Waldumbau: für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft. Ergebnisse aus dem Südschwarzwald

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Konstantin von Teuffel Manuela Baumgarten Marc Hanewinkel Werner Konold Udo Hans Sauter Heinrich Spiecker Klaus von Wilpert Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft

Konstantin von Teuffel Manuela Baumgarten Marc Hanewinkel Werner Konold Udo Hans Sauter Heinrich Spiecker Klaus von Wilpert (Herausgeber)

Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Ergebnisse aus dem Südschwarzwald Mit 118 Abbildungen und 53 Tabellen

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Prof. Konstantin Frhr. von Teuffel Dr. Manuela Baumgarten PD Dr. Marc Hanewinkel Dr. Udo Hans Sauter Dr. Klaus von Wilpert Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg Wonnhaldestr. 4, 79100 Freiburg, Deutschland Prof. Dr. Werner Konold Universität Freiburg, Institut für Landespflege Tennenbacher Str. 4, 79106 Freiburg, Deutschland Prof. Dr. Heinrich Spiecker Universität Freiburg, Institut für Waldwachstum Tennenbacher Str. 4, 79106 Freiburg, Deutschland

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-540-23980-4 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner Herstellung: Luisa Tonarelli Satz: Druckreife Vorlage von Stephanie von Detten Druck: Mercedes Druck, Berlin Buchbinder: Stein + Lehmann, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier

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Danksagung

Die Herausgeber danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für die großzügige Förderung der hier dargestellten Forschungsprojekte. Sie schließen in diesen Dank den Projektträger Jülich (PTJ) mit Sitz in Berlin und hier insbesondere, Frau Heike Neumann, Frau Beate Schütze, Frau Valeria Schütze sowie Herrn Dr. Erich Stüttgen ein, die durch ihre Begleitung und Koordination wesentlich zum Gelingen des Projektes beitrugen. Dank sei auch allen Kollegen für die viele und sorgfältige Arbeit, die dieses Buch mit Textbeiträgen bereichert haben. Insbesondere gebührt Frau Dr. Manuela Baumgarten Dank für ihre wissenschaftliche Koordination des Gesamtprojektes in den letzten Jahren, die sie mit Geduld, Zähigkeit und Charme durchführte. Wir schulden unseren Dank auch den wissenschaftlichen Gutachtern der einzelnen Kapitel, die mit ihren wertvollen Anregungen die Qualität der Publikation zweifellos verbessert haben: Prof. Dr. Michael Bredemeier PD Dr. Peter Deegen Prof. Dr. Jörn Erler Prof. Dr. Werner Härdtle Prof. Dr. Hubert Hasenauer Prof. Dr. Gerhard Hofmann Prof. Dr. Bernd Huwe PD Dr. Thomas Knoke Prof. Dr. Max Krott Prof. Dr. Karl Eugen Rehfuess Prof. Dr. Matthias Schäfer Prof. Dr. Hermann Spellmann Prof. Dr. Karl Stahr Prof. Dr. Hubert Sterba Prof. Dr. Sven Wagner PD Dr. Norbert Weber Schließlich sei Frau Maria Schiek und Frau Renate Krieg sowie Frau Stephanie von Detten für die Organisation, Zusammenstellung und Formatierung der Manuskripte gedankt. Freiburg im September 2004, Die Herausgeber

Einführung

Die Wälder, die heute in Deutschland anzutreffen sind, tragen noch vielfach die Spuren der Zeit, in der sie einst begründet wurden. Sie sind entstanden in einem Zeitraum, in dem die Phase großflächiger Übernutzung und Devastation noch spürbar war. Seither hat die Forstwirtschaft in Deutschland in einer großen Aufbauleistung viele Standorte wieder urbar gemacht und Wälder neu begründet. Heute steht die Forstwirtschaft vor einer anderen Aufgabe. Der Aufbau der Wälder ist weitestgehend abgeschlossen, die Herausforderungen der Branche für die kommende Waldgeneration liegt im Waldumbau. Es geht also nicht mehr vorrangig darum, große Kahlflächen wieder zu bestocken und Holzvorräte wieder aufzubauen. Die Hauptaufgabe für viele Forstbetriebe liegt heute darin, die vorhandenen Wälder umzustrukturieren, ihre Baumartenzusammensetzung und ihren horizontalen und vertikalen Aufbau anforderungsgerecht umzubauen. Unter „Waldumbau“ verstehen wir waldbauliche Maßnahmen in Reinbeständen, die durch Vorbau oder Förderung der Naturverjüngung eine Mischung der Baumarten herbeiführen. „Überführung“ ist ein aktiv v.a. über Pflegeeingriffe betriebener, allmählicher Wechsel vom Altersklassenwald zum strukturreichen, gemischten und ungleichaltrigen Dauerwald, der je nach Betriebsform einzelbaumweise oder kleinbestandsweise umgesetzt wird. Umbau und Überführung beschäftigen Autoren forstlicher Fachbücher schon lange, eine ganze Reihe wichtiger Erkenntnisse wurde dabei veröffentlicht. Alle großen öffentlichen Forstverwaltungen der Bundesrepublik haben sich zu einem naturnahen Waldbau bekannt. Als Folge davon sind großflächige Waldumbauprogramme im Gange, obwohl eine Reihe wichtiger Fragen noch immer nicht abschließend beantwortet sind. So sind weder die genauen ökonomischen Konsequenzen von Umbau und Überführung in und nach der Umbauphase, noch der „ökologische Ertrag“ eines Wechsels zu stark strukturierten, gemischten Waldaufbauformen sowohl in qualitativer wie auch quantitativer Hinsicht hinreichend belegt. Vielfach treten auch Zielkonflikte zu Tage. Das vorliegende Buch gibt die wesentlichen Forschungsergebnisse eines Verbundprojektes wieder. Innerhalb eines breit angelegten Forschungsprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), das sich in fünf Projektregionen in Deutschland mit Waldumbau beschäftigt, hat sich dieses Verbundprojekt mit 26 Forschungsprojekten in der Projektregion Südschwarzwald dem Thema in den Jahren 1998 bis 2004 zugewandt. Im Rahmen dieser Forschung konnten wichtige Erkenntnisse interdisziplinär gewonnen und aufgearbeitet werden. Zahlreiche Ergebnisse dieser angewandten Forschung, die im Projektgebiet Südschwarzwald erzielt wurden, aber auch für andere Regionen von

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Einführung

Bedeutung sind, haben bereits Eingang in die forstliche Praxis der Landesforstverwaltungen und des kommunalen sowie privaten Waldbesitzes gefunden. Es ist im Rahmen dieses Projektes gelungen, ökologische, ökonomische und soziale Fragestellungen der Waldbewirtschaftung und ihren Bezug zu Waldumbau und Überführung gemeinsam und interdisziplinär zu bearbeiten. Dieses Buch soll dazu dienen, die Gesamtheit der bearbeiteten Fragen darzustellen und auf diese Weise eine auf das Arbeitsobjekt Wald bezogene Zusammenschau neuer Erkenntnisse zu ermöglichen. Die Herausgeber: Konstantin von Teuffel Manuela Baumgarten Marc Hanewinkel Werner Konold Udo Hans Sauter Heinrich Spiecker Klaus von Wilpert

Inhaltsverzeichnis

Danksagung........................................................................................................... V Einführung.........................................................................................................VII Inhaltsverzeichnis............................................................................................... IX 1 Nachhaltige Waldwirtschaft in Deutschland .................................................1 1.1 Nachhaltige, multifunktionale Waldwirtschaft ............................................2 1.2 Zukunftsorientierte Waldwirtschaft: naturnaher Waldbau und ökologischer Waldumbau.............................................................................3 1.2.1 Naturnaher Waldbau ...........................................................................4 1.2.2 Ökologischer Waldumbau...................................................................5 Literaturverzeichnis ...........................................................................................7 2 Forschung für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft............................11 2.1 Forschungsschwerpunkt - ökologischer Waldumbau.................................11 2.2 Der Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ - Möglichkeiten und Konsequenzen bei der Realisierung des ökologischen Waldumbaus am Beispiel des „Südlichen Schwarzwaldes“ ..................................................12 2.2.1 Charakterisierung der Forschungsregion „Südlicher Schwarzwald“.13 2.2.1.1 Das Wuchsgebiet Schwarzwald ...............................................13 2.2.1.2 Die Forschungsregion „Südlicher Schwarzwald“ ....................13 2.2.2 Forschungsaufgaben und Fragestellungen ........................................16 2.2.3 Struktur und beteiligte Institutionen..................................................19 Literaturverzeichnis .........................................................................................22 3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs ...........................25 3.1 Waldbauliche Situation in Baden-Württemberg ........................................25 3.1.1 Zustandsdaten zum öffentlichen Wald ..............................................25 3.1.2 Entwicklung des Waldes und einige mittelfristige Ziele der öffentlichen Forstverwaltung Baden-Württembergs .........................27 3.2 Herleitung des Umbaubedarfs für die Wälder Baden-Württembergs.........30 3.2.1 Natürliche Verbreitung der Fichte (Picea abies (L.) Karst.) .............30 3.2.2 Erläuterung des Umbaubedarfs ........................................................32 3.3 Methodik zur Feststellung des potentiellen Umbaubedarfs .......................33 3.3.1 Kriterien für einen potentiellen Waldumbau.....................................33 3.3.2 Datengrundlage und Auswertungsmethodik .....................................36 3.4 Ergebnisse ..................................................................................................38 3.4.1 Umbaubedarf für „ungeeignete Fichtenstandorte“ ............................38

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Inhaltsverzeichnis

3.4.2 Umbaubedarf für „wenig geeignete Fichtenstandorte“ Reduktion der Fichtenbeimischung Æ „Umbauziel d 30% Fichte + t 70% Buche bzw. andere Laubhölzer“) ...................................................... 42 3.4.3 Umbaubedarf für „mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“ Mindestbeimischung von Laubholzarten Æ „Umbauziel t 30% Laubholz (v.a. Buche, Eiche und sonstiges Laubholz) + d 70% Fichte“............................................................................................... 45 3.4.4 Zusammenfassung und Diskussion ................................................... 47 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 55 4 Der Zusammenhang zwischen Wuchsleistung und Standort bei Fichte, Tanne und Buche auf den wichtigsten Standortseinheiten des Südschwarzwaldes ......................................................................................... 59 4.1 Einleitung................................................................................................... 59 4.2 Material und Methoden.............................................................................. 61 4.2.1 Untersuchungsgebiet......................................................................... 61 4.2.2 Untersuchungsstandorte .................................................................... 61 4.2.3 Wuchsleistungsgruppen .................................................................... 63 4.2.4 Bestandes- und Baumauswahl........................................................... 63 4.2.5 Erfassung der Baummerkmale .......................................................... 64 4.2.6 Analyse des Durchmesserwachstums................................................ 64 4.2.7 Höhenanalyse.................................................................................... 64 4.2.8 Ermittelte Zuwachsgrößen ................................................................ 65 4.2.9 Alters-Höhen-Bonitierung................................................................. 66 4.2.10 Ermittlung der Standflächen der Probebäume ................................ 67 4.2.11 Herleitung der Zuwachs- und Bonitierungswerte ........................... 68 4.2.12 Standortsfaktoren............................................................................ 70 4.2.13 Bestandesparameter ........................................................................ 70 4.3 Ergebnisse .................................................................................................. 71 4.3.1 Schätzung der Oberhöhe im Alter 100 ho 100 ..................................... 71 4.3.2 Schätzung des durchschnittlichen Gesamtzuwachses im Alter 100 dGZ100 ............................................................................................... 72 4.3.3 Schätzung des laufenden periodischen Zuwachses lZ....................... 73 4.4 Diskussion.................................................................................................. 75 4.5 Zusammenfassung...................................................................................... 80 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 81 Anhang ............................................................................................................ 83 5 Ökologische und landschaftliche Aspekte - Standort, Geschichte, Vegetation, Verjüngungsstruktur, Bodenfauna, Genetik .......................... 85 5.1 Einführung ................................................................................................. 85 5.2 Untersuchungsgebiet und Projektdesign .................................................... 86 5.2.1 Untersuchungsgebiet - Lage, Standorte, Waldvegetation ................. 86 5.2.1.1 Wuchsbedingungen, Standortsgliederung................................ 87 5.2.1.2 Waldvegetation ........................................................................ 88 5.2.2 Projektdesign..................................................................................... 89

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5.2.3 Wald- und Forstgeschichte................................................................92 5.3 Projekte ......................................................................................................96 5.3.1 Natürliche Baumartenzusammensetzung – Standortswald................96 5.3.1.1 Versuchsflächen, Material, Methodik ......................................97 5.3.1.2 Holzkohleanalytisches Ergebnis und Auswertung ...................97 5.3.1.3 Schlussfolgerung ......................................................................99 5.3.2 Wald als Kulturlandschaft...............................................................100 5.3.2.1 Forschungsziel........................................................................100 5.3.2.2 Methoden der Landschaftsanalyse .........................................101 5.3.2.3 Ergebnisse ..............................................................................101 5.3.3 Auswirkungen des Waldumbaus auf die Verjüngungsstruktur .......105 5.3.3.1 Ziele, Annahmen ....................................................................105 5.3.3.2 Untersuchungsgebiet und Methoden ......................................105 5.3.3.3 Ergebnisse ..............................................................................106 5.3.4 Auswirkungen des Waldumbaus auf die Vegetation.......................110 5.3.4.1 Ziele und methodologisches Vorgehen ..................................110 5.3.4.2 Ergebnisse ..............................................................................110 5.3.4.3 Schlussfolgerungen ................................................................113 5.3.5 Auswirkungen des Waldumbaus auf die Bodenfauna.....................113 5.3.5.1 Ziele und Annahmen ..............................................................113 5.3.5.2 Untersuchungsgebiet und Methoden ......................................114 5.3.5.3 Ergebnisse ..............................................................................114 5.3.5.4 Extrapolierbarkeit der Erkenntnisse von der untersuchten Raumebene auf höhere Raumebenen .....................................117 5.3.6 Genetische Aspekte der Einbringung von forstlichem Vermehrungsgut beim Waldumbau: Genetische Zusammensetzung zugelassener Saatguterntebestände der Weißtanne - Überprüfung der Herkunftssicherheit der Buche durch Referenzproben..............117 5.3.6.1 Ziele und Hypothese ..............................................................117 5.3.6.2 Material und Methoden ..........................................................118 5.3.6.3 Ergebnisse bei der Weißtanne mit besonderer Berücksichtigung von historischen Aspekten und vom Grad des menschlichen Einflusses ........................................................119 5.3.6.4 Ergebnisse zur Herkunftssicherung von Buche und Weißtanne ..............................................................................120 5.4 Diversität..................................................................................................121 5.4.1 Diversität im Kontext des Waldumbaus..........................................121 5.4.2 Landschaftliche Diversität...............................................................122 5.4.3 Einfluss des Waldumbaus auf die Bestandes- und Artendiversität .124 5.5 Ableitungen und Empfehlungen für den Waldumbau..............................134 5.5.1 Zusammenfassende Ableitungen.....................................................134 5.5.2 Detaillierte Empfehlungen zu einzelnen ökologischen Aspekten ...135 5.6 Praxismethoden ........................................................................................139 5.6.1 Gewinnung von Vermehrungsgut ...................................................139 5.6.2 Wald als Kulturlandschaft...............................................................140 Literaturverzeichnis .......................................................................................142

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6 Waldumbau und Stoffhaushalt .................................................................. 151 6.1 Stoffhaushaltskriterien für Bedarf und Möglichkeiten von Waldumbau . 151 6.1.1 Anthropogene Depositionen............................................................ 152 6.1.2 Bodenversauerung........................................................................... 152 6.1.3 Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalt................................................ 155 6.2 Wirkung des Waldumbaus auf Bestandes- und Landschaftsniveau......... 159 6.2.1 Bestandesstruktur und Stoffhaushalt (eine Ökosystemstudie) ........ 159 6.2.2 Regionalisierung bodenchemischer Eigenschaften – Einschätzung der Verbesserung der Standortsnachhaltigkeit durch Waldumbau auf Landschaftsebene ....................................... 164 6.2.2.1 Untersuchungsgebiete und Probenahmedesign ...................... 165 6.2.2.2 Regionalisierungsmethode ..................................................... 168 6.2.2.3 Ergebnisse zur Basensättigung............................................... 171 6.2.2.4 Kohlenstoffvorräte ................................................................. 174 6.2.2.5 Diskussion der Regionalisierungsergebnisse und Schlussfolgerungen ................................................................ 175 6.3 Beitrag des Bodenskeletts zum Ionenvorrat von Böden........................... 179 6.3.1 Austauschbare Nährelemente der Grobbodenfraktion in Waldböden des südlichen Schwarzwaldes ...................................... 180 6.3.1.1 Material und Methoden.......................................................... 180 6.3.1.2 Ergebnisse .............................................................................. 183 6.3.1.3 Diskussion.............................................................................. 188 6.3.2 Sind Steine in Waldböden“hot spots“ der Nährelementaufnahme durch Feinwurzeln und Mykorrhizza-Pilze? ................................... 191 6.3.2.1 Einleitung............................................................................... 191 6.3.2.2 Mikropedologische Methoden ............................................... 192 6.3.2.3 Ergebnisse und Diskussion .................................................... 193 6.3.3 Zukünftige Integration des Nährelementvorrats des Grobbodens... 196 6.3.3.1 Einleitung............................................................................... 196 6.3.3.2 Methoden ............................................................................... 197 6.3.3.3 Ergebnisse .............................................................................. 199 6.3.3.4 Diskussion.............................................................................. 202 6.3.4 Zusammenfassung zum Nährelementpotential von Steinen............ 204 6.4 Zusammenfassende Schlussfolgerungen zu Waldumbau und Stoffhaushalt ................................................................................... 207 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 210 7 Waldwachstumskundliche Aspekte des Waldumbaus ............................. 215 7.1 Einleitung................................................................................................. 215 7.2 Das Zuwachspotenzial von Fichten (Picea abies [L.] Karst.) und Tannen (Abies alba Mill.) und deren Eignung für Überführungsvorhaben................................................................................................... 216 7.2.1 Einleitung........................................................................................ 216 7.2.2 Eine Methode zur Abschätzung des Zuwachspotenzials von Fichten und Tannen......................................................................... 218 7.2.2.1 Auswahl der Steuerungsparameter......................................... 218

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7.2.2.2 Untersuchungsmaterial für die retrospektive Analyse der Wuchsreaktion........................................................................220 7.2.2.3 Bildung von Klassenmittelwerten zur Beschreibung der Kronenlänge und des Entwicklungsstadiums.........................221 7.2.3 Ergebnisse .......................................................................................221 7.2.3.1 Veränderung des jährlichen Radialzuwachses in 1,3m Schafthöhe..............................................................................221 7.2.3.2 Veränderung der Schaftform..................................................224 7.2.3.3 Veränderung des jährlichen Höhenzuwachses .......................225 7.2.3 Waldbauliche Konsequenzen aus dem Zuwachsreaktionsverhalten stark freigestellter Fichten und Tannen ...........................226 7.3 Zum Wachstum älterer Buchen (Fagus sylvatica L.) in der Überführungsphase im südlichen Schwarzwald.......................................227 7.3.1 Einleitung ........................................................................................227 7.3.2 Material und Methode .....................................................................227 7.3.2.1 Untersuchungsflächen ............................................................228 7.3.2.2 Auswahl und Vermessung der Untersuchungsbäume ............228 7.3.2.3 Analyse des Grundflächenzuwachses ....................................230 7.3.2.4 Analyse des Höhenzuwachses................................................233 7.3.2.5 Kronenexpansion....................................................................234 7.3.3 Ergebnisse .......................................................................................234 7.3.3.1 Reaktion des Grundflächenzuwachses ...................................234 7.3.3.2 Plausibilität des Modells für Langzeitprognosen ...................235 7.3.3.3 Reaktion des Höhenzuwachses ..............................................236 7.3.3.4 Kronenausdehnung.................................................................237 7.3.3.5 Variation des Astlängenzuwachses ........................................237 7.3.4 Diskussion.......................................................................................239 7.3.4.1 Grundflächenzuwachs ............................................................239 7.3.4.2 Höhenzuwachs .......................................................................240 7.3.4.3 Kronenbreite...........................................................................240 7.3.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die Praxis .............240 7.4 Folgerungen .............................................................................................241 Literaturverzeichnis .......................................................................................242 8 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus und Methoden der Risikoprognose anhand von Fallbeispielen – Einführung........................247 8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus – Analyse mit Methoden der Investitionsrechnung .........................................................................248 8.1.1 Einleitung ........................................................................................248 8.1.2 Material und Methoden ...................................................................249 8.1.3 Ergebnisse – Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus - ein Fallbeispiel ......................................................................................252 8.1.4 Sensitivitätsanalysen .......................................................................258 8.1.5 Schlussfolgerungen .........................................................................259 8.2 Risikoprognose mit neuronalen Netzen – am Beispiel von Umbaubetrieben .......................................................................................261

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8.2.1 Einleitung........................................................................................ 261 8.2.2 Ermittlung des Risikos mit Hilfe von neuronalen Netzen auf der Basis von Verbuchungsdaten .................................................... 261 8.3 Quantifizierung von Risiko durch altersstufenweise Ermittlung von Übergangswahrscheinlichkeiten mit Hilfe von digitalisierten Forstkarten ............................................................................................... 269 8.3.1 Material und Methoden................................................................... 269 8.3.2 Ergebnisse am Fallbeispiel Staatswald St.Blasien .......................... 271 8.3.3 Diskussion....................................................................................... 275 8.3.4 Schlussfolgerungen zur Risikoanalyse............................................ 276 8.3.5 Zusammenfassende Schlussfolgerung aus Risikoerfassung und ökonomischer Analyse.................................................................... 277 8.4 Die Waldbewirtschaftung im bäuerlichen Privatwald.............................. 278 8.4.1 Waldbauliche Situation im Privatwald............................................ 279 8.4.2 Anzahl der Betriebe und Flächenausstattung .................................. 280 8.4.3 Veränderung der Rahmenbedingungen durch den Agrarstrukturwandel ....................................................................... 281 8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Praktiken des ökologischen Waldumbaus und einer naturnahen Bewirtschaftung im Privatwald ................ 284 8.5.1 Hintergrund ..................................................................................... 284 8.5.2 Theoretischer Rahmen, Material und Methoden............................. 285 8.5.3 Wahrnehmung des Waldzustandes und der eigenen Einflussmöglichkeiten durch private Waldbesitzer......................... 288 8.5.4 Soziale Einflüsse auf das Handeln der Waldbesitzer ...................... 289 8.5.5 Typen von Waldbesitzern ............................................................... 289 8.5.6 Empfehlungen zur Förderung der Waldumbautätigkeit im Privatwald .................................................................................. 293 8.5.7 Zielgruppenspezifische Aspekte ..................................................... 294 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 297 9 Aspekte der Holznutzung und der Technikfolgenabschätzung beim Waldumbau im südlichen Schwarzwald.................................................... 301 9.1 Holznutzung im Dauerwald ..................................................................... 304 9.1.1 Rahmenbedingungen für die Holznutzung...................................... 305 9.1.1.1 Expertenbefragung zur Erhebung der modifizierten Rahmenbedingungen.............................................................. 305 9.1.1.2 Anforderungen des Waldbaus an die Holznutzung ................ 306 9.1.2 Arbeitsversuche zum Einsatz von Holzerntesystemen in Dauerwäldern.................................................................................. 307 9.1.2.1 Material und Methoden.......................................................... 308 9.1.2.2 Leistungsergebnisse der untersuchten Holzerntesysteme ...... 310 9.1.2.3 Arbeitssicherheit und Ergonomie........................................... 312 9.1.2.4 Organisation und Planung ...................................................... 313 9.1.2.5 Abschließende Beurteilung hinsichtlich Technikfolgenabschätzung..................................................... 313

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9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand im Sinne einer Technikfolgen-abschätzung.............................................................315 9.2.1 Bodenmechanische Wirkung von im Rahmen des Waldumbaus eingesetzten Maschinen...................................................................316 9.2.1.1 Material und Methoden ..........................................................317 9.2.1.2 Ergebnisse zur Messung der „Kontaktflächendrücke“...........322 9.2.1.3 Ergebnisse zur Bodenspannung .............................................324 9.2.1.4 Ergebnisse zur Vorbelastung..................................................326 9.2.1.5 Diskussion..............................................................................328 9.2.1.6 Fazit........................................................................................329 9.2.2 Systeme und Verfahren als Belastungsfaktoren - Probleme mit dem Einsatz moderner Holzerntetechnik ..................................330 9.2.2.1 Leistungspotentiale kontra Bodenverträglichkeit...................334 9.2.2.2 Auswirkungen moderner Holzerntefahrzeuge und deren Arbeitsabläufe auf das Widerlager Boden..............................336 9.2.2.3 Belastungen des Bodens durch Systemkomponenten ............342 9.2.3 Bodenverformung und Wurzelraum................................................345 9.2.3.1 Veränderung der Bodenstruktur und ihre Auswirkungen auf die Transferparameter ......................................................346 9.2.3.2 Regeneration von Bodenverformung .....................................355 9.2.3.3 Sicherung der ökologischen Bodenfunktionen bei der Holzernte in Überführungsbeständen.....................................362 9.2.4 Bestandespfleglichkeit von Holzerntesystemen in Dauerwäldern...362 9.3 Holzerntetechnik im Nicht-Altersklassenwald – Entscheidungskriterien und Steuerungsmöglichkeiten ..................................................................367 9.3.1 Hiebscharakteristika in Dauerwaldbeständen...................................367 9.3.2 Mensch ...........................................................................................368 9.3.3 Bestand............................................................................................369 9.3.4 Boden ..............................................................................................370 9.3.5 Gesellschaft – adäquate Technik zur nachhaltigen Nutzung naturnaher Wälder...........................................................................371 9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvoll-erntern in Steillagen des Schwarzwaldes...................................................................................373 9.4.1 Problemstellung...............................................................................373 9.4.2 Material und Methoden ...................................................................376 9.4.2.1 Versuchsfläche .......................................................................376 9.4.3 Modellierung ...................................................................................377 9.4.4 Messfeldvorbereitung und Oberflächenscanning ............................379 9.4.4.1 Datenaufbereitung ..................................................................381 9.4.5 Feldversuche zur Abflussbildung....................................................383 9.4.6 Ergebnisse .......................................................................................384 9.4.6.1 Modellierung ..........................................................................384 9.4.6.2 Volumenbilanzen und Oberflächenrauhigkeit........................385 9.4.7 Diskussion.......................................................................................390 9.4.8 Folgerungen für die Praxis ..............................................................392 Literaturverzeichnis .......................................................................................393

XVI

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Waldumbau – eine Zusammenfassung............................................................ 401 Flächendimension.......................................................................................... 401 Biodiversität und Landschaft......................................................................... 402 Stoffhaushalt.................................................................................................. 403 Waldwachstum .............................................................................................. 405 Ökonomie und Risiko .................................................................................... 406 Sozioökonomie .............................................................................................. 408 Technikfolgenabschätzung ............................................................................ 410 Autorenverzeichnis............................................................................................ 415

1 Nachhaltige Waldwirtschaft in Deutschland M. Baumgarten, K. von Teuffel

Die Waldnutzung unterliegt im Laufe der Geschichte und in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage, den Eigentumsverhältnissen und gesellschaftlichen Ansprüchen wechselnden Anforderungen. Bis zum Mittelalter war Deutschland fast vollständig von buchendominierten Wälder bedeckt (Küster 2001). Mit dem Anstieg der Bevölkerung und der Entwicklung von Ballungszentren nahm die Rodungstätigkeit seit dem frühen Mittelalter zu und der Wald wurde bis heute auf rund ein Drittel seiner Ausgangsfläche zurückgedrängt. Vom Spätmittelalter und der frühen Neuzeit an diente der Wald der gesellschaftlichen Existenzsicherung, deren Grundlage das Waldgewerbe, Handwerk, Ernährungs- und v.a. die Energieversorgung war (Schmidt 2003). Unterschiedliche Nutzungsinteressen und Übernutzung führten bis zum 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland zu degradierten und devastierten, übernutzten Waldflächen und gebietsweise zur Zerstörung ganzer Waldkomplexe (Schmidt 1994, 2001). Die resultierende Knappheit bewirkte sehr bald neue sozio-ökonomische Interessenskonflikte verschiedener Waldnutzer, deren Ansprüche einer geregelten Forstwirtschaft bedurften (Schriewer 2001; Schmidt 2003). Die Anfänge einer geregelten Forstwirtschaft lagen bereits im 16. Jahrhundert, die eigentliche Entwicklung begann erst etwa zwei Jahrhunderte später (von Hornstein 1958). Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde im 18. Jahrhundert in der Waldwirtschaft geprägt. H.C. v. Carlowitz (1713) manifestierte 1713 einen auf die Gleichmäßigkeit der Holznutzung gerichteten Nachhaltigkeitsbegriff. Die Einbeziehung ökologischer Gesichtspunkte in den forstlichen Nachhaltigkeitsgedanken erfolgte etwa gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts (Gayer 1886). Aufgabe der modernen Forstwirtschaft war zunächst der Wiederaufbau der Wälder, wobei die schnelle Wiederbewaldung und eine nachhaltige Sicherung der Holzressourcen im Vordergrund standen. Schnellwüchsige Nadelbaumarten wie Fichte und Kiefer wurden aufgrund der guten Erträge sowie der leichten Kultivierbarkeit auch auf z.T. nährstoffverarmten, degradierten Böden bevorzugt und meist in Reinbeständen angepflanzt. Nachteile der Nadel-Reinbestandswirtschaft wie erhöhte Schädlingsempfindlichkeit, verringerte Stabilität gegenüber abiotischen Belastungen, Verringerung der Bodenfruchtbarkeit, Rückgang der Biodiversität, u.a. wurden erst allmählich offensichtlich. In der Wiederaufbauphase nach dem 2. Weltkrieg erlitt die nachhaltige naturnähere Waldbewirtschaftung aufgrund der ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen und der durch überhöhe Wildbestände unzureichenden Naturverjüngung einen Rückschlag (Weidenbach 2001). Erst in den letzten Jahrzehnten K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

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wurden die notwendigen Umstrukturierungen zur Walderneuerung in Richtung einer naturnäheren Waldwirtschaft gesellschaftlich wieder relevant (Mantel 1990; Schriewer 2001; Schmidt 2003). Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erlauben es und die gesellschaftlichen Anforderungen in Deutschland (Westeuropa) und die erweiterten Kenntnisse bedingen es, möglichst viele Waldfunktionen, wie Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion bei der Waldbewirtschaftung mit einzubeziehen (Kennedy et al. 1998; Farell et al. 2000). So vereinbarten die Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe in Helsinki (1993): „Nachhaltige Bewirtschaftung bedeutet die Betreuung von Waldflächen und ihre Nutzung auf eine Weise und in einem Maß, dass sie ihre biologische Vielfalt, Produktivität, Verjüngungsfähigkeit und Vitalität behalten sowie ihre Fähigkeit, gegenwärtig und in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfüllen, und dass anderen Ökosystemen kein Schaden zugefügt wird“. Die forstliche Nachhaltigkeit wird damit erweitert um die Begriffe multifunktional, naturnah und sozialverträglich.

1.1 Nachhaltige, multifunktionale Waldwirtschaft Seit dem Ende der 1970er Jahre hat sich in Deutschland eine nachhaltige, multifunktionale Waldwirtschaft durchgesetzt (Höltermann u. Oesten 2001). Die gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald umfassen heute neben der Erzeugung von Nutzholz immer weitere Bereiche, z. B. nachwachsende Rohstoffe, Energieerzeugung, Klimaschutz, CO2-Fixierung, Tourismus, Ästhetik, Naturerlebnis, Freizeitaktivitäten, Lawinenschutz, Hochwasserschutz, Bodenschutz, Biodiversitäts-/Artenreservoir, Trinkwasser etc. (Pelkonen et al. 1999; Krott 2000; Richter 2002; Nabuurs 2001). Zur praktischen Umsetzung der Multifunktionalität wurde das Konzept der ”Naturnahen Waldwirtschaft” aus gewachsenen Formen der Waldbewirtschaftung entwickelt. Naturnähere Waldbewirtschaftungsformen werden in Deutschland lokal seit langem betrieben, sie werden jedoch wegen der veränderten ökologischen und gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald erst in den letzten Jahrzehnten auch großflächig umgesetzt. Nachdem die Waldzustands-Diskussion in Deutschland seit den 1980er Jahren großes öffentliches Interesse erfahren hat, wurde, auch unter starken Druck durch die Forstwissenschaft, eine rasche Hinwendung zur naturnahen Waldwirtschaft vollzogen. Eine der wichtigsten Aufgaben einer modernen, zukunftsorientierten Forstwirtschaft in Deutschland ist der Umbau der großflächig vorhandenen, nicht standortsgemäßen reinen Nadelwälder in naturnahe, standortsgerechte, stabile Mischwälder unter wesentlicher Beteiligung von Laubbaumarten sowie der Tanne. Die Wiedervereinigung und die Haushaltsprobleme aller öffentlichen Hände haben in letzter Zeit den Fokus der Öffentlichkeit von der Wahrnehmung und dem Interesse für Umweltprobleme eher abgelenkt (Schraml u. Winkler 1999). Auch

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die wirtschaftliche Krise zahlreicher Waldeigentümer hat die ökonomischen Aspekte der Waldnutzung wieder stärker in den Vordergrund rücken lassen. Auf internationaler Ebene einigten sich die beteiligten Staaten im Rahmen der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 auf ein umfassendes Leitbild zur nachhaltigen Entwicklung (UNCED 1992). Zur Konkretisierung der dort gefassten waldbezogenen Beschlüsse wurde schließlich das Konzept der „nationalen Forstprogramme“ (NFP) beschlossen. Diese sehen vor, die wirtschaftliche, umweltbezogene und soziale Bedeutung des Waldes zu analysieren und, entsprechend der nationalen Anforderungen und der Beachtung vereinbarter Prinzipien, Maßnahmen zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung zu ergreifen. Weitere Vereinbarungen auf europäischer Ebene folgten (diverse Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa in Helsinki, Lissabon, Wien) (BMELF 2000a). Mittlerweile werden weltweit die Vorschläge und Ergebnisse in die nationalen Forstprogramme eingearbeitet. Obwohl sich Deutschland bei der Entwicklung des Konzeptes international stark engagiert hat, war der Start zu den NFP im europäischen Vergleich eher verspätet, so dass Deutschland im Mittelfeld rangiert (Zimmermann u. Mauderli 2001). Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland den Prozess eines Dialogs zur Ausarbeitung eines regionalen Forstprogramms vollzogen (Roscher u. Weber 2003). Damit soll in einem fortlaufenden sektorenübergreifenden politischen Dialog unter Einbezug aller gesellschaftlich relevanten Gruppen, der Prozess zur Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung unter Berücksichtigung der vielfältigen Waldfunktionen auf einen breiten Konsens gestellt werden. Acht weitere Bundesländer haben die Ausarbeitung eines regionalen Forstprogramms veranlasst (Roscher u. Weber 2003). Die meisten europäischen Staaten beginnen vermehrt die Grundsätze einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung in ihre nationalen Konzepte und Gesetze einzubringen.

1.2 Zukunftsorientierte Waldwirtschaft: naturnaher Waldbau und ökologischer Waldumbau Gemäß dem Bundeswaldgesetz (BwaldG, BMELF 2000b) als Rahmengesetz für die Landeswaldgesetze wird als Grundsatz für die Waldbewirtschaftung festgesetzt, „den Wald wegen seines wirtschaftlichen Nutzens (Nutzfunktion) und wegen seiner Bedeutung für die Umwelt, insbesondere für die dauernde Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit, das Landschaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur und die Erholung der Bevölkerung (Schutz- und Erholungsfunktion) zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern, die Forstwirtschaft zu fördern und einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldbesitzer herbeizuführen“.

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Alle Waldeigentümer sind somit zu einer nachhaltigen und multifunktionalen Waldwirtschaft verpflichtet. 1.2.1 Naturnaher Waldbau Der naturnahe Waldbau entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten aus historisch gewachsenen Formen der Waldbewirtschaftung (Weidenbach 1988; Otto 1990, 1991; Schütz 2001). Schon der Begriff „naturnah“ impliziert, dass bei dieser Art von Bewirtschaftung weiterhin der Mensch und dessen (veränderliche) Nutzung der Ressource Wald im Vordergrund steht. Es geht somit explizit nicht um eine Annäherung der Wälder an deren ursprünglichen Zustand (Urwälder), sondern im wesentlichen um die Orientierung der Bewirtschaftungsmaßnahmen an Prozessen, die ohne aktives Eingreifen des Menschen ablaufen. Die naturnahe Bewirtschaftung dient als Mittel, diese „kostenlos“ ablaufenden Prozesse (z.B. Naturverjüngung) möglichst effizient und risikosenkend, und zwar in ökonomischer und ökologischer Hinsicht, auszunutzen. Ein grundlegendes Ziel naturnaher Waldwirtschaft ist es, in den zukünftigen Wirtschaftswäldern die Baumarten, die gegenwärtig auch von Natur aus den Wald prägen würden, in angemessenen Anteilen zu berücksichtigen und gleichzeitig ungleichaltrige, strukturierte und stufige Mischwälder mit hoher Stabilität aufzubauen. Kennzeichnend für die meisten, aktuellen Waldbaukonzepte der Bundesländer, die sich einer naturnahen Waldbewirtschaftung verpflichtet sehen, ist ein waldbaulicher Übergang von Nadelreinbeständen hin zu Mischwäldern, eine Erhöhung des Laubbaumanteils sowie eine stärkere Strukturierung der Bestände mit Naturverjüngung und einem steigenden Anteil an Bäumen in der Alterungs- und Zerfallsphase. Eine standortsgerechte Baumartenwahl soll der Entwicklung einer standortsangepassten Arten- und Strukturvielfalt in Mischwäldern dienen. Dauerwälder sollen gefördert, große Kahlschläge möglichst vermieden werden. Übereinstimmend wird eine ökosystemverträgliche Waldbewirtschaftung postuliert. Dies setzt voraus, dass der Einsatz systemfremder Stoffe und auch die Belastung von Nachbarsystemen durch die Bewirtschaftung vermieden werden, solange keine existenzielle Gefährdung der Wälder selbst offensichtlich ist. Weitgehender Konsens besteht auch über die Notwendigkeit, den Umfang der Wildbestände zu regulieren, um die natürlichen dynamischen Prozesse zur Walderneuerung nutzen zu können. Die vollmechanisierte Holzernte mit schweren/mittelschweren Ernteund Rückefahrzeugen wird grundsätzlich in Kenntnis der ökonomischen Zwänge akzeptiert, die Standards bei der Feinerschließung sowie hinsichtlich Bodenschutz und Ökologie sind einzuhalten, obschon nicht immer einheitlich (ML 1992; MU 1993; TMNLF 1993; MURL 1994; MELF 1998; MUNF 1999; MLR 1999; SMUL 1999; StMLF 2001). Die öffentlichen Forstverwaltungen bekräftigen generell eine Zuwendung hin zum naturnahen Waldbau. Nach einer Auswertung der bestehenden Waldbaukonzepte oder Waldbauprogramme aus 16 Bundesländern hinsichtlich Bewirtschaftungs-

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weise und Hauptzielen betreiben 12 der Landesforstverwaltungen „naturnahe“, zwei „naturgemäße“ und eine sog. „ökogerechte“ Forstwirtschaft (Neumann 2000). Inhaltlich sind die Unterschiede jedoch gering. Historisch bedingt erfüllen heute nur einige Waldbestände die angestrebte Zielvorstellung (Tabelle 1.1), jedoch ist, regional unterschiedlich, schon seit geraumer Zeit ein Entwicklungsprozess zu den erwünschten waldbaulichen Verhältnissen im Gange (Burschel u. Huss 1997), der als ”ökologischer Waldumbau” bezeichnet wird. Dieser findet derzeit auf großer Fläche statt und führt zur sukzessiven Veränderung ganzer Landschaften. Tabelle 1.1: Flächen-/Anteile der Betriebsarten im Wirtschaftswald in Deutschland und Baden-Württemberg Gebiet

Betriebsart

Altersklassenwald BRD ° Ha 7.112.696 % 97 Baden-WürttemHa 1.259.932 berg * % 97 ° BMELF 1992, gesamter Wirtschaftswald * FVA 1993, gesamter Wirtschaftswald

Plenterwald, dauerwaldartig 143.395 2 45.661 3

1.2.2 Ökologischer Waldumbau Unter Waldumbau wird im Allgemeinen der durch Bewirtschaftungsmaßnahmen herbeigeführte Wechsel von Betriebsform und Baumartenmischung in Waldbeständen verstanden (Anonymus 2000). Der Begriff „ökologischer Waldumbau“ ist in zweierlei Hinsicht besetzt. Er wird als Leitvorstellung der Forstverwaltungen verwendet, welche als grundsätzliches Ziel eine Umstrukturierung ihrer Wälder beabsichtigen, um sowohl funktionelle als auch ökologische Diskrepanzen, die zwischen realen und zu erwartenden Wirkungen eines Waldökosystems auftreten, zu beseitigen (Thomasius 1996). Weiterhin ist der Waldumbau das Instrument zum Erreichen der Leitvorstellung (Gemende 2003). Zu den zentralen Zielen des ökologischen Waldumbaus gehört der Ersatz von Nadelbäumen (v.a. Fichte und Kiefer) auf für sie ungeeigneten Standorten durch standortsgerechte Baumarten sowie die Erhöhung des Laubholzanteils auf der Gesamtwaldfläche - je nach Bundesland soll dessen Anteil in Zukunft bei rund 40 bis 60 % liegen (Rosin 2000). Der Waldumbau als Umstrukturierung der Wälder ist Teil aller Waldbauprogramme. Aktuell bedeutet dies für die meisten Waldregionen Deutschlands den Wechsel vom nadelbaumdominierten schlagweisen Hochwaldbetrieb (Altersklassenwald) mit festen Umtriebszeiten und flächenhafter Nutzung gleichaltriger Bestände hin zum Dauerwaldbetrieb mit ständiger Überschirmung, ungleichaltrigen Bäumen, Einzelbaumwirtschaft und Verzicht auf flächiges Vorgehen (Griess u. Kurth 1998). Die Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung des Waldumbaus werden jedoch innerhalb der

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einzelnen Länderforstverwaltungen bisher eher uneinheitlich verwendet (Gemende 2003). Daher werden im Folgenden für den vorliegenden Buchbeitrag geltende Definitionen aufgestellt: Als konkrete Maßnahmen beim ökologischen Waldumbau zur Umstrukturierung in naturnahe Wälder kommen im Wesentlichen Umbau und Überführung in Betracht (Anonymus 2000). Beim Umbau finden waldbauliche Maßnahmen in Reinbeständen statt, die durch Vorbau oder Förderung der Naturverjüngung eine Mischung der Baumarten herbeiführen. Die Überführung ist ein aktiv v.a. über Pflegeeingriffe betriebener, allmählicher Wechsel vom Altersklassenwald zum strukturreichen, gemischten und ungleichaltrigen Dauerwald, der je nach Betriebsform einzelbaumweise oder kleinbestandsweise umgesetzt wird (Hasenauer 2004). Folgende Hypothesen sind mit dem ökologischen Waldumbau verknüpft: Durch eine deutliche Aufwandsreduzierung können positive ökonomische Effekte erzielt werden. Die Kosten werden gegenüber der klassischen Altersklassenwirtschaft v.a. durch natürliche Verjüngung reduziert. Voraussetzung ist die konsequente Regulierung der Wildbestände. Jungbestands-Pflegemaßnahmen werden durch die fortschreitende Ausdifferenzierung der Verjüngung unter dem schützenden Schirm der Altbestände deutlich verringert. Eine zukünftige Dauer(misch)waldbewirtschaftung löst sich von der flächigen Waldbehandlung und stellt auf einzelbaum, -gruppen- bis kleinbestandsweise Bewirtschaftung ab. Die Auswahl verschiedener Holzqualitäten und -sortimente in einem gemischten ungleichaltrigen Wald macht – nach dem Prinzip „Warenlager Holz“ – eine flexible Reaktion auf die Holzmarktpreise und die Konsumentenbedürfnisse möglich. Mit dem ökologischen Waldumbau wird eine Erhöhung der Biodiversität in Waldökosystemen erwartet, wobei hierunter nicht nur die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch die genetische Vielfalt und strukturelle Vielgestaltigkeit auf Landschaftsebene verstanden wird. Zyklische Waldentwicklungsmodelle beinhalten Sukzessionsabläufe innerhalb und außerhalb des Schlusswaldstadiums (z.B. Leibundgut 1978; Otto 1994). Das Zulassen einer ausgeprägten Altersphase und einer Zerfallphase in den Waldökosystemen führt auch zu positiven ökologischen Effekten wie z. B. zu einer erhöhten Biodiversität bestimmter Arthropoden und Pilze auf Grund des höheren Anteils an Starkholz, sowie durch das Vorhandensein von Totholz (Detsch et al. 1994; Ammer et al. 1998). Der Anbau naturnaher standortsgerechter Baumarten bei dauerwaldartiger Bedeckung trägt zum Schutz bzw. zur Verbesserung des Bodens und dessen Fruchtbarkeit bei und vermeidet oder vermindert Stoffausträge in das Grundwasser und Spurengasemissionen in die Atmosphäre. Insgesamt kann eine Verbesserung der Stabilität und Elastizität (Puffervermögen) der Waldökosysteme und deren benachbarter Ökosysteme gegenüber biotischen und abiotischen Störungen erreicht werden. Der ökologische Waldumbau soll somit insgesamt einen wesentlichen Beitrag für eine multifunktionale Waldwirtschaft leisten. Die aufgeführten Hypothesen sind in vielen Fällen nicht wissenschaftlich überprüft. Der Nutzen der großräumig geplanten Umstrukturierung für Wald,

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Wirtschaft und Gesellschaft wird allgemein positiv eingeschätzt. Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Maßnahmen auf das Ökosystem Wald, benachbarte Ökosysteme und die forst-/holzwirtschaftlichen Konsequenzen sind jedoch erst fragmentarisch belegt. Auch der ‚ökologische Ertrag’ des ökologischen Waldumbaus in Richtung stark strukturierter naturnaher Mischbestände ist sowohl qualitativ wie auch quantitativ noch nicht hinreichend bekannt, um diesen abschließend zu beurteilen. Es gibt beispielsweise nur geringe Kenntnisse über die Strukturdifferenzierung von im Umbau befindlichen Altersklassenwäldern, ebenso zu den Auswirkungen auf Stoffhaushalt, Biodiversität und das Baumwachstum, um z.B. im Sinn einer Ökobilanz eine Bewertung vorzunehmen. In Anbetracht der Langfristigkeit des Unternehmens können die Kosten und die ökonomischen Aspekte des Waldumbaus bisher nur grob abgeschätzt werden. Ökologischer Waldumbau wird derzeit bevorzugt im öffentlichen Wald umgesetzt und gründet auf der Annahme, dass so bewirtschaftete Wälder die vielfältigen Ansprüche der Multifunktionalität besser berücksichtigen. Die Umsetzung wird in unterschiedlichen Zeitrahmen und angepasst an die regionalen Besonderheiten vorangetrieben. Die wissenschaftliche Begleitung dieser Maßnahmen ist eine Chance, dem forstwirtschaftlichen Handeln eine fundierte Grundlage zu geben sowie auch das Wissen um Funktionen und Prozesskenntnisse in Ökosystemen zu erweitern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat diese Problematik aufgegriffen und mit dem Förderschwerpunkt zur „Zukunftsorientierten Waldwirtschaft“ (1998-2003) eines der für die deutsche Forstwissenschaft bedeutendsten Forschungsprogramme in dieser Zeit initiiert (siehe Kapitel 2).

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2 Forschung für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft M. Baumgarten, K. von Teuffel

2.1 Forschungsschwerpunkt - ökologischer Waldumbau Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im Jahr 1998 im Rahmen des Forschungsprogramms der Bundesregierung „Forschung für die Umwelt“ den interdisziplinären BMBF-Förderschwerpunkt „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ durch öffentliche Ausschreibung im Bundesanzeiger vom 10.06.1998 initiiert. In diesem wurden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu verschiedenen Aspekten des naturnahen Waldbaus in Wirtschaftwäldern bearbeitet. Kernthema hierbei waren Fragen zur Realisierung eines ökologischen Waldumbaus in Deutschland sowie die mit den Maßnahmen einhergehenden Folgen. Ziel der Förderung des BMBF war die Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen für eine nachhaltige, naturnahe, ressourcenschonende Waldbewirtschaftung unter Einbezug technischer, ökonomischer und sozialer Aspekte. Für eine umfassende Bewertung des Forschungsansatzes wurden fünf Forschungsregionen in Waldlandschaften mit flächenmäßig bedeutsamen, repräsentativen Waldökosystemen Deutschlands eingerichtet: „Nordostdeutsches Tiefland“ (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern), „Erzgebirge und Sächsisches Tiefland“ (Sachsen), „Nationalparke Bayerischer Wald und Berchtesgaden“ sowie „Mittelschwaben“ (Bayern), „Südlicher Schwarzwald“ (Baden-Württemberg); „Solling“ (Niedersachsen). Unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede und Besonderheiten wurden die Möglichkeiten und Konsequenzen für eine naturnahe, nachhaltige, multifunktionale Waldnutzung analysiert. Nach Feststellung der ökologischen Erfordernisse wurden die Auswirkungen naturnaher Waldwirtschaftsformen auf die verschiedenen Schutzfunktionen, die Nutz- wie auch der Gesellschaftsfunktion des Waldes wissenschaftlich untersucht. Die Forschungsfragen in den Forschungsregionen wurden jeweils den spezifischen regionalen Gegebenheiten und Problemlagen angepasst. Erhöhte Stickstoffeinträge in die Wälder über die Atmosphäre, die Emission klimarelevanter Spurengase aus Wäldern, die Instabilität von naturfernen Waldbeständen gegenüber biotischen und abiotischen Einflüssen sowie die Störung des natürlichen K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

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Arteninventars gelten als gemeinsame Rahmenbedingungen für größtenteils alle Forschungsregionen. Ebenso behandelt werden Fragen zur Realisierung der Umsetzung des Waldumbaus (biologische Automation, Organisation, Technologie) und die ökonomischen Auswirkungen auf die Forstbetriebe sowie die sozialen Auswirkungen auf unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen (Privatwaldbesitzer, forstliche Unternehmer, Konsumenten, Tourismus, u.a.). Das Konzept dieses gemeinsamen Forschungsverbundes, unter Beachtung regionaler Besonderheiten, ist bisher einzigartig in Deutschland. Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung waren eng verknüpft, eine praxisorientierte Ausrichtung der Forschung ist durch die Einbindung von Vertretern der Landesforstverwaltungen gewährleistet. Der Förderschwerpunkt stand im Kontext mit einer Reihe internationaler Programme und erweist sich heute zugleich als nationale Vorleistung und Plattform für das 6. Forschungsrahmenprogramm der Europäschen Union v.a. im Forschungsbereich Nachhaltige Entwicklung, Globale Veränderungen und Ökosysteme (Amtsblatt der EU am 29.08.2002). In diesem Programm werden Forschungsanstrengungen für nötig erachtet, die dem Schutz der biologischen Vielfalt und dem Erhalt der Ökosysteme dienen und Beiträge zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Land- und Meeresressourcen leisten. Dabei kommt der Entwicklung von Strategien für eine integrierte, nachhaltige Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Ökosysteme einschließlich der Instrumente und Bewertungsmethoden für nachhaltiges Wirtschaften besondere Bedeutung zu – dies war auch das Ziel des Förderschwerpunkts „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ (Anonymus 2002).

2.2 Der Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ Möglichkeiten und Konsequenzen bei der Realisierung des ökologischen Waldumbaus am Beispiel des „Südlichen Schwarzwaldes“ Im Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ (Baden-Württemberg) wurden im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunkts „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ seit Anfang 1999 bis März 2004 die Möglichkeiten und Konsequenzen des ökologischen Waldumbaus in der Forschungsregion „Südlicher Schwarzwald“ untersucht. Die Forschungen begleiten einen auf großer Fläche initiierten Prozess der allmählichen Umstrukturierung gleichaltriger und einschichtiger, fichtendominierter Wälder in ungleichaltrige und mehrschichtige Dauermischwälder mit naturnaher Baumartenzusammensetzung (Fichte, Tanne, Buche). Das bevorzugte Verfahren zur Walderneuerung ist im Wesentlichen der ökologische Waldumbau, bei welchem Umbau und Überführung (s. Kapitel 1.2.2) mit einem möglichst hohen Anteil an Naturverjüngung eingesetzt werden. Ziel des Verbunds war es, die Auswirkungen verschiedener waldbaulicher Strategien des Waldumbaus auf relevanten Flächen im „Südlichen Schwarzwald“ auf das Ökosystem Wald und benachbarte Ökosysteme, auf Stoffhaushalt, Artenzusammensetzung und Biodiversität wie auch auf betrieblicher Ebene zu erforschen.

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2.2.1 Charakterisierung der Forschungsregion „Südlicher Schwarzwald“ Die historische und gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrhunderte sowie die Umweltveränderungen in jüngster Zeit (Klima, Stoffeinträge, Luftschadstoffe) prägen das Waldbild und die Waldentwicklung des Schwarzwaldes entscheidend (Küster 2001; Schmidt 2003). Eine detaillierte Beschreibung der Waldund Forstgeschichte des Schwarzwaldes findet sich bei Reinbolz und Ludemann in Kapitel 5. 2.2.1.1 Das Wuchsgebiet Schwarzwald Das Wuchsgebiet Schwarzwald (WG3) ist nach dem Neckarland das zweitgrößte Wuchsgebiet in Baden-Württemberg und hat mit einer Wirtschaftswaldfläche von ca. 380.000 ha (29% des Gesamtwaldes von Baden-Württemberg) den größten Waldflächenanteil. Der überwiegende Teil dieser Waldfläche wird als Altersklassenwald bewirtschaftet. Bei ca. der Hälfte des Wirtschaftswaldes handelt es sich um Mischbestände (mit über 30% Beimischung), je ca. ein Viertel sind Reinbestände mit oder ohne Beimischung (MLR 2002). Der Schwarzwald lässt sich geologisch-klimatisch in eine steile, atlantisch getönte Westseite und eine flache ”kontinentalere” Ostabdachung sowie von den vorkommenden Gesteinen her in den „Buntsandsteinschwarzwald“ (Norden und Osten) und den „Urgesteinsschwarzwald“ (Granit/Gneis im Süden und Westen) unterteilen. Das Wuchsgebiet ist überwiegend vertikal-zonal gegliedert. Die vorkommenden Zonalwälder sind von Westen nach Osten: Submontaner BuchenEichen-Tannen-Wald (ca. 400-650 m ü. NN), Montaner Buchen-Tannen-Wald, z.T. örtlich mit Fichte bzw. mit Kiefer (ca. 650-900 m ü. NN), Montaner TannenBuchen-Wald (örtlich) mit Fichte, Hochmontaner Buchen-Tannen/TannenFichten-Buchen-Wald (ca. > 900m ü. NN) (Hübner u. Mühlhäußer 1987). 2.2.1.2 Die Forschungsregion „Südlicher Schwarzwald“ Die Forschungsregion des Projektverbundes „Südlicher Schwarzwald“ liegt größtenteils innerhalb der Grenzen des Naturparks Südschwarzwald (Abbildung 2.1). Die Kern- und Zusatzforschungsflächen der verschiedenen Projekte wurden, je nach Fragestellung, im punktuellen und flächigen, z.T. im regionalen Maßstab untersucht. Innerhalb des Wuchsgebietes (WG) Schwarzwald und Baar-Wutach wurden unterschiedliche Einzelwuchsbezirke (EWB) in die Untersuchungen einbezogen (Abbildung 2.2). Die Forschung in den Einzelwuchsbezirken (EWB 3.03, 3.09, 3.10-3.14 und 5.01-5.04) decken die meisten für die Walderneuerung in Frage kommenden, wesentlichen Klimastufen sowie Regional- und Zonalwälder ab: submontaner Buchen Eichen-(Tannen)-Wald, montaner Buche-Tannen bzw. Tannen-Buchen-Wald, z.T. örtlich mit Fichte, montaner Tannen-Fichten-KiefernWald mit Buche (Schlenker 1987; FVA 1997; Aldinger et al. 1998).

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Höhenlage, Ausgangsgestein, Boden, natürliche Waldgesellschaften Die Wälder im Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ liegen vorwiegend in der montanen Höhenstufe, mit unterschiedlichen Hangneigungen und Expositionen (EWB s. oben). Als geologisches Ausgangsgestein finden sich vorwiegend verschiedene Granite, Gneise und Buntsandstein, was je nach Lage und Klima zu unterschiedlichen Standortsverhältnissen führt. Typisch für die natürliche Baumartenausstattung des Gebietes sind bodensaure artenarme Buchen(misch)wälder mit mittlerer bis geringer Nährstoffversorgung auf meist frischen bis mäßig trockenen Standorten. Mischbaumarten in den Bergregionen sind vorwiegend Tanne und Fichte. In der montan-hochmontanen Stufe ist der Übergang von Buchen-Tannen(misch)wäldern zu basenarmen Tannen-Fichtenwäldern fließend. Je ungünstiger die Standortsbedingungen aus klimatischen und edaphischen Gründen für die Buchen werden, desto stärker nimmt die Vorherrschaft der Tanne zu. Aufgrund der bisherigen Bevorzugung der Fichte werden Tannenmischwaldstandorte heute oft von Fichtenwäldern eingenommen (Schmidt 1995). Die Heterogenität der Wuchsbezirke macht eine Untergliederung in einen Westund Südteil und einen Ost- bzw. Südostteil sinnvoll (kolline bis hochmontane Höhestufe, Einzelwuchsbezirk z.T. 3/03, z.T. 3/09, 3/10, 3/11, 3/12, und montan bis hochmontan, Einzelwuchsbezirk z.T. 3/09, 3/13 bzw. 3/14; Abbildung 2.2) (Hübner u. Mühlhäußer 1987; Schlenker u. Müller 1978). Das im weiter östlich gelegenen WG Baar-Wutach befindliche EWG 5/01 umfasst die kühl-kontinentale, montane Höhenstufe mit montanem Tannen-Fichten-Kiefern-Wald mit nur vereinzelten Buchen als Regionalwald auf sehr nährstoffarmen, oft vernässenden Böden des Buntsandsteins. Im nährstoffreicheren und weniger zur Vernässung neigenden EWB 5/02 sowie im für die Buche klimatisch günstigeren EWB 5/03 nimmt die natürliche Konkurrenzstärke der Buche zu, natürliche Fichtenvorkommen beschränken sich größtenteils auf wenige Moorwälder (subborealer Tannen-Buchen-Wald örtlich mit Fichte). Der EWB 5/04 dagegen ist wärmeklimatisch begünstigt und fördert das Laubbaumwachstum mit dominierender Buche (kolliner und submontaner Buchen-Eichen-Wald und mit Tanne). Mit Höhenunterschieden zwischen 300 und 1500 m ü. NN am Feldberg weist der westliche Teil des südlichen Schwarzwalds die ausgeprägteste Höhendifferenz in Baden-Württemberg auf, wobei die Landschaft stark gegliedert ist mit steilen Hängen, verebneten Hochlagen und wenigen vermoorten Standorten (Aldinger et al. 1998). Nach Osten und Süden erstreckt sich ein Flachrelief mit wenig ausgeprägten Muldentälern und Hochflächen. Zum Teil zeigt die flachkuppige Landschaft häufiger Oberbodenversauerung als der westliche Teil. (Aldinger et al. 1998). Gneise und Granite dominieren im Westen, die Bodenbildung erfolgt größtenteils auf periglazialen z.T. auch glazialen (Hang-)Schuttdecken. Im Ostteil kommen zusätzlich als Ausgangsmaterial noch eiszeitlicher Schotter und Buntsandstein hinzu. Moorböden und staunässegeprägte Kristallin-Standorte nehmen größere Flächen ein. Die Bodenbildung reicht von Podsolen, über Braunerde bis zu Pseudo- und Stagnogleyen (Aldinger et al. 1998).

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Abbildung 2.1: Forschungsregion im Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ (BadenWürttemberg); schattierter Bereich: Forschungsregion innerhalb der Naturparkgrenze Südschwarzwald (mit Kern-/Zusatzflächen, punktuelle, flächige, z.T. regionale Untersuchungen innerhalb der Forschungsprojekte)

Abbildung 2.2: In die Forschungsregion des Projektverbunds „Südlicher Schwarzwald“ einbezogene Einzelwuchsbezirke (EWB) gemäß der standortskundlichen regionalen Gliederung Baden-Württembergs; verändert nach FVA (1997)

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Insgesamt herrschen im Westen der Forschungsregion Buchen-Tannenwälder vor (v.a. Galio- und Luzulo-Fageten), im Osten sind Tannenmisch- und Fichtenwälder typisch (v.a. Luzulo- und Vaccinio-Abieteten, Bazzanio-Piceetum). Aktuell finden sich im westlichen Teil Buchen-Fichten-Mischwälder mit wechselnden Fichtenanteilen, im östlichen Teil dominiert derzeit noch die früher stark geförderte Fichte. Der Tannenanteil ist mit ca. 14% im südlichen Schwarzwald insgesamt vergleichsweise hoch (MLR 2002). Regionenspezifische Besonderheiten Der südliche Schwarzwald ist weithin, vor allem in den montanen Lagen, geprägt durch atmosphärische Stickstoff- und Säureeinträge und z.T. durch sehr starke Hangneigung und Erosionsgefährdung. Es besteht eine erhöhte Gefahr der Auswaschung von Nährstoffen, was bei Kahlschlägen zu einer Verringerung der Bodenfruchtbarkeit und zur Beeinflussung von benachbarten Ökosystemen (z.B. Hydrosphäre) führen kann. In z.T. naturfernen Fichtenbeständen besteht, wie schon die Vergangenheit gezeigt hat, eine hohe Sturmwurf- und Schneebruchgefahr ebenso wie ein erhöhtes Risiko gegenüber Schädlings- oder Krankheitsbefall, insbesondere auf labilen Standorten. Die Etablierung von Naturverjüngung bei der Überführung in dauerwaldartige Bestände ist essentiell für den erfolgreichen ökologischen Waldumbau. Die technische Realisierung des ökologischen Waldumbaus und dessen Pfleglichkeit für Wald und Umwelt muss in der heterogenen Region des südlichen Schwarzwalds besonders berücksichtigt werden. Über die ökonomischen Bedingungen und die zeitliche Dimensionierung des Waldumbaus von Altersklassenwäldern in Dauerwälder bestehen noch zahlreiche Wissenslücken. Ebenso müssen die besonderen Waldbesitzverhältnisse, geprägt durch einen hohen Anteil an Kleinprivatwald, beachtet und Konzepte für deren Einbeziehung in den ökologischen Waldumbau ausgearbeitet werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine ausgeprägte höhenzonale standörtliche Gliederung bei einer überdurchschnittlich hohen Standortsdiversität kennzeichnend für die Forschungsregion des Projektverbundes „Südlicher Schwarzwald“ ist. Charakteristisch für das Gebiet ist der naturnahe Bergmischwald aus Buche, Tanne und Fichte, der jedoch in seiner Zusammensetzung durch vielfältige heterogene geologische und klimatische Faktoren sowie die speziellen Eigentumsverhältnisse (Brandl 2001) geprägt ist. Daraus ergibt sich eine große Bandbreite für die Rahmenbedingungen eines ökologischen Waldumbaus. Die Forschungsregion stellt somit auf relativ kleiner Fläche ein repräsentatives Gebiet für die Untersuchung von Fragen zur Walderneuerung und deren Auswirkungen dar. 2.2.2 Forschungsaufgaben und Fragestellungen Die Forschungsaufgaben und Fragestellungen im Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ betreffen die Möglichkeiten und Handlungsalternativen, die in der Forschungsregion unter Berücksichtigung des Standortes und der waldbaulichen Ausgangslage für den „ökologischen Waldumbau“ bestehen. Gleichzeitig werden

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die Konsequenzen der Umbaumaßnahmen aus der Sicht der jeweiligen Disziplin aufgezeigt. Die Erkenntnisse werden auf verschiedenen Skalenebenen erhoben. Unterschiedliche Arten von Informationen werden disziplinär und interdisziplinär diskutiert und überregional zusammengeführt. Die Extrapolation von Ergebnissen von einer Maßstabsebene auf die andere (up-scaling: z. B. flächig, regional, im Landschaftsmaßstab) ist in vielen Fällen Voraussetzung für die praktische Umsetzung der primär punktuell erhobenen Forschungsergebnisse und deren Verwendung als Planungsgrundlagen für die weitere Waldbewirtschaftung. Fallstudienexperimente liefern einen wertvollen Beitrag zur Klärung wissenschaftlicher Einzelfragen und ökosystemarer Zusammenhänge. Sie dienen als Kontrollinstrument zur Validierung und Plausibilisierung integrierender flächenhafter Aussagen und Verallgemeinerungen. Neben einer interdisziplinären wissenschaftlichen Gesamtbewertung der Ergebnisse und deren Transfer können schließlich Empfehlungen formuliert werden, die der Praxis (Forstwirtschaft, Natur-, Umweltschutz, Gesellschaft, u.a.) wie auch der Politik als Entscheidungshilfen dienen. Tabelle 2.1: Forschungsaufgaben und -fragen im Projektverbund Welche Möglichkeiten des ökologischen Waldumbaus bestehen, ausgehend von der aktuellen Situation? x Wie wird der Umbaubedarf definiert und wie hoch ist das Umbaupotential? x Welche Behandlungsstrategien und Bewirtschaftungskonzepte sind geeignet? x Welche organisatorischen und technologischen Neuerungen stehen zur Verfügung? x Welche Maßnahmen lassen die speziellen Eigentumsverhältnisse in der Forschungsregion zu? x Wie sehen die Ansprüche der Be- und Verarbeiter an Verwertbarkeit und Qualität des Holzes aus? x Wo sind die Schutzfunktionen des Waldes besonders gefährdet (Schutz von Biodiversität, Boden, Wasser, Atmosphäre, Lebensraum)? x Inwiefern sind Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung besonders dringlich (Erhalt von Boden/-Fruchtbarkeit, Struktur-, Arten-, genetische Diversität, Konkurrenzfähigkeit, Stabilität, Verjüngungspotential)? Welche Konsequenzen ergeben sich aus den unterschiedlichen Möglichkeiten des ökologischen Waldumbaus? x Wie ist der Beitrag zu Erhalt und Erhöhung der natürlichen Biodiversität in Wäldern? x Wie werden die auf Nutz- und Schutzfunktionen des Waldes beeinflusst (Bestandesstabilität, Sturmereignisse, Schneebruch, Frost, Natur-, Boden-, Wasser-, Luft-, Lebensraum-Schutz)? x Wird die Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung entscheidend gefördert (Erhalt der Boden/-Fruchtbarkeit, Struktur-, Arten-, genetischen Diversität, Konkurrenzfähigkeit, Verjüngungspotential, u.a.)? x Welche Wirkungen ergeben sich für Nachbarökosysteme (z.B. bezogen auf Hydrosphäre und Erosion)? x Welche Auswirkungen ergeben sich für Holzsortimentierung und Holzqualität? x Welche Erfordernisse ergeben sich für die forstliche Organisation, Logistik und Technologie? x Welche Technikfolgen resultieren aus der Holzernte?

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M. Baumgarten, K. von Teuffel x Wie sind die Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg bei der Waldbewirtschaftung ? Wie können Folgerungen in konkrete Maßnahmen/Empfehlungen für die Forstpraxis bzw. den Umwelt- und Naturschutz umgesetzt werden? Welche offenen Fragen stellen sich weiterhin für die praktische Forstwirtschaft? x Welche Schlussfolgerungen können auf der Basis einer ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gesamtbewertung der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse gezogen werden x Welche fundierten Empfehlungen für Maßnahmen in der Praxis (Forstpraxis, Naturschutz, Umweltschutz, Gesellschaft, Politik, u.a.) können gemacht werden?

Im Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ werden folgende Themenschwerpunkte bearbeitet: ¾ Forstwirtschaftliche Ausgangssituation in der Forschungsregion (Kapitel 3 und 4) Für die Fichtenwälder Baden-Württembergs wird der potentielle Umbaubedarf ermittelt (Kapitel 3). Die aktuelle Wuchsleistung von Fichte, Tanne und Buche wird auf den wichtigsten Standorten des Südschwarzwaldes erhoben (Kapitel 4) ¾ Ökologische und landschaftliche Aspekte - Standort, Geschichte, Vegetation, Verjüngungsstruktur, Bodenfauna, Genetik (Kapitel 5) Es werden Kenntnisse über den Einfluss historischer Nutzungen auf Waldstandorte erarbeitet. Holzkohleuntersuchungen geben Aufschluss über die Baumartenzusammensetzung der Vergangenheit. Die Entwicklung von Bestandesstruktur, Naturverjüngung, Bodenvegetation, Epiphyten und saprophager Bodenfauna wird in Abhängigkeit von den Stadien des Waldumbaus analysiert und es wird die Wirkung auf die Diversität abgeleitet. Es werden Empfehlungen für Maßnahmen zur Erhaltung der genetischen Diversität im Rahmen von Waldumbaumaßnahmen am Beispiel der Weißtanne erarbeitet und Verfahren der Herkunftssicherung bei der Gewinnung und Vermehrung von forstlichem Vermehrungsgut entwickelt. ¾ Auswirkungen des ökologischen Waldumbaus auf die Nachhaltigkeit der Standortsressource Boden - Waldumbau und Stoffhaushalt (Kapitel 6) Der Einfluss von Umbaumaßnahmen auf die Stoffflussdynamik, den Stoffhaushalt und das Nährstoffpotential des Bodens werden an verschiedenen Waldstandorten auf Bestandesebene untersucht und auf Landschaftsebene extrapoliert. ¾ Möglichkeiten des ökologischen Waldumbaus aus waldwachstumskundlicher und waldbaulicher Sicht (Kapitel 7) Es werden waldbauliche Konzepte der Bestandesüberführung überprüft und Kenngrößen abgeleitet (Kapitel 7.3). Die Konsequenzen des Waldumbaus (Überführung) werden im Hinblick auf Wachstum von Fichte, Tanne und Buche (Kapitel 7.2), sowie den Eigenschaften und der Qualität des Fichtenholzes untersucht.

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¾ Auswirkungen des ökologischen Waldumbaus auf ökonomische und soziale Faktoren (Kapitel 8): Ökonomische Analyse von Waldumbau; Waldumbau im Privatwald Es werden ökonomische Risiken der Überführung quantifiziert und eine ökonomische Analyse des Waldumbaus für den Gesamtbetrieb durchgeführt (Kapitel 8.1). Die Situation der privaten Waldeigentümer wird dargestellt, und für diese Gruppe werden geeignete Waldumbau-Konzepte entwickelt (Kapitel 8.2). ¾ Aspekte der Holznutzung und der Technikfolgenabschätzung beim Waldumbau (Kapitel 9) Es erfolgte eine interdisziplinäre Untersuchung der Verfahrensgestaltung für die Bestandesüberführung bzw. die nachfolgende Dauerwaldbewirtschaftung. Im Mittelpunkt stehen technische und ökonomische Möglichkeiten der Waldnutzung (Kapitel 9.1) und ökologische Erfordernisse des Einsatzes moderner Holzerntemaschinen im Hinblick auf deren Wirkung auf die Umwelt (Bodenverdichtung, -gashaushalt, -erosion, Bestandesschäden). 2.2.3 Struktur und beteiligte Institutionen Eine Besonderheit des Projektverbundes „Südlicher Schwarzwald“ ist die multi- und interdisziplinäre Bearbeitung forstlich-wirtschaftlicher, technologischer, ökologischer und naturschutzfachlicher Themen. Hochschulinstitute verschiedener Universitäten, Landesanstalten und die Forstpraxis kooperieren eng miteinander. Der Projektverbund setzte sich aus Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen zusammen (Tabelle 2.2), welche in der Forschungsregion „Südlicher Schwarzwald“ 26 Teilprojekte im Rahmen des Förderschwerpunkts „Zukunftsorientierten Waldwirtschaft“ bearbeiten. Tabelle 2.2: Beteiligte Institutionen und Forschungsprojekte im Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ mit Projektleiter und -bearbeiter, FVA: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg, Baden-Württemberg; Uni. FR: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; in Klammern: Projekt-Code. Institution

Forschungsprojekt (Kurztitel)

FVA, Abt. Biometrie und Informatik, Dr. G. Kändler, Dr. M. Baumgarten

Koordination, Darstellung, Ermittlung des Umbaupotentials (Q1)

FVA, Abt. Biometrie und Informatik, Dr. G. Kändler, U. Riemer Uni. FR, Forstliche Biometrie, Prof. Dr. Dr. h.c. D.R. Pelz, J. Kretschmer

Kap.

1 2 3 Ermittlung der aktuellen Wuchsleistung von Fichte, 4 Tanne und Buche auf den wichtigsten Standorten des Südschwarzwaldes (A1) Naturverjüngungsstruktur in langfristigen 5 Femelschlag-, Plenterüberführungs- und Plenterwäldern (A5)

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M. Baumgarten, K. von Teuffel

Institution

Forschungsprojekt (Kurztitel)

Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Zoologie, Abt. Tierökologie, Prof. Dr. V. Wolters, Dr. J.A. Salamon FVA, Abt. Waldökologie, Dr. E. Aldinger, Dr. A. Dounavi

Auswirkungen von Waldumbaumaßnahmen im 5 Südschwarzwald auf die biogene Umwandlung der organischen Bodensubstanz: Struktur, Funktion und Indikatoreignung der Bodenorganismen (B4)

FVA, Abt. Waldökologie, Dr. E. Aldinger, Dr. A. Dounavi FVA, Abt. Waldökologie, Dr. E. Aldinger, Dr. T. Ludemann Uni. FR, Institut für Waldbau, Standorts- und Vegetationskunde, Prof. Dr. A. Reif, Dr. S. Gärtner Uni. FR, Institut für Landespflege, Prof. Dr. W. Konold, Dr. A. Reinbolz FVA, Abt. Bodenkunde und Waldernährung, Dr. K. v. Wilpert, Dr. D. Zierlewagen Uni. FR, Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre, Prof. Dr. E.E. Hildebrand, Dr. U. Heisner

FVA, Abt. Waldwachstum, Prof. Dr. G. Kenk, S. Gühne Uni. FR, Institut für Waldwachstum, Prof. Dr. H. Spiecker, Dr. P. Epp Uni. FR, Institut für Waldwachstum, Prof. Dr. H. Spiecker, Dr. A. Haywood Uni. FR, Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaft, Prof.

Kap.

Herkunftssicherung und Beurteilung genetischer Risiken bei der Umwandlung von Nadelholzreinbeständen in Mischbestände am Beispiel der Weißtanne (C1) Optimierung biochemisch-genetischer Methoden zur Herkunftssicherung von forstlichem Vermehrungsgut (C4) Historische Holznutzung in noch wenig berührten Wäldern – Holzkohleanalytische Untersuchungen als Beitrag zur Herleitung der Standortswälder (C3) Auswirkungen forstwirtschaftlicher Verfahren auf Vegetation und Naturnähe der Wälder im Südschwarzwald. Folgen des Umbaus fichtendominierter Altersklassenwälder in gemischtaltrige, gemischtartige Dauerwälder (C2) Wald als Kulturlandschaft: Differenzierte, zukunftsorientierte Waldbewirtschaftung auf Grundlage einer historischen und floristisch-vegetations-kundlichen Landschaftsanalyse (C5) Stoffhaushalt von Fichtenreinbestands- und BuchenTannen-Fichten-Mischbestandsbetriebs-klassen unter typischen Standorts- und Immissionsbedingungen (B1) Bedeutung der Überführung von Fichtenrein- in strukturreiche Mischbestände für Standortsnachhaltigkeit und Stoffhaushalt von Waldböden im Südschwarzwald. Die Rolle des Bodenskeletts bei der Sicherung der Nachhaltigkeit von Speicher- und Regelfunktionen in Waldböden (B2) Anwendungsorientierte Konzepte für den ökologischen Waldumbau im südlicher Schwarzwald: Modelle zur Übergangsphase (A2) Grundlagen und Modellentwicklungen zur Überführung von Tannen- und Fichtenbeständen (A3)

5

Überführung und Wertsteigerung von Buchen in Rein- und Mischbeständen (A4)

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Veränderung von Nutzungsmöglichkeiten, Holzqualität und -verwertung bei Überführung von einschichtigen Altersklassen- in strukturierte

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2 Forschung für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Institution Dr. Dr. h.c. G. Becker, PD Dr. U. Seeling, K. Bleile Uni. FR, Institut für Forstökonomie, Prof. Dr. G. Oesten, PD Dr. M. Hanewinkel, C.H. Schmidt, Dr. C. Schill, G. Navarro FVA, Abt. Forstökonomie, Prof. Dr. H. Brandl, A. Selter

Uni. FR, Institut für Forstpolitik, Prof. Dr. K.-R. Volz, Dr. C. Bieling FVA, Abt. Arbeitswirtschaft u. Forstbenutzung, Dr. G. Mahler, M. Bacher FVA, Abt. Arbeitswirtschaft u. Forstbenutzung, Dr. G. Mahler, T. Wehner FVA, Abt. Bodenkunde und Waldernährung, Dr. K. v. Wilpert, Dr. R. Hartmann FVA, Abt. Waldwachstum, Prof. Dr. G. Kenk, T. Wehner Christian-Albrechts Universität Kiel, Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde, Prof. Dr. R. Horn, J. Voßbrink Uni. FR, Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre, Prof. Dr. E.E. Hildebrand, A. Gassmann Uni. FR, Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre, Prof. Dr. E.E. Hildebrand, Dr. T. Schmid FVA, Abt. Forstökonomie, Prof. Dr. H. Brandl, T. Wenzel

Forschungsprojekt (Kurztitel) Mischwälder (D3) Ökonomische und organisatorische Auswirkungen der Überführung und des Umbaus von Nadelbaumreinbeständen in naturnahe Bergmischwälder auf der Ebene des Forstbetriebs unter Berücksichtigung von Risiko (D1) Strukturwandel in gemischten land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Südschwarzwald; Auswirkungen auf Planung und Durchführung von Maßnahmen des Waldumbaus im forstlichen Betriebsteil (D7) Bewertung und Umsetzung von Konzepten zur Entwicklung naturnaher und strukturreicher Wälder durch private Waldeigentümer (D5) Holzernte und Holzvermarktung - Konsequenzen für Verfahrenstechnologie, Arbeitsorganisation und Produktivität (D4) Technikfolgen neuer Holzerntekonzepte - Status quo und Verbesserungspotentiale im Bereich Verfahrenskonzeption, Technikdesign, Logistik und Arbeitsorganisation (D6a) Durchwurzelung und Bodenlufthaushalt mehrfach befahrener Rückegassen und Bestandesflächen (D6b) Waldwachstumskundliche Untersuchung des Einflusses von Erschließungsdichte und Bodenverdichtung auf das Baumwachstum (D6c) Technikfolgenabschätzung verschiedener Waldernte- und Umbauverfahren auf bodenphysikalische Faktoren der Standortökologie – Bodenmechanische Analyse (D6e)

21 Kap.

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Behandlungsstrategien zur Entwicklung und Erhal- * tung strukturreicher Bergmischwälder mit Tanne, Fichte und Buche: Extensive Bilanzierung von Stoffflüssen in Waldökosystemen (B3) Vereinbarkeit der Auswirkungen des Einsatzes über- * schwerer Baggerharvester mit vorsorgendem Bodenschutz; Erosionspotenzial in Fahrgassen in der Falllinie (D6d) Ökonomische und organisatorische Auswirkungen * eines ökologischen Waldumbaus in Beispielsbetrieben (D2)

*: Projekte waren zum Zeitpunkt der Publikation noch nicht abgeschlossen

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M. Baumgarten, K. von Teuffel

Interessens- und Zielkonflikte im Bezug auf die Aufgaben und Funktionen unserer Wälder erfordern objektive und fundierte Forschungsergebnisse zu den ungeklärten Fragestellungen bezüglich der Waldfunktionen und der Auswirkungen eines Waldumbaus. Die unabhängige Forschung liefert eine vorurteilsfreie Basis für eine sachliche Auseinandersetzung mit der Problematik. Die enge Zusammenarbeit unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen mit Akteuren der Praxis, Gesellschaft und Politik wie der Forst- und Holzwirtschaft sowie mit Vertretern von Umwelt- und Naturschutz ist eine Strategie zur problemorientierten Lösung von Spannungsverhältnissen und zur Darstellung verschiedener Handlungsalternativen sowie deren Risiken und Konsequenzen. Der Einbezug möglichst vieler Interessensvertreter ermöglicht eine Fokussierung auf dringliche und praxisrelevante Fragestellungen, gleichzeitig werden Zielkonflikte aufgedeckt und diskutiert, um schließlich eine Akzeptanz der Ergebnisse auf breiter Ebene zu erreichen. Eine umfassende und vernetzende Forschung in den beteiligten Disziplinen ist notwendig, um eine fundierte wissenschaftliche Grundlage für die Umsetzung einer naturnahen Waldwirtschaft zu schaffen. Die Erfahrung und die Bedürfnisse der forstlichen Praxis waren über eine enge Zusammenarbeit v.a. innerhalb der Freiland-Forschungsarbeiten in den Projektverbund integriert. Durch die starke Beteiligung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) wurde eine zielgerechte Ausrichtung auch auf anwendungsorientierte Forschungsfragen garantiert.

Literaturverzeichnis Aldinger E, Hübner W, Michiels H-G, Mühlhäußer G, Schreiner M, Wiebel M (1998) Überarbeitung der standortskundlichen regionalen Gliederung in Südwestdeutschen Standortskundlichen Verfahren. Mitteilungen des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung 38:5-67 Amtsblatt der EU am 29.08.2002 Bereich der Forschung, Technologischen Entwicklung und Demonstration Anonymus (2002) BMBF-FÖRDERPROGRAMM „FORSCHUNG FÜR DIE UMWELT“, Förderschwerpunkt „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“, Beitrag des Sachverständigenkreises zum „Strategischen Programmaudit“, November 2002, unveröffentlicht Brandl H (2001) Bäuerlicher Waldbesitz in Baden-Württemberg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Der Bürger im Staat, 51. Jahrgang, Heft 1: 59-66 Bundesanzeiger (1998) Bekanntmachung über die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Rahmen des Programms der Bundesregierung „Forschung für die Umwelt zum Thema „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“, veröffentlicht am 10.06.1998 FVA (1997) Forstliche Standortskartierung Baden-Württemberg. Standortskundliche regionale Gliederung (Karte). Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), Abt. Botanik und Standortskunde

Literaturverzeichnis Kapitel 2

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Hübner W, Mühlhäußer G (1987) Fortschritte in der regionalen und vertikalzonalen Gliederung des Wuchsgebietes Schwarzwald – ein Zwischenbericht. Mitteilungen des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung 33: 27-35 Küster H (2001) Auch der Wald hat seine Geschichte. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Der Bürger im Staat, 51. Jahrgang, Heft 1:10-16 MLR (2002) Forsteinrichtungsstatistik 1991-2000 für die öffentlichen Waldungen in Baden-Württemberg, Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum (Hrsg.) Schlenker G, Müller S (1978) Erläuterungen zur Karte der Regionalen Gliederung von Baden-Württemberg III. Teil (Wuchsgebiet Schwarzwald). Unter Mitarbeit von Dieterich H, Hauff R, Hübner W, Jahn R, Mühlhäußer G, Schönamsgruber H, Sebald O, Stoffler HD, Werner H; Mitteilungen des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung 26: 3-52 Schlenker G (1987) Höhenstufen, Klimatypen und natürliche Bewaldung. Vorschläge für eine künftige Überarbeitung des klimatologisch-vegetationskundlichen Sektors der Regionalen Gliederung von Baden-Württemberg. Mitteilungen des Vereins für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung 33: 9-26 Schmidt PA (1995) Übersicht der natürlichen Waldgesellschaften Deutschlands. Schriftenreihe des Sächsischen Landesanstalt für Forsten, Heft 4/95, S 95 Schmidt UE (2003) Der Wald in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert. Conte Forst Saarbrücken

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern BadenWürttembergs M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

Im Forschungskonzept des Projektverbundes wurde der „Südliche Schwarzwald“ als Forschungsregion ausgewählt, um die Möglichkeiten und Konsequenzen des Waldumbaus zu analysieren, und Risiken und Handlungsempfehlungen für Forstverwaltungen und Waldbesitzer aufzeigen zu können. Die Modellregion bildet exemplarisch die verschiedenen Alternativen und Fragestellungen für das Bundesland Baden-Württemberg ab (Kapitel 3.2). Zur Abschätzung der Dimension und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Relevanz des ökologischen Waldumbaus wird in diesem Kapitel die waldbauliche Situation und der daraus resultierende potentielle Umbaubedarf für die Fichtenwälder Baden-Württembergs ermittelt.

3.1 Waldbauliche Situation in Baden-Württemberg Baden-Württemberg ist heute zu 38% mit Wald bedeckt. Mit einer Waldfläche von ca. 1,3 Mio. Hektar ist es nach Bayern das waldreichste Bundesland. Vor dem verstärkten Einsetzen der Siedlungsaktivitäten und des Bevölkerungswachstums im Mittelalter war ein Großteil der Landfläche Baden-Württembergs bewaldet, bezogen auf die heutige Waldfläche beträgt der Anteil an natürlichen Buchenwald-Ökosystemen ca. 80% (Mantel 1990; MLR 1994a, 2002). Der menschliche Einfluss führte zu einer stärkeren Betonung der Nadelbäume. Im ursprünglichen, vom Menschen wenig beeinflussten Wald waren schätzungsweise ca. 15% mit Tanne und nur 2% mit Fichten bedeckt (MLR 1994a, 2002). 3.1.1 Zustandsdaten zum öffentlichen Wald Im öffentlichen Wirtschaftswald Baden-Württembergs werden 93% als Altersklassenwald und 5% als Plenter-/Überführungs- oder Dauerwald bewirtschaftet, 2% der Fläche wird von Bannwald oder weiteren Waldflächen außer Nutzung eingenommen (MLR 2002). Die Situation im südlichen Schwarzwald ist ähnlich (Tabelle 3.1). Gegenüber der Forsteinrichtungsstatistik 1981-1990 ist 1991-2000 ein Rückgang der Altersklassenbewirtschaftung in Baden-Württemberg um 4 bzw. 5% zu verzeichnen (MLR 1994b, 2002). Nach den jüngsten Erhebungen (Tabelle K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

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M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

3.1 a) sind 58% der öffentlichen Waldfläche Baden-Württembergs mit Nadelwald bestockt, mit einem Fichtenanteil von 35%, einem Kiefernanteil von 8% und einem Tannenanteil von 7%; Laubholzarten kommen auf 42% der Fläche vor, davon entfallen 23% auf die Buche. Im südlichen Schwarzwald beträgt der Nadelholzanteil 56%, wobei 46% auf die Fichte und nur 4% auf die Tanne entfallen. Im südlichen Schwarzwald herrschen in den Plenter-/Überführungswäldern hauptsächlich Nadelholzarten vor. Laubholzarten finden sich hier auf 24% der Fläche, vorherrschend ist hierbei die Buche (20%). Tabelle 3.1: Zusammenstellung der Waldflächen, Betriebsarten und Baumartenanteile (a) sowie der Waldentwicklungstypen (WET) (b) für den öffentlichen Wald Baden-Württembergs und das Wuchsgebiet „Südlicher Schwarzwald“; MW: Mischwald, DW: Dauerwald, Fo: Forche (Kiefer), Pa: Pappel, Lä: Lärche, [% ]*: Flächenanteil bezogen auf gesamten öffentlichen Wald; Quelle: MLR 2002 Quelle: MLR 2002 öffentlicher Wald

Baden-Württemberg

Südlicher Schwarzwald

[ha]

845.430 77.244 Altersklassen- Plenter/Über- Altersklassen- Plenter/Überwald führungswald wald führungswald DW DW [ha] 791.287 38.806 69.495 3.805 [%]* 93 5 90 5

a) Baumarten Fiche (Fi) Kiefer (Kie) Tanne (Ta) Buche (Bu) sonst. Nadelbäume (sNb) sonst. Laubbäume (sLb)

[ha] [%]* [ha] [%]* [ha] [%]* [ha] [%]* [ha] [%]* [ha] [%]*

296.454 35 64.981 8 61.176 7 183.117 22 47.559 6 138.002 16

7.061 1 4.637 0,5 4.586 0,5 11.126 1 218 0 22.304 3

35.752 46 896 1 8.899 12 14.750 19 5.647 7 3.243 4

1.217 1 109 0 1.199 1,5 1.013 1 1.314 2 247 0

1

30 7 14 2 2 5

3

b) WET FiMW labile Fi Ziel Bu/Ei/Ta Fo Ziel Bu/Ta FoMW DglMW TaMW Lä Ziel Bu BuMW EiMW PaMW sLbMW sNbMW Lb/Nbextensiv

[%]* 25 10 5 2 1 13 1 22 5 1 5 1 5

13

1 2

1 19 2

1 1

Die landeseinheitlichen Waldentwicklungstypen (WET, MLR 1999) wurden in der Tabelle 3.1b zusammengefasst: Im öffentlichen Wald Baden-Württembergs

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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nehmen mehr als 60% der Fläche Nadel- und Nadelmischwald-Bestandstypen ein. Ein Großteil davon ist fichtendominiert (37%), ca. 10% der Waldfläche sind mit rotfäulegefährdeten, standortswidrigen, labilen Fichtenbeständen bestockt. Tannen-Fichten-Buchenwälder finden sich auf 10% der Fläche, Tannen-FichtenPlenterwälder machen ca. 1% aus (MLR 2002). Laubmischwaldtypen kommen zu etwa 36% vor (Buchenmischwald 22%). Im südlichen Schwarzwald, der Forschungsregion des BMBF-Projektverbunds „Südlicher Schwarzwald“ (s. Kapitel 2) finden sich ca. 80% Nadel- bzw. Nadelmischwaldbestandstypen. Tannenmischwälder nehmen hier 5%, sonstige Nadelmischwälder (v.a. TannenFichten-Buchenwälder) sogar 19% der Fläche ein, Tannen-Fichten-Plenterwälder finden sich hier auf 3% der Fläche. Einen Anteil von 17% nehmen Laubmischwaldtypen ein, 13% entfallen auf den Buchenmischwald (MLR 2002). 3.1.2 Entwicklung des Waldes und einige mittelfristige Ziele der öffentlichen Forstverwaltung Baden-Württembergs In den Forsteinrichtungserhebungen (MLR 1994b; 2002) wird noch ein hoher Flächenanteil der Wirtschaftswälder Baden-Württembergs als einschichtiger Altersklassenwald aufgeführt (Tabelle 3.1). Tatsächlich ist jedoch eine Änderung der Bestockung in Richtung einer größeren strukturellen Vielfalt durch Waldumbau von Fichtenbeständen schon seit langem im Gange, welche durch die bisherigen Erhebungsmethoden nicht erfasst wird. Bei einer großen Zahl der Bestände handelt es sich inzwischen um strukturreichere, mehrschichtige Bestände mit Übergangsformen zum Dauerwald, mit sich auflösender Altersstruktur und mit einer deutlichen Zunahme der Naturverjüngungsvorräte. Bis in die 1970er Jahre des 20. Jahrhunderts stand der Aufbau der Wälder im Vordergrund (MLR 2002), der Waldflächenanteil hat seit den großflächigen Entwaldungen in der frühen Neuzeit wieder um ca. 40% auf schätzungsweise die Hälfte der ursprünglichen Waldfläche zugenommen (MLR 1994a). Der öffentliche Wald Baden-Württembergs hat im Vergleich zum Beginn der 1970er Jahre um rund 30.000 Hektar zugenommen (MLR 2002). Die Baumartenentwicklung (Abbildung 3.1) zeigt eine Zunahme des Nadelholzanteils v.a. der Fichte bis 1985. Zu Beginn der 1970er Jahre kommen noch geringe Anteile der Douglasie hinzu. Der Laubbaumanteil von vormals 80% nimmt bis Mitte des letzten Jahrhunderts kontinuierlich ab und bleibt seitdem auf einem relativ konstanten Niveau von rund 38% (Buche 22%). Ziel der Forstwirtschaft für die Phase der Walderneuerung ist der Umbau der Wälder mit einem zukünftig zunehmenden Anteil an Laubbäumen, v.a. der Buche (32%), Eiche (7%) und sonstiger Laubhölzer (11%) sowie der Tanne (10%) bei einer Reduzierung des Fichtenanteils auf ca. 29% (MLR 2002). Der Anteil an Naturverjüngung ist seit Beginn der 1980er Jahre von 25% auf inzwischen über 60% angestiegen (v. Gilsa u. Moosmayer 2002), ca. zwei Drittel davon sind Laubholz-Naturverjüngung, 13% entfallen auf die Tanne (MLR 2002). Durch die Kahlflächenbildung nach den ausgeprägten Sturmwurfereignissen im letzten Jahrzehnt v.a. auf labilen Standorten musste die Verjüngung für einen

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Baumartenwechsel allerdings häufig gepflanzt werden (MLR 1994b, 2002; Dinkelaker u. v. Gilsa 2003). 100

andere Lb Eiche Buche Douglasie Lärche Kiefer Tanne Fichte

[%]

90 80 70 60 50 40 30 20 10

el Zi

18 50 18 75 19 00 19 25 19 50 19 65 19 75 19 80 19 85 19 90 20 00

80 0

v. C

hr .

0

Abbildung 3.1: Entwicklung der Baumartenanteile in öffentlichen Wald BadenWürttembergs seit 800 v. Chr. (Firbas IX) bis ins Jahr 2000 und Zielvorstellung der Forstwirtschaft; Lb: Laubbaumarten; verändert nach MLR (2002) Sturmereignisse – insbesondere der Sturm Lothar im Jahr 1999 – haben ca. 4,3% der öffentlichen Waldfläche kahlgelegt (v. Gilsa u. Moosmayer 2002). Dadurch wurde der Fichtenanteil um 3% gesenkt - dies entspricht etwa dem Anteil der Flächenreduktion durch die planmäßige Bewirtschaftung in den letzten 30 Jahren (MLR 2002). Auf den Sturmwurfflächen von Vivian und Wiebke im Jahr 1990 dominieren heute sturmstabile Mischwälder (24% EiMW, 14% LbMW, 2% Kie/LbMW, 20% TaMW), mit besonders stabilen Laubbaumarten und der Tanne (Bu 25%, Ei 17% sLB 24%, Ta 9%); die verjüngungsfreudige Fichte kommt in stabilen Fichtenbestandstypen und als Beimischung zu ca. 19% vor (MLR 1994a). Nach Lothar haben die vorhandenen Naturverjüngungsanteile zu einer weiteren Erhöhung der Laubholzanteile geführt (MLR 2002; Moosmayer u. v. Gilsa 2003). Mischbestände mit über 30% Beimischung nehmen über 51% (432000 Hektar) der Fläche im öffentlichen Wald ein. Bei rund 30% (254000 Hektar) der Fläche handelt es sich um Beimischungen von 10-30%. Von diesen Mischbeständen sind etwa die Hälfte fichtendominiert (MLR 2002). Reinbestände (bis 10% Beimischung) kommen nur noch auf 19% (161000 Hektar) der öffentlichen Waldfläche vor, wobei davon ca. 35% Laubholzreinbestände (21% Buchentypen) sind, über 60% nehmen noch Fichtenreinbestände mit einer Fläche von rund 100.000 ha ein, was ca. 11% der öffentlichen Waldfläche entspricht (MLR 2002). Reinbestände werden in der Verjüngungsplanung der Forsteinrichtung im öffentlichen Wald nicht mehr angestrebt (MLR 2002; Moosmayer u. v. Gilsa 2003).

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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Fichtenbestandestypen nehmen nach der Forsteinrichtungsstatistik 1991/2000 ca. 37% (313000 Hektar) der Fläche ein (MLR 2002). Bei ca. 10% (31300 Hektar) der Fichtenbestandestypen handelt es sich um ungeeignete, nicht standortsgemäße Fichtenbestände (WET „labile Fichte – Ziel Buche/Eiche/Tanne“, MLR 2002).

sLb sNb 14% <1% Fichte 61%

Buche 21%

Reinbestände <10% Beimischung 19%

Mischbestände >30% Beimischung 51% Mischbestände 10-30% Beimischung 30%

Abbildung 3.2: Anteil der Mischbestände im öffentlichen Wald Baden-Württembergs; Klammer: Anteil verschiedener Baumarten in Reinbeständen (mit Beimischung <10%); sLb: sonstige Laubbäume, sNb: sonstige Nadelbäume; verändert nach MLR (2002)

Mit der Neuausrichtung der Forstwirtschaft auf das Konzept einer naturnahen Waldbewirtschaftung sollen bei der Baumartenentwicklung insbesondere die Laubhölzer, v.a. die Buche und Buntlaubhölzer, gefördert werden (MLR 2002). Angestrebt wird außerdem ein im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Stabilität sinnvoller, im Einzelfall rascher Umbau von ungeeigneten, nicht standortsgemäßen Fichtenbeständen (MLR 1994a). Als weiteres mittel- bis langfristiges Ziel wird die graduelle Einbringung eines Anteils von künftig 30% Laubholzartenbeimischung in noch nadeldominierte Bestände postuliert (LFV 1990; MLR 1994a).

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3.2 Herleitung des Umbaubedarfs für die Wälder BadenWürttembergs Eine Studie zur Frage des Waldumbaus von sekundären Fichtenforsten in Europa im Rahmen des Projektes „ConForest“ des European Forest Institutes (EFI) ermittelt für Deutschland ein Mindest-Umbaupotential auf einer Fläche von etwa 1,5 Millionen Hektar, was ca. 14% der Gesamtwaldfläche entspricht (v. Teuffel et al. 2004). Für Baden-Württemberg stehen mit den Ergebnissen der zweiten Bundeswaldinventur (BWI II) noch präzisere und aktuellere Informationen zur Berechnung eines potentiellen Umbaubedarfs zur Verfügung. Basierend auf dieser Datengrundlage und den Daten der Forstlichen Standortskartierung wurde die vorliegende Analyse durchgeführt. Sie soll Aufschluss geben, welcher Waldflächenanteil in welchen Ausmaß und welcher Dringlichkeit von einem potentiellen Umbau betroffen ist. Es erfolgt eine Zuordnung des potentiellen Umbaubedarfs zu Wuchsgebieten und eine Aufschlüsselung in Eigentumsarten. Ein kurzer Überblick stellt die Entwicklung des potentiellen Umbaubedarfs der Wälder von heute im Vergleich zu 1987 (Bundeswaldinventur BWI I, BMELF 1992) und so den Erfolg des forstlichen Vollzuges dar. Die Ermittlung einer potentiellen Umbaufläche erfordert zunächst die Definition der Umbaunotwendigkeit und die Bestimmung von Kriterien und den damit verbundenen Zielen für die Forstwirtschaft und die Gesellschaft. Eine derartige Festlegung ist bestimmt vom Status quo der Wälder und den aktuellen wirtschaftlichen, sozioökonomischen und ökologischen Zielen wie auch von den Zielen der Waldeigentümer und sonstiger Interessensvertreter (Krott 2000). In dieser Studie erfolgt die Einschätzung der Kriterien für einen Waldumbau im Hinblick auf die Multifunktionalität und die Erhaltung der Nachhaltigkeit der Wälder unter Berücksichtigung ökologischer Erfordernisse und wirtschaftlicher Möglichkeiten aus Sicht einer öffentlichen Forstverwaltung. 3.2.1 Natürliche Verbreitung der Fichte (Picea abies (L.) Karst.) Als natürliches Verbreitungsgebiet einer Baumart wird das Areal bezeichnet, welches diese Baumart nach der nacheiszeitlichen Rückwanderung erreichte, bevor der Mensch direkt oder indirekt eingriff (Schmidt-Vogt 1977; Fischer 1997). Das natürliche Areal der Fichte (Picea abies) reicht von Mitteleuropa weit ins kontinentale Asien bis nach Sachalin; Fichtenwaldgesellschaften bilden die nördlichsten Wälder Skandinaviens und Sibiriens (Schütt et al. 1992). Das nördlichste Vorkommen innerhalb des europäischen Verbreitungsgebietes liegt in Norwegen (69°27’ n.Br.), das südlichste in Griechenland (41°27’n. Br.). Die Vertikalverbreitung der Fichte beginnt mit Meeresniveau in Norwegen und erreicht seine höchste Höhe in den Zentralalpen bei ca. 2250 m ü. NN (Krüppelformen bis 2450 m ü. NN) (Schmidt-Vogt 1977). Unter der natürlichen Waldgesellschaft ist die Waldgesellschaft der heutigen potentiellen Vegetation (hpnV) eines Standortes zu verstehen. Diese ist eine modellhafte Vorstellung der höchstentwickelten Vegetation, die sich unter gegen-

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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wärtigen Standortsbedingungen und Florenverhältnissen – unter Ausschluss bestehender und zukünftiger unmittelbarer menschlicher Einflüsse – an einem Standort befinden kann (VwV-BWI II 2000). Nach Ellenberg (1986) finden sich natürliche Fichtenwaldgesellschaften in Mitteleuropa x als zonale Vegetation auf unterschiedlichsten Gesteinen in der unteren subalpinen Stufe der Karpaten und der Alpen und in den Mittelgebirgen östlich der Linie Harz-Frankenwald und in der montanen Stufe der relativ kontinentalen inneren Alpentäler; x auf örtlich begrenzten Sonderstandorten: Blockhalden und schmale Felsbänder, Kaltlufttäler und Dolinen der montanen bis hochmontanen Stufe, Hochmoorränder in der montanen Stufe kalkarmer Gebirge sowie im Alpenvorland und in altdiluvialen Flachland, an feuchten Standorten in kühlem kontinentalem Klima. Natürliche, von der Fichte dominierte Waldgesellschaften (Vaccinio-Piceenion) sind in Zentraleuropa gekennzeichnet durch klein- und regionalklimatisch bedingte lange, kalte Winter, regelmäßige Spätfröste und somit insgesamt kurzen Vegetationsperioden. Da diese Standortskonstellation in der montanen und der subalpinen Höhenstufe sowie auch nach Osten vermehrt zunimmt, steigt dort auch die Bedeutung der natürlichen Fichtenwaldgesellschaften (Fischer 1995). In montanen bis hochmontanen Gebirgslagen und der subalpinen Höhenstufe ist die Fichte häufig zu finden, oftmals bildet sie auch die Baumgrenze (Schmidt-Vogt 1977). In den unteren Gebirgslagen und mit zunehmender Ozeanität kommt sie nur noch inselartig, lokalklimatisch und edaphisch bedingt, an Sonderstandorten auch als azonaler Fichtenwald vor (Schmidt 1995). Natürliche reine Fichtenwälder dominieren nur im Norden Zentraleuropas und in den subalpinen Stufen der Gebirge, Mischwälder herrschen im natürlichen Verbreitungsgebiet der Fichte häufig vor (Schmidt-Vogt 1991), in der kollinen und planaren Stufe ist sie manchmal als Begleitbaumart vorhanden (Ellenberg 1986; Dengler 1992; Burschel u. Huss 1997). Der Alpenlattich-Fichtenwald (Homogyno-Piceetum) ist die natürliche Fichtenwaldgesellschaft der (hochmontan-)subalpinen Stufe am nördlichen Alpenrand der Kalkalpen und des Flyschgebietes in Deutschland. Auf den kühl-feuchten Standorten des Schwarzwaldes und des niederschlagsreichen Alpenvorlandes, meist auf basenarmen zur Podsolisierung, Vergleyung oder Vermoorung neigenden Böden, findet sich der Peitschenmoos-Fichtenwald (Bazzanzio-Piceetum), in Moorrandlagen oligotropher Gebirgsmoore z.T. mit Übergängen zum Fichtenmoorwald (Vaccinio uliginosum-Piceetum). Der Wollreitgras-Fichtenwald (Calamagrostis villosae-Piceetum) ist die typische Fichtenwaldgesellschaft der Hochlagen bayerischer, mittel- bis ostdeutscher Mittelgebirge, welche in Bachauen und Kaltluftsenken bis in die submontane Stufe hinabreicht (Schmidt 1995). Autochthone und eingebürgerte Fichten finden sich in Gebieten, in denen sie sich dauerhaft gegen Standortskonkurrenten durchsetzten können, widerstandsfähig gegenüber biotischen und abiotischen Faktoren sind und sich spontan verjüngen

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(BMVEL 2003). Im Gebiet Schwarzwald gilt die Fichte auf Grund forstlicher Förderung heute v.a. in der montanen Höhenstufe des Hainsimsen-Buchenwaldes bereits als eingebürgert (Oberndorfer 1992). Das natürliche Vorkommen der Fichte in Mitteleuropa ist somit auf kleine Flächen und wenige Standortsverhältnisse beschränkt ist. 3.2.2

Erläuterung des Umbaubedarfs

Heute verdankt die Fichte ihre Verbreitung weit über das natürliche Areal hinaus zum einen ihrer weiten physiologischen Amplitude, und zum anderen der intensiven forstlichen Förderung durch Ausschaltung der Konkurrenz, Anbau und Pflege (Burschel u. Huss 1997). Nach Ellenberg (1986) zeigt die Fichte die größte Produktionsleistung und damit ihr physiologisches Optimum unterhalb der natürlichen Fichtenstufe, außerhalb ihres ursprünglichen natürlichen Verbreitungsgebietes. Ein wesentliches Kriterium für die Ausweitung des Fichtenanbaus war neben ihren Pioniereigenschaften insbesondere die hohe Ertragsleistung (Kenk u. Gühne 2001). Wegen ihrer breiten Anspruchsamplitude und dem schnellen Wachstum wurden auch schwierige Standorte bevorzugt mit Fichte aufgeforstet – die Folge waren die Windwürfe und Insektenkalamitäten der jüngsten Zeit (Schmidt-Vogt 1991). Weniger auffällig, doch ebenfalls ein wirtschaftlicher Faktor, sind die hohen Anteile an Rotfäulebefall bei Fichtenanbau auf kalkreichen Standorten. Ein optimales und nachhaltiges Wachstum wird langfristig am besten gewährt, indem die jeweils arteigenen Ansprüche an die Umwelt erfüllt und so die Schadenanfälligkeit vermindert werden (Otto 1986). Daher sollte die Baumartenwahl auf die Standortseigenschaften abgestimmt, also standortsgerecht sein. Standortsgerecht ist eine Baumart, wenn sie sich aufgrund physiologischer und morphologischer Anpassung an die Standortsbedingungen in der Konkurrenz zu anderen Baumarten in ihrem gesamten Lebenszyklus auch ohne Einwirkung des Menschen behaupten kann, gegen Schäden resistent ist und die Bodenfruchtbarkeit erhalten oder verbessern kann, wobei dies auch ursprünglich nicht standortsheimische Baumarten wie z. B. die Fichte außerhalb ihrer natürlichen Arealgrenzen oder die Douglasie sein können (Burschel 1997; Aldinger u. Michiels 1997). Als standortsheimisch gelten demgegenüber die Baumarten der lokalen natürlichen Waldgesellschaften. Sie bilden im Bereich einer Standortseinheit den so genannten Standortswald als Orientierungsgrundlage für den naturnahen Waldbau (Michiels 1998). Die ökologisch nachhaltige Waldwirtschaft ist nicht allein ertragsorientiert, sondern vielmehr bestrebt, gleichzeitig funktionengerechte Waldökosysteme zu erhalten oder zu schaffen, was langfristig auch die Voraussetzung für die Realisierung der ökonomischen Waldfunktion sein wird (Wolff 2001). Derzeit ist es nun Aufgabe der Forstwirtschaft, nach der schnellen und effektiven Wiederaufforstung devastierter Wälder in den letzten zwei Jahrhunderten den kontinuierlichen Umbau dieser Wälder in naturnahe multifunktionale weiterhin nachhaltig bewirtschaftbare, aber auch ertragreiche Wälder zu vollziehen.

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

33

3.3 Methodik zur Feststellung des potentiellen Umbaubedarfs

3.3.1 Kriterien für einen potentiellen Waldumbau In den Wäldern Baden-Württembergs bezieht sich der im folgenden dargestellte Umbaubedarf ausschließlich auf sekundäre Fichtenbestände, welche in Nadelmisch- oder in Laubmischwaldbestände umgewandelt werden sollen. Hierbei wird nach Aldinger u. Michiels (1997) grundsätzlich unterschieden zwischen x ungeeigneten Fichtenstandorten, worunter Standorte zu verstehen sind, auf denen die Fichte nicht standortsgerecht stockt und möglichst nicht bzw. in Einzelfällen maximal bis zu einem Beimischungsanteil von 5% tolerierbar ist, x wenig geeigneten Fichtenstandorten, auf welchen die Fichte nur eingeschränkt standortsgerecht ist und u.U. schwerwiegende Defizite z.B. bezüglich der Konkurrenzkraft, der Standortseignung, der Wirkung, des biotischen und abiotischen Schadrisikos, bei gleichzeitig geringer Ertragsleistung aufweist und daher nur einzel- bis truppweise mit Anteilen von maximal 30% eingemischt werden sollte, und x möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten, auf welchen die Fichte mit geringfügigen Einschränkungen standortsgerecht ist, jedoch mehr oder weniger große Defizite hinsichtlich Konkurrenzkraft, Pfleglichkeit, Schadensresistenz oder Ertragsleistung zeigt, die aber aus Gründen der Multifunktionalität mit 30% Laubbäumen angereichert werden sollen. Die Hauptkriterien für den Umbau sind die Standortseignung insbesondere hinsichtlich x des Wasserhaushaltes, x der Bodenart und x der klimatischen Situation. x Weitere Merkmale der Standortseignung für den Fichtenanbau wie z.B. Höhenlage, Basengehalt, pH-Wert, Karbonatgehalt, Textur, Körnung, Gründigkeit, Nährelementstatus u.a. sind über die Einordnung der von Fichten bestockten Fläche zu einer potentiell natürlichen Waldgesellschaft abgedeckt. Für die Analyse des Umbaubedarfs wurden die aktuellen prozentualen Mischungsanteile der Fichte auf Flächen mit bestimmter Standortseignung herangezogen und bewertet (s. Kapitel 3.3.2).

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Kriterien für die Ausscheidung „ungeeigneter Fichtenstandorte“ Bei den „ungeeigneten Fichtenstandorten“ handelt es sich um Standorte, welche den Fichtenanbau aufgrund der klimatischen und edaphischen Situation fast grundsätzlich ausschließen. x Nicht geeignet für den Fichtenanbau sind quellige, nasse bis feuchte, wechselfeuchte, und vernässende bis staunasse Böden mit eingeschränkter Sauerstoffversorgung, v.a. bei tonigem Oberboden und Neigung zur Vergleyung bzw. Pseudovergleyung. Dies führt u.a. zu verringerter, flacher Wurzelausbildung und damit zu starker Sturmwurfgefährdung schon bei geringen Baumhöhen sowie zu vermehrter Fäulnisgefahr für die Wurzeln. Die jeweilige Wasserhaushaltsstufe und die Bodenart wurden aus der Standortskarte (LFV 2003) entnommen. x Nach Schlenker (1987) wird der Klimahaupttyp von der durchschnittlichen Lufttemperatur (Monatsmittel) der Monate Mai bis September bestimmt; der Klimahaupttyp entspricht der Höhenstufe. Eine mittlere Lufttemperatur von 15,1-16,2°C während der Vegetationsperiode herrscht in der planaren Höhenstufe vor (Schlenker 1987) und gilt als ungeeignet für den Fichtenanbau (Schmidt-Vogt 1991), da sie in diesem Klima eine zu geringe Widerstandskraft gegen biotische Schaderreger (meist Borkenkäfer) und Trockenheit aufweist. Die Ausscheidung erfolgt über den Klimahaupttyp bzw. die regional/zonale Einheit (nach Aldinger et al. 1998). x Über die Zugehörigkeit des Standortes zu einer potentiell natürlichen Waldgesellschaft wurden weitere Standortsmerkmale ausgeschieden, auf Grund derer die Fichte grundsätzlich nicht standortsgerecht ist, wie zum Beispiel bei (mit Einschränkung) geringer Basensättigung, hohem Karbonatgehalt, niedrigem pH-Wert, ungünstiger Textur bzw. Körnung, ungeeignetem Nährelementstatus des Bodens u.a. (z.B. Standorte potentiell natürlicher xerothermer Eichen-Mischwälder). („Umbauziel| 0% Fichte“)

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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Tabelle 3.2: Kriterien und Merkmale, welche der Ausscheidung von Waldflächen als „ungeeignete Fichtenstandorte“ zugrunde liegen. Wasserhaushaltsstufe (Forstl. Standortsaufnahme 1996), Bodenart (LFV 2003); Klimatische Situation (nach Aldinger et al. 1998); weitere Merkmale der Standortseignung (nach Schmidt 1995). Kriterium Wasserhaushaltsstufe Bodenart klimatische Situation

Merkmale wechselfeucht bis staunass Oberboden: tonig für Fichtenanbau ungeeignete regional/zonale Einheit (Lufttemperatur während Vegetationsperiode > 16,5°C), Höhenstufe/Hauptklimatyp: planar weitere Merkmale der Stand- auf der Basis der Zuordnung zu einer potentiell natürliortseignung chen Waldgesellschaft für Fichtenanbau ungeeignet

Kriterien für die Ausscheidung von „wenig geeigneten Fichtenstandorten“ Unter „wenig geeigneten Fichtenstandorten“ sind die Standorte zusammengefasst, auf welchen die Fichte aufgrund der klimatischen Situation (s. oben) und der Höhenstufe sowie weiterer Standortseigenschaften (z.B. hohe Basen- und/oder Karbonatgehalte des Waldgersten-Buchenwaldes) nur wenig für den Fichtenanbau in Beimischung nicht über 30% geeignet ist, da hier ein hohes biotisches und abiotisches Schadrisiko zu erwarten ist, welches zu einer Beeinträchtigungen der Stabilität, der Umweltleistung (Wasser-/Boden-/Artenschutz, u.a.) und auch zu Ertragseinbussen führen kann. Für die Berechnung des Umbaubedarfes werden Flächen mit einer heutigen Fichtenbestockung von mehr als 30% herangezogen. („Umbauziel d 30% Fichte + t 70% Buche bzw. sonstiges Laubholz“) Tabelle 3.3: Kriterien und Merkmale, welche der Ausscheidung von Waldflächen als „wenig geeignete Fichtenstandorte“ zugrunde liegen. Fichtenbestockung (LFV 2003); klimatische Situation (nach Aldinger et al. 1998); weitere Merkmale der Standortseignung (nach Schmidt 1995). Kriterium Fichtenbestockung klimatische Situation

Merkmale t 30% nur eingeschränkt zur einzel- bis truppweisen Fichtenbeimischung geeignete regional/zonale Einheiten, Höhenstufe/Hauptklimatyp: planar, kollin, z.T. submontan weitere Merkmale der Stand- auf der Basis der Zuordnung zu einer lokalen potentiell ortseignung natürlichen Waldgesellschaft keine Tannen-Fichten- und Fichtenwaldgesellschaften bzw. mit geringen Anteilen an Fichtenbeimischung, Fichtenvorkommen möglich

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Kriterien für die Ausscheidung von „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ Diese Standorte vereinen Flächen, auf denen die Fichte mit geringfügigen Einschränkungen standortsgerecht ist und bei entsprechender Förderung (v.a. Zurückdrängen der Konkurrenz der Buche, Pflege, Anbau, etc.) gute Ertragsleistungen bei geringen Einschränkungen hinsichtlich Sicherheit, Risiko und Pfleglichkeit hervorbringt. Für die Ermittlung des Umbaubedarfes werden die Flächen mit über 70% Fichtenbestockung herangezogen, welche gemäß der potentiell natürlichen Waldgesellschaft keine Fichtenwaldgesellschaft sind, wo die Fichte natürlicherweise nicht dominiert, der Fichtenanbau jedoch auf Grund der Standortseigenschaften erfolgreich möglich ist (z.B. eingebürgerte Fichte im hochmontanen Hainsimsen-(Tannen)-Buchenwald). („Umbauziel t 30% Buche bzw. Eiche oder sonstige Laubbaumarten + d 70% Fichte“) Tabelle 3.4: Kriterien und Merkmale, welche der Ausscheidung von Waldflächen als „mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“ zugrunde liegen. Fichtenbestockung (LFV 2003); weitere Merkmale der Standortseignung (Schmidt 1995). Kriterium Fichtenbestockung weitere Merkmale der Standortseignung

Merkmale t 70% auf der Basis der Zuordnung zu einer potentiell natürlichen Waldgesellschaft keine Fichtenwaldgesellschaft, jedoch aufgrund der günstigen Standortseigenschaften standortsgerecht mit guten Wuchsbedingungen für den Fichtenanbau

3.3.2 Datengrundlage und Auswertungsmethodik Um zu der Frage eines potentiellen Waldumbaubedarfs gesicherte Aussagen für Baden-Württemberg zu erhalten, wurde das Datenmaterial der zweiten Bundeswaldinventur BWI II (BWI II 2004), sowie die in digitaler Form vorliegenden Informationen der Standortskarte (LFV 2003) ausgewertet. Die Bundeswaldinventur ist eine terrestrische Stichprobeninventur mit einer systematischen Stichprobenverteilung permanent markierter Probepunkte. Folgende Grunddaten werden an den Stichprobepunkten erhoben: Betriebsart, Eigentumsart, Bestandesstruktur, Baumarten, -alter, -durchmesser, -höhe, Walderschließung, Geländeform, Schäden, Waldränder, Totholz (VwV-BWI II 2000). In Baden-Württemberg beruht die Stichprobenverteilung auf einem regional verdichteten 2km x 2km-Grundnetz. In der vorliegenden Studie wurden die in digitaler Form vorliegenden Informationen aus der Standortskarte zu Hauptklimatyp, Höhenstufe (standortskundliche

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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regionale Gliederung), Wasserhaushaltsstufe und Bodenarten mit den relevanten Grunddaten der BWI II kombiniert. Die Einteilung natürlicher Waldgesellschaften folgt nicht ausschließlich floristisch-soziologischen oder allein standörtlichen Kriterien, sondern bezieht daneben noch die natürliche Baumartendominanz ein. Den überwiegend klimabedingten Kriterien werden die azonalen Waldgesellschaften gegenübergestellt (Schmidt 1995). Die Zuordnung zu den natürlichen Waldgesellschaften erfolgte gutachterlich über eine Auswertung der Informationen zur Bodenvegetation aus der BWI II und Lage, Klimatyp und Bodenart aus der Standortskarte. Standortsdaten standen zum Zeitpunkt der Bearbeitung von 62% aller und von 57% aller mit Fichten bestockten Probepunkte zur Verfügung. Damit liegt eine repräsentative Stichprobe über die in Baden-Württemberg vorkommenden Waldstandorte vor. Die aktuelle Verschneidung des Datenmaterials beruht auf den idealen Gauß-Krüger-Koordinaten für die Eckpunkte, da GPS-Koordinaten der BWI II bisher noch nicht verifiziert sind. Die verwendeten Daten der BWI II und die Ergebnisse der Verschneidungen beruhen auf dem Datenstand von Juni 2003. Der Umbaubedarf auf x „ungeeigneten Fichtenstandorten“ errechnet sich aus der Summe aller Fichtenprozentanteile an fichtenbestockten Probepunkten. Waldbauliches Ziel ist der Umbau der gesamten Fläche zu standortsgerecht bestockten Flächen – i.d.R. ohne Fichtenanteile („Umbauziel | 0% Fichte“). Die Kriterien, die zur Zuordnung zu „ungeeigneten Fichtenstandorten“ führen, werden zunächst in den Tabellen (Tabelle 3.5 bis 3.7) getrennt voneinander aufgeführt, für die Gesamtberechnung werden Überschneidungen innerhalb der Kriterien ausgeschieden (Tabelle 3.8); x „wenig geeigneten Fichtenstandorten“ errechnet sich für Bestände mit einer Fichtenbestockung von mehr als 30% auf natürlicherweise überwiegend von Laubbäumen dominierten Standorten aus den Differenzen des aktuellen und des gewünschten 30%igen Fichtenanteils für diese Flächen („Umbauziel d 30% Fichte + t 70% Buche bzw. sonstiges Laubholz“); x „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ mit geringfügigen Einschränkungen der Standortseignung errechnet sich für Bestände mit einer Fichtenbestockung von mehr als 70% und dem Ziel einer Einmischung eines Mindestanteils • von 30% Buche („Umbauziel t 30% Buche + d 70% Fichte“) bzw. • von 30% Eichen oder sonstigen Laubholzarten („Umbauziel t 30% Eiche + sonstiges Laubholz + d 70% Fichte „) aus der Differenz des ermittelten Fichtenprozentanteils und des geforderten maximalen 70%igen Fichtenanteils.

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M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

3.4 Ergebnisse

3.4.1 Umbaubedarf für „ungeeignete Fichtenstandorte“ Kriterium: Wasserhaushaltsstufe, Bodenart Die Informationen zur Wasserhaushaltsstufe und zur Bodenart wurden der Standortskarte (LFV 2003) entnommen (Tabelle 3.5a und b). Ein Großteil der „ungeeigneten Fichtenbestände“ (9500 ha) stockt auf wechselfeuchten Standorten. 3700 Hektar der „ungeeigneten Fichtenbestände“ finden sich auf feuchten bis nassen, weitere 3600 Hektar auf wechselfeuchten bis vernässenden Standorten. Ein Anteil von 3500 Hektar „ungeeigneter Fichtenbestände“ kommt auf Böden mit einem Tonanteil über 60% im Oberboden vor. Tabelle 3.5: Waldfläche (ha) „ungeeigneter Fichtenstandorte“, ausgeschieden nach a) der Wasserhaushaltsstufe (Forstl. Standortsaufnahme 1996) und b) der Bodenart im Oberboden a) Wasserhaushaltsstufe (Forstl. Standortsaufnahme 1996) quellig grundfeucht bis nass (grundnass) nass bis feucht nass wechselfeucht wechselfeucht bis vernässend vernässend (staunass)

Ungeeignete Fi-Standorte

Umbauziel| 0% Fi Fichtenfläche [Hektar] 300 400 1400 2300 9500 900 2700 17500

b) Bodenart im Oberboden tonig (Anteil > 60%)

3500

Gesamt

21000

Kriterium: klimatische Situation Anhand der überarbeiteten „Standortskundlichen regionalen Gliederung“ (Aldinger et al. 1998) wurden ausgehend von der klimatischen Situation die regional/zonalen Einheiten in Baden-Württemberg ausgewählt, die generell als nicht fichtengeeignet betrachtet werden, da diese u.a. aufgrund geringer Niederschläge und hoher Temperaturen Ertrags- und Qualitätseinbussen erwarten lassen, und u.U. eine hohe Anfälligkeit für Borkenkäferbefall begünstigen (Tabelle 3.6). Im Untersuchungsgebiet findet sich im Wuchsgebiet Hardtwald (WBgr 1/02b) und im Trockengebiet im Bereich der ehemaligen Rheinaue (WBgr 1/05al) ein relativ

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

39

kleiner Anteil von insgesamt 300 Hektar „ungeeigneten Fichtenstandorten“ in der für das Fichtenwachstum ungeeigneten planaren Höhenstufe. Tabelle 3.6: Waldfläche (ha) „ungeeigneter Fichtenstandorte“ ausgeschieden nach den klimatischen Gegebenheiten in den regional/zonalen Einheiten getrennt nach Wuchsbezirksgruppen in Baden-Württemberg Ungeeignete Fi-Standorte

WBgr/WB Klimahaupttyp Regional/zonale Einheit (nach Aldinger et al. 1998) 1/01 1/02a 1/02b 1/02c 1/03a

planar (Rheinaue zwischen Mannheim und Rastatt) planar (Schwetzinger Hardt) planar (Hardtwald zwischen Walldorf und Karlsruhe) planar (Hardtwald zwischen Karlsruhe und Stollhofen) planar (Niederterrasse und Flußaue zwischen Rastatt und Kehl) 1/03b planar (Niederterrasse und Flußaue zwischen Kehl und Breisach) 1/03al planar (Staubereiche der ehemaligen Rheinaue) 1/04 planar (Freiburger Bucht) 1/05 planar (Rheinebene von Breisach bis Basel (Niederterrasse) 1/05al planar (Trockengebiet im Bereich der ehemaligen Rheinaue) 1/05b planar (Ehemaliger Ostrhein) Gesamt

Umbauziel| 0% Fi Fichtenfläche [Hektar] 0 0 200 0 0 0 0 0 0 100 0 300

Kriterium: fehlende Standortseignung auf Grund weiterer Standortseigenschaften Weitere Standortseigenschaften, welche für den Fichtenanbau ungeeignete Voraussetzungen bieten (standortswidrig), wurden auf der Basis der Zugehörigkeit zu den entsprechenden natürlichen Waldgesellschaften ausgeschieden (Tabelle 3.7). Den größten Flächenanteil mit ca. 8000 Hektar nehmen „ungeeignete Fichtenstandorte“ in den thermophilen Seggen-Buchenwäldern (Carici-Fagetum) ein. Deren Verbreitungsschwerpunkt liegt im Kalkberg- bzw. Kalkhügelland, die meisten Standorte in diesen Kalk-Buchenwäldern sind hangexponiert, flachgründig und warm-trocken. Die Fichte kommt nur als Nebenbaumart vor und führt auch bei forstlicher Förderung nur zu geringen Erfolgen. Der zweitgrößte Anteil (4600 ha) an „ungeeigneten Fichtenstandorten“ findet sich auf den grund- und stauwasserbeeinflussten, sandig-lehmigen Standorten des Sternmieren-Hainbuchen-Stieleichenwalds (Stellario holosteae-Carpinetum), welche für den Fichtenanbau ungeeignet sind. Ebenso nicht standortsgerecht sind die Fichtenbestände in den Bach- und Flussauen der nassen, z.T. überstauten Traubenkirschen-Erlen-Eschenwälder (Pruno-Fraxinetum, 2900 ha) und in den z.T. sickernassen, vergleyten Bach-Eschenwäldern (Carici remotae-Fraxinetum, 2400 ha), welche die Fichte nur vereinzelt kleinstandörtlich als Nebenbaumart

40

M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

führen. Je ca. 1000 Hektar „ungeeignete Fichtenbestände“ stocken nicht standortsgemäß in den steinschutt- und blockreichen, feucht-frischen, oft hangexponierten, bodenbewegten Edellaubbaum-Steinschutt- und Blockhangwäldern (TilioAcerion) sowie auf den artenarmen, stark-sauren und extrem nährstoffarmen Sandböden der oft degradierten Birken-Steineichenwälder (Betulo-Quercetum roboris). Tabelle 3.7: Waldfläche (ha) „ungeeigneter Fichtenstandorte“ ausgeschieden nach der Standortseignung auf Grund der Standortseigenschaften auf der Basis der natürlichen Waldgesellschaften; Standortseigenschaften nach Schmidt 1995

Standortseigenschaften (nach Schmidt 1995) planar-kollin, feucht-mäßig trocken, sauer, nährstoffarm, artenarm trocken-mäßig trocken, lehmig-grusig warm-trocken, kalkreich, flachgründig häuftg felsige Steilhänge z.T. vernässend, sandig, stark sauer, extrem nährstoffarm thermophil, flachgründig, basenarm oft steinig grund-/stauwasserbeeinflusst, sandig/lehmig sommerwarm, trocken-nass, sandig/lehmig-tonig, nährstoffarm-reich Waldgrenzbereich, warm-trocken, oft steinig, kalk/basenreich feuchtkühl, instabile Stein/Blockschutthänge organische Nassstandorte: nass, überstaut, quellig-sumpfig grund-/stauwasser beeinflusst, überstaut/flutet wasserzügige Hänge, quellige Mulden sickernass, vergleyt mineralische Nassstandorte: sub/montan, bachbegleitend, überstaut-sickernass, vergleyt, nährstoffreich

Gesamt

Natürliche Waldgesellschaft Drahtschmielen-Buchenwald (Deschampsia-Fagetum) Buchen-Traubeneichenwald (Fageto-Quercetum petraea) Seggen-Buchenwald (Carici-Fagetum) Birken-Stieleichenwald (Betulo-Quercetum roboris) Birken-Traubeneichenwald (BetuloQuercetum petraea) Sternmieren-Hainbuchen-Stieleichenwald (Stellaria holosteae-Carpinetum) Waldlabkraut-Hainbuchen-Eichenwald (Galio sylvatici-Carpinetum) Xerotherme Eichen-Mischwälder (Quercion pubescenti-petreae) Edellaubbaum-Steinschutt- & Blockhangwälder (Tilio-Acerion) Schwarzerlen-Bruch- und Sumpfwälder (Carici-Alnetum) Traubenkirschen-Erlen-Eschenwälder (Pruno-Fraxinetum) Bach-Eschenwälder (Carici remotaeFraxinetum) Hainmieren-Schwarzerlen-Auewald (Stellario-Alnetum)

ungeeignete FiStandorte Umbauziel| 0% Fi

Fichtenfläche [Hektar] 100 100 8000 900 100 4600 100 200 1000 200 2900 2400 600 21200

Zusammenfassung – Umbaubedarf für „ungeeignete Fichtenstandorte“ Die berücksichtigten standortsspezifischen, ursächlichen Faktoren für die Ausweisung „ungeeigneter Fichtenstandorte“ wurden bisher einzeln aufgeführt. Da für bestimmte Flächenanteile mehrere Faktoren gleichzeitig zutreffen können, wurde in Tabelle 3.8 das Auftreten der Labilitätsfaktoren zueinander und die sich überlappenden Flächenanteile „ungeeigneter Fichtenstandorte“ dargestellt.

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

41

Tabelle 3.8: Waldfläche (ha) „ungeeigneter Fichtenstandorte“, getrennt nach dem Auftreten der verwendeten Labilitätsfaktoren zueinander und der sich überlappenden Flächenanteile natürliche Waldgesellschaft + + + + + + -

Klimahaupttyp (Regional/zonale Einheit) + + -

WasserHaushaltsstufe

Bodenart „tonig“

+ + + + -

+ + +

ungeeignete Fi-Standorte Umbauziel 0% Fi Fichtenfläche [Hektar]

40 230 30 4250 400 16240 13080 3030 37300* * Auswertungsbedingt wird die Waldfläche „ungeeignete Fichtenstandorte“ hier überschätzt. Dies hat die Ursache darin, dass potentiell natürliche Fichtenwaldgesellschaften zum Teil nur sehr kleinflächig vorkommen und deren Flächenanteil hier zur Kategorie „ungeeignete Fichtenstandorte“ aufgenommen wurden. Unter Berücksichtigung dieser Flächenanteile ergeben sich 31200 Hektar für den Fichtenanbau ungeeigneter Flächen (siehe Tabelle 3.12.).

Nach den zugrundeliegenden Kriterien stocken auf 31200 Hektar Fichten auf „ungeeigneten Fichtenstandorten“. Für diese Standorte wird ein i.d.R. kompletter Ersatz der gesamten Fichtenbestockung („Umbauziel | 0% Fichte“) durch die den Standortswäldern entsprechenden Baumarten/-anteile empfohlen (MLR 1999). Eine ausführliche Beschreibung zur Herleitung des Standortswaldes im südwestdeutschen standortskundlichen Verfahren findet sich bei Michiels (1998). Als waldbauliche Maßnahme für den Umbau auf „ungeeigneten Fichtenstandorten“ in Baden-Württemberg kommt, je nach Waldentwicklungsziel, Störungsanfälligkeit, Stabilität und auch sukzessionalen Möglichkeiten ein kompletter, im Einzelfall möglichst rascher Umbau der Fichtenbestockung durch Kahlhieb oder femelartiges Vorgehen hauptsächlich mit nachfolgender Pflanzung (Vorbau), Saat, aber auch Naturverjüngung in Frage (MLR 1999). Die jeweiligen Entscheidungen sind im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Stabilität abzuwägen (MLR 1994a). Abhängig vom Standort wird als langfristiges Waldentwicklungsziel (MLR 1999) x auf Standorten mit freiem Kalk im Oberboden und für Fichte klimatisch ungünstigen, zu warmen und niederschlagsarmen Regionen ein naturnaher, strukturreicher Buchenmischwald mit Nadelholzmischungsanteilen (Fichte, Lärche, Douglasie, Tanne, u.a.) von maximal 30% und hohen Anteilen sukzessionaler Baumarten (Esche, Ahorn), x auf wechselfeuchten und vernässenden Standorten in kollinen und subalpinen Wuchsgebieten ein naturnaher bis bedingt naturnaher Stieleichen-Mischwald hauptsächlich mit Eiche (60-90%), verschiedenen Laubholzarten (10-30%) und

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M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

geringen Kiefer- z.T. je nach Sturmwurfrisiko auch Tannen- und Fichtenanteilen (0-30%), x auf wechselfeuchten und vernässenden, tonigen, verdichteten, schlecht durchlüfteten Standorten in submontanen bis hochmontanen Lagen ein stabiler, naturnaher Dauerwald mit hohen Tannenanteilen von 50-70% und trupp- bis gruppenweiser Laubbaum-(20-40%) und Kiefer- bzw., abhängig von der Bestandesstabilität und dem bodenchemischen Zustand, auch Fichten-Beimischung (0-30%) angestrebt. 3.4.2 Umbaubedarf für „wenig geeignete Fichtenstandorte“ Reduktion der Fichtenbeimischung Æ „Umbauziel d 30% Fichte + t 70% Buche bzw. andere Laubhölzer“) Der Fichtenanbau in den überwiegend kollinen und submontanen Höhenstufen mit geringen Niederschlägen birgt ebenso ein hohes Risiko wie auf den kühleren, niederschlagsreichen, oft tonigen Standorten (Borkenkäferbefall, Trockenheit, Windwurf, Fäulnis). Die Fichte ist v.a. in der Jugendphase konkurrenzschwach gegenüber Buchen und Eichen und verursacht hier Probleme bei der Verjüngung. Zur Reduzierung des Schadrisikos (Krankheiten; mögliche Beeinträchtigung der Bestandesstabilität, der Umweltleistungen und auch des Ertrags) soll der Fichtenanteil auf diesen Standorten auf maximal 30% reduziert werden. Zur Ausscheidung der Flächenanteile werden nur zur Fichtenbeimischung geeignete regionale/zonale Einheiten herangezogen, die Kriterien Wasserhaushaltsstufe und Bodenart werden daher nicht miteinbezogen. Kriterium: klimatische Situation Ausgehend von der klimatischen Situation wurden anhand der überarbeiteten „Standortskundlichen regionalen Gliederung“ (Aldinger et al. 1998) die regional/zonalen Einheiten in Baden-Württemberg ausgeschieden, die als für das Fichtenwachstum nur bedingt geeignet gelten (Tabelle 3.9). In diesen Regionen ist die Fichte nur als Nebenbaumart in gemäßigter Beimischung mit einem Fichtenanteil d 30% vertretbar. Derzeit liegt das Hauptvorkommen „wenig geeigneter Fichtenstandorte“ im Wuchsgebiet 4 „Neckarland“, einer in den tieferen, kalkreichen Lagen für den Weinanbau geeigneten Region mit eher geringen Niederschlägen und hohen Temperaturen. Natürlicherweise herrschen hier größtenteils kolline Buchen- und Eichen-/Traubeneichenwälder vor. Der höchste Anteil „bedingt geeigneter Fichtenstandorte“ findet sich in der Kocher-Jagst-Landschaft und am Südrand des Baulands (WBgr. 4/03, 3300 ha), im Taubergrund mit dem Westrand der Fränkischen Platte (WBgr. 4/01, 2500 ha), im Hinteren Kraichgau und Elsenzgau (WBgr. 4/05b,1500 ha) und im Vorderen Bauland (WBgr. 4/18, 2300 ha). Diese mäßig niederschlagsreichen und mäßig warmen kollinen, z.T. auch submontanen

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

43

Regionen sind natürlicherweise v.a. mit kollinen Buchenwaldgesellschaften mit Eiche bzw. kollinen Buchen-Trauben-/Eichenwaldgesellschaften besiedelt. Relevante Vorkommen „bedingt geeigneter Fichtenstandorte“ finden sich auch im Wuchsgebiet 3 „Schwarzwald“ insbesondere im Vorgebirge zwischen Bühl und Offenburg (WBgr. 3/03b, 900 ha) und im Schwarzwaldvorland zwischen Kinzig und Elz (WBgr. 3/03c, 1400 ha). Hohe Niederschläge und Feinlehm-Standorte führen zu einer hohen Konkurrenzkraft der Buche sowie, bei abnehmenden Temperaturen, zu einer Stärkung des Tannenwachstums (kolliner Buchenwald). Im Wuchsgebiet 7 „Südwestdeutsches Alpenvorland“ mit den wuchskräftigsten und konkurrenzstärksten Buchenbeständen Baden-Württembergs finden sich im kollin-submontan gelegenen Bodensee- und Schussenbecken (WBgr. 7/06al) weitere 1400 Hektar „bedingt geeigneter Fichtenstandorte“ auf submontanen Buchen-Eichenwaldstandorten. Insgesamt wurde ausgehend von der klimatischen Höhenstufe noch ein Umbaubedarf für „wenig geeignete Fichtenstandorte“ von 21400 Hektar ausgewiesen. Tabelle 3.9: Waldfläche (ha) „wenig geeigneter Fichtenstandorte“, ausgeschieden nach den klimatischen Gegebenheiten in den regional/zonalen Einheiten und getrennt nach Wuchsbezirksgruppen in Baden-Württemberg

WBgr/WB Regional/zonale Einheit (nach Aldinger et al. 1998) 1/06 kollin (Rheinhügelland zwischen Baden-Baden & Emmendingen) 1/07 kollin (Kaiserstuhl) 1/08 kollin (Markgräflerland mit Schönberg und Tuniberg) 1/09 kollin (Dinkelberg) 2/01 kollin (Grundgebirgs-Odenwald) 2/02 kollin (Südwestlicher Buntsandstein-Odenwald) 3/01 kollin (Nördliches Schwarzwaldvorland) 3/03b kollin (Vorgebirg zwischen Bühl und Offenburg) 3/03c kollin (Schwarzwaldvorland zwischen Kinzig und Elz) 3/07 kollin (Mittl. Schwarzwald zw. Kinzig & Schwarzwaldhochstr.) 3/09 kollin (Mittlerer Schwarzwald zwischen Kinzig und Dreisam) 3/10 kollin (Westlicher Südschwarzwald) 4/01 kollin (Taubergrund (mit Westrand der Fränkischen Platte)) 4/02 kollin (Weinbaugebiet von Stuttgart, Maulbronn u. Heilbronn) 4/03 kollin (Kocher-Jagst-Landschaft und Südrand des Baulands) 4/04 kollin (Pfinzgau) 4/05a kollin (Vorderer Kraichgau) 4/05b kollin (Hinterer Kraichgau und Elsenzgau) 4/05al kollin (Langenbrücker Senke) 4/06 kollin (Nürtinger Bucht) 4/07 kollin (Backnanger Bucht)

wenig geeignete Fi-Standorte Umbauzield 30% Fi + t 70% Bu/sLb Fichtenfläche [Hektar]

500 0 200 600 100 300 0 900 1400 300 100 100 2500 1900 3300 600 500 1500 0 100 200

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M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

WBgr/WB Regional/zonale Einheit (nach Aldinger et al. 1998)

wenig geeignete Fi-Standorte Umbauzield 30% Fi + t 70% Bu/sLb Fichtenfläche [Hektar]

4/10 submontan (Stromberg) 400 4/18 submontan (Vorderes Bauland) 2300 4/19 submontan (Hinteres Bauland) 300 900 5/04 kollin (Untere Wutach und südöstlicher Hotzenwald) 600 7/04 kollin (Hegauniederung) 7/05al submontan (Weißjura-Moräne bei Engen) 400 7/06al submontan (Bodensee- und Schussenbecken) 1400 Gesamt 21400* * Diese Fläche beinhaltet, auf sehr kleinen Flächen, auch ungeeignete Standorte in potentiell natürlichen Fichtenwaldgesellschaften

Kriterium: fehlende Standortseignung auf Grund weiterer Standortseigenschaften Die Ausscheidung von Standortseigenschaften auf der Basis von natürlichen Waldgesellschaften, die ungünstig für den Fichtenanbau sind, ergibt sich für 10800 Hektar eine Fichtenbestockung von über 70% auf „wenig geeigneten Fichtenstandorten“ (ohne Berücksichtigung von ungeeigneten Standorten). Der Hauptanteil (6800 ha) findet sich auf Standorten des Waldmeister-Buchenwalds (Tabelle 3.10). Wegen ihres z.T. guten Wachstums und hohen Ertragsvermögen soll auf diesen Standorten nicht gänzlich auf die Fichte verzichtet werden. Zur Risikominimierung soll ein Fichtenanteil von 30% jedoch nicht überschritten werden. Waldbaulich hat diese Beimischung in Form der Fichten-Zeit-Mischung in großflächigen Buchenwäldern eine lange Tradition. Mittelfristiges waldbauliches Ziel auf diesen Standorten ist die Reduktion des Fichtenanteils auf maximal 30% („Umbauziel d 30% Fichte + t 70% Buche bzw. sonstiges Laubholzarten“) - die Fichte soll bevorzugt kleinstandörtlich als einzeloder truppweise Beimischung vorkommen (MLR 1999).

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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Tabelle 3.10: Waldfläche (ha) „wenig geeigneter Fichtenstandorte“, ausgeschieden auf Grund ungünstiger Standortseigenschaften auf der Basis der natürlichen Waldgesellschaften; waldbauliches Ziel: Maximalbeimischung von 30% Fichte Standortseigenschaften (nach Schmidt 1995) kollin-sumontane Form

Natürliche Waldgesellschaft (nach Schmidt 1995)

Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum) Planar-submontane Form, kar- Waldmeister-Buchenwald bonat-/basenreiche Standorte (Galio odorati-fagetum) Kalk-/basenreiche Standorte Waldgersten-Buchenwald (Hordelymo-Fagetum) Gesamt

wenig geeignete Fi-Standorte Umbauziel d 30% Fi + t 70% Bu/sLb

Fichtenfläche [Hektar] 1700 6800 2300 10800

3.4.3 Umbaubedarf für „mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“ Mindestbeimischung von Laubholzarten Æ „Umbauziel t 30% Laubholz (v.a. Buche, Eiche und sonstiges Laubholz) + d 70% Fichte“ Kriterium: fehlende Standortseignung auf Grund weiterer Standortseigenschaften Ausgehend von der fehlenden Standortseignung auf der Basis der natürlichen Waldgesellschaften wurden Flächen ausgeschieden, welche mit mehr als 70% mit Fichte bestockt, aber keine Fichtenwaldtypen sind (Tabelle 3.11). Es handelt sich fast ausschließlich um Buchenmischwaldtypen, welche hauptsächlich aus Gründen des Wasser- und Bodenschutzes sowie zum Erhalt der natürlichen standortsgerechten Biodiversität der Waldgesellschaft als „mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“ gelten. Der Fichtenanbau ist hier meist erfolgreich möglich, da die Standortsbedingungen größtenteils optimal für das Fichtenwachstum sind. Das Hauptvorkommen (37600 ha) von „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ mit einem Fichtenanteil über 70% findet sich auf den Standorten der Hainsimsen-Buchen(misch)wälder (Luzulo-Fagetum). Diese bodensauren und artenarmen Buchen(misch)wälder sind verbreitet auf basenarmen Böden mit mittlerer bis geringer Nährstoffversorgung. Die Beimischung ändert sich abhängig von der Höhenstufe und kleinstandörtlichen Bedingungen. So führen sie neben der Hauptbaumart Buche in montaner Lage Tanne und in hochmontaner Lage auch Fichte. Natürlicherweise als Nebenbaumart auftretend, hat sich aufgrund forstlicher Förderung die Fichte zur vorherrschenden Baumart etabliert. Weitere ca. 30000 Hektar „möglicher bis geeigneter Fichten“ kommen im Bereich der krautreichen, frischen, karbonat- oder basenreichen, (mäßig) nährstoffreichen, mesophilen Standorten der Buchen(misch)wälder vor. Kennzeichnend für den in planarer bis (hoch)montaner Höhenstufe vorkommenden Waldmeister-Buchenwald (Galio odorati-Fagetum) ist die starke standörtliche Gliederung mit Mull als

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Humusform und lehmigem Substrat. Auf frischen kalk-/basenreichen Standorten findet sich der artenreichere Waldgersten-Buchenwald (Hordelymo-Fagetum). Beide Waldgesellschaften führen natürlicherweise als Nebenbaumart Fichte, welche sich bei forstlicher Förderung als ertragreich erweist und derzeit auf zahlreichen Standorten dominiert. Im Ahorn-Eschenwald (Fraxino-Aceretum) kommen 1400 Hektar „bedingt geeignete Fichenstandorte“ vor. Diese kühlfeuchten, schattigen, nährstoffreichen, meist hangexponierten, skelettreichen Standorte sind natürlicherweise v.a. Edellaubhölzern vorbehalten. Insgesamt gibt es 70600 Hektar umzubauende Fläche auf „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“. Tabelle 3.11: Waldfläche (ha) „möglicher bis geeigneter Fichtenstandorte“, ausgeschieden nach der Standortseignung auf Grund der Standortseigenschaften auf der Basis der natürlichen Waldgesellschaften; waldbauliches Ziel a) Beimischung von 30% Buche, b) Beimischung von 30% sonstiger Laubhölzer Standortseigenschaften (nach Schmidt 1995)

Natürliche Waldgesell- Beimischung von Lb: schaft (nach Schmidt Umbauziel 1995)

Gesamt

a) t 30% Bu b) t30%sLb +d 70% Fi +d 70% Fi

montane-hochmontane Form, basenarm, bodensauer, nährstoffarm, artenarm standörtl. Differenzierung, karbonat-/basenreich, lehmige Braunerden, nährstofreich submontane-montane Form, frisch, kalk-/basenreich, artenreich montane-hochmontane Form, kalk-/basenreich, krautreich hochmontan-subalpine Form, wintermild, schneereich, kalk-/basenreiche Böden, artenreich montane – hochmontane Form, kühl-feucht, schattig, skelettreiche Böden, nährstoffreich

Hainsimsen-Buchenwald, z.T. mit Tanne (Luzulo-Fagetum) Waldmeister-Buchenwald, z.T. mit Tanne (Galio odorati-Fagetum) Waldgersten-Buchenwald, z.T. mit Tanne (Hordelymo-Fagetum) AlpenheckenkirschenTannen-Buchenwald (Lonicera alpigenaeFagetum)

37600

0

37600

15100

0

15100

14800

0

14800

1500

0

1500

200

0

200

0

1400

1400

69200

1400

70600

Bergahorn-Buchenwald (Aceri-Fagetum)

Ahorn-Eschenwald (Fraxino-Aceretum) Gesamt

Mittelfristiges waldbauliches Ziel auf diesen Standorten ist die Einbringung von etwa 30% Mischbaumarten, v.a. der Buche („Umbauziel t 30% Buche+ d 70% Fichte“), und standörtlich abhängig auch anderer Laubbaumarten, insbesondere

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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der Eiche („Umbauziel t 30% Eiche + sonstiges Laubholz + d 70% Fichte“). Damit wird auch auf diesen Standorten, gemäß der Forderungen eines naturnahen Waldbaus, ein Anteil der Baumarten der potentiell natürlichen Vegetation berücksichtigt. Beim waldbaulichen Vorgehen sollten generell vorhandene Laubbäume möglichst gruppenweise begünstigt werden, die Verjüngung kann über Gruppenschirmstellung und nachfolgenden Femelschlag erfolgen, je nach Situation mit gruppenweisem Buchen-Vorbau und Fichten-Naturverjüngung. 3.4.4 Zusammenfassung und Diskussion Nach den zugrundeliegenden Auswertungen wird für die Wälder Baden-Württembergs insgesamt ein Umbau auf etwa 112000 Hektar (Tabelle 3.12) bzw. ca. 9% der Gesamtwaldfläche in unterschiedlicher Intensität und zeitlicher Dringlichkeit angestrebt. Umbaubedarf aufgrund fehlender Standortseignung ausgeschieden nach natürlichen Waldgesellschaften In Tabelle 3.12 ist der Umbaubedarf in den jeweiligen natürlichen Waldgesellschaften zusammengefasst dargestellt. Auf ca. einem Drittel der Fläche (31200 ha) ist ein möglichst vollständiger Umbau der „ungeeigneten Fichtenbestände“ auf Ausschluss-Flächen angeraten (Tabelle 3.12a, 3.5-3.8). Aus Gründen der Risikominimierung bezüglich Windwurf und Fäulnis sollte auf den betroffenen „wenig geeigneten Fichtenstandorten“ der Flächenanteil von Fichte auf maximal 30% reduziert werden. Diese Maßnahme wird auf 10800 Hektar notwendig (Tabelle 3.12b). Ein Hauptteil des bisherigen Fichtenanbaus erfolgte überwiegend auf „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“, welche den physiologischen Ansprüchen für das Fichtenwachstum zumeist entgegen kommen. Aus ökologischen Gründen ist eine Erhöhung der Baumartenvielfalt in Anbindung der Bestockung an die Hauptbaumarten der natürlichen Waldgesellschaft und mit dem Ziel des Boden- und Wasserschutzes, zur Risikominimierung sowie zum Erhalt der Biodiversität angeraten. Auf 70600 Hektar ist daher eine mittelfristige Einbringung von Buche bzw. geeigneter Laubholzarten sinnvoll, um deren Anteil auf mindestens 30% anzuheben (Tabelle 3.12c). Diese Maßnahme wird derzeit in zahlreichen Landesforstverwaltungen in Deutschland empfohlen (MLR 1994b, 1999; LWF 2003). Die Höhe des beabsichtigten Buchen- bzw. Laubholzanteils von 30% in den fichtendominierten Beständen ist bisher noch eine auf Erfahrung basierende Größe. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass dieser Anteil die Bestandesstabilität verbessert und die waldbauliche Flexibilität zur Reaktion auf wirtschaftliche und umweltbedingte Veränderungen erhöht sowie auch den Forderungen nach einer vermehrten Berücksichtigung der ökologischen Schutzfunktionen verstärkt Rechnung trägt (MLR 1994a). Umfassende und fundierte wissenschaftliche Untersuchungen zu dieser Frage stehen jedoch weitgehend aus. Aus einer Studie von Rothe (1997) geht hervor, dass ein Anteil von 40% Buche in einem

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Fichtenbestand beispielsweise die Säurebelastung und die AuflagehumusMächtigkeit sowie den Stoffeintrag verringert und den Streuumsatz verbessert, wobei die Zuwachsleistung noch bei fast 90% des Fichtenreinbestandes liegt. Eine Verringerung der Nitratkonzentration im Sickerwasser ist an diesem Standort jedoch erst bei einem Buchenanteil von 70% zu erwarten (Rothe u. Kreutzer 1998). Tabelle 3.12: Umbaubedarf (ha) auf Fichtenflächen in Baden-Württemberg, ausgeschieden nach der Standortseignung auf Grund der Standortseigenschaften auf der Basis der natürlichen Waldgesellschaften und getrennt nach Umbauziel. a) „ungeeignete Fichtenstandorte“: für den Fichtenanbau ungeeignete Fläche, Umbauziel 0% Fichte; b) „wenig geeignete Fichtenstandorte“: Beimischung von maximal 30% Fichte; c) „mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“: Beimischung von mindestens 30% Buchen- bzw. Laubholzarten. Bu: Buche, Ei: Eiche, Er: Erle, Ta: Tanne, *: für Umbauziel: t 30% sLb+d 70% Fi Fichtenstandorte

Standortseigenschaften (nach Schmidt 1995) (hoch)montan-, basenarm, bodensauer, nährstoffarm, artenarm planar-kollin, feuchtmäßig trocken, saure, nährstoffarme Böden, artenarm standörtl. Differenzierung, karbonat/basenreich, lehmige Braunerden, nährstoffreich submontane-montane Form, frisch, kalk/basenreiche Böden, artenreich trocken-mäßig trocken, lehmig-grusige Böden montane-hochmontane Form, kalk-/basenreiche Böden, krautreich warm-trocken, kalkreich, flachgründighäuftg felsige Steilhänge hochmontan-subalpine Form, wintermild, schneereich, kalk/basenreiche, artenreich z.T. vernässend, sandig, stark sauere, extrem nährstoffarme Böden thermophil, flachgründig,

Natürliche Waldgesellschaft Hainsimsen-Buchenwald, z.T. mit Ta (LuzuloFagetum)

Fichtenfläche [Hektar] a) unge- b) wenig c) möglich eignet geeignet -geeignet Umbau- d30%Fi+ t30%Bu/ ziel sLb+ t70% | 0% Fi Bu/sLb d70% Fi

Gesamt

4500

1700

37600

43800

100

0

0

100

Waldmeister-Buchenwald, z.T. mit Ta (Galio odoratifagetum)

3100

6800

15100

25000

Waldgersten-Buchenwald, z.T. mit Ta (HordelymoFagetum)

1300

2300

14800

18400

100

0

0

100

200

0

1500

1700

7900

0

0

7900

0

0

200

200

Birken-Stieleichenwald (Betulo-Quercetum roboris)

900

0

0

900

Birken-Traubeneichenwald

100

0

0

100

Drahtschmielen-Buchenwald (DeschampsioFagetum)

Buchen-Traubeneichenwald (Fagio-Quercetum petraeae) Alpenheckenkirschen-BuWald (Lonicero alpigenaeFagetum) Seggen-Buchenwald (Carici-Fagetum) Bergahorn-Buchenwald (Acari-Fagetum)

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

Fichtenstandorte

Standortseigenschaften (nach Schmidt 1995) basenarme, oft steinige Böden grund/stauwasserbeeinflusst, sandig/lehmige Böden sommerwarm, trockennasse, sandig/lehmigtonige, nährstoffarmreiche Böden Waldgrenzbereich, warmtrocken, oft steinig, kalk/basenreich (hoch)montan, kühlfeucht, schattig, skelettreiche, nährstoffreiche Böden feuchtkühle, instabile Stein/Blockschutthänge planare-hochmontane Form, Torf-/anmoorige mineral. Nassböden, oligotroph, licht organische Nassstandorte: nass, überstaut, quelligsumpfig grund-/stauwasser beeinflusst, überstaut/flutet wasserzügige Hänge, quellige Mulden, sickernass, vergleyt mineral. Nassstandorte: sub/ montane Form, überstaut, sickernass, vergleyte, nährstoffreiche Böden

Natürliche Waldgesellschaft (Betulo-Quercetum petreae)

Fichtenfläche [Hektar] a) unge- b) wenig c) möglich eignet geeignet -geeignet Umbau- d30%Fi+ t30%Bu/ ziel sLb+ t70% | 0% Fi Bu/sLb d70% Fi

49

Gesamt

Sternmieren-HainBuStielEi-Wald (Stellario holosteae-Carpinetum)

4600

0

0

4600

Waldlabkraut-HainBuTrauben Ei-Wald (Galio sylvatici-Carpinetum)

100

0

0

100

Xerotherme Eichen-Mischwälder (Quercion pubescens-petraeae)

200

0

0

200

0

0

1400*

1400

Edellaub-Steinschutt-& Blockhangwälder (TilioAcerion)

1000

0

0

1000

Rauschbeeren-Moorwälder (Vaccinio uliginosiPicetum)

1000

0

0

1000

200

0

0

200

2900

0

0

2900

Bach-Eschenwälder (Carici remotae-Fraxinetum)

2400

0

0

2400

Hainmieren-SchwarzerlenAuewald (StellarioAlnetum)

600

0

0

600

31200

10800

70600

112600

Ahorn-Eschenwald (Lunario-Acerenion)

Schwarzerlen-Bruch-& Sumpfwälder (Alnion glutinosae) Traubenkirschen-ErEschenwälder (PrunoFraxinetum)

Gesamt

Trotz ihrer Vorteile sind naturnahe Mischwaldbestände keine Patentlösung für alle ökonomischen und ökologischen Probleme. Je nachdem welches Ziel der Waldeigentümer bei der Waldbewirtschaftung in den Vordergrund stellt, ist eine entsprechende Auswahl der Baumartenanteile und der waldbaulichen Maßnahmen, abgestimmt auf regionale und standörtliche Gegebenheiten, erforderlich. Mit deutlicher Abnahme des Nadelbaumanteils kann der Reinertrag abnehmen, während die ökologischen Vorteile in der Regel zunehmen, wie z.B. verbesserte Bodenfruchtbarkeit, geringerer Schädlingsbefall, erhöhte Grundwasserneubildung und verbesserte Trinkwasserqualität (Heitz 1999; Spiecker et al. 2004). Konsens besteht darin, dass der erhöhte Anteil von Laubbäumen die Entwicklung natur-

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M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

naher Artenzusammensetzung fördert, nicht jedoch unbedingt mit einer erhöhten Biodiversität einhergeht (Anders u. Hofmann 1995; Ammer et al. 1995; Matthes 1998; Jenssen u. Hofmann 2001; Engels u. Ammer 2001). Weitere standortsspezifische Fallstudien wie auch landschaftsbezogene Modelle sind notwendig, um die Empfehlungen zur Frage der Höhe des Laubholzanteils und dessen wirtschaftliche und ökologische Konsequenzen auf eine fundierte Grundlage zu stellen. Umbaubedarf in den Wuchsgebieten Der Hauptumbaubedarf mit einer Waldfläche von jeweils ca. 20-30000 Hektar verteilt sich auf die Wuchsgebiete „Neckarland“ (30400 ha), „Südwestdeutsches Alpenvorland“ (26600 ha), „Schwarzwald (25500 ha) und „Schwäbische Alb“ (22900 ha) (Tabelle 3.13). Ein hoher Anteil von „ungeeigneten Fichtenstandorten“ (Tabelle 3.13a) findet sich in den Wuchsgebieten „Neckarland“ (8600 ha) und „Südwestdeutsches Alpenvorland“ (9900 ha) sowie „Schwäbische Alb“ (7100 ha) insbesondere auf den wechselfeuchten, vernässenden sandig-lehmigen Standorten mit hochgradig sturmwurfgefährdeten Fichtenbeständen anstelle stabiler Stieleichen-Mischwälder, sowie auch auf für die Fichte klimatisch ungünstigen, warmen und niederschlagsarmen, kalkreichen Standorten mit hoher Rotfäulegefahr im Bereich der natürlicherweise meso- oder thermophilen Buchenmischwaldgesellschaften. 4500 Hektar „ungeeigneter Fichtenstandorte“ kommen im Wuchsgebiet „Schwarzwald“ (auch Gebiete im WG „Neckarland“) v.a. auf den submontan-montanen, wechselfeuchten bis vernässenden Standorten auf oft schlecht durchlüfteten und nur flach durchwurzelten Tonböden mit hoher Sturmwurf- und Rotfäulegefährdung vor. Stabile Mischwälder mit einem hohen Tannenanteil in bestimmten Gebieten des WG „Neckarland“ eignen sich für diese Standorte. Eine Reduktion des Fichtenanteils auf maximal 30% zugunsten von geeigneten Laubholzarten sollte auf rund 7000 Hektar „wenig geeigneten Fichtenstandorten“ (Tabelle 3.13b) v.a. im Wuchsgebiet „Neckarland“ (auch Gebiete im WG „Schwarzwald“ und „Südwestdeutsches Alpenvorland“) auf den kalkreichen und rotfäulegefährdeten Standorten aus wirtschaftlichen Gründen mit einer FichtenZeit-Mischung erfolgen. Um die Fichtenreinbestände zu reduzieren und das Umbauziel mit einem Anteil von mindestens 30% Buche bzw. Laubholz zu erreichen, wird in Zukunft noch auf jeweils rund 15-20000 Hektar die Einmischung von Buche bzw. anderen Laubholzarten auf „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ (Tabelle 3.13c) in den vier Wuchsgebieten „Schwarzwald“ (14100 ha), „Schwäbische Alb“ (15600 ha), „Südwestdeutsches Alpenvorland“ (15600 ha) und „Neckarland“ (19200 ha) angestrebt.

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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Tabelle 3.13: Umbaubedarf (ha) auf den Fichtenflächen in Baden-Württemberg, differenziert nach Wuchsgebieten und Umbauziel; a) „ungeeignete Fichtenstandorte“: für den Fichtenanbau ungeeignete Fläche, Umbauziel 0% Fichte; b) „wenig geeignete Fichtenstandorte“: Beimischung von maximal 30% Fichte; c) „mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“: Beimischung von mindestens 30% Buchen- bzw. Laubholzarten. Fichtenfläche [Hektar] a) ungeb) wenig c) möglich - Gesamt eignet geeignet geeignet Umbauziel d 30% Fi t 30%Bu/sLb Wuchsgebiet | 0% Fi +t70%Bu +d 70% Fi Oberrh. Tiefland (WG 1) 400 600 100 1100 Odenwald (WG 2) 2000 200 2700 4900 Schwarzwald (WG 3) 4500 1400 19600 25500 Neckarland (WG 4) 8600 7200 14600 30400 Baar-Wutach (WG 5) 2800 400 1700 4900 Schwäbische Alb (WG 6) 7100 0 15800 22900 Südwestdt. Alpenvorland (WG 7) 9900 1000 15700 26600 10800 70200* 116300 Gesamt 35300# * 400 ha, die im WG 58 Bayrische Alpen liegen, wurden nicht berücksichtigt. Daraus ergibt sich ein Umbaubedarf auf 69800 Hektar # 4100 Hektar wurden auf Grund fehlender Standortsinformationen je Wuchsgebiet zusätzlich den ungeeigneten Standorten zugeordnet. Somit ergibt sich ein Umbaubedarf von 31200 Hektar Fichtenstandorte

Umbaubedarf nach Eigentumsarten In Baden-Württemberg ist der Wald zu ca. 64% in öffentlicher (Staats-, Gemeinde-, Körperschaftswald) und ca. 36% in privater Hand (MLR 2002). Die Waldeigentümerverhältnisse variieren regional z.T. stark (Abbildung 3.3). Aufgeschlüsselt nach Waldeigentumsarten erweist sich ein potentieller Waldumbaubedarf auf „ungeeigneten“, „wenig geeigneten“ und „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ auf ca. 7% (60700 ha) der öffentlichen Waldfläche und 12% (55300 ha) der privaten Waldfläche als sinnvoll (Tabelle 3.14). Dies entspricht etwa 13% bzw. 12% der fichtenbestockten Waldfläche in Baden-Württemberg. In den öffentlichen Wäldern Baden-Württembergs finden sich rund 60% der „ungeeigneten Fichtenstandorte“ und rund 50% der „wenig geeigneten bzw. möglichen bis geeigneten Standorte“ (Tabelle 3.14). Eine Reduzierung des Fichtenanteils auf maximal 30% auf „wenig geeigneten Fichtenstandorten“ aus Gründen der Risikoverminderung erscheint auf 7000 Hektar im öffentlichen und 3800 Hektar im privaten Wald als notwendig. Eine Erhöhung der Buchen- bzw. Laubbaumbeimischung auf mindestens 30% auf „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ wird mittel- bis langfristig auf ca. 15% (70700 ha) der fichtenbestockten Waldfläche für sinnvoll gehalten. Rund 46% davon entfallen auf den öffentlichen Waldbesitz. Knapp die Hälfte (48%) der postulierten Umbaunotwendigkeit wurde für Waldflächen des privaten Eigentums festgestellt. Legt man die vorgestellten Kriterien

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M. Baumgarten, J. Kayser, H.-G. Michiels, K. von Teuffel

zur Definition des Umbaubedarfs an, so zeigt sich, dass ein Schwerpunkt im Privatwald zu sehen ist (36% Anteil an der Gesamtwaldfläche, 48% Anteil am Umbaubedarf, 12% Umbaubedarf auf Privatwaldfläche). Es ist damit zu rechnen, dass der Umbau im Privatwald aus ökonomischen Gründen nicht vollständig entsprechend den Zielsetzungen im ökologischen Waldumbau realisiert wird. Dies gilt besonders für die Beimischung von mindestens 30% Buche und anderen Laubbaumarten auf den „möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“. Konzepte zur Information der Privatwaldbesitzer und zum Transfer relevanter Forschungsergebnisse zum Waldumbau werden noch diskutiert. Die Bereitstellung von Fördermitteln gilt als wichtigstes Instrument zur Realisierung des ökologischen Waldumbaus im Privatwald. (siehe Kapitel 8.5). a)

b)

Abbildung 3.3: Verteilung der Waldfläche Baden-Württembergs auf a) öffentliches (Staatswald, Körperschaftswald, Bundeswald) und b) privates Waldeigentum.

Das Wuchsgebiet „Schwarzwald“ spiegelt die Verhältnisse in Baden-Württemberg hinsichtlich eines potentiellen Waldumbaubedarfs auf ungeeigneten und eingeschränkt standortsgeeigneten („wenig geeignete bzw. mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“) Fichtenflächen auf unterschiedlichen Standorten (klimatische Situation, Wasserhaushalt, Boden, weitere Standortseigenschaften erfasst über die Zugehörigkeit zu natürlichen Waldgesellschaften) und für die Eigentumsverhältnisse in charakteristischer Weise wider. Der südliche Schwarzwald, gekennzeichnet durch seine heterogenen höhenzonalen, geologischen, klimatischen sowie auch eigentumsgeprägten Verhältnisse, vereint diese Merkmale auf relativ kleiner Fläche. Aus diesem Grund u.a. wurde das Gebiet im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunkts „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ als Untersuchungsregion für den Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ (s. Kapitel 2) ausgewählt.

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

53

Tabelle 3.14: Potentieller Umbaubedarf (Hektar) auf fichtenbestockten Flächen in BadenWürttemberg, differenziert nach Eigentumsarten, getrennt nach Standortseignung und Umbauziel; a) „ungeeignete Fichtenstandorte“: für den Fichtenanbau ungeeignete Fläche, Umbauziel 0% Fichte; b) „wenig geeignete Fichtenstandorte“: Beimischung von maximal 30% Fichte; c) „mögliche bis geeignete Fichtenstandorte“: Beimischung von mindestens 30% Buchen- bzw. Laubholzarten. Fichtenfläche [Hektar] a) ungeb) wenig c) möglich - Gesamt eignet geeignet geeignet Umbauziel d 30% Fi t 30%Bu/sLb Eigentumsart | 0% Fi +t70%Bu/sLb +d 70% Fi Staatswald 8300 1600 13900 23800 Körperschaftswald 12500 5400 19000 36900 Privatwald 13700 3800 37800 55300 34500# Gesamt 10800 70700 116000 # 3300 Hektar wurden auf Grund fehlender Standortsinformationen je Eigentumsart zusätzlich den ungeeigneten Flächen zugeordnet. Daraus ergibt sich ein Umbaubedarf von 31200 Hektar Fichtenstandorte

Rückblick - bisherige Waldumbaumaßnahmen Die Ziele zum Waldumbau im öffentlichen Wald gelten mehr oder weniger seit Beginn der 1980er Jahre (LFV 1979). Im Vergleich zur ersten Bundeswaldinventur 1987 (BWI I, BMELF 1992) in Baden-Württemberg hat die nach den zugrundeliegenden Kriterien umzubauende Waldfläche in den letzten 15 Jahren bereits um 22% (32800 ha) abgenommen. Die Abnahme und der vollzogene Waldumbau betrug im öffentlichen Wald fast 30% (23600 ha) und im privaten Wald etwa 15% (9200 ha) und zwar zu etwa gleichen Teilen auf den „ungeeigneten“ (8800 ha bzw. 2600 ha) und „wenig geeigneten bzw. möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ (14800 ha bzw. 6600 ha). Der Hauptteil des Umbaus erfolgte im Wuchsgebiet „Neckarland“ mit rund 15000 Hektar, wovon ca. ein Drittel auf die „ungeeigneten“ und zwei Drittel auf die „wenig geeigneten bzw. möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ entfiel; damit wurden rund 33% des damaligen Umbauziels vollzogen. Beachtliche Umbauerfolge waren auch in den Wuchsgebieten „Südwestdeutsches Alpenvorland“ (5800 ha), „Schwäbische Alb“ (4400 ha) und „Schwarzwald“ (4000 ha) zu verzeichnen - in den WG „Schwäbische Alb“ und „Schwarzwald“ wurde bereits fast ein Viertel der damaligen „ungeeigneten Fichtenbestände“ umgebaut. Ein Umbau im öffentlichen Wald wurde jährlich auf durchschnittlich 1500 Hektar Waldfläche vollzogen. Einen beträchtlichen Beitrag zum Vollzug des Waldumbaus v.a. auf „ungeeigneten Fichtenstandorten“ bzw. zu einer relativ deutlichen Veränderung der Baumartenanteile in Richtung Laubholzbestockung auch auf „wenig geeigneten bzw. möglichen bis geeigneten Fichtenstandorten“ lieferten die Sturmereignisse Vivian/Wiebke 1990 und Lothar 1999. Die Sturmereignisse 1990 führten v.a. auf „ungeeigneten Standorten“ zu Kahlflächen (MLR 2002). Nach dem Sturm Lothar

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waren fast 40000 Hektar Waldfläche (zum großen Teil auch Mischwälder) in Baden-Württemberg geworfen. Während der Jahre 1961-2000 wurde der Fichtenanteil im öffentlichen Wald um 3% gesenkt. Diese Fichten-Flächenreduktion wurde zusätzlich innerhalb weniger Stunden durch den Sturm Lothar verursacht (MLR 2002). Besonders betroffen waren Teile der Wuchsgebiete im Neckarland, der Nordschwarzwald, „Schwäbische Alb“ und im „Südwestdeutschen Alpenvorland“. Ausblick - Voraussichtlicher Umbaubedarf in den nächsten Jahrzehnten Aus den vorliegenden Ergebnissen lässt sich folgern, dass auf der Grundlage der frühzeitig eingeleiteten Walderneuerungsbemühungen der Landesforstverwaltung Baden-Württembergs fast die Hälfte (45%) der öffentlichen Waldfläche Baden-Württembergs bereits weitgehend naturnah (sehr bis bedingt naturnah; MLR 1999; Aldinger 2001) bestockt ist. Ein großer Anteil der Fichtenbestandestypen befinden sich schon in der Überführungs- und Umbauphase, wobei der Flächenanteil weiter ansteigt. Der Anteil der Naturverjüngung am Verjüngungszugang nimmt weiter kontinuierlich zu, wobei sich das Verjüngungsgeschehen immer mehr von der Freifläche zur Vorausverjüngung unter Schirm verlagert, welche in den Statistiken der Forsteinrichtung häufig noch nicht aufgeführt wird (MLR 2002). Die gesamte geplante Verjüngungsfläche betrug 1981-1990 mehr als 5% der Waldfläche, 1991-2000 sind ca. 4% beabsichtigt, davon sind mehr als 60% Laubmischwaldtypen (v.a. Buchenmischwald) und 25% Tannenmischwald geplant. Die Ausweisung von dauerwaldartig bewirtschafteten Flächen hat zudem stark zugenommen (im vgl. zu FE 1981/1990 von ca. 6000 ha auf fast 40000 ha). Aus der Altersklassenverteilung für den gesamten Wald Baden-Württembergs geht hervor, dass bei einer Produktionszeit für die Fichte von 80-120 Jahren (Schmidt-Vogt 1977) und nach den vorausgesetzten Kriterien in den nächsten 20 Jahren etwa 48000 Hektar fichtenbestockter Waldfläche für einen Waldumbau in Frage kommen. Davon entfallen rund ein Drittel (15000 ha) auf „ungeeignete Fichtenstandorte“ und zwei Drittel (33000 ha) auf eingeschränkt standortsgeeignete („wenig geeignete bzw. mögliche bis geeignete“) Fichtenstandorte, wobei auf einem Hauptteil dieser Fläche (89%, 29400 ha) weiterhin die Anreicherung mit einem Buchen- bzw. Laubholzanteil mit etwa 30% im Vordergrund steht. Betrachtet man den Zeitraum von weiteren 20 Jahren, ergibt sich ein Umbaubedarf von rund 78000 Hektar für den Gesamtwald Baden-Württembergs – rund ein Viertel auf „ungeeigneten Fichtenstandorten“ und etwa drei Viertel auf eingeschränkt standortsgeeigneten („wenig geeignete bzw. mögliche bis geeignete“) Fichtenstandorten. Für den öffentlichen Wald in Baden-Württemberg (ca. 64%) bedeutet dies für die nächsten 40 Jahre einen jährlichen Umbaubedarf von rund 1300 Hektar. Insgesamt wird deutlich, dass die Konzepte naturnaher multifunktionaler Waldwirtschaft bei der Bewirtschaftung des öffentlichen Waldes in Baden-Württemberg bereits in der Vergangenheit berücksichtigt wurden, sichtbar an den sich

3 Umbaubedarf in Fichtenwäldern Baden-Württembergs

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allmählich vollziehenden Veränderungen. Auch für die zukünftige Bewirtschaftung sind die Weichen in Richtung nachhaltiger multifunktionaler Waldbewirtschaftung gestellt. Dennoch herrscht weiterhin ein erheblicher Forschungsbedarf sowohl in ökologischen und ökonomischen Belangen (s. Kap 5 und 8.5). Der Projektverbund „Südlicher Schwarzwald“ trägt im Rahmen des Förderschwerpunktes „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ bereits zur Klärung verschiedener Fragen der Anwendungs- und Grundlagenforschung bei.

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Literaturverzeichnis Kapitel 3

Xu Y, Fölster H (1992) Vergleichende Untersuchungen über Durchwurzelungstiefe und Wurzelverteilung von Küstentanne und Fichte auf pseudovergleyten Böden. Forst und Holz 47, Jg 18: 560-565 Zoth R, Block J (1992) Untersuchungen an Wurzelballen Sturmgeworfener Bäume in Rheinland-Pfalz. Forst und Holz 47, Jg 18: 566-571

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Der Zusammenhang zwischen Wuchsleistung und Standort bei Fichte, Tanne und Buche auf den wichtigsten Standortseinheiten des Südschwarzwaldes

G. Kändler, U. Riemer

4.1 Einleitung Die Kenntnis des Holzvolumenzuwachses ist eine Voraussetzung für die planmäßige und nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes. Die Entwicklung von Methoden zur Bestimmung des Zuwachses und die Erforschung der wesentlichen, den Zuwachs beeinflussenden Faktoren gehören zu den ältesten Forschungsgebieten der Forstwissenschaften und waren Anlass für die Begründung des langfristigen forstlichen Versuchswesens. Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählte von Anfang an die Aufstellung von Ertragstafeln (Ganghofer 1881). Wegen langfristig wirksamer Veränderungen der Standorte durch klimatische und anthropogene Einflüsse sowie Veränderungen im Aufbau und der Behandlung der Bestände (Pretzsch 1992) muss der Anspruch, dauerhaft gültige Ertragstafeln zu formulieren, in Frage gestellt werden. Andererseits liegen für viele Standorte immer noch nicht ausreichende, auf repräsentativen Erhebungen basierende Informationen über den Zuwachs und das Leistungsvermögen der Baumarten vor. Dies trifft insbesondere für den südlichen Schwarzwald zu. Unter Wuchsleistung wird die Fähigkeit einer Baumart verstanden, auf einem Standort in einer Zeit- und auf einer Flächeneinheit Biomasse zu produzieren (Ertragsvermögen, Ertragsfähigkeit). Ein anderer Begriff für Wuchsleistung ist die Produktivität als Ausdruck der Leistungskraft eines Waldstandorts. Sie müsste eigentlich durch den Biomassezuwachs, also die Zunahme an Trockensubstanz in kg ha-1 a-1 gemessen werden. Da aber der wirtschaftliche Wert der Holzproduktion durch das Volumen der Stämme bestimmt wird, kann die Produktivität von Wald auf die Volumenproduktion beschränkt werden. Zur Klassifikation der Wuchsleistung (Bonitierung) gibt es prinzipiell zwei Verfahren, einen ökologischen oder einen messenden Ansatz (Alemdag 1991). Die ökologische Standortsklassifikation basiert auf einer Vegetationsansprache, da Pflanzengesellschaften und ihre Zusammensetzung nach Arten und Häufigkeiten ohne wesentliche anthropogene Einflüsse Ausdruck wirksamer klimatischer und K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

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edaphischer Faktoren sind, die das Leistungsvermögen eines Standorts bestimmen (ökologische Artengruppen und Zeigerpflanzen) (vgl. Cajander 1926). Eine Alternative hierzu ist die direkte Messung. Die Wuchsleistung eines Standorts kann auf verschiedene Weise quantifiziert werden: (1) als die baumarten- und altersspezifische Zunahme an Derbholzvolumen je Flächeneinheit innerhalb einer Zeitperiode oder (2) über die Höhe, die ein Bestand in einem bestimmten Alter erreicht. Die Quantifizierung der Wuchsleistung in Volumen je Zeit- und Flächeneinheit (in einer definierten Periode, z.B. bis zum Alter 100) ergibt anschauliche Werte, da der Ertrag in einer unmittelbar interessierenden Größe angegeben wird. Wegen der notwendigen langen Produktionsperiode bis zu einem bestimmten Alter besteht aber das praktische Problem, dass diese Größe nicht einfach zu ermitteln ist. Mit vertretbarem Aufwand kann allenfalls der laufende Zuwachs für kürzere Perioden berechnet werden. Als direkt messbare Größe hat sich daher die Höhe in einem definierten Bonitierungsalter als Weiser für die Wuchsleistung durchgesetzt. Die Alters-Höhen-Beziehung liegt den meisten Ertragstafeln als Bonitierungssystem zugrunde. Zwischen der von einem Bestand erreichten Höhe und seiner Gesamtwuchsleistung besteht ein Zusammenhang, der als erweitertes Eichhorn’sches Gesetz bekannt ist.1 Voraussetzung für die Kalibrierung und Anwendung messender Höhenbonitierungsverfahren ist jedoch, dass Alter und Mittelhöhe von Beständen definierbar sind. Diese Forderung wird streng genommen nur von gleichaltrigen Reinbeständen erfüllt. Als Höhenbonitätsmaß hat sich die Oberhöhe eines Bestandes durchgesetzt, welche als Höhe des Grundflächenmittelstamms der 100 oder 200 stärksten Bäume je ha berechnet wird.2 Im Rahmen des ökologischen Waldumbaus entstehen jedoch auf großer Fläche des Südschwarzwaldes ungleichaltrige und strukturreiche Mischbestände. Damit ist langfristig die Voraussetzung für die Anwendung der Alters-Höhen-Bonitierung nicht mehr gegeben. Untersuchungsziel ist die Ermittlung der aktuellen Wuchsleistung der Hauptbaumarten des Bergmischwalds Fichte, Tanne und Buche auf den wichtigsten Standortseinheiten des Südschwarzwaldes. Damit soll die Grundlage für eine künftige standortsbezogene Bestimmung der Wuchsleistung als Ersatz für die bis1

2

Nach Assmann (1966) wird dieser Zusammenhang als allgemeines Ertragsniveau bezeichnet. Da aber die tatsächliche Gesamtwuchsleistung (GWL) für eine gegebene Bestandeshöhe in einer nicht unerheblichen Bandbreite von r 30% und mehr schwanken kann, hat Assmann eine weitere Beziehung vorgeschlagen, die als spezielles Ertragsniveau bezeichnet wird. Sie gibt die Gesamtwuchsleistung bei gegebener Höhe und einem bestimmten Alter und damit bei einer festgelegten Höhenbonität an (GWL = f (h, t)). Über das Ertragsniveau kann aus der Höhe die Wuchsleistung als Volumenzuwachs je ha und Jahr hergeleitet werden (Durchschnittlicher Gesamtzuwachs (dGz) als Bonität). Wesentlicher Vorteil der Oberhöhe ist ihre Unempfindlichkeit gegenüber Durchforstungseingriffen. Die Definition des zugrundeliegenden Bestandeskollektivs ist nach Autor unterschiedlich: es gibt absolut gleichbleibende Stammzahlen je ha (die 100 oder 200 stärksten Bäume je ha) oder eine relativ gleichbleibende Anzahl stärkster Bäume je ha, z.B. die 20% stärksten Bäume (Oberhöhe nach Weise, vgl. Wenk et al. 1990).

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herige Alters-Höhen-Bonitierung geschaffen werden. Das Teilprojekt leistet somit einen Beitrag zum Themenkomplex „Planungs- und Kontrollsysteme für die Bewirtschaftung von Umbaubeständen und strukturreichen Mischbeständen“. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Analyse des Zusammenhangs zwischen Standort und Wuchsleistung mit dem Ziel zu prüfen, inwieweit sich die Wuchsleistung durch standörtliche Faktoren erklären lässt. Gelingt es, ein Schätzmodell zu kalibrieren, welches die baumartenspezifische Wuchsleistung anhand von Standortsfaktoren vorhersagt, kann dieses Modell die klassische Alters-Höhen-Bonitierung ersetzen. Die Ermittlung des aktuellen Zuwachsniveaus für das gesamte Untersuchungsgebiet erfordert dagegen repräsentative Stichproben, was beispielsweise bei der Bundeswaldinventur gewährleistet ist. Die in dieser Studie entwickelten Modelle können mit Inventurdaten verknüpft werden, um regional repräsentative Daten über das aktuelle Zuwachsniveau zu schätzen.3

4.2 Material und Methoden

4.2.1 Untersuchungsgebiet Das Untersuchungsgebiet liegt im Südwesten Baden-Württembergs zwischen Freiburg i. Br., Müllheim, Kandern und Waldshut-Tiengen. Die Geologie des Südschwarzwaldes ist überwiegend kristallinen Ursprungs. Die mesozoischen Schichten sind weitgehend freigelegt und bestehen vor allem aus kristallinen Schiefergesteinen (Gneise), Graniten und Porphyren. Bei der Bodenbildung spielt die Körnung der Gesteine eine deutlich wichtigere Rolle als die chemische Zusammensetzung. Die Granite bilden daher abhängig von der Körnung des Gesteins meist lehmige Böden, die Gneise verwittern meist zu flachgründigen und ärmeren Böden (Schlenker und Müller 1978). Nach Gradmann (1931) ist das Schwarzwaldklima überwiegend atlantisch geprägt: geringe Temperaturschwankungen, hohe Niederschlagsmengen, starkes Hervortreten der WinterNiederschläge sowie lange und schneereiche, aber relativ milde Winter (Schlenker und Müller 1978). 4.2.2 Untersuchungsstandorte Die Probenahme wurde im Staatswald durchgeführt, für den im Untersuchungsgebiet eine vollständige lokale Standortsgliederung vorliegt. Das System des südwestdeutschen standortkundlichen Verfahrens4 wird hier verkürzt 3 4

Diese Auswertungen sind in einer gesonderten Studie vorgesehen. Die Grundsätze des Verfahrens finden sich z.B. bei Arbeitskreis Standortskartierung (1980), bei Mühlhäußer et al. (1985) und Schlenker (1964).

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wiedergegeben: Als regionale Einheiten werden Wuchsgebiete und Wuchsbezirke ausgeschieden. Wuchsgebiete sind Großlandschaften Baden-Württembergs, die im Hinblick auf Landschaftsform und Gesteinscharakter Gemeinsamkeiten aufweisen. Die weitere Untergliederung in Einzelwuchsbezirke erfolgt nach regionaler Klimadifferenzierung, Landschaftsform und Geologie. In der lokalen Gliederung werden Ökoserien und Standorteinheiten unterschieden. Die Ökoserie fasst Bodenformen ähnlicher Substrate zusammen, die vor allem bezüglich des Wurzelraums vergleichbar sind. Die Ökoserie lässt sich in Standorteinheiten untergliedern. Diese sind zusammengefasste Einzelstandorte, die sich nach Wasser- und Nährstoffgehaltsstufen unterscheiden und dadurch ähnliche waldbauliche Möglichkeiten, Risiken und Leistungen der Hauptbaumarten erwarten lassen (Arbeitskreis Standortskartierung in der Arbeitsgemeinschaft Forsteinrichtung 1980). Nach dieser Gliederung wurde die Untersuchung im Wuchsgebiet 3 Schwarzwald in den Einzelwuchsbezirken (EWB) 3/09 Mittlerer Schwarzwald zwischen Kinzig und Dreisam5, 3/10 Südschwarzwald und 3/11 Hotzenwald durchgeführt. In den Einzelwuchsbezirken im Bereich des Südschwarzwaldes werden durch den Mittelgebirgscharakter klimatisch sehr uneinheitliche Gebiete ausgebildet. Dieser Gebietscharakteristik wird durch eine vertikal-zonale Gliederung in Höhenstufen Rechnung getragen. Die Untersuchung umfasst die Höhenstufen im Einzelwuchsbezirk EWB 3/09 montan, EWB 3/10 submontan, montan, hochmontan und EWB 3/11 montan. Ein Kriterium für die Standortsauswahl war die flächenmäßige Bedeutung der vorkommenden Standortseinheiten in der jeweiligen Höhenstufe. Mit Hilfe der Standortsdatenbank der Abt. Waldökologie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg wurden zunächst die Regionalen Standorteinheiten mit einem Flächenvorkommen von über 1000 ha innerhalb der Höhenstufe für das Untersuchungsgebiet ausgeschieden. Als Folge der Sturmereignisse vom 26.12.1999 (Orkan „Lothar“) musste der Stichprobenumfang insgesamt deutlich reduziert werden. Darüber hinaus wurden Standortseinheiten beprobt, die nicht dem ursprünglichen Kriterium einer Mindestfläche von mehr als 1000 ha je Höhenstufe entsprachen. Wegen der Einbeziehung von regionalen Einzelstandorten mit deutlich geringerer Verbreitung in den drei Einzelwuchsbezirken wurde die Bildung von Standortseinheiten-Gruppen notwendig. Die nach der Datenbankabfrage geeigneten Bestände wurden mit den Forsteinrichtungsdaten nach den Kriterien Baumart, Altersstufe und Baumartenanteile verschnitten. Die Ergebnisliste diente als Entscheidungshilfe zur Auswahl der Untersuchungsbestände. Die endgültige Festlegung der Flächen wurde in enger Abstimmung mit den Forstämtern und Revieren vor Ort getroffen. An den Untersuchungsstandorten wurde die Hangneigung, die Lage am Hang, und die Exposition erfasst.

5

Das Projektgebiet Südschwarzwald wurde um das Forstamt St. Märgen im EWB 3/09 erweitert.

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4.2.3 Wuchsleistungsgruppen Die Abteilung Waldökologie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg hat die Vielzahl an verschiedenen regionalen Einzelstandorten zu Gruppen für den mittleren und südlichen Schwarzwald zusammengestellt und wie folgt definiert: Unter dem Begriff „Wuchsleistungsgruppen“ werden Gruppen von regionalen Standortseinheiten zusammengefasst, die den Hauptbaumarten vergleichbare Wuchsbedingungen bieten. Für den Bereich des Südschwarzwald wurden auf Basis von Kenntnis und Erfahrung der Kartierer fünf Klassen von „sehr gut wüchsig“ (1) bis „sehr mattwüchsig“ (5) gebildet. Die Wasserhaushaltsstufen sind hierbei das Hauptkriterium, es spielen, wenn auch mit geringerem Einfluss, Durchwurzelbarkeit, Nährstoffversorgung im Zusammenhang mit der Verwitterungsfähigkeit und Bodenbildung hinein. (Wiebel 2003, mündliche Mitteilung; Schreiner 2003, mündliche Mitteilung). 4.2.4 Bestandes- und Baumauswahl Für die Auswahl der Untersuchungsbestände war neben den standortskundlichen Kriterien auch der Zeitpunkt des letzten Durchforstungseingriffs entscheidend. Für den Zeitraum von 1990-1999 sollte das Nachbarschaftsverhältnis der Probebäume nahezu unbeeinträchtigt sein. Hinweise auf zurückliegende Durchforstungseingriffe wurden von den zuständigen Revierleitern gegeben. Es wurde darauf geachtet, dass in der näheren Umgebung der ausgewählten Probebäume keine frischen Stöcke (jünger als ca. 10 Jahre) oder ältere Stöcke größerer Dimension vorhanden waren, die erkennbaren Einfluss auf die Kronenform der zu analysierenden Bäume hatten. Die Probebäume der Baumarten Fichte, Tanne und Buche wurden nach den folgenden Kriterien (in der Reihenfolge abnehmender Präferenz) ausgewählt: vorherrschende und herrschende Bäume (soziale Stellung nach Kraft: 1 und 2), große relative Kronenlänge (> 30 % der Baumhöhe), nach allen Seiten gut ausgeprägte Kronenform, keine erkennbaren Deformationen oder Stammbrüche im Kronenbereich, keine erkennbaren Schäden am Schaft im Bereich des d1,3 und d7, die den Jahrringaufbau unnatürlich stören, möglichst deutlich ausgeprägter Totastbereich (als Zeichen für die soziale Stellung in der Jugendphase), Alter zwischen 40 und 100 Jahren, keine Zwieselbildung unterhalb des d7 bei der Baumart Buche, kein Befahrungseinfluss durch Wege, Rückegassen, etc., Abstand zur benachbarten Standorteinheit wenigstens 30m. Die Einhaltung der ursprünglich vorgesehenen Auswahlkriterien war im Laufe der Probenentnahme nicht immer konsequent möglich, da in Folge des Sturms „Lothar“, kurz nach Beginn des Projektes, aus forstbetrieblichen Gründen die Gewinnung von Probebäumen erschwert war (Einschlagsstopp).

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4.2.5 Erfassung der Baummerkmale Am stehenden Untersuchungsbaum wurden neben der Baumart, die Durchmesser in 50 cm (d0,5) und in 1,30 m (d1,3) Höhe gemessen, die Kraft´sche Klasse eingeschätzt sowie die Baumnummer, der d1,3 und die Nordrichtung markiert. Das aktuelle Konkurrenzverhältnis zu den Nachbarbäumen wurde über Azimut und Distanz festgehalten. Bei den Nachbarbäumen wurden ebenfalls Baumart, d1,3 und Kraft´sche Klasse erhoben. Anschließend wurde der Untersuchungsbaum gefällt und liegend vermessen. Dabei wurden weitere Stammdurchmesser (d2, d4, d7) mit dem Umfangmaßband erfasst; die Baumlänge (Höhe) und die Kronenansatzhöhe wurden mit einem Maßband zentimetergenau erhoben. Als Kronenansatz wurde bei Fichte und Tanne der Quirl mit den ersten drei grünen Ästen, bei Buche der erste grüne Ast der Primärkrone betrachtet. Die markierte d1,3 -Scheibe wurde entnommen, und bei 7m wurden zwei um 90° versetzte Bohrkernproben gezogen. 4.2.6 Analyse des Durchmesserwachstums Die Analyse des Dickenwachstums beschränkt sich in dieser Arbeit auf eine Stammscheibe aus 1,3 m und zwei Bohrkerne aus 7 m Höhe. Die Vermessung der Holzproben wurde mit Hilfe eines halbautomatischen Bildanalysesystems am Institut für Waldwachstum der Universität Freiburg durchgeführt. Bei der d1,3Scheibe wurden jeweils acht Radien vermessen und auf Plausibilität geprüft. Im Gegensatz zu der Radialzuwachsermittlung bei d1,3-Scheiben wurde bei den Bohrkernen die Jahrringbreite, die kürzeste Strecke zwischen zwei benachbarten Jahrringgrenzen, ermittelt.6 Es wurden nur vollständige Bohrkerne ausgewertet, die erkennbar von der Rinde bis zum inneren Bereich rekonstruierbar waren. Zur Plausibilitätsprüfung wurden die Jahrringbreiten der Bohrkerne mit den Radialzuwächsen der d1,3-Scheibe verglichen. 4.2.7 Höhenanalyse Die Höhenanalyse dient der Rekonstruktion des jährlichen Höhenzuwachses7 eines Baumes. Am gefällten Probebaum werden durch ein stammbündig ausgelegtes Maßband die jährlichen Höhentriebe zentimetergenau erfasst. Die Höhentriebgrenze bilden hierbei die unteren Schuppenblätter der Terminalknospe. Sie hinterlassen beim Austreiben Rindennarben, sog. Knospenschuppenspuren oder Triebbasisnarben.8 Die Absicherung der Höhenanalyse erfolgte für jeden Baum durch die Jahrringauszählung von mindestens einer Kontrollscheibe aus dem Gipfelbereich. Bei der Baumart Buche sind die Triebbasisnarben mit 6

7 8

Die Methodik der Stammscheiben- und Bohrkernanalyse folgt im Wesentlichen den Empfehlungen von Weise (1987). Der Begriff „Höhe“ wird hier statt des formal korrekten Begriffs „Länge“ verwendet. Die Durchführung der Höhenanalyse wird z.B. bei Roloff (1986) oder Untheim (1996) ausführlicher beschrieben.

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zunehmender Rindenbildung kaum oder nur sehr schwer zu erkennen. Daher wurde das Aufnahmeverfahren dahingehend modifiziert, dass im Abstand von 50 cm fortlaufend Scheiben entnommen wurden, über deren Jahrringanzahl der jährlichen Höhenzuwachs durch Interpolation rekonstruiert werden konnte (vgl. Carmean 1972, Newberry 1991, Untheim 1996). Hierfür wurde das von Newberry (1991) verbesserte Verfahren von Carmean (1972) gewählt (vgl. Untheim 1996). In dieser Untersuchung beschränkte sich die Höhenanalyse auf die Rekonstruktion der letzten 15-20 Höhentriebe. 4.2.8 Ermittelte Zuwachsgrößen Auf der Grundlage der Radialzuwachs- und Jahrringbreitenanalyse (Stammscheibe in 1,3 m Höhe und Bohrkerne in 7 m Höhe) sowie der Höhentriebanalyse konnten für jeden Baum die das Volumen (v) bestimmenden Merkmale Durchmesser in 1,3 m (d1,3) und in 7 m Höhe (d7) sowie Höhe (h) und deren Zuwachs berechnet werden. Aus diesen Größen wurde schließlich das Volumen bzw. der Volumenzuwachs für eine Periode abgeleitet. Das aktuelle Einzelbaumvolumen wurde über Volumenfunktionen9 mit den Eingangsgrößen Baumart, d1,3, d7 und h hergeleitet (Kublin 2003). Tabelle 4.1: Beschreibung des Stichprobenkollektivs der Zuwachsperiode 1990 bis 1999 Baumart

N

Fichte

397

Tanne

133

Buche

240

770

Mittleres Alter10 66,8 (26,1) [37; 171] 84,4 (32,6) [40; 165] 68,2 (13,5) [44; 109]

Mittlerer d1,3

Mittlere Höhe

Mittleres Volumen

[cm mR]

[m]

[m³ mR]

36,6 (9,4) [18,7; 67,1] 40,9 (11,3) [18,7; 64,6] 26,7 (5,9) [13,7; 44,9]

24,8 (5,0) [13,4; 39,8] 23,6 (4,9) [13,2; 35,3] 21,3 (3,8) [12,5; 34,2]

1,417 (0,910) [0,197; 5,106] 1,742 (1,065) [0,208; 3,912] 0,689 (0,455) [0,101; 2,678]

Die Mittelwerte beziehen sich auf die Mitte der Periode 1990 bis 1999; Standardabweichung in runden Klammern; Minimum, Maximum in eckigen Klammern

Methodisch bedingt, konnte das Wachstum dieser drei Größen d1,3, d7 und h für unterschiedlich lange Zeiträume rekonstruiert werden: Die längste Zeitreihe liefert die Stammscheibe in 1,3 m Höhe für den d1,3, deutlich kürzer sind die Chronologien für den d7 (Bohrkern) und die Höhe h. Um die teilweise erheblichen interannuellen Schwankungen des Zuwachses auszugleichen, sollten die Probebäume 9 10

Programmbibliothek BDAT (Kublin 2003) Zu dem ermittelten Stammscheibenalter wurden pauschal 10 Jahre aufgeschlagen. Vergleichbare Untersuchungen ermittelten Alterszuschläge von 10 bis 12 Jahren bei der Fichte und 10 Jahren bei der Buche (vgl. Untheim 1986, S. 107).

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eine einheitliche 10 jährige Periode von 1990 bis 1999 abdecken. Für diese Zuwachsperiode standen 770 Bäume zur Verfügung. Anhand dieses Probebaumkollektivs ließ sich der Volumenzuwachs der 1990er Jahre charakterisieren. 4.2.9 Alters-Höhen-Bonitierung Wenngleich wesentliches Untersuchungsziel die Erarbeitung eines Bonitierungsmodells als Ersatz der Alters-Höhen-Bonitierung ist, musste zunächst ein Weg gefunden werden, die Wuchsleistung auf einer vergleichbaren Basis zu messen. Als Referenz konnte vorerst nur eine Alters-Höhen-Bonitierung genutzt werden. Im Übrigen können die Wälder im Untersuchungsgebiet auch heute noch Altersklassen zugeordnet werden, wenngleich die Bestände zunehmend ungleichaltrig werden. Da die Stammscheibenanalysen präzise Alterswerte (in 1,3m Höhe) und die Höhentriebmessungen relativ genaue Höhenzuwächse liefern, war es ermöglich, ein empirisches Bonitätssystem für das Untersuchungsgebiet anzupassen, allerdings als sogenannte unechte Zeitreihe. Denn die Alters-HöhenKurven wurden für jede Baumart anhand des Höhenzuwachses in der Periode 1990 bis 1999 berechnet. Als Modell wurde die Trendfunktion nach Sloboda (1972) verwendet. Diese Wachstumsfunktion gehört zu den Bezugsjahr-invarianten Modellen (Cao 1993, Cieszewski 2003) und erlaubt es, ausgehend von der in einem Zeitpunkt (Alter) t1 erreichten Höhe h1 die Höhe h2 im Alter t2 zu schätzen: h2 = f(t1, h1, t2) (Abbildung 4.1). Die Funktion stellt somit ein AltersHöhen-Bonitierungssystem dar, wie es jeder Ertragstafel mit Höhenbonitierung zugrunde liegt. Die Oberhöhe im Alter 100 als Bonitätsweiser wurde für jede Stichprobe anhand dieses Bonitätssystems geschätzt. In dieser Untersuchung wird unterstellt, dass die entnommenen Probebäume in etwa dem Kollektiv der Oberhöhenbäume entsprechen und die Stichprobenmittelwerte folglich die jeweiligen Bestandesoberhöhen repräsentieren. Anhand dieser Bonitätsfächer konnte für jede Stichprobe die Oberhöhe im Alter 100 als Weiser für die Wuchsleistung geschätzt werden. Die mit dieser Oberhöhe verbundene Gesamtwuchsleistung bzw. der durchschnittliche Gesamtzuwachs bis zum Alter 100 (dGZ100 [m³ ha-1 a-1]) kann unter der Annahme einer Konstanz des „erweiterten Eichhorn’schen Gesetzes“ bestimmt werden, indem die Oberhöhe ho100 in die Gleichung eingesetzt wird, welche die Gesamtwuchsleistung als Funktion der Oberhöhe (GWL = f (ho)) abbildet. In dieser Untersuchung wurden die GWL-Oberhöhen-Gleichungen verwendet, die auch dem aktualisierten Bonitierungssystem der Forsteinrichtung für Baden-Württemberg zugrunde liegen (Bösch 2002).

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Abbildung 4.1: Alters-Höhen-Kurven (Bonitätsfächer) für die Fichte im UG Südschwarzwald, hergeleitet aus den Höhenzuwächsen der Periode 1990 bis 1999

4.2.10 Ermittlung der Standflächen der Probebäume Jedem Baum kann innerhalb eines Bestandes ein Standraum zugewiesen werden. Dieser Standraum ist ein Maß für den Entwicklungsraum, innerhalb dessen sich der Baum ausdehnen (wachsen) kann, wobei der Begriff „Raum“ die vertikale Dimension einschließt. Bei der Modellierung des Baumwachstums innerhalb von Beständen, also unter Konkurrenz, spielt der einem Baum innerhalb eines Bestandes zur Verfügung stehende Raum eine wichtige Rolle. Die horizontale Projektion des Standraums eines Baumes wird nach Assmann (1961) als Standfläche bezeichnet und wird von der Kronenschirmfläche zuzüglich des Anteils der nicht überschirmten Bestandesfläche zwischen den Bäumen gebildet. Die Standfläche ist unter Einbeziehung der Dimension der Bäume ein Maß für den Konkurrenzdruck, dem ein Baum ausgesetzt ist, und ist negativ mit der Stammzahl je Flächeneinheit korreliert. Die Standfläche ändert sich im Laufe des Bestandeswachstums auf Grund der Stammzahlabnahme infolge natürlicher Prozesse oder waldbaulicher Eingriffe. Für die Messung der aktuell einem Baum verfügbaren Standfläche wurde das APA-Konzept (area potentially available) verwendet (Brown 1965, Moore et al 1973, Pelz 1978). Wenk et al. (1990) verwenden den Begriff topologische bzw. ökologische Standfläche. Grundlage für die Berechnung der Standfläche eines Probebaums ist die Messung der Entfernungen zu den Nachbarbäumen, die als dessen Konkurrenten betrachtet werden können (Kronenkontakt und/oder vergleichbare soziologische Stellung im herrschenden Kollektiv). Die Abstände zwischen Probebaum und Nachbarn wer-

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den anhand des Verhältnisses der (d1,3-)Grundflächen zwischen Probebaum und dem jeweiligen Nachbarn aufgeteilt (Moore et al 1973, Pelz 1978); auf diese Weise wird auf jeder Abstandslinie zwischen Probebaum und Nachbar ein „Scheide“-Punkt festgelegt, in welchem die Senkrechte auf die Abstandsgerade errichtet wird. Sofern der Probebaum annähernd gleichmäßig von Nachbarbäumen umgeben ist, schneiden sich die Senkrechten und bilden ein geschlossenes Polygon. Die Standfläche des Probebaums wird anschließend als Fläche dieses sogenannten Voronoi-Polygons berechnet. Allgemein besteht zwischen dieser Standfläche und dem Volumenzuwachs ein Zusammenhang, ebenso zwischen Standfläche und d1,3 (Abbildung 4.3). Im Rahmen dieser Untersuchung diente die Berechnung der Standfläche in erster Linie dazu, den Volumenzuwachs des Probebaums in einen flächenbezogenen Zuwachswert [m³ ha-1 a-1] umzurechnen.

NB 1 NB 7 NB 2

NB 6

PB NB 3 NB 4

NB 5 PB: Probebaum NB: Nachbarbäume

Abbildung 4.2: Konstruktion der Standfläche eines Probebaums aus der Nachbarschaftskonstellation (Abstände zwischen Probebaum und Nachbarbäumen, die als Konkurrenten identifiziert werden)

4.2.11 Herleitung der Zuwachs- und Bonitierungswerte Die Wuchsleistung als Zielgröße der Analyse wird auf verschiedene Weise quantifiziert: als laufender periodischer, flächenbezogener Volumenzuwachs (lZ [m³ Vorratsderbholz in Rinde je ha und Jahr]), als durchschnittlicher Gesamtzuwachs im Bonitierungsalter 100 (dGZ100 [m³ Vorratsderbholz in Rinde je ha und Jahr]) oder als Oberhöhe im Alter 100 (ho 100 [m]).

4 Zusammenhang zw. Wuchsleistung und Standort im Südschwarzwald

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Die bei der Modellbildung verwendeten Beobachtungen der untersuchten Zielgrößen (lZ, dGZ100 und ho 100) wurden aus Stichproben berechnet, die aus mindestens vier möglichst gleichaltrigen Probebäumen einer Baumart bestehen und aus demselben Untersuchungsbestand stammen. Dieses Vorgehen entspricht der von Wenk et al. (1990) skizzierten Idee des „Mikrobestands“.11 160 Einzelbeobachtung

140

Ausgleichskurve: Stfl = A*BHD**B

Standfläche [m²]

120 100 80 60 40 20 0 20

30

40

50

60

70

80

d1,3 [cm mR] Abbildung 4.3: Beziehung zwischen der Standfläche und dem d1,3 der Baumart Fichte im Untersuchungsgebiet EWB 3/09-3/11.

Für den laufenden jährlichen Zuwachs lZ wird als Bezugsfläche die nach dem APA-Konzept ermittelte Standfläche verwendet. Für eine Stichprobe i errechnet sich der lZ demnach: ni

¦ iVij lZ i

j 1

ni

¦ Stflij *10 j 1

mit: iVij Stflij

= Volumenzuwachs der Periode 1990 bis 1999 (10 Jahre) des j ten Probebaums in der i ten Stichprobe = Standfläche des j ten Probebaum in der i ten Stichprobe

Insgesamt konnten aus dem Untersuchungsmaterial 93 Stichproben gebildet werden (Fichte 48, Tanne 14, Buche 31). 11

Wenk et al. (1990) betrachten den Einzelbaum als Mikrobestand

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4.2.12 Standortsfaktoren Für die Untersuchung des Standorteinflusses auf die Wuchsleistung müssen neben den die Wuchsleistung beschreibenden Größen (ho 100, dGZ100 und lZ) die Standortseinflüsse mit Hilfe messbarer oder qualitativer Faktoren charakterisiert werden. Für jede Stichprobe liegen folgende Informationen und Daten zum Standort vor (Tabelle 4.2): Tabelle 4.2: Übersicht über geprüfte Standortsfaktoren Faktor

Werte (Einheit)

Bemerkung, Erläuterung

Standortseinheit s. Übersicht (StE) bzw. „Standortseinheiten“ Standortseinheite ngruppe

Def.: Die StE ist die forstökologische Grundeinheit in welcher Einzelstandorte zusammengefasst werden, die zwar nicht völlig identisch sind, sich aber so nahe stehen, dass sie ähnliche waldbauliche Möglichkeiten und Gefahren aufweisen und ähnliche Leistungen der Hauptbaumarten erwarten lassen Ökoserie Def.: Die Ökoserie fasst Bodenformen zusammen, die für die Vegetation ähnliche Substrate bildet und sich im Hinblick auf Bodenart, Bodenschichtung und Struktur nahe stehen und als Wurzelräume der Waldbäume gemeinsame Züge aufweisen. Wuchsleistungsg 10 (sehr gut) Def.: Die Wuchsleistungsgruppe ist das Ergebnis ruppe 20 (durchschnittlich) der standörtlichen Beurteilung der Wüchsigkeit 30 (durchschnittlich mit und fasst Standortseinheiten zusammen, die eine Wasseranspannung) vergleichbare Wuchsleistung erwarten lassen. 40 (mattwüchsig), 50 (sehr mattwüchsig) Wasserhaushaltss 1 bis 5 bzw. „(sehr) tufe der frisch“, „Mäßig frisch“; Standortseinheit „(mäßig) trocken“ Höhe über NN (m) Exposition (gon) bzw. N, O, S, W, E(bene) Indikatoren für Klima (Energieangebot, Geländeneigung (%) Niederschlag, Länge der Vegetationsperiode) Reliefsituation Ebene, Oberhang, Mittelhang, Unterhang

4.2.13 Bestandesparameter Die Wuchsleistung hängt außer vom Standort auch von Bestandesmerkmalen und der waldbaulichen Behandlung ab. Die Bestandesbehandlung wurde nicht explizit charakterisiert, da die Stichproben zufällig aus Beständen des Staatswaldes entnommen wurden, die praxisüblich bewirtschaftet werden. Wie in Kapitel 4.2.4 ausgeführt wurden nur Probebäume aus der herrschenden Schicht

4 Zusammenhang zw. Wuchsleistung und Standort im Südschwarzwald

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ausgewählt, um Konkurrenzeinflüsse zu minimieren. Als Bestandesmerkmale stehen das mittlere Alter sowie dendrometrische Kennwerte wie Durchmesser bzw. Höhe des Grundflächenmittelstamms oder das mittlere Volumen zur Verfügung.

4.3 Ergebnisse Für die drei die Wuchsleistung beschreibenden Zielgrößen Oberhöhe im Alter 100 (ho 100 [m]), durchschnittlicher Gesamtzuwachs bis zum Alter 100 (dGZ100 [m³ ha-1 a-1]) und laufender Volumenzuwachs (lZ [m³ ha-1 a-1]) wurden verschiedene Vorhersage-Modelle geprüft, welche Standortsfaktoren und Bestandesmerkmale als Prädiktoren enthalten. Die Datenanalyse erfolgte mit der Prozedur GLM (General Linear Model) aus dem Statistik-Paket SAS (Version 8.1). 4.3.1 Schätzung der Oberhöhe im Alter 100 ho 100 Von den geprüften Vorhersagemodellen für ho 100 erwies sich der in Tabelle 4.3 wiedergegebene Ansatz als geeignet. Aus der Menge möglicher Standortsfaktoren sind für die Vorhersage der Oberhöhe im Alter 100 lediglich drei Merkmale signifikant: Die Höhe über NN, in Wechselwirkung mit der Baumart, die Einschätzung des Wuchsleistung nach der Standortskartierung (in drei Klassen: gut bis sehr gut wüchsig, (unter)durchschnittlich, sehr mattwüchsig) sowie die Exposition, wobei nur die Ausprägung Süd signifikant ist. Erklärende Bestandesvariablen sind die Baumart und das mittlere Volumen der Oberhöhenbäume. Das Volumen ersetzt den Alterseinfluss, da es ein Ziel dieser Analyse ist, Schätzmodelle zu kalibrieren, die möglichst ohne das Alter als Prädiktor auskommen. Die Anwendung des Modells lässt sich an folgenden Rechenbeispielen illustrieren: In einer Seehöhe von 700 m erreicht die Fichte mit einem mittleren Volumen im herrschenden Kollektiv von 1,4 m³ m. R. auf einem durchschnittlichen südexponierten Standort eine Oberhöhe von 46,11 + 700* (-0,0117) + 1,4 * (-1,912) + 1,65 § 36,9 m; auf 1000 m Seehöhe beträgt die Oberhöhe unter sonst gleichen Bedingungen § 33,4 m, auf einem mattwüchsigen, nicht südexponierten Standort in 1000 m Höhe wird bei demselben mittleren Volumen eine Oberhöhe von § 25,3 m erreicht; Tannenbestände erreichen bei einem mittleren Volumen von 1,7 m³ m. R. in 1000 m Höhe auf einem sehr wüchsigen, südexponierten Standort eine Oberhöhe von § 29,3 m.

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G. Kändler, U. Riemer

Tabelle 4.3: Schätzmodell für die Oberhöhen-Bonität im Alter 100 [m] Abhängige Variable: ho 100 Bestimmtheitsmaß: 0,644 (F-Wert 21,95 P <.0001) n = 93 Faktor

Höhe über NN Wuchsleistungs gruppe

Einheit bzw. Wertebereich

Fichte

Tanne

Buche

[m] 10 oder 20 30 oder 40 50 0, 1**

-0,0117 1,63 0 -6,41 1,65

-0,0173

-0,0185

Südexposition* Mittleres Volumen der [m³ m. R.] -1,912 Oberhöhenbäume Konstante [m] 46,11 *Definition: Expositionen im Azimutbereich von 150 bis 250 gon ** Dummy-Variable: 1: Faktor trifft zu; 0: trifft nicht zu; Kalibrierungsbereiche: Höhe über NN: Volumen der Oberhöhenbäume: Fi: 480 bis 1295; i. M. 900 m Fi: 0,197 bis 5,106; i. M. 1,417 m³ m. R. Ta: 505 bis 1080; i. M. 860 m Ta: 0,208 bis 3,912 ; i. M. 1,742 m³ m. R. Bu: 665 bis 1110; i. M. 900 m Bu: 0,101 bis 2,678; i. M. 0,689 m³ m. R.

4.3.2 Schätzung des durchschnittlichen Gesamtzuwachses im Alter 100 dGZ100 Das Modell für die Schätzung des dGZ100 ist in Tabelle 4.4 dargestellt. Die Wechselwirkung der Höhe über NN mit der Baumart erweist sich im Vergleich mit den Haupteffekten (Höhe über NN und Baumart) als nicht signifikant. Die Differenzierung zwischen den Baumarten spiegelt sich statt dessen in den Konstanten wider. Die Wuchsleistungsgruppe ist wie im Oberhöhen-Modell (Tabelle 4.3) signifikant. Die Südexposition hat dagegen nur bei Fichten einen gesicherten Einfluss auf den dGZ100. Fichtenbestände mit einem durchschnittlichen Volumen der Oberhöhenbäume von 1,4 m³ erreichen nach diesem Modell in 700 m Höhe auf einem durchschnittlich wüchsigen Standort einen dGZ100 von ca. 15,9 [m³ ha-1 a-1], in 1000 m Höhe bei gleichen Bedingungen dagegen ca. 13,3 [m³ ha-1 a-1]. Buchen (mit einem mittleren Volumen der Oberhöhenbäume von 0,7 m³) erreichen in derselben Situation einen dGZ100 von 7,8 [m³ ha-1 a-1], Tannenbestände (mittleres Volumen der Oberhöhenbäume von 1,7 m³) liegen bei einem Wert von 11,3 [m³ ha-1 a-1].

4 Zusammenhang zw. Wuchsleistung und Standort im Südschwarzwald

73

Tabelle 4.4: Schätzmodell für den durchschnittlichen Gesamtzuwachs im Alter 100 dGZ100 [m³ ha-1 a-1] Abhängige Variable: dGZ100 Bestimmtheitsmaß: 0,76 (F-Wert 39,16 P <.0001) n = 93

Faktor Höhe über NN Wuchsleistungsgruppe

Einheit bzw. Fichte Wertebereich [m] -0,0086 10 oder 20 0,97 30 oder 40 0 50 -3,29 0, 1* 1,49

Südexposition* Mittleres Volumen der Oberhöhen- [m³ m. R.] bäume Konstante [m³ ha-1 a-1]

Tanne

Buche

Nicht definiert

-1,152 23,51

21,87

17,20

*“Dummy“-Variable: 1: Faktor trifft zu; 0: trifft nicht zu

4.3.3 Schätzung des laufenden periodischen Zuwachses lZ Für den laufenden Zuwachs wurden zwei Modellvarianten gerechnet (Tabelle 4.5): In Modell A wird neben den Standortsfaktoren das mittlere Alter der Oberhöhenbäume als Prädiktor verwendet; in Modell B wird das Alter durch das mittlere Volumen der Oberhöhenbäume ersetzt. Das Modell A erreicht ein höheres Bestimmtheitsmaß; offensichtlich erklärt das Alter den laufenden Zuwachs etwas besser als das mittlere Volumen. Der Vorteil des Modells B, in dem anstelle des Alters das mittlere Volumen als Prädiktor genutzt wird, ist die genauere Bestimmbarkeit des Volumens: dieses Modell kann angewendet werden, wenn das Alter des Bestandes nicht mehr sicher ermittelt werden kann. Die Einflüsse des Standorts werden durch folgende Faktoren erfasst: Die Höhenlage ist in beiden Modellvarianten hochsignifikant. Wenngleich die absoluten Werte der Koeffizienten sich in beiden Varianten unterscheiden, sind die Relationen zwischen den Baumarten gleichsinnig. Bei der standortskundlichen Einstufung der Wuchsleistung ist lediglich die Ausprägung sehr gut bis gut wüchsig signifikant. Im Unterschied zu den Modellen für ho 100 und dGZ100 wird der Einfluss der Exposition hier differenzierter erfasst. Die Winterhang-Situation tritt als zusätzliche signifikante Dummy-Variable in beiden Modellvarianten (A und B) hinzu. Die Südexposition oder Ebene ist wiederum nur nur für die Fichte relevant.

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G. Kändler, U. Riemer

Tabelle 4.5: Schätzmodell für den laufenden jährlichen Zuwachs in der Periode 1990-99 [m³ ha-1 a-1] Modell A: mit Alter als Prädiktor; Abhängige Variable lZ; Bestimmtheitsmaß: 0,59 (F-Wert 13,4 P < 0,0001) n = 93

Faktor Höhe über NN Wuchsleistungsgruppe 10 oder 20 Winterhang Fichte auf Südexposition oder Ebene Mittleres Alter der Oberhöhenbäume Konstante

Einheit bzw. Wertebereich [m]

Fichte -0,0066

0; 1*

3,65

0; 1*

-3,34

0; 1* [a] [m³ ha-1 a-1]

Tanne

Buche

-0,0109

-0,0171

3,98 nicht definiert -0,166

-0,116

-0,057

33,89

Tabelle 4.6: Schätzmodell für den laufenden jährlichen Zuwachs in der Periode 1990-99 [m³ ha-1 a-1] Modell B: ohne Alter als Prädiktor; Abhängige Variable lZ; Bestimmtheitsmaß: 0,53 (F-Wert 10,41 P < 0,0001) n = 93

Faktor Höhe über NN Wuchsleistungsgruppe 10 oder 20 Winterhang Fichte auf Südexposition oder Ebene Mittleres Volumen der Oberhöhenbäume Konstante

Einheit bzw. Fichte Wertebereich [m] -0,0115

Tanne

Buche

-0,016

0; 1*

4,06

0; 1*

-2,95

0; 1*

6,26

[m³ mR]

-4,49

[m³ ha-1 a-1]

-0,0194

nicht definiert

-2,59

-2,23

33,17

* „Dummy“-Variable: 1: Faktor trifft zu; 0: trifft nicht zu; stockt z.B. der Bestand auf einem Standort, der laut Standortskartierung zur Wuchsleistungsgruppe 10 oder 20 (hohe bis sehr hohe Wuchsleistung) gehört, dann erhöht sich je nach Modell der laufende Zuwachs um 4,06 bzw. 3,65 [m³ ha-1 a-1].

4 Zusammenhang zw. Wuchsleistung und Standort im Südschwarzwald

75

4.4 Diskussion Die Rolle der betrachteten Baumarten im Untersuchungsgebiet lässt sich anhand einiger aktueller Daten aus der Bundeswaldinventur II mit Stichjahr 2002 veranschaulichen. Tabelle 4.7: Flächen der Baumarten Fichte, Tanne und Buche im Untersuchungsgebiet WG Schwarzwald, EWB 3/09, 3/10, 3/11 Höhenlagen von 500 bis 1300 m über NN (alle Waldeigentumsarten) nach BWI II (Stichjahr 2002) ha ± einfacher Fehler

%

Fichte

46.424 ± 3.160

44,3

Tanne

17.612 ± 1.594

16,8

Buche

20.908 ± 1.743

19,9

Übrige BA

19.882 ± 1.702

19,0

104.826 ± 5.985

100

6

Die drei Baumarten Fichte, Tanne und Buche nehmen zusammen rund 80% der Holzbodenfläche im gesamten Wald des Untersuchungsgebiets ein. Bezüglich des Holzvorrats (Tabelle 4.8) entfällt auf die drei Baumarten sogar ein Anteil von ca. 87 %. Diese wenigen Daten belegen die überragende Bedeutung der drei Baumarten im Untersuchungsgebiet, wobei Fichte und Tanne die ökonomische Basis der forstwirtschaftlichen Nutzung bilden. Tabelle 4.8: Gesamtvorräte der Baumarten Fichte, Tanne und Buche im Untersuchungsgebiet in Mio. m³ Derbholzvorrat mit Rinde im WG Schwarzwald, EWB 3/09, 3/10, 3/11; Höhenlagen von 500 bis 1300 m über NN (alle Waldeigentumsarten) nach BWI II (2002) Mio. m³ ± einfacher Fehler

%

Fichte

21,5 ± 1,59

47,7

Tanne

9,8 ± 0,95

21,7

Buche

7,8 ± 0,75

17,3

Übrige BA

6,0 ± 0,53

13,3

45,1 ± 2,03

100

6

76

G. Kändler, U. Riemer

Tabelle 4.9: Vergleich der ermittelten periodischen Zuwächse mit den für das Untersuchungsgebiet aus der BWI II hergeleiteten Werten (WG Schwarzwald, Einzelwuchsbezirke 9, 10,11; Höhenlagen von 500 bis 1300 m über NN)

Fichte Tanne Buche

Lfd. Volumenzuwachs in Vorratsvolumen m. R. [m³ ha-1 a-1] BWI II: Periode 1987 bis 2002 BMBF-UG: Periode 1990 bis 1999 15,6 ± 0,40 [100 %] m. Alter: 70 19,3 ± 0,89 [100%] m. Alter: 67 14,8 ± 0,40 [95%] m. Alter: 105 17,1 ± 1,27 [88,6%] m. Alter: 84 11,3 ± 0,38 [72,6 %] m. Alter: 90 15,1 ± 0,68 [78,2%] m. Alter: 68

Der Vergleich der in dieser Untersuchung berechneten mittleren laufenden Zuwächse mit entsprechenden Werten aus der Bundeswaldinventur (BWI) II für das Untersuchungsgebiet zeigt systematische Unterschiede: die im Rahmen dieser Untersuchung hergeleiteten Werte liegen deutlich über den BWI-Zahlen. Für die Fragestellung, welche Standortsfaktoren den laufenden Zuwachs beeinflussen, spielt dieser Sachverhalt jedoch zunächst keine Rolle. Zu beachten ist, dass es zunächst nicht primäres Ziel dieser Untersuchung war, repräsentative Modelle für den laufenden Zuwachs der Hauptbaumarten im Untersuchungsgebiet zu erarbeiten, vielmehr ging es darum, den Zusammenhang zwischen Wuchsleistung und Standort zu analysieren. Bei der Schätzung des laufenden Zuwachses der Periode 1990 bis 1999 wurde zur Herstellung des Flächenbezugs ein in der waldwachstumskundlichen Forschung nicht unumstrittenes Vorgehen gewählt (Abschnitt 2.11): Für jede Stichprobe, die aus mindestens vier Bäumen einer Baumart besteht, wurde die Bezugsfläche aus den Standflächen der Probebäume errechnet. Wie in Abschnitt 2.10 dargestellt, wurden diese Standflächen als „ökologische Standfläche“ entsprechend dem „Area-Potentially-Available“-Konzept hergeleitet. Das Vorgehen entspricht in etwa der bei Wenk et al. (1990) skizzierten Idee des „Mikrobestands“, wobei in dieser Untersuchung nicht Einzelbäume mit ihrer Standfläche den Mikrobestand bilden, sondern mindestens vier Bäume. Inwieweit dieses Verfahren zu einer verzerrten Schätzung des durchschnittlichen laufenden Zuwachses führt, kann zunächst nicht sicher beantwortet werden. Zum einen wurde der Zuwachs von herrschenden Bäumen, die das zuwachskräftigere Kollektiv darstellen, berechnet; zum anderen nehmen diese Bäume auch relativ große Standräume ein: Der höhere Einzelbaum-Volumenzuwachs wird demnach auch auf eine größere Fläche bezogen. Inwieweit das herrschende Kollektiv tatsächlich eine höhere Flächenproduktivität hat, konnte nicht überprüft werden.12 Generell ist die Charakterisierung und Quantifizierung der Wuchsleistung unter dem gegebenen Stichprobendesign und in der aktuellen Situation mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Die Bonitierung anhand der Oberhöhe im Alter 100 müsste theoretisch vergleichbare Werte liefern, welche die für eine Baumart standörtlich gegebene Wuchsleistung beschreiben. Die dGZ100-Bonität ist nichts anderes als eine über die GWL-Oberhöhen-Beziehung transformierte 12

Vergleichsuntersuchungen mit Zuwachswerten stehen noch aus.

aus

Inventur

abgeleiteten

flächenbezogenen

4 Zusammenhang zw. Wuchsleistung und Standort im Südschwarzwald

77

Oberhöhenbonität, bei der die Produktivität einer Baumart-Standortskombination in einer konkreten Volumenproduktion in einem definierten Zeitraum ausgedrückt wird. Insofern ist das Schätzmodell für den dGZ100 mit gewissen Vorbehalten zu interpretieren. Denn die Schätzung des dGZ100 enthält gegenüber der Oberhöhenbonität nur die GWL-Information, die aber in dieser Studie nicht regionalspezifisch erhoben worden ist, denn es wurden die aktualisierten GWL-Oberhöhen-Beziehungen verwendet, die den in der Forsteinrichtung verwendeten landesweit gültigen Bonitierungshilfen zugrunde liegen (Bösch 2002). Es wäre wünschenswert gewesen, das für den Untersuchungsraum gültige spezielle Ertragsniveau der Baumarten zu ermitteln. Dies war im Rahmen dieser Studie nicht möglich. Speziell für die Buche gibt es Belege, dass diese Baumart im Südschwarzwald ein deutlich höheres Ertragsniveau erreicht (Röhe 1985). Daher ist es leicht möglich, dass das dGZ100-Modell die dGz-Bonität der Buche unterschätzt. Tatsächlich aber hängt die Bonität als Ausdruck eines baumartenspezifischen standörtlichen Leistungspotenzials, wie alle Modelle zeigen, nicht ausschließlich von Standortsfaktoren ab, sondern es zeigt sich auch ein signifikanter Einfluss des Baumalters bzw. des mittleren Volumens. Das mittlere Volumen fungiert in den Schätzmodellen für die Oberhöhe im Alter 100 bzw. den dGZ100 als Ersatz für das Alter und hat den praktischen Vorteil, dass es aus am stehenden Bestand gemessenen Größen hergeleitet werden kann, während das Alter der Bäume ohne zerstörende Probenahme nicht exakt zu ermitteln ist. Gegen die Verwendung des Volumens als Prädiktor kann eingewandt werden, dass diese Größe maßgeblich von der waldbaulichen Behandlung und bei künstlicher Bestandesbegründung von der Ausgangspflanzenzahl bestimmt wird. Im Untersuchungsgebiet kann allerdings – zumindest im Öffentlichen Wald – von einer relative einheitlichen Behandlung der Bestände ausgegangen werden, so dass die Effekte unterschiedlicher waldbaulicher Verfahren nicht allzu stark die Volumenentwicklung beeinflussen dürften. Das Alter wurde explizit nur beim Modell für die Schätzung des laufenden Zuwachses einbezogen (Modell A Tabelle 4.5), da ein Alterseinfluss auf den laufenden Zuwachs aus physiologischen Gründen zu erwarten ist. Dass das Volumen kein vollkommen gleichwertiger Ersatz für das Alter ist (Modell B Tabelle 4.6), zeigt sich beim Vergleich der Modelle A und B: bezieht man an Stelle des Volumens das Alter ein, ergibt sich ein deutlich höheres Bestimmtheitsmaß. Grundsätzlich hat im Untersuchungsgebiet das Alter auch auf die Oberhöhenbzw. dGZ100-Bonität einen Einfluss, auch wenn das Alter durch das Volumen ersetzt ist. Denn das Volumen ist mit dem Alter positiv korreliert. Die mit dem mittleren Volumen (und folglich mit dem Bestandesalter) assoziierten Koeffizienten haben ein negatives Vorzeichen, die Bonität (ausgedrückt durch ho 100, dGZ100 ) sowie der laufende Zuwachs nehmen folglich mit zunehmendem Volumen ab. Alte Bestände weisen folglich niedrigere Bonitäten auf als jüngere. Eine Erklärung für dieses Phänomen ist die bekannte Tatsache, dass ältere Bestände im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Zuwachsniveaus erfahren haben; infolge des in der jüngsten Vergangenheit gesteigerten Wachstums erreichen Bäume heute in jüngerem Alter größere Höhen bzw. Durchmesser (und Volumina) als gleich alte Bäume früherer Jahrzehnte (z. B. Schöpfer et al. 1994, 1997;

78

G. Kändler, U. Riemer

Wenk et al. 1990). Da die Oberhöhe bzw. die Gesamtwuchsleistung eines Bestandes das Integral über die im Laufe des Bestandeslebens abgelaufene Zuwachsdynamik ist, haben heute ältere Bestände tendenziell (unter ansonsten vergleichbaren Bedingungen) – biografisch bedingt – niedrigere Bonitäten. Dieser Sachverhalt lässt sich anhand der Alters-Höhen-Bonitierung sehr gut veranschaulichen. Abbildung 4.1 zeigt am Beispiel der Fichte, dass die jüngeren Bäume systematisch höhere Bonitäten besetzen. Dies gilt vor allem für die Bäume bis 60 Jahre; im Bereich zwischen 60 und 120 Jahren treten auch mittlere Bonitäten auf, während im Alter über 120 Jahre nur noch niedrigere Bonitäten vorkommen. Eine andere Erklärung könnte sein, dass ertragreiche Bestände früher genutzt werden und folglich nicht so alt werden. Die waldbauliche Praxis der vergangenen Jahrzehnte im Bergmischwald in der Region Südschwarzwald mit ihrer Tendenz zu langfristigen natürlichen Verjüngungen spricht indes gegen diese Vermutung. Der festgestellte Trend einer Bonitätsverbesserung bei jüngeren Beständen stimmt mit den Befunden einer großen Zahl von Untersuchungen überein, die in den vergangenen 20 Jahren europaweit durchgeführt worden sind ( Spiecker et al. 1996). Diese Phänomene verdeutlichen im übrigen die Problematik der Verwendung „unechter Zeitreihen“ zur Kalibrierung von Alters-Höhen-Beziehungen. Trotzdem wird die Vorgehensweise für vertretbar gehalten, wenn man sich dessen bewusst ist, dass die festgestellten Befunde nur temporäre Gültigkeit besitzen, sozusagen immer „historisch“ zu betrachten sind. Insofern relativiert sich eine Standortsbonitierung, wenn angenommen werden muss, dass die Wuchsleistung keine unveränderliche Standortseigenschaft ist. Trotzdem ist es für planerische Zwecke sinnvoll und notwendig, die Wuchsleistung der Baumarten unter Berücksichtigung standörtlicher Faktoren einzuschätzen. Die Zusammenhänge zwischen Standort und Zuwachs müssen jedoch in periodischen Abständen überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. In dieser Studie manifestiert sich der Standortseinfluss auf die Wuchsleistung in drei Faktoren(gruppen): die Höhenlage über NN, die Exposition sowie die standortskundliche Ansprache der Wuchsleistung. Die Wirkung der Höhenstufe auf die Wuchsleistung bzw. Zuwachs verhält sich so, wie man es erwartet, indem ho 100, dGZ100 und lZ mit zunehmender Höhenlage abnehmen. Die Reduktion fällt nach Baumart unterschiedlich aus: so nimmt beispielsweise bei der Fichte die Oberhöhe im Alter 100 je 100 m Zunahme der Höhenlage um 1,17 m ab, bei der Tanne um 1,73 m und bei der Buche um 1,85 m (Tabelle 4.3). Dieser Befund passt zum Charakter der Baumarten: die Fichte als Gebirgsbaumart kontinentaler Regionen reagiert weniger stark auf das mit der Höhe abnehmende Wärmeangebot als die wärmeliebenderen Baumarten Tanne und Buche. Die Höhenlage fungiert somit als Indikator-Variable für das Energieangebot und die Länge der Vegetationsperiode. Die Wärmesumme und Länge der Vegetationsperiode wird zusätzlich durch die Exposition modifiziert. Dieser Effekt manifestiert sich allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. Die Südexposition, definiert als Lage im Expositionsazimut-Bereich von 150 bis 250 gon, ist bei ho 100 signifikant, bei dGZ100 und lZ ebenfalls, aber nur für die Fichte. Als eine Variante des Expositionseinflusses tritt im Schätzmodell für den laufenden Zuwachs die WinterhangSituation hinzu, die erwartungsgemäß mit einer Reduktion des laufenden

4 Zusammenhang zw. Wuchsleistung und Standort im Südschwarzwald

79

Zuwachses verbunden ist. In demselben Modell ist die Südexposition nur für die Fichte signifikant. Sie ist zudem in einer Dummy-Variablen enthalten, in welcher sie gleichwertig mit der Reliefsituation „Ebene Lage“ auftritt, d. h. bei der Fichte ist der laufenden Zuwachs im Mittel um den Betrag 6,26 [m³ ha-1 a-1] höher, wenn die Fichte südexponiert oder auf einer Ebene auftritt (die Ebene ist ebenfalls als Ausprägung der Exposition, nämlich „keine Exposition“, zu verstehen). Hier muss allerdings auf die Grenzen der statistischen Analyse hingewiesen werden: da die Probenahme nicht in einem vollständigen Design möglich war (aufgrund organisatorischer Restriktionen und Abhängigkeiten bei der Gewinnung des Probematerials), können hier zufällige Konstellationen bei den Beobachtungen je Merkmalskombination die Rolle der Prädiktoren beeinflussen, die sich bei einer anderen Probenahme (mit einem größeren Stichprobenumfang) anders darstellen können. Dies erklärt auch, dass sich der Einfluss der Südexposition im Modell für den dGZ100 und den lZ nur für die Fichte nachweisen lässt (d. h. ein gewisses Signifikanzniveau (p < 0,05) erreicht). Bezüglich des Standorteinflusses lässt sich zusammenfassend festhalten, dass sich aus der Fülle der verfügbaren Standortsfaktoren lediglich drei Variablen als signifikant erweisen, und zwar in unterschiedlicher Konstellation: die Höhenlage (m über NN), die Einschätzung der Wuchsleistung aus der Standortskartierung (Wuchsleistungsgruppen) sowie die Exposition, ausgedrückt in der Südexposition bzw. der Winterhangsituation. Höhenlage und Exposition sind, wie bereits ausgeführt, Indikatoren für das Energieangebot des Standorts. Die Wuchsleistungsgruppe ist eine aus der Standortskartierung abgeleitete, mehrere Einflüsse synthetisierende Wertung der Wüchsigkeit der Standorte und impliziert den Wasserhaushalt und teilweise die Trophie. Die in dieser Analyse gefundenen Ergebnisse bestätigen bekannte Befunde, dass im atlantisch geprägten Mittelgebirgslagen das Energieangebot bzw. die Dauer der Vegetationsperiode wichtigster limitierender Faktor des Baumwachstums ist. Die Nährstoffversorgung ist im südlichen Schwarzwald kein wesentlicher differenzierender Faktor für das Wachstum, auch der Wasserhaushalt (als Kombinationswirkung von Bodenwasserkapazität und Niederschlagsangebot) ist auf vielen Standorten nicht wachstumsbegrenzend. Dieser Faktorenkomplex (Wasser- und Nährstoffversorgung) dürfte durch die Einstufung in die Wuchsleistungsgruppe abgedeckt werden. Was den Untersuchungszeitraum für die Quantifizierung des Wachstums, die Periode 1990 bis 1999, betrifft, ist zu bedenken, dass es sich um ein Jahrzehnt handelt, das durch eine ungewöhnliche Häufung von überdurchschnittlich warmen Jahren charakterisiert ist, was allgemein als klares Indiz für die globale Erwärmung gedeutet wird. Im Rahmen dieser Untersuchung war es nicht möglich, die Klimafaktoren der betrachteten Periode explizit zu quantifizieren und in die Modellierung einzubeziehen. Wesentlicher Grund ist die Tatsache, dass es für Waldstandorte immer noch sehr schwierig und aufwändig ist, zutreffende quantitative Informationen über Niederschlag und Temperatur zu erhalten. Die hierfür notwendigen Arbeiten waren nicht vorgesehen. Vor dem Hintergrund der generellen Tatsache, dass die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ungewöhnlich warm waren, lassen sich bezüglich der hier gewonnenen Ergebnisse nur allgemeine Interpretationen finden. Da gleichzeitig die Wasserversorgung offensichtlich kein limitieren-

80

G. Kändler, U. Riemer

der Faktor war, ist das insgesamt festgestellte hohe Zuwachsniveau zu einem Teil auf das hohe Wärmeangebot zurückzuführen. Augenscheinlich hat insbesondere die Fichte davon profitiert, was sich insbesondere im Vorhersagemodell für den laufenden Zuwachs manifestiert. Aufgrund dieser Restriktionen können die hergeleiteten Schätzmodelle nur mit gewissen Vorbehalten praktisch angewendet werden. Sie besitzen den Vorteil, dass sie mit wenigen leicht bestimmbaren Eingangsgrößen auskommen, haben aber den Nachteil, dass ihre Repräsentativität im Rahmen dieser Untersuchung nicht überprüft werden konnte. Für künftige Untersuchungen müssen vermehrt quantifizierbare Standortsfaktoren erhoben werden. Insbesondere sind klimatische Variablen wie Niederschlag und Temperatur (bzw. Energieangebot) einzubeziehen, um diesen Faktorenkomplex explizit im Modell zu berücksichtigen bzw. auf seine Relevanz zu prüfen und ggf. zusammen mit Standortsfaktoren als Prädiktoren für die Wuchsleistung zu verwenden. Dieser Modellansatz wurde bereits von Schöpfer und Moosmayer (1972), Röhe (1985) sowie Moosmayer et al (1996) verfolgt. Entsprechende Gleichungen für die standortsbezogene Schätzung der Wuchsleistung an Fichte und Buche wurden von diesen Autoren kalibriert. Der Faktorenkomplex Standort muss bei diesem Vorgehen mit Größen parametrisiert werden, die einerseits ohne allzu großen Aufwand zu bestimmen sind. Andererseits zeigt sich, dass „hoch integrierende qualitative“ Größen wie Standortseinheiten wenig geeignet sind, sondern es müssen Faktoren sein, welche die Trophie und den Wasserhaushalt auf einer möglichst hohen Skala quantifizieren und mit dem Baumwachstum in einem direkten ökophysiologisch funktionalen Zusammenhang stehen. Bezüglich des Klimas muss neben den klassischen Größen Niederschlagsangebot, Temperatur und Evapotranspiration der Einfluss der Topographie (Hangsituation, Exposition) als modifizierender Faktor für das Niederschlags- und Energieangebot mit einbezogen werden, denn darauf weisen die Ergebnisse dieser Untersuchung hin.

4.5 Zusammenfassung Die Kenntnis der baumartenspezifischen Wuchsleistung wird für unterschiedliche Zwecke benötigt: (1) Zur Beurteilung des standörtlichen Ertragsvermögens oder (2) zur Festlegung von (Nachhalts-)Hiebsätzen im Rahmen der Betriebsplanung. Eine Bonitierung im Sinne eines Leistungspotenzials ist für Vergleiche von Forstbetrieben oder für Anbauplanungen relevant. Das tatsächliche Ertragsvermögen wird durch Baumartenzusammensetzung, waldbauliche Behandlung sowie Waldaufbau nach Alter, Vorratshöhe und -struktur bestimmt. Für die Hiebsatzkalkulation muss der aktuelle Zuwachs im Sinne eines laufenden jährlichen Volumenzuwachses bekannt sein, um eine Nachhaltskontrolle zu gewährleisten. Im Rahmen der Betriebsplanung ist die Bonitierung der Bestände nur eine Hilfsgröße, um zu der eigentlich interessierenden Information über den laufenden Zuwachs zu gelangen. Von daher sind Schätzmodelle, welche direkt den laufenden Volumenzuwachs je Jahr und Hektar angeben, für die Betriebsplanung von besonderer praktischer Bedeutung.

Literaturverzeichnis Kapitel 4

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In der vorliegenden Untersuchung sollte im Untersuchungsgebiet „Südlicher Schwarzwald“ für die Hauptbaumarten des Bergmischwalds Fichte, Tanne und Buche der Zusammenhang zwischen Standort und Wuchsleistung analysiert und geprüft werden, ob es möglich ist, neue Modelle für eine Standortsbonitierung bzw. zur Schätzung des laufenden Zuwachses abzuleiten. Diese neuen Modelle sollen die bisherige für den Altersklassenwald entwickelte Alters-Höhen-Bonitierung ersetzen, da sie für die Bonitierung ungleichaltrigen Mischbestände, wie sie im Zuge des ökologischen Waldumbaus auf großer Fläche angestrebt werden, besser geeignet sind. Die Ergebnisse bestätigen zum einen den aus anderen Untersuchungen bekannten generellen Befund eines hohen heutigen Zuwachsniveaus und den Trend zunehmender Standortsbonitäten. Es konnten Modelle zur Schätzung der Bonitierungsgrößen Oberhöhe im Alter 100 ho 100 und durchschnittlicher Gesamtzuwachs im Alter 100 dGZ100 sowie des laufenden Zuwachses abgeleitet werden, die grundsätzlich Standortseinflüsse belegen: Höhenlage, Exposition und standortskundliche Leistungsansprache. Eine praktische Anwendung dieser Modelle ist vor dem Hintergrund offener Fragen insbesondere zur Repräsentativität nur mit Vorbehalt zulässig. Weiteren Aufschluss werden künftige Analysen des aus permanenten Waldinventuren berechneten Zuwachses geben.

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82

Literaturverzeichnis Kapitel 4

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Anhang Kapitel 4

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Anhang Übersicht der untersuchten Standortseinheiten EWB

Höhenstufe

3/09 montan 3/09 montan submontan sub3/10 montan sub3/10 montan 3/10

3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan

Regionale Ökoserie Öko-Serie der tiefgründigen Lehmböden Öko-Serie der lehmigen Grusböden Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge Öko-Serie der grusigen Lehmhänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge

Sigel

Standortseinheit

sL

Sandiger Lehm

Saurer mäßig frischer lehmiger Grusboden Mäßig frischer lehmig-grusiger lgWH Winterhang Mäßig frischer lehmig-grusiger lgSH Sommerhang Mäßig frischer lehmiger SteinlStSH schutt-Sommerhang Mäßig frischer lehmiger WinterlWH hang Frischer lehmig-grusiger WinterlgWH+ hang Mäßig frischer lehmig-grusiger lgWH Winterhang Saurer mäßig frischer lehmig-gruslgWH siger Winterhang Frischer lehmig-grusiger SomlgSH+ merhang Mäßig frischer lehmig-grusiger lgSH Sommerhang Mäßig trockener lehmig-grusiger lgSHSommerhang Mäßig frischer lehmiger SteinlStWH schutt-Winterhang Saurer mäßig trockener lehmiger slStWHSteinschutt- Winterhang slG

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Anhang Kapitel 4

3/10 montan 3/10 montan 3/10 montan 3/10 3/10 3/10 3/10 3/10 3/10 3/10

hochmontan hochmontan hochmontan hochmontan hochmontan hochmontan hochmontan

3/11 montan 3/11 montan 3/11 montan 3/11 montan 3/11 montan 3/11 montan 3/11 montan 3/11 montan 3/11 montan

Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge Öko-Serie der lehmigen Hochlagenhänge Öko-Serie der lehmig-grusigen Hochlagenhänge Öko-Serie der lehmig-grusigen Hochlagenhänge Öko-Serie der lehmigen Hochlagen-Steinschutthänge Öko-Serie der lehmigen Hochlagen-Steinschutthänge Öko-Serie der lehmigen Hochlagen-Grusböden Öko-Serie der tiefgründiger Hochlagen-Lehmboden Öko-Serie der tiefgründigen Lehmböden Öko-Serie der lehmigen Grusböden Öko-Serie der lehmigen Grusböden Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Grusböden Öko-Serie der lehmigen Steinschuttböden Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge Öko-Serie der lehmigen Grushänge Öko-Serie der lehmigen Steinschutthänge

lStSH lStSHslStSH lHWH lgHWH lgHSH lStHWH lStHSH slHG tHL sL lG+ lG lgWH slG lSt lStWH slgSH slStSH-

Mäßig frischer lehmiger Steinschutt-Sommerhang Mäßig trockener lehmiger Steinschutt-Sommerhang Saurer mäßig frischer lehmiger Steinschutt-Sommerhang Lehmiger Hochlagen-Winterhang Lehmig-grusiger HochlagenWinterhang Lehmig-grusiger HochlagenSommerhang Lehmig Steinschutt- HochlagenWinterhang Lehmig Steinschutt- HochlagenSommerhang Saurer lehmiger Hochlagen-Grusboden Tiefgründiger Hochlagen-Lehmboden Saurer mäßig frischer tiefgründiger Lehmboden Frischer lehmiger Grusboden Mäßig frischer lehmiger Grusboden Mäßig frischer lehmig-grusiger Winterhang Saurer mäßig frischer lehmiger Grusboden Mäßig frischer lehmiger Steinschuttboden Mäßig frischer lehmiger Steinschutt-Winterhang Saurer mäßig frischer lehmig-grusiger Sommerhang Saurer mäßig trockener lehmiger Steinschutt-Sommerhang

5 Ökologische und landschaftliche Aspekte Standort, Geschichte, Vegetation, Verjüngungsstruktur, Bodenfauna, Genetik A. Dounavi, S. Gärtner, J. Kretschmer, T. Ludemann, A. Reinbolz, J.-A. Salamon

5.1 Einführung S. Gärtner

Zentraler Untersuchungsgegenstand des Forschungsprogramms „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ und des Projektverbundes Südlicher Schwarzwald ist der „ökologische“ Waldumbau. Das Attribut „ökologisch“ impliziert die Annahme, dass es sich um eine Annäherung an einen intakten und naturnäheren Systemzustand handelt. Ob diese Annahme ganz allgemein zutrifft, welche Auswirkungen der Waldumbau auf verschiedene biotische Komponenten hat und welche natürlichen und kulturhistorischen Voraussetzungen für den Waldumbau zu berücksichtigen sind, wird in dem vorliegenden Kapitel behandelt. Basis für den standortsgemäßen Waldumbau ist die Kenntnis der mutmaßlich natürlichen Baumartenzusammensetzung (Projekt „Standortswald“). Eine weitere Grundvoraussetzung ist das Vorhandensein geeigneten Saatguts und Pflanzmaterials, d.h. die Sicherheit, dass die Herkunft sowie die genetische Zusammensetzung der entsprechenden Saatguterntebestände an den Südschwarzwald angepasst ist (Projekt „Genetik“). Der Wald ist nicht nur Wirtschafts- und Naturschutzobjekt, sondern auch Zeugnis kulturhistorischer Entwicklung. In dieser Eigenschaft wird er von einem weiteren Teilprojekt untersucht (Projekt „Kulturlandschaft“). „Ökologischer“ Waldumbau als gerichteter Transformationsprozess und Untersuchungsgegenstand des Projektverbundes beginnt in einem konkreten Fichtenaltersklassenbestand und endet, wenn dieser das Dauerwaldstadium erreicht hat. Die Stadien des Waldumbauprozesses werden in exemplarischen Beständen für vier Standorte in ihrer strukturellen Ausprägung quantitativ beschrieben und es werden die Auswirkungen auf Bestandesstruktur und Verjüngung (Projekt „Verjüngungsstruktur“), Flora (Projekt „Vegetation“) und Fauna (Projekt „Bodenfauna“) bewertet.

K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

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T. Ludemann

5.2 Untersuchungsgebiet und Projektdesign

5.2.1 Untersuchungsgebiet - Lage, Standorte, Waldvegetation T. Ludemann

Die Versuchsflächen der Projekt-Gruppe „Ökologische und landschaftliche Aspekte“ liegen auf einem breiten West-Ost-Profil von 40 km Länge im Südschwarzwald und in der östlich benachbarten Baar-Wutach-Region (Abbildung 5.1). Dieses Gebiet – im Westen im Raum Schopfheim/Schönau beginnend und sich über Todtmoos, Ibach, St. Blasien und Schluchsee bis in den Raum Bonndorf erstreckend - deckt damit das Spektrum der Wuchsbedingungen für das Verbundprojekt weiträumig ab. Es handelt sich um ein montanes, subatlantisches Mittelgebirgsgebiet mit silikatischem Untergrundgestein, mit einem moderaten WestOst-Gradienten der Ozeanität und einem moderaten Höhengradienten zwischen 700 und 1100 m ü. NN. Der durchschnittliche Jahresniederschlag liegt zwischen 1800 mm im Westteil und 1000 mm im Ostteil, die durchschnittliche Jahrestemperatur zwischen 5 und 7 °C (REKLIP 1995).

Abbildung 5.1: Lage der Untersuchungsflächen im Südschwarzwald (Einzelprojekte: A5 = „Verjüngungsstruktur“, B4 = „Bodenfauna“, C1 und C4 = „Genetik“, C2 = „Vegetation“, C3 = „Standortswald“, C5 = „Kulturlandschaft“)

5.2 Untersuchungsgebiet und Projektdesign

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Entsprechend der verschiedenen geographischen und topographischen Lage unterscheiden sich die klimatischen und edaphischen Standortsgegebenheiten innerhalb des Untersuchungsgebietes beträchtlich. Sie werden weniger durch die absolute Höhenlage - wir bewegen uns weitestgehend in der zentralen montanen Höhenstufe -, sondern vor allem durch die konkrete Geländesituation (Tal-, Mulden-, Kuppenlage usw.) sowie Hangneigung und Exposition variiert. Als wichtige Standortsfaktoren kommen der geologische Untergrund, überwiegend Gneise, Granite und Buntsandstein, sowie die verschiedenen (lokal)klimatischen Gegebenheiten hinzu. Dementsprechend unterscheiden sich auch die konkreten Versuchsflächen und Untersuchungsbestände durch ihre jeweilige geographische und topographische Lage in Kontinentalitätsgrad, Relieftyp und Meereshöhe, in Hangposition, -exposition und -neigung sowie in den Bodenbedingungen. 5.2.1.1 Wuchsbedingungen, Standortsgliederung Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich über zwei Wuchsgebiete und fünf Einzelwuchsbezirke (EWB) der Forstlichen Regionalen Gliederung von BadenWürttemberg (Aldinger et al. 1998): Regionale Einheit

Regional- bzw. Zonalwälder

Wuchsgebiet 3 Schwarzwald EWB 3/10 Atlantisch-montaner Buchen-Tannenwald Westlicher Südschwarzwald Hochmontaner Buchen-Bergahorn-Tannen-Wald, örtlich mit Fichte EWB 3/11 Atlantisch-submontaner Buchen-Traubeneichenwald mit Hotzenwald Tanne Montaner Buchen-Tannen-Wald, örtlich mit Fichte EWB 3/13 Montaner Buchen-Tannen-Wald mit Fichte Östlicher Süschwarzwald Hochmontaner Tannen-Fichten-Buchen-Wald, örtlich mit Bergahorn Wuchsgebiet 5 Baar-Wutach EWB 5/01 Boreal-montaner Tannen-Fichten-Kiefern-Wald mit Baar-Schwarzwald Buche EWB 5/03 Subboreal-montaner Tannen-Buchen-Wald, örtlich mit Obere Wutach und Fichte Bonndorfer Platte

Innerhalb der einzelnen Wuchsbezirke werden von der forstlichen Standortskartierung zahlreiche Waldstandorte unterschieden. Für die Auswertung wurden diese Standortseinheiten zu 10 übergeordneten Standortsgruppen zusammengefasst, wobei nach Hangneigung, Exposition, Versauerungsgrad und standörtlicher Sondersituation differenziert wurde. Unterschieden wurden nordexponierte Hänge, südexponierte Hänge und ebene Lagen, jeweils sauer und nicht sauer, Hangrücken, Talböden, quellige Lagen und Rinnen, Moore, Missen und Sümpfe sowie Bundsandstein-Verwitterungsböden. Große Flächenanteile nehmen innerhalb des

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T. Ludemann

Projektgebietes sowohl Hanglagen, teils nord-, teils südexponiert, als auch ebene Lagen mit mehr oder weniger versauerten Grus- und Lehmböden ein. 5.2.1.2 Waldvegetation Vegetationskundlich bewegen wir uns auf dem Projektprofil von einem typischen Buchen-Tannenwaldgebiet im Westen, das durch WaldmeisterBuchenwälder (Galio-Fageten) und Hainsimsen-Buchenwälder (Luzulo-Fageten) geprägt wird, über ein weites zentrales Gebiet mit vorherrschenden HainsimsenTannenwäldern (Luzulo-Abieteten) und Waldmeister-Buchenwäldern in ein typisches Tannen-Fichtenwaldgebiet mit Preiselbeer-Tannenwäldern (VaccinioAbieteten) und Labkraut-Tannenwäldern (Galio-Abieteten) im Osten. Damit wird die klassische waldvegetationskundlich-pflanzensoziologische Dreigliederung des Südschwarzwaldes nach Oberdorfer (1957, 1982, 1992a) innerhalb des Untersuchungsgebietes beispielhaft erfasst. In ihren regionalen Verbreitungsgebieten bevorzugen Luzulo-Fagetum, Luzulo-Abietetum und Vaccinio-Abietetum jeweils nährstoffarme, saure Böden, Galio-Fagetum und Galio-Abietetum feuchte, nährstoffreiche. Genauere Angaben zur Waldvegetation und zu den Waldgesellschaften finden sich in Schuhwerk (1988) und Ludemann (1994). Luzulo-Fageten herrschen nur im westlichsten Gebietsteil zusammen mit GalioFageten vor und dort vor allem in den tieferen südexponierten Lagen. An Winterhängen und in höheren Lagen auch am Südhang kommen dort bereits Luzulo-Abieteten vor. Der Vegetationskomplex aus Galio-Fageten an günstigeren und Luzulo-Abieteten an bodensauren, nährstoffarmen Standorten zieht sich – bei Todtmoos beginnend – über den Raum Ibach bis weit ins Zentrum des Projektgebietes bei St. Blasien hinein, wobei auf vielen Versuchsflächen LuzuloAbieteten vorherrschen. Östlich von St. Blasien vollzieht sich dann pflanzensoziologisch bald der Übergang zum östlichen Waldvegetationskomplex, der durch Vaccinio- und Galio-Abieteten gekennzeichnet ist und dort vor allem mit Vaccinio-Abieteten die Bestände weiträumig prägt. Galio-Fageten kommen hier vor allem an nährstoffreichen, steilen Hängen vor, die in diesen Gebieten aber nur kleine Flächen einnehmen. Moor(rand)wälder, insbesondere von Fichte aufgebaute (Bazzanio-Piceeten), finden sich mehr oder weniger kleinflächig im gesamten Untersuchungsgebiet, vermehrt aber in den ebenen, östlichen Wäldern. Schluchtwälder (FraxinoAcereten) treten dagegen regelmäßig nur im Westen des Gebietes auf, nehmen aber auch dort nur kleine Flächen ein. Die untersuchten Waldbestände werden heute ganz im Westen noch am stärksten von Buche und Tanne geprägt. Die Fichte erzielt hier etwa den gleichen Anteil am Aufbau der erfassten Bestände wie Tanne und Buche. Ahorn und teilweise auch Douglasie können in die Bestände eingesprengt sein. Im westlichen zentralen Bereich des Profils zwischen Todtmoos und St. Blasien sind es heute vor allem Fichte und Buche, die in sehr unterschiedlichen Mischungsverhältnissen die Bestände aufbauen. Demgegenüber handelt es sich im östlichen Teil gegenwärtig um ein stark von Fichte dominiertes Gebiet mit wenig Tanne, Buche, Ahorn und Kiefer.

5.2 Untersuchungsgebiet und Projektdesign

89

5.2.2 Projektdesign S. Gärtner

Der Umbau vieler Bestände verändert langfristig das Landschaftsbild des südlichen Schwarzwaldes. Daher wird umfassend der räumliche und zeitliche Kontext in die Analyse und Bewertung einbezogen. Für die im Projektverbund Südlicher Schwarzwald gemeinsam forschenden ökologischen Teilprojekte wurde in Abhängigkeit vom jeweiligen Untersuchungsobjekt verschiedene Untersuchungskonzepte gewählt. Sie differieren vor allem in ihrem zeitlichen und räumlichen Bezugssystem (vgl. Tabelle 5.1). Tabelle 5.1: Ökologische Untersuchungsaspekte und Teilprojekte in ihrem räumlichen und zeitlichen Kontext Räumlicher Bezug Landschaft Bestand

Untersuchungsaspekt Auswirkungen des Natürlicher und kulturWaldumbaus auf historischer Rahmen „Kulturlandschaft“ „Standortswald“ „Verjüngungsstruktur“ „Vegetation“ „Bodenfauna“ „Genetik“

Zeitlicher Bezug historisch Aktuell und unechte Zeitreihe

Der landschaftlich und standörtlich umfassendste Ansatz wurde für die Untersuchung der natürlichen, standortsspezifischen Baumartenzusammensetzung anhand von Holzkohleanalysen gewählt (Projekt „Standortswald“). Für die verschiedenen Wuchsbedingungen/Standortsspektren der Versuchsflächen des gesamten Forschungsverbundes im Südschwarzwald und angrenzenden BaarWutach-Gebiet werden Aussagen abgeleitet. Ansatzpunkt des Projektes sind die Bestockungsverhältnisse der historischen Wälder, die zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert vor dem Einsetzen der planmäßigen Forstwirtschaft zur Herstellung von Holzkohle genutzt wurden. Historische Land- und Waldnutzungsformen mit ihren Auswirkungen auf die heutige (Gehölz)Vegetation und die Landschaft wurden exemplarisch für den Südschwarzwald auf drei Gemarkungen untersucht und deren Entwicklung und Erhaltung diskutiert (Projekt „Kulturlandschaft“). Ökologische Grundlagen für den Waldumbau im Südschwarzwald und dessen ökologische Effekte werden für exemplarische Bestände erarbeitet. Eine Voraussetzung, dass das Ziel des „ökologischen“ Waldumbaus – naturnahe Dauerwaldbestände – umgesetzt werden kann, ist das Vorhandensein von genetisch angepassten Baumarten. Für den Aufbau der Dauerwaldstruktur ist die Tanne von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund widmet sich ein Teilprojekt der Untersuchung der genetischen Zusammensetzung zugelassener Saatguterntebestände

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S. Gärtner

der Weißtanne und ein weiteres der Entwicklung einer Methode zur Herkunftssicherung der Baumarten (Projekt „Genetik“). Die ökologische Analyse der Auswirkungen des Waldumbaus wurde in drei bzw. vier Forstbezirken für die im südlichen Schwarzwald häufigste Standortseinheit, den mäßig frischen, lehmig grusigen Winterhang in montaner Lage, durchgeführt. Als Ansatz für die ökologische Untersuchung der aktuellen Effekte des Waldumbaus wurde für die drei mit den Auswirkungen des Waldumbaus befassten Teilprojekte ein abgestimmtes, genestetes Untersuchungsdesign gewählt: Die Entwicklung der Bestandesstruktur und der räumlichen Verteilung der Verjüngung wurde für eine das jeweilige Waldumbaustadium repräsentierende Fläche von 0,49 ha erfasst (Projekt „Verjüngungsstruktur“). Genestet in der größeren Fläche wurden die Auswirkungen auf die Vegetation auf 400 m² untersucht (Projekt „Vegetation“). Innerhalb der Vegetationsuntersuchungseinheit wurde wiederum mit dreimaliger Wiederholung die Bodenfauna erhoben (Projekt „Bodenfauna“). Der waldbauliche Transformationsprozess, der in Abhängigkeit von der Ausgangssituation mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann, wurde mit Hilfe einer unechten Zeitreihe (Pickett 1987) in vier Straten bzw. Stadien unterteilt. Dabei werden die zeitliche Ausdehnung, die Sequenz der waldbaulichen Aktivitäten und Stadien durch eine räumliche Ausdehnung, die gleichzeitige Betrachtung der Stadien an verschiedenen Orten, ersetzt. Es wurde vor der Untersuchung theoretisch ein konzeptionelles Modell entwickelt, das den Prozess und seine Struktur eindeutig und präzise genug definiert, um als Bezugsebene bei der Identifikation und Auswahl entsprechender Bestände und Aufnahmeeinheiten genutzt zu werden. Die Grundlagen für dieses „konzeptionelle Waldentwicklungsmodell“ wurden in der Arbeitsgruppe „Waldbau und Inventurmethoden“ des Projektverbunds Südlicher Schwarzwald erarbeitet. Die Definition der Maßnahmen und Zielsetzungen sind aus der Richtlinie der landesweiten Waldentwicklungstypen Baden-Württemberg (MLR Bad.-Württ. 1999) und der Richtlinie der regionalen Waldentwicklungstypen für den Südschwarzwald abgeleitet (Schülli 1992). Die Abgrenzung der Waldumbaustadien orientiert sich an den unterschiedlich strukturierend wirkenden waldbaulichen Maßnahmenbündeln, am Waldumbau i. e. S. und an der Überführung (siehe Abbildung 5.2). Mit dem Fortschritt des Waldumbaus verändert sich die Flächengröße, die innerhalb eines Bestandes einheitlich waldbaulich behandelt wird. Die Maßnahmen sind zu Beginn bestandesweise gleichmäßig wirksam, seine Eingriffsfläche verkleinert sich aber mit zunehmendem Fortschritt bis zu einer trupp- und einzelbaumweisen Mischung. Ausgangspunkt des Waldumbaus ist der Fichten-Altersklassenwald (Reinbestandsstadium). Es wird unterstellt, dass eine flächig gleichmäßige Bewirtschaftung stattfindet und dass sich bei diesem Ausgangsstadium keine Substrukturierung des Bestandes durch geregelte Bewirtschaftung ergibt.

5.2 Untersuchungsgebiet und Projektdesign

Abbildung 5.2: Waldumbau

Konzeptionelles

Waldentwicklungsmodell

zum

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„ökologischen“

Erste Maßnahmen des Waldumbaus i. e. S. sind, in den Fichtenbestand trupp- bis gruppenweisen Vorbau von Tanne und Buche in aufgelichteten Partien einzubringen. Die Verjüngung der Bestände erfolgt über „möglichst natürliche Verjüngung in räumlich geordnetem Femelschlag, soweit es die Stabilität erlaubt“. Für den regionalen Waldentwicklungstyp „Fichte labil – Ziel Bergmischwald“ wird weiterhin empfohlen: „Bei nicht ausreichenden Verjüngungsvorräten ggf. weiterer Buchen- oder Tannen-Vorbau“ (Schülli 1992). Der Umbaubestand entwickelt sich durch natürliche Alterung und Differenzierung, vor allem aber durch erste Überführungsmaßnahmen zum Überführungsstadium. In einer oder zwei Bestandesgenerationen können durch strukturierende Eingriffe, d.h. mit unterschiedlichen Eingriffsstärken über die Fläche und in unterschiedlichen Bestandesschichten, verschiedene heterogene Bestandespartien, im Weiteren als Substrukturen bezeichnet, erzielt werden. Die entsprechenden waldbaulichen Maßnahmen sind langfristiger Femelschlag und Plenterdurchforstungen. Das Überführungsstadium ist charakterisiert durch die drei Baumarten des Bergmischwaldes, Fichte, Tanne und Buche, die mit hinreichendem Anteil (> 20%) vorhanden sein müssen. Durch Intensivierung der schon im vorigen Stadium durchgeführten Behandlungen - im Sinne von kleinflächiger und häufiger - kann das Überführungsstadium zum Dauerwaldstadium weiterentwickelt werden. Das Dauerwaldstadium kann als Abschluss des „ökologischen“ Waldumbauprozesses angesehen werden.

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A. Reinbolz, T. Ludemann

5.2.3 Wald- und Forstgeschichte A. Reinbolz, T. Ludemann

Zum frühen Einfluss des Menschen im Schwarzwald gibt es sehr verschiedene Einschätzungen: Einige Autoren lesen schwache Hinweise auf menschliches Wirken vor 9600 Jahren und in der Römerzeit aus Pollenprofilen (z. B. Rösch 2000), andere Untersuchungen wiederum begründen den Verdacht, dass diese Hinweise lediglich durch Ferntransport aus dem Oberrheingebiet zu erklären sind (Dietz 2001). Historische Quellen nennen die Römer als erste Nutzer des Schwarzwaldes, die demnach 300 v. Chr. im Wiesental siedelten (Fecht 1860) und sich 200 n. Chr. rege mit der Flößerei beschäftigten (Christiani 1894). Auch diese Quellen sind unsicher und so nehmen manche Autoren an, dass, abgesehen von lokalen Geschehnissen, die flächige Besiedlung des Südschwarzwaldes erst im 8. Jahrhundert begann, als alemannische Adelsfamilien im Westen die weiten Täler erschlossen (Hoggenmüller u. Hug 1987, Steuer 1991) und Siedler vom Osten in den Wald vordrangen (Brückner 1970). Der häufig zitierte Siedlungsbeginn im Südschwarzwald vor 1000 Jahren mag demnach der Wendepunkt in der Nutzungsgeschichte der Region sein – er könnte aber auch auf den begrenzten Zeithorizont der zur Rekonstruktion verfügbaren schriftlichen Dokumente hindeuten. Archäologische Funde weisen auf deutlich frühere menschliche Präsenz in weiten Teilen des Südschwarzwaldes hin: Unbestritten ist die Echtheit von Feuersteinklingen, Messern und Kratzern aus der Mittleren und Jüngeren Steinzeit, die in Höhen von über 1000 Metern gefunden wurden (Lais 1937). Steinzeitliche Siedlungen sind belegt für die Vorbergzone und den Hotzenwald, der im damaligen Präboreal waldfreie Hochschwarzwald diente vermutlich bis in die Gipfellagen als Jagdgebiet (Goldenberg et al. 1997a; Goldenberg et al. 1997b; Baum u. Pasda 2001). Ungeklärt ist, ob die mittelsteinzeitlichen Menschen sich nur kurzfristig im Schwarzwald aufhielten oder, was nicht auszuschließen ist, länger bestimmte Lagerplätze bewohnten (Baum u. Pasda 2001). Für die folgende Zeit jedoch verdichten sich die Hinweise auf dauerhafte Siedlungen: Bronze- oder hallstattzeitliche Steinhügelgräber finden sich im Hotzenwald, an Schluch- und Titisee und in der Gegend um Breitnau (Wesselkamp 1993) – sollten sie mit Siedlungsplätzen assoziiert sein, so muss dabei von einer ersten Beeinflussung der Vegetation ausgegangen werden. In römischer Zeit entwickelten sich zwar erste Ansätze des Silber- und Eisenbergbaus (Steuer 1990), diese sind jedoch bislang nur aus den Randbereichen des Schwarzwaldes bekannt (z. B. Ludemann 1999). Auch in der Umgebung des Hotzenwaldes beschränkten sich die römischen und keltischen Siedlungen auf den Oberrheingraben (Reichelt 2002). Nach den bisher bekannten Funden muss also davon ausgegangen werden, dass die Römer den Schwarzwald zwar durchquerten, ihn als Siedlungsgebiet jedoch mieden und ihren Rohstoffbedarf vom Rand her deckten. In dieser Zeit konnte sich demnach die

5.2 Untersuchungsgebiet und Projektdesign

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Vegetation zumindest in den Kernbereichen des Südschwarzwaldes unbeeinflusst entwickeln. Einige hundert Jahre später drang der Mensch wieder in den Schwarzwald vor: Belegt ist ein Einbaum aus Tannenholz, der nach einer C14-Datierung aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts stammt und im Schluchsee gefunden wurde (Dehn 2000). Er zeigt, dass schon in der Merowingerzeit im Schluchseegebiet Jagd und Fischfang betrieben wurde. Vermutlich kamen diese Menschen aus der Altsiedellandschaft des Löffinger und Bonndorfer Muschelkalk-Hochlandes in den Schwarzwald. Von diesem Zeitpunkt an decken sich archäologische Funde und die ersten Hinweise aus Schriftquellen (z. B. bei Brückner 1970). Urkunden zufolge ließen sich bald nach dieser Zeit die ersten Einsiedler in der Gegend um St. Blasien nieder und gründeten zwischen 950 und 1013 das Kloster (Jensen 1901; Brückner 1970). Die Besiedlung am Ende des ersten Jahrtausends erfolgte also aus zwei Richtungen: Zum einen war die Gewinnung von neuem Acker- und Weideland die treibende Kraft für das Eindringen der Siedler vom Rand her in den Schwarzwald. Die zweite Art der Erschließung erfolgte von punktuellen Siedlungen im Schwarzwald selbst. Auslöser hierfür waren die reichhaltigen Silbererzvorkommen. Nach dieser unorganisierten Besiedlung begannen mit der Jahrtausendwende Adelshäuser wie die der Habsburger und der Zähringer, aber auch die katholische Kirche mit der gezielten Entwicklung des Südschwarzwaldes, hauptsächlich über die Gründung von Klöstern. Das Kloster St. Blasien schwang sich durch den Erwerb großer Ländereien an die Spitze dieser Entwicklung (Hoggenmüller u. Hug 1987). Die Silberindustrie des Hochmittelalters ist in vielen Urkunden belegt und war Bestandteil überregionaler Abkommen: So verlieh König Conrad II im Jahre 1028 Schürfrechte an den Bischof von Basel (Trenkle 1870; Vetter 1968). Der Schwarzwald mit seinen Ressourcen wurde so Gegenstand geplanter Bewirtschaftung, Erkundung, Besiedlung und Ausbeutung. Das Minengewerbe erzeugte einen großen Bedarf an Holz – für die Herstellung von Holzkohle, die Befeuerung der Schmieden, als Grubenholz, zur Herstellung von Asche als Flussmittel, für Werkholz, Sprengholz und als Bauholz für die immer dichtere Besiedlung (Stoll 1948). Zentren des Bergbaus waren das obere Münstertal, das obere Wiesental von Todtnau bis Fahl, Todtnauberg und Hofsgrund, meist wurde im Tagebau oder in kleinen unterirdischen Schächten geschürft (Ludemann u. Nelle 2002). Die Silberfunde beschleunigten die Besiedlung des Schwarzwaldes enorm. Um 1390 übernahm das Haus Habsburg die Herrschaft in weiten Teilen des Breisgaus und damit fielen einige Bergwerke unter österreichisches Bergregal. Zur Verstärkung der örtlichen Arbeitskräfte wurden Siedler aus Österreich in den Schwarzwald gesandt und mit Privilegien ausgestattet. Die Holznutzung hinterließ Spuren: 1464 wurde vom Abt Christoph zu St. Blasien eine Waldordnung erlassen, die den Zweck hatte, „Waldverwüstungen“ entgegen zu wirken. Diese bestanden jedoch nicht in Holzmangel, sondern einer verschlechterten Zugänglichkeit: Man ließ beim Abholzen der Bäume lange Strünke stehen und das Reisig wurde im Wald gelassen, so dass die Wälder von einer Art lebendiger Mauer umgeben waren. Die „Unwirtlichkeit“ der Wälder nahm zu und die Arbeit darin wurde immer mehr erschwert. Die Waldordnung sollte dem entgegen wirken

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A. Reinbolz und T. Ludemann

(Trenkle 1870). Mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts nahm der Silberabbau ab und kam im 30jährigen Krieg (1618-1648) vollständig zum erliegen. Spätere Versuche einer Wiederbelebung scheiterten (Brückner 1970). Statt Silber kam aber der Eisenverhüttung immer größere Bedeutung zu. Zwar lagen die meisten Hüttenwerke am Hochrhein und gründeten dort auch 1494 den Hammerschmiedebund. Erz und Holz als Energiequelle kamen jedoch aus dem Schwarzwald. So verlagerte sich die Nutzung des Schwarzwaldes weg von der direkten Metallgewinnung auf die Nutzung des Rohstoffs Holz. Das Eisenwerk Eberfingen an der Wutach verbrauchte bis zu 10.000 Tonnen Holz pro Jahr (Brückner 1970; Hoggenmüller u. Hug 1987). Das Holz wurde den Eisenwerken zugeflößt. Der entscheidende Grund für den Rückgang der Eisenwerke war die Energiekrise seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Holz aus dem Schwarzwald wurde knapper und teurer und konnte bald nicht mehr in der geforderten Menge geliefert werden. Die Zahl der im Bergbau und in der Eisenverhüttung Beschäftigten dürfte im Südschwarzwald um die Mitte des 18. Jahrhunderts an die 1000 Personen betragen haben. Holz aus dem Schwarzwald wurde nicht nur zu den Hüttenwerken geflößt: Die Städte Freiburg und Basel deckten ab dem 13. Jahrhundert große Teile ihres Brennholzbedarfs mit geflößtem Holz (Hausrath 1938), die Blütezeit reichte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Die Flüsse Dreisam und Wiese wurden den Bedürfnissen der Flößer entsprechend ausgebaut. Dementsprechend wurden vor allem die Wälder im Einzugsgebiet dieser Flüsse eingeschlagen und waren Mitte des 18. Jahrhunderts vollständig erschöpft (Brückner 1970; Drescher 1972). In abgelegenen Gebieten ohne direkten Zugang zu Flüssen wurde das Holz anders verwendet: Durch Verkohlen wurde die Energiedichte des Holzes vergrößert und die Kohle dann auf Saumpfaden und Wegen zu den Städten und Eisenwerken transportiert (Ludemann 1996; Ludemann u. Britsch 1997; Ludemann u. Nelle 2002). Die Köhlerei verlor im Laufe des 19. Jahrhunderts sehr stark an Bedeutung und wurde auch in vielen Forstordnungen mit Blick auf die Produktion von Bauholz verboten (Christiani 1894). Neben Flößerei und Köhlerei war die Glasmacherei das dritte holzverzehrende Gewerbe des Südschwarzwaldes – dabei wurde das Holz vor allem zur Gewinnung von Pottasche verbrannt. Brückner (1970) berichtet von frühen Glashütten im Jahr 1257, die ersten am Feldberg datieren auf das Jahr 1579. Üblicherweise war die Waldnutzung für die Glashütten in Verträgen mit dem Grundherrn streng geregelt. So musste der Glasbläser von Blasiwald alle Glaswaren an das Kloster St. Blasien verkaufen, durfte nur eingeschränkt Gäste beherbergen und war zudem zu Fronarbeit verpflichtet (Morath 1972). Waren die Vorräte erschöpft, wurde die Glashütte verlegt. Die Gemarkung Blasiwald wurde auf diese Art zwischen 1579 und 1716 komplett abgenutzt (Stoll 1948; Brückner 1980; Steinert 1983). Die Zeit der Glashütten endete Mitte des 18. Jahrhunderts (Hausrath 1938). Die holzverzehrenden Gewerbe der frühen Neuzeit hinterließen zum einen große aufgelichtete Waldflächen, zum anderen aber auch eine große Bevölkerung in wirtschaftlich schweren Zeiten. So gewann die Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung. Schon die ersten Siedler des Schwarzwaldes betrieben Weidewirt-

5.2 Untersuchungsgebiet und Projektdesign

95

schaft und im 12. Jahrhundert wurden die ersten Meiereien im Bernauer Tal gegründet (Brückner 1970). Im 18. und 19. Jahrhundert erreichte die Weidewirtschaft ihren Höhepunkt. Die Bestandesdichten wuchsen derart an, dass vielfach die Übernutzung der Weiden zu einem existenziellen Problem wurde (Badisches Ministerium des Innern 1889; Reif et al. 1996). Eine Möglichkeit, dem Flächenmangel zu entgehen, war die Reutbergwirtschaft, eine Brandwechselwirtschaft mit einer Waldphase, einer Ackerbauphase mit Gerste oder Kartoffeln und einer Weidephase (Wilmanns et al. 1979). Holz aus den Wäldern war Baustoff und Brennstoff, aber auch Werkholz (Schneflerei). Eschenzweige wurden als Laubfutter und Einstreu verwendet (Schneitelwirtschaft, Hausrath 1938, Ludemann 1992). Vor allem die Randbereiche der Wälder wurden intensiv beweidet, häufig auch mit Ziegen. Diese Praxis wurde 1833 mit dem Badischen Forstgesetz verboten, das die Trennung von Wald und Weide vorschrieb (Schwabe u. Kratochwil 1987). Zum Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich das Bild erneut: Die Industrialisierung hielt Einzug in die Täler des Schwarzwaldes, die sich dank der verfügbaren Wasserkraft gut für Fabriken eigneten. Programme zu Verbesserung der Weiden wurden noch im 20. Jahrhundert durchgeführt; jedoch nahmen spontane Wiederbewaldungen und Aufforstungen zunehmend größere Flächen ein (Badisches Ministerium des Innern 1889). Allmendweiden wurden in vielen Teilen des Südschwarzwaldes privatisiert (Kersting u. Ludemann 1991). In der heutigen postindustriellen Zeit hat der Tourismus die Holzgewinnung und die Landwirtschaft als Einkommensquelle ergänzt, teilweise völlig abgelöst. Landschaft dient vor allem der Erholung und dem Tourismus. Tabelle 5.2: Die Waldnutzung des Südschwarzwaldes in vier Phasen charakteristischer Nutzungsformen. 800 Phasen Besiedlung Silberbergbau Eisenbergbau Flößerei Glasmacherei Köhlerei Landwirtschaft Industrie Tourismus

900

1000

1100 1.

1200

1300

1400

1500 2.

1600

1700

1800 3.

1900

2000 4.

Stark vereinfacht kann man die Waldnutzungsgeschichte des Schwarzwaldes in vier Phasen einteilen (Tabelle 5.2). Die Nutzung in frühgeschichtlicher Zeit bis hin ins Hochmittelalter wird dabei vernachlässigt, weil die unsichere Datenlage derzeit keine Aussagen über flächig wirksame Einflüsse zulässt. Die erste Phase der Nutzungen galt der Silbergewinnung und begann rund 1000 n. Chr. Sie ging mit der systematischen Besiedlung des Südschwarzwaldes einher. Der Silberabbau endete im 15. Jahrhundert. In der zweiten Phase stand die Nutzung des Holzes als Rohstoff im Mittelpunkt mit Brennholzexporten nach Basel und Freiburg. Abge

96

T. Ludemann

legene Gebiete wurden von Köhlern und Glasbläsern genutzt. Diese Phase endete im späten 18. Jahrhundert. Ackerbau und vor allem die Viehhaltung übernahmen die freien Flächen und erreichten im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt (Phase 3). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde auch diese Einkommensquelle zunehmend von der Industrialisierung abgelöst. Heute prosperieren Tourismus und Erholungswirtschaft als zunehmend wichtige Einkommensquelle.

5.3 Projekte

5.3.1 Natürliche Baumartenzusammensetzung – Standortswald T. Ludemann

Die Herleitung der Standortswälder ist ein wesentlicher Bestandteil beim südwestdeutschen Verfahren der forstlichen Standortsaufnahme. Mit dem Standortswald werden die Haupt-, Neben- und Pionierbaumarten des potenziellen natürlichen Waldes einer Standortseinheit der forstlichen Standortskartierung benannt (Michiels 1998). Der Standortswald gibt somit grundlegende Hinweise auf die standortsbedingten Entwicklungsmöglichkeiten der heutigen Waldbestände und stellt eine wesentliche Orientierung für Zielsetzungen und Maßnahmen im naturnahen Waldbau dar. Auch im Rahmen des „ökologischen Waldumbaus“ sind die standortsspezifischen Wuchspotenziale sowie die natürliche Verbreitung und Konkurrenzkraft der Baumarten zu berücksichtigen. Grundlage für die Rekonstruktion der natürlichen, standortsspezifischen Bestockung und für die Herleitung des Standortswaldes sind einerseits wald- und forstgeschichtliche Forschungsergebnisse, andererseits die aktuellen vegetationsund standortskundlichen Gegebenheiten. Neben pollenanalytischen Ergebnissen und alten Schriftquellen liefern insbesondere großrestanalytische Untersuchungen Hinweise zu dieser Thematik. Bei der Großrestanalyse spielt die Holzkohleanalyse eine wichtige Rolle. Holz bleibt nämlich unter den bei uns vorherrschenden Bodenbedingungen nur in verkohltem Zustand über längere Zeit erhalten. Durch den Verkohlungsprozess werden die wesentlichen holzanatomischen Merkmale konserviert, so dass auch nach Jahrhunderten noch festgestellt werden kann, von welchen Baumgattungen und von wie starkem Holz die Holzkohle stammt. Das Projektgebiet des Forschungsverbundes „Südlicher Schwarzwald“ bot sich in hervorragender Weise für systematische holzkohleanalytische Studien an, denn dort sind heute noch Hunderte von alten Meilerplätzen mit ihren holzkohlereichen Bodenschichten vorhanden. In diesen wertvollen „Geländearchiven“ sind zum einen historische Waldnutzungen und damit anthropogene Einflüsse in den Wäldern detailliert

5.3 Projekte

97

dokumentiert; zum anderen sind Eigenschaften der historischen Waldbestände festgehalten. Unterschiede der Holznutzungen, die anhand der Rückstände festgestellt werden, können auf lokale Bestockungsunterschiede innerhalb der historischen Wälder zurückzuführen sein, diese wiederum auf die verschiedenen Standortsverhältnisse in der Umgebung der Fundplätze. Unter Einbeziehung von vegetations- und standortskundlichen Untersuchungen sollten unsere Kenntnisse über die natürlichen Bestockungsverhältnisse auf den verschiedenen Standorten des Projektgebietes durch die holzkohleanalytischen Befunde erweitert und präzisiert werden. Die erzielten Ergebnisse können bei der Erarbeitung von standörtlich fundierten Zielvorgaben für den ökologischen Waldumbau und bei der Bewertung der Natürlichkeit der Waldbestände einfließen. 5.3.1.1 Versuchsflächen, Material, Methodik Ausgewertet wurden Ergebnisse von 181 Versuchsflächen an nachmittelalterlichen Meilerplätzen. Die Versuchsflächen verteilen sich weiträumig über das Projektgebiet des Forschungsverbundes (Abbildung 5.1). An den Meilerplätzen wurden repräsentative Holzkohleproben genommen und der holzanatomischen Analyse unterzogen. Es handelt sich dabei um Rückstände der Holzkohleherstellung in stehenden Rundmeilern, die vor allem im 17. und 18. Jahrhundert durchgeführt wurde. Eine detaillierte Beschreibung der Probenahme geben Ludemann (1996: 94f), Ludemann u. Britsch (1997: 493) und Ludemann u. Nelle (2002: 35). Zudem wurden im Gelände Merkmale der Fundplätze (Größe, Form, Erhaltungszustand) sowie Standortseigenschaften ihrer Umgebung (Meereshöhe, Hangneigung, Exposition, topographische Lage) erfasst. Die holzkohleanalytischen Bestimmungsarbeiten folgten Schweingruber (1990). Im Umkreis der Meilerplätze wurde die aktuelle Waldvegetation - Baumartenzusammensetzung und Waldgesellschaften - pflanzensoziologisch erfasst (BraunBlanquet 1964, Dierschke 1994, Wilmanns 1998), unter Verwendung der Klassifikation und des Kartierschemas von Ludemann (1994). Die Wuchsbedingungen und Standortsverhältnisse wurden aus der forstlichen Standortskarte (FVA) für dieselben Versuchsflächen ermittelt. Die erzielten vegetations- und standortskundlichen Ergebnisse sind in Kapitel 5.2.1 skizziert. 5.3.1.2 Holzkohleanalytisches Ergebnis und Auswertung Von den 181 Fundplätzen wurden im Ganzen 18.798 Holzkohlestücke analysiert. In diesem Material spiegeln sich sowohl im Nutzungsspektrum als auch in den Mengenanteilen natürliche Verhältnisse: Nachgewiesen wurden alle von Natur aus zu erwartende Baumgattungen: Buche (Fagus), Tanne (Abies), Fichte (Picea), Kiefer (Pinus), Ahorn (Acer), Vogelbeere und andere Kernobstgewächse (Sorbus, Pomoideae), Erle (Alnus), Birke (Betula), Weide (Salix), Pappel (Populus), Eiche (Quercus), Hasel (Corylus), Eibe (Taxus), Kirsche (Prunus) und Linde (Tilia); nur Esche (Fraxinus) fehlt im Fundgut. Am häufigsten zu finden waren die dominierenden Elemente der Klimaxvegetation Fagus, Abies und Picea,

98

T. Ludemann

die zusammen einen Anteil von 97 % erzielen, bei einem Verhältnis von etwa 2:1:1. Die vierte Position wird von Pinus mit 2 % eingenommen. Holz der anderen genannten Taxa wurde zwar ebenfalls verwendet, war aber mengenmäßig unbedeutend. Wuchsbezirk

n %

3/10

3/11

3/13

5/01+5/03

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 SH

WH

E

SH

WH

E

sE

SH

WH

E

sE

MB

RQ

SH

WH

(s)E

x

7

14

24

4

11

7

8

7

16

16

28

4

4

6

9

7

9

n

900

1400 2440

400

1100

700

800

700

1600 1593 2928

423

385

683

898

857

991

H

1011

983

1009

891

847

957

1009

949

930

945

999

986

896

813

789

1001

883

G

18

19

12

17

19

10

9

15

17

8

8

2

26

23

22

6

6

Eh

Pinus

Picea

Abies

Fagus

Acer

Pioniere

BM

Sonstige

Abbildung 5.3: Genutztes Kohlholz (Stückzahl-%) und Waldstandorte (Eh). Eh Gruppen der Standortseinheiten: BM/MB Buntsandsteinverwitterung, Moore, Missen; E ebene Lagen. RQ Rinnen/Quellen; sE saure ebene Lagen; SH Sommerhänge; WH Winterhänge; x Anzahl Fundplätze und Probeflächen; n Anzahl Holzkohleanalysen; H Höhe m ü. NN; G mittlere Hangneigung in Grad. Unter „Pioniere“ sind die Anteile von Birke, Weide, Hasel, Pappel und Eberesche zusammengefasst.

Die einzelnen Meilerplätze weisen erhebliche Unterschiede in den Mengenverhältnissen der verwendeten Hölzer auf. Die Klimaxarten kommen in allen denkbaren Kombinationen und Anteilen vor. Aus dem Vorkommen in den Holzkohleproben lassen sich regelmäßige räumliche Verbreitungsmuster der Arten ableiten. Diese lassen sich - sowohl auf regionaler Ebene, beim Vergleich der verschiedenen Wuchsbezirke als auch bei der Betrachtung der lokalen Verhältnisse - vielfach gut mit natürlichen Standortsunterschieden an den entsprechenden Meilerplätze erklären. Im Hinblick auf die verschiedenen Wuchsbedingungen innerhalb des Projektgebiets (vgl. Wuchsbezirke und Standortsgruppen, Kapitel 5.2.1) ergeben sich die folgenden Grundzüge (Abbildung 5.3): Für den südwestlichen Teil (Wuchsbezirk 3/10) ließen sich in den Holzkohleproben weit überwiegend Tanne und vor allem Buche sowie sehr wenig Ahorn

5.3 Projekte

99

und Fichte nachweisen. Auch im mittleren Abschnitt (Wuchsbezirke 3/11 und 3/13) herrscht Fagus vor; zusätzlich spielen hier aber Abies und Picea eine wichtige Rolle als subdominante Taxa. Die östlichen Wuchsbezirke (5/01, 5/03) sind durch vorherrschende Nadelbaum-Holzkohle von Fichte, Tanne und Kiefer gekennzeichnet, während Buche hier den geringsten Anteil erreicht. Besonders reich an Fichten-Holzkohle sind Proben aus der Umgebung von Mooren und Sümpfen sowie von Bundsandsteinböden. Dies sind die nährstoffärmsten und sauersten Standorte des Projektgebietes. Zudem erreicht die Kiefer in diesen Einheiten ihre höchsten Werte. Standortseinheiten, für die unter natürlichen Bedingungen ein höherer Anteil an Laubholz zu erwarten ist, wie nährstoffreiche Böden mit guter Wasserversorgung und Hanglagen, insbesondere südexponierte, sind vielfach auch holzkohleanalytisch durch einen höheren Anteil von Fagus oder durch weniger Holzkohle von Nadelbäumen, speziell von Picea, gekennzeichnet. 5.3.1.3 Schlussfolgerung Aus den holzkohleanalytischen Befunden können wir für den westlichen und zentralen Teil des Projektgebietes ableiten, dass die Buche dort von Natur aus vorherrscht und Mischwälder zusammen mit Abies im Westteil (3/10) und zusammen mit Abies und Picea im zentralen Teil (3/11, 3/13) bildet. Dieser Befund stimmt gut mit den Erwartungen der Vegetations- und Standortskunde zu den natürlichen Bestockungsverhältnissen überein. Natürliche Nadelwaldgesellschaften oder zumindest ein hoher natürlicher Anteil von Nadelbäumen sind sowohl unter den allgemeinen klimatischen und edaphischen Gegebenheiten des danubischen Ostteils des Untersuchungsgebiets zu erwarten (5/01, 5/03) als auch an kühlfeuchten, sauren Standorten in Geländemulden. Die Holzkohleproben derartiger Standorte sind auch in entsprechender Weise charakterisiert und bestätigen damit die standortskundliche Einschätzung der Baumarteneignung. Für die östlichen Tannenwaldgebiete mit Vaccinio- und Galio-Abietetum lässt sich eine natürliche Baumartenkombination mit jeweils zur Hälfte Abies und Picea ableiten, bei Subdominanz von Fagus an steileren Hängen von Taleinschnitten. Die wichtigsten Gründe für die in den Holzkohleproben gefundenen Unterschiede der Artenkombination sind demnach, das Zusammenspiel von natürlichen Standortsbedingungen, Standortsansprüchen der Baumarten und Konkurrenzverhältnissen, aber auch von Einwanderungsgeschichte, Besiedlungs- und Populationsprozessen. Die Tatsache, dass die Holzkohleproben die Standortsbedingungen in den generellen Zügen und in vielen Details widerspiegeln, spricht zugleich gegen Selektion, Ferntransport und Walddegradation. Die nachgewiesenen standortsspezifischen Muster wären nämlich verwischt worden, wenn derartige Aktivitäten oder Prozesse stattgefunden hätten. Andere mögliche Indizien für die gezielte Auswahl bestimmter Baumarten, für die Degradation des Waldes, für Holzmangel oder für die Einfuhr von Holz oder Holzkohle in das Untersuchungsgebiet konnten nicht gefunden werden: Pionierarten treten nur selten auf, Klimaxarten herrschen

100

A. Reinbolz

fast immer vor und es wurden keine Arten oder Mengenverhältnisse gefunden, die nicht in der Nähe der untersuchten Fundplätze hätten gewachsen sein können. Es bestand offensichtlich eine ausgeprägte Abhängigkeit der Holznutzung vom lokalen natürlichen Angebot: Das natürliche Holzangebot, die vollständige Nutzung abgelegener Wälder und die eingeschränkten Möglichkeiten des Holztransportes waren wesentliche Kriteren für die Kohlholznutzung im Untersuchungsgebiet. Die Abhängigkeit der Holznutzung vom natürlichen Angebot und die große Anzahl und weite Verbreitung historischer Fundplätze mit analysierbarer Holzkohle bieten somit eine einzigartige Möglichkeit, um standortsbezogene Informationen zur früheren Waldvegetation und zur natürlichen Häufigkeit und Verbreitung der Baumarten zu erlangen. Die Synthese weiterer vorliegender (Ludemann 1996, 2001, 2002, 2003, Ludemann u. Britsch 1997, Ludemann u. Nelle 2002) oder noch durchzuführender Untersuchungen unter standortskundlichen Gesichtspunkten kann entsprechende Aussagen für große Waldgebiete Baden-Württembergs liefern. 5.3.2 Wald als Kulturlandschaft A. Reinbolz

5.3.2.1 Forschungsziel Während die naturschutzfachliche und kulturhistorische Bedeutung der Schwarzwaldweiden gut dokumentiert ist (Bogenrieder 1980; Liehl u. Sick 1980; Schwabe u. Kratochwil 1987; Bogenrieder u. Wilmanns 1991; Kersting 1991), wurde der vielfältige Einfluss der Jahrhunderte dauernden Bewirtschaftung auf den Wald und wurden die daraus folgenden Chancen für die heutige Nutzung bislang nur wenig untersucht (z.B. Wilmanns 1995). Trotzdem muss man eine bewegte Nutzungsgeschichte auch des heute bewaldeten Anteils des Schwarzwaldes vermuten (Überblick z.B. bei Brückner 1980, vgl. auch Abschnitt 2.3). Schon bei oberflächlicher Betrachtung lässt sich dieser anthropogene Einfluss heute noch in vielen landschaftsprägenden Merkmalen wie der Verteilung von Wald und Offenland oder am Aufbau der Waldränder beobachten. Die Hypothese legt nahe, dass die Nutzungsgeschichte großen Anteil an der hohen Struktur-, Arten- und Landschaftsdiversität des Südschwarzwaldes hat, besonders auch auf den heute wiederbewaldeten Flächen ehemaliger Weide- und Ackerflächen. Im Teilprojekt „Wald als Kulturlandschaft“ wurde untersucht, welchen Nutzungsbedingungen die Wälder des Südschwarzwaldes in ihrer Geschichte unterlagen und wie diese heute noch in Kleinstrukturen, Bestandesstrukturen und im Nutzungsmosaik die Landschaft prägen. Zur Beantwortung dieser Frage war es notwendig, historische Referenzzustände der Landschaft zu rekonstruieren und insbesondere die Dynamik von Wald und Offenland zu verstehen (Reinbolz et al. 2003). Diese Referenzzustände können dann Grundlage für die Planung von

5.3 Projekte

101

Entwicklungszielen sein (Swetnam et al. 1999). Der „ökologische Waldumbau“ kann als Prozess zu solch einem Entwicklungsziel führen, für das im Verbund mit den Ergebnissen anderer Disziplinen auch die Ergebnisse der historischen Landschaftsanalyse berücksichtigt werden sollten. 5.3.2.2 Methoden der Landschaftsanalyse Die Analyse kulturell beeinflusster Landschaften erfordert eine Kombination verschiedener Methoden, um deren zeitliche und räumliche Vielschichtigkeit erfassen zu können (Kienast 1993; Konold 1996). Das gilt besonders für den Wald als Untersuchungsgegenstand, da hier die Schwächen sowohl der Schriftquellen (Archivalien, Karten, Luftbilder) als auch der Sachquellen (im Feld erhobene Daten) besonders deutlich hervortreten (Reinbolz et al. 2003): Problem der Analyse von Schriftquellen ist die meist geringe räumliche Auflösung. Dies ist im Wald von besonderer Bedeutung, da sich ehemalige Nutzungsgrenzen schlecht nachvollziehen lassen. Zudem sind viele historische Informationen von den subjektiven Einschätzungen der Autoren beeinflusst. Beispiele dafür sind die Definition eines Waldes oder Aussagen über die Qualität einer Weide. Über die Kontinuität der Bewaldung und zwischenzeitliche Auflichtungen geben historische Quellen daher selten genaue Auskunft. Dies ändert sich erst im 18. Jahrhundert, als Inventuren üblich wurden. Die Kartografie erreichte im selben Zeitraum ebenfalls ein hohes Maß an geometrischer Genauigkeit, so dass historische Quellen von diesem Zeitraum an als zuverlässig gelten können. Verringern lässt sich die geometrische Unschärfe schriftlicher Quellen anhand gezielter Kartierungen des historischen Formenschatzes, beispielsweise von Steinmäuerchen, Heckenreihen oder im Wald eingeschlossenen ehemaligen „Weidbuchen“. Die Aussagekraft der Feldmethoden hängt im Wesentlichen von der Lebensdauer der Relikte ab. Besonders in geschlossenen Wäldern nimmt die Überlebenswahrscheinlichkeit biotischer Relikte schnell ab, dementsprechend ist bei Kartierungen im Wald vor allem der abiotische Teil der Relikte von Bedeutung. Die Landschaftsanalyse dieser Untersuchung erfolgte in drei Schritten: Zuerst wurde die Nutzungsgeschichte des Südschwarzwaldes vom Beginn der Besiedlung mit historischen Methoden erforscht und dokumentiert. Im zweiten Schritt wurden diese Informationen dann mit rezent vorhandenen Strukturen korreliert. Nutzungskartierungen auf der Basis von Luftbilddaten und Geländebegehungen repräsentierten diesen aktuellen Zustand, der sich mit historischem Karten- und Luftbildmaterial vergleichen ließ. Der Fokus lag dabei exemplarisch auf den drei Gemarkungen Blasiwald, Gersbach und Fröhnd. In einem dritten Schritt wurden dann die besonders landschaftsprägenden Elemente und deren Zusammenhang detaillierter untersucht. 5.3.2.3 Ergebnisse Als Ergebnis der historischen Untersuchungen lässt sich eine phasenweise Nutzung des Untersuchungsgebietes erkennen, die sich auch rezent in zuorden-

102

A. Reinbolz

baren Landschaftselementen widerspiegelt (vgl. auch Abschnitt 2.3). Jede Phase umfasst dabei ihre eigenen Nutzungscharakteristika mit dem entsprechenden typischen Einfluss auf Landschaft und Vegetation. Die Relikte verschiedener Phasen überlagern sich dabei und bilden so die Nutzungsgeschichte ab (Wilmanns 1995). Vergleichende Darstellungen verschiedener historischer Zustände machen die Dynamik der Landschaftsveränderung deutlich: Während 1896 auf der Gemarkung Blasiwald (980-1204 m ü. NN.) noch 23 % der Fläche von Wald bestanden waren und 48% der Fläche als Weideland genutzt wurden, sind heute (Stand: 1996) 57% der Gesamtfläche mit Wald bestockt. Historische Walddefinitionen umfassen dabei auch erheblich aufgelichtete Bestände (Reinbolz u. Ludemann 2001), die heute eher als Wald-Weide-Ökoton und nicht als Wald kartiert werden. Regelmäßiger Ackerbau findet in Blasiwald überhaupt nicht mehr statt (1896: 12 %). Der Anteil der Weideflächen beträgt nur noch 28 %. Von diesen ist jedoch ein Großteil (19 % der Gesamtfläche) zumindest verhurstet (mit jungen Gehölzen bestanden), teilweise sogar mit einer Überschirmung von bis zu 80 % mit Bäumen bestanden. Auf Landschaftsniveau lässt sich also für diese Gemarkung ein starker Trend zur Wiederbewaldung feststellen. Gleiches gilt für die Gemarkungen Fröhnd und Gersbach, obwohl dort große Flächen als Allmende von Weide (Fröhnd) und Wald (Gersbach) bewirtschaftet werden. Dies ist im Licht der Fragestellung des Projektverbundes besonders interessant, führen die kulturlandschaftlichen Veränderungen des Waldes doch zu erheblichen Konsequenzen für den Bewirtschaftungsaufwand, den Mengenanfall an Nutzholz und das Sortiment. Die Befragung der Nutzer lässt erkennen, dass dieser Entwicklungstrend jedoch nicht eine Ursache allein hat. Zwar klagen viele Landwirte über fehlende Perspektiven und planen eine Verkleinerung oder gar Aufgabe des Betriebs, andere jedoch geben an, zusätzliche Flächen erwerben zu wollen. Statt eines Trends zur Flächenstillegung lässt sich stattdessen eine Konzentration beobachten. Insgesamt wurde zudem eine deutliche Abhängigkeit vieler Landwirte von Landschaftsnutzungen wie dem Tourismus deutlich. Im Wald selbst lassen sich besonders die Spuren der intensiven Weidenutzung des vergangenen Jahrhunderts an deutlichen Veränderungen erkennen. Begrenzungsmauern, Haselhecken, Lesesteinhaufen und Bewässerungssysteme bilden deutlich das Nutzungssystem aus „Wildem Feld“ (der Allmende) und „Zahmem Feld“ (dem privaten Schnittgrünland) ab. Die Relikte stehen dabei nicht für sich selbst, sondern bilden in ihrer Anordnung Komplexe, deren funktioneller Zusammenhang für die Interpretation, aber auch für die Erlebbarkeit historischer Landschaftselemente von großer Bedeutung ist (Hildebrandt et al. 1994; Konold 1996). Auf der Gemarkung Fröhnd wurde am Künabach ein solches Arrangement aus Relikten erfasst und rekonstruiert (Abbildung 5.4). Zentraler Bestandteil sind hier die Steinmauern, die meist aus aufgeschichteten Lesesteinen von etwa 60 bis 100 cm Höhe bestehen. Die Mauern sind meist von Haselbüschen, Eschen und Ahorn bestockt und hatten mehrere Funktionen: Als Begrenzungsmauern trennten sie unterschiedlichen Nutzungen wie Schnittgrünland und Weidfeld ab und markierten Besitzgrenzen. Die Haselbüsche dienten dabei als zusätzliche Barriere für das Vieh, wurden aber häufig auch als Holzquelle genutzt. Zweite Funktion der

5.3 Projekte

103

Mauern war die Befestigung von Bewässerungsgräben, die als System vor allem im Schnittgrünland hangparallel mit einem Abstand von etwa 20 m angelegt wurden. Besonders die Zuführungsgräben benötigten die Verstärkung durch Mauern, die Wurzeln der Haselbüsche festigten die Anlage zusätzlich. Während das „Zahme Feld“, also das Schnittgrünland, sorgfältig von Steinen und Gehölzen gereinigt wurde, ist das „Wilde Feld“ deutlich strukturreicher. Hier prägen Weidbuchen das Bild. Ein Großteil der beschriebenen Strukturen liegt heute im Wald. Besonders die biotischen Elemente sind damit stark von Ausdunklung bedroht oder bereits zerstört. Was bedeutet die Nutzungsgeschichte für den „Ökologischen Waldumbau“? Zukunftsorientierte Entwicklung von Waldflächen sollte im gesamtlandschaftlichen Kontext angegangen werden und die Betrachtung von Geschichte, Nutzungszusammenhängen und horizontaler Verteilung verschiedener Landschaftselemente beinhalten (vgl. auch Swetnam et al. 1999). Dieser Kontext bildet die Identität einer Landschaft und damit auch eine zentrale Einnahmequelle der Tourismusindustrie. Wird der ökologische Waldumbau ausschließlich an den Kriterien Naturnähe und optimaler Holzproduktion gemessen, dann droht durch den Umbau im Zusammenhang mit der fortschreitenden Aufgabe von Nutzungen eine Vereinheitlichung der Waldflächen im Südschwarzwald. Dies führt zu einer biologischen und strukturellen Verarmung und zum Verlust identitätsbildender Elemente des Südschwarzwaldes. Die Alternative ist eine eng auf den Standort und den bisherigen Nutzungskontext bezogene Planung. Dabei sollen traditionelle Nutzungen im Sinne einer Diversifizierung gefördert werden. Dazu ist besonders die Integration verschiedener extensiver Nutzungen auf einer Fläche geeignet. Außerdem erscheint die Gemeinschaftsnutzung von Flächen als Allmende o.ä. als geeignete Organisationsform, um einer drohenden Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung zu begegnen. Zusätzliche waldbauliche Maßnahmen wie die Auflichtung einzelner Bestände können die Erhaltung von Nutzungsrelikten fördern.

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A. Reinbolz

Abbildung 5.4: Im 19. Jahrhundert war das Künabachtal in Fröhnd (Südschwarzwald) von einem dichten Netz von Mauern, Hecken und Bewässerungskanälen überzogen. Diese Elemente sind heute noch in teilweise gutem Erhaltungszustand nachweisbar, jedoch häufig von Wald überschirmt. Teilweise ist dieser Wald selbst wieder Relikt einer historischen Nutzung (z.B. ein Hasel-Niederwald), in weiten Teilen besteht er jedoch aus gleichaltrigen Fichtenaufforstungen (Aufnahme und Zeichnung: A. Yasui).

5.3 Projekte

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5.3.3 Auswirkungen des Waldumbaus auf die Verjüngungsstruktur J. Kretschmer

5.3.3.1 Ziele, Annahmen Der langfristige Erfolg von Waldumbaumaßnahmen zur Förderung von divers aufgebauten Beständen hängt stark von der Verjüngung bzw. von dem Nach- und Einwuchs in die oberen Bestandesschichten ab, der einen dauerhaften heterogenen Bestandesaufbau gewährleistet. Nicht nur die Anzahl der Verjüngung auf der Fläche ist für die Erhaltung heterogener Strukturen von Bedeutung, sondern vor allem deren räumliche Verteilung. Um die Veränderungen der Anzahl und räumlichen Verteilung der Verjüngung im Verlauf des Umbauprozesses bewerten zu können, ist es notwendig, sie in Beziehung zum Ausgangsbestand zu setzen. Ziel des Teilprojektes war daher die Analyse der Veränderung der Bestandesstruktur im Verlauf des Umbauprozesses und der durch die Umbaumaßnahmen anthropogen direkt beeinflussten Bestandesteile. Darüber hinaus sollten die indirekten Auswirkungen des Waldumbaus auf die Zusammensetzung, Anzahl und räumliche Struktur des Nachwuchses quantifiziert werden. Unter Bestandesstruktur wird allgemein die Verteilung und funktionale Beziehung von Bäumen mit ihren Attributen im Bestandesraum verstanden, womit die Interaktionen zwischen den Bestandesgliedern eingeschlossen werden. Demnach ist die Struktur von Waldbeständen stets das Ergebnis strukturbildender Prozesse, wobei davon ausgegangen wird, dass sie sich in unterschiedlicher Weise in den verschiedenen Phasen des Waldumbaus auf die Verjüngung und in deren Artenund struktureller Zusammensetzung ausgewirkt haben, was im Folgenden zu prüfen ist. 5.3.3.2 Untersuchungsgebiet und Methoden Die Untersuchungen zur räumlichen Verteilung der Verjüngung in verschiedenen Umbauphasen wurde gemäß des Projektdesigns aus Abschnitt 5.2.2 (Abbildung 5.2) anhand drei exemplarischer Umbausequenzen in den Forstbezirken Todtmoos, St. Blasien und Schluchsee durchgeführt. Zur Aufnahme der Baumparameter wurden quadratische Probeflächen mit Seitenlängen von 70 m installiert. Diese 3x3 Probeflächen wurden jeweils wieder in 784 quadratische Teilflächen mit einer Seitenlänge von 2,5 m unterteilt, in denen die Verjüngung aufgenommen wurde. Zugunsten einer höheren Auflösung wurde die Kluppschwelle für Bäume von den sonst üblichen 7 cm auf BHD 4 cm mit Rinde herabgesetzt. Auf Bestandesebene wurden die Bäume stammfußkartiert und es wurden die wichtigsten holzmesskundlichen Parameter wie Baumart, BHD, Höhe und Kronenansatz erhoben. Pro Teilfläche wurde die Verjüngungsanzahl nach Baumart und drei Höhenstufen („< 0,3 m“; „0,3-1,3 m“, „> 1,3 m“) bestimmt,

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J. Kretschmer

wobei Verjüngung gemäß der Kluppschwelle für Bäume ab einem BHD < 4 cm definiert wurde (vgl. Foede 2002). Die Umbaustadien sollten hinsichtlich ihres unterschiedlichen Ausgangszustandes in Bezug auf ihre Artenzusammensetzung, räumliche Verteilung und Struktur getrennt für die Bestandes- und Verjüngungsebene statistisch bewertet werden können, um so zwischen einem direkten und einem indirekten anthropogenen Einfluss unterscheiden zu können. Daher wurden auch bei der Analyse zwei verschiedene Betrachtungsebenen differenziert, die zunächst getrennt voneinander im Verlauf des Umbauprozesses untersucht wurden, um sie anschließend zueinander in Beziehung zu setzen. Ziel der Analyse ist dabei sowohl die Ermittlung des gesamten Bestandesaufbaus hinsichtlich der Baumartenzusammensetzung und deren räumliche Struktur als auch die Analyse der Veränderungen der Strukturen auf Verjüngungsebene im Verlauf des Umbauprozesses. 5.3.3.3 Ergebnisse Abbildung 5 5 zeigt die Veränderung der Grundflächenanteile der Hauptbaumarten im Verlauf des Umbauprozesses auf Bestandesebene. Während in den beiden frühen Umbau- und Überführungsstadien noch die Fichte mit 81 bzw. 53 % dominiert, sind die Grundflächenanteile im Dauerwaldstadium mit annähernd einem Drittel je Hauptbaumart nahezu ausgeglichen. Da es sich, wie oben beschrieben, um den anthropogen direkt beeinflussten Bestandesteil handelt, war diese Verschiebung innerhalb des Umbauprozesses erwartungs- und definitionsgemäß, bildet aber dennoch eine wichtige Grundlage für die Analyse der Beziehung zwischen Verjüngung und Ausgangsbestand. G [%] 1.0 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0.0

6 11

27

33

20

Buche

37

83

Tanne Fichte

53 30 Umbau

Überführung

Dauer

Umbauphase

Abbildung 5.5: Grundflächenanteile [%] der Hauptbaumarten auf Bestandesebene

Die Baumartenanteile der Verjüngungsschicht zeigen einen leicht modifizierten Verlauf wie die der Bestandesschicht (Abbildung 5.6). So dominiert zwar im Umbaustadium auch die Fichte (61 %), allerdings ist zusätzlich durch erste Auflichtungen ein 25 %-iger Anteil an sonstigen Laubbäumen, vor allem an Pioniergehölzen wie Eberesche und Birke, zu finden. Der in der Bestandesschicht erreichte ausgeglichene Zustand an Baumarten ist auf Verjüngungsebene bereits

5.3 Projekte

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im Überführungsstadium vorzufinden. Im Dauerwaldstadium ergibt sich dagegen ein deutliches Übergewicht an Buchenverjüngung mit einem Anteil von 60 %, also knapp zwei Drittel. Die in den beiden vorherigen Stadien noch zu hohen Anteilen von 25% und 15% beigemischten sonstigen Laubhölzer spielen im Dauerwald aufgrund des höheren Überschirmungsanteils mit 2% keine Rolle mehr. Anteil 1.0 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2

6

2

25 6 8

31 60 10

sLb Buche Tanne

62

53

15

Fichte

23

0.1 0.0 Umbau

Überführung

Dauerwald

Umbauphase

Abbildung 5.6: Baumartenanteile der Verjüngungsschicht

Die Korrelation zwischen den Baumartenanteilen des Baumbestandes mit denen der Verjüngung ergab für die drei Umbauphasen Korrelationskoeffizienten zwischen rp = 0,70 (Umbauphase) und 0,77 (Überführungsphase) einer mit 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit gesicherten Korrelation. Dies deutet auf einen positiven Zusammenhang, also einen Einfluss, zwischen der Baumartenkombination des Bestandes und der Verjüngung in allen Umbauphasen hin. Die Aufrissbilder aus Abbildung 5.7 zeigen exemplarisch den Aufbau einer Untersuchungsfläche des Forstbezirkes Schluchsee im Verlauf des Umbauprozesses. Dabei werden Unterschiede sowohl in der Baumartenzusammensetzung als auch in ihrer horizontalen und vertikalen Bestandesstruktur deutlich. Während im Umbaustadium noch ein einschichtiger Bestandesaufbau hauptsächlich aus Fichte charakteristisch ist, findet im Überführungsstadium eine trupp- bis horstweise Baumartenanreicherung, vor allem mit Buche, statt. Im Dauerwaldstadium ist zusätzlich zu einer verstärkt heterogenen einzelbaum- bis horstweisen Baumartenzusammensetzung ein mehrschichtiger Bestandesaufbau erkennbar.

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J. Kretschmer

Abbildung 5.7: Aufrissbilder der Umbauphasen des Forstbezirks Schluchsee; Umbau-, Überführungs- und Dauerwaldbestand1

Mit Hilfe geostatistischer Verfahren wurde eine Strukturanalyse auf Verjüngungsebene durchgeführt, die es ermöglicht, die horizontale Variabilität der Verjüngungsanzahl zu erfassen. Durch die Modellierung der räumlichen Autokorrelation der Verjüngungshäufigkeit mit Hilfe des Krigingverfahrens (Abbildung 5. 8) ist es möglich, die Veränderung der horizontalen Verjüngungsstruktur im Verlauf des Umbauprozesses auf ganzer Bestandesfläche darzustellen. Ziel dieses Verfahrens ist die Herleitung von Schätzwerten an Stellen, an denen keine Messungen vorliegen, unter Zurhilfenahme der vorliegenden Messwerte (vgl. Dutter 1985). „Vereinfacht ausgedrückt ist Kriging ein lokales Schätzverfahren mit gewichteter Mittelwertbildung“ (Hoffmann u. Mench 2001). Das abwechslungsreichste Krigingmuster zeigt sich im Überführungsstadium. Dies bedeutet, dass die Autokorrelation zwischen den Verjüngungshäufigkeiten schneller abnimmt und somit heterogenere Verjüngungsanzahlen im Vergleich zu den anderen beiden Phasen des Waldumbaus vorliegen. Dies lässt auf kleinflächig diversere Verjüngungssituationen schließen als im Umbau- und Dauerwaldstadium.

1

Mit WaldSim 3.0 © 1996-2000 by Pommerening u. Lewandowski 2000 erstellt.

5.3 Projekte

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Abbildung 5.8: Krigingmuster der Verjüngungsanzahl der Umbauphasen des Fbz. Schluchsee

Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Überschirmungs- und Verjüngungsdichte konnte jedoch nicht hergestellt werden. Extrapolierbarkeit Die vorgestellten Ergebnisse des Forstbezirkes Schluchsee stehen exemplarisch für die gesamten untersuchten Bestände. Es zeigt sich insgesamt der Trend, dass es trotz heterogeneren Bestandesstrukturen im Dauerwaldstadium zu einer kleinräumig diverseren Verjüngungsstruktur in dem vor allem in der vertikalen Struktur homogener aufgebauten Überführungsstadium kommt.

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S. Gärtner

5.3.4 Auswirkungen des Waldumbaus auf die Vegetation S. Gärtner

5.3.4.1 Ziele und methodologisches Vorgehen Der „ökologische“ Waldumbau ist ein gezielter waldbaulicher Transformationsprozess der Bestandesstruktur. Mit dem Waldumbau ändern sich die Baumartenzusammensetzung, die Ausfüllung des vertikalen Bestandesraumes und das horizontale Mosaik bewirtschaftungsbedingter Substrukturen innerhalb der forstwirtschaftlichen Behandlungseinheit. Das Ziel dieses Teilprojektes war es, die Veränderung der Vegetation zu analysieren und anhand der Kriterien alpha-Diversität und Naturnähe naturschutzfachlich zu bewerten. Zentral war die Frage nach dem Zusammenhang der beiden Aspekte der Vegetation – der anthropogen direkt beeinflussten Bestandesstruktur und der indirekt beeinflussten Bodenvegetation. Der indirekte Einfluss der Bewirtschaftung wird hier so verstanden, dass beispielsweise das Lichtangebot oder die Veränderung der Förna ein Resultat der Bestandesbehandlung ist. Überprüft werden musste weiterhin, inwieweit die standörtliche Variabilität zwischen den vier untersuchten Forstbezirken (Todtmoos, Schopfheim, St. Blasien und Schluchsee) die Beziehung zwischen Bestandesstruktur und Bodenvegetation überprägt. In den vier genannten Forstbezirken wurden jeweils die vier Stadien des Waldumbaus entsprechend dem unter Abschnitt 5.2.2 (Abbildung 5.2) dargestellten Aufnahmedesign mit insgesamt 80 Aufnahmen erfasst. Für die drei Komponenten des Waldökosystems - die Bestandesstruktur, der Standort und die Bodenvegetation - wurde die Ausprägung verschiedener Variablen erhoben. Mit einer Kombination aus uni- und multivariaten statistischen Verfahren wurden die drei Waldökosystemkomponenten zuerst getrennt analysiert und anschließend die Relationen genauer betrachtet. Da die Beschreibung und ausführliche Erläuterung der Methoden und der statistischen Detailergebnisse einen großen Raum einnehmen würden, wird hier nur eine zusammenfassende Darstellung gegeben (ausführlich: Gärtner 2004). 5.3.4.2 Ergebnisse Die Analyse der Standortseigenschaften der vier Forstbezirke ergab eine Differenzierung in drei Standortstypen. Aufgrund klimatischer Unterschiede lassen sich die Aufnahmen in den beiden südwestlichen Forstbezirken Todtmoos und Schopfheim von jenen im Osten abtrennen. Allerdings können die beiden östlichen Forstbezirke Schluchsee und St. Blasien nicht als standörtliche Einheit betrachtet werden. Vor allem die durchgeführten Kalkungen unterscheiden einen nord-östlichen (Schluchsee) und einen östlichen (St. Blasien) Standortstyp. Eine

5.3 Projekte

111

Beschreibung der Bestandesstrukturveränderung mit dem Waldumbau ist unter Abschnitt 3.3 zu finden. Vier statistisch differenzierte Bodenvegetationstypen konnten klassifiziert werden. Sie wurden in Anlehnung an Oberdorfer (1992) und Ludemann (1994) in das pflanzensoziologische System eingeordnet. Der floristische Gradient der Bodenvegetation lässt durch die Assoziationen Hainsimsen-Tannenwald (LuzuloAbietetum) über den Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum) zu einer verjüngungsreichen sowie einer krautreichen Ausbildung des WaldmeisterBuchenwaldes (Galio-Fagetum) beschreiben. Während auf Seiten der HainsimsenBuchen- und Hainsimsen-Tannenwälder Waldbodenmoose, z. B. Etagenmoos (Hylocomium splendens), Rotstengelmoos (Pleurozium schreberi), Besenförmiges Gabelzahnmoos (Dicranum scoparium) und azidophytische Arten wie Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) und Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa) dominieren, sind es auf der anderen Seite anspruchsvollere Kräuter und Farne wie beispielsweise Einbeere (Paris quadrifolia), Goldnessel (Lamium galeobdolon) und Waldmeister (Galium odoratum). Betrachtet man die sich mit dem Waldumbau verändernden einzelnen Bestandesstrukturmerkmale in ihrer Beziehung zur Bodenvegetation, so zeigt sich, dass der Überschirmungsanteil der Fichte und der Laubbaumanteil die entscheidenden Einflussfaktoren für die Vegetationsdifferenzierung sind. Mit der Zunahme des Fichtenanteils ist die Zunahme der Nadelstreu und des relativen Freilandstrahlungsanteils verbunden. In die gleiche Richtung wie der Laubbaumanteil wirken die folgenden Bestandesstrukturmerkmale: der Laubstreuanteil, der Anteil der Buche in der obersten Baumschicht, die Gesamtüberschirmung und der Artenprofilindex (Pretzsch 1996) - eine Maßzahl für die Bestandesstrukturdiversität. Weitere Bestandesstrukturmerkmale, wie z. B. der Tannenanteil, zeigen keinen signifikanten Einfluss auf die Vegetationsdifferenzierung. Die Überprüfung des Standortseinflusses auf die Bodenvegetationsausprägung ergab einen engeren Zusammenhang zwischen Bodenvegetation und Standort als zwischen Bestandesstruktur und Bodenvegetation. Aus diesem Grund muss der Bestandesstruktureinfluss für jeden Standortstyp getrennt betrachtet werden (Abbildung 5.9). Die mit dem Waldumbau einhergehende Vegetationsveränderung ist tendenziell in allen drei Standortstypen ähnlich. Sie pendelt vom aus azidophytischen Arten aufgebauten Bodenvegetationstyp (Luzulo-Abietetum oder Luzulo-Fagetum) zu einer, relativ gesehen, bessere Bedingungen indizierenden Artenkombination (Luzulo-Fagetum oder Galio-Fagetum) und wieder zurück zu Bodenvegetationstypen mit Schwerpunkt im bodensauren Bereich (vgl. Abbildung 5.9). Allerdings unterscheiden sich die Standorte im Ausgangs- und Endpunkt der Entwicklung. Im südwestlichen Standortstyp entspricht die Bodenvegetation im Fichtenreinbestand nicht der einer Nadelwaldgesellschaft. Die assoziierte Bodenvegetation lässt sich dem bodensauren Hainsimsen-Buchenwald zuordnen. Mit Zunahme des Buchen- und Tannenanteils verschiebt sich die Artenzusammensetzung hin zum reichen Waldmeister-Buchenwald. Die Änderung im Osten vollzieht sich fast ausschließlich zwischen dem Hainsimsen-Tannen- und Hainsimsen-Buchenwald.

112

S. Gärtner

Abbildung 5.9: Beziehung zwischen den vier Vegetationstypen (Luzulo-Abietetum, Luzulo-Fagetum, verjüngungsreiche Ausbildung (verjr. Galio-Fagetum) und der krautreichen Ausbildung des Galio-Fagetum (krautr. Galio-Fagetum)) und den vier Umbaustadien (Reinbestand: Reinb., Umbaubestand: Umbau., Überführungsbestand: Überführ. und Dauerwaldbestand: Dauerw. für die drei Standortstypen (südwest, nordost und ost).

5.3 Projekte

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In Abhängigkeit vom relativen Buchenanteil kommen Buchenwaldarten wie beispielsweise Waldmeister, Himbeere (Rubus idaeus) und Buchenfarn (Thelypteris phegopteris) hinzu und die Nadelwaldbegleiter, beispielsweise Dreilappiges Peitschenmoos (Bazzania trilobata), Herz-Zweiblatt (Listera cordata) und Heidelbeere, treten zurück. Der nordöstliche Standortstyp vermittelt zwischen den beiden „Extremen“. Dort werden während des Waldumbaus alle Bodenvegetationstypen entlang des Gradienten ausgebildet. 5.3.4.3 Schlussfolgerungen Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung gelten für die exemplarisch untersuchten Bestände und Standorte. Der Trend, der sich aus den Ergebnissen herausarbeiten lässt, zeigt, dass die kleinräumige Diversifizierung der Bestandesstruktur im Dauerwald zu einem geringeren Differenzierungsgrad der Bodenvegetation führt als die im Vergleich dazu strukturell homogeneren und von der Baumartenzusammensetzung einheitlicheren frühen Umbaustadien.

5.3.5 Auswirkungen des Waldumbaus auf die Bodenfauna J.-A. Salamon, A. Zaitsev, V. Wolters

5.3.5.1 Ziele und Annahmen Mit dem ökologischen Waldumbau strebt die naturnahe Waldbewirtschaftung den Aufbau mehrschichtiger und strukturreicher Mischwälder an. Über den Einfluss des ökologischen Waldumbaus auf Bodenorganismen und damit auf den Zustand/Umsatz der organischen Bodensubstanz (OBS) ist bisher nur wenig bekannt. Ein zentrales Ziel der bodenökologischen Untersuchungen war es, die Auswirkungen des ökologischen Waldumbaus auf die Bodentiere zu erfassen. Dabei sollten folgende Annahmen überprüft werden: 1. Die Dichte der Primärzersetzer (z. B. Asseln) steigt mit der Zunahme des Deckungsgrades der Laubschicht von den Fichtenreinbeständen zu den Dauerwäldern an. 2. In den aufgelichteten Umbaubeständen (zweites Waldumbaustadium) nimmt die Diversität der Bodenvegetation zu, wovon saprophage (= Streu fressende) Gruppen wie z. B. Regenwürmer profitieren. 3. Änderungen der Populationsdichten der saprophagen Makrofauna im Zuge des ökologischen Waldumbaus wirken sich auch auf deren potenzielle Räuber aus (z. B. Hundertfüßer und Kurzflügelkäfer).

114

J.-A. Salamon, A. Zaitsev, V. Wolters

5.3.5.2 Untersuchungsgebiet und Methoden Als Untersuchungsflächen wurden in drei Forstbezirken des südlichen Schwarzwalds (Schluchsee, St. Blasien, Schopfheim-Gersbach) jeweils ein Fichtenrein-, ein Umbau-, ein Überführungsbestand und ein Dauerwald (strukturreicher Mischbestand) untersucht. An vier Untersuchungsterminen (Mai 2001, September 2001, April 2002, Oktober 2002) wurden die 12 Untersuchungsflächen umfassend beprobt. Erfasst wurden Gruppen der Bodenmakrofauna (z. B. Regenwürmer und Hundertfüßer), Mesofauna (Collembolen und Hornmilben) und Mikrofauna (Nematoden), die zentrale Bestandteile des Zersetzer-Nahrungsnetzes in Waldböden darstellen. Zusätzlich wurden wichtige mikrobielle und abiotische Bodenparameter bestimmt (z. B. die mikrobielle Biomasse und das C/N-Verhältnis). Die Abundanzen der einzelnen Bodentiergruppen wurden einer zweifaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) unterzogen (Faktoren: Standort und Umbaustadium). Die einzelnen Mittelwerte wurden mit dem Tukey-Test (Tukey’s studentized rank test; Sokal u. Rohlf 1995) auf signifikante Unterschiede gestestet. Zur Prüfung des Einflusses abiotischer und mikrobieller Faktoren auf die Verteilung der Arten der saprophagen Makrofauna in den vier untersuchten Umbaustadien wurde eine kanonische Korrespondenzanalyse (CCA) durchgeführt. 5.3.5.3 Ergebnisse In diesem Abschnitt wird speziell auf das Verteilungsmuster der Bodenmakrofauna im September 2001 eingegangen, da in diesen Proben zahlreiche Gruppen der Bodenmakrofauna auf Artniveau bestimmt wurden. Ein Hauptergebnis war, dass sich die verschiedenen Umbaustadien hinsichtlich der Struktur ihrer Bodentiergemeinschaft stark unterscheiden. In den Fichtenreinbeständen erreichten die räuberischen Kurzflügelkäfer (Staphylinidae) ihre höchsten Dichten (Abbildung 5.10a). Vermutlich profitieren die Kurzflügelkäfer in den Fichtenreinbeständen von den hohen Dichten wichtiger Beutetiergruppen wie Collembolen (siehe Hartmann 1979, Salamon 2001). Die Umbaubestände repräsentieren die Initialphase des ökologischen Waldumbaus (Stichwort „Einbringung neuer Baumarten und Auflichtung“) und zeichnen sich durch eine hohe bodenbiologische Aktivität aus: Durch die starke Auflichtung nahm die Artenzahl der Bodenvegetation in den Umbaubeständen zu (siehe Ergebnisse des Projektes „Vegetation“), was wiederum einen Anstieg der Dichte der Regenwürmer (Lumbricidae; Abbildung 5.10b) zur Folge hatte, die vermutlich von der erhöhten Qualität der Nahrungsressourcen (diverse Kraut- und Strauchstreu) profitierten (vgl. Campana et al. 2002). Die erhöhte Dichte der Regenwürmer in den Umbaubeständen begünstigte wiederum Prädatoren wie z. B. die Hundertfüßer (Chilopoda) (Abbildung 5.10c; vgl. Poser 1988, 1990). In der Fortführung zeichnet sich der ökologische Waldumbau vor allem durch die Zunahme des Deckungsgrades der Laubschicht von den Fichtenreinbeständen zu

5.3 Projekte

115

den artenreichen Dauerwäldern (Fichte, Buche, Tanne) hin aus. Damit verengt sich das C/N-Verhältnis der Streu von 30,9 (Fichtenreinbestände) auf 26,1 (Dauerwälder), wovon Primärzersetzer wie die Asseln (Isopoda) profitierten (Abbildung 5.10d), die Streu mit einem engen C/N-Verhältnis als Nahrungsquelle bevorzugen (Dunger 1983, Gisi et al. 1990). Abundanz Regenwürmer

Abundanz Kurzflügelkäfer 80

200

a

(b)

(a) 60 Ind./m²

Ind./m²

40

100

ab 20

50

b

ab

Abundanz Hundertfüßer 250 200

b

Abundanz Asseln 400

a

(d)

(c) 300

ab Ind./m²

150 100 ab 50

ab

0

0

Ind./m²

a

150

ab

200 a

100

b

0

a

a

a

0 Fi Um Üb Da

Fi Um Üb Da

Abbildung 5.10: Mittlere Abundanz der Kurzflügelkäfer (a), Regenwürmer (b), Hundertfüßer (c) und Asseln (d) in den Fichtenrein (Fi)-, Umbau (Um)-, Überführungsbeständen (Üb) und Dauerwäldern (Da). Balken mit gleichen Buchstaben unterscheiden sich nicht signifikant voneinander (p>0.05, Tukey`s minimum significant difference test).

Um den Einfluss der verschiedenen Umweltfaktoren auf die Verteilung der einzelnen Taxa der saprophagen Makrofauna in den vier Bestandestypen zu untersuchen, wurde eine kanonische Korrespondenzanalyse (CCA) durchgeführt (s. Abbildung 5.11). Am stärksten korrelierten die Umweltfaktoren Ergosterolgehalt (Ergo, Maß für die pilzliche Biomasse im Boden), mikrobielle Biomasse (Cmic) und das C/N-Verhältnis (C/N) mit der Verteilung der Taxa der saprophagen Makrofauna, was den Einfluss der Quantität und Qualität der Nahrungsressourcen auf die Streu fressenden Bodentiere widerspiegelt. Faktoren mit geringer Korrelation waren der Deckungsgrad der Laub-, Kraut- und Strauchschicht (Laub, Kraut, Strauch). Die mikrobielle Biomasse und der Ergosterolgehalt korrelierten

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J.-A. Salamon, A. Zaitsev, V. Wolters

positiv mit den Fichtenreinbeständen. Die beiden Diplopodentaxa Glomeris spec. und Alljulus nitidus fanden sich häufig in den Fichtenreinbeständen und könnten dort das erhöhte Nahrungsangebot (mikrobielle Biomasse) genutzt haben. Der Deckungsgrad des Totholzes (Holz) korrelierte positiv mit den Umbaubeständen, was sich günstig auf die Dichten von Lumbricus spec. (j) und Lumbricus rubellus auswirkte (Stichwort „günstiges Mikroklima“). Lumbricus castaneus, Dendrobaena spec. sowie adulte und juvenile Trichoniscus spec. fanden sich häufig in den Überführungsbeständen und profitierten dort vermutlich von dem relativ engen C/N-Verhältnis der Streuauflage. Eine hohe Artenzahl der Bodenvegetation wirkte sich günstig auf die Dichten von juvenilen Julidae und Octolasion spec. aus. CCA saprophage Taxa

Allajulus nitidus Glomeris spec.

Fichte Ergo Chordeumatidae (j) Mycogona germanicum

Strauch

Cmic

C/N Lumbricus spec. Lumbricus rubellus (j) Holz

Umbau

Dendrodrillus rubidus

Laub Kraut Dauer

Lumbricus castaneus

Überf Dendrobena spec. (j)

Ophyiulus pilosus Julidae (j)

DivVeg Octolasion spec. (j)

Trichoniscus spec.

Trichoniscus spec. (j)

Abbildung 5.11: Ordinationsdiagramm einer kanonischen Korrespondenzanalyse mit Abundanzdaten der Taxa der saprophagen Makrofauna und verschiedenen Umweltfaktoren in den Fichtenrein- (Fichte), Umbau-, Überführungsbeständen (Überf) und Dauerwäldern (Da) (Erläuterungen der Abkürzungen der Umweltvariablen im Text).

Insgesamt weisen die bisherigen Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass sich die Struktur der Bodenlebensgemeinschaft im Verlauf des ökologischen Waldumbaus stark verändert. Ein Auflichtungseffekt wie in den Umbaubeständen führt z. B. zu einer Zunahme der Dichte vieler Bodentiergruppen, z. B. der Regenwürmer und Hundertfüßer. Auch strukturelle und mikrobielle Parameter, z. B. der Tot-holzanteil und die pilzliche Biomasse, sind wichtige Steuergrößen für die Dichten einzelner saprophager Arten (z. B. Glomeris spec. und Lumbricus rubellus).

5.3 Projekte

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Veränderungen im Zuge des ökologischen Waldumbaus wie die Zunahme des Laubbaumanteils von den Fichtenreinbeständen zu den Dauerwäldern verbessern vermutlich langfristig die Qualität der Nahrungsressourcen für Streu fressende Bodentiergruppen und haben somit einen starken Einfluss auf den Zustand und Umsatz der organischen Bodensubstanz. 5.3.5.4 Extrapolierbarkeit der Erkenntnisse von der untersuchten Raumebene auf höhere Raumebenen Die gewonnen Erkenntnisse lassen sich dann gut auf höhere Raumebenen extrapolieren, wenn bestimmte Tiergruppen die gleichen Waldumbaustadien (z. B. Fichtenreinbestände) in verschiedenen Untersuchungsgebieten (z. B. der Vergleich zwischen St. Blasien und Gersbach) bevorzugen. In der vorliegenden Untersuchung konnte eine starke Übereinstimmung bei den Kurzflügelkäfern festgestellt werden. Sie erreichten in allen drei Forstbezirken (Schluchsee, St. Blasien, Gersbach) jeweils in den Fichtenreinbeständen die höchsten Dichten. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Kurzflügelkäfer im südlichen Schwarzwald generell Fichtenreinbestände gegenüber anderen Bestandestypen bevorzugen. Diese Aussage lässt sich noch erweitern, wenn andere Mittelgebirgsräume in den Vergleich mit einbezogen werden. So konnten Sührig u. Schaefer (2001) nachweisen, dass auch im Solling die Kurzflügelkäfer die höchsten Abundanzen in Fichtenreinbeständen erreichen. Offenbar scheinen Kurzflügelkäfer auch im „überregionalen Vergleich“ Fichtenreinbestände gegenüber anderen Bestandestypen zu bevorzugen. 5.3.6 Genetische Aspekte der Einbringung von forstlichem Vermehrungsgut beim Waldumbau: Genetische Zusammensetzung zugelassener Saatguterntebestände der Weißtanne Überprüfung der Herkunftssicherheit der Buche durch Referenzproben A. Dounavi, M. Konnert, E. Cremer, E. Aldinger, E. Hussendörfer

5.3.6.1 Ziele und Hypothese Der Umbau von überwiegend oder ausschließlich mit Fichten bestockten Beständen in den Hochlagen des südlichen Schwarzwaldes hin zu gemischten Beständen aus standortgerechten Baumarten gesicherter Herkünfte wird in erheblichem Umfang nur mittels künstlicher Einbringung von forstlichem Vermehrungsgut, unter anderem der Baumart Weißtanne, zu verwirklichen sein. Für die Realisierung ökologischer und ökonomischer Zielsetzungen im Rahmen einer naturnah orientierten Waldwirtschaft ist es eine wesentliche Voraussetzung,

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A. Dounavi, M. Konnert, E. Cremer, E. Aldinger, E. Hussendörfer

dass das zum Umbau künstlich einzubringende Vermehrungsgut geeignete genetische Eigenschaften hinsichtlich Angepasstheit, Anpassungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit aufweist. Für die Weißtanne ist bekannt, dass zwischen Beständen im Nord- und Süd-Schwarzwald erhebliche genetische Unterschiede bestehen (Konnert 1993, 1995), die im Wesentlichen auf Selektions- und Anpassungsprozesse unter den jeweiligen standörtlichen Bedingungen beruhen dürften. Bei der Weißtanne werden weiterhin ausgeprägte genetische Unterschiede zwischen Beständen unterschiedlicher Höhenlagen beobachtet (Hussendörfer 1997). Für die künstliche Einbringung der Weißtanne in Bestände der höheren Lagen im Südschwarzwald gilt es daher, derartige geographische Variationsmuster genetischer Information zu berücksichtigen. Am Beispiel der Weißtanne wurden genetische Untersuchungen durchgeführt, die zur Herkunftssicherung und zur Beurteilung genetischer Risiken bei der Umwandlung von Nadelholzreinbeständen in Mischbestände in den Hochlagen des südlichen Schwarzwaldes beitragen. Dabei wurde die Einschätzung potentieller Risikosituationen einer Beeinträchtigung genetischer Variation in Abhängigkeit vom Beerntungsmodus zur Gewinnung von Saatgut vorgenommen. Untersucht wurden insbesondere Einflüsse der Anzahl an beernteten Beständen, der Anzahl an beernteten Bäumen je Bestand und der Auswahl der Samenerntebäume. Sowohl die Überprüfung der genetischen Eignung von Saatguterntebeständen als auch die genetischen Untersuchungen, beginnend bei der Gewinnung des Saatgutes bis hin zur praxisüblichen Pflanzenanzucht an Versuchsmaterial bekannter genetischer Zusammensetzung, sind erforderlich, um Beerntungs- und Anzuchtverfahren in Abhängigkeit von der erwünschten genetischen Zusammensetzung des Vermehrungsgutes zu optimieren. Darüber hinaus wurden methodische und technische Fragestellungen für einen effizienten Einsatz biochemisch-genetischer Verfahren, speziell der Isoenzymanalyse, zur Herkunftssicherung im Rahmen eines neuen Kontrollsystems auf der Grundlage von Referenzproben untersucht. Das Verfahren wurde vor seiner Anwendung als Kontrollinstrument in einem Praxistest geprüft und optimiert. 5.3.6.2 Material und Methoden Die genetische Inventur zur Risikoeinschätzung einer Beeinträchtigung genetischer Variation in Abhängigkeit vom Beerntungsmodus zur Gewinnung von Saatgut erfolgte in Buchen-Referenzproben und zehn zugelassenen WeißtannenSamenerntebeständen. Die genetischen Untersuchungen wurden mit Hilfe der Stärkegel-Elektrophorese an den folgenden Enzym-Genorten durchgeführt: LAP (3.4.11.1), AAT (2.6.1.1), IDH (1.1.1.42), MDH (1.1.1.37), MNR (1.6.99.2), NDH (1.6. 99.3), 6PGDH (1.1.1.44), PGM (2.7.5.1), PGI (5.3.1.9) (Konnert und Hussendörfer 2002; Hussendörfer 2003). Zusätzlich wurde die Mindestanzahl von Endospermen (haploide Gewebe) bestimmt, die auf einen diploiden Genotyp einer Tanne bzw. auf die Anzahl der beernteten Bäume schließen lässt. Die aus den Endospermen ermittelten Genotypen aus Einzelbaumsaatgutproben von 20 Weißtannen (Referenzproben R2; FA Spaichingen, Beerntung 2000) wurden als „angenommene“ Genotypen

5.3 Projekte

119

bezeichnet. Zur Kontrolle wurden von diesen 20 Bäumen zusätzlich Knospen entnommen und ebenfalls mittels Isoenzymanalyse untersucht. Aus dieser Untersuchung erhielt man den „tatsächlichen“ Genotyp der Tannen. Basierend auf Referenzproben wurde der Einfluss von verschiedenen Probeziehungen von Tannen- und Buchen-Saatgut auf die Überprüfbarkeit der Herkunftsidentität eingeschätzt. Tannen-Saatgutreferenzproben, die an unterschiedlichen Stellen des Gewinnungsund Produktionsprozesses von forstlichem Vermehrungsgut gewonnen wurden (Bestandesmischprobe: R1, Mischprobe nach der Aufbereitung: R3), wurden auf ihre genetische Struktur hin miteinander verglichen. Dabei wurden drei verschiedene Beerntungen berücksichtigt („FA Bad Herrenalb (Ernte 2002)“, „FA Spaichingen (Ernte 2001)“ und „FA Spaichingen (Ernte 2000)“ ). Die Ergebnisse der biochemisch-genetischen Untersuchungen aus einem BuchenBestand aus Baden-Württemberg (FA St. Märgen, Distrikt 4, Beerntung durch Staatsklenge Nagold) (Konnert u. Hussendörfer 2002) beziehen sich auf die Referenzproben bei der Saatguternte (geklumpt an 20 Stellen auf den Netzen, gleichmäßig verteilt über die ausgelegte Netzfläche und zufällig aus den Transportsäcken) und nach Aufbereitung in der Klenge (Probeziehung von drei verschiedenen Personen). Die genetischen Maße, die zur Beschreibung der genetischen Variation innerhalb der Bestände und der Referenzproben dienten, waren die folgenden: genetische Vielfalt (AL), Heterozygotenanteil (HA) und genetische Diversität (v) (Hattemer et al. 1993). Die genetische Differenzierung zwischen den Beständen und den Referenzproben wurde durch die Unterschiede der genetischen Strukturen jedes Bestandes (oder jeder Referenzprobe) vom gemeinsamen Genpool quantifiziert (d). Die Häufigkeitsverteilungen wurden mittels eines statistischen Tests auf Signifikanz der beobachteten Unterschiede zwischen den Beständen geprüft. Als geeigneter Test wurde der G-Test verwendet. 5.3.6.3 Ergebnisse bei der Weißtanne mit besonderer Berücksichtigung von historischen Aspekten und vom Grad des menschlichen Einflusses Die genetische Variation, wie sie sich in den verschiedenen genetischen Parametern widerspiegelt, war in allen Untersuchungsbeständen relativ gering, was als Folge einer positiv gerichteten Selektion bzw. einer Angepasstheit in die standörtlichen Bedingungen interpretiert werden kann. Allerdings waren die verschiedenen genetischen Parameter unterschiedlich groß für die unterschiedlichen Bestände, ohne dass eine Gruppierung festgestellt werden konnte (Ergebnisse nach Hussendörfer 2003). Dabei war aber ein Zusammenhang zwischen genetischer Variation und Populationsgröße deutlich zu erkennen. Je kleiner die Population, desto geringer war auch die genetische Variation. Dieser Zusammenhang könnte auf einen zufälligen Verlust genetischer Varianten, die so genannte genetische Drift, zurückgeführt werden. Darüber hinaus wurde ein geringer Heterozygotiegrad festgestellt, was weniger auf Anpassungsprozesse als vielmehr auf Paarungssystem zurück zu führen ist. Insbesondere wäre ein Über-

120

A. Dounavi, M. Konnert, E. Cremer, E. Aldinger, E. Hussendörfer

schuss an Homozygoten als Hinweis auf einen hohen Selbstbefruchtungsanteil zu interpretieren, was wiederum mit einem hohen Risiko für die Vitalität und Fertilität der daraus gezogenen Bäume verbunden ist. Noch risikoreicher wäre es, wenn das Saatgut von Bäumen gewonnen würde, die isoliert im Bestand stehen und durch Selbstbefruchtung belastet sind. Im Vergleich zu anderen Weißtannenuntersuchungen zeigen die Populationen von Südschwarzwald eine deutliche genetische Differenzierung (Hussendörfer 2003). Es wird deutlich, dass sich die untersuchten Bestände signifikant in ihren genetischen Strukturen unterscheiden. Solche Ergebnisse lassen sich mit einer räumlich klinalen Variation aufgrund der nachzeitlichen Rückwanderung, mit Anpassungsprozessen an kleinräumlich verschiedene Standorte, populationsgenetischen Prozessen oder anthropogenen Einflüssen erklären (Hussendörfer 2003). Interessanterweise ergaben sich aus der Bestandesgeschichte der Samenerntebestände wichtige Hinweise, die darauf hinweisen, dass die untersuchten Populationen ehemals landwirtschaftlich genutzt wurden und häufig mit forstlichem Vermehrungsgut bepflanzt wurden. Die Tatsache, dass in den untersuchten Beständen Genvarianten gefunden wurden, die eigentlich nur im südöstlichen Verbreitungsgebiet der Weißtanne bis etwa Österreich und das schweizerische Vorderrheintal zu erwarten sind, deutet darauf hin, dass Weißtannensaatgut weiter transportiert wurde, als bislang angenommen wurde (Hussendörfer 1999). Diese Hypothese wirft damit auch die Frage hinsichtlich der Autochthonie der Samenerntebestände auf. So wurde schon darauf hingewiesen, dass im Falle einer künstlichern Bestandesbegründung eine Beeinflussung durch die Art und Weise der Samenernte und/oder die Pflanzenanzucht möglich ist. 5.3.6.4 Ergebnisse zur Herkunftssicherung von Buche und Weißtanne ¾ Buche: Die in der Arbeit von Hussendörfer (2003) dargestellten Ergebnisse zeigen, dass, um eine repräsentative Referenzprobe bei der Buche zu ziehen, eine Mindestanzahl von 200 Bucheckern erforderlich ist. Zusätzlich ist der Einfluss der unterschiedlichen Referenzprobenziehungen im Bestand von großer Bedeutung. Nach der Aufbereitung in der Klenge scheint die Referenzprobenziehung von verschiedenen Personen weniger Einfluss auf die Repräsentativität der Proben zu haben. ¾ Weißtanne: Anhand der angenommenen und der tatsächlichen Genotypen der beernteten Tannen wurde festgestellt, dass mindestens 6-10 Endosperme pro Baum genetisch analysiert werden sollen, um den diploiden Genotyp des Baums bestimmen zu können (Cremer et al. 2003). Weiterhin zeigen die gleichen Ergebnisse, dass sich 19 der 20 untersuchten Tannen an mindestens einem Isoenzym-Genort voneinander unterscheiden. Nur zwei Tannen zeigen den

5.4 Diversität

121

gleichen Multi-Locus-Genotyp. In diesem Fall könnte die Anwendung von cpDNA-Markern (Haplotypen) sehr hilfreich sein. Grundsätzlich ist es also möglich, mittels Isoenzymanalysen am Endosperm der Einzelbaum-Samen einen Nachweis über die Anzahl der Erntebäume zu erbringen. Bei Bedarf muss allerdings der Einsatz von Isoenzym-Genmarkern und DNA-Markern kombiniert werden, um einen zuverlässigen Nachweis über die Anzahl der Erntebäume zu erhalten. Die geringen Unterschiede zwischen den Genpool-Werten der berechneten genetischen Variationsparameter für die R1- und R3-Proben zeigen, dass die beiden Referenzproben einer Beerntung jeweils eine große Ähnlichkeit haben. Daher lässt sich folgern, dass es für die Baumart Tanne möglich ist, eine repräsentative Referenzprobe zu ziehen (Hussendörfer 2003). Weiterhin kann gefolgert werden, dass für die Baumart Weißtanne die Möglichkeit zur Überprüfung der Identität einer Saatgutprobe bei vorhandenen Referenzproben als sehr günstig einzuschätzen ist.

5.4 Diversität

5.4.1 Diversität im Kontext des Waldumbaus J. Kretschmer

Ein aktuelles internationales und nationales Ziel der Waldbewirtschaftung ist der Umbau von Wäldern in standortgerechte, naturnahe Mischwälder, wobei es wichtig ist, die Diversität und Stabilität zukünftiger Bestände zu erhöhen. Seit der Dritten Ministerkonferenz zur Erhaltung der Wälder in Europa 1998 gilt dies insbesondere hinsichtlich ihrer vertikalen und horizontalen als auch ihrer genetischen Diversitäten (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft 1998). Im Sinne der Biodiversitäts-Konvention von Rio (1992) wird unter biologischer Vielfalt (Biodiversität) „die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören“, verstanden. Dies umfasst sowohl die Vielfalt innerhalb als auch zwischen Arten sowie die Vielfalt der Ökosysteme. Um Diversitäten zu quantifizieren und somit für verschiedene Betrachtungsebenen von Ökosystemen vergleichbar und anwendbar zu machen, ist eine Berücksichtigung der räumlichen und zeitlichen Skalenebene unerlässlich. Ansonsten kann die Beurteilung einzelner Systeme stark durch die Wahl der Bewertungsmethode beeinflusst werden (Köhl u. Zingg 1995; Pommerening et al. 2000). Nach Whittaker (1972) wird die Diversität eines abgeschlossenen Habitats, also eines einheitlichen Bezugsraumes, als alpha-

122

A. Reinbolz

Diversität definiert. Die Ermittlung der Variabilität zwischen Habitaten wird dagegen als beta-Diversität bezeichnet. Nach Beierkuhnlein (2001) kann die Varianz einer bestimmten Anzahl konkreter Bezugseinheiten, die zu einer abstrakten Kategorie zugeordnet sind, als eine Form der beta-Diversität aufgefasst werden. Die folgende Diversitätsanalyse im Kontext des Waldumbaus umfasst gemäß des Projektdesigns sowohl verschiedene räumliche als auch zeitliche Ebenen (vgl. Abschnitt 5.2.2). So werden auf einer großräumigen Landschaftsebene natürliche, standortsbedingte sowie historische und kulturhistorische Diversitäten analysiert (Abschnitt 5.4.2). Weiterhin wird die Reaktion von Verjüngung, Bodenvegetation und Bodenfauna auf kleinräumige Strukturveränderungen auf Bestandesebene untersucht (Abschnitt 5.4.3). 5.4.2 Landschaftliche Diversität A. Reinbolz

Diversität im Südschwarzwald ist kein statischer Zustand, sondern gegenwärtiger Status eines zeitlichen Kontinuums. Grundlage dieser heute messbaren Diversität auf allen Maßstabsebenen ist die ursprüngliche Fauna und Flora, die sich unter dem Einfluss edaphischer und klimatischer Faktoren entwickelt hat. Dieser Grundzustand mit seinen floristischen, faunistischen, genetischen und strukturellen Merkmalen enthält demnach die natürliche Ausgangsdiversität. Möglicherweise schon in frühgeschichtlicher Zeit begann der Mensch punktuell Einfluss auf diesen Grundzustand zu nehmen, um spätestens vom Beginn des 2. Jahrtausends n. Chr. an flächig und auf allen Skalenebenen die Landschaft zu verändern (vgl. Abschnitt 2.3). Die ursprüngliche Baumartenkombination der Wälder ist ein Merkmal der natürlichen Ausgangsdiversität und direkter Ausdruck des Standortes. Sie wurde im Projekt Standortswald anhand von historischen Holzkohlemeilern erschlossen (z.B. Ludemann 2002, Ludemann u. Nelle 2002). Auf Landschaftsebene fand sich hierbei eine deutliche regionale Differenzierung der Waldstandorte: Im Westen des Südschwarzwaldes (in der Region um Todtmoos) herrschten buchenreiche Wälder mit einem variablen Tannenanteil zwischen 4 % und 46 % und geringen Anteilen von Ahorn und Fichte vor. Östlich des Schluchsees jedoch überwog der Nadelholzanteil mit Fichte, Tanne und Kiefer und es gab nur wenig Buche; diesen Großgradienten überlagernd fanden sich weitergehende räumlich-standörtliche Differenzierungen zwischen flachen Hängen und Kuppen (Tanne/Fichte), Muldenlagen (Fichte, Kiefer) und steileren Taleinschnitten (Buche, Tanne, Fichte) (Ludemann 2002). Schon auf Landschaftsniveau lassen sich damit differenzierende und damit insgesamt diversifizierende Faktoren zeigen, die vor dem Einfluss des Menschen und auf mehreren Maßstabsebenen wirksam waren. Weiter differenzierend wirken innerhalb der Wälder und insbesondere auf deren Bodenvegetation/Krautschicht kleinräumige Variationen des Standorts (Beispiele

5.4 Diversität

123

bei Oberdorfer 1982, Ludemann 1994). Die Vielfalt der verschiedenen Vegetationstypen vor dem Eingriff des Menschen umfasste dabei nicht nur Waldgesellschaften, sondern auch deren Sukzessionsstadien sowie – kleinflächig in die Wälder eingesprengt – Moore, Felsflurgesellschaften, Wasserpflanzengesellschaften, Quellfluren, Schneebodengesellschaften, Lawinenbahnen und ähnliche Vegetationstypen auf Sonderstandorten (Wilmanns 1980, Oberdorfer 1982, Oberdorfer 1992). Auf der Grundlage der natürlichen Ausstattung begann der Mensch mit der Nutzung des Südlichen Schwarzwaldes und wurde damit als prägender Faktor wirksam. Dieser Einfluss lässt sich auf allen Maßstabsebenen nachweisen. Die Nutzungen waren dabei häufig an die standörtlichen Voraussetzungen angepasst und verstärkten die natürlichen Unterschiede der einzelnen Standorte (Wilmanns et al. 1979). Vor allem die Auflichtung der Bestände durch Holznutzung, Weidewirtschaft und Ackerbau führte eine völlig neue Gruppe von Biotopen in den Schwarzwald ein: das Grünland mit seinen vielfältigen Ausprägungen der Wiesen und Weiden, Ackerfluren und Staudengesellschaften (Wilmanns 1980). Vor allem in seiner extensiv genutzten Ausprägung ist der naturschutzfachliche Wert des reich strukturierten Grünlandes heute unumstritten (Kersting u. Ludemann 1991). Aber auch in den Wäldern führte die menschliche Nutzung zu einer Diversifizierung der natürlichen Bestände: Niederwälder und Reutberge unterscheiden sich als Elemente der historischen Nutzung auch nach ihrer Aufgabe deutlich von der ursprünglichen Bestockung (Wilmanns 1980). Moderne Nutzungen der vergangenen hundert Jahre brachten den Typus der intensiv genutzten Fichten- und Douglasienwälder in den Schwarzwald ein. Die menschliche Nutzung im Schwarzwald ist daher die Ursache für ein Mosaik von zusätzlichen Vegetationseinheiten und hat insgesamt die Vielfalt der flächigen Landschaftselemente im Schwarzwald erhöht. Diesem vielfältigen Mosaik wird heute sowohl aus ökologischer als auch aus ästhetischer Sicht ein besonderer Wert zugeschrieben (z. B. bei Kersting u. Ludemann 1991). Im Zuge der Nutzung des Schwarzwaldes führte der Mensch die scharfe Grenze zwischen verschiedenen Formationen als neues lineares Element ein. Diese Grenzen wurden teilweise mit Steinmauern und Hecken befestigt, an anderer Stelle sind sie Standort von Saum- und Strauchgesellschaften (Wilmanns 1980). Zwischen Weide und Wald wurden diese Grenzen häufig wieder durchbrochen und zu einem Gradienten aufgeweitet, der als neues, kulturgeprägtes Element in den Schwarzwald kam (Coch 1995). Während diese Randlinien einerseits zu einer Fragmentierung zusammenhängender Lebensräume führen können, bilden sie vor allem im Offenland und an der Kontaktfläche zwischen Wald und Offenland wichtige Lebensräume aus (Schwabe 1983, Primack 1995), von der z. B. heute seltene Vogelarten wie die Zippammer (Emberiza cia) oder der Neuntöter (Lanis collurio) profitieren (Kersting u. Ludemann 1991). Punktuelle Elemente historischer oder aktueller Landnutzung finden sich im Schwarzwald häufig. Diese können abiotischer Natur sein wie Lesesteinhaufen oder Viehtränken oder biotischer wie Solitärbäume (Schwabe u. Kratochwil 1987). Häufig sind Weidbuchen als Elemente des Offenlandes heute in jungem

124

S. Gärtner, J. Kretschmer

Wald zu finden und bieten wertvolle Mikrohabitate für Epiphyten (Wilmanns 1961, Nebel u. Philippi 2000) und Insekten (Bense 2002). Relikte ehemaliger Nutzung lassen sich auch im Boden finden. So ist die Samenbank als Teil der inaktiven Vegetation auch unter 100jährigen Wäldern noch deutlich von der ehemaligen Weidenutzung geprägt. Die ursprüngliche Diversität des Schwarzwaldes ist demnach durch großräumige und lokale Gradienten bestimmt, die zur Ausprägung verschiedener Waldgesellschaften führte. Diese wurden nur an Sonderstandorten durch andere Vegetationseinheiten ersetzt. Die menschliche Nutzung des Schwarzwaldes hat auf allen Maßstabsebenen neue Strukturmerkmale und neue Vegetationseinheiten geschaffen. Besonders bei der Betrachtung größerer Landschaftsausschnitte führte das zu einer Erhöhung der Arten- und Strukturdiversität. Dies ist nicht immer gleichbedeutend mit einem hohen Naturschutzwert (beispielsweise in ausgedehnten Fichtenkulturen), hat aber in vielen Bereichen des Südschwarzwaldes zu einer großen Vielfalt an wertvollen Artengemeinschaften geführt. Unbeschadet des Naturschutzwertes haben die Relikte menschlichen Wirkens auch einen eigenen kulturhistorischen Wert. Dieser ist sowohl an einzelne Elemente geknüpft, spiegelt sich aber besonders in der Vielfalt der Nutzungsrelikte und ihrer Zusammenhänge wider – bildet also einen eigenen Aspekt kulturlandschaftlicher Diversität aus (vgl. u.a. Hildebrandt et al. 1994, Konold 1996). 5.4.3 Einfluss des Waldumbaus auf die Bestandes- und Artendiversität Methode S. Gärtner, J. Kretschmer

Diversitäts- und Strukturindizes sind gemittelte Kennziffern oder empirische Verteilungen von Einzelwerten, durch die bestimmte Teildiversitäten (Artendiversität, vertikale und horizontale Strukturdiversität) des Bestandes abgebildet werden können. Um mit diesen Indizes eine adäquate Quantifizierung der gesamten Diversität eines Bestandes vornehmen zu können, werden verschiedene dieser Maßzahlen benötigt, die jeweils einen spezifischen Aspekt der Gesamtdiversität des Bestandes abbilden. Tabelle 5.3 zeigt die für die folgenden Auswertungen verwendeten Indizes und Maßzahlen zur Beschreibung der Teildiversitäten. Die Zusammenhänge zwischen Struktur und Verjüngungs- und Bodenvegetationsdiversität wurden weiterhin durch Rangkorrelationen quantifiziert.

5.4 Diversität

125

Tabelle 5.3: Verwendete Indizes und Maßzahlen zur Beschreibung der untersuchten Teildiversitäten Bestandesdiversität: Baumstruktur und Verjüngung

Bodenvegetation

Bodenfauna

Arten und Struktur Shannon-Index H’ Evenness EH’ Aggregationsindex R Artenprofilindex A Evenness EA Artenzahl der Moos- und Krautschicht Shannon-Index H’ Simpson-Index Gesamtartenzahl saprophage Makrofauna Mittlere Gattungszahl: Nematoden Mittlere Gattungszahl: Hornmilben

Bestandesdiversität J. Kretschmer

Aufgrund der vergleichsweise artenarmen Gehölzflora und der oftmals langfristigen Betrachtungszeiträume von mitteleuropäischen Wäldern spielt für die Bestandesdiversität neben der Diversität von Arten vor allem die Strukturdiversität eine wichtige Rolle (Köhl u. Zingg 1995). Somit kommt der Quantifizierung der Bestandesdiversität eine entscheidende Bedeutung zu, die sich aus der Artendiversität, der horizontalen (Baumposition und Durchmesserdimension) sowie der vertikalen Strukturdiversität (Bestandesschichten) des Baumbestandes und der Verjüngung einer Population zusammensetzt. Im Folgenden werden mögliche Veränderungen der Bestandesdiversität im Verlauf des Umbauprozesses für alle Teilstrukturen sowohl für den anthropogen direkt beeinflussten Baumbestand als auch für die Verjüngung quantifiziert. Während die Artendiversität der Baumebene ihr Maximum und somit die höchste Diversität in der Überführungsphase erreicht und in der Umbau- und Dauerwaldphase auf nahezu dem gleichen Niveau liegt (Abbildung 5.12), zeigt sowohl die horizontale Baumverteilung als auch die vertikale Struktur eine kontinuierlich steigende Strukturiertheit von der Umbau- zur Dauerwaldphase. Der Aggregationsindex R, also die horizontale Baumverteilung, lässt erkennen, dass sowohl die Umbau- als auch die Überführungsbestände mit Werten für R knapp >1 für alle Baumarten (1,06 bzw. 1,02) eine zufällige Baumanordnung aufweisen, mit einer Tendenz zur Regelmäßigkeit. Die Dauerwaldbestände

126

J. Kretschmer

tendieren dagegen mit einem R<1 (0,97) von einem zufälligen Baummuster eher zur Klumpung (Abbildung 5.12). Mit der zusätzlichen Betrachtung der vertikalen Ebene durch den Aggregationsindex wird diese Tendenz der ansteigenden Heterogenität des Bestandesaufbaus im Verlauf des Umbauprozesses noch verstärkt und somit die durchgeführte Stratifizierung der Waldumbauphasen validiert (Abbildung 5.14). 1.2

Aggregationsindex R und Shannon-Index H'

1.1

1.0

0.9

0.8

0.7

0.6

0.5

0.4 Umbau

Überführung

Dauer

R H'

Umbaustadium

Abbildung 5.12: Veränderung der horizontalen Artendiversität und Baumverteilung, dargestellt mit dem Shannon-Index H’ und dem Aggregationsindex R (Mittelwerte mit Minimum- und Maximumwerten); Unterschiede zwischen R_Umbau und R_Dauer sind für p<0,05 signifikant.

Ähnlich wie für den Baumbestand zeigt auch die Artendiversität der Verjüngung keinen eindeutigen Trend während des Umbauprozesses, allerdings weist sie anders als auf Bestandesebene in der Überführungsphase die niedrigste Diversität auf und erreicht in der Umbau- und Dauerwaldphase, mit einem annähernd gleichen Niveau, ihre Maximalwerte (Abbildung 5.13). Bei zusätzlicher Betrachtung der vertikalen Ebene durch den Artenprofilindex zeigt dagegen auch die Verjüngung in der Dauerwaldphase die deutlich höchsten Diversiätswerte, dessen Unterschiede sowohl zur Umbau- als auch zur Überführungs- und Dauerwaldphase für p<0,05 signifikant sind (Abbildung 5.14).

5.4 Diversität

127

1.4

Shannonindex H' und Evenness E H'

1.2

1.0

0.8

0.6

0.4

0.2

0.0 Umbau

Überführung

Dauer

H'_Verjüngung EH' _Verjüngung

Umbaustadium

Abbildung 5.13: Veränderung der horizontalen Verjüngungsdiversität, dargestellt am Shannon-Index H’ und deren Evenness EH’ (Mittelwerte mit Minimum- und Maximumwerten) 0.35

Artenprofilindex A und Evenness E A

0.30

0.25

0.20

0.15

0.10

0.05

0.00

-0.05 Umbau

Überführung

Dauer

A_Verjüngung E A_Verjüngung

Umbaustadium

Abbildung 5.14: Veränderung der vertikalen Verjüngungsdiversität, dargestellt am Artenprofilindex A und deren Evenness EA (Mittelwerte mit Minimum- und Maximumwerten)

128

S. Gärtner

Dabei gilt zu beachten, dass der Shannon-Index, also die horizontale Strukturdiversität, ausschließlich mit wachsender Artenanzahl und deren Häufigkeiten ansteigt, wobei seltene Arten mit geringer Abundanz durch das Multiplizieren mit dem logarithmisch transformierten Artenanteil überproportional berücksichtigt werden, im Gegensatz zu dominanten Arten, bei deren Anstieg sich H‘ nur unterproportional verhält, der Artenprofilindex jedoch noch zusätzlich die vertikale Anordnung in der Raumebene berücksichtigt (Pretzsch 1996). Dies trägt der Auffassung Rechnung, dass schon eine geringe Anzahl seltener Arten mehr zur (horizontalen) Diversität eines Habitates beiträgt als wenige dominante Arten. Somit können strukturell sehr unterschiedliche Bestände die gleichen oder ähnliche Shannon-Indizes aufweisen, da ausschließlich Artenanzahlen und -abundanzen berücksichtigt werden, nicht aber deren räumliche Verteilung, und gleichzeitig hohe Artenprofilindex-Werten besitzen, wie in der vorliegenden Untersuchung. Zusammenfassend lässt sich also vor allem eine Veränderung der Strukturdiversität auf Baum- und Verjüngungsebene im Verlauf des Umbauprozesses feststellen, weniger eine Veränderung der Artendiversität. Dies bestätigt die anfangs aufgestellte These, dass in mitteleuropäischen Wäldern insbesondere die Bestandesstruktur verantwortlich für die Bestandesdiversität ist, die Artendiversität dagegen auf Baum- und Verjüngungsebene nur wenig zur Gesamtdiversität des Bestandes beiträgt. Im Folgenden soll eine Annäherung der Faktoren stattfinden, die maßgeblich für die Unterschiede der Teildiversitäten der Verjüngung zwischen den Umbauphasen verantwortlich sind. Hierfür wurde über Rangkorrelationen geprüft, welche Strukturvariablen auf Baumebene in welchem Maß mit Diversitätsvariablen der Verjüngungsebene korrelieren. Es zeigt sich, dass sowohl die Anreicherung durch eine zweite Höhenschicht als auch durch eine zweite Stärkeklasse mit der Verjüngungsstruktur korreliert ist. Somit wirkt insgesamt für die Verjüngung ein heterogener Bestandesaufbau strukturfördernd. Auf die Baumartenzusammensetzung reagiert die Verjüngungsdiversität dagegen lediglich auf einen hohen Fichtenanteil negativ und der auf seltene Arten sensitiv reagierende Shannon-Index auf die zu geringen Anteilen vorkommenden Tanne positiv. Diversität der Bodenvegetation S. Gärtner

Wie entwickelt sich nun die waldbaulich indirekt beeinflusste Komponente der Vegetation – die Bodenvegetation – im Verhältnis zu der schon angesprochenen direkt bewirtschafteten Komponente? Wie zu erwarten, nimmt die Diversität der Bestandesstruktur mit dem Waldumbau zu. Auch die Strukturdiversität in der Verjüngung steigt vom Fichtenreinbestand zum Dauerwald an, wie dies schon im vorigen Abschnitt besprochen wurde. Im Verhältnis dazu zeigt die

5.4 Diversität

129

Bodenvegetation nur eine sehr geringe Veränderung, die durch die Streuung der Diversitätswerte innerhalb der vier Umbaustadien fast vollständig aufgehoben wird (Abbildung 5.15). 1,8

1,6

Shannon- und Artenprofilindex

1,4

1,2

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0,0 Re

Um

Üb

Dw

Artenprofili. Baum. Artenprofili. Verj. Shannon Bodenveg.

Umbaustadium

Abbildung 5.15: Veränderung der Struktur- und Bodenvegetationsdiversität (Mittelwerte mit Minimum- und Maximumwerten)

Betrachtet man die Entwicklung der Artenzahlen in verschiedenen Bodenvegetationsschichten mit dem Waldumbau, so zeigt sich tendenziell ein Rückgang (Abbildung 5.16). Die mittlere Anzahl der Moosarten, aber auch die der Kraut- und Straucharten, ist im Fichtenreinbestand am höchsten.

Abbildung 5.16: Veränderung der Artenzahlen der Bodenvegetation mit dem Waldumbau (Mittelwerte mit Minimum- und Maximumwerten)

130

S. Gärtner

Auf den ersten Blick erstaunt die Abnahme (bzw. unwesentliche Zunahme) der Diversität der Bodenvegetation. Doch erscheint dies bei näherer Betrachtung plausibel, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich bei den Fichtenbeständen im Reinbestandsstadium ausschließlich um „gesättigte“ (Nihlgård 1970) Bestände handelt, was bedeutet, dass artenarme Dickungen und Stangenhölzer nicht in die Untersuchung integriert wurden. Streng genommen ist ein Vergleich bezüglich der Struktur- und Artendiversität zwischen Ökosystemen oder Ökosystemtypen nur im gleichen Entwicklungsstadium sinnvoll (Anders u. Hofmann 1997), bei der vorliegenden Untersuchung wird jedoch die Diversitätsentwicklung im Waldumbauprozess beleuchtet. Ein weiteres methodologisches Problem bei der Anwendung der Diversitäts-Indizes ist deren Abhängigkeit von der Bezugsfläche. Aus diesem Grund wurde hier eine einheitliche Fläche von 100m2 gewählt. Nur einschichtig und ausschließlich mit Fichte bestockt, bietet das Reinbestandsstadium mehr Möglichkeiten für die Ansiedlung von Waldbodenpflanzen, besonders von Moosen, die in den drei anderen Stadien vom Buchenlaub verdämmt werden (Schmidt u. Weckesser 2001). Die relative Dominanz der Buche in den Überführungsbeständen und ihre möglichst umfassende Ausfüllung des Bestandesraumes sind nicht förderlich für die Waldbodenvegetation. Nur die Evenness und der dominanzsensitive SimpsonIndex steigen - wenn auch nicht signifikant - über den Waldumbauprozess an, da sie (vor allem die Evenness) die gleichmäßige Aufteilung der Deckungsanteile auf die vorhandenen Arten - unabhängig von der Artenzahl - höher gewichten (Haeupler 1982). Es stellt sich die Frage, welche Einflussfaktoren die Diversitätsunterschiede der Bodenvegetation bestimmen. Eine Annäherung wurde über die Prüfung der Zusammenhänge (Rangkorrelationen Spearman rs) zwischen Strukturvariablen und den Diversitätskennwerten der Bodenvegetation versucht. Die Anzahl der Moosarten ist die Diversitätsgröße, die am stärksten und am häufigsten mit den Strukturvariablen korreliert ist. Das grundsätzliche Muster auf den verschiedenen Skalen ist eine positive Korrelation mit dem Nadelholzanteil (rs: 0,51) und eine negative mit dem Laubholzanteil (rs: -0,42). Was den räumlichen „Einflussbereich“ der Buchenüberschirmung auf die Moosartenanzahl anbelangt, so ist die Korrelation mit der weiteren Umgebung (rs: -0,56) höher als die mit der unmittelbaren (rs: -0,40). Bei der Fichte sind die Verhältnisse genau umgekehrt (rs: 0,47 und rs: 0,51). Mit dem mittleren prozentualen Freilandstrahlungsanteil sind die Artenzahlen positiv korreliert (mit der Anzahl der Moosarten rs: 0,35 und der der Kraut- und Straucharten rs: -0,42). Die Evenness zeigt jedoch die entgegengesetzte Beziehung (rs: -0,44), d.h. die beiden hier berücksichtigten Komponenten der Diversität (Artenreichtum und Deckungsverhältnisse zwischen den Arten) zeigen entgegengesetzt gerichtete Beziehungen zum „Licht“. Außer der genannten Korrelation und einer schwach positiven zwischen dem großflächigen Buchenanteil und der Evenness gibt es im vorliegenden Datenset keine Beziehung zwischen den Diversitätskennwerten der Bodenvegetation und den Strukturvariablen. Ähnlich geringe Zusammenhänge zwischen Struktur- und Vegetationsdiversität fanden auch Neumann u. Starlinger (2001) für die Level–II-Plots von Wäldern

5.4 Diversität

131

verschiedener Höhenlage in Österreich. Entgegengesetzt dazu fand Kirby (1988) beim Vergleich von Mischbeständen mit Reinbeständen von Fichte und Buche in England höhere Artendiversität in den Mischbeständen. Es gibt relativ wenige Arbeiten, die sich mit der Analyse des Zusammenhangs zwischen Struktur- und Bodenvegetationsdiversität befassen, während über die Beziehungen zwischen Standortsvariablen und Diversitätsmuster relativ viele Untersuchungen vorliegen – etwa eine Diskussion diversitätsrelevanter Standortsvariablen bei Pausas u. Austin (2001). Grundsätzlich können die von Anders u. Hofmann (1997) aufgezeigten Tendenzen für den Vergleich von naturnahen Laubbaumgesellschaften mit Nadelbaumersatzgesellschaften in Nordostdeutschland auch für den Südschwarzwald bestätigt werden. Die Veränderungen sind weniger in den reinen Artenzahlen zu finden, sondern eher in den Verschiebungen der Zeigerwerte und Lebensformspektren der Arten. Im Laufe des Waldumbaus zeigen sich die größten Unterschiede zwischen dem Fichtenreinbestand und dem Überführungsstadium, das relativ höhere Buchenanteile aufweist, während sich beim Dauerwaldstadium die Verhältnisse dem Initialstadium annähern. Walentowski (1998) stuft den als naturnah bewerteten Hainsimsen-Tannenwald in Bayern bei einer durchschnittlichen Artenzahl von 25 als eine Gesellschaft mittlerer Vielfalt ein. Anders u. Hofmann (1997) geben für den WaldschwingelBuchenwald in Mitteldeutschland eine mittlere Artendiverstiät von 22 und für den Hainsimsen-Buchenwald von 12 Arten an. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Substrukturtypen des für den Südschwarzwald untersuchten Waldumbaus sind im Vergleich zu Unterschieden, die Zerbe (1992, Vergleich von Fichtenersatzgesellschaften und Hainsimsen-Buchenwälder) und Schmidt u. Weckesser (2001, Vergleich von Fichten-, Misch- und Buchenbeständen) aufzeigen, nicht sehr gravierend. In der vorliegenden Untersuchung geht es ja nicht um eine Gegenüberstellung von reinen Fichten- und Buchenwäldern, da mit der Tanne in der montanen Form der Fageten immer ein gewisser Anteil an Nadelwaldbegleitern in der Bodenvegetation vorhanden ist. Die ökologische Interpretation von Diversitätsindizes, besonders der absoluten Artenzahlen, kann problematisch sein, da hohe Diversität bzw. hohe Artenzahlen nicht zwangsläufig bessere ökologische Zustände indizieren, sondern oft das Gegenteil. Im vorliegenden Fall bewegen sich die Verschiebungen im Arteninventar in den lebensraumtypischen Grenzen, d.h. nur maximal 2% der Deckung werden von „Nichtwaldarten“ im Sinne v. Oheimb et al. (1999) gebildet. Nur Schlagarten wie Rubus idaeus oder Epilobium angustifolium zeigen nennenswerte Deckungen. Daher kann der Schluss gezogen werden, dass Bestände mit höherem Nadelbaumanteil und geringerer vertikaler Struktur eine höhere naturnahe alpha-Diversität der Bodenvegetation aufweisen als die mit dem Waldumbau im Südschwarzwald angestrebten strukturierten Dauerwaldbestände.

132

J.-A. Salamon

Diversität der Bodenfauna J.-A. Salamon

Werden die einzelnen Waldumbaustadien hinsichtlich der Gesamtartenzahl der saprophagen Makrofauna verglichen (Probenahmetermin: September 2001), so fällt zunächst auf, dass die Artenzahlen insgesamt sehr niedrig waren (Abbildung 5.17). Dies liegt vermutlich in erster Linie an dem insgesamt relativ niedrigen Boden-pH-Wert in den untersuchten Waldumbaustadien, der die Besiedlung von säureintoleranten anözischen und endogäischen Regenwurmarten sowie von kalkbedürftigen Assel- und Diplopodenarten verhindert. Von den untersuchten Waldumbaustadien hatten die Umbaubestände die höchsten Artenzahlen (Abbildung 5.17). In dieser Initialphase des Waldumbaus (Einbringung neuer Baumarten und Auflichtung in den Umbaubeständen) nimmt die Diversität der Bodenvegetation zu und somit auch die Artenzahl der saprophagen Makrofauna, die vermutlich von der erhöhten Qualität der Nahrungsressourcen (diverse Kraut- und Strauchstreu) profitiert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Streu der Kraut- und Stauchsicht häufig einen höheren Stickstoffgehalt und ein engeres C/N-Verhältnis als die Baumstreu von Fichte und Buche hat (Gisi et al. 1990) und somit eine ergänzende, attraktive Nahrungsquelle für viele Streu fressende Arten darstellt. Dass die Diversität und der Deckungsgrad der Bodenvegetation einen starken Einfluss auf die Artenzahl der saprophagen Makrofaunagemeinschaft haben, konnte in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen werden (siehe z. B. David et al. 1999, Campana et al. 2002).

Gesamtartenzahl

10 8 6 4 2 0

Fi

Um

Üb

Da

Abbildung 5.17: Gesamtartenzahl der saprophagen Makrofauna in den Fichtenrein (Fi)-, Umbau (Um)-, Überführungsbeständen (Üb) und Dauerwäldern (Da) im September 2001.

5.4 Diversität

133

mittlere Anzahl der Gattungen

Neben der saprophagen Makrofauna profitierten offenbar auch die Nematoden von der erhöhten Ressourcenqualität in den Umbaubeständen, was sich an der hohen Anzahl an Nematodengattungen in diesem Waldumbaustadium zeigt (Abbildung 5.18). 20 ab 16

a

36 30

12

ab

b

31

28

8 4 0

Fi

Um

Üb

Da

Abbildung 5.18: Mittlere Anzahl der Nematodengattungen in den Fichtenrein (Fi)-, Umbau (Um)-, Überführungsbeständen (Üb) und Dauerwäldern (Da). Balken mit gleichen Buchstaben unterscheiden sich nicht signifikant voneinander (p>0,05, Tukey`s minimum significance difference test). Zur statistischen Auswertung siehe Kapitel 5.3.5 („zweifaktorielle ANOVA“).Weiß eingefügt sind die Gesamtzahlen der Nematodengattungen in den jeweiligen Waldumbaustadien.

Innerhalb der Nematoden wurden vor allem die räuberischen Arten von der Konversion der Fichtenreinbestände in aufgelichtete Umbaubestände begünstigt (Abbildung 5.19b) und üben offenbar eine starke „Top-down“ Kontrolle auf andere Nematodengruppen wie die Omnivoren aus, deren Individuendichte in den Umbaubeständen am geringsten war (Abbildung 5.19a). (b) Räuberische Nematoden

(a) Omnivore Nematoden 200000

5000 Ind./m²

Ind./m²

150000 100000

ab 50000

a

6000

a

b

b

4000 3000 2000 1000

0

0

Fi Um Üb Da

b

ab ab

Fi Um Üb Da

Abbildung 5.19: Abundanz der omnivoren (a) und räuberischen Nematoden (b) in den Fichtenrein (Fi)-, Umbau (Um)-, Überführungsbeständen (Üb) und Dauerwäldern (Da). Balken mit gleichen Buchstaben unterscheiden sich nicht signifikant voneinander (p>0,05, Tukey`s minimum significance difference test). Zur statistischen Auswertung siehe Kapitel 5.3.5 („zweifaktorielle ANOVA“)

134

S. Gärtner

5.5 Ableitungen und Empfehlungen für den Waldumbau

5.5.1 Zusammenfassende Ableitungen S. Gärtner

Waldumbau und Waldbewirtschaftung sollten (1) standortsdifferenziert durchgeführt werden („Standortswald“), (2) die Texturdiversität der Waldlandschaft erhalten und fördern (5.2.2) und (3) Sonderstandorte und -strukturen wie Totholz oder Nutzungsrelikte berücksichtigen (5.2.2). Die Berücksichtung der Standortseigenschaften bei der Baumartenwahl ist wesentlich für die Erhaltung der Bodenvegetations- und Vegetationstypendiversität (5.2.2). Sowohl auf regionaler als auch auf lokaler Ebene bestehen erhebliche Unterschieden in den Wuchsbedingungen und in der Standortseignung für die Baumarten. Dies ist einerseits bei der Interpretation der erzielten Forschungsergebnisse zu berücksichtigen, andererseits bei deren praktischer Umsetzung im Rahmen der zukünftigen Waldbewirtschaftung und des ökologischen Waldumbaus („Standortswald“). Auf jedem Standort sollten verschiedene Bewirtschaftungsarten, wie z. B. Dauerwald und Fichtenaltersklassenwald, umgesetzt werden, damit differenzierte Strukturen und Artenzusammensetzungen entstehen können. Dauerwälder führen innerhalb der Behandlungseinheiten zu einer Diversifizierung der Bestandes- und Verjüngungsstruktur, insgesamt aber zu einer Nivellierung charakteristischer Bodenvegetationstypen und Bodentiergemeinschaften. Die Behandlung der Bestände innerhalb von Waldkomplexen sollte auf verschieden dichte und verschieden strukturierte Bestände abzielen. Das Lichtmanagement am Waldboden spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Berücksichtigt man neben den Waldorganismen auch historische Nutzungsrelikte und an sie gebundene Organismen, dann kann für ausgewählte Bestände und Waldrandbereiche sogar eine partielle oder vollständige Auflösung der Bestandesstruktur empfohlen werden (5.2.1). Diese Waldgrenzbereiche – beispielsweise Sukzessionsstadien und Waldweiden – als auch die Samenerntebestände erfordern eine spezifische Bewirtschaftung, die im Folgenden näher erläutert wird (5.2.1 und 6.1). Zusammenfassend lautet die Empfehlung, dass innerhalb eines Naturraums Gesamtkonzepte zu entwickeln sind, welche Bewirtschaftungsvielfalt mit standortsheimischen Baumarten zulassen und fördern und gleichzeitig die abiotischen Waldfunktionen (Boden- und Wasserschutz) gewährleisten.

5.5 Ableitungen und Empfehlungen

135

5.5.2 Detaillierte Empfehlungen zu einzelnen ökologischen Aspekten Wald als Kulturlandschaft A. Reinbolz

Erhaltung kulturlandschaftlicher Vielfalt im Wald erfordert zwei parallele Ansätze in der Bewirtschaftung: Den Schutz und die Unterhaltung vorhandener Kulturgüter im Wald einerseits und die Entwicklung und Förderung vielfältiger Kulturlandschaften andererseits. Grundlage für diese Erhaltung ist ein möglichst breites Wissen über die Bestandesgeschichte und die Art möglicher Relikte. Grundlegende Informationen dazu lassen sich mit einfachen Methoden erfassen und auch kartographisch darstellen (Reinbolz et al. 2003, vgl. Abschnitt 5.6). Aus diesen Informationen lassen sich dann die notwendigen Schutzmaßnahmen ableiten und mögliche Entwicklungsziele festlegen. Der Schutz bestehender nichtbiologischer Kulturrelikte im Wald ist mit dem geringsten Aufwand verbunden: Sie müssen lediglich vor mechanischen Schäden geschützt werden. Das ist besonders wichtig bei linearen Relikten wie Bewässerungsgräben oder Steinmauern. Diese liegen üblicherweise quer zum Hang und damit häufig in einer Rückegasse. Sie können jedoch bei Eingriffen im Wald leicht abgedeckt werden. Auf diese Weise können sie einige hundert Jahre erhalten werden, bevor sie endgültig zerfallen Der Schutz biologischer Relikte gestaltet sich schwieriger: Kulturlandschaftselemente im Wald stammen vornehmlich aus einer ehemaligen Offenlandnutzung oder aus einer aufgegebenen traditionellen Waldnutzung. Biologische Relikte aus dem Offenland können Weidbuchen sein, aber auch Hecken und Fragmente der ehemaligen Vegetation in der Krautschicht. Einen Sonderfall stellen die Samenbanken als inaktiver Teil der biologischen Relikte dar. Alle diese Relikte sind vom Licht abhängig. Sie können deshalb nur erhalten werden, wenn sie entweder durch punktuelle Auflichtungen von der Konkurrenz im Bestand ausgenommen werden, etwa bei Weidbuchen oder Mauer-Hecken-Komplexen, oder durch eine flächige Auflichtung insgesamt gefördert werden, wie Fragmente in der Krautschicht oder der Samenbank. Dies gilt besonders in den Übergangsbereichen von Wald und Weide, in denen ein dichter Kronenschluss zum Verlust vorhandener Fragmente der Offenlandvegetation führt. Untersuchungen der Samenbank haben aber gezeigt, dass eine Kronendeckung von 50 % noch keine negativen Auswirkungen hat. Biologische Relikte ehemaliger Waldnutzung entstammen einem bestimmten Nutzungssystem wie der Niederwaldbewirtschaftung oder der Reutbergwirtschaft. Sie sind direkt abhängig von den Bedingungen dieser Nutzung, die sich kaum durch einfache Pflegemaßnahmen simulieren lassen (Wilmanns et al. 1979, Wilmanns 1995). Zumindest die kleinflächige Erhaltung von Niederwäldern durch gelegentlichen Stockhieb wäre jedoch wünschenswert. Grundsätzlich vermieden werden sollte das Durchwachsen dieser Bestände mit anschließendem Vorbau anderer Baumarten und der aktive Waldumbau.

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J. Kretschmer

Die Entwicklung und Förderung diverser Kulturlandschaften im Südschwarzwald insgesamt ist ein Problem, das nur nutzungsübergreifend gelöst werden kann. Voraussetzung ist die Kenntnis der Landnutzungsgeschichte. Aktuelle Entwicklungen wie die Wiederbewaldung müssen dabei berücksichtigt werden. In Zusammenarbeit aller Landnutzer (z. B. Forstverwaltung, Kleinprivatwaldbesitzer, Landwirte, Gemeinden) kann dann ein Zielsystem entwickelt werden, das eine möglichst große Vielfalt verschiedener Landnutzungen bewahrt. Die Möglichkeiten hierzu sind zahlreich. Einige Beispiele: Die Kleinprivatwaldbesitzer können durch gezielte Ansprache mit ihren vielfältigen Interessen eingebunden werden (Bieling 2003). In Wege- und Tourismuskonzepten kann der Wert kulturlandschaftlicher Relikte erlebbar gemacht werden und als Alleinstellungsmerkmal den Tourismus befördern (Hildebrandt et al. 1994). Eine kontrollierte Beweidung der Übergangsbereiche kann zu positiven ökologischen und ästhetischen Effekten führen (Coch 1995, Hunziker u. Kienast 1999). Weidegenossenschaften können die Offenhaltung verbrachter Flächen sichern (Reinbolz u. Plieninger in Vorb.). Grundsätzlich sollten solche Bestände vom „ökologischen Waldumbau“ ausgenommen sein, die durch ihre Nutzungsgeschichte besonderen Wert erhalten haben – sei es durch ungewöhnliche Artenkombinationen, eine ungewöhnliche Struktur des Bestandes oder der Individuen oder durch ihren regionaltypischen Charakter. Verjüngung J. Kretschmer

Für die Verjüngung wirken vor allem Unterschiede im Lichtangebot, verursacht durch verschiedene Überschirmungsdichten des Ausgangsbestandes, strukturierend und differenzierend. Die Baumartenzusammensetzung wirkt sich auf die Verjüngung, wie in Abschnitt 5.4.3.2 beschrieben, lediglich bei nahezu homogenem Bestandesaufbau negativ aus, wobei die kleinstandörtliche Einbringung einer zweiten Baumart zu einer exponentiell steigenden Bestandesdiversität führt. Somit wird insgesamt die Verjüngung durch einen Waldumbau über eine Zunahme der Bestandesstruktur begünstigt. Abweichend dazu zeigen jedoch in der Überführungsphase sowohl die Verjüngungszahlen als auch die heterogeneren Verjüngungsmuster kleinräumig diversere Verjüngungssituationen im Vergleich zum Dauerwald (vgl. Abschnitt 5.3.3). Um die mit einem Waldumbau angestrebten Ziele „Erhöhung der Bestandesdiversität und -stabilität“ großflächig zu erreichen, müssen darüber hinaus bezüglich der Baumartenkombination die naturräumlichen Verhältnisse, also die spezifischen Standortseigenschaften, Berücksichtigung finden (Ludemann 2002). Waldumbau sollte daraus abgeleitet ein komplexes Waldbaukonzept sein, das seine Ziele großflächig nicht an einem einzigen starren Muster festmacht, sondern

5.5 Ableitungen und Empfehlungen

137

auf kleinräumige Strukturen2 eingeht, so dass Diversität und Stabilität sowohl auf kleinräumiger Bestandes- als auch auf Landschaftsebene gefördert wird. Grundlage dessen ist eine Kombination an Bewirtschaftungskonzepten und Zielvorstellungen, bei denen auch herkömmliche Nutzungsformen eine Rolle spielen sollten. Denn gerade die Konzentration auf ein universelles Waldleitbild, sei es nach Stand des heutigen Wissens noch so ziel- und gesellschaftskonform, führt wieder zu einer Nivellierung von Landschaft und ihren Bestandteilen und kann sie somit weder diverser noch stabiler machen. Vegetation S. Gärtner

Aus vegetationskundlicher Sicht sollte der Bergmischwald bestandesweise unterschiedlich beiwrtschaftet werden. Das Ziel eines im Extremfall einzelbaumweise gemischten Bergmischwaldes sollte nicht großflächig einheitlich angestrebt werden. Statt dessen sind „Vorstufen“, d. h. vertikal weniger strukturierte Mischwälder oder Bestände mit der Dominanz einer Baumart, ebenfalls erhaltenswert, sofern sie Bestandteil einer waldbaulichen Gesamtkonzeption mit verschieden vielfältigen Waldstrukturen sind. Selbst einzelne Fichtenreinbestände tragen zum Naturschutzwert der Waldlandschaft bei, da sie die Ausbildung einer differenzierten Bodenvegetation ermöglichen. Auch Pionierstadien sollten neben Dauerwald weiterhin einen Teil der Waldfläche einnehmen. Schadereignisse lassen sich auch in stabilen Beständen nicht vollständig verhindern, so dass keine Maßnahmen zu ihrer Erhaltung empfohlen werden müssen. Um eine gewisse Vielfalt an Struktur und bodenvegetationsspezifischen Waldtypen zu erhalten, sollte außer der Berücksichtigung kleinräumiger Standortsangepasstheit der Waldbewirtschaftung auch auf „Normalstandorten“ eine möglichst differenzierte Bewirtschaftung angestrebt werden. Dies führt zu einem Nebeneinander verschiedener Bewirtschaftungsarten wie plenter- und schlagweiser Nutzung als auch von Rein- und Mischbeständen Im Folgenden einige Anregungen, wie die genannten Empfehlungen umgesetzt werden können. Eine Forderung an die forstpolitische Rahmengestaltung ist, vor allem Freiheit in der Bewirtschaftung zuzulassen, denn möglicherweise spiegelt auch die „naturnahe“ Waldwirtschaft einen momentanen Zeitgeist in der Forstwissenschaft wider. Dies ist keine Empfehlung für Plantagenwirtschaft und industriellen Waldbau, es ist ein Plädoyer für Bewirtschaftungsvielfalt. Voraussetzungen dafür sind durch die Waldbesitzverhältnisse im Südschwarzwald und die unterschiedlichen Interessensschwerpunkte vor allem der Kleinprivatwaldbesitzer gegeben (Bieling 2002). Die heute viel zitierten Bauernplenterwälder, vor allem im mittleren Schwarzwald, wären nicht mehr vorhanden, hätte sich dort der jeweils zeitgemäße Waldbau durchgesetzt. Für die Nutzung der 2

Kleinräumige Strukturen sind beispielsweise standörtlich, bewirtschaftungstechnisch, besitzrechtlich oder historisch bedingt.

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J.-A. Salamon

vorliegenden Erkenntnisse für eine Waldumbau- oder Waldbaustrategie ist es also nicht nötig, weitere Kriterien in Waldbau- und Förderrichtlinien aufzunehmen. Diese Forderung nach einem Nebeneinander verschieden strukturierter Wirtschaftswälder (Schütz 2001) und differenzierter Nutzungskonzepte unter Einbeziehung von Naturschutzgesichtspunkten (Haber 1979, Harris 1984, Zerbe 1998, Reif et al. 1999) sind nicht neu und können nach den Ergebnissen dieses Projekts nur gestützt werden. Die nachweislich positiven Auswirkungen des Waldumbaus auf die ökologischen Waldfunktionen des Boden- und Wasserhaushalts und der Habitatvielfalt wurde in verschiedenen Untersuchungen dargestellt (Weber et al. 1993, Heitz 1998, Engel u. Ammer 2001, Zirlewagen 2002, Zirlewagen u. v. Wilpert 2002). Diese positiven Auswirkungen und die grundsätzliche Entscheidung für den Waldumbau werden durch die vorliegenden vegetationskundlichen Ergebnisse nicht in Frage gestellt. Es geht vielmehr darum, die Intensität des Waldumbaus, dessen Ausmaß und räumliche Ausdehnung kritisch zu diskutieren. Von Seiten der Forstpolitik sollte nur dann lenkend eingegriffen werden, wenn sich abzeichnet, dass großflächig die ökologischen Waldfunktionen gefährdet sind. Bodenfauna J.-A. Salamon

Das angestrebte Ziel des ökologischen Waldumbaus, Fichtenreinbestände in artenreiche Mischwälder (Dauerwälder) zu überführen, ist aus bodenzoologischer Sicht zu befürworten, da sich der Bodenchemismus (speziell der Boden-pH) und die Streuqualität durch das Einbringen von Laubbaumarten wie der Buche verbessern. Damit steigt vermutlich langfristig die Abundanz und Diversität der saprophagen Makrofauna (z. B. der Isopoda) an, was wiederum die Geschwindigkeit des Streuabbaus und die Nährstoffmobilisierung (z. B. von Stickstoff und Phosphor) beschleunigen könnte. Innerhalb der Mischwälder sollten Elemente der einzelnen Umbauphasen (Fichtenreinbestände, Umbau- und Überführungsbestände) erhalten bleiben, da die einzelnen Umbaustadien z. T. charakteristische Bodentiergemeinschaften aufweisen. Speziell Auflichtungen wie in den Umbaubeständen führen zu einer hohen Artenzahl und Abundanz verschiedener Bodentiergruppen und sind deshalb unter dem Aspekt der Biodiversität positiv zu bewerten. Wichtige Steuergrößen für das Vorkommen und die Dichte saprophager Arten sind strukturelle Elemente wie der Deckungsgrad des Totholzes und die Diversität der Bodenvegetation. Speziell ein hoher Totholzanteil in Wäldern begünstigt verschiedene Bodentiergruppen - in dieser Untersuchung z. B. die Lumbricidae und sollte in der zukünftigen Forstpraxis als positiver Aspekt angesehen werden.

5.6 Praxismethoden

139

5.6 Praxismethoden

5.6.1 Gewinnung von Vermehrungsgut A. Dounavi, M. Konnert, E. Cremer, E. Aldinger, E. Hussendörfer

Für die Gewinnung vom Weißtanne-Vermehrungsgut können nach den Befunden der genetischen Untersuchungen folgende Empfehlungen gegeben werden: Auf Grund von Bestandesbesonderheiten sollen mehrere Bestände beerntet werden und das Saagut ist gut zu mischen. Nach Möglichkeit sollten bevorzugt vitale Weißtannen beerntet werden, die nicht isoliert im Bestand stehen. Weiterhin sollten in zugelassenen Samenerntebeständen die waldbaulichen Maßnahmen auf die Erhöhung des Mischungsanteils und die gleichmäßige räumliche Verteilung der Bäume im Bestand ausgerichtet werden. Aus den Ergebnissen lässt sich folgern, dass für die Baumart Buche die Überprüfung der Identität einer Saatgutprobe bei vorhandener Referenzproben sehr gut möglich ist (Konnert u. Hussendörfer 2002). In Abbildung 5.20 ist ein möglicher Ablauf der Herkunftskontrolle, basierend auf Referenzproben, schematisch dargestellt. Die ersten Proben werden bei der Ernte zurückgelegt, weitere Proben nach der Aufbereitung des Saatgutes. Darüber hinaus ist es möglich, repräsentative Referenzproben zu ziehen. Auch bei der Ziehung der Proben aus dem aufbereiteten Saatgut muss man darauf achten, dass die Gleichmäßigkeit gewahrt wird. Nach Hussendörfer (2003) sollen die genetischen Untersuchungen bei Referenzproben bei mindestens 200 Bucheckern erfolgen, um eine repräsentative und zuverlässige Herkunftsidentifizierung sicher zu stellen. Nach den gleichen Ergebnissen hat der Probenziehungsmodus bei Referenzproben von mehr als 400 Bucheckern bei der Probeziehung im Bestand und mehr als 300 Bucheckern nach der Aufbereitung in der Klenge keinen signifikanten Einfluss auf die Überprüfung der Herkunftsidentität.

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A. Reinbolz

Bestandesprobe Ziehung bei der SaatgutErnte

Pflanzenprobe Ziehung bei Pflanzenabgabe

Einzelbaumprobe Ziehung bei der SaatgutErnte

Saatgutprobe Ziehung vor der Aussaat, bei Weiterverkauf oder nach Mischung

Abbildung 5.20: Lückenlose Überprüfbarkeit der Identität forstlichen Vermehrungsgutes mit biochemisch-genetischen Methoden auf der Basis von Referenzproben von der SaatgutErnte bis zur Pflanzung

5.6.2 Wald als Kulturlandschaft A. Reinbolz

Die Bewertung und Erhaltung von Kulturlandschaftsrelikten im Wald setzt die Kenntnis ihrer Herkunft, Lage und funktionalen Zusammenhänge voraus. Diese müssen nicht immer über ein historisch orientiertes Forschungsprojekt geklärt werden: Einfache Feld- und Archivmethoden reichen bereits aus, um einen grundlegenden Überblick über die vorhandenen Kulturgüter zu gewinnen. Im Folgenden werden Anregungen gegeben, um Informationen zur Genese eines Bestandes zu gewinnen (einen ausführlichen Überblick geben Reinbolz et al. 2003). Diese Methoden sind als Anregung zu verstehen und können gute Hinweise für die mögliche Bewirtschaftung der untersuchten Bestände geben. Für darüber hinaus gehende, komplexere Fragen können sie die methodisch aufwändige Kulturlandschaftsanalyse jedoch nicht ersetzen (z.B. Seiffert et al. 1994, Konold 1996, Schwineköper 2000). Am Anfang der Recherchen steht üblicherweise das Studium schriftlicher Quellen. Historische Karten der Landesvermessungsämter, staatlicher und privater Archive, der Gemeinden und der Forstverwaltung geben erste Anhaltspunkte für die Erschließung der früheren Nutzung eines Gebietes. Hilfreich können auch Luftbilder sein, die je nach Untersuchungsgebiet etwa ab den 1930er- Jahren verfügbar sind. Akten, etwa Forsteinrichtungswerke, enthalten ebenfalls eine große Menge von Informationen, sind aber schon aufgrund der Art und Fülle der Daten deutlich aufwändiger in der Auswertung. Die Güte der Schriftquellen nimmt mit zunehmendem Alter deutlich ab. Erst seit 1800 wurden Bestandesdaten quantitativ erfasst, zuvor war Wald als Besitz vor allem Teil juristischer Dokumente. Etwa

5.6 Praxismethoden

141

zum gleichen Zeitpunkt wurde auch die Vermessungstechnik so exakt, dass sich die Karten auch heute quantitativ auswerten lassen (Granget 1973). Bei der Interpretation historischer Quellen ist besondere Sorgfalt auf die kritische Bewertung der Ergebnisse zu verwenden. Beschreibungen und Karten sind häufig von subjektiven Einschätzungen, gezielten Interessen oder Fehlern behaftet. Gerade Flächenangaben können um ein Vielfaches falsch und beispielsweise in Lehensbriefen sieben- bis zehnmal niedriger sein als die tatsächliche Flächengröße (Mayer 1893). Auch betrachten verschiedene Verfasser den selben Waldzustand unter ihrem eigenen Blickwinkel: Was für den Förster während der Holznot des 19. Jahrhunderts ein „heruntergekommener“ Wald war, kann für den Bauern geschätzte Weide sowie Streu- und Futterlieferant gewesen sein (Radkau 1989). Der Überblick über die Bestandesgeschichte ist eine gute Grundlage zur Begehung der Bestände. Meist sind die Überreste ehemaliger Nutzung im Wald noch gut zu erkennen. Die heutigen Relikte wurden zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nie als Einzelstück geschaffen – sie waren vielmehr regelmäßig Teil eines ehemals flächig wirksamen Nutzungskomplexes, beispielsweise der Weidewirtschaft mit Schnittwiesen und Sommerweiden. Deutlich erkennbare Spuren der ehemaligen Nutzung sind veränderte Waldstrukturen und Kleinformen. In der Struktur lassen sich viele Hinweise auf früheres Offenland finden (Marks u. Gardescu 2001), beispielsweise ehemalige Grenzlinien, die sich im Baumalter und der Kronenform erkennen lassen. Ehemalige Weidebäume sind ebenfalls an der Form zu erkennen. Weidenutzung im (teilweise halboffenen) Wald lässt sich in Abhängigkeit vom Standort am Vorkommen dorniger Gehölzarten wie Weißdorn (Crataegus spec.) und Rose (Rosa spec.) und an krautigen Arten wie der Bleichen Segge (Carex pallescens) und dem Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys) erkennen (Reinbolz u. Ludemann 2001). Vorkommen von Besenginster (Sarothamnus scoparius) und Adlerfarn (Pteridium aquilinum) weisen auf die früher verbreitete Reutbergwirtschaft hin (Wilmanns 1995). Obstbäume oder Johannisbeersträucher zeigen Siedlungsreste an, Pionierbaumarten ehemalige Lichtungen und Reutfelder. Häufigste Kleinformen im Wald sind Lesesteinhaufen und -mauern, die als System Grenzen befestigten, oft im Zusammenhang mit Hecken, oder als reine Aufschüttung an ertragsarmen Stellen aufgeschichtet wurden. Darüber hinaus finden sich häufig Kanäle als Rest der ehemaligen Wiesenwässerung (oft nur noch als hangparallele Stufe ausgebildet), Stufenraine und Verbauungen von Gewässern. Aus dem kartographisch festgehaltenen Gesamtbild dieser Formen lässt sich häufig der Nutzungskomplex rekonstruieren, beispielsweise aus „Wildem Feld“ (Allmendweide) und „Zahmem Feld“ (private Schnittwiesen). Im Zusammenhang betrachtet geben die historischen Quellen, die Hinweise aus der Vegetation und die steinernen Relikte eine gute Grundlage zum Verständnis der Bestandesgeschichte. Auf dieser Grundlage lassen sich Entscheidungen über Entwicklungspotenzial oder mögliche pflegende Eingriffe effizient und effektiv planen.

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6 Waldumbau und Stoffhaushalt K. von Wilpert

6.1 Stoffhaushaltskriterien für Bedarf und Möglichkeiten von Waldumbau K. von Wilpert

Böden sind der Reaktionsraum, in dem sich Atmosphäre, Hydrosphäre, Lithosphäre und Biosphäre durchdringen und überschneiden. Hier finden spezifische Grenzflächenprozesse im Zusammenspiel verschiedener Raum- und Zeitskalen statt, die wesentliche Ökosystemeigenschaften und Systemfunktionen definierten. In der Raumskala ermöglichen sie einerseits das Vorhandensein der sich gegenseitig ausschließenden Gas-, Fest- und Flüssigphasen des Bodens. Andererseits bringen sie aber auch die weit auseinander liegenden Zeitskalen der extrem langsamen Silikatverwitterung und des in Sekunden ablaufenden Jonenaustauschs zusammen. Damit sind Böden der Transformationsraum, in dem Stoffe auf dem Weg zwischen Ökosphären gespeichert, gepuffert, umgewandelt und mobilisiert werden. Sie sind auch Grundlage der Primärproduktion von Ökosystemen und damit die Basis von Biosphärenprozessen. Die Entwicklung der chemischen und biologischen Rahmenbedingungen für Bodenprozesse wurde in Mitteleuropa in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend von anthropogenen Depositionen bestimmt. Die Forschungsarbeiten zum Thema Waldumbau und Stoffhaushalt, die in mehreren Teilprojekten des BMBF-Verbundprojektes „Forschung für eine zukunftsorientierte Forstwirtschaft“ durchgeführt wurden, zielten darauf ab, (1) die durch den Stoffhaushalt der Böden aktuell gegebenen Möglichkeiten und Grenzen für einen Waldumbau zu erkennen und (2) das unter den aktuell wirksamen äußeren Rahmenbedingungen gegebene Stabilisierungspotential durch Waldumbau zu identifizieren.

K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

152

K. von Wilpert

6.1.1 Anthropogene Depositionen Die Messungen von Stoffeinträgen in Wäldern, die im Depositionsmessnetz in Baden-Württemberg seit 1981 durchgeführt werden, sowie Stoffhaushaltsmessungen zeigen großflächig Säure- und Stickstoffeinträge, die auf nicht kalkhaltigen Böden über den kritischen Belastungen liegen, die in Waldböden gepuffert oder zurückgehalten werden können (Hepp und Hildebrand 1993). Stoffflussmessungen ergeben hohe Nettoausträge an basischen Kationen aus Waldböden, die zu Bodenversauerung und zur zunehmenden Einschränkung von Ausgleichs- und Pufferfunktionen der Waldböden führen. Die Geschwindigkeit, mit der Versauerungsprozesse in Waldböden während der vergangenen Jahrzehnte abgelaufen sind, lässt sich anhand des Vergleiches zwischen früheren bodenchemischen Messgrößen und deren heutiger Ausprägung einschätzen. Die Höhe der Säureeinträge liegt mit aktuell 0.5 - 3 kmolc ha-1 a-1 in allen Regionen Baden-Württembergs (bis auf kleinräumige Ausnahmen) auf nicht kalkhaltigen Böden (ca. 70 % der Waldfläche) über der kritischen Belastungsgrenze. Diese wird definiert als die langfristige Pufferkapazität durch Nachlieferung aus Silikatverwitterung. Zu berücksichtigen sind natürliche Basenverluste und Basenentzüge mit der Biomassenernte in der Größenordnung von ca. 0.5 kmolc ha-1 a-1 (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt 2003). Die Stickstoff-Einträge liegen bei 5 - 30 kg ha-1 a-1. Das langfristige N-Aufnahmevermögen von Wäldern wird auf nur 10 - 15 kg ha-1 a-1 geschätzt. Die Relation zwischen NH4 (Ammonium) und NO3 (Nitrat) beträgt ca. 1:1, regional bestehen jedoch Unterschiede, im Schwarzwald bestehen die N-Einträge zu 2/3 aus NO3, in Oberschwaben zu 2/3 aus NH4 (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt 2003). Geht man von der heutigen Depositionssituation aus, kann diejenige Summe der Gesamtsäurebelastung vorsichtig abgeschätzt werden, die in Wälder BadenWürttembergs über die gesamte jüngere Industrialisierungsphase hinweg eingetragen wurde. Wenn man annimmt, dass die heutige Belastung ca. 50 Jahre wirksam war, lag die Summe der Gesamtsäurebelastung in den letzten 50 Jahren zwischen 25 und 150 kmolc. Gleichzeitig wurde eine äquivalente Menge an Basizität in Pufferreaktionen verbraucht. In Kalkäquivalenten entspricht dies 1300 - 8000 kg ha-1 Kalk. Die Gesamtstickstoffeinträge summieren sich bei der gleichen Annahme auf 250 - 1500 kg ha-1. Die Wertespreitung entspricht hierbei den seit Anfang der 1980´er Jahre stabilen Depositionsrelationen im Land: höchste Belastungen in den Hochlagen von Schwarzwald und Odenwald sowie den östlichen Landesteilen in Oberschwaben und Hohenlohe, und einem räumlich begrenzten Areal mit niedrigen, heute im Bereich der Critical Loads (Nilsson 1986) liegenden Eintragshöhen im Lee von Schwarzwald und Odenwald (v. Wilpert und Hildebrand 1994). 6.1.2 Bodenversauerung Böden in humiden Klimazonen versauern generell. Natürliche Versauerungsvorgänge sind bei Säurestärken bis pH 5 durch die Wirkung von

6.1 Stoffhaushalt, Bedarf, Möglichkeiten von Waldumbau

153

Kohlensäure verursacht und bei höheren Säurestärken (pH<5) an die Wirkung starker anorganischer oder organischer Säuren gebunden. Die letzteren sind in der Regel im Oberboden aktiv und polymerisieren in Bhs-Horizonten der Podsole ab 30 - 40 cm Bodentiefe und fallen dort in Form fester Humate aus. Durch Oberbodenversauerung mobilisierte Basenvorräte können sogar in Podsolen durch tiefwurzelnde Baumarten i.d.R. wieder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden. Tiefenversauerung wird in erster Linie durch die Wirkung von starken Mineralsäuren und deren Anionen verursacht. Dies sind im Wesentlichen Nitrat und Sulfat, die überwiegend aus Immissionen stammen. Wird ein pH-Wert von 4.2 unterschritten, tritt Aluminium in der Bodenlösung auf. Dieses Aluminium kann mit dem Bodenwasser ausgetragen werden, zum Teil verdrängt es basisch wirkende Kationen von Austauscheroberflächen und senkt damit die Basensättigung. Die Säurestärke in Oberböden hat auf den meisten entkalkten oder silikatischen Substraten in wenigen Jahrzehnten um bis zu 2 pHStufen zugenommen (Abbildung 6.1). Anhand eines „historischen“ Vergleichs von pH-Werten aus einer Doktorarbeit von Frank (1927) mit Daten aus dem Messnetz der Bodenzustandserfassung im Wald, BZE (Buberl et al. 1994) konnte dieser Versauerungstrend für die wichtigsten Substrate im Schwarzwald exemplarisch gezeigt werden.

154

K. von Wilpert

40

BZE (1992)

FRANK (1927)

Relative Häufigkeit [%]

30 20

Sandstein

Gneis

Moränenlehm

Granit

10 0 40 30 20 10 0 3.0

4.0

5.0

6.0

3.0

4.0

5.0

6.0

pH (H2O) Abbildung 6.1: Vergleich der Häufigkeitsverteilungen von pH (H2O)-Werten im Mineralboden in 0 – 5 cm Tiefe von 1927 und 1992 auf Buntsandstein, Gneis, Moränenlehm und Granit

6.1 Stoffhaushalt, Bedarf, Möglichkeiten von Waldumbau

155

Mit Ausnahme der Granitstandorte ist eine durchschnittliche Zunahme der Säurestärke in der Größenordnung von ca. 2 pH-Stufen festzustellen. Die Tatsache, dass die im Oberboden natürlich sauren Podsole auf Graniten keine wesentliche pHWert Absenkung in den vergangenen 65 Jahren erfahren haben, kann als Beleg für die Validität dieses „historischen Vergleichs“ gesehen werden. Ergebnisse von Fallstudien zeigen, dass die aktuellen Basenausträge aus nicht kalkhaltigen Böden hoch sind. Dadurch sinken die Puffervorräte gegenüber Säureeinträgen und die pflanzenverfügbaren Vorräte essentieller Makronährelemente wie z. B. Magnesium. Die Geschwindigkeit der Bodenversauerung und die Intensität der Basenverarmung begrenzen die Möglichkeiten waldbaulicher Maßnahmen und machen Kompensationsmaßnahmen in Form von Dolomit-Kalkungen notwendig. Anhand eines Vergleiches der Tiefenprofile von austauschbar (d. h. pflanzenverfügbar) gespeicherter Basizität in Böden unter Nadel- und Laubbaumbeständen der BZE (Abbildung 6.2) kann abgeschätzt werden, wie hoch der mittel- bis langfristige Gewinn an Pufferkapazität und damit an bodenchemischer Stabilität sein kann, wenn Nadelbaum-Reinbestände in laubbaumreiche Mischbestände umgewandelt werden. Diese Darstellung setzt gedanklich voraus, dass nach einem Waldumbau durch natürliche Nachlieferung und/oder begleitende Kalkung ein Fließgleichgewicht zwischen Stoffeinträgen und Sickerwasseraustrag eingestellt wird, das sich unter den Rahmenbedingungen des neuen Waldbestandes langfristig halten kann. Die Darstellung zeigt, dass unter Laubwäldern in der obersten Mineralbodenschicht und im Unterboden höhere Basensättigungen vorkommen, allerdings bei gleichzeitig sehr hoher Variation, so dass die Unterschiede zwischen Laubund Nadelwaldkollektiven nur im unteren Hauptwurzelbereich (>30 cm Tiefe) statistisch gesichert sind. 6.1.3 Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalt Die vergleichsweise stabile Speicherung von Kohlenstoff und Stickstoff im Boden durch die Bildung von Mineralbodenhumus sind eng aneinander gekoppelt. Wie in Abbildung 6. 3 dargestellt, liegen die N-Vorräte in Fichtenbeständen Baden-Württembergs (Material der BZE) zwischen knapp 3 und knapp 30 Mg ha1 , während die Spanne der C-Vorräte zwischen ca. 30 und 420 Mg ha-1 liegt.

156

K. von Wilpert

Abbildung 6.2: Vergleich der Basensättigungs-Tiefenprofile in Waldböden unter Fichtenund Laubwald auf kalkfreien Böden des Wuchsgebietes Neckarland, dargestellt am Material der Bodenzustandserfassung im Wald (BZE). Signifikanz der Unterschiede zwischen Laub- und Nadelwald: *** = p<0.001, ** = p<0.01, * = p<0.05, (*) = p<0.1 (Mediane mit dem 17. und 83 Perzentil)

6.1 Stoffhaushalt, Bedarf, Möglichkeiten von Waldumbau

157

N-Vorrat [t/ha]

30

20

10 Mineralboden Mineralb.+Aufl. 0 0

100 200 300 400 C-Vorrat [t/ha] Mineralboden

500

Abbildung 6.3: Abhängigkeit zwischen Stickstoffvorrat und Kohlenstoffvorrat in Waldböden unter Fichte, dargestellt am Material der Bodenzustandserfassung im Wald (BZE). Die Vorräte wurden nach Mineralboden bis 60 cm Tiefe (Quadrate, durchgezogene Linie) und Gesamtvorrat einschließlich Humusauflage (Dreiecke, gestrichelte Linie) getrennt dargestellt (aus Hildebrand 1996).

In Abbildung 6.3 wird einerseits der über einen extrem breiten Wertebereich gleichmäßig enge Zusammenhang zwischen Kohlenstoff und Stickstoffvorrat in Waldböden erkennbar. Andererseits sieht man, dass in Waldböden BadenWürttembergs der ganz überwiegende Anteil der C- und N-Speicherung im Mineralboden lokalisiert ist. Der C-Vorrat, d. h. der Mineralbodenhumusvorrat ist also offensichtlich die Steuergröße des N-Speichervermögens des Bodens (Hildebrand 1996). In terrestrischen Waldökosystemen der gemäßigten Klimazonen ist im ungestörten Zustand Stickstoff der Mangelfaktor, der im Wesentlichen das Biomassewachstum begrenzt. Waldbäume und Waldvegetation sind daher evolutionär darauf optimiert, Stickstoff weitgehend verlustfrei umzusetzen und im Ökosystem zu halten. Der natürliche Stickstoffkreislauf wird i. d. R. von organisch gebundenem Stickstoff dominiert. Dieser wird nur relativ langsam mineralisiert, kann dadurch aber vollständig von der Vegetation aufgenommen werden. Anthropogene Stickstoffeinträge aus der Luft in Verbindung mit einer Beendigung der Streu- und Feinreisignutzung haben im Wald den Mangelfaktor Stickstoff zum

158

K. von Wilpert

Überflussfaktor werden lassen. Die zunehmende Stickstoffsättigung stellt für die Hydrosphäre ein Risiko dar, da diese künstlich erhöhten Vorräte bei Mineralisierungsschüben, wie sie z. B. durch Störung des Bestandesgefüges oder durch Witterungsextreme ausgelöst werden, über das Bodenwasser als Nitratschub ins Grundwasser verfrachtet werden können. Vergleicht man die BZE-Daten von Fichten- und Laubwäldern, lässt sich das Potential zur Steigerung dieser Bodenfunktion (Kohlenstoff- und Stickstoffspeicherung) abschätzen, das durch einen Bestandesumbau von reinem Nadelwald zu laubbaumreichen Mischbeständen erreichbar ist (Abbildung 6.4). Dabei ist erkennbar, dass sowohl die Kohlenstoffvorräte als auch die Stickstoffvorräte im oberen Mineralboden unter Laubwald signifikant höher als unter Nadelwald sind.

Abbildung 6.4: Vergleich der Kohlenstoff- (links) und Stickstoffvorräte (rechts) in Waldböden unter Fichte und Laubholz, dargestellt am Material der Bodenzustandserfassung im Wald (BZE). Signifikanz der Unterschiede zwischen Laub- und Nadelwald: *** = p<0.001, ** = p<0.01, * = p<0.05, (*) = p<0.1

Dieser Unterschied ist bei Kohlenstoff bis in 20 cm und bei Stickstoff bis in 60 cm Bodentiefe signifikant. Offensichtlich scheint der aus der Mineralisierung der Bestandesstreu in Laubwäldern entstehende Mineralbodenhumus einen höheren Stickstoffgehalt als unter Nadelwaldbeständen zu haben.

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

159

6.2 Wirkung des Waldumbaus auf Bestandes- und Landschaftsniveau K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Typischerweise werden Stoffhaushaltsstudien auf räumlich eng begrenzten Versuchsflächen durchgeführt. Diese räumliche Begrenzung ergibt sich zwangsläufig aus dem hohen instrumentellen Aufwand und den notwendigen Standardisierungen, mit denen solche Untersuchungen verbunden sind. Damit stellen Stoffhaushaltsstudien einen „kleinen, i. d. R. vom Versuchsleiter subjektiv bestimmten Ausschnitt aus der Menge möglicher Ökosystemkomponenten dar“ (Hildebrand et al. 1996), der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für größere Landschaften repräsentativ ist. In Stoffhaushaltsstudien wird z. B. geprüft, „ob Ökosysteme gleichgewichtsnah in einem Zustand weitgehend geschlossener Stoffkreisläufe verharren, oder ob Verlustterme im Stoffhaushalt auf eine langfristige Drift des Ökosystems hinweisen“ (Benecke et al. 1996). Bei einer Übertragung hierbei gewonnener Prozesskenntnisse auf ganze Landschaften muss ein Skalensprung überwunden werden, der die Aussagen auf Landschaftsniveau unsicher macht. Andererseits sind für konkrete Planungen und Steuerungsmaßnahmen im Ökosystem-Management verlässliche Prognosen über die Entwicklung des Stoffhaushalts auf Landschaftsebene notwendig. Denn forstbetriebliche Maßnahmen und Planungen finden auf dieser Ebene statt. Die Übertragung von Prozesskenntnis auf Landschaftsebene kann im Sinn einer großräumigen Mustererkennung erfolgen, indem die Prozessinhalte anhand von in der Landschaft quasi - kontinuierlich vorliegenden Schlüsselparametern von den Versuchsflächen in die Landschaft extrapoliert werden (Hildebrand et al. 1996, Zirlewagen 2003). 6.2.1 Bestandesstruktur und Stoffhaushalt (eine Ökosystemstudie) In der Ökosystemstudie Conventwald wird seit 1991 der Stoff- und Wasserhaushalt von Waldökosystemen untersucht, die sich hinsichtlich Baumartenzusammensetzung und Bestandesstruktur unterscheiden. Die einzelnen waldbaulichen Varianten sind in dieser Studie unter möglichst identischen Standortsbedingungen, mit Distanzen zwischen den Versuchsparzellen von weniger als 500 m räumlich sehr eng benachbart. Ziel der Untersuchungen ist es, den Spielraum für eine Stabilisierung des Stoffhaushalts zu identifizieren, den Forstpraxis und Waldbau unter dem Einfluss aktuell wirksamer Umweltveränderungen noch haben. Das Untersuchungsgebiet liegt in einer Höhenlage von 700 - 860 m ü. N.N., hat tiefgründig entwickelte, oberflächlich versauerte Braunerden aus dunklem, glimmerreichem Paragneis und ist von Gesamtsäure-

160

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

und Gesamt-Stickstoffeinträgen betroffen, die im Vergleich zum übrigen Land im oberen Drittel der Depositionsbelastung liegen (V. WILPERT et al. 1996, v. Wilpert et al. 2000). Damit sind Ergebnisse dieser Studie (mit aller Vorsicht) auf weite Teile des Hauptkammes in Schwarzwald und Odenwald übertragbar. Die um 3060% niedrigeren Gesamtsäuredepositionen auf den Leeseiten des Gebirgszuges (Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt, 2003) lassen dort eine schwächere depositionsbedingte Versauerungs- und Entbasungstendenz erwarten. Feger (1992) ermittelte für die Fichtenbestände des ARINUS-Projektes am Untersuchungsstandort Schluchsee eine Stoffflussdichte für Kationen bei 80cm Bodentiefe von durchschnittlich 2.43 kmolcha-1a-1 und in Villingen von 1.35 kmolcha-1a-1. In der Ökosystemstudie Conventwald liegen in der gleichen Bezugstiefe und in vergleichbaren Fichtenreinbeständen die Kationenausträge mit 4.8 kmolcha-1a-1 um 50-70% höher (v.Wilpert et al. 2000). So ist davon auszugehen, dass eine Regionalisierung von Bodenprozessen aus dem Bereich des Conventwald Standorts heraus nur im Bereich des Hauptkamms und Westabfalls von Schwarzwald und Odenwald zulässig ist. Eine Abschätzung der durch Baumart und Bestandesstruktur zu erwartenden Unterschiede im Stoffhaushalt von Wäldern wird im folgenden anhand des Materials aus der Conventwald – Studie dargestellt. Einerseits entsprechen die Untersuchungsmethoden der Ökosystemstudie Conventwald bei der Herleitung von Stoffflüssen dem Standard der meisten Ökosystemstudien: Entnahme periodischer Bodenwasserproben mittels Unterdrucklysimetern in für Stoffumsetzungen relevanten Schnittstellen der Fließpassage; Berechnung von Wasserflüssen mit Hilfe von Wasserhaushaltsmodellen aus quasi kontinuierlich gemessenen Bodenwasserspannungen, Niederschlagsmengen und meteorologischen Verdunstungsparametern. Wir verwenden das eindimensionale, nur für die Berechnung vertikaler Flüsse geeignete und auf der Darcy-Gleichung basierende Wasserhaushaltsmodell WHNSIM (Huwe 1992, Huwe und Gölz-Huwe 1993). Andererseits hebt sich die Studie Conventwald durch die Fokussierung aller relevanter Messungen auf eine Vielzahl mosaikartiger, waldbaulich homogener Kleinflächen von der eher auf Mittelwerte orientierten Methodik der meisten Ökosystemforschungsflächen ab. Für jedes der Strukturstraten, die mit Hilfe makroskopischer Kriterien ermittelt wurden (z. B. Kronendichte oder Baumartenzusammensetzung), wird anhand hinreichend vieler Messstellen ein repräsentativer, vertikaler Stofffluss berechnet. Dabei wird das Wasserhaushaltsmodell an die spezifischen Strukturmerkmale des jeweiligen Stratums individuell angepasst (Zirlewagen und v. Wilpert 2001). Bedingt durch diese mosaik- und strukturorientierte Methodik lassen sich die Stoffflussberechnungen zu Modellen waldbaulicher Szenarien kombinieren, die den mittelund langfristigen Stoffhaushaltseffekt von unterschiedlichen Waldbaustrategien relativ bewerten und über eine adäquate Modellierung von räumlich heterogenen Mischbeständen hinausgehen. Aus Luftbildern abgeleitete Kronendichte- und Baumartenverteilungen wurden verwendet, um für die gesamte Bestandesfläche eines Mischbestandes die auf Strukturstraten bezogenen Stoffflüsse räumlich zu gewichten und zu einem auf Bestandesebene gültigen Stofffluss zu gelangen. Zur Abschätzung der Auswirkung eines ökologischen Waldumbaus auf den Stoffhaushalt werden Fichten-, Buchen- und Mischbestandsvarianten, zur Bewertung

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

161

der waldbautechnischen Vorgehensweise Femellücken mit und ohne Vorverjüngung miteinander verglichen. Ziel ist es, eine Obergrenze des „ökologischen Gewinns“ abzuschätzen, der in Form geschlossenerer Stoffkreisläufe langfristig erreichbar ist. Im Vordergrund der Betrachtung steht hierbei die Umwandlung der standortsfremdesten Bestandesform, dem Fichtenreinbestand, zu der in der submontanen bis montanen Zone des Schwarzwaldes standortsgemäßen Bestandesform, dem dauerwaldartigen Buchenmischbestand. Dabei wird die Betrachtung sowohl bei der Ausgangssituation (vor der Umwandlung) als auch beim Zielzustand auf Altbestände beschränkt, um Störungen des Bestandesgefüges durch den Umwandlungsprozess selbst aus der Betrachtung auszuschließen und so möglichst gleichgewichtsnahe Bestandesstadien zu vergleichen. Buchenmischbestand (160 Jahre) Hydrologische Jahre 1992-94 Kationen

Anionen

BN

BN

0

0

-20

-20

-40

-40

-60

-80 -100 -120

-60

-80 -100 -120

-140

-140

-160

-160

-180

Kationen

FN

Depo

FN

Bodentiefe [cm]

Bodentiefe [cm]

Depo

Anionen

Fichtenreinbestand (100 Jahre) Hydrologische Jahre 1992-94

-180 Anionen -8

-6

Kationen -4

-2

0

2

4

6

Anionen

8

-8

-6

[kmolc/ha/a]

Anionen:

-2

0

2

4

6

8

[kmolc/ha/a]

Org

HCO3

NO3

Cl

SO4

Kationen -4

Kationen:

Na

Mg

NH4

K

Ca

Al

Mn

H

Abbildung 6.5: Vergleich der Stoffflüsse zwischen einem Buchenmischbestands– (links) und einem Fichtenreinbestand-Ökosystem (rechts) in der Conventwald-Fallstudie. Beide Varianten sind Altbestände. Dargestellt ist der gesamte Fließpfad zwischen Freilandniederschlag (FN) oberhalb des Kronendachs, Bestandesniederschlag (BN) und Sickerwasseraustrag unterhalb 180 cm Bodentiefe

162

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Die Fichtenreinbestandsvariante ist ein ca. 90 - 100 jähriger Fichtenhorst in einem Fichten-Tannen Bestand mit Douglasienbeimischung. Die Mischbestandsvariante ist ein dauerwaldartiger, buchendominierter Altbestand (150 - 170 jährig) mit ca. 63 % Buche, 27 % Tanne und 5 % Fichte, die restlichen 5 % sind Bestandeslücken und Naturverjüngung. Der Baumartenvergleich wurde anhand der Stoffflüsse in der 3-Jahresperiode 1992 - 1994 durchgeführt (Abbildung 6.5). Durch die Beschränkung auf eine 3-Jahresperiode soll einerseits sichergestellt werden, dass die interessierenden Baumartenunterschiede nicht durch singuläre Witterungsbedingungen in einem Jahr überlagert werden, andererseits sollte der Integrationszeitraum so kurz sein, dass noch keine signifikanten zeitlichen Entwicklungstrends des Stoffhaushalt den Baumartenunterschied verzerren. Im Buchenmischbestand entsprechen sich weitgehend die Flussdichte von Freilandniederschlag und Sickerwasseraustrag aus dem Wurzelraum bei 120 cm Tiefe mit Werten um 1.5 kmolc ha-1a-1. Der Stoffaustrag wird überwiegend von aktuell eingetragenem Sulfat und zusätzlich durch Mobilisierung von im Boden zwischengespeichertem Sulfat, sowie in geringem Umfang von Hydrogenkarbonat, Nitrat und Chlorid angetrieben. In 180 cm Tiefe ist der Austrag mit 2.3 kmolc ha-1a-1 geringfügig höher, da hier wahrscheinlich der Wurzelentzug nachlässt. Die relative Abnahme der Nitratkomponente im Austrag gegenüber dem Eintrag weist auf eine effektive Nitrataufnahme durch den buchenreichen Bestand hin. In der Mischbestandsvariante ist die Stoffbilanz zwischen Freilandniederschlag und tiefem Sickerwasseraustrag also etwa ausgeglichen. Höhere Stoffflüsse, die zwischen diesen Input-/Output-Randbereichen auf den verschiedenen Betrachtungsebenen des Waldökosystems u.U. gemessen werden, können daher als weitgehend geschlossen angesehen werden. Ein Beispiel hierfür ist der auffallende Kaliumfluss zwischen Bestandesniederschlag und oberem Wurzelraum in 10 cm Mineralbodentiefe. Im Gegendsatz dazu ist die Stoffbilanz im benachbarten Fichtenreinbestand bei gleicher Freilanddeposition auch nicht annähernd ausgeglichen. Schon im Bestandesniederschlag ist die Stoffflussdichte mit ca. 3 kmolc ha-1a-1 um etwa 30 % höher als im Buchenmischbestand. Die Flussdichte beträgt im Sickerwasseraustrag bei 180 cm Bodentiefe ca. 4.5 kmolc ha-1a-1, das ist das ca. 3.75-fache des Depositionsflusses. Das bedeutet, dass unter den im Beobachtungszeitraum herrschenden Depositionsbedingungen ein massiver Stoffaustrag aus dem Waldboden unter Fichte stattfindet, der auf Kationenseite v.a. aus Aluminium, Calcium, Magnesium und Natrium besteht und überwiegend von den Anionen der starken Mineralsäuren Sulfat und Nitrat angetrieben wird. Nicht nur von der Baumartenzusammensetzung, auch von der waldbautechnischen Vorgehensweise bei Waldumbaumaßnahen ist ein starker Einfluss auf die standörtliche Stoffbilanz zu erwarten. In Abbildung 6.6 werden, neben einem im Jahr 1989 angelegten Streifenkahlschlag, zwei experimentell angelegte Femellücken (mit und ohne Buchen-Vorverjüngung) in ihrem Einfluss auf die Stoffbilanz verglichen.

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau Kahlschlag, 2-4 Jahre nach dem Einschlag

Depo

Anionen

Femellücke ohne Vorverjüngung, 0-2 Jahre nach dem Einschlag

Kationen

Anionen

Kationen

Anionen

163

Femellücke mit Vorverjüngung, 0-2 Jahre nach dem Einschlag

Kationen

Anionen

Kationen

Anionen

Kationen

FN BN 0 -20

Bodentiefe [cm]

-40 -60 -80 -100 -120 -140 -160 -180 Anionen -8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

-8

-6

[kmolc/ha/a] Anionen:

-4

-2

0

2

4

6

8

-8

-6

SO4

NO3

HCO3

Kationen: Cl

-2

0

2

4

6

8

[kmolc/ha/a]

[kmolc/ha/a]

Org

Kationen -4

Na

Mn

Ca

NH4

K

Mg

H

Al

Abbildung 6.6: Vergleich der Stoffflüsse im Bereich eines 1989 angelegten Streifenkahlschlags (links), je einer 2001 angelegten Femellücke ohne (Mitte) und mit Buchenvorverjüngung (rechts). Der Ausgangsbestand war in allen 3 Beispielen der ca. 150 jährige Buchenmischbestand der Conventwald-Fallstudie (Freilandniederschlag (FN), Bestandesniederschlag (BN) und Sickerwasserflüsse im Boden)

Die Femellücken wurden durch Einschlag von je 3 - 5 Altbuchen im 150 - 170 jährigen Mischbestand im Februar 2001 hergestellt. Eine Femellücke wurde dabei in einem Bereich ohne Buchenvorverjüngung, eine andere in einer geschlossenen, ca. 1 - 2 m hohen Buchenverjüngung unter Schirm angelegt. Der Streifenkahlschlag war im Jahr 1989 im gleichen Vorbestand angelegt worden. Die Stoffhaushaltsreaktionen auf die Hiebseingriffe konnten direkt beobachtet werden, da auf den Femellücken ca. ½ Jahr vor der Hiebsmaßnahme mit Lysimetern und Tensiometern bestückte Messplots installiert worden waren. Auf der Streifenkahlschlagfläche wurde 2 Jahre nach dem Hieb mit dem Messbetrieb begonnen. Wenige Jahre nach der Hiebsmaßnahme ist die Stoffbilanz auf allen drei Verjüngungsflächen durch eine massive Störung infolge stark erhöhter Nitratausträge gekennzeichnet. Weniger auffällig, aber ebenfalls durchgängig ist auf allen drei Flächen ein gegenüber dem Eintrag um den Faktor 5 - 10 erhöhter Sulfataustrag zu beobachten. Die Relation zwischen den drei waldbautechnischen Verjüngungsvarianten ist jedoch deutlich differenziert. Auf der Kleinkahlschlagfläche wurden mit knapp 9 kmolc ha-1a-1 die höchsten Stoffausträge gemessen, obwohl der Hiebstermin am Beginn der Messkampagne schon 2 Jahre zurücklag. Dagegen begann die Messreihe auf den Femelflächen direkt nach der Hiebsdurchführung. Hier liegen die Stoffausträge bei der Variante ohne Vorverjüngung mit ca. 7.5 kmolc ha-1a-1 in einer ähnlichen Größenordnung wie beim

164

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Kleinkahlschlag, während sie bei der Femellücke mit Buchen-Vorverjüngung im Mittel der ersten 2 Jahre nur ca. 3.7 kmolc ha-1a-1 betragen. Dieser Unterschied im Stoffaustrag geht im Wesentlichen auf Unterschiede im Nitrataustrag zurück. Auf der Femellücke mit Vorverjüngung zeigt das Tiefenprofil der Nitrat-Flussdichte zwischen 60 und 120 cm Bodentiefe eine Reduktion um 50 - 60 %, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Nitrataufnahme im Wurzelraum der Buchenvorverjüngung zu erklären ist. Die weitere Beobachtung dieser Beispielsflächen soll den weiteren Verlauf der durch die Hiebsmaßnahmen ausgelösten Stoffhaushaltsstörungen bis zur vollständigen Resilienz erfassen. Eine abschließende Bilanz ist aufgrund der Kürze der Beobachtungsreihen noch nicht möglich. Zusammenfassend kann jedoch schon zum jetzigen Zeitpunkt die vorsichtige Schlussfolgerung gezogen werden, dass auch unter dem Einfluss der heutigen Depositionsbelastung der Waldumbau in Richtung standortsgemäßer, laubbaumreicher Bestände ein nennenswertes Potential für die Stabilisierung ökosystemarer Stoffkreisläufe besitzt. Am Standort Conventwald ist die Stoffbilanz eines Buchenmischbestandes weitgehend geschlossen, während ein benachbarter Fichtenreinbestand einen knapp vierfach höheren Stoffaustrag aufweist. Bei der Führung von Verjüngungshieben kommt der waldbautechnischen Vorgehensweise eine wesentliche Bedeutung für die Intensität der dadurch verursachten Stoffhaushaltsstörungen und vermutlich auch für deren Zeitdauer zu. Im Beispiel der Fallstudie Conventwald war der Stoffaustrag in den ersten 2 Jahren nach Anlage einer Femellücke, bei Vorhandensein einer geschlossenen Vorverjüngung unter Schirm, um mindestens 50 % niedriger als ohne Vorverjüngung. 6.2.2 Regionalisierung bodenchemischer Eigenschaften – Einschätzung der Verbesserung der Standortsnachhaltigkeit durch Waldumbau auf Landschaftsebene Wald bedeckt in Südwestdeutschland ca. 1/3 der Geländeoberfläche. Das bedeutet, dass er ein wesentliches Element im Landschaftshaushalt ist und so Waldböden nicht nur einseitig in ihrer Eigenschaft als Holzproduktionsstandort entwickelt werden sollen, sondern in der gesamten Breite ihrer vielfältigen Lebensraum-, Schutz- Filter- und Pufferfunktionen. Letztere werden entscheidend vom chemischen Zustand der Waldböden bestimmt. Ökologischer Waldumbau ist eine Option der Forstpraxis, diese Vielfalt der Ökosystemfunktionen in der Landschaft zu planen und zu optimieren. Dass hierfür auch unter den heutigen, erschwerenden Umweltbedingungen ein nennenswerter Spielraum gegeben ist, zeigen die oben dargestellten Auswertungen der Ergebnisse von Umweltüberwachungsmessnetzen (z. B. Depositionsmessnetz und BZE) und Ökosystemfallstudien. Weil sowohl die Planung von Waldumbau als auch die Rahmenbedingungen, die den Spielraum z. B. für die Baumartenwahl vorgeben, von der landschaftsbezogenen Variation der Bodeneigenschaften abhängen, ist eine Regionalisierung bodenchemischer Eigenschaften eine zwingende Voraussetzung für eine umfassende Waldumbau-Strategie. Außerdem können die

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

165

Folgewirkungen von Waldumbau, wie z. B. die Wirkung auf die Wasserqualität in bewaldeten Wassereinzugsgebieten oder eine Optimierung der KohlenstoffSequestration, nur auf Landschaftsebene umfassend bewertet werden. Aus diesem Grund wurde in einem Teilprojekt des BMBF-Verbundvorhabens „Forschung für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft“ ein Methodengerüst für die Regionalisierung bodenchemischer Daten in zwei morphologisch stark bewegten Testregionen anhand von 90 bzw. 150 nach BZE-Standard (BML 1990) analysierten Bodenprofilen entwickelt. Ziel war hierbei, anhand einer regionalen Bodeninventur Modelle für die räumliche Verteilung bodenchemischer Eigenschaften auf Waldstandorten des Südlichen und Mittleren Schwarzwaldes auf mittlerer Maßstabsebene zu erstellen. Neben dem methodischen Aspekt, eine Regionalisierungsmethode für topographisch hochdiverse Waldstandorte zu entwickeln, stand die wirkungsbezogene Landschaftsanalyse im Vordergrund. Auf der Basis statistisch abgesicherter räumlicher Muster bodenchemischer Kenngrößen sollte die relative Bedeutung einzelner ökologischer Prozesse in der Landschaft abgeschätzt, mithin das Modellverständnis für bodenchemische Prozesse im Untersuchungsgebiet verbessert werden. Hierbei interessierten u. a. von Bestandesstruktur (Baumart) und geomorphologischen Strukturen abhängige Verteilungsmuster bodenchemischer Eigenschaften. Mit Hilfe der zu entwickelnden Regionalisierungsfunktionen sollte es so möglich sein, von bestimmten Rahmenbedingungen abhängige Szenarien, wie die Auswirkungen alternativer Baumartenwahl oder Kalkungseffekte (z. B. auf die Einbindung von Kohlenstoff im Boden), zu berechnen, in begrenztem Umfang also potentielle Konsequenzen und Risiken natürlicher und anthropogen induzierter Einflüsse in der Landschaft zu modellieren (Wenkel und Schulz 1999) und damit ein statistisch und sachlogisch begründetes bodenökologisches „Landschaftsbewertungsverfahren auf regionaler Ebene“ zu entwickeln (Volk und Steinhardt 1999). 6.2.2.1 Untersuchungsgebiete und Probenahmedesign Die Regionalisierungsmodelle wurden in den beiden Testregionen BadenBaden im Mittleren und Todtnau/Todtmoos im Südlichen Schwarzwald anhand von Bodenanalysen entwickelt. Beide Gebiete zeichnen sich durch eine überdurchschnittlich hohe Reliefenergie aus und sind auch bezüglich der geologischen Ausgangssubstrate heterogen. Im Gebiet Todtnau/Todtmoos wurden 150 Bodenprofile stratifiziert nach Bestandestypen und bodenbildendem Substrat aufgenommen, um sicherzustellen, dass bei der hohen Heterogenität der Randbedingungen die wesentlichen Parameterkombinationen hinreichend repräsentiert sind. In Baden-Baden wurden 90 Bodenprofile in Anlehnung an das Probepunktraster der Betriebsinventur in einem regelmäßigen Raster angelegt, um für variierende Auswertungsfragen möglichst offen zu sein. Es zeigte sich im Endergebnis, dass beide Probenahmestrategien zu Regionalisierungsmodellen mit vergleichbaren statistischen Sicherheiten führten. In Abbildung 6.7 ist die Lage der Untersuchungsgebiete, die Geologischen Hauptgruppen sowie die Lage der einzelnen Bodenprofile gezeigt.

166

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Abbildung 6.7: Geographische Situation der beiden Testregionen (oben) und Probenahmedesign sowie die Lage der geologischen Ausgangssubstrate der Bodenbildung in Todtnau/Todtmoos (unten links) und Baden-Baden (unten rechts) .

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

167

Die bei der Probenahme in Todtnau/Todtmoos vorgenommene Stratifikation ist in Tabelle 6.1 dargestellt. Das bodenbildende Ausgangssubstrat wurde in 3 leicht im Gelände unterscheidbare Gruppen unterteilt: helle, basenarme Granite und Gneise, dunkle, basenreiche Gneise und glaziale Höhenlehme. Die Bestandessituationen wurden auf Altbestände >80 Jahre beschränkt, um Störungen durch Übergangsstadien zwischen Bestandessituationen zu minimieren. Es wurden, analog zur Variantengliederung in der oben besprochenen ConventwaldFallstudie, Fichtenreinbestände als Extrem einer umbaubedürftigen Bestandessituation und Buchenmischbestände als modellhafter Zielzustand beprobt. Auch die Hangsituation wurde in die Stratenbildung einbezogen, um eine Gleichverteilung der Beprobungsintensität auf die in sehr unterschiedlichen Flächenanteilen im Gelände realisierten Hangsituationen zu erreichen. Tabelle 6.1: Unterscheidungsmerkmale und Stichprobenumfang der ausgewählten Varianten Geologie

Granit und helle Gneise

Topographie

Waldbestand

Oberhang

Bu/Ta/Fi

10

Fichte

10

Bu/Ta/Fi

10

Fichte

10

Bu/Ta/Fi

10

Fichte

10

Bu/Ta/Fi

10

Fichte

10

Bu/Ta/Fi

10

Fichte

10

Bu/Ta/Fi

10

Fichte

10

Bu/Ta/Fi

15

Fichte

15

Mittelhang Unterhang Oberhang

dunkle Gneise

Mittelhang Unterhang

Höhenlehme Summe

Zahl

150

Entsprechend den in Tabelle 6.1 dargestellten Suchkriterien wurden 500 - 800 potentielle Probenahmepunkte mittels eines GIS-gestützten Auswahlverfahrens auf der Basis der Betriebsinventurdaten, digitaler geologischer Karten und Standortskarten, sowie des digitalen Höhenmodells identifiziert. Aus dieser Punktemenge wurden die tatsächlich beprobten Situationen durch Zufallszahlen gezogen.

168

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

In Baden-Baden wurden 90 Bodenprofile in einem regelmäßigen 800 × 800 m Raster gleichmäßig über die gesamte Forstamtsfläche verteilt, da die beiden Einflussgrößen Kalkung und Bestandesalter in ihrer Wirkung auf bodenchemische Zustandsgrößen untersucht werden sollten, diese jedoch in ihrer räumlichen Verteilung keine ausgeprägten Muster aufwiesen. Nahezu das gesamte Gebiet des Forstamts Baden-Baden ist in den Jahren 1983 - 1989 gekalkt worden, so dass eine Stratifikation z. B. in gekalkte und ungekalkte Areale keinen Sinn hatte. 6.2.2.2 Regionalisierungsmethode Die Grundannahmen der Regionalisierung waren, dass bei gleichem Ausgangssubstrat und gleichen Bestandesverhältnissen ein ausgeprägtes topographisches Relief die räumliche Verteilung bodenchemischer Eigenschaften beeinflusst, die Ursachen reliefbedingter Variabilität auf Abtrags- und Akkumulationsvorgänge, Deposition und/oder Klima zurückzuführen sind und von der Landschaftsform, dem Ausgangsgestein, der Vegetations- bzw. Bewirtschaftungsform abhängen. Im Prinzip steht hinter diesen Annahmen eine analoge Anwendung des Bodencatena-Konzeptes. Hier wie dort werden bei ähnlichem Ausgangsgestein und Klima Unterschiede in der Bodenentwicklung auf Wirkungen des Reliefs und Effekte von Stoffumlagerungen in der Landschaft zurückgeführt (Milne 1936, Jenny 1961, Jenny 1980, Hudson 1992). Da bei der Ökosystemmodellierung im Allgemeinen und der Regionalisierung im Besonderen das Risiko falsch parametrisierter Prozesse überproportional mit der Anzahl der Variablen ansteigt, sich also ab einem gewissen Grad der Modellkomplexität Präzision und Signifikanz ausschließen (Zadeh 1983, Hauhs 1991), war es nicht Ziel dieser Arbeit, nach skaleninvarianten, allgemeingültigen Regionalisierungsmodellen zu suchen. Vor dem Hintergrund der zahlreichen, auf unterschiedlicher Skalenebene tendenziell wirksamen Einflussfaktoren auf die räumliche Verteilung bodenchemischer Parameter in Waldlandschaften wurde vielmehr die Notwendigkeit gesehen, Abstraktionen und Vereinfachungen definieren zu müssen, um überhaupt zu relevanten Aussagen hinsichtlich der Ausgangshypothesen gelangen zu können (Wenkel und Schulz 1999). Aufgrund der Randbedingungen eines digitalen Höhenmodells (DHM) im 50 × 50 m Raster, wurde ein eher generalisierendes Modell gesucht. Im Hinblick auf die wirkungsbezogene, bodenkundliche Fragestellung dieser Arbeit sollte es geeignet sein, unser Verständnis für die reliefabhängige Ausprägung bodenchemischer Eigenschaften an Waldstandorten zu verbessern. Hiefür wurden für jeden Punkt im 50 × 50 m Raster zunächst der zugehörige oberste und unterste Hangpunkt ermittelt sowie die Hangneigungen nach oben und unten, die Exposition und die relative Hangposition. Als weitere Prädiktoren für die bodenchemischen Zustandsgrößen wurden das bodenbildende Substrat sowie forstliche Parameter wie Baumart, Alter und Informationen über Bodenschutzkalkungen verwendet. Da die Datenlage und Randbedingungen in den beiden untersuchten Testregionen unterschiedlich waren, musste ein flexibles Regionalisierungskonzept verwendet werden, das an die jeweiligen Randbedingungen individuell anpassbar war.

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

169

Mit Hilfe der multiplen schrittweisen linearen Regressionsanalyse wurde die „optimale“ Kombination räumlicher Variablen für die Erklärung der Varianz gemessener bodenchemischer Messwerte gesucht. Beispielhaft sind in Tabelle 6.2 die Ergebnisse der Regressionsmodelle für die Basensättigung in der Testregion Todtnau/Todtmoos zusammengestellt. Um die Regressionsmodelle inhaltlich interpretieren zu können, sind die Koeffizienten der wichtigsten Prädiktoren sowie statistische Kennziffern (Fehler-Freiheitsgrade [FG], Bestimmtheitsmaß [r2], adjustiertes r2 [adj.r2], Signifikanz des Modells [p
170

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Tabelle 6.2: Statistische Kennziffern der multiplen Regressionsanalysen für die Modellierung der logarithmierten Basensättigung. Fett hervorgehoben sind Modelle mit p>0.05 und r2<0.4 Varianten

Statistik 2

adj.r2

n

FG

r

p>F

RMSE

STD

GN_BU_5 GN_BU_20 GN_BU_45 GN_BU_75 GN_FI_5 GN_FI_20 GN_FI_45 GN_FI_75

4 5 6 5 5 5 6 6

22 21 21 21 22 20 20 21

0.64 0.60 0.54 0.60 0.60 0.50 0.49 0.60

0.58 0.51 0.40 0.50 0.51 0.37 0.33 0.48

<.0001 0.0010 0.0077 0.0011 0.0007 0.0119 0.0236 0.0022

0.59 0.61 0.72 0.68 0.59 0.41 0.48 0.62

0.92 0.87 0.93 0.96 0.84 0.52 0.59 0.87

GR_BU_5 GR_BU_20 GR_BU_45 GR_BU_75 GR_FI_5 GR_FI_20 GR_FI_45 GR_FI_75

4 2 5 5 6 4 4 3

25 27 23 23 21 23 24 25

0.76 0.41 0.23 0.23 0.64 0.69 0.41 0.12

0.72 0.37 0.06 0.06 0.53 0.64 0.31 0.01

<.000 0.0008 0.2783 0.2720 0.0008 <.0001 0.0110 0.3735

0.50 0.32 0.33 0.34 0.37 0.27 0.40 0.51

0.95 0.40 0.34 0.35 0.54 0.44 0.49 0.51

HL__5 HL__20 HL__45 HL__75

5 5 5 5

24 24 24 22

0.55 0.61 0.64 0.60

0.46 0.53 0.56 0.51

0.0010 0.0002 <.0001 0.0007

0.74 0.35 0.25 0.39

1.01 0.51 0.38 0.56

Variantenbezeichnung: GN =dunkle Gneise, GR = helle Gneise/Granite, HL = Höhenlehme, BU = Buchenmischbestände, FI = Fichtenreinbestände, 5 / 20 / 45 / 75 = Mineralbodentiefenstufen [cm]. Kennziffern: n = Anzahl Regressoren, FG = Freiheitsgrade, r² = Bestimmtheitsmaß, adj.r² = adjustiertes r², p>F = Signifikanzschwelle, RMSE = Standardschätzfehler d. Modells, STD = Standardabweichung.

In den unteren Tiefenstufen der Profile nährstoffarmer Gneise und Granite liegt die Basensättigung bei geringer räumlicher Streuung nur noch im Bereich des „eisernen Bestandes“ austauschbarer Neutralkationen, mit der Folge, dass bei Buche ab 30 cm Tiefe (p > 0.27) und bei Fichte ab 60 cm Tiefe (p = 0.37) kein statistisch signifikantes Regressionsmodell mehr zu erstellen ist. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Regionalisierungsmodelle für alle untersuchten bodenchemischen Zustandsgrößen mit Bestimmtheitsmaßen zwischen 40 und 80 % einen unerwartet hohen Anteil der Parametervarianz erklären konnten. Ausnahme waren nur Sonderfälle mit stark unterproportionaler Parametervarianz, so dass in keinem Fall „modellresistente“ Situationen bestanden. Da die bei der Regionalisierung verwendete Technik der multiplen Regressionsanalyse von inhaltlichen Einflussgrößen gesteuert wird, ermöglicht sie die Berechnung von geländebezogenen Szenarien. Mit Baumartenszenarien kann man sich beispielsweise sowohl Größenordnung als auch die geländeabhängige Variation von Bodenveränderungen klarmachen, die etwa durch einen

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

171

Baumartenwechsel erreichbar sind. Dabei gelten prinzipiell die gleichen statistischen Sicherheiten wie bei der Modellerstellung. 6.2.2.3 Ergebnisse zur Basensättigung Die Basensättigung, d. h. der prozentuale Anteil von Neutralkationen an den austauschbar im Boden gespeicherten Kationen, ist ein hochintegrierendes Maß des Säure-Base-Gleichgewichts und damit des Versauerungszustands von Böden. In Abbildung 6.8 sind für den nördlichen Teil des Forstamts Todtnau die drei Baumartenszenarien „aktuelle Baumartenzusammensetzung“, „Fichtenreinbestand“ und „Buchen-Mischbestand“ als flächendeckende Varianten dargestellt. Die Karten in Abbildung 6.8 zeigen in allen Fällen steile Basensättigungsgradienten mit den höchsten Werten in Tälern und an Hangfüßen und den niedrigsten Werten an Oberhängen und auf Hochflächen. Unter dem Einfluss der aktuellen Bestockung zeigen lediglich die Nord-West exponierten Unterhänge und Täler Basensättigungen >30 %. Hangaufwärts folgt eine schmale Zone mit Basensättigungen zwischen 15 und 25 %. Im Bereich der oberen Mittelhänge sinkt die Basensättigung unter 5 - 10 %.

Abbildung 6.8.: Szenarien zur räumlichen Verteilung der Basensättigung (0-10 cm Mineralbodentiefe) unter der aktuellen Bestockung (links), 100 % Buchenmischbestände (Mitte) und 100 % Fichtenreinbestände, ohne Kalkungseffekt im Nordteil des Areals Todtnau/Todtmoos (Gebiet mit basenreichen, dunklen Gneisen)

172

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Das Buchen-Mischbestandsszenario zeigt gegenüber allen anderen Modellvarianten die deutlich höchsten Basensättigungen mit 2 - 3 fach breiteren Bändern überproportional hoher Basensättigung entlang der Hangfüße, die sich hier auch in südexponierte Lagen ausdehnen. Hier reicht die Übergangszone zwischen hohen und niedrigen Basensättigungen bis in die Oberhänge hinein. Der Vergleich zwischen den Szenarien mit aktueller Bestockung und Buchenmischbeständen vermittelt einen Eindruck des durch ökologischen Waldumbau in der untersuchten Landschaft langfristig erreichbaren Stabilisierungsgewinns. Das Fichtenreinbestandsszenario zeigt mit Abstand die niedrigsten Basensättigungen. Erhöhte Werte treten hier nur als linienhafte Streifen in den Talböden auf. Wenn man die in der räumlichen Auflösung des DHM im 50 × 50 m Raster geschätzten Basensättigungsszenarien zu Mittelwerten aggregiert, lässt sich summarisch z. B. der in einer Landschaft durch Waldumbau erreichbare Stabilisierungsgewinn in Form einer erhöhten Basensättigung abschätzen. In Abbildung 6.9 wurde dies für die Baumartenszenarien der Fichtenrein- und Buchenmischbestände im gleichen Landschaftsausschnitt wie in Abbildung 6.8 durchgeführt. 50 0-10 cm Tiefe

10-30 cm Tiefe

Basensättigung [%]

40 30

Buche, ohne Kalkung Fichte, ohne Kalkung

20 10 0

0-0.2

0.2-0.4 0.4-0.6 0.6-0.8 0.8-1.0

0-0.2

0.2-0.4 0.4-0.6 0.6-0.8 0.8-1.0

Hangindex

Abbildung 6.9: Mittlere Basensättigung (± s) in Abhängigkeit von der relativen Hangposition für Fichtenreinbestands- und Buchenmischbestands-Szenarien im Nordteil der Testregion Todtnau/Todtmoos. Für jeden Rasterpunkt wurden beide Szenarien modelliert. Die Modellergebnisse wurden nach relativen Hangpositionsklassen stratifiziert, wobei 0.8 - 1 Hangfüße und Täler und 0 - 0.2 Oberhänge und Hochflächen bedeuten (Wiederholungen je Hangpositionsklasse 1578 - 2914)

Die mittleren Basensättigungen steigen in beiden dargestellten Tiefenstufen (0 – 10 cm und 10 – 30 cm) signifikant zu den Unterhängen hin an. Dieser Anstieg ist beim Buchenmischbestands-Szenario überproportional hoch. Im Oberboden ist im Bereich der Oberhänge bis zu 40 % der Hanglänge (relative Hangposition 0.4) kein signifikanter Unterschied zwischen den Baumartenszenarien zu erkennen. An Mittelhängen (Hangpositionen 0.4 - 0.6) ist die Basensättigung beim Buchen-

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

173

mischbestands-Szenario um 1/3 (4 %-Punkte) höher. Im unteren Wurzelraum (10 – 30 cm Tiefe) liegen die Basensättigungen für die beiden Szenarien näher beieinander. Die hier dargestellte geländeabhängige Variation des mit Waldumbau erreichbaren „meliorativen Effekts“ lässt den besonderen differentialdiagnostischen Wert der „Szenariomethode“ bei der Analyse von zum Teil gegenläufig wirkenden Einflussfaktoren erkennen. Das in Abbildung 6.9 dargestellte Beispiel lässt z. B. erkennen, wo in der untersuchten Landschaft ein Waldumbau den größten ökologischen Effekt entwickeln kann und wo er eher nur marginale Verbesserungen erwarten lässt. Waldumbau zielt nicht nur darauf ab, die Baumartenzusammensetzung in Richtung standortsgemäßer Laubbaumarten zu verändern, sondern resultiert auch in einer Verlängerung der Umtriebszeiten bis hin zu Dauerwaldstrukturen, in denen keine scharf abgegrenzten Verjüngungsphasen mehr auftreten. So wird der Beginn von ökologischem Waldumbau zunächst eine Erhöhung des durchschnittlichen Bestandesalters bewirken. Die Auswertungsmöglichkeiten in der Testregion Baden-Baden erlaubten es, einen möglichen Effekt erhöhter Bestandesalter auf die Basenausstattung des Boden zu modellieren (Abbildung 6.10). Nadelwald 60

Mischwald 0-5 cm Tiefe

50

Basensättigung [%]

40 30 20 10 0 30-60 cm Tiefe

20 10 0 10

30

50

70 90 110 Altersstufe [Jahre]

130

150

Abbildung 6.10: Altersszenarien (20-Jahres-Klassen) der mittleren Basensättigung (± s) für Fichtenreinbestands- und Buchenmischbestands-Typen und die Bodentiefen 0 - 5 bzw. 30 - 60 cm. Für alle Varianten wurde einheitlich eine vor 15 Jahren applizierte Waldkalkung mit der Dosierung 3 t/ha angenommen

174

K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Für jedes der 90 Bodenprofile wurden jeweils 8 Altersphasen von je 20 Jahren Dauer aus dem vorhandenen Datenmaterial modelliert. Dabei wurde einheitlich auf der gesamten Fläche von einer einmaligen Dolomitkalkung (3 t ha-1 vor 15 Jahren) ausgegangen, da dies den durchschnittlichen Verhältnissen im Forstamt Baden-Baden am nächsten kommt. Die „unechte Zeitreihe“ der Modellwerte zeigt im obersten Wurzelraum für beide Bestandesvarianten einen deutlich abfallenden Trend der Basensättigung von der jüngsten Altersklasse mit 35 - 40 % zur ältesten mit 25 %. Auch hier zeigen die Buchen-Szenarien tendenziell höhere Basensättigungen, allerdings bei sehr hoher Streuung. Im Unterboden ist dieser mit dem Alter abnehmende Basensättigungstrend nicht sichtbar. 6.2.2.4 Kohlenstoffvorräte Die vergleichsweise stabile Kohlenstoffspeicherung in Waldböden ist eine für den globalen Kohlenstoffkreislauf im Zusammenhang mit Klimavorsorge wichtige Größe. Es stellt sich die Frage, ob die Kapazität dieser Kohlenstoffsenke durch waldbauliche Managementstrategien beeinflusst werden kann. Analog zur Modellierung der Basensättigung und anderer bodenchemischer Parameter wurden mittels multipler linearer Regressionen Geländeszenarien für den Kohlenstoffvorrat (bzw. Kohlenstoffgehalt) in Humusauflage und Mineralboden (konventionell bis 60 cm Bodentiefe) berechnet. Es ergaben sich ähnlich hohe Prognosegenauigkeiten wie bei der Basensättigung. Auffallend war, dass die Höhe ü. N.N. in nahezu allen Modellen einen dominanten Einfluss auf die Modellbildung hatte und hohe partielle Bestimmtheitsmaße erreichte. In Abbildung 6.11 sind für den gleichen Geländeausschnitt wie in Abbildung 6.8 für den Kohlenstoffvorrat bis 60cm Tiefe die Baumartenszenarien 100 % Fichtenreinbestand und 100 % Buchenmischbestand berechnet. Die Darstellung zeigt einen ähnlich prägnanten Unterschied zwischen den Baumartenvarianten wie bei der Basensättigung. Das Buchenmischbestandsszenario weist insbesondere in mittleren und tiefen Höhenlagen einen überproportional höheren Kohlenstoffvorrat gegenüber dem Fichtenszenario auf. In den Hochlagen Richtung Feldberg (am rechten oberen Rand der Kartenausschnitte) ist der Unterschied zwischen den Bestandesszenarien bei insgesamt sehr hohen Kohlenstoffvorräten nicht sehr ausgeprägt.

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

Szenario: Buchenmischbestände

175

Szenario: Fichtenreinbestände

Abbildung 6.11: Räumliche Verteilung der Kohlenstoffvorräte in Humusauflage und Mineralboden bis 60 cm Tiefe für die Szenarien 100 % Buchenmischbestand (links) und 100 % Fichte (rechts). Ohne Kalkungseffekt, nördlicher Teil der Testregion Todtnau/Todtmoos. Hydromorphe Standorte (schwarz) wurden nicht in die Modellierung einbezogen

6.2.2.5 Diskussion der Regionalisierungsergebnisse und Schlussfolgerungen Im forstlich-bodenkundlichen Umfeld ist die Anwendung der auf der KrigingMethode basierenden geostatistischen Interpolationsverfahren häufig erschwert, da geringe Stichprobenweiten und ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen Boden und Landschaft auf unterschiedlichen Raum-/Zeitskalen nur geringe lokale Autokorrelationen erwarten lassen (McKenzie und Ryan 1999). So fanden z. B. Jansen et al. (2002) bei der Untersuchung bodenchemischer Parameter in Wäldern Niedersachsens auf verschiedenen Skalenebenen (8 x 8 km Raster bis 10-100 m Abstand) keine klaren, verwertbaren autokorrelativen Beziehungen. Hinzu kommen grundsätzliche Probleme: in geomorphologisch komplexen Waldlandschaften ist die Anwendung des Kriging ohne Hilfsvariablen (Ordinary Kriging) schon aus theoretischen Erwägungen fragwürdig (Saborwski und Jansen 2002), die Anwendung von Kriging-Verfahren mit mehr als einer Hilfsvariablen

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K. von Wilpert, D. Zirlewagen

(Co-Kriging) wiederum nur schwer zu handhaben (Triantafilis et al. 2001, Saborwski und Jansen 2002). Gerade bei der Regionalisierung von Bodeneigenschaften in Waldlandschaften ist die Modellierung mehrdimensionaler Einflüsse aber kaum zu vermeiden. Alternativ bieten sich Regressionsanalysen an. Deren Vorteil liegt in der flexiblen Erfassung und Modellierung von sowohl kontinuierlichen (Topographie) als auch diskreten Einflussgrößen (Waldkalkung, Bestand). Auf der Grundlage morphometrischer Schlüsselparameter lassen sich mit konventionellen Regressionsanalysen brauchbare Schätzungen bodenchemischer Parameter (z. B. Basensättigung, C-/ N- Gehalte und Vorräte) auch in komplexen standörtlichen Situationen gewinnen. Konventionelle multiple Regressionsanalysen bieten außerdem die Möglichkeit, den Bodenzustand unter der Annahme wechselnder Randbedingungen (mögliche Szenarien: Kalkungseinflüsse, Baumartenwechsel) zu simulieren und hält damit ein Bewertungsinstrument für ein bodenökologisches Wald-Management bereit. In jedem Fall sind jedoch die Ergebnisse der Regressionen auf Autokorrelation zu überprüfen. Die experimentellen Variogramme der Residuen gaben in dieser Untersuchung (Zirlewagen, 2003) aber keinen Hinweis auf lokale Abhängigkeitsstrukturen, die ein Kriging der Residuen bedingt hätte (Saborwski und Jansen 2002). Digitale Höhenmodelle (DHM) liefern eine gute Grundlage für die Ableitung morphometrischer Reliefattribute (Hangneigungsparameter, Hangpositionsindizes, Exposition, Hanglängen), die zur Vorhersage bodenchemischer Eigenschaften benutzt werden können. Die Beziehung dieser relativ einfach definierten Reliefeigenschaften zu bodenchemischen Kennwerten ist in topographisch heterogenen Waldlandschaften Mitteleuropas straff genug, um darauf aufbauend multiple Regressionsmodelle zur Vorhersage von Bodeneigenschaften auf mittlerer Maßstabsebene (ca. 1:50.000) einsetzen zu können. Als Schlüsselvariablen spiegeln sie geomorphologische, klimatische und hydrologische Prozesse in der Landschaft wider. Unter „ungestörten“ Randbedingungen, d. h. ohne Einfluss von Kalkungsmaßnahmen, beträgt der Anteil geomorphologischer Variablen an der erklärten Varianz bodenchemischer Messwerte über 75 %, der Anteil der Bestandeseffekte (Baumalter, Bestandeszusammensetzung) unter 25 %. Daher ist es sinnvoll, bei der Modellbildung ein Hauptaugenmerk auf die Definition der quantitativen Geländeattribute zu richten. Trotz des Eindrucks „einer weitgehend substratunabhängigen Nivellierung des chemischen Zustandes von Oberböden aus silikatischem ... Ausgangsmaterial“ (Buberl et al. 1994, S. 27; vgl. Wolff und Riek 1998), der auf großräumiger Integrationsebene (Land, Wuchsgebiet) gewonnen wurde, lassen sich auf mittlerer Maßstabsebene deutliche bodenchemische Gradienten erkennen. Sowohl im Südschwarzwald (auf Granit, Gneis und Höhenlehm) als auch im Nordschwarzwald (auf Granit, Buntsandstein und Porphyr) lassen sich erhebliche bodenchemische Unterschiede in Abhängigkeit vom Ausgangssubstrat und der Morphologie feststellen. Feretti et al. (2002) konnten durch dendrochemische Untersuchungen in der Untersuchungsregion plausibel machen, dass die aktuellen, geländeabhängigen Versauerungsintensitäten als räumliche Realisationen verschiedener Versauerungsstadien in der Landschaft aufgefasst werden können.

6.2 Wirkung auf Bestandes- und Landschaftsniveau

177

Bodenchemische Zustandsdaten sind eine wesentliche Grundlage für eine ökologische Bewertung waldbaulicher und forstbetrieblicher Managementstrategien. Die Modellierung bodenchemischer Zustände im Landschaftsmaßstab hat die Bedeutung einer direkten Planungsgrundlage für Baumartenplanung und Ertragsprognose und damit für die Konkretisierung von Waldumbaukonzepten (nicht nur) in Baden-Württemberg. Auf der Basis der in den Projektregionen in einer räumlichen Auflösung von 50 x 50 m regionalisierten bodenchemischen Daten können Szenarien für forstbetriebliche Optionen zur Sicherung der Standortsnachhaltigkeit im Landschaftsbezug berechnet werden. Durch die einfache Integration des hier vorgestellten bodenchemischen Regionalisierungsverfahrens in das Betriebsinventurverfahren (BI) des öffentlichen Waldbesitzes von BadenWürttemberg kann es zukünftig möglich sein, in den wichtigsten Naturräumen Baden-Württembergs am Beispiel von „Weiserforstämtern“ die bodenchemische Situation routinemäßig im 50 m-Raster zu prognostizieren und in Abhängigkeit von verschiedenen Randbedingungen zu modellieren. Damit steht erstmals eine Methode zur Verfügung, losgelöst von einzelpunktbezogenen Ergebnissen der Waldmessstationen und Umweltmessnetze, den Einfluss von Waldbaumaßnahmen auf der Fläche bewerten zu können. Aus wiederholten Bodeninventuren auf dem BI-Raster sollte es dann auch möglich sein, Informationen über die Veränderungen der Stoffvorräte in der organischen Auflage und im Mineralboden mittelbis langfristig auf mittlerer Maßstabsebene zu erhalten. Durch eine Einbeziehung empirischer Q/I-Relationen zwischen Bodenvorräten und einer durchschnittlichen chemischen Zusammensetzung der Bodenlösung kann die durchschnittliche Sicherwasserqualität zumindest in einigen wichtigen Teilbereichen abgeschätzt werden (Block et al. 2000, Kölling und v. Wilpert 2000) und damit die Bedeutung der genannten Szenarien für eine langfristige Wasservorsorge (Zirlewagen und v. Wilpert 2001b). Quantitativ betrachtet gehört die Nutzung fossiler Energieträger zur wichtigsten Quelle von CO2-Emissionen. Dennoch zählen Klimatologen auch die „optimale Bewirtschaftung der Wälder zu den dringlich erforderlichen Maßnahmen“ bei Klimaschutzbestrebungen (SCHÖNWIESE 2002, S. 389). Auch wenn weiterhin unklar ist, inwieweit Wälder bei einem zu erwartendem Lufttemperatur- und CO2Konzentrationsanstieg (IPCC 2001) als CO2-Senke fungieren können (Hagedorn et al. 2001), ließe sich mit dem hier dargestellten Vorgehen wenigstens zum Status quo des regionalen Kohlenstoff-Speichervermögens unter Wäldern und dessen Beeinflussung durch betriebliche Steuerungsmaßnahmen wie die waldbauliche Steuerung der Baumartenanteile sowie Bodenschutzkalkungen besser abschätzen. Damit wird auch die Bedeutung einiger potentieller Kohlenstoff-Quellen und Senken in Wäldern quantifizierbar werden, was die zwingende Voraussetzung einer möglichen Anrechnung von forstbetrieblichen Maßnahmen im Rahmen des internationalen Handels von CO2 - Zertifikaten wäre. Die Ergebnisse der bodenchemischen Analysen und deren Regionalisierung reihen sich relativ widerspruchslos in die von anderen Studien bekannten Auswirkungen der Baumartenzusammensetzung auf den Waldbodenzustand, die bei Laub(misch)wäldern bzw. Buchenanbau günstigere bodenökologische Eigenschaften wie bessere Basenausstattung, höhere mikrobielle Aktivität und geringere

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K. von Wilpert, D. Zirlewagen

Säurebelastung erwarten lassen als bei Nadelwäldern bzw. Fichtenanbau (Ellenberg 1986, Kreutzer et al. 1986; Matzner 1988, Rehfuess 1990, Rothe 1997, Zirlewagen et al. 1997, v. Wilpert und Buberl 1998, Kopeszki 2000, v. Wilpert et al. 2000, Berger et al. 2002). Bei der Mehrzahl der Untersuchungen waren nennenswerte Baumarteneffekte auf die hoch integrative Messgröße der Bodenazidität nur auf den Oberboden beschränkt. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Studien Südschwarzwald und Baden-Baden. Die bekannten deutlichen Unterschiede im Stoffhaushalt zwischen Nadel- und Laub-(misch)wäldern führen unter Nadelwäldern zu einer geringeren biologischen Aktivität und einem verzögerten Streuabbau, mit der Folge, dass unter Laubwäldern C-, N-, Ca- und Mg-Vorräte stärker in den biologischen Kreislauf zwischen Humusauflage und Mineralboden einbezogen werden (Rehfuess 1990). Übereinstimmend mit vielen Untersuchungen (z. B. Rothe 1997, v. Wilpert und Buberl 1998) zeigen die Modellszenarien, dass Fichtenbestände in der Modellregion Südschwarzwald viel stärker vom kleinen Kreislauf der Humusmineralisierung versorgt werden als Buchenbestände. Gleichzeitig ist die Verarmung an Neutralkationen auf stärker versauerten Substraten (Höhenlehme, helle Gneise/Granite) weiter fortgeschritten als auf weniger stark versauerten Standorten (dunkle Paragneise). Der Befund einer mit steigendem Alter sinkenden Basensättigung im Oberboden wurde in ähnlicher Größenordnung von Tamm und Hallbäcken (1986) in Südschweden beschrieben. Er ist wahrscheinlich durch zwei in die gleiche Richtung wirkende Prozesse bestimmt. Einerseits haben Altbestände eine größere Kronenoberfläche, die stärker als Akzeptoroberfläche für die Auskämmung luftbürtiger Depositionen (z. B. von Aerosolen) wirkt als Jungbestände. In der Conventwald Studie wurden z. B. in einem 40-jährigen Buchenstangenholz um 25 % niedrigere Säureeinträge gemessen als in dem direkt benachbarten 160jährigen Buchen-Mischbestand (v. Wilpert et al. 2000). Andererseits ist zu erwarten, dass in Jungbeständen die Basenfreisetzung aus der Mineralisierung organischen Materials während der Verjüngungsphase noch nachwirkt (Ulrich 1994). Die Ergebnisse der im Schwarzwald durchgeführten Regionalisierungen sowie der derzeitige Kenntnisstand der Literatur lässt keine eindeutige und verallgemeinerbare Beurteilung zu, ob unter Fichte (bzw. Nadelwäldern) insgesamt mehr oder weniger Kohlenstoff und Stickstoff als unter Buche (bzw. Laub- und Mischwäldern) im Boden gebunden werden. So finden sich unter Buche auf südschwarzwälder Paragneisen und Höhenlehmen höhere C-Vorräte sowohl im Mineralboden als auch beim Gesamtvorrat (Mineralboden + Humusauflage), bei hellem Gneis/Granit dagegen niedrigere C-Vorräte. In der Studie Baden-Baden finden sich höhere C-Gehalte im oberen Mineralboden unter Nadelwäldern. Die Literatur zeigt hier ebenfalls widersprüchliche Ergebnisse. Es finden sich Beispiele, bei denen unter Laubwäldern, höhere, gleich hohe, oder niedrigere Gesamtvorräte als unter Fichtenwäldern gespeichert werden. So fanden v. Wilpert und Buberl (1998) auf Keuperstandorten des Neckargebietes sowie Rothe (1997) im Höglwald höhere C- und N-Mineralbodenvorräte unter Buche als unter Fichte, umgekehrt unter Fichte höhere Humusauflagenvorräte. Aus dem Solling sind für die dort untersuchten Fichtenökosysteme ebenfalls erheblich höhere C-Vorräte in

B. Raber, M. Kohler, E. E. Hildebrand

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der Auflage als unter Buchenökosystemen bekannt. Berger et al. (2002) fanden dagegen bei den meisten von ihnen untersuchten Bodentiefen sowie für das gesamte Bodenprofil (Auflage + Mineralboden) steigende C- und N-Mengen mit ansteigendem Fichtenanteil auf Flysch. Häufig finden sich Beispiele dafür, dass höhere Akkumulationsmengen von Humus in der Auflage unter Fichte durch größere Humus-Speichermengen im Mineralboden von Laubwäldern nicht vollständig ausgeglichen werden können, so dass in der Bilanz von Auflage und Mineralboden unter Fichte oftmals höhere N- und C- Mengen gespeichert werden (Rothe 1997). Der je nach Standort sehr unterschiedliche Einfluss der Waldbestockung auf die C- und N-Speicherung macht die Notwendigkeit deutlich, über verlässlichere Daten zur räumlichen Verteilung bodenchemischer Parameter in topographisch stark gegliederten Waldlandschaften zu verfügen, um zu einer Bewertung von Waldeigenschaften auf der Fläche gelangen und eine bessere Datengrundlage für Klimaszenarien bieten zu können.

6.3 Beitrag des Bodenskeletts zum Ionenvorrat von Böden B. Raber, M. Kohler, E. E. Hildebrand

Der Input an pflanzenverfügbaren Nährelementkationen aus der Verwitterung des Grobbodens wurde bislang nur bei langfristigen Stoffbilanzen berücksichtigt. Allgemein wird unterstellt, dass bei Betrachtung aktueller Nährelementpotenziale in Waldökosystemen der Grobboden vernachlässigt werden kann. In Gegensatz dazu zeigen jüngste Untersuchungen, dass der Grobboden wesentlich stärker in bio- und geochemische Stoffkreisläufe eingebunden ist als bisher angenommen wird. Anhand der Untersuchung von drei skelettreichen Böden auf oligozänem Sandstein der Toscana (Italien) konnten Ugolini et al. (1996) belegen, dass bei der Gesteinsverwitterung nährelementreiche Tonminerale entstehen, welche die Mikroporen der Gesteinsfragmente ausfüllen und stabilisieren. Die Gesteinsfragmente wiesen höhere Nährelementgehalte und einen höheren pH-Wert auf als der Feinboden. Der Beitrag des Grobbodens zur Gesamt-Ake betrug 20-55% in den B- und B/C-Horizonten dieser Standorte. Kohler et al. (2000) konnten bei der Untersuchung von Gneisstandorten feststellen, dass sich die Gesteinsverwitterung nicht nur auf äußere Oberflächen beschränkt, sondern dass Verwitterungszonen die Skelettpartikel netzartig durchziehen können. Entlang der inneren Verwitterungszonen wurde die Bildung von Vermiculit und Chlorit-Vermiculit-Wechsellagerungs-Mineralen nachgewiesen. Diese „Vermiculitisierung“ der Skelettfraktion zeigte sich auch anhand der chemischen Eigenschaften, denn die Basensättigung der Unterbodenproben war in der Fraktion >2 mm mit 15-16% deutlich höher als im Feinboden (2-4%).

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B. Raber, M. Kohler, E. E. Hildebrand

Ähnliche Befunde sind bei Corti et al. 2002, Deutschmann et al. 1996, MartinGarcia et al. 1999 und Ugolini et al. 2001 dargestellt. Der Befund, dass in den Gesteinsbruchstücken auch beträchtliche C- und NGehalte festegestellt wurden (Ugolini et al. 1996, Corti et al. 2002) deutet an, dass der pflanzenverfügbare Nährstoffpool der Grobbodenfraktion auch tatsächlich genutzt wird. Diese Vermutung wird auch Untersuchungen von Deutschmann und Ludwig (2000) unterstützt, die für 8 verschiedene carbonatfreie Gesteine eine effektive Porosität von 4-28% feststellen konnten. Dies weist darauf hin, dass die Gesteinsfragmente auch über Porensysteme verfügen, die eine Erschließung durch nährstoffadsorbierende Gewebe (z.B. Pilzhyphen) potenziell ermöglichen. Aus diesen Befunden kann gefolgert werden, dass der Grobboden keine chemisch inerte Matrix darstellt, sondern als aktiver Austauscher einen wichtigen Beitrag zum Nährelementhaushalt in Böden liefert. 6.3.1 Austauschbare Nährelemente der Grobbodenfraktion in Waldböden des südlichen Schwarzwaldes Die bisherigen Literaturdaten zum Nährelementbeitrag des Grobbodens beziehen sich ausschließlich auf punktuelle Untersuchungen einzelner Standorte aus verschiedenen Landschaftsräumen Europas. Vor diesem Hintergrund sollte der Beitrag austauschbarer Nährelemente der Grobbodenfraktion zum Gesamtboden für eine Region ermittelt und bewertet werden. Hierzu wurde der Südschwarzwald aufgrund der flächenhaften Dominanz von nährstoffarmen, i.d.R skelettreichen Waldstandorten als Modellregion ausgewählt. Die wesentlichen Ziele dieser Untersuchungen sind: x eine vergleichende Darstellung der Austauschereigenschaften von Grobboden und Feinerde x die Ermittlung derjenigen Standortseigenschaften, die das Nährelementpotenzial des Grobbodens bestimmen. 6.3.1.1 Material und Methoden

Standortauswahl Für die Untersuchungen des Grobbodens im Südschwarzwald wurden Standorte aus zwei Probennahmemessnetzen entnommen (Abbildung 6.12): x regionales Messnetz: 8 x 8 km-Raster der Bodenzustandserhebung im Wald (BZE) (Buberl et al. 1994). Dieses Messnetz umfasste 31 Standorte des Südschwarzwaldes x lokales Messnetz: 200 x 100 m-Raster der forstlichen Betriebsinventur im Bereich der Forstämter Todtmoos, Todtnau und Kandern (Zirlewagen 2002). Hierzu wurden 30 Probepunkte als Unterstichprobe randomisiert ausgewählt.

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

181

Wie in geographisch stark gegliederten Landschaften zu erwarten, ist die Bandbreite primärer Standortfaktoren hoch: Höhe 270 – 1290 m NN, jährlicher Niederschlag 1000 – 1900 mm und Jahresmitteltemperaturen von 4,9-9,3 °C. Als Ausgangsgesteine waren Granite und (Para-)gneise mit unterschiedlichem Grad an anatektischer Überprägung vorherrschend. Darüber hinaus waren die Bodenbildung von Sand- bzw. Tonsteinen der Trias sowie glazigenen Ablagerungen geprägt. Für alle 61 Standorte lagen Daten der Standard-Bodenparameter auf Basis der forstlichen Untersuchungsprogramme (Buberl et al. 1994, Zirlewagen 2002) vor. Insbesondere die Daten der austauschbaren Kationen des Feinbodens dienten als Basis zur Ermittlung des Elementbeitrags der Fraktion des Grobbodens.

Abbildung 6.12: Regionales und lokales Raster der untersuchten Standorte im Südschwarzwald.

182

B. Raber, M. Kohler, E. E. Hildebrand

Probennahme und –aufbereitung Die Entnahme weitestgehend ungestörter Gesamtbodenproben in Stechzylindern mit 200 cm3 Volumen erfolgte mittels einer Rammkernsonde („Cobra“) in fünf Tiefenstufen (0-5, 5-10, 10-30, 30-60 und 60-90 cm, soweit möglich) aus der Mitte der entsprechenden Tiefenstufe. Bedingt durch die Größe der Stechzylinder wurden Steine nur bis zu einer Größe von ca. 5 cm erfasst. Die volumengetreue Probennahme erlaubt eine Abschätzung des Skelettanteils im Boden. Grob- und Feinboden wurden durch Siebung in feldfrischem Zustand bei 2 mm getrennt. Um die dem Grobboden anhaftende Feinsubstanz vollständig abzutrennen, wurden die Steine mit H2Odest. gereinigt. Da Vorversuche zeigten, dass die Reinigung im Ultraschallbad und intensives mechanisches Waschen durch Schütteln in einem 2 mm-Sieb zu gleichen Ergebnissen führt (Kohler 2001), wurden aufgrund des geringeren Zeitaufwandes und Materialverbrauchs die Reinigung im Ultraschallbad durchgeführt, bis die Oberflächen der Steine makroskopisch frei von Feinboden waren. Trotz dieser intensiven Reinigung wurde anhand mikroskopischer Untersuchungen häufig noch Skelettpartikel mit anhaftenden Feinwurzeln bzw. Rhizomorphen festgestellt (Kapitel 6.3.3). Bestimmung der austauschbaren Kationen Die gereinigte Grobbodenfraktion wurde volumentreu in Stechzylinder rückgeführt. Zur Simulation natürlicher Fließbedingungen wurde der Grobboden in eine chemisch inerten Quarzsandmatrix der Korngröße 0,2-0,8 mm eingebettet, um den Feinboden zu ersetzen. In einer offenen Perkolationsanlage wurden die Skelett-Quarz-Systeme bei einer Saugspannung von 1-6 kPa mit 0,1 M NH4Cl so lange perkoliert, bis die Austauschrate niedriger als 1 % der kumulierten austauschbaren Kationen war. Dies wurde durch Perkolation in 5 aufeinanderfolgenden Schritten mit je 500 mL Austauschlösung in einem Zeitraum von 60 h erreicht. Einflüsse der Matrix wurden durch Perkolation der reinen Quarzsysteme erfasst. Das Perkolationssystem ist bei Hildebrand (1994) ausführlich beschrieben. Die austauschbaren Kationen (Ca2+, Mg2+, K+, Na+, Mn2+, Al3+, Fe3+) wurden seriell mittels Atomemissionsspektroskopie mit Plasmakopplung (ICP-AES) bestimmt. Bestimmung der diffusiven Nachlieferung Zusätzlich zur spontan austauschbaren Fraktion wurde das Nachlieferungspotenzial aus oberflächenfernen Austauscherzonen der Grobbodenpartikel erfasst. Hierzu wurde die Perkolation nach der dritten Fraktion unterbrochen und die Proben in einem stationären Wasserstatus bei 60-80 kPa im Spannungsgleichgewicht gehalten. Der Anteil der diffusiven Nachlieferung wurde gesondert aus der Differenz zwischen der 4. Fraktion und dem linearen Verlauf zwischen 3. und 5. Fraktion ermittelt.

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

183

6.3.1.2 Ergebnisse Ein Vergleich der austauschbaren Kationen im Grobboden ergab keine statistisch gesicherten Unterschiede zwischen den Datenkollektiven der beiden Messnetze. Innerhalb des regionalen Rasters war lediglich die Streuung der Daten größer, wodurch sich die höhere räumliche Variabilität dieser Standorte gegenüber denen des lokalen Rasters ausdrückt. Deshalb wurden bei diesen Auswertungen die Daten beider Raster zusammengefasst. Aufgrund der geringen Grobbodengehalte lagen die Messwerte der austauschbaren Kationen bei 2 Standorten unterhalb der Nachweisgrenze und konnten nicht in die Auswertungen einbezogen werden. In Abbildung 6.13 ist die Summe der austauschbaren Neutralkationen (Ca2+, Mg2+, K+, Na+) des Fein- und Grobbodens für die fünf beprobten Tiefenstufen dargestellt.

Abbildung 6.13: Summe der austauschbaren Neutralkationen (Ca2+, Mg2+, K+ und Na+) der Fein- und Grobbodenfraktionen im Tiefenverlauf bei Waldstandorten des Südschwarzwaldes; (Fehlerbalken = +s).

Bei der Feinbodenfraktion nimmt der Gehalt der austauschbaren Neutralkationen mit zunehmender Bodentiefe von 17,1 µmolc g-1 (0-5 cm) bis auf 4,8-5,2 µmolc g-1 in einem weiten Bereich des Unterbodens (30-90 cm) ab. Der Tiefengradient des Grobbodens weist einen ähnlichen Verlauf auf, ist aber bei einer Abnahme von 5,0 µmolc g-1 (0-5 cm) auf 1,8 µmolc g-1 (30-90 cm) etwas schwächer ausgeprägt. Dieser Tiefenverlauf wird einerseits durch die abnehmende Verwitterungs-

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B. Raber, M. Kohler, E. E. Hildebrand

intensität mit zunehmender Bodentiefe und andererseits durch den Einfluss der organischen Substanz im Oberboden bestimmt. Dabei ist davon auszugehen, dass die Grobbodenpartikel, ähnlich wie der Feinboden, von Huminstoffen fest ummantelt sind („Huminstoff-coatings“) und damit als organischer Bestandteil des Grobbodens aufzufassen sind. Diese sind auch makroskopisch an der intensiveren schwarzen Farbgebung im Oberboden gegenüber den Partikeln des Unterbodens deutlich zu erkennen und lassen sich nur durch starke Oxidationsmittel vollständig entfernen. Der Gehalt austauschbarer Neutralkationen des Grobbodens aller untersuchten Standorte liegt im Tiefenbereich bis 30 cm bei 26-29 % des Feinbodengehaltes und nimmt ab einer Bodentiefe >30 cm auf 35-38 % zu. Anhand dieses Datenvergleichs zeigt sich, dass die austauschbaren Neutralkationen des Grobbodens einen bedeutenden Beitrag zur Nährelementversorgung für Waldstandorte des Südschwarzwaldes liefern können.

Abbildung 6.14: Anteil der Neutralkationen (Ca2+, Mg2+, K+ und Na+) an der Austauscherbelegung (Basensättigung) der Fein- und Grobbodenfraktion im Tiefenverlauf bei Waldstandorten des Südschwarzwaldes, (Fehlerbalken = +s).

Bei einer Betrachtung der Zusammensetzung der austauschbaren Kationen (Abbildung 6.14) wird allerdings deutlich, dass die Basensättigung des Grobbodens mit Werten von 46 % (0-5 cm) und 30-35% (5-90 cm) generell um das drei- bis vierfache höher ist gegenüber der des Feinbodens mit Werten von 1416 % (0-10 cm) bis 8-9 % (60-90 cm). Offensichtlich haben die an Austauschprozessen beteiligten Oberflächen der Grobbodenfraktion nicht im gleichen Umfang einen Verlust austauschbarer Nährelementkationen erfahren, wie dies für den

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

185

Feinboden an den Waldstandorten des Südschwarzwaldes der Fall ist (Buberl et al. 1994). Der Tiefenverlauf der Basensättigung zeigt weder beim Feinboden noch beim Grobboden deutliche Gradienten. Die höheren Werte im Tiefenbereich von 0-10 cm sind wahrscheinlich auf den Einfluss des Humus und seiner günstigeren Austauscherbelegung gegenüber der mineralischen Substanz zurückzuführen.

Abbildung 6.15: Nährelementpotenzial bei Waldstandorten des Südschwarzwaldes, differenziert nach Ausgangsgesteinen. Darstellung als Gehalt der Neutralkationen (oben) und als diffusive Nachlieferung mittelfristig austauschbarer Ca2+- und Mg2+-Ionen (unten), Fehlerbalken = +s.

Anhand ihres Nährelementpotenzials lässt sich eine Differenzierung zwischen Bodenausgangsgesteinen durchführen. Aus Abbildung 6.15 geht hervor, dass innerhalb des regionalen Messnetzes die Gruppe der dunklen, biotitreichen Gneise einen signifikant höheren Gehalt austauschbarer Neutralkationen (P <0,01, t-Test)

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B. Raber, M. Kohler, E. E. Hildebrand

gegenüber der Gruppe der hellen Gneise/Granite aufweist. Innerhalb des lokalen Rasters ist diese Differenzierung nicht zu erkennen. Offensichtlich ist die räumliche Variabilität der Ausgangsgesteine dieser Standorte zu gering, um ein repräsentatives Spektrum des Mineralbestandes ihrer Gesteinstypen zu beschreiben. Dagegen erweist sich die Nährelementnachlieferung (als Anstieg der austauschbaren Ca2+- und Mg2+-Ionen während einer Phase von stationärem Spannungsgleichgewicht, vgl. Kapitel 6.3.1.1) als sensitivere Kenngröße zur Charakterisierung des gesteinsspezifischen Nährelementpotenzials. Innerhalb des regionalen Messnetzes weisen die dunklen Gneise eine 7-fach höhere Nährelementnachlieferung aus oberflächenfernen Austauscherplätzen auf als die Gruppe der hellen Gneise/Granite. Auch innerhalb des lokalen Rasters lässt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Geisteinsgruppen feststellen. Eine Gruppe von 5 Standorten altpleistozäner Höhenlehme über dunklen Gneisen weist ähnliche Austauschereigenschaft wie andere nährelementarme Gesteine auf und zeugt damit von der intensiven Verwitterung des Grobbodens. Andere Gesteinsgruppen (Sandstein, Geschiebe, Tongestein) wurden aufgrund des geringen Probenumfangs nicht in den Vergleich einbezogen. Durch die Bestimmung des gravimetrischen Grobbodengehaltes war es möglich, die kurz und mittelfristig verfügbaren Vorräte austauschbarer Kationen flächenbezogenen zu ermitteln. Bei der Berechnung der Vorräte des Grobbodens wurde der Pool mittelfristig austauschbarer Ionen aus der diffusiven Nachlieferung einbezogen. In Abbildung 6.16 ist der Vorrat der austauschbaren Kationen als Summe der sauren Kationen (Ma) und der Neutralkationen (Mb) tiefenstufenbezogen sowie im Tiefenverlauf dargestellt. Anhand der tiefenstufenbezogenen Betrachtung ist zu erkennen, dass der Grobboden bei allen Tiefenstufen nur 5-7 % des Gesamtvorrates der austauschbaren Ma-Kationen enthält. Bei den MbVorräten hingegen kommt dem Grobboden eine wesentlich bedeutendere Rolle zu. Während bis zur Bodentiefe von 10 cm 12-13 % des Gesamtvorrates austauschbarer Mb-Kationen vom Grobboden geliefert werden, steigt dieser Anteil im Tiefenbereich von 30-90 cm auf 25-26 % an. Im Tiefenverlauf ist für den Feinboden eine deutliche Abnahme der Vorräte der Ma- und Mb-Kationen festzustellen, die neben einer relativen Abnahme des Feinbodenanteils überwiegend auf die geringere Verwitterungsintensität und/oder abnehmende Humusgehalte mit zunehmender Tiefe zurückzuführen sind. Die Vorräte der austauschbaren Mb-Kationen im Feinboden nehmen von 0,24 mg cm-3 im Oberboden auf 0,07 mg cm-3 im Unterboden ab und sind dabei im Tiefenbereich von 30-90 cm nahezu unverändert. Offensichtlich ist die Versauerung im Unterboden bereits so weit fortgeschritten, dass der Vorrat an austauschbaren Neutralkationen auf niedrigem Niveau bereits stark entleert ist („eiserner Vorrat“). Für den Grobboden hingegen ist keine wesentliche Veränderung der austauschbaren Kationen-Vorräte im Tiefenverlauf festzustellen. Die geringfügige Zunahme der Mb-Kationen im Tiefenverlauf ist ausschließlich auf den Anstieg des Grobbodenanteils zurückzuführen.

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

187

-1

ra

Mb-Kationen

473

599

648

-3

Vorrat austauschbarer Kationen [mg cm ]

Vorrat austauschbarer Kationen [kg ha ]

Ma-Kationen

Abbildung 6.16: Summe des Vorrats an austauschbaren sauren Kationen (Ma) und Neutralkationen (Mb) je ha (Balken, +s) sowie als Gehalt je Bodenvolumen (Linie) von 59 Waldstandorten des Südschwarzwaldes jeweils in Abhängigkeit von der Bodentiefe.

Die Bedeutung des Grobbodens für die Speicherung austauschbarer Kationen wird durch die Betrachtung der einzelnen Standorte weiter untermauert. Anhand der Darstellung der relativen Verteilung der Vorräte an austauschbarem Ca und Mg zwischen Grob- und Feinboden für die Standorte des regionalen Rasters (Abbildung 6.17) ist zu erkennen, dass der grobbodenbürtige Beitrag zwischen den Standorten sehr unterschiedlich sein kann. An 8 der 30 Standorte übersteigt der skelettbürtige Beitrag des austauschbaren Ca sogar den des Feinbodens. Für das wachstumsphysiologisch wichtige Element Mg zeigt sich ein nahezu identisches Bild. Nur für wenige Standorte sind die Abweichungen größer als 10 %. Bei 5 Standorten übersteigt der skelettbürtige Vorrat den des Feinbodens. Auch bei Ugolini et al. (2001) wurden für Böden auf Sand- und Schluffstein volumenbezogen für den Grobboden Nährelementbeitrage in ähnlichem Umfang ermittelt. Entsprechend der in Abbildung 6.15 dargestellten Ergebnisse zeigen die grobbodenreichen Böden auf dunklen Paragneisen die höchsten Anteile an austauschbaren Erdalkalimetallen.

188

B. Raber, M. Kohler, E. E. Hildebrand

6.3.1.3 Diskussion Die Ergebnisse belegen, dass der Grobboden ein hohes Potenzial kurz- und mittelfristig verfügbarer Nährelementkationen besitzt, welches bei konventionellen Betrachtungen zum Nährelementstatus von Waldböden, die sich ausschließlich auf den Feinboden beziehen, nicht berücksichtigt wird.

Abbildung 6.17: Beitrag von Fein- und Grobboden zum Gesamtpool des austauschbaren Ca2+ und Mg2+ in 0-90 cm Bodentiefe für 30 Waldstandorte des Südschwarzwaldes aus dem Untersuchungsprogramm der Bodenzustandserhebung (BZE).

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

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Abbildung 6.18: Dünnschliff einer Skelettprobe eines Paragneis aus 60 cm Tiefe (Korngröße 7-15 mm, 50x Vergrößerung). Mikroskopische Aufnahme im Durchlicht. Verwitterungsbereiche (schwarz), die sich netzartig entlang von Mikroklüften der Schieferung durch den Gesteinskörper ziehen (Kohler, 2001).

Beim konventionellen Verfahren zur Siebung des Feinbodens bei 2 mm wird zwangsläufig auch die dem Grobboden anhaftende Feinsubstanz verworfen. In vorangegangenen Studien konnten Kohler et al. (2000) belegen, dass Skelettpartikel von feinen Fissuren (10-100 µm) mit Feinerdefüllung durchzogen sind. In Abbildung 6.18 ist eine mikromorphologische Aufnahme eines Skelettpartikels aus Paragneis aus einer Bodentiefe von 60 cm dargestellt. Die schwarz gefärbten, deutlich sichtbaren Verwitterungszonen bilden ein Netzwerk innerhalb der Skelettpartikel, das in einem kontinuierlichen Übergang zur Feinbodenmatrix steht („Feinerde-Kontinuum“). Da die Grobbodenfraktion eine deutlich höhere Basensättigung gegenüber dem Feinboden aufweist (Abbildung 6.14) ist davon auszugehen, dass die sie umgebenden Verwitterungsränder einen nährelementreichen „Speckmantel“ darstellen (Ugolini et al. 1996), der in einem Gradienten der Basenversorgung hin zum nährelementarmen, intensiver verwitterten Feinboden steht. Kohler (2001) untersuchte die Fraktion des „skelettnahen“ Feinbodens und konnte um bis zu 3fach höhere Gehalte basischer Kationen am Austauscher und um bis zu 100 % höhere Basensättigung gegenüber dem übrigen Feinboden feststellen. Dieser Aspekt bleibt bei der Betrachtung gereinigter Skelettpartikel unberücksichtigt und würde somit eine Unterschätzung des Nährelementpotenzials des Gesamtbodens auf Basis konventioneller Feinbodenanalysen noch verstärken. Grundsätzlich könnte dieser Aspekt auch ein Ansatz zur Erklärung des unzureichenden Zusammenhanges zwischen den niedrigen, auf Basis der konventionellen Analytik erfassten Nährelementvorräten und dem tatsächlichen Nährelementstatus in

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Waldökosystemen sein, wie er durch die Vegetation (z.B. Wuchsleistung, Nadelanalysen) angezeigt wird. Diese Argumentation wäre allerdings nur unter der Voraussetzung zu führen, dass die Pflanzen auch tatsächlich zur Nutzung dieses zusätzlichen Nährelementspeichers befähigt sind (s. Kapitel 6.3.2). Bei einer Betrachtung verschiedener Gesteinstypen konnte für die Gruppe der dunklen Gneise ein deutlich höheres Nährelementpotenzial gegenüber den Gruppen der hellen Gneise und Granite oder der Gneise aus stark verwitterten Höhenlehmen festgestellt werden. Hierbei erwies sich die Kenngröße der kurzfristig austauschbaren Nährelementkationen als weniger sensitiv gegenüber einem empirisch bestimmten Potenzial an diffusiver Ca- und Mg-Ionennachlieferung. Da davon auszugehen ist, dass die oberflächennahen Austauscherplätze des Grobbodens über diffusive Brücken mit dem Feinboden im Austausch stehen, ist dieses Gleichgewicht bereits durch exogene Faktoren beeinflusst. Daher ist die Kenngröße der diffusiven Nachlieferung, die oberflächenfernere Eigenschaften erfasst, gesteinsspezifischer und zur Charakterisierung der Austauscherleistung eines Gesteinstyps grundsätzlich besser geeignet. Durch röntgendiffraktrometrische Untersuchungen eines Paragneis-Standortes des Südschwarzwaldes konnten bei den Feinerdefüllungen in Fissuren der Skelettpartikel (Abbildung 6.18) im Tonmineralbestand hohe Anteile von Vermiculit und Chlorit-Vermiculit-Wechsellagerungs-Mineralen identifiziert werden („in situ-Vermiculitisierung“, Kohler et al. 2000). Vermiculit ist ein typisches Verwitterungsprodukt des Biotits, der Bestandteil der Mineralzusammensetzung kristalliner Gesteine ist. Daher ist davon auszugehen, dass der Anteil leicht verwitterbarer Glimmer den Umfang des Nachlieferungspotenzials wesentlich bestimmt. Dies bedeutet, dass Waldstandorten in Abhängigkeit ihrer Mineraleigenschaften durch den Grobboden neben einer Kapazität zur direkten Nährelementversorgung auch ein Potenzial zur mittel- bis langfristigen Nährelementversorgung beigemessen werden kann. Im Hinblick auf eine aktuell starke Entleerung der feinbodenbürtigen Nährelementpools versauerter Waldstandorte könnte dem Grobboden somit durch Prozesse der Nährelementnachlieferung aus oberflächenfernen Zonen auch ein Potenzial zur Regeneration des Nährelementhaushaltes zukommen. Die Ergebnisse zeigen, dass bei sauren Waldstandorten des Südschwarzwaldes, bei hoher standortspezifischer Amplitude, im Mittel circa ein Drittel des aktuell verfügbaren Nährstoffpools aus dem Grobboden bereitgestellt wird. Dadurch gewinnt der Skelettanteil eines Bodens eine hohe ökologische Bedeutung. Einerseits kann selbst nährelementarmer Grobboden aufgrund der i.d.R. im Unterboden gegenüber dem Feinboden zunehmenden Volumina ökochemisch bedeutend sein. Andererseits können gerade in stark versauerten Böden auch geringe Anteile nährelementreichen Grobbodens einen wertvollen Zusatzspeicher darstellen. Darüber hinaus konnte belegt werden, dass der Grobboden insbesondere bezüglich der qualitativen Zusammensetzung des Nährelementangebotes dem Feinboden deutlich überlegen ist und somit eine ökochemisch äußerst wichtige potenzielle Quelle zur Nährelementversorgung darstellt. In meist stark versauerten Waldböden (Buberl et al. 1994) ist das Pflanzenwachstum häufig durch den

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

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Mangel an Mb-Ionen begrenzt. Daher wäre es naheliegend, dass der Grobboden von Pflanzen und Mikroorganismen bevorzugt zur Aufnahme von Nährstoffen genutzt wird. Daraus ergibt sich die entscheidende Frage, inwiefern das Nährelementpotenzial des Grobbodens auch tatsächlich erschlossen und pflanzenverfügbar genutzt werden kann. 6.3.2 Sind Steine in Waldböden“hot spots“ der Nährelementaufnahme durch Feinwurzeln und Mykorrhizza-Pilze? 6.3.2.1 Einleitung Die Erschließung des Bodens durch Feinwurzeln und Mykorrhizen ist für die meisten unserer Waldböden von großer ernährungsphysiologischer Bedeutung. In Böden mit einer stark heterogenen Nährelementverteilung ist es von großer ökologischer Relevanz, inwieweit Boden(mikro)kompartimente mit verfügbaren Nährelementpools, wie z.B. tonreiche Kavitäten in der Skelettfraktion, auch gezielt durch Feinwurzeln und/oder Pilzhyphen erschlossen werden. Bisherige Untersuchungen zur Wurzelverteilung im Boden zeigten, dass Feinwurzeln von aerenchymlosen Waldbäumen bevorzugt im Makroporenraum wachsen (Babel 1990, Hatano et al. 1988). Aus ökologischer Sicht ist dies durch die gleichzeitige Verfügbarkeit von Nährelementen, Wasser und Bodenluft in den Makroporen zu erklären (Noordwijk 1993). Andererseits ist bekannt, dass gerade die mit dem Makroporenwasser in Kontakt stehenden Aggregatoberflächen an wasserlöslichen und austauschbaren Nährelementen selektiv verarmt sein können (Hildebrand 1991). Daher stellt sich die Frage, ob Mykorrhizahyphen als ”verlängerte Hand” der Feinwurzeln auch Porenräume erschließen können, die in humiden Klimaten im überwiegenden Anteil der Vegetationsperiode mit Wasser gefüllt sind (z.B. enge Mittelporen). Wichtige Erkenntnisse zu dieser Fragestellung liefert eine Arbeit von Schack-Kirchner et al. (2000), in der die mikropedologische Umgebung von Hyphen in Waldböden erfasst und quantifiziert wurde. Dabei stellte sich heraus, daß nur ein geringer Anteil der Hyphen in die Bodenmatrix hineinwächst und die Eindringtiefe überwiegend auf den unmittelbaren Randbereich der Bodenaggregate beschränkt ist. Als Ursache für diesen Befund werden die geringere Sauerstoffverfügbarkeit und mechanische Restriktionen für das Hyphenwachstum im Aggregatinneren genannt. Andererseits zeigen Ergebnisse von Jongmans et al. (1997), dass auf Granitstandorten Hyphen von Mykorrhizapilzen das Mikroporensystem von Feldspäten oder Hornblenden erschließen und auf diesem Wege Nährelemente wahrscheinlich direkt aus dem Gesteinsinneren aufnehmen können (”rock eating fungi”). Dieser von van Breemen et al. (2000a) als ”mycorrhizal weathering” bezeichnete Befund wurde allerdings nur auf podsolierten und mit Nadelholz bestockten Standorten beobachtet und beschränkte sich überwiegend auf den Bleichhorizont (Ahe-Horizont). van Breemen et al. (2000b) gehen davon aus, daß

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Pilz-Myzelien sich zur Nährelementaufnahme durch Ausscheidung von organischen Säuren aktiv in Minerale ”hineinbohren” und über die Schaffung eines Mikroporensystems die Verwitterung in den Steinen antreiben. Dies kommt einem ”Bypass-Effekt gleich”, da die Bodenlösung bei der Nährelementassimilation umgangen wird. Zur Überprüfung der Frage, inwieweit auch in Waldböden des Südlichen Schwarzwalds die Skelettfraktion von nährstoffadsorbierenden Geweben erschlossen wird, wurden exemplarisch an einem skelettreichen Paragneisstandort mikropedologische Untersuchungen durchgeführt. 6.3.2.2 Mikropedologische Methoden

Probennahme und Präparation Mittels Stechzylinder wurden natürlich gelagerte Bodenproben aus dem Ahund B-Horizont gewonnen. Die Proben wurden unmittelbar nach der Entnahme in einer Kühlbox gelagert und im Expressversand zur weiteren Präparation an ein Fachlabor verschickt. Hier wurden folgende Präparationssschritte durchgeführt: x Fixierung mit 2,5 % Glutardialdehyd in H2O (Tippkötter et al. 1986) x Entwässerung der Proben in aufsteigender Acetonreihe x Einbettung in Polyesterharz unter Erhaltung des Quellungszustandes (Altemüller & Beckmann 1991). x Nach dem Aushärten des Polyesterharzes wurden mit der Diamantsäge Quader (Anschliffe) aus den Bodenproben herausgesägt. Zur Schließung von Hohlräumen wurden die gesägten Oberflächen der Quader unter Vakuum mit Epoxidharz nachgetränkt. Nach der Polymerisation des Harzes wurden die Oberflächen der Anschliffe in mehreren Arbeitsgängen geschliffen und poliert. Fluorochromierung Bei Anschliffen ist ohne die Verwendung von Fluoreszensfarbstoffen, die mikroskopische Identifikation von Objekten und Strukturen nur eingeschränkt möglich. In der Literatur sind zahlreiche Färbetechniken beschrieben, die zur Erkennung von Pilzhyphen in Gewebeschnitten (z.B. Welti 1993, Mote et al. 1975) oder in konditionierten Bodenproben (Eisenbrand & Werth 1959) eingesetzt werden. Für die Fluorochromierung von Anschliffen aus natürlich gelagerten Bodenproben liegen dagegen noch keine standardisierten Methoden vor. Vorversuche zeigten die grundsätzliche Eignung von Acridinorange zur Identifikation von mikromorphologischen Bodenstrukturen und hyalinen Pilzhyphen. Eine Fluorochromierung von pigmentierten (melanisierten) Hyphen war mit diesem Farbstoff allerdings nicht möglich.

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

193

Mikroskopische Technik und digitale Bildanalyse Als optische Ausrüstung wurde ein Auflichtmikroskop eingesetzt, das über eine CDD-Kamera mit einem digitalen Bildanalysesystem verbunden war. Mit Hilfe des Bildanalyse-Gerätes konnten Objekte interaktiv nachgezeichnet und automatisch vermessen werden. Mit einem vom Steuerrechner aus bedienbaren Scanningtisch wurden die Anschliffe bewegt und explorativ durchmustert. 6.3.2.3 Ergebnisse und Diskussion Bei der mikroskopischen Untersuchung der Anschliffe war auffallend, dass im Boden des Gneisstandortes überwiegend Pilzarten mit pigmentierten Hyphen vorkommen. Nur selten wurden hyaline Pilzhyphen gefunden. Diese lassen sich nach Anfärbung mit Acridinorange unter Blauanregung in leuchtend gelblichen Farbtönen (in S/W-Fotos hell leuchtend) deutlich von ihrer mikropedologischen Umgebung unterscheiden. Die Präparate waren insgesamt sehr ungleichmäßig von Pilzhyphen erschlossen. Bereiche mit meist geclusterten Hyphenvorkommen wechselten mit zum Teil bis zu mehreren mm² ausgedehnten Bereichen, die völlig unerschlossen waren. Im unteren Bv-Horizont (60 cm Tiefe) wurden deutlich seltener Pilzhyphen gefunden, als im oberen Bv- (30 cm Tiefe) und im AhHorizont (10 cm Tiefe). Am untersuchten Standort trat dominierend ein Mykorrhiza-Pilz auf, der anhand des morphologischen Bestimmungsschlüssels von Gronbach (1988) als Cenococcum geophilum charakterisiert werden konnte. Typische morphologische Merkmale, wie z.B. pigmentierte, braune bis dunkelbraune Einzelhyphen mit 6-12 µm Durchmesser, intrahyphale Hyphen mit apikal auswachsenden Hyalinhyphen, kugelige bis ovale Sklerotien bis 4 mm Durchmesser, stimmen mit den beobachteten Pilzorganismen überein. Cenococcum geophilum gilt als ein in Waldböden weitverbreiteter Pilz ohne spezifische Standortsansprüche und zeigt innerhalb der Mykorrhizapilze das weiteste Spektrum möglicher Symbiosepartner (Trappe 1962). Im Vergleich zu anderen Pilzen ist Cenococcum geophilum sehr resistent gegenüber Wasserstress und setzt sich daher besonders auf Standorten mit (zeitweiser) Trockenheit gegenüber Konkurrenten durch (Meyer 1965, Worley & Hacskaylo 1959). Auch am untersuchten Paragneisstandort kommen sommerliche Trockenphasen im Oberboden trotz relativ hoher und gleichmäßig über das Jahr verteilter Niederschläge aufgrund der SO-Exposition und des sehr hohen Grobporenanteiles vor (v. Wilpert et al. 1996). Die qualitative Untersuchung der Anschliffe zeigte, dass die Erschließung des Bodens mit Pilzhyphen sich nicht nur auf den Makroporenraum beschränkt, sondern auch die Feinbodenmatrix von Sklerotien und Einzelhyphen besiedelt wird. Häufig waren Hyphenclusterungen im unmittelbaren Übergangsbereich zwischen Bodenskelett und angrenzender Bodenmatrix bzw. Porenraum (Abbildung 6.19). Darüber hinaus wurden auch im Grobboden Pilzhyphen entdeckt. Netzwerkartig durch die Steine ziehende Mikroklüfte waren in den mit lockerer Feinsubstanz gefüllten Bereichen („vermiculitisierte Kavitäten“) mit Pilzhyphen besiedelt (Abbildung 6.20). Außerdem wurden Hyphen gefunden, die scheinbar ohne das Vorhandensein von erkennbaren Verwitterungszonen in den Mineral-

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verband der Steine eindrangen. Hier handelte es sich allerdings ausschließlich um pigmentierte (=dickwandige) Pizhyphen, die im Vergleich zu hyalinen Hyphen i.d.R. eine deutlich längere Lebensdauer aufweisen. Wurzelgewebe wurden auf den Anschliffen nur selten angetroffen. Die im Gegensatz zu Pilzhyphen im Querschnitt mehrzellig aufgebauten Feinwurzeln waren ausschließlich im Porenraum zu finden. Über eine besondere „Skelettaffinität“ der Wurzeln bei der Erschließung des Bodens können daher anhand der mikropedologischen Untersuchungen keine Aussagen getroffen werden. Allerdings wurde im Rahmen der in Kapitel 6.3.1.1 beschriebenen Probenaufbereitung zur Bestimmung des Nährelementpotentials des Grobbodens, trotz intensiver Reinigung im Ultraschallbad teilweise an den Skelettpartikeln anhaftende Feinwurzeln bzw. Rhizomorphen beobachtet. (Abbildung 6.21). Insgesamt liegen bisher nur sehr wenige Untersuchungen zur in-situ-Erschließung des Bodens durch Pilzyhyphen vor (Schack-Kirchner et al. 2000). Mit dem Befund, dass Pilzhyphen sich auch aktiv in den unverwitterteten Mineralverband von Steinen hineinbohren, können wir die Ergebnisse der nordeuropäischen Forschergruppe, dass es „rock-eating-fungi“ gibt, bestätigen (van Breemen et al. 2000a; 2000b). Die als „mycorrhizal weathering“ beschriebene Verwitterung durch Biosäureausscheidung von Pilzen wurde bisher allerdings nur auf podsolierten, mit Nadelholz bestockten Standorten beobachtet und beschränkte sich dort überwiegend auf den nährelementarmen Bleichhorizont.

20 µm Pore

Skelett Pilzhyphen

FeinbodenMatrix

Abbildung 6.19: links: Querschnitte von pigmentierten (melanisierten) Pilzhyphen im unmittelbaren Grenzbereich zwischen Stein und Porenraum. Bei den hell leuchtenden Strukturen in der Bildhälfte links unten handelt es sich um Feinbodenmatrix (Bv, 30 cm Tiefe); rechts: maßstabsgetreue Erläuterungsskizze.

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

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Kluft loc ke r ge füllt mit Fe inma te ria l

Unve rwitt. Skele tt

Hya line Pilzhyphe n

20µm

Abbildung 6.20: links: Auflichtmikrophoto in UV-Anregung einer mit Feinmaterial gefüllten Mikrokluft im Bodenskelett („vermiculitisierte Kavität“). Bei den hell leuchtenden, rundlichen Objekten handelt es sich um Querschnitte von hyalinen (dünnwandigen) Pilzhyphen (Bv, 30 cm Tiefe); rechts: maßstabsgetreue Erläuterungsskizze.

Abbildung 6.21: Auflichtmikrofoto der Oberfläche eines Skelettpartikels aus Granit (Bv, 30-60 cm Tiefe). Nach intensiver Reinigung im Ultraschallbad wurden noch anhaftende Feinwurzeln und Pilzhyphen festgestellt.

Sowohl bei den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit, als auch bei den oben zitierten Arbeiten handelt es sich um explorative, qualitative Befunde, über deren Allgemeingültigkeit bisher keine Aussage möglich ist. Bisher können keine quantifizierbaren Angaben über den tatsächlichen Beitrag des Bodenskeletts bei der Nährelementaufnahme durch Pilzhyphen getroffen werden. Daher lässt sich die Frage, inwiefern Pilzhyphen gezielt skelettbürtige „hot spots” der Nährelementspeicherung aufsuchen, noch nicht abschließend beantworten. Allerdings legen die dargestellten Befunde sowie Beobachtungen realer Gegebenheiten eine

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relevante Bedeutung der durch Bodenpilze gesteuerten Nähremelentaufnahme nahe. Insbesondere das in der forstlichen Praxis häufig beobachtete Plausibilitätsdefizit zwischen alarmierend niedrigen bodenchemischen Kennwerten des Feinbodens einerseits und einem guten Bestandeswachstum andererseits deutet auf eine Ersatzfunktion des Bodenskeletts für die Bestandesernährung hin. Vor diesem Hintergrund kann die Besiedlung der Steine durch nährelementadsorbierende Gewebe als Anpassungsreaktion auf die mangelnde Nährstoffverfügbarkeit im Feinboden gedeutet werden. 6.3.3 Zukünftige Integration des Nährelementvorrats des Grobbodens 6.3.3.1 Einleitung Der Grobboden stellt einen bedeutenden Speicher für austauschbare Nährelemente in Waldböden dar (Heisner et al. 2004, Ugolini et al. 1996). Aufgrund jüngster Forschungsergebnisse ist davon auszugehen, dass dieser bisher kaum berücksichtigte Nährelementpool auch für Pflanzen zugänglich ist und von ihnen genutzt wird (z.B. Jongmans et al. 1997, Shaun et al. 2003, Kohler et al., 2003). Deshalb ist es zukünftig bei ökochemischen Betrachtungen zum Nährstoffhaushalt von Waldböden von großer Bedeutung, den Beitrag des Grobbodens zu berücksichtigen. Alle bisherigen Untersuchungen zum Nährelementbeitrag des Grobbodens basieren auf Untersuchungen weniger Einzelstandorte (Corti et al. 2002, Deutschmann & Ludwig 2000, Kohler et al. 2001, Ugolini et al. 1996, 2001). Mit einer regional angelegten Untersuchung von Waldstandorten des südlichen Schwarzwaldes gelang es erstmals, einen flächenbezogenen Datenbestand zu Gehalten und Vorräten von austauschbaren Kationen für einen größeren Landschaftsraum zu erheben (Heisner et al. 2004, vgl. Kapitel 6.3.1) Die bisherigen Methoden zur Bestimmung der skelettbürtigen austauschbaren Kationen sind aufwändig, teuer und schwierig in ein Routineverfahren des Waldbodenmonitorings zu integrieren (Meiwes et al. 1984, Hildebrand 1994). Um eine realistische Vorhersage über den Beitrag des Grobbodens zum Nährelementhaushalt in Böden treffen zu können, ist deshalb eine Abschätzung auf Basis vorhandener Datengrundlagen und stochastischer Beziehungen erforderlich. Hierzu können einfach messbare Standortparameter, welche die Austauschereigenschaften des Grobbodens erklären, zur Entwicklung von „Pedo-Transferfunktionen“ eingesetzt werden. Diese Pedo-Transferfunktionen sollten auf sachlogisch plausiblen Beziehungen zur jeweiligen Zielgröße des Kationenaustauschers basieren. Ziel der Untersuchungen war es, x zu prüfen, ob es möglich ist, die Austauschereigenschaften des Grobbodens durch einfach zu bestimmende Parameter abzuschätzen und

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

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x anhand der identifizierten Parameter belastbare Pedo-Transferfunktionen für die Region des Südschwarzwaldes zur Prognose des Nährelementbeitrags des Grobbodens zu ermitteln. 6.3.3.2 Methoden Die Probennahmeraster zur Auswahl der Standorte und die Methoden zur Bestimmung der austauschbaren Kationen des Grobbodens sind bereits in Kapitel 6.3.1.1 beschrieben. Identifizierung einfacher Kenngrößen zur Beschreibung der Austauschereigenschaften des Grobbodens Als Modellansatz zur Beschreibung der Austauschereigenschaften des Grobbodens mittels einfacher Kenngrößen wurde erprobt, ob die Adsorption polarer Stoffe zur relativen Quantifizierung adsorptiv wirksamer Oberflächen von Skelettpartikeln verwendet werden kann. Basierend auf dem Prinzip des Dampfspannungsausgleichs mit einer übersättigten Salzlösung wurde ein Verfahren zur Adsorption von Wasserdampf an die polaren Oberflächen von Grobbodenpartikeln erarbeitet. Werden die trockenen Grobbodenpartikel einer übersättigten Salzlösung definierter Wasserspannung ausgesetzt, stellt sich ein Spannungsgleichgewicht zwischen dem Wassergehalt der Gesteinsoberflächen und der Dampfspannung über der Salzlösung ein. Für die Versuche wurden Aliquote von 20 g einer Zufallsbeprobung von optisch ähnlichen Korngrößenverteilungen der Grobbodenfraktion im Bereich von 2 – 30 mm bei 105°C getrocknet und unter normierten Bedingungen gewogen. Danach wurden die Proben bei konstanter Temperatur von 21 °C und konstantem Gasdruck einer übersättigten K2SO4-Lösung (pF 4,6; entspricht 1,55 x 106 Pa) ausgesetzt. Zur Beschleunigung des Spannungsausgleichs wurden die Experimente im Exsikkator bei einem Unterdruck von 4 x 104 Pa durchgeführt, wodurch die Gleichgewichtseingestellung nach 7 Tagen erreicht war. Anschließend wurden die benetzten Steine gewogen und aus der Gewichtsdifferenz zu den getrockneten Proben ein relatives Maß der zur Wasser-Adsorption befähigten Oberflächen der Steine ermittelt. Das Vorgehen zur Bestimmung der Wasserdampfadsorption ist in Abbildung 6.22 schematisch dargestellt. Der erfasste Parameter erwies sich als weitestgehend unabhängig von der Partikelgröße der Steine (äußere Oberfläche). Im Gegensatz zu der in der Bodenphysik üblichen Vorgehensweise, die Beziehung zwischen Wasserspannung und Wassergehalt im Desorptionsgang zu ermitteln, wurde hier der Adsorptionsgang gewählt. Aufgrund der Hysterese der Wasserspannungs-Wassergehalts-Beziehung müssen im Adsorptionsgang im betrachteten Spannungsbereich wesentlich geringere Wassermengen zur Erreichung des Spannungsgleichgewichts bewegt werden, so dass die Zeitdauer des Dampfspannungsausgleichs vermindert werden konnte.

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Abbildung 6.22: Fließschema zur Bestimmung der Wasserdampfadsorption.

Modellansatz zur Abschätzung des Nährelementpotenzials des Grobbodens Anhand geeigneter einfacher Standortparameter soll eine Abschätzung der Austauschereigenschaften des Grobbodens vorgenommen werden. Diese zielt sowohl quantitativ auf eine Abschätzung der Austauschkapazität des Grobbodens als auch qualitativ auf eine Abschätzung des Gehaltes austauschbarer Neutralkationen des Grobbodens ab. Die Modellentwicklung zur Prognose beider Kenngrößen wurde daher in zwei Schritte unterteilt. Neben der oben beschriebenen Wasserdampfadsorption wurden weitere, leicht erfassbare Standortparameter wie z. B. Anteil dunkler Minerale, Typ des Ausgangsgesteins, Bodenfarbe, Jahresniederschlag, Jahrestemperatur oder feinbodenbürtige Austauschereigenschaften als Prädiktoren der Austauschereigenschaften des Grobbodens anhand einfacher und multipler Regressionsansätze geprüft. Die Auswahl aller Prüfparameter orientierte sich primär an der kausalen Plausibilität zur Beschreibung der Zielgröße und untergeordnet an den statistischen Kenngrößen der geprüften Beziehungen. Die Regressionen wurden mit dem Software-Paket SAS (SAS Institute Inc. 1999) durchgeführt. Zur Berechnung multipler Regressionen wurden maximal zwei unabhängige Variablen aufgenommen, da ein unangemessen hohes Verhältnis zwischen Freiheitsgraden und unabhängigen Variablen kausale Zusammenhänge vortäuschen könnte.

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6.3.3.3 Ergebnisse Als Parameter zur Abschätzung der Austauschkapazität des Grobbodens wurde die Wasseradsorption getrockneter Steine (105°C) bei 1,55 MPa (pF 4,6) untersucht. Bei dem in Abbildung 6.23 dargestellten Tiefenverlauf der Wasseradsorption kann kein wesentlicher Unterschied zwischen den fünf untersuchten Tiefenstufen festgestellt werden. Bei der Ake des Grobbodens hingegen ist mit zunehmender Bodentiefe eine kontinuierliche Abnahme festzustellen (Abbildung 6.23). Dieser Tiefengradient wird im wesentlichen auf die Abnahme der Humusgehalte sowie der Verwitterungsintensität mit zunehmender Bodentiefe zurückgeführt. Um die Änderungen im Tiefenverlauf zu berücksichtigen, wird die Auswertung stratifiziert nach Tiefenstufen durchgeführt. Austauschkapazität Grobboden [µmolc g-1]

Tiefe [cm]

Wasseradsorption [mg g-1]

Abbildung 6.23: Wasseradsorption und Kationenaustauschkapazität des Grobbodens bei 1,55 MPa (pF 4,6) Saugspannung im Tiefenverlauf bei 59 Waldstandorten des Südschwarzwaldes, (Fehlerbalken = +s).

In Abbildung 6.24 ist die Beziehung zwischen der Wasseradsorption von Gesteinspartikeln und der effektiven Austauschkapazität (Ake) des Grobbodens der 5 untersuchten Tiefenstufen sowie für den gesamten Tiefenbereich von 0-90 cm dargestellt. Dabei zeigt sich für alle dargestellten Beziehungen ein positiv linearer Zusammenhang zwischen der zur Wasseradsorption befähigten Oberfläche des Grobbodens und seiner Austauschkapazität. Bei der Betrachtung der einzelnen Tiefenstufen ergeben sich für die oberen vier Tiefenstufen Beziehungen mit einem Bestimmtheitsmaß von 42-55 % (P <0,001, sResiduen = 4,1-2,3). Innerhalb der einzelnen Beziehungen ist die Streuung der

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Residuen über den gesamten Bereich homogen verteilt, wodurch die Güte der Anpassung dokumentiert wird.

Abbildung 6.24: Beziehung zwischen der Wasseradsorption von Gesteinspartikeln bei 1,55 MPa (pF 4,6) und der effektiven Austauschkapazität (Ake) des Grobbodens für fünf Tiefenstufen sowie für den gesamten Tiefenbereich (entsprechend der Mächtigkeiten der Tiefenstufen gewichtet).

Die Beziehung für die Tiefenstufe 60-90 cm weist ein R2 von 0,18 auf und ist nur schwach signifikant (P = 0,35). Offensichtlich ist hierbei eine Abschätzung der Ake des Grobbodens durch die Adsorption von Wasserdampfmolekülen nur eingeschränkt möglich, da die Variabilität der die Adsorption bestimmenden Faktoren in dieser Tiefenstufe (B- und C-Horizonte) besonders hoch ist. Dies könnte auf eine vorherschend physikalische Verwitterung des Grobbodens der CHorizonte gegenüber den in den A- und B-Horizonten dominierenden chemischen Verwitterungsprozessen zurückzuführen sein. Diese Annahme steht in Überstimmung mit der geringen Steigung der Ausgleichsgeraden, die einen geringen Anstieg der Austauschkapazität bei einer hohen Zunahme der

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

201

Wasseradsorption ausdrückt. Hingegen ist die Geradensteigung bei der Tiefenstufe 0-5 cm am höchsten. Dies kann auf den Einfluss der Ummantelung des Grobbodens durch Huminstoffe (vgl. Kap 6.3.1.2) zurückgeführt werden, welche die Ake des Grobbodens erhöhen, aber offensichtlich nicht in gleichem Umfang eine Wasseradsorption ermöglichen. Die auf Basis der Einzelwerte der Tiefenstufen und ihrer Mächtigkeiten ermittelte profilbezogene Regressionsfunktion zeigt ebenfalls eine hohe Güte der Anpassung (R2 = 0,53; P <0,001, sResiduen = 2,0) und erlaubt somit auch eine direkte Abschätzung der profilbezogenen Austauschkapazität des Grobbodens. Die hochsignifikanten Beziehungen zwischen der Wasserdampfadsorption der Oberfläche der Gesteinspartikel und ihrer Austauschkapazität sind sachlogisch plausibel und bieten somit einen ersten Ansatz zur Abschätzung der Ake des Grobbodens. Einer der drei Standorte auf Sandstein sowie ein Standort auf Tonstein wurde aufgrund hochsignifikanter Abweichungen zum Datenkollektiv nicht in diese Auswertungen einbezogen. Dies deutet an, dass Unterschiede in der Oberflächenstruktur des Grobbodens (z. B. Sandsteine mit feinkristallin-poröser Struktur, Tonsteine mit z. T. glatten physikalisch wenig verwitterten Oberflächen) die Ableitung gesteinsspezifischer Pedotransferfunktionen erfordern. Ausgehend von der Kenngröße der Wasseradsorption des Grobbodens wurden in multiplen Regressionsmodellen weitere Prädiktoren zur Abschätzung der Ake des Grobbodens geprüft. Allerdings konnten auf Basis des vorhandenen Datenumfangs bisher keine weiteren Parameter identifiziert werden, welche die Prognose der Zielgröße Ake signifikant verbessern. Aufgrund der großen Bedeutung des Bodenskeletts für den Nährelementhaushalt in Waldböden ist die Abschätzung des skelettbürtigen Nährelementvorrates aus forstökologischer Sicht von besonderem Interesse. Zur Abschätzung des Gehaltes an austauschbaren Neutralkationen im Grobboden wurden sowohl standortkundliche Felddaten als auch Routineauswertungsergebnisse der Feinerde als unabhängige Variablen getestet. Die beste Anpassung konnte durch den Parameter „Mg-Gehalt des Feinbodens“ mittels linearer Regression festgestellt werden. Diese in Abbildung 6.25 dargestellte Beziehung für den gesamten Tiefenbereich von 0-90 cm ist auf Basis der Einzelwerte der Tiefenstufen dargestellt. Mit einem Bestimmtheitsmaß (R2) von 0,28 ist diese Regression signifikant (P = 0,01). Allerdings wird die Güte der Anpassung durch eine geringe Datendichte im oberen Konzentrationsbereich eingeschränkt. Bei der Betrachtung einzelner Tiefenstufen konnten nur für die Tiefenbereiche des Oberbodens (0-5 und 5-10 cm) signifikante Beziehungen ermittelt werden. Dies ist vermutlich auf die geringen Mg-Gehalte des Feinbodens zurückzuführen, die nahezu ausschließlich <2 µmolc g-1 sind und in diesem niedrigen Konzentrationsbereich offensichtlich einer erhöhten Streuung unterliegen. Daher ist die Funktion für den Gesamtboden nur mit erhöhter Unsicherheit für den Unterboden bzw. im niedrigen Konzentrationsbereich anwendbar. Dennoch stellt diese Regression einen ersten Ansatz für eine PedoTransferfunktion dar.

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Dieser aufgezeigte Zusammenhang zwischen beiden Parametern deutet auch darauf hin, dass ein räumlicher Zusammenhang zwischen den Austauscherphasen des Feinbodens und des Grobbodens besteht und Austauschprozesse zwischen beiden Phasen stattfinden.

Abbildung 6.25: Beziehung zwischen dem Gehalt des austauschbaren Mg der Feinerde und dem Gehalt austauschbarer Neutralkationen des Grobbodens für die Tiefenstufen 0-5 und 5-10 cm sowie für den gesamten Tiefenbereich (entsprechend der Mächtigkeiten der Tiefenstufen gewichtet).

Alle weiteren geprüften Standortparameter (z.B. Anteil dunkler Minerale, Bodenfarbe, Bodentyp) wie auch die Kenngröße der Wasseradsorption zeigten keine aussagekräftigen stochastischen Beziehungen zum skelettbürtigen austauschbaren Gehalt an Neutralkationen. Für den Raum des Südschwarzwaldes kann anhand des zu bestimmenden volumenbezogenen Grobbodengehalts eines Standortes mittels des Mg-Gehaltes der Feinerde in erster Näherung eine Abschätzung des Nährelementpotenzials der Grobbodenfraktion flächenbezogen (kg ha-1 m-1) erfolgen. 6.3.3.4 Diskussion Mit Blick auf das hohe Nährelementpotenzial des Grobbodens einerseits und den großen Aufwand zur Erfassung der erforderlichen Daten andererseits wäre es hilfreich, geeignete Kenngrößen zur Vorhersage des Beitrags pflanzenverfügbarer

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

203

Nährelementkationen von Steinen zu deren Gesamtvorrat in Waldböden ermitteln zu können. Aufgrund der Beziehung zwischen Ake und der zur Wasseradsorption befähigten Oberfläche des Grobbodens (Abbildung 6.24) erweist sich dieser einfach zu bestimmende Parameter in einem ersten Ansatz als geeigneter Prädiktor der grobbodenbürtigen Austauschkapazität. Bei diesem Ergebnis ist von besonderem Interesse, dass konventionelle Methoden zur Bestimmung von Oberflächen poröser Medien durch Gasadsorption (sog. BET-Oberflächen) in keiner stochastischen Beziehung zur Austauschkapazität der Bodensteine stehen (Kohler 2001). Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass bei dem BETVerfahren unpolare Inertgase wie z.B. He eingesetzt werden, die keine spezifische Affinität zu negativ geladenen Austauscheroberflächen haben und damit die in bio-/geochemische Ionenkreisläufe eingebundene Oberflächen wesentlich unschärfer charakterisieren. Im Gegensatz dazu ist die Adsorption von H2ODampf an Oberflächen, die zum Austausch von Kationen befähigt sind, offensichtlich durch die Polarität der H2O-Moleküle gesteuert. Insgesamt zeigt sich die Methode der Wasserdampfadsorption im Bereich hoher Saugspannung als geeignet zur Abschätzung der Austauschkapazität des Grobbodens kristalliner Gesteine (Heisner et al. 2004). Da die Methode sehr einfach umsetzbar ist und einen geringen technischen Aufwand erfordert, könnte sie unter der Voraussetzung der Validierung für andere Standorttypen auch problemlos in ein Bodenmonitoring integriert werden. Zur Abschätzung des Gehaltes austauschbarer Neutralkationen des Grobbodens auf Basis der modellierten Austauschkapazität des Grobbodens erwies sich der Prädiktor „austauschbarer Mg-Gehalt des Feinbodens“ als am besten geeignet (Abbildung 6.25). Aufgrund seiner geochemischen Eigenschaften (hohe Hydratisierungsenergie und niedrige Bindungsstärke) ist im Vergleich zu anderen Kationen der austauschbare Mg-Pool ein empfindlicherer Indikator der Versauerung (Hildebrand 1994). Die stochastische Beziehung zwischen austauschbarem Mg des Feinbodens und austauschbaren Neutralkationen des Grobbodens impliziert, dass beide Fraktionen über diffusive Brücken im Austausch stehen und somit der an der Basensättigung gemessene Versauerungsstatus an Austauscherflächen des Grobbodens dem des Feinbodens „hinterherhinkt“. Die tatsächliche Existenz der diffusiven Vernetzung von Grob- und Feinboden konnte durch mikropedologische Untersuchungen von Skelettpartikeln in ihrer natürlichen Umgebung belegt werden (Kohler et al. 2000, Kohler 2001). Bei Skelettpartikeln des Gneises wurden in den Fissuren vermiculitreiche Feinerdefüllungen festgestellt, die sich innerhalb der Steine netzartig erstrecken und zum Feinboden hin in einem kontinuierlichen Übergang stehen (Abbildung 6.18). Mit den ermittelten Funktionen können anhand der einfach zu bestimmenden Wasserdampfadsorption bis zu 55 % der Variation der Ake im Grobboden erklärt werden. Anhand des Mg-Gehaltes der Feinerde kann eine erste Abschätzung der austauschbaren Neutralkationen-Gehalte erfolgen. Die ermittelten Beziehungen stellen einen ersten Ansatz zur Abschätzung skelettbürtiger Austauschereigenschaften dar, der mit Hilfe weiterer Feld- und/oder Labordaten möglicherweise noch verbessert werden kann. Darüber hinaus eröffnen diese Arbeiten die

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Möglichkeit, das Nährelementpotenzial des Grobbodens auch für andere Regionen Europas durch einfache und belastbare Pedotransferfunktionen zu ermitteln. 6.3.4 Zusammenfassung zum Nährelementpotential von Steinen Bei der Betrachtung der kurzfristigen Nährelementpotenziale in Waldökosystemen wurde der aktuelle Beitrag des Grobbodens an pflanzenverfügbaren Nährelementkationen bislang vernachlässigt. Jüngste Befunde, welche die Bedeutung des Grobbodens als Nährelementspeicher belegen, beziehen sich bisher nur auf einzelne Standorte. Bei den hier dargestellten Untersuchungen wurde für die Region des südlichen Schwarzwaldes anhand 61 Waldstandorten das Nährelementpotenzial des Grobbodens ermittelt. Die Standorte entstammen zu gleichem Umfang dem regionalen Raster der bundesweiten Bodenzustandserhebung im Wald (BZE) sowie dem lokalen Raster der forstlichen Betriebsinventur im Bereich der Forstämter Todtmoos, Todtnau und Kandern. Bis auf 5 Standorte auf Sand- (3) bzw. Tonsteinen (1) der Trias und glazigenen Ablagerungen (1) umfassen die Ausgangsgesteine der Bodenbildung kristalline Granite und Gneise unterschiedlicher Anatexis. Die Bestimmung der Austauschkapazität des von Feinboden gereinigten Grobbodens erfolgte in einer offenen Perkolationsanlage unter Fliessbedingungen im Bereich der Feldkapazität. Da ein Vergleich der austauschbaren Kationen im Grobboden keine statistisch gesicherten Unterschiede zwischen beiden Messnetzen ergab wurden die Ergebnisse aller Untersuchungen zusammengefasst. Der Gehalt austauschbarer Neutralkationen des Grobbodens nimmt im Tiefenverlauf mit Werten von 5,0 µmolc g-1 (0-5 cm) auf 1,8 µmolc g-1 (30-90 cm) deutlich ab. Dieser Tiefengradient ist im wesentlichen von den Änderungen der Verwitterungsintensität und der Humusgehalte geprägt und zeigt damit einen ähnlichen Verlauf wie der Gehalt MbKationen des Feinbodens. Der Gehalt austauschbarer Neutralkationen des Grobbodens beträgt 26-38% des Feinbodenanteils. Allerdings ist die Basensättigung des Grobbodens mit Werten von 46 % (0-5 cm) und 30-35% (5-90 cm) im gesamten Tiefenverlauf stets um das drei- bis vierfache höher gegenüber dem Feinboden. Dies weist auf ein deutlich günstigeres Nährelementangebot des Grobbodens hin, das insbesondere bei verarmten Standorten einen attraktiveren potenziellen Nährelement-Pool darstellt. Der Grobboden von Böden aus hellen Gneisen/Graniten sowie aus Gneisen altpleistozäner Höhenlehme weist ein niedrigeres Nährelementpotenzial gegenüber dem Grobboden dunkler (biotitreicher) Gneise auf. Dies lässt sich insbesondere anhand der diffusiven Nachlieferung der Nährelementkationen Ca2+ und Mg2+ aus Austauscherbereichen innerer Oberfläche der Grobbodenpartikel belegen, die bei Böden aus dunklem Gneis um das bis zu 7-fache höher ist gegenüber Böden anderer Gesteinsgruppen. Die Vorräte des Gesamtbodens an austauschbaren Kationsäuren (Al, Fe, Mn) werden im Tiefenverlauf nur zu 5-7 % durch den Grobboden gedeckt. Bei den Mb-Vorräten beträgt der Anteil des Grobbodens am Gesamtvorrat bereits 12-13%

6.3 Bodenskelett und Ionenvorrat

205

bis zur Bodentiefe von 10 cm und steigt bis auf 25-26 % in 30-90 cm Tiefe an. Die fortgeschrittene Versauerung des Feinbodens wird durch eine Abnahme der volumenbezogenen Vorräte austauschbarer Neutralkationen von 0,24 mg cm-3 (05 cm) auf ein niedriges Niveau von 0,07 mg cm-3 angezeigt. Dieser Pool ist offensichtlich bereits so stark verarmt, dass er im Bereich von 30-90 cm nicht weiter absinkt („eiserner Vorrat“). Dem entgegen ist der volumenbezogene Nährelementvorrat des Grobbodens im Tiefenverlauf nahezu konstant und unterliegt somit nicht einer nahezu vollständigen Entleerung, wie dies im Feinboden der Fall ist. Bei der Betrachtung einzelner Waldstandorte zeigte sich, dass bei 8 (Ca2+) bzw. 5 (Mg2+) von 30 Standorten des Rasters der BZE der skelettbürtige Vorrat der entsprechenden Kationen deren Vorrat im Feinbodens sogar übersteigt. Die Befunde hoher Nährelementgehalte und -vorräte des Grobbodens sowie zur gesteinsspezifischen Differenzierung des Nährelementpotenzials stehen im Einklang mit mikropedologischen Untersuchungen an Dünnschliffpräparaten eines Paragneis-Standortes des südlichen Schwarzwaldes. In den Skelettpartikeln konnten feine (10-100 µm) Fissuren mit Feinerdefüllungen festgestellt werden, die röntgendiffraktrometrisch als vermiculitreiche Tonminerale identifiziert werden konnten. Diese Fissuren erstrecken sich netzwerkartig innerhalb der Steine und stehen somit in einem kontinuierlichen Übergang zur Feinbodenmatrix. Die Übergangszone zwischen Grob- und stark verwittertem Feinboden bildet demzufolge eine die Grobbodenpartikel umgebende, nährelementreiche Feinbodenmatrix. Neben dem Grobboden wird auch diese Fraktion bei der konventionellen Nährelementbestimmung in Böden nicht berücksichtigt. Anhand mikropedologischer Untersuchungen von Anschliffen ungestörter Bodenproben dieses Paragneis-Standortes wurde exemplarisch überprüft, inwieweit die Skelettfraktion in Waldböden von nährstoffadsorbierenden Geweben auch tatsächlich erschlossen wird. Durch Fluorochromierung mit Acridinorange gelang es, mikromorphologische Bodenstrukturen und hyaline Hyphen zu identifizieren. Insgesamt waren die Präparate sehr ungleich von Hyphen erschlossen und Bereiche mit geclusteren Hyphenvorkommen wechselten mit teils bis zu mehreren mm2 ausgedehnten, unerschlossenen Bereichen. Bei dem überwiegenden Vorkommen melaniner Hyphen dominierte der weit verbreitete Mykorrhiza-Pilz Cenococcum geophilum. In qualitativen Untersuchungen konnte belegt werden, dass neben dem Makroporenraum sowohl die Feinbodenmatrix als auch feinerdegefüllte Mikroklüfte und Fissuren innerhalb des Grobbodens mit Pilzhyphen besiedelt waren. Hyphenclusterungen traten besonders häufig in der unmittelbaren Übergangszone zwischen Fein- und Grobboden auf. Darüber hinaus wurden Pilzhyphen entdeckt, die offensichtlich ohne Vorhandensein von erkennbaren Verwitterungszonen in den Mineralverbund der Steine eindrangen. Wurzelgewebe war im Gegensatz zu den Pilzhyphen auf den Anschliffen nur selten zu finden und trat ausschließlich im Porenraum des Feinbodens auf. Allerdings konnten bei im Ultraschallbad gereinigten Grobbodenpartikeln des Unterbodens anhaftende Feinwurzeln und Rhizomorphen festgestellt werden. Diese Einzelbefunde reichen nicht aus, um eindeutig zu belegen, dass Pilzhyphen die Skelettpartikel gezielt aufsuchen, um diese „hots spots“ der Speicherung von Mb-Kationen zur Nährelementaufnahme zu nutzen. Auch eine Quantifizierung

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dieses „By-Pass-Flusses“ an Nährelementen via Mycorrhiza direkt von den Steinen in die Bäume ist noch nicht möglich. Allerdings legen diese Befunde, die im Einklang mit jüngsten Forschungsergebnissen anderer Arbeitsgruppen stehen, eine hohe Bedeutung der durch Bodenpilze gesteuerten Nährelementaufnahme nahe. Daher ist davon auszugehen, dass der Nährelementpool des Grobbodens auch für Pflanzen zugänglich ist und von ihnen genutzt wird. Daher wird zukünftig beim Monitoring von Waldbodeneigenschaften verstärkt eine Integration des Nährelementvorrats des Grobbodens in ökochemische Betrachtungen erforderlich werden. Anhand der erhobenen Datenbasis der 61 Waldstandorte wurde versucht, einfache Standortparameter zur Charakterisierung der Austauscherleistung des Grobbodens zu identifizieren und daraus PedoTransferfunktion zur Abschätzung des Nährelementpotenzials für die Region des südlichen Schwarzwaldes abzuleiten. Als Modellansatz zur Beschreibung der skelettbürtigen Austauschereigenschaften des Grobbodens mittels einfacher Kenngrößen wurde ein Verfahren nach dem Prinzip des Dampfspannungsausgleichs über einer übersättigten hygroskopischen Salzlösung erarbeitet. Hierzu wurden getrocknete Grobbodenpartikel (105°) unter normierten Bedingungen der Wasserdampfspannung einer übersättigten K2SO4Lösung (1,55 MPa) bis zur Gleichgewichtseinstellung ausgesetzt. Die Gewichtsdifferenz zwischen getrockneten und benetzten Partikeln wurde als relatives Maß der zur Wasseradsorption befähigten Oberflächen ermittelt. Die Kenngröße der zur Wasseradsorption befähigten Oberfläche steht in einer stochastischen positiv linearen Beziehung zur Ake des Grobbodens. Für die 4 Tiefenstufen im Bereich von 0-60 cm sowie für den gesamten Tiefenbereich konnten Beziehungen mit einem Bestimmtheitsmaß (R2) von 42-55 % (P <0,001) ermittelt werden. Die geringere Güte der Anpassung für die Tiefenstufe 60-90 cm (R2 =18 %, P = 0,35) wird auf die hohe Variabilität der Verwitterungsstadien des Grobbodens in dieser Tiefenstufe zurückgeführt. Die Eignung der Methode der Wasserdampfadsorption wird auf die spezifische Affinität des polaren Wassermoleküls zu negativ geladenen Austauscheroberflächen zurückgeführt. Darüber hinaus konnte bisher durch Einführung weiterer leicht erfassbarer Standortparameter keine signifikante Verbesserung der Prognose der Ake des Grobbodens erzielt werden. Zur Abschätzung des Gehaltes austauschbarer Neutralkationen des Grobbodens auf Basis der modellierten Austauschkapazität des Grobbodens erwies sich der Prädiktor „austauschbarer Mg-Gehalt des Feinbodens“ in einem einfachen linearen Ansatz (R2 = 0,28; P = 0,01) als am besten geeignet. Allerdings ist aufgrund der Datenverteilung eine Anwendung auf Unterbodenbereiche bzw. im niedrigen Konzentrationsbereich nur mit höherer Unsicherheit möglich. Dieser Befund unterstützt die Annahme, dass die Austauscher des Fein- und Grobbodens über diffusive Brücken miteinander in Verbindung stehen. Die ermittelten

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Beziehungen zur Abschätzung von Austauschereigenschaften des Grobbodens basieren somit auf sachlogisch fundierten Beziehungen, die einen ersten Ansatz zur Erstellung überregional gültiger Pedotransferfunktionen zur Prognose von Nährelementpotenzialen des Grobbodens darstellen. 6.4

Zusammenfassende Schlussfolgerungen zu Waldumbau und Stoffhaushalt

K. von Wilpert, E. E. Hildebrand

Eine Zusammenschau von Daten und Ergebnissen aus Umweltüberwachungsmessnetzen und Ökosystemfallstudien in Baden-Württemberg ergibt, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Waldböden in Südwestdeutschland in einem weitaus stärkeren Ausmaß von Versauerung und Entbasung betroffen waren als dies durch Prozesse der natürlichen Bodenentwicklung zu erwarten wäre (Buberl et al. 1994, v.Wilpert und Hildebrand 1994, Wolff und Riek 1998). Der einzige Faktor, der im gleichen Zeitraum massiv in Richtung Versauerung und Entbasung gewirkt hat sind anthropogene Säure- und Stickstoffeinträge aus der Luft. Durch diese Stoffeinträge wird sowohl die Eigenschaft der Böden als Nährelementspeicher beeinträchtigt als auch Filter- und Pufferfunktionen für das Wasser sowie die Lebensraumfunktionen von Böden für tierische und pflanzliche Organismen geschädigt. Deshalb sollte ein vorsorgendes und ressourcenschonendes Ökosystemmanagement auf eine Kompensation dieser beeinträchtigenden Veränderungen und auf eine Regeneration eingeschränkter oder bereits verlorengegangener Ökosystemfunktionen ausgerichtet sein. Die dargestellten Ergebnisse aus Ökosystemfallstudien und Auswertungen von Montoringdaten stehen alle im Zusammenhang mit der Frage, welcher „ökologische Gewinn“ durch einen Waldumbau von nadelholzreichen, auf Holzertrag optimierten Altersklassenwäldern zu laubholzreichen Misch- und Dauerwäldern erreicht werden kann. Variablen bei dieser Bewertung sind Bestandesstruktur, Baumartenzusammensetzung, Gelände- und Substratbedingungen sowie Regionalvariablen wie z.B. Klima und Höhenlage. Durchschnittliche Höhe und Zusammensetzung von anthropogenen Depositionen oder Einflüsse, die aus der regionalen Waldgeschichte bei der Beurteilung des Stoffhaushalts zu berücksichtigen sind, können hierbei ebenfalls als Regionalvariablen angesehen werden. Das prinzipielle Potential eines Waldumbaus zur Stabilisierung ökosystemarer Stoffkreisläufe ist in einer Vielzahl von Ökosystemfallstudien z.B. im Solling (Ulrich 1993, Matzner 1988), im Höglwald (Kreutzer et al. 1986, Rothe 1997) und im Conventwald (v.Wilpert et al. 1996, 2000) belegt. Dabei sind neben der Baumartenzusammensetzung auch die waldbautechnischen Variationsmöglichkeiten bei der Hiebsführung und Bestandesverjüngung mit untersucht worden (Zirlewagen et al. 1997, v.Wilpert et al. 2000). Auf dieser Basis kann eine auf langfristigen Ressourcenschutz ausgerichtete Waldbaustrategie im Prinzip

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definiert und das durch eine solche Strategie erreichbare Stabilisierungspotential eingeschätzt werden. Die bodenkundlichen Regionalisierungsansätze, die in den letzten Jahren in mehreren Arbeitsgruppen für Waldböden erarbeitet wurden (Zirlewagen 2003, Saborowski u. Jansen 2002) ergeben aufgrund der hohen räumlichen Auflösung ihrer Eingangsgrößen ein differenziertes Muster von Standorten, die gegenüber einer depositionsbedingten Änderung ihres Zustandes besonders, und anderen, die wenig sensitiv sind. Es ist jedoch zu betonen, dass die Entwicklung von Regionalisierungsmodellen für Waldböden sich noch in einer Anfangsphase befindet, in der sowohl die räumliche Auflösung der Eingangsgrößen (z.B. digitale Höhenmodelle) als auch die Regionalisierungsmethoden selbst sich weiterentwickeln. Der Wert der Regionalisierungsmodelle ergibt sich aus dem Anteil der Parametervarianz, der durch das Modell erklärt wird. Dieser kann nur über umfangreiche Validierungsdatensätze überprüft werden, die i.d.R. eigens für das Regionalisierungsvorhaben gemessen werden müssen. In Bezug auf die statistische Performance unterscheiden sich die derzeit verfügbaren Regionalisierungsansätze erheblich. Verfahren, die unter möglichst weitgehender Verwendung von Primärdaten mit Hilfe von multiplen Regressionsmodellen arbeiten haben gegenüber Verfahren mit gutachtlicher Einschätzung der Standortsqualität den Vorteil einer höheren Flexiblität und auch die Modellgüte scheint höher zu sein (Zirlewagen, 2003). Wenn flächig valide Regionalisierungsmodelle zur Verfügung stehen, sind diese als Planungsinstrumente für die Praxis anzusehen, mittels derer die Identifikation notwendiger Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der vielfältigen Waldbodenfunktionen auf Landschaftsebene möglich sein wird. Sowohl bei den dargestellten Ergebnissen aus Prozessstudien als auch bei Regionalisierungsansätzen ist die Betrachtung aus methodischen Gründen meistens auf möglichst gleichgewichtsnahe Ökosystemzustände bezogen, da diese am ehesten definierte Randbedingungen aufweisen. Dies wird dadurch erreicht, dass sowohl bei den Prozessstudien als auch bei den Regionalisierungsansätzen die Messdaten in Altbeständen erhoben wurden, in denen stark phasenabhängige Prozesse wie z.B. der Mineralisierungsschub während der Verjüngungsphase und externe Einflüsse (z.B. die Höhe der Depositionsbelastung) sich weniger akzentuiert auswirken. Dadurch können eher langfristige Effekte des Waldumbaus erkannt werden, wie zum Beispiel die in Buchen-Mischbeständen gegenüber Fichtenreinbeständen deutlich erhöhte Basensättigung im Oberboden der Untersuchungsregion. Das heißt, es wird ein langfristiges Meliorationspotential eingeschätzt, das nach einem Waldumbau erst dann realisiert wird, wenn natürliche Nachlieferungs- und Regenerationsprozesse eingeschränkte und / oder verlorengegangene Ökosystemfunktionen wieder weitgehend etabliert haben. Die Unterstellung von gleichgewichtsnahen Zuständen in dieser Untersuchung bedeutet definitionsgemäß, dass die Zeit als variierender Parameter nicht vorkommt. Daher kann prinzipiell auch keine Zeitangabe für die Erreichung eines neuen Gleichgewichts nach Waldumbau angegeben werden. Diese Zeitdauer hängt vom langsamsten an der Regeneration von Ökosystemfunktionen beteiligten Prozess ab. Dies könnte z.B. die Silikatverwitterung sein, durch die der austauschbare

6.4 Zusammenfassende Schlussfolgerungen

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Ionenpool einen Input an Neutralkationen erfährt. Die Freisetzung von Neutralkationen aus der Silikatverwitterung ist von den geogenen Eigenschaften des Gesteins abhängig und wird in der Literatur auf silikatischen Gesteinen in der Größenordnung zwischen 0-2 kmolc*ha-1*a-1 eingeschätzt (Kohler, 2001 Ulrich, 1995 Zarei et. al., 1993). Angesichts der Silikatverwitterungsrate von 0.5-0.8 kmolc*ha-1*a-1, wie sie für die dunklen Paragneise und Granite angenommen wird (Arbeitskreis Standortskartierung, 1996), wäre damit in der untersuchten Region eine sehr langsame Regenerationszeit vorprogrammiert, so dass ohne technische Unterstützung, d.h. verstärkte Nachlieferung von Basizität z.B. durch Kalkung auch der Erfolg des Waldumbaus gefährdet wäre. Die Ergebnisse zur Austauschkapazität von Steinen ergaben jedoch nennenswerte austauschbare Neutralkationenvorräte, die im Schwarzwald in Steinen von ganz unterschiedlicher geologischer Provenienz nachgewiesen wurden (Kohler, 2001 Raber et al. 2004). Dies könnte in steinigen Böden ein Faktor sein, der die Regeneration des Säure-/Basengleichgewichtes nach Waldumbau beschleunigt. Wenn durch Waldumbau von Nadel- in Laubholzbestände die Depositionsrate reduziert und gleichzeitig in der Bodenlösung durch eine Vertiefung des Wurzelraums die an den Nitrataustrag gebundene Exportrate von Mb-Kationen durch eine verstärkte Nitrataufnahme vermindert wird, ist mittelfristig mit einer Verlangsamung der Versauerungstendenz zu rechnen. Eine Verschiebung des Säure- / Basengleichgewichts in Richtung einer höhern Aktivität von Neutralkationen ist möglich, wenn Bäume mit ihren Wurzeln, sozusagen „im Kurzschluss“ austauschbare Neutralkationen „von den Steinen abholen“ und via Streufall diese Basizität in den austauschbaren Ionenpool des Feinbodens gelangen. Dies müsste sich dann allerdings in besonders stark ausgeprägten Basensättigungs-Gradienten an der Mineralbodenoberkante und in der Humusauflage äußern. Dieser Aspekt wurde bislang nicht systematisch untersucht, was für die Abschätzung der auf diesem Weg möglichen Regenerationsdynamik notwendig wäre. Möglicherweise ist die in Richtung Mineralbodenoberfläche häufig anzutreffende erhöhte Basensättigung nur teilweise auf die Ca-Sorptionspräferenz der organischen Substanz zurückzuführen sondern auch auf den Mb-Kationen Input über die Streu, der letztendlich aus dem Grobboden stammt. Durch die Zusammenschau von Prozesskenntnissen aus Ökosystemfallstudien, den neu entwickelten Regionalisierungsverfahren, die der überdurchschnittlichen Heterogenität von Wäldern gerecht werden und dem bisher in ihrer Bedeutung unterschätzten Beitrag der Austauschkapazität von Steinen zur Waldernährung und zum ökosystemaren Stoffhaushalt stehen neue Beurteilungsmöglichkeiten für Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur langfristigen Ökosystemstabilisierung auf Landschaftsebene zur Verfügung. Dadurch wird der ökologische Gewinn, der durch Waldumbau erreicht werden kann, auf Landschaftsebene bewertbar. Messdaten zu ökosystemaren Zustandsgrößen, die aus den Messnetzen der forstlichen Umweltüberwachung, aus Ökosystemfallstudien und aus der forstlichen Forschung verfügbar sind, können prinzipiell zu Expertensystemen kombiniert werden, die sowohl für die Planung und Steuerung der Ökosystementwicklung als auch für die Erfolgskontrolle von ÖkosystemEntwicklungskonzepten eine entscheidende Rolle spielen können.

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7 Waldwachstumskundliche Aspekte des Waldumbaus P. Epp, A. Haywood, H. Spiecker

7.1 Einleitung H. Spiecker

Trotz der Hinwendung vieler Forstbetriebe zum naturnahen Waldbau und der konsequenten Begründung naturnaher Mischwälder befinden sich in Südwestdeutschland heute noch auf großer Fläche Waldbestände, bei denen sich die Frage des Waldumbaus stellt. Waldumbau zielt unter diesen Bedingungen darauf ab, die Stabilität der Wälder zu erhöhen, und die an sie gestellten Anforderungen der Gesellschaft besser als bislang zu erfüllen (Kapitel 3 in diesem Buch). Orientiert an dem Leitbild laubbaum- und strukturreicher Wälder setzt der Waldumbau bevorzugt in nicht standortsgemäßen, gleichaltrigen Fichtenreinbeständen an, die mit Laubbäumen, insbesondere der Buche, im Zuge des Voranbaus angereichert werden. Dem Entwicklungsziel entsprechende Mischbestände zeichnen sich durch eine hohe strukturelle Vielfalt und geringere Risikodisposition gegenüber baumartenspezifischen Schädigungen aus. Die folgenden Ausführungen tragen dazu bei, die Eignung von Beständen für Überführungsvorhaben zukünftig umfassender beurteilen und hieraus betriebliche Entscheidungen und Strategien ableiten zu können. Für die Überführung von gleichaltrigen Fichten- und Tannen-Beständen spielt die Stabilität der Einzelbäume eine entscheidende Rolle für die Wahrung der Bestandesstabilität in der Überführungsphase. Das Zuwachspotenzial der später als Stabilitätsträger fungierenden vorherrschenden Fichten und Tannen des Überführungsbestandes nach einer starken Freistellung ist eine wichtige Grundlage für Überführungsentscheidungen. So wird der Frage nachgegangen, welche Eigenschaften Fichten und Tannen aufweisen müssen, um einen Altersklassenwald für Überführungsvorhaben geeignet erscheinen zu lassen. Ist die Buche in Überführungsbeständen bereits vorhanden, sind zusätzlich K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

216

P. Epp, H. Spiecker

Erkenntnisse über das Reaktionsvermögen des Kronen- und des Dickenwachstums älterer Buchen in unterschiedlich stark aufgelichteten Beständen von Interesse. In diesem Kapitel werden daher die Auswirkungen unterschiedlich starker, im Rahmen der Überführung üblicher Freistellungen von Fichten, Tannen und Buchen auf deren Wachstum untersucht. Die Untersuchungsansätze beziehen sich hierbei auf die zentralen Wachstumsgrößen Grundfläche bzw. Schaftdurchmesser, Baumhöhe und Kronenausdehnung sowie auf deren Bedeutung für das Zusammenwachsen von Bestandeslücken. Aus den Ergebnissen werden Entscheidungshilfen für Umbaumaßnahmen der entsprechenden Bestockungstypen in der Untersuchungsregion abgeleitet.

7.2 Das Zuwachspotenzial von Fichten (Picea abies [L.] Karst.) und Tannen (Abies alba Mill.) und deren Eignung für Überführungsvorhaben P. Epp, H. Spiecker

7.2.1 Einleitung Ein Plenterwald ist ein Wald, in dem Bäume aller Dimensionen auf engem Raum nebeneinander vorkommen (Mitscherlich 1970). Mit dieser Definition eines Plenterwaldes ist der wichtigste Unterschied zwischen Plenterwald und Altersklassenwald bereits genannt: Die größere Spreitung der auf einer Fläche auftretenden Baumhöhen und -durchmesser im Plenterwald gegenüber dem Altersklassenwald. Ein wichtiges Ziel der Untersuchungen im BMBFProjektverbund Südlicher Schwarzwald ist die Erforschung der Möglichkeiten und Konsequenzen der Überführung von Altersklassenwäldern in strukturreiche Wälder, die Gemeinsamkeiten mit Plenterwäldern aufweisen. Die hier vorgestellten waldwachstumskundlichen Untersuchungen befassen sich mit den Auswirkungen unterschiedlicher Vorgehensweisen bei der Überführung. Um sich der Frage zu nähern, welche Aspekte in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind, ist ein Blick auf das von Schütz (1999) vorgeschlagene Schema zur Überprüfung von Beständen auf ihre Eignung für Überführungsvorhaben hilfreich (s. Abbildung 7.1). Daraus wird deutlich, dass für die Überführung von Altersklassenwäldern in Plenterwälder die Stabilität des Ausgangsbestandes eine entscheidende Rolle spielt.

7.2 Zuwachspotential und Überführungseignung von Fichten und Tannen

217

Abbildung 7.1: Schema zur Überprüfung von Beständen auf ihre Eignung für Überführungsvorhaben nach Schütz (1999).

Diese Tatsache ist auf darauf zurückzuführen, dass bei Überführungsvorhaben, die in der Regel mit Eingriffen auch in ältere Bestände verbunden sind, das stabilisierende Kollektivgefüge des Ausgangsbestandes massiv durchbrochen und damit gestört wird. Die Stabilität des Bestandes insbesondere gegenüber Sturmeinwirkungen und auch gegenüber Schnee- und Eiseinwirkungen muss während der Phase der Überführung daher mit der individuellen Stabilität der verbleibenden Einzelbäume gesichert werden. Bei der Einschätzung eines Bestandes im Hinblick auf die Erfolgsaussichten seiner Überführung richtet sich das Augenmerk daher zunächst darauf, ob eine ausreichend große Zahl stabiler Einzelbäume im Bestand entweder bereits vorhanden ist oder sich so entwickeln kann, dass eine stabile und damit risikominimierte Überführungsphase gewährleistet ist. Merkmale stabiler Einzelbäume sind gut ausgebaute Kronen und Wurzeln (Thomasius 1988). Falls solche Bäume noch nicht in der gewünschten Ausprägung und Zahl vorhanden sind, ist zu prüfen, ob vorhandene Bäume das Potenzial besitzen diese Stabilität zu erlangen. Für die eigentliche Durchführung der Überführung gibt es eine Reihe von Vorschlägen (Golz 1991; Hanewinkel 1996; Schütz 1999; Reininger 2000; Sterba & Zingg 2001). Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie Eingriffe in den Ausgangsbestand vorsehen, die unmittelbar nach Einleitung der Überführung das ortsweise Aufkommen von Verjüngung ermöglichen und damit die gewünschte Strukturierung einleiten. Folge dieses Handelns ist in jedem Fall eine starke und unter Umständen auch unvermittelte Freistellung einzelner im Bestand verbleibender Bäume, denen während der Überführung die oben beschriebene Aufgabe zukommt, durch ihre individuelle Standfestigkeit den Bestand zu

218

P. Epp, H. Spiecker

stabilisieren. Durch den weiteren Ausbau der Krone, durch ein beschleunigtes Dickenwachstum und eine damit einhergehende stabilere Verankerung des Baumes kann seine Standfestigkeit erhöht werden. Um auch nach der Freistellung dieser Gerüstbäume den Zuwachs möglichst hoch zu halten und diese weiter zu stabilisieren, ist es hilfreich, die Reaktionen der Gerüstbäume bereits vor der Durchführung des Überführungseingriffes abschätzen zu können. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher, ein Modell zur Einschätzung dieses Zuwachspotenzials von Fichten und Tannen nach einer starken Freistellung zu entwickeln und damit eine Grundlage für Entscheidungen zu ihrer Behandlung in (Plenter-)Überführungsbeständen zu schaffen. 7.2.2 Eine Methode zur Abschätzung des Zuwachspotenzials von Fichten und Tannen 7.2.2.1 Auswahl der Steuerungsparameter In der Waldwachstumskunde existiert eine große Zahl unterschiedlicher Hilfsmittel zur Einschätzung des Wuchsverhaltens einzelner Bäume oder ganzer Bestände. Dazu werden verschiedene Baum- und Bestandesparameter herangezogen, die das Wuchspotenzial und die Konkurrenzsituation charakterisieren. Das Wuchspotenzial wird dabei in Abhängigkeit von der Entwicklungsphase des Baumes und den standörtlichen Gegebenheiten betrachtet, die Konkurrenzsituation entweder durch die direkte Erfassung der Umgebung des Baumes oder durch baumeigene Merkmale zum Ausdruck gebracht, die den Konkurrenzeinfluss implizieren. In der vorliegenden Untersuchung wird das Wuchspotenzial von Fichten und Tannen nach einer starken und unvermittelten Freistellung auf der Basis eines Modells geschätzt, in dem sowohl der Entwicklungsphase des Baumes als auch den standörtlichen Gegebenheiten und der Konkurrenz Rechnung getragen wird. Um eine nahtlose Übertragung der Ergebnisse der Untersuchung in die forstliche Praxis zu erlauben, musste der Ansatz so einfach wie möglich gehalten werden. Insbesondere sollte der Messaufwand bei der späteren Anwendung der Entscheidungshilfe minimiert werden. Deshalb sollten nur wenige, möglichst aussagekräftige, einfach zu erfassende Modellparameter verwendet werden. Für die Prognose des Zuwachspotenzials von Fichten und Tannen wurden schließlich die Parameter „Baumart“, „Standort“, „Baumhöhe“ und „relative Kronenlänge“ verwendet. Baumart Die Trennung der beiden Baumarten liegt in ihrer unterschiedlichen Wuchsdynamik begründet. Das Höhenwachstum der Tanne ist nach den Ertragstafeln von Hausser (1956) und Wiedemann (1936) länger anhaltend als das der Fichte. Spiecker (1986) fand zudem, dass die Tanne im Vergleich mit der Fichte eine bei vergleichbaren Zuwachswerten im Durchschnitt um etwa 10

7.2 Zuwachspotential und Überführungseignung von Fichten und Tannen

219

Prozentpunkte kürzere relative Kronenlänge aufweist als die Fichte, die Fichten jedoch häufig längere Kronen ausbildeten. Standort und Baumhöhe: der Höhenindex Die beiden Größen Baumhöhe und Standort sind eng miteinander verknüpft, da die standörtlichen Gegebenheiten das Höhenwachstum der Bäume wesentlich determinieren. Die Baumhöhe sollte in dem zu erstellenden Modell die Entwicklungsphase, in der sich ein Baum befindet, zum Ausdruck bringen. Das Alter ist zur Beschreibung des Entwicklungsstadiums in ungleichaltrigen Mischbeständen nicht geeignet, da es weder bekannt ist noch das physiologische Entwicklungsstadium treffend beschreibt. Die Verwendung der Baumhöhe als Maß für das Entwicklungsstadium stützt sich auf die Tatsache, dass Bäume über ihre gesamte Lebensspanne hinweg nicht aufhören, in die Höhe zu wachsen (Lyr et al. 1992). Ein höherer Baum hat unter vergleichbaren standörtlichen Voraussetzungen damit eine weiter fortgeschrittene Entwicklungsstufe erreicht als ein niedrigerer. Im Zusammenhang mit der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung wird davon ausgegangen, dass ein solcher Baum aufgrund seines höheren Entwicklungsstadiums, weniger anpassungsfähig ist, und damit auch weniger flexibel auf eine Freistellung reagieren kann als der weniger weit entwickelte. Um allerdings Bäume bzw. Baumhöhen unterschiedlicher Standorte miteinander vergleichbar zu machen, wurde die Baumhöhe in Bezug zu der auf einem Standort erwarteten Höhe im Alter 100 gesetzt und in einer Größe, die als Höhenindex bezeichnet werden soll, kombiniert. Die Herleitung des Höhenindex ist in Abbildung 7.2 dargestellt. Die aktuelle Baumhöhe wird zu der im Alter von 100 Jahren nach der Ertragstafel potenziell erreichbaren Baumhöhe in Relation gesetzt. Der errechnete Wert wird in Prozent angegeben. Relative Kronenlänge Die relative Kronenlänge dient als baumeigenes Merkmal zur Einschätzung der Konkurrenzsituation. Sie ist ein geeigneter Weiser zur Steuerung des Dickenwachstums von Fichten und Tannen (Spathelf 1999).

220

P. Epp, H. Spiecker

45 40

Fichte dGz100 = 17

Baumhöhe [m]

35 30 25

Fichte dGz100 = 13

h100 40,9m 36,0m 30,6m

20 15

Fichte dGz100 =9

10

a)

5 20

40

b) 60

c) 80

100

120

140

(Ertragstafel WIEDEMANN, 1936)

Baumalter [J]

Abbildung 7.2: Herleitung des Höhenindex. Beispiel: die absolute Baumhöhe von 30m wird in Relation zu den standortsabhängigen Baumhöhen im Alter von 100 Jahren gesetzt. Es ergeben sich daher Höhenindexwerte von a) 73%, b) 83% und c) 98%.

7.2.2.2 Untersuchungsmaterial für die retrospektive Analyse der Wuchsreaktion Zur Untersuchung der Wachstumsreaktionen von Fichten und Tannen nach einer starken Freistellung wurden 95 Fichten und 103 Tannen aus montanen Lagen des südlichen Schwarzwaldes analysiert. Die Bäume wiesen einen Durchmesser von 20-80 cm, eine Höhe von 10-40 m und eine relative Kronenlänge von 15-80 % auf (Epp 2004). Es handelte es sich um Bäume, die eine starke und plötzliche Freistellung erfahren hatten, also Konkurrenzveränderungen ausgesetzt waren. Dabei handelte es sich nicht unbedingt um Bäume aus Überführungsbeständen. Ursache für diese Freistellung waren meist Kalamitäten wie Schneebruch oder Sturmwurf, in einigen Fällen auch sehr starke Durchforstung. In jedem Fall war der Zeitpunkt der Freistellung vor der Untersuchung bekannt. Jeder dieser Bäume wurde im Bestand stehend vermessen. Nach der anschließenden Fällung wurden am liegenden Baum Stammscheiben und Astquirle entnommen. Anhand dieses Probematerials wurden für jeden Baum individuell die oben vorgestellten Parameter zum Zeitpunkt der jeweiligen Freistellung rekonstruiert und die Entwicklung der Zuwachskennwerte in den zehn Jahren vor und nach der Freistellung ermittelt. Die zugrunde liegenden Methoden sind in Spathelf (1999) und Epp (2003) ausführlich beschrieben. Als Vergleichsgröße wurde hierbei immer der Mittelwert von nicht freigestellten Referenzbäumen aus dem Zehnjahreszeitraum vor bzw. nach der Freistellung verwendet. Durch den Vergleich sollten die Ergebnisse von anderen Einflüssen als denen der Freistellung bereinigt werden. Als Referenzdaten wurde sowohl auf bereits am Institut für Waldwachstum vorhandene Daten (Kahle 1994; Mäkinen 1997; Spathelf 1999) als auch

7.2 Zuwachspotential und Überführungseignung von Fichten und Tannen

221

auf nicht freigestellte Vergleichsbäume aus den Untersuchungsbeständen zurückgegriffen. 7.2.2.3 Bildung von Klassenmittelwerten zur Beschreibung der Kronenlänge und des Entwicklungsstadiums Die Reaktion der untersuchten freigestellten Fichten und Tannen wird anhand von Klassenmittelwerten dargestellt. Um eine ausreichende Anzahl von Beobachtungen in den einzelnen Klassen sicherzustellen, und eine einfache Übertragbarkeit in die Praxis zu gewährleisten, wurden die Klassen relativ groß gewählt. Die Klassengrenzen sind in Tabelle 7.1 aufgelistet. Da die Kronen der untersuchten Tannen insgesamt kürzer als die der untersuchten Fichten waren, wurde für die Unterteilung nach der relativen Kronenlänge bei der Fichte ein Grenzwert von 40%, für die Tanne jedoch ein Grenzwert von 30% zugrundegelegt. Bei der relativen Kronenlänge wird somit lediglich eine Unterscheidung in kurze und lange Kronen vorgenommen. Für den Höhenindex wurden drei Klassen gewählt, deren Übergänge bei 60% bzw. 90% liegen. Tabelle 7.1: Einteilung der Klassen Parameter Relative Kronenlänge Höhenindex (hi)

Fichte Klasse 1: d 40% Klasse 2: > 40% Klasse 1: d 60% Klasse 2: > 60% d 90% Klasse 3: > 90%

Tanne Klasse 1: d 30% Klasse 2: > 30%

Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen Höhenindex, der relativen Kronenlänge und dem Zuwachs ¾ jährlicher Radialzuwachs in 1,3m Schafthöhe ¾ Verhältnis des jährlichen Radialzuwachses in 11,5m Schafthöhe zum jährlichen Radialzuwachs in 1,3m Schafthöhe ¾ jährlicher Höhenzuwachs. 7.2.3 Ergebnisse 7.2.3.1 Veränderung des jährlichen Radialzuwachses in 1,3m Schafthöhe Um ein umfassendes Bild der ermittelten Ergebnisse zu geben, werden zunächst die Einflüsse des Höhenindex und der relativen Kronenlänge getrennt voneinander beschrieben.

222

P. Epp, H. Spiecker

Tanne 3

2,5

2,5 ? ir [mm]

' ir [mm]

Fichte 3

2 1,5 1 0,5

2 1,5 1 0,5

0

0

-0,5

-0,5

-1

-1 hi<60%

hi 60-90%

hi>90%

hi<60%

hi 60-90%

hi>90%

n=16

n=63

n=16

n=35

n=34

n=34

Abbildung 7.3: Zusammenhang zwischen Höhenindex (hi) und der Veränderung des jährlichen Radialzuwachses (ǻir)nach der Freistellung. Insbesondere bei der Baumart Fichte zeigt sich ein deutlicher Trend zu verminderter Reaktionsfähigkeit bei Bäumen mit größerem Höhenindex.

In Abbildung 7.3 ist der Zusammenhang zwischen Höhenindex und der Reaktion des jährlichen Radialzuwachses in 1,3m Schafthöhe dargestellt. Die Fehlerbalken markieren ein Vertrauensintervall von 90%. Es wird deutlich, dass sich die ermittelten Klassenmittelwerte kaum signifikant voneinander unterscheiden. Allerdings sind die Trends bei der ebenfalls im Rahmen der Untersuchung durchgeführten, hier jedoch nicht gezeigten Regressionsanalyse für alle Einzeluntersuchungen signifikant (Epp, 2003). Bei der Betrachtung der Klassenmittelwerte wird besonders bei der Fichte deutlich, dass Bäume mit einem größeren Höhenindex, d.h. in fortgeschrittenem Entwicklungsstadium, nach einer Freistellung weniger in der Lage sind, ihren jährlichen Radialzuwachs zu steigern als Bäume mit kleinerem Höhenindex. Während Fichten mit einem Höhenindex von weniger als 60% im Mittel eine Steigerung ihres jährlichen Radialzuwachses von über einem Millimeter erreichten, lag der entsprechende Wert für die Klasse mit einem Höhenindex von 60-90% bei 0,7mm, bei einem Höhenindex von über 90% lediglich noch bei weniger als 0,2mm. Die untersuchten Tannen zeigen diesen Trend nicht in derselben Deutlichkeit wie die Fichten. Dies liegt zum einen an einer relativ geringem Radialzuwachssteigerung von 0,4mm für die kleinste Höhenindexklasse, vor allem aber an dem im Vergleich überraschend hohen Wert von ebenfalls 0,4mm für die Steigerung des Radialzuwachses in der größten Höhenindexklasse. Abbildung 7.4 zeigt den Einfluss der relativen Kronenlänge auf die Reaktion des jährlichen Radialzuwachses in 1,3m Schafthöhe. Es ist deutlich zu erkennen, dass Bäume mit längeren Kronen auf eine starke und plötzliche Freistellung mit einer stärkeren Zuwachssteigerung reagieren als Bäume mit kürzeren Kronen. Wie bereits bei der Darstellung des Einflusses des Höhenindex ausgeführt liegen die absoluten Werte auch bei dieser Untersuchung bei den Fichten höher als bei den Tannen.

7.2 Zuwachspotential und Überführungseignung von Fichten und Tannen

Tanne

3

3

2,5

2,5

2

¨ ir [mm]

¨ ir [mm]

Fichte

223

1,5

2

1,5

1 0,5

1

0,5

0

0

-0,5

-0,5

-1

-1 relKL<40%

relKL>40%

relKL<30%

relKL>30%

n=38

n=57

n=47

n=56

Abbildung 7.4: Einfluss der relativen Kronenlänge (rel Kl) auf die Veränderung des jährlichen Radialzuwachses (ǻir) nach der Freistellung. Die Tendenz zu einer stärkeren Reaktionsfähigkeit bei Bäumen mit größerer relativer Kronenlänge ist deutlich zu erkennen.

Fichte

¨ ir [mm]

3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 n=5 relKL<40%

n=10 relKL>40% hi<60%

n=21 relKL<40%

n=42

n=12

relKL>40%

relKL<40%

hi=60%-90%

n=4 relKL>40%

hi>90%

Tanne ¨ ir [mm]

3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 n=15

n=20

relKL<30%

n=13 relKL<30%

hi<60%

n=21

n=19

n=15

relKL>30%

relKL<30%

relKL>30%

hi=60%-90%

hi>90%

Abbildung 7.5: Einfluss des Höhenindex und der relativen Kronenlänge auf die Veränderung des jährlichen Radialzuwachses nach der Freistellung. Die in den Einzeluntersuchungen zu erkennende Tendenz zeigt sich auch hier. Grundsätzlich führt ein höherer Höhenindex zu einem verschlechterten, eine höhere relative Kronenlänge zu einem verbesserten Reaktionsverhalten.

224

P. Epp, H. Spiecker

Die bei den Untersuchungen des separaten Einflusses der beiden Parameter gezeigten Ergebnisse wiederholen sich auch bei der gleichzeitigen Betrachtung des Einflusses beider Parameter (Abbildung 7.5). Grundsätzlich hat ein größerer Höhenindex eine schwächere, eine größere relative Kronenlänge demgegenüber eine stärkere Reaktion des jährlichen Radialzuwachses in 1,3m Schafthöhe zur Folge. In Übereinstimmung mit den dargestellten Einzeluntersuchungen zeigt sich diese Reaktion bei den untersuchten Fichten deutlicher als bei den Tannen. So zeigen speziell die Tannen mit einem Höhenindex von weniger als 60% und einer relativen Kronenlänge von weniger als 30% eine von den übrigen Befunden abweichende, deutlich negative Reaktion: Ihr jährlicher Radialzuwachs verringert sich nach der Freistellung um etwa 0,4mm. Ebenfalls nicht in dieser Form zu erwarten war der Anstieg des Radialzuwachses um etwa 0,6mm bei den Tannen mit einem Höhenindex von über 90% und einer relativen Kronenlänge von unter 30%. Die Abweichungen der Befunde bei der Tanne lassen weitere nicht kontrollierte Einflüsse auf das Zuwachsverhalten nach einer Freistellung vermuten. Zusammenfassend lässt sich für die beiden Baumarten festhalten, dass Bäume mit einem kleineren Höhenindex und einer großen relativen Kronenlänge nach einer starken und plötzlichen Freistellung am besten in der Lage sind, ihren jährlichen Radialzuwachs in 1,3m Schafthöhe zu steigern. 7.2.3.2 Veränderung der Schaftform Veränderungen der Schaftform in Folge einer Zuwachsreaktion auf eine Freistellung sind in der Literatur mehrfach beschrieben. So berichten Abetz (1976) für die Fichte sowie Kenk (1988) und Spathelf (1994) für die Tanne über eine Verlagerung des jährlichen Radialzuwachses an die Stammbasis nach einer Freistellung. Grund hierfür ist üblicherweise nicht etwa ein ausgeprägter Rückgang des jährlichen Radialzuwachses in höheren Schafthöhen, sondern eine Steigerung des Zuwachses im unteren Schaftbereich. Diese Beobachtungen können durch das in der vorliegenden Studie untersuchte Material bestätigt werden. Abbildung 7.6 zeigt das Verhältnis des jährlichen Radialzuwachses in 11,5m Schafthöhe zum jährlichen Radialzuwachs in 1,3m Schafthöhe. Die sowohl für die Fichte als auch für die Tanne vor der Freistellung deutlich über 100% liegenden Werte zeigen also einen höheren jährlichen Radialzuwachs in größeren Schafthöhe an. Vor der Freistellung zeigen somit beide untersuchten Kollektive – die bei Fichte nicht ganz so ausgeprägt wie die bei Tanne – eine Tendenz zur Ausbildung eines vollholzigen Schaftes. In den 10 Jahren nach der Freistellung sinkt bei der Baumart Fichte der Quotient aus dem jährlichen Radialzuwachs in 11,5m zu demjenigen in 1,3m Schafthöhe: Die Fichten zeigen also nach der Freistellung eine Tendenz zur Verstärkung der Abholzigkeit. Nicht ganz so ausgeprägt ist dieser Effekt bei den untersuchten Tannen. Auch hier fällt das Zuwachsverhältnis in Folge der Freistellung etwas ab. Allerdings ist bereits das Ausgangsniveau mit etwa 170% deutlich höher als das der Fichten (>120%); nach der Freistellung liegt der jährliche Radialzuwachs in

7.2 Zuwachspotential und Überführungseignung von Fichten und Tannen

225

11,5m Schafthöhe bei den untersuchten Tannen aber immer noch etwa 1,3 mal so hoch wie in 1,3m Höhe. Diese Beobachtungen decken sich mit Angaben von Zimmerle (1951), der bei einem Vergleich der Stammform der Fichte und der Tanne für letztere einen vollholzigeren Schaft beschreibt. Tanne 200

180

180 ir in 11.5m/ir in 1.3m [%]

ir in 11.5m/ir in 1.3m [%]

Fichte 200 160

160

140

140

120

120

100

100

80 60 40 20

80 60 40 20

0

0 vor der Freistellung

nach der Freistellung

vor der Freistellung

nach der Freistellung

Abbildung 7.6: Verhältnis des jährlichen Radialzuwachses in 11,5m Schafthöhe zum Radialzuwachs in 1,3m Schafthöhe vor und nach der Freistellung. Sowohl bei der Fichte als auch bei der Tanne kann der Radialzuwachs in 11,5m Schafthöhe der Reaktion des Radialzuwachses in 1,3m Schafthöhe nicht in vollem Umfang folgen.

7.2.3.3 Veränderung des jährlichen Höhenzuwachses

50,0 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0

Fichte N=30

50,0

ih [cm]

ih [cm]

Als dritte und letzte Zuwachskomponente soll eine kurze Betrachtung der Reaktion des jährlichen Höhenzuwachses auf die Freistellung folgen. Abbildung 7.7 zeigt den durchschnittlichen jährlichen Höhenzuwachs von 30 Fichten und 40 Tannen. Bei beiden Baumarten ist nach der Freistellung ein leichter, nicht signifikanter Rückgang des Höhenzuwachses festzustellen. Da es sich jeweils um Mittelwerte aus Zehnjahreszeiträumen handelt, ist in diesen zwanzig Jahren ein Einfluss eines Alterstrends nicht auszuschließen. Die genauere Betrachtung des Höhenzuwachsganges einzelner Bäume zeigte meist einen kurzfristigen Rückgang des jährlichen Höhenzuwachses nach der Freistellung, von dem sich die Bäume nach einigen Jahren wieder erholten. Die vorliegenden Befunde lassen den Einfluss der Freistellung auf den jährlichen Höhenzuwachs als eher gering erscheinen. Tanne N=40

45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0

ih vor der Freistellung

ih nach der Freistellung

ih vor der Freistellung

ih nach der Freistellung

Abbildung 7.7: Durchschnittlicher jährlicher Höhenzuwachs untersuchter Fichten und Tannen vor und nach der Freistellung. Der Rückgang des Höhenzuwachses ist nicht signifikant und kann neben der Freistellung auch durch den natürlichen Alterstrend verursacht sein

226

P.Epp, H. Spieker

7.2.3 Waldbauliche Konsequenzen aus dem Zuwachsreaktionsverhalten stark freigestellter Fichten und Tannen Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: x Fichten und Tannen steigern ihren jährlichen Radialzuwachs in 1,3m Höhe nach einer starken Freistellung am stärksten, wenn sie zum Zeitpunkt dieser Freistellung o noch möglichst weit von ihrer potenziellen Endhöhe entfernt sind, sich also noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, o über ein hohes Kronenprozent, verfügen, was durch ein Aufwachsen unter geringem Konkurrenzdruck möglich ist. x Bei einer starken Steigerung des jährlichen Radialzuwachses in 1,3m Höhe in Folge einer starken Freistellung können Fichten und Tannen ihren jährlichen Radialzuwachs in höheren Schafthöhen nicht in gleichem Maße steigern; daraus ergibt sich vor allem bei der Fichte eine abholzigere Schaftform. x Der jährliche Höhenzuwachs von Fichten und Tannen wird durch eine starke Freistellung kaum nachhaltig beeinflusst. Als Konsequenz zur Beantwortung der eingangs formulierten Frage, welche Eigenschaften Fichten und Tannen aufweisen müssen, um für Überführungsvorhaben geeignet zu sein, lässt sich aus den oben zusammengefassten Ergebnissen ableiten, dass Überführungsvorhaben möglichst schon in jungen Altersklassenbeständen durchgeführt werden sollten. Dabei sollten die als Gerüstbäume im Bestand verbleibenden Fichten und Tannen möglichst lange Kronen aufweisen. Diese aus waldwachstumskundlicher Sicht zweckmäßig erscheinende Vorgehensweise zur Überführung von Altersklassenwäldern in strukturreiche Dauerwälder ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch kritisch zu hinterfragen. Problematisch ist insbesondere ein hoher Anfall relativ schwacher Sortimente in jüngeren Altersklassenbeständen (Hanewinkel 1999). Eine solche Überführung wäre mit einem Preis verbunden, den zu zahlen die forstliche Praxis kaum bereit ist (Gerecke 1999). Ziel des Handelns bei Überführungsvorhaben muss daher sein, das Reaktionspotenzial älterer Fichten und Tannen voll auszuschöpfen. Dies bedeutet, zumal für die Arbeit mit Bäumen fortgeschrittener Entwicklung mit einem Höhenindex über 90 %, Bäume mit langen Kronen zur Überführung vorzusehen. Dies kann nur durch ein konsequente und frühzeitige Pflege gut bekronter Einzelbäume im Zuge von Pflegemaßnahmen erfolgen, die angelehnt an Z-Baum-orientierte Durchforstungsverfahren gleichwohl mit einer intensiveren Förderung der Kronenentwicklung der späteren Gerüstbäume einhergeht. Trotz der fortgeschrittenen Entwicklung weisen derartige Bäume, wie in der vorliegenden Untersuchung gezeigt werden konnte, dank ihrer gut ausgebildeten Krone ein hohes Reaktionspotenzial auf. Eine Überführung kann auf diesem Wege mit geringem Aufwand eingeleitet sowie risikoarm umgesetzt werden; außerdem wahren derartige Ausgangsbedingungen verschiedene Handlungsoptionen für die Zukunft (Spiecker, 1999).

7.3 Wachstum älterer Buchen in der Überführungsphase

227

7.3 Zum Wachstum älterer Buchen (Fagus sylvatica L.) in der Überführungsphase im südlichen Schwarzwald A. Haywood, H. Spiecker

7.3.1 Einleitung Obwohl die Überführung von strukturarmen, gleichaltrigen Nadelbaumreinbeständen zu den vorrangigen Aufgaben der Überführung gehört, stehen auch in Laub- und Laubmischwäldern Überführungsmaßnahmen an, die mit der Entstehung gestufter und geschichteter ungleichaltriger Waldstrukturen einhergehen. Wenig untersucht und weithin unbekannt sind bislang die Auswirkungen der durch Freistellungseingriffe hervorgerufenen Änderungen der Konkurrenzsituation älterer Buchen auf das Zuwachsgeschehen. Für Überführungsentscheidungen ist neben dem Zuwachs der Bäume in der Oberschicht die Kronenexpansionsdynamik von entscheidender Bedeutung für den Überführungserfolg. Die vorliegende Untersuchung befasst sich daher mit dem Reaktionsverhalten des Grundflächen,-, Höhen- und Kronenzuwachses älterer Buchen in unterschiedlich stark aufgelichteten, gleichaltrigen Buchen- und Buchen-Mischbestände, in der Region Südschwarzwald. 7.3.2 Material und Methode Die ideale Versuchsanordung für die Untersuchung der Wachstumsreaktionen älterer Buchen auf Freistellungsmaßnahmen, wie sie im Rahmen der Überführung üblich sind, bieten langfristig beobachtete Versuchsflächen, da sie eine an die Fragestellung präzise angepasste Konkurrenzsteuerung erlauben und räumlich sowie zeitlich hoch auflösende Informationen zu Konkurrenz- und Zuwachsverhältnissen liefern können. Weil solche Versuche bislang nur in sehr begrenztem Umfang angelegt worden sind musste für eine zeitnahe Beantwortung der Fragestellung zum Reaktionsverhalten eine alternative Vorgehensweise gewählt werden. Hierzu wurden in der vorliegenden Arbeit Bestände ausgewählt, in denen einzelne Bäume Freistellungen, d.h. Konkurrenzveränderungen, unterschiedlichen Ausmaßes erfahren haben, die den Bedingungen bei der Überführung vergleichbar sind.. Diese Vorgehensweise erfordert eine retrospektive Erfassung des Zeitpunktes der Konkurrenzveränderung, der Art und des Ausmaßes der Maßnahme sowie der Zuwachsreaktion der verbliebenen Bäume. Die Wachstumsreaktionen werden im Hinblick auf den Grundflächenzuwachs, den Höhenzuwachs und die Veränderung der Kronenbreite von Bäumen unterschiedlicher Dimension und Konkurrenzsituation analysiert.

228

A. Haywood, H. Spiecker

7.3.2.1 Untersuchungsflächen Für die Untersuchung wurden in den Jahren 1999 bis 2001 vier Untersuchungsflächen in Buchenbeständen des Südschwarzwaldes angelegt. Ein wichtiges Kriterium für die Flächenauswahl war die Abbildung unterschiedlich starker Überführungseingriffe in den vorangegangenen rd. 25 Jahren. Geeignete Untersuchungsflächen werden in den Forstbezirken Bad Säckingen, Schopfheim, St. Märgen und Todtmoos gefunden. Die nachfolgende Tabelle 7.2 gibt einen Überblick über die wichtigsten Standorts- und Bestandeskennwerte der Untersuchungsbestände sowie über die jeweils untersuchten Baumkollektive. Tabelle 7.2: Übersicht über die Untersuchungsbestände

Jahr der Untersuchung Höhenlage [m ü. NN] Hangneigung [º] Exposition [º] Mittlere Lufttemperatur in der Vegetationszeit [ºC]* Mittlere jährliche Niederschlagsumme [mm]* Mittlere Niederschlagssummen in der Vegetationszeit [mm]*

Bad SchopfSäckingen heim 2001 2001 Standörtliche Kennwerte 550 600 0 30 265 259 16,4 15,0

St. Märgen

Todtmoos

2000

1999

950 5 288 12,0

1050 30 312 11,1

1104

1208

1736

1702

537

546

635

638

120 26,2

140 22,8

48 80 21

51 30 5 bzw. 14

300 50

300 50

44 12

46 12

Bestandeskennwerte Mittleres Alter der Buchen [a] 140 110 Oberhöhenbonität (h100) der 31,2 33,8 Buchen [m]** 44 48 d100 [cm] Anteil der Buche an der KSF [%] 70 90 Zeit seit dem letzten Eingriff [a] 6 bzw. 12 6 bzw. 17 Untersuchte Baumkollektive Zahl der Auswahlbäume 300 300 Zahl der stehend gemessenen 50 50 Bäume Zahl der gefällten Bäume 40 40 Zahl derunbehandelten 10 14 Referenzbäume

* Die Klimadaten beziehen sich auf die nächstgelegenen Klimastationen und den Zeitraum 1961-1990 (Müller-Westermeier 1996). **Ertragstafel Schober (1969)

7.3.2.2 Auswahl und Vermessung der Untersuchungsbäume Die Auswahl der Verfahren. In der Untersuchungsflächen zufällig ausgewählten

untersuchten Bäume erfolgte in einem zweistufigen ersten Stufe wurde zunächst auf jeder der vier das Niveau der bisherigen Konkurrenzsituation an 300 Bäumen ermittelt. Mit Blick auf die Zielsetzung dieser

7.3 Wachstum älterer Buchen in der Überführungsphase

229

Arbeit wurden ausschließlich Bäume mit einem Brusthöhendurchmesser von über 35 cm berücksichtigt, da in dem untersuchten Altersbereich von 110 - 140 Jahren Bäume mit deutlich geringeren Durchmessern für planmäßige Überführungsvorhaben in der Regel keine Rolle spielen. Die Konkurrenzsituation wurde anhand folgender Beurteilungsmerkmale durch Messung bzw. okulare Ansprache erhoben: Durchmesser in 1,3 m (d), Kronenklasse (KK) nach Smith (1986), die aktuelle Konkurrenz (K) und Konkurrenzveränderung (ǻK) durch die letzte Freistellung. Jedes der vier Merkmale wurde in vier Ausprägungsstufen erfasst, die in Tabelle 7.3 wiedergegeben sind. Tabelle 7.3: Klassifikation der Stichprobenkategorien Durchmesser (D) 35-44 cm 45-54 cm 55-64 cm >65 cm

Kronenklasse (KK) herrschend mitherrschend beherrscht unterdrückt

Aktuelle Konkurrenz (K) schwach mittel stark sehr stark

Veränderung der Konkurrenz (ǻK) keine schwach mittel stark

In einer zweiten Stufe wurde in jedem Bestand eine zur Gewinnung von Stammund Astproben vorgesehene Unterstichprobe von je 50 Bäumen so ausgewählt, dass sie das gesamte Spektrum der Stichprobenkategorien möglichst gleichmäßig abdeckte. Durch diese zweistufige Vorgehensweise konnte eine effiziente Untersuchung eines breiten Spektrums unterschiedlicher Konkurrenzsituationen erfasst und damit gute Voraussetzungen für eine genaue und präzise Schätzung der Parameter für die Regressionsmodelle erreicht werden. An den insgesamt 200 Bäumen wurden vor dem Einschlag die Baumhöhe, verschiedene Kronenparameter sowie die Lagekoordinaten heutiger Konkurrenzbäume und möglicher früherer Konkurrenzbäume anhand der verbliebenen Stöcke gemessen. Als Konkurrenzbäume wurden solche Bäume eingestuft, die mindestens den gleichen Kronenklasse (KK) wie der Untersuchungsbaum angehörten. An allen Konkurrenzbäumen wurde außerdem Baumart (B), BHD (d), Baumhöhe (h) sowie die Kronenklasse (KK) ermittelt. Die Vermessung der Triebentwicklungen an ausgewählten Ästen und die Gewinnung von Ast- und Stammscheiben erfolgten im unmittelbaren Anschluss an die Fällung. Durch die Fällarbeiten wurden 30 Bäume für die weitere Untersuchung unbrauchbar, so dass 170 Buchen für die Überprüfung der Hypothesen zum Dicken-, Höhen- und Astlängenwachstum zur Verfügung standen. Relative Höhe ( h / h) und relativer Durchmesser ( d / d ) eines jeden Baumes der ersten Stufe wurden als Quotient mit dem jeweiligen arithmetischen Mittel aller Bäume der Untersuchungsfläche gebildet. Die Höhe des Kronenansatzes wurde in der Untersuchung als die durchschnittliche Höhe der untersten lebenden Äste am Schaft in den vier Haupthimmelsrichtungen definiert. Die relative Kronenlänge (rKL) ergab sich aus dem Quotienten Kronenlänge/Baumhöhe. Die Kronenschirmfläche (KSF) wurde aus Polygonflächen auf der Basis von 8 erhobenen

230

A. Haywood, H. Spiecker

Kronenradien berechnet. Durch dieses Vorgehen wird die Kronenform ausreichend genau charakterisiert (Spiecker 1991). Die unbeschattete Kronenschirmfläche (uKSF) wurde im Anhalt daran berechnet; an Stelle der Kronenradien wurden jedoch die Radien der unbeschatteten Krone verwendet. Als Kenngröße für den Grad der Konkurrenzierung wird in dieser Studie die Zahl der Kronen-Quadranten verwendet, in denen die Krone nicht von benachbarten herrschenden, mitherrschenden und beherrschten Bäumen beschattet wurde. Als Kronenbreite (KB) wird nachfolgend der Durchmesser des kronenschirmflächenäquivalenten Kreises verwandt. Die Untersuchung der Kronenentwicklung erfolgte an vier jeweils einer Haupthimmelsrichtung zugeordneteten Ästen aus dem Bereich der größten Kronenbreite (Cole u. Lorimer 1994). An diesen Ästen wurden die seit der letzten Freistellungsmaßnahme gebildeten Jahrestriebe aufgesucht und ihre Länge vermessen. Analog wurde mit dem Terminal- bzw. Höhentrieb verfahren. Die Rekonstruktion des Radialzuwachses erfolgte an einer in 1,3 m Höhe gewonnenen Baumscheibe, die nach der Himmelsrichtung orientiert und entlang von acht gleichmäßig auf der Stammscheibe ausgerichteten Radien gemessen wurde. Für die weitere Berechnung wurde das geometrische Mittel der Radialzuwächse verwendet (Weise 1987, Biging u. Wensel 1998). Die Ermittlung des Baumalters erfolgte anhand einer möglichst den gesamten Bereich vom Mark bis zur Rinde umfassenden Holzprobe vom Stammfuß bzw. Stock des Probebaumes. 7.3.2.3 Analyse des Grundflächenzuwachses

Direkte Analyse der Reaktion des Grundflächenzuwachses auf Freistellung Zur Identifikation und Analyse der Zuwachsreaktion nach Freistellung beschreiben Näslund (1942) und Sundberg (1971) unterschiedliche Methoden: Die Erstgenannte quantifiziert die Zuwachsreaktion in 1,3 m Höhe durch Vergleich des Grundflächenzuwachses vor und nach der Freistellung. Hierzu werden entlang von acht Radien gemessen und für die Zeitabschnitte vor bzw. nach der Freistellung als Mittelwerte des jährlichen Grundflächenzuwachses einander gegenübergestellt. Die Betrachtung jeweils einer Dekade vor bzw. nach der Maßnahme hat sich bewährt, sofern der Eingriff nicht kürzere Zeit zurück liegt und damit zwangsläufig nur ein kürzerer Zeitabschnitt nach der Freistellung betrachtet werden kann. Die relative Veränderung des Grundflächezuwachses wurde nach folgender Formel berechnet (Formel 7.1):

%iG =

iGnach - iGvor iGvor

x 100 Formel 7.1

7.3 Wachstum älterer Buchen in der Überführungsphase

mit: %iG = iGvor = iGnach =

231

relativer Grundflächenzuwachs (%); Mittelwert des Grundflächenzuwachses in den 10 Jahren vor der Freistellung (cm2 Jahr-1); Mittelwert des Grundflächenzuwachses in 10 Jahren nach der Freistellung (cm2 Jahr-1)

Ein Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die Zuwachsreaktion des Baumes unmittelbar in Bezug zu seinem Wachstum vor der Freistellungsmaßnahme gesetzt wird. Allerdings können auch andere Einflüsse, wie beispielsweise Fruktifikation, Witterungsschwankungen bzw. -extreme und andere Störeinflüsse Zuwachsveränderungen hervorrufen, die freistellungsbedingte Reaktionen überlagern können (Spiecker et al. 1996). Eine Trennung dieser Einflussgrößen vom Effekt der Freistellung ist mit der vorstehenden Verfahrensweise nicht möglich. Eine Möglichkeit diese Einflüsse zu trennen ist die Heranziehung einer Zuwachsreferenz hergeleitet aus unbehandelter, ansonsten aber unter vergleichbaren Bedingungen erwachsener Bäumen (Viro 1950). Auf den Untersuchungsflächen erwiesen sich insgesamt 48 Bäume, die offensichtlich keine Änderungen in den Konkurrenzsituation erfahren hatten, für diesen Zweck als geeignet. Mit Hilfe dieser Referenzbäume wurden die Relatioen zwischen den periodenbezogenen Zuwächsen vor bzw. nach der Freistellung als prozentuale Werte berechnet. Da jeder Bestand zu einem anderen Zeitpunkt durchforstet wurde (s. Tabelle 7.2), wurde dieser Prozentwert für verschiedene, den Untersuchungsbeständen jeweils angepasste Zeitpunkte berechnet werden. Während sich die Werte für die ersten vier Durchforstungszeitpunkte nicht signifikant unterschieden, ergaben sich für die beiden letzten Durchforstungszeitpunkte in den Jahren 1994 und 1995 Unterschiede. Allerdings lagen in diesen Fällen nur Reaktionsdaten für die letzten vier bis sechs Jahre nach der Durchforstung, also deutlich verkürzte Zeiträume, vor. Welchen Einfluss der verkürzte Zeitraum auf das Ergebnis hat, kann mit dem vorliegenden Material nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Da die Unterschiede zwischen den letzten beiden Zeitpunkten und den ersten vier Zeitpunkten ähnlich groß waren wie das Konfidenzintervall der mittleren Schätzung zu jedem Zeitpunkt, wurden alle Zeitpunkte zusammen verglichen, um eine gemeinsame Schätzung der Prozentwerte des Grundflächenzuwachses der Referenzbäume zu erhalten. Dabei wurde in Kauf genommen, dass die Zusammensetzung des Referenzbaumkollektives je nach Durchforstungszeitpunkt und Bestand zu einer leichten Unter- oder Überschätzung des Referenzzuwachses führen kann. Dieser Fehler ist im Vergleich zu der Zuwachsveränderung der freigestellten Bäume so gering, dass er sich nur unbedeutend auf das Ergebnis auswirkt. Da der mittlere Zuwachstrend aller unbehandelten Referenzbäume nach der Behandlung einen Grundflächenzuwachsrückgang um 3,5 % vorgibt, kann eine Zunahme des Grundflächenzuwachses der freigestellten Bäume nach der Durchforstung als eine konservative Schätzung der Zuwachsreaktion auf Freistellung gewertet werden.

232

A. Haywood, H. Spiecker

Da alle Referenzbäume ähnliche Reaktionsmuster aufweisen, werden die Ergebnisse für alle vier Probeflächen gemeinsam vorgestellt. Grundflächenreaktionen basierend auf einem Zuwachsmodell Die zweite Vorgehensweise zur Einschätzung der Zuwachsreaktionen basiert auf Regressionsgleichungen, die den jährlichen Zuwachs in Abhängigkeit von bestimmten Einflussgrößen vorhersagen. Für die Prognose des Zuwachses wurde ein Regressionsmodell folgender Form verwendet:

iG = ƒ(d, (d / d), A, K) mit: iG d

mittlerer 10jähriger Grundflächenzuwachs (cm2 Jahr-1) Durchmesser in 1,3 m Höhe (cm)

= =

(d / d ) = A K

Formel 7.2

relativer Durchmesser (s.o.) Alter (Jahr) lokale Konkurrenzvariable.

= =

Der Baumdurchmesser (d) ist eine weit verbreitete Größe zur Beschreibung eines Baumes. Der relative Durchmesser ( d / d ) dient in dem Modell als einfacher Weiserwert für die soziale Stellung bzw. den potenziellen Konkurrenzeinfluss. Die lokale Konkurrenzvariable ist ein indirektes Maß zur Beschreibung der Wirkung der Bestandesdichte und des Wettbewerbes um knappe Ressourcen wie das Licht. Regressionsmodelle dieser Art sind leicht zu parametrisieren und Zuwachsreaktionen von Bäumeninnerhalb des Gültigkeitsbereiches des Modells bestimmter Dimension auf alternative Behandlungen können problemlos prognostiziert werden. Die abhängige Variable ist der Grundflächenzuwachs selbst. Anhand von Scattergrammen konnte nachgewiesen werden, dass die Untersuchungsbäume im Durchmesserbereich zwischen 35 cm und mehr als 65 cm gleichmäßig verteilt waren. Die beobachtete Zuwachsveränderung wurde zur Kalibrierung des Modells für den jeweiligen Reaktionszeitraum nach der Freistellung verwendet. Das Ausmaß der Freistellung wurde mit Hilfe verschiedener Kenngrößen beschrieben. Die durch die Freistellung bedingte relative Veränderung der potentiell verfügbaren Standfläche (nach Nance et al. 1988) wurde nach folgender Gleichung berechnet:

% APA mit: APAvor APAnach

APAnach APAvor x100 APAvor = =

APA unmittelbar vor der Durchforstung APA unmittelbar nach der Durchforstung.

Formel 7.3

7.3 Wachstum älterer Buchen in der Überführungsphase

233

7.3.2.4 Analyse des Höhenzuwachses

Analyse der relativen Höhenzuwachsveränderung nach Freistellung Die Quantifizierung der Reaktion des Höhenzuwachses auf eine Freistellung wurde in Anlehnung an das beim Grundflächenzuwachs erläuterte Vorgehen durchgeführt. Der jährliche Höhenzuwachs wurde aus Analysen der Höhentriebe bestimmt und der Zuwachs in den 10 Jahren vor der Freistellung dem in der nachfolgenden Dekade (in Ausnahmefällen mindestens jedoch der 4 nachfolgenden Jahre) gegenübergestellt.

%iH =

iHnach - iHvor x 100 iHvor

Formel 7.4

mit: %iH = iHvor = iHnach =

Veränderung des Höhezuwachses (%) durchschnittlicher jährlicher Höhenzuwachs in den 10 Jahren vor der Durchforstung (m Jahr-1) durchschnittlicher jährlicher Höhenzuwachs in den 10 Jahren nach der Durchforstung (m Jahr-1)

Da zeitspezifische Unterschiede in der Zuwachsreaktion erkennbar waren, wurde der durchschnittliche Prozentwert der Höhenzuwachsveränderung für die 48 Referenzbäume berechnet. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Referenzbäume in dem Zeitraum um die Freistellungszeitpunkte ähnlich verhielten. Deshalb konnten alle Bäume gemeinsam als Referenz herangezogen werden. Für jeden Zeitpunkt zeigten die Referenzbäume eine abnehmende Höhenzuwachsveränderung von durchschnittlich nur -0,8%. Während 56% der Referenzbäume eine Grundflächenzuwachsabnahme nach dem Zeitpunkt der Durchforstung gezeigt hatten, war eine Veränderung des Höhenzuwachses bei den Referenzbäumen nach dem Durchforstungszeitpunkt kaum feststellbar. Die tatsächliche Veränderung des Höhenzuwachses nach der Freistellung durfte deshalb unmittelbar als Schätzwert für die freistellungsbedingte Höhenzuwachsreaktion interpretiert werden. Da sich die Bäume auf den vier Untersuchungsflächen ähnlich verhielten, erfolgt eine zusammenfassende Darstellung im Ergebnisteil. Ermittlung der Höhenzuwachsreaktion mit einem Zuwachsmodell Die zweite Methode für die Schätzung der Höhenzuwachsreaktionen verwendet Regressionsgleichungen mit verschiedenen unabhängigen Variablen. Die verwendete Regressionsgleichung für die jährlichen Höhenzuwachsreaktionen besitzt folgende Form:

234

A. Haywood, H. Spiecker

iH = ƒ (h,(h / h), A K) mit: iH h

= =

( h / h) = A K

= =

Formel 7.5

jährlicher Höhenzuwachs (cm Jahr-1) Baumhöhe (m) relative Baumhöhe Alter (Jahre) lokale Konkurrenz-Variable*

* Es wurden dieselben unabhängigen Variablen einbezogen wie bei dem Grundflächenzuwachs.

7.3.2.5 Kronenexpansion Die Untersuchung impliziert, dass die bestimmenden Faktoren für das Kronenexpansionsvermögen die Konkurrenz im Kronenraum sowie das Baumalter sind. Zur Herausarbeitung des konkurrenzbedingten Einflusses auf das Zweigwachstum wurde die Astkonkurrenz an den analysierten Bäumen in zwei Ausprägungsstufen angesprochen: Äste, die in Richtung von Bestandeslücken gerichtet waren, d.h. nicht direkt durch Äste benachbarter Bäume beeinflusst waren, wurden als konkurrenzfrei, solche, die eine Beeinflussung durch Nachbarbäume erfuhren, als konkurrenzbestimmt klassifiziert. Für die Untersuchung wurden die Astlängenzuwächse und die Höhenzuwächse der Bäume aus allen vier Beständen zusammengefasst. 7.3.3 Ergebnisse 7.3.3.1 Reaktion des Grundflächenzuwachses Es wurde zunächst untersucht inwieweit Unterschiede in der Grundflächenzuwachsreaktion der Bäume durch in der Praxis leicht ermittelbare Baum- bzw. Eingriffsmerkmale zu erklären sind. Als baumbezogene Merkmale dienten der relative Durchmesser ( d / d ) und der Ausgangsdurchmesser (dt=0) dazu, die relative Veränderung des Grundflächenzuwachses der Bäume zu erklären. Zur Beschreibung der Freistellungsstärke wurden zwei der oben vorgestellten vier alternative Erklärungsvariablen geprüft: Die relative Veränderung der potentiell verfügbaren Standfläche (%APA) und die Zahl der Kronensektoren ohne Bedränger (ZKOB). Die Einbeziehung des Baumalters als zusätzliche Erklärungsvariable zum Durchmesser führte erwartungsgemäß zu keiner weiter verbesserten Erklärung der Unterschiede im Grundflächenzuwachs, da es sich um mehr oder weniger gleichaltrige Bestände mit geringer Variation im Baumalter handelt. Die allgemeinen Modelle für die vier Untersuchungsflächen lauten wie folgt:

7.3 Wachstum älterer Buchen in der Überführungsphase

Modell

N

R2

F

%iG = 58.396 – 1.228(D) + 0.548(%APA)

170

0.22

22.2

%iG = 24.089 - 0.451(D) + 25.222 (ZKOB)

170

0.14

7.6

235

Die relative Veränderung des Grundflächenzuwachses (%iG) konnte durch die relative Veränderung der potentiell verfügbaren Standfläche (%APA) besser erklärt werden als durch die Zahl der unbeschattenden Kronenseiten (ZKOB), wie an dem multiplen Bestimmtheitsmaß R2 von 0,22 mit %APA bzw. von 0,14 mit ZKOB deutlich wird. Die Modelle lassen erkennen, dass bei älteren Buchen ein Anstieg des Grundflächenzuwachses nach einer starken Freistellung um 70 – 100 % realistisch möglich ist. Außerdem wurde ein Grundflächenzuwachsmodell entwickelt, mit dem der absolute jährliche Grundflächenzuwachs (iG) der Bäume nach der Freistellung sowohl für freigestellte und auch für nicht von dieser Maßnahme betroffene Individuen geschätzt werden kann. Als Erklärungsvariablen wurden auch in diesem Modell die beiden Merkmale APA und ZKOB verwendet. Die Modelle lauten wie folgt: Modell iG = 6.091 + 0.155(D) + 0.342(APAnach)

N 170

R2 0.45

F 27.5

iG = 18.881 + 0.191(D) + 6.085(ZKOB)

170

0.29

24.5

Wie in den Modellen zur Prognose der relativen Grundflächenzuwachsänderung war auch hier der absolute Grundflachenzuwachs mit dem Durchmesser, dem APAnach und den ZKOB korreliert. Auch dabei wies das Modell mit APAnach als Erklärungsvariable ein höheres multiples Bestimmtheitsmaß R2 auf als das Modell mit ZKOB. 7.3.3.2 Plausibilität des Modells für Langzeitprognosen Der im Folgenden dargestellte Ansatz dient der Prüfung der Plausibilität der Modelle für Prognosezeiträume, die weit über die bislang betrachteten, in der Regel eine Dekade umfassenden, hinausgehen. Der Durchmesserwachstumsgang eines Baumes mit einem Ausgangsdurchmesser von 35 cm wurde mit Hilfe des Grundflächenzuwachsmodells prognostiziert. Dabei wurde ein APAnach der unbehandelten Bäume mit einem Durchmesser von 35 cm von 30 m2 unterstellt. APAnach-Werte von 50, 70 bzw. 90 m2 definieren Entwicklungsgänge zunehmend stärker freigestellter Buchen. Diese Wachstumsvorhersage wurde mit der AlterDurchmesser-Regression von 130 herrschenden und mitherrschenden Bäumen verglichen, um den offensichtlichen langfristigen Zuwachstrend in die Auswertung einzubeziehen. Diese Alter-Durchmesser-Regression ist in Abbildung 7.8 dargestellt (durchgezogene Linie, die einzelnen Werte der 130 Bäume als

236

A. Haywood, H. Spiecker

Kreise). Die Gleichung wurde aus einer aus zwei Parametern bestehenden Schumacher-Gleichung der folgenden Form: D = d (4.688-110.069 / A) abgeleitet. Die prognostizierte Zeitdauer für ein Dickenwachstum von 35 auf 65 cm für nicht freigestellte Bäume beträgt bei einem APAnach von 30 m2 93 Jahre. Demgegenüber ergibt sich aus dem Regressionsmodell ein Zeitraum von 116 Jahren. Der daraus abgeleitete durchschnittliche jährliche Radialzuwachs beträgt 1,6 bzw. 1,3 mm je Jahr.

80

d1,3 [cm]

70 60 50 40 30 20 10 0 0

50

100

150

200

250

300

Alter [Jahre] Abbildung 7.8: Wachstumsprognosen für eine 35 cm dicke Oberhöhenbuche bei verschiedenen APAnach (gestrichelte Linien), im Vergleich dazu die Entwicklung aller 130 Oberhöhenbäume (durchgezogenen Linie). Jeder Punkt stellt eine der 170 untersuchten Buchen dar.

7.3.3.3 Reaktion des Höhenzuwachses Die Analyse der Höhenzuwachsreaktionen auf Freistellung und Vergleiche mit dem Zuwachs unbehandelter Referenzbäume zeigen, dass zwischen dem Höhenzuwachs und der Freistellung ein gewisser Zusammenhang besteht. Allerdings ergab sich bei der Auswertung der Daten aus allen vier Untersuchungsflächen keine enge Korrelation zwischen der relativen Höhenzuwachsveränderung (%iH), dem jährlichen Höhenzuwachs (iH) und einer der für die Charakterisierung der Freistellungsstärke verwendeten Variablen (%APA, APAnach, ZKOB).

7.3 Wachstum älterer Buchen in der Überführungsphase

237

Tabelle 7.4: Pearson Produkt-Moment-Korrelationskoeffizient zwischen dem relativen Höhenzuwachs (%iH), dem absoluten Höhenzuwachs (iH) und einer Konkurrenzvariablen Modell

N

Konkurrenzvariablen APAnach ZKOB

%APA %iH iH

170 170

0,09 0,03

0,04 0,14

-0,05 -0,02

7.3.3.4 Kronenausdehnung Der t-Test diente dem Vergleich des seitlichen Astlängenzuwachses zwischen den Astkonkurrenzklassen (oben bezeichnet als „Astkonkurrenz“) innerhalb der verschiedenen Kronenklassen. Der durchschnittliche seitliche Astlängenzuwachs für alle in eine Bestandeslücke gerichteten Äste beträgt 9,2 cm pro Jahr während nicht in eine Lücke ragenden Äste einen jährlichen Längenzuwachs von 6,2 cm aufweisen. Gesichert sind die Unterschiede bei den beherrschten und bei den mitherrschenden Bäumen. Die durchschnittlichen Unterschiede werden auf 3,0 cm je Jahr geschätzt. Tabelle 7.5: Zusammenfassung des Vergleichs der durchschnittlichen jährlichen Astlängenzuwächse zwischen den verschiedenen Kronenklassen und Astklassen mit Hilfe von t-Tests Klassen Beherrscht Mitherrschend Herrschend Total

Lücken-Äste N durchschn. 43 13.5 141 8.4 58 7.9 242 9.19

s 0.5 0.3 1.1 0.5

N 77 255 106 438

Nicht-Lücken-Äste durchschn. s 6.6 0.4 5.5 1.2 7.6 1.8 6.2 0.4

t-Test p <0.01 <0.01 n.s. <0.01

Aus dem Astlängenzuwachs und dem Höhenwachstum von Buchen lässt sich die minimale Größe der Lücke für das Emporwachsen einer Buche berechnen. Bei einer zum Zeitpunkt der Entstehung der Lücke 4 m hohen Buche stellen Bestandeslücken von 10 m Breite für ein Emporwachsen in die Kronenschicht einen Minimalwert dar. 7.3.3.5 Variation des Astlängenzuwachses Um festzustellen, warum sich die Längenzuwächse einiger Lücken- bzw. Nicht-Lücken-Äste nicht signifikant unterscheiden, wurde die Beziehung zwischen den jährlichen Längenzuwächsen der untersuchten Einzeläste und den resultierenden durchschnittlichen jährlichen Kronenradialzuwächsen der Einzelbäume untersucht. Abbildung 7.9 zeigt das Ausmaß der Astlängenzuwachsvariation (iAst) aufgetragen über dem Kronenradiuszuwachs der Krone des Baumes (iKr). Die abszissenparallele Null-Linie kennzeichnet den durchschnittlichen radialen Zuwachs der gesamten Krone eines Baumes; die Zuwächse der vier an

238

A. Haywood, H. Spiecker

Absolute Abweichung des iAst von iKr [cm. Jahr -1]

jedem Baum analysierten Einzeläste sind vertikal über bzw. unter dem Mittelwert aufgetragen.

20 15 10 5 0 -5 -10 -15 -20 0

5

10

15

20

25

30

35

40

Kronenradiuszuwachs (i Kr) [cm.Jahr -1]

Abbildung 7.9: Scattergramm zur Darstellung der absoluten Abweichung des beobachteten gerichteten Astlängenzuwachses (iAst) vom beobachteten Radiuszuwachs (iKr) der Krone des Baumes

Die Variation nimmt mit zunehmendem Radialzuwachs iKr, zu, bleibt dann jedoch über einen weiten Bereich mit einer maximalen Abweichung von ± 20 cm stabil. Die Zunahme der absoluten Abweichung im negativen Bereich ist damit zu begründen, dass keine negativen Astlängenzuwächse registriert wurden.

Zahl der Äste

7.3 Wachstum älterer Buchen in der Überführungsphase

239

60

50

40

30

20

10

0 -100

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

relative Abweichung des iAst von iKr

Abbildung 7.10: Häufigkeitsverteilung der relativen Abweichung vom jeweiligen Mittelwert des Baumkronenradius in 10% Abweichungsklassen

Abbildung 7.10 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Abweichungen des Astlängenzuwachses vom Gesamtkronenradialzuwachs des Baumes nach Klassen relativer Abweichung. Die im Histogramm erkennbare positive Schiefe ist darauf zurückzuführen, dass die Abweichung bei einem Ast zwar mehr als 100% über, aber nie mehr als 100% unter dem Durchschnitt des Baumes liegen kann. Die Varianz des Längenzuwachses der Äste eines Baumes sowie die Tatsache, dass eine ausgeprägt höhere Wahrscheinlichkeit im Bereich des Mittelwertes fehlt, lässt vermuten, dass das Astlängenwachstum häufig und wesentlich vom durchschnittlichen Astlängenzuwachs abweicht. 7.3.4 Diskussion 7.3.4.1 Grundflächenzuwachs Der Grundflächenzuwachs der untersuchten älteren Buchen stieg nach einer starken Freistellung stark an. Bei anhaltend geringer Konkurrenz scheinen sogar ältere Buchen über längere Zeit hinweg ein hohes Zuwachsniveau aufrechterhalten zu können. Die entwickelten Funktionsgleichungen ermöglichen eine Schätzung der relativen Veränderung und des absoluten jährlichen Grundflächenzuwachses in Abhängigkeit von der potentiellen Standfläche unmittelbar nach der Freistellung (APAnach) bzw. der Anzahl der konkurrenzfreien Kronensektoren (ZKOB) nach dem Eingriff. Die freistellungsbedingte, relative Veränderung der potentiell verfügbaren Standflächen (%APA) vor und nach einer Freistellung konnte einen größeren Teil der

240

A. Haywood, H. Spiecker

Variation des jährlichen Grundflächenzuwachses erklären als Modelle, die eine Veränderung der Konkurrenz mit der Zahl der durch Konkurrenzbäume bedrängten Kronenseiten (ZKOB) abbilden. Dieses Resultat kann dahingehend interpretiert werden, dass die Rekonstruktion früherer Kronenkonkurrenzverhältnisse mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist wohingegen die potenziell verfügbaren Standflächen realitätsnäher rekonstruiert werden können. Darüber hinaus ist jedoch auch nicht auszuschließen, dass bei Bäumen gleicher Freistellungsintensität der Zuwachs etwa durch Konkurrenzbeziehungen im Wurzelraum oder aber über den unmittelbaren Kronenkontaktbereich hinaus auch oberirdisch beeinflusst und modifiziert wird. Auch die Kronenarchitektur kann sich auf die weitere Entwicklung auswirken. 7.3.4.2 Höhenzuwachs Die Vergleiche der Höhenzuwachsveränderungen vor und nach einer Freistellung und der Zuwächse nach der Freistellung der behandelten und unbehandelten Bäume zeigten, dass der Höhenzuwachs älterer Buchen nur wenig durch eine Freistellung beeinflusst wird. Für die Gesamtdaten der vier Untersuchungsflächen konnten keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der prozentualen Veränderung des Höhenzuwachses und anderen Variablen gefunden werden. Es wurden in der Folge lineare und nicht-lineare Gleichungsmodelle entwickelt, mit denen die Ausgangshöhe des Baumes vor der Freistellung (H), die relative Kronenlänge (rKL) und der prozentuale Anteil der schirmfreien Kronenprojektionsfläche (%uKSF) als erklärende Variable verwendet wurden. 7.3.4.3 Kronenbreite Der im Untersuchungsmaterial gefundene maximale jährliche Astenlängenzuwachs einer älteren Buche erreicht mit 50,1 cm je Jahr eine ähnliche Größenordnung wie sie von Guericke (2001) mit 42,1 cm je Jahr beschrieben wurde. Auch die geschätzten durchschnittlichen Zuwachsveränderungen zeigen überraschenderweise hohe Übereinstimmungen mit den Beobachtungen von Guericke (2001), obwohl unterschiedliche Standortsbedingungen und Vorbehandlungen stattgefunden haben. Zu Bestandeslücken hin ist der jährliche seitliche Astlängenzuwachs 3cm größer. Die Variation des Astlängenzuwachs reicht von – 100 % bis + 200 % des mittleren jährlichen Kronenradialzuwachses unmittelbar vor dem Eingriff. 7.3.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die Praxis Das Ziel dieser Untersuchung war die Analyse des Kronenexpansionsvermögens älterer, d.h. über 100-jähriger Buchen, um daraus Entscheidungshilfen für die Überführung in ungleichaltrige, strukturierte Buchen- und Buchenmischwälder abzuleiten, die eines der möglichen Entwicklungsleitbilder für den Waldumbau im Südschwarzwald darstellen. Die Untersuchungsansätze beziehen

7.4 Folgerungen

241

sich auf die drei zentralen Wachstumsgrößen Grundfläche, Baumhöhe und Kronenbreite, die in der Überführungsphase im Hinblick auf die Produktion der Oberschicht einerseits aber auch auf die Entwicklung des Kronenschlusses - als entscheidender Einflussgröße auf die natürliche oder künstliche Regeneration der Waldbestände - andererseits von großer Bedeutung sind. Auch wenn einige spezifische Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nicht ohne weiteres verallgemeinert werden können, sind für praktische Überführungsmaßnahmen folgende Schlüsse zu ziehen: • Der Grundflächenzuwachs älterer Buchen lässt sich durch eine starke Freistellung auf bis zu 100 % des Ausgangwertes steigern. • Der Höhenzuwachs älterer Buchen wird nur in geringem Maße durch Freistellung beeinflusst. • Äste, die in Bestandeslücken hineinwachsen weisen im Mittel einen um 3 cm größeren jährlichen Längenzuwachs auf als Äste, die dem Einfluss einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Kronenkonkurrenz ausgesetzt sind. • Bei zum Zeitpunkt der Entstehung einer Lücke 4 m hohen Buchen stellen Bestandeslücken von 10 m Breite für ein Emporwachsen in die Kronenschicht einen Minimalwert dar.

7.4 Folgerungen H. Spiecker

Die Wachstumsreaktionen von älteren Fichten, Tannen und Buchen auf unterschiedlich starke Freistellung werden durch zahlreiche Einflüsse überlagert und modifiziert. Dennoch konnten in diesem Kapitel wichtige Gesetzmäßigkeiten gefunden werden, die für Überführungsvorhaben von Bedeutung sind. Ein Ziel des Handelns bei Überführungsvorhaben ist die Ausschöpfung des Wachstumspotenzials älterer Fichten und Tannen und die Erhaltung der Bestandesstabilität. Hierbei erwiesen sich Bäume mit langen Kronen als besonders geeignet. Um bei Überführungsvorhaben nahezu hiebsreifer Altersklassenbestände in ausreichender Zahl über solche Bäume verfügen zu können, sind grundsätzlich Behandlungsprogramme mit möglichst frühzeitigen und zielgerichteten Freistellungseingriffen zur Erziehung großkroniger Baumindividuen besonders empfehlenswert. Für die konkrete Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt mit der Überführung begonnen werden soll ist die Reaktionsfähigkeit der Bäume ein entscheidendes Kriterium, für das sich die Relation von aktueller Baumhöhe zur potenziellen, standortspezifischen Endhöhe als praxistauglicher Weiser erwiesen hat: Fichten und Tannen steigern ihren jährlichen Radialzuwachs in 1,3m Höhe nach einer starken Freistellung am stärksten, wenn sie zum Zeitpunkt dieser Freistellung noch weit von ihrer potenziellen Endhöhe entfernt sind, sich also

242

Literaturverzeichnis Kapitel 7

noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden und wenn sie über eine große relative Kronenlänge verfügen. Durch diese frühzeitige und konsequente Pflege der zukünftigen Gerüstbäume verfügen diese in der Phase der Überführung auch in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium dank ihrer gut ausgebildeten Krone über ein hohes Reaktionspotenzial und weisen anhaltend hohe Zuwächse auf. Durch eine sehr frühzeitige und konsequente Pflege der späteren Gerüstbäume kann eine Überführung mit geringem Aufwand eingeleitet sowie risikoarm umgesetzt werden. Die Untersuchung des Wachstumsverhaltens von Buchen auf Freistellung hat gezeigt, dass auch ältere Buchen noch in der Lage sind, mit einer beschleunigten Kronenausdehnung und einem gesteigerten Dickenwachstum auf eine Freistellung zu reagieren. Der Grundflächenzuwachs älterer Buchen lässt sich durch eine starke Freistellung auf bis zu 100 % des Ausgangwertes steigern, wohingegen der Höhenzuwachs älterer Buchen nur in geringem Maße durch Freistellung beeinflusst wird. Äste, die in Bestandeslücken hineinwachsen weisen im Mittel um 3 cm größere jährliche Längenzuwächse auf als Äste, die nicht in Bestandeslücken hinein wachsen. Für die Untersuchungsbestände wurden Kronenschlussmodelle entwickelt, die einen Ausblick auf die resultierenden Waldstrukturen ermöglichen, denen bei Überführungsvorhaben große Bedeutung zukommt. Die spezielle Frage, welche Rahmenbedingungen eingehalten werden müssen, um Jungbäumen den Anschluss an das Kronendach zu ermöglichen und damit die Vertikalstruktur des Bestandes zu verbessern, kann für die Untersuchungsbestände vereinfacht wie folgt beantwortet werden: Lücken mit einem Durchmesser über 10 m schließen sich bei der gegebenen Kronenschlussdynamik erst nach mehr als 50 Jahren, so dass der Nachwuchs in das Kronendach hinein aufschließen kann. Lückengrößen unter 5 m werden in Zeiträumen zwischen einer und zwei Dekaden geschlossen, so dass an diesen Stellen nicht mit der Etablierung oder dem Heranwachsen vorhandener Jungbäume gerechnet werden kann; die Ausgangsstruktur bleibt erhalten.

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8 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus und Methoden der Risikoprognose anhand von Fallbeispielen – Einführung M. Hanewinkel

Das vorliegende Teilkapitel beschäftigt sich mit zwei wesentlichen Aspekten des Waldumbaus von Fichten-dominierten Bestandestypen im Projektgebiet Südschwarzwald. Im ersten Teil wird ein methodischer Ansatz vorgestellt, wie der Umbau von Fichten-Reinbeständen in Fichten-Buchenbestände ökonomisch bewertet werden kann. Durch Umbau- und Überführung verändern sich die Zahlungsströme in den betroffenen Waldbeständen. Da sich die ökonomischen Effekte verschiedener Behandlungsstrategien nie absolut darstellen lassen, werden Waldumbaustrategien in der vorliegenden Untersuchung immer im Vergleich zu einer Referenz, nämlich der Beibehaltung einer konventionellen Altersklassen-Reinbestandswirtschaft untersucht. Des weiteren wird darauf abgehoben, dass bei der ökonomischen Analyse nicht nur die ökonomischen Effekte während der Umbauund Überführungsphase sondern auch die langfristigen Effekte nach Abschluss von Umbau und Überführung berücksichtigt werden sollten. Damit beinhaltet die Analyse von Waldumbau und Überführung auch den ökonomischen Vergleich von gleichaltrigen und ungleichaltrigen bzw. von Rein- und Mischbeständen. Im zweiten Teil des Kapitels wird auf den auch ökonomisch relevanten Aspekt der Risikoanalyse in Umbau- und Überführungsbetrieben eingegangen. Die Analyse von Verbuchungsdaten, die häufig als einzige Datenquelle für eine solche Untersuchung zur Verfügung stehen, ist aufgrund der geringen Genauigkeit dieser Daten nicht selten mit großen Fehlern behaftet. Im ersten Teil der Risikoanalyse wird ein Verfahren vorgestellt, wie man mit Hilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz, die in besonderem Maße auf „verrauschte“, unvollständige Daten ausgerichtet sind, Risiko analysieren kann. Das Ergebnis dieser Analyse können Risikoklassen sein, die mit Hilfe von Risikokarten besonders gefährdete Waldteile darstellen können. Da aufgrund des Buchungssystems in Südwestdeutschland die Verbuchung zufälliger Nutzungen jedoch nur auf der Ebene der Abteilung erfolgt, die bis zu 50ha groß sein kann, ist die räumliche Auflösung einer solchen Risikokarte nicht sehr hoch. Es wird daher im zweiten Teil der Risikoanalyse eine differenziertere Methode der Quantifizierung des Risikos mit Hilfe von digitalisierten Forstkarten vorgestellt. Mit Hilfe dieser Karten aus aufeinander folgenden Forsteinrichtungszeiträumen lassen sich sog. Übergangswahrscheinlichkeiten herleiten, die einen

K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

248

M. Hanewinkel, G. Navarro

Hinweis geben können, ab welchem Bestandesalter Eingriffe im Rahmen von Waldumbau und Überführung mit überproportional hohem Risiko verbunden sind.

8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus – Analyse mit Methoden der Investitionsrechnung M. Hanewinkel, G. Navarro

8.1.1 Einleitung Der theoretische Hintergrund zur ökonomischen Bewertung von Waldumbauund Überführungsvorhaben wird bei Navarro (2003) ausführlich dargestellt. Die Abbildung 8.1 zeigt eine schematische Darstellung der Zahlungsströme, wie sie während und nach einem Überführungsvorgang bei einer definierten Grundflächenhaltung G bis zu einem Gleichgewichtsvorrat (RG0) auftreten. Während des Überführungszeitraumes V treten Netto-Einzahlungen (d1 bis d7) auf. Nach Abschluss der Überführung nach Y Jahren findet sich der überführte Bestand in einem Gleichgewichtszustand wieder, in dem je nach Länge des Eingriffszyklus regelmäßige Reinerträge (RH) anfallen. T 1st CC

V

2nd CC

3rd CC

G (m 2/Ha.)

RH RH d4

d5

d6

RH

RH

d7

d2 d3 d1

RG0

Y

FLEAC

yr.

FLUAS

Abbildung 8.1: Schematische Darstellung der Netto-Zahlungsströme während des Waldumbaus/ der Überführung (d1-d7) und der Reinerträge (RH) nach Abschluss der Überführung bei einer definierten Grundflächenhaltung G (aus Navarro, 2003:195) FL-UAS = Dauerwaldbewirtschaftung (CC = Eingriffszyklen, RGo = Gleichgewichtsvorrat); FL- EAC = Alterklassenwaldbewirtschaftung; T = Umtriebszeit für die Altersklassenvariante; V = Überführungs-/Umbauzeitraum von Y Jahren

8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus

249

Zum Vergleich ist auf der linken Seite der Abbildung 8.1 (gestrichelte graue Linie) vereinfacht der Verlauf einer klassischen Alterklassenbehandlung, bei der nach T Jahren Umtriebszeit ein hoher Reinertrag in Form einer Endnutzung anfällt, dargestellt. Zu bedenken ist, dass es sich bei der Bewertung von Waldumbau- und Überführungsvorhaben regelmäßig um die ökonomische Bewertung von hiebsunreifen Beständen handelt (eine Ausnahme hiervon stellt die Untersuchung von Andreassen und Øyen, 2002 dar), da Waldumbau und Überführung nicht auf holzleerem Boden beginnen.

8.1.2 Material und Methoden Bei Hanewinkel (2001a) wurde der Kapitalhaltungwert (holding value) (vgl. hierzu Deegen, et al. 2000) als integrierende ökonomische Größe zur Bewertung unterschiedlicher Zeithorizonte bei Überführungs-/Umbauvorhaben eingeführt. Um einen Waldumbauprozess aus ökonomischer Sicht zu bewerten, müssen wir zwischen verschiedenen ökonomischen Zeit-Effekten unterscheiden, die bei einem Umbau wirksam werden und die in Abbildung 8.1 dargestellt sind. Der erste Effekt ist das ökonomische Ergebnis des eigentlichen Umbauprozesses. Für einen endlichen Zeithorizont benötigen wir das finanzielle Ergebnis zweier Behandlungsstrategien: a) einer Referenzvariante, die die Beibehaltung der konventionellen Altersklassenbewirtschaftung darstellt, und b) einer Umbauvariante, die, von einem identischen Initialzustand ausgehend, die Veränderung von einem gleichaltrigen in einen ungleichaltrigen bzw. von einem Rein- in einen Mischbestand darstellt. Da es derzeit keine empirischen Grundlagen für einen solchen Vergleich gibt, wurde innerhalb dieses Projektes dieser Prozess mit einem Simulationsexperiment nachgebildet. Das Experiment liefert den finanziellen Output, mit Hilfe dessen wir die erste ökonomische Größe berechnen, die den finanziellen Vorteil oder Nachteil des Umbaus/der Überführung gegenüber der Referenzvariante darstellen, was hier vereinfacht als die „Kosten des Umbaus“ bezeichnet wird. Diese Kosten können kalkuliert werden als Opportunitätskosten, ausgedrückt durch die Differenz des Kapitalwertes beider Varianten a) und b) während der Überführung (NPVT). Formel 8.1 beschreibt, wie der Kapitalwert der verschiedenen Varianten berechnet wird:

Im Folgenden werden für die wichtigsten ökonomischen Parameter die wesentlich gebräuchlicheren englischen Abkürzungen verwendet. Z.B. wird Kapitalwert als NPV (=Net Present Value) abgekürzt.

250

M. Hanewinkel, G. Navarro W

¦

NPVTvar

t s

mit: s W vt

= = =

ct

=

q r var

= = =

v t ct q t s

Formel 8.1

Alter des Bestandes zu Beginn des Umbaus Alter des Bestandes am Ende des Umbaus Einzahlungen zum Zeitpunkt t, berechnet als das Volumen des ausscheidenden Bestandes zum Zeitpunkt t (und das Volumen des verbleibenden Bestandes zum Zeitpunkt W) multipliziert mit dem Preis pro m3 Auszahlungen zum Zeitpunkt t, kalkuliert wie vt als Erntekosten (Fällen und Rücken) und als Pflanzkosten für die Beimischung (Umbauvariante) zum Zeitpunkt t (1+r) Diskontierungsfaktor Zinsfuß Untersuchungsvariante (Altersklassenvariante – [Akl] oder Umbau [Um])

Die hier vereinfachend als Kosten des Umbaus (genauer eigentlich der Kapitalwert der Kosten des Umbaus) bezeichnete Effekt TC wird berechnet nach: TC = NPVT AKL – NPVT Um

Formel 8.2

Diese ökonomische Bewertung ist jedoch nicht ausreichend, da nach Abschluss des Umbaus zusätzliche Effekte wirksam werden. Ist der Umbau einmal abgeschlossen, wird die Struktur des finanziellen Outputs des umgebauten Bestandes anders als beim nicht umgebauten Bestand sein. Wird die ungleichaltrige bzw. Mischbestandsstruktur beibehalten, so dauert dieser Unterschied über einen unendlichen Zeithorizont hinweg an. Der ökonomische Parameter, der diesen langfristigen ökonomischen Output eines ungleichaltrigen Managementsystems ausdrückt, ist der Kapitalwert zum Zeitpunkt W nach Abschluss des Umbaus (NPVWaT). Dieser Wert entspricht dem Bodenertragswert (engl. auch „willingness to pay for land“ oder „soil/land expectation value“). Im Rahmen des Projektes wurden drei verschiedene Formen des Bodenertragswertes identifiziert und die für die Anwendung auf das Problem des Waldumbaus / der Überführung sinnvollste heraus gearbeitet (Navarro 2003). Wie im folgenden deutlich wird, ist es für eine vollständige Bewertung eines Umbaus notwendig, eine Vorstellung davon zu haben, wie sich dieser Wert in gleichaltrigen Altersklassenwäldern von dem in ungleichaltrigen Wäldern unterscheidet. Für die Altersklassenvariante (Akl) wird dieser Bodenertragswert nach der Faustmann-Formel (Formel 8.3) berechnet.

8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus

251

R

NPVWaT Akl mit: R p

= =

¦( v

t

ct ) q R t p q R

t 1

qR 1

Formel 8.3

Umtriebszeit Kosten der Wiederaufforstung

Die Kosten in Formel 8.3 repräsentieren alle Kosten für Holzernte, Jungbestandespflege, jedoch nicht Fixkosten z.B. in Form von Verwaltungskosten, da unterstellt wurde, dass diese nicht durch den Waldumbau verändert und somit nicht entscheidungsrelevant sind. Daher wurde der langfristige ökonomische Effekt für beide Varianten ohne Verwaltungskosten berechnet. Für den zu erreichenden ungleichaltrigen Zustand (UA) der Umbauvariante wird der NPVWaTUA als Kapitalwert einer unendlichen Serie von Nettoeinzahlungen, die alle n Jahre eines Eingriffszyklusses anfallen, kalkuliert (Formel 8.4). vn cn NPVWaTUA q n 1 Formel 8.4 mit: n = Länge des Eingriffszyklus Wie in Formel 8.3 beinhalten die Kosten all Kosten für Holzernte, Jungbestandespflege und zusätzlich für Pflanzung. Es wird dabei unterstellt, dass sie im Jahr der Holzernte anfallen. Um diesen langfristigen ökonomischen Effekt als Differenz des Kapitalwertes für beide Varianten NPVWaTAkl und NPVWaTUA zu berechnen, wäre eine komplette Modellierung des langfristigen Gleichgewichtszustands für beide Varianten erforderlich gewesen. Für die Altersklassenvariante kann der finanzielle Output eines kompletten Behandlungszyklus mit Hilfe des Simulationslaufes für die Referenzvariante dargestellt werden. Unter der Annahme, dass dieser Behandlungszyklus unendlich wiederholt wird, lässt sich der NPVWaTAkl relativ einfach berechnen. Aufgrund technischer Schwierigkeiten beim Einsatz der Wachstumssimulatoren (fehlendes Verjüngungs/Einwuchsmodul) ist dies für die Umbauvariante derzeit noch schwierig. Daher wurde der Wert für den NPVWaTUA im Rahmen einer Grenzbetrachtung abgeschätzt. Tatsächlich ist der Vergleich der langfristigen ökonomischen Leistungsfähigkeit der beiden unterschiedlichen Waldbaustrategien – gleichaltrige und ungleichaltrige Waldbewirtschaftung bzw. Altersklassenwald und Dauerwald – eine zentrale Fragestellung, die nicht nur bei der Entscheidungsunterstützung zu Waldumbau und Überführung von großer Bedeutung ist, sondern die die angewandte Forstökonomie über Jahrzehnte beschäftigt hat. Einen umfassenden Literaturüberblick und eine kritische Würdigung der verschiedenen methodischen Ansätze hierzu liefert Hanewinkel (2002). Ein empirischer Vergleich gleichaltriger und ungleichaltriger Wälder wird bei Hanewinkel (2001) am Beispiel von Starkholzplenterwäldern mit hohen Wertholzanteilen durchgeführt. Die Schwächen dieser Art des Vergleiches werden diskutiert und es wird die These

252

M. Hanewinkel, G. Navarro

vertreten, dass ein Benchmarking-Ansatz solchen empirischen Vergleichen vorzuziehen ist. Bei Hanewinkel (2002) wird ein Modellvergleich zwischen Altersklassen- und Plenterwald vorgestellt. Diese Modellstudie vermeidet die Schwächen der bisherigen Modelluntersuchungen z.B. von Schütz (1981) und Siegmund (1973), wie inadäquate Darstellung des Alterklassenwaldes und fehlende Berücksichtigung von Risiko (Hanewinkel und Oesten 1998). Für eine vollständige ökonomische Analyse des kompletten Umbauprozesses müssen dann die beiden errechneten Kapitalwerte (Kapitalwert der „Kosten des Umbaus“ und der nach Abschluss des Umbaus) kombiniert werden. Hierfür wurde der Kapitalhaltungswert (Kapitalerwartungswert) herangezogen. Der Kapitalhaltungswert („holding value“ HV) beschreibt den Barwert zukünftiger Ein- und Auszahlungen, die aus einem vorhandenen Vermögenswert entstehen (Klemperer, 1996:529, Deegen et al., 2000). 8.1.3 Ergebnisse – Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus - ein Fallbeispiel Das Simulationsexperiment – finanzielle Ergebnisse Die hier vorgestellten Ergebnisse eines Simulationsexperimentes behandeln einen speziellen Fall des Waldumbaus. Sie dienen in erster Linie dazu, die verwendete Methode der Investitionsrechnung an einem Zahlenbeispiel zu demonstrieren. Aufgrund der gewählten Eingangsgrößen (Preis-KostenVerhältnisse, Wahl der Behandlungs- und Umbaustrategie), die als Modellannahmen zu verstehen sind, ist es nicht ohne weiteres möglich, die Ergebnisse des Experimentes zu verallgemeinern. Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse für wichtige Einflussgrößen (Zinsfuß, Pflanzkosten) soll gezeigt werden, inwieweit eine Variation dieser Größen Einfluss auf die Ergebnisse hat. In dem folgenden Simulationsexperiment (vgl. Hanewinkel 2001) wird der oben genannte Vermögenswert durch einen 30-jährigen reinen Fichtenbestand dargestellt. Das Konzept des Kapitalhaltungswertes wird bei Investitionsentscheidungen verwendet, bei denen das Investitionsprojekt bereits begonnen wurde, d.h. bei dem das Alter des Investitionsprojektes (a) und der Zeitpunkt der Investitionsentscheidung (t) unterschiedlich sind. Für ein Investitionsprojekt, bei dem Alter des Projektes und Zeitpunkt der Entscheidung identisch sind (d.h. a = t = 0), wäre die Anwendung des einfachen Kapitalwertes ausreichend. Formel 8.5 beschreibt, wie dieser Kapitalhaltungswert für beide Varianten (Altersklassenbewirtschaftung, Waldumbau) berechnet wird.

HVvar

NPVTvar

Hvvar = NPVTvar = NPVWaTvar =

NPVW aTvar qW s

Formel 8.5

Kapitalhaltungswert einer Behandlungsvariante Kapitalwert der Variante während der Überführung Kapitalwert der Variante nach Abschluss der Überführung

8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus

W

=

s

=

q

=

253

Alter des zu überführenden Bestandes am Ende der Überführung Alter des zu überführenden Bestandes am Beginn der Überführung 1 +r mit r = Kapitalisierungszinsfuß in %

Da der Kapitalwert der zukünftigen erwarteten Ein- und Auszahlungen nach dem Umbau (NPVWaTvar) erst am Ende des Umbaus anfällt, muss er über einen Zeitraum von W-s Jahren auf den Beginn des Umbaus diskontiert werden. In diesem Kapitalhaltungswert werden mittelfristige ökonomische Effekte von Überführungsprozessen, die innerhalb eines endlichen Überführungszeitraumes auftreten, kombiniert mit langfristigen ökonomischen Effekten, die nach Erreichen des Dauerwaldzustandes innerhalb eines unendlichen Zeitraumes wirksam werden. Für das Simulationsexperiment wurde ein Waldumbau eines gleichaltrigen Fichten-Reinbestandes in einen ungleichaltrigen Fichten-Buchen-Mischbestand mit Hilfe des Wuchsmodells Silva 2.2 auf Bestandesebene simuliert und ökonomisch bewertet. Simuliert wurde ein gruppenweiser Waldumbau mit Anlage von Verjüngungsschächten und Einbringung von bereits entwickelten Jungbäumen. Ausgangsbestand war ein 30-jähriger Fichtenreinbestand mit rund 200 Vfm je ha auf einer mittleren Standortseinheit (mäßig frisch, lehmig-sandig, montan). Zwei Szenarien, wurden einander gegenübergestellt, über einen Zeitraum von 80 Jahren (16 Perioden à 5 Jahre) simuliert und am Ende in Bezug auf den Kapitalhaltungswert miteinander verglichen: 1. Eine herkömmliche Alterklassenvariante, bei der ein Z-Baum-orientiertes Behandlungsprogramm anhand einer Grundflächenleitkurve simuliert wurde. Hierzu wurden in einer ersten Phase 270 Z-Bäume je ha ausgewählt und freigestellt. Nach einer Niederdurchforstungsphase und einer Phase der Hiebsruhe wurde im Alter 95 eine Zieldurchmesserernte (ZD = 52cm) bis zum Ende der Simulation im Alter 110 durchgeführt. 2. Eine Waldumbauvariante, bei der nach Auswahl und Freistellung von deutlich weniger Z-Bäumen je ha (150) beginnend mit dem Alter 45 im Abstand von 10 Jahren insgesamt 5 Lücken mit einem Durchmesser von jeweils 30m angelegt wurden. In die Lücken wurden entwickelte Buchen-Pflanzen (s.o.) 10 Jahre nach deren Anlage eingebracht. Ab dem Alter 75 erfolgte eine Zieldurchmesserernte mit ZD 45cm. Die erste wichtige ökonomische Kenngröße ist das finanzielle Ergebnis, das die beiden Varianten erbringen (s. Tabelle 8.1). Dieser Wert wurde als Deckungsbeitrag I (erntekostenfreier Erlös) auf der Basis regionaler Preis-KostenVerhältnisse der Jahre vor dem Sturm Lothar kalkuliert. Bei den Pflanzkosten wurde mit relativ hohen Kosten für Heisterpflanzung (7669 € je ha bzw. 537 € je Lücke) kalkuliert, um die unterstellte Höhenentwicklung der Buchenpflanzung zu erreichen. Diese Kosten sind deutlich höher als die unterstellten Pflanzkosten für Fichte zu Beginn. Die Tabelle 8.1 zeigt, dass diese Pflanzkosten insgesamt 5 mal während des Waldumbaus zwischen dem Alter 45 und 85 des Bestandes anfallen.

254

M. Hanewinkel, G. Navarro

Diese Kosten wurden von Waldumbauvariante abgezogen.

den

erntekostenfreien

Erlösen

bei

der

Tabelle 8.1: Finanzielles Ergebnis (in €/ha) der Simulationsläufe für die Altersklassenvariante und die Waldumbauvariante. Deckungsbeiträge (holzerntekostenfreie Erlöse) des ausscheidenden Bestandes (Ernte) und des verbleibenden Bestandes. Zusätzliche Kosten (Kosten): p = Pflanzung, y = Jungbestandespflege Kosten für Jungbestandspflege und Pflanzung sind für die Phase des Waldumbaus irrelevant, da sie bei beiden Varianten gleich sind. Für die Berechnung des Bodenertragswertes der Altersklassenvariante müssen sie jedoch berücksichtigt werden.

Alter Jahre 8 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110

Altersklassenvariante Ernte Verbl. Best. Kosten €/ha 0

Ernte

-2556p

Waldumbauvariante Verbl. Best. Kosten €/ha 0

0

0 -518y

-518y

0

0 -518y

-518y

929 -116

-2556p

929 314

2628 959

2566 -537p

1214 6227

1626

5715 -537p

1145 9476

1033

8818 -537p

1679 13868

646

11930 -537p

4117 20517

744

13132 -537p

5995 26584

7614

12297 4834

28021 8166

11398 4755

25556

9859

Die Tabelle 8.1 zeigt den unterschiedlichen Verlauf des erntekostenfreien Erlöses für beide Varianten. Abzüglich der Kosten für Pflanzung ist bis zum Alter 65 der Deckungsbeitrag der Umbauvariante niedriger als der der Altersklassenvariante. Danach jedoch steigen die erntekostenfreien Erlöse der Waldumbauvariante durch die bereits im Alter 70 einsetzende Zieldurchmesserernte im Vergleich zur Altersklassenvariante deutlich an. Der für die Phase der Hiebsruhe typische Einbruch bei den erntekostenfreien Erlösen der Altersklassenvariante zwischen dem Alter 65 und 85 ist deutlich erkennbar. Dieser Einbruch, bei dem lediglich die durch Mortalität ausscheidenden Bäume finanziell (zu den Preis-

8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus

255

Kostenverhältnissen des sonstigen ausscheidenden Bestandes) bewertet werden, endet mit Beginn der Endnutzung im Alter 95, bei der dann wesentlich höhere erntekostenfreie Erlöse anfallen als bei der Umbauvariante. Der zweite wichtige finanzielle Parameter ist der Wert des verbleibenden Bestandes, der ebenfalls in Tabelle 8.1 dargestellt ist. Altersklassensysteme heben typischerweise darauf ab, den Abtriebswert zum Ende der Umtriebszeit zu maximieren. Diese Maximierung wird bei der oben dargestellten Altersklassenvariante durch den Beginn der Endnutzung im Alter 95 beendet. Die Abtriebswerte sind bei der Altersklassenvariante deutlich höher als bei der Waldumbauvariante, bei der die vorgezogenen Zieldurchmesserernte den Vorrat des Bestandes auf 400 Vfm je ha begrenzt (verglichen mit 700 Vfm bei der Altersklassenvariante). Die „Kosten des Waldumbaus“ Um die direkten „Kosten des Waldumbaus“ als Differenz der Kapitalwerte der beiden Behandlungsvarianten zu ermitteln, müssen die ermittelten finanziellen Ergebnisse der beiden Varianten (s. Tabelle 8.1) auf den Beginn der Simulation diskontiert werden. Der Kapitalwert im Alter 30 für beide Varianten wird daher ermittelt als die Summe der diskontierten erntekostenfreien Erlöse bis zum Alter 110 plus der diskontierte Abtriebswert im Alter 110. Mit einem Diskontierungszinsfuß von 1% ergibt sich für die Altersklassenvariante ein Wert von 24.116 € je ha. Für die Waldumbauvariante errechnet sich bei diesem Zinsfuß ein Kapitalwert von 17.691 € je ha, was zu einer Kapitalwertdifferenz des Umbaus von 6425 € je ha im Alter 110 unter den gegebenen Preis-Kosten-Relationen führt. Dies entspricht beim Waldumbau einer direkten Einbuße von 27% bezogen auf die Altersklassenvariante (s. Abbildung 8.2). Eine Veränderung der PreisKostenverhältnisse im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse führt zu keinen nennenswerten Abweichungen von dieser Differenz. Abbildung 8.2 zeigt jedoch, dass der Kapitalwert und damit auch die „direkten Kosten“ des Umbaus sehr stark vom Kalkulationszinsfuß abhängig sind. Bei einem Zinsfuß von 3% reduzieren sich die ermittelten Kosten des Umbaus auf 939 € je ha bzw. rund 13% des Wertes für die Altersklassenvariante. Der Hauptgrund hierfür liegt darin, dass sich die früheren finanziellen Rückflüsse bei der Umbauvariante (die Zieldurchmesserernte beginnt hier 25 Jahre früher) bei einem höheren Diskontierungszinsfuß wesentlich stärker auswirken. Zum zweiten sind die deutlich höheren erreichten Abtriebswerte, die am Ende der Simulation bei der Altersklassenvariante erreicht werden, von geringerer Bedeutung wenn der Zinsfuß ansteigt. Diese Ergebnisse stimmen recht gut mit denen von Knoke und Plusczyk (2001) überein, die mit einer ähnlichen Versuchsanordnung einen Zinsfuß von 2,6 % ermitteln, bei dem eine Waldumbau- und eine Altersklassenvariante ähnliche Kapitalwerte erbringen.

256

M. Hanewinkel, G. Navarro

A kl-1 U m -1 A kl-3

250 00

U m -3

225 00 1%

200 00 175 00 150 00 €/ha

125 00 100 00 3%

750 0 500 0 250 0 0 40

50

60

70

80

90

100

110

A lter

Abbildung 8.2: Kapitalwerte (Summe ausscheidender und verbleibender Bestand) bis zum Alter t für die Altersklassenvariante (Akl) und die Waldumbauvariante (Um) für Zinsfüße von 1% (Akl-1/Um-1) und 3% (Akl-3/Um -3) Langfristige ökonomische Effekte und Gesamtbewertung der Überführung Um zu einer über die direkten Kosten des Umbaus hinausgehenden Bewertung zu gelangen, ist es notwendig, neben den direkten Kosten des Umbaus auch die ökonomischen Prozesse, die nach Abschluss des Umbaus wirken, abzubilden. Tabelle 8.2: Kapitalwerte (in € je ha) während des Umbaus (NPVT) für die Altersklassenvariante Akl und die Umbauvariante (Um); Kapitalwert nach Abschluss des Umbaus (NPVWaT) und Kapitalhaltungswert (HV) für die Altersklassenvariante. Berechnung für zwei verschiedene Kalkulationszinsfüße: Akl-1/ Um-1: r = 1%. Akl-3/Um-3: r = 3% NPVT Akl -1 Um -1 Akl - 3 Um -3

24116 17691 7400 6461

s. Formeln 8.3, 8.4 und 8.5. - = nicht berechnet

NPVWaT 20468 -527 -

HV 33349 7350 -

8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus

257

Die Tabelle 8.2 zeigt die Ergebnisse der Kalkulation der langfristigen Effekte und Gesamteffekte des Umbaus für zwei verschiedene Zinsfüße. Der NPVWaT für die Altersklassenvariante wurde mit Hilfe von Formel 8.3 und den finanziellen Daten aus Tabelle 8.1 errechnet. Er beläuft sich auf 20.486 € je ha bei einem Zinsfuß von 1% und auf –527 € je ha für einen Kalkulationszins von 3%. Der Kapitalhaltungswert, kalkuliert nach Formel 8.5, beläuft sich auf 33.349 € (1%) bzw. 7350 € (3%) . Wie erwähnt, wurde aufgrund der technischen Begrenztheit des Simulators der Kapitalwert nach Abschluss des Umbaus für die Umbauvariante (NPVWaTUA) nicht berechnet. Wird jedoch der Kapitalwert während des Umbaus für die Umbauvariante (NPVTTR) in Verbindung mit dem Kapitalhaltungswert der Altersklassenvariante (HVAKl) verwendet, so lässt sich errechnen, wie hoch NPVWaTUA mindestens sein sollte und zusätzlich, welchen jährlichen finanziellen Reinertrag das ungleichaltrige Modell mindestens erbringen sollte, um den Waldumbau vom finanziellen Standpunkt aus als erfolgreich zu bezeichnen. Diese Grenzanalyse, die nur für die gegebenen PreisKosten-Verhältnisse gültig ist, wird durchgeführt, in dem Formel 8.5 in Formel 8.5a umgeformt wird:

NPVWaTUA min

( HV Ak NPVTUm ) * qW s

Formel 8.5a

Setzt man nun die Werte der Tabelle 8.2 in Formel 8.5 ein, so erhält man den gewünschten Wert für das ungleichaltrige Modell bei einem Zinsfuß von 1%.

NPVWaTUA min

(33.349 17.691) * (1 0,01)11030

34.709

und bei einem Zinsfuß von 3%:

NPVWaTUA min

(7.350 6.461) * (1 0,03)110 30

9.465

Aufgrund der direkten „Kosten“ des Umbaus ist der vom ungleichaltrigen Modell zu erzielende Wert für den Kapitalhaltungswert deutlich höher als der für die Altersklassenvariante (s. Tabelle 8.2). Um diese Unterschiede in den Kapitalwerten auszugleichen, muss der Kapitalwert der langfristigen Ein- und Auszahlungen nach Ende des Umbaus bei der Umbauvariante deutlich höher sein als bei der Altersklassenvariante. Die Höhe des notwendigen Reinertrages, der diesem Kapitalwert zugrunde liegt, lässt sich mit Hilfe von Formel 8.4 errechnen. Formel 8.4 wurde dahingehend vereinfacht, dass anstelle des periodischen Reinertrages eines n-jährigen Eingriffszyklus der mittlere jährliche Reinertrag (vaca) ermittelt wird (Formel 8.4a):

va ca

NPVWaTUA min . * r

Formel 8.4a

Mit einem Zinsfuß von 1% sollte unter den unterstellten Preis-KostenVerhältnissen der Modellstudie die ungleichaltrige Variante einen andauernden

258

M. Hanewinkel, G. Navarro

jährlichen Reinertrag (Deckungsbeitrag II, ohne Berücksichtigung von Verwaltungskosten) von 347 € je Jahr und ha erbringen, um den Umbau im Vergleich zu einer Altersklassenvariante als ökonomisch erfolgreich zu bewerten. Bei einem Zinsfuß von 3% wären dies rund 284 € je ha. Empirische Untersuchungen (Hanewinkel 2001) in Fichten-Tannen-Plenterwäldern zeigen, dass diese Ergebnisse unter vergleichbaren Preis-Kosten-Verhältnissen von ungleichaltrigen Nadelbaum-dominierten Wäldern selbst mit ungünstigen Voraussetzungen erzielbar sein sollten, wobei hierbei berücksichtigt werden muss, dass die Ergebnisse aus den untersuchten relativ tannenreichen Plenterwäldern nicht direkt auf die im Simulationsexperiment unterstellten Fi-Bu-Mischwälder übertragbar sind. Tabelle 8.3: Deckungsbeiträge zweier Varianten ungleichaltriger Wälder basierend auf einer Modellstudie von Hanewinkel 2002 (verändert) Ungleichaltriger Wald Variante Bruttoertrag Erntekosten

Günstig €/ha €/m3 800,7 94,9 162,6 19,2

Ungünstig €/ha €/m3 591,6 63,8 199,4 21,5

Deckungsbeitrag I

638,1

75,7

392,2

42,4

Variable Flächengemeinkosten Pflanzung 0,9 Jungbestandspflege 23,6 Summe 24,5

0,1 2,8 2,9

16,8 12,9 29,7

1,8 1,4 3,2

Deckungsbeitrag II

613,6

72,6

362,5

39,4

Tabelle 8.3: zeigt die Ergebnisse einer Modellstudie (Hanewinkel 1998, 2002) für ungleichaltrige Wälder (Plenterwald) in Bezug auf den Deckungsbeitrag bei vergleichbaren Preis-Kosten-Verhältnissen wie in dem o.g. Simulationsexperiment. Selbst bei der ungünstigen Variante (kein Wertholzanteil, Einfluss von Risiko) des ungleichaltrigen Waldes werden mehr als 360 € je ha an Deckungsbeitrag II erzielt. 8.1.4 Sensitivitätsanalysen Die vorliegenden Kalkulationen, bei denen zwei waldbauliche Behandlungsvarianten miteinander verglichen werden, haben die Besonderheit, dass beide Varianten aus der Sicht der Logik der jeweiligen Variante nicht optimiert sind. Dies schränkt die Möglichkeiten der Verallgemeinerung der vorliegenden Ergebnisse ein. Eine solche Optimierung könnte unter mehrfachen Gesichtspunkten vorgenommen werden: für die Altersklassenvariante ist das klassische Optimierungskriterium die Umtriebszeit, aber auch veränderte Durchforstungsoder Zieldurchmessererntestrategien könnten Gegenstand einer Optimierung sein.

8.1 Finanzielle Konsequenzen des Waldumbaus

259

Für die Umbauvariante könnten Pflanzenzahlen, Beginn und Ende des Umbaus sowie die Pflanzintervalle zusätzliche Optimierungskriterien sein. All diese Kriterien sind abhängig vom gewählten Zinsfuß. Eine Optimierung beider Varianten unter gleichzeitiger Berücksichtigung aller Kriterien ist eine sehr komplexe Aufgabe, die den Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengen würde. Daher sollen hier lediglich einige wichtige Einflussgrößen im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse näher untersucht werden. Im vorigen Kapitel wurde gezeigt, wie sensitiv die Ergebnisse bei dem vorliegenden auf eine Veränderung des Zinsfußes reagieren. Die Kapitalwertdifferenzen während des Umbaus verringert sich bei einer Erhöhung des Zinsfußes von 1 auf 3% drastisch. Der minimal notwendige Kapitalwert der langfristigen Ein- und Auszahlungen nach Abschluss des Umbaus, um die Kapitalwerteinbußen während des Umbaus auszugleichen, sinkt erwartungsgemäß ebenfalls, wenn der verwendete Zinsfuß höher ist. Damit sinkt auch der jährlich zu erbringende minimal notwendige Reinertrag nach Abschluss des Umbaus von 347 € je ha auf 284 € je ha. Ein ebenfalls wichtiges Kriterium, das die Ergebnisse entscheidend mit beeinflussen kann, ist die Höhe der Pflanzkosten. Bei der Umbauvariante wird mit relativ hohen Pflanzkosten von 7669 € je ha bzw. 537 € je Lücke gerechnet. Insgesamt werden 5 Lücken angelegt, beginnend mit dem Alter 45 und endend mit Alter 85. Die auf den Abschluss des Umbaus im Alter 110 prolongierten Pflanzkosten belaufen sich auf 11060 € je ha bei einem Zinsfuß von 3% und auf 4242 € je ha bei einem Zinsfuß von 1%. Geht man anstelle von den relativ hoch angesetzten Pflanzkosten für Großpflanzen von um 2/3 geringeren Pflanzkosten von 2300 € je ha (z.B. für Wildlinge) aus, so verringert sich die Differenz der Kapitalwerte während der Überführung um 2970 € je ha für einen Zinsfuß von 1% und beträgt dann nur noch 3455 € je ha. Der minimal notwendige Kapitalwert der langfristigen Ein- und Auszahlungen nach Abschluss des Umbaus beträgt in diesem Fall nur noch 28127 € je ha, was einem jährlichen minimalen Reinertrag von 281 € je ha entspricht. Bei einem Zinsfuß von 3% übersteigt bei diesem Szenario der Kapitalwert der Umbauvariante im Alter 110 den der Altersklassenvariante und zwar um 6803 €. Dies zeigt, welch große Bedeutung die unterstellten Pflanzkosten haben. 8.1.5 Schlussfolgerungen Bei Waldumbau und Überführung kommt es zu ökonomischen Auswirkungen, die sich auf mehreren zeitlichen Ebenen auswirken. Neben den direkten Auswirkungen des Umbaus, die sich auf einen endlichen Zeitraum (den Umbau/Überführungszeitraum) beziehen, treten Effekte auf, die sich auf den zeitlich nicht begrenzten Zeitraum nach Abschluss des Umbaus/der Überführung beziehen. Wie das vorliegende Simulationsexperiment, das den Umbau eines 30-jährigen Fichten-Reinbestandes auf einer mittleren Standortseinheit der montanen Höhenstufe im Untersuchungsgebiet Südschwarzwald zeigt, können die direkten öko-

260

M. Hanewinkel, G. Navarro

nomischen Effekte (hier vereinfacht als „Kosten des Umbaus“ bezeichnet) erheblich sein. Bei einer Investitionsbetrachtung erreicht die Umbauvariante im vorliegenden Rechenbeispiel einen um 27% niedrigeren Kapitalwert (bei einem Kalkulationszinsfuß von 1%) als die Altersklassen-Referenzvariante. Diese Einbuße ist das Ergebnis der vorzeitigen Entnahme von potenziellen Wertzuwachsträgern insbesondere bei der Anlage der Verjüngungsgruppen zur Einbringung von Buchen und der damit verbundenen deutlich niedrigeren Endwerte (Abtriebswerte). Bei einem Umbau, bei dem auf die Anlage solcher Verjüngungsschächte verzichtet wird, ist diese Differenz deutlich niedriger. Es ist allerdings festzustellen, dass die kapitalwertbezogenen Unterschiede sehr stark vom verwendeten Diskontierungszinsfuß abhängig sind. Bei einem Zinsfuß von 3% statt 1% verringert sich die Differenz zwischen den beiden Varianten um mehr als die Hälfte auf 13%. Dies deckt sich mit Ergebnissen von Knoke und Plusczyk (2001), die ab einem Zinsfuß von 2,6% keinen Unterschied mehr zwischen einer Überführungs- und einer Altersklassenvariante mehr feststellen konnten. Ebenso zeigt sich, dass eine Variation der Pflanzkosten bei der Investitionsbetrachtung sehr starken Einfluss auf die Ergebnisse hat. Werden um zwei Drittel niedrigere Pflanzkosten unterstellt, so stellt sich die Umbauvariante bezogen auf den Umbauzeitraum bei einem Zinsfuß von 3% günstiger als die Altersklassenvariante dar. Aus der vorliegenden Untersuchung geht jedoch hervor, dass die ausschließliche Betrachtung des Umbau- bzw. Überführungszeitraumes nicht ausreichend ist, sondern dass dem Zeitraum nach Abschluss der Überführung – abhängig vom verwendeten Zinsfuß – erhebliche Bedeutung zukommt. Der hier verwendete Kapitalhaltungswert berücksichtigt diesen Aspekt. Es zeigt sich, dass die Frage, wie sich ungleichaltrige Wälder langfristig gegenüber gleichaltrigen Wäldern ökonomisch darstellen, auch für die ökonomische Bewertung des Umbaus und der Überführung von entscheidender Bedeutung ist. Die Ergebnisse von Modelluntersuchungen und empirischen Studien, die sich auch auf das Projektgebiet Südschwarzwald anwenden lassen (Hanewinkel 1998, 2001b, 2002), zeigen, dass ungleichaltrige Wälder, insbesondere klassische Plenterwälder, langfristige ökonomische Ergebnisse erwarten lassen, die auch Einbußen, die während des Umbau- und Überführungszeitraumes auftreten können, ausgleichen können. Die hier durchgeführten Sensitivitätsanalysen in Bezug auf den verwendeten Zinsfuß und die unterstellten Pflanzkosten zeigen, dass mit steigendem Zinsfuß der minimal notwendige Kapitalwert der langfristigen Ein- und Auszahlungen nach Ende des Umbaus sinkt. Mit niedrigeren Pflanzkosten sinkt die Differenz der Kapitalwerte zwischen den beiden Varianten während des Umbaus. Auch dies ist mit wesentlich niedrigeren minimal notwendige Kapitalwert der langfristigen Einund Auszahlungen nach Ende des Umbaus verbunden.

8.2 Risikoprognose mit neuronalen Netzen

261

8.2 Risikoprognose mit neuronalen Netzen – am Beispiel von Umbaubetrieben M. Hanewinkel, W. Zhou

8.2.1 Einleitung Waldumbau- und Überführungsmaßnahmen sind in besonderem Umfang von Risiken betroffen. Die Eingriffe finden teilweise in Beständen statt, die bereits ein Alter überschritten haben, das eine vorsichtige Stabilisierung mittels Durchforstungsmaßnahmen ermöglicht hätte. Teilweise werden bei Umbaumaßnahmen auch besonders risikoreiche waldbauliche Eingriffe, wie die Anlage von Verjüngungsschächten, durchgeführt. Daher ist eine intensive Risikoanalyse auf Betriebsebene mit Hilfe von historischen Risikodaten zur Entwicklung von risikoangepassten Umbau- und Überführungsmaßnahmen erforderlich. In der vorliegenden Untersuchung wurde das Risiko durch Sturm und Schnee bei zu überführenden Forstbetrieben in zweifacher Hinsicht untersucht. Zum einen werden mit Hilfe eines Künstlichen Neuronalen Netzes Risikoklassen für das Risiko von Sturm- und Schneeschäden ausgeschieden (Hanewinkel et al. 2003). Diese Risikoklassen können anschließend über ein geographisches Informationssystem dargestellt und für eine visualisierte Entscheidungsunterstützung in Überführungsbetrieben verwendet werden. Zum anderen werden auf der Basis historischer, digitalisierter Forstkarten altersstufenweise Übergangswahrscheinlichkeiten ausgeschieden. Diese Übergangswahrscheinlichkeiten können neben einer unmittelbaren Verwendung für die Modifikation ökonomischer Kenngrößen auch dafür eingesetzt werden, Risikoprämien als Grundlage eines Versicherungsmodells zu ermitteln. Das Verfahren hierzu wird im Beitrag von Hanewinkel und Holecy in diesem Band beschrieben. 8.2.2 Ermittlung des Risikos mit Hilfe von neuronalen Netzen auf der Basis von Verbuchungsdaten Material und Methoden Von mehreren Staatswaldforstbetrieben im Projektgebiet Südschwarzwald auf einer Fläche von rund 12.000 ha wurden historische Nutzungsdaten der letzten 70 Jahre aus Wirtschaftbüchern, in denen die Nutzungen getrennt nach planmäßigen

262

M. Hanewinkel, W. Zhou

und so genannten „zufälligen Nutzungen“ durch Sturmwurf, Schneebruch, Insekten und sonstige Einflüsse auf Abteilungsebene verbucht wurden, erhoben. Zusätzlich wurden sämtliche verfügbaren historischen und aktuellen Wirtschaftskarten sowie die Standortskarten erfasst. Seit Mitte der 1980er Jahre sind diese Daten in elektronischer Form auf Datenträgern vorhanden. Diese wurden ebenfalls erfasst. Eine weitere Datengrundlage für die Risikoanalyse bilden die Forsteinrichtungsdaten der analysierten Betriebe über die letzten 70 Jahre. Die Revierbücher mit den numerischen und verbalen Bestandesbeschreibungen wurden nach einem standardisierten Eingabeschlüssel ebenfalls in eine Datenbank aufgenommen. Die Datenbank wurde als vollständig relationale Datenbank realisiert, in der neben den Verbuchungsdaten vorwiegend Inventurdaten aus der konventionellen Forsteinrichtung, die manuell erhoben wurden, sowie ab 1985 elektronisch erfasste Daten gespeichert sind. Betrieb, Distrikt und Abteilung kennzeichnen den Waldort. Die Zielgröße der Risikomodellierung (abhängige Variable) ist der Schaden auf Abteilungsebene, der über eine Look-up Tabelle in der Datenbank nach Sturm, Schneebruch und Insekten verschlüsselt wurde. Daneben wurden reguläre Nutzungen verbucht, die getrennt nach Vor-und Endnutzungen erfasst wurden. Die erfassten planmäßigen Nutzungen dienten vor allem der Korrektur bei der Modellierung der Übergangswahrscheinlichkeiten (s.u.). Die erklärenden (unabhängigen) Variablen wurden vorwiegend aus den erfassten Bestandesbeschreibungen gewonnen. Wie bei den Verbuchungsdaten wurden bei den Bestandesbeschreibungen sämtliche vorhandenen Revierbücher von 1927 bis 1985 manuell erfasst. Ab 1985 wurde auf digital vorhandene Daten zurückgegriffen. Zur Analyse der digital vorhandenen Textfiles ab 1985 wurde ein Skript geschrieben, dass die für die Risikoanalyse wichtigen Daten aus den Files extrahiert und in einem Formular ablegt. Neben den Daten auf Bestandesebene wurden zusätzlich noch Baumartendaten wie Flächenanteile, Bonität, ... sowie Elemente der verbalen Bestandesbeschreibung (z.B. bereits vorhandene Schadensmerkmale in den Einzelbeständen) erfasst. Für eine grobe Risikoanalyse auf der Ebene von Waldentwicklungstyp und Altersstufe wurden die Bestandesdaten als unabhängige Variable verwendet. Für eine verfeinerte Analyse wurden zusätzlich Daten aus dem digitalen Geländemodell wie Exposition, Hangneigung und Höhe verwendet (s.a. modifizierter Topex-Index). Die Hauptschwierigkeit, die sich bei der Nutzung des derzeit erhobenen und im Rahmen einer Risikoanalyse sicherlich in Deutschland einmaligen Datenmaterials ergibt, ist die Tatsache, dass die Daten nur auf Abteilungsebene verbucht wurden und damit eher unscharf sind. Hier wurde versucht, dies durch einen neuen methodischen Ansatz auszugleichen, in dem nicht auf eine klassische statistische Analyse bei der Risikoprognose gesetzt wurde, sondern auf die Anwendung von Verfahren der künstlichen Intelligenz, insbesondere auf sog. künstliche neuronale Netze (KNN). KNN sind eine neuere Technologie aus dem Forschungsgebiet der künstlichen Intelligenz, die in erster Linie entwickelt wurden, um mit komplexen und schlecht

8.2 Risikoprognose mit neuronalen Netzen

263

definierten Problemen, wie zum Beispiel mit Mustererkennung (Patterson 1996), umzugehen. KNN sind in der Lage, aus unvollständigen, gestörten und „verrauschten“ Datensätzen zu lernen. Daher sollten sie besonders für den Umgang mit Datensätzen, die Risiko betreffen, geeignet sein. Anwendungen künstlicher neuronaler Netze im forstlichen Bereich beschränken sich derzeit noch auf die Mortalitätsabschätzung, (Guan und Gertner 1991; Guan und Gertner 1995), die Erfassung von Unsicherheit bei Wuchsmodellen (Guan et al. 1997), die forstliche Landnutzungsplanung (Nogami 1991) und die Verjüngungsmodellierung (Hasenauer et al. 2000). Der erste Schritt, eine Risikoprognose mit Hilfe eines neuronalen Netzes zu starten, besteht darin, Eingabevariable (Knoten, Perceptrons) zu definieren, die für die Eingabeschicht des neuronalen Netzes benutzt werden sollen. Dieser Schritt ist identisch mit der Festlegung der erklärenden (unabhängigen) Variablen bei einem statistischen Modell. Bei der vorliegenden Fragestellung werden die Knoten der Eingabeschicht durch die Inventurparameter bestimmt. Der nächste Schritt besteht darin, die Architektur (Topologie) des neuronalen Netzes festzulegen. Da es hierfür keine allgemein gültige Regel gibt, ist dies ein sehr komplexer „trial and error“-Prozess (Nauck et al. 1994). Ein neuronales Netz, das für ein so schwieriges Problem wie die Risikoprognose einsetzbar sein soll, muss jedoch mindestens über eine Eingabeschicht (input layer), eine verdeckte Schicht (hidden layer) und eine Ausgabeschicht (output layer) verfügen. Die verschiedenen Knoten (Perceptrons) des neuronalen Netzes werden anschließend über gewichtete Verbindungen miteinander verknüpft. Jedes Perceptron des Netzes bewertet die Summe des gewichteten Inputs, den es erhält, mit einer spezifischen Aktivierungsfunktion und übermittelt das Ergebnis zu jedem Perceptron, mit dem es verknüpft ist. Neben den klassischen sigmoidalen Aktivierungsfunktionen, wie sie z.B. bei Hanewinkel et al. (2003) durchgängig und bei dem hier vorgestellten Beispiel für die verdeckte Schicht verwendet wurden, wurde für den output-layer des voriegenden Modells der tangens hyperbolicus (Formel 8.6) als Aktivierungsfunktion für die Ausgabeschicht eingesetzt (Patterson 1996):

f ( Ex ) mit: x E

tanh Ex = =

e Ex e Ex e Ex e Ex

Formel 8.6

Eingabe der Aktivierungsfunktion und Steigung der s-förmigen Kurve der tanh Funktion

Der endgültige Ausgabewert, der die Ausgabeschicht des neuronalen Netzes verlässt, wird mit einem Zielwert verglichen. Die Differenz zwischen dem Zielwert und dem Ausgabewert, die den Fehler des Netzes repräsentiert, wird minimiert, indem dieser Fehler durch das Netzwerk mittels eines als „Backpropagation“ (Rumelhart und McClelland, 1986) bezeichneten Vorganges

264

M. Hanewinkel, W. Zhou

zurücktransferiert wird. Dabei werden die Gewichte der Verbindungen zwischen den einzelnen Perceptrons adjustiert. Die Fehlerfunktion, die den mittleren quadratischen Fehler für jedes Eingabemuster berechnet, hat die folgende Form:

1 m p ¦ t k z kp pk1

Ep

mit: 1..p

t

p k

=

2

Formel 8.7

Anzahl der Trainingsmuster:

=

bekannter Ausgabewert (Zielwert) der kten Variable des Trainingsmusters p

z kp

=

berechneter Wert der Variablen k für das Trainingsmuster p

k

=

1..m Anzahl der Variablen, die ein Eingabemuster beschreiben

Diese Art des überwachten Lernens („supervised learning“) verwendet den „Backpropagation algorithm“ und die generalisierte Deltaregel („generalized delta rule“, Rumelhart und McClelland 1986), um die Gewichte der verschiedenen Verbindungen zwischen den Knoten (Perceptrons) anzupassen. Die Höhe der Gewichtsadjustierung wird durch den Lernkoeffizienten K bestimmt. Die Konvergenzrate des Netzwerkes kann dadurch verbessert werden, dass ein sog. Momentum term D zum Term des Gradienten addiert wird. Dies bedeutet, dass ein Teil der vorherigen Veränderung der Gewichte zu der aktuellen Veränderung addiert wird (s. Formel 8.8; Patterson 1996: 187 f).

'w j (t 1)

K

wE D'w j (t ) ww j (t ) Formel 8.8

mit: 'wj(t) 'wj(t+1) E K D

= = = = =

vorherige Veränderung der Gewichte aktuelle Veränderung der Gewichte Fehler Lernkoeffizient „momentum term“

Um die Gewichte innerhalb des beschriebenen Lernprozesses auf diese Weise zu adjustieren, ist es erforderlich, das neuronale Netz mit einem Trainingsdatensatz zu konfrontieren. Die Leistungsfähigkeit des Netzes muss anschließend dann mit einem Testdatensatz evaluiert werden, der nicht Teil der Trainingsdatenmenge war. Die hier vorgestellte Architektur eines neuronalen Netzes und der Lernprozess sind nur eine Möglichkeit unter vielen, eine neuronales Netz zu konfigurieren und zu trainieren (Nauck et al. 1994). In der Untersuchung von Hanewinkel et al. (2004) wurden erstmals neuronale Netze bei der Risikoprognose eingesetzt. Für diese Publikation wurde ein Datensatz verwendet, in dem die verbuchten Schäden auf Bestandesebene

8.2 Risikoprognose mit neuronalen Netzen

265

vorlagen (Hinrichs 1994). Bei der Untersuchung zeigte sich, dass ein solches neuronales Netz einem klassischen statistischen Ansatz (logistische Regression) bei der Prognose der Schadensdisposition von Beständen deutlich überlegen ist. Diese Überlegenheit war um so größer, je höher die Schadensschwelle (5m3 bzw. 10m3 je ha Sturmschaden) gewählt wurde. Beim Einsatz des neuronales Netzes im Rahmen des vorliegenden DSS sollten mit Hilfe eines Lernprozesses auf Abteilungsebene Risikomuster für größere Waldflächen erkannt werden. Erste Versuche mit künstlichen neuronalen Netzen (Hanewinkel und Zhou 2000) haben gezeigt, dass es offensichtlich möglich ist, ein künstliches neuronales Netz mit einfachen Forsteinrichtungsdaten wie Altersklassen-, Volumenverteilung, Fläche der Standortseinheiten, Fläche der Bestandestypen als Eingabedaten so zu trainieren, dass Risikomuster, das heißt die Verteilung der einzelnen Abteilungen eines Forstbetriebes auf Risikoklassen für Sturmwurf und Schneebruch, erlernt werden können. Ergebnisse Für die vorliegende Untersuchung wurde als Aufbau ein 3-schichtiges vorwärtsgetriebenes (3-layered feed-forward) künstliches neuronales Netzwerk mit Backpropagation-Algorithmus und dem Tangens hyperbolicus als Aktivierungsfunktion gewählt. In der Eingabeschicht, die bei einer klassischen statistischen Analyse den unabhängigen Variablen eines Modells entsprechen würde, sind Merkmale zu finden, die aus sehr einfachen Inventurdaten für die Abteilungen eines Staatswaldbetriebes im Südschwarzwald hergeleitet wurden (z.B. Vorratsverteilung, Altersflächenverteilung, Standortsverteilung). Die Ausgabeschicht wird in diesem Fall durch die abhängige Variable „Sturmschaden“ gebildet. Einem künstlichen neuronalen Netz dieser Struktur wurden die Ergebnisse von 120 Abteilungen des Staatswaldes Schluchsee im Projektgebiet für das Jahrzehnt 1976 bis 1985 als Trainingsdatenset präsentiert. Die Abbildung 8.3 zeigt, wie die Output-Werte (Netzausgabewerte) zu Beginn des Lernprozesses (nach 12 sog. „Epochen“, d.h. Lerndurchgängen, in denen die Eingabe- und Ausgabewerte dem Netz präsentiert wurden) mehr oder weniger zufällig verteilt sind und noch kaum von den Zielwerten (d.h. den tatsächlichen Werten für den Sturmschadensanfall) beeinflusst sind.

266

M. Hanewinkel, W. Zhou

Abbildung 8.3: Resultat des Lernprozesses (Sturmschäden) nach 12 Epochen Schwarze Linie = Zielwerte (tatsächliche Schadenswerte) -- Graue Linie = Ausgabewerte des Netzwerkes (Resultat des Lernprozesses) Pat.Index = Nummer des jeweiligen Lernmusters (Abteilung)

Nach 2000 Epochen (Abbildung 8.4) zeigt der Lernprozess jedoch einen signifikanten Erfolg, die Netzausgabewerte sind bei sehr vielen Mustern nahezu identisch mit den Zielwerten – der Lernprozess war in diesem Fall erfolgreich, das Netzwerk hat das den Eingabe- und Ausgabewerten zugrundeliegende Muster „erkannt“. Die Prognosefähigkeit des verwendeten neuronalen Netzes ist derzeit noch verbesserungswürdig. Zwar konnten bei der Sturmwurfprognose für ein bestimmtes Jahrezehnts bei einem Staatswaldbetrieb rund 70% der Abteilungen korrekt zugeordnet werden, allerdings kommt es vor allem bei den höheren Risikoklassen noch vermehrt zu Fehlklassifikationen. Gerade stärkere Sturmwurfund Schneebruchereignisse sind jedoch von besonderem Interesse bei einer Risikoprognose. Dies liegt in erster Linie daran, dass die Aufbereitung der relativ unscharfen Verbuchungsdaten noch intensiviert werden muss, z.B. durch Digitalisierung der vorhandenen historischen Forstkarten, um die räumliche Lage der betroffenen Abteilungen und Waldbestände zu ermitteln und durch Verteilung des derzeit nur auf Abteilungsebene verbuchten Schadens auf Einzelbestände, um die Datenbasis der Prognose zu verbessern.

8.2 Risikoprognose mit neuronalen Netzen

267

Abbildung 8.4: Resultat des Lernprozesses für Sturmschäden nach 2000 Epochen Schwarze Linie = Zielwerte (tatsächliche Schadenswerte) -- Graue Linie = Ausgabewerte des Netzwerkes (Resultat des Lernprozesses) Pat.Index = Nummer des jeweiligen Lernmusters (Abteilung)

Die Ergebnisse, die sich beim Einsatz des neuronalen Netzes für die Stumschadensprognose im Vergleich zu einem konventionellen statistischen Modell (logistische Regression) gezeigt haben, sind außerordentlich vielversprechend, wie die folgende Tabelle 8.4 zeigt. Als geschädigt klassifiziert wurde bei beiden Modellen eine Abteilung, bei der eine Schadenswahrscheinlichkeit (logistische Regression) bzw. eine Netzausgabe (neuronales Netz) von 0,5 überschritten wurde. Tabelle 8.4: Prognoseergebnisse und Leistungsfähigkeit des neuronalen Netzes (network) im Vergleich zu einem konventionellen statistischen Modell (Logistisches Modell) bei Anwendung auf zwei Trainingsdatensätze (TNS) und zwei Testdatensätze (TTS) mit zwei Schadensschwellen: 05 (= 5 Efm je ha Sturmschaden) , 10 (= 10 Efm je ha Sturmschaden). Observed = tatsächlicher Schadensanteil in % der Fälle. Prognose von Sturmschäden – Zeitraum 1976-1985, Staatswald Schluchsee Schaden

Beobachtet ohne mit

Logistisches Modell ohne mit

Network ohne mit

TNS_05

60,7

39,3

65,1

34,9

60,7

39,3

TTS_05

56,8

43,2

70,3

29,7

56,8

43,2

TNS_10

77,7

22,3

83,0

17,0

76,6

23,4

TTS_10

75,7

24,3

81,1

18,9

64,9

35,1

Am Beispiel des Staatswaldes Schluchsee für das Jahrzehnt 1976 bis 1985 zeigt sich, dass das neuronale Netz in der niedrigeren Schadensklasse eine wesentlich

268

M. Hanewinkel, W. Zhou

höhere Prognosegenauigkeit aufweist als eine konventionelle logistische Regression. Die Schadensklassen der verschiedenen Abteilungen werden bei einem relativ niedrigen Schadensgrad (5 Efm je ha Abteilungsfläche) vom Netz sowohl für das Trainingsset als auch für das Testset (das ausschließlich Abteilungen beinhaltet, die für das neuronale Netz unbekannt sind) zu 100% richtig vorausgesagt. Das statistische Modell zeigt eine deutliche Tendenz zur Unterschätzung der Schäden. Für die höhere Schadensklasse (10 Efm je ha Schadensmenge) ist eine ähnliche Genauigkeit der Voraussage beim neuronalen Netz nur bei den (für das Netzwerk bereits bekannten) Trainingsdaten zu beobachten, während bei den unbekannten Testdatensätzen eine Überschätzung eintritt. Die Tabelle 8.5 zeigt die Leistungsfähigkeit der beiden Modelle anhand der Sensitivität (Anteil der korrekt identifizierten Muster einer Klasse) und des mittleren Sensitivitätsfehlers (MSSE- nach Lawrence 1998:303). Wie bereits aus Tabelle 8.4 hervorgeht, ist die Prognosegenauigkeit des Netzes für beide Trainingsdatensätze (TTN_05 und TTN_10) für geschädigte und ungeschädigte Abteilungen deutlich höher als die der logistischen Regression. Der MSSE des neuronalen Netzes ist daher wesentlich niedriger und die Gesamt-Sensitivität höher. Die Fähigkeit, ungeschädigte Abteilungen in den Test-Datensätzen zu erkennen, (TTS_05 und TTS_10) ist jedoch bei der logistischen höher, insbesondere bei der höheren Schadensschwelle. Dafür hat das neuronale Netz eine deutlich höhere Sensitivität bei den geschädigten Abteilungen, vor allem bei der niedrigeren Schadensschwelle. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Hanewinkel et al. (2004) für die Schadensprognose auf Bestandesebene. Die Gesamtsensitivität für die Testsets ist beim neuronalen Netz in der niedrigeren Schadensklasse höher, während sie bei der logistischen Regression für die höhere Schadensklasse höher liegt. Tabelle 8.5: Leistungsfähigkeit des neuronalen Netzwerkes (network) verglichen mit der Logistischen Regression (Logistisch) für zwei Trainingsdatensets (TNS) und zwei Testdatensets (TTS) und zwei Schadensklassen: -05 (= 5 m3 je ha Sturmschaden), _10 (= 10 m3je ha Sturmschaden). Leistungsmaße: Sensitivität = Anteil (in %) der korrekt klassifizierten Ereignisse einer Schadensklasse und mittlerer Sensitivitätsfehler (Mean Squard Sensitivity Error - MSSE) nach (Lawrence et al., 1998:303). Datensatz

Modell

Schaden

TTN_05 TTS_05 TTN_10 TTS_10

Sensitivität (%) ohne

mit

MSSE

gesamt

Logistisch

88,2

70,5

81,3

Network

100,0

100,0

100,0

0,121

Logistisch

85,7

50,0

70,3

0,1352

Network

81,5

81,4

75,7

0,0584

0

Logistisch

93,1

52,0

83,9

0,105

Network

100,0

96,0

99,1

0,0008

Logistisch

92,9

66,6

83,8

0,1011

Network

75,0

66,7

73,0

0,0867

8.3 Quantifizierung von Risiko

269

8.3 Quantifizierung von Risiko durch altersstufenweise Ermittlung von Übergangswahrscheinlichkeiten mit Hilfe von digitalisierten Forstkarten M. Hanewinkel, J. Holecy

8.3.1 Material und Methoden Der Nachteil des oben skizzierten Verfahrens der abteilungsweisen Schadanalyse besteht darin, dass eine differenzierte einzelbestandesweise Risikomodellierung nicht möglich ist und dass lediglich relativ grobe Risikoklassen ausgewiesen werden können. Hanewinkel et al. (2003) haben gezeigt, dass es weder mit einem statistischen Ansatz noch mit einem neuronalen Netz sinnvoll ist, mehr als drei Risikoklassen auf der Basis von verbuchten Schadmengen (Efm je ha Sturmholz-, bzw. Schneebruchanfall) auszuscheiden. Eine Herleitung von Übergangswahrscheinlichkeiten, wie sie zur Einschätzung der Risikodisposition von ganzen Betriebsklassen erforderlich ist, ist damit jedoch nicht möglich. Spätestens seit den Arbeiten von Suzuki (1971) sind Übergangswahrscheinlichkeiten ein Standardparameter zur Charakterisierung des Risikos von Betriebsklassen. In größerem Umfang wurde die Methode von Kurth et al. (1987) für Fichten-Betriebsklassen in Sachsen angewendet, eine theoretische Diskussion in der Anwendung des Zielwaldmodells findet sich bei Klocek und Oesten (1991). Kouba (2002), der ebenfalls methodische Pionierarbeit bei der Entwicklung dieses Verfahrens geleistet hat, legt eine neuere grundlegende Arbeit zur Lebensunsicherheit von Wäldern vor, in der Übergangswahrscheinlichkeiten in Form von Lebenstafeln von Wäldern dargestellt wurden. Im Folgenden wird knapp beschrieben, wie im Projektgebiet altersstufenweise Übergangswahrscheinlichkeiten hergeleitet wurden. Eine detaillierte Beschreibung findet sich bei Holecy und Hanewinkel (2003). In einem sehr frühen Projektstadium wurden in großem Umfang forstliche Wirtschaftskarten digitalisiert, um über die räumliche Information, die in den historischen Wirtschaftskarten steckt, insbesondere über die in den Karten dokumentierte Veränderung im Zeitablauf, Informationen über das mit der forstlichen Produktion verbundene Risiko zu erhalten. Da die Digitalisierung extrem aufwändig war, musste sie auf zwei der vier Kernbetriebe, in denen die Forstkarten relativ vollständig vorlagen, konzentriert werden. Nur für diese ist derzeit die Datengrundlage zur Herleitung von Übergangswahrscheinlichkeiten vorhanden. Die eingescannten Forstkarten wurden georeferenziert und die einzelnen Bestandesgrenzen der jeweiligen Forstkarte mittels Bildschirmdigitalisierung

270

M. Hanewinkel, J. Holecy

erfasst. Die in den jeweiligen Shapefiles entstandenen Polygone wurden mit Hilfe der Forsteinrichtungsdatenbank attributiert. Anschließend wurden die Shapefiles zweier Forstkarten, die die selbe Fläche abbildeten, jedoch aus zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Jahrzehnten stammen, miteinander verschnitten. Aus den neu enstandenen Union-Shapefiles wurden sämtliche Kultur und Blößenflächen sowie die Bruchbestandsflächen der jüngeren der beiden Karten selektiert und es wurde überprüft, inwieweit die neu entstandenen Kulturflächen auf reguläre flächige Nutzungen zurückzuführen sind. Flächen, die vor diesem Alter eindeutig regulärer Nutzung zugeordnet werden konnten, wurden von der Risikomodellierung ausgeschlossen. Mit Hilfe der Attributtabellen der Union-Shapefiles konnte nun zunächst von jeder neu entstandenen Kultur- und Blößenfläche anhand der Altersstufe der ursprünglichen Fläche in der älteren der beiden Karten die Altersstufe, in der der Risikoanfall stattgefunden hat, identifiziert werden. Die Summe aller risikobedingten Kultur- und Blößenflächen einer Altersstufe dividiert durch die Gesamt-Flächensumme der Altersstufe ergibt die Ausfallwahrscheinlichkeit

Fn t = ¦ i dt

fˆi fˆ

k

mit fˆ

¦ fˆ

i

i 1

Formel 8.9

und: Fn(t) = n

fˆi k

=

ni Ni

=

=

Wert der empirischen Wahrscheinlichkeitsfunktion für den Schadenseintritt eines Bestandes im Alter (t) bei gleichverteilten Alterstufen insgesamt erwartete geschädigte Fläche (ha) innerhalb der Gesamtfläche (N) erwartete geschädigter Flächenanteil in der Altersstufe i Zahl der (10-jährigen) Altersstufen

Ursprünglich wurden für das Testgebiet, für das diese Auswertung durchgeführt wurde (Staatswald St.Blasien), für vier verschiedene räumliche Einheiten (Distrikte oder Gruppen von Distrikten) unterschiedliche empirische Verteilungen hergeleitet. Es wurde untersucht, inwieweit diese Verteilungen sich statistisch signifikant unterscheiden. Dazu wurde die Nullhypothese (H0)

H 0 : Fn1 (t ) Fn 2 (t )

0

Formel 8.10

mit Hilfe eines Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstests für jedes Paar von Funktionen für ein bestimmtes Signifikanzniveau (D = 0.05) getestet. Erwies sich die Differenz zwischen und Fn2(t) als nicht signifikant, wurden die beiden getesteten Paare zusammengelegt, um den Umfang der Stichprobe jeweils zu erhöhen. Auf diese Weise wurden die ursprünglich getrennten vier

8.3 Quantifizierung von Risiko

271

Flächeneinheiten zu zwei Flächeneinheiten zusammengefasst. Diese werden im folgenden als Fläche 1 und Fläche 2 bezeichnet Basierend auf der statistischen Analyse des Datenmaterials wurden die empirischen Verteilungsfunktionen der Flächen 1 und 2 mit Hilfe einer WeibullWahrscheinlichkeitsverteilung W (c;Ȗ) mit der Wahrscheinlichkeitsfunktion

F t 1 e ct

J

Formel 8.11

modelliert. Die Parameter c und Ȗ der unterstellten Verteilung W (c;Ȗ) wurden für jede der empirischen Verteilung nach der Quartil-Methode geschätzt. Die Anpassungsgüte der Weibull-Funktion wurde mit Hilfe eines weiteren Signifikanztests, dem nichtparametrischen einseitigen Kolmogorov-Smirnov-Test (Klein et al.1997) untersucht. Ein parametrischer Anpassungstest kam in diesem Fall aufgrund der geringen Zahl der Datenpunkte nicht in Frage. Dabei wurde die Nullhypothese (H0)

H 0 : Fn (t ) Fˆ (t )

0

Formel 8.12

getestet. Für beide Flächeneinheiten (Fläche 1 und Fläche 2) wurde mit Hilfe der Methode der kritischen Werte eine befriedigende Anpassung der Wahrscheinlichkeitsfunktion W (c;Ȗ) an die empirischen Verteilungsfunktionen festgestellt. Lediglich in den unteren Altersstufen zeigt sich eine leichte Unterschätzung des Schadens durch das Modell. 8.3.2 Ergebnisse am Fallbeispiel Staatswald St.Blasien Die Abbildung 8.5 zeigt die Anpassung der Weibull-Verteilung an die empirische Verteilung für die Fläche 1. Die modellierte Schadenseintrittswahrscheinlichkeit einer Altersstufe (t) innerhalb einer Stichprobe von (n) ha geschädigter Fläche ist dann gleich dem Wert

'Fˆ (t ) : 'Fˆ (t ) Fˆ (t ) Fˆ (t 1)

Formel 8.13

Um eine solche sog. Punktabschätzung pˆ t für den erwarteten Eintritt eines Schadens je ha in einer bestimmten Altersstufe (t) in einem durchschnittlichen Jahr durchführen zu können, wurde auf die folgende Beziehung zurückgegriffen:

pˆ (t )

k 'Fˆ (t ) fˆ

Formel 8.14

mit:

fˆ n= k=

n/ N

erwarteter Wert an insgesamt geschädigter Fläche insgesamt erwartete geschädigte Fläche (ha) innerhalb der Gesamtfläche (N) Zahl der (10-jährigen) Altersstufen

272

M. Hanewinkel, J. Holecy

1,00 empirisch

0,90

modelliert

0,80 0,70 F(t)

0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 10 20

30 40

50 60

70 80

90 100 110 120 130 140

Alter (t) Abbildung 8.5: Anpassung der Weibull-Verteilungsfunktion (Modell) an die beobachtete Verteilung (empirisch) für Fläche 1 – Staatswald St.Blasien. Parameter der Weibull-Verteilung (s. Formel 8.11): c = 0,000001939, Ȗ = 2,82356

0,014

Fläche 1

0,012

Fläche 2

0,010 0,008 p(t) 0,006 0,004 0,002 0,000 10

20

30 40

50

60 70

80 90 100 110 120 130 140

Alter

Abbildung 8.6: Schadenseintrittswahrscheinlichkeit p(t) (Flächenverlust je Jahr und ha) für zwei Flächeneinheiten (Fläche 1 und Fläche 2) des Staatswaldes St. Blasien anhand historischer Forstkarten. Beobachtungszeitraum 1975-1995. Schadensflächen (erwartet): Fläche 1 – 119,6 ha; Fläche 2 – 91,1 ha); Altersstufen standardisiert.

8.3 Quantifizierung von Risiko

273

Die Abbildung 8.6 zeigt die für den Staatswald St.Blasien empirisch hergeleiteten Schadenseintrittswahrscheinlichkeiten (Flächenverlust je Jahr und ha Altersstufe) für die Jahrzehnte 1975 bis 1995. Diese Wahrscheinlichkeiten sind als Resultat einer kumulierten Schadeinwirkung multipler Schadfaktoren aufzufassen und wurden als flächengewichtetes Mittel der beiden Jahrzehnte für zwei räumlich getrennte Waldteile des Staatswaldes St.Blasien (Fläche 1: Distrikt II, Distrikt III und IV und Fläche 2: Distrikt V bis IX) ermittelt. Die Abbildung zeigt für die beiden untersuchten Flächeneinheiten zwei grundsätzlich unterschiedliche Muster. Die Fläche 1 hat ein höheres Ausfallrisiko in den jüngeren Altersstufen (bis Altersstufe 8). Dieses ist in erster Linie auf die Auswirkung von Schneebruch und in geringerem Umfang auf Sturmwurf und Insekten zurückzuführen. In der 3. bis 8. Altersstufe sind hier flächige Verluste von 2-5% der Altersstufenfläche im Jahrzehnt zu verzeichnen. Diese Verluste steigen allerdings dann kaum noch mit den zunehmendem Alter der Bestände an und erreichen ein Maximum zwischen der Altersstufe 9 und 10. Die Fläche 2 hat in den höheren Altersstufen ein wesentlich höheres Risiko des Flächenausfalls. Hier sind klassische Sturmschäden zu beobachten, die zu flächigen Ausfällen führen. Insbesondere ältere Baumhölzer (Altersstufen 10, 11 und 12) sind von Risikoanfällen betroffen. Hier fallen im Jahrzehnt zwischen 11% und 12% der Altersstufe flächigen Ausfällen zum Opfer. Danach sinken die Ausfallswahrscheinlichkeiten deutlich ab und erreichen in der 14.Altersstufe die Werte der Fläche 1. Bei beiden Flächen ist zu beobachten, dass die höchsten Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht in den ältesten Beständen, sondern in den Altersstufen 8 bis 12 zu finden sind. Das bedeutet, dass die Risikodisposition ab einer bestimmten Altersstufe mit zunehmendem Alter nicht weiter zunimmt. Möglicherweise nimmt ab einem bestimmten Alter die Einzelbaumstabilität zu. Dies kann allerdings auch das Ergebnis eines Selektionseffektes sein, der dazu führt, dass labile Bestände bis zu einem bestimmten Alter bereits ausselektiert wurden und lediglich die stabileren überlebt haben. Bei Fläche 2 ergab eine Analyse der Forsteinrichtungsdaten, dass die über 120-jährigen Bestände höhere Anteile an Buchen- und Tannen hatten als die jüngeren Bestände in dieser Fläche. Insgesamt waren die analysierten Waldflächen sehr stark von der Fichte dominiert. Reine Buchen-Bestände wurden von der Analyse ausgeschlossen. Über die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit je Altersstufe hinaus lässt sich mit dieser Methode auch die Risikodisposition für bestimmte Bestandestypen, Standortseinheiten, Hangneigung, Exposition und Höhe ü. NN ermitteln. Dazu wurde im Rahmen des Projektteiles, der sich mit 3-D-Visualisierung von Waldstrukturen beschäftigt (Fischer 2002), ein spezielles Tool entwickelt. Das Tool ermittelt für die selektierten Schadflächen aus den Union-Shapefiles mit Hilfe der digitalen Standortskarte und des digitalen Geländemodells sehr schnell die Standortseinheit, Exposition, Hangneigung und die Geländehöhe. Diese können dann, zusammen mit der Information über den Bestandestyp aus der Bestandesdatenbank verwendet werden, um Übergangswahrscheinlichkeiten herzuleiten, die dann eine detailliertere Risikodarstellung als allein über die Verbuchungsdaten ermöglichen. Hierfür ist jedoch eine wesentlich breitere

274

M. Hanewinkel, J. Holecy

Datenbasis digitalisierter Forstkarten notwendig. Mit der derzeit vorhandenen Datengrundlage lassen sich die Schadenseintrittswahrscheinlichkeiten lediglich für die einzelnen Altersstufen herleiten. Des Weiteren lassen sich die folgenden Ausfallwahrscheinlichkeiten für die Modellierung nachhaltig bewirtschafteter Betriebsklassen in Form von Zielwaldmodellen verwenden. Diese Zielwaldmodelle können Auskunft über die langfristige naturale und ökonomische Leistungsfähigkeit von risikobeeinflussten Betriebsklassen geben. Sie können im Rahmen der Gesamtplanung als realitätsnähere Alternative zum Normalwaldmodell bei der Nachhaltskontrolle eingesetzt werden. Aus der vorliegenden Untersuchung lassen sich zwei Zielwaldmodelle ableiten: Das erste Modell (Fläche 1, Abbildung 8.6) stellt modellhaft den Verlauf der Ausfallwahrscheinlichkeiten von überwiegend durch Schneebruch beeinflussten Betriebsklassen im Untersuchungsgebiet dar. Modell 2 (s. Fläche 2) stellt eine typische Entwicklung des Risikos über der Zeit für vorwiegend durch Sturmwurf beeinflusste Betriebsklassen dar. Um solche Zielwaldmodelle zu entwickeln, ist es erforderlich, die Ausfallwahrscheinlichkeiten (s. Abbildung 8.5) in Überlebenswahrscheinlichkeiten umzurechnen (vgl. hierzu Kouba 2002: 216). Die Abbildung 8.7 zeigt die für die beiden Modelle hergeleiteten Überlebenswahrscheinlichkeiten. Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass das Modell, das vorwiegend durch Schnee beeinträchtigte Waldflächen darstellt („Schnee“), bereits ab dem Alter 30 deutlich von 1 abweichende Überlebenswahrscheinlichkeiten aufweist, die bis zum Alter 90 wesentlich niedriger liegen als die des Modells, das vorwiegend das Risiko durch Sturm abbildet. Lediglich 80% der Fläche erreicht die Altersstufe 8, allerdings überleben bei diesem Modell noch mehr als 60% der Bestände das Alter 140. Bei dem Modell „Sturm“ fallen erst ab dem Alter 60 in größerem Umfang Flächen durch Risiko aus. Fast 90% der Bestände überleben bis zum Alter 80. Ab dem Alter 100 liegen die Überlebenswahrscheinlichkeiten dann niedriger als die des Modells „Schnee“. So erreichen nur noch etwas mehr als 50% der Bestände das Alter 140. Eine absolute Trennung in die beiden Schadfaktoren „Schnee“ und „Sturm“ ist bei der vorliegenden Analyse allerdings nicht möglich, da bei beiden Modellen jeweils auch der andere Faktor wirksam wird. Von daher handelt es sich hier nur um die Darstellung relativ grober Schadensmuster. Bei beiden Modellen sind multiple Schadfeinwirkungen zu wirksam. Beim Modell „Schnee“ ist in den höheren Altersstufen der Sturm als Schadfaktor wirksam, während sich beim Modell „Sturm“ vor allem in den jüngeren Altersstufen ebenfalls Schneeschäden auswirken.

8.3 Quantifizierung von Risiko

275

1,000

"Schnee"

0,900

"Sturm"

0,800 0,700 0,600 pu(t) 0,500 0,400 0,300 0,200 0,100 0,000 10

20

30 40 50

60 70 80 90 100 110 120 130 140

Alter

Abbildung 8.7: Überlebenswahrscheinlichkeiten pu(t) für die beiden Modelle „Schnee“ (vorwiegend Schneebruchschädigung, Fläche 1 in Abbildung 8.6) und „Sturm“ (vorwiegend Sturmschädigung, Fläche 2 in Abbildung 8.6)

8.3.3 Diskussion Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass man mit Hilfe von digitalisierten Forstkarten unter Einsatz eines geografischen Informationssystems eine Datengrundlage für eine Risikoprognose in Form von Übergangswahrscheinlichkeiten erarbeiten kann. Die hier vorgestellten Wahrscheinlichkeiten berücksichtigten allerdings keine Nachbarschaftseffekte, die bei Sturmschäden eine Rolle spielen. Es lässt sich allerdings zeigen, dass gerade durch den Einsatz eines räumlich expliziten Analyseinstrumentes wie GIS, sich solche Nachbarschaftsbeziehungen herleiten und in die Analyse integrieren lassen (Hinrichs, 1994). Dies wird Gegenstand einer Folgeuntersuchung mit umfangreicherem Datenmaterial sein. Für den kleinbäuerlichen Privatwald, für den allerdings nicht immer das notwendige digitale Kartenmaterial vorliegt, wäre es wichtig, neben durchschnittlichen Übergangswahrscheinlichkeiten auch Verlust- oder Ruinwahrscheinlichkeiten (Deegen, 1994) für einzelne Betriebe zu wissen. Dies wird allerdings aufgrund der geringen Fläche vieler Waldbauernbetriebe nicht immer möglich sein. Die hier hergeleiteten Ausfall- und Überlebenswahrscheinlichkeiten basieren auf der Analyse von Ereignissen in der Vergangenheit. Für auf die Zukunft bezogene Entscheidungen sind diese lediglich dann relevant, wenn man unterstellt, dass die Umweltbedingungen konstant bleiben. Dies ist ein grundsätzliches Dilemma, das mit wissenschaftlichen Methoden nur eingeschränkt aufzulösen ist. Hirshleifer

276

M. Hanewinkel, J. Holecy

und Riley (1994) zeigen Methoden auf, wie mit Unsicherheit umgegangen werden kann. 8.3.4 Schlussfolgerungen zur Risikoanalyse Bei der Risikoanalyse in Betrieben, die von Überführung und Umbau betroffen sind, zeigte sich, dass auf der Basis von (terrestrischen) Verbuchungsdaten entwickelte Prognosemodelle, die auf einem klassischen statistischen Ansatz (logistische Regression) beruhen, aufgrund der Unschärfe des Datenmaterials nur zur relativ schlechten Ergebnissen kommen. Deutlich besser schnitt ein methodischer Ansatz ab, bei dem ein auf Mustererkennung basierendes Künstliches Neuronales Netz (KNN) eingesetzt wurde (s. voriger Beitrag). Das KNN war in der Lage, aus einem Trainingsdatensatz Risikomuster mit einiger Genauigkeit zu erkennen. Hiermit lassen sich auf Abteilungsebene Risikoklassen ausweisen, die eine Grobeinteilung der Waldflächen nach Risikoeinfluss ermöglichen. Eine detailliertere Risikoanalyse ließ sich mit Hilfe von digitalisierten Forstkarten aus aufeinanderfolgenden Jahrzehnten erzielen. Am Beispiel des Staatswaldes St. Blasien ließen sich zwei Risikotypen ausscheiden: eine räumliche Einheit von Waldflächen, die neben Ausfällen durch Sturmwurf vorwiegend Risikoausfälle durch Schneebruch aufwies und eine davon getrennte Einheit, die überwiegend durch Sturmwurf beeinträchtigt wurde und nur geringe Schneebruchschäden zu verzeichnen hatte. Bei beiden Einheiten lag der Schwerpunkt des Risikoanfalls in den Baumhölzern der 8. bis 10. bzw. der 10. bis 12. Altersstufe. Danach sank das Risiko des flächigen Ausfalls wieder ab. Beim vom Schneebruch dominierten Risikotyp liegen bis zum Alter 80 die flächigen Ausfälle bei rund 20% der ursprünglichen Fläche. Mehr als 60% der Fläche erreichen das Alter 140. In den vom Sturmwurf am stärksten betroffenen Waldflächen erreichen knapp 90% der Bestände das Alter 80, allerdings sinkt die überlebende Waldfläche bei diesem Risikotyp im Alter 140 auf 50% der Ausgangsfläche ab. Die Chancen für eine erfolgreiche Überführung bzw. einen Umbau sind prinzipiell im Schneebruch-Typ höher. Die frühzeitige Durchbrechung des Kronendaches kann für eine vertikale Strukturierung der Bestände genutzt werden und bieten Ansatzpunkte für die Verjüngung. Durch die frühzeitige Auflichtung, die durch entsprechende Eingriffe im Rahmen der Durchforstung unterstützt werden sollte, führt offensichtlich zu einer Stabilisierung der Bestände, die zu niedrigeren flächigen Ausfällen im höheren Alter führt. Zwar steigt das Risiko des Ausfalls auch bei diesem Typ bis zur Altersstufe 9 kontinuierlich an, erreicht aber nicht die Risikospitzen wie beim vorwiegend durch Sturm gefährdeten Typ. Bei diesem Typ steigt das Risiko des flächigen Ausfalls ab der 9. Altersstufe überproportional an. In der 10., 11. und 12. Altersstufe fallen im Jahrzehnt mehr als 11% der Fläche aus. In diesen Beständen sind Eingriffe in älteren Beständen, die eine zusätzliche Labilisierung bringen, grundsätzlich kritisch zu beurteilen. Aktive Maßnahmen für Waldumbau und Überführung sollten in diesen Beständen in jedem Fall früher ansetzen. Späte Eingriffe können in diesem Typ aufgrund der Risikodisposition zu

8.3 Quantifizierung von Risiko

277

einer erhöhten Gefahr des flächigen Ausfalls und zu einem Misserfolg bei Überführung und Waldumbau führen. 8.3.5 Zusammenfassende Schlussfolgerung aus Risikoerfassung und ökonomischer Analyse Die vorliegenden Untersuchungen zur Risikoanalyse und zur Untersuchung ökonomischer Auswirkungen von Waldumbau zeigen, dass es sich bei der Planung von Waldumbauvorhaben unter Berücksichtigung von Risiko um ein komplexes Optimierungsproblem handelt. Die Modellstudie zur Ökonomie von Waldumbauvorhaben verdeutlicht, dass ein Waldumbauszenario, das frühzeitige flächige Auflichtungen zur Einbringung der Mischbaumart vorsieht, zu finanziellen Einbußen im Vergleich zu einer herkömmlichen Altersklassenbewirtschaftung führt. Wird, wie in der vorliegenden Studie, der Kapitalhaltungswert als Bewertungskriterium herangezogen, so relativiert sich dieser Unterschied allerdings deutlich mit steigendem Diskontierungszinsfuß. Die Herleitung von Übergangswahrscheinlichkeiten für nadelbaum-dominierte Waldtypen im Untersuchungsgebiet zeigt, dass das Risiko des flächigen Ausfalls zwischen dem Alter 80 und 120 überproportional ansteigt. In diesen Altersstufen sind daher aktive Maßnahmen zum Waldumbau mit einem hohen Risiko verbunden. Aus der Sicht der Risikominimierung wären daher frühzeitige Eingriffe zu bevorzugen. Diese können jedoch aus finanzieller Sicht zu den genannten Einbußen führen, die um so größer ausfallen werden, je früher und je stärker die Auflichtung der Bestände im Vergleich zu einer Vollbestockung vorgenommen wird. Diese Konfliktsituation verdeutlicht nochmals die Notwendigkeit einer sorgfältigen Risikoanalyse bei Waldumbauvorhaben. Die hier vorgestellten Methoden können dazu dienen, diese Risikoanalyse auf größeren Flächen und nach standörtlichen Bedingungen differenziert vorzunehmen. Dabei sollten sowohl Risikoklassen gebildet werden, die in Risikokarten dargestellt werden können, als auch differenzierte Übergangswahrscheinlichkeiten hergeleitet werden, die das Risiko für verschiedene Waldtypen unter verschiedenen Standortsbedingungen quantifizieren.

278

A. Selter

8.4 Die Waldbewirtschaftung im bäuerlichen Privatwald A. Selter

Die naturnahe Waldwirtschaft ist eine Mehrzweckforstwirtschaft, die auf großer Fläche multifunktionalen Aufgaben gerecht werden soll (MLR 1992). In Regionen wie dem Südschwarzwald, wo große Teile des Waldbesitzes mit landwirtschaftlichen Flächen verbunden sind, bekommt der Gedanke der Mehrzweckforstwirtschaft eine weitere Dimension. Waldbauliche Nachhaltigkeit muss soziale Kriterien miteinbeziehen. Waldbewirtschaftung steht hier in der Verantwortung zur Einkommensgrundlage gemischter land- und forstwirtschaftlicher Betriebe beizutragen und damit die Existenzgrundlage eines großen Teils der ländlichen Bevölkerung zu sichern. Der Bauernwald befindet sich im Spannungsfeld zwischen dem Agrarstrukturwandel und der Forderung nach Naturnähe. Oft müssen die Überlegungen, den Wald naturgemäß zu bewirtschaften hinter andere, für die Betroffenen existentiellere Fragen zurückstehen. Zum Beispiel, ob der Hof in der Lage sein wird, die Lebensgrundlage derzeitiger und folgender Generationen zu sichern. Daneben verzeichnet die Region einen wachsenden Anteil an Waldbesitzern, die aus der Landwirtschaft und dem „ländlichen Umfeld“ herausgelöst sind und die kein oder nur geringes wirtschaftliches Interesse an ihrem Waldbesitz haben. Für den kleineren Privatwald, der in der Region „Südlicher Schwarzwald“ einen erheblichen Anteil der Waldfläche einnimmt, sollen die Probleme, und die Möglichkeiten für einen naturgemäßen Waldumbau aufgezeigt werden. Der Naturpark Südschwarzwald bildet die Auswertungseinheit für alle hier dargestellten Zahlen und Verteilungen. Seine über 320.000 ha Gesamtfläche liegen zwischen Elzach und Villingen-Schwenningen im Norden und Waldshut und Lörrach im Süden und reichen von Freiburg im Westen bis Donaueschingen im Osten. Über die strukturellen Rahmenbedingungen, die dem bäuerlichen Privatwald der Region Südschwarzwald zu Grunde liegen, war bisher wenig bekannt. Kenntnisse über die waldbauliche Ausgangssituation und die Eigentümerstruktur sowie die Entwicklungen auf diesem Sektor, tragen erheblich zum Verständnis und zur Einordnung der gesamten Thematik des Verbundprojekts bei. Die dargestellten Zusammenhänge konnten durch Regionalisierung der vorliegenden Kleinprivatwalddaten und durch Neuprogrammierungen im statistischen Landesamt hergeleitet werden. Ein Teil der Auswertungen konnte jedoch nur durch Kombination verschiedener Quellen oder durch Schätzung auf Grund von Literatur und Befragungen gemacht werden, gerade im Bereich des Kleinstwaldes.

8.4 Waldbewirtschaftung im bäuerlichen Privatwald

279

8.4.1 Waldbauliche Situation im Privatwald Durch kleinflächige Bewirtschaftungsweise konnten im Naturpark Südschwarzwald dauer- und plenterwaldartige Waldstrukturen entstehen. Auf großen Flächen herrschen aber auch hier einschichtige Fichtenbestände vor. Gründe hierfür sind unter anderen die Großkahlschläge aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die überwiegend mit Fichte, die lange Zeit als der Brotbaum galt und nach wie vor die Ertragslage prägt, aufgeforstet wurden. Dadurch besteht ein Überhang in 50- bis 60jährigen Fichtenbeständen, der sich überwiegend auf die Privatwaldungen konzentriert. In den Folgejahren wurden Erstaufforstungen in Hanglagen und auf Grenzertragsstandorten meist mit der Fichte begründet. Die für den Südschwarzwälder Bauernwald charakteristischen Niederwaldflächen wurden ebenfalls mit Fichte aufgeforstet und noch heute dominiert im Privatwald bei den zur Wiederaufforstung verwendeten Baumarten die Fichte (vgl. Schmid 1997). Wird der Baumartenanteil der Fichte - insbesondere aber der Anteil der Fichtenreinbestände - als Indikator für waldbauliche Umwandlungsnotwendigkeit herangezogen, so kann auf Basis der Bundeswaldinventur von 2002 aufgezeigt werden, dass die Wälder im Naturpark überwiegend durch eine altersklassenweise Bewirtschaftung mit hohem Fichtenanteil geprägt sind. Der mehrschichtige und strukturreiche Mischbestand, im Idealfall als Plenterwald ausgeprägt, nimmt dagegen eher geringere Anteile ein (vgl. Abbildung 8.8). Bei der in Abbildung 8.8 dargestellten feinen Differenzierung in die Größenklassen des Privatwaldes nimmt, bedingt durch die abnehmende Stichprobengröße, der Fehler stark zu. Die Unterschiede zwischen den Privatwaldgrößenklassen sind somit statistisch nicht mehr gesichert. Bei der Darstellung dieser Verteilungen auf Grundlage der BWI handelt es sich jedoch gegenwärtig um die einzige Möglichkeit, entsprechende Informationen über Schichtigkeit und Baumartenzusammensetzung für den gesamten Südschwarzwald zu erhalten. Vergleicht man den Fichtenanteil des Privatwaldes mit dem des Staatswaldes, so stehen den 61% Fichte des Privatwaldes 50% im Staatswald gegenüber. Die durchschnittliche Höhenlage im Staatswald liegt bei rund 900 m ü. NN, während sie im Privatwald bei 800 m ü. NN liegt. Staatswald nimmt überwiegend die ortsfernen und damit höheren Lagen ein, während Körperschaftswald und insbesondere Privatwald um die Siedlungen und eher in tieferen Lagen vertreten ist. Der Staatswald liegt mit einem Drittel seiner Fläche auf über 1000 m Meereshöhe. Privatwald dagegen ist in dieser Höhenlage mit weniger als einem Fünftel seiner Fläche vertreten.

280

A. Selter

Umwandlungsrelevante Flächen 2002

Waldfläche (ha)

100000 90000

Umwandlungsrelevante Flächen (ein- und zweischichtige Nadelbaumreinbestände und einschichtige Nadelbaumbestände)

80000

Einschichtige Laubbaumbestände und zweischichtige Mischbestände

70000

Plenterwald oder mehrschichtige Bestände

60000 50000 40000 30000 20000 10000 0 50%35%15%

56%32%12%

72%20% 8%

73%20% 7%

61%28%11%

55%35%11%

50%40% 9%

57%33%11%

Al

le

W

al

db

es

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n

St aa ts w al d

Ko m m un al w al d

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Pr iv at w al d

>

20 0

ha

ha Pr iv at w al d

520

20 -2 00 Pr iv at w al d

Pr iv at w al d

Pr iv at w al d

<

5

ha

ha

-10000

Abbildung 8.8: Umwandlungsrelevante Bestände, Laubbaumbestände und zweischichtige Mischbestände sowie mehrschichtige Bestände nach Waldbesitzarten. Südschwarzwald 2002. Quelle: BWI II.

8.4.2 Anzahl der Betriebe und Flächenausstattung Im Naturpark Südschwarzwald liegen 44 % der Waldfläche in privaten Händen, 37 % in Besitzgrößen unter 200 ha. Damit hält diese Besitzart den größten Anteil der Waldfläche und stellt die größte Gruppe der Waldbesitzer. Tabelle 8.6 stellt die Flächennutzung im Naturpark Südschwarzwald dar. Einem Bewaldungsprozent von 57 stehen 35 % Landwirtschaftliche Fläche gegenüber. 34 % der Waldfläche ist mit landwirtschaftlichem Besitz verbunden. Über 20.000 Waldbesitzer entscheiden über 37 % der gesamten Waldfläche. Damit sind sie für die Umsetzung des naturgemäßen Waldumbaus auf einem beachtlichen Flächenanteil verantwortlich. Tabelle 8.61 zeigt, dass knapp 17.000 private Eigentümer Wald der Größenklasse unter 5 ha bewirtschaften. Insgesamt halten sie eine Waldfläche von 16.500 ha (9 % der gesamten Waldfläche). Die Nennung der Anzahl der Waldbesitzer ist mit Unsicherheiten behaftet, da Waldbesitzer mit weniger als einem ha Wald und ohne Landwirtschaft nicht von der Statistik erfasst werden und ihre Anzahl nur geschätzt werden kann. Dieser Berechnung liegt eine durchschnittliche Waldbesitzgröße im Kollektiv unter 1 ha von 0,5 ha zu Grunde.

8.4 Waldbewirtschaftung im bäuerlichen Privatwald

281

Tabelle 8.6: Waldbesitzartenverteilung und Flächennutzung im Naturpark Südschwarzwald. Quelle: Sonderauswertung von Daten des Statistischen Landesamtes BadenWürttemberg. Flächennutzungsart

Fläche in ha

in %

Waldfläche

Staatswald 44.400 ha Kommunalwald 59.000 ha Privatwald >200ha: 12.950 ha Privatwald 5-200ha: 51.800 ha (3.150 Eigentümer) Privatwald <5 ha: 16.500 ha (16.970 Eigentümer) Waldfläche insgesamt 184.650 ha

24% 32% 7% 28%

* *

Waldfläche *Landwirtschaftliche Fläche Siedlungs- und Verkehrsfl. Sonstige Flächen Gesamtfläche

184.650 ha 111.750 ha 23.500 ha 3.600 ha 325.500 ha

9% 100% 57% 35% 7% 1% 100%

* Anmerkung: 62.400 ha Waldfläche und 80.350 ha landwirtschaftliche Fläche (insgesamt 142.750 ha oder 44% der gesamten Naturparkfläche) werden von gemischten land- und forstwirtschaftlichen Betrieben bewirtschaftet.

51.800 ha Wald (28 % der gesamten Waldfläche) sind im Besitz von 3.150 landund forstwirtschaftlichen Betrieben in der Waldbesitzgrößenklasse 5 - 200 ha (vgl. Tab. 1). Für dieses Kollektiv hat der Wald eine merkliche Bedeutung für das Gesamteinkommen und somit wirtschaftliche Relevanz. Der überwiegende Anteil privater Waldflächen ist mit landwirtschaftlichem Besitz verbunden. Bei der Frage nach Umbaumöglichkeiten kommt man nicht umhin, den Strukturwandel in der Landwirtschaft mit allen seinen Effekten als Lebensumfeld bestimmende Größe mit einzubeziehen. 8.4.3 Veränderung der Rahmenbedingungen durch den Agrarstrukturwandel Die Wurzeln für die heutigen Strukturprobleme des Kleinprivatwaldes liegen in der jahrhundertelang in weiten Teilen Süddeutschlands ausgeübten Realteilung. In den Agrargesellschaften früherer Zeiten war die Besitzzersplitterung i.d.R. noch kein Problem, solange sich mit dem Besitz kleiner Parzellen auch das wirtschaftliche Interesse des Eigentümers verband (vgl. Schmid 1997).

282

A. Selter

100%

Anteil an der Waldfläche

90% 80% Lorenzkurve Südschwarzwald 1998

70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Anteil der Eigentümer

Abbildung 8.9: Die „Lorenzkurve“ veranschaulicht die Konzentrationsverhältnisse im Naturpark Südschwarzwald. Quelle: Sonderauswertung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, der sich als Kombination von Konzentrations- und Verlagerungsprozessen beschreiben lässt, wirkt sich auf große Teile des Privatwaldes im Südschwarzwald aus. Als Folge ökonomischer und gesellschaftlicher Druck- und Sogfaktoren verpachten oder verkaufen viele Betriebe ihre landwirtschaftlichen Flächen. Der Wald bleibt meist in Familienbesitz. Genau betrachtet gibt es also nur einen Strukturwandel in der Landwirtschaft. Im Wald bleibt die Besitzstruktur erhalten. Dieses Paradoxon könnte das eigentliche Strukturproblem sein. Die Strukturen im Kleinprivatwald wurden erst durch den Agrarstrukturwandel und damit mit der Veränderung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zum Problem. Waldflächen mit Strukturproblemen dürften in Zukunft aufgrund des anhaltenden landwirtschaftlichen Strukturwandels weiter zunehmen. Diese Dynamik wird zum Teil durch Erhebungen der Agrarstatistik erfasst.Mit der „Lorenzkurve“ gelingt es, in anschaulicher Weise die Konzentrationsverhältnisse in einer bestimmten Branche grafisch darzustellen (vgl. Abb. 2). Danach besitzen 50% der statistisch erfassten Waldeigentümer nur etwa 10% der Privatwaldfläche, während 10 % der Eigentümer etwa 90 % der Privatwaldfläche besitzen. Abbildung 8.10 dokumentiert die Abnahme der gemischten land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im Naturpark Südschwarzwald seit 1971. Während die Zahl der Betriebe mit weniger als fünf Hektar Wald auf fast die Hälfte zurückgegangen ist, konnten von den Betrieben mit Waldbesitz über fünf Hektar mehr als 90% überleben. Hier wird die Funktion des Einkommens aus dem Wald deutlich. Die große Gruppe der Waldbesitzer mit einer Fläche unter 5 ha ist auf gut die Hälfte zurückgegangen. Diese Waldbesitzer haben aber nicht etwa ihren Wald verkauft. Durch die Aufgabe der Landwirtschaft sind sie lediglich aus der Statistik gefallen.

8.4 Waldbewirtschaftung im bäuerlichen Privatwald

283

Anzahl der Betriebe (1971=100%)

100% 90% 80% 70% 60% 50% > 5 ha Waldfläche

40% 30%

insgesamt

20% < 5 ha Waldfläche

10% 0% 1971

1979

1987

1995

Abbildung 8.10: Entwicklung der Betriebsstruktur im Naturpark Südschwarzwald. Landwirtschaftliche Betriebe mit Wald.

Erhebungen des Testbetriebsnetzes der FVA ergaben, dass die südschwarzwälder Betriebe im Jahr 1998 ein Roheinkommen von durchschnittlich 11.000 € aus ihrem Kleinprivatwaldbesitz erzielten. Weiterführende Untersuchungen haben gezeigt, dass dies einem Anteil von 29 % des gesamten Betriebseinkommens entspricht. Weitere 34 % werden durch die Landwirtschaft realisiert (vgl. Mijacz 2000, Schockemöhle 2000 und Brandl 2001). Inzwischen nimmt der Anteil der sonstigen Einkommensquellen mit 37 % den Löwenanteil ein. Es ist davon auszugehen, dass dieser Anteil in den kommenden Jahren weiter steigt und der Trend vom wirtschaftlich Interessierten hin zum ideell oder uninteressierten Waldbesitzer geht (vgl. folgendes Kapitel). Der wachsende Anteil des Einkommens aus sonstigen Einkommensquellen sowie die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebsteils verdeutlicht die fortschreitende Entkopplung der Land- und Forstwirtschaft. Dies kann zu einem Verlust an technischen Mitteln (z.B. Schlepper aus der Landwirtschaft werden abgeschafft) und mit dem Wechsel der Generationen auch zu einem Verlust an Know-how führen. Dieser Zusammenhang muss als eine potentielle Verschlechterung der Möglichkeiten zur selbständigen Waldbewirtschaftung angesehen werden und es besteht die Gefahr, dass günstige Waldstrukturen bei zu geringer Holznutzung auf Grund der schwindenden Einkommensfunktion des Waldes im Gesamtbetrieb verloren gehen. Folglich könnten Fremdleistungen in Zukunft eine größere Rolle spielen. Sowohl der Erhalt günstiger Waldstrukturen als auch Maßnahmen des ökologischen Waldumbaus können nur durch aktive und kontinuierliche Bewirtschaftung geleistet werden. Dadurch, dass das Einkommen aus dem Wald für viele Waldbesitzer eine immer geringere Rolle spielt und zusehends durch andere Erwerbsquellen verdrängt wird, ist diese jedoch nicht mehr gewährleistet. Durch die Nichtbewirtschaftung eines wachsenden Anteils der Waldfläche wird jedoch ein

284

C. Bieling

Teil der Wertschöpfung nicht mehr realisiert und die positiven Leistungen der Waldwirtschaft können nur noch eingeschränkt erreicht werden. Gerade im ländlichen Raum, der die positiven Effekte der Waldnutzung gut gebrauchen könnte (vgl. Selter 2003). Am Eigentümer orientierte Förder- und/oder Beratungskonzepte des ökologischen Waldumbaus müssen den Zusammenhang zwischen waldbaulicher Aktivität und der Einkommensfunktion des Waldes berücksichtigen. Für gemischte land- und forstwirtschaftliche Betriebe für die das Einkommen aus dem Wald große wirtschaftliche Bedeutung hat, könnte die Akzeptanz bezüglich Waldumbau steigen, wenn entsprechende einkommenssichernde Maßnahmen getroffen werden bzw. Umwandlungsstrategien aufgezeigt werden können, die auch unter ökonomischen Gesichtspunkten nachhaltig sind. Diesen steht eine steigende Zahl an einer Holznutzung uninteressierter Waldbesitzer gegenüber, die eher durch die Instrumente der Beratung und Information erreicht werden können (vgl. folgendes Kapitel).

8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Praktiken des ökologischen Waldumbaus und einer naturnahen Bewirtschaftung im Privatwald C. Bieling

8.5.1 Hintergrund Die Voraussetzungen für die Förderung einer naturnahen Waldbewirtschaftung im Allgemeinen bzw. eines Waldumbaus im Speziellen sind für die Privatwälder besonders heterogen. Wie keine andere Waldbesitzart wird der Privatwald von einer Vielzahl von Faktoren geprägt, die charakteristisch für den jeweiligen Eigentümer sind, beispielsweise der Orientierung an Traditionen oder einer besonderen Einflussnahme durch Dritte wie etwa den Revierförster. Die Umsetzung von Waldbehandlungskonzepten hängt also davon ab, in wie weit sie sich in diese eigentümerspezifischen Rahmenbedingungen einfügen lassen. Diese Rahmenbedingungen sind jedoch beim bisherigen Stand des Wissens allenfalls für Teile der privaten Waldbesitzer näher zu bestimmen. Gleichzeitig stellt sich die Forderung nach einem Umbau und einer naturnahen Bewirtschaftung der Privatwälder als besonders dringlich dar. Auswertungen von Waldinventuren in Baden-Württemberg beschreiben insbesondere für kleinere Besitzeinheiten bis 20 ha einen vergleichsweise schlechten Zustand. Prägend wirken hier vor allem in den unteren Altersstufen reine Fichtenbestände (vgl. Schmid 1997). Damit ist nicht nur von einer Arten- und Strukturarmut, sondern vielfach auch von einer mangelnden Standortangepasstheit dieser Bestände

8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Waldbau

285

auszugehen. Ein meist schlechtes Höhe/Durchmesser-Verhältnis weist zudem auf eine instabile Situation hin. Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen, auf die der vorliegende Beitrag Antworten zu geben sucht: Wie nehmen private Waldbesitzer den ökologischen Zustand ihrer Wälder und ihre Waldbewirtschaftung wahr? Welche Faktoren üben einen Einfluss auf das ökologisch relevante Verhalten der Waldbesitzer aus? Welche Typen von Waldbesitzern hinsichtlich Einstellungen und Verhalten im Kontext einer naturnahen Waldbewirtschaftung lassen sich identifizieren? Mit welchen Strategien lässt sich eine naturnahe Bewirtschaftung der Privatwälder fördern und welche Ansatzpunkte bieten sich hierfür? 8.5.2 Theoretischer Rahmen, Material und Methoden Theoretischer Rahmen Die theoretische Grundlage der Untersuchung resultiert aus der Verknüpfung von drei sozialwissenschaftlichen Theorien, die Angaben zu den Determinanten menschlichen Entscheidungsverhaltens machen (vgl. Abbildung 8.11). Im Einzelnen sind folgende, wechselseitig miteinander verknüpfte Faktoren ausschlaggebend: Die Theorie des geplanten Handelns (u.a. Ajzen 1991) sieht zunächst die Verhaltensintention, also die Absicht, ein bestimmtes Handeln auszuführen, als Voraussetzung. Die Verhaltensintention ist ihrerseits Produkt dreier vorgelagerter Faktoren: Einstellungen bezeichnen die subjektiven Bewertungen des handelnden Menschen, z.B. die Einschätzung der Wichtigkeit des Artenreichtums des Waldes. Die subjektiven Normen sind das Maß für die sozialen Einflüsse, denen der handelnde Mensch unterliegt, beispielsweise den Impulsen, die vom Förster oder von Familienangehörigen ausgehen. Schließlich umfasst der Faktor der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle mögliche Hemmnisse für das Handeln, etwa gesetzliche Beschränkungen oder die Unfähigkeit, bestimmte Maßnahmen der Waldpflege mangels geeigneter Geräte durchzuführen.

286

C. Bieling

Einstellungen

Kulturelle Prägung

Subjektive Normen

Verhaltensintension

Verhalten

wahrgenommene Verhaltenskontrolle

ablaufend im Rahmen des Prozesses der Modernisierung

Abbildung 8.11: Übersicht über das theoretische Fundament der Studie

Die Wahrnehmungen und Bewertungen, die im Rahmen der genannten Faktoren verhaltensbildend sind, werden durch die Cultural Theory (Thompson et al. 1990) näher beschrieben und in einen geordneten Zusammenhang gestellt. Vier kulturelle Grundprägungen (Fatalismus, Hierarchismus, Individualismus, Egalitarismus) bedingen demnach spezifische Sets an Einstellungen, sozialen Normen und wahrgenommener Verhaltenskontrolle. Drittes und letztes Standbein des theoretischen Modells bildet schließlich die Modernisierungstheorie (van der Loo u. van Reijen 1992). Mittels des Analyserahmens der vier Teilprozesse der Individualisierung, Differenzierung, Rationalisierung und Domestizierung wird das Modell der Dynamik des sozialen Wandels angepasst und ermöglicht gleichermaßen eine Erklärung des Verhaltens der Waldbesitzer im Rückblick als auch eine Vorschau auf zu erwartende Veränderungen. Praktisch-explorative Annäherung an das Untersuchungsfeld Um diesen theoretisch abgeleiteten Rahmen inhaltlich zu konkretisieren und spezifisch an die Gegebenheiten im Untersuchungsgebiet anzupassen, wurden Leitfadeninterviews mit 29 Privatwaldbesitzern in drei Gemeinden des Südschwarzwaldes durchgeführt. Personen aus den Gemeinden Glottertal und Hinterzarten repräsentieren dabei die eher größeren, wirtschaftlich orientierten Waldbesitzer des so genannten Höfegebiets, in dem land- und forstwirtschaftlicher Besitz in der Regel geschlossen an eine Person vererbt wird. Personen aus der Gemeinde Gersbach bei Schopfheim stehen für das kleinparzellierte Realteilungsgebiet mit einer üblichen Aufteilung des Erbes an mehrere Nachkommen.

8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Waldbau

287

Auf diese Weise wurde versucht, die beiden vorab identifizierbaren Haupteigentümertypen im Untersuchungsgebiet zu erfassen. Anhand eines teilstrukturierten Frageleitfadens gaben die Waldbesitzer Auskunft zu den konkreten Ausprägungen der theoretisch abgeleiteten Faktoren. Besonders im Vordergrund stand der Aspekt der subjektiven Normen. Hier wurden die sozialen Netzwerke, in die die Waldbesitzer eingebunden sind, analysiert. Aufgrund der beiden Formen der Annäherungen an das Untersuchungsfeld, auf theoretischer und praktisch-explorativer Ebene, konnten schließlich 16 Hypothesen abgeleitet werden, die die weitere Forschungstätigkeit leiteten. Standardisierte, schriftliche Befragung Die Hypothesen wurden in einer standardisierten, schriftlichen Befragung eines repäsentativ ausgewählten Kreises von 2001 Waldbesitzern überprüft. Als Grundlage für die Auswahl der Empfänger des 14-seitigen Fragebogens dienten die Verzeichnisse der staatlichen Forstämter im Naturpark Südschwarzwald. Dabei kamen in einem mehrstufigen Verfahren folgende Kriterien zum Einsatz: Eine Vorabauswahl der Forstämter erfolgte anhand des Anteils von Kleinprivatwald. Beispielsweise ist im Osten des Untersuchungsgebiets kaum Kleinprivatwald vorhanden; die entsprechenden Forstämter wurden also nicht berücksichtigt. Auf der Ebene der Vererbungsgebiete sollten, entsprechend der jeweiligen flächigen Verteilung, jeweils in etwa gleich viele Befragte aus dem Höfe- wie aus dem Realteilungsgebiet erreicht werden. Die Auswahl der zu befragenden Waldbesitzer erfolgte anhand von Zufallszahlen auf der Grundlage der Verzeichnisse von Gemeinden, die mit ihrer gesamten Fläche im Naturpark liegen. Auf diese Weise konnte eine ausreichende flächige Abdeckung des Untersuchungsgebiets erreicht werden. Der Rücklauf der Befragung belief sich auf 46,3%, was im Vergleich zu ähnlichen Waldbesitzerbefragungen in der Region als hervorragender Wert einzustufen ist (vgl. Bieling 2003). Die rund 900 auswertbaren Fragebögen wurden mit der Software SPSSTM (1999) analysiert. Da die Daten den Kriterien der Normalverteilung und Varianzenhomogenität nicht genügen, kamen ausschließlich nichtparametrische Tests und die damit verbundenen Kennwerte zum Einsatz. Der Abgrenzung von charakteristischen Typen unter den Befragten diente eine Clusteranalyse auf der Grundlage der Interessen am Wald (z.B. Einschätzung der Wichtigkeit des Holzverkaufs). Um den Grad der Verwirklichung einer naturnahen Waldbewirtschaftung bzw. eines ökologischen Umbaus einschätzen und vergleichen zu können, wurde ein Index entwickelt, dem die Durchführung bestimmter Maßnahmen (z.B. Hochdurchforstung, gezielte Förderung von Mischbaumarten) sowie Waldzustandsparameter (z.B. Vorkommen von Mischwald, Plenterwald) zugrunde liegen. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie skizziert, die vor allem auf den Hypothesen der Theorie des geplanten Handelns beruhen. Eine ausführliche Erörterung aller Hypothesen und der zugehörigen Ergebnisse können Bieling (2003) entnommen werden. Dies gilt auch für eine umfassende Darstel-

288

C. Bieling

lung des theoretischen Rahmens, der explorativen Interviews sowie der Methodik der schriftlichen Befragung. 8.5.3 Wahrnehmung des Waldzustandes und der eigenen Einflussmöglichkeiten durch private Waldbesitzer Die Befragten beschreiben ihre Wälder überwiegend als reine Nadelwälder mit einem Altersklassenaufbau. Während 80% angeben, „mittel“ oder „viel“ reinen Nadelwald zu besitzen, haben nur wenige reine Laub- oder Mischwälder („mittel“ oder „viel“ bei 20 bzw. 45%). Plenterwälder ohne einen Altersklassenaufbau („junge und alte Bäume kommen nebeneinander vor“) besitzen 47% in nennenswerten Anteilen. Die befragten Waldbesitzer stufen den Zustand ihrer Wälder im Hinblick auf naturschutzfachlich bedeutende Kriterien nicht als mangelhaft ein. So stimmen nur jeweils 10% der Aussage zu, dass der eigene Wald artenarm oder krank bzw. in einem gesundheitlich angeschlagenen Zustand wäre. Was den Strukturreichtum und die Stabilität betrifft, sind 28 bzw. 33% der Auffassung, das der Zustand ihres Waldes in dieser Hinsicht kritisch wäre. Aber auch hier sieht die breite Mehrheit eher keine Probleme. Die Charakteristika, die naturnahen Wäldern zugeschrieben werden – Arten- und Strukturreichtum, Gesundheit und insbesondere Stabilität – werden von den Befragten auch für die eigenen Wälder erwünscht (sehr oder ziemlich wichtig für jeweils mindestens 58, höchstens 99%). Eine überwältigende Mehrheit der befragten Waldbesitzer (83%) stuft ihre Umgangsweise mit dem Wald als sehr oder eher naturnah ein. Mit 13% kann ein großer Teil der Befragten nichts mit dem Begriff „naturnahe Waldbewirtschaftung“ anfangen. 4% sind der Meinung, dass ihr Umgang mit dem Wald eher oder sehr naturfern wäre. Die Einschätzung der eigenen Wirtschaftsweise ist mit dem tatsächlichen Waldzustand korreliert. So beurteilen diejenigen, die vorrangig reine Nadelwälder besitzen, ihren Umgang mit dem Wald signifikant seltener als naturnah als Besitzer mit keinem oder wenig Nadelwald. Eigentümer von Mischwäldern und Plenterwäldern geben signifikant häufiger an, sie würden entsprechend dem Prinzip der Naturnähe verfahren. Allerdings sind diese Zusammenhänge jeweils nur schwach ausgeprägt (Assoziationsmaß Cramers V zwischen 0,12 und 0,15). Die Einflussmöglichkeiten auf die naturschutzfachlich bedeutenden Waldzustandsparameter sehen die privaten Waldbesitzer als gering an. Für die Stabilität glauben sie noch am ehesten etwas ausrichten zu können: 39% meinen, sie hätten einen sehr starken Einfluss auf diesen Faktor. Die breite Mehrheit sieht die eigenen Einflussmöglichkeiten hier wie auch bei der Gesundheit, dem Artenreichtum und dem Strukturreichtum jedoch als gering an. Hinsichtlich des Strukturreichtums ist sogar jeder Vierte der Auffassung, keinerlei Beeinflussungsmöglichkeiten zu haben.

8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Waldbau

289

8.5.4 Soziale Einflüsse auf das Handeln der Waldbesitzer Als wichtigster sozialer Einflussfaktor auf das Handeln der Waldbesitzer gilt im Allgemeinen die vom Revierförster vor Ort geleistete Beratung und Betreuung. Knapp drei Viertel der Befragten haben Kontakt zum zuständigen Förster. Für die Mehrheit der Waldbesitzer ist das Verhältnis zu ihm von Vertrauen geprägt (für 78% derjenigen, die Kontakt zum Förster haben, zutreffend). Die privaten Waldbesitzer zeigen sich überzeugt von der Qualität der Beratung: So sehen 60% eine zu große Theorielastigkeit nicht oder eher nicht als gegeben an. Auch die Aussage, dass der Förster alles nur durch seine berufliche „Brille“ betrachte und gar nicht verstünde, was der Wald für die privaten Besitzer sei, wird mehrheitlich abgelehnt (71%). Sehr geteilter Meinung sind die Befragten darüber, ob die Beratung stark von Moden geprägt und deswegen nicht so ernst zu nehmen sei. 38% der Waldbesitzer mit Kontakt zum Förster stimmen dieser Aussage zu, während 40% ablehnend reagieren und 20% unentschieden sind. Die Ratschläge, die vom Förster kommen, werden von 72% der Befragten nicht unmittelbar umgesetzt, sondern einer eigenen kritischen Beurteilung unterzogen und/oder mit Familie und Freunden besprochen. Die Rolle des Försters lässt sich mit der des direkten sozialen Umfeldes der Waldbesitzer vergleichen. Ratschläge, die von Familie und Freunden stammen, werden von 37% der Befragten meistens auch umgesetzt. Für einen fast ebenso großen Anteil der Befragten (36%) trifft dies jedoch nicht zu und 27% können sich keiner Aussage anschließen. Allerdings geben die Waldbesitzer an, dass ihre Familie noch vor dem Förster und den Nachbarn, Freunden und Kollegen den größten Einfluss auf ihre Waldbewirtschaftung ausübe: Für 57% der Befragten ist die Familie der stärkste Einflussfaktor auf den eigenen Umgang mit dem Wald. Diese Rolle nimmt der Förster nur für 39% ein, Nachbarn, Freunde und Kollegen sind es für 7%. Schließlich steht der Förster auch was die reine Vermittlung von Wissen über den Wald betrifft in starker Konkurrenz zum direkten sozialen Umfeld: Durchschnittlich trägt die Familie, allen voran Eltern und Großeltern, in gleichem Maße zum Wissen über den Wald bei wie der Förster. 8.5.5 Typen von Waldbesitzern Hinsichtlich ihrer Interessen am Wald lassen sich drei Gruppen von Waldbesitzern scharf voneinander abgrenzen, wobei die Bedeutung des Holzverkaufs, der Selbstversorgung, der Geldanlage sowie der finanziellen Absicherung durch den Waldbesitz als am stärksten trennende Faktoren wirken (Ergebnis der Clusteranalyse, vgl. Abbildung. 8.12). Nicht nur in Bezug auf die Wichtigkeit, die diesen Aspekten des Waldbesitzes beikommt, unterscheiden sich die Gruppen voneinander. Für die drei Typen lassen sich folgende charakteristische Bilder zeichnen.

290

C. Bieling

Cluster 1: Der wirtschaftlich interessierte Waldbesitzer Vertreter dieses Typs schätzen alle Aspekte ihres Waldes (außer die Jagd) als wichtig ein. Im Unterschied zu den beiden anderen Gruppen erfährt der Holzverkauf eine besondere Wertschätzung, ebenso wie die Geldanlage und die finanzielle Absicherung durch den Waldbesitz. 43% der Befragten mit einem Anteil von 60% an der Gesamtwaldfläche sind dieser Gruppe zuzuordnen. Mit durchschnittlich 8,0 ha (Median) besitzen sie relativ große Wälder. W ie w ichtig sind Ihnen die folgenden Aspekte Ihres W aldes? völlig unwichtig

ziemlich unwichtig

unentschieden

ziemlich wichtig

äußerst wichtig

Holzverkauf Selbstversorgung W ald als tägliches Lebensumfeld W ald als Ort der Freizeitgestaltung Freude am Erleben der Natur W aldarbeit als körperlicher Ausgleich W ald als Teil des Familienerbes Grundbesitz Möglichkeit, etwas für den Naturschutz zu tun Möglichkeit zur Jagd Geldanlage W ald als finanzielle Sicherheit

Der wirtschaftlich Interessierte

Der ideell Interessierte

Der Uninteressierte

Abbildung 8.12: Wichtigkeit der verschiedenen Aspekte des Waldbesitzes im Vergleich zwischen den Eigentümertypen

Die wirtschaftlich interessierten Besitzer bewirtschaften ihre Wälder besonders häufig entsprechend den Prinzipien der naturnahen Waldbewirtschaftung, wie die Einordnung auf der Verhaltensskala zeigt (vgl. Tabelle 8.7). Für Vertreter dieses Typs ist das Einkommen aus der Forstwirtschaft sehr viel bedeutender als für die beiden anderen Gruppen. Entsprechend geben sie an, dass ihnen ökonomische Zielsetzungen wie z.B. die Gewinnorientierung besonders wichtig sind. Obgleich sie sich vor allem durch steuerliche und rentenrechtliche Regelungen sowie die Holzmarktlage vergleichsweise stark eingeschränkt fühlen, sind sie doch eher als die beiden anderen Typen davon überzeugt, die Wirtschaftlichkeit ihres Betriebes selbst beeinflussen zu können. Neben der ökonomischen Funktion hat der Wald für die wirtschaftlich interessierten Besitzer auch eine soziale Bedeutung: Sie sind besonders häufig stolz auf ihren Wald, betrachten den Waldzustand als eine Art persönliche Visitenkarte und geben, im Unterschied zu den beiden anderen Gruppen, auch häufig an, dass der Wald zu ihrer gesellschaftlichen Stellung beitragen würde. Wirtschaftlich interessierte Waldbesitzer wohnen meist in unmittelbarer Nähe ihres Waldes und integrieren sich in ein Umfeld, in dem die Landbewirtschaftung

8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Waldbau

291

eine große Rolle spielt. Sie sind typischerweise Mitglieder einer Forstbetriebsgemeinschaft (FBG), Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs und informieren sich häufiger als andere Besitzertypen durch Fachveranstaltungen wie z.B. die FBG-Versammlungen und Zeitschriften wie etwa die Badische Bauernzeitung. Cluster 2: Der ideell interessierte Waldbesitzer Dieser Typus hat sehr differenzierte Interessen an seinem Wald. Die Selbstversorgung mit Holz, die Freude am Erleben der Natur, Familienerbe, Grundbesitz und Waldarbeit sind ihm ähnlich wichtig wie dem wirtschaftlich Interessierten; die Nutzung des eigenen Waldes zur Freizeitgestaltung hat eine noch höhere Bedeutung. Hingegen werden die wirtschaftlichen Aspekte des Holzverkaufs, der Geldanlage und der finanziellen Absicherung durch den Wald als unwichtig eingestuft. Für Waldbesitzer dieses Typs steht somit das persönliche Erleben des Waldes abseits ökonomischer Interessen im Vordergrund. Die Gruppe umfasst 37% der Befragten mit einem Anteil von 23% an der Gesamtwaldfläche der Untersuchung. Durchschnittlich besitzen die ideell Interessierten 3,5 ha Wald (Median). Tabelle 8.7: Einordnung der Waldbesitzertypen auf der Skala der naturnahen Bewirtschaftung (mindestens -6 Punkte, maximal 13 Punkte) Der Uninteressierte

Skala der naturnahen Waldbewirtschaftung

10% „Schlechteste“ 10% „Beste“ Mittel (rSD)

Der Der ideell wirtschaftlich Interessierte Interessierte Nennungen Erwartete Nennungen nach durchschnittl. Verteilung 30 21 19 17,7 32,0 20,2 6 44 22 18,3 33,0 20,8 2,79 (r2,40) 4,10 (r2,64) 3,78 (r2,45)

N = 142; Signifikanz (Chi-Quadrat n. Pearson) p<0,001; Assoziation (Cramers V) = 0,414

In Bezug auf eine naturnahe Waldbewirtschaftung bewegen sich die Vertreter dieser Gruppe im oberen Mittelfeld (s. Tabelle 8.7). Wie an den Interessen an den verschiedenen Aspekten des Waldbesitzes bereits deutlich wird, erfüllt der Wald für diesen Typus keine wirtschaftliche Funktion. Entsprechend geben die Befragten auch an, dass der Anteil ihres Einkommens, der aus der Forstwirtschaft stammt, keine oder eine zu vernachlässigende Rolle spielt. Ökonomische Zielsetzungen werden vergleichsweise selten verfolgt. Auch in sozialer Hinsicht kommt dem Wald keine besondere Bedeutung zu: Die ideell Interessieren meinen vergleichsweise selten, dass sie Stolz auf ihren Wald empfinden oder ihn als persönliche Visitenkarte betrachten würden. Auch zur gesellschaftlichen Stellung trägt der Wald nicht bei. Ideell interessierte Besitzer wohnen typischerweise in unmittelbarer Nähe ihrer Wälder und haben eine Verbindung zum landwirtschaftlichen Milieu. Sie besitzen

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durchschnittlich häufig einen landwirtschaftlichen Betrieb, der charakteristischerweise jedoch im Neben- oder Zuerwerb geführt wird, so dass das Haupteinkommen nicht aus dem primären Sektor stammt. Auch in der Forstbetriebsgemeinschaft sind ideell interessierte Besitzer in der Regel repräsentiert. Allerdings geben die Vertreter dieses Typs an, dass die Informationsangebote dieser Vereinigungen ebenso wie Fachzeitschriften wie z.B. die Badische Bauernzeitung vergleichsweise wenig zu ihrem Wissen beitragen würden. Cluster 3: Der uninteressierte Waldbesitzer Für diese Gruppe stellen sich alle Aspekte des Waldbesitzes als eher unwichtig dar. Einzig der Freude am Erleben der Natur, dem Familienerbe, dem Grundbesitz und der Möglichkeit des Naturschutzes werden noch eine gewisse Bedeutung eingeräumt, allerdings auch in einem geringerem Ausmaß, als dies bei den beiden anderen Gruppen der Fall ist. Diesem Typus sind 20% der Befragten zuzurechnen. Mit einer durchschnittlichen Besitzgröße (Median) von 2,0 ha besitzen sie eher kleine Wälder. Die uninteressierten Waldbesitzer repräsentieren insgesamt 17% der in der Untersuchung erfassten Gesamtfläche. Es ist davon auszugehen, dass weite Teile des Personenkreises, der eine Befragung verweigert hat, ebenfalls als „uninteressiert“ charakterisiert werden können, so dass diese Gruppe erheblich bedeutender ist als durch den Rücklauf abgebildet wird. Die Zugehörigen dieser Gruppe bewirtschaften ihre Wälder besonders selten naturnah bzw. werden überdurchschnittlich häufig nicht in ihrem Wald aktiv. Sie erreichen auf der Verhaltensskala im Mittel einen weit geringeren Wert als die Vertreter der beiden anderen Waldbesitzertypen (s. Tabelle 8.7). Der Waldbesitz erfüllt für Uninteressierte charakteristischerweise keine wirtschaftliche Funktion. So verfolgen diese Befragten nur selten ökonomische Zielsetzungen wie Gewinnorientierung oder Kostendeckung und der Wald trägt in der Regel nicht oder kaum zum Gesamteinkommen bei. Auch im sozialen Kontext messen die uninteressierten Besitzer ihren Wäldern wenig Bedeutung bei: So sind sie vergleichsweise selten stolz auf ihren Waldbesitz, sehen ihn nicht als eine Art persönliche Visitenkarte und lehnen auch die Aussage ab, dass der Wald zu ihrer gesellschaftlichen Stellung beitragen würde. Obwohl diese Waldbesitzer offensichtlich keine stark ausgeprägten Interessen und Funktionen mit ihrem Wald verknüpfen, geben sie genauso wie die anderen beiden Eigentümertypen in aller Regel an, dass der Wald in absehbarer Zeit in ihrem Eigentum bzw. in dem ihrer Familie verbleiben wird. Uninteressierte Waldbesitzer sind vergleichsweise wenig in ein ländliches Milieu integriert: Sie sind selten Mitglied einer Forstbetriebsgemeinschaft, Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs oder anderweitig im primären Sektor tätig. Typischerweise wohnen sie relativ weit von ihren Wäldern entfernt, und zwar besonders häufig in größeren Gemeinden und Städten.

8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Waldbau

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8.5.6 Empfehlungen zur Förderung der Waldumbautätigkeit im Privatwald Sensibilisierung für die ökologische Situation der Wälder und Verdeutlichung der eigenen Einflussmöglichkeiten Die befragten Waldbesitzer nehmen bisher kaum Probleme hinsichtlich des Zustandes ihrer Wälder wahr. Obwohl die Wälder überwiegend als reine Nadelwälder mit einem Altersklassenaufbau beschrieben werden, wirkt die Bewertung prägend, dass die eigenen Wälder nicht struktur- oder artenarm seien und sich auch in keinem gesundheitlich kritischen Zustand befänden. Der eigene Umgang mit dem Wald wird von einer überwältigenden Mehrheit als naturnah eingestuft. Wie aus der Umweltpsychologie bekannt, ist jedoch gerade das individuelle Problembewusstsein wichtige Voraussetzung für eine Handlungsbereitschaft (z.B. Kuckartz 1998). Politische Konzepte, die mit einer Förderung der Naturnähe, des Arten- oder Strukturreichtums argumentieren, können daher bei den privaten Waldbesitzern bisher überwiegend kein Betroffenheitsempfinden auslösen und müssen fruchtlos bleiben. Entscheidende Voraussetzung zur Förderung naturnaher Bewirtschaftungsformen im Privatwald ist deswegen die Sensibilisierung der Waldbesitzer. Ziel dieser Sensibilisierung ist die Vermittlung der Erkenntnis, dass Wälder ganz unterschiedliche ökologische Qualitäten aufweisen können, mögen sie auch im Vergleich z.B. zu landwirtschaftlich genutzten Flächen immer weitgehend „natürlich“ wirken. Gleichzeitig sollten den Waldbesitzern die Möglichkeiten der eigenen Einflussnahme aufgezeigt werden. In der Befragung meinten die Waldbesitzer beispielsweise, den Arten- und Strukturreichtum ihrer Wälder allenfalls geringfügig lenken zu können. Gleichzeitig gehen jedoch Forstwissenschaftler davon aus, dass gerade diese Faktoren des Waldzustandes weitgehend durch das waldbauliche Handeln bestimmt werden und damit in der Hand des Eigentümers liegen (s. Reif et al. 2001; für eine vertiefte Auswertung und Diskussion der Ergebnisse zu diesem Aspekt vgl. Bieling u. Schraml 2004). Integration des direkten sozialen Umfeldes der Waldbesitzer in Initiativen zur Förderung der Waldumbautätigkeit Als wichtigstes Instrument der Privatwaldpolitik gilt in Deutschland bislang die vom Revierförster geleistete Beratung der privaten Eigentümer vor Ort. Die Befragungsergebnisse deuten, in Übereinstimmung mit den theoretischen Überlegungen, jedoch darauf hin, dass die Einflussmöglichkeiten des Försters begrenzt sind und stark mit den Einflüssen aus dem direkten sozialen Umfeld der Waldbesitzer, wie z.B. der Familie, konkurrieren. Diese Befunde weisen der Einbindung des sozialen Umfeldes der Waldbesitzer ein hohes Potenzial für eine effektive Implementation von Ansätzen zur Förderung naturnaher Wirtschaftsweisen im Privatwald zu. Die Einbindung von Familien-

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angehörigen dürfte allerdings noch schwieriger sein als die direkte Ansprache der Waldbesitzer selbst und stellt deswegen keinen zielführenden Weg dar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass neben familiären Bindungen vor allem ein geringes soziales Gefälle zwischen Berater und Beratenem ausschlaggebend ist. Als vielversprechender Ansatz ist deswegen der Einsatz von Multiplikatoren aus dem Kreis der Waldbesitzer anzusehen. Vorbildlich naturnah wirtschaftende Personen könnten als lokale Ansprechpartner für ihre Kollegen fungieren. Dabei wäre eine gemeinsame Verständigungsebene garantiert, z.B. im Hinblick auf sprachliche Formulierungen. Gleichzeitig könnte auf konkrete Beispiele vor Ort Bezug genommen werden. Günstig wäre es insbesondere, Multiplikatoren auszuwählen, denen die Funktion von lokalen Meinungsführern zukommt. 8.5.7 Zielgruppenspezifische Aspekte Die beiden genannten Aspekte können als grundlegende Ansätze für die Förderung naturnaher Bewirtschaftungsformen im Privatwald gelten. Wichtiges Ergebnis der Studie ist jedoch, dass sich die Waldbewirtschaftung von Person zu Person in ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen einfügt (vgl. auch ähnliche Typisierungen z.B. bei Judmann 1998, Becker u. Borchers 2000). Von höchster Bedeutung sind deswegen Konzepte, die der spezifischen Situation der verschiedenen Waldbesitzertypen gerecht werden. Der wirtschaftlich interessierte Waldbesitzer Für die Gruppe der wirtschaftlich interessierten Waldbesitzer bieten sich zwei Ansatzpunkte für die Förderung naturnaher Bewirtschaftungsmethoden. Zum einen ist das die soziale Funktion, die die Wälder für diesen Personenkreis im Unterschied zu den beiden anderen Gruppen erfüllen, z.B. im Sinne einer Verknüpfung der gesellschaftlichen Stellung mit dem Wald. Eine verdeutlichte gesellschaftliche Wertschätzung naturnaher Wälder durch öffentliche Anerkennung und Unterstützung könnte für diese Eigentümer deswegen einen besonderen Anreiz für eine entsprechende Bewirtschaftung bieten. Dazu wäre beispielsweise die medienwirksam gestaltete Verleihung eines Preises für vorbildlich wirtschaftende Privatwaldbesitzer geeignet, wie es in Deutschland schon vereinzelt durchgeführt wird (vgl. BStMELF 1997). Zum anderen sollten die bereits vorhandenen finanziellen Instrumente zur Förderung naturnaher Bewirtschaftungspraktiken weiter ausgebaut und optimiert werden, da diese der Einkommensfunktion gerecht werden, die die Wälder für wirtschaftlich Interessierte haben. Wichtig ist aus Sicht des Naturschutzes ein gezielter Einsatz von Zuschüssen für definierte Kriterien wie z.B. Baumartenmischung oder Strukturreichtum, so dass die ökologische Leistung überprüft werden kann. Aus der Sicht der betroffenen Waldbesitzer kommt der Verbindlichkeit und Stetigkeit der Fördermittel eine entscheidende Bedeutung zu (vgl. Ziegenspeck 2002). Zu erwägen wäre deswegen die Zahlung einer Art Grundgehalt, das eine förderungswürdige Waldbautätigkeit für eine längere Zeit

8.5 Akzeptanz und Umsetzung von Waldbau

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verlässlich entlohnt. Entsprechende Ansätze werden von Franz Fischler, Agrarkommissar der Europäischen Kommission, für den landwirtschaftlichen Bereich bereits vorgeschlagen (EU 2002). Neben der klassischen staatlichen Förderung sei des Weiteren die Zertifizierung als Instrument genannt, das für diesen Waldbesitzertyp eine naturnahe Waldbewirtschaftung und einen ökologischen Umbau vorantreiben kann. Der ideell interessierte Waldbesitzer Finanzielle Anreize werden dagegen bei den ideell interessierten Waldbesitzern nicht erfolgreich sein, da sie nicht bei wirtschaftlichen Motiven ansetzen können. Als entscheidender Anknüpfungspunkt ist für diese Eigentümergruppe vielmehr das besondere Interesse an der Natur und der Erholungsnutzung zu betonen. Aufgrund dieser Interessen ist davon auszugehen, dass die Vermittlung von Wissen um ökologische Zusammenhänge bei ideell Interessierten auf fruchtbaren Boden fällt. Eine Sensibilisierung im Hinblick auf Problembewusstsein und Kenntnis um die eigenen Handlungsmöglichkeiten dürfte besonders erfolgversprechend sein. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass diese Gruppe ein Potenzial zum aktiven Engagement im eigenen Wald mitbringt (entgegen anderslautender Charakterisierungen, vgl. z.B. Mutz et al. 2002). Das fehlende wirtschaftliche Interesse ist als spezielle Chance zu sehen, etwa wenn die Entnahme von Bäumen nicht als Ernte von marktfähigem Holz verstanden, sondern vorrangig unter ökologischen Gesichtspunkten durchgeführt wird. Selbst Kosten verursachende Maßnahmen könnten von dieser Eigentümergruppe als Investition in den ökologischen bzw. Freizeitwert ihre Wälder akzeptiert werden. Entscheidend für eine gezielte Förderung einer Waldumbautätigkeit durch die ideell interessierten Eigentümer ist, ob es gelingt, die informationellen Instrumente auf deren spezifische Bedürfnisse abzustimmen. Dies betrifft zum einen die Inhalte der Beratung, die gezielt auf die Förderung des Natur- und Erholungswertes der Wälder abheben und somit ideelle Anreize geben sollten. So beschreiben die ideell interessierten Besitzer in der Befragung den fehlenden Informationswert der klassischen Foren wie z.B. der Versammlungen der Forstbetriebsgemeinschaften mit Berichten über die Holzmarktlage. Zum anderen ist aber auch formal der Zielgruppe Rechnung zu tragen. Es sollten neutrale, nicht durch eine stark forstfachliche Sprache geprägte Kommunikationskanäle, sondern z.B. die Tagespresse gewählt werden. Besser wäre es noch, spezielle Kommunikationskanäle für ideell interessierte Besitzer einzurichten, etwa eine besondere Sprechstunde des Revierförsters oder themengebundene Führungen und Demonstrationen. Bei der Terminwahl ist zu berücksichtigen, dass diese Eigentümergruppe in der Regel tagsüber einer Erwerbstätigkeit außerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebs nachgeht, so dass in der Regel nur der Abend und das Wochenende für den Wald zur Verfügung stehen.

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Der uninteressierte Waldbesitzer Die Entwicklung von Strategien, die dazu geeignet sind, naturnahe Bewirtschaftungsformen durch diesen Waldbesitzertyp zu fördern, ist besonders schwierig, da beim bisherigen Kenntnisstand keine speziellen Interessen als potenzielle Anknüpfungspunkte identifiziert werden können. Angesichts dessen ist zu überlegen, ob die betreffenden Wälder nicht als willkommene Flächen für einen Prozessschutz ohne störende „Einmischung“ durch die Besitzer zu betrachten sind. Dies liegt jedoch außerhalb des hier zu diskutierenden Ansatzes der Förderung einer naturnahen Bewirtschaftung, die eine aktive Lenkung und Nutzung durch den Menschen vorsieht. Ein im Rahmen dieser Zielrichtung naheliegender Schluss wäre die Forderung, uninteressierten Waldbesitzern Anreize zum Verkauf oder zur Verpachtung ihrer Wälder zu geben und diese so leichter zu erreichenden Eigentümertypen zuzuführen. Allerdings zeigte sich dieser Teil der Befragten genau so selten wie die beiden anderen Gruppen bereit, ihre Wälder aus der Hand zu geben. Deswegen ist zu vermuten, dass die als uninteressiert bezeichneten Besitzer doch eine Verbindung zu ihren Wäldern haben, die sich lediglich der bisherigen Einsicht der Wissenschaft entzieht. Voraussetzung zur Entwicklung geeigneter Strategien für diese Zielgruppe wäre es also, fundierte Erkenntnisse über diesen Eigentümertypus zu gewinnen. Dazu sollte eine spezielle Methodik wie z.B. Intensivinterviews eingesetzt werden, die der explorativen Analyse qualitativer Zusammenhänge dient. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse könnten schließlich angepasste Strategien entwickelt werden, beispielsweise um ideelle Motive oder ein verstärktes Besitzerethos zu wecken bzw. zu intensivieren. Die Dringlichkeit der Erforschung der Lebenswelt dieser Eigentümergruppe trotz der abzusehenden hohen Kosten und Schwierigkeiten beruht auf zwei Gründen: Zum einen bewirtschaften uninteressierte Waldbesitzer ihre Wälder bisher besonders selten entsprechend den Prinzipien der Naturnähe. Zum anderen ist davon auszugehen, dass diesem Typus ein wesentlicher Teil der „Befragungsverweigerer“ zuzurechnen ist, wodurch diesen Waldbesitzern sowohl im Hinblick auf ihre Anzahl wie auch die Größe der betroffenen Waldfläche eine essenzielle Bedeutung zukommt. Zudem erhält diese Gruppe im Zuge des Prozesses der Modernisierung stetigen Zulauf (vgl. Schraml et al. 2002), so dass sich die Qualität einer künftigen Privatwaldpolitik daran messen lassen muss, inwieweit es ihr gelingt, dieser Eigentümergruppe gerecht zu werden.

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9 Aspekte der Holznutzung und der Technikfolgenabschätzung beim Waldumbau im südlichen Schwarzwald T. Wehner, U. H. Sauter

Die Erwartungen eines Besuchers an den viel beschriebenen, teils verklärten Natur- bzw. Lebensraum „Wald“ sind vielfältig. Sie reichen von der Erholung über das Ausleben sportlicher Aktivität bis hin zur Suche nach der reinen Natur bzw. dem vermeintlich ökologisch Ursprünglichen. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem positiv erlebten Naturraum und der forstlichen Produktionsfläche für den nachhaltigen Rohstoff „Holz“ wird für den Betrachter oft erst dann sichtbar, wenn die eigentliche Nutzung der Bestände vonstatten geht. Urplötzlich arbeiten Maschinen und Fahrzeuge im Wald, deren Dimension, Geräuschentwicklung und vermeintliche Kompromisslosigkeit den Betrachter eheer nachdenklich machen, als bei ihm staunendes Interesse zu wecken. Dass der Einsatz modernster Holzerntetechnik wirtschaftlich sinnvoll ist, ist durchaus vorstellbar, wenn man die Geschwindigkeit sieht, in der ein Vollernter einen Baum in kurze Rundholzstücke, sprich Massenware zersägt. Aber spätestens beim Anblick befahrener Waldwege und Erschließungslinien wird eine nachhaltige Forstwirtschaft in Frage gestellt. Ökologische und soziale Interessen scheinen durch ökonomische Ziele gefährdet. Und im Mittelpunkt der Diskussion stehen plötzlich die Forstnutzung, ihre Verfahren und die dabei eingesetzte Technik. Die Absicht einer naturnahen Waldbewirtschaftung ändert an diesem Zielkonflikt zunächst kaum etwas, vielmehr erscheint - bedingt auch durch den Begriff der „Naturnähe“ - die Kluft zwischen Ökonomie und Ökologie unüberwindbar zu sein. Die Gratwanderung, auf der sich die Forstnutzung immer befand, indem sie einerseits immer wirtschaftlichere Techniken und Verfahren einsetzt und andererseits deren Einsatz so schonend wie möglich gestalten will, bedarf hinsichtlich des angestrebten naturnahen Waldes einer neuen Betrachtung und Diskussion. Wird über einen Waldumbau die forstliche Produktionsfläche vom Altersklassenwald hin zum naturnahen Wald verändert, so ändern sich stetig über die jeweiligen Umbaustadien - die Strukturen der Bestände. Dies führt in direkter Folge zu veränderten Anforderungen in der Holzernte. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen an Mensch, Maschine und Verfahren sind vor allem hohe Flexibilität, technische Leistungsfähigkeit und höchste Qualität hinsichtlich der ökonomischen Anforderungen und der ökologischen K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

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T. Wehner, U. H. Sauter

Restriktionen. „Forsttechnik ist kein Selbstzweck. Sie dient dazu, die Entscheidungen des Forstbetriebes umzusetzen“ (Erler 2000). Die Diskussion um effiziente Holzernteverfahren auch im naturnahen Wald ist das Ergebnis einer vor allem seit Beginn der 90er Jahre verlaufenden Entwicklung. Mit den großen Stürmen „Wiebke“ und „Vivian“ hielt die vollmechanisierte Holzernte ihren endgültigen Einzug in den forstlichen Alltag. Während Vollernter und Tragschlepper zu Beginn der 80er Jahren noch mit Skepsis und für die deutschen Verhältnisse als wenig brauchbar betrachtet wurden, änderte sich dies fast schlagartig im Zuge der Aufräumarbeiten nach den Sturmkatastrophen. Neben dem Sinneswandel kam hinzu, dass der forstliche Maschinenbau im letzten Jahrzehnt eine wesentliche Leistungssteigerung bei den Holzerntemaschinen realisieren konnte. So haben, neben einer grundlegenden Erhöhung der Kraftpotentiale, technische Modifikationen wie z. B. der Kran- bzw. LadekorbTilt, Kranreichweiten über 10 Meter, verbesserte Antriebskonzepte und größere Fällaggregate zu einer höheren Flexibilität und Ausweitung der Einsatzbereiche von Holzerntemaschinen geführt. Modernste Fahrzeugtechnik bietet heute Optionen in punkto Steigfähigkeit oder Starkholztauglichkeit, die ihren Einsatz speziell in den südwestdeutschen Bergmischwäldern sinnvoll erscheinen lassen. Aber nicht nur die technische Weiterentwicklung und mit ihr die Möglichkeit, heterogene Rundholzsortimente aus den starkholzreichen Bergmischwäldern effizient zur Verfügung zu stellen, ist entscheidend für einen intensivierten Einsatz von moderner Technik und modernen Verfahren. Auch die Globalisierung der Märkte und der mit ihr verbundene Bedarf an neuen Marketingstrategien und Rationalisierungsoptionen für die Forstwirtschaft macht die Nutzung teil- oder vollmechanisierter Holzernteverfahren notwendig. Um heute auf dem Rundholzmarkt bestehen zu können, ist es nicht nur nötig, eine kostengünstige Holzernte mit Vollernter durchzuführen, sondern den Wert des Rundholzes durch ein angepasstes Marketing mit gutem Qualitätsmanagement, vorbildlicher Kundenorientierung und effektiver Logistik zu steigern (Becker et al. 1998). Auch hier bietet modernste Holzerntetechnik beachtliche Potentiale, die auch bei der Bewirtschaftung naturnaher Waldbestände – vielleicht sogar gerade dort – wesentliche betriebswirtschaftliche Beiträge leisten kann. Leider bleibt bei allen technischen Errungenschaften und der damit erreichten Rationalisierung ein Wermutstropfen. Technik und der mit ihr verbundene wirtschaftliche Nutzen steht immer in Interaktion mit der Umwelt. Keine Holzerntemaßnahme verläuft ohne ökologische Beeinträchtigungen. Immer dann, wenn sich die jahrzehntelange Produktion in barer Münze realisieren soll, offenbaren sich in der Holzernte die größten Probleme. Nicht dem geernteten Holz droht ein möglicher Wertverlust durch den Einsatz moderner Holzerntetechnik, sondern der verbleibende Bestand bzw. die nächste Rohstoffgeneration und der

Der sog. Tilt ermöglicht die Neigung des Kranes bzw. des Fahrerhauses in das Lot. Damit wird die Ausnutzung der vollen Kranreichweite möglich, Kraftverluste durch seitliches Wegdrücken des Kranes werden vermieden und die Ergonomie für den Maschinenführer wird verbessert.

9 Aspekte der Holznutzung und der Technikfolgenabschätzung beim Waldumbau

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Boden scheinen durch die Technik und deren Folgen gefährdet. Im Bestreben, nachhaltig zu bewirtschaften, und in dem Wissen, einen Rohstoff zu produzieren, der nur über lange Zeiträume zur „Reife“ gelangt, muss also eine ganzheitliche Betrachtung der eingesetzten Technik und deren Folgen zum Tragen kommen. Die Technikfolgenabschätzung (TA) ist hierbei die zielführende Herangehensweise. Als Disziplin existiert die TA erst seit wenigen Jahrzehnten. Technikfolgenabschätzung ist die Analyse des Status einer Technik und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten und die Abschätzung der unmittelbaren/mittelbaren technischen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen, ökologischen, humanen, sozialen und anderen Folgen und möglicher Alternativen (VDI, 1986). Auch das forstliche Handeln ist fast schon traditionell geprägt vom Bestreben, eingesetzte Technik in ihrer ganzen Auswirkung abzuschätzen. Gerade der Anspruch einer Generationen übergreifenden nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Wälder zwingt dazu. Auch stehen Wälder und ihre Nutzung immer im Spannungsfeld ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Interessen. Es ist also naheliegend, dass forstwissenschaftliche Disziplinen wie Bodenkunde, Waldwachstum und die Forsttechnik in interdisziplinärer Weise Probleme des Technikeinsatzes unter der neuen waldbaulichen Zielsetzungen „naturnaher Wald“ untersuchen und Lösungen erarbeiten. Aber nicht nur der Waldbau setzte neue Rahmenbedingungen mit dem Ziel „Dauerwald“. Auch das 1998 in Kraft getretene Bundes-Bodenschutzgesetz2 gibt Maßstäbe hinsichtlich der Erhaltung wichtiger Bodenfunktionen und der Sicherung der Bodenfruchtbarkeit vor. Um neben der Wirtschaftlichkeit auch den ökologischen Wert von Waldböden und Wäldern zu erhalten, ergab sich wissenschaftlicher Handlungsbedarf zum Thema Bodenverwundung durch moderne Holzerntemaschinen. Hinzu kam – wie bereits beschrieben – eine wesentliche Leistungssteigerung bei modernen Holzerntemaschinen, die in ihrer Folge zu höheren Fahrzeuggewichten und somit zu veränderten Beeinträchtigungen des Bodens führte. Diese neue Dimension von Bodendrücken, die damit verbundenen Bodenstrukturveränderungen, die Regenerationsfrage und der Einfluss der Feinerschließung auf das Waldwachstum sind Schwerpunkte, die wie die Frage nach den neuen Anforderungen an die Holzernteverfahren im „Dauerwald“ nachfolgend behandelt werden sollen. Wird Forsttechnik als „Werkzeug“ für die Nutzung unserer Bestände betrachtet und unterstellt man standardisierte Verfahren und Techniken im Altersklassenwald, ergibt sich ein Bedarf zur Spezialisierung der Holzernteverfahren bzw. -techniken durch die veränderten Rahmenbedingungen beim Waldumbau. Der naturnahe Wald und seine Umbauphasen benötigen also sich ständig modifizierende Forsttechnik und -verfahren, ein „Spezialwerkzeug“, dem es eigen ist, den ökonomischen und ökologischen Bedürfnissen im Dauerwald gerecht zu werden. 2

Verweis auf § 17 „Gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft“ des BBodSchG vom März 1998 (Bindend auch für andere Landnutzungsformen wie die Forstwirtschaft).

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M. Bacher-Winterhalter

9.1 Holznutzung im Dauerwald M. Bacher-Winterhalter

Die Holzernte dient der nachhaltigen Bereitstellung des Rohstoffes Holz. Sie wird dabei von verschiedenen Rahmenbedingungen beeinflusst. Waldbauliche Ziele können nur durch aktive Nutzungseingriffe und damit nur durch Holzerntemaßnahmen realisiert werden. Forsttechnik und Waldbau standen schon immer in Wechselwirkung und sind bei der naturnahen Waldbewirtschaftung nicht zu trennen. Je komplexer die Waldbauanforderungen sind, desto größer ist der Anspruch an geeignete Holzerntemaschinen und Holzerntesysteme. Nach Schütz (1985) müssen sie zusammenarbeiten, um übergeordnete Betriebsziele zu erreichen. Gegenseitige Anpassungen stehen dabei im Vordergrund. Der Umbau von gleichaltrigen Nadelholzreinbeständen zu Dauerwäldern, aufgebaut aus standortsgerechten Baumarten mit einer ausgewogenen Vertikalund Horizontalstruktur, führt zu veränderten räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen für die Holzernte und stellt hohe Anforderungen an die Forsttechnik. Auswirkungen für die Holznutzung sind verschiedene Baumarten, eine größere Sortenvielfalt, starkdimensionierte Bäume, unübersichtlichere Bestände, geringe und zerstreute Hiebsanfälle. Flächenweise Nutzungen werden zunehmend abgelöst von einzelbaum- und kleingruppenweisem Vorgehen. Dadurch werden Techniken und Verfahren erforderlich, die diesen intensiven Waldbau unterstützen. Erhöhte Flexibilität, robuste Bauweise und ein großes Einsatzspektrum sind gefordert. Die Technikentwicklung und die Verfahrensgestaltung in der Holzernte ist in den vergangenen Jahren stark von waldbaulichen Strategien beeinflusst worden. Größere, leistungsstärkere Holzerntemaschinen mit höheren Hubkräften und größeren Kranreichweiten wurden sowohl in der Aufarbeitungs- als auch in der Rücketechnik entwickelt. Dies bietet Potenziale für geeignete verfahrenstechnische Lösungsmöglichkeiten auch in Dauerwäldern. Projektzielsetzung Im Rahmen des Projektes „Auswirkungen des Waldumbaus auf Holzernte und Holzvermarktung“ werden ökonomisch, ökologisch und sozial verträgliche Holzerntekonzepte für Dauerwälder entwickelt. Dabei spielt die Einbindung hochmechanisierter Holzernteverfahrenskomponenten eine wesentliche Rolle. Außerdem werden modifizierte Rahmenbedingungen und Konsequenzen des Waldumbaus für Holzernte und Holzvermarktung analysiert und beurteilt.

9.1 Holznutzung im Dauerwald

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9.1.1 Rahmenbedingungen für die Holznutzung Holzernte ist nach Becker (1997) die Voraussetzung für die nachhaltige Bereitstellung des Rohstoffes Holz. Dazu sind aktive Eingriffe in die natürlichen Abläufe des Waldökosystems erforderlich. Ökonomische, ökologische und soziale Kriterien müssen gleichermaßen erfüllt werden. Konzepte der naturnahen Waldwirtschaft fordern eine pflegliche und ökologisch sinnvolle Holzernte, die sich an den waldbaulichen Vorgaben orientiert (KWF 2000, MLR BadenWürttemberg 1994). Im Vergleich zum einschichtig aufgebauten Altersklassenwald können im angestrebten strukturreichen Dauerwald nicht alle Möglichkeiten der technischen Optimierung und Rationalisierung zugunsten der Bestandespfleglichkeit vollständig ausgeschöpft werden. Zusätzlich wirken neben den waldbaulichen Anforderungen noch weitere Rahmenbedingungen wie z.B. Betriebsziele oder kleinstrukturierte Waldbesitzverhältnisse ein. Eine wesentliche Rahmenbedingung für die Holzernte stellt die kundenorientierte Rundholzbereitstellung dar. Der für die Holznutzung in Dauerwäldern zunehmende Anteil starkdimensionierter Bäume erfordert auch Umstrukturierungen in den verarbeitenden Betrieben der Holzindustrie. Bisher wurde Starkholz ab 50 cm Brusthöhendurchmesser (BHD) weitgehend motormanuell aufgearbeitet und als Stämme in langer Form vermarktet. Moderne starkholzverarbeitenden Sägewerke verlangen hingegen Belieferung mit Kurzholzabschnitten. Dies beeinflusst wesentlich die Verfahrensgestaltung in der Holzernte. 9.1.1.1 Expertenbefragung zur Erhebung der modifizierten Rahmenbedingungen Im Projektgebiet wurde im Rahmen einer empirischen Erhebung zur Bewirtschaftung von gleichaltrigen Fichtenrein-, Überführungs- und Dauerwaldbeständen eine Expertenbefragung durchgeführt (Bacher-Winterhalter 2004). Die waldbaulichen Ausgangssituationen wurden gemäß dem Glossar der AG Waldbau und Inventurmethoden (2000) definiert. Es wurden vor allem Informationen zur Holzernte gesammelt. Dazu wurde ein strukturierter Fragebogen erstellt. Die jeweils angewendeten Holzerntesysteme und ihre Rahmenbedingungen sollten in Abhängigkeit von den waldbaulichen Ausgangssituationen des Waldumbaus analysiert und beurteilt werden. Als Zielgruppe wurden 34 Revierleiter aus 12 Forstbezirken befragt. Es wurde etwa die Hälfte aller Revierleiter der jeweiligen Forstbezirke befragt. 29,4% der befragten Revierleiter bewirtschaften Flächen mit überwiegend Dauerwald und je 35,3% Flächen mit Fichtenrein- und Überführungsbeständen. Insgesamt wurden Daten von 86 Hieben mit einer Gesamtmasse von 65.050 Fm berücksichtigt. Im Dauerwald wurde bis zur Befragung ausschließlich mit motormanuellen Holzerntesystemen Langholz aufgearbeitet und vermarktet. Dagegen wurden bei knapp 25% der Hiebe in Fichtenreinbeständen Vollernter zur Kurzholzaufarbeitung eingesetzt. Im Folgenden werden speziell die waldbaulichen Anforderungen an die Holzernte beschrieben und diskutiert.

306

M. Bacher-Winterhalter

9.1.1.2 Anforderungen des Waldbaus an die Holznutzung Dauerwälder stellen wesentlich höhere Anforderungen an die Holznutzung als gleichaltrige Fichtenreinbestände (Bacher 2001). Um einen waldbaulich angestrebten Entwicklungszustand zu erreichen, müssen räumlich verteilte Eingriffe geführt werden. Die Kosten für die Vorbereitung und Durchführung einer Holzerntemaßnahme erhöhen sich mit der Komplexität und den festgelegten waldbaulichen Vorgaben hinsichtlich des Hiebsanfalles (Becker 1997). Forstbezirk Bonndorf (N=264) 60

Zahl der Bäume [%]

50

arithmetischer Mittelwert: 28,5 cm S = 7,83

40 30 20 10 0 10

15 20

25

30

35

40

45 50

55

60

65

70

75 80 >85

BHD-Klassen [cm]

Forstbezirk Todtmoos (N=210)

Zahl der Bäume [%]

60 50 40

arithmetischer Mittelwert: 45,2 cm S = 17,01

Fichte Tanne Buche

30 20 10 0 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 >85

BHD-Klassen [cm]

Abbildung 9.1: BHD-Verteilung des Hiebsanfalles in einem 85-jährigen Fichtenreinbestand (oben) und im Dauerwald (unten)

x Im Dauerwald kommen auf kleinster Fläche verschiedene Baumarten und Stammdimensionen vor. Abbildung 9.1 charakterisiert beispielhaft einen Hiebsanfall in einem 85-jährigen Fichtenreinbestand und im Dauerwald. Die Durchmesser- und Höhendifferenzierung nimmt im Dauerwald zu. Der Starkholzanteil (Bäume mit BHD t 50 cm) ist im Dauerwald höher (Schütz 1989, Knoke 1998, Daxner et al. 1999, v. Teuffel et al. 2000). x Im Gegensatz zu gleichaltrigen Fichtenreinbeständen ist die räumliche Ordnung im Dauerwald komplexer. Starke Bäume stehen direkt neben jungen, geringdimensionierten Bäumen. Die Verteilung ist nur auf großer Fläche als gleichmäßig anzusehen (Schütz 1989, Daxner et al. 1999). Das erfordert unter anderem eine einzelstammweise Bewirtschaftung (Duchiron 2000). Bei der Expertenbefragung stand die Einzelstammnutzung bei allen waldbaulichen Ausgangssituationen im Vordergrund. Bei 28,6% der Dauerwaldhiebe wurde auf gleicher Fläche sowohl einzel- als auch gruppenweise vorgegangen. Bei den meisten Hieben handelte es sich um räumlich gleichmäßig verteilte Nutzungseingriffe. Der Anteil verstreuter Hiebe war im Dauerwald mit 21% am höchsten.

9.1 Holznutzung im Dauerwald

307

x Die Expertenbefragung ergab eine große Streuung der Eingriffsstärke. In Fichtenreinbeständen wurden im Durchschnitt mit 80 Fm pro ha 13-15 Fm/ha weniger stark eingegriffen als in den Dauerwäldern. Im Vergleich zu den Angaben von Schütz (1989) lagen damit die Eingriffstärken höher. Schütz geht im Plenterwald von einem Hiebsanfall von 40 bis 50 Bäumen pro ha mit durchschnittlichen Baumvolumina von 1-1,5 Fm aus. x Aufgrund einzelbaumweiser Betrachtung und komplexer Entscheidungsbedingungen im Dauerwald sind qualifizierte Arbeitskräfte mit geeigneten technischen Mitteln notwendig (Schütz 1989, Daxner et al. 1999, Duchiron 2000). x Die Expertenbefragung belegt auch eine größere Sortenvielfalt. Es wurden bei Dauerwaldhieben im Mittel zwei Sorten mehr ausgehalten und kleinere Lose angelegt. Während der Hiebsanfall in den gleichaltrigen Fichtenreinbeständen ausschließlich nach waldbaulichen Kriterien bestimmt wurde, spielte der Kundenwunsch bei Dauerwaldhieben eine größere Rolle. Bei 28,5% der Hiebe orientierte sich der Hiebsanfall neben waldbaulichen Prioritäten auch am Kundenwunsch. x Im Dauerwald gibt es übers Jahr hinweg zwar weniger, aber größere Hiebe. Es wurde nicht häufiger eingegriffen als in gleichaltrigen Fichtenreinbeständen. Das widerspricht den Angaben von Perrin (1954) und Möller (1920). x Die Bestandesstruktur im Dauerwald erschwert nicht nur die Zugänglichkeit und Begehbarkeit, sondern vor allem die Sichtverhältnisse im Bestand. Das erfordert höchste Aufmerksamkeit hinsichtlich der Arbeitssicherheit, was sich möglicherweise auf die Leistung der Waldarbeiter und der eingesetzten Holzerntemaschinen auswirkt. x Für die Erreichung waldbaulicher Ziele und die Erhaltung vorhandener Bestandesstrukturen spielt die Bestandes- und Bodenpfleglichkeit bei der Auswahl der Holzerntesysteme und deren Komponenten eine wichtige Rolle. Zur Bodenschonung ist eine geeignete, systematische Feinerschließung notwendig (MLR Baden-Württemberg 2003). Nach Bailly (1978) gilt dies für gleichaltrige Reinbestände und Dauerwälder gleichermaßen. Weite Rückegassenabstände begünstigen die Bodenschonung, führen aber tendenziell zu höheren Schäden am verbleibenden Bestand (Bort et al. 1993). 9.1.2 Arbeitsversuche zum Einsatz von Holzerntesystemen in Dauerwäldern Ein Holzerntesystem setzt sich aus einem Aufarbeitungs- und einem Rückeverfahren zusammen, die jeweils mehrere Teilarbeiten aufweisen können. Die Teilarbeiten werden an unterschiedlichen Arbeitsorten durchgeführt. Dabei werden Bestand, Rückegasse und Waldstraße unterschieden. Zielsetzung der Arbeitsversuche war die Entwicklung optimierter Holzerntesysteme für Dauerwälder unter Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Anforderungen. Darin eingeschlossen sind die kundenspezifischen Anforderungen

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M. Bacher-Winterhalter

an die Belieferung mit Rundholz. Ein Schwerpunkt bei der Verfahrenstechnik war dabei die Prüfung der Einsatzfähigkeit der Vollerntertechnik.

Abbildung 9.2: Motormanuelle Fällung (links) und Kurzholzaufarbeitung mit einem Raupenvollernter „IMPEX Königstiger“ (rechts) im Dauerwald (Bacher 2001)

9.1.2.1 Material und Methoden In den Jahren 2000 bis 2002 wurden im Südschwarzwald in den Staatswaldungen der Forstbezirke St. Märgen, Todtmoos und Kandern neun Arbeitsversuche in der Ebene und in befahrbaren Hanglagen durchgeführt. Dabei wurden 2952 Bäume mit einer Hiebsmasse von ca. 4291 Fm aufgearbeitet und im Rahmen von Arbeitsstudien datenmäßig erfasst. Bei allen Arbeitsversuchen wurde Kurzholz in Standardlängen aufgearbeitet. Sowohl motormanuelle (drei Versuche) als auch ein mechanisiertes Holzerntesysteme (sechs Versuche) wurden gestaltet und erprobt. Klassischerweise werden die Bäume im Dauerwald motormanuell aufgearbeitet. Zur motormanuellen Kurzholzaufarbeitung gab es folgende Varianten: 1. Motormanuelle Kurzholzaufarbeitung im Bestand mit anschließender Tragschlepperrückung („Todtmooser Verfahren“) 2. Rohschaftverfahren kombiniert mit motormanueller Kurzholzaufarbeitung an der Waldstraße: Die Bäume werden gefällt, entastet, gezopft und mit einem Klemmbankschlepper lang an die Waldstraße gerückt. Danach werden die Stämme motormanuell zu Kurzholz eingeschnitten. Holzerntesysteme mit motormanueller Fällung und Sortenbildung sind weitgehend flexibel hinsichtlich Sortierung, weisen kaum Einsatzgrenzen auf, führen jedoch zu höheren Arbeitsbelastungen und in der Regel zu höheren Kosten. Nach den Stürmen von 1990 etablierte sich die Radvollerntertechnologie in Deutschland. In schwachen bis mittelstarken Nadelholz- und Mischbeständen stellt der Vollernter zusammen mit der Tragschlepperrückung ein leistungsstarkes, rationelles, sicheres und pflegliches Holzerntesystem zur Kurzholzaufarbeitung

9.1 Holznutzung im Dauerwald

309

dar. Deshalb wurde im Rahmen der Untersuchungen die Frage behandelt, inwieweit solche Holzerntesysteme in Dauerwäldern eingesetzt werden können (Bacher-Winterhalter 2004). In den letzten Jahren führte die Entwicklung der Vollerntertechnik zu leistungsstarken und robusten Maschinen. Stärkere Bäume und Laubholz bis zu mittleren Dimensionen können aufgearbeitet werden (Guglhör 1994, Schorr 2000, Bacher 2001, Pausch 2002). Die Entwicklung von Raupenvollerntern erweiterte die Einsatzgrenzen z.B. bezüglich Hanglagen bis zu 60% (Schöttle et al. 1997, Denninger 1998). Mit Starkholzraupenvollerntern können in ebener Lage Bäume bis zu einem BHD von 80 cm gefällt und aufgearbeitet werden (Schöttle et al. 1998). Restriktionen für die Einsetzbarkeit der Vollerntertechnik sind: Geländebedingungen, Bestandesstruktur, Baum- und Astdimensionen sowie zu entnehmende starke Laubbäume und den damit einhergehenden Steilästen und Zwieseln. Des weiteren wird der Einsatz von Vollerntern grundsätzlich erschwert oder unwirtschaftlich, wenn die Sortenaushaltung kombiniert mit einer Rundholzqualitätsansprache durchgeführt werden muß und der Hiebsanfall eine kritische Mindestmenge unterschreitet (Gunnarsson und Hellström 1992, Favreau und Légère 1999, Bacher 2000, Pausch 2002). Aufgrund der genannten Restriktionen kann ein rein vollmechanisiertes Holzerntesystem mit heutiger Forsttechnik im Dauerwald nicht sinnvoll eingesetzt werden. Aus dieser Grunderkenntnis heraus wurden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung insgesamt sechs Arbeitsversuche mit einem mechanisierten Holzerntesystem (teilweise motormanuelle Fällung und Aufarbeitung) zur Kurzholzaufarbeitung im Bestand durchgeführt (Bacher 2000, Bacher und Pfeil 2002, Bacher 2003, Bacher-Winterhalter 2003 und 2004). Mit den kombinierten Aufarbeitungsverfahren konnten die in den konkreten Hieben vorliegenden Restriktionen überwunden werden. Bei dem realisierten Rückegassenabstand von rund 40 m und Vollernter-Kranreichweiten von 10 bis 15 m wurde die Zwischenzone motormanuell bearbeitet (Abbildung 9.3). Aufwendige Entastungsarbeiten und Sortentrennschnitte wurden vorwiegend maschinell durchgeführt. Gerückt wurde mit leistungsstarken und großen Tragschleppern.

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M. Bacher-Winterhalter

ARBEITSORT ARBEITSABLAUFSCHNITTE

Bestand Rückegassen Zwischenzone Zufällen

Fällen

Entasten Vorrücken Einschneiden Vermessen Sortieren Rücken Poltern

Kranbereich Zufällen der überstarken Nadelbäume

Waldstraße

1. Motormanuelle Fällung in der Zwischenzone und der überstarken Nadelbäume (BHD > 55 cm) innerhalb des Kranzonenbereiches im 2-Mann-Verfahren 2. Aufarbeitung und Fällung der verbliebenen markierten Bäume in der Kranzone und Aufarbeitung der zugefällten Bäume mit einem mittelstarken Raupen- bzw. einem leistungsstarken Radvollernter 3. Rücken der Kurzholzabschnitte mit leistungsstarken Tragschleppern

Abbildung 9.3: Systematische Beschreibung des untersuchten mechanisierten Holzerntesystems

Für die Komponenten der Holzerntesysteme wurden Leistungsdaten ermittelt. Für die maschinellen Komponenten wurden Arbeitsstudien im Einzelzeitverfahren, für die motormanuellen Komponenten Zeitaufnahmen im Multimomentverfahren durchgeführt (REFA Fachausschuss Forstwirtschaft 1998). Die Heterogenität des Hiebsanfalles und der Hiebsfläche erforderte in allen Fällen Vollaufnahmen. Weiterhin wurden nach den Holzerntemaßnahmen bei allen Arbeitsversuchen auf repräsentativ verteilten Stichprobenflächen Schäden am verbleibenden Bestand nach dem Verfahren von Meng (1978) aufgenommen. Die rechteckigen Stichprobenflächen wurden jeweils von Rückegassenmitte zu Rückegassenmitte angelegt. Innerhalb einer Stichprobenfläche wurden alle Bäume mit BHD t 7 cm erfasst und hinsichtlich Schäden beurteilt. Ein Schaden wurde folgendermaßen definiert: Größe ab 10 cm² und freiliegender Holzkörper. Außerdem wurden Schadensanzahl, Lage, Größe und Art des flächenmäßig größten Schadens aufgenommen. Wesentliche Versuchsergebnisse werden im folgenden beschrieben und diskutiert. Dabei wird auf Leistungsergebnisse und auf die Bestandespfleglichkeit eingegangen. Aspekte zur Arbeitssicherheit, Ergonomie und Organisation werden angesprochen. 9.1.2.2 Leistungsergebnisse der untersuchten Holzerntesysteme In der folgenden Tabelle sind wichtige Leistungsergebnisse und Bezugsgrößen für die untersuchten Holzerntesysteme dargestellt.

9.1 Holznutzung im Dauerwald

311

Tabelle 9.1: Zeitaufwand, Leistungen und Bezugsgrößen für die untersuchten Holzerntesysteme Parameter

Mechanisierte Kurzholzaufarbei tung im Bestand (Fällung/ Aufarbeitung Vollernter oder motormanuell)

Anzahl Versuche Anzahl Bäume Anz. Kurzholzsorten Hiebsanfall [Fm/ha] Laubholzanteil [Stückzahl%] Mittlerer BHD [cm] Starkholzanteil [Stückzahl%] Mittlerer Zeitaufwand motorm. Aufarbeitung [min/Baum] Mittlerer Zeitaufwand Vollernteraufarbeitun g [min/Baum] Mittlere Rückeleistung [Fm/h] 1

Motormanuelle Kurzholzaufarbe itung im Bestand „Todtmooser Verfahren“

Rohschaftverfahr en kombiniert mit motormanueller Kurzholzaufarbeit ung an der Waldstraße

6 2355 4-7 43 - 156

1 210 7 83

2 364 6-9 109 - 123

0 - 58 31 - 49

32 45

10 - 42 44 - 47

8 - 47 4,9 - 24,3

54 19,3

33 - 50 27,8 - 33,9

S1=2,5 - 9,8

S1=11,4

S1=11,3 - 15,9

1,8 - 5,3 S1=0,9 - 2,8

--

--

20 - 35

19

10 - 12

S = Standardabweichung

Die Hiebsflächen lagen zum größten Teil im Dauerwald. Zwei Arbeitsversuche zur mechanisierten Kurzholzaufarbeitung wurden in Überführungsbeständen durchgeführt. Die Hiebsflächen wiesen in Bezug auf die Bestandesstruktur und die Hiebsanfälle Unterschiede auf (Tabelle 9.1). Bäume mit BHD von 9 bis 90 cm wurden aufgearbeitet. Der Durchschnitt lag bei 31 bis 49 cm. Der Laubholzanteil bewegte sich zwischen 0 und 58%. Dabei handelte es sich vorwiegend um schwachdimensionierte Buchen. Bei bis zu 54% der ausscheidenden Bäume traten Starkholzdimensionen mit einem BHD 50 cm auf. Der mittlere Zeitaufwand für die Kurzholzaufarbeitung bezieht sich jeweils auf die Gesamtarbeitszeit (GAZ), die sich aus der reinen Arbeitszeit (RAZ) und einem standardisierter Zuschlag für allgemeine Zeiten mit RAZ x 1,3 zusammensetzt. Bei der mechanisierten Kurzholzaufarbeitung im Bestand wurden die Bäume durchschnittlich in 4,9-24,3 min/Baum zugefällt und teilweise motormanuell aufgearbeitet. Die Vollernter benötigten im Mittel 1,8-5,3 min/Baum. Im Durchschnitt ist die motormanuelle Kurzholzaufarbeitung im Bestand günstiger als die motormanuelle Kurzholzaufarbeitung an der Waldstraße. Wie die Standardabweichungen S in Tabelle 9.1. zeigen, weisen die Werte große Streuungen auf. Einflussfaktoren sind dabei neben dem Baumvolumen die

312

M. Bacher-Winterhalter

Bestandesstruktur, der Einzelbaumzustand (Kronenausformung, Astigkeit), der Hiebsanfall und die Geländebedingungen. Die unterschiedlichen Aufarbeitungsverfahren wurden anhand des Zeitaufwandes für die Aufarbeitung von Nadelholzabschnitten im Detail analysiert. Sowohl bei der motormanuellen Aufarbeitung als auch bei der Vollernteraufarbeitung unterschied sich der Zeitaufwand für Fichte und Tanne nicht. Grundsätzlich besteht der Zeitaufwand aus einem Zeitanteil für Aufarbeitung und einem für Bewegung zwischen den Aufarbeitungsorten/Bäumen. Der Zeitaufwand für Fortbewegung ist großen Streuungen unterworfen und hängt stark von der räumlichen Verteilung des Hiebsanfalles, von der Bestandesstruktur und von Geländebedingungen ab. Für die Aushaltung der Nadelholzabschnitte ist die reine Bearbeitungszeit bei den motormanuellen Aufarbeitungsverfahren höher als bei mechanisierten. Im Rahmen des mechanisierten Holzerntesystems nimmt das Zufällen und die weitere motormanuelle Bearbeitung wesentlich mehr Zeit ein als die abschließende Vollernteraufarbeitung. Je stärker die Bäume sind, desto höher ist der motormanuelle Anteil. Bei über 70% der Bäume mit BHD t 70 cm fanden motormanuelle Entastungs- und Einschneidearbeiten statt. Je stärker die Bäume werden und je höher der Nadelholzanteil ist, desto günstiger wird die motormanuelle Kurzholzaufarbeitung im Bestand. Um diese Aussagen abzusichern, sind weitere Untersuchungen zur motormanuellen Kurzholzaufarbeitung im Bestand erforderlich. Die Rückeleistung ist beim mechanisierten Holzerntesystem mit 20 bis 35 Fm/h höher als bei den motormanuellen Holzerntesystemen (Tabelle 9.1). Der Vollernter konzentriert die Kurzholzabschnitte entlang der Rückegassen vor. Auf diese Weise wird die Rückeleistung erheblich gesteigert. Wie zu erwarten war der Rückeaufwand beim Holzerntesystem ‚Rohschaftverfahren mit motormanueller Kurzholzaufarbeitung an der Waldstraße’ am größten. Die gefällten Rohschäfte müssen an die Waldstraße gerückt und einzeln abgelegt werden. Hier kommt die ungünstige Arbeitsorganisation (Platz/unterschiedlicher Zeitbedarf Einteilung/Rückung) zum Ausdruck. 9.1.2.3 Arbeitssicherheit und Ergonomie Die Holzernte in strukturreichen Wäldern stellt große Anforderungen an die Arbeitssicherheit. Neben schlechter Zugänglichkeit bewirkt die Strukturiertheit eine geringe Übersichtlichkeit. Belassenes Totholz führt zu höheren Gefährdungen. Eine Ausstattung mit Funkgeräten für die Forstwirte ist unabdingbar. Sichere Arbeitsabstände sind bereits mit einer sorgfältigen Planung und mit Abstimmungen zu gewährleisten. In Bezug auf kombinierte Aufarbeitungsverfahren muss aus Sicherheitsgründen die motormanuelle Arbeit durch die Forstwirte von der Vollernteraufarbeitung zeitlich und räumlich getrennt werden. Die Phase der motormanuellen Fällung ist im Vorfeld der Vollernteraufarbeitung zu leisten. Dies ist bei der Verfahrensgestaltung und bei der Organisation zu berücksichtigen. Mit kombinierten, Aufarbeitungsverfahren werden ergonomisch ungünstige Tätigkeiten wie Entasten und Einschneiden

9.1 Holznutzung im Dauerwald

313

soweit möglich (Dimension, Astigkeit) maschinell durchgeführt. Andererseits ist im Gegensatz zu rein motormanuellen Holzerntesystemen mit Langholzrückung durch konventionelle Forstspezialschlepper bei der Fällung von starken Bäumen eine Seilunterstützung in der Regel nicht möglich. 9.1.2.4 Organisation und Planung Der Organisationsaufwand für mechanisierte Holzerntesysteme ist im Vergleich zu motormanuellen Holzerntesystemen höher, weil spezielle Forstmaschinen eingesetzt werden müssen. Die Expertenbefragung im Projektgebiet ergab, dass die Höhe des Organisationsaufwandes im wesentlichen von der Art des Maschineneinsatzes abhängt. Eine große Bedeutung kommt der Abstimmung zwischen Forstwirten und Maschinenführern zu. Die motormanuellen Holzerntesysteme sind durch ihre hohe Flexibilität auch für Kleinhiebe geeignet, die für kleinstrukturierte Wald-, Besitz- und Geländeverhältnisse von großer Bedeutung sind. Für mechanisierte Holzerntesysteme kommen nur größere Hiebe in Frage. Morat et al. (1998) nennen eine Hiebsmasse ab 500 Fm. Nach Denninger (1998) ist für einen Raupenvollerntereinsatz aufgrund der hohen Umsetzungskosten eine Mindestmenge von 1000 bis 1500 Fm erforderlich. Diese Zahlen werden durch die den eigenen Arbeitsversuchen vorausgegangenen Verhandlungen mit den beteiligten Holzernteunternehmen bestätigt. 9.1.2.5 Abschließende Beurteilung hinsichtlich Technikfolgenabschätzung Die Rahmenbedingungen für die Holzernte werden mit der Entwicklung hin zu naturnäheren Waldformen komplexer und damit schwieriger. Wesentliche Gesichtspunkte für die Holzernte sind die gleichzeitige Aufarbeitung schwacher und starker Dimensionen, hohe Anteile starker Bäume, hohe Sortenvielfalt, geringer Hiebsanfall bzw. Stückzahl je Flächeneinheit, schlechte Zugänglichkeit und Übersichtlichkeit durch hohe Verjüngung zu den zu entnehmenden Individuen. Ein permanentes, systematisch angelegtes Feinerschließungsnetz ist für den Einsatz der beschriebenen Holzerntesysteme wesentliche Grundlage. Nur dadurch können Schäden am verbleibenden Bestand und am Boden durch klare Vorgaben hinsichtlich Schlagordnung und Operationsorte der einzusetzenden Maschinen vermieden werden. Die Bewirtschaftung von Dauerwäldern und die veränderten Kundenwünsche hin zu ganzjähriger Kurzholzbelieferung erfordern flexible Holzerntesysteme und den Einsatz von robuster, leistungsfähiger Technik. Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre ermöglichen unter diesen erschwerten Bedingungen einen Einsatz von leistungsstarken Vollerntern mit Eigengewichten von 24 bis 30 t. Sinnvoll ist dies jedoch nur in Kombination mit motormanueller Holzernte. Die Arbeitsversuche ergaben, dass mechanisierte Holzerntesysteme in Dauerwäldern bis zu 40-45% Hangneigung leistungsfähig und pfleglich eingesetzt werden

314

M. Bacher-Winterhalter

können. Eine Alternative ist die motormanuelle Kurzholzaufarbeitung von ausgesprochenem Nadelstarkholz im Bestand („Todtmooser Verfahren“). Dieses Holzerntesystem ist in Lagen bis 35% Hangneigung einsetzbar und vor allem bei hohen Nadelstarkholzanteilen leistungsfähig. Wesentliches Verfahrensmoment ist die Vorrückung der kurzen Stammabschnitte und Mehrfachlängen bei Unerreichbarkeit mit starken Kränen und den dazugehörigen Greifzangen. Die besondere Pfleglichkeit gegenüber konventionellen Rohschaftverfahren ergibt sich durch Herausheben bzw. Vorrückung unter wenigstens einseitiger Anhebung der Stammteile (Sauter et al. 2004). Sowohl bei motormanuellen als auch bei mechanisierten Holzerntesystemen sind zur Manipulation von Starkholzdimensionen große Rückemaschinen notwendig, die bereits Eigengewichte von bereits bis zu 18 t aufweisen.

Abbildung 9.4: Ein Kombinations-Trag-Seilrückeschlepper WELTE 210 bei der Kurzholzrückung im Dauerwald (Bacher 2001)

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

315

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand im Sinne einer Technikfolgen-abschätzung T. Wehner

Der Einsatz von Technik steht immer in der Wechselwirkung zur Umwelt. Bereits in der Entwicklung von forstlicher Technologie wird der Blick auf ihre Folgen gelenkt und der Maschinenbau versucht dem gerecht zu werden, indem möglichst boden- und umweltschonende Maschinen entwickelt werden, die gleichzeitig hohe Arbeitsleistungen verwirklichen können. Aus dem Wissen heraus, dass es auch unbeabsichtigte Folgen einer Technologie geben kann, ergibt sich die Notwendigkeit einer Technikfolgenabschätzung. Sieht man eine Forstmaschine als zunächst geschlossenes System an, so wird man feststellen, dass das System in sich harmoniert. Die einzelnen Systemkomponenten und deren positive wie auch negative Wirkung auf das Gesamtsystem sind bereits während der Konstruktion auf ihre Technikfolgen geprüft. Wie aber wird sich der reale Einsatz der Maschine auf die Umwelt auswirken? Zwar wird bereits während der Entwicklung auf diese Problematik Rücksicht genommen, aber die Realität kann am Reißbrett nur ansatzweise vorausgesehen werden. Vor diesem Hintergrund ist es zielführend, vor allem unter realen Einsatzbedingungen Holzerntemaschinen hinsichtlich ihrer Boden- und Bestandesverträglichkeit zu untersuchen. Die bodenkundlichen Untersuchungen und Ergebnisse konzentrieren sich dabei auf Fragen der Bodenökologie und Bodenmechanik. Bei der Betrachtung der bodenökologischen Beeinträchtigungen durch das Befahren mit schweren Holzerntemaschinen wurden Störungen der Bodenstruktur und der Bodenbelüftung erfasst. Ebenso galt es, sich neben der Aufnahme der Feinwurzeldichte als Zeiger des potentiellen Wurzelraumes eine Vorstellung über die Regenerationsgeschwindigkeit von Bodenschäden zu erarbeiten. Die bodenmechanische Fragestellung zielt auf die Darstellung dynamischer Auflastdrücke und die dadurch entstehenden Bodendeformationen ab. Die Daten zeigen auf, in welcher Art und Weise die unterschiedlichen Forstmaschinen, d.h. Komponenten mechanisierter Arbeitsverfahren (Vollernter, Tragschlepper oder Forstspezialschlepper) durch ihre Belastungen unter realen Einsatzbedingungen Waldböden nachhaltig beeinflussen und degradieren können. Die Dokumentation der forstlichen Verfahren und Maschinen wurde hierbei von der Forsttechnik geleistet. Essentiell für die Interpretation der bodenkundlichen Ergebnisse war der Ansatz, durch eine detaillierte System- und Verfahrensstudien an den eingesetzten Holzerntemaschinen wesentliche Wirkungszusammenhänge zwischen Fahrzeugund Verfahrenswahl, Feinerschließung und Bodenbeeinträchtigungen zu identifizieren und dies direkt in Praxisempfehlungen umzusetzen. Wichtig war,

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J. Vossbrink, R. Horn

die im Südschwarzwald und dessen Bergmischwäldern anzutreffenden speziellen waldbaulichen und geländemorpholgischen Verhältnisse auf die Frage nach Mechanisierungs- und Rationalisierungsgrenzen hin zu diskutieren. In den steileren Lagen tritt die Frage der Erosionswirkung in Fahrspuren der eingesetzten modernen Holzerntemaschinen in den Vordergrund. Denn nur die dauerhafte Erhaltung und damit die langfristige Nutzbarkeit von Feinerschließungslinien erfüllen die ökologischen und wirtschaftlichen Anforderungen eines zukunftsorientierten Feinerschließungskonzeptes. Neben den bodenbezogenen Aspekten muß eine umfassende Technikfolgenabschätzung auch die Auswirkungen der Holzerntemaßnahmen auf den verbleibenden Bestand einbeziehen. Hier sind Schäden an der Naturverjüngung und den aufstockenden Bäumen durch Fäll- und Rückeschäden zu betrachten. Schäden am Stamm führen nicht nicht nur zu Holzentwertungen, sondern können durch frühzeitigen Ausfall von wichtigen Individuen die Bestandesstruktur und die Stabilität der Bestände beeinträchtigen. Im Folgenden werden in interdisziplinärer Weise die Fachrichtungen Bodenkunde, Forsttechnik und Waldwachstum zu den Chancen und Risiken des Einsatzes mechanisierter Arbeitsverfahren bzw. Fahrzeugtechnik im Südschwarzwald Stellung nehmen. 9.2.1 Bodenmechanische Wirkung von im Rahmen des Waldumbaus eingesetzten Maschinen J. Vossbrink, R. Horn

Böden sind neben ihrer Funktion als Nährstoff und Wasserspeicher Produktionsstandort für Pflanzen. Gleichzeitig dient er in der Forstwirtschaft als Untergrund für verschiedene forstliche Ernte- und Transportfahrzeuge. (Schlaghamersky 1991). Im Zuge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ist eine stetige Zunahme der Maschinenleistung und –gewichte zu beobachten. (Rieppo 2001) Heutige Erntemaschinen erreichen Gesamtgewichte bis zu 30t (Impex 1650 „Königstiger) oder 45t (Impex 1880 „Hannibal“) zuzüglich des Holzeigengewichts. Diese höheren Gewichtskräfte müssen vom Boden abgestützt werden und stellen eine Belastung dar, welche die Ursache für schädliche Bodenverdichtung ist. Die schädliche Bodenverdichtung geht einher mit der Gefügezerstörung. Die modernen forstwirtschaftlichen Ernteverfahren können durch gefügezerstörende Bodenverdichtung negative Auswirkungen auf die Standortökologie haben (Schäffer 2001). Auswirkungen der Bodenbearbeitung und Bodenverdichtung durch Benutzung der Motorpflüge auf den Landbau sind bereits seit den 20er Jahren bekannt (Gröger 1921). Negative Auswirkungen auf Pflanzenwachstum durch Strukturzerstörung, verursacht durch fehlerhafte Bodenbearbeitung wurde 1948 durch Görbing sehr genau beschrieben. Taylor und Brar (1991) haben sich mit den Folgen

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

317

konventioneller Pflugverfahren, Gefügeänderungen sowie den erhöhten Eindringwiderständen und Lagerungsdichten und den damit verbundenen eingeschränkten Durchwurzelbarkeit beschäftigt. Die Unterbindung des kontinuierlichen Wasser-, Nährstoff- und Lufttransports und die daraus resultierende verringerte Wasserversickerung mit dem Gefahrenpotential der Erosion und des Sauerstoffmangels wurden von Czeratzki 1972 beschrieben. Auch die Ertragsminderungen durch Verdichtungseffekte wurden vielfach belegt (Gameda et al. 1987, Rusanov 1991 oder Lindstrom & Voorhees 1994). Ehlers und Werner (2000), Werner und Werner (2001), Horn et al. 2000 und Pagliai et al. (2002) konnten zeigen, dass eine Strukturverbesserung einhergehend mit verbesserter Porenfunktionalität nur erreicht werden kann, wenn die mechanische Auflast immer geringer als die Eigenstabilität in allen Horizonten ist und zusätzlich durch starke Austrocknung Quell- und Schrumpfprozesse initiiert werden. Überlegungen zum bodenschonenden Maschineneinsatz in der Forstwirtschaft werden unter anderem von Schlaghamersky (1991), Matthies (1998), v. Wilpert (1998) und Rieppo (2002) diskutiert. Gerdsen et al. (1989) diskutieren den Kontaktflächendruck als Maß für die Bodenpfleglichkeit. Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Technikkonzepte zur Bodenschonung werden von Wehner (2001) aufgezeigt. 9.2.1.1 Material und Methoden Um die Einflüsse schwerer Fahrzeuge auf die Bodenstruktur untersuchen zu können wurden während des Projektes acht Großversuche zur Spannungsmessung und Bodendeformation mit verschiedenen Fahrzeugen und Fahrzeugspezifikationen unternommen. Hierbei kam das kombinierte SST/DTS System zum Einsatz. Anschließend wurden sowohl von den unbelasteten Referenzstandorten wie auch aus den belasteten Fahrspuren Stechzylinderproben genommen, um die bodenphysikalischen Änderungen zu ermitteln. Ausgangsmaterial Das Untersuchungsgebiet liegt im südlichen Teil des Schwarzwalds, welcher im Süden vom Rheintal und im Westen vom Oberrheingraben begrenzt wird und der am höchsten gehobene Teil des Gebirges ist. Da hier Deckgebirge fast vollständig fehlen, stehen kristalline massig körnige Granite und Gneise an. Die Zentralschwarzwälder Gneismasse besteht aus prävariszischen Gneisen und Gneisanatexiten.

318

J. Vossbrink, R. Horn

Abbildung 9.5: Ausschnitt Geologische Übersichtskarte Südwestdeutschland, aus Geyer (1986), verändert.

Die in den Hochlagen entstandenen Böden sind vor allem Braunerden und Parabraunerden mit vereinzelt leichter Podsolierung. Ein typischer Standort ist in Tabelle 9.2. dargestellt. Die Lagerungsdichten dieser Böden, die nach forstlicher Standortskartierung aus Höhenlehmen bestehen, sind mit 0.8 bis 1 g/cm³ sehr gering, ab Lagerungsdichten < 0.8 g/cm³ wären die Böden als Lockerbraunerden anzusprechen. Die mittleren Jahresniederschläge sind mit bis zu 2000 mm/Jahr sehr hoch. Tabelle 9.2: Typischer Versuchsstandort im Hochschwarzwald

Horizont

Tiefe [cm]

Steingehalt %

PH CaCl2

2000-630

630-200

200-63

Sand

63-20

20-6,3

6,3-2

Schluff

Ton

Bodenart

Korngrößenverteilung < 2000 mm [%]

L Of Ah Bv1 Bv2 BvCv Cv

5-2 2-0 0-5 5-40 40-70 70-95 > 95

10 10 30 50 70

3,28 3,93 4,07 4,22 4,36

15 15 13 11 13

17 17 16 16 24

12 14 14 15 24

44 46 43 42 61

11 2 10 20 12

15 13 12 16 13

14 11 12 10 9

25 26 34 46 34

16 28 23 12 5

S14 Lts Ls3 Slu Su3

Untersuchte Ernte- und Rückefahrzeuge Um die Auswirkungen unterschiedlicher Arbeitsverfahren zu untersuchen, kamen in den Versuchen verschiedene orts- und verfahrenstypische Fahrzeuge und Methoden zum Einsatz. Die in den Versuchsreihen eingesetzten

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

319

Maschinentypen bzw. Arbeitsmittel sind in Tabelle 9.3. ersichtlich. Spezifische technische Kenndaten werden in der Tabelle 9.4. und im Kapitel 9.2.2 ergänzend aufgeführt. Tabelle 9.3: Untersuchte und eingesetzte Maschinen Sachsystem Vollernter (Harvester)

Fahrzeugtyp Impex 1880 „Hannibal“ Impex 1650 T „Königstiger“ Valmet 911 X3M CAT 580 Tragschlepper (Forwarder) Valmet 840 Timberjack (TJ) 1010 C Timberjack (TJ) 810 B Forstspezialschlepper HSM 904 Rückepferd Schwarzwälder Fuchs

Gesamtgewicht ca. 44 t ca. 33 t ca. 20 t ca. 20 t ca. 25 t (beladen) ca. 22 t (beladen) ca. 20 t (beladen) ca. 9 t ca. 0,6 t

Dynamische Spannungsmessung im Boden (SST / DTS) Für die Erfassung der Bodenspannungen wird der 1987 erstmalig von Nichols vorgestellte Stress State Transducer (SST) benutzt. Horn et al. haben darauf basierend 1982 das Modell Kiel1 und Kühner 1997 das Modell Kiel2 vorgestellt. Die neuste Entwicklung stellt das Messsystem Kiel3 dar, welches ausführlich von Wiermann (1998) beschrieben und bei Gräsle (1999) diskutiert wird.

Abbildung 9.6: Versuchsaufbau zur Spannungs- und Deformationsmessung.

320

J. Vossbrink, R. Horn

Die räumlich mehrdimensionale Bewegung während der Bodenbelastung wird durch das Displacement Transducer System (DTS) erfasst. Hierbei wird die lineare Bodenbewegung in alle drei Richtungen (X,Y und Z) auf einen Bezugspunkt außerhalb des Bodenkörpers übertragen und anschließend die Bodendynamik berechnet. Der vollständige Aufbau (und die Funktionsweise) sind bei Kühner 1997 ausführlich beschrieben. Der Einbau und die Versuchsanordnung sind in Abbildung 9.6 und 9.7 dargestellt. Um die Sicherheitsvorschriften bei der Waldernte zu erfüllen und Personen aus dem Aktionsradius großer Maschinen fern zu halten, wurde das System auf funkgesteuerte Datenübertragung umgebaut. Die SSTs sowie das DTS sind weiterhin an einen „Sample and Hold“ Verstärker (Analog Devices, USA) angeschlossen. Die Spannungsversorgung des Verstärkers mit 5V erfolgt nun über einen neu gestalteten SST/DTS Controller. Dieser besteht aus drei Bauteilen: Ein Microcontroller der 8051 Familie nimmt drei Aufgaben wahr: Ablaufsteuerung, Steuerung und Einlesen des Analog-Digitalwandlers sowie die Funktion als Schnittstelle zum Benutzer mittels eines Direktdisplays und via Hauptrechner/Laptop. Der Analog-Digital-Wandler und Multiplexer hat eine Kapazität von 6 * 10 Kanälen für maximal 6 Geräte (6*SST oder 4*SST und 2* DTS) Das System kann sowohl mit 12 V Gleichstrom über Bleigelakkus wie auch über 220 V Wechselspannung betrieben werden. Die Stromversorgung des Verstärkers (5 V) erfolgt nun ebenfalls über den Controller.

Abbildung 9.7: Messschema der SST/DTS Bodenspannungen und -deformationen.

Messapparatur

zur

Messung

von

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

321

Die digitalen Daten werden dann mit einem Funkmodem über eine RS232 Schnittstelle an den Laptop übertragen. Die Stromversorgung erfolgt ebenfalls mit 12 V Gleichstrom über Bleigelakkus.

Das neue Messprogramm läuft unter Labview auf einem Standardlaptop. Hier erfolgt sowohl die Auswahl der Messsensoren und des DTS sowie die Konfiguration der Messfrequenz und der Größe des Messfensters. Messung der Luftleitfähigkeit (kl) Für alle Stechzylinder (236 cm³) wurde wurden die aufgesättigten Proben auf –60 einem neu konstruierten Permeameter mit durchströmt und die Durchflussmenge in Luftleitfähigkeitsbeiwert kl ermittelt.

die Luftleitfähigkeit gemessen. Hierzu hPa entwässert (pF 1,8) und dann mit einem Luftdruckgradienten von 1 hPa l/min erfasst. Hieraus wird dann der

Abbildung 9.8: Apparat zur Bestimmung der Luftleitfähigkeit an verschiedenen großen Stechzylindern.

Messung der gesättigten Wasserleitfähigkeit (kf) Die Messung der gesättigten Wasserleitfähigkeit erfolgt nach Hartge und Horn (1992) mit einem Haubenpermeameter an je 5 Stechzylindern (100 cm³). Bestimmung des Zeitsetzungsverhaltens Das Zeitsetzungsverhalten wurde mit dem „Multi Step Soil Compression Tests“, einer uniaxialen Oedometerapparatur bei verhinderter Seitenausdehnung unter drainierten Bedingungen (-60hPa = pF 1,8) untersucht. Aus den Endsetzungswerten der verschiedenen Auflasten wird die Vorbelastung (Pv) als Maß für die Bodenstabilität ermittelt.

322

J. Vossbrink, R. Horn

Abbildung 9.9: „Multi Step Soil Compression Zeitsetzungsverhaltens von Stechzylinderproben.

Test“

zur

Bestimmung

des

9.2.1.2 Ergebnisse zur Messung der „Kontaktflächendrücke“ Um die gemessenen Spannungen in Relation setzen zu können, wurden für alle Fahrzeuge die statischen Kontaktflächendrücke mit zwei verschiedenen Modellen gerechnet. Der Nominal Ground Pressure NGP führt zu großen Kontaktflächen und somit zu einem minimalen hypothetischen Kontaktflächendruck (Saarilahti 2002). Karkassensteifigkeit, -durchmesser und Reifeninnendruck gehen in dieses Modell nicht ein. Ziesack und Matthies (2001) (s. a. Saarilahti 2002) gewichten die Eigenschaften des Reifens stärker und gehen von einer Zonierung des Kontaktflächendrucks aus. Unterhalb der Achse ist eine Zone des hohen Bodendrucks, welche zu den Seiten abnimmt. Die reifenspezifischen Eigenschaften Karkassensteifigkeit, Reifendurchmesser und Reifeninnendruck gehen in dieses Modell ein. Variabeln für die Modellierung der Kontaktflächendrücke: pc = mittlerer Kontaktflächendruck [kPa]

W = Radlast [kN]

pi = Reifeninnendruck [kPa]

PR = ply ratio,

b = Reifenweite [m]

d = Reifendurchmesser [m]

h = Karkassenhöhe [m] „Nominal Ground Pressure“ (NGP)

pc

W b

d 2

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

323

Hiermit wird der Nominal Groud Pressure (NGP) beschrieben. Das Modell wurde zuerst von Malmberg (1981) beschreiben und geht von einem Einsinken des Rads um 15% in den Boden aus. Dieses Modell ist empfohlen in den Nordic forestry researches (Mikkonen et al. 1975) und wird auch von NOKIAN Renkaat benutzt (Saarilahti 2002). Diese Formel wird auch von SkogForsk (svenska skogsbrukets forskningsinstitut, Forstliche Forschungsanstalt Schweden) angewendet. Reifenspezifische oder bodenspezifische Faktoren gehen in die NGP Berechnung nicht ein. Kontaktflächendruck nach Ziesack und Matthies pc

- 3947 0,000452 *

W * PR * p i 1149,5 § W · 4239 29,4 * ln ¨ 253,3 * d 2 ¸ b 9,81 p b*d © ¹ i

7117,3 1,295 * W 0,009 * W 2 440,6 * ln PR PR b*d 2 º 2,226 * b ª§ 1000 * d · 1144,4 2 3845 * ln h * 1000 * «¨ ¸ 500 * d 1000 * h » 2 1000 h ¹ ¬«© ¼» 2911,8 * ln 1000 * b 1807 * b * d

Die Rechnung geht davon aus, dass der Kontaktflächendruck nicht einfach durch die Radlast und die beobachtete Kontaktfläche berechnet werden kann, da die Druckverteilung unter flexiblen Reifen nicht gleichförmig ist (siehe Abbildung 9.10). Die Berechnung bezieht sich auf einen Bereich maximalen Drucks unter der Achsmitte. Die berechneten Drücke entsprechen somit etwa durchschnittlichen maximalen Kontaktflächendrücken.

Abbildung 9.10: Kontaktfläche eines Reifens mit angedeuteter Zonierung des Kontaktflächendrucks aus Ziesack et al. 2001: Forsttechnische Informationen 9 + 10.

Die modellierten Werte in Tabelle 9.4. überschreiten bei dem Nominal Ground Pressure 65 kPa nicht. Würde diese Annahme stimmen, müssten Befahrungen auf Böden mit Eigenstabilitäten > 65 kPa ohne Schäden möglich sein. Die Werte nach Ziesack und Matthies liegen deutlich höher als der NGP. Hier sind Schädigungen durch Befahrung für fast alle Böden anzunehmen. Der Einfluss der Faktoren Reifenparameter und Innendruck zeigen sich bei dem Vergleich CAT 580 und HSM 904. Während bei der NGP Modellierung ein höherer Bodendruck für den

324

J. Vossbrink, R. Horn

CAT vorhergesagt wird, berechnet das Modell nach Ziesack für den HSM Schlepper höhere Werte. Tabelle 9.4: Modellierte Rückefahrzeuge. Fahrzeugtyp

IMPEX 1650 T Raupenvollernter IMPEX 1880 Raupenvollernter Valmet 911 X3M Raupenvollernter Caterpillar 580 Radvollernter HSM 904 Forstspezialschlepper Timberjack 810 B Tragschlepper Rückepferd

Kontaktflächendrücke

für

Anzahl Ketten/Räde r

Größe und Luftdruck

2 Raupen -ketten 2 Raupen -ketten 4 Raupen -ketten 6 WD wasserbef üllt! 4 WD

600 mm Breite 4000 mm Länge 600 mm Breite 4600 mm Länge 500 mm Breite 2500 mm Länge 4x 600/55-26,5 (VA) 2x 700/55-34 (HA) 600/60 – 30,5 2,5 bar 600/50 – 22,5 2,0 bar

8 WD

verschiedene

Ernte-

und

Kontaktflächendruck [kPa] NGP

Ziesack u. Matthies

633

633

823

823

403

403

65 61

221 121

49

277

35

167

1303

1303

9.2.1.3 Ergebnisse zur Bodenspannung Dargestellt werden die mittels des SST Systems gemessenen ersten vertikalen Hauptspannungen (S1), die als arithmetisches Mittel der ersten drei Hauptspannungen gerechnete Normalspannung (MNS) und die die Scherkräfte abbildende oktaedrische Scherspannung (OCTSS). Durch den modifizierten Versuchsaufbau war es möglich, ganze Versuchsabläufe mit einer Länge bis zu neun Minuten aufzuzeichnen. Die Spannungsmessungen der Radvollernterversuche sind exemplarisch in Abbildung 9.11 dargestellt. Sie ergaben hohe maximale Spannungswerte für typische Arbeitsabläufe der Holzernte. Gemessen wurde der Spannungstensor direkt unter dem Hauptlastrad in 20 cm Tiefe. Die Spannungsverläufe zeigen die verschiedenen Phasen der Ernte. Die Auffahrt (Bereich 12 bis 13 sec nach Messbeginn) bedingt eine erste Spannungsspitze, die Anfahrt und das Abbremsen des Fahrzeugs stellen ein hohe dynamische Belastung des Bodens dar. Der zweite Versuch zeigt deutlich die unterschiedlichen Belastungen in Abhängigkeit des Holzerntevorgangs. Während der ersten zwei Minuten (120 sec) 3

Berechnung der Kontaktflächendrücke der Raupenfahrzeuge und des Pferdes = Gesamtgewicht / Aufstandsfläche.

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

325

überschreiten die Spannungsmaxima 200 kPa nicht, das Fahrzeug erntete auf der Messgruben abgewandten Seite. Die Ernte auf der Grubenseite führte hingegen zu Belastungen bis 350 kPa.

400

Spannung [kPa]

350 300 250 200 150 100 50 0 0

25

50

75

100 125 150 175 200 225 250 275 300 Zeit [sec]

"S1 Versuch 1"

"MNS Versuch 1"

"S1 Versuch 2"

"MNS Versuch 2"

Abbildung 9.11: Spannungsverläufe für die Hauptspannung S1 und die mittlere Normalspannung MNS.

Die mittlere Normalspannung, welche als Mittel der ersten drei Hauptspannungen die Gesamtspannung an einem Punkt repräsentiert, ist mit Werten über 50 kPa immer noch höher als die Vorbelastungswerte.

Abbildung 9.12: Maximale Spannungswerte der Versuche in 20 cm Tiefe.

326

J. Vossbrink, R. Horn

Der Vergleich verschiedener Fahrzeuge zeigt, dass die höchsten Spannungen von den schweren Kettenfahrzeugen erzielt wurden. Der Impex 1650 „Königstiger“ erreicht Spannungswerte von >500 kPa bei normalen Arbeitsabläufen. Der noch schwerere Impex 1880 „Hannibal“ fuhr auf einer mindestens 50 cm mächtigen Reisigmatte. Dass die Spannungen nicht höher sind, als die des Impex 1650 legt einen dämpfenden Effekt der Matten nahe. Trotzdem erreicht der Hannibal >450 kPa Maximaldrücke in einer Bodentiefe von 20 cm. Unmittelbar unter dem Huf eines Pferds werden den Fahrzeugen vergleichbare Spannungen gemessen. Die Aufstandsfläche ist allerdings entsprechend klein. 9.2.1.4 Ergebnisse zur Vorbelastung Die Eigenstabilität von Waldböden kann unter anderem mit dem Wert seiner Vorbelastung beschrieben werden. Auf Belastungen unterhalb der Vorbelastung reagiert der Boden elastisch, d.h. die Struktur wird nicht zerstört und die Setzung wird durch die Entlastung ausgeglichen. Wird jedoch die Vorbelastung überschritten, kommt es zu einer plastischen Verformung der Böden, die Struktur wird irreversibel geschädigt.

Abbildung 9.13: Vorbelastungswerte Pv für verschiedene Befahrungsversuche in unterschiedlichen Tiefen.

Die aus den Endsetzungswerten der verschiedenen Auflasten des „MultistepOedometers“ ermittelten Vorbelastungen (Pv) zeigen die geringe mechanische Tragfähigkeit der Waldböden. Die Eigenstabilität der Böden liegt vor der

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

327

Befahrung generell unter 50 kPa. Das heißt, Belastungen über 50 kPa führen hier zu einer plastischen Verformung. (vgl. Abbildung 9.13). In 20 cm Tiefe haben sich Vorbelastungswerte durch einmalige Befahrung in der Regel mindestens verdoppelt. Sowohl die Werte für 20 cm Tiefe als auch 40 cm Tiefe zeigen eine Zunahme der Vorbelastungswerte und somit plastische Verformung. Dies ist ein Beleg für eine permanente Veränderung des Bodens. Das bodenstützende Feinwurzelwerk kann die Verdichtung nicht verhindern. Die Erhöhung der Vorbelastung durch Waldfahrzeuge konnte in allen Versuchen nachgewiesen werden, unabhängig von der Versuchsorganisation oder den untersuchten Fahrzeugen. Die Eigenstabilität der Böden aus Schwarzwälder Höhenlehmen (Lockerbraunerden aus stark verwitterten Gneisen und Graniten) ist nicht hoch genug, um die Fahrzeuge zu stützen. Eine Ausnahme stellt die Kurzholzrückung mit Pferden dar. Hier ist zwar eine Zunahme der Vorbelastung unter den Hufen zu erwarten, in der Rückespur insgesamt war diese jedoch nicht erhöht. Dies ist durch die geringe Aufstandsfläche der Hufe zu erklären. Gesättigte Wasserleitfähigkeit (kf) Die bereits ausgewerteten kf Werte (gesättigte Wasserleitfähigkeit) zeigten Abnahmen der Leitfähigkeiten bis zu 95 %. (s. Abbildung 9.14) Während die Leitfähigkeiten in den unbelasteten Böden zwischen 500 und 1000 cm/Tag beträgt, sinkt sie durch die Befahrung auf Werte zwischen 250 und 40 cm/Tag. T iefe 40 cm

T iefe 20 cm

Fahrspur cm/day

cm/day

Nullvariante 1200

Nullvariante

1200

800

800

400

400

0

0

Fahrspur

Pferd/Rückegasse

Klemmbankschlepper

Forwarder

Radharvester

Snake

Königstiger

Hannibal

Pferd/Rückegasse

Klemmbankschlepper

Forwarder

Radharvester

Snake

Königstiger

Hannibal

n. b.

Abbildung 9.14: Gesättigte Wasserleitfähigkeit (kf)

Die Ergebnisse ähneln sich bei allen anderen Befahrungen, wobei generell die Abnahme mit zunehmender Tiefe geringer wird. Es gibt aber kein Fahrzeug, welches keinen Einfluss auf die kf Werte gehabt hat.

328

J. Vossbrink, R. Horn

Luftleitfähigkeitsbeiwert (kl) Der Luftleitfähigkeitsbeiwert ist das Maß für den konvektiven Gasaustausch des Bodens. Die Abbildung 9.15 zeigt das die kl-Werte sowohl in der Tiefe 20 cm als auch in der Tiefe 40 cm abnehmen. Generell ist die Abnahme zwischen 30 und 70 %. Die Lockerbraunerden haben bedingt durch ihre geringe Lagerungsdichte sehr hohe Luftleitfähigkeitsbeiwerte. T iefe 40 cm

T ie fe 2 0 c m

Nullvariante

Fahrspur

8,10E-05

8,10E-05

Pferd/Rückegasse

Radharvester

Snake

"Königstiger

"Hannibal„

Radharvester

Pferd/Rückegasse

Snake

1,00E-06

"Königstiger

2,10E-05

1,00E-06

"Hannibal„

4,10E-05

2,10E-05

HSM Grus

Fahrspur

6,10E-05

4,10E-05

HSM Grus

6,10E-05

HSM Langholz

m /s

1,01E-04

1,01E-04

HSM Langholz

m /s

Nullvariante

Abbildung 9.15: Luftleitfähigkeitsbeiwerte (kl) bei verschiedenen Befahrungen.

9.2.1.5 Diskussion Der Vergleich zwischen den statischen Modellen des Nominal Ground Pressure NGP und des, die Parameter Reifeninnendruck und Karkasseneigenschaften berücksichtigenden Ansatzes von Ziesack und Matthies, sowie den gemessenen Spannungen im Boden zeigen, dass die Modelle nicht in der Lage sind die gemessenen Spannungen im Boden zu erklären. Während der NGP die Kontaktflächendrücke viel zu niedrig angibt, ist der stärker parametrisierte Ansatz von Ziesack und Matthies eher in Übereinstimmung mit den gemessenen Spannungswerten im Boden. Die Modelle haben allerdings Schwächen, die Dynamik und die somit ungleichmäßige Abstützung der Last durch den Boden richtig darzustellen. Das SST /DTS System ist ein geeignetes Werkzeug, die dynamischen Prozesse des Spannungseintrags und der Bodenverformung in Böden darzustellen. Sowohl die hohen Spannungsspitzen bei der Manipulation von Bäumen während der Ernte, als auch die maximalen Belastungen während der An- und Abfahrt werden sicht- und interpretierbar. Die durchgehende Veränderung der Vorbelastungswerte zeigt die tiefgreifende Auswirkung der Befahrung auf die Bodenstruktur. Die natürliche Eigenstabilität der Böden wird um ein Vielfaches überschritten. Die im Stechzylinder ermittelten

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

329

Stabilitäten können nicht in allen Fällen die stabilisierende Wirkung des Feinwurzelwerks mit abbilden. Das heißt die Eigenstabilität kann im Einzelfall über den gemessenen Werten liegen. Die dynamischen Spannungseinträge verformen dennoch die Fahrgassen permanent, obwohl die statischen Belastungsberechnungen durch den Kontaktflächendruck bei den Kettenfahrzeugen oder der Normal Ground Pressure dies nicht in jedem Fall annehmen lassen. Die tatsächlich auftretenden Bodenbelastungen führen in jedem Fall zur plastischen Verformung. Diese plastische Verformung hat Auswirkungen auf die Leitfähigkeiten der Böden. Dies ist durch eine Veränderung in der Porenverteilung und die Beeinträchtigungen der Porenkontinuität zu erklären. Durch die starken Belastungen und die daraus resultierenden Bodenverdichtungen werden in den locker gelagerten Waldoberböden zuerst die Grobporen der Bodenstruktur zerstört. Diese sind jedoch wesentlich für die Luft- und Wasserleitfähigkeit verantwortlich. Die tief greifenden Einbrüche der Leitfähigkeiten bis in Tiefen von 60 cm zeigen, dass nicht nur der Oberboden sondern auch die Unterböden von der Veränderung der Struktur betroffen sind. Die Funktion der Böden wird also tief greifend verändert. Der Vergleich der verschiedenen Fahrzeugsysteme zeigt, dass kein derzeit im Einsatz befindliches System in der Lage ist, bodenschonend und somit ökologisch unbedenklich zu arbeiten. Die einzige Ausnahme ist das untersuchte Rückepferd. Die Trittbelastung verursacht zwar punktuell ähnliche Belastungen dar, der Flächenverbrauch ist allerdings so gering, dass in den Rückespuren der Pferde keine ökologischen Veränderungen messbar sind. 9.2.1.6 Fazit Die bisherigen Versuche zeigen deutliche Beeinflussungen der Bodenökologie durch schwere Holzerntemaschinen. Alle getesteten Fahrzeuge haben Konsequenzen für die Bodenökologie. Zur Zeit scheint kein Fahrzeugeinsatz bodenverträglich möglich zu sein. Auch haben sich realisierbare Reisigmattenauflagen als nicht ausreichender Schutz erwiesen, um Bodenbelastungen auf ein bodenphysikalisch verträgliches Maß zu senken. Die wichtigste praxisrelevante Schlussfolgerung hieraus ist es, die zu befahrene Fläche zu minimieren und dadurch die für die Holzproduktion verbleibende ungestörte Fläche weitgehend zu erhalten. Ein flächiges Befahren von Waldflächen ist zu unterlassen. Ein Weg, dieses Ziel zu erreichen, wäre, ein permanentes Gassennetz zu etablieren und technisch befahrbar zu halten.

330

T. Wehner

9.2.2 Systeme und Verfahren als Belastungsfaktoren - Probleme mit dem Einsatz moderner Holzerntetechnik T. Wehner

Die modernen Holzerntemaschinen sind in den letzten Jahrzehnten so komplex und variantenreich geworden, dass es innerhalb einer Technikbeurteilung zum Thema Bodenverträglichkeit zielführend ist, eine detaillierte System- und Verfahrensstudie zur Untersuchungsgrundlage zu machen. Um detailliert Aussagen zum Einsatz von Forsttechnik und seinen Belastungen für den Bodenkörper machen zu können, müssen die herangezogenen Maschinen, die sog. Sachsysteme4 und deren Teil- bzw. Subsysteme genauer betrachtet werden. Aus technischer Sicht gibt es durchaus beeinflussbare Systemkomponenten und Verfahrensabläufe in der Holzernte, die positiv wie negativ auf die Bodenbelastung einwirken können. Ein Beispiel für den Einfluss eines Teilsystems auf die Bodenverträglichkeit sind die Fahrzeugreifen. Reifendimension und Reifeninnendruck sind hier die beeinflussbaren Parameter, nach denen sich der Druck der Maschine auf den Boden verändern kann. Laut KWF5 liegt beispielsweise das Potential beim Reifeninnendruck für die Verbesserung des Kontaktflächendruckes6 bei rund 25 % (Hauck 2001). Ebenso wirkt sich eine Veränderung in der Reifendimension direkt auf die Auflagefläche und damit auf die Gewichts- bzw. Druckverteilung des Fahrzeuges aus. Es ist also nötig, das Sachsystem Forstmaschine und seine Teilsysteme zu identifizieren und in einem weiteren Schritt eine Methode zu entwickeln, die es ermöglicht, die entstehenden Bodendrücke und damit verbundenen Bodenstrukturänderungen den Systemen und Verfahren zuzuordnen, zu bewerten und eventuell Verbesserungen zu initiieren. Die Identifikation und Differenzierung der zur Untersuchung eingesetzten Holzerntesysteme ergibt sich aus den anzutreffenden Verhältnissen im Bergmischwald. Die hier untersuchte Holzerntetechnik setzt sich aus verschiedenen vollmechanisierten Systemen zusammen, deren Hauptmerkmal eine hohe Leistungsfähigkeit ist. Bedingt durch die standörtlichen und waldbaulichen Rahmenbedingungen im Südschwarzwald wurden die Forstmaschinen in die engere Wahl genommen, die den örtlichen Anforderungen durch ihre Konzeption gerecht werden. Es handelt sich dabei um Maschinen, deren physikalisches Potential und Leistungsvermögen 4

5 6

Der Begriff „Sachsystem“ wird im folgenden für die jeweilige Forstmaschine (Arbeitsmittel) definiert. Funktionsgruppen wie Motor, Kran oder Fahrwerk etc. sind Teilsysteme davon (Erler 2000). Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e. V., Groß Umstadt. Der Kontaktflächendruck kennzeichnet die je Reifenaufstandsfläche wirkende Gewichtskraft (MLR 2002).

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

331

ausreicht, um eine Starkholzernte (BHD > 50 cm) in naturnahen Beständen durchzuführen. In den Tabellen 9.5. und 9.6. werden die wichtigsten Konstruktionsmerkmale leistungsfähiger Vollernter7 und Tragschlepper8 bzw. Forstspezialschlepper9 aufgezeigt. Die aufgeführten Fahrzeugtypen sind bereits im Kapitel 9.2.1 kurz beschrieben worden und sollen hier nur ergänzt dargestellt werden. Tabelle 9.5: Konstruktionsmerkmale der in Tabelle 9.1. genannten Vollernter Typ Impex 1880 Impex 1650 T Valmet 911 X3M CAT 580

Leistung ca. 150 KW ca. 150 KW ca. 130 KW ca. 150 KW

KranKranhub reichweite ca. 15 m ca. 15 m ca. 10 m ca. 10 m

Fahrwerk

Raupe (modif. Baggerlaufwerk) Raupe (modif. Baggerlaufwerk) ca. 130 kNm Bogieachsen mit Raupenlaufwerk ca. 220 kNm 6-WD (Pendelarmfahrwerk)

Tiltfähig Nein Ja Ja Ja

SteigProzess fähigkeit or ca. 20% LAKO 83 ca. 60% LAKO 63 ca. 60% Valmet 960 ca. 45% HH 65

Tabelle 9.6: Konstruktionsmerkmale der in Tabelle 9.1 genannten Tragschlepper und des Forstspezialschleppers Typ

Leistung

Valmet 840

ca. 125 KW ca. 80 KW ca. 80 KW ca. 105 KW

TJ 1010 C TJ 810 B HSM 904

KranKranhub reichweite ca. 9 m ca. 90 kNm ca. 10 m

ca. 90 kNm

ca. 7 m

ca. 65 kNm

ca. 5 m

ca. 95 kNm

Fahrwerk

Zuladung

8-Rad (Bogieachsen) 8-Rad (Bogieachsen) 8-Rad (Bogieachsen) 4-Rad (Zentralverwindg.)

ca. 12 t

Steigfähigkeit max. 45%

ca. 10 t

max. 45%

ca. 9 t

max. 35%

Seilwinde ca. 8 t

max. 35%

Um die Fahrzeugsysteme und ihre Konstruktionsmerkmale bzw. Einzelkomponenten als Belastungsfaktoren für den Boden identifizieren und beurteilen zu können, ist es nötig, eine Methode zu finden, die eine hochauflösende, d. h. im Detail rekonstruierbare Datenaufnahme ermöglicht. Ein erstes Problem stellt dabei die in den letzten Jahrzehnten übliche Berechnung des Kontaktflächendruckes als Maßstab der Bodenverträglichkeit von Forstmaschinen dar (s. Kapitel 9.2.1.2). Die Beurteilung forstlicher Fahrzeugsysteme über den 7

8

9

Vollernter (Harvester) können Bäume fällen und weitere Fertigungs-Teilvorgänge durchführen, wie zum Beispiel entasten, vermessen und einschneiden etc. (Erler 2000). Tragschlepper (Forwarder) sind mit einem Rungenkorb und einem leistungsfähigen Kran (bis 10m Reichweite) ausgestattete Spezialfahrzeuge zur Rückung vor allem von Kurzholzsortimenten. Diese werden „fahrend-tragend“ gerückt (Erler 2000). Forstspezialschlepper sind speziell für die forstlichen Bedürfnisse entwickelte Rückesysteme. Meist mit kurzem Kran und Seilwinden. Im Gegensatz zum Forwarder wird meist Langholz mittels „Schleiftragens“ gerückt (Erler 2000).

332

T. Wehner

statischen Kontaktflächendruck ist in den letzten Jahren immer stärker in die Kritik gekommen. Das Problem ist, dass er nur das Gesamtsystem Fahrzeug mit seinem Masse-Auflageflächen-verhältnis widergibt. Reale Arbeitsabläufe oder im Speziellen die dynamische Wirkung von Teilsystemen des Fahrzeugs wie z. B. Kran, Fahrwerk oder Prozessoraggregat im Arbeitsablauf können in ihrer Wirkung auf den Boden nicht oder nur sehr ungenau abgebildet werden. Eine statische Druckkomponente über die Kontaktfläche stellt eine Black Box dar, die über die realen System- und Verfahrensabläufe und deren Auswirkungen keinen Aufschluss gibt. Weiterhin ist bekannt, dass unter dynamischen Bedingungen die direkten Auswirkungen moderner Holzerntefahrzeuge auf den Bodenkörper wesentlich größer sind. Die dynamischen Drücke10 auf den Boden können dabei je nach Fahrzeug um ein Vielfaches höher liegen als der berechnete statische Kontaktflächendruck. Welche Verbesserungspotentiale hat also z. B. der Reifendruck unter dynamischen Aspekten? Diese Frage kann über die Betrachtung des Kontaktflächendruckes kaum gelöst werden. Deshalb wurde innerhalb des Forschungsprojektes das Messsystem „SST/DTS“ zur kombinierten Messung von Spannungen und Bodenbewegungen des Instituts für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Universität Kiel (Horn et al. 1992, Kühner 1997) herangezogen. Diese Methode ermöglicht die Darstellung dynamischer Spannungsentwicklungen im Bodenkörper während der Befahrung. Ein weiteres Problem ist die Betrachtung der System- und Verfahrensabläufe. Um auch hier ein Höchstmaß an detaillierter Datenerfassung zu gewährleisten, können herkömmliche Methoden zur Erfassung von technischen Abläufen wie z.B. Zeitstudien nicht genutzt werden. Sie sind im allgemeinen zu grob in ihrer Auflösung der Ablaufschemata und meist auch zu ungenau, um komplexe technische Systeme wiederzugeben und bedingen eine unscharfe Dokumentation. So könnten mit einer Zeitstudie nur hintereinander ablaufende Vorgänge bei der Holzernte erfasst werden. Bei gleichzeitiger Kran- und Radbewegung müsste man sich beispielsweise für einen der Vorgänge entscheiden, der andere kann nicht erfasst werden. Aus diesem Grund wurde die bodenmechanische Messmethode aus Kiel (s. Kapitel 9.2.1.1) mit einer videogestützten Verfahrensstudie ergänzt. Dadurch wird eine Betrachtungsebene integriert, welche es schließlich erlaubt, oberirdische und unterirdische Daten zeitgleich aufzunehmen und durch Synchronisation eine hochauflösende Betrachtung und Beurteilung von vollmechanisierter Holzerntetechnik unter vorgegebenen Einsatzbedingungen zu realisieren (vgl. Abbildung 9.16).

10

Der Begriff „Druck“ wird hier zum besseren Verständnis benutzt. Bodenphysikalisch korrekt ist der Begriff „Spannung“.

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

333

Abbildung 9.16: Methode zur Darstellung dynamischer Druckentwicklungen im Bodenkörper während der Befahrung.

Bei der videogestützten Verfahrensstudie kamen drei digitale Kamerasysteme zum Einsatz. Damit sollen drei verschiede Betrachtungsebenen abgedeckt werden: 1. „Gesamtansicht“: Beobachtung des kompletten Fahrzeuges inkl. Teile der Umgebung und des zu manipulierenden Baumes oder Rundholzes. Ziel ist hier die Erfassung aller Fahrzeugbewegungen und der Umwelt. 2. „Fahreransicht“: Sichtfeld aus der Fahrerkabine heraus auf Fällaggregat und Ladekran. Ziel ist es, eine gesonderte Ansicht der Verfahrensabläufe von Kran, Aggregat und der zu manipulierten Masse des Baumes zu gewährleisten. 3. „Fahrwerksansicht“: Beobachtung des Fahrwerks auf dem Messpunkt (Bodenoberfläche). Ziel ist es, Bewegungen des Fahrwerkes auf der Bodenoberfläche zu erfassen und diese eventuell Verfahrensabläufen von Ansicht 1 und 2 zuzuordnen. Alle drei Systeme sind untereinander und mit dem Messsystem aus Kiel sekundengenau synchronisiert. Zusätzlich wurden detaillierte Messprotokolle geführt, die alle Zusatzinformationen über Fahrzeugkonfiguration, Baum- und Holzdimension, Boden, Bestand, Gelände, Witterung etc. beinhalten. Die über die Videostudien erfassten Verfahrens- und Systemabläufe bieten die Möglichkeit, technische Details in ihrer feinsten Auflösung zu betrachten, um komplexe Holzerntemaschinen unter realen Einsatzbedingungen differenziert zu untersuchen. Auf diese Weise ist es möglich, Systeme und Verfahren direkt den von ihnen verursachten Bodendrücken zuzuordnen.

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9.2.2.1 Leistungspotentiale kontra Bodenverträglichkeit Die technischen Verbesserungen von Holzerntemaschinen konzentrieren sich auf zwei Bereiche: Auf eine generelle Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Steigerung der Standfestigkeit sowie auf die Schonung von Boden und Bestand. Allerdings ist in den letzten Jahren eine konträre Entwicklung zwischen den Entwicklungslinien „Leistung“ und „Bodenverträglichkeit“ festzustellen. Die Verbesserung hinsichtlich der Bodenschonung stagniert oder verändert sich nur langsam, während eine wesentliche Steigerung der Leistungsfähigkeit von Forstmaschinen gewünscht und erzielt wurde. Die veränderten Bedingungen in der Waldwirtschaft Mitteleuropas hin zu mehr Naturnähe, Beständen mit Dauerwaldcharakter und den damit einhergehenden höheren Starkholzanteilen sind in der Maschinenentwicklung erkennbar. Angestrebt werden höhere Leistungen, höhere Kranreichweiten, Verbesserung der Steigfähigkeit sowie die Verbesserung der Pfleglichkeit und Ergonomie. Der forstliche Maschinenbau reagiert auf die Wünsche der Forstleute mit diversen technischen Lösungen. Durch die Einführung bestimmter Fahrwerksprinzipien, wie z. B. Raupenfahrwerke oder Niveauregulierung oder auch dem Tilt, erhöht sich die Einsatzmöglichkeit im steilen Gelände. Damit ergibt sich die Option, neue Flächen für den Einsatz von vollmechanisierten Holzernteverfahren zu erschließen. Das Fahrwerk und die verbesserten Getriebe und Antriebskonstruktionen führen weiterhin zur Verminderung von Befahrungsschäden und zur Energieeinsparung. Die Steigerung der Aggregats-, Hydraulik- und Masseleistung bietet die Möglichkeit, stärkere Holzsortimente sicher und effizient zu bewegen. Durch hochwertigeren Materialeinsatz bleibt die Zuverlässigkeit bzw. Lebensdauer der Maschinen bei gleichzeitig höherer Belastung erhalten. Die generelle Leistungssteigerung zieht zwangsläufig Konsequenzen für den befahrenen Waldboden nach sich. Physikalisch-technische Grundprinzipien setzen voraus, dass Leistungssteigerungen und Weiterentwicklung der Starkholztauglichkeit im forstlichen Fahrzeugbau wenigstens teilweise mit höheren Fahrzeuggewichten einhergehen und ebenso mit wesentlich stärkeren Hebelkräften auf das Fahrzeug im Holzernteeinsatz zu rechnen ist. Diese Veränderungen an Masse-, Hebel- und schließlich dynamischen Kräften wirken sich auch auf den Boden aus. Trotz Breitreifen, Raupenfahrwerken oder auch differenzierter Antriebskonstruktionen ist eine Bodenschonung im Sinne eines ungestörten nachhaltigen Wurzel- und Baumwachstums bei Befahrung mit modernen Holzerntemaschinen nicht erreichbar. Eine Erhöhung der Leistung einer Holzerntemaschine birgt für den Boden wesentliche Risiken. Der Boden dient als Widerlager, welches bei der Holzernte die durch das Fahrzeug entstehenden Kräfte auffangen muss. Die Leistungssteigerung moderner Holzerntesysteme hat in ihrer Konsequenz eine wesentliche Erhöhung der Fahrzeugmassen mit sich gebracht. Als Beispiel soll der Vergleich zweier Tragschleppermodelle der Firma Timberjack dienen. Die in der Tabelle 9.7. aufgeführten Werte zeigen ausgewählte Fahrzeugdaten der neuesten Modellreihe TJ 1710 B und seines Vorgängers TJ 1410 B. Die Werte zeigen klar

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

335

auf, dass zwar eine wesentliche Leistungssteigerung zwischen den Modellreihen liegt, aber auch ein um etwa 12% gestiegenes Fahrzeuggewicht zu verzeichnen ist. Tabelle 9.7: Technische Daten für Timberjack Tragschlepper Fahrzeugdaten Länge Breite Leistung max. Kranlast Hydraulikölvolumen Zuladung Leergewicht

TJ 1410 D 9,2 m 2,7 m 129 kW 1080 kg 140 l 14 t max. 17 t

TJ 1710 D 10,8 m 3,0 m 160 kW 1610 kg 190 l 17 t max. 19,5 t

Vor allem die Manipulation von stärkerem Holz braucht eine Material- und Leistungsausstattung, welche die entstehenden Kräfte sicher bewegen und aufnehmen kann. In Tabelle 9.8. soll dies anhand zweier Kranmodelle der Fa. Cranab verdeutlicht werden. Aus den technischen Daten ist ersichtlich, dass die Erhöhung der Hubleistung von ca. 30 % einer Gewichtssteigerung von ca. 40 % gegenüber steht. Tabelle 9.8:. Technische Daten für Cranab Tragschlepperkräne Technische Daten Reichweite Hubleistung Hydrauliköldruck Pumpenleistung Gewicht

CRF 8 7,5 m 9,9 kN 215 Bar 120-200 l/min 1410 kg

CRF 12 7,5 m 13,3 kN 215 Bar 160-265 l/min 2100 kg

Dies ist nicht verwunderlich wenn man sich überlegt, dass im genannten Beispiel die Zunahme der Pumpenleistung allein mit einer Steigerung der Hydraulikölmenge und damit einer Gewichtszunahme verbunden ist. Mit jedem Liter Hydrauliköl erhöht sich das Gewicht des Kransystems um ca. 0,9 kg. Höhere Fahrzeugmassen und die Manipulation von stärkerem Holz führen zu größeren Hebelkräften am Fahrzeug. Diese Kräfte müssen ebenso wie die Eigenmasse durch den Boden als Widerlager kompensiert werden. Während aber das Fahrzeuggewicht zunächst nur statisch über den sog. Kontaktflächendruck an den Boden weitergegeben wird, wirken unter realen Einsatzbedingungen die Hebelkräfte in Verbindung mit der Maschinenmasse dynamisch auf den Boden ein. Die Kombination aus Masse und Hebel ist der entscheidende Faktor für die Einwirkung von statischen und bisher unberücksichtigten dynamischen Drücken auf den Boden. Welche Dimensionen höhere Massen und Hebelkräfte bei modernen Holzerntesystemen annehmen können und inwieweit Systemkomponenten und Verfahrensschritte ihren Anteil daran haben, wird im Folgenden aufgezeigt.

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9.2.2.2 Auswirkungen moderner Holzerntefahrzeuge und deren Arbeitsabläufe auf das Widerlager Boden Um die Auswirkungen von Holzerntesystemen auf den Boden zu zeigen, werden im Folgenden drei Fahrzeugtypen exemplarisch behandelt. Sie entsprechen dabei nicht den Extremen in bezug auf Fahrzeuggewicht und Hebelkräfte sondern bilden eher den mittleren Bereich der eingesetzten Maschinendimensionen ab. Die nachfolgend aufgezeigten Fahrzeugtypen sind: x Raupenvollernter - Impex 1650 T „Königstiger“; x Tragschlepper - Timberjack 810 B; x Forstspezialschlepper – HSM 904. Ziel der Versuchsreihen war es, die ausgesuchten Holzerntesysteme unter möglichst definierten Bedingungen eine Starkholzernte durchführen zu lassen. Dabei wurden, bedingt durch die Messanordnung der Universität Kiel, Druckmessungen an definierten Messpunkten in Tiefen von 20, 40 und 60 cm durchgeführt, die wie bereits in Kapitel 7.2.1 beschrieben, durch eine oberirdische Datenaufnahme per Videostudie ergänzt wurden. Die Versuche fanden im Forstbezirk St. Märgen, Distrikt „Vorderer Hochwald“, Abteilung „Gschwanderdobel“ statt. Der Bestand ist beschrieben als ungleichaltriges, geschlossenes Baumholz mit unterständiger Buche mit einem Alter von 45 bis 100 Jahren, im Durchschnitt von 70 Jahren. Als Bodensubstrat liegt schluffiger Lehm (sog. „Höhenlehm“) vor, der als befahrungsempfindlich eingestuft werden kann. Nach der Auswertung aller Versuchseinsätze ist festzuhalten, dass unter realen Einsatzbedingungen die direkten Auswirkungen moderner Holzerntefahrzeuge auf den Bodenkörper wesentlich größer sind als angenommen. Die gemessenen dynamischen Drücke auf den Boden können dabei je nach Fahrzeug bis zu fünfmal (> 400 kPa)11 höher liegen als der berechnete Kontaktflächendruck. Anhand der Abbildungen lassen sich diese Unterschiede zwischen statischen und dynamischen Drücken auf den Bodenkörper verdeutlichen. Zu sehen sind zunächst zwei Druckdiagramme aus den Versuchsreihen des Instituts für Bodenkunde und Pflanzenernährung der Universität Kiel, in Zusammenarbeit mit der Abteilung Waldnutzung der FVA Baden-Württemberg. Beispiel Impex 1650 T „Königstiger“ Das Druckdiagramm zeigt eine unregelmäßige Linie, die den während der Befahrung des Aufnahmepunktes gemessenen Druck im Boden (Hauptspannung S1) in 20 cm Tiefe wieder gibt. Zum Vergleich dient der berechnete Kontaktflächendruck (horizontale Linie) mit ca. 70 kPa. Die dynamische Druckbelastung lag bei der Befahrung und den Holzerntetätigkeiten auf dem Messpunkt zeitweise über 250 kPa, was zeigt, dass der Kontaktflächendruck unter realen Einsatzbedingungen um ein Vielfaches übertroffen wird (s. detaillierter in 11

Gemessen bei einem Versuch mit einem Impex „Hannibal“ im Mai 2001.

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

337

Kapitel 9.2.1). Geht man von einer Eigenstabilität (Tragfähigkeit) des „Höhenlehms“ von ca. 40 kPA aus, oberhalb dessen eine schadarme bzw. schadfreie Befahrung nicht mehr möglich ist, so sind die Grenzwerte für der Bodenschonung weit überschritten (s. Kapitel 9.2.1).

Abbildung 9.17: Dynamischer Bodendruck bei realer Holzerntebefahrung durch Raupenvollernter Impex 1650 T „Königstiger“. Schwarze Linie = reale Druckmessung, gestrichelte Linie = berechneter Kontaktflächendruck. Quelle: Vossbrink und Horn 2000

Auffällig ist weiterhin eine kontinuierliche Steigerung des Druckes während der ersten 250 Sekunden des Messzeitraumes, die sich durch den Verdichtungsvorgang (Verlust des Porenvolumens) und die so zunehmend unelastische Druckfortpflanzung im Boden erklären lässt. Bei Raupensystemen ist dies besonders auffällig, da durch die ungefederte Auflage des Fahrwerks auf den Oberboden die gesamte Energie von Masse und Eigenvibration an den Boden weitergegeben wird. Ein starres Raupenfahrwerk wirkt dabei ähnlich wie ein Verdichter. Radfahrzeuge können diesen Effekt etwas abmildern, da sie durch die Reifen einen Puffer besitzen. Nach Synchronisation und Auswertung der Videosequenzen kann für den Messzeitraum von ca. 9 Minuten folgender grober Arbeitsablauf angegeben werden. (1) (2) (3) (4)

Nach 20 Sek.: 20 - 120 Sek.: 130 - 142 Sek.: 143 - 340 Sek.:

Auffahrt auf den Messpunkt Kranarbeit, Fällung des ersten Baumes Fällung des zweiten Baumes Aufarbeitung des zweiten Baumes

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(5) 340 - 520 Sek.: Fällung/Aufarbeitung des vom Messpunkt abgewandten dritten Baums (6) 520 - 540 Sek.: Abfahrt vom Messpunkt Zu Punkt (5) des Ablaufschemas: Hier ist nach 340 Sekunden ein starker Abfall der Drucklinie erkennbar. Diese Veränderung der Bodenbelastung wirkt sich fast bis zur völligen Entlastung aus. Durch die Analyse der Videosequenzen wird schnell klar, dass es sich dabei um die Fällung und Aufarbeitung eines vom Messpunkt12 abgewandten Baumes handelt. Eine Entlastung der Raupenkette bzw. des Fahrwerks auf dem Messpunkt war die Folge. Problem ist hierbei der andauernde Wechsel aus Be- und Entlastung während der Holzernte. Diese Vorgänge erzeugen eine Knetwirkung, die die Strukturverluste noch verstärkt (s. Kapitel 9.2.1). Beispiel Timberjack 810 B Abbildung 9.18 zeigt das Druckdiagramm einer Befahrung mit einem Tragschlepper der Firma Timberjack, Modell 810 B.

Abbildung 9.18: Druckmessungen beim Tragschlepper „Timberjack 810 B“ auf Reisigmatte nach Vorverdichtung durch Vollernter Impex 1650 T „Königstiger“ in Relation zu den ausgeführten Arbeitsabläufen des Fahrzeugs. Schwarze Linie = reale Druckmessung, gestrichelte Linie = statischer Kontaktflächendruck. Quelle: Vossbrink und Horn 2001

12

Alle während der Versuchsreihen durchgeführten Bodendruckmessungen konnten immer nur eine Fahrzeugseite erfassen. Dies ist in der Messanordnung der Universität Kiel begründet.

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

339

Das Fahrzeug hat ein Leergewicht von ca. 10 Tonnen, eine Zuladung von etwa 8,5 Tonnen und wird mit einem Kontaktflächendruck von 42 kPA auf den Vorderachsen bzw. ca. 80 kPa bei beladenen Hinterachsen angegeben13. Das 8 WD-Modell war mit Nokian-Reifen der Größe 600/50 – 22,5 ausgestattet, der Reifeninnendruck betrug 1,5 bar und die Befahrung fand auf einer vorverdichteten Reisigmatte statt. Die Eigenart eines Tragschleppers besteht darin, dass kurze Rundholzabschnitte über Kranbeladung „tragend“ aus den Beständen gerückt werden. Der Tragschlepper stellt das klassische Rückesystem dar, welches die von Vollerntern aufgearbeiteten Kurzholzabschnitte (max. 8 Meter) an die Waldstraße zur Abfuhr liefert. Beide stellen ein typisches vollmechanisiertes Holzernteverfahren dar. Auch in dieser Abbildung ist zu erkennen, wie sich Verfahrensabläufe auf die Druckentwicklung im Boden auswirken können und inwieweit der statische Kontaktflächendruck dabei überschritten wird. Aus der Analyse der Videoaufnahmen sind die wichtigsten Beobachtungen zusammengefasst: 1. Die Auffahrt auf den Messpunkt mit einem auffallenden Peak gleich zu Beginn der Messung. Dieser Peak wurde durch den Bremsvorgang des Fahrzeuges hervorgerufen. Interessant ist hierbei, dass solche Fahrvorgänge direkt unter dem Einfluss des Fahrzeugführers und der Antriebstechnik stehen. Das Fahrzeug war bei Auffahrt leer. 2. Kranarbeit auf der Vorderachse mit den typischen Tälern und Peaks. Die Aufnahme des Rundholzes durch den Kran wird in diesem Beispiel deutlich. Die ausgeprägten Be- und Entlastungen sind bedingt durch die Fahrzeugkonstruktion – der Kran ist fast auf Höhe der Vorderachse mit dem Rahmen verbunden - eindeutig zu erkennen. Aus den Videosequenzen und den Versuchsaufzeichnungen lässt sich die Lastaufnahme des Krans exakt berechnen. Sie lag zwischen 260 und 400 kg. 3. Wechsel von der Vorder- auf die Hinterachse. Auch hier ist ein markanter Peak erkennbar, welcher sich auf die Beschleunigung und das Abbremsen des Fahrzeuges bezieht. 4. Beladen des Ladekorbes mit dem typischen Anstieg durch die zunehmende Ladung und damit bedingte Erhöhung der Achslast. Auch hier ist eine wellenartiger Verlauf erkennbar, der sich auf die Ladetätigkeit des Krans zurückführen lässt. 5. Abfahrt vom Messpunkt nach etwa 9 Minuten mit dem bereits bekannten Peak, hier für das Beschleunigen des beladenen Tragschleppers. Tiefenwirkung am Beispiel Impex 1650 T „Königstiger“ Abbildung 9.19 gibt ein Druckdiagramm wider, welches vom gleichen Messpunkt stammt wie die Abbildung 9.17. Der Unterschied liegt in der Messtiefe. Es wird deutlich, bis in welchen Tiefen des Bodensubstrates die vom Fahrzeug abgegebenen Drücke wirken können. Die unregelmäßige Linie gibt den Druckverlauf 13

Angaben entnommen aus Technische Informationen der Fa. Timberjack / Oy, © 2001

340

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Abbildung 9.19: Druckdiagramm Impex 1650 T „Königstiger“, Standpunkt wie Abbildung 9.17, Messtiefe 40 cm. Quelle: Vossbrink / Horn 2000

wider, während mit der horizontalen Linie der Kontaktflächendruck aufgezeigt wird. Auch in 40 cm Tiefe wird der Kontaktflächendruck zum Teil beachtlich übertroffen. Außerdem wird selbst noch in einer Bodentiefe von 40 cm die Eigenstabilitätsgrenze des Bodensubstrates von 40 kPa überschritten. Wenn man davon ausgeht, dass eine Regeneration befahrener Böden nur in Bereichen stattfinden kann, die durch Bodenfauna und –flora erschlossen werden, muss man mit einer erschwerten Regeneration der Bodenstruktur unterhalb von 20 bis 30 cm rechnen. Beispiel Forstspezialschlepper HSM 904 Eines der typischen Holzerntefahrzeuge im Südschwarzwald ist der Forstspezialschlepper. Er wird wie der Tragschlepper für die Holzrückung eingesetzt, ist aber von der Bauweise her kürzer (meist 4-WD) und besitzt im Gegensatz zum typischen Tragschlepper leistungsfähige Seilwinden. Mit dem Forstspezialschlepper wird überwiegend Langholz „schleifend“ gerückt, d.h. hinter dem Fahrzeug her gezogen.

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

341

Abbildung 9.20: Druckmessung bei Forstspezialschlepper „HSM 904“ auf Bodensubstrat „Grusiger Lehm“. Überfahrt mit Ladung, Fahrtrichtung von links nach rechts: 1. Druckanstieg = Vorderachse, 2. Druckanstieg = Hinterachse. Quelle: Vossbrink / Horn 2002

In Druckdiagramm 9.20. ist eine Messung mit dem Forstspezialschlepper HSM 905 zu sehen. Die Grafik zeigt eine Überfahrt (ohne Ladevorgang) mit Last. Die Überfahrt läst sich wie folgt rekonstruieren: 1. Bei ca. 28 Sekunden überfährt die Vorderachse den Messpunkt und löst eine Drucksteigerung von 40 kPa aus. Interessant ist hierbei, dass trotz einer veränderten Gewichtsverteilung durch die Ladung auf der Hinterachse des Fahrzeugs (Vorderachse wird dadurch entlastet), eine Belastung an der Grenze der Bodentragfähigkeit verursacht wird. 2. Nach 33 Sekunden beginnt die Überfahrt der durch die Ladung belasteten Hinterachse des Fahrzeuges. Der ausgelöste Druck auf den durch die Vorderachse vorbelasteten Bodenkörper übersteigt den Anfangswert von 40 kPa um das 6-fache auf über 250 kPa. Die angeseilten Langholzstücke wurden mit einem Gesamtgewicht von 5,4 Tonnen berechnet. Diese Masse ist unter anderem auch für den zweigipfligen Peak verantwortlich. Aus den Videos ergab sich ein Bewegen der Ladung während der Überfahrt, die sich direkt in der Druckmessung als Ent- und Belastung zeigte. 3. Nach etwa 38 Sekunden hat das Fahrzeug den Messpunkt überfahren. Was bleibt ist ein Restdruck von ca. 20 kPa. Die Bodenstrukturänderung war also so nachhaltig, dass eine vollständige Entlastung des Bodenkörpers nicht mehr stattfand. Das Beispiel Forstspezialschlepper zeigt, dass auch Fahrzeuge relativ leichter Bauart (s. Tabelle 9.3 / Kapitel 9.2.1) unter realen Einsatzbedingungen, insbesondere durch spezifische Lastsituationen wie etwa geschleiftes Langholz gekennzeichnet, dynamische Bodendrücke bewirken, welche die Tragfähigkeit von Waldböden überschreiten.

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Nicht ausschließlich das Fahrzeuggewicht ist entscheidend für die Bodenschonung sondern ebenso die Art und Weise der Massenbewältigung, die Überfahrthäufigkeiten und die Konstruktion der Holzerntemaschine. Dies ist umso bedeutender je höher der Anteil an Starkholz ist und je näher die eingesetzten Holzerntemaschinen an ihren Leistungsgrenzen arbeiten. Wie zu manipulierende Massen auf die Maschine und in der Folge auf den Boden einwirken, soll im nachfolgenden Kapitel aufgezeigt werden. 9.2.2.3 Belastungen des Bodens durch Systemkomponenten Die hohen Leistungspotentiale forstlicher Holzerntesysteme verführen dazu, die Maschinen an ihren Leistungsgrenzen einzusetzen und bedingen dadurch das Risiko einer hohen Bodenbelastung durch den Maschineneinsatz. Um dies zu verdeutlichen, werden im Folgenden exemplarisch Ausschnitte der Druckdiagramme gezeigt, die den Einfluss von Arbeitsablauf und Massenbewegung auf einzelne Systemkomponenten und in der Folge auf das Gesamtfahrzeug zeigen. Beispiel Baumfällung Aus Abbildung 9.17 (s. Kapitel 9.2.2.2) ist der Zeitabschnitt von Sekunde 120 bis 180 fokussiert und nochmals detailliert dargestellt: Das Diagramm 9.21. zeigt innerhalb der dargestellten 60 Sekunden die Fällung einer Fichte mit einem BHD von 48 cm und einem Volumen von 2,4 Fm. Dies entspricht einem angenäherten Gewicht des Baumes mit Krone von ca. 3,2 Tonnen. Die Position der Fichte zum Vollernter war ca. 70 Grad zur Fahrtrichtung und der Abstand betrug 8,9 Meter zur Fahrzeugmitte.

Abbildung 9.21: Vergrößerung aus Abbildung 7.17 (120 – 180 Sek.) Aus der Analyse der Videosequenzen lässt sich der Ablauf und die Wirkung der Systemkomponenten „Kran“ und „Prozessoraggregat“ wie folgt rekonstruieren.

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

343

x Sek. 125 - 130: Ausfahren des Kranauslegers auf 8,9 Meter. Bedingt durch das Eigengewicht des Kranes und den 1,1 Tonnen Gewicht des Fällaggregats ergibt sich innerhalb von 5 Sekunden eine Drucksteigerung von 60 kPa. x Sek. 130 - 134: Positionieren des Fällaggregates am Baumfuß. Keine Kranarbeit, nur Aufrichten des Aggregats und Anlegen an den Baum. x Sek. 134 - 137: Schließen der Haltezangen des Fällaggregats. Durch diesen „Griff“ kommt es zu einer Art „Abstützen“ des Vollernters und damit zur Entlastung um etwa 80 kPa. x Sek. 137 - 143: Fällschnitt. Nur die Kappsäge arbeitet, das Fahrzeug verharrt in seiner Position. x Sek. 143 - 150: Manipulation des Baumes, um ihn zu Fall zu bringen. Durch die Trennung des Baumes vom Wurzelstock geht der abstützende Effekt für den Vollernter verloren. Die Masse der Fichte wirkt sich direkt in Form einer Drucksteigerung aus, die vom Vollernter auf den Boden übertragen wird. Die Massen von Kran, Fällaggregat und Baum wirken sich voll auf das Widerlager Boden aus. Eine Drucksteigerung um 60 kPa. ist die Folge. x Sek. 151: Aufschlag der Fichte auf den Boden. Die Masse des gefällten Baumes beeinflusst das Gesamtfahrzeug so, dass es zu einem Peak von über 30 kPa kommt. x Sek. 152 - 163: Entzerren des Baumes und erster Trennschnitt. Bedingt durch die benötigten Krankräfte, um den gefällten Baum an die Rückegasse heran zu ziehen, erhöht sich der Bodendruck. Durch die Geometrie des Parallelkrans wird beim Heranziehen der Hebel auf den Vollernter erhöht. Die Entlastung am Ende dieses Abschnittes zeigt die Kappung des ersten Rundholzabschnittes. x Sek. 163 - 171: Aufarbeitung des zweiten Rundholzstückes. Der starke Druckabfall am Ende wurde durch das Lösen des Baumes vom Fällaggregat bewirkt. Es kommt durch geringe Hebelkräfte des Krans (Ausleger nah am Fahrzeug) und dem Wegfall der Baummasse zu einer starken Entlastung um über 110 kPa. x Sek. 171 ...: Kran beginnt wieder auszufahren und die Aufarbeitung des Baumes geht weiter, steigender Druckverlauf. Beispiel Rückung Ein weiteres Beispiel für die hohen Bodenbelastungen durch Systemkomponenten moderner Forstmaschinen und deren Manipulation von schwerem Rundholz soll im Folgenden mit der „Rückung“ aufgezeigt werden. Dazu werden zwei Ausschnitte aus Druckdiagrammen der Fahrzeugtypen Tragschlepper TJ 810 B und Forstspezialschlepper HSM 904 exemplarisch in Abbildung 9.22 dargestellt.

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P2 P1

Abbildung 9.22: Fokussierte Druckdiagramme, links Forstspezialschlepper HSM 904 / rechts Tragschlepper TJ 810 B.

Im linken Diagramm ist das Beiseilen von Langholz durch einen Forstspezialschlepper wiedergegeben. In diesem Versuch wurden drei Langholzstücke zum Fahrzeug über Seilwinden herangeseilt. Das Gewicht des Rundholzes lag bei etwa 3,5 Tonnen, was einem Volumen von 4,4 Fm entspricht. Interessant ist der Abschnitt ab Sekunde 140. Ab diesem Zeitpunkt wurden die drei Rundholzstücke über eine Entfernung von ca. 33 Meter in Richtung Schlepper gezogen. Je näher die Last ans Fahrzeug herankommt, desto höher wird der Druck auf die Hinterachse. Bei Sekunde 170 endet der Seilvorgang am Rückeschild und das Fahrzeug wurde anschließend mit der Last in Bewegung gesetzt. Auffällig ist dabei der Peak am Ende, er zeigt das Anfahren des Forstspezialschleppers mit der angehängten Last und das Verlassen des Messpunkts. Der ganze Vorgang führte zu einer Druckerhöhung im Boden um ca. 60 kPa. Im rechten Diagramm wird die Kranarbeit eines Tragschleppers abgebildet. Zwischen Sekunde 340 und 460 wird der Rungenkorb des Tragschleppers in zwei Teilschritten beladen. Der Unterschied zwischen dem Peak 1 bei Sekunde 390 und dem Peak 2 bei Sekunde 430 liegt in der relativen Erhöhung des Bodendruckes. Hintergrund ist dabei weniger die zu bewegende Last. Bei beiden Teilarbeiten lag das Gewicht der Kurzholzstücke bei circa 350 kg. Entscheidend an dieser Abbildung ist die Arbeitsentfernung des Kranauslegers zum Kransockel am Fahrzeug. Während der Kran bei P1 über eine Entfernung von 6,2 Meter die Rundhölzer bewegte und auflud, war die Strecke der Beladung bei P2 nur 4,1 Meter. Relative Druckerhöhung: P1 = 45 kPa / P2 = 26 kPa. Die gezeigten Beispiele sollen weniger die physikalischen Gesetze des Maschineneinsatzes wiedergeben, als vielmehr ein Bewusstsein für die Auswirkungen maschineller Arbeitsabläufe auf den Bodenkörper schaffen. Die Belastungen für den Boden, die direkt auf die Arbeit von Systemkomponenten der jeweiligen Fahrzeuge zurückzuführen sind, lagen über alle Versuche zu 85 % über

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

345

der Tragfähigkeit der auf den Untersuchungsflächen angetroffenen Bodenarten schluffiger Lehm und grusiger Lehm. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Holzerntemaschinen zwar nicht permanent an ihrer Leistungsgrenze gearbeitet haben, aber immer im Starkholz eingesetzt waren. Bis auf den Forstspezialschlepper und die beiden großen Raupenvollernter Hannibal und Königstiger sind alle anderen Forstmaschinen zeitweise oberhalb des idealen Einsatzbereiches eingesetzt worden. Die abgebildeten Holzernteverhältnisse im naturnahen Wald und seinen Umbaustadien erfordern auch deshalb hohe Aufmerksamkeit bezüglich Hiebsvorbereitung und Auswahl der einzusetzenden Maschinen. 9.2.3 Bodenverformung und Wurzelraum J. Schäffer

Ungestörte Waldböden sind das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, bei dem ständig durch Energieinput kontinuierliche, strukturreiche Porensysteme geschaffen und ergänzt werden. Aggregatbildung und Porenraumentstehung sind dabei überwiegend das Ergebnis eines biogenen Energietransfers (Hildebrand 1987). Aus dem räumlichen Verteilungsmuster von Bodenfestsubstanz und Porenraum ergibt sich eine reichhaltige innere Oberflächenstruktur, an der eine Vielzahl von biologischen, chemischen und physikalischen Prozessketten ineinander greifen. Im Hinblick auf das Baumwachstum sind an jede der drei Bodenkomponenten Bodenwasser, Bodenluft und Bodenlösung essentielle Funktionen gebunden. Die Festsubstanz dient der Verankerung der Waldbäume und ist der kurz- bis langfristige Speicher für Ionen und Nährelemente, die Bodenlösung dient der Aufnahme von Wasser und Nährelementen. Über die Bodenluft werden die atmungsaktiven Wurzeln mit Sauerstoff aus der Atmosphäre versorgt. Zugleich dient sie der Entsorgung des bei der Atmung gebildeten Kohlendioxids. Für ein optimales Wurzelwachstum müssen Wurzelspitzen möglichst gleichzeitig Anschluss an alle drei Komponenten des Bodens haben. Dies ist jedoch nur möglich, wenn sich die gegenseitig ausschließenden Komponenten kleinräumig durchdringen. Grundlage hierfür ist ein hierarchisch gegliedertes und möglichst kontinuierliches Porensystem. Transferprozesse, die an die einzelnen Bodenkomponenten gebunden sind, schließen sich gegenseitig aus. In Poren, die mit Wasser gefüllt sind, oder in der Bodenfestsubstanz findet nahezu kein Gasaustausch statt. Ursächlich hierfür sind die geringen Diffusionskoeffizienten für Gase im Bodenwasser und in der Bodenfestsubstanz, die um den Faktor 10-4 bzw. 10–10 unter den Vergleichswerten der freien Atmosphäre liegen (Frede 1986). Lufterfüllte Poren sind dagegen vom Wasser- und damit Nährstofftransport ausgeschlossen. In Abhängigkeit von der Wassersättigung des Bodens sind unterschiedliche Porengrößenklassen am Wassertransport beteiligt. Da die Wasserleitfähigkeit mit

346

J. Schäffer

der Abnahme des Porendurchmessers exponentiell abnimmt, werden in ungestörten Waldböden die Wassersättigung und Belüftung nach Störungen durch äußere Einflüsse wie z.B. Starkregen oder Trockenphasen schnell wieder auf einen standortstypischen, für biologische Vorgänge zuträglichen Optimalbereich eingeregelt. Bei Wassersättigung sind auch die groben Poren mit Wasser gefüllt, deren Wasserleitfähigkeit überproportional hoch ist. In einem kontinuierlichen Porensystem können die überschüssigen Wassermengen sehr schnell abgeführt werden; es stellt sich ein biologisch zuträgliches Luftporenvolumen ein. Ebenso wirkt die bei Austrocknung überproportional verlangsamte Sickerrate in Richtung einer Verlangsamung des Wasserverlustes. Insofern sind Böden mit intakter biogener Bodenstruktur als hochgradig zur Selbstregulierung befähigte Systeme aufzufassen. 9.2.3.1 Veränderung der Bodenstruktur und ihre Auswirkungen auf die Transferparameter Bei der Befahrung dient der Waldboden als Widerlager für die auflastenden Kräfte. Bodenaggregate werden durch die mechanische Beanspruchung solange gegeneinander verschoben, bis die vom Boden mobilisierbaren Scherwiderstände ausreichen, um die einwirkenden Kräfte zu kompensieren. Diese durch die plastische Verformung ausgelöste Verdichtung des Lagerungszustandes geht zu Lasten des lufterfüllten Porenraums und führt zu einem Verlust an Porenvolumen, insbesondere des Grobporenvolumens. Zusätzlich nimmt die Transportkapazität des verbleibenden Transportraums durch eine Verminderung der Porenkontinuität ab. Dieser Strukturverlust führt zu einer Beeinträchtigung der Bodenbelüftung und daraus resultierend zu einem eingeschränkten Wurzelraumpotenzial (Gaertig et al. 1998). Dem Zusammenhang zwischen arbeitstechnischen, bodenmechanischen und bodenökologischen Folgen der Holzernte wurde auf dem interdisziplinär angelegten Befahrungsversuch St. Märgen im Mittleren Schwarzwald nachgegangen. Befahrungsversuch St. Märgen Im Folgenden werden Ergebnisse von bodenökologischen Untersuchungen auf einer Fahrtrasse dargestellt, die vom Raupenvollernter Hannibal und dem Tragschlepper Timberjack 810B in einem Fichten-Tannen-Buchenmischbestand im Zuge einer Durchforstungsmaßnahme befahren wurde. Der Bodentyp auf der Versuchsfläche entspricht einer sehr lockeren Parabraunerde-Braunerde aus tiefgründiger Paragneisverwitterung. Beim Raupenvollernter Hannibal handelt es sich um den in Mitteleuropa derzeit leistungsstärksten, im Praxiseinsatz befindlichen Vollernter, dessen Gesamtgewicht 44 t beträgt. Er wird bei Durchforstungsmaßnahmen und Endnutzungen in Altbeständen eingesetzt. Der Tragschlepper Timberjack 810B ist ein mittelstarker praxisüblicher Tragschlepper, der für die Befahrung mit 600 mm Breitreifen ausgestattet war. Die Befahrung auf der Versuchsfläche fand im Mai 2001 bei einem Wassergehalt von knapp über 40 Vol% im Oberboden statt. Durch den Raupenvollernter wurde eine Reisigmatte

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

347

angelegt, deren Mächtigkeit nach den Überfahrten teilweise über 60 cm erreichte. Sie war jedoch im Gassenverlauf sehr inhomogen ausgeprägt. Nach Einsatz der Forstmaschinen war der überfahrene Spurbereich anhand der Geländeeintiefung durch das Raupen- bzw. Radfahrwerk deutlich von der nicht befahrenen Fahrtrassenfläche und der Bestandesfläche abgrenzbar. Da ein Einfluss der Befahrung auf diese räumlich benachbarten Bodenkompartimente nicht ausgeschlossen werden konnte, wurden neben der Variante „Fahrspur“ auch der zwischen den beiden Spureintiefungen liegende „Zwischenspurbereich“ sowie der 50 bis 80 cm außerhalb der Fahrtrasse liegende „Fahrspurrand“ in die Untersuchung einbezogen. Die Veränderung der Bodenstruktur sowie der an diese geknüpften Transferprozesse wurden durch eine Kombination unterschiedlicher bodenphysikalischer Methoden untersucht. In den Fahrspursituationen wurden die bodenphysikalischen Parameter Lagerungsdichte, Porenverteilung und Diffusionskoeffizienten an jeweils fünf Stechzylinderproben (100 cm³-Stechzylinder) in den vier Tiefenstufen 0 bis 5 cm, 5 bis 10 cm, 15 bis 20 cm und 25 bis 30 cm ermittelt. Für die in situ-Bestimmung der Bodenluftzusammensetzung (Massen- und Spurengase) wurde eine diffusive Gassammeltechnik angewandt (Schack-Kirchner et al. 1993). Die Untersuchungsvarianten wurden hierfür in jeweils vierfacher Wiederholung in den Tiefen 0 cm, 10 cm und 30 cm sowie im Humuskörper mit Gaslysimetern bestückt. Daneben wurden die atmosphärischen Konzentrationen der Massen- und Spurengase in der Bodenluft nahe der Bodenoberfläche ermittelt. Feinwurzeldichten (Wurzeldurchmesser < 2 mm), die als direkter Monitor für die Beeinträchtigung des Wurzelraumpotenzials angesehen werden können, wurden durch Zählung in 4x4 cm Zählquadraten an einem 6 m breiten und 80 cm tiefen Quertransekt über die Fahrtrasse hinweg erhoben. Die bodenphysikalische Beprobung sowie die Erhebung der Feinwurzeldichten erfolgte in unmittelbarem räumlichen Bezug zu den Gaslysimeterplots. Auswirkungen der Befahrung auf bodenphysikalische Kenngrößen und Durchwurzelung Die Ausgangssituation am Standort St. Märgen ist durch einen extrem lockeren Oberbodenzustand geprägt. Für die Umschreibung dieser bodenmorphologischen Sondersituation wird u.a. der Begriff „Lockerbraunerde“ verwendet. Der Lagerungszustand war in allen Tiefenstufen der Kontrollfläche durch sehr niedrige Lagerungsdichten geprägt. Im ungestörten Boden nimmt diese von 0,5 g·cm-³ in 0 bis 5 cm Bodentiefe auf 0,8 g·cm-³ in 25 bis 30 cm zu (Abbildung 9.23). Gemäß Klassifikation der Bodenkundlichen Kartieranleitung (BGR 1995) liegt der Übergang zwischen sehr niedriger und geringer Lagerungsdichte bei 1,2 g·cm-³.Selbst in 25 bis 30 cm Bodentiefe wird dieser Grenzwert noch um 1/3 unterschritten.

348

J. Schäffer

Abbildung 9.23: Lagerungsdichte (g·cm-³) in 0 - 5 cm, 5 - 10 , 15 - 20 cm und 25 - 30 cm unter der Fahrspur, zwischen den Fahrspuren und im Bereich des Fahrspurrandes auf der Befahrungsvariante „Hannibal-Tragschlepper“ des Befahrungsversuchs St. Märgen. Die Querbalken stellen die einfache Standardabweichung dar. Die Signifikanz des multiplen nicht parametrischen DUNN-Tests auf einem Niveau von p < 0,05 ist durch unterschiedliche Buchstabenkürzel gekennzeichnet (a
Die höchsten Lagerungsdichten wurden erwartungsgemäß unter der Fahrspur gemessen. Sie übersteigen die Werte der Referenz mit Ausnahme der Tiefenstufe von 15 bis 20 cm um über 20 %. Im gesamten Tiefenprofil ergibt der multiple nicht-parametrische Dunn-Test einen signifikanten Unterschied (p < 0,05) zur Kontrollfläche. Das Tiefenprofil zeigt eine nahezu parallele Verschiebung zur Kontrollvariante. Die Verdichtung erfasste den gesamten Messbereich von 30 cm

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

349

Bodentiefe in vergleichbarer Intensität. Bis in 10 cm Bodentiefe ist im Zwischenspur- und Spurrandbereich die Lagerungsdichte ebenfalls gegenüber der Kontrollfläche erhöht. In 25 bis 30 cm Bodentiefe ist dagegen bei diesen Untersuchungsvarianten kein Unterschied mehr erkennbar. In 15 bis 20 cm nimmt die Lagerungsdichte im Spurrandbereich entgegen dem Tiefentrend der weiteren Varianten ab. Diese Diskontinuität zeichnet sich auch bei den weiteren bodenphysikalischen Parametern ab und könnte durch eine befahrungsbedingte Überlockerung (z.B. durch die Verlagerung von Bodenmaterial im Spurrandbereich) verursacht worden sein. Verbunden mit einer zunehmenden mechanischen Belastung und Erhöhung der Lagerungsdichte ist eine Abnahme des Porenvolumens. Der Grobporenanteil mit Porendurchmesser von über 10 µm ist hiervon überproportional betroffen (Hildebrand 1983). Das durch Vakuumpyknometrie (nach Desorption bei 160 hPa Wasserspannung) bestimmte Gesamtporenvolumen sowie das Porenvolumen der weiten und engen Grobporen (Entwässerung bei 300 hPa) wurden für den Variantenvergleich auf die Bezugseinheit Trockengewicht des Bodens bezogen (cm³ je 100 g Boden). Dadurch wird eine realitätsnähere Einschätzung der Porungsänderung ermöglicht. In Abbildung 9.24 ist das an den Stechzylinderproben ermittelte Tiefenprofil der relativen Abnahme des Gesamtporenvolumens sowie des Grobporenvolumens für die Fahrspursituationen Spur, Zwischenspur und Spurrand der Hannibal-Timberjack-Kombinationsvariante in Relation zur unbefahrenen Bestandessituation dargestellt. Unter der Fahrspur liegt die prozentuale Abnahme des Gesamtporenvolumens zwischen 21 und 32 %. Die maximale Verringerung des Porenvolumens findet sich in 5 bis 10 cm Bodentiefe. Ein ausgeprägter Tiefengradient der prozentualen Abnahme des Gesamtporenvolumens ist unter der Fahrspur nicht zu erkennen. Noch deutlicher fällt die Abnahme des Grobporenvolumens unter der Fahrspur aus. Zwischen 50 und 70 % des Porenvolumens der weiten und engen Grobporen ging im mineralischen Oberboden durch die Befahrung verloren. Auch in 25 bis 30 cm Bodentiefe wurde der Grobporenraum noch massiv beeinträchtigt. Im paarweisen nichtparametrischen Wilcoxon-Test ergeben sich sowohl für das Gesamtporenvolumen als auch das Grobporenvolumen signifikant niedrigere Werte als auf der Nullfläche. Die Abnahmeraten des Gesamtporenvolumens fallen im Zwischenspurbereich zwar geringer aus als unter der Fahrspur ( 20 %), nahe der Mineralbodenoberfläche ist jedoch das Grobporenvolumen mit einer Verlustrate von über 40 % immer noch sehr stark beeinträchtigt. Im Gegensatz zur Spursituation ist für den Zwischenspurbereich ein Tiefengradient deutlicher ausgeprägt. Im Spurrandbereich liegen die Tiefenprofile von Gesamt- und Grobporenvolumina sehr nahe beieinander. Bis in 10 cm Tiefe sind auch bei dieser Variante deutliche Porenraumverluste eingetreten. In 15 bis 20 cm Tiefe wird der Tiefengradient entsprechend dem Befund bei der Lagerungsdichte durchbrochen.

350

J. Schäffer

Porenvolumenentwicklung unter Fahrspursituationen Fahrspur

Tiefe [cm]

-80

-60 -40

-20

Zwischenspur 0

20

-60 -40

-20

0

Spurrand 20

-60 -40

-20

0

20

0

0

5

5

10

10

15

15

20

20

25

25

30

30

Gesamtporenvolumenentwicklung (in %) Grobporenvolumenentwicklung (in %)

Abbildung 9.24: Porenvolumenentwicklung unter Fahrspursituationen einer HannibalTragschlepper-Fahrtrasse des Befahrungsversuchs St. Märgen. Die Porenvolumina sind bezogen auf das Trockengewicht des Bodens und relativ zur Kontrollvariante dargestellt. Für die jeweiligen Tiefenstufen ist das Ergebnis des nicht parametrischen WILKOXONTests für die Differenz der Porenvolumina unter den Fahrspursituationen und der Kontrolle dargestellt (* p < 0,05, (*) p < 0,1, keine Angabe = nicht signifikant).

Mit dem Porenraumverlust gehen Diffusionswege verloren, die für den Austausch der Bodengase mit der Atmosphäre erforderlich sind. Eine wesentliche Steuergröße der Bodenbelüftung ist der relative scheinbare Gasdiffusionskoeffizient, der als Proportionalitätsfaktor die relative Verminderung der Gasdiffusion in einem Bodenkörper gegenüber der Gasdiffusion in der freien Atmosphäre ausdrückt. Sowohl die Abnahme des lufterfüllten Porenraumes als auch die Zunahme der Tortuosität der verbleibenden Poren wirken entscheidend auf den Gastransport im Boden. In Abbildung 9.25 sind die nach Desorption bei einer Wasserspannung von 300 hPa ermittelten Tiefenprofile der relativen scheinbaren Diffusionskoeffizienten dargestellt. Bei dieser Wasserspannung sind die Grobporen entwässert und stehen für die Gasdiffusion zur Verfügung. Die Tiefenprofile der Fahrspursituationen weisen geringe Gradienten auf, sie unterscheiden sich jedoch deutlich in ihrem Niveau. Die geringsten Ds/D0-Werte finden sich mit 0,02 bis 0,04 unter der

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

351

Fahrspur. Sie liegen damit um den Faktor 3 bis 4 statistisch signifikant unter den Vergleichswerten der unbefahrenen Kontrollfläche. Das Tiefenprofil der Zwischenspursituation stellt im Hinblick auf die Bodenbelüftung eine intermediäre Situation dar, die sich sowohl von der unbefahrenen Referenz und dem Spurrandbereich, aber auch von der Spursituation abhebt. Die Diffusionswerte von der Referenzfläche und vom Spurrand liegen sehr nahe beieinander.

Ds/D0 bei 300 hPa 0.00 0

0.05

0.10

a ab b

0.15

0.20

b

5 a

ab

ab b

Tiefe [cm]

10

15 a

ab ab

b

20

25 a

ab ab b

30 Fahrspur Aussenspur

Zwischenspur Kontrolle

Abbildung 9.25: Tiefenprofile der relativen scheinbaren Diffusionskoeffizienten Ds/D0 ermittelt bei einer Wasserspannung von 300 hPa. Die einfachen Standardabweichungen sind als Querbalken dargestellt. Die Signifikanz des multiplen nichtparametrischen DunnTests auf einem Niveau von p < 0,05 ist durch unterschiedliche Buchstabenkürzel gekennzeichnet (a < b).

Das Niveau der Diffusionskoeffizienten liegt in Relation zu Vergleichswerten von verformungssensiblen Schlufflehmen angesichts der Belastungsintensität erstaunlich hoch. Die bodenökologischen Auswirkungen der verminderten Gasdiffusionskoeffizienten lassen sich nur im Zusammenspiel mit den weiteren Standortsfaktoren insbesondere dem Wasserhaushalt abschätzen. Da die Diffusionsrate in der Fahrspur bei einer Wasserspannung von 60 hPa nochmals um das Zwei- bis Vierfache verringert ist, ergeben sich im Hinblick auf die

352

J. Schäffer

Bodenbelüftung im Jahresablauf längere Phasen mit eingeschränkter Belüftung im Wurzelraum. Die Produktion von Kohlendioxid durch die energieverbrauchenden Atmungsprozesse (insb. Wurzelatmung und mikrobielle Aktivität) führt in den Waldböden zu einer Anreicherung von CO2 im luftgefüllten Porenraum. Zwischen der Atmosphäre als quasi unendlicher Senke und dem Produktionsort der im Waldboden gebildeten Gase etabliert sich ein Partialdruckunterschied, der durch diffusiven Gastransport ausgeglichen wird. In einem mehr oder weniger schmalen Elastizitätsbereich kann infolge eines erhöhten Konzentrationsgefälles zur Außenluft die Entsorgung von CO2 begünstigt werden. In diesem Fall ist die biologische Aktivität im Boden nicht signifikant beeinträchtigt. Wird das für die Diffusionsprozesse zur Verfügung stehende Porensystem jedoch massiv beeinträchtigt, was für die Fahrspursituation anhand der bodenphysikalischen Kenngrößen belegt werden konnte, so ist eine Anreicherung von CO2 in der Bodenluft, bedingt durch die eingeschränkte Entsorgung, zu erwarten. In Abbildung 9.26 sind die CO2-Tiefenprofile der Befahrungsvarianten auf der Hannibal-Tragschlepper-Fahrtrasse dargestellt. In die Berechnung der mittleren Konzentration für das Jahr 2001 gingen mindestens 20 Probenahmetermine ein. In der Auflage und an der Oberkante des Mineralbodens sind keine Unterschiede der CO2-Konzentrationen zwischen den Varianten zu erkennen. Deutliche Unterschiede treten im Mineralboden in 10 cm bzw. 30 cm auf. Die mittlere CO2-Konzentration liegt in der Fahrspur in 10 cm Bodentiefe mit durchschnittlich 2,7 % um den Faktor 7 über dem Vergleichswert des Kontrollplots (0,4 %). In 30 cm Bodentiefe ist der Wert um den Faktor 2 erhöht. Die im Zwischenspurbereich installierten Lysimeter zeigen eine intermediäre CO2-Anreicherung in der Bodenluft, während der Spurrand ein der Referenzfläche vergleichbares Tiefenprofil aufweist. Die durch die befahrungsbedingte Beeinträchtigung des Gasaustausches gehemmte Entsorgung lässt sich an den CO2-Konzentrationsprofilen deutlich erkennen. Dabei reicht der durch diese Belüftungshemmung beeinträchtigte Bereich über die verformte Zone hinaus in den Fahrspurzwischenbereich und auch mit geringerer Intensität in den angrenzenden Bestand.

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

0.0

1.0

2.0

3.0

4.0

353

5.0

10

Tiefe [cm]

0

10

20

30 Fahrspur Spurrand

Zwischenspur Kontrolle

Abbildung 9.26: Mittlere CO2-Konzentrationen in der Bodenluft im Jahr 2002 (entspricht dem Jahr nach der Befahrung) unter den Fahrspursituationen Spur, Zwischenspur und Spurrand. Die einfachen Standardabweichungen sind als Querbalken dargestellt.

Die Beeinträchtigung der Belüftungsfunktion, d.h. die mangelnde Entsorgung des respiratorisch gebildeten CO2 sowie die reduzierte Nachlieferung von O2 wirken sich auf das Wurzelwachstum aus. QI et al. (1994) stellten fest, dass das Feinwurzelwachstum von Douglasiensämlingen bei CO2-Gehalten in der Bodenluft von unter 0,5 % zurückgeht. Dieser Wert wird unter der Fahrspur sowie im Zwischenspurbereich im Mittel des Jahres 2002 um den Faktor 2 (Zwischenspur) bzw. 5 (Spur) überschritten. Bei der Interpretation der Feinwurzeldichten ist zu beachten, dass sich zwei Jahre nach der Befahrung noch kein Gleichgewicht zwischen Feinwurzelproduktion und -abbau etabliert hat. Die sich aus dem konsolidierten Lagerungszustand sowie der Belüftungshemmung ergebende Beeinträchtigung der Wurzelraumfunktion wird mittelfristig im Zusammenspiel mit den weiteren Standortsfaktoren deutlicher erkennbar werden. Aus den Aufnahmen lassen sich jedoch Trends dieser Entwicklung erkennen, die durch Wurzeluntersuchungen zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden müssen.

354

J. Schäffer

Abbildung 9.27: Tiefenprofile der Feinwurzeldichten (lebende Feinwurzeln mit Wurzeldurchmessern < 2mm). Neben den fahrspurbezogenen Wurzelverteilungen ist das tiefenstufenbezogene Ergebnis des paarweisen nichtparametrischen Wilcoxon-Tests für den Vergleich der Wurzeldichten unter den Fahrspursituationen und der Kontrolle (*** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, (*) p < 0,1, keine Angabe = nicht signifikant) dargestellt. Die Querbalken entsprechen den einfachen Standardabweichungen.

Bei allen Varianten reicht der intensiver durchwurzelte Hauptwurzelraum bis in 40 cm Tiefe. Ein Vergleich des Tiefenprofils der Feinwurzeldichte der unbefahrenen Referenzsituation mit der Fahrspursituation zeigt bis in diese Bodentiefe deutliche Unterschiede zwischen Spursituation und Referenz. Im Oberboden unterscheiden sich die Mittelwerte signifikant. Auch für die Zwischenspursituation sind durchgängig höhere Feinwurzeldichten auf der Referenzfläche erkennbar, die in Einzelfällen signifikant sind. Inhomogener ist der Trend der Durchwurzelung im Spurrandbereich. Während im Oberboden die Feinwurzeldichtewerte im Vergleich zur Referenz höher liegen, treten darunter geringere Feinwurzeldichten auf. Dies korrespondiert mit den bodenphysikalischen Kenngrößen, für die im Spurrandbereich ein uneinheitlicher Tiefengradient festgestellt wurde. Nach Einsatz des Raupenvollernters Hannibal sowie des Tragschleppers Timberjack 810B zeigen die bodenphysikalischen Kenngrößen im Fahrspurbereich eine massive Veränderung der Bodenstruktur, die über den befahrenen Spurbereich hinaus auf der gesamten Trassenfläche nachgewiesen werden können. Auch im Spurrandbereich 50 cm außerhalb der Fahrspur sind Beeinträchtigungen durch die Befahrung feststellbar. In Folge dieser Strukturveränderungen ist die Gasdiffusion eingeschränkt. Die Sauerstoffversorgung sowie die Entsorgung von CO2 können nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die CO2-Konzentrationen im Bereich der Fahrspur liegen um Größenordnungen über den Vergleichswerten des unbefahrenen Bestandes auf einem für das Wurzelwachstum unzuträglichen Niveau. Auswirkungen dieses

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

355

Belüftungsengpasses lassen sich zwei Jahre nach der Befahrung an den Feinwurzeldichten auf der gesamten Fahrtrasse erkennen. Diese sind auf den Fahrspuren sowie dazwischen deutlich reduziert. Auf der Fahrtrasse und insbesondere unter der Fahrspur reichen die Bodenstrukturveränderungen tief in den Mineralboden. Der Porenraumverlust sowie verringerte Diffusionskoeffizienten sind in 25 bis 30 cm noch deutlich ausgeprägt. Die Reichweite der durch die Befahrung ausgelösten Bodenstrukturveränderungen liegt damit unterhalb des durch die bodenphysikalischen Untersuchungen charakterisierten Bodenausschnitts. Die Strukturveränderungen erfassten somit den gesamten Hauptwurzelraum unter der Fahrtrasse. 9.2.3.2 Regeneration von Bodenverformung Die Regeneration von Befahrungsschäden, d.h. die Rückführung eines verformten Bodens in einen natürlichen Lagerungszustand und die Wiederherstellung der an diesen Zustand gebundenen funktionalen Eigenschaften, ist das Ergebnis ineinandergreifender und teilweise rückgekoppelter Prozessketten. Eine Strukturregeneration ist nur erfolgreich, wenn der durch biologische Aktivität (grabende Tätigkeit der Bodenfauna, Wurzelwachstum,...) oder physikalische Prozesse (Quellen und Schrumpfen infolge von Austrocknung und Wiederbefeuchtung sowie Eislinsenbildung) ausgelöste Energieinput ausreicht, die in einem verdichteten, kohärenten Bodenkörper auftretenden Scherkräfte zu überwinden und das gelockerte Aggregatgefüge zu stabilisieren. In den vergangenen 20 Jahren beschäftigten sich zahlreiche bodenphysikalische Forschungsarbeiten mit der Erfassung und Bewertung der Auswirkungen von zunehmend leistungsfähigeren, aber auch schwereren Maschinen auf den Waldboden. Als zentraler Schlüsselparameter für die Charakterisierung der ökologischen Folgen von Bodenstrukturstörungen wird die Belüftungsfunktion angesehen, die ausschlaggebend für die Wurzelraumerschließung und damit die Vitalität und Stabilität der Waldbäume ist (Schack-Kirchner 1994, Kremer 1998 und Gaertig et al. 1998). Aufgrund methodischer Weiterentwicklungen ist heute eine differenzierte Erfassung von Kenngrößen des Bodenlufthaushaltes möglich, die eine direkte Erfassung der durch Strukturveränderungen ausgelösten Funktionsstörungen erlauben. Untersuchungen zur Regeneration von befahrungsbedingten Strukturschäden beschränkten sich bisher auf Einzelbeispiele. In der Regel wurden auf Befahrungsversuchsflächen einfache bodenphysikalische Kenngrößen, wie z. B. die Lagerungsdichte oder in Einzelfällen auch Transportparameter, wie z.B. die Luftbzw. die Wasserleitfähigkeit (Froehlich et al. 1985, Webb et al. 1986) unmittelbar nach der Befahrung und nach definierten Regenerationszeiträumen vergleichend erhoben und bewertet. Ergebnis dieser Studien war, dass auch nach Jahrzehnten noch Auswirkungen der Befahrung erkennbar sind. Für die Abschätzung der funktionalen Regeneration sind diese nur indirekt mit der Bodenbelüftung gekoppelten physikalischen Materialeigenschaften jedoch nicht geeignet. Da aufgrund dieser Forschungsergebnisse davon auszugehen war, dass eine Regeneration von Befahrungsschäden in forstbetrieblich relevanten Zeiträumen nicht

356

J. Schäffer

stattfindet, wurden in Walderschließungsrichtlinien Aspekte der Bodenvorsorge durch ein Verbot flächigen Befahrens sowie die Konzentration der Befahrung auf ein äquidistantes Netz von Feinerschließungslinien als Zielvorgabe berücksichtigt. Anhand einer größeren Anzahl unterschiedlich lang zurückliegend befahrener Praxisflächen, die hinreichend genau dokumentiert waren, wurde der Versuch unternommen, Ansätze für die Abschätzung der Bodenstrukturregeneration und damit einer standortstypischen Bodenbelüftung zu erarbeiten. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass die sensitivsten Substrate gegenüber befahrungsbedingter Bodenverformung Schlufflehme sind. Die Untersuchungen wurden, um eine hinreichende Anzahl von unterschiedlich lang zurückliegend befahrenen Flächen untersuchen zu können, auf diese Substratgruppe konzentriert. Neben vergleichbaren Substrateigenschaften mussten die verwendeten Maschinentypen und Lasten mit den heutigen Belastungsintensitäten vergleichbar sein. Da spezialisierte Forstmaschinen erst seit Beginn der 70er Jahre eingesetzt wurden, konnten nur Befahrungsflächen aus den vergangenen 40 Jahren in die Untersuchung einbezogen werden. Ein weiteres Kriterium für die Auswahl der Fahrtrassen war, dass diese nach einer Holzerntemaßnahme nicht mehr befahren wurden. Auf den Fahrtrassen wurden die bodenphysikalischen Parameter Lagerungsdichte und Porenverteilung ermittelt. Diese wurden wie auf der Befahrungsfläche St. Märgen stratifiziert nach den Situationen Fahrspur, Zwischenspurbereich, ca. 50 bis 80 cm außerhalb der Fahrspur sowie im unbefahrenen Bestand bis in eine Bodentiefe von 35 cm ermittelt. Um den Zusammenhang zwischen Strukturverlust und Wurzelraumfunktion zu erfassen, wurden die Diffusionskoeffizienten als Kenngrößen für den Bodengashaushalt und die Feindurchwurzelung an den Fahrspurtransekten sowie in unbefahrenen Kontrollsituationen aufgenommen. Das jüngste Befahrungsstadium wird durch den Untersuchungsstandort Weil im Schönbuch repräsentiert, an dem sechs Jahre vor Durchführung der Untersuchungen in einem 45 Jahre alten Buchen-Fichten-Bestand ein Durchforstungseingriff unter Einsatz des Vollernters Timberjack 1270 und des Prozessors Ponsse HS10 in Kombination mit einem Valmet-Tragschlepper durchgeführt worden war. Die eingesetzten Maschinen sind durch Gewichte (einschließlich Ladung) von 10 bis 20 t charakterisiert. In Wolfegg wurde mit einer vergleichbaren Maschinenkombination im Jahr 1988 in einem Fichtenbaumholz eine Durchforstung durchgeführt. Die Befahrung lag auf diesem Standort zum Zeitpunkt der Aufnahme 14 Jahre zurück. In Ettenheim wurden Fahrtrassen untersucht, die im Rahmen von Streifenkahlschlägen vor 24 Jahren angelegt wurden. Die Befahrung im Rahmen der regulären Holzernte erfolgte dort durch leichtere Rückegeräte (Welte Ökonom und Unimog U90). In Mengen wurde eine Fahrspursituation aufgenommen, die während der Flächenräumung im Jahr 1968 entstanden war. Zum Einsatz kam dort ein leistungsfähiger Knickschlepper (Welte Forstmann) sowie leichtere landwirtschaftliche Schlepper. An allen vier Standorten konnte sichergestellt werden, dass auf den betreffenden Fahrtrassen keine späteren Befahrungen stattgefunden haben. In Ettenheim sowie in Mengen konnte dies anhand der auf den Flächen angelegten Folgebestände aus-

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

357

geschlossen werden. In den Durchforstungsbeständen Wolfegg und Weil im Schönbuch wurde dies durch die örtlich zuständigen Betriebsleiter bestätigt. Auf den korrespondierend zu den Fahrtrassen ausgewählten Nullflächen konnte aufgrund der Stellung von Bäumen außerhalb der Fahrtrassen sichergestellt werden, dass eine Befahrung zum Zeitpunkt der Holzernte ausgeschlossen war. Während dies für die Durchforstungsbestände problemlos möglich war, konnte in Ettenheim und Mengen nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Befahrung auch abseits der untersuchten Fahrtrassen stattgefunden hat (z.B. durch Selbstwerber nach der Holzerntemaßnahme). In Mengen war die Anlage des Referenzprofils in einem nicht durch das Sturmereignis beeinträchtigten Nachbarbestand möglich. Analog zur Vorgehensweise auf der Intensivversuchsfläche St. Märgen wurden auf den Praxisbefahrungsflächen Quertransekte zur ausgewählten Fahrtrasse angelegt, die links und rechts etwa 70 cm bis 1 m in den unbefahrenen Bereich hineinreichten. Auf den Nullflächen wurde ein in der Regel schmaleres Bodenprofil (100 cm Breite) angelegt. Die Bodenprofile wurden bis auf eine Tiefe von 60 bis 100 cm ausgehoben. In Oberbodennähe wurden bis ca. 35 cm Tiefe Stechzylinderproben entnommen, die der Bestimmung der bodenphysikalischen Parameter sowie des relativen scheinbaren Gasdiffusionskoeffizienten (Maß der diffusiven Gasdurchlässigkeit) im Labor dienten. An den Profilwänden wurde die Feinwurzeldichte durch Auszählung im Zählrahmen mit einer 4 x 4 cm-Gitternetzeinteilung bestimmt. Am Beispiel des jüngsten Regenerationsstadiums in Weil im Schönbuch wird in Abbildung 9.28 die Wurzelverteilung an einem Transekt quer zur Fahrtrasse dargestellt. Weil im Schönbuch Randstreifen

Fahrspur

Zwischenspur

Fahrspur

Randstreifen

0

0

20

20

40

40

60 0

100

200

keine Wurzeln <= 10 Nicht aufnehmbar / Störung

300

>10 <=20 >20 <=30

400 [cm]

60 40 [cm]

>30 <=50 >50

Abbildung 9.28: Verteilung der Feinwurzeldichten (Feinwurzeln < 2 mm) am Untersuchungsstandort Weil im Schönbuch. Die 40 cm breite und 60 cm tiefe Profilwand rechts ist die Kontrolle, die 4 m breite und 60 cm tiefe Profilwand links das Transekt quer zur Fahrtrasse. Geglättete Untergrenze der Intensivwurzelzone (20 Feinwurzeln pro dm²) = dicke Konturlinie, Untergrenze der Extensivwurzelzone (10 Feinwurzeln pro dm²) = dünne Konturlinie.

Unter den Fahrspuren ist die Verminderung der Feinwurzeldichte und Verflachung des Hauptwurzelraumes deutlich zu erkennen. Die Intensivwurzelzone mit Wurzeldichten von über 20 Feinwurzeln/dm² reicht im direkt überfahrenen

358

J. Schäffer

Bereich bis in 10 cm Tiefe, in einzelnen Zählstreifen bricht sie komplett zusammen. Während auf der Kontrollfläche bis in 60 cm Bodentiefe noch eine extensive, aber homogene Durchwurzelung vorherrscht, löst sich diese unter den Fahrspuren inselartig auf. Im Mittelstreifen zwischen den Fahrspuren sind die Feinwurzeldichten gegenüber den Fahrspursituationen zwar leicht erhöht, die Intensivwurzelzone reicht aber auch hier kaum tiefer in den Mineralboden. Auch im Bereich der Randstreifen der Fahrtrasse sind Feinwurzelintensität und Durchwurzelungstiefe gegenüber der Kontrolle reduziert. Erst unmittelbar am Rand des Profiles stellt sich ein standortstypisches Tiefenprofil ein, in dem die intensive Wurzelraumerschließung bis in 40 cm Bodentiefe reicht. Ausgehend von den Fahrspurbereichen ist eine deutliche „Seitenwirkung“ auf die Durchwurzelungsintensität zu erkennen. Ursächlich hierfür ist eine von den verformten Bereichen ausgehende Störung der Belüftungssituation. Ein vergleichbares Muster, wie es für die Feinwurzeldichten festgestellt wurde, ermittelten Schack-Kirchner et al. (1993) für die Sauerstoffkonzentration unter Fahrspuren in einem Simulationsmodell. In Abbildung 9.29 werden für die drei Regenerationsstadien von 6 Jahren in Weil im Schönbuch, 14 Jahren in Wolfegg und 24 Jahren in Ettenheim die Tiefenprofile des relativen scheinbaren Diffusionskoeffizienten für die Fahrspuren und die korrespondierenden Kontrollflächen miteinander verglichen. Ds/Do (60 hPa) .000

.020

.040

.060

.080

.020

.040

.060

.080 ‘96 ‘88 ‘78

0

**

*

n.s.

*

*

(*)

5

Tiefe [cm]

10

15

20

*

n.s. (*)

25

Fahrspur

unbefahren

30

n.s. n.s. n.s. 35

Weil i. Schönbuch 1996

Wolfegg 1988

Ettenheim 1978

Abbildung 9.29: Tiefenprofile des relativen scheinbaren Gasdiffusionskoeffizienten (Ds/Do) bei einer Wasserspannung von 60 hPa für Fahrspuren (links) und Kontrollflächen (rechts) am Untersuchungsstandort Weil im Schönbuch (6 Jahre), Wolfegg (14 Jahre), Ettenheim (24 Jahre). Rechts dargestellt ist die Signifikanz des paarweisen nichtparametrischen Wilcoxon-Tests zwischen Fahrspur und Kontrollfläche bei den drei Regenerationsstadien (*** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, (*) p < 0,1, n. s. = nicht signifikant).

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

359

Nach Entwässerung der Bodenproben mit 60 hPa sind die weiten Grobporen (Ø > 50 µm), in denen das Bodenwasser entgegen der Schwerkraft gehalten werden kann, belüftet. Da dieser Porenraum über lange Zeiträume im Jahresablauf für den Lufttransport zur Verfügung steht und durch die Befahrung intensiv beeinträchtigt wird, ist anhand des bei dieser Desorptionsstufe ermittelten Diffusionskoeffizienten eine gute Abschätzung der befahrungsbedingten Belüftungsstörung möglich. Unter den Fahrspuren waren bei allen Versuchsflächen die Diffusionskoeffizienten im Oberboden bis in die Tiefe von 20 bis 25 cm niedriger als im Bereich der Kontrollfläche. Neben den absoluten Werten ist auch die Streuung der Messwerte im Bereich der Fahrspur deutlich niedriger. In der untersten Messtiefe von 30 bis 34 cm waren die Diffusionskoeffizienten zwischen Fahrspur und Kontrollsituationen nicht mehr unterscheidbar. Dies bedeutet, dass an allen drei Untersuchungsstandorten eine befahrungsbedingte Bodenverformung und in Folge davon eine reduzierte Gasdurchlässigkeit bis in ca. 25 cm messbar war. An den beiden Standorten Weil im Schönbuch und Wolfegg zeigen die Diffusionskoeffizienten unter den Fahrspuren keinen differenzierten Tiefengradienten. Sie sind von der Bodenoberfläche bis in 25 cm Bodentiefe mit Werten um 0,005 gleichbleibend sehr niedrig. Unter der Fahrspur in Ettenheim sind die Diffusionskoeffizienten im Unterboden vergleichbar niedrig. Lediglich an der Bodenoberfläche werden hier höhere Diffusionskoeffizienten mit Werten um 0,03 gemessen, die nicht mehr signifikant von der Kontrollsituation unterschieden werden können. Die Streuung der Messwerte ist auf dieser Versuchsfläche nahe der Bodenoberfläche am höchsten. Dieser Befund kann als erster Ansatz einer Regeneration der Bodenstruktur und Bodenbelüftung interpretiert werden. Es ist plausibel, dass diese nur durch biologische Aktivität leistbare und stabilisierbare Regeneration der Bodenstruktur an der Bodenoberfläche ansetzt, wo die Belüftungsverhältnisse am günstigsten sind und von dort aus sich in den Boden hinein ausbreitet. Dabei nimmt die Streuung des die Belüftung charakterisierenden relativen scheinbaren Diffusionskoeffizienten aufgrund der mosaikartig einsetzenden Restrukturierung zu. Wie das Durchwurzelungsmuster in Abbildung 9.28 zeigt, ist das Resultat der reduzierten Bodenbelüftung unter Fahrspuren eine geringere Feinwurzeldichte. In Abbildung 9.30 wird ein Vergleich der Tiefenprofile der Feinwurzeldichte unter den unterschiedlich alten Regenerationsstadien der Untersuchung vorgestellt. Da nicht auszuschließen ist, dass standortsbedingt Unterschiede in der absoluten Höhe der Feinwurzeldichte bestehen, wurden in der Abbildung die Relationen der Feinwurzeldichten zwischen Spur- und Kontrollsituationen an den jeweiligen Untersuchungsstandorten zum Vergleich herangezogen.

360

J. Schäffer

Relative Feinwurzeldichten unter Fahrspuren 0

50

100

150‘96 ‘88 ‘78 ‘67 n.s. n.s.

2 ***

Tiefe [cm]

18

38

78

n.s.

** *

***

*** n.s. ***

***

***

**

***

***

**

*

***

***

***

*

***

***

**

n.s. ***

***

**

n.s. ***

***

*** n.s. ***

***

*** n.s. ***

***

*** n.s. ***

**

*** n.s.

**

58

*

*

(*)

***

*** n.s.

n.s.

(*)

*

*

**

**

n.s.

*

n.s.

(*)

n.s.

*

n.s.

W. i. Schönbuch, 1996

Wolfegg, 1988

Ettenheim, 1978

Mengen, 1968

Abbildung 9.30: Tiefenprofile der relativen Feinwurzeldichte der Fahrspuren an den Untersuchungsstandorten Weil im Schönbuch (1996), Wolfegg (1988), Ettenheim (1978) und Mengen (1968). Die senkrechte Referenzlinie (100 %) markiert die Kontrolle. Rechts: Ergebnisse des nicht parametrischen Wilcoxon-Tests für die Differenz der Feinwurzeldichten unter Fahrspuren und Kontrolle in den jeweiligen Bodentiefen (*** p < 0,001, ** p < 0,01, * p < 0,05, (*) p < 0,1, n. s. = nicht signifikant).

Die Tiefenprofile der relativen Feinwurzeldichte zeigen ein sehr ähnliches Ergebnis wie die in Abbildung 9.29 vorgestellten Gasdiffusionskoeffizienten. Bei den Fahrspuren in Weil im Schönbuch und Wolfegg ist eine hochsignifikante Reduktion der Feinwurzeldichte unterhalb von 10 cm Bodentiefe im gesamten Tiefenprofil nachweisbar. Auch auf der am längsten zurückliegend befahrenen Versuchsfläche Mengen ist der Vergleich zwischen Fahrspursituation und

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

361

Referenzfläche im gesamten Tiefenprofil statistisch signifikant. Die Feinwurzeldichten sind gegenüber den Nullflächen teilweise um mehr als 75 % reduziert. Da in Mengen der physiologische Wurzelraum durch eine ausgeprägte Hydromorphie im Unterboden eingeschränkt ist, wurde das Tiefenprofil nur bis 40 cm dargestellt. An diesen drei Versuchsflächen lassen sich im Zeitablauf von 35 Jahren anhand der Diffusionskoeffizienten und der Feinwurzelerhebungen keine Regenerationsansätze erkennen. Unter den Standortsund Bestockungsbedingungen in Mengen reichte ein Zeitraum von 36 Jahren nicht aus, eine Regeneration des Wurzelraumpotenzials im Oberboden auszulösen. Die Fahrspur in Ettenheim aus dem Jahr 1978 zeigt im gesamten Hauptwurzelraum bis etwa 55 cm Bodentiefe eine der Kontrolle vergleichbare Feinwurzeldichte. Die Streuung der Messwerte ist allerdings sehr hoch. Lediglich im Unterboden sind noch inselartige Areale mit reduzierten Feinwurzeldichten erkennbar. Dieser Befund kann trotz der Unsicherheiten durch die Dokumentation der Befahrung an diesem Standort vorsichtig als weitgehende Regeneration der Funktion des Bodens als Wurzelraum bewertet werden. Bisherige Erfahrungen zur Regeneration von Bodenverformungen unter Berücksichtigung sensitiver Parameter der Bodenlüftung liegen nur von wenigen Befahrungsversuchen vor (Schack-Kirchner 1994, Kremer 1998). Auf der Basis dieser Ergebnisse musste in der Praxis davon ausgegangen werden, dass mit einer Regeneration befahrungsbedingter Bodenverformungen im Laufe eines Bestandeslebens nicht gerechnet werden kann. Dies gilt umso mehr, wenn die Entwicklung hin zu immer größeren und schwereren Maschinen mit steigenden Belastungen für den Waldboden mit in die Bewertung der Technikfolgen einbezogen wird. Auf der Versuchsfläche Emmendingen konnten ca. 25 Jahre nach der Befahrung beginnende Ansätze der Regeneration nachgewiesen werden. Diese beschränken sich bei Bodenstruktur und bei der diffusiven Gasdurchlässigkeit auf den obersten Dezimeter des Mineralbodens. Da jedoch die „Belüftungssperre“ an der Bodenoberfläche aufgehoben und damit eine Tiefendurchwurzelung wieder ermöglicht wird, wirkt sich diese Restrukturierung überproportional auf die Durchwurzelungsintensität und die Durchwurzelungstiefe aus. Da bei der natürlichen Restrukturierung eine Vielzahl teilweise rückgekoppelter Prozesse zusammenwirken, wird es nicht gelingen, trennscharfe substrat- bzw. standortsspezifische Prognosen des Regenerationsverlaufes zu erstellen. Dies gilt insbesondere für Standorte, auf denen die Durchwurzelung neben befahrungsbedingten Belüftungseinschränkungen durch weitere Standortsfaktoren limitiert wird (Hydromorphie, bodenchemische Situation). Für das Prozessverständnis und die Herleitung von Grenzen und Möglichkeiten der natürlichen Restrukturierung sowie die Notwendigkeit der Unterstützung durch Bodenbearbeitung und bodenchemische Melioration können diese Einzelbeispiele wichtige Hinweise geben.

362

M. Bacher-Winterhalter, U. H. Sauter

9.2.3.3 Sicherung der ökologischen Bodenfunktionen bei der Holzernte in Überführungsbeständen Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen die bisherige Praxis eines generalisierenden, an Vorsorgeaspekten orientierten Umgangs mit der Ressource Waldboden. Angesichts immer leistungsfähigerer Maschinen wird die Belastung und damit die Dauerhaftigkeit von Bodenstrukturveränderungen zukünftig eher zunehmen. Unter Fahrspuren heutiger praxisüblicher Forstmaschinen, deren Gesamtgewichte teilweise über 30 t liegen, wurden tiefreichende mechanische Bodenbelastungen und Bodenverformungen nachgewiesen. Die dadurch ausgelösten Strukturveränderungen führten zu einer Störung der Bodenbelüftung und einer über die gesamte Fahrtrasse hinweg eingeschränkten Feindurchwurzelung. Auf verformungssensiblen Schlufflehmen beobachtete Regenerationsansätze zeigen, dass unter optimalen Rahmenbedingungen eine Restrukturierung stattfindet. Da die Folge eines altersklassenfreien Waldbaus eine kontinuierliche Holznutzung in gemischten und reich strukturierten Beständen ist, werden Fahrtrassen jedoch regelmäßig und in kurzen Zeitabständen befahren. Im Hinblick auf die Regeneration von Bodenfunktionen, insbesondere der Wurzelraumfunktion, sind die Phasen der Restrukturierung und Stabilisierung zu kurz. Permanent genutzte Gassen scheiden dadurch als Wurzelraum aus. Ihr Anteil an der Bestandesfläche ist aus bodenökologischer Sicht zu minimieren. Auf weniger verformungssensiblen, skelettreicheren Substraten erscheint die zeitlich befristete Nutzung von Fahrtrassen unter der Prämisse langfristiger Regenerationsphasen von mehreren Jahrzehnten und der Nutzung leichterer Maschinen vertretbar. Hieraus könnten sich z.B. in Überführungsphasen Vorteile für die Realisierung waldbaulicher und/oder betriebswirtschaftlicher Ziele ergeben. 9.2.4 Bestandespfleglichkeit von Holzerntesystemen in Dauerwäldern M. Bacher-Winterhalter, U. H. Sauter

Die Technikfolgenabschätzung im Rahmen der Holzernte mit modernen Maschinen umfasst neben der Betrachtung der Schäden am Boden auch jene am aufstockenden Bestand. Die möglichen Schäden am verbleibenden Bestand gliedern sich in Schäden an den noch nicht erntereifen, also zukünftig zu erntenden Bäumen, und solche der bereits vorhandenen Naturverjüngung. Mit Zunahme der Naturnähe, insbesondere in weit entwickelten Dauerwäldern mit ausgeprägter vertikaler Struktur, ist eine klare Abgrenzung zwischen Verjüngung und bereits entwickelten Bäumen, denen später eine wichtige Funktion im Bestandesgerüst zukommt, kaum mehr möglich. Aus diesem Grund sind neben den Holzernteschäden, die die Holzproduktion durch Wertverluste an

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

363

Zukunftsbäumen betreffen, in strukturreichen Dauerwäldern noch stärker als in ausgeprägten Altersklassenwäldern Holzernteschäden an Strukturelementen des Bestandes in Hinblick auf das angestrebte waldbauliche Ziel zu bewerten. Grundsätzlich können nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige mitteleuropäische Forstwirtschaft nur bestandespflegliche Holzerntesysteme eingesetzt werden, die die Stabilität der Bestände nicht beeinträchtigen und waldbauliche Zielsetzungen nicht in Frage stellen. Diese Grundforderung ist an alle zukunftsorientierten Holzerntesystemen und darin eingesetzten Maschinen zu stellen. Die Schadenshäufigkeit am verbleibenden Bestand wird im wesentlichen durch die Topographie, die Bestandesstruktur, die Dichte der Feinerschließungslinien, den Hiebsanfall, die Holzaushaltungslänge, die Rundholzdimension und das darauf abgestimmte Holzerntesystem sowie den Hiebszeitpunkt bestimmt (Butora und Schwager 1986, Bort et al. 1993, Bacher 1999, Pausch 2002). Die Bedeutung der aufgeführten Faktoren für die zu erwartende Schadensbilanz richtet sich nach der örtlichen Situation und den betrieblich gesteuerten Rahmenbedingungen für die Holzerntemaßnahme. Beispielsweise ist es eine weithin bekannte Tatsache, dass die Holzernte von Langholz schadenträchtiger ist als die Ernte von Rundholz, das vor der Rückung auf die Waldstraße in kurze Rundholzabschnitte eingeschnitten wird. Einschlägige Hinweise geben die Untersuchungen von Meng (1978), Leinss (1991), Bort et al. (1993), Sauter und Busmann (1994), die übereinstimmend auf die Folgen von Baumverletzungen durch konventionelle Langholzrückung sowie Vorrücken von Vollbäumen bei der mechanisierten Aufarbeitung in jungen Fichtenbeständen und den sich daraus entwickelnden Wundfäulen und Wertverlusten des wertvollsten Stammteils hinweisen. Das gilt umso mehr, wenn es sich um ausgesprochenes Starkholz handelt, wie es bei der Holzernte in entwickelten Dauerwäldern bzw. Überführungsstadien anfällt. Entsprechend dieser zentralen Fragestellung wurden Untersuchungen zur Klärung der offenen Fragen zur angepassten und damit pfleglichen Kurzholzaufarbeitung in Dauerwäldern durchgeführt. Die Notwendigkeit der Schadensanalyse bei der Starkholzernte wird nicht zuletzt durch die Literaturstudie von Bacher (1999) unterstrichen. Bacher konnte zeigen, dass im Bereich Technikfolgenabschätzung Erkenntnisdefizite zur Holzernte in Laubholz- und in Mischbeständen sowie bei der Starkholzaufarbeitung vorliegen. Hierbei sind Holzerntesituationen in Hanglagen am wenigsten bearbeitet. Die Manipulation von starken Bäumen bzw. aufgearbeiteten Stämmen und Stammabschnitten erfordert Holzerntemaschinen ausreichend großer Dimensionen, die unter anderem auch Auswirkungen auf die Rückegassenbreite haben können. Zu schwach dimensionierte Maschinen provozieren höhere Schadprozente am verbleibenden Bestand und insgesamt eine negativere Schadensbilanz als durch den vermeintlich positiven Effekt durch geringfügig weniger befahrene Fläche gewonnen werden könnte. Aus diesem Grund wurden bei den notwendigen Feinerschließungslinien in den Versuchshieben (vgl. Kapitel 9.1) grundsätzlich auf eine Breite von ca. 4 m geachtet.

364

M. Bacher-Winterhalter, U. H. Sauter

Die Aufnahme der Bestandesschäden am verbleibenden Bestand erfolgte in den Versuchshieben nach der von Meng (1978) vorgeschlagenen Methode. Bei allen Arbeitsversuchen wurden nach den Holzerntemaßnahmen oberirdisch erkennbare Schäden an den verbleibenden Bestandesgliedern ermittelt (Kapitel 9.1.2.1). In Tabelle 9.9. sind die Schadprozente dargestellt. Je nach Hiebsflächengröße wurden 6 bis 13 Stichprobenflächen mit einer mittleren Größe von 1200 m² angelegt. Für die Arbeitsversuche hinsichtlich teilmechanisierter Kurzholzaufarbeitung wurden 311 bis 527 Bäume erfasst. Die verbleibenden Bestände wiesen unterschiedliche Baumartenmischungen und Dimensionsverhältnisse auf. Die Aufnahme der Schäden an der Naturverjüngung wurde im Hinblick auf die örtlich fixierten waldbaulichen Ziele bewertet (ausreichende Zahl von Individuen aller Baumarten für die Entwicklung der angestrebten Dauerwaldstrukturen unter Einbeziehung der hierzu niedergelegten Anforderungen in den Betriebsinventuren). Wegen der schwierigen Quantifizierung durch konkrete Zahlen sind im Folgenden nur die Ergebnisse zu den beschädigten Bäumen aufgeführt. Tabelle 9.9: Schadprozente und Bezugsgrößen für die untersuchten Holzerntesysteme Parameter

Anzahl Versuche Anzahl Stichprobenflächen Zeitpunkt der Holzernte

Mechanisierte Kurzholzaufarbeitung im Bestand (Fällung/ Aufarbeitung Vollernter oder motormanuell) 6 7 - 13

Motormanuelle Kurzholzaufarbeitung im Bestand „Todtmooser Verfahren“ 1 7

Sommer (2) außerhalb Vegetationszeit (4) 311 - 527 6 - 19

Sommer

Rohschaftverfahren kombiniert mit motormanueller Kurzholzaufarbeitun g an der Waldstraße 2 6 - 11 Außerhalb Vegetationszeit

Anzahl Bäume 555 364 - 411 Schadprozent nach 11 7 - 10 MENG (1978)1 [%] 1 : Schadprozent = Anzahl beschädigter Bäume/Anzahl verbleibender Bäume

Für die mechanisierte Kurzholzaufarbeitung im Bestand (Fällung/ Aufarbeitung Vollernter oder motormanuell) wurden bei fünf Arbeitsversuchen Schadprozente zwischen 6 und 11% ermittelt und liegen damit im Erwartungsbereich verfügbarer Schadensuntersuchungen (Bort et al. 1993, Sauter und Grammel 1996, Bacher 1999). Auf einer Versuchsfläche wurde ein Schadprozent von 19% festgestellt. Dieses negative Ergebnis beruht auf mehreren Faktoren: Hangneigung von 45 bis 55%, räumlich konzentrierter Hiebsanfall durch gleichzeitige Neuanlage des Feinerschließungsnetzes, unerprobtes kombiniertes Aufarbeitungsverfahren. Der Vollernter und der zum Rücken eingesetzte Tragschlepper haben in diesem Fall im technischen Grenzbereich gearbeitet. Diese Interpretation wird gestützt durch Schadensuntersuchungen in schwachen bis mittelstarken Nadelholzreinbeständen, die ansteigende Schadprozente mit zunehmender Hangneigung und Eingriffstärke nachweisen (Kudjelka 1977, Butora und Schwager 1986, Limbeck-Lilienau 2003).

9.2 Konsequenzen aus der Holznutzung für Boden und Bestand

365

Einer zusätzlichen Erläuterung bedarf das Ergebnis der Variante Langholzernte und -bringung mit der nachfolgenden Kurzholzaushaltung am Fahrweg. Die im direkten Vergleich mit der Kurzholzaufarbeitung im Bestand sehr günstig erscheinenden Schadprozente von 7 bis 10 % sind allein auf den günstigen Holzerntezeitpunkt außerhalb der Vegetationsperiode zurückzuführen. Wie schon unter 9.1 ausgeführt, können so niedrige Schadprozente bei Langholzmanipulation auch außerhalb der Vegetationszeit nur durch ein sehr straff geplantes und umgesetztes Hiebskonzept mit klaren Vorgaben für die Fällrichtung und nur bei ausreichender Feinerschließung der Bestände erzielt werden. Die ermittelten Schadprozente liegen insgesamt mit Ausnahme der erläuterten Sondersituation niedriger als der von Daxner et al. (1999) genannte Wert von 15% für motormanuelle Kurzholzaufarbeitung mit Seilschlepperrückung im Dauerwald. Sie sind auch geringer im Vergleich zu einer Studie in einem Fichtenreinbestand mit 22% nach motormanueller Langholzaufarbeitung von Starkholz (Bacher 1999). Pausch (2002) stellte keine Unterschiede zwischen einem vollmechanisierten und einem motormanuellen Holzerntesystem zur Kurzholzaufarbeitung bei der Einzelstammnutzung in Fichten-BuchenMischbeständen fest. Die Schadprozente lagen nach dieser Studie bei 21 bzw. 19%. Hinsichtlich der Schadensanzahl pro Baum und der Schadensgröße gab es zwischen den einbezogenen Holzerntesystemen keine Unterschiede. Über 75% der beschädigten Bäume wiesen nur einen Schaden auf. Der Hauptanteil der Schäden befand sich in der Größenklasse 50 bis 200 cm². Die motormanuelle Rohschafternte verursachte schwerere Schäden als die mechanisierte Kurzholzaufarbeitung. Bei über 30% der beschädigten Bäume wurden erhebliche Holzschäden in Form von herausgerissenen Holzfasern festgestellt. Die Lage der Schäden wird exemplarisch anhand einzelner Arbeitsversuche in Abbildung 9.31 dargestellt. Sie wurde in fünf Klassen in Bezug auf die Stammhöhe eingeteilt. Die Arbeitsversuche V4 und V6 beziehen sich auf das mechanisierte Holzerntesystem, während V7 die motormanuelle Kurzholzaufarbeitung im Bestand und V8 das motormanuelle Rohschaftverfahren abbilden.

366

M. Bacher-Winterhalter, U. H. Sauter

100%

>3 m Stammhöhe

Anzahl beschädigter Bäume

90% 80%

>1 m bis 3 m Stammhöhe

70%

0,3 bis 1 m Stammhöhe

60%

Wurzelkehle

50%

Einzelwurzel

40% 30% 20% 10% 0% V4 (N=27)

V6 (N=28)

V7 (N=58)

V8 (N=38)

Versuche

Abbildung 9.31: Relative Häufigkeit der Lage des flächenmäßig größten Schadens an den beschädigten Bäumen

Die Kurzholzbringung mit Tragschleppern gilt als pfleglich. Wie in Abbildung 9.31 ersichtlich ist, handelte es sich bei der mechanisierten Variante und bei der motormanuellen Kurzholzaufarbeitung (V4 und V6) zum größten Teil um Fällschäden. Die Schäden wurden zu einem hohen Anteil über 0,3 m Stammhöhe lokalisiert. Für die Langholzbringung im Arbeitsversuch V7 werden vor allem Schäden im Stammfußbereich an den flach streichenden Wurzeln und den Wurzelkehlen verursacht, die wesentlich gravierender sind als höher am Baum gelegene Schäden (Butora und Schwager 1986, Bacher 1999, Daxner et al. 1999). Bei der motormanuellen Kurzholzaufarbeitung an der Waldstraße wurde Langholz gerückt. Erwartungsgemäß wurden höhere Rückeschäden als bei Tragschlepperrückung festgestellt. Als Fazit der Technikfolgenabschätzung aus den dargestellten Arbeitsversuchen in Dauerwäldern und Überführungsbeständen unter ausschließlicher Betrachtung der Schäden am verbleibenden Bestand kann festgehalten werden, dass die Größe der eingesetzten Maschine nur insofern Einfluß auf das Schadensausmaß hat, als es sich um für die Holzdimension unangepasste Maschinendimensionen bzw. Aufarbeitungsaggregate handelt. Grundsätzlich machen sich große Maschinen mit solide ausgestatteten Greifarmen und hoher Standfestigkeit zur Manipulation starken Holzes durch Heben der Lasten positiv bei den resultierenden Bestandesschäden bemerkbar. Ebenfalls positiv wirkt sich die möglichst frühe Einteilung des zu erntenden Baumes in kurze Sortenabschnitte auf die Pfleglichkeit insbesondere bei der Nadelstarkholzernte aus. Die rationelle Rückung von immer noch schweren Starkholzabschnitten bis zu fünf Metern Länge mit einem angepassten

9.3 Holzerntetechnik im Nicht-Altersklassenwald

367

Tragschlepper beginnt mit der bestandesschonenden Beladung des Rungenkorbes durch Herausheben der Abschnitte aus der unterschiedlich stark vorhandenen Verjüngung mit dem Kran und kann damit schleifende Manipulation auf dem Waldboden und damit Beschädigungen an Wurzeln vermeiden.

9.3 Holzerntetechnik im Nicht-Altersklassenwald – Entscheidungskriterien und Steuerungsmöglichkeiten M. Hehn, U. H. Sauter

Die Entscheidung, Altersklassenwälder in naturnahe Dauerwälder zu überführen, hat gravierende Konsequenzen für die Holzernte. Dauerwälder sollen die Erfüllung von Schutz- und die Erholungsfunktionen des Waldes in höherem Maße gewährleisten, als dies für Altersklassenwälder gilt, ohne diesen jedoch hinsichtlich der Erfüllung der Nutzfunktion unterlegen zu sein. Ökonomische, ökologische, ergonomische und gesellschaftlich-soziale Belange sind demnach in Dauerwäldern gleichzeitig und gleichrangig zu berücksichtigen – eine Herausforderung, deren Bewältigung sich vor allen an kompetenten Entscheidungen über den Einsatz geeigneter Holzernteverfahren messen lassen muss. 9.3.1 Hiebscharakteristika in Dauerwaldbeständen In Überführung befindliche wie auch etablierte Dauerwälder unterscheiden sich in ihrer Struktur in mehrfacher Hinsicht von homogenen Altersklassenwäldern: Sie sind gekennzeichnet durch eine intensive, kleinflächige Mischung verschiedener Baumarten und sie weisen eine große Durchmesserspreitung auf (sowohl innerhalb ein und derselben Baumart wie auch über die gesamte Palette der vorkommenden Baumarten hinweg). Hinzu kommt der als Strukturelement hoch erwünschte vertikale Bestandesschluss, d.h. das kleinsträumig und innig gemischte Vorkommen von benachbarten Bäumen unterschiedlicher Höhe in z.T. gegenseitiger Überschirmung. Diese Struktur spiegelt die oben skizzierten dauerwaldspezifischen Zielsetzungen wider und sie ist gleichermaßen Ergebnis wie Vorgabe für dauerwaldspezifische Hiebseingriffe: Das Objekt jedes waldbaulichen Handelns im Dauerwald ist der Einzelbaum. Hiebseingriffe haben also unter Umständen gleichzeitig mehreren (waldbaulichen) Zielsetzungen gerecht zu werden. Die Ernte hiebsreifer Bäume ist nicht zu trennen von der – unter Umständen indirekten – Begünstigung und Schonung zu pflegender Endbestandsanwärter (wie z.B. Vorwüchse) oder der Schonung ökonomisch indifferenter, ökologisch aber wertvoller, im Zwischenstand dienender Bestandesmitglieder.

368

M. Hehn, U. H. Sauter

Zusätzlich zu der individuellen Zielsetzung eines jeden einzelnen Fällvorganges sind die spezifischen Anforderungen an die Fälltechnik zu berücksichtigen, die sich aus der Baumart, dem Durchmesser, den sonstigen Charakteristika (wie z.B. einseitige Beastung) des jeweiligen Einzelbaumes sowie der Vielzahl der möglichen Sortimente ergeben. Jeder einzelne Fällvorgang im Dauerwald ist daher einmalig und erfordert individuelles – statt wie im Altersklassenwald standardisiertes – Vorgehen Weitere Erschwernisse für Hiebseingriffe im Dauerwald sind die verringerte Einsehbarkeit aufgrund des vertikalen Bestandesschlusses sowie der im Prinzip geringere Hiebsanfall je Flächeneinheit, verglichen mit Standardhieben im Altersklassenwald. Zentrale Herausforderung für die Verfahrenswahl bei der Holzernte in strukturreichen Dauerwaldbeständen ist also der Gegensatz zwischen der Heterogenität des Bestandes bzw. der einzelnen Fällvorgänge einerseits und der Homogenität verfahrensspezifischer Einsatzspektren und Leistungsoptima andererseits. Konkret stellt sich also dem Wirtschafter die komplexe Aufgabe, in der Holzernte Leistungsfähigkeit, Pfleglichkeit, Ergonomie und Arbeitssicherheit sowie Flexibilität verfahrenstechnisch zu optimieren. Hilfreich für die konkrete Bewältigung dieser komplexen Optimierungsaufgabe ist die getrennte Erörterung der (verfahrens-) technischen Implikationen der oben geschilderten einzelnen Besonderheiten hinsichtlich ihrer drei wesentlichen Betrachtungs- und Handlungssphären „Mensch“, „Bestand“ und „Boden“. Nicht Teil, sondern unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung dieser Optimierungsaufgabe ist die Verfügbarkeit von leistungsfähigen, d.h. bestmöglich ausgebildeten und geübten Waldarbeitern bzw. Maschinenführern sowie von leistungsfähigen, d.h. ausreichend motorisierten und dimensionierten Forstmaschinen. Fehlen diese Voraussetzungen, ist jede weitere Optimierung in Richtung Arbeitssicherheit, Ergonomie, Pfleglichkeit oder Flexibilität aussichtslos. Ebenso bedarf es keiner weiteren Begründung oder Erörterung, dass Waldwirtschaft stets an Bedarfsdeckung und Gewinnorientierung ausgerichtet ist. Ökonomische Effizienz und Effektivität der eingesetzten Holzernteverfahren ist somit für die folgenden Überlegungen conditio sine qua non. 9.3.2 Mensch Ergonomie und Arbeitssicherheit sind Ziele, denen in der Dauerwaldwirtschaft - wie in der Forstwirtschaft generell – höchste Priorität zukommt, die jedoch im Dauerwald ungleich schwieriger zu verwirklichen sind als im Altersklassenwald. Grundsätzlich sind Arbeitssicherheit und Ergonomie umso höher bzw. günstiger zu bewerten, je höher mechanisiert ein Holzerntesystem ist. Eine Vollmechanisierung von Holzernteverfahren im Dauerwald scheitert jedoch bei den derzeit verfügbaren Maschinenlösungen an den großen Dimensionen – zumindest eines Teils – der Erntebäume und ihrer Äste, der verringerten Einseh-

9.3 Holzerntetechniken im Nicht-Altersklassenwald

369

barkeit und der damit einhergehenden Reichweiten-Grenzen sowie an der Notwendigkeit, baumindividuelle Fällrichtungen einzuhalten. Ergonomisch optimierte (Zwei-Mann-Fällung; freie Wahl der Fällrichtung; Wegfall des Wendens; maschinenunterstützte Restentastung) motormanuelle Verfahren wie das „Todtmooser Verfahren“ (vgl. Kapitel 9.1) sind daher trotz ihres niedrigeren Mechanisierungsgrades zur Zeit Mittel der Wahl für die Holzernte in Dauerwäldern. Gleiches gilt für „kombinierte Verfahren“ (vgl. Kapitel 9.1.2), die motormanuelle mit mechanisierter Arbeit verknüpfen, und die insoweit unterschiedlich hoch mechanisierte Aufarbeitungsmodule intelligent und prozessorientiert zu neuen, in sich konsistenten Aufarbeitungsverfahren kombinieren. Unverzichtbarer Bestandteil gerade der letztgenannten Verfahren, besser noch, generell jeder Holzerntemaßnahme in Beständen eingeschränkter Einsehbarkeit sind Kommunikationssysteme, die die ständige gegenseitige Erreichbarkeit der im gleichen Hieb Tätigen sicherstellen. Hier werden die Herausforderungen, die von der Holzernte in sturkturreichen Beständen ausgehen, zum Anlass für gestiegene Sensibilität gegenüber potenziellen Unfallursachen und so zum Motor für arbeitssicherheitstechnische Weiterentwicklungen. 9.3.3 Bestand Der Bestandespfleglichkeit von Hiebseingriffen kommt in Dauerwäldern überragende Bedeutung zu: Flankiert vom Wegfall starrer Umtriebszeiten und unterstützt durch das Vorhandensein dienender, daher aber ökologisch unverzichtbarer Strukturelemente bezweckt jeder Hiebseingriff die Begünstigung des Besseren – zulasten des Guten – und damit die konsequente Realisierung von Wertschöpfungspotenzialen. Die Bestandespfleglichkeit von Arbeitsverfahren hinsichtlich Fällungs- und Rückeschäden ist grundsätzlich umso größer, je leistungsfähiger die einzelnen Systemkomponenten und je kürzer – und leichter – die zu manipulierenden Stämme oder Stammteile sind. Zielgenaue Fällung und präzise, effiziente Manipulation bei der Aufarbeitung sowie beim Rücken bzw. Vorrücken sind Forderungen, denen wiederum motormanuelle (das „Todtmooser Verfahren“) oder „kombinierte Verfahren“ (Sauter et al. 2004) am ehesten gerecht werden: beim „Todtmooser Verfahren“ gewährleistet die relativ freie Wahl der Fällrichtung weitestgehende Bestandespfleglichkeit, während bei „kombinierten“ Verfahren die schwierigen Fällvorgänge (überstarke und weit entfernt stehende Bäume) der „Handarbeit“ vorbehalten bleiben. Weiterhin trägt aber der (vollmechanisierte oder motormanuelle) Einschnitt starken Holzes zu Kurzlängen bereits im Bestand bei beiden Verfahren hier wesentlich zur Schonung der Bestände und ihrer Strukturelemente bei, da kürzere – und damit leichtere – Stammteile erheblich schadärmer zu manipulieren sind als Langholz. Insbesondere aber durch die Möglichkeit, zum Rücken der Kurzlängen Tragschlepper einzusetzen, macht Kurzholzverfahren gegenüber herkömmlichen

370

M. Hehn, U. H. Sauter

Langholzverfahren in puncto Pfleglichkeit weit überlegen: die krangestützte, hebend-tragende Manipulation bei der Tragschlepper-Rückung von Stammabschnitten ist weitaus pfleglicher als die herkömmliche, ziehendschleifende Manipulation und Rückung von Langholz mit Schlepper bzw. Seilwinde. 9.3.4 Boden Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Produktionsgrundlage Boden ist unverzichtbare Voraussetzung jeder Waldwirtschaft. Insbesondere in der Dauerwaldwirtschaft, die den zur Verfügung stehenden oberirdischen Wuchsraum durch reich strukturierte Waldaufbauformen optimal nutzt, kommt auch der Nutzung und dem Schutz des unterirdischen Wuchsraumes erhebliche Bedeutung zu. Waldwirtschaft, und insbesondere Dauerwaldwirtschaft, bedarf – wie gezeigt – aus Gründen der Arbeitssicherheit, der Ergonomie, der Pfleglichkeit und der Flexibilität des Einsatzes leistungsfähiger und damit schwerer Maschinen. Unter mitteleuropäischen Verhältnissen verursachen die Befahrung von Waldböden mit diesen Maschinen und insbesondere die Arbeitsvorgänge dieser Maschinen jedoch gravierende und sich nur langsam – wenn überhaupt – regenerierende Bodenschäden (vgl. Kapitel 9.2.3). Damit stehen die Notwendigkeit des Einsatzes leistungsfähiger und damit schwerer Maschinen und die Notwendigkeit des Bodenschutzes einander diametral entgegen. Konsequenzen dieser Situation sind das – in allen Bundesländern geltende – Verbot flächiger Befahrung und stattdessen die Konzentration von Befahrung sowie von Maschinenbewegungen während der Arbeitsvorgänge und damit die Konzentration verursachten Schäden auf permanente Feinerschließungslinien, d.h. in befahrbarem Gelände in der Regel auf Rückegassen. Mit der Entscheidung, Rückegassen – und damit die Bereiche unvermeidlicher und tolerierter Bodenschäden – zu permanenten Feinerschließungseinrichtungen zu machen, wird zwei wesentlichen bodenkundlichen Erkenntnissen Rechnung getragen: Erstens der Erkenntnis, dass der statische Bodendruck die bei Arbeitsvorgängen einwirkenden Kräfte und ausgelösten Schäden hinsichtlich Intensität und Tiefenwirkung nicht ausreichend abzubilden und abzumildern vermag: Entscheidend für die Beurteilung der Boden(un)verträglichkeit von Forstmaschinen sind vielmehr die dynamischen Kräfte, die bei den Arbeitsvorgängen – insbesondere der Manipulation starker, schwerer Stämme – auftreten, und die die statischen bei weitem übertreffen. Zweitens trägt die konzeptionelle Permanenz von Rückegassen dem Vorsorgeprinzip und damit der Tatsache Rechnung, dass Regenerationsvorgänge befahrungsgeschädigter Waldböden bislang nur unzureichend geklärt und kaum prognostizierbar sind. Konsequenzen der Entscheidung, Rückegassen als permanente Feinerschließungsmittel zu betrachten, sind die Orientierung der Rückegassenabstände an der substratspezifischen Befahrungsempfindlichkeit, statt wie bisher an

9.3 Holzerntetechniken im Nicht-Altersklassenwald

371

Bestandesparametern. Weitere Konsequenzen sind die Forderung, sie im Gelände dauerhaft und wiederauffindbar zu markieren, sie in Karten sorgfältig zu dokumentieren und sie dauerhaft befahrbar zu halten. Insbesondere die Gewährleistung der dauerhaften technischen Befahrbarkeit von Rückegassen ist unabdingbar für das aus Gründen des Bodenschutzes erforderliche „Wegegebot“. Folgende Maßnahmen können hierzu beitragen: x Verringerung der Befahrungshäufigkeiten auf der Rückegasse. Innerhalb eines Bestandeslebens von etwa 100 Jahren wird eine Rückegasse ca. 40 bis 80 mal befahren. Um die technische Befahrbarkeit langfristig zu erhalten, muss die Anzahl der Überfahrten minimiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre z. B. das Aufgeben des sortimentsweisen Rückens eine Handlungsalternative. Eine interessante Weiterentwicklung stellt die Integration von Aufarbeitung und Rückung in einem Maschinensystem dar. Weitere Optionen bestehen in der Optimierung von Planungsabläufen (z.B. über einen Planungsvorrat „forstliches Warenlager“, der ein Ausweichen auf weniger sensible Hiebsstandorte ermöglicht) und der Logistik. x Da ein seitliches Ausweichen an Schwachstellen der Feinerschließungslinien oder die Anlage neuer Gassen nicht akzeptabel ist, müssen punktuell stabilisierende Maßnahmen (Einebnen der Gleise, Einbringen von Schotter bzw. Erdmaterial, etc.) in Erwägung gezogen werden. x Alle konstruktionsbedingten Optionen wie z.B. moderne Antriebstechniken, Fahrwerke oder auch Fahrwerksmodifikationen (Boogiebänder, 800er Reifen, Niveauregulierung von Fahrwerken), sollten genutzt werden. x Witterungsbedingte Unterbrechungen der Holzernte müssen akzeptiert und auch durchgesetzt werden. Die Intensität der Gleisbildung hängt wesentlich vom Substrat und dem zum Befahrungszeitpunkt gegebenen Wassergehalt des Bodens ab. x In diesem Zusammenhang ist auf die substratspezifisch positiven Erosionsuntersuchungen hinzuweisen, die trotz der hohen Neigung der einbezogenen mit Raupenvollernter befahrenen Rückegassen von zum Teil über 50% auf skelettreichen Gneis- und Verwitterungsböden des Südschwarzwaldes (vgl. Kapitel 9.2.4) keine Erosion feststellen konnten. 9.3.5 Gesellschaft – adäquate Technik zur nachhaltigen Nutzung naturnaher Wälder Nach dem Landeswaldgesetz von Baden-Württemberg (LWaldG 2003) hat der Wald neben der Nutzfunktion auch Schutz- und Erholungsfunktionen zu erfüllen. Dazu werden Altersklassenwälder in naturnahe, strukturreiche Wälder umgebaut, um die gesetzliche Zielvorgabe zu optimieren. In der Umbauphase in dauerwaldartige Bewirtschaftungsformen sind die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Maschinen sowie das

372

M. Hehn, U. H. Sauter

Bedienungspersonal überproportional hoch. Der Einsatz leistungsfähiger, starkholztauglicher Maschinen führt dabei zu tief reichenden Bodenverformungen, über deren Regeneration das Wissen noch unzureichend ist. Auf der anderen Seite erfüllen nur leistungsfähige und deshalb auch schwere Maschinen die Anforderungen an die bestandesschonende Manipulation starken Holzes. Der Dauerwaldcharakter erfordert mehr noch als in Altersklassenwäldern die Minimierung negativer Technikfolgen im Sinne einer umfassenden ökologischen Verträglichkeit. Bodenvorsorge und Bestandespfleglichkeit sind daher hochrangige Qualitätsziele. Ressourcenschutz und Erreichung ökonomischer Ziele, wie die gewinnorientierte Holznutzung in naturnahen Dauerwäldern, stellen keine unüberwindbaren Gegensätze dar. Der vermeintliche Zielkonflikt kann durch die Optimierung und Kombination unterschiedlicher Maßnahmen entschärft werden. Im Hinblick auf den Bodenschutz sichert die konsequente Bindung der Fahrbewegungen auf äquidistante Feinerschließungslinien (Schadenskonzentration) eine Minimierung des Anteiles an befahrener Fläche. Den jeweiligen Rahmenbedingungen angepasste Arbeitsverfahren und Maschinen sowie der Einsatz qualifizierten Personals als zentrales Moment moderner Holzernteverfahren erhöhen die Leistung, sichern die Einhaltung von Qualitätsstandards und spiegeln nicht zuletzt die soziale Verantwortung der Waldbesitzer wider. Bereits in der Hiebsplanung sollten bewusst Handlungsalternativen vorgesehen werden (Planungsvorrat), so dass in der Umsetzung entschieden werden kann, welche Alternative unter den aktuellen Voraussetzungen (Witterung, verfügbare Maschinenkapazität) die Zielerreichung bei der Holznutzung sicherstellt. Grundsätzlich besteht über die nachhaltige Nutzung des Rohstoffes Holz ein gesellschaftlicher Konsens. Soll dieser wirtschaftlich konkurrenzfähig und verbrauchernah produziert werden, ist der Einsatz moderner Forstmaschinentechnik unerlässlich.

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

373

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen des Schwarzwaldes T. Schmid, H. Schack-Kirchner, E. E. Hildebrand

9.4.1 Problemstellung Bodenerosion durch Wasser, d.h. die Mobilisierung, der Transport und die Wiederablagerung von Bodenmaterial kann auf verschiedene Weise als „schädliche Bodenveränderung“ im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes wirken. Einerseits werden Bodenfunktionen durch Bodenverlust unmittelbar beeinträchtigt („on-site“-Schäden). Andererseits verlieren die Böden ihre Schutzfunktion für Gewässer, wenn der Eintrag von erodiertem Material zur Eutrophierung und Schadstoffbelastung oder zur Zuschlämmung von Staubecken, Abwasseranlagen oder Flussbetten führt („off-site“-Schäden). Bodenerosion ist eine typische Begleiterscheinung vieler landwirtschaftlicher Nutzungsformen. Eine geschlossene Waldbestockung hingegen gilt als sehr guter Erosionsschutz. Es sind geschlossene und teilweise mächtige Streuauflagen sowie die sehr hohen Infiltrationsleistungen der biologisch aktiven Waldböden, die die Entstehung von Oberflächenabfluss und damit den Bodenabtrag verhindern (Patric 1976). Störungen wie Brand, Kahlhiebe und insbesondere Walderschließungsmaßnahmen können aber auch Waldflächen erosionsanfällig machen. In den USA geht man davon aus, dass 90% der Sedimentproduktion aus Wäldern durch Erschließungsmaßnahmen bedingt sind (Grace III, 2003). Auf Forststraßen und Rückegassen wird unbedeckter Boden der Niederschlagswirkung ausgesetzt, die Infiltrationsleistung wird durch Verdichtung drastisch verringert, natürliche Drainagesysteme werden unterbrochen. Erschließungslinien können Hanggradienten verstärken und lange Fließbahnen für den Oberflächenabfluss bilden, die zum Teil direkt in die Vorfluter führen. Einmal gebildete Rillen auf Rückegassen bleiben lange bestehen und können über lange Zeit Quelle und Fließbahn für Sedimentaustrag bilden (Croke et al. 2001). Malmer (1996) beobachtet in Raupenschlepperspuren in einem Plantagenbetrieb in Malaysia eine um Faktor 5000 erhöhte Erosion gegenüber dem Zwischenspurbereich. Forschungsergebnisse zur Bodenerosion im Wald stammen ganz überwiegend aus Übersee. Ein wichtiger Grund der geringen Sensibilisierung für Bodenerosionsprozesse im mitteleuropäischen Wald dürfte in der vergleichsweise geringen Erosivität der Niederschläge liegen. Die Regenerosivität (gemessen als Jahres R-Faktor der Universal Soil Loss Equation) ausserhalb der höheren Mittelgebirgslagen und der Alpen liegen unter 75 kJ m-2 mm h-1 und damit

374

T. Schmid, H. Schack-Kirchner, E. E. Hildebrand

teilweise weit unter den Werten die in weiten Teilen der Tropen oder der USA erreicht werden (Sauerborn 1994). Aber auch in den Mittelgebirgen Deutschlands zeigen von jedermann wahrnehmbare Feldbeobachtungen, dass Wanderpfade, Rückegassen oder Böschungen oft Ausgangspunkt für lineare Abtragungsformen sind. Abbildung 9.32 zeigt Zeugnisse einer aktuellen Bodenerosion an einer Rückegasse im Hochschwarzwald mit der typischen Anreicherung von Grobmaterial. Auch historische Anlagen zum Holztransport wie Holzriesen und Schleifwege sind nur deshalb heute noch als z.T. tief eingeschnittene Rinnen erkennbar, weil die bei der Benutzung entstandenen Reliefunterschiede durch Erosion verstärkt wurden. Wenn also historische Walderschließung erhebliche Erosionsprozesse auslösen konnte, müssen auch heute bei der Einführung neuer Technologien Erosionsrisiken in Erwägung gezogen werden.

Abbildung 9.32: Bis zu 50 cm tief auserodierte Fahrspur auf einem Höhenlehm im Hochschwarzwald (bei Muggenbrunn).

Eine solche neue Technologie ist die mechanisierte Holzernte mit Raupenvollerntern, die in der Lage sind, Hangneigungen von über 60% zu befahren, wegen der Kippgefahr aber außerordentlich empfindlich gegen Querneigungen sind (Schöttle et al. 1998, Uhl und Orner 2003). Das bedeutet, dass eine Befahrung nur in Falllinie in Frage kommt. Dabei entstehen linienförmige Bodenverdichtungen und -verwundungen mit starkem Höhengradienten. Im Vergleich zur Praxis der Erschließung mit hangparallelen

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

375

Maschinenwegen erfordert diese Arbeitsweise eine völlige Neubewertung des Erosionspotentials. Dies gilt umso mehr, weil im Projektgebiet Schwarzwald mit R-Faktoren von bis zu 150 kJ m-2 mm h-1 die höchsten Erosivitätswerte Deutschlands außerhalb der Alpen erreicht werden (s. Abbildung 9.33).

K arl sr u h e C

Pfor zh ei m

70

C

75 80 85 90 95

0 5 10 10 0 11 2 0 3 0 1 1 0 14

13

5

S trasbou rg

65

5 14 150

F reu d en stadt 55 60 6570 7580 85

50

Vil l i n gen

F rei bu rg

K l i ppen eck 9590 85 80 75 70

85 80

130 125 120 115 110 105 100 95

75

70 70 75

90

Isoeroden tl i n i en m i t R -F ak tor i n k J/m ² * m m /h 0

u n gefäh re L age der Ver su ch sfl äch e S t. M är gen 20

40

60 k m

Abbildung 9.33: Isolinien der Regenerosivität im Südwesten von Baden-Württemberg (nach Sauerborn 1994)

In der vorliegenden Arbeit wollen wir anhand einer Fallstudie die Folgen eines Raupenvollerntereinsatzes an einem typischen Standort im Hochschwarzwald im Hinblick auf Erosionsrisiken bewerten. Zunächst soll eine mögliche Bodenerosion mit einem für forstliche Behandlungsvarianten angepassten Prognose-Simulations-

376

T. Schmid, H. Schack-Kirchner, E. E. Hildebrand

modell berechnet werden. Die Modellergebnisse sollen dann anhand von Geländemesswerten diskutiert und evaluiert werden. Ein besonderer methodischer Aspekt der Arbeit ist die Verwendung von hoch aufgelösten digitalen Geländemodellen der Fahrgassen, die mit einem terrestrischen LaserOberflächenscanner erstellt wurden. Es sollte getestet werden, inwieweit solche Oberflächemodelle, die vor Einführung der terrestrischen Laserscanner kaum mit vertretbarem Aufwand herstellbar waren (Thies et al. 2003), durch die Analyse von Rauhigkeit und Fließstrukturen eine Kausalanalyse von Erosionsprozessen und darüber hinaus durch Volumenbilanzierung auch eine Quantifizierung des Bodenverlustes erlauben. 9.4.2 Material und Methoden 9.4.2.1 Versuchsfläche Die Versuchsfläche befindet sich im mittleren Schwarzwald im Forstbezirk St. Märgen (Distrikt 18/2, Abteilung Jägersteige, RW 3437151, HW 5318292) mit ca. 50 jähriger Fichtenbestockung (Picea abies L. (Kast.)). Die Fläche ist mit 45 bis 50% nach Südwesten geneigt und liegt zwischen 950 und 990 m ü. NN. Die Böden sind Braunerden, z.T. leicht podsoliert, aus skelettreichen periglazialen Lagen auf Gneis mit Humusform mullartiger Moder bis Moder. Der Skelettgehalt im Oberboden beträgt 20 bis 50 %. Der Feinboden in 0 bis 5 cm Tiefe setzt sich aus 47 % Sand, 29 % Schluff und 24 % Ton und wird demnach als „stark sandiger Lehm“ klassifiziert. Der Humusgehalt beträgt ca. 15 %, das C/N Verhältnis beträgt 18. Die Versuchsfläche wird von zwei Maschinenwegen in 80 m Abstand begrenzt. Die Wegböschungen bergwärts und talwärts besitzen Neigungen von 100%. Eine Vorbefahrung des Bestandes kann aufgrund der Steilheit ausgeschlossen werden. An der 5 km westlich und ca. 100m tiefer gelegenen Klimastation St. Märgen wurden im langjährigen Mittel 1620 mm Jahresniederschlag und eine Mitteltemperatur von 10.7° C beobachtet. Detailliertere Klimaangaben finden sich in Tabelle 9.10.

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

377

Tabelle 9.10: Die zur Parametrisierung der Forest WEPP Interfaces verwendeten Klimadaten von der Klimastation St. Märgen aus dem Zeitraum 1960 bis 1980 (entnommen aus den Erläuterungen zu den Standortkarten des Forsbezirks St. Märgen (FVA BadenWürttemberg 1993)).

Maximaltemperatur (°C)

Minimaltemperatur (°C)

Niederschlag

Januar Februar

2,0 3,3

-3,7 -2,9

150,22 140,75

17,9 16,3

März

5,6

-1,0

131,01

18,4

Monat

Tage mit Niederschlag

(mm)

April

9,0

1,6

133,83

18,2

Mai

14,1

5,8

138,95

18,2

Juni

17,3

8,9

170,98

17,3

Juli

19,4

10,8

155,75

16,1

August

18,9

10,6

164,98

16,2

September

16,7

8,3

116,09

12,4

Oktober

12,5

4,9

123,58

12,5

November

6,2

0,2

157,10

17,7

Dezember

3,0

-3,0

Jahresmittel

135,11

16,6

1718,37

197,8

Untersucht wurden die Auswirkungen eines vollmechanisierten Durchforstungseingriffes mit Raupenvollernter (IMPEX Königstiger, 30 t Gesamtgewicht, starres Baggerfahrwerk mit 60 cm Kettenbreite und 3 m Gesamtbreite) (Schöttle et al. 1998) und Kurzstreckenseilkran „VALENTINI“ im August 2001. Die Fahrbewegungen des Vollernters und die Seilkranrückung erfolgte auf Trassen in Falllinie, die vor dem Eingriff mit ca. 30 m Abstand eingemessen wurden. Wegen der sehr steilen Böschung talwärts erfolgten Zu- und Abfahrt des Vollernters bergseitig. Daher wurde jede Gasse zweimal befahren. Ausgehalten wurde ausschließlich Kurzholz bis 6 m. Das Reisig wurde auf der Fahrtrasse abgelegt, die Kurzholzabschnitte mussten, um die Rückfahrt des Vollernters zu erlauben, beiderseits der Fahrgasse abgelegt werden. Die Abschnitte wurden dann hangaufwärts geseilt, je nach Gewicht frei schwebend oder mit dem talseitigen Ende über die Bodenoberfäche schleifend. 9.4.3 Modellierung Das „Water Erosion Prediction Project“ (WEPP) ist ein Modell zur Prognose von Oberflächenabfluss, Bodenabtrag und Sedimentproduktion (Flanagan et al. 2001). Im Gegensatz zur rein empirischen und auf Jahresmittelwerten basierenden Universal Soil Loss Equation (USLE) ist das WEPP prozessbasiert. Ausgangspunkt einer Modellierung ist eine Wettertabelle auf Tagesbasis für den

378

T. Schmid, H. Schack-Kirchner, E. E. Hildebrand

Simulationszeitraum, die durch einen mit Klimadaten parametrisierten Wettergenerator randomisiert erzeugt wird. Weiterhin beinhaltet das WEPP ein Vegetationsmodul, mit welchem der Deckungsgrad von Vegetation und Streu sowie seine saisonalen Änderungen nachgebildet werden. Im Bodenmodul wird Infiltration, Oberflächenabfluss und Splash für diskrete Bodenelemente mit bodenhydraulischen Formeln berechnet. Einzelne Bodenelemente werden mit Hilfe topografischer Informationen zu einem Hang kombiniert. Für einen solchen Hang liefert das WEPP detaillierte Informationen über Häufigkeit, Saisonalität, räumliche Verteilung und Intensität von Oberflächenabfluss, Abtrag und Sedimentation. Dieser Informationsgewinn wird mit einer außerordentlich aufwändigen Parametrisierung sowohl im Hinblick auf die Zahl der Parameter als auch auf deren räumliche Auflösung erkauft. Um das primär für landwirtschaftliche Nutzflächen entwickelte WEPP für forstwirtschaftliche Zwecke nutzbar zu machen, wurden Standard-Parametrisierungen für typische Situationen der Waldbewirtschaftung entwickelt (Elliott und Hall 1997). Diese sind über eine Internetverbindung (http://forest.moscowfsl.wsu.edu/fswepp/) nutzbar und erlauben mit einem stark vereinfachten Parametersatz die Erosionsmodellierung u.a. für Kahlschläge, Kulturflächen, Waldbrandflächen, Forststraßen und auch Rückegassen. Die interaktive Oberfläche erlaubt die Modifikation vorhandener Klimatabellen, eines forstlichen Behandlungstyps, der Bodenbedeckung, der Hangtopografie, der Bodentextur und des Steingehaltes. Die empfohlene Modellierungsdauer beträgt 30 bis 100 Jahre. Ausgegeben wird die mittlere Erosionsrate sowie die Wiederkehrhäufigkeit für Extremereignisse mit erhöhten Erosionsraten. Dies ist für forstliche Betrachtungen besonders wichtig, denn im Wald gehen nach Störungen erhöhte Erosionsrisiken meist nach wenigen Jahren durch Streuanlieferung und Vegetationsentwicklung wieder auf die ursprünglichen Werte zurück. Die Aussagekraft der mittleren Erosionsrate ist daher geringer als die von Wahrscheinlichkeit und Ausmaß von Extremereignissen, die in der Zeit mit erhöhtem Risiko auftreten können. Die Modellierung für die Versuchsfläche Jägersteige erfolgte mit dem Modul „Disturbed WEPP“ für gestörte Waldbestände der „Forest Service WEPP Interfaces“ (Elliott et al. 2000). Folgende Parameter wurden verwendet: -

-

-

Behandlungstyp: Rückegasse („Skid Trail“). Gemäß Dokumentation (Elliott et al. 2000) sind diese Bereiche durch eine spärliche, maximal 15 cm hohe Vegetation und durch eine Bodenverdichtung geprägt. Topografie: Es wurde ein Hang von 80m Länge bei einheitlichen 47% Neigung definiert. Textur des Feinbodens: Die Körnung des Feinbodens liegt nach der amerikanischen Klassifikation im Grenzbereich zwischen „clay loam“, „sandy loam“ und „sandy clay loam“. Für die vorliegende Parametrisierung erscheint jedoch wegen des hohen Grobsandanteils die Zuordnung zu „sandy loam“ gerechtfertigt, wie es sich auch bei strikter Anwendung der Grenzwerte ergeben würde. Vegetationsbedeckung: Das WEPP wurde in erster Linie für landwirtschaftliche Flächen mit einem ausgeprägten Jahreszyklus der

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

-

379

Vegetationbedeckung entwickelt. Weil man im Wald meist von einem konstanten mittleren Bedeckungsgrad ausgeht, sehen die Forest WEPP Interfaces daher eine Vegetationskalibrierung vor, bei der durch Versuch und Irrtum der gewünschte Bedeckungsgrad aus einer Anfangsschätzung ermittelt wird. Der Standort in St. Märgen weist im ungestörten Zustand mit seiner Humusauflage eine nahezu vollständige Bedeckung auf. Für die Modellierung haben wir daher Szenarien mit Bedeckungsgraden (Humus und Vegetation) zwischen 0 und 100 % durchgeführt. Bodenskelett: Das Bodenskelett muss im Forest WEPP auf zweierlei Weise berücksichtigt werden. Zum einen muss es der effektiven Bodenbedeckung zugeschlagen werden. Da die Vegetation sowohl Feinboden als Grobbodenanteile abdeckt, gilt die Formel: B eff = B skelett + (1-B skelett) B veg

-

mit Beff als effektiv abgedeckter Anteil der Oberfläche, Bveg als den durch Vegetation, bzw. Humus und Bskelett als den durch Grobboden abgedeckten Anteil der Oberfläche. Auf der anderen Seite vermindert der Skelettanteil die durch die Angabe der Bodenart des Feinbodens geschätzte Infiltrationsrate und erhöht somit die Wahrscheinlichkeit für Oberflächenabfluss. Die Angabe des Skelettanteils in der Eingabemaske der Forest WEPP Interfaces berücksichtigt nur die letztere Wirkung, die Abdeckung durch Grobboden muss in der „Vegetationskalibrierung“ rechnerisch berücksichtigt werden. Wegen der schwierigen Schätzbarkeit des Grobbodenanteils haben wir verschiedene Szenarien zwischen 0 und 70% berechnet. Klima: Tabelle 9.10 zeigt die für die Parametrisierung verwendeten Klimadaten. Von Mitte Mai 2002 bis Mitte September 2002 wurden auf der Versuchsfläche Messungen zu Energie und Menge des Niederschlages durchgeführt (Schmid 2004). In dieser Zeit fielen 365 mm Freilandniederschlag. Das entspricht nur ca. 60 % des langjährigen Mittels für diese Monate an der Klimastation St. Märgen. Die beobachteten maximalen Intensitäten waren 27 und 18 mm h-1, die höchsten Mengen für einzelne Niederschlagsereignisse waren 55 und 39 mm. Die Summe des EI5 (als Erosivitätsmass) unter der Krone lag bei 51,5 kJ m-2 mm h-1 und betrug ca. 60 % der über dem Kronendach gemessenen Erosivität.

9.4.4 Messfeldvorbereitung und Oberflächenscanning Vor jeder Befahrung wurden vier Abschnitte entlang der 3 Fahrtrassen als Messfelder für den Scan des Oberflächenreliefs mit Hilfe von 80 cm tief einbetonierten Positionsnägeln ausserhalb des eigentlichen Befahrungsbereiches vermarkt. Die Breite der Felder betrug entspechend der Maschinenbreite zuzüglich 0,5 m Randbereich 4 m. Da bei der ersten Messung der ausscheidende Bestand noch vorhanden war, wurde die Länge der Messfelder durch die Notwendigkeit, baumfreie Abschnitte der Fahrgasse auszuwählen auf 5 bis 7m beschränkt.

380

T. Schmid, H. Schack-Kirchner, E. E. Hildebrand

Streuauflagen aus Ästen und Zweigen sowie teilweise vorhandene krautige Vegetation behindern das Abtasten der Bodenoberfläche mit einem Lasermessverfahren. Deshalb wurden die Messflächen jeweils vor den Laserscans durch Absammeln und Abschneiden von aufliegender loser Streu und von Bodenvegetation befreit. Als Schutz vor Verdichtung und Reliefveränderung fanden diese Arbeiten weitgehend vom Flächenrand her statt. Für Betretungen der Flächen wurde eine Unterlage aus Schaumstoff zum Schutz der Oberfläche verwendet. Der erste Scan im Ausgangszustand der Fläche erfolgte am 24.07.2001. Obwohl die organisationsbedingten Wartezeiten so kurz wie möglich gehalten wurden, wurden die Messfelder nach dem ersten Scan bis zur Befahrung, und zwischen der Befahrung und dem 2. Scan mit Folie abgedeckt um einen Einfluss unkontrollierter Erosion zu vermeiden und somit eine sichere Zuordnung der Mikroreliefphänomene zu den Behandlungen zu ermöglichen. Der 2. Scan nach dem forstlichen Eingriff erfolgte am 28.08.2001. Die dritte Oberflächenvermessung erfolgte am 30.10.2002, nachdem die Messfelder ein gutes Jahr unter natürlichen Bedingungen den Umwelteinflüssen exponiert waren. Eingesetzt wurde ein Cyrax 2500 Laserscanner von Cyra Technologies, Inc. / Leica Geosystems, das eine beliebig wählbare 1000 x 1000 Punktematrix innerhalb eines Fensters mit dem maximalen Öffnungswinkel von 40° x 40° bis zu einer Entfernung von ca. 100 m erfassen kann. Der Laserscanner registriert innerhalb dieses Feldes über eine horizontale und vertikale Ablenkeinheit den Richtungswinkel des Laserstrahls. Über dessen Laufzeit zum Reflexionspunkt auf der zu messenden Oberfläche erhält man daraus einen Richtungsvektor und somit eine eindeutige Position relativ zum Aufstellungsort im Raum. Gemäß Herstellerspezifikation erlaubt das Gerät eine Einzelwertgenauigkeit von + 4 mm bei der Längenbestimmung und + 60 µ rad bei der Winkelmessung. Die Einhängung in das Festpunktfeld erfolgte über Zielmarken, die das System automatisch erkennt. Die reine Aufnahmezeit für einen Scan einer Matrix von 1000 x 1000 Messpunkten beträgt ungefähr 15 - 20 Minuten. Mit Umsetzen des Geräts, Einmessen der Zielmarken, Grob- und Feinscan kann unter erschwerten Bedingungen im Steilhang eine Stunde pro Aufnahme angesetzt werden. Zur Vermeidung unerwünschter reliefbedingter Abschattungen des Laserstrahls wäre die günstigste Position des Scanners senkrecht über der Fläche. Dies war mit der eingesetzten Gerätekombination nicht zu bewerkstelligen. Daher wurde auf den Messflächen je nach Anordnung der Abschattungen von 2 - 3 Positionen gescannt und in einem zweiten Schritt die dabei erzeugten Punktewolken von Einzelmesspunkten kombiniert und über die Randkoordinaten der Messfelder zugeschnitten. Das Prinzip der Messungen ist in Abbildung 9.34 dargestellt. Die Durchführung der Oberflächenscans und die Verschneidung der Einzelaufnahmen erfolgten durch eine Spezialfirma 14). Das Ergebnis wurde als ASCII-Datei mit unregelmäßig verteilten dreidimensionale Koordinaten in einer durchschnittlichen 14

Scaning Ges. für dreidimensionale Objekterfassung und Ingenieurdienstleistungen mbH, Frankfurt a.M.

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

381

Dichte von 28 000 bis 60 000 Punkten m-2, d.h. 500 000 und 1 200 000 Punkte pro Feld bereitgestellt.

Eingemessene Fahrgasse

Messfeld

Scanner

Position 1

Baum Scanner

Position 2 Abbildung 9.34: Schemazeichnung einer Messfläche mit zwei Scannerpositionen. Der Standort des Scanners richtet sich nach dem maximalen Scanbereich von 40° und vorhandenen optischen Hindernissen (Bäume).

9.4.4.1 Datenaufbereitung Insgesamt wurden bei den Oberflächenaufnahmen auf 4 Messfeldern 12 Datensätze erzeugt. Die Verarbeitung und Auswertung der Reliefdaten erfolgte in einem integrierten Verfahren mit SAS-Software und dem Open-Source Geografischen Informationssystem „GRASS“ (Neteler und Mitasova 2002). In einem ersten Schritt wurden unplausible Ausreißer, z.B. durch herabfallende Nadeln oder fliegende Insekten während des Laserscans als überdurchschnittlich hohe Residuen eines zweidimensionalen linearen Regressionsmodells identifiziert und eliminiert. Im nächsten Schritt wurden die unregelmäßig verteilten Messpunkte zu einem Rastermodell interpoliert. Verwendet wurde die GRASS Prozedur „s.surf.idw“, bei der jedem Rasterpunkt der Mittelwert der benachbarten Punkte zugeordnet wird, wobei diese umgekehrt proportional zur 2. Potenz der Distanz gewichtet

382

T. Schmid, H. Schack-Kirchner, E. E. Hildebrand

werden. Da die Oberflächenstruktur des resultierenden Oberflächenmodells abhängig ist von Gitterweite und Anzahl der zu berücksichtigenden Nachbarpunkte, wurden verschiedene Rasterweiten getestet: Ein 5 mm Raster mit Berücksichtigung von 2 Nachbarn sowie ein 10 mm Raster mit Berücksichtigung von 4 Nachbarn. Ein wichtiges Kriterium zur Abschätzung der Erosionsrisiken ist die Oberflächenrauhigkeit. Als besonders geeigneter Index für die Oberflächenrauhigkeit hat sich das Verhältnis zwischen tatsächlicher Oberfläche und Projektionsfläche erwiesen, da dieser Index in kausalem Zusammenhang zur energetischen Wirkung auftreffenden Regens steht (Helming et al. 1993). Die tatsächliche Oberfläche einer Rasterzelle ist abhängig von ihrer Neigung und der Hangrichtung. Ist die Rasterzelle in beide Gitterrichtungen geneigt, so entsteht als tatsächliche Fläche ein Parallelogramm (Abbildung 9.35). Dessen Fläche lässt sich berechnen als das Vektorprodukt (äußeres Produkt oder Kreuzprodukt) der beiden Richtungsvektoren in X- und Y- Richtung (Schmid 2004). Zur Berechnung wurde mit Hilfe des GIS-Systems für jede Rasterzelle die Exposition (Himmelsrichtung der stärksten Neigung, „aspect“) sowie die Neigung („slope“) berechnet und mit Kartenalgebra verrechnet.

Abbildung 9.35: Schemazeichnung zur geometrischen Berechnung der Oberfläche einer Rasterzelle. Die Achsen X und Y spannen ein rechtwinkliges Koordinatensystem in der Horizontalen auf. Z gibt die Höhenkomponente wieder. Die Winkel Į, Įx, Įy und die Hangrichtung werden über das GIS berechnet. Der Winkel Į gibt die größte Neigung der Rasterzelle mit der tatsächlichen Fläche A wieder. Die Gitterweite g ist aus den Rastereinstellungen bekannt.

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

383

9.4.5 Feldversuche zur Abflussbildung Mit Hilfe des in Abbildung 9.36 gezeigten Messrahmens wurden sowohl in unbefahrenen Bereichen als auch auf Fahrgassen feldhydrologische Messungen zur Abflussbildung durchgeführt. Dazu wurden mit Hilfe des Wasserverteilers langsam steigernd bis 0,2 m³ h-1, dann als „Katastrophenszenario“ bis über 1m3 h-1 auf 1m, bzw. in Fahrspuren auf 0,6 m Breite verrieselt. Das entspricht auf einem 10 cm breiten Streifen unterhalb des Wasserverteilers Niederschlagsintensitäten von 2000 bis zu 10000 mm h-1, wenn man von einer Verteilung auf 1 m unterhalb des Wasserverteilers ausgeht immerhin noch 200 bis 1000 mm/h. Diese Intensitäten übersteigen die in Standardwerken zur Bodenerosion tabellierten Intensitäten um ein mehrfaches (z.B. Hudson 1971). Die Ergebnisse der Messung, nämlich die Erfolglosigkeit bei der Provokation von Oberflächenabfluss und Erosion sollen bereits hier abgehandelt werden: Die gesamte Wassermenge wurde auf den ersten 20 cm Fließweg vom Boden aufgenommen. Die Sensoren zur Abflusshöhenbestimmung sprachen daher nicht an, die Sedimentfangbleche blieben trocken. Teilweise traten unterhalb der Verrieselung, meist seitlich versetzt, offenbar durch Interflow gespeiste punktförmige Wasseraustritte auf, die aber nach kurzem Fließweg wieder versickerten.

Zulauf

Pegelsonden Fangbleche

Abbildung 9.36: Aufbau zur Feldmessung von Oberflächenabfluss und Erosion mit Länge 2 m und Breite 1 m. Zur Vermeidung von Verlusten sind an den Seiten Führungsbleche durch Montageschaum wasserdicht mit dem Boden verbunden. Zulauf, Ablauf im Fangblech und Abflussdicke werden automatisiert erfasst.

384

T. Schmid, H. Schack-Kirchner, E. E. Hildebrand

9.4.6 Ergebnisse 9.4.6.1 Modellierung In Abbildung 9.37 sind die Ergebnisse der WEPP Modellierung dargestellt. Die prognostizierten Bodenverluste beziehen sich auf die Fläche der Fahrgassen, also auf 13 % der Gesamtfläche. Die Erosion in den Zwischenräumen haben wir mit 0 angesetzt. Bei fehlender Bedeckung, wie sie am ehesten im Jahr nach dem Nutzungseingriff zu erwarten ist, ist mit 2% Wahrscheinlichkeit (50 jähriges Extremereignis) mit einem Abtrag von über 15t Feinmaterial pro ha zu rechnen. Das mittlere Risiko liegt bei ca. 2 t/ha. Die modellierten Erosionsrisiken gehen mit zunehmendem Bedeckungsgrad des Bodens stark zurück. Die Auswirkungen des Steingehaltes sind geringer. Bei einer einheitlichen Vegetationsbedeckung von 20% wirkt sich ein wechselnder Steingehalt maximal mit dem Faktor 2 auf die Erosionsrate aus. Bei 10% Steingehalt ist der Abtrag am stärksten. Bei 15 t Bodenverlust (in Klammern jeweils auch für 2 t Verlust) und einer angenommenen Lagerungsdichte von 1 g cm-3 ergibt sich ein mittlerer Höhenabtrag von ca. 12 (1,6) mm, oder wenn der Abtrag auf nur 25% der Fläche der Fahrgassen konzentriert ist, ein Abtrag von 4,8 (0,64) cm.

18

Erosion [t/(ha*a)]

15

Wiederkehrhäufigkeit: 50 Jahre

12

10 Jahre

9

5 Jahre Mittelwert

6 3 0 0

25 50 75 Bedeckung (Veg. + Streu) [%]

100

Abbildung 9.37: Modellergebnisse der „Forest WEPP Interfaces“ für die Versuchsfläche St. Märgen unter der Annahme von 20% Grobbodenanteil. Auf der Ordinate ist der Bodenverlust auf der Fläche aufgetragen. Die Verlustraten beziehen sich auf 4m Fahrtrassen mit 30 m Abstand (13% der Fläche).

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

385

9.4.6.2 Volumenbilanzen und Oberflächenrauhigkeit

Abbildung 9.38: Räumliche Darstellung des Oberflächenmodells von Messfeld 2 vor (oben) und unmittelbar nach der Befahrung (unten). Um die Strukturen der Oberfläche zu visualisieren beträgt die Rasterweite 50 mm.- Die Horizontalachsen des Rahmens geben eine Länge von 7 m wieder, die Vertikalachse eine Höhe von ca. 4 m.

In Abbildung 9.38 ist das Oberflächenmodell der Messfläche 2 vor und unmittelbar nach der Befahrung räumlich dargestellt. Deutlich erkennbar ist die Fahrspureintiefung und die Wulstbildung bei der rechten Fahrspur, während die linke Fahrspur in dieser Darstellung undeutlich bleibt. Veränderungen durch einjährige Witterungsexposition sind in der Visualisierung bei diesem und allen Messfeldern kaum sichtbar, daher wurde auf die Darstellung dieses Zustandes verzichtet. Auf keinem Messfeld waren nach einem Jahr Bahnen fließenden Wassers im Gelände oder in den Modellen erkennbar. In der Darstellung der Höhendifferenzen in Abbildung 9.39, also der mit Kartenalgebra berechneten Differenz der Höhenmodelle vor und nach der Befahrung (bzw. nach der

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Wetterexposition) werden auch in der linken Spur von Feld 2 Wulst und Spureintiefung deutlich. Auffällig ist der kleinräumige Wechsel zwischen Volumenabnahme und -zunahme in den Spureintiefungen. Die Höhenänderungen durch die Wetterexposition erscheinen in der räumlichen Visualisierung diffus. Bemerkenswert erscheint die Konzentration von Volumenabnahme (im Differenzenmodell eine Eintiefung) im Bereich der bei der Befahrung hochgedrückten Randwülste. Wie anhand der Detailaufnahme in Abbildung 9. 40 deutlich wird, können die Abdrücke der Querstege der Raupenketten eine gerichtete Rauhigkeit in den Fahrspuren verursachen. Auf den meisten Fahrspurabschnitten wurden jedoch diese Abdrücke durch die Seilkranbringung verwischt.

Abbildung 9.39: Räumliche Darstellung der Höhendifferenzen zwischen der Ausgangssituation und dem Zeitpunkt unmittelbar nach der Befahrung (oben) und sowie der durch einjährige Wetterexposition bedingten Änderungen (unten). Rasterweite 50 mm. Der Rahmen repräsentiert eine Grundfläche von 7 * 7 m, die Höhendifferenzen liegen zwischen + 20 cm.

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

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Abbildung 9.40: Detail eines Oberflächenmodells, an dem die Abdrücke der 60 cm breiten Querstollen der Raupenketten und die Randwülste sichtbar werden.

Sowohl die Befahrung als auch die Wetterexposition führten zu erheblichen Volumenänderungen auf den Messfeldern (s. Abbildung 9.41). Dabei traten sowohl lokale Aufhöhungen als auch Eintiefungen auf. Saldiert man die Volumenänderungen und bezieht sie auf die Grundfläche der Messfelder, zeigt sich sowohl beim Befahrungs- als auch bei der weiteren Witterungsexposition bis auf eine Ausnahme eine Höhenabnahme, die zwischen 1 und 10 mm liegt. Das ist, bezogen auf eine befahrene Fläche von 13% ein Volumenverlust von 1,3 und 13 m³ ha-1. Bei drei von vier Feldern sind aber die Höhenabnahmen durch die Befahrung stärker als die durch Wetterexposition. Eine Sonderstellung nimmt Feld 3 ein. Hier wurde durch Vollernter- und Seilkraneinsatz eine Volumenzunahme verursacht, während die darauffolgende Witterungsexposition eine besonders starke Volumenabnahme verursachte. Betrachtet man die Summe der lokalen Aufhöhungen und Eintiefungen erkennt man aber, dass in keinem Fall die gesamte Volumenabnahme durch die Witterungsexposition betragsmäßig größer war als die vorherige Volumenzunahme durch die Befahrung und Bringung. Eine Analyse des Spektrums der Eintiefungen (s. Abbildung 9.42) zeigt, dass die Volumenabnahmen überwiegend durch relativ große Eintiefungsbeträge verursacht werden, die sich auf einen kleinen Flächenanteil konzentrieren. So verursachen durch die Witterungsexposition bedingte Eintiefungen über 30 mm 62% der Volumenabnahme auf nur 10% der Messfeldfläche.

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Abbildung 9.41: Volumenänderungen auf den Messfeldern durch Befahrungseinfluss und Wetterexposition getrennt nach Aufhöhungen (lokale Volumenzunahme) und Absenkungen (lokale Volumenabnahme) der Oberfläche. Die Nettovolumenänderung ergibt sich aus der Differenz von Volumenzunahme und Volumenabnahme.

Abbildung 9.42: Darstellung der kumulierten Flächenanteile und Volumenabnahme auf den Messfeldern in Abhängigkeit von der Höhenänderung der Rasterzellen. Es sind nur Rasterzellen einbezogen, die eine Höhenabnahme aufwiesen. Die Pfeile beziehen sich auf das Textbeispiel.

9.4 Erosionspotentiale beim Einsatz von Raupenvollerntern in Steillagen

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Die Veränderung der Oberflächenrauhigkeit der Messfelder ist in Abbildung 9.43 als Verhältnis zwischen der Summe der Flächen der Rasterzellen und der Fläche einer „schiefen Ebene“ in Hangrichtung dargestellt. Der Bezug auf die Horizontalprojektion würde zu einer Überschätzung der Rauhigkeit führen. Die Hauptvariabilität des Rauhigkeitsindex ergibt sich aus der Gitterweite: Im 5 mm Raster besitzt die modellierte Geländeoberfläche eine um den Faktor 2 bis 3 größere Fläche als die Projektion. Dabei ist die Variabilität zwischen den Feldern größer als der Behandlungseinfluss. Im Vergleich zu aus der Landwirtschaft dokumentierten Werten (Helming 1993) mit 1,5 für ein besonders rauhes Saatbeet sind die Werte insgesamt hoch. Im 10 mm Raster beträgt der Rauhigkeitsindex nur noch etwa die Hälfte. Die Messfelder weisen dann ein etwa gleiches Ausgangsniveau auf, zeigen aber einen signifikanten Behandlungseinfluss mit einer Zunahme der Rauhigkeit durch den Befahrungseinfluss. Der Witterungseinfluss bewirkt im 10 mm Raster einen Rückgang der Rauhigkeitswerte auf etwa die ursprünglichen Werte.

Abbildung 9.43: Verhältnis der Oberfläche der interpolierten Höhenmodelle im 5 mm Raster (oben ) und im 10 mm Raster (unten) zur Projektionsfläche als dimensionsloser Rauhigkeitsindex. Die Oberfläche der Höhenmodelle wurde um den Effekt der Hangneigung vermindert.

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9.4.7 Diskussion Durch die Messungen auf der Versuchsfläche und die Modellierung mit dem für forstliche Verhältnisse angepassten WEPP-Modell liegen differenzierte Informationen vor, die auf den ersten Blick keine einfache Beantwortung der in der Einleitung gestellten Frage erlauben, inwieweit der Raupenvollerntereinsatz am Steilhang erhöhte Erosionsrisiken provoziert. Die modellierten Bodenverluste auf der genutzten Fläche mit 30 m Rückelinienabstand liegen im Mittel stark unter, beim 50 jährigen Extremereignis in der Größenordnung von Bodenverlusten typischer landwirtschaftlicher Nutzung. Diese liegen oft bei 10 t ha-1 a-1 und mehr (Schröder 1991). Dennoch könnten diese Werte die Akzeptanz des Erntevefahrens in Frage stellen. Eine durch die Holzernteverfahren erhöhte Sediment- und daran gekoppelte Stickstoffbefrachtung von Gewässern aus Waldbeständen dürfte kaum mit den Erwartungen der Gesellschaft im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Umweltschonung an die Forstwirtschaft vereinbar sein. (Dies gilt wohl trotz der Möglichkeit, den Gewässerschutz durch die in Gebieten mit sehr hoher Erosivität wie den USA oder Brasilien gängige Praxis der Einrichtung von sedimentfangenden Pufferzonen um die Vorfluter (Grace III, 2003) zu gewährleisten). Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die an sich erprobten Forest WEPP Interfaces (die Autoren geben den Fehler mit + 50 % an, Elliott et al. 2000) in unserem Fall zutreffende Ergebnisse geliefert haben. Dazu sollte anhand der Beobachtungen von der Versuchsfläche geklärt werden, ob es im Jahr nach dem Eingriff zu Bodenabtrag gekommen ist. Die Befahrung und Bringung hat auf den Messfeldern zu deutlichen Spureintiefungen und zu Verdichtungen geführt. Solche Rinnen sind bevorzugte Abfluss- und Transportbahnen (Frielinghaus 1996). Das Fahrspurrelief wird teilweise überprägt durch wannenartige Vertiefungen, wie sie wahrscheinlich durch die Seilkranbringung mit teilweiser Bodenberührung der Kurzholzabschnitte durch kleinräumige Bodenverlagerung verursacht worden sein könnten. Ähnliche Auswirkungen einer Seilkranbringung beschreiben Laffan et al. (2001). Diese Bodenverlagerungen dürften auch die Ursache des erheblichen aufgehöhten Volumens nach dem Ernteeingriff sein. Vertiefungen können Regenwasser aufnehmen und speichern und verzögern damit die Abflussbildung. Dies gilt noch stärker für die Abdrücke der Querstege der Raupenketten in den Fahrspuren, die als Abflussbarrieren wirken (Schrey 1987). Gegenüber einer (auf diesem Hang kaum möglichen) Befahrung mit Radvollernter und Forwarder, bei der die Fahrspuren durch Verschmierung und Walkung ein den Abfluss begünstigendes Kleinrelief verursachen, dürften daher die Auswirkungen geringer sein. Versuche von Kremer et al. (2003) ergaben, dass die Befahrung mit dem Raupenvollernter gegenüber der durch Radfahrzeuge einen signifikant geringeren Einfluss auf die Drainagefähigkeit haben kann und damit auch der Abflussbildung vorbeugen kann. Dies deckt sich auch mit unserer Beobachtung, dass es weder im

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ungestörten Bereich noch im Fahrgleis möglich war, durch experimentelle Wasserzufuhr Oberflächenabfluss zu provozieren. Darüber hinaus fehlten nach einjähriger Witterungsexposition der Fahrgleise Erosionsindizien wie freigewaschenes Grobmaterial und lokale Sedimentbildung, wie sie in Abbildung 9.32 erkennbar sind. Die Versuchsfelder wurden zur Vorbereitung der Lasermessungen von sämtlicher Vegetation, Reisig und loser Grobstreu befreit. Im Hinblick auf die Wirkung des Niederschlags war daher das Risiko für die Mobilisierung von Feinmaterial gegenüber dem übrigen Fahrlinienbereich sogar noch erhöht. Die Modellergebnisse zeigen die überragende Bedeutung der Streubedeckung für den Erosionsschutz. Wenn die Vollernter eine Reisigmatte ablegen (an die von der Mächtigkeit her keine sehr großen Anforderungen zu stellen sind) und wenn die Bodenstreu und die Reisigmatte bei der Bringung geschont werden (hier ist wohl insbesondere das Holzschleifen kritisch zu bewerten), kann auf der Fahrgasse ein guter Erosionsschutz bestehen. Es kann daher gefolgert werden, dass die Erosionsrisiken durch Raupenvollernter/Seilkran sicherlich deutlich geringer zu bewerten sind, als die der Definition der Rückegasse („Skid Trail“) in den „Forest WEPP Interfaces“ zugrundeliegende Rückung mit Radschlepper. Dennoch beobachten wir auf den Versuchsfeldern im Laufe der einjährigen Witterungsexposition Verluste an Bodenvolumen, die deutlich über den durch das WEPP prognostizierten mittleren Werten für Erosionsverluste liegen. Die Ursache so starker Volumenverluste dürfte nach dem oben gesagten aber kaum die Erosion sein, sondern eher in der Setzung von überlockertem Material liegen, dass durch die Befahrung (z.B. seitliche Wülste der Raupenketten) und durch die Bringung (Losschlagen von Bodenbrocken durch die Seilkranbringung) aufgehöht worden ist. Darauf deuten sowohl die in der Visualisierung sichtbaren besonders hohen witterungsbedingten Volumenverluste im Bereich der Kettenrandwülste hin, als auch die Beobachtung, dass diese in allen Fällen deutlich geringer waren, als die vorausgegangenen lokalen Volumengewinne bei der Befahrung. Ein weiteres Indiz für diese Hypothese ist die starke räumliche Konzentration der Volumenverluste bei relativ hohen Einsenkungsbeträgen, die bei der Setzung von locker aufgehäuftem Material zu erwarten ist. An den Visualisierungen der Oberflächenmodelle werden Rauhigkeitszunahmen durch den Befahrungseinfluss sichtbar. Diese postulieren wir auch, wenn wir vermuten, dass bei der Seilkranbringung Bodenmaterial verlagert worden ist. Eine Rauhigkeitsabnahme wäre hingegen die Nivellierung von aufgehöhtem Bodenmaterial durch den Witterungseinfluss. Diesen Verlauf gibt die Berechnung des Rauhigkeitsindex im 10 mm Raster wieder. Der im Niveau doppelt so hohe Rauhigkeitsindex im 5 mm Raster hingegen zeigt keinen Behandlungseinfluss. Helming und Frielinghaus (1999) unterscheiden die erosionswirksame Rauhigkeit bzw. Reliefwirkung auf verschiedenen Skalenebenen. Der hydraulischen Rauhigkeit, die den Widerstandsbeiwert des abfließenden Wassers bestimmt, wird die „mm-Skala“ zugeordnet. Die Mikroreliefrauhigkeit, die wesentlich die Wirkung der Niederschlagsenergie bestimmt, hat danach die Skalengröße „2 – 100

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mm“. Die von uns beobachtete Skalenabhängigkeit des Rauhigkeitsindex macht somit eine Bestimmung des Mikroreliefs problematisch. Tatsächlich beziehen sich die in der Literatur beschriebenen Rauhigkeitsmessungen meist auf landwirtschaftliche Böden. Die in den von Helming et al. (1998) untersuchten Oberflächenstrukturen von Saatbeeten bestehen aus Bodenbröckeln relativ einheitlicher Größe in den Klassen 2, 27 und 56 mm, die auf der mm-Skala eine eher glatte Oberfläche besitzen. Der von uns beobachtete Waldboden war zum Teil mit Nadelstreu bedeckt mit einem typischen Längen/Durchmesserverhältnis von ca. 15 zu 1 bei lagenweiser Anordnung und Hohlräumen dazwischen. Die Waldbodenoberfläche besitzt in diesem Skalenbereich offensichtlich eine fraktale Struktur, zu deren Quantifizierung eine Analyse von Glättungsalgorithmen hochaufgelöst über einen weiteren Skalenbereich notwendig wäre. Dies zeigt die extreme Diskrepanz zwischen dem Rauhigkeitsindex im 5 mm und im 10 mm Raster. In der vorliegenden Untersuchung scheiterte dieser Schritt an den sehr langen Rechenzeiten, die jedes Höhenmodell erfordert. Eine Interpretation absoluter Werte von Rauhigkeitsindizes ohne eine Quantifizierung der Skalenabhängigkeit erscheint nach unseren Ergebnissen im Falle von Waldböden aber fragwürdig. 9.4.8 Folgerungen für die Praxis Die Untersuchungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass der Einsatz des Raupenvollernters mit nachfolgender Seilkranrückung auf diesem speziellen Standort nicht zu erhöhten Erosionsrisiken geführt hat. Es soll versucht werden, die Frage, inwieweit diese Ergebnisse auf andere Standorte oder Arbeitsverfahren übertragbar sind, zumindest in der Weise zu beantworten, dass eine qualitative Abschätzung des Erosionsrisikos bei veränderten Konstellationen möglich wird. -

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Boden: Skelettreiche Braunerden aus Gneis- und Granitverwitterung sind typisch für weite Bereiche des Südschwarzwaldes. Diese Böden sind reich an Makroporen und besitzen eine hohe Infiltrationskapazität. Hohe Skelettgehalte verhindern die Bildung tiefer Erosionsrinnen, da sich bei Bodenverlust das Skelett anreichert und den Erosionsvorgang verlangsamt. In den Hochlagen des Südschwarzwaldes treten jedoch lokal „Höhenlehme“ auf, die skelettarm und schluffreich und damit leicht erodierbar sind (vgl. Abbildung 9.32). Dies gilt ebenfalls für feinsandig verwitternde Sandsteine des Nordschwarzwaldes und alle stark lössbeeinflussten Lagen. Topografie: Die 47% Hangneigung des untersuchten Hanges sind nicht die Befahrbarkeitsgrenze des Raupenvollernters (Schöttle et al. 1998). Es hat sich jedoch herausgestellt, dass bei steileren Lagen die Seitenböschungen der Maschinenwege für die Raupenvollernter oft nicht überfahrbar sind. Dies war auf der Versuchsfläche talseitig der Fall. Die Hanglänge von 80 m ergibt sich aus einem relativ geringen Abstand von zwei Maschinenwegen, daher kann an vielen Standorten das durch die Topografie bedingte Risiko durch eine größere Hanglänge noch etwas erhöht sein.

Literaturverzeichnis Kapitel 9 -

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Erosivität des Niederschlags: Der Standort St. Märgen liegt im Hochschwarzwald und gehört damit zu den Gebieten mit der höchsten Niederschlagserosivität in Deutschland (Abbildung 9.33). Größere Risiken sind allenfalls in den Hochlagen des Nordschwarzwaldes und in den Alpen zu erwarten. Die Feldversuche haben gezeigt, dass auch Niederschlagsintensitäten, die die natürlichen Werte weit übersteigen, vom Boden aufgenommen wurden. Forstlicher Eingriff: Die Ablage von feinreisig- und laubreichem Schlagabraum auf der Fahrlinie ist ein äußerst wirksamer Erosionsschutz. Der Deckungsgrad und die Mächtigkeit der Reisiglage hängt von der Eingriffstärke und vom Kronenvolumen des ausscheidenden Bestandes ab. Die Geschlossenheit des Kronendaches ist im Hinblick auf eine Verminderung der Niederschlagserosivität von geringerer Bedeutung. Schmid (2004) konnte auf der Versuchsfläche St. Märgen zeigen, dass die Interzeption der Niederschlagsenergie durch das Kronendach geringer war als die Interzeption der Regenmenge. Bei relativ hohen Kronenansätzen gewinnt aus der Krone abtropfendes Regenwasser bei deutlich vergrößerten Tropfendurchmessern nahezu Endgeschwindigkeit und damit bei bestimmten Konstellationen eine gegenüber dem Freiland sogar vergrößerten Energiegehalt und damit ein erhöhtes Erosionspotential. Maschineneinsatz: Der Einsatz des Raupenvollernters mit nachfolgender Seilkranrückung hat keine typischen „Rennbahnen“ für den Oberflächenabfluss erzeugt. Die Fahrgleise hatten keine verschmierten Oberflächen, teilweise waren durch die Querstege abflusshemmende Riegel entstanden. Die Reisiglage sowie die Streulage zumindest im Zwischenspurbereich war nach dem Maschineneinsatz noch vorhanden. In der Raupenfahrspur war die Infiltrationsrate immer noch extrem hoch. Durch den Seilkraneinsatz kam es teilweise zu Aufrauhungen in der cm bis dm Skala. Die Ausformung der Fahrgleise von Radfahrzeugen läßt auf jeden Fall höhere Risiken erwarten (Kremer et al. 2003). Als Extremfall ist die Skidderspur anzusehen, bei der nicht nur in den Fahrgleisen durch starken Schlupf Verschmierungen auftreten, sondern darüber hinaus auch durch das Holzschleifen Streu und Reisiglage auch im Zwischenspurbereich beseitigt werden könnte.

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Waldumbau – eine Zusammenfassung K. von Teuffel, M. Baumgarten, M. Hanewinkel, W. Konold, U. H. Sauter, H. Spiecker, K. von Wilpert

Flächendimension Am Beispiel Baden-Württembergs wird aufgezeigt, welche Flächendimension die Aufgabe des Umbaus von Wäldern in einem der großen Flächenländer der Bundesrepublik Deutschland einnehmen kann. Datengrundlage für die Untersuchung bilden zum einen die Ergebnisse der ersten sowie der zweiten Bundeswaldinventur (BWI I und II) und darüber hinaus die Daten der Forstlichen Standortskartierung, die an der Mehrheit der Punkte der Bundeswaldinventur zur Verfügung stehen. Die digitale Verschneidung der jeweiligen Informationen erlaubt erstmals eine rationelle Auswertung der Datengrundlagen. Insgesamt wird ein Umbaubedarf von 112000 Hektar oder 9% der Waldfläche Baden-Württembergs in unterschiedlicher Intensität und zeitlicher Dringlichkeit ermittelt. Der Umbaubedarf bezieht sich ausschließlich auf sekundäre Fichtenbestände, die in Nadelmisch- oder Laubmischwälder umgebaut werden sollen. Es wird unterschieden zwischen „ungeeigneten“ Fichtenstandorten (max. 5% Fichte), „wenig geeigneten“ Fichtenstandorten (max. 30% Fichte) und „möglichen bis geeigneten“ Fichtenstandorten (max. 70% Fichte). „Ungeeignet“ sind Standorte dann, wenn sie nass oder wechselfeucht sind und damit die Fichte stark sturmwurfgefährdet ist. Ebenfalls „ungeeignet“ sind zu warme und trockene Standorte, auf denen die Fichte ständiger Gefahr durch Borkenkäferfraß ausgesetzt sind oder auch Standorte, auf denen die Fichte aufgrund des hohen Kalkgehalts im Oberboden der Rotfäulegefährdung unterliegt. Solche Waldflächen umfassen in Baden-Württemberg derzeit 31200 Hektar. Auf ihnen ist ein möglichst vollständiger Ersatz der Fichte durch andere Baumarten angeraten. Als „wenig geeignete“ Fichtenstandorte werden solchen Flächen definiert, die aufgrund ihrer standörtlichen Eigenschaften ein erhöhtes Risiko erwarten lassen, auf denen aus ökonomischen Gründen jedoch ein begrenzter Fichtenanteil geduldet wird. Sie umfassen eine Fläche von 10800 Hektar Standorte werden für die Fichte als „möglich bis geeignet“ bezeichnet, auf denen der Fichtenanbau mit geringfügigen Einschränkungen standortgerecht ist und die Baumart gute Ertragsleistungen bei beherrschbarem Risiko erwarten lässt. Aus K. von Teuffel et al (Hrsg.) Waldumbau für eine zukunftsorientierte Waldwirtschaft Springer Verlag Berlin Heidelberg 2005

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ökologischen Gründen, zur Risikominimierung, zum Erhalt der Biodiversität und zum Boden- und Wasserschutz hat die Landesforstverwaltung BadenWürttemberg auf diesen Flächen die Einbringung der Buche oder anderer geeigneter Mischbaumarten mit mindestens 30% der Fläche als Ziel festgelegt. Dies ist eine Fläche von insgesamt 70600 Hektar. Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass die Entscheidung für einen Mischbaumartenanteil von 30% einen wertsetzenden Charakter hat, der zwar durch eine Reihe von Untersuchungen gestützt wird, der jedoch wissenschaftlich noch nicht fundiert belegt ist. Außerdem ist diese Festlegung auch einen Kompromiss zwischen einer Vielzahl widerstreitender Interessen. Die Untersuchung zeigt darüber hinaus eine Aufschlüsselung des Umbaubedarfs nach Wuchsgebieten und Eigentumsarten auf. Die Ziele zum Waldumbau im öffentlichen Wald gelten mehr oder weniger seit Beginn der 1980er Jahre. Im Vergleich zur ersten Bundeswaldinventur 1987 in Baden-Württemberg hat die nach den zugrundeliegenden Kriterien umzubauende Waldfläche in den letzten 15 Jahren bereits um 22% (32800 ha) abgenommen. Die Abnahme und der vollzogene Waldumbau betrug im öffentlichen Wald fast 30% (23600 ha) und im privaten Wald etwa 15% (9200 ha). Aus der Altersklassenverteilung für den gesamten Wald Baden-Württembergs geht hervor, dass nach den vorausgesetzten Kriterien in den nächsten 20 Jahren etwa 48000 Hektar fichtenbestockter Waldfläche für einen Waldumbau in Frage kommen. Davon entfallen rund ein Drittel (15000 ha) auf „ungeeignete Fichtenstandorte“ und zwei Drittel (33000 ha) auf eingeschränkt standortsgeeignete („wenig geeignete bzw. mögliche bis geeignete“) Fichtenstandorte, wobei auf einem Hauptteil dieser Fläche (89%, 29400 ha) weiterhin die Anreicherung mit einem Buchen- bzw. Laubholzanteil mit etwa 30% im Vordergrund steht. Betrachtet man den Zeitraum von weiteren 20 Jahren, ergibt sich ein Umbaubedarf von rund 78000 Hektar für den Gesamtwald Baden-Württembergs – rund ein Viertel auf „ungeeigneten Fichtenstandorten“ und etwa drei Viertel auf eingeschränkt standortsgeeigneten („wenig geeignete bzw. mögliche bis geeignete“) Fichtenstandorten. Für den öffentlichen Wald in Baden-Württemberg (ca. 64%) bedeutet dies für die nächsten 40 Jahre einen jährlichen Umbaubedarf von rund 1300 Hektar.

Biodiversität und Landschaft Standort, Nutzungsgeschichte, Vegetation, Verjüngungsstruktur, Bodenfauna und die baumartenspezifische genetische Struktur bilden Grundlagen auf denen Waldbewirtschaftung ansetzt, die sich im Zuge des Waldumbaus aber auch selbst stark verändern. Hierbei gibt es bei den verschiedenen Organismusgruppen Gewinner und Verlierer. Wird ein möglichst hohes Maß an Biodiversität als Ziel der Waldbewirtschaftung angestrebt, so bietet ein differenzierter Umbau großflächiger Reinbestände einer Baumart in strukturreiche Mischwälder angesichts der höchst heterogenen Ausgangsbedingungen der Standorte, der Texturdiversität der Waldlandschaft, der Wuchsbedingungen sowie der konkreten

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Behandlung eine Fülle von Ansatzpunkten, dies immer auch zu sehen vor dem Hintergrund der Eigentumsverhältnisse. Die Beurteilung der Diversität setzt dann nicht ausschließlich im Einzelbestand an, sondern umfasst das Spektrum von der genetischen Varianz einer Baumart über Arten und Strukturen im Bestand bis hin zur räumlichen Anordnung von Bewirtschaftungseinheiten zueinander. Das heißt, dass nicht eine Waldaufbauform auf großer Fläche anzustreben ist, sondern dass nur eine Vielzahl verschiedener Bewirtschaftungsformen das höchste Maß an Biodiversität verspricht. Gerade das fortgeschrittene Stadium des Waldumbaus mit seinem Nebeneinander der verschiedenen Waldaufbauformen, Baumartenzusammensetzungen und Verjüngungsstrukturen führt zu einem Optimum an Vielfalt. Einzelne Reinbestände aus Fichte in Altersklassenaufbau können im Rahmen dieser Herangehensweise wichtige Funktionen übernehmen, ja konstruktiv sein. Dies gilt in verstärktem Maße für die Weiterführung verschiedener historischer Nutzungsformen. Bezieht man das Auftreten natürlicher Störungen in die raum-zeitlichen Prozesse ein, so entsteht ein Mosaik unterschiedlichster Wälder, wie es vielseitiger kaum sein kann. Allerdings gibt es noch keine Erkenntnisse über die notwendige, beziehungsweise minimale oder maximale Größe der Waldnutzungsformen und deren räumliche Zuordnung zueinander, was dann, wenn man dieses wüsste, im Endeffekt zu einem Optimum an Biodiversität auf Landschaftsebene führen würde. Konzeptionen aus einer Hand hingegen, die ein Höchstmaß an Biodiversität „von oben“ steuern wollten, sind demgegenüber meist unterlegen. Der Verzicht auf starre und uniforme Vorgaben und das Zulassen unterschiedlicher Bewirtschaftungsformen nebeneinander versprechen, speziell angesichts der kleinteiligen Besitzverhältnisse im Untersuchungsgebiet aber auch in ganz Baden-Württemberg und weit darüber hinaus, den größten Erfolg. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass dies alles mit einer Abkehr vom Primat der Flächen deckenden naturnahen Waldwirtschaft verbunden wäre.

Stoffhaushalt Waldumbaumaßnahmen wirken nicht nur auf das oberirdische Gefüge von Waldbiozönosen ein, sondern sie haben auch Rückwirkungen auf den Stoffhaushalt und Stoffumsätze von Waldböden. Eine Zusammenschau von Daten und Ergebnissen aus Umweltüberwachungsmessnetzen und Ökosystemfallstudien in Baden-Württemberg ergibt, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Waldböden in Südwestdeutschland durch anthropogene Säure- und Stickstoffeinträge aus der Luft in starkem Ausmaß von Versauerung und Entbasung betroffen waren. Durch diese Stoffeinträge wird sowohl die Eigenschaft der Böden als Nährelementspeicher beeinträchtigt als auch Filter- und Pufferfunktionen für das Wasser sowie die Lebensraumfunktionen von Böden für tierische und pflanzliche Organismen geschädigt. Deshalb sollte ein vorsorgendes und ressourcenschonendes Ökosystemmanagement auf eine Kompensation dieser

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beeinträchtigenden Veränderungen und auf eine Regeneration eingeschränkter oder bereits verlorengegangener Ökosystemfunktionen ausgerichtet sein. Das prinzipielle Potential eines Waldumbaus zur Stabilisierung ökosystemarer Stoffkreisläufe ist in einer Vielzahl von Ökosystemfallstudien z.B. im Solling, im Höglwald und im Conventwald belegt. Dabei sind neben der Baumartenzusammensetzung auch die waldbautechnischen Variationsmöglichkeiten bei der Hiebsführung und Bestandesverjüngung mit untersucht worden. Auf dieser Basis kann eine auf langfristigen Ressourcenschutz ausgerichtete Waldbaustrategie im Prinzip definiert und das durch eine solche Strategie erreichbare Stabilisierungspotential eingeschätzt werden. In den letzten Jahren wurden bodenkundliche Regionalisierungsansätze erarbeitet, die als Planungsinstrumente für die Praxis anzusehen und mittels derer die Identifikation notwendiger Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der vielfältigen Waldbodenfunktionen auf Landschaftsebene möglich sein wird. Aus methodischen Gründen können mit derartigen Regionalisierungsansätzen eher langfristige Effekte des Waldumbaus erkannt werden. Das heißt, es wird ein langfristiges Meliorationspotential eingeschätzt, das nach einem Waldumbau erst dann realisiert wird, wenn natürliche Nachlieferungs- und Regenerationsprozesse eingeschränkte und / oder verlorengegangene Ökosystemfunktionen wieder weitgehend etabliert haben. Dabei ist davon auszugehen, dass in der untersuchten Region eine sehr langsame Regenerationszeit zu erwarten ist, so dass ohne technische Unterstützung, d.h. verstärkte Nachlieferung von Basizität z.B. durch Kalkung auch der Erfolg des Waldumbaus gefährdet wäre. Die Ergebnisse zur Austauschkapazität von Steinen ergaben jedoch nennenswerte austauschbare Neutralkationenvorräte, die im Schwarzwald in Steinen von ganz unterschiedlicher geologischer Provenienz nachgewiesen wurden. Dies könnte in steinigen Böden ein Faktor sein, der die Regeneration des Säure/Basengleichgewichtes nach Waldumbau beschleunigt. Wenn durch Waldumbau von Nadel- in Laubholzbestände die Depositionsrate reduziert und durch eine Vertiefung des Wurzelraums die an den Nitrataustrag gebundene Exportrate von MbKationen durch eine verstärkte Nitrataufnahme vermindert wird, ist mittelfristig mit einer Verlangsamung der Versauerungstendenz von Waldböden zu rechnen. Eine Verschiebung des Säure- / Basengleichgewichts in Richtung einer höheren Aktivität von Neutralkationen ist möglich, wenn Bäume mit ihren Wurzeln, sozusagen „im Kurzschluss“ austauschbare Neutralkationen „von den Steinen abholen“ und via Streufall diese Basizität in den austauschbaren Ionenpool des Feinbodens gelangen. Durch die Zusammenschau von Prozesskenntnissen aus Ökosystemfallstudien, den neu entwickelten Regionalisierungsverfahren, die der überdurchschnittlichen Heterogenität von Wäldern gerecht werden und dem bisher in ihrer Bedeutung unterschätzten Beitrag der Austauschkapazität von Steinen zur Waldernährung und zum ökosystemaren Stoffhaushalt stehen neue Beurteilungsmöglichkeiten für Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur langfristigen Ökosystemstabilisierung auf Landschaftsebene zur Verfügung. Dadurch wird der ökologische Gewinn, der durch Waldumbau erreicht werden kann, auf Landschaftsebene bewertbar. Messdaten zu ökosystemaren Zustandsgrößen, die

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aus den Messnetzen der forstlichen Umweltüberwachung, aus Ökosystemfallstudien und aus der forstlichen Forschung verfügbar sind, können prinzipiell zu Expertensystemen kombiniert werden, die sowohl für die Planung und Steuerung der Ökosystementwicklung als auch für die Erfolgskontrolle von Ökosystem-Entwicklungskonzepten eine entscheidende Rolle spielen können.

Waldwachstum Waldumbau hängt in seiner Geschwindigkeit und seinem Ausmaß auch von der Wuchsleistung der einzelnen Baumarten und den Standorten auf denen sie stocken ab. Die Kenntnis der baumartenspezifischen Wuchsleistung wird für zur Beurteilung des standörtlichen Ertragsvermögens oder zur Festlegung von (Nachhalts-) Hiebsätzen im Rahmen der Forsteinrichtung benötigt. Das tatsächliche Ertragsvermögen wird durch Baumartenzusammensetzung, die waldbauliche Behandlung sowie Waldaufbau nach Alter, Vorratshöhe und – struktur bestimmt. Für die Hiebsatzkalkulation muss der aktuelle Zuwachs im Sinne eines laufenden jährlichen Volumenzuwachses bekannt sein, um eine Nachhaltskontrolle zu gewährleisten. Im Rahmen der Betriebsplanung ist die Bonitierung der Bestände nur eine Hilfsgröße, um zu der eigentlich interessierenden Information über den laufenden Zuwachs zu gelangen. Von daher sind Schätzmodelle, welche direkt den laufenden Volumenzuwachs je Jahr und Hektar angeben für die Betriebsplanung von besonderer praktischer Bedeutung. Für die Hauptbaumarten des Bergmischwalds im Untersuchungsgebiet „Südlicher Schwarzwald“ Fichte, Tanne und Buche wurde der Zusammenhang zwischen Standort und Wuchsleistung analysiert und geprüft. Insbesondere ging es um die Frage, ob es möglich ist, neue Modelle für eine Standortsbonitierung bzw. zur Schätzung des laufenden Zuwachses abzuleiten. Diese neuen Modelle sollen die bisherige für den Altersklassenwald entwickelte Alters-Höhen-Bonitierung ersetzen, da sie für die Bonitierung ungleichaltrigen Mischbestände, wie sie im Zuge des ökologischen Waldumbaus auf großer Fläche angestrebt werden, besser geeignet sind. Die Ergebnisse bestätigen zum einen den aus anderen Untersuchungen bekannten generellen Befund eines hohen heutigen Zuwachsniveaus und den Trend zunehmender Standortsbonitäten. Es konnten Modelle zur Schätzung der Bonitierungsgrößen Oberhöhe im Alter 100 ho 100 und durchschnittlicher Gesamtzuwachs im Alter 100 dGZ100 sowie des laufenden Zuwachses abgeleitet werden, die grundsätzlich Standortseinflüsse (Höhenlage, Exposition und standortskundliche Leistungsansprache) belegen. Um einen Alterklassenwald für Überführungsvorhaben, also die Integration vertikaler Strukturelemente und Ungleichaltrigkeit in den Aufbau des Waldes, geeignet erscheinen zu lassen, sollten Überführungsvorhaben bei den Baumarten Fichte und Tanne möglichst schon in jungen Altersklassenbeständen durchgeführt werden. Diese aus waldwachstumskundlicher Sicht zweckmäßig erscheinende Vorgehensweise zur Überführung von Altersklassenwäldern in strukturreiche

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Dauerwälder ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch kritisch zu hinterfragen. Eine solche Überführung wäre mit einem Preis verbunden, den zu zahlen die forstliche Praxis kaum bereit ist. Ziel des Handelns bei Überführungsvorhaben muss daher sein, das Reaktionspotenzial älterer Fichten und Tannen voll auszuschöpfen. Dies bedeutet, zumal für die Arbeit mit Bäumen fortgeschrittener Entwicklung mit einem Höhenindex über 90 % Bäume mit langen Kronen zur Überführung vorzusehen. Dies kann nur durch ein konsequente und frühzeitige Pflege gut bekronter Einzelbäume im Zuge von Pflegemaßnahmen erfolgen, die angelehnt an Z-Baum-orientierte Durchforstungsverfahren gleichwohl mit einer intensiveren Förderung der Kronenentwicklung der späteren Gerüstbäume einhergeht. Trotz der fortgeschrittenen Entwicklung weisen derartige Bäume dank ihrer gut ausgebildeten Krone ein hohes Reaktionspotenzial auf. Eine Überführung kann auf diesem Wege mit geringem Aufwand eingeleitet sowie risikoarm umgesetzt werden; außerdem wahren derartige Ausgangsbedingungen verschiedene Handlungsoptionen für die Zukunft. Für die Baumart Buche gelten demgegenüber einige abweichende Beobachtungen. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sich ihr Grundflächenzuwachs durch eine starke Freistellung auf bis zu 100 % des Ausgangwertes steigern lässt. Der Höhenzuwachs älterer Buchen wird jedoch nur in geringerem Maße durch Freistellung beeinflusst. Äste, die in Bestandeslücken hineinwachsen weisen im Mittel einen um 3 cm höheren jährlichen Längenzuwächse auf als Äste, die dem Einfluss einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Kronenkonkurrenz ausgesetzt sind. Bei zum Zeitpunkt der Entstehung einer Lücke 4 m hohen Buchen stellen Bestandeslücken von 10 m Breite für ein Emporwachsen in die Kronenschicht einen Minimalwert dar. Lücken mit einem Durchmesser über 10 m schließen sich bei der gegebenen Kronenschlussdynamik erst nach mehr als 50 Jahren, so dass der Nachwuchs in das Kronendach hinein aufschließen kann. Lückengrößen unter 5 m werden in Zeiträumen zwischen einer und zwei Dekaden geschlossen, so dass an diesen Stellen nicht mit der Etablierung oder dem Heranwachsen vorhandener Jungbäume gerechnet werden kann; die Ausgangsstruktur bleibt erhalten.

Ökonomie und Risiko Waldumbaumaßnahmen müssen auch in ihrer ökonomischen Dimension sorgfältig abgewogen sein. Dabei muss zwischen Auswirkungen direkt in der Phase des Waldumbau einerseits aber auch dem theoretisch zeitlich nicht begrenzten Zeitraum nach Abschluss des Umbaus/der Überführung unterschieden werden. Wie das vorliegende Simulationsexperiment, das den Umbau eines 30-jährigen Fichten-Reinbestandes auf einer mittleren Standortseinheit der montanen Höhenstufe im Untersuchungsgebiet Südschwarzwald abbildet, zeigt, können die direkten ökonomischen Effekte (hier vereinfacht als „Kosten des Umbaus“ bezeichnet) erheblich sein. Bei einer Investitionsbetrachtung erreicht die Umbauvariante im vorliegenden Rechenbeispiel einen um 27% niedrigeren Kapitalwert

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(bei einem Kalkulationszinsfuß von 1%) als die Altersklassen-Referenzvariante. Diese Einbuße ist das Ergebnis der vorzeitigen Entnahme von potenziellen Wertzuwachsträgern insbesondere bei der Anlage der Verjüngungsgruppen zur Einbringung von Buchen und der damit verbundenen deutlich niedrigeren Endwerte (Abtriebswerte). Bei einem Umbau, bei dem auf die Anlage solcher Verjüngungsschächte verzichtet wird, ist diese Differenz deutlich niedriger. Es ist allerdings festzustellen, dass die kapitalwertbezogenen Unterschiede sehr stark vom verwendeten Diskontierungszinsfuß abhängig sind. Bei einem Zinsfuß von 3% statt 1% verringert sich die Differenz zwischen den beiden Varianten um mehr als die Hälfte auf 13%. Ebenso zeigt sich, dass eine Variation der Pflanzkosten bei der Investitionsbetrachtung sehr starken Einfluss auf die Ergebnisse hat. Werden um zwei Drittel niedrigere Pflanzkosten unterstellt (anzunehmende Variante in einem Naturverjüngungsbetrieb), so stellt sich die Umbauvariante bezogen auf den Umbauzeitraum bei einem Zinsfuß von 3% günstiger als die Altersklassenvariante dar. Aus der vorliegenden Untersuchung geht hervor, dass dem Zeitraum nach Abschluss der Überführung – abhängig vom verwendeten Zinsfuß – erhebliche Bedeutung zukommt. Der hier verwendete Kapitalhaltungswert berücksichtigt diesen Aspekt. Es zeigt sich, dass die Frage, wie sich ungleichaltrige Wälder langfristig gegenüber gleichaltrigen Wäldern ökonomisch darstellen, auch für die ökonomische Bewertung des Umbaus und der Überführung von entscheidender Bedeutung ist. Die Ergebnisse von Modelluntersuchungen und empirischen Studien, die sich auch auf das Projektgebiet Südschwarzwald anwenden lassen, zeigen, dass ungleichaltrige Wälder, insbesondere klassische Plenterwälder, langfristige ökonomische Ergebnisse erwarten lassen, die auch Einbußen, die während des Umbau- und Überführungszeitraumes auftreten können, ausgleichen können. Zur Einschätzung des Risikos von Waldumbaumaßnahmen wurden in dieser Untersuchung Übergangswahrscheinlichkeiten für nadelbaum-dominierte Waldtypen im Untersuchungsgebiet von einer bestimmten Alterklasse in die nächste Altersklasse hergeleitet. Mit dieser Methode kann gezeigt werden, dass das Risiko des flächigen Ausfalls zwischen dem Alter 80 und 120 überproportional ansteigt. In diesen Altersstufen sind daher aktive Maßnahmen zum Waldumbau mit einem relativ hohen Risiko verbunden. Aus der Sicht der Risikominimierung wären daher frühzeitige Eingriffe zu bevorzugen. Diese können jedoch aus finanzieller Sicht zu den genannten Einbußen führen, die um so größer ausfallen werden, je früher und je stärker die Auflichtung der Bestände im Vergleich zu einer Vollbestockung vorgenommen wird. Diese Konfliktsituation verdeutlicht nochmals die Notwendigkeit einer sorgfältigen Risikoanalyse bei Waldumbauvorhaben. Die hier vorgestellten Methoden können dazu dienen, diese Risikoanalyse auf größeren Flächen und nach standörtlichen Bedingungen differenziert vorzunehmen. Dabei sollten sowohl Risikoklassen gebildet werden, die in Risikokarten dargestellt werden können, als auch differenzierte Übergangswahrscheinlichkeiten hergeleitet werden, die das Risiko für verschiedene Waldtypen unter verschiedenen Standortsbedingungen quantifizieren.

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Sozioökonomie Die vorliegende Untersuchung hat sich auch mit sozioökonomischen Fragen des Waldumbaus auseinandergesetzt. Hierbei war die Bedeutung des Einkommens aus dem Waldbesitz im Vergleich zu anderen Einkommensquellen von Interesse. Der wachsende Anteil des Einkommens aus sonstigen Einkommensquellen sowie die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebsteils verdeutlicht die fortschreitende Entkopplung der Land- und Forstwirtschaft. Dies kann zu einem Verlust an technischen Mitteln und mit dem Wechsel der Generationen auch zu einem Verlust an Know-how führen. Dieser Zusammenhang muss als eine potentielle Verschlechterung der Möglichkeiten zur selbständigen Waldbewirtschaftung angesehen werden und es besteht die Gefahr, dass günstige Waldstrukturen bei zu geringer Holznutzung auf Grund der schwindenden Einkommensfunktion des Waldes im Gesamtbetrieb verloren gehen. Folglich ist zu erwarten, dass Fremdleistungen in Zukunft eine größere Rolle spielen. Am Eigentümer orientierte Förder- und/oder Beratungskonzepte des ökologischen Waldumbaus müssen daher den Zusammenhang zwischen waldbaulicher Aktivität und der Einkommensfunktion des Waldes berücksichtigen. Für gemischte land- und forstwirtschaftliche Betriebe für die das Einkommen aus dem Wald große wirtschaftliche Bedeutung hat, könnte die Akzeptanz bezüglich Waldumbau steigen, wenn entsprechende einkommenssichernde Maßnahmen getroffen werden bzw. Umwandlungsstrategien aufgezeigt werden können, die auch unter ökonomischen Gesichtspunkten nachhaltig sind. Diesen steht eine steigende Zahl an einer Holznutzung uninteressierter Waldbesitzer gegenüber, die eher durch die Instrumente der Beratung und Information erreicht werden können. Die befragten Waldbesitzer nehmen bisher kaum Probleme hinsichtlich des Zustandes ihrer Wälder wahr. Obwohl die Wälder überwiegend als reine Nadelwälder mit einem Altersklassenaufbau beschrieben werden, wirkt die Bewertung prägend, dass die eigenen Wälder nicht struktur- oder artenarm seien und sich auch in keinem gesundheitlich kritischen Zustand befänden. Der eigene Umgang mit dem Wald wird von einer überwältigenden Mehrheit als naturnah eingestuft. Wie aus der Umweltpsychologie bekannt, ist jedoch gerade das individuelle Problembewusstsein wichtige Voraussetzung für eine Handlungsbereitschaft. Politische Konzepte, die mit einer Förderung der Naturnähe, des Arten- oder Strukturreichtums argumentieren, können daher bei den privaten Waldbesitzern bisher überwiegend kein Betroffenheitsempfinden auslösen und müssen fruchtlos bleiben. Entscheidende Voraussetzung zur Förderung naturnaher Bewirtschaftungsformen im Privatwald ist deswegen die Sensibilisierung der Waldbesitzer. Ziel dieser Sensibilisierung ist die Vermittlung der Erkenntnis, dass Wälder ganz unterschiedliche ökologische Qualitäten aufweisen können, mögen sie auch im Vergleich z.B. zu landwirtschaftlich genutzten Flächen immer weitgehend „natürlich“ wirken. Gleichzeitig sollten den Waldbesitzern die Möglichkeiten der eigenen Einflussnahme aufgezeigt werden. In der Befragung meinten die Waldbesitzer beispielsweise, den Arten- und Strukturreichtum ihrer Wälder allenfalls geringfügig lenken zu können. Gleichzeitig gehen jedoch

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Forstwissenschaftler davon aus, dass gerade diese Faktoren des Waldzustandes weitgehend durch das waldbauliche Handeln bestimmt werden und damit in der Hand des Eigentümers liegen. Als wichtigstes Instrument der Privatwaldpolitik gilt in Deutschland bislang die vom Revierförster geleistete Beratung der privaten Eigentümer vor Ort. Die Befragungsergebnisse deuten, in Übereinstimmung mit den theoretischen Überlegungen, jedoch darauf hin, dass die Einflussmöglichkeiten des Försters begrenzt sind und stark mit den Einflüssen aus dem direkten sozialen Umfeld der Waldbesitzer, wie z.B. der Familie, konkurrieren. Diese Befunde weisen der Einbindung des sozialen Umfeldes der Waldbesitzer ein hohes Potenzial für eine effektive Implementation von Ansätzen zur Förderung naturnaher Wirtschaftsweisen im Privatwald zu. Es ist davon auszugehen, dass vor allem ein geringes soziales Gefälle zwischen Berater und Beratenem ausschlaggebend ist. Als vielversprechender Ansatz ist deswegen der Einsatz von Multiplikatoren aus dem Kreis der Waldbesitzer anzusehen. Vorbildlich naturnah wirtschaftende Personen könnten als lokale Ansprechpartner für ihre Kollegen fungieren. Dabei wäre eine gemeinsame Verständigungsebene garantiert, z.B. im Hinblick auf sprachliche Formulierungen. Die beiden genannten Aspekte können als grundlegende Ansätze für die Förderung naturnaher Bewirtschaftungsformen im Privatwald gelten. Wichtiges Ergebnis der Studie ist jedoch, dass sich die Waldbewirtschaftung von Person zu Person in ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen einfügt (vgl. auch ähnliche Typisierungen z.B. bei Judmann 1998, Becker u. Borchers 2000). Von höchster Bedeutung sind deswegen Konzepte, die der spezifischen Situation der verschiedenen Waldbesitzertypen gerecht werden. Für die Gruppe der wirtschaftlich interessierten Waldbesitzer bieten sich zwei Ansatzpunkte für die Förderung naturnaher Bewirtschaftungsmethoden. Zum einen ist das die soziale Funktion, die die Wälder für diesen Personenkreis im Unterschied zu den beiden anderen Gruppen erfüllen, z.B. im Sinne einer Verknüpfung der gesellschaftlichen Stellung mit dem Wald. Eine verdeutlichte gesellschaftliche Wertschätzung naturnaher Wälder durch öffentliche Anerkennung und Unterstützung könnte für diese Eigentümer deswegen einen besonderen Anreiz für eine entsprechende Bewirtschaftung bieten. Zum anderen sollten die bereits vorhandenen finanziellen Instrumente zur Förderung naturnaher Bewirtschaftungspraktiken weiter ausgebaut und optimiert werden, da diese der Einkommensfunktion gerecht werden, die die Wälder für wirtschaftlich Interessierte haben. Wichtig ist aus Sicht des Naturschutzes ein gezielter Einsatz von Zuschüssen für definierte Kriterien wie z.B. Baumartenmischung oder Strukturreichtum, so dass die ökologische Leistung überprüft werden kann. Aus der Sicht der betroffenen Waldbesitzer kommt der Verbindlichkeit und Stetigkeit der Fördermittel eine entscheidende Bedeutung zu. Neben der klassischen staatlichen Förderung sei des Weiteren die Zertifizierung als Instrument genannt, das für diesen Waldbesitzertyp eine naturnahe Waldbewirtschaftung und einen ökologischen Umbau vorantreiben kann. Finanzielle Anreize werden dagegen bei den ideell interessierten Waldbesitzern nicht erfolgreich sein, da sie nicht bei wirtschaftlichen Motiven ansetzen können.

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Als entscheidender Anknüpfungspunkt ist für diese Eigentümergruppe vielmehr das besondere Interesse an der Natur und der Erholungsnutzung zu betonen. Aufgrund dieser Interessen ist davon auszugehen, dass die Vermittlung von Wissen um ökologische Zusammenhänge bei ideell Interessierten auf fruchtbaren Boden fällt. Eine Sensibilisierung im Hinblick auf Problembewusstsein und Kenntnis um die eigenen Handlungsmöglichkeiten dürfte besonders erfolgversprechend sein. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass diese Gruppe ein Potenzial zum aktiven Engagement im eigenen Wald mitbringt (entgegen anderslautender Charakterisierungen, vgl. z.B. Mutz et al. 2002). Entscheidend für eine gezielte Förderung einer Waldumbautätigkeit durch die ideell interessierten Eigentümer ist, ob es gelingt, die informationellen Instrumente auf deren spezifische Bedürfnisse abzustimmen. Dies betrifft zum einen die Inhalte der Beratung, die gezielt auf die Förderung des Natur- und Erholungswertes der Wälder abheben und somit ideelle Anreize geben sollten. Zum anderen ist aber auch formal der Zielgruppe Rechnung zu tragen. Es sollten neutrale, nicht durch eine stark forstfachliche Sprache geprägte Kommunikationskanäle, sondern z.B. die Tagespresse gewählt werden. Besser wäre es noch, spezielle Kommunikationskanäle für ideell interessierte Besitzer einzurichten, etwa eine besondere Sprechstunde des Revierförsters oder themengebundene Führungen und Demonstrationen. Die Entwicklung von Strategien, die dazu geeignet sind, naturnahe Bewirtschaftungsformen durch den uninteressierten Waldbesitzer, als dritten Waldbesitzertyp, zu fördern, ist besonders schwierig, da beim bisherigen Kenntnisstand keine speziellen Interessen als potenzielle Anknüpfungspunkte identifiziert werden können. Angesichts dessen ist zu überlegen, ob die betreffenden Wälder nicht als willkommene Flächen für einen Prozessschutz ohne störende „Einmischung“ durch die Besitzer zu betrachten sind. Dies liegt jedoch außerhalb des hier zu diskutierenden Ansatzes der Förderung einer naturnahen Bewirtschaftung und des Waldumbaus. Ein im Rahmen dieser Zielrichtung naheliegender Schluss wäre die Forderung, uninteressierten Waldbesitzern Anreize zum Verkauf oder zur Verpachtung ihrer Wälder zu geben und diese so leichter zu erreichenden Eigentümertypen zuzuführen. Allerdings zeigte sich dieser Teil der Befragten genau so selten wie die beiden anderen Gruppen bereit, ihre Wälder aus der Hand zu geben.

Technikfolgenabschätzung Ergonomie und Arbeitssicherheit sind Ziele, denen in der Dauerwaldwirtschaft - wie in der Forstwirtschaft generell – höchste Priorität zukommt, die jedoch im Dauerwald ungleich schwieriger zu verwirklichen sind als im Altersklassenwald. Sie werden in der vorliegenden Untersuchung behandelt. Grundsätzlich sind Arbeitssicherheit und Ergonomie umso höher bzw. günstiger zu bewerten, je höher mechanisiert ein Holzerntesystem ist. Eine Vollmechanisierung von Holzernteverfahren im Dauerwald scheitert jedoch bei den derzeit verfügbaren

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Maschinenlösungen an den großen Dimensionen – zumindest eines Teils – der Erntebäume und ihrer Äste, der verringerten Einsehbarkeit und der damit einhergehenden Reichweiten-Grenzen sowie an der Notwendigkeit, baumindividuelle Fällrichtungen einzuhalten. Ergonomisch optimierte (Zwei-Mann-Fällung; freie Wahl der Fällrichtung; Wegfall des Wendens; maschinenunterstützte Restentastung) motormanuelle Verfahren wie das „Todtmooser Verfahren“ sind daher trotz ihres niedrigeren Mechanisierungsgrades zur Zeit Mittel der Wahl für die Holzernte in Dauerwäldern. Gleiches gilt für „kombinierte Verfahren“, die motormanuelle mit mechanisierter Arbeit verknüpfen, und die insoweit unterschiedlich hoch mechanisierte Aufarbeitungsmodule intelligent und prozessorientiert zu neuen, in sich konsistenten Aufarbeitungsverfahren kombinieren. Unverzichtbarer Bestandteil gerade der letztgenannten Verfahren, besser noch, generell jeder Holzerntemaßnahme in Beständen eingeschränkter Einsehbarkeit sind Kommunikationssysteme, die die ständige gegenseitige Erreichbarkeit der im gleichen Hieb Tätigen sicherstellen. Hier werden die Herausforderungen, die von der Holzernte in sturkturreichen Beständen ausgehen, zum Anlass für gestiegene Sensibilität gegenüber potenziellen Unfallursachen und so zum Motor für arbeitssicherheitstechnische Weiterentwicklungen. Der Bestandespfleglichkeit von Hiebseingriffen kommt in Dauerwäldern überragende Bedeutung zu. Die Bestandespfleglichkeit von Arbeitsverfahren hinsichtlich Fällungs- und Rückeschäden ist grundsätzlich umso größer, je leistungsfähiger die einzelnen Systemkomponenten und je kürzer – und leichter – die zu manipulierenden Stämme oder Stammteile sind. Zielgenaue Fällung und präzise, effiziente Manipulation bei der Aufarbeitung sowie beim Rücken bzw. Vorrücken sind Forderungen, denen wiederum motormanuelle (das „Todtmooser Verfahren“) oder „kombinierte Verfahren“ am ehesten gerecht werden. Beim „Todtmooser Verfahren“ gewährleistet die relativ freie Wahl der Fällrichtung weitestgehende Bestandespfleglichkeit, während bei „kombinierten“ Verfahren die schwierigen Fällvorgänge (überstarke und weit entfernt stehende Bäume) der „Handarbeit“ vorbehalten bleiben. Insbesondere aber der (vollmechanisierte oder motormanuelle) Einschnitt starken Holzes zu Kurzlängen bereits im Bestand bei beiden Verfahren trägt hier wesentlich zur Schonung von der Bestände und ihrer Strukturelemente bei, da kürzere – und damit leichtere – Stammteile erheblich schadärmer zu manipulieren sind als Langholz. Insbesondere aber durch die Möglichkeit, zum Rücken der Kurzlängen Tragschlepper einzusetzen, macht Kurzholzverfahren gegenüber herkömmlichen Langholzverfahren in puncto Pfleglichkeit weit überlegen. Die krangestützte, hebend-tragende Manipulation bei der Tragschlepper-Rückung von Stammabschnitten ist weitaus pfleglicher als die herkömmliche, ziehend-schleifende Manipulation und Rückung von Langholz mit Schlepper bzw. Seilwinde. Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Produktionsgrundlage Boden ist unverzichtbare Voraussetzung jeder Waldwirtschaft. Insbesondere in der Dauerwaldwirtschaft, die den zur Verfügung stehenden oberirdischen Wuchsraum durch reich strukturierte Waldaufbauformen optimal nutzt, kommt auch der Nutzung und dem Schutz des unterirdischen Wuchsraumes erhebliche Bedeutung zu. Waldwirtschaft, und insbesondere Dauerwaldwirtschaft, bedarf – wie gezeigt –

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aus Gründen der Arbeitssicherheit, der Ergonomie, der Pfleglichkeit und der Flexibilität des Einsatzes leistungsfähiger und damit schwerer Maschinen. Unter mitteleuropäischen Verhältnissen verursachen die Befahrung von Waldböden mit diesen Maschinen und insbesondere die Arbeitsvorgänge dieser Maschinen jedoch gravierende und sich nur langsam – wenn überhaupt – regenerierende Bodenschäden (vgl. Kapitel 7.2.3). Damit stehen die Notwendigkeit des Einsatzes leistungsfähiger und damit schwerer Maschinen und die Notwendigkeit des Bodenschutzes einander diametral entgegen. Konsequenzen dieser Situation sind das Verbot flächiger Befahrung und stattdessen die Konzentration von Befahrung auf permanente Feinerschließungslinien. Mit der Entscheidung, Rückegassen – und damit die Bereiche unvermeidlicher und tolerierter Bodenschäden – zu permanenten Feinerschließungseinrichtungen zu machen, wird zwei wesentlichen bodenkundlichen Erkenntnissen Rechnung getragen: Erstens der Erkenntnis, dass der statische Bodendruck – einschließlich der Möglichkeiten, diesen zu senken – die bei Arbeitsvorgängen einwirkenden Kräfte und ausgelösten Schäden hinsichtlich Intensität und Tiefenwirkung nicht ausreichend abzubilden vermag: Entscheidend für die Beurteilung der Boden(un)verträglichkeit von Forstmaschinen sind vielmehr die dynamischen Kräfte, die bei Arbeitsvorgängen – insbesondere der Manipulation starker, schwerer Stämme – auftreten, und die die statischen bei weitem übertreffen. Zweitens trägt die konzeptionelle Permanenz von Rückegassen dem Vorsorgeprinzip und damit der Tatsache Rechnung, dass Regenerationsvorgänge befahrungsgeschädigter Waldböden bislang nur unzureichend geklärt und prognostizierbar sind. Konsequenzen der Entscheidung, Rückegassen als permanente Feinerschließungsmittel zu betrachten, sind die Orientierung der Rückegassenabstände an der substratspezifischen Befahrungsempfindlichkeit, statt wie bisher an Bestandesparametern, die Forderung, sie im Gelände dauerhaft und wiederauffindbar zu markieren, sie in Karten sorgfältig zu dokumentieren und sie dauerhaft befahrbar zu halten. Waldumbau findet nicht nur in Beständen in ebenen und schwach geneigten Lagen sondern auch an steileren Hängen statt. Beim Einsatz moderner Raupenvollerntersysteme stellt sich daher die Frage einer möglicherweise erhöhten Erosivität solcher Holzerntemaßnahmen. Es muss bewertet werden, ob die Technikfolgen mit den anderen Zielen der Waldbewirtschaftung vereinbar sind. Eine durch die Holzernteverfahren erhöhte Sediment- und daran gekoppelte Stickstoffbefrachtung von Gewässern aus Waldbeständen dürfte kaum mit den Erwartungen der Gesellschaft im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Umweltschonung an die Forstwirtschaft vereinbar sein. Die Befahrung und Bringung hat auf den Messfeldern zu deutlichen Spureintiefungen und zu Verdichtungen geführt. Solche Rinnen sind bevorzugte Abfluss- und Transportbahnen (Frielinghaus 1996). Das Fahrspurrelief wird teilweise überprägt durch wannenartige Vertiefungen, wie sie wahrscheinlich durch die Seilkranbringung mit teilweiser Bodenberührung der Kurzholzabschnitte durch kleinräumige Bodenverlagerung verursacht worden sein könnten. Diese Bodenverlagerungen dürften auch die Ursache des erheblichen aufgehöhten Volumens nach dem Ernteeingriff sein. Vertiefungen können Regenwasser aufnehmen und speichern und verzögern damit die Abflussbildung. Dies gilt noch

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stärker für die Abdrücke der Querstege der Raupenketten in den Fahrspuren, die als Abflussbarrieren wirken. Versuche von Kremer et al. (2003) ergaben, dass die Befahrung mit dem Raupenvollernter gegenüber der durch Radfahrzeuge einen signifikant geringeren Einfluss auf die Drainagefähigkeit haben kann und damit auch der Abflussbildung vorbeugen kann. Dies deckt sich auch mit der Beobachtung, dass es weder im ungestörten Bereich noch im Fahrgleis möglich war, durch experimentelle Wasserzufuhr Oberflächenabfluss zu provozieren. Darüber hinaus fehlten nach einjähriger Witterungsexposition der Fahrgleise Erosionsindizien wie freigewaschenes Grobmaterial und lokale Sedimentbildung. Die Modellergebnisse zeigen die überragende Bedeutung der Streubedeckung für den Erosionsschutz. Wenn die Vollernter eine Reisigmatte ablegen (an die von der Mächtigkeit her keine sehr großen Anforderungen zu stellen sind) und wenn die Bodenstreu und die Reisigmatte bei der Bringung geschont werden kann auf der Fahrgasse ein guter Erosionsschutz bestehen. Es kann daher gefolgert werden, dass die Erosionsrisiken durch Raupenvollernter/Seilkran sicherlich deutlich geringer zu bewerten sind, als die zugrundeliegende Rückung mit Radschlepper.

Autorenverzeichnis Dr. Eberhard Aldinger Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-183 E-mail: [email protected] Manuela Bacher-Winterhalter Albert-Ludwigs-Universität Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaft Werderring 6 79085 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-9240 E-mail: [email protected] Dr. Manuela Baumgarten Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-0 Dr. Claudia Bieling Albert-Ludwigs-Universität Institut für Forst- und Umweltpolitik Tennenbacherstr. 4 79106 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3709 E-Mail: [email protected] Eva Cremer Niedersächsische Forstliche Versuchsanstalt Abt. C – Waldgenressourcen Forstamtstr. 6 34355 Staufenberg-Escherode Telefon: ++49/5543/940854 E-Mail: [email protected]

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Dr. Aikaterini Dounavi Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-159 E-mail: [email protected] Peter Epp Albert-Ludwigs-Universität Institut für Waldwachstum Tennenbacherstr. 4 79085 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3736 E-mail: [email protected] Dr. Stefanie Gärtner Albert-Ludwigs-Universität Institut für Waldbau / Arbeitsbereich Vegetationskunde Tennenbacherstr. 4 79106 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3672 E-mail: [email protected] Dr. Marc Hanewinkel Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-208 E-mail: [email protected] Andrew Haywood Albert-Ludwigs-Universität Institut für Waldwachstum Tennenbacherstr.4 79085 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3736 E-mail: [email protected] Dr. Maria Hehn Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-239 E-mail: [email protected]

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Prof. Dr. Ernst Hildebrand Albert-Ludwigs-Universität Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre Bertoldstr. 17 79098 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3625 E-mail: [email protected] Prof. Dr. Jan Holecy Department of Forest Economics and Administration Technical University of Zvolen T.G.Masaryka 2117/24 960 53 Zvolen Slovak Republic Telefon: ++49/421/45/5206318 E-mail: [email protected] Prof. Dr. Rainer Horn Christian Albrechts Universität Kiel Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde Hermann-Rodewald Str. 2 24118 Kiel Telefon: ++49/431/880-3190 E-mail: [email protected] Prof. Dr. Erwin Hussendörfer Fachhochschule Weihenstephan Fachbereich Wald- und Forstwirtschaft Am Hofgarten 4 85354 Freising Telefon: ++49/8161/71-3339 E-mail: [email protected] Dr. Gerald Kändler Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-120 [email protected] E-mail:

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Jürgen Kayser IDAMA GmbH Rosshaldeweg 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/8973510 E-mail: [email protected] Dr. Martin Kohler Albert-Ludwigs-Universität Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre Bertoldstr. 17 79098 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-9141 E-mail: [email protected] Dr. Monika Konnert Bayerische Landesanstalt für Forstliche Saat- und Pflanzenzucht Forstamtsplatz 1 83317 Teisendorf Telefon: ++49/8666/988313 Judith Kretschmer Albert-Ludwigs-Universität Abteilung Biometrie Tennenbacherstr.4 79085 Freiburg Dr. Thomas Ludemann Albert-Ludwigs-Universität Institut für Biologie II, Abteilung für Geobotanik Schänzlestr. 1 79104 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-2643 E-mail: [email protected] Dr. Hans-Gerd Michiels Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-178 [email protected] E-mail:

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Guillermo A. Navarro, Ph.D. Convenio CIM/CATIE CATIE 7170 Turrialba, Costa Rica Dr. Bernd Raber Albert-Ludwigs-Universität Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre Bertoldstr. 17 79098 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3816 E-mail: [email protected] Dr. Andreas Reinbolz Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-600 E-mail: [email protected] Uli Riemer Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-189 E-mail: [email protected] Dr. Jörg-Alfred Salamon Am Weißen Stein 24 37085 Göttingen Dr. Udo-Hans Sauter Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-237 E-mail: [email protected]

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Dr. Helmer Schack-Kirchner Albert-Ludwigs-Universität Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre Bertoldstr. 17 79098 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3612 E-mail: [email protected] Jürgen Schäffer Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-175 E-mail: [email protected] Thomas Schmid ehemals: Albert-Ludwigs-Universität Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre Bertoldstr. 17 79098 Freiburg im Breisgau Andy Selter Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-263 E-mail: [email protected] Prof. Dr. Heinrich Spiecker Albert-Ludwigs-Universität Institut für Waldwachstum Tennenbacherstr.4 79085 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/203-3736 E-mail: [email protected] Prof. Konstantin Freiherr von Teuffel Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-100 E-mail: [email protected]

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Dr. Joerg Vossbrink Christian Albrechts Universität Kiel Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde Hermann-Rodewald Str. 2 24118 Kiel Telefon: ++49/431/880-5547 E-mail: [email protected] Thomas Wehner Staatliches Forstamt Oberndorf Keplerstr. 6 78727 Oberndorf Telefon: ++49/7423/92007 E-mail: [email protected] Dr. Klaus von Wilpert Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) Wonnhaldestr. 4 79100 Freiburg im Breisgau Telefon: ++49/761/4018-173 E-mail: [email protected] Prof. Dr. Volkmar Wolters Justus-Liebig-University Institut für Tierökologie & Spez. Zoologie Heinrich-Buff-Ring 26-32 (IFZ) 35392 Giessen Telefon: ++49/641/99-35700 E-mail: [email protected] Andrei Zaitsev Justus-Liebig-University Institut für Allgem. & Spezielle Zoologie Heinrich-Buff-Ring 26-32 (IFZ) 35392 Giessen Telefon: ++49/641/99-35709 E-mail: [email protected] Dr. Wenchao Zhou Institute of Forest Economics Swedish Agricultural University 90183 Umeå Sweden

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Dr. Dietmar Zirlewagen INTERRA Petersbreite 47 79341 Kenzingen Telefon: ++49/7644/930539 E-mail: [email protected]