergleichbare Zähigkeiten aufweisen. Zwischen beiden Übergängen liegt ein Zustand zähplastischen Verhaltens; die Temperaturdifferenz zwischen Brechpunkt und Erweichungspunkt wird oft als „Plastizitäts-Spanne“ bezeichnet. Plastizitätsspanne und Dauergebrauchstemperatur-Spanne sollen möglichst aufeinander liegen. Je größer die Plastizitätsspanne ist, desto weitere Anwendungsbereiche werden dem Bindemittel erschlossen und desto weniger reagiert es auf Temperaturänderungen. 13.1.6.4 Elastische Rückstellung DIN EN 13 398
Die Duktilität (Streckbarkeit) gibt eine Aussage über die Dehnfähigkeit von Bitumen bei 25 °C. Die Länge, auf die sich ein Bitumenfaden – ohne zu reißen – ausziehen lässt, wird als
767
13.1 Bitumen
Duktilität in cm angegeben. Da die Aussagekraft dieser Prüfung für die Praxis sehr umstritten ist, wurde sie bei Einführung der Europäischen Normen nicht mehr als Anforderung aufgenommen. Um die elastischen Eigenschaften der polymermodifizierten Bitumen zu prüfen, wurde ein abgeändertes Duktilitäts-Verfahren, die Prüfung der so genannten elastischen Rückstellung eingeführt. Hierbei wird der im Duktilometer auf 200 mm Länge gedehnte Bitumenfaden in der Mitte mit einer Schere durchtrennt und nach einer Wartezeit von 30 min die lichte Weite zwischen den Fadenenden nach der elastischen Rückstellung gemessen (Bild 13-5). Auf die Ausgangslänge (200 mm) bezogen ergibt sich der Wert der elastischen Rückstellung in %.
Bild 13-5 Messprinzip für die elastische Rückstellung von polymermodifizierten Bitumen
13.1.6.5 Kraftduktilität DIN EN 13589
Als Weiterentwicklung der einstigen Duktilitätsprüfung wurde das Verfahren der Kraftduktilität eingeführt, mit dem der Verformungswiderstand eines Bindemittels beurteilt werden kann. Dazu wird ein Bitumen bei festgelegter Temperatur gedehnt und während dessen die dafür erforderliche Kraft gemessen. Als Ergebnis erhält man einen Graphen, wie er in Bild 13-6 dargestellt ist. Je größer die durch die Fläche unterhalb des Graphen ausgewiesene Verformungsarbeit zur Streckung des Bitumens auf einen bestimmten Weg ausfällt, desto größer ist auch der Verformungswiderstand des Bindemittels bzw. des damit gemischten Asphalts.
Bild 13-6 Kraft-Dehnungsverlauf eines polymermodifizierten Bindemittels mit Darstellung der Arbeit (schraffierte Fläche)
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13 Bitumenhaltige Baustoffe
Die Kraft-Dehnungsgraphen von Straßenbaubitumen weisen ein mehr oder weniger ausgeprägtes Maximum auf. Demgegenüber ist es für polymermodifizierte Bitumen charakteristisch, dass sich aufgrund der von den Polymeren gebildeten Struktur im Bitumen ein zweites, geringer ausfallendes Maximum ausprägt. Die Auswertung der Kraftduktilitätsprüfung erfolgt gemäß DIN EN 13 703. 13.1.6.6 Verformungsverhalten mit dem Dynamischen Scherrheometer (DSR) DIN EN 14 770
Im Dynamischen Scherrheometer wird ein Bindemittelfilm bei einer konstanten Prüftemperatur zwischen zwei parallelen, 25 mm durchmessenden Metallplatten mit einer dynamischen Scherspannung beansprucht und die Verformungsreaktion des Bitumens gemessen. Die Schubspannung kann sowohl rotierend (die Beanspruchung erfolgt in Rotationsrichtung um eine Achse) als auch oszillierend erfolgen (die Beanspruchung der Probe erfolgt oszillierend um die Mittellage). Als Ergebnis des Oszillationsversuchs erhält man den von der Prüffrequenz abhängigen komplexen Schermodul (|G*|) sowie den Phasenwinkel () des Bitumens. Das Verformungsverhalten von Bitumen wird von den Raffinerien laufend mit dem Dynamischen Scherrheometer bestimmt. Dabei wird eine Frequenz von 1,59 Hz in einem Temperaturbereich zwischen 30 und 90 °C angesetzt. 13.1.6.7 Verhalten bei tiefen Temperaturen mit dem Biegebalkenrheometer (BBR) DIN EN 14 771
Mit dem Biegebalkenrheometer wird das Verhalten des Bitumens bei tiefen Temperaturen – in der Regel bei –16 °C (Simulation von –26 °C) – bestimmt. Die Biegebalkenprüfung ist ein 3-Punkt-Biegeversuch an einem Balken aus bitumenhaltigem Bindemittel. Der Probekörper wird dabei in seiner Feldmitte mit einer konstanten Last beaufschlagt und die Entwicklung der Durchbiegung gemessen. Die Biegekriechsteifigkeit Sm ermittelt sich aus der Biegespannung und -dehnung für festgelegte Belastungszeiten. 13.1.6.8 Bestimmung des Flammpunktes und des Brennpunktes im offenen Tiegel nach Cleveland DIN EN 22 592
Zur Bestimmung der Entflammbarkeit von Bitumen wird der Flammpunkt oder der Brennpunkt bestimmt. Zur Prüfung wird ein die Bitumenprobe enthaltender offener Tiegel erhitzt. Eine Zündflamme wird über die Oberfläche bewegt, bis eine Entflammung eines explosiven Öl/Luft-Gemisches über der Bitumenoberfläche stattfindet. Definition: Als Flammpunkt ist die niedrigste Temperatur definiert, bei der sich die aus der Probe entwickelnden Dämpfe mit der über dem Flüssigkeitsspiegel stehenden Luft entflammen lassen. Demgegenüber ist der Brennpunkt die niedrigste Temperatur, bei der die Dämpfe, die sich aus der Probe entwickelt haben, nach dem Entflammen mindestens 5 s weiter brennen.
13.1 Bitumen
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Die Flammpunkte von Bitumen müssen oberhalb von 220 °C liegen. Je härter ein Bitumen ist, desto höher liegt generell sein Flammpunkt.
13.1.7 Bitumenhaltige Bindemittel Ein bitumenhaltiges Bindemittel kann in folgenden Formen vorliegen: rein, modifiziert, oxidiert, verschnitten, gefluxt, emulgiert. Zur Klarstellung ist möglichst immer der Begriff zu verwenden, der das betreffende Bindemittel genau beschreibt. Unter bitumenhaltigen Bindemitteln versteht man vor allem Bindemittel, die durch Zusätze in ihrer Konsistenz so verändert werden, dass sie bei geringen Temperaturen teilweise ohne jede Erwärmung verarbeitungsfähig sind. Anders als bei den „Heißbitumen“ ist bei diesen Verwendungsformen ein Abbindevorgang – Abdunsten der Verarbeitungshilfen – erforderlich. 13.1.7.1 Fluxbitumen
Ein Fluxbitumen ist ein weiches Bitumen, das mit schwerflüchtigen Fluxölen auf Mineralölbasis (früher mit Teerölen) „verschnitten“ wird, wodurch die Viskosität herabgesetzt wird. Fluxbitumen braucht zur Verarbeitung nur noch auf Temperaturen bis maximal 90 °C erwärmt zu werden. Fluxbitumen wurden für den Bau von Straßendecken, die ihre endgültige Verdichtung erst unter dem späteren Verkehr erhalten – so genannten Kompressionsdecken – verwendet. Durch die zunächst hohlraumreichen Bauweisen ist eine Verdunstung der Fluxöle möglich. In Deutschland wird nur noch das hochviskose Fluxbitumen hergestellt, das einen Fluxölanteil von ca. 5 M.-% enthält. 13.1.7.2 Kaltbitumen
Kaltbitumen besteht aus mit leichtflüchtigen Lösungsmitteln – wie Testbenzin, Kerosin, Benzol, Ethylenchlorid, usw. – verschnittenem weichen bis mittelharten Bitumen, so dass die Verarbeitung im unerwärmten Zustand möglich ist. Der Bitumengehalt beträgt bei den meisten Sorten ca. 80 M.-%. Verwendet werden Kaltbitumen vor allem für Ausbesserungszwecke, als Vorspritzmittel und zur Bodenverfestigung. Wie Heiß- und Fluxbitumen ist auch das Kaltbitumen ein ausgesprochen thermoplastisches Bindemittel. 13.1.7.3 Bitumenanstrichstoff
Hierbei handelt es sich um eine Bitumenlösung, die aus hartem Straßenbaubitumen, Hochvakuumbitumen oder Oxidationsbitumen besteht, dessen Viskosität durch Zusatz von leichtflüchtigen Lösemitteln herabgesetzt ist. Bitumenanstrichstoffe werden vorwiegend im Hochund Ingenieurbau eingesetzt, z. B. für Dichtungszwecke („Schwarzanstriche“).
770
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1.7.4 Bitumenemulsion
Bitumenemulsionen stellen feine Aufteilungen (Dispersionen) eines weichen Destillationsbitumens (Bitumensorten 70/100, 100/150 oder 160/220) in einem wässrigen Medium dar; im Allgemeinen ist der Einsatz von „Emulgatoren“ und gegebenenfalls auch „Stabilisatoren“ erforderlich. Die Bitumenemulsionen sind dünnflüssig genug, um sie ohne Erhitzung verarbeiten zu können. Sie besitzen gegenüber Gesteinskörnungen ein hervorragendes Benetzungsvermögen, auch für feuchte Gesteine und feuchte Straßenflächen. Die Verwendung der Bitumenemulsion geht praktisch geruchsfrei vor sich. Der Flüssigkeitsgrad von Bitumenemulsionen wird durch die Temperatur nur wenig verändert. Es sind also keine thermoplastischen Bindemittel! Bitumenemulsionen können in ihrer Viskosität durch Variation des Bitumengehaltes den Anforderungen entsprechend eingestellt werden. Praktische Bedeutung haben Konzentrationen von 40 bis 70 %, wobei die Grenze für eine kalte Verspritzbarkeit bei etwa 60 % liegt. Darüber muss die Emulsion für die Verarbeitung etwas erwärmt werden. Durch Einsatz so genannter Froststabilisatoren hat die Industrie zwischenzeitlich F-Emulsionen entwickelt, die ein Einfrieren bis auf –8 °C und ein anschließendes langsames Wiederauftauen, ohne zu agglomerieren, vertragen. Die Kleb- und Bindefähigkeit, tritt bei der Bitumenemulsion erst nach der Trennung von Bitumen und Wasser, dem so genannten “Brechen” der Emulsion ein. Das frei gewordene Bitumen erlangt jedoch erst dann seine Funktion als Bindemittel, wenn das Emulsionswasser einschließlich eventuell vorhandener Untergrundfeuchtigkeit verdunstet ist; dies wird als Abbinden bezeichnet. Kationische Bitumenemulsionen
Die Technischen Lieferbedingungen für Bitumenemulsionen, kurz TL BE-StB, sind das nationale Anwendungsdokument für die EN 13808: Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Rahmenwerk für die Spezifizierung kationischer Bitumenemulsionen, die, ähnlich wie die EN 14023, ein Klassensystem darstellt. Die TL BE-StB beschreiben alle im Straßenbau verwendeten kationischen Bitumenemulsionen und bringen neue Sortenbezeichnungen, neue Prüfverfahren und damit auch angepasste Anforderungen mit sich. In den TL BE-StB werden sechs Tabellen mit Anforderungen für kationische Bitumenemulsionen enthalten sein, abhängig von deren Anwendungsbereich. Die Anzahl der in den Tabellen beschriebenen Sorten variiert und kann Tabelle 2 aus dem Entwurf der TL BE-StB entnommen werden. Beispiel für die Benennung einer Bitumenemulsion gemäß TL BE-StB:
C60B5-REP
kationisch, Nenngehalt an Bindemittel 60 %, aus Bitumen hergestellt, Brechwert der Klasse 5, Anwendung bei Anspritzen und Abstreuen
771
13.1 Bitumen
Tabelle 13.5 Anwendungsbereiche und jeweilige Anzahl an Sorten der kationischen Bitumenemulsionen Kurzzeichen
Anwendungsbereich
Anzahl Sorten
S
Herstellung Schichtenverbund
3
DSH
Dünne Schichten im Heißeinbau auf Versiegelung (DSH-V)
1
REP
Anspritzen und Abstreuen
4
OB
Oberflächenbehandlung
3
DSK
Dünne Schichten im Kalteinbau
1
BEM
Bitumenemulsionsgebundenes Mischgut
1
Bei kationischen Bitumenemulsionen liegt der pH-Wert unter 7,0. Die mit positiver Oberflächenladung versehenen Bitumenteilchen erzielen bei Berührung mit quarzhaltigen (sauren) Gesteinen eine unmittelbare Haftung. Sie sind aufgrund der sofortigen Verdrängung des Wassers daher auch bei ungünstigen Witterungsverhältnissen gut einsetzbar.
Haftkleber sind lösemittelhaltige Bitumenemulsionen, die nur zum Ankleben von bitumenhaltigen Schichten auf der Unterlage dienen. Haftkleber sind stabile Emulsionen eines mittelharten Bitumens mit geringen Mengenanteilen petrostämmiger Lösungsmittel. Sie zeichnen sich durch eine gute Sprühbarkeit, ein gutes Eindringvermögen in die Asphaltoberflächen und durch das Vermögen, das vorhandene Bindemittel hinsichtlich seiner Kohäsion, als der Klebkraft zu aktivieren, aus. Nach den TL BE-StB werden Haftkleber heute nicht mehr von Bitumenemulsionen unterschieden. Der ursprüngliche Haftkleber entspricht nunmehr einer Bitumenemulsion unter Zugabe von 2 % Fluxmittel unter der Bezeichnung C40BF1-S (Tabelle 13.6) Polymermodifizierte Bitumenemulsionen sind Emulsionen, in denen die dispergierte Phase ein polymermodifiziertes Bitumen oder eine Bitumenemulsion ist, die mit Latex modifiziert wurde. Ziel der Polymermodifizierung ist es wie beim Asphalt, die Plastizitätsspanne gleichzeitig in den höheren wie in den unteren Temperaturbereich auszudehnen. Brechen von Bitumenemulsionen
Als Brechen einer Bitumenemulsion bezeichnet man die nicht umkehrbare Trennung der Bitumenphase von der wässrigen Phase. Dieses Brechen tritt ein, sobald die Schutzfunktion der Emulgatorhülle um die Bitumentropfen aufgehoben wird. Durch den Kontakt der positiv geladenen Bitumenteilchen mit der negativ geladenen Gesteinsoberfläche findet bei kationischen Bitumenemulsionen ein Potentialausgleich statt, der zu einer festen Verbindung des Bitumens mit dem Gestein und einer Ausscheidung des Emulsionswassers führt. Im Gegensatz dazu brechen anionische Bitumenemulsionen nicht auf saurem Gestein, sondern durch Verdunstung des Wasseranteils. Die Dauer des Brechvorgangs einer Bitumenemulsion bestimmt ihren Charakter und ihre Eignung für die vorgesehenen Anwendungsarten. Man unterscheidet: schnell brechende Bitumenemulsionen, die sich speziell für Arbeiten im Spritzverfahren eignen;
772
13 Bitumenhaltige Baustoffe
langsam brechende Bitumenemulsionen, die vorwiegend zur Herstellung von Mischgut eingesetzt werden; Bitumenemulsionen mit variablem Brechvorgang für spezielle Anwendungsverfahren, z. B. Bodenstabilisierung usw.
13.1.8 Prüfverfahren für bitumenhaltige Bindemittel 13.1.8.1 Bestimmung der Ladungsart von Bitumenemulsionen mit Hilfe der Elektrophorese (DIN EN 1430)
Bild 13-7 Bestimmung der Ladungsart von Bitumenteilchen in Bitumenemulsionen durch Elektrophorese (DIN EN 1430)
Das Verfahren dient der Feststellung, ob es sich bei einer Bitumenemulsion um eine anionische oder kationische handelt. Dazu werden zwei Bleche in die Bitumenemulsion gehängt und mit einer Gleichstromquelle verbunden. Nach einer Dauer von ein bis zwei Minuten nimmt der Stromdurchfluss ab und der Versuch ist beendet. Je nachdem, welche der beiden Bleche mit Bitumen überzogen sind, ist die Ladungsart der Bitumenemulsion feststellbar: Ist die Kathode (Minuspol) mit Bitumen überzogen, liegt eine kationische Emulsion vor; ist die Anode (Pluspol) mit Bitumen überzogen, handelt es sich um eine anionische Emulsion. Die Bestimmung der Ladungsart von Bitumenemulsionen hat mit Einführung der auf den europäischen Normen basierenden Regelwerken an Bedeutung verloren, da seither nur noch kationische Bitumenemulsionen vorgesehen sind.
13.1 Bitumen
773
13.1.8.2 Bestimmung der Viskosität von Bitumenemulsionen mit dem Straßenteer-Ausflussgerät (DIN EN 12 846)
Die Viskosität einer Bitumenemulsion ist nach DIN EN 12 846 durch die Zeit in Sekunden definiert, die 50 ml Bitumenemulsion benötigen, um durch eine 4 mm Düse im StraßenteerAusflussgerät zu fließen. Für jede Bitumenemulsion sind eine Prüftemperatur sowie eine maximale Durchflusszeit festgelegt.
13.1.9 Kennzeichnung von Bitumen und bitumenhaltigen Bindemitteln Die Straßenbaubitumen werden durch Angabe der Grenzwerte der Penetration gekennzeichnet (z. B. Bitumen 50/70 für Penetrationswerte zwischen 50/10 mm und 70/10 mm). Bei den weichen Bitumen wird die Sorte durch die Angabe der mittleren kinematischen Viskosität (Prüfung nach DIN EN 12 595) gekennzeichnet (z. B. Bitumen V 3000 für kinematische Viskositäten von 2000 mm2/s bis 4000 mm2/s).
Bild 13-8 Zuordnung der bitumenhaltigen Bindemittel zu den Europäischen Normen
Die Kurzbezeichnung von Fluxbitumen erfolgt nach DIN EN 15 322 in Form von Buchstaben und Zahlen (Normbezeichnungen). Diese beschreiben wichtige Eigenschaften der verschnittenen und gefluxten bitumenhaltigen Bindemitteln, d. h. der Viskosität, die Bindemittelart und des Absetzvermögens. Die Benennung von verschnittenen und gefluxten bitumenhaltigen Bindemitteln ist nachfolgend in Tabelle 13.6 mit der nationalen Ergänzung nach Tabelle 13.5 dargestellt.
774
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Tabelle 13.6 Benennung von kationischen Bitumenemulsionen gemäß TL BE Position
Zeichen
1
C
2 und 3
zweistellige Zahl
Benennung
unterstützende Europäische Norm
kationische Bitumenemulsion
EN 1430 (Teilchenpolarität)
Nenngehalt an Bindemittel in M.-%
EN 1428 (Wassergehalt) oder EN 1431 (rückgewonnenes Bindemittel + Öldestillat)
Angabe der Bindemittelart
4, oder 4 und 5, oder 4, 5 und 6
5 oder 6 oder 7 (wie zutreffend)
B
Straßenbaubitumen
EN 12 591 (Spezifikation für Straßenbaubitumen)
P
Zugabe von Polymeren
EN 14 023 (Spezifikation für Polymodifiziertes Bitumen) vor, während oder nach dem Emulgieren kann Polymer zugegeben werden.
F
Zugabe von mehr als 2 M-.% Fluxmittels
1 bis 7
Klasse des Brechverhaltens
EN 13 075-1 (Brechwert)
ANMERKUNG Beispiele für Kurzbezeichnungen von Bitumenemulsionen sind in DIN EN 13 808 Anhang A enthalten.
Tabelle 13.7 Übersicht über die Bedeutung der Abkürzung im Rahmen der Benennung von Fluxbitumen (DIN EN 15 322) Position des Zeichens (Buchstabe/Ziffer) 1 und 2
Buchstabe/ Ziffer
Unterstützendes Dokument
Fma
mit Mineralöl gefluxtes Bitumen oder verschnittenes Bitumen
Fva
mit Pflanzenöl gefluxtes Bitumen
von Klasse 2 bis Klasse 4 3
Benennung
von Klasse 5 bis Klasse 7
EN 12 597 prEN 12 846-2 (Ausflusszeit)
Viskositätsklasse
EN 13 302 (dynamische Viskosität)
Angabe der Bindemittelart 4 und 5 (falls zutreffend)
B P
Straßenbaubitumen
EN 12 591 b
Zugabe von Polymeren
EN 14 023b
775
13.1 Bitumen Position des Zeichens (Buchstabe/Ziffer)
Buchstabe/ Ziffer
Benennung
Unterstützendes Dokument
Absetzvermögen von Fm-Sorten von Klasse 2 bis Klasse 6 5 oder 6
b
EN 13 358
Absetzvermögen von Fv-Sorten von Klasse 2 bis Klasse 7
a
prozentualer Gesamtanteil des Destillats im Falle der Destillation bei 225 °C Erweichungspunkt Ring und Kugel an rückgewonnenem Bindemittel
EN 1427 prEN 13 074-1:2008
Um Verwechslungen zu vermeiden, wurde F sowohl für verschnittene als auch gefluxte Bitumensorten verwendet. da C bereits für die Bezeichnung von kationischen Bitumenemulsionen vergeben ist. Kann unter Verwendung von polymermodifiziertem Bitumen (EN 14 023) hergestellt werden oder durch Zugabe von Polymer dem verschnittenen oder gefluxten bitumenhaltigen Material
Tabelle 13.8 Beispiele für die Benennung von Fluxbitumen Beispiel 1
Fm 4 B 6 Ein mittelviskoses verschnittenes Material auf der Basis von Straßenbaubitumen, das ein relativ flüchtiges erdölstämmiges Verschnittmaterial enthält, von dem bei 225 °C mehr als 55 % destilliert werden.
Beispiel 2
Fv 5 B 5 Ein hochviskoses gefluxtes Material auf der Basis von Straßenbaubitumen, das ein aus Pflanzenöl hergestelltes Fluxmittel enthält und dessen rückgewonnenes Bindemittel einen Erweichungspunkt über 43 °C hat.
Beispiel 3
Fm 4 BP 4 Ein mittelviskoses, auf polymermodifiziertem bitumenhaltigem Bindemittel basierendes verschnittenes oder gefluxtes Material, das ein mäßig flüchtiges erdölstämmiges Lösemittel enthält, von dem bei 225 °C zwischen 20 % und 40 % destilliert werden.
Beispiel 4
Fv 7 BP 6 Ein hochviskoses, auf polymermodifizierten bitumenhaltigen Bindemitteln basierendes verschnittenes oder gefluxtes Material, das ein aus Pflanzenöl hergestelltes Fluxmittel enthält und dessen rückgewonnenes Bindemittel einen Erweichungspunkt über 50 °C hat.
Für alle anderen auf der Basis Bitumen hergestellten Bindemittel existieren Technische Lieferbedingungen.
776
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.1.10 Verarbeitung von Bitumen Grundsätzlich kann Bitumen heiß, d. h. schmelzflüssig, ebenso wie kalt in gelöster oder dispergierter Form verarbeitet werden. Sehr wertvolle Hinweise zu den verschiedenen Formen der Verarbeitung – heiß, kalt – findet man in Teil 3 der DIN 18 195. 13.1.10.1 Heißverarbeitung
Je höher die Heißmasse erhitzt wird, desto dünnflüssiger wird sie und desto einfacher ist in vielen Fällen die Verarbeitung. Andererseits steigt dabei der Dampfdruck der Öle, d. h. Bestandteile des Bitumens verdunsten, wodurch die Masse riecht und vor allem versprödet, was wiederum zur Beeinträchtigung des Gebrauchsverhaltens und der Dauerhaftigkeit führen kann. In gewissen Fällen kann sogar bereits wie bei der Herstellung der Oxidationsbitumen eine Crackung und gänzliche Veränderung der Bitumeneigenschaften eintreten. Bei der Heißverarbeitung von Bitumen ist deshalb die vorhandene Temperatur mit einem geeigneten Thermometer zu überprüfen. Die in den einzelnen Bereichen anzuwendenden Typen entnimmt man zweckmäßig den einschlägigen Vorschriften bzw. lässt sich von erfahrenen Verarbeitern beraten, wenn es in Normen und anderen offiziellen Unterlagen keine Hinweise gibt. Beim Auftragen von Heißmassen insbesondere auf saugfähigem Untergrund ist immer eine Grundierung mit einem dünnflüssigen, gut penetrierenden und daher ungefüllten Anstrich anzuwenden, damit Reste von Staub und Feuchtigkeit gebunden werden und eine Haftung auch an den Kapillareingängen erfolgt. Heißmassen sollen zwar nicht überhitzt, aber auch nicht zu kalt verarbeitet werden, weil dann durch den zusätzlichen Abschreckungseffekt an dem noch kälteren Untergrund eine Haftung kaum möglich ist. Die Heißverarbeitung wird neben Straßen- und Wasserbau vor allem im Tiefbau für Abdichtungen und Verklebungen sowie im Hochbau für Schutzspachtelungen (Säurebau) und Fugenverguss eingesetzt. Dacheindeckungen zählen dabei selbstverständlich je nach Arbeitsweise zur Gruppe der Abdichtung oder Verklebung. Schließlich gibt es noch die Imprägnierung (Folie, Gewebe usw.) und die Folienherstellung. Arbeitsmäßig kommen Bürste und Besen („Teerbesen“) wie auch Vergießen und anschließendes Verziehen mit dem Rakel oder direktes Einrollen von z. B. Schweißbahnen vor, im Straßenbau auch Spritzen. Beim Spachteln wird mit Kelle und Traufel gearbeitet; die Fugen werden regelrecht aus kleinen Kännchen oder maschinell unter Druck aus Düsen vergossen. 13.1.10.2 Kaltverarbeitung
Kalt verarbeitbar sind Lösungen und Emulsionen von Bitumen und die daraus abgeleiteten stark verdickten Spachtelmassen. Lösungen und Emulsionen dienen als sehr untergeordnete Dichtungsmittel gegen nicht drückende Feuchtigkeit in Form mehrfacher Anstriche, vorwiegend aber als Schutz für Metalle, Holz und zementgebundene Baustoffe gegen chemische Einwirkungen. In beiden Fällen können auch in diese kaltflüssigen Schutzstoffe noch feine Mehlstoffe (Quarzmehl, Schiefermehl, Talkum und dergleichen) eingearbeitet werden,
13.1 Bitumen
777
wodurch die Dichtigkeit und Wetterbeständigkeit verbessert wird, wenn nicht der Anteil gegenüber dem Bindemittel zu hoch liegt, wodurch das Gegenteil bewirkt wird. In den Lösungen liegen im Grunde nicht die einzelnen Moleküle getrennt vor, sondern die Micellen bleiben erhalten, und nur die ölige Phase befindet sich in echter Lösung. Bei den Emulsionen sind die dispergierten Teilchen noch wesentlich größer als die Micellen in der Lösung; sie haben Durchmesser von einigen tausendstel bis hundertstel Millimeter und sind nur unter dem Mikroskop deutlich unterscheidbar. Lösungen sind oft feuergefährlich (Kennzeichnung und Sicherheitsvorschriften beachten!), ihre Lösemittel sind unter Umständen gesundheitsgefährdend (solche Typen müssen außen deutlich nach der GefahrstoffVerordnung gekennzeichnet und mit Sicherheitshinweisen versehen sein) oder können durch ihren starken Geruch bei der Verarbeitung stören. Es sind daher beim Umgang mit ihnen einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten: Beim Abfüllen von Bitumenlösungen und beim Mischen in offenen Mischern sind Feuer und offenes Licht fernzuhalten – Rauchen ist verboten. In geschlossenen Räumen kann eine Beeinträchtigung der Atmung infolge Sauerstoffverdrängung durch Lösungsmitteldämpfe eintreten – für gute Durchlüftung sorgen. Behälter sind bei Sonnenbestrahlung wegen Überdrucks vorsichtig öffnen. Für Emulsionen trifft dies alles nicht zu, sie sind aber im Allgemeinen frostempfindlich – bei Lagerung und Verarbeitung – und brauchen eine Mindesttemperatur von ca. +5 bis +10 °C, um einen dichten und beständigen Schutzfilm zu bilden. Bei der Applikation von Lösungen soll der Untergrund im Allgemeinen trocken sein (es gibt aber Zusätze, die das Aufstreichen auf mäßig feuchten Grund ermöglichen); Emulsionen erfordern umgekehrt ein Vornässen saugfähiger Flächen vor dem Auftragen. Der Dispersionsfilm muss aber auch einmal völlig durchtrocknen, um stabil zu werden, vorher bleibt er reemulgierbar, kann also beispielsweise von Regen abgewaschen werden. Die Verarbeitung der Lacke und Emulsionen erfolgt mit Pinsel, Rolle oder dem Spritzgerät, wobei selbstverständlich Airless-Verfahren oder Flammspritzen (z. B. Korel-Methode) einbezogen sind. Bei den Emulsionen verfilmen die stabilen Sorten nur durch Verdunstung; sie sind dann wasserfest. Sie werden heute zur Versiegelung alter Straßendecken und für Schlämmen bevorzugt. Die halbstabilen dienen zur Herstellung von lagerfähigem Kaltmischgut, während die instabilen vor allem zur Oberflächenbehandlung und zu diversen Formen der klein- und großflächigen Ausbesserung verwendet werden. Der Vorteil gerade der unstabilen Emulsionen liegt im momentanen Brechvorgang mit sofortiger Regenbeständigkeit, wozu bei den kationischen noch die Haftung auch auf inaktiven (sauren) Splittarten hinzukommt. Mit dem Pinsel oder dergleichen lassen sie sich nicht verarbeiten und kommen daher in anderen Bereichen nicht vor. Die verdickten Typen werden entweder als dickschichtige Spachtelungen (z. B. Dachkitt) oder als Verfüllungen für Fugen und vergleichbare Hohlräume eingesetzt (Kaltfugenkitte und neuartige Muffendichtungen, teilweise auch mit Zement verstärkt).
778
13 Bitumenhaltige Baustoffe
13.2 Asphalt Asphalt ist ein Gemisch aus Bitumen oder bitumenhaltigen Bindemitteln und Gesteinskörnungen. Überwiegend werden die aus Gesteinskörnungen und Bitumen differenziert zusammengesetzten technischen Asphalte als so genanntes Asphaltmischgut zur Befestigung von Straßen und anderen Verkehrsflächen (Radwege, Parkflächen, Flugplätze usw.) in großen stationären Mischwerken hergestellt. Asphalte für den Straßenbau bestehen zu etwa 95 M.-% aus Gesteinskörnungen. Ihre Aufgabe ist es, die auftretenden Druckkräfte aufzunehmen und über die ausgebildete Kornstruktur im Mischgut auf die unteren Schichten abzuleiten. Auf der Straßenoberfläche sind die Gesteinskörnungen der Teil der Asphaltmischung, welcher dem Verschleiß entgegenwirkt und eine dauerhafte Griffigkeit des Belages gewährleistet. Folglich sind die Eigenschaften einer Straßenbefestigung, und dort insbesondere der Fahrbahnoberfläche ganz entscheidend von der Beschaffenheit und Zusammensetzung dieser Gesteinskörnungen abhängig. Das Bitumen hingegen dichtet die Schichten gegen eindringendes Wasser ab und verleiht der Befestigung die erforderliche Zugfestigkeit sowie das für die Temperatureinwirkungen wichtige viskoelastische Verhalten.
13.2.1 Gesteinskörnungen Die Anforderungen an die Gesteinskörnungen sind in den „Technischen Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau“ (TL Gestein-StB) geregelt. Sie gelten sowohl für natürliche (Kies, Sand, Schotter, Splitt) als auch für rezyklierte Gesteinskörnungen, also für Gesteinskörnungen, die bereits zuvor als Baustoff eingesetzt wurden, und für industriell hergestellte Gesteinskörnungen. Als industriell hergestellte Gesteinskörnungen werden in Deutschland z. B. Hochofenschlacke (HOS), Hüttensand (HS) und Hausmüllverbrennungsasche (HMVA) verwendet. 13.2.1.1 Stoffliche Eigenschaften
Im Hinblick auf die harte Beanspruchung unter Verkehr sind an die stofflichen Eigenschaften der Gesteinskörnungen hohe Qualitätsanforderungen zu stellen; das gilt besonders bezüglich ihrer Wetter-, Frost- und Tausalzbeständigkeit, mit verschärften Anforderungen beim Einsatz in Deckschichten; Schlag- und Druckfestigkeit, vor allem auf hoch beanspruchten Straßen; Widerstand gegen Hitzebeanspruchung, wenn sie zur Herstellung von Heißmischgut eingesetzt werden; Widerstandsfähigkeit gegen Polieren sowie ausreichende Lichtreflexion, bei Verwendung in oberflächennahen Schichten, um ausreichende Verkehrssicherheit (Griffigkeit und Helligkeit) sicherzustellen; Affinität zum Bindemittel.
779
13.2 Asphalt 13.2.1.2 Körnungen
Gehandelt werden Gesteine in Lieferkörnungen (Korngruppen einschließlich etwaiger Überund Unterkornanteile), für die in den TL Gestein-StB Anforderungen hinsichtlich der Korngröße, Kornform, Über- und Unterkorn sowie Reinheit der Korngemische festgelegt sind. Man trifft ferner folgende Unterscheidungen:
Feinanteil:
Der feinste Anteil einer Gesteinsmischung. Er passiert auch das 0,063-mm-Sieb.
Füller:
Unter der Lieferkörnung „Füller“ versteht man Gesteinskörnungen, welche überwiegend das 0,063-mm-Sieb passieren und die Baustoffen beigegeben werden, um auf diese Weise bestimmte Eigenschaften zu erreichen. Die TL Gestein-StB unterscheiden zwischen
Fremdfüller:
mineralischer Füller, der aus einer anderen Gesteinsmischung hergestellt wurde.
Mischfüller:
Füller mineralischen Ursprungs, der mit Calciumhydroxid gemischt wurde.
feine Gesteinskörnung:
die feine Gesteinskörnung ist entsprechend Tabelle 13.9 definiert.
grobe Gesteinskörnung:
die grobe Gesteinskörnung ist entsprechend Tabelle 13.10 definiert.
Tabelle 13.9 Definition der feinen Gesteinskörnung für unterschiedliche Anwendungsbereiche (d/D = untere/obere Siebgröße) nach TL Gestein-StB d
D
–
4 mm
Anwendungsbereich Beton (gemäß DIN EN 12 620)
–
2 mm
Anwendungsbereich Asphalt (gemäß DIN EN 13 043)
0 mm
6,3 mm
Bemerkung
Anwendungsbereiche Schichten ohne Bindemittel, hydraulisch gebundene Schichten (gemäß DIN EN 13 242), Pflasterdecken und Plattenbelägen
Anmerkung: Feine Gesteinskörnungen können durch natürlichen Zerfall von Festgestein oder Kies entstehen und/oder durch das Brechen von Festgestein oder Kies oder durch die Aufbereitung industriell hergestellter Gesteinskörnungen hergestellt werden.
Tabelle 13.10 Definition der groben Gesteinskörnung für unterschiedliche Anwendungsbereiche (d/D = untere/obere Siebgröße) nach TL Gestein-StB d
D
Bemerkung
2 mm
4 mm
Anwendungsbereich Beton (gemäß DIN EN 12 620)
2 mm
45 mm
Anwendungsbereich Asphalt (gemäß DIN EN 13 043)
1 mm
> 2 mm
Anwendungsbereiche Schichten ohne Bindemittel, hydraulisch gebundene Schichten (gemäß DIN EN 13 242), Pflasterdecken und Plattenbelägen
780
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Die frühere Unterscheidung nach Edelbrechsand, Edelsplitt, Brechsand und Splitt ist in den TL Gestein-StB in dieser Form nicht mehr enthalten. An ihrer Statt wurden Anforderungen an bestimmte qualitative Kennwerte der Gesteinskörnungen definiert.
Kornform von groben Gesteinskörnungen (siehe Abschnitt 3.3.3.3): Die Anforderungen an die Kornform einer Gesteinskörnung wird entweder nach der Kornform- (DIN EN 933-4) oder der Plattigkeitskennzahl (DIN EN 933-3, Referenzverfahren) gestellt. Je nach Anwendungsbereich sind unterschiedliche Anteile einer bestimmten Kornform bzw. Plattigkeit zugelassen. Anteil gebrochener Oberflächen in groben Gesteinskörnungen (siehe Abschnitt 3.3.3.5): Der Anteil gebrochener Oberflächen wird nach DIN EN 933-5 als prozentuale Werte für vollständig gebrochene, vollständig gebrochene und teilweise gebrochene sowie mit vollständig runden Körnern erfasst und definierten Klassen zugeordnet. Fließkoeffizient von Gesteinskörnungen 0/2 mm: Über den Fließkoeffizient (DIN EN 933-6, Abschnitt 8) wird das bislang definierte Brechsand-Natursand-Verhältnis bestimmt. Er wird anhand der Fließzeit einer Gesteinskörnung durch einen Trichter ermittelt. Widerstand gegen Zertrümmerung von groben Gesteinskörnungen (siehe Abschnitt 3.3.4.5): Für die Beurteilung des Widerstands einer Gesteinskörnung gegen Zertrümmerung wird als Referenzverfahren das Los Angeles-Prüfverfahren (DIN EN 1097-2, Abschnitt 5) herangezogen. Alternativ ist in Deutschland der Schlagzertrümmerungswert (nach DIN EN 1097-2, Abschnitt 6) verbreitet. Widerstand gegen Polieren von groben Gesteinskörnungen (siehe Abschnitt 3.3.4.7): Entsprechend DIN EN 1097-8 wird der Polierwiderstand als PSV-Wert (polished stone value) für alle Gesteinskörnungen, die in Deckschichten verwendet werden, ermittelt. Höchste Anforderungen werden an offenporige Asphalte gestellt. Frost-Widerstand (siehe Abschnitt 3.3.5.1): Die Anforderung an den Widerstand gegen Frostbeanspruchung wird nach DIN EN 1367-1 geprüft. Er wird als Masseverlust infolge einer Frostbeanspruchung bestimmt und klassifiziert.
13.2.2 Einteilung und Merkmale von Asphalten Die zahlreichen handelsüblichen Mischgutarten lassen sich im Wesentlichen nach dem Hohlraumgehalt der fertig eingebauten Schicht in zwei grundsätzlich verschiedene Mischguttypen unterscheiden. Aus diesem andersartigen Aufbau ergeben sich nicht nur unterschiedliche mechanische Eigenschaften, sondern die verschiedenen Typen erfordern auch andere Einbautechniken und andere Prüfmethoden zur Bestimmung von Kennwerten für die Standfestigkeit. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Temperaturbereich für die Verarbeitung. 13.2.2.1 Walzasphalt
Walzasphalt besitzt einen abgestimmten Bindemittelanteil, welcher den Haufwerkshohlraum im verdichteten Zustand bis auf einen geringen verbleibenden Restporenraum ausfüllt. Er besitzt somit 3 Phasen: Gestein – Bindemittel – Luft.
13.2 Asphalt
781
Als Zuschlaggemisch werden dichte und feste Haufwerke mit einer durch stetige Größenabstufungen zu erzielenden guten Verarbeitbarkeit eingesetzt. Das Mischgut liegt beim Einbau anfangs relativ locker und muss daher verdichtet werden. Dies geschieht durch die Kombination von Vorverdichtung durch eine auf dem Mischgut „schwimmende“, im Allgemeinen beheizte Einbaubohle als Teil des Fertigers und die nachfolgende Endverdichtung durch Walzen. Danach stellt das Mischgut vom Typ her ein fest verspanntes, mit einem aus dem Feinkornanteil und dem Bindemittel gebildeten Mörtel (Füller/Bitumen-Verhältnis ca. 1 :1 bis 2 :1) verklebtes Korngerüst dar. Der Verformungswiderstand dieses Systems beruht auf der Viskosität des Mörtels und auf der inneren Reibung des Gesteinskorngerüsts und erreicht sein Maximum, wenn beim Verdichten die optimale Raumdichte erzielt wird. Da in diesem Material das Korngerüst einen wesentlichen Teil der Spannungsverteilung übernehmen soll, kann man ein relativ weiches Bindemittel wählen, wodurch der Verdichtungsvorgang erleichtert wird. Zu diesem Mischguttyp zählen folgende handelsübliche Mischgutarten: Asphaltbeton, Asphaltbinder, Splittmastixasphalt, offenporiger Asphalt, Mischgut für Asphalttragdeckschichten und Asphalttragschichten. 13.2.2.2 Gussasphalt, Asphaltmastix
Gussasphalt zeichnet sich durch einen Bindemittelüberschuss aus, d. h. er besitzt einen Bindemittelanteil, welcher den Haufwerkshohlraum geringfügig übersteigt. Er besteht damit nur aus 2 Phasen: Gestein – Bindemittel. Vom Typ her handelt es sich hierbei um eine mit Gesteinskörnungen versteifte Flüssigkeit (Bitumen). Zu diesem Asphaltmischguttyp ohne Hohlräume gehört auch der Asphaltmastix, eine im heißen Zustand gießbare Masse aus Bitumen und feinkörnigen Gesteinskörnungen im Kornbereich 0/2 mm. Er unterscheidet sich vom Gussasphalt durch die extrem feine Körnung und den hohen Gehalt an relativ weichem Bitumen. Heißes Gussasphaltmischgut verhält sich auf Grund des Bindemittelüberschusses flüssigkeitsähnlich, es kann und braucht daher nicht mit Walzen verdichtet zu werden. Der Einbau erfolgt durch Verstreichen mittels einer beheizten starren Einbaubohle (nicht auf dem Mischgut schwimmend). Typisch für den Gussasphalt und Asphaltmastix ist eine gewisse Mörtelanreicherung an der Oberfläche einer fertig eingebauten Schicht. Durch nachgeführte Splittstreugeräte ist die Oberfläche aufzurauen; die aufgestreute, leicht mit Bindemittel umhüllte Gesteinskörnung (Körnungen siehe Tabelle 13.11) wird mittels Walzen eingedrückt. Die Stabilität des Gussasphalts entsteht nur soweit, wie das Bindemittel diese hervorbringen kann (fehlende Kornabstützung). Zur Erzielung ausreichender Stabilität wäre also ein außerordentlich hartes Bindemittel erforderlich, das sich jedoch bei tiefer Temperatur und Kurzzeitbelastung ausgesprochen spröde verhalten würde. Deswegen ist es notwendig, ein Bindemittel geringerer Härte zu wählen und durch starke Füllerung einen sehr steifen Mörtel (Füller/Bitumen-Verhältnis ca. 3 :1 bis 4 :1) zu erzeugen, der bei höheren Temperaturen noch genügend Stabilität bringt, auf der anderen Seite aber bei tiefen Temperaturen doch nicht zu spröde wird.
782
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Tabelle 13.11 Gesteinskörnungen und Abstreumengen für die Herstellung der Anfangsgriffigkeit von Gussasphaltbefestigungen im Straßenbau gemäß den ZTV-Asphalt StB 07 Verfahren gemäß ZTV-Asphalt StB 07
Körnung [mm]
Abstreumenge [kg/m²]
Verfahren A
2/5
12 bis 15
Verfahren B
2/3 oder 2/4
10 bis 12
0/2
2 bis 3
Verfahren C
11 bis 13
13.2.2.3 Mischgut für den Warm- und Kalteinbau
In Sonderfällen kann es zweckmäßig sein, die zur Benetzung der Gesteinskörnungen erforderliche Verflüssigung des Bitumens nicht durch Erhitzen, sondern durch Verdünnen oder Emulgieren zu erreichen. Damit werden auch die Anforderungen an Temperatur und Trockenheit der Gesteinskörnungen herabgesetzt. Je nach Art und Menge des verwendeten Dispersionsmittels kann man warm- oder kalteinbaubares Mischgut herstellen. Das Mischgut ist anfangs sehr temperaturempfindlich und hat nur eine geringe Standfestigkeit. Die Verarbeitungsfrist unterliegt den Einflüssen der Temperatur und der Geschwindigkeit, mit der die Dispersionsmittel wieder aus dem Mischgut heraus verdunsten. Dies geschieht um so schneller, je flüchtiger sie sind und je hohlraumreicher das Mischgut eingebaut wird. Die warm- oder kalteinbaufähigen Asphaltgemische müssen daher zunächst recht hohlraumreich eingebaut werden. Da diese Zusammenhänge nicht nur die Verarbeitungsfrist beeinflussen, sondern in nicht unerheblichem Maß auch das Nacherhärten des eingebauten Mischgute und damit die Zeitspanne bis zum Erreichen der Endfestigkeit, müssen Art und Menge der Dispersionsmittel sowie der Hohlraumgehalt des Mischguts dem jeweiligen Verwendungszweck angepasst werden. Warmeinbauweisen werden nur noch selten und vor allem bei kleinen Flächen für Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten angewendet. Die Anwendung von kalteinbaufähigem Asphaltmischgut ist auf besondere Einsatzgebiete oder Bauverfahren begrenzt. Die Anwendungsgebiete liegen bei dünnen Beschichtungen im Rahmen der Instandsetzung und Profilverbesserung, bei Spurrinnenverfüllungen, Ausbessern von Frostaufbrüchen, Schlaglöchern und dergleichen. Größere Bedeutung gewinnt der Kalteinbau durch die Wiederverwendung von teerhaltigem Material, bei dem hohe Temperaturen auf jeden Fall vermieden werden müssen.
13.2.3 Mischguteigenschaften Einer der größten Vorteile von Asphaltmischgut ist darin zu sehen, dass sich die Eigenschaften durch eine breite Variation der Zusammensetzung steuern lassen, so dass eine gezielte Anpassung an jeden Verwendungszweck möglich ist. Dabei ist eine Beeinflussung sowohl der Verarbeitbarkeit als auch der späteren Gebrauchseigenschaften möglich, wobei letztere im
13.2 Asphalt
783
Allgemeinen Vorrang haben. Einige für die Praxis wichtige Eigenschaften sollen im Folgenden kurz angesprochen werden. 13.2.3.1 Verarbeitbarkeit
Der in der Praxis immer wieder auftauchende Begriff der Verarbeitbarkeit von Asphaltmischungen ist nicht eindeutig definiert. Im Allgemeinen beschreibt man damit das Verhalten des Mischgutes beim Einbau, also ob es sich beispielsweise gut und einwandfrei verteilen und verdichten lässt. Diese Eigenschaften hängen von der Zusammensetzung und vor allem von der Temperatur des Mischguts ab. Die Temperaturempfindlichkeit nimmt Einfluss auf die Verarbeitungsfrist, die Zeitspanne, in der das Mischgut von der Herstellungstemperatur bis auf die Grenztemperatur abgekühlt ist, bei der eine einwandfreie Verarbeitung gerade noch möglich ist. Dieser Zeitraum ist abhängig von der Mischgutzusammensetzung (z. B. der Bindemittelsorte), den Witterungsbedingungen und der Einbaudicke. 13.2.3.2 Verdichtbarkeit
Die Verdichtbarkeit ist eine Eigenschaft der Walzasphalte. Während des Verdichtungsvorgangs nimmt der Hohlraumgehalt des eingebauten Mischguts ab und nähert sich – je nach Verwendungszweck und Asphaltmaterial – einem Optimalwert an. Während dieses Arbeitsvorgangs muss ein materialtypischer Verformungswiderstand überwunden werden, der von der Zusammensetzung und der Temperatur des Mischguts abhängt. Je größer dieser Verformungswiderstand ist, desto „verdichtungsunwilliger“ ist das einzubauende Mischgut, und um so mehr Verdichtungsarbeit muss geleistet werden. Je leichter verdichtbar ein Mischgut ist, desto schneller wird die so genannte Enddichte erreicht. Je verdichtungsunwilliger aber ein Asphaltmischgut ist, desto geringer sind auch die Formänderungen, die während der Nutzungsdauer durch die Lastwechsel des Schwerverkehrs hervorgerufen werden, man erreicht also eine höhere Verformungsbeständigkeit oder Standfestigkeit. Die Verdichtbarkeit eines Walzasphalts kann durch Laboruntersuchungen im Vorfeld einer Maßnahme anhand von zwei Methoden bestimmt werden: über die Entwicklung der Raumdichte während der bei der Marshall-Verdichtung anwachsenden Verdichtungsarbeit (Anzahl der Schläge), woraus der Verdichtungswiderstand C ermittelt wird (gemäß DIN EN 12697-10); über die Entwicklung der Probekörperdicke während des Marshall-Verdichtungsvorgangs, woraus der Verdichtungswiderstand D gebildet wird. In der Praxis werden verdichtungswillige Asphaltmischungen vor allem dort eingesetzt, wo die Anforderungen an die Dichtigkeit wichtiger sind als das Erzielen einer besonders hohen Standfestigkeit (z. B. Asphaltwasserbau, ländlicher Wegebau). Verdichtungsunwilligere, d. h. also mehr Verdichtungsarbeit erfordernde, damit aber standfestere Asphaltmischungen werden vor allem auf hochbeanspruchten Straßen oder Straßenabschnitten eingebaut.
784
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Bild 13-9 Verdichtungswiderstand C und Raumdichte p in Abhängigkeit von der Verdichtungsarbeit an zwei Mischgutvarianten mit gleicher Anfangs- und Enddichte
13.2.3.3 Hohlraumgehalt
Das Langzeitverhalten von Asphaltgemischen in Straßenbefestigungen ist im hohen Maß von ihrem Verdichtungszustand abhängig. Asphalt im eingebauten Zustand soll möglichst dicht sein, damit kein Wasser eindringen kann (Sprengwirkung bei Frost, Beeinträchtigung des Haftverbunds); keine Luft eindringen kann (Verhärtung des Bindemittels); kein Schmutz eindringen kann (innere Ausmagerung durch den Bindemittelanspruch). Für die Wasserdurchlässigkeit gelten nach den Erfahrungen etwa folgende Richtwerte für den Hohlraumgehalt: < 3 Vol.-%
= Asphalt ist undurchlässig;
3 bis 5 Vol.-% = Asphalt ist praktisch dicht; 5 bis 8 Vol.-% = Asphalt ist gering durchlässig;
8 Vol.-%
= Asphalt ist durchlässig.
Ein sehr niedriger Hohlraumgehalt verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit, Schmutz und Luftsauerstoff und ist deshalb günstig im Sinn der Witterungsbeständigkeit, Verschleißfestigkeit und langfristigen Erhaltung der anfänglichen Flexibilität. Dichte Asphaltschichten haben eine lange Haltbarkeit.
13.2 Asphalt
785
Für die Standfestigkeit der üblichen Walzasphalte ist es jedoch sehr wichtig, dass der Hohlraumgehalt niemals unter 2 Vol.-% absinkt. Durch starke Verkehrseinwirkungen können unter Umständen Nachverdichtungen stattfinden mit der Folge einer Verminderung des Hohlraumgehalts im Gesteinskorngemisch. Wären alle anfangs vorhandenen Hohlräume bereits vollständig mit Bindemittel ausgefüllt, entstünde zwangsläufig ein schädlicher Bindemittelüberschuss – eine so genannte Überfettung. Die Gesteinskörner würden nur noch im Bindemittel „schwimmen“. Es entstünde ein „quasi-hydraulisches System“, in dem sich die Spannungen wie in einer Flüssigkeit ausbreiten würden; es fände dann kein Kraftfluss mehr durch die Körner statt, die innere Reibung ginge fast gänzlich verloren und es käme zum „Schieben“ der Asphaltschicht unter Verkehr. Der gleiche Effekt würde bei starker Erwärmung des mit zu geringem Hohlraumgehalt eingebauten Asphalts entstehen. Da sich das Bitumen bei Erwärmung etwa 20mal so stark ausdehnt wie die Gesteinskörnungen, würden die Gesteinskörner auseinandergedrückt, die Abstützung von Kornkante zu Kornkante ginge verloren. Die innere Reibung der Gesteinsmischung würde derart herabgesetzt werden (quasi-hydraulisches System s.o.), dass kein ausreichender Verformungswiderstand mehr vorhanden ist, was sich in einer starken „Erweichung“ äußert. Halten die hohen Temperaturen über längere Zeiten an, tritt das überschüssige Bindemittel unter Umständen sogar nach oben aus dem Belag heraus; er beginnt zu „schwitzen“. 13.2.3.4 Standfestigkeit
Unter der Standfestigkeit oder Stabilität von Asphaltmassen versteht man die Formbeständigkeit bei Einwirkung von Kräften oder die Widerstandskraft gegen zwangsweise aufgebrachte plastische Verformung. Hohe Widerstandskraft bei geringer Verformung weist auf hartes, im Extremfall auf sprödes Material, geringe Widerstandskraft und große Verformung ohne Zerstörungserscheinungen hingegen auf weiches, anpassungsfähiges, im Extremfall auf fließendes Material hin. Welches Maß an Standfestigkeit jeweils zweckmäßig ist, hängt neben der Verkehrsbelastung auch von der Fahrbahnkonstruktion ab. Im Allgemeinen ist ein hoher Verformungswiderstand günstig, denn je stabiler das Material ist, desto besser ist die Lastverteilung. Solche Konstruktionen neigen aber bei weniger standfester Unterlage wegen der häufigen starken Durchbiegungen unter Verkehr leicht zur Rissbildung infolge Ermüdung. In diesem Fall ist es besser, ein leichter verformbares Material einzusetzen. Die größere Flexibilität ermöglicht dann z. B. auch eine Anpassung an langsame Bewegungen der Unterlage, ohne dass dies zu Gefügelockerungen oder Rissbildung in der Asphaltschicht führt. Günstig für hohe Standfestigkeit wirken: hoher Anteil an bruchflächigem Korn mit guter Kantenfestigkeit und rauer Oberfläche; großes Größtkorn in Relation zur Einbaudicke; hoher Verdichtungsgrad unter Beachtung des erforderlichen Resthohlraumgehaltes, um die Entstehung eines quasi-hydraulischen Systems zu vermeiden; härteres, durch Füller versteiftes oder polymermodifiziertes Bitumen; sparsame Bitumendosierung. 13.2.3.5 Verschleißfestigkeit
Unter Verschleiß versteht man den Substanzverlust infolge Abrieb durch Verkehrsbeanspruchung. Verschleißfestigkeit bleibt auch nach dem Verbot von Spikesreifen eine wichtige
786
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Mischguteigenschaft von direkt befahrenen Asphaltschichten und unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt des Gebrauchswertes. Untersuchungen haben ergeben, dass eine hohe Verschleißfestigkeit durch folgende Faktoren erreicht werden kann: schlagfestes, witterungs- und frostbeständiges gebrochenes Gestein; viel grobes Korn von gedrungener Kornform; bitumenreicher, steifer Mörtel, in den die Gesteinskörnung tief eingebunden wird; möglichst niedriger Hohlraumgehalt. 13.2.3.6 Griffigkeit
Die Griffigkeit einer Straßenoberfläche wird maßgeblich durch die Gesteinskornoberflächen bereitgestellt. Dabei liefern die gröberen Gesteinskörnungen durch die großen Rautiefen zwischen den einzelnen Körnern und deren scharfkantigen Bruchflächen eine Grobrauheit, während die Körnungen der Sandfraktionen die Mikrorauheit zur Verfügung stellen. Beide Rauheiten sind zur Ausbildung eines ausreichenden Kraftschlusses zwischen Fahrbahnoberfläche und Reifen erforderlich. Die Dauerhaftigkeit der Griffigkeit hängt wesentlich vom Widerstand der Gesteinskörnungen gegen Polieren – dem so genannten Polierwiderstand PSV (polished stone value) – ab. Da mit Gesteinen, die durch den Verkehr stark poliert werden, keine griffigen Fahrbahnoberflächen erzielt werden können, sind Anforderungen an die Gesteine, die in Deckschichten verwendet werden, definiert. Die Griffigkeit einer Fahrbahnoberfläche entwickelt sich unter Verkehr zunächst erhöhend, da die Gesteinskörner direkt nach der Herstellung der Deckschicht noch mit Bindemittel umhüllt sind und dies die Griffigkeit beeinträchtigt. Der Verkehr legt die Kornoberflächen der Gesteine allmählich frei und sorgt damit für die Ausbildung der vollen Griffigkeit. Damit auch direkt nach der Verkehrsfreigabe eine ausreichende Anfangsgriffigkeit zur Verfügung steht, werden Deckschichten mit Gesteinskörnungen (1/3 oder 2/5) abgestreut. Die Anforderungen an die Griffigkeit der Fahrbahnoberfläche werden mit dem Seitenkraftmessverfahren (SKM) überprüft. 13.2.3.7 Sonstige Eigenschaften
Die Helligkeit einer Fahrbahnoberfläche entspricht der Leuchtdichte des reflektierten Lichtes und steht im Zusammenhang mit der Rautiefe und der verwendeten Gesteinsart. Sie ist zusammen mit der Griffigkeit eine wichtige Eigenschaft für die Verkehrssicherheit der Asphaltstraßen und lässt sich über die Oberflächenrauigkeit (raue Oberflächen ergeben hellere Decken) sowie über die verwendeten Gesteinskörnungen beeinflussen. Hellere Oberflächen absorbieren weniger Wärme, bleiben daher im Sommer infolge verzögerter Erwärmung standfester, werden aber im Winter aus demselben Grund nicht so schnell eisfrei wie dunklere Fahrbahnoberflächen. Der fugenlose Einbau von Asphaltschichten ergibt vergleichsweise geräuscharme Fahrbahndecken, selbst bei sehr rauen, griffigen Oberflächen. Neben den offenporigen Asphaltbelägen werden in den letzten Jahren besondere Asphaltrezeptierungen entworfen, die die Lärmemissionen auch herkömmlicher Asphaltarten reduzieren sollen.
13.2 Asphalt
787
Auf Grund des elasto-viskosen Verhaltens von Bitumen vermögen Asphaltfahrbahnbeläge Verkehrsstöße zu dämpfen. Die stoßdämpfende Wirkung von Asphalt verringert das Übertragen von Erschütterungen auf angrenzende Gebäude.
13.2.4 Einflussfaktoren 13.2.4.1 Gesteinskörnungen
Es gehört zu den Vorzügen der Asphaltschichten, dass sich ihre angestrebten Gebrauchseigenschaften mit Hilfe sehr unterschiedlicher Gesteinskörnungen erreichen lassen: ungebrochen als Kies und Natursand, gebrochen als Splitt, Brechsand und Füller. Die Verformungsbeständigkeit beruht überwiegend auf der von Temperatur und Belastungsdauer unabhängigen inneren Reibung des Gesteinskorngemischs, die mit zunehmender Lagerungsdichte ansteigt. Auch ein hoher Anteil an gebrochenem Korn führt in der Regel zu einer höheren Verformungsbeständigkeit als bei Verwendung von Rundkorn. Der Verformungswiderstand steigt weiterhin mit der Größe des Maximalkorns und dem Anteil an Grobkorn in der Mischung. Untersuchungen über den Einfluss der Kornverteilung haben gezeigt, dass sich eine leichte Tendenz zugunsten diskontinuierlicher Kornabstufung günstig für eine hohe Standfestigkeit auswirkt [13.2]. Der Neigung zur Kornzerkleinerung unter starker Verkehrsbelastung muss jedoch durch Verwendung eines betont steifen Mörtels in ausreichender Menge entgegen gewirkt werden. Natursand macht das Asphaltmischgut verdichtungswilliger, aber wegen des geringeren Hohlraumgehaltes auch empfindlicher gegen Schwankungen im Bindemittelgehalt (Gefahr der Überfettung). Der Füller beeinflusst die Mischguteigenschaften ganz erheblich. Seine Mitwirkung im Asphalt ist nicht nur auf das Ausfüllen der Hohlräume im Korngerüst beschränkt, sondern spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung eines steifen Mörtels (siehe Abschnitt 13.2.4.2). Durch Verwendung heller Naturgesteine wie Diabas, Moräne, Granit, Gabbro, Labradorit, Quarzit und anderen oder auch künstlicher Gesteine mit den Handelsbezeichnungen Luxovite (gesinterter Flint), Synopal (getempertes Gemisch aus Quarzsand, Kreide, Dolomit) und anderen können auch bei Asphaltbauweisen nicht unbeträchtliche Aufhellungen erreicht werden. Die Zugabe von Pigmenten ermöglicht das Einfärben von Asphalten und damit die farbliche Abgrenzung von besonderen Verkehrsflächen. Zufriedenstellende und wirtschaftliche Einfärbungen wurden mit Eisenoxidrot, Chromoxidgrün und Aluminiumpulver erreicht; andere Pigmente übertönen die dunklen Asphaltene ungenügend. 13.2.4.2 Bindemittel Bitumensorte
Mit der Wahl der Bitumensorte beeinflusst man die Härte des Bindemittels und somit eine Reihe von Gebrauchseigenschaften des Asphaltmischguts sowie der fertigen Asphaltschicht. So verbessert sich die Verdichtbarkeit des Mischguts, wenn ein weicheres Bindemittel zum Einsatz kommt. Für die Nutzung der verschiedenen Schichten der Straßenbefestigung wiederum müssen Aspekte wie die Verformungsbeständigkeit, für die ein härteres Bindemittel
788
13 Bitumenhaltige Baustoffe
vorteilhaft ist, oder die Beständigkeit gegenüber temperaturbedingten – so genannten kryogenen – Spannungen, für die weichere Bindemittel eingesetzt werden müssen, Berücksichtigung finden. Tendenziell werden heute in den unteren Schichten des Straßenaufbaus eher härtere Bitumen – etwa 30/45 – und in den Deckschichten, sofern nicht polymermodifizierte Bindemittel zum Einsatz kommen, eher auch weichere Bindemittel (z. B. 50/70) eingesetzt. Da Deckschichten der direkten Sonnenstrahlung und der Luft ausgesetzt sind, wird damit auch der verstärkten Alterung dieser Bindemittel Rechnung getragen. Für Gussasphalte werden sogar Bitumen der Sorte 20/30 gewählt, da ihre Verformungsbeständigkeit stärker als bei Walzasphalten auf der Härte des Bindemittels bzw. des Mörtels beruht. Bitumengehalt
Im bitumenhaltigen Mischgut ist nicht nur ein unter, sondern auch ein über dem Sollwert liegender Bindemittelanteil abträglich, ja ein zu hoher Bindemittelgehalt ist in der Regel schädlicher als ein zu niedriger, da Bitumen – auch bei tiefen Temperaturen – im physikalischen Sinn eine zähe Flüssigkeit bleibt. Daraus folgt, dass die Festigkeit eines Asphalts stark abnimmt, wenn der Flüssigkeitsanteil zu groß wird. Um einen hohen Verformungswiderstand zu erzielen, muss des Weiteren das Bindemittel innerhalb des Mischguts sehr gleichmäßig verteilt sein; zwischen den Berührungspunkten der einzelnen Gesteinskörner werden sehr dünne Bindemittelschichten angestrebt, die eine ausreichende Verklebung sicherstellen, ohne allerdings zwischen den Gesteinskörnern als Schmiermittel zu wirken. Dicke Bitumenfilme ertragen andererseits größere und häufigere Dehnungen schadlos, was Ermüdungserscheinungen entgegenwirkt und die Nutzungsdauer von Asphaltbefestigungen entscheidend verlängert. Außerdem schützen sie die Gesteinskörnungen besser vor schädlichen Witterungsund damit Alterungseinflüssen. Die verwendete Bindemittelmenge muss also so bemessen werden, dass alle Kornoberflächen gleichmäßig umhüllt sind, möglichst viele Punkte verklebt werden und dass für den Einbau und die Verdichtung ausreichend Schmiermittel vorhanden ist, andererseits die Bitumenfilme aber so dünn bleiben, dass nur kleinste Verformungsmöglichkeiten bestehen (d. h. Spannungen über kleinste Wege – von Korn zu Korn – übertragen werden). Hier liegt auch die außerordentlich große Bedeutung des Füllers. Durch die Aufspaltung des Bindemittels durch die Füllerpartikel entstehen dünne, widerstandsfähige Bindemittelfilme, die zur Erhöhung der Festigkeit und der Verringerung des Verformungsweges führen. Mit zunehmendem FüllerBitumen-Verhältnis steigt die Viskosität des aus Bitumen und Füller gebildeten Mörtels an (je nach Füllersorte unterschiedlich stark); entsprechend wird der Verformungswiderstand erhöht. Besitzt man ein Haufwerk gut abgestufter Zusammensetzung, also mit einem hohen Betrag innerer Reibung, und wählt den Bindemittelanteil so, dass sich im fertig eingebauten Material eine maximale einachsige Druckfestigkeit des Gemisches, also ein hoher Betrag an Kohäsion ergibt, wird ein Optimum an Asphaltfestigkeit erreicht. Der optimale Bitumengehalt wird üblicherweise im Rahmen von Erstprüfungen im Labor ermittelt. Nach Festlegung eines bestimmten Kornaufbaus werden Probemischungen mit variierendem Bitumengehalt hergestellt und die mechanischen Eigenschaften des Mischgutes anhand von Probekörpern überprüft. Aus dem Gesamtbild der ermittelten Kennwerte für Raumdichte, Hohlraumgehalt und Verformungswiderstand werden dann in Anlehnung an die Verkehrsbelastung, Standfestigkeit
13.2 Asphalt
789
der Unterlage, Konstruktionsdicke und Klima, Gesteinskorngemisch, Bitumensorte und Bitumengehalt so aufeinander abgestimmt, dass die für den jeweiligen Anwendungszweck gewünschten Eigenschaften sichergestellt werden. 13.2.4.3 Herstellung
In der fertigen, eingebauten Asphaltmasse soll das Bitumen die einzelnen Gesteinskörnungen miteinander verkleben. Um eine solche Asphaltmasse herzustellen, ist es erforderlich, dass eine einwandfreie Benetzung der Gesteinsoberfläche durch das Bitumen sichergestellt ist. Dies setzt staubfreie und trockene Gesteine voraus, denn nur dann werden die Gesteinskörnungen nicht nur umhüllt, sondern auch miteinander verklebt. Das Mischgut wird deshalb überwiegend im Heißmischverfahren hergestellt. Im Heißmischverfahren ist eine Überhitzung des Bindemittels unbedingt zu vermeiden, da sonst eine thermische Schädigung des Bitumens (Alterung und Versprödung) eintritt, die auch die Haftung nachteilig beeinflusst. Der gleiche Effekt kann eintreten, wenn Luftsauerstoff bei höheren Temperaturen auf dünne Bitumenfilme einwirkt. Lange Mischzeiten bei hohen Temperaturen sowie längere Silierung des heißen Materials insbesondere in nur teilgefüllten und/oder offenen Silos (Kaminwirkung) ist möglichst zu vermeiden. 13.2.4.4 Transport und Einbau
Das heute weltweit in den Industrieländern überwiegend zur Anwendung kommende Einbauverfahren ist der Heißeinbau. Der in der zentralen Mischanlage hergestellte Asphalt wird heiß zur Einbaustelle transportiert und dort in heißem Zustand eingebaut und verdichtet. Bei vorgegebener Mischgutzusammensetzung wird die Verarbeitbarkeit des Mischguts im Wesentlichen durch seine Temperatur bestimmt. Während des Lagerns und Beförderns muss deshalb ein Auskühlen des Mischguts vermieden werden. Alle Mischgutarten mit körniger Struktur, die nach dem Einbau noch verdichtet werden müssen (Walzasphalt), können auf normalen LKW-Pritschen oder in Kippern transportiert werden. Dabei ist es jedoch unerlässlich, das Material mit Planen abzudecken, um ein Auskühlen durch den Fahrtwind sowie Verhärtungen der Bitumenfilme im noch locker gelagerten Mischgut durch Sauerstoffeinfluss zu vermeiden. Gussasphalt hingegen ist, um ein Entmischen zu vermeiden, in fahrbaren Kochern ständig zu rühren. Der sehr steife Mörtel erfordert wesentlich höhere Verarbeitungstemperaturen als beim Walzasphalt, deshalb ist bei langen Verweilzeiten – die möglichst zu vermeiden sind – besonders darauf zu achten, dass die Temperaturen nicht zu hoch ansteigen (thermische Schädigung des Bindemittels). Längere Verweilzeiten im Rührwerkskessel als 12 Stunden (bzw. 8 Stunden bei Verwendung von polymermodifiziertem Bitumen) sind nicht zulässig. Die Verarbeitbarkeit von Asphaltgemischen ist im hohen Maß von der Viskosität des Asphaltmörtels abhängig, die wiederum im Wesentlichen von der Temperatur bestimmt wird. Dieser Sachverhalt ist speziell für den Walzasphalt von Bedeutung, bei dem das eingebaute Mischgut noch durch Walzen verdichtet werden muss.
790
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Tabelle 13.12 Niedrigste und höchste zulässige Temperatur des Asphaltmischguts [°C] Art und Sorte des Bindemittels im Asphaltmischgut
Asphaltbeton für Asphaltdeckschichten, Asphaltbinder, Asphalttragschichten, Asphalttragdeckschichten
Splittmastixasphalt
Gussasphalt
offenporiger Asphalt
20/30
–
–
210 bis 230
–
30/45
155 bis 195
–
200 bis 230
–
50/70
140 bis 180
150 bis 190
–
–
70/100
140 bis 180
140 bis 180
–
–
40/100–65
–
–
–
140 bis 170
10/40–65
160 bis 190
–
210 bis 230
–
25/55–55
150 bis 190
150 bis 190
200 bis 230
–
In jüngster Vergangenheit rückt der Schutz der Arbeiter und der Umwelt stärker in den Vordergrund. Grundlage hierfür ist die VDI 2283 (Emissionsminderung – Aufbereitungsanlagen für Asphaltmischgut (Asphaltmischanlagen)). Diese Richtlinie gilt für Neuanlagen im Sinn der TA Luft 2002 und bei wesentlichen Änderungen (siehe TA Luft, Punkt 3.5) bestehender Anlagen zur Aufbereitung für Asphaltmischgut (Asphaltmischanlagen). Sie umfasst alle Prozessstufen von der Lagerung der Gesteinskörnungen, des Bindemittels und der Brennstoffe bis zur Verladung des Mischguts. Sie gilt auch für die Wiederverwertung von pechhaltigen Straßenausbaustoffen (Steinkohlenteerpech mit Gesteinskörnungen). Zum Schutz der Arbeitnehmer auf den Baustellen wurden des Weiteren Bestrebungen unternommen, die Verarbeitungstemperaturen von Asphalt zu reduzieren, um damit auch die Emissionen zu verringern. Heute werden vielfach Wachse dem Mischgut beigegeben, die im Bereich einer abgesenkten Verarbeitungstemperatur eine geringere Viskosität und damit eine erleichterte Verarbeitung erwirken. Die Wirkung der Wachse soll auf den Einbauprozess beschränkt sein [13.3]. Die Einbautemperaturen betragen: für Walzasphaltmischgut 120 bis 180 °C; für Gussasphaltmischgut 200 bis 230 °C. Bei der Abkühlung einer Asphaltschicht spielt die Schichtdicke eine sehr wichtige Rolle, weil damit die eingebrachte Wärmemenge je Flächeneinheit signifikant verändert wird. Dünnere Schichten kühlen schneller aus, in dickeren Lagen bleibt das Mischgut länger verdichtbar und lässt sich deshalb bei gleichem Verdichtungsaufwand höher verdichten. Als Faustregel gilt, dass die Abkühlungszeit auf das Dreifache wächst, wenn die Schichtdicke verdoppelt wird [13.4]. Nach dem Auskühlen des eingebauten Mischgutes ist die hergestellte Asphaltschicht keinesfalls sofort voll belastbar. Vielmehr sind Asphaltschichten von Verkehrslasten für 24 bis 36 Stunden frei zu halten, da sich erst dann der vollständige Verformungswiderstand des Asphalts durch
13.2 Asphalt
791
Ausbildung der inneren Struktur im Bitumen entwickelt hat. Eine vorzeitige Aufhebung von Verkehrssperrungen kann somit zu erheblichen vermeidbaren Schäden (Spurrinnenbildung) führen.
13.2.5 Prüfverfahren für Asphalt Neben der Zerlegung des Asphalts zur Überprüfung der Quantität und Qualität der Einzelkomponenten (Abschnitt 13.1.6 und Abschnitt 13.2.1) sowie zur Ermittlung des Mischungsverhältnisses sind vor allem Untersuchungen zur Bestimmung des Hohlraumgehaltes und der Standfestigkeit der verdichteten Asphaltmasse von Bedeutung. Sie werden an genormten Probekörpern (Marshall-Probekörper, Bohrkerne aus Straßen oder im Labor hergestellte Probeplatten bzw. bei Gussasphalt Probewürfel) durchgeführt. Die Bestimmung des Hohlraumgehalts verdichteten Walzasphaltes erfolgt auf rechnerischem Weg gemäß DIN EN 12697-6. Das bekannteste Verfahren zur Prüfung der Standfestigkeit verdichteter Walzasphalte ist der Spurbildungstest (DIN EN 12697-22, national TP Asphalt Teil 22), bei dem eine im Labor hergestellte Asphaltplatte oder eine Bohrkernscheibe bei eine Prüftemperatur von 60 °C durch ein mit einem Gummi ummantelten Rad in ständiger Hin-und-Herüberrollung belastet wird.
Bild 13-10 Schematische Darstellung des Spurbildungstests (oben) und des Druckschwellversuchs (unten)
792
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Des Weiteren sieht die DIN EN 12697-25 unterschiedliche dynamische Verfahren vor. Hierbei werden die zylindrischen Probekörper einer vertikalen Druckschwellbelastung unterzogen. In allen Versuchen wird die bleibende Verformung des Asphalts unter der definierten Belastung gemessen und als Ergebnis entsprechenden Anforderungen gegenüber gestellt. Beim Gussasphalt sind die für Walzasphalt üblichen Prüfmethoden aufgrund des Bindemittelüberschusses nicht anwendbar. Hier wird als relatives Maß für die Standfestigkeit die Eindringtiefe eines Metallstempels in mm gemessen (statisch DIN EN 12697-20, dynamisch DIN EN 12697-25 Anhang 1).
13.2.6 Asphalte für den Straßenbau Die aufgrund der Verkehrsbelastung in einer Asphaltbefestigung auftretenden typischen Spannungen sind in Bild 13-11 dargestellt. Daraus lässt sich ableiten, dass in den oberen Schichten die vertikalen Druckspannungen am größten sind und entsprechend hohe Anforderungen an die Standfestigkeit des Asphalts und die Festigkeit der Gesteine gestellt werden müssen. Mit zunehmender Tiefe können sie entsprechend verringert werden. Demgegenüber sind die Biegezugspannungen, die sich bei der Belastung der Straßenbefestigung entwickeln, an der Unterseite des Gesamtaufbaus am größten. Für eine hohe Nutzungsdauer der Straße muss hier Material mit einer hohen Ermüdungsfestigkeit eingesetzt werden. Aufgrund des schichtweisen Aufbaus der Asphaltbefestigung ist es möglich, die Materialeigenschaften durch die Verwendung unterschiedlicher Mischgutsorten in den einzelnen Schichten weitgehend optimal an die jeweiligen Anforderungen anzupassen. Dies ist nicht nur technologisch vorteilhaft, sondern auch wirtschaftlich, weil dadurch auch örtlich anstehende Gesteinskörnungen, die gegebenenfalls qualitativ nicht so hochwertig sind, in den geringer beanspruchten Bereichen eingesetzt werden können. An den Bereich der Fahrbahnoberfläche müssen noch weitere Anforderungen gestellt werden, die sich neben der Haltbarkeit vor allem an der Verkehrssicherheit orientieren. Das Gesamtbild der erforderlichen Eigenschaften der einzelnen Schichten einer Fahrbahnbefestigung ist in Tabelle 13.13 dargestellt.
Bild 13-11 Typischer Spannungsverlauf in Asphalt-Straßenbefestigungen
Mischgutart
PA
MA
SMA
AC
Korngröße
Mischgutsorte
Beanspruchung
7–12
8–12
2–9
8
11
16
5
C100/0
3–5
24–32
20–28
C90/1
C100/0; C95/1; C90/1
C50/30
22–30
S
S
S
Anteil gebrochener Kornoberflächen
8
T
k. A.
k. A.
k. A.
4–14
[M.-%]
Körnung < 0,063 mm
11
5
8
11
16
22
32
Körnung < 0,125 mm
[M.-%]
Körnung > 2 mm 90–95
35–45
40–50
45–55
60–70
70–80
60–75
[M.-%]
gröbste Körnung 85–95
35–45
10–25
15–30
60–70
45–65
35–50
10–25
[M.-%]
Bindemittel, Art und Sorte 40/100-65
20/30; 30/45; 10/40-65; 25/55-55
45/80-55; 25/55-55; 50/70
25/55-55; 50/70
50/70; 30/45
Mindestbindemittelgehalt Bmin 6,5
Bmin 6,0
Bmin 5,5
Bmin 7,0
Bmin 6,8
Bmin 7,4
Bmin 7,2
Bmin 6,6
Bmin 4,0
Bmin 3,8
Bindemittelträger
0,5
0,4
0,3
k. A.
0,3–1,5.
k. A.
[M.-%]
Vmax 24
k. A.
Vmin 2,0
Vmin 2,5
Vmin 5,0
minimaler Hohlraum MPK
Tabelle 13.13 Wichtige Anforderungen an die einzelnen Schichten einer Fahrbahnbefestigung
maximaler Hohlraum MPK Vmin 28
k. A.
Vmax 3,0
Vmax 10,0
minimale statische Eindringtiefe (Würfel) k. A.
maximale statische Eindringtiefe (Würfel) k. A.
k. A.
Imin 1,0 Imax 3,0
k. A.
Zunahme Eindringtiefe (Würfel) k. A.
Inc 0,4
k. A.
dynamische Stempeleindringtiefe k. A.
ist anzugeben
k. A.
[mm]
13.2 Asphalt
793
794
13 Bitumenhaltige Baustoffe
Entsprechend diesen Anforderungen unterscheidet man in der Praxis bei den Asphaltbefestigungen im Prinzip drei Schichten: Tragschichten, Binderschichten und Deckschichten. Die Asphaltbauweise kennt viele Variationsmöglichkeiten. In der Praxis haben sich in Anlehnung an den konstruktiven Aufbau einer Asphaltbefestigung einige Mischgutsorten entwickelt, die im Folgenden mit ihren wesentlichen technologischen Eigenschaften kurz vorgestellt werden sollen. Bei der Zusammensetzung des Mischguts sind die Verkehrsbelastungen, die Mischgutart und die Mischgutsorte, die Dicke der Schicht bzw. Lage sowie örtliche, klimatische und topografische Verhältnisse zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Bezeichnung der einzelnen Asphalte wird zunächst zwischen der grundsätzlichen Art der Zusammensetzung des Mischguts in Asphaltbeton (Bezeichnung AC), Splittmastixasphalt (SMA), Offenporigem Asphalt (PA) und Gussasphalt (MA) unterschieden. Die Gesamtbezeichnung eines Asphalts wird durch Angabe des Größtkorns, bei Asphaltbeton der Schicht, in der der Asphalt eingesetzt wird, sowie einem Buchstaben für die vorgesehene Belastung – leichte (L), normale (N) oder hohe (S) – komplettiert. Einen Überblick über die Vielfalt der Asphalte und deren Einsatz gibt Tabelle 13.14. Tabelle 13.14 Zweckmäßige Asphaltmischgutart und Asphaltmischgutsorte in Abhängigkeit von der zu erwartenden Beanspruchung Bauklasse/ Flächenart
Asphalttragschicht
SV und I II
AC 32 T S AC 22 T S
III
AC 32 T N AC 22 T L
Asphaltbeton
Splittmastixasphalt SMA 11 S
–
(AC 16 B N)
–
Deckschicht aus
–
AC 32 T N AC 22 T N
VI Rad- und Gehwege
Asphalttragdeckschicht
AC 22 B S AC 16 B S AC 16 B S
IV V
Asphaltbinderschicht
AC 16 T D
AC 11 D S
SMA 8 S
AC 11 D N AC 8 D N
(SMA 8 N)
AC 8 D L AC 5 D L
(SMA 8 N) (SMA 5 N)
–
Gussasphalt
MA 11 S MA 8 S MA 5 S
(MA 11 N) (MA 8 N) (MA 5 N)
Offenporigem Asphalt
PA 11 PA 8
–
(MA 5 N)
Erläuterungen: – Einsatz nicht vorgesehen, ( ) nur in Ausnahmefällen
13.2.6.1 Mischgut für Asphalttragschichten
Asphalttragschichten werden im Heißeinbau hergestellt. Die bitumengebundenen Tragschichten gemäß TL Asphalt-StB besitzen ein Größtkorn von 16 bis 32 mm und decken alle Kombinationen hinsichtlich der erwarteten Beanspruchungen auf der Straße ab.
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13.2 Asphalt
Da Asphalttragschichten nicht den direkten Verkehrs- und Witterungsbeanspruchungen ausgesetzt sind, können die Anforderungen an die Qualität der Gesteinskörnungen für Asphalttragschichten geringer sein als an Gesteinskörnungen für Fahrbahndecken. Als Bindemittel kommen laut TL Asphalt Straßenbaubitumen 70/100, 50/70 oder 30/45 zur Anwendung, wobei die Mindest-Bindemittelgehalte von 3,8 bis 4,2 M-% reichen. Einzelheiten zur Zusammensetzung sowie zu den Eigenschaften von Asphalttragschichten können Tabelle 13.13 entnommen werden. Für Asphalttragschichten unter Betondecken ist die Mischgutzusammensetzung so zu wählen, dass der Hohlraumgehalt am Marshall-Probekörper mit höchstens 6,0 Vol.-% geringer ist, als dies in Asphaltbefestigungen gefordert wird. Asphalttragschichten haben vorwiegend eine tragende, lastverteilende Funktion in der Straßenbefestigung. Durch gezielte Variation der Zusammensetzung lassen sich sowohl ausgesprochen verformungsbeständige als auch betont flexible und leichter verformbare Asphalttragschichten herstellen. Dabei ermöglicht die Flexibilität eine Anpassung an langsame Bewegungen der Unterlage, z. B. Bodensenkungen, ohne dass dieses zu Gefügelockerungen und Rissbildung führt. Folgende Maßnahmen führen zur Verbesserung
der Standfestigkeit bessere Kornabstufung mehr Grobkorn mehr gebrochene Gesteinskörnungen mehr Füller härteres Bitumen
der Dichte bessere Kornabstufung weniger Brechsand mehr ungebrochene Gesteinskörnungen mehr Füller mehr Bitumen.
Je feinkörniger das Gesteinskorngemisch ist, desto höher der erforderliche Bindemittelgehalt; größer die Spannweite des Hohlraumgehaltes. 13.2.6.2 Mischgut für Asphalttragdeckschichten
Tragdeckschichten nach den TL Asphalt-StB haben sich aus dem landwirtschaftlichen Wegebau entwickelt und kombinieren die Eigenschaften von Trag- und Deckschichten. Asphalttragdeckschichten müssen daher zum einen so dicht und witterungsbeständig wie Deckschichten sein, zum anderen aber auch eine ausreichende Tragfähigkeit und Flexibilität aufweisen. Das Mischgut, das nach ZTV Asphalt nur in der Art AC 16 TD vorgesehen ist, wurde gegenüber den reinen Tragschichtvarianten mit einem Größtkorn von 16 mm im unteren Korngrößenbereich angehoben, d. h. es ist feinkörniger zusammengesetzt und damit dichter. Es wird im heißen Zustand eingebaut und verdichtet. Da diese Schichten direkt befahren werden, müssen die Gesteinskörnungen hinsichtlich der Frostbeständigkeit und des Polierwiderstands erhöhten Anforderungen genügen. Neben dem landwirtschaftlichen Wegebau werden Tragdeckschichten heute unter anderem eingesetzt: auf Parkplätzen; zur Befestigung von Startbahnschultern im Flugplatzbau;
796
13 Bitumenhaltige Baustoffe
zur preisgünstigen Sanierung von klassifizierten Straßen mit schwachem bis mittlerem Verkehr; als vorläufige Fahrbahndecke (1. Ausbaustufe). 13.2.6.3 Mischgut für Asphaltbinder
Das Asphaltbindermischgut gemäß TL Asphalt-StB (siehe Tabelle 13.13) wird im heißen Zustand eingebaut und verdichtet. Da es in der Straßenkonstruktion in dem besonders durch Schubspannungen hoch beanspruchten Bereich zwischen Trag- und Deckschicht eingebaut wird, muss die Zusammensetzung so gewählt werden, dass gleichzeitig eine möglichst hohe Stand- und Schubfestigkeit erzielt wird. Es werden deshalb sowohl an die Gesteinskörnungen als auch an das Bindemittel gegenüber den Asphalttragschichtmischgütern erhöhte Anforderungen gestellt. So werden die Gesteinskörnungen auch gegenüber Schlagzertrümmerungen geprüft, als Bindemittel kommen vielfach polymermodifizierte Bitumen zum Einsatz, und das Mischgut der Varianten, die auf höher belasteten Straßen verwendet werden, ist auf seine Standfestigkeit hin zu testen. Auf Bundesautobahnen wird vor allem der sehr standfeste Asphaltbinder AC 22 B S eingesetzt, der sich durch einen Hohlraumgehalt von 3,5 bis 6,5 Vol.-% und einen Bindemittelgehalt von mindestens 4,2 M.-% auszeichnet. Für die Varianten AC 16 B N und AC 11 B N werden normale Straßenbaubitumen 50/70 oder 30/45 und Gesteinskörnungen mit geringeren Anforderungen verwendet. 13.2.6.4 Asphaltbetonmischgut für Deckschichten
Das heute überwiegend für den Deckschichtbau eingesetzte Mischgut ist der Asphaltbeton gemäß TL Asphalt-StB (siehe Tabelle 13.13). Das Mischgut wird im heißen Zustand eingebaut und verdichtet. Die gleichzeitige Sicherung gegen Verschleiß und Verformung erfordert einen Kompromiss in den Eigenschaften und damit in der Mischungszusammensetzung. Je hohlraumärmer und bitumenreicher die Asphaltdeckschicht ist, desto geringer ist der Verschleiß. Andererseits haben zu dichte Mischungen vielfach keine ausreichende Griffigkeit und einen geringen Widerstand gegen Verformungen. Für die Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche sind bei Deckschichtmaterial die Eigenschaften und die Zusammensetzung der gröberen Korngrößenbereiche von besonderer Bedeutung. Man wählt daher höhere Anteile in diesen Körnungen auf Straßen mit besonderen Beanspruchungen (AC 11 D S und AC 16 D S) und verwendet gegebenenfalls zusätzlich ein polymermodifiziertes Bindemittel. Der Hohlraumgehalt kann vor allem über die Kornform beeinflusst werden (höherer Anteil gebrochener Kornoberflächen = mehr Hohlraum). Da es sich bei Asphaltbetonmischgut für Deckschichten generell um sehr dichte Asphalte handelt (Hohlraumgehalt von 1,0 bis 2,5 bzw. 2,5 bis 4,5 Vol.-%), muss gleichzeitig der Hohlraumfüllungsgrad berücksichtigt werden, um der Gefahr einer Überfettung des Mischguts vorzubeugen. Der Asphaltbeton ist für Straßen mit mittleren oder geringeren Verkehrsbeanspruchungen eine langlebige und wirtschaftliche Variante für Deckschichten. Er zeichnet sich durch eine
13.2 Asphalt
797
geschlossene und damit wasserdichte Oberfläche mit guten Ebenheitseigenschaften aus, vermag es jedoch nicht, hohen Verkehrsbelastungen standzuhalten. 13.2.6.5 Mischgut für Splittmastixasphalt
Splittmastixasphalt gemäß ZTV Asphalt-StB (siehe Tabelle 13.13) besteht aus einem Gesteinskorngemisch mit Ausfallkörnung, das im heißen Zustand eingebaut und verdichtet wird. Splittmastixasphalte besitzen in ihrer obersten Kornklasse rund 50 M.-% bei einem Füllergehalt von rund 10 M.-% (siehe Bild 13-12) und einem Bindemittelgehalt von mindestens 6,6 bis 7,4 M.-%. Um eine Entmischung des mit diesem relativ hohen Bitumengehalt hergestellten Mischguts während Herstellung, Transport, Einbau und Verdichtung zu verhindern, ist die Zugabe von stabilisierenden Zusätzen, so genannten Bindemittelträgern (z. B. organische und mineralische Faserstoffe) sowie der Einsatz eines relativ harten Bindemittels (50/70, für SMA 8 N und SMA 5 N auch Bitumen 70/100) zur Bildung eines steifen Mörtels erforderlich. Häufig werden jedoch polymermodifizierte Bindemittel bevorzugt. Vom Asphaltbeton für Deckschichten unterscheidet den Splittmastixasphalt vor allem die hohe Standfestigkeit, die neben der Korngrößenverteilung vor allem durch die Verwendung von hochwertigen Gesteinskörnungen mit einem hohen Anteil gebrochener Gesteinsoberflächen und hohen Polierwiderständen und Schlagzertrümmerungswerten positiv unterstützt wird. Die Kombination dieser Eigenschaften führt im eingebauten, verdichteten Zustand zu einem in sich abgestützten Korngerüst, dessen Hohlräume mit Asphaltmörtel weitgehend ausgefüllt sind. Infolge des hohen Mörtelanteils sind Deckschichten aus Splittmastixasphalt ausgesprochen witterungs- und ermüdungsbeständig. Zur Erzielung einer angemessenen Oberflächenrauheit insbesondere der Anfangsgriffigkeit sind Abstumpfungsmaßnahmen vorzusehen, z. B. durch Abstreuen und Einwalzen von rohen oder bindemittelumhüllten gebrochenen Gesteinskörnungen 1/3 oder 2/5. 13.2.6.6 Mischgut für Offenporigen Asphalt
Das Mischgut für Offenporige Asphalte ist durch eine extreme Ausbildung der Korngrößenverteilung gekennzeichnet: neben eine feinen Gesteinskörnung dominiert der Anteil grober Gesteinskörner die Zusammensetzung. Mit einem Mindestbindemittelanteil von 5,5 bis 6,5 M.-%, der durch Zugabe von Bindemittelträgern stabilisiert wird, und einem Fülleranteil von 3 bis 5 M.-% entsteht ein Asphalt mit einem Hohlraumgehalt von 24 bis 28 Vol.-%. Offenporige Asphalte benötigen höchste Anforderungen an die Gesteinskörnungen, um den sehr hohen Belastungen, die über die Kornkontakte übertragen werden, standhalten zu können. Aus diesem Grund ist auch der Einsatz von Asphaltgranulat hierfür nicht zulässig. Gleichzeitig muss auch das Bindemittel in ausreichender Filmdicke gehalten werden können und zudem gegen das auch in die Straßenoberfläche eindringende Sonnenlicht, den Sauerstoff und das Wasser beständig sein. Die Anwendung von offenporigen Asphalten beschränkt sich auf solche Autobahnabschnitte, auf denen besondere Anforderungen an den Lärmschutz gestellt werden. Hier kann sein Einsatz den Neu- oder Ausbau einer Verkehrsverbindung unter Umständen in Kombination mit weiteren Maßnahmen ermöglichen. Ein weiterer Vorteil dieses Asphalts besteht in der schnellen Ableitung des auf der Fahrbahnoberfläche befindlichen Wassers, das durch den offenpo-
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13 Bitumenhaltige Baustoffe
rigen Asphalt hindurchströmt und auf einer darunter liegenden Abdichtung horizontal zum Fahrbahnrand abgeleitet wird. Auf diese Weise wird die Sprühfahnenbildung hinter vorausfahrenden Fahrzeugen deutlich verringert, was zur Verkehrssicherheit beiträgt.
Bild 13-12 Vergleich der Korngrößenverteilungen der drei Deckschichtasphalte AC 11 D S, SMA 11 S, PA 11
13.2.6.7 Mischgut für Gussasphalt
Gussasphalt ist ein sehr verschleißfester, technisch hochwertiger Fahrbahnbelag. Gussasphalt gemäß TL Asphalt-StB ist eine dichte bitumengebundene Masse aus Gesteinskörnungen, Füller und Straßenbaubitumen, polymermodifizierten Bitumen oder Straßenbaubitumen und Naturasphalt. Der Bindemittelgehalt von mindestens 6,8 bis 7,5 M.-% im Gussasphaltmischgut wird so bemessen, dass in Bezug auf den Hohlraumgehalt des Gesteinskorngemischs ein Hohlraumfüllungsgrad von 100 % oder sogar eine Bindemittelüberschuss entsteht. Damit stellt der Gussasphalt kein stabiles, mit Bitumen verklebtes Korngerüst mehr dar, sondern entspricht im Prinzip einem mit groben Gesteinskörnern versteiften Mörtel. Im Vergleich zum Asphaltbeton werden deshalb wesentlich härtere Bitumensorten (30/45 oder sogar 20/30) und etwa der 2,5- bis 3-fache Füllergehalt verwendet. Durch Erhöhung des Anteils grober Gesteinskörnungen auf 50 bis 55 M.-% sowie Anhebung des Anteils gebrochener Oberflächen (C90/1) lässt sich ein besonders schubfester Gussasphalt herstellen, wie er z. B. für Steigungsstrecken, Ampelbereiche oder Bushaltestellen erforderlich ist. Ein derart steifer Gussasphalt muss jedoch mit Vibrationsbohlen eingebaut werden. Durch die heute vielfach angewandte Technik des Einwalzens von Splitt 2/5 oder 5/8 mittels Gummiradwalzen in den heißen Gussasphalt („gewalzter Gussasphalt“) lässt sich die Standfestigkeit zusätzlich steigern. Für die Ausbildung einer Oberfläche mit angemessener Rauheit werden nach den ZTV Asphalt-StB verschiedene Verfahren zum Aufbringen und gegebenenfalls Einwalzen von Gesteinskörnungen in den Gussasphalt vorgegeben.
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13.2 Asphalt 13.2.6.8 Sondermischgut
Über den Rahmen der TL Asphalt-StB hinaus sind in den letzten Jahren eine Reihe von Mischgutarten entwickelt worden, die mit besonderen Baustoffen oder Bauverfahren verbesserte Eigenschaften anstreben und die – häufig unter geschützten Handelsnamen – insbesondere zur Herstellung von Sonderschichten auf Straßen mit besonderen Beanspruchungen angeboten werden. Zu nennen sind hier unter anderen:
Leichtasphalt; kaltverarbeitbares Mischgut; Mikrobeton; halbstarre Beläge;
Mischgut für lärmmindernde Fahrbahndecken; eishemmende Deckschichten; aufgehellte oder farbige Fahrbahndecken; elastomer- und polymermodifizierte Decken.
Eine detaillierte Behandlung dieser Sondermischgutarten ist im Rahmen dieses Lehrbuches nicht möglich; hierfür ist auf Spezialliteratur zu verweisen [13.5, 13.6]. 13.2.6.9 Oberflächenschutzschichten
Oberflächenschutzschichten sind dünne bitumengebundene Schichten auf Verkehrsflächen. Sie werden ausgeführt als Oberflächenbehandlungen oder Bitumenschlämmen nach ZTV BEA-StB. Oberflächenschutzschichten werden angewendet, um die Verkehrsfläche vor Zerstörungen infolge Eindringens von Feuchtigkeit oder sonstiger Einflüsse aus Witterung und Verkehr zu schützen. Darüber hinaus können Oberflächenbehandlungen sowohl die Griffigkeit als auch die Sichtbedingungen bei Nacht und Nässe verbessern. Bitumenschlämmen
Bitumenschlämmen gemäß ZTV BEA-StB sind kaltverarbeitbare, gießbare Gemische aus korngestuften Gesteinen feiner Körnung und Bitumenemulsionen, die – von Ausnahmen abgesehen – maschinell aufbereitet und verlegt werden. Dabei unterscheidet man in Anlehnung an die Emulsionsart anionische und kationische Schlämmen. Sie dienen der Versiegelung und Beschichtung von Verkehrsflächen, insbesondere zum Auffrischen oder Aufrauen alter Decken bei schwachem bis mittlerem Verkehr (Stadtstraßen) und werden in ein oder zwei Arbeitsgängen ausgeführt. Zum Verbessern der Standfestigkeit und der Rauigkeit können der oberen Lage bis zu 25 M.-% Sand beigemischt werden. Bitumenschlämmen, die auf vorausgegangener Oberflächenbehandlung hergestellt werden, ergeben dickere Schutzschichten, bei denen das Splittgerüst der Oberflächenbehandlung durch einen bitumenhaltigen Mörtel verfüllt und gebunden wird. Der Bindemittelgehalt ist auf die Art und Zusammensetzung des Gesteinskorngemischs, Art des Bindemittels und die zu erwartende Verkehrsbeanspruchung abzustimmen. Oberflächenbehandlungen
Oberflächenbehandlungen sind keine selbständige Deckenbauweise und gehören streng genommen nicht zu den Mischgutsorten, können aber im weiten Sinne als BitumenGesteinskorn-Gemische angesehen werden, die auf der Straßenoberfläche hergestellt werden. Als Oberflächenbehandlung wird das Anspritzen der Unterlage mit Bindemittel und das sofort anschließende Abstreuen und Einwalzen mit roher oder bindemittelumhüllter Gesteinskörnung 2/5 bis 8/11 sowie die so hergestellte Schicht verstanden. Die verwendeten Ge-
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13 Bitumenhaltige Baustoffe
steinskörnungen müssen einen hohen Widerstand gegen Polieren besitzen. Je gröber der Abdecksplitt, desto mehr Bindemittel muss aufgespritzt werden und desto dickflüssiger muss das Bindemittel sein. Eine genaue Bindemitteldosierung ist stets zu beachten, um eine Überfettung zu vermeiden. Die Körnung muss bis 2/3 der Korngröße in das Bindemittel eingebettet sein. Oberflächenbehandlungen sind bei einwandfreier Ausführung sehr griffig. Oberflächenbehandlungen werden vorwiegend auf Straßen der Bauklassen IV bis VI angewendet. Bei stärkerer Verkehrsbeanspruchung werden härtere Bindemittel sowie polymermodifizierte Bindemittel vorgesehen. Sie sind hinhaltende Maßnahmen im Rahmen der Straßenerhaltung und dort angebracht, wo eine poröse und deshalb gefährdete Fahrbahndecke nicht sofort mit einer Deckschicht überbaut werden kann, aber vorbeugend gegenüber den Einflüssen der Witterung und des Verkehrs geschützt werden soll.
13.2.7 Asphalte für den Wasserbau Da Bitumen und somit auch der Asphalt keine wasserlöslichen und toxischen Stoffe enthält, kann er in allen Bereichen des Wasserbaus – Deichbefestigungen, Küstenschutz, Böschungsund Sohlbefestigungen im Fluss- und Kanalbau, beim Speicherbecken- oder Talsperrenbau, auch im Trinkwassereinzugsbereich – eingesetzt werden. Die Eignung des Asphalts für den Wasserbau beruht auf folgenden Überlegungen: Bauwerke am und im Wasser müssen flexibel sein, da Untergrundbewegungen aus Nachverdichtungen und Volumenänderungen des Erdkörpers durch Wasseraufnahme oder -entzug immer gegeben sind. Asphaltschichten können wegen ihrer Viskosität auftretende Spannungen wieder abbauen und damit langsamen Setzungen folgen, ohne dass es zu Rissbildung und Verlust der Wasserdichtheit kommt. Der Asphaltwasserbau grenzt auf der einen Seite mit dünnen Belägen, die im Allgemeinen eines Trägers und oft eines mechanischen Schutzes bedürfen, an die Abdichtungstechnik, auf der anderen Seite, z. B. mit dicken Kerndichtungen bei Talsperren oder dicken Deckwerken auf Deichen, ähneln die Bauweisen mehr dem Straßenbau. Eingesetzt wird vor allem der Asphaltbeton, daneben der hohlraumfreie Gussasphalt und der hohlraumarme Sandasphalt, der aber nur noch geringe technische Bedeutung hat. Von der Zusammensetzung her entsprechen sie weitgehend den Asphalten für den Straßenbau. Da im Allgemeinen die dichtende Wirkung im Vordergrund steht, hat das Mischgut einen feineren Kornaufbau mit höherem Füller- und Bitumenanteil, wodurch die Verarbeitbarkeit erleichtert und der Hohlraumgehalt verringert wird. Als Variante zwischen der flächendeckenden Abdichtung mit einer Asphaltbetonschicht und dem Vergießen von Fugen zwischen einzelnen Bauelementen sind die Verfahren des Asphaltvergusses großer von Hand versetzter Steine (Setzsteinverguss) oder geschütteter Grobsteinlagen (Schüttsteinverguss) zu nennen. In beiden Fällen verbindet ein Mastixverguss die Einzelelemente der Natursteine oder auch Betonblöcke zu einem geschlossenen Körper dichtender Natur ( Raugussdeckwerke). Diese Bauweise hat sich vor allem im Schutz gegen Meerwasser gut bewährt, weil sie den Wellenauflauf stark bremst. Auch Unterwasserverguss von groben Schüttungen für Seebuhnen und Molen, Böschungs- und Sohlendichtungen von Kanälen sowie im Fluss- und Deichbau ist möglich, denn der heiße Mastix bleibt gießfähig und verdrängt, da er spezifisch schwerer ist, das Wasser aus den Hohlräumen der Gesteinsschüttung. Müssen Beläge aber durchlässig sein, weil sie Wasser drainieren oder kurz- oder längerfristig hinter dem Deckwerk auftretende Wasserdrücke abbauen sollen, können keine un-
13.2 Asphalt
801
durchlässigen Vergussbauweisen eingesetzt werden. In einem solchen Fall werden offene Beläge aus grobkörnigem Gesteinsmaterial ohne Feinkorn hergestellt.
13.2.8 Asphalte für den Hochbau Die geringe Wärmeleitfähigkeit sowie eine gewisse schalldämpfende Wirkung der Asphalte empfehlen sie auch zur Verwendung im Hochbau. 13.2.8.1 Gussasphaltestriche
Asphaltestriche sind Bodenbeläge, die in Form von Gussasphalt auf die Rohdecken von Gebäuden im Hochbau eingebracht werden. Im Grundsatz wird der Gussasphalt für den Hochbau ähnlich zusammengesetzt wie im Straßenbau. Da im Allgemeinen ein Einbau von Hand erfolgt, wird jedoch, um eine gute Verarbeitungswilligkeit zu erreichen, der Splittgehalt mit ca. 25 bis 35 M.-% und einem Größtkorn von 5 mm relativ gering eingestellt. Die Körnungsverteilung in der Sandfraktion sollte möglichst stetig verlaufen, ein Verhältnis von Feinsand : Mittelsand : Grobsand in der Größenordnung 1 :2 :2 hat sich in der Praxis gut bewährt. Als Bindemittel kommen für Beläge in Innenräumen die sehr harten Bitumensorten 15/25 oder sogar 10/20, in unbeheizten Hallen oder im Freien (Terrassen) die harten Sorten 20/30 oder 15/25 in Frage. Bei hohen Flächendrücken, z. B. Langzeitbelastungen auf punktförmigen Flächen durch Möbel, Fahrverkehr auf Industriefußbodenbelägen durch Gabelstapler oder ähnlichem, ist es vorteilhaft zur Erhöhung der Standfestigkeit nur gebrochene Gesteinskörnungen zu verwenden und den Anteil grober Gesteinskörnungen (bis zu 50 M.-%) sowie das Größtkorn (bis 11 mm) zu erhöhen. Der Gussasphalt setzt sich durch Kontraktion aufgrund des Abkühlungsvorgangs etwas von den Wänden ab und bildet dadurch einen natürlichen Schalldämmraum. Da Gussasphalt hohlraumfrei ist, ist er wasserdicht und auch unempfindlich gegen aufsteigende Feuchtigkeit. Er ist daher für den Einsatz bei schlecht gegen Feuchtigkeit aus dem Erdreich geschützten Kellerräumen und in Nassräumen mit großem Wasseranfall, selbst bei aggressiven Wässern, gut geeignet, z. B. Waschräume, Markthallen, Viehställe, Laboratorien, chemischen Betrieben usw. Für Warmwasser-Fußbodenheizungen ist ein Spezialgussasphalt entwickelt worden, der bis zu Vorlauftemperaturen von 45 °C eingesetzt werden kann. 13.2.8.2 Asphaltplatten
Asphaltplatten sind unter Druck in der Wärme gepresste Platten aus Naturasphalt-Rohmehl oder zerkleinertem Naturgestein und Bitumen. Der Bindemittelgehalt liegt zwischen 8 bis 10 M.-%. Sie können auch als Verbundplatten hergestellt werden, bei denen die Unterschicht aus Asphaltmaterial und die Oberschicht aus gegebenenfalls gefärbtem Betonwerkstein besteht; diese Platten sind jedoch nicht für Fahrverkehr geeignet. Asphaltplatten sind strapazierfähig und in hohem Maße abriebfest; sie können mit schweren Maschinen belastet werden und halten auch Gabelstaplerverkehr aus. Sie werden durch die Verkehrsbelastung nachverdichtet, so dass Hohlräume, zumindest im oberen Bereich, bald verschwinden; durch die thermoplastische Eigenschaft des Bindemittels schließen sich die Zwischenräume zwischen den einzelnen Platten, so dass ein zusammenhängender Belag entsteht. Temperaturbelastungen > 50 °C sind zu vermeiden. Bei Verwendung säurefester Gesteinskörnungen sind die
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13 Bitumenhaltige Baustoffe
Platten säurefest. Die Platten werden in einem erdfeuchten bis leicht plastischen Mörtel verlegt, der keine Kalkzusätze enthalten darf. Zur Verlegung im Freien sind nur besonders gekennzeichnete Platten zugelassen.
13.3 Bitumenhaltige Baustoffe im Bautenschutz Bautenschutzmaßnahmen mit bitumenhaltigen Baustoffen umfassen das Gebiet der Bauwerksabdichtungen und der Dachabdichtungen. Abdichtungen sollen Bauwerke bzw. Bauteile gegen Wasser in allen seinen auftretenden Formen schützen, wobei im Rahmen der Behälterabdichtungen und vergleichbarer Aufgaben auch wässrige Lösungen einschließlich Säurelösungen und Laugen erfasst werden, soweit die Beständigkeit der Rohstoffe ausreicht. Daher kommt eine Abdichtung gegen organische Flüssigkeiten nicht in Frage, für die allenfalls Kunststoffe Verwendung finden. Das Wasser kann dabei in sehr verschiedenen Formen und mit differenzierter Wirkung auftreten. Man unterscheidet einerseits zwischen ober- und unterirdischem Wasser, andererseits zwischen Druck- (Stau- oder Grundwasser) und drucklosem Wasser (Niederschläge, nichtstauendes Sicker- und Brauchwasser) sowie Luft- und Bodenfeuchtigkeit. Zum drucklosen Wasser zählt auch das periodische Auftreten von kondensierter Feuchtigkeit in Innen-, so genannten Nassräumen. Bei der Verwendung von Bitumen in der Dichtungstechnik sind die spezifischen Eigenschaften wie insbesondere die Viskoelastizität und die thermoplastische Natur zu berücksichtigen. Bitumen braucht stets einen Träger. Dies kann entweder das zu schützende Bauwerk selber sein oder aber eine entsprechende Einlage. In diesen mit einer Einlage versehenen Dichtungsschichten werden die Anforderungen nach Dichtheit und Festigkeit auf die zwei Komponenten, Bitumen und eingebettete Trägermasse, verteilt. Die Dichtheit wird vom Bindemittel und die Festigkeit von dem eingebetteten Trägermaterial übernommen; diese Trägereinlage wirkt dann gewissermaßen als Bewehrung. Im ersten Fall ist die Oberflächenbeschaffenheit wichtig: Nachträgliche und sich bewegende Risse können sehr schnell zu Schäden in der Dichtung führen. Ähnlich können Hohlstellen Durchbrüche verursachen und sind deshalb zu vermeiden. Andererseits ist die Dicke zumindest trägerloser Schichten wegen der Fließneigung begrenzt, wodurch sich auch der stärkere Trend zu Bahnen aller Art erklärt.
13.3.1 Abdichtungsbahnen Für die Abdichtung der Bauwerke oder Bauteile unter Geländeoberkante, d. h. gegen Bodenfeuchtigkeit, nichtdrückendes und von außen drückendes Wasser haben sich mit Bitumen verklebte Bahnen langzeitig bewährt. Bitumenbahnen sind im Grundsatz so aufgebaut, dass sie eine Trägerbahn haben, die in der Regel mit Bitumen getränkt und auf beiden Seiten bitumenbeschichtet ist. Nichtbeschichtete Bahnen finden nur in Form der so genannten „nackten Pappen“ Anwendung. Mit Ausnahme der nackten Pappen werden die Bahnen beidseitig abgestreut (mit Feinsand oder Talkum), um in den Rollen ein Zusammenkleben zu vermeiden bzw. nach dem Verlegen an der Oberfläche die Hitzebeständigkeit zu verbessern. Heute werden neben den bekannten beschichteten Bitumenbahnen aus Rohfilz (Kennbuchstabe R) auch solche mit Einlagen aus Jute (J), Glasfaservlies (V) und Glasfasergewebe (G) sowie Kunst-
13.3 Bitumenhaltige Baustoffe im Bautenschutz
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stoff-Folien verarbeitet, ferner auch unbeschichtete Metallbahnen aus Aluminium, Kupfer und sogar Edelstahl. Die Bezeichnung der Bahnen erfolgt mit dem Kennbuchstaben für die Trägereinlage sowie der Angabe des Flächengewichtes der Trägerbahn in g/m2 bzw. mit Angabe der Dicke der Metallbandeinlage in mm. Alle diese mit Bitumen getränkten und/oder beschichteten Bahnenmaterialien sind in der DIN 18 195 – Bauwerksabdichtungen – Teil 2 erfasst. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die sachgerechte Ausbildung von Abdichtungen ist die Anordnung an jeweils der Feuchtigkeit zugewandten Seite: bei Grund- und Sickerwasser also von außen, bei Nassräumen oder Behältern usw. dagegen von innen. Muss in besonderen Fällen von diesem Prinzip abgewichen werden, sind aufwändige zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Bahnentypen für die Bauwerksabdichtung: nackte Bitumenbahnen; Dichtungsbahnen; Bitumenschweißbahnen; Polymerbitumen-Schweißbahnen; Dachbahnen und Dachdichtungsbahnen; kaltselbstklebende Bitumendichtungsbahnen. 13.3.1.1 Nackte Bitumenbahnen
Nackte Bitumenbahnen gemäß DIN EN 13707 sind mit Destillationsbitumen (EPRuk: 32 bis 67 °C) oder Naturasphalt getränkte Rohfilzpappen (Flächengewicht 500 g/m2: R 500 N) ohne Deckschicht. Die nackten Bahnen haben selbst keine dichtende Wirkung, sondern dienen als Träger für die Dichtungsbeschichtungen aus Bitumen. 13.3.1.2 Dichtungsbahnen
Dichtungsbahnen gemäß DIN 18 190 Teil 4 für Abdichtungen gegen nichtdrückendes Wasser bestehen aus beidseitig mit einer stärkeren Bitumenschicht beschichteten Metallbandeinlagen aus Cu- oder Al-Metallband und sind beidseitig mit Feinsand 1 mm bestreut. 13.3.1.3 Bitumenschweißbahnen
Diese 4 bis 5,2 mm dicken Schweißbahnen gemäß DIN EN 13 707 mit Trägereinlagen aus Jutegewebe (J 300), Textilglasgewebe (G 200), Glasvlies (V 60) oder Polyestervliesen (PV 200) haben den Vorteil, dass die Klebemasse bereits auf einer Seite aufgebracht ist, so dass das gefährliche Hantieren mit heißem, flüssigem Bitumen entfällt. Sie werden durch Erhitzen der unterseitigen Bitumendeckmasse ohne zusätzliche Klebemasse mit der Unterlage bzw. bei mehrlagiger Ausführung untereinander verbunden („verschweißt“). Im Vergleich mit Bitumen-Dachdichtungsbahnen weisen die Schweißbahnen dickere Deckschichten auf, die die Verarbeitung durch Schweißen ermöglichen. Die Bahnen sind im Allgemeinen mit Talkum (beidseitig) oder Schiefermehl (oberseitig) abgestreut. Anstelle der unterseitigen Talkumbe-
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13 Bitumenhaltige Baustoffe
streuung darf die Schweißbahn auch mit einer leicht ablösbaren oder abschmelzbaren Trennfolie versehen sein. 13.3.1.4 Polymerbitumen-Schweißbahnen
Bei diesen für Abdichtungen im Bauwesen eingesetzten Schweißbahnen gemäß DIN EN 13 707 werden polymermodifizierte Bitumen als Tränk- und Deckmasse der talkumierten oder beschieferten Bahnen eingesetzt. Im Vergleich zu polymermodifizierten BitumenDachdichtungsbahnen weisen sie dickere Deckschichten auf, die die Verarbeitung durch Schweißen ermöglichen. Durch die größere Plastizitätsspanne der PmB werden z. B. das Verformungsverhalten in der Kälte und die Wärmestandfestigkeit verbessert. Neben den üblichen Trägereinlagen aus Jute- (J 300) oder Textilglasgewebe (G 200) werden auch Bahnen mit Polyestervlies (PV 200) hergestellt, wodurch auch eine höhere Zugfestigkeit erzielt wird. 13.3.1.5 Dachbahnen und Dachdichtungsbahnen
Nach Art der Beschichtung unterscheidet man zwischen besandeten Bitumen-Dachdichtungsbahnen, die auf beiden Seiten gleichmäßig mit mineralischen Stoffen aus vorwiegend gedrungenem Korn 1 mm bestreut sind, und beschieferten Bitumen-Dachdichtungsbahnen, die oberseitig mit mineralischen Stoffen aus vorwiegend schuppenförmigem Korn 1 bis 4 mm und auf der Unterseite mit vorwiegend gedrungenem Korn 1 mm abgestreut sind. Die Dachabdichtung ist eine Form der Abdichtung gegen Feuchtigkeit, die auf Grund der besonderen Verhältnisse von den zuvor besprochenen teilweise abweicht. Während Bauwerksabdichtungen unter Geländeoberfläche nach Fertigstellung des Bauteils im Allgemeinen nicht mehr oder nur schwer zugänglich sind und auf ihren Zustand nicht überprüft werden können, liegen Dachabdichtungen frei und können regelmäßig unterhalten werden. Dachabdichtungsstoffe haben zwar keinen großen Wasserdrücken standzuhalten, sind aber besonders weit gespannten Temperaturdifferenzen ausgesetzt, was bei der Baustoffauswahl entsprechend zu berücksichtigen ist. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen wasserableitenden (nur für geneigte Dächer, Schiefer, Ziegel und dergleichen) und wasserabweisenden Eindeckungen (Dachbahnen, Kunststoff-Dachbahnen, Spachtelungen), die vor allem für Flachdächer oder schwach geneigte Dächer eine bedeutende Rolle spielen; sie lassen sich aber auch auf steileren Dächern einsetzen. Bei den Dachbahnen unterscheidet man gemäß DIN EN 13 707 zwischen Dachbahnen mit Rohfilzeinlage und den Dachbahnen mit Glasvlieseinlage. Davon zu unterscheiden sind die Dachdichtungsbahnen sowie Polymerbitumen-Dachdichtungsbahnen mit beidseitig verstärkten Deckschichten. Sie werden mit Trägereinlagen aus Jutegewebe (J 300), Textilglasgewebe (G 200) oder Polyestervlies (PV 200) hergestellt. Auch bei den Bahnen für die Dachabdichtung haben sich in den letzten Jahren Bitumen- und Polymerbitumen-Schweißbahnen immer mehr durchgesetzt. Diese 4 bis 5 mm dicken, mit Einlagen aus Jutegewebe oder Textilglas- bzw. Polyestervlies hergestellten Bahnen, werden im Flammschmelz-Klebeverfahren vollflächig verschweißt. Zur Tränkung der Trägereinlagen werden Destillationsbitumen verwendet. Tränk- und Deckmassen dürfen plastizitätsverbessernde Stoffe, Deckmassen auch stabilisierende Stoffe enthalten. Bei den Bahnen gemäß DIN EN 13 707 darf eine Zugabe von mineralischen Füllstoffen erfolgen, um die Widerstandsfä-
13.3 Bitumenhaltige Baustoffe im Bautenschutz
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higkeit der Deckmasse gegen höhere Temperaturen zu steigern. Zum Schutz gegen Beschädigung, zur farbigen Belebung oder auch zur besseren Wärmereflexion wird die Oberseite der Deckschicht im Allgemeinen mit Talkum, Feinsand, Schiefer oder sonstigen Mineralien abgestreut. Ein Sonderfall des Einsatzes von Dachbahnen ist die Abdichtung gegen aufsteigende Feuchtigkeit in Wänden, für die im Allgemeinen eine genügend hoch über der Erdoberkante eingelegte einlagige Abdichtung mit einer 500er Bitumen-Dachbahn genügt; andere und dünnere Bahnen müssen zweilagig verlegt werden. 13.3.1.6 Kaltselbstklebende Bitumendichtungsbahnen
Diese neu entwickelten Klebebahnen gemäß DIN 18 195-100 sind auf der Unterseite werkseitig mit einer Klebemasse beschichtet, die eine vollflächige Verklebung im kalten Zustand ohne jegliche Erwärmung ermöglicht.
13.3.2 Anstrichmassen (Sperrstoffe) Für den einfachsten Bereich der Abdichtungsskala gegen Luft- und Bodenfeuchtigkeit, d. h. gegen nichtdrückendes Wasser, kommen neben den verschiedenen Bahnentypen auch folgende bitumenhaltige Produkte in Frage: Voranstriche (nur kalt zu verarbeiten); Deckaufstriche (heiß zu verarbeiten); Klebemassen (nur heiß zu verarbeiten); Spachtelmassen (kalt oder heiß zu verarbeiten). Für die Anwendung dieser Stoffe als Abdichtungsmittel sind folgende Punkte zu beachten: Sie müssen in mehreren Schichten aufgebracht werden, denn eine Anstrich- oder Spachtelschicht ist nie porenfrei. Sie erfordern eine Bitumengrundierung (Voranstrich). Anschlüsse an Durchdringungen, Risse im Untergrund – auch später auftretende – sind Schwach- oder Versagensstellen. Sollen Beschichtungsmassen über Rissen wirksam bleiben, ist eine Armierung erforderlich, die die Zugspannungen aufnimmt und somit Verformungen der Beschichtungsmasse weitgehend verhindert.
Voranstrichmittel sind dünnflüssige Lösungs- oder Emulsionsanstriche auf der Bindemittelbasis Bitumen zum Teil mit einem Zusatz eines Haftmittels. Sie sind zur Erzielung einer sicheren Verbindung der Deckaufstriche mit dem Bauteil vorwiegend für senkrechte oder stark geneigte Wandflächen erforderlich und müssen deshalb gut in die Poren eindringen können. Bitumenlösungen eignen sich im Allgemeinen nur bei trockenem Untergrund, stabile Emulsionen können auch auf feuchtem Untergrund aufgetragen werden. Der Bindemittelgehalt der Bitumenlösung beträgt 30 bis 50 M.-%, Bitumenemulsionen enthalten 30 M.-% Bitumen. Der eigentliche Dichtungsanstrich ist ein nach der Abtrocknung des Voranstrichs aufzutragender, in sich geschlossener mehrlagiger Aufstrich aus heiß (2lagig) oder kalt (3lagig) zu verarbeitenden Deckaufstrichmitteln, die gefüllt oder ungefüllt verarbeitet werden können. Heiß zu verarbeitende Deckaufstrichmittel enthalten als Bindemittel harte Bitumensorten (20/30 bis 30/45) oder entsprechende Oxidationsbitumen sowie gegebenenfalls als Füllstoffe nicht quellfähige mineralische Gesteinsmehle und/oder mineralische Faserstoffe. Durch die
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13 Bitumenhaltige Baustoffe
Füllstoffe – höchstzulässiger Anteil bis zu 50 M.-% – kann die Temperaturempfindlichkeit vermindert, die Witterungsbeständigkeit und die Stabilität verbessert werden.
Klebemassen entsprechen in der Zusammensetzung und in den Anforderungen den heiß zu verarbeitenden Deckaufstrichmitteln. Sie dienen dazu, die einzelnen Lagen von Dichtungsbahnen untereinander und mit dem Untergrund vollflächig zu verkleben. Die Auswahl der Klebemassen richtet sich nach der Temperaturbeanspruchung und der Neigung der Unterlage; überwiegend werden Oxidationsbitumen verwendet. Spachtelmassen sind durch einen höheren Füllergehalt gekennzeichnet. Sie können als heiß oder kalt zu verarbeitende Massen eingesetzt werden. Die heiß zu verarbeitenden Spachtelmassen entsprechen in ihrer Zusammensetzung im Wesentlichen dem Asphaltmastix. Kalt zu verarbeitende Spachtelmassen werden als gefüllte Bitumenlösungen mit einem Bitumengehalt von 25 bis 70 M.-% oder als Bitumenemulsionen mit > 35 M.-% Bitumengehalt hergestellt. Der Gehalt an Füllstoffen beträgt bei den Bitumenlösungen maximal 65 M.-%, bei den Bitumenemulsionen maximal 40 M.-%. Neu entwickelte kaltverarbeitbare Spachtelmassen sind kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen gemäß DIN 18 195-2 (KMB) auf der Basis von Bitumenemulsionen mit einem Bindemittelgehalt von 3,5 M.-%. Sie können neben Kunststoffen auch Fasern als Füllstoff enthalten. Zu den Bauwerksabdichtungen zählt man im Allgemeinen auch die Fugenvergussmassen. An diese Materialien werden besonders hohe Anforderungen hinsichtlich Dehnbarkeit bei tiefen und Stabilität bei hohen Temperaturen gestellt. Sie müssen sich leicht vergießen lassen und eine sehr gute Haftung zum Untergrund aufweisen, damit sie an den Fugenflanken nicht abreißen. Als Bindemittel werden im allgemeinen Oxidationsbitumen verwendet. Da Bitumen allein alle diese Anforderungen oft nicht erfüllen können, werden je nach Verwendungszweck neben Füller noch Kunststoffe, Gummi oder Fasern beigegeben.
13.4 Literatur 13.4.1 Regelwerke 13.4.1.1 Normen Norm
Ausgabe
Titel
DIN 1995-4
2005-08
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Anforderungen an die Bindemittel – Teil 4: Kaltbitumen
DIN 4102-4
1994-03
Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile
DIN 18195-100
2003-06
Bauwerksabdichtungen – Teil 100: Vorgesehene Änderungen zu den Normen DIN 18195 Teil 1 bis 6
807
13.4 Literatur
E DIN 18195-101
2005-09
Bauwerksabdichtungen – Teil 101: Vorgesehene Änderungen zu den Normen DIN 18195-2 bis DIN 18195-5 (Entwurf)
DIN 52007-1
2006-09
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung der Viskosität – Teil 1: Allgemeine Grundlagen und Auswertung
DIN EN 933-3
2003-12
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 3: Bestimmung der Kornform – Plattigkeitskennzahl
DIN EN 933-4
2008-06
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 4: Bestimmung der Kornform – Kornformkennzahl
DIN EN 933-5
2005-02
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 5: Bestimmung des Anteils an gebrochenen Körnern in groben Gesteinskörnungen
DIN EN 933-6
2002-02
Prüfverfahren für geometrische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 6: Beurteilung der Oberflächeneigenschaften – Fließ-Koeffizient für grobe Gesteinskörnungen
DIN EN 933-6 Ber1
2004-09
Berichtigung 1 zu DIN EN 933-6:2002-02
DIN EN 1097-2
2006-09
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 2: Verfahren zur Bestimmung des Widerstandes gegen Zertrümmerung
DIN EN 1097-8
2000-01
Prüfverfahren für mechanische und physikalische Eigenschaften von Gesteinskörnungen – Teil 8: Bestimmung des Polierwertes
DIN EN 1367-1
2007-06
Prüfverfahren für thermische Eigenschaften und Verwitterungsbeständigkeit von Gesteinskörnungen – Teil 1: Bestimmung des Widerstandes gegen Frost-Tau-Wechsel
DIN EN 1426
2007-06
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel - Bestimmung der Nadelpenetration
DIN EN 1427
2007-06
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel - Bestimmung des Erweichungspunktes - Ring- und Kugel-Verfahren
DIN EN 1430
2009-07
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel - Bestimmung der Teilchenpolarität von Bitumenemulsionen
DIN EN 12591
2009-08
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel - Anforderungen an Straßenbaubitumen
DIN EN 12593
2007-06
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel - Bestimmung des Brechpunktes nach Fraaß
DIN EN 12595
2007-06
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel - Bestimmung der kinematischen Viskosität
808
13 Bitumenhaltige Baustoffe
DIN EN 12597
2001-01
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Terminologie
DIN EN 12620
2008-07
Gesteinskörnungen für Beton
DIN EN 12697-6
2007-10
Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 6: Bestimmung der Raumdichte von Asphalt-Probekörpern
DIN EN 12697-10
2002-03
Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 10: Verdichtbarkeit
DIN EN 12697-20
2004-03
Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 20: Eindringversuch an Würfeln oder Marshall-Probekörpern
DIN EN 12697-22
2007-10
Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 22: Spurbildungstest
DIN EN 12697-25
2005-07
Asphalt – Prüfverfahren für Heißasphalt – Teil 25: Druckschwellversuch
DIN EN 12846
2002-08
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung der Ausflusszeit von Bitumenemulsionen mittels Ausflussviskosimeter
DIN EN 13043
2002-12
Gesteinskörnungen für Asphalt und Oberflächenbehandlungen für Straßen, Flugplätze und andere Verkehrsflächen
DIN EN 13043 Ber1
2004-12
Berichtigung 1 zu DIN EN 13043:2002-12
DIN EN 13242
2008-03
Gesteinskörnungen für ungebundene und hydraulisch gebundene Gemische für den Ingenieur- und Straßenbau
DIN EN 13304
2009-07
Zerstörungsfreie Prüfung – Terminologie – Teil 4: Begriffe der Ultraschallprüfung
DIN EN 13305
2009-07
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Spezifikationsrahmen für Hartbitumen für industrielle Anwendungen
DIN EN 13398
2004-03
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung der elastischen Rückstellung von modifiziertem Bitumen
DIN EN 13589
2008-06
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung der Streckeigenschaften von modifiziertem Bitumen mit dem Kraft-Duktilitäts-Verfahren
DIN EN 13589 Ber1
2008-10
Berichtigung 1 zu DIN EN 13589:2008-06
DIN EN 13703
2004-03
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung der Formänderungsarbeit
DIN EN 13707
2009-10
Abdichtungsbahnen – Bitumenbahnen mit Trägereinlage für Dachabdichtungen – Definitionen und Eigenschaften
DIN EN 13808
2005-07
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Rahmenwerk für die Spezifizierung kationischer Bitumenemulsionen
DIN EN 13924
2006-07
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Anforderungen an harte Straßenbaubitumen
809
13.4 Literatur
DIN EN 14023
2006-01
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Rahmenwerk für die Spezifikation von polymermodifizierten Bitumen
DIN EN 14770
2006-01
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung des komplexen Schermoduls und des Phasenwinkels – Dynamisches Scherrheometer (DSR)
DIN EN 14771
2005-08
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel – Bestimmung der Biegekriechsteifigkeit – Biegebalkenrheometer (BBR)
DIN EN 15322
2009-11
Bitumen und bitumenhaltige Bindemittel - Rahmenwerk für die Spezifizierung von verschnittenen und gefluxten bitumenhaltigen Bindemitteln
DIN EN ISO 2592
2002-09
Mineralölerzeugnisse – Bestimmung des Flamm- und Brennpunktes – Verfahren mit offenem Tiegel nach Cleveland
13.4.1.2 Regelwerke für den Straßenbau Regel
Ausgabe
Titel
TL Gestein-StB
2007
Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau
TP Gestein-StB
2008
Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau
TL Asphalt-StB
2007
Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen
ZTV Asphalt-StB
2007
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt
TP Asphalt-StB
2009
Technische Prüfvorschriften für Asphalt
ZTV BEA-StB
2003
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Bauliche Erhaltung von Verkehrsflächen – Asphaltbauweisen
TL-BE-StB
2007
Technische Lieferbedingungen für Bitumenemulsionen
TL-Bitumen-StB
2007
Technische Lieferbedingungen für Bitumen und gebrauchsfertige polymermodifizierte Bitumen
TL-BEL-B
1999
Technische Lieferbedingungen für die Dichtungsschicht aus einer Bitumen-Schweißbahn zur Herstellung von Brückenbelägen auf Beton nach den ZTV-BEL-B Teil 1
TP-BEL-B
1999
Technische Prüfvorschriften für Brückenbeläge auf Beton mit Dichtungsschicht aus einer BitumenSchweißbahn nach den ZTV-BEL-B, Teil 1
810
13 Bitumenhaltige Baustoffe
ZTV BEL-B
1995
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für das Herstellen von Brückenbelägen auf Beton – Teil 3: Dichtungsschicht aus Flüssigkunststoff
ZTV BEL- ST
1995
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Herstellung von Brückenbelägen auf Stahl
ZTV-LW
2007
Zusätzliche Technische Vorschriften und Richtlinien für die Befestigung ländlicher Wege
RStO
2001
Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen
Technische Lieferbedingungen für Bindemittel auf Bitumen- und Teerbasis, Loseblattsammlung der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e.V., Köln ABC der Dachbahnen und Flachdach-Richtlinien, zu beziehen über Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks, Köln AIB – Hinweise für die Abdichtung von Ingenieurbauten, Drucksache 835 1999, Loseblattsammlung, Hrsg. Hauptverwaltung der Deutschen Bahn
13.4.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [13.01]
[13.02] [13.03] [13.04] [13.05] [13.06] [13.07] [13.08] [13.09] [13.10] [13.11] [13.12]
Heukelom, W.: A bitumen test data chart for showing the effect of temperature on the mechanical behaviour of asphaltic bitumens. In: Journal of the Institute of Petroleum technologies, 55 (1969), 404 Fuhrmann, W.: Verformungswiderstand von Asphaltfahrbahnbefestigungen. DiaReihe Nr. 4, 1977, Hrsg. Arbeitsgemeinschaft der Bitumenindustrie e.V., Hamburg FGSV: Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt, M TA. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln 2006 Vizi, L.; Büttner, C.: Verdichten von Asphalt im Straßenbau. Ein Handbuch für die Praxis. Düsseldorf: Werner Verlag, 1981 Arbeitsgemeinschaft der Bitumen-Industrie e.V. (Hrsg ): ARBIT-Schriftenreihe „Bitumen“, Hamburg Kreiß, B.: Straßenbau und Straßenunterhaltung. Ein Handbuch für Studium und Praxis. Bielefeld: E. Schmidt Verlag GmbH, 1982 Cziesielski, E.: Lufsky Bauwerksabdichtung, 5. Auflage. Wiesbaden: Verlag B. G. Teubner, 2001 Moritz: Flachdachhandbuch. Wiesbaden/Berlin: Bauverlag GmbH, 1975 Neumann, H.-J. u. a.: Bitumen und seine Anwendung. Grafenau: expert verlag, 1981 Velske, S.; Mentlein, H.; Eymann, P.: Straßenbautechnik, 6. Auflage. Düsseldorf: Werner Verlag, 2009 Wagner: Taschenbuch des chemischen Bautenschutzes. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1956 Backe, Hiese, Möhring: Baustoffkunde, 11. Auflage. Düsseldorf: Werner Verlag, 2009
13.4 Literatur
[13.13] [13.14] [13.15] [13.16] [13.17] [13.18] [13.19] [13.20]
811
Industrieverband Bitumen-Dach- und Dichtungsbahnen e.V. (Hrsg.): ABC der Bitumen-Bahnen, Frankfurt/Main Abdichtung von Ingenieurbauwerken: Schriftenreihe der Bundesfachabteilung Abdichtung gegen Feuchtigkeit, Wiesbaden „Der Elsner“, Handbuch für Straßen- und Verkehrswesen. Erscheinungsweise: jährlich. Darmstadt: O. Elsner Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Deutsche Gesellschaft für Erd- und Grundbau (Hrsg.): Empfehlungen für die Ausführung von Asphaltarbeiten im Wasserbau. Essen, 1983 Gussasphalt-Informationen:Beratungsstelle für Gussasphaltanwendungen e.V., Bonn Die Straße von A bis Z: Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen e.V., Köln Beratungsstelle für Naturasphalt (Hrsg.): Verwendung von Asphalt im Hochbau. Naturasphalt-Merkblätter, Braunschweig Asphaltkalender, Bitumenwerkstoffe und ihre Anwendungen. Erscheinungsweise: jährlich. Berlin: Verlag Ernst & Sohn
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.1 Holz Holz ist neben Stein und Erde der älteste Baustoff. Kirchen, Fachwerkhäuser und andere historische Gebäude bezeugen die große Bedeutung und Bewährung des Holzes über Jahrhunderte. Wegen seines natürlichen biologischen Entstehens, seines vielfältigen Aussehens, seiner günstigen Bearbeitbarkeit und der problemlosen Entsorgung ist Holz ein einzigartiger Bau- und Werkstoff. Von den auf der Erde geschätzten etwa 25 000 Holzarten werden etwa 300 Arten gewerblich genutzt. Um sich international verständigen zu können, ist eine allgemein anerkannte Namensgebung (Nomenklatur) erforderlich (Tabelle 14.1). Die einfache Benennung einer Holzart erfolgt durch Angabe der Gattung und der dazugehörigen Art. Tabelle 14.1 Nomenklatur einiger Holzarten Holzart, DIN 4076 (Handelsname)
Familie
Gattung
Art
Fichte Sitkafichte Douglasie Hemlock Tanne Kiefer Zirbelkiefer Lärche, europ. Lärche, sibir. Ahorn, Berg Ahorn, Zucker(Vogelaugen) Buche, Rot Buche, Weiß-/HainBirke Eiche, Stiel-/SommerEiche, Trauben-/WinterWalnuss Mahagoni, Echtes/Ameri. Mahagoni, Khaya/Afrik. Mahagoni, Sipo
Pinaceae Pinaceae Pinaceae Pinaceae Pinaceae Pinaceae Pinaceae Pinaceae Pinaceae Aceraceae Aceraceae Fagaceae Betulaceae Betulaceae Fagaceae Fagaceae Juglandaceae Meliaceae Meliceae Melaceae
Picea Picea Pseudotsuga Tsuga Abies Pinus Pinus Larix Larix Acer Acer Fagus Carpinus Betula Quercus Quercus Juglans Swietenia Khaya Entandrophragma
abies sitchensis menziesii heterophylla alba silvestris cembra decidua sibirica pseudoplatanus saccharum sylvatica betulus verrucosa robur petraea regia macrophylla ivorensis utile
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_14, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
814
14 Holz und Holzwerkstoffe
Das Holz besteht aus Millionen einzelner Zellen unterschiedlicher Form, Funktion und Verteilung. Zusammengefasst bilden sie das pflanzliche Gewebe, das unterteilt wird in Bildungsgewebe (Bildung neuer Zellen durch Zellteilung, Meristeme) und Dauergewebe (ausdifferenziertes Gewebe). Der größte Teil der Holzzellen ist in Längsrichtung ausgerichtet (Faserrichtung, axial bzw. longitudinal). Im rechten Winkel hierzu und radial ausgerichtet verlaufen Zellbänder, die Holzstrahlen. Das Wachstum des Holzes erfolgt durch Teilung von Meristemzellen. Meristeme werden je nach Lage im Holz unterschieden: Scheitelmeristeme: an der Spross- und Wurzelspitze (Vegetationskegel oder Vegetationspunkt); verantwortlich für das Längen- und primäre Dickenwachstum einiger unserer Bäume. Kambium: zwischen Holz (Xylem) und Rinde (Phloem). Kambiumzellen geben nach innen und außen neue Zellen ab. Diese sorgen für das sekundäre Dickenwachstum der Bäume und somit für das Entstehen langlebiger Sprossachsen. Grundlage für die Entstehung des Holzes als organische Masse ist die KohlenstoffAssimilation: Assimilation ist die Umwandlung von Wasser und Kohlendioxid in Zucker und Sauerstoff durch grüne Pflanzen unter Aufnahme von Sonnenenergie Sie findet in allen grünen Pflanzen statt (Bild 14-1), also auch in den Blättern und Nadeln der Bäume. Da sie nur mit Lichtenergie abläuft, wird sie auch als Photosynthese bezeichnet. Die sehr komplexe chemische Reaktion kann in der folgenden Reaktionsgleichung zusammengefasst werden: Lichtenergie Blattgrün
6 CO 2 +6 H 2O ⎯⎯⎯⎯⎯→ C6 H12 O6 +6 O2
Von 100 % assimilierter Substanz der Bäume werden 44 % veratmet gehen 25 % in den Holzzuwachs gehen 31 % in Wurzeln, Blätter, Rinde usw. Das heißt: ca. 56 % der gebildeten Zucker werden in die chemischen Bestandteile des Baumes umgewandelt.
815
14.1 Holz
Wachstum 6CO2 + 12H2O
C6H12O6 + …… + …… Traubenzucker Stärke
O2 H2O
Zellulose
CO2
Blattgrün
Regen
Saftstrom (Assimilate)
Bast
Splint
H2O + Nährsalze (Ca++ K+ Fe++ Mg++ NO3- SO4-- PO4---)
Bild 14-1 Assimilation [14.5]
14.1.1 Zusammensetzung und Beschaffenheit der Holzbestandteile Die chemische Zusammensetzung des Holzes zeigt Bild 14-2. Bei den einheimischen Hölzern (Tabelle 14.2) liegt der Anteil der Zellwandsubstanzen in der Regel bei 97 % – 99 %. Die Extraktstoffe (Nebenbestandteile) sind überwiegend Zellinhaltsstoffe, teilweise befinden sie sich auch in der Zellwand. Obwohl Holz ein aus verschiedenen organischen Verbindungen zusammengesetzter komplexer Stoff ist, ist die elementare Zusammensetzung der einzelnen Holzarten weitgehend gleich: Elementarzusammensetzung: C : 50 %, O : 43,4 %, H : 6,1 %, N : 0,2 %, Asche : 0,3 %.
816
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-2 Chemische Zusammensetzung des Holzes (6). (Holzpolyosen = Hemicellulose)
Tabelle 14.2 Chemische Zusammensetzung von Nadel- und Laubhölzern der gemäßigten Zone [14.1] Nadelhölzer
Laubhölzer
Cellulose
42–49 %
42–51 %
Hemicellulose
24–30 %
27–40 %
Lignin
25–30 %
18–24 %
2–9 %
1–10 %
0,2–0,8 %
0,2–0,8 %
Extraktstoffe Asche
14.1.1.1 Cellulose
Die Cellulose ist mit Abstand der verbreitetste Naturstoff auf der Erde: 1011t. Davon entfallen 80 % auf die Wälder. Jährlich werden 7 Mrd. t neu gebildet.
Aufbau Cellulose ist ein linearer Polymer, der aus Glucoseeinheiten (Traubenzucker) aufgebaut ist. In einem solchen Riesenmolekül sind durchschnittlich etwa 3000 – 8000 Glucosemoleküle gebunden (DP = Durchschnittspolymerisationsgrad).
817
14.1 Holz
Bild 14-3 Ausschnitt aus einer Cellulose-Kette (Cellobioseeinheit)
Übermolekulare Struktur der Cellulose Im Gegensatz zum Lignin und zur Hemicellulose lagern sich die Celluloseketten zu einer „übermolekularen Struktur“ zusammen (siehe Bild 14-4). Diese hat für die Holzeigenschaften größte Bedeutung.
Teilkristalline Struktur Die Fadenmoleküle der Cellulose liegen in einer teilkristallinen Struktur mit hohem Kristallisationsgrad (50 – 80 %) vor. In den Kristalliten der Cellulose tritt als kleinste Ordnungseinheit eine Elementarzelle auf. Diese wird durch vier entlang der Kanten verlaufende Celluloseketten sowie eine durch ihre Mitte gehende Cellulosekette gebildet. Die mittlere Kette ist gegenläufig zu den beiden anderen und um 1/4 Periode versetzt. Die kleinste Einheit der Cellulosekette ist eine Cellobiose (= 2 Glucosemoleküle).
Fibrillenstruktur [14.23] Die Elementarzellen lagern sich wieder zu größeren Einheiten zusammen, die wegen ihrer faserartigen Struktur Fibrillen heißen. Von deren Aufbau bestehen hauptsächlich folgende Vorstellungen:
Bild 14-4 Schematischer Aufbau der Elementarfibrille L = Länge des kristallinen Bereiches A, B = Kettenenden [14.7]
818
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-5 Querschnittschema einer Fibrille mit 4 Elementarfibrillen [14.1, 14.7]
Die kleinsten fibrillären Einheiten sind die Elementarfibrillen (Micellen). In Längsrichtung wechseln sich amorphe und kristalline Bereiche ab. (Bild 14-4). Mehrere Elementarfibrillen lagern sich bündelförmig zu einer Fibrille (Mikrofibrille) zusammen (Bild 14-5). In der Wuchslängsrichtung der Fibrillen bestehen Hauptvalenzbindungen, quer dazu Nebenvalenzbindungen, z. B. Wasserstoffbrücken zwischen benachbarten OH-Gruppen. Deren Bindungsenergie beträgt etwa 10 % einer Hauptvalenz. Deshalb liegt die Längszugfestigkeit des Holzes erheblich über der Querzugfestigkeit.
Eigenschaften Cellulose ist ein farbloser Stoff mit duromerem Charakter und anisotropen Eigenschaften. Aufgrund ihrer OH-Gruppen ist sie sehr hygroskopisch, d. h. wasseranziehend. Sie ist stets wasserhaltig, da das Wasser in die amorphen Bereiche und die Hohlräume zwischen den Fibrillen eindringen kann. Die Folgen sind Quellbewegungen und Verringerung einiger mechanischer Eigenschaften des Holzes.
14.1.1.2 Hemicellulose
Aufbau Hemicellulose ist ebenfalls aus Zuckereinheiten aufgebaut, jedoch mit folgenden Unterschieden zur Cellulose (siehe Bild 14-6): Aufbau aus verschiedenen Zuckerbausteinen Erheblich kürzere Molekülketten (DP: etwa 70 – 280) Verzweigte Molekülketten
14.1 Holz
819
Bild 14-6 Strukturen der Hemicellulosen Mannan und Xylan [14.7]
Funktion Polyosen bilden wegen der Verzweigung kaum kristalline Bereiche und liegen deshalb überwiegend amorph vor. Wegen des fehlenden Verbundes sind die Molekülketten relativ flexibel. Polyosen tragen damit zur Elastizität des Holzes bei. Hemicellulose ist aufgrund kurzer Molekülketten, Molekülverzweigungen und vieler polarer Gruppen leicht zugänglich für Wasser. Die Polyosen beeinflussen deshalb maßgeblich das Arbeiten des Holzes.
14.1.1.3 Lignin
Im Gegensatz zur Cellulose mit ihren langen Kettenmolekülen ist das dreidimensional vernetzte Lignin unelastisch und verleiht den Zellwänden Steifigkeit und Druckfestigkeit. Da es weniger hydrophile Gruppen aufweist als der Kohlenhydratanteil ist es auch weniger hygroskopisch. Die Gewichtsanteile an darrtrockenem Holz schwanken in sehr großen Bereichen, je nach Holzart und Baumteilen. Die Werte liegen zwischen 15 – 25 M.-% und können im Druckholz exponierter Nadelholzbaumteile partiell darüber liegen. Lignine sind im Kern aromatische Verbindungen mit sehr unterschiedlichen, aliphatischen Seitenketten. Lignine bilden Makromoleküle, enthalten verschieden funktionelle Gruppen, sind quellbar (geringer als Cellulose), sind thermoplastisch, reagieren gegenüber chemischen Einflüssen empfindlicher. Lignine sind gegenüber Oxidationsmitteln, warmen Laugen, Halogenen weniger resistent als die Cellulose. Lignine inkrustieren die saccharidischen Holzbestandteile und darauf beruht ihre
820
14 Holz und Holzwerkstoffe
Wirkung als interfibrillare und intermizellare Kittsubstanz, weshalb Lignin auch als „Holzstoff“ bezeichnet wird. Lignine lassen sich mit organischen Verbindungen, z. B. mit Phenol, Resorcin, Aminobenzolen, kurzfristig qualitativ nachweisen. Von Bedeutung für die Verwendung von Holz für Außenbauteile sind die spektralen Eigenschaften von Lignin. Bestimmtes UV-Licht kann Lignin abbauen, wodurch die Kohäsionsfestigkeit der Holzsubstanz leidet, das Sorptionsverhalten des Holzes verändert wird.
14.1.1.4 Holzinhaltsstoffe
Die Holzinhaltsstoffe (Nebenbestandteile) gehören nicht zu den Strukturelementen der Zellwände, sondern darunter werden alle Stoffe neben Cellulose, Hemicellulose und Lignin zusammengefasst. Die Mengenanteile der Holzinhaltstoffe im Holz und ihre chemische Zusammensetzung können stark variieren und sind von zahlreichen Gegebenheiten abhängig. Sie beeinflussen in hohem Maße die Werkstoffeigenschaften des Holzes. Einige wichtige Verbindungsklassen der Holzinhaltsstoffe seien hier genannt: Kohlenhydrate und verwandte Verbindungen (Stärke, Zucker) Proteine Aromatische Verbindungen (Phenole, Lignane, Chinone) Terpene und Terpenoide (Harzsäuren, Sterine) Alkaloide und Fettsäuren Anorganische Bestandteile.
14.1.1.4.1 Harze
Die Entstehung der Harze erfolgt aus in den Epithelzellen der Harzgänge gebildeten ätherischen Ölen. Die mit neutralen Lösungsmitteln extrahierbaren Harze setzen sich aus festen Bestandteilen und flüchtigen ätherischen Ölen zusammen. Als Aufgabe der Harze im stehenden Baum darf eine Wundheilfunktion für innere und äußere Verletzungen angenommen werden. Der Harzgehalt der verschiedenen Holzarten schwankt in sehr großen Bereichen und ist bei Nadelhölzern allgemein höher als bei Laubhölzern. Als Beispiel für harzreiche Nadelhölzer gilt z. B. Pechkiefer = Pitch pine = Pinus palustris mit bis 10 M.-% Harzgehalt, von den europäischen Arten die Föhre = Gemeine Kiefer = Pinus silvestris mit bis 6 M.-%. Als Vergleich dazu liegen die Werte für die Fichte = Picea abies gemeinhin unter 2 M.-%. Neben der vorteilhaften Wirkung der Harze, den Wasserzutritt und damit eine innere Holzbefeuchtung zu behindern, müssen mögliche Adhäsionsbeeinträchtigungen gegenüber Anstrich- und Klebstoffen oder störende Harzausflüsse aus erheblich erwärmten Bauteiloberflächen beachtet werden. Ein harzreiches Laubholz ist Pockholz. Die Harze der Laubhölzer unterscheiden sich wesentlich von denen der Nadelhölzer. Von den Harzkanälen zu unterscheiden sind die Harzgallen. Sie entstehen durch mechanische Belastung der stehenden Bäume infolge Windeinwirkung.
14.1 Holz
821
14.1.1.4.2 Gerbstoffe
Gerbstoffe werden in einer Vielzahl von Pflanzen gebildet, so auch in Bäumen, wenn auch je nach Holzart in erheblichen bis vernachlässigbaren Mengen. Sie treten im Rinden- und im Holzteil auf. Sie sind komplizierte Verbindungen, in der Mehrzahl auf der Basis hydroxylsowie karbonylfunktioneller Phenolderivate. Sie sind in Wasser löslich, bilden teilweise nur kolloide Lösungen. Gerbstoffe fällen Eiweiße aus wässrigen Lösungen aus, daher ihre Verwendung in der Gerberei, mithin ihre Bezeichnung, jedoch auch ihre biozide Wirkung auf holzschädigende Organismen. Bei höheren Temperaturen spalten Gerbstoffe auf. Gerbstoffe bewirken bei Einwirkung von Eisensalzen eine blaue Verfärbung des Holzes, bei Einwirkung anorganischer Säuren eine rotbraune Verfärbung. Als besonders gerbstoffhaltige Holzarten gelten: Quebracho (Holz) = 21 M.-% Akazie (Rinde) = 20 M.-% Eiche (Rinde) = 11 M.-% Eiche (Holz) = 5 M.-%
Auswirkungen der Gerbstoffe Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Holzes gegen Schädlinge Dunkelfärbung bei der Verkernung Tintenbildung bei der Eisenberührung Grünfärbung von Linde und Rüster durch Oxidation Beeinflussung der Lackierung und Verklebung
14.1.1.4.3 Anorganische Bestandteile
Diese kommen in geringen Mengen in allen Teilen des Baumes vor. In Zellumina und Zellwänden finden sich manchmal schwerlösliche Kristalle (Calciumcarbonat oder oxalat). Bei einigen tropischen Holzarten (Iroko, Afzelia, Palisander) sind die Spalten im Holz häufig mit mineralischen Ablagerungen gefüllt. Diese wirken sich negativ auf die Standzeiten von Werkzeugen aus; es kann weiterhin zu Lackschäden und Fleckenbildung führen.
14.1.2 Makroskopischer Bau des Holzes Das makroskopische Sehen erfasst die Holztextur. Seine Feinheiten liegen innerhalb des Auflösungsvermögens des menschlichen Auges: Faserverlauf, Jahrringaufbau, Verteilung der Poren oder der Holzstrahlen. Holz besitzt aufgrund seines Zellaufbaus drei rechtwinklig aufeinanderstehende Hauptrichtungen (Orthotropie bzw. orthogonale Anisotropie). In diesen drei Richtungen hat der Werkstoff unterschiedliche Wärmeleitfähigkeiten, Quellmaße, Festigkeiten usw. Dieses wird durch das durchschnittliche Verhältnis der Elastizitätsmodule in den 3 Hauptachsen verdeutlicht: E längs : E rad. : E tang. = 100 : 10 : 6.
822
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-7 Strukturaufbau eines Stammes
Aufgrund des anisotropen anatomischen Aufbaus des Holzes ergeben sich drei Hauptschnittrichtungen: Querschnitt, Tangentialschnitt und Radialschnitt (siehe Bild 14-7).
14.1.2.1 Querschnitt
Der Querschnitt wird rechtwinklig zur Stammachse geführt (siehe Bild 14-8). Mit bloßem Auge sind, je nach Holzart, am berindeten Stamm zu unterscheiden:
Mark Parenchymatisches Gewebe (rundlich bis eckig) mit der Aufgabe der Wasserleitung und Speicherung im jungen Spross. Das Mark stirbt relativ früh ab; nur bei Birke, Buche und Erle behält es noch bis zu 10 Jahre seine Funktion als Speichergewebe für Fett und Stärke bei.
Jahrringe und Zuwachszonen Zuwachszonen entstehen durch periodische Tätigkeit des Kambiums, d. h. als Folge eines durch Ruhephasen unterbrochenen Wachstums. In allen Klimagebieten mit winterlicher Vegetationsruhe sind diese Zonen dem jährlichen, ringförmigen Zuwachs eines Baumes gleichzusetzen. Daher werden sie Jahrringe genannt. Aus ihrer Anzahl läßt sich das Alter des Baumes ablesen.
14.1 Holz
823
Bild 14-8 Querschnitt [14.8]
Laub abwerfende Bäume subtropischer und tropischer Regionen bilden in Abhängigkeit von Trocken- und Regenzeiten Zuwachszonen, die nicht jahresweise entstehen und somit keine Jahrringe darstellen. Bei Hölzern aus immergrünen Tropenwäldern mit ununterbrochener Kambiumtätigkeit fehlen häufig Zuwachszonen. Sichtbar werden die Jahrringe dadurch, dass zu Beginn und am Ende der Vegetationsperiode Zellen unterschiedlicher Art, Größe, Anzahl und Verteilung angelegt werden. Entsprechend wird innerhalb des Jahrringes zwischen Frühholz und Spätholz unterschieden (siehe Bild 14-8).
Frühholz Dient dem raschen Wassertransport zu Beginn der Vegetationsperiode. Die Leitelemente haben dünne Wände und ein großes Lumen. Dieser ausgeprägte Unterschied der Zellwanddicke bewirkt den typischen Farb- und Härteunterschied innerhalb des Jahrringes besonders bei Nadelholz. Durch die dünnen Zellwände erscheint das Frühholz hell.
824
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-9 Jahrringe [14.8]
Spätholz Das im Sommer angelegte Spätholz hat die Aufgabe der Festigung. Die Zellen sind dickwandig und englumig. Durch die dicken Zellwände erscheint das Spätholz dunkel. Bei den Laubhölzern werden aufgrund der Anordnung der Poren über den Jahrring drei Gruppen unterschieden (siehe Bild 14-10): ringporige, halbringporige und zerstreutporige Hölzer.
Ringporige Hölzer: besitzen im Frühholz besonders weite und zu einem auffälligen Ring angeordnete Gefäße (Eiche, Esche, Ulme). Zerstreutporige Hölzer: weisen über den gesamten Jahrring weitgehend gleichmäßige Gefäßverteilung auf (Buche, Birke, Pappel). Halbringporige Hölzer: nehmen eine Zwischenstellung zwischen rp und zrp ein (Nussbaum).
14.1 Holz
825
Bild 14-10 Porenanordnung [14.1]
Kern-, Splint- und Reifholz (siehe Bild 14-11) Splintholz Unter Splintholz versteht man die äußere Holzschicht des Stammes, die lebende (also physiologisch aktive) Zellen enthält und Wasserleitfunktion hat. Die lebenden Zellen dienen zum Teil der Speicherung (Zucker usw.).
Kernholz Der Begriff Kernholz meint das innere Holz eines Stammes, teilweise dunkler gefärbt als das Splintholz. Es enthält keine lebenden Zellen und hat keine Wasserleitfunktion.
Bild 14-11 Kern-, Splint- und Reifholz [14.8]
826
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bei der Verkernung sterben die lebenden Zellen ab und bilden dabei a) Kernstoffe (Gerbstoffe, Farbstoffe usw.), die das Holz häufig dunkel färben (Kiefer, Eiche) und teilweise vor Zersetzung schützen. b) Thyllen bei manchen Laubhölzern, das sind blasenförmige Auswachsungen lebender Zellen durch die Tüpfel in die Poren hinein. Die Gefäße werden dadurch verstopft (Imprägnierung!). Die Verkernung ändert nicht die Struktur der Zellen und nicht den Zellaufbau.
Reifholz Reifholz unterscheidet sich vom Kernholz hauptsächlich dadurch, dass die eingelagerten Kernstoffe für das Auge nicht sichtbar sind. Nach den Anordnungen dieser Holzbereiche über den Querschnitt kann man unterscheiden: 1. Kernholzbäume: mit regelmäßiger Farbkernbildung, Splint feuchter als Kern, bei vielen LH Verthyllung (Lärche, Kiefer, Douglasie, Eiche, Nussbaum, Kirschbaum). 2. Reifholzbäume: mit hellem Innenholz. Kein Farbunterschied über den Querschnitt; Splint feuchter als Innenholz (Fichte, Tanne, Birnbaum, Rotbuche, Linde). 3. Splintholzbäume: ohne Farb- und Feuchteunterschied zwischen Außen- und Innenholz. (Zitterpappel, Birke, Erle, Ahorn, Weißbuche). 4. Kernreifholzbäume: zwischen Farbkern und Splint liegt eine Übergangszone (Ulme (Rüster), Esche). Die zuvor genannte Einteilung findet sich noch in vielen Lehrbüchern, ist aber inzwischen überholt. Heute werden die Baumarten nach ihrer Kernbildung wie folgt definiert: 1. Bäume mit regelmäßiger Farbkernbildung (= Kernholzbäume): s. o. 2. Bäume mit unregelmäßiger (fakultativer) Farbkernbildung: Es handelt sich nicht um echtes Kernholz, da es nicht dauerhafter ist als Splintholz, sondern um sogenannte Falschkerne. Sie sind gekennzeichnet durch wolkige Ausbuchtungen (Rotkern der Buche, Braunkern der Esche). Eschen bilden ihn erst im höheren Alter. 3. Bäume mit hellem Kernholz (früher Reifholzbäume): s. o. 4. Bäume mit verzögerter Kernholzbildung (früher Splintholzbäume): Die Verkernungsmerkmale sind nur mikroskopisch erkennbar: s. o.
Dendrochronologie Jahrringe entstehen im Baum aufgrund Vegetationspausen. In den gemäßigten Zonen entsprechen diese jährlich gebildeten Ringe dem Zuwachs des Baumes. Aus der Anzahl der Ringe kann das Alter des Baumes ermittelt werden. Die Jahrringbreite erlaubt Rückschlüsse auf die Wachstumsbedingungen, d. h. die Wasser-, Nährstoff-, Licht- und Klimaverhältnisse.
14.1 Holz
827
Bild 14-12 Dendrochronologie [14.1]
Aufgrund der regional begrenzten, relativ einheitlichen Wachstumsbedingungen können die Schwankungen der Jahrringbreite zur Altersbestimmung von Holzproben herangezogen werden. Durch Überbrückung bzw. Überschneidung chronologisch aufeinanderfolgender Proben aus der selben Region lassen sich Jahrringchronologien aufbauen, die über mehrere hundert Jahre zurückreichen (siehe Bild 14-12) und nicht an das Alter eines einzigen Baumes gebunden sind [Eckstein, bauen und holz, 1977, Heft 12]. Betrachtet man den Querschnitt eines Laubholzes mit der Lupe, so kann man neben Frühund Spätholz häufig die Holzstrahlen (früher Markstrahlen) und die Gefäße oder Poren als wasserleitende Zellen erkennen. Die Holzstrahlen sind mit dem Auge nur erkennbar, wenn sie mehrschichtig sind, wie z. B. bei Buche oder Eiche. Sie verlaufen als feine, radiale Linien. Die Poren können je nach Holzart unterschiedlich angeordnet sein (Bild 14-13).
828
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-13 Musterbild für Bild 14-14 [14.7]
Viele Nadelhölzer enthalten Harzkanäle, einheimische Laubhölzer jedoch nicht. Das sind röhrenförmige Spalten, die das Holz axial und radial durchziehen. Das in ihnen enthaltene Harz wird von speziellen Epithelzellen gebildet, die die Harzkanäle umschließen. Das Strangparenchym beinhaltet lebende Zellen, die der Speicherung dienen und häufig schwer erkennbar sind. Bild 14-16 zeigt die Querschnittsbilder wichtiger Nadelhölzer bei Lupenvergrößerung.
14.1.2.2 Radialschnitt (Spiegelschnitt)
Die Schnittführung erfolgt parallel zur Stammachse und parallel zu den Holzstrahlen (Bild 14-17).
Holzstrahlen Sie werden längs geschnitten. Da sie jedoch nicht in einer Geraden verlaufen, werden sie nur angeschnitten. Sie erscheinen als kurze, glänzende, radiale Bänder: die Spiegel (Eiche, Rotbuche, Platane). Scheinholzstrahlen (Erle, Weißbuche) glänzen nicht!
Jahrringe Die rechtwinklig durchschnittenen Jahrringe erscheinen als parallel verlaufende Streifen (Streiferfurnier).
Poren Größere Poren erscheinen als Porenrillen.
14.1 Holz
Bild 14-14 Querschnittbilder von Laubhölzern bei Lupenvergrößerung [14.7]
829
830
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-15 Musterbild für Bild 14-16 [14.7]
14.1.2.3 Tangentialschnitt (Fladerschnitt)
Die Schnittführung erfolgt parallel zur Stammachse und quer zu den Holzstrahlen (Bild 14-18).
Holzstrahlen Sie werden quer geschnitten (Querschnitt). Die größeren sind als dunkle, senkrechte Striche zu erkennen. Manchmal sind sie stockwerkartig angeordnet.
Jahrringe Sie treten pyramiden- oder fladerförmig in Erscheinung.
Poren Größere Poren erscheinen als Porenrillen. Die Vielfältigkeit der Holzarten zeigen abschließend die mikroskopischen Aufnahmen in Bild 14-19.
14.1 Holz
Bild 14-16 Querschnittsschemata von Nadelhölzern bei Lupenvergrößerung [14.7]
831
832
Bild 14-17 Radialschnitt [14.6], H = Holzstrahlen, J = Jahrringe
Bild 14-18 Tangentialschnitt [14.6], H = Holzstrahlen, J = Jahrringe
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.1 Holz
833
Bild 14-19 Mikroskopische Aufnahmen (30x) Bergahorn, Rotbuche, Stieleiche und Ramin [14.6]
834
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.1.3 Eigenschaften des Holzes 14.1.3.1 Dichte
Die Dichte eines Stoffes ist definiert als das Verhältnis seiner Masse m zu seinem Volumen V. Bei porösen Stoffen, wie z. B. Holz, ist zwischen Rohdichte und Reindichte zu unterscheiden.
ρ = m / V [g/cm3] m [g] Masse, V [cm3] Volumen des Körpers.
Unter der Rohdichte versteht man die Dichte des gewachsenen Holzes, bestehend aus Zellwänden und Zellhohlräumen. Die Rohdichte ist eine der wichtigsten physikalischen Größen zur Kennzeichnung des Holzes. Folgende physikalische und technologische Eigenschaften werden von der Rohdichte beeinflusst: Festigkeit Härte E-Modul Quellung/Schwindung thermische und elektrische Eigenschaften Luft- und Trittschalldämmung Imprägnierbarkeit Trocknungszeit Sie wird deshalb bestimmt von: Zellwandsubstanz (Masse) Porenraum (Zellumina, Kapillarsystem) Wasser (Zellwand und Lumina) Je nach Feuchtegehalt u [%] des Holzes ändern sich sowohl die Masse als auch das Volumen (Quellung bzw. Schwindung), so dass bei der Bestimmung der Rohdichte der entsprechende Feuchtegehalt angegeben werden muss. Um Rohdichtwerte vergleichen zu können, müssen diese bei gleicher, definierter Holzfeuchte ermittelt werden. Normal-Rohdichte: Rohdichte nach Lagerung im Normalklima (20 °C, 65 %).
ρN = mN/VN [g/cm3] mN [g] als Masse, VN [cm3] Volumen der klimatisierten Holzprobe Darr-Rohdichte:Rohdichte des Holzes in absolut trockenem Zustand.
ρO = mO/VO [g/cm3] mO [g] Darrmasse, VO [cm3] Darrvolumen
835
14.1 Holz
Bei einer bestimmten Holzfeuchte u berechnet sich die Holzdichte wie folgt:
ρu = mu/Vu Bei einer Holzfeuchte u = 14,3% lautet die Bezeichnung dementsprechend r14, da auf 1 % anzugeben ist. Die Holzbestandteile haben folgende Dichten (in [g/cm3]): Cellulose Hemicellulose Lignin Harz Gerbstoffe
ρCell ρHemi ρLign ρHarz ρGerb
≈ 1,58 ≈ 1,50 ≈ 1,40 ≈ 0,9...1,2 ≈ 1,35
Daraus ergibt sich eine Reindichte der Zellwand:
ρZ = 1,5 g/cm3 Im Gegensatz zur Reindichte schwankt die Rohdichte erheblich: innerhalb einer Holzart zwischen zwei Holzarten Aus physiologischen Gründen gibt es für die Rohdichte der Hölzer eine untere Grenze (Wandraumanteil ≈ 6 %) bei etwa 0,13 g/cm3 (Balsaholz ρ ≈ 0,13 g/cm3) und eine obere Grenze (Wandraumanteil ≈ 93 %) bei etwa 1,3 g/cm3 (Pockholz ρ ≈ 1,3 g/cm3). Zu den leichteren einheimischen Holzarten zählen die Weymouthskiefer (ρ12 ≈ 0,37 g/cm3), die Zitter- und die Schwarzpappel (ρ12 ≈ 0,45 g/cm3). Schwere Hölzer sind die Lärche (ρ12 ≈ 0,60 g/cm3), Weiß- oder Hainbuche (ρ12 ≈ 0,80 g/cm3) und Buchsbaum (ρ12 ≈ 0,90 g/cm3). Die Rohdichte verdichteter Holzwerkstoffe (z.B. Pressvollholz, Pressschichtholz, Presssperrholz) liegt je nach Verdichtungsgrad bei etwa 1,2 ... 1,45 g/cm3.
14.1.3.2 Beziehung Holz – Wasser
Wegen der heterokapillaren Hohlraumstruktur, der damit verbundenen großen inneren Oberfläche des Holzes sowie der vielen polaren Gruppen an den polymeren Molekülen der Zellwandbestandteile ist Holz in der Lage, erhebliche Mengen Wasser aufzunehmen und unterschiedlich fest zu binden. Der Holzfeuchtegehalt u wird wie folgt berechnet: u=
mu − mo ⋅ 100 % mo
mu = Masse des feuchten Holzes, mo = Masse des darrtrockenen Holzes
836
14 Holz und Holzwerkstoffe
Sorption Luft ist grundsätzlich in der Lage, je nach Temperatur eine bestimmte Menge Wasserdampf aufzunehmen (siehe Bild 14-20).
Bild 14-20 Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf [14.9]
Die in Gramm gemessene Menge Wasser, die in 1 m3 Luft vorhanden ist, bezeichnet man als absolute Luftfeuchte (ϕabs). Die relative Luftfeuchte ϕrel ist wie folgt definiert:
ϕrel =
ϕabs ⋅ 100 % ϕmax
Die natürliche Luft ist eine Mischung aus trockener Luft und Wasserdampf in unsichtbarer Form. Die Gas- und Wassermoleküle üben aufgrund ihrer Molekularbewegung einen Druck auf die Umgebung aus, den Gesamtdruck p. Dieser Gesamtdruck der Luft setzt sich aus den Teildrücken ihrer Bestandteile pL (Luft) und pD (Dampf) zusammen.
837
14.1 Holz
Der Teildruck pD des Wasserdampfes in der feuchten Luft kann höchstens gleich dem der Temperatur zugehörigen Sättigungsdruck pDS werden. Die Differenz zwischen der IstLuftfeuchte und der bei dieser Temperatur möglichen Sättigungsfeuchte kann als „Trocknungsdefizit der Luft“ bezeichnet werden. Ändert sich der Feuchtezustand der Umgebungsluft, versucht sich die Luft über der Oberfläche des Holzes dieser Änderung anzupassen und damit ein Gleichgewicht der Teildrücke herzustellen. Damit verbunden ist je nach Änderung des Luftzustandes eine Wasserdampfaufnahme oder Wasserdampfabgabe der Luft in den Zellwandhohlräumen. Wird Holz einem bestimmten Klima hinreichend lange ausgesetzt, so stellt sich zwischen dem Holz und dem Klima ein Gleichgewicht ein: Holzfeuchtegleichgewicht (hygroskopisches Gleichgewicht). Die dem jeweiligen Klima entsprechende Holzfeuchtigkeit heißt Gleichgewichtsholzfeuchte. Den Zusammenhang zwischen der relativen Luftfeuchtigkeit und dem Holzfeuchtegleichgewicht zeigen die Sorptionsisothermen von Red Lauan und Rio Palisander (Bild 14-21).
Bild 14-21 Sorptionsisothermen von Red Lauan und Rio Palisander [14.1]
Gelangt Wasserdampf in die innere Holzatmosphäre, so wird dieser an die innere Oberfläche des Holzes, d. h. Oberfläche der Zellwandhohlräume, gebunden (Sorption). Der Verlauf der Sorption kann in drei Bereiche unterteilt werden:
Chemisorption (u = 0 – 5 %) Durch molekulare Anziehungskräfte werden Wassermoleküle in einer einmolekularen Schicht an die innere Oberfläche des Holzes gebunden (siehe Bild 14-22).
838
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-22 Chemisorption [14.7]
Adsorption (u = 6 – 20%) Durch Kohäsionskräfte lagern sich weitere Wassermolekülschichten an.
Kapillarkondensation (u = 21 – 30 %) Durch Kapillarkräfte lagern sich weitere Wassermoleküle an, bis das Hohlraumsystem der Zellwände mit Wasserdampf gefüllt ist. Das durch Sorption aufgenommene Wasser heißt gebundenes Wasser. Ist das gesamte Hohlraumsystem der Zellwand mit Wasserdampf gefüllt, so liegt Fasersättigung vor (Fasersättigungsbereich UFS). Der Fasersättigungsbereich einheimischer Holzarten variiert im Bereich von 22 – 35 %. Bei weiterer Wasseraufnahme lagert sich dieses als frei tropfbares Wasser in den Zellhohlräumen ab.
Quellung Durch die Einlagerung von Wasser in die Zellwandhohlräume werden die Micellen und Fibrillen auseinandergedrückt, die Abmessungen des Holzes nehmen zu, d. h. das Holz quillt (siehe Bild 14-23). Mit Erreichen von UFS ist die Quellung weitgehend abgeschlossen. Bei Wasserabgabe in diesem Bereich erfolgt eine Volumenkontraktion, das Schwinden. Das Holz quillt in seinen drei Richtungen unterschiedlich: Quellungsanisotropie.
839
14.1 Holz
Bild 14-23 Quellmaß α von Rotbuchenholz in den drei Achsrichtungen [14.3] (l = längs, r = radial, t = tangential, V = Volumen)
Folgende Durchschnittswerte werden für die Quellung zwischen u = 0 % und etwa u = 30 % angegeben: αl ≈ 0,2 % αr ≈ 4 % αt ≈ 8 % Die Ursache liegt in der Anisotropie des Holzes. Quellungsanisotropie A = qtang /qrad = 1,66 (Mittelwert) Diese beträgt bei Holzstrahlen 3,5 und bei Fasern 1,3; d. h., die Holzstrahlen behindern in radialer Richtung die Quellung und verstärken sie in tangentialer Richtung. Zwischen Holzstrahlen und Fasern treten starke Spannungen auf: Rissbildung! Infolge der Quellungsanisotropie treten beim Trocknen des Holzes Verzerrungen auf (siehe Bild 14-24).
Bild 14-24 Verzerrung von Holzquerschnitten [14.3]
840
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.1.3.3 Festigkeitseigenschaften
Festigkeit ist die Widerstandsfähigkeit eines Werkstoffes oder Bauteiles gegen Bruch. Nach der Lastaufnahme unterscheidet man zwischen statischer und dynamischer Festigkeit. Bei den genormten Festigkeitsprüfungen von Holz und Holzwerkstoffen handelt es sich um statische Prüfungen mit langsam und stetig zunehmender Belastung. Dabei werden nach der Belastungsart Zug-, Druck-, Biege-, Scher- und Torsionsfestigkeit unterschieden. Im allgemeinen nehmen beim Holz die Festigkeiten mit zunehmender Rohdichte, abnehmender Temperatur, abnehmender Holzfeuchte und abnehmendem Faser-Lastwinkel zu.
Bild 14-25 Abhängigkeit der Festigkeiten, E-Moduls und der Härte von der Holzfeuchtigkeit [14.7]
Alle Festigkeitswerte des Holzes nehmen mit zunehmender Holzfeuchte bis zum Fasersättigungspunkt hin ab mit Ausnahme der Zugfestigkeit (Bild 14-25 und 14.27). Von u = 0 % bis u = 8 % nimmt die Zugfestigkeit zu, ab u = 8 % bis zum Fasersättigungspunkt nimmt sie wieder ab. Ursache dieses Verhaltens ist eine Zugvorspannung, die in den Cellulosemolekülen im Darrzustand vorliegt. Diese wird mit der Wasseraufnahme bis u = 8% abgebaut. Kräfte oder Momente, die von außen auf das Holz wirken, beanspruchen dessen Kohäsionskräfte und führen zu Spannungen. Diese inneren Spannungen bewirken Form- und Gestaltsänderungen. Die derart verursachten Verformungen können vollständig oder nur teilweise nach Wegfall der Ursachen zurückgehen. Als Maß des inneren Widerstandes gegen Verformungen im Bereich der reversiblen Verformungen kann der Elastizitätsmodul aufgefasst werden.
14.1 Holz
841
Bild 14-26 Abhängigkeit der Festigkeiten und des E-Moduls vom Faserlastwinkel [14.13]
Bild 14-27 Abhängigkeit der Zugfestigkeit von der Holzfeuchtigkeit (SCH = Schichtholz) [14.15]
Das Spezifische des Holzes beruht auf der micellaren Struktur des Stoffgefüges, d. h. alternierend Hauptvalenz- und Nebenvalenzbindungen in Wuchslängsrichtung sowie Nebenvalenzbindungen – bis auf das Holzstrahlgewebe – quer zur Wuchslängsrichtung. Die sehr verschieden starken Bindungsenergien haben zur Folge, dass eine bestimmte Spannung im kristallinen Cellulosebereich innerhalb des elastischen Verhaltens, im amorphen Cellulosebereich aber bereits im plastischen Formänderungsbereich liegt. Hinzu kommt, dass durch Wasseranlagerung an Cellulose micellare Abstände vergrößert und damit die Nebenvalenzkräfte
842
14 Holz und Holzwerkstoffe
verringert werden. Die Minderung der Bindungsenergien hat auf die Festigkeitseigenschaften, den Elastizitätsmodul, sonstige physikalische Eigenschaften wie Leitwerte, Dämmwerte und erforderliche Bearbeitungskräfte erheblichen Einfluss. Bei Angaben von Festigkeitswerten müssen deshalb in der Regel die Messbedingungen, Belastungsart, Beanspruchungsrichtung bezogen auf die Holzfaserrichtung und auch die Holzfeuchtigkeit genannt werden (siehe Tabelle 14.3). Diese Werte dienen der Holzklassifizierung, dürfen jedoch nicht als zulässige Beanspruchungsgrößen für Holzbauteildimensionierungen verwendet werden (DIN 68 364). Rechenwerte für charakteristische Festigkeitskennwerte findet man in DIN 1052 bzw. DIN EN 338 (Tabelle 14.4).
Tabelle 14.3 Mittlere Kennwerte von Nadelhölzern nach DIN 68 364 Nadelhölzer
Rohdichte
ρN g/cm3
Elastizitätsmodul Em N/mm2
Festigkeiten N/mm2 Zug ft
Biegung fm
Druck fc
Scher fv
Cedar, Yellow Chamaecyparis nootkatensis
0,48
10 000
90
78
45
9
Douglasie, Mitteleuropa Pseudotsuga menziesii
0,58
13 000
105
100
54
10
Fichte Picea abies
0,46
11 000
95
80
45
10
Hemlock Tsuga heterophylia
0,49
10 000
68
75
45
7,8
Kiefer Pinus sylvestris
0,52
11 000
100
85
47
10
Kiefer , Weymouths-, Strobe Pinus strobus
0,41
9 100
90
58
34
6,2
Lärche Larix decidua, Larix spp.
0,60
13 800
107
99
55
10
Pine, RadiataPinus radiata
0,50
10 500
79
80
41
10
Pine, CarolinaPinus taeda, Pinus spp.
0,60
13 000
110
100
50
10,5
Redcedar, WesternThuja plicata
0,37
8 000
60
54
35
6
Tanne Abies alba, Abies spp.
0,46
11 000
95
80
45
10
843
14.1 Holz
Tabelle 14.4 Rechenwerte für die charakteristischen Festigkeits-, Steifigkeits- und Rohdichtekennwerte für Nadelholz (DIN 1052) 1 1
Festigkeitsklasse
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
C 14
C 16
C 18
C 20
C 22
C 24
C 27
C 30
C 35
C40
C 45
C 50
Festigkeitskennwerte in N/mm2 2
Biegung fm,k1)
14
16
18
20
22
24
27
30
35
40
45
50
3
Zug, parallel ft,0,k1)
8
10
11
12
13
14
16
18
21
24
27
30
4
Zug, rechtwinklig ft,90,k
5
Druck, parallel fc,0,k1)
16
17
18
19
20
21
22
23
25
26
27
29
6
Druck, rechtwinklig fc,90,k
2,0
2,2
2,2
2,3
2,4
2,5
2,6
2,7
2,8
2,9
3,1
3,2
7
0,4
Schub und Torsion fv,k3)
2,0 Steifigkeitskennwerte in N/mm2
7
Elastizitätsmodul, 7000 parallel E0,mean1)2)
8000
9000
9500 10000 11000 11500 12000 13000 14000 15000 16000
8
Elastizitätsmodul, rechtwinklig E90,mean2)
230
270
300
320
330
370
380
400
430
470
500
530
Schubmodul Gmean2)3)
440
500
560
590
630
690
750
750
810
880
940
1000
380
400
420
440
460
9
Rohdichtekennwerte in kg/m3 10
Rohdichte ρk
290
310
320
330
340
350
370
1) Bei nur von Rinde und Bast befreitem Nadelrundholz dürfen in den Bereichen ohne Schwächung der Randzone
um 20 % erhöhte Werte in Rechnung gestellt werden. 2) Für die charakteristischen Steifigkeitskennwerte E0,05, E90,05 und G05 gelten die Rechenwerte: E0,05 = 2/3 · E0,mean E90,05 = 2/3 · E90,mean G05 = 2/3 · Gmean 3) Die charakteristische Rollschubfestigkeit fR,k darf für alle Festigkeitsklassen zu 1,0 N/mm2 in Rechnung gestellt werden. Der zur Rollschubbeanspruchung gehörende Schubmodul darf mit GR,mean = 0,10 · Gmean angenommen werden. Anmerkung: Die Rechenwerte für die charakteristische Zugfestigkeit rechtwinklig zur Faserrichtung ft,90,k und für die charakteristische Schub- und Torsionsfestigkeit fv,k weichen von den Rechenwerten nach DIN EN 338:2003-09 ab und dürfen nur mit den hier angegebenen Werten in Rechnung gestellt werden.
844
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.1.3.4 Thermische Eigenschaften 14.1.3.4.1 Wärmeleitfähigkeit λ
Die Wärmeleitfähigkeit des Holzes hängt von der Richtung im Holz, der Rohdichte und der Holzfeuchte ab. Sie ist in Faserrichtung etwa doppelt so groß wie quer dazu und steigt für beide Richtungen mit zunehmender Rohdichte. Unterhalb der Fasersättigung bewirkt eine Feuchteerhöhung um Δu = 1 % eine Zunahme der Wärmeleitung um etwa Δλ = 1,25 %.Die Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit von der Holzfeuchte kann mit der Beziehung λ = λ · [1 – 0,0125 · (u1 – u2)] beschrieben werden. Die Wärmeleitfähigkeit wird für den rechnerischen Nachweis des Wärmeschutzes von Gebäuden benötigt. Nach DIN 4108 werden folgende Rechenwerte in W/(m · K) für λ angegeben: Fichte, Kiefer, Tanne: 0,13; Buche, Eiche: 0,20; Spanplatten: 0,13; Sperrholz: 0,15; Harte Holzfaserplatten: 0,17. Diese Werte liegen im Vergleich zu anderen tragenden Baustoffen sehr niedrig
Bild 14-28 Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit des Holzes von der Rohdichte bei einem Holzfeuchtegehalt von 10 % [14.1]
14.1.3.4.2 Wärmeausdehnungskoeffizient α
Wie alle anderen Baustoffe dehnt sich Holz bei Erwärmung aus und zieht sich bei Abkühlung zusammen. Diese Längenänderungen sind anisotrop. Diese Tatsache verdient Beachtung, wenn Holz mit anderen Werkstoffen schlüssig verbunden wird, was zu erheblichen Spannungen in Klebfugen oder Verwerfungen von Sandwichplatten führen kann. Als Richtwerte für Holz können gelten:
845
14.1 Holz
in Faserrichtung: in Radialrichtung: in Tangentialrichtung:
2,5 … 5,0 · 10-6 K-1 15 … 45 · 10-6 K-1 30 … 60 · 10-6 K-1
Da Holz bei Erwärmung zugleich trocknet,wird die thermische Ausdehnung von der Schwindung überlagert. Deshalb ändern Holzträger – im Unterschied zu Metallen – im Brandfall ihre Längen kaum.
14.1.3.4.3 Spezifische Wärmekapazität c
Wird einer Stoffmenge eine Wärmemenge zugeführt, so erfährt sie eine Temperaturänderung. Wie groß diese ist, richtet sich nach der spezifischen Wärmekapazität des Stoffes. Das ist die Wärmemenge in J, die nötig ist, um 1 kg eines Stoffes um 1 K (= 1 °C) zu erwärmen. Für darrtrockenes Holz liegen die Werte zwischen 1,25 – 1,5 kJ/(kg · K). Zum Vergleich: Luft ca. 1,0 kJ/(kg · K); Wasser ca. 4,18 kJ/(kg · K). Die spez. Wärmekapazität beeinflusst die Temperaturleitfähigkeit der Baustoffe und wird deshalb für wärmetechnische Berechnungen benötigt.
14.1.3.4.4 Brandverhalten des Holzes
Die Hauptbestandteile der reinen Holzsubstanz sind Cellulose und Lignin. Beide Stoffgruppen sind in ihrer makromolekularen Struktur allein nicht brennbar. Erst wenn die Holzbestandteile thermisch zersetzt werden, entstehen brennbare Gase. Die thermische Holzzersetzung wird auch trockene Destillation genannt. Der von den Holzhauptbestandteilen gebundene Sauerstoff reicht nicht aus, um den Kohlenstoff und Wasserstoff der Holzbestandteile zu oxidieren. Das Verbrennen von Holz erfordert in jedem Falle den Zugang von zusätzlichem Sauerstoff. Damit wird deutlich, dass durch Maßnahmen, die den Zutritt von Sauerstoff an Holz verhindern, ein Brandschutz von Holzbauteilen möglich wird. Das Brandverhalten von Holz wird durch leicht entzündbare Bestandteile wie z. B. Harze erheblich beeinflusst. Vorteilhaft für Tragkonstruktionen aus Holz in Gebäuden ist der geringe Wärmeleitwert des Holzes. So erhitzt einwirkende Brandwärme einen Holzträger bei weitem nicht so rasch wie einen Metallträger. Die Abhängigkeit der Holzfestigkeiten von der Holztemperatur ist nicht so deutlich wie bei Metallen. Eine verkohlte Holzoberfläche verringert den Sauerstoffzutritt und behindert damit den Abbrand. Nach DIN 4102 wird Holz der Baustoffklasse B2 (normal entflammbar) zugeordnet.
14.1.3.5 Akustische Eigenschaften
Schall entsteht durch mechanische Schwingungen eines elastischen Mediums, das fest, flüssig oder gasförmig sein kann. Holz besitzt gegenüber anderen Baustoffen aufgrund seiner geringen Masse eine geringe Schalldämmung, da es leicht in Schwingungen versetzt werden kann. Bei Holzkonstruktionen ist deshalb besonders auf das Vermeiden von Schallbrücken
846
14 Holz und Holzwerkstoffe
und eine mehrschalige Bauweise zu achten. Unbedingt zu beachten ist auch DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau). Günstig sind die Schalleigenschaften des Holzes für den Innenausbau und den Musikinstrumentenbau
14.1.4 Gütemerkmale des Holzes und Holzschädlinge 14.1.4.1 Gütemerkmale des Holzes
Für den Holzeinsatz im Ingenieurholzbau wäre eine gleichmäßige Holzstruktur und damit gleichmäßige mechanische Eigenschaften – wenn auch richtungsabhängig – sehr vorteilhaft. Infolge verschiedenster Einflüsse auf das Baumwachstum, wie Klima- und Standortfaktoren, können erhebliche anatomische und strukturelle Abweichungen im Holz auftreten. Wenn diese Abweichungen den Nutzwert des Holzes herabsetzen, werden sie als Holzfehler bezeichnet. Im Ingenieurholzbau wird im wesentlichen Schnittholz der Nadelholzarten Fichte, Tanne, Kiefer und Lärche verwendet, weniger der Laubholzarten Buche und Eiche. Deshalb wird hier hauptsächlich auf Nadelschnittholz Bezug genommen. In DIN 4074-1 ist die Sortierung des Nadelschnittholzes nach der Tragfähigkeit festgelegt.
Tabelle 14.5 Einige anatomische und strukturelle Abweichungen Abweichungen der Stammform Abholzigkeit
(Abnahme des Stammdurchmessers vom Stammfuß zum Stammzopf)
Krummwuchs
(Abweichungen der Stammachse aus dem Lot)
Unrundheit
(beliebige Abweichungen des Stammquerschnittes vom Kreis)
Wulstigkeit
(partielle Auswallungen des Stammquerschnittes)
Abweichungen der Struktur Ästigkeit
(je nach Größe, Häufigkeit, Beschaffenheit und Lage im Stamm)
Faserverlauf
a) im Astbereich b) Drehwuchs c) gewellte Jahrringe d) Wurzelanlauf
Reaktionsholz
(Druckholz bei Nadelholzbäumen; Zugholz bei Laubholzbäumen)
Kernbildung
(ungleiche, radiale Ausdehnungen eines „Farbkerns“)
847
14.1 Holz
Nach DIN 4074-1 unterscheidet man je nach Querschnittsmaßen folgende Schnittholzarten (siehe Tabelle 14.6). Man unterscheidet Querschnitte, die auf Bestellung nach Liste eingeschnitten werden (Listenware) und Vorratsware. Wichtige Abmessungen von Nadelschnittholz zeigt Tabelle 14.7. Tabelle 14.6 Schnittholzeinteilung nach DIN 4074-1 Schnittholzart
Dicke d bzw. Höhe h
Breite b
Latte
d ≤ 40 mm
b < 80 mm
Brett1)
d ≤ 402) mm
b ≥ 80 mm
Bohle1)
d > 40 mm
b>3d
Kantholz
b≤h≤3b
b > 40 mm
1) Vorwiegend hochkant biegebeanspruchte Bretter und Bohlen sind wie Kantholz zu sortieren und entsprechend zu
kennzeichnen (siehe Abschnitt 4). 2) Dieser Grenzwert gilt nicht für Bretter für BS-Holz.
Tabelle 14.7 Wichtige Abmessungen von Nadelschnittholz [14.14] „Vorratskantholz“ nach DIN 4070-1 Kantholz in cm:
Balken in cm:
6/6
6/8
6/12
8/8
8/10
8/12
10/10
10/12
12/12
12/14
14/14
14/16
16/16
16/18
8/16
10/20
10/22
12/20
12/24
16/20 12/16
18/22 20/20
20/24
Maße gelten für „halbtrockenes“ Bauholz in rauem Zustand. Dachlatten nach DIN 4070-1: 24/48, 30/50, 40/60 mm, Maße gelten für „halbtrockenes“ Bauholz. Raue Bretter und Bohlen nach DIN 4071 (04.77). Maße gelten für „trockenes“ Bauholz. Dicken: Bohlen: 44, 48, 50, 63, 70, 75 mm, besäumt und unbesäumt Bretter: 16, 18, 22, 24, 28, 38 mm in rauem Zustand, besäumt und unbesäumt Für Zoll-Abmessungen (z. B. nordisches Holz) gilt: Bohlen: 38,1 (6/4”), 44,5 (7/4”), 50,8 (2”), 63,5 (2 1/2”), 76,2 (3”), 101,6 (4”) mm Bretter: 12,7 (1/2”), 15,9 (5/8”), 19,1 (3/4”), 22,2 (7/8”), 25,4 (1”), 31,8 (5/4”) mm
848
14 Holz und Holzwerkstoffe
Da Schnittholz fehlerhaft sein kann, sind in DIN 4074-1 Sortiermerkmale wie Äste, Risse, Baumkante, Bläue oder Insektenbefall festgelegt. Deren Ausprägung bestimmt die Zuordnung des Schnittholzes zu einer bestimmten Sortierklasse (S7, S10, S13). So ist in der Sortierklasse S10 1/3 Baumkante, in der Sortierklasse S13 nur 1/4 Baumkante bei der visuellen Sortierung von Brettern und Bohlen zulässig (Tabelle 14.8). Tabelle 14.8 Sortiermerkmale für Bretter und Bohlen bei der visuellen Sortierung nach DIN 4074-1 Sortiermerkmale
Sortierklassen S7
1. – – –
Äste Einzellast Astansammlung Schmalseitenast1)
S 10
S 13
bis 1/2 bis 2/3 –
bis 1/3 bis 1/2 bis 2/3
bis 1/5 bis 1/3 bis 1/3
2. Faserneigung
bis 16 %
bis 12%
bis 7%
3. Markröhre
zulässig
zulässig
nicht zulässig
4. Jahrringbreite – im Allgemeinen – bei Douglasie
bis 6 mm bis 8 mm
bis 6 mm bis 8 mm
bis 4 mm bis 6 mm
5. Risse – Schwindrisse2) – Blitzrisse, Ringschäle
zulässig nicht zulässig
zulässig nicht zulässig
zulässig nicht zulässig
6. Baumkante
bis 1/3
bis 1/3
bis 1/4
bis 12 mm 2 mm/25 mm Breite bis 1/20
bis 8 mm bis 8 mm 1 mm/25 mm Breite 1 mm/25 mm Breite bis 1/50 bis 1/30
zulässig bis 3/5
zulässig bis 2/5
zulässig bis 1/5
nicht zulässig
nicht zulässig
nicht zulässig
9. Druckholz
bis 3/5
bis 2/5
bis 1/5
10. Insektenfraß durch Frischholzinsekten
Fraßgänge bis 2 mm Durchmesser zulässig
11. sonstige Merkmale
sind in Anlehnung an die übrigen Sortiermerkmale sinngemäß zu berücksichtigen
Krümmung2)
7. – Längskrümmung – Verdrehung – Querkrümmung 8. Verfärbungen, Fäule – Bläue – nagelfeste braune und rote Streifen – Braunfäule, Weißfäule
1) Dieses Sortiermerkmal gilt nicht für Bretter für BS-Holz. 2) Diese Sortiermerkmale bleiben bei nicht trocken sortierten Hölzern unberücksichtigt.
6,0
9
18
0,4
6,4
9,5
3,6
2,3
19
0,4
12
20
C20
C24
C27
C30
C35
22
24
4,0
2,5
21
0,4
14
27
4,0
2,6
22
0,4
16
30
4,0
2,7
23
0,4
18
35
4,0
2,8
25
0,4
21
40
4,0
2,9
26
0,4
24
6,7
10 7,4
11 7,7
11,5 8,0
12 8,7
13 9,4
14
Steifigkeitseigenchaften in kN/mm2
3,8
2,4
20
0,4
13
16
4,0
3,2
29
0,4
30
50
C50
10,0 10,7
15
4,0
3,1
27
0,4
27
45
C40 C45
Festigkeitseigenschaften in N/mm2
C22
Nadelholz
8
9,5
3,4
7,5
18
0,6
11
18
8,5
10
4,0
7,8
21
0,6
14
24
9,2
11
4,0
8,0
23
0,6
18
30
40
13
4,0
8,3
26
0,6
24
50
14
4,0
9,3
29
0,6
30
60
70
34
0,6
42
17
4,5
20
5,0
10,5 13,5
32
0,6
36
10,1 10,9 11,8 14,3 16,8
12
4,0
8,1
25
0,6
21
35
D18 D24 D30 D35 D40 D50 D60 D70
Laubholz
310 370
ρk 290
ρmean 350 380
320 390
330 410
340 420
350 450
370 460
380
480
400
500
420
520
440
550
460
570
475
580
485
640
530
650
540
660
550
750
620
900 840 1080
700
4 Die charakteristischen Werte für die Schubfestigkeit werden entsprechend EN 408 für Holz ohne Risse angegeben. Die Auswirkung von Rissen sollte in Bemessungsnormen behandelt werden.
3 Es kann sein, dass Bauholz der Klasse C 45 und C 50 nicht immer zur Verfügung steht.
2 Die tabellierten Eigenschaften gelten für Holz mit einem bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchtigkeit üblichen Feuchtegehalt.
Anmerkungen: 1 Die oben angegebenen Werte für die Zug-, Druck- und Schubfestigkeit, die 5-%-Quantile des Elastizitätsmoduls, den Mittelwert des Elastizitätsmoduls rechtwinklig zur Faserrichtung und den Mittelwert des Schubmoduls wurden mit den in Anhang A angegebenen Gleichungen berechnet.
Mittelwert der Rohdichte
Rohdichte
Rohdichte in kg/m3
Mittelwert des Schubmoduls Gmean 0,44 0,50 0,56 0,59 0,63 0,69 0,72 0,75 0,81 0,88 0,94 1,00 0,59 0,62 0,69 0,75 0,81 0,88 1,06 1,25
Mittelwert des Elastizitätsmoduls, 0,23 0,27 0,30 0,32 0,33 0,37 0,38 0,40 0,43 0,47 0,50 0,53 0,63 0,67 0,73 0,80 0,86 0,93 1,13 1,33 rechtwinklig zur Faser. E90,mean
5,4
5-%-Quantile des Elastizitätsmo4,7 duls, in Faserrichtung E0,05
3,2
8
2,2
Druck rechtwinklig zur Faser. fc,90,k 2,0 Schub fv,k 3,0
7
3,4
17
16
fc,0,k
Druck in Faserrichtung
Mittelwert des Elastizitätsmoduls, in Faserrichtung E0,mean
2,2
0,4
ft,90,k 0,4
Zug rechtwinklig zur Faser.
11
18
10
8
16
14
fm,k
ft,0,k
C18
Zug in Faserrichtung
C16
Biegung
C14
Tabelle 14.9 Festigkeitsklassen nach DIN EN 338
14.1 Holz
849
850
14 Holz und Holzwerkstoffe
In DIN EN 338 sind Festigkeitsklassen für maschinell und visuell sortiertes Bauholz für tragende Zwecke festgelegt nämlich C14 bis C50 für Nadelholz und D18 bis D70 für Laubholz. Die Nummern geben den Wert der jeweiligen Biegefestigkeit in N/mm2 an. In DIN EN 338 sind die Festigkeitswerte der einzelnen Festigkeitsklassen aufgelistet (Tab. 14.9). In DIN EN 1912 werden den einzelnen Festigkeitsklassen die verschiedenen Holzarten sowie die vergleichbaren Sortierklassen der europäischen Länder sowie der USA und Kanadas zugeordnet (Tabelle 14.10). Tabelle 14.10 Festigkeitsklasse C24 (Ausschnitt) nach DIN EN 1912 Land, das die Sortiervorschrift veröffentlicht
Sortierklasse
Handelsname der Holzart
Herkunft2)
Botanische Kennzeichnung
Frankreich
ST-II
Fichte und Tanne
Frankreich
1, 22
Douglasie
54
Kiefer
39, 44, 47
Pappel3)
50
Lärche
15
Deuschland
S10
Douglasie
Deuschland
54
Deutschland und Österreich
S10
Fichte
MNO-Europa
22
Nordische Länder1)
Spanien
Kiefer
47
Tanne
1
Lärche
15
T2
Kiefer („Redwood“)
NNO-Europa
T2
Fichte („Whitewood“)
NNO-Europa
T2
Tanne
NNO-Europa
T2
Lärche
NNO-Europa
T2 und höher
Sitkafichte
Dänemark/Norwegen
ME1
Radiatakiefer
Spanien
Strandkiefer USA/Kanada
49 44
J&P Sel
Douglasie – Lärche
J&P Sel
„Hem-fir“ (Hemlocktanne – Tanne)
2, 4, 5, 7, 8, 62
J&P Sel
„SPF“ (Fichte – Kiefer – Tanne)
3, 6, 23, 25, 26, 27, 32, 34, 45
SLF Sel
Douglasie – Lärche
18, 54
SLF Sel
„Hem-fir“ (Hemlocktanne – Tanne)
2, 4, 5, 7, 8, 62
SLF Sel
„SPF“ (Fichte – Kiefer – Tanne)
3, 6, 23, 25, 26, 27, 32, 34, 45
USA/Kanada
1) Die nordischen Länder umfassen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. 2) MNO-Europa = Mittel-, Nord- und Osteuropa; NNO-Europa = Nord- und Nordosteuropa. 3) Die Zuordnungen gelten nur für bestimmte Pappelklone.
18, 54
851
14.1 Holz
Bei der Entwurfsberechnung braucht der Ingenieur nur die Festigkeitsklasse festzulegen. Dann kann er aus vorliegenden Angeboten die geeignetste und wirtschaftlichste Holzart/Sortierklassenkombination auswählen. Eine Sonderstellung innerhalb des Bauschnittholzes aus Nadelholz nimmt das Konstruktionsvollholz (KVH) ein. Dieses erfüllt zusätzlich zu den Anforderungen an Schnittholz der Sortierklasse S 10 nach DIN 4074-1 folgende Anforderungen (siehe Tabelle 14.11). Die in Tabelle 14.11 aufgeführten Kriterien stellen eine wesentlich höhere Vergütung des Holzes dar und differenzieren KVH deutlich von Nadelholz S10.
Tabelle 14.11 Über DIN 4074-1 hinausgehende Anforderungen an KVH Sortiermerkmal
Zusätzliche Forderungen für KVH-Sichtbar Zusätzliche Forderungen für KVH-Nicht sichtbar
Astzustand
Lose Äste und Durchfalläste nicht zulässig; vereinzelt angeschlagene Äste und Astteile von Ästen bis max. Ø 20 mm sind zulässig
–
Holzfeuchte
15% ± 3%
15 % ± 3%
Einschnittart
herzfrei bei Querschnitten bis 100 mm herzgetrennt bei Querschnitten über 100 mm
herzgetrennt
Maßhaltigkeit
± 1 mm
± 1 mm
Rindeneinschluss
Nicht zulässig
–
Harzgallen
Breite bis 5 mm
–
Diese Anforderungen sind in einer Vereinbarung zwischen der Vereinigung Deutscher Sägewerksverbände e.V.(VDS) und dem Bund Deutscher Zimmermeister (BDZ) 1994 festgelegt worden. Dabei wird zwischen Konstruktionsvollholz für sichtbare Teile (KVH-SI) und für nicht sichtbare Teile (KVH-NSI) unterschieden. Neben dem amtlich vorgeschriebenen Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) kann KVH mit einem Überwachungszeichen gekennzeichnet werden (Bild 14-29). Aufgrund seiner hohen und gleichbleibenden Qualität wird KVH zunehmend zum Standardholz im Ingenieurholzbau.
Bild 14-29 Überwachungskennzeichen für Konstruktionsvollholz [14.14]
852
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.1.4.2 Holzschädlinge
Wie jeder organische Naturstoff unterliegt Holz den Gesetzen des Stoffkreislaufes der Natur, es entsteht durch Lebensvorgänge und wird durch diese wieder in seine Ausgangsstoffe zerlegt. Dieser Stoffkreislauf ist für das Leben auf der Erde von größter Bedeutung, die beteiligten Organismen sind aus ökologischer Sicht sehr nützlich. Leider unterscheiden diese Organismen nicht zwischen Laub und Ästen auf dem Waldboden, deren Zersetzung notwendig ist und der Holzverkleidung eines Wohnhauses, deren vorzeitige Zerstörung keinesfalls erwünscht ist. Da sie auch letztere zersetzen können, bezeichnet man diese Organismen auch als Holzschädlinge. Voraussetzung für die Entwicklung der Holzschädlinge sind geeignete Bedingungen bezüglich Nahrung, Holzfeuchte, Sauerstoff und Temperatur. Für einen wirksamen Holzschutz muss eine der vier Lebensvoraussetzungen so verändert werden, dass die Entwicklung der Organismen unterbunden wird (Tabelle 14.12). Am wichtigsten ist das Fernhalten der Feuchtigkeit vom Holz. Die wichtigsten Holzschädlinge sind Pilze und Insekten. (Tabelle 14.13). Tabelle 14.12 Voraussetzungen für die Entwicklung von Holzschädlingen und daraus abzuleitende Schutzprinzipien [14.13] Voraussetzung
Gegenmaßnahme
Schutzprinzip
geeignete Nahrung (Holz, Holzwerkstoff)
ungenießbar machen
chemischer Holzschutz
geeigneter Feuchtigkeitsbereich
vermindern, fernhalten
Holztrocknung, baulicher Holzschutz
ausreichendes Sauerstoffangebot
fernhalten
Nasslagerung
geeigneter Temperaturbereich
erhöhen (erniedrigen)
Bekämpfung mit Heißluft (Tiefkühlung)
Bakterien sind als Holzschädlinge im Holzbau zu vernachlässigen. Sie leben hauptsächlich von Holzinhaltsstoffen und befallen sehr feuchtes Holz: in Gewässern lagerndes oder berieseltes Holz. Es erfolgt kein Abbau der Zellwand sondern ein partieller Abbau der Tüpfelmembran. Dadurch erfolgt stellenweise eine höhere Aufnahme von Holzschutzmitteln und Farblasuren. Das kann u.a. zu fleckigen Verfärbungen führen. Es gibt jedoch auch Bakterien, die die Holzellwand tunnelartig abbauen: tunneling bacteria.
14.1.4.2.1 Pilze
Sie bestehen aus einzelnen Zellfäden, den Hyphen, die zusammen das Mycel bilden. Die durch eine Chitinzellwand abgeschlossenen Hyphen sind quergeteilt und mehr oder weniger verzweigt. An der Oberfläche des befallenen Holzes (Substrat) bildet das Mycel watteartige bis ledrige Überzüge und gegebenenfalls auch hut-, schicht- oder konsolenförmige Fruchtkörper unterschiedlicher Farbe. Sie bilden Sporen aus, die für die Vermehrung der Pilze sorgen.
853
14.1 Holz Tabelle 14.13 Überblick über wichtige Holzschädlinge [14.13] Typ desSchädlings
charakteristische Vertreter
Holzfeuchtigkeit
Bemerkungen
≥ 20%
keine Fäule
Echter Hausschwamm
Entstehung: ≥ 20 % Weiterwachsen: < 20 %
typisch in Altbauten
Kellerschwamm Porenhausschwamm
≥ 20 % ≥ 20 %
Nassfäulepilze, typisch in Neubauten
Lenzites-Arten
≥ 20 %
Nassfäulepilze; typisch an Fenstern
Weißfäule
Schmetterlingsporling
≥ 20 %
typisch an Laubholz
Moderfäule
Moderfäuleerreger
> 30 %
typisch bei Holz mit Erdkontakt
Lagerfäule
Schichtpilze
≥ 30 %
Rotstreifigkeit
Frischholzinsekten
Borkenkäfer
≥ 30 %
Holzwespen
30 %
nicht mehr an einmal abgetrocknetem Holz
Hausbockkäfer
≥ 10 %
nur an Nadelsplintholz
Anobien (Klopfkäfer)
≥ 10 %
an Nadel- und Laubholz
Lyctuskäfer (Splintholzkäfer)
≥ 7%
nur an Laubsplintholz
Holz verfärbende Pilze Bläuepilze, Schimmelpilze Holz zerstörende Pilze: Braunfäule
Trockenholzinsekten
Bild 14-30 a) Mycel, b) Fruchtkörper, c) Stränge des echten Hausschwamms [9.13]
854
14 Holz und Holzwerkstoffe
Pilze enthalten kein Blattgrün und sind deshalb nicht zur Assimilation befähigt. Die organischen Nährsubstanzen beschaffen sie sich durch den Abbau abgestorbener oder lebender Organismen. Die Hyphen scheiden dazu Enzyme aus, wodurch die Zellwandbestandteile in ihre Grundsubstanzen, z.B. Zucker, aufgelöst werden. Diese herausgelösten Zellwandbestandteile nehmen die Hyphen mit der Substratfeuchtigkeit auf. Die Pilze benötigen also unbedingt Wasser als Lösungs- und Transportmittel zur Aufnahme der Zucker in die Hyphen und als Transportmittel für die Enzyme. Befallen werden kann deshalb nur Holz mit einer Mindestfeuchte von 20 %, häufig sogar erst ab 30 … 40 %. Bei den Holzpilzen unterscheidet man zwei Gruppen: Holzzerstörende Pilze und holzverfärbende Pilze.
Holzzerstörende Pilze Sie bauen die Zellwand ab und verursachen eine Fäule. Je nach Schadensbild unterscheidet man:
Braunfäule: Diese Pilze bauen vorwiegend die Cellulose ab. Das Lignin bleibt zurück. Das Holz wird braun und zerfällt würfelartig. Diese Fäule tritt vorwiegend an Nadelhölzern auf; ein wichtiger Vertreter ist der Hausschwamm. Weißfäule: Diese Pilze bauen zunächst das Lignin ab und später die Cellulose. Das befallene Holz ist weißlich und faserig. Diese Fäule tritt hauptsächlich an Laubholz auf. Ein wichtiger Vertreter ist der Eichenporling. Braun- und Weißfäule kommen am stehenden Stamm (Stammfäule), am lagernden Holz (Lagerfäule) und am verbauten Holz (Hausfäule) (Tabelle 14.14) vor.
Moderfäule: Das befallene Holz wird nach dem Austrocknen rissig. Moderfäuleerreger befallen Holz mit ständig sehr hoher Holzfeuchtigkeit.
Bild 14-31 Typisches Zerstörungsbild durch Braunfäule [9.13]
Lagerfäule, Pilze
auf vorerkranktem Holz
Muschelschwamm
örtl. Verschwammung
fast vollständig
fast vollständig
teilweise
teilweise
teilweise
vollständig
Zersetzungsbilder des Holzes
auf gesundem Holz, Innenfäule, begünstigt den Befall Schwunderscheidurch die Pilze unter 1 nung und 2
auf gesundem Holz
brauner Warzenschwamm (Kellerschwamm)
Blätterschwamm Schuppenschwamm Porenschwamm
auf vorerkranktem Holz
auf vorerkranktem Holz
gelbrandiger Hausschwamm
weißer Porenschwamm
auf vorerkranktem Holz
wilder Hausschwamm
Nassfäule, Pilze
auf vorerkranktem Holz
kleiner Hausschwamm
andere Hausschwammarten
auf vorerkranktem (und gesundem) Holz
Entwicklung
echter Hausschwamm
deutsche Bezeichnung
Erreger
echter Hausschwamm
Pilzart
Tabelle 14.14 Häufige Hausfäulen
28–30
26
22–26
26
26
24–27
22
18–22
Günstige Wachstumstemperatur [°C]
38
35
55
40
35–40
etwa 22
etwa 20
20
8 °C = 1,0 22 °C = 4,2 30 °C = 5,5
8 °C = 1,0 26 °C = 5,5
10 °C = etwa 4,0 14 °C = 8,0 26 °C = etwa 11,0
5 °C = 0,3 14 °C = 2,4 18 °C = 4,1 26 °C = 5,9
14 °C = 2,2 18 °C = 3,0 26 °C = 4,5
14 °C = 3,2 18 °C = 4,6 27 °C = 6,8
14 °C = 1,9–2,1 18 °C = 2,55–3,0 22 °C = 6,0
5 °C = 1,3 10 °C = 2,4 14 °C = 4,0 18 °C = 5,5 22 °C = 6,0
Günstiger WachstumsgeFeuchtigkeits- schwindigkeit in 10 grad des Holzes Tagen bei versch. [M.-%] Temperaturen [cm]
36–42
28
34
37
etwa 30
34
26
26
Stillstand des Zuwachses bei °C
14.1 Holz
855
856
14 Holz und Holzwerkstoffe
Holzverfärbende Pilze Diese Pilzgruppe lebt von Nährstoffen, die in lebenden Zellen (hauptsächlich Holzstrahlen) des Splintholzes gespeichert sind. Ein Befall von Kernholz erfolgt nicht, da hier die Nährstoffe in Kernstoffe umgewandelt worden sind. Auf Fassadenoberflächen kann es durch Verschmutzungen zu einer Oberflächenbesiedlung von Kernholz kommen. Holzverfärbende Pilze bauen die Zellwand nicht ab und verursachen keinen nennenswerten Festigkeitsverlust der Zellwand. Der Begriff „Blaufäule“ ist deshalb falsch. Das befallene Holz erscheint dem menschlichen Auge blau. Insofern ist Bläue ein „Schönheitsfehler“, der jedoch zu erheblichen Wertverlusten des Holzes führen kann. Bläue befällt bevorzugt Nadelhölzer (z. B. Kiefer), aber auch Laubhölzer (z. B. Buche, Ramin) werden befallen. Man unterscheidet: Stammholzbläue (an stehenden oder frisch gefällten Stämmen), Schnittholzbläue (nach dem Aufschneiden des Rundholzes an nicht ausreichend getrockneten Brettern) und Anstrichbläue(an lackierten Türen, Fenstern, Gartenmöbeln).
Bild 14-32 a) Bläuepilzbefall an Profilbrettern, b) Anstrichbläue [14.13]
Auch ein Befall des Holzes durch Schimmelpilze ist nur ein optischer Fehler, der nur oberflächlich auftritt und durch Abhobeln oder Abschleifen leicht entfernt werden kann. Ein Schimmelpilzbefall wird inzwischen unter dem Aspekt der menschlichen Gesundheit bewertet und kann hier bei größeren befallenen Flächen als bedenklich eingestuft werden. Holz wird, wie fast alle organischen Stoffe (aber auch z. B. Kunststoffe und Gips), von Schimmelpilzen befallen. Insbesondere in feuchten Neubauten kommt es immer wieder zu Beschwerden über großflächigen Schimmelbefall an Balken und Plattenwerkstoffen.
14.1.4.2.2 Tierische Holzschädlinge
Die Klasse der Insekten bildet die wichtigste Gruppe der tierischen Holzzerstörer. Sie umfasst folgende Ordnungen und Familien (siehe Tabelle 14.15). In unseren Breiten sind insbesondere die Larven der Käfer von Bedeutung. Insekten entwickeln sich in folgenden Lebensphasen(Metamorphose): Ei ˇ Larve ˇ Puppe ˇ Vollinsekt
857
14.1 Holz Tabelle 14.15 Auszug aus der Systematik der Insekten Hautflügler
Termiten
Schmetterlinge
Käfer
Ameisen Holzwespen
Bodentermiten Holztermiten
Holzbohrer Glasflügler
Bockkäfer Nagekäfer Splintholzkäfer Kernholzkäfer Borkenkäfer Rüsselkäfer Werftkäfer Bohrrüssler
Der eigentliche Holzzerstörer ist die Larve. Sie zerkleinert das Holz mit ihren Mundwerkzeugen und frisst es teilweise. Im Magen-Darm-Kanal wird es durch Verdauungsfermente in seine Bestandteile zerlegt. Einige Arten sind vorwiegend auf den Eiweißgehalt des Holzes angewiesen, andere sind unmittelbar zur Celluloseverwertung befähigt. Die Fraßgänge der Larven liegen bevorzugt im Splint-und Frühholz. Ausschlaggebend für die Entwicklung der Insektenlarven sind Temperatur (etwa 4 °C bis 40 °C) und Holzfeuchte (etwa 10 % bis 50 %). Unter günstigen Bedingungen können alle einheimischen Holzarten befallen werden: stehendes und lagerndes Holz, Schnittholz, Bauholz, Masten, Pfähle, Möbel, Holzgegenstände und Bücher. Nach dem Befall unterscheidet man: Frischholzinsekten Trockenholzinsekten Faulholzinsekten Tabelle 14.16 Einteilung der Insekten nach dem Befall stehendeBäume
Frischholzinsekten
feuchtes lagerndes Holz
trockenes verbautes Holz
pilzbefallenes Holz
faules, schon zersetztes, sehr feuchtes Holz
Trockenholzinsekten
Faulholzinsekten
– Hausbockkäfer – Nagekäfer (Anobien) – Splintholzkäfer – Scheibenböcke
– Mulmbock – Rothalsbock
Bau- und Werkholzschädlinge – holzbrütende Borkenkäfer – Kernholzkäfer – Holzwespen – Scheibenböcke
Als Holzzerstörer sind fast ausschließlich die Frisch- und Trockenholzinsekten von Bedeutung. Hiervon sind die Trockenholzinsekten die gefährlichsten Bauholzzerstörer. Bei einem Befall sind bekämpfende Holzschutzmaßnahmen häufig unumgänglich. Die wichtigsten Holzschädlinge in Gebäuden sind der Hausbockkäfer und der gewöhnliche Nagekäfer.
858
14 Holz und Holzwerkstoffe
Hausbockkäfer Er befällt fast ausschließlich Nadelsplintholz und selten Laubholz. In Gebäuden findet man ihn vorwiegend im Konstruktionsholz des Dachstuhls, er kann auch an anderen Gebäudeteilen und im Freien auftreten. Vollinsekt braunschwarz, ca. 10 – 20 mm lang, Larve ca. 15 – 24 mm lang, Fluglöcher oval, größter Durchmesser 6 – 10 mm.
Bild 14-35 Eier des Hausbocks
Bild 14-33 Hausbockmännchen
Bild 14-34 Hausbockweibchen bei der Eiablage
Bild 14-36 Larve des Hausbocks
859
14.1 Holz
Bild 14-37 Befall des Splintholzes durch die Hausbocklarve in verschiedenen Befallsstadien: a), b) im Querschnitt, c) im Längsschnitt [14.1]
Gewöhnlicher Nagekäfer Er befällt verarbeitetes Nadel-und Laubholz,bevorzugt das Splintholz. Vollinsekt dunkelbraun, ca. 3 – 5 mm lang, Larve bis 6 mm lang, Fluglöcher rund mit ca. 2 mm Durchmesser Termiten sind gefürchtete Holzzerstörer in tropischen und subtropischen Gebieten der Erde. Ein Befall bei uns ist stets auf das Einschleppen von Tieren zurückzuführen.
Bild 14-38 Nagekäfer und Larve
Bild 14-39 Bohrbild des Nagekäfers
860
14 Holz und Holzwerkstoffe
Hinweise zur Bestimmung von Holzschädlingen Das Bestimmen von Holzschädlingen erfordert langjährige Erfahrung, so dass immer der Fachmann hinzugezogen werden sollte. Bei Pilzen kann häufig nur der Fäulnistyp bestimmt werden. Bei Insekten ist anhand von Fluglöchern, Bohrgängen und vorhandener Larven und Insekten eine genaue Artbestimmung möglich. Die entsprechenden Pilz-und Insektenspezialisten findet man in dem Institut für Holztechnologie und Holzbiologie, Leuschnerstr. 91, 21031 Hamburg.
14.1.4.2.3 Holzschutz
Unter Holzschutz im eigentlichen Sinn versteht man alle Maßnahmen gegen Zerstörung des Holzes durch Organismen und gegen Verfärbungen. Grundsätzlich sind zwei Bereiche zu unterscheiden: chemischer und baulicher (konstruktiver) Holzschutz. Aus ökologischen Gründen muss es Ziel des Ingenieurs sein, den chemischen Holzschutz durch konstruktive und planerische Maßnahmen zu minimieren oder zu ersetzen: „Holzschutz beginnt bei der Konstruktion“.
Holzschutznormen Bei den Holzschutznormen sind die nationalen DIN-Normen und die europäischen ENNormen zu unterscheiden. Während die DIN-Normen auch den baulichen Holzschutz behandeln gehen die EN-Normen nur auf den chemischen Holzschutz ein. Die wichtigste Norm für den praktischen Holzschutz ist DIN 68 800: Teil 2 Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau (05.96) Teil 3 Vorbeugender chemischer Holzschutz (04.90) Teil 4 Bekämpfungsmaßnahmen gegen holzzerstörende Pilze und Insekten (11.92) Die Teile 2 und 3 sind als Technische Baubestimmungen eingeführt und haben damit Verbindlichkeit im Rahmen des Baurechts. Die Normenreihe DIN 68800 wird gegenwärtig vollständig überarbeitet. Mit einer Neuauflage ist ab 2010 zu rechnen. Hier seien nur einige Normen genannt, die sich auf DIN 68800 beziehen: DIN EN 335 Dauerhaftigkeit von Holz und Holzprodukten – Definition der Gebrauchsklassen (T1: 10.06, T2: 10.06, T3: 09.95) DIN EN 350 Dauerhaftigkeit von Holz und Holzprodukten – Natürliche Dauerhaftigkeit von Vollholz (T1: 10.94, T2: 10.94) DIN EN 351 Dauerhaftigkeit von Holz und Holzprodukten – Mit Holzschutzmittel behandeltes Vollholz (T1: 10.07, T2 : 10.07) DIN EN 460 Dauerhaftigkeit von Holz und Holzprodukten – Natürliche Dauerhaftigkeit von Vollholz. Leitfaden für die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit von Holz für die Anwendung in den Gefährdungsklassen (10.94) DIN EN 599 Dauerhaftigkeit von Holz und Holzprodukten – Wirksamkeit von und Anforderungen an Holzschutzmittel (T1: 10.09, T2: 08.95)
14.1 Holz
861
DIN 68800-3 und die EN-Holzschutznormen gehen von zwei grundverschiedenen Ansätzen aus. Während durch DIN die Art einer Schutzbehandlung festgelegt wird, die zu einem sachgerecht geschützten Holz führt, regeln die aufgeführten EN in einzelnen abgeschlossenen Normen einzelne Anforderungen an geschütztes Holz, Bild 14.40. Im Prinzip ist DIN 688003 verfahrensorientiert, EN 351-1 dagegen ergebnisorientiert [14.10]. Auch wegen dieser Unterschiede erfordert die Anwendung dieser Normen eine vertiefte Sachkenntnis.
Bild 14.40 Ansatz für Holzschutzmaßnahmen nach DIN 68800-3 (links) und EN-Normen (rechts) [14.10]
14.1.4.2.3.1 Baulicher Holzschutz
Der baulicher Holzschutz muss zwei Faktoren berücksichtigen: Die natürliche Dauerhaftigkeit des Holzes und die Bedingungen unter denen sich Holzschädlinge entwickeln können. Unter natürlicher Dauerhaftigkeit versteht man u.a. die Widerstandsfähigkeit des ungeschützten Holzes gegen holzzerstörende Pilze und Insekten. Sie beruht auf der Anwesenheit von Resistenzstoffen im Kernholz, die auf Holzschädlinge wachstumshemmend oder toxisch wirken. In DIN EN 350-2 werden 5 Dauerhaftigkeitsklassen gegen Pilze ( 1 = sehr dauerhaft, 5 = nicht dauerhaft) und 2 Dauerhaftigkeitsklassen gegen Hausbock D = dauerhaft, S = anfällig) unterschieden. Die gezielte Auswahl dauerhafter Holzarten für bestimmte Einsatzbereiche ist eine wirksame Holzschutzmaßnahme und kann in bestimmten Anwendungsfällen einen chemischen Holzschutz überflüssig machen. Unter Bedingungen, unter denen sich Holzschädlinge entwickeln können, ist besonders eine erhöhte Holzfeuchte zu verstehen. Holzzerstörende Pilze haben einen hohen Feuchtebedarf. Deshalb ist Feuchtigkeit grundsätzlich vom Bau fern zu halten. Gegen einen Insektenbefall bestehen ebenfalls Möglichkeiten für bauliche Holzschutzmaßnahmen.
862
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-41 Falsche und richtige Anordnung von Profilbrettern [14.13] 1) und 2): Eindringen von Regenwasser in die unten liegende Nut, 2) besonders ungünstige Lösung. 3) Auch diese Lösung ist nicht zweckmäßig, da das Regenwasser in die Fuge einzieht. 4) und 5): Gute Wasserabführung, bei 5) leichte Abschrägung zum Abreißen der Tropfen [Nach Willeitner 1974]
Bild 14-42 Falsche und richtige Anordnung von Fußpunkten [14.13] Oben: Holzstütze auf einem Fundament. Unten: Verbindung Holz mit Holz. Bildung eines „Wassersackes“ bei Einbindung ohne ausreichende Wasserabführung (links) [Nach Willeitner 1974]
14.1 Holz
863
In DIN 68 800-2 findet man wichtige konstruktive Hinweise wie z.B. Abführen von Niederschlagswasser durch geeignete Profile (Bild 14-41) Geeignete Ausbildung von Fußpunkten (Bild 14-42)
14.1.4.2.3.2 Chemischer Holzschutz
Hierunter versteht man den Einsatz chemischer Holzschutzmittel. Schutzmittel für Holz und Holzwerkstoffe mit tragender und aussteifender Funktion müssen gemäß Landesbauordnungen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ), erteilt durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) Berlin, haben. Damit wird sichergestellt, dass in baulichen Anlagen nur solche Mittel angewendet werden, die wirksam und toxikologischhygienisch unbedenklich sind. Das Insitut für Bautechnik gibt jährlich das Holzschutzmittelverzeichnis heraus, in dem alle Holzschutzmittel mit ihren Prüfprädikaten aufgeführt sind (Tabelle 14.17). Für nicht tragende Holzbauteile werden in DIN 68800-3 Hinweise zum vorbeugenden chemischen Holzschutz gegeben. Die dafür eingesetzten Holzschutzmittel erhalten das RALGütezeichen „Holzschutzmittel“, wenn sie die Gütebestimmungen des Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. (RAL) erfüllen. Im Hinblick auf ihre Wirksamkeit werden folgende Prüfprädikate unterschieden: P = wirksam gegen Pilze Iv = gegen Insekten, vorbeugend Ib = gegen Insekten,bekämpfend W = Holz,das der Witterung ausgesetzt ist, ohne ständigen Erdkontakt E = Holz,das extremer Beanspruchung ausgesetzt ist (ständiger Erdkontakt) M = Schwammsperrmittel Grundsätzlich kann man drei Grundtypen von Holzschutzmitteln unterscheiden: Wasserlösliche Holzschutzmittel, lösemittelhaltige Holzschutzmittel und Teerölpräparate. Bei den wasserlöslichen Schutzmitteln unterscheidet man fixierende – sie werden durch Niederschläge nicht ausgewaschen – und nicht fixierende – sie werden durch Wasser ausgewaschen. In Sonderfällen werden Öl-Salz-Gemische verwendet. Tabelle 14.17 zeigt am Beispiel eines wasserlöslichen Holzschutzmittels zum vorbeugenden Schutz von Holzbauteilen gegen holzzerstörende Pilze und Insekten die Angaben im Holzschutzmittelverzeichnis. In DIN 68800-3 werden je nach Gefährdung des Holzes durch Insekten, Pilze, Auswaschung und Moderfäule die Gefährdungsklassen 0 bis 4 definiert (Tabelle 14.18) Diesen Gefährdungsklassen werden bestimmte Holzbauteile zugeordnet (Tabelle 14.19). Schließlich werden die Prüfprädikate festgelegt, die in der jeweiligen Gefährdungsklasse für tragende Holzbauteile erforderlich sind (Tabelle 14.20).
864
14 Holz und Holzwerkstoffe
Tabelle 14.17 Auszug aus dem Holzschutzmittelverzeichnis 2003: Basilit CFBX Bezeichnung des Holzschutzmittels
Zulassungsnummer
Basilit CFBX
Z-58.1-1558
Charakteristik: Wasser lösliches Salzkonzentrat Antragsteller RÜTGERS Organics GmbH, Sandhofer Straße 96, 68305 Mannheim Zulassungsbescheid vom
Geltungsdauer bis
14.06.2001
31.12.2003
Prüfprädikate
Anwendungsbereiche
lv, P, W
Gefährdungsklasse (GK) 1, 2 und 3
Anwendungsverfahren
Einbringmengen
Trogtränkung
GK 1, 2 und 3 = 50 bis 90 g Salzkonzentrat/m2 Holz in Abhängigkeit von der Gefährdung des Holzes und der Holzdicke
Kesseldrucktränkung
GK 1 = 3,0 kg Salzkonzentrat/m3 Holz GK 2 = 4,0 kg Salzkonzentrat/m3 Holz GK 3 = 8,0 kg Salzkonzentrat/m3 Holz
Einschränkungen und Hinweise Das mit diesem Holzschutzmittel behandelte Holz darf nur in den Bereichen verwendet werden, die nach DIN 68 800-3 der Gefährdungsklasse 1, 2 oder 3 zugeordnet sind, jedoch – nicht, wenn das behandelte Holz bestimmungsgemäß in direkten Kontakt mit Lebens- oder Futtermitteln kommen kann. – nicht, wenn das behandelte Holz in Aufenthaltsräumen und zugehörigen Nebenräumen großflächig eingesetzt werden soll, es sei denn, das behandelte Holz wird zu diesen Räumen hin abgedeckt. – nicht, wenn das behandelte Holz großflächig in sonstigen Innenräumen eingesetzt werden soll, es sei denn, die Anwendung ist bautechnisch als unvermeidlich begründet, und – nicht, wenn Menschen oder Tiere häufig in direkten Hautkontakt mit dem behandelten Holz kommen können, es sei denn, die Oberflächen der Holzbauteile werden nach abgeschlossener Behandlung und Fixierung des Holzschutzmittels gründlich abgewaschen. Das Holzschutzmittel ist giftig für Fische und Fischnährtiere; das Holzschutzmittel darf nicht in Gewässer gelangen. Wirkstoffe 15,2 % Ammoniumbifluorid 10,9 % Borsäure Fixierungshilfsstoffe Chromsäure Einstufung und Kennzeichnung nach der Gefahrstoffverordnung Gefahrenbezeichnung: T, Giftig
Gefahrenhinweise: R49, R25, R34, R43
Sicherheitsratschläge: S53, S45
865
14.1 Holz Tabelle 14.18 Gefährdungsklassen des Holzes (DIN 68800-3) Gefährdungsklasse
Beanspruchung
Gefährdung durch Insekten
Pilze
Auswaschung
Moderfäule
Innen verbautes Holz, ständig trocken
nein1)
nein
nein
nein
ja
nein
nein
nein
2
Holz, das weder dem Erdkontakt noch direkt der Witterung oder Auswaschung ausgesetzt ist, vorübergehende Befeuchtung möglich
ja
ja
nein
nein
3
Holz, der Witterung oder Kondensation ausgesetzt, aber nicht in Erdkontakt
ja
ja
ja
nein
4
Holz in dauerndem Erdkontakt oder ständiger starker Befeuchtung ausgesetzt2)
ja
ja
ja
ja
0 1
1) Vergleiche Abschnitt 2.2.1 2) Besondere Bedingungen gelten
für Kühltürme sowie für Holz im Meerwasser
Tabelle 14.19 Zuordnung von Holzbauteilen zu den Gefährdungsklassen (DIN 68800-3) Gefährdungsklasse
Anwendungsbereiche
Holzteile, die durch Niederschläge, Spritzwasser oder dergleichen nicht beansprucht werden 0
Wie Gefährdungsklasse 1 unter Berücksichtigung von Abschnitt 2.2.1
11)
Innenbauteile bei einer mittleren relativen Luftfeuchte bis 70 % und gleichartig beanspruchte Bauteile
2
Innenbauteile bei einer mittleren relativen Luftfeuchte über 70 % und gleichartig beanspruchte Bauteile Innenbauteile in Nassbereichen, Holzteile wasserabweisend abgedeckt Außenbauteile ohne unmittelbare Wetterbeanspruchung
Holzteile, die durch Niederschläge, Spritzwasser oder dergleichen beansprucht werden 3
Außenbauteile mit Wetterbeanspruchung ohne ständigen Erd- und/oder Wasserkontakt Innenbauteile in Nassräumen
4 1) 2)
Holzteile mit ständigem Erd- und/oder Süßwasserkontakt2), auch bei Ummantelung
Holzfeuchte u < 20 % sichergestellt Besondere Bedingungen gelten für Kühltürme sowie für Holz im Meerwasser
866
14 Holz und Holzwerkstoffe
Tabelle 14.20 Anforderungen an anzuwendende Holzschutzmittel in Abhängigkeit von der Gefährdungsklasse (DIN 68 800-3) Gefährdungsklasse
Anforderungen an das Holzschutzmittel
erforderliche Prüfprädikate für tragende Bauteile
0
keine Holzschutzmittel erforderlich
1
insektenvorbeugend
lv
2
insektenvorbeugend, pilzwidrig
lv, P
3
insektenvorbeugend, pilzwidrig, witterungsbeständig
lv, P, W
4
insektenvorbeugend, pilzwidrig, witterungsbeständig, moderfäulewidrig
lv, P, W, E
Tabelle 14.21 zeigt im Gegensatz zu Tabelle 14.18 (DIN 68800-3) eine 5. Gebrauchsklasse (vorher: Gefährdungsklasse) für das Auftreten von Organismen im Meerwasser. Zusätzlich sind die Gebrauchsbedingungen unterschiedlich definiert. Tabelle 14.22 gibt Hinweise, ob in Abhängigkeit von der Gefährdung des Bauteils und der natürlichen Dauerhaftigkeit des verwendeten Holzes ein chemischer Holzschutz sinnvoll ist.
Tabelle 14.21 Auftreten von Organismen in Gebrauchsklassen (DIN EN 335-1) Gebrauchsklasse
Allgemeine Gebrauchsbedingungen
Beschreibung der Exposition gegenüber Befeuchtung während des Gebrauchs
1
Innenbereich, abgedeckt
trocken
2
Innenbereich oder, abgedeckt
gelegentlich feucht
3
3.1 Außenbereich, ohne Erdkontakt, geschützt
Organismen
Holzzerstörende Käfer
wie oben
gelegentlich feucht
3.2 Außenbereich, ohne häufig feucht Erdkontakt, ungeschützt
+ holzverfärbende Pilze
Falls Termiten auch anwesend sein könnten, wird die Gebrauchsklasse als 1T bezeichnet Falls Termiten auch anwesend sein könnten, wird die Gebrauchsklasse als 2T bezeichnet
Falls Termiten auch anwesend sein könnten, + holzzerstö- wird die Gebrauchsklasrende Pilze se als 3.1T bzw. 3.2T bezeichnet
867
14.1 Holz Gebrauchsklasse
4
5
Allgemeine Gebrauchsbedingungen
Beschreibung der Exposition gegenüber Befeuchtung während des Gebrauchs
4.1 Außenbereich in Kontakt mit Erde und/oder Süßwasser
vorwiegend ständig feucht
4.2 Außenbereich in Kontakt mit Erde (hohe Beanspruchung) und/oder Süßwasser
ständig feucht
In Meerwasser
ständig feucht
Organismen
oder
Falls Termiten auch anwesend sein könnten, wird die Gebrauchsklaswie oben se als 4.1T bzw. 4.2T + Weichfäule bezeichnet
Holzverfärbende Pilze Weichfäule Holzschädlingen im Meerwasser
A Teredinidae Limnoria B wie in A + teeröltolerante Limnoria C wie in B + Pholadidae
Anmerkung: Ein Schutz gegen alle aufgeführten Organismen ist nicht unbedingt erforderlich, da diese nicht unter allen Gebrauchsbedingungen an allen geographischen Standorten vorkommen oder wirtschaftlich von Bedeutung sind. Eine höhere Gebrauchsklasse kann angewendet werden, wenn zu erwarten ist, dass die Gebrauchsbedingungen sich verschärfen können, was zu einer unvorhergesehenen Befeuchtung des Holzes führt, zum Beispiel als Folge von Konstruktionsfehlern, unsachgemäßem Einbau oder fehlender Instandhaltung. Tabelle 14.22 Holzzerstörende Pilze-Leitfaden für die Dauerhaftigkeitsklassen von Holzarten für eine Anwendung in den Gefährdungsklassen(DIN EN 460) Gefährdungsklasse
o (o)
Dauerhaftigkeitsklasse 1
2
3
4
5
1
o
o
o
o
o
2
o
o
o
(o)
(o)
3
o
o
(o)
(o) – (x)
(o) – (x)
4
o
(o)
(x)
x
x
5
o
(x)
(x)
x
x
Natürliche Dauerhaftigkeit ausreichend Natürliche Dauerhaftigkeit üblicherweise ausreichend, aber unter bestimmten Gebrauchsbedingungen kann eine Behandlung empfehlenswert sein (o) – (x) Natürliche Dauerhaftigkeit kann ausreichend sein, aber in Abhängigkeit von der Holzart, ihrer Durchlässigkeit und der Gebrauchsbedingung kann eine Schutzbehandlung notwendig sein. (x) Eine Schutzbehandlung ist üblicherweise empfehlenswert, aber unter bestimmten Gebrauchsbedingungen kann die natürliche Dauerhaftigkeit ausreichend sein. x Schutzbehandlung notwendig
868
14 Holz und Holzwerkstoffe
Feuerschutzmittel Diese dienen dazu, die Entflammbarkeit von Holz und Holzwerkstoffen herabzusetzen und die Feuerwiderstandsdauer zu verlängern (DIN 4102). Man unterscheidet: Feuerschutzsalze bilden flammenerstickende Gase. Schaumschichtbildende Feuerschutzmittel vermindern die Entflammbarkeit des Holzes durch Bildung einer wärmedämmenden Schutzschicht.
Einbringverfahren Für die praktische Wirksamkeit eines Holzschutzmittels müssen ausreichende Mengen genügend tief und gleichmäßig verteilt in das Holz eingebracht werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen drei Gruppen der Einbringverfahren: Druckverfahren Nichtdruckverfahren (Lang- und Kurzzeitverfahren) Sonderverfahren Eine Übersicht der wichtigsten Einbringverfahren zeigt Tabelle 14.23. DIN 68800 „Holzschutz im Hochbau“ enthält die wichtigsten Richtlinien für die sachgemäße Durchführung baulicher und chemischer Maßnahmen zur Erhaltung von Holz im Hochbau. Hier seien nur einige Verfahren exemplarisch erwähnt: Bei der Volltränkung (Kesseldruckverfahren) wird das Holz zunächst evakuiert (entlüftet), dann das Schutzmittel unter Vakuum zugegeben und durch Überdruck in das Holz gedrückt. Dadurch erreicht man, dass die vom Schutzmittel erreichten Zellen gefüllt, also voll getränkt werden. Dieses Verfahren wird z. B. bei Salzlösungen angewendet. Die Trogtränkung ist unter den Oberflächenverfahren die Methode, mit der die höchste Schutzmittelaufnahme erreicht wird. Das Holz wird für mehrere Stunden bis Tage gegen Aufschwimmen gesichert – in Trögen in der Schutzflüssigkeit gelagert. Aufnahmemengen und Eindringtiefen hängen von der Holzart, Holzfeuchtigkeit, Schutzmittelart und Tränkdauer ab.
Streichen und Spritzen sind die einfachsten Einbringverfahren. Hier sind mindestens zwei Arbeitsgänge vorgeschrieben. Zwischen zwei Arbeitsgängen sind Trockenzeiten von mindestens 6 Stunden erforderlich, damit die Holzoberfläche wieder genügend saugfähig wird. Die Schutzmittelverluste sind beim Spritzen mit mindestens 30 % am höchsten.
Holzschutz und Umwelt Unsachgemäßer Umgang mit Holzschutzmitteln kann zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen. Deshalb sind beim Einsatz chemischer Holzschutzmittel neben den anerkannten Regeln der Technik und den Vorschriften bezüglich Gesundheits-, Umwelt-, Arbeits- und Unfallschutz die „Besonderen Bestimmungen“ der bauaufsichtlichen Zulassungsbescheide zu beachten. Insbesondere sind Schutzbekleidung, eventuell auch Schutzmasken, unerlässlich. Die Holzschutzmittelbehandlung darf nur von erfahrenen Unternehmen durchgeführt werden und muss nach DIN 68800-1 an einer sichtbar bleibenden Stelle des Bauwerks dauerhaft angegeben sein.
trocken bis halbtrocken
Vakuumtränkung
Spritzen, Streichen
Spritztunnel, Fluten
Tauchen
Heiß-Kalt-Tränkung
Diffusion
frisch/nass
x
–
–
– – x
mäßig
Monate gering
x (x) x
gering
Tage
Wochen
x
x
x
(x)
x
x
x
x
–
(x) x
x
x
x
x
x
(x)
–
(x) x
sehr gering
mäßig
x
(x)
x
x
x
x x
anwendbare Holzschutzmittel3) a b c
mindestens 2 Arbeitsgänge
1 bis mehrere Arbeitsgänge
Minuten
gering
mäßig
Stunden bis Tage Stunden
groß
sehr groß
Aufwand
1–2 Stunden
mehrere Stunden
übliche Tränkzeiten
Bestimmung der Einbringmenge5)
Tief- bis Vollschutz
Tiefschutz
meist Randschutz, z.T. Tiefschutz
z.T. Randschutz, meist Tiefschutz
meist Tiefschutz
bedingt möglich
möglich
bedingt möglich
möglich
bedingt möglich
bei frischem Holz bedingt möglich
bei trockenem Holz möglich
möglich
Tief- bis Vollschutz erfolgt stets
Ergebnis4)
Verändert nach Willeitner (1974) unter Berücksichtigung von Vorschlägen für die Neubearbeitung des Merkheftes 10 „Holzschutzverfahren“ der DGfH. Nach DIN 4074: trocken: u < 20 %; halbtrocken: u = 20 – 30 %; frisch: u > 30 % a = wasserlösliche Präparate; b = Teerölpräparate; c = lösemittelhaltige Präparate; x = anwendbar; (x) = bedingt anwendbar; – = nicht anwendbar Nach DIN 52 175 bedeuten: Randschutz: Eindringtiefe in der Größenordnung von Millimetern; Tiefschutz: Eindringtiefe in der Größenordnung von Zentimetern (nicht unter 1 cm), bei Farbkernhölzern mit einer Splintholzbreite unter 10 mm mindestens Durchsetzung des Splintholzes 5) Bestimmungsmöglichkeit im praktischen Betrieb. Eine nachträgliche chemisch-analytische Bestimmung in speziell eingerichteten Laboratorien bleibt stets möglich.
1) 2) 3) 4)
trocken bis halbtrocken, halbtrocken bis frisch
trocken bis halbtrocken
trocken bis halbtrocken, bei Salzen auch frisch
frisch
Wechseldrucktränkung
Trogtränkung, Einstelltränkung
trocken bis halbtrocken
Volltränkung, Spartränkung
Holzfeuchtigkeit2) bei Schutzbehandlung
Sonderver- Bohrlochtränkung, fahren Bandagen
Kurzzeitverfahren
Langzeitverfahren
Druckverfahren
Verfahrensart
Tabelle 14.23 Übersicht der wichtigsten Einbringverfahren [14.13]
14.1 Holz
869
870
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.2 Holzwerkstoffe „Holzwerkstoffe“ ist der Sammelbegriff für verschiedene plattenförmige Werkstoffe, die durch das Zerlegen des Holzes und anschließendes Zusammenfügen entstehen. Eine Übersicht der Holzwerkstoffplatten zeigt Tabelle 14.24. Holzwerkstoffe im engeren Sinne sind Spanplatten (incl. OSB), Faserplatten und Sperrholz sowie deren Formteile. Die wirtschaftliche Bedeutung zeigen die Produktionszahlen von 2008 (Mio. m3) (siehe Tabelle 14.25). Die überragende Bedeutung der Spanplatten ist klar ersichtlich. Abnehmer der Spanplatten sind: Möbelindustrie (ca. 60 %), Bauindustrie (ca. 30 %) sowie Verpackungsindustrie und Heimwerker (ca. 10 %). Informationen über Holzwerkstoffe: Verband der Holzwerkstoffindustrie, Gießen.
Tabelle 14.24 Überblick über die Holzwerkstoffplatten [14.1]
871
14.2 Holzwerkstoffe Tabelle 14.25 Produktion Holzwerkstoffplatten 2008 (Mio. m3) Europa Spanplatten
Deutschland
40,14
7,50
OSB
3,95
1,00
MDF
14,47
3,90
3,95
0,17
Sperrholz
14.2.1 Holzspanplatten Die Spanplatte ist ein „plattenförmiger Holzwerkstoff, hergestellt durch Verpressen unter Hitzeeinwirkung von im wesentlichen kleinen Teilen aus Holz und/oder anderen lignozellulosehaltigen Teilchen (Flachs, Hanf usw.) mit Klebstoffen“ (DIN EN 309). Holz ist der wert- und mengenmäßig wichtigste Rohstoff der Spanplatte. Neben Waldholz wird in großen Mengen Industrierestholz (Schwarten, Spreißeln, Späne) eingesetzt. Einjahrespflanzen (Getreidestroh, Hanf- und Flachsschäben, Bagasse) haben als Rohstoff nur regional eine geringe Bedeutung. Nach dem Zerkleinern der Holzsortimente werden die Späne getrocknet und beleimt. Die Verleimung erfolgt mit folgenden Klebstoffen: Harnstoff-Formaldehydharzleim (UF) Phenol-Formaldehydharzleim (PF) Melamin-Formaldehydharzleim (MF) Polymethylendiisocyanat (PMDI) Spezielle Bauplatten werden mit mineralischen Bindemitteln wie Zement oder Gips hergestellt. Nach dem Beleimen wird das Spanvlies in Takt- oder Endlospressen zu Spanplatten verpresst.
14.2.1.1 Flachpressplatten
Hier wurden bisher folgende Normtypen unterschieden:
a Möbelbau FPY (DIN 68761 T1): Flachpressplatten für allgemeine Zwecke, z. B. für den Möbel-, Tonmöbel-, Geräte- und Behälterbau FPO (DIN 68761 T4): Flachpressplatten für allgemeine Zwecke und den Möbelbau mit feinspaniger Oberfläche. Diese Platten sind besonders für Beschichtungen mit Dünnfolien und zur Direktlackierung geeignet. KF (DIN 68765): Kunststoffbeschichtete dekorative Flachpressplatten für allge-meine Zwecke. Diese Platten sind beidseitig mit Trägerbahnen beschichtet, die mit Kondensationsharzen (z. B. MF) imprägniert sind.
872
14 Holz und Holzwerkstoffe
b Bauwesen V20: Verleimung beständig bei Verwendung in Räumen mit im allgemeinen niedriger Luftfeuchte. Die Verleimung ist „nicht wetterbeständig“. V100: Verleimung beständig gegen hohe Luftfeuchtigkeit. Die Verleimung ist „begrenzt wetterbeständig“. V100 G: Verleimung wie V100, jedoch mit einem Holzschutzmittel geschützt gegen holzzerstörende Pilze. Diese Normen wurden inzwischen zurückgezogen. Da die Begriffe dieser Normen in der Praxis noch häufig verwendet werden, seien sie hier jedoch genannt. Die Anforderungen an Spanplatten findet man jetzt in DIN EN 312 (2003). Die allgemeinen Anforderungen bei Auslieferung zeigt Tabelle 14.26. Die Anforderungen an hochbelastbare Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Trockenbereich zeigt Tabelle 14.27. Laut DIN EN 312 werden nach den Anforderungen die Typen P1 bis P7 unterschieden: Typ P1 Platten für allgemeine Zwecke zur Verwendung im Trockenbereich Typ P2 Platten für Inneneinrichtungen zur Verwendung im Trockenbereich Typ P3 Platten für nicht tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtbereich Typ P4 Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Trockenbereich Typ P5 Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtbereich Typ P6 Hochbelastbare Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Trockenbereich Typ P7 Hochbelastbare Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtbereich
Oriented Strand Boards (OSB) OSB-Platten sind Flachpressplatten mit langen (ca. 75 mm), schlanken Holzspänen (Strands), die mit PF oder PMDI verleimt sind. Die Deckschichtspäne liegen parallel zur Plattenlänge oder -breite. OSB-Platten haben höhere Festigkeitswerte als normale Flachpressplatten. Es werden folgende Normtypen unterschieden (DIN EN 300): 0SB/1: Platten für allgemeine Zwecke und für Inneneinrichtungen zur Verwendung im Trockenbereich 0SB/2: Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Trockenbereich 0SB/3: Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtbereich 0SB/4: Hochbelastbare Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtbereich.
873
14.2 Holzwerkstoffe Tabelle 14.26 Allgemeine Anforderungen an Spanplatten bei Auslieferung (DIN EN 312) Nr.
Eigenschaft
Prüfverfahren
1a)
Grenzabmaße
EN 324-1
Anforderung
– Dicke (geschliffene Platten) innerhalb und zwischen Platten
±0,3 mm
– Dicke (ungeschliffene Platten) innerhalb und zwischen Platten
–0,3 mm +1,7 mm
– Länge und Breite
±5 mm
2a)
Kantengeradheitstoleranz
EN 324-2
1,5 mm je m
3a)
Rechtwinkligkeitstoleranz
EN 324-2
2 mm je m
4
Plattenfeuchte
EN 322
5 % bis 13 %
5a)
Rohdichte-Grenzabweichungen, bezogen auf die mittlere Rohdichte innerhalb der Platte
EN 323
±10 %
6a)
Formaldehydabgabe nach EN 13986 Klasse E 1 Perforatorwert
EN 120
Gehalt ≤ 8 mg/100 g absolut trockene Platted)
Ausgleichskonzentrationc)
ENV 717-1
Abgabe ≤ 0,124 mg/m3 Luft
Klasse E 2 Perforatorwert
EN 120
Gehalt > 8 mg/100 g absolut trockene Platte ≤ 30 mg/100 g absolut trockene Platte
Ausgleichskonzentrationc)
ENV 717-1
Abgabe > 0,124 mg/m3 Luft
a) Die Werte gelten für einen Feuchtegehalt, der sich im Material bei einer relativen Luftfeuchte von 65 % und einer Temperatur von 20 °C einstellt. b) Die Perforatorwerte gelten für eine Materialfeuchte H von 6,5 %. Bei Spanplatten mit anderen Materialfeuchten (Bereich 3 % ≤ H ≤ 10%) ist der Perforatorwert mit einem Faktor F zu multiplizieren, der sich aus folgender Gleichung ergibt: F = –0,133 H + 1,86 c) Erforderlich für die Erstprüfung solcher Produkte, die nicht als bewährte Produkte gelten. Für bewährte Produkte darf die Erstprüfung auch auf Grund vorhandener Daten der Prüfungen nach EN 120 oder ENV 717-1 aus der werkseigenen Produktionskontrolle oder einer Fremdüberwachung vorgenommen werden. d) Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass der gleitende Halbjahres-Mittelwert der im Rahmen der werkseigenen Produktionskontrolle ermittelten Werte nach EN 120 6,5 mg Formaldehyd je 100 g Plattenmasse nicht überschreiten sollte, um diesen Grenzwerteinzuhalten.
874
14 Holz und Holzwerkstoffe
Tabelle 14.27 Anforderungen an hochbelastbare Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Trockenbereich (DIN EN 312 Typ 6) Eigenschaft
Prüf- Einheit verfahren
Anforderung Dickenbereich (mm, Nennmaß) 6 bis 13 > 13 bis > 20 bis > 25 bis > 32 bis 20 25 32 40
> 40
EN 310
N/mm2
20
18
16
15
14
12
BiegeElastizitätsmodul
EN 310
N/mm2
3150
3000
2550
2400
2200
2050
Querzugfestigkeit
EN 319
N/mm2
0,60
0,50
0,40
0,35
0,30
0,25
Dickenquellung 24 h
EN 317
%
15
14
14
14
13
13
Biegefestigkeit
Wenn durch den Käufer bekannt gegeben wurde, dass die Platten für den speziellen Einsatz in Fußböden, bei Wänden oder Dachkonstruktionen verwendet werden sollen, ist auch die Leistungsnorm EN 12871 in Betracht zu ziehen. Deshalb kann gegebenenfalls die Einhaltung zusätzlicher Anforderungen verlangt werden. Anmerkung: Die Werte gelten für einen Feuchtegehalt, der sich im Material (bei Dickenquellung vor der Wasserlagerung) bei einer relativen Luftfeuchte von 65% und einer Temperatur von 20 °C einstellt.
Tabelle 14.28 Anforderungen an hochbelastbare OSB-Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtbereich (DIN EN 300) Eigenschaft
Prüf- Einheit verfahren
Anforderung Dickenbereich (mm, Nennmaß) 6 bis 10 > 10 bis < 18
18 bis 25
> 25 bis > 32 bis 32 40
Biegefestigkeit – Hauptachse
EN 310
N/mm2
30
28
26
24
22
Biegefestigkeit – Nebenachse
EN 310
N/mm2
16
15
14
13
12
Biege-Elastizitätsmodul – Hauptachse
EN 310
N/mm2
4800
4800
4800
4800
4800
Biege-Elastizitätsmodul – Nebenachse
EN 310
N/mm2
1900
1900
1900
1900
1900
Querzugfestigkeit
EN 319
N/mm2
0,50
0,45
0,40
0,35
0,30
Dickenquellung – 24 h Wasserlagerung
EN 317
%
12
12
12
12
12
Wenn durch den Käufer bekannt gegeben wurde, dass die Platten für den speziellen Einsatz in Fußböden, bei Wänden oder Dachkonstruktionen verwendet werden sollen, ist auch die Leistungsnorm EN 12871 in Betracht zu ziehen. Deshalb kann gegebenenfalls die Einhaltung zusätzlicher Anforderungen verlangt werden.
14.2 Holzwerkstoffe
875
Brandverhalten von Spanplatten Der Brandschutz ist für die Verwendung von Spanplatten im Bauwesen ein wichtiger Faktor. Grundlage für die Beurteilung des baulichen Brandschutzes ist DIN 4102 „Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen“. Spanplatten sind „normalentflammbar“ und gehören in die Baustoffklasse B2. Durch Zugabe von Feuerschutzmitteln (5...15 M.-%) werden Spanplatten schwerentflammbar und fallen in die Baustoffklasse B1. Zementgebundene Spanplatten fallen in die Baustoffklasse B1.
Formaldehydabspaltung Aus Spanplatten, die mit Harnstoff- oder Melamin-Formaldehydharzen verleimt worden sind, kann nachträglich Formaldehyd austreten. Dieses farblose, stechend riechende Gas kann Augen und Schleimhäute reizen. Die Wahrnehmbarkeitsgrenze liegt zwischen 0,2 und 1,0 ppm (parts per million; 1 ppm entspricht 1,2 mg Formaldehyd je m3 Raumluft). Liegt die Konzentration über 1 ppm, so treten stärkere Belästigungen auf. Bezüglich der Gesundheitsschädigung sind die Wissenschaftler uneinheitlicher Meinung. Um Belästigungen oder gesundheitliche Beeinträchtigung durch Formaldehydemissionen zu vermeiden, wurde 1980 die „Formaldehydrichtlinie“ erlassen. Darin werden die Emissionsklassen E1, E2 und E3 definiert. Nach der „Gefahrstoffverordnung“ dürfen ab 1.1.1988 Möbel und Holzwerkstoffe nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie der Emissionsklasse E1 entsprechen. E1 = maximal zulässiger Emissionswert = 0,1 ppm Formaldehyd. (entsprechend max. 10 mg Formaldehyd/100 g Spanplatte)
14.2.1.2 Strangpressplatten
In den Flachpressplatten liegen die Späne parallel zur Plattenebene. Die Strangpressplatten werden nicht in Etagenpressen, sondern in vertikalen, beheizten Kanälen hergestellt. Aufgrund dieses Verfahrens liegen die Späne rechtwinklig zur Plattenebene. Dadurch ergeben sich völlig unterschiedliche Eigenschaften. So haben die Strangpressplatten eine hohe Querzugfestigkeit und eine geringe Biegefestigkeit. Sie werden deshalb beidseitig beplankt (Hartfaserplatten, Kalanderplatten) eingesetzt. Man unterscheidet bei Strangpressplatten die Typen SV = Strangpressvollplatte und SR = Strangpressröhrenplatte. Der Anteil der Strangpressplatten an der Gesamtspanplattenproduktion in Deutschland ist sehr gering (Verwendung: Türen, Trennwände).
876
14 Holz und Holzwerkstoffe
Tabelle 14.29 Materialkennwerte von Strangpressplatten Typ
Biegefestigkeiten [N/mm2]
Dickenbereich
⊥ SV
|| zur Breitfläche
bis 16 mm
5
0,4
SV
über 16 bis 25 mm
4
0,35
SR
bis 30 mm
4
0,4
SR
über 30 bis 45 mm
2,5
0,3
SR
über 45 bis 70 mm
1
0,2
Tabelle 14.30 Materialkennwerte von Kalanderspanplatten Eigenschaft
Dimension
Plattendicke 3,0 – 6,5 – 10 [mm]
Dickentoleranz
[mm]
±0,2 mm
Rohdichte
[kg/m3]
720 ±40 je nach Rohholz
Biegefestigkeit
[N/mm2]
FPY: 16–18; FPO: 14–16
Biege-E-Modul
[103 · N/mm2]
FPY: 2–2,2; FPO: 1,8–2
Querzugfestigkeit
[N/mm2]
0,5–0,4
Dickenquellung q2
[%]
14–8
Tabelle 14.31 Materialkennwerte von Zementspanplatten Dickenbereich
[mm]
Rohdichtebereich
[kg/m3]
8–32 1000–1350
Biege-E-Modul
[N/mm2]
4500–5000
Biegefestigkeit
[N/mm2]
9–18
Querzugfestigkeit
[N/mm2]
0,4–0,6
Dickenquellung q2
[%]
max. 1,5
Dickenquellung q24
[%]
max. 2,0
Feuchtebedingte Längenänderung 20/30 auf 20/85
[%]
0,15–0,18
Wärmeausdehnung
[K–1]
muss beim Hersteller erfragt werden
Tabelle 14.32 Materialkennwerte von Holzwolleleichtbauplatten Dicke [mm]
Rohdichte [kg/m3]
Biegefestigkeit [N/mm2]
Wärmeleitzahl [W/m·K]
10–15
800–570
...–1,7
...–0,15
25–100
460–360
1,0–0,4
0,093
14.2 Holzwerkstoffe
877
14.2.1.3 Kalanderspanplatten
Dünnspanplatten (2...10 mm dick) werden nach dem Kalanderverfahren hergestellt. Das Spanvlies wird zwischen einem Kalander (beheizte Stahltrommel, Durchmesser bis 4 m) und einem endlos umlaufenden Stahlband zu einer dünnen Spanplatte verpresst. Diese Dünnspanplatten werden z. B. für Schubkastenböden und Möbelrückwände verwendet.
14.2.1.4 Spanplatten mit anorganischen Bindemitteln
Diese bestehen aus etwa 25 Gewichtsprozenten Holzspänen und 65 M.-% Bindemitteln (Portlandzement, Magnesiabinder, Gips) sowie verschiedenen Zusatzstoffen. Die Mischung der Späne mit dem Bindemittel erfolgt in Trogmischern. Nach der Formung findet eine paketweise Kaltverpressung bei den zementgebundenen Spanplatten statt. 14.2.1.4.1 Zementgebundene Spanplatten
Die Rohdichte liegt bei etwa 1,2 g/cm3. Die Biegefestigkeit (9...18 N/mm2) liegt erheblich unter der kunstharzgebundener Spanplatten. Diese Platten haben ein sehr gutes Brandverhalten (Baustoffklasse B1 bzw. A2), sowie Feuchte- und Pilzresistenz. Einsatzgebiete: Fertighausbau, landwirtschaftliches Bauwesen. Die Materialkennwerte zeigt Tabelle 14.31. 14.2.1.4.2 Magnesiagebundene Spanplatten
Die Rohdichte ist mit 0,85 g/cm3 geringer als die der zementgebundenen Spanplatte. Magnesiabinder härten temperaturabhängig aus. Die Presszeiten sind deshalb erheblich geringer als bei zementgebundenen Spanplatten (bei 180 °C und 20 mm Plattendicke: 10 min). Nachteilig ist ihre höhere Feuchteempfindlichkeit. Einsatzgebiete: Schiffs- und Holzhausinnenausbau 14.2.1.4.3 Gipsgebundene Spanplatten
Das zunehmende Aufkommen von Industriegipsen aus der Rauchgasentschwefelung sowie die geringere werkzeugstumpfende Wirkung von Gips sind wesentliche Gründe für die Verwendung von Gips als Bindemittel für Spanwerkstoffe. Einsatzgebiete: Wand-, Decken- und Bodenverkleidungen Die Eigenschaften sind Tabelle 14.33 zu entnehmen. 14.2.1.4.4 Holzwolleleichtbauplatten
Sie werden aus den bereits genannten drei Bindemitteln hergestellt, haben jedoch eine geringere Rohdichte. Sie sind schwer entflammbar (Baustoffklasse B1) und haben gutes Wärmedämm- und Schallabsorptionsverhalten. Einsatzgebiete: Leichtwände, Bodenunterkonstruktionen, verlorene Schalung, Dämmschichten unter Dächern. Eine Gegenüberstellung verschiedener Bauplatten zeigt Tabelle 14.33.
2500 – 4000 8 – 10 0,4 – 0,6 1,0 – 1,2 1,5 – 2,5
[N/mm2]
[N/mm2]
[N/mm2]
[N/mm2]
[N/mm2]
[N]
Biegefestigkeit
Elastizitätsmodul
Zugfestigkeit
Querzugfestigkeit
Abhebefestigkeit
Block Scherfestigkeit
Schraubenausziehwiderstand
[Klasse]
[Klasse]
[Klasse]
[Klasse]
Schallabsorption
Deutschland BRD
England
Norwegen
Finnland
Brandklasse
–
–
–
B2
22 – 25
50 – 100
1I
–
0
B1/A2
30 – 35
10 – 20
0,20 – 0,30
–
max. 1
0,07 – 0,10
350 – 450
1,5 – 2,5
0,6 – 0,8
0,4 – 0,6
3–4
3000 – 4000
9 – 12
2–3
1100 – 1200
Gipsholzplatte
–
–
–
B1/A2
30 – 35
10 – 20
0,20 – 0,30
–
–
0,04 – 0,06
350 – 450
1,0 –1,5*
0,4 – 0,6*
0,3 – 0,4*
1,5 – 3*
3000 – 4000*
5,5 – 6,5*
2–3
1100 – 1170
Gipsfaserplatte*
* Die Festigkeitseigenschaften können durch Zusatz geeigneter Additive um ca. 40 % gesteigert werden.
[μ]
[db]
Wasserdampfdiffusionswiderstand
appr. 0,14
–
max. 16
Quellung 24 Std.
[W/m·K]
max. 2
max. 6
Quellung 2 Std.
Wärmeleitfähigkeit
0,3 – 0,4
Klimasprung 20 °C, 30 % / 20 °C, 85 % [rel. Feuchte]
600 – 800
16 – 20
[N/mm2]
Feuchte
Flächenquellung
8 – 10
20 °C, 65 % rel. [Feuchte]
Rohdichte
670 – 700
[kg/m3]
Spanplatte
– –
–
0
B1/A2
35 – 40
20 – 25
0,25 – 0,30
max. 2,0
max. 1,5
0,25 – 0,30
600 – 800
2,0 – 2,5
0,8 – 1,0
0,4 – 0,6
5–6
4500 – 5000
10 – 12
10 – 12
1200 – 1300
Holzzementplatte
–
–
A2
28 – 32
8 – 10
0,18 – 0,20
–
–
0,025 – 0,03
–
–
0,2 – 0,3
0,2 – 0,3
–
|| 3000 – 4000 ⊥ 2000 – 3000
|| 6 – 8 ⊥ 2,5 – 3,5
1 – 1,5
800 – 900
Gipskartonplatte
Tabelle 14.33 Vergleich typischer technologischer Eigenschaften verschiedener Bauplatten in einem Dickenbereich von 10 – 12 mm
878 14 Holz und Holzwerkstoffe
879
14.2 Holzwerkstoffe
14.2.2 Holzfaserplatten Eine Holzfaserplatte ist ein plattenförmiger Holzwerkstoff, der aus Lignozellulosefasern unter Anwendung von Druck und/oder Hitze hergestellt wird (DIN EN 316). Im Gegensatz zur Spanplatte ist bei der Faserplatte der Holzverband bis zur Holzfaser zerlegt. Die Bindung der Holzfasern kann auf synthetischen Klebstoffen oder holzeigenen Bindungskäften beruhen. Man unterscheidet nach DIN EN 316 folgende Typen von Faserplatten:
1. Poröse Holzfaserplatte SB (ρ 230 bis < 400 kg/m3) Dieser Plattentyp ist auch unter der Bezeichnung „Isolierplatte“ bekannt und bleibt nach der Plattenformung ungepresst. 2. Mittelharte Holzfaserplatte MB (ρ 400 bis < 900 kg/m3) Man unterscheidet: MB.L mittelharte Faserplatten geringer Dichte (400 bis < 560 kg/m3) und mittelharte Faserplatten hoher Dichte MB.H (560 bis < 900 kg/m3). Sie werden im Möbelbau für Leisten und Fronten eingesetzt. 3. Harte Holzfaserplatte HB (ρ 900 kg/m3) Die Platten sind ein- oder beidseitig glatt und werden eingesetzt für Möbelrückwände, Schubkastenböden und im Fahrzeugbau. Als Rohstoffe werden für diese Platten Nadel- und Laubhölzer verwendet. Als Klebstoffe dienen überwiegend PF- und UF-Harzleime. Die Oberflächen der Platten können vielgestaltig sein: Flüssigbeschichtung mit Lacken Festbeschichtung mit imprägnierten Papieren mit Löchern als Schallschluckplatten mit bestimmter Oberflächenstruktur (Holzmuster, Leinenmuster usw.) Die Typen 1 bis 3 werden nach dem Nassverfahren hergestellt. Tabelle 14.34 Anforderungen an hochbelastbare harte Holzfaserplatten für tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtbereich nach DIN EN 622-2 Eigenschaft
Prüfverfahren
Einheit
Nennbereich (mm) 3,5
> 3,5 bis 5,5
> 5,5
Dickenquellung 24 h
EN 317
%
17
15
12
Querzugfestigkeit
EN 319
N/mm2
0,80
0,70
0,65
Biegefestigkeit
EN 310
N/mm2
44
42
38
Biege-Elastizitätsmodul
EN 310
N/mm2
4500
4300
4100
Querzugfestigkeit nach Kochprüfung
EN 319 EN 1087-1
N/mm2
0,50
0,42
0,35
Biegefestigkeit nach Kochprüfung
EN 310 EN 1087-1
N/mm2
17
16
15
Wenn durch den Käufer bekannt gegeben wurde, dass die Platten für den speziellen Einsatz in Fußböden, bei Wänden oder Dachkonstruktionen verwendet werden sollen, ist auch die Leistungsnorm EN 12871 in Betracht zu ziehen. Deshalb kann gegebenenfalls die Einhaltung zusätzlicher Anforderungen verlangt werden.
880
14 Holz und Holzwerkstoffe
4. Mitteldichte Faserplatten MDF Für die Herstellung von MDF-Platten wird entrindetes Nadel- und Laubholz nach dem Trockenverfahren verarbeitet. Dieses wird zu Hackschnitzeln zerkleinert und anschließend gekocht. Nach der Zerfaserung erfolgen Beleimung, Trocknung und Streuung der Fasern. Nach dem Durchlaufen der Vorpresse wird das Faservlies in einer Einetagen-Endlospresse (z. B. Contiroll) zur fertigen MDF-Platte verpresst. Wie auch Spanplatten dürfen Faserplatten für den Möbel- und Innenausbau maximal 0,1 ppm Formaldehyd emittieren. Der große Vorteil der MDF-Platten gegenüber den Spanplatten liegt in ihrer geschlossenen Mittelschicht. Dicke Platten erlauben eine dreidimensionale Profilierung. Das führte zu neuen Formgestaltungen, speziell bei Möbelfronten. Weiterhin können die Schmalflächen direkt lackiert werden. Wichtige Materialkennwerte zeigt Tabelle 14.35.
14.2.3 Sperrholz Sperrholz ist der Sammelbegriff für alle Platten aus drei Holzschichten, die – vorzugsweise rechtwinklig – miteinander verleimt sind. Nach DIN EN 313 T1 unterscheidet man: Furniersperrholz, Stabsperrholz, Stäbchensperrholz und Verbundsperrholz. 14.2.3.1 Normtypen nach dem Plattenaufbau
1. Furniersperrholz FU Sämtliche Lagen bestehen aus Furnieren, die parallel zur Plattenebene liegen. Üblicherweise sind die Platten symmetrisch aufgebaut, d. h. die Zahl der Furnierlagen ist ungerade. Die elastomechanischen Eigenschaften der Platten können je nach Furnierlagenzahl, verwendeter Holzart oder Bindemittel vielfältig beeinflusst werden. 2. Stabsperrholz ST Die Mittellage besteht aus 7 mm bis 30 mm breiten, miteinander verklebten oder nicht verklebten Vollholzstäben. Diese werden beidseitig mit Furnier abgesperrt. 3. Stäbchensperrholz STAE Die Mittellage besteht aus max. 7 mm breiten und hochkant angeordneten Schälfurnieren – wobei alle oder die meisten miteinander verklebt sind – die ebenfalls mit Furnieren abgesperrt sind. 4. Verbundsperrholz Werden als Mittellage andere Werkstoffe als Holz verwendet (Spanplatten, Faserplatten, Kunststoffe usw.), so entstehen Verbundwerkstoffe mit besonderen Eigenschaften (Erhöhung der Festigkeit oder der Trittschalldämmung).
EN 1087-1 : 1995 gilt samt modifiziertem Verfahren in Anhang B.
0,20
0,35
40
3000
34
0,70
30
> 2,5–4,0
0,20
0,35
25
3000
34
0,70
18
> 4–6
0,15
0,30
19
3000
34
0,80
12
> 6–9
0,15
0,25
16
2800
32
0,80
10
> 9–12
0,12
0,20
15
2700
30
0,75
8
>12–19
Nenndickenbereiche (mm)
0,12
0,15
15
2600
28
0,75
7
> 19–30
0,10
0,10
15
2400
21
0,70
7
> 30–45
0,10
0,10
15
2200
19
0,60
6
> 45
Anmerkung: Wenn durch den Käufer bekannt gegeben wurde, dass die Platten für den speziellen Einsatz in Fußböden, bei Innenwänden oder Dachkonstruktionen verwendet werden sollen, sind auch die entsprechenden Leistungsfähigkeits-Normen in Betracht zu ziehen. Deshalb kann die Einhaltung zusätzlicher Anforderungen verlangt werden.
1)
0,20
N/mm2
Option 2 Querzugfestigkeit nach Kochprüfung1)
EN 319 EN 1087-1
Querzugfestigkeit nach Zyklustest
0,35
EN 317 EN 321
Option 1 Dickenquellung nach Zyklustest
3000
N/mm2
N/mm2
EN 310
BiegeElastizitätsmodul
34
N/mm2
EN 319 EN 321
EN 310
Biegefestigkeit
0,70
N/mm2
50
EN 319
Querzugfestigkeit
35
1,8–2,5 %
Einheit
%
EN 317
Prüfverfahren
Dickenquellung 24 h
Eigenschaft
Tabelle 14.35 Anforderungen an MDF-Platten für tragende Zwecke zur Verwendung im Feuchtebereich (DIN EN 622-5)
14.2 Holzwerkstoffe
881
882
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.2.3.2 Normtypen nach der Verwendung
Nach DIN EN 636 werden folgende Verwendungen unterschieden: 1. Sperrholz zur Verwendung im Trockenbereich 2. Sperrholz zur Verwendung im Feuchtbereich 3. Sperrholz zur Verwendung im Außenbereich Für die Anwendung dieser Norm können alle Sperrholztypen mit Hilfe eines Systems klassifiziert werden, das auf den Biegeeigenschaften beruht (Tabelle 14.36). Biegefestigkeit Klasse
fm0,5
Mindestwert (N/mm2)
F3
5
F5
8
F 10
15
F 15
23
F 20
30
F 25
38
F 30
45
F 40
60
F 50
75
F 60
90
F 70
105
F 80
120
Tabelle 14.36 Biegefestigkeitsklassen für Sperrholz (DIN EN 636)
14.2.4 Zuordnung der Bauplatten-Typen zu den Holzwerkstoffklassen Treten in Holzwerkstoffen längerfristig Feuchtigkeiten von über 18 M.-% auf, so werden dadurch Voraussetzungen für einen Pilzbefall geschaffen. Weiterhin kann eine übermäßige Verformung durch Schwinden oder Quellen die Brauchbarkeit der Kon-struktion beeinträchtigen. Um unzuträgliche Veränderungen des Feuchtegehaltes von Holzwerkstoffen auszuschließen, sind vorbeugende konstruktive und bauphysikalische Maßnahmen erforderlich. Diese sind in DIN 68 800 T2 „Holzschutz im Hochbau“ zusammengefasst. Die Holzfeuchtehöchstwerte von Holzwerkstoffplatten zeigt Tabelle 14.37. Die Zuordnung der Bauplattentypen zu den Holzwerkstoffklassen findet man in Tabelle 14.38. Holzwerkstoffe gemäß DIN EN 13986, die im Bauwesen verwendet werden, müssen mit einem CEZeichen gekennzeichnet werden.
883
14.3 Holzklebstoffe
Tabelle 14.37 Höchstwerte der Feuchte von Holzwerkstoffen (max ugl) in M.-% bezogen auf das Darrgewicht im Gebrauchszustand Holzwerkstoffklasse
max ugl [M.-%]1)
20
152)
100
18
100 G
21
1)
ugl = Gleichgewichtsholzfeuchte
2)
Für Holzfaserplatten beträgt der Höchstwert 12 M.-%
Tabelle 14.38 Zuordnung der Bauplattentypen zu den Holzwerkstoffklassen nach DIN 68 800 T2 Holzwerkstoff
Norm
Plattentyp für die Holzwerkstoffklasse 20
100
100 G
Sperrholz Bau-Furniersperrholz
DIN 68705-3
BFU 20
BFU 100
BFU 100 G
Bau-Furniersperrholz aus Buche
DIN 68705-5
–1)
BFU-BU 100
BFU-BU 100 G
Spanplatten Flachpressplatten für das Bauwe- DIN 68763 sen
V 20
V 100
V 100 G
Holzfaserplatten Harte Holzfaserplatten für das Bauwesen
DIN 68754-1
HFH 20
–1)
–1)
Mittelharte Holzfaserplatten für das Bauwesen
DIN 68754-1
HFM 20
–1)
–1)
1)
Hierfür besteht keine Norm.
14.3 Holzklebstoffe 14.3.1 Begriffe In der Bau-und Holz- und Möbelindustrie werden Klebstoffe in den verschiedensten Bereichen wie z. B. Holzbau, Holzwerkstoffherstellung oder Klavierbau eingesetzt. Dabei sind die organischen Klebstoffe auf der Basis von Naturprodukten in den Hintergrund getreten während synthetische Klebstoffe dem Holz neue Anwendungsgebiete erschlossen haben. Einige synthetische Klebstoffe werden auch als Kunstharzklebstoffe oder Kunstharze bezeichnet.
884
14 Holz und Holzwerkstoffe
Ein Klebstoff ist ein nichtmetallischer Werkstoff, der Fügeteile durch Oberflächenhaftung (Adhäsion) und innere Festigkeit (Kohäsion) verbindet, ohne das Gefüge wesentlich zu ändern (DIN EN 923). Nach dem Lösungs- bzw. Dispersionsmittel kann man alle Klebstoffe wie folgt einteilen:
Lösungs- oder Dispersionsmittel:
Wasser
organische Lösungsmittel
lösungsmittelfrei
Klebstoffgruppe:
Leime
Lösungsmittelklebstoffe
z. B. Schmelzklebstoffe
Nach dem Abbindemechanismus unterscheidet man Reaktionsklebstoffe, die durch eine chemische Reaktion abbinden und Nichtreaktionsklebstoffe. Der Aufbau dreidimensional hochvernetzter Makromoleküle erfolgt während des Abbindevorgangs durch Polykondensation oder Polyaddition. Der Vorgang des Klebens ist sehr komplex und wissenschaftlich nicht vollständig geklärt. Die Haftung des Klebstoffs ist auf die Wirkung chemischer und physikalischer Kräfte zwischen den Molekülen der Fügeteiloberfläche und denen des Klebstoffs zurückzuführen. Die Einsatzgebiete der einzelnen Klebstoffe zeigt Tabelle 14.39.
14.3.2 Wichtige Holzklebstoffe 14.3.2.1 Reaktionsklebstoffe 14.3.2.1.1 Harnstoff-Formaldehyd-Harz (UF)
Harnstoffformaldehydklebstoffe sind die wichtigsten Klebstoffe zur Herstellung von Möbeln und Holzwerkstoffen. Sie weisen eine Reihe von Vorteilen auf, die wesentlich zu ihrer großen Bedeutung beigetragen haben (Tabelle 14.40). Nachteilig ist die Empfindlichkeit der UF-Klebstoffe gegen Feuchtigkeit und die Formaldehydabspaltung, wobei das Problem der Formaldehydabspaltung heute im Wesentlichen gelöst ist. Einsatzgebiete: Spanplatten, MDF, Sperrholz, Massivholzplatten, Beschichtung von Holzwerkstoffen, Möbelherstellung Melamin-Formaldehydklebstoffe (MF) sind den UF-Klebstoffen sehr ähnlich, sie sind jedoch feuchtebeständiger. Wegen des höheren Preises werden sie nur für spezielle Zwecke eingesetzt: Imprägnier-und Tränkharze (z. B. HPL), Verstärkung von UF-Klebstoffen (MUFKlebstoffe).
885
14.3 Holzklebstoffe Tabelle 14.39 Einsatzgebiete verschiedener Klebstoffe [14.12] Typ UF mUF
V20
V100
V313
FP
X
X
X2)
PLW
MUPF
X
PF/P
X
Aktivierung
Möb.
X1)
X1)
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X X
X
X
X
X X
hist. nat. BM anorg. BM
Furn
(X)
PVAc nat. BM
MH
X
RF PMDI
HLB
X X3)
MF/MUF
MDF
X X
X
X
X
X
X4)
X X
X
1) Teilweise
Pulverleime. Platten mit reduzierter Dickenquellung, z. B. für den Einsatz als Trägerplatten für Laminatfußböden. 3) Nur als MUF + PMDI möglich. 4) Spezielles Herstellverfahren. 2)
UF: mUF: MF/MUF:
Harnstoff-Formaldehyd-Leimharz melaminverstärkte UF-Leime Melamin- bzw. Melamin-Harnstoff-Formaldehyd-Leimharz; der Einsatz von MFHarzen ist nur bei Abmischung mit UF-Harzen gegeben MUPF: Melamin-Harnstoff-Phenol-Formaldehyd-Leimharz PF/P: Phenol-bzw. Phenol-Harnstoff-Formaldehyd-Leimharz RF: Resorcin-(Phenol-)Formaldehyd-Leimharz PMDI: Polymethylendiisocyanat PVAc: Polyvinylacetatleim (Weißleim) hist. nat. BM: historische, natürliche Bindemittel, z.B. Stärke-, Glutin- oder Kaseinleime nat. BM: neuere natürliche Bindemittel (Tannin, Lignin, Kohlehydrate) anorg. BM: anorganische Bindemittel: Zement, Gips Aktivierung: Aktivierung holzeigener Bindemittel V20: V100: V313: FP: MDF: PLW: HLB: MH: Furnierung: Möbel:
Spanplatten nach DIN 68761 (T. 1 und 4, FPY, FPO), DIN 68763 (V20) bzw. EN 312-2 bis -4 bzw. -6 Spanplatte nach DIN 68763 bzw. EN 312-5 und -7, Option 2 (Querzugprüfung nach Kochprüfung nach EN 1087-1) Spanplatte nach EN 312-5 und -7, Option 1 (Zyklustest nach EN 321) Hartfaserplatte nach dem Nassverfahren (EN 622-2) Mitteldichte Faserplatte nach EN 622 Teil 5: je nach Plattenart (Einsatz im Trockenoder Feuchtbereich) werden unterschiedliche Bindemittel eingesetzt Sperrholz nach EN 636 mit unterschiedlichen Wasserfestigkeiten (plywood), danach richtet sich die Auswahl des erforderlichen Bindemittels konstruktiver Holzleimbau Massivholzplatten nach ÖNORM B 3021 bis B 3023 Furnierung bzw. Kaschierung von Spanplatten Möbelherstellung
886
14 Holz und Holzwerkstoffe
Tabelle 14.40 Eigenschaften und Vorteile der Harnstoffformaldehydklebstoffe [14.12] – wässriges System, anfängliche Wasserlöslichkeit, keine organischen Lösungsmittel – einfache Handhabung und Verarbeitung – vielseitige Möglichkeiten der Anwendung und der Anpassung an die jeweiligenAushärtungsbedingungen – variable Einsetzbarkeit bei der Verarbeitung verschiedenster Hölzer (optimale Restholzverwertung – Kalt- und Heißverleimung möglich (unter Variation der Leimtypen sowie der Härtertypen und mengen) – für Hochfrequenzhärtung geeignet – einfacher Wechsel von Leimsystemen innerhalb der Gruppe der aminoplastischen Harze möglich – gute Kombinierbarkeit mit anderen Bindemittelsystemen, z.B. Isocyanat oder PVAc-Leim (Weißleim) – Kaltklebrigkeit möglich bei speziellen Leimeinstellungen – hohe Reaktivität bei langer Gebrauchsdauer (Topfzeit) der Leimflotte – schnelle und vollständige Aushärtung (hohe Produktivität, z.B. in der Spanplattenindustrie) – duroplastisches Verhalten der ausgehärteten Leimfuge – hohe Festigkeit der Verleimung – farblose ausgehärtete Leimfuge – hohe thermische Beständigkeit bei Ausschluss von hydrolytischem Angriff – wenig Lagerhaltungsprobleme (zulässige Lagerdauer muss allerdings beachtet werden) – keine besonderen Probleme bei Reinigung und Instandhaltung von Verarbeitungsgeräten – keine besondere Abwasserproblematik – problemarme Entsorgung nach Aushärtung – keine besonderen Probleme bei der Schleifstaubverbrennung im Gegensatz zu z.B. Phenolharzen wegen deren Alkaligehaltes – Unbrennbarkeit – gute Beschichtbarkeit von UF-gebundenen Spanplatten – weit verbreitete und gesicherte Verfügbarkeit – niedriger Preis im Vergleich zu anderen Bindemitteln
14.3.2.1.2 Phenol-Formaldehyd-Harz (PF)
Phenolformaldehydklebstoffe sind nach den UF-Klebstoffen die wichtigsten Polykondensationsklebstoffe in der Holzindustrie. Wegen der C-C-Bindungen zwischen den Phenolkernen sind PF-Klebstoffe sehr hydrolysestabil und damit feuchtebeständig. Sie werden besonders für Holzwerkstoffe mit einer Beständigkeit gegen höhere Luftfeuchte (V100-Platten) oder für HPL-Platten eingesetzt. Die wichtigsten Vor-und Nachteile der PF-Klebstoffe zeigt Tabelle 14.41.
14.3 Holzklebstoffe
887
Tabelle 14.41 Vor-und Nachteile von PF-Klebstoffen [14.12] Vorteile – geringe bis weitgehend fehlende Formaldehydabgabe – hohe Feuchtigkeits- und Witterungsbeständigkeit PF-gebundener Platten – niedrige Dickenquellung PF-gebundener Platten Nachteile – im Vergleich zu aminoplastischen Harzen langsamere Härtung – Probleme bei Verarbeitung verschiedener saurer Holzarten (z. B. Eiche, Birke, Edelkastanie) – hohe Feuchtigkeitsaufnahme bei Lagerung der Platten bei höherer relativer Luftfeuchtigkeit infolge der Hygroskopizität des eingesetzten Alkalis (NaOH) – dunkle Farbe der Leimfuge: z. B. charakteristisches Abzeichnen der Leimfuge bei hellem AW100-Furniersperrholz, dunkle Oberfläche PF-gebundener Spanplatten
14.3.2.1.3 Resorcin-Formaldehyd-Harz (RF)
Resorcin ist ein zweiwertiges Phenol und deshalb besonders reaktionsfähig. Es härtet bei Raumtemperatur im neutralen Bereich aus und wird deshalb besonders für Kaltverleimungen eingesetzt. Die ausgehärteten Leimfugen zeigen eine hohe Festigkeit und eine sehr gute Wasserbeständigkeit, RF-Klebstoff ist jedoch teurer als PF-Klebstoff. Deshalb wird RF-Klebstoff nur für Spezialzwecke oder zum Verschneiden von PF-Klebstoff (PRF) eingesetzt. Einsatzgebiete: Ingenieurholzbau (Holzleimbau), Bootsbau
14.3.2.1.4 Polyurethan-Klebstoffe (PUR)
Diese werden in der Regel durch Polyaddition aus mehrwertigen Isocyanaten und OHgruppenhaltigen Verbindungen (Polyolen) hergestellt. Je nach Art der bei der Verklebung ablaufenden Reaktion unterscheidet man Einkomponenten-, Zweikomponenten- und Lösungsmittel-und Dispersionsklebstoffe. Im Holzbereich werden PUR-Klebstoffe überwiegend bei der Spanplattenherstellung als Isocyanatklebstoffe (PMDI) eingesetzt. Das Diphenylmethan-diisocyanat (PMDI) nimmt eine Sonderstellung unter den Reaktionsklebstoffen ein. Es hat höhere Bindefestigkeiten als alle Kondensationsklebstoffe. Als Ursache wird vermutet, dass die Isocyanatgruppen mit den OH-Gruppen des Holzes zum Teil kovalente, also chemische Bindungen eingehen. PMDI ist formaldehydfrei, bei Einsatz in der Deckschicht von Holzwerkstoffen sind spezielle Trennmittel erforderlich.
888
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.3.2.2 Nichtreaktionsklebstoffe 14.3.2.2.1 Polyvinylacetatleim (Weißleim)
Die PVAC-Leime sind nach den UF-Harzen die wichtigsten Klebstoffe in der Möbelindustrie. Sie härten physikalisch aus durch Abwandern des Dispersionswassers, wobei der milchigweiße Leim – daher der Name – transparent wird. Ihre weite Verbreitung beruht auf folgenden Eigenschaften bzw. Vorteilen: unbrennbar physiologisch unbedenklich nahezu unbegrenzt lagerfähig farbloser Klebefilm wasserverdünnbar, gute Gerätereinigung sehr gute Adhäsion gegenüber Holz und Holzwerkstoffen Nachteile der PVAC-Leime: temperaturbeständig bis ca. 100 °C quellen in Wasser und verlieren an Festigkeit zeigen kalten Fluss nur oberhalb der Mindestfilmbildungstemperatur (Kreidepunkt, Weißpunkt) zu verarbeiten teilweise durch Frost unbrauchbar Zweikomponenten PVAC-Klebstoffe (mit Härter) haben eine höherer thermische und Wasserbeständigkeit (bis Beanspruchungsgruppe D4), Bild 14-43.
Bild 14-43 Wärmebeständigkeit modifizierter PVACLeime im Vergleich zu RF-Leimen 1 = PVAC 2 = PVAC + Härter 3 = RF-Harz Trockenbindefestigkeit (gestrichelte Linien) Festigkeit nach 48 h Wasserlagerung und dann Einwirkung der Temperatur (durchgezogene Linien ) [14.11]
14.3 Holzklebstoffe
889
14.3.2.2.2 Schmelzklebstoff
Schmelzklebstoffe sind thermoplastische Kunststoffe, die keine Lösungsmittel enthalten. Sie sind bei Raumtemperatur fest und werden als Pulver, Granulat, Patronen oder stückiges Gut verarbeitet. Durch Aufschmelzen werden sie in den flüssigen, klebeaktiven Zustand überführt. Durch das anschließende Abkühlen erstarrt die Schmelze in wenigen Sekunden. Einsatzgebiete: Schmalflächenverklebungen, Ummanteln, Montageverklebungen, Verpackungen. Vorteile: hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten (bis 100 m/min) unbegrenzte Lagerbeständigkeit keine Topfzeit enthält keine Lösungsmittel Nachteile: geringe Wärmebeständigkeit Neigung zum kalten Fluss
Reaktive Schmelzklebstoffe Die Temperatur-, Feuchtigkeits- und Alterungsbeständigkeit wird bei reaktiven Schmelzklebstoffen durch die chemische Vernetzung der Moleküle erheblich erhöht. So ist eine Wärmebeständigkeit bis 200 °C möglich. Die Aushärtung erfolgt durch die in den Fügeteilen enthaltene Feuchtigkeit. Deshalb müssen diese Klebstoffe vor Feuchtigkeit geschützt gelagert und verarbeitet werden.
Klebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe In den vergangenen Jahren haben sich Wissenschaft und Forschung verstärkt mit natürlichen Klebstoffen auf der Basis von Tannin, Lignin, Eiweiß oder Kohlenhydraten befasst. Zu einem bedeutenden Einsatz ist es bisher aus verschiedensten Gründen jedoch nicht gekommen.
14.3.2.3 Beanspruchungsgruppen für Holzklebstoffe
Holzklebstoffe werden vielfältig im Innen- und Außenbereich eingesetzt. In DIN EN 12765 und 204 sind die Beanspruchungsgruppen für duroplastische und thermoplastische Holzklebstoffe festgelegt. Diese legen die Klimabedingungen und Anwendungsbereiche verklebter Teile fest. Die Beanspruchungsgruppen für thermoplastische Holzverklebungen werden mit D1 bis D4 bezeichnet (DIN EN 204). Die Verbindung der Anwendungsbereiche zu den Holzwerkstoffklassen zeigt Tabelle 14.43.
890
14 Holz und Holzwerkstoffe
Tabelle 14.42 Beanspruchungsgruppen für duroplastische Holzverklebungen nichttragender Bauteile (DIN EN 12765) Beanspruchungsgruppe
Beispiele der Klimabedingungen und Anwendungsbereiche
C1
Innenbereich, maximale Holzfeuchte 15 %
C2
Innenbereich mit gelegentlicher kurzzeitiger Einwirkung von abfließendem Wasser oder Kondenswasser und/oder gelegentlicher hoher Luftfeuchte mit einem Anstieg der Holzfeuchte bis 18 %
C3
Innenbereich mit häufiger kurzzeitiger Einwirkung von abfließendem Wasser oder Kondenswasser und/oder durch Einwirkung hoher Luftfeuchte. Außenbereich, vor der Witterung geschützt
C4
Innenbereich mit häufiger langanhaltender Einwirkung von abfließendem Wasser oder Kondenswasser. Außenbereich, der Witterung ausgesetzt, jedoch mit angemessenem Oberflächenschutz
Tabelle 14.43 Zuordnung der Anwendungsbereiche zu den Holzwerkstoffklassen nach DIN 68800 T2 Zeile
Anwendungsbereich
1
Raumseitige Beplankung von Wänden, Decken und Dächern in Wohngebäuden sowie in Gebäuden mit vergleichbarer Nutzung1)
1.1
Allgemein
1.2
Obere Beplankung sowie tragende oder aussteifende Schalung von Decken unter nicht ausgebauten Dachgeschossen a) belüftete Decken2) b) nicht belüftete Decken – ohne ausreichende Dämmschichtauflage3) – mit ausreichender Dämmschichtauflage (1/Λ ≥ 0,75 m2K/W)4)
Holzwerkstoffklasse
20
20 100 20
2
Außenbeplankung von Außenwänden
2.1
Hohlraum zwischen Außenbeplankung und Vorhangschale (Wetterschutz) belüftet
100
2.2
Vorhangschale als Wetterschutz, Hohlraum nicht ausreichend belüftet, diffusionsoffene, Wasser ableitende Abdeckung der Beplankung
100
2.3
Auf der Beplankung direkt aufliegendes Wärmedämm-Verbundsystem
100
2.4
Mauerwerk-Vorsatzschale, Hohlraum nicht ausreichend belüftet, Abdeckung der Beplankung mit: a) Wasser ableitender Schicht mit sd = 1 m b) Hartschaumplatte, mindestens 30 mm dick
100
891
14.4 Gebrauchtholz-Recycling Zeile
Anwendungsbereich
Holzwerkstoffklasse
3
Obere Beplankung von Dächern, tragende oder aussteifende Dachschalung
3.1
Beplankung oder Schalung steht mit der Raumluft in Verbindung
3.1.1
Mit aufliegender Wärmedämmschicht (z. B. in Wohngebäuden, beheizten Hallen)
20
3.1.2
Ohne aufliegende Wärmedämmschicht (z. B. Flachdächer über unbeheizten Hallen)
100 G
3.2
Dachquerschnitt unterhalb der Beplankung oder Schalung belüftet (siehe Bild 5a)
3.2.1
Geneigtes Dach mit Dachdeckung
3.2.2
Flachdach mit Dachabdichtung3)
3.3
Dachquerschnitt unterhalb der Beplankung oder Schalung nicht belüftet (siehe Bild 5b)
3.3.1
Belüfteter Hohlraum oberhalb der Beplankung oder Schalung, Holzwerkstoff oberseitig mit Wasser abweisender Folie oder dergleichen abgedeckt3)
3.3.2
Keine dampfsperrenden Schichten (z.B. Folien) unterhalb der Beplankung oder Schalung, Wärmeschutz überwiegend oberhalb der Beplankung oder Schalung
100 100 G
100 G
100
1) Dazu zählen auch nicht ausgebaute Dachräume von Wohngebäuden. 2) Hohlräume gelten im Sinne dieser Norm als ausreichend belüftet, wenn die Größe der Zu- und Abluftöffnungen mindestens je 2% der zu belüftenden Fläche, bei Decken unter nicht ausgebauten Dachgeschossen mindestens jedoch 200 cm2 je m Deckenbreite beträgt. 3) Von solchen Konstruktionen wird wegen der Möglichkeit ungewollt auftretender Feuchte, z. B. Tauwasserbildung infolge Wasserdampf-Konvektion, im allgemeinen abgeraten; vergleiche jedoch Abschnitt 9, Ausbildungen b) und c). 4) Wärmedurchlasswiderstand 1/Λ; Berechnung nach DIN 4108-5
14.4 Gebrauchtholz-Recycling In Deutschland fallen jährlich ca. 8 Mio. t Gebrauchtholz und ca. 11 Mio. t Produktionsabfälle an (Bild 14.44) [14.16]. Die Produktionsabfälle werden größtenteils in der Holzwerkstoff- und Zellstoffindustrie stofflich oder energetisch verwertet. Das Gebrauchtholz umfasst folgende, in Tabelle 14.44 aufgeführten Sortimente.
892
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-44 Menge und Zusammensetzung von Holzabfällen in Deutschland
Tabelle 14.44 Geschätzte Gebrauchtholzmenge 2001 [14.16] Beispiele
Mengenanfall [Mio. t/a]
Verpackungsrestholz
Kisten, Paletten
1,0
Holz aus dem Bau- und Abbruchbereich
Fenster, Türen, Balken, Vertäfelungen
3,2
Holz aus der Außenanwendung
Schwellen, Masten, Zäune, Stangen
0,7
Holzhaltiges Sperrgut und Altmöbel
Möbel aller Art, Böden, Paneele
2,8
Sonstige
Kabeltrommeln, Pfähle
0,3
Gesamt
8,0
Das Gebrauchtholz wurde 2001 wie folgt verwendet [14.17]: 3,5 Mio. t Deponie oder Müllverbrennung 1,6 Mio. t energetische Verwertung 1,2 Mio. t stoffliche Verwertung 0,8 Mio. t Export 1,0 Mio. t ungeklärte Verwendung Durch die TA Siedlungsabfall darf Gebrauchtholz seit 2005 nicht mehr auf Deponien gelagert werden. Seitdem hat sich dieser Entsorgungspfad zugunsten der Müllverbrennung und der energetischen Verwertung verlagert. Nach den Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes kann der größte Teil des Gebrauchtholzes energetisch und stofflich verwertet werden.
14.4 Gebrauchtholz-Recycling
893
Folgende Altholzkategorien werden nach der Altholzverordnung unterschieden: Tabelle 14.45 Altholzkategorien nach der Altholzverordnung [14.18]
Altholzkategorie A I
naturbelassenes oder lediglich mechanisch bearbeitetes Altholz, das bei seiner Verwendung nicht mehr als unerheblich mit holzfremden Stoffen verunreinigt wurde.
Altholzkategorie A II
verleimtes, gestrichenes, beschichtetes, lackiertes oder anderweitig behandeltes Altholz ohne halogenorganische Verbindungen in der Beschichtung und ohne Holzschutzmittel
Altholzkategorie A III
Altholz mit halogenorganischen Verbindungen in der Beschichtung ohne Holzschutzmittel
Altholzkategorie A IV
mit Holzschutzmitteln behandeltes Altholz wie Bahnschwellen, Leitungsmasten, Hopfenstangen, Rebpfähle sowie sonstiges Altholz, das auf Grund seiner Schadstoffbelastung nicht den Altholzkategorien A I, A II oder A III zugeordnet werden kann, ausgenommen PCB-Altholz
PCB-Altholz
Altholz, das PCB im Sinne der PCB-/PCT-Abfallverordnung ist nach deren Vorschriften zu entsorgen ist, insbesondere Dämmund Schallschutzplatten, die mit Mitteln behandelt wurden, die polychlorierte Biphenyle enthalten
Die energetische Verwertung bietet sich besonders bei Gebrauchtholzkategorien an, die erheblich mit Schadstoffen belastet sind. Viele Holzwerkstoffwerke betreiben heute große Feuerungsanlagen für Gebrauchtholz und Produktionsabfälle in denen Prozesswärme und Strom erzeugt wird. Bei weiter steigendem Ölpreis wird der Anteil des Gebrauchtholzes, der energetisch genutzt wird, weiter ansteigen [14.17]. Die wichtigste stoffliche Verwertung von Gebrauchtholz ist der Einsatz als Rohstoff in der Span- und Faserplattenindustrie. Das vom WKI entwickelte Verfahren zum Aufschluss von Möbeln aus Holzwerkstoffen ist ein chemo-thermisch-mechanisches Verfahren (Bild 14-45). Die Altmöbel werden zu Stücken mit ca. 15 cm Kantenlänge vorgebrochen. Dieses Material wird dann in einem Kessel mit einer Imprägnierlösung für 20 min auf 110 ºC erhitzt. Die Harnstoffharze werden durch Hydrolyse zerstört. Das aufgeschlossene Span-und Fasermaterial wird von Störstoffen befreit und der Holzwerkstoffproduktion zugeführt (Bild 14-46). Aus den wiedergewonnenen Rohstoffen werden Span- und MDF-Platten hergestellt, deren Eigenschaften denen von Platten aus frischen Rohstoffen mindestens entsprechen. Das WKI-Recyclingverfahren wird in einem Spanplattenwerk in Deutschland seit langem angewendet. Die Aufschlusskapazität liegt bei 100000 t/Jahr. Der Holzbedarf der Holzwerkstoff- sowie der Papier-und Zellstoffindustrie wird künftig weiter steigen. Dieser Anstieg kann z. T. aus dem Altholzaufkommen gedeckt werden, so dass sich die stoffliche Verwertung von Altholz von 1,2 auf 2,5 Mio. t/Jahr erhöhen könnte.
894
14 Holz und Holzwerkstoffe
Bild 14-45 Ablauf der Wiedergewinnung von Spänen und Fasern aus Altmöbeln und Produktionsabfällen [14.19]
Bild 14-46 Recycling von Altmöbelspan- und -faserplatten [14.19]
14.5 Normen und Literatur
895
Die Holzwerkstoffindustrie bietet ca. 16000 Arbeitsplätze, insgesamt sind mit ihr ca. 350000 Arbeitsplätze verbunden (Möbelindustrie, Bauwesen, Handwerk). Ein weiterer Anstieg des Ölpreises und eine steigende Förderung der energetischen Nutzung von Holz würde letztlich der stofflichen Verwertung den Rohstoff entziehen und mehr Arbeitsplätze vernichten als schaffen. Aus sozioökonomischen Gründen sollte die stoffliche Verwertung von Holz Vorrang vor der energetischen Nutzung haben. Die energetische Verwertung ist für belastetes Gebrauchtholz angesagt [14.20].
14.5 Normen und Literatur 14.5.1 Normen Der überwiegende Teil der DIN-Holz-und Holzwerkstoffnormen ist inzwischen durch DIN EN-Normen ersetzt worden. Der Bauingenieur, der mit Holz und Holzwerkstoffen arbeitet, muss diese Entwicklung verfolgen und die jeweils gültigen Normen für seine Arbeit heranziehen. Einige wichtige Holz- und Holzwerkstoffnormen seien hier aufgeführt, wobei die Normenentwürfe nicht berücksichtigt wurden. 14.5.1.1 Spanplatten
DIN EN 300 DIN EN309 DIN EN 311 DIN EN 312 DIN EN 633 DIN EN 634
Spanplatten aus langen, schlanken, ausgerichteten Spänen (OSB) Definition und Klassifizierung von Spanplatten Abhebefestigkeit von Spanplatten Anforderungen an Spanplatten Zementgebundene Spanplatten, Definition Zementgebundene Spanplatten, Anforderungen
14.5.1.2 Faserplatten
DIN EN 316 bis DIN EN 321 Prüfung von Holzfaserplatten DIN EN 382 Bestimmung der Oberflächenabsorption DIN EN 622 Anforderungen an Faserplatten 14.5.1.3 Sperrholz
DIN EN 313 DIN EN 314 DIN EN 315 DIN EN 635 DIN EN 636 DIN EN 1072 DIN EN 1084
Klassifizierung von Sperrholz Qualität der Verklebung von Sperrholz Maßtoleranzen Klassifizierung nach dem Aussehen der Oberfläche Anforderungen an Sperrholz Beschreibung der Biegeeigenschaften von Sperrholz Formaldehydabgabeklassen
896
14 Holz und Holzwerkstoffe
14.5.1.4 Holzwerkstoffe
DIN EN 322 DIN EN 323 DIN EN 324 DIN EN 325 DIN EN 326 DIN EN 717
Holzwerkstoffe, Feuchtebestimmung Holzwerkstoffe, Rohdichtebestimmung Holzwerkstoffe, Bestimmung der Plattenmaße Holzwerkstoffe, Bestimmung der Maße der Prüfkörper Holzwerkstoffe, Probenahme, Zuschnitt und Überwachung Holzwerkstoffe, Bestimmung der Formaldehydabgabe
14.5.1.5 Holz
DIN 1052 DIN 4074 DIN 4076 DIN 68364 DIN EN 338 DIN EN 1912
Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holzbauwerken Sortierung von Holz nach der Tragfähigkeit Benennungen und Kurzzeichen auf dem Holzgebiet; Holzarten Kennwerte von Holzarten Bauholz für tragende Zwecke, Festigkeitsklassen Bauholz für tragende Zwecke - Festigkeitsklassen - Zuordnung von visuellen Sortierklassen und Holzarten
14.5.1.6 Holzschutz
DIN 68800-2 DIN 68800-3 DIN 68800-4 DIN EN 335 DIN EN 350 DIN EN 351 DIN EN 460
Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau Vorbeugender chemischer Holzschutz Bekämpfungsmaßnahmen gegen holzzerstörende Pilze und Insekten Definition der Gebrauchsklassen Natürliche Dauerhaftigkeit von Vollholz Mit Holzschutzmittel behandeltes Vollholz Natürliche Dauerhaftigkeit von Vollholz. Leitfaden für die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit von Holz für die Anwendung in den Gefährdungsklassen
14.5.2 Literatur [14.1] [14.2] [14.3] [14.4] [14.5] [14.6] [14.7] [14.8] [14.9]
Holz-Lexikon, Band 1 und Band 2. DRW-Verlag, Stuttgart 2003 Albin, R. und Mitarbeiter: Grundlagen des Möbel- und Innenausbaus. DRW-Verlag, Stuttgart 1991 Niemz, P.: Physik des Holzes und der Holzwerkstoffe. DRW-Verlag, Stuttgart 1993 DIN und DIN EN-Normen Institut für Film und Bild Wagenführ, R.: Anatomie des Holzes. Dresden 1996 Bosshard, H. H.: Holzkunde Band 1. u. 2. Stuttgart 1974 Bau- und Möbelschreiner. Stuttgart 7/86 Hoadley, R. B.: Holz als Werkstoff. Ravensburg 1990
14.5 Normen und Literatur
[14.10] [14.11] [14.12] [14.13] [14.14] [14.15] [14.16] [14.17] [14.18] [14.19] [14.20] [14.21] [14.22] [14.23] [14.24]
897
Müller: Holzschutz im Hochbau. Fraunhofer Verlag, Stuttgart 2005 Zeppenfeld G.: Klebstoffe in der Möbelindustrie. Fachbuchverlag, Leipzig 1991 Dunky, M.; Niemz, P.: Holzwerkstoffe und Leime. Springer Verlag, Berlin 2002 Willeitner, H.; Schwab, E.: Holzaußenverwendung im Hochbau. Verlagsanstalt A. Koch, Stuttgart 1981 Scholz, W.: Baustoffkenntnis. Werner Verlag, Düsseldorf 1999 Kollmann, F.: Technologie des Holzes und der Holzwerkstoffe. Springer Verlag, Berlin 1982 Herlyn, J. W.; Springer, S.: Ökologie und Bauinstandsetzen, 21(2000), S.: 87–98 Marutzky, R.: Endlich auf dem richtigen Wege. In: Recycling-Magazin, 6(2001) S. 8–11 Marutzky, R.: Ordnung im Chaos – Erste Erkenntnisse der Altholzverordnung. In: Holz-und Kunststoffverarbeitung 7/8(2003), S. 71–72 Michanickl, A.; Boehme, C.: Wiedergewinnung von Spänen und Fasern aus Holzwerkstoffen. In: Holz-und Kunststoffverarbeitung 4( 1996), S. 50–55 Marutzky, R.: Vorrang für stoffliche Verwertung von Holz. In: Holz-und Kunststoffverarbeitung 2(2007), S. 24–27 Verordnung über Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Altholz (Altholzverordnung) vom 15.08.2002, BGBl. I, S. 3302 Holzwerkstoffproduktion Europa 2008, www.vhi.de, 2010 Privatmitteilung, Prof. J. Puls, Institut für Holzchemie, Hamburg 10/2010 Langendorf, G.: Handbuch für den Holzschutz. VEB-Verlag, Leipzig 1961
15 Kunststoffe
15.1 Aufbau und Einteilung Kunststoffe sind synthetische, vorwiegend organische Werkstoffe. Sie werden durch die Verknüpfung von Einzelmolekülen zu Molekülketten hergestellt. Insbesondere Kohlenstoffatome sind zur Bildung von Molekülketten und molekularen Netzen befähigt, an deren Aufbau auch andere chemische Elemente wie Wasserstoff und Sauerstoff beteiligt sind, darüber hinaus u. a. Chlor (PVC), Stickstoff (Polyurethane, Polyamide), Fluor (PTFE (= Teflon®)) und Schwefel (Naturgummi, Polysulfide). Kunststoffe werden überwiegend vollsynthetisch aus Erdöl und in geringem Maße aus Erdgas hergestellt, z. T. aber auch halbsynthetisch durch Abwandlung makromolekularer Naturstoffe (z. B. Naturgummi, Naturharze, Zelluloid). Die für die Kunststoffe alternativ verwendeten Bezeichnungen „Polymere“ (= „Vielteilige“) bzw. „Polymerwerkstoffe“ rühren von der oben genannten Verknüpfung einer Vielzahl von Einzelmolekülen, den sogenannten „Monomeren“ (= „Einteilige“), zu Ketten bzw. Netzen her. Ziel der Entwicklung der synthetischen organischen Stoffe war zunächst die Imitation von erwünschten Eigenschaften der natürlichen organischen Stoffe unter Vermeidung von weniger erwünschten Eigenschaften zum Zweck des Ersatzes der natürlichen Stoffe. Sehr bald wurden die Möglichkeiten des „Maßschneiderns“ von synthetischen Werkstoffen erkannt. Neben den organischen Kunststoffen werden im Bauwesen fallweise auch Spezialprodukte auf der Basis anorganisch aufgebauter Kunststoffe verwendet (z. B. Silicone im Bereich des Denkmalschutzes); bei ihnen erfolgt die Kettenbildung über die Elemente Silizium und Sauerstoff. Das Verhalten der Kunststoffe und die sich daraus ergebende Einteilung hängen weitgehend von der Struktur der erzeugten Makromoleküle ab. Grundsätzlich werden sie in drei Gruppen klassifiziert: Thermoplaste sind Kunststoffe, die bei Temperaturerhöhung erweichen und schließlich viskos werden. Die Zustandsänderungen sind reversibel. Daher können diese Kunststoffe in der Wärme plastisch ge- oder verformt und durch Schweißen gefügt werden. Bei Gebrauchstemperatur sind Thermoplaste im Allgemeinen zäh- oder sprödhart, können durch den Einbau monomerer oder polymerer Weichmacher aber auch flexibel eingestellt werden. Ferner lassen sich durch spezielle chemische Bildungsreaktionen wie z. B. der Copolymerisation oder Mischen verschiedener Polymere, also durch Legieren, schlagzähe Thermoplaste herstellen. Duroplaste (auch „Duromere“ genannt) sind bei Gebrauchstemperatur hart und durch Erhitzen nicht schmelzbar. Mit Überschreiten der Zersetzungstemperatur tritt irreversible Zersetzung in Form von Kettenabbau ein. Elastomere sind Kunststoffe, die bei Gebrauchstemperatur gummielastisches Verhalten zeigen. Wie die Duromere sind sie nicht schmelzbar, sondern beginnen sich bei Überschreiten der Zersetzungstemperatur irreversibel zu zersetzen.
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_15, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
900
15 Kunststoffe
15.1.1 Thermoplaste Thermoplaste (auch „Plastomere“ genannt) bestehen aus linearen oder verzweigten Makromolekülen, die bei Überschreiten der Erweichungstemperatur in sich und gegeneinander bis zum viskosen Fließen des Kunststoffes beweglich werden und dann als Schmelze vorliegen, bei Unterschreiten der Erweichungstemperatur sich eng verfilzt (amorph) oder teilweise gebündelt (kristallin) zusammenlagern. Die Erweichungstemperatur wird bei den amorphen Thermoplasten als Glastemperatur und bei den teilkristallinen Thermoplasten als Schmelztemperatur bezeichnet. Thermoplastische Kunststoffe können – soweit nicht der bei übermäßiger Temperaturbeanspruchung einsetzende chemische Abbau Grenzen setzt – wiederholt und kontinuierlich warmgeformt werden; die Erzeugnisse erstarren durch Abkühlen. Amorphe thermoplastische Kunststoffe durchlaufen unterhalb des Fließ-Temperaturbereiches einen gummielastischen Zustandsbereich, in dem Halbzeug (Rohre, Profile, Tafeln) mit vergleichsweise geringen Kräften, z. B. durch Biegen von Hand, maschinell durch Abkanten, Recken, Saugen (Vakuum) oder Blasen, umgeformt werden kann. Die so erzeugten Formgebungen müssen durch Abkühlen unter Aufrechterhaltung des Formzwanges fixiert werden. Die dabei erzielten und durch die Abkühlung eingefrorenen molekularen Orientierungen stellen sich beim Wiedererwärmen bis in den gummielastischen Zustandsbereich, also schon bei niedrigeren Temperaturen als bei der thermoplastischen Urformung des Rohstoffes, zurück (sogenannter „Memory-Effekt“); die begleitenden Schrumpfprozesse in den umgeformten Bereichen des Werkstücks führen zur weitgehenden Rückformung und damit zu dessen Unbrauchbarkeit. Thermoplastische Kunststoffe können im geschmolzenen Zustand geschweißt werden, wobei die Makromoleküle in der Schweißzone durch äußeren Druck zur Verfilzung gebracht werden müssen. Dem Vorteil vielseitiger Verarbeitbarkeit von Thermoplasten steht als Nachteil die entsprechende Temperaturabhängigkeit des mechanischen Verhaltens gegenüber; die Temperaturgrenzen störender Versteifung, Versprödung oder Erweichung liegen bei den zahlreichen Kunststoffen dieser Gruppe allerdings sehr unterschiedlich und können bei der Herstellung in bestimmten Grenzen (materialabhängig) beeinflusst werden. Die einzelnen thermoplastischen Kunststoffe bieten ein breit gefächertes Eigenschaftsspektrum im Hinblick auf Härte, Zugund Biegefestigkeit, Schlagzähigkeit und Verformbarkeit, Kurz- und Langzeitverhalten, Witterungs- und Alterungsverhalten sowie der chemischen Beständigkeit verschiedener Werkstoffe. Einige sind infolge ihres besonderen molekularen Baus bereits bei Gebrauchstemperaturen gummiartig weich oder können wie z. B. Polyvinylchlorid durch Weichmachung, d. h. durch Zusatz „monomerer Weichmacher“ (meist auf Phthalsäureesterbasis wie z. B. Dioctylphthalat (DOP)) oder polymerer Weichmacher (Kunststoffgemisch (= Legierung) oder Copolymerisation) gummielastisch eingestellt werden. In die Zwischengruppe „Thermoelaste“ werden harte Kunststoffe eingereiht, die bei höherer Temperatur zwar thermoelastisch warmformbar, aber nicht viskos werden. Zu diesen gehört z. B. das gegossene, sehr hochmolekulare Acrylglas. Sogenannte „thermoplastische Elastomere“ sind Thermoplaste, die infolge anteiliger temperaturstandfester Bindungen in der Makromolekülstruktur über einen weiten Temperaturbereich (bis etwa 100 °C) gummielastisch standfest sind. Sie ermöglichen die Einsparung des für herkömmliche WeichgummiErzeugnisse erforderlichen Arbeitsgangs der chemischen Vernetzung (Vulkanisation) nach der Formung durch z. B. Spritzgießen oder Extrudieren.
901
15.1 Aufbau und Einteilung Tabelle 15.1 Im Bauwesen eingesetzte Kunststoffe mit Kurzbezeichnungen Kurzbezeichnung
Kunststoff
Kurzbezeichnung
Kunststoff
ABS A/MMA aPB aPP ASA
Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer Acrylnitril-Methylmethacrylat-Copolymer ataktisches Polybutylen ataktisches Polypropylen Acrylnitril-Styrol-Acrylat-Copolymer
PF PIB PIR PMI PMMA
CA CAB CAP CP CR CSM (DKS) ECB EP EP-GF EPDM EVA E/VAC GFK IIR MF NBR PA PAN PB PBTP PC PCD PE PE-HD
Celluloseacetat Celluloseacetobutyrat Celluloseacetopropionat Cellulosepropionat Chloropren-Kautschuk (Polychloropren) Chlorsulfoniertes Polyethylen Dekorative Schichtplatten (mit MF/PF) Ethylen-Copolymer-Bitumen Epoxid Glasfaserverstärktes Epoxid Ethylen-Propylen-Terpolymer-Kautschuk Ethylen-Vinylacetat Ethylen-Vinylacetat-Copolymer Glasfaserverstärkte Kunststoffe Butylkautschuk Melaminformaldehyd Nitrilkautschuk Polyamid Polyacrylnitril Polybuten Polybutylenterephthalat Polycarbonat Polycarbodiimid Polyethylen (Hart-/Weich-) Polyethylen hoher Dichte (Hart-/Niederdruck-PE) Polyethylen niedriger Dichte (Weich-/Hochdruck-PE) Chloriertes Polyethylen Vernetztes Polyethylen Polyethylenterephthalat (lineares Polyester, gesättigt)
POM PP PPC PP-Cop. PPO PS PTFE PUR PVAC PVC PVC-C PVDC PVDF PVF PVP SA SAN SB SBR Si SI SR UF UP UP-GF
Phenol-Formaldehyd Polyisobutylen Polyisocyanurat Polymethacrylimid Polymethylmethacrylat (Acrylglas) Polyoxymethylen (Polyacetal) Polypropylen Chloriertes Polypropylen Polypropylen-Copolymerisat Polyphenylenoxid Polystyrol Polytetrafluorethylen Polyurethan Polyvinylacetat Polyvinylchlorid (Hart-/Weich-) Chloriertes Polyvinylchlorid Polyvinylidenchlorid Polyvinylidenfluorid Polyvinylfluorid Polyvinylpropionat Styrol-Acryl-Copolymer Styrol-Acrylnitril-Copolymer Styrol-Butadien-Copolymer Styrol-Butadien-Kautschuk Silikon-Kautschuk Silikon Polysulfid-Kautschuk Harnstoff-Formaldehyd Ungesättigtes Polyester Glasfaserverstärktes Polyester
VAC
Vinylacetat
VC VE VP
Vinylchlorid Vinylester Vinylpropionat
PE-LD PE-C PE-X PET (PETP)
902
15 Kunststoffe
15.1.2 Duroplaste Duroplaste (auch „Duromere“ genannt), werden als noch nicht polymere, flüssige oder schmelzbare bzw. in der Wärme viskos erweichende Vorprodukte hergestellt. Erst beim Formungsvorgang entstehen durch eine chemische Reaktion räumlich eng vernetzte Makromoleküle, der Kunststoff „härtet aus“. Ausgehärtete Duroplaste sind in der Regel glasartig hart; ihre mechanischen Eigenschaften sind, da die räumlichen Netzbindungen (= „Vernetzungen“) nur durch chemischen Abbau zerstört werden können, im gesamten Gebrauchsbereich wenig temperaturabhängig. Diesem Vorteil stehen als Nachteile die beschränkten Möglichkeiten einmaliger Formung - Duroplaste sind nicht warm umformbar und nicht schweißbar – und eine gewisse Sprödigkeit der ausgehärteten Kunstharze gegenüber. Die Sprödigkeit kann durch Zugabe von Füllstoffen vermindert, die Druckfestigkeit gesteigert werden. Je nach Typ und Verarbeitungsverfahren sind dies Gesteins- oder Holzmehl, Fasern, Faserstränge, Schnitzel oder Bahnen. Ältere Duroplaste von der Art der ersten, bereits um 1910 durch Totalsynthese aufgebauten Kunststoffe („Bakelite“) brauchen als gefüllte Formmassen zum blasenfreien Aushärten erheblichen Druck bei hoher Temperatur und können deshalb (im Warmpressverfahren) nur zu Werkstücken beschränkter Größe verarbeitet werden. Freizügiger lassen sich die drucklos ohne Abspaltung flüchtiger Nebenprodukte aushärtenden „Reaktionsharze“ verarbeiten (siehe Abschnitt 15.5.2).
15.1.3 Elastomere Elastomere sind polymere Werkstoffe, die sich bei Gebrauchstemperatur im gummielastischen Zustand befinden. Die Makromoleküle sind weitmaschig, d. h. in größeren Abständen untereinander chemisch vernetzt. Die Vernetzungen haben das Bestreben, beim Wegfall äußerer Kräfte auch nach größeren Dehnungen ihre Ausgangslage wieder einzunehmen, so dass keine nennenswerten Restdehnungen auftreten. Die Lagestabilität der Vernetzungspunkte ist darüber hinaus temperaturunabhängig, was die Nichtschmelzbarkeit der Elastomere zur Folge hat. Insofern unterscheiden sich solche elastomeren Stoffe grundsätzlich von weich eingestellten Thermoplasten. Vulkanisierter Natur- und Synthesekautschuk sind Elastomere, die in der Bautechnik z. B. für weitgehend temperaturunabhängig gummielastische Auflager von Betonbauteilen und für Fugendichtungsprofile genutzt werden.
15.1.4 Erkennen von Kunststoffen Das Erkennen von Kunststoffen ohne Hilfsmittel ist nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Einem Kenner ist das Erkennen reiner Kunststoffe mit einfachen Hilfsmitteln (Glühröhrchen, Lackmuspapier usw.) in vielen Fällen möglich. Da Kunststoffe aber nur sehr selten in reiner Form eingesetzt werden, sind alle derartigen Methoden mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Jede Art von Füllstoffen, Pigmenten, Weichmachern usw. verändert die Ergebnisse dieser Kurzprüfungen sehr stark. Um einen Kunststoff mit hinreichender Sicherheit zu identifizieren, müssen in der Regel mehrere physikochemische Analyseverfahren eingesetzt werden, z. B. Infrarotspektrometrie (IR), gekoppelte Gaschromatografie-Massenspektroskopie (GC-MS), Thermoanalyse (DSC,
903
15.2 Wichtige Eigenschaften
TG, TMA) und Röntgenanalyse (EDX, RFA, XRD). Selbst bei der in der Qualitätskontrolle immer häufiger angewendeten Identitätsprüfung, bei der die stoffliche Übereinstimmung von Lieferchargen zu überprüfen ist, müssen in der Regel mehrere der genannten Verfahren, oftmals zusätzlich auch mechanisch-technologische Prüfungen angewendet werden.
15.2 Wichtige Eigenschaften Die Eigenschaften der im Bauwesen eingesetzten Polymerwerkstoffe sind in stärkerem Maß von der Temperatur und der Zeitdauer der Belastung abhängig als die anderer Baustoffe (siehe Bild 15-1). Darüber hinaus weisen sie ein sehr breites Eigenschaftsspektrum auf. Als Extreme seien hier Reaktionsharzbetone und Hartschaum-Dämmstoffe aufgeführt. Einen Vergleich einiger Eigenschaften der Baukunststoffe zu den entsprechenden Eigenschaften anderer Baustoffe gibt Tabelle 15.2 wieder.
210000
290…680
8…20
22000…39000
4,0…6,5
<1
7,8…7,9
Beton
2,2…2,8
250
Holz ca. 15 % Feuchtigkeit3)
0,4…0,8
< 100
ReaktionsharzMassivbeton
2,0…2,4
70…110
verstärkte duroplastische Kunststoffe
1,4…2,0
unverstärkte teilkristalline Thermoplaste
|| 10000...16000
[10–6/K)
400…500
Baustahl
Druckfestigkeit [N/mm²]
Bruchdehnung [%]
E-Modul [N/mm²]
Zugfestigkeit [N/mm²]1)
[°C]
Rohdichte [g/cm³]
Baustoff
maximale Gebrauchstemperatur
Zugversuch
thermischer Längenausdehnungskoeffizient
Tabelle 15.2 Eigenschaftsrichtwerte
2)
~ 12
35…55
9…12
|| 40…80
|| 80…160
~2
10000…30000
15…40
<1
70…150
15…20
80…150
7000…60000
100…>1000
~1
150…500
15…30
0,9…1,4
80…150
1000…4000
20…80
4…20
2)
60…200
gummielastische Stoffe
0,9…1,4
60…150
1…100
5…50
100…600
2)
100…200
harte Schaumstoffe
0,02…0,1
70…130
1…20
0,2…2,0
2)
0,1…1,0
100…200
1)
2) 3)
⊥ 500...1500
⊥ 6…12
3…5
Bei Kunststoffen mit Bruchdehnungen < 2 % (z. B. harte Kunststoffe) sind die Streckgrenze, Zug- und Reißfestigkeit praktisch gleich. Messung nicht üblich || = parallel zur Faserrichtung; ⊥ = senkrecht zur Faserrichtung
904
15 Kunststoffe
Bild 15-1 Einfluss von Temperatur und Zeit auf das Formänderungsverhalten von Kunststoffen [15.9]
15.2.1 Mechanische Eigenschaften Kunststoffe verhalten sich grundsätzlich verschieden bei kurzzeitiger und langzeitiger Belastung. Die von den Herstellern angegebenen Werkstoff-Kennwerte beziehen sich in der Regel auf Kurzzeitversuche. Für den Konstrukteur sind jedoch zumeist Messwerte aus Langzeitversuchen, sogenannte Zeitstandversuche, ausschlaggebend, die in Form von Zeitdehnlinien und daraus abgeleiteten Zeitspannungslinien anfallen. Mit ihrer Hilfe kann der Konstrukteur unter Zuhilfenahme von Abminderungsfaktoren, die z. B. die witterungsbedingte Alterung berücksichtigen, und Sicherheitsbeiwerten entweder die für die planerisch vorgesehene Lebensdauer zulässige Spannung ermitteln oder das Bauteil auf der Grundlage einer zulässigen Verformung bemessen. Aus den Zeitdehnlinien lässt sich darüber hinaus der für die Bemessung ständig belasteter Kunststoffbauteile wichtige Kriechmodul (Langzeit-Elastizitätsmodul) ermitteln. Außerdem können auf der Basis des Zeit-Temperatur-Verschiebungsgesetzes aus temperaturabhängig über nur einige Monate durchgeführten Zeitstandversuchen sehr sichere Extrapolationen des Werkstoffverhaltens über Jahrzehnte abgeleitet werden. Unter länger andauernder Zugbeanspruchung kann es bei Überschreiten der sogenannten „kritischen Dehnung“ zur Spannungsrissbildung – auch Craze- oder Fließzonenbildung genannt – kommen. Der Ort ihres Auftretens wird von Spannungsspitzen bestimmt, die aus der Überlagerung von herstellungsbedingten Zugeigenspannungen und beanspruchungsbedingten Zugspannungen, aber auch aus der Kerbwirkung von Oberflächendefekten resultieren können. Darüber hinaus begünstigt die Einwirkung oberflächenaktiver Flüssigkeiten die Spannungsrissbildung. Je nach Art des Kunststoffes kann diese Erscheinung z. B. durch Detergentien, Mineral- und Pflanzenöle, Laugen und dergleichen ausgelöst werden. Ebenso kann langzeitige Bewitterung an zugbeanspruchten Kunststoff-Außenbauteilen Spannungsrissbildung hervorrufen. Formteile aus Polystyrol neigen besonders zu Spannungsrissbildung; schlagzäh modifiziertes Polystyrol ist weniger anfällig. Auch Polyethylen und Polycarbonat sind, besonders bei ständiger Belastung mit Detergentien, anfällig für Spannungsrissbildung. Wichtige Kurzzeitprüfungen an Baukunststoffen sind der Zugversuch nach DIN EN ISO 527 und der Biegeversuch nach DIN EN ISO 178.
905
15.2 Wichtige Eigenschaften
Im Zugversuch werden ermittelt (siehe Bilder 15-2 und 15-3): Dehnspannung (für Kunststoffe, die keine deutliche Streckspannung haben); Streckspannung; Zugfestigkeit; Bruchspannung (bei gummielastischen Stoffen). Im Biegeversuch wird die Grenzbiegespannung bei Durchbiegung des Probekörpers um das 1,5-fache seiner Höhe ermittelt. Falls der Probekörper vorher bricht, wird die Biegespannung bei Höchstlast oder bei Bruch des Probekörpers gemessen. Die Aussagekraft der Ergebnisse der erwähnten Kurzzeitversuche wird durch die Tatsache relativiert, dass eine Änderung der Prüfgeschwindigkeit innerhalb der normengemäßen Grenzen zu abweichenden Werten führt.
Bild 15-2 SpannungsDehnungsdiagramme beim Zugversuch nach DIN EN ISO 527
Bild 15-3 Spannungs-Dehnungsdiagramme von Duroplasten und Thermoplasten [15.9]
906
15 Kunststoffe
15.2.2 Thermische Eigenschaften Die Bedeutung der Untersuchung der Wärmeformbeständigkeit von Kunststoffen nach genormten Verfahren wird leicht überschätzt. Die bei diesen Prüfungen ermittelten Temperaturen sind nicht mit den Gebrauchs- oder Grenztemperaturen (siehe Tabelle 15.3) der Werkstoffe identisch. Sie sind nur als Vergleichsmaßstab zu sehen. Die Wärmeformbeständigkeit von Thermoplasten wird mit Hilfe des Vicat-Verfahrens (DIN EN ISO 306) ermittelt; dabei wird die Temperatur – „Vicat-Erweichungstemperatur“ (VST) – bestimmt, bei der ein definiert belasteter Stahlstift von 1 mm2 zylindrischem Querschnitt 1 mm tief in den Werkstoff eindringt. Duroplaste wurden früher üblicherweise nach dem Martens-Verfahren geprüft. Heute wird das Verfahren nach DIN EN ISO 75 angewandt; hierbei wird die Temperatur bestimmt, bei der eine zunehmend erwärmte Biegeprobe (als Balken auf zwei Stützen) unter mittig aufgebrachter Last um einen bestimmten Wert verformt ist; sie wird als „HDT-Formbeständigkeit in der Wärme“ bezeichnet, wobei sich die Abkürzung aus den Initialen der angelsächsischen Verfahrensbezeichnung „Heat Deflection/Distortion Test“ ableitet. Die Wärmeformbeständigkeit harter Schaumstoffe für die Wärmedämmung schließlich wird unter Biege- und Druckbeanspruchung nach DIN 53 424 bestimmt. Von großer Bedeutung beim Einsatz von Kunststoffen ist die thermische Längenausdehnung. Die thermischen Längenausdehnungskoeffizienten der im Bauwesen angewandten Kunststoffe liegen um ca. eine Zehnerpotenz höher als derjenige von Aluminium! Ausnahmen bilden hier glasfaserverstärkte Kunststoffe und gefüllte Reaktionsharze, deren thermische Längenausdehnungskoeffizienten ungefähr doppelt so groß sind wie derjenige von Stahl. Bei niedrigen Temperaturen tritt vielfach eine materialabhängige Versprödung der Kunststoffe ein, die für Bauprodukte eine negative Eigenschaft darstellt. Deshalb werden einige Kunststoffe – vor allem im Außenbereich – gar nicht oder nur entsprechend modifiziert (z. B. PVC) eingesetzt, wobei zumeist zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen im Zuge der Verarbeitung zu beachten sind; so dürfen z. B. PVC-Trinkwasserrohre bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt bei Entladen und Verlegung keiner stoßartigen Beanspruchung unterworfen werden. Die Wärmeleitzahlen massiver Kunststoffe liegen in der Größenordnung von 0,15 bis 0,35 W/(m · K) und damit nahe bei den Wärmeleitzahlen verschiedener Hölzer. Diese Werte können durch Beimengungen (z. B. bestimmte Sande für Reaktionsharzmörtel) stark verändert werden. Hartschaum-Dämmstoffe weisen Wärmeleitzahlen von 0,02 bis 0,045 W/(m · K) auf. Organische Kunststoffe sind grundsätzlich brennbar. Allerdings sind Entflammbarkeit und Brandverhalten stark abhängig vom jeweiligen Kunststoff und/oder seinen sonstigen Inhaltsstoffen. So zählt z. B. Polyvinylchlorid (wegen seines hohen Chlorgehaltes, ca. 57 M.-%) zu den schwerentflammbaren Baustoffen, andere Kunststoffe dagegen sind normalentflammbar bzw. leichtentflammbar. Diese Begriffe für die Entflammbarkeit sind in der bauaufsichtlich eingeführten, sich mit dem Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen befassenden DIN 4102 definiert. Häufig gebrauchte Ausdrücke wie „selbstverlöschend“ und dergleichen sind nicht definiert und daher zu vermeiden. Nach DIN 4102 sind nichtbrennbare Baustoffe der Baustoffklasse A1 und A2 zuzuordnen, schwerentflammbare der Baustoffklasse B1, normalentflammbare der Klasse B2, leichtentflammbare der Klasse B3.
907
15.2 Wichtige Eigenschaften Tabelle 15.3 Obere Anwendungstemperatur von Kunststoffen Kunststoff
Kurzzeichen
obere Anwendungstemperatur [°C] bei kurz- / langzeitiger Beanspruchung
Polyethylen niedriger Dichte
PE-LD
90 / 75
Polyethylen hoher Dichte
PE-HD
110 / 90
PP
140 / 110
POM
140 / 100
Polypropylen Polyoxymethylen Polybuten-1 Polyvinylchlorid, weichmacherfrei Polystyrol ABS-Pfropfcopolymerisat
PB
90 / 80
PVC-U
75 / 60
PS
80 / 70
ABS
90 / 70
PMMA
100 / 80
PTFE
260 / 150
Polyamid 6
PA 6
180 / 100
Polyamid 12
PA 12
140 / 80
Polycarbonat
PC
150 / 125
Phenolharz
PF
140 / 110
Melaminharz
MF
120 / 80
Harnstoffharz
UF
100 / 70
Acrylglas Polytetrafluorethylen (z. B. Teflon®)
Epoxidharz
EP
120 / 80
PUR
100 / 80
Polyesterharz
UP
110 / 80
Methacrylharz
Polyurethanharz
MMA
110 / 90
Siliconharz
SI
200 / 140
Celluloseacetat
CA
80 / 70
CAB
100 / 90
Celluloseacetobutyrat
Baustoffe der Klasse B1 sind prüfzeichen- und überwachungspflichtig. Das Prüfzeichen wird vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin erteilt. Für Baustoffe der Klasse B2 muss ein Prüfzeugnis einer anerkannten Prüfanstalt vorgelegt werden. Der Klasse B3 zuzurechnende Stoffe kommen für die Bauausführung praktisch nicht in Frage. In Brandlastberechnungen sind grundsätzlich alle eingebauten Kunststoffe ohne Berücksichtigung der Baustoffklasse einzusetzen. Neben der DIN 4102 sind für den Einsatz von Kunststoffen im Bauwesen auch die Bauordnungen der Bundesländer und verschiedene brandschutztechnische Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Bundesländer zu beachten, die von Land zu Land voneinander abweichen können.
908
15 Kunststoffe
15.2.3 Verhalten gegen Feuchtigkeit Die Wasseraufnahme der im Bauwesen verwendeten Kunststoffe ist außerordentlich gering. Sie kann für die Baupraxis vernachlässigt werden. Ausgenommen hiervon sind die Hartschaum-Dämmstoffe. Bei offenporigen Schaumkunststoffen kann ein volumenbezogener Feuchtegehalt von 30 bis 50 % erreicht werden. Bei einem Schaumkunststoff mit geschlossenporigem Gefüge (extrudierter Polystyrol-Hartschaum) konnte in Einzelfällen ein volumenbezogener Feuchtegehalt von 3 % nachgewiesen werden, die weitaus überwiegende Zahl der Messungen ergab jedoch selbst nach einer Nutzungsdauer von 18 Jahren Werte zwischen 0 und 1 Vol.-%, wenn die allgemein anerkannten Regeln der Technik im Hinblick auf die Wasserdampfdiffusion eingehalten werden. Im Bauwesen sind Wasserdampf-Diffusionsvorgänge von größter Bedeutung. Es ist daher wichtig, die Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl μ geschlossener Baustoffschichten zu kennen. Sie liegt bei massiven Kunststoffen ca. zwischen 10 000 und 600 000, bei Hartschaum-Dämmstoffen je nach Rohdichte und Zellstruktur zwischen 30 und 300 (siehe Tabellen 15.4 und 15.5). Die Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl μ ist eine Vergleichszahl, die angibt, um wieviel höher der Diffusionswiderstand einer Baustoffschicht ist als derjenige einer gleich dicken Luftschicht, wobei μLuft stets 1 ist. Tabelle 15.4 Praktische Rechenwerte der Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahlen μ von Schaumkunststoffen [15.1] Rohdichte [kg/m³]
WasserdampfDiffusionswiderstandszahl μ [–]
15…20 20…25 25…30
30…50 40…60 50…70
PS, extrudierter Schaum – ohne Schäumhaut – mit Schäumhaut
30 35…50
100…130 150…300
PUR-Hartschaum
30…40
50…100
PVC-Hartschaum
30…70
150…300
PF-Hartschaum
20…100
30…50
Stoff PS-Partikelschaum
909
15.2 Wichtige Eigenschaften
Tabelle 15.5 Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahlen μ von Dach- und Dichtungsbahnen
Thermoplaste
Stoff
Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl μ [–]
ECB
50 000…90 000
EVA
3900…15 000
PE-Folie (d = 0,05 mm) PE-C PIB PVC-P (PVC weich)
Elastomere
100 000 40 000…50 000 400 000…1 750 000 10 000…30 000
CR
30 000…40 000
CSM
25 000…58 000
EPDM
15 500…96 000
IIR
165 000…400 000
NBR
10 000
15.2.4 Chemische und biologische Beständigkeit Die Beständigkeit der meisten Kunststoffe gegen korrosive Belastungen aus Wässern aller Art und Industrieatmosphäre ist sehr gut. Duroplaste sind normalerweise gegen Mineralöle, Treibstoffe und Bitumen sowie in den meisten Fällen gegen Lösemittel gut beständig (siehe Tabelle 15.6). Thermoplaste weisen unterschiedliche Charakteristiken auf. Hier kann z. B. ein bitumenbeständiger Kunststoff nicht gegen Mineralöle und Treibstoffe beständig sein, ein anderer ist dagegen nicht bitumenbeständig, kann aber gute Beständigkeit gegen Lösemittel aufweisen (siehe Tabelle 15.6). Im Einzelnen ist die Einholung präziser produktspezifischer Auskünfte über die Beständigkeit erforderlich, wenn Kunststoffe in Kontakt mit aggressiven Medien eingesetzt werden sollen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Chemikaliengemische, die selbst in einschlägigen Nachschlagewerken wie z. B. [15.7] weitgehend unberücksichtigt bleiben. Eines der umfassendsten Nachschlagewerke stellt [15.8] dar. Nicht weichgemachte synthetische Kunststoffe bieten aufgrund ihres chemischen Aufbaus keine Nahrung für Organismen. Ihre biologische Beständigkeit ist daher ausgezeichnet. Wenige Fälle der Zerstörung von Hartschaum-Dämmstoffen durch Nagetiere, Termiten oder Käfer sind bekannt. Im Falle weichmacherhaltiger Materialien wie Fugendichtstoffen kann es bei Anwesenheit von Feuchtigkeit zum Schimmelbefall kommen; aus diesem Grunde bedürfen u. a. Fugendichtstoffe für Sanitärräume einer fungiziden Ausrüstung. Monomer z. B. auf Phthalsäureesterbasis weichgemachte PVC-Dachdichtungsbahnen erleiden durch mikrobiellen Verzehr Weichmacherverluste. Die damit einhergehenden, vornehmlich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verbreitet aufgetretenen Versprödungsprobleme sind inzwischen infolge deutlich größerer Schichtdicken der Bahnen und des dadurch vergrößerten Weichmacherreservoirs während der üblichen Lebensdauer solcher Produkte nicht mehr zu erwarten.
910
15 Kunststoffe
schwache Säuren
starke Säuren
oxydierende Säuren
schwache Laugen
aliphatische Kohlenwasserstoffe
chlorierte Kohlenwasserstoffe
aromatische Kohlenwasserstoffe
Ketone
Fette, Öle
Tabelle 15.6 Chemikalienbeständigkeit einiger Thermoplaste bei Raumtemperatur [15.9]
Polyethylen hoher Dichte
+
+
–
+
+
+
–
+
Polypropylen
+
–
–
+
+
+
–
+
+
PVC-U (PVC hart)
+
–
+
+
+
–
–
–
+
Laugen
+ = beständig = bedingt beständig – = unbeständig
starke
Stoff
PVC-P (PVC weich)
+
+
–
+
–
–
–
–
Polymethylmethacrylat
+
+
+
–
–
–
+
Polystyrol
+
–
+
+
–
–
–
+
Polytetrafluorethylen
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Polyamid
–
–
–
+
o
+
+
+
+
Polycarbonat
+
+
–
–
+
–
–
–
+
15.2.5 Alterung Die Alterung von Werkstoffen findet unter dem komplexen Einfluss der Bewitterung statt. Wirksame Komponenten dieser Bewitterung sind vorrangig: UV-Strahlung Wasser in jeder Form Temperaturwechsel Zeitraffende Bewitterungsversuche im Labor können Näherungswerte für die Witterungsbeständigkeit der geprüften Werkstoffe erbringen, niemals jedoch die langjährige Freibewitterung ersetzen. Für die im Außenbereich eingesetzten Kunststoffe liegen inzwischen bereits Erfahrungen über mehrere Jahrzehnte vor. Hierbei hat sich erwiesen, dass die meisten der Bewitterung ausgesetzten Kunststoffe besonders gegen UV-Strahlung und wärmeempfindlichere Polymerwerkstoffe wie PVC zusätzlich gegen Wärme stabilisiert sein müssen, um Alterungserscheinungen wie z. B. Abfall der Zugfestigkeit, Vergilben und dergleichen zu vermeiden. Die Entwicklung der Stabilisatoren hat einen sehr hohen Standard erreicht. Aufgrund der gesammelten umfangreichen Erfahrungen kann davon ausgegangen werden, dass die für Außenanwendung konzipierten Baukunststoffe eine gute Alterungsbeständigkeit aufweisen, wenn sie keine von den Farben schwarz oder weiß abweichende Pigmentierung besitzen. Das Schwarzpigment Ruß und das Weißpigment TiO2 (Rutil) haben eine hervorragende UV-stabilisierende Wirkung, die den Buntpigmenten in der Regel fehlt. Daher verändern letztere im Zuge der Zeit ihre Farbe mehr oder weniger stark, was insbesondere beim
911
15.2 Wichtige Eigenschaften
späteren Austausch einzelner, schon langzeitig bewitterter Kunststoffelemente zu störenden Farbabweichungen führen kann.
15.2.6 Elektrische, optische, akustische Eigenschaften Kunststoffe sind hervorragende Isolierstoffe. Sie weisen spezifische Durchgangswiderstände von 1010 bis 1018 Ohm · cm auf. Deshalb werden verschiedene Kunststoffe als Installationsund Isoliermaterial für Stark- und Schwachstromanlagen eingesetzt. Andererseits kann der elektrische Durchgangswiderstand durch Zusätze, z. B. Ruß, Metallpulver, bis auf ca. 100 Ohm · cm herabgesetzt werden. Dieses Verfahren findet z. B. Anwendung bei der Herstellung elektrisch leitfähiger Fußbodenbeläge, bei denen besondere Anforderungen an den Erdableitwiderstand zu stellen sind, beispielsweise für Computerräume und explosionsgeschützte Produktions- oder Laborräume. Der hohe elektrische Oberflächenwiderstand verschiedener Kunststoffe kann bei geringer Luftfeuchtigkeit zu elektrostatischen Aufladungen führen. Hierdurch erklärt sich das verhältnismäßig rasche Verschmutzen mancher Kunststoff-Oberflächen. Solche Kunststoffe werden heute vielfach antistatisch ausgerüstet, wobei eine Absenkung des Oberflächenwiderstandes auf < 109 Ohm angestrebt wird; auf jeden Fall sollten 1011 Ohm unterschritten werden, damit diese auch als Verstaubung bezeichnete Verschmutzung im Allgemeinen nicht mehr auftritt. Bei Rohren für Lüftungsanlagen kann die elektrostatische Aufladung der Oberfläche schon durch die Reibung der transportierten Luft erfolgen. Deshalb werden für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen (Tunnel- und Stollenbau, Laboranlagen) Rohre mit Drahteinlagen zur Vermeidung der Oberflächenladung hergestellt. Die Lichtdurchlässigkeit glasklarer und transparenter Kunststoffe ist mit derjenigen von Silicatglas vergleichbar (siehe Bild 15-4). Als besonders geeignet für Kunststoff-Glasbauelemente haben sich Acrylgläser erwiesen, die allerdings oftmals gegen Hagelschlag empfindlich sind. Alterungsbedingt können bei Polycarbonat und Polyvinylchlorid mit der Zeit leichte Vergilbungen eintreten. Bei Polyvinylchlorid wird dieser Erscheinung durch Zusatz von Stabilisatoren entgegengewirkt; es kann aber auch, ebenso wie Polycarbonat, mit ungleich witterungsstabileren Acrylaten beschichtet werden, um das Vergilben zu verhindern.
Bild 15-4 Spektraler Transmissionsgrad im UV-sichtbaren und IR-Bereich von „Makrolon“ (Polycarbonat) [15.24]
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15 Kunststoffe
In Bezug auf akustische Eigenschaften sind an dieser Stelle nur die Kunststoffschäume zu betrachten. So werden aufgrund ihrer Porenstruktur und -größe weiche PolyethylenSchaumstoffe zur Schalldämpfung am Entstehungsort der Geräusche eingesetzt, z. B. in Maschinenräumen, in Tonstudios und dergleichen. Zur Unterstützung des schalldämpfenden Effektes wird oft die Oberfläche der Schaumplatten pyramidenförmig strukturiert. Auch zur Trittschalldämmung werden Kunststoffschäume eingesetzt (siehe Abschnitt 15.4.2.3). Hierbei handelt es sich um elastifizierten Polystyrol-Partikelschaum und Polyethylenschaummatten.
15.3 Umformen und Bearbeiten 15.3.1 Umformen Thermoplastisches Kunststoff-Halbzeug kann unter Wärmeeinfluss umgeformt werden (siehe Abschnitt 15.1.1). Thermoplaste mit amorphem Gefüge, z. B. Polymethylmethacrylat („Acrylglas“), Polystyrol, Polyvinylchlorid, eignen sich aufgrund ihrer ausgeprägteren Viskoelastizität hierfür besser als solche mit teilkristallinem Gefüge.
15.3.2 Recken Recken, auch Verstrecken genannt, bedeutet, das Material bei der formgebenden Verarbeitung kurz vor dem Abkühlen auf die Erstarrungstemperatur in einer (= monoaxial) oder zwei (= biaxial) Richtungen um mehrere 100 % zu ziehen. Dies hat eine Ausrichtung der Molekülfäden zur Folge, die der Fachmann als molekulare Orientierung bezeichnet. Sie wird durch anschließendes Abkühlen unter die Erstarrungstemperatur fixiert. In Orientierungsrichtung nehmen Festigkeit und Elastizitätsmodul erheblich zu, senkrecht dazu nehmen sie ab. Biaxial gereckte Folien und Platten haben in jeder Richtung der Folien- bzw. Plattenebene verbesserte mechanische Eigenschaften. Für im Bauwesen eingesetzte Produkte wird das Verfahren z. B. bei Platten aus Acrylglas (PMMA) und PVC-U angewendet.
15.3.3 Schweißen Thermoplastische Kunststoffe können geschweißt werden. Hierfür sind verschiedene thermische Verfahren entwickelt worden. Von größerer Bedeutung sind hier das Heizkeil- und das Warmgasschweißen. Für den Rohrleitungs- und Anlagenbau mit Polyethylenrohren sind Elektroschweißmuffen verfügbar. In der industriellen Folienverarbeitung ist auch das Hochfrequenzschweißen von Bedeutung. Unabhängig vom angewandten Verfahren werden die zu fügenden Oberflächen zum Schmelzen gebracht, die dadurch beweglich gewordenen Makromoleküle mittels äußeren Drucks ineinander verknäuelt und die Fügung durch Abkühlung fixiert. Die Güte der Schweißung wird durch den sogenannten Schweißfaktor bewertet, der angibt, bei welchem Anteil der Grundfestigkeit der Fügeteile die Schweißnaht versagt. Bei etlichen Kunststoffen, so beim teilkristallinen Polyethylen, sind Schweißfaktoren von 1,0 erzielbar, d. h. die Schweißnaht stellt keine Schwachstelle gegenüber dem Grundwerkstoff dar.
15.3 Umformen und Bearbeiten
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Als „kaltes“ Schweißverfahren, das bei der Verbindung von Dach- und Dichtungsbahnen aus amorphen Thermoplasten ebenso eingesetzt wird wie im Rohrleitungs- und Anlagenbau mit Rohren aus Polyvinylchlorid hart, hat das „Quellschweißen“ Bedeutung gewonnen. Hierbei werden die zu verbindenden Oberflächenteile mit einem Lösemittel angelöst. Die an der mit dem Lösemittel kontaktierten Oberfläche befindlichen Makromoleküle erreichen dann eine dem geschmolzenen Zustand beim Erwärmen bis über die Erweichungstemperatur vergleichbare Beweglichkeit. Die auf diese Weise „klebrig“ gewordenen Oberflächenteile werden aufeinander gepresst, wobei sich die oberflächennahen Makromoleküle ebenso wie beim Schweißen durchdringen und verknäueln. Nach dem Ausdiffundieren des Lösemittels ist auf diese Weise eine homogene, dichte Werkstoffverbindung entstanden.
15.3.4 Kleben Haupteinsatzbereich für Verklebungen von Kunststoffen im Bauwesen sind die Verlegung und Verbindung von Dach- und Abdichtungsbahnen, die Verlegung von Wärmedämmstoffen, von Fußboden- und Wandbelägen. Konstruktive Einsatzgebiete von Reaktionsharzklebstoffen, meist auf der Basis von Epoxidharzen, stellen Verankerungssysteme, kraftschlüssiges Injizieren von Rissen in Stahlbetonund Spannbetonbauteilen und das nachträgliche Verstärken solcher Bauteile mittels unterseitig angeklebter Stahllamellen oder Lamellen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) dar. 15.3.4.1 Kleben von Dach- und Abdichtungsbahnen
Von der vollflächigen Verklebung von Dach- und Abdichtungsbahnen aus Kunststoffen auf dem Untergrund mit Heißbitumenklebstoffen ist man fast vollständig abgekommen. Nur bei Bahnen aus Polyisobutylen und bitumenbeständigen PVC-P-Bahnen wird diese Art der Verlegung in seltenen Fällen noch angewandt. Ansonsten werden die Bahnen punkt- oder streifenweise mechanisch fixiert und – soweit möglich – durch Schweißung der Überlappungen dicht miteinander verbunden. Bahnen, die nicht geschweißt werden können, werden mit Kontaktklebstoffen miteinander verbunden. Elastomerbahnen werden in vielen Fällen im Werk zu Dachplanen nach Maß vorkonfektioniert. Auch hier findet keine vollflächige Verklebung statt. 15.3.4.2 Verkleben von Wärmedämmstoffen
Fast alle Wärmedämmstoffe werden mit Kontaktklebstoffen auf Polychloroprenbasis verklebt. Eine Ausnahme bildet Polystyrol-Hartschaum, der von den in diesen Klebstoffen enthaltenen Lösemitteln angelöst wird. Deshalb werden Polystyrol-Hartschaum-Dämmplatten meist mit Dispersionsklebstoffen mit Zementzusatz, in seltenen Fällen mit Reaktionsklebstoffen auf Epoxidharzbasis verklebt. Bei Wärmedämmverbundsystemen auf Außenfassaden verwendet man im Falle genügend tragfähiger Untergründe die gebördelte Verklebung nach der sogenannten Punkt-Wulst-Methode: Auf den Hartschaumplattenrückseiten wird der Klebemörtel entlang der Plattenränder umlaufend auf einer Breite von ca. 3 bis 4 cm aufgetragen; auf der Restfläche werden einige handtellergroße Klebepunkte verteilt, wobei darauf zu achten ist, dass die von der Zulassung des Systems geforderte Mindestklebefläche von meist
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15 Kunststoffe
40 % erreicht wird. Die Dämmplatten sind dicht zu stoßen. Klebstoff im Stoß ist strikt zu vermeiden, da er eine deutlich schlechtere Dämmwirkung als der Dämmstoff besitzt und sich deshalb später infolge Kondensations- und damit einhergehender Verschmutzungseffekte im Außenputz markieren würde. 15.3.4.3 Verkleben von Boden- und Wandbelägen
Bodenbeläge aus PVC-Fliesen oder -Bahnen verlegt man mit Dispersionsklebstoffen auf Acrylsäureester-Basis oder mit Polychloropren-Kontaktklebstoffen. Andere Bodenbeläge werden mit einfachen Klebstoffen auf Kunstharz- oder Kunstkautschukbasis verlegt. Bei Teppichböden ist erforderlichenfalls die Belastung durch Rollstühle zu beachten. Keramikfliesen für Wand- und Bodenbeläge werden überwiegend mit Hilfe flexibler Fliesenkleber auf der Basis polymervergüteter zementgebundener Mörtel (PCC) verlegt, wodurch die Rissgefahr deutlich verringert wird.
15.3.5 Spanende Bearbeitung Kunststoff-Bauteile weisen in den allermeisten Fällen einen so hohen Vorfertigungsgrad auf, dass eine Bearbeitung wie z. B. Sägen, Bohren usw. nur selten und im Wesentlichen auf Halbzeug beschränkt erforderlich ist. Ungefüllte Kunststoffe können mit Werkzeugen und Maschinen für die Holzbearbeitung bearbeitet werden. Für die maschinelle Bearbeitung unverstärkter und ungefüllter Kunststoffe eignen sich Werkzeuge aus Schnellstahl. Für glasfaserverstärkte Kunststoffe allgemein und für organisch gefüllte Duroplaste werden hartmetallbestückte, für anorganisch gefüllte Duroplaste diamantbestückte Werkzeuge benötigt. Um ein Schmieren der Werkstoffe und Überhitzung der Werkzeuge zu vermeiden, sind geringer Vorschub und Kühlung wie bei der Metallbearbeitung zu empfehlen. Während bei Duroplasten Kühlung mittels Druckluft ausreicht, werden bei Thermoplasten spezielle Bohröle oder Wasser verwendet; die bei der Metallbearbeitung üblichen Bohröle lösen insbesondere an thermoplastischen Kunststoffen oftmals Spannungsrissbildung aus und sollten daher nicht verwendet werden. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Frei- und Schneidewinkel der Werkzeuge für die Kunststoffbearbeitung nicht mit denen der Werkzeuge für die Metallbearbeitung übereinstimmen.
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen 15.4.1 Abdichtungen 15.4.1.1 Hochpolymere Dichtungsbahnen
Für die Dach- und Bauwerksabdichtung kommen sowohl Bahnen aus thermoplastischen Kunststoffen als auch Elastomerbahnen zum Einsatz. Beide Gruppen werden im Folgenden der Einfachheit halber unter dem Oberbegriff „Kunststoffbahnen“ zusammengefasst.
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
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Erste Erfahrungen mit Kunststoff-Dichtungsbahnen wurden bereits um 1940 gewonnen. Nachdem die insbesondere in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt gewordenen, im wesentlichen auf den unerwarteten mikrobiellen Verzehr der monomeren Phthalsäureester-Weichmacher bei PVC-P beschränkten Kinderkrankheiten durch Weiterentwicklung dieser Bahnenart überwunden waren, haben sich Kunststoffbahnen für Abdichtungszwecke als außerordentlich langlebige und zuverlässige Produkte erwiesen. Vorauszusetzen ist aber ebenso wie bei der bituminösen Abdichtung eine fach- und materialgerechte Ausführung. Zunächst lange im Schatten der traditionell weit verbreiteten bituminösen Abdichtung stehend, bei der mittlerweile mit erheblichen Kunststoffanteilen modifizierte Bitumenschweißbahnen dominieren, haben sich die Kunststoffbahnen in etlichen Punkten nicht nur als ebenbürtig, sondern als den Bitumenbahnen überlegen herausgestellt, was anhand der nachfolgenden Gründe exemplarisch aufgezeigt werden soll: Kunststoffbahnen werden nach den einschlägigen Normen und Richtlinien üblicherweise einlagig verlegt. Dies stellt gegenüber der herkömmlichen, je nach Gefälle zwei- oder dreilagigen bituminösen Abdichtung einen erheblichen Wirtschaftlichkeitsfaktor dar und bietet darüber hinaus im Falle eines Brandes den Vorteil einer erheblich verminderten Brandlast. Allerdings versuchen die Hersteller von Bitumenbahnen diesem Trend mit Hilfe spezieller polymervergüteter Bitumenbahnen entgegen zu wirken, bei denen ebenfalls eine einlagige Verlegung zulässig ist. Kunststoffbahnen können im Werk zu großflächigen Planen (bis zu 500 m2) vorkonfektioniert werden. Dies stellt nicht nur einen zusätzlichen Sicherheitsgewinn im Hinblick auf die Verbindungsnahtqualität dar, sondern auch eine weitere Beschleunigung – und damit Rationalisierung – des Arbeitsablaufes auf der Baustelle. Kunststoff-Dachbahnen müssen in den seltensten Fällen vollflächig verklebt werden. Oft ist eine lose Verlegung mit Auflast (z. B. Bekiesung) oder mit mechanischer Befestigung im Überlappnahtbereich nicht nur die werkstoffgerechteste, sondern auch die wirtschaftlich günstigste Lösung. Nachstehend wird in Form von Kurzcharakterisierungen auf die hochpolymeren Dach- und Dichtungsbahnen eingegangen: Chloropren-Kautschuk-(CR-)Bahnen (das „R“ bei CR steht für das englische Wort Rubber = Gummi) sind normalerweise mit Glasvlies kaschiert, wobei ein Kleberand frei bleibt. Die Nahtverbindung erfolgt mit Polychloropren-Klebstoff. Die feste Verlegung mit Klebebitumen ist möglich, jedoch ist eine für diese Bahnen spezifische mechanische Befestigung mit Kunststoffdübeln und -scheiben entwickelt worden. CR-Bahnen haben einen relativ geringen Wasserdampf-Diffusionswiderstand, so dass bei Verklebung kaum die Gefahr von Blasenbildung besteht. Chlorsulfonierte Polyethylen-(CSM-)Bahnen werden in den USA häufiger als in Europa eingesetzt. Dieses Material weist eine Besonderheit auf: nach der Herstellung ist es zunächst thermoplastisch, solange der Werkstoff noch nicht vernetzt ist, demzufolge können Nahtverbindungen nicht nur durch Quellschweißung, sondern auch mittels Warmgasschweißen hergestellt werden; nach Entfernung der aus Polyethylen bestehenden Verpackungsfolie beginnt unter dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit die sich über etwa ein halbes Jahr erstreckende Vernetzung der Bahn, nach deren Abschluss sie als Elastomerbahn einzustufen und dann nur noch durch Klebe- und Vulkanisationstechniken zu fügen bzw. zu reparieren ist.
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15 Kunststoffe
Ethylencopolymerisat-Bitumen-(ECB-)Bahnen enthalten einen Polymer- und Bitumenanteil von jeweils mindestens 25 M.-% und sind demzufolge bitumenbeständig. Sie sind, den Randstreifen für die Überlappnaht ausgenommen, rückseitig zur Dimensionsstabilisierung – z. B. mit Glasvlies – vlieskaschiert. Die Nahtverbindung erfolgt homogen durch Warmgasschweißung oder ähnliche thermische Verfahren. Die Bahnen werden lose verlegt. Ethylen-Propylen-Terpolymer-Kautschuk-(EPDM-)Bahnen weisen als Besonderheit eine hervorragende Kältebeständigkeit auf. Die Nahtverbindung erfolgt entweder durch Warmgasschweißen im unvernetzten Zustand oder später vorzugsweise mit Klebebändern. Gerade bei EPDM-Bahnen hat sich die Vorfertigung von Planen nach Maß stark durchgesetzt. Dadurch wird eine Vielzahl von Nahtverbindungen an der Baustelle überflüssig. Ethylen-Vinylacetat-Copolymer-(EVA-)Bahnen werden ebenso wie die bei überwiegendem Vinylacetatanteil zunächst als VAE-Bahnen bekannt gewordenen Bahnen mit und ohne Vlieskaschierung hergestellt. Sie können vollflächig verklebt oder lose verlegt werden. Die Nahtverbindung dieser thermoplastischen Bahnen erfolgt vorzugsweise durch Quell-, Warmgas- oder Heizkeilschweißen. Weil sich diese Bahnen mittels Quellschweißen zudem mit PVC-P-Bahnen und durch bituminöse Verklebung auch mit Bitumenbahnen verbinden lassen, werden sie darüber hinaus als Einhängestreifen und dergleichen für An- und Abschlüsse angewandt. Da ein breit gefächertes Angebot an mit EVA oder VAE beschichteten An- und Abschlussblechen existiert, lassen sich EVA- und VAE-Bahnen sehr einfach und sicher an diese mittels Quell- oder Warmgasschweißen homogen anschließen. Flexible Polyolefin-(FPO-)Bahnen zählen im Marktsegment der polymeren Dichtungsbahnen zu den jüngeren Entwicklungen. Es handelt sich um Legierungen verschiedener Polyolefine, die mit sogenannten „inneren Weichmachern“ flexibel eingestellt werden. Diese Form der Weichmachung bietet den Vorteil, dass die flexibilisierende Komponente durch Copolymerisation fest in die Molekülstruktur des Materials eingebunden wird. Eine Versprödung der Bahnen durch Weichmacherverlust ist daher ausgeschlossen. FPOBahnen sind bitumenverträglich, die Verbindung der mit Glasvlies armierten Bahnen erfolgt durch Warmgasschweißen. Bei Isobutylen-Isopren-Kautschuk-(IIR-)Bahnen handelt es sich um einen synthetischen Kautschuk. Für die Bezeichnung der Abdichtungsbahnen und anderer Produkte aus IIR hat sich der Begriff „Butyl“ durchgesetzt. Butylbahnen benötigen keine Armierung und zeichnen sich durch große Elastizität auch bei extremer Kälte aus. Mit Butylbahnen kann die gesamte Abdichtung nach Zeichnungen vorkonfektioniert werden. Auf der Baustelle müssen dann nur noch die Randanschlüsse hergestellt werden, während das Verbinden der einzelnen Bahnen mittels eines speziellen Heißklebeverfahrens („Hot-bonding“) unter optimalen Arbeitsbedingungen im Herstellerwerk erfolgte. Diese Verfahrensweise minimiert Fehl- und Schwachstellen bei der Verklebung der Bahnen. Polyisobutylen-(PIB)-Bahnen werden oft gemeinsam mit Bitumenbahnen als Einhängestreifen usw. verarbeitet. Diese Streifen müssen mindestens 35 cm breit vollflächig mit Heißbitumen auf die oberste Bitumenbahn aufgeklebt werden. Auch PIB-Bahnen eignen sich, wie alle anderen Kunststoffbahnen, für die lose Verlegung. Sollen sie trotzdem mit Heißbitumen verklebt werden, dann sollten Bahnen mit rückseitiger Kaschierung aus Syn-
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thesefaservlies gewählt werden. An den Nähten muss ein 5 cm breiter Überlappungsstreifen frei von Bitumen bleiben. Einseitig sind die Bahnen an der Unterseite mit einem Schutzstreifen versehen, der über den bitumenfreien Überlappungsstreifen zu liegen kommen muss. Dann wird der untere Bahnenrand mit Quellschweißmittel gereinigt, der Schutzstreifen vom oberen Bahnenrand abgezogen und die beiden Bahnenränder werden nun mit einer Andrückrolle zusammengedrückt. Polyvinylchlorid weich-(PVC-P-)Bahnen werden als bitumenbeständige und als nicht bitumenbeständige Bahnen hergestellt. PVC-P-Bahnen, die ohne Bekiesung als Dachdichtung verlegt werden sollen, müssen zusätzlich UV-stabilisiert sein. PVC-P-Bahnen können mit Warmgas, Heizkeil und Hochfrequenzgerät verschweißt werden. Die am häufigsten angewandte Nahtverbindung ist jedoch die Quellschweißung. Sie ermöglicht es auch, die Bahnen an Bauteile aus PVC-U homogen anzuschließen, die die Dichtung durchdringen, wie z. B. Lüfter, Dacheinläufe usw. Mit PVC-P-Bahnen lassen sich die werkstoffgerechtesten Anschlüsse herstellen, wenn sie auf PVC-beschichtete Bleche aufgeschweißt werden. Werden PVC-P-Bahnen als Dichtung auf einer Wärmedämmung aus Polystyrol- oder auch Polyurethan-Hartschaum verlegt, ist zur Vermeidung der Weichmacherwanderung in den Dämmstoff hinein eine Trennlage, z. B. ein Glasvlies oder etwas Vergleichbares, vorzusehen. Thermoplastische Elastomer-(TPE-)Bahnen gehören ebenfalls zu den neueren Entwicklungen der Kunststoffbahnen. Sie besitzen trotz thermoplastischer Verarbeitbarkeit in der Wärme bei Anwendungstemperatur den Elastomeren vergleichbare mechanische Eigenschaften. Ihre Thermoplastizität beruht auf dem Fehlen der elastomertypischen chemischen Vernetzungen. Die elastomeren mechanischen Eigenschaften resultieren entweder aus der (Block-) Copolymerisation von harten und weichen Blöcken, bei der die Hartsegmentdomänen als physikalische Vernetzungsstellen fungieren, oder dem Blenden (Legieren) einer thermoplastischen Matrix mit einem (teil)vernetzten oder unvernetzten Kautschuk. Die Nahtverbindung erfolgt durch Warmgas- oder Heizkeilschweißen. Kunststoffdichtungsbahnen aus Polyethylen hoher Dichte (PE-HD) für die Abdichtung von Deponien und Altlasten bedürfen gemäß TA Abfall und TA Siedlungsabfall einer Zulassung für diesen Verwendungszweck. Sie wird von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin erteilt. Zuvor müssen die mindestens 2,5 mm dicken, glatten oder profilierten Bahnen ein breitgefächertes Prüf- und Zulassungsprogramm absolvieren, das in der dafür zuständigen BAM-„Richtlinie für die Zulassung von Kunststoffdichtungsbahnen für die Abdichtung von Deponien und Altlasten“ beschrieben und mit Kennwert-Anforderungen versehen ist. Darüber hinaus bedarf die Verarbeitung vor Ort einer sehr umfassenden, praktisch alle Schweißnähte beinhaltenden Eigen- und Fremdüberwachung. Für das Schweißen werden Heizkeil-Schweißautomaten verwendet, deren Schweißparameter für sämtliche Überlappnaht-Schweißarbeiten rechnergestützt zu erfassen und der fremdüberwachenden Prüfstelle vorzulegen sind. Für etliche der vorgenannten Kunststoff- und Elastomerbahnen existieren Stoffnormen in Form von DIN-Normen. Nicht genormte Bahnen benötigen nach der Bauregelliste A Teil 1 und Teil 2 des DIBt einen Verwendbarkeitsnachweis in Form eines durch eine dafür anerkannte Prüfstelle ausgestellten „Allgemein bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses“.
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Für den Einsatz auf begrünten Dächern sind bei etlichen Kunststoffbahnen wurzelfeste Ausführungen verfügbar. Sie erfüllen auf der Basis spezieller Prüfungen die Anforderungen nach der sogenannten Dachbegrünungsrichtlinie der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL). Wie alle Abdichtungsarbeiten erfordert auch die Ausführung mit Kunststoffbahnen ein hohes Maß an Sorgfalt und Fachkenntnis. Sie gehört in die Hand erfahrener Fachleute, wobei oftmals das billigste Angebot nicht das preiswerteste ist. 15.4.1.2 Beschichtungen und Flüssigabdichtungen
Auf dem Gebiet der Beschichtungsmassen für die Bauwerksabdichtung herrscht wegen der großen Zahl der angebotenen Erzeugnisse sehr unterschiedlicher Qualität trotz zwischenzeitlich insbesondere bei der Abdichtung von Kelleraußenwänden sehr stark angestiegener Verwendung noch immer eine gewisse Unsicherheit. Dabei ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt aus der Angebotspalette für die Anwendung als primäre Dichtung von Bedeutung. Im Tiefbau wurden in der Vergangenheit für Außenabdichtungen gegen nichtdrückendes Wasser überwiegend Kaltbitumen-Lösungen und -Emulsionen angewandt. Derartige Bitumenbeschichtungen erweichen bei höheren Temperaturen, bei niederen Temperaturen werden sie oft glasartig spröde. Beide Erscheinungen sind nicht besonders vorteilhaft. In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten haben kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen (KMB) als ein- oder zweikomponentige Massen auf der Basis von Bitumenemulsionen in diesem Einsatzbereich aufgrund ihrer Bewährung weite Verwendung gefunden, weil sie nicht nur gegen hohe und niedere Temperaturen nahezu unempfindlich sind, sondern auch auf nahezu allen Untergründen ausgezeichnet haften. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die abzudichtenden Flächen waagerecht, senkrecht oder schräg, trocken oder feucht sind. Risse und kleinere Spalten im Untergrund können ohne weiteres überschichtet werden. Die rissüberbrückenden Eigenschaften der KMB lassen geringfügige Rissuferbewegungen zu, wenn der Riss eine gewisse Mindestbreite hat. Die Dickbeschichtung ist auch so elastisch, dass z. B. Verletzungen der Dichtung beim Hinterfüllen praktisch nicht zu befürchten sind. Die Witterungsbeständigkeit solcher Dichtungen ist sehr gut. Allerdings sind müssen sie bei der Verarbeitung und während ihrer Erhärtung bis zum Erreichen der Regensicherheit vor Niederschlägen geschützt werden, da sie als Emulsionen in ihrer Flüssigphase wasserlöslich sind und somit bei zu früher Schlagregenbeanspruchung vom Untergrund abgespült werden können. Die Anforderungen für KMB sind in DIN 18195-2 geregelt und durch eine Erstprüfung einer bauaufsichtlich anerkannten Prüfstelle nachzuweisen. Für die Verarbeitung gelten die Vorgaben der DIN 18195-3. Demnach ist bei KMB bzw. Kratzspachtelungen aus diesem Werkstoff grundsätzlich ein Voranstrich auf dem Untergrund aufzubringen, der unter Umständen bei entsprechender Formulierung des Materials systembedingt entfallen kann. Die Verarbeitung hat je nach Konsistenz im Spachtel- oder im Spritzverfahren zu erfolgen. KMB sind in mindestens zwei Arbeitsgängen lastfallbedingt mit oder ohne Verstärkungseinlage auszuführen. Der Auftrag muss fehlstellenfrei, gleichmäßig und je nach Lastfall entsprechend dick gemäß Hersteller- und Prüfzeugnisangaben erfolgen. Handwerklich bedingt sind Schwankungen der Schichtdicke beim Auftragen des Materials nicht auszuschließen. Die vorgeschriebene Min-
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desttrockenschichtdicke darf an keiner Stelle unterschritten werden. Dazu ist die erforderliche Nassschichtdicke vom Hersteller anzugeben. Diese darf an keiner Stelle um mehr als 100 % überschritten werden (z. B. in Kehlen). Glasfaserverstärkte ungesättigte Polyesterharze (UP-GF) dienen zur Innenabdichtung von Behältern, Wannen, Tanks und dergleichen sowie von Tunneln und Schächten unterirdischer Verkehrsbauten. Voraussetzung für die Ausführung von Dichtungen mit UP-GF ist ein trockener Untergrund, der bei der Ausführung unterirdischer Verkehrsbauwerke oft nur durch die Absenkung des Grundwasserspiegels zu erzielen ist. Wo das nicht möglich ist, kann eine ausreichend dicke Zementmörtelschicht mit abdichtenden Zusätzen aufgebracht werden. Auf dieser Schicht haftet die UP-GF-Abdichtung selbst dann, wenn die Mörtelschicht, was mehr oder weniger unvermeidlich ist, später durchfeuchtet werden sollte. UP-GF-Auskleidungen und -Abdichtungen können nach zwei verschiedenen Verfahren hergestellt werden. Beim Laminierverfahren wird zunächst das Harz von Hand aufgetragen, anschließend werden Glasseidenmatten einlaminiert, d. h. mit einer Handwalze eingewalzt, wobei beachtet werden muss, dass die Matte satt eingebettet ist und möglichst keine Lufteinschlüsse zurückbleiben. Letztere sind mittels einer Rillenwalze nach dem Auftragen des Polyesterharzes zu entfernen. Das Faserharzspritzverfahren erfordert einen größeren maschinellen Aufwand: Harz und Glasfasern werden aus einer Spritzpistole mit Mehrfachkopf verspritzt. Dabei werden die Glasfasern der Pistole als Strang zugeführt und in der Pistole durch eine spezielle Vorrichtung in kurze Stücke zerhackt. Diese Glasfaserstücke werden mit den Harzkomponenten auf die zu dichtenden Flächen aufgespritzt. Das aufgespritzte Gemisch wird nun mit Handwalzen verdichtet. Anschließend wird eine glasfaserfreie Deckschicht aufgespritzt. Dadurch werden noch herausragende Glasfasern abgedeckt, so dass an der Oberfläche der Beschichtung kein Kapillareffekt eintreten kann, der durch das Einsaugen von Wasser in Kombination mit Frosteinwirkung zur sukzessiven Zerstörung der Abdichtung führen würde. Erwähnenswert ist, dass manche UP-GF-Abdichtungen gleichzeitig eine ausgezeichnete Dampfsperre bilden. Abdichtungen aus chlorsulfoniertem Polyethylen (CSM) haben sich besonders dort bewährt, wo verhältnismäßig hohe Anforderungen an die Witterungsbeständigkeit oder auch an die Widerstandsfähigkeit gegen chemisch aggressive Medien gestellt werden. Hier handelt es sich um Lösungen, die mittels Spritzen oder auch mit der Bürste aufgetragen werden können. Voraussetzung für das Aufbringen einer CSM-Dichtung ist ein vollkommen trockener Untergrund, da anderenfalls die Haftung mangelhaft sein kann. Bei nicht ganz trockenem Untergrund muss ein Voranstrich mit Epoxidharz- oder Kautschuklösung ausgeführt werden. Eine Schichtdicke von 2 mm ist zur Erreichung einer einwandfreien Abdichtung mit CSMBeschichtungsmassen ausreichend. Bei Temperaturen unter 5 °C sollten diese Massen nicht verarbeitet werden. Auch Epoxidharze (EP) werden für die Ausführung von abdichtenden Beschichtungen angewendet. Sie werden überwiegend für Industrieestriche, also als Bindemittel für mineralische Zuschläge angewendet, die dann als praktisch wasserundurchlässig gelten, wenn die Gesamtdicke des Estrichs mindestens dem dreifachen Größtkorndurchmesser des Zuschlags entspricht. Hier ist jedoch primär nicht die dichtende Funktion ausschlaggebend, vielmehr sind es die hohe mechanische und chemische Belastbarkeit sowie Hygiene- und Reinigungseigenschaften beim Einsatz in lebensmittelverarbeitenden Betrieben, die zur Wahl der Epoxidharze führen.
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Beschichtungen auf Basis von Polyurethanen (PUR) können lösemittelfrei hergestellt und verarbeitet werden. Zweikomponentige Systeme zeichnen sich durch eine sehr gute Haftung auf einer Vielzahl von Untergründen aus. Nach dem Aushärten (4 bis 6 Tage) bildet sich eine Beschichtung, deren Festigkeit zwar der von EP-Harzen unterlegen ist, die aber eine zähelastische Beschaffenheit aufweist. Besondere Eigenschaftsprofile können durch die Zugabe geeigneter Füllstoffe erzeugt werden. Mit Quarzsand gefüllte 2-K-PUR-Systeme werden unter anderem zur Herstellung von hochbelastbaren Industriefußböden und -estrichen verwendet. Einkomponentige PUR-Beschichtungen sind feuchtigkeitshärtend und eignen sich schon alleine aus diesem Grund zur Herstellung von Reparaturmassen für durchfeuchtetes Mauerwerk und ähnliches. Durch die Verwendung bestimmter organischer Füllstoffe können elastische Beschichtungen formuliert werden. Die Herstellung von elastischen Sportflächenbelägen durch die Zugabe von Gummigranulaten stellt eine solche Anwendung dar. In PUR-modifizierten EP-Harzsystemen wurden die wesentlichen Vorteile beider Kunststoffe kombiniert. Durch die Rezeptur kann die hohe Festigkeit der EP-Harzsysteme in weitem Rahmen mit den zähelastischen Eigenschaften der Polyurethane gekoppelt werden. Nach DIN 18531-2 müssen flüssig aufzubringende Dachabdichtungen eine europäische technische Zulassung (ETA) auf der Grundlage der ETAG 005 besitzen. Sie sind mit der CEKennzeichnung versehen, aus der u. a. die nachgewiesenen Leistungsstufen und die Mindesttrockenschichtdicke hervorgehen. Als Flüssigabdichtungen für Dachabdichtungen werden flexible ungesättigte Polyesterharze (UP), flexible Polyurethanharze (PUR) und flexible reaktive Methylmethacrylate (PMMA) verwendet. Nach DIN 18531-3 müssen Flüssigabdichtungen eine Kunststofffaservlieseinlage mit einem Flächengewicht von mindestens 110 g/m2 besitzen. Die Mindestschichtdicke der fertigen Flüssigabdichtung beträgt für die Anwendungskategorie K1 1,8 mm bzw. für die Anwendungskategorie K2 2,1 mm. Ist die in der ETA angegebene Mindestschichtdicke größer, gilt der größere Wert. Auch nach der vom Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks und vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgegebenen „Fachregel für Dächer mit Abdichtungen – Flachdachrichtlinien –“ sollen Flüssigabdichtungen mindestens zweischichtig mit Armierung ausgeführt werden. Das kann durch Streichen, Rollen oder Spritzen erfolgen. Die Armierungseinlage ist in eine vorgelegte Menge Flüssigabdichtung einzuarbeiten und frisch in frisch abzudecken. Bei genutzten Dachflächen muss die Dicke der fertigen Flüssigabdichtung mindestens 2 mm betragen. 15.4.1.3 Fugenbänder, Fugenprofile und Fugendichtstoffe
Zu unterscheiden sind mehrere Typen von Fugenbändern und Fugenprofilen: Fugenverschluss- und Bewegungsfugenbänder dienen zum Verschließen und Abdecken bewegter Fugen in verschiedenen Bauteilen, ohne selbst größere Bewegungen aufzunehmen. Hier sind auch Profile einbegriffen, die an den Fugenflanken in LM-Profile eingespannt werden und Fugenbewegungen aufnehmen. Kennzeichen dieser Gruppe ist, im Gegensatz zu Dehnfugenbändern, das Einbringen des Kunststoffprofils nach Fertigstellung der durch die Fuge getrennten Bauteile. Sie werden meist aus PVC oder auch synthetischem Kautschuk hergestellt.
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Arbeitsfugenbänder werden zur Überbrückung der im Ortbetonbau entstehenden Anschlussfugen eingesetzt, bei denen keine nennenswerten Bewegungen zu erwarten sind. Sie werden meist aus PVC, seltener aus synthetischem Kautschuk (Polysulfid) hergestellt. Dehnfugenbänder finden Anwendung zum Verschluss und zur Abdichtung von Bewegungsfugen in Ortbetonkonstruktionen. Sie werden, ebenso wie die Arbeitsfugenbänder, fest einbetoniert. Sie sind infolgedessen nicht nur den Bauwerksbewegungen, sondern auch Schrumpfungen und Scherbewegungen ausgesetzt. Sie werden meist aus synthetischem Kautschuk, seltener aus PVC hergestellt. Dichtungsfugenbänder und -profile als einfache Hinterlegebänder, meist aus PVC als konstruktive Fugenabdichtungen. Diese oft komplizierten Profile (sowohl aus synthetischem Kautschuk als auch aus PVC) dienen z. B. als beweglich eingebaute Regensperren bzw. als Barrieren gegen Niederschläge unter Winddruck als elastische Abdichtbänder und Presszwischenlagen aus Elastomeren oder weichen Kunststoffschäumen, wobei, unbeschädigte Fugenflanken vorausgesetzt, die erreichbare Dichtheit (von zugluft- bis druckwasserdicht) vom Maß der Kompression abhängt. Je nachdem, ob diese Bänder im Innen- oder Außenbereich eingesetzt werden, müssen sie verschieden (z. B. hydrophob) ausgerüstet sein. Ebenso entscheidet die Einbaumethode über die zu wählende Ausrüstung, z. B. einseitig oder beidseitig selbstklebend, vorkomprimiert usw. als Vakuumprofile, die als Bewegungsfugen-Abdichtung eingesetzt werden. Voraussetzung sind auch hier unbeschädigte Fugenflanken. Außenwandfugen im Hochbau können auch mit Fugendichtstoffen abgedichtet werden. Dabei handelt es sich um dauerelastische Fugendichtstoffe auf der Basis von Polysulfiden (Thiokol), Siliconen, Polyurethanen und Acrylaten. Im Handel sind überwiegend EinkomponentenFugendichtstoffe, aber auch mehrkomponentige Systeme. Die Anwendung für Außenwandfugen zwischen Bauteilen aus Ortbeton und/oder Betonfertigteilen mit geschlossenem Gefüge sowie aus unverputztem Mauerwerk und/oder Naturstein regelt DIN 18540. Die Dimensionierung der Fugenbreite muss unter Würdigung der zu erwartenden Fugenflankenbewegung, in die das Schwinden der Bauteile und deren thermisch bedingten Bewegungen eingehen, auf die sogenannte praktische Dehnung des Fugendichtstoffs, also dessen zulässige Gesamtverformung abgestimmt werden. Sie liegt je nach Qualität des Fugendichtstoffs bei maximal 25 %; in Kurzzeitversuchen ermittelte Reißdehnungen von meist mehreren 100 %, wie sie zum Teil in Herstellermerkblättern angegeben werden, sind unbeachtlich, da das Material solchen Dauerdehnungen nicht langzeitig stand hält. Die Applikation der Fugendichtstoffe setzt neben der richtigen Bemessung der Fugenbreite die sorgfältige Vorbereitung der Fugen voraus. So müssen die Fugenflanken sauber und von Mörtelresten befreit sein. Insbesondere Rückstände von Entschalungsmitteln können sich adhäsionbe- oder gar -verhindernd auswirken, so dass diesbezüglich unter Umständen eine Eignungsprüfung anzuraten ist. Je nach Fugendichtstoff, Fugenflankenwerkstoff und Entschalungshilfe kann die anstrichtechnische Vorbereitung der Fugenflanken durch Auftrag eines Haftvermittlers, auch Primer genannt, erforderlich sein. Dabei handelt es sich um in Lösemittel gelöste Makromoleküle, die in die Kapillarporen der Fugenflanken eindringen, sich dort verankern, aus dem geprimerten Untergrund herausragen und hierdurch eine starke Vermehrung an adhäsiv ankoppelbarer Oberfläche schaffen. Auskunft über die Notwendig-
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keit eines Primerauftrags geben die vom Hersteller des Fugendichtstoffs herausgegebenen Primertabellen, die meist auch Antwort auf Verträglichkeitsfragen zwischen Fugendichtstoff und Fugenflankenwerkstoff geben. Die vom Hersteller angegebenen Ablüftzeiten für den Primer sind einzuhalten, damit zum einen das darin enthaltene Lösemittel hinreichend verdunsten kann und zum anderen die bei dramatischer Überschreitung der Ablüftzeit eintretende Absättigung der Primermoleküle durch Atmosphärilien verhindert wird, die die haftvermittelnde Wirkung wieder eliminieren würde. Bei Temperaturen unter 5 °C und über 40 °C an den Bauteiloberflächen darf nicht verfugt werden. Um die auf den Haftverbund einwirkenden Spannungen zu minimieren und die bei der Dehnung des Fugendichtstoffs eintretende Querkontraktion zu erleichtern, ist die geometrische Kontur des Fugendichtstoffs bikonkav einzustellen. Hierzu muss die Begrenzung der Fugentiefe durch eine Hinterfüllung konvex ausgeführt werden. Wichtig ist es dabei, als Hinterfüllmaterial einen geschlossenzelligen Weichschaum zu verwenden, an dem der Fugendichtstoff nicht haften kann, da eine Dreiflankenhaftung den Haftverbund überbeanspruchen würde; dies leisten Polyethylenweichschaum-Rundschnüre. Die äußere Formgebung des Fugendichtstoffs erfolgt durch Andrücken und Abglätten. Dieser Vorgang dient gleichzeitig dazu, durch den aufgebrachten Druck einen guten Kontakt mit den Fugenflanken sicherzustellen. Beim Abglätten ist möglichst wenig Abglättmittel zu verwenden. Fugendichtstoffe sollen grundsätzlich nicht mit Anstrichstoffen beschichtet werden, da diese in der Regel nicht hinreichend dehnfähig sind und somit deren Reißen vorprogrammiert ist. Wenn in Ausnahmefällen Außenwände einschließlich der Oberfläche des Fugendichtstoffs beschichtet werden sollen, ist die Verträglichkeit vorab nachzuweisen. Fugendichtstoffe auf Siliconbasis sind aus Oberflächenspannungsgründen nicht überstreichbar.
15.4.2 Wärme- und Schalldämmung Hier sollen nur die für die Wärme- und Schalldämmung im Bauwesen zum Einsatz kommenden Kunststoffe charakterisiert und einige spezielle Anwendungsmöglichkeiten dargestellt werden. Die bauphysikalischen Aspekte der Wärmedämmung werden in Kapitel 18 dargestellt. Die wärmetechnischen Eigenschaften von Baustoffen werden in Kapitel 1 Grundlagen, Abschnitt 1.2.10, behandelt. 15.4.2.1 Hartschaum-Bahnen und -Platten für die Wärmedämmung
Für die Wärmedämmung von Gebäuden mit Hilfe von geschäumten Kunststoffen werden im Bauwesen die in Tabelle 15.7 aufgeführten Wärmedämmstoffe eingesetzt, die in den ebenfalls dort genannten Stoffnormen spezifiziert sind. Eine Güteüberwachung und entsprechende Kennzeichnung aller für die Wärmedämmung im Bauwesen eingesetzten Hartschaum-Dämmstoffe ist in der Bundesrepublik Deutschland bauaufsichtlich vorgeschrieben. Die Schaumstoffe müssen die in den in Tabelle 15.7 genannten Stoffnormen enthaltenen Anforderungen erfüllen. Nach DIN 4108-10 werden Dämmstoffe unabhängig von ihrer stofflichen Basis in die drei Anwendungsgebiete Decke/Dach, Wand, Perimeter unterteilt; sie sind ebenso wie die zugehörigen Kurzzeichen Tabelle 18.4 im Kapitel 18 „Dämmstoffe“ zu entnehmen.
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15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
Tabelle 15.7 Genormte kunststoffbasierte Wärmedämmstoffe für die Wärmedämmung von Gebäuden Wärmedämmstoff
Stoffnorm
expandiertes Polystyrol (EPS)
DIN EN 13 163 2009-02
extrudierter Polystyrolschaum (XPS)
DIN EN 13 164 2009-02
Polyurethan Hartschaum (PUR)
DIN EN 13 165 2009-02
Phenolharzschaum (PF)
DIN EN 13 166 2009-02
Weitere Kurzzeichen für die Kennzeichnung der Wärmedämmstoffe betreffen die Produkteigenschaften Druckbelastbarkeit, Wasseraufnahme, Zugfestigkeit, schalltechnische Eigenschaften und Verformbarkeit. Sie sind in Tabelle 18.5 zusammen gestellt. Darüber hinaus werden die Hartschaum-Dämmstoffe zur näheren Spezifizierung ihres dämmtechnischen Leistungsvermögens in Wärmeleitfähigkeitsgruppen unterteilt. Als Kunststoffe für die Wärmedämmung werden Hartschaum-Platten vornehmlich aus Polystyrol (PS) und Polyurethan (PUR) sowie im Dachbereich Rolldämmbahnen aus Polystyrol-Hartschaum eingesetzt, die mit einer bituminösen, als erste Lage im Sinne der Flachdachrichtlinien zählenden Dachbahn kaschiert sind. Rolldämmbahnen dürfen aufgrund der Hartschaumsegmentierung ohne Dampfdruckausgleichsschicht verlegt werden; insofern werden bei ihrer Verlegung in einem einzigen Arbeitsgang gleich drei Schichten eines herkömmlichen Warmdachaufbaus realisiert und somit erhebliche Arbeitsleistung eingespart. Der ebenfalls genormte Phenolharz-(PF-)Hartschaum ist zwar temperaturstabiler, wird aber aufgrund seiner ungünstigeren Wärmeleitfähigkeit und der aus der notwendigen, vergleichsweise hohen Rohdichte resultierenden Mehrkosten nur selten eingesetzt. PUR-Hartschaum-Dämmplatten können blockgeschäumt oder bandgeschäumt sein. Blockgeschäumte Ware wird zu Platten geschnitten, während bandgeschäumte Platten zwischen zwei laufenden Bändern mit definiertem Abstand hergestellt werden. Diese Platten haben daher oberund unterseitig eine Schäumhaut. PUR-Dämmplatten werden nackt oder mit Bitumenpapier bzw. Aluminiumfolie kaschiert angeboten. Für dampfdicht kaschierte Platten kann ein niedrigerer Wärmeleitwert angesetzt werden als für diffusionsoffene bzw. unkaschierte Platten. Beim PS-Hartschaum wird zwischen expandiertem Partikelschaum (EPS) und extrudiertem Polystyrolschaum (XPS) unterschieden. Letzterer ist auch unter den Bezeichnungen Extruder-, Integral- bzw. Strukturschaum bekannt. Beim Partikelschaum wird das treibmittelhaltige PS-Granulat durch die Einwirkung von Dampf expandiert, wobei die expandierten Partikel durch die Wärme gleichzeitig miteinander verschmolzen werden. Dadurch entsteht die bekannte körnige Struktur des Materials. Die Dämmstoffplatten werden zumeist aus großen Schaumstoffblöcken geschnitten. Platten können aber auch in Formen geschäumt werden (sogenannte „Automatenplatten“), wobei bei diesem technisch und kostenmäßig aufwändigeren Verfahren wesentlich kompliziertere Formgebungen möglich sind, wie z. B. die Ausbildung von Klemm- oder Hakenfalzen sowie von Dampfdruckausgleichskanälen. Im Gegensatz zum expandierten PS-Hartschaum wird der Rohstoff für den extrudierten PSHartschaum beim Herstellungsprozess aufgeschmolzen und aufgeschäumt; dabei entstehen kompakte, nicht geschäumte Randschichten, die die Wasseraufnahme dieser Platten auch bei
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15 Kunststoffe
langzeitiger Wasserkontaktierung in so engen Grenzen halten, dass die damit einhergehenden Änderungen der Wärmeleitfähigkeit unterhalb des die Wärmedämmstoffe charakterisierenden Rechenwertes bleiben. Somit behalten die mit diesem Verfahren hergestellten Dämmplatten auch unter Feuchtigkeitseinfluss ihre volle Dämmwirkung. Diese Eigenschaft ermöglicht den Einsatz von XPS als Perimeterdämmung im Umkehrdach. Als Perimeterdämmung wird die Außendämmung von Kellern und Fundamenten bezeichnet. Die XPS-Platten werden mit einem speziellen Kaltbitumenkleber auf die Außenseite der Wand bzw. des Fundaments geklebt. Im Gegensatz zu anderen Perimeterdämmungen kann die Baugrube wegen der hervorragenden Steifigkeit des extrudierten PS-Hartschaums ohne zusätzliche Schutzmaßnahme verfüllt werden. Diese Bauweise ist bauaufsichtlich zugelassen. Das Umkehrdach weist eine gegenüber dem Aufbau eines konventionellen Flachdachs reduzierte Schichtenfolge auf. Von unten nach oben: Rohdecke – Dachdichtung – Wärmedämmung – Bekiesung. Dieser nach seinem Erscheinen zunächst als sehr ungewöhnlich eingestufte und mit dem Argwohn einiger Planer und örtlicher Bauaufsichtsbehörden behaftete Dachaufbau bietet nicht nur die im folgenden genannten Vorteile, er hat sich auch (bei Beachtung einiger einfacher Sorgfaltsregeln bei der Herstellung) bestens bewährt. Aus diesem Grund ist diese Bedachungsart vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) seit 1978 zugelassen. Das Umkehrdach bietet folgende Vorteile: Im Dachaufbau entfallen Dampfdruckausgleichsschicht(en), Dampfsperre und Trennschicht. Außer der Dachdichtung können alle weiteren Schichten des Dachaufbaus bei jedem Wetter aufgebracht werden. Die Dachhaut (ob zwei- bzw. dreilagig bituminös oder einlagig aus Kunststoff) als empfindlichste Schicht des gesamten Dachaufbaus wird von der Wärmedämmung vor Beschädigungen durch mechanische Einwirkungen und vor UV-Strahlung geschützt. Die Dachhaut wird auch bei intensivster sommerlicher Sonneneinstrahlung niemals auf unzuträgliche Temperaturen erhitzt, da sie unter der Wärmedämmung liegt; die ansonsten immer wiederkehrenden Wärmedehnungen und bei Abkühlung auftretenden Kontraktionen, die durch die begleitende Materialermüdung die Lebensdauer der Dachbahnen beeinträchtigen, werden auf ein Minimum beschränkt und spielen im Allgemeinen nur noch im Falle des Gewitterregens eine gewisse Rolle. Den Vorteilen steht als Nachteil gegenüber: Niederschlagswasser kann unter die Wärmedämmung dringen und die Tragdecke abkühlen. Dieser Nachteil kann ausgeglichen werden, wenn die Tragdecke ein ausreichendes Wärmespeichervermögen oder einen genügend großen Wärmedurchlasswiderstand hat und wenn die errechnete Dämmschichtdicke geringfügig vergrößert wird. Dies berücksichtigen auch die Auflagen im Zulassungsbescheid des DIBt für das Umkehrdach, die folgendes besagen: Umkehrdächer dürfen nur auf schwerer Unterkonstruktion (Massivdecken mit einem Flächengewicht von mindestens 250 kg/m2) und auf leichter Unterkonstruktion (Flächengewicht unter 250 kg/m2, Wärmedurchlasswiderstand R mindestens 0,15 (m2· K)/W) verlegt werden. Bei der Berechnung des vorhandenen Wärmedurchgangskoeffizienten UD ist der errechnete U-Wert um einen tabellarisch vom DIBt vorgegebenen Betrag U zu erhöhen,
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
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der DIN 4108-2 entnommen ist. Die Höhe des Zuschlags hängt von der Dachkonstruktion ab und liegt zwischen 0 und 0,05 W/(m2· K). Neuere Entwicklungen versuchen, unter Zuhilfenahme einer wasserableitenden, aber diffusionsoffenen Trennlage oberhalb der Wärmedämmung den U–Zuschlag entbehrlich zu machen. Diese Variante hat bereits Eingang in das allgemein bauaufsichtliche Zulassungswesen gefunden. Aus Gründen ausreichenden UV-Schutzes muss die Bekiesung mindestens 5 cm dick sein. Um ein Aufschwimmen der Wärmedämmung bei Niederschlägen zu verhindern, wird die Bekiesungsdicke im Allgemeinen gleich der Dicke der Wärmedämmung gewählt. Im Falle der wasserableitenden Trennlage über der Wärmedämmung kann die Dicke der Kiesschicht jedoch soweit reduziert werden, dass die rechnerischen Anforderungen an den Windsog gemäß Zulassungsauflagen erfüllt sind. 15.4.2.2 Wärmedämmung mit Ortschäumen a) Wärmedämmung beim Flachdach
Die Wärmedämmung des Flachdachs mit Polyurethan-(PUR-)Ortschaum erfolgt durch Aufsprühen des erst im Spritzkopf aus den beiden Flüssigkomponenten Polyol und Isocyanat unter gleichzeitigem Treibmittelzusatz gemischten Reaktionsharzes auf die zu dämmenden Flächen. Die Reaktivität der verwendeten Gemische ist so hoch eingestellt, dass selbst senkrechte Flächen angesprüht werden können: Noch bevor der Flüssigkunststoff nennenswert abzulaufen beginnt, reagiert er unter Aufschäumen und gleichzeitiger Verfestigung. Aufgrund der raschen Abfuhr der Reaktionswärme in der oberflächennahen Randschicht kann dort das Treibmittel seine Wirksamkeit nicht entfalten; deshalb verbleibt hier eine wasserdichte, kompakte Oberflächenschicht, so dass der PUR-Ortschaum gleichermaßen die Aufgabe der Wärmedämmung und der Abdichtung zu erfüllen vermag. Da je Sprühvorgang nur eine Schichtdicke von bis zu ca. 15 mm realisierbar ist, sind in der Praxis zur Erfüllung des planerischen Wärmeschutzes mehrere Arbeitsgänge erforderlich, die wegen der raschen Aushärtung praktisch direkt aufeinander folgend durchführbar sind. In der Regel sehen die allgemein bauaufsichtlichen Zulassungen für die letzte Dämmschicht eine größere Rohdichte vor, um eine problemlosere Begehbarkeit der Dämmung zu Revisionszwecken zu gewährleisten. Sie wird zum Abschluss mit einem hellen Reflexlack versehen, der die Wärmeeinwirkung der Sonneneinstrahlung bei gleichzeitigem UV-Schutz verringert. Dieses Verfahren ist insofern wirtschaftlich, als es alle anderen sonst erforderlichen Schichten des Flachdachaufbaus überflüssig macht. Die Ausbildung komplizierter Anschlüsse entfällt weitestgehend, Durchdringungen sind problemlos, weil die aufgespritzte Dämmschicht zugleich die Dachdichtung bildet. Lediglich mehrfaches Nachspritzen an rasch wärmeabführenden Durchdringungen wie Metallrohren kann hier zur Herstellung einer hohlkehlenartigen Ankopplung erforderlich sein. Arbeitsfugen und Risse im Untergrund können im Allgemeinen nach Überdeckung mit einem ca. 20 cm breiten Schleppstreifen zur Dehnungsverringerung einfach überschichtet werden. Insofern hätte diese rationelle Ausführung der gleichzeitigen Flachdach-Dämmung und -Dichtung sicherlich bereits weitere Verbreitung gefunden, wenn für ihr Gelingen nicht eine Reihe von witterungsspezifischen Idealbedingungen erforderlich wären, wie sie unter den klimatischen Gegebenheiten in Mitteleuropa im Regelfall nur temporär erfüllbar sind:
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15 Kunststoffe
die Lufttemperatur muss mindestens 10 °C betragen; die relative Luftfeuchtigkeit darf nicht über 80 % liegen; es muss nahezu Windstille herrschen; die Oberflächentemperatur des Untergrundes sollte nicht unter 15 °C liegen; die Oberfläche des Untergrundes muss vollständig trocken sein; der Untergrund muss vollständig staubfrei sein.
Um die Beachtung der applikationstechnischen klimatischen und bauteilspezifischen Voraussetzungen ebenso sicherzustellen wie die eigentliche Verarbeitung, hat die Güteschutzgemeinschaft Hartschaum nicht nur stoffliche Anforderungen an den Dachspritzschaum gestellt, sondern auch einen „Befähigungs-Nachweis für PUR-Dachspritzschäumer“ entwickelt, der von unabhängigen Prüfinstituten nach entsprechender Schulung und Prüfung erteilt wird. Bauaufsichtliche Zulassungen des DIBt für PUR-Ortschaumsysteme für die Dachabdichtung und gleichzeitige Wärmedämmung liegen vor.
b) Wärmedämmung im zweischaligen Mauerwerk
Insbesondere in Norddeutschland gibt es eine große Zahl von Gebäuden, die in früheren Jahren mit zweischaligen Außenwänden ausgeführt worden sind, zwischen denen eine Luftschicht eingeschlossen ist. Die Wärmedämmung dieser Konstruktion entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Eine Verbesserung der Wärmedämmung könnte nur durch eine bauphysikalisch ungünstigere Innendämmung erreicht werden, wenn nicht die Möglichkeit bestünde, den vorhandenen Hohlraum zwischen der Innen- und der Außenschale der Wand mit Wärmedämmmaterial zu versehen. Dafür kann Harnstoff-Formaldehyd-(UF-)Ortschaum oder Polyurethan-(PUR-) Ortschaum eingesetzt werden. Eine dritte Möglichkeit, die nicht zu den Ortschäumen zu rechnen ist, in der Verfahrensweise jedoch sehr ähnlich ist, besteht in der Füllung des Hohlraums mit Polystyrol-(PS-)Schaumstoffperlen. Für alle drei Methoden ist es erforderlich, entweder in gleichmäßigen Abständen auf die Höhe der Außenschale verteilt oder an deren oberem Rand Einbringöffnungen entweder zu bohren oder Vormauersteine zu entnehmen. UF-Schaum besteht aus einer wässrigen Harnstoffharzlösung und einer wässrigen Härterlösung. Eine der Lösungen enthält ein Schäummittel. Die Schaumbildung erfolgt bereits in der Spritzpistole, wo nach der Schaumbildung die zweite Komponente zugefügt wird, die den bestehenden Schaum benetzt. Dieser Schaum wird in den Hohlraum des Mauerwerks eingespritzt, wo er sich gleichmäßig verteilt. Dort muss der beträchtliche Wassergehalt des Schaums zunächst austrocknen. Die dafür benötigte Zeit hängt vom Wasserdampf-Diffusionswiderstand der den Hohlraum umgebenden Schichten ab. So können z. B. relativ diffusionsdichte Kunstharzputze auf der Wandoberfläche den Austrocknungsprozess ganz erheblich verzögern. Üblicherweise werden für die Austrocknung ca. vier bis sechs Wochen benötigt. Erst dann entfaltet der UF-Schaum seine volle wärmedämmende Wirkung. In der Presse wurde mehrfach negativ über die Wärmedämmung mit UF-Schaum berichtet. Untersuchungen ergaben, dass die beanstandeten Fälle von Geruchsbelästigung nach dem Ausschäumen stets auf falsche Anwendung von – zudem in den meisten Fällen in der Bun-
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
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desrepublik Deutschland nicht zur Anwendung zugelassenen – UF-Schäumen zurückzuführen waren. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass in der Bundesrepublik Deutschland Wärmedämmungen mit Ortschäumen nur von Personen ausgeführt werden dürfen, die über einen Befähigungsnachweis verfügen, der nach der Absolvierung einer „Ortschäumer“-Ausbildung erteilt wird. Ebenso wie UF-Schäume, werden PUR-Ortschäume aus zwei Komponenten hergestellt, die in einer Spritzpistole miteinander vermischt und dann in den auszuschäumenden Hohlraum eingebracht werden. Einkomponentige PUR-Schäume eignen sich nicht für Wärmedämmungen im großen Maßstab, mit ihnen können z. B. schmale Lücken und Ritzen beim Fensterund Türeneinbau - daher werden sie auch als PUR-„Montageschaum“ bezeichnet – oder beim Anschluss der Wärmedämmung im Steildach an Giebelmauerwerk ausgefüllt werden. Das Aufschäumen der eingespritzten Masse erfolgt erst im Hohlraum, die Aushärtung des Einkomponentenschaums durch Reaktion mit Feuchtigkeit. Für die Ausschäumung von zweischaligem Mauerwerk sind nur solche Ortschäume geeignet, die beim Aufschäumen einen geringen Schäumdruck entwickeln; Gemische, die einen hohen Schäumdruck entwickeln, könnten dem Mauerwerk aufgrund der bei Fassadenflächen resultierenden großen Kräfte gefährlich werden. Die Aushärtung des zweikomponentigen PUR-Ortschaums erfolgt nahezu sofort nach dem Aufschäumen. Da die Komponenten des PUR-Schaums kein Wasser enthalten, ist keine Austrocknung erforderlich, der Schaum erbringt seine wärmedämmende Wirkung sofort. Für die Ausfüllung des Hohlraums im zweischaligen Mauerwerk mit PS-Schaumperlen sind zwei Verfahren bekannt. In der Bundesrepublik Deutschland werden 3 bis 6 mm große, kugelförmige Schaumstoffpartikel mit einem Injektorgebläse in den Hohlraum eingeblasen. In den Niederlanden wird ein Verfahren angewandt, bei dem die 2 bis 5 mm dicken Perlen mit einer Spritzpistole eingeblasen werden, in der sie mit einem Dispersionsbindemittel befeuchtet werden, bevor sie die Pistole verlassen. Durch dieses Bindemittel verkleben die Perlen miteinander an den Berührungspunkten, nachdem sie in den Hohlraum des Mauerwerks gelangt sind. Sie können deshalb nicht durch eventuell nachträglich entstehende Öffnungen (Stemmarbeiten usw.) aus dem Hohlraum des Mauerwerks ausfließen. 15.4.2.3 Trittschalldämmung
Bis 1985 wurden für die Trittschalldämmung neben faserförmigen Dämmplatten ausschließlich solche aus PS-Partikelschaum eingesetzt. Zunächst werden die auch zur Herstellung von Wärmedämmplatten verwendeten Schaumstoffblöcke in mechanischen Pressen auf etwa ein Drittel ihrer Ausgangsdicke zusammengedrückt und dadurch elastifiziert. Die so bearbeiteten Blöcke und Platten stellen sich nach ihrer Entnahme aus der Presse weitgehend auf ihre Ausgangsdicke zurück. Die Blöcke werden dann noch zu Platten aufgeschnitten. Diese Trittschall-Dämmplatten niedriger dynamischer Steifigkeit werden hauptsächlich zur Verminderung des Trittschalls (Körperschall) unter schwimmenden Estrichen eingesetzt. Insbesondere bei der Altbauerneuerung kam und kommt es bei Raumhöhen und Anschlüssen an Türen und aufgehenden Bauteilen oft auf jeden Zentimeter an, den man an Höhe beim Fußbodenaufbau sparen möchte. Allerdings muss der erforderliche Trittschallschutz vorhanden sein. So sind die Mindest-Einbaudicken von Mineralfaser (MF)-Dämmplatten mit 15 mm und von PS-Partikelschaum mit 20 mm häufig noch zu groß. Deshalb wurde ein Polyethylen
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15 Kunststoffe
(PE)-Schaumstoff entwickelt, der auch in einer Schichtdicke von lediglich 4,5 mm die Anforderungen als TS-Dämmstoff auf Dauer erfüllt. Dieser Werkstoff ist geschlossenzellig und deshalb feuchtigkeitsunempfindlich. Die chemische Beständigkeit gegen möglicherweise einwirkende Stoffe, wie Öle und Fette, ist ausgezeichnet. Unter den auftretenden Lasten darf die Zusammendrückung nur gering sein, was auch für rollende Lasten zutrifft. Diese Eigenschaften begünstigen den Einsatz dieses Werkstoffes auch in Nassräumen, z. B. in Küchen und Bädern. 15.4.2.4 Lärmschutzwälle
Um die Verkehrslärmbelästigung (Autobahn, Flughafen) der Anwohner zu mindern, werden Lärmschutzwälle bevorzugt zwischen den Verkehrswegen und angrenzenden Wohngebieten errichtet. Die Wälle werden aus zusammensteckbaren Elementen gebaut und anschließend mit Erde gefüllt und bepflanzt. An die Bauelemente werden keine besonderen technischen und optischen Anforderungen gestellt, so dass hier bevorzugt gemischtes Recyclat (z. B. aus Verpackungsabfall) zum Einsatz kommt. 15.4.2.5 Lärmschutzwände
An Stellen, an denen der Platz zur Errichtung von Lärmschutzwällen fehlt, beispielsweise auf Brücken, können stattdessen Lärmschutzwände gebaut werden. Wegen der guten optischen Eigenschaften (glasklar) und der ausgezeichneten Witterungsbeständigkeit werden diese Elemente im Falle transparenter oder transluzenter Ausführung bevorzugt aus PMMA hergestellt. Zum Schutz von Vögeln müssen transparente Platten mit sichtbaren Markierungen versehen werden. Eine besonders elegante Möglichkeit ist dabei das Einlassen von feinen schwarzen Polyamid-Profilen in die Elemente. Der Preis dieser hochwertigen Lärmschutzwände setzt der Verbreitung Grenzen.
15.4.3 Versorgungs-, Entsorgungs- und Schutzrohrleitungen Kunststoffrohre bieten gegenüber Rohren aus herkömmlichen Werkstoffen nicht nur Preisvorteile. Sie zeichnen sich auch durch eine Reihe anderer vorteilhafter Eigenschaften aus. Hier sind besonders ihre Korrosionsbeständigkeit, ihr geringes Gewicht, ihre leichte Handhabung und Verarbeitbarkeit sowie ihre Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Beschädigungen bei Transport und Einbau zu nennen. Wenn auch Produktion und Anwendungen von Kunststoffrohren in großem Maßstab erst seit ca. 1965 erfolgen, bestehen doch wesentlich weiter zurückreichende Erfahrungen auf diesem Einsatzgebiet der Kunststoffe. Erste Anwendungen von Rohren aus Kunststoff sind 1936/37 nachgewiesen, also bereits vor über 70 Jahren. In diesem langen Zeitraum ist viel Entwicklungsarbeit geleistet worden, die es ermöglicht, Kunststoffrohre für jeden im Bauwesen vorkommenden Verwendungszweck einzusetzen. Insbesondere gelang es mit Hilfe des Zeit-Temperatur-Verschiebungsgesetzes durch Zeitstandinnendruckversuche schon frühzeitig, Druckrohre konstruktiv so auszulegen, dass die Rohrerzeuger den Versorgungsunternehmen eine 50-jährige Gewährleistung als Grundvoraussetzung für die Werkstoffsubstitution gegenüber den bis dato üblichen metallischen Rohren anbieten und so den Grundstein für den Siegeszug der Kunststoffrohre legen konnten.
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15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
Zur besseren Übersichtlichkeit bietet es sich an, Rohre nach ihren Einsatzgebieten im Bauwesen zu unterscheiden: Rohre für die Ver- und Entsorgung; in diese Gruppe gehören Trinkwasserrohre, Heißwasserrohre, Gasrohre, Rohre für Hausabflussleitungen und Entwässerungskanäle sowie Kabelschutzrohre; Rohre für den Gebäude- und Bauwerksschutz; hierzu gehören nicht nur Drän- und Sickerleitungsrohre, sondern auch Dachrinnen und Regenfallrohre; Rohre für Heizungsanlagen; sie unterliegen aufgrund anderer Einbau- und Betriebsbedingungen anderen Belastungen als Heißwasserrohre. Den Heizungsanlagen ist deshalb ein eigener Abschnitt gewidmet (15.4.4). Darüber hinaus finden Kunststoffrohre heute in ständig wachsendem Maße als Bestandteile von Lüftungsanlagen, in der Elektroinstallation und auch im Chemieanlagenbau Verwendung. Insgesamt werden für das Bauwesen Rohre aus 12 verschiedenen Kunststoffen gefertigt. Es fällt jedoch auf, dass – wegen der sehr unterschiedlichen Eigenschaften der Kunststoffe und wegen der an sie in den Anwendungen gestellten Anforderungen – in einem Einsatzbereich maximal sechs, meist jedoch nur vier oder weniger dieser Kunststoffe eingesetzt werden. Einen Überblick über diese Verteilung gibt Tabelle 15.8. Die hauptsächlichen Eigenschaften der acht wichtigsten Rohrwerkstoffe seien im Folgenden kurz dargestellt.
Tabelle 15.8 Einsatz von Rohren aus unterschiedlichen Kunststoffen in verschiedenen Einsatzbereichen
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Gasrohre
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Trinkwasserrohre Heißwasserrohre Fußbodenheizungsrohre
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Sonstige Heizungsrohre
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Dränleitungen
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Sickerleitungen
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Kabelschutzrohre
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VE-GF
UP-GF
PVC-U
PVC-C
PP-C
PP
PE-X
PE-LD
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Entwässerungskanäle
Hausabflussleitungen
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PE-HD
PB
EP-GF
Einsatzbereich
ABS
Kunststoff
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Die Tabelle zeigt die Handhabung in der Baupraxis. Daraus ist nicht unbedingt und nicht in jedem Fall auf eine besondere Eignung zu schließen (siehe Text)!
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15 Kunststoffe
Polyvinylchlorid hart (PVC-U ) Dieser Werkstoff hat einen sehr hohen Elastizitätsmodul. Sein thermischer Einsatzbereich bei Dauerbelastung, aber entsprechend verringerter mechanischer Beanspruchung reicht bis ca. 60 °C. PVC-U als Werkstoff ist auch ohne Zusatz flammhemmender Substanzen schwerentflammbar nach DIN 4102. Beachtlich ist die hervorragende Beständigkeit von PVC-U gegen organische Säuren, Laugen, Salzlösungen, Oxidationsmittel und Kohlenwasserstoffe. Allgemein zeigt PVC-U ein gutes Zeitstandverhalten (siehe Bild 15-5), das jedoch aufgrund der Nähe des Anwendungstemperaturbereichs zu der bei nur rund 75 °C liegenden Erweichungstemperatur stark temperaturabhängig ist: die Zeitstandfestigkeit sinkt mit steigender Temperatur (wiederum bei Dauerbelastung) deutlich ab. Bei niederen Temperaturen zeigt sich eine Versprödung des Werkstoffs. In Gegenwart oberflächenaktiver Medien kann es in gleichzeitig zugbeanspruchtem PVC-U, beispielsweise in Abwasserdruckleitungen, zur Spannungsrissbildung kommen.
Bild 15-5 Innendruck-Zeitstandfestigkeit von Rohren aus PVC-U (PVC hart) [15.9]
Chloriertes Polyvinylchlorid (PVC-C) Dieser Werkstoff weist einen vergleichsweise kleinen thermischen Ausdehnungskoeffizienten und eine sehr hohe Bruchfestigkeit auf. Der thermische Einsatzbereich ist gegenüber PVC-U als Folge der Nachchlorierung auf bis zu 90 °C erweitert. PVC-C weist eine besonders hohe Chemikalienbeständigkeit auf. Der Werkstoff ist verhältnismäßig spröde und seine Witterungsstabilität ist geringer als z. B. die von PVC-U. Polyethylen (PE) Polyethylen wird sowohl als harter wie auch als weicher Rohrwerkstoff eingesetzt. Das harte Niederdruckpolyethylen, ein Werkstoff mit (verhältnismäßig) hoher Dichte wird nach der englischen Bezeichnung („high density“) mit PE-HD, das weiche Hochdruckpolyethylen
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
931
niederer Dichte („low density“) mit PE-LD abgekürzt. Beide Varianten des Polyethylens weisen folgende Eigenschaften auf: Selbst in der Kälte sind sie sehr schlagfest. Ihre Beständigkeit gegen ultraviolette Strahlung ist nicht sehr hoch, kann aber durch Zusatz von etwa 1,5 M.-% Ruß vervielfacht werden; aus diesem Grund sind PE-Rohre im Regelfall schwarz. Gegen chemische Einflüsse ist PE jedoch sehr beständig. So werden die daraus hergestellten Rohre durch Säuren, wässrige Salzlösungen, Alkalien, Ester, Ketone und die meisten organischen Lösungsmittel kaum nachteilig beeinflusst. Die mechanischen Eigenschaften von Polyethylen sind sehr stark temperaturabhängig. Außerdem besteht eine gewisse Neigung zum „Kriechen“, d. h. einer sehr langsam fortschreitenden Verformung unter dem Einfluss einer ständigen Last. Auch die Bereitschaft zur Mikrorissbildung, meist als „Spannungsrissbildung“ bezeichnet, unter dem Einfluss ständiger hoher Last oder bei Kontaktierung mit spannungsrissauslösenden Substanzen bei gleichzeitig auftretenden Zugspannungen infolge äußerer Beanspruchung oder fertigungsbedingter Eigenspannungen, ist eine Eigenart des Polyethylens. Eine weitere Variante des Polyethylens ist das vernetzte Polyethylen (PE-X). Die Vernetzung des Werkstoffs, d. h. die Schaffung von chemischen Querverbindungen zwischen den Molekülketten des Werkstoffes, kann durch verschiedene Verfahren bei oder nach der Herstellung des Rohres erreicht werden. Das Ausmaß der Veränderung ist je nach dem angewandten Vernetzungsverfahren und dem dabei erreichten Vernetzungsgrad verschieden groß. Nach DIN 16 892, der Güteanforderungsnorm für Rohre aus PE-X, müssen mindestens folgende Vernetzungsgrade erreicht werden: bei Peroxidvernetzung (PE-Xa): 75 % bei Silanvernetzung (PE-Xb): 65 % bei Elektronenstrahlvernetzung (PE-Xc): 60 % bei Azovernetzung (PE-Xd): 60 % Grundsätzlich wird das zuvor thermoplastische PE durch die Vernetzung zu einem sogenannten „Thermoelast“, der sich über weite Temperaturbereiche ähnlich verhält wie ein Elastomer, also ein natürlicher oder synthetischer Kautschukwerkstoff. Mit zunehmendem Vernetzungsgrad (etwa von 80 % an) wird PE-X jedoch immer härter und verliert so – zumindest in Rohrform – seinen Vorteil der guten und einfachen Verarbeitbarkeit. Ganz hervorragende Zeitstandfestigkeit, sehr hohe Temperaturbeständigkeit, geringe Kriechneigung, erhebliche Kälteschlagfestigkeit und erhöhte Chemikalienbeständigkeit zeichnen diesen Werkstoff aus. Polypropylen (PP) Die Temperaturabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften des Polypropylens ist geringer als beim Polyethylen. Auch besteht eine geringe Neigung zur Spannungsrissbildung. Die Temperaturbeständigkeit des Werkstoffs ist aufgrund seiner um rund 40 K über der des Polyethylens liegenden Schmelztemperatur gut, sein Kriechverhalten günstig, bei niederen Temperaturen ist PP verhältnismäßig spröde. Polypropylen-Copolymer (PP-C) PP-Copolymer weist deutlich bessere Festigkeitswerte auf als PP. Auch seine Zeitstandfestigkeit ist erheblich höher. Die mechanischen Eigenschaften von PP-Copolymer sind wesentlich
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15 Kunststoffe
weniger temperaturabhängig als die von PP, daher ist seine Temperaturbeständigkeit deutlich höher. PP-Copolymer zeigt eine sehr geringe Neigung zu Spannungsrissbildung. Polybuten (PB) Wie PE-X und PP-C ist auch PB sehr temperaturbeständig. Die Temperaturabhängigkeit seiner mechanischen Eigenschaften ist gering. Auch dieser Werkstoff zeichnet sich durch hohe Zeitstandfestigkeit und gute Spannungsrissbeständigkeit aus. Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer (ABS) Durch Variationen der Rezeptur kann dieser Werkstoff den jeweils geforderten Eigenschaften sehr gut angepasst werden. Grundsätzlich weist ABS hohe Festigkeitswerte und eine gute Temperaturbeständigkeit auf. Die Schlagfestigkeit des Materials bleibt auch bei niederen Temperaturen sehr gut. Der hohen Beständigkeit gegen Chemikalien steht eine etwas eingeschränkte Witterungsbeständigkeit gegenüber. Glasfaserverstärkte Reaktionsharze (EP-GF, UP-GF, VE-GF) Als Ausgangsmaterialien für diese Rohre werden neben Glasfasern in verschiedener Form Epoxidharze (EP), ungesättigte Polyesterharze (UP) und Vinylester (VE) eingesetzt. Da solche Rohre aufgrund des aufwändigen Herstellungsverfahrens wesentlich teurer sind als extrudierte Massenware aus den anderen genannten Rohwerkstoffen, werden sie fast nur für Sonderanwendungen eingesetzt, wie z. B. im Chemieanlagenbau, wo gleichzeitig extreme Anforderungen an die mechanischen Eigenschaften der Rohre, ihre Temperaturbeständigkeit und ihre Widerstandsfähigkeit gegen aggressive Chemikalien gestellt werden. Sowohl für Versorgungs- als auch für Entsorgungsrohrleitungen aus Kunststoffen ist grundsätzlich festzuhalten, dass sie eines Übereinstimmungszertifikats durch eine vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin anerkannten Zertifizierungsstelle bedürfen. Diese Aufgabe wird bei Kunststoffrohren von der Gütegemeinschaft Kunststoffrohre wahrgenommen, die Mitglied im RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung ist. Die so eigen- und fremdüberwachten Rohre tragen das Ü-Zeichen als Nachweis für die Übereinstimmung mit der auf dem Rohr angegebenen Norm sowie das RAL-Gütezeichen. Nur solche Produkte dürfen gemäß Bauregelliste verwendet werden. 15.4.3.1 Versorgungsrohrleitungen
Kunststoffrohre werden im Bereich der Versorgung als Gasrohre, Trinkwasserrohre, Heißwasserrohre und Kabelschutzrohre eingesetzt. Kunststoffrohre für die Gasversorgung werden fast ausschließlich im Nieder- und Mitteldruckbereich eingesetzt, d. h. die Dauer-Innendruckbeanspruchung liegt im Normalfall unter 10 bar. Sie müssen vor allem korrosionsbeständig sein, ebenso aber auch beständig gegen die zu transportierenden Medien. Selbstverständlich müssen die Rohre und die Rohrverbindungen gegen Druckeinwirkung von innen wie von außen ausreichende Festigkeit aufweisen. Als Gasrohre werden überwiegend Rohre aus Polyethylen hoher Dichte (PE-HD), in etwas geringerem Maße auch Rohre aus PVC-U eingesetzt.
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
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PE-HD-Rohre werden entweder thermisch geschweißt oder durch Elektroschweißmuffen verbunden. Die Verbindung von PVC-Rohren geschieht entweder durch thermische oder durch Quellschweißung, aber auch Klebungen können durchgeführt werden. Die Forderung, dass Gasrohre aus Kunststoffen auch gegen aggressive Böden und Wässer beständig sein sollen, spielt in der Bundesrepublik Deutschland keine allzu große Rolle. Dem erdverlegten Einsatz solcher Rohre für den Gastransport stehen keine Bestimmungen irgendwelcher Art entgegen. Erfahrungen mit dem Einsatz von Kunststoffrohren als Gasrohre reichen zurück bis ins Jahr 1950, wo sie erstmals in größeren Versuchsstrecken eingebaut wurden. Rohre aus glasfaserverstärkten Polyesterharzen (UP-GF) werden nur selten in der Hausinstallation eingesetzt, häufiger dagegen im Chemieanlagenbau. Diese Rohre weisen Innendruckfestigkeiten und Beständigkeit gegen chemische Einflüsse in einem Maße auf, das in der Hausinstallation nicht ausgeschöpft werden kann, sind andererseits für diese auch zu teuer. Rohre für die Trinkwasserversorgung werden hauptsächlich aus PE-HD und PVC-U hergestellt. Hierbei wird PE-HD häufig für Hausanschlussleitungen (ca. seit 1955), PVC-U für Zubringer- und Versorgungsleitungen (schon vor 1955) eingesetzt. Rohre aus PE-LD (früher: PE weich) werden als Ringbunde bis zu 300 m Länge mit Durchmessern von 10 bis 160 mm geliefert; sie dienen vorwiegend dem Anschluss kleinerer Verbrauchereinheiten, so z. B. in einsameren ländlichen Gegenden, wo eine preiswerte, rationelle Verlegetechnik Vorrang hat. Trinkwasserrohre dürfen an das Trinkwasser weder Geschmack, Geruch, Farbe noch gesundheitsgefährdende Stoffe in hygienisch bedenklichen Mengen abgeben. Ebenso dürfen Algenbildung und Bakterienwuchs nicht begünstigt werden. Diese Forderungen sind im BundesLebensmittelgesetz festgelegt und werden von den eingesetzten Kunststoffrohren in hervorragender Weise erfüllt. Nicht nur im Hinblick auf ausströmendes Wasser und die daraus entstehenden Folgeschäden, sondern auch zur Wahrung der Hygiene ist die Dichtheit der Rohrleitungen, besonders an den Rohrverbindungen, eine absolute Grundforderung. PVC-URohre werden beim Einsatz für die Trinkwasserversorgung heute meist durch Kleben oder Quellschweißen verbunden. Die früher häufigeren Steckmuffenverbindungen mit Gummidichtringen und Flanschverbindungen mit Losflansch und Bundbuchse sind etwas in den Hintergrund getreten. Die Verbindung der PE-HD-, aber auch der PP- und PB-Rohre geschieht – wie bei den Gasrohren – meist durch thermische Schweißung (Heizelementschweißen) oder, insbesondere bei kleineren Durchmessern, durch Elektroschweißmuffen. Bei letzteren wird das Schweißverfahren auch „Heizwendelschweißen“ genannt. Hierbei werden Rohr und Muffe bzw. Schelle oder Formstück mit Hilfe der bereits eingebauten Widerstandsdrähte durch Stromzufuhr erwärmt und verschweißt. Die Energiezufuhr erfolgt nach dem Fixieren der Schweißformstücke mit Hilfe von Schweißautomaten, die an den Elektroschweißmuffen angebrachte Strichcodierungen oder zugehörige Magnetkarten zu lesen vermögen und die Schweißparameter vollautomatisch einstellen. Toleranzen und Vorspannungen der zu verschweißenden Teile gewährleisten die Aufbringung des bei Kunststoffen stets erforderlichen Schweißdrucks. Moderne Schweißautomaten ermöglichen inzwischen die Dokumentation aller heute aus Qualitätssicherungsgründen erforderlichen Schweißparameter, so dass hier sehr sicher handhabbare und kontrollierbare Schweißverfahren zur Verfügung stehen.
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15 Kunststoffe
Um Hauptleitungen für den Gebäudeanschluss nicht außer Betrieb nehmen zu müssen, werden für Leitungen aus PVC-U Anbohrarmaturen geliefert, die auf die PVC-U-Hauptleitung aufgeklebt oder mit Keilen bzw. Schrauben an ihr befestigt werden, für Hausanschlüsse an PE-HD-Hauptleitungen Anbohrschellen, die mittels der Heizwendelschweißverbindung adaptiert werden. Lösbare Verbindungen werden meist mittels Vorschweißbunden mit Losflansch ausgeführt. Kunststoffrohre für die Versorgung mit Heißwasser werden aus mehreren Werkstoffen hergestellt. Hier sind besonders nichtthermoplastische Werkstoffe zu nennen, die mit Glasfasern verstärkt angewandt werden: ungesättigte Polyesterharze, Epoxidharze und Vinylesterharze. Aber auch thermoplastische Werkstoffe mit höherer thermischer Stabilität werden für diesen Zweck eingesetzt: Polypropylen (PP), chloriertes Polyvinylchlorid (PVC-C) und vernetztes Polyethylen (PE-X). Die vorzügliche Eignung der PE-X-Rohre für den Einsatz im Heißwasserbereich hat in den letzten Jahren zur Entwicklung vollständiger Installationssysteme nach dem Rohr-in-Rohr-Prinzip geführt, die sich aufgrund rationeller Montagemöglichkeiten bereits einen beträchtlichen Marktanteil erobert haben. Durch die ständige Zunahme, Erweiterung und die wachsende Bedeutung von Computernetzwerken, Telefon- und Kabelfernsehnetzen und anderen Telekommunikationseinrichtungen gewinnen die dafür erforderlichen Kabelnetze immer größere technische und wirtschaftliche Bedeutung. Ein wirksamer Schutz vor Beschädigung erdverlegter Kabel wird durch den Einsatz von Kabelschutzrohren erreicht. Als besonders geeignet hat sich für diese Anwendung PVC-U erwiesen. Ein Großteil der Kabelschutzrohre wird dabei aus PVC- und PE-HD-Recyclaten hergestellt, die im Rahmen des Recyclings aus zurückgenommenen Altrohren und Verschnittresten erzeugt werden. 15.4.3.2 Entsorgungsrohrleitungen
Bei den Hausabflussleitungen befindet sich die Normennomenklatur derzeit im Umbruch. Nach der nationalen, derzeit noch bestehenden DIN-Normung unterscheidet man zwei Rohrtypen: PVC-U-Rohre. Sie sind für Abwassertemperaturen bis 60 °C geeignet (daher wurden sie früher auch als KA-Typen bezeichnet). Auf Weisung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) ist die Verwendung dieses Rohrtyps auf kaltgehende Leitungen beschränkt. Insofern dürfen solche Rohre im Abwasserbereich nur noch für innenliegende Regenfallleitungen und Anschlussleitungen für Balkonentwässerungen, Klosett- und Urinalanschlussleitungen sowie Anschlussleitungen für Decken- und Bodeneinläufe ohne seitlichen Einlauf eingesetzt werden. Die Verbindung dieser Rohre erfolgt mit Steck-, Klebe- oder Schweißmuffen. HT-Typen. Hierbei handelt es sich um heißwasserbeständige Abwasserleitungen. Werkstoffseitig fallen in diese Kategorie die Rohre aus PE-HD, PP, PVC-C (chloriertes Polyvinylchlorid) und – in ständig wachsendem Maße – aus Styrol-Copolymerisaten, z. B. ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol) oder ASA (Acrylnitril-Styrol-Acrylester). Der Einsatzbereich dieser Rohre liegt bei Abwässern mit höheren Temperaturen bis 90 °C (kurzzeitig auch bis 100 °C). Diese Rohre werden ausschließlich durch Steckmuffen miteinander verbunden. Um die Verbindung verschiedener Rohrtypen untereinander zu ermöglichen, sind die Steckmuffen und Formstücke aller Rohrtypen gleich gestaltet.
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
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Die europäische DIN-EN-Normung unterscheidet unabhängig von den genannten Werkstoffen nur noch zwischen „Kunststoff-Rohrleitungssystemen zum Ableiten von Abwasser (niedriger und hoher Temperatur) innerhalb der Gebäudestruktur“. Um der gesteigerten Sensibilität im Hinblick auf Geräuschbelästigungen Rechnung zu tragen, hat die kunststoffrohrerzeugende Industrie mit der Entwicklung von Rohrleitungen aus mineralverstärktem PP sowie aus ABS/ASA/PVC-U-Rohren mit einer Rohraußenschicht aus mineralverstärktem und ansonsten gleichem Kunststoff wie das innenliegende Rohr oder aus mineralverstärktem PVC-U reagiert. Für diese Produkte gibt es in Ermangelung von Normen Allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse, durch die deren Eignung bestätigt wird. 15.4.3.3 Rohre für den Gebäude- und Bauwerksschutz
In diese Gruppe sind Entwässerungskanalrohre, Regenrinnen und Regenfallrohre sowie Drän- und Sickerleitungsrohre zu rechnen. Entwässerungskanalrohre werden zu einem großen Teil aus Polyvinylchlorid hart (PVC-U), daneben aber auch aus Polyethylen hoher Dichte (PE-HD), in selteneren Fällen aus Polypropylen (PP) oder glasfaserverstärkten ungesättigten Polyesterharzen (UP-GF) hergestellt. In diesem Zusammenhang dürfen Rohre aus Kunstharzbeton nicht übersehen werden. Entwässerungskanalrohre aus PVC-U werden in Nennweiten von 100 bis 500 mm hergestellt. Zwar sind auch größere Durchmesser auf dem Markt, hierbei handelt es sich jedoch um sogenannte Kanal-Stegrohre, die als Spiralrohre nach einem besonderen Wickelverfahren hergestellt werden. Mit diesem Verfahren können Rohre bis zu 3,5 m Durchmesser hergestellt werden. Auch diese Rohre haben vollkommen glatte Innenflächen und werden insbesondere im Tiefbausektor, für industrielle und kommunale Kanalisation und in der Lüftungstechnik eingesetzt. Die Herstellung dieser Rohre erfolgt in einem „indirekten Extrusionsverfahren“, bei dem ein endloses Profilband in noch heißem Zustand spiralförmig auf einen Kern gewickelt wird. Die Bänder werden, ähnlich wie bei entsprechenden Stahlrohren, miteinander verschweißt. Standard-Nennweiten dieser Rohre sind 500, 630, 800 und 1000 mm, die Standard-Lieferlängen liegen bei 5 m, Sonderlängen bis 11 m sind möglich. Für die verschiedenen Nennweiten und auch für verschiedene Belastungsgruppen werden die Bänder für die Kanal-Stegrohre in unterschiedlichen Dicken und Profilierungen extrudiert. Entwässerungskanalrohre aus PVC-U sind geeignet für Abwassertemperaturen bis zu 60 °C, bei Nennweiten über 200 mm für Temperaturen bis zu 40 °C. Die Verbindung der Entwässerungskanalrohre erfolgt durch angeformte Steckmuffen mit Dichtringen. Der Anschluss von Entwässerungskanälen aus Kunststoffrohren an bestehende Entwässerungssysteme aus Steinzeugrohren ist problemlos möglich, weil passende Formstücke im Handel erhältlich sind. Entwässerungskanalrohre aus UP-GF werden hauptsächlich für die Ableitung korrosiver Abwässer eingesetzt, da sie eine sehr hohe chemische Beständigkeit aufweisen. Erste Anwendungen erfolgten in der chemischen Industrie. In diesem Einsatzbereich hat man bereits seit 1955 gute Erfahrungen mit der innenseitigen Beschichtung und der Ausbesserung von Betonkanälen mit ungesättigten Polyesterharzen gemacht. Erste Versuche zur industriellen Herstellung von UP-GF-Entwässerungskanalrohren wurden 1960 unternommen. Diese Rohre werden heute im Schleuder- oder im Wickelverfahren hergestellt, wobei Schleuderrohre bis zu 1200 mm, Wickelrohre bis zu 3500 mm Durchmesser haben können. Mit (je nach Durchmesser) 5 bis 15 mm Wanddicke sind die Rohre bei Längen zwischen 5 und 8 m relativ flexi-
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15 Kunststoffe
bel und leicht, was Transport und Montage sehr vereinfacht. UP-GF-Entwässerungskanalrohre werden durch Klebemuffen, Laminatverbindungen oder Flansche miteinander verbunden. Entwässerungskanalrohre aus Kunstharzbeton finden wegen ihrer extrem hohen Chemikalienbeständigkeit überwiegend in der chemischen Industrie Verwendung. Wegen ihrer sehr hohen Druck- und Biegefestigkeit werden sie aber auch da eingesetzt, wo Entwässerungskanäle im hydraulischen Vorpressverfahren gebaut werden müssen. Zur Herstellung dieser Rohre werden ungesättigte Polyester-, seltener auch Epoxidharze eingesetzt. Die Rohre werden in Durchmessern von 250 bis 4000 mm hergestellt und weisen Wanddicken von 50 bis 200 mm auf. Die Längen dieser Rohre liegen bei 3,5 m. Als Ergänzung zu diesen Rohren, aber als eigenständige Bauelemente, werden Entwässerungsrinnen, Sammelschächte sowie Straßen- und Brückenabläufe mit verschiedenen Abdeckungen hergestellt. Kunststoff-Regenrinnen werden fast nur aus Polyvinylchlorid hart (PVC-U) hergestellt. Wenige Ausnahmen aus glasfaserverstärktem ungesättigtem Polyesterharz seien erwähnt. Sie eignen sich zum Einsatz in Gebieten mit starker Industriekonzentration (chemisch aggressive Niederschläge!). Regenrinnen aus PVC-U werden in allen in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Nennweiten zwischen 70 und 180 mm hergestellt. Hinzu kommt eine Vielzahl von Formteilen: Endstücke, Innen- und Außenecken, Ablaufstutzen, Rinnenhaken und dergleichen mehr, die die Systeme vervollständigen. Viele Hersteller fertigen neben den üblichen Halbrundrinnen auch die von Architekten aus formalen Gründen oft bevorzugten Kastenrinnen. Der Zusammenbau der Teile erfolgt, sowohl bei Halbrund- wie bei Kastenrinnen, durch Klemm-, Steck- oder Klebeverbindungen. In jedem Fall ist bei der Montage der bei Kunststoffen nicht unbedeutende lineare Wärmeausdehnungskoeffizient zu berücksichtigen. Auch Kunststoff-Regenfallrohre werden fast ausschließlich aus PVC-U gefertigt, solche aus UP-GF sind nicht sehr gebräuchlich. Außerdem sind Regenfallrohre aus Polyethylen hoher Dichte (PE-HD) zu erwähnen. Diese können jedoch nur innenliegend, z. B. in Verbindung mit Flachdachentwässerungen durch Dachgullys eingesetzt werden. Wie bei den Regenrinnen, so ist auch hier eine Vielzahl von Formstücken erhältlich: Kupplungen, Abzweige, Bögen, Übergangsstücke und Rohrschellen sind übliche Bestandteile des Lieferprogramms, nur wenige Hersteller liefern nicht alle diese Teile, viele jedoch auch noch andere Teile. Die übliche Verbindung der Regenfallrohre ist die Steckmuffe oder die spezielle Rohrkupplung. Oft werden fälschlicherweise Hausentwässerungsrohre anstelle der Regenfallrohre montiert. Dies ist solange unbedenklich, wie diese Rohre im Gebäudeinneren liegen und somit praktisch keiner ultravioletten Strahlung ausgesetzt sind. Die Hausentwässerungsrohre sind aufgrund ihres Einsatzzweckes nicht gegen UV-Strahlung stabilisiert und werden sich daher, wenn sie dieser ausgesetzt werden, zunächst auffällig verfärben und schließlich vorzeitig versagen. Dränrohre werden fast ausschließlich aus PVC-U hergestellt. Nur in wenigen Ausnahmefällen sind Dränrohre aus PE-HD anzutreffen. Dränrohre aus PVC-U werden nicht nur zum Bauwerksschutz, sondern in großem Maßstab auch für die Flächenentwässerung (z. B. zur Gewinnung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen in moorigen Gebieten) eingesetzt. Sie werden als glattwandige oder auch als gewellte, flexible Rohre hergestellt. Das abzuleitende Wasser gelangt durch Wassereintrittsöffnungen von 0,6 bis 2,0 mm Breite in die Rohre. Anfänglich wurden glatte PVC-U-Muffenrohre mit glatten Wandungen und Längsschlitzen eingesetzt. Diese Rohre waren 5 m lang. Heute dagegen werden flexible Rohre mit rundum
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laufenden Schlitzen eingesetzt, die in Ringbunden von 50 bis 250 m geliefert werden. Sonderlängen bis 3 m sind möglich. Es werden Rohre mit Nennweiten von 50 bis 250 mm hergestellt. Die Rohre werden durch das Übereinanderschieben der Spiralwellung miteinander verbunden. Als Zubehör werden auch Verbindungsmuffen, daneben Reduzierstücke, Verschlussstopfen, T-Stücke, Einführungswinkel usw. geliefert. Sickerwasserrohre werden normalerweise aus PVC-U, in einigen Ausnahmefällen aber auch aus PE-HD gefertigt. Sie werden einerseits zur Entwässerung von Erdplanum und Frostschutzschichten während der Bauzeit, andererseits zur Ableitung des anfallenden Oberflächenwassers aus dem Erdreich neben Straßen, Dämmen usw. zum Zweck des Frostschutzes eingesetzt. Der Querschnitt dieser Rohre entspricht ungefähr dem eines unten abgeflachten Kreises, bei dem die Kreisfläche oben geschlitzt ist, während die ebene untere Auflagefläche als Rinne ausgebildet ist. Sickerleitungsrohre werden in Nennweiten von 80 bis 250 mm und üblicherweise 5 m Länge hergestellt. Die Verbindung der Rohre untereinander erfolgt durch Doppelsteckmuffen oder angeformte Steckmuffen. Zur Abführung von Deponiesickerwässern direkt über der Deponiebasisabdichtung werden in Filterkies eingebettete oder mit Filtervliesen abgedeckte Sickerrohre aus PE-HD verwendet.
15.4.4 Heizungs- und Energiegewinnungsanlagen 15.4.4.1 Fußboden-Heizungsrohre und -Systeme
Der Einsatz von Kunststoffrohren in Heizungsanlagen erfolgt in größerem Maßstab nur in Fußbodenheizungen. Diese Anwendung hat wegen einiger spektakulärer Großschäden in den ersten Jahren eine traurige Berühmtheit erlangt, die immer noch Bauherren, Planer und Ausführende verunsichert. Die Schadenhäufigkeit bei solchen Anlagen ist jedoch relativ wesentlich geringer als bei „konventionellen“ Heizungsanlagen. Sie wird allgemein überschätzt, weil der einzelne Schaden wegen der Höhe der Folgeschäden weitaus mehr Publizität erlangt als Schäden besser zugänglicher Heizungssysteme. Der vermehrte Einbau von Fußbodenheizungen ist eine direkte Folge der energiewirtschaftlichen Situation der letzten Jahre, die durch die laufende Verschärfung der Wärmeschutzbestimmungen gekennzeichnet ist und schließlich in die Energieeinsparverordnung einmündete, die neu errichtete Gebäude mit normalen Innentemperaturen aus energetischer Sicht ganzheitlich, also von der Erzeugung der Primärenergie über die haustechnische Heizanlage bis hin zum Ausgleich der Transmissionsverluste durch die Gebäudehülle umfasst. Eine Heizungsanlage muss diejenige Menge an Wärmeenergie ersetzen, die vom Gebäude an die Umgebung abgegeben wird. Durch die drastische Verringerung dieser Energiemenge als direkte Folge der verbesserten Wärmedämmung der Außenwände ist es möglich, Fußbodenheizungen einzusetzen, ohne dass die Temperaturen der Fußbodenoberflächen zu hoch liegen, wie dies bei Altanlagen oftmals in gesundheitsabträglicher Weise der Fall war. Die heute bei Fußbodenheizungen üblichen Oberflächentemperaturen werden hingegen zumeist als angenehm empfunden, weil sie – mit ca. 24 bis 27 °C – in einem Bereich liegen, der einerseits der Erfordernis der Wärmeabfuhr des menschlichen Körpers sehr gut entspricht, andererseits aber niemals das Gefühl der „Fußkälte“ aufkommen lässt.
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Hinzu kommt, dass die Wärme – im Gegensatz zu den meisten anderen Heizungssystemen – praktisch nur durch Wärmestrahlung, nicht aber durch Konvektion abgegeben wird. Dadurch werden Zugerscheinungen weitestgehend vermieden. Schließlich ergibt sich im Raum eine aus physiologischer Sicht günstige Wärmeverteilung: die Raumtemperatur nimmt, ausgehend von einem Maximum am Fußboden, nach oben kontinuierlich ab. Die in Kopfhöhe herrschende Temperatur wird noch als durchaus behaglich empfunden, obgleich die über die gesamte Raumhöhe herrschende Durchschnittstemperatur um ca. 2 °C niedriger liegt als in konventionell beheizten Räumen. So dient die Fußbodenheizung nicht nur der Steigerung des Komforts, sondern auch der Energieeinsparung. Weitere Möglichkeiten zur Energieeinsparung bieten Fußbodenheizungen mit Kunststoffrohren durch die niedrigen Vorlauftemperaturen, die mindestens 30 °C, höchstens 60 °C betragen sollten und in den meisten Fällen zwischen 40 und 45 °C liegen. Dadurch sind die Fußbodenheizungen geeignet zur Koppelung mit alternativen bzw. regenerativen Wärmeerzeugersystemen: Solarkollektoren und -absorber, Wärmepumpen, industrieller Abwärme und anders nicht mehr nutzbarer Restwärme von Fernheiznetzen. Fußbodenheizungen mit Kunststoffrohren können nach ihrer Bauart zwei verschiedenen Systemen zugeordnet werden: Nassmontagesystemen, Trockenbausystemen. Beide Bauarten haben grundsätzlich folgende Hauptbestandteile: Rohr, Wärmedämmung, Estrich. Bei den Nassmontagesystemen kann, bei den Trockenbausystemen muss eine wärmeverteilende Schicht (ein Blech oder eine Metallfolie) hinzukommen. Bei den Nassmontagesystemen werden die Rohre direkt in den Estrich eingebettet, bei den Trockenbausystemen liegen sie – es gibt wenige Ausnahmen – in Vertiefungen der vorgeformten Wärmedämmplatten. Beide Bauarten haben wärmetechnische und verlegetechnische Vor- und Nachteile, die einander, abhängig vom Einsatz der Heizungsanlage, die Waage halten. Neuere Forschungsergebnisse scheinen jedoch darauf hinzuweisen, dass die direkte Einbettung der Rohre in den Estrich einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor darstellt. Als Werkstoffe für Fußboden-Heizungsrohre werden heute eingesetzt: vernetztes Polyethylen (PE-X), Polypropylen-Copolymerisat (PP-C), Polybuten (PB). Die früher häufig eingesetzten Werkstoffe Polyethylen hoher Dichte (PE-HD) und Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD) haben ihre Bedeutung auf diesem Sektor verloren. Die heute angewandten Rohre aus den drei genannten Werkstoffen zeichnen sich aus durch hohe Spannungsrissbeständigkeit, hervorragende Innendruck-Zeitstandfestigkeit und Alterungsbeständigkeit, geringes Gewicht, große Rohrlängen, glatte Innenwände und die Möglichkeit, ohne großen mechanischen Aufwand Rohrbögen herzustellen.
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Die Langzeiteigenschaften der Rohre sind für den Einsatz als Fußboden-Heizungsrohre von entscheidender Bedeutung. Aufgrund ihrer Molekularstruktur unterscheiden sich hier die eingesetzten Kunststoffe zwar etwas, alle speziell für den Einsatz in Fußbodenheizungsanlagen konfektionierten Rohre aus PE-X, PP-C und PB sind für diese Anwendung jedoch grundsätzlich geeignet und lassen auch unter ungünstigen Einsatzbedingungen eine Lebensdauer von über 50 Jahren erwarten. Einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor stellt die Gütesicherung mit dem Gütezeichen für Fußboden-Heizungsrohre aus Kunststoffen dar. Die bisher vorliegenden Erfahrungen mit Fußboden-Heizungsrohren aus PB, PP-C und PE-X haben gezeigt, dass Schäden in Anlagen wegen der strengen Werkskontrollen kaum auf Materialfehler, sondern überwiegend auf Einwirkungen bei Transport und Lagerung sowie Fehler bei Einbau und Betrieb der Anlagen zurückzuführen sind. Besonders die Gefahr der Spannungsrissbildung kann durch richtiges Verlegen (z. B. Biegen der Rohrbögen unter Einhaltung fachgerechter Biegeradien und Biegetemperaturen, Vermeidung des Verdrillens beim Verlegen usw.) bis zur Vernachlässigbarkeit reduziert werden. Den früher oft vehement geäußerten Bedenken, dass der durch das Kunststoffrohr in das Heizwasser eindiffundierende Sauerstoff an den metallischen Anlagenteilen Korrosionsschäden verursachen könne, hat die Industrie durch die Entwicklung diffusionsgeschützter Rohre Rechnung getragen. Diese Rohre sind mit einer zusätzlichen dünnen Sauerstoff-Sperrschicht entweder aus Aluminiumfolie oder aus einem sauerstoffundurchlässigen Kunststoff und einer weiteren Kunststoff-Schutzschicht ummantelt. 15.4.4.2 Solarkollektoren
In Deutschland ist das Thema „Solarenergie“ spätestens seit der ersten Ölkrise 1973 in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Auf der Suche nach alternativen und vom Weltmarkt unabhängigen Energiequellen wurden Technologien zur regenerativen Energiegewinnung (mit Wasser, Wind, Sonne, Biomasse, Abfällen, Photovoltaik usw.) erforscht und entwickelt. Anfang der achtziger Jahre flachte die Nachfrage aufgrund sinkender Ölpreise und technisch unausgereifter Anlagen ab. Seit 1987 wuchs das Bewusstsein für den Umweltschutz vor allem wegen der zunehmenden Ressourcenknappheit der Energiequellen Öl, Gas, Kohle und Uran sowie der unübersehbaren Klimaveränderungen durch die Verbrennung fossiler Energieträger und der im Zuge der Weltklimakonferenzen eingegangenen Verpflichtungen der Staaten zur CO2-Verringerung. Die heutigen Sonnenkollektoren sind technisch ausgereift und haben eine Gebrauchsdauer von ca. 20 Jahren. Eine Erhöhung des Wirkungsgrades und somit der Wirtschaftlichkeit von Solaranlagen konnte durch die zusätzliche Nutzung der diffusen Strahlung (bei bedecktem Himmel) erreicht werden. Mittlerweile lassen sich nahezu alle Bestandteile von Kollektoren wiederverwerten. Die Anschaffung von Solaranlagen wird durch den Bund und die Länder gefördert. Auf dem Solarkollektor-Markt wurden jährliche Wachstumsraten von rund 20 % erzielt. Das Anfang 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich - kurz Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) genannt - und die daraufhin vom Gesetzgeber verfügten Verschärfungen der Anforderungen der Energieeinspar-Verordnung (EnEV) lassen eine zusätzliche Steigerung der Verbreitung von Solarkollektoren erwarten.
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15 Kunststoffe
Sonnenkollektoren bestehen aus einem flachen, rechteckigen Gehäuse, meist aus Aluminium oder feuerverzinktem Stahlblech, das mit schlagfestem Glas oder transluzenten Kunststoffplatten abgedeckt ist. An den Seitenwänden und unterseitig sind die Kollektorgehäuse mit einer effizienten Wärmedämmung (in vielen Fällen Polyurethan-Hartschaum) ausgekleidet. Auf dieser Wärmedämmung liegen mit einem frostsicheren Wärmetransportmedium gefüllte Rohre aus Stahl, Aluminium, Kupfer oder Polypropylen. Das Rohrregister ist mit einer Absorberplatte abgedeckt oder mit einer Absorberschicht versehen. Die einfallende Sonnenstrahlung wird in der Absorberplatte bzw. -schicht in Wärmeenergie umgewandelt. Die Absorberschicht muss im Spektralbereich von ca. 300 bis 2500 nm hohe Absorptionsfähigkeit aufweisen. Dazu eignen sich am besten schwarze, nicht glänzende Oberflächen. Die gewonnene Wärmeenergie wird durch das Wärmetransportmedium in einem geschlossenen Kreislauf zu einem Wärmetauscher transportiert und an das zu erwärmende Wasser abgegeben. Absorberplatten (meist aus Polypropylen) sind normalen Betriebstemperaturen von 60 bis 70 °C ausgesetzt. Im Leerlauf, d. h. wenn das Wärmeträgermedium nicht zirkuliert, können bei starker Sonneneinstrahlung am Absorber Temperaturen bis zu 190 °C auftreten. Varianten der oben beschriebenen, üblichen Flachkollektoren sind Vakuum-Röhrenkollektoren und Speicherkollektoren. In Vakuum-Röhrenkollektoren werden die Wärmeverluste durch einen starken Unterdruck im Gehäuse reduziert. Dieser Unterdruck bedingt eine besondere Form der Röhren, die aus Glas bestehen. Vakuum-Röhrenkollektoren sind die effizientesten, aber auch teuersten Solarkollektoren. Speicherkollektoren arbeiten ohne Absorberfläche. Der Speicher wird direkt von der Sonne erwärmt. Daher sind Speicherkollektoren weniger effizient, aber relativ preisgünstig. Durch eine transparente Wärmedämmung zwischen Abdeckung und Speicher können Wärmeverluste reduziert werden. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 300 000 m2 Kollektor-Fläche verbaut. Die Preise für Solarkollektoren sind in den Jahren 1995 und 2004 um über 60 % gefallen. Ein Quadratmeter Flachkollektor-Fläche kostet um die 200,– €. Vakuum-Röhrenkollektoren sind ab ca. 600 €/m2 erhältlich. Eine 1 m2 große Kollektorfläche kann ungefähr 62,5 l Brauchwasser (~ 73 W/h) auf durchschnittlich 60 °C erwärmen. Je nach Kollektor-Typ und Sonneneinstrahlung variieren die Ertragswerte. Für einen 4-Personen-Haushalt werden 6 bis 8 m2 Kollektorfläche zur Warmwasseraufbereitung benötigt. 15.4.4.3 Photovoltaik (PV)
Die Photovoltaik wurde erst ab 1991 durch das „1000 Dächer-Programm“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt. In Ermangelung eines Folgeprogramms kam es 1994/1995 zu einem geringfügigen Marktrückgang. Jüngere Förderprogramme haben zum Ziel, die Solartechnologie weiter zu entwickeln, den Wirkungsgrad durch neue Modul-Bauweisen und bessere Halbleiter zu erhöhen, die Herstellungskosten zu senken und zur Verbreitung der Technik, besonders in den Ländern der Dritten Welt, beizutragen. PV-Anlagen sind technisch ausgereift und haben ihre Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt. Weltweit wird mit einem PV-(Nachfrage-)Wachstum von 15 % jährlich gerechnet.
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
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Am häufigsten wird für den Aufbau von Solarzellen als Halbleitermaterial Silizium (Si) verwendet. Dabei kommen drei verschiedene Siliziumarten zum Einsatz: monokristallines Si mit ca. 14 bis 17 % (praktischem) Wirkungsgrad, polykristallines Si mit ca. 13 bis 15 % Wirkungsgrad und amorphes Si mit ca. 5 bis 7 % Wirkungsgrad; labormäßig festgestellte Wirkungsgrade lagen deutlich höher. Dies gilt insbesondere für spezielle Solarzellen, die eine bessere Ausnutzung des Sonnenlichtes durch einen mehrschichtigen Kristallaufbau ermöglichen. Sie bestehen aus unterschiedlich zusammengesetzten Halbleiterelementen wie Gallium, Indium, Arsen, Germanium und Phosphor. Die einzelnen Schichten können Licht unterschiedlicher Wellenlängen zur Stromerzeugung nutzen. Die Solarmulden sind witterungsfest mit Glas oder Acryl umschlossen. Die Modulrahmen bestehen meist aus Aluminium oder feuerverzinktem Stahl. Neuentwickelte Solarzellen aus den USA mit einer linsenförmigen Oberfläche aus speziell gehärtetem Acryl und trichterförmigen Aluminiumreflektoren auf einem Solarzellen-Paneel ermöglichen eine bis zu 1700-fache Konzentration des einfallenden Lichtes. Mit diesem System lässt sich der Wirkungsgrad auf über 40 % erhöhen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energie Systeme (ISE) in Freiburg erzielte durch Optimierung von Linsengröße und Kontaktstrukturen bei nur 300-facher Lichtkonzentration eine noch höhere Ausbeute. Fällt Sonnenlicht auf den Halbleiter, werden negative und positive Ladungsträger freigesetzt. Diesen Prozess bezeichnet man als Photoeffekt. Die geladenen Teilchen werden durch ein internes elektrisches Feld getrennt. Es baut sich eine elektrische Spannung zwischen Metallkontakten auf, die an der Oberfläche der Solarzelle und an der Innenseite auf einer Metallschicht befestigt sind. Werden mehrere Module über elektrische Leitungen zusammengeschaltet, fließt ein Gleichstrom. Um die Energie im Hausnetz nutzen zu können, wird der gewonnene Ertrag durch Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt. Überschüssiger Strom wird in das örtliche Netz eingespeist und bei Bedarf wiederum Strom aus diesem bezogen (Netzkopplung). Die PV-Anlagen arbeiten fast verschleißfrei, vollautomatisch, ohne Lärm und Emissionen. Der Ertrag der Anlage hängt stark von der Intensität der örtlichen Sonneneinstrahlung ab, z. B. sinkt die Leistung der Anlage bei wolkenbedecktem Himmel. Wichtig für die Effizienz einer PV-Anlage ist die richtige Ausrichtung und Neigung der Module. Ertragsverluste können u. a. durch Verschattungen (Bäume, Gebäude etc.) und Verschmutzung entstehen. Ein 1 m2 großes multikristallines Silizium-Modul kann ungefähr 82,85 Wp produzieren (= 0,083 kWp; kWp: KiloWattpeak, peak = Spitzenleistung der Solarzelle). Der jährliche Energiebedarf eines Einfamilien-Wohnhauses kann z. B. in Deutschland durch eine ca. 70 m2 große Modul-Fläche gedeckt werden. Eine aus Solarziegeln bestehende PV-Anlage mit einer Leistung von 1 kWp kostet zwischen 3.000 und 4.500 €. Aufgrund des weltweiten Wettbewerbs weisen die Modulkosten derzeit eine stark sinkende Tendenz auf. 1 kWh PV-Strom kostet bei auf dem Dach installierten Anlagen z. Zt. etwa 0,50 € und liegt damit noch immer über der derzeit gültigen Einspeisevergütung für private Kleinanlagen, die 0,4301 €/kWh beträgt. Je nach Beschaffungs-, Installations- und Finanzierungskosten, Standort, Stromausbeute und Eigenverbrauch können unter Inanspruchnahme der derzeitigen staatlichen Förderungen bei 20-jähriger Laufzeit Renditen (interner Zinssatz) von rechnerisch rund 6 % erreicht werden.
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PV-Module können auf Schrägdächern (Auf-Dach-Montage, im Dach integrierte rahmenlose Module, Solarziegel), auf Flachdächern (Aufständerungen als festes Tragsystem für die Module, neuerdings auch Spezial-Kunststoffdachbahnen mit integrierten Modulen) und an Fassaden (rahmenlose Module, Sonnenschutzlamellen, Glasfassaden-Elemente, structural glazing Elemente) montiert werden. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind die sogenannten dezentralen Inselanlagen, die unabhängig vom Stromnetz sind. Diese Anlagen eignen sich besonders in Gebieten ohne flächendeckende Stromversorgung (Gebirgshütten, ländliche Regionen der Dritten Welt etc.) und für autarke technische Einrichtungen im öffentlichen Bereich (Parkscheinautomaten, Verkehrsschilder-Systeme etc.).
15.4.5 Fassaden- und Wandbauelemente 15.4.5.1 Wellplatten- und bahnen
Für untergeordnete Gebäude (Lagerhallen und dergleichen) können Kunststoffplatten und -bahnen mit Wellen-, Spundwand- oder ähnlicher Profilierung als Außenwandbekleidung eingesetzt werden. Solche Bahnen und Platten werden aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK), Polycarbonat (PC), Polymethylmethacrylat (PMMA = Acrylglas) und Polyvinylchlorid hart (PVC-U) jeweils transparent oder lichtundurchlässig hergestellt. Dies eröffnet die Einbeziehung von Belichtungsmöglichkeiten in die Außenwandbekleidung ohne Unterbrechung oder sonstigen zusätzlichen Aufwand in der Unterkonstruktion oder Wechsel des Werkstoffes. 15.4.5.2 Lichtwandelemente
Für die Herstellung mehrschaliger lichtdurchlässiger Bauteile werden folgende Kunststoffe eingesetzt: glasfaserverstärktes, ungesättigtes Polyesterharz (UP-GF), Polycarbonat (PC), Polymethylmethacrylat (Acrylglas; PMMA), Polyvinylchlorid hart (PVC-U). Auch Kombinationen von Kunststoffen und Silicatglas werden eingesetzt. Einige wichtige Werkstoffeigenschaften von UP-GF, PC, PMMA und PVC sind in Tabelle 15.9 den entsprechenden Eigenschaften von Silicatglas gegenübergestellt. Hinter einer verwirrenden Vielfalt von Bezeichnungen für mehrschalige lichtdurchlässige Kunststoff-Bauteile steht eine verhältnismäßig geringe Zahl von Formen. Grundsätzlich sind zu unterscheiden: Hohlkammerplatten aus PMMA und PC (Bezeichnungen: Stegdoppelplatten, Stabrasterplatten, Stegdreifachplatten usw.) sind 8 bis 40 mm dick. PMMA-Hohlkammerplatten haben Deckschicht- und Stegdicken von 1 bis 1,5 mm; sie werden in Breiten von ca. 60 bis 120 cm angeboten. Die ca. 120 bis 210 cm breiten PC-Hohlkammerplatten haben Deckschicht- und Stegdicken von 0,3 bis 0,7 mm. Die Ränder der Hohlkammerplatten sind glatt, die Platten können also nicht direkt untereinander verbunden werden.
943
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
Tabelle 15.9 Eigenschaften der Werkstoffe UP-GF, PC, PMMA und PVC in Gegenüberstellung zu denen des Silicatglases Eigenschaft
Maßeinheit
UP-GF
PC
PMMA
PVC
Glas
Rohdichte
g/cm³
1,60
1,20
1,18
1,35… 1,40
2,50
Schlagzähigkeit
kJ/m²
70
n. gebr.1)
12
n. gebr.1)
–
Kerbschlagzähigkeit
kJ/m²
Elastizitätsmodul
N/mm²
22
20…30
2
2…4
–
12 500… 15 000
2 000… 2 200
3 300
2 900… 3 400
70 000
praktische Wärmeformbeständigkeit ohne Belastung: dauernd
°C
bis 140
100
70
60…70
kurzzeitig
°C
200
135
95
70…80
thermischer Längenausdehnungskoeffizient T
10-6/K
15…20
60…70
70
70…80
8
Wärmeleitfähigkeit
W/(m⋅K)
0,2
0,2
0,19
0,16
0,8
0,2
0
2,0
0
Wasseraufnahme:
1) 2)
Normalklima 23/50
M.-%
0
0,19
Wasserlagerung
M.-%
0,1
0,36
Wasserdampfdurchlässigkeit
g/(m ⋅d) 2
2)
2,28
0,34 2)
2,60
nicht gebräuchlich 1 mm dick
Hohlkammerplatten aus PMMA und PC (Bezeichnungen: Stegdoppelplatten, Stabrasterplatten, Stegdreifachplatten usw.) sind 8 bis 40 mm dick. PMMA-Hohlkammerplatten haben Deckschicht- und Stegdicken von 1 bis 1,5 mm; sie werden in Breiten von ca. 60 bis 120 cm angeboten. Die ca. 120 bis 210 cm breiten PC-Hohlkammerplatten haben Deckschicht- und Stegdicken von 0,3 bis 0,7 mm. Die Ränder der Hohlkammerplatten sind glatt, die Platten können also nicht direkt untereinander verbunden werden. Hohlkammerpaneele (Bezeichnungen: Lichtpaneele, Streifenprofile usw.), oft aus PVC-U, werden in Breiten von 125 bis 500 mm und in Dicken von 16 bis 60 mm zwei- und dreischalig geliefert. Ihre Ränder weisen Profilierungen auf, die eine dichte Klemm- oder Steckverbindung der Elemente miteinander ermöglichen. Einige dieser Profilierungen sind so gestaltet, dass thermisch bedingte Längenänderungen der Gesamtkonstruktion in den Paneelfugen aufgenommen werden können, ohne dass die Dichtheit der Fugen darunter leidet. Kapillarplatten nehmen eine gewisse Sonderstellung ein, da sie aus mehreren Schichten zusammengesetzt werden. Daher können dem Kapillarkern verschiedenartige Deckschichten zugeordnet werden, z. B. verschiedene Gläser (Drahtglas, Rohglas, auch Ornamentglas usw.) oder Kunststoff-Folien (z. B. Polyvinylfluorid oder dergleichen). Dadurch können die Eigenschaften dieser Elemente in einem weiten Bereich variiert werden.
944
15 Kunststoffe
Bei Konstruktionen mit Kunststoff-Lichtwandelementen ist unbedingt deren thermische Längenänderung (siehe Tabelle 15.9) zu beachten. Hier fällt besonders UP-GF auf, dessen linearer Wärmeausdehnungskoeffizient mit ca. 20 · 10–6 K–1 verhältnismäßig gering ist. Seine thermische Längenänderung entspricht damit ungefähr der von Aluminium. Der Ausdehnungskoeffizient des reinen UP-Harzes liegt bei etwa 150 · 10–6 K–1 bis 200 · 10–6 K–1. Es zeigt sich hier deutlich die Wirkung der eingebetteten Glasfasern. Nachteil von Lichtwandelementen aus UP-GF ist zum einen ihre nicht mit Klarglas oder Acrylglas vergleichbare Transparenz, zum anderen die nach langjähriger Bewitterung und schließlich eintretender Verwitterung der Gelcoatschicht zutage tretende Freilegung der oberflächennahen Glasfasereinlage, wodurch die Transparenz dann zugunsten einer meist ungleichmäßigen Transluzenz und damit einer unter gleichzeitigem Absinken des Transmissionsgrades in der Regel unerwünschten milchigen Eintrübung verloren geht. Für verschiedene Einsatzbereiche ist der UV-Transmissionsgrad der Lichtelemente von Bedeutung. Diese Eigenschaft ist weitgehend werkstoffabhängig. Farblos klare PMMAElemente ohne UV-Absorber weisen eine relativ hohe UV-Durchlässigkeit auf (oft höher als Glas), bei PC und PVC-U ist sie wegen der erforderlichen UV-Stabilisatoren sehr gering. Selbst wenn man PVC-U UV- und Wärmestabilisatoren beimischt, werden transparente Teile wie z. B. Lichtkuppeln im Zuge der Zeit eine Braunverfärbung erfahren, die die Lichtdurchlässigkeit negativ beeinträchtigt. Besser in dieser Hinsicht schneidet PVC-U ab, wenn man es an seinen Oberflächen mit einer Coextrusionsschicht aus dem wesentlich UV-stabileren Acrylglas versieht. Weitere wichtige Eigenschaften von Klarsichtelementen sind in Tabelle 15.10, der spektrale Transmissionsgrad von Acrylglas unterschiedlicher Dicke in Bild 15-6 dargestellt.
Gesamtdicke
Flächengewicht
Lichtdurchlässigkeit im sichtbaren Bereich
Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert)
Tabelle 15.10 Zusammenstellung wichtiger Elementeigenschaften
kg/m²
mm
77
2,7
16 16
zweischalig
%
2,8
PMMA- Hohlkammerplatten
2,7
86
3,6
PVC-Hohlkammerpaneele
2,5
75
5,0
20
„Isolierglas“ (2×4 + 12 mm)
3,0
80
20,0
20
dreischalig
W/(m²⋅K) PC-Hohlkammerplatten
PC-Hohlkammerplatten
2,2
72
2,8
16
PMMA- Hohlkammerplatten
1,9
81
6,5
32
PVC-Hohlkammerpaneele
1,8
70
6,0
40
„Isolierglas“ (3×4 + 2×8 mm)
2,1
72
30,0
28
Bild 15-6 Spektraler Transmissionsgrad von PLEXIGLAS XT 24370 FF
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
945
946
15 Kunststoffe
Aufmerksamkeit muss der Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit der Kunststoffe mit den Werkstoffen der Unterkonstruktionen und mit den Dichtungsmaterialien gewidmet werden. Zu beachten ist z. B., dass PC nicht mit basischen Stoffen verträglich ist. Daher ist es unter allen Umständen zu vermeiden, dass Lichtelemente aus PC mit Beton in Berührung kommen. Wenn eine direkte Verlegung der PC-Elemente auf Betonunterkonstruktion vorgesehen ist, dann müssen, auch wenn keine Ansprüche an Dichtheit gestellt werden, geeignete Profile oder dergleichen dazwischengelegt werden. Ähnliches gilt für PMMA-Elemente auf mit Holzschutzmitteln behandelten hölzernen Unterkonstruktionen. Einige dieser Holzschutzmittel können bei eingespannten PMMA-Elementen Spannungsrisskorrosion hervorrufen, weshalb auch in diesem Fall geeignete Profile oder ähnliches zur Entkopplung zwischengelegt werden sollten. Ebenso ist der Einsatz bestimmter Dichtungswerkstoffe nicht ohne Risiko. Die Auswanderung von Weichmachern aus früher häufiger eingesetzten PVC-P-Dichtungsprofilen kann zu deren Versprödung führen, während der kontaktierte, den Weichmacher aufnehmende Kunststoff unter gleichzeitiger Quellung zu erweichen beginnt; beide Prozesse haben zumeist ein vorzeitiges Versagen der Teile zur Folge, so dass hier Trennlagen vorzusehen sind, die eine Weichmacherwanderung verhindern. Allerdings ist diese Gefahr mittlerweile durch den verstärkten Einsatz von weichmacherfreien Dichtungsprofilen aus Chloroprenkautschuk (CR) und aus Ethylen-Propylen-Terpolymer-Kautschuk (EPDM) weitgehend eingedämmt. Größer geworden ist andererseits die Gefahr chemischen Angriffs durch die häufig von den Elementherstellern empfohlene Anwendung von Fugendichtstoffen als Randversiegelung für die Lichtwandelemente. Oft werden hier der Einfachheit halber einkomponentige Fugendichtstoffe eingesetzt. In diesem Fall muss nicht nur beachtet werden, dass Fugendichtstoffe mit ausreichender Bewegungsaufnahme eingesetzt werden. Sie müssen zudem unter allen Umständen frei von migrierfreudigen Weichmachern und Lösemitteln sein, um von diesen initiierte Beschädigungen der Lichtelemente wie z. B. Spannungsrissbildung oder Blindwerden zu vermeiden. 15.4.5.3 Verbundelemente
Im Industriehallenbau haben sich Sandwichelemente bewährt, die aus einem HartschaumDämmstoffkern mit beidseitigen Deckschichten bestehen. Als Deckschichten werden profilierte Stahl- oder Aluminiumbleche eingesetzt, die durch Kunstharzbeschichtungen gegen Korrosion geschützt werden. Bei solchen Sandwichelementen kann im Falle einer Kerndämmung aus PUR-Hartschaum mit einem Rechenwert der Wärmeleitfähigkeit von R = 0,025 W/(m · K) gerechnet werden.
15.4.6 Dachelemente und -beläge 15.4.6.1 Lichtkuppeln
Lichtkuppeln werden in runder, quadratischer und rechteckiger Form gefertigt. Die früher häufig eingesetzte einschalige Ausführung hat ihre Bedeutung verloren, denn einerseits war
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
947
Tauwasserbildung an der Innenseite nie ganz zu vermeiden, andererseits sind die Anforderungen an den Wärmeschutz erheblich gestiegen. Die verwendeten Werkstoffe sind meist Polymethylmethacrylat (PMMA), aber auch glasfaserverstärktes ungesättigtes Polyesterharz (UP-GF). Die früher hin und wieder zu findenden Lichtkuppeln aus Celluloseacetobutyrat (CAB) und aus Polyvinylchlorid hart (PVC-U) – letzteres wegen der Braunverfärbungsneigung von dem Sonnenlicht ausgesetztem PVC-U, das hinsichtlich des Brandverhaltens dem Acrylglas überlegen ist – werden heute praktisch nicht mehr eingesetzt. Der Einbau der Lichtkuppeln in die Dachhaut erfolgt (seltener) durch Einkleben mit einem Klebeflansch oder (häufiger) mit einem Aufsatzkranz. Aufsatzkränze werden heute meist in Höhen von 15 und 30 cm geliefert, auch 50 cm hohe Aufsatzkränze sind erhältlich. Ebenso werden andere Höhen (in größeren Stückzahlen auf Bestellung, nur selten als Standardmaße) geliefert. Heute sind mehrschalige, wärmegedämmte Ausführungen der Regelfall. Bei diesen wird zwischen die UP-GF-Deckschichten meistens ein Kern aus Polyurethan-(PUR-) oder Polystyrol-(PS)-Hartschaum eingebaut. Auch Aufsatzkränze aus PUR-Integralschaum-Profilen haben sich bewährt. Die Aufsatzkränze haben hauptsächlich die Aufgabe, die Kuppeln aus der Dachfläche herauszulösen und damit aus der wasserführenden Ebene anzuheben (Feuchtigkeit, Schmutz); ferner soll durch entsprechende Befestigungen auf diesen Aufsatzkränzen eine ungestörte und spannungsfreie Dehnung der Kuppeln ermöglicht werden. Bei Lichtkuppeln aus UP-GF ist eine direkte Einklebung in die Dachhaut möglich (wenn auch nicht unbedingt empfehlenswert), soweit nicht eine Lüftungsmöglichkeit vorgesehen werden muss. PMMA-Lichtkuppeln zum Einkleben in die Dachhaut entsprechen heute nicht mehr dem Stand der Technik, da einerseits die Schlagzähigkeit des PMMA geringer, andererseits die lineare Wärmedehnung höher ist als beim UP-GF. Auch für Wellplatten- und Trapezblech-Dächer gibt es Aufsatzkranz-Konstruktionen, die mit gleicher Wellung oder ähnlichem versehen sind. Eine weitere Sonderkonstruktion sind Aufsatzkränze für „Nordlichtkuppeln“, die an Stelle von Shedkonstruktionen eingesetzt werden können. Im Übrigen werden Lichtkuppeln und die dazugehörigen Aufsatzkränze heute in jeder nur irgend denkbaren Form und vernünftig vertretbaren Größe (Durchmesser bis 250 cm, Rechtecke bis 350 cm x 500 cm Seitenlänge) hergestellt. Einzelanfertigungen bis 750 cm Durchmesser sind schon ausgeführt worden. Das beste Langzeitverhalten hinsichtlich Transparenz und Oberflächenqualität weisen Lichtkuppeln aus PMMA auf; UP-GF-Lichtkuppeln benötigen eine UV-beständige Oberflächenschutzschicht. Lichtkuppeln aus PMMA und UP-GF werden in der Bundesrepublik Deutschland seit ca. 1960 eingesetzt und haben einen hohen Entwicklungsstand erreicht. Dennoch bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Lichtkuppel-Werkstoffen, sowohl in den Eigenschaften als auch in den Preisen. Die Auswahl sollte hier unter Beachtung der von Seiten des vorgesehenen Einsatzzweckes gestellten technischen und ästhetischen Anforderungen getroffen werden. 15.4.6.2 Lichtbänder, Lichtdächer
Neben den Lichtkuppeln bietet die Kunststoffindustrie auch Lichtplatten oder, als Gesamtkonstruktionen, Lichtbänder an. Sie werden vorwiegend bei Sportstätten, Industriehallen
948
15 Kunststoffe
und ähnlichen Flachdachbauten eingesetzt. Belichtungstechnisch und bezüglich der Werkstoffe treffen hier im Prinzip die gleichen Ausführungen zu wie für Lichtkuppeln (siehe auch Abschnitt 15.4.6.1). Ergänzend sind Lichtplatten aus Polycarbonat in Form von Stegdoppelplatten zu nennen, die in ihren Eigenschaften den gleichartigen Platten aus PMMA näherstehen als solche aus UP-GF. Das angebotene Standardprogramm ist heute sehr reichhaltig; wo es – ausnahmsweise – den gestalterischen Ansprüchen nicht gerecht werden kann, sind, da es sich meist um größere Objekte handelt, Sonderanfertigungen durchaus im Rahmen des Möglichen. Daher seien hier nur die gebräuchlichsten Formen der Lichtplatten und Lichtbänder genannt: ebene einschalige oder doppelschalige Lichtplatten aus UP-GF, PMMA und PC. Zweiund mehrschalige Platten sind heute fast ausschließlich als Stegplatten ausgebildet. Früher übliche Konstruktionen mit Wabenkernen aus dünnem Aluminiumblech (Herkunft: Flugzeugbau) oder Stützkernen aus Polystyrol-(PS-)Kapillaren werden mittlerweile kaum noch eingesetzt; einschalige gewellte oder profilierte Platten, deren Wellung der von FaserzementWellplatten bzw. Profilierung der von Trapezblechen entspricht. Solche Platten werden aus PMMA, UP-GF, PC und PVC-U hergestellt; Lichtschalen aus räumlich verformten Platten (zum Teil auch in der Fläche profiliert), die einzeln oder als Lichtbänder montiert werden. Bei allen genannten Ausführungen sind neben den Bestimmungen der Landesbauordnungen stets in besonderem Maße die brandschutztechnischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Bundesländer zu beachten. 15.4.6.3 Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA)
Im Zusammenhang mit der Belichtung wird im Bauwesen auch stets die Belüftung betrachtet. Dies hat, von der Entwicklung des Fensters her, historische Ursachen. Doch auch die Belichtungselemente in Form von Oberlichtern und Lichtkuppeln bieten Möglichkeiten der Kombination mit der Belüftung, wenn sie mit den notwendigen Aufstellvorrichtungen für freie Lüftung oder hohen Aufsatzkränzen mit eingebauten Ventilatoren ausgestattet sind. Besonders bei den mit Aufstellvorrichtungen versehenen Lichtkuppeln (aber auch bei Sonderkonstruktionen von Oberlichtbändern) kommt hier noch der zusätzliche Aspekt des Brandschutzes ins Spiel. Untersuchungen über den Verlauf von Bränden haben ergeben, dass zu einer wirksamen Brandbekämpfung ein schneller Abzug der Rauchgase unerlässlich ist. Das führte dazu, Lichtkuppeln auch als Rauchabzugsanlagen auszubilden und einzusetzen. Inzwischen sind Rauchabzugssysteme entwickelt worden, die, durch Rauchmelder gesteuert, Lichtkuppeln oder auch, seltener, Teile von Oberlichtbändern vollautomatisch mit elektrischem oder Gasdruck-Antrieb im Brandfall öffnen. Zu beachten sind die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen brandschutztechnischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die, unbeschadet etwaiger örtlicher Zusatzbestimmungen, darüber entscheiden, ob für den genannten Zweck Lichtkuppeln aus normalentflammbarem Kunststoffmaterial eingesetzt werden können oder ob in Sonderfällen solche aus schwerentflammbarem Material einzubauen sind (z. B. aus biaxial gerecktem PMMA).
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
949
15.4.6.4 Flachdach-Gefälledämmung
Es ist seit Jahren Stand der Technik, Flachdächer mit einem Gefälle auszustatten, da sich die früher ausgeführten gefällelosen Flachdächer („Nullgraddächer“) nicht bewährt haben. Die Industrie ist heute in der Lage, Gefälledämmplatten aus Polystyrol-Partikelschaum und aus Polyurethan-Hartschaum für jedes gewünschte Gefälle zu fertigen. Diese Gefälledämmplatten entsprechen voll den Normanforderungen (siehe Abschnitt 15.4.2.1). Mithin lässt sich ein Gefälle auch bei bestehenden Nullgraddächern im Nachgang auf einfache Weise in Kombination mit einem verbesserten Wärmeschutz realisieren. Die Mindest-Dämmschichtdicke muss den Anforderungen der DIN 4108 entsprechen. Die mittlere Gesamtschichtdicke hat die Vorgaben der Energieeinsparverordnung zu erfüllen. Die Hersteller der Gefälledämmplatten bieten als Serviceleistung mit der Lieferung der Platten die Fertigung von Verlegeplänen an. 15.4.6.5 Steildach-Dämmelemente
Die Industrie bietet vorgefertigte Dämmelemente für die Steildachdämmung an. So sind z. B. schuppenförmige Dämmsysteme aus Polystyrol-Partikelschaum auf dem Markt, die in die Dachlattung eingehängt werden. Die Dämmplatten sind so geformt, dass eine zusätzliche Lattung für die Dachdeckung nicht erforderlich ist: die Dachplatten werden in entsprechende Vertiefungen der Dämmplatten eingehängt. Auch Dämmelemente aus Polyurethan-Hartschaum sind auf dem Markt. Sie sind beidseitig mit Aluminiumfolie kaschiert. Die Lattung ist bereits in diese Elemente integriert. Selbst komplette Dachelemente mit integrierten Sparren, einer unterseitigen Tragschicht aus Spanplatten und Wärmedämmung aus PolyurethanHartschaum sind im Handel. 15.4.6.6 Steildach-Zubehör
Die Kunststoffindustrie bietet reichhaltiges Zubehör für die Steildach-Eindeckung an. Hier sind in erster Linie Dunstrohr-Durchführungen verschiedener Art zu nennen, die fast ausschließlich aus PVC-U gefertigt werden. Ebenfalls aus PVC-U werden Firstelemente angeboten, welche die Luftzirkulation zwischen Unterspannbahn und Dacheindeckung sicherstellen, dabei aber das Eindringen von Schlagregen und Treibschnee verhindern. Die gleiche Funktion erfüllen Gratabdeckbänder aus Polyisobutylen (PIB), in die ein luftdurchlässiger Streifen aus Synthesefaservlies eingearbeitet ist. Der Substitution der Kehlbleche dienen Kehlbänder aus PVC-P, die durch Längsrippen den seitlichen Wassereintrieb verhindern und ohne Aufwand jedem Kehlwinkel angepasst werden können. Traufelemente aus Kunststoff sind gleichzeitig belüftete „Trauflatten“ und Traufgitter gegen Vogeleinflug. Lüfterelemente, die im Überlappungsbereich der Unterspannbahnen in den Sparrenfeldern eingelegt werden, sollen durch bessere Durchlüftung den Anfall von Kondenswasser zwischen Unterspannbahn und Wärmedämmung vermeiden. Auflagekonsolen für Laufstege, Lichtziegel und Dachausstiege aus Kunststoffen gehören heute zum StandardSteildach-Zubehör.
950
15 Kunststoffe
15.4.7 Fenster und Türen 15.4.7.1 Kunststoff-Fenster
Vor der ersten Ölkrise 1973 war der Fenstermarkt gänzlich anders strukturiert als heute: er wurde klar vom Holzfenster dominiert, die Marktverbreitung von Kunststoff- und Aluminiumfenstern klaffte nicht weit auseinander. Das ständige Ansteigen der Anforderungen, der durch die Energieeinsparbemühungen ausgelöste enorme Modernisierungsbedarf und technisch bedingte Veränderungen im Preisgefüge des Marktes sowie die konsequente Weiterentwicklung des Kunststoff-Fensters in technischer wie in formaler Hinsicht haben dazu geführt, dass sich das Kunststoff-Fenster in erstaunlichem Maße am Markt durchsetzen konnte. Der Marktanteil von Kunststoff-Fenstern liegt heute bei über 50 %, der von Holzfenstern bei ca. 30 %. Ein weiterer Anteil von ungefähr 15 % wird durch Aluminiumfenster abgedeckt (die heute ohne Kunststoff-Hilfskonstruktionen zur thermischen Isolation im Profilinneren überhaupt keine Rolle mehr spielen könnten), der geringe Rest des Marktes besteht in ausgesprochenen Sonderkonstruktionen. Das im Zuge der steigenden Marktanteile zunächst kaum überschaubare Angebot auf dem Sektor Kunststoff-Fenster hat sich – vorwiegend aufgrund gestiegener Anforderungen und technischer Weiterentwicklung – bereinigt. Hilfskonstruktionen wie z. B. Holz-, Stahl- und Aluminiumfenster mit Beschichtungen aus Polyvinylchlorid weich (PVC-P) sind verschwunden. Fensterprofile aus glasfaserverstärkten ungesättigten Polyesterharzen (UP-GF) sind in ausgesprochene Randbereiche (Keller- und Garagenfenster) abgedrängt worden. Hier haben sich gestiegene Anforderungen an Wärme- und Schallschutz, Fugendichtigkeit und auch an die Wertbeständigkeit der Fenster sehr deutlich ausgewirkt. Als Werkstoff für Kunststoff-Fensterprofile kommt fast ausschließlich PVC-U zum Einsatz, Profile aus Polyurethan-(PUR-)Integralschaum sind im unteren einstelligen Prozentbereich angesiedelt. Die Konstruktion der Kunststoff-Fensterprofile hat in den letzten vier Jahrzehnten eine sehr schnelle Entwicklung durchlaufen. Die früher üblichen Einkammerprofile sind verschwunden. Grundsätzlich haben sich wegen verschiedener Vorteile (Standfestigkeit, Wärmeschutz, indirekte Entwässerung usw.) Mehrkammerprofile durchgesetzt. Dabei haben sich die Wanddicken der Mehrkammerprofile im Bereich von 2,5 bis 3,0 mm eingependelt. Durch diese Profildicken ist nicht nur eine sichere Verschweißung der Profile, sondern auch ausreichende Stabilität bei kleineren Fensterflügeln gewährleistet. Die grundsätzliche Aussteifung von größeren Fensterflügeln (ab ca. 1,0 m Seitenlänge aufwärts) sowie – unabhängig von der Größe – von anders als weiß eingefärbten Profilen ist heute Stand der Technik. Ein Qualitätsmerkmal für Fenster ist der Fugendurchlasskoeffizient oder sogenannte „a-Wert“, der die über die Fugen zwischen Flügel und Blendrahmen eines Fensters je Zeit, Meter Fugenlänge und Luftdruckdifferenz von 10 Pa ausgetauschte Luftmenge angibt. Einige der heute im Handel befindlichen Kunststoff-Fenster erreichen a-Werte von 0,1 bis 0,3, also Werte, wie sie zuvor äußerstenfalls Metallfenstern zueigen waren. Hier ist allerdings eine Grenze erreicht. Eine weitere Absenkung des a-Wertes ist nicht sinnvoll. In den letzten Jahren wurden bereits Kunststoff-Fenstersysteme mit in die Profile integrierten, einstellbaren Dauerlüftungsvorrichtungen
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
951
auf den Markt gebracht, die so konzipiert sind, dass keine unzulässig hohen Lüftungswärmeverluste auftreten. In wesentlich stärkerem Maße als bei Aluminiumfenstern ist bei Fenstern aus Kunststoff die thermische Längenänderung (Wärmedehnzahl von PVC-U ca. 70 · 10–6 K–1) für die Bemessung der Fensteranschlussfuge zu berücksichtigen. Nach dem im Auftrag des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom Institut für Fenstertechnik, Rosenheim, erarbeiteten und im Jahr 1979 herausgegebenen Forschungsbericht über die Bemessung von Fensteranschlussfugen zum Baukörper [15.24] gilt für die erforderliche Mindestfugenbreite berf: berf =
Δbges ⋅ 100 zul. Gesamtverformung des Fugendichtstoffes ⋅ 0,5
(15.1)
Hierbei ist Δbges =
2 ⋅ lF ⋅ ΔT ⋅ (α TF − α TB ) + f 3
(15.2)
mit lF Fensterprofillänge T größte Temperaturdifferenz zwischen Einbautemperatur und maximal bzw. minimal zu erwartender Fensterprofiltemperatur (bei weißen PVC-Profilen: maximale Profiltemperatur 45 °C, minimale Profiltemperatur –5 °C, bei dunklen PVC-Profilen: maximale Profiltemperatur 60 °C, minimale Profiltemperatur –10 °C)
TF Wärmedehnzahl des Fensterprofils (bei PVC-U 70·10–6 K–1) TB Wärmedehnzahl des Baukörpers (bei Mauerziegel 6·10–6 K–1,
bei Stahlbeton 11·10–6 K–1) f Durchbiegung von Trägern oder Decken im Bereich der Fenster zul. Gesamtverformung des Fugendichtstoffs je nach dessen Qualität 10 bis 25 % Beim Einbau der Kunststofffenster ist darauf zu achten, dass deren Verlängerung und Verkürzung ungehindert, also ohne Aufbau von Zwängungsspannungen erfolgen kann, da es sonst an den Schweißnähten zwischen den Profilen zu Abrissen kommen kann. Temperatur ist nur eine der klimatischen Einflussgrößen, die auf Fenster einwirken. Durch zahlreiche Untersuchungen und aus der Praxis früherer Jahre ist bekannt, dass die Klimafaktoren UV-Strahlung, Wasser und Luftfeuchtigkeit erheblichen Einfluss auf die Alterung von PVC-U haben. Insbesondere wurden an den Fensterprofilen der ersten Generation Verfärbungen und Versprödungen beobachtet. Diesen Erscheinungen hat die Kunststoffindustrie nunmehr seit Jahrzehnten wirksame Zusätze entgegengesetzt, durch die der Werkstoff den klimatischen Gegebenheiten des Einbauortes angepasst werden kann. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass südlich einer durch Südfrankreich über Mailand und Belgrad verlaufenden Linie anders modifizierte Kunststoffe für die Fensterherstellung eingesetzt werden müssen als nördlich dieser Linie.
952
15 Kunststoffe
Schließlich sind Fenster nicht nur klimatischen Einflüssen ausgesetzt. Bei Transport und Montage, aber auch nach dem Einbau sind die Profile Zug- und Druckkräften besonders im Bereich der Schweißnähte ausgesetzt. Für diese vielfältigen Beanspruchungen ist reines PVC-U, besonders bei niederen Temperaturen, wesentlich zu spröde. Diesem Problem begegnet man durch Zusatz von „Modifiern“. Für den Außeneinsatz – und damit für Fensterprofile – kommt aber nur eine begrenzte Zahl von Schlagzäh-Modifiern in Frage, die keine Kohlenstoff-Doppelbindungen im Molekulargefüge aufweisen, da solche Gruppierungen eine schlechte Witterungsstabilität besitzen. Farbkonstanz und mechanisches Langzeitverhalten lassen ansonsten zu wünschen übrig. Solche Materialien verspröden und verfärben sich im Laufe der Zeit. Die heute eingesetzten Schlagzäh-Modifier chloriertes Polyethylen (PE-C), Ethylen-Vinylacetat-Copolymer (EVA), Polyacrylate haben sich in Versuchen und im praktischen Einsatz seit ca. 35 Jahren bestens bewährt. Die Entwicklungstendenz führt aus Gründen der besseren Verarbeitbarkeit stärker als bisher zum Einsatz der EVA- und Polyacrylat-Modifier. Ein weiteres Verfolgen der stofflichen Zusammenhänge würde zu tief in die Chemie hineinführen, als dass sie hier noch interessieren könnten. Es kann aber festgestellt werden, dass die Werkstoffhersteller im Laufe von mehr als drei Jahrzehnten so intensive Erfahrungen gesammelt haben, dass das Vertrauen, das dem Kunststoff-Fenster heute entgegengebracht wird, vollauf gerechtfertigt ist. Gab es vor 25 Jahren praktisch noch keine Regeln für Kunststoff-Fenster, so ist inzwischen ein umfangreiches Regelwerk entstanden. Hier ist zunächst eine Reihe von Normen und Normenentwürfen zu nennen: DIN 16 830: Fensterprofile aus hochschlagzähem Polyvinylchlorid (PVC-HI), Teil 1: Prüfverfahren, Teil 2: Anforderungen (für weiße Fensterprofile), Teil 3 (Anforderungen) und Teil 4 (Prüfungen) für Fensterprofile mit beschichteten, farbigen Oberflächen; DIN EN 477: bis DIN EN 479 Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen; Bestimmung verschiedener mechanischer und thermischer Eigenschaften; DIN EN 513: Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen; Bestimmung der Wetterechtheit und Wetterbeständigkeit durch künstliche Bewitterung; DIN EN 514: Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen; Bestimmung der Festigkeit verschweißter Ecken und T-Verbindungen; DIN EN 12 608: Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen – Klassifizierung, Anforderungen und Prüfverfahren. Hinzu kommen die Güterichtlinie RAL-GZ 716/1 für Kunststoff-Fenster und nicht zuletzt die Zusätzlichen Technischen Vorschriften zur Ausschreibung von Kunststoff-Fenstern aus PVC-U/weiß und aus hartem PUR-Integralschaumstoff, herausgegeben vom Verband der Fenster- und Fassadenhersteller, Frankfurt/Main, als Ergänzung zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (AVB) –VOB/B und den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) – VOB/C.
15.4 Anwendungen von Kunststoff-Erzeugnissen
953
Eine wachsende Bedeutung gewinnt das Recycling von Kunststoffen. Aus vorwiegend ökologischen Gründen wird angestrebt, die Materialien nach Ablauf der Nutzungsdauer erneut einzusetzen. PVC-Fenster eignen sich besonders für die werkstoffliche Wiederverwertung, weil das Altmaterial in der Regel sauber und sortenrein vorliegt, also nicht verschiedene Kunststoffe getrennt werden müssen. Außerdem eignet sich PVC-U sehr gut für werkstoffliche Recyclingverfahren, da sich die Materialeigenschaften durch die erneute Verarbeitung nur geringfügig ändern. Durch Coextrusion von Frisch- und Recyclingmaterial werden neue Fensterprofile so hergestellt, dass das Frischmaterial auf der sichtbaren Außenseite zum Einsatz kommt, während das Recyclat im Profilkern die stabilisierende Funktion ohne signifikante qualitative Einbußen übernimmt. 15.4.7.2 Fensterzubehör
Wichtigstes Fensterzubehör ist der Rollladen. Er hat in den letzten Jahrzehnten eine Funktionserweiterung über den Einbruchschutz hinaus zum Wärme- und Sonnenschutz erfahren und konnte sich auch im norddeutschen Raum einbürgern. Doch auch in Süddeutschland eroberte der Rollladen, den man früher nur im Erdgeschoss einbaute, nun die Obergeschosse. An dieser Entwicklung haben sowohl die Funktionserweiterung als auch eine ständige technische Weiterentwicklung erheblichen Anteil. In der Zeit seit 1960 wurden die schweren und teuren Rollladenpanzer aus Holzprofilen (die sich oft so verzogen, dass an ein reibungsloses Bewegen kaum mehr zu denken war und die durch ihr enormes Gewicht häufig Gurte und Ketten zum Reißen brachten) abgelöst durch die leichten, preiswerten und weniger störungsanfälligen, dafür aber um vieles reparaturfreundlicheren Kunststoffrollläden. Als Werkstoff für die Kunststoffrollläden wird dasselbe schlagzäh modifizierte PVC-U eingesetzt wie für Fensterprofile. Teilweise werden die Rollladenprofile wegen ihres Einsatzes als temporärer Wärmeschutz auch mit PUR-Schaum ausgeschäumt. Das schwierigste Teil des Rollladens war schon immer der Rollladenkasten. Deshalb wurden zunächst Fertig-Rollladenkästen aus zementgebundener Holzwolle entwickelt. Die nächste Stufe war der Rollladenkasten mit einem Korpus aus schwerentflammbarem PolystyrolHartschaum mit angeschäumten zement- oder magnesiagebundenen Holzwolle-Leichtbauplatten als Putzträger oder, in anderer Ausführung, mit glasfaserverstärktem Zementmörtel beschichtet. Auch Rollladenkästen aus Kunstharz-Leichtbeton (meist Blähton mit ungesättigten Polyesterharzen gebunden) oder Polyurethan-Hartschaum kamen auf den Markt. Diese Ausführungen haben sich bewährt und sind heute noch – geringfügig verändert – erhältlich. Die Tiefen dieser Rollladenkästen sind abgestimmt auf die üblichen Außenwanddicken im Mauerwerksbau. Schon immer war der Anschluss des Rollladenkastens an den Fensterrahmen ein schwieriger Detailpunkt und so bot es sich an, solche Anschlüsse auf KunststoffFensterprofile abgestimmt zu entwickeln bzw. den Rollladenkasten als festen Bestandteil eines Komplett-Fensterelementes anzubieten. Das funktioniert natürlich dann am besten, wenn der Werkstoffcharakter von Fenster und Rollladenkasten identisch ist. Dies führte zur Entwicklung einer Reihe einschaliger oder auch Hohlkammerprofile aus PVC-U. Ebenso ist eine Tendenz zu Profilen aus PVC-Integralschaum zu erkennen.
954
15 Kunststoffe
15.4.7.3 Türen und Tore
Türen mit Kunststoffbelägen werden seit ca. 50 Jahren hergestellt. Die ersten Ausführungen von Türen unter Verwendung von Kunststoffen waren normale, abgesperrte Türblätter, deren Sperrholzoberfläche mit dekorativen Schichtpressstoffplatten belegt wurde. Der an den Kanten erscheinende Holzrahmen wurde entweder angestrichen, mit einem Streifen aus dekorativen Schichtpressstoffplatten beklebt (dies besonders bei stumpf einschlagenden Türen) oder durch das Einkleben eines extrudierten Einleimers aus Polyvinylchlorid (PVC-U) abgedeckt. Solche Ausführungen sind heute kaum noch erhältlich, weil sie vom Herstellungsverfahren her sehr arbeitsaufwändig und daher teuer sind. Preisgünstiger sind die weiter verbreiteten Türblätter, die während der Herstellung mit einer Kunststoffoberfläche belegt werden. So werden anstatt mit Sperrholzplatten bereits mit dekorativen Schichtstoffplatten belegte Holzfaser-Hartplatten angewandt. Andere, verhältnismäßig preisgünstige Verfahren sind: das Bekleben der Türblätter mit PVC-Folien und das sehr gebräuchliche Beschichten mit Polyesterharz. Eine Sonderstellung nehmen, wie oben schon angedeutet, immer noch – und wahrscheinlich auch in Zukunft – die reinen Kunststofftüren ein. Zwei grundsätzlich verschiedene Typen sind hier festzustellen. Der erste besteht aus einer senkrechten Aneinanderreihung von bis zu 120 mm breiten extrudierten Hohlkammerprofilen aus PVC-U, die mit ihren schwalbenschwanzförmigen Randprofilierungen ineinandergeschoben und durch Quellschweißung unlösbar miteinander verbunden werden. Die notwendige Festigkeit wird normalerweise durch einen umlaufenden Rahmen aus Leichtmetall oder PVC-U-Profilen erreicht und kann durch im Inneren des Türblatts angeordnete Zugbänder noch weiter gesteigert werden. Der zweite Typ der reinen Kunststofftüren besteht aus einem wabenförmig tiefgezogenen Kern aus hochschlagfestem Polystyrol (PS). Dieser Kern wird mit einem Profilrahmen aus demselben Material thermisch verschweißt, der Verstärkungen zur Aufnahme der Bänderschrauben sowie der Schlösser und Beschläge hat. Nach außen abgeschlossen wird die Konstruktion durch einen stumpfen oder gefalzten Kunststoff-Umleimer sowie Abdeckungen aus dekorativen Schichtstoffplatten. Diese Türen finden wegen ihrer hervorragenden hygienischen Eigenschaften hauptsächlich Anwendung in öffentlichen Badeanstalten und ähnlichen Einrichtungen, wo sie oftmals gemeinsam mit einem gleich konzipierten Trennwandsystem für Umkleide-, Dusch- und WC-Kabinen, Reihen-Schrankanlagen usw. eingesetzt werden. Da die Maße dieser Türblätter den üblichen Normmaßen entsprechen, ist ihr Einsatz z. B. in Verbindung mit Norm-Stahlzargen problemlos. Entsprechend den kompletten Fertigtürelementen herkömmlicher Bauart und den NormStahlzargen hat die Industrie auch Kunststoff-Türelemente aus Türblatt und Zarge oder Bekleidung und auch die Kunststoff-Türzarge für Normtürblätter entwickelt und – bis heute ohne sonderlichen Erfolg – auf den Markt gebracht. Es handelt sich hierbei überwiegend um Türzargen aus hochverdichteten Spanplatten, die mit dekorativen Schichtstoffplatten oder PVC-Folie belegt sind. Selten sind Baukastensysteme aus extrudierten PVC-U-Profilen; sie können meist nicht allein eingebaut werden, sondern benötigen eine hölzerne Blindzarge als Unterkonstruktion. Tore aus Kunststoffen werden in geringer Zahl im Industriebau eingesetzt. Es handelt sich hierbei meist um Horizontal-Schnelllauftore, Vertikal-Sektionaltore und transparente Schwingtore. Die Stahlkonstruktionen dieser Tore werden in der Regel mit Beplankungen
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bzw. Füllungen aus Kunststoffen ausgestattet. Je nach Einsatzbereich kann es sich hierbei um Platten aus PVC-U, PVC-Integralschaumstoff, GFK usw. oder auch um Bespannungen mit Synthesefaser-Geweben handeln.
15.4.8 Ausbau-Halbzeuge 15.4.8.1 Dekorative Schichtpressstoffplatten
Dekorative Schichtpressstoffplatten (DKS oder auch HPL = High Pressure Laminate) bestehen in der Regel aus Kern- und Deckschichten. Als Kernschichten dienen saugfähige, nassreißfeste Spezialpapiere, die, mit Phenolharzen getränkt, in je nach gewünschter Dicke 5 bis 30 Lagen übereinander auf ein Spezialblech gelegt werden. Auf die Kernlage werden eine Sperrschicht und darüber die mit Melaminharz bestrichene Dekorschicht aufgebracht. Den Abschluss bildet ein Deckfilm. Dieses Schichtenpaket wird mit einem zweiten Spezialblech abgedeckt und unter Wärme (ca. 200 °C) und Druck (ca. 15 N/mm2) ungefähr eine Stunde gehärtet. DKS können im Möbelbau und für Innenwandbekleidungen, bestimmte Typen auch für Außenwandbekleidungen eingesetzt werden. Die Bearbeitung der Platten kann mit Werkzeugen und Maschinen für die Holzbearbeitung erfolgen. 15.4.8.2 PVC-Integralschaumplatten
Durch ein spezielles Herstellungsverfahren wird PVC-U so aufgeschäumt, dass der Porengehalt unter der massiven Außenhaut kontinuierlich bis zur Mitte zunimmt. Die Platten werden in Dicken bis zu 50 mm hergestellt, die Dicke der massiven Außenhaut beträgt ca. 1 mm. Die Platten können in Rahmenkonstruktionen als Trennwandelemente oder ähnliches eingesetzt werden. 15.4.8.3 Strukturschaumtapeten
Vor etwa 40 Jahren wurden die Vinyltapeten in Deutschland entwickelt. Das Trägerpapier wird mit Plastisolen (PVC-Paste) beschichtet, bedruckt, geprägt und angeliert. Durch Aufdrucken eines Inhibitors kann das Aufschäumen genau gesteuert werden und so ein dreidimensionales Muster auf die Tapete gebracht werden. Auch das Einbetten von Metallflocken und ähnlichem zur Gestaltung der Optik ist möglich. PVC-Tapeten sind wischfest, lichtecht und besitzen eine gute Wärmedämmung. Sie werden bevorzugt für Nass- und Feuchträume eingesetzt.
15.4.9 Fußbodenbeläge 15.4.9.1 Platten und Bahnen Polyvinylchlorid-(PVC)Beläge werden aus dem thermoplastischen PVC-Pulver unter Wärme und Druck nach Zugabe von Weichmachern, Füllstoffen, Pigmenten und Stabilisatoren im Kalandrier-, Streich- oder Pressverfahren hergestellt. Ungefüllte PVC-Folien können wegen
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ungenügender Temperaturleitung nur in Dicken von weniger als 1 mm produziert werden. Die Temperaturleitfähigkeit wird durch Füllstoffe verbessert, dadurch können größere Materialdicken realisiert werden; allerdings ist der Verschleißwiderstand dieses Materials wesentlich geringer. Einschichtig homogene Tafeln lassen sich allerdings auch ungefüllt im Pressverfahren in Dicken von 1,5 bis 3 mm fertigen. Mehrere gleich oder verschieden gefüllte Bahnen können miteinander flächig thermoverschweißt werden. Homogen, aber gering gefüllte Mehrschichten-Beläge sind ein Material, dessen Gesamtdicke die Nutzschichtdicke ist. Diese Beläge haben einen relativ sehr hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Für weniger stark beanspruchte Räume wählt man daher lieber heterogen gefüllte PVC-Beläge mit einer ungefüllten Deckschicht, die gleichzeitig Nutzschicht ist.
Trägerlose PVC-Beläge werden auf die oben beschriebene Weise als ein- oder mehrschichtige Bahnen von 1 bis 2 m Breite und 15 bis 25 m Länge kalandriert, ebenso Platten von 300 mm x 600 mm und 600 mm x 600 mm; Platten von 600 mm x 1200 mm werden gepresst. Die Dicke beträgt in allen Fällen zwischen 1 und 3 mm. Die Beläge werden auf Kunstkautschuk- oder Kunstharz-Dispersionsklebstoffen verlegt, die Fugen können mit PVC-Schweißdraht verschweißt werden. Bei guter Verlegung und gutem Unterboden sind qualitativ hochwertige PVC-Beläge mechanisch sehr stark belastbar. Die Dicke des Belags sagt nichts über dessen Qualität aus, hier ist der PVC-Gehalt der Gesamtschicht bei homogenen, der Oberschicht bei heterogenen Belägen entscheidend. Schall- und wärmetechnisch bringen diese Beläge keine Verbesserung. Im Streichverfahren werden PVC-Beläge mit Trägern hergestellt. Als Träger dienen bitumenimprägnierte Wollfilzpappen, Korkment (grobes Korkmehl und Leinöl auf Gewebe), Korkvinyl (durch Vinyl gebundenes Korkmehl), Jutefilz sowie Polyester- und andere Synthesefaservliese. Bahnen sind in Breiten von 2,0 bis 2,6 m und Längen von 20 bis 30 m erhältlich, Platten in Abmessungen von 500 mm x 500 mm; die Dicken liegen bei 2 bis 4 mm, die PVC-Beschichtung ist ca. 1 mm dick. Die zum Teil natürliche und nicht verrottungsbeständige Trägerschicht schließt die Anwendung dieser Beläge z. B. in Feuchträumen aus. Das Eindruckverhalten ist ungünstiger als das von trägerlosen Belägen, dagegen sind Beläge mit Trägern in bewohnten Räumen unter Umständen etwas angenehmer. Belagsfugen können verschweißt werden.
PVC-Beläge auf Unterschicht aus PVC-Schaumstoff werden hergestellt aus PVC-Belägen ohne Träger, auf deren Unterseite eine bei erhöhten Temperaturen selbstaufschäumende PVCPaste aufgestrichen wird. Diese Beläge sind nur in Bahnen erhältlich; die Dicke liegt zwischen 2,5 und 3,5 mm. Sie werden auf Kunstkautschuk- oder Kunstharz-Dispersionsklebstoffen verlegt. Die Schaumstoffschicht an der Unterseite bewirkt, dass die Beläge besonders tritt- und gleitsicher und angenehm zu begehen sind. Die Trittschalldämmung kann dadurch wesentlich, die Wärmedämmung etwas verbessert werden. Durch die hohe Elastizität ist der Verschleiß der Beläge gering. Die Verrottungsfestigkeit auch der Unterschicht und die Möglichkeit, die Fugen zu verschweißen, erlauben einen Einsatz auch in Bädern, Küchen usw.
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PVC-Beläge mit PVC-Strukturschaum und PVC-Trägerfolie benötigen kein stabilisierendes Gewebe. In einem verhältnismäßig komplizierten Verfahren werden Trägerfolie, farbig bedruckte Schaumstoff-Zwischenlage und transparente Nutzschicht mit strukturierter Oberfläche zu einem Verbundbelag vereint. Die Bahnenware von 2 m Breite, 20 bis 30 m Länge und ca. 2,5 mm Dicke wird auf Kunstkautschuk- oder Kunstharz-Dispersionsklebstoffen verlegt. Die Fugen können zwar verschweißt werden; da die Belagsoberfläche jedoch strukturiert ist, ergibt sich eine optisch und auch von der Reinigung her ungünstige Wirkung. Die Eigenschaften des Belags entsprechen denen von PVC-Belägen auf Unterschicht aus PVC-Schaumstoff, jedoch können, der strukturierten Oberfläche wegen, auch geringe Unebenheiten des Unterbodens optisch kaschiert werden. Ausgediente PVC-Böden werden zunehmend werkstofflich recycelt. Um die weichen, flexiblen Beläge mahlen zu können, wird das zur Verwertung anstehende Altmaterial mittels Flüssigstickstoff auf Temperaturen um –20 °C abgekühlt. Durch die bei dieser Temperatur eintretende Versprödung können die PVC-Bodenbeläge anschließend zu einem feinen Pulver vermahlen werden. Dieses Recyclat wird in der – nach dem Einbau der Beläge nicht sichtbaren – Unterschicht neuer PVC-Bodenbeläge eingesetzt. Seit einiger Zeit werden auch Bodenbeläge aus einem Gemisch verschiedener Polyolefine angeboten. Das Eigenschaftsprofil dieser Polyolefin-Beläge ähnelt dem der PVC-Beläge, reicht jedoch in vielen Belangen noch nicht an diese heran. 15.4.9.2 Textile Bodenbeläge
Synthesefasern haben sich in diesem Bereich einen so beherrschenden Marktanteil erobert, weil sie nicht nur in der Teppichbodenherstellung als Endlosfasern Vorteile bringen, sondern auch ständig gleiche Qualität und außerdem Farbechtheit und Verrottungsfestigkeit bieten. Aus den folgenden vier Fasern werden heute, teils auch in Mischung, „Pol“- oder Nutzschichten textiler Bodenbeläge hergestellt: Polyamid (PA) mit hoher Verschleißfestigkeit und großen Variationsmöglichkeiten in Farbe und Faserstruktur; Polyacrylnitril (PAN) mit großer Elastizität und wollähnlichen Berührungseigenschaften; Polypropylen (PP) mit guten Reinigungseigenschaften, niederem Gewicht und geringer elektrostatischer Aufladung; Polyethylenterephthalat (PETP) mit hoher Formbeständigkeit und Variabilität der Elastizität. Zur Erreichung bestimmter Eigenschaften werden gelegentlich auch andere Fasern in geringen Mengen beigemischt, z. B. Metallfasern, wenn elektrische Leitfähigkeit gewünscht wird. Auch bei den Trägermaterialien haben synthetische Fasern die Naturfasern schon in beachtlichem Ausmaß ersetzt. Als Träger kommen Gewebe, Vliese, Gitter oder Bänder in Frage. Je nach Herstellungsverfahren sind für die verschiedenen Arten der Teppichböden auch unterschiedliche Rückenbehandlungen erforderlich. Weniger dicht eingestellte Teppichböden verlangen eine Rückenappretur zur Flächenstabilisierung. Bei Tuftings muss das Polmaterial durch eine Rückenbeschichtung auf dem Träger verankert werden. Rückenkonstruktionen aus
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Latex- oder PVC-Schaum erhöhen außer der Trittelastizität auch Wärme- und Schallschutz, außerdem ist das höhere Eigengewicht besonders bei „selbstliegenden“ Qualitäten von Vorteil. Textile Bodenbeläge werden ausnahmslos in Endlosbahnen von 0,67 bis 5,0 m Breite hergestellt. Alle anderen erhältlichen Formate (Fliesen, abgepasste Brücken und Teppiche) werden aus Bahnen gefertigt. Teppichböden werden je nach Art und Einsatz lose verlegt, verspannt oder auf dem Untergrund verklebt (siehe hierzu Abschnitt 15.3.4.3).
15.4.10 Kunststoffe im Erd-, Landschafts-, Verkehrswege- und Wasserbau 15.4.10.1 Schaumstoffe als Frostschutz
Neben den Einsatzgebieten Perimeterdämmung und Umkehrdach (siehe 15.4.2.1) wird extrudierter Polystyrol-Hartschaum auch im Straßen- und Eisenbahnbau als Frostschutzschicht verwendet. Frostschäden an Fahrbahnbefestigungen treten bei bindigen Böden als Untergrund häufig auf. Man kann Frostsicherheit entweder durch einen kompletten Bodenaustausch oder den Einbau von Dämmschichten erreichen; Voraussetzung hierfür ist, wie bei der Perimeterdämmung und dem Umkehrdach, die extrem geringe Wasseraufnahme des Dämmstoffes bei ausreichend hoher Druckfestigkeit. Für extrudierte PolystyrolHartschaumplatten liegen langjährige positive Erfahrungen vor, ebenso für PolystyrolHartschaum-Leichtbeton (Styroporbeton) und für Polyurethan-Ortschaum. In Deutschland ist eine gedämmte Straße „Regelbauweise“ und von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen anerkannt. Ähnliche Verhältnisse wie für den Straßenbau gelten ebenfalls für den Eisenbahnbau. Auch hier muss das Eindringen von Frost in den Untergrund verhindert wird. Denn durch Frost im Untergrund werden das Gleisbett und damit auch das Fahrgleis angehoben. Ein sicheres, schnelles Fahren ist dann nicht mehr möglich. Durch den Einbau von extrudierten PolystyrolHartschaumplatten zwischen Schotterbett und Erdplanum kann das Eindringen von Frost in den Untergrund sicher verhindert werden. Diese Bauweise ist sowohl von der Deutschen Bahn AG als auch vom Internationalen Eisenbahnverband zugelassen. Alternativ kann auch Polystyrol-Hartschaum-Leichtbeton als Frostschutzschicht mit einer Normalbetonauflage als Ersatz für das Schotterbett verwendet werden. Beim Polystyrol-Hartschaum-Leichtbeton ist die Gesteinskörnung des herkömmlichen Betons unter Beibehaltung des Zementanteils durch Polystyrol-Schaumstoffpartikel mit einem Durchmesser von 1,5 bis 2,5 mm substituiert. Die Mischung kann fallweise durch Zugabe von Sand abgemagert werden. Dieser Leichtbeton lässt sich mit gleichartigen Straßenbaufertigern einbauen, wie sie bei üblichem Beton verwendet werden. Infolge der rauen Oberflächenstruktur verklammern sich nachfolgende Asphalttragschichten hervorragend mit dem Polystyrol-Hartschaum-Leichtbeton, so dass hohe Scherkräfte aufgenommen werden können.
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15.4.10.2 Geotextilien
Geotextilien übernehmen im Erd-, Landschafts-, Verkehrswege- und Wasserbau verschiedene Aufgaben: Filtern Dränen Trennen Schützen Verstärken. Voraussetzung hierfür ist neben der erforderlichen Zugfestigkeit besonders die Verrottungsfestigkeit des eingesetzten Werkstoffs. Deshalb kommen nur synthetische Fasern in Frage. Überwiegend werden Polyester- und Polypropylenfasern eingesetzt. Geotextilien werden in drei verschiedenen Formen eingesetzt: Gewebe Vliese (sogenannte „Nonwovens“) Beimengung von Endlosfasern zum Erdreich. Sowohl Gewebe als auch orientierte Vliese können unidirektional oder auch in mehreren Richtungen verstärkt ausgeführt werden. Vliese werden nach verschiedenen Gesichtspunkten unterschieden: Art der Vliesbildung: mechanische aerodynamische hydrodynamische Spinnvliese Lage der Fasern zueinander: orientierte Vliese (gleichgerichtete Fasern) Kreuzlagenvliese Wirrfaservliese Art der Verfestigung (Bindung): mechanisch (z. B. Vernadelung) thermisch (Verschweißung oder Schrumpfung) chemisch (durch Anlösen der Fasern, z. B. Quellschweißung) chemisch-physikalisch (durch Bindemittel). Die Lage der Fasern und die Art der Verfestigung sind am Vlies unschwer zu erkennen und zu fühlen. Je nach Anwendung werden Vliesdicken von 0,3 bis 40 mm eingesetzt, die in ihrer Erscheinungsform textilartig-weich bis drahtartig-steif sein können. Da die verschiedenen Herstellungsverfahren durchweg endlose Transportbänder verwenden, können stets große Längen geliefert werden, die Breiten liegen im Bereich von 1 bis 5 m. Die wichtigsten Anwendungsbereiche sind im
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Erd- und Landschaftsbau: Befestigung von Hängen und Böschungen; Befestigung und rasche Entwässerung von stark beanspruchten Rasenflächen, z. B. Sportplätzen. Verkehrswegebau: Auflage auf weichen und lockeren Untergründen zur Festigung der Aufbauschichten; Trennschichten zwischen Böden unterschiedlicher Beschaffenheit (z. B. bindige und nichtbindige Lagen); Frostschutz durch Wasserabführung; Schutz gegen die Verschmutzung von Drainageschichten; Stabilisierung begraster Straßenrandbankette. Wasserbau (Meer, Seen, Kanäle): Erosionsschutz mit Filterwirkung an Böschungen bewegter Wasserflächen; Schutz vor den Folgen mechanischer Angriffe wie Eisschub und Schiffskörperberührung. 15.4.10.3 Sekundärkunststoffe
Durch das Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) entstand für die Hersteller jeglicher Art von Gütern die Verpflichtung, sich auch um die Verwertung ihrer Produkte nach Ende der Nutzungsdauer zu kümmern. Art und Umfang der aus diesem Gesetz für die einzelnen Hersteller hervorgehenden Verpflichtungen sollen entsprechende Verordnungen regeln. Da der Vermeidung und Verwertung von Verpackungsmaterial ein besonders hoher Stellenwert beigemessen wurde, war die Verpackungsverordnung die erste Ausführungsverordnung, die zum KrW-/AbfG erlassen wurde. Sie sorgte für die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Kunststoff-Recycling mbH (DKR), die vor allem als Lizenzgeber für den „Grünen Punkt“ bekannt wurde. Durch den Zwang zur Sammlung und werkstofflichen Verwertung (Recycling) des Großteils der Verpackungsmaterialien entstand am Markt die „neue“ Werkstoffklasse der Sekundärkunststoffe. Es handelt sich dabei überwiegend um Kunststoffe aus Verpackungen, die – im „gelben Sack“ gesammelt – durch Reinigung, Trennung und Aufbereitung zu Kunststoffrecyclaten verarbeitet werden. Je nach Art und Umfang der einzelnen Schritte entstehen unterschiedlich gut einsetzbare Kunststoff-Fraktionen. Da die Kosten für die Umwandlung des Altmaterials in Sekundärkunststoffe größtenteils in den Lizenzgebühren für den „Grünen Punkt“ enthalten sind, sind die Recyclate am Markt deutlich preiswerter als vergleichbare Neuware. Dafür müssen gewisse Qualitätsmängel wie schwankende Eigenfarbe und geringe Anteile von Restverschmutzungen in Kauf genommen werden. Gerade bei großvolumigen Bauprodukten spielen solche geringfügigen Mängel oft jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Größere Wandstärken als bei anderen Kunststoffteilen üblich und die Einfärbung mit geeigneten Pigmenten erlauben die Herstellung hochwertiger Bauelemente aus den Sekundärkunststoffen. Die Bauprodukte aus Recycling-Kunststoffen konkurrieren vor allem mit Bauteilen aus Holz oder Beton bzw. mineralischen Stoffen.
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Gegenüber Holz besitzen die Sekundärkunststoffe eine ganze Reihe von Vorteilen: Sie sind ohne Anstrich oder Beschichtung witterungsbeständig. Diese Eigenschaft verleiht den Produkten auch bei ständiger Bewitterung trotz Wartungsfreiheit eine hohe Lebensdauer. Sie sind verrottungsbeständig und können weder verfaulen, noch Kleinlebewesen als Nahrung dienen. Die Unempfindlichkeit gegen Feuchtigkeit und die geringe Wasseraufnahme der Kunststoffe erlauben den Einsatz im und am Wasser. Die Bauteile aus Kunststoffrecyclat können jederzeit erneut dem Recycling zugeführt werden, während behandelte Hölzer als Sondermüll entsorgt werden müssen. Vor allem die im Extrusionsverfahren endlos herstellbaren Profile aus Sekundärkunststoff ersetzen zunehmend den Baustoff Holz im Landschafts- und Wasserbau. Typische Bauteile sind Palisaden, Zäune, Pergolen, bepflanzbare Schallschutzwände (vgl. 15.4.2.4), Uferbefestigungen und Bootsstege. Aus den verschiedenen Rund- und Kantprofilen wird daneben eine Vielzahl von Accessoires wie Abfallbehälter, Spielplatzgeräte und Gartenmöbel hergestellt. Vor allem beim Einsatz in öffentlichen Bereichen erweisen sich die massiven Kunststoffprofile als sehr robust. Auch Vandalismus kann den Elementen kaum etwas anhaben. Da die Profile durch und durch aus gleichem Material bestehen, können Grafittis einfach durch Abschleifen beseitigt werden, das Einritzen von Zeichen zeigt optisch praktisch keine Wirkung. Gegenüber Mineralien und Beton weisen die Kunststoffrecyclate vor allem die folgenden Vorteile auf: Das geringere Gewicht erleichtert Handling, Transport und Einbau der Elemente. Die deutlich höhere Elastizität und Zähigkeit der Kunststoffe verleihen den Bauprodukten eine bessere Dämpfung und Bruchfestigkeit. In Bauanwendungen, bei denen auf die hohe Druckfestigkeit des Betons verzichtet werden kann, zeigt der Einsatz von Kunststoffrecyclaten zunehmende Verbreitung. Rasengitter, die Grünflächen für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr befahrbar machen, sind aus Kunststoff nicht nur leichter als aus Beton, sondern weisen auch eine kleinere Oberfläche als die Betonteile auf und sorgen so für eine minimale Versiegelung der Fläche. Im Landschaftsbau eingesetzte Pflanzringe und -kübel sind dauerhaft witterungsbeständig, leicht und in vielen verschiedenen Formen und Farben lieferbar. Verkehrsinseln und -leitsteine aus Sekundärkunststoffen vertragen den Anprall eines Kraftfahrzeugs eher unbeschadet als spröde Betonteile. Das umfangreiche Sortiment von Pflasterelementen umfasst verschiedene Formen von Verbundpflastern, passende Rand- und Ecksteine, Bordsteinprofile sowie Spezialteile wie Begrenzungselemente mit eingebauten Reflektoren und ähnliches. Die Elemente können durch den Einsatz geeigneter Farbpigmente in der „klassischen“ Betonoptik hergestellt werden, es sind aber auch andere Farbgebungen möglich. Auch das Einbringen eines Firmenlogos oder Stadtwappens in Form eines Reliefs auf der Oberfläche ist möglich. Die glatte Oberfläche der Pflaster verhindert das Eindringen von Verschmutzungen (wie Ölflecken etc.) in die Elemente.
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Dieser Vorteil kommt auch bei Pfosten und Pollern aus Kunststoffen zum Tragen, bei denen Hunde- und Vogelexkremente entweder gar nicht anhaften oder sich leicht entfernen lassen.
15.5 Bauchemische Produkte 15.5.1 Beton- und Mörtelzusätze 15.5.1.1 Kunststoffdispersionen
Kunststoffdispersionen sind beständige sahneartige Aufschwemmungen von Kunststoffteilchen mit 0,0002 bis 0,002 mm Durchmesser in Wasser mit 50 bis 70 M.-% Feststoffgehalt. Dispersionen oder Latices (Einzahl: Latex) von thermoplastischen Kunststoffen und Synthesekautschuken entstehen unmittelbar bei der Emulsionspolymerisation der in Wasser feinverteilten flüssigen Monomeren. Für Kleingebinde werden sie in Kunststoff- oder kunststoffbeschichtete Behälter abgefüllt, die dicht verschlossen und kühl zu lagern sind; Eisenfässer sind nicht geeignet. Manche Dispersionen „brechen“ bei Frost: es bilden sich Ausfällungen; sie sind ebenso wie auch Verdunstungskrusten nicht wieder aufrührbar. Hingegen gibt es redispergierbare Dispersionstrockenpulver, die vorwiegend kunststoffmodifizierten Werktrockenmörteln beigemischt sind. Dispersionen sind mit Wasser verdünnbar und daher, soweit sie gegenüber wässrigen Lösungen mit pH-Werten von 12 bis 13 verseifungsbeständig sind, auch mit mineralischen Bindemitteln für Mörtel und Beton gemischt zu verarbeiten und außerdem hoch füllbar. Da sie beim Mischen zum Schäumen neigen, werden ihnen üblicherweise Entschäumungsmittel zugesetzt, um einen betongerechten Luftporengehalt sicherzustellen. Die thermoplastischen Feststoffteilchen verschmelzen bei Wasserentzug oberhalb ihrer Erweichungstemperatur physikalisch zu Filmen, die dann innerhalb des Zementgefüges eine Kunststoff-Comatrix bilden, die quarzitischen Zuschläge (Gesteinskörnung) miteinander verkleben und somit deren Zug- und Biegezugfestigkeit deutlich erhöhen. Aufgrund dieses Filmbildeprozesses nennt man die Erweichungstemperatur (= Glastemperatur bei amorphen Thermoplasten) bei derartigen Dispersionen auch Filmbildetemperatur. Diese kann durch weichmachende Zusätze wie z. B. Lösemittel, so eingestellt werden, dass Dispersionen auch noch bei kühlem Wetter verarbeitbar sind; keinesfalls sind sie es bei Frost. Entscheidend ist, dass die weichmachenden Zusätze nach der Filmbildung wieder entweichen, damit die Erweichungstemperatur der Polymerkomponente wieder angehoben wird und ihre zugfestigkeitssteigernde Wirkung entfalten kann.
Dispersionskunststoffe, die als Polymeradditive für Betone und Außenputze eingesetzt werden sollen, müssen gegen Verseifung im basischen Milieu unter Witterungseinfluss langzeitig beständig sein. Das trifft zu z. B. für Copolymerisat-Dispersionen von Vinylchlorid mit Vinylpropionat und mit Vinyllaurat, von Ethylacrylat mit Methacrylat und Styrolacrylate, für Butadien-Copolymerisate und für Polychloropren-Latex, der zum Elastifizieren von Beton dient. Die in den Anfängen des Einsatzes von Polymeradditiven wegen ihrer positiven Eigenschaftsveränderungen und ihrer guten Verarbeitbarkeit bei Außenputzen häufig verwendeten
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Polyvinylacetat-Dispersionen haben sich längerfristig für diesen Einsatzzweck und im sonstigen basischen Bereich wegen ihrer geringen Verseifungsbeständigkeit nicht bewährt. So kam es z. B. bei nachträglichem Ankleben von Wärmedämmverbundsystemen auf solchen Kunststoffdispersionsputzen, die im Zuge einer Oberflächenzugfestigkeitsüberprüfung einen standfesten Eindruck vermittelten, durch Einwirkung des zementhaltigen Klebemörtels zur Verseifung des Polyvinylacetats, zu Ablösungen und schließlich zu Abstürzen des Wärmedämmverbundsystems. Will man die Verseifung verhindern, aber dennoch die günstigen Eigenschaften des sehr adhäsionsfreudigen Vinylacetats nutzen, bieten sich Dispersionen aus Vinylacetat-Copolymerisaten an. Eine ganz andere Anwendung stellt der Auftrag von Dispersionen auf PVC-Basis auf „grünem“ Beton dar: sie verhindern das vorzeitige Austrocknen, minimieren durch den Nachbehandlungseffekt das Schwinden des jungen Betons und verzögern zudem die Carbonatisierung. Anders verhalten sich Epoxidharz-Dispersionen, die vom Verarbeiter aus Epoxidharz mit Emulgator unter Beigabe der Härterkomponente selbst hergestellt werden. Unmittelbar danach beginnen sie chemisch auszuhärten, so dass sie innerhalb ihrer vom Produkthersteller anzugebenden Topfzeit verarbeitet sein müssen; danach sind, was äußerlich nicht erkennbar ist, die Dispersionen unbrauchbar. Epoxidharzd-Dispersionen werden für Anstriche und Haftbrücken auf feuchtem Beton und zur Vergütung von Zement-Beton/Mörteln verwendet. In den ersten Tagen der Erhärtungsphase wird die Verdunstung des Wassers erkennbar vermindert (Wasserrückhaltevermögen). Dem entspricht die Anwendung des modifizierten Betons für Estrichbeläge. Konstruktionsbeton darf nur dann mit Dispersionen modifiziert werden, wenn hierfür eine Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) oder eine Zulassung im Einzelfall vorliegt. Wasserlagerung beim Erhärten und weitere ständige Durchfeuchtung führt aufgrund der Hydrophilie der Dispersionskunststoffe meist zu Quellungen und Festigkeitsminderungen. Für Wasserbehälter, Grundwasserabdichtung und dergleichen ist deshalb Beton mit Dispersions-Zusätzen in der Regel nicht geeignet. 15.5.1.2 Kunststoffmodifizierte Zementmörtel und -betone
Kunststoffmodifizierte zementgebundene Mörtel und Betone – international als PCC bekannt (von Polymer Cement Concrete) – enthalten in der Regel bis zu 5 M.-% Polymeradditive (als Festpolymerisat auf Zement gerechnet), in seltenen Fällen auch bis zu 10 M.-%, was Kunststoff-Zement-Werten k/z von bis zu 0,05 bzw. 0,10 entspricht. Bei der Einstellung des k/zund Wasser-Zement-Wertes w/z nach den allgemeinen Regeln der Betontechnik ist das Dispersionswasser zu berücksichtigen, um dessen Menge das Anmachwasser zu vermindern ist. Aufgrund ihrer guten Adhäsionseigenschaften auch auf Altbeton werden PCC vorwiegend als Reparaturmörtel und -betone bei der Instandsetzung von Betonbauteilen verwendet. Ihr Einsatz ist in der für den standsicherheitsrelevanten Bereich vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) bauaufsichtlich eingeführten Instandsetzungs-Richtlinie des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) im DIN geregelt. Bei größeren Instandsetzungsflächen werden meist Spritz-PCC (SPCC) verwendet. Werden kunststoffhaltige Baustoffe bei Betoninstandsetzungen nach der InstandsetzungsRichtlinie des DAfStb eingesetzt, muss nach den Vorgaben dieser Richtlinie auf der Baustelle mindestens ein Fachmann des bauausführenden Unternehmens ständig anwesend sein, der
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über den sogenannten SIVV-Schein verfügt. Die Abkürzung umfasst die Begriffe Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken. Dieser Nachweis kann derzeit nur durch die Bescheinigung des Ausbildungsbeirates „Verarbeiten von Kunststoffen im Betonbau“ beim Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e. V. geführt werden. Flexible Dünnbettkleber – auch unter der Bezeichnung Flexkleber bekannt – für Fliesen und Baukeramik werden ebenfalls mit Dispersionstrockenpulver modifiziert, wobei hierbei je nach angestrebter Flexibilität auch höhere Kunststoffgehalte verwendet werden. Sie entkoppeln dank ihrer Elastizität den tragenden Untergrund vom Fliesenspiegel, so dass Rissbildungen darin weitestgehend vermieden werden. Für die Verlegung besonders hart-spröder Fliesenbeläge wie z. B. Feinststeinzeug ist die Verwendung von hochflexiblen Fliesenklebern ultimative Voraussetzung. 15.5.1.3 Haftbrücken
Für Haftbrücken zwischen Alt- und Neubeton werden überwiegend an Zement und Kunststoffdispersion angereicherte Einschlämm-Massen verwendet, die in die Kontaktfläche eingebürstet werden und auf die feucht, d. h. „frisch in frisch“, weiterbetoniert wird. Es gibt aber auch Zweikomponenten-Epoxidharze, die als Haftbrücke eingesetzt werden. 15.5.1.4 Putzmörtel
Für Fassadenbekleidungen werden Zementmörtel als Edelputze und Waschputze mit steigenden Anteilen von Kunststoffdispersionen modifiziert. Streich- und Reibeputze mit Dispersionen als alleinigem Bindemittel bilden einen Übergang zu den Anstrichstoffen. Auch gipshaltige Innenputze werden zunehmend durch Dispersionszusatz verbessert. DispersionsSpachtelputze sind nach den allgemeinen Handwerksregeln möglichst dünn, auf AußenwandDämmsysteme z. B. 4 bis 6 mm dick, nicht in praller Sonne aufzutragen. Durch Zugabe der Polymeradditive werden Putze, die auch durch Faserfüllung verstärkt sein können, weniger schwindrissanfällig sowie wasser- und damit auch schmutzabweisend; sie bleiben aber wasserdampfdurchlässig.
15.5.2 Reaktionsharzmörtel und -betone 15.5.2.1 Reaktionsharze
Reaktionsharze sind in mehreren Komponenten angelieferte Kunstharzvorprodukte, die nach Vermischen in vorgeschriebener Menge miteinander unter Bildung des Kunstharzes reagieren. Die Reaktion beginnt meist langsam; das flüssige Gemisch kann innerhalb der vom Hersteller angegebenen Topfzeit verarbeitet werden. Vor dem Einsetzen der unter starker Erwärmung zum Aushärten führenden Hauptreaktion muss die Verarbeitung beendet sein. Reaktionsharze bzw. daraus hergestellte Mörtelmassen werden auf Topfzeiten von einigen Minuten bis Stunden und dementsprechende Härtungszeiten im Bereich von Stunden eingestellt, nach denen die Erzeugnisse entformt bzw. begangen werden können. Mit dem vollständigen Ablauf der Aushärtungsreaktion wird das Erzeugnis innerhalb einiger Tage zunächst mecha-
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nisch, schließlich chemisch voll belastbar. Eine nennenswerte Nachhärtung oder Nachschwindung findet dann nicht mehr statt. Bei Temperaturerhöhung um zehn Grad können sich die Zeiten für die einzelnen Phasen des Reaktionsablaufes auf rund die Hälfte verkürzen, bei Temperaturverringerung entsprechend verlängern; unterhalb einer Grenztemperatur bleibt die Härtungsreaktion ganz aus. Sofern sich das Flüssigharzgemisch nicht durch Segregation oder durch kapillares Aufsaugen nur einer Komponente entmischt, kann die Aushärtungsreaktion nach späterer Überschreitung dieser Grenztemperatur wieder in Gang kommen. Reaktionsharzbeton – kurz PC von Polymer Concrete – mit 10 bis 15 M.-% ReaktionsharzBindemittel weist folgende Kennwerte auf: Druckfestigkeit: 90 – 150 N/mm2 Biegefestigkeit: 20 – 40 N/mm2 Abrieb: 6,2 cm3/50 cm2 Ausdehnungskoeffizient: 20 · 10–6 K–1 Reaktionsharze sind um ein Mehrfaches teurer als hydraulische Bindemittel. Wirtschaftlich sind sie für Zwecke, bei denen ihre besonderen Eigenschaften voll genutzt werden können. (siehe 15.5.2.2 – 15.5.2.7). Mit Polyaminoamid-Addukten (Versamiden) erhält man elastischere, allerdings auch weniger korrosionsbeständige Produkte. Für Straßen- und Brückenbeläge sowie für Säureschutzbeschichtungen werden die Harze mit Steinkohlenteer-Spezialpech modifiziert. Mit den mechanisch und vor allem im basischen Bereich in ihrer Korrosionsbeständigkeit höchstwertigen EP-Harzen kann man schwierigste Probleme des Ingenieurbaus und der Korrosionsschutztechnik lösen; allerdings sind sie teurer als UP-Harze. Mittels EP-Rissinjektion werden Risse in Betonbauten kraftschlüssig instandgesetzt und die Steifigkeit des ungerissenen Zustands der Betonbauteile nahezu wiedererlangt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Rissursache nicht wiederkehrender Natur ist, also die zur Rissentstehung geführten Bauteilbewegungen abgeschlossen sind. Risse dieser Art werden auch „passive Risse“ genannt. Sind die Risse nach wie vor aktiv, also in Bewegung, können sie bei hinreichend begrenzter Bewegung auch mit speziellen, hohlraumbildenden, duktilen Polyurethanharzen injiziert werden. Die Rissinjektionsverfahren sind Bestandteil der Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb. Unzureichend nachbehandelter und dadurch oberflächennah zu poröser und wenig abriebfester Beton kann mittels Imprägnierung mit dünnflüssigen Reaktionsharzen nachgebessert werden. Im Ergebnis spricht man dann kurz von PIC = Polymer Impregnated Concrete. Er weist ähnliche Eigenschaften auf wie ein zur Verbesserung des w/z-Wertes vakuumierter Beton bzw. ein Fließbeton. Vernetzte Polyurethane (PUR) lassen sich gummielastisch einstellen, z. B. für Beläge für Sportstätten, Laufbahnen und Pferderennbahnen; zum Teil werden sie mit Gummischnitzeln aus Altreifen gefüllt. Einkomponentige flüssige PUR- und EP-Vorprodukte, die durch Luftfeuchtigkeit abbinden, gibt es für das „Seamless-Flooring“-Verfahren des Gießens von Bodenbelägen mit eingestreuten Farbchips. Die einzelnen Gruppen von Reaktionsharzen haben folgende besondere Eigenschaften und Anwendungsgebiete: Methacrylat-Zweikomponentenmassen aus einem Pulver, das auch die mineralischen Zuschläge enthält, und flüssigem Methacrylat in abgemessenen Portionen mit
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15 Kunststoffe
15 bis 20 Minuten Topfzeit härten bei entsprechender Formulierung auch bei Frosttemperaturen innerhalb einer Stunde voll belastbar aus. Sie dienen zur Reparatur kleinerer Oberflächenund Kantenschäden von Autobahnen, Betonfertigteilen, Flughafen-Start- und Landebahnen, für Straßenmarkierungen und Industrieestriche. Aus selbstverlaufend eingestellten Lösungen von Polymethacrylat in dem leichtflüssigen monomeren Methacrylat mit Füllstoffen stellt man harte Bodenbeläge, vor allem für Lebensmittelbetriebe, her. Infolge der Löslichkeit des Polymeren im Monomeren binden die Methacrylatsysteme an bereits ausgehärtetes gleichartiges Material gut an. Die in im Zuge der späteren Reaktion einpolymerisierendem Styrol gelösten ungesättigten Polyesterharze (UP) brauchen zum Aushärten bei Raumtemperatur Polymerisationskatalysatoren und Beschleuniger (nacheinander zuzugeben, da bei unmittelbarer Vermischung der Zusätze Explosionsgefahr; zuweilen werden zwei mit je einem der Zusätze vorgemischte Komponenten geliefert). UP sind die für Kunstharzbetonwaren und -bauteile überwiegend verwendeten Reaktionsharze. Nässe und basische Reaktion stören das Aushärten; deshalb sind Zuschläge scharf zu trocknen. Ungefüllt schrumpfen UP beim Aushärten um 7 bis 8%, mit Füllstoffen weniger. Ausgehärtet sind sie gegen Wasser, saure angreifende Medien, Treibstoffe und Mineralöl beständig. Nachteilig ist ihre bedingte Verseifungsbeständigkeit – auch Hydrolysebeständigkeit genannt –, die eine Verwendung auf zementgebundenen Baustoffen nur eingeschränkt zulässt. Die flüssigen Epoxidharze (EP) härten bei Raumtemperatur mit Verbindungen, die reaktionsfähige Amingruppen besitzen, unter geringer Schrumpfung aus. Einfache Amine sind giftig und ätzen (Haut- und Augenschutz!); der Ablauf der Härtungsreaktion ist stark temperaturabhängig; er kann durch Wasser und Luft beeinträchtigt werden. Modifizierte Aminhärter sind weniger unangenehm im Gebrauch; unter ihnen gibt es Spezialprodukte wie „Nullgradhärter“ für tiefe Temperaturen und „maskierte“ Härter, mit denen die Reaktion auch auf feuchtem Untergrund, selbst unter Wasser, abläuft. Epoxidharze weisen eine hohe Verseifungsbeständigkeit auf und können deshalb im dauerhaften Kontakt zu hochalkalischem Beton und anderen zementgebundenen Baustoffen eingesetzt werden. 15.5.2.2 Reaktionsharzbeton
Reaktionsharzbeton mit 5 bis 15 M.-% Bindemittel zur Schnellreparatur von Altbeton (Kantenausbrüche, Fahrbahn- und Fassadenschäden). EP- und MMA-„Sandstein“ zur Restaurierung und Reproduktion von Baudenkmälern, für Betonfertigteile wie Fassadenplatten, Deckschichten von Brüstungselementen, dünnwandige Schleudergussrohre bis 3,5 m Durchmesser, Abwasserschächte, serienmäßig gefertigte Entwässerungsgegenstände (Straßengullys, Ablaufrinnen) und Kellerfenster, Maschinenfundamente. 15.5.2.3 Reaktionsharzklebemörtel
Klebemörtel mit 10 bis 20 M.-% Bindemittel zur kraftschlüssigen Verbindung von großen Betonfertigteilen für technische Bauwerke, von Beton mit Stahl und von Stahlbauteilen untereinander, als Haftbrücken zwischen Alt- und Neubeton. Die rasch abbindenden Reaktionsharzmörtel können den Baufortschritt bei Großbauten um ein Vielfaches beschleunigen; sie ermöglichen exaktes Arbeiten mit dünnen Fugen.
15.5 Bauchemische Produkte
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15.5.2.4 Reaktionsharzestriche
Reaktionsharzestriche mit 10 bis 40 M.-% Bindemittel, mörtelartig bis selbstnivellierend verfließend, mit harten Zuschlägen wie Korund, Carborundum, Quarzit, für mechanisch und chemisch höchst beanspruchbare, mehrschichtig aufgebrachte Industriebodenbeläge bis etwa 10 mm Dicke, für gleitsichere (Brücken-)Fahrbahn- und Flugplatzbeläge auf festem, erforderlichenfalls durch Sandstrahlen, Kugelstrahlen oder andere geeignete Verfahren vorbereiteten Untergrund. 15.5.2.5 Reaktionsharzbeschichtungen
Reaktionsharzbeschichtungen als Beschichtungsmassen mit 30 bis 50 M.-% Bindemittel, vergießbar oder thixotrop haftend eingestellt, für Dünnschichtbeläge von 0,5 bis 1,5 mm Dicke, für Wasserbauten, Kläranlagen, Schwimmbecken und dergleichen, als Bindemittel für dekorative Steinsplitt-Fassadenbeläge, zum Verankern von Stahl in Beton. Oberflächenschutzsysteme (OS) gemäß Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb für nicht oder begeh- und befahrbare Flächen ohne oder mit geringer oder erhöhter, ggf. auch dynamischer Rissüberbrückungsfähigkeit; die Mindestschichtdicken variieren je nach Anforderung zwischen 0,3 und 4,0 mm. 15.5.2.6 Reaktionsharzversiegelungen
Reaktionsharzversiegelungen als Versiegelungsmassen mit Bindemittelgehalt über 50 M.-%, auch lösemittelhaltig, verhindern das Eindringen flüssiger Stoffe in den Untergrund (z. B. Holz- und Betonböden) und erhöhen dessen Verschleißwiderstand.
15.5.3 Klebstoffe 15.5.3.1 Dispersionsklebstoffe
Vor allem Dispersionsklebstoffe auf der Basis von Copolymerisaten, die mehr oder weniger geschmeidige Klebfilme ergeben, sind für Verklebungen von Werkstoffen geeignet, von denen mindestens einer so porös ist, dass das Dispersionswasser aufgenommen und abdunsten kann. Sie sind umweltfreundlich und verarbeitungstechnisch (keine Lösemittel, feuchtes Arbeiten möglich) sehr angenehm. 15.5.3.2 „Baukleber“
Die gemeinhin als „Baukleber“ bezeichneten Bauklebstoffe enthalten pulverförmig vorgemischt oder als Einzelkomponenten hydraulische Bindemittel und dispergierbare bzw. dispergierte Kunststoffe nach Abschnitt 15.5.1. Das polymere Bindemittel zieht rasch an; Klebkraft und Härte im Endzustand werden durch das langsamer abbindende hydraulische Bindemittel erhöht. Die Klebstoffe binden auf den meisten (porösen) Baumaterialien gut an; gefüllt finden sie zudem als Spachtelmassen Verwendung.
968
15 Kunststoffe
15.5.3.3 Kontaktklebstoffe
Kontaktklebstoffe sind Lösungen von weichen Kunststoffen oder Synthesekautschuk (meist Polychloropren oder Polyisobutylen), die zum Verkleben dichter Werkstoffe miteinander beidseitig aufgestrichen werden und dann, damit es keine Blasen gibt, so lange abdunsten müssen, bis aus der Klebstoffschicht beim Betupfen mit dem Finger keine Fäden mehr gezogen werden können. Bringt man dann die beiden Klebeflächen zusammen, so haften die Klebeteile sofort unverrückbar aneinander; durch kurzes, aber kräftiges Andrücken (p = 0,5 N/mm2) von Hand oder in der Presse werden die auf beiden Kontaktflächen verankerten Makromoleküle miteinander verknäuelt und der vollflächige Klebverbund hergestellt. Die erzielbare Klebkraft nimmt mit der Andrückkraft zu. Man verwendet Kontaktklebstoffe für Fußbodenbeläge und Bauplatten auf beliebigen Untergründen. Die elastisch bleibenden Klebfilme können unterschiedliches Arbeiten verschiedener Werkstoffe in gewissem Umfang aufnehmen. Wenn Spannungen in der Verklebung zu erwarten sind, z. B. bei wechselnden Temperaturen ausgesetzten Schichtpressstoffplatten-Bekleidungen, muss dem Klebstoff ein Härter zugesetzt und sorgfältig auf ganzflächige Verklebung geachtet werden. Für langandauernde scherbeanspruchte Klebungen auf begrenzter Fläche sind diese Klebstoffe jedoch nicht geeignet. 15.5.3.4 Reaktionsharz-Klebstoffe
Reaktionsharz-Klebstoffe entsprechen in ihrem Aufbau aus gleichartigen KunstharzVorprodukten den unter Abschnitt 15.5.2 behandelten Reaktionsharzerzeugnissen. In entsprechend abgewandelter Einstellung sind diese drucklos härtenden, lösemittelfreien und daher fugenfüllenden Reaktionsharz-Klebstoffe zur festen Verbindung auch nicht offenporiger Materialien untereinander geeignet. Konstruktive Verklebungen mit Reaktionsharz-Klebstoffen oder -Klebmörteln sind so hochfest, dass bei derart miteinander verklebten (Stahl)Betonbauteilen zug- bzw. biegezugbedingtes Versagen regelmäßig nicht im Bereich der Klebfuge stattfindet, sondern im angrenzenden Beton. Wesentlicher kritischer Punkt beim konstruktiven Einsatz im Bauwesen ist das rasche Nachlassen und Versagen des Haftverbundes bei Brand- oder anderer intensiver thermischer Beaufschlagung. Reaktionsharz-Klebstoffe eignen sich auch zum Verkleben von Schaumstoffen mit geschlossenen Poren untereinander und auf dichten Untergründen. Fliesen-Kleber und -Fugenausschlämmassen aus EP-Harzen, die im Verarbeitungszustand mit Wasser emulgierbar sind, sind höchster Beanspruchung gewachsen.
15.5.4 Silicon-Bautenschutzmittel Silicone (SI) sind eine Stoffgruppe gemischt anorganisch-organischen chemischen Aufbaus. Das Siliconmolekül enthält ein Gerüst aus SiO-Gruppen, die den Silicaten verwandt sind; im Gegensatz zu diesen sind Siliconmoleküle aber mit organischen Kohlenwasserstoffgruppen bekleidet. Bei der Hydrophobierung mineralischer Baustoffe werden SiO-Gruppen in den Porenwandungen an den mineralischen Baustoff gebunden, so dass die organischen Gruppen nach außen gerichtet sind. Durch deren wasserabstoßendes Verhalten werden senkrechte und geneigte Bauteile gegen Benetzung durch Wasser, auch gegen Schlagregen, geschützt. Sie bilden aber keinen abdichtenden Film; die Wände bleiben diffusionsaktiv.
15.5 Bauchemische Produkte
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15.5.4.1 Siliconate
Siliconate sind wasserlösliche, mit Wasser verdünnbare, salzartige Vorprodukte, deren wasserabweisende Wirkung sich etwa 24 Stunden nach dem Auftrag auf die Fassade durch Reaktion des Alkalisalzes mit dem CO2-Gehalt der Luft unter Wasserabspaltung zu unlöslichen hydrophoben Polyalkylkieselsäuren entwickelt. Frische Siliconate reagieren basisch (nicht ins Auge oder Gesicht bringen, Fensterrahmen und Glasscheiben abdecken!). Sie erfordern einen gut saugfähigen Untergrund; Putz muss einigermaßen abgebunden sein. Die vorgeschriebenen Konzentrationen und Auftragsmengen sind einzuhalten. Zuviel Siliconat verstopft die Poren und kann, insbesondere auf weniger saugfähigem Untergrund, zu Abblätterungen und Ausblühungen führen. Deshalb ist auch mehrfacher Siliconatauftrag nicht möglich. Durch Regen innerhalb der ersten 24 Stunden kann Siliconat wieder ausgewaschen werden. 15.5.4.2 Silane und Siloxane
Silane und Siloxane sind niedermolekulare bis fast makromolekulare organische Si-Verbindungen, die, in Alkohol oder Benzin gelöst, gut den Untergrund benetzen und die SiOGruppe durch Ester-Verseifung und Weiterpolymerisation zum Silicon im basischen Milieu verankern. Kontakt von Haut und Schleimhaut mit Silanen und Siloxanen ist zu vermeiden. Hydrophobierende Maßnahmen mit Stoffen dieser Art – sie werden in der InstandsetzungsRichtlinie des DAfStb als Oberflächenschutzsystem OS 1 behandelt – eignen sich zur zeitlich begrenzten Reduzierung der kapillaren Wasseraufnahme; sie stellen einen bedingten Feuchteschutz freibewitterter Bauteile dar und werden z. B. zum Schutz von Brückenkappen und Stützwänden verwendet. Infolge der zeitlich begrenzten Wirksamkeit sind solche Maßnahmen des öfteren erneuerungsbedürftig. Sie sind nicht wirksam bei drückendem Wasser. 15.5.4.3 Siliconharzlösungen
Siliconharzlösungen in Benzinkohlenwasserstoffen lassen sich auf allen Untergründen auch im mehrfachen Auftrag und als Nachimprägnierungen verwenden. Die wasserabweisende Wirkung setzt mit dem Verdunsten des Lösemittels ein. Silicon-Fassadenimprägnierungen müssen gleichmäßig satt aufgetragen werden, um auffällige Schattierungen und Muster auf der Fassade zu vermeiden; dies erreicht man mit Sprühgeräten besser als mit Malerquasten. Die unterschiedliche Saugfähigkeit nebeneinander verwendeter Baustoffe, z. B. von Klinkersteinen und Fugenmörtel, muss berücksichtigt werden. Die wasserabweisende Imprägnierung ist gleichzeitig schmutzabweisend; sich ablagernder Schmutz wird nicht kapillar in die Poren eingesaugt, sondern bleibt zunächst auf der Oberfläche und wird von Niederschlägen abgewaschen. Ungleichmäßige, örtlich ungenügende Imprägnierung führt zu sich über kurz oder lang deutlich abzeichnenden hässlichen Schmutzflecken. Eine gut ausgeführte Siliconierung erfordert erfahrene Verarbeiter.
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15 Kunststoffe
15.5.4.4 Siliconemulsionen mit -pulver
Siliconemulsionen mit -pulver werden Putzen und Anstrichmitteln zugesetzt, um Fassaden von vornherein dauerhaft wasserabweisend zu machen. 15.5.4.5 Siliconkautschuk
Siliconkautschuk wird mit hellfarbigen Füllstoffen zu Ein- oder Zweikomponenten-Fugendichtstoffen verarbeitet, die auf mineralischen Untergründen in der Regel ohne Primer haften. Nach der Vernetzung sind sie gummielastisch dehnfähig sowie witterungs- und wasserbeständig. Anwendung vor allem im Glasbau zum Eindichten von Fensterscheiben und im Sanitärbereich. Aufgrund ihrer Oberflächenspannungseigenschaften sind sie anstrichtechnisch nicht überarbeitbar. 15.5.4.6 Kieselsäureester
Von den Siliconen zu unterscheiden sind die monomolekularen niedrigviskosen Kieselsäureester, die hochkonzentriert zur Konservierung von Naturstein-Bauwerken durch Tiefenimprägnierung verwendet werden. Sie scheiden unter Aufspaltung der Esterbindung im Stein primär instabile Kieselsäure ab, die in Siliciumdioxid (wasserreiche Polykieselsäure (H2Si2O5)X) als verfestigendes quarzitisches Zusatzbindemittel übergeht, ohne dass dabei – wie bei der Verwendung von Wasserglas – steinschädigendes Alkalicarbonat entsteht.
15.6 Literatur 15.6.1 Regelwerke 15.6.1.1 Normen Norm
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Bauwerksabdichtungen – Teil 7: Abdichtungen gegen von innen drückendes Wasser; Bemessung und Ausführung
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2010-04
VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten
DIN 18 516-1
2010-06
Außenwandbekleidungen, hinterlüftet - Teil 1: Anforderungen, Prüfgrundsätze
DIN 18 516-3
1999-12
Außenwandbekleidungen, hinterlüftet - Teil 3: Naturwerkstein; Anforderungen, Bemessung
DIN 18 516-4
1990-02
Außenwandbekleidungen, hinterlüftet; EinscheibenSicherheitsglas; Anforderungen, Bemessung, Prüfung
DIN 18 516-5
1999-12
Außenwandbekleidungen, hinterlüftet - Teil 5: Betonwerkstein; Anforderungen, Bemessung
976
15 Kunststoffe
DIN 18 531-1
2010-05
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 1: Begriffe, Anforderungen, Planungsgrundsätze
DIN 18 531-2
2010-05
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 2: Stoffe
DIN 18 531-3
2010-05
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 3: Bemessung, Verarbeitung der Stoffe, Ausführung der Dachabdichtungen
DIN 18 531-4
2010-05
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 4: Instandhaltung
DIN 18 540
2006-12
Abdichten von Außenwandfugen im Hochbau mit Fugendichtstoffen
DIN 18 541-1
2006-09
Fugenbänder aus thermoplastischen Kunststoffen zur Abdichtung von Fugen in Ortbeton; Begriffe, Formen, Maße, Kennzeichnung
DIN 18 541-2
2006-09
Fugenbänder aus thermoplastischen Kunststoffen zur Abdichtung von Fugen in Ortbeton; Anforderungen, Prüfung und Überwachung
DIN 18 545-1
1992-02
Abdichten von Verglasungen mit Dichtstoffen; Anforderungen an Glasfalze
DIN 18 545-2
2008-12
Abdichten von Verglasungen mit Dichtstoffen – Teil 2: Dichtstoffe, Bezeichnung, Anforderungen, Prüfung
DIN 18 545-3
1992-02
Abdichten von Verglasungen mit Dichtstoffen; Verglasungssysteme
DIN V 18 550
2005-04
Putz und Putzsysteme – Ausführung
DIN 18 556
1985-01
Prüfung von Beschichtungsstoffen für Kunstharzputze und von Kunstharzputzen
DIN 18 558
1985-01
Kunstharzputze; Begriffe, Anforderungen, Ausführung
DIN 19 531-10
1999-12
Rohr und Formstücke aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) für Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden – Brandverhalten, Überwachung und Verlegehinweise
DIN 19 534-3
2000-07
Rohre und Formstücke aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) mit Steckmuffe für Abwasserkanäle und -leitungen; Güteüberwachung und Bauausführung
DIN 19 535-10
2000-01
Rohre und Formstücke aus Polyethylen hoher Dichte (PE-HD) für heißwasserbeständige Abwasserleitungen (HT) innerhalb von Gebäuden; Brandverhalten, Güteüberwachung und Verlegehinweise
977
15.6 Literatur
DIN 19 537-3
1990-11
Rohre, Formstücke und Schächte aus Polyethylen hoher Dichte (PE-HD) für Abwasserkanäle und -leitungen; Fertigschächte; Maße, Technische Lieferbedingungen
DIN 19 538-10
1999-12
Rohre und Formstücke aus chloriertem Polyvinylchlorid (PVC-C) für heißwasserbeständige Abwasserleitungen (HT) innerhalb von Gebäuden; Brandverhalten, Güteüberwachung und Verlegehinweise
DIN 19 560-10
1999-03
Rohre und Formstücke aus Polypropylen (PP) für heißwasserbeständige Abwasserleitungen (HT) innerhalb von Gebäuden; Brandverhalten, Güteüberwachung und Verlegehinweise
DIN 19 561-10
1999-12
Rohre und Formstücke aus Styrol-Copolymerisaten für heißwasserbeständige Abwasserleitungen (HT) innerhalb von Gebäuden; Brandverhalten, Güteüberwachung und Verlegehinweise
DIN 52 452-1
1989-10
Prüfung von Dichtstoffen für das Bauwesen; Verträglichkeit der Dichtstoffe; Verträglichkeit mit anderen Baustoffen
DIN 52 452-2
1993-09
Prüfung von Dichtstoffen für das Bauwesen; Verträglichkeit der Dichtstoffe; Verträglichkeit mit Chemikalien
DIN 52 455-1
2003-05
Prüfung von Dichtstoffen für das Bauwesen; Haft- und Dehnversuch – Teil 1: Beanspruchung durch Normalklima, Wasser oder höhere Temperaturen
DIN 52 455-3
1998-08
Prüfung von Dichtstoffen für das Bauwesen; Haft- und Dehnversuch – Teil 3: Einwirkung von Licht durch Glas
DIN 52 460
2000-02
Fugen- und Glasabdichtungen – Begriffe
DIN 53 424
1978-12
Prüfung von harten Schaumstoffen; Bestimmung der Formbeständigkeit in der Wärme bei Biegebeanspruchung und bei Druckbeanspruchung
DIN EN 476
2008-05
Allgemeine Anforderungen an Bauteile für Abwasserkanäle und -leitungen
DIN EN 477
1995-08
Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen – Bestimmung der Stoßfestigkeit von Hauptprofilen mittels Fallbolzen
DIN EN 478
1995-08
Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen – Bestimmung des Verhaltens nach Lagerung bei 150 °C – Prüfverfahren
978
15 Kunststoffe
DIN EN 479
1995-08
Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen – Bestimmung des Wärmeschrumpfes
DIN EN 513
1999-10
Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen – Bestimmung der Wetterechtheit und Wetterbeständigkeit durch künstliche Bewitterung
DIN EN 514
2000-03
Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen – Bestimmung der Festigkeit verschweißter Ecken und T-Verbindungen
DIN EN 607
2005-02
Hängedachrinnen und Zubehörteile aus PVC-U – Begriffe, Anforderungen und Prüfung
DIN EN 681-1
2006-11
Elastomer-Dichtungen – Werkstoff-Anforderungen für Rohrleitungs-Dichtungen für Anwendungen in der Wasserversorgung und Entwässerung – Teil 1: Vulkanisierter Gummi
DIN EN 1013-1
1998-01
Lichtdurchlässige profilierte Platten aus Kunststoff für einschalige Dacheindeckungen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 1308
2007-11
Mörtel und Klebstoffe für Fliesen und Platten – Bestimmung des Abrutschens
DIN EN 1323
2007-11
Mörtel und Klebstoffe für Fliesen und Platten - Betonplatten für Prüfungen
DIN EN 1329-1
1999-12
Kunststoff-Rohrleitungssysteme zum Ableiten von Abwasser (niedriger und hoher Temperatur) innerhalb der Gebäudestruktur – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U) – Teil 1: Anforderungen an Rohre, Formstücke und das Rohrleitungssystem
DIN EN 1346
2007-11
Mörtel und Klebstoffe für Fliesen und Platten – Bestimmung der offenen Zeit
DIN EN 1401-1
2009-07
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U) – Teil 1: Anforderungen an Rohre, Formstücke und das Rohrleitungssystem
DIN V ENV 1401-2
2000-09
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte Abwasserkanäle und -leitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U) – Teil 2: Empfehlungen für die Beurteilung der Konformität
979
15.6 Literatur
DIN V ENV 1401-3
2001-10
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte drucklose Abwasserkanäle und -leitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U) – Teil 3: Empfehlungen für die Verlegung
DIN EN 12 004
2007-11
Mörtel und Klebstoffe für Fliesen und Platten – Anforderungen, Konformitätsbewertung, Klassifizierung und Bezeichnung
DIN EN 12 201-1
2003-06
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Wasserversorgung – Polyethylen (PE) – Teil 1: Allgemeines
DIN EN 12 201-2
2003-06
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Wasserversorgung – Polyethylen (PE) – Teil 2: Rohre
DIN EN 12 201-3
2003-06
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Wasserversorgung – Polyethylen (PE) – Teil 3: Formstücke
DIN EN 12 201-4
2002-03
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Wasserversorgung – Polyethylen (PE) – Teil 4: Armaturen
DIN EN 12 201-5
2003-06
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Wasserversorgung - Polyethylen (PE) – Teil 5: Gebrauchstauglichkeit des Systems
DIN EN 12 608
2003-09
Profile aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) zur Herstellung von Fenstern und Türen Klassifizierung, Anforderungen und Prüfverfahren
DIN EN 12 666-1
2006-03
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für erdverlegte Abwasserkanäle und -leitungen – Polyethylen (PE) – Teil 1: Anforderungen an Rohre, Formstücke und das Rohrleitungssystem
DIN EN 13 163
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus expandiertem Polystyrol (EPS) – Spezifikation
DIN EN 13 164
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus extrudiertem Polystyrolschaum (XPS) – Spezifikation
DIN EN 13 165
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Polyurethan Hartschaum (PUR) – Spezifikation
DIN EN 13 166
2009-02
Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Phenolharzschaum (PF) – Spezifikation
DIN EN 13 249
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung beim Bau von Straßen und sonstigen Verkehrsflächen
980
15 Kunststoffe
DIN EN 13 250
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung beim Eisenbahnbau
DIN EN 13 251
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung in Erd- und Grundbau sowie in Stützbauwerken
DIN EN 13 252
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung in Dränanlagen
DIN EN 13 253
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung in externen Erosionsschutzanlagen
DIN EN 13 254
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung beim Bau von Rückhaltebecken und Staudämmen
DIN EN 13 255
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung beim Kanalbau
DIN EN 13 256
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung im Tunnelbau und in Tiefbauwerken
DIN EN 13 257
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung bei der Entsorgung fester Abfallstoffe
DIN EN 13 265
2005-04
Geotextilien und geotextilverwandte Produkte – Geforderte Eigenschaften für die Anwendung in Projekten zum Einschluss flüssiger Abfallstoffe
DIN EN 14 259
2004-07
Klebstoffe für Bodenbeläge – Anforderungen an das mechanische und elektrische Verhalten
DIN EN 14 680
2006-12
Klebstoffe für drucklose thermoplastische Rohrleitungssysteme – Festlegungen
DIN EN 14 814
2008-03
Klebstoffe für Druckrohrleitungssysteme aus thermoplastischen Kunststoffen für Fluide – Festlegungen
DIN EN 26 927
1991-05
Hochbau; Fugendichtstoffe; Begriffe (ISO 6927)
DIN EN ISO 75-1
2004-09
Kunststoffe – Bestimmung der Wärmeformbeständigkeitstemperatur – Teil 1: Allgemeines Prüfverfahren
DIN EN ISO 75-2
2004-09
Kunststoffe – Bestimmung der Wärmeformbeständigkeitstemperatur – Teil 2: Kunststoffe und Hartgummi
DIN EN ISO 75-3
2004-09
Kunststoffe – Bestimmung der Wärmeformbeständigkeitstemperatur – Teil 3: Hochbeständige härtbare Schichtstoffe und langfaserverstärkte Kunststoffe
DIN EN ISO 178
2008-07
Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften
981
15.6 Literatur
DIN EN ISO 306
2004-10
Kunststoffe – Thermoplaste – Bestimmung der VicatErweichungstemperatur
DIN EN ISO 527-1
1996-04
Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 1: Allgemeine Grundsätze
DIN EN ISO 527-2
1996-07
Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 2: Prüfbedingungen für Form- und Extrusionsmassen
DIN EN ISO 527-3
2003-07
Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 3: Prüfbedingungen für Folien und Tafeln
DIN EN ISO 527-4
1997-07
Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 4: Prüfbedingungen für isotrop und anisotrop faserverstärkte Kunststoffverbundwerkstoffe
DIN EN ISO 1452-1
2010-04
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Wasserversorgung und für erdverlegte und nicht erdverlegte Entwässerungs- und Abwasserdruckleitungen – Weichmacherfreies Polyvinylchlorid (PVC-U) – Teil 1: Allgemeines
DIN EN ISO 527-5
2010-01
Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 5: Prüfbedingungen für unidirektional faserverstärkte Kunststoffverbundwerkstoffe
DIN EN ISO 7389
2004-04
Hochbau – Fugendichtstoffe – Bestimmung des Rückstellvermögens von Dichtungsmassen
DIN EN ISO 7390
2004-04
Hochbau – Fugendichtstoffe – Bestimmung des Standvermögens von Dichtungsmassen
DIN EN ISO 11 833-1
2008-01
Kunststoffe – Weichmacherfreie Polyvinylchloridtafeln – Typen, Maße und Eigenschaften – Teil 1: Tafeln mit einer Dicke von mindestens 1 mm
DIN EN ISO 15 874-1
2004-03
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Warm- und Kaltwasserinstallation – Polypropylen (PP) – Teil 1: Allgemeines
DIN EN ISO 15874-1/A1 2007-09
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Warm- und Kaltwasserinstallation – Polypropylen (PP) – Teil 1: Allgemeines - Änderung 1
DIN EN ISO 15 874-2
2004-03
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Warm- und Kaltwasserinstallation – Polypropylen (PP) – Teil 2: Rohre
DIN EN ISO 15 874-2/A12007-09
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Warm- und Kaltwasserinstallation – Polypropylen (PP) – Teil 2: Rohre - Änderung 1
DIN EN ISO 15 874-3
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Warm- und Kaltwasserinstallation – Polypropylen (PP) – Teil 3: Formstücke
2004-03
982 DIN EN ISO 15 874-5
15 Kunststoffe
2004-03
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Warm- und Kaltwasserinstallation – Polypropylen (PP) – Teil 5: Gebrauchstauglichkeit des Systems
DIN V ISO/TS 15 874-7 2004-03
Kunststoff-Rohrleitungssysteme für die Warm- und Kaltwasserinstallation – Polypropylen (PP) – Teil 7: Empfehlungen für die Beurteilung der Konformität
ISO 161-1
Thermoplastische Rohre für den Transport von Flüssigkeiten – Nominaler Außendurchmesser und Nenndrücke – Teil 1: Metrische Reihe
1996-12
15.6.1.2 Sonstige Regelwerke
DVS 2203-1
2003-01
Prüfen von Schweißverbindungen an Tafeln und Rohren aus thermoplastischen Kunststoffen – Prüfverfahren – Anforderungen
FLL-Richtlinie
2008
Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen – Dachbegrünungsrichtlinie. Herausgeber: Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V., Bonn
RAL-GZ 716/1 A I
2008-03
Kunststoff-Fensterprofilsysteme – Gütesicherung – Abschnitt I: Kunststoff-Fensterprofile – Teil 1–3, 5, 7
RAL-GZ 716/1 A II
2000-08
Kunststoff-Fenster – Gütesicherung – Abschnitt II: Extrudierte Dichtungsprofile
VDI 3821
1978-09
Kunststoffkleben
BAM Berlin
2010-03
Richtlinie für die Zulassung von Kunststoffdichtungsbahnen für Deponieabdichtungen
BAM Berlin
2010-06
Richtlinie für die Zulassung von Kunststoff-Dränelementen für Deponieoberflächenabdichtungen
DAfStb im DIN
2001-10
Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ (Instandsetzungs-Richtlinie); Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze Teil 2: Bauprodukte und Anwendungen Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung Teil 4: Prüfverfahren
ZVDH / HDB
2008-10
Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks und Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: Fachregel für Dächer mit Abdichtungen – Flachdachrichtlinien
15.6 Literatur
983
15.6.2 Bücher, Zeitschriftenartikel, sonstige Veröffentlichungen [15.1] [15.2] [15.3] [15.4] [15.5] [15.6] [15.7] [15.8] [15.9] [15.10] [15.11] [15.12] [15.13] [15.14] [15.15] [15.16] [15.17] [15.18] [15.19] [15.20] [15.21] [15.22]
Himmler, K.: Kunststoffe im Bauwesen. Werner-Ingenieur-Texte 62. Düsseldorf: Werner Verlag, 1981 Saechtling, Hj.: Baustofflehre Kunststoffe für Bauingenieure und Architekten. München: C. Hanser Verlag, 1975 Saechtling, Hj.: Bauen mit Kunststoffen. München: C. Hanser Verlag, 1973 Schorn, H.: Betone mit Kunststoffen und andere Instandsetzungsbaustoffe. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 1990 Gieler, R. P.; Dimmig-Osburg, A.: Kunststoffe für den Bautenschutz und die Betoninstandsetzung. Basel: Birkhäuser Verlag, 2006 Seidle, P.: Kunststoffe auf der Baustelle. Grafenau: expert Verlag, 1982 Dolezel, B.: Die Beständigkeit von Kunststoffen und Gummi. München: C. Hanser Verlag, 1978 Ehrenstein, G. W.; Pongratz, S.: Beständigkeit von Kunststoffen, Bd. 1 und Bd. 2. München: C. Hanser Verlag, 2007 Krebs, Chr.; Avondet, M.-A.; Leu, K. W.: Langzeitverhalten von Thermoplasten. München: C. Hanser Verlag, 1999 Arbeitsgemeinschaft der deutschen Kunststoffindustrie (Hrsg.): Lehrbildsammlung Kunststofftechnik. Stoeckhert, K.; Woebcken, W.: Kunststoff-Lexikon, 9. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 1998 Domininghaus, H.: Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften, 7. Auflage. Berlin: Springer Verlag, 2007 Menges, G.; Michaeli, W.; Haberstroh, E.; Schmachtenberg, E.: Werkstoffkunde Kunststoffe, 5. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 2002 Ehrenstein, G. W.: Polymer-Werkstoffe, 2. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 1999 Ehrenstein, G. W.: Faserverbund-Kunststoffe, 2. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 2006 Ehrenstein, G. W.: Mit Kunststoffen konstruieren, 3. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 2007 Erhard, G.: Konstruieren mit Kunststoffen, 4. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 2008 Braun, D.: Erkennen von Kunststoffen, 4. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 2003 Baur, E.; Brinkmann, S.; Osswald, T. A.; Schmachtenberg, E.: Saechtling Kunststoff Taschenbuch, 30. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 2007 Carlowitz, B.: Kunststoff-Tabellen, 4. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 1995 Schreyer, G.: Konstruieren mit Kunststoffen. München: C. Hanser Verlag, 1972 Becker, G. W.; Braun, D.; Oertel, G.: Kunststoff-Handbuch, Bd. 7 Polyurethane, 2. Auflage. München: C. Hanser Verlag, 1993
984 [15.23] [15.24]
[15.25]
15 Kunststoffe
Ettel, W.-P.: Kunstharze und Kunststoffdispersionen für Mörtel und Betone. Düsseldorf: Beton-Verlag, 1998 Blaschke, K.; Schmid, J.; Stiell, W.: Untersuchung der verschiedenen Möglichkeiten des Anschlusses der Fenster und Fensterelemente zum Baukörper. In: Schriftenreihe „Bau- und Wohnforschung“ des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 04.053. Bonn, 1979 Röhm GmbH: Prospekte. Darmstadt
16 Oberflächenschutz
16.1 Definition des Oberflächenschutzes Baustoffe besitzen eine unterschiedliche, meist sogar eine unzureichende Beständigkeit gegen Witterungs- und Nutzungseinwirkungen. Versieht man deren exponierte Oberflächen mit einer Beschichtung, kann die Lebens- und Nutzungsdauer der Baustoffe und damit auch diejenige des aus den Baustoffen entstandenen Bauwerks deutlich gesteigert werden. Dieser Oberflächenschutz, oft sind es sogar Oberflächenschutzsysteme, besteht im Regelfall aus Beschichtungen, die ein- bzw. mehrlagig auf Bauteile appliziert werden. Dabei handelt es sich zunächst um flüssige Beschichtungsstoffe, dem Typ nach also Halbfertigfabrikate, die auf den Bauteiloberflächen zu Oberflächenschichten verfestigen und dann ihre Schutzwirkung entfalten. Überwiegend sind es organische Polymerbeschichtungen. Zu einem gewissen, allerdings geringen Anteil werden auch mineralisch abbindende Beschichtungsstoffe eingesetzt. Oberflächenschutzsysteme nach dieser Definition haben in der Regel Schichtdicken ≤ 5 mm. Zu unterscheiden sind solche Oberflächenschutzsysteme, deren Wirkung auf den Schutz des Baustoffs bzw. das Bauwerk gerichtet ist, von denjenigen Beschichtungen (auch als Anstriche bezeichnet), die ausschließlich zur Verbesserung bzw. Verschönerung des Aussehens einer Baustoff- oder Bauteiloberfläche eingesetzt werden. Deren Wirkung ist dann nicht auf den Baustoff sondern auf den Betrachter der Oberfläche gerichtet. Sie als Oberflächenschutzmaßnahmen zu bezeichnen ist deshalb nicht korrekt. Andererseits wird mit den meisten modernen Oberflächenschutzsystemen nicht nur der Schutz, sondern mittel- bis langfristig auch die Beeinflussung / Verbesserung des Aussehens bewirkt. Bauwerksabdichtungen werden überwiegend mit Systemen vorgenommen, die vor allem Bahnen bzw. Folien enthalten. Abdichtungen zielen weniger auf den Schutz des Baustoffs als vielmehr darauf, Wasser am Durchdringen von Baukonstruktionen aus verschiedenen Baustoffen zu hindern. Für bestimmte Anwendungsbereiche werden zur Abdichtung von Bauteilen organische Beschichtungsstoffe verwendet, die nach der Verfestigung im Verbund mit dem Baustoff im Sinne einer Bauwerksabdichtung (2 bis 4 mm dick) wirken. Obwohl sie nicht zu den klassischen Oberflächenschutzsystemen zählen, werden sie wegen ihres Beschichtungscharakters in einem besonderen Kapitel behandelt.
16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz 16.2.1 Komponenten und Klassifizierung der Werkstoffe Die Herstellung eines Oberflächenschutzes auf Baustoffen/Bauteilen erfordert das Auftragen von zunächst flüssigen Werkstoffen, Beschichtungsstoffe genannt. Für diese Werkstoffe ist charakteristisch, dass sie als wichtigsten Bestandteil ein Bindemittel enthalten, das eine orga-
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_16, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
986
16 Oberflächenschutz
nische hochmolekulare Substanz ist [16.1] oder nach dem Verarbeiten zu einer solchen wird. Derartige hochmolekulare Substanzen heißen „Polymere“ und sind nahe Verwandte der inzwischen im täglichen Leben weit verbreiteten Kunststoffe. Sie zeichnen sich durch Dauerhaftigkeit und chemische Widerstandsfähigkeit aus, durch Haftvermögen und eine porenfreie, jedoch quellbare, amorphe Struktur, die in vielerlei Hinsicht derjenigen von Glas ähnelt. Daher sind fast alle Polymerbindemittel auch weitgehend durchsichtig. Im Temperaturbereich von etwa –20 °C bis + 80 °C ist ihr Deformationsverhalten zwischen sprödhart und plastoelastisch angesiedelt. Zement, Kalk und Wasserglas, letztere auch mit Zusatz eines organischen Bindemittels, gelangen in eingeschränktem Umfang als mineralische Bindemittel zum Einsatz [16.2]. Außer dem organischen bzw. dem anorganischen Bindemittel enthalten die hier zur Debatte stehenden Werkstoffe immer auch noch weitere Stoffkomponenten, wie Pigmente, Füllstoffe, Hilfsstoffe, Lösemittel oder Wasser (siehe Bild 16-1).
Bild 16-1 Die Komponenten eines Beschichtungsstoffes und der Übergang von flüssig nach fest
Pigmente sind feinkörnige Feststoffteilchen von etwa 0,1 bis 1,0 Mikrometer Korngröße [16.3]. Sie dienen in erster Linie der Farbgebung des sonst durchsichtigen Bindemittels bzw., was auf das gleiche hinausläuft, zur weitgehenden Abhaltung des Lichtes, insbesondere der UV-Strahlung, die auf Polymerbindemittel zersetzend wirkt. In Beschichtungen für den Korrosionsschutz von Stahlbauteilen werden so genannte Korrosionsschutzpigmente eingesetzt, die besondere korrosionsverhindernde bzw. korrosionsmindernde Wirkungen entfalten. Füllstoffe werden nicht nur deswegen verwendet, um den Werkstoff preiswerter zu machen, sondern um ihm bestimmte Eigenschaften zu verleihen, z. B. um die Schichtdicke pro Auftrag zu steigern, die mechanische Widerstandsfähigkeit der Beschichtung und die Zwischenschichthaftung zu verbessern, das Schwindmaß und die thermische Längenänderung zu reduzieren usw. [16.3]. Als Füllstoffe dienen vorzugsweise mineralische Teilchen der Abmessungen zwischen etwa 1 und etwa 30 Mikrometer, wobei die obere Grenze der Teilchengröße ein Drittel der späteren Schichtdicke nicht überschreiten sollte. Neben einem günstigen Preis achtet man bei den Füllstoffen auch darauf, dass sie eine hohe chemische Widerstandsfähigkeit besitzen und mit dem Polymerbindemittel gut verträglich sind.
16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz
987
Hilfsstoffe (Additive [16.4]) werden verwendet, um spezielle Wirkungen zu erzeugen, z. B. um den flüssigen Beschichtungsstoff zu entlüften und zu entschäumen, das Benetzen des zu behandelnden Untergrundes oder den Verlauf des aufgetragenen Werkstoffes zu fördern, um dem gebrauchsfertigen Werkstoff Thixotropie zu verleihen oder um das Absetzen der Füllstoffe im flüssigen Werkstoff im Gebinde zu verhindern. Hilfsstoffe sind flüssig oder pulverförmig und werden nur in sehr geringen Mengen zugegeben. Sie beeinflussen – abgesehen von der angestrebten Wirkung – das übrige Eigenschaftsbild des Werkstoffes praktisch nicht. Lösemittel bzw. Wasser sind notwendig zwecks einfacher Vermischung des Polymerbindemittels mit den übrigen Bestandteilen, zur leichteren Verarbeitbarkeit, zur Benetzungsfähigkeit und der Erzielung von Haftung auf dem Untergrund, wofür ein ausreichend dünnflüssiger Zustand vorliegen muss. Deshalb müssen Polymere für den hier behandelten Zweck entweder selbst flüssig (Flüssigharze) oder in Lösemittel löslich [16.5] bzw. in Wasser dispergierbar [16.6] sein. Der flüssige Aggregatzustand der Beschichtungsstoffe ist unabdingbar, weil nur im flüssigen Zustand das Benetzen der Baustoffoberfläche und somit eine direkte Verbindung zwischen den Molekülen des Beschichtungsstoffes und dem Untergrund erreicht wird. Dazu muss der aufgetragene Werkstoff auch ausreichend lange als kontaktierende Flüssigkeit vorliegen, d. h. er darf nicht zu schnell erhärten. Der zunächst erforderliche Flüssigzustand darf aber später nicht mehr gegeben sein, weil praktisch alle Anwendungen eines Oberflächenschutzes bedingen, dass im Gebrauchszustand eine feste, trockene, klebfreie Oberfläche vorliegt. Nach dem Auftragen auf die Oberfläche muss also eine Umwandlung von flüssig nach fest eintreten, wie auf Bild 16-1 gezeigt ist. Wenn dieser Phasenübergang durch Verdunsten der Lösemittel bzw. des Wassers abläuft, bezeichnet man den Vorgang als physikalische Trocknung. Erfolgt der Übergang jedoch durch chemische Reaktion des Bindemittels, zum Beispiel mit Luftbestandteilen oder zwischen zwei verschiedenen Bindemittelkomponenten, so spricht man von der Härtung durch chemische Vernetzung. Da der Mechanismus des Phasenübergangs nicht stets genau bekannt ist und weil gelegentlich sowohl ein physikalisches Trocknen als auch ein chemisches Erhärten parallel auftreten, ist es zweckmäßiger, die Begriffe Verfilmung bzw. Verfestigung zur Beschichtung zu benutzen. In Bild 16-2 sind vier typische Zusammensetzungen, wie sie bei der Konfektionierung von Werkstoffen zum Oberflächenschutz aus den genannten Bestandteilen gewählt werden, einander gegenübergestellt. Der Bestandteil Hilfsstoff ist wegen seines geringen Mengenanteils dabei nicht berücksichtigt. Demnach wird ein Imprägniermittel aus relativ viel Lösemittel bzw. Wasser und einem geringen Anteil an Bindemittel, meist nur aus einem Wirkstoff, hergestellt. Aus diesem Grunde und weil weder Pigmente noch Füllstoffe verwendet werden, kann eine solche Flüssigkeit recht gut in einen feinporigen Baustoff eindringen. Das Imprägniermittel verfilmt, indem das Lösemittel bzw. das Wasser verdunstet. Zurück bleibt das Bindemittel (ggf. mit eingebundenem Wirkstoff), welches auf den Porenwänden in einer ganz dünnen Schicht auftrocknet.
988
16 Oberflächenschutz
Bild 16-2 Typische Zusammensetzung von Imprägniermitteln und Beschichtungsstoffen
Ein Lasurmittel enthält außer dem Bindemittel einen ganz geringen Pigmentanteil. Durch Variation der Pigmentmenge im Bindemittel kann die Lichtdurchlässigkeit nach dem Verfilmen zwischen völlig undurchsichtig und völlig durchsichtig variiert werden. Auf Bild 16-3 ist dies anschaulich gemacht. Undurchsichtige Oberflächenschichten nennt man deckend, weil sie den Untergrund optisch bedecken. Pigmentfreie Oberflächenfilme sind transparent, jedoch nicht immer glasklar, sondern z. B. gelblich gefärbt. Wie auf Bild 16-2 dargestellt, hat eine Lasur einen größeren Bindemittelgehalt und damit eine höhere Viskosität (dickflüssiger) als ein Imprägniermittel. Die Lasur soll auf der Baustoffoberfläche verbleiben, weil die Lasurwirkung nur auf der Oberfläche eines Baustoffes erzeugt werden kann. Ein weitgehendes Eindringen des Bindemittels in die Porenräume des Baustoffs wird hier nicht angestrebt, und die Auftragsmenge wird so gewählt, dass mehr Bindemittel angeboten wird, als der Baustoff aufsaugen kann. Der deckende 1 K-Beschichtungsstoff (eine Komponente), der normalerweise etwa zur Hälfte oder weniger aus Lösemittel oder Wasser und zur anderen Hälfte aus Bindemittel, Pigment und Füllstoff besteht, bildet beim Verfilmen auf dem Untergrund die schützende Schicht. Es ist einleuchtend, dass bei vorgegebener Auftragsmenge die Schichtdicke umso größer ausfällt, je weniger Lösemittel bzw. Wasser im Beschichtungsstoff enthalten ist.
Bild 16-3 Die unterschiedliche Lichtdurchlässigkeit von deckenden, lasierenden und transparenten Beschichtungen
16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz
989
Ein Werkstoff mit einem Maximum an filmbildender Substanz ist auf Bild 16-2 mit der Bezeichnung 2 K-Beschichtungsstoff gezeigt. Dessen Erhärtung wird durch chemische Reaktion zweier flüssiger Bindemittelvorstufen, meist als Stammkomponente und Härter bezeichnet, herbeigeführt. Ein ganz geringer Anteil an Lösemittel wird manchmal im Werk zugegeben, damit die Viskosität bei der Konfektionierung und im Verarbeitungszustand etwas niedriger liegt, was den Verlauf und das Entweichen von Luft aus dem Baustoff bzw. dem Filmgefüge fördert. Die beiden Möglichkeiten, Polymerbindemittel durch Dispergieren in Wasser oder durch Lösen in den flüssigen Zustand zu bringen, haben verschiedene Konsequenzen für die Eigenschaften des Werkstoffes vor und nach der Verfilmung: Durch Lösen erreicht man eine molekulare Verteilung des Bindemittels in dem als Lösemittel verwendeten Gemisch flüssiger Kohlenwasserstoffe, siehe Bild 16-4. Die Pigmente und Füllstoffe schwimmen in der Bindemittellösung. Bei der Trocknung durch Verdunsten der Lösemittel vereinigen sich die Polymermoleküle unter Einschluss der Pigmente und Füllstoffe zu einer weitgehend gleichmäßig strukturierten und hohlraumfreien Schicht. Dispergierte Polymermoleküle liegen in feinster Verteilung einer wässrigen Phase vor. Darin schweben die Pigmente und Füllstoffe als Einzelkörner. Eine Emulgatorhülle um jedes Bindemitteltröpfchen verhindert das Verkleben derselben untereinander sowie mit den Pigmenten und Füllstoffen, solange die wässrige Phase vorliegt. Die Trocknung erfolgt durch Entweichen des Wassers, einerseits durch Verdunsten, andererseits durch kapillares Absaugen in den porigen Baustoff hinein. Dabei koaleszieren, d.h. verkleben die Bindemitteltröpfchen miteinander unter Einschluss der Pigmente und Füllstoffe.
Bild 16-4 Schematische Gegenüberstellung der Verfilmung von dispergierten und gelösten Bindemitteln
990
16 Oberflächenschutz
Wegen der Größe der Bindemitteltröpfchen ist der entstehende Film nicht so homogen und lückenlos dicht wie der aus einer Lösung entstandene. Eingeschlossene Emulgatorbestandteile verursachen beim Dispersionstyp eine leichtere Quellbarkeit bei Wassereinwirkung und die gute Diffundierbarkeit für Wassermoleküle. Daher ist ein Film, der durch Trocknen einer Lösung oder durch chemische Erhärtung gebildet wurde, generell und vor allem gegen Feuchteeinwirkung dichter und widerstandsfähiger als ein aus einer Dispersion erzeugter Film. Dispersionen haben jedoch den Vorteil, dass das Dispersionsmittel Wasser kostengünstiger, umweltfreundlicher und beim Verarbeiten gefahrlos ist. Ferner werden auch feuchte Untergründe relativ gut benetzt und die Werkzeuge lassen sich mit (warmem) Wasser gut reinigen, wenn dies rasch erfolgt. Dispergierte Beschichtungsstoffe ersetzen immer mehr die gelösten. Das Ablagern der filmbildenden Substanz bei Imprägnierungen, Grundierungen/Versiegelungen und Beschichtungen nach der Applikation der Stoffe auf dem porigen Baustoff ist schematisch auf Bild 16-5 dargestellt.
Bild 16-5 Hauptsächliche Maßnahmen zum Oberflächenschutz auf porösen Baustoffen in schematischer Darstellung
16.2.2 Charakterisierung der wichtigsten Bindemittelarten Polymerbindemittel für den Oberflächenschutz von Baustoffen – fachsprachlich Filmbildner genannt – sind in vielen Arten, und jede Art wiederum in zahlreichen Modifikationen verfügbar. Die chemische Elementaranalyse ergibt als Hauptbestandteile immer Kohlenstoff und Wasserstoff nebst geringeren Anteilen weiterer Atome. Sie ist daher nicht brauchbar zur weiteren Charakterisierung dieser Filmbildner. Entscheidend für die anwendungstechnischen Eigenschaften ist die chemische Struktur. Die am häufigsten angewandte Methode zur Darstellung chemischer Molekülstrukturen von Bindemitteltypen und den daraus hergestellten Modifikationen ist die Infrarotanalyse. Mit einem Infrarotspektrometer wird Licht des Infrarotbereichs mit wechselnder Wellenlänge auf das Polymer gelenkt. Transmission und Absorption in Abhängigkeit von der Wellenzahl führen zur Ausbildung charakteristischer Kurvenzüge, die kennzeichnende funktionelle Gruppen von Molekülen aufzeigen und einen Stoff gleich einem Fingerabdruck identifizieren. Bild 16-6 zeigt die Infrarotanalyse eines Polymerbindemittels auf Basis eines Acrylsäureesters.
Bild 16-6 Infrarotanalyse zur Darstellung von Polymer-Molekülstrukturen
16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz
991
992
16 Oberflächenschutz
Tabelle 16.1 Einfluss der molaren Masse auf verschiedene Eigenschaften von Polymerbindemitteln
20
ca. 0,1
Rohstoffe zur Bindemittelsynthese
100
ca. 0,2
Lösemittel
1000
ca. 0,5
Flüssigharze
10000
ca. 1
Weichmacher
100000
ca. 2
Bindemittel
1000000
ca. 5
Festharz
Beschaffenheit
Polymerisationsstufe
Änderungstendenz
gasförmig Monomer dünnflüssig
Oligomer
dickflüssig klebrig plastisch zunehmend zäh bis hart
Polymer (Hochpolymer)
Alterung und Zersetzung
MolekülAbmessung [nm]
Synthese
typische Vertreter
molare Masse [g/mol]
Neben der Polarität innerhalb einer chemischen Struktur hat die Molekülgröße einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Rheologie eines Polymerbindemittels. Ganz allgemein gilt, dass kleine Moleküle (niedrige Molekularmassen) flüssige Polymerbindemittel ergeben, während mit zunehmender Molekülgröße (höhere Molekularmasse) dickflüssigere bis zähe oder feste Polymerbindemittel entstehen. In Tabelle 16.1 sind in Abhängigkeit der Molekularmasse verschiedene Merkmale von nieder-, mittel- bis hochmolekularen organischen Substanzen schematisch dargestellt. Daraus erkennt man auch, dass einige Polymer-Bindemitteltypen ihren Verarbeitungszustand nur erreichen, wenn sie z. B. in Lösemitteln verflüssigt werden. Aus der chemischen Struktur eines Polymerbindemittels ergeben sich wichtige Eigenschaften des Fertigproduktes Beschichtung wie z. B. Haftverbund zum Untergrund, Licht- und Wetterbeständigkeit, Permeabilität für Wasserdampf und Kohlendioxid, chemische Beständigkeit u.a.m. Im Folgenden werden die kennzeichnenden Eigenschaften wichtiger Bindemitteltypen kurz erläutert: Oxidativ trocknende pflanzliche Öle spielen heute im Bauwesen praktisch keine Rolle mehr. Sie werden jedoch in bedeutendem Umfang zur Modifikation von Alkydharzen (AK) eingesetzt. Diese finden im Bauwesen als so genannte Bautenlacke eine breite Anwendung insbesondere auf maßhaltigem Holz und beim Korrosionsschutz von Stahl. Auf basischen Baustoffen (Beton, Zementputz etc.) können diese Bindemittel nicht eingesetzt werden, weil sie in Gegenwart von Wasser hydrolysieren (verseifen), d. h. ihre Molekülstruktur wird zersetzt (Tabelle 16.1). In der Freibewitterung neigen diese Bindemittel zur oxidativen Nachhärtung, was zu einer Versprödung der Beschichtung führt. Durch Modifikationen mit „langöligen“ bzw. höheren synthetischen Fettsäuren und mit „alkydharzfremden“ Komponenten lassen sich diese Schwächen z. T. kompensieren. Der als Chlorkautschuk (CR) bekannte Bindemitteltyp ist früher durch Chlorieren von Naturkautschuk hergestellt worden. Heute verwendet man Synthesekautschuk und andere Polymere und wandelt diese durch Chlorieren in Chlorierte Polymere um. Auch durch diese
16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz
993
Modifizierung erhält man ein chemisch sehr stabiles Bindemittel. Chlorierte Polymere haben eine hervorragende Beständigkeit gegen basische und saure Beanspruchung und zählen zu den besten Unterwasserbeschichtungen. Acrylharze (AY) werden meist im Wege der Lösungspolymerisation hergestellt. Sie sind Ausgangsstoffe für physikalisch trocknende Acrylharzlacke, die sich durch hohe Lichtund Wetterbeständigkeit auszeichnen. Es lassen sich somit Beschichtungen mit allerhöchsten Anforderungen an dauerhafte Glanzhaltung und Farbstabilität herstellen. In Kombination mit Styrol (Styrolacrylate) leiden die visuellen Merkmale etwas, dafür werden Haftverbund, Flexibilität sowie Wasser- und Alkalibeständigkeit gesteigert. Acrylpolyole lassen sich mit aliphatischen Polyisocyanaten zu besonders wetter-, vergilbungs- und chemikalienbeständigen 2 K-Beschichtungen auf Polyurethan-Acrylatbasis modifizieren. Acryl-Copolymere mit freien Carboxy-Gruppen sind wasserlöslich und lassen sich zu Wasserlacken weiterformulieren. Kunststoffdispersionen sind mikroheterogene Systeme, die aus nahezu kugelförmigen Polymerteilchen (disperse innere Phase) und einem Dispersionsmittel (wässrige äußere Phase) bestehen. Die Kunststoffteilchen, die durch Emulsionspolymerisation von Monomeren synthetisiert werden, sind für die Anwendung in „Bautenfarben“ stets so genannte Copolymerisate. Als wichtigste Typen seien genannt: Styrol-Butadien-Copolymerisate Vinylacetat-Copolymerisate Reinacrylat-Copolymerisate Styrol-Acrylat-Copolymerisate Durch Wahl der Copolymerpartner und der Mengenverhältnisse der Monomere sowie durch den Polymerisationsgrad, d. h. die Größe der polymerisierten Moleküle können die Eigenschaften der Polymere in weiten Grenzen variiert werden. Styrol-Butadien-Copolymere sind ausgeprägt alkalibeständig und hydrophob, neigen in der Freibewitterung zum Kreiden und vergilben. Vinylacetat-Copolymerisate mit verschiedenen Carbonsäureestern bzw. Ethylen können selektiv auf Flexibilität sowie Wetter- und Wasserbeständigkeit modifiziert werden. Reinacrylat-Copolymerisate lassen sich zu hochwertigen Bautenfarben verarbeiten, weil mit ihnen neben einer ausgeprägten Vergilbungsbeständigkeit praktisch alle Anforderungen freibewitterter Beschichtungen abgedeckt werden. Styrol-Acrylat-Copolymerisate sind hinsichtlich der Lichtechtheit und der Flexibilität etwas reduziert, dafür ist ihre Hydrolysebeständigkeit (unverseifbar) deutlich höher. Grundsätzlich sind alle Copolymerisate Plastomere und haben eine entsprechend begrenzte Temperaturbeständigkeit. Bitumen (BIT) ist ein schwarzes, hochviskoses bis festes plastomeres Oligomer, das in verschiedenen Zubereitungsformen eingesetzt wird. Es entstammt dem Rückstand der Erdöldestillation. Es lässt sich gut in Lösemitteln lösen und mit entsprechenden Hilfsstoffen auch in Wasser dispergieren. Bitumen ist physiologisch unbedenklich sowie gegen Feuchte, aggressive Wässer, Salze, schwache Säuren und Laugen beständig. In der Bewitterung kreidet Bitumen deutlich. Nicht beständig ist es gegen Lösemittel, Fette und Öle. Durch Kombination von Bitumen mit relativ geringen Mengen von Phenolharzen, Chlorkautschuk, Copolymerisaten oder Kautschuk können eine deutliche Reduzierung der Temperaturempfindlichkeit des Films (Versprödung bei Kälte, Erweichung bei Wärme) und eine Verbesserung der Wi-
994
16 Oberflächenschutz
derstandsfähigkeit gegen chemische Einwirkungen oder Witterungseinflüsse erreicht werden. Durch Kombination mit Epoxiden bzw. Polyurethanen werden die Nachteile der Löslichkeit durch Öle und Fette sowie die Thermoplastizität kompensiert. Da sich die schwarze Farbe in gewissem Umfang auf den gesamten Beschichtungsstoff überträgt, sind nur gedeckte Rot-, Grün- und Silber-Töne neben Schwarz herstellbar. Beschichtungen auf Basis Bitumen werden hauptsächlich auf nicht sichtbaren Bauteilflächen, vorzugsweise an erdberührten und an wasserbenetzten Flächen verwendet. Teerpech (CT) aus der Verkokung von Steinkohle ist schwarz wie Bitumen, ist chemisch jedoch anders aufgebaut und hat folglich auch andere Eigenschaften als Bitumen. Da es toxisch ist, sind daraus hergestellte Beschichtungen gegen Durchwurzeln und gegen Bakterien resistent. Wegen der für den Menschen physiologisch bedenklichem polycyclischen Aromaten wird Teerpech nur noch selten zum Oberflächenschutz eingesetzt. An seiner Stelle werden Kohlenwasserstoffharze vom Typ Cumaron-Inden verwendet. Epoxidharze (EP) haben ihren Namen von der Stammkomponente (funktionelle Gruppe Epoxid) des 2 K-Systems. Pigmente, Füllstoffe, usw. sind in der Regel in die Stammkomponente eingearbeitet. Die Härterkomponente enthält als charakteristischen Bindemittelbestandteil das Amin. Unmittelbar nach dem Vermischen der beiden Ausgangskomponenten am Verarbeitungsort setzt über die funktionellen Gruppen Epoxid und Amin eine chemische Vernetzung ein. Die in einer so genannten Polyadditionsreaktion bewirkte Vergrößerung der Moleküle des Bindemittels hat eine Viskositätserhöhung zur Folge (siehe Tabelle 16.1). Damit verbunden ist die Grenze der Verarbeitbarkeit (Topfzeit) die je nach Temperatur nach 0,5 bis 8 Stunden erreicht wird. Die Erhärtung, d.h. das Erreichen des Festkörperzustandes ist nach einigen Tagen weitgehend abgeschlossen. Abgesehen von dem chemischen Härtungssystem erreichen EP-Flüssigharze (lösemittelfrei) schneller den Endzustand als gelöste EP-Festharze. Epoxidharze haben im Bautenschutz eine große Verbreitung, vor allem für die Anwendung auf Beton [16.7] und Stahl [16.8]. Der Grund dafür ist ihre Beständigkeit unter Wasser, gegen Laugen und schwache Säuren, die hohe Festigkeit und die hervorragende Haftung auf trockenem und begrenzt feuchtem Untergrund, bei manchen Typen sogar auf Frischbeton. Generell sind eine gute Resistenz und eine gute Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Beanspruchungen und gegen viele organische Lösemittel gegeben. Da Epoxidharze auch als Flüssigharze (lösemittelfrei) zur Verfügung stehen, und da die Volumenverminderung bei der Erhärtungsreaktionen (Schrumpfen) relativ klein ist, werden sie auch für ausgesprochen dicke Beschichtungen (erhöhte chemische und mechanische Einwirkungen) konfektioniert. Mit diesen Modifikationen werden sogar epoxidgebundene Mörtel und Betone hergestellt. Weil die beschriebene Vernetzung der beiden Ausgangskomponenten aus physikalisch-chemischer Sicht im Zusammenhang mit dem Wärmeinhalt der Bindemittelmischung steht, sollten 2 K-Epoxidbeschichtungen für höhere Nutzungsansprüche nicht bei Objekt- und Umgebungstemperaturen unter 10 °C verarbeitet werden. Diese Bedingung gilt natürlich auch für die Aushärtezeit, die einige Tage dauern kann. Polyurethane (PUR) haben ihren Namen von der Molekül-Endstruktur des aus der Stammkomponente (Polyol) und der Härterkomponente (Isocyanat) des 2 K-Systems durch Polyaddition entstehenden Bindemittels. Gegenüber den Epoxiden haben sie im Allgemeinen eine bessere Widerstandsfähigkeit im sauren Bereich. Durch Modifikation ist ein breites Spektrum vom zäh harten (sehr verschleißfesten) bis zum elastisch flexiblen Bindemit-
16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz
995
tel möglich. Letzteres hat die größte Bedeutung für den Einsatz im Bauwesen. Für die Anwendung auf zementgebundenen Baustoffen ist zu beachten, dass keine basisch hydrolysierbaren (verseifbaren) Ausgangskomponenten (z. B. Polyesterpolyole) eingesetzt werden dürfen. Mit bestimmten Polyurethanen können hohe Anforderungen an Glanzhaltung und Farbkonstanz (UV-Beständigkeit) erfüllt werden. Daher haben sie eine große Bedeutung für Deckbeschichtungen. Die Vernetzung erfordert im Prinzip vergleichbare thermische Bedingungen wie bei den Epoxiden, wenngleich die Temperaturgrenze nach unten etwas erweitert werden kann. Die Härterkomponente Isocyanat kann auch mit Wasser reagieren. Das führt beim 2 KPolyurethan zu einem unangenehmen Nebeneffekt, wenn z. B. auf feuchte, poröse Baustoffe beschichtet wird oder die relative Feuchte der umgebenden Luft zu hoch ist. Das dabei entstehende, gasförmige Reaktionsprodukt Kohlendioxid macht den Film porig und bläht ihn im Extremfall zur Schaumstruktur auf. Zur Vermeidung von Qualitätseinbußen sollten 2 K-Polyurethanbeschichtungsstoffe nur bei trockenem Klima und auf lufttrockenem Untergrund verarbeitet werden. Solche Bedingungen sind im Bauwesen nicht immer einhaltbar, was eine Einschränkung der Anwendbarkeit bedeutet. Im Regelfall wird Polyurethan als Zweikomponenten-Bindemittel eingesetzt. Es kommt jedoch auch als Einkomponenten-Bindemittel zur Anwendung. Dabei werden Urethan Präpolymere mit freien Isocyanatgruppen eingesetzt, die als zweite Komponente Wasser aus der Luft aufnehmen und dann zu Polyharnstoffmolekülen vernetzen. Sie werden deshalb auch als feuchtigkeitshärtende Polyurethane bezeichnet. Auch hiermit lässt sich ein breites Spektrum von starren bis flexiblen Beschichtungen formulieren. Durch Kombination von Epoxid- und Polyurethanharzen erhält man elastifizierte Bindemittel, die gewisse Eigenschaften der beiden Ausgangsbindemitteltypen vereinen. Polymethylmethacrylat (PMMA) ist im Ausgangszustand ein einkomponentiges, flüssiges Monomerengemisch, welches nach Zugabe eines nicht in die Vernetzung eingehenden Beschleunigers durch Polymerisationsreaktion in den polymeren Zustand (fest) übergeht. Im monomeren Zustand (MMA) hat es einen stechenden Eigengeruch. Es härtet sehr rasch aus und ist danach ein gegen schwache Laugen und Säuren, Salze und Wasser sehr beständiges, glasklares Polymer mit den allgemein bekannten Eigenschaften des Plexiglases. Es zeichnet sich durch eine hohe Lichtstabilität und eine sehr hohe Wetterbeständigkeit aus. Die ausgeprägte Dünnflüssigkeit vor dem Erhärten lässt eine sehr hohe Abmagerung mit Füllstoffen zu und begünstigt die Benetzung des Untergrundes, macht jedoch eine penetrationsbremsende Grundierung saugfähiger Baustoffe notwendig. Berücksichtigt werden muss außerdem, dass nach der Applikation des Monomerengemisches die Gefahr der Verseifung der monomeren Esterstrukturen auf basischem Untergrund besteht, woraus Haftverbundschwächen resultieren. Die Polymerisationsreaktion hat eine gewisse Empfindlichkeit gegen Sauerstoffzutritt. Des Weiteren ist der Erhärtungsschrumpf ausgeprägter als bei den Bindemitteln EP und PUR. Den Schrumpfungsspannungen kann durch Einsatz flexibler Bindemittelvarianten entgegengewirkt werden. Der (ungesättigte) Polyester (UP) hat seinen Namen vom Ausgangsprodukt, einem Monomerengemisch aus Estern und Styrol, die chemisch gesehen „ungesättigte“ Doppelbindungen enthalten. Analog zum PMMA erfolgt die Polymerisationsreaktion der beiden Monomeren nach Zugabe eines nicht in die Polymerstruktur eingehenden Beschleunigers und Applikation
996
16 Oberflächenschutz
des Monomerengemisches auf dem Bauteil, z. B. auf Bodenflächen oder Rohrleitungen. Die Verhaltensweisen und Empfindlichkeiten während der Polymerisation sind vergleichbar zum PMMA, auch die dabei entstehenden Schrumpfspannungen. Auch UP verbreitet während seiner Flüssigphase einen intensiven Geruch, der durch die monomeren Ester und Styrol geprägt ist. Dies erfordert besondere Schutzmaßnahmen für das Verarbeitungspersonal (Filter, Belüftung). Bis auf Lichtstabilität und Wetterbeständigkeit liegen im Gebrauchszustand ähnliche Eigenschaften wie bei PMMA vor. Sie zeichnen sich vor allem durch eine hohe Beständigkeit gegen mineralische Säuren aus. Unter dem Oberbegriff Silicone (SI) fasst man die nieder- bis hochmolekularen Silane (Polysiloxane) zusammen. Hochmolekulare Silane nennt man Siliconharze, oligomere Silane werden als Siloxane bezeichnet. Die Silan-Moleküle zeichnen sich durch eine besondere siliciumorganische Struktur aus. Siliconharz hat Elastomercharakter, besitzt sehr hohe chemische und thermische Widerstandsfähigkeit und ist wie alle Silicone stark wasserabweisend. Siliconharze werden z. B. bei der Herstellung von Beschichtungsstoffen verwendet, die nutzungsbedingt hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Wegen ihrer Hydrophobie finden sie auch zunehmend Anwendung bei der Herstellung von Fassadenfarben. Die kleineren Moleküle der oligomeren und niedermolekularen Silane können in einen feinporigen Untergrund besonders gut eindringen. Deshalb, aber insbesondere wegen ihrer ausgeprägten polaren Struktur werden die Silicone als wasserabweisende Imprägniermittel eingesetzt. Sie dringen in das Porengefüge von Baustoffen ein, machen die Porenwände Wasser abstoßend und unterbinden damit den kapillaren Wassertransport. Eine Siliconimprägnierung ist nach dem Verdunsten der Lösemittel bzw. des Wassers (sie sind seit einigen Jahren auch als wässrige Systeme, so genannte Silicon-Mikroemulsionen verfügbar [16.9]) unsichtbar, d.h. das Aussehen einer Baustoffoberfläche wird nicht verändert. Die dadurch geschaffene hydrophobierende Imprägnierung grenzt man begrifflich von der Beschichtung ab, weil einerseits Größenordnungen zwischen den Schichtdicken und andererseits deutlich unterschiedliche Wirkungsmechanismen vorliegen (Hydrophobe, nicht geschlossene Oberfläche – dichte Barriere gegen eindringende Medien). In der Anfangszeit tritt beim Benetzen einer siliconimprägnierten Oberfläche ein Abperleffekt auf, der aber im Laufe der Zeit nachlässt bzw. verschwindet. Dies liegt daran, dass durch die Einwirkung der Globalstrahlung – darin enthalten UV-Licht – die siliciumorganische Verbindung an der Oberfläche aufgebrochen wird und deshalb dort nicht mehr wirkt. Die Schutzwirkung der imprägnierten Oberflächenzone gegen kapillare Wasseraufnahme ist aber dadurch noch nicht aufgehoben, vorausgesetzt das Imprägniermittel ist tief genug in das Porensystem des Baustoffs eingedrungen. Ein tiefes Eindringen der bisher verfügbaren „wasserdünnen“ siliciumorganischen Imprägniermittel ist bei Beton insbesondere mit sehr dichtem Gefüge problematisch. Mit Hilfe so genannter Imprägniercrems versucht man über die Depotwirkung das Angebot an Imprägniermittel zeitlich zu strecken [16.10] was zu einem tieferen Eindringen führt. Das Porensystem des Baustoffs wird durch eine Siliconimprägnierung nicht nennenswert eingeengt (siehe die schematische Darstellung von Bild 16-5). Dadurch ist es auch in seiner Gasdurchlässigkeit und Diffundierbarkeit für Wasserdampf aber auch für Kohlendioxid kaum verändert. Ein wichtiges Qualitätskriterium für die Anwendung auf porösen, zementgebundenen Baustoffen ist die Beständigkeit der Silicon-Imprägniermittel gegen Basen. Gegen Druckwasser und gegen Dauerfeuchte sind auch hydrophobierende Imprägnierungen nicht lange wirksam.
16.2 Werkstoffe zum Oberflächenschutz
997
Zement, Kalk und Wasserglas sind rein anorganische Bindemittel. Sie werden – jeweils getrennt – im Bauwesen nur noch in relativ geringem Umfang als Hauptbindemittel beim Oberflächenschutz eingesetzt. Sie erhärten nicht durch Verfilmung, wie die zuvor beschriebenen Polymere, sondern durch Verfilzen der bei der Erhärtung entstehenden Kristallnadeln bzw. durch Versintern [16.2]. Wasser dient bei allen drei Bindemitteln als Lösungs- bzw. Dispersionsmittel und beim Zement zusätzlich als härtende Komponente (Hydratation). Kalk wird in seiner gelöschten Form (Ca(OH)2) als Anstrichmittel eingesetzt und erhärtet durch Aufnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Luft zu Calciumcarbonat (CaCO3 = Kalkstein). Wasserglas in Form von Kaliwasserglas härtet nach Abgabe von Wasser und Aufnahme von Kohlendioxid aus der Luft durch Ausfällen eines Kieselsäuregels (SiO2). Zusammen mit Pigmenten und Füllstoffen entstehen sog. Mineralfarben. Die sich aus Zement, Kalk und Wasserglas bildenden Schichten sind feinporig und daher gasdurchlässig. Weil sie im Prinzip die gleiche Porigkeit, Sprödigkeit und die gleiche Widerstandsfähigkeit haben wie zementgebundene Baustoffe, kann durch Anstreichen, Schlämmen und Beschichten mit Zement- Kalk- und Wasserglasprodukten keine nennenswerte Schutzwirkung, jedoch eine Unregelmäßigkeiten ausgleichende, lasierende oder deckende Schicht erzeugt werden. Das heißt, man setzt sie eher zur Verschönerung als zum Schutz eines Bauwerkes ein. Beispiele dafür sind die „gekalkten“ Gebäude in Mittelmeerländern. An historischen Gebäuden (Schlössern, Burgen) werden die Fassaden traditionell mit wasserglasgebundenen Anstrichen, so genannten Rein-Silikatfarben versehen. Durch Kombination mit Acrylatdispersionen können Wasserglas- und Zementbindemittel in der Sprödigkeit reduziert, in der Dichtigkeit geringfügig, in den Verarbeitungseigenschaften und im Haftvermögen wesentlich verbessert werden. Aus der Kombination mit Kaliwasserglas entstanden daraus die Dispersionssilicat-Beschichtungen [16.11]. Die Kombination von Zement und Acrylat bewirkt durch die Basizität des Zementes für Stahl einen Korrosionsschutz. Daher werden im Zuge der Betoninstandsetzung auf Bewehrungsstählen überwiegend Korrosionsschutz-Beschichtungsstoffe aus zementhaltigen Polymerwerkstoffen eingesetzt [16.7]. Durch Steigerung des Polymeranteils, der zudem aus einer flexibilisierten Modifikation entstammt, werden Zement-Feinsandgemische mit (gegen Wasser) dichtenden und rissüberbrückenden Eigenschaften hergestellt. Siehe dazu die Abschnitte 16.5.4 und 16.6. Die im Vorstehenden wiedergegebenen Charakterisierungen der Bindemittel (Filmbildner) können auf die daraus hergestellten Beschichtungsstoffe weitgehend übertragen werden. Da aber durch die Konfektionierung der Werkstoffe mit der Verwendung von Pigmenten, Füllstoffen, Lösemitteln, Hilfsstoffen etc. und durch den im Einzelfall gewählten Bindemitteltyp aus der großen Palette der zur Verfügung stehenden Modifikationen deutliche Abweichungen vom genannten Normalverhalten auftreten können, muss sich die praktische Anwendung an der eigenen Erfahrung mit einem bestimmten Produkt oder an den Angaben des Herstellers orientieren. Letztere sind im Technischen Merkblatt enthalten, das es zu jedem Beschichtungsstoff gibt und das bei dessen Anwendung beachtet werden muss. Gelegentlich ist auch eine zusätzliche Fachberatung durch das Herstellerwerk angebracht. Einen Überblick über die Widerstandsfähigkeit von Oberflächenschutzsystemen auf Basis der zuvor beschriebenen Bindemittel gibt Tabelle 16.2.
998
16 Oberflächenschutz
Tabelle 16.2 Überblick über die Widerstandsfähigkeit von Oberflächenschutzsystemen auf Basis von Polymer-Bindemitteln Bindemittelbasis
Witterung
Dauer- Abrieb feuchte
Rissüberbrückung
Farbtreue
Öle, Fette
schwache Säuren
Chlorkautschuk Copolymerisat
±
+++
±
–
±
–
+++
++ (++)
++ (±)
± /–)
++ (++)
++ (++)
– (–)
+ (±)
Acrylat
+++ (+++)
+ (–)
± (–)
+ (+)
+++ (+++)
– (–)
+ (±)
Silicon
+++
–
–
–
farblos
–
–
Epoxid
±
+++
+++
±
±
++
++
Polyurethan Esterpolyol Ätherpolyol
+++ –
– ++
+++ +++
± bis ++ ± bis ++
+++ –
± bis ++ ± bis ++
+ +++
Bitumen
+ (+)
–
+ (+)
± (±)
–
++ (±)
Bitumenkombination
+++ ( )
++
+
–
+
+
–
+
Teerpechepoxid
±
+++
++
–
–
±
++
Teerpech Wasserglas Zement
±
+++
±
–
–
±
++
+++
+
±
–
+++
–
–
+
+++
±
–
–
–
–
+++ sehr gut; ++ gut; + befriedigend; ± ausreichend; – nicht ausreichend. Werte in Klammern gelten für Dispersionen, die anderen für lösemittelhaltige und lösemittelfreie Stoffe.
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz 16.3.1 Grundsätzliches Aus technischer und aus wirtschaftlicher Sicht liegt es nahe, immer dann, wenn der Oberflächenschutz eines Bauteils in Erwägung gezogen wird, zu fragen, warum muss die Maßnahme ausgeführt werden und was muss das Oberflächenschutzsystem leisten. Maßgeblich dafür ist einerseits die Beanspruchung des Bauwerks durch Witterung und klimatische Einflüsse. Darüber hinaus können spezielle Umgebungs- oder Nutzungsbedingungen einen ganz gezielten Schutz gegen physikalischen, chemischen oder mechanischen Angriff oder gegen eine unerwünschte Kontamination der Oberfläche von Bauteilen erforderlich machen. Wenn das Anforderungsprofil klar ist, lässt sich aus der Palette verfügbarer Werkstoffe und unter Einhaltung fachgerechter Regeln das Oberflächenschutzsystem konzipieren und anwenden.
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
999
16.3.2 Betrachtungen zur Funktionalität von Beschichtungen Ob ein Oberflächenschutzsystem die Leistungen erbringt, die von ihm nach dem Anforderungsprofil erwartet werden, wird im Wesentlichen durch drei Bereiche abgedeckt: Das zu verwendende Produkt bzw. das Produktsystem muss nachweislich die Eignung für den vorgesehenen Zweck aufweisen. Neben generellen Eigenschaften wie Schutz gegen Witterungseinflüsse werden dabei selektiv alternative Funktionen berücksichtigt. Der Oberflächenschutz muss mit dem zu schützenden Bauteil/Bauwerk einen dauerhaften Verbund eingehen. Das Leistungsvermögen einer Beschichtung steht in einem direkten Zusammenhang mit der Schichtdicke der Beschichtung. Maßgebliche Funktionen von Beschichtungen, ihre Bewertung und ihre Bemessung sollen im Folgenden dargestellt werden. Das weite Gebiet des Oberflächenschutzes beinhaltet darüber hinaus jedoch noch zahlreiche andere Funktionen.
16.3.2.1 Die Beschichtung als Karbonatisationsbremse
Die Bewehrungsstähle des Stahlbetons erfahren ihren Korrosionsschutz neben dem dichten Gefüge vor allem durch das basische Milieu des sie umhüllenden Betons [16.12]. Die in der Luft enthaltenen sauren Gase, insbesondere Kohlendioxid (CO2), dringen in den Beton ein und neutralisieren (karbonatisieren) das basische Milieu in Form des bei der Zementhydratation entstandenen Calciumhydroxids Ca(OH)2. Die sich einstellende Tiefe der Karbonatisation ist der Wurzel der Zeit (t) proportional [16.13]: s = 2⋅
c1 DL ⋅ ⋅ t [cm] c2 μ
(16.1)
In Gleichung (16.1) steht s für die Tiefe der Karbonatisationsfront, c1 für die Konzentration von CO2 in Luft und c2 für das benötigte Äquivalent an CO2 zur Umsetzung der im Beton vorhandenen Hydroxide. Der Quotient DL/μ markiert den Diffusionswiderstand von Beton gegen CO2, wobei die Diffusionswiderstandszahl μ als Stoffkennwert für den betrachteten Beton und der Diffusionskoeffizient DL für CO2 in Luft getrennt dargestellt sind. Der Idee der Beschichtung als Karbonatisationsbremse liegt zugrunde, dass mit ihr die Permeabilität für CO2 auf einem sehr niedrigen Niveau begrenzt werden kann. Die CO2-Durchlässigkeit kann nach einer vom Verfasser entwickelten gravimetrischen Messmethode [16.14] ermittelt werden. Diese Methode ist zwischenzeitlich genormt [16.15]. Bild 16-7 zeigt das Kernstück des Messgerätes, die Diffusionskapsel, in welche die zu prüfende Beschichtung eingebaut ist. Aus der Stoffmengenstromdichte wird die Diffusionswiderstandszahl μCO2 errechnet.
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16 Oberflächenschutz
Bild 16.7 Gravimetrische Detektion der CO2-Durchlässigkeit [16.14] [16.15]
Per Definition sagt die Diffusionswiderstandszahl μCO2 aus, wie viel mal undurchlässiger die Beschichtung für die CO2-Diffusion ist als Luft unter sonst gleichen Bedingungen. Eine Zusammenstellung von Diffusionswiderstandszahlen für verschiedene Baustoffe und Beschichtungen findet sich in [16.16]. Die maßgebliche Rechengröße zur Bemessung einer Karbonatisationsbremse ist die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke sD,CO2 (Diffusionswiderstand), die aus dem Produkt von Diffusionswiderstandszahl μCO2 und Dicke s der Beschichtung gebildet wird:
sD,CO2 = μCO2 ⋅ s [m]
(16.2)
Wie groß der Widerstand einer Beschichtung gegen CO2-Diffusion sein muss, damit diese als Karbonatisationsbremse wirkt, ist auf Bild 16-8 graphisch dargestellt. Die Ursprungsgerade stellt den Karbonatisationsfortschritt im Beton als Funktion der Zeit dar. Diesen Vorgang drückt auch Gleichung (16.1) aus. Weil an der Oberfläche keine Beschichtung vorliegt, kann der sD-Wert zu Null gesetzt werden. Würde man die Betonoberfläche zum Zeitpunkt t = 1 Jahr beschichten, würde mit zunehmendem Diffusionswiderstand die Gerade, die den Karbonatisationsverlauf wiedergibt, nach unten abknicken. Wenn ein Diffusionswiderstand sD,CO2 = 50 m erreicht ist, wird der Karbonatisationsfortschritt so stark reduziert, dass eine ähnliche Wirkung erzielt wird, wie wenn die Betonoberfläche mit einer Diffusionssperre für CO2 (sD,CO2 = ∞) belegt wäre. Daraus kann die Schlussfolgerung hergeleitet werden, dass eine Beschichtung dann als eine für Stahlbeton ausreichende Karbonatisationsbremse anzusehen ist, wenn ihre diffusionsäquivalente Luftschichtdicke sD,CO2 ≥ 50 m beträgt [16.17].
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1001
Bild 16-8 Definition der Karbonatisationsbremse [16.17]
16.3.2.2 Die Beschichtung als Feuchteregulativ
Beschichtungen werden im Bauwesen im Zusammenhang mit der Feuchteregulierung in erster Linie zur Begrenzung der Wasseraufnahme von porösen Baustoffen eingesetzt, also um die Kapillarität an der Baustoffoberfläche zu unterbinden. Bei geschichteten Außenbauteilen beheizter Räume werden Beschichtungen gelegentlich auch als so genannte Dampfbremsen eingesetzt. Unter der Annahme stationärer Wasserdampf-Diffusionsströme kann mit dem Glaserverfahren nachgeprüft werden, ob die Gefahr der Tauwasserbildung besteht und mit welchem Diffusionswiderstand an der richtigen Stelle dies verhindert werden kann [16.18]. Ob der Diffusionswiderstand einer vorgesehenen Außenbeschichtung zulässig oder gar zu hoch ist, kann unter stationären Bedingungen aus dem Glaserdiagramm abgeleitet werden. Im Zusammenhang mit der Beschichtung von Bauteilen wird oft die Frage diskutiert, ob und in welchem Maße Beschichtungen wasserdampfdurchlässig sein müssen, damit keine Schäden als Folge des „Dampfdrucks“ auftreten. Dazu kann ganz allgemein gesagt werden, dass ein Wasserdampfdruck im Sinne der Wirkung einer Kraft pro Fläche gleich Druck, mit einem damit verbundenen Abdrücken der Beschichtung vom Untergrund, im Bauwesen unter normalen Bedingungen nicht auftritt. Als solche sind übliche Umgebungstemperaturen und ein planmäßig verfestigter Zustand der Beschichtung anzusehen. Auch die gelegentlich laut werdende Forderung nach der „Atmungsaktivität“ von Oberflächenschutzsystemen ist ohne naturwissenschaftliche Grundlage. In der Regel sind die Diffusionswiderstände für Wasserdampf von Betonbauteilquerschnitten deutlich größer als diejenigen der meisten Betonbeschichtungen, so dass das Diffusionsverhalten des Bauteils wegen der darauf aufgebrachten Beschichtungen nicht signifikant verändert wird [16.19]. Rechnerische Abschätzungen zeigen zudem, dass ein Austrocknen von Bauteilen auch noch in Gegenwart von Beschichtungen mit nennenswertem Diffusionswiderstand möglich ist.
1002
16 Oberflächenschutz
In einigen Ausnahmefällen kann es sich als notwendig erweisen, Bauteile nur mit solchen Beschichtungen zu versehen, die als Folge von Diffusionsvorgängen eine unzulässige Anreicherung von Wasser in der Grenzfläche zwischen Bauteil und Beschichtung verhindern. Es könnte dort zu einer Quellung kommen, mit der Folge der Abminderung des Haftverbundes. Eine Wasseranreicherung unter der Beschichtung könnte außerdem zu Schäden bei Frosteinwirkung führen. Bild 16-9 zeigt in schematischer Darstellung ausschnittsweise die Stahlbetonschale eines Naturzugkühlturms. Im Betriebszustand stellt sich ein permanenter Diffusionsstrom von innen nach außen ein. Wenn Beschichtungen erforderlich werden, ist eine rechnerische Abschätzung notwendig [16.20] [16.21], um entscheiden zu können, mit welchen Diffusionswiderständen Schadenserscheinungen – wie eben angedeutet – abgewendet werden können. Bild 16-10 zeigt das Ergebnis einer rechnerischen Simulation der betriebsbedingten, instationären Wärme- und Feuchteeinwirkungen auf die Wassergehaltsverteilung in der Kühlturmschale. Zwei Beschichtungsalternativen (sd = 0,34 m, sd = 1,0 m) können als unkritisch, eine Beschichtungsalternative (sd = 3,8 m) muss unter den gewählten Randbedingungen als kritisch angesehen werden [16.22]. In den Regelwerken für die Betoninstandsetzung [16.23], [16.24] ist der zulässige Grenzwert für die Wasserdampfdiffusion bei der Anwendung von Beschichtungen auf Beton generell auf sD,H2O = 4 m festgelegt. Dies darf nicht dazu führen, dass dieser Grenzwert auf jeden Einzelfall angewendet wird. Wie anhand des beschriebenen Falls und der Darstellung in Bild 16-10 gezeigt ist, müssen bei bestimmten, insbesondere bei Wasserbauwerken (Kühltürme, Trinkwasserbehälter, Kanäle) ergänzende Betrachtungen angestellt werden, um Schäden vom Bauwerk abzuwenden.
Bild 16-9 Schematische Darstellung der Wasserdampfdiffusion durch eine Kühlturmschale
Schäden in Form von Blasen, Abplatzungen etc. an beschichteten Baustoffoberflächen, werden all zu häufig auf die „rückwärtige Durchfeuchtung“ oder auf die Wirkung des „Dampfdrucks“ zurückgeführt. Im Falle der „rückwärtigen Durchfeuchtung“ kann diese Argumentation berechtigt sein. Hinsichtlich des „Dampfdrucks“ liegt dagegen stets ein weit verbreitetes
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1003
Bild 16-10 Mittlere Wassergehaltsverteilung in der Betonschale eines Kühlturms, abhängig von der außenseitigen Beschichtung Betongüte: C 30/37, Innenseite ohne Beschichtung Lastfall: Spitzenlast, nächtliche Abschaltung für 6 Stunden
Missverständnis vor. Ihre eigentlichen Schadensursachen liegen jedoch meist woanders, z. B. in einer ungeeigneten Stoffrezeptur, in einer gestörten Benetzung des Beschichtungsstoffs auf der Oberfläche, oder darin, dass eine unzureichende Untergrundvorbereitung erfolgt ist (siehe Abschnitt 16.3.5.), vielleicht auch an Temperaturen, die zur ordnungsgemäßen Vernetzung der 2 K-Beschichtungsstoffe zu niedrig waren (siehe Abschnitt 16.2.2). Im Regelwerk für Schutz- und Instandsetzung von Betonbauteilen [16.24] wird im Teil 1 das Instandsetzungsprinzip W als Maßnahme zum Korrosionsschutz der Stahlbewehrung im Beton genannt. Es beinhaltet die Absenkung des Wassergehaltes im Beton, um somit elektrolytische Teilprozesse einer möglichen Stahlkorrosion zu unterdrücken. Entsprechend formulierte Polymerbeschichtungen können die Flüssigwasseraufnahme, z. B. durch Regenereignisse behindern. Die Kurve der Wassergehaltsverteilung „ohne Beschichtung“ im Bild 16-10 zeigt diesen Effekt im Vergleich zu den Kurven sd = 0,34 und sd = 1,0 sehr deutlich. Andererseits wird das Ausdiffundieren von Feuchte trotz dieser Beschichtungen ermöglicht, so dass in der mittel- bis langfristigen Bilanz betrachtet, sich eine Austrocknung und somit eine Absenkung des Wassergehalts im Bauteil auch nach der Applikation einer Beschichtung einstellt. 16.3.2.3 Die Beschichtung als rissüberbrückende Schicht
In Bauteilen aus porösen Baustoffen treten aus unterschiedlichen Gründen Risse auf. Stahlbetonbauteile bekommen sogar planmäßig Risse. Sie werden bei Biegebelastung so bemessen, dass sie im gerissenen Zustand die Anforderungen an die Tragfähigkeit erfüllen. Wenn gerissene Bauteile aus porösen Baustoffen der Freibewitterung ausgesetzt sind, kann der lösende Angriff des kapillar eindringenden stets gering sauren Regens Baustoffstrukturen auflösen, was
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16 Oberflächenschutz
zu einem örtlichen Festigkeitsverlust führt. Aus der Bindemittelmatrix heraus gelöste Substanzen (Kalk, Gips etc.) führen zu Versinterungen, die sich visuell unangenehm bemerkbar machen. Chloride aus maritimem Einfluss oder aus Tausalzbeaufschlagung können in wässriger Lösung in Rissen kapillar rasch transportiert werden. Das dauerhafte Verschließen von Rissen an der Oberfläche von Stahlbetonbauteilen ist zur Abwehr bestandsschädigender Folgen z. B. durch Korrosion von Bewehrungsstählen aber auch durch chemische Zersetzung des Zementsteins aufgrund von Nutzungseinflüssen usw. oft zwingend notwendig. Bei Bauteilen im Freien sind Risse, und dies insbesondere bei Stahlbetonkonstruktionen periodischen Rissbreitenänderungen ausgesetzt, wobei die Bewegung meist eine Folge der Temperaturänderungen im Tages- aber auch im Jahreslauf ist. An Brückenbauwerken oder bei Parkdecks kann die Rissbreitenänderung zusätzlich aus Lastwechseln durch den Fahrzeugverkehr resultieren. Hygrisch generierte Rissbewegungen sind dagegen kaum zu erwarten. Weil Risse in Bauteilen, und hierbei ganz besonders solche in Stahlbetonbauteilen, nicht in Ruhestellung sondern in Bewegung sind, müssen aus Schutzgründen applizierte Beschichtungen zum Verschluss der Risse daher nicht nur einen stehenden Spalt füllen bzw. überdecken, sondern sie müssen die zwischen den Rissufern sich einstellenden Wegänderungen mitmachen, ohne ihre Funktion des dauerhaften Rissverschlusses zu verlieren. Die dabei ablaufenden Rissbreitenänderungen können im Verlaufe eines geplanten Nutzungszeitraumes sehr zahlreich sein. Wechselnde Sonneneinstrahlung, Abkühlung zwischen Tag und Nacht, aber auch jahreszeitlich bedingte Temperaturwechsel können Risse in Bauteilen im Freien über einen Zeitraum von 10 Jahren ohne weiteres bis zu 10.000 mal öffnen und schließen. Die Amplituden sind dabei jedoch sehr unterschiedlich [16.25]. In unbeheizten Innenräumen sind die Amplituden geringer und die Rissbreitenänderungen langsamer. Zusätzlich sind sie auch von der Nutzung eines Bauwerkes abhängig [16.26]. Bei Rissen in Fassadenbauteilen oder bei allseits luftumspülten Bauteilen kann man mit guter Näherung Rissbreitenänderungen Δw in Abhängigkeit von der Temperaturänderung Δϑ nach der Formel
Δw = αϑ ⋅ Δϑ ⋅ lo ⋅ h [mm]
(16.3)
abschätzen. Der Faktor h berücksichtigt dabei in bewehrten Bauteilen die hemmende Wirkung der den Riss kreuzenden Bewehrung auf die Rissbreitenänderung. Dieser Wert beträgt bei üblicher Bewehrung etwa 0,7, bei nicht bewehrtem Beton 1. An einer Stahlbeton-Geschoßdecke, die über die Außenwand als Balkonkragplatte ins Freie verläuft, traten im auskragenden Bereich als Folge der wechselnden Außentemperaturen Zwängungen und dann Trennrisse mit mittleren Rissbreiten von 0,3 mm auf. Messungen über 1 Jahr haben ergeben, dass daran Rissbreitenänderungen zwischen 0,01 mm und 0,45 mm auftraten. An einigen Rissen waren an den Untersichten der Kragplatte Rostablagerungen aufgetreten, eine Folge beginnender Bewehrungskorrosion. Die Instandsetzungsrichtlinie [16.24] sieht für eine rissüberbrückende Bodenbeschichtung im beschriebenen Fall die Anwendung eines Beschichtungssystems der Rissüberbrückungsklasse IIT+V vor. Der Eignungsprüfung liegt eine Rissbreitenänderung Δw = 0,2 mm als Obergrenze zugrunde.
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1005
Einerseits zeigt der beschriebene Fall, dass in gerissenen Außenbauteilen Risse vorliegen, die in einem weiten Bereich Rissbreitenänderungen vollziehen. Andererseits erkennt man, dass mit regelwerkskonformen Beschichtungssystemen möglicherweise nicht das ganze Anforderungsprofil einer rissüberbrückenden Beschichtung abgedeckt ist. In solchen Fällen ist zur Bemessung die Kompetenz des sachkundigen Planers gefragt. Wenn zur Rissüberbrückung Beschichtungen angewendet werden, bedarf es hinsichtlich der Rissbreitenänderungen zunächst einiger besonderer Überlegungen. Betrachtet man den Fall der homogenen Beschichtung eines Einschichtsystems, nimmt das Rissüberbrückungsvermögen Δw (entspricht der Rissbreitenänderung) linear mit der Dicke der Beschichtung zu [16.27]. Dafür gilt die einfache Beziehung:
Δw = ε max ⋅ s [mm]
(16.4)
Aus dieser Beziehung kann direkt abgeleitet werden, dass über die Auftragsmenge und somit über den Anstieg der Schichtdicke s das Rissüberbrückungsvermögen gesteigert wird. Bei einem Zweischichtsystem lässt sich nach der Doppelschichttheorie [16.27] über das Verhältnis der Dehnsteifigkeit einer Deckschicht und der Schubsteifigkeit einer darunter angeordneten Schwimmschicht eine Bemessungsformel für die Rissüberbrückungsfähigkeit ableiten:
Δw = ε max ⋅
E ⋅s⋅d G
[mm]
(16.5)
Im rissüberbrückenden Zweischichtsystem muss die Unterschicht vor allem durch Scherung zur Rissüberbrückung beitragen. Die Deckschicht muss so ausgelegt werden, dass sie je nach Anwendungsbereich den Dehnbeanspruchungen aus a) Druck- und Zugkräften infolge der Rissbewegung (ZR) b) Zugkräften infolge Schrumpfen (Alterung) und Temperaturdifferenzen (Zs+ϑ) c) Zug-, Druck- und Scherkräften infolge Verkehrsbelastung (ZV) genügt [16.26]. Grundsätzlich kann die Rissüberbrückungsfähigkeit einer Beschichtung nur durch Verwendung organischer Hochpolymere erzielt werden. Außerdem müssen diese flexibel formuliert sein. Für Betonflächen an Fassaden und ähnlichen nicht befahrenen und nicht begangenen Bauteilen finden die plastoelastischen, meist wässrig formulierten Acrylkombinationsbindemittel, bei höheren Ansprüchen auch die elastomeren Polyurethanbindemittel Eingang. Rissüberbrückende Bodenbeschichtungen (sie müssen praktisch immer auch begeh- und befahrbar sein) werden auf Basis elastomerer, in situ weitmaschig vernetzender, organischer Hochpolymere formuliert. Die für die Rissüberbrückung am häufigsten eingesetzten Bindemittel sind hier die Polyurethane bzw. die Kombinationen mit Epoxiden. Letztere weisen neben der Flexibilität auch noch eine mechanische Widerstandsfähigkeit auf. Wirtschaftliche Erwägungen führen dazu, bei Bodenbeschichtungen ausreichend hohe Schichtdicken durch Verwendung gebrochenen Quarzsandes zu erzielen, anstelle von weichen, eher runden Füllstoffen. Zwar werden dadurch die Anforderungen an die Rutschfestig-
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16 Oberflächenschutz
keit gesteigert. Die innere Verformung während einer Rissbreitenänderung führt jedoch an den Spitzen der Quarzkörner zum Ein- und Weiterreißen und dann zu einem früheren Versagen des Schichtquerschnitts. Die mit den Gleichungen (16.4) und (16.5) beschriebenen Verknüpfungen zwischen Rissbreitenbewegung und Materialkennwerten der Beschichtung gelten im Bemessungsansatz ausschließlich für das zügige, einmalige Öffnen eines Risses. Der dauerhafte Verschluss eines Bauteilrisses im Freien ist – Nutzungszeit bedingt – mit einem vielfachen Öffnen und Schließen eines Risses verbunden. Dass damit eine Materialermüdung, und ein Rückgang der rissüberbrückenden Eigenschaften verbunden sind, kann als gesichert gelten. Die im Laufe der Zeit zu erwartenden Eigenschaftsänderungen können bei der Formulierung nur zum Teil berücksichtigt und gesteuert werden. Das Experiment, welches sich am Einsatzbereich der rissüberbrückenden Beschichtung orientieren muss, ist hierbei unverzichtbar. Aber auch durch eine Simulation der Rissbreitenänderungscharakteristik unter bestmöglicher Berücksichtigung der realistischen Beanspruchungsbedingungen kann ein Eignungsnachweis nur näherungsweise erfolgen. Tabelle 16.3 Bedingungen zur periodischen Prüfung von rissüberbrückenden Beschichtungen nach [16.23] und [16.24] Rissüberbrückungsklasse
Rissart
Prüfbedingungen
IT
gering
Vorhandene und nachträglich entstehende, oberflächennahe Risse, Rissbreite maximal 0,15 mm, Rissbewegung unter Temperaturbeanspruchung bis 0,05 mm
ϑP = –20 °C wϑ,o = 0,15 mm wϑ,u = 0,10 mm n = 1000 Δwϑ = 0,05 mm f = 0,03 Hz
erhöht
Vorhandene und nachträglich entstehende, oberflächennahe Risse und/oder Trennrisse, Rissbreite maximal 0,3 mm, Rissbewegung unter Temperaturbeanspruchung bis 0,2 mm
ϑP = –20 °C wϑ,o = 0,30 mm wϑ,u = 0,10 mm n = 1000 Δwϑ = 0,20 mm f = 0,03 Hz
Zusätzlich unter Temperatur- und Verkehrslastbeanspruchung
Δwv = 0,05 mm n = 100000 f = 5 Hz
IIT+V
ϑ: Temperatur, V: Verkehrslast, w: Rissbreite, f: Frequenz der Rissänderung, ϑP: Prüftemperatur, n: Anzahl der Risswechsel, wϑ,O: obere Grenze der Rissöffnung, wϑ,U: untere Grenze der Rissöffnung Δwv: verkehrslastgenerierte Rissbreitenänderung, Δwϑ: temperaturgenerierte Rissbreitenänderung
Die Regelwerke [16.23] und [16.24] geben hierfür Rissüberbrückungsklassen vor. Tabelle 16.3 zeigt die Prüfbedingungen entsprechend der Temperatur- bzw. Verkehrslast-generierten periodischen Rissbreitenänderung. Bild 16-11 zeigt schematisch den Aufbau der Prüfmaschine (Model TU-Dortmund), mit der konform zu [16.23] und [16.24] u.a. auch die Rissüberbrückungsklassen gemäß Tabelle 16.3 bestimmt werden können.
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
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Bild 16-11 Schematische Darstellung der Rissüberbrückungs-Prüfmaschine
Dabei wird das Verhalten der Beschichtung über einem sich periodisch bewegenden Riss auf einer genügend großen Fläche (max. 200 × 300 mm) an einem bis zu 250 mm langen Riss beobachtet. Die variierbaren Parameter sind die Prüftemperatur ϑ, der Rissbreitenänderungsbereich Δw, die Rissbreitenänderungsgeschwindigkeit f und die Anzahl n der Dehnwechsel. Für Sonderfälle, wie z. B. die weiter oben beschriebene Kragplatte, sind zur Absicherung der Funktionsfähigkeit einer Beschichtungsmaßnahme dringend ergänzende Eignungsversuche zu empfehlen. Versuche aus der jüngsten Vergangenheit haben nachgewiesen, dass die Berücksichtigung des viskoelastischen Verformungsverhaltens von rissüberbrückenden Beschichtungen (langsamere und deshalb realitätsnähere Rissbreitenänderungen) Reserven des Rissüberbrückungsvermögens darstellen lässt [16.28]. Das bisherige Prüfhandikap der Beschränkung des Versuchs auf die Arbeitszeit eines Arbeitstages ist durch technische Optimierung sowie die Installation einer Webcam zur kontinuierlichen optischen Aufzeichnung des Zustandes der Beschichtung am Riss gelöst worden. Bild 16-12 zeigt ein Foto der Sonder-Prüfvorrichtung.
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16 Oberflächenschutz
Bild 16-12 Technisch optimierte Prüfvorrichtung zur mehrtägigen, kontinuierlichen optischen Aufzeichnung des Zustands der Beschichtung bei periodischer Rissbreitenänderung mit niedriger Frequenz
16.3.2.4 Verbund im Beschichtungssystem und zum Untergrund
Grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass Polymerbeschichtungen die ihnen zugedachten Funktionen erfüllen können (u.a. entsprechend den Abschnitten 16.3.2.1, 16.3.2.2 und 16.3.2.3) ist ein ausreichender Haftverbund des Beschichtungssystems zum Untergrund (Adhäsion) und ein inniger Haftverbund zwischen den Einzelschichten (Kohäsion). Der kohäsive Verbund unter den Einzelschichten ist im Wesentlichen von den verwendeten Stofftypen (siehe Abschnitt 16.2.2), der zeitlichen Abfolge sowie den klimatischen Randbedingungen während der Applikation und der Filmbildung abhängig (siehe auch Abschnitt 16.4). Darüber hinaus steht der Adhäsionsverbund zum Untergrund in einem engen Zusammenhang mit der Tragfähigkeit des Untergrundes und dessen beschichtungsgerechter Oberfläche (siehe Abschnitt 16.3.5). Eine verlässliche visuelle Verifizierung der Anforderungen zum Haftverbund ist am Bauwerk nicht möglich. Letztendlich kann dies nur durch zerstörende Messmethoden erfolgen. Untersuchungen dazu werden deshalb bei der Erfolgskontrolle vermieden, wo immer es geht.
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
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Wenn sie angewendet werden müssen, schränkt man ihren Umfang verständlicherweise soweit wie möglich ein. Aus verschiedenen Gründen (Besonderheit des Untergrundes, der Verarbeitung, der klimatischen Bedingungen etc.) kann die Haftung örtlich deutlich verschieden ausfallen. Eine vertrauenswürdige Angabe dazu ist nur zu erwarten, wenn Stichprobenauswahl und Prüfung repräsentativ erfolgen. Eine sehr weit verbreitete und in zahlreichen Regelwerken [16.23, 16.24, 16.29] verankerte Methode zur Prüfung des Verbundes ist der Abreißversuch zur Beurteilung der Haftzugfestigkeit. Unter Beachtung besonderer Randbedingungen werden hierfür kreisrunde Stempel (meist aus Stahl) auf die Beschichtung aufgeklebt, die dann nach Verfestigung des Klebers mit einer Zugvorrichtung bei stetigem Kraftanstieg abgezogen werden. Die Haftzugfestigkeit beim Bruch und die Lage der Trennebene kennzeichnen die Güte des vorhandenen Verbundes. Für die in situ Anwendung ist diese Methode relativ zeit- und kostenaufwendig. Die Einhaltung der axialen Zugrichtung ist unter Baustellenbedingungen ungleich schwieriger als unter stationären Bedingungen. Davon hängt die Genauigkeit der Methode signifikant ab. Bezüglich des Ergebnisses ist ihre Definition aus physikalischer Sicht (N/mm²) von allen sonst verfügbaren Haftprüfmethoden am präzisesten. Bei der Ergebnisbewertung kommt einschränkend hinzu, dass die Bewertung der Kennzahlen eines Abreißversuches nicht unproblematisch ist. Einerseits erhält man sie, indem man senkrecht zur Beschichtungsoberfläche eine Spannung anlegt und diese bis zum Bruch stetig weiter aufbaut. Verbund belastend oder auch Verbund schwächend sind im Laufe der Alterung des Beschichtungssystems oder der nutzungsbedingten Beanspruchung nicht senkrecht zur Beschichtungsoberfläche angreifende Kräfte. Relevant sind vielmehr die parallel zur Beschichtungsoberfläche auftretenden Scherspannungen z. B. durch alterungsbedingte Verkürzungsbestrebungen [16.30]. Die an Bodenbeschichtungen durch Fahrzeuge beschleunigungs- bzw. bremsbedingt parallel zur Oberfläche angreifenden Scherspannungen wirken ebenfalls Verbund belastend. Eine verlässliche Korrelation zwischen der senkrecht zur Beschichtungsebene angreifenden Kraft des Abreißversuchs und der in situ in Richtung der Beschichtungsebene angreifenden Spannungen aus der Alterung der Beschichtung bzw. der Nutzungsbeanspruchung ist nicht bekannt. Die in den Regelwerken verankerten Grenzwerte der Haftzugfestigkeit sind somit nicht an den tatsächlichen Erfordernissen ausgerichtet, sondern meist danach, was Beschichtungstyp und Untergrund „hergeben“. Andererseits wäre die Anwendung einer Messmethode zur Ermittlung des Scherverhaltens und dessen Auswertung unverhältnismäßig schwierig und kostenträchtig. Die Anwendung der Verbundprüfung durch den Abreißversuch ist unabhängig der aufgezeigten Schwierigkeiten ohnehin nur dort vertretbar, wo ausreichend dickschichtige (smit > 500 μm) und starr formulierte Beschichtungen vorliegen. Die entsprechenden Messgeräte sind an senkrechten Flächen nur schwierig anwendbar. Sie sollten dort eigentlich stets angedübelt werden. Mit dem zur Ankopplung des Stempels an die Beschichtung zu verwendenden Klebstoff wird in dessen Flüssigzustand ein Anlösen bzw. Anquellen bewirkt, welches insbesondere bei physikalisch trocknenden Beschichtungen eine irreversible Verbundänderung hinterlassen kann. Die Anwendung dieser Methode sollte – wenn überhaupt – auf horizontal liegende und auf dickschichtige, starre und chemisch vernetzte Beschichtungen beschränkt bleiben. Bild 16-13 zeigt die Versuchsvorrichtung in der Anwendung auf einer horizontalen Fläche.
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16 Oberflächenschutz
Bild 16-13 Versuchsvorrichtung zur Durchführung des Abreißversuchs (Haftzugfestigkeit) an starren Bodenbeschichtungen, smit > 500 μm
Bei starr formulierten, dünnschichtigen Beschichtungen (smit 500 μm) beurteilt der Praktiker die Güte des Haftverbundes durch den so genannten Gitterschnittversuch [16.31]. Bild 16-14 zeigt den Gitterschnittversuch an einer beschichteten Bauteilfläche. Nach der sechsteiligen relativen Bewertungsskala der Norm (Gt0, Gt1, Gt2, Gt3, Gt4, Gt5), kann der Haftverbund beurteilt werden. Mit dem Kennwert Gt0 wird das bestmögliche, mit Gt5 das schlechtestmögliche Ergebnis dokumentiert. Der Gitterschnittversuch stellt eine vorzügliche Korrelation zur tatsächlichen Verbundbelastung zwischen Untergrund und Beschichtung her, denn durch das Einschneiden der Raster wird die Beschichtung parallel zur Haftfläche scherend beansprucht. Ein gewisser Nachteil wird darin gesehen, dass kein physikalisch definierter Kennwert wie bei der Beurteilung der Haftzugfestigkeit vorliegt. Die Aussagekraft des Untersuchungsergebnisses aus dem Gitterschnittversuch ist jedoch überzeugender.
Bild 16-14 Gitterschnittversuch zur Ermittlung des Haftverbundes von starren Polymerbeschichtungen, smit < 500 μm
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
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Bei flexiblen Beschichtungen kann der Haftverbund zwischen den Einzelschichten und zum Untergrund sinnvoll nur in Anlehnung an den Schälversuch [16.32] im Wege des Spitzwinkelschneideversuchs [16.33] bewertet werden. Bild 16-15 zeigt schematisch die Anwendung dieses Haftverbundversuchs für flexible Beschichtungen. Die Klassifizierung der Haftung wird durch 3 Kennwerte vorgenommen. Sp 1, Größenordnung der abziehbaren Beschichtungsfläche: mm² Sp 2, Größenordnung der abziehbaren Beschichtungsfläche: cm² Sp 3, Größenordnung der abziehbaren Beschichtungsfläche: dm² Uneingeschränkt positiv ist das Ergebnis, wenn der Kennwert Sp1 erreicht wird, eingeschränkt kann der Kennwert Sp 2 akzeptiert werden. Wenn der Kennwert Sp3 festgestellt wird, liegt ein Mangel, z. B. verursacht durch eine unzureichende Untergrundvorbereitung vor. Bild 16-16 zeigt die praktische Anwendung dieser Messmethode. Bemerkenswert ist die vergleichende Betrachtung zwischen dem Spitzwinkelschneideversuch (für flexible Schichten geeignet) unten, und dem Gitterschnittversuch (für flexible Schichten nach Ansicht des Autors ungeeignet), oben. Das scheinbar gute Ergebnis des Gitterschnittversuches kommt dadurch zustande, dass beim Einschneiden in die flexible und deshalb leicht verformbare Beschichtung in der Haftzone keine scherende Belastung aufgebaut wird. Tatsächlich aber liegt ein schlechter Verbund vor – nachgewiesen durch den Spitzwinkelschneideversuch – der durch eine unzureichende Untergrundvorbereitung (siehe Abschnitt 16.3.5) verursacht worden ist.
Bild 16-15 Schematische Darstellung des Spitzwinkelschneideversuches
Bild 16-16 Rissüberbrückende, flexible Betonbeschichtung, smin 300 μm; Spitzwinkelschneideversuch zeigt schlechten (tatsächlichen), Gitterschnittversuch zeigt guten (vermeintlichen) Haftverbund an
16.3.2.5 Schichtdickendefinitionen als Grenzwerte
Funktion und Qualität der Schutzbeschichtung, (siehe die Abschnitte 16.3.2.1, 16.3.2.2, 16.3.2.3) hängen neben dem dauerhaften Verbund (siehe Abschnitt 16.3.2.4) immer auch von der jeweils maßgeblichen, d.h. dafür definierten Schichtdicke ab. Diese Schichtdicke ist eine wichtige Voraussetzung für die Bemessung [16.34] einer Oberflächenschutzmaßnahme. Schichtdicken von Beschichtungen müssen grundsätzlich als plurales Ereignis gesehen werden. Bei der Applikation eines Beschichtungsstoffes und der daran anschließenden Verfesti-
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16 Oberflächenschutz
gung entsteht nicht eine einheitliche Dicke, sondern eine unendlich große Anzahl von verschiedenen Einzelschichtdicken. Bild 16-17 zeigt zwei Querschnitte durch ein beschichtetes Betonbauteil. Auf Bild 16-17a ist eine Beschichtung mit nur kleinen, auf Bild 16-17b ist dagegen eine Beschichtung mit sehr ausgeprägten Schichtdickenschwankungen gezeigt. Diese Einzelschichtdicken ordnen sich der Häufigkeit nach um eine mittlere Schichtdicke an. Statistisch gesehen entsprechen diese Anordnungen von Schichtdickenereignissen einer Gauß`schen Normalverteilung [16.34]. Diese Erkenntnis ist die Basis für die Bemessung der Schichtdicke und der damit in direktem Zusammenhang stehenden Verbrauchsmenge an Beschichtungsstoff, der auf die Oberflächen appliziert werden muss, damit die festgelegte Schichtdicke erzielt wird.
Bild 16-17 Darstellung von unterschiedlichen Schichtdickenschwankungen an beschichteten Bauteilquerschnitten
Bei der Festlegung der maßgeblichen Schichtdickengrenzwerte muss zunächst entschieden werden, welchen Zweck eine Schutzbeschichtung zu erfüllen hat. Wenn die Leistungsmerkmale Witterungsbeständigkeit Rissüberbrückungsfähigkeit Verschleißwiderstand Chemische Belastbarkeit gefragt sind, wird der Schichtdickengrenzwert als 5 % Fraktile der Normalverteilung festgelegt. Dies bedeutet, dass die vorgegebene Schichtdicke mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % erreicht werden muss. 5 % der Schichtdicke dürfen kleiner als die vorgegebene Schichtdicke sein [16.23] [16.24]. Bild 16-18 veranschaulicht diese Definition graphisch.
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
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Bild 16-18 Definition der Mindestschichtdicke smin als Grenzwert in der Gauß`schen Normalverteilung, abhängig von der Funktion der Beschichtung
Zur Erzielung dieser von den Regelwerken [16.23] [16.24] oder vom sachkundigen Planer vorgegebenen in situ Mindestschichtdicke wird der Verbrauch an flüssigem Beschichtungsstoff m'' mit folgender Gleichung errechnet: m" =
ρfl FV
⋅ ( smin + 1,64 ⋅ ssa ) ⋅ (1 + α ) ⋅ (1 + β ) [g/m²]
(16.6)
Darin bedeuten: ρfl Dichte des flüssigen Beschichtungsstoffes FV Festkörpervolumen des Beschichtungsstoffes ssa Stichprobenstandardabweichung α Zuschlag wegen Verlust an Beschichtungsstoff β Zuschlag an Beschichtungsstoff wegen Rauheit des Untergrundes Soll die Beschichtung dagegen nach ihrem Diffusionswiderstand, z. B. für CO2 (Karbonatisationsbremse) bzw. für Wasserdampf (Feuchteregulativ) bemessen werden, ist zunächst die nach Gleichung (16.2) erforderliche Schichtdicke zu ermitteln. Hier darf jedoch nicht die Mindestschichtdicke angesetzt werden. Maßgeblich für die Diffusion von CO2 und Wasserdampf ist die für Diffusionsvorgänge effektive Schichtdicke sdiff [16.34]. Bild 16-19 zeigt die Lage des entsprechenden Schichtdickengrenzwertes innerhalb der Gauß`schen Normalverteilung. Vereinfachend und damit immer noch genau genug kann dafür die mittlere Schichtdicke smit eingesetzt werden. Ihre Lage in der Normalverteilung ist identisch mit der größten Häufigkeit der Schichtdickenverteilung. Die Menge an flüssigem Beschichtungsstoff, welche zur Erzielung der für Diffusionsvorgänge effektiven Schichtdicke sdiff bzw. der mittleren Schichtdicke smit erforderlich wird, lässt sich mit den folgenden Gleichungen errechnen:
1014
16 Oberflächenschutz
Bild 16-19 Definition der für Diffusionsvorgänge effektiven Schichtdicke sdiff als Grenzwert in der Gauß`schen Normalverteilung, abhängig von der Funktion der Beschichtung
Für sdiff: m " =
Für smit: m " =
ρfl §¨ sdiff ⋅
FV ¨ 2 ©
ρfl FV
+
· + ssa 2 ¸ ⋅ (1 + α ) ⋅ (1 + β ) [g/m²] ¸ 4 ¹
2 sdiff
⋅ smit ⋅ (1 + α ) ⋅ (1 + β ) [g/m²]
(16.7)
(16.8)
Bei dieser Bemessung ist zu beachten, dass die Schichtdicken der Normalverteilung nicht zu stark um die mittlere Schichtdicke streuen dürfen, da sonst die Genauigkeit des eigentlichen Ziels verfehlt wird. Mit den Gleichungen (16.7) und (16.8) wird daher noch die Variationszahl (Variationskoeffizient) verknüpft:
VSmit =
ssa [–] smit
(16.9)
Die Parameter zur Ermittlung der entsprechenden Verbrauchsmengen können aus Tabelle 16.4 entnommen werden. Sie entstammen einer wissenschaftlichen Arbeit [16.34], bei welcher an einer großen Anzahl von beschichteten Bauwerken Schichtdicken gemessen worden sind.
Druckwasserreaktor, OS DII, Acryldispersion (R)
Autobahnkappen, OS F a), Polyurethan (Z)
Parkhauszwischendecke, OS F a), Polyurethan (Z)
Parkhauszwischendecke, OS F b), Polyurethan (Z)
Waschbetonfassade, OS 2, Acrylat gelöst (R)
Kühlturm (alt) innen, OS 6, Epoxid gelöst (S)
Kühlturm (neu) innen, OS 6, Epoxid gelöst (S)
Industriefußboden, OS 8, Epoxid Lösemittelfrei (Z)
Schornsteinmündung, OS 9, Polyurethan (S)
(9)
(10)
(11)
(12)
(13)
(14)
(15)
(16)
(17)
1000
1000
300
160
100
3700
1500
1500
400
300
1800
80
200
95
80
200
130
29
7
2
55
1
6
13
0
3
4
5
0
2
0
0
3
6
Verifizierung der Vorgabe smin <smin [μm] [%]
1210
1653
378
156
163
4794
1683
3510
482
343
2302
127
362
271
136
254
194
smit [μm]
336
477
44
42
36
811
210
1231
63
33
349
21
97
46
26
39
59
ssa [μm]
0,28
0,29
0,12
0,27
0,22
0,17
0,12
0,35
0,13
0,09
0,15
0,16
0,27
0,17
0,19
0,15
0,30
VSmit [–]
659
871
306
87
104
3465
1338
1491
379
290
1730
93
204
195
94
190
98
smit [μm]
Errechnete Parameter
1111
1510
373
145
155
4660
1655
3132
474
340
2250
123
335
263
131
248
179
sdiff [μm]
(R): Applikation durch Rollen ˇ Schichtdickenmessung: Keilschnittverfahren (S): Applikation durch Airless-Spritzen ˇ Schichtdickenmessung: Keilschnittverfahren (Ausnahme: Objekt 17, dort Spanprobe + Mikrometerschraube (Z): Applikation durch Zahnkelle ˇ Schichtdickenmessung: Spanprobe + Mikrometerschraube
BETOGLASS Halbzeug, OS DI, Polymer-CM (S)
Sichtbetonfassade, OS DII, Acryldispersion (R)
(8)
Wasserturm, OS C, Acryldispersion (R)
(6)
(7)
Brückenüberbau, OS C, Acryldispersion (R)
Schornstein, OS C, Acrylat gelöst (R)
Kühlturm (neu) außen, OS B, PVC-Copolymer (R)
(3)
(5)
Kühlturm (alt) außen, OS B, PVC-Copolymer (R)
(2)
(4)
Fernstraßentunnel, OS B, Epoxiddispersion (R)
(1)
Untersuchte Bauobjekte
Tabelle 16.4 Schichtdickenparameter zur Bemessung von Beschichtungsdicken
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1015
1016
16 Oberflächenschutz
16.3.3 Maßnahmen im Vorfeld des Beschichtens Ein erfolgreicher Einsatz der unter Abschnitt 16.2.2 beschriebenen Beschichtungsstoffe erfordert stets, dass die zu schützende Oberfläche zuerst einer sachkundigen Diagnose mit Beurteilung ihres Zustandes unterzogen wird. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn der Anlass einer Beschichtungsmaßnahme ein zuvor aufgetretener Schaden am betreffenden Bauobjekt ist [16.35], das heißt der Ist-Zustand ermittelt und bewertet werden muss [16.36] oder wenn nach vorausgegangener witterungs- oder nutzungsbedingter partieller Erschöpfung des Leistungsvermögens eines bereits vorhandenen Schutzsystems dieses einer Bewertung bedarf. Auch wenn eine Schutzmaßnahme erstmalig auf junge Bauteile aufgebracht werden soll, sind Vorfeldbetrachtungen notwendig. Der Umfang der dazu notwendigen Erhebungen richtet sich nach der Größe des Objektes, dem generellen Zustand der Oberflächen und der Besonderheit der vorliegenden Bauteilmerkmale. Das Prüfen einer Baustoffoberfläche [16.36] [16.37] erfolgt zunächst durch Betrachten, wobei man bereits mit bloßem Auge schädliche Substanzen, mehlende und sandende Oberflächen, rissige Bereiche, grobporige Bezirke, schlecht haftende Schichten, Rost und Rostart, Bewuchs und vieles andere erkennen kann. Durch Wischen mit der Handfläche, durch Schneiden mit einer Stahlklinge, durch Bearbeiten mit Hammer und Meißel, durch Messen der Druckfestigkeit mit dem Betonprüfhammer und durch Ermittlung der Abreißfestigkeit über aufgeklebte Stahlstempel beim Beton kann festgestellt werden, ob der zu beschichtende Untergrund die erforderliche Festigkeit besitzt. Bei diesem Prüfen wird nicht eine Aussage über die Druck- oder Zugfestigkeit des eigentlichen Baustoffs angestrebt, sondern es soll festgestellt werden, ob die Oberfläche frei von losen Teilchen ist und die unmittelbare Randzone des Baustoffs diejenige qualitative Beschaffenheit aufweist, die sie braucht, um die vorgesehene Beschichtung tragen zu können. Zu beachten ist, dass mit steigender Dicke und mit zunehmender Härte der Beschichtung die Oberflächenfestigkeit des Baustoffes ebenfalls zunehmen sollte. Bild 16-20 zeigt schematisch den häufig anzutreffenden Festigkeitsverlauf zementgebundener Baustoffe zwischen Oberfläche und Kernzone, wobei die Randzone eine geringere Festigkeit aufweist. Dies liegt z. B. dann vor, wenn die Witterungsbeanspruchung, ein chemischer Angriff oder Frost- Tau- Wechsel auf die Oberfläche eingewirkt haben oder wenn Beton bzw. Putz unmittelbar nach der Herstellung nicht oder nur unzureichend nachbehandelt worden sind.
Bild 16-20 Oberflächenzone geringer Festigkeit als Folge von Wettereinwirkung, gestörter Erhärtung etc.
Zur Beantwortung der Frage, ob auf Betonoberflächen eine Beschichtung als Karbonatisationsbremse (siehe Abschnitt 16.3.2.1) erforderlich wird, sind messtechnisch entsprechende Daten zur Karbonatisationstiefe und zur Betondeckung der Bewehrung zu erheben [16.38].
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1017
Bei der Beurteilung von Rissen sind die Rissbreiten an der Oberfläche, die Korrosivität des umgebenden Klimas sowie die zu erwartende Rissbreitenänderung in Betracht zu ziehen. Mit welcher Charakteristik sich Risse bewegen, ergibt sich in der Regel aus dem Temperaturverlauf der Außenluft, dem Schwinden und Kriechen des Baustoffs und dem statischen System des Bauwerks [16.39]. Auch diese Daten sind zur Bemessung einer rissüberbrückenden Beschichtung (siehe Abschnitt 16.3.2.3) von wesentlicher Bedeutung. Sowohl bei den porösen Baustoffen [16.40] [16.41] [16.42], insbesondere aber bei geplanten Beschichtungen auf Holz [16.43] [16.44] kann im Vorfeld eine Feuchtemessung sinnvoll sein. Erfasst wird dabei meist nur die Randzone des Bauteils (mm bis cm Bereich) auf dessen Oberfläche eine Beschichtung ausgeführt werden soll. Wenn Metalloberflächen nach vorausgegangener Witterungsbeanspruchung zum Beschichten anstehen, müssen insbesondere Oxidationsschichten beurteilt werden. Rostschichten auf Stahloberflächen stehen oft in engem Zusammenhang mit ihrem klimatischen Umfeld und bedürfen ggf. einer besonderen Analyse [16.45].
16.3.4 Konstruktive Voraussetzungen zum Beschichten Der Oberflächenschutz witterungsbelasteter Bauteile kann durch konstruktive Maßnahmen deutlich beeinflusst werden. Wird dies bereits in der Planung berücksichtigt, können Dauerhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit nennenswert gesteigert werden. Bei der Gestaltung einer offenen Konstruktion oder einer Bauwerkshülle sollte z. B. durch konstruktive Maßnahmen eine Beregnung sensibler Flächen minimiert werden. Eine konsequente Abführung allen anfallenden Wassers sollte sichergestellt werden, was nicht nur für Regen und Schnee, sondern auch für Schlagregen sowie Spritzwasser gilt. Stehendes Wasser ist unbedingt zu vermeiden. Bild 16-21 zeigt schematisch wie man durch Abdeckungen, Tropfkanten, Gesimse, Aufkantungen, Dachvorsprünge, Rücksprünge den konstruktiven Schutz einer Fassade gestalten kann. Die scheinbar nutzlosen Gesimse, Felderaufteilungen, Vor- und Rücksprünge sowie die oft reichlich auskragenden Dachvorsprünge an älteren Bauwerken dienen genau diesem Zweck.
Bild 16-21 Fassadengestaltung als Schutz gegen Schlagregenbeanspruchung
In Mitteleuropa herrscht die Hauptwindrichtung Süd-West nach Nord-Ost vor. Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Beregnung von Fassaden und anderen vertikalen Bauteiloberflächen hauptsächlich aus Südwest auftrifft. Der Verschleiß von Oberflächen ist deshalb an
1018
16 Oberflächenschutz
Süd- und Westfassaden stets ausgeprägter als an Nordostseiten. Auch hier sollten konstruktive Rücksichtnahmen Anwendung finden um die Dauerhaftigkeit von Bauteiloberflächen zu optimieren. Das seitliche Eindringen sowie vertikale Aufsteigen von Wasser in erdberührende bzw. eingeerdete Bauteile ist durch Abdichtungsmaßnahmen zu unterbinden. Ebenso muss das rückwärtige Eindringen von Brauchwasser oder Niederschlagswasser in die Bauteile verhindert werden. Auch Kondenswasser im Bauteilinneren als Folge eines ungeeigneten Schichtenaufbaus der Bauteile oder die häufig zu Kondenswasser führende Luftdurchlässigkeit von Außenbauteilen von der Raumseite her kann den Oberflächenschutz nachteilig beeinflussen. Diese Aspekte sind bei porösen Baustoffen, insbesondere aber bei Holz, von großer Bedeutung. Bei metallischen Bauteilen, die wasser- und wasserdampfdicht sind, spielen sie keine oder nur eine geringe Rolle.
Bild 16-22 Korrosionsschutzgerechte Detailausbildung von Stahlkonstruktionen nach DIN EN ISO 12944-3
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1019
Für einen filmbildenden Oberflächenschutz sind scharfe Kanten oder Ecken sowie Risse im Baustoff schadensträchtig. Daher sind Kanten und Ecken auszurunden, wenigstens abzufasen und Rissbildung ist zu vermeiden bzw. die Risse sind unschädlich zu machen, soweit sie nicht durch rissüberbrückende Beschichtungen dauerhaft verschlossen werden können (Abschnitt 16.3.2.3). Die Konstruktionen müssen auch so gestaltet werden, dass die Oberflächen einwandfrei vorbereitet, mit den Oberflächenschutzmaßnahmen versehen und später kontrolliert werden können. Für Stahlbauwerke liegt hierfür ein sehr hilfreiches Regelwerk vor [16.46]. Bild 16-22 zeigt einen Ausschnitt daraus.
16.3.5 Vorbereitung und Vorbehandlung der Baustoffoberfläche Beschichtungen leisten nur dann den planmäßig vorgesehenen Sachwertschutz, wenn sie mit dem Untergrund einen permanenten Haftverbund eingehen (siehe Abschnitt 16.3.2.4), diesen beibehalten und wenn ihre Schicht möglichst gleichmäßig und ausreichend dick (siehe Abschnitt 16.3.2.5) und geschlossen ist. Dazu muss der zu beschichtende Untergrund in der als notwendig erkannten Weise vorbereitet werden, damit ein tragfähiger Untergrund geschaffen wird. Ggf. wird dann noch eine Vorbehandlung notwendig, um die Bauteilflächen in einen beschichtungsgerechten Zustand zu versetzen. Diese zwei Vorgänge sind streng voneinander zu trennen. Sie unterscheiden sich einerseits verfahrenstechnisch und haben andererseits verschiedene Zielsetzungen. Die zur Schaffung des tragfähigen Untergrundes möglichen Verfahren – man bezeichnet sie als Substanz-abtragend – fasst man per Definition unter dem Oberbegriff Untergrundvorbereitung zusammen [16.47]. Bild 16-23 veranschaulicht den Vorgang des Vorbereitens. Darunter fallen bereits so einfache Verfahren wie Abkehren, Staubsaugen oder Abblasen mit ölfreier Druckluft. Auch Waschen von Hand unter Verwendung von Bürsten oder Dampfstrahlgeräten, oder ein scharfer Wasserstrahl, können zur Entfernung von Schmutz und Staub ausreichend sein. Beim Waschen und Dampfstrahlen kann man dem Wasser Netzmittel, pilzoder algentötende (oxidierende) Mittel oder benetzende oder fettlösende Zusätze beifügen.
Bild 16-23 Vorbereitung der Bauteilfläche (abtragend) zur Schaffung eines tragfähigen Untergrundes
Abbürsten und Abschleifen wird vorgenommen, um dünne Schichten leicht haftender Teilchen von der Oberfläche zu entfernen und um ganz glatte Oberflächen aufzurauen. Dieses Ziel wird erreicht durch Abreiben mit Schleifpapier oder Schaumglas, durch maschinelles Bearbeiten mit der Schleifscheibe, dem Schwingschleifer, der Drahtbürste per Hand oder der maschinell betriebenen Topfdrahtbürste. Chemisches Reinigen von Metallen, Ziegelsteinen oder zementgebundenen Baustoffen, vorzugsweise mit Phosphorsäure, erfordert vorheriges gründliches Annässen und anschließendes gründliches Nachspülen und sollte auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Bei stark verunrei-
1020
16 Oberflächenschutz
nigten Betonflächen ist eine Säurebehandlung in Kombination mit Netzmitteln sehr wirkungsvoll, wegen der dabei entstehenden Nebenprodukte (meist lösliche Salze) jedoch nicht unproblematisch. Manchmal sind Reinigungspasten zweckmäßig, welche auf die Oberfläche aufgetragen und nach einer bestimmten Einwirkungszeit mit den aufgenommenen Verschmutzungen wieder abgewaschen werden. Die Verfahren: Klopfen, Stocken, Fräsen, Flammstrahlen, Trockenstrahlen, Feuchtstrahlen (beide mit festen Strahlmitteln) Hochdruck-Wasserstrahlen usw. verursachen bei mineralischen Baustoffen einen nennenswerten Substanzabtrag an der Baustoffoberfläche, und hinterlassen unterschiedliche und z.T. unerwünscht grobe Rauheiten. Bei den metallischen Baustoffen wird durch Trockenstrahlen mit festem Strahlmittel nicht nur die Oberfläche von Rost und anderen verbundschwächenden Schichten befreit, sondern auch eine für das Haften von Beschichtungen erforderliche Rauheit erzeugt [16.48] [16.49]. Um instabile Schichten größerer Dicke abzuschlagen, werden Hammer und Meißel, Stockhämmer und maschinenbetriebene Fräsen eingesetzt. Das Fräsen wird in der Regel auf horizontalen Flächen angewandt, ist mit entsprechenden Geräten jedoch auch an vertikalen Flächen möglich.
Flammstrahlen von Naturstein oder Beton [16.50] mit Acetylenbrennern bringt eine Oberflächenschicht relativ konstanter Dicke von max. etwa 4 mm infolge thermischer Ausdehnung zum Abplatzen. Die Staubentwicklung ist gering, die Geräuschbelästigung hält sich in ertragbaren Grenzen. Die Oberfläche muss nach dem Flammstrahlen gründlich gebürstet werden, um Ruß, Schmelzgut, Spritzgut und gelockerte Teilchen zu entfernen. Bei Stahlflächen ist ebenfalls ein gründliches Bürsten nach dem Flammstrahlen erforderlich. Sowohl bei den mineralischen Baustoffen als auch auf Stahlflächen schafft das anschließende Trockenstrahlen mit festem Strahlmittel die besten Voraussetzungen für den erforderlichen Haftverbund mit der Beschichtung. Beim Hochdruckwasserstrahlen von Bauteiloberflächen müssen die Pumpendrücke schon mehrere 100 bar betragen, damit z. B. auf Beton eine akzeptable Wirkung erzielt wird. Von Hand sind derartige Geräte dann nur schwer beherrschbar. Für größere Flächen sind seilgeführte, ferngesteuerte Anlagen unter Anwendung hoher Strahldrücke wirtschaftlich anwendbar (siehe Bild 16-24).
Bild 16-24 Seilgeführte, ferngesteuerte Hochdruckwasserstrahlanlage
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1021
Das Druckluft-Trockenstrahlen mit festem Strahlmittel (Stahlkorn, Schlacke, Korund oder Quarzsand) ist das am meisten eingesetzte und gleichzeitig effektivste Verfahren zur Untergrundvorbereitung [16.51] [16.52] [16.48] [16.53] [16.54] [16.55] [16.56] [16.57] [18.58] [19.59]. Auch dieses Verfahren kann von Hand oder ferngesteuert angewendet werden. Die Intensität des Strahlens ist sehr weit variierbar, und zwar vom leichten Überblasen (sweepen) bis zum gründlichen Abstrahlen, was beim Beton bis zur Erreichung einer waschbetonähnlichen Struktur führen kann. Die Intensität des Abtragens ist außerdem noch von der Härte und der Form des verwendeten Strahlmittels abhängig. Das Trockenstrahlen hat stets eine Staubentwicklung zur Folge. Deshalb wird der zu strahlende Bereich in der Regel eingehaust, um den entstehenden Staub auf den Entstehungsort begrenzt zu halten. An Bodenflächen von Stahl und Beton hat sich seit Jahren das so genannte Kugelstrahlverfahren bewährt. Das Strahlmittel wird mit einem Schleuderrad und hoher kinetischer Energie auf die zu bearbeitende Oberfläche transportiert. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es, verglichen mit dem Druckluftstrahlen unter Verwendung fester Strahlmittel, bei vergleichbarer Effizienz bezüglich des Substanzabtrages, umfeldschonend ist und das Strahlmittel recycelt werden kann. Dieses Verfahren ist analog auch für vertikale Flächen verfügbar. Zum Schutz bzw. zur Schonung von Arbeitspersonal und Umfeld wurde das Feuchtstrahlen [16.60] [16.61] entwickelt. Dabei wird das feste Strahlmittel dosiert befeuchtet, so dass wenigstens 95 % der lungengängigen Stäube gebunden werden. Die abtragende Wirkung ist mit der des Trockenstrahlverfahrens vergleichbar. Bei diesen und den davon abgeleiteten, ähnlich wirkenden Kombi-Strahlverfahren „backen“ die festen Strahlmittel z.T. an der vorbereiteten Fläche an. Es wird deshalb meist ein anschließendes Spülen mit reinem Wasser erforderlich. Für Stahlflächen ergibt sich daraus, dass sich in der Zeit zwischen dem Strahlen und dem Abtrocknen des Wassers eine dünne Flugrostschicht bildet, was die Erzielung des Vorbereitungsgrades Sa 2 1/2 [16.51] deshalb nicht ermöglicht. Die umfassendste Regelung zur Untergrundvorbereitung liegt im Bereich Korrosionsschutz von Stahlbauteilen vor [16.62]. Verzinkte Stahlbauteile [16.63] werden vor dem Beschichten am wirkungsvollsten durch eine amoniakalische Wäsche (Entfernung von Fett und Zinksalzen) vorbereitet. Die Untergrundvorbereitung muss stets auf der Basis einer Voruntersuchung erfolgen (siehe Abschnitt 16.3.3). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass z. B. Sichtbeton und Putzflächen an Fassaden sowohl fertigungsbedingt, aber auch expositionsbedingt örtlich unterschiedliche Beschaffenheiten aufweisen können. Bild 16-25 zeigt die Schlagregenbeanspruchung im Profil als Funktion der Höhe eines in freier Südwestlage befindlichen Gebäudes. Durch die Zunahme der Regenbeaufschlagung mit der Gebäudehöhe und gestützt durch die meist intensivere Sonneneinstrahlung in den größeren Höhen von Fassaden tritt sowohl bei beschichteten als auch bei unbeschichteten Flächen zu größeren Gebäudehöhen hin eine stärkere Verwitterung auf.
1022
16 Oberflächenschutz
Bild 16-25 Schlagregenprofil an der Südwestfassade eines freistehenden Gebäudes
Diese Erkenntnis zeigt, dass eine Untergrundvorbereitung insbesondere und dann ggf. wesentlich intensiver dort vorzunehmen ist, wo die Tragfähigkeit für ein Oberflächenschutzsystem, z. B. durch vorausgegangene Beanspruchung am stärksten geschwächt ist. Bereits der Planer einer Oberflächenschutzmaßnahme hat dies bei der Ausschreibung zu berücksichtigen. Hinweise für die Wahl der richtigen Vorbereitungsmaßnahmen gibt Tabelle 16.5. Bei den porösen Baustoffen liegt in der Regel nach einer ordnungsgemäßen Untergrundvorbereitung eine feinraue bis leicht zerklüftete Struktur vor. Der für eine optimale Filmbildung (siehe auch Abschnitt 16.4) zwingend notwendige beschichtungsgerechte Untergrund wird vor dem Beschichten durch die Applikation egalisierender, auf die jeweiligen Untergründe abgestimmter Spachtelschichten hergestellt. Auf Betonflächen werden hierzu die in [16.24] näher beschriebenen, kunststoffvergüteten Zementmörtel/Feinspachtel eingesetzt. Diesen Substanz-auftragenden Vorgang bezeichnet man als Untergrundvorbehandlung [16.47]. Bild 16-26 zeigt schematisch den Vorgang des Vorbehandelns und grenzt ihn anschaulich gegen das in Bild 16-23 dargestellte Vorbereiten ab. Bild 16-27 veranschaulicht die Wirkung einer Vorbehandlungsmaßnahme auf einer wenige Wochen alten Betonbauteiloberfläche nach vorausgegangener Vorbereitung durch Hochdruckwasserstrahlen (linke Hälfte). Nach einem Spachtelvorgang unter Verwendung eines PCC-Feinmörtels [16.24] ist der Untergrund beschichtungsgerecht hergestellt (rechte Hälfte).
1023
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz Tabelle 16.5 Hinweise für die Wahl des Verfahrens zur Untergrundvorbereitung Vorbereitungsmaßnahme
Art des Untergrundes
Geometrie des Untergrundes große geschlossene
filigrane
kleine
Stahl
mineralisch
Fläche
Teile
Flächen
+
+
+
(+)
(+)
(+)
+
+
–
–
Flammstrahlen
+
+
+
–
–
Fräsen
–
+
+
–
–
Maschinelles Schleifen und Bürsten (rotierend)
+
+
+
–
+
Dampf (Wasser) strahlen
–
+
+
–
–
Drahtbürste per Hand
+
+
–
+
+
Schleifpapier per Hand
+
+
–
+
+
Trockenstrahlen mit festem Strahlmittel Feucht (Wasser) strahlen
+ empfehlenswert; – nicht empfehlenswert, (+) mit Einschränkung empfehlenswert
Bild 16-26 Vorbehandeln der Bauteilfläche (auftragend) zur Schaffung eines beschichtungsgerechten Untergrundes
Bild 16-27 Durch Untergrundvorbehandlung beschichtungsgerecht hergestellte Betonbauteiloberfläche (rechte Bildhälfte)
1024
16 Oberflächenschutz
Bild 16-28 Pin holes in einer Untergrundvorbehandlung (PCC-Egalisierungsschicht)
Durch eine solche Vorbehandlungsmaßnahme ist neben der Ebenheit, man spricht in diesem Zusammenhang auch von „feinrau-verrundet“, auf die Geschlossenheit der Oberfläche zu achten. Gelegentlich treten sogenannte pin holes auf, wie sie auf Bild 16-28 zu sehen sind. Dabei handelt es sich um Löcher mit kreisrundem Querschnitt, die stets von Poren im Untergrund ausgehen. Diese pin holes entstehen im Status Nascendi, d. h. zwischen dem Applizieren und dem Erhärten des PCC-Feinmörtels. Dabei können pro Quadratmeter ohne weiteres 100 Löcher mit Durchmessern von 1 bis 3 mm entstehen. Werden diese Löcher belassen, können bei der Applikation von wässrigen bzw. Lösemittel-basierten Polymerbeschichtungen, wiederum im Status Nascendi, Bläschen entstehen, die z.T. aufplatzen oder im erhärteten Zustand aufbrechen [16.30]. In jedem Fall verbleibt eine Fehl- oder Schwachstelle im Oberflächenschutzsystem. Bild 16-29 zeigt ausschnittsweise ein solches Blasennest. Jedes Bläschen ist über einem Loch mit kleinem Durchmesser entstanden. Solche Fehlstellen gilt es in jedem Fall zu vermeiden. Das kann jedoch nur gelingen, wenn die Ursache der Entstehung solcher pin holes bzw. der pin blisters bekannt ist. In beiden Fällen geht sie auf identische Vorgänge im Untergrund zurück. Eine der häufigsten Fehleinschätzungen für die Entstehung ist die Annahme, dass nach der Applikation von PCC-Feinmörtel (Bild 16-28) bzw. nach Aufbringen einer Polymerbeschichtung (Bild 16-29) eine Bauteilerwärmung stattfinde, z. B. zu Beginn eines Arbeitstages, und dass parallel dazu in Poren unterhalb des jeweils aufgetragenen Materials sich eingeschlossenes Gas (Luft) ebenfalls erwärme. Mit der Erwärmung käme es dann zum Druckanstieg in der Pore und zur Bläschenbildung in der Beschichtung (Bild 16-29) bzw. zur Entstehung eines pin holes im PCC-Feinmörtel (Bild 16-28).
16.3 Anwendungsvoraussetzungen für Oberflächenschutz
1025
Bild 16-29 Pin blisters in einer Polymerbeschichtung ohne PCC-Egalisierungsschicht
Dass ein Druckanstieg im Porenraum zur Bläschenbildung bzw. zum pin hole führt ist richtig, dass dies auf die Bauteilerwärmung und somit auf einen Temperaturanstieg während der Flüssigphase des Materials im Porenraum zurück geht ist falsch. Nachweislich treten diese Erscheinungen auch an beschatteten Bauteiloberflächen und auch in Zeiträumen ohne Temperaturänderung der angrenzenden Luft auf. Selbst wenn zu Beginn eines Tages die Lufttemperatur ansteigt, setzt wegen der Massigkeit des Betonbauteils keine spontane Bauteilerwärmung ein. Temperaturerhöhungen von 1 bis 2 °C stellen sich in Porenräumen nicht im Minutentakt, sondern erst nach mehreren Stunden ein. Beobachtungen während der Ausführungsphase haben ergeben, dass pin holes bzw. pin blisters in der Zeitgrößenordnung von Minuten nach der Applikation entstehen und nicht erst nach Stunden. Wenn solche Abläufe bekannt sind, ist auch klar, dass es nicht hilfreich ist, die Applikation in die Phase des Temperaturabfalls gegen Ende eines Arbeitstages zu verlegen, wie dies u.a. auch in Technischen Merkblättern von Werkstoffherstellern empfohlen wird. Tatsächlich steht die Bildung von pin holes und pin blisters im Zusammenhang mit Druckerhöhungen in gasgefüllten Porenräumen, welche nach der Applikation von Materialien mit verdampfbaren Anteilen entstehen und isochor, d.h. volumenkonstant eingeschlossen werden. Die Erklärung dieses Vorgangs kann aus Bild 16-30, der Darstellung der sogenannten Sattdampfdruckkurve von Wasser, abgeleitet werden: Mit dem Symbol wird die relative Luftfeuchte dargestellt. Bei 20 °C kann Luft pro m³ maximal 17,3 g Wasser in Dampfform aufnehmen. Diese Konzentration wird mit dem Symbol cs erfasst. Daraus folgt z. B., dass Luft, die bei 20 °C nur 8,65 g Wasserdampf pro m³ enthält, eine relative Feuchte von 0,5 oder 50 % besitzt.
1026
16 Oberflächenschutz
Bild 16-30 Sattdampfdruckkurve von Wasser (Sättigungsfeuchte der Luft als Funktion der Lufttemperatur) als Ursache für pin holes / pin blisters
Dieses Verhältnis zweier Konzentrationen kann auch als Verhältnis zweier Drücke formuliert werden, wenn man sich vorstellt, dass das Wasser in Dampfform unter dem Einfluss der Erdanziehung einen Druck auf die Erdoberfläche ausübt. Weil es sich dabei nur um einen Teil des Gases in der Erdhülle handelt, welches Druck ausübt, spricht man vom Partialdruck. In dieser Konsequenz hat die Konzentration cs = 17,3 g/m³ einen anteiligen Druck von ps = 0,0234 bar. Analog dazu lassen sich die Zusammenhänge zwischen Konzentration von Wasserdampf in Luft sowie den Teildrücken aus der Sattdampfdruckkurve ableiten. Unter baupraktischen Bedingungen stellt sich ein Druckaufbau in der Randzone des Betonuntergrundes wie folgt ein: Das poröse Bauteil habe eine Temperatur von 20 °C und nach den obigen Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass diese Temperatur über Stunden praktisch gleich bleibt. Wenn unter den klimatischen Randbedingungen in der Pore eine relative Luftfeuchte von 0 % vorläge, würde nach Applikation des PCC-Feinmörtels in diese Pore hinein Wasser verdampfen, bis sich in der Porenluft eine Wasserdampfkonzentration von 17,3 g/m³ einstellt. Unter der weiteren Annahme, dass weder Luft noch Wasserdampf entweichen können, weil die Pore geschlossen ist, baut sich ein Überdruck auf, der maximal 0,0234 bar betragen kann. Wenn der Überdruck größer wird als der Verformungswiderstand der noch flüssigen PCC-Schicht, wird diese vom Gas der Pore (Luft + Wasserdampf) durchbrochen und das Ergebnis ist ein pin hole. Wenn bereits eine Anfangsfeuchte im Porenraum vorliegt, vermindert sich nach der Applikation der Zuwachs der Konzentration an Wasserdampf entsprechend und somit auch der Zuwachs an Überdruck, der ein pin hole erzwingen kann. Wenn im randnahen Porenraum ein hoher Feuchtigkeitsgehalt oder gar Flüssigwasser aus dem Vornässen vorliegt, wird nach dem Verschließen der Poren und dem Verdampfen des Wassers relativ schnell der Sättigungsdampfdruck erreicht, was die pin hole Bildung weiter befördert.
16.4 Anwendung der Beschichtungswerkstoffe
1027
Thermodynamisch nimmt die Aktivität der Wassermoleküle, die vom flüssigen in den dampfförmigen Zustand übergehen, mit der Temperatur nicht linear, sondern überproportional zu. Dieses Verhalten wird in Bild 16-30 durch die nach oben gekrümmte Kurve dargestellt. Daraus folgt, dass mit Zunahme der Bauteiltemperatur und somit auch der Luft in den Poren die Überdrücke überproportional ansteigen und die Bildung von pin holes entsprechend zunehmen. Dabei ist zu beachten, dass dieser Vorgang nur für ein gewisses Zeitfenster gilt, in welchem der PCC-Feinmörtel eine bestimmte Konsistenz (niedriger Verformungswiderstand) aufweist. Auch für dieses Zeitfenster gilt, dass die erhöhte Temperatur praktisch konstant bleibt. Aus der Gesetzmäßigkeit der Aktivität der Wassermoleküle erkennt man weiterhin, dass die Gefahr der Entstehung von pin holes bzw. von pin blisters bei höheren Temperaturniveaus des Bauteils (überproportional) höher ist, während sie bei niedrigen Temperaturniveaus entsprechend geringer ist. Daraus folgt, dass bei der Ausführung von Egalisierungs- und Beschichtungsmaßnahmen im Frühjahr bzw. im Herbst weniger mit diesen Störerscheinungen zu rechnen ist als im Sommer. Die beschriebenen Vorgänge gelten im Prinzip für alle vergleichbaren Werkstoffe mit verdampfbaren Anteilen, also auch für Polymerbeschichtungsstoffe mit Lösemitteln oder temporär niedermolekularen Ausgangsstoffen. Analog zum Wasser besitzen auch diese Stoffe temperaturbezogen, thermodynamische Aktivitäten, die stoffcharakterisierend als Sattdampfdrücke oder Sattdampfdruckkurven dargestellt werden können. Der Schlüssel zur Vermeidung von pin holes / pin blisters liegt jedoch in der Beschaffenheit der Werkstoffe und deren Anwendung. Unter den meisten Voraussetzungen ist es nicht akzeptabel, Beschichtungsstoffe auf Betonuntergründe mit stark poriger Oberfläche zu applizieren, wie z. B. auf Bild 16-27 gezeigt. Betonuntergründe sollten vor einer Egalisierungsmaßnahme stets im Hochdruckwasserstrahl- bzw. im Druckluftstrahlverfahren mit festem Strahlmittel vorbereitet werden, um die Poren der Betonrandzone zu öffnen. Nur dann sind sie zugänglich für Egalisierungsfeinmörtel. Des Weiteren entscheiden Konsistenz und Anwendungsverfahren des PCC-Feinmörtels darüber, ob es gelingt, eine ausreichend verdichtete Feinmörtelschicht zu schaffen, deren Verformungswiderstand auch im Anfangsstadium ausreichend groß ist, um dem oben beschriebenen Sattdampfdruck des eingeschlossenen Wasserdampfs zu widerstehen. Zu flüssige PCC-Feinmörtel, die gespritzt und manuell nicht mehr nachverdichtet werden, verhalten sich ungünstiger als steifere PCC-Feinmörtel, die händisch appliziert und durch Scheiben geglättet und dabei weiter verdichtet werden.
16.4 Anwendung der Beschichtungswerkstoffe Überwiegend müssen Beschichtungen im Bauwesen am Bauwerk vorgenommen werden. Lediglich ein geringer Anteil erfolgt durch Vorfertigung in einen Werk. Dies bedingt, dass Verfahrenstechniken an die Verhältnisse der Baustelle angepasst werden müssen, wenngleich die Beschichtung werksmäßig manchmal rationeller und auch in besserer Qualität herstellbar wäre (witterungsunabhängig, besserer Organisationsgrad etc.). Für das Aufbringen, auch Applizieren der Beschichtungsstoffe auf die Baustoffoberfläche stehen einerseits einfache handwerkliche Geräte zur Verfügung, wie Pinsel und Rolle, und andererseits maschinenbe-
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triebene Anlagen, wie Spritzgeräte, Gießmaschinen oder Flutgeräte. Welche Geräte mit dem größten Nutzen eingesetzt werden können, wird neben den Gerätekosten vorzugsweise von den Umfeldbedingungen, dem Materialverlust, der Flächenleistung, der gleichmäßigen und ausreichend hohen Schichtdicke oder der Intensität der Benetzung der Haftfläche bestimmt. Auch erlauben manche Werkstoffe nur den Einsatz bestimmter Verarbeitungsgeräte. Das älteste Werkzeug zum Beschichten ist der Pinsel bzw. die Bürste. Das Borstenbündel ist eine Art Vorratsbehälter für den Beschichtungsstoff, der beim Bestreichen der Oberfläche durch Scherkräfte und Kapillarkräfte das flüssige Beschichtungsmaterial an die Baustoffoberfläche abgibt. Für kleinere Flächen und für die erste Lage einer mehrlagigen Beschichtung kann der Pinselauftrag vorteilhaft sein, da die Arbeitsweise eines Pinsels eine bessere Benetzung der Baustoffoberfläche mit dem Beschichtungsstoff verspricht als z. B. der Spritz- oder Rollenauftrag. Auch werden mit dem Pinsel ungünstige Oberflächengeometrien besser erreicht. Je nach Verlaufsvermögen des Beschichtungsstoffes verbleibt an der fertigen Beschichtung ein Pinselstrichmuster.
Bild 16-31 Beschichtete Bauteiloberflächen, abhängig vom Beschichtungswerkzeug, links: Pinselstriche, rechts: Orangenschalenstruktur
Sehr weit verbreitet bei den manuellen Verfahren ist die Rolle. Auf der walzenförmigen Oberfläche ist ein Natur- bzw. Kunstfaserflor oder ein offenporiger Schaumstoff aufgespannt. Durch Eintauchen in den flüssigen Beschichtungsstoff wird darin zunächst das Beschichtungsmaterial gespeichert. Statt durch Bestreichen wird das Beschichtungsmaterial dann durch Abrollen auf die Bauteiloberfläche übertragen. Der Kraftaufwand ist beim Rollenauftrag – bezogen auf die Applikationsfläche – geringer als beim Pinselauftrag, da die Rolle wie ein Rad über die Oberfläche geführt werden kann. Für die Großflächenapplikation bietet die
16.4 Anwendung der Beschichtungswerkstoffe
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so genannte „Airlessrolle“ mehrere Vorteile. Der Beschichtungsstoff wird dabei nicht durch Eintauchen der Rolle sondern über einen Schlauch von der „Airlesspumpe“ in den Flor der Rolle transportiert. Durch das Einsparen von Muskelkraft und Zeit kann mit diesem Verfahren bei sonst weitgehend gleichbleibendem Beschichtungsergebnis eine höhere Flächenleistung erzielt werden. Das Charakteristikum der durch Rollen hergestellten Beschichtung ist der Orangenschaleneffekt an der Oberfläche, welcher durch die Art des Flors der Rolle abhängig vom Verlaufsvermögen des Beschichtungsstoffes und auch vom handwerklichen Geschick des Verarbeiters geprägt wird. Bild 16-31 zeigt die prinzipiell unterschiedliche Oberflächenstruktur einer gestrichenen und einer gerollten Bauteiloberfläche. Die Bilder zeigen den Regelfall, dass nämlich mit Pinsel oder Bürste gleichmäßigere Schichtdicken erzielt werden als mit der Rolle, wenngleich die Struktur der Rollenapplikation ein visuell ansprechenderes Erscheinungsbild hinterlässt. Mit Spritzgeräten wird der Beschichtungsstoff aus einer Distanz von 20 bis 40 cm auf eine Bauteiloberfläche gesprüht. Beim Druckluftspritzen transportiert ein von der Spritzdüse geformter Druckluftstrahl darin verteilte Tröpfchen des Beschichtungsstoffes auf das Objekt. Da die Bauteiloberfläche die Druckluft nicht aufnehmen kann, wird der Druckluftstrahl unmittelbar vor der zu beschichtenden Oberfläche seitlich abgelenkt. Der größte Teil der Tröpfchen gelangt wegen der Massenträgheit dennoch auf das Objekt und bildet dort den Beschichtungsfilm. Ein kleiner aber merklicher Anteil der Tröpfchen wird jedoch von dem abgelenkten Druckluftstrahl seitlich weggerissen. Der dadurch verursachte Spritzverlust (er kann im Freien durch Windeinwirkung noch verstärkt werden) kann zu einer unerwünschten Umfeldkontamination und zu unerwünscht hohem Materialverlust führen (siehe Schichtdickenparameter α in Abschnitt 16.3.2.5). Beim so genannten Airless-Spritzen wird nur der Beschichtungsstoff und dieser mit sehr hohem hydraulischem Druck auf das zu beschichtende Objekt transportiert. Die Art der verwendeten Düse bestimmt die Form des Spritzbildes und die Menge des versprühten Beschichtungsmaterials. Die Spritznebelbildung ist wegen des fehlenden Druckluftstroms deutlich geringer als beim Druckluftspritzen. Ein weiterer Vorteil des Airlessverfahrens liegt in seiner größeren Flächenleistung. Daher hat sich das Airless-Spritzen gegenüber dem Druckluftspritzen weitgehend durchgesetzt. Mit beiden Spritzverfahren können Beschichtungen mit den geringsten Schichtdickenschwankungen und den gleichmäßigsten Oberflächen erzielt werden. Bei beiden Arten des Spritzauftrages wird – falls vorhanden – Lösemittel oder Wasser vom Beschichtungsstoff an die Luft abgegeben, wenn die Stofftröpfchen von der Düse zur Bauteiloberfläche fliegen. Spritznebel und Lösemittelanteile sollten durch Einhausungen an ihrer Ausbreitung gehindert werden. Bei der Applikation größerer, zusammenhängender Flächen kann der Vorgang aus filterbestückten, über das Objekt geführten Kabinen vorgenommen werden. Dadurch wird ein wesentlicher Beitrag zum Schutz des Arbeitspersonals und zur Schonung des Umfeldes geleistet. Genügend kleine Stückgutteile können auch getaucht werden. Beim Eintauchen in den flüssigen Beschichtungsstoff ist ein gutes Auskleiden aller Ritzen, Spalte, Löcher usw. möglich. Man benötigt zum Tauchen entsprechend große Behälter mit Umwälzpumpen, damit der Beschichtungsstoff homogen bleibt. Bei diesem Verfahren muss andererseits eine relativ große Beschichtungsstoffmenge vorgehalten werden, weshalb das Tauchen nur zum Einsatz kommt, wenn große Serien gleichartiger Bauteile zu behandeln sind.
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Bild 16-32 Aufgießen des Beschichtungsstoffes und Verteilung mit einer Zahnkelle zur Erzielung der vorgegebenen Schichtdicke
16 Oberflächenschutz
Bild 16-33 Einsatz eines Einbaufertigers zur Beschichtung großer, zusammenhängender Bodenflächen
Beim sog. Fluten wird der Beschichtungsstoff aus einem Schlauch mit schwachem Druck auf die Bauteiloberfläche geleitet, so dass er als ein Flüssigkeitsschleier der Schwerkraft folgend über die Oberfläche abläuft. Dadurch wird der Bauteiloberfläche für eine gewisse Zeit flüssiges Beschichtungsmaterial angeboten, welches der poröse Baustoff kapillar aufsaugen oder adhäsiv an seine Oberfläche binden kann. Das Fluten wird vor allem beim Aufbringen von niedrigviskosen hydrophobierenden Imprägniermitteln (siehe Abschnitt 16.2.2) auf Fassaden angewendet. Bei Fußbodenflächen bietet sich wegen der horizontalen Lage das Gießverfahren an. Es kann manuell erfolgen, indem der Beschichtungsstoff ausgegossen und mittels Zahnkellen, Schiebern oder mit Rollen verteilt wird. Bild 16-32 veranschaulicht diesen Vorgang. Das Gießen kann auch mit so genannten Einbaufertigern [16.64] erfolgen. Bild 16-33 zeigt, wie der auf dem Gießfahrzeug transportierte Beschichtungsstoff über Leiteinrichtungen zu einer am Heck angeordneten Zahnrakel geführt und dort verteilt wird. Voraussetzung für den Einsatz des Einbaufertigers ist das Vorliegen einer großen zusammenhängenden Fläche. Die im Gießverfahren zu verarbeitenden Beschichtungsstoffe müssen außerdem über besondere Verlaufseigenschaften verfügen. Bei dickschichtigem Auftrag (> 1 mm) ist im unmittelbaren Nachgang eine Entlüftung mit der Stachelwalze erforderlich, weil die Gefahr besteht, dass die beim Applizieren „eingearbeiteten“ Luftbläschen von allein den Weg zur Oberfläche nicht finden. Die Spritzapplikation mit elektrostatischer Unterstützung kann als besonders umfeldschonend angesehen werden. Voraussetzungen sind eine Großflächenanwendung und ein optimal vorbehandelter (egalisierter) Untergrund. Bild 16-34 zeigt die Anwendung dieses Verfahrens an der Außenseite der Stahlbetonschale (ca. 30 000 m²) eines Naturzugkühlturms. Bezüglich der Häufigkeit der Anwendung im praktischen Bautenschutz steht der Rollenauftrag an erster Stelle, gefolgt vom Airless-Spritzen und dem Pinselauftrag. Gießen, Tauchen und Fluten sind auf spezielle Objektflächen bzw. Stoffsysteme beschränkt. Hinweise zur Wahl der optimalen Applikationsmethode enthält Tabelle 16.6.
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16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung
Bild 16-34 Elektrostatische Unterstützung der Spritzapplikation von Beschichtungsstoffen; dadurch minimale Umfeldbelastung
Tabelle 16.6 Hinweise für die Wahl der Applikationsmethode Applikationsverfahren
FlächenLeistung
Materialverlust Umfeldbelastung
Benetzung der Haftfläche
Gleichmäßigkeit der Schichtdicke
Schichtdicke pro Arbeitsgang
Airless-Spritzen
++
-
+
++
++
Druckluftspritzen
+
––
(+)
+
+
Elektrostat. Spritzen
+
++
(+)
+
+
Rollen
+
+
+
––
+
Streichen
-
+
++
-
+
Fluten
+
+
±
-
Tauchen
+
+
±
-
Gießen + Zahnkelle
++
+
+
+
++
++ sehr positive Bewertung; – – sehr negative Bewertung
16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung 16.5.1 Holz und Holzwerkstoffe Für den Oberflächenschutz von wetterbelastetem Holz ist die Maßhaltigkeit des betreffenden Bauteiles ein wichtiges Kriterium: Fenster und Türen sind maßhaltig, da die betreffenden Holzquerschnitte relativ klein und allseitig schützbar sind sowie aus ausgesuchtem Holz gefertigt werden [16.65]. Daher sind Rissbildungen und merkliche Formänderungen nicht zu erwarten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, dass ein filmbildender Oberflächenschutz gute Aussichten für eine lange Nutzungsdauer hat.
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16 Oberflächenschutz
Als nicht maßhaltige Holzbauteile gelten Tragkonstruktionen wie Fachwerk, Dachstühle, Holzbinder, ferner Außenwandbekleidungen, Schalungen, Schindeln, Zäune usw. Bei solchen Bauteilen sind Trockenrisse, Schwindverkürzungen und Wölbungen zu erwarten. Dieses „Arbeiten“ des Holzes bedingt immer auch, dass eine Beschichtung lückenhaft sein wird. Hier ist der Schutz vor allem durch Imprägnierungen zu erreichen. Diese können durch Holzanstriche ergänzt werden. Ein weiteres wichtiges Kriterium ergibt sich daraus, ob tragende oder nicht tragende Bauteile vorliegen: Tragende Bauteile, die fast ausschließlich aus europäischen Nadelhölzern hergestellt werden, sind mit einem imprägnierenden Holzschutz [16.66] zu versehen, dessen Wirksamkeit und gesundheitliche Unbedenklichkeit bei bestimmungsgemäßer Anwendung nachgewiesen sein muss. In diesem Sinne sind gegen Insektenbefall vorbeugende Schutzmittel notwendig, wenn die Holzfeuchte 10 M.-% übersteigt. Diese Materialfeuchte steht im Gleichgewicht mit etwa 60 % relativer Feuchte der Umgebungsluft. Sofern die betreffenden Holzteile für Insekten nicht zugänglich sind, oder, wie in bewohnten Gebäuden, überall gut kontrolliert werden können, kann er entfallen. Gegen Pilzbefall sind vorbeugende Schutzmittel notwendig, wenn die Holzfeuchte immer wieder mehrere Tage lang 20 M.-% übersteigt, und wenn Frischholz nur langsam austrocknen kann. 20 M.-% Holzfeuchte stehen im Gleichgewicht zu etwa 90 % relativer Feuchte der Umgebungsluft. Gegen Moderfäule wirksame Schutzmittel sind bei Dauerfeuchte oder ständigem Erdkontakt notwendig. Grundsätzlich gilt jedoch, dass so viel konstruktiver Holzschutz wie möglich und so wenig chemischer Holzschutz wie eben nötig betrieben werden soll. Auch bei nicht tragenden Teilen ist chemischer Holzschutz aus Gründen der Dauerhaftigkeit oft genauso sinnvoll wie bei tragenden, er ist aber bauaufsichtlich nicht vorgeschrieben und muss vom Auftraggeber ausdrücklich verlangt werden. Im Sinne der Vermeidung chemischer Schutzmittel gewinnt eine kontrollierte und begrenzte Holzfeuchte bei Transport und Einbau sowie auf Dauer am Einsatzort von Hölzern an Bedeutung. Wetterbelastetes, jedoch vor Regen weitgehend geschütztes, nicht oberflächenbehandeltes Holz vergilbt und vergraut und wird an der Oberfläche langsam abgebaut [16.67]. Der Dickenabtrag ist dabei so gering, dass er als unschädliche, natürliche Erscheinung angesehen werden kann. Holz ist ein relativ weiches Material (abgesehen von wenigen, selten gebrauchten Harthölzern) und sollte nur mit spannungsarmen Beschichtungen versehen werden. Als feinporiger Baustoff kann es mehr oder weniger Wasser enthalten. Hohe Wassergehalte sind hinderlich für das Eindringen von Imprägniermitteln und das Haften von Beschichtungen. Die heute vorherrschenden, wasserverdünnbaren Schutzmittel sind beim Applizieren aber besser feuchteverträglich als lösemittelhaltige Produkte. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass die so genannte Holzfeuchte unterschätzt wird: Das Benetzungsverhalten des Beschichtungsstoffes auf der Holzoberfläche wird durch zu feuchtes Holz ebenso gestört wie die Verfilmung bzw. Verfestigung zur Beschichtung. Der Oberflächenschutz maßhaltiger Holzbauteile wird durch lasierende und/oder deckende Beschichtungen bewirkt, wobei der Schichtaufbau in der Regel wie folgt aussieht:
16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung
1033
Grundbeschichtung 1 oder 2 Zwischenbeschichtungen Deckbeschichtung Die Grundbeschichtung soll die Saugfähigkeit des Holzuntergrundes wegnehmen und gleichzeitig den Haftverbund zu den folgenden Schichten sicherstellen. Die Zwischen- und Deckschichten bilden die Barriere, welche das Holz vor den äußeren Einwirkungen schützt. Aufgrund ihrer Oberflächenspannung neigen Beschichtungsstoffe zur so genannten Kantenflucht. Ecken und Kanten von Holzbauteilen sollten deshalb gerundet sein, damit sich auch dort eine geschlossene und gleichmäßig dicke Beschichtung ausbildet. Sowohl bei den Lasuren als auch bei den deckenden Beschichtungen haben sich wässrig basierte Materialien, meist auf Acrylatbasis, gut bewährt, weil das genannte Bindemittel hervorragend wetterbeständig ist, die Beschichtung duktil bleibt und einen geringen Widerstand gegen Wasserdampfdiffusion aufweist (Feuchteregulativ). Gegenüber den klassischen, gelösten Bindemitteln ist deren Verarbeitbarkeit aufgrund der unterschiedlichen Rheologie für den Verarbeiter etwas gewöhnungsbedürftig, insbesondere hinsichtlich des vorgegebenen Schichtdickenziels (siehe dazu Abschnitt 16.3.2.5). Tragende, in der Regel nicht maßhaltige Bauteile müssen, sofern es die Beanspruchung erfordert, mit chemischen Holzschutzmitteln [16.66] imprägniert werden, was durch Tauchen, Kesseldruck-Imprägnierung oder durch Handauftrag (Fluten, Streichen) geschieht. Es gibt hierfür ölige und wässrige Mittel, bindemittelfreie und bindemittelarme Holzschutzmittel. Dabei sind die Auftragsmengen vorgeschrieben. Eine zusätzliche Oberflächenbehandlung durch deckende oder lasierende Beschichtung ist freigestellt. Sie kann das nachteilige Quellen und Schwinden des Holzes als Folge von täglichen bis jahreszeitlichen Feuchteschwankungen der angrenzenden Umgebungsluft merklich dämpfen. Meist werden dadurch auch noch ästhetische Ansprüche erfüllt. Es ist sinnvoll, schon vor dem Einbau von Holzbauteilen in das Bauwerk den chemischen Holzschutz komplett und bei Beschichtungssystemen wenigstens die Grundbeschichtung aufzubringen. Bei Fenstern und Türen wird heute die komplette Beschichtung meist im Herstellerwerk aufgebracht, was dann allerdings einen schonenden Transport und Rücksichtnahme bei der Montage erfordert. Die Dauerhaftigkeit von Beschichtungen auf Holzkonstruktionen, insbesondere unter der Freibewitterungseinwirkung ist neben dem verwendeten Beschichtungstyp und seiner Modifikation vor allem auch von der Holzart abhängig. Neben dem Schnitt des Holzes sind insbesondere die Holzinhaltsstoffe und die hygrische Verhaltensweise entscheidend dafür, ob ein Beschichtungssystem auf der Holzoberfläche funktionsfähig ist oder nicht. Des Weiteren kann als sicher gelten, dass Holz mit niedriger natürlicher Dauerhaftigkeit [16.68] eine geringere Lebenserwartung des Oberflächenschutzes zur Folge hat als umgekehrt. Bei Wetterbelastung sind auch Holzwerkstoffe (Furnier-, Sperrholz-, Holzfaser- und Holzspan-Platten) nicht genügend dauerhaft, auch farblose und hell lasierende Beschichtungssysteme können nur temporären Schutz bringen. Auf die einschlägige Literatur [16.69], [16.70] [16.71] sei hingewiesen.
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16 Oberflächenschutz
16.5.2 Kunststoffe Kunststoffe im Bauwesen erfordern nur ausnahmsweise einen Oberflächenschutz, z. B. wenn sie nicht ausreichend lichtbeständig sind (UP, PVC), wenn ihre chemische Resistenz verbessert werden muss (einwirkungsabhängig) oder wenn durch Wettereinwirkung eine Zersetzung der polymeren Molekülstrukturen zu erwarten ist. Häufig werden Kunststoffteile auch dann beschichtet, wenn nicht der Schutz, sondern eine Verbesserung des Aussehens (siehe Abschnitt 16.1) bewirkt werden soll. Zur Wahl der richtigen Schutzmaßnahme müssen die Art der Belastung und die Art des Kunststoffes bekannt sein. Mit baustellenüblichen Mitteln kann die Art des Kunststoffes nicht sicher bestimmt werden. Manchmal sind die Kunststoffteile durch Prägungen, Aufkleber usw. näher bezeichnet. Der Hersteller der Kunststoffteile, die Montagefirma oder auch der Auftraggeber können nach der Art des Kunststoffs befragt werden. Im Gegensatz zu Metallen und porösen Baustoffen sind viele Kunststoffe hinsichtlich eines dauerhaften Haftverbundes mit Beschichtungen kritisch. Dies liegt z. B. daran, dass die Oberfläche keine ausreichende Affinität (Polarität, Molekülorientierung) zur verfügbaren Beschichtung hat (insbesondere bei den Kunststoffen Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP)), dass der Kunststoff sich nicht anlösen lässt, dass keine geeignete Feinrauheit zur mechanischen Verklammerung vorliegt, oder dass sich auf der Oberfläche verbundstörende Verunreinigungen bilden. Letztere können vor allem durch elektrostatische Ladungen entstehen (Staubpartikelbildung) oder durch Migrieren von Hilfsstoffen, Weichmachern etc. an die Bauteiloberfläche. In diesem Zusammenhang kommt der Untergrundvorbereitung (siehe Abschnitt 16.3.5) eine wichtige Bedeutung zu. Handelt es sich um eine industrielle Fertigung, können zur Erhöhung der Polarität sehr wirkungsvolle Oxidations- bzw. Fluorierungsverfahren angewandt werden. Soll das Kunststoffbauteil durch handwerkliche Ertüchtigung vorbereitet werden, verbleiben lediglich die weniger wirksamen Vorbereitungsverfahren durch Waschen mit wässrigen Reinigungslösungen, bzw. das Anschleifen mit Korrundpapier oder das Sweepen durch Anwenden eines dezenten Druckluftstrahlens mit festem, feinkörnigem Strahlmittel zur Schaffung einer feinrauen Oberfläche. Im Wege einer Untergrundvorbehandlung (siehe Abschnitt 16.3.5) kann die Verwendung von speziell wirksamen Haftvermittlern den Verbund von Beschichtungen auf Kunststoffbauteilen fördern. Weil polymere Filmbildner zusammen mit Pigmenten und Additiven in ihrer Affinität zu den Kunststoffen beeinflussbar sind, sollte bei einer erforderlichen Beschichtung von Kunststoffbauteilen der dafür qualifizierte Beschichtungsstoffhersteller konsultiert werden. Hinweise zum Beschichten von Kunststoffen im Hochbau findet man auch in [16.72].
16.5.3 Kalk-, Kalkzement- und Zementputze Kalkputz erhärtet durch Karbonatisation. Dies setzt voraus, dass Kohlendioxid (CO2) aber auch Wasser aus der Luft über Wochen und Monate möglichst ungehindert Zugang zum zuvor aufgetragenen Kalkputz haben. CO2-dichte Anstriche behindern bzw. verhindern diesen
16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung
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Vorgang. Die Festigkeit nach der Karbonatisation ist niedrig, der Widerstand gegen FrostTauwechsel und gegen Dauerfeuchte ist gering. Kalkputze sollten diesen Belastungen nicht ausgesetzt werden. Mit Silicat-, Dispersionssilicat-, Siliconharz-, Zement- und Kalkanstrichen können sie farblich gestaltet und mit einigen von ihnen gegen den lösenden Angriff des sauren Regens (der durch CO2 aus der Luft angesäuerte Regen hat einen pH-Wert zwischen 5 und 6) geschützt werden. Eine Hydrophobierung mit siliciumorganischen Imprägniermitteln wirkt ebenfalls gegen lösenden Angriff.
Kalkzementputz erhärtet im Wesentlichen durch die Hydratation des Zementanteils. Der relativ geringe Kalkanteil dient vorzugsweise der Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften des Putzmörtels. Die mäßig große Festigkeit reicht aus, den Frost-, Feuchte- und mechanischen Belastungen an bewitterten Bauwerksfassaden standzuhalten. Sie dienen einer großen Palette von Beschichtungen und Kunstharzputzen als ausreichend tragfähiger Untergrund. Daher ist der Kalkzementputz die in Deutschland am meisten eingesetzte Putzart bei wetterbelasteten Flächen. Nicht beständig ist Kalkzementputz gegen dauernd hohe Luftfeuchte und gegen permanente Wassereinwirkung. Durch siliciumorganische Hydrophobierungsmittel und noch mehr durch farbgebende Beschichtungssysteme auf Dispersionsbasis kann die Nutzungsdauer der Kalkzementputze merklich verlängert werden. Außerdem wird dadurch ein befriedigendes Erscheinungsbild geschaffen, denn Putze neigen durch die Waschwirkung des Regens häufig zur Bildung einer unerwünschten Patina in Form von Läufern und scheckigem Aussehen. Anstrichsysteme auf Silicat-, Zement- und Kalkbasis sind zwar auch zur Farbgestaltung geeignet, doch ist eine Schutzwirkung für den Putz nur bei zusätzlicher Siliconimprägnierung gegeben. Werksgefertigte Kalkzement- Trockenmörtel, die an der Baustelle durch Wasserzugabe angemacht werden, sind oft intern hydrophobiert und ergeben dann Putze mit geringer Wasseraufnahme. Zementputz ist dem zementgebundenen Beton nahe verwandt und erhärtet durch Hydratation des Zementes, zu der nur Wasser benötigt wird. Zementputze können schon nach kurzer Zeit beschichtet werden, unter der Voraussetzung, dass dafür Beschichtungen verwendet werden, die gegen Basen beständig sind. Bei entsprechend hohem Diffusionswiderstand wirken solche Beschichtungen wie eine Nachbehandlung (Wasserrückhaltung zur Hydratation). Unter den normalen Witterungsbedingungen ist ein Schutz durch Beschichtungen nicht zwingend notwendig. Analog zum Kalkzementputz können durch Beschichten optische Nachteile ausgeglichen werden. Liegen Sonderbeanspruchungen vor, z. B. durch Zementstein-angreifende Wässer oder soll eine abdichtende Wirkung gegen Erdfeuchte erzielt werden, können Beschichtungen auf Basis von Bitumen, Teerersatz, Chlorkautschuk oder 2-K Epoxid angewendet werden. Weitere Hinweise können dem Merkblatt [16.73] sowie Tabelle 16.7 entnommen werden. Zur Behandlung gerissener Außenputze durch Beschichtungen gibt ein weiteres Merkblatt [16.74] Hinweise.
1036
16 Oberflächenschutz
Tabelle 16.7 Geeignete Beschichtungsstoffe für mineralische Putze Beschichtungsstoffe
Kalkputz
Kalk-Zementputz
Zementputz
Silicatfarben
+
+
+
Dispersions-Silicatfarben
+
+
+
Siloconharzfarben
+
+
+
Weißzementfarben
+
+
+
Dispersionsfarben wetterbeständig
–
+
+
Kunstharzputze
–
+
+
Dispersionslackfarben
–
+
+
Polymerisatharzlackfarben
–
+
+
Chlorkautschukfarben
–
–
+
Reaktionsharzlackfarben
–
–
+
Bitumen- und Teerersatzfarben
–
–
+
+ geeignet; – ungeeignet
16.5.4 Beton und Stahlbeton Beton wird nach seiner Druckfestigkeit klassifiziert. Mit steigender Festigkeit nehmen in aller Regel auch die Haftzugfestigkeit, die Abriebfestigkeit, die Dichtheit und die chemische Beständigkeit zu. Neben der Schärfung des Bewusstseins zur Herstellung von dauerhaften Betonbauteilen haben Fortschritte bei der Betontechnologie dazu geführt, dass Betonoberflächen im Freien heute weniger einen Schutz bedürfen, als es bei den Sichtbetonen bis in die Achtziger Jahre hinein noch erforderlich war. Gegen Säuren hat Beton dagegen immer noch merkliche Schwächen. Bei Stahlbeton muss die Fähigkeit zum Korrosionsschutz für den eingelegten Bewehrungsstahl erhalten bleiben. Daher sind u.a. die Karbonatisation (siehe Abschnitt 16.3.2.1) und die Gefahr des Eindringens von Chloriden, insbesondere über Rissen, zu bedenken. Im Einzelnen wird Beton aus folgenden Gründen beschichtet: 16.5.4.1 Trockenhaltung der Oberfläche – temporäre Wasserrückhaltung
Wenn Betonoberflächen mit viel Feuchte beaufschlagt werden, können diese nach vorausgegangener Karbonatisation der Randzone (Schaffung eines nicht basischen Milieus) von Algen, Moosen, Pilzen usw. bewachsen werden und auch stark verschmutzen. Lässt sich die Feuchteeinwirkung anderweitig nicht abstellen, kann eine hydrophobierende Imprägnierung mit Siloxanen etc. zu einer trockenen Oberfläche führen, welche weniger verschmutzt und heller erscheint. Der Erfolg einer solchen Maßnahme hängt dann jedoch sehr stark davon ab, ob es gelingt, eine ausreichend tiefe Penetration der Imprägniermittel zu bewirken (siehe Abschnitt 16.2.2 und 16.4). Das gelingt dann nicht, wenn die Betone neuerer Generation bis an die oberflächennahe Randzone eine sehr dichte Porenstruktur mit geringem Anteil an Kapillarporen aufweisen. Auch alle übrigen Maßnahmen, welche zu einer geschlossenen
16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung
1037
Oberfläche führen, z. B. Anstriche zur farbigen Gestaltung, halten die Oberfläche trocken, sofern sie die kapillare Aufnahme des Wassers durch den Beton dauerhaft verhindern und selbst kein nennenswertes Wasserrückhaltevermögen besitzen. Bei der Anwendung von siliciumorganischen Imprägnierungen ist zu beachten, dass diese im Regelfall eine Beschleunigung der Karbonatisation des Betons bewirken [16.75]. Ob dies vertretbar ist, muss im Einzelfall geklärt werden. In manchen Fällen empfiehlt es sich, Beton bereits unmittelbar nach dem Ausschalen mit einer die Austrocknung und das Karbonatisieren behindernden Beschichtung zu versehen. Auf ganz jungem (so genanntem grünem) Beton verankern sich z. B. Acrylharz-, Bitumen-, und Epoxidbeschichtungen besonders gut. Sie können andere Formen der Nachbehandlung weitgehend ersetzen, unter der Voraussetzung, dass sie in ausreichender Schichtdicke (siehe Abschnitt 16.3.2.5) aufgetragen werden und einen genügend hohen WasserdampfDiffusionswiderstand haben (siehe Abschnitt 16.3.2.2). 16.5.4.2 Visuelle Gestaltung der Oberfläche
Soll eine Betonoberfläche aus ästhetischen Gründen möglichst unauffällig behandelt werden, so bieten sich hierfür in erster Linie so genannte Betonlasuren an. Betonlasuren sind dünnschichtige, filmbildende Beschichtungsstoffe (siehe Abschnitt 16.2.2), deren Bindemittelbasis vorzugsweise Acrylcopolymerisate sind. In zunehmendem Maße werden hierfür wässrig basierte Beschichtungsstoffe eingesetzt. Zur Erhaltung des Betoncharakters wird der Werkstoff so formuliert, dass eine geringe Schichtdicke entsteht (Schichtdicke < 50 μm), welche das Oberflächenrelief z. B. eine Schalbrettstruktur nicht beseitigt, und ein dem betreffenden Sichtbeton nahe kommender Farbton sowie eine matte Oberfläche erzeugt werden. Eine carbonatisationsbremsende Wirkung (siehe Abschnitt 16.3.2.1) kann damit nicht erzielt werden. Zur Erzielung von deckenden Anstrichen auf Beton bietet der Markt Beschichtungsstoffe an, die farblich in fast unbegrenztem Spektrum vorliegen bzw. individuell durch Pigmentpasten variiert werden können. Hauptbindemitteltypen sind Acrylate bzw. Copolymerisate. Deren Trockenschichtdicke liegt in der Größenordnung von 100 μm. Waschbetonelemente werden wegen der Erhaltung der Struktur mit transparenten Acrylatbzw. Copolymerisat-Beschichtungsstoffen versehen. 16.5.4.3 Beschichtungen zum Betonschutz/Betoninstandsetzung
Die hinlänglich bekannten und auch schon vor langer Zeit [16.76] erstmals wissenschaftlich dargestellten Schäden an Stahlbetonbauteilen, insbesondere wenn diese im Freien exponiert [16.38] oder einer besonderen Nutzungsbeanspruchung ausgesetzt sind [16.77] [16.78], erfordern im Zusammenhang mit der Durchführung von Schutz- und Instandsetzung von Betonbauteilen [16.23] [16.24] den Einsatz von Beschichtungen zum Korrosionsschutz von Bewehrungsstählen, wenn dieser als Folge der Schädigung des Stahlbetonbauteils verloren gegangen ist. In den Anfängen der Entwicklung von Schutz- und Instandsetzungssystemen [16.79] sind dazu Epoxidbeschichtungen zum Einsatz gelangt, die aufgrund einer besonderen Pigmentierung einen aktiven Korrosionsschutz [16.80] leisten konnten. Ihre Wirkung ist durch spezielle
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16 Oberflächenschutz
Untersuchungen nachgewiesen [16.81]. Dieses Korrosionsschutzprinzip (aktive Korrosionsschutzwirkung durch spezielle Pigmente + Barrierewirkung inform des chemisch sehr beständigen und praktisch nicht diffundierbaren Polymers Epoxid) wird bei Sonderbeanspruchungen [16.77] [16.78] immer noch angewendet. Bei der Betoninstandsetzung von Bauteilen, die der atmosphärischen Korrosionsbeanspruchung ausgesetzt sind, werden zur so genannten Repassivierung von Bewehrungsstählen kunststoffvergütete, zementgebundene Beschichtungen eingesetzt. Ihre Wirkung beruht im Wesentlichen auf der Basizität des Zementanteils. Ihr Permeationsverhalten gegen korrosionsfördernde Stoffe ist deutlich geringer als beim Typ Epoxid. Sie müssen deshalb in einer relativ hohen Schichtdicke (smin= 1000 μm) auf die Bewehrungsstähle appliziert werden [16.24]. Wenn Bewehrungsstähle relativ dicht unter der Betonoberfläche liegen, oder der Beton relativ rasch karbonatisiert und die Bewehrung ihre Passivierung verliert, mit der Gefahr, dass Betonschäden entstehen kann durch eine gegen CO2 gasdichte Beschichtung des Betons [16.14] das Karbonatisieren des Zementsteins praktisch gestoppt werden (siehe dazu Abschnitt 16.3.2.1). Die carbonatisationsbremsende Wirkung wird bei entsprechender Formulierung mit Beschichtungen auf Basis Acrylat-Copolymer, Epoxid, Polyurethan und auch mit Bitumen erreicht. Der Nachweis (sD,CO2 > 50 m) muss für jeden Beschichtungsstyp erbracht werden [16.82]. Bei der Anwendung muss ein besonderes Augenmerk auf die Erzielung der richtigen und ausreichenden Schichtdicke gelegt werden (siehe Abschnitt 16.3.2.5). Neben der CO2-bremsenden Wirkung der oben genannten Beschichtungstypen hindern diese auch andere betonschädigende und korrosionsfördernde Stoffe am Eindringen in den Beton. Dies ist jedoch nicht gewährleistet, wenn das Stahlbetonbauteil Risse hat (siehe Abschnitt 16.3.2.3). Für den Sichtbeton im atmosphärischen Umfeld sehen die Regelwerke [16.23] [16.24] für den moderaten Schutz die Beschichtungstypen OS B / OS 2 und OS C / OS 4 vor. Das Prädikat moderat bezieht sich nach Meinung des Autors auf die Untergrundbeschaffenheit und die niedrig angesetzte Schichtdicke smin = 80 μm. Ein erhöhter Schutz wird mit den Beschichtungstypen OS D (ZTV-ING) bzw. OS 5 (Instandsetzungsrichtlinie DAfStb) erzielt. In jeder der beiden Gruppen gibt es eine Version auf Basis Polymerdispersion (OS DII bzw. OS 5a, Acryl-Copolymer) und eine zweite auf Basis kunststoffvergütete Zementschlämme (OS DI bzw. OS 5b). Mit der Polymerdispersion erzielt man bei geringerer Gesamtschichtdicke (smin = 300 μm) eine visuell ansprechende Oberfläche, die farblich sehr variabel gestaltet werden kann. Außerdem sind Schichtdicken- und stoffbedingt die carbonatisationsbremsende Wirkung sowie das Rissüberbrückungsvermögen (Klasse IT und Klasse IIT) höher als mit der flexiblen Dichtungsschlämme, die zwar in einer höheren Schichtdicke (smin = 2000 μm) appliziert wird, deren Leistungsvermögen jedoch unter demjenigen des Typs OS DII / OS 5a liegt. Diese nachteilige Eigenschaft geht auf die versteifende Wirkung der Nachhydratation des Zementanteils zurück, wodurch die Rissüberbrückungsfähigkeit mit der Zeit merklich nachlässt. Für Anwendungen an atmosphärisch beanspruchten Bauteilen mit besonders hohen Anforderungen an die Rissüberbrückungsfähigkeit (Rissüberbrückungsklasse IIT+V) beschreiben die Regelwerke [16.23] [16.24] mit dem Beschichtungstyp OS 9 bzw. OS E Beschichtungen auf Basis Polyurethan bzw. Kombinationen von Epoxid mit Polyurethan, mit besonderen Eigenschaften bei erhöhten periodischen und dynamischen Rissbreitenänderungen.
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Abhängig von der Betriebsbeanspruchung, z. B. in Betonbecken in einer Kläranlage oder in einem Naturzugkühlturm im REA-Betrieb (Rauchgasentschwefelungsanlage) eines Kraftwerkes, müssen Beschichtungen auf Beton insbesondere gegen physikalisch-chemische Beanspruchungen beständig sein. Für den Einsatz und die Anwendung von Beschichtungen auf Polymerbasis an Stahlbetonkühltürmen im Normalbetrieb (ohne Abgasbeanspruchung) als auch im Betrieb mit Abgaseinleitung werden in einem eigens dafür ausgearbeiteten Regelwerk [16.83] Vorgaben für Polymerbeschichtungen und ihr Eigenschaftsprofil gemacht. Die Ausführung der Polymerbeschichtungen auf der großen Fläche einer Abgas / Schwaden beanspruchten Innenseite eines Naturzugkühlturms von bis zu 40 000 m² [16.84] und dies auch noch in besonderer Höhe, stellt eine besondere Herausforderung dar. 16.5.4.4 Beschichtungen zum Schutz gegen Oberflächenwasser
Normalerweise ist zum Schutz gegen Oberflächenwasser und Niederschläge eine sachgerechte Bauwerksabdichtung, z. B. mit mehrlagigen Bitumen- oder einlagigen Kunststoffbahnen [16.85] oder eine Dachdichtung oder Dachdeckung erforderlich. In bestimmten Anwendungsbereichen können Bauteile wie z. B. Garagendächer, Parkdecks, Balkone, Kuppelbauten, erdberührte Betonbauwerke etc. vor dem Eindringen von Oberflächenwasser oder betonangreifenden Wässern [16.86] auch durch Polymerbeschichtungen geschützt werden. Derartige Polymerbeschichtungen müssen eine flüssigkeitsdichte Schicht bilden. Neben der Rezeptierung des Beschichtungsstoffes hängt die Wirkung entscheidend von der Schichtdicke ab (siehe Abschnitt 16.3.2.5), die als Mindestschichtdicke zwischen 0,5 und 2 mm liegen sollte. Im Bedarfsfall muss eine Beschichtung mit rissüberbrückenden Eigenschaften zum Einsatz gelangen. Für starr formulierte Beschichtungen werden Epoxidbindemittel am häufigsten eingesetzt. Ist die Rissüberbrückungsfähigkeit gefragt (siehe Abschnitt 16.3.2.3), wendet man überwiegend Polyurethan bzw. Modifikationen aus Epoxid mit Polyurethan an. Wenn keine Begehung vorgesehen ist und die Anforderungen an die Rissüberbrückungsfähigkeit gering sind, werden auch so genannte flexible Dichtungsschlämmen vom Typ OS D II nach [16.23] bzw. OS 5b nach [16.24] eingesetzt. 16.5.4.5 Beschichtungen für die Unterwasserbeanspruchung und im Gewässerschutz
In Schwimmbädern, Brunnentrögen, Zierbecken, Wasserbehältern etc. wird Beton aus ästhetischen Gründen, zum Zwecke des Betonschutzes und zur Erleichterung der Reinigung bzw. der Desinfizierung mit speziellen Beschichtungen versehen. Neben deren optischen Wirksamkeit muss vor allem eine hohe Beständigkeit gegen Dauerwassereinwirkung und eine Unempfindlichkeit gegen osmotische Blasenbildung gegeben sein [16.87]. Traditionell werden in diesen Anwendungsfällen immer noch Beschichtungen auf Basis Chlorkautschuk angewandt. Sie werden aber mehr und mehr durch spezielle wässrig basierte Acrylatbeschichtungen ersetzt. Für besondere Anforderungen bezüglich der visuellen Einflussnahme (z. B. Farbquarz-Strukturbeschichtungen) oder des mechanischen Abriebwiderstands werden Epoxid basierte Beschichtungen eingesetzt. Auf die ggf. eingeschränkte Eignung von Polymerbeschichtungen in Schwimmbecken mit gehobenen Ansprüchen an die Wasserhygiene durch Ozonieren sei hingewiesen [16.88].
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In Trinkwasserbehältern wird zunehmend die klassische Chlorkautschukbeschichtung – mit ihr war es gleichermaßen möglich, optisch (blauer Farbton ließ Hygiene suggerieren) als auch bezüglich des Betonschutzes optimale Bedingungen zu schaffen – aus Gründen der verschärften Gewichtung der Trinkwasserhygiene [16.89] durch mineralische, zementgebundene Innenbeschichtungen verdrängt [16.90]. Abhängig von der Beschaffenheit des Trinkwassers, insbesondere seines pH-Werts und seines Gehalts an freier Kohlensäure und seiner Carbonathärte kann dieses betonaggressiv im Sinne von [16.86] sein. Spezifische Anforderungen an die Porenbeschaffenheit (Verhältnis von Kapillarporen/Gelporen) sowie an den Hydrolysewiderstand der zum Einsatz gelangenden mineralischen Beschichtungen sind bislang nicht geregelt. Sie haben jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Nutzbarkeit, die Trinkwasserhygiene und auf die Dauerhaftigkeit mineralischer Beschichtungen in solchen Behältern [16.91]. Im Bundesgesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) [16.92] werden im ersten Teil unter § 19 zu den Wasserschutzgebieten und in § 19g, Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, Verwaltungsvorschriften erlassen, welche die Gefährlichkeit wassergefährdender Stoffe einstufen. Daraus leiten sich Gewässerschutzsysteme ab, die von Spezialunternehmen der Bauchemie hergestellt und nach den Bau- und Prüfgrundsätzen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) zertifiziert werden (Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung). Dabei handelt es sich um Gewässerschutzsysteme auf Basis meist mehrlagiger Polymerbeschichtungen, die gegen chemisch aggressive wässrige Lösungen, Mineralöle etc. beständig und aufgrund einer flexiblen Formulierung ggf. auch rissüberbrückend sind. Als Bindemittel werden wässrige Acryl-Copolymere sowie Epoxid- und Polyurethan-Polymere eingesetzt. Diese Gewässerschutzsysteme werden auf Böden und Wänden von Betonwannen aufgetragen, die planmäßig – meist im Havariefall – mit wassergefährdenden Stoffen beaufschlagt werden. Ihre Funktion besteht darin, zu verhindern, dass die wassergefährdenden Stoffe in die Porenstruktur von Beton und Risse, die sich nachträglich bilden können, eindringen und dann in das Grundwasser gelangen könnten. Diese Gewässerschutzsysteme haben somit auch die Funktion einer (temporären) Bauwerksabdichtung, wenngleich gegen ein anderes Medium als in der sonst üblichen Bauwerksabdichtung. Die Anwendung der Gewässerschutzsysteme ist nach WGH § 19l auf Fachbetriebe beschränkt, die ihre Eignung zur Ausführung durch den Erwerb des dafür vorgesehenen Gütezeichens nachgewiesen haben. 16.5.4.6 Bodenbeschichtungen
Unter dem Oberbegriff Industriefußböden fasst man das weite Feld von begangenen oder befahrenen Bodenflächen zusammen. Dort werden Betonuntergründe in gewerblichen Betrieben, in Parkhäusern, auf Verkehrswegen, in Lager- und Umschlaghallen, in Ausbildungswerkstätten etc. mit Beschichtungen versehen. Aus der Funktion der Nutzung der Fußböden kann das Anforderungsprofil in drei Anforderungsbereiche unterteilt werden, wobei in zweien die Schutzfunktion und im dritten die Ästhetik zum Tragen kommt:
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Schutz des Betons gegen die Nutzungsbeanspruchung. Hierbei muss die Beschichtung den Beton gegen mechanische (z. B. Abrieb [16.97], Schlagbeanspruchung), chemische (z. B. Öle, Säuren, lösliche Salze) und physikalische (z. B. Temperatur- und Feuchtewechsel) Beanspruchung schützen. Ausstattung zur individuellen Nutzbarkeit. Die Beschichtung verleiht der Betonoberfläche hierbei Eigenschaften, welche der Beton per se nicht hat, z. B. Ebenheit, Rutschsicherheit [16.94], elektrische Ableitfähigkeit [16.95], Hygiene, Reinigungs- und Dekontaminationsfähigkeit [16.96], Witterungsbeständigkeit für den Außenbereich u.a.m. Ästhetische Wirkung als Gestaltungselement. Über die Farbgestaltung wird Einfluss auf das Wohlbefinden von Menschen genommen. Arbeits-Verkehrs-Abstellflächen etc. können markiert werden. Die farblichen Flächen müssen dauerhaft sein, auch unter der besonderen Nutzungsbeanspruchung. Abhängig von den genannten Anforderungsbereichen bieten Spezialbetriebe der Bauchemie Systemlösungen an, die im ungeregelten Bereich funktionsabhängig nach Wirtschaftlichkeitsund Dauerhaftigkeitsbetrachtungen bzw. nach ästhetischen Gesichtspunkten konzipiert sind. Somit kann ein Beschichtungssystem in einem Trockenraum mit ganz geringer Begehung zum Zwecke der „Staubbindung“ aus einer einmaligen „Versiegelung“ bestehen, während die mechanisch beanspruchte, durch Fahrzeuge häufig frequentierte, rissüberbrückende Bodenbeschichtung mit quantifizierter elektrischer Ableitfähigkeit sich aus einem System von fünf Einzelschichten zusammensetzen kann. Daraus resultieren für diese Beschichtungssysteme Schichtdicken zwischen 0,2 mm und 5 mm. Diese sind als Mindestschichtdicken im Sinne von Abschnitt 16.3.2.5 zu sehen. Die für Fußbodenbeschichtungen am häufigsten zur Anwendung gelangenden Polymere sind Epoxid und Polyurethan in sehr verschiedenen Modifikationen als lösemittel- oder wässrigbasierte und als ein- oder mehrkomponentige Flüssigharze. In geringerem Umfang werden Polyester und Polymethylmethacrylsäureester verwendet. Sie zeichnen sich wegen ihrer schnellen chemischen Vernetzung zur Verfilmung als sehr früh nutzbare Bodenbeschichtungen aus. Wegen ihres heftigen Eigengeruchs ergeben sich aber in der Verarbeitungs- und Verfilmungsphase Nachteile für Arbeitspersonal und Umfeld. Eine Sonderrolle nehmen auf Betonböden die rissüberbrückenden Oberflächenschutzsysteme nach dem bauaufsichtlich eingeführten Regelwerk des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“, genannt DAfStb-Richtlinie [16.24] und dem Regelwerk der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) „Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten“, genannt ZTV-ING [16.23] ein. In diesen Regelwerken werden insgesamt drei Bodenbeschichtungssysteme für die Anwendung im Freien hinsichtlich ihrer stofflichen Zusammensetzung und ihres Eigenschaftsprofiles sehr eng beschrieben. Der Hintergrund liegt im Anwendungsbereich von tragenden Bauteilen von Verkehrsbauwerken, Parkhäusern etc. Bautechnisch ist es nicht möglich, begangene und befahrene Flächen rissefrei herzustellen bzw. zu vermeiden, dass nachträglich Risse entstehen. Um zu verhindern, dass chloridhaltige Auftausalze in Risse eindringen und an den Bewehrungsstählen der Tragwerke Korrosion auslösen, werden dort Bodenbeschichtungssys-
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teme mit besonderen Rissüberbrückungseigenschaften eingesetzt (siehe auch Abschnitt 16.3.2.3). Alle in den beiden genannten Regelwerken aufgeführten Oberflächenschutzsysteme und so auch diejenigen für die Bodenbeschichtung, nämlich mit den Systembezeichnungen OS 11 und OS 13 der Instandsetzungsrichtlinie DAfStb sowie diejenigen mit der Systembezeichnung OS F der ZTV-ING bedürfen des Verwendbarkeitsnachweises (Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, AbP) und des Übereinstimmungsnachweises ÜZ (Gleichbleibende Qualität bei der Produktion). Diese Nachweise dürfen nur von Institutionen erteilt werden, die vom DIBt eigens dafür zertifiziert sind. Die BASt (www.bast.de) führt eine „Zusammenstellung der geprüften und zertifizierten Stoffe und Stoffsysteme für die Anwendung an Bauwerken und Bauteilen der Bundesverkehrswege“. Daraus können die nach dem aktuellen Überwachungszeitraum gültigen Oberflächenschutzsysteme OS A, OS B, OS C, OS DI, OD II, insbesondere aber auch das Bodenbeschichtungssystem OS F verschiedener Anbieter entnommen werden.
16.5.5 Porenbeton Mauerwerk aus Porenbeton-Plansteinen und Elementen wird im Außenbereich mit einem mineralischen Leichtmörtel verputzt. Wände aus großformatigen Porenbeton-Montagebauteilen müssen auf den freibewitterten Außenseiten beschichtet werden, damit der Baukörper aus dem Werkstoff Porenbeton gegen die Einwirkung der Witterung geschützt ist [16.98]. Die Montagebauteile sollten bereits während der Bauzeit vor Feuchte geschützt werden. Bauteile, die an Erdreich grenzen, sollten z. B. durch eine zweilagige Bitumenspachtelmasse mit Glasgewebeeinlage geschützt werden. Bei längerer Rohbaustandzeit, insbesondere in der feucht-kalten Jahreszeit, ist eine hydrophobierende Imprägnierung bzw. Grundierung empfehlenswert um zu vermeiden, dass der Porenbeton zu viel „Baufeuchte“ speichert. Diese Maßnahme muss auf das später aufzubringende Beschichtungssystem abgestimmt sein. Der Baustoff Porenbeton hat besondere bauphysikalische Eigenschaften. Um diese Eigenschaften möglichst zu erhalten, müssen an eine Außenbeschichtung spezifische Anforderungen gestellt werden. Einer traditionellen Regel folgend [16.99] wird von einer Außenbeschichtung im Verbund mit Porenbeton verlangt, dass die Flüssigwasseraufnahme begrenzt und die Austrocknung nicht unzulässig behindert wird. Demnach müssen der Wasseraufnahmekoeffizient w [16.100] und die für die Wasserdampfdiffusion äquivalente Luftschichtdicke sd = μ ⋅ s [16.101] begrenzt und so aufeinander eingestellt sein, dass ihr Produkt ebenfalls einen Grenzwert nicht überschreitet. μ ist die Diffusionswiderstandszahl, d. h. die MaterialDiffusionsgröße und s die Schichtdicke (siehe Abschnitt 16.3.2.5) der Beschichtung.
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Die Festlegungen sind wie folgt quantifiziert: Wasseraufnahmekoeffizient: w ≤ 0,5 kg/(m² ⋅ h0,5) Wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke: sd ≤ 2 m Produkt aus beiden: w ⋅ sd: ≤ 0,2 kg/(m ⋅ h0,5) Porenbeton ist hoch wärmedämmend, hat eine kleine Rohdichte und eine geringe Festigkeit. Es dürfen deshalb auf die Porenbetonoberfläche nur solche Beschichtungssysteme aufgebracht werden, die flexibel formuliert sind und sich als Folge von Temperaturänderungen und der Alterung spannungsarm verhalten. Einschlägige Beschichtungsstoffhersteller bieten anforderungsgerechte sowie eignungsgeprüfte Beschichtungsstoffe an. Im Außenbereich werden im Wesentlichen Beschichtungssysteme auf Basis Acryl-CopolymerDispersionen und Dispersionssilicat verwendet. Eine Porenbetonbeschichtung auf Basis Acryl-Copolymer mit strukturierter Oberfläche hat folgenden Beschichtungsaufbau: Zweimaliger Auftrag einer pigmentierten, hoch gefüllten Acryl-Copolymerdispersion in einer Gesamtauftragsmenge von ca. 1800 g/m². Die zweite Lage der Beschichtung wird zur Strukturgebung mit einer groben ungemusterten Schaumstoffstrukturwalze gleichmäßig abgerollt. Eine Porenbetonbeschichtung auf Basis Acryl-Copolymer mit glatter Oberfläche ist wie folgt aufgebaut: Es wird eine ganzflächige Spachtelung der Porenbeton-Montagebauteile mit einem hydraulisch erhärtenden, kunststoffmodifizierten Spachtel, dünnschichtig aber oberflächenstrukturfüllend und glättend durchgeführt. Nach dem Trocknen der Spachtelung wird diese glatt geschliffen. Es folgt dann eine Grundbeschichtung mit einer Acrylatdispersion. Abschließend wird eine zweilagige, lackähnliche Acryl-Copolymer-Dispersionsbeschichtung aufgetragen. Eine Porenbetonbeschichtung auf Dispersionssilicatbasis mit strukturierter Oberfläche ist wie folgt aufgebaut: Es wird eine hochgefüllte, strukturgebende Dispersionssilicatbeschichtung zweilagig aufgebracht. Die Grundbeschichtung wird mit Fixativ verdünnt, die Schlußbeschichtung wird unverdünnt gleichmäßig strukturierend aufgerollt. Eine Porenbetonbeschichtung auf Dispersionssilicatbasis mit glatter Oberfläche für optisch anspruchsvolle, glatte Oberflächen kann mit folgendem Beschichtungsaufbau erreicht werden: Ganzflächige Spachtelung mit einer Spachtelmasse auf Dispersionssilicatbasis. Die Spachtelschicht wird nach der Trocknung planeben geschliffen. Auf die so vorbehandelte Fläche wird eine Beschichtung auf Dispersionssilicatbasis appliziert.
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Für den Innenbereich überwiegt die Anwendung von Anstrichen zur Verschönerung und besonderen farblichen Gestaltung der Räume. Eine Schutzbeschichtung der Porenbetonwände kann im Innenbereich dann erforderlich werden, wenn eine besondere Raumnutzung gegeben ist, z. B. wenn betriebsbedingt zumindest zyklisch eine hohe Luftfeuchte (> 70 %) herrscht oder wenn gar betonaggressive Wässer, Dämpfe oder Gase den Porenbeton beaufschlagen. Ein Oberflächenschutzsystem ist dann vor allem nach zwei Gesichtspunkten auszuwählen: Es muss beständig gegen das Belastungsmedium sein und es darf (siehe oben) keine unzulässig hohen Eigenspannungen im Verhältnis zum Porenbeton aufbauen. Ggf. muss ein sachkundiger Planer eingeschaltet werden, der abhängig von der Beanspruchung ein passendes Beschichtungssystem vorschlägt.
16.5.6 Verblendmauerwerk aus Ziegeln und Kalksandsteinen Witterungsbeanspruchtes Verblendmauerwerk soll seine Funktion eigentlich ohne weitere Behandlung voll erfüllen. Voraussetzung dafür ist, dass die Steine und der Fugenmörtel frostbeständig sind. Bei Ziegeln sind dann Vormauersteine oder Klinker, bei Kalksandsteinen Vormauersteine oder Verblender zu verwenden. Zum Vermauern wird Kalkzement- oder Zementmörtel verwendet. Die Verfugung sollte aber nur mit Zementmörtel ausgeführt werden. Der Fugenmörtel soll mit der Vorderkante der Mauersteine bündig abschließen und er muss einen lückenlosen Haftschluss zum angrenzenden Stein aufweisen. Welche Möglichkeiten der Imprägnierung und Beschichtung von Kalksandstein- und Ziegelsichtmauerwerk zum Stand der Technik zählen, wird in Merkblättern wiedergegeben [16.102] [16.103]. Sieht man davon ab, dass mit einem Fassadenanstrich das optische Erscheinungsbild günstig beeinflusst bzw. die Sichtmauerwerksfläche farbig gestaltet werden kann, wird man einen Oberflächenschutz – also zum Zwecke der Sicherung des Bestands und zur Unterdrückung der Durchfeuchtung – aus drei Gründen ausführen: 16.5.6.1 Verhinderung von Salzausblühungen und Verschmutzungen
Bei starker Durchfeuchtung von Ziegel- oder Kalksandsteinverblendmauerwerk in der Bauphase oder später kann es zum Ausblühen meist weißer Salze kommen, welche optisch unerwünscht und für die Dauerhaftigkeit des Mauerwerks nachteilig sind. Solche wasserlöslichen Salze erhöhen die hygroskopischen Gleichgewichtsfeuchten eines Baustoffes und üben sprengende Wirkungen aus, wenn sie bei Wasserzufuhr zunächst in Lösung gehen und beim Austrocknen wieder auskristallisieren. Man spricht dann vom Kristallisationsdruck der Ausblühsalze, welcher auf das Mauerwerk schädigend wirkt. In unmittelbarer Küstennähe kann ein solches Absprengen auch durch den Salzgehalt des windgetragenen Aerosols vom Meer her verursacht werden. Bild 16-35 zeigt ein dem sog. seaspray ungeschützt ausgesetztes Ziegelmauerwerk, an welchem der Stein durch den Salzsprengdruck abgearbeitet, der Fugenmörtel dagegen aufgrund seiner höheren Resistenz (geringere Kapillarleitfähigkeit) länger erhalten blieb.
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Bild 16-35 Durch den Salzsprengdruck des maritimen Küsteneinflusses geschädigtes Ziegelmauerwerk
Baustoff bedingte Salze stammen in der Regel nur zu einem geringen Teil aus den Mauersteinen, während sie im Mauer- und im Verfugungsmörtel meist reichlich enthalten sind. Die Bindemittelanteile Kalk und Zement des Mörtels liefern diese Salze direkt in Form von Ca(OH)2, auch gelöschter Kalk genannt. An der Oberfläche versintern diese Salze nach Zutritt der Luftkohlensäure zu Ablagerungen aus Calciumcarbonat. Durch die Mitverwendung von Trass und ähnlichem Bindemittelzusatz im Mörtel kann das Potenzial an löslichen Salzen im Mörtel reduziert werden. Werden Ausblühsalze befürchtet, oder soll ein erneutes Auftreten von Ausblühsalzen nach dem Entfernen derselben verhindert werden, so sollten Maßnahmen zur Trockenhaltung der Verblendmauerwerksoberflächen ergriffen werden. Die hydrophobierende Wirkung von Silan- bzw. Siloxan-Imprägniermitteln ist hierfür sehr geeignet. Voraussetzung ist eine intensive Penetration in den porösen Baustoff des Mauerwerks durch hohes Materialangebot, z. B. durch flutende Applikation. Die Trockenhaltung wirkt sich dann auch vermindernd auf die Schmutzablagerung, die Veralgung etc. aus. Ein signifikanter Vorteil der hydrophobierenden Imprägnierung liegt darin, dass sie die Mauerwerksstruktur und die farbliche Erscheinung
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nicht verändert. Vor der Anwendung einer solchen Maßnahme sollten ggf. vorhandene Oberflächenporen, Lunker und andere Fehlstellen geschlossen werden. 16.5.6.2 Verbesserung des Schlagregenschutzes
Einschaliges Verblendmauerwerk und zweischaliges Mauerwerk mit Luftschicht bzw. mit Putzschicht sind nicht selten unzureichend dicht gegen Schlagregen. Ungünstige Bedingungen, wie starke Schlagregenbeanspruchung, fehlender konstruktiver Schlagregenschutz sowie unsorgfältige Bauausführung, insbesondere nicht vollfugiges Vermauern der Steine, sind hierbei meist ursächlich. Lokale Schwachstellen im Außenmauerwerk, wie z. B. dünnere Fensterbrüstungen oder Deckenauflagerbereiche sind bevorzugte Eindringstellen des Niederschlages. Analog zu Abschnitt 16.5.6.1 ist die hydrophobierende Imprägnierung eine wirksame Verbesserung des Schlagregenschutzes. Mit Beschichtungssystemen auf Dispersionssilicat- oder auf Kunststoffdispersionsbasis, ggf. mit solchen, die rissüberbrückend wirken, erzielt man den günstigsten Schlagregenschutz, weil dadurch eine Barriere geschaffen wird. Wenn das Mauerwerk zu scharfkantig oder porendurchsetzt ist, sollte im Wege einer Untergrundvorbehandlung (siehe Abschnitt 16.3.5) zuerst ein beschichtungsgerechter Untergrund geschaffen werden. Eine geschlämmte Egalisierung erhält weitgehend den Mauerwerkscharakter. Beim Kalksandstein-Verblendmauerwerk sollte vor dem Aufbringen filmbildender Beschichtungen wegen des ausgeprägten Wasseraufnahmevermögens des Kalksandsteins eine hydrophobierende Imprägnierung vorgelegt werden, um die Unterwanderungsneigung zu vermeiden. Glasig gebrannte Ziegeloberflächen sind eher ein kritischer Untergrund für den Verbund mit filmbildenden Beschichtungen. Die hydrophobierende Imprägnierung als alleinige Schutzmaßnahme erscheint dort sinnvoll. Auch ein Verputzen mit oder ohne Anstrich kann die Regendichtheit sehr verbessern. 16.5.6.3 Steigerung der Dauerhaftigkeit
Durch Trockenhalten eines Mauerwerks werden chemische und physikalische Schädigungsprozesse entscheidend abgeschwächt. Auch die Weiterleitung von Feuchte an angrenzende Baustoffe kann dadurch unterbunden werden. Da die chemische Beständigkeit und die Frostbeständigkeit der im Fassadenbereich verwendeten Steine in aller Regel keiner weiteren Verbesserung bedarf, bewirkt das Trockenhalten von Verblendmauerwerk einerseits eine Steigerung der Dauerhaftigkeit der Mauer- und Verfugungsmörtel. Andererseits werden angrenzende Baustoffe, die mit dem Mauerwerk in Verbindung stehen, wie z. B. Holzfachwerk, das mit Verblendmauerwerk ausgefacht wurde, nur dann langlebig sein, wenn das angrenzende Mauerwerk selbst trocken ist. Mit filmbildenden Beschichtungssystemen auf Acrylat-Copolymerbasis erzielt man – ggf. durch den flankierenden Einsatz einer hydrophobierenden Imprägnierung oder einer egalisierenden Untergrundvorbehandlung – die beste Dauerhaftigkeitswirkung. Kalk- oder KalkWeißzementanstriche, die gelegentlich propagiert werden, sind in mitteleuropäischen Klimaregionen zu wenig wetterresistent und können deshalb als Schutzmaßnahme keine Dauerhaftigkeit gewährleisten.
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16.5.7 Natursteinmauerwerk Natursteine kamen schon immer im Verblendmauerwerk, aber auch im Bruchsteinmauerwerk zum Einsatz. Das Bruchsteinmauerwerk ist regelmäßig geputzt und danach gelegentlich noch mit historischen Anstrichen wie Kalkfarben oder Wasserglasfarben gestrichen worden, Verblendmauerwerk aus rechtwinklig behauenen Steinen mit relativ dünnen Mörtelfugen verblieben meist ohne eine Oberflächenbehandlung. Bruchsteinmauerwerk ist an Gebäudeecken, Fenster- und Tür-Leibungen usw. häufig mit sichtbaren, sorgfältig behauenen Steinen eingefasst worden, die dann nicht verputzt wurden. Die Dauerhaftigkeit der verschiedenen Natursteinsorten ist recht unterschiedlich. In den letzten Jahrzehnten sind an verbauten Natursteinen gewisser Provenienzen Schwächen im Widerstand gegen atmosphärisch getragene, steinschädigende Emissionen aus Industrie, Hausbrand und Fahrzeugverkehr offenbar geworden. Davon betroffen sind vor allem Kalkstein, Muschelkalk und eine ganze Reihe anderer Sedimentsteinsorten. Historisch betrachtet sind Natursteine insbesondere dann zum Bauen verwendet worden, wenn sie in der Nähe verfügbar, leicht bearbeitbar und relativ homogen waren. Sehr beständig im mitteleuropäischen Klima sind dagegen Urgesteine wie Basalt, Granit und Porphyr. Zur Prävention werden an Natursteinmauerwerk meist historischer Bauwerke seit Jahren folgende Schutzmaßnahmen angewendet: Applikation hydrophobierender Imprägnierungen auf Basis siliciumorganischer Bautenschutzmittel, um die Wasseraufnahme bei Niederschlagseinwirkung und damit die Belastung durch lösenden Angriff, Frost und die sauren Gase der Atmosphäre zu reduzieren. Anwendung steinfestigender Imprägnierungen auf Basis von Kieselsäureestern. Dadurch werden durch lösenden Angriff festigkeitsgeschwächte Porenstrukturen in Steinrandzonen partiell mit einem silicatischen Bindemittelgerüst ausgestattet, um deren Widerstandsfähigkeit gegen Witterung und schädigende Umwelteinflüsse zu steigern. Es werden Beschichtungssysteme auf Basis Silicat-, Dispersionssilicat- und AcrylCopolymerdispersion appliziert. Eine hydrophobierende Grundierung unter den wenigstens zwei Beschichtungslagen ist sinnvoll, um wegen des kapillaren Porengefüges der Natursteine eine Unterwanderung zu verhindern. Dadurch ist eine farbliche Gestaltung möglich und die Einwirkung von Niederschlagswasser und sauren Gasen kann wesentlich verringert werden. Durch Aufschlämmen von Kalktrass- und Kalkzementfeinschlämmen können auf Bruchsteinmauerwerk anstelle von Putzen Schutzschichten mit temporärer Wirkung hergestellt werden. Damit wird eine teilweise Egalisierung der Mauerwerksoberfläche erreicht, welche jedoch die Struktur des Mauerwerks noch erkennen lässt. Bei historischen Bauwerken, deren Erhaltung in möglichst originalem Zustand meist oberste Priorität hat, sind die nachträgliche Erzeugung konstruktiver Schutzmaßnahmen sowie die Umsetzung bauphysikalischer Erkenntnisse zur Steigerung der Dauerhaftigkeit nicht selten versperrt.
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16.5.8 Korrosionsschutz von Stahlbauten Stahl besteht aus Eisen und geringen Mengen weiterer Legierungs-Bestandteile. Bei der atmosphärischen Korrosion reagiert das Eisen mit Sauerstoff, wobei dieser Vorgang in Wasser als Medium abläuft. Korrosionsstimulatoren, wie Sulfate und Chloride beschleunigen das Rosten, indem sie die Reaktionsprodukte löslich halten und damit ihren Abtransport erleichtern [16.104]. Beschichtungen sind für Stahlbauten die wichtigsten Schutzmaßnahmen gegen Korrosion. Wasser und Sauerstoff werden durch Beschichtungen nur bedingt von der Stahloberfläche abgehalten, da deren Diffusion in polymeren Stoffen möglich ist. Die „Chemische Passivierung“ und das „Fernhalten von Stimulatoren“ sind jedoch die entscheidenden Schutzmechanismen bei Beschichtungen [16.105]. Die Chemische Passivierung ist nur durch die Grundbeschichtung (GB) möglich, weil nur diese Kontakt mit dem Stahl hat. Wirksam sind hierbei insbesondere die Korrosionsschutzpigmente (siehe auch Ziffer 16.2.1 und [16.80]). Als historisch gelten in diesem Zusammenhang Bleimennige aber auch Zinkchromat. Beide werden wegen ihrer physiologisch nachteiligen Wirkung auf den Menschen zwischenzeitlich nicht mehr eingesetzt. Stattdessen verwendet man Zinkstaub als sog. Opferanode (kathodisch wirkend) und Zinkphosphatpigmente (passivierende Wirkung). Das Fernhalten von Stimulatoren ist dann vor allem die Aufgabe der Zwischen- (ZB) und Deckbeschichtungen (DB). Alterungsschutz und Farbgebung werden von der Deckbeschichtung alleine übernommen. Die Technologie des Korrosionsschutzes von Stahlbauten durch Beschichtungen ist hoch entwickelt. Eine relativ kurze, jedoch aussagekräftige Einführung in das Gebiet vermittelt [16.106]. Dank des umfassenden Normenwerkes [16.107] können Maßnahmen systematisch und zielführend konzipiert werden: Zur Einteilung der Umgebungsbedingungen, die bei atmosphärischer Korrosion (Land-, Stadt-, Industrie-, Meeresatmosphäre) unterschiedliche Korrosionsbelastungen für Stahlbauteile bewirken, werden im Teil 2 der Norm Korrosivitäts- Kategorien (C1 = unbedeutend bis C5 = sehr stark) aufgestellt. Bei Stahlbauten im Wasser bzw. im Feuchtmilieu wird hinsichtlich der Korrosionsbelastung unterschieden zwischen solchen im Süßwasser im Meer- oder Brackwasser und im Erdreich Maßgeblich ist auch noch, ob das Stahlbauteil in der Unterwasserzone, der Wasserwechselzone oder der Spritzwasserzone einer Korrosionsbelastung ausgesetzt ist. Die Einhaltung der Grundregeln zur konstruktiven Gestaltung von Stahlbauteilen hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Wirkung der Korrosionsschutzbeschichtungen (Teil 3 der Norm). Unter Abschnitt 16.3.4 wurden dazu bereits einige allgemeine Ausführungen ge-
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macht. Bild 16-22 beinhaltet einige zeichnerische Hinweise zur Ausbildung von konstruktiven Details. Zu achten ist bei der Konstruktion besonders auf Gute Zugänglichkeit für das Vorbereiten und Beschichten Vermeidung von Spalten, Fugen etc. in denen sich Feuchte, Schmutz und sonstige Ablagerungen sammeln können. Flächen sollten geneigt sein, damit Wasser ablaufen kann. Kanten sollten gerundet werden, damit die Filmbildung optimal verläuft. Schweißnähte müssen verrundet sein, Schweißperlen sind zu entfernen. Für Schrauben, Muttern etc. müssen ggf. zusätzliche Beschichtungsmaßnahmen eingeplant werden. Verbindungen von Metallen mit unterschiedlichem elektrochemischem Potenzial sollten nicht zur Anwendung kommen, um Kontaktkorrosion zu vermeiden. Ggf. müssen Kontaktflächen elektrisch isoliert werden. Transport und Montage müssen bei der Konstruktion dahingehend optimiert werden, Beschädigungen an werkstattmäßig ausgeführten Teilbeschichtungen zu vermeiden. Die erforderliche Qualität des Untergrundes ist davon abhängig, welchen Korrosions- und anderen Beanspruchungen das Stahlbauteil ausgesetzt ist und welche Dauerhaftigkeitserwartung (engl. lifetime to next maintenance) planmäßig vorgesehen ist. Zunehmend fließen dabei auch wirtschaftliche Überlegungen ein. Das Normenwerk unterscheidet in Teil 4 zwischen der primären Oberflächenvorbereitung, bei welcher ein ganzflächiger Abtrag von Fremdsubstanzen bis hin zum blanken Stahl vorgenommen wird und eine sekundäre Oberflächenvorbereitung bei welcher nur ein partieller Abtrag erfolgt und intakte Beschichtungsbereiche und Überzüge verbleiben. Die verschiedenen, möglichen bzw. notwendigen Vorbereitungen müssen vor dem Beschichten hinsichtlich der vereinbarten Qualität (z. B. Rauheit, Vorbereitungsgrad) einer besonderen, in der Regel visuellen Beurteilung unterzogen werden. Innerhalb des Normenwerkes nimmt der Teil 5, in welchem die Beschichtungssysteme genannt sind, die größte Bedeutung ein. In diesen Beschichtungssystemen werden je nach Korrosivitätskategorien, erwartete Schutzdauer etc. folgende Bindemittel eingesetzt: Alkydharz (AK) Chlorkautschuk (CR) Acrylharz (AY) Polyvinylharz (PVC) Epoxidharz (EP) Ethylsilicat (ESI) Polyurethan (PUR) Bitumen (BIT)
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16 Oberflächenschutz
Hierbei können die Bindemittel AK, AY und EP auch in wässrig basierter Form zum Einsatz gelangen. Als Schutzdauer definiert das Normenwerk 3 Zeitspannen: Kurz (K): 2 bis 5 Jahre Mittel (M): 5 bis 15 Jahre Lang (L): über 15 Jahre Dabei muss beachtet werden, dass die Schutzdauer nicht mit der Gewährleistung für Bauleistungen gleichgesetzt werden darf. Vielmehr werden damit Zeitabstände mit bestimmten Schwankungsbreiten genannt, für die nach vorliegenden Erfahrungen die Funktion eines normgemäß angewandten Beschichtungssystems erhalten bleibt. Neben dem erforderlichen Untergrundvorbereitungsgrad (z. B. St2, Sa 2 ½) werden Art und Anzahl der Grund-, bzw. Zwischen- und Deckbeschichtungen angegeben und vor allem wird die zu erzielende Schichtdicke in der Definition der Sollschichtdicke genannt. Diese so genannte Sollschichtdicke ist als NDFT (Nominal Dry Film Thickness) wie folgt definiert: Falls nicht anders vereinbart, sind Einzelwerte der Trockenschichtdicke, die 80 % der Sollschichtdicke unterschreiten, nicht zulässig. Einzelwerte zwischen 80 % und 100 % der Sollschichtdicke sind zulässig, vorausgesetzt, dass der Mittelwert aller Messergebnisse gleich der Sollschichtdicke oder größer ist und keine andere Vereinbarung getroffen wird. Die mit dieser Definition verbundene Problematik wird anhand von Bild 16-36 verdeutlicht: NDFT und Sollschichtdicke können identisch sein. Sie haben dann einen arithmetischen Mittelwert einer Gauß`schen Normalverteilung. Basierend auf den Beschreibungen in Abschnitt 16.3.2.5 (siehe auch [16.34]) ist auf Bild 16-36 das Schichtdickenergebnis einer Beschichtung auf einem Stahlbauteil dargestellt. Geht man davon aus, dass die mittlere Schichtdicke smit =300 μm beträgt und mit der Sollschichtdicke identisch ist, dann sind 80 % der Sollschichtdicke 240 μm. Nach der auf Bild 16-36 gezeigten und unter günstigen Bedingungen zustande gekommenen Schichtdickenverteilung liegen wenigstens 10 % der realen Schichtdicken am Stahlbauteil unterhalb des in der Norm vorgegebenen Grenzwertes. Nach Meinung des Verfassers ist die 80 % Regelung in DIN EN ISO 12944-5 eine stringente Vorgabe, deren Einhaltung unter baupraktischen Bedingungen nicht gelingen kann. Stattdessen hätte man, wie es wissenschaftlich untersucht und als machbar belegt ist [16.34], die Sollschichtdicke als nominelle Größe mit der mittleren Schichtdicke (smit) gleichsetzen, die 0,8 Begrenzung der Sollschichtdicke eliminieren und stattdessen als Untergrenze eine Mindestschichtdicke (smin) in der Definition der 5%-Fraktile einführen müssen. In diesem Sinne ist bereits die Schichtdickenregelung der DAfStb-Richtlinie [16.23] erfolgt. In Tabelle 16.8 ist dargestellt, mit welchen Sollschichtdicken entsprechend zusammengestellter Beschichtungssysteme, welche Zeitspannen der Funktionserfüllung bei Annahme der fünf dort genannten Korrosivitätskategorien zu erwarten sind. Zur Qualitätssicherung des Korrosionsschutzes von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme gibt DIN EN ISO 12944 in Teil 6 noch besondere Hinweise über Laborversuche zur Bewertung der einzusetzenden Beschichtungssysteme. Im Teil 7 werden schließlich Angaben zur Ausführung und Überwachung der Beschichtungsarbeiten gemacht. Hier werden sowohl die Anforderungen zur Qualifikation des Verarbeitungspersonals als auch zu den Bedingungen bei der Anwendung sowie der Eigenüberwachung durch den Auftragnehmer und einer ggf. vorzunehmenden Fremdüberwachung im Auftrag des Auftraggebers genannt.
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16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung
Bild 16-36 Schichtdickendefinition nach DIN EN ISO 12944-5, Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme, NDFT = Sollschichtdicke, gleichwertig zur mittleren Schichtdicke
Tabelle 16.8 Schutzdauer einer Beschichtung auf Stahl unter bestimmter Korrosionsbelastung abhängig von der Schichtdicke eines Beschichtungssystems Korrosivitätskategorien und Korrosionsbelastung Schichtdicke [μm]
C2 gering K
M
C3 mäßig L
K
M
L
K
M
C5-M sehr stark (Meer)
C5-I sehr stark (Industrie)
C4 stark L
K
M
L
K
M
L
80 120 160 200 240 280 320 Zu erwartende Schutzdauer: K (kurz): 2...5 Jahre, M (mittel): 6...15 Jahre, L (lang): über 15 Jahre
Für den Zuständigkeitsbereich der obersten Straßenbaubehörden der Länder (Bundesfernstraßen) hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Korrosionsschutz von Stahlbauten (ZTV-KOR-Stahlbauten) erstellt [16.108]. Im Technischen Bereich lehnt sich dieses Regelwerk sehr eng an DIN EN
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16 Oberflächenschutz
ISO 12944 an. Hinsichtlich der einzusetzenden Beschichtungsstoffe müssen diese den „TL/TP-KOR-Stahlbauten“ (Lieferbedingungen und Prüfvorschriften für die Beschichtungsstoffe) entsprechen. Die zur Anwendung zugelassenen Stoffsysteme müssen in der „Zusammenstellung der zertifizierten Beschichtungsstoffe nach den „TL/TP-KOR-Stahlbauten“ für die Anwendung an Bauwerken und Bauteilen der Bundesverkehrswege „(www.bast.de)“ aufgeführt sein. Diese „ZTV-KOR-Stahlbauten“ ersetzt u.a. die bislang weit verbreiteten „Technischen Lieferbedingungen der Deutschen Bahn“ (TL 918300, Teil 2) und die „Planungshilfen zur Anwendung der TL 918300, Teil 2 für den Korrosionsschutz von Stahlbauten" der Deutschen Bahn.
16.5.9 Zink, verzinkter Stahl und Aluminium Nur wenige Bauteile werden aus massivem Zinkblech (Titanzink als Legierung) gefertigt, z. B. Regenrinnen, Fallrohre, Dächer und Abdeckungen. Deren Lebensdauer ist bei Wetterbelastung in aller Regel so groß, dass Schutzmaßnahmen unnötig sind. Nur bei sehr korrosiven Belastungen, wie Säuren, Laugen, Salzlösungen usw., ist eine Beschichtung von massivem Zinkblech angebracht. Bei verzinktem Stahl muss die Verzinkungsart, insbesondere wegen der dabei aufgebrachten Schichtdicken des Zinküberzuges beachtet werden: Stückverzinkung (Feuerverzinkung) 50 bis 100 μm Bandverzinkung 15 bis 40 μm Spritzverzinkung 80 bis 150 μm Galvanische Verzinkung 3 bis 15 μm Die Schutzdauer der Zinkschicht ist proportional zu ihrer Dicke, da sich die Zinkschicht unter korrosiven Belastungen langsam abbaut. Ein Dickenverlust von etwa 10 μm tritt in folgenden Zeiten ein: Landatmosphäre: 5 Jahre Stadtatmosphäre: 3 Jahre Meeresatmosphäre: 2 Jahre Industrieatmosphäre: 1 Jahr Daraus ergibt sich, dass bandverzinktes Blech binnen weniger Jahre und galvanisch verzinkte Kleinteile binnen eines einzigen Jahres ihre schützende Zinkschicht verlieren können. Bei der Stückverzinkung werden die betreffenden Stahlbauteile in ein Bad aus flüssigem Zink eingetaucht. Gewisse Konstruktionsregeln müssen dabei eingehalten werden, damit es nicht zu Oberflächenstörungen wie Gasblasen, behinderter Abfluss etc. kommt. Seit vielen Jahren hat sich ein besonderes Korrosionsschutzsystem für verzinkten Stahl sehr gut bewährt, welches die Bezeichnung Duplex System (Feuerverzinken + Beschichten) hat [16.63]. Die Wirkungsmechanismen von Duplex-Systemen beruhen auf einem gegenseitigen Schutz beider Partner. Der Zinküberzug wird durch die darüberliegende Beschichtung vor atmosphärischen und chemischen Einflüssen geschützt. Ein Abtrag des metallischen Zinks wird ver-
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16.5 Oberflächenschutz gegen Wetter- und Nutzungseinwirkung
mieden, der Zinküberzug bleibt lange Zeit in neuwertigem Zustand unter der Beschichtung erhalten. Die Wirkungsdauer der Feuerverzinkung als „Opferanode“ wird dadurch deutlich verlängert. Beschädigungen an der Beschichtung haben in der Regel keine nachteiligen Auswirkungen zur Folge, da die hohe Widerstandsfähigkeit und Abriebfestigkeit des darunterliegenden Zinküberzuges auch hohen Belastungen standhält. Es kommt zu keinen Unterrostungen, der Stahl bleibt auch an Stellen, an denen die Beschichtung Schwächen oder Fehlstellen aufweist, geschützt. Das wiederum verlängert die Schutzzeit der Beschichtung. Geeignete Beschichtungen für Duplex-Systeme sind Beschichtungen mit unterschiedlicher Bindemittelbasis. Die Zusammensetzung der Beschichtungsstoffe hat einen erheblichen Einfluss, wobei daraus wieder unterschiedliche Dauerhaftigkeitszeiträume resultieren. PVC, PVC-Acryl und Acryl sind die wichtigsten physikalisch trocknenden Beschichtungen, zeitigen dann aber im Duplex-System eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen korrosive Einwirkungen. Dies gilt in besonderem Maß für Zweikomponenten-Beschichtungen auf Basis von Epoxid- oder Polyurethanharz. Tabelle 16.9 zeigt, mit welchen Bindemitteltypen bei welchen Schichtdicken der Beschichtungssysteme und bei welchen Korrosionsbelastungen welche Schutzdauer erwartet werden kann. Tabelle 16.9 Schutzdauer eines Duplex-Systems abhängig von der Korrosionsbelastung, dem Beschichtungstyp und der Schichtdicke der Beschichtung Korrosivitätskategorien und Korrosionsbelastung Bindemittel Basis
Schicht dicke [μm]
PVC bzw. Acrylat
120
C2 gering K
M
C3 mäßig L
K
M
L
K
M
C5-M sehr stark (Meer)
C5-I sehr stark (Industrie)
C4 stark L
K
M
L
K
M
L
160 200
Epoxid oder Polyurethan
160 240
Zu erwartende Schutzdauer: K (kurz): >5 Jahre, M (mittel): >15 Jahre, L (lang): >25 Jahre
Eine einwandfreie Untergrundvorbereitung der verzinkten Bauteiloberfläche [16.109] ist die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Duplex-System. Je nach Alter und Vorbelastung des Zinküberzuges trifft man auf verschiedene Zustände. Die bereits frische, noch unbewitterte Feuerverzinkung überzieht sich unmittelbar nach dem Verzinkungsvorgang mit einer sehr dünnen Oxidschicht. Diese ist praktisch nicht sichtbar. Ihre Dicke liegt bei wenigen Nanometern. Kommen keine weiteren, erschwerenden Bedin-
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16 Oberflächenschutz
gungen hinzu (Kontamination mit Stimulatoren oder später eine starke Korrosionsbelastung), ist eine Beschichtung kurz nach dem Verzinkungsvorgang vielfach ohne weitere Vorbereitungsmaßnahmen möglich. Normalerweise liegt zwischen dem Feuerverzinken und dem Beschichten ein längerer Zeitraum. Unter diesen Umständen erfordert auch eine frische Feuerverzinkung eine entsprechende Untergrundvorbereitung. Diese wird bevorzugt durchgeführt durch Abbürsten bzw. Abwaschen mit speziellen Reinigungsmitteln (z. B. amoniakalische Wäsche) Mechanisches Schleifen Heißwasser-, Druckwasser-, Dampfstrahlen Sweepen mit feinem, festem Strahlmittel Auf längere Zeit schon bewitterten Zinkoberflächen können sich außer Oberflächenverschmutzungen auch Korrosionsprodukte des Zinküberzuges von unterschiedlicher Art und Dicke gebildet haben. Mitunter müssen dann die genannten Untergrundvorbereitungsverfahren mit größerer Intensität ausgeführt werden. Aluminium-Bauteile können mit metallblanken, oder anodisch-oxidierten (eloxierten), oder klarlackierten oder deckend einbrennlackierten Oberflächen ausgestattet sein. Lackierte bzw. beschichtete Aluminiumoberflächen müssen auf die Haftung der vorhandenen Lackierung bzw. der Beschichtung geprüft werden, bevor sie als Untergrund für eine zusätzliche Beschichtung akzeptiert werden können [16.110]. Die Haftung von Beschichtungen auf metallblankem und noch mehr auf eloxiertem Aluminium, ist nicht ohne weiteres zu erreichen. Leichtes Sweepen ist die sicherste Methode der Vorbereitung, Schleifen und anschließendes Spülen sowie Reinigen mit speziellen Lösemitteln oder Reinigungsmitteln sind die Alternativen. Die Beschichtung muss in zwei oder drei Lagen aufgebracht werden, wobei die verwendeten Stoffe und die Vorbereitung der Aluminiumoberfläche vom Hersteller der Beschichtungsstoffe empfohlen sein müssen.
16.6 Polymerbeschichtungen zur Abdichtung gegen Wasser Bauwerksabdichtungen gegen Wasser müssen außer der Beständigkeit gegen alle im Bauwesen vorkommenden chemischen und physikalischen Belastungen vor allem folgende Eigenschaften haben: Dichtheit gegen flüssiges Wasser Rissüberbrückungsfähigkeit Diese beiden Forderungen bedingen ein so dichtes Materialgefüge, dass ein Strömen oder ein Kapillartransport von Wasser darin nicht möglich ist, sowie eine Flexibilität des Werkstoffes, um auch über sich bewegenden Rissen die Dichtheit gewährleisten zu können (siehe Abschnitt 16.3.2.3). Der Diffusionswiderstand gegenüber Wassermolekülen unterliegt keinen Bedingungen. Im Gegensatz zur klassischen Bauwerksabdichtung mit Dichtungsbahnen,
16.6 Polymerbeschichtungen zur Abdichtung gegen Wasser
1055
welche werksmäßig vorgefertigt werden, entstehen abdichtende Beschichtungen erst vor Ort aus dem flüssigen Beschichtungsstoff (siehe auch Abschnitt 16.2.1). Dies schränkt die Anwendung von Beschichtungen bei der Bauwerksabdichtung gelegentlich etwas ein. Denn um eine mit Bahnenabdichtungen vergleichbare Sicherheit für die Undurchlässigkeit zu erreichen, müssen bei Beschichtungen sehr hohe Anforderungen an die Planung, insbesondere aber an die handwerkliche Herstellung von gesicherten Mindestschichtdicken an jeder Stelle, an eine ausreichende Verfestigung in situ und an die Fehlstellenfreiheit gestellt werden. Gelingt die Herstellung einer ordnungsgemäßen Beschichtung, können die Vorteile gegenüber Dichtungsbahnen genützt werden: Verarbeitung ohne offene Flamme oder der Verwendung von Lösemittel, Anpassung an unebene Untergründe, Lokale Variationen wie erhöhte Dicke und Verstärkung durch Gewebeeinlagen, Kraftübertragung von Schutzschichten an den Untergrund. Wegen ihrer flexiblen Beschaffenheit müssen abdichtende Beschichtungen mit Schutzschichten versehen werden, wenn sie begangen, befahren oder sonst wie mechanisch beansprucht werden.
16.6.1 Abdichtungen im Verbund mit Fliesen und Platten Boden- und Wandflächen in Küchen, Bädern, WC usw. im konventionellen Wohnungs- und Bürobau sind Feuchträume. Sie werden in der Regel gegen die nutzungsbedingte Feuchtebelastung nicht abgedichtet, wenn dort nur erhöhte Luftfeuchten, kurzfristiger Wasseranfall und gelegentlicher Tauwasseranfall auftreten. Einzelne Bereiche in diesen Räumen, welche eine nennenswerte Beaufschlagung mit flüssigem Wasser erfahren, z. B. die Duschen, müssen einen erhöhten Schutz erhalten. Fliesenbekleidungen an Wänden und Böden sind dabei als pflegeleichte und wasserabweisende Oberflächenschichten anzusehen. Wegen ihres Fugenanteils bieten sie keinen zuverlässigen Schutz gegen Wassereinwirkung. Abdichtungen in Nassräumen werden an Wand- und Bodenflächen zunehmend mit sog. Verbundabdichtungen ausgeführt: Wenn man die abdichtende Schicht als haftende Beschichtung auf die Oberfläche des zu schützenden Bauteils aufbringt und die Schutzschicht ebenfalls durch Haftverbund auf der Abdichtung befestigt, spricht man von der Abdichtung im Verbund. Bild 16-37 veranschaulicht dieses Abdichtungsprinzip. Durch die vollflächige Verbindung zwischen Schutzschicht, Dichtschicht und tragendem Untergrund entsteht eine hohe Sicherheit gegen Undichtigkeit. Eine lokale Undichtigkeit würde eine Durchlässigkeit aller drei beteiligten Schichten an der gleichen Stelle bedingen, um zum Versagen zu führen. Dieser Fall ist sehr unwahrscheinlich. Stützende Hilfskonstruktionen für die Schutzschicht an Wänden sind bei dieser Abdichtungsvariante nicht erforderlich.
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16 Oberflächenschutz
Bild 16-37 Typische Schichtenfolge einer Abdichtung im Verbund mit Fliesen in einem Nassraum
Die Methodik und die Anforderungen an die Abdichtungsschicht, Hinweise an die Ausführung der Verbundabdichtung bei Kombination mit Deckschichten aus Fliesen und Platten bei Wand- und Bodenflächen sind in einem Merkblatt [16.111] beschrieben. Es werden dort vier Kategorien unterschieden:
Beanspruchungsklasse I: Die Beanspruchung wirkt nur zeitweise und kurzzeitig als Spritzwasser. Anwendungsbeispiele: Bäder ohne Bodenablauf, Duschtassen, Badewannen Beanspruchungsklasse II Wasserbeaufschlagung sehr häufig bzw. permanent, jedoch nicht stauend. Anwendungsbeispiele: Duschen ohne Duschtassen, Sanitärräume im öffentlichen und gewerblichen Bereich mit Bodenabläufen. Beanspruchungsklasse III Bauteile im Außenbereich Anwendungsbeispiele: Balkone und Terrassen ohne Dämmschichten sowie angrenzende Gebäudesockel. Beanspruchungsklasse IV Wasserbeaufschlagung sehr häufig bzw. permanent, jedoch nicht stauend. Ferner bei Einwirkung von aggressiven Medien, aggressiven Reinigungsmitteln und/oder hoher mechanischer Belastung. Anwendungsbeispiele: Gewerbliche Küchen, Spülräume und Nasstherapien, industrielle Bereiche, z. B. Lebensmittelbereich, Brauereien, Molkereien, Schlachtereien, Fischverarbeitung etc. (jedoch nicht Anlagen im Sinne § 19 Wasserhaushaltsgesetz). Als Beschichtungsstoffe zur Verbundabdichtung sind vorgesehen: Flexible Kunststoffdispersionen Kunststoffdispersionsmodifizierte Zement-Feinsandmörtel (flexible Dichtungsschlämmen, siehe Abschnitt 16.2.2) Flexibel formulierte Reaktionsharze auf Basis Epoxid oder Polyurethan, auch kombiniert.
16.6 Polymerbeschichtungen zur Abdichtung gegen Wasser
1057
Tabelle 16.10 Anforderungen an die Eigenschaften von Abdichtungen im Verbund gemäß Merkblatt [16.111] Eigenschaft
Anforderung
Haftzugfestigkeit, unbelastet nach Frosteinwirkung nach Wärmebeanspruchung nach Chlorwassereinwirkung nach Kalkwassereinwirkung
0,5 N/mm²
0,5 N/mm²
0,5 N/mm²
0,5 N/mm²
0,5 N/mm²
Wasserundurchlässigkeit
Keine Durchfeuchtung unter der Abdichtung nach 7 Tagen bei 1,5 bar
Rissüberbrückung
a) bis 0,75 mm Breite b) bis 0,4 mm Breite
Die im Merkblatt [16.111] aufgestellten Anforderungen findet man in Tabelle 16.10. Bei Schwimmbädern (drückendes Wasser) wird die Dichtheit durch die Kombination der Verbundabdichtung mit einem wasserundurchlässigen Stahlbetonbecken mit rissbreitenbeschränkender Bewehrung sichergestellt: Wird die Rissbreite auf Werte ≤ 0,1 mm beschränkt, dann ist eine sichere Rissüberbrückung mit einer Verbundabdichtung unproblematisch.
16.6.2 Mineralische Dichtungsschlämmen, Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen (KMB) Mineralische Dichtungsschlämmen sind zementgebunden und werden entweder als starre oder als flexibel formulierte Beschichtungen eingesetzt. Starre Dichtungsschlämmen nach der Richtlinie [16.112] können naturgemäß keine Risse überbrücken und bilden streng genommen keine Abdichtung. Auch erfordern sie wegen ihrer Eigenspannungen eine relativ große Festigkeit des Untergrundes. Ihr Einsatzgebiet ist daher beschränkt. Nach der genannten Richtlinie werden sie vorzugsweise an erdberührten Bauteilen gegen Bodenfeuchte, Sickerwasser und drückendes Wasser eingesetzt. Zusätzlich sollen sie bei aufsteigender Feuchte, gegen Spritzwasser sowie in Behältern zum Einsatz kommen. In der Richtlinie werden neben planerischen Hinweisen auch Anforderungen und Informationen zur Beurteilung der Anwendung genannt.
Flexible Dichtungsschlämmen werden nach der Richtlinie [16.113] vor der Verarbeitung auf der Baustelle aus einer Pulverkomponente und einer Flüssigkomponente gemischt. Die Kunststoffdispersion in der Flüssigkomponente verfügt aufgrund ihrer Modifikation über besondere flexible Eigenschaften und verleiht dem Produkt eine Dehnbarkeit, welche die Rissüberbrückung der Beschichtung von mindestens 0,4 mm (einmalige zügige Rissaufweitung) einer mindestens 2 mm dicken Schlämmeschicht sichert. Die Richtlinie weist der flexiblen Dichtungsschlämme darüber hinaus gleiche Einsatzorte und Abdichtungswirkungen zu wie den starren Dichtungsschlämmen.
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16 Oberflächenschutz
Da mineralische Dichtungsschlämmen ein zementhaltiges Bindemittel haben, muss ein trockener Untergrund vorgenässt und ein zu frühzeitiges Austrocknen verhindert werden. Etwa 3 Stunden nach dem Verarbeiten sollte die Schlämmeschicht regensicher sein, bei tieferen Temperaturen dauert es entsprechend länger. Aufgrund der Eigenschaften starrer und flexibler Dichtungsschlämmen sollte das Anwendungsgebiet auf die Lastfälle Bodenfeuchtigkeit nichtdrückendes Wasser im Baugrund, Spritzwasser und kapillar aufsteigende Feuchte begrenzt bleiben.
Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen (KMB) auf Bitumenemulsionsbasis werden entweder aus einkomponentigen oder aus zweikomponentigen Beschichtungsstoffen hergestellt. Bei den ein- und zweikomponentigen Stoffen ist die Flüssigkomponente im Wesentlichen eine Bitumen-Kunststoff-Emulsion. Die zweite Komponente ist ein unmittelbar vor der Verarbeitung beizumischendes Pulver, das hauptsächlich Zement enthält. Dieser reagiert mit dem Wasser der Flüssigkomponente und trägt damit zur schnelleren Verfestigung bei. Diese Variante hat dann eine steifere Dichtungsschicht, die unempfindlicher gegen mechanische Einwirkungen ist. Die Anwendung von kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtungen wird in der Norm für Bauwerksabdichtungen [16.114] eingegrenzt. Ihr Einsatz ist demnach möglich: gegen Bodenfeuchte und nicht stauendes Sickerwasser, Teil 4 gegen nichtdrückendes Wasser auf Deckenflächen und in Nassräumen bei mäßiger Beanspruchung, Teil 5 gegen aufstauendes Sickerwasser, Teil 6 In Teil 2 von [16.114] werden in Tabelle 9 Eigenschaften, Prüfanforderungen und Prüfverfahren für KMB genannt. Im Normenentwurf [16.115] werden weitere Anforderungen zur Beständigkeit gegen Wasser Regenfestigkeit Wasserdampfdiffusionswiderstand Brandverhalten Schichtdickenabnahme bei Durchtrocknung genannt, wobei erwartet wird, dass sie in Teil 2 von [16.114] aufgenommen werden. Die Verfestigungszeit von KMB mit Mindestschichtdicken bis 4 mm kann unter ungünstigen Luftfeuchte- und Temperaturbedingungen sowie bei geringer Saugfähigkeit des Untergrundes relativ groß sein. Bei der Verarbeitung ist weder eine offene Flamme notwendig, noch müssen hoch erhitzte oder lösemittelhaltige Stoffe zur Anwendung kommen. Im Mauerwerksbau sind KMB zur bevorzugten Abdichtung gegen Bodenfeuchte und nicht drückendes Wasser geworden. Mit der Richtlinie [16.116] werden über das maßgebliche Normenwerk [16.114] hinausgehend Hilfestellungen für die Planung und die Ausführung von KMB gegeben.
16.7 Qualitätssicherung der Anwendung am Bauobjekt
1059
16.7 Qualitätssicherung der Anwendung am Bauobjekt Qualitätssicherung wird gemeinhin so verstanden, dass Bauprodukte (im vorliegenden Fall meist Beschichtungsstoffe) bestimmten Anforderungsprofilen entsprechen müssen, dass dies durch Zertifizierung belegt wird und dass während bzw. nach der Anwendung Prüfungen am Bauobjekt dies bestätigen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Qualität weniger durch nachträgliche Prüfung sondern vielmehr durch Optimierung der Anwendung (Umsetzung am Objekt) erzielt werden kann. Maßnahmen der Qualitätssicherung müssen daher ganzheitlich gesehen und bereits vor der Anwendung der Bauprodukte angesetzt werden. Natürlich müssen Betrachtungen zur Qualitätssicherung bereits schon in der Planungsphase angestellt werden. Im vorliegenden Fall soll die Qualitätssicherung auf die Anwendungsphase der Bauprodukte beschränkt bleiben. Unabhängig von der Größe eines Projektes zur Durchführung von Oberflächenschutzmaßnahmen entsprechend den Unterabschnitten von Kapitel 16.5 wird der Bauherr (Auftraggeber) oder in seinem Auftrag ein sachkundiger Planer (Architekt, Ingenieur, Baufachmann) im Regelfall nach einem zuvor verfassten Anforderungskatalog ein Leistungsverzeichnis erstellen. Dieses Leistungsverzeichnis wird dann einem (oder mehreren) Fachunternehmen zur Preisfindung vorgelegt. Obwohl der Unternehmer zu diesem Zeitpunkt noch keinen Auftrag zur Ausführung der Maßnahme hat, muss er sich bereits jetzt bei der Kalkulation seiner Kosten mit Teilen des später (wenn der Auftrag erteilt ist) zu erstellenden Arbeitsausführungsplans (AAP) befassen. Bild 16-38 zeigt diesen AAP schematisch. Im Arbeitsplan wird vor Beginn der Ausführung dargestellt, welches und wie viel Personal, welche und wie viele Gerätschaften benötigt werden und wie die Bauteiloberflächen zur Bearbeitung erreicht werden können. Falls keine näheren Vorgaben gemacht worden sind, wählt der Anbieter die Bauprodukte unter Berücksichtigung der Konformitätsbescheinigung und ermittelt die Mengenansätze. Nach Auftragserteilung legt der Auftragnehmer dem Auftraggeber bzw. dem von diesem beauftragten sachkundigen Planer den Arbeitsplan zur Prüfung vor. So kann bereits in diesem Stadium, d.h. noch vor Beginn der Oberflächenschutzmaßnahme eingeschätzt werden, ob das Fachunternehmen die geforderten Qualitätsstandards erzielen kann. Die zweite Stufe der Qualitätssicherung betrifft die Ausführungsanweisung (AA). Sie wird vom Ausführungsunternehmen vor Beginn der Maßnahmen erstellt, wird aber erst bei der Ausführung der Arbeiten angewendet. Sie unterscheidet sich von der gelegentlich in Produktdatenblättern bzw. in bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen genannten Ausführungsanweisung dadurch, dass sie auf das Bauobjekt (ganzheitlich) bezogen ist und nicht ausschließlich auf das Bauprodukt. In dieser AA ist die Anweisung an das Ausführungspersonal (Bauleiter, Handwerker) enthalten, mit welchen Bauprodukten bzw. Betriebsmitteln unter Verwendung welcher Arbeitsgeräte / Anwendungsverfahren welche Arbeitsziele (Schichtdicke, Haftverbund etc.) erreicht werden müssen. Diese AA gibt auch an, welche Überwachungsprüfungen vorzunehmen sind.
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16 Oberflächenschutz
Arbeitsausführungsplan AAP zur oberflächenschutztechnischen Bearbeitung des Objekts . . . Version . . . 1. Arbeitsplan AP (Planung im Vorfeld) Inhaltsverzeichnis LV. Pos.
Personal
Qualifikation und Anzahl
Werkzeuge
Geräte, Maschinen, Anlagen
Zugangstechnik
Gerüste, Hebebühnen
Werkstoffe
Instandsetzungs- und Beschichtungsstoffe (Produkt, Mengenansatz, Bestellmenge)
2. Ausführungsanweisung AA (Qualitätssicherung in situ) Inhaltsverzeichnis Abschnitt … / Zone … LV. Pos.
Werkstoffe Arbeitsgeräte Anwendungsverfahren Arbeitsziel
3. Terminplan TP Abschnitt … / Zone LV. Pos.
Leistung
Zeitspanne
Bild 16-38 Schema eines Arbeitsausführungsplanes zur Qualitätssicherung von Oberflächenschutzmaßnahmen.
Verschiedene Betrachtungen lassen es als angeraten erscheinen, den Ablauf einer Maßnahme in einem Terminplan (TP) zu koordinieren. Neben der Einhaltung kommerzieller Vorgaben sind damit auch qualitätssichernde Ansätze besser umsetzbar.
16.8 Fachliteratur [16.1] [16.2] [16.3]
Wagner, H.; Sarx, H.-F.: Lackkunstharze. München: Carl Hanser Verlag, 1971 Krenkler, K.: Chemie des Bauwesens, Band 1, Anorganische Chemie. HeidelbergBerlin-New York: Springer Verlag, 1980 Kittel, H.: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, Band 5, Pigmente, Füllstoffe und Farbmetrik. Stuttgart: Hirzel Verlag GmbH, 2003
16.8 Fachliteratur
[16.4] [16.5] [16.6] [16.7] [16.8] [16.9] [16.10] [16.11] [16.12] [16.13] [16.14] [16.15] [16.16] [16.17] [16.18] [16.19] [16.20]
[16.21]
[16.22]
1061
Kittel, H.: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, Band 4, Lösemittel, Weichmacher und Additive. Stuttgart: Hirzel Verlag GmbH, 2007 Kittel, H.: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, Band 2, Bindemittel für lösemittelhaltige und lösemittelfreie Systeme. Stuttgart: Hirzel Verlag GmbH, 1998 Kittel, H.: Lehrbuch der Lacke und Beschichtungen, Band 3, Bindemittel für wasserverdünnbare Systeme. Stuttgart: Hirzel Verlag GmbH, 2001 Gieler, R.P.; Dimming-Osburg, A.: Kunststoffe für den Bautenschutz und die Betoninstandsetzung. Basel: Birkhäuser Verlag, 2006 DIN EN ISO 12944-5, Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme, Beschichtungssysteme. Berlin: Beuth Verlag, 1998 Mayer, H.: Wässrige Silicon-Mikroemulsionen als Fassadenimprägniermittel. In: farbe + lack, 97. Jahrgang, 4/1991 Hager, R.; Hausberger, A.: Imprägniercreme – die Revolution im Betonschutz. In: farbe & Lack, 104. Jahrgang, 12/1998 DIN 18363, VOB Teil C, Maler- und Lackierarbeiten, Abschnitt 2.4.1. Berlin: Beuth Verlag, 10-2006 Ergänzende Bestimmungen zur DIN 1045, Aufgaben der Betondeckung, Lage der Bewehrung. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 1988 Nishi, T.: Untersuchungen über die Abminderung der alkalischen Reaktion (Karbonatisierung) im Beton in Japan. RILEM Symposium, Prag, 1961 Engelfried, R.: Carbonatisation von Beton, ihre Bedeutung und ihre Beeinflussung durch Beschichtungen. In: defazet, Heft 9, (1997) DIN EN 1062-6, Bestimmung der Kohlenstoffdioxid-Durchlässigkeit. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2002 Engelfried, R.: Diffusionswiderstandszahlen für Kohlendioxid und Wasser und deren praktische Anwendung. In: farbe + lack, Nr. 7/1983 Klopfer, H.: Bauphysikalische Aspekte der Betonsanierung. In: Bautenschutz und Bausanierung, Nr. 4, 1980 Klopfer, H,: Feuchte. In: Lehrbuch der Bauphysik, 4. Auflage. Stuttgart: B.G. Teubner Verlag, 1997 Klopfer, H.: Bauphysikalische Betrachtung der Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen für Betonoberflächen. In: DAB 1/90 Künzel, H.M. et. al.: Praktische Beurteilung des Feuchteverhaltens von Bauteilen durch moderne Rechenverfahren. WTA-Schriftenreihe, Heft 18. AEDIFICATIO Verlag, 1999 Worch, A.: Computergestützte Simulationsrechnungen zum Einfluss von Beschichtungen auf den Wassertransport in Betonbauteilen. Seminarhandbuch Oberflächenschutz von Beton. Technische Akademie Esslingen, 29.11.1999 Engelfried, R.: Permissible diffusion resistance of polymer coatings against water vapour and its diffusion effective film thickness. In: Proceedings of the 5th International Symposium on natural Draught cooling towers 2004. Rotterdam: A.A. Balkema Publishers, 2004
1062 [16.23]
[16.24] [16.25] [16.26]
[16.27] [16.28] [16.29] [16.30] [16.31] [16.32] [16.33] [16.34]
[16.35]
[16.36] [16.37]
[16.38] [16.39] [16.40] [16.41]
16 Oberflächenschutz
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16 Oberflächenschutz
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[16.109] [16.110] [16.111]
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16 Oberflächenschutz
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.1 Regelwerke Beim Schutz und bei der Instandsetzung von Betonbauteilen sind von allen Beteiligten verschiedene Regelwerke zu beachten. Die Instandsetzungsarbeiten sind nach einem von einem sachkundigen Planer aufgestellten Instandsetzungsplan auszuführen. Der detaillierte Arbeitsplan muss von einer qualifizierten Führungskraft aufgestellt werden. Die Qualifikation wird durch den SIVV-Schein (Schützen, Instandsetzen, Verbinden, Verstärken) nachgewiesen. Kunststoffmodifizierte Spritzmörtel dürfen nur von Personen mit dem so genannten Düsenführerschein (D-Schein) verarbeitet werden. Alle Materialien müssen die Anforderungen der Richtlinie für Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen RL-SIB, Teil 2, des DAfStb bzw. der Technischen Vertragsbedingungen der ZTV-ING des BMVBS erfüllen. Alle Stoffe, die im Bereich der Betoninstandsetzung angewendet werden dürfen, sind in der Bauregelliste enthalten. Die genormten Stoffe wie Beton und Spritzbeton sind in der Bauregelliste A, Teil 1, die nicht genormten Stoffe in der Bauregelliste A, Teil 2, aufgeführt, soweit sie eingesetzt werden, wo die Standsicherheit des Bauwerkes betroffen ist. Stoffe von untergeordneter Bedeutung sind in Liste C enthalten. Als Nachweis der grundsätzlichen Eignung eines Instandsetzungsproduktes bzw. -systems nach Bauregelliste A, Teil 2, dient ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP). Grundlage dieses Zeugnisses ist die Grundprüfung des Produktes, die nur von einer dafür vom Deutschen Institut für Bautechnik anerkannten Stelle durchgeführt werden darf. Auch das abP wird von der Prüfstelle ausgestellt. Bestandteil eines abP sind u. a. die Ausführungsanweisungen des Herstellers, die bei Untergrundvorbehandlung, Anmischen, Verarbeitung, Ausführung und Nachbehandlung unbedingt zu beachten sind. Dort sind unter anderem auch Angaben zu den minimalen und maximalen Verarbeitungstemperaturen sowie Schichtdicken enthalten. Zurzeit sind alle kunststoffhaltigen Instandsetzungsprodukte in der Bauregelliste A, Teil 2, enthalten. Angewendet werden dürfen Instandsetzungsprodukte bzw. -systeme grundsätzlich nur, wenn für sie ein Übereinstimmungszertifikat (ÜZ) vorliegt. Zur Kennzeichnung der ÜZ-Produkte ist auf ihrer Verpackung ein Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) angebracht. Durch das Erscheinen der europäischen Normenreihe EN 1504 werden im Bereich Schutz und Instandsetzung nun auch erstmalig genormte Produkte eingesetzt. Der nachfolgende Abschnitt gibt einen kurzen Überblick über die europäische Normenreihe EN 1504. Auf der Grundlage des Normungsmandats M 128 der EU für das europäische Normungsgremium CEN wurden im Ausschuss SC 8 unter dem Dach des Technischen Ausschusses
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_17, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
1068
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
TC 104, der den Beton behandelt, Normen für das Gesamtgebiet des Schutzes, der Instandsetzung und Verstärkung von Betonbauteilen erarbeitet. Dies betrifft die Normen der Reihe EN 1504 „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität“. Bild 17-1 gibt eine Übersicht über die 10 Teile der Normenreihe EN 1504 mit den zugehörigen Prüfnormen.
Bild 17-1 Übersicht über den Aufbau der Normenreihe EN 1504
Bei den Teilen 2 bis 7 handelt es sich um harmonisierte Produktnormen, die national unverändert umzusetzen sind. Diese werden nach ihrer Veröffentlichung als DIN EN in Verbindung mit Teil 8 und evtl. Teil 1 der EN 1504 in die Bauregelliste B Teil 1 aufgenommen. Teil 1 enthält die erforderlichen Definitionen und Teil 8 behandelt die Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität. Ein zentraler Teil der EN 1504 ist der nicht harmonisierte Teil 9 „Allgemeine Planungsgrundsätze“, der bereits 1996 zur Veröffentlichung als Vornorm freigegeben wurde. Ebenfalls nicht harmonisiert ist Teil 10 „Anwendungen von Produkten und Systemen auf der Baustelle, Qualitätsüberwachung der Ausführung“. Dieser Teil ist jedoch sehr allgemein formuliert und enthält nur in geringem Umfang verbindliche konkrete Anforderungen an die Anwendung der Produkte, die bei Weitem nicht dem gewohnten Anforderungsprofil der RL-SIB des DAfStb entsprechen. Nach sorgfältigem Abwägen der Vor- und Nachteile mit allen betroffenen Gremien hat sich der zuständige Deutsche Spiegelausschuss DIN NA 005-07-06 eindeutig dafür entschieden, zunächst für die Verwendung der Produkte nach EN 1504-2,3,5 und 7 die bestehenden Re-
17.2 Angriffe auf Stahlbeton
1069
gelwerke RL-SIB sowie die ZTV-ING zugrunde zu legen und die Produkte nach EN 1504-4 und 6 wie bisher über Zulassungen zu regeln, weil damit in Deutschland langjährige Erfahrungen vorliegen. Diese Vorgehensweise erfordert die Erstellung von Restnormen, die die Verwendung der Europäisch genormten Produkte mit CE-Zeichen in Deutschland regeln. Dazu sind die Restnormen DIN V 18026 bis DIN V 18028 vorgesehen (siehe Bild 17-2). Ferner müssen die Zulassungen für die Klebstoffe (EN 1504-4) und Verankerungsmörtel (EN1504-6) überarbeitet werden.
Bild 17-2 Geplante Einführung der EN 1504 in Deutschland
Durch diese Vorgehensweise wird es ermöglicht, Planung und Ausführung nach den gleichen Regelungen wie bisher weiterzuführen und dazu die Europäisch genormten Produkte (CE) zu verwenden. Während die Restnormen für Oberflächenschutzsysteme DIN V 18026 und Rissfüllstoffe DIN V 18028 bereits veröffentlicht und bauaufsichtlich eingeführt wurden, wird die Restnorm zu den Mörteln DIN V 18027 derzeit noch diskutiert.
17.2 Angriffe auf Stahlbeton 17.2.1 Allgemeines DIN EN 1504-9 enthält eine Zusammenstellung möglicher Schäden bei Betonbauwerken. Dabei wird grundsätzlich zwischen Schäden des Betons und Korrosion der Bewehrung unterschieden. Dies unterscheidet sich von der RL-SIB, in der der Schwerpunkt auf den Schäden infolge Korrosion der Bewehrung liegt, da diese den häufigsten Grund für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen darstellt. In den folgende Abschnitten werden die Korrosionsmechanismen bei Beton- und Bewehrungskorrosion ausführlich erläutert, da die Kenntnis der Mechanismen Grundlage für die Festlegung geeigneter Verfahren zur Zustandserfassung, für die Schädigungsprognose sowie die Auswahl geeigneter Instandsetzungsprinzipien und -methoden sowie der Produkte ist.
1070
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bild 17-3 Übersicht über übliche Schadensursachen an Stahlbetonbauwerken nach DIN EN 1504-9
In den folgenden Abschnitten werden zunächst die wesentlichen Schädigungsvorgänge im Beton und anschließend die Korrosion der Bewehrung behandelt.
17.2.2 Schäden des Betons durch chemische, physikalische und mechanische Einwirkungen 17.2.2.1 Chemische Einwirkungen
Der schädigende chemische Angriff auf den Beton, häufig als Betonkorrosion bezeichnet, kann sowohl von Außen z. B. durch Säuren als auch von Innen durch die Ausgangsstoffe des Betons verursacht werden. Entsprechend ihres äußeren Erscheinungsbildes und ihren Auswirkungen können zwei Arten der Schädigung unterschieden werden: Lösend: Neubildung löslicher Reaktionsprodukte an der Oberfläche (z. B. Säureangriff) und Treibend: Bildung schwerlöslicher voluminöser Reaktionsprodukte im Betoninneren (z. B. Sulfatangriff).
1071
17.2 Angriffe auf Stahlbeton
Im Wesentlichen unterliegt der Zementstein des Betons den korrosiven Angriffen. In bestimmten Fällen können aber auch die Gesteinskörnungen problematisch sein. In Tabelle 17.1 sind die schädigenden Wirkungen von Stoffen auf den Zementstein in Form einer Übersicht dargestellt. Tabelle 17.1 Korrosionswirkung einiger Stoffe auf Zementstein nach [17.1] Stoffe
Vorkommen
Wirkung
(annähernd) chemische reine Wasser anorganische Säuren (Salz-, Schwefel-, Salpeter-, Phosphor-, Flusssäure, Kohlensäure, schweflige Säure)
Kondenswasser, Regen-, Schneewasser, weiche Quellwässer in der chemischen Industrie, besonders Kohlensäure und schweflige Säure, auch in natürlichen Wässern
Organische Säuren (Essig-, Milch-, Gerb-, Ameisensäure) Humussäure
bei Gärungsprozessen, in Molkereien, Konservenfabriken, Grünfuttersilos, Färbereien u.a. in Böden und verunreinigten Zuschlägen
lösend, auswaschend, praktisch wirksam unter 3 °d schnell lösend und zersetzend; je stärker die Säure, desto intensiver zersetzend; zunehmende Wirkung also mit sinkendem pH-Wert langsam lösend
Oxalsäure Laugen (Natron-, Kalilauge) Pflanzliche und tierische Öle und Fette (Oliven-, Raps-, Lein-, Kokos-, Mohn-, Fischöl, Talg, Schmalz, Schweinefett) Erdöl- und Steinkohlenteerdestillate (Leicht-, Schweröl, Benzol, Anthrazen, Paraffin, Pech)
Färbereien, chemische Fabriken in der chemischen Industrie
wässrige Lösungen mit Mg2+-Ionen
in natürlichen und industriellen Wässern landwirtschaftliche Betriebe Kunstdüngerfabriken in natürlichen und industriellen Wässern in natürlichen und industriellen Wässern in natürlichen, besonders in weichen Wässern in natürlichen und industriellen Wässern
NH +4 -Ionen SO 24− -Ionen
pH-Wert < 6,5 (sauer) kalklösender Kohlensäure (CO2) ausschließlich Natrium, Kalium, Calcium, Eisen-, Aluminium-, Silicium-, Nitrat-, Phosphat- und Silicationen
Lebensmittelindustrie und Lebensmittelindustrie
Maschinenhallen, Tankstellen, Raffinerien
kann Erhärtung hemmen, kann langsam angreifen je nach Art der Humussäure nicht schädigend nur in hohen Konzentrationen (>10 %) lösend Auflockernd, lösend durch Reaktion der Fettsäuren mit Ca-Salzen zu weichen, fettsauren Salzen (Kalkseifen) Soweit säurefrei, nicht schädigend; alle Öle geringer Viskosität dringen in Beton ein und wirken festigkeitsmindernd; Phenol und Kresol wirken langsam zersetzend langsam lösend lösend lösend und treibend lösend lösend nicht schädigend
1072
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Tabelle 17.2 gibt einen Überblick über das Aussehen möglicherweise den Beton angreifender Medien, Näheres kann DIN 4030 Teil 1 entnommen werden. Tabelle 17.2 Übersicht über den Beton potentiell angreifende Medien Wässer
Böden
Gase
dunkle Färbung
ungewöhnlich gefärbte Böden: schwarze bis graue Böden, besonders mit rotbraunen Flecken; lichtgrau bis weiß gebleichte Schichten unter schwarzem Humusboden
Industrieabgase
fauliger Geruch aufsteigende Gasblasen ausgeschiedene Salze saure Reaktion
Abgase aus Kohlen- und Ölfeuerung H2S-haltige Gase über Abwässern; Faulgase
Grenzwerte zur Beurteilung des chemischen Angriffs der Umwelt auf Beton sind Tabelle 2 der EN 206-1 zu entnehmen. Äußere Einflussgrößen auf die Geschwindigkeit des Angriffs sind Temperatur, Fließgeschwindigkeit und Druck. 17.2.2.2 Lösender Angriff Lösender Angriff durch Säuren
Der Angriffsgrad der Säuren ist von ihrer Stärke und Konzentration abhängig. Starke Säuren, vor allem Mineralsäuren, wie Salzsäure, Schwefelsäure und Salpetersäure, lösen alle Bestandteile des Zementsteins unter Bildung von Calcium-, Aluminium- und Eisensalzen sowie Kieselgel auf. Schwache Säuren, etwa Kohlensäure und viele organische Säuren, wie Humussäure und Milchsäure, bilden nur mit einigen Calciumverbindungen wasserlösliche Salze. Stärkere Schäden sind hier erst nach längerer Einwirkung zu erwarten. Von besonderer Bedeutung ist die Auslaugung durch kalklösende Kohlensäure, wobei es nach anfänglicher Verfestigung durch Bildung des schwerlöslichen Calciumcarbonats Ca(OH) 2 + CO 2 → CaCO3 + H 2O
(17.1)
bei weiterer Einwirkung CO2-haltigen Wassers zur Bildung des leicht löslichen CalciumHydrogencarbonats kommt: CaCO3 + H 2O + CO 2 → Ca(HCO3 ) 2
(17.2)
Dies wird vom Sickerwasser aufgenommen und fortgeführt. Die Geschwindigkeit der Prozesse wird durch den w/z-Wert des Betons maßgebend beeinflusst. Durchsickert kohlensäurehaltiges Wasser den Beton, scheidet das Calciumhydrogencarbonat halbgebundene Kohlensäure an der Betonoberfläche ab, und das verbleibende Calciumcarbonat bleibt als Kalksinterfahne zurück. Kalksinterfahnen deuten auf undichten Beton oder undichte Arbeitsfugen hin.
17.2 Angriffe auf Stahlbeton
1073
Lösender Angriff durch Laugen
Starke Laugen, wie Natron- (NaOH) und Kalilauge (KOH) mit Gehalten von mehr als 10 % lösen die Aluminatphasen im Zementstein auf. Zusätzlich kann die kieselsäurehaltige Gesteinskörnung angelöst werden, was die Reduktion des Verbunds zwischen Gesteinskörnung und Zementstein bedingt. Lösender Angriff durch austauschfähige Salze
Zu den austauschfähigen, in Wässern gelegentlich vorkommenden Salzen gehören vor allem die Salze des Magnesiums und Ammoniums. Davon sind alle mit Ausnahme von MgCO3 und das Hydrogencarbonat des Ammoniums betonangreifend. Die Chloride und Nitrate greifen den Beton in der Weise an, dass Anionen mit dem Ca(OH)2 des Zementsteins leichtlösliche Salze bilden, die ausgelaugt werden, während Kationen in fester Form als Hydroxide oder Silicat vorliegen. Der Reaktionsablauf entspricht im Wesentlichen der Austauschreaktion Ca 2 + ↔ Mg 2 + bzw. 2NH +4
(17.3)
Lösender Angriff durch Fette und Öle
Die Anteile freier Fettsäuren organischer Fette und Öle greifen wie andere schwache Säuren den Beton an. Zusätzlich können gebundene Fettsäuren mit den Calciumverbindungen des Zementsteins unter Bildung von Calciumsalzen der Fettsäuren und Glycerin reagieren. Diese Spaltung des Fettes (Verseifung) bewirkt eine Aufweichung und Auflockerung des Betons. Mineralöle und -fette sind nicht betonangreifend, solange sie keine Säuren oder andere Verunreinigungen aufweisen. Eine vollständige Durchtränkung des Betons mit Fetten und Ölen vermindert die Festigkeit. Lösender Angriff durch weiches Wasser
Je weicher das Wasser ist, desto weniger Calcium- und Magnesiumsalze sind darin gelöst, umso mehr dieser Salze kann es aber noch lösen, z. B. aus Beton. Somit kann sehr weiches Wasser (Wasserhärte < 3°d) die Oberfläche des Betons angreifen. Dabei wird Ca(OH)2 ausgelaugt, woraus eine Vergrößerung des Betonporenraums resultiert. Sachgemäß hergestellter Beton mit ausreichender Wasserdichtigkeit ist in der Praxis jedoch widerstandsfähig.
17.2.2.3 Treibender Angriff
Voraussetzung für Treibvorgänge im Beton ist, dass das Volumen der Neubildung größer ist als das Volumen der festen Ausgangsstoffe im erhärteten Beton. Treibvorgänge im Beton können durch Reaktionen des Zementsteins und der Gesteinskörnung verursacht werden. Entsprechend Bild 17-4 kann Kalktreiben, Magnesiatreiben, Sulfattreiben und Alkalitreiben auftreten. Zusätzlich können Mg-Salzlösungen (Streusalz) zu Treiberscheinungen führen.
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Kalktreiben: CaO im erhärteten Mörtel/Beton ˇ Sprengwirkung bei Hydratation zu Ca(OH)2
Magnesiatreiben: MgO im erhärteten Mörtel/Beton ˇ Sprengwirkung bei Hydratation zu Mg(OH)2
Sulfattreiben: C3A oder CAH-Phasen im erhärteten Mörtel/Beton ˇ Sprengwirkung bei Bildung von Gips oder Trisulfat (Ettringit)
Alkalitreiben mit kieselsäurehaltigem Zuschlag: Gesteinskorn, das amorphe Kieselsäure enthält, wird von eindringenden oder im Zement enthaltenen Alkalien angegriffen ˇ Sprengwirkung infolge Bildung und Quellung von Alkalisilicat-Gel Bild 17-4 Schematische Darstellung des Kalk-, Magnesia- und Sulfattreibens sowie des Alkalitreibens mit kieselsäurehaltigem Zuschlag nach [17.1]
17.2 Angriffe auf Stahlbeton
1075
Im Folgenden wird das Sulfattreiben und Alkalitreiben ausführlicher erläutert. Sulfatangriff auf Beton
Die Einwirkung sulfathaltiger Lösungen bedingt in Gegenwart von Calciumaluminat bzw. Calciumaluminathydratphasen die Bildung von kristallwasserreichem Trisulfat (Ettringit), z. B. nach der Gleichung 3CaO ⋅ Al2O3 + 3 ( CaSO 4 ⋅ 2 H 2O ) + 26 H 2O → 3CaO ⋅ Al 2O3 ⋅ 3CaSO 4 ⋅ 32 H 2O
(17.4)
Beim Übergang von C3A in Trisulfat vergrößert sich das Molvolumen auf das Achtfache. Bei sehr hohen Sulfatkonzentrationen (etwa > 1200 mg SO42-/l) kann aus der Calciumhydroxidlösung des erhärteten Betons Gips ausscheiden, der ebenfalls treibend wirkt. Sulfattreiben tritt auch ein, wenn gips- oder anhydrithaltige Gesteinskörnung bzw. Gesteinskörnung mit Sulfiden eingesetzt werden. Enthält die Gesteinskörnung Sulfide, wie z. B. Pyrit (FeS2) oder Magnetkies (FeS), gehen diese durch allmähliche Oxidation in Sulfate über. Betonbauteile, die einem Sulfatangriff ausgesetzt sind, können durch Treiberscheinungen infolge sekundärer Ettringit- und/oder Gipsbildung bei niedrigen Bauteiltemperaturen zusätzlich durch Thaumasitbildung geschädigt werden. Bei Thaumasit handelt es sich um ein dem Ettringit verwandtes Material mit ähnlicher Kristallstruktur, das kein Aluminium, aber zusätzlich Silicium und Carbonat enthält. Die Thaumasitbildung führt im Unterschied zur Ettringitbildung aber nicht zu einer treibenden Reaktion, sondern zu einer Auflösung der Zementsteinmatrix. Sie ist nur unter speziellen Randbedingungen möglich: Feuchteeinwirkung und herkömmlicher Sulfatangriff (aus sulfathaltigen Wässern und Böden oder sulfathaltigem Gestein, z. B. Pyrit); überwiegend niedrige Temperaturen unter etwa 15 °C (z. B. im Boden!); carbonathaltige Betonzusätze (z. B. Kalksteinmehl, Kalksteinzuschlag, etc.) oder externe Carbonatquellen (Wasser, Luft). Bei Beachtung der Normfestlegungen für Beton mit hohem Sulfatwiderstand bei der Erstellung von Bauwerken sind bisher keine Schäden durch Thaumasitbildung bekannt geworden. Eine aktuelle Übersicht zur Sulfatproblematik gibt der Sachstandsbericht zum Sulfatangriff auf Beton, der 2007 als Heft 554 des DAfStb veröffentlicht wurde. Alkalitreiben
Enthält die Gesteinskörnung amorphe oder schlecht kristallisierte Kieselsäure, so kommt es bei alklireichen Zementen zu Treiberscheinungen, die als Alkali-Kieselsäure-Reaktion bezeichnet werden. Dabei bilden sich Alkalisilicat-Gele, die unter Wasseraufnahme quellen. Die Gele vermindern die Festigkeit und können zur Zerstörung des Betons führen. AlkaliKieselsäure-Reaktionen sind an ringförmigen, weißen Ausblühungen, weißen Geltropfen und netzartigen Rissen erkennbar. Das Reaktionsschema ist in Bild 17-5 dargestellt.
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bild 17-5 Reaktionsschema der Alkali-Kieselsäure-Reaktion
Alkaliempfindliche Gesteinskörnungen sind insbesondere Opalsandstein einschließlich Kieselkreide und Flint, die insbesondere in Norddeutschland vorkommen. Bei diesen Gesteinskörnungen läuft die AKR an der Oberfläche sehr schnell ab, so dass es oft innerhalb weniger Jahre schon zu Schäden kommt. Ferner sind einige gebrochene Gesteinskörnungen wie z. B. gebrochene Grauwacken; gebrochener Quarzporphyr (Rhyolith); gebrochener Kies der Oberrheins; recyclierte Gesteinskörnungen und Kiese, die mehr als 10 M.-% gebrochene Anteile der zuvor aufgeführten Gesteinskörnungen enthalten. Bei diesen Gesteinskörnungen dringen die Alkalien bevorzugt über Mikrorisse in das Korn ein, so dass es bis zum Beginn einer Schädigung des Betons mehrere Jahrzehnte dauern kann. Die Alkali-Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton enthält Angaben zu vorbeugenden Maßnahmen gegen Alkali-Kieselsäure-Reaktionen. 17.2.2.4 Biogener Schwefelsäureangriff
Biogener Schwefelsäureangriff auf Beton kann unter bestimmten Vorraussetzungen im Gasraum von Abwasseranlagen erfolgen. Infolge Sauerstoffmangels kann sich aus elementarem Schwefel, der in organischer oder anorganischer Form im Abwasser vorliegt, Schwefelwasserstoff bilden. Der Schwefelwasserstoff entweicht in den Gasraum über dem Abwasser und kann auf feuchten Oberflächen unter Einwirkung von anaeroben Mikroorganismen, vor allem Thiobakterien, Schwefelsäure bilden (Bild 17-6). Diese Vorgänge werden maßgeblich durch die Temperatur beeinflusst. Bereits bei +18 °C kann theoretisch eine 6-prozentige Schwefelsäure mit pH = 0,1 gebildet werden. Durch die Schwefelsäure wird der Beton einem lösenden Angriff und durch Sulfate einem treibenden Angriff ausgesetzt.
17.2 Angriffe auf Stahlbeton
1077
Bild 17-6 Schematische Darstellung des biogenen Schwefelsäureangriffs nach Merkblatt ATVM 168
Bis zu einem pH Wert von etwa 3,5 wird Beton mit hohem Widerstand gegen chemische Angriffe nur geringfügig geschädigt. Bei den beschriebenen Zuständen mit pH-Werten unterhalb von 1 kann der Beton jedoch innerhalb weniger Jahre im Zentimeter-Bereich abgetragen werden. Bild 17-7 vermittelt einen Eindruck über den möglichen Bindemittelverlust von Beton; der Zuschlag ragt bei diesem Bohrkern etwa 20 mm heraus. Der Bohrkern wurde einem Abwasserkanal aus Stahlbeton nach einer sechsjährigen Nutzungsdauer entnommen.
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bild 17-7 Geschädigte Betonoberfläche eines Abwasserkanals mit Bindemittelverlust 17.2.2.5 Frost- und Frost-Tausalz-Angriff auf Beton
Der Angriff von Frost und Tausalz bedingt eine Kombination aus physikalischer und chemischer Schädigung. Im Zementstein erniedrigen hohe Drücke, gelöste Stoffe in der Porenlösung und die Wirkung von Oberflächenkräften die Gefrierpunkttemperatur. Daher kann die Gefrierpunkttemperatur unterschritten werden und dennoch entsteht keine Eisbildung. Dieser als Unterkühlung bezeichnete metastabile Zustand folgt stochastischen Gesetzmäßigkeiten. Die Faktoren bedingen, dass bei mitteleuropäischen Klimabedingungen beim Auftreten von Frost nur ein kleiner Teil des Porenwassers gefroren vorliegt (bei -20 °C maximal 30 % des Gesamtwassers). Bei den bislang bekannten Mechanismen, die zu einem Frost- bzw. Frost-Tausalz-Schaden führen, kann zwischen Mechanismen, die makroskopische Spannungen hervorrufen und Mechanismen, die Veränderungen im mikroskopischen Zementsteingefüge bewirken unterschieden werden [17.2]. Makroskopische Spannungen werden nach [17.2] durch unterschiedliche Temperaturausdehnungskoeffizienten von Eis und Zementstein, schichtweises Gefrieren insbesondere bei Tausalzeinwirkung und Temperatursturz infolge aufgebrachter Taumittel hervorgerufen. Veränderungen im Zementsteingefüge treten infolge hydraulischen Druckes durch die Volumenausdehnung beim Phasenübergang Wasser-Eis, kapillarer Effekte, durch Osmose/Diffusion, Oberflächenspannungen und Kristallisationsdrücke auf. Obwohl noch keine einheitliche Theorie zu den Schadensmechanismus existiert, hat man dennoch einen relativ guten Überblick über die wichtigsten schädigungsrelevanten Einflussgrößen. 17.2.2.6 Mechanischer Verschleiß
Verschleiß von Betonoberflächen tritt überwiegend auf, wenn zwei Werkstoffpartner, die unter Auflast stehen, in Relativbewegung zueinander sind. In Bild 17-8 ist die Beanspru-
17.2 Angriffe auf Stahlbeton
1079
chung einer Betonoberfläche durch Radlasten mit verschiedenen Bereifungen dargestellt. Es ist zu beachten, dass die Kontaktspannungen logarithmisch aufgetragen sind, d.h. bei gleicher Radlast können die mechanischen Beanspruchungen bei verschiedenen Bereifungen um einen Faktor 100 differieren.
Bild 17-8:
Beanspruchung von Betonoberflächen durch Radlasten mit verschiedenen Bereifungen nach [17.3]
Die Versagensmechanismen werden signifikant durch die Art und Größe der Gesteinskörnungen im Beton beeinflusst. Der Einfluss der Gesteinskörnung auf die Verschleißempfindlichkeit steigt beispielsweise mit zunehmender Schüttgutkorngröße. Betone mit hohem Verschleißwiderstand beinhalten verschleißfeste Zuschlagarten, wie z. B. quarzitische Gesteinskörnung, geringe w/z-Werte, hochfeste Zemente und Zusatzstoffe sowie eine lange Nachbehandlung. Bei sehr starker Beanspruchung kann jedoch der Schutz der Betonoberfläche durch spezielle Maßnahmen, wie z. B. Hartstoffestrich, erforderlich sein.
17.2.3 Korrosion infolge Karbonatisierung des Betons Die Korrosion infolge Karbonatisierung des Betons tritt häufig bei der Witterung direkt ausgesetzten Betonbauteilen wie Fassaden und Balkonen auf, wenn die Betondeckung nicht ausreichend ist (s. Bild 17-9). Dies ist bei zahlreichen Bauteilen aus der Zeit vor den 70er Jahren der Fall, da man bis dahin die Gefahr der Bewehrungskorrosion noch nicht erkannt hatte und die Betondeckungen lediglich für den Brandschutz sowie ausreichenden Verbund auslegte. Dazu ging man bei den damaligen Regelwerken von Mindestbetondeckungen in der Größenordnung von 1 cm aus.
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bild 17-9 Lokale Abplatzungen in Bereichen mit zu geringer Betondeckung infolge karbonatisierungsinduzierter Bewehrungskorrosion
Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung in karbonatisiertem Beton und dem recht hohen Zeitraum bis die Karbonatisierungsfront die Bewehrung erreicht, dauert es häufig Jahrzehnte, bis Korrosionsschäden wie Risse und Abplatzungen sichtbar werden. Daher wurde die Korrosionsproblematik spät erkannt, obwohl die Einleitungs- und beginnende Schädigungsvorgänge an der Bewehrung schon abliefen. Bild 17-9 zeigt örtlich begrenzte Abplatzungen des Betons in Bewehrungsbereichen mit zu geringer Betondeckung. Hier erreicht die Karbonatisierung zuerst die Stahloberfläche und initiiert dort Korrosion. Durch die Volumenvergrößerung des Stahls bei der Umwandlung zu Rost, wird ein Sprengdruck auf den umgebenden Beton ausgeübt, der schließlich zu Rissen und Abplatzungen führt. Bild 17-10 zeigt die Verhältnisse der Volumina verschiedener Korrosionsprodukte im Vergleich zum Ausgangsvolumen des Eisens.
Bild 17-10 Verhältnisse der Volumina verschiedener Korrosionsprodukte nach [17.2]
17.3 Bauwerksdiagnose
1081
17.2.4 Chloridinduzierte Korrosion Im Gegensatz zur Korrosion infolge Karbonatisierung des Betons tritt bei chloridinduzierter Korrosion der Bewehrung i. d. R. kein gleichmäßiger Abtrag auf, sondern es entstehen Löcher und Mulden, die im Laufe der Zeit zusammenwachsen können.
Bild 17-11 Durch chloridinduzierte Korrosion hervorgerufenes Loch in einem Betonstahl (Rostprodukte wurden durch Beizen entfernt)
Bild 17-11 zeigt eine durch chloridinduzierte Bewehrungskorrosion lokal angegriffene Betonstahloberfläche einer Laborprobe, die über einen Zeitraum von zwei Jahren in einem Betonprüfkörper mit 2 M.-% Chlorid eingebettet war. Der Rost wurde nach dem Aufbrechen des Betons durch Behandlung mit einer speziellen Beize vollständig von der Stahloberfläche entfernt. Man erkennt in der Bildmitte ein deutliches Loch mit einem Durchmesser von ca. 3 mm und einer Tiefe von ebenfalls ca. 3 mm. In solchen Löchern bildet sich unter Einwirkung von Chloriden eine Salzsäure mit entsprechend niedrigen pHWerten, was lokal zu hohen Abtragungsraten führt. Bedingt durch die lokale Korrosionsaktivität wirkt die Stahloberfläche in den unmittelbaren Nachbarbereichen als Kathode. Durch den daraus resultierenden kathodischen Korrosionsschutz der Nachbarbereiche schreitet die Korrosion hauptsächlich in Richtung des Stahlinneren voran. Bei dieser Art der Korrosion spricht man auch von so genanntem Lochfraß. Kapitel 12 enthält allgemeine Grundlagen zu den dabei ablaufenden elektrochemischen Vorgängen. Besonders problematisch ist dabei der Effekt, dass örtlich starke Korrosionsabtragungen am Stahl auftreten, die zu entsprechend hohen lokalen Querschnittsverlusten und damit zu Beeinträchtigungen der Tragfähigkeit von Bauteilen führen können. Insbesondere bei örtlich hohen Chloridgehalten in feuchten Betonbereichen mit angrenzenden großen gut belüfteten Bereichen treten so genannte Makrokorrosionselemente auf. Sie zeichnen sich durch kleine Korrosionsbereiche mit großen kathodisch wirkenden Nachbarbereichen aus, die nach der Flächenregel der Korrosion (Korrosionsgeschwindigkeit proportional zum Flächenverhältnis von Kathode/Anode) eine Beschleunigung der Korrosionsgeschwindigkeit um ein Vielfaches im Vergleich zur gleichmäßig abtragenden Korrosion bewirken. Daraus ergeben sich Korrosionsgeschwindigkeiten bis zu einigen Millimetern pro Jahr.
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.3 Bauwerksdiagnose 17.3.1 Allgemeines Beispiele zur Untersuchung des Ist-Zustandes sind in nachfolgender Tabelle 17.3 wiedergegeben. Als erster Schritt einer Instandsetzungsplanung muss der aktuelle Zustand des Bauwerks (IstZustand) festgestellt werden. Darauf aufbauend muss abgeschätzt werden, mit welcher zukünftigen Schadensentwicklung zu rechnen ist. Diese Schadensprognose ist ein wichtiger Bestandteil für die Festlegung der erforderlichen Schutz- bzw. Instandsetzungsmaßnamen. Die RL-SIB enthält eine tabellarische Zusammenstellung für mögliche Untersuchungen zur Bestimmung des Ist-Zustandes eines Bauwerkes. Im Einzelnen sind jedoch insbesondere bei komplexeren Schädigungsmechanismen weitere Untersuchungen mit Spezialverfahren sinnvoll. Tabelle 17.3 Untersuchung des Ist-Zustandes eines Bauwerks (Beispiele nach RL-SIB) Kriterien zur Beschreibung des Ist-Zustandes
Untersuchungsmethoden, Hilfsmittel
1
2
Untersuchungsergebnisse und Bewertung 3
1
Umgebungs- und Nutzungsbedingungen
1.1
Mechanische Einwirkungen (z. B. Inaugenscheinnahme Fahrzeuganprall, Überlastung)
Bewertung im Einzelfall
1.2
Physikalische und chemische Messungen, Erkundungen Einwirkung (z. B. von Temperatur, Feuchte, Frost, Tausalzen, Gasen, Ölen, Fetten)
Angabe über Art und Umfang der Einwirkungen, Bewertung im Einzelfall
1.3
Einwirkungen aus Betrieb (Reinigung, Wartung)
Auswertung von Protokollen, z. B. der Streckenwartung
Häufigkeit und Art der Reinigung, Reinigungsmittel, Bewertung im Einzelfall
1.4
Zugänglichkeit
Örtliche Feststellungen
Bewertung im Einzelfall (Hinweis auf Zugänglichkeit und/oder Unzugänglichkeit, evtl. auf Geräte und Beleuchtung)
2
Bauwerks- und Bauteileigenschaften
2.1
Brückenklasse, statisches System
Bauwerksbuch, Bauwerksakten
Bewertung im Einzelfall
2.2
Herstellungsbedingungen (z. B. Witterung, Besonderheiten)
Bautagebuch, Wetteramt, Bauwerksakten
Bewertung im Einzelfall
2.3
Optischer Eindruck (z. B. Abplatzungen, Risse, Rostfahnen, Ausblühungen, Verschmutzungen, Absandungen)
Inaugenscheinnahme, Rissaufnahme, z. B. mit Risslupe
Lokalisierung und Ausmaß, Bewertung im Einzelfall
2.4
Hohlstellen
Abklopfen, Impuls-EchoVerfahren
Lokalisierung und Ausmaß, Bewertung im Einzelfall
1083
17.3 Bauwerksdiagnose Kriterien zur Beschreibung des Ist-Zustandes
Untersuchungsmethoden, Hilfsmittel
1
2 Induktivitätsmessungen, Anbohren
Untersuchungsergebnisse und Bewertung 3
2.5
Betondeckung
2.6
Verformung, Zwang, Pressungen Messungen und Berechnungen Bewertung im Einzelfall
2.7
Entwässerung, Abdichtung, Belag, Fugen
Inaugenscheinnahme, Abklopfen, ggf. Öffnen und/oder Messen
2.8
Fahrbahnübergänge, Einbauten
Inaugenscheinnahme
2.9
Bewehrungskorrosion
Elektrochemische Potentialmessung
Lokalisierung von Bewehrungskorrosion in Stahlbetonbauwerken
3
Baustoffeigenschaften
3.1
Druckfestigkeit
Zerstörungsfreie Prüfung („Schmidt-Hammer“), in begründeten Einzelfällen zerstörende Prüfung durch Entnahme von Bohrkernen; DIN 1048-2
Nennfestigkeit, Vergleich mit geforderten Werten
3.2
Oberflächenzugfestigkeit
Geregeltes Abreißprüfgerät
Vergleich mit geforderten Werten. Falls nicht ausreichend, Überprüfung des Festigkeitsund Verformungsverhaltens
a) Oberfläche b) ggf. tiefer liegende Schichten (Profilaufnahme); DAfStb-Heft 420 3.3
Korrosion der Bewehrung
Augenscheinliche Betrachtung
3.4
Karbonatisierung
Phenolphthalein, Thymolphthalein, DAfStbHeft 422
3.5
Chloridbelastung
DAfStb-Heft 401
3.6
Gesamtporosität, Kapillarität
z. B. nach DIN 52 103
3.7
Wasseraufnahmekoeffizient
z. B. nach DIN 52 617
Bewertung durch Vergleich mit den Anforderungen Bewertung nach dem Zustand und dem Grad der Funktionsfähigkeit
Zur Bewertung sind sowohl die Absolutwerte als auch die gegenseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Baustoffeigenschaften in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Grenzwerte einzelner Baustoffeigenschaften werden daher nicht angegeben
17.3.2 Bestimmung der Karbonatisierungstiefe Bei der Karbonatisierung des Betons diffundiert das in der Luft enthaltene Kohlendioxid in den Zementstein und bildet mit Calciumhydroxid (Ca(OH)2) sowie anderen calciumhaltigen Hydratationsprodukten Calciumcarbonat (CaCO3). Dadurch kann der pH-Wert des Porenwassers bis unter 9 sinken und der Porenraum wird in Abhängigkeit vom Bindemittel verändert. Durch den reduzierten pH-Wert bedingt die Karbonatisierung eine Depassivierung der Bewehrung. Die Karbonatisierung ist mit Hilfe des Phenolphthalein-Tests oder durch Bestimmung des pH-Wertes des Betonporenwassers festzustellen. Dabei ist die Verteilung der Karbonatisierungstiefe über die Bauteiloberfläche zu ermitteln.
1084
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.3.3 Bewertung des Chloridgehaltes Der kritische, korrosionsauslösende Chloridgehalt im Beton hängt von einer Reihe von Einflussfaktoren ab und muss daher im jeweiligen Einzelfall bei Überschreitung der im Folgenden genannten Grenzwerte durch den sachkundigen Planer beurteilt werden. Hierbei sind außer dem Chloridgehalt auch die Umgebungsbedingungen zu berücksichtigen. Diese Beurteilung betrifft auch die Festlegung der abzutragenden Betonbereiche. Die nachfolgenden Angaben in den einzelnen Grundsatzlösungen sind deshalb nur als Richtwerte zu verstehen. Wenn erhöhte Chloridgehalte nicht ausgeschlossen werden können, sind sie nach [RL-SIB] im Bereich der Betondeckung der Bewehrung zunächst überschlägig zu prüfen. Werden Chloridgehalte über 0,2 % der Zementmasse oder über 0,03 % der Betonmasse festgestellt, so sind die Konzentrationsverteilungen über die Bauteildicke im Bereich der mit Chlorid beaufschlagten Bauteiloberflächen zu ermitteln. Wenn nach [RL-SIB] bei Stahlbetonbauteilen in der Betondeckungsschicht Chloridgehalte über 0,5 % Cl−, bezogen auf die Zementmasse, und bei Spannbetonbauteilen Werte über 0,2 % Cl− ermittelt werden, ist zur Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen der sachkundige Planer einzuschalten. Dies gilt auch dann, wenn an der Betonoberfläche keine Anzeichen von Korrosion an der Bewehrung feststellbar sind. Bei unbekannter Betonzusammensetzung ist der Zementgehalt auf der sicheren Seite liegend abzuschätzen.
17.3.4 Klassifizierung der Betonfeuchte Die Betonfeuchte wird nach [RL-SIB] wie folgt eingeteilt:
trocken: Eine ca. 2 cm tiefe, frisch hergestellte Bruchfläche darf (infolge Austrocknens) nicht augenscheinlich heller werden. Unter einer am Rand aufgeklebten PE-Folie (500 x 500 mm) darf über Nacht keine Dunkelfärbung des Betons und keine Kondensation von Feuchtigkeit auftreten. feucht:
Die Oberfläche hat ein mattfeuchtes Aussehen, darf aber keinen glänzenden Wasserfilm aufweisen; das Porensystem des Betonuntergrundes darf nicht wassergesättigt sein, d. h. aufgebrachte Wassertropfen müssen eingesogen werden und nach kurzer Zeit muss die Oberfläche wieder matt erscheinen. Der Feuchtegehalt kann mit der CM-Methode bzw. durch Darren bei 105 °C genauer bestimmt und mit dem in den Angaben zur Ausführung angegebenen zulässigen Wert verglichen werden. Der zulässige Wassergehalt hängt u. a. vom Zementgehalt, Wasserzementwert und Porenvolumen ab. Ein fester Prozentsatz lässt sich nicht angeben. Für Bewertung und Zuordnung ist eine besondere Sachkenntnis erforderlich.
nass:
Das Porensystem des Betonuntergrundes ist wassergesättigt; die Betonoberfläche wirkt glänzend, weist jedoch keinen tropfbaren Wasserfilm auf.
1085
17.3 Bauwerksdiagnose
17.3.5 Potentialmessungen zur Detektion von Bereichen mit hoher Korrosionswahrscheinlichkeit Potentialmessungen für Stahlbetonbauwerke sind bereits seit ca. 30 Jahren in verschiedenen Regelwerken und Merkblättern beschrieben, z. B. in ASTM C 876-91 in der aktuellen Fassung von 1999, dem Merkblatt B3 der DGZfP von 1990 und den Empfehlungen des RILEM TC 154. Allerdings wird es in Deutschland noch nicht in dem Umfang angewendet, wie es aufgrund der Vorteile des Verfahrens gegenüber den herkömmlichen Methoden der Bauwerksdiagnose angemessen wäre. Bei Potentialmessungen wird die elektrische Spannung zwischen der Bewehrung und einer so genannten Referenzelektrode bestimmt, mit der die Betonoberfläche abgetastet wird. Dazu muss zur Bewehrung ein elektrischer Anschluss hergestellt werden, z. B. durch Einschlagen eines Stahlstiftes im Bereich einer Bohrung im Beton bis auf die Bewehrungsoberfläche oder durch Anklemmen an die Bewehrung im Bereich einer kleinen Sondieröffnung. Als Referenzelektrode wird in der Regel eine Kupfer/Kupfersulfatelektrode verwendet, d. h. ein Kupferstab in einer gesättigten CuSO4-Lösung mit bekanntem und konstantem Potential, so dass die Spannung zwischen Stahl im Beton und Referenzelektrode als das Potential bezogen auf die Referenzelektrode an der Betonoberfläche gemessen werden kann. Für die Messung und Speicherung der Potentialwerte vor Ort sind heute eigens für Potentialmessungen an Stahlbetonbauteilen entwickelte Geräte mit Einzel-, Vielfach- oder Radelektroden für die verschiedenen Einsatzgebiete verfügbar. Üblicherweise werden die Messdaten vor Ort automatisch gespeichert, im Büro auf einen PC übertragen und dort ausgewertet. Grundsätzlich sinkt das Potential der Bewehrung mit zunehmendem Chloridgehalt und zunehmender Feuchtigkeit des Betons sowie mit dem Beginn der Korrosion an der Bewehrung. Mit Ausnahme der Karbonatisierung des Betons führen sämtliche Einflussgrößen, die das Korrosionsrisiko für die Bewehrung erhöhen, somit zu einer Absenkung des Potentials, so dass durch Potentialmessungen die Korrosionswahrscheinlichkeit bestimmt werden kann (s. Bild 17-12).
Bild 17-12 Typische Potentiale für unterschiedliche Bedingungen
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Im Rahmen einer Diplomarbeit wurden am Institut für Bauforschung der RWTH Aachen Laboruntersuchungen an den maßgebenden Einflussgrößen auf Potentialmessungen durchgeführt [17.4]. Bild 17-13 zeigt, dass es keinen Festwert für das Potential gibt, ab dem mit Korrosion zu rechnen ist, sondern dass im Einzelfall festgelegt werden muss, wie die Potentiale zu bewerten sind. Neben den Absolutwerten für die Potentiale sind besonders lokale Potentialgradienten zu beachten, die auf kritische Bereiche hinsichtlich Bewehrungskorrosion hindeuten.
Bild 17-13 Ergebnisse von Potentialmessungen an Laborprüfkörpern [17.4]
Üblicherweise werden die Potentialwerte als Äquipotentialflächendiagramme dargestellt, so dass kritische Bereiche mit besonders niedrigen Potentialen bzw. starken lokalen Potentialgefällen leicht erkannt werden können. Für eine fachgerechte Interpretation der Potentialfeldmessungen sowie für eine spätere Nutzbarmachung der Messergebnisse im Zuge der ingenieurtechnischen Instandsetzungsplanung (z. B. bei der Massenermittlung) sind je nach den Erfordernissen des Einzelfalls Zusatzuntersuchungen durchzuführen.
17.3.6 Diagnose größerer Flächenbereiche Erfahrungen mit der Zustandsanalyse bei chloridgeschädigten Bauteilen haben gezeigt, dass es i. d. R. technisch und wirtschaftlich zweckmäßig ist, zweistufig vorzugehen, d.h. zunächst flächendeckende Voruntersuchungen und nach Auswertung der Ergebnisse stichprobenartige Zusatzuntersuchungen durchzuführen (s. Bild 17-14). Diese Vorgehensweise ist besonders dann anzuraten, wenn vermutet werden kann, dass nicht die gesamte Betonoberfläche instand zu setzen ist oder bereichsweise unterschiedliche Instandsetzungsmethoden infrage kommen.
1087
17.4 Instandsetzungsprinzipien
Bild 17-14 Zweistufige Vorgehensweise bei der Zustandsanalyse chloridgeschädigter Stahlbetonflächen
Um diese Vorgehensweise besonders wirtschaftlich einsetzen zu können, werden derzeit Systeme entwickelt, das die flächendeckenden zerstörungsfreien Messungen einschließlich Datenspeicherung, -zusammenführung und Vorauswertung hinsichtlich der Einteilung in Bereiche unterschiedlicher Korrosionsgefährdung in einem Arbeitsschritt durchführt.
17.4 Instandsetzungsprinzipien 17.4.1 Instandsetzungsprinzipien bei Bewehrungskorrosion nach RL-SIB Die Korrosionsschutzprinzipien nach RL-SIB beruhen auf den elektrochemischen Gesetzmäßigkeiten des Korrosionsprozesses der Bewehrung. Demnach kann ein zukünftiger Korrosionsschutz folgendermaßen angestrebt werden:
Vermeiden der anodischen Teilreaktion Dieses Ziel kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Eine erste Möglichkeit ist, das alkalische Milieu in Umgebung der Bewehrung wiederherzustellen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass man die Bewehrung in einem geschlossenen Regelkreis zwingt, kathodisch zu wirken (kathodischer Korrosionsschutz). Eine dritte Möglichkeit besteht schließlich
1088
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
darin, den Elektrolyten durch eine wirksame Beschichtung vom Stahl zu trennen und somit den anodischen Teilprozess zu unterbinden.
Vermeiden der kathodischen Teilreaktion In ausreichend feuchtem Beton kann die kathodische Reaktion bei unbeschichteter Bewehrung nur dann unterbunden werden, wenn kein Sauerstoff zur Oberfläche der Bewehrung gelangen kann. Unter baupraktischen Verhältnissen ist das Unterbinden des kathodischen Teilprozesses jedoch nur in seltenen Sonderfällen realisierbar. Die RL-SIB sieht diese Möglichkeit als Instandsetzungsprinzip deshalb nicht vor. Unterbinden des elektrolytischen Teilprozesses Durch Absenkung des Wassergehaltes im Beton kann die Korrosionsgeschwindigkeit auf praktisch vernachlässigbare Werte gesenkt werden, da sämtliche Transportvorgänge im Beton gehemmt werden. Somit ergeben sich folgende grundsätzliche Korrosionsschutzprinzipien: R Wiederherstellen des Korrosionsschutzes durch Repassivierung der Bewehrung bzw. durch dauerhafte Realkalisierung des Betons in Umgebung der Bewehrung. W Absenken des Wassergehaltes auf Werte, die sicherstellen, dass der elektrolytische Teilprozess soweit unterbunden wird, dass die weitere Korrosionsgeschwindigkeit auf ein unschädliches Maß reduziert ist. C Beschichtung der Stahloberflächen, um den anodischen (und kathodischen) Teilprozess im Bereich der instand gesetzten Stahloberflächen zu unterbinden. K Kathodischer Korrosionsschutz, um die Bewehrung in einem geschlossenen Regelkreis zu zwingen ausschließlich kathodisch zu wirken. Aus diesen Prinzipien lassen sich jeweils ein oder mehrere Verfahren ableiten, die in Bild 17-15 schematisch zusammengestellt sind.
Bild 17-15 Vereinfachte Darstellung der Instandsetzungsprinzipien nach RL-SIB
17.4 Instandsetzungsprinzipien
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Je nachdem, ob die Korrosionsursache Karbonatisierung oder Chlorideinwirkung ist, ergeben sich für die Verfahren unterschiedliche Anforderungen. Daher wird nach RL-SIB an die Kurzzeichen für das Instandsetzungsprinzip ggf. noch ein Zusatz K für Karbonatisierung bzw. Cl- für Chlorideinwirkung hinzugefügt, z. B. R1-K. Es sei darauf hingewiesen, dass die elektrochemische Realkalisierung, die in Bild 17-15 als Verfahren Rx genannt ist, lediglich in der Erstfassung der RL-SIB enthalten war und in die überarbeitete Version der RL-SIB 10/2001 nicht wieder aufgenommen wurde, da keine eindeutigen Nachweise zu Wirksamkeit und insbesondere Dauerhaftigkeit vorlagen. 17.4.1.1 Instandsetzungsprinzip R
Das Instandsetzungsprinzip R beruht auf der erneuten Bildung einer Passivschicht auf der Oberfläche der Stahlbewehrung (Repassivierung) durch Auftragen eines zementgebundenen Mörtels bzw. Betons, im Weiteren einheitlich als Mörtel bezeichnet, der zu einem erneut hohen pH-Wert an der Stahloberfläche führt. Die Bewehrung wird bei dieser Vorgehensweise nicht wie früher üblich beschichtet, da der pH-Wert des Mörtels sonst nicht einwirken kann. Bei Grundsatzlösung R1-K wird der alkalische Mörtel sowohl für die örtliche Reprofilierung als auch für den großflächigen Auftrag auf die ursprüngliche Betonoberfläche oder großflächig abgetragene Bereiche verwendet (Bild 17-16). Der Instandsetzungsmörtel muss eine ausreichende Alkalität bzw. einen ausreichenden Karbonatisierungswiderstand haben. Seine Dicke muss so bemessen werden, dass sie größer ist als die Karbonatisierungstiefe am Ende der Lebensdauer des Bauteils. Die günstige Wirkung von eventuell zusätzlich aufgebrachten Oberflächenschutzsystemen darf aus Sicherheitsgründen nicht angesetzt werden. Abgetragen werden muss lediglich lockerer Beton. Neben den Betonstählen ist soviel Altbeton zu entfernen, dass der Instandsetzungsmörtel hohlstellenfrei eingebracht werden kann. In seltenen Fällen, wenn die mittlere Karbonatisierungstiefe mehr als 20 mm hinter die äußerste Bewehrungslage vorgedrungen ist, ist der Altbeton bis zur Oberfläche der äußeren Bewehrungslage zu entfernen, um eine Realkalisierung zu ermöglichen. Die Stahloberfläche muss dann so behandelt werden, dass mindestens ein Oberflächenvorbereitungsgrad Sa 2 nach DIN EN ISO 12 944-4 erreicht wird. Bei Grundsatzlösung R2-K wird der alkalische Mörtel nur zur Ausbesserung örtlich begrenzter Bereiche verwendet, wenn dort zu große Karbonatisierungstiefen oder zu geringe Betondeckungen festgestellt wurden (Bild 17-17). In der Regel wird zur Verbesserung des Karbonatisierungswiderstandes des Bauteils dessen gesamte Oberfläche mit einem Oberflächenschutzsystem OS 2, OS 4 oder OS 5 beschichtet. Dabei muss die begrenzte Dauerhaftigkeit solcher Maßnahmen im Instandhaltungsplan berücksichtigt werden. Verzichtet werden kann auf ein Oberflächenschutzsystem nur, wenn nach der Instandsetzung auch außerhalb der örtlichen Reprofilierungsstellen ohne ein Oberflächenschutzsystem die Betondeckung am Ende der Nutzungsdauer größer als die Karbonatisierungstiefe ist. Unabhängig davon darf Verfahren R2 nur angewendet werden, wenn die Betondeckung nach der Instandsetzung mindestens 10 mm beträgt. Im anderen Fall muss Instandsetzungsprinzip C oder W angewendet werden.
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
In Bereichen, in denen Stahlbewehrung im karbonatisierten Bereich liegt, wird der Altbeton 10 mm bzw. 15 mm bei ds ≥ 20 mm um den Stabstahl herum entfernt, um ein hohlstellenfreies Einbringen des Instandsetzungsmörtels zu ermöglichen.
Bild 17-16 Grundsatzlösung R1-K, schematische Darstellung
Bild 17-17 Grundsatzlösung R2-K
17.4 Instandsetzungsprinzipien
1091
17.4.1.2 Instandsetzungsprinzip W
Das Prinzip beruht auf einer Absenkung des Wassergehaltes im Beton, die die elektrolytische Leitfähigkeit so stark reduziert, dass die Korrosionsgeschwindigkeit auf praktisch vernachlässigbare Werte gesenkt wird. Dies kann durch geeignete Oberflächenschutzsysteme (z. B. auf Basis von Kunststoffen oder durch Metallabdeckungen) erreicht werden, die das Eindringen von Wasser weitgehend verhindern können. Darüber hinaus muss auch verhindert werden, dass Wasserdampf von innen oder Bodenfeuchte in das Bauteil eindringt. Die Vorgehensweise bei der Instandsetzung ist in Bild 17-18 schematisch dargestellt. Neben lockeren Bereichen ist Altbeton nur von den korrodierten Abschnitten der Bewehrung zu entfernen. Ist die der Bauteiloberfläche abgewandte Umfangsfläche von Stählen betroffen, muss auch hinter dem Stabstahl Beton entfernt werden, um ein hohlstellenfreies Einbringen des Instandsetzungsmörtels zu ermöglichen. Da der Erfolg der Instandsetzungsmaßnahme von der Wirksamkeit des Oberflächenschutzsystems abhängt, dürfen nur OS-Systeme verwendet werden, die ein Wassereindringen sicher und dauerhaft verhindern.
Bild 17-18 Schematische Darstellung des Instandsetzungsprinzips W
17.4.1.3 Instandsetzungsprinzip C
Das Prinzip beruht auf der Verhinderung der anodischen Eisenauflösung durch eine geeignete Beschichtung der Stahloberfläche. Es wird angewendet, wenn die Anforderungen an die Grundsatzlösungen R1-K bzw. R2-K und W nicht erreicht werden können. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Betondeckung auch nach der Instandsetzung kleiner als 10 mm ist und z. B. aufsteigende Feuchtigkeit oder rückseitige Feuchteeinwirkungen vorliegen.
1092
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bild 17-19 Schematische Darstellung des Korrosionsschutzprinzips C
Im Normalfall muss der Altbeton rund um die Bewehrungsabschnitte abgetragen werden, die im karbonatisierten Bereich liegen, zzgl. eines Sicherheitszuschlags Δtk,l , der den Karbonatisierungsfortschritt bis zum Ende der Nutzungszeit berücksichtigt, s. Bild 17-19. Danach ist die freigelegte Stahloberfläche mittels Strahlen mit einem trockenen oder feuchten Strahlmittel so zu entrosten, dass der Oberflächenvorbereitungsgrad Sa 2½ nach DIN EN ISO 12 944-4 an jeder Stelle erreicht wird. Dies gilt auch für Kreuzungsbereiche von Betonstählen und die Rückseiten der Stahloberflächen. Auf die so vorbereiteten Stahloberflächen ist ein Korrosionsschutzsystem aufzubringen. Im Regelfall wird die gesamte Betonoberfläche zur Verbesserung des Karbonatisierungswiderstandes zusätzlich mit einem Oberflächenschutzsystem beschichtet, wobei dessen günstige Wirkung berücksichtigt werden darf. Auf das Oberflächenschutzsystem darf nur verzichtet werden, wenn das Korrosionsproblem lediglich auf eine örtliche Unterschreitung der Betondeckung zurückzuführen war. Kann der karbonatisierte Altbeton nicht in dem beschriebenen Umfang entfernt werden, kann das Verfahren mit dem Verfahren W kombiniert werden. 17.4.1.4 Instandsetzungsprinzipien bei Bewehrungskorrosion infolge Chlorideinwirkung
Ist die Depassivierung der Stahloberfläche auf die Einwirkung von Chloriden zurückzuführen, muss sämtlicher Altbeton, dessen Chloridgehalt über dem dort maßgebenden korrosionsauslösenden Chloridgehalt liegt, im Bereich von Stahlbewehrung zzgl. eines Sicherheitszuschlags entfernt werden. Grundsätzlich muss sichergestellt werden, dass während der gesam-
17.4 Instandsetzungsprinzipien
1093
ten Restnutzungszeit der korrosionsauslösende Chloridgehalt auf der Stahloberfläche nicht mehr erreicht wird. Das heißt, es muss nachgewiesen werden, dass die max. erreichbare Tiefe des korrosionsauslösenden Chloridgehaltes kleiner ist als die Betondeckung nach der Instandsetzung. Um dies sicher zu erreichen, wird in der Regel ein Oberflächenschutzsystem auf die Betonoberfläche aufgebracht, dessen günstige Wirkung berücksichtigt werden darf. Liegt die Front des korrosionsauslösenden Chloridgehaltes in größeren Bereichen oder über das gesamte Bauteil hinter der Bewehrung, kann es − analog zur Grundsatzlösung R1-K − erforderlich sein, eine flächige Mörtel-Beschichtung aufzubringen. Diese Grundsatzlösung wird als R1-Cl bezeichnet und ist exemplarisch in Bild 17-20 dargestellt. Liegt der korrosionsauslösenden Chloridgehalt dagegen nur örtlich hinter der Bewehrung oder kann z. B. aus statischen Gründen keine flächige Mörtel-Beschichtung aufgebracht werden, ist die Grundsatzlösung R2-Cl möglich. In diesem Fall muss die Betondeckung nach der Instandsetzung mindestens 10 mm groß sein und das zwingend aufzubringende Oberflächenschutzsystem muss das weitere bzw. erneute Eindringen von Chloriden verhindern.
Bild 17-20 Korrosionsschutzprinzip R1-Cl
17.4.1.5 Kathodischer Korrosionsschutz
Haupteinsatzgebiet des kathodischen Schutzes sind Stahlbetonbauteile, die bis zur ersten Bewehrungslage oder auch in tiefer liegenden Zonen korrosionsauslösende Chloridgehalte enthalten. Der Korrosionsschutz erfolgt i. d. R. durch fremdstrominduzierte Polarisierung mit inerten Anoden. Auf das Verfahren des kathodischen Korrosionsschutzes wird in Abschnitt 17.9 eingegangen.
1094
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.4.2 Instandsetzungsprinzipien nach EN 1504 Die Instandsetzungsprinzipien und Verfahren bei Schäden am Beton und/oder an der Bewehrung sind in nachfolgender Tabelle 17.4 dargestellt. Tabelle 17.4: Instandsetzungsprinzipien und Verfahren nach DIN EN 1504 Prinzip
Methode (Kurzbezeichnung)
Produkte
Prinzip 1 (IP) Schutz gegen das Eindringen von Stoffen (Ingress Protection)
1.1 Hydrophobierung
EN 1504-2
1.2 Versiegelung
EN 1504-2
1.3 Beschichtung (mit/ohne Rissüberbrückungsfähigkeit)
EN 1504-2
1.4 Örtliche Abdeckung von Rissen (Bandagen) 1.5 Füllen von Rissen
EN 1504-5
1.6 Umwandlung von Rissen in Dehnfugen 1.7 Montage von Vorsatzplatten a) 1.8 Aufbringen von Membranen a) Prinzip 2 (MC) Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons (Moisture Control)
2.1 Hydrophobierung 2.2 Versiegelung
c)
EN 1504-2 EN 1504-2
2.3 Beschichtung 2.4 Montage von Vorsatzplatten 2.5 Elektrochemische Behandlung
Prinzip 3 (CR) Betonersatz Concrete Restauration
3.1 Mörtelauftrag von Hand
EN 1504-3
3.2 Querschnittsergänzung durch Betonieren
EN 1504-3
3.3 Beton- oder Mörtelauftrag durch Spritzverarbeitung
EN 1504-3
3.4 Auswechseln von Bauteilen Prinzip 4 (SS) Verstärkung (Structural Strengthening)
4.1 Zufügen oder Auswechseln von eingebetteten oder außenliegenden Bewehrungsstäben 4.2 Einbau von Bewehrung in den Beton in vorgebildete Nuten oder gebohrte Löcher
EN 1504-6
4.3 Verstärkung durch Laschen (Stahl oder Faserlaminat)
EN 1504-4
4.4 Querschnittsergänzung durch Mörtel oder Beton
EN 1504-3 EN 1504-4
4.5 Injizieren in Risse, Hohlräume oder Fehlstellen
EN 1504-5
4.6 Füllen von Rissen, Hohlräumen oder Fehlstellen (drucklose Behandlung)
EN 1504-5
4.7 Vorspannen (mit nachträglichem Verbund) Prinzip 5 (PR) Erhöhung des physikalischen Widerstandes (Physical Resistance)
5.1 Beschichtung
EN 1504-2
5.2 Versiegelung
EN 1504-2
5.3 Mörtel- oder Betonauftrag
17.4 Instandsetzungsprinzipien
1095
Prinzip
Methode (Kurzbezeichnung)
Produkte
Prinzip 6 (RC) Erhöhung des Chemikalienwiderstandes (Resistance to Chemicals)
6.1 Beschichtungen
EN 1504-2
Prinzip 7 (RP) Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität (Preserving or Restoring Passivity)
6.2 Versiegelung 6.3 Mörtel- oder Betonauftrag 7.1 Erhöhung der Betondeckung mit zusätzlichem Mörtel oder Beton
EN 1504-3
7.2 Ersatz von schadstoffhaltigem oder karbonatisiertem Beton
EN 1504-3
7.3 Elektrochemische Realkalisierung von karbonatisiertem Beton 7.4 Reakalisierung von karbonatisiertem Beton durch Diffusion 7.5 Elektrochemische Chloridextraktion Prinzip 8 (IR) Erhöhung des elektrischen Widerstandes (Increasing Resistivity)
8.1 Hydrophobierung
EN 1504-2
8.2 Versiegelung 8.3 Beschichtung
EN 1504-2
Prinzip 9 (CC) Kontrolle kathodischer Bereiche (Cathodic Control)
9.1 Begrenzung des Sauerstoffgehaltes (an der Kathode) durch Sättigung oder Oberflächenbeschichtung
Prinzip 10 (CP) Kathodischer Schutz (Cathodic Protection)
10.1 Anlegen eines elektrischen Potentials
Prinzip 11 (CA) Kontrolle anodischer Bereiche (Control of Anodic Areas)
11.1 Anstrich der Bewehrung durch aktiv pigmentierte Beschichtungen
EN 1504-7
11.2 Anstrich der Bewehrung mit Beschichtungen nach dem Barriere-Prinzip
EN 1504-7
11.3 Aufbringen von Korrosionsinhibitoren auf den oder zum Beton a)
Diese Verfahren dürfen auch für andere Prinzipien angewendet werden
Derzeit wird der Planungsteil der RL-SIB überarbeitet. Dort wird geregelt, wie die Verfahren nach DIN EN 1504-9 in Deutschland angewendet werden.
1096
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.5 Vorbereitung von Betonuntergründen 17.5.1 Allgemeines Voraussetzung für die dauerhafte Funktionstüchtigkeit einer Instandsetzungsmaßnahme ist eine sorgfältige Vorbereitung des Untergrundes. Ziel jeder Untergrundvorbehandlungsmaßnahme ist es, einen möglichst guten Haftverbund zwischen dem Untergrund (Beton, Mörtel oder Stahl) und dem aufzubringenden Instandsetzungsstoff zu erreichen. In diesem Abschnitt werden allgemeine Grundsätze für die Untergrundvorbereitung nach RLSIB beschrieben. Weiterführende Informationen enthält Kapitel 16 (Oberflächenschutz). Je nach Sachlage werden mit der Bearbeitung des Untergrundes unterschiedliche Zwecke verfolgt: Entfernen von Beschichtungen und Filmen (z. B. Anstriche, Nachbehandlungsfilme, Verschmutzung); Entfernen von dünnen, minderfesten Schichten (z. B. Zementschlämme); Abtragen von Beton und Mörtel; Entrosten von Bewehrung; Säubern (z. B. von Staub). Grundsätzlich sind alle lockeren Teile des Untergrundes zu entfernen. Darüber hinaus kann es aber auch erforderlich sein, feste Teile wie Altbeton zu entfernen, wenn er z. B. einen zu hohen Chloridgehalt aufweist oder Stahl freigelegt werden muss. Vorbehandelt wird der Untergrund auch, um ihn aufzurauen und damit eine größere Oberfläche zu schaffen, wodurch die Haftung der nachfolgenden Schicht verbessert wird. In vielen Fällen ist es sinnvoll, Risse vor der Untergrundvorbehandlung zu schließen. Auf jeden Fall sind sie vor dem Aufbringen von Schichten zu behandeln. Als „Betonuntergrund“ werden die Betonoberflächen und der oberflächennahe Betonbereich bezeichnet, dessen Eigenschaften auf den beabsichtigten Erfolg der Schutz- bzw. Instandsetzungsmaßnahme Einfluss haben. Deren Dicke ist allgemein nicht angebbar. Diese Abschätzung obliegt dem so genannten „Sachkundigen Planer“. Damit für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen an Betonbauteilen der angestrebte Erfolg nach Art, Güte und Dauer sicher erreicht werden kann, muss der betreffende Beton an seiner Oberfläche und im oberflächennahen Bereich – dem Betonuntergrund – bestimmte Eigenschaften haben und müssen während des Aufbringens der Schutz- bzw. Instandsetzungsstoffe und in einem bestimmten Zeitraum danach bestimmte Witterungsbedingungen erfüllt sein. Falls die Anforderungen nicht erfüllt sind, ist zu untersuchen, ob und wie die Anforderungen durch Behandlung des Betonuntergrundes und/oder Änderungen der Witterungseinflüsse mit angemessenem Aufwand erfüllbar sind und ob dies dem Betonbauteil und der Umgebung zuträglich ist.
17.5 Vorbereitung von Betonuntergründen
1097
17.5.2 Anforderungen 17.5.2.1 Oberflächenbeschaffenheit
Für örtliche Ausbesserungen bzw. flächige Beschichtungen muss der Betonuntergrund frei sein von losen und mürben Teilen (z. B. auch von minderfesten Risskanten) und von sich leicht ablösenden arteigenen Schichten (z. B. Zementhaut) und darf nicht abmehlen oder absanden, frei sein von etwa parallel zur Oberfläche oder schalenförmig im oberflächennahen Bereich verlaufenden Rissen oder Ablösungen, frei sein von Graten (nur in zu begründenden Fällen können sie belassen werden), eine dem zu verwendenden Stoff angepasste Rauheit aufweisen, frei sein von artfremden Stoffen (wie Gummiabrieb, Trennmittel, ungeeigneten Altbeschichtungen, Ausblühungen, Öl, Bewuchs u. ä.). Kiesnester und andere Hohlstellen sind sachgerecht auszuarbeiten und auszufüllen. 17.5.2.2 Mechanische Eigenschaften
In Beschichtungen sind die Wärmekennwerte, E-Moduln und Temperaturen meist anders als im Betonuntergrund und führen dadurch bei Formänderungen zu inneren Spannungen mit Spannungsspitzen an den (auch durch Risse erzeugten) freien Rändern der Beschichtung. Das gilt auch für die Schichten, die durch eine Imprägnierung verfestigt und wärmetechnisch verändert sind. Bei Erwägen einer verfestigenden Imprägnierung beurteilt der Sachkundige Planer daher vorsorglich eine solche mögliche Auswirkung. Aus Feuchteverteilung und Feuchtetransport (gefördert durch Temperaturwechsel) im Bauteil/Bauwerk, die von der neu hinzugekommenen Versiegelung/Beschichtung bzw. von der durch Imprägnierung veränderten Betonrandzone beeinflusst werden, können weitere Spannungen entstehen. Da die Verbundspannungen auch von den E-Moduln des Betonuntergrundes und der Beschichtung abhängen, sollte der Betonuntergrund auch einen E-Modul haben, der aus den vorbeschriebenen Einflüssen nur zu geringen Spannungen führt. Daher muss der E-Modul des Betonuntergrundes ermittelt oder abgeschätzt werden, damit die Eigenschaften der Beschichtung entsprechend gewählt werden können. Eine ungünstige Beanspruchung, die der Betonuntergrund erleiden kann, ist die Hauptzugspannung senkrecht zur Oberfläche, die so genannte „Oberflächenzugspannung“, an Rändern, Rissufern u. ä. auch als „Schälspannung“ bezeichnet. Der Betonuntergrund muss die Beanspruchungen, die im Verbundkörper nach der Schutz-/ Instandsetzungsmaßnahme infolge planmäßiger Belastung und unvermeidlicher Beaufschlagung entstehen können, ohne Schaden aufnehmen können. Dazu muss er eine entsprechende Festigkeit haben.
1098
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Den Spannungen stehen also die Festigkeiten gegenüber, hier die des Haftverbundes der späteren Versiegelung/Beschichtung auf dem Betonuntergrund („Haftzugfestigkeit“) und diejenige im Betonuntergrund selber („Oberflächenzugfestigkeit“). Der Betonuntergrund muss gemäß RL-SIB die in der Tabelle 17.5 angegebenen Anforderungen erfüllen. Tabelle 17.5 Mechanische Eigenschaften (geforderte Oberflächenzugfestigkeiten des Betonuntergrundes) Schutz- bzw. Instandsetzungsmaßnahme: Örtliche Ausbesserung bzw. flächige Beschichtung
Mindestwerte der Oberflächenzugfestigkeit Mittelwert
kleinster Einzelwert N/mm²
2
3
Mörtel und Beton
1
1,5
1,0
OS 2 (OS B)
0,8
0,5
OS 5 (ohne Feinspachtel) (OS D)
1,0
0,6
OS 4 (OS C), OS 5 (OS D), OS 9 (mit Feinspachtel) (OS E)
1,3
0,8
OS 11 (OS F), OS 13
1,5
1,0
Es können auch deutlich höhere Festigkeiten bei Beschichtungen erforderlich sein; deshalb müssen deren diesbezügliche Eigenschaften berücksichtigt werden. Für Spritzbeton wird empfohlen, die geforderten Oberflächenzugfestigkeiten zu vereinbaren. Wenn es nachgewiesen und von dem Sachkundigen Planer ebenso beurteilt wird, kann eine geringere Oberflächenzugfestigkeit zugelassen werden als in Tabelle 17.5 gefordert wird. Die vorhandene und/oder auch nach Abtrag erreichbare Oberflächenzugfestigkeit ist für die Wahl der Schutz-/Instandsetzungsmaßnahme mitentscheidend und muss daher ermittelt sein. Reicht die Oberflächenzugfestigkeit des Betonuntergrundes nicht aus, geben erst die Oberflächenzugfestigkeiten in der weiteren, technisch und wirtschaftlich sinnvoll freizulegenden Tiefe (Oberflächenzugfestigkeits-Profil) Aufschluss über die Möglichkeiten der Problemlösung. Die zu erwartende Größenordnung für die Oberflächenzugfestigkeit kann nach Bild 17-21 abgeschätzt werden.
17.5 Vorbereitung von Betonuntergründen
1099
Bild 17-21 Beziehung zwischen Abreißfestigkeit und Druckfestigkeit bei mechanisch vorbehandeltem Beton nach [17.5]
17.5.2.3 Chemische Eigenschaften
Nach Feststellung von Lage und Betondeckung der Bewehrung müssen die Tiefe der Karbonatisierungsfront und ihr Abstand von der Bewehrung festgestellt und beurteilt werden. Bei Verdacht auf eingedrungene Schadstoffe, insbesondere Chloride, sind deren Art und Gehalt in einem Tiefenprofil zu ermitteln und zu beurteilen (vgl. Abschnitt 17.3). 17.5.2.4 Betonfeuchte
Unmittelbar vor dem örtlichen Ausbessern, dem Imprägnieren bzw. dem flächigen Beschichten müssen folgende Anforderungen erfüllt sein: Die meisten kunstharzgebundenen Betone bzw. Mörtel, Imprägnierungsmittel und filmbildenden Beschichtungsstoffe erfordern einen trockenen bis höchstens feuchten Betonuntergrund. Für das Aufbringen einer zementgebundenen Beschichtung oder Haftbrücke und für die örtliche Ausbesserung mit zementgebundenem Beton/Mörtel ohne oder mit Kunststoffzusatz sowie für wasserdispergierbare filmbildende Kunststoffbeschichtungen muss bzw. kann der Betonuntergrund feucht sein. 17.5.2.5 Temperaturen
Die Temperaturen von Betonuntergrund und der unmittelbar überlagernden Luftschicht müssen während des Aufbringens und im angemessenen Zeitraum danach in dem für den jeweiligen Schutz- oder Instandsetzungsstoff festgesetzten Bereich liegen. Sofern keine anderen Angaben vorliegen, gelten die Richtwerte der Tabelle 17.6.
1100
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Tabelle 17.6 Grenztemperaturen des Betonuntergrundes und der unmittelbar überlagernden Luftschicht (Richtwerte) Aufzubringender Stoff
Temperatur Kleinstwert
Größtwert °C
1
2
3
zementgebundene Stoffe, auch mit Kunststoffzusatz
5
30
Reaktionsharze und Reaktionsharzmörtel/-betone
8
40
Hydrophobierungen
8
25
einkomponentige, lösemittelhaltige Oberflächenschutzsysteme
8
30
10
40
wasserdispergierbare Oberflächenschutzsysteme
Tabelle 17.7 Witterungsbedingungen Exposition
zementgebundene Stoffe, auch mit Kunststoffzusatz 2
kunststoffgebundene Stoffe
1 relative Luftfeuchte
keine Forderung
3 Bauteiltemperatur muss mindestens 3 K über dem Taupunkt liegen
Niederschlag
kein Regen
kein Regen oder Nebelnässen
Wind
Windstärke ≤ 3 Beaufort*, entsprechend ≤ ca. 5 m/s
Staub muss ferngehalten werden
Sonne
Austrocknung durch Sonneneinstrahlung keine Anforderung muss vermieden werden
* Blätter und dünne Zweige bewegen sich
Die Oberflächentemperatur des Betons und bei mehrlagigen Beschichtungen diejenige des jeweiligen Untergrundes muss für kunststoffgebundene Stoffe immer mindestens 3K über dem Taupunkt liegen. Bei den Grenzwerten sind auch die Temperaturentwicklung für den Zeitraum der Ausführung und im angemessenen Zeitraum danach sowie die Abkühlung in der Nacht zu beachten (aufgrund der amtlichen Wettervorhersage, ggf. unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten). 17.5.2.6 Witterungsbedingungen außer Temperatur
Für die relative Luftfeuchte, Niederschlag, Wind und Sonneneinstrahlung sind, sofern für die einzusetzenden Stoffe keine abweichenden Herstellerangaben bestehen, die Grenzen der Tabelle 17.7 einzuhalten.
17.6 Instandsetzen von Rissen
1101
17.5.2.7 Erschütterungen
Wenn während des Erhärtens von Ausbesserungsbeton bzw. -mörtel oder Beschichtung Erschütterungen (z. B. aus Baubetrieb oder Verkehr) zu erwarten sind, muss dieser Stoff das ohne Nachteil zulassen, oder die Erschütterungen sind durch Einschränken der Ursachen im erforderlichen Maße zu vermindern oder zu vermeiden.
17.6 Instandsetzen von Rissen 17.6.1 Allgemeines Aus verschiedenen Gründen müssen Risse in Stahlbetonbauwerken verschlossen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht grundsätzlich jeder Riss als schädlich einzustufen ist, sondern es ist grundsätzlich im Einzelfall zu prüfen, ob unzulässige Rissbreiten bzw. Rissbewegungen vorliegen, die eine Rissbehandlung erforderlich machen.
17.6.2 Ursachen, die eine Behandlung von Rissen erforderlich machen Folgende Ursachen für erforderliche Rissbehandlungsmaßnahmen und Grenzwerte für Rissbreiten finden sich in den Regelwerken für Stahlbeton: A) Sicherstellung des Korrosionsschutzes für die Bewehrung Bei nicht vorgespannten trockenen Innenbauteilen: Maximal zulässige Rissbreiten nach neuen Bemessungsregeln 0,4 mm (Expositionsklasse XC1); Bei ständig wassergesättigtem Beton: 0,4 mm (Expositionsklasse XC1); Bei nicht vorgespannten Außenbauteilen: Maximal zulässige Rissbreiten nach neuen Bemessungsregeln 0,3 mm (Expositionsklassen XC2-4, XD1-3, XS1-3); Bei Spannbeton: Maximal zulässige Rissbreiten 0,2 mm (unabhängig von der Expositionsklasse); Sonderregelung bei direkt befahrenen Parkdecks: Zusätzliche Schutzmassnahmen wie z. B. rissüberbrückende Beschichtungen erforderlich (Expositionsklasse XD3). B) Sicherstellung der Wasserundurchlässigkeit von Bauteilen, z. B. bei Behältern Bei einem Druckgefälle 2,5: Empfohlene zulässige Rissbreite 0,20 mm; bei einem Druckgefälle 5: Empfohlene zulässige Rissbreite 0,15 mm; bei einem Druckgefälle > 5: Empfohlene zulässige Rissbreite 0,10 mm. C) Rissbehandlung aus Gründen des äußeren Erscheinungsbildes bei Sichtbeton mit besonderen Anforderungen
1102
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.6.3 Mögliche Maßnahmen zur Rissbehandlung Es kommen verschiedene Möglichkeiten der Rissbehandlung in Betracht: Indirekte Maßnahmen ohne Schließen des Risses: Rinnen, Schutzdächer, Umwandeln von Rissen in Fugen, etc.; Tränkung des Risses zum Verschließen; Kraftschlüssige Rissinjektion; Dehnfähige Rissinjektion; Lokale Überdeckung mit dehnfähigen Bandagen; Vollflächige Abdichtung mit rissüberbrückenden Beschichtungen unterschiedlicher Art: Beschichtungen auf Polymerbasis, Polymer-Zement-Gemische („flexible Dichtungsschlämmen“), Abdichtungen auf Bitumenbasis (Brückenabdichtungen). Um die optimale Methode auszuwählen, müssen folgende Kriterien berücksichtigt werden: Maximal auftretende Rissbewegungen; Applikationsbedingungen (Zugänglichkeit, etc.); Ausrichtung des Bauteils: Eine drucklose Tränkung kommt z. B. nur bei horizontalen Oberflächen in Frage; Planmäßige Restnutzungsdauer; Wirtschaftlichkeit: Geht man beispielsweise von Kosten für eine vollflächige Beschichtung von ca. 25 €/m² und für eine Rissinjektion von 75 €/m² aus, so ist die Beschichtung ab einer Risshäufigkeit von ca. 3 lfd. Meter pro m² Betonoberfläche wirtschaftlicher. Das Füllen von Rissen und Hohlräumen stellt im Bereich der Bauwerkserhaltung neben der Reprofilierung von Oberflächen, dem vollflächigen Oberflächenschutz und Verstärkungsmaßnahmen einen wesentlichen und häufig technisch unerlässlichen Arbeitsschritt dar. Grundlage für Schutz- und Instandsetzungsarbeiten an Rissen und Hohlräumen ist eine umfassende Beurteilung ihres Einflusses auf die Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit des Stahl- bzw. Spannbetonbauteils. Die Erfassungs- und Untersuchungsmethoden für die relevanten Rissmerkmale nach RL-SIB können der Tabelle 17.8 entnommen werden. Im Rahmen der Beurteilung sind Aussagen zur Rissursache, zur Notwendigkeit des Füllens der Risse, zum Ziel der Maßnahme, zur Bewegung der Rissufer und ggf. zum Risiko des Entstehens neuer Risse zu machen. Neben dem Rissverlauf spielen Rissbreite und Risstiefe eine entscheidende Rolle für die Auswahl einer geeigneten Instandsetzungsmaßnahme. Besonders problematisch sind Risse, wenn sie wasserführend sind und dadurch einerseits Undichtigkeiten entstehen und andererseits insbesondere bei Rissen, die chloridhaltiges Wasser führen, eine Korrosionsgefährdung für die Bewehrung von diesen Rissen ausgeht. Bild 17-22 zeigt ein Beispiel für einen durchgehenden Trennriss in einem Parkhaus, bei dem chloridhaltiges Wasser an die Unterseite der Deckenplatte gelangt ist und dort Bewehrungskorrosion ausgelöst hat. Diese wurde im vorliegenden Fall durch eine erheblich zu kleine Betondeckung beschleunigt.
17.6 Instandsetzen von Rissen
1103
Bild 17-22 Beispiel für einen wasserführenden Riss mit daraus resultierenden Korrosionsschäden an der Bewehrung
Insbesondere bei Trennrissen in Parkhäusern treten jedoch auch bei guter Betonqualität und großer Betondeckung bereits nach wenigen Jahren starke Korrosionserscheinungen an der Bewehrung auf. Bild 17-23 zeigt beispielhaft die Bewehrung im Bereich eines Trennrisses mit einer Breite von 0,8 mm aus einem etwa 10 Jahre alten Parkhaus. Die Betondeckung betrug dabei 75 mm. Der Chloridgehalt an der Stahloberfläche betrug zu diesem Zeitpunkt bereits über 2 M-%, bezogen auf den Zementgehalt. Wie in Bild 17-23 erkennbar ist, liegt die Tiefe der Lochfraßstellen bereits bei etwa 3 mm. Der Restquerschnitt im unmittelbaren Rissbereich beträgt lediglich noch ca. 25 %.
Bild 17-23 Aufnahme einer gebeizten Stahloberfläche aus einem Trennriss aus einem etwa 10 Jahre alten Parkhaus
Bei neueren Untersuchungen von Parkbauten wurde festgestellt, dass sich die Bewehrung im Bereich von Biegerissen bezüglich des Korrosionsverhaltens weitaus günstiger verhält. Dort wurden nur vergleichsweise schwache Korrosionserscheinungen selbst an bis zu 25 Jahre alten Parkbauten festgestellt. Inwiefern im Bereich von Biegerissen auf der Oberseite von chloridbeaufschlagten horizontalen Betonoberflächen eine Korrosionsgefährdung ausgeht, hängt sicherlich von der Betondeckung und der Betonqualität sowie den mikroklimatischen Gegebenheiten ab. Mit dem Füllen von Rissen und Hohlräumen werden i. d. R. die folgenden Ziele verfolgt: Hemmen oder Verhindern des Eindringens korrosionsfördernder Stoffe in Bauteile; Abdichten durchlässiger Bauteile;
1104
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Herstellen einer begrenzt dehnfähigen Abdichtung eines Risses; kraftschlüssiges Verbinden von Riss- und Hohlraumflanken. Dehnfähige und kraftschlüssige Verbindungen schließen sich im Allgemeinen gegenseitig aus. Risse mit einer Breite unter 0,3 mm können i. d. R. nur dauerhaft ohne zusätzliche Betonbeschichtung abgedichtet werden, wenn praktisch nur sehr kleine Rissbreitenänderungen auftreten. Tabelle 17.8 Erfassung und Beurteilung von Riss-/Hohlraummerkmalen nach RL-SIB Merkmal
Erfassungs- und Untersuchungsmethode
1
2 Inaugenscheinnahme, ggf. Bohrkernentnahme1 Inaugenscheinnahme
Rissart Rissverlauf
Rissbreite
Rissbreitenänderung
kurzzeitig täglich
langzeitig
Hohlraumeigenschaften Zustand der Risse Vorangegangene Maßnahmen Beurteilung der Rissursache oder Hohlraumursache 1) 2) 3)
Dokumentation
3 Unterscheidung nach oberflächennahen und Trennrissen Zeichnerische Darstellung, ggf. pauschale Angaben (z. B. Biegerisse in Abständen von …, Netzrisse mit Maschenweite von ...) Linienstärkenmaßstab, Risslupe Angaben mit Datum, ggf. Messort bei (Genauigkeit 0,05 mm) Rissbreitenänderungen nach Zeilen 4.1 und 4.2 auch mit Uhrzeit und Witterungsbedingungen, ggf. Bauteiltemperatur3 Wegänderungen, z. B. mit Wegauf- Höchständerung mit Datum, Uhrzeit und nehmer Witterungsbedingungen Änderungen zwischen Morgen- und Wegänderungen, z. B. mit Messuhr, Setzdehnungsmesser, Wegauf- Abendmesswert mit einem Zeitabstand von ca. 12 Stunden, mit Datum, Witterungsbenehmer dingungen und Bauteiltemperatur Kleben von (ggf. kalibrierten) Änderungen in großen Zeitabständen (u. U. Marken, Setzdehnungsmessung mehrere Monate) mit Angabe des Datums und der Witterungsbedingungen, ggf. Bauteiltemperatur3 Bohrkernentnahme, Endoskopie Lage und Ausmaße des hohlraumreichen Gefüges, Durchgängigkeit Angabe über Feuchtezustand, VerschmutInaugenscheinnahme, zung, Aussinterung ggf. Bohrkernentnahme1 2 Bauwerksbuch, Erkundungen Unterscheidung gemäß Definition, ggf. Abschätzung der Wahrscheinlichkeit wiederkehrender Rissursachen Angaben über frühere Maßnahmen, Inaugenscheinnahme, Erkundunz. B. Füllung der Risse gen einschl. Herstellungsbedingungen, Wertung der Ergebnisse von Zeile 1-4, ggf. Berechnungen
Bohrkernentnahme nur in Ausnahmefällen und mit geringem Durchmesser (50 mm) Ermittlung des Feuchtegehaltes durch Inaugenscheinnahme oder mit Labormethoden Angaben der Bauteiltemperatur ist notwendig, sofern die Witterungsbedingungen keine Rückschlüsse zulassen (z. B. Straßentunnel, Parkhäuser o. ä.)
17.6 Instandsetzen von Rissen
1105
17.6.4 Füllstoffe für Risse und Hohlräume Als Rissfüllstoffe werden Epoxidharze (EP), Polyurethanharze (PUR), Zementleim (ZL) und Zementleimsuspensionen (ZS) eingesetzt. In letzter Zeit wird auch der Einsatz von Acrylatgelen zur Behandlung von Rissen und Hohlräumen in Stahlbetonbauteilen diskutiert. Allerdings gibt es noch Unklarheiten bezüglich einer eventuellen korrosionsfördernden Wirkung auf die Betonstahlbewehrung im Bereich der Risse und bezüglich des Verhaltens der Acrylatgele bei sich andauernd oder regelmäßig bewegenden Rissen. Dabei ist zu beachten, dass sich die derzeit im Baubereich eingesetzten Acrylatgele zum Teil erheblich voneinander unterscheiden. Epoxidharze werden vor allem zum kraftschlüssigen Verpressen von Rissen eingesetzt. Sie bestehen aus zwei Komponenten, sind lösemittelfrei, ungefüllt und wegen ihrer niedrigen Viskosität von 150 bis 400 mPa·s für kleine Rissbreiten ab 0,1 mm geeignet. Epoxidharze sollen ausreichend lange verarbeitbar sein, um in kleinste Risse eindringen zu können. Da ihre Zugfestigkeit und ihre Haftfestigkeit am Beton größer sind als die Zugfestigkeit von Beton, versagt das Bauteil nach der Injektion bei Überbeanspruchung außerhalb des injizierten Risses. PUR werden vor allem zur Abdichtung von Rissen eingesetzt, die sich bewegen. Sie bestehen ebenfalls aus zwei Komponenten, sind lösemittelfrei und ungefüllt. Im Gegensatz zu EP können PUR in nassen Rissen und sogar bei drückendem Wasser eingesetzt werden. Für Zementleime (ZL) und Zementsuspensionen (ZS) werden wegen der erforderlichen Mahlfeinheit in der Regel Zemente verwendet, die mindestens der Festigkeitsklasse Z 45 bzw. 42,5 nach DIN EN 197-1 entsprechen, oder spezielle Injektionszemente. Zementsuspensionen werden mit Feinstzement mit einer spezifischen Oberfläche bis zu 16000 cm²/g hergestellt. Der Feinstzementanteil < 16 μm beträgt 95 %. Damit es im Riss nicht zum Entmischen und zur Sedimentation kommt, müssen die Komponenten durch geeignete Misch- und Verarbeitungsgeräte intensiv aufgeschlossen werden. Der Einsatz von ZL und ZS ist sinnvoll bei feuchten Rissflanken. Darüber hinaus bieten sie gegenüber den polymeren Rissfüllstoffen den Vorteil, dass sie denselben Feuerwiderstand wie das instand zu setzende Betonbauteil besitzen. Anforderungen an die Rissfüllstoffe sind in der RL-SIB, Teil 2, bzw. in den Technischen Lieferbedingungen für Rissfüllstoffe der ZTV-ING beschrieben. Wesentliche Gesichtspunkte für alle Rissfüllstoffe sind dabei: ausreichende Mischungsstabilität (vor allem bei Zementleimen und Zementsuspensionen); niedrige Viskosität, um auch in enge Risse einzudringen; ausreichende Verarbeitbarkeitszeit, auch bei niedriger und höherer Temperatur; geringes Schwinden bzw. Schrumpfen (bei Harzen); gute Haftung am Beton; ausreichende Zug- und Druckfestigkeit. Darüber hinaus gibt es spezifische Anforderungen an die verschiedenen Rissfüllstoffe. Für Epoxidharze ist das eine ausreichend schnelle Festigkeitsentwicklung, für Polyurethanharze ist es vor allem die Dehnfähigkeit. Der Einsatz eines Rissfüllstoffes hängt einerseits vom Feuchtezustand der Rissflanken (siehe Tabelle 17.9) und andererseits vom Ziel der Maßnahme ab. Die Anwendungsbereiche der verschiedenen Rissfüllstoffe sind Tabelle 17.10 zu entnehmen. Füllstoffspezifische Anwendungsbedingungen für das Füllen eines Risses mittels Injektion enthält Tabelle 17.11.
1106
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Risse sollten beim Verfüllen möglichst ihre größte Breite aufweisen. Der Verarbeitbarkeitszeitraum eines gemischten Füllstoffes kann bei höheren Umgebungstemperaturen durch Kühlung vergrößert werden. Tabelle 17.9 Feuchtezustand von Rissen und Hohlräumen nach RL SIB Begriff
Merkmal
1 Trocken mit umgebungsbedingter Ausgleichsfeuchte
2 – Wasserzutritt nicht möglich. – Beeinflussung des Riss/Hohlraumbereiches durch Wasser nicht feststellbar bzw. seit ausreichend langer Zeit ausschließbar – Farbtonveränderung im Riss oder Hohlraumbereich durch Wasser, jedoch kein Wasseraustritt. – Anzeichen auf Wasseraustritt in der unmittelbar zurückliegenden Zeit (z. B. Aussinterungen, Kalkfahnen). – Riss oder Hohlraum erkennbar feucht oder matt-feucht (beurteilt an Trockenbohrkernen). – Wasser in feinen Tröpfchen im Rissbereich erkennbar. – Wasser perlt aus dem Riss. – Zusammenhängender Wasserstrom tritt aus dem Riss aus.
Feucht
Drucklos, wasserführend Unter Druck, wasserführend
Tabelle 17.10 Anwendungsbereiche der Rissfüllstoffe nach RL SIB Anwendungsziel
1 Schließen durch Tränkung Schließen und Abdichten durch Injektion Begrenzt dehnfähiges Verbinden Kraftschlüssiges Verbinden 1)
2)
Zulässige Maßnahmen Feuchtezustand der Füllbereiche trocken1
feucht
„drucklos” wasserführend
„unter Druck” wasserführend2
2 EP - T ZL - T ZS - T EP - I PUR - I ZL - I ZS – I PUR - I
3
4
5
PUR - I ZL - I ZS - I PUR - I
PUR - I ZL - I ZS - I PUR - I
PUR - I ZL - I ZS - I PUR – I
EP - I ZL - I ZS - I
ZL - I ZS - I
ZL - I ZS - I
ZL - I ZS - I
ZL - T ZS - T
Flanken von Rissen und innere Oberflächen von Hohlräumen müssen ggf. gem. Angaben zur Ausführung vorgenässt werden. Zusammen mit Maßnahmen zur Druckminderung (z. B. Entlastungsbohrungen, Wasserhaltung) und rückseitigem Abdichten.
1107
17.6 Instandsetzen von Rissen
Tabelle 17.11 Füllstoffspezifische Anwendungsbedingungen für die Füllart Injektion nach RL SIB Merkmal
Anwendungsbedingungen 1
Rissfüllstoff Füllart, Injektion Rissart
2
3
Epoxidharz
Zementleim
w ≥ 0,10 mm
w ≥ 0,80 mm
8 °C²
w ≥ 0,25 mm
Polyurethanharz PUR-I Trennriss
w ≥ 0,30 mm1
siehe Tab. 17.9 und 17.10 5 °C
nicht zulässig bei vorangegangener Füllung mit EP oder PUR, Wiederholung der Füllung mit ZL oder ZS zulässig. kurzzeitige Rissbreiten- Δw ≤ 0,10 w ≤ 0,03 mm* nicht zulässig änderungen während * der kleinere von beider Erhärtungsphase den Werten ist maßgebend Vorangegangene Maßnahmen
5
Zement suspension ZL-I ZS-I Trennriss Trennriss bzw. oberflächennaher Riss beliebig
EP-I Trennriss oder oberflächennaher Riss
Rissverlauf Rissbreite w (in der Grundprüfung kleinste nachgewiesene Rissbreite) Feuchtezustand Niedrigste Anwendungstemperatur
4
nicht zulässig bei vorangegangener Füllung mit EP oder PUR
6 °C (niedrigere Anwendungstemperatur ist gemäß Grundprüfung möglich) wiederholte Füllung zulässig
An kurzzeitige Rissbreitenänderungen werden keine Anforderungen gestellt.
tägliche Rissbreitenänderungen während der Erhärtungsphase
Abhängig von der Festigkeitsentwicklung
nicht zulässig
Keine Anforderung
Rissbreitenänderungen nach Erhärtung
-
-
w ≥ 0,3 mm: Δw ≤ 0,05 w w ≥ 0,5 mm: Δw ≤ 0,1 w Dies gilt bei mittleren Bauwerkstemperaturen von ca. 15 °C.
1)
2)
Zum begrenzt dehnfähigem Verbinden nachgewiesene Mindestrissbreite. Für lediglich abdichtende Injektionen sind, in Abhängigkeit von der Viskosität, auch kleinere Rissbreiten injizierbar. Die niedrigste Anwendungstemperatur (Bauteiltemperatur) Tmin ergibt sich als der Höchstwert aus folgenden Bedingungen: Tmin ≥ 8 °C in Abhängigkeit von der temperaturbedingten Festigkeitsentwicklung bei Rissbreitenänderungen größer als nach Zeile 9.
1108
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.6.5 Verfahren zum Füllen von Rissen und Hohlräumen Vor dem Füllen müssen die Risse von losen Feinstoffen befreit werden, z. B. mit einem geeigneten Staubsauger. Je nach Durchfeuchtung des Betons sind vor der Rissbehandlung die Rissufer zu trocknen. Hinsichtlich des Einbringens unterscheidet man zwischen Tränkung und Injektion.
Tränkung ist definiert als das Füllen von Rissen auf annähernd waagerechten Flächen von oben unter einem maximalen Druck von 0,1 bar. Der Tränkstoff dringt aufgrund der Schwerkraft und der Kapillarität in den Riss ein. Durch Tränkung können im Allgemeinen nur oberflächennahe Rissbereiche gefüllt werden. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Riss nur teilweise geschlossen wird und sich schon bei geringen Rissbreitenänderungen wieder öffnet. Beim Tränken muss immer für eine ausreichende Zufuhr des Rissfüllstoffes gesorgt werden, bis augenscheinlich kein Füllstoff mehr aufgenommen wird. Die Tränkung von Rissen erfolgt auf waagerechten Flächen oft mit Hilfe eines Pinsels oder durch Fluten unter Verwendung eines Gummischiebers. Epoxidharze sind aufgrund niedriger Oberflächenspannung für die Tränkung sehr schmaler Risse besonders geeignet. Im Gegensatz zur Tränkung wird mit der Injektion die vollständige Füllung eines Risses angestrebt. Eingebracht wird der Füllstoff unter Druck mit Hilfe von Einfüllstutzen, so genannten Packern. Gebräuchlich sind Bohrpacker und Klebepacker. Die Bohrpacker benötigen ein Bohrloch, das unter einem Winkel von 45° angelegt wird und den Riss kreuzen muss, s. Bilder 17-24 und 17-25. Bohrpacker werden für höhere Drücke verwendet und sind mit einem Rückschlagventil ausgerüstet. Klebepacker werden mittels einer Platte über dem Riss auf das Bauteil geklebt, s. Bild 17-24.
Bild 17-24 Schematische Anwendung von Klebepackern und Bohrpackern
17.6 Instandsetzen von Rissen
1109
Bild 17-25 Schematische Anwendung von Klebepackern und Bohrpackern
Nach dem Setzen der Packer wird der Riss vollständig verdämmt, wozu meist schnell abbindende Reaktionsharzmassen verwendet werden. Beim Injizieren an geneigten Bauteilen wird grundsätzlich von unten nach oben vorgegangen. Am obersten Punkt muss eine Entlüftungsöffnung vorhanden sein. Sobald der Füllstoff am nächst höheren Einfüllstutzen austritt wird die Injektion dort fortgesetzt. Unabhängig vom Füllgut sollte innerhalb seiner Verarbeitbarkeitszeit eine Nachinjektion vorgenommen werden, um Volumenverluste z. B. durch Kapillarwirkung oder Undichtigkeiten auszugleichen. Da mit niedrigerem Druck über längere Zeit ein höherer Rissfüllgrad erreicht werden kann als mit hohem Druck über kurze Zeit, haben sich so genannte Ballon- und Federdruck-Packer bewährt. Während die Ballonpacker nicht wieder verwendbar sind und mit einem Druck von ca. 3 bar arbeiten, beträgt der Arbeitsdruck bei den wieder verwendbaren Federdruck-Packern ca. 0,6 bar. Bei entsprechend langer Verarbeitbarkeitszeit können mit letzterem Verfahren Injektionstiefen von 0,5 m bei 0,2 mm Rissbreite erreicht werden. Bei unter Druck wasserführenden Rissen, die mit PUR abgedichtet werden sollen, kann eine Vorinjektion mit Polyurethanschaum, so genanntem Sekundenschaum (SPUR), der einen feinzelligen Schaum mit großem Volumen bildet, zur Herabsetzung des Wasserzutritts vorgenommen werden. Sie sollte aber auf die Bereiche beschränkt bleiben, wo dies unbedingt nötig ist. Anzustreben ist immer ein möglichst hoher Füllgrad mit PUR. Das PUR soll unmittelbar nach dem SPUR über zusätzliche Bohrpacker injiziert werden. Das kraftschlüssige Füllen eines Risses ist nur sinnvoll, wenn im Zuge der weiteren Nutzung des Bauteils die Betonzugfestigkeit in der Umgebung des Risses nicht überschritten wird. Die Beurteilung dieses Sachverhaltes ist Aufgabe des sachkundigen Planers.
1110
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.7 Ersatz geschädigten Betons 17.7.1 Allgemeines Zum Ersatz von geschädigtem Beton werden verschiedene Mörtel oder Betone eingesetzt. Zusätzlich kann der Einsatz eines so genannten Korrosionsschutzes, einer Haftbrücke sowie eines Feinspachtels erforderlich sein. Eine Haftbrücke dient zur Verbesserung der Haftung zwischen Altbeton und Instandsetzungsmörtel, während der Feinspachtel zur Nivellierung des Instandsetzungsmörtels bei einem nachfolgend aufzubringenden Oberflächenschutzsystem eingesetzt wird. Bild 17-26 zeigt die Elemente eines Betonersatzsystems. Der in bestimmten Fällen auf die vorbehandelte Bewehrungsoberfläche applizierte Korrosionsschutz (1. in Bild 17-26) ist entweder zementgebunden oder auf Reaktionsharzbasis, gewöhnlich Epoxidharz. Die Haftbrücke (2. in Bild 17-26) ist entweder eine zementgebundene Schlämme oder ein Reaktionsharz, entsprechend des Korrosionsschutzes. Der Instandsetzungsmörtel wird in vergleichsweise dünnen Schichten aufgebracht, bei großen Ausbruchstellen wird Instandsetzungsbeton verwendet. Die Verwendung des Feinspachtels (4. in Bild 17-26) dient zum Porenabschluss und Glätten. Zur Erstellung einer ebenen und profilgerechten Oberfläche kann eine zusätzliche Ausgleichsschicht erforderlich sein. Abschließend wird i. d. R. eine mineralische Dickbeschichtung, z. B. ein Instandsetzungsmörtel M2-PCC I (Variante A), oder ein Oberflächenschutzsystem (Variante B) aufgebracht. Während der Feinspachtel Bestandteil des Betonersatzsystems oder Oberflächenschutzsystems sein kann, gehört die Haftbrücke zum Betonersatzsystem und die unter Umständen erforderliche Grundierung als Zwischenschicht zum Oberflächenschutzsystem.
Bild 17-26 Elemente eines Betonersatzsystems
1111
17.7 Ersatz geschädigten Betons
Folgende Materialien werden als Ersatz geschädigten Betons verwendet: Beton Spritzbeton Zementmörtel (CC für Cement Concrete) Kunststoffmodifizierter, zementgebundener Beton bzw. Mörtel (PCC für Polymer Cement Concrete) Kunststoffmodifizierter, zementgebundener Beton bzw. Mörtel, der im Spritzverfahren aufgebracht wird (SPCC für Sprayed Polymer Cement Concrete) Reaktionsharzgebundener Beton bzw. Mörtel (PC für Polymer Concrete) Tabelle 17.12 stellt die Angaben nach RL-SIB bzw. ZTV-ING zur Zusammensetzung der unterschiedlichen Instandsetzungsmörtel gegenüber. Die Materialien können für die statisch und nicht statisch relevante Instandsetzung von Betontragwerken eingesetzt werden. Die Darstellung der Anwendungsbereiche erfolgt in der RL-SIB anhand von Beanspruchungsklassen und in der EN 1504-3 anhand der Prinzipien und Methoden. Im nachfolgenden Abschnitt wird die Einteilung in Anwendungsbereiche nach RL-SIB bzw. ZTV-ING dargestellt. Tabelle 17.12 Regelungen zur Zusammensetzung von Zementmörtel, PCC, SPCC und PC nach RL-SIB bzw. ZTV-ING Mörtel/Beton
Gesteinskörnung
Polymer
0
Gehalt in kg/m³
DIN EN 197-1, DIN 1164 oder allg. bauauf. Zulassung, CEM… 32,5
DIN 10452, DIN EN 206-1
DIN 1045-2, DIN EN 206-1
DIN EN 12 620 Größtkorn: 8 oder 16 mm
400
0,5
-
PCC
CEM I,
-
-
DIN 4226-1
SPCC
EN 197-1, DIN 1164
10 M.-% bzg. auf Zement bei Prinzip R 1)
-
-
DIN 4226-1, ofentrocken
EP2)
Spritzbeton
Zementmörtel
PC
2)
w/z
Typ Beton
1)
Zement
-
Instandsetzungsprinzip R andere Polymere sind nach RL-SIB grundsätzlich ebenfalls möglich
Beim Ersatz von geschädigtem Beton erfolgt die Unterscheidung zwischen einer lokalen und flächigen Schädigung. Ist das Betongefüge lokal strukturell geschädigt, was z. B. durch Abklopfen der Betonoberfläche mit einem Hammer bestimmbar ist, oder muss die Betonoberfläche aufgrund chemischer Veränderungen (Karbonatisierung, Chloridkontamination, Sulfate) entfernt werden, so müssen die Ausbruchstellen wieder mit geeignetem Material geschlossen werden. Darüber hinaus werden Instandsetzungsmörtel zur Erhöhung der Betondeckung eingesetzt. Tabelle 17.13 fasst zusammen, welches Material für den jeweiligen Bereich eingesetzt wird.
1112
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Die mechanischen Eigenschaften der Instandsetzungsmörtel sind durch die Zusammensetzung und das Mischungsverfahren in einer breiten Bandbreite einstellbar. Somit kann anhand einer Angabe der mittleren Druckfestigkeit, Biegezugfestigkeit und des E-Moduls keine Unterscheidung zwischen Beton, Spritzbeton, Zementmörtel, PCC und SPCC getroffen werden. Die Druckfestigkeit liegt im Mittel der handelsüblichen Systeme bei etwa 55 N/mm², die Biegezugfestigkeit beträgt etwa 10 N/mm² und der dynamische E-Modul schwankt zwischen 30.000 und 38.000 N/mm². Das Schwindmaß beträgt nach 90 Tagen im Raumklima etwa 0,55 bis 0,9 mm/m. Der PC weist hingegen eine deutlich höhere Biegezugfestigkeit (z. B. 20 N/mm²) und einen geringeren E-Modul (z. B. 19.000 N/mm²) auf. Eine detaillierte Darstellung der Eigenschaften der Instandsetzungsmörtel erfolgt später in Abhängigkeit vom Material. Tabelle 17.13 Überblick über wesentliche Anwendungsgebiete von Beton, Spritzbeton, Zementmörtel, PCC, SPCC, PC Mörtel/Beton
Anwendungsbereich
Beton
Großflächige Instandsetzung, Mindestschichtdicke 50 mm, häufig bewehrte Vorsatzschalen, Instandsetzung von Böden und Betonstrassen
Spritzbeton
Großflächige Instandsetzung, Mindestschichtdicke 30–50 mm, häufig bewehrte Vorsatzschalen, Stützwände, keine waagerechten Oberseiten
Zementmörtel
Örtlich begrenzte Bereiche, beliebige Lage der Flächen, Mindestschichtdicke etwa 20 mm, Verfüllen mit Abschalung in Bereichen mit geringen Anforderungen an die Haftzugfestigkeit
PCC
Beliebige Flächengröße und -neigung, dynamisch beanspruchte Flächen, befahrbare Flächen unter Beschichtung, Brücken- und Deckenuntersichten, Mindestschichtdicke etwa 10 mm
SPCC
Beliebige Flächengröße, dynamisch beanspruchte Flächen, keine waagerechten Oberseiten, Brücken- und Deckenuntersichten, Stützen, Balken, Fassaden, Mindestschichtdicke etwa 10 mm
PC
Örtlich begrenzte Flächen, beliebige Neigung, geringe Schichtdicken ab 5 mm
Tabelle 17.14 fasst die stoffabhängigen Richtwerte für Schichtdicken von Instandsetzungsbetonen und -mörteln noch einmal zusammen. Begründet ist die kleinere Schichtdicke des PCC gegenüber dem reinen Zementmörtel in erster Linie mit der geringeren Nachbehandlungsempfindlichkeit des PCC. Weil der PC kein Wasser enthält und infolgedessen nicht austrocknen kann, sind hier noch kleinere Schichtdicken erlaubt.
1113
17.7 Ersatz geschädigten Betons
Tabelle 17.14 Richtwerte für Schichtdicken bei großflächigem Auftrag ( 1 m2) von Instandsetzungsbetonen/-mörteln nach RL-SIB Beton/Mörtelart
Größtkorndurchmesser
Schichtdicke 1)
min mm
Beton Spritzbeton
8 bis 16
max. mm
50
8
30
– 2)
–
16
50
–
Zementmörtel
4
20
40
SPCC
8
103)
504)
PCC
8
103)
504)
PC
8
5
40
1)
mindestens 3facher Größtkorndurchmesser 50 mm bei dynamisch beanspruchten Bauteilen 3) bei Instandsetzungsprinzip R1: 20 mm 4) örtlich bis 100 mm 2)
17.7.2 Beanspruchbarkeitsklassen nach RL-SIB Die Anwendungsbereiche nach RL-SIB ergeben sich aus den Beanspruchbarkeitsklassen (M 1, M 2 und M 3) sowie stoffspezifischen Materialeigenschaften, auf die in den nachfolgenden Abschnitten näher eingegangen wird. Tabelle 17.15 fasst die Beanspruchbarkeitsklassen zusammen. Bild 17-27 zeigt typische Anwendungsbereiche für kunststoffmodifizierte Mörtel bzw. Betone am Beispiel einer Hohlkastenbrücke.
Bild 17-27 Anwendungsbereiche für kunststoffmodifizierte Mörtel bzw. Betone am Beispiel einer Hohlkastenbrücke
1114
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Tabelle 17.15 Beanspruchbarkeitsklassen nach RL-SIB
M2
–
–
zementgebun- PCC I den
örtlich begrenzt
x
–
x
x
–
beliebig
zementgebunM2 SPCC den
x
x
–
Unterseiten, vertikale und stark geneigte Flächen
PC II
–
x
–
beliebig
reaktionsM2 harzgebunden PC I
M3 1 2
zementgebunden
–
–
x
–
örtlich begrenzt1
x
x
x
beliebig
Fassaden
befahrbare waagerechte/ Flächen unter schwach geneigte Belägen auf BrüOberseiten cken und in Parkhäusern
x
beliebig PCC II
beliebig
Anwendungsbeispiele
statische Mitwirkung zulässig
–
Lage der Auftragsfläche
dynamische Beanspruchung bei und nach Applikation zulässig
–
maximale Flächengröße
Für Instandsetzungsprinzip R geeignet
zementgebunden
Stoffbezeichnung
M1
Stofftyp
Beanspruchbarkeitsklasse
Anwendungsbereich
Brückenuntersichten, Stützwände, Widerlager, Fassaden
befahrbare waagerechte/ Flächen unter schwach geneigte Belägen auf Oberseiten Brücken und in Parkhäusern beliebig
Stützen, Platten 2, Balken
im Verkehrsbereich < 1 m² zulässig im Hochbau auch direkt befahrbare Flächen
An einem Mörtel der Beanspruchbarkeitsklasse M 1 werden geringe Anforderungen gestellt, da er nur für kleinere Ausbesserungen eingesetzt wird. Im Wesentlichen muss er eine ausreichende Druckfestigkeit ( 10 MPa) aufweisen. Die Mörtel der Beanspruchbarkeitsklasse M 2 sind, je nach Stoffart und Konsistenz, für sehr unterschiedliche Anwendungsbereiche geeignet. Sie müssen gegenüber M 1-Mörtel Mindestwerte des Karbonatisierungswiderstandes einhalten. Eine einwandfreie Applikation und Aushärtung bei dynamischer Beanspruchung (z. B. aus Verkehr) muss gegeben sein. Die Mörtel PCC II und PC II müssen für die Anwendung an senkrechten Flächen und über Kopf geeignet sein.
17.7 Ersatz geschädigten Betons
1115
An Betone und Mörtel der Beanspruchbarkeitsklasse M 3 werden zusätzlich zu den Anforderungen an die Betone und Mörtel der Beanspruchbarkeitsklasse M 2 erhöhte Anforderungen bzgl. Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit gestellt. Im Gegensatz zu allen anderen Mörteln kann die mittragende Wirkung des M 3 im statischen Nachweis berücksichtigt werden. Dafür benötigte Kennwerte wie E-Modul, Kriechzahl, Schwinden und Verbundspannung zwischen Bewehrungsstahl und M 3 werden im Rahmen der Grundprüfung ermittelt.
17.7.3 Anforderungen nach RL-SIB Da die Restnorm DIN V 18 027 für den Bereich der Instandsetzungsmörtel noch in Bearbeitung ist, steht zurzeit noch nicht fest, wie Mörtel mit CE-Zeichen zukünftig in Deutschland verwendet werden. Mörtel mit noch gültigen allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen (abP) auf Basis der RL-SIB können solange sie gültig sind weiter verwendet werden. Diesen Stoffen liegen die bisher gültigen Anforderungen nach RL-SIB zugrunde. Im Folgenden werden die wesentlichen Anforderungen an die verschiedenen Materialien für den Betonersatz behandelt.
17.7.4 Beton und Spritzbeton Die Betonzusammensetzung und die Wahl der Ausgangsstoffe müssen den Anforderungen der Normreihe DIN EN 206-1 und DIN 1045 genügen. Es ist Zement nach DIN EN 197-1, nach DIN 1164 oder Zement mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zu verwenden. Weiterhin müssen die Expositionsbedingungen des instand zu setzenden Bauteils und die Art der äußeren Einwirkungen beachtet werden. Die Umgebungsbedingungen ergeben sich u. a. aus Temperatur und Niederschlag, während rückwärtiger Wasserdruck und chemische Belastung beispielsweise äußere Einwirkungen darstellen. Das Größtkorn von Betonen oder Spritzbetonen in der Instandsetzung beträgt üblicherweise 8 mm oder 16 mm. Des Weiteren werden Zusatzmittel und Zusatzstoffe eingesetzt. Für Spritzbeton galten die Angaben nach DIN 18 551:2005-01. Mit dem Erscheinen der DIN EN 14 487-1:03.2006 und DIN EN 14 487-2:01.2007 war eine Überführung der europäischen Norm in eine nationale Norm notwendig. Die nationalen Anwendungsregeln zur Reihe DIN EN 14 487 und Regeln für die Bemessung von Spritzbetonkonstruktionen liegen inzwischen als DIN 18 551:2010-02 vor. Die Prüfverfahren für Spritzbeton sind in der DIN EN 14 488-1 bis -7 geregelt.
17.7.5 Zementmörtel Reiner Zementmörtel muss aus Zement hergestellt werden, der DIN EN 197-1 oder DIN 1164 entspricht oder bauaufsichtlich zugelassen ist und dessen Festigkeit mindestens der Klasse 32,5 entspricht. Der Zementgehalt muss mindestens 400 kg pro m³ verdichteten Mörtels betragen. Der Wasserzementwert darf 0,50 nicht überschreiten (RL-SIB). Üblicherweise wird Trockenmörtel, der werksmäßig hergestellt und lagerungsfähig verpackt wird, verwendet. Für das Mischen, Verpacken, Liefern und Lagern der Trockenkomponente gilt die DAfStb-Richtlinie „Herstellung und Verwendung von Trockenbeton und Trockenmör-
1116
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
tel“. Der Trockenmörtel setzt sich aus Zement, trockener Gesteinskörnung und Zusatzstoffen sowie ggf. Zusatzmitteln zusammen. Das Größtkorn der Gesteinskörnung, im Wesentlichen Sand aus natürlichem Gestein, beträgt maximal 4 mm.
17.7.6 Kunststoffmodifizierte Mörtel PCC, SPCC Bei SPCC und PCC werden Zementmörtel i. d. R. mit Polymerdispersionen oder Dispersionspulver modifiziert. Dabei ist Zement das Hauptbindemittel. Für die Zusammensetzung sind die Grundanforderungen von DIN 1045 einzuhalten. Es sollten Zemente CEM I nach DIN EN 197-1 oder DIN 1164 verwendet werden (nach RL-SIB ist dies für die Beanspruchungsklassen M 2 und M 3 obligatorisch). Neben Zement enthält der Werktrockenmörtel immer Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620:2003 in Verbindung mit DIN V 20000103:2004, der erhöhte Anforderungen an den Widerstand gegen Frost und Taumittel sowie quellfähige Bestandteile erfüllt, und ggf. Zusatzstoffe sowie -mittel in Pulverform. Das Verhältnis von Zement zu Sand beträgt üblicherweise etwa 1 : 4. Der Polymeranteil handelsüblicher polymermodifizierter Mörtel liegt zwischen nahezu 0 und 4 M.-% bezogen auf die Trockenmörtelmasse. Untersuchungen ergaben, dass bei der überwiegenden Mehrzahl Kunststoff/Zement(k/z)-Werte im Bereich 0,05 bis 0,10 M.-% zu erwarten sind. Für SPCC und PCC werden fast ausschließlich thermoplastische Kunststoffe verwendet. Gebräuchlich sind Acrylate, Styrol-Acrylat-Copolymere, Styrol-Butadien-Copolymere, Vinylacetat-Co- und -Terpolymere Vinylidenchlorid-Copolymere und Vinylpropionat-Copolymere Die Dispersionen bzw. Dispersionspulver haben folgende Eigenschaften: eine ausreichende chemische Beständigkeit (verseifungsstabil) im alkalischem Milieu, keine Koagulation beim Anrühren des Mörtels, keine wesentliche Beeinflussung der Zementhydratation, keine wasserlöslichen Chloride (Schutz des Stahls vor Korrosion), keine Reemulgierung bei späterer Wasserbelastung. Die Filmbildung der Dispersionen verursacht eine zusätzliche Bindemittelwirkung. Als wesentlich für diesen Effekt im PCC-System gilt, dass die Voraussetzung zur Filmbildung gegeben sein muss. Die Filmbildung erfolgt nur optimal, wenn die Filmbildungstemperatur nicht unterschritten wird und eine Austrocknung möglich ist. Eine unzureichende Filmbildung hat zur Folge, dass das Polymer keinen Verbund mit dem Zementstein und der Gesteinskörnung eingeht. In diesem Fall findet zwischen den Polymerpartikeln keine nennenswerte Kraftübertragung statt. Die Polymerpartikel sind dann lediglich organische Füllstoffe mit niedrigem EModul, die die mechanischen Eigenschaften negativ beeinflussen können.
17.7 Ersatz geschädigten Betons
1117
„Filme“ aus thermoplastischen Makromolekülen treten ab einem Polymergehalt von etwa 5 M.-% der Zementmenge in größeren zusammenhängenden Bereichen auf. Man spricht von einer polymeren Sekundärmatrix. Die gebildeten Filme übertreffen die Zugfestigkeit des Zementsteins wesentlich und zeigen eine gute Adhäsion zum Zementstein sowie zur Gesteinskörnung. Auf der Baustelle werden die Ausgangsstoffe für PCC entweder in zwei Komponenten (Werk-Trockenmörtel und Polymerdispersion) oder einkomponentig (Werktrockenmörtel) geliefert. Der Trend geht eindeutig in Richtung einkomponentiger Mörtel, bei denen das Polymer als Pulver bereits werksmäßig der Trockenkomponente beigemischt ist. Für SPCC werden ebenfalls meistens Dispersionspulver verwendet. Bei mit Epoxidharzemulsion modifizierten Mörteln (ECC) verläuft die Festkörperbildung anders als bei den thermoplastischen Dispersionen. Die Reaktionen im ECC zwischen Harz und Härter verlaufen etwa zeitgleich mit der Bildung der Calciumsilicathydrate des Zementsteins. Epoxidharzemulsionen werden jedoch nur selten für PCC und SPCC verwendet. Trotz zahlreicher Einflussgrößen auf die Eigenschaften von PCC und SPCC lassen sich in Bezug auf die Eigenschaftsbeeinflussungen einige allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten angeben: Konsistenz In Abhängigkeit von der Art und der Menge des Polymers wirken Polymerdispersionen i. d. R. verflüssigend. Teilweise kann durch die Verflüssigung der w/z-Wert gesenkt werden. Frischmörtelhaftung Ein mineralischer Untergrund weist leicht bewegliche, mehrwertige Kationen auf. Durch die Zugabe anionischer Polymerdispersionen wird somit die Haftung des Frischmörtels auf dem Untergrund gegenüber reinem Zementmörteln verbessert. Einfluss auf die Hydratation Hilfsstoffe bzw. die Polymerdispersion selbst können die Zementhydratation verzögern oder reduzieren. Allerdings wirkt das verbesserte Wasserrückhaltevermögen diesem Effekt entgegen. Druck- und Zugfestigkeit, E-Modul Bild 17-28 gibt einen Überblick über die Veränderung von Druck- sowie Zugfestigkeiten und E-Modul mit zunehmendem Polymeranteil. Polymerdispersionen im Zementmörtel tragen im Allgemeinen nicht zur Erhöhung der Druckfestigkeit bei. Aufgrund des geringen E-Moduls des Polymers sinkt die Druckfestigkeit mit zunehmendem Polymergehalt. Nur durch Nutzung der verflüssigenden Wirkung der Dispersion mit entsprechender Reduzierung des w/z-Wertes kann eine Druckfestigkeitssteigerung erzielt werden. Auf Zug belastete Mörtel und Betone bilden bei äußerer Belastung Mikrorisse aus, die vorwiegend an der Grenzfläche Zementstein/Gesteinskörnung entstehen. Mit den Polymerfilmen ist im Gefüge ein Bindemittel vorhanden, das zur Rissöffnung eine zusätzliche Energie benötigt. Dies trägt trotz des geringen E-Moduls des Polymerfilms zur Erhöhung der Zug- und Biegezugfestigkeit von polymermodifizierten Mörteln bei. Die bei Trockenlagerung auftretenden Steigerungen bei der Zug- und Biegezugfestigkeit werden bei Wasserlagerung durch die Wirkung der Emulgatoren und Schutzkolloide reduziert.
1118
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bild 17-28 Typisches Eigenschaftsprofil von PCC mit gemeinschaftlicher Bindemittelwirkung von Zementstein und Polymer in Abhängigkeit vom Polymergehalt
Die Ausprägung der Steigerung der Zug- und Biegezugfestigkeit wird maßgeblich durch die Nachbehandlung bestimmt. Da der Zement hohe Feuchtigkeiten zur Hydratation benötigt, während Dispersionen zur Filmbildung abtrocknen müssen, ist eine Kombination aus Feuchtund Trockenlagerung optimal. Mit dem Anstieg der Zugfestigkeit durch den Polymerfilm werden auch höhere Bruchdehnungen erreicht. Dieser Effekt ist bei geringen Polymeranteilen (< 5 % Polymer bezogen auf die Zementmasse) nur sehr schwach ausgeprägt. Damit im Zusammenhang steht die Reduzierung des E-Moduls mit zunehmendem Polymeranteil. Bei Verwendung für das Instandsetzungsprinzip R der RL-SIB ist der Polymerfeststoffgehalt auf 10 % des Zementgewichtes begrenzt. Dies ist auch beim Einsatz nach Prinzip 7 der EN 1504 zu beachten, da die Mobilität der Alkalien des Mörtels, die zum Schutz der Bewehrung notwendig ist, durch zunehmende Polymergehalte abnimmt. SPCC-Systeme bieten gegenüber PCC-Systemen vor allem bei der Instandsetzung großflächiger Schäden und bei einer großflächigen Erhöhung der Betondeckung aufgrund des zügigeren Arbeitsfortschrittes Vorteile. Im Gegensatz zu Spritzbeton kann SPCC auch bei Schichtdicken von minimal 10 mm eingesetzt werden. Jedoch ist der Einsatz in der Regel nicht auf waagerechten und gering gegen die Waagerechte geneigten Flächen möglich.
17.7 Ersatz geschädigten Betons
1119
17.7.7 Kunststoffmörtel PC Bei den Polymermörteln und -betonen ist das reaktive Polymerbindemittel das alleinige Bindemittel der Gesteinskörnung. Im Vergleich zum Zementmörtel verläuft die Erhärtung beim Einsatz von Reaktionsharzen erheblich schneller als die Hydratation des Zementes. Die Auswahl der reaktiven Polymerbindemittel richtet sich vor allem nach der Chemikalienbeständigkeit, dem Verformungsverhalten sowie der Festigkeit einschließlich der Haftung zum Untergrund. Reaktionsharze, die durch Polyaddition aushärten, sind Epoxidharze und Polyurethane. Des Weiteren können ungesättigte Polyesterharze, ungesättigte Methylacrylatharze und Vinylesterharze, deren Aushärtung über Polymerisation erfolgt, zum Einsatz kommen. Durch Polykondensation härtbare reaktive Polymerbindemittel sind Phenolharze und Furanharze. Nach RL-SIB werden zurzeit in Deutschland jedoch nur kalthärtende, lösemittelfreie und alkalibeständige Epoxidharzsysteme verwendet. Der Zuschlag muss nach RL-SIB DIN 4226-1 entsprechen und ofengetrocknet werden. Die Eigenschaften des Polymermörtels werden von den spezifischen Kenngrößen der Gesteinskörnung und deren Zusatzmenge stark beeinflusst. Bedingt durch die hohen Kosten des Bindemittels muss bei der Herstellung auf die genaue Einhaltung der Korngrößenverteilung geachtet werden. Bei Polymermörtel mit einem Größtkorn 2 mm bietet die Kornzusammensetzung nach Fullerparabel eine dichte Kornpackung, woraus ein geringer Harzverbrauch und ein hoher Füllgrad resultiert. Zusätzlich wird eine Erhöhung des Feinstkornanteils angestrebt. Neben der Sieblinie ist die Füllstoffart zu beachten. Je nach gewünschter Eigenschaft werden zusätzlich zum Quarz z. B. noch Schiefermehl, Kieselsäure, Graphit, Fasern zugegeben. Feuchte Füllstoffe wirken sich negativ auf die Eigenschaften von Polymermörteln aus. Somit ist der Wasseranteil bei Füllstoffen zu kontrollieren. Bereits geringe Überschreitungen des zulässigen Wassergehaltes des Sandes als Füllstoff können erhebliche Festigkeitsverluste des PC bewirken. Daher sind entsprechend ofengetrocknete verpackte Sande zu verwenden, die sorgfältig trocken zu lagern sind. Die Festigkeiten von Kunststoffmörteln sind bei Raumtemperatur denjenigen von hochfesten Zementmörteln überlegen. Insbesondere die Zugfestigkeit ist nennenswert höher (ein Drittel bis zur Hälfte der Druckfestigkeit), desgleichen die Frühfestigkeit, vor allem auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen (siehe Bild 17-29). Die Festigkeitsentwicklung kann durch Beschleuniger sowie höhere Temperaturen weiter verkürzt werden. Als grobe Faustregel gilt für Reaktionsharzmörtel und -betone bei Raumtemperatur: nach 1 Tag etwa 70 % der Endfestigkeit, nach 3 Tagen etwa 85 % bis 90 % der Endfestigkeit und nach 7 Tagen etwa die Endfestigkeit. Bedingt durch das fehlende Kapillarporensystem weisen Polymermörtel bzw. -betone eine hohe Dichtigkeit auf. Entsprechend des verwendeten Reaktionsharzes zeichnen sie sich durch eine gute Chemikalienbeständigkeit sowie ausgezeichnete Dauerhaftigkeit unter Witterungsund sonstigen Betriebsbedingungen im Ingenieurbau aus.
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bild 17-29 Festigkeitsentwicklung eines PC aus ungesättigtem Polyesterharz (UP) im Vergleich zum CC
Das Verschleißverhalten bei schleifender Beanspruchung entspricht demjenigen eines Zementbetons mit gleicher Gesteinskörnung. Bei rollender Beanspruchung ist das Verhalten aufgrund der teilweise elastischen Einbettung der Gesteinskörnung in der Polymermatrix deutlich besser. Luftkohlensäure greift ausgehärtete Reaktionsharze nicht an. Bereits bei geschlossenen Schichtdicken von 5 mm sind die Mörtelschichten gegen CO2-Durchtritt als dicht anzusehen. Auch der Widerstand gegen Wasserdampfdiffusion ist technisch „unendlich“ groß. PC soll nach RL-SIB in der Instandsetzung nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden, z. B. wenn eine schnelle Aushärtung erforderlich ist, Nachbehandlungsmaßnahmen, die bei allen zementgebundenen Stoffen erforderlich sind, nicht durchgeführt werden können oder eine sehr geringe Schichtdicke erforderlich ist. Die Schichtdicken können nach RL-SIB zwischen 5 und 40 mm liegen. Aber auch hier sollte mindestens der dreifache Größtkorndurchmesser gewählt werden. Wie bereits erwähnt soll PC generell nur in kleinen zusammenhängenden Flächen verwendet werden, um Probleme durch den im Vergleich zum Beton erhöhten Wärmeausdehnungskoeffizienten zu vermeiden.
17.8 Oberflächenschutzsysteme
1121
17.7.8 Haftbrücke und Feinspachtel Werden im Zusammenhang mit Instandsetzungsmörteln und -betonen noch andere Komponenten verwendet, spricht man von Betonersatzsystemen (Bild 17-26). Komponenten des BES sind: Korrosionsschutz (zementgebunden oder epoxidharzgebunden); nur bei Instandsetzungsprinzip C (Bild 17-19) und Verwendung von PC erforderlich; Haftbrücke (zementgebundene Schlämme oder epoxidharzgebunden); wird nicht bei SPCC eingesetzt; Instandsetzungsmörtel; Feinspachtel; i. d. R. in Verbindung mit einem Oberflächenschutzsystem. Zur Erhöhung der Haftzugfestigkeit zwischen Substrat und Instandsetzungsmörtel wird häufig eine Haftbrücke eingesetzt. Die Zusammensetzung der Haftbrücke richtet sich nach dem Bindemittel im Instandsetzungsmörtel. Bei Zementmörtel CC und PCC werden mineralische Haftbrücken auf Zementbasis ohne bzw. mit Polymerdispersionen verwendet. Bei PC werden reaktionsharzgebundene Haftbrücken (in Deutschland auf Basis der RL-SIB Epoxidharze) verwendet. Die Haftbrücke wird als schlämmfähiges Gemisch gewöhnlich mit der Bürste auf den Untergrund aufgebracht. Dabei ist auf eine vollständige Benetzung des Untergrundes zu achten. Je nach Instandsetzungsmörtel muss der Untergrund mattfeucht (CC und PCC) bzw. trocken (PC) sein. Der nachfolgende Mörtel wird im Regelfall „frisch in frisch“ eingelegt. Ansonsten gelten die von den Herstellern mit zu liefernden Angaben zur Ausführung. Bei SPCC wird keine Haftbrücke eingesetzt, da diese durch den Aufprall des SPCC in ihrer Funktion beeinträchtigt werden würde. Der Feinspachtel dient zum Füllen von Poren sowie Lunkern in der Oberfläche des instand gesetzten Bereiches. Er wird auch als Kratz- oder Lunkerspachtel bezeichnet. Das Ausgleichen von Unebenheiten erfolgt mit einer Ausgleichsspachtelung, wobei es sich bei dünnen Schichten ebenfalls um einen Feinspachtel handelt. Der Feinspachtel stellt das Bindeglied zwischen Betonersatzsystem und Oberflächenschutzsystem dar. Das Spachtelmaterial richtet sich daher nach den nachfolgenden Oberflächenschutzschichten: Für reaktionsharzgebundene Oberflächenschutzschichten werden reaktionsharzgebundene Spachtel eingesetzt, sind nachfolgende Schichten aus Polymerdispersionen, so beinhaltet auch der Spachtel Polymerdispersionen.
1122
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.8 Oberflächenschutzsysteme 17.8.1 Einteilung und Aufbau Hinsichtlich ihrer Erscheinungsform werden drei Typen von Oberflächenschutzschichten unterschieden: Hydrophobierung, Imprägnierung und Beschichtung.
Hydrophobierungen bilden keinen sichtbaren Film auf der Beton- bzw. Mörteloberfläche und verändern sie optisch nur unwesentlich. Die Poren sind nicht gefüllt, sondern nur ausgekleidet. Ziel einer Hydrophobierung ist eine wasserabweisende Beton- bzw. Mörteloberfläche. Als Bestandteil eines Oberflächenschutzsystems soll eine Hydrophobierung die langfristige Haftung einer Beschichtung am Untergrund verbessern. Imprägnierungen dienen dazu, das Eindringen flüssiger oder gasförmiger Stoffe in den Beton weitgehend zu verhindern. Als Grundierung sollen sie die Festigkeit des Untergrundes oder die Haftung zur nächsten Schicht verbessern. Sie bestehen aus niedermolekularen Stoffen auf der Basis von Epoxidharz, Polyurethan oder Acrylat, enthalten mehr oder weniger Lösemittel und weder Pigmente noch Füllstoffe. Beschichtungen dienen dazu, das Eindringen flüssiger und gasförmiger Stoffe in den Beton zu verhindern, den Beton vor mechanischen und chemischen Beanspruchungen zu schützen und Risse zu überbrücken. Sie bilden eine geschlossene, 0,1 bis 5 mm dicke Schicht auf der Betonoberfläche. Verwendet werden – je nach Aufgabe der Beschichtung – Reaktionsharze auf der Basis von Epoxid, Polyurethan und Acrylat, sowie mehr oder weniger gefüllte Polymerdispersionen und kunststoffmodifizierte Zementschlämmen. Der Begriff „gefüllt“ bezeichnet in diesem Zusammenhang die Verwendung eines Zuschlags in der Dispersion, in der Regel Quarzsand. Oberflächenschutzsysteme sind aus einer oder mehreren Schichten der o. g. Typen aufgebaut. Hinsichtlich der Funktion werden folgende Oberflächenschutzschichten unterschieden: Grundierungen, Kratz- und Ausgleichsspachtelungen, hauptsächlich wirksame Oberflächenschutzschichten sowie Deckversiegelungen und Verschleißschichten. Eine Kratz- bzw. Ausgleichsspachtelung soll die Rauheit der Betonoberfläche ausgleichen und Poren, Lunker und Kiesnester schließen, damit die nachfolgenden Schichten in einer gleichmäßigen Schichtdicke aufgetragen werden können. Verwendet werden hierfür überwiegend kunststoffmodifizierte Zementmörtel, zum Teil auch Reaktionsharzmörtel mit einem Größtkorn bis 0,5 mm, in Ausnahmefällen bis 1 mm, die auch als Feinspachtel bezeichnet werden. Die Schichtdicke kann bis zu 3 mm betragen. Eine Grundierung soll Poren verschließen und das Absaugen des Bindemittels nachfolgender Schichten verhindern, das Eindringen von Luft, Feuchtigkeit und beschichtungsschädlichen Stoffen (z. B. Alkalien) aus dem Untergrund in die nachfolgenden Schichten verhindern, den Untergrund im oberflächennahen Bereich verfestigen, den Verbund zu nachfolgenden Schichten herstellen (evtl. in Verbindung mit eingestreutem Korn).
17.8 Oberflächenschutzsysteme
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Die hauptsächlich wirksamen Oberflächenschutzschichten (hwO) haben eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften: Wasserdampfdurchlässigkeit; Kohlenstoffdioxiddichtigkeit; Rissüberbrückung; Widerstandsfähigkeit gegenüber mechanischer Beanspruchung (Verschleißfestigkeit, Zwangsspannungen durch Temperaturwechsel). Aus diesen Eigenschaften ergeben sich folgende 3 Typen von hwO: abdichtende Oberflächenschutzschichten; rissüberbrückende Oberflächenschutzschichten; Verschleißschichten. Die rissüberbrückende Eigenschaft einer Beschichtung wird durch Elastifizierung bzw. ausreichende Dicke erreicht. Zusätzlich kann die Beschichtung mit textilen Einlagen bewehrt werden, z. B. mit Glasgewebe. Verschleißschichten werden i. d. R. zusätzlich aufgebracht, wenn die Oberfläche mechanisch oder chemisch beansprucht wird, z. B. wenn die Oberfläche befahren wird. Die Dichtungs- und Rissüberbrückungsfunktion wird dagegen häufiger von der darunter liegenden Schicht erfüllt. Verschleißschichten werden aus einem Reaktionsharzmörtel in fließfähiger Konsistenz in einer Dicke bis zu 5 mm ausgeführt. Eine griffige Oberfläche wird durch Abstreuen mit trockenem Sand erreicht. Da die Härte des Korns den Verschleißwiderstand bestimmt, wird bei hoch beanspruchten Flächen statt Quarz oft Siliziumkarbid oder Korund verwendet. Nachteil der abgestreuten Flächen ist deren extreme Verschmutzungsneigung, insbesondere in Bereichen, die nicht beregnet werden. Verbessert werden kann die Reinigungsfähigkeit in überdachten Bereichen durch eine Deckversiegelung. Durch die aufgebrachte Menge kann die Griffigkeit innerhalb eines breiten Spektrums beliebig eingestellt werden. Darüber hinaus wird das Abstreukorn durch die Deckversiegelung auch besser in die Beschichtung eingebunden. Oberflächenschutzsysteme bestehen i. d. R. aus mehreren der o. g. Funktionsschichten, die je nach Anforderungsprofil unterschiedlich aufgebaut sind. In der RL-SIB werden 9 Oberflächenschutzsysteme (OS-Systeme) unterschieden, s. Tabelle 17.16. Die dort genannten Bindemittel haben sich bisher bewährt. Andere Bindemittel sind aber zulässig, wenn die in der RL-SIB, Teil 2, genannten Anforderungen an die OS-Systeme und deren Ausgangsstoffe erfüllt werden. Darüber hinaus müssen für zementgebundene Kratz- und Ausgleichsspachtel und OS 5b (OS DI) Zemente nach DIN EN 197-1 oder DIN 1164 sowie Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620:2003 in Verbindung mit DIN V 2000-103:2004 verwendet werden. Verschleißschichten von OS-11-Systemen müssen geeignete Füllstoffe und anorganische Abstreumaterialien enthalten. OS 4 und OS 5 werden standardmäßig im Zusammenhang mit den Instandsetzungsprinzipien C und W verwendet. OS 5b werden auch als elastische Dichtungsschlämmen bezeichnet. Da sie bei Freibewitterung zu starker Verschmutzung neigen, ist eine Deckversiegelung sinnvoll. Um Verschmutzungen der Oberfläche infolge Klebrigkeit vorzubeugen, hat sich die Ausführung von OS 5a mit UV-vernetzenden Acrylat-Dispersionen bewährt. Beim 2-schichtigen OS 11 (OS 11a) ist die unten liegende hwO elastisch eingestellt und für die Rissüberbrückung zuständig. Die
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
oben liegende, deutlich härter eingestellte hwO übernimmt die Funktion der Verschleißschicht. Das einschichtige OS 11b stellt eine Ausnahme dar, weil die elastische hwO gleichzeitig beide Funktionen übernimmt. Verwendet werden hierfür praktisch ausschließlich Polyurethan-Bindemittel. Tabelle 17.16 Oberflächenschutzsysteme nach RL-SIB Klassenbezeichnung
Kurzbeschreibung
1
Mindestschichtdicke 2
Hauptbindemittelgruppen
Rissklasse
3
4
5
-
Silan, Siloxan
–
Beschichtung für nicht befahrbare Flächen (vorbeugender Schutz, bei Instandsetzungen bedingt geeignet)
80 μm
AY
–
OS 3 2000 entfallen
Versiegelung für befahrbare Flächen
50 μm
EP, AY, PUR
–
OS 4 (OS C)
Beschichtung für nicht befahrbare, rissfreie Flächen (Regelmaßnahme bei Prinzipien W und C)
80 μm
Polymerdispersion, Mischpolymerisat PUR
–
OS 5 (OS D)
Beschichtung für nicht befahrbare Flächen mit "mindestens sehr geringer" Rissüberbrückungsfähigkeit
a (II): 300 μm
a (II): Polymerdispersion
IT
b (I): 2000 μm
b (I): Polymer/ ZementGemisch
500 μm
EP, PUR
–
1 mm
EP
–
2,5 mm
EP
–
OS 1 (OS A)
Hydrophobierung
OS 2 (OS B)
OS 6 2000 entfallen
chemisch widerstandsfähige Beschichtung für mechanisch gering beanspruchte Flächen
Beschichtung unter bituminösen DichtungsOS 7 (TL/TP-BEL-EP) schichten für Brücken und ähnliche Bauwerke OS 8 2000 entfallen 2007 wieder zulässig
chemisch widerstandsfähige Beschichtung für befahrbare, mechanisch stark beanspruchte Flächen (ohne Rissüberbrückung)
OS 9 (OS E)
Beschichtung für nicht befahrbare Flächen mit mindestens „erhöhter“ Rissüberbrückungsfähigkeit
1 mm
PUR, mod. EP, Polymerdispersion 2k-PMMA
II T+V
Beschichtung als Dichtungsschicht unter OS 10 (TL/TP-BEL-B 3) bituminösen oder anderen Schutz- und Deckschichten mit „sehr hoher“ Rissüberbrückungsfähigkeit
2 mm
PUR, u. a.
IV T+V
gesamt1)
1125
17.8 Oberflächenschutzsysteme Klassenbezeichnung 1 OS 11 (OS F)
Mindestschichtdicke
Hauptbindemittelgruppen
Rissklasse
2
3
4
5
Beschichtung für freibewitterte befahrbare Flächen mit mindestens „erhöhter“ Rissüberbrückungsfähigkeit
a: 4,5 mm (2schichtig)
PUR, mod. EP, 2k-PMMA
II T+V
5 mm
EP
–
2,5 mm (gesamt)
mod. EP, PUR, 2k-PMMA
A2 mit –10 °C
Kurzbeschreibung
b: 4 mm (1schichtig) OS 12 2000 entfallen
Beschichtung mit Reaktionsharzbeton für befahrbare, mechanisch stark beanspruchte Flächen
OS 13
Beschichtung für überdachte, befahrbare Flächen mit nicht dynamischer Rissüberbrückungsfähigkeit
1)
Bei reinen Schutzmaßnahmen, die nicht standsicherheitsrelevant sind: 1,5 mm
17.8.2 Erforderliche Schichtdicken Da das Funktionieren eines OS-Systems maßgebend von seiner Gesamtdicke bzw. der Dicke der hwO ist, müssen die in der Ausführungsanweisung enthaltenen Schichtdicken-Angaben beim Aufbringen unbedingt beachtet werden. Sie beziehen sich immer auf die getrocknete Schicht (Trockenschichtdicke). Folgende Begriffe werden hinsichtlich der Schichtdicke unterschieden: Mindestschichtdicke dmin Sollschichtdicke ds Schichtdickenzuschlag dz Maximalschichtdicke dmax Mindest- und Maximalschichtdicke der hwO werden im Rahmen der Grundprüfung von der Prüfstelle ermittelt. Die Mindestschichtdicke ergibt sich als größter Wert der Schichtdicke, die erforderlich ist, um Spannungen bei Temperaturwechselbeanspruchung zu ertragen, die entsprechende Rissüberbrückungsprüfung zu bestehen und den geforderten CO2-Diffusionswiderstand zu erreichen. Darüber hinaus ist aber mindestens der in der Tabelle 17.17 angegebene Wert für dmin anzusetzen. Damit die in der Grundprüfung ermittelte Mindestschichtdicke in der Praxis auch sicher erreicht wird, ist in Abhängigkeit vom OS-System und der Untergrundrauheit (Rautiefe) ein Schichtdickenzuschlag dz erforderlich, der ebenfalls der Tabelle 17.17 zu entnehmen ist. Die Rautiefe wird mit dem Sandflächenverfahren bestimmt, s. RL-SIB, Teil 3.
1126
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Rautiefe Die Rautiefe ist der absolute Wert der Rauheit einer Oberfläche in mm, im Regelfall bestimmt nach dem Sandflächenverfahren. Die Rautiefe Rt ist definiert als Höhe des gedachten, zylindrischen Körpers mit dem Kreisdurchmesser d und dem Sandvolumen V, der alle Spitzen des Untergrundes einschließt. Beispiele für verschiedene Rauheiten sind nachfolgend genannt: Rt = 0,2 mm: glatter Betonuntergrund, grundiert und abgestreut mit Quarzsand 0,1 bis 0,3 mm; glatt geschalter, nicht gestrahlter Beton; Feinspachtel, der mit Kunststoff- oder Stahltraufel aufgezogen bzw. geglättet ist; nicht abgestreute, elastische Oberflächenschutzschicht z. B. OS 11a (OS Fa). Rt = 0,5 mm: gestrahlter Betonuntergrund, grundiert und abgestreut mit feuergetrocknetem Quarzsand der Körnung 0,2 bis 0,7 mm; glatt geschalter bzw. abgeriebener Beton, der gesandstrahlt ist; Feinspachtel, der an der Oberfläche abgerieben bzw. abgefilzt wurde. Rt = 1,0 mm: gestrahlter Betonuntergrund, der grundiert und mit Quarzsand der Körnung 0,7 bis 1,2 mm abgestreut ist; rauer, abgewitterter, gestrahlter Beton. Rt = 1,5 mm: gestrahlter Betonuntergrund, der grundiert und mit Quarzsand der Körnung 1 bis 2 mm abgestreut ist; Waschbeton. Die Maximalschichtdicke ist die Schichtdicke, die maximal vorhanden sein darf, damit der zulässige H2O-Diffusionswiderstand nicht überschritten wird. Die in der Praxis aufzubringende Schichtdicke (Trockenschichtdicke) muss zwischen der Sollschichtdicke ds = dmin + dz und der Maximalschichtdicke liegen.
1127
17.9 Kathodischer Korrosionsschutz
Tabelle 17.17: Mindestschichtdicken und Schichtdickenzuschlag (abhängig von der Rautiefe; nach RL-SIB) Oberflächenschutzsystem
Mindestschichtdicke dmin [μm]
OS 2 (OS B)
80
OS 4 (OS C)
80
OS 5a (OS DII)
300
OS 5b (OS DI)
2000
OS 8
2500 1), *
OS 9 (OS E)
1000
OS 11a (OS F a)
Verschleißschicht
3000
elastische Oberflächenschutzschicht
1500
OS 11b (OS F b)
4000
OS 13
2500* * Gesamtschichtdicke
1)
Rautiefe Rt [mm]
Schichtdickenzuschlag dZ [μm]
0,2 0,5 0,2 0,5 0,2 0,5 0,2 0,5 1,0 0,5 1,0 0,2 0,5 0,2 0,5 1,0 0,5 1,0 0,5 1,0
50 70 50 70 70 100 250 400 600 750 1200 250 400 300 600 1000 750 1200 750 1200
Zwischenwerte geradlinig interpolieren.
bei reinen Schutzmaßnahmen, die nicht standsicherheitsrelevant sind: 1500 μm
17.9 Kathodischer Korrosionsschutz 17.9.1 Allgemeines Der Kathodische Korrosionsschutz (KKS) wird bereits seit geraumer Zeit in den verschiedensten technischen Bereichen (z. B. Offshore-Bauwerke, Hafenbauten, Schiffe, unterirdische und unterseeische Rohrleitungen) zum Schutz metallischer Bauteile vor Korrosion verwendet. Seit nunmehr ca. 30 Jahren wird dieses Verfahren auch verstärkt im Bereich des Stahlbetons eingesetzt. Es wurde seitdem eine Vielzahl von KKS-Systemen speziell für dieses Einsatzgebiet entwickelt und vor einigen Jahren erschien die DIN EN 12696 „Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton“. Insbesondere bei der Instandsetzung chloridkontaminierter Stahlbetonbauteile stellt der KKS eine interessante Alternative dar, da bei Anwendung
1128
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
des KKS der chloridkontaminierte Beton im Bauteil verbleiben und nicht wie bei der herkömmlichen Instandsetzung abgetragen und ersetzt werden muss. Beim Kathodischen Korrosionsschutz wird zwischen der Bewehrung und einer zusätzlich installierten Elektrode (Anode) eine Gleichspannung aufgebracht, über die die Bewehrung kathodisch polarisiert wird (siehe Bild 17-30).
Bild 17-30 Grundsatzlösung kathodischer Korrosionsschutz (Schema nach RL-SIB)
17.9.2 Elektrochemische Vorgänge Ziel ist es durch die kathodische Polarisation das auf der Bewehrungsoberfläche vorhandene Reaktionsgleichgewicht zwischen Metallauflösung (anodischen Reaktionen) und Sauerstoffreduktion (kathodischen Reaktionen) so zu verschieben, dass auf der Bewehrungsoberfläche nahezu ausschließlich kathodische Reaktionen stattfinden, während die anodischen an der Oberfläche der zusätzlich installierten Elektrode, der Anode des KKS-Systems, ablaufen. Die Schutzeffekte beim Kathodischen Korrosionsschutz von Stahl in Beton lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Primäre Schutzeffekte: Der Elektronenüberschuss in der Bewehrung bewirkt eine direkte Behinderung der anodischen Eisenauflösung durch Verschiebung des Reaktionsgleichgewichtes in Richtung der kathodischen Teilreaktion (Sauerstoffreduktion). Durch die kathodische Polarisation der passiven Bewehrungsoberflächen wird das Potential depassivierter und passiver Oberflächenbereiche angeglichen, wodurch die treibende Kraft aus dem Korrosionsprozess herausgenommen wird.
17.9 Kathodischer Korrosionsschutz
1129
Bild 17-31 Vorgänge beim kathodischen Korrosionsschutz
Sekundäre Schutzeffekte Die Bildung von Hydroxidionen bei der kathodischen Reaktion bewirkt einen Anstieg des pH-Wertes an der Stahloberfläche, was sich stabilisierend auf die Passivschicht auswirkt. Langfristig kommt zu einer Absenkung des Chloridgehaltes an der Stahloberfläche infolge Migration der negativ geladenen Chloridionen im elektrischen Feld in Richtung der Anode. Unter bestimmten Vorraussetzungen kann es infolge des erhöhten Verbrauchs von Sauerstoff in der kathodischen Teilreaktion zur Sauerstoffverarmung an der Bewehrung kommen, was eine leichtere kathodische Polarisierbarkeit der Bewehrung bewirkt. Während sich die primären Schutzeffekte unmittelbar mit dem Beginn der kathodischen Polarisation einstellen, kommen die sekundären Schutzeffekte erst nach längerer Polarisationsdauer zum tragen und bewirken langfristig eine Anhebung der freien Korrosionspotentiale der Bewehrung, so dass mit der Zeit niedrigere Schutzstromdichten erforderlich sind.
17.9.3 Anodensysteme für den KKS von Stahlbeton Je nach Art des Anodensystems werden auch beim KKS von Stahlbeton zunächst Systeme mit Opferanoden und solche mit Fremdstromanoden unterschieden. Opferanoden bestehen dabei aus unedlen Metallen (im Wesentlichen aus Zink und Zinklegierungen). Durch Kurzschluss der Anode und der Bewehrung entsteht so ein galvanisches Element ähnlich einer Batterie, in dem sich das unedlere Metal (Zink) im anodischen Teilprozess auflöst (opfert) und die Bewehrung die Kathode bildet.
1130
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Bei Fremdstromsystemen werden dagegen zumeist edle, anodisch belastbare Materialien verwendet. Der für die kathodische Polarisation der Bewehrung erforderliche Schutzstrom wird dabei über Gleichrichter ins System eingespeist. Bild 17-32 verdeutlicht den Unterschied beider KKS-Prinzipien.
Bild 17-32 Verfahrensvergleich KKS mit Opteranoden – KKS mit Fremdstrombetrieb
Neben diesen verfahrenstechnischen Unterschieden und den verschiedenen Anodenmaterialien lassen sich die beim Stahlbeton eingesetzten Anodensysteme auch hinsichtlich Ihrer Anordnung klassifizieren. Die wesentlichen Typen der Anodenanordnungen sind in Bild 17-33 dargestellt. Die Entwicklung neuer Anodensysteme für spezielle Einsatzgebiete hält jedoch weiterhin an, und es existieren Varianten, die in Bild 17-33 nicht enthalten sind. Besondere Zielsetzung beim KKS von Stahlbeton ist die möglichst gleichmäßige Verteilung der Schutzströme auf die zu schützenden Bewehrungsoberflächen. Bei Anwendungen des KKS zum Schutz von Stahlbauteilen oder im Anlagenbau werden zumeist punktuell angeordnete Anoden eingesetzt. Im Stahlbetonbau werden dagegen aufgrund des hohen Elektrolytwiderstandes des Betons unter atmosphärischen Bedingungen üblicherweise flächig im Bereich der Betonoberfläche angeordnete Anodensysteme verwendet, um eine möglichst gleichmäßige Schutzstromverteilung zu erreichen. Unterschiede in den Betondeckungen, Bewehrungsgehalten, Chloridgehalten und Elektrolytwiderständen erfordern zudem zumeist die Einteilung des Bauwerks in verschiedene Schutzzonen, in denen die Treibspannungen bzw. Schutzstromdichten gezielt den jeweiligen Anforderungen entsprechend eingestellt werden können.
17.9 Kathodischer Korrosionsschutz
Bild 17-33 Möglichkeiten der Anodenanordnung bei KKS-System für Stahlbeton
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17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
Die Entscheidung welches Anodensystem letztendlich gewählt wird, hängt von den jeweiligen Problemstellungen und Anforderungen ab. Wesentliche Entscheidungskriterien sind beispielsweise: Anoden- und Installationskosten, Höhe der vermutlich erforderlichen Treibspannung und Anodenstromdichten, geplante Schutz- bzw. Restlebensdauer, Größe und Geometrie der zu schützenden Bereiche, Zugänglichkeit, mechanische Beanspruchung der Anode (z. B. Befahrbarkeit), Tragsystem (ggfs. zusätzliche Lasten und Änderung des Hohlraumprofils durch Anodensystem), Wirksamkeit und Lebensdauer der Anode unter den vorhandenen Randbedingungen, vorhandene Langzeiterfahrungen mit dem jeweiligen Anodensystem.
17.9.4 Bauaufsichtliche Regelungen für Anodensysteme in Deutschland Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verwendung von KKS-Systemen bei Stahlbetonbauwerken, insbesondere im Bereich chloridgeschädigter Parkbauten stellt sich die Frage nach den erforderlichen Nachweisen für die Materialien (Anoden, Ankopplungsmörtel, Haftbrücken, Mörtel für den Betonersatz, etc.), da es sich i. d. R. um standsicherheitsrelevante Instandsetzungen handelt. Die RL-SIB führt den KKS als eine mögliche Lösung für die Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung auf, allerdings ohne auf Details einzugehen, da diese in anderen Regelwerken enthalten sind. In Absatz 3 des Abschnittes 6.6.1 des Teils 1 der RL-SIB in der Fassung 10/2001 wird hinsichtlich der bautechnischen Eignung und Dauerhaftigkeit des Anodensystems eine bauaufsichtliche Zulassung gefordert. Ein Anodensystem besteht dabei i. d. R. aus mehreren Komponenten, wie z. B. einem Netz aus aktiviertem Titan und einem geeigneten Ankopplungsmörtel. Da bisher in Deutschland keine Zulassungen für Anodensysteme erteilt wurden und die Instandsetzungsrichtlinie des DAfStb keine Sonderanforderungen an die Mörtel für die Verwendung in KKS-Systemen enthält, sind grundsätzlich bei standsicherheitsrelevanten Instandsetzungen für die eingesetzten Materialien Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erforderlich. Der DAfStb hat für die Erteilung der ZiE daher eine Empfehlung herausgegeben. Die längsten und umfangreichsten Erfahrungen liegen für das Anodensystem aus aktiviertem Titan in Mörtel vor. EN 12696 gibt an, dass die rechnerische Lebensdauer dieser Art der Anode zwischen 25 und 100 Jahren beträgt, wenn aktiviertes Titan verwendet wird, das die Prüfung nach NACE TM 0294-2001 bestanden hat. Aufgrund der langjährigen positiven Erfahrung der nach NACE TM 0294-2001 geprüften Titananoden ist davon auszugehen, dass diese Anoden ohne weitere Nachweise für den Betrieb über den o. g. Zeitraum von über 25 Jahren eingesetzt werden können.
17.9 Kathodischer Korrosionsschutz
1133
In EN 12696 werden weitere Anodensysteme genannt, die bezüglich Ihrer Beständigkeit in zwei Klassen eingeteilt sind: solche mit verfügbaren erfolgreichen Baustellenerfahrungen unter und über 5 Jahren. Solche Systeme kommen derzeit für Langzeit-Einsätze außerhalb von Pilotprojekten noch nicht in Betracht. Die derzeit gültige DIN EN 12696:2000 fordert generell eine Übereinstimmung aller Materialien und Applikationsverfahren mit der Normenreihe EN 1504 für Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken. Zusätzlich fordert die DIN EN 12696:2000 in Abschnitt 5.10.4 und analog in 5.11: „Der elektrische Widerstand des Reparaturmaterials muss innerhalb von 50 % bis 200 % des nominellen elektrischen Widerstandes des Ausgangsbetons liegen. Anodenüberdeckungen dürfen 200 % des elektrischen Widerstandes des Ausgangsbetons bis zu einem Maximum von 100 kcm in den Umgebungsbedingungen überschreiten, solange die Anode in der Überdeckung in der Lage ist, den entsprechenden Strom bei dem entsprechenden Potential in einer Überdeckung dieses Widerstandes fließen zu lassen.“ Es ist davon auszugehen, dass diese Kriterien für alle Feuchteverhältnisse gelten sollen, die bei der betreffenden Bauteiloberfläche vorkommen, d.h. bei freibewitterten Flächen von der Wassersättigung bis in den weitgehend trockenen Zustand. Dies stellt aus verschiedenen Gründen eine besondere Schwierigkeit dar: Die Widerstände des Altbetons unterliegen erheblichen material- und expositionsbedingten Streuungen. Die Widerstände der Mörtel unterliegen naturgemäß nicht der gleichen Feuchteabhängigkeit wie die der Altbetone. Eine exakte Anpassung des Elektrolytwiderstandes über das gesamte relevante Feuchtigkeitsspektrum innerhalb der vorgegebenen Grenzen ist daher mit vertretbarem Aufwand nicht sicher möglich. Bei Verwendung von Fremdstromanoden mit ausreichenden Belastbarkeitsreserven ist die exakte Einhaltung der o.g. Kriterien aber auch nicht erforderlich. Um der Forderung nach einem möglichst gleichen Elektrolytwiderstand zwischen Reparaturund Einbettmörtel sowie Ausgangsbeton technisch ausreichend nachzukommen sind zumindest folgende Nachweise dringend anzuraten: Systemprüfung: Erreichen des Schutzkriteriums, z. B. 100 mV-Kriterium, mit dem Anodensystem (Anode und Einbettmörtel, ggf. mit vorgesehener Haftbrücke) für den KKS für sämtliche zu erwartende Umgebungsbedingungen; Widerstandsprüfung: Nachweis der Ähnlichkeit der elektrischen Widerstände des Reparaturmörtels und Altbetons für sämtliche zu erwartenden Umgebungsbedingungen. Dies ist insbesondere bei trockener Lagerung relevant, da die elektrischen Widerstände der Mörtel nach gewisser Austrocknung unter Umständen im Vergleich zum Ausgangsbeton erheblich ansteigen.
17.9.5 Schutzkriterien Sowohl die Einstellung der Betriebsparameter als auch die Überwachung der Wirksamkeit des kathodischen Korrosionsschutzes bei Stahlbetonbauteilen erfolgt anhand von Ausschaltpotential- und Depolarisationsmessungen zwischen der Bewehrung und dauerhaft, fest installierten Bezugselektroden, die an repräsentativen Stellen nahe der Bewehrung angeordnet
1134
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
werden. Zum Nachweis der Wirksamkeit des KKS stellt die DIN EN 12696 drei Kriterien zur Auswahl, von denen mindestens eines an jeder der repräsentativen Stellen erfüllt sein muss: a) Das Ausschaltpotential liegt negativer als -720 mV, bezüglich der Ag/AgCl/0,5M KCl Elektrode. b) Der Potentialabfall über maximal 24 h beträgt mindestens 100 mV vom Wert des Ausschaltpotentials. c) Der Potentialabfall über eine verlängerte Zeitspanne (typisch 24 h oder länger) beträgt mindestens 150 mV vom Wert des Ausschaltpotentials. Das so genannte „100 mV-Kriterium“ (Kriterium b) stellt das in der Praxis gebräuchlichste Wirksamkeitskriterium dar (s. Bild 17-34).
Bild 17-34 Ergebnis einer Depolarisationsmessung bei der das 100 mV-Kriterium erfüllt wurde
Neben den oben genannten drei Wirksamkeitskriterien sind auch Obergrenzen der kathodischen Polarisation der Bewehrung einzuhalten. So darf das Ausschalt-Stahl-Beton-Potential nicht negativer als –1100 mV bezüglich Ag/AgCl/0,5 M KCl für nicht vorgespannte Bewehrung bzw. –900 mV für Spannstahl sein. Hintergrund dieser Regelung ist die Vermeidung der Wasserstoffentwicklung an der Bewehrung und einer daraus möglicherweise resultierenden Verbundschädigung bei der nicht vorgespannten Bewehrung, bzw. einer wasserstoffinduzierten Spannungsrisskorrosion beim Spannstahl. Die Messverfahren und Anforderungen an Geräte für die Überwachung von KKS-Systemen sind in DIN EN 13509:2003 geregelt.
17.10 Instandhaltung nach erfolgter Instandsetzung
1135
17.9.6 Planung, Installation, Inbetriebnahme und Überwachung Neben der Dauerhaftigkeit der Anodensysteme selbst ist insbesondere die Sorgfalt und Sachkunde aller Beteiligten bei der Planung (auf Basis einer detaillierten Bauwerksdiagnose), Installation, Inbetriebnahme und Überwachung für die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit dieser Instandsetzungsmethode maßgebend. Die wesentlichen Schritte bei Planung, Installation, Inbetriebnahme und Überwachung sind z. B. in DIN EN 12696 zusammengefasst.
17.10 Instandhaltung nach erfolgter Instandsetzung 17.10.1 Allgemeines Im Anschluss an eine Schutz- oder Instandsetzungsmaßnahme müssen die erforderlichen Schritte zur Instandhaltung des Objektes festgelegt werden. Die Grundlagen der Instandhaltung sind in DIN 31051 geregelt. Demnach bedeutet Instandhaltung die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements während des Lebenszyklus einer Betrachtungseinheit zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, so dass sie die geforderte Funktion erfüllen kann. Sie kann in Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Verbesserung unterteilt werden, wobei letztere der Steigerung der Funktionssicherheit ohne Änderung der Funktion dient, beispielsweise durch Beseitigung von Schwachstellen. Veränderungen bzw. Modifikationen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit zählen nicht mehr zur Instandhaltung, auch wenn solche Änderungen häufig von der Instandhaltungsabteilung durchgeführt werden. Im Folgenden wird auf die Anforderungen der Regelwerke RL-SIB und EN 1504 hinsichtlich der Instandhaltungsplanung eingegangen.
17.10.2 Instandhaltungsplanung nach RL-SIB und EN 1504-9 Nach RL-SIB ist vom sachkundigen Planer für die gewählte Ausführung ein Instandhaltungsplan zu erstellen, der planmäßige Inspektionen und Angaben zur Wartung und Instandsetzungsmaßnahmen enthält. Konkretere Hinweise für den Instandhaltungsplan sind in RLSIB nicht enthalten. Nach DIN EN 1504-9:2008 soll eine Instandhaltungsplanung folgende Punkte umfassen: a) Eine Abschätzung der erwarteten verbleibenden planerischen Nutzungsdauer des Betontragwerks; b) Kennzeichnung jedes Produktes oder Systems, dessen vorgesehene Nutzungsdauer kürzer ist als die verbleibende planerische Nutzungsdauer des Betontragwerks; c) Zeitpunkt, zu dem die nächste Inspektion oder Prüfung jedes Produktes oder Systems erfolgen muss; d) das anzuwendende Inspektionssystem, die Aufzeichnung der Ergebnisse und die Festlegung des Zeitpunktes für spätere Inspektionen; e) Angaben zu regelmäßigen Funktionskontrollen, beispielsweise beim kathodischen Schutz;
1136
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
f) Festlegung von Vorkehrungen oder Einschränkungen, beispielsweise bei der Instandhaltung von Regenabwasserleitungen, Maximaldruck bei Wasserstrahlbehandlungen oder Untersagen der Verwendung von Auftausalzen. Um sicherzustellen, dass die erforderlichen Instandhaltungsarbeiten durchgeführt werden, sollte ein Instandhaltungsmanagementsystem vorgesehen werden.
17.10.3 Instandhaltungsmanagement Die Instandhaltung von Bauwerken erfolgt bei größeren oder zahlreichen gemeinsam betriebenen Bauwerken zunehmend im Rahmen von Bauwerks- oder LebensdauerManagementsystemen. Mit Hilfe der Fortschritte, die in den letzten Jahren in den Bereichen Bauwerksdiagnose, Schadensmodellierung und -prognose, Überwachungssysteme und Instandsetzungsverfahren erzielt wurden, ist es möglich, die optimalen Zeitpunkte für Erhaltungsmaßnahmen zunehmend genau prognostizieren zu können. Prinzipiell kann zwischen reaktiven und präventiven Konzepten zur Bauwerkserhaltung unterschieden werden. Reaktive Bauwerkserhaltung wird dabei so verstanden, dass entsprechende Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen erst dann ergriffen werden, wenn sichtbare Anzeichen wie Risse und Abplatzungen am Bauwerk festgestellt werden. Präventive Instandhaltung, bei der gezielt auch präventive Schutzmaßnahmen ergriffen werden, kann unter Umständen die Lebensdauer eines Bauwerkes erheblich verlängern und die Gesamtkosten zur Bauwerkserhaltung reduzieren. Ferner können Betriebsunterbrechungen bzw. unplanmäßige Betriebsausfälle auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Grundlegende Theorien zur Lebensdauerprognose basierend auf Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit sind in [17.6] beschrieben. Die Instandhaltungsplanung hat eine zentrale Bedeutung für einen wirtschaftlichen Betrieb von Bauwerksbeständen. Wesentliche Aspekte für die Festlegung von Instandhaltungsmaßnahmen sind dabei nicht nur die möglichen Schädigungsprozesse an Beton oder Bewehrung, sondern auch Faktoren wie ästhetische Ansprüche oder Veränderungen der Nutzeransprüche an die Funktionalität des Bauwerks. Für das Instandhaltungsmanagement hat der Einsatz von so genannten Monitoring-Systemen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese werden daher im folgenden Abschnitt kurz erläutert.
17.10 Instandhaltung nach erfolgter Instandsetzung
1137
Bild 17-35 Zeitlicher Verlauf des Bauwerkszustands verschiedener Handlungsstrategien der Bauwerkserhaltung nach [17.6]
1138
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
17.10.4 Einsatz von Monitoring-Systemen im Rahmen des Bauwerksmanagements 17.10.4.1 Allgemeines
Um die zeitliche Entwicklung zentraler Bauwerkseigenschaften zu quantifizieren, können einerseits regelmäßig Bauwerksprüfungen durchgeführt werden. Andererseits bietet es sich an, insbesondere in schwer oder gar nicht zugänglichen Bereichen Sensoren zu installieren, die eine kontinuierliche Überwachung relevanter Parameter zur Beurteilung der Entwicklung des Bauwerkszustandes erlauben. Diese Vorgehensweise bietet den Vorteil, dass die zeitliche Entwicklung bestimmter Parameter immer an der gleichen Stelle, nämlich der Sensorposition gemessen wird. Dadurch entfallen Messstreuungen aus den örtlichen Unterschieden der überwachten Eigenschaften, die unter Umständen nicht unerheblich sind. Zur Langzeitüberwachung wurden inzwischen zahlreiche Sensorsysteme entwickelt und erprobt, von denen ausgewählte Systeme in den folgenden Abschnitten kurz erläutert werden. Für nähere Informationen wird jeweils auf die vorhandene Literatur verwiesen. Wegen der ständig wachsenden Vielfalt an verfügbaren Sensorsystemen kann die Zusammenstellung nur eine Auswahl darstellen. 17.10.4.2 Sensoren für die Überwachung des Tragverhaltens
In Tabelle 17.18 sind ausgewählte Sensortypen für die Überwachung des Tragverhaltens von Stahlbetonkonstruktionen zusammengestellt. Relevante Zielgrößen sind dabei häufig Längenänderungen, Dehnungen und Beschleunigungen zur Beurteilung des dynamischen Verhaltens. Tabelle 17.18 Ausgewählte Sensortypen für die Überwachung des Tragverhaltes Zielgröße
Sensortyp
Messprinzip
Längenänderungen
Induktiver Wegaufnehmer
elektrische Induktivität
Dehnungsmessstreifen
elektrische Widerstand
Dehnungen
Faseroptische Sensoren:
(auch Rissdetektion)
Intensiometer
optisch (Intensität)
Interferometrischer Sensor
optisch (Phasenänderung)
Faser-Bragg-Gitter Sensor
optisch (Faserdotierung)
OTDR-Fasersensor
optisch (time domain)
Beschleunigungen
Piezoelektrische Sensoren
elektrische Aufladung bei Last
(Schwingungen)
Akustische Mikrophone
akustisch
EFPI-Vibrationssensor
optisch (Phasenänderung)
Zur kontinuierlichen Überwachung von Längenänderungen eignen sich die seit langem eingesetzten induktiven Wegaufnehmer oder Dehnungsmessstreifen. Für die Messung von Dehnungen, die bei bekannter Basislänge in Längenänderungen umgerechnet werden können,
1139
17.10 Instandhaltung nach erfolgter Instandsetzung
haben sich in den letzten Jahren verschiedene Arten faseroptischer Sensoren etabliert. Die Dehnungen können indirekt über die Änderung der Strahlungsintensität bei geringen Biegungen oder Einschnürungen der Fasern (Intensiometer) oder Phasenänderungen der Strahlung (Interferometer), über Bewegungen dotierter Faserabschnitte mit kodierten Wellenlängenverschiebungen (Bragg-Gitter), oder Dehnungsprofile bei definierter Anordnung mehrerer Reflektoren (OTDR-Sensoren) gemessen werden. Faseroptische Sensoren können auch zur Detektion von Rissen eingesetzt werden. Die Auswahl des geeigneten Sensortyps hängt dabei von den Randbedingungen der Messaufgabe ab. Für die Überwachung des dynamischen Verhaltens von Bauteilen oder gesamten Bauwerken eignen sich Beschleunigungsaufnehmer. Die Sensoren arbeiten nach dem piezoelektrischen Prinzip, akustisch oder optisch. Das piezoelektrische Prinzip beruht darauf, dass sich piezoelektrische Stoffe unter mechanischer Belastung (meist Druck) elektrisch aufladen. Weitere Prinzipien sind die Messung der durch Bauwerksbeschleunigungen angeregten Eigenschwingung einer Faser, die über Mikrophone akustisch oder über Lichtstrahlung optisch bestimmt wird. Durch mathematische Transformation der gewonnenen Messdaten können für die Beurteilung des Bauwerksverhaltens relevante Schwingungsparameter ermittelt werden. 17.10.4.3 Sensoren für die Überwachung relevanter Betoneigenschaften
Für die Beurteilung der Entwicklung des Bauwerkszustandes sind neben dem Tragwerksverhalten auch Betoneigenschaften wie Feuchtigkeit, Leckagen, pH-Wert und Chloridgehalt von Bedeutung. Tabelle 17.19 zeigt ausgewählte Sensoren für diese Parameter. Tabelle 17.19 Ausgewählte Sensortypen für relevante Betoneigenschaften Zielgröße
Sensortyp
Messprinzip
Feuchtigkeit
Multiring-Elektroden
elektrischer Widerstand
Kapazitive Feuchtesensoren
elektrische Kapazität
Faseroptische Chemosensoren
Farbindikation
Leckagen
Sensornetzwerke
elektrischer Widerstand
pH-Wert
Referenzelektroden
Potenzialänderung
Faseroptische Chemosensoren
Farbindikation
Referenzelektroden
Potenzialänderung
Faseroptische Chemosensoren
Farbindikation
Chloridgehalt
Die Feuchtigkeit bzw. der Wassergehalt des Betons kann über verschiedene Messprinzipien indirekt kontinuierlich bestimmt werden. Während Multiring-Elektroden nunmehr seit ca. 15 Jahren zur Bestimmung von Feuchtigkeitsverteilungen eingesetzt werden, sind weitere Sensoren nach dem Messprinzip des elektrischen Betonwiderstandes und kapazitive sowie faseroptische Sensoren verfügbar. Für die Bestimmung des zeitlichen Verlaufes von pH-Wert und Chloridgehalt sind Sensoren verfügbar, die nach dem Prinzip von Referenzelektroden und als faseroptische Chemosenso-
1140
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
ren mit sensitiven Oberflächenschichten arbeiten. Während für die Sensoren, die über die Potentialänderungen arbeiten, keine Ergebnisse zum Langzeitverhalten veröffentlicht sind, wird die Langzeitbeständigkeit der faseroptischen Chemosensoren derzeit untersucht. 17.10.4.4 Sensoren zur Überwachung des Korrosionsverhaltens der Bewehrung
Für die Beurteilung der zeitlichen Entwicklung des Korrosionsverhaltens der Bewehrung können Sensoren zur Überwachung des Potentials, der Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung und für die Zeit bis zum Korrosionsbeginn eingesetzt werden, s. Tabelle 17.20. Tabelle 17.20 Ausgewählte Sensortypen für das Korrosionsverhalten der Bewehrung Zielgröße
Sensortyp
Messprinzip
Potential
Referenzelektroden
Elektrische Spannung
Korrosionsgeschwindigkeit
LPR-Sensoren
Linearer Polarisationswiderstand
Zulage-Kathoden
Galvanische Zelle
Zeit bis Korrosionsbeginn
Makroelement-Leitern
Galvanische Zelle
LPR-Sensor-Leitern
Linearer Polarisationswiderstand
Für die zeitliche Entwicklung des Potentials können Referenzelektroden installiert werden. Für die Bestimmung der Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung können Sensoren zur Bestimmung des linearen Polarisationswiderstandes und so genannte Zulage-Kathoden eingebaut werden (z. B. [17.7]). Um den Zeitraum bis zum Korrosionsbeginn abschätzen zu können, sind diverse Typen von stufenförmigen Makroelementen oder stufenförmige Sensoren für die Bestimmung des linearen Polarisationswiderstandes verfügbar. Diese Sensoren können in Neubauten installiert werden, allerdings nicht zur Beurteilung der Zeit bis zur Korrosion im Bereich von Rissen.
1141
17.11 Literatur
17.11 Literatur 17.11.1 Regelwerke 17.11.1.1 Normen Norm
Ausgabe
Titel
DIN 1045-1
2008-08
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Teil 1: Bemessung und Konstruktion
DIN 1045-2
2008-08
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Teil 2: Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität – Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1
DIN 1045-3
2008-08
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Teil 3: Bauausführung
DIN 1045-4
2001-07
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Teil 4: Ergänzende Regeln für die Herstellung und die Konformität von Fertigteilen
DIN 1045-100
2005-02
Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Teil 100: Ziegeldecken
DIN EN 1504-1
2005-10
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Güteüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 1: Definitionen
DIN EN 1504-2
2005-01
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 2: Oberflächenschutzsysteme für Beton
DIN EN 1504-3
2006-03
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 3: Statisch und nicht statisch relevante Instandsetzung
DIN EN 1504-4
2005-02
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 4: Kleber für Bauzwecke
DIN EN 1504-5
2005-03
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 5: Injektion von Betonbauteilen
DIN EN 1504-6
2006-11
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderun-
1142
17 Schutz und Instandsetzung von Betonbauwerken
gen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 6: Verankerung von Bewehrungsstäben DIN EN 1504-7
2006-11
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 7: Korrosionsschutz der Bewehrung
DIN EN 1504-8
2005-02
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 8: Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität
DIN EN 1504-9
2008-11
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 9: Allgemeine Grundsätze für die Anwendung von Produkten und Systemen
DIN EN 1504-10
2004-05
Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität; Teil 10: Anwendung von Stoffen und Systemen auf der Baustelle, Qualitätsüberwachung der Ausführung
DIN EN 1504-10/Ber1 2006-10
Berichtigung 1 zu DIN EN 1504-10:2004-05
DIN EN 12696
Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton
2000-06
17.11.1.2 Sonstige Regelwerke
RL-SIB
2001
Deutscher Ausschuss für Stahlbeton ; DAfStb-Instandsetzungs-Richtlinie: Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen. Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze. Teil 2: Bauprodukte und Anwendung. Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung. Teil 4: Prüfverfahren. Ausgabe Oktober 2001. Berlin : Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, 2001
ZTV-ING
2006
Bundesanstalt für Straßenwesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten. (Version 12/07) Dortmund : Verkehrsblatt, 2006. Verkehrsblatt CD-ROM Nr. C 1056
ATV –M 168
1998-07
Abwassertechnische Vereinigung: Merkblatt ATV–M 168. Korrosion von Abwasseranlagen – Abwasserleitung – (Fassung Juli 1998). Hennef: Gesellschaft zur Förderung der Abwassertechnik, 1998
17.11 Literatur
1143
17.11.2 Bücher, Zeitschriften, sonstige Veröffentlichungen [17.1] [17.2] [17.3]
[17.4]
[17.5]
[17.6]
[17.7] [17.8]
Henning, O. ; Knöfel, D.: Baustoffchemie, 6. Aufl. Berlin: Verlag Bauwesen, 2002 Stark, J. ; Wicht, B.: Dauerhaftigkeit von Beton: Der Baustoff als Werkstoff. Basel: Birkhäuser, 2001 Sasse, H. R.: Requirements for Design and Use. Bagneux: RILEM Publ., 2006. In: RILEM Report 36 Industrial Floors, State-of-the-Art Report of RILEM Technical Committee TC 184-IFE, S. 5-31 Bornstedt, H.: Zerstörungsfreies Auffinden von korrodierender Bewehrung bei chloridbeaufschlagten Stahlbetonbauteilen mit Hilfe des Potentialmessverfahrens. Aachen: Technische Hochschule, Fachbereich 3, Institut für Bauforschung, Diplomarbeit, 1988 (unveröffentlicht) Schulz, R.-R.: Beton als Beschichtungsuntergrund: Über die Prüfung des Festigkeitsverhaltens von Betonoberflächen mit dem Abreißversuch. Aachen: Technische Hochschule, Fachbereich 3, Diss., 1984 Frangopol, D. M.: Bridge Health Monitoring and Life Prediction Based on Reliability and Economy. Freiburg: AEDIFICATIO, 2000. In: Schwesinger, P.; Wittmann, F. H. (ed.): Proceedings of the 6th International Workshop on Material Properties and Science: Present and Future of Health Monitoring, Weimar, Sept. 2000, S. 9–20 Elsener, B.: Macrocell Corrosion of Steel in Concrete – Implications for Corrosion Monitoring. In: Cement and Concrete Composites 24 (2002), Nr. 1, S. 65–72 Raupach, M.: Intelligente Bauwerke – Ergebnisse eines Europäischen Forschungsprojektes. In: Beton 54 (2004), Nr. 12, S. 604–606, 608–609
18 Dämmstoffe
18.1 Allgemeines Der Begriff „Dämmen“ ist im Bauwesen im Wesentlichen für die Bereiche Wärmeschutz und Schallschutz reserviert. Dämmen beinhaltet eine Verringerung von Energieabfluss/Energiedurchfluss, nicht die Undurchdringlichkeit, wie sie im Begriff „isolieren“ zum Ausdruck kommt. Deshalb sollte die Bezeichnung „Isolierung“ dem Bereich der Elektrotechnik vorbehalten bleiben. Trotzdem wird der Begriff auch heute noch im Zusammenhang mit Wärmeund Schalldämmung verwendet, z. B. Isolierglas. Dämmstoffe werden im Bauwesen vorwiegend eingesetzt, um Wärmeverluste in Flächen und Rohrleitungen zu reduzieren, Wärmebrücken zu minimieren, den Schalldurchgang zu bremsen, die Raumakustik zu verbessern oder den Brandschutz von Bauteilen sicherzustellen . Nach Art des Einsatzzweckes unterscheidet man: Dämmstoffe für den Wärmeschutz, Dämmstoffe für den Schallschutz, Dämmstoffe für den Brandschutz. Je nach Anwendungsgebiet kann ein Dämmstoff gleichzeitig mehrere der o. g. Aufgaben erfüllen (z. B. stellt eine Trittschalldämmung neben dem Schallschutz zusätzlich einen Wärmeschutz dar).
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz Wärmedämmstoffe leisten einen wichtigen Beitrag zur Energieeinsparung und damit zur Schonung unserer Energieressourcen. Heutzutage ist ein breites Angebot unterschiedlicher Wärmedämmstoffe am Markt erhältlich – sowohl hinsichtlich der Materialien als auch im Hinblick auf die verschiedenen Anwendungsbereiche.
18.2.1 Prinzip der Wärmedämmung Dämmstoffe für den Wärmeschutz weisen eine Wärmeleitfähigkeit λ ≤ 0,1 W/(m·K) auf. Die in den Normen (DIN V 4108-4, DIN EN ISO 10456) angegebenen Bemessungswerte für λ gelten für den Bereich üblicher Umgebungstemperaturen. Da die Größe der λ-Werte vom untersuchten Temperaturbereich abhängig ist, müssen sie sowohl im Bereich höherer Temperaturen (Heizungsbau, Schornsteinbau) und im Bereich extrem niedriger Temperaturen entsprechend korrigiert werden. Die maßgeblichen Wärmetransportmechanismen sind die Wärmeleitung, die Konvektion und die Wärmestrahlung (siehe Abschnitt 1.2.10.3). Die Wärmedämmwirkung von Dämmstoffen
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4_18, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
1146
18 Dämmstoffe
beruht i. W. auf der im Material eingeschlossenen Luft; dies geschieht entweder in geschlossenen Poren (z. B. Schaumkunststoffe) oder in den Zwischenräumen des Basismaterials (Faserdämmstoffe). Die Wärmeleitfähigkeit von stehender Luft beträgt λ = 0,025 W/(m·K) und ist damit deutlich geringer als der λ-Wert der umgebenden Feststoffmatrix. Deshalb wird die Wärmeleitfähigkeit mit abnehmendem Feststoffanteil, d.h. mit zunehmender Porigkeit kleiner. Bei einigen Dämmstoffen nehmen die λ-Werte im Bereich sehr geringer Rohdichten, d.h. großer Porigkeiten wieder zu (Bild 18-1). Dies liegt daran, dass in den vorhandenen relativ großen Poren die Luft nicht steht, sondern eine nennenswerte Konvektion stattfindet. Für die Wärmeleitfähigkeit ist daher nicht nur der Gesamtporenraum, sondern auch die Art, Größe und Anordnung der Poren maßgebend. Je kleiner die Poren, desto geringer die Wärmeleitfähigkeit des Dämmmaterials.
Bild 18-1 Wärmeleitfähigkeit von Faserdämmstoffen in Abhängigkeit von der Rohdichte [18.1]
Die Dämmwirkung lässt sich durch den Austausch der Luft gegen ein Porengas mit geringerer Wärmeleitfähigkeit verbessern. Dieses Verfahren wird bei geschlossenzelligen Schaumkunststoffen angewandt, bei denen das Treibgas in den Poren verbleibt (z. B. CO2: λ = 0,016 W/(m·K)). Dabei muss berücksichtigt werden, dass das Porengas im Laufe der Zeit ausdiffundieren und Luft in die Poren eindringen kann, wodurch sich die Dämmwirkung mit der Zeit verschlechtert. Bei Mehrscheibenverglasungen wird der Wärmeschutz durch Austausch der Luft gegen Edelgase (Argon: λ = 0,017 W/(m·K) oder Krypton: λ = 0,009 W/(m·K)) sowie durch metallische Strahlungsbremsen für die Wärmeenergiestrahlung (z. B. metallische Beschichtung von Glasoberflächen) verbessert. Neuere Entwicklungen zielen darauf ab, im Scheibenzwischenraum ein Vakuum zu erzeugen (Vakuumisolierglas).
1147
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz
18.2.2 Materialien für Wärmedämmstoffe 18.2.2.1 Überblick
Durch erhöhte Anforderungen an den Wärmeschutz sind einige Baustoffe, z. B. Natursteine, künstlich hergestellte Mauersteine usw. nicht in der Lage, einen ausreichenden Wärmeschutz gemäß den Anforderungen der Energieeinsparverordnung in wirtschaftlichen Wanddicken zu gewähren. Daher werden z. B. Wandkonstruktionen als mehrschichtige Konstruktionen ausgeführt, bei denen die einzelnen Schichten unterschiedliche Funktionen erfüllen: die Tragfähigkeit übernimmt der massive Stein, der außen liegende Dämmstoff gewährleistet den Wärmeschutz, und der Wetterschutz wird durch Putz, eine Bekleidung oder eine Vorsatzschale sichergestellt. Dämmstoffe für den Wärmeschutz werden aus anorganischen oder organischen Stoffen hergestellt. Anorganische Dämmstoffe können neben ihrer Aufgabe als Wärmedämmmaterial zusätzlich den Brandschutz einer Konstruktion verbessern; hingegen kann die Verwendung organischer Dämmstoffe brandschutztechnisch problematisch sein. Vor der Wahl des Dämmstoffes ist daher immer abzuklären, welche Anforderungen insgesamt an das zu verwendende Material gestellt werden. Wärmedämmstoffe können nach verschiedenen Kriterien unterteilt werden. Nach der Lieferform unterscheidet man zwischen Platten, Matten, Filzen, Schäumen, Einblasprodukten, Schüttungen und Stopfmassen. Hinsichtlich der Struktur wird zwischen geschlossenzelligen und offenzelligen Materialien bzw. zwischen geschäumten Stoffen und Faserdämmstoffen unterschieden. Eine Einteilung nach stofflichen Kriterien ist in Bild 18-2 dargestellt; die dort aufgelisteten Materialien erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Für die wichtigsten der o. g. Wärmedämmstoffe liegt mittlerweile ein Normenpaket mit insgesamt 10 europäisch harmonisierten Produktnormen vor (siehe Tabelle 18.2); diese Normen bilden die Grundlage für die CE-Kennzeichnung der Produkte. In DIN EN 13172 wird die Konformitätsbewertung für alle aufgeführten Produktgruppen beschrieben. Dämmstoffe, für die keine Norm existiert, bedürfen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Tabelle 18.1 EN-Produktnormen für Wärmedämmstoffe für Gebäude Produktgruppe
Kurzzeichen
Produktnorm
Anwendungsbezogene Mindestanforderungen festgelegt in
MW
DIN EN 13162
DIN 4108-10, Tabelle 3
Expandiertes Polystyrol
EPS
DIN EN 13163
DIN 4108-10, Tabelle 4
Extrudierter Polystyrolschaum
XPS
DIN EN 13164
DIN 4108-10, Tabelle 5
Polyurethan-Hartschaum
PUR
DIN EN 13165
DIN 4108-10, Tabelle 6
Mineralwolle
Phenol-Hartschaum
PF
DIN EN 13166
DIN 4108-10, Tabelle 7
Schaumglas
CG
DIN EN 13167
DIN 4108-10, Tabelle 8
Holzwolle
WW
DIN EN 13168
DIN 4108-10, Tabellen 9 und 10
Blähperlit
EPB
DIN EN 13169
DIN 4108-10, Tabelle 11
Expandierter Kork
ICB
DIN EN 13170
DIN 4108-10, Tabelle 12
Holzfasern
WF
DIN EN 13171
DIN 4108-10, Tabelle 13
1148
Bild 18-2 Arten von Dämmstoffen (nach Rohstoffen unterteilt) [18.9]
18 Dämmstoffe
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz
1149
In den folgenden Abschnitten werden nur die wichtigsten Dämmstoffe entsprechend der Einteilung in Bild 18-2 näher behandelt. Eine ausführliche Darstellung, die auch selten verwendete Dämmmaterialien umfasst, ist in [18.10] enthalten. 18.2.2.2 Anorganische Dämmstoffe aus synthetischen Rohstoffen
Mineralwolle (MW) Der wichtigste Vertreter innerhalb dieser Gruppe sind die Mineralwolle-Dämmstoffe mit einem Marktanteil von über 50 %. Sie werden aus Schmelzen von Glas (siehe Abschnitt 9.3.6), Natursteinen oder Schlacken hergestellt und je nach Ausgangsstoffen auch als Glas-, Stein- oder Schlackenwolle bezeichnet (Schlackenwolle wird heutzutage kaum noch verwendet). Mineralwolle-Dämmstoffe enthalten mindestens 90 % künstliche Mineralfasern (KMF) in glasiger Struktur, bis zu 7 % Phenol-Formaldehyd-Harze als Bindemittel sowie ca. 1 % Öle zur Staubminderung und weitere Zusätze, z. B. wasserabweisende Stoffe [18.6]. Glaswolle besteht überwiegend aus Recycling-Glas (bis zu 80 %), d.h. bei der Produktion werden in hohem Maße Sekundärrohstoffe wiederverwendet. Glaswolle ist leicht (Rohdichte 20...150 kg/m³), elastisch, daher hochkomprimierbar und kann im Vergleich zu Steinwolle deutlich platzsparender verpackt werden. Steinwolle ist wegen ihrer höheren Rohdichte sehr druckfest und bietet bei einem Schmelzpunkt über 1000 °C einen hohen Brandschutz. Mineralwolle-Dämmstoffe werden in Form von Platten, Matten (eben oder als Rolle) und als Formteile (Schalen zur Ummantelung von Rohrleitungen) geliefert, außerdem als Stopfmassen und Zöpfe zur Abdichtung von Hohlräumen. Schaumglas (CG) Schaumglas ist ein aus silikatischem Glas durch Zugabe von Treibmitteln werksmäßig aufgeschäumter, geschlossenzelliger Dämmstoff. Ausgangsmaterialien für die Herstellung sind Quarzsand, Dolomit sowie Calcium- und Natriumkarbonat; teilweise wird auch Altglas eingesetzt. Die Rohstoffe werden zu Glas geschmolzen und nach dem Abkühlen und Zerkleinern zu Glaspulver gemahlen. Diesem Pulver wird Kohlenstoff in fein verteilter Form zugemischt. Das Gemisch wird in speziellen Formen auf über 1000°C erhitzt; dabei oxidiert der Kohlenstoff unter Bildung von Gasblasen, wodurch der Aufschäumprozess ausgelöst wird. Aus den Blöcken werden dann Platten in den endgültigen Abmessungen geschnitten. Blähglas Altglas wird zu Pulver gemahlen und mit Wasser, Bindemittel und Blähmittel gemischt. Nach dem Granulieren wird das Material auf ca. 900 °C erhitzt. Nach dem Abkühlen erfolgt die Siebung des Granulates in einzelne Korngruppen. Blähglas wird auch in größeren Blöcken hergestellt, die zerkleinert und zu Schotter gebrochen werden. Typische Anwendungen für Blähglasgranulat sind ungebundene Dämmschüttungen für Hohlräume in Dach-, Decken- und Wandkonstruktionen. Blähglas wird außerdem als Zuschlag in Dämmmörteln sowie für die Herstellung von zement- oder kunstharzgebundenen Platten verwendet.
1150
18 Dämmstoffe
Calciumsilikat Ausgangsstoffe für Dämmplatten aus Calciumsilikatschaum sind Calciumoxid (Kalk), Siliziumoxid (Quarz), Wasserglas und Zellstoff, die mit Wasser aufgeschlämmt und vermischt werden. Das Gemisch wird in Formen gefüllt und im Autoklav gehärtet. Das Material ist dem Porenbeton sehr ähnlich, weist jedoch wegen der niedrigeren Rohdichte auch eine geringere Wärmeleitfähigkeit sowie eine geringere Festigkeit als Porenbeton auf. Calciumsilikatplatten werden hauptsächlich für die Innendämmung, vor allem bei Fachwerkhäusern und denkmalgeschützten Objekten eingesetzt. 18.2.2.3 Anorganische Dämmstoffe aus natürlichen Rohstoffen
Blähperlit (EPB) Blähperlit wird aus Perlit, einem glasartigen vulkanischen Gestein, hergestellt. Fein gemahlene Perlitkörner werden schockartig auf 1000 °C erhitzt, wodurch sich ihr Volumen auf das 15- bis 20-fache vergrößert. Blähperlit wird entweder als Schüttung oder als Platten (Zugabe von Zellulosefasern und Stärke als Bindemittel) geliefert. Vermiculite Das Mineral Vermiculit gehört zur Gruppe der Schichtsilikate. Das granulierte Material wird schockartig auf über 1000 °C erhitzt; dadurch verdampft das Wasser zwischen den einzelnen Schichten und bläht das Granulat auf das 15- bis 20-fache seines ursprünglichen Volumens auf. Neben dem für Schüttungen verwendeten Granulat sind auch Platten und Formteile lieferbar, die mit Bitumen, Silikaten oder Kunstharz als Bindemittel hergestellt werden. Blähton Blähton wird aus granuliertem kalkarmem Ton bei Temperaturen von 1000 bis 1200 °C im Drehrohrofen hergestellt. Der Bläheffekt beruht auf der Verbrennung der enthaltenen organischen Bestandteile und auf der Sauerstoffabspaltung der im Ton vorhandenen Oxide; teilweise werden auch blähfördernde Stoffe zugegeben. Blähton wird primär bei der Herstellung von Leichtbeton (Betonfertigteile, Mauersteine) eingesetzt. Trockenschüttungen aus Blähton werden zum Füllen von Hohlräumen, z. B. in Deckenkonstruktionen, eingesetzt; wegen der eher mäßigen Wärmedämmeigenschaften geschieht dies meist zur Verbesserung des Schallschutzes. 18.2.2.4 Organische Dämmstoffe aus synthetischen Rohstoffen
Expandiertes Polystyrol (EPS) Expandiertes Polystyrol, bekannt unter dem Markennamen Styropor®, wird aus Polystyrol, Treibmittel (Pentan) und Stabilisatoren hergestellt. Zunächst wird durch Polymerisation von Styrol unter Zugabe des Treibmittels Polystyrol-Granulat gewonnen, welches an die Dämmstoffhersteller geliefert wird. Dort wird das Granulat mit Hilfe von Wasserdampf auf das 20bis 50-fache seines Ausgangsvolumens aufgebläht (expandiert). Nach dem Abkühlen werden die vorgeschäumten Schaumstoffperlen nochmals mit Wasserdampf behandelt; dabei verschweißen die Perlen zu einem homogenen, großformatigen Block, aus dem die Platten ge-
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz
1151
schnitten werden. Einzelplatten, Formteile u. ä. werden durch Verschäumung in speziellen Formen hergestellt, wodurch sie eine geschlossenzellige Oberfläche erhalten. Der Marktanteil von EPS-Dämmstoffen liegt in Deutschland bei ca. 30 %. Extrudiertes Polystyrol (XPS) XPS wird in einem kontinuierlichen Extrusionsprozess hergestellt. Polystyrol-Granulat wird in einem Extruder aufgeschmolzen und unter Zugabe von Treibmittel über eine Breitschlitzdüse kontinuierlich ausgetragen; dabei bläht die unter Druck stehende Schmelze stark auf. Der entstehende Schaumstoff weist eine homogene geschlossenzellige Struktur mit einer beidseitig glatten Schäumhaut auf. Nach dem Abkühlen werden die Platten zugeschnitten und an den Kanten profiliert. Im Vergleich zu EPS weist XPS eine höhere Druckfestigkeit und Unempfindlichkeit gegen Feuchte auf; deshalb kann extrudiertes Polystyrol u. a. als Perimeterdämmung auch in drückendem Wasser eingesetzt werden. Hingegen ist XPS nicht als Trittschalldämmung geeignet. Polyurethan (PUR) Polyurethan wird aus den beiden Komponenten Polyol und Polyisocyanat hergestellt; außerdem werden Treibmittel und Flammschutzmittel zugegeben. PUR-Hartschaumdämmstoffe werden industriell entweder als Platten nach dem Doppelbandverfahren oder als Blöcke nach dem Blockschaumverfahren hergestellt. Beim Blockschaumverfahren strömt das Gemisch aus dem Mischkopf in eine Blockform, schäumt dort auf und wird nach Ablagern zu Platten oder Formteilen zugeschnitten. Beim Doppelbandverfahren wird das Gemisch über Düsen auf die Doppelbandanlage verteilt und verklebt beim Aufschäumen mit einer unteren und oberen Deckschicht; hierfür werden Papier-, Metalloder Verbundfolien, Vliese, Dach- und Dichtungsbahnen eingesetzt. Neben werkmäßig hergestellten Polyurethan-Hartschaumprodukten (Platten, Formteile) wird PUR auch als Spritzschaum verwendet. Dabei wird das reaktionsfähige Gemisch mit einer Spritzpistole großflächig auf den vorbehandelten Untergrund aufgetragen, wo es sofort aufschäumt und aushärtet. Diese Art von Wärmedämmung wird vor allem in Südeuropa eingesetzt; hierzulande ist sie wenig bekannt. PUR-Montageschaum wird in Sprühdosen angeboten und beim Einbau von Türen und Fenstern sowie zum Füllen von Hohlräumen eingesetzt. 18.2.2.5 Organische Dämmstoffe aus natürlichen Rohstoffen
Diese Gruppe von Dämmstoffen wird aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und meist aus ökologischen Gründen eingesetzt. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass diese Produkte hierzulande zum Teil nur begrenzt zur Verfügung stehen und daher lange Transportwege in Kauf genommen werden müssen (z. B. Schafwolle), was sich auch in relativ hohen Preisen widerspiegelt. Außerdem müssen sie meist gegen Schädlingsbefall und zur Verbesserung ihres Brandverhaltens chemisch behandelt werden, was dem ökologischen Grundgedanken entgegen stehen kann.
1152
18 Dämmstoffe
Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind mit insgesamt ca. 5 % Marktanteil vertreten, wobei hiervon jeweils rd. ein Drittel auf Zellulose-Dämmstoffe bzw. Holzfaserdämmplatten entfällt. Zellulose-Dämmstoffe Zelluloseflocken werden aus Altpapier durch mechanische Zerkleinerung hergestellt; zur Verbesserung des Brandverhaltens und zum Schutz vor Insekten und Schimmel werden 8 bis 20 M.-% Borsalze zugegeben. Zellulosedämmung wird in Form von Flocken oder als Platten angeboten. Bei der Herstellung von Platten werden die Flocken mit Stützfasern und Bindemittel vermischt, gepresst und nach dem Trocknen zugeschnitten. Flocken werden zum Einblasen in Hohlräume verwendet; manuelles Einfüllen ist wegen der Gefahr von Setzungen nicht zu empfehlen. Bei der so genannten Aufblasdämmung werden die Zelluloseflocken angefeuchtet, bis zu 20 cm Dicke auf den Untergrund gesprüht und bei Bedarf geglättet. Holzwolle (WW) Holzwolle wird in Form von Holzwolle-Leichtbauplatten (HWL) und MehrschichtLeichtbauplatten (ML) angeboten. Restholz der holzverarbeitenden Industrie wird mechanisch zu Holzwolle zerkleinert, mit einer Magnesia- oder Zementsuspension vermischt, in Formen gepresst und nach dem Erhärten zugeschnitten. Mehrschichtplatten werden zwei- oder dreilagig mit einer Dämmschicht aus EPS oder MW gefertigt. Holzfasern (WF) Holzfasern werden für die Herstellung von Holzfaserplatten und als Einblasdämmung verwendet. Resthölzer werden zerkleinert, in Druckkesseln mit Wasserdampf aufgeschlossen, zwischen Mahlscheiben zerfasert und anschließend unter Druck und bei Temperaturen von ca. 380 °C gepresst; dabei findet eine Verklebung der Fasern durch die holzeigenen Harze statt. Über den Anpressdruck wird die Rohdichte der Platten (40 bis 270 kg/m³) eingestellt.
18.2.3 Eigenschaften von Wärmedämmstoffen 18.2.3.1 Überblick
Die wichtigsten Eigenschaften eines Wärmedämmstoffes sind die Wärmeleitfähigkeit und der Wasserdampfdiffusionswiderstand. Für die meisten der in Bild 18-1 aufgeführten Dämmstoffe sind die beiden genannten Eigenschaften sowie die spezifische Wärmekapazität, Rohdichte und Materialkosten in Tabelle 18.2 vergleichend zusammengestellt.
1153
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz Tabelle 18.2 Eigenschaften von Wärmdämmstoffen im Vergleich (Daten aus [18.7]) Dämmstoff
spez. Wärmekapazität
Rohdichte
[W/(m·K)]
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl [-]
c [J/(kg·K)]
[kg/m3]
Mineralwolle
0,035...0,050
1...2
840
20...150 (Glaswolle) 25...220 (Steinwolle)
5...20
Schaumglas
0,040...0,055
∞
840
105...165
35...50
Blähglas
0,060...0,070
1
800
120...390
21...49
Materialkostena)
[€/m2]
> 0,080
2...8
≈ 1100
300...800
11...44
0,045...0,080
2 (Schüttung) 5 (Platten)
1000
60...80 100...160
10...20 20...45
Vermiculite
0,070
3...10
≈ 1000
70...170
16...24
Calciumsilikat
0,040...0,070
2...6
1000
200...290
75...113
Blähton Blähperlit
a)
Wärmeleitfähigkeit
Zellulose
0,040...0,045
1...2
1900
25...90
6...13
Holzfasern
0,040...0,060
5...10
≈ 1600...2100
30...60 (Einblasware) 130...250 (Matten)
25...28
Baumwolle
0,040
1...2
≈ 840
25...40 (Einblasware) 20...60 (Matten)
15...20
Flachs
0,040...0,050
1...2
1500
40...50 (Stopfwolle) 20...40 (Matten)
13...18
Hanf
0,040...0,080
1...2
1500
≈ 150 (Schäben) 20...40 (Matten)
10...13
Kokosfasern
0,045...0,050
1...2
1500
70...110
19...28
Schafwolle
0,040...0,045
1...2
1000
20...80
13...23
Kork
0,040...0,055
2...8 (Schrot) 5...10 (Platten)
1600...1800
65...150 100...160
15...28 20...39
Polystyrol, expandiert (EPS)
0,035...0,040
20...100
1500
>15, >20, >30
5...8
Polystyrol, extrudiert (XPS)
0,030...0,040
80/250
1500
20...50
18...27
Polyurethan (PUR)
0,025...0,040
30/100
≈ 1400
30...80
10...19
für R = 2,5 m2K/W
In dem europäischen Produktnormenpaket (EN 13162 bis 13171) werden die maßgebenden Eigenschaften, die anzuwendenden Prüfnormen sowie die Normanforderungen (als Stufen, Klassen oder Grenzwerte) festgelegt. Je nach Anwendungsgebiet des Dämmstoffs treten
1154
18 Dämmstoffe
unterschiedliche Beanspruchungen auf, die nicht von allen Produktgruppen erfüllt werden können. Deshalb ergeben sich zwischen den einzelnen Produktgruppen Unterschiede hinsichtlich der zu prüfenden Eigenschaften und der Normanforderungen. Insgesamt werden in den o. g. Normen über 30 verschiedene Eigenschaften aufgeführt, die jedoch nicht für alle Produktgruppen relevant sind. Die wichtigsten Eigenschaften lassen sich folgendermaßen einteilen: 18.2.3.2 Geometrische Eigenschaften
Für die maßgenaue Verlegung von Dämmplatten ist die Einhaltung bestimmter geometrischer Eigenschaften erforderlich; hierzu zählen die Grenzabmaße für die Länge, Breite, Dicke, Rechtwinkligkeit und Ebenheit der Produkte. Tabelle 18.3 zeigt beispielhaft die geometrischen Anforderungen an Dämmplatten aus EPS nach DIN EN 13163. Tabelle 18.3 Geometrische Anforderungen an EPS-Platten nach DIN EN 13163 Eigenschaft
Klasse
Grenzabmaße
L1
± 0,6 % oder ± 3 mm a
Länge
Breite Dicke b
Rechtwinkligkeit
Ebenheit c
L2
± 2 mm
W1
± 0,6 % oder ± 3 mm a
W2
± 2 mm
T1
± 2 mm
T2
± 1 mm
S1
± 5 mm / 1000 mm
S2
± 2 mm / 1000 mm
P1
± 30 mm
P2
± 15 mm
P3
± 10 mm
P4
± 5 mm
a
Der größere numerische Wert ist maßgebend. Weitere Klassen siehe DIN 4108-10, 4.3.13.1. c Die Ebenheit ist per laufendem Meter anzugeben. b
18.2.3.3 Festigkeitseigenschaften
Je nach Produktgruppe werden die Zugfestigkeit parallel oder senkrecht zur Plattenebene, die Druckspannung bei 10 % Stauchung oder die Druckfestigkeit, Biegefestigkeit, Scherfestigkeit sowie das Verhalten unter Punktlast geprüft.
1155
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz 18.2.3.4 Verformungseigenschaften
Sie umfassen u. a.: Dimensionsstabilität (im Normalklima, bei definierten Temperatur- und ggf. Feuchtebedingungen), Verformung bei definierter Druck- und Temperaturbeanspruchung, Zusammendrückbarkeit, Kriechverhalten. 18.2.3.5 Wasseraufnahme
Bei der Wasseraufnahme wird unterschieden zwischen kurz- und langzeitiger Wasseraufnahme, Wasserdampfdiffusion und langzeitiger Wasseraufnahme durch Diffusion. 18.2.3.6 Wärmetechnische Eigenschaften
Hierzu zählen die Wärmeleitfähigkeit und der Wärmedurchlasswiderstand. Im Rahmen der CE-Kennzeichnung muss der Wärmedurchlasswiderstand angegeben werden; die Wärmeleitfähigkeit kann zusätzlich angegeben werden. Die Nennwerte der Wärmeleitfähigkeit λD und des Wärmedurchlasswiderstandes RD sind als Grenzwerte zu formulieren, die mindestens 90 % der Produktion mit einer Annahmewahrscheinlichkeit von 90 % repräsentieren; die Werte werden dementsprechend mit λ90/90 bzw. R90/90 bezeichnet. Es gilt:
λD = λ90/90 = λMittel + k × sλ
[W/(m⋅K)]
(18.1)
RD = R90/90 = d N / λ90/90
[m²⋅K/W]
(18.2)
bzw. in Fällen, in denen nur der Wärmedurchlasswiderstand angegeben wird: RD = R90/90 = RMittel − k × sR
[m²⋅K/W]
(18.3)
Hierin bedeuten:
λMittel Mittelwert für die Wärmeleitfähigkeit in W/(m⋅K) RMittel Mittelwert für den Wärmedurchlasswiderstand in m²⋅K/W sλ
Standardabweichung für die Wärmeleitfähigkeit in W/(m⋅K)
sR dN k
Standardabweichung für den Wärmedurchlasswiderstand in m²⋅K/W Nenndicke in m Werte für ein einseitiges 90%-Toleranzintervall mit 90% Annahmewahrscheinlichkeit (siehe Tabelle A.1 der jeweiligen Produktnorm)
Die Nennwerte λD und RD dienen lediglich der Produktkennzeichnung (CE-Zeichen); für wärmetechnische Berechnungen dürfen diese Werte nicht verwendet werden. Berechnungen, z. B. nach der Energieeinsparverordnung (EnEV), erfolgen mit so genannten Bemessungswerten. Bemessungswerte sollen das typische Verhalten eines Produktes im Einbauzustand beschreiben, d.h. Einflüsse aus Alterung, praktischer Bauteilfeuchte usw. berücksichtigen.
1156
18 Dämmstoffe
Die Bemessungswerte für die Wärmeleitfähigkeit λ können DIN V 4108-4 entnommen werden, wobei die Norm zwischen Kategorie I und Kategorie II unterscheidet. Kategorie I: Der Bemessungswert λ wird aus dem Nennwert λD, der der CE-Kennzeichnung entnommen wird, wie folgt berechnet:
λ = λD ⋅ 1, 2
[W/(m⋅K)]
(18.4)
Kategorie II: Sofern im Rahmen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des Dämmstoffes ein Grenzwert der Wärmeleitfähigkeit λgrenz bestimmt wird, kann hieraus der Bemessungswert λ folgendermaßen berechnet werden:
λ = λgrenz ⋅ 1,05
[W/(m⋅K)]
(18.5)
Bei der Bezeichnung von Wärmedämmstoffen wird noch oft die Wärmeleitfähigkeitsgruppe (WLG) angegeben; sie entspricht dem 1000-fachen -Wert, d.h. WLG 040 entspricht = 0,040 W/(mK). 18.2.3.7 Brandverhalten
Die EN-Produktnormen legen fest, dass die Einstufung des Brandverhaltens nach DIN EN 13501-1 vorzunehmen ist (Euroklassen). Bis auf weiteres darf aber noch eine Klassifizierung nach DIN 4102-1 vorgenommen werden (siehe Abschnitt 1.2.12.5). 18.2.3.8 Akustische Eigenschaften
Die für den Schallschutz relevanten Eigenschaften sind die Schallabsorption, die dynamische Steifigkeit und der Strömungswiderstand (siehe Abschnitt 18.3). 18.2.3.9 Bezeichnungsschlüssel, CE-Kennzeichnung
Die Klassen der am Produkt geprüften Eigenschaften werden in Form von Kurzzeichen angegeben (siehe Tabelle 18.4 für die geometrischen Eigenschaften) und in einem Bezeichnungsschlüssel zusammengefasst. Beispiel: Bezeichnungsschlüssel für ein EPS-Produkt EPS – EN 13163 – T1 – L1 – W1 – S1 – P1 – BS100 – CS(10)60 – DS(N)5 – DLT(1)5 – TR50 – WL(T)5 – WD(V)15 Darin bedeuten: EPS: Abkürzung für expandiertes Polystyrol EN 13163: Nummer der maßgebenden Europäischen Norm T1: Grenzabmaße für die Dicke L1: Grenzabmaße für die Länge W1: Grenzabmaße für die Breite S1: Grenzabmaße für die Rechtwinkligkeit
siehe Tabelle 18.4 siehe Tabelle 18.4 siehe Tabelle 18.4 siehe Tabelle 18.4
1157
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz P1: BS100: CS(10)60: DS(N)5: DLT(1)5: TR50: WL(T)5:
Grenzabmaße für die Ebenheit Biegefestigkeit Druckspannung bei 10% Stauchung Dimensionsstabilität im Normalklima Verformung bei Druck- und Temperaturbeanspruchung Zugfestigkeit senkrecht zur Plattenebene langzeitige Wasseraufnahme
siehe Tabelle 18.4 ≥ 100 kPa ≥ 60 kPa max. ± 0,5 % siehe DIN EN 13163, 4.3.3 ≥ 50 kPa ≤ 5 M.-%
WD(V)15:
Wasseraufnahme durch Diffusion
≤ 15 M.-%
Wärmedurchlasswiderstand und ggf. Wärmeleitfähigkeit sowie das Brandverhalten sind nicht im Bezeichnungsschlüssel enthalten, sondern werden in der CE-Kennzeichnung direkt angegeben.
18.2.4 Anforderungen an Wärmedämmstoffe 18.2.4.1 Werkmäßig hergestellte Produkte
Wärmedämmstoffe werden für verschiedene Anwendungen verwendet, z. B. als Dach-, Decken- oder Wanddämmung (jeweils als Außen-, Innen- oder Zwischendämmung) oder als Perimeterdämmung (an Wänden oder unter der Bodenplatte). Die europäischen Produktnormen definieren lediglich Klassen von Eigenschaften, legen aber keine Anforderungsniveaus für bestimmte Anwendungsfälle fest; dies geschieht in der nationalen Anwendungsnorm DIN 4108-10. In dieser Norm werden die möglichen Anwendungsgebiete der Produkte durch die Kurzzeichen nach Tabelle 18.4 bezeichnet; die Einsatzgebiete können zusätzlich durch die dargestellten Piktogramme visualisiert werden. DIN 4108-10 legt auf die jeweilige Anwendung bezogene Mindestanforderungen fest; höhere Anforderungen können durch andere Regelungen (z. B. Flachdachrichtlinien) oder durch Planer und Bauherren gestellt werden. Außerdem kann es für bestimmte Anwendungen notwendig sein, einzelne Produkteigenschaften (wie Druckbelastbarkeit, Wasseraufnahme, Zugfestigkeit, schalltechnische Eigenschaften, Verformung) weiter zu differenzieren. In Tabelle 18.5 sind die Differenzierungen der genannten Eigenschaften zusammengestellt. Die Verknüpfung der Anwendungsgebiete nach Tabelle 18.4 und der Eigenschaftsdifferenzierungen nach Tabelle 18.5 mit dem Bezeichnungsschlüssel erfolgt in DIN 4108-10, und zwar getrennt für die einzelnen Produktgruppen. Tabelle 18.6 zeigt dies am Beispiel von Polystyrol-Hartschaum (Auszug aus Tabelle 4 der DIN 4108-10). Für die übrigen Produktgruppen sind die maßgeblichen Tabellen der DIN 4108-10 in Tabelle 18.1 (rechte Spalte) angegeben. Tabelle 18.7 enthält eine Anwendungsmatrix, aus der die Verwendbarkeit der Dämmstoffarten direkt hervorgeht.
1158
18 Dämmstoffe
Tabelle 18.4 Anwendungsgebiete von Wärmedämmungen nach DIN 4108-10 Kurz- Anwendungsbeispiele zeichen
Piktogramm
Kurz- Anwendungsbeispiele zeichen Wand (Fortsetzung)
Dach und Decke DAD Außendämmung von Dach oder Decke, vor Bewitterung geschützt, Dämmung unter Deckungen
WAP Außendämmung der Wand unter Putz
DAA Außendämmung von Dach oder Decke, vor Bewitterung geschützt, Dämmung unter Abdichtungen
WZ
Dämmung von zweischaligen Wänden, Kerndämmung
DUK Außendämmung des Daches, der Bewitterung ausgesetzt (Umkehrdach)a
WH
Dämmung von Holzrahmen- und Holztafelbauweise
WI
Innendämmung der Wand
DZ
Zwischensparrendämmung, zweischaliges Dach, nicht begehbare, aber zugängliche oberste Geschossdecken
DI
Innendämmung der Decke (unterseitig) oder des Daches, Dämmung unter den Sparren/Tragkonstruktion, abgehängte Decke usw.
WTH Dämmung zwischen Haustrennwänden mit Schallschutzanforderungen
DEO Innendämmung der Decke oder Bodenplatte (oberseitig) unter Estrich ohne Schallschutzanforderungen
WTR Dämmung von Raumtrennwänden
DES
Innendämmung der Decke oder Bodenplatte (oberseitig) unter Estrich mit Schallschutzanforderungen
Perimeter PW
Außen liegende Wärmedämmung von Wänden gegen Erdreich (außerhalb der Abdichtung)a
PB
Außen liegende Wärmedämmung unter der Bodenplatte gegen Erdreich (außerhalb der Abdichtung) a)
Wand WAB Außendämmung der Wand hinter Bekleidung
WAA Außendämmung der Wand hinter Abdichtung
a)
Es gelten die Festlegungen nach DIN 4108-2.
Piktogramm
1159
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz Tabelle 18.5 Differenzierungen von bestimmten Produkteigenschaften nach DIN 4108-10 Produkteigenschaft
Druckbelastbarkeit
Wasseraufnahme
Zugfestigkeit
Schalltechnische Eigenschaften
Verformung
Kurzzeichen
Beschreibung
Beispiele
dk
Keine Druckbelastbarkeit
Hohlraumdämmung, Zwischensparrendämmung
dg
Geringe Druckbelastbarkeit
Wohn- und Bürobereich unter Estrich
dm
Mittlere Druckbelastbarkeit
Nicht genutztes Dach mit Abdichtung
dh
Hohe Druckbelastbarkeit
Genutzte Dachflächen, Terrassen
ds
Sehr hohe Druckbelastbarkeit
Industrieböden, Parkdeck
dx
Extrem hohe Druckbelastbarkeit
Hoch belastete Industrieböden, Parkdeck
wk
Keine Anforderungen an die Wasseraufnahme
Innendämmung im Wohn- und Bürobereich
wf
Wasseraufnahme durch flüssiges Wasser
Außendämmung von Außenwänden und Dächern
wd
Wasseraufnahme durch flüssiges Wasser und/oder Diffusion
Perimeterdämmung, Umkehrdach
zk
Keine Anforderungen an Zugfestigkeit
Hohlraumdämmung, Zwischensparrendämmung
zg
Geringe Zugfestigkeit
Außendämmung der Wand hinter Bekleidung
zh
Hohe Zugfestigkeit
Außendämmung der Wand unter Putz, Dach mit verklebter Abdichtung
sk
Keine Anforderungen an schalltechn. Eigenschaften
Alle Anwendungen ohne schalltechnische Anforderungen
sh
Trittschalldämmung erhöhte Zusammendrückbarkeit
sm
Mittlere Zusammendrückbarkeit
sg
Trittschalldämmung, geringe Zusammendrückbarkeit
tk
Keine Anforderungen an die Verformung
Innendämmung
tf
Dimensionsstabilität unter Feuchte und Temperatur
Außendämmung der Wand unter Putz, Dach mit Abdichtung
tl
Verformung unter Last und Temperatur
Dach mit Abdichtung
Schwimmender Estrich, Haustrennwände
Tabelle 18.6 Mindestanforderungen an Polystyrol-Hartschaum (EPS) nach DIN EN 13163
1160 18 Dämmstoffe
1161
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz
Perimeter
Wand
Dach und Decke a)
Holzfasern (WF)
Expandierter Kork (ICB)
Blähperlit (EPB)
Holzwolle (WW)
Schaumglas (CG)
Phenol-Hartschaum (PF)
Polystyrol, expandiert (EPS) Extrudierter Polystyrolschaum (XPS) Polyurethan-Hartschaum (PUR)
Mineralwolle (MW)
Piktogramm
Kurzzeichen nach DIN V 4108-10
Tabelle 18.7 Anwendungsmatrix für Wärmedämmstoffe nach EN 13162 bis 13171
Außendämmung von Dach oder Decke, vor Bewitterung geschützt, Dämmung unter Deckungen
DAD
• • • • • •
• • •
Außendämmung von Dach oder Decke, vor Bewitterung geschützt, Dämmung unter Abdichtungen
DAA
• • • • • •
• • •
Außendämmung des Daches, der Bewitterung ausgesetzt (Umkehrdach)a Zwischensparrendämmung, zweischaliges Dach, nicht begehbare, aber zugängliche oberste Geschossdecken Innendämmung der Decke (unterseitig) oder des Daches, Dämmung unter den Sparren/Tragkonstruktion, abgehängte Decke usw. Innendämmung der Decke oder Bodenplatte (oberseitig) unter Estrich ohne Schallschutzanforderungen
•
DUK
DZ
• •
• •
• • • •
DI
• • • • • • • • • •
DEO
• • • • • • • • • •
Innendämmung der Decke oder Bodenplatte (oberseitig) unter Estrich mit Schallschutzanforderungen
DES
• •
Außendämmung der Wand hinter Bekleidung
WAB
• • • • • • • • • •
Außendämmung der Wand hinter Abdichtung
WAA
Außendämmung der Wand unter Putz
WAP
•
•
• • • • • • • • • • • • • • •
Dämmung von zweischaligen Wänden, Kerndämmung
WZ
• • • • • •
Dämmung von Holzrahmen- und Holztafelbauweise
WH
•
•
Innendämmung der Wand
WI
• •
• • • • • • •
Dämmung zwischen Haustrennwänden mit Schallschutzanforderungen
WTH
•
Dämmung von Raumtrennwänden
WTR
•
• • • • • •
Außen liegende Wärmedämmung von Wänden gegen Erdreich (außerhalb der Abdichtung)a
PW
•
•
Außen liegende Wärmedämmung unter der Bodenplatte gegen Erdreich (außerhalb der Abdichtung)a
PB
•
•
Es gelten die Festlegungen nach DIN 4108-2.
• • •
• •
1162
18 Dämmstoffe
18.2.4.2 An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmungen
Das unter 18.2.4.1 behandelte europäische Normenpaket gilt nur für werkmäßig hergestellte Produkte, d.h. vorgeformte Ware in Form von Platten, Matten, Rollen, Formteilen usw. Wärmedämmungen, die an der Verwendungsstelle hergestellt werden, werden in folgenden Normen bzw. Normentwürfen behandelt: Schüttdämmstoffe: DIN EN 14063 (Entwurf) Blähton DIN EN 14316 expandiertes Perlite DIN EN 14317 expandiertes Vermiculite Faserdämmstoffe: DIN EN 14064 (Entwurf) Mineralwolle DIN EN 15101 (Entwurf) Zellulose Schaumdämmstoffe: DIN EN 14315 (Entwurf) PUR-Spritzschaum DIN EN 14318 (Entwurf) dispensierter PUR-Schaum Die Normen bestehen aus jeweils zwei Teilen, wobei Teil 1 die Spezifikation für die Produkte vor dem Einbau und Teil 2 die Spezifikation für die eingebauten Produkte beschreibt. Für alle aufgeführten Materialien sind vor dem Einbau der Wärmedurchlasswiderstand und die Wärmeleitfähigkeit zu prüfen. An den eingebauten Produkten wird dann zur Kontrolle die Einbaudicke der Dämmschicht und ggf. zusätzlich das Flächengewicht bzw. die eingebaute Menge überprüft. Wegen der Setzungsgefahr werden bei Faserdämmstoffen Anforderungen an das Setzmaß der Schüttung gestellt. 18.2.4.3 Wärmedämmverbundsysteme
Für die Außendämmung von Wänden werden so genannte Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) eingesetzt. WDVS sind aus systemspezifischen Komponenten aufgebaut, werden als System auf seine Eignung geprüft und als vollständiges System vom Hersteller geliefert (= Bausatz). Sie bestehen aus folgenden systemspezifischen Komponenten: Klebemasse/-mörtel: Produkt zum Befestigen des Wärmedämmstoffes auf dem Untergrund. Mechanische Befestigungsmittel: Zum Befestigen von Wärmedämmsystemen auf dem Untergrund, z. B. Schienen oder Dübel. Wärmedämmstoff: Im Allgemeinen werden Platten aus MW oder EPS verwendet. Unterputz: Schicht, die direkt auf den Wärmedämmstoff aufgebracht wird. Sie enthält die Armierung. Der Unterputz bestimmt die meisten mechanischen Eigenschaften eines WDVS. Armierung: Materialien, die in den Unterputz eingebettet werden, um dessen mechanische Festigkeit zu verbessern. Armierungen für WDVS sind im Allgemeinen Glasfaser- oder Metallgewebe.
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz
1163
Oberputz/Schlussbeschichtung: systemspezifische mineralische, organische und/oder anorganische Materialien, die die äußere Schicht eines WDVS bilden. Der Oberputz/die Schlussbeschichtung, kombiniert mit dem Unterputz, bewirkt den Schutz gegen Einflüsse des Wetters und verleiht dem System die gewünschte Struktur und Farbe.
In WDV-Systemen wird üblicherweise EPS oder MW als Wärmedämmstoff eingesetzt; die verwendeten Materialien müssen den Anforderungen der europäischen Produktnormen EN 13162 (MW) bzw. EN 13163 (EPS) sowie der DIN 4108-10 genügen. Darüber hinaus ergeben sich zusätzliche Anforderungen, die in DIN EN 13499 für WDVS mit EPS-Dämmung und in DIN EN 13500 für Systeme mit MW-Dämmung festgelegt sind, z. B. Haftzugfestigkeit des Klebers bzw. des Unterputzes auf der Dämmplatte. Im Hinblick auf mechanische Beschädigungen der Oberfläche des WDVS werden ferner Anforderungen an die Schlagfestigkeit (Ii) sowie den Eindringwiderstand (PEi) gestellt. Hinweise für die Verarbeitung von Wärmedämmverbundsystemen gibt DIN 55699. Die Energieeinsparung durch Anbringen von WDVS wird wesentlich durch die Dicke d und den Nennwert der Wärmeleitfähigkeit D des verwendeten Wärmedämmstoffes beeinflusst. Der Nennwert des Wärmedurchlasswiderstandes R des WDVS kann daher näherungsweise berechnet werden zu
R ≈ RD =
d
λD
(18.6)
R muss mindestens 1,0 m²K/W betragen.
Beispiel für die Bezeichnung eines Wärmedämmverbundsystems: WDVS – EPS – EN 13499 – 2,5 – B – I2 – PE200 Eindringwiderstand PE > 200 N Schlagfestigkeit I2 (keine Schäden bei 2 J) Brandverhalten Euroklasse B Nennwert des Wärmdurchlasswiderstandes R = 2,5 m²K/W
18.2.5 Transparente Wärmedämmung Mit dem Begriff „Transparente Wärmedämmung (TWD)“ bezeichnet man Materialien, die eine niedrige Wärmeleitfähigkeit mit einem hohen Transmissionsgrad für Solarstrahlung verbinden. TWD wird sowohl in Wänden zu Heizzwecken (Wärmegewinne durch Sonnenenergie) als auch in transluzenten Wandkonstruktionen zur Verbesserung der Raumausleuchtung mit Tageslicht (Tageslichtsysteme) eingesetzt.
1164
18 Dämmstoffe
Das transparente Dämmsystem lässt Sonnenstrahlen durch und wandelt die Sonnenenergie in Wärme um; gleichzeitig werden aufgrund seiner geringen Wärmeleitfähigkeit die Wärmeverluste minimiert. Materialien für TWD-Systeme sind Kapillar- oder Wabenplatten aus Kunststoff oder Glas, Mehrscheibenverglasungen oder mit Aerogelgranulat gefüllte Verglasungen.
Bild 18-3 Aufbau einer transparenten Wärmedämmung
Bei Außenwänden befinden sich die transparenten Wärmedämmelemente vor einer massiven Wand (siehe Bild 18-3). Die Sonnenstrahlung durchdringt die TWD, trifft auf die dunkle Absorberschicht auf der Wandaußenseite und erwärmt die Wand. Die so gewonnene Wärmeenergie wird um mehrere Stunden zeitversetzt und – bei entsprechend hoher Speicherfähigkeit der Wand – über längere Zeiträume an den Innenraum abgegeben. Die Wärmeverluste nach außen sind wegen der geringen Wärmeleitung der TWD minimal (z. B. Aerogel: = 0,018 W/(mK)). Um eine mögliche Überhitzung der Räume während der Sommermonate zu vermeiden, können Verschattungseinrichtungen (Rollos, Jalousien, Dachvorsprünge u. ä.) angeordnet werden. Weitere Möglichkeiten sind die Montage einer thermotropen Schicht vor der TWD, durch die die Transmission bei hohen Temperaturen stark abnimmt, oder die Verwendung winkelselektiv transmittierender Schichten (z. B. Perlglanzpigmente), die die hochstehende Sommersonne weitgehend ausblenden. TWD-Systeme sind aus ökologischen Gründen durchaus empfehlenswert; sie sind derzeit jedoch nur selten konkurrenzfähig, weil transparente Wärmedämmung wesentlich teurer als konventionelle Wärmedämmung ist.
18.2 Dämmstoffe für den Wärmeschutz
1165
18.2.6 Vakuum-Isolations-Paneele (VIP) Vakuum-Isolations-Paneele (VIP) werden bereits seit längerer Zeit für Kühl- und Gefriergeräte, temperaturgeregelte Verpackungen u. ä. verwendet. Seit einigen Jahren finden sie auch im Bauwesen für unterschiedliche Dämmaufgaben Anwendung. Derartige Dämmplatten bestehen aus einem porösen Kernmaterial, in dem ein Vakuum erzeugt wird. Die Platte wird mit einer dichten Folie ummantelt, die einen Lufteintrag in die Dämmplatte verhindert. Durch das Vakuum werden die Konvektion und Wärmeleitung der Luft in der Platte vernachlässigbar klein; ein Wärmetransport findet nur noch über die Wärmeleitung des Kernmaterials und die Wärmestrahlung statt. Mit Vakuumdämmplatten können Wärmeleitfähigkeiten λ zwischen 0,002 und 0,008 W/(m⋅K) erzielt werden. Damit sind die λ-Werte etwa um den Faktor 5 bis 10 geringer als bei konventionellen Wärmedämmstoffen. Die Dämmstoffdicke kann demzufolge bei Verwendung von VIPs entsprechend verringert werden; die daraus resultierende Platzeinsparung bietet den entscheidenden Vorteil von VIPs im Baubereich. Nachteilig ist der deutlich höhere Preis im Vergleich zu konventionellen Dämmstoffen. Als Kernmaterial wird heute meist pyrogene Kieselsäure verwendet, weil sich damit die niedrigsten Wärmeleitfähigkeiten realisieren lassen. Es können aber auch Faserplatten, Schaumkunststoffe oder andere offenporige Materialien, z. B. Perlite, in Vakuumdämmplatten verarbeitet werden. Die Außenhülle der Dämmelemente besteht meist aus einer mit einer dünnen Aluminiumschicht bedampften Kunststofffolie. Durch derartige Folien lassen sich – im Vergleich zu einer Aluminiumfolie – die hohen Wärmeverluste im Randbereich der Paneele und damit die Wärmebrücken an den Plattenstößen reduzieren. Außerdem weisen die Folien geringe Durchlässigkeitswerte auf, wodurch eine lange Lebensdauer (in der Literatur werden Zeiträume von 30 bis 50 Jahren genannt) ermöglicht wird. Um das Vakuum in den Paneelen aufrechtzuerhalten, darf die Außenhülle nicht verletzt werden. Daher müssen Transport, Handhabung und Verarbeitung mit besonderer Sorgfalt und Vorsicht erfolgen; die ausführenden Betriebe sollten entsprechend geschult sein. Auf keinen Fall dürfen VIPs nachträglich zugeschnitten, sondern müssen passgenau gefertigt werden. Ihre Befestigung erfolgt meist durch Kleben oder mit speziellen Befestigungsmitteln; Nageln, Schrauben und sonstige Perforationen der Außenhülle sind grundsätzlich verboten.
18.2.7 Latentwärmespeicher – Phase Change Materials Bei der Einspeicherung von Wärme in einem Speichermaterial, z. B. Wasser, erhöht sich dessen Temperatur kontinuierlich mit zunehmender Wärmemenge entsprechend der spezifischen Wärmekapazität des Materials. Diese Form der Wärmespeicherung ist mit deutlichen Temperaturerhöhungen verbunden und wird deshalb „fühlbare“ oder „sensible Wärmespeicherung“ genannt. Unter Latentwärmespeicherung versteht man die Speicherung von Wärme in einem Material, welches einen Phasenübergang, vorwiegend fest – flüssig, erfährt (engl. Phase Change Material, PCM). Wird die Temperatur des Phasenübergangs erreicht, beginnt das Material zu
1166
18 Dämmstoffe
schmelzen. Danach erhöht sich – trotz weiterer Einspeicherung von Wärme – die Temperatur so lange nicht, bis das Material komplett geschmolzen ist. Die im Phasenübergang eingespeicherte Wärme wird, weil keine merkliche Temperaturerhöhung stattfindet, als „versteckte“ oder „latente Wärme“ bezeichnet; sie entspricht bei dem hier betrachteten Fall des Phasenübergangs fest – flüssig der Schmelz- bzw. Kristallisationswärme des Speichermaterials. Bild 18-4 zeigt den Temperaturverlauf bei sensibler und latenter Wärmespeicherung im Vergleich. Die latent eingespeicherte Wärmemenge kann beträchtlich sein: Um beispielsweise 1 kg Eis bei 0 °C zu schmelzen, werden 333 kJ benötigt; mit der gleichen Wärmemenge kann Wasser von 0 °C auf 80 °C erhitzt werden.
Bild 18-4 Temperaturverhalten eines sensiblen und eines latenten Wärmespeichers
Der Vorteil von PCM gegenüber anderen Speichermaterialien besteht darin, dass sie bei kleinen Temperaturdifferenzen zwischen dem Speichermaterial und der Umgebung große Energiemengen aufnehmen, diese über einen großen Zeitraum verlustfrei speichern und schließlich bei Bedarf wieder abgeben können. Übersteigt die Raumtemperatur die Temperatur des Phasenübergangs, so schmilzt das PCM und nimmt dabei große Mengen an Wärme auf; der Raum erwärmt sich nicht weiter. Sinkt danach nachts die Raumtemperatur wieder unter die Phasenübergangstemperatur, beginnt der Kristallisationsprozess, d. h. das PCM wird wieder fest und die aufgenommene Energie wird an die Umgebungsluft abgegeben. Bei unzureichender Abkühlung in heißen Sommernächten kann es zu einer Überhitzung der Räume kommen, weil das oben beschriebene passive System nicht funktioniert. Deshalb wurden aktive Systeme entwickelt, bei denen Zeitpunkt und Geschwindigkeit des Entladens durch die gezielte Zufuhr von Kühlenergie gesteuert werden, beispielsweise durch in das Bauteil eingelegte Wasserrohre oder durch Luftkühlung an der Oberfläche. Für die Anwendung in Innenräumen werden PCM benötigt, deren Schmelzpunkt im Bereich der gewünschten Raumtemperatur liegt. Für den Temperaturbereich zwischen 20 und 30 °C sind Paraffine und bestimmte Salzhydrate (z. B. Calciumchloridhexahydrat) besonders geeignet, weil ihre Schmelz-/Erstarrungstemperaturen dem Einsatzzweck entsprechend eingestellt werden können. PCM werden mittlerweile in verschiedenen Baustoffen für den Innenausbau wie z. B. Bauplatten, Putze, Spachtelmassen, Farben usw. eingesetzt. Damit sie ihre Funktionsfähigkeit im Baustoff erhalten können, müssen die PCM mikroverkapselt, d. h. mit einer dichten hochfes-
18.3 Dämmstoffe für den Schallschutz
1167
ten Kunststoffhülle ummantelt werden. Je nach Produkt werden dem Baustoff 20 bis 30 % PCM zugemischt. Da die Mikrokapseln sehr robust sind, ist das Schneiden, Bohren oder Schleifen der Baustoffe ohne weiteres möglich.
18.3 Dämmstoffe für den Schallschutz Bei Schallschutzmaßnahmen muss unterschieden werden, ob sich Schallquelle und Hörer in demselben Raum oder in verschiedenen Räumen befinden. Im erstgenannten Fall wird der Schallschutz durch Schallabsorption, im zweiten Fall hauptsächlich durch Schalldämmung erreicht. Bei der Schalldämmung unterscheidet man zwischen Luftschalldämmung und Körperschalldämmung (siehe Abschnitt 1.2.11.2)
18.3.1 Schallabsorption Bei der Schallabsorption (auch als „Schallschluckung“ bezeichnet) wird die in das Bauteil eindringende Schallenergie durch Reibung in Wärme umgewandelt. Dabei ist der Absorptionsgrad umso höher, je größer die äquivalente Schallabsorptionsfläche ist. Deshalb absorbieren offenporige Stoffe, z. B. Faserdämmstoffe, den Schall stärker als geschlossenporige Materialien wie bestimmte Schaumkunststoffe. Der Absorptionsgrad ist stark von der Frequenz abhängig. Das Absorptionsverhalten von Dämmstoffen wird im Wesentlichen von folgenden drei Parametern bestimmt [18.2]:
Offene Porosität Als offene Porosität bezeichnet man den Anteil der offenen und untereinander verbundenen Poren am Gesamtvolumen der Dämmschicht (siehe Abschnitt 1.2.3.3). Eine gute schallabsorbierende Wirkung wird bereits ab einer offenen Porosität von 50 Vol.-% erzielt; dieser Wert wird von praktisch allen Dämmstoffen erreicht. Bei Materialien mit guten schallabsorbierenden Eigenschaften wie z. B. Mineralwolle oder offenporige Schaumstoffe beträgt die Porosität > 90 Vol.-%. Strukturfaktor Nicht nur der Porenraum, sondern auch die Porengeometrie spielt für die Schallabsorption eine wichtige Rolle. Durchgehende gerade Porenkanäle sind günstiger als stark verzweigte Porensysteme mit Sackporen. Der Strukturfaktor ist definiert als das Verhältnis des offenen Porenraums zu dem am Absorptionsvorgang beteiligten wirksamen Porenvolumen. Die Werte liegen für die am häufigsten in der Praxis verwendeten Dämmstoffe zwischen 1,0 und 2,0. Durch Materialien mit hohen Strukturfaktoren (einige Schaumkunststoffe weisen Werte bis 10 auf) wird keine Verbesserung der Schallabsorption erreicht. Strömungswiderstand Der spezifische Strömungswiderstand ist das Verhältnis der Druckdifferenz vor und hinter einer Materialschicht zur Geschwindigkeit der durchströmenden Luft; er wird in Pa⋅s/m angegeben. Das Prüfverfahren ist in DIN EN 29053 beschrieben.
1168
18 Dämmstoffe
Ist der spezifische Strömungswiderstand sehr groß, kann der Schall nicht ausreichend tief in das Material eindringen, d. h. der Schall wird großteils reflektiert. Ist der spezifische Strömungswiderstand hingegen sehr niedrig, so durchdringt der Schall die Dämmschicht und wird von der dahinter liegenden Oberfläche reflektiert. Der spezifische Strömungswiderstand steigt mit zunehmender Schichtdicke an. Als Materialkenngröße wird daher der längenbezogene Strömungswiderstand (= Quotient aus spezifischem Strömungswiderstand und Schichtdicke) gebildet; er wird in der Einheit Pa⋅s/m² (auch N⋅s/m4) angegeben. Der optimale Wert liegt im Bereich zwischen 5 und 50 kPa⋅s/m². Neben den o. g. Strukturfaktoren spielt die Dämmstoffdicke eine wesentliche Rolle. Wie in Bild 18-5 dargestellt, verschiebt sich die Absorptionskurve mit zunehmender Plattendicke in den Bereich tieferer Frequenzen. Eine weitere Verbesserung kann erzielt werden, wenn man die Platten nicht – wie in dem in Bild 18-5 dargestellten Fall – direkt auf der Wand befestigt, sondern in einem bestimmten Abstand vor der Wand anordnet.
Bild 18-5 Einfluss der Dicke von Mineralfaserdämmplatten und der Frequenz auf den Schallabsorptionsgrad
Zum Zwecke der Schallabsorption werden oft so genannte Akustikplatten verwendet, die mit Abstand montiert oder direkt auf dem Untergrund aufgeklebt werden. Schallschluckmaterialien in loser Form oder als Matten können ebenfalls eingesetzt werden; sie werden meist hinter einer gelochten Abdeckung (Holz, Hartfaserplatten, Blech usw.) eingebaut; durch einen zusätzlichen Oberflächenschutz (Rieselschutz) muss gewährleistet sein, dass keine Fasern in die Raumluft gelangen können.
18.3.2 Luftschalldämmung Die Luftschalldämmung von Bauteilen hängt von zahlreichen Faktoren ab. Die wichtigsten Einflussgrößen sind Masse, Abmessungen, Biegesteifigkeit und Materialdämpfung des trennenden Bauteils. Darüber hinaus können Undichtigkeiten, Rohrdurchführungen, konstruktive Ausbildung der Anschlüsse an angrenzende Bauteile usw. die Schalldämmung erheblich beeinflussen. Für die Luftschalldämmung sind somit nicht nur baustoffspezifische Kenngrößen maßgebend; vielmehr müssen bei der Planung von Schallschutzmaßnahmen eine Reihe weiterer Einflüsse berücksichtigt werden. Die Darstellung dieser komplexen Zusammenhänge kann
18.3 Dämmstoffe für den Schallschutz
1169
nicht im Rahmen dieses Buches zum Thema Baustoffkunde erfolgen; hierfür wird auf die weiterführende Literatur verwiesen. Die Luftschalldämmung einschaliger Bauteile hängt vor allem von der flächenbezogenen Masse des trennenden Bauteils ab, d. h. sie nimmt mit der Bauteildicke und der Rohdichte des verwendeten Baustoffs zu. Mehrschalige Bauteile hingegen verhalten sich schalltechnisch äußerst komplex. Bei zweischaligen Wandaufbauten sind grundsätzlich drei Fälle zu unterscheiden:
a) Wände mit 2 biegesteifen Schalen Zweischalige Wände aus zwei biegesteifen Schalen werden z. B. als Haustrennwände von Reihen- oder Doppelhäusern eingesetzt; dies entspricht dem Anwendungsfall WTH nach Tabelle 18.4. Zum Ausfüllen des Fugenhohlraumes werden meist Platten aus Mineralwolle (MW) verwendet, an die besondere Anforderungen hinsichtlich längenbezogener Strömungswiderstand (SDi) und Zusammendrückbarkeit (CPi) gestellt werden. Bei Ortbetonwänden werden MW-Platten mit einseitiger Beschichtung und Stufenfalz eingesetzt, um ein Eindringen von Feinmörtel in die Fugen bzw. in die Platte zu vermeiden. Die Anforderungen an die Wandausbildung enthält DIN 4109 Beiblatt 1. Eine Kopplung der beiden Wandschalen, z. B. durch Mörtelbrücken oder Bauschutt im Fugenzwischenraum, durchgehende Geschossdecken, Außenputz oder durch andere Schallbrücken muss unbedingt vermieden werden.
b) Wände mit 2 biegeweichen Schalen Derartige Konstruktionen ermöglichen eine hohe Schalldämmung bei geringer Masse. In den meisten Fällen werden die Schalen (z. B. Gipskartonplatten, Spanplatten) auf einer Stützkonstruktion (Stahl- oder Holzständer) befestigt, deren konstruktive Ausbildung die Schalldämmung maßgeblich beeinflusst. Die Stützkonstruktion soll nicht als Rahmen ausgeführt werden, sondern aus einzelnen Ständern mit mindestens 600 mm Abstand bestehen; eine besonders hohe Dämmung wird mit getrennten Ständern für jede Wandschale erzielt. Maßgebend für die Schalldämmung ist auch hier die Schalllängsleitung entlang der flankierenden Wände und Decken. Der Hohlraum sollte möglichst vollständig mit Mineralwolle gefüllt werden (Füllungsgrad mindestens 80 %). Die Rohdichte des Dämmstoffes spielt keine Rolle, der Strömungswiderstand nur eine untergeordnete Rolle für die Hohlraumdämpfung (im Beiblatt 1 der DIN 4109 wird ein längenbezogener Strömungswiderstand > 5 kPa⋅s/m² gefordert; höhere Werte bewirken keine Verbesserung der Schalldämmung).
c) Wand mit biegesteifer Schale und einer biegeweichen Vorsatzschale Durch die Anordnung einer biegeweichen Vorsatzschale kann eine Massivwand schalltechnisch verbessert werden. Dabei hängt die Erhöhung des Luftschalldämmmaßes von der Art der Verkleidung, ihrer Befestigung auf der Massivwand bzw. an Boden und Decke (Längsleitung über flankierende Bauteile), aber auch vom Flächengewicht der Massivwand ab (bei großem Flächengewicht der Wand sind nur noch geringfügige Verbesserungen möglich).
1170
18 Dämmstoffe
Die Vorsatzschale wird auf einem möglichst freistehenden Ständerwerk aus Holz oder Metall befestigt. Der Hohlraum wird mit Dämmmaterial mit einem längenbezogenen Strömungswiderstand > 5 kPa⋅s/m² gefüllt; dabei sollte der Füllungsgrad mindestens 60 % betragen.
18.3.3 Trittschalldämmung Die Wirkung von Dämmstoffen für die Trittschalldämmung beruht darauf, dass die beim Begehen erzeugte Stoßenergie von der elastischen Dämmschicht abgefangen und nicht in die Unterkonstruktion weitergeleitet wird. Kenngröße für dieses Federungsvermögen der Dämmschicht ist ihre dynamische Steifigkeit s’. Die Bestimmung von s’ erfolgt mit einem einfach durchzuführenden akustischen Messverfahren, bei dem die Resonanzfrequenz eines Masse-Feder-System gemessen wird. Dabei wird die Feder durch den Probekörper aus dem zu prüfenden Dämmstoff und die Masse durch eine aufgelegte Platte gebildet. Das Verfahren ist in DIN EN 29052-1 beschrieben. Aus der dynamischen Steifigkeit kann dann das Trittschallverbesserungsmaß Lw,R der Decke ermittelt werden (siehe Tabelle 18.8). Tabelle 18.8 Trittschallverbesserungsmaß Lw,R von schwimmenden Estrichen auf Massivdecken nach DIN 4109 Beiblatt 1 Dynamische Steifigkeit des Dämmstoffs in MN/m³
mit hartem Bodenbelag
Lw,R in dB mit weichfederndem Bodenbelag
50
22
23
40
24
25
30
26
27
20
28
30
15
29
33
10
30
34
In Tabelle 18.9 sind die dynamischen Steifigkeiten für verschiedene Dämmschichten zusammengestellt. Die Größe von s’ hängt vom verwendeten Material und von der Dämmstoffdicke ab; maßgebend ist die Dicke im eingebauten Zustand. Je geringer die dynamische Steifigkeit, desto höher ist das Federungsvermögen der Dämmschicht und desto besser ist die Trittschalldämmung. Eine Trittschalldämmung entspricht dem Anwendungsfall DES nach Tabelle 18.4 (Innendämmung unter Estrich mit Schallschutzanforderungen). Als Dämmstoffe kommen hierfür überwiegend Mineralwolle (MW) und Polystyrol-Hartschaum (EPS) zum Einsatz. Tabelle 18.10 zeigt beispielhaft die Anforderungen an MW-Dämmmaterialien nach DIN 4108-10.
1171
18.3 Dämmstoffe für den Schallschutz
Tabelle 18.9 Dynamische Steifigkeit verschiedener Dämmschichten für schwimmende Estriche [18.3] Dicke im eingebauten Zustand [mm]
dynamische Steifigkeit s’ [MN/m³]
10
15
20
8
10
30
normal steif
20
80
elastifiziert
30
10
Polyethylen-Schaumstoffmatten
5
60
normalsteife Ausführung (250 kg/m³)
22
120
extraporöse Platten (160 kg/m³)
22
40
Holzwolle-Leichtbauplatten
25
200
Korkplatten
12
500
Korkschrotmatten
13
80
Gummischrotmatten
6
100
Dämmstoff Mineralfaserplatten Kokosfaserplatten Polystyrol-Schaumstoffplatten
poröse Holzfaserplatten
Wellpappe aus Wollfilz
2,5
180
Sandschüttung
25
300
Korkschrotschüttung
20
80
Blähglimmer-Schüttung
15
170
Tabelle 18.10 Mindestanforderungen an Mineralwolle-Trittschalldämmungen nach DIN 4108-10 Flächenlast auf dem Estrich a)
dynamische Steifigkeit
Zusammendrückbarkeit
Grenzabmaß der Dicke
DES sh
≤ 2,0 kPa
≤ SD25
CP5
T6
DES sm
≤ 4,0 kPa
≤ SD40
CP3
T6
CP2
T7
Anwendungsgebiet
DES sg a) b) c)
≤ 5,0 kPa
b)
≤ SD50
c)
nach DIN EN 13162 Tabelle 3 Bei Verkehrslasten > 5 kPa ist das Langzeitkriechverhalten CC (3/1,5/10)10 nachzuweisen. Für Dicken 20 mm; für Dicken < 20 mm können auch höhere Werte angesetzt werden.
1172
18 Dämmstoffe
18.4 Dämmstoffe für den Brandschutz Dämmschichten in Brandschutzkonstruktionen dienen vor allem dazu, den Wärmestrom von der Brandseite zu der dem Feuer abgewandten Bauteilseite zu reduzieren. Maßgebliche Stoffeigenschaften im Brandfall sind die Baustoffklasse, der Schmelzpunkt bzw. Schmelzbereich, die Brandnebenerscheinungen (brennendes Abtropfen, Rauchentwicklung), die Wärmekapazität, die spezifische Oberfläche und das „Stehvermögen“ des Dämmstoffs sowie der Verbund mit anderen Stoffen [18.11]. Nach diesen Kriterien sind ungeschützte Hartschäume für den Brandschutz ungeeignet; hingegen haben sich mineralische sowie teilweise auch organische Faserdämmstoffe bewährt.
18.4.1 Brandschutztechnische Eigenschaften, Anforderungen 18.4.1.1 Baustoffklassen nach DIN 4102
Mineralische Dämmstoffe werden aus anorganischen, nicht brennbaren Ausgangsstoffen wie Glas, Gestein usw. hergestellt und entsprechen von daher der Baustoffklasse A nach DIN 4102-1. Sie können allerdings organische Bestandteile in Form von Bindemitteln, Kaschierungen usw. enthalten, so dass sie evtl. in die Baustoffklasse B1 eingeordnet werden müssen. Sowohl synthetisch hergestellte als auch natürliche organische Materialien sind von Natur aus brennbar. Durch den Einsatz unterschiedlicher Flammschutzmittel können die Materialien hinsichtlich ihrer Baustoffklasse verbessert werden. Hierzu werden bei der Herstellung von Kunststoffen u. a. halogen- oder phosphorhaltige Produkte bzw. Metallhydroxide zugegeben, wodurch die Einordnung in die Baustoffklasse B1 möglich wird. Nachwachsende organische Fasermaterialien werden mit Borsalzen (Zellulose, Flachs, Schafwolle), Soda (Hanf) u. ä. behandelt; die meisten dieser Materialien gehören der Baustoffklasse B2 nach DIN 4102-1 an (siehe Tabelle 18.11). In Abschnitt 1.2.12.5 wurde bereits auf die für viele Baustoffe noch fehlenden Einbau- und Prüfbedingungen beim SBI-Test hingewiesen. Für werkmäßig hergestellte Wärmedämmstoffe liegt hierzu seit September 2007 der Normentwurf DIN EN 15715 „Wärmedämmstoffe – Einbau- und Befestigungsbedingungen für die Prüfung des Brandverhaltens – Werkmäßig hergestellte Wärmedämmstoffe“ vor. Mit der Einführung dieser Norm wird die Brandprüfung von Wärmedämmstoffen und deren eindeutige Zuordnung zu den Euroklassen nach EN 13501-1 ermöglicht.
1173
18.4 Dämmstoffe für den Brandschutz Tabelle 18.11 Baustoffklassen nach DIN 4102-1 von Dämmstoffen (Daten aus [18.7]) Dämmstoff
Baustoffklasse nach DIN 4102-1
Mineralwolle
A1, A2, B1
Schaumglas
A1, A2
Blähglas
A1
Blähton
A1
Blähperlit
A1
Vermiculite
A1
Calciumsilikat
A1, A2
Zellulose
B1, B2
Holzfasern
B1, B2
Baumwolle
B1, B2
Flachs
B2
Hanf
B2
Kokosfasern
B2
Schafwolle
B2
Kork
B2
Polystyrol, expandiert (EPS)
B1, B2
Polystyrol, extrudiert (XPS)
B1, B2
Polyurethan (PUR)
B1, B2
18.4.1.2 Brandparallelerscheinungen
Die wichtigsten Parallelerscheinungen bei Bränden sind die Rauchentwicklung sowie das brennende Abtropfen; beide Erscheinungen müssen nach der neuen europäischen Brandschutznorm EN 13501-1 überprüft und klassifiziert werden (siehe 1.2.12.5). Im Brandfall geht die Hauptgefahr für den Menschen von der Art und Toxizität der entstehenden Brandgase (z. B. Kohlenmonoxid CO) aus. Schätzungsweise 80 % aller Todesfälle bei Bränden sind auf das Einatmen giftiger Rauchgase und nicht auf die Flammen direkt zurückzuführen. Außerdem behindert eine starke Rauchentwicklung die Sichtverhältnisse, was sich sowohl bei der Evakuierung des Gebäudes als auch bei den Löscharbeiten negativ auswirkt. Durch brennendes Abfallen und Abtropfen können Sekundärbrände ausgelöst und der Brand innerhalb eines Gebäudes weitergeleitet werden. Darüber hinaus besteht für Personen die Gefahr von Verbrennungen.
1174
18 Dämmstoffe
18.4.1.3 Schmelzpunkt, Schmelzbereich
Der Schmelzpunkt eines Dämmstoffes ist ein Maß für seine Temperaturbeständigkeit. In DIN 4102-4 wird für die dort klassifizierten Bauteile ein Schmelzpunkt von mindestens 1000 °C gefordert. Mineralwolle-Dämmstoffe können je nach Ausgangsmaterial unterschiedliche Schmelzpunkte aufweisen. Während konventionelle Glaswolle bereits bei deutlich unter 1000 °C schmilzt, wird die o. g. Anforderung von Steinwolle im Allgemeinen erfüllt. Bei Mineralwolle ist die Bezeichnung „Schmelzpunkt“ eigentlich unzutreffend, weil die Materialien innerhalb eines breiten Temperaturbereiches erweichen; der Einfachheit halber wird die Bezeichnung dennoch auch für diese Produkte verwendet. 18.4.1.4 Spezifische Wärmekapazität und Oberfläche
Die spezifische Wärmekapazität eines Dämmstoffes wirkt sich auf die Feuerwiderstandsdauer von Bauteilen aus, weil es sich hierbei – wie im Brandfall auch – um einen instationären Vorgang handelt. Dämmstoffe, die bei gleicher Wärmeleitfähigkeit eine größere Wärmekapazität aufweisen, bewirken eine höhere Feuerwiderstandsdauer; dieser Effekt ist bei leichten Konstruktionen deutlich stärker ausgeprägt als in massiven Bauteilen. Hingegen vergrößert sich mit zunehmender spezifischer Oberfläche des Materials die Brandangriffsfläche, was zu einer geringeren Feuerwiderstandsdauer führt. 18.4.1.5 Stehvermögen, Verbundeigenschaften
Im Brandfall muss verhindert werden, dass der Dämmstoff in sich zusammensackt, vom Untergrund abfällt oder anderweitig die Schutzfunktion verloren geht. Deshalb muss ein ausreichendes Stehvermögen bzw. ein ausreichender Verbund mit dem Untergrund während des Brandes gewährleistet sein.
18.4.2 Dämmschichtbildende Brandschutzbeschichtungen Brandschutzbeschichtungen schäumen im Brandfall selbstständig auf und schützen so das Bauteil vor der Brandhitze; sie werden auch als „Dämmschichtbildner“ bezeichnet. Sobald die Temperatur einen bestimmten Wert übersteigt, laufen verschiedene chemische Reaktionen zwischen den Bestandteilen der Beschichtung ab; meist beginnt der Prozess bei ca. 100 °C. Infolge dieser Reaktionen schäumt die Beschichtung zu einem festen mikroporösen Kohleschaum auf. Dabei vergrößert sich das Volumen bis auf das 50fache, d. h. eine 1 mm dicke Beschichtung schäumt auf ca. 50 mm auf. Die Schicht zersetzt sich während des Brandes, so dass die schützende Wirkung mit der Branddauer abnimmt. Man unterscheidet Brandschutzbeschichtungen für Stahl, Holz und Kabel. Bei Stahlbauteilen kann durch Dämmschichtbildner eine Feuerwiderstandsdauer von 30 bis zu 90 Minuten erzielt werden (F30, F60, F90 nach DIN 4102-2). Holz und Holzwerkstoffe können mit Hilfe einer entsprechenden Beschichtung aus der Baustoffklasse B2 (normalentflammbar) in die Baustoffklasse B1 (schwerentflammbar) überführt werden. Bei Kabelanlagen werden die Brandfortleitung und der elektrische Funktionsausfall verhindert bzw. verzögert.
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18.5 Verhalten von Dämmstoffen bei Feuchtigkeit
Beschichtungssysteme für Stahl bzw. Holz bestehen meist aus 3 Komponenten: Grundierung, Dämmschichtbildner und Überzugslack. Der Überzugslack dient zur farblichen Gestaltung des Bauteils sowie zum Schutz der darunterliegenden Schichten; in trockenen Innenräumen kann auf das Aufbringen ggf. verzichtet werden. Brandschutzbeschichtungen bieten gegenüber anderen Schutzmaßnahmen (i. W. Bekleidungen) wesentliche Vorteile: die filigrane Struktur von z. B. Stahlkonstruktion bleibt sichtbar, weshalb Dämmschichtbildner in der modernen Architektur gerne eingesetzt werden. Außerdem wird das Eigengewicht der Konstruktionen praktisch nicht erhöht.
18.5 Verhalten von Dämmstoffen bei Feuchtigkeit Dämmstoffe weisen einen hohen Porenanteil auf. In diese Poren kann Wasser eindringen oder sich infolge Wasserdampfdiffusion und Kondensation niederschlagen. Dies ist in mehrfacher Hinsicht schädlich: zum einen verschlechtert sich die Dämmwirkung (siehe Bild 18-6), zum anderen trägt das Wasser zur Zerstörung der Materialien bei.
Bild 18-6 Einfluss des Wassergehaltes auf die Wärmeleitfähigkeit einiger Dämmstoffe [18.8]
1176
18 Dämmstoffe
Deshalb ist bei Transport, Lagerung und Einbau von Dämmstoffen sicherzustellen, dass keine Durchfeuchtung des Materials stattfinden kann. Besonders problematisch ist in den Dämmstoff eindringender und dort kondensierender Wasserdampf, weil das Wasser nicht ohne weiteres wieder ausdiffundieren kann und sich deshalb im Laufe der Zeit anreichert. Organische Dämmstoffe können bei Wassereinschluss „verfaulen“ bzw. sich zersetzen. Aber auch anorganische Dämmstoffe sind gefährdet, weil sich ihre Struktur infolge Feuchtigkeit verändern kann (Zusammensacken von Faserdämmstoffen). Außerdem besteht die Gefahr der Durchfeuchtung angrenzender Bauteile. Aus den genannten Gründen müssen die Kondensatmenge und Kondensatdauer durch geeignete Maßnahmen begrenzt werden. Hierfür wird nach DIN 4108-3 das so genannte Glaser-Verfahren angewendet. Das Risiko von Feuchteschäden hängt aber weniger von den Eigenschaften des verwendeten Dämmstoffs, sondern wesentlich vom Gesamtaufbau des Bauteils ab. Von daher ist es Aufgabe der Baukonstruktionslehre und der Bauphysik, das Schadensrisiko durch geeignete Maßnahmen auszuschalten bzw. zu minimieren.
18.6 Gesundheitliche Aspekte bei Faserdämmstoffen Ursache für die gesundheitliche Gefährdung durch Faserdämmstoffe sind Faserstäube, die bei unsachgemäßer Verarbeitung bzw. infolge unsachgemäßen Einbaus nachträglich freigesetzt werden. Hierbei ist zu unterschieden zwischen den Beeinträchtigungen durch größere Fasern, die sich durch Reizungen der Haut, Augen und oberen Atemwege bemerkbar machen, und den Folgen des Einatmens kleiner lungengängiger Fasern. Fasern aller Art können beim Menschen zu bösartigen Tumoren führen, wenn sie die beiden folgenden Eigenschaften aufweisen: 1. Die Fasern müssen lungengängig sein. Dies ist der Fall, wenn sie folgende Abmessungen aufweisen: Länge l > 5 μm, Durchmesser d < 3 μm und Verhältnis l : d > 3 : 1 (kritische Fasern nach Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO). 2. Die Fasern müssen eine bestimmte Zeit in der Lunge verbleiben, um eine Krebserkrankung hervorrufen zu können. Das Fasermaterial muss also eine gewisse Beständigkeit im menschlichen Körper (Biopersistenz) aufweisen. Zur Beurteilung der Biopersistenz wird in Deutschland die chemische Zusammensetzung und/oder die in Tierversuchen ermittelte Beständigkeit herangezogen. Bei den Diskussionen über die Gesundheitsgefährdung durch Faserstäube, insbesondere Mineralwolle, wird immer wieder der Vergleich mit Asbest angestellt. Bei derartigen Vergleichen muss jedoch berücksichtigt werden, dass Asbestfasern längsspaltbar sind, wodurch sie dünner und gefährlicher werden; Mineralwolle-Dämmstoffe hingegen brechen quer zur Faser, werden dadurch immer kürzer und verlieren ihr krebserzeugendes Potenzial. Außerdem haben Untersuchungen zur Biopersistenz gezeigt, dass Blauasbest eine Beständigkeit von mehr als 100 Jahren aufweist, während die heutzutage hergestellten Glas- und Steinwollefasern schon nach 40 Tagen zu mehr als der Hälfte abgebaut sind [18.6].
18.6 Gesundheitliche Aspekte bei Faserdämmstoffen
1177
Allerdings sind bei Mineralwolleprodukten, die vor 1996 eingebaut wurden (so genannte „alte“ Mineralwolle), die freigesetzten Faserstäube als krebserzeugend zu bewerten (TRGS 905 „Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe“). Für alte Mineralwolle gilt seit Juni 2000 ein Herstellungs- und Verwendungsverbot nach Anhang IV Nr. 22 Gefahrstoffverordnung. Tätigkeiten mit alten MineralwolleDämmstoffen sind daher nur noch im Zuge von Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten zulässig. Ein Sanierungsgebot für alte Mineralwolle besteht nicht. Nach TRGS 521 ist vor Beginn der Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle eine Gefährdungsermittlung auf der Grundlage von Expositionskategorien (abhängig von der zu erwartenden Faserstaubkonzentration sowie von der Dauer und Häufigkeit der Tätigkeiten) vorzunehmen. Für die drei Expositionskategorien werden die jeweils zu ergreifenden Schutzmaßnahmen festgelegt; hierzu zählen u. a. Unterweisung der Beschäftigten, persönliche Schutzausrüstung, regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes, staubdichte Verpackung der Abfälle, Festlegung des zulässigen Entsorgungswegs der Abfälle usw. „Neue“ Mineralwollen werden seit etwa 1996 hergestellt; sie erfüllen eines der drei Freizeichnungskriterien des Anhangs IV Nr. 22 der Gefahrstoffverordnung und können daher als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden: 1. Kanzerogenitätsuntersuchungen im Tierversuch (Intraperitonealtest) verliefen negativ. 2. Untersuchungen zur Biobeständigkeit von lungengängigen Fasern ergaben eine Halbwertszeit von weniger als 40 Tagen. 3. Rechnerische Ermittlung des Kanzerogenitätsindex KI aus der chemischen Zusammensetzung. Der KI-Wert von künstlichen Mineralfasern muss mindestens 40 betragen. Sonstige Fasern können mit dieser Methode nicht beurteilt werden. Erzeugnisse, die eines der drei genannten Freizeichnungskriterien erfüllen, können mit dem Gütezeichen des RAL (RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.) gekennzeichnet werden (Bild 18-7). Die Kennzeichnung ist freiwillig, wird jedoch von vielen – auch ausländischen – Herstellern verwendet.
Bild 18-7 RAL-Gütezeichen für Mineralwolle
Auch für Mineralwollen, die als unbedenklich gelten, müssen Mindestschutzmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Stäuben ergriffen werden (siehe TRGS 500 „Schutzmaßnahmen“). Die Maßnahmen sollen insbesondere vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Atmungsorgane und vor hautreizenden Einwirkungen der Fasern schützen.
1178
18 Dämmstoffe
Derartige Schutzmaßnahmen sollten auch bei Arbeiten mit organischen Fasermaterialien ergriffen werden, insbesondere dann, wenn große Staubmengen freigesetzt werden können (z. B. beim Einblasen von Zellulosedämmstoffen). Inwieweit organische Fasern überhaupt krebserregend sein können, lässt sich mangels aussagekräftiger Untersuchungsergebnisse derzeit noch nicht beurteilen.
18.7 Literatur 18.7.1 Regelwerke 18.7.1.1 Normen Norm
Ausgabe Titel
DIN 4102-1
1998-05 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 1: Baustoffe – Begriffe, Anforderungen und Prüfungen
DIN 4102-1 Ber1
1998-08 Berichtigung 1 zu DIN 4102-1:1998-05
DIN 4102-2
1977-09 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 2: Bauteile – Begriffe, Anforderungen und Prüfungen
DIN 4102-4
1994-03 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 4: Zusammenstellung und Anwendungen klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile
DIN 4102-4 A1
2004-11 Änderung A1 zu DIN 4102-4:1994-03
DIN 4108-3
2001-07 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz, Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung
DIN V 4108-4
2007-06 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 4: Wärme- und feuchteschutztechnische Bemessungswerte
DIN 4108-10
2008-06 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 10: Anwendungsbezogene Anforderungen an Wärmedämmstoffe – Werkmäßig hergestellte Wärmedämmstoffe
DIN EN 13162
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle (MW) – Spezifikation
DIN EN 13163
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus expandiertem Polystyrol (EPS) – Spezifikation
DIN EN 13164
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus extrudiertem Polystyrolschaum (XPS) – Spezifikation
DIN EN 13165
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Polyurethan-Hartschaum (PUR) – Spezifikation
1179
18.7 Literatur
DIN EN 13166
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Phenolharzschaum (PF) – Spezifikation
DIN EN 13167
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Schaumglas (CG) – Spezifikation
DIN EN 13168
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Holzwolle (WW) – Spezifikation
DIN EN 13169
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Blähperlit (EPB) – Spezifikation
DIN EN 13170
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus expandiertem Kork (ICB) – Spezifikation
DIN EN 13171
2009-02 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Holzfasern (WF) – Spezifikation
DIN EN 13172
2008-08 Wärmedämmstoffe – Konformitätsbewertung
DIN EN 13499
2003-12 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Außenseitige Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) aus expandiertem Polystyrol – Spezifikation
DIN EN 13500
2003-12 Wärmedämmstoffe für Gebäude – Außenseitige Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) aus Mineralwolle – Spezifikation
DIN EN 13501-1
2010-01 Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten
DIN EN 14063-1
2004-11 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Blähton-Leichtzuschlagsstoffen (LWA) – Teil 1: Spezifikation für die Schüttdämmstoffe vor dem Einbau
E DIN EN 14063-2
2006-08 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Blähton-Leichtzuschlagsstoffen – Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte (Entwurf)
DIN EN 14064-1
2010-06 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Mineralwolle (MW) – Teil 1: Spezifikation für Schüttdämmstoffe vor dem Einbau
DIN EN 14064-2
2010-06 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Mineralwolle (MW) – Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte
E DIN EN 14315-1
2002-04 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Polyurethan(PUR)Spritzschaum – Teil 1: Spezifikation für das Schaumsystem vor dem Einbau (Entwurf)
1180
18 Dämmstoffe
E DIN EN 14315-2
2006-10 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Polyurethan(PUR)Spritzschaum – Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte (Entwurf)
DIN EN 14316-1
2004-11 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Produkten mit expandiertem Perlite (EP) – Teil 1: Spezifikation für gebundene und Schüttdämmstoffe vor dem Einbau
DIN EN 14316-2
2007-04 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Produkten mit expandiertem Perlite (EP) – Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte
DIN EN 14317-1
2004-11 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus expandiertem Vermiculite (EV) – Teil 1: Spezifikation für gebundene und Schüttdämmstoffe vor dem Einbau
DIN EN 14317-2
2007-04 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Produkten mit expandiertem Vermiculite (EV) – Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte
E DIN EN 14318-1
2002-04 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus dispensiertem Polyurethan(PUR)-Schaum – Teil 1: Spezifikation für das Schaumsystem vor dem Einbau (Entwurf)
E DIN EN 14318-2
2006-10 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus dispensiertem Polyurethan (PUR)- und Polyisocyanurat(PIR)-Hartschaum – Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte (Entwurf)
DIN EN 15101-1
2007-07 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Zellulosefüllstoff – Teil 1: Spezifikation für die Produkte vor dem Einbau
DIN EN 15101-2
2007-07 Wärmedämmstoffe für Gebäude – An der Verwendungsstelle hergestellte Wärmedämmung aus Zellulosefüllstoff – Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte
DIN EN 15715
2007-09 Wärmedämmstoffe – Einbau- und Befestigungsbedingungen für die Prüfung des Brandverhaltens – Werkmäßig hergestellte Wärmedämmstoffe
DIN EN 29052-1
1992-08 Akustik – Bestimmung der dynamischen Steifigkeit – Teil 1: Materialien, die unter schwimmenden Estrichen in Wohngebäuden verwendet werden
1181
18.7 Literatur
DIN EN 29053
1993-05 Akustik – Materialien für akustische Anwendungen – Bestimmung des Strömungswiderstandes
DIN EN ISO 10456
2008-04 Baustoffe und Bauprodukte – Wärme- und feuchtetechnische Eigenschaften – Tabellierte Bemessungswerte und Verfahren zur Bestimmung der wärmeschutztechnischen Nenn- und Bemessungswerte
18.7.1.2 Sonstige Regelwerke
TRGS 500
2008-05 Technische Regeln für Gefahrstoffe: Schutzmaßnahmen
TRGS 521
2008-02 Technische Regeln für Gefahrstoffe: Abbruch-, Sanierungsund Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle
GefStoffV
2008-12 Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV) vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3758), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768)
18.7.2 Bücher, Aufsätze, sonstige Veröffentlichungen [18.1] [18.2] [18.3] [18.4] [18.5] [18.6]
[18.7] [18.8] [18.9] [18.10]
[18.11]
Becker, K.; Pfau, J.; Tichelmann, K.: Trockenbau-Atlas – Grundlagen, Einsatzbereiche, Konstruktionen, Details. 3. Auflage. Köln: Rudolf Müller, 2004 Henn, H.; Sinambari, Gh. R.; Fallen, M.: Ingenieurakustik: Physikalische Grundlagen und Anwendungsbeispiele, 4. Auflage. Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2008 Gösele, K.; Schüle, W.; Künzel, H.: Schall – Wärme – Feuchte, 10. Auflage. Wiesbaden, Berlin: Bauverlag, 1997 Fischer, H.-M. et al.: Lehrbuch der Bauphysik. Schall – Wärme – Feuchte – Licht – Brand – Klima, 6. Auflage. Wiesbaden: Teubner, 2008 Energieagentur NRW (Hrsg.): Schutz vor Kälte und Hitze – Dämmstoffe im Vergleich – Einsatzbereiche und Eigenschaften. www.ea-nrw.de BGBau Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (Hrsg.): Umgang mit Mineralwolle-Dämmstoffen (Glaswolle, Steinwolle) – Handlungsanleitung. Stand: 09/2008, Abruf-Nr. 341. www.bgbau.de Willems, W. M.; Schild, K.; Dinter, S.: Vieweg Handbuch Bauphysik, Teil 1, 1. Auflage. Wiesbaden: F. Vieweg & Sohn, 2006 König, H.: Das Dachgeschoß – Gesunder Wohnraum unter dem Dach: Ausbau – Umbau – Neubau. Staufen bei Freiburg: Ökobuch, 1993 Reyer, E.; Schild, K.; Völkner, S.: Kompendium der Dämmstoffe, 3. Auflage. Stuttgart: Fraunhofer-IRB-Verlag, 2002 Pfundstein, M.; Gellert, R.; Spitzner, M. H.; Rudolphi, A.: Dämmstoffe – Grundlagen, Materialien, Anwendungen. München: Edition Detail, Institut für internationale Architektur-Dokumentation, 2007 Tichelmann, K.; Pfau, J.: Entwicklungswandel Wohnungsbau – Neue Gebäudekonzepte in Trocken- und Leichtbauweise. Wiesbaden: Vieweg, 2000
Anhang
Tabelle A.1 Griechisches Alphabet Sprechweise
Großbuchstabe
Kleinbuchstabe
Alpha
Α
α
Beta
Β
β
Gamma
Γ
γ
Delta
Δ
δ
Epsilon
Ε
ε
Zeta
Ζ
ζ
Eta
Η
η
Theta
Θ
θ
Iota
Ι
ι
Kappa
Κ
κ
Lambda
Λ
λ
My
Μ
μ
Ny
Ν
ν
Xi
Ξ
ξ
Omikron
Ο
ο
Pi
Π
π
Rho
Ρ
ρ
Sigma
Σ
σ
Tau
Τ
τ
Ypsilon
Υ
υ
Phi
Φ
ϕ
Chi
Χ
χ
Psi
Ψ
ψ
Omega
Ω
ω
Anhang
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
1184
Anhang
Tabelle A.2 Basisgrößen und Basiseinheiten des SI-Systems Basisgröße
Formelzeichen
SI-Basiseinheit
Einheitenzeichen
Masse
m
Kilogramm
kg
Länge
l
Meter
m
Zeit
t
Sekunde
s
Elektrische Stromstärke
I
Ampere
A
Thermodynamische Temperatur
T
Kelvin
K
Stoffmenge
n
Mol
mol
Lichtstärke
I
Candela
cd
Tabelle A.3 Abgeleitete SI-Einheiten mit besonderen Namen Größe
SI-Einheit
Beziehung
Name
Zeichen
Newton
N
Druck, mechanische Spannung
Pascal
Pa
1 Pa = 1 N/m² = 1 kg/(m·s²)
Energie, Arbeit, Wärme
Joule
J
1 J = 1 N·m = 1 W·s = 1 kg·m²/s²
Leistung, Wärmestrom
Watt
W
1 W = 1 J/s = 1 kg·m²/s³
Kraft
1 N = 1 kg·m/s²
Tabelle A.4 Dezimale Vielfache und Teile nach dem SI-System Faktor
SI-Vorsatz Name
Faktor
Zeichen
SI-Vorsatz Name
Zeichen
-1
Dezi
d
-2
Zenti
c
10
24
10
21
10
18
Exa
E
10
Milli
m
1015
Peta
P
10-6
Mikro
T
-9
Nano
n
10
12
Yotta Zetta
Tera
Y Z
10
10
-3
10
9
Giga
G
10
106
Mega
M
10-15
k
10
-18 -21
Zepto
z
Yokto
y
10
-12
10
3
10
2
Hekto
h
10
101
Deka
da
10-24
Kilo
Piko
p
Femto
f
Atto
a
1185
Anhang Tabelle A.5 Länge
μm μm
1
mm
cm
dm
-3
10
-4
-5
-1
10 3
m
km
10
-6
10
10
10
-3
10-6
10
-2
mm
10
1
10
cm
104
101
1
10-1
10-2
10-5
dm
105
102
101
1
10-1
10-4
m
106
103
102
101
1
10-3
9
6
5
4
km
10
10
10
3
10
in
ft
yd
-9
10
0,03937 3281⋅10-6 1094⋅10-6
39,37
3,281
1,094
1
in
25,4
0,0254
ft
304,8
0,3048
yd
914,4
0,9144
1
0,08333 0,02778 1
0,33333 1
in = inch (Zoll) / ft = feet (Fuss) / yd = yard (Yard)
Tabelle A.6 Fläche
μm² μm²
mm²
cm²
dm²
10
-8
-10
1
10
-2
-6
1
10 6
m²
km²
-12
10
10
10
-6
10-12
10
-4
10
mm²
10
cm²
108
102
1
10-2
10-4
10-10
dm²
1010
104
102
1
10-2
10-8
m²
1012
106
104
102
1
10-6
18
12
10
8
km²
10
10
10
10
6
10
sq in
sq ft
sq yd
-18
1,55⋅10-3 1,076⋅10-5 1,196⋅10-6
1550
10,76
1,196
1 -4
sq in
645,161
6,45⋅10
sq ft
92936
0,0929
144
sq yd
836120
0,8361
1296
sq in = square inch / sq ft = square feet / sq yd = square yard
1
6,944⋅10-3 0,772⋅10-3 1
0,1111 1
1186
Anhang
Tabelle A.7 Volumen
μm³ μm³
mm³
1
10 9
dm³ *)
cm³
-9
-12
10
m³
km³
-18
10
10
10
-9
10-18
10
-3
-15
10
-6
mm³
10
1
10
cm³
1012
103
1
10-3
10-6
10-15
dm³
1015
106
103
1
10-3
10-12
m³
1018
109
106
103
1
10-9
27
18
15
12
km³
10
10
10
10
16387
cu ft
2,83⋅107
61023
7,65⋅10
cu yd
35,32
1,307
1 5,786⋅10-4 2,144⋅10-5
1
1,64⋅10 8
cu ft
6,102⋅10-5 3,532⋅10-8 1,307⋅10-9
-5
cu in cu yd
10
9
cu in
-27
0,0283
1728
0,765
46656
1
0,037 1
cu in = cubic inch / cu ft = cubic feet / cu yd = cubic yard *) 1 dm³ = 1 Liter = 1 l Tabelle A.8 Masse
mg mg g kg t
g 10
1 3
10
1
6
10
-6
10
-3
3
10
10
9
10
lb
10
28,35
0,02835
453,5
0,4535
0,2
0,2⋅10-3
oz
lb
-9
Kt 5⋅10-3
10
-6
3
10
200
t
1
6
oz Kt
kg
-3
10
0,03527
0,00221
5
10-3
35,27
2,205
5⋅103 5⋅106
1 1 0,2⋅10-6
0,0625
141,75
16
1
2268
7,055⋅10-3
4,409⋅10-4
1
oz = ounce (Unze) / lb = pound (Pfund) / Kt = Karat Tabelle A.9 Dichte
g/cm³ *) g/cm³
kg/m³
lb/cu in
lb/cu ft
lb/cu yd
10
0,03613
62,4283
1685,56
-5
0,06243
1,68556
1728
46656
1
27
0,03704
1
3
1 -3
kg/m³
10
1
3,61⋅10
lb/cu in
27,6797
27679,7
1
lb/cu ft lb/cu yd
0,01602 -4
5,93⋅10
16,0184 0,59327
5,787⋅10
-4
-5
2,14⋅10
lb = pound (Pfund) / cu in = cubic inch / cu ft = cubic feet / cu yd = cubic yard *)
1 g/cm³ = 1 kg/dm³ = 1 Mg/m³ = 1 t/m³
1187
Anhang Tabelle A.10 Zeit
ms ms
s
min -3
1 3
h
10
1,667⋅10
2,778⋅10
-5
d
a
-7
s
10
1
1,667⋅10
2,778⋅10-4
1,157⋅10-5
3,171⋅10-8
min
60⋅103
60
1
1,667⋅10-2
6,944⋅10-4
1,903⋅10-6
h
3,6⋅106
3600
60
1
4,167⋅10-2
1,142⋅10-4
d
86400
1440
24
1
2,740⋅10-3
a
31,54⋅106
525600
8760
365
1
kN
MN
kp
Mp
dyn
-3
-6
0,10197
1,0197⋅10-4
105
-2
Tabelle A.11 Kraft
N 1) 1
10
10
kN
103
1
10-3
MN
106
103
1
kp
9,80665
1
10-3
9,80665⋅105
Mp
9806,65
103
1
9,80665⋅108
dyn
10-5
1,0197⋅10-6
1,0197⋅10-9
1
N
1)
1)
1 N = 1 kg⋅m/s²
(dyn = dyne)
Tabelle A.12 Spannung
N/mm²
N/mm²
N/cm²
1
102
106
10-3
0,1
4
-5
-3
103
10-4 -6
1
1
10
10
10
10
10
10-2
10-6
10-4
1
10-9
10-7
10-3
10-10
10-6
kN/mm²
103
105
109
1
102
106
0,1
103
kN/cm²
10
103
107
10-2
1
104
10-3
10
kN/m²
10
-3
0,1
3
10
-6
10
10
1
MN/cm²
104
106
1010
10
103
107
2
6
0,1
3
N/cm²
10
N/m²
MN/m²
-2
N/m² kN/mm² kN/cm² kN/m² MN/cm² MN/m² (= 1 Pa) (= 1 kPa) (= 1 MPa)
1
10
10
-3
10
-4
-7
10
10
10-3
1
104
-4
10
1
1188
Anhang
Tabelle A.13 Druck
N/mm²
Pa
kp/cm²
mbar (1 hPa)
bar
Torr
N/mm²
1
106
10,1972
104
10
7,5⋅103
Pa
10-6
1
1,01972⋅10-5
10-2
10-5
kp/cm²
9,80665⋅10 10
mbar
-2
98066,5
-4
10
2 5
1
0,1
10
Torr
0,133⋅10-3
133
-1
736
9,80665⋅10 9,80665⋅10
1,01972⋅10
bar
0,0075
2
-3
-3
1 3
10
0,75
1,01972
10
1
750
1,3562⋅10-3
1,36
1,36⋅10-3
1
Tabelle A.14 Arbeit
Wh
J (= 1 N⋅m)
kWh
kcal
kp⋅m
PS⋅h
0,278⋅10-3 0,278⋅10-6 0,101972 0,239⋅10-3 0,378⋅10-6
J
1
Wh
3600
1
10-3
367
0,860
1,36⋅10-3
kWh
3,6⋅106
103
1
3,67⋅103
860
1,36
kp⋅m
9,80665
2,73⋅10
2,73⋅10
1
2,345⋅10
kcal
4186,8
1,16
1,16⋅10-3
426,9
1
PS⋅h
2,65⋅10
0,736
0,27⋅10
-3
6
-6
736
ft⋅lb
1,356
376,8⋅10
Btu
1055
6
-3
3,70⋅10
-6
0,7376 948,4⋅10-6 2,655⋅106
3413
7,233
9,301⋅10-3
1,58⋅10-3 3,087⋅103
632
3,968
1
0,1383
324⋅10
293⋅10-6
107,6
0,252
kp⋅m/s
-9
Btu
ft⋅lb
-6
1
1,286⋅10-3
778,6
1
Btu/s
PS
(Btu = British thermal unit) Tabelle A.15 Leistung
mW
W (= 1 Nm/s)
kW
MW
mW
1
10-3
10-6
10-9
0,102⋅10-3 0,860⋅10-3 948,4⋅10-9 1,36⋅10-6
W
103
1
10-3
10-6
0,101972
0,860
kW
106
103
1
10-3
101,972
860
9
6
1
101,97⋅10
860⋅10
0,9484⋅10 1,36⋅103
1
8,43
9,296⋅10-3 13,3⋅10-3
1,16⋅10-3 1,16⋅10-6
0,119
1
1,102⋅10-3 1,58⋅10-3
1,055
1,055⋅103
107,6
907,258
1
1,4348
0,736
0,736⋅10
75
632
0,697
1
MW
10
kp⋅m/s
9,806
kcal/h
1,16⋅103
Btu/s
1055⋅103 1,055⋅103
PS
736⋅10
10
3
10
3
9,80665 9,81⋅10-3 9,81⋅10-6
3
1,16 736
kcal/h
3
948,4⋅10-6 1,36⋅10-3 0,9484 3
1,36 3
1189
Anhang Tabelle A.16 Wärmeleitfähigkeit
W/(m⋅K)
cal/(s⋅m⋅°C) cal/(s⋅cm⋅°C) Btu/(h⋅ft⋅°F) Btu⋅in/(h⋅ft²⋅°F)
W/(m⋅K)
1
0,23885
0,00239
0,57779
6,93347
cal/(s⋅m⋅°C)
4,1868
1
0,01
2,419087
29,02905
cal/(s⋅cm⋅°C)
418,67980
100
1
241,9087
2,90291⋅103
Btu/(h⋅ft⋅°F)
1,73074
0,41338
0,00413
1
12
0,08333
1
Btu⋅in/ (h⋅ft²⋅°F)
0,14423
-4
0,03445
3,44483⋅10
Tabelle A.17 Spezifische Wärmekapazität
J/(kg⋅K) J/(kg⋅K)
1
J/(g⋅K)
10–3
cal/(g⋅K) Btu/(lb⋅°F)
J/(g⋅K) 10 3
4,1868⋅10
3
4,184⋅10
–3
cal/(g⋅K) 2,38846⋅10
Btu/(lb⋅°F) –4
2,39006⋅10–4
1
0,23885
0,23901
4,1868
1
1,00067
4,184
0,99933
1
1190
Anhang
Tabelle A.18 Alphabetisches Verzeichnis der chemischen Elemente (bis Ordnungszahl 106) Element Actinium Aluminium Americium Antimon Argon Arsen Astat Barium Berkelium Beryllium Blei Bor Brom Cadmium Cäsium Calcium Californium Cer Chlor Chrom Curium Dubnium Dysprosium Einsteinium Eisen Erbium Europium Fermium Fluor Francium Gadolinium Gallium Germanium Gold Hafnium Helium Holmium Indium Iod Iridium Kalium Kobalt Kohlenstoff Krypton Kupfer Lanthan Lawrencium Lithium Lutetium Magnesium Mangan Mendelevium Molybdän
Symbol Ordnungszahl Ac Al Am Sb Ar As At Ba Bk Be Pb B Br Cd Cs Ca Cf Ce Cl Cr Cm Db Dy Es Fe Er Eu Fm F Fr Gd Ga Ge Au Hf He Ho In I Ir K Co C Kr Cu La Lr Li Lu Mg Mn Md Mo
89 13 95 51 18 33 85 56 97 4 82 5 35 48 55 20 98 58 17 24 96 105 66 99 26 68 63 100 9 87 64 31 32 79 72 2 67 49 53 77 19 27 6 36 29 57 103 3 71 12 25 101 42
rel. Atommasse 227 26,9815 243 121,75 39,948 74,9216 210 137,34 247 9,01218 207,2 10,81 79,904 112,40 132,9055 40,08 251 140,12 35,453 51,996 247 262,1138 162,50 254 55,847 167,26 151,96 253 18,9984 223 157,25 69,72 72,59 196,9665 178,49 4,00260 164,9303 114,82 126,9045 192,22 39,102 58,9332 12,011 83,80 63,546 138,9055 257 6,941 174,97 24,305 54,9380 256 95,94
Element Natrium Neodymium Neon Neptunium Nickel Niobium Nobelium Osmium Palladium Phosphor Platin Plutonium Polonium Praseodym Promethium Protactinium Quecksilber Radium Radon Rhenium Rhodium Rubidium Ruthenium Rutherfordium Samarium Sauerstoff Scandium Schwefel Seaborgium Selen Silber Silicium Stickstoff Strontium Tantal Technetium Tellur Terbium Thallium Thorium Thulium Titan Uran Vanadium Wasserstoff Wismut Wolfram Xenon Ytterbium Yttrium Zink Zinn Zirconium
Symbol Ordnungszahl Na Nd Ne Np Ni Nb No Os Pd P Pt Pu Po Pr Pm Pa Hg Ra Rn Re Rh Rb Ru Rf Sm O Sc S Sg Se Ag Si N Sr Ta Tc Te Tb Tl Th Tm Ti U V H Bi W Xe Yb Y Zn Sn Zr
11 60 10 93 28 41 102 76 46 15 78 94 84 59 61 91 80 88 86 75 45 37 44 104 62 8 21 16 106 34 47 14 7 38 73 43 52 65 81 90 69 22 92 23 1 83 74 54 70 39 30 50 40
rel. Atommasse 233,1234 144,24 20,179 237,0482 58,71 92,9064 254 190,2 106,4 30,9738 195,09 242 210 140,9077 147 231,0359 200,59 226,0254 222 186,2 102,9055 85,4678 101,07 261,1087 150,4 15,9994 44,9559 32,06 263,1182 78,96 107,868 28,086 14,0067 87,62 180,9479 98,9062 127,60 158,9254 204,37 232,0381 168,9342 47,90 238,029 50,9414 1,0080 208,9806 183,85 131,30 173,04 88,9059 65,37 118,69 91,22
1191
Anhang Tabelle A.19 Periodensystem der Elemente [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17]
[18]
1
2
H
He
1,0080
4,00260
3
4
5
6
7
8
9
10
Li
Be
B
C
N
O
F
Ne
6,941
9,01218
10,81
12,011
1,0080
14,0067 15,9994
20,179
11
12
13
14
15
16
17
18
Na
Mg
Al
Si
P
S
Cl
Ar
26,9815
28,086
30,9738 32,06
35,453
39,948
22,9898 24,305
19
20
21
22
23
24
25
K
Ca
Sc
Ti
V
Cr
39,102
40,08
44,9559 47,90
37
38
39
Rb
Sr
Y
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
Mn Fe
Co
Ni
Cu
Zn
Ga
Ge
As
Se
Br
Kr
50,9414 51,996
54,9380 55,847
58,9332 58,71
63,546
65,37
69,72
72,59
74,9216 78,96
79,904
83,80
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
Zr
Nb
Mo Tc
Ru
Rh
Pd
Ag
Cd
In
Sn
Sb
Te
J
Xe
85,4678 87,62
88,9059 91,22
92,9064 95,94
98,9062 101,07
102,9055 106,4
107,868 112,40
114,82
118,69
121,75
127,60
126,9045 131,30
55
56
57
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
Cs
Ba
La
Ta
W
Re
Os
Ir
Pt
Au
Hg
Tl
Pb
Bi
Po
At
Rn
* 72
Hf
132,9055 137,34
138,9055 178,49
180,9479 183,85
186,2
190,2
192,22
195,09
196,9665 200,59
204,37
207,2
208,9806 209,98
209,9871 222
87
88
89
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
117
Fr
Ra
Ac
Db
Sg
Bh
Hs
Mt
Ds
Rg
Cn
Uut Uuq Uup Uuh Uus Uuo
268
281
280
277
287
289
288
289
291
70
71
** 104
Rf
223,0197 226,0254 227,0278 261,1087 262,1138 262,1138 262,1229 265
Lanthanoide
* **
Actinoide
116
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
Ce
Pr
Nd
Pm
Sm
Eu
Gd
Tb
Dy
Ho
Er
Tm Yb
Lu
138,9055 140,9077 144,24
146,9151 150,4
151,96
157,25
158,9254 162,50
164,9303 167,26
168,9342 173,04
174,97
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
103
Th
Pa
U
Np
Pu
Am Cm Bk
Cf
Es
Fm
Md No
251
252
257,0951 258
232,0381 231,0359 238,029 237,0482 244,0642 243,0614 247,0703 247
102 259
118 294
Lr 260,1053
[1]…[18] = Gruppen nach IUPAC-Konvention (siehe Tabelle unten)
IUPACKonvention Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 4 Gruppe 5 Gruppe 6 Gruppe 7 Gruppe 8 Gruppe 9 Gruppe 10 Gruppe 11 Gruppe 12 Gruppe 13 Gruppe 14 Gruppe 15 Gruppe 16 Gruppe 17 Gruppe 18
Gruppenname Alkalimetalle Erdalkalimetalle Scandiumgruppe Titangruppe Vanadiumgruppe Chromgruppe Mangangruppe Eisengruppe Kobaltgruppe Nickelgruppe Kupfergruppe Zinkgruppe Borgruppe / Erdmetalle Kohlenstoff-Silicium-Gruppe Stickstoff-Phosphor-Gruppe Chalkogene / Sauerstoffgruppe Halogene / Fluorgruppe Edelgase / Heliumgruppe
Haupt-/Nebengruppe
CAS-Bezeichnung
1. Hauptgruppe 2. Hauptgruppe 3. Nebengruppe 4. Nebengruppe 5. Nebengruppe 6. Nebengruppe 7. Nebengruppe 8. Nebengruppe 8. Nebengruppe 8. Nebengruppe 1. Nebengruppe 2. Nebengruppe 3. Hauptgruppe 4. Hauptgruppe 5. Hauptgruppe 6. Hauptgruppe 7. Hauptgruppe 8. Hauptgruppe
IA IIA IIIB IVB VB VIB VIIB VIIIB VIIIB VIIIB IB IIB IIIA IVA VA VIA VIIA VIIIA
1192
Anhang
Tabelle A.20 Dichte von Wasser in Abhängigkeit von der Temperatur Temperatur [°C]
Dichte [kg/m³]
Temperatur [°C]
Dichte [kg/m³]
Temperatur [°C]
Dichte [kg/m³]
0
918 (Eis)
17
998,77
35
994,03
0
999,84
18
998,59
36
993,68
1
999,90
19
998,40
37
993,32
2
999,94
20
998,20
38
992,96
3
999,96
21
997,99
39
992,59
4
999,97
22
997,77
40
992,21
5
999,96
23
997,54
45
990,21
6
999,94
24
997,29
50
988,03
7
999,90
25
997,04
55
985,69
8
999,85
26
996,78
60
983,19
9
999,78
27
996,51
65
980,55
10
999,70
28
996,23
70
977,76
11
999,60
29
995,94
75
974,84
12
999,50
30
995,64
80
971,79
13
999,38
31
995,34
85
968,61
14
999,24
32
995,02
90
965,30
15
999,10
33
994,70
95
961,88
16
998,94
34
994,37
100
958,35
Sachwortverzeichnis Sachwortverzeichnis A Abdichtung 1102 – mit Fliesen 1055 – mit Platten 1055 Abflammmethode 148 Abreißfestigkeit 1099 Abreißversuch 1009 Absetzversuch 142 Absturzsicherung, absturzsichernde Verglasung 623 Abwasseranlage 1076 Acrylat 911, 921, 1116 Acrylatgel 1105 Acrylglas 907, 911 Acrylharz 993 Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) 929, 934 Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer 901, 932 Acrylnitril-Butadien-StyrolPfropfcopolymerisat 907 Acrylnitril-Methylmethacrylat-Copolymer 901 Acrylnitril-Styrol-Acrylat-Copolymer 901 Acrylnitril-Styrol-Acrylester (ASA) 934 Adsorption 838 Airless-Spritzen 1029 Alkali-Kieselsäure-Reaktion 157, 252, 1076 –, vorbeugende Maßnahmen 268 Alkalitreiben 1073, 1075 Alkydharz 992 allgemein anerkannte Regeln der Technik 77 allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) 81 allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) 82, 1067 Altholzkategorie 893 Aluminium 704 –, Eloxieren 709 –, Formgebung 707 –, Kaltverformung 705
–, Kaltverformung 708 –, Kenngrößen 703 –, Knetlegierung 706 –, Legierung 705 –, Oberflächenbehandlung 709 –, Verbindungsarbeiten 708 –, Wärmebehandlung 705, 708 –, Warmverformung 708 Anbohrarmatur 934 Angriff, lösender 1072 –, treibender 1073 Anhydrit 187 Ankopplungsmörtel 1132 Annahmekennlinie 68 Anode 1128, 1132 Anodensystem 1129, 1132, 1133, 1135 Anstrichbläue 856 Anstrichmasse 805 Anwendungstemperatur 1107 –, obere 907 Äquipotentialflächendiagramm 1086 Asbest 119 Asphalt 751, 778 –, Bindemittel 787 –, Bitumengehalt 788 –, Gesteinskörnungen 778 –, Körnungen 779 –, Mischgut für offenporigen 797 –, Mischguteigenschaften 782 –, Sondermischgut 799 Asphaltbetonmischgut für Deckschichten 796 Asphaltbinder, Mischgut 796 Asphaltmastix 781 Asphaltmischgut, Hohlraumgehalt 784 Asphaltplatte 801 Asphalttragdeckschichten, Mischgut 795 Asphalttragschichten, Mischgut 794 Assimilation 814 Attributprüfung 70 Aufladung, elektrostatische 911
G. Neroth, D. Vollenschaar (Hrsg.), Wendehorst Baustoffkunde, DOI 10.1007/978-3-8348-9919-4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
1194 Aufsatzkranz 947 Aufschwimmverfahren 162 Augit 102 Ausbreittisch 206, 387 Ausbreitversuch 275 Ausgleichsfeuchte 37 Ausgleichsspachtelung 1121, 1122 Aushärtung, schnelle 1120 Aushärtungsreaktion 964 Ausschaltpotential 1134 Außenputz 418 Austenit 654 Auswaschversuch 141 B Bandage 1094, 1102 Basalt 112 –, Sonnenbrand 157 Bauaufsichtliche Regelungen 1132 Baukalk 197 –, Ausbreitmaß 205 –, Benennung 202 –, Bezeichnung 208 –, Dolomitkalk 199 –, Druckfestigkeit 207 –, Eindringmaß 206 –, Ergiebigkeit 204 –, Erhärtung 198 –, Erstarrungszeit 204 –, gebrannter Kalk 198 –, gelöschter Kalk 198 –, Herstellung 198 –, hydraulischer Kalk 199 –, Kalkhydrat 199 –, Kalkkreislauf 198 –, Kurzzeichen 202 –, Luftgehalt 207 –, Luftkalk 197 –, Mahlfeinheit 203 –, Raumbeständigkeit 204 –, Rohstoffe 197 –, Schüttdichte 204 –, ungelöschter Kalk 199 –, Verwendung im Bauwesen 207 –, Wasserrückhaltevermögen 207
Sachwortverzeichnis
–, Weißkalk 199 Baukleber 967 Baumwolle 1153 Bauproduktengesetz 73 Bauproduktenrichtlinie 73 –, Grundlagendokument 74 –, Leitpapier 74 –, Revision 96 –, wesentlichen Anforderungen 74 Bauregelliste 86, 1067 Baustahl 679 –, wetterfester 683 Baustellenbeton 296 Baustellenmörtel 385, 392 Baustoffe, bitumenhaltige 751 Baustoffkenngröße 4 Baustoffklassen nach DIN 4102 1172 Bauwerksabdichtung 914 Bauwerksdiagnose 1082 Bauwerkserhaltung 1136, 1137 Bauwerksprüfung 1138 Bauxit 704 Beanspruchbarkeitsklasse 1113 – M 1 1114 – M 2 1114, 1115 – M 3 1115 Behandlung, elektrochemische 1094 Beschichtung 1094, 1122, 1124 –, leitfähige 1131 – für die Unterwasserbeanspruchung 1039 – gegen Oberflächenwasser 1039 – im Gewässerschutz 1039 Beschichtungsstoff, 1 K- 988 Beschichtungsstoff, 2 K- 989 Beschichtungswerkstoff, Anwendung 1027 Beton 247, 1111, 1112, 1113, 1115 –, Anforderung an die Zusammensetzung 283 –, Ausschalfristen 309 –, Biegezugfestigkeit 319 –, Bohrkerne 315 –, Bordstein 487 –, charakteristische Festigkeit 248 –, chemischer Angriff 254 –, Chloridgehalt 267
Sachwortverzeichnis
–, Druckfestigkeitsprüfung 313 –, Eignungsprüfung 256 –, Elastizitätsmodul 321 –, Erhärtungsprüfung 257, 313 –, Erstprüfung 256 –, FD- 339 –, Festigkeitsentwicklung 306, 310, 315 –, Feuchtigkeitsklasse 252 –, Frühfestigkeit 310 –, Gasdichtigkeit 324 –, Gehwegplatte 487 –, Güteüberwachung 257 –, Haufwerksporigkeit 323 –, Identitätsprüfung 257 –, Konformitätskontrolle 319 –, Konformitätskriterien für die Druckfestigkeit 319 –, Konformitätsprüfung 255, 313 –, Kriechen 322 –, kunststoffmodifizierter 1111 –, Mischungsverhältnis 270, 290 –, Nachbehandlung 305 –, Nacherhärtung 311 –, Öldichtheit 324 –, Pflasterstein 485 –, Porigkeit 323 –, Quellen 322 –, reaktionsharzgebundener 1111 –, Reife 311 –, Schwinden 322 –, Spaltzugfestigkeit 318 –, Spannungs-Dehnungs-Linie 320 –, Straßenbauerzeugnisse 485 –, Überwachungsklasse 257 –, Wärmedehnung 322 –, Wärmeleitfähigkeit 323, 324 –, Wassergehalt 270 –, Wasserundurchlässigkeit 324 –, Wasser-Zement-Wert 270 –, WU- 339 –, Zementgehalt 270 –, Zementsteinporigkeit 323 –, zerstörungsfreie Prüfverfahren 315 –, Zugfestigkeit 318 –, Zweistoffsystem 260
1195 – für hohe Gebrauchstemperaturen 347 – für Unterwasserschüttung 348 – mit hohem Frost-Tausalz-Widerstand 341 – mit hohem Frostwiderstand 341 – mit hohem Verschleißwiderstand 346 – mit hohem Wassereindringwiderstand 339 – mit hohem Widerstand gegen chemische Angriffe 343 – nach Eigenschaften 256, 282, 291 – nach Zusammensetzung 256, 282 Betondachstein 483 Betondeckung 300 Betonentwurf 286 Betonersatz 1132 Betonersatzsystem 1110, 1121 Betonfamilie 256 Betonfeuchte 1084 1099 –, feucht 1084 –, nass 1084 –, trocken 1084 Betonieren 1094 Betoninstandsetzung 1037 Betonkorrosion 251 Betonmischer 294 Betonprüfstelle, ständige 260 Betonschutz 1037 Betonstabstahl 687, 693 Betonstahl 685 –, hochduktiler 686 –, normalduktiler 686 – in Ringen 689, 694 – mit Sonderrippung 695 Betonstahlmatte 689, 694 –, Lagermatte 690 –, Listenmatte 691 Betonuntergrund 1096, 1097 Betonzusatzmittel 273, 290, 325 –, Beschleuniger 329 –, Betonverflüssiger 327 –, Chromatreduzierer 331 –, Dichtungsmittel 329 –, Einpresshilfen 330 –, Fließmittel 327 –, Luftporenbildner 328 –, multifunktionale 331
1196 –, Recyclinghilfen 331 –, Schaumbildner 331 –, Sedimentationsreduzierer 331 –, Spritzbetonbeschleuniger 331 –, Stabilisierer 330 –, Verzögerer 329 Betonzusatzstoff 290, 331 –, mineralische 332 –, organische 338 Bewehrungsdraht 689, 694 Bewehrungskorrosion 250, 1081 Bewitterung 904 Biegebalkenrheometer 768 Biegeriss 1103 Biegezugfestigkeit 23, 1112 Bindemittel 187, 992 Bindemittelsynthese 992 Bitumen 751, 993 –, Adhäsion 758 –, Alterung 758 –, Brandverhalten 760 –, Brechpunkt 766 –, B-Typ 754 –, Dachbahn 804 –, Dachdichtungsbahn 804 –, Dichtungsbahn 803, 805 –, Eigenschaften 753 –, elasto-viskoses Verhalten 756 –, Erweichungspunkt Ring und Kugel 766 –, Gewinnung 752 –, Haftverhalten 758 –, Heißverarbeitung 776 –, Kaltverarbeitung 776 –, Kennzeichnung 773 –, Konsistenz 756 –, modifiziertes 763 –, Penetration 766 –, physikalische Eigenschaften 761 –, Plastizitätsspanne 766 –, Prüfverfahren 765 –, Relaxationsvermögen 756 –, Schweißbahn 803 –, Struktur 753 –, S-Typ 754 –, thermoviskose Verhalten 756
Sachwortverzeichnis
–, Toxikologie 760 –, Verformungsverhalten 756 –, W-Typ 754 –, Zusammensetzung 752 Bitumenanstrichstoff 769 Bitumenbahn, nackte 803 Bitumendickbeschichtung (KMB), kunststoffmodifizierte 918, 1057, 1058 Bitumenemulsion 770 –, kationische 770, 774 bitumenhaltige Baustoffe im Bautenschutz 802 bitumenhaltige Bindemittel 751 Bitumenschlämmen 799 Blähglas 1149, 1153 Blähperlit 1147, 1150, 1153 Blähton 1150, 1153 Bläue 856 Blei 722 –, Formgebung 724 –, Kenngrößen 703 –, Trinkwasserrohre 724 Boden- und Tragschichtbinder, hydraulischer 242 Bodenbeschichtung 1040 Bohrpacker 1108 Bordstein 487 Borosilikatglas 556 Brandparallelerscheinung 1173 Brandschutzverglasung 585 Brandverhalten 906, 1156 – von Baustoffen 53 – von Bauteilen 56 Braunfäule 854 Brekzie 113 brennendes Abtropfen 54 Brinell-Verfahren 673 Bronze 710, 712 Bruchbild, Bruchstruktur 621 Bruchdehnung 903, 905, 1118 Bruchspannung 905 Bruchverhalten 34 Bruchwahrscheinlichkeit, Ausfallwahrscheinlichkeit 608 –, Versagenswahrscheinlichkeit 607
Sachwortverzeichnis
Bruchzähigkeit 567 Brünieren 748 Butadien-Copolymerisat 962 Butylbahn 916 Butylkautschuk 901 C Calciumcarbid 148 Calciumsalz 1073 Calciumsilicathydrate 211 Calciumsilikat 1150, 1153 Calciumsulfat-Binder 194 –, Biegezugfestigkeit 194 –, Druckfestigkeit 194 –, Erstarrungsbeginn 194 –, Erstarrungsende 194 Calciumsulfat-Compositbinder 194 –, Biegezugfestigkeit 194 –, Druckfestigkeit 194 –, Erstarrungsbeginn 194 –, Erstarrungsende 194 CE-Kennzeichnung 85 Cellulose 816 Celluloseacetat 901, 907 Celluloseacetobutyrat (CAB) 901, 907, 947 Celluloseacetopropionat 901 Cellulosepropionat 901 CEN 74, 78 CE-Zeichen 1115 Chemikalienbeständigkeit 910, 1119 Chemisorption 837 Chemosensor, faseroptischer 1139 Chlorid 1081 Chloridextraktion 1095 Chloridgehalt 1084, 1093, 1096, 1139 Chlorkautschuk 992 Chloropren-Kautschuk (CR) 946 Chloropren-Kautschuk (Polychloropren) 901 Chloropren-Kautschuk-(CR-)Bahnen 915 Chlorsulfonierte Polyethylen-(CSM-)Bahnen 915 Chromatieren 721, 748 CM-Gerät 148 CSH-Phase 211
1197 D Dachabdichtung 914 Dachstein 483 Dachziegel 533 –, Anforderung 536 –, Anwendung 537 Dachziegelarten 534 Dämmstoff 1145 –, organischer 1151 –, Zellulose 1152 Dauerbelastung, Belastungsdauer 571 Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith 672 Dauerschwingfestigkeit 28 Dauerstandfestigkeit 28 Deckenstein 483 Deckenziegel 525 Dehnfähigkeit 1105 Dehnfuge 1094 Dehnung 12 Dehnungsmessstreifen 1138 Dendrochronologie 826, 827 Depolarisationsmessung 1134 Destillationsbitumen 762 Diabas 112 Dichte 8 Dichtigkeitsgrad 10 Dichtungsbahn 914 Dichtungsschlämmen 1123 –, flexible 1057 –, starre 1057 Dickbett-Verfahren 543 DIN 78 Dinasstein 547 Dioctylphthalat (DOP) 900 Diorit 110 Dispersionsklebstoff 913, 967 Dispersionspulver 1116 Dispersionstrockenpulver, redispergierbares 962 Dolomit 116 Drahtglas 586 Drahtziegelgewebe 546 Dränrohr 546, 935, 936 Druckausgleichsverfahren 388 Druckfestigkeit 21, 903, 1099, 1112
1198 Druckluft-Trockenstrahlen 1021 Dünnbettkleber 964 Dünnbettmörtel 392, 399 Dünnbett-Verfahren 544 Duktilitätsklasse 686 Durchgangswiderstand, elektrischer 911 Duromer 899, 902 Duroplast 899, 902, 914 E ECC 1117 Edelstahl, unlegierter 675 EFPI-Vibrationssensor 1138 Eigenschaften, mechanische 1097 Eindringgerät 387 Einetagen-Endlospresse 880 Einkammerprofil 950 Einpressmörtel 441 Einscheiben-Sicherheitsglas 560 –, Bruchbild 604 Einwirkung, chemische 1070 Eisen 652 Eisenerz 639 Eisen-Kohlenstoff-Diagramm 653 Eisensulfid 161 Elastizitätsmodul 15 Elastomer 899, 902, 909, 921 –, thermoplastischer 900 Elektrophorese 772 Elektroschweißmuffe 933 Elektrostahl-Verfahren 649 Emaille 601 E-Modul 903, 1112 Entflammbarkeit 54, 906 Entschäumungsmittel 962 Entwässerungskanalrohr 935, 936 EP-GF 929 EP-Harz 920 Epoxid 901 –, glasfaserverstärktes 901 Epoxidharz (EP) 907, 913, 919, 932, 934, 936, 963, 964, 965, 966, 968, 994, 1105, 1107, 1110, 1119 Epoxidharz-Dispersion 963 Epoxidharzemulsion 1117
Sachwortverzeichnis
Epoxidharz-Rissinjektion 965 Epoxidharzsystem 1119 Erdalkali-Silikatglas 556 Erhaltungsmaßnahmen 1136 Erschütterung 1101 Estrich 422 –, Anhydritestrich 425 –, Beanspruchungsgruppe 438, 440 –, Biegezugfestigkeit 429 –, Calciumsulfatestrich 425 –, Druckfestigkeit 429 –, Gussasphaltestrich 427, 438 –, Haftzugfestigkeit 431 –, Hartstoffestrich 439 –, Heizestrich 436 –, Industrieestrich 437 –, Kunstharzestrich 427, 438 –, Magnesiaestrich 425, 439 –, Oberflächenhärte 431 –, Rollbeanspruchung 430 –, schwimmender 434 –, Verbundestrich 431 –, Verschleißwiderstand 429 –, Zementestrich 423 – auf Dämmschicht 434 – auf Trennschicht 433 Estrichmörtel 422 Ethylacrylat 962 Ethylen-Copolymer-Bitumen 901 Ethylencopolymerisat-Bitumen-(ECB-)Bahn 916 Ethylen-Propylen-Terpolymer-Kautschuk (EPDM) 901, 946 – Bahn 916 Ethylen-Vinylacetat 901 Ethylen-Vinylacetat-Copolymer (EVA) 901, 952 – Bahn 916 Ethylen-Vinyl-Acetat-Folie 598 Ettringit 227 Eurocode 94 Expositionsklasse 156, 249, 306 F Fahrbahndecke, geräuscharme 786
1199
Sachwortverzeichnis
Faserbeton 352 Faserharzspritzverfahren 919 Fasersättigung 838 Fassadenimprägnierung 969 Feinanteil 141 Feinheitsmodul 137 Feinkornbaustahl 682 Feinspachtel 1110, 1121 Feldspat 101 Fensteranschlussfuge 951 Ferrit 654 Festharz 992 Festigkeit 20, 1119 Festigkeitsentwicklung 1105, 1119 –, CC 1120 –, PC 1120 Fett 1073 Feuchtegehalt 908 Feuchteregulativ 1001 Feuchtesensor, kapazitiver 1139 Feuchtigkeit 1139 Feuchtstrahlen 1021 Feuerbeständigkeit 53 Feuerfestmaterial 546 Feuerschutzplatte 491 Feuerwiderstandsklasse 56 Filmbildetemperatur 962 Filmbildung 962 Firstelement 949 Flachglas 570 Flachpressplatte 871 Flachs 1153 Flammstrahlen 1020 Flexible Polyolefin-(FPO-)Bahn 916 Flexkleber 964 Fliesenkleber, flexibler 914 Fließgrenze 16 Flint 157 Floatglas 560 Flüssigabdichtung 918 Flüssigharz 992 Flugasche 209, 334 Fluxbitumen 769, 774 Formaldehydabspaltung 875, 884 –, Emissionswert 875
Formänderung 12 Formelzeichen 6 Formziegel 535 Fraktil 65 Fremdstromsystem 1130 Frischbeton 271 –, Ausbreitmaß 274 –, Befördern 297 –, Fördern 298 –, Konsistenz 271, 287 –, Luftporengehalt 279, 342 –, Nachverdichten 309 –, Pumpen 298 –, Rohdichte 279 –, Temperatur 280, 307 –, Verdichten 303 –, Verdichtungsmaß 274 –, Wasseranspruch 272, 288 –, Zementgehalt 288 Frost-Angriff 1078 Frostbeständigkeit 52 Frostschutzschicht 958 Frost-Tausalz-Angriff 1078 Füllen 1094 Füller 131, 137 Füllstoff 986 Füllziegel 511 Fugenband 920 Fugendichtstoff 921 Fugendurchlasskoeffizient 950 Fugenmörtel 402 Fugenprofil 920 Fuller-Parabel 171 Fulvosäure 163 Funktionskontrolle 1135 Funktionsschicht 1123 Furanharz 1119 Fußbodenheizung 937, 938 G Gabbro 111 Gebrauchstemperatur, maximale 903 Gebrauchtholz 891, 892 Gebrauchtholzmenge 892 Gebrauchtholz-Recycling 891, 894
1200 Gefälledämmplatte 949 Gehwegplatte 487 Gelpore 217 Geotextil 959 Gerbstoff 821 Gestein, chemische Analyse 106 –, Druckfestigkeit 107 –, Einteilung nach ihrer Entstehung 103 –, Ergussgestein 103, 111 –, Erstarrungsgestein 103, 109 –, Farbe 105 –, Feldprüfung 108 –, Frostbeständigkeit 108 –, Ganggestein 104 –, Gefüge 105 –, Härte 105 –, Lavagestein 112 –, metamorphes 104, 116 –, Mineraldiagnose 105 –, Porosität 107 –, Prüfverfahren 108 –, Reindichte 107 –, Rohdichte 107 –, Sandgestein 113 –, Sedimentgestein 104, 112 –, Tiefengestein 103, 110 –, Tongestein 114 –, Verschleißwiderstand 108 –, Wasseraufnahme 107 –, Witterungsbeständigkeit 108 Gesteinskörnung 125, 126, 265 –, Alkaliempfindlichkeit 159 –, Anforderung 137 –, Anforderung an leichte 165 –, Anforderung an rezyklierte 167 –, Bezeichnung 127 –, chemische Eigenschaften 160 –, Chloridgehalt 161 –, Dauerhaftigkeit 154 –, Druckfestigkeit 146 –, Eigenschaften 128 –, E-Modul 146 –, feine 131, 135 –, Frost-Tau-Widerstand 154 –, gebrochene 127
Sachwortverzeichnis
–, Gesamtschwefelgehalt 161 –, grobe 131, 135 –, Kornfestigkeit 370 –, Korngemisch 131, 135 –, Korngruppe 131 –, Kornrohdichte 126, 145 –, leichte 126, 368 –, natürlich zusammengesetzte 135 –, normale 126 –, organische Verunreinigung 162 –, Probenahme 128 –, Regelanforderung 266 –, Regelanforderung an normale 164 –, Regelanforderung an rezyklierte 169 –, rezyklierte 167, 269 –, Schüttdichte 144 –, schwere 126 –, Stoffe organischen Ursprungs 163 –, Sulfatgehalt 161 –, Trocknungsschwinden 156 –, Überkorn 131 –, ungebrochene 127 –, Unterkorn 131 –, Wärmedehnzahl 146 –, Wasseraufnahme 146 –, Wassersaugvermögen 370 –, Widerstand gegen Abrieb durch SpikeReifen 153 –, Widerstand gegen Oberflächenabrieb 153 –, Widerstand gegen Polieren 152 –, Widerstand gegen Verschleiß 152 –, Widerstand gegen Zertrümmerung 150 –, wirksame Kornrohdichte 145 Gesteinsmehl 333 Gewichtskraft 7 GEWI-Stahl 695 GFK 955 Gießverfahren 1030 Gips 187 –, Anforderungen 192 –, Ansetzgips 191 –, Biegezugfestigkeit 192 –, Brandverhalten 196 –, Deckenelement 497 –, Deckenkörper 499
Sachwortverzeichnis
–, Druckfestigkeit 192 –, Feuerwiderstand 196 –, Gipsbinder 190 –, Gipshandputz 191 –, Gipskleber 191 –, Gipsmaschinenputz 191 –, Haftputzgips 191 –, Haftzugfestigkeit 192 –, Herstellung 187 –, Oberflächenhärte 192 –, Prüfverfahren 192 –, Putzgips 191 –, Spachtelgips 191 –, Stuckgips 191 –, Verhalten gegenüber Feuchtigkeit 195 –, Wärmeleitfähigkeit 195 –, Wasser-Gips-Wert 189, 192 Gipsbauteil 488 Gipsfaserplatte 495 Gipskartonplatte 488 Gipsplatte 488 –, faserverstärkte 495 –, Herstellung 489 –, imprägnierte 491 –, Kantenausbildung 490 –, Kennfarbe 491 –, Kurzbezeichnung 491 –, Verbundplatte 492 –, Wandbaufertigtafel 494 –, Wandbauplatte 496 – aus der Weiterverarbeitung 494 – mit Vliesarmierung 495 Gipsstein 116, 187 Gitterträger 692 Glas 943 –, Absorption 575 –, Beschichtung 580 –, Biegzugfestigkeit 572 –, Brechzahl 574 –, Bruchdehnung 585 –, Bruchwahrscheinlichkeit 570 –, chemisch vorgespanntes 560 –, Dauerbelastung 568 –, Defekt 567 –, Emission 575
1201 –, Erweichungstemperatur 564 –, Farbwiedergabeindex 576 –, Fehlstellen im 607 –, Festigkeit 565 –, gefärbtes 577 –, Gesamtenergiedurchlassgrad 575 –, Glasscherbe 626 –, Kanteneinfluss 618 –, Kerbe 567 –, obere Kühltemperatur 564 –, Oberflächendefekt 567 –, Prüfbiegefestigkeit 618 –, Reflektion 574 –, Riss 567 –, Selektivitätskennzahl 576 –, Struktur 558 –, teilvorgespanntes 560 –, teilvorgespanntes, Bruchbild 604 –, Temperaturwechselbeständigkeit 584 –, theoretische Zugfestigkeit 565 –, Transformationstemperatur 558, 564 –, Transmission 574 –, untere Kühltemperatur 564 –, Verarbeitungstemperatur 564 –, Viskosität 558 –, Vorschädigung 567 –, Wärmedurchgangskoeffizient 576 –, Zusammensetzung 555 Glasbaustein 616 Glasfaser 555 –, Alkali-Resistenz 561 –, Bruchdehnung 573 Glasfilament 561 Glastemperatur 900, 962 Glasveredelung 583 Glaswolle 555 Glaszustand 563 Glimmer 102 Gneis 117 Granit 110 Graphit 643 Gratabdeckband 949 Grauwacke 114 Grenztemperatur 906 Grundgesamtheit 60
1202 Grundierung 1122 Gussasphalt 781 –, Mischgut 798 Gussasphaltestrich 801 Gusseisen 643 H Haftbrücke 964, 1110, 1121, 1132 Haftfestigkeit 26 Haftkleber 771 Haftzugfestigkeit 1098 Halbhydrat 188 Hanf 1153 Harnstoff-Formaldehyd (UF) 901 – Harz (UF) 884 – Harzleim (UF) 871 – Ortschaum 926 Harnstoffharz 907 Hartbitumen 765 Härte 30 –, Brinell 30 –, Mohs 30 –, Rockwell 30 –, Rosiwal 30 –, Vickers 30 Härter, „maskierter“ 966 Hartlot 729 Hartlöten 730 Hartschaum-Dämmstoff 903, 922 Harz 820 Harzgalle 820 Häufigkeit 63 Haufwerkspore 9, 11 Hauptvalenzbindung 818, 841 Hausabflussleitung 934 Heißbitumenklebstoff 913 Heizelementschweißen 933 Heizkeilschweißen 912, 916, 917 Heizwendelschweißen 933 Hemicellulose 818 Hochdruckwasserstrahlen 1020 Hochfester Beton 359 Hochfrequenzschweißen 912, 917 Hochlochziegel 510 Hochofen 639
Sachwortverzeichnis
Hochofenschlacke 268, 334, 641 Hochvakuumbitumen 763 Hohlkammerpaneele 943 Hohlkammerplatte 942 Hohlziegel 533 Holz 813 ff. –, akustische Eigenschaften 845 –, anorganische Bestandteile 821 –, Brandverhalten 845 –, chemische Zusammensetzung 815 –, Dichte 834 –, energetische Verwertung 893 –, Festigkeitseigenschaften 840 –, Festigkeitsklassen 849, 850 –, Feuchtegehalt 835 –, Feuchtegleichgewicht 837 –, Fibrillen 817 –, Frühholz 823 –, Gütemerkmale 846 –, halbringporiges 824 –, Holzstrahlen 828, 830 –, innere Oberfläche 837 –, Jahrringe 822, 828, 830 –, Kernholz 825 –, Kernholzbäume 826 –, Konstruktionsvollholz (KVH) 851 –, Mark 822 –, Micellen 818 –, Nomenklatur 813 –, Poren 828, 830 –, Produktionsabfälle 891, 892 –, Quellung 838 –, Quellungsanisotropie 838, 839 –, Querschnitt 822 –, Querschnittbilder 829 –, Radialschnitt 828, 832 –, Reifholz 826 –, Reindichte 835 –, ringporiges 824 –, Rohdichte 834 –, Sortiermerkmale für Bretter und Bohlen 848 –, Spätholz 824 –, spezifische Wärmekapazität 845 –, Splintholz 825
1203
Sachwortverzeichnis
–, Tangentialschnitt 830, 832 –, thermische Eigenschaften 844 –, Verkernung 826 –, Wärmeausdehnungskoeffizient 844 –, Wärmeleitfähigkeit 844 –, zerstreutporiges 824 –, Zugfestigkeit 840 –, Zugvorspannung 840 –, Zuwachszonen 822 Holzfaser 1147, 1152, 1153 Holzfaserplatte 879 Holzfaserplatte, harte 879 –, holzeigene Bindungskäfte 879 –, mitteldichte 880 –, mittelharte 879 –, poröse 879 Holzinhaltsstoffe 820 Holzklebstoff 883 –, Beanspruchungsgruppen 889, 890 Holzpolyosen 816 Holzschädling 852 –, Bakterien 852 –, Bestimmung 860 –, Entwicklung 852 –, Faulholzinsekten 857 –, Frischholzinsekten 857 –, gewöhnliche Nagekäfer 859 –, Hausbockkäfer 858 –, Hyphen 852 –, Pilze 852 –, Termiten 859 –, tierische 856 –, Trockenholzinsekten 857 –, tunneling bacteria 852 Holzschutz 860 –, baulicher 861 –, chemischer 863 –, Dauerhaftigkeitsklassen 861, 867 –, Druckverfahren 868 –, Einbringverfahren 868, 869 –, Feuerschutzmittel 868 –, Gebrauchsklassen 866 –, Gefährdungsklassen 865 –, Kesseldruckverfahren 868 –, natürliche Dauerhaftigkeit 861
–, Nichtdruckverfahren 868 –, Normen 860 –, Resistenzstoffen 861 –, Sonderverfahren 868 –, Streichen und Spritzen 868 –, Trogtränkung 868 –, Volltränkung 868 Holzschutzmittel 863 –, Prüfprädikate 863 –, Verzeichnis 863, 864 Holzspanplatte 871 –, Brandverhalten 875 Holzstrahlen 856 Holzwerkstoffe 870 –, Produktion 871 Holzwerkstoffklasse 883 Holzwolle 1147, 1152 –, Leichtbauplatte 243, 876, 877 Hornblende 102 Hot-bonding 916 Hourdis 533 Hüttenbims 642 Hüttensand 209, 642 Hüttenstein 474 Hydratation 209, 216 Hydratationswärme 214 Hydratphase 211 Hydrophobierung 968, 1094, 1122, 1124 hygroskopisch 818 hygroskopisches Gleichgewicht 837 I Imprägniermittel 987 Imprägnierung 1122 Industriebitumen 763 Industrierestholz 871 Inhibitor 955 Injektion 1106, 1108 Injizieren 1094 Innenputz 419 Innenrüttler 303 Inspektion 1135 Inspektionssystem 1135 Instandhaltung 1135 Instandhaltungsmanagement 1136
1204 Instandhaltungsmanagementsystem 1136 Instandsetzung 1135 –, standsicherheitsrelevante 1132 Instandsetzungsmörtel 1121 Instandsetzungsprinzip 1087 – C 1091 – nach EN 1504 1094 – nach RL-SIB 1088 – R 1089 – W 1091 Integralschaum 947 Intensiometer 1138 Irdengut 508 Irisieren 583 ISO 78 Isobutylen-Isopren-Kautschuk-(IIR-)Bahn 916 Ist-Zustand 1082 J Jura-Marmor 115 K Kalanderspanplatte 876, 877 Kalk 997 Kalk siehe Baukalk 197 Kalk-Natron-Silikatglas 556 Kalkputz 1034 Kalksandstein 454 –, Beschichtung 462 –, Bezeichnung 461 –, Festigkeitsklasse 461 –, Formate 455, 459 –, Grenzabmaße 459 –, Herstellung 454 –, Imprägnierung 462 –, Kennzeichnung 462 –, Rohdichteklasse 461 –, Sichtmauerwerk 462 –, Steinarten 455 –, Steinmaße 459 Kalkspat 103 Kalkstein 114, 210 Kalksteinmehl 333 Kalktreiben 222, 1073
Sachwortverzeichnis
Kalkzementputz 1035 Kaltbitumen 769 Kaltverfestigung 658 Kaltverformung 17 Kanalklinker 544 Kaolin 505 Kapillarkondensation 838 Kapillarplatte 943 Kapillarpore 217 Karbonatisierung 300, 743, 1079 Karbonatisationsbremse 999, 1001 Karbonatisierungstiefe 1083 kaustische Magnesia 242 Keramik 505 –, feuerfeste 546 Keramikklinker 514 keramische Fliesen und Platten 538 –, Anwendung 543 –, stranggepresste 541 –, trocken gepresste 542 –, Verlegung 543 –, Wasseraufnahme 539 Kerbschlagbiegeversuch 669 Kieselsäureester 970 Klebemörtel 966 Kleben 913, 933 Klebepacker 1108 Klebstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe 889 Klinker 513 Klinkerphasen 211 Koinzidenz 582 Kokosfaser 1153 Kondensation 36 Konformitätsnachweis 84 Konglomerat 113 Konsistenz 1114 Konstruktionsleichtbeton 368 Kontaktklebstoff 913, 968 Kontaktkorrosion 739 Konvektion 43 Kork 1153 –, expandierter 1147 Kornfestigkeit 149 Kornform 137
1205
Sachwortverzeichnis
Kornformkennzahl 139 Kornformschieblehre 139 Kornpore 9, 11 Kornzusammensetzung 132 Körperschall 46 Korrosion 735 –, chloridinduzierte 1081 –, elektrochemische 735 Korrosionsbeständigkeit 53 Korrosionsgeschwindigkeit 1140 Korrosionsmechanismus 1069 Korrosionsprodukt 1080 Korrosionsschaden 1103 Korrosionsschutz 742, 1110, 1121 –, Aluminium 1052 –, kathodischer 743, 1093, 1127 –, metallischer Überzug 744 –, organischer Überzug 746 –, Plattieren 745 –, Stahlbauten 1048 –, verzinkter Stahl 1052 –, Zink 1052 Korrosionsschutzprinzip 1088 Korrosionswahrscheinlichkeit 1085 Kraft 7 Kraftduktilität 767 Kratzspachtel 1121 Kratzspachtelung 1122 Kreidepunkt 888 Kriechen 17 Kriechmodul (Langzeit-Elastizitätsmodul) 904 Kugelschlagprüfung 316 Kugelstrahlverfahren 1021 Kunstharz 902 Kunstharz-Leichtbeton 953 Kunststoff 899 Kunststoff (CFK), kohlenstofffaserverstärkter 913 Kunststoff (GFK), glasfaserverstärkter 901, 906, 914, 942 Kunststoffdichtungsbahn aus Polyethylen hoher Dichte (PE-HD) 917 Kunststoffdispersion 962, 993 Kunststoffdispersionsputz 963
Kunststoff-Fenster 950 Kunststoffmörtel (PC) 1119 Kunststoffrohr 928, 932, 934 Kupfer 710 –, Formgebung 713 –, Kaltverformung 713 –, Kenngrößen 703 –, Oberflächenbehandlung 715 –, Verbindungsarbeiten 714 –, Wärmebehandlung 714 –, Warmverformung 713 L Lagerfuge 447 Laminierverfahren 919 Landesbauordnung 73 Längenausdehnungskoeffizient, thermischer 903, 906 Lasurmittel 988 Latentwärmespeicher 1165 Latex 962 Lauge 1073 Lebensdauerprognose 1136 Le-Chatelier-Ring 205, 222 Leckage 1139 Ledeburit 654 Legierung 652 Leichtbeton 364 –, Anwendungsbereiche 367 –, Blähporigkeit 366 –, Druckfestigkeit 372 –, Elastizitätsmodul 374 –, Festigkeitsklassen 373 –, Haufwerksporigkeit 364 –, hochfester 376 –, Hydratationswärme 372 –, Kornporigkeit 365 –, Korrosionsschutz der Bewehrung 375 –, Kriechen 375 –, Nachbehandlung 372 –, Rohdichte 372 –, Rohdichteklasse 374 –, Schwinden 375 –, wärmedämmende 376 –, Wärmedehnung 375
1206 –, Wärmeleitfähigkeit 374, 376 Leichtlanglochziegel 514 Leichtlangloch-Ziegelplatte 515 Leichtmauermörtel 398 –, Längsdehnungsmodul 398 –, Querdehnungsmodul 398 –, Trockenrohdichte 398 –, Wärmeleitfähigkeit 398 Leichtmetall 703 Leichtmörtel 392 Lichtband 947 Lichtdach 947 Lichtdurchlässigkeit 911, 944 Lichtkuppel 946, 947, 948 Lichtwandelement 942 Lignin 819 Liste der Technischen Baubestimmungen 80 Litze 698 Lochfraß 1081 Lochfraßkorrosion 738 Los-Angeles-Koeffizient 150 Lösemittel 987, 992 Lotmetalle 728 Lötzinn 728 LPR-Sensor 1140 – Leiter 1140 Luftfeuchte, relative 836 Luftschall 46 Luftschalldämmung 48, 1168 Luftschallübertragung 49 Lunker 1121 Lunkerspachtel 1121 M Magnesiabinder 242 Magnesiatreiben 222, 1073 Magnesitstein 547 Magnesium 724 –, Anodisieren 727 –, Beizen 726 –, Formgebung 725 –, Legierung 725 –, Oberflächenbehandlung 726 –, Verbindungsarbeiten 726 Magnesiumsalz 1073
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Magnesiumsulfat-Wert 156 Makroelement-Leiter 1140 Makrokorrosionselement 1081 Marmor 115, 117 Martens-Verfahren 906 Maschensieb 132 Masse 7 Maßeinheit 5 Massenbeton 349 Mauermörtel 391 –, Ausblühung 403 –, Fugendruckfestigkeit 394 –, Haftscherfestigkeit 395, 397 –, Kalkauslaugung 403 –, Kennzeichnung 401 –, Korrigierbarkeitszeit 394 –, Längsdehnungsmodul 395 –, Querdehnungsmodul 395 –, Verarbeitbarkeitszeit 393 –, Verbundfestigkeit 397 Mauerstein 449 –, Festigkeitsklassen 453 –, Formate 450 –, Rohdichteklassen 452 Mauerstein aus Beton 475 –, Ausgangsstoffe 475 –, Herstellung 476 –, Hohlblock 477 –, Hohlblock aus Leichtbeton 478 –, Mauerstein aus Normalbeton 482 –, Steinarten 476 –, Vollblock 477 –, Vollblock aus Leichtbeton 480 –, Vollstein 477 –, Vollstein aus Leichtbeton 481 –, Wärmeleitfähigkeit 482 Mauertafelziegel 511 Mauerwerk 447 –, Tragverhalten 448 Mauerziegel 509 –, Bezeichnung 520 –, Brutto-Trockenrohdichte 509 –, Druckfestigkeit 519 –, Form 516 –, HD-Ziegel 510
1207
Sachwortverzeichnis
–, Kategorie I 509 –, Kennzeichnung 520 –, LD-Ziegel 510 –, Maße 517 –, Netto-Trockenrohdichte 509 –, Rohdichte 517 –, Wasseraufnahme 519 Maximalschichtdicke 1125, 1126 Mehlkorngehalt 277 Mehrkammerprofil 950 Mehrscheiben-Isolierglas 560 –, Abstandhalter 598 –, Butyl 614 –, Isolierverglasung 583 –, Klimalast 614 –, Kondensation 614 –, Randverbund 598 –, Scheibenzwischenraum 580 –, Taupunkt 614 Melaminformaldehyd (MF) 901 – Harzleim 871 – Klebstoff 884 Melaminharz 907 Membran 1094 Messing 712 Metamorphose 856 Methacrylat 962, 965, 966 Methacrylharz 907 Methylacrylatharz 1119 Methylmethacrylat (PMMA), flexibles reaktives 920 Mikrophon, akustisches 1138 Mindestfugenbreite 951 Mindestschichtdicke 1125, 1127 Mineral 101 Mineralwolle 1147, 1149, 1153 Mischungsstabilität 1105 Mittelwert 64 Moderfäule 854 Monitoring-System 1138 Mörtel 383, 1114, 1132 –, Biegezugfestigkeit 389 –, Druckfestigkeit 389 –, kapillare Wasseraufnahme 390 –, Konsistenz 387
–, kunststoffmodifizierter 1111, 1116 –, Luftgehalt 388 –, Rohdichte 388 –, Trockenrohdichte 389 Mörtelauftrag 1094 Mörtelgruppe 396, 399 Mörtelklasse 396 Multiring-Elektrode 1139 Muschelschale 140 Musterbauordnung 73 N Nachbehandlung 223, 1118 Nacherhärtung 223 Nachinjektion 1109 Nassmontagesystem 938 Natronlaugeversuch 163 Naturasphalt 751 Naturstein 101 –, Schutz 119 –, Zerstörung 119 Natursteinmauerwerk 1047 Naturwerkstein 101 Nebenvalenzbindung 818, 841 Nebenvalenzkraft 841 NE-Metalle 703 –, Kenngrößen 703 Netzanode 1131 Netzanode, Kernanode 1131 –, Streifenanode 1131 Netzwerkbildner 558 Netzwerkwandler 558 Nichteisenmetalle 703 Nichtreaktionsklebstoff 888 Nickel-Sulfid 607 Nitrilkautschuk 901 Norm 78, 1068 –, Anwendungs- 92 –, harmonisierte europäische 84 –, Rest- 92 Normalmörtel 391 Normalspannung 13 Normalverteilung 63 Normsteife 220 Nutzungsdauer 1135
1208 O Oberflächenbehandlung 799 Oberflächenrüttler 305 Oberflächenschutz 985 –, Anwendungsvoraussetzung 998 –, Beton 1036 –, Holz 1031 –, Holzwerkstoffe 1031 –, Kunststoffe 1034 –, Stahlbeton 1036 –, Werkstoffe 985 –, Wetter- und Nutzungseinwirkung 1031 Oberflächenschutzschicht 799 –, abdichtende 1123 –, hauptsächlich wirksame 1123 –, rissüberbrückende 1123 Oberflächenschutzsystem (OS) 967, 1122 Oberflächentemperatur 1100 Oberflächenvorbereitungsgrad 1089, 1092 Oberflächenwiderstand, elektrischer 911 Oberflächenzugfestigkeit 25, 1098 Öl 1073 Opalsandstein 157 Operationscharakteristik 68 Opferanode 1129 Oriented Strand Board (OSB) 872 –, Strands 872 Orientierung, molekulare 912 Ornamentglas 586 Orthotropie 821 OTDR-Fasersensor 1138 Oxidationsbitumen 764 P Parkhaus 1103 Partikelschaum (EPS), expandierter 923 Passivierung 742 Passivschicht 742 Patina 710 PB 929 PC 943, 944, 946, 1111, 1112, 1113 PC I 1114 PC II 1114 PCC 1111, 1112, 1113, 1116, 1118 PCC I 1114
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PCC II 1114 PE-HD 929, 934 PE-LD 929 Pendelschlagwerk 669 Penetrationsindex 755 Performance-Konzept 79 Perimeterdämmung 924, 958 Perlit 654 PE-X 929 PF-Hartschaum 908 Pflasterstein 485 Pflasterziegel 550 Phase Change Material 1165 Phenol-Formaldehyd (PF) 901 –, Harz 886 –, Harzleim 871 Phenol-Hartschaum 923, 1147 Phenolharz 907, 1119 Phenolharzschaum 923 Phenolphthalein-Test 1083 Phosphatieren 721, 748 Photosynthese 814 Photovoltaik 940 pH-Wert 1139 Pigment 338, 986 Pilz 852 –, Assimilation 854 –, Enzyme 854 –, holzverfärbender 856 –, holzzerstörender 854 –, Hyphen 852 –, Mycel 852 –, Schimmelpilze 856 Planer, sachkundiger 1084, 1135 Planstein 451 Planungsgrundsatz 1068 Planziegel 516 Plastisol 955 Plastomer 900 Plattigkeitskennzahl 138 PMMA 928, 943, 944, 946, 948 Polarisationsdauer 1129 Polarisierung 1093 Polyacrylat 952 Polyacrylnitril (PAN) 901, 957
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Polyamid (PA) 901, 910, 957 –, 12 907 –, 6 907 Polybuten (PB) 901, 932, 938, 939 –, 1 907 –, ataktisches 901 Polybutylenterephthalat 901 Polycarbodiimid 901 Polycarbonat (PC) 901, 904, 907, 910, 911, 911, 942 Polychloropren 913, 968 – Kontaktklebstoff 914 – Latex 962 Polyester 995 –, glasfaserverstärktes 901 –, ungesättigtes 901 Polyesterharz 907 Polyesterharz (UP) 932 –, flexibles ungesättigtes 920 –, ungesättigtes 934, 935, 936, 953, 966, 1119 Polyesterharz (UP-GF), glasfaserverstärktes 933 –, ungesättigtes 919, 935, 942, 947, 950 Polyethylen (PE) 904, 912, 930, 931 –, chloriertes (PE-C) 901, 952 –, chlorsulfoniertes (CSM) 901, 919 –, Folie 598 –, Hart-/Weich- 901 –, Schaummatten 912 –, Schaumstoff 912, 927, 928 –, vernetzte (PE-X) 901, 931, 934, 938, 939 – hoher Dichte 907, 910 – hoher Dichte (Hart-/Niederdruck-PE) 901 – hoher Dichte (PE-HD) 932, 936, 937, 938 – niedriger Dichte 907 – niedriger Dichte (PE-LD) 938 – niedriger Dichte (Weich-/Hochdruck-PE) 901 Polyethylenterephthalat (lineares Polyester, gesättigt) 901 Polyethylenterephthalat (PETP) 957 Polyethylenweichschaum 922 Polyisobutylen (PIB) 901, 913, 949, 968 – Bahn 916
1209 Polyisocyanurat 901 Polymer Cement Concrete (PCC) 963 Polymer Concrete (PC) 965 Polymer Impregnated Concrete (PIC) 965 Polymeradditiv 962 Polymeranteil 1116 Polymerbeschichtung 1054 Polymerbitumen, Schweißbahn 804 Polymerdispersion 1116, 1117 Polymere, chlorierte 992 Polymethacrylimid 901 Polymethylendiisocyanat (PMDI) 871 Polymethylmethacrylat (PMMA, Acrylglas) 901, 910, 912, 942, 947, 948, 995 Polyose 819 Polyoxymethylen (Polyacetal) 901, 907 Polyphenylenoxid 901 Polypropylen (PP) 901, 907, 910, 931, 934, 935, 940, 957 –, ataktisches 901 –, chloriertes 901 Polypropylen-Copolymerisat (PP-C) 901, 931, 938 Polystyrol (PS) 901, 904, 907, 910, 912 923, 954, 948 –, expandiertes (EPS) 923, 1147, 1150, 1153 –, extrudiertes 1151, 1153 –, Hartschaum 908, 913, 917, 947 –, Hartschaum, extrudierter 958 –, Hartschaum-Leichtbeton 958 –, Partikelschaum 912, 949 –, Schaumstoffperle 926 Polystyrolschaum (XPS), extrudierter 923, 923, 1147 Polysulfid 921 Polysulfid-Kautschuk 901 Polytetrafluorethylen 901, 907, 910 Polyurethan (PUR) 901, 920, 921, 923, 994, 1119, 1151 –, flexibles 920 –, Hartschaum 917, 923, 940, 947, 949, 953, 1147 –, Harz 907, 1105, 1107 –, Integralschaum 950
1210 –, Klebstoff 887 –, Ortschaum 925, 926, 958 –, Schaum 1109 –, vernetztes 965 Polyvinylacetat 901, 963 Polyvinylacetatleim (Weißleim) 888 Polyvinyl-Butyral-Folie 598 Polyvinylchlorid 900, 906, 911, 912, 913 –, Belag 955, 956, 957 –, chloriertes (PVC-C) 901, 930, 934 –, Hart-/Weich- 901 –, hart PVC-U 930, 935, 936, 942, 947 –, PVC-HI 952 –, PVC-U 954, 955 –, weich (PVC-P) 950 –, weich-(PVC-P-)Bahn 917 –, weichmacherfreies 907 Polyvinylfluorid 901, 943 Polyvinylidenchlorid 901 Polyvinylidenfluorid 901 Polyvinylpropionat 901 Poren 1121 Porenbeton 463, 1042 –, Ausführung 473 –, bewehrte Bauteile 470 –, Druckfestigkeitsklasse 467, 471 –, Eigenschaften 465 –, Herstellung 463 –, Oberflächenbehandlung 473 –, Rohdichteklasse 467, 471 –, unbewehrte Bauteile 466 –, Verarbeitung 473 Porigkeit 10 Portlandzementklinker 208 Potentialabfall 1134 Potentialmessung 1085 PP 929, 934 PP-C 929, 939 Pressdachziegel 535 Primäraluminium 704 Produktionskontrolle, werkseigene 255 Profilbauglas 586 PS, extrudierter Schaum 908 PS-Partikelschaum 908, 927 PS-Schaumperle 927
Sachwortverzeichnis
Pumpbeton 354 PUR-„Montageschaum“ 927 PUR-Hartschaum 908, 946, 953 Putz 406 –, Leichtputzmörtel 420 –, Sanierputz 421 –, Wärmedämmputz 420 –, wasserabweisender 418 –, wasserhemmender 418 – für Sonderzwecke 422 Putzart 410 Putzaufbau 414 Putzbinder, Mauerbinder 241 Putzmörtel 406 –, Druckfestigkeit 407 –, Haftfestigkeit 411 –, kapillare Wasseraufnahme 407 –, Wärmeleitfähigkeit 407 –, Wasseraufnahmekoeffizient 413 –, Wasserdampfdurchlässigkeit 412 Putzmörtelgruppe 409 Putzsysteme 414 Putzweise 410 Puzzolan 209 PVAC-Klebstoffe, Zweikomponenten 888 PVC 910, 943, 963 PVC-C 929 PVC-Hartschaum 908 PVC-Integralschaum 953, 955 PVC-Integralschaumplatte 955 PVC-P 910, 915, 946 PVC-P-Bahn 917 PVC-Schaumstoff 956, 957 PVC-Strukturschaum 957 PVC-U 910, 929, 932, 934, 936, 937, 943, 944, 948, 949, 950, 951, 952, 953 Pyrit 1075 Q Quadratlochsieb 132 Qualitätsstahl, unlegierter 675 Quantil 65 Quarz 102 Quarzit 117 Quarzmehl 333
1211
Sachwortverzeichnis
Quellen 19 Quellschweißen 913, 915, 916, 933 Querdehnung 13 Querdehnungsbehinderung 21 Querdehnzahl 14 Querschnittsergänzung 1094 R Radialziegel 544 Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) 948 Rauchentwicklung 54 Rauheit 1122 Raumbeständigkeit 52 Rautiefe 1125, 1126 REA-Gips 187 Reaktionsharz 903, 906, 964 –, glasfaserverstärktes 932 Reaktionsharzbeschichtung 967 Reaktionsharzbeton 903, 966 Reaktionsharzestrich 967 Reaktionsharzklebstoff 913, 968 Reaktionsharzversiegelung 967 Reaktionsklebstoff 884, 913 Realkalisierung 1095 –, elektrochemische 1089 Recyclat 928, 934, 960 Recycling 953, 960 Referenzelektrode 1085, 1139, 1140 Reflexlack 925 Regeldachneigung 537 Regelsieblinie 172, 266 Regelwerk 1067 Regenfallrohr 935, 936 Regenrinne 935, 936 Reibung 32 Reindichte 8 Rekristallisation 661, 664 Relaxation 18 Resorcin-Formaldehyd-Harz (RF) 887 Restnorm 1069 Restnutzungsdauer 1102 Restquerschnitt 1103 Resttragfähigkeit 604 Restwasser 261
Rezeptmörtel 385 Riemchen 545 Riffelteiler 129 Riss 1096, 1101 –, drucklos, wasserführend 1106 –, feucht 1106 –, Füllen 1094 –, trocken 1106 –, unter Druck, wasserführend 1106 –, wasserführender 1103 Rissart 1104 Rissbehandlung 1102 Rissbehandlungsmaßnahme 1101 Rissbewegung 1102 Rissbreite 1101, 1104 Rissbreitenänderung 1104, 1107 Rissfüllgrad 1109 Rissfüllstoff 1105 Rissinjektion, dehnfähige 1102 –, kraftschlüssige 1102 Risstiefe 567 rissüberbrückende Schicht 1003 Rissüberbrückungsklasse 1006 Rissüberbrückungs-Prüfmaschine 1007 Rissursache 1104 Rissverlauf 1104 Risswachstum 568 Rockwell-Verfahren 673 Rohdichte 9, 903, 908 Roheisen 639 Rolldämmbahn 923 Rollladen 953 Rollladenkasten 953 Rückprallprüfung 317 Rutschhemmung 32 S Salpetersäure 1072 Salz 1073 Salzausblühung, Verhinderung 1044 Salzsäure 1072 Salzsprengdruck 1045 Sandflächenverfahren 1126 Sandstein 113 Sandwichelement 946
1212 Sättigungsdampfdruck 35 Sauerstoffblasverfahren 648 Säureangriff 1070 Schaden 1069 Schadensursache 1070 Schafwolle 1153 Schallabsorption 51, 1167 Schalldämm-Maß 48 Schalldämpfung 912 Schalldruckpegel 46 Schalungsrüttler 305 Schamott 348, 546 Schätzung 68 Schäumdruck 927 Schaumglas 555, 1147, 1149, 1153 Schaumstoff 903 Scherfestigkeit 26 Scherrheometer 768 Schichtdicke 1113, 1120, 1125 Schichtdickendefinition 1011 Schichtdickenzuschlag 1125, 1127 Schichtplatten (mit MF/PF), dekorative 901 Schichtpressstoffplatte 955 Schiefer, gebrannter 209 Schlacke, Raumbeständigkeit 157 Schlagfestigkeit 28 Schlagregenbeanspruchung 1017 Schlagregenschutz 1046 Schlagzertrümmerungswert 151 Schmelzbereich 1174 Schmelzkammergranulat 269 Schmelzklebstoff 889 –, reaktiver 889 Schmelzpunkt 1174 Schmelztemperatur 900 Schnittholzbläue 856 Schornsteinmörtel 403 Schornsteinziegel 544 Schrumpfen 20 Schubmodul 16 Schubspannung 13 Schüttdichte 9 Schutzkriterium 1133 Schutzstrom 1130 Schutzstromdichte 1129, 1130
Sachwortverzeichnis
Schwefelhexafluorid 583 Schwefelsäure 1072 Schwefelsäureangriff, biogener 1076 Schweißfaktor 912 Schwerbeton 357 Schwermetall 703 Schwinden 19 Sekundäraluminium 704 Sekundenschaum 1109 Selbstverdichtender Beton (SVB) 357 Sensor 1138, 1140 –, Faser-Bragg-Gitter 1138 –, faseroptischer 1138 –, interferometrischer 1138 –, piezoelektrischer 1138 Sensornetzwerk 1139 Sichtbeton 355 Sichtmauerwerk 451 Sickerleitungsrohr 935 Sickerwasserrohr 937 Siebdurchgang 133 Sieblinie 133, 170 –, Ausfallkörnung 173 –, betontechnologische 171 –, Kennwerte 175 –, Körnungsziffer 175, 272 –, k-Wert 175 –, Regelsieblinie 172 Sieblinienverbesserung 177 –, Mischkreuzverfahren 179 –, Schätzverfahren 177 Siebrückstand 133 Siemens-Martin-Verfahren 649 Silan 969 Silberlot 729 Silicastaub 210 Silicon (SI) 921, 968, 996 Siliconat 969 Siliconemulsion 970 Siliconharz 907 Siliconharzlösung 969 Siliconkautschuk 970 Silikastaub 336, 352 Silikastein 547 Silikon 901
Sachwortverzeichnis
Silikon-Kautschuk 901 Siloxan 969 Sinterzeug 508 SI-System 5 Solarkollektor 939, 940 Solarzelle 941 Sollschichtdicke 1125, 1126 Sondermörtel 403 Sonnenkollektor 939 Sorption 836 Sorptionsisotherme 37, 837 Spaltzugfestigkeit 24 Spannstahl 696 Spannungs-Dehnungs-Linie 14, 20 Spannungsintensitätsfaktors 567 Spannungs-Korrosionsgrenze 569 Spannungsrissbildung 904, 914, 930, 939, 946 Spannungsrisskorrosion 697, 740, 946 Spannweite 62 Spanplatte mit anorganischen Bindemitteln 877 –, gipsgebundene 877 –, magnesiagebundene 877 –, zementgebundene 877 Sparverblender 545 SPCC 1111, 1112, 1113, 1114, 1116, 1117 Sperrholz, Furnier- 880 –, Stab- 880 –, Stäbchen- 880 –, Verbund- 880 Sperrstoff 805 Splittmastixasphalt, Mischgut 797 Spritzbeton 351, 1111, 1112, 1113, 1115 Spritz-PCC (SPCC) 963 Spritzverarbeitung 1094 Sprödigkeit 563, 565 –, Sprödbruchverhalten 570, 606 Spuranpassung 582 Stabsieb 138 Stahl 647 –, Anlassen 663 –, austenitischer 657 –, beruhigt vergossener 650 –, Bruchdehnung 668
1213 –, Dauerschwingfestigkeit 671 –, Dauerstandfestigkeit 673 –, Desoxidation 650 –, Einschnürung 668 –, Elastizitätsmodul 666 –, Ermüdungsfestigkeit 671 –, ferritischer 657 –, Gefüge 651 –, Glühen 661 –, Härten 662 –, Härteprüfung 673 –, Herstellung 647 –, hochlegierter 678 –, Kaltverformung 657 –, Kriechen 673 –, legierter 656 –, Nachbehandlung 649 –, nichtrostender 675, 683 –, niedrig legierter 678 –, Relaxation 673 –, Spannungs-Dehnungs-Diagramm 666 –, Sprödbruchempfindlichkeit 669 –, Streckgrenze 667 –, unlegierter 655, 677 –, Vakuumbehandlung 651 –, Vergießen 651 –, Vergüten 663 –, Wärmebehandlung 660 –, Warmverformung 657 –, Zeitstandfestigkeit 673 –, Zugfestigkeit 667 –, Zugversuch 665 Stahlbetonrippendecken 529 Stahlguss 658 Stammholzbläue 856 Stand der Technik 77 Stand von Wissenschaft und Technik 77 Standardabweichung 64 Standardbeton 282, 291 Statistik 59 Steifemessgerät 206 Steildachdämmung 949 Steinholzboden 243 Steinzeugrohr 547 Stichprobe 59
1214 Stoff, kunststoffgebundener 1100 Stoffraumrechnung 286 Stoßfuge 447 Strahlenschutzbeton 357 Strangpressplatte 875, 876 Straßenbaubitumen 762 –, hartes 763 Straßenbeton 359 Streckgrenze 16 Streckspannung 905 Styrolacrylat 962 Styrol-Acrylat-Copolymer 1116 Styrol-Acryl-Copolymer 901 Styrol-Acrylnitril-Copolymer 901 Styrol-Butadien-Copolymer 901, 1116 Styrol-Butadien-Kautschuk 901 Styroporbeton 958 Sulfatangriff 1070, 1075 Sulfattreiben 222, 1073 Syenit 110 Synthesefaser 957 Systemprüfung 1133 T TA Siedlungsabfall 892 Taupunkt 1100 Teerpech 994 Temperatur 1099 Temperaturausdehnungskoeffizient 18 Temperaturgrenzen 900 Temperguss 645 Teppichbodenherstellung 957 Textile Bodenbelag 957 Thaulow-Verfahren 149 Thermoelast 931 Thermoplast 899, 903, 909, 912, 914 Thermoplastische Elastomer-(TPE-)Bahn 917 Thyllen 826 Tintenbildung 821 Titanzink 718 Tobermorit 212 Tonerdeschmelzzement 348 Tonhohlplatte 533 Tonmineral 103
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Tonschiefer 114 Topfzeit 964 Torsionsfestigkeit 27 Tragverhalten 1138 Tränkung 1102, 1106, 1108 Transparenz 555 Transportbeton 296 Trass 114, 334 Traufgitter 949 Travertin 115 Treiben 20 Treibspannung 1130 Trennriss 1103 Tribologie 31 Trittschall 46 Trittschalldämmung 50, 912, 927, 1170 Trittschallübertragung 51 Trockenbausystem 938 Trockenestrich 498 Trockenmörtel 1116 Trockenschichtdicke 1126 Trockenunterboden 498 Tuff 114 U Übereinstimmungsnachweis 81 Übereinstimmungszertifikat (ÜZ) 1067 Überkopfverglasung 624 –, Begehbarkeit 624 –, Betretbarkeit 624 Ü-Zeichen 83 Ultraschallprüfung 316 Umkehrdach 924, 958 Umwertung 674 Untergrundvorbereitung 1096 Unterspannbahn 949 UP-GF 929, 935, 936, 943, 944, 948 Urliste 61 V Vakuumbehandlung 305 Vakuum-Isolations-Paneele 1165 Variablenprüfung 71 Varianz 64 Variationskoeffizient 64
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VE-GF 929 Verarbeitbarkeitszeit 1105 Verbesserung 1135 Verbinden, dehnfähiges 1106 –, kraftschlüssiges 1106 Verbindung, dehnfähige 1104 –, kraftschlüssige 1104 Verblendmauerwerk aus Kalksandsteinen 1044 – aus Ziegeln 1044 Verbundglas 560 –, Absturzsicherung 611 –, Gießharze 598 –, Kugelfallversuch 625 –, Splitterbindung 611 –, Stoßkörperversuch 625 –, Verbund 612 –, Zwischenschicht 611 Verbundschädigung 1134 Verbund-Sicherheitsglas 560 –, Absturzsicherung 611 –, Kugelfallversuch 625 –, Splitterbindung 611 –, Stoßkörperversuch 625 –, Vakuumsack 597 –, Verbund 612 –, Vorverbund 597 –, Zwischenschicht 611 Verdichtungsversuch 275 Verfestigung 987 Verfilmung 987 Verformung 12 Vergleichbarkeit 60 Vergusstafel 531 Vermiculite 1150, 1153 Vernetzung 900, 902, 915, 931 Vernetzungsgrad 931 Versamid 965 Verschiebeziegel 535 Verschleiß 31, 33 –, mechanischer 1078 Verschleißschicht 1123 Verschmutzung, Verhinderung 1044 Verseifungsbeständigkeit 963 Versiegelung 1094, 1124
1215 Verstärkung 1094 Vicat-Gerät 220 Vicat-Verfahren 906 Vickers-Verfahren 673 Vinylacetat 901, 963 Vinylacetat-Co- und -Terpolymer 1116 Vinylchlorid 901, 962 Vinylester (VE) 901, 932 Vinylesterharz 934, 1119 Vinylidenchlorid-Copolymer 1116 Vinyllaurat 962 Vinylpropionat 901, 962 Vinylpropionat-Copolymer 1116 Viskosität 17, 1105 Vogel-Fulcher-Tammann-Gleichung 564 Vollziegel 510 Vorinjektion 1109 Vormauerziegel 513 Vorsatzplatte 1094 Vorspannen 1094 Vorspannung von Glas, chemische 603 –, Eigenspannung 603 –, Heißlagerung 608 –, Ionenaustausch 610 –, Relaxation 606 –, Spontanbruch 608 –, thermische 603 –, Vorspanngrad 604 Vulkanisation 900 W Wahrscheinlichkeitspapier 66 Walzasphalt 780 Walzwerk 659 Wärmedämmstoff 923 Wärmedämmverbundsystem 913, 963 Wärmedämmziegel 512 Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) 944 Wärmeeindringzahl 45 Wärmeformbeständigkeit 906 Wärmekapazität 42 Wärmeleitfähigkeit 43 Wärmeleitung 43 Wärmeleitzahl 906 Wärmespeichervermögen 42
1216 Wärmestrahlung 43 Wärmestrom 42 Warmgasschweißen 912, 915, 916, 917 Wartung 1135 Waschbeton 356 Wasser, gebundenes 838 Wasserabgabe 40 Wasseraufnahme 39, 908 Wasserdampfdiffusion 38 Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl 39 Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl 908, 909 Wasserdampfdruck 35 Wasserdichtheit 41 Wasserglas 997 Wasserstoffkrankheit 714 Wasserundurchlässigkeit 41, 1101 Wasser-Zement-Wert 215, 217, 263, 287 Wegaufnehmer, induktiver 1138 Weichbitumen 763 Weichlot 728 Weichlöten 730 Weichmacher 992 –, monomerer 900 –, polymerer 900 Weichmacherverlust 909 Weichmacherwanderung 917 Weichmachung 900 Weißfäule 854 Weißpunkt 888 Werkkennzeichen 693 Werkmörtel 386 Werkstoffnummer 647, 678, 704 Werk-Trockenmörtel 1117 Wichte 10 Widerstandsprüfung 1133 Wiederholbarkeit 60 Witterungsbedingung 1100 Witterungsbeständigkeit 52, 910 WKI-Recyclingverfahren 893 Wöhlerkurve 29 Z Zeitstandversuch 904 Zellulose 1153
Sachwortverzeichnis
Zement 208, 997 –, Anforderungen 233 –, Anmachen 208 –, Anwendungsbereiche 261 –, Ausgangsstoffe 209 –, Blaine-Wert 218 –, Brennen 210 –, CE-Kennzeichnung 239 –, chromatarmer 241 –, Dichte 219 –, Druckfestigkeit 222, 233 –, Erhärten 213 –, Erstarren 213, 220 –, Erstarrungsbeginn 233 –, Farbe 219 –, Festigkeitsklasse 222, 233, 234, 264 –, Hauptbestandteile 209 –, Herstellung 209 –, Kennfarben für die Festigkeitsklassen 235 –, Korngrößenverteilung 218 –, Mahlen 211 –, Mahlfeinheit 218 –, Mischen 211 –, Raumbeständigkeit 221, 233 –, Schüttdichte 219 –, spezifische Oberfläche 218 Zementart 228 –, Bezeichnung 232 –, FE-Zement 235 –, Hochofenzement (CEM III) 231 –, Hochofenzement mit niedriger Anfangsfestigkeit 233 –, HO-Zement 235 –, HS-Zement 234 –, hydrophobierter Zement 237 –, Kompositzement (CEM V) 231 –, LH-Zement 235 –, NA-Zement 234 –, Normalzement 228 –, NW-Zement 235 –, Portlandkompositzement (CEM II) 229 –, Portlandzement (CEM I) 229 –, Puzzolanzement (CEM IV) 231 –, Quellzement 239
Sachwortverzeichnis
–, Schnellzement 239 –, SE-Zement 235 –, Sonderzement 236 –, Tiefbohrzement 238 –, Tonerdezement 238 –, VLH-Zement 236 –, Weißzement 237 –, Zement für den Straßenbau 237 –, Zement mit sehr niedriger Hydratationswärme 236 –, Zusammensetzung 232 Zementit 654 Zementklinker 208 Zementleim (ZL) 1105, 1107 Zementleimdosierung 290, 293 Zementleimsuspension (ZS) 1105 Zementmörtel 1111, 1112, 1113, 1115 Zementputz 1035 Zementspanplatte 876 Zementstein 224 –, chemischer Angriff 226 –, Elastizitätsmodul 224 –, Frostbeständigkeit 226 –, Gasdurchlässigkeit 225 –, Kriechen 224 –, lösender Angriff 227 –, Quellen 224
1217 –, Schwinden 224 –, Sulfatangriff 227 –, Temperaturausdehnungskoeffizient 225 –, treibender Angriff 227 –, Wasserdurchlässigkeit 225 Zementsuspension 1107 Ziegel 505 –, Herstellung 506 Ziegelmauerwerk 521 –, Ausblühungen 524 –, einschaliges 521 –, zweischaliges 522 Zink 717 –, Formgebung 719 –, Kenngrößen 703 –, Oberflächenbehandlung 721 –, Primärzink 718 –, Sekundärzink 718 –, Titanzink 718 –, Verbindungsarbeiten 720 –, Wärmebehandlung 720 Zinn 727 Zugfestigkeit 22, 903, 905 Zulage-Kathode 1140 Zulassung 1069 Zustandsanalyse 1087 Zustimmung im Einzelfall (ZIE) 82