Heidrun Lingner, Konrad Schultz, Friedrich-Wilhelm Schwartz (Hrsg.)
Volkskrankheit Asthma/COPD
Heidrun Lingner, Konrad Schultz, Friedrich-Wilhelm Schwartz (Hrsg.)
Volkskrankheit Asthma/COPD Bestandsaufnahme und Perspektiven
Mit 71 Abbildungen und 67 Tabellen
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Dr. med. Heidrun Lingner Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Schwartz Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
ISBN-13
978-3-540-70919-0
Dr. med. Konrad Schultz Fachklinik Allgäu Peter-Heel-Straße 29 87459 Pfronten-Ried
Springer Medizin Verlag Heidelberg
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19/2119 wi – 5 4 3 2 1 0
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Vorwort Hintergrund Chronische Erkrankungen spielen in Deutschland – sowohl rein medizinisch als auch gesundheitsökonomisch – eine immer größere Rolle. Mehr als die Hälfte der hausärztlichen Patienten sind davon betroffen [1]. Hinter dem Begriff „Chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen“ verbergen sich zwei verschiedene Erkrankungen: das Asthma bronchiale und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD, chronic obstructive pulmonary disease). Beide Krankheitsbilder treten auch weltweit sehr häufig auf, sind von erheblicher sozioökonomischer Relevanz [2] und können zweifelsohne als Volkskrankheiten bezeichnet werden. Nach seriösen Prognosen der WHO wird die COPD im Jahr 2020 die dritthäufigste Todesursache weltweit sein. Die Prävalenzdaten, die in Deutschland im Großraum Hannover im Auftrag der WHO erhoben wurden, haben bei über 10% aller über 40-jährigen untersuchten Personen eine pathologische Lungenfunktion im Sinne einer COPD gezeigt. Bis zum Zeitpunkt dieser Erhebung war bei knapp der Hälfte dieser Menschen keine Lungenerkrankung bekannt [3]. Überraschend war zudem, dass ein Drittel der identifizierten COPD-Erkrankungen bei „Nie-Rauchern“ diagnostiziert wurde. Erklärungsversuche hierfür reichen vom Passivrauchen über Arbeitsplatznoxen und Feinstaubbelastung bis zur generellen Umweltverschmutzung. Dennoch bleibt zweifelsfrei das inhalative Tabakrauchen die mit Abstand wichtigste Ursache der COPD. Im Gegensatz zur COPD, die hauptsächlich eine Erkrankung des Erwachsenenalters ist, betrifft Asthma bronchiale alle Altersgruppen. Auf dem Boden chronisch-entzündlicher Veränderungen der Bronchialschleimhaut kommt es beim Asthma zu einer bronchialen Überempfindlichkeit mit variabler Verengung (Obstruktion) der Atemwege. Letztere ist in der Regel unter einer angemessenen Therapie ganz oder zumindest teilweise reversibel. Die COPD ist hingegen durch eine konstante Obstruktion gekennzeichnet, die auf antiobstruktive Medikamente gar nicht oder nur minimal reagiert. Aufgrund der immensen Bedeutung beider Erkrankungen gibt es neben verschiedenen Fachgesellschaftsleitlinien seit 2006 zusätzlich sowohl eine Nationale Versorgungs-Leitlinie für Asthma bronchiale als auch eine für COPD. Werden diese Leitlinien jedoch auch umgesetzt? Eine Studie zeigt deutliche Defizite in der Kenntnis und der Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien in der Schweiz. Haben wir in Deutschland ähnliche Verhältnisse? Wenn ja – was müsste man ändern? Wie wird der Nutzen verschiedener Therapiemaßnahmen von den Ärzten eingeschätzt? Was kann präventiv, kurativ und rehabilitativ getan werden, um Krankheitslast und Krankheitsfolgen sowohl individuell als auch gesellschaftlich möglichst gering zu halten? Welche Konzepte
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Vorwort
brauchen wir für Kinder/Jugendliche einerseits und Erwachsene andererseits? Spielt der Genderaspekt eine Rolle? Was können wir aus der Auswertung von Routinedaten lernen? Führende deutsche Experten präsentieren in diesem Werk ihre Antworten auf obige Fragen.
Adressaten und Themen Intention der Herausgeber war ein handlungsorientiertes, pragmatisches Buch, das sich nicht nur an Ärztinnen und Ärzte aller Versorgungsbereiche wendet, sondern auch – und das ist eine der Besonderheiten – an Entscheidungs- und Kostenträger im Gesundheitswesen sowie an interessierte und vorgebildete Patienten (z.B. in Selbsthilfegruppen). Es positioniert sich somit an der Schnittstelle zwischen Ärzten, Entscheidungsträgern, Kostenträgern und Patienten. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf neuen Aspekten des Versorgungsgeschehens und der Therapie beider Erkrankungen. Wenn erforderlich, wird themenbezogen explizit auf die Situation von Kindern und Jugendlichen eingegangen. Dabei werden sowohl für Asthma bronchiale als auch für COPD zunächst • die aktuellen Daten zur Epidemiologie dargelegt sowie • die Ursachen und die medizinisch bekannten Zusammenhänge der Erkrankungen erklärt. • Im Anschluss werden Möglichkeiten der Prävention aufgezeigt und • die eingesetzten diagnostischen Verfahren erläutert. • Medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien beider Erkrankungen werden als sich teilweise ergänzende Maßnahmen ebenso behandelt wie • verschiedene Versorgungsmodelle aus der Praxis (Integrierte Versorgung, DiseaseManagement-Programme, allgemeinärztliche und fachärztliche ambulante oder stationäre Versorgung). • Das wichtige Thema der Komorbiditäten schließt gemeinsam mit • der Selbsthilfe aus ärztlicher Sicht und aus der Sicht der Betroffenen das Kontextwissen zu Asthma bronchiale und COPD ab. Was in naher Zukunft sowohl therapeutisch als auch diagnostisch und präventiv eventuell möglich sein wird, zeigt der Blick in die deutsche und internationale Forschungslandschaft am Ende des Buches.
Inhalt der Kapitel Dem Anspruch chronisch Kranker auf eine möglichst unbeeinträchtigte Teilnahme am Leben wird zurzeit durch das auf die Versorgung akuter medizinischer Fälle zentrierte deutsche Gesundheitssystem nicht ausreichend genügt. Die offenbaren Defizite werden auch mit Hilfe von Selbsthilfegruppen aufgefangen und bearbeitet. Hierdurch werden ärztliche Maßnahmen in ihrer Umsetzung unterstützt. Das grundsätzliche Einbeziehen der Patienten in jede Form der Therapie ist eine wesentliche Voraussetzung für den angestrebten Erfolg. Bei der Langzeittherapie chronischer
Vorwort
VII
Erkrankungen ist die aktive Mitarbeit der Betroffenen sogar unerlässlich. Patienteninformationen und patientenzentrierte Beratung sowie eine partizipative Entscheidungsfindung im Sinne von „shared decision making“ stärken nicht nur die Kompetenz der Patienten, sondern fördern gleichzeitig das Selbstmanagement der Betroffenen. Patientenschulungsprogramme wie „NASA“ für an Asthma bronchiale Erkrankte sowie „COBRA“ für die COPD sind ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur strukturierten Behandlung beider Krankheiten und zur Senkung laufender und zukünftiger krankheitsbezogener Ausgaben. Aktuelle Daten der Krankenkassen zeigen, wie hoch zurzeit die gesundheitsökonomischen direkten und indirekten Kosten sind [4] (ambulante, stationäre und Kosten durch Arbeitsunfähigkeit). Für die COPD-Erkrankung steigen sie mit zunehmender Schwere der Erkrankung, wobei der Großteil der Kostensteigerung auf Arztkontakte und Hospitalisierungen entfällt [5]. Eine Vermeidung wichtiger Risikofaktoren und eine frühzeitige Therapieeinleitung verzögern das Fortschreiten der Erkrankung. Früherkennungsmaßnahmen kommen daher eine besondere Bedeutung zu. Ein wichtiger Bestandteil der umfassenden Versorgung von Patienten mit Asthma bronchiale oder COPD ist die ambulante oder stationäre pneumologische Rehabilitation. Sie wird in den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen, wenn trotz adäquater ärztlicher Behandlung alltagsrelevante körperliche, psychische und soziale Krankheitsfolgen persistieren. Hierbei bemüht sich ein multidisziplinäres Team, die individuell bestmögliche physische und psychische Gesundheit und soziale Integration der Betroffenen aufrechtzuerhalten bzw. wiederzuerlangen. Dazu wird ein individuell angepasstes Therapieprogramm aus Pharmakotherapie, Trainingstherapie, physikalischer Therapie, Patientenschulung, Tabakentwöhnung und psychosozialem Support eingesetzt. Die angestrebte Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität kann ebenfalls zu einer generellen Kostenersparnis führen. Die Einführung der Disease-Management-Programme (DMP) soll die Versorgung von chronisch kranken Patienten in Deutschland entscheidend verbessern. Die Patienten sollen sich im Rahmen dieser Programme intensiver als bisher mit ihrer Erkrankung auseinander setzen und sich in Folge gesundheitsbewusster verhalten. Diese Programme basieren auf der zurzeit besten verfügbaren externen Evidenz, lassen aber auch Raum für individuelle, auf ärztliche Erfahrung gestützte Entscheidungen, die auch die Haltung des Patienten einbeziehen. Gerade in der Praxis ist dieser Freiraum sehr wichtig, da die hausärztliche Versorgung immer ein differenzierter Interaktions- und Einigungsprozess ist. Nicht nur die Diagnostik, sondern auch die Therapie der COPD und des Asthma bronchiale erfordern von den behandelnden Ärzten und Patienten gleichermaßen Können und Geduld. Dabei begleiten medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapiekomponenten die Patienten in der Regel ihr Leben lang. Voraussetzung für das Funktionieren des therapeutischen Managements sind Behandlungsnetze, die Hausarzt, Facharzt, Versorgungskrankenhaus, Rehabilitation, Selbsthilfestrukturen und den mündigen Patienten einbeziehen mit dem Ziel, die Therapie und Prognose der Volkskrankheiten Asthma bronchiale und COPD zu verbessern. Dieses Buch möchte das hierfür nötige aktuelle epidemiologische, medizinisch-therapeutische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Hintergrund- und Kontextwissen zur Verfügung stellen.
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Vorwort
Wir danken den Autorinnen und Autoren, die dieses Buch durch ihre engagierte Mitarbeit und das verständnisvolle Eingehen auf die Vorgaben der Herausgeber möglich gemacht haben, insbesondere auch der GEK als Initiatorin und Unterstützerin dieses Projektes. Wir hoffen, dass das Buch allen Akteuren – vor allem aber den betroffenen Patienten – hilfreich sein wird. Hannover und Pfronten-Ried im Mai 2007
H. Lingner K. Schultz F.-W. Schwartz
Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch die männliche Form verwendet. Damit sind jedoch gleichermaßen beide Geschlechter gemeint.
Literatur 1. Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit, Band III Über-, Unter- und Fehlversorgung. Gutachten 2001 2. Lopez AD, Murray CC. The global burden of disease, 1990-2020. Nat Med. 1998 Nov;4 (11):1241–43. 3. Geldmacher H, Urbanski K, Herbst A, Allison M, Vollmer W, Buist S, Welte T. COPD Prävalenz in Deutschland – Ergebnisse der BOLD Studie. Pneumologie 2007; 61: S7 4. Weißflog D, et al. (2001) Epidemiologie und Kosten von Asthma bronchiale und chronischer Bronchitis in Deutschland. DMW 126: 803–808 5. Rychlik R, Pfeil T, Daniel D et al. Zur sozioökonomischen Relevanz akuter Exacerbationen der chronischen Bronchitis in der Bundesrepublik Deutschland. Dtsch Med Wschr 2001; 126: 353–359
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Inhaltsverzeichnis Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV I
Daten
Epidemiologie Dennis Nowak und Erika von Mutius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Versorgungsgeschehen Thomas G. Grobe und Hans Dörning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD Ansgar D. Raadts und Uwe R. Juergens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
II
Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention Claus Kroegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Asthma bronchiale bei Kindern: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention Jens-Oliver Steiss und Hermann Lindemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 COPD: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention Stefan Andreas. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
X
Inhaltsverzeichnis
Asthma bronchiale und COPD – Bedeutung von Umwelteinflüssen Holger Schulz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Gesellschaftlicher Kontext: Schule Josef Lecheler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Gesellschaftlicher Kontext: Arbeitswelt Dennis Nowak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Sex- und Genderaspekte in Entwicklung, Prävention und Management von Asthma bronchiale und COPD Richard Lux und Ulla Walter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
III Die Rolle der Psyche Asthma und Psyche Franz Petermann und Ulrike de Vries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 COPD und Psyche Jürgen Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Asthma, COPD, Partnerschaft und Sexualität Jürg Hamacher, Thomas Linnemann, Magnus Baumhäkel, Kathrin Bernardy und Bernd Schönhofer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
IV Diagnostik und Früherkennung Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Erwachsenen Karl-Christian Bergmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Kindern Dietrich Berdel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Diagnostik und Früherkennung von COPD Tobias Welte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
Inhaltsverzeichnis
V
XI
Maßnahmen
Leitlinien Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien Peter Kardos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Nationale Versorgungsleitlinie Asthma bronchiale: Besondere Aspekte bei Kindern und Jugendlichen Dietrich Berdel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Medikamentöse Therapie Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen Dieter Ukena. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Medikamentöse Therapie von Asthma bronchiale bei Kindern und Jugendlichen Dietrich Berdel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Medikamentöse Therapie der COPD Adrian Gillissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Arzneimittelversorgung aus Sicht des Arzneimittelreports Gerd Glaeske . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Nichtmedikamentöse Therapie Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Asthma bronchiale: Erwachsene Wolfgang Petro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Asthma bronchiale: Kinder und Jugendliche Josef Lecheler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
XII
Inhaltsverzeichnis
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD Susanne Lang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Operative Therapieverfahren Georgios Stamatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Langzeit-Sauerstofftherapie Birgit Krause-Michel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Heimbeatmung bei COPD Jens Geiseler und Ortrud Karg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Disease Management Programme Dieter Köhler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
Versorgungssysteme Integrierte Versorgung bei Asthma bronchiale und COPD Klaus Kenn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Allgemeinärztliche Versorgung Carsten Kruschinski und Eva Hummers-Pradier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma bronchiale Andreas Hellmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
Rehabilitation Rehabilitation bei COPD und Asthma bronchiale: Erwachsene Konrad Schultz und Karin Taube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen Andreas van Egmond-Fröhlich und Thomas Spindler . . . . . . . . . . . . . . 385
Inhaltsverzeichnis
XIII
Komorbidität Komorbidität bei Erwachsenen Gerhard König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Komorbidität bei Kindern Josef Lecheler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
Alternative Behandlungsansätze Walter Dorsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
VI Patient – Compliance – Selbsthilfegruppen Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus der Sicht der Patienten Helmut Berck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus ärztlicher Sicht Heinrich Worth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
VII Perspektiven und Forschungspotenziale Perspektiven und Forschungspotenziale: Asthma J. Christian Virchow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Perspektiven und Forschungspotenziale: COPD Helgo Magnussen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung Heidrun Lingner, Konrad Schultz und Friedrich-Wilhelm Schwartz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
XV
Autorenverzeichnis
Prof. Dr. Stefan Andreas Leitender Arzt Lungenfachklinik Robert-Koch-Straße 3 34376 Immenhausen Dr. med. Markus Baumhäkel Klinik für Innere Medizin III/ Kardiologie Universitätsklinikum des Saarlandes 66421 Homburg/Saar Dr. rer. pol. Helmut Berck Vorsitzender Patientenliga Atemwegserkrankungen e. V. Lindenstraße 26 55130 Mainz Prof. Dr. med. Dietrich Berdel Marien Hospital Wesel GmbH Pastor-Janßen-Straße 8-38 46483 Wesel Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann Allergie-Centrum Charité (ECARF) Klinik für Dermatologie und Allergologie Luisenstraße 2-5 10117 Berlin
Dr. phil. Kathrin Bernardy Fachklinik für Psychosomatische Medizin Bliestal Kliniken Am Spitzenberg 66440 Blieskastel Dipl.-Soz.Wiss. Hans Dörning Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung ISEG Lavesstraße 80 30159 Hannover Prof. Dr. med. W. Dorsch Arzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Allergologie, Pädiatrische Pneumologie, Naturheilverfahren Aidenbachstraße 118 81379 München Dr. med. Andreas van Egmond-Fröhlich Kinder-Reha-Klinik „Am Nicolausholz“ Elly-Kutscher-Straße 16 06628 Bad Kösen Prof. Dr. med. Jürgen Fischer Klinik Norderney der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Klinik der Universität Witten/Herdecke Kaiserstraße 26 26548 Norderney
XVI Dr. med. Jens Geiseler Klinik für Intensivmedizin und Langzeitbeatmung Asklepios Fachkliniken MünchenGauting Robert-Koch-Allee 2 82131 Gauting Prof. Dr. med. Adrian Gillissen Robert-Koch-Klinik Thoraxzentrum des Klinikums St. Georg Nikolai-Rumjanzew-Straße 100 04207 Leipzig Prof. Dr. Gerd Glaeske Universität Bremen Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung Parkallee 39 28209 Bremen Dr. med. Thomas G. Grobe, MPH Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung ISEG Lavesstraße 80 30159 Hannover Dr. med. Jürg Hamacher Klinik für Innere Medizin V/ Pneumologie Universitätsklinikum des Saarlandes 66421 Homburg/Saar Dr. med. Andreas Hellmann Lungenzentrum Augsburg Grottenau 2 86150 Augsburg
Autorenverzeichnis Prof. Dr. med. Eva Hummers-Pradier Medizinische Hochschule Hannover Allgemeinmedizin OE 5440 Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Prof. Dr. med. Uwe R. Juergens Leiter des Schwerpunkts Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin Medizinische Universitäts-Poliklinik Bonn Wilhelmstraße 35-37 53111-Bonn Dr. med. Peter Kardos Gemeinschaftspraxis & Zentrum Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin Klinik Maingau vom Roten Kreuz Scheffelstraße 33 60318 Frankfurt am Main Dr. med. Ortrud Karg Klinik für Intensivmedizin und Langzeitbeatmung Asklepios Fachkliniken MünchenGauting Robert-Koch-Allee 2 82131 Gauting Dr. Klaus Kenn Chefarzt Pneumologie Klinikum Berchtesgadener Land Schön Kliniken Malterhöh 1 83471 Schönau am Königssee Prof. Dr. med. Dieter Köhler Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft Zentrum für Pneumologie, Allergologie, Beatmungs- und Schlafmedizin Annostraße 1 57392 Schmallenberg/Grafschaft
Autorenverzeichnis Prof. Dr. med. Gerhard König Klinikum Memmingen Bismarckstraße 23 87700 Memmingen Dr. Birgit Krause-Michel Oberärztin Zentrum Innere Medizin – LungenZentrum Kliniken des Berchtesgadener Land GmbH Kreiskrankenhaus Bad Reichenhall Riedelstraße 5 – 35 83435 Bad Reichenhall Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Claus Kroegel Pneumologie und Allergologie Medizinische Klinik IV Friedrich-Schiller-Universität Erlanger Allee 101 07747 Jena Dr. med. Carsten Kruschinski Medizinische Hochschule Hannover Allgemeinmedizin OE 5440 Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover PD Dr. med. Susanne Lang Karl-Hansen-Klinik Antoniusstraße 19 33175 Bad Lippspringe Dr. med. Josef Lecheler CJD Asthmazentrum Berchtesgaden Buchenhöhe 46 83471 Berchtesgaden
XVII Prof. Dr. med. Hermann Lindemann Funktionsbereich Pädiatrische Pneumologie und Allergologie Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg GmbH Feulgenstraße 12 35385 Gießen Dr. med. Heidrun Lingner Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Thomas Linnemann Klinik für Innere Medizin V/ Pneumologie Universitätsklinikum des Saarlandes 66421 Homburg/Saar Dr. med. Richard Lux, MPH Stiftungslehrstuhl Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Medizinische Hochschule Hannover (MHH) OE 5410 Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Prof. Dr. Helgo Magnussen Krankenhaus Großhansdorf Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie Lehrstuhl für Innere MedizinPneumologie Schleswig-Holstein Universität Campus Lübeck Wöhrendamm 80 22927 Großhansdorf
XVIII Prof. Dr. med. Erika von Mutius Dr. von Haunersche Kinderklinik Kinikum der Ludwig-MaximiliansUniversität München, Innenstadt Lindwurmstraße 4 80337 München Prof. Dr. med. Dennis Nowak Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin Ludwig-Maximilians-Universität Ziemssenstraße 1 80336 München Prof. Dr. phil. Franz Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen Grazer Straße 6 28359 Bremen Prof. Dr. med. Wolfgang Petro Klinik Bad Reichenhall Zentrum für Rehabilitation Pneumologie und Orthopädie Salzburger Straße 8-11 83435 Bad Reichenhall Dr. med. Ansgar D. Raadts Medizinische Universitäts-Poliklinik Bonn Abt. Pneumologie und Allergologie Wilhelmstraße 35-37 53111 Bonn Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer Abteilung für Pneumologie und internistische Intensivmedizin Krankenhaus Oststadt-Heidehaus, Klinikum Region Hannover Podbielskistraße 380 30659 Hannover
Autorenverzeichnis Dr. med. Konrad Schultz Fachklinik Allgäu Peter-Heel-Straße 29 87459 Pfronten-Ried Prof. Dr. med. Holger Schulz GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit GmbH Institut für Inhalationsbiologie Ingolstädter Landstraße 1 85764 Neuherberg Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Schwartz Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Dr. med. Thomas Spindler Fachkliniken Wangen Waldburg-Zeil Kliniken Am Vogelherd 14 88239 Wangen/Allgäu Prof. Dr. med. Georgios Stamatis Abteilung für Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie Ruhrlandklinik Tüschener Weg 40 45239 Essen Dr. med. Jens-Oliver Steiß Funktionsbereich Pädiatrische Pneumologie und Allergologie Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg GmbH Feulgenstraße 12 35385 Gießen
Autorenverzeichnis Dr. med. Karin Taube Atem-Reha Jungestraße 10 20535 Hamburg Prof. Dr. med. Dieter Ukena Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin Leiter des Interdisziplinären Lungenzentrums Klinikum Bremen-Ost gGmbH Züricher Straße 40 28325 Bremen Prof. Dr. J. Christian Virchow Abteilung für Pneumologie Klinik für Innere Medizin Ernst-Heydemann-Straße 6 18057 Rostock Dr. phil. Ulrike de Vries Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen Grazer Straße 6 28359 Bremen
XIX Prof. Dr. phil. Ulla Walter Stiftungslehrstuhl Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Medizinische Hochschule Hannover (MHH) OE 5410 Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Prof. Dr. med. Tobias Welte Abteilung für Pneumologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Prof. Dr. med. Heinrich Worth Klinikum Fürth Medizinische Klinik 1 Jakob-Henle-Straße 1 90766 Fürth
I
Daten
Epidemiologie
3
Epidemiologie Dennis Nowak und Erika von Mutius, München
1
Epidemiologie des Asthma bronchiale
1.1
Definition
Das Asthma bronchiale ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege, die durch eine bronchiale Überempfindlichkeit (Hyperreaktivität) und eine variable Atemwegsobstruktion charakterisiert ist [13, 31].
1.2
Epidemiologie
Für die Erfassung der Erkrankung in epidemiologischen Studien werden unterschiedliche Operationalisierungen der vorstehend genannten Definition eingesetzt [59]. Ein ärztlich diagnostiziertes Asthma bronchiale liegt bei etwa 10 % der Kinder [38] und 5 % der Erwachsenen zwischen 20 und 44 Jahren [38a] vor. Repräsentative Erhebungen in Deutschland zeigen Prävalenzen von etwa 9–14 % im Kindesalter [87] und 4–5 % bei Erwachsenen [35, 57]. Die Häufigkeit des Asthma bronchiale ist in den hochentwickelten westlichen Ländern wesentlich höher als in Osteuropa und den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern. In den westlichen Ländern hat die Prävalenz des Asthma bronchiale in den letzten vier Dekaden deutlich zugenommen. Einige neuere Studien im Kindesalter [2, 12, 42, 68] und Erwachsenenalter [27, 80] deuten an, dass die Zunahme asthmatischer Erkrankungen in westlichen Ländern teilweise zum Stillstand zu kommen scheint. Auch die in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende dramatische Zunahme atopischer Sensibilisierungen scheint sich einigen aktuellen Studien zufolge zu verlangsamen [22, 58]. Die große geographische Heterogenität zwischen den Prävalenzentwicklungen asthmatischer Erkrankungen einerseits und atopischer Sensibilisierungen andererseits impliziert, dass den jeweiligen zeitlichen Trends im Wesentlichen unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen [22, 58]. Eine aktuelle internationale Darstellung der Prävalenzentwicklung diagnostizierter Asthmaerkrankungen und von Asthmasymptomen findet sich in Abb. 1. Darüber hinaus gibt Abb. 2 Auskunft über die Prävalenzentwicklung der Atemwegsüberempfindlichkeit. Die Asthmamortalität in Deutschland hat in den letzten 10 Jahren um etwa ein Drittel abgenommen. Die Abnahme der Mortalität betrifft alle Altersgruppen einschließlich der kindlichen Asthma-Todesfälle. Diese erfreuliche Entwicklung wird im Wesentlichen
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Dennis Nowak und Erika von Mutius, München
Abb. 1.
Prävalenzentwicklung diagnostizierter Asthmaerkrankungen (a) und von Asthmasymptomen (b) bei Kindern und jungen Erwachsenen über die Zeit [22]
Abb. 2.
Prävalenzentwicklung der Atemwegsüberempfindlichkeit bei Kindern und jungen Erwachsenen über die Zeit [22]
Epidemiologie
5
der inzwischen weitgehend etablierten Therapie mit inhalativen Corticosteroiden zugeschrieben [39].
2
Risikofaktoren und protektive Faktoren beim Asthma bronchiale
2.1
Genetik
Die genetische Prädisposition ist ein gesicherter Risikofaktor für die Entstehung von Asthma und Allergie. Der Anteil der genetischen Prädisposition an der Krankheitsentstehung wird auf bis zu 75 % geschätzt. Dabei stellt das Asthma bronchiale ein komplexes Syndrom mit vielen verschiedenen Erscheinungsformen dar, die sich vom Säuglingsalter über das Vorschul- und Schulalter bis in das Erwachsenenalter hin entwickeln. Kandidatengene, deren Polymorphismen eine Bedeutung für die Entwicklung einer asthmatischen Erkrankung zu spielen scheinen, sind in Tabelle 1 [78] aufgeführt. Derzeit erscheint es bei der Vielzahl der potentiellen Kandidatengene und der zahlreichen Kopplungssignale unklar, wie ein sehr wahrscheinlich komplexer genetischer Hintergrund die Manifestation der verschiedenen Erkrankungsformen beeinflusst. Die wesentliche Herausforderung für die Zukunft besteht nach unserer Auffassung darin, herauszufinden, auf welche Art Gene, die zum asthmatischen Phänotyp prädisponieren, mit Umweltfaktoren interagieren, so dass es zur asthmatischen Erkrankung kommt. Ein aktuelles Beispiel einer Gen-UmweltInteraktion besteht in der Passivrauchexposition. Es ist gut belegt, dass eine Passivrauchexposition nicht nur zur Entstehung rezidivierender obstruktiver Bronchitiden und zum Asthma bronchiale im Kindesalter führt, sondern auch die Ruhe-Lungenfunktion beeinträchtigt. Auf Populationsebene sind diese Effekte zwar konsistent, insgesamt aber gering ausgeprägt. Bei Identifikation der suszeptiblen Individuen werden diese Effekte allerdings deutlich mit Einbußen der Lungenfunktion um bis zu 30 % [30, 82]. Bei aller Faszination über die Fortschritte in der Analyse solcher Gen-Umwelt-Interaktionen wird die Kenntnis genetischer Mechanismen für die Entwicklung asthmatischer Erkrankungen jedoch nur dann von echtem klinischen Nutzen sein, wenn hieraus Präventionsmöglichkeiten oder Therapieadaptierungen resultieren. Ersteres würde Anhaltspunkte geben, welche Kinder beispielsweise vor Passivrauchexposition besonders zu Tabelle 1. Kandidatengene mit potentieller Bedeutung für die Entwicklung eines Asthma bronchiale (Auswahl) Chromosom
Kandidatengen
5q
Th2-Zytokin-Cluster (IL-4, 5, 9, 13)
6q
Tumor-Nekrosefaktor α, MHC
11q
Clara-Zell-sekretorisches Protein, hochaffiner IgE-Rezeptor, β-Untereinheit (FcεRIβ)
12q
Interferon γ
14q
T-Zell-Rezeptor α/δ-Komplex
16q
Interleukin-4R α
20p
ADAM33
6
Dennis Nowak und Erika von Mutius, München
schützen wären oder welche Personen bestimmte Berufe mit absehbar hoher Allergenexposition (Bäckereiberufe, Berufe mit Felltierkontakten) besser meiden sollten [48]. Letzteres könnte helfen, eine „maßgeschneiderte“ Therapie zu adaptieren.
2.2
Geschwisterzahl, Kinderkrippe, Infekte, „Hygiene-Hypothese“
Kinder mit älteren Geschwistern wie auch Kinder, die in den ersten Lebensjahren in einer Kinderkrippe waren, weisen ein bis auf die Hälfte erniedrigtes Heuschnupfen- bzw. Atopierisiko auf. Für das Asthma bronchiale sind die Geschwister-Effekte geringer ausgeprägt [4, 44, 76, 84, 86], für den Krippenbesuch allerdings ebenso stark nachweisbar. Den potentiell protektiven Effekten frühkindlicher Virusinfekte der oberen Atemwege auf die Entwicklung allergischer Sensibilisierungen steht indessen die vermehrte Manifestation bronchitischer und obstruktiv-bronchitischer Erkrankungen im Säuglingsalter gegenüber, wenn Kinder in den ersten Lebensjahren in Kinderkrippen untergebracht waren. Illi et al. [37] zeigten in der MAS-Kohortenstudie, dass vermehrte rhinitische Infekte im ersten Lebensjahr mit einer verminderten Inzidenz asthmatischer Erkrankungen bis zum 7. Lebensjahr einhergehen, während wiederholte Infekte der unteren Atemwege in den ersten drei Lebensjahren mit einem gehäuften Auftreten pfeifender Atemgeräusche assoziiert waren. Verschiedentlich konnte gezeigt werden, dass eine hohe Tuberkulosedurchseuchung mit erniedrigten Asthmahäufigkeiten einhergeht [83, 88]. Impfungen gegen Masern, Keuchhusten und Tuberkulose haben jedoch insgesamt keinen einheitlichen Einfluss auf die Manifestation asthmatischer Erkrankungen gezeigt [88]. Auch der Einsatz von Antibiotika in den ersten drei Lebensjahren ist nicht eindeutig ein Risikofaktor für die Entwicklung asthmatischer Erkrankungen bis zum 7. Lebensjahr [16]. Infektionen mit Hepatitis A, Toxoplasma gondii und Helicobacter pylori gehen mit deutlich erniedrigten Heuschnupfen- und Asthmarisiken einher [50, 51]. Eine ganze Reihe von Studien in den letzten fünf Jahren konnte zeigen, dass das Aufwachsen von Kindern auf landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung mit deutlich verminderten Raten atopischer Sensibilisierung und asthmatischer Erkrankungen einhergeht [11, 67]. Der Effekt hält bis ins Erwachsenenalter an [66]. Auch findet man bei großen repräsentativ gezogenen Kollektiven von Landwirten insgesamt seltener asthmatische Atemwegserkrankungen als bei nicht-landwirtschaftlichen Vergleichspopulationen [63]. Mechanistisch wird vermutet, dass im ersten Lebensjahr eine hohe Exposition gegenüber Faktoren, die im Stallbereich eine Rolle spielen (beispielsweise Endotoxine), eine protektive Wirkung durch Modulation der angeborenen Immunität entfalten.
2.3
Allergenexposition
Es ist einleuchtend, dass es ohne Allergenexposition beispielsweise gegenüber Birkenpollen oder Katzenallergen kein allergisches Asthma auf Birkenpollen oder Katzen gäbe. Der Umkehrschluss, dass das Ausmaß der Allergenexposition die Entwicklung allergischer Erkrankungen fördert, ist aber nur bedingt zulässig. Es ist hinreichend belegt, dass im Kindesalter mit steigenden Konzentrationen von Innenraumallergenen das Risiko, eine entsprechende Sensibilisierung zu entwickeln, steigt. Dies ist sowohl für Sensibilisierung auf Hausstaubmilben- als auch auf Katzenepithelien in mehreren Studien gezeigt worden. Verschiedene Schwellenwerte sind in der Literatur vorgeschlagen worden, doch zweifeln neueste Untersuchungen diese Werte an. Bei familiär prädisponierten Personen sind
Epidemiologie
7
schon sehr geringe Allergenkonzentrationen mit einem Sensibilisierungsrisiko verbunden [45]. Ob die Exposition gegenüber Umweltallergenen die Neuentstehung von Asthma in ähnlicher Weise beeinflusst, scheint weniger wahrscheinlich. Beispielsweise hatten Kinder, die in einem annähernd milbenfreien Milieu in Neu Mexiko oder den Alpen aufwuchsen, keine niedrigere Prävalenz von Asthma und obstruktiven Atemwegsbeschwerden als Kinder, die in einer feuchten, milbenreichen Gegend aufwuchsen [73]. Die kürzlich publizierten Ergebnisse der deutschen „MAS“-Geburtskohorte bestätigten diese Befunde insofern, als kein Zusammenhang zwischen der Milben- bzw. Katzenallergenkonzentration im Hausstaub und der Entwicklung eines Asthma bronchiale zu finden war [45]. Somit erscheint es derzeit fragwürdig, ob durch eine Reduktion der Allergenkonzentrationen im Wohnbereich nicht nur der allergischen Sensibilisierung, sondern auch der Manifestation eines Asthma bronchiale vorgebeugt werden kann. Neueste Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass eine Haustierhaltung im ersten Lebensjahr des Kindes eher einen protektiven Effekt auf die Entstehung eines Asthma bronchiale haben kann. Insgesamt mangelt es den Ergebnissen dieser Studien aber an Konsistenz [4, 61]. Auch bleibt unklar, ob Kinder mit einer positiven Familienanamnese besonders oder gar nicht davon profitieren. Diese Beobachtungen müssen nicht notwendigerweise mit der Allergenbelastung zusammenhängen. Es ist vielmehr denkbar, dass andere Faktoren, wie z.B. eine gewisse mikrobielle Exposition, die mit einer Haustierhaltung einhergeht [89], den beobachteten Befunden zugrunde liegt. Verschiedentlich hat sich gezeigt, dass beispielsweise Katzen- und Hundeallergene über weite Strecken verschleppt werden und in öffentlichen Gebäuden nahezu ubiquitär vorkommen können [19]. Es gibt Kinder mit einer Sensibilisierung gegenüber Katzenallergen, die niemals in einem Haushalt mit Katzenhaltung gelebt haben [69]. Der zentrale Stellenwert einer Allergenkarenz bei klinisch manifester Sensibilisierung ist dabei im Prinzip unbestritten. Im Erwachsenenalter stellen berufsbedingte Sensibilisierungen durch inhalative Allergene einen bedeutsamen Risikofaktor für das Berufsasthma dar. Bei Expositionen gegenüber beispielsweise Rattenallergen [55], Allergen in Mehlstäuben [34] und anderen [8] bestehen klare Dosis-Wirkungs-Beziehungen hinsichtlich der klinischen Endpunkte „Sensibilisierung“ und „Asthma bronchiale“. Bei sensibilisierten Personen ist der longitudinale Abfall ventilatorischer Reserven größer als bei Nicht-Sensibilisierten [62].
2.4
Ernährung
Verschiedene Studien zeigen ein erhöhtes Asthmarisiko, wenn wenig Vitamin E, wenig Vitamin C, wenig Magnesium und wenig omega-3-mehrfach ungesättigte Fettsäuren konsumiert werden. Gleichermaßen scheint das Asthmarisiko erhöht, wenn viel Kochsalz und vermehrt omega-6-mehrfach ungesättigte Fettsäuren konsumiert werden. Interventionsstudien ergeben jedoch keine klaren Befunde, die eine relevante Kausalität von Ernährungsfaktoren erkennen lassen [29](Fogarty et al. 2000).
8
2.5
Dennis Nowak und Erika von Mutius, München
Übergewicht
Übergewicht ist nach neueren Erkenntnissen ein unabhängiger Risikofaktor für asthmatische Erkrankungen, der bei weiblichen Personen einen größeren Einfluss zu haben scheint als bei männlichen. Das Übergewicht als Risikofaktor für asthmatische Erkrankungen ist dabei offensichtlich unabhängig von allergologischen Mechanismen [15, 74]. Es ist vorstellbar, dass Faktoren der Atemwegsgeometrie eine Rolle spielen. Körperliche Inaktivität ist ein Risikofaktor nicht nur für Adipositas, sondern offensichtlich auch für Asthma.
2.6
Luftschadstoffe
Für die Verschlechterung asthmatischer Symptome bei Exposition gegenüber umweltoder arbeitsplatzbedingt hohen Expositionen von Partikeln, Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Ozon gibt es eine Vielzahl von Hinweisen aus epidemiologischen Studien. Eine Zunahme asthmatischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten, in denen die Luftschadstoffbelastung (mit Ausnahme der Anzahl kleiner Partikel) in vieler Hinsicht abgenommen hat, spricht jedoch zunächst a priori gegen eine wesentliche Bedeutung der Luftschadstoffe in der Entstehung asthmatischer Erkrankungen. Unterstützt wird diese Feststellung insbesondere durch die Befunde von Querschnittsuntersuchungen aus dem osteuropäischen Raum [9, 85]. Gleichwohl bestehen gewisse Hinweise auf die mögliche Auslösung asthmatischer Erkrankungen durch eine Exposition gegenüber hoher Verkehrsbelastung [60], wobei sozioökonomische Störgrößen und Interaktionen mit anderen Faktoren eine Rolle spielen mögen [21]. Bedenkt man, dass der moderne Mensch im Mittel etwa 90 % seiner Zeit in Innenräumen verbringt, rückt die Bedeutung von Innenraum-Luftschadstoffen gegenüber Agenzien in der Außenluft stärker in den Vordergrund. Die Bedeutung chemischer Irritanzien wie flüchtiger organischer Verbindungen (VOC, volatile organic compounds) für die Entstehung asthmatischer Erkrankungen ist nicht geklärt [20]. Feuchtigkeit in gut isolierten, wenig gelüfteten Gebäuden spielt offensichtlich eine konsistentere Rolle für die Entstehung asthmatischer Erkrankungen [10]. Die quantitativ bedeutsamsten Faktoren für die Asthmaentstehung in Innenräumen sind jedoch zweifelsohne Allergenexposition und Passivrauchbelastung [24].
2.7
Passivrauchexposition
Die Passivrauchexposition in Innenräumen ist quantitativ und qualitativ von besonderer Bedeutung nicht nur für die Verschlimmerung, sondern konsistenten Studienergebnissen zufolge auch für die Auslösung asthmatischer Erkrankungen. Dies gilt sowohl für das Kindesalter [40] wie auch für das Erwachsenenalter [41, 64, 65]. Damit gehört die Passivrauchexposition zu den prinzipiell am einfachsten zugänglichen, weil vollständig vermeidbaren Risikofaktoren für die Entstehung eines Asthma. Eine konsequente, positiv eingestellte Raucherberatung und Tabakentwöhnung wird die Passivrauchproblematik – gewissermaßen als Nebeneffekt – langfristig günstig beeinflussen.
Epidemiologie
3
Epidemiologie der COPD
3.1
Definition
9
Der Begriff der COPD (chronic obstructive pulmonary disease) umfasst die chronisch obstruktive Bronchitis, das Lungenemphysem und deren Kombinationen, schließt das Asthma hingegen aus. Nach der WHO-Definition liegt eine chronische Bronchitis vor, wenn Husten und Auswurf über wenigstens 3 Monate in mindestens 2 aufeinander folgenden Jahren bestehen. Das Lungenemphysem wird pathologisch-anatomisch definiert als irreversible Erweiterung und Destruktion der Lufträume distal der terminalen Bronchiolen [32, 81].
3.2
Epidemiologie
Weltweit ist die COPD gegenwärtig die vierthäufigste Todesursache. Für die nächsten Jahrzehnte ist ein weiterer Anstieg von Prävalenz, Morbidität und Mortalität zu erwarten [47, 54], so dass die COPD im Jahre 2020 unter den häufigsten Todesursachen auf den 3. Platz (Abb. 3) und bezüglich der Krankheitsfolgen – gemessen an der Summe aus den Jahren, die durch vorzeitigen Tod verloren gegangen sind, und aus den Jahren, die mit einer Schweregrad-gewichteten Behinderung (DALY: disability adjusted life years) gelebt wurden – von Rang 12 auf Rang 5 der 15 weltweit häufigsten Erkrankungen vorrücken wird. Damit entwickelt sich der Trend der COPD gegenläufig zu vielen anderen häufigen Erkrankungen, insbesondere des Herz-Kreislauf-Systems (Abb. 4). Die Prävalenz der chronischen Bronchitis wird bei der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland auf 10–15 % geschätzt ([56], Übersicht bei [26]). Der Anteil der chronisch obstruktiven Bronchitis – Husten, Auswurf und Atemwegsobstruktion – an der Gesamtprävalenz ist nicht genau bekannt.
Erkrankungen 1990
Erkrankungen 2020
1. Herzkranzgefäßerkrankungen
1. Herzkranzgefäßerkrankungen
2. Schlaganfall
2. Schlaganfall
3. Lungenentzündung
3. COPD
4. Durchfallerkrankungen
4. Lungenentzündung
5. Säuglingssterblichkeit
5. Lungenkrebs
6. COPD
6. Verkehrsunfall
7. Tuberkulose
7. Tuberkulose
8. Masern
8. Magenkrebs
9. Verkehrsunfall
9. HIV/AIDS
10. Lungenkrebs
10. Selbstmord
Abb. 3.
Mortalitätsentwicklung der COPD weltweit (1990 und Projektion 2020) [54]
10
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3,0 KHK
Schlaganfall
Andere kardiovaskuläre Ereignisse
COPD
–64 %
–35 %
+163 %
1965–1998
1965–1998
1965–1998
2,5 2,0
Andere Ursachen
1,5 1,0 0,5 –59 %
0,0
1965–1998 Abb. 4.
–7 % 1965–1998
Altersbereinigte Änderung von Todesraten in den USA in % (1965–1998) (aus [32])
In den offiziellen deutschen Sterbestatistiken nimmt nach den Angaben des Statistischen Bundesamts die chronische Bronchitis mit etwa 10 000 Männern und Frauen im Jahr keinen vorderen Platz ein. Da sich diese Zahlen aber auf globale Angaben aus den Totenscheinen und den ICD 9-Ziffern 490 (Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet) und 491 (Chronische Bronchitis) beziehen, ist eine erhebliche Unterschätzung der Mortalität der Bronchitis zu unterstellen.
4
Risikofaktoren der COPD
4.1
Genetik
Der am besten untersuchte Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD ist der Alpha1-Proteinase-Inhibitormangel, der rezessiv vererbt wird [75]. Ein vorzeitiger und beschleunigter Abfall der Lungenfunktion stellt sich vorrangig bei Rauchern mit schwerem Alpha-1-Proteinase-Inhibitormangel ein. Darüber hinaus zeigt sich auch ein familiäres COPD-Risiko bei rauchenden Geschwistern von Patienten mit schwerer COPD [52], welches nahelegt, dass genetische Faktoren die Suszeptibilität für die Entstehung einer COPD erhöhen. Linkage-Analysen haben gezeigt, dass Suszeptibilitätsgene an verschiedenen Stellen des Genoms zu finden sind, insbesondere auf dem Chromosom 2q. Assoziationsstudien weisen auf die Rolle verschiedener Gene in der COPD-Pathogenese hin. Hierzu gehören TGF-β1, mEPHX1 und TNFalpha [32].
4.2
Rauchen
Es ergibt keinerlei Zweifel, dass der Tabakkonsum den wichtigsten Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD darstellt. Es besteht eine direkte Dosis-Antwort-Beziehung zwischen Quantität des Rauchens und Verschlechterung der Lungenfunktion, gemessen
Epidemiologie
11
als Sekundenkapazität (FEV1, forciertes Exspirationsvolumen in 1 s), und es besteht seit den klassischen Studien zu diesem Thema [14, 28] auch kein Zweifel, dass sich nach Aufgabe des Rauchens die Lungenfunktion weniger schnell verschlechtert [3]. Andererseits entwickeln nur 10–20 % aller Raucher eine COPD [3]. Diese Zahl ist vermutlich eine Unterschätzung. In einer Studie aus den USA über Todesursachen im Jahr 1993 ergab sich, dass Raucher das 6-fache Risiko an COPD zu versterben aufwiesen als Nichtraucher, allerdings hatten 16,7 % der an COPD Verstorbenen nie geraucht [53]. In einer dänischen Studie mit 19709 Patienten mit COPD hatten 20,3 % nie geraucht [33], dagegen hatten in einer Untersuchung in einer niedergelassenen pneumologischen Praxis in Deutschland bei 210 Patienten mit COPD nur 5,5 % nie geraucht [43]. Somit ist Tabakkonsum die wichtigste, sicher jedoch nicht die alleinige Ursache der COPD. Unter der Annahme, dass etwa 80 % der Patienten mit COPD rauchen, ergeben sich für die Primärprävention 2 Abschätzungen: Wäre das Rauchen bei einem Raucher alleinige Ursache der COPD, würde bei einem völligen Verzicht auf Tabakkonsum bei einer Prävalenz von 5 % 12.44 Mrd. × 80/100 € entsprechend 9,952 Mrd. € pro Jahr einzusparen sein. Wäre das Rauchen bei jedem 2. Raucher alleinige Ursache der COPD, wäre durch einen generellen Tabakverzicht immerhin noch 5,5 Mrd. € pro Jahr einzusparen. Dieses Einsparpotential stimmt mit einer anderen Berechnung über die Kosten des Rauchens mittels statistischer Betrachtung (Medline, Deutsches Institut für Dokumentation, Statistiken von Versicherungen etc.) überein, die 5.5 Mrd. € pro Jahr für das Rauchen bzgl. der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung berechneten [70]. Dabei bleiben sowohl die Kosten der Komplikationen der COPD wie Depressionen und Osteoporose als auch der ungünstige Einfluss der COPD auf Begleiterkrankungen wie Koronare Herzkrankheit unberücksichtigt [18].
4.3
Arbeitsplatzexpositionen
Berufliche Einflüsse werden in der Pathogenese der COPD vielfach unterschätzt [36, 49, 79]. Die US-amerikanische Längsschnitt-Analyse von nahezu 10.000 Erwachsenen zwischen 30 und 75 Jahren (NHANES III) zeigte einen der Arbeitsplatzexposition attributablen Kausalanteil für die Entstehung einer COPD von 19,2 % insgesamt. Bei Personen, die nie geraucht hatten, lag er bei 31,1 % [36]. Diese Zahlen sind konsistent mit der Schätzung der American Thoracic Society überein, der zufolge Arbeitsplatzeinflüsse für 10–20 % der Symptome bzw. funktionellen Einschränkungen bei Patienten mit COPD verantwortlich sind [6]. Zu denjenigen Arbeitsplatzeinflüssen, die geeignet sind, eine COPD auszulösen, gehören die in Tabelle 2 genannten Stoffe.
4.4
Innenraumluftschadstoffe
In Ländern, in welchen man in Innenräumen auf offenem Feuer mit Holz, Tierdung und anderweitiger Biomasse unter schlechten Abzugsbedingungen heizt oder kocht, findet man hierdurch vermehrt COPD-Fälle, insbesondere bei (Haus-)Frauen [25]. Hierzulande ist eine Passivrauchbelastung als eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung einer COPD zu nennen [23, 64]. Dieser wird sich im Wesentlichen bei lebenslangen Nichtrauchern manifestieren.
12
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Tabelle 2. Stoffe, die eine COPD auslösen können (nach [7]) Mineralische Stoffe
Kohlengrubenstäube Asbest Künstliche Mineralfasern
Portland-Zement Quarz Silikate
Metalle
Osmium Vanadium
Schweißrauche
Organische Stäube
Baumwolle Getreidestäube
Holzstäube
Chemikalien / Gase / Dämpfe Ammoniak Ölnebel Feuerlöscharbeiten Cadmium
4.5
Isocyanate Schweißrauche Passivrauch
Außenluftschadstoffe
Der Beitrag von Außenluftschadstoffen für die Entwicklung einer COPD ist angesichts des alles überragenden Einflusses des Zigarettenrauchens schwierig zu beurteilen. Bei Nichtrauchern zeigt sich indes ein diskreter adverser Effekt der langfristigen Belastung mit fossilen Verbrennungsprodukten insbesondere durch den städtischen Kraftfahrzeugverkehr auf ventilatorische Parameter [1].
4.6
Weitere Risikofaktoren
Ein vermindertes Geburtsgewicht und vermindertes Lungenwachstum [46, 77] sind Risikofaktoren, die zu einer eingeschränkten Lungenfunktion und zu einer COPD beitragen können. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Frauen für die Effekte des Zigarettenrauchs hinsichtlich der Entwicklung einer COPD suszeptibler sind als Männer [72]. Schwere Atemwegsinfekte in der Kindheit leisten einen Beitrag für später eingeschränkte Lungenfunktion [77]. Mangelernährung ist vermutlich ein weiterer Risikofaktor für die COPD [90], was sich im Extremfall einer Anorexia nervosa mit Ausbildung emphysematischer Veränderungen zeigt [17]. Schließlich ist ein vorbestehendes Asthma ein Risikofaktor für die Entwicklung einer irreversiblen Obstruktionsstörung im Sinne einer COPD [71].
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Epidemiologie
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Dennis Nowak und Erika von Mutius, München
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Versorgungsgeschehen
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Versorgungsgeschehen Thomas G. Grobe und Hans Dörning, Hannover
Das vorliegende Kapitel liefert Informationen zum Thema Asthma und COPD, die aus administrativen Daten einer Krankenkasse gewonnen werden können. Entsprechende Daten erlauben Aussagen zur Häufigkeit und bevölkerungsbezogenen Verbreitung von ausgewählten Diagnosen in der Routineversorgung, Aussagen zu Assoziationen von ausgewählten Diagnosen zu anderen Merkmalen und Diagnosen und damit Aussagen über die Bedeutung der Diagnosen bzw. Erkrankungen für die Inanspruchnahme von Leistungen in unterschiedlichen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung.
1
Allgemeine Anmerkungen zu administrativen Daten
Hinweise auf spezifische Erkrankungen im Allgemeinen, also auch Hinweise auf Asthma und COPD im Speziellen, ergeben sich in den Daten einer Krankenkasse primär, sofern im Rahmen der Dokumentation zur medizinischen Versorgung bei Versicherten explizit eine entsprechende Diagnose erfasst wurde. Dies geschieht beispielsweise im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung und bei Krankenhausbehandlungen. Zudem sind indirekte Rückschlüsse auf Erkrankungen möglich, sofern diese durch spezifische Therapien behandelt werden und die Therapien, z.B. spezifische Arzneiverordnungen, ihrerseits in den Daten erfasst werden. Daten von Krankenkassen beinhalten erkrankungsbezogene Informationen regelmäßig und in beiden Fällen also nur dann, wenn Erkrankungen auch zu Inanspruchnahmen von Leistungen geführt haben [4].
2
Untersuchungspopulation, verwendete Daten
Im Rahmen dieses Kapitels werden Ergebnisse präsentiert, die auf der Basis von Routinedaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK) ermittelt wurden. In der GEK waren bundesweit im Jahr 2004 ca. 1,4 Mio. Personen und damit etwa 1,7 % der deutschen Bevölkerung versichert (2005: ca. 1,5 Mio. entsprechend 1,8 % der Bevölkerung). Die GEK zählt entsprechend der traditionellen Zuordnung von Kassen innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung zu den Arbeiterersatzkassen. Obwohl die Population, insbesondere im Hinblick auf die Zusammensetzung von Berufsgruppen, somit nicht als repräsentativ gelten kann, boten gesundheitsbezogene Auswertungen bislang nur wenig Anlässe, eine weitgehende Übertragbarkeit von Ergebnissen auf die bundesdeutsche Bevölkerung bzw. auf die im Rahmen einer Auswertung explizit eingegrenzten Subpopulationen in Zweifel zu ziehen, sofern bei der Ergebnisermittlung für Einflüsse der nicht-repräsentativen Geschlechts- und Altersstruktur adjustiert wurde. Im Sinne einer entsprechenden Adjustie-
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Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover
rung werden im vorliegenden Kapitel geschlechts- und altersstandardisierte Ergebnisse präsentiert, wobei als Referenzpopulation die durchschnittliche Bevölkerung Deutschlands im Jahr 2004 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verwendet wurde (online unter auch www.gbe-bund.de verfügbar). Im Hinblick auf erkrankungsspezifische Auswertungen stehen aktuell Daten aus einer Reihe unterschiedlicher Leistungsbereiche zu unterschiedlichen Erhebungszeiträumen zur Verfügung. Nachfolgend näher betrachtet werden sollen Ergebnisse zu Krankenhausbehandlungen sowie insbesondere zur ambulanten ärztlichen Versorgung.
2.1
Erfassung von Diagnosen, ICD10-Schlüssel für Asthma und COPD
Die Erfassung von Erkrankungen in administrativen Datenbeständen erfolgt generell nahezu ausschließlich über die Angabe entsprechender Diagnoseschlüssel. Seit dem Jahr 2000 wird zur Erfassung von Diagnosen in Deutschland in allen maßgeblichen Bereichen die „Internationale Statistische Klassifikation von Krankheiten und verwandter Zustände“ in der 10. Revision (ICD10) verwendet [1]. Asthma und COPD sind als Diagnosen in der Systematik der ICD10 dem Kapitel X „Krankheiten des Atmungssystems“ und dabei der Erkrankungsgruppe „Chronische Krankheiten der unteren Atemwege“ zugeordnet, welche die Diagnoseschlüssel J40 bis J47 umfasst (vgl. Tabelle 1). Für die Diagnose „Asthma bronchiale“ ist auf 3stelliger Klassifikationsebene der ICD10 der Diagnoseschlüssel J45 vorgesehen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, einen „Status asthmaticus“ über den Diagnoseschlüssel J46 zu kodieren. Die Diagnose COPD lässt sich in erster Linie mit dem Schlüssel J44 „Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit“ kodieren. Zudem kann befundorientiert ein Emphysem (eine Überblähung der Lunge) mit dem Schlüssel J43 kodiert werden, welches in der Regel die Folge (oder, abhängig von der Sichtweise, auch Ursache) einer COPD ist.
3
Ambulante ärztliche Versorgung
Sowohl Asthma als auch COPD zählen zu Erkrankungen, die vorrangig im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung behandelt bzw. betreut werden. Insofern lassen sich Informationen zur Häufigkeit bzw. Verbreitung der Erkrankungen am besten aus Daten zu diesem Versorgungsbereich ableiten. Daten zur ambulanten ärztlichen Versorgung mit versichertenbezogen erfassten Diagnoseangaben stehen den gesetzlichen Krankenkassen erst ab dem Erhebungsjahr 2004 zur Verfügung, auf welches sich insofern auch die nachfolgenden Auswertungen konzentrieren. Insgesamt sind Daten zur ambulanten ärztlichen Versorgung ausgesprochen umfangreich: Bereits innerhalb einzelner Quartale haben rund 70 % der Bevölkerung Kontakt zur ambulanten ärztlichen Versorgung. Innerhalb des Jahres 2004 kontaktierten 91 % der Bevölkerung mindestens einmal einen ambulant tätigen Arzt (ohne Berücksichtigung der zahnärztlichen Versorgung). Alle Behandlungen eines Arztes innerhalb eines Quartals bei einem Patienten bilden im Abrechnungssystem der ambulanten kassenärztlichen Versorgung genau einen Behandlungsfall, zu dem vom Arzt eine beliebige Anzahl von Diagnosen dokumentiert werden kann. Innerhalb eines Jahres wurden pro Kopf der Bevölkerung 2004 in Deutschland, inklusive redundanter Angaben aus unterschiedlichen Behandlungsfällen, ggf. auch durch unterschiedliche Ärzte, durchschnittlich 21 Diagnoseschlüssel in einer formal gültigen ICD10-Kodierung erfasst. Pro Kopf finden sich dar-
Versorgungsgeschehen
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unter innerhalb eines Jahres durchschnittlich mehr als 8 unterschiedliche Erkrankungsdiagnosen [2]. Die nachfolgend zunächst präsentierten Ergebnisse beruhen, wie die zuvor zitierten Ergebnisse, auf Auswertungen von Daten zur ambulanten Versorgung bei n = 1.331.489 Personen, die im Jahr 2004 in allen vier Quartalen zumindest einen Tag und damit im genannten Jahr überwiegend durchgängig bei der GEK versichert waren (im Mittel wurden in der untersuchten Population 364,6 Versicherungstage je Person in 2004 dokumentiert). Zu diesen 1,3 Mio. Personen waren in den ausgewerteten Daten 24,3 Mio. gültige Diagnoseschlüssel dokumentiert.
3.1
Häufigkeit der Diagnose Asthma in der ambulanten Versorgung
Von einer mindestens einmaligen Nennung der Diagnose Asthma bronchiale (J45) im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung waren nach ersten geschlechts- und altersstandardisierten Auswertungen der GEK-Daten im Jahr 2004 in Deutschland 5,60 % der Bevölkerung betroffen. Dies entspricht, hochgerechnet auf die bundesdeutsche Bevölkerung des Jahres 2004, etwa 4,6 Millionen Erkrankten. Bei 62 % der Patienten wurde diese Diagnose in mindestens zwei Quartalen oder von mindestens zwei unterschiedlichen Ärzten erfasst. Bei einer weiteren Differenzierung der Diagnoseschlüssel lässt sich feststellen, dass zur Kodierung am häufigsten der unspezifische Diagnoseschlüssel J45.9 „Asthma bronchiale, nicht näher bezeichnet“ verwendet wird, der bei 3,96 % der Bevölkerung mindestens einmalig im Jahr 2004 dokumentiert wurde. Dieser unspezifische Schlüssel schließt dabei (im Gegensatz zum relativ selten vergebenen Schlüssel J45.1) eine allergische Komponente des Asthmas keinesfalls aus. Die explizite Diagnose eines allergischen Asthma bronchiale kann mit dem Diagnoseschlüssel J45.0 kodiert werden, der nach den vorliegenden Daten in der ambulanten Versorgung bei 1,84 % der Bevölkerung vergeben wurde. Ein Status asthmaticus, der als akuter und schwerwiegender Erkrankungszustand gesondert über den Schlüssel J46 erfasst werden kann, wurde im Rahmen der ambulanten Versorgung innerhalb eines Jahres bei 0,05 % der Bevölkerung diagnostiziert (vgl. auch Tabelle 1). Insgesamt erhielten 5,62 % der Bevölkerung innerhalb eines Jahres die Diagnose Asthma (J45) und/oder die Diagnose eines Status asthmaticus (J46).
3.2
Häufigkeit der Diagnose COPD in der ambulanten Versorgung
Erkrankungen im Sinne einer manifesten COPD sollten in der Systematik der ICD10 primär unter dem Diagnoseschlüssel J44 erfasst werden, dessen offizielle Bezeichnung „Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit“ lautet. Lediglich dieser Diagnoseschlüssel beinhaltet – im Gegensatz zu anderen Diagnosen chronischer Lungenerkrankungen – einen expliziten Hinweis auf die obstruktive Komponente der Lungenerkrankung. Von der Diagnose einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung im Sinne der Vergabe des ICD10-Schlüssels J44 waren im Jahr 2004 insgesamt 4,35 % der Bevölkerung betroffen, was einer absoluten Zahl von 3,6 Millionen Betroffenen in der deutschen Bevölkerung entspricht. Bei 57 % der Patienten wurde diese Diagnose in mindestens zwei Quartalen oder von zwei unterschiedlichen Ärzten dokumentiert. Auf eine manifeste und bereits länger bestehende COPD deutet in der Regel auch die Diagnose eines Emphysems (ICD10: J43) hin. Eine entsprechende Diagnose wird innerhalb eines Jahres (ggf. auch im Zusammenhang mit weiteren Diagnoseangaben) bei 0,58 % der Bevölkerung vergeben. Die Diagnose einer obstruktiven Lungenkrankheit (J44) und/
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Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover
oder die Diagnose eines Emphysems (J43) wird insgesamt bei 4,66 % der Bevölkerung gestellt.
3.3
Weitere Diagnosen aus der Gruppe „Chronische Krankheiten der unteren Atemwege“
Noch häufiger als die Diagnose einer COPD werden in der Summe unspezifischere Diagnosen von Erkrankungen der unteren Atemwege im Sinne einer Bronchitis ohne Erwähnung einer Obstruktion vergeben, hinter denen sich unter anderem auch Vorstadien einer obstruktiven Bronchitis oder unscharf diagnostizierte manifeste COPD-Erkrankungen verbergen können (J41, J42 und insbesondere J40; vgl. Tabelle 1). Als gesicherte Anhaltspunkte für das Vorliegen einer COPD können die drei genannten Diagnosen an sich jedoch nicht gelten. Gleichfalls von einer COPD abzugrenzen ist neben dem Asthma die in Tabelle 1 aufgeführte und in der Systematik der ICD10 zu den chronischen Krankheiten der unteren Atemwege zählende Diagnose von Bronchiektasen (Aussackungen bzw. Erweiterungen der Atemwege bzw. Bronchien), da dieser Diagnose andere Ursachen als der COPD zugrunde liegen.
3.4
Geschlechts- und Altersabhängigkeit der Diagnosehäufigkeit
Die bisherige Datenlage zur bevölkerungsbezogenen Erkrankungshäufigkeit im Hinblick auf Asthma und insbesondere im Hinblick auf die COPD ist in Deutschland als unbefriedigend zu bezeichnen. Allgemein beruhen Angaben zur bevölkerungsbezogenen Erkrankungsprävalenz bei Primärerhebungen in der Regel auf Selbstangaben zu Erkrankungsdiagnosen oder zu spezifischen Beschwerden, die nicht im Rahmen standardisierter Untersuchungen verifiziert wurden und insofern maßgeblich durch die Wahrnehmung bestimmter Erkrankungsbilder und das Labeling der Ärzte beeinflusst werden können. Die hier ausgewerteten Daten zur ambulanten Versorgung unterliegen zumindest partiell vergleichbaren Einschränkungen, da auch die Diagnosevergabe in der ambulanten ärztlichen Praxis bislang nicht nach einheitlichen und standardisierten Kriterien erfolgen dürfte. Sie besitzen im Vergleich zu epidemiologischen Primärerhebungen, welche in der Regel auf bestimmte Subpopulationen der Bevölkerung beschränkt sind, allerdings den Vorteil, dass Informationen zumindest grundsätzlich gleichermaßen zu allen Altersgruppen verfügbar sind. Geschlechts- und altersspezifische Darstellungen zur Diagnosehäufigkeit können zudem einen Eindruck zur ärztlichen Praxis der Diagnosevergabe vermitteln. 3.4.1
Diagnose Asthma nach Geschlecht und Alter
In Abb. 1 dargestellt werden Anteile der Bevölkerung, die in einzelnen Geschlechts- und Altersgruppen innerhalb des Jahres 2004 mindestens einmalig von der Diagnose eines Asthma bronchiale oder eines Status asthmaticus im Rahmen der ambulanten Versorgung betroffen waren. Für Frauen zeigt sich in einem großen Bereich für die Altersgruppen zwischen 1 bis unter 80 Jahre eine weitgehend konstante Diagnoserate um etwa 6 %. Lediglich unter Säuglingen sowie Hochbetagten finden sich deutlich niedrigere Diagnosehäufigkeiten. Unter männlichen Kindern und Jugendlichen, insbesondere im Alter zwischen 1 bis unter 15 Jahre, wird Asthma mit Raten über 8 % merklich häufiger diagnostiziert (Maxi-
Versorgungsgeschehen
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Tabelle 1. „Chronische Krankheiten der unteren Atemwege“ nach ICD10 ICD10
Textangabe zur Diagnose gemäß ICD10
J40
Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet
J41
Einfache und schleimig-eitrige chronische Bronchitis, darunter.... Einfache chronische Bronchitis Schleimig-eitrige chronische Bronchitis Mischformen von einfacher und schleimig-eitriger chronischer Bronchitis Nicht näher bezeichnete chronische Bronchitis
J41.0 J41.1 J41.8 J42 J43 J43.0 J43.1 J43.2 J43.8 J43.9 J44 J44.0 J44.1 J44.8 J44.9 J45 J45.0 J45.1 J45.8 J45.9 J46 J47
Emphysem, darunter.... MacLeod-Syndrom Panlobuläres Emphysem Zentrilobuläres Emphysem Sonstiges Emphysem Emphysem, nicht näher bezeichnet Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit, darunter.... Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Infektion der unteren Atemwege Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation, nicht näher bezeichnet Sonstige näher bezeichnete chronische obstruktive Lungenkrankheit Chronische obstruktive Lungenkrankheit, nicht näher bezeichnet Asthma bronchiale, darunter ... Vorwiegend allergisches Asthma bronchiale Nichtallergisches Asthma bronchiale Mischformen des Asthma bronchiale Asthma bronchiale, nicht näher bezeichnet Status asthmaticus Bronchiektasen
Betroffene in Deutschland 2004 je 100.000 Einwohner 6.950 20 % >1x* 1.161 27 % >1x* 351 659 165 1.197 47 % >1x* 578 66 % >1x* 3 9 5 34 536 4.352 57 % >1x* 122 419 2.318 2.021 5.604 62 % >1x* 1.835 412 416 3.956 51 38
*Anteil der Patienten mit angegebener Diagnosenennung in mindestens zwei Quartalen oder bei mindestens zwei unterschiedlichen Ärzten in 2004. Angaben zu Betroffenen nach geschlechts- und altersstandardisierten Auswertungen von GEK-Daten zur ambulanten ärztlichen Versorgung 2004. Da einzelne Personen von mehreren genannten Diagnosen gleichzeitig betroffen sein können, dürfen die Zahlenangaben nicht addiert werden!
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Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover
mum 9,7 % bei männlichen Jugendlichen, 10 bis unter 15 Jahre). Nach Vollendung des 20. Lebensjahres sind Männer, bei Raten um 4 bis 5 %, in der Regel seltener von einer Diagnose Asthma als Frauen betroffen. Etwa 40 % der Patienten mit der Diagnose eines Asthmas erhielten diese Diagnose innerhalb des Jahres ausschließlich im Rahmen genau eines Behandlungsfalles von einem Arzt, wurden also maximal über den Zeitraum eines Quartals unter einer entsprechenden Diagnose behandelt. Etwa 60 % der Patienten wurden dementsprechend im Jahr 2004 in mehreren Quartalen oder von unterschiedlichen Ärzten mit Nennung der Diagnose Asthma behandelt. Der Anteil von Patienten mit mehrfacher Diagnosenennung liegt bei Säuglingen und Kleinkindern noch merklich niedriger, ab einem Alter von 65 Jahren liegt er mit rund 70 % etwas höher. Beschränkt man die Betrachtung zum Thema Asthma auf die explizite Nennung der Diagnose eines vorwiegend allergisch bedingten Asthmas (J45.0), resultieren die in Abb. 1 ergänzend als gestrichelte Linien dargestellten Diagnoseraten. Von dieser Unterdiagnose des Asthmas sind erheblich weniger Personen betroffen. Am häufigsten wird die Diagnose bei männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 10 bis unter 15 Jahre vergeben, die zu 3,7 % betroffen sind. Unter Frauen wird die höchste Diagnoserate im Alter zwischen 25 bis unter 30 Jahren mit 2,6 % erreicht, die in dieser Altersgruppe damit über der altersspezifischen Rate bei Männern liegt. Nach Vollendung des 30. Lebensjahres zeigt sich ein weitgehend stetiger Abfall der Diagnoserate bei beiden Geschlechtern.
12,0%
Anteil mit Diagnosenennung in 2004
Männer: Asthma (J45, J46)
10,0%
Frauen: Asthma (J45, J46) Männer: allergisches Asthma (J45.0) Frauen: allergisches Asthma (J45.0)
8,0%
6,0%
4,0%
2,0%
0,0% 0- 1- 5- 10- 15- 20- 25- 30- 35- 40- 45- 50- 55- 60- 65- 70- 75- 80- 85- 90-
Altersgruppe
Abb. 1.
Diagnose Asthma (J45, J46) bzw. Subgruppe allergisches Asthma (J45.0) in der ambulanten Versorgung nach Geschlecht und Alter (GEK 2004)
Versorgungsgeschehen 3.4.2
25
Diagnose COPD nach Geschlecht und Alter
Eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung im Sinne einer COPD ist gemäß Formulierungen in aktuellen Versorgungsleitlinien eine chronische Erkrankung, die sich typischerweise progredient über Jahre entwickelt und oftmals erst in der sechsten Lebensdekade symptomatisch wird. Abb. 2 zeigt den Anteil der Bevölkerung in einzelnen Geschlechts- und Altersgruppen, der innerhalb des Jahres 2004 im Rahmen der ambulanten Versorgung mindestens einmalig die Diagnose einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung im Sinne der ICD10-Diagnose J44 und/oder die Diagnose eines Emphysems (J43) erhielt. Die von der Diagnose eines Emphysems betroffenen Anteile werden zusätzlich separat ausgewiesen. Zudem wird der Anteil der Bevölkerung angegeben, bei dem die Diagnosen J43 und/oder J44 in mehr als einem Quartal oder von mehr als einem Arzt dokumentiert wurde. In der Abbildung grundsätzlich gesondert berücksichtigt sind Kinder und Jugendliche, bei denen die Diagnosen ausschließlich durch Kinderärzte dokumentiert wurden (vgl. dünne gestrichelte Linie). 20,0% Männer: Diag. J43, J44
Anteil mit Diagnosenennung in 2004 _
18,0%
Frauen: Diag. J43, J44
16,0%
Männer: Diag. J43, J44 >1x
14,0%
Frauen: Diag. J43, J44 >1x
12,0%
Männer: Emphysem (J43) Frauen: Emphysem (J43)
10,0% KiÄ. Diag. J43, J44, männl. Pat.*
8,0%
KiÄ. Diag. J43, J44, weibl. Pat.*
6,0% 4,0% 2,0% 0,0% 0-
1-
5- 10- 15- 20- 25- 30- 35- 40- 45- 50- 55- 60- 65- 70- 75- 80- 85- 90-
Altersgruppe
Abb. 2.
Diagnose einer sonstigen chronischen obstruktiven Lungenkrankheit (J44) oder eines Emphysems (J43) in der ambulanten Versorgung nach Geschlecht und Alter (*vgl. Text; GEK 2004)
Auffällig und – vor dem Hintergrund der Formulierung in Versorgungsleitlinien zunächst unerwartet – erscheint die häufige Vergabe der Diagnose J44 durch Kinderärzte. So erhalten nach den vorliegenden Daten innerhalb eines Jahres 9,5 % aller Jungen und 7,1 % aller Mädchen im Alter zwischen 1 bis unter 5 Jahre mindestens einmalig die Diagnose einer „Sonstigen chronischen obstruktiven Lungenkrankheit“ ausschließlich im Rahmen der kinderärztlichen Versorgung. Diese Werte erscheinen verständlicher, wenn man be-
26
Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover
denkt, dass Krankheiten des Atmungssystems aus dem ICD10-Kapitel X insgesamt in dieser Altersgruppe mit einer jährlichen Diagnoserate von über 85 % zu den häufigsten Erkrankungen zählen. Im Einklang dazu zeigen Auswertungen zudem, dass Kinder auch ausgesprochen häufig Arzneiverordnungen zur Behandlung von obstruktiven Atemwegserkrankungen erhalten. Unabhängig davon ist jedoch davon auszugehen, dass mit der Vergabe der Diagnose J44 im Kleinkindalter in der Regel keine COPD im engeren Sinne bezeichnet wird. Einen potenziellen Erklärungsansatz für die häufige Verwendung der Diagnose durch Kinderärzte bietet die Hypothese, dass diese im Vergleich zu anderen Ärzten eine Bronchialerkrankung verhältnismäßig schnell mit den beiden Labeln „chronisch“ und „obstruktiv“ belegen und daher viele Erkrankungen unter der Diagnose J44 erfassen. Begünstigt werden könnte dieses Verhalten zum einen durch den Umstand, dass Kinder aufgrund der kleineren Atemwegslumen eher Symptome einer Obstruktion als Erwachsene zeigen. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die ICD-Klassifi kation keine konkreten Hinweise gibt, ab wann von einer chronischen Lungenerkrankung auszugehen ist. Gemäß den Angaben in Abb. 2 waren, unter Vernachlässigung der kinderärztlich vergebenen Diagnosen, in 2004 von der Diagnose J43 und/oder J44 insgesamt 4,05 % der Bevölkerung in Deutschland betroffen. 2,52 % der Bevölkerung erhielten dabei eine entsprechende Diagnose in mehr als einem Quartal oder von mehreren unterschiedlichen Ärzten. Bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres werden nur weniger als die Hälfte der Patienten in mehreren Quartalen oder von mehreren Ärzten innerhalb eines Jahres unter einer Diagnose J43 und/oder J44 behandelt (vgl. gestrichelte dicke Linie zur Rate von mehrfachen Behandlungsfällen). Ein wesentlicher Teil der jüngeren Patienten dürfte entsprechend vermutlich eher unregelmäßig unter Symptomen einer COPD leiden. Im Alter zwischen 50 und 75 Jahre zeigt sich bei beiden Geschlechtern ein relativ steiler Anstieg der Diagnosehäufigkeit von 4 % auf Werte von gut 10 % bei Frauen und Werte um 15 % bis 17 % bei Männern. In höherem Alter ist damit etwa jede zehnte Frau und jeder sechste bis siebte Mann von einer Diagnose im Sinne einer COPD betroffen. Wie gleichfalls in Abb. 2 dargestellt wird, betrifft die explizite Diagnose eines Emphysems (J43) nahezu ausschließlich ältere Personen. Die Diagnoserate steigt dabei stetig bei beiden Geschlechtern bis zur höchsten Altersgruppe, wobei Männer in einzelnen Altersgruppen etwa doppelt so häufig wie Frauen betroffen sind. In der Altersgruppe ab 90 Jahre sind 6,7 % der Männer und 3,0 % der Frauen betroffen, über alle Altersgruppen ergeben sich altersstandardisierte Diagnoseraten für die deutsche Bevölkerung des Jahres 2004 von 0,67 % bei Männern und 0,49 % bei Frauen.
3.5
Kombination der Diagnosen Asthma und COPD
Obwohl eine Differenzierung zwischen den Krankheitsbildern Asthma und COPD anzustreben ist, ist dies in der Praxis nicht immer möglich. Betrachtet man Diagnoseangaben aus der Routineversorgung, resultieren zusätzliche Unschärfen: Für die Diagnosevergabe ist eine sehr große Zahl an Ärzten verantwortlich, die nicht zwangsläufig einheitlich definierte Kriterien für die Vergabe von Diagnosen verwenden. Im Behandlungsverlauf werden zudem unterschiedlich gut abgesicherte Diagnosen gestellt, wobei die anfänglich möglicherweise im Sinne von Arbeitshypothesen dokumentierten Diagnosen zu einem späteren Zeitpunkt in einer Reihe von Fällen revidiert werden können.
Versorgungsgeschehen
27
Innerhalb des Jahres 2004 waren insgesamt 9,07 % der Bevölkerung von mindestens einer der beiden Diagnosen Asthma (J45, J46) und/oder COPD (J43, J44) betroffen. Aus dieser Gesamtgruppe erhielten 13,3 % der Patienten sowohl die Diagnose Asthma als auch die Diagnose COPD, wobei diese Gruppe mit beiden Diagnosen einem Bevölkerungsanteil von 1,21 % entspricht. Unter den Patienten mit der Diagnose Asthma erhielten dabei 21,5 % auch die Diagnose einer COPD. Umgekehrt betrachtet erhielten von den Patienten mit der Diagnose COPD innerhalb des Jahres 26,0 % auch die Diagnose Asthma.
4
Saisonale Unterschiede
Atemwegserkrankungen treten erfahrungsgemäß jahreszeitlich unterschiedlich häufig auf. Dies gilt insbesondere für hier nicht näher betrachtete akute Erkrankungen wie gewöhnliche Erkältungen. Dargestellt werden sollen an dieser Stelle Ergebnisse zu den beiden ICD-Diagnosen „Asthma“ (J45) bzw. die Subdiagnose „Vorwiegend allergisches Asthma“ sowie die Diagnose „Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit“ (J43) als vorrangig zu kodierende ICD-Verschlüsselung im Falle einer COPD. Ermittelt wurden auf Basis der GEK-Daten hierfür zunächst geschlechts- und altersadjustierte Behandlungsfallzahlen für Deutschland an einzelnen Tagen des Jahres 2004 mit einer Dokumentation der jeweils ausgewählten Diagnose. Diese Tageswerte wurden dann über sieben und nachfolgend über 28 Tage gemittelt, um Variationen unabhängig von wochenzyklischen Schwankungen sowie weitgehend unabhängig vom Einfluss von einzelnen Feiertagen darstellen zu können. Zwangsläufig keinesfalls vollständig ausgeglichen werden können durch dieses Vorgehen geringe Diagnosehäufigkeiten über mehrere Tage, z.B. durch sehr eingeschränkte Praxisöffnungszeiten in den Weihnachtstagen, was bei der Interpretation zu bedenken ist. In den nachfolgenden Abbildungen finden sich jeweils sowohl Angaben zur absoluten Anzahl von Arztkontakten unter bestimmten Diagnosen an einzelnen Kalendertagen und im Wochenmittel in Deutschland, als auch Angaben zu den über 28 Tage gemittelten Werten, die als relative Werte im Vergleich zum Jahresmittel angegeben werden (durchschnittliche tägliche Kontaktzahl im Jahresmittel = 100 %).
4.1
„Vorwiegend allergisches Asthma bronchiale“ (ICD J45.0)
Deutliche jahreszeitliche Variationen zeigen sich bei der Betrachtung der Diagnose Asthma. Dies gilt insbesondere für die Häufigkeit der Diagnose eines vorwiegend allergischen Asthmas und bei dieser Diagnose noch verstärkt, wenn man die Auswertungen auf jüngere Personen beschränkt. In diesem Sinne exemplarisch dargestellt werden in Abb. 3 Arztkontakthäufigkeiten unter der Diagnose J45.0 ausschließlich bei 20 bis unter 45Jährigen im Jahresverlauf 2004. Deutlich sichtbar ist ein kurzfristig extremer Anstieg der Diagnosehäufigkeit innerhalb des zweiten Quartals 2004, dessen Maximum sich in Bezug auf die Tageswerte am 19. April 2004 findet. Die Beobachtung lässt vermuten, dass bei einem nicht unerheblichen Teil der Patienten mit der Diagnose J45.0 akute Schübe eines allergischen Asthmas durch eine Exposition gegenüber relativ spezifischen Allergenen, hier vermutlich bestimmte Blütenpollen, getriggert werden. Ergänzend hingewiesen sei an dieser Stelle auf eigene Beobachtungen in einem anderen Auswertungskontext, die zeigen, dass entsprechende zeitlich begrenzte Spitzen nicht in allen Jahren gleichermaßen nachweisbar sind.
Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover 160% 150% 140% 130% 120% 110% 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1. Jan.
40
relative Abweichungen (MW 7/28Tage) Wochenwerte (MW 7 Tage) Tageswerte
35 30 25 20 15 10
absolute Werte D 2004 (Tsd.)
relative Abweichungen zum Jahresmittel (=100%)
28
5 0 1. Apr.
1. Jul.
1. Okt.
Abb. 3.
Arztkontakte mit Diagnose „Vorwiegend allergisches Asthma bronchiale“ (ICD J45.0), nur Personen im Alter von 20 bis unter 45 Jahre (GEK 2004)
4.2
„Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit“ (ICD J44, COPD)
160% 150% 140% 130% 120% 110% 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1. Jan.
Abb. 4.
240
200
160
120
80
relative Abweichungen (MW 7/28Tage) Wochenwerte (MW 7 Tage) Tageswerte
absolute Werte D 2004 (Tsd.)
relative Abweichungen zum Jahresmittel (=100%)
Betrachtet man die saisonale Häufigkeit der Diagnose J44, unter der sich am ehesten Fälle einer klassischen COPD finden sollten, zeigt sich eine vergleichsweise uniforme Häufigkeit im Jahresverlauf 2004 (vgl. Abb. 4). Verhältnismäßig geringe Diagnosehäufigkeiten in
40
0 1. Apr.
1. Jul.
1. Okt.
Arztkontakte mit Diagnose „Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit“ (ICD J44; GEK 2004)
Versorgungsgeschehen
29
den Sommermonaten dürften dabei zudem partiell (wie auch bei den vorausgehend diskutierten Diagnosen) auf relativ häufige Praxisferien im Sommer zurückzuführen sein. Vergleichsweise etwas erhöht erscheinen die Kontaktraten im vierten Quartal. Vor dem Hintergrund der Einführung der Praxisgebühr zu Beginn des Jahres 2004 erscheinen auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse und bei nur geringen Unterschieden grundsätzliche Aussagen zur Diagnosehäufigkeit, insbesondere auch im Hinblick auf einen Vergleich zwischen dem ersten und vierten Quartal, nicht legitim.
5
Assoziierte Diagnosen – Komorbidität
Assoziationen der Diagnose Asthma und COPD mit anderen Diagnosen im Sinne einer Komorbidität zeigen die nachfolgend dargestellten Auswertungen. Unter Komorbidität soll dabei zunächst allgemein lediglich das gleichzeitige Vorkommen mehrerer Krankheiten oder Beschwerden bei einem Patienten verstanden werden. Eine Komorbidität kann dabei unterschiedliche Ursachen haben. Treten bei Patienten mit einer spezifischen Krankheit andere Beschwerden und Erkrankungen ähnlich häufig wie bei ansonsten vergleichbaren Personen auf, ist vorrangig von einer zufallsbedingten Koinzidenz der unterschiedlichen Erkrankungen auszugehen. Sind Patienten mit einer spezifischen Krankheit demgegenüber gehäuft von anderen Erkrankungen betroffen, müssen Zusammenhänge zwischen den Krankheiten bzw. Beschwerden angenommen werden. Entsprechende Zusammenhänge können dabei sowohl aus gemeinsamen Risikofaktoren bzw. ätiologischen Ursachen als auch aus Wechselwirkungen zwischen den Erkrankungen bzw. Beschwerden resultieren. Verglichen werden in Tabelle 2 Diagnosehäufigkeiten im Rahmen der ambulanten Versorgung innerhalb des Jahres 2004 in einer Gruppe von 74.534 Patienten mit der mindestens einmalig erfassten Diagnose Asthma (J45) sowie Diagnosehäufigkeiten in einer gematchten Referenzgruppe von Versicherten ohne die explizite Diagnose Asthma. Zu jeder Person mit Asthma-Diagnose wurden für die Gegenüberstellung jeweils 5 Kontrollen zufällig aus einer übereinstimmenden Geschlechts- und 5-Jahres-Altersgruppe ausgewählt (n=372.670). Beide Gruppen weisen, bedingt durch das Matching, also eine identische Alters- und Geschlechtsstruktur auf, weshalb diese beiden potentiellen Einflussfaktoren nicht mehr für ggf. festgestellte Unterschiede der Diagnosehäufigkeit zwischen den beiden Gruppen verantwortlich gemacht werden können. Die Darstellung beschränkt sich aus Platzgründen auf die 25 3stelligen ICD-Diagnosen, von denen die Asthma-Patienten (neben ihrer Asthma-Diagnose) im Jahr 2004 am häufigsten betroffen waren. In der letzten Spalte der Tabelle werden inhaltlich besonders relevant erscheinende Abweichungen dar Erkrankungshäufigkeiten zwischen Asthmapatienten und Referenzpersonen gekennzeichnet. Aufgrund der hohen Fallzahlen sind auch nicht gekennzeichnete, nur geringer ausgeprägte Abweichungen statistisch als signifikant einzustufen, weshalb auf eine gesonderte Kennzeichnung des Signifikanzniveaus verzichtet wurde.
30
Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover
Tabelle 2. Komorbidität bei Patienten mit der Diagnose Asthma (J45) Anteil mit Diagnose Refe- AsthmaFak- Diff.§ renz patienten tor J30 Vasomotorische und allergische Rhinopathie 7,4 % 36,1 % 4,9 **** M54 Rückenschmerzen 22,8 % 27,1 % 1,2 17,4 % 22,1 % 1,3 * J06 Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen d. o. Atemwege T78 Unerwünschte Nebenwirkungen, 5,8 % 21,8 % 3,7 **** anderenorts nicht klassifiziert H52 Akkommodationsstörungen und 19,3 % 21,8 % 1,1 Refraktionsfehler J20 Akute Bronchitis 10,1 % 19,6 % 1,9 ** J44 Sonstige chronische obstruktive 3,1 % 18,5 % 6,0 **** Lungenkrankheit Z12 Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf 18,0 % 18,4 % 1,0 Neubildungen I10 Essentielle (primäre) Hypertonie 16,1 % 18,1 % 1,1 J40 Bronchitis, nicht als akut oder chronisch 7,7 % 15,2 % 2,0 ** bezeichnet E78 Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und 13,3 % 14,9 % 1,1 sonstige Lipidämien Z30 Kontrazeptive Maßnahmen 14,6 % 14,8 % 1,0 H10 Konjunktivitis 6,9 % 14,5 % 2,1 *** Z25 Notwendigkeit der Impfung [Immunisierung] 9,2 % 13,5 % 1,5 * gegen andere einzelne Viruskrankheiten R10 Bauch- und Beckenschmerzen 10,8 % 13,3 % 1,2 L20 Atopisches [endogenes] Ekzem 5,4 % 12,7 % 2,4 *** Z00 Allgemeinuntersuchung und Abklärung bei 11,7 % 12,6 % 1,1 Personen ohne Beschwerden N89 Sonstige nichtentzündliche Krankheiten 11,0 % 11,3 % 1,0 der Vagina F45 Somatoforme Störungen 7,9 % 11,0 % 1,4 * H50 Sonstiger Strabismus 9,8 % 11,0 % 1,1 M53 Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und 8,2 % 10,9 % 1,3 * des Rückens, anderenorts nicht klassifiziert L30 Sonstige Dermatitis 8,2 % 10,8 % 1,3 * E66 Adipositas 6,8 % 10,3 % 1,5 ** T14 Verletzung an einer nicht näher bezeichne8,9 % 9,9 % 1,1 ten Körperregion J03 Akute Tonsillitis 7,9 % 9,7 % 1,2
ICD
Diagnose
§ Diff.: Kennzeichnung relevanter Unterschiede der Diagnosehäufigkeit. Aufgeführt werden in der Tabelle 25 Diagnosen, welche in einer Population von Patienten mit der Diagnose J45 (n=74.534) anderweitig innerhalb des Jahres 2004 am häufigsten erfasst wurden. Referenzangaben nennen die Häufigkeiten entsprechender Diagnosen in einer nach Alter und Geschlecht gematchten Kontrollgruppe aus Versicherten der GEK mit mindestens einem Arztkontakt in 2004 ohne Diagnose J45 (Matching 1 zu 5; n=372.670).
Versorgungsgeschehen
31
Die einzeln aufgeführten Diagnosen wurden jeweils bei mindestens 9,7 % der AsthmaPatienten innerhalb des Jahres 2004 dokumentiert. Mit 36,1 % mehr als ein Drittel der hier berücksichtigten Asthma-Patienten waren nach ärztlich dokumentierten Diagnosen auch von einer allergischen Rhinopathie (ICD J30) betroffen, die damit unter AsthmaPatienten etwa fünf mal häufiger als in der Vergleichsgruppe diagnostiziert wurde. Merklich erhöhte Diagnoseraten zeigen sich auch im Hinblick auf einige andere Erkrankungen mit allergischen Komponenten (H10 – Konjunktivitis; L20 – Atopisches Ekzem). Erhöht sind zudem erwartungsgemäß Diagnoseraten im Hinblick auf eine Reihe von Atemwegskrankheiten und dabei insbesondere im Hinblick auf die nicht immer sicher von einem Asthma abgrenzbare Diagnose einer „Sonstigen chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit“ (J44). Erwähnenswert erscheint zudem, dass unter Asthma-Patienten erheblich häufiger „unerwünschte Nebenwirkungen“ in Form der ICD-Diagnose T78 dokumentiert werden als in der Referenzpopulation. Eine weitere Aufschlüsselung der Diagnose zeigt, dass dabei vorrangig der Schlüssel T78.4 verwendet wird, dessen offizielle Bezeichnung „Allergie, nicht näher bezeichnet“ lautet. In der Praxis dürfte der Diagnoseschlüssel also vorrangig dazu verwendet werden, allergische Reaktionen ohne weitere Spezifikation zu dokumentieren, wobei unerwünschte Reaktionen auf Arzneimittel oder andere medizinische Maßnahmen gemäß Vorgaben der ICD-Klassifikation explizit nicht über diesen Schlüssel dokumentiert werden sollten, wie es gemäß der Bezeichnung des 3stelligen Schlüssels zunächst erwartet werden könnte. Tabelle 3 enthält eine Auflistung zu den 25 häufigsten Begleitdiagnosen bei Patienten mit der Diagnose „Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit“ (J44), also für Patienten mit der Diagnose, die am ehesten mit der Diagnose einer COPD gleichzusetzen ist. Auch zu dieser Patientengruppe werden Ergebnisse einer individuell nach Geschlecht und Alter gematchten Referenzpopulation präsentiert. Relevant erscheinende Unterschiede der Diagnoseraten unter COPD-Patienten im Vergleich zur Referenzpopulation sind in der letzten Tabellenspalte gekennzeichnet. Erheblich häufiger als in der Referenzpopulation werden unter COPD-Patienten insbesondere andere Krankheiten der Atemwege diagnostiziert, zu denen an erster Stelle auch die Diagnose eines Asthma bronchiale (ICD J45) zählt. Unterschiede zwischen COPDPatienten und der Referenzpopulation im Hinblick auf Erkrankungen mit allergischen Komponenten sowie auch in Bezug auf die Häufigkeit von dokumentierten Nebenwirkungen sind weniger ausgeprägt als bei der vorausgehend dargestellten Gegenüberstellung einer Referenzpopulation mit Asthmapatienten. Demgegenüber stärker in den Vordergrund rücken mäßig stark ausgeprägte Unterschiede im Hinblick auf einige eher chronisch verlaufende Erkrankungen. So werden chronisch ischämische Herzkrankheiten (I25), Adipositas (E66), somatoforme Störungen und Depressionen (F45, F32), Gastritis (K29) sowie sonstige Leberkrankheiten (K76) bei Patienten mit der Diagnose einer COPD etwa um 50 % häufiger als in der Referenzpopulation dokumentiert.
32
Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover
Tabelle 3. Komorbidität bei Patienten mit der Diagnose COPD (J44) ICD
M54 I10 J45 H52
Diagnose
Rückenschmerzen Essentielle (primäre) Hypertonie Asthma bronchiale Akkommodationsstörungen und Refraktionsfehler E78 Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien J06 Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen d. o. Atemwege J20 Akute Bronchitis Z25 Notwendigkeit der Impfung [Immunisierung] gegen andere einzelne Viruskrankheiten Z00 Allgemeinuntersuchung und Abklärung bei Personen ohne Beschwerden J40 Bronchitis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet Z12 Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf Neubildungen J30 Vasomotorische und allergische Rhinopathie T78 Unerwünschte Nebenwirkungen, anderenorts nicht klassifiziert I25 Chronische ischämische Herzkrankheit M53 Sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens, anderenorts nicht klassifiziert E66 Adipositas R10 Bauch- und Beckenschmerzen H50 Sonstiger Strabismus H10 Konjunktivitis L30 Sonstige Dermatitis F45 Somatoforme Störungen F32 Depressive Episode K29 Gastritis und Duodenitis H53 Sehstörungen K76 Sonstige Krankheiten der Leber
§
Anteil mit Diagnose RefeCOPDrenz patienten 25,8 % 31,8 % 27,3 % 31,7 % 4,9 % 28,1 % 23,2 % 25,8 %
1,2 1,2 5,7 1,1
21,4 %
24,8 %
1,2
17,0 %
22,4 %
1,3
*
10,5 % 14,3 %
21,5 % 18,8 %
2,0 1,3
*** *
16,3 %
17,9 %
1,1
7,8 %
17,8 %
2,3
16,7 %
16,2 %
1,0
6,9 %
16,1 %
2,3
***
6,0 %
14,0 %
2,3
***
8,8 % 9,9 %
13,8 % 13,7 %
1,6 1,4
** *
7,9 % 9,9 % 10,9 % 8,3 % 9,4 % 7,8 % 7,7 % 7,0 % 9,3 % 7,1 %
13,1 % 12,9 % 12,2 % 12,1 % 11,9 % 11,5 % 11,4 % 11,3 % 10,6 % 10,4 %
1,7 1,3 1,1 1,5 1,3 1,5 1,5 1,6 1,1 1,5
** *
Faktor
Diff.§
****
***
* * * * ** *
Diff.: Kennzeichnung relevanter Unterschiede der Diagnosehäufigkeit. Aufgeführt werden in der Tabelle 25 Diagnosen, welche in einer Population von Patienten mit der Diagnose J44 (n=49.272) anderweitig innerhalb des Jahres 2004 am häufigsten erfasst wurden. Referenzangaben nennen die Häufigkeiten entsprechender Diagnosen in einer nach Alter und Geschlecht gematchten Kontrollgruppe aus Versicherten der GEK mit mindestens einem Arztkontakt in 2004 ohne Diagnose J44 (Matching 1 zu 5; n=246.360).
Versorgungsgeschehen
6
33
Krankenhausbehandlungen bei Asthma und COPD
Alle Entlassungen aus Akutkrankenhäusern werden in Deutschland nach entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen in einer bundesweiten Vollerhebung mit Diagnoseangabe erfasst [3]. Im Jahr 2004 wurden in der Statistik insgesamt 17,2 Mio. vollstationäre Behandlungsfälle registriert. Davon entfielen 195.673 Behandlungen auf Fälle unter einer ICD10-Hauptdiagnose J40 bis J47, also auf die Diagnosegruppe „Chronische Krankheiten der unteren Atemwege“. Dies entspricht einem Anteil von 1,14 % an allen vollstationären Behandlungsfällen in Krankenhäusern1. Da Aufenthalte unter einer Diagnose aus der Gruppe „Chronische Krankheiten der unteren Atemwege“ mit 10,0 Tagen je Fall im Mittel eine knapp 20 % längere Verweildauer als durchschnittliche Aufenthalte unter beliebigen Diagnosen aufweisen, liegt der Anteil der Verweilzeiten in Krankenhäusern, der den Diagnosen J40 bis J47 zugeordnet werden kann, gleichfalls höher, nämlich bei etwa 1,35 %. Mit 144.332 Fällen der weit überwiegende Teil der Behandlungsfälle mit chronischen Krankheiten der unteren Atemwege wurde unter der Diagnose J44 „Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit“ erfasst, also unter der Diagnose, unter der COPD-Patienten primär erfasst werden sollten. Unter der Hauptdiagnose J43 „Emphysem“ wurden lediglich 2.608 Personen behandelt. 24.694 Personen wurden mit der Diagnose J45 „Asthma bronchiale“ entlassen, 6.712 mit der Diagnose J46 „Status asthmaticus“. Als Anlass für eine Krankenhausbehandlung kommt dem Asthma bronchiale demnach also eine erheblich geringere Bedeutung als der COPD zu. Bevölkerungsbezogen lässt sich aus den genannten Zahlen unter Zugrundelegung von durchschnittlichen Bevölkerungszahlen für das Jahr 2004 in Deutschland eine jährliche Rate von 237 Behandlungsfällen je 100.000 Einwohner unter den Diagnosen J40 bis J47 errechnen, darunter 30 Fälle mit der Diagnose Asthma (J45), 8 Fälle mit Status asthmaticus (J46), 175 Fälle mit „Sonstigen chronischen obstruktiven Lungenkrankheiten (J44) und 3 Fälle je 100.000 Einwohner mit der Diagnose „Emphysem“ (J43). Die Häufigkeit von Behandlungen in Krankenhäusern variiert erheblich mit dem Alter. Von Behandlungen unter der Hauptdiagnose Asthma (ICD J45, J46) sind am häufigsten Kleinkinder im Alter zwischen 1 bis unter 5 Jahren betroffen. In dieser Altersgruppe wurden 2004 etwa 100 stationäre Behandlungsfälle je 100.000 Einwohner erfasst, während die Behandlungshäufigkeit in höheren Altersgruppen bei etwa 30 Fällen je 100.000 Einwohner lag (vgl. Abb. 5). Krankenhausbehandlungen unter der Hauptdiagnose einer COPD (ICD J43, J44) finden sich überwiegend in höheren Altersgruppen. Die höchsten Fallzahlen finden sich bei Personen im Alter um 80 Jahre. In den entsprechenden Altersgruppen wurden 2004 etwa 900 Krankenhausbehandlungsfälle je 100.000 Personen erfasst (vgl. Abb. 6).
1
Zudem wurden 26.536 Personen unter der Diagnose „Respiratorische Insuffizienz, andernorts nicht klassifiziert“ (J96) im Krankenhaus behandelt, welche nicht selten die Folge einer obstruktiven Atemwegserkrankung sein dürfte. Aufgrund der unkla-
KH-Fälle Asthma je 100.000 Einw. in 2004
34
Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover 120 D 2004: J45, J46 100 80 60 40 20 0 0- 1- 5- 10- 15- 20- 25- 30- 35- 40- 45- 50- 55- 60- 65- 70- 75- 80- 85- 90-
Altersgruppe
Abb. 5.
Behandlungsfälle in Krankenhäusern innerhalb eines Jahres je 100.000 Einwohner in Deutschland 2004 nach Alter mit Hauptdiagnose Asthma (ICD J45, J46)
KH-Fälle COPD je 100.000 Einw. in 2004
1.000 900
D 2004: J43, J44
800 700 600 500 400 300 200 100 0 0- 1- 5- 10- 15- 20- 25- 30- 35- 40- 45- 50- 55- 60- 65- 70- 75- 80- 85- 90-
Altersgruppe
Abb. 6.
Behandlungsfälle in Krankenhäusern innerhalb eines Jahres je 100.000 Einwohner in Deutschland 2004 nach Alter mit Hauptdiagnose COPD (ICD J43, J44)
Aus den längsschnittlichen Daten der GEK zu Krankenhausaufenthalten lässt sich ermitteln, dass die von einer Diagnose J40 bis J47 Betroffenen innerhalb eines Jahres durchschnittlich etwa 1,2 mal unter der Hauptdiagnose chronischer Krankheiten der unteren Atemwege im Krankenhaus behandelt werden. Entsprechend ist davon auszugehen, dass
Versorgungsgeschehen
35
sich die 237 Behandlungsfälle je 100.000 Einwohner auf etwa 200 (unterschiedliche) Personen je 100.000 Einwohner verteilen, also 0,20 % der Bevölkerung innerhalb eines Jahres von mindestens einer Krankenhausbehandlung unter einer entsprechenden Diagnose betroffen sind. Die durchschnittliche Behandlungshäufigkeit bei Betroffenen in Bezug auf die Diagnose eines Asthmas im Sinne der Diagnosen J45 und/oder J46 liegt bei knapp 1,1, entsprechend dürften sich die 38 Behandlungsfälle je 100.000 auf etwa 35 Betroffene je 100.000 Einwohner beziehen. Während also lediglich etwa 0,035 % der Bevölkerung unter einer entsprechenden Hauptdiagnose im Krankenhaus behandelt werden, erhält bei einer Diagnoserate von 5,6 % ein mehr als 150fach größerer Anteil der Bevölkerung eine entsprechende Diagnose im Rahmen der ambulanten Versorgung. COPD-Patienten bzw. Personen mit Krankenhausaufenthalten unter den Diagnosen J43 und/oder J44 werden durchschnittlich etwa 1,25-mal innerhalb eines Jahres unter einer entsprechenden Diagnose im Krankenhaus behandelt. Entsprechend dürften etwa 140 Personen von den insgesamt 178 Behandlungsfällen je 100.000 Einwohner betroffen gewesen sein. Diesem Anteil von etwa 0,14 % der Bevölkerung mit Krankenhausbehandlung unter einer entsprechenden Hauptdiagnose steht mit knapp 4,7 % ein mehr als 30facher Anteil von Personen gegenüber, der im Rahmen der ambulanten Versorgung eine entsprechende Diagnose mindestens einmalig erhält.
7
Resümee
• Im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung 2004 erhielten 5,6 % der Bevölkerung die Diagnose Asthma bronchiale (ICD10 J45, J46). Dies entspricht einer absoluten Zahl von etwa 4,6 Mio. Betroffenen in Deutschland. • Während Frauen in einzelnen Altersgruppen innerhalb einer großen Spanne zwischen 1 bis unter 80 Jahre anteilig konstant zu etwa 6 % von Asthma betroffen sind, liegt die Rate bei männlichen Kindern und Jugendlichen bis zum 20. Lebensjahr über der bei Frauen. Ab einem Alter von 20 Jahren sind Männer jedoch seltener als Frauen von der Diagnose eines Asthmas betroffen. • Die Diagnose einer COPD und/oder eines Emphysems (ICD10 J43, J44) betraf 2004 knapp 4,7 % der Bevölkerung und damit etwa 3,8 Mio. Personen in Deutschland. Insbesondere höhere Altersgruppen sind relativ stark betroffen. Nach Vollendung des 75. Lebensjahres liegen die Diagnoseraten unter Frauen bei gut 10 %, unter Männern zwischen etwa 15 % bis 17 %. • Verhältnismäßig häufig werden „Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheiten“ (ICD10 J44) auch bei Kleinkindern diagnostiziert, die jedoch von einer COPD im engeren Sinne differenziert werden sollten. • Die Abgrenzung zwischen Asthma und COPD ist nicht immer eindeutig. Gut ein Fünftel der Patienten mit einer Diagnose Asthma erhalten innerhalb eines Jahres auch die Diagnose einer COPD, umgekehrt ist gut ein Viertel der Patienten mit der Diagnose einer COPD auch von einer Asthma-Diagnose betroffen. Mit den Diagnosen COPD und Asthma sind eine Reihe weiterer Erkrankungen, darunter insbesondere Atemwegserkrankungen und allergisch bedingte Erkrankungen assoziiert.
36
Thomas G. Grobe, Hans Dörning, Hannover
• Während sich Behandlungen unter der Diagnose einer COPD relativ gleichförmig über das Jahr verteilen, ließ sich 2004 insbesondere bei allergischem Asthma ein erheblicher Anstieg der Behandlungsfrequenz Mitte bis Ende April nachweisen, der auf einen Zusammenhang mit einer spezifischen Pollenexposition hindeutet. • Krankenhausbehandlungen unter der Hauptdiagnose Asthma stellen mit einer jährlichen Häufigkeit von 38 Fällen je 100.000 Einwohner im Vergleich zur ambulanten Diagnosehäufigkeit relativ seltene Ereignisse dar. Betroffen sind insbesondere Kleinkinder. Unter der Hauptdiagnose einer COPD werden demgegenüber vorrangig Personen aus den höheren Altersgruppen im Krankenhaus behandelt. Insgesamt wurden 178 Behandlungsfälle je 100.000 Einwohner erfasst.
Literatur 1. DIMDI (2006) Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, Version 2004, German Modification sowie ATC/DDD-GM Systematik, Version 2004, Amtliche Fassung für die Bundesrepublik Deutschland; online verfügbar unter www.dimdi.de 2. Grobe TG, Dörning H, Schwartz FW (2006) GEK-Report ambulant-ärztliche Versorgung 2006. Auswertungen der GEK-Gesundheitsberichterstattung, Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 50; Asgard-Verlag, Hippe 3. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden (2006) Diagnosedaten der Patienten und Patientinnen in Krankenhäusern 2004. Fachserie 12, Reihe 6.2 (korrigierte Fassung vom 12.08.2006; online verfügbar unter www.destatis.de) 4. Swart E, Ihle P (Hg.) (2005) Routinedaten im Gesundheitswesen. Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD
37
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD Ansgar D. Raadts und Uwe R. Juergens, Bonn Die Kosten für die Volkskrankheiten Asthma und COPD sind beträchtlich: sie bedingen z.B. in Europa jährliche Kosten in Höhe von 56,4 Mrd. € [23]. Ein großer Anteil wird dabei durch verlorene Arbeitstage verursacht. Für das Asthma bronchiale wurden so immerhin 14.157 und für die COPD stolze 41.280 Arbeitsunfähigkeitstage pro 100.000 Einwohner und Jahr gezählt, das sind 83,8 % aller durch Lungenerkrankungen in der EU anfallenden Arbeitsausfälle. Die Gesamtausgaben für Arzneimittel für alle Lungenkrankheiten betragen europaweit 6,7 Mrd. €, wovon der überwiegende Teil (ca. 95 %) auf die chronischen Erkrankungen Asthma und COPD zurückzuführen ist. Außerdem entstehen in Europa durch Asthma und COPD Krankenhauskosten in Höhe von 3,4 Mrd. €. Hinzukommen volkswirtschaftliche und soziale Belastungen, die nur teilweise mit Zahlen zu messen sind. Denn die Folgen von Entwicklungsstörungen bei Kindern durch Asthma oder soziale Deprivation durch COPD werden in keiner Studie erfasst. Im folgenden Kapitel sollen zunächst die Kosten von Asthma und COPD aufgezeigt und dann auf die sozioökonomische Bedeutung dieser chronischen Lungenerkrankungen eingegangen werden. Bei der Auswertung und Darstellung von krankheitsbezogenen Kosten werden in Studien unterschiedliche Methoden angewendet, um Gesamtkosten zu errechnen. Alle diese Methoden haben Schwachstellen und sind lediglich eine Annäherung an die realen Ausgaben. Die meisten Autoren vermuten daher eine erhebliche Unterschätzung der Kosten [40, 17]. Zur Berechnung sind zwei Verfahren üblich: ein Teil der Studien geht von nationalen Gesundheitsausgaben aus (top-down-Methode), die auf einzelne Erkrankungen „runtergerechnet“ werden. Andere Studien fokussieren initial auf eine Gruppe von Patienten und analysieren in einem definierten Zeitfenster den Ressourcenverbrauch (bottom-up-Methode). Um die nationalen Gesamtausgaben zu errechnen, müssen dann die Kosten auf die Population „hochextrapoliert“ werden (Chapman 2006). Ein zweiter Grund für heterogene Studienergebnisse liegt in der uneinheitlichen Einbeziehung direkter und indirekter Kosten einer Erkrankung. Direkte Kosten entstehen durch ärztliche und nichtärztliche Leistungen im Rahmen von stationären und ambulanten Behandlungen, Arznei- und Hilfsmittelausgaben sowie Rehabilitation und Krankentagegeld. Indirekte Kosten werden durch Produktionsverluste während der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit und den frühzeitigen Tod von Patienten verursacht. Die direkten Kosten beinhalten nur die Leistungen, die im Krankenhaus, in der Praxis oder durch Arznei- und Hilfsmittelausgaben entstehen, es werden meist keine Sozialleistungen berücksichtigt. Indirekte Kosten beziehen häufig keine Kollektive mit ein, die auf dem Arbeitsmarkt nicht integriert sind, wie Kinder, Rentner oder Hausfrauen (Chapman 2006). Schaukasten 1.
Statistik und Realität
38
Ansgar D. Raadts, Uwe R. Juergens, Bonn
1
Asthma bronchiale
Je nach Literaturangabe schwanken die Angaben zu den Kosten eines einzelnen Asthmapatienten in Deutschland mit vergleichbarem Erkrankungsstadium zwischen 400 € und 2700 € pro Jahr. Diese Heterogenität ist unter anderem auf die Anwendung unterschiedlicher Methoden (siehe Schaukasten) zurückzuführen. Exakte Aussagen sind daher nur begrenzt möglich, dennoch soll im Folgenden ein Überblick über Ausmaß und Zusammensetzung der Kosten von Asthma bronchiale gegeben werden.
1.1
Was kostet die Behandlung eines Asthmapatienten?
Die direkten und indirekten Kosten für einen Patienten mit Asthma bronchiale und mittlerem Schweregrad betrugen 1999 in Deutschland pro Jahr 2.745 € [37], wenn man die bottom-up-Methode (siehe Schaukasten) zugrunde legt. Leiden die Patienten an einem schweren Asthma und gleichzeitig an einer allergischen Rhinitis (Heuschnupfen), so steigen die Kosten auf 9.286 €. Nach anderen Schätzungen (top-down-Methode) mussten im Jahr 2002 für einen Asthmapatienten in Deutschland im Schnitt 540 € aufgewendet werden, wobei im leichtgradigen Stadium ein Asthmapatient Kosten von 126 € verursachte, bei mittlerem Schweregrad 400 € und bei schwerem Asthma bronchiale 1.120 € im Jahr [20]. Etwa zwei Drittel der Kosten wurden dabei für Arzneimittel und ambulante Behandlungen ausgegeben (siehe Abb. 1). Weitere Kosten entstanden durch Arbeitsunfähigkeit, Rehabilitationsmaßnahmen sowie vorzeitige Renten- und Todesfälle [20]. Zusätzlich zu den indirekten Kosten durch Arbeitsausfall und Rentenbegehren sind beim Asthma bronchiale die Eigenleistungen durch die Patienten zu berücksichtigen, die eine nicht unbeträchtliche Summe ausmachen können und in den Statistiken meist nicht abgebildet werden. Müssen zum Beispiel krankheitsbedingt Maßnahmen zur Wohnraumumgestaltung (Austausch von Teppichen durch wischbare Bodenbeläge, spezielle Bett- und Matratzenbezüge, Spezial-Staubsauger etc.) durchgeführt und die Kosten für zusätzliche
Arzneimittel sowie Heil- und Hilfsmittel 985,8 (47%) stationäre Behandlung 89,6 (4%)
Rehabilitation 97,6 (5%)
Abb. 1.
ambulante Behandlung 443,7 (21%)
vorzeitige Todesfälle 121,1 (6%)
Arbeitsunfähigkeit 208,3 (10%)
vorzeitige Rentenfälle 155,8 (7%)
Dargestellt sind die direkten und indirekten Kostenarten für das Asthma bronchiale in Deutschland in Millionen € und ihr prozentualer Anteil an den Gesamtkosten von 2,1 Mrd. € im Jahr 2002 [20].
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD
39
Therapien (z.B. Akupunktur, Physiotherapie, Bio-Feedback) und rezeptfreie Medikation bzw. Zuzahlungen zu Medikamenten aufgebracht werden, so können sich die Eigenleistungen auf 1.889 € im Jahr belaufen [37]. Unbestritten ist die Korrelation von finanziellem Mehraufwand mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung [9, 15, 38, 39, 47]. Die Schweregrade werden durch die Global Initiative for Asthma [13] definiert. Dennoch zeigen sich zum Teil erhebliche interindividuelle Unterschiede auch innerhalb eines Schweregrades. In einer schwedischen Untersuchung [2] ließen sich sogar nur 23 % der Ausgaben für Arzneimittel durch die Erkrankungsschwere erklären. Es wurden eine Reihe weiterer Faktoren ausgemacht, die die Kosten beeinflussen: unüberlegte Verordnungen, das Geschlecht und die Compliance des Patienten, die Umsetzung von Leitlinien und klinikinternen Standards, die Verschreibung von Generika oder das Arzt-Patient-Verhältnis [10, 26, 46].
1.2
Gesamtkosten des Asthma bronchiale
In Deutschland betrugen die Gesamtaufwendungen 1992 für das Asthma bronchiale nach der top-down-Methode 2,55 Mrd. € [20]. Wie sich die Last auf die verschiedenen Kostenträger verteilt, ist in Abb. 2 dargestellt. Während in den Vereinigten Staaten für das Jahr 1998 die gesamten finanziellen Belastungen durch Asthma auf 12,7 Mrd. US$ geschätzt wurden [3, 4], belastet das Asthma bronchiale in Europa die nationalen Gesundheitsbudgets allein durch direkte Kosten mit 17,7 Mrd. € [23]. Mit der Einführung und Umsetzung einer stadiengerechten Therapie des Asthma bronchiale sind die Kosten in Deutschland ab 1992 um 17,7 % auf 2,1 Mrd. € im Jahr 2002 gesunken. Durch eine Verlagerung der Behandlung in den ambulanten Bereich wurde eine erhebliche Verminderung der Renten- und Todesfälle, der stationären Behandlung sowie der Rehabilitationen erreicht. Interessanterweise waren in demselben Zeitraum die Ausgaben für Medikamente gestiegen [20]. Dies ist ein Indiz für den „lohnenden“ Einsatz einer stringenten Strategie, die, als Investition begriffen, zu weniger Gesamtkosten und besserer Gesundheit führt.
Krankenkassen 48%
Patient 16%
Volkswirtschaft 15%
Arbeitgeber 9%
Abb. 2.
Rentenversicherung 4% öffentliche Haushalte 2%
andere Versicherung 6%
Dargestellt ist der prozentuale Anteil der Kostenträger an den Gesamtkosten von 2,1 Mrd. € im Jahr 2002 für das Asthma bronchiale in Deutschland [20].
40
2
Ansgar D. Raadts, Uwe R. Juergens, Bonn
COPD
Studien zur sozioökonomischen Auswirkung der COPD waren, zumindest für Deutschland, lange Zeit nicht verfügbar. Bisher publizierte Kostendaten bezogen sich entweder auf die Chronische Bronchitis (ohne Obstruktion), deren Gesamtkosten 1998 bei 8,4 Mrd. € lagen [35], oder wurden aus den USA übernommen, deren Studienlage diesbezüglich umfangreicher ist. Erst in den letzten Jahren rückte die COPD als wesentlicher Kostenverursacher in den Mittelpunkt der Diskussionen. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass inzwischen Studien eine gute Grundlage für ökonomische und medizinische Entscheidungen bieten.
2.1
Was kostet die Behandlung eines COPD-Patienten?
Auch die COPD ist teuer. 2004 wurden erstmals verlässliche Daten zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der COPD in Deutschland publiziert [29]. In dieser Studie betrugen die durchschnittlichen Kosten im Jahr 2001 pro COPD Patient 3.027 €, zusammengesetzt aus den direkten und indirekten Kosten und errechnet nach der bottom-up-Methode. Ausgaben für Arbeitsunfähigkeit zusammen mit Medikamenten und Hilfsmitteln machten dabei die Hälfte der Gesamtsumme aus, gefolgt von Ausgaben für ambulante und stationäre Behandlungen sowie vorzeitigen Rentenfällen (siehe Abb. 3). ambulante Behandlung 630,7 (15%)
vorzeitige Todesfälle 292,0 (7%)
Arzneimittel sowie Heil- und Hilfsmittel 984,8 (23%) stationäre Behandlung 573,8 (14%)
Abb. 3.
Rehabilitation 23,7 (1%)
vorzeitige Rentenfälle; 594,8 (14%)
Arbeitsunfähigkeit 1.136 (26%)
Dargestellt sind die direkten und indirekten Kostenarten für die COPD in Deutschland in Millionen € und ihr prozentualer Anteil an den Gesamtkosten von 4,2 Mrd. € im Jahr 2002 [20].
Wie beim Asthma bronchiale sind die entstehenden Kosten der COPD abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Während die leichtgradige COPD in Deutschland Kosten von 2.364 € pro Patient und Jahr verursachte, stiegen die Ausgaben bei mittelschwerer COPD auf 3.332 € und bei der schwergradigen COPD sogar auf 6.585 € an. Dieser Zusammenhang ist in Abb. 4 dargestellt. Die Zunahme der Kosten in Abhängigkeit vom Schweregrad der COPD war bereits aus den USA bekannt, wo 1991 für die leichte COPD 1.681 US$, für die mittelschwere COPD 5.037 US$ und für die schwere Form 10.812 US$ aufgewendet wurden [18].
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD
7000
41
Frührente Notfallambulanz weitere Therapien Raucherentwöhnung Krankentransport Arbeitsunfähigkeit Pflege Rehabilitation Hilfsmittel Sauerstofftherapie Arztkonsultation Medikamente Krankenhausaufenthalte
6000 5000 4000
€ 3000 2000 1000 0 leicht
mittel
schwer
Schweregrad nach ATS
Abb. 4.
Kosten der COPD pro Patient im Jahr 2001 in Euro, aufgelistet nach Schweregrad der Erkrankung (Kriterien der American Thoracic Society, ATS 1995 [1]) und Kostenart [29].
In einer spanischen Studie [12] waren die mittleren Kosten, die ein COPD-Patient im Laufe seiner Behandlungskarriere beansprucht, mit 27.500 € ermittelt worden1. Leichtgradig Erkrankte überlebten durchschnittlich 13,9 Jahre und verursachten in dieser Zeit Kosten von 9.730 €, wohingegen schwergradig Erkrankte 10 Jahre überlebten und 43.785 € kosteten. Eine schwedische Arbeitsgruppe [19] illustriert, wie somit ein kleiner Teil der Patienten (4 %) mit schwerer COPD für 30 % der Kosten verantwortlich ist. Im Gegensatz dazu generiert die große Gruppe mit leichter COPD (83 %) nur 29 % der Kosten. Dieser Zusammenhang zeigt besonders deutlich, wie wichtig, auch unter ökonomischen Gesichtspunkten, die Vermeidung schwerer Erkrankungsgrade ist.
2.2
Gesamtkosten der COPD
In Deutschland wurden die Gesamtkosten der COPD 2002 (top-down Methode) auf 4,2 Mrd. € geschätzt [20]. Das entspricht etwa 17,5 % der Aufwendungen für Lungenerkrankungen (24 Mrd. €) und 1,4 % der Gesamtausgaben für Gesundheitsleistungen (302 Mrd. €). Legt man die Zahlen von Nowak et al. [29] zugrunde, die durch die bottom-up-Methode die verschiedenen Kosten genauer abbilden, sind nach eigenen Berechnungen 12,4 Mrd. €/ Jahr für die COPD zu veranschlagen. Der Anteil der verschiedenen Kostenträger an der Gesamtsumme ist in Abb. 5 wiedergegeben.
1
Die Daten beziehen sich auf die Inzidenz einer COPD-Kohorte im Gegensatz zur Prävalenz bei anderen Studien.
42
Ansgar D. Raadts, Uwe R. Juergens, Bonn
In den Vereinigten Staaten sind die Gesamtkosten für die COPD 1993 auf 23,9 Mrd. US$ geschätzt worden [43], eine Summe, die von der WHO auch für Europa angenommen wird [49]. Die Weltgesundheitsorganisation schätzte die Kosten für Schweden 1991 auf 0,46 Mrd. US$ und für Großbritannien 1996 auf 4,09 Mrd. US$ [30]. Auf die Einwohnerzahl korrigiert ergeben sich Kosten von 87 US$ pro Einwohner in den USA, 60 US$ für Schweden und 65 US$ für Großbritannien. In Deutschland sind pro Einwohner 66 US$ (bei 4,2 Mrd. € Gesamtkosten pro Jahr) zu veranschlagen. Volkswirtschaft 28%
Patient 9% Krankenkassen 34%
Arbeitgeber 17% öffentliche Haushalte 2%
andere Versicherung 5%
Rentenversicherung 5%
Abb. 5.
Dargestellt ist der prozentuale Anteil der Kostenträger an den Gesamtkosten von 4,2 Mrd. € im Jahr 2002 für die COPD in Deutschland [20].
3
Bedeutung von Exazerbationen
Die Exazerbationsrate bei COPD-Patienten entspricht der Häufigkeit von akuten Verschlechterungen aus einer stabilen Phase heraus. Wie in den aktuellen Leitlinien [14] berichtet, ist derzeit keine Medikation verfügbar, die den chronischen Progress der COPD verhindern könnte. Trotzdem ist ein therapeutischer Nihilismus bei COPD nicht gerechtfertigt. Exazerbationen haben einen direkten Einfluss auf den Krankheitsverlauf, sind häufiger bei niedriger FEV1 und erhöhen die Mortalität. Aus diesem Grunde gewinnt die Vermeidung von Exazerbationen oder die Reduktion deren Häufigkeit und Schweregrad eine besondere Bedeutung. Zusätzlich zu der medizinischen Relevanz sind Exazerbationen ein entscheidender kostentreibender Faktor [27]. Die DAFNE2 Study Group konnte zeigen, dass COPD-Patienten, die von Pneumologen betreut wurden, eine signifikant niedrigere Exazerbationsrate hatten als die durch nicht spezialisierte Ärzte behandelten.
4
Medikamente und Hilfsmittel
Im Jahr 2002 betrugen die Ausgaben für Arznei- und Hilfsmittel für Lungenerkrankungen in Deutschland 3,2 Mrd. €, davon entfielen 985 Mio. € auf die COPD [20] und 986 Mio. € auf das Asthma bronchiale. In Tabelle 1 sind Preise für eine Auswahl an Medikamenten angegeben, die bei Asthma bronchiale und COPD zum Einsatz kommen. Zugleich ist für 2
Decisiones sobre Antibioticoterapia y Farmacoeconomíca en la EPOC.
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD
43
Tabelle 1. Auswahl an Arzneimittelpreisen für Asthma bronchiale und COPD (Rote Liste 2006) und Anteil der Verschreibungshäufigkeit für die COPD [29]. Wirkstoffgruppe
Produkt
Darreichungsform, Packungsgröße und Dosis
Anticholinergika
Ipratropiumbromid DA, 200× 20μg
Einzelpreis in €/Packung
Kosten/ Jahr in € bei dauerhafter Anwendung
26,83
587,58 646,25
Anteil bei COPD
8%
Tiotropiumbromid
Pulv, 90× 18μg
159,35
SABA
Salbutamol
DA, 400× 90μg
21,32
bedarfsw. 11%
LABA
Formoterol
Pulv, 180× 6μg/ 12μg
86,62/ 111,53
351,30/ 11% 552,31
Salmeterol
Pulv, 120× 50μg
96,74
Budesonid
Pulv, 200× 200μg/ 400μg
37,27/ 106,99
136,04/ 394,12 10%
Beclometason
DA, 400× 50μg/ 100μg
74,45/ 124,92
135,87/ 227,98
Fluticason
Pulv, 120× 100μg/ 500μg
27,64/ 63,68
168,14/ 387,39
Budenosid + Fomoterol
Pulv, 240× 160+4,5 μg/ 320+9μg
119,77/ 139,63
Fluticason + Salmeterol
Pulv, 180× 250+50μg/ 500+50μg
133.45/ 312,82
541,21/ 1.268,66
Xanthine
Theophyllin
Kps, 100× 300mg
28,36
207,03
Sekretolytika
Acetylcystein
BT, 100× 600mg
30,11
Antiallergika
Montelucast
Tabl, 100× 10mg
175,45
640,39
Cromoglicinsäure
Kps, 100× 100mg
62,38
1.821,50
Ketotifen
Kps, 100× 1mg
25,84
Omalizumab
Lsg, 1× 150mg
496,86
ICS
ICS/LABA
IgE-Antikörper
588,50
364,3/ 11% 849,41
15%
127,29 6%
n.a.
188,63 51.815 n.a.
DA= Dosieraerosol, Pulv= Pulverinhalation, Kps= Kapseln, BT= Brausetablette, Tabl= Tabletten, Lsg= Lösung, LABA= langwirksame inhalative ß-Sympathomimetika, SABA= kurzwirksame inhalative ß-Sympathomimetika, ICS= inhalative Corticosteroide, n.a. nicht analysiert.
44
Ansgar D. Raadts, Uwe R. Juergens, Bonn
die COPD der Anteil an der Verschreibungshäufigkeit dargestellt [Rote Liste 2006, 29]. Häufig werden die aufgelisteten Medikamente auch in Kombinationen angewendet. Die COPD wird in schwereren Erkrankungsstadien unter anderem dadurch teurer, dass eine medikamentöse Therapie allein nicht mehr ausreicht und zusätzliche Maßnahmen, wie aufwendige Sauerstoff- und oder Beatmungstherapie (CPAP, BiPAP)3 eingesetzt werden müssen. Beispielpreise für diese Therapieformen wurden von Anbietern solcher Beatmungssysteme erfragt. Sie belaufen sich für ein Sauerstoffsystem zwischen 560 € (Sauerstoffkonzentrator) und 5500 € (Flüssiggassauerstoff mit Demandsystem) im Jahr. Durch Beatmungssysteme entstehen jährliche Kosten zwischen 640 € (CPAP) und 1800 € (BiPAP). Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind die Patienten an ihre häusliche Umgebung gebunden, und weitere Kosten entstehen durch die Notwendigkeit von Hilfsmitteln und pflegerischer Betreuung (ambulante Pflegedienste, Pflegebett, WC-Stuhl etc.).
5
Krankenhausaufenthalte
Während für das Asthma bronchiale ein klarer Trend zur zunehmenden ambulanten Versorgung und zu selteneren kostenaufwendigen stationären Aufenthalten zu verzeichnen ist, spielt die stationäre Betreuung bei der COPD noch eine wesentliche Rolle. 21,4 % aller durch Lungenerkrankungen in Europa verursachten Krankenhaustage sind auf Asthma und COPD zurückzuführen [23]. In einer amerikanischen Studie wurden 59.735 Patienten untersucht, die sich wegen einer COPD in Akutkrankenhäusern vorstellten [41]. Von diesen Patienten mussten 55,6 % (33.210 Patienten) auf einer Normalstation aufgenommen werden, wobei die mittlere Liegedauer 5,1 Tage betrug. Für diese Patientengruppe entstanden Kosten von 5.997 US$/Patient und Aufenthalt. Weitere 10,2 % (6.094 Patienten) litten unter einer schwergradigen COPD und mussten intensivmedizinisch betreut werden, von denen wiederum 26,9 % (1638 Patienten) intubiert und beatmet werden mussten. Die Ausgaben stiegen für die schwer Erkrankten auf 36.743 US$. Die Liegedauer für diese Patientengruppe lag im Mittel bei 14,8 Tagen bis maximal 31,5 Tage. Die gesündeste Gruppe (34,2 %, 20431 Patienten) wurde in der Notaufnahme ambulant behandelt und kostete durchschnittlich 571 US$ pro Patient und Behandlung. Somit waren Patienten mit schwergradiger COPD, die nur 10 % aller Patienten ausmachten, für 30 % der Kosten verantwortlich [41].
6
Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, Frühberentung
Von insgesamt 16,1 Mio. Arbeitsunfähigkeitsfällen im Jahr 1998 entfielen in Deutschland 28 % auf Lungen- und Atemwegserkrankungen [42]. Die durch Lungenerkrankungen entstandenen Arbeitsausfallkosten wurden zu 42,6 % der COPD und zu 5,3 % dem Asthma bronchiale zugeschrieben. In Europa belaufen sich die Aufwendungen für den Produktionsverlust dadurch auf 28,5 Mrd. € (COPD) und 9,8 Mr. € (Asthma). Zum Vergleich: in Deutschland schätzte die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Jahr 2004 die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle für alle Arbeitsunfähigkeits-
3
CPAP = Continuous Positive Airway Pressure, BIPAP = Biphasic Positive Airway Pressure. Die Preise beinhalten Wartungskosten, Verbrauchsmaterialien und Gerätekosten.
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD
45
tage auf 40 Mrd. €4 [5]. Da Asthma und COPD die Erwerbstätigkeit mindert, wird auch die Frühberentung gefördert, so dass 2001 je nach Rentenversicherungsträger 3–4 % aller entschädigten Fälle durch bronchitische und obstruktive Erkrankungen bedingt waren [48]. Von 1.249 neuen Rentenzugängen durch Lungenerkrankungen 2002 waren 71 % auf Asthma und COPD zurückzuführen. Das Durchschnittsalter bei Rentenbeginn lag zwischen dem 52. und 55. Lebensjahr. Häufig wird dabei der Produktionsausfall, der durch fehlende Arbeitszeit und verminderte Leistungsfähigkeit entsteht, unterschätzt [45]. Die wahren Kosten dürften daher weit höher liegen [17].
7
Besondere Situation bei Kindern
Ein besonderes Augenmerk sollte Kindern mit Asthma bronchiale geschenkt werden, denn in dieser vulnerablen Phase der körperlichen, geistigen sowie emotionalen Entwicklung können die Folgen der Erkrankung besonders schwerwiegend sein. Asthma bronchiale ist die häufigste krankheitsbedingte Ursache für Fehlzeiten in der Schule [16]. Die motorischen Fähigkeiten sind vor allem beim Anstrengungsasthma eingeschränkt, was gerade im Jugendalter, in dem Sport und Physis das Selbstwertgefühl definiert, von den Betroffenen als besonders schlimm erlebt wird. Später bei der Berufswahl sind erneute Restriktionen vorherbestimmt. Zusammen mit einem einfachen Schulabschluss wird es für die Jugendlichen sehr schwer, einen geeigneten Beruf und eine Arbeitsstelle zu finden [21, 22], was unmittelbare volkswirtschaftliche Konsequenzen hat.
8
DALYs (disability-adjusted life years)
Die Belastungen einer Gesellschaft durch eine Erkrankung lässt sich nicht ausschließlich durch Geldsummen darstellen. Asthma und COPD führen zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und krankheitsbedingter Mortalität [11]. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde der Parameter DALYs (disability-adjusted life years) etabliert. Er bewertet die Summe an Lebensjahren, die durch vorzeitigen Tod und durch Gesundheitsstörungen verloren gehen [24, 25, 28]. Demnach lag die COPD 1990 auf Platz 12 der wichtigsten Krankheiten und wird nach Schätzungen 2020 auf Platz 3 vorrücken. Die COPD gehört damit zu den bedeutendsten Ursachen für Einbußen in der Lebensqualität und krankheitsbedingter Mortalität.
9
Gewinner – Verlierer
Ist die COPD teuer? Ja, – für den Patienten. Nicht jedoch für den Staat und erst Recht nicht für die Tabakindustrie. Es ist bekannt, dass der Verzicht auf Rauchen die COPD vermeiden lässt. Hält man die Kosten von 4,2 Mrd. € den Einnahmen durch die Tabaksteuer von 14,3 Mrd. € [6] entgegen, lacht ein deutliches Plus im Bundeshaushalt, wenn andere raucherassoziierte Folgeerkrankungen unberücksichtigt bleiben. Die Bilanz wird
4
34,65 Mio. Arbeitnehmer x 12,7 Arbeitsunfähigkeitstage= 440,1 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage, das entspricht 1,2 Mio. ausgefallene Erwerbsjahre x 32.800 € durchschnittliches Arbeitnehmerentgelt = 40 Mrd. € (1,8 % des Bruttonationaleinkommens) im Jahr 2004 für Deutschland [5]. Anmerkung: Gerechnet mit 365 Arbeitstagen pro Jahr.
46
Ansgar D. Raadts, Uwe R. Juergens, Bonn
Tabelle 2. DALYs 1990: Jahre (in Millionen), die durch vorzeitigen Tod oder Krankheit verloren gehen. 1.
Infektionen untere Atemwege
2.
Diarrhoen
112,0 99,6
3. 3.
Perinatale Erkrankungen COPD im Jahr 2020
92,6
4.
Depressionen
50,8
5.
Koronare Herzerkrankungen
46,7
6.
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
38,5
7.
Tuberkulose
38,4
8.
Masern
36,5
9.
Verkehrsunfälle
34,3
10. Angeborene Anomalien
32,9
11. Malaria
31,7
12. COPD im Jahr 1990
29,1
noch dadurch „besser“, dass die direkt anfallenden Kosten von der Solidargemeinschaft der Krankenkassenzahler getragen werden. Offenbar gelang es der Tabaklobby bisher, ihren Einfluss durch eine geschickte Politik zu wahren und somit einer effektiven Raucherprävention entgegenzustehen. Im Gegenteil hat sie in der Vergangenheit durchaus unrühmlichen Wege beschritten, um finanzielle Erfolge zu erzielen: Im Marshallplan beispielsweise [31], dem Symbol für eine bis dato beispiellose Unterstützungsaktion, wurde nicht weniger als 30 % des Lebensmittelanteils, der Deutschland zugestanden wurde, in Form von Virginia-Tabakblättern ausgeliefert – gegen ein klares Votum der damaligen deutschen und europäischen Regierungen [32]. Ein riesiger Markt für die Tabakindustrie wurde so eröffnet.
10
Sind Reiche gesünder?
Asthma bronchiale und COPD treten häufiger in der sozialen Unterschicht auf [36]. Die schichtspezifische Krankheitsprävalenz in Deutschland liegt für das Asthma bei 6,8 % in der oberen Sozialschicht und 8,5 % in der unteren Sozialschicht. Noch deutlicher ist der Unterschied bei der COPD: während sie in der oberen Sozialschicht bei 6,5 % auftritt, kommt sie in der Unterschicht bei 11,3 % der Erwachsenen vor. Auch in den USA herrscht ein Ungleichgewicht: die Hospitalisationsrate von afroamerikanischen und südamerikanischen Einwanderern durch Asthma bronchiale liegt um 50 % höher als bei weißen Erwachsenen. Bei Einwandererkindern ist gar ein Anstieg um 150 % gegenüber weißen Kindern zu verzeichnen [49]. Gründe für die bessere Gesundheit wohlhabenderer Menschen sind sowohl in besseren materiellen Ressourcen und einem bildungsspezifischen gesünderen Präventionsverhalten als auch in arbeitsspezifischen Belastungen zu suchen [36].
Volkswirtschaftliche Bedeutung von Asthma und COPD
47
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II
Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
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Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention Claus Kroegel, Jena
1
Einleitung
Es gibt viele Gründe, sich einem Kapitel zum Thema „Prävention asthmatischer Erkrankungen“ zu widmen. (A) Zunächst handelt es sich beim Asthma bronchiale um eine Volkskrankheit, von der 4–6 % oder 5 Mio. Bundesbürger betroffen sind [1, 2]. (B) Ferner nimmt die Prävalenz allergischer Erkrankungen und parallel dazu auch das Asthma bronchiale stetig zu. (C) Zudem sterben in Deutschland pro Jahr nach wie vor bis zu 1000 Personen an den Folgen eines Asthma bronchiale, selbst wenn sich der Trend in den 90iger Jahren verlangsamt hat [2, 3, 4]. (D) Darüber hinaus ist trotz erheblicher Fortschritte bei der medikamentösen Therapie ein großer Teil der Asthmatiker nicht ausreichend kontrolliert, mit Einschränkung der täglichen Aktivität und Asthma-bedingten Schlafstörungen [1, 5, 6, 7]. (E) Schließlich sind einige Asthmaerkrankungen selbst nach Ausschöpfung aller medikamentösen Therapiemöglichkeiten nicht zu kontrollieren (schwergradig-persistierendes bzw. unkontrollierbares Asthma). Die genannten Aspekte machen deutlich, dass die gegenwärtige Situation für viele betroffene Asthmatiker unbefriedigend ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig und dürften sowohl an ärztlichen als auch Patienten-abhängigen Faktoren liegen. Einer dieser Faktoren bezieht sich auf die Prävention, die zwar als eine erste Therapiemaßnahme gilt, jedoch in vielen Fällen nicht berücksichtigt wird. Denn die Wirksamkeit jeder anti-allergischen Behandlung ist begrenzt und bleibt Stückwerk, solange die Maßnahmen der Prävention nicht ausgeschöpft sind. Diese Einsichten verleihen der Darstellung der Möglichkeiten und Grenzen der Prävention bei Asthma bronchiale in einem gesonderten Kapitel ein besonderes Gewicht.
2
Formen der Prävention – Definition
Allgemein umfasst Prävention alle Maßnahmen vor oder nach Manifestation einer Erkrankung, die das Auftreten, die Manifestation, die Symptome oder Folgeschäden einer Erkrankung vermeiden bzw. verhindern sollen. Wie bei anderen Erkrankungen auch, lassen sich bei allergischen Krankheiten die präventiven Maßnahmen in primäre, sekundäre und tertiäre Prävention unterteilen. Diese Unterscheidung ist erforderlich, da (A) die Faktoren, die eine Erkrankung auslösen, nicht unbedingt mit den Faktoren übereinstimmen, die eine existierende Erkrankung verschlechtern und (B) die jeweiligen Maßnahmen von
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Claus Kroegel, Jena
der individuellen Ausgangslage (z.B. vor oder nach Manifestation einer Krankheit) abhängen und dann unterschiedliche Effekte besitzen. Unter der primären Prävention versteht man Maßnahmen, die darauf abzielen, die Entwicklung der Erkrankung a priori zu verhindern. Es handelt sich also um Interventionen, die vor der Entwicklung bzw. der Manifestation der Erkrankung durchgeführt werden („Krankheitsverhütung“). Demgegenüber sucht die sekundäre Prävention die klinische Manifestation einer im subklinischen oder Vorstadium befindliche Erkrankung zu verhindern („Krankheitsfrüherkennung“). Diese beziehen sich also auf Interventionen, die über verschiedene Ansätze den Ausbruch der Erkrankung potentiell begünstigende Risikofaktoren zu vermeiden helfen. Bei der tertiären Prävention geht es schließlich darum, eine Verschlechterung, Exazerbation oder Komplikationen (vorzeitige Invalidität; Exitus) bzw. Langzeitfolgen der Erkrankung bei Patienten mit bereits klinisch manifester allergischer Erkrankung zu minimieren. Einer präventiven Interventionen bedienen sich verschiedener Ansätze, wie z.B. Schulung, Verhaltenskorrektur, Rehabilitation, Allergenvermeidung und medikamentöse Maßnahmen.
3
Bedeutung der Prävention
Die Prävention trägt sowohl zur Reduktion der Krankheitslast für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft bei. Aus individueller Sicht hilft sie, die Krankheit besser zu kontrollieren und damit die individuellen Beschwerden zu minimieren. Sie hilft ferner, eine Störung des sozialen Umgangs zu vermeiden sowie die Lebensqualität des Betroffenen zu erhalten. Aus gesellschaftlicher Sicht trägt Prävention dazu bei, die volkswirtschaftlichen Aufwendungen für die Krankheit „Asthma“ durch Verminderung direkter und indirekter Kosten zu reduzieren. Die Gesamtaufwendungen für die Krankheit pro Jahr werden immerhin auf 2,6 Mrd. Euro geschätzt [3].
4
Voraussetzungen für Präventionsmaßnahmen bei Asthma
Vor der Einleitung von Maßnahmen zur Prävention müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Hierzu gehören • Klassifikation und Terminologie und • Diagnostik Erst die hierbei gewonnenen Informationen machen Prävention möglich und erlauben die Konzeption von auf den Einzelnen zugeschnittene Maßnahmen.
5
Erste Voraussetzung – Klassifikation und Terminologie
Die Prävention beginnt mit der eindeutigen Einteilung und der Definition der mit Asthma assoziierten Termini. Denn die Terminologie und Einteilung des Asthma bronchiale wird oft inkonsistent und inkorrekt gebraucht (z.B. ‚chronisch-asthmoide Emphysembronchitis’). Schuld daran sind (A) ältere, aus heutiger Sicht überholte, Konzepte zur Pathogenese oder (B) der wenig differenzierte Gebrauch der Diagnose „Asthma“ für Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen [8].
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
berufsbedingtes allergisches Asthma
(extrinsisches) Asthma bronchiale
(90 % aller Erkrankungen)
Abb. 1.
55
Analgetikainduziertes Asthma
Nichtallergisches (intrinsisches) Asthma bronchiale
nokturnales Asthma Anstrengungsinduziertes Asthma Variant(Husten) Asthma
(10 % aller Erkrankungen)
Kunststoff (Isocyanat)assoziiertes berufsbedingtes Asthma
Die beiden prinzipiellen Formen des Asthma bronchiale (allergisches versus nicht-allergisches Asthma) und ihre Beziehung zu häufigen, in der klinischen Praxis gebrauchten Termini. Die überlappenden Kreise zeigen an, welche Untergruppe zu welcher der beiden großen Asthmatypen gehört (nach [8]).
Aufgrund der heute geltenden Vorstellungen unterscheidet man je nach Bestehen einer allergischen Diathese grundsätzlich zwischen • extrinsischem bzw. allergischem Asthma und • intrinsischem bzw. nicht-allergischem Asthma (Abb. 1). Das allergische (extrinsische) Asthma ist für etwa 90 % aller Asthmaerkrankungen verantwortlich und manifestiert sich in Verbindung mit einer allergischen Diathese (Tabelle 1). Diese beruht vor dem individuellen Hintergrund einer definierten genetischen Prädisposition auf einer pathologischen Immunreaktion (sog. allergische Typ-I-Reaktion vom Immunglobulin E-vermittelten Typ nach Coombs & Gells) gegenüber häufigen Antigenen aus der belebten und unbelebten Umwelt (Tabelle 2) [8]. Demgegenüber lässt sich beim nicht-allergischen (intrinsischen) Asthma keine allergische Diathese nachweisen. Diese Form findet sich in bis zu 10 % aller Asthmaerkrankungen und wird möglicherweise durch respiratorische Infekte (Viren? atypische Bakterien?), eine Autoimmunerkrankung oder bisher nicht identifizierte Faktoren ausgelöst [1, 8, 9, 10]. Atemwegsinfektionen können aber auch die Manifestation eines zuvor bestehenden subklinischen allergischen Asthmas einleiten.
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Claus Kroegel, Jena
Tabelle 1. Unterschiede zwischen extrinsischem und intrinsischem Asthma bronchiale [22] Bezeichnung
Definition
Extrinsisches Asthma bronchiale
• Eine mit Umweltallergenen assoziierte Atemwegserkrankung, die saisonal rezidivierend mit Erhöhung der Eosinophilenzahl im Blut sowie des Gesamt- und allergenspezifischen IgE einhergeht • Manifestiert sich oft bereits in der Kindheit oder frühen Jugend • Eine allergische Diathese in der Familie ist meist bekannt • Immunologisch finden sich passagere, mit der Allergenexposition zeitlich im Zusammenhang stehende aktivierte CD4+-Zellen sowie Th2-Zell-assoziierte Zytokine in den Atemwegen
Intrinsisches Asthma bronchiale
• Manifestation im mittleren Erwachsenenalter (> 40 Jahre), häufig in Verbindung mit einem respiratorischen Infekt • Eine allergische Diathese oder Vermehrung des Gesamt- bzw. spezifischen IgE fehlt • Eine Polyposis nasi ist gehäuft nachweisbar • Persistierende Symptomatik ohne größere jahreszeitliche Schwankungen • Stärker ausgeprägte Eosinophilie als bei allergischem Asthma • Anhaltende Präsenz aktivierter (IL-2R+, HLA-DR+ und VLA-1+) CD4+T-Lymphozyten und Nachweis von „Memory“-T-Zellen (CD45R0+)
Tabelle 2. Relevante, allergische Erkrankungen auslösende Allergenklassen [21]. Allergene
Kommentar
Pollen
• Ubiquitär vorkommend, häufige Allergieauslöser • Saisonal betonte Symptome (vor allem Rhinitis) in Abhängigkeit von Sensibilisierungsmuster und Blütezeit
Haustiere
• In erster Linie Felltiere • Allergiker sollten grundsätzlich keine Haustiere halten
Hausstaubmilben
• • • •
Schimmelpilze
• Seltene Auslöser von Allergien • Jedoch mit schweren Asthma-Symptomen assoziiert • Differentialdiagnostische Abgrenzung zur exogen-allergischen Alveolitis (ABPA) erforderlich
Nahrungsmittelbestandteile
• Treten vor allem im Kleinkindesalter häufig auf, nehmen im Schulkindalter/Adoleszenz ab • Bedeutung in Abhängigkeit vom Sensibilisierungsmuster • Unspezifische Reaktion (z.B. bei Genus von Alkohol) häufig
Ubiquitär vorkommend, häufige Allergieauslöser Bei Jugendlichen für 80 % des Asthmas verantwortlich Beschwerden sind unabhängig von der Jahreszeit Bevorzugt nächtliche Asthma-Attacken
Andere Termini, wie z.B. das „Anstrengungs-Asthma“, „nächtliches (nokturnales) Asthma“ oder „Hustenasthma“ (‚Cough-Variant’-Asthma), beziehen sich nicht auf eigenständige Formen eines Asthma bronchiale [8]. Vielmehr heben die Bezeichnungen entweder
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
57
Tabelle 3. Bezeichnungen der verschiedenen, nach den im Vordergrund stehenden Symptomen oder bestimmten Noxen bezeichneten Varianten eines allergischen oder nicht-allergischen Asthma bronchiale [21]. Bezeichnung
Definition
Anstrengungsinduziertes Asthma
• Entsteht auf dem Boden einer bronchialen Hyperreagibilität • Pathogenese: (1) Mastzellmediatorsekretion als Folge eines Feuchtigkeitsverlustes und hyperosmolarer Provokation sowie (2) Permeabilitätserhöhung der Kapillaren mit Bronchialödem • Beteiligung von Cysteinyl-Leukotrienen
Husten- oder • Im Vordergrund steht ein chronischer, rekurrierender Husten ohne ‚Cough-Variant’wesentliche Atemwegsobstruktion bzw. Dyspnoe Asthma • Symptome werden durch die bronchiale Hyperreagibilität verursacht Analgetikainduziertes Asthma
• Individuelle prädisponierte Dysregulation des Arachidonsäuremetabolismus • Assoziation mit dem intrinsischen Asthma
Nokturnales Asthma
• Nachts betonte Beschwerden (frühe Morgenstunden (4.00 bis 6.00 Uhr)) • Assoziation mit bronchialer Hyperreagibilität bei intrinsischem oder extrinsischem Asthma. • Ausdruck eines therapeutisch nicht adäquat eingestellten Asthmas
GewitterAsthma
• Asthmaexazerbation in zeitlicher Nähe eines Gewitters (‚Thunderstorm’-Asthma)
Berufsbedingtes Asthma
• Ein durch Allergene oder andere Substanzen im beruflichen Umfeld ausgelöstes Asthma bronchiale
Mischform
• Kombination von Asthma und COPD • Entsteht oft bei klinisch inapparenten Asthmatikern mit länger betriebenem Nikotinabusus (>10 Packungsjahre)
ein im Vordergrund stehendes Symptom oder eine tageszeitliche Betonung asthmatischer Beschwerden eines Asthma bronchiale hervor (Tabelle 3), gehören aber entweder zum extrinsischen oder intrinsischen Asthma [6, 8, 11]. Als diagnostische Kategorie tragen diese Bezeichnungen eher zur Verwirrung bei, so dass sie vermieden werden sollten. Ausnahmen bilden allenfalls Erkrankungen, die durch einen definierten Auslöser verursacht werden (z.B. „Analgetika-Asthma“) oder solche, die eine örtliche oder zeitliche Häufung der Beschwerden zeigen (saisonales Asthma, Berufsasthma usw.), solange sich hieraus für den Einzelnen konkrete präventive Aspekte ableiten lassen.
6
Zweite Voraussetzung – Diagnostik
Der diagnostische Zugang bei Verdacht auf Vorliegen eines Asthma bronchiale beruht auf sechs Elementen [6, 11], zu denen (I) die Identifikation der mit der Erkrankung assoziierten Symptome und der Nachweis (II) einer Atemwegsobstruktion, (III) einer BHR sowie (IV) einer allergischen Sensibilisierung ebenso wie (V) die differentialdiagnosti-
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Claus Kroegel, Jena
sche Ausgrenzung anderer Erkrankungen sowie (VI) die diagnostische Sicherung mittels spezifischer Provokation gehören (Abb. 2). Die integrierte Beurteilung der Elemente 1 bis 5 erlaubt in den meisten Fällen die Diagnose eines Asthma bronchiale. Demgegenüber ist die spezifische Provokation (Element 6) nur in wenigen Fällen erforderlich. Zusätzlich können im Zweifelsfall die in den aktuellen Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga angegebenen diagnostischen Kriterien herangezogen werden (Tabelle 4).
Element 5 Ausschluss nicht-asthmatischer Erkrankungen Element 4 Nachweis der allergischen Sensibilisierung (IgE, Prick-T.) Element 3 Nachweis der bronchialen Hyperreagibilität (unspez. Provokation) Element 2 Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung (Lungenfunktion u.a.)
Diagnostischer Aufwand
Element 6 Diagnose-Sicherung (spez. Provokation)
Element 1 Erfassung der asthmatischen Symptome (Anamnese, körperl. Untersuchung) Diagnosesicherheit
Abb. 2.
Die „diagnostische Treppe“ zur schrittweisen Eingrenzung der Diagnose eines Asthma bronchiale. Details siehe Text.
Tabelle 4. Diagnostische Kriterien des Asthma bronchiale im Erwachsenenalter [5]. • Nachweis einer Obstruktion (FEV1/VK < 70 %) und • Nach Inhalation von 4 Hüben eines kurz-wirksamen β2-Sympathomimetikums FEV1Zunahme ≥ 15 %, bezogen auf den Ausgangswert und mindestens 200 ml, oder Abnahme des spezifischen Atemwegswiderstandes um mindestens 1 kPa × sec. oder • FEV1-Verschlechterung > 15 % während oder bis zu 30 min nach körperlicher Belastung, ggf. Zunahme des spezifischen Atemwegswiderstandes um mindestens 150 %. oder • Verbesserung der FEV1 ≥ 15 % (mindestens 200 ml), ggf. Abnahme des spezifischen Atemwegswiderstandes (Δ sRaw) um mindestens 1 kPa × sec nach täglicher hochdosierter Gabe eines inhalativen Kortikosteroids über maximal 4 Wochen. oder • bei einer für Asthma sprechenden Anamnese, aber normaler Lungenfunktion: Nachweis einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität mittels eines standardisierten, mehrstufigen inhalativen Provokationstests bzw. zirkadiane PEF-Variabilität > 20 % bei Messungen über einen Zeitraum von 3–14 Tagen.
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
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Zusätzlich zur Etablierung der Diagnose „Asthma bronchiale“ selbst sind im Hinblick auf die Prävention im Rahmen der Diagnostik folgende Aspekte zu prüfen: • Lässt sich eindeutig zwischen allergischem und nicht-allergischem Asthma differenzieren? • Lassen sich differentialdiagnostisch in Frage kommende Erkrankungen (Abb. 3) ausschließen [12], die ebenfalls die Symptome erklären könnten (Tabelle 5)? • Ist das vermutete Allergen wirklich für die Beschwerden verantwortlich? • Welches Sensibilisierungsmuster liegt bei dem Betroffenen vor? • Ist eine allergische Erkrankung in der engeren Familie aufgetreten (Eltern? Geschwister?)? • Besteht eine Assoziation zwischen den asthmatischen Beschwerden und einem Aufenthaltsort? • Besteht eine Beziehung zwischen den asthmatischen Beschwerden und der Tageszeit?
Atemwegserkrankungen Intrinsisches Asthma, Alpha-1-Antitrypsinmangel, Chronisch-obstruktive Bronchitis, Laryngealasthma (‚Vocal Cord Dysfunction‘), Obstruktives SchlafapnoeSyndrom
Asthma bronchiale Parenchym Lungenerkranku
ankungen
Adult Respiratory Distress Syn Aspergillose (ABPA), Chronisch-eosinophile Pneumonie (CEP), Churg-Strauss-Syndrom (CSS), Löffler-Syndrom, Tropische eosinophile Pneumonie (TEP), Sarkoidose, Reactive Airway Dysfunction Syndrome (RADS)
Abb. 3.
systemische Mastozytosis, zentrales Schlafapnoesyndrom, Fremdkörperaspiration, psychosomatische Krankheiten
Differentialdiagnosen bei allergischem Asthma bronchiale. Modifiziert nach [8]
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Claus Kroegel, Jena
Tabelle 5. Anamnestische Hinweise, Symptome und Befunde für das Vorliegen nichtasthmatischer Erkrankungen [21], VCD = Vocal Cord Dysfunction, RADS = Reactive Airways Distress Syndrome Klinische Hinweise
Mögliche Diagnose
I. Anamnese Beschwerden seit der Geburt
Zystische Fibrose, ziliäre Dyskinesie, Entwicklungsdefekte, Hypogammaglobulinämie
Familienanamnestisch ungewöhnliche Lungenerkrankungen
Zystische Fibrose, neuromuskuläre Erkrankungen,
Schwere Atemwegsinfektionen seit der Geburt
Zystische Fibrose, Hypogammaglobulinämie und andere Immundefekte
Prolongierter NeugeborenenIkterus
Alpha-1-Antitrypsinmangel
II. Symptome/Klinischer Befund Persistierender produktiver Husten
Zystische Fibrose, rekurrierende Aspiration, BOOP, Hypogammaglobulinämie und andere Immundefekte, Byssiniose und andere Berufserkrankungen
Dysphagie
Tumor, Aspiration, zerebrale Prozesse
Stimmveränderungen
Laryngeale Erkrankungen, Tumor, Rekurrensparese (Mediastinallymphom oder -tumor)
Fokale Veränderungen im Röntgenthorax
Bronchiektasen, Tumor, Pneumonie, BOOP, Tuberkulose, Fremdkörperaspiration u.a.
Diffuse Lungenveränderungen
Zystische Fibrose, Bronchiektasen, Lymphangioleiomyomatose, Pneumokoniosen und andere Berufserkrankungen
Inspiratorischer Stridor/Giemen
Verlegung der zentralen Atemwege durch Fremdkörper, Tumor, Mediastinalprozess, VCD-Syndrom, RADS („irritatives Asthma“)
• Besteht eine Beziehung zwischen den asthmatischen Beschwerden und der jahreszeitlichen Verteilung? • Tragen die häuslichen Verhältnisse mit Wohnungseinrichtung und Bodenbelag (Stoffmöbel? Pflanzen? Haustiere? Teppichboden? Tiere in unmittelbarer Umgebung?) (Tabelle 2) zu den Beschwerden bei? • Finden sich bautechnische Konstruktionsmängel (Kältebrücken, Bauschäden, bauphysikalische Ursachen bei Wärmedämmung, Feuchtigkeitsentwicklung oder Hausbzw. Zimmerbelüftung? Schimmelpilzbewachsung?), die die Erkrankung akzentuieren? Die genannten Aspekte lassen sich in der Regel mit einer gezielten Anamnese, einer pneumologisch ausgerichteten Diagnostik sowie einer differenzierten Allergiediagnostik (Hauttest, Allergen-spezifisches-Immunglobulin E) ermitteln. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, Beschwerdemuster und -häufung mittels regelmäßiger Peak-Flow-Messungen (Tabelle 6) und Beschwerdenregistrierung unter Verwendung eines Asthmata-
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
61
Tabelle 6. Berechnung der täglichen Variabilität der Amplitude und des PEF-Wertes als Parameter zur Objektivierung des Beschwerdemusters. PEF-Amplitude [l/min] = Formel: Höchster [l/min] – Niedrigster Wert [l/min] (Beispiel: höchster PEF = 400 l/min, niedrigster PEF = 300 l/min, Amplitude = 400 l/min – 300 l/min = 100 l/min) PEF-Variabilität [%] =
Höchster PEF-Wert – Niedrigstem PEF-Wert × 100 Höchster PEF-Wert
(Beispiel: höchster PEF = 400 l/min, niedrigster PEF = 300 l/min, PEF-Variabilität = (400-300)/400 × 100 = 25%)
gebuchs zu objektivieren bzw. zu überprüfen. Dagegen ist es nur selten erforderlich, die klinische Relevanz einzelner Allergene mittels spezifischer Provokation zu untersuchen.
7
Krankheitsspektrum
Die Schwere der Manifestation erstreckt sich in einem Kontinuum von sehr leichten intermittierenden Formen bis hin zu einer persistierenden schweren Ausprägung in Form eines perennialen, instabilen Asthmas mit häufigen Exazerbationen (Abb. 4). Nach den Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga wird Asthma in intermittierend (Schweregrad I), persistierend mild (Schweregrad II), persistierend moderat (Schweregrad III) und persistierend schwer (Schweregrad IV) unterteilt. Die hier wiedergegebene Einteilung (Tabelle 7) ergänzt diese Empfehlung durch die Schweregrade 0 und V. Der „Schweregrad V“ bezeichnet Patienten im schweren Asthmaanfall (Status asthmaticus). Demgegenüber erfasst der „Schweregrad 0“ Personen, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besitzen, an einem Asthma bronchiale zu erkranken [6, 11, 13]. Hierzu gehören Personen mit einer allergischen Diathese oder mit einer nicht-pulmonalen allergischen Manifestation (atopische Dermatitis, allergische Rhinitis), ohne Hinweise für eine obstruktive Atemwegsstörung. Eine größere Wahrscheinlichkeit, an einem Asthma zu erkranken, besitzen auch Kinder von Eltern mit allergischen Krankheiten oder Erwachsene, die in früheren Lebensabschnitten an einem Asthma litten und dieses im Laufe der Adoleszenz verloren haben. Bei letztgenannten Personen besteht trotz klinischer Remission in der überwiegenden Mehrzahl die asthmatische Atemwegsentzündung fort [14, 15] (Abb. 4).
8
Elemente der Asthmatherapie
Grundsätzlich lassen sich vier, z.T. ineinandergreifende Ansätze der Asthmatherapie unterscheiden (Abb. 5). 1. Prävention. Zunächst sollten alle individuell sinnvollen präventiven Maßnahmen etabliert werden [13, 17]. Präventiver Aspekt: Gilt im weitesten Sinne für alle drei Formen der Prävention (siehe unten), insbesondere für die sekundäre und vor allem für die tertiäre Prävention (Allergenvermeidung, Nikotinkarenz usw.).
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Tertiärprävention rad
eg wer
II
Sch
egr
ad I
II
V
Sch
rad
0 rad
eg wer
Sch
Status asthmaticus
V
Subklinisch, mit nachweisbarer Atemwegsentzündung
Schwergradig persistierende Beschwerden
wer eg
Sekundärprävention
Sporadische, intermittierende Beschwerden
ad I
Sch wer
egr
Mittelgradig persistierende Beschwerden
egr wer
ad I
wer
Sch
Leichtgradig persistierende Beschwerden
Sch
Gesund Exitus letalis
Primärprävention Abb. 4.
Kontinuum der asthmatischen Beschwerden, unterteilt nach Schweregraden 0 („ohne Beschwerden“) bis V (Exazerbation, Status asthmaticus) sowie die zum Krankheitsspektrum gehörenden Präventionsformen. Modifiziert nach 11.
2. Medikamentöse Therapie. Da präventive Interventionen nicht immer sofort oder vollständig umzusetzen sind oder bei schwereren, Therapie-refraktären Asthmaformen nicht ausreichen, wird die Prävention durch eine pharmakologische Behandlung ergänzt. Präventiver Aspekt: Die medikamentöse Therapie kann die strukturellen Veränderungen („Atemwegsremodelling“) beeinflussen und den akzelerierten Lungenfunktionsverlust bei Asthma mildern und somit im Sinne der tertiären Prävention von Bedeutung sein [33, 37, 38]. Darüber hinaus gibt es auch einige Ansätze zur sekundären Prävention durch Medikamente [16, 17, 18, 19]. 3. Erweiterte Therapie. Lässt sich mit den oben genannten Maßnahmen keine Kontrolle des Asthmas erreichen (Tabelle 8) (z.B. fortbestehende, tägliche Beschwerden, häufiger Bedarf an schnell-wirkenden Beta-2-Mimetika, Kortikosteroid-abhängiges Asthma), ist eine weitergehende Therapie (z.B. Omalizumab, Interferon-α, Anti-Tumor-Necrosis-Factor-α) angezeigt. Präventiver Aspekt: Die Maßnahmen dienen zur Herstellung der Krankheitskontrolle, Vermeidung von Exazerbationen und Asthma-assoziierten Komplikationen im Sinne der sekundären und tertiären Prävention.
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
63
Tabelle 7. Erweiterte Einteilung und Definition der Schweregrade des Asthma bronchiale. Modifiziert nach [5] Schweregrad
Definition Anfälle tagsüber
Anfälle nachts
FEV1 bzw. PEF
PEF-Variabilität
0
Subklinisches Asthma
keine
keine
≈ 100 %
< 10 %
I
Intermittierendes Asthma
< 1× pro Woche, ansonsten asymptomatisch
≤ 2× pro Monat
≥ 80 %
< 20 %
II
Leichgradigpersistierendes Asthma
> 1× pro Tag bis < 1× pro Woche
> 2× pro Monat
≥ 80 %
20–30 %
III
Mittelgradigpersistierendes Asthma
täglich
> 1× pro Monat
60–80 %
20–30 %
IV
Schwergradigpersistierendes Asthma
hohe Variabilität, hohe Intensität
häufig
≤ 60 %
> 30 %
V
Exazerbation
zunehmende bzw. anhaltende Symptome (Dyspnoe, ggf. Zyanose usw.)
anhaltende Symptome, Schlaf bzw. Rückenlage meist nicht möglich
nicht messbar
nicht messbar
IV. Kausale Immuntherapie
III. Erweiterte Therapie
II. Medikamentöse Therapie
I. Präventive Maßnahmen Abb. 5.
Therapieelemente beim Asthma bronchiale (modifiziert nach [8])
64
Claus Kroegel, Jena
Tabelle 8. Definition der klinischen Kontrolle nach den Asthmakontrollstufen der GINAEmpfehlungen [13], * PEF = Exipiratorischer Spitzenfluss, FEV1 = forciertes Ein-Sekunden-Volumen Stufen der Asthmakontrolle Eigenschaften
Kontrolliertes Asthma
Partiell kontrolliertes Asthma
Definition
Alle der genannten Kriterien
Jedes der folgenden > 3 Kriterien des parKriterium tiell kontrollierten Asthmas pro Woche
Symptome während des Tages
Keine (≤ 2× pro Woche)
> 2× pro Woche
Einschränkung der körperlichen Aktivität
Keine
Jegliche Einschränkung
Nächtliche Symptome, nächtliches Erwachen
Keine
Jegliche Einschränkung
Bedarf an „Reliever“/ Notfallspray (kurz-wirksames β2Mimetikum)
Keine (≤ 2× pro Woche)
Lungenunktion (PEF oder FEV1)*
Im Normbereich < 80 % des Sollwertes oder des persönlichen Bestwertes (sofern bekannt)
Exazerbationen
Keine
> 2× pro Woche
Eine oder mehr pro Jahr
Unkontrolliertes Asthma
> 3 der Kriterien des partiell kontrollierten Asthmas pro Woche
Eine pro Woche
4. Kausal ausgerichtete immunologische Therapie. Individuell sollte man parallel zu den übrigen drei Therapieansätzen die Möglichkeit einer kausalen Immuntherapie prüfen. Präventiver Aspekt: Die Desensibilisierung kann z.B. im Rahmen der Sekundärprävention und bei Rhinitis allergica zur Vermeidung des „Etagenwechsels“ im Sinne einer sekundären sowie tertiären Prävention verstanden werden. Die Indikation zur Anwendung dieser Behandlungsansätze ist jeweils individuell zu prüfen. Auf die medikamentöse Therapie des Asthmas wird an anderer Stelle dieses Buches eingegangen. An dieser Stelle sollen die Möglichkeiten und Grenzen präventiver Maßnahmen diskutiert werden.
9
Präventive Maßnahmen bei Asthma
Die einzelnen oben genannten Formen der Prävention sollen nachfolgend im Hinblick auf die therapeutische Relevanz für allergische Erkrankungen erläutert werden. Bis auf wenige Ausnahmen liegen für viele präventive Maßnahmen nur unzureichende Daten vor, die eine eindeutige Empfehlung nicht zulassen. Die Gründe hierfür sind vielfältig
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
65
und liegen u.a. an der Heterogenität des Studienaufbaus und dem für die Studien erforderlichen zeitlichen Umfang der Untersuchung sowie der Variabilität der Zielparameter. Außerdem werden viele Untersuchungen von wirtschaftlichen Überlegungen bestimmter Interessensgruppen geleitet. Unabhängig davon setzten alle Maßnahmen eine Aufklärung und Information des Betroffenen voraus, der diese Maßnahmen durch bessere Einsicht umsetzen muss. Aus diesem Grund gehören die Schulung und Aufklärung von Risikopersonen und die Früherkennung der Erkrankung sowie die möglichst frühzeitige Behandlung zu allen Formen der Prävention.
9.1
Primäre Prävention
Ziel. Ziel der Primärprävention bei allergischen Erkrankungen ist eine Reduktion der Inzidenz und Prävalenz allergischer Erkrankungen ebenso wie der Sensibilisierungsrate in der Bevölkerung. Derzeit werden auf dem Boden gut kontrollierter Studien eine Reihe von Maßnahmen zur Primärprävention empfohlen (Tabelle 9). Bei anderen ist die Datenlage weniger eindeutig. So ist beispielsweise der Stellenwert einer Tierhaltung im 1. Lebensjahr derzeit nicht sicher einzuschätzen. Zielgruppe. Für Maßnahmen zur primären Prävention kommen alle gesunden Personen in Frage. Für sie selbst oder für ihre Nachkommen lässt sich kein unmittelbar erkennbares erhöhtes Risiko ableiten, eine allergische Erkrankung zu entwickeln. Präventionsansatz. Die primäre Prävention bezieht sich auf die Zeit/Periode vor der Entwicklung oder Manifestation der Krankheit. Diese umfasst in erster Linie das Fötalstadium (z.B. Nikotinkarenz der Eltern) und die unmittelbare Postnatalphase (z.B. Stillen), aber auch den weiteren Verlauf des Lebens (z.B. Nikotinabusus) [21, 22] (Abb. 6). Maßnahmen. Die primäre Prävention umfasst die Förderung der Gesundheit und Verhütung von Krankheit durch Beseitigung potentiell ursächlicher Faktoren. Zu ihr gehört die Reduktion von Infektionen, der Expositionsschutz gegenüber inhalativen Noxen, die Sicherstellung eines normalen Geburtsgewichtes und eine natürlichen Ernährung einschließlich des Stillens (Tabelle 9). Die Bedeutung der einzelnen präventiven Interventionen entweder für die allgemeine Bevölkerung oder für Familien mit erhöhtem Allergierisiko ist nach wie vor nur unzureichend bekannt. Dagegen gelten das Stillen des Neugeborenen sowie das Vermieden eines mütterlichen (väterlichen) Zigarettenkonsums [1, 22, 23] als gesicherte präventive Ansätze, die unter allen Umständen bei Kindern allergischer Eltern berücksichtigt werden sollten (Abb. 6). Für Personen ohne erhöhtes Allergierisiko besteht nach der gegenwärtigen Datenlage kein Grund für eine Einschränkung der Haustierhaltung (z.B. Hundehaltung) [24, 25]. Auch die Abschaffung von Felltieren ist nicht erforderlich, da die Haltung von Felltieren nach aktueller Kenntnislage für Gesunde kein höheres Allergierisiko darstellt. Limitationen. Generell fehlen auch bei Personen mit erhöhtem Allergierisiko das Bewusstsein, die Akzeptanz bzw. die Einsicht, dass die Möglichkeit besteht, dass es zu einer Entwicklung einer allergischen Erkrankung in der Familie kommt. Das mag u.a. daran liegen, dass größere Studien zur Wirksamkeit einzelner präventiver Interventionen fehlen. Das mag z.T. aber auch an einer unzureichenden Aufklärung oder „Sensibilisierung“ der Öffentlichkeit zu diesem Thema liegen. Dabei sind Interventionen, die auf die ganze Bevölkerung zielen, meist wirksamer als nur auf Teilpopulationen ausgerichtete Maßnahmen (sog. „Präventionsparadox“).
66
Claus Kroegel, Jena
Tabelle 9. Empfehlungen zur Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention allergischer Erkrankungen. STIKO = Ständige Impfkommission Maßnahme
Primäre Prävention
Sekundäre Prävention
Stillen
Stillen über ≥ 4 Monate
Stillen über ≥ 4 Monate
Allergenkarenz
Keine Einschränkung
Schimmelpilz-Exposition
Schimmelpilzfördernde Umgebung meiden
Schimmelpilz-fördernde Umgebung meiden
Hausstaubmilben
Keine Maßnahmen
Bei Allergien in der Familie können Maßnahmen zur Minderung der Exposition gegenüber Hausstaubmilben hilfreich sein
Bei klinisch relevanter Sensibilisierung sind Maßnahmen zur Minderung der Exposition gegenüber Hausstaubmilben sinnvoll
Tierhaltung
Keine Einschränkung
Karenz gegenüber felltragenden Haustieren (vor allem Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen)
Nicht nur bei klinisch relevanter Sensibilisierung Karenz gegenüber federn- oder felltragenden Haustieren
Irritantien
Keine Maßnahmen
Wo möglich meiden
Wo möglich meiden
Nikotinabusus
Nikotinkarenz von Eltern und werdenden Eltern
Beendigung des aktiven und passiven Rauchens
Beendigung des aktiven und passiven Rauchens
Desensibilisierung
Keine Indikation
Sinnvoll bei allergischer Rhinitis („Etagenwechsel“)
Sinnvoll bei allergischer Rhinitis; ggf. auch bei Asthma (individuell prüfen)
Medikamen- Keine Indikation töse Therapie
Ketotifen oder Cetrizin bei Kleinkindern zur Vermeidung des „Etagenwechsels“ oder der atopischen Dermatitis?
Zur Krankheitskontrolle und zur Hemmung der bronchialen Entzündung und Verminderung von strukturellen Veränderungen („Remodelling“)
Impfung
Tertiäre Prävention
Je nach Sensibilisierungsmuster (siehe Tabelle 10)
Impfen nach den Impfen nach STIKO; Asthma alleine ist keine Empfehlungen Indikation für eine Influder STIKO enzaviren- und Pneumokokken-Schutzimpfung
Impfen nach STIKO; Asthma alleine ist keine Indikation für eine Influenzaviren- und Pneumokokken-Schutzimpfung
Abb. 6.
** Normale Säuglingsernährung
* Hypoallergene Säuglingsernährung (stark hydrolysiert)
Ausschließliches – Ausschließliches Stillen = 4 Monate* – Vermeidung potenter Allergene in der Nahrung während der Stillzeit – Keine Beikost vor 4. Lebensmonat – Darüber hinaus keine allgemeine Diät zur Allergieprävention – Keine Neuanschaffung von Felltieren – Meiden der Haltung von Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen – Reduktion der Hausstaubmilbenallergenbelastung (z.B. Encasing) – Vermeidung von Schimmelpilzförderndem Klima (siehe Leitfaden Umweltbundesamt) – Vermeidung Tabakrauchexposition (aktiv und passiv) (inkl. Schwangerschaft) – Impfen nach STIKO-Empfehlungen
– Allergenmeidung – Bei klinischer Relevanz: – Vermeidung der Haltung von Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen und/oder – Reduktion der Hausstaubmilbenallergenbelastung (z.B. Encasing) – Meidung bestimmter Nahrungsmittel – Meiden eines Schimmelpilzfördernden Klimas (siehe Leitfaden Umweltbundesamt) – Meiden von Tabakrauchexposition (aktiv und passiv) – Anti-entzündliche, medikamentöse Therapie (z.B. inhalative Kortikosteroide) – Desensibilisierung – Impfen nach STIKO-Empfehlungen
– Ausschließliches Stillen = 4 Monate** – Keine Beikost vor 4. Lebensmonat – Keine allgemeine Diät zur Allergieprävention – Keine Einschränkungen bei der Haustierhaltung – Vermeidung von Schimmelpilz förderndem Klima (siehe Leitfaden Umweltbundesamt) – Vermeidung von Tabakrauchexposition (aktiv und passiv) (inkl. Schwangerschaft) – Impfen nach STIKO-Empfehlungen
Sekundärprävention
Tertiärprävention
Risikokind
Primärprävention
JA
Manifestes Asthma
(„Familiäre Vorbelastung“, wenn mindestens ein Elternteil und/oder ein Geschwister unter allergischem Asthma, Rhinitis allergica oder atopischer Dermatitis leidet)
Familiär erhöhtes Risiko
Kein Risikokind
NEIN
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention 67
Algorithmus zur Primär-und Sekundärprävention des allergischen Asthma bronchiale bzw. allergischer Erkrankungen. STIKO, Ständige Impfkommission. (Modifiziert und ergänzt nach [25])
68
9.2
Claus Kroegel, Jena
Sekundäre Prävention
Ziel. Die sekundäre Prävention hat zum Ziel, Krankheiten und Risikofaktoren möglichst früh zu erkennen („Früherkennung“), zu beseitigen oder andere Maßnahmen zu ergreifen, um eine klinische Manifestation („Ausbruch der Erkrankung“) der zum Zeitpunkt der Diagnose subklinischen Erkrankung (Vorstadium) zu verhindern. Teilziele der Sekundärprävention sind, das Erscheinen neuer Symptome, eines Symptomenwechsels oder ein fortschreitendes Manifestationsmuster zu unterbinden. Zielgruppen. Als Zielgruppen für Maßnahmen zur Sekundärprävention kommen alle Personen in Frage, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, zu irgendeinem Zeitpunkt des Lebens eine allergische Erkrankung zu entwickeln (Tabelle 9). Als Risikopersonen gelten Kinder/Nachkommen von mindestens einem Elternteil und/oder einem Geschwister mit allergischer Diathese (Sensibilisierung) und klinisch manifester Erkrankung (allergisches Asthma, Rhinitis allergica, atopische Dermatitis). Eine weitere Zielgruppe bilden klinisch beschwerdefreie Personen, die zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens an einer allergischen Erkrankung litten (Schweregrad 0, siehe Abb. 4). Indikation. Die Indikation zur Sekundärprävention gilt grundsätzlich bei allen Risikopersonen (siehe oben) sowie bei Personen mit allergischer Sensibilisierung bzw. leichter oder begrenzter, klinischer Manifestation. Präventionsansatz. Dieser beruht auf der Identifikation von „Risikoträgern“. Als Screening-Untersuchungen sollten möglichst einfache Methoden, die auf große Teile der Bevölkerung angewendet werden können, zur Verfügung stehen. Derzeit werden hierfür Fragebögen, spezifische Anamnese, ärztliche Untersuchung, Hauttest und spezifisches IgE eingesetzt. Inwieweit zukünftig die Verwendung anderer Parameter eine genauere Aussage möglicht, bleibt abzuwarten. Maßnahmen. Zu den Maßnahmen der Sekundärprävention zählen die Vermeidung klinisch relevanter Allergene und toxisch-irritativer Substanzen und die Beratung von Personen mit frühen Krankheitszeichen. Hierdurch sollen Verhaltens- und Lebensstiländerungen zur Beseitigung potentieller Risikofaktoren (Nikotinabusus) erreicht werden [2, 22, 24, 26]. Hierzu gehört ferner die Möglichkeit einer medikamentösen Prophylaxe bei Risikokindern (Cetirizin, Ketotifen) sowie einer spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) [1, 2,9, 21, 27, 31]. Die Maßnahmen im Einzelnen umfassen Allergenvermeidung innerhalb und außerhalb des Hauses sowie am Arbeitsplatz, das Auftreten von Infektionen, der Expositionsschutz gegenüber inhalativen Noxen und die Meidung von Tierhaltung (Katzen oder Nagetieren). Limitationen. Die Vermeidung des Ausbruchs der Erkrankung ebenso wie der Chronifizierung wird meist unterschätzt. Es fehlen der „Krankheitsdruck“ und die Kenntnis, welche Auswirkungen die manifeste Erkrankung tatsächlich hat. Generell fehlten auch bei Personen ohne erhöhtes Allergierisiko für den Betroffenen die Einsicht in die Möglichkeit der Entwicklung einer Allergie ihrer Nachkommen. In der Regel wird die Möglichkeit nicht in Betracht gezogen oder verdrängt. Z.T. ist aber auch die Unkenntnis über die möglichen Zusammenhänge Ursache von Problemen. Hierbei dürfte auch ein ausbleibender ärztlicher Hinweis auf das bestehende Risiko, z.B. durch den betreuenden Hausarzt oder Gynäkologen, eine Rolle spielen. Darüber hinaus fehlt es an größeren Studien, die die Wirksamkeit primärer präventiver Interventionen bestätigen und auf weitere Faktoren ausweiten.
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
9.3
69
Tertiärprävention
Ziel. Ziel der Tertiärprävention ist es, die aktuellen asthmatischen Beschwerden zu lindern und eine Krankheitskontrolle zu erreichen (Tabelle 9). Darüber hinaus besteht das Ziel darin, Langzeitfolgen (akzelerierter Lungenfunktionsverlust) oder Komplikationen (schwere Exazerbationen, Status asthmaticus, Asthma-bedingter Tod) zu minimieren bzw. zu verhindern. Schließlich soll mit den Maßnahmen der adäquate Umgang mit der Erkrankung erreicht werden (Rehabilitation). Rehabilitation ist also nicht mit der tertiären Prävention gleichzusetzen. Vielmehr überschneiden sich die Begriffe teilweise. Während Maßnahmen der tertiären Prävention rein krankheitsorientiert sind (Pharmakotherapie, Allergenmeidung usw.), zielt die Rehabilitation darauf ab, Kranke zu einem Leben mit Krankheit und krankheitsbedingter Behinderung zu befähigen („bedingtes Gesundsein“). Zielgruppen. Die Tertiärprävention richtet sich an alle Patienten mit einer klinisch manifesten allergischen bzw. asthmatischen Krankheit. Indikation. Die Indikation zur Tertiärprävention gilt grundsätzlich bei allen Personen mit manifester allergischer Erkrankung, und zwar unabhängig von der Manifestation. Maßnahmen. Die Tertiärprävention umfasst ein breites Spektrum von Maßnahmen, einschließlich Schulungen, Allergenkarenz, Pharmakotherapie, spezifische Immuntherapie, Rehabilitation und, wo erforderlich, Psychotherapie. Grundlage der Prävention ist die Entwicklung einer Partnerschaft zwischen behandelndem Arzt, behandelnder Schwester und dem Patienten bzw. seiner Familie in Verbindung mit einer konsequenten Patientenschulung [1, 29]. Die Effektivität aller Maßnahmen der tertiären Prävention wird dabei wesentlich von der Mitarbeit des Patienten bestimmt. Die Vermeidung einer Allergenexposition spielt bei Patienten mit bestehender allergischer Erkrankung eine wesentliche Rolle im Rahmen des gesamten Therapiekonzeptes (Tabelle 10). Soweit möglich, sollten hierbei die eingeleiteten Maßnahmen alle relevanten Allergene einbeziehen. Vergleichsweise einfach sind solche Maßnahmen bei berufsbeTabelle 10. Maßnahmen zur Elimination und Meidung von Allergenen als therapeutische Maßnahme bei allergischem Asthma [19, 43] Hausstaubmilbenallergie
Einschlag von Matratzen und Sprungfedern sowie der Bettwäsche mit einem speziellen Überzug (z.B. PolyurethanBeschichtung), Holzmöbel, Entfernung von Teppichböden, Bettvorlegern und Stofftieren aus dem Schlafzimmer, Reinigung der nicht entfernbaren Teppiche und des stoffbezogenen Mobiliars mit Mitiziden (Akarizida)
Pollenallergie
Während der Blütezeit Wiesen und Wald meiden, Fenster geschossen halten, vor dem Zubettgehen Haare waschen
Tierhaarallergie
Haustiere abschaffen, um vollständig haustierfreie Wohnbedingungen bemühen (Nachbarn!)
Nahrungsmittelallergie
Vermeiden von Allergen-haltigen Nahrungsmitteln (cave: Kreuzallergie mit Pollen beachten)
Analgetika-Intoleranz
Vermeiden nicht-selektiver Analgetika (z.B. Aspirin, Ibuprofen u.a.), → stattdessen z.B. Paracetamol
70
Claus Kroegel, Jena
dingtem Asthma durch einen Arbeitsplatz- oder Berufswechsel (Bäcker, Müller, landwirtschaftliche Berufe, chemisch-pharmazeutische Industrie, Medizin) umzusetzen [30]. Aber auch bei anderen Allergenen bestehen Möglichkeiten, z. B. bei Hausstaubmilbenallergie (intensive Reinigung von Stoffmöbeln unter Verwendung von Akarizida, spezielle Überzüge für Betten, Matratzen und Kopfkissen; Vermeidung von Polstermöbeln, Teppichen und anderen staubtragenden Stoffen). Bei einer Haustierallergie ist das konsequente Entfernen eines für die Erkrankung verantwortlichen Tieres aus der Wohnung unbedingt erforderlich (Tabelle 10), selbst wenn widersprüchliche Daten zur Effektivität der Intervention vorliegen. Bei bekannter Analgetika-Intoleranz (Anagetika-Asthma) besteht die Prävention darin, die Einnahme von Analgetika/Antiphlogistika (Zyklooxygenasehemmer!) zu umgehen und zentral wirkende Substanzen einzusetzen. Bei Patienten, die trotz Ausschöpfung aller präventiver und medikamentöser (orale und inhalative Kortikosteroide, lang-wirksame inhalative β2-Agonisten, Leukotrien-Rezeptorantagonisten und Theophyllin) nur unzureichend kontrolliert bleiben („Unkontrollierbares Asthma“, Kortikosteroid-abhängiges Asthma, „Kompliziertes Asthma“) sind weitergehende und z.T. noch experimentelle Therapieansätze (Anti-IgE-Antikörper, Interferon-α und Anti-TNF-α-Antikörper bzw. -Rezeptoren) indiziert. [8, 13, 31]. Hier ist das im Vordergrund stehende Ziel der tertiären Prävention die Herstellung der Krankheitskontrolle sowie die Vermeidung von Komplikationen bzw. eines Asthma-bedingten Todes (siehe Abb. 4). Neben der spezifischen Allergenkarenz sollten darüber hinaus auch unspezifische Atemwegsirritanzien gemieden werden, die auf der Basis der bronchialen Hyperreaktivität zu Asthmaanfällen führen. Hierzu gehören u.a. Staub, Rauch, Reizgase, intensive Gerüche und aktives bzw. passives Rauchen. Limitationen. Die Vermeidung eines progressiven Verlaufs mit Lungenfunktionsverlust („Chronifizierung“) ebenso wie die Gefahr schwerer Asthmaexazerbationen wird von den meisten Asthmatikern unterschätzt. Auch die subjektive Bewertung der Krankheitsschwere gelingt oft nicht. Zudem steht häufig eine latente Kortisonangst den Bemühungen einer anti-entzündlichen Therapie entgegen. Diese Situation geht z.T. auf eine fehlende Schulung oder mangelnden Informationsaustausch zwischen Patient und Arzt zurück.
10
Einzelne Präventionsmaßnahmen
Die wichtigsten Präventionsempfehlungen zu den einzelnen präventiven Interventionen werden nachfolgend nochmals gesondert diskutiert. Ihre jeweilige Zuordnung zur primären, sekundären oder tertiären Prävention ist Tabelle 7 zu entnehmen.
10.1
Stillen
Stillen ist eine Maßnahme der primären und sekundären Prävention. Verschiedene Studien unterstützen das ausschließliche Stillen über mindestens 4 Monate zur Prävention atopischer Erkrankungen. Die vorliegenden Daten bestätigen diesen protektiven Effekt allerdings ausschlißlich im Hinblick auf eine Stillperiode von 4 Monaten, so dass zum Einfluss einer längeren Stillzeit derzeit keine Aussage möglich ist. Die natürliche Brusternährung hat eine protektive Wirkung auf die Entwicklung eines Asthma bronchiale. Der Effekt ist am eindeutigsten bei Kindern innerhalb der ersten vier Jahre von Familien mit bekannten allergischen Erkrankungen [20, 23]. Eine neuere Untersuchung zeigt wiederum eine
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71
Verminderung des kindlichen Giemens in den ersten Lebensjahren, jedoch ein erhöhtes Risiko für Asthma ab dem 6. Lebensjahr [1, 25, 32]. Trotzdem ist es derzeit durchaus zu vertreten, Mütter grundsätzlich zu ermutigen, ihre Kinder über 4 Monate zu stillen.
10.2
Beikost
Eine frühe Gabe von Beikost (vor dem vollendeten 4. Lebensmonat) kann einen möglichen Risikofaktor für die Entwicklung von atopischen Erkrankungen bei Kindern darstellen [1, 25]. Die zurzeit in Deutschland existierende Empfehlung, Beikost nicht vor dem vollendeten 4. Lebensmonat einzuführen, wird von den verschiedenen Studien gestützt.
10.3
Modifizierte Nahrungsaufnahme während Schwangerschaft und/ oder Stillzeit
Für eine Empfehlung zu diätetischen Maßnahmen während der Schwangerschaft gibt es keine gesicherten Daten. In Familien ohne Allergierisiko besteht keine Rechtfertigung für die Durchführung einer mütterlichen Diät während der Stillzeit. Bei Risikokindern (erhöhtes genetisches Risiko durch familiäre Belastung) kann die Vermeidung potenter Nahrungsmittelallergene (z.B. Kuhmilch und -produkte, Eier, Fisch) in der mütterlichen Diät während der Stillzeit einen präventiven Effekt auf die Entwicklung einer atopischen Dermatitis haben [1]. Dabei sollte aber eine mütterliche Fehlernährung mit Mangelzuständen vermieden werden. Die Studienlage erlaubt derzeit jedoch keine Empfehlung.
10.4
Hydrolysierte Säuglingsnahrung bzw. Sojanahrung mit und ohne Stillen
Eine Empfehlung zur Gabe von hypoallergener Säuglingsnahrung bei Risikokindern ist vertretbar, sofern Stillen nicht möglich ist. In einzelnen Studien hat sich extensiv-hydrolysierte Säuglingsnahrung auf Kaseinbasis gegenüber partiell-hydrolysierter Nahrung als protektiv erwiesen.
10.5
Nikotinkarenz (aktiv, passiv)
Aktive und passive Exposition gegenüber Tabakrauch erhöht das Allergierisiko (insbesondere das Asthmarisiko) und ist zu vermeiden [21]. Dies gilt für alle Formen der Prävention und insbesondere während der Schwangerschaft.
10.6
Allergenvermeidung
Zur Reduktion des Schweregrades einer bestehenden Erkrankung ist die Vermeidung von Allergenen günstig. Eine anhaltende Allergenexposition bei sensibilisierten Personen ist mit vermehrten und schwereren Asthmasymptomen, einer bronchialen Hyperreagibilität sowie einer Verschlechterung der Lungenfunktion assoziiert [1, 33]. Auch der Bedarf einer medikamentösen Behandlung, die Häufigkeit von Hospitalisierungen und anderen respiratorischen Beschwerden stehen mit einer erhöhten Exposition gegenüber hohen Konzentrationen von häuslichen Allergenen im Zusammenhang [1]. Als Schwellenkonzentrationen der Allergene, die als Risikofaktoren für akute Asthmaattacken angesehen werden, gehören
72
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• 10 μg/G Staub des Gruppe I-Milbenallergens • 8 μg/g Hausstaub des Fell d 1, dem Hauptkatzenallergen [34] • 10 μg/g Hausstaub des Can f 1 des Haupthundeallergens [34] • 8 μg/g Hausstaub des Küchenschabenallergens [35]. Allerdings finden sich zunehmend Hinweise darauf, dass die Reduktion der häuslichen Allergenexposition nur einen geringen Einfluss auf die Morbidität und Mortalität allergischer Erkrankungen besitzt [36].
10.7
Schimmel und Feuchtigkeit
Ein Innenraumklima, das Schimmelpilzwachstum begünstigt (hohe Luftfeuchtigkeit, mangelnde Ventilation), sollte zur Allergieprävention vermieden werden. Sinnvolle Maßnahmen zur Vermeidung und Sanierung sind in einem „Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ des Umweltbundesamtes enthalten.
10.8
Haustierhaltung
Für Personen ohne erhöhten Allergierisiko besteht nach der gegenwärtigen Datenlage kein Grund für eine Empfehlung zur Einschränkung der Haustierhaltung (primäre Prävention). Dagegen sollte in Risikopopulationen (sekundäre Prävention) sowie bei manifestem Asthma (tertiäre Prävention) die Haltung von Katzen ebenso wie die von Nagetieren (Kaninchen, Meerschweinchen) unbedingt vermieden werden.
10.9
Immuntherapie (Desensibilisierung)
Studien an mehr als 800 Patienten haben zeigen können, dass bei Personen mit einer Sensibilisierung gegenüber einem einzelnen Allergen durch eine Desensibilisierung die nachfolgende Ausweitung des Sensibilisierungsmusters auf andere Allergene eingeschränkt ist [1, 27]. Auch einer Verminderung der Häufigkeit eines „Etagenwechsels“ bzw. der Entwicklung eines Asthmas ist möglich [28].
10.10
Anti-entzündliche Therapie (Pharmakotherapie)
Es existieren Versuche, mittels einer medikamentösen Therapie die Entwicklung eines Asthmas im Sinne einer primären oder sekundären Prävention zu vermeiden. Kinder, die mit Ketotifen behandelt wurden (n = 206), zeigten nach 1 und 3 Jahren eine signifikant niedrigere Wahrscheinlichkeit, an Asthma zu erkranken, verglichen mit denen, die Placebo erhielten [17]. Eine andere Studie, bei der statt Ketotifen Cetirizin eingesetzt wurde, zeigte nach 18 Monaten eine signifikante Reduktion von Asthma bei Kindern mit atopischer Dermatitis, die entweder gegenüber Graspollen oder Hausstaubmilben sensibilisiert waren [19]. Aufgrund der möglichen Rolle der Atemwegsentzündung und der damit im Zusammenhang stehenden Langzeitfolgen bildet die Beeinflussung des Atemwegsumbaus („Remodelling“) ebenfalls ein Ziel der (tertiären) Prävention [16, 18, 37, 38]. Die klinischen Konsequenzen des Atemwegsremodellings werden vor allem mit der akzelerierten Abnahme
Asthma bronchiale bei Erwachsenen: Ursachen/Zusammenhänge/Prävention
73
der Lungenfunktion in Verbindung gebracht [39]. Verschiedene anti-asthmatische Medikamente einschließlich inhalativer Kortikosteroide und Leukotrienhemmer sind in der Lage, neben der akuten Entzündung auch das Remodelling zu reduzieren. So konnte nachgewiesen werden, dass inhalative Kortikosteroide die Freisetzung von Zytokinen und Wachstumsfaktoren hemmen und die retikuläre Basalmembranverdickung sowie die Vaskularisation verhindern. Leukotrienhemmer können die glatte Muskulatur sowie die subepitheliale Kollagendeposition rückgängig machen. Je früher diese Maßnahmen eingeleitet werden, umso wirkungsvoller sind sie [16, 30, 37, 39, 41, 42). Um den Prozess des „Remodellings“ zu verhindern und möglicherweise rückgängig zu machen, muss die Erkrankung deshalb möglichst früh erkannt werden. Aus diesem Grunde besteht ein dringender Bedarf an verlässlichen Markern, mit denen sich die Erkrankung frühzeitig diagnostizieren lässt. Bei schwersten Asthmaformen lässt sich mit allen zur Verfügung stehenden Präventionsmaßnehmen und Medikamenten keine Kontrolle erreichen [1, 6]. Diese Patienten sind hochgradig gefährdet, an ihrer Erkrankung zu versterben. In diesen Fällen haben sich nach Bestätigung der Diagnose, Ausschluss interferierender Erkrankungen und Medikamente sowie nach Sicherstellung der Compliance verschiedene neue und z.T. noch nicht zugelassene Behandlungen als wirkungsvoll erwiesen. Hierzu gehören neben dem Anti-IgE-Antikörper Omalizumab auch Interferon-α und Anti-TNF-α-Antikörper bzw. lösliche TNF-α-Rezeptoren [11, 13, 31].
10.11
Impfungen
Asthma stellt keine Indikation zu einer speziellen Impfung dar. Vielmehr sollten alle gefährdeten Personen ebenso wie Asthmatiker nach den STIKO-Empfehlungen geimpft werden.
10.12
Unspezifische Immunmodulation
Die Hygienehypothese legt nahe, dass eine frühe Exposition gegenüber Mikroben oder deren Produkten (ländliche Wohnumgebung, der Besuch der Kindertagesstätte in den ersten 2 Lebensjahren und eine größere Geschwisterzahl) das allergische Immunreaktionsmuster (Th2) zugunsten eines nicht-allergischen (Th1) verändert und somit die Entwicklung eines Asthmas verhindert. Epidemiologische Studien zeigen hierzu jedoch keine einheitlichen Ergebnisse [1].
10.13
Höhenaufenthalte und Speläotherapie
Die Speläotherapie bezieht sich auf den Aufenthalt in einer subterranen Umgebung (natürliche Höhlen, Stollen) als therapeutische Maßnahme. Ein Cochrane-Review der vorhandenen Untersuchungen erlaubt jedoch keine verlässlichen Schlussfolgerungen. In de Regel ist der Effekt nur von kurzer Dauer (wie zu erwarten) [43]. Auch der Aufenthalt in größeren Höhen mit einer niedrigeren Konzentration von Allergenen und Umweltschadstoffen ist nur mit einer vorübergehenden klinischen Verbesserung assoziiert [1]. Allerdings existieren keine kontrollieren Langzeitstudien zur Wirkung der Speläotherapie.
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11
Aussicht
11.1
Modulation des intrauterinen Zytokinmilieus
Wie aus der Diskussion der einzelnen Präventionsmaßnahmen deutlich wurde, fehlt es in vielen Fällen an ausreichend großen, langen und kontrollierten Studien. Es gibt verschiedene Bestrebungen einer immunologischen Intervention prä- und postnatal im Sinne einer Primär- und Sekundärprävention. Möglichkeiten der Vakzination mit Epitopspezifischer DNA oder mit BCG (Bacille Calmette-Guerin) stellen einen Ansatz dar [44, 45]. Ein weiterer Ansatz zur tertiären Prävention bezieht sich auf die Primärprävention mittels Modifikation des Zytokinmilieus während der Entwicklung des Föten [46]. Neuere Studien haben die Möglichkeit der Beeinflussung des Föten in utero und die fötalen/maternalen Interaktionen für die Entwicklung von Allergien und Asthma bronchiale dargestellt [47, 48, 49]. Im Tierexperiment ließ sich zeigen, dass die Gabe von exogenem Interferon (IFN)-α während der Schwangerschaft die Entwicklung von Asthma bei den Nachkommen verhindert [50]. Die Daten legen nahe, dass eine relative Dominanz von Interferon-α während der Schwangerschaft die Nachkommen gegen die Entwicklung einer allergischen Entzündung schützt. Die Gabe von IFN könnte ein möglicher zukünftiger Ansatz für tertiäre präventive Maßnahmen darstellen.
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Asthma bronchiale bei Kindern: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
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Asthma bronchiale bei Kindern: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention Jens-Oliver Steiß und Hermann Lindemann, Gießen
1
Prävalenz und Umweltbedingungen
Das Asthma bronchiale ist mit ca. 10 % die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter, bei wenigstens 70 % der Kinder liegt das Manifestationsalter vor dem fünften Lebensjahr [1]. Wie andere chronische Erkrankungen kann Asthma bei Kindern und Jugendlichen durch verminderte Leistungsfähigkeit und Schulfehlzeit in die soziale Isolation führen. Nach wie vor besteht daher ein umfangreicher Forschungsbedarf sowie die Notwendigkeit einer Verbesserung und Qualitätssicherung der Patientenversorgung durch eine gut verzahnte Kooperation zwischen Hausarzt, Kinder- und Jugendarzt, Allergologen und Kinder-Pneumologen. Nach in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnissen über Pathogenese sowie immunologische Mechanismen der Entzündung wird Asthma wie folgt definiert: Asthma bronchiale ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege, charakterisiert durch eine bronchiale Hyperreagibilität und variable Atemwegsobstruktion, insbesondere im Bereich der kleinen Atemwege [2]. Bereits bei leichtem Asthma ist meist eine chronische Entzündung feststellbar. Es findet sich eine komplexe Interaktion von endogenen (genetisch bedingten) Faktoren und exogenen chemischen, pharmakologischen, physikalischen und/oder immunologischen Reizen. Der Manifestation eines Asthma mit verminderter Lungenfunktion und Atemwegshyperreagibilität im Schulalter geht eine allergisch bedingte Atemwegsentzündung voraus, die bereits in den ersten drei Lebensjahren beginnt [3]. Eine zusätzlich bestehende erhöhte Innenraum-Allergen-Exposition begünstigt diesen Prozess. Darüber hinaus besteht eine enge Verknüpfung zwischen Asthma bronchiale und atopischer Disposition [4]. Die Prävalenz von Asthma wurde in der ISAAC-Studie (International Study of Asthma and Allergies in Childhood) weltweit untersucht. Dabei konnten große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern aufgezeigt werden. In Großbritannien, Neuseeland und Australien ist die Asthmaprävalenz bei Kindern mit 30–40 % am höchsten, während Indonesien und Griechenland nur eine Rate von 2–5 % aufweisen. In Deutschland wurden Kinder aus Münster und Greifswald in die Studie einbezogen; die Prävalenzraten lagen mit etwa 15 % im Mittelfeld. Insgesamt ergab sich ein deutliches Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle bezüglich der Prävalenz von Asthma bronchiale [5]. Verantwortlich für dieses Gefälle sind am ehesten unterschiedliche Umweltbedingungen und/oder Lebensstile. So scheinen in den westlichen Industrienationen bessere hygienische Verhältnisse und Kleinfamilien mit weniger Geschwistern von Bedeutung zu sein.
80
Jens-Oliver Steiß und Hermann Lindemann, Gießen
In der Bundesrepublik Deutschland hatten Schulkinder im Jahr 1991 weitaus häufiger Allergien als in der ehemaligen DDR. In dem Maße, wie sich der Lebensstil im Osten an den westlichen anglich, waren bereits vier Jahre später beträchtlich mehr Kinder von allergischen Erkrankungen betroffen. Bei der Asthmaprävalenz war nach vier Jahren noch kein Anstieg festzustellen, wahrscheinlich dadurch bedingt, dass die untersuchten Schulkinder in den ersten drei Lebensjahren in der DDR aufgewachsen waren und Faktoren in der frühen Kindheit entscheiden, ob sich ein Asthma bronchiale entwickelt oder nicht [6, 7]. Weitere mögliche Gründe sind u.a. unterschiedliche Formen der Luftverschmutzung wie mehr Schwefeldioxid und Staub im Osten und vermehrter Stickstoffdioxid- sowie Ozongehalt im Westen. Außerdem scheinen Infekthäufungen in der frühen Kindheit sowie Hygienebedingungen eine Rolle zu spielen. So wird der frühe inhalative Kontakt mit Lipopolysacchariden (LPS) aus Mistbestandteilen als wesentliches immunologisches Agens vermutet, so dass sich allergische Erkrankungen bei Kindern, die auf einem Bauernhof aufwachsen, seltener finden. Auch die Zunahme von mütterlichem Rauchen während der Schwangerschaft und Änderungen der Ernährungsgewohnheiten tragen zu der steigenden Asthmaprävalenz bei [8, 9]. Hingegen ist die Asthmamortalität in den letzten 10 Jahren mit 0,4/100.000 konstant. Interessanterweise haben Länder mit einer hohen Prävalenz eine niedrigere Sterblichkeit durch Asthma. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Zugang zu einer effektiven Therapie in Ländern mit hoher Prävalenz einfacher ist. Die verbesserte Prognose wird im Wesentlichen der inzwischen weitgehend etablierten Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden zugeschrieben. Analysen der Todesfälle zeigen, dass der fatale Ausgang meist vermeidbar gewesen wäre, wenn Risikofaktoren wie eine schlechte medikamentöse Compliance des Patienten, eine fehlende ärztliche Überwachung, mangelndes Krankheitsempfinden, ausgesprochen hohe bronchiale Hyperreaktivität und eine chronisch persistierende, nicht reversible Bronchialobstruktion erkannt worden wären [10].
2
Pathophysiologie
2.1
Immunologische Mechanismen der Entzündung
Asthma ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, bei der eine Vielzahl von Mediatoren eine Rolle spielen. Diese werden von verschiedenen Zellen wie den eosinophilen Granulozyten und den Mastzellen gebildet, die sich in erhöhter Anzahl in den Atemwegen nachweisen lassen. Die detaillierten Interaktionen zwischen allergischer Sensibilisierung und chronischer Entzündung bei persistierendem Asthma sind trotz intensiver Forschungsarbeit noch ungeklärt [2, 4]. Man ist sich jedoch einig, dass sich bei einem Patienten mit Asthma nach Kontakt mit einem relevanten Allergen innerhalb weniger Minuten eine Bronchokonstriktion entwickelt. Diese bildet sich meist nach 2–3 Stunden wieder zurück; im Anschluss daran kommt es zu einer zweiten sich protrahiert entwickelnden Obstruktion, die unter Umständen mehrere Tage anhalten kann. Es wird eine Hypertrophie der glatten Bronchialmuskulatur und der Schleimdrüsen beobachtet. Meist parallel entsteht eine bronchiale Überempfindlichkeit. Bei anhaltender Entzündung folgt ein fibröser Umbau der bronchialen Mucosa durch Vermehrung von Kollagenfasern und Verdickung der Basalmembran, der als Remodeling bezeichnet wird.
Asthma bronchiale bei Kindern: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
81
Die allergische Frühreaktion beginnt, wenn das Antigen über eine Antigenpräsentierende Zelle (APC) aufgenommen, in definierte Peptidfragmente zerlegt und diese gemeinsam mit den Klasse-II-HLA-Antigenen auf der Oberfläche der APC präsentiert werden. Anschließend aktiviert die APC mit Hilfe von zwei kostimulatorischen Signalen eine TH2Zelle. Die TH2-Zellen entwickeln sich aus naiven T-Zellen bzw. TH0-Zellen. Ob eine TH1- oder TH2-Zelle entsteht, ist abhängig von der Art der Antigen-präsentierenden Zelle, den ausgeschütteten Zytokinen, genetischen Faktoren sowie dem Ort des Antigenkontakts [11]. Der genaue Mechanismus, der die Differenzierung der ruhenden T-Zellen reguliert, ist unklar (Abb. 1). Bei allergischen Erkrankungen überwiegen TH2-Lymphozyten, während z.B. bei Autoimmunerkrankungen TH1-Zellen vorherrschen. Wächst ein „immunologisch naiver“ Säugling in einer sauberen Umgebung auf, resultiert ein größerer Anteil von TH2-Zellen [12]. Zwei oder mehr Geschwisterkinder, die frühe Aufnahme in eine Kindertagesstätte sowie das Aufwachsen auf dem Bauernhof haben einen protektiven Effekt und führen vermehrt zur TH1-Produktion [7, 8]. In Entwicklungsländern dominiert ebenfalls die TH2-Immunität aufgrund häufiger parasitärer Erkrankungen. Trotzdem finden sich dort weniger an allergischem Asthma Erkrankte als in westlichen Ländern. Das Verhältnis zwischen TH1- und TH2-Zellen kann somit nicht der alleinige Grund für die Entstehung allergischen Asthmas sein. Eine mögliche Erklärung dieses Widerspruchs könnte die Steuerung der Immunmechanismen durch die „regulatorischen“ T-Zellen (Treg) sein, die Gegenstand aktueller Forschungen sind [13]. Es handelt sich um verschiedene T-Zell-Subpopulationen, die TH1- und TH2Zellen gleichermaßen hemmen [14]. Die Funktion von regulatorischen T-Zellen ist daher sowohl für die Unterdrückung von Immunreaktionen gegen körpereigene Substanzen (Autoimmunerkrankungen) als auch gegen harmlose Umweltfaktoren (allergische Erkrankungen) von entscheidender Bedeutung. Bei chronischen Infektionen mit Parasiten produziert ein Großteil der Treg-Zellen Zytokine wie TGF-β und IL-10, die eine dämpfende Wirkung auf die Entzündungsreaktion und Hyperreagibilität bei allergisch bedingtem Asthma und auch Autoimmunerkrankungen haben. Dieses regulatorische Netzwerk (Treg-Zellen) scheint eine Schlüsselrolle bei der Frage zu spielen, ob das Immunsystem in der Lage ist, auf harmlose Antigene adäquat zu reagieren oder nicht [15]. Trotz intensiver Forschung ist der eigentliche Prozess der Suppression noch weitgehend unbekannt [16]. Es wird vermutet, dass die aus dem Thymus stammenden regulatorischen T-Zellen autoantigen-reaktive T-Zellen kontrollieren. Während Allergiekranke nur etwa zwei bis drei spezifische regulatorische T-Zellen pro 10000 T-Zellen aufweisen, konnte man bei gesunden Spendern sieben bis zehn dieser Zellen pro 10000 T-Zellen finden [17]. Somit ist nicht nur das Gleichgewicht zwischen TH1- und TH2-Zellen wichtig, wie dies im Rahmen des TH1/TH2-Paradigmas vermutet wurde, sondern auch eine ausreichende Anzahl an regulatorischen T-Zellen (Abb. 2). Der TH2-Lymphozyt produziert IL-4 und IL-13 und stimuliert B-Lymphozyten zur Produktion von allergenspezifischen IgE-Antikörpern. Gleichzeitig wirkt IL-4 hemmend auf die IL-2 und IFN-produzierende TH1-Zelle und begünstigt so die TH2-Dominanz der asthmatischen Entzündung. In der Kaskade der Pathomechanismen folgt die Aktivierung der Mastzelle, die nach vorausgegangener Sensibilisierung Mediatoren wie Histamin, Tryptase, Leukotriene, Tumornekrosefaktor α (TNFα), Granulozyten-MakrophagenKolonie-Stimulationsfaktor (GM-CSF) oder Zytokine freisetzt, die zur Entzündung der bronchialen Mucosa und Bronchokonstriktion, und somit zur asthmatischen Entzündung führen (Abb. 1).
Abb.1.
Pathogenese von Asthma
TH1Zelle
IgE bindet an dendritische Zellen und verstärkt die Allergenaufnahme und -präsentation
IL-12 IFN-γ
TH2Zelle
IL-4
IL-4 IL-13
BZelle
Proliferation
TH0Zelle
Dendritische Zelle
IgE
IgE bindet an Mastzellen und Basophile
?
Gewebsinfiltration
Th2 Zellen stimulieren die Eosinophilen-Aktivierung
IL-3, IL-4, IL-5
Allergen
Eosinophiler
Mediatoren aktivieren Eosinophile
FcεRI-Rezeptor
Mastzelle/ Basophiler
Klinische Wirkungen
Bronchialobstruktion Schädigung des respiratorischen Epithels
Klinische Wirkungen
Allergene vernetzen das zellgebundene IgE – dies führt zur Degranulation und Freisetzung von Entzündungsmediatoren (Histamin, Tryptase, Zytokine, Heparin, Leukotriene, Prostaglandine)
82 Jens-Oliver Steiß und Hermann Lindemann, Gießen
Asthma bronchiale bei Kindern: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
83
Dabei ist spezifisches IgE für seine Wirkung auf IgE-Rezeptoren angewiesen. Diese finden sich als hoch affine Rezeptoren (FcεRI-Rezeptoren) auf Mastzellen, basophilen und eosinophilen Granulozyten, während Monozyten, Makrophagen, Thrombozyten sowie T-Lymphozyten niedrig affine IgE-Rezeptoren (FcεRII-Rezeptoren) aufweisen. Erst die Kreuzvernetzung von hoch affinen Rezeptoren durch ein Allergen nach erneutem Allergenkontakt führt zur Aktivierung verschiedener Proteine, die wiederum die Ausschüttung bzw. Neusynthese der Mediatoren induzieren. Während sich die klinische Symptomatik der Sofortreaktion durch Abbau der Mediatoren nach 1–2 Stunden zurückbildet, wird durch die Infiltration des Bronchialgewebes (verzögerte Bildung von Zytokinen durch Mastzellen) mittels eosinophiler Granulozyten die pathogenetische Grundlage für die asthmatische Spätreaktion geschaffen. Unter der Einwirkung weiterer lokaler Mediatoren setzen eosinophile Granulozyten vermehrt bronchokonstriktorisch und proinflammatorisch wirkende Mediatoren frei. Neben der Bronchialobstruktion erfolgt auf diese Weise langfristig eine Schädigung des respiratorischen Epithels. Wenn die Reaktion des Bronchialsystems über die physiologische Grenze gesteigert ist, wird dies als bronchiale Hyperreagibilität bezeichnet. Es handelt sich um eine unspezifische „Sensibilisierung“ der Atemwege, als deren Folge sich die pathologische Reaktionsbereitschaft vom ursprünglichen Allergen auf weitere unspezifische Reize bzw. Irritantien wie Belastung im Rahmen einer Hyperventilation, nasskalte Luft, Haarspray, Rauch sowie chemische Mediatoren wie Histamin, Metacholin bzw. Carbachol ausweiten. Die
T-reg
TGFβ IL-10
verminderte T-regZellfunktion
Toleranz
Allergie TH1 IL-2 IFNγ
IgG4 Abb. 2.
B
TH2 IL-4 IL-5 IL-13 B
IgE
Patienten mit einer allergischen Erkrankung weisen eine verminderte regulatorische T-Zellfunktion auf, die zu einer verstärkten IgE-Produktion führt
84
Jens-Oliver Steiß und Hermann Lindemann, Gießen
bronchiale Hyperreagibilität korreliert mit klinischen Parametern wie Schweregrad der Erkrankung, Zahl und Einnahmehäufigkeit antiasthmatischer Medikamente, Instabilität der Erkrankung sowie täglicher Variabilität der Lungenfunktion. Der genaue pathophysiologische Mechanismus ist noch nicht geklärt, er wird jedoch als direkte Auswirkung der von eosinophilen Granulozyten vermittelten Schädigung des Bronchialsystems angesehen. Die freiliegende Basalmembran ist dabei dem Einfluss von exogenen (Umweltantigene und -schadstoffe) und endogenen Faktoren (Mediatoren und Neurotransmitter) direkt ausgesetzt. Auch der Wegfall epithelialer dilatativer Schutzmechanismen ist so erklärbar. Die Läsion der bronchialen Mucosa führt nicht nur zu einer gesteigerten Reagibilität der Bronchialmuskulatur, sondern beeinträchtigt auch lokale immunologische Abwehr- und Barrierefunktionen. Als Folge dieser biochemischen Entzündung kommt es zu den bereits erwähnten Umbauvorgängen, dem „Remodeling“.
2.2
Genetische Faktoren
Für die Ätiologie des Asthma bronchiale spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Wenn Mutter oder Vater bzw. beide Eltern Asthma haben, ist das Risiko des Kindes deutlich erhöht, ebenso zu erkranken. Die Daten der prospektiven Geburtskohortenstudie der deutschen Multicentre Allergy Study (MAS) belegen, dass im Alter von zwei Jahren rund ein Drittel derjenigen Kinder an allergischen Erkrankungen leiden, bei denen beide Eltern eine bezüglich Atopie belastete Anamnese haben [18]. Bereits Anfang der 70er Jahre konnte in einer schwedischen Untersuchung von 7000 Zwillingspaaren gezeigt werden, dass die Konkordanz bei eineiigen Zwillingen 19 %, bei zweieiigen Zwillingen 4,8 % betrug [19]. Da die Konkordanzrate nicht 100 % ist, müssen neben der genetischen Prädisposition auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen. In den letzten Jahren haben verschiedene Arbeitsgruppen u.a. mit Hilfe von Kopplungsstudien bei Familien mit Asthma und allergischen Erkrankungen nach genetischen Markern, z.B. bekannten polymorphen DNA-Sequenzen, im Genom gesucht, die mit Asthma assoziiert sind [20]. Bisher hat man mit mehr als 100 Kandidatengene Assoziationen gefunden, die mit Asthma oder Atopie in Verbindung stehen. Die kausalen Hintergründe dieser Assoziationen sind in den meisten Fällen noch unklar, da funktionelle Untersuchungen zu diesen Genveränderungen teilweise noch am Anfang stehen. Aufgrund der vielfältigen klinischen Manifestationsformen ist es sehr unwahrscheinlich, dass nur ein Gen für die Entstehung einzelner atopischer Erkrankungen verantwortlich ist. Die Komplexität der Erkrankungen, die Fülle von Pathomechanismen mit Redundanz der bereits geschilderten Signalkaskaden sprechen dafür, dass es sich um einen komplexen polygenen Vererbungsmodus handelt. Die Krankheitsentstehung wird durch geringfügige Veränderungen vieler Gene beeinflusst. Darüber hinaus variieren die genetischen Mechanismen zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen. Dabei scheint der Interaktion zwischen Umwelteinflüssen und genetischer Prädisposition eine zentrale Rolle in der Krankheitsentstehung zuzukommen [21]. In Zukunft verbindet sich mit der Genforschung die Hoffnung, definierte Risikogruppen frühzeitig erkennen und durch präventive Maßnahmen die Manifestation der Erkrankung vermeiden zu können.
2.3
Umweltfaktoren
Der Anstieg der Prävalenz von Asthma in den letzten Jahrzehnten ist u.a. durch verschiedene Umweltfaktoren bedingt. Einer der wichtigsten ist die Exposition gegenüber Ta-
Asthma bronchiale bei Kindern: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
85
bakrauch. In Deutschland lebt jedes zweite Kind in einem Haushalt, in dem mindestens eine Person raucht. Bereits die pränatale Belastung durch Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft führt zu einer Häufung von Asthma, zu Fehl-, Tot- und Frühgeburten, einem vermindertem Längenwachstum, geringerem intrauterinen Lungenwachstum sowie einer schlechteren Lungenfunktion bei Säuglingen [22]. Postnatale Tabakrauchexposition hat neben dem Risiko von Asthmaentstehung auch bei bereits bestehendem Asthma eine Verschlechterung und Zunahme des Medikamentenbedarfs zur Folge [23, 24]. Außerdem ist das Risiko für den plötzlichen Säuglingstod (SIDS) signifikant erhöht. Auch andere Noxen wie die erhöhte Exposition gegenüber Haustieren und Hausstaubmilben werden ins Feld geführt [25]. Auf die unterschiedlichen Formen der Luftverschmutzung in beiden ehemaligen Teilen Deutschlands wurde bereits hingewiesen. Die Hypothese, dass „Lifestyle“-Umweltfaktoren wesentlich zur Prävalenz des allergischen Asthma beitragen, wird zusätzlich durch die Beobachtung gestützt, dass sich mit der Änderung von Lebensgewohnheiten die Neuerkrankungsrate von Allergien im ehemaligen Osten der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung dem Westen angleicht [7]. In der letzten Zeit ist vor allem die Diskussion um Feinstaub in den Vordergrund des Interesses gerückt. Dabei handelt es sich um ein komplexes Gemisch aus kleinen festen und flüssigen Teilchen mit einem Durchmesser von unter 10 μm bestehend aus Sulfat, Nitrate, Kohlenstoff, Mineralstaub, Ammoniak und Wasser (inhalierbarer Feinstaub Ø < 10 μm, lungengängiger Feinstaub Ø < 2,5 μm). Hohe Feinstaubkonzentrationen finden sich in Ballungszentren und vor allem an Hauptverkehrsadern. Die Gefährlichkeit der inhalierten Partikel wird offensichtlich nicht durch die Masse, sondern vor allem durch die Oberfläche bestimmt. Ferner sind Partikel, die aus Verbrennungsprozessen stammen, erheblich relevanter als beispielsweise Bodenpartikel oder Reifenabtrieb, was auf mögliche Wirkungen durch die chemische Zusammensetzung deuten kann. Bedingt durch die geringe Größe gelangen die Teilchen mit der Atemluft in die oberen Atemwege, Bronchien, mitunter auch in die Alveolen. Ultrafeine Partikel (Ø < 0,1 μm) können sogar in das Bindegewebe, die Lymphknoten und über die Blutbahn in andere Organe gelangen. Feinstaub führt bei Patienten mit Asthma und Allergien durch Entzündungsprozesse zu einer Verstärkung der Beschwerden. Menschen, die an stark befahrenen Straßen oder in der Nähe von Feinstaubquellen leben, sind besonders betroffen [26].
2.4
Virale Atemwegsinfektionen
In über 80 % sind virale Infektionen der Atemwege ursächliche Auslöser für Asthmaepisoden. Im Säuglings- und Kleinkindalter dominiert das Respiratory Syncytial Virus (RSV), danach das Rhinovirus. Neben den Viren können jedoch auch Mykoplasmen und Chlamydien zu einer Exazerbation führen. Die infizierten Atemwegsepithelzellen setzen verschiedene Zytokine und Mediatoren frei, locken weitere eosinophile Granulozyten an und potenzieren so die Entzündung. T-Lymphozyten können mit eindringenden Pathogenen oder bereits geschädigten Zellen direkt reagieren und eine zelluläre Immunreaktion über die Freisetzung von u.a. IL-4, -5, -6, -10 einleiten [27]. Insgesamt bedingen Atemwegsinfekte einen Anstieg der bronchialen Reaktivität, der meist über längere Zeit persistiert. Dabei ist die Frage der Entstehung von Asthma durch frühe Virusinfekte noch nicht eindeutig geklärt. Nach epidemiologischen Daten von Kindern, die im Säuglingsalter an einer schweren RSV-Infektion mit Bronchiolitis erkrankt waren, ist bekannt, dass diese später häufiger unter Asthma leiden. Andererseits wird häufigen Infektionen im frühen Kindesalter über einen TH1-Shift ein protektiver Effekt für die Asthma- und
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Allergieentstehung zugeschrieben. So sind in Familien mit höherer Kinderzahl die jüngeren Geschwisterkinder seltener von Asthma und Allergien betroffen [7]. Auch der bereits beschriebene Ost-West-Unterschied bezüglich Allergie und Asthma wäre teilweise hierdurch zu erklären, da in der ehemaligen DDR die Kinder ihre ersten Lebensjahre meistens in Kindergruppen verbracht haben und – im Gegensatz zu der isolierten Kleinfamilie im Westen – somit zahlreichen Infekten ausgesetzt waren.
2.5
Unspezifische Reize als Auslöser asthmatischer Beschwerden
Neben Allergenen und besonderen Belastungen wie Tabakrauchexposition spielen auch unspezifische Reize als Auslöser asthmatischer Reaktionen eine Rolle. Temperaturwechsel und Flüssigkeitsverlust mit erhöhter Osmolalität des Bronchialsekrets bei Inhalation von kalter, trockener Luft oder im Rahmen einer Hyperventilation bei körperlicher Belastung sind besonders bei Kindern wichtig. Die Inhalation von Ozon kann die bronchiale Reaktivität ebenfalls erhöhen. Farben und Sprays werden häufig nicht vertragen, auch Wetterwechsel und hormonelle Ereignisse wie z.B. die Menstruation oder emotioneller Stress werden als Auslöser angegeben. Wenige Kinder reagieren auf die Einnahme von nicht-steroidalen Antiphlogistika oder bei bestimmten Nahrungsmittelzusatzstoffen mit Beschwerden. Auch eine Affektion der Nasenschleimhaut mit Dominieren der Mundatmung und die damit verbundene nicht ausreichende Reinigung, Anfeuchtung und Aufwärmung der Inspirationsluft ist von Bedeutung [28]. Durch die Erhöhung des transdiaphragmalen Druckes mit Öffnung der Kardia bei Lungenüberblähung leiden Asthmatiker häufiger an einem gastroösophagealen Reflux (GOR). Dabei ist der GOR nicht als eine Ursache von Asthma bronchiale anzusehen, stellt aber bei entsprechender individueller Disposition einen klinisch relevanten Trigger für das Auftreten asthmatischer Symptome dar [29]. Bedingt durch den sauren Reflux kann es zu einer vago-vagalen Reflexbronchokonstriktion kommen. Eine bronchopulmonale Dysplasie (BPD) als chronische potentiell reversible Lungenerkrankung Frühgeborener kann gleichfalls für eine langfristige bronchiale Hyperreaktivität, Atemwegsobstruktion und Überblähung verantwortlich sein. Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale scheint für Kinder mit einer BPD jedoch nicht zu bestehen [30].
3
Prävention
Da die Weichen für die Entstehung von Asthma bronchiale bereits früh gestellt werden und kausale Therapieansätze fehlen, kommt der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Im Rahmen des Aktionsbündnisses Allergieprävention (abap) ist eine evidenzbasierte Leitlinie zur Primär- und Sekundärprävention entwickelt worden [31]. Eine Forderung der primären Prävention ist die rauchfreie Umgebung während der fetalen Entwicklung, auch postpartal. Dabei steht die Aufklärung der Eltern im Vordergrund. Die prä- und postpartale Allergenreduzierung scheint die Entstehung von Asthma nicht verringern zu können [32]. Allerdings haben zahlreiche Studien den protektiven Effekt eines ausschließlichen Stillens von mindestens 6 Monaten auf die Asthmaentstehung belegt [33]. Ist dies nicht möglich, sollte eine hydrolysierte hypoallergene Säuglingsnahrung verabreicht werden, die das Risiko der Entstehung von Asthma und Allergien bei Kindern mit positiver Familienanamnese verringert. In einzelnen Studien hat sich extensiv-hydro-
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lisierte Säuglingsnahrung auf Kaseinbasis gegenüber partiell-hydrolysierter Nahrung als protektiv überlegen gezeigt [34]. Es konnte nachgewiesen werden, dass die frühe Sensibilisierung gegen Nahrungsmittelallergene und damit die frühkindliche Neurodermitis durch Hydrolysatnahrung reduziert wird. Bei Hochrisikokindern (genetische Vorbelastung) sollte Beikost nicht vor dem 6. Lebensmonat eingeführt werden; diese darf folgende Lebensmittel, auch in Spuren, nicht enthalten: Kuhmilch, Hühnerei, Fisch, Nüsse, Soja und Schokolade. Darüber hinausgehend kann eine allgemeine Diät zur Allergenprävention nicht empfohlen werden. Insbesondere wird der Mutter weder für die Schwangerschaft noch für die Stillzeit zu einer bestimmten Diät geraten. Nur bei Nahrungsmittelallergie der Mutter selbst sind diese Nahrungsmittel natürlich zu vermeiden. Die Verabreichung von Lactobacillus GG (Probiotika) an atopische Mütter während der Schwangerschaft führt über eine pränatale Stimulierung des Feten Richtung TH1-Immunantwort zur Reduzierung der Häufigkeit von atopischem Ekzem im ersten Lebensjahr. Die Auswirkung dieser präventiven Maßnahme auf die Entstehung von Asthma lässt sich jedoch noch nicht beurteilen und muss vor einer allgemeinen Empfehlung durch weitere Studien überprüft werden [35]. Außerdem gibt es Hinweise, dass eine frühzeitige unspezifische Immunstimulation vor der Entwicklung allergischer Erkrankungen schützen kann. Eine ländliche Wohnumgebung, der Besuch einer Kindertagesstätte in den ersten Lebensjahren und eine größere Geschwisterzahl werden hierbei angeführt. Daraus lassen sich jedoch noch keine Empfehlungen ableiten. Der Einsatz von sekundären Präventionsmaßnahmen bei Asthma ist unbestritten. Mit der Reduktion von Allergenen im Umfeld der Kinder wird nicht nur die Symptomatik gebessert, sondern es können auch Sensibilisierungen verhindert bzw. verzögert werden. Auf die hereditäre Grundlage und die Bedeutung der Umgebung für allergische Krankheiten wurde bereits hingewiesen. Im Vordergrund stehen Maßnahmen zur Allergenund Schadstoffreduktion: • keine Haltung von federn- und felltragenden Tieren in der Wohnung • Reduktion der Hausstaubmilbenbelastung (z.B. Encasing der Matratze, Milbenreduktion bei Stofftieren im Kinderbett, Verwendung von Staubsaugern mit Allergenfiltern) • kein Rauchen innerhalb der Wohnung und im Auto • Vermeidung eines schimmelpilz-fördernden Klimas (ausreichende Durchlüftung von Räumen) Da Infektionen eine bronchiale Hyperreaktivität bahnen, eine allergische Sensibilisierung begünstigen sowie zu Exazerbationen eines bestehenden Asthma bronchiale führen, sollten bei Kindern mit Asthma alle Impfungen gemäß STIKO (Ständige Impfkommission) durchgeführt werden. Ergänzend zur Expositionsprophylaxe ist bei Kindern die Durchführung einer spezifischen Immuntherapie (SIT) sinnvoll. So kann durch die SIT bei Patienten mit allergischer Rhinitis die Entwicklung von Asthma verringert werden („Etagenwechsel“). Die Indikation kann nur nach allergologischer Abklärung und unter Berücksichtigung der Kontraindikationen gestellt werden. Dabei besteht mit der subkutanen Immuntherapie im Kindesalter die größte Erfahrung, die Erfolgsaussichten sind am besten belegt [36].
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Daneben ist es immer wichtig, das psychosoziale Umfeld des Kindes einzubeziehen sowie die körperliche Aktivität zu fördern. Eine uneingeschränkte Teilnahme an Schul- und Freizeitsport muss ermöglicht werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist eine strukturierte, verhaltensbezogene und bei Kindern und Jugendlichen die Familie einbeziehende Patientenschulung. Der Nutzen von Asthmaschulungsprogrammen im Kindes- und Jugendalter ist unbestritten. Vorrangiges Ziel ist der Umgang mit der Krankheit und deren Folgen. Es sollen die Wahrnehmung für den eigenen Körper, Verhalten bei Belastungen, Möglichkeiten zur Reduktion und Anregungen zur Selbsthilfe geschult werden. Damit die Schulungsinhalte gegenwärtig bleiben und nicht im Alltag an Bedeutung verlieren, sind regelmäßige Nachschulungen bei der Versorgung asthmakranker Kinder- und Jugendlicher erforderlich. Neben der Verbesserung von Behandlungsprozessen werden auf diese Weise Einsparungen auf Seiten der Kostenträger erzielt [37]. Bezüglich der Indikationen und der Notwendigkeit von ambulanter und stationärer Rehabilitationsmaßnahmen sei auf das Kapitel Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen verwiesen.
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Asthma bronchiale bei Kindern: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
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COPD: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
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COPD: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention Stefan Andreas, Immenhausen
1
Epidemiologie Tabakrauchen
In Deutschland rauchen über 30 % der Bevölkerung regelmäßig. Während bei Männern in den letzten Jahren das Rauchverhalten langsam rückläufig war, ist bei den Frauen noch eine Zunahme des Tabakrauchens zu verzeichnen (Tabelle 1). Bei Jugendlichen ist es über Jahrzehnte zu einer Abnahme des Eintrittsalters in den Tabakkonsum gekommen. Nach einer Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge rauchen im Jahr 2005 21 % aller männlichen und 19 % aller weiblichen Jugendlichen (Alter: 12–17 Jahre) [1]. Das Durchschnittsalter, in dem zum ersten Mal regelmäßig geraucht wurde, wird zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr angegeben. Laut aktueller Daten der WHO und der Europäischen Union liegt Deutschland bezüglich des Tabakkonsums im oberen Drittel und bei Tabak-Kontrollmaßnahmen im unterem Viertel der Staaten der EU [2]. Über die Hälfe der regelmäßigen Zigarettenraucher sterben an den Folgen des Rauchens. Die mittlere Lebenserwartung der Raucher ist um 10 Jahre reduziert [3]. Weltweit sterben nach WHO-Schätzungen jährlich ca. 3 Mio. Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, bei stark ansteigender Tendenz [4]. Auch in Deutschland ist das Rauchen die häufigste Einzelursache für Krankheit und vorzeitigen Tod [5,6]. Tabelle 1. Gesamtanteil der Raucher in der 25- bis 69-jährigen Bevölkerung (Mikrozensus-Umfrage 2003; 1984–1986 nur alte Bundesländer) [1] Jahr
Männlich
Weiblich
1984–86
41,6 %
26,7 %
2003
38,0 %
30,1 %
2
Pathogenese der Tabakabhängigkeit
Nikotin besitzt die Eigenschaften einer Droge [7]. Beim Menschen und im Tiermodell werden kurzfristige Gefühle des Wohlbefindens, Anxiolyse, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit, Unterdrückung von Nervosität und die Dämpfung des Hungergefühls durch die Wirkung von Nikotin erklärt [7]. Der entscheidende Wirkort für die Verstärkerfunktion des Nikotins ist das „Belohnungszentrum“ des Gehirns, der Nucleus
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Stefan Andreas, Immenhausen
accumbens (NAc). Die Relevanz und Permanenz dieser biologischen Alterationen des zentralen Belohnungssystems wird durch eine aktuelle Publikation verdeutlicht: Bereits das Rauchen einer einzigen Zigarette im Alter von 11 Jahren führt auch noch nach 3 Jahren zu einer Verdopplung des adjustierten relativen Risikos, einen regelmäßigen Tabakkonsum zu beginnen [8]. Die genetische Ausstattung beeinflusst in komplexer Interaktion mit Umwelteinflüssen das Rauchverhalten. Zwillings- und Adoptionsstudien sowie Tiermodelle sprechen für eine Heredität des Tabakrauchens von über 50 % [9]. Insgesamt wird zunehmend deutlich, dass die Tabakabhängigkeit nicht als einheitliches Phänomen zu verstehen ist. Vielmehr rauchen unterschiedliche Individuen aus unterschiedlichen Gründen. In dem kürzlich initiierten DFG-Schwerpunktprogramm 1226 „Nicotine: Molecular and Physiological Effects in the Central Nervous System“, Koordinator Prof. Georg Winterer, Düsseldorf, wird entsprechend der komplexe Phänotyp der Nikotinabhängigkeit in „Endophänotypen“ diversifiziert.
3
Epidemiologie Tabakrauchen bei COPD
In einer dänische Studie an über 19.000 Patienten mit überwiegend leichter bis mäßiger COPD rauchten 58 % der Patienten [10]. In den USA rauchten noch 36 % der mit COPD verstorbenen Patienten bis kurz vor ihrem Tod [11]. In aktuellen Interventionsstudien zur bronchodilatatorischen Therapie der COPD rauchen 30–40 % der Patienten mit mittelgradiger bis schwerer COPD [12, 13, 14]. Raucher mit einer nachgewiesenen COPD sind im Vergleich zu „gesunden“ Rauchern älter, weisen einen höheren kumulativen Tabakkonsum auf und sind stärker nikotin-abhängig [15]. Da das Rauchen bei latent depressiven Patienten den Charakter einer Selbstmedikation annehmen kann und Depressivität einen Rückfall begünstigt, ist eine Interaktion zwischen der COPD, depressiven Symptomen und dem Rauchen anzunehmen [16]. Diese trägt dazu bei, dass sich eine Tabakentwöhnung in dieser Patientengruppe schwierig gestaltet [17].
4
Tabakrauchen als Ursache der COPD
Mindestens 4–6 % der erwachsenen Bevölkerung leiden an einer klinisch relevanten COPD [2]. Die Prävalenz nimmt im höheren Alter stark zu [14, 18, 19]. Tabakrauch ist der wesentliche Risikofaktor für die COPD und für Exazerbationen der COPD [2, 20, 21]. Je nach Hintergrundbelastung durch die Umwelt wird 70–90 % der COPD-Morbidität durch das Tabakrauchen verursacht. Das Risiko, eine COPD zu entwickeln, wird durch die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten und insbesondere den kumulativen Zigarettenkonsum (Packungsjahre bzw. pack-years) determiniert [22]. Ein Packungsjahr bedeutet, dass ein Raucher über den Zeitraum von einem Jahr durchschnittlich täglich eine Packung Zigaretten geraucht hat. Genetische Faktoren spielen in der Pathogenese der COPD eine wesentliche Rolle [23]. COPD als systemische Erkrankung: Bei der COPD bestehen nicht nur Veränderungen der Lunge, sondern auch des Stoffwechsels [24], der Muskeln [25] und des autonomen Nervensystems. [26]. In der Lung Health Study, in die über 6.000 Patienten mit leichter bis mäßiger COPD eingeschlossen wurden, starben mehr Patienten an kardiovaskulären
COPD: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
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Erkrankungen als an der COPD [27]. Tatsächlich ist eine reduzierte FEV1 ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Diese Zusammenhänge werden wahrscheinlich durch die bei der COPD ausgeprägte systemische Inflammation und neurohumorale Aktivierung vermittelt [26]. Tabakrauchen führt sowohl zu einer systemischen Inflammation als auch zu einer neurohumoralen Aktivierung [26]. Tabakrauchen verstärkt somit die o.g. systemischen Folgen der COPD. Rauchen und pulmonale Symptomatik: Unabhängig von der Diagnose einer COPD ist in größeren epidemiologischen Studien eine pulmonale Symptomatik mit Husten und Auswurf bei Rauchern wesentlich häufiger als bei Nichtrauchern [28, 29]. Entsprechend führt die Beendigung des Tabakkonsums zu einer Reduktion dieser Symptomatik. Interessanterweise ist Husten mit Auswurf ein unabhängiger Risikofaktor für einen Verlust an FEV1 und das Risiko von Hospitalisationen [29]. Rauchen und Lungenfunktion: In einer Vielzahl von großen epidemiologischen Querschnitt- und Längsschnittuntersuchungen konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass Rauchen zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion führt [30, 31, 32]. Längsschnittuntersuchungen konnten zeigen, dass die Beendigung des Rauchens die Abnahme der FEV1 auf das der Nichtraucher reduziert [33, 34]. Nach Beendigung des Rauchens kommt es initial zu einer Zunahme der FEV1 [32]. Rauchen hat neben der FEV1 auch negative Effekte auf andere Messgrößen der Lungenfunktion. So konnte ein enger Zusammenhang zwischen Rauchen und der Diffusionskapazität sowie der bronchialen Hyperreagibilität gezeigt werden [35, 36].
5
Passivrauchen als Ursache der COPD
In Deutschland sind 27 % der nichtrauchenden Bevölkerung regelmäßig Passivrauch ausgesetzt [37]. Über 15.000 Menschen (davon 4.000 Nichtraucher) sterben jedes Jahr an den Folgen der Passivrauchexposition [38, 39]. Davon sterben allein über 900 Patienten an einer durch Passivrauchen verursachten COPD [39]. Das Risiko, an einer COPD zu erkranken, wird durch Passivrauchen um etwa 40 % erhöht [39] (Tabelle 2). Eine kürzlich publizierte Metaanalyse nannte ein relatives Risiko von 1,4 für die Entstehung einer COPD bei Passivrauchexposition [40]. Passivrauchen aggraviert auch bei aktiven Rauchern die Symptomatik der COPD und erhöht die Häufigkeit von Arztkontakten. Rauch-
Tabelle 2. Risiko bei Passivrauchen [nach 2, 39, 54] COPD-Risiko erhöht um etwa
40 %
Asthma Bronchiale-Risiko
40–60 %
Pneumonie insb. bei Kindern
20–50 %
Bronchial-Ca-Risiko für nichtrauchende Ehepartner
20–30 %
Bronchial-Ca-Risiko für Exposition am Arbeitsplatz
16–19 %
Herzinfarktrisiko etwa
30 %
Schlaganfall
50 %
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verbote in öffentlichen Plätzen wie z.B. Restaurants reduzieren die Passivrauchexposition und damit die konsekutive Morbidität und Mortalität erheblich, ohne dass negative Auswirkungen auf z.B. die Gastronomie beobachtet werden [39, 40].
6
Raucherentwöhnung bei Patienten mit COPD
Die Vielzahl der Determinanten einer erfolgreichen Tabakentwöhnung sowie die begrenzte Effektivität unimodaler Entwöhnungskonzepte [41, 42] legen einen „holistischen Ansatz“ [43] bei Patienten mit COPD nahe. Hierbei werden neben kognitiven und SuchtAspekten auch die subjektiven respiratorischen Beschwerden des Patienten berücksichtigt (Tabelle 3). Symptomatische Raucher weisen eine höhere Motivation auf als asymptomatische, wenn sie ihre Symptome in erster Linie auf das Rauchen selbst zurückführen [44]. Im Jahre 2004 wurde von der Cochrane-Gruppe ein Übersichtsartikel randomisierter, doppelblinder und plazebo-kontrollierter klinischer Studien zur Tabakentwöhnung von COPD-Patienten publiziert [16]. Insgesamt konnte ein signifikanter und klinisch relevanter positiver Effekt der Raucherentwöhnung mit gleichzeitiger medikamentöser Therapie auf die Lungenfunktion, die Häufigkeit von Atemwegsinfekten, die bronchiale Hyperreagibilität, die Anzahl der Exazerbationen, die Rate der Hospitalisationen und die Mortalität gezeigt werden [16]. Alle COPD-Patienten, die ihren Tabakkonsum beenden wollen, sollten daher einen einfachen Zugang zur Tabakbehandlung mit pharmakologischer Intervention und psychosozialer Unterstützung erhalten. Die Durchführung der psychosozialen Intervention und der Pharmakotherapie wird dezidiert in nationalen und internationalen Leitlinien erläutert [7]. Tabelle 3. Positive Folgen des Rauchverzichts [American Cancer Society, 55] Nach: • 20 Minuten:
• Blutdruck erholt sich
• 8 Stunden:
• CO-Gehalt im Blut normalisiert
• 2 Tagen:
• Geruch und Geschmack kehren wieder
• 3 Monaten:
• Lungenfunktion um bis zu 30 % erhöht
• 9 Monaten:
• Raucherhusten ist verschwunden
• 1 Jahr:
• KHK-Risiko durch Rauchen ist halbiert
• 10 Jahren:
• Lungenkrebsrisiko halbiert
• 15 Jahren
• Herzinfarktrisiko wie bei Nichtraucher
COPD: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention
7
95
Rauchreduktion ist keine Alternative zum Rauchstopp
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine Rauchreduktion in Hinblick auf die Progression der COPD (jährlicher FEV1-Abfall) keine effektive Strategie darstellt [10, 45]. Für den fehlenden positiven Effekt der Rauchreduktion werden insbesondere Kompensationsmechanismen verantwortlich gemacht, bei denen ein verändertes Rauchverhalten (tiefere und längere Inhalation) den Effekt der geringeren Zahl an inhalierten Zigaretten aufwiegt. Da Raucher mit einem höheren täglichen Zigarettenkonsum seltener erfolgreich entwöhnen, mag es plausibel erscheinen, den Rauchstopp erst nach einer Phase der Rauchreduktion zu versuchen. Unklar ist hier, über welche Dauer die Rauchreduktion durchgeführt werden soll. Auch gibt es bisher noch keine randomisierten, kontrollierten Studien zu diesem Ansatz.
8
Sauerstofflangzeittherapie und Tabakkonsum
Patienten mit fortgeschrittener COPD haben oft eine erniedrigte Sauerstoffkonzentration im Blut (respiratorische Partialinsuffizienz bzw. Hypoxie). Die Sauerstoffgabe zum Ausgleich der Hypoxie für mindestens 15–16 Stunden pro Tag führt zu einer Verbesserung des Langzeitüberlebens und der Belastungsdyspnoe [46]. Sauerstoff selbst ist zwar nicht entflammbar, beschleunigt jedoch Verbrennungsvorgänge. Mithin kommt es immer wieder bei rauchenden Patienten, die mittels Sauerstofflangzeittherapie behandelt werden, zu lebensgefährlichen oder gar tödlichen Verbrennungen. Bei Patienten, die rauchen, sollten die Vorteile einer Sauerstofflangzeittherapie im Kontext mit den genannten Gefahren diskutiert und bei der Verordnung kritisch gewürdigt werden. Der professionellen Raucherentwöhnung sollte in diesem Zusammenhang Priorität zugewiesen werden [47].
9
Kosten-Nutzen-Analyse
Bei Annahme einer COPD-Prävalenz von 5 % ergäben sich für die Bundesrepublik Deutschland volkswirtschaftliche Gesamtkosten von 12,4 Mrd. € pro Jahr, wenn alle Patienten diagnostiziert und behandelt werden würden [14]. Die Kosten für Patienten mit COPD hängen vom Schweregrad der Erkrankung ab und betragen bei schwerer COPD 6.585 € pro Jahr [14, 48]. Dies sind lediglich die der COPD zuzuordnenden Kosten. Da Tabakrauchen u.a. eng mit dem Bronchialkarzinom und kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert ist, entstehen noch weit höhere Kosten. Insgesamt werden mindestens jährlich 35,2 Mrd. € für tabakbedingte Gesundheitskosten ausgegeben [14]. Zusätzlich werden durch Tabakrauchen Kosten verursacht, die nicht dem Gesundheitssystem zuzuordnen sind. In Schottland wurden die Kosten durch Brände mit Sachbeschädigung infolge von Tabakrauchen auf etwa 4 Mio. £ und in England und Wales auf 151 Mio. £ pro Jahr geschätzt [49]. Die Kosten durch Abwesenheit von der Arbeit wurden auf jährlich 40 Mio. £ [49] und die gesamten Kosten durch Arbeitsausfälle sogar auf jährlich 450 Mio. £ geschätzt. Entsprechende Daten für Deutschland sind bisher nicht erhoben worden. Unter Berücksichtigung bereits publizierter Erfahrungen [3, 50] und auch eigener Daten [51] errechnen sich für die Raucherentwöhnung in einem allgemeinen Raucher-Kollek-
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tiv nach dem „Intention to treat-Ansatz“ Kosten von etwa 300–1200 € pro gewonnenem Lebensjahr [52, 53}. Die Kosten pro gewonnenem Lebensjahr betragen z.B. für die Hämodialyse bei chronischer Niereninsuffizienz etwa 60.000 €, für die operative Myokardrevaskularisation 20.000 € und für die medikamentöse Therapie des arteriellen Hypertonus 50.000 € [52, 53]. Insgesamt ist die Raucherentwöhnung unzweifelhaft eine der effektivsten medizinischen Interventionen. Trotzdem ist die professionelle Raucherentwöhnung im deutschen Gesundheitssystem marginalisiert. Zusammengefasst wird in Deutschland im Widerspruch zur internationalen Datenlage und Erfahrung die Raucherentwöhnung marginalisiert.
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Asthma bronchiale und COPD – Bedeutung von Umwelteinflüssen
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Asthma bronchiale und COPD – Bedeutung von Umwelteinflüssen Holger Schulz, Neuherberg/München
Asthma und COPD sind Erkrankungen, die im Kontext von individueller genetischer Disposition und Umweltbelastung zu sehen sind. Beides sind komplexe, multifaktorielle Erkrankungen, bei denen letztlich vielschichtige Interaktionen zwischen genetischem und Umwelt-Setting darüber entscheiden, ob und wann die Erkrankung entsteht. Die rasche und deutliche Zunahme der Häufigkeit von Asthma in den letzten Jahrzehnten spricht für die zunehmende Bedeutung einer sich rasch ändernden Umwelt. Die „Gesundheitsgefährdung“ durch die Umwelt beschränkt sich nicht nur auf physikalisch-chemische Noxen, sondern beinhaltet auch biologische und soziale Einflussgrößen. Bei der COPD stehen Zigarettenrauch und berufliche Exposition mit Stäuben im Vordergrund; bei Asthma spielen Ernährung, Stillen, Sozialstatus, Familiengröße, frühe mikrobielle Exposition, Haustiere, Allergen-Exposition, Lärmbelastung und Exposition mit anthropogenen Umweltbelastungen eine Rolle. Zu Letzteren gehört der Tabakrauch, der – wie ausführlich im Kapitel COPD: Ursachen – Zusammenhänge – Prävention dargestellt wird – sowohl für COPD als auch für Asthma ein essentieller Risikofaktor ist. Hier möchte ich mich dagegen auf die Luftverschmutzung konzentrieren, die mit Verbrennungsprozessen vor allem aus Verkehr, Heizung und Industrie assoziiert ist. Der Fokus liegt dabei auf den am häufigsten vorkommenden und in letzter Zeit am intensivsten diskutierten Verschmutzungen in städtischen Bereichen, das sind Feinstäube, Stickoxide und Ozon. Nach einer Übersicht über Entstehung und Umweltbelastung wird die Gesundheitsrelevanz der einzelnen Schadstoffe dargestellt. Auf tierexperimentelle Daten gehe ich nur ein, wenn epidemiologische oder klinisch-experimentelle Daten vom Menschen nicht verfügbar sind.
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Anthropogene Umweltbelastung durch partikel- und gasförmige Luftschadstoffe
In unserer Umgebungsluft sind typischerweise 104 Partikel/cm3 suspendiert. Physikalisch gesehen ist die Luft damit ein Aerosol mit einer gas- und einer partikelförmigen Phase. Die Gasphase besteht vor allem aus Stickstoff und Sauerstoff – mit zahlreichen Verunreinigungen, unter denen vor allem Stickoxide und Ozon sowie flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (volatile organic carbon, VOC) im hier diskutierten Zusammenhang von Bedeutung sind.
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Holger Schulz, Neuherberg/München
Stickstoffdioxid (NO2) ist wie Ozon (O3) ein Oxidans (allerdings chemisch weniger reaktiv als O3). Anthropogenes NO2 stammt zum größten Teil aus Verbrennungsprozessen fossiler Brennstoffe, wobei bei der Verbrennung zunächst hauptsächlich Stickstoffmonoxid entsteht, das mit dem Sauerstoff der Luft oder O3 weiter zu NO2 reagiert. Im Außenbereich stellen die Emissionen benzin- und dieselbetriebener Kraftfahrzeuge die primären Quellen dar (50–60 %), so dass NO2 in vielen epidemiologischen Studien als Surrogatparameter für die regionale Verkehrsbelastung herangezogen wird. Es stammt aber auch aus Kraftwerken und anderen Quellen oder entsteht durch photochemische Prozesse. In der Innenraumluft sind mit Erdgas betriebene Herde oder offene, mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizungssysteme die primären Quellen für NO2. Typische Belastungen liegen zwischen 15 und 50 μg/m3, besonders im Innenraum können aber bei Verwendung von Gasherden/Öfen deutlich höhere Spitzenkonzentrationen entstehen. Laut BImSchV besteht für NO2 ein 1-Stunden-Grenzwert von 200 μg/m3 (18 Überschreitungen/Jahr erlaubt), und der Jahresmittelwert darf 40 μg/m3 nicht überschreiten. Ozon ist das relevanteste photochemische Oxidans der Troposphäre und wichtigster Schadstoff des so genannten „Sommersmogs“. Unter dem Einfluss ultravioletter Strahlung werden aus Stickoxiden und VOC durch Photolyse Sauerstoffatome abgespalten, die mit den Luftsauerstoffmolekülen sofort weiter zu O3 reagieren. Die Hauptquelle dieser Vorläufersubstanzen sind Verkehrsemissionen mit einem Anteil von ca. 60 % für Stickoxide und ca. 25 % für VOC. Weitere Quellen für Stickoxide (ca. 30 %) sind Feuerungsanlagen der Industrie und der Kraftwerke. Der größte Anteil der VOC (ca. 60 %) stammt im städtischen Bereich aus der Lösungsmittelverwendung, z.B. bei Farben und Lacken, während im ländlichen Bereich biogene VOC hinzukommen. Trotz höherer Verkehrsbelastung im innerstädtischen Bereich wird dort häufig eine niedrigere O3-Konzentraton gemessen als am Stadtrand und in den angrenzenden ländlichen Regionen. Ursache dafür ist einerseits das innerstädtisch im Überschuss vorliegende NO, das zur Abreaktion von O3 führt. Andererseits führen der atmosphärische Transport von O3 sowie die Verdünnung von NO und Weiterreaktion zu NO2 zu den hohen O3-Belastung in ländlichen Regionen. Wie die photochemische Reaktion erwarten lässt, unterliegt die O3-Konzentration in unseren Breiten einer starken jahreszeitlichen und auch tageszeitlichen Variation, mit den geringsten Werten am frühen Morgen und Höchstwerten zwischen Mittag und Abend. Die Innenraumbelastung ist meist deutlich niedriger als im Außenbereich. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit sind durch die EU folgende Schwellenwerte festgelegt worden: Ab 180 μg/m3 (1-Std.-Mittelwert) wird die Bevölkerung unterrichtet, über 240 μg/m3 (1Std.-Mittelwert) wird O3-Alarm ausgelöst, der Zielwert (8-Std.-Mittelwert) beträgt 120 μg/m3. In den letzten Jahren wurde in Bayern an weniger als 10 Tagen im Jahr der Grenzwert zur Information der Bevölkerung (im Sommer 2003 an 23 Tagen) und an weniger als 5 Tagen die Warnschwelle überschritten. Die in der Gasphase der Atmosphäre suspendierten Partikel können fester oder flüssiger Natur mit unterschiedlichster Form, chemischer Zusammensetzung und Konzentration sein. Die Partikelgrößen umspannen einen weiten Bereich von 1 nm bis 100 μm und sind wesentlich für die Dauer des luftgetragenen Zustandes verantwortlich. Größere Partikel sinken aufgrund der Gravitation schneller Richtung Erdoberfläche – ein 10-μm-Partikel mit einer Dichte von 1 g/cm3 knapp 3 mm/s –, so dass die „Lebensdauer“ im Minuten- bis Stundenbereich liegt. Partikel im sog. Akkumulations-Mode (0,1 μm bis 1 μm) können aufgrund ihrer geringen Eigenbeweglichkeit bis zu Wochen im luftgetragenen Zustand verbleiben (Ferntransport), während ultrafeine Partikel (< 0,1 μm) aufgrund ihrer schnel-
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len Diffusion nach Entstehung rasch agglomerieren oder sich an größer Partikel bzw. Erdoberflächenstrukturen anlagern (Filterfunktion von Bäumen in Straßenschluchten). Atmosphärische Partikel können biogenen Ursprungs sein (z.B. Bakterien, Viren, Pollen) oder sind unbelebt und stammen aus natürlichen Quellen (z.B. Bodenerosion, Vulkane, Waldbrände, Seesalze). Partikel anthropogenen Ursprungs stammen vor allem aus Verbrennungsprozessen, Verhüttung, Schüttgutumschlag, industriellen Prozessen, Abrieb von Reifen bzw. Asphalt oder vom Zigarettenrauch. Zur Belastungsabschätzung der Bevölkerung wird die in offiziellen Messnetzen erhobene Massenkonzentration der Partikel in der Umgebungsluft herangezogen (Gesamtschwebstaub TSP, seit 2000 PM10, „Particulate matter“ [= Schwebstaub] mit einem aerodynamischen Durchmesser < 10 μm). Darüber hinaus sind PM2.5 (die sog. „alveolargängige Fraktion“, Feinstaub) und ultrafeine Partikel (UFP, Partikel mit einem thermodynamischen Durchmesser zwischen 1 nm und 100 nm) gebräuchliche Abgrenzungen. UFP liegen in hoher Anzahlkonzentration – bis zu mehreren Hunderttausend pro cm3 – vor, tragen aber nur geringfügig zur Massenbelastung bei. Typische städtische Herkunftsbereiche für Schwebstaub sind der regionale Hintergrund (40 % PM10), der städtische Hintergrund (30 % PM10) und lokale Belastungen, z.B. in einer Straßenschlucht (30 % PM10, Messort Berlin). Den größten Anteil macht, insgesamt gesehen, die verkehrsbedingte Partikelbelastung aus, die in der Stadt i.d.R. 30–50 % des gesamten PM10 bestimmt. Allerdings gibt es deutliche zeitliche (Tagesgang, Wochengang) und räumliche Schwankungen. Typische Jahresmittelwerte für ländliche Regionen betragen 10–15 μg/m3, für den städtischen Hinterrund 15–20 μg/m3 und für verkehrsnahe Bereiche 25–35 μg/m3. Der PM10-Grenzwert liegt für den Tagesmittelwert bei 50 μg/m3 (35 Überschreitungen/Jahr zugelassen), für den Jahresmittelwert bei 40 μg/m3. Erhöhte PM10-Werte bzw. Grenzwertüberschreitungen treten meist dann auf, wenn eine hohe Belastung durch variable Quellen (z.B. Straßenverkehr, Hausbrand) mit einer hohen, durch meteorologische und überregionale Prozesse bedingten Belastung zusammenfällt. In vielen deutschen Städten wurde der Tagesgrenzwert in den letzten Jahren häufiger als 35-mal überschritten. In diesen Fällen können kurzfristig Belastungen bis zu 100 μg/m3 erreicht werden.
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Gesundheitliche Bedeutung von Stickstoffdioxid
Die Gesundheitsrelevanz einer akuten Exposition mit hoher NO2-Konzentration ist insbesondere für Risikogruppen, aber auch für Gesunde durch kontrollierte Studien gut belegt. So führt die Exposition mit NO2-Konzentrationen von mehr als 500 μg/m3 (0,263 ppm) zur entzündlichen Reaktion, zu Lungenfunktionseinschränkungen – insbesondere wird eine Zunahme des Atemwegswiderstandes bzw. ein Abfall der FEV1 beobachtet – und zu einer erhöhten spezifischen oder unspezifischen bronchialen Reagibilität. Auch gibt es Hinweise auf eine erhöhte Infektanfälligkeit [1]. Die niedrigste in kontrollierten Studien eingesetzte NO2-Konzentration, bei der einige Patienten mit leichtem Asthma eine messbare Zunahme des Atemwegswiderstandes bzw. eine erhöhte bronchiale Empfindlichkeit gegenüber Carbachol erfuhren, lag bei etwa 200 μg/m3 [2, 3]. NO2 ist nur gering wasserlöslich, so dass die Lungenperipherie der primäre Wirkort ist. Als mögliche Wirkungsmechanismen werden Lipidperoxidation und die Schädigung von Proteinen in Immunzellen und Zellen des Lungengewebes diskutiert. Antioxidantien, wie Vitamin C, wird eine protektive Wirkung zugesprochen [4, 5]. Bei den üblichen Konzentratio-
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nen in der Umgebungsluft oder auch im Innenraum sind akute Gesundheitseffekte bei Gesunden kaum nachweisbar, aber auch bei Patienten mit Asthma oder COPD weniger stark ausgeprägt als in den oben genannten Studien und durch eine große individuelle Variabilität gekennzeichnet. Insgesamt betrachtet weisen Asthmatiker die höchste Empfindlichkeit auf. Epidemiologische Studien beschreiben übereinstimmend eine Assoziation zwischen einer Langzeitexposition mit erhöhten Innenraumkonzentrationen und Symptomen des unteren Respirationstraktes sowie einer erhöhter Infektanfälligkeit bei Kindern [6, 7]. Bei einer NO2-Konzentrationszunahme von 30 μg/m3 – dies entspricht in etwa der durchschnittlichen Belastungsdifferenz zwischen Gas- und Elektroherd – nimmt die Häufigkeit von Symptomen oder Erkrankungen um etwa 20 % zu. Langfristig mag die höhere NO2Exposition im Innenraum die Entwicklung der Lungenfunktion von asthmatischen Kindern negativ beeinflussen [8]. Außerdem wird für Kinder eine Assoziation zwischen der Innenraumbelastung bei Verwendung von Gasherden/Öfen im Haushalt und der Prävalenz von Asthma oder asthmatischen Symptomen beschrieben, aber auch bei verkehrsbedingt erhöhter NO2-Konzentration in der Außenluft wurde eine ähnliche Assoziation nachgewiesen [9, 10]. Entsprechend konnte ein gehäuftes Auftreten von respiratorischen und allergischen Symptomen bei Probanden beobachtet werden, die sehr nahe an viel befahrenen, insbesondere mit LKW-Verkehr belasteten Straßen leben und so höheren NO2-Konzentrationen ausgesetzt sind [11]. Brunekreef [12] weist in diesem Zusammenhang jedoch auf die Schwierigkeit der Interpretation von NO2-Wirkungen bei zeit- oder ortsgleicher Exposition mit anderer Luftschadstoffen (z.B. feinen und ultrafeinen Partikeln) hin, die verkehrsbedingt, aber auch bei der Nutzung von Gasherden auftreten. Als Beispiel seien hier zwei große Studien aufgeführt, die zeigen, dass eine Differenzierung der gesundheitlichen Effekte durch NO2 oder PM2.5 z.T. schwerfällt. In der französischen Kohorte der ISAAC-Studie [13], bei der gleichzeitig partikuläre und gasförmige Belastungen in Schulräumen bestimmt wurden, wiesen die – mit NO2 oder mit PM2.5 – höher belasteten Schulkinder häufiger eine bronchiale Hyperreagibilität (relatives Risiko (OR) für NO2: 1,33 und für PM2.5: 1,45) oder atopische Hautveränderungen auf (OR für NO2: 1,51 und für PM2.5: 2,02) als die gering exponierten Kinder. Rhinokonjunktivale Beschwerden waren nur mit der NO2-Belastung assoziiert (OR: 1,22), während ein oder mehrere positive Prick-Tests (OR 1,27 bzw. 1,21) und pfeifende Atmung (OR: 1,33) nur mit der PM2.5-Belastung assoziiert werden konnten. Gehring und Mitarbeiter [29] untersuchten innerhalb der TRAPCA-Studie die Auswirkung verkehrsbedingter Belastung bei 1- und 2-jährigen Kindern und nutzten auf dem Geographical Information System (GIS) basierte Modellierungen zur Expositionsabschätzung von NO2 und PM2.5. Ein Anstieg der NO2-Konzentration um 8,5 μg/m3 war bei Einjährigen mit vermehrtem Auftreten von nächtlichem trockenen Husten (OR: 1,36) und Husten ohne Vorliegen eines Infektes (OR: 1,40) assoziiert. Jungen waren diesbezüglich empfindlicher als Mädchen, z.B. wurden für trockenen Husten ORs von 1,45 bzw. 1,20 erhoben. Bei den Zweijährigen waren die Effekte weniger stark ausgeprägt und nicht mehr statistisch signifikant. Zu betonen ist, dass in dieser Studie die gleichen Assoziationen auch für PM2.5 erhoben wurden. Die Studie zeigte weiterhin keine Assoziation zwischen der Verkehrsbelastung und dem Auftreten von spastischer Bronchitis oder Atemwegsinfekten. Die vorgestellten Studien veranschaulichen damit unter anderem die von Brunekreef angesprochene Schwierigkeit der Quantifizierung der reinen NO2-Wirkung bei Vorliegen weiterer Belastungen, so dass hier eher von verkehrsbezogenen Gesundheitseffekten gesprochen werden sollte.
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Generell wird NO2 in Kombination mit anderen Luftschadstoffen keine gravierende zusätzliche Wirkung zugeschrieben.
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Gesundheitliche Bedeutung von Ozon
Die akute Exposition mit erhöhten O3-Konzentrationen führt aufgrund von Schleimhautreizungen zu subjektiven Beschwerden an Augen und Atemwegen (Husten, Druck hinter dem Brustbein, Stechen bei tiefer Atmung) und zu einer erhöhten bronchialen Reagibilität auf unspezifische und spezifische Reize. Nachweisbar ist auch eine Einschränkung der Lungenfunktion: in der Regel nehmen FVC und FEV1 um wenige Prozent ab, bei hoher Belastung oder empfindlichen Personen jedoch auch um bis zu 20 %. Entsprechend wird ein erhöhter Medikamentenbedarf bei Patienten mit Asthma und COPD beobachtet, aber auch eine erhöhte Morbidität mit vermehrten Krankenhauseinweisungen. Laut WHO nehmen die Einweisungen bei einem Anstieg der O3-Konzentration um 10 μg/m3 um 0,5 bis 0,7 % zu [14]. Die WHO stellte in einer Metaanalyse auch eine um 0,2 bis 0,6 % erhöhte Mortalität bei einem O3-Anstieg um 10 μg/m3 fest, wobei es sich hier wahrscheinlich um eine vorgezogene Mortalität schwerkranker Patienten handelt. Für eine O3-assoziierte unabhängige Langzeitmortalität mit entsprechender Lebenszeitverkürzung gibt es bisher keine Beweise. Im Sommer verlagern sich Freizeit- und sportliche Aktivitäten ins Freie. Für die Wirkung des Sommersmogs aber spielt die körperliche Belastung eine wichtige Rolle, da durch die erhöhte Ventilation nicht nur die eingeatmete O3-Dosis erhöht, sondern über ein größeres Atemzugvolumen auch mehr O3 in die Lungeperipherie transportiert wird. Dies verstärkt die gesundheitsgefährdende Wirkung von O3 und beeinträchtigt die körperliche Leistungsfähigkeit messbar [15]. Gefährdete Gruppen – dies sind Ausdauersportler, Menschen, die berufsbedingt im Freien körperlich arbeiten, Kinder und Patienten mit Lungenerkrankungen – sollten daher, soweit möglich, von körperlicher Aktivität im Freien absehen bzw. diese in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden verlegen. Es wäre allerdings ungerechtfertigt, Kinder bei erhöhten Ozonwerten grundsätzlich nicht ins Freie zu lassen, jedoch sollten sie ausgiebige körperliche Aktivität vermeiden [16]. Die Gesundheitsgefährdung durch O3 wird durch eine entzündliche Reaktion im Atemtrakt vermittelt, die nach 1 bis 2 Tagen ihren Höhepunkt erreicht, so dass die Effekte in vielen Studien mit einer entsprechenden zeitlichen Verzögerung beobachtet werden. Das schwer wasserlösliche O3 dringt mit der Atemluft tief in die Lunge ein, so dass der so genannte Übergangsbereich der Lunge (von den terminalen Bronchiolen bis hin zur proximalen alveolären Region) als primärer Wirkort gilt. Die Belastung mit O3 führt zur Aktivierung von Stress- und inflammatorischen Signalkaskaden in Epithel- und residenten Immunzellen, so dass es zur Erhöhung der Lungenpermeabilität und zur Rekrutierung von Neutrophilen Granulozyten und Lymphozyten in die Lunge kommt. Auch wird eine Aktivierung von Eosinophilen Granulozyten beobachtet. Die außerdem induzierte vermehrte Freisetzung von Neuropeptiden trägt mit zur akuten Bronchokonstriktion und bronchialen Hyperreagibilität bei. Auf der Grundlage der bei Asthmatikern bestehenden latenten Entzündung der Atemwege scheint die entzündliche Reaktion auf O3 im Vergleich zu Gesunden verstärkt zu verlaufen und mit einem Einstrom von Eosinophilen Granulozyten einherzugehen, was die erhöhte Empfindlichkeit dieser Patienten auf mechanistischer Ebene bestätigt. Bei wiederholten Kurzzeitexpositionen kommt es innerhalb weniger Tage zur Toleranzentwicklung mit Abschwächung oder Aufhebung der Lungenfunktionseinschränkung, jedoch bleiben eine (abgeschwächte) entzündliche
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Reaktion und erhöhte bronchiale Hyperreagibilität bestehen. Die Reaktion auf Ozon ist durch hohe interindividuelle Variabilität geprägt, etwa 15 % der Bevölkerung gelten als besonders empfindlich. Hintergrund ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine genetische Disposition. Erste, aus tierexperimentellen und klinischen Studien abgeleitete Kandidatengene für eine erhöhte O3-Empfindlichkeit betreffen die entzündliche Reaktion und Lungenpermeabilität (z.B. Tumornekrosefaktor α, Toll-like Rezeptor 4) sowie Proteine, die die Zelle vor oxidativem Stress schützen (z.B. Mangan-Superoxid-Dismutase, Glutathion-S-Transferase, Quinon-Oxidoreduktase [17]. Diese Gene werden durchaus auch im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Asthma oder COPD diskutiert, jedoch gibt es bisher keine kontrollierte Studie, die den Zusammenhang zwischen der genetisch bedingten O3-Empfindlichkeit und der Induktion dieser Lungenerkrankungen belegt. In Anbetracht der hohen oxidativen Kapazität von O3 legt die beschriebene genetische Disposition die therapeutische oder präventive Supplementierung von Antioxidantien nahe [18]. Samet et al. [19] konnten zwar bei entsprechender Gabe von Vitamin C und Alpha-Tocopherol nach 2-stündiger Exposition mit 800 μg O3 eine um etwa 25 % geringere Lungenfunktionseinschränkung feststellen, die entzündliche Reaktion wurde jedoch nicht beeinflusst. Der Einfluss chronischer O3-Belastung auf die Lungenfunktion bei Erwachsenen oder Patienten mit COPD wird kontrovers diskutiert und ist bisher nicht klar belegt. Weitere epidemiologische Studien wurden vor allem mit Kindern durchgeführt. Um die Beeinflussung der Lungenfunktionsentwicklung zu beurteilen, wurden Kindern über mehrere Jahre hinweg jeweils am Anfang und am Ende des Sommers untersucht. Obwohl nicht alle Studien in ein einheitliches Bild passen, sprechen die Ergebnisse insgesamt dafür, dass eine erhöhte O3-Belastung die Lungenfunktionsentwicklung negativ beeinflussen kann: Eine im Mittel um 20 μg/m3 höhere O3-Belastung im Sommer ist mit einer um etwa 2 % geringeren Lungenfunktionszunahme assoziiert [20]. Dieser Verlust scheint sich aber über die Winterzeit wieder auszugleichen, so dass es keinen messbaren Effekt über mehrere Jahre gibt [21]. Zwischen Gesunden und Kindern mit Asthma wurden diesbezüglich keine Unterschiede gefunden. Die Prävalenz von Asthma bzw. von asthmatischen Symptomen bei Kindern konnte z.T. mit einer erhöhten O3-Belastung assoziiert werden. In der Kalifornischen AdventistHealth-Smog-Studie (AHSMOG) war die Inzidenz von Asthma bei Männern, aber nicht bei Frauen erhöht und verdoppelte sich bei einer um 54 μg/m3 höheren O3-Belastung (8-Std.-Mittelwert über 20 Jahre [22]. Von besonderem Interesse zur Frage der Inzidenz von Asthma bei O3-Belastung ist aber die von McConnell [16] in Südkalifornien an 3535 Kinder über 5 Jahre durchgeführte Studie. Bei diesen Kindern gab es anamnestisch keine Hinweise auf eine Asthmaerkrankung. Während des Untersuchungszeitraums wurde bei 256 Kindern die Diagnose Asthma bronchiale neu gestellt. Kinder, die drei oder mehr Sportarten im Freien ausübten, hatten im Vergleich zu solchen, die keinen Sport ausübten, ein 3,3-fach erhöhtes Risiko an Asthma zu erkranken, wenn sie in einer hochbelasteten Gemeinde lebten (mittlere 24-Std.-O3-Belastung: 77 μg/m3). Dieser Zusammenhang wurde in Gemeinden mit geringerer O3-Belastung (mittlerer 24-Std.-Wert: 50 μg/m3) nicht beobachtet. Entsprechend wurde auch eine Assoziation zwischen Asthma-Neudiagnose und Aufenthaltszeit im Freien nur in den höher belasteten Gemeinden beobachtet, allerdings war das Risiko dann deutlich niedriger (1,4-fach). Von großer Bedeutung ist auch die Aussage dieser Studie, dass sich das Risiko, an Asthma zu erkranken, insgesamt zwischen den hoch und niedrig belasteten Gemeinden nicht unterschied – unabhängig davon, ob die Belastung anhand des O3-Spitzenwerts, des 24-Std.-Mittelwerts oder des
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10°°–18°°-Uhr-Wertes charakterisiert wurde. Diese Studie unterstreicht daher deutlich, dass nicht alleine unterschiedliche Umweltbelastungen, sondern auch Verhaltensweisen bei der Beurteilung von Risiken zu berücksichtigen sind. Damit verbunden ist natürlich die Frage nach einem Schwellenwert, den die WHO für Gesunde bei Kurzzeitexposition über 6,6 Std. mit moderater körperlicher Aktivität auf 120–160 μg/m3 O3 festlegt [14].
4
Gesundheitliche Bedeutung von Partikeln
Die Gesundheitsgefährdung durch akute und chronische Partikelbelastung in der Umgebungsluft ist inzwischen durch zahlreiche Studien gut dokumentiert. Trotz beträchtlicher Abnahme der PM-Massenbelastung in den letzten Jahrzehnten wird noch immer – und damit auch im niedrigeren Konzentrationsbereich – ein Einfluss auf Morbidität und Mortalität beobachtet. In epidemiologischen Untersuchungen konnten bisher keine Wirkungsschwellenkonzentrationen festgestellt werden, was damit erklärt wird, dass es in jeder Bevölkerung Individuen gibt, die auch auf sehr geringe PM-Belastungen reagieren. Epidemiologische Multi-Center-Studien (APHEA-2 und NMMAPS, 23,24)) zeigen bei akuter PM-Belastung eine Zunahme der Gesamtmortalität von 0,6 % pro 10 μg/m3 PM10, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Zunahme von 0,9 % und für Atemwegserkrankungen eine Zunahme von 1,3 % je 10 μg/m3 PM10. Neben älteren Menschen gehören Patienten mit COPD oder Asthma zur Risikogruppe, was sich nicht nur in der Mortalität, sondern auch in einer erhöhten Morbidität widerspiegelt. So wird bei einer akuten PM-Belastung übereinstimmend ein Anstieg der Behandlungen in Notfallambulanzen aufgrund von COPD und Asthma beobachtet, die beschriebene Zunahme variiert allerdings stark zwischen 3,5 und 20 % bei einem PM-Anstieg um 50 μg/m3. Entsprechend ist auch eine Zunahme der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Exazerbationen nachweisbar (ca. 5 % je 50 μg PM10-Anstieg). COPD-Patienten klagen über eine Zunahme von Beschwerden wie Atemnot, Husten oder Mukushypersekretion; bei Patienten mit Asthma werden zusätzlich ein vermehrter Medikamentenbedarf sowie häufig auch ein leichter Abfall von Lungenfunktionswerten (PEF, FEV1) festgestellt. Asthmakranke Kinder in stärker PM-belasteten Gebieten leiden häufiger unter Bronchitis. Dies gilt zwar auch für gesunde Kinder, aber in geringerem Ausmaß. Gesunde können unter ähnlichen subjektiven Beschwerden wie Asthmatiker leiden, jedoch sind die Studienergebnisse inkonsistent und die Änderungen häufig nicht signifikant. Für die biologische Wirkung von Partikeln spielen die abgeschiedene Menge und der Depositionsort im Atemtrakt eine wichtige Rolle. Die Partikeldeposition im Atemtrakt zeigt eine U-förmige Abhängigkeit von der Partikelgröße, mit minimalen Werten im Bereich von 0,1 bis 1 μm (ca. 15 % bei Ruheatmung) und (bis zu je ca. 80 %) ansteigenden Flanken für kleinere und größere Partikel. Patienten mit Asthma und COPD werden insgesamt etwas höher belastet, da die Partikel unter den geänderten anatomischen Bedingungen besser abgeschieden werden. Bei Patienten mit COPD muss zudem die häufig eingeschränkte mukoziliäre Clearance bedacht werden. Die Nase ist insbesondere für gröbere Partikel ein guter Filter, so dass sportliche Aktivitäten nicht nur wegen der gesteigerten Ventilation, sondern auch wegen der häufig damit verbundenen Mundatmung zu einer höheren Belastung der Lunge führen. Ultrafeine Partikel und PM2.5 gelangen mit dem Atemstrom bis in den Alveolarbereich. Mit zunehmender Partikelgröße verlagert sich der Depositionsort nach proximal, so dass dann vor allem die Bronchien und extrathorakalen Atemwege belastet werden. So führte z.B. die Verbesserung der Luftqualität, mit Abnahme der Konzentration gröberer Partikel,
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in den neuen Bundesländern zu einer deutlichen Abnahme von Bronchitiden bei Kindern [25]. Es steht allerdings zu befürchten, dass sich der Wirkort der partikulären Luftverschmutzung dabei in die Lungenperipherie verlagert hat, da die gemessene Abnahme der Partikelmasse auf eine verringerte Konzentration der gröberen Partikel bei gleicher oder höherer Belastung mit PM2.5 oder ultrafeinen Partikeln zurückzuführen ist. Die Partikeleffekte werden durch eine entzündliche Reaktion im Atemtrakt vermittelt, wobei auch dem oxidativen Stress – sei es durch Bildung reaktiver Oxygen-Spezies (ROS) infolge der Entzündung oder durch die Partikel selbst, z.B. durch Übergangsmetalle (z.B. Eisen, Kupfer, Vanadium) oder organische Verbindungen – eine zentrale Rolle zugeschrieben wird. Verschiedene Studien unterstreichen in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Partikeloberfläche, die die Grenz- und Reaktionsfläche zum biologischen Material darstellt und die (bei gegebener Masse) mit abnehmender Partikelgröße zunimmt. Dies erklärt die höhere Toxizität ultrafeiner Partikel. Dieselpartikel mit ihrer hohen Anzahl an organischen Verbindungen scheinen in Bezug auf allergische Erkrankungen eine besondere Bedeutung als Adjuvans und Immunmodulator zu besitzen. So konnte sowohl im Tierexperiment als auch in kontrollierten Expositionsstudien gezeigt werden, dass die Reaktion auf ein Allergen durch vorhergehende Exposition mit Dieselpartikeln deutlich verstärkt wird. Menschen mit einem spezifischen Genotyp der Glutathion-S-Transferase, die reaktive Sauerstoffspezies schlechter neutralisieren können, scheinen dabei ein erhöhtes Risiko zu besitzen. Außerdem fördern Dieselpartikel die Sensibilisierung gegenüber Allergenen, was sich u.a. in der erhöhten Bildung von spezifischen IgE-Antikörpern widerspiegelt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen eine höhere Prävalenz allergischer Atemwegserkrankungen durch langfristig erhöhte Partikelbelastung erwarten. Ein Vergleich der Asthma- oder Heuschnupfen-Prävalenz in unterschiedlich belasteten Städten bestätigt dies zunächst nicht. Wird jedoch die räumliche Auflösung in den Studien erhöht und kleinräumig ein höher belastetes mit einem weniger stark belasteten Gebiet verglichen, so wird in etlichen Studien eine positive Assoziation zwischen Partikelbelastung und Asthma-Diagnose und fast regelmäßig eine Assoziation zu pfeifenden Atemgeräuschen oder Heuschnupfen-Symptomen beobachtet. Das sehr nahe – i.d.R. weniger als 100 m entfernte – Wohnen an stark frequentierten und mit LKW-Verkehr belasteten Straßen wird in mehreren Studien mit häufigerem Auftreten von allergischen Atemwegssymptomen, Krankenhauseinweisungen sowie Lungenfunktionseinschränkungen assoziiert. Durch personenbezogene Messungen bei Kindern konnte gezeigt werden, dass die Partikelbelastung an Straßen um etwa 35 % höher ist als im städtischen Hintergrund. Positive Effekte einer Expositionsminderung wurden in verschiedenen Studien dokumentiert, sehr anschaulich z.B. die akute Abnahme der asthmabedingten Notfalleinweisungen während der olympischen Spiele in Atlanta als Folge der starken Verkehrsrestriktion [26]. Die Bedeutung einer langfristigen Expositionsminderung zeigt die Studie von Bayer-Oglesby et al. [27], die eine Abnahme von chronischem Husten, Bronchitis, Erkältungen, pfeifender Atmung, aber nicht von Asthma oder Heuschnupfen bei Kindern dokumentieren konnte. In Bezug auf die Lungenfunktionsentwicklung bei Kindern konnten Avol et al. [28] zeigen, dass ein Umzug in eine Gemeinde mit geringerer Staubbelastung mit einem besserem Wachstum der Lungenfunktion, ein Umzug in eine Gemeinde mit höherer Staubelastung dagegen mit einem geringeren Wachstum assoziiert ist. Letzterer Befund wird durch weitere Studien vor allem an Kindern, aber auch Erwachsenen gestützt. Eine
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verminderte Lungenfunktion mag als ein möglicher Beitrag gewertet werden, der mit zur Entwicklung einer obstruktiven Lungenerkrankung beiträgt. Insgesamt gesehen liefern die Studien damit bislang Hinweise, aber noch keine ausreichenden Beweise für die Induktion von allergischen Atemwegserkrankungen durch chronische Partikelbelastung. Dagegen erscheint die Datenlage ausreichend für die Aussage, dass Umweltpartikel Symptome von Asthma und COPD hervorrufen und verstärken können und auch zu einer erhöhten Mortalität aufgrund dieser Erkrankungen führen. Trotz der vergleichsweise geringen nachgewiesenen Effekte muss die Bedeutung der Umweltbelastung durch Partikel unter dem Aspekt gesehen werden, dass die gesamte Bevölkerung davon betroffen ist und in Anbetracht der hohen Prävalenz von Asthma und COPD große Teile sogar als besonders empfindlich gelten müssen. Zahlreiche Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, dass verkehrsbedingte Immissionen – im negativen Sinne – besonders wirksam sind, wobei Dieselfahrzeugen ohne Filter eine besondere Rolle zukommt, da diese etwa 100-mal mehr Partikel und deutlich mehr NOx emittieren als Benziner. Die Frage eines Rußfilters – wenn möglich kombiniert mit NOx-Katalysator – ist letztlich unter diesen Gesichtpunkten keine Frage mehr. Patienten mit chronischer Lungenerkrankung und Kinder sollten, wenn irgend möglich, nicht an viel befahrenen Straßen wohnen, zumindest aber die Lüftung der Wohnung bzw. das Kinderzimmer auf die Innenhofseite verlegen.
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Gesellschaftlicher Kontext: Schule
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1
Lehrer- und Schülerwünsche
Asthma bronchiale beeinträchtigt die Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen hin zu einem unabhängigen und selbstständigen Leben erheblich. Mehr als ein Drittel der asthmakranken Kinder und Jugendlichen erleidet wegen dieser Erkrankung Einschränkungen bei den täglichen Aktivitäten sowie bei Sport und Spiel. Es kommt zu Schulfehltagen und Krankenhausaufenthalten [1]. Gesundheit, Krankheit und Krankheitsbewältigung werden maßgeblich durch ein komplexes Zusammenwirken von physischen, psychischen und sozialen Faktoren bestimmt. Um die asthmakranken Kinder zu den wichtigsten „Experten in der eigenen Sache” werden zu lassen, bedarf es daher über die rein medizinische Versorgung hinausgehender Maßnahmen. Kindergärten und Schulen können hierbei eine wichtige Rolle einnehmen [2, 3]. Konzepte der schulischen Gesundheitsförderung gewinnen seit einigen Jahren zunehmende Beachtung. Gesundheit wird darin als Anliegen der gesamten Schule und nicht nur als didaktische Vermittlungsaufgabe angesehen, die Schüler befähigt, sich außerhalb der Schule und in ihrer Freizeit gesundheitsgerechter zu verhalten. Im Mittelpunkt steht die Schule als gesundheitsförderlicher Arbeits-, Lebens- und Lernort. Dass die asthmakranken Kinder und Jugendlichen durchaus „Experten in der eigenen Sache“ sind, belegen ihre Vorschläge zur Veränderung des Schullebens (siehe Tabelle 1). Trotz der Bedeutung für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen – rein statistisch sind unter 1000 Schülern ca. 100 Asthmatiker zu finden – gibt es in der Bundesrepublik allerdings erst zaghafte Versuche, Asthma zu einem schulischen Thema zu machen. In den Vereinigten Staaten liegen bereits seit Jahren Konzepte und Strategien für die Schaffung einer „asthmafreundlichen Schule“ vor [3, 5, 6]. Bei Erziehern und Lehrern bestehen nach wie vor Informations- und Wissenslücken im Umgang mit asthmakranken Kindern. So hält sich z. B. immer noch hartnäckig die weit verbreitete Annahme, dass asthmakranke Kinder und Jugendliche vom (Schul-)Sport befreit werden müssen, obwohl es zugleich Meldungen über Hochleistungssportler gibt, bei denen Asthma diagnostiziert wurde. Auch sind Erzieher und Lehrer häufig überfordert, Asthmatiker im Unterricht pädagogisch zu unterstützen oder im Falle von Asthmaanfällen gezielte Hilfen zu geben.
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Tabelle 1. Wünsche nach Veränderungen Befragung von 4471 Jugendlichen im Alter von 11 bis 18 Jahren zum Thema ‚Asthmatiker im Schulunterricht’ durch den Deutschen Allergie- und Asthmabund 2001 [4] • Mehr Toleranz, Verständnis und Rücksichtnahme • Bessere Aufklärung der (Sport-)Lehrer • Keine zu langen Dauerläufe und Mehrfachsprints im Sportunterricht als Pflichtübung • Kein Schulsport im Freien während der Pollensaison • Integration des Themas in den Lehrplan und in Jugendzeitschriften • Bessere Aufklärung der Mitschüler • Rauchverbot in Schulen, Jugendräumen, Jugendcafes etc. • Weniger Bevormundung, z. B. nicht gegen den eigenen Wunsch vom Schulsport
ausgeschlossen werden • Keine Klassenausflüge im Freien während der Pollensaison oder zu Orten, an denen
problematische Allergene vorhanden sind
Diese Defizite werden in einer im Jahr 2001 vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) durchgeführten Befragung von 5500 Sportlehrern und Schulleitern der Sekundarstufen I und II belegt (siehe Tabelle 2) Tabelle 2. Lehrerbefragung zum Thema Asthma Befragung von 5500 Sportlehrern durch den Deutschen Allergie- und Asthmabund 2001 [4] • Lehrer unterschätzen systematisch die Anzahl der Asthmatiker in der Schule • Ein Drittel der Lehrer gaben an, dass Schüler aufgrund ihres Asthmas vom Sportun-
terricht befreit werden. Die Befreiung vom Schulsport erfolgt bei 56 % der Schüler auf Anraten des behandelnden Arztes, bei 30,5 % durch die Eltern und bei knapp 10 % durch die Sportlehrer • Zwei Drittel der Lehrkräfte sehen sich nicht in der Lage, ihren Schülern bei einem
Asthmaanfall kompetent Erste Hilfe zu leisten • Über 80 % der Lehrer schätzen sich zum Krankheitsbild Asthma als uninformiert ein • Lediglich 8,4 % der Lehrer haben an einer Asthmaschulung teilgenommen • Lehrer haben ein hohes Interesse an dem Thema Asthma. So würden 89 % der Lehrer
gern an einer Asthmaschulung teilnehmen und 77 % könnten sich einen Asthmaprojekttag vorstellen
Umfragen belegen weiterhin, dass vor allem die Befreiung vom Schulsport (ganz oder teilweise) bei asthmakranken Kindern noch in einem Umfang erfolgt, der nicht einer Empfehlung der Fachverbände entspricht. Demnach sollte eine dauerhafte Befreiung vom Sportunterricht prinzipiell nicht stattfinden (siehe Abb. 1).
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45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 ... nehmen regelmäßig teil Abb. 1.
nehmen unregelmäßig teil
dauerhaft befreit
Schulsportteilnahme asthmakranker Kinder [nach 6]
Auch in Deutschland sind verschiedene Ansatzpunkte und Handlungsfelder denkbar, „asthmafreundliche“ Bedingungen im Unterricht, Schulleben und schulischen Umfeld zu realisieren. Dazu gehören sowohl „spezifische“ als auch eher „unspezifische“ Maßnahmen, wie z. B.: • die Intensivierung der schulischen Gesundheitsbildung und -erziehung im Sinne einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung • die Integration des Themas Asthma in Projekte der schulischen Gesundheitsförderung [siehe auch 7] • die gezielte Fort- und Weiterbildung des Schulkollegiums und des nicht-unterrichtenden Personals • die Schaffung einer allergiker- und asthmatikerfreundlichen schulischen Umwelt • die Förderung und Pflege der Kommunikation mit den Erziehungsberechtigten • die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Ärzten, Gesundheitsdiensten und Krankenkassen [siehe auch 5, 8, 9].
2
Schulische Leistungsfähigkeit asthmakranker Kinder [4]
Der Begriff der schulischen Leistungsfähigkeit eines Schülers/einer Schülerin wird hier als Oberbegriff für die Verwirklichung der individuellen Begabungen, Neigungen und Interessen sowie der aktiven Teilnahme an Unterrichts- und Bildungsangeboten verstanden. Dies setzt voraus, dass ein Schüler/eine Schülerin grundsätzlich all seine/ihre Kräfte uneingeschränkt einsetzen kann und will. Gleichzeitig ist auch das schulische Unterrichtsangebot, was das durchschnittliche Lerntempo, den Umfang des Lernstoffes und
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die erwartete Qualität der Unterrichtsergebnisse anbelangt, an der Abrufbarkeit und der Einsatzbereitschaft der Fähigkeiten eines Schülers orientiert. Für das asthmakranke Kind besteht hier schnell die Gefahr, durch Asthmaanfälle, Allergieschübe, Kur- und Krankenhausaufenthalte mit diesem für eine Jahrgangsklasse normierten Lernpensum überfordert zu sein. Nachgearbeitete Arbeitsblätter, Wiederholungsprüfungen und mühsames Nachlernen ohne unterrichtliche Grundlage können die so entstandenen Brüche im Lernprozess oft nur unzureichend beheben. Längerfristig besteht die Gefahr, dass diese Unterbrechungen des schulischen Lernens die Schullaufbahn erheblich beeinträchtigen.
3
Lernfähigkeit asthmakranker Kinder
Die Fähigkeit, Lernstoff aufzunehmen und die eigenständige Umsetzung des Gelernten sind Grundlage der Leistungsentwicklung und Leistungsbeurteilung in der Schule. Die Ausprägung der individuellen geistigen Fähigkeiten sowie die Qualität der frühkindlichen und vorschulischen Förderung in Familie und Kindergarten bilden zusammen mit motorischen, emotionalen und sozialen Faktoren das Fundament, auf dem sich die Lernfähigkeit eines Kindes entwickeln kann. Es wird schnell deutlich, dass durch eine chronische Erkrankung wie Asthma in vielen Phasen der Entwicklung schulischer Lernfähigkeit negative Einflüsse wirksam werden können. Durch die eingeschränkte körperliche Belastbarkeit können Defizite im grobund feinmotorischen Bereich sowie in der Körperkoordination auftreten. Nicht nur im Sportunterricht, sondern auch beim Schreiben lernen, im Schriftbild und im Werkunterricht können sich hierfür Anzeichen ergeben. Die Folgen der gesundheitlichen Belastung äußern sich in der Schule oft auch als Mattigkeit, Lustlosigkeit und Müdigkeit, so dass bei nicht informierten Lehrkräften sehr schnell der Eindruck von Desinteresse am Unterricht entstehen kann. In solchen Phasen ziehen sich die Kinder vom Unterricht zurück, so dass durch verminderte Aufmerksamkeit und Mitarbeit Lernprozesse nicht in Gang gesetzt werden können. Schule und Familie sollten hierzu eng zusammenarbeiten, um zuverlässige und begleitende Strukturen im Tagesablauf eines asthmakranken Kindes aufbauen zu können.
4
Motivation asthmakranker Kinder im Unterricht
Kinder mit Asthma haben einen vielfach erschwerten und mit vielen kleineren und größeren Misserfolgserlebnissen belasteten Schulalltag zu bewältigen. In unterschiedlichen Situationen werden sie sich immer wieder ihrer Krankheit bewusst und erleben Frustrationen. Die eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit kann nicht nur im Sportunterricht zum Problem und vielleicht sogar peinlich werden. Viel schlimmer ist die Ausgrenzung beim Spielen auf dem Pausenhof oder der vergebliche Versuch, einem Mitschüler erfolgreich hinterher zu laufen. Aber auch die immer wieder entstehenden Lücken aus Fehlzeiten, unvollständige Hausaufgaben, Nachlernaufgaben und das bedrohliche Gefühl, stets der Klasse hinterher arbeiten zu müssen, können, in Verbindung mit mäßigen bis schlechten Noten, die Schulmotivation erheblich beeinträchtigen.
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Schwierigkeiten mit Lehrkräften und das Gefühl, in ihrer Situation nicht ernsthaft genug beachtet und berücksichtigt zu werden, lassen asthmakranke Kinder nicht selten resignieren und weit hinter ihre eigentliche Leistungsfähigkeit zurückfallen. Die Erfahrung, mit den gleichaltrigen Mitschülern/-innen sowieso nicht mithalten zu können, verstärkt zusätzlich die negative Einstellung zur Schule und verhindert den Aufbau eines Leistungswillens und die Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen. Es kann sogar zur Entwicklung von Schulängsten bis hin zur Schulverweigerung kommen, wenn Resignation und Versagensgefühle die Haltung zur Schule bestimmen und negative Rückmeldungen in Form von Noten, Zeugnissen und Elterngesprächen sich verstärken.
5
Sozialisation in der Schule
Für asthmakranke Kinder ist es in der Schule häufig sehr schwierig, Verständnis, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft für ihre besondere Situation zu finden. An zahlreichen gemeinschaftsbildenden Aktivitäten wie Klassenfahrten, Ausflügen, Sportfesten, Mannschaftsspielen usw. können sie aufgrund der körperlichen Anforderungen oder belastender Gegebenheiten nicht teilnehmen. Krankheitsbedingte Schulausfallzeiten tun ein Übriges, die Kinder schnell in eine Sonderstellung und schlimmstenfalls auch in Isolation zu führen. Vielen Kindern ist es auch unangenehm, vor den Augen der Mitschüler/innen einen Inhalator zu benutzen oder ein Medikament einzunehmen, so dass sie dies möglichst heimlich und abseits der Gruppe tun. Dies verstärkt schnell das Image des Besonderen.
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Schulische Fördermöglichkeiten für asthmakranke Kinder
Der Schulerfolg chronisch kranker Kinder erfordert von allen Beteiligten, Schülern und Schülerinnen, Eltern, Lehrkräften, Fachdiensten und Schulleitung, ein hohes Maß an Flexibilität, Engagement und offenem Umgang miteinander. Eine Grundvoraussetzung ist der fundierte und vorurteilsfreie Informationsaustausch untereinander. Hierbei sind zunächst die Eltern gefordert, indem sie sich möglichst umfassend über die Krankheit, Möglichkeiten der Krankheitsbewältigung, Medikation, Therapien, Patientenschulung usw. informieren, um den Lehrer/innen ein genaues Bild über das Leben ihres Kindes mit der Krankheit geben zu können. Je umfassender die Information der Lehrkräfte über die krankheitsspezifischen Besonderheiten eines Schülers ist, umso leichter ist Verständnis für das asthmakranke Kind in der Schule zu erreichen. Es geht darum, für das betroffene Kind verständnisvolle und kompetente Anlaufstellen zu schaffen.
6.1
Alltag in der Schule
Information und Organisation: Für den täglichen Unterricht ist es sehr wichtig abzuklären, wie die Eltern im Notfall zu erreichen sind. Dabei kann mit der Schule ein Notfallmanagement vereinbart werden, um bei Bedarf schnell reagieren zu können. Der Hausarzt und/oder der nächst erreichbare Arzt sollten miteinbezogen sein. An einer zentralen, vorher vereinbarten Stelle im Klassenzimmer (z. B. im Klassenbuch) und in der
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Schulverwaltung können wichtige Rufnummern hinterlegt werden, auf die im Notfall zurückgegriffen wird. Der vorsorgliche Aufbau eines Notfallmanagements baut bei den Kindern, Lehrern und Eltern Ängste ab. Integration in die Klasse: Neben organisatorischen Absprachen zwischen Elternhaus und Schule sollte auch die Klasse über das Leben mit Asthma informiert werden. Ältere, selbstbewusste asthmakranke Schüler/innen trauen sich dies vielleicht selbst zu, wenn ihnen von der Lehrkraft die Gelegenheit dazu gegeben wird. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Lehrkraft bereits so weit vorbereitet sein, dass sie dieses Informationsgespräch in die richtigen Bahnen lenken und inhaltlich sichern kann. In diesem Zusammenhang können u. U. auch Dosieraerosole vorgestellt werden. Der gezielte pädagogische Einsatz der Hilfsmittel und Medikamente kann den Schülern den Lebensalltag eines asthmakranken Mitschülers aufzeigen. Unter dem Leitthema „Leben mit einer chronischen Erkrankung“ bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Durchführung eines Unterrichtsprojektes an. In diesem Rahmen können neben Sachinformationen auch wichtige pädagogische Inhalte wie Toleranz, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Gemeinschaft vermittelt werden. Die Lehrpläne in den Fächern Biologie, Physik, Deutsch, Religion und Ethik bieten hierzu gute Grundlagen. Besonders wichtig ist auch die Einbindung der Sportlehrkräfte. Die Erfahrung zeigt, dass durch eine solche Vorgehensweise Vorurteile, Ausgrenzung und Spott verhindert werden können. Selbstverständlich ist das geplante Unterrichtsvorhaben mit dem asthmakranken Schüler und seinen Eltern vorher abzusprechen und abzuklären, inwieweit das betreffende Kind selbst eine aktive Rolle übernehmen kann. Unterrichtliche Maßnahmen: Welche differenzierenden Maßnahmen im Unterricht möglich sind, hängt von der jeweiligen Klassen- und Schulsituation ab. Bei gehäuften Schulausfällen eines an Asthma erkrankten Kindes sollten gezielte Maßnahmen zur pädagogischen Unterstützung des betroffenen Schülers ergriffen werden. Dazu gehört z.B. bei einer Kur- oder Rehabilitationsmaßnahme die Kontaktaufnahme mit der Einrichtung, um Absprachen für einen Krankenhaus- oder Hausunterricht treffen zu können. Gegen Ende der Rehamaßnahme sollte mit der Rehaeinrichtung die Rückkehr in die Klasse vorbereitet werden. Asthmakranke Kinder im Sportunterricht: Im Unterrichtsfach Sport unterscheiden sich die Einstellungen und Erwartungen aller Schüler sehr deutlich: Begeisterung, Interesse, Ehrgeiz, Ablehnung, Ängste, Vermeidung oder Interesse nur an bestimmten Sportarten (Spiele ja – Gymnastik nein) prallen hier sehr unmittelbar aufeinander. Noch deutlicher als in den anderen Unterrichtsfächern prägen die Elemente des Messens, Wertens und Vergleichens die Wahrnehmung des Sportunterrichts, wie z.B. Sieg und Niederlage, Bewunderung oder Spott, Kampf oder Aufgeben oder aber Empfindungen und Wertungen, wie z.B. leistungsstärker ist gleich „besser“, Zusammenhalt oder Ausgrenzung, Mannschaft oder Außenseiter, „winner or looser“. Diese Gegensätzlichkeiten schließen nicht aus, dass auch Asthmakinder im Sportunterricht mit Begeisterung mitmachen und sportliche Erfolge erleben können. Damit soll für Problemfelder sensibilisiert werden, die jedem schwachen Sportler, vor allem aber dem durch seine chronische Erkrankung besonders gehandicapten Kind, die Motivation zur Teilnahme am Schulsport erschweren oder gar unmöglich machen kann. Die positiven und negativen Wahrnehmungen von Sportunterricht zeigen in ihrer Bandbreite, dass die Situation eines asthmakranken Schülers sehr individuell betrachtet werden muss. Trotzdem kann sich die Verbesserung einer individuellen Problemsituation
Gesellschaftlicher Kontext: Schule
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an allgemeinen Prinzipien orientieren. Hierzu sollte ein kurzer Blick auf die geltenden Lehrpläne im Fach Sport geworfen werden, um auch aus fachdidaktischen Grundüberlegungen eine bessere Sensibilisierung der Sportlehrer/innen abzuleiten. Die Komplexität der Situation asthmakranker Schüler im Sportunterricht erschwert es den Sportlehrkräften, Sportunterricht so zu planen und gestalten, dass auch das asthmakranke Kind teilnehmen, Erfahrungen sammeln und sich weiterentwickeln kann. Hinzu kommt, dass Asthmatiker in vielen Sportklassen und –gruppen als Einzelfall zu sehen sind (Zusammenfassung bei 10).
6.2
Elternarbeit
Beim Eintritt in die Schule tritt mit der Lehrkraft eine neue Bezugsperson in das Leben der asthmakranken Kinder. Das in der Vorschulzeit gerade durch die Krankheit oft sehr intensive Eltern-Kind-Verhältnis muss nun eine neue Persönlichkeit mit Ansprüchen und Forderungen an das Kind verkraften. Diese Erkenntnis sollte sowohl bei Eltern als auch bei Lehrkräften zu dem Schluss führen, dass nur gemeinsam und in Vertrauen und Offenheit eine optimale Schullaufbahn beschritten werden kann. Einerseits sollte die Lehrkraft von den Eltern über Tagesabläufe, Therapietermine, Krisen auslösende Faktoren und Lebensgewohnheiten des asthmakranken Kindes aus dem familiären Umfeld informiert werden. Andererseits sollte die Lehrkraft ihrerseits über Klassenziele, Verhaltensformen, Arbeitstechniken und allgemeine schulische Erwartungen informieren, um den Eltern eine realistische Vorstellung von den Anforderungen in einer bestimmten Jahrgangsstufe vermitteln zu können. Vielleicht ist es auch nötig, mit den Eltern eines asthmakranken Kindes kürzere und direktere Kontaktwege zu vereinbaren, um schnell miteinander kommunizieren zu können. Informationen über Veränderungen des Gesundheitszustandes, aber auch Schwankungen im schulischen Leistungsbild sollten möglichst gegenseitig ausgetauscht werden. Durch die Anforderungen der Schule an die asthmakranken Kinder und durch unterrichtliche Maßnahmen und Konsequenzen können sich Unterschiede zum bisherigen familiären Erziehungsstil ergeben. Auch hier sollte durch gemeinsame Absprachen eine möglichst hohe Übereinstimmung des erzieherischen Verhaltens erreicht werden [4].
Literatur 1. Lecheler L., Gauer S. (1991): Schuldefizite asthmakranker Kinder und Jugendlicher. Monatsschrift Kinderheilkunde, 139, 69–72. 2. Freudenberg N., Feldman C., Clark N. (1980): The impact of bronchial asthma on school attendance and performance. J Sch Health 50, 522 3. Higgins L. (1999): Allergies and asthma in the school setting. Immunology and allergy clinics of North America 19, 177–189 4. Kaunzner A. (2002): Schulische Fördermöglichkeiten. In: Lecheler J. et al: Asthma und Schule. Ein Handbuch zum Umgang mit asthmakranken Kindern im Unterricht. BARMER Ersatzkasse, Wuppertal 5. Levy M., Bell L. (1984): General practice audit of asthma in children BMJ 289, 1115– 1116. 6. Voelker R. (2000): Screen for asthma at school. JAMA 284, 2585
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Josef Lecheler, Berchtesgaden
7. Lecheler J., Biberger A., Klocke M., Petermann F., Pfannebecker B: Asthmaverhaltenstraining, INA-Verlag Berchtesgaden 1999 8. Meyer A; Machnick MA; Behnke W; Braumann (2002): Teilnahme von asthmakranken Kindern am Schulsport – Eine Erhebung an Hamburger Schulen. Pneumologie 56(8):486–92 9. Sczcepanski R., Brockmann g., Friede G. (2001): Asthmaschulung für Lehrer . Pneumologie 55, 512–519. 10. Lecheler J, Biberger A, PfannebeckerB: Asthma & Sport, 3. Auflage 2006, INA-Verlag im CJD Asthmazentrum Berchtesgaden 11. Brookes J., Jones K. (1992): Schoolteachers´ perception and knowledge of asthma. Br J Gen Pract 42, 504–507. 12. Stollhofer B., Lahrmann H., Zwick H. (1998): Erhebung des Wissensstandes von Wiener Volksschullehrern über Asthma bronchiale bei Kindern. Pneumologie 52, 406–411.
Gesellschaftlicher Kontext: Arbeitswelt
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Gesellschaftlicher Kontext: Arbeitswelt1 Dennis Nowak, München
1
Einführung
Obstruktive Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale und COPD haben eine Prävalenz von je etwa 5 % und bis zu 10 % in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung. 9–15 % aller asthmatischen Krankheitsbilder bei Erwachsenen weisen einen konkreten Arbeitsplatzbezug auf [6, 7]. Lungen- und Atemwegserkrankungen bestimmen insgesamt etwa 40 % des Berufskrankheitengeschehens [17]. In der vorliegenden Übersicht wird wegen der häufigen praktischen Bedeutung zunächst orientierend auf Inhalationsintoxikationen, im Folgenden dann ausführlicher auf die chronische Bronchitis durch Arbeitseinflüsse und auf die klassischen obstruktiven Atemwegserkrankungen mit Arbeitsplatzbezug eingegangen.
2
Akute Inhalationsintoxikationen
Der Wirkungsort einer inhalativen Noxe und der Schweregrad der Schädigung werden vorrangig durch vier Faktoren beeinflusst: • Aggregatzustand (Partikel ≥ 10 μm wirken im Wesentlichen im Bereich der oberen Atemwege, Partikel < 5 μm gelangen bis in die Alveolen) • Wasserlöslichkeit (je besser wasserlöslich eine Substanz, umso ausgeprägter ist die Wirkung am oberen Atemtrakt; wasserunlösliche Gase entfalten ihre Wirkung besonders im Alveolarbereich) • Dosis (hohe Dosen gut wasserlöslicher Gase können bis in den Alveolarbereich schädigende Wirkungen entfalten) • pH-Wert (Säureverätzungen führen zu einer Koagulation des Atemwegsepithels, während Laugenverätzungen, vor allem durch Ammoniak, tiefe Kolliquationsnekrosen verursachen.) Trotz der Vielfalt inhalativer Noxen lassen sich die Schädigungsmechanismen im Wesentlichen in sechs Gruppen einteilen:
1 Der Beitrag lehnt sich an [17, 18] an.
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2.1
Dennis Nowak, München
Akute toxische Bronchitis, akute toxische Tracheitis
Gut wasserlösliche Substanzen wie Ammoniak, Chlorgas, Salzsäure und Formaldehyd führen sofort zu Reizerscheinungen im Bereich der Trachea und Bronchien mit retrosternal brennendem Schmerz und Hustenreiz, Heiserkeit und Aphonie. Dosisabhängig führt die Inhalation gut wasserlöslicher Noxen zu entzündlichen Schleimhautveränderungen. Nach solchen Inhalationstraumen weisen die Irritant-Rezeptoren in der Submukosa vielfach eine gesteigerte Reaktionsbereitschaft gegenüber unspezifischen Noxen wie kalter Luft oder Zigarettenrauch auf.
2.2
Bronchokonstriktion
Eine akute Reflexbronchokonstriktion kann vor allem nach inhalativer Exposition gegenüber Schwefeldioxid und Schwefelsäure, aber auch Isocyanaten und Formaldehyd auftreten. Für das Phänomen einer persistierenden Symptomatik mit gesteigerter unspezifischer Atemwegsempfindlichkeit und einer meist nur geringfügig reversiblen Obstruktion nach solchen Inhalationstraumen wurde der Begriff des „Reactive Airways Dysfunction Syndrome“ geprägt. Im Deutschen spricht man hier vom chemisch-irritativ oder toxisch ausgelösten Asthma bronchiale nach einer Inhalationsintoxikation.
2.3
Bronchiolitis obliterans
In seltenen Fällen können akute massive Inhalationstraumen unter anderem mit Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Ammoniak und Chlorgas verzögert, d. h. nach einer Latenzzeit von etwa drei Wochen, zu einer obliterierenden Bronchiolitis infolge überschießender Reparationsvorgänge führen, ggf. mit einer organisierenden Pneumonie („BOOP“, Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie). Klinisch handelt es sich um ein schweres Krankheitsbild mit Husten, Luftnot und Fieber, welches obligat steroidpflichtig ist.
2.4
Schäden im Alveolarbereich
Insbesondere schlecht wasserlösliche Gase wie Phosgen und Ozon sowie Partikel zwischen 0,5 und 3 μm können die oberen Atemwege weitgehend reaktionslos passieren und zu Schäden im Alveolarbereich führen. Die Typ I-Alveolarzellen scheinen eine besondere Empfindlichkeit aufzuweisen. Es kommt zum intraalveolären Ödem, das klinisch aber erst nach Ablauf einer – dosisabhängigen – Latenzphase in Erscheinung tritt. Eine Schädigung der Alveolarmakrophagen in ihrer Abwehrfunktion ist vermutlich für die große Zahl bakterieller Pneumonien nach Inhalationsintoxikationen verantwortlich.
2.5
Lungenödem
Insbesondere nach Inhalationsintoxikationen mit lipophilen Noxen wie Stickoxiden und Phosgen (seltener nach Überdosen wasserlöslicher Noxen wie Chlorgas) kann es zu ausgeprägten Lungenparenchymschäden kommen. Die gesteigerte mikrovaskuläre Permeabilität beruht zum einen auf einer direkten toxischen Wirkung der inhalierten Noxen, zum anderen auf der Aktivierung von Entzündungszellen. In ungünstigen Fällen kann sich nach einem überstandenen Lungenödem eine Bronchiolitis obliterans entwickeln.
Gesellschaftlicher Kontext: Arbeitswelt
2.6
123
Asphyxie
Erstickungsgase hemmen den aeroben Stoffwechsel durch einen der drei folgenden Mechanismen: • Verdrängung des Sauerstoffs in der Atemluft (z. B. Kohlendioxid, Stickstoff, Methan). Bei weniger als 14 % Sauerstoff in der Einatemluft treten erste Symptome einer Hypoxämie auf, unter 10 % Übelkeit, Krämpfe und Bewusstlosigkeit. • Verdrängung des Sauerstoffs aus seiner Bindung am Hämoglobin (z. B. Kohlenmonoxid) • Hemmung der Atmungsenzyme (z. B. Blausäure, Schwefelwasserstoff ) Die Therapie der Inhalationstraumen richtet sich primär nach dem Wirkort der Noxe. Hinsichtlich des praktischen Procedere bei Exposition mit einer am oberen bzw. unteren Atemtrakt angreifenden Noxe und insbesondere bei Rauchgasinhalationen sei auf [8, 16, 20] verwiesen.
3
Chronische Bronchitis durch Arbeitseinflüsse
An einer Reihe von Arbeitsplätzen kam und kommt es unter ungünstigen lüftungstechnischen Verhältnissen bei Überschreitung gültiger Grenzwerte gehäuft zu Bronchitiden. Eine allgemein akzeptierte Kategorisierung der berufsbedingten Bronchitiden gibt es nicht. Wir unterscheiden: 1. kurzfristige Reizerscheinungen durch ungewohnte, aber dauerhaft unbedenkliche Konzentrationen von Atemtraktirritanzien (z. B. Ammoniak, Schwefeldioxid, künstliche Mineralfasern unterhalb wissenschaftlich festgelegter Grenzwerte) 2. chronische Reizerscheinungen mit erhöhtem Risiko der Entwicklung eines Asthma bronchiale (z. B. durch Isocyanate, Lötrauche) 3. chronische Reizerscheinungen mit erhöhtem Risiko der Entwicklung einer chronisch-obstruktiven Bronchitis (z. B. durch organische Stäube in der Landwirtschaft, Schweißrauche, Pyrolyseprodukte bei Feuerlöscharbeiten, in der Papierherstellung und -verarbeitung) Die berufsbedingte, nicht-obstruktive Bronchitis ist formal keine Berufskrankheit, sie sollte jedoch stets gedeutet werden als Hinweis auf • mangelhafte arbeitshygienische Verhältnisse (Grenzwertüberschreitung? → Hinweis an Betriebsarzt, ggf. an Gewerbeaufsicht oder Unfallversicherungsträger – cave Schweigepflicht) und • die Gefahr der Entwicklung einer obstruktiven Atemwegserkrankung (→ Bestimmung der unspezifischen Atemwegsempfindlichkeit, longitudinale Lungenfunktionsanalysen, §3-Anzeige erwägen).
4
Asthma bronchiale
Etwa 9–15 % der asthmatischen Erkrankungen sind beruflichen Einflüssen zuzuschreiben. Berufliche Auslöser können bei primärer Beschwerdefreiheit ein Asthma bronchiale auslösen oder ein vorbestehendes (berufsunabhängiges) Asthma verschlimmern. Ein Berufsasthma im engeren Sinne ist eine asthmatische Atemwegserkrankung, die durch eine spezifische Exposition am Arbeitsplatz verursacht wird. Wenn also eine vor-
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Dennis Nowak, München
bestehende asthmatische Atemwegserkrankung durch irritative und/oder unspezifische Einflüsse am Arbeitsplatz verschlimmert wird, sollte im pathophysiologisch-klassifizierenden Sinne nicht vom Berufsasthma gesprochen werden. In praxi ist eine solche insbesondere international übliche Differenzierung in • „immunologic occupational asthma“ • „irritant-induced occupational asthma“ • „aggravation of pre-existing or coincident asthma“ [11] jedoch nicht immer durchzuhalten, insbesondere wenn am Arbeitsplatz Irritanzien einwirken. Im deutschen Berufskrankheitenrecht ist eine solche Differenzierung auch nicht erforderlich.
4.1
Ursachen
• Klinisch sind immunologische Ursachen dann wahrscheinlich, wenn zwischen Expositionsbeginn und Manifestation der Erkrankung eine Latenzperiode liegt und wenn die Re-Exposition gegenüber niedrigen Konzentrationen zum Wiederaufreten der Symptomatik führt. Die immunologisch vermittelten Ursachen werden wiederum in IgE-mediierte (hochmolekulare wie z. B. Tierepithelien, Mehle oder niedermolekulare wie Säureanhydride, Metalle) und nicht IgE-abhängige (z. B. durch Kolophonium) eingeteilt. Bei letzteren ist der Mechanismus nicht bekannt. • Das nicht-immunologisch vermittelte Berufsasthma kann in Form des „Reactive Airways Dysfunction Syndrome“ auftreten, bei dem nach einmaliger intensiver – oftmals unfallartiger – Exposition gegenüber hohen Konzentrationen irritativ wirkender Rauche, Gase oder Dämpfe (z. B. Ammoniak, Chlorgas) erstmals asthmatische Beschwerden auftreten, die oft lange persistieren. Voraussetzung für die Entstehung eines durch chemisch-toxisch oder irritative Stoffe ausgelösten Asthma bronchiale sind in der Regel relevante Überschreitungen von Grenzwerten. Beispiele gefährdender Tätigkeiten sind in Tabelle 1 aufgeführt. Tabelle 1. Tätigkeiten mit besonderer Gefährdung für die Entstehung eines Berufsasthma (typische Beispiele) Gefährdung vorrangig durch immunologisch wirkende Arbeitsstoffe
Gefährdungen vorrangig durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe
Bäckerei, Konditorei, Mühle, Landwirtschaft, Gärtnerei, Plantagen-, Dock- und Lagerarbeit, Küchenbetriebe (Fleischmürber), Obstverwertung, pharmazeutische Industrie, industrielle und Forschungs-Laboratorien, Veterinärwesen, Geflügelfarmen, Futter- und Nahrungsmittelindustrie, Imkerei, Polyurethanweichschaum- und -hartschaumherstellung, Herstellung von Polyisocyanaten, Sägerei, Möbelindustrie, Friseurbetriebe
Polyurethanweichschaum- und -hartschaumherstellung, Herstellung von Polyisocyanaten, Sägerei, Möbelindustrie, Kunststoffherstellung und -verarbeitung, Herstellung und Schweißen von PVC-Folien, -Platten und -Röhren, Lötarbeiten, Elektronikindustrie, chemische und pharmazeutische Industrie, Desinfektionsmittel, Galvanisierbetriebe, Metallveredelung, Zementherstellung und -verarbeitung, Schweißen, Färberei, Textil- und chemische Industrie, Friseurbetriebe
Gesellschaftlicher Kontext: Arbeitswelt
4.2
125
Diagnostik
Zunächst sind die allgemeinen diagnostischen Prinzipien der Asthmadiagnostik gültig [4]. Klinisch unterscheidet sich ein Berufsasthma zunächst nicht wesentlich vom nichtberufsbedingten Asthma. Die Besonderheit im vorliegenden Zusammenhang ist die Arbeitsplatzbezogenheit der Beschwerdesymptomatik. Dies mag trivial klingen, ist es aber vielfach nicht: Im einfachsten Fall schildert ein Patient einen klaren Arbeitsplatzbezug seiner Asthmabeschwerden. Hier können ein Berufsasthma im engeren Sinne oder auch ein primär nicht berufsbedingtes Asthma mit arbeitsplatzbezogener Beschwerdeverstärkung zugrunde liegen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass sich auch das Berufsasthma im engeren Sinne oftmals in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden manifestiert, also außerhalb des ursächlich anzuschuldigenden Arbeitsplatzes. Auch ein Berufsasthma im engeren Sinn zeigt Verschlechterungen nicht nur bei Irritanzien-Exposition am Arbeitsplatz, sondern auch bei anderen Gelegenheiten, etwa bei sportlichen Aktivitäten oder bei einer privaten Passivrauchexposition. Eine diagnostische Falle des Berufsasthmas besteht somit darin, dass die Patienten mitunter mehr Beschwerden außerhalb als direkt bei der Arbeit verspüren. Es ist daher die besondere Aufgabe des Arztes, diesen vom Patienten oftmals nicht direkt wahrgenommenen Kausalzusammenhang zu erfragen. Kürzlich konnte von LeMoual et al. [10] gezeigt werden, dass bei schwerem Asthma die Exposition gegenüber beruflichen Auslösern einen vielfach deletären Einfluss hat – ein Aspekt, auf den bislang vielfach nicht geachtet wurde. Eine Schlüsselfrage in der Diagnostik des Berufsasthma ist daher nicht, ob das Asthma bei der Arbeit schlechter wird, sondern ob die Atemwegsbeschwerden in den Ferien oder an arbeitsfreien Tagen/Wochenenden geringer sind [5]. Die Anamnese umfasst folgende Aspekte: 1. Arbeitsanamnese a. Jetzige Tätigkeitsbeschreibung b. Frühere Tätigkeitsbeschreibungen lückenlos ab Schulabgang einschließlich Wehrdienst, nicht-versicherte Zeiten/Schwarzarbeit, Auslandseinsätze etc. c. Für alle Zeiträume: Auflistung der Arbeitsvorgänge und -stoffe, Schemazeichnung/Fotos oft hilfreich. Nachbarschaftsexposition? d. Unfallartige Expositionen in der Vorgeschichte? Z. B. bei Betriebstörungen/Revisionen? (Dämpfe, Verschütten größerer Chemikalienmengen) 2. Symptome a. Art: • Husten, Kurzluftigkeit, Pfeifen, Giemen • Rhinorrhoe, Konjunktivitis • Systemische Symptome (Fieber, Arthralgien, Myalgien – aus differenzialdiagnostischen Überlegungen) b. Zeitlicher Verlauf: • wie lange nach Beginn einer bestimmten Tätigkeit? Nach Verfahrenswechsel? nach Wechsel eines Arbeitsstoffs?
126
Dennis Nowak, München • Beschwerdebeginn unmittelbar bei Exposition nach Arbeitsende? • Verzögerter Beschwerdebeginn 4–12 Std. nach Tätigkeitsaufnahme, teilweise erst nach Arbeitsende? • Duale Reaktion? • Beschwerdefreiheit an arbeitsfreien Tagen, im Urlaub?
3. Weitere Risikofaktoren a. Raucheranamnese b. Allergische Rhinitis/ sthma in der Vorgeschichte c. Allergische Erkrankungen in der Familienanamnese Eine gedankliche Fehlermöglichkeit in der Diagnostik des Berufsasthma besteht darin, dass bei Patienten mit einem in der Hauttestung oder spezifischen IgE-bestimmung geführten Sensibilisierungsnachweis gegenüber ubiquitären Allergenen wie Hausstaubmilbe oder Pollen die Kausalität des Asthma mitunter diesen Allergenen attribuiert wird, ohne an berufliche Auslöser zu denken. Vielmehr ist das Vorhandensein einer atopischen Sensibilisierung ein Risikofaktor für eine Sensibilisierung gegenüber hochmolekularen Allergenen auch am Arbeitsplatz. Das Rauchen steigert die Sensibilisierungswahrscheinlichkeit gegenüber verschiedenen hoch- und niedermolekularen Auslösern [22]. Ein Ablaufdiagramm für eine sinnvolle diagnostische Abklärung gibt Abb. 1. Essentiell ist eine frühzeitige Lungenfunktionsdiagnostik, wobei eine normale Spirometrie (und auch Ganzkörperplethysmographie) ein Asthma bronchiale keineswegs ausschließt. Vielmehr muss frühzeitig und noch unter Arbeitsplatzbedingungen eine zunächst unspezifische Provokationstestung (mit Methacholin, Histamin, etc.) vorgenommen werden. Ist die Basis-Lungenfunktion normal und die unspezifische Atemwegsempfindlichkeit (zum Zeitpunkt, an dem der Patient am Arbeitsplatz noch exponiert ist!) regelrecht, ist in den meisten Fällen ein relevantes Berufsasthma schon einmal ausgeschlossen. Ausnahmen gelten für das Isocyanatasthma, bei welchem eine normale unspezifische Atemwegsempfindlichkeit gegeben sein kann. Entscheidende Informationen liefert oft die longitudinale Dokumentation der Lungenfunktion. Diese erfolgt entweder konventionell als serielle spirometrische Untersuchung vor und nach den angeschuldigten Arbeitsstoffexpositionen über einen längeren Zeitraum, oder als vom Patienten selbst mehrfach täglich durchzuführende Lungenfunktionsuntersuchung mit Hilfe portabler elektronischer Kleinspirometer, ggf. orientierend zunächst auch nur als Peak-Flow-Messung. Ob eine solche serielle Messung zum Erfolg führt, hängt wesentlich von der Motivation des Arztes, der instruierenden Arzthelferin/ MTA und des Patienten ab. Die Peak-Flow-Messung muss mindestens viermal täglich über einen Zeitraum von vier Wochen mit genügenden Tagen mit und ohne Arbeitsplatzexposition erfolgen, um aussagekräftig zu sein. Das Ergebnis wird graphisch aufgetragen, wobei es sich als praktisch erwiesen hat, die Kurven der Tagesmaxima, der mittleren Tageswerte und der Tagesminima über einen längeren Zeitraum jeweils miteinander zu verbinden (Abb. 2). Auch die longitudinale Bestimmung der Methacholinempfindlichkeit kann wichtige diagnostische Hinweise geben, etwa wenn die unspezifische Atemwegsempfindlichkeit nach
Gesellschaftlicher Kontext: Arbeitswelt
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Anamnese, Fragebogen Hauttestung, spezifische IgE-Bestimmung (wenn möglich)
Unspezifische Provokationstestung (z. B. mit Methacholin) möglichst am Ende einer Arbeitswoche nach mindestens zwei Wochen mit relevanter Exposition negativ
positiv Spezifische Provokationstestung unter Laborbedingungen und / oder mit angeschuldigtem Arbeitsstoff (-extrakt)
positiv
(Elektronisches) LungenfunktionsMonitoring über mind. 3 Wo. mit / ohne Arbeitsexposition durch den Patienten selbst
negativ
verdächtig
unverdächtig
Lungenfunktionsdiagnostik am Arbeitsplatz im Vgl. zu Tag ohne Exposition
verdächtig
Meist kein Asthma (Ausnahme: z. B. Isocyanatasthma – hier können unspezifische Provokationstests "falsch negativ" ausfallen)
Abb. 1.
Berufsasthma wahrscheinlich
unverdächtig
Nicht berufsbedingtes Asthma wahrscheinlich
Diagnostischer Ablauf bei Verdacht auf ein Asthma bronchiale mit Arbeitsplatzbezug/Berufsasthma
einer Arbeitswoche mit einem sensibilisierenden Arbeitsstoff höher ist als nach einer längeren expositionsfreien Zeit (Tabelle 2). Oftmals kann es hilfreich sein, konsiliarisch einen Arbeitsmediziner, beispielsweise den Betriebsarzt, Gewerbearzt oder eine arbeitsmedizinische Universitäts-Poliklinik, zu Rate zu ziehen, da dort vielfach spezifische Stoff- und Expositionskenntnisse vorhanden sind, die bei der Abklärung nützlich sind. Hilfreiche Datenbanken finden sich in den MAK-Werte-Begründungen (http://www3. interscience.wiley.com/cgi-bin/mrwhome) und in der Gestis-Stoffdatenbank (http:// www.hvbg.de/d/bia/gestis/stoffdb/index.html). Darüber hinaus ist die Gefahrstoffdatenbank der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie hilfreich (http://www.gischem.de).
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PEF (l/min) 360 340 320 300 280 260 240 220 200 180 t Abb. 2.
Peak-Flow-Verlauf bei einem Patienten mit objektivierbarer arbeitsplatzbezogener Verschlechterung der Lungenfunktion. x-Achse = Zeit, y-Achse = Peak Flow (PEF, exspiratorischer Spitzenfluss). Arbeitstage sind grau rautiert, arbeitsfreie Tage weiß hinterlegt. Die schwarze Linie (Mitte) stellt den Verlauf der mittleren Peak-Flow-Werte dar, die gestrichelte Linie (oben) die maximalen, die gepunktete Linie (unten) die minimalen Werte.
Als Goldstandard der Sicherung der Diagnose eines allergischen Asthma bronchiale bzw. einer allergischen Rhinopathie gilt vielfach die bronchiale bzw. nasale Provokationstestung, die vom Aufwand her dem pneumologischen oder arbeitsmedizinischen Spezialisten vorbehalten ist [1]. Ein solcher Test ist dann positiv, wenn eine definierte Bronchokonstriktion nach Einwirkung einer nicht-irritativ wirkenden Konzentration gegenüber dem auslösenden Agens eintritt. Mitunter kommt es auch nur zur Erhöhung der unspezifischen Atemwegsempfindlichkeit nach Exposition gegenüber einem Arbeitsstoff. Je nach Konstellation kann eine Vergleichsmessung an einem expositionsfreien Tag erforderlich sein.
4.3
Prognose und Therapie
Die Prognose des Berufsasthma ist oftmals ungünstig, bei der Mehrzahl der Patienten persistiert die Symptomatik trotz Expositionskarenz, vielfach bleibt eine unspezifische Atemwegsüberempfindlichkeit bestehen. Die Therapie erfolgt entsprechend dem Stufenschema bei Buhl et al. [4]. Oftmals gelingt es durch geeignete Präventivmaßnahmen, bereits Erkrankte an ihrem Arbeitsplatz zu halten, ohne dass die Krankheit sich weiter verschlechtert. Dies setzt engmaschige Lungenfunktionskontrollen voraus, deren longitudinaler Verlauf sehr aussagekräftig ist.
Gesellschaftlicher Kontext: Arbeitswelt
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Tabelle 2. Darstellung des longitudinalen Lungenfunktionsverlaufs für die Dokumentation bei obstruktiven Atemwegserkrankungen mit vermutetem Arbeitsplatzbezug Parameter Vitalkapazitätmax Einsekundenkapazität FEV1 Atemwegswiderstand Spez. Atemwegswiderstand Intrathorak. Gasvolumen Unspez. Atemwegsempfindlichkeit PD100SRaw, PD20FEV1*) (Ruhe-pO2) (Diffusionskapazität)
Dimension L L kpa/l/s kPa/s L
Datum 1
Datum 2
Datum 3
...
mg Methacholin mmHg ml/min/ mmHg
... ... Exposition (was? wieviel? wobei?) Therapie (Name, Dosis, Uhrzeit) *) PD = diejenige Provokationsdosis eines unspezifischen Bronchokonstriktors (z. B. Methacholin), die zu einem 100%igen Anstieg des spezifischen Atemwegswiderstands SRaw oder zu einem 20%igen Abfall der Einsekundenkapazität führt. Ein niedriger PD-Wert entspricht somit einer hohen Atemwegsempfindlichkeit
4.4
Prävention
Den Kenntnisstand zur Prävention berufsbedingter obstruktiver Atemwegserkrankungen haben wir 1998 zusammengefasst [2]. Kürzlich veröffentlichten Nicholson et al. [14] eine systematisch evidenzbasierte Literaturanalyse mit folgendem Fazit: Die wesentliche Maßnahme zur Vermeidung von Erkrankungsfällen mit Berufsasthma ist die Minimierung der Exposition an der Quelle. Eine individualmedizinische Überwachung sollte erfolgen, sobald die ersten Symptome (einschließlich Rhinitis) auftreten. Bei Beschäftigten mit gesichertem Berufsasthma sollte eine frühestmögliche Expositionskarenz erfolgen, um die Prognose zu verbessern. Eine mit der ERS und der EAACI abgestimmte Präventions-Leitlinie ist in Arbeit (Federführung: X. Baur, T. Sigsgaard). Unter praktischen Aspekten sind berufsgenossenschaftliche Initiativen polypragmatischer Präventionsprogramme sehr zu begrüßen, eine wissenschaftlich umfassende Validierung steht jedoch vielfach noch aus. Eine fundierte, evidenzbasierte Berufsberatung von Allergikern ist nicht einfach und strenggenommen unmöglich, da der positive prädiktive Wert einer vorbestehenden (klinisch manifesten) allergischen Sensibilisierung zu gering ist, um weitreichende Empfehlungen zur Berufswahl zu erlauben [13]. Radon et al. [21] konnten in der SOLAR-Studie, welche die internationale ISAAC-Kohorte weiterführt, kürzlich zeigen, dass das Vorhandensein von Atembeschwerden praktisch keinen Einfluss auf die Berufswahl hatte, vielmehr strebten Jugendliche mit Asthma mit derselben Häufigkeit in Risikoberufe wie Jugendliche ohne Atemwegserkrankung.
130
5
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Chronisch-obstruktive Bronchitis/Lungenemphysem
Die chronisch-obstruktive Bronchitis kann unter folgenden Konstellationen als Berufskrankheit vorkommen: • als Komplikation der Silikose (und Silikotuberkulose) • als mitunter vom berufsbedingten Asthma bronchiale schwer abgrenzbares Zustandsbild mit geringer Reversibilität der Obstruktion, insbesondere nach langjähriger Exposition gegenüber chemisch-irritativen Arbeitsstoffen und langjährigem Krankheitsverlauf, vielfach in Kombination mit langjährigem Zigarettenrauchen • als typische Berufskrankheit bei untertägigen Steinkohlenbergleuten nach Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel 100 mg/m3 Jahren (entsprechend z. B. einer Exposition von 5 mg/m3 Feinstaub über 20 Arbeitsjahre je 220 Schichten zu 8 Stunden). Das berufsbedingte Lungenemphysem kann als Komplikation einer chronisch-obstruktiven Bronchitis bei den vorstehend genannten Konstellationen oder – hiervon unabhängig – nach relevanter Cadmiumexposition (z. B. in der Herstellung von Cadmiumlegierungen oder Nickel-Cadmium-Akkumulatoren, als Goldschmied etc.) auftreten. Prognose und Therapie unterscheiden sich nicht prinzipiell von den entsprechenden Erkrankungen ohne berufliche Auslösung.
6
Meldung des Verdachts einer Berufskrankheit, § 3 der Berufskrankheitenverordnung
6.1
Meldung des Verdachts
Sobald der Arzt den begründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit hat, ist er verpflichtet, dem Staatlichen Gewerbearzt oder der Berufsgenossenschaft (soweit bekannt), eine Ärztliche Anzeige zu erstatten; der Patient ist hierüber zu informieren (Formulare im Internet unter www.hvbg.de).
6.2
§ 3 der Berufskrankheitenverordnung
Gerade bei obstruktiven Atemwegserkrankungen mit Arbeitsplatzbezug ist an Präventionsmaßnahmen zu Lasten der Unfallversicherungsträger zu denken, die sich auf § 3 BKV beziehen: § 3 BKV Maßnahmen gegen Berufskrankheiten, Übergangsleistung § 3 BKV Maßnahmen gegen Berufskrankheiten, Übergangsleistung (1) Besteht für Versicherte die Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Den für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
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(2) Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird 1. Ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder 2. Eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt. Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit sind nicht zu berücksichtigen.
§ 3 Abs. 1 BKV als Beschreibung des Grundsatzes „Prävention vor Rehabilitation“ gibt Maßnahmen zur Gefahrenabwehr Vorrang, um der versicherten Person die Fortsetzung der bisher ausgeübten Tätigkeit zu ermöglichen. In Betracht kommen dabei: • technische und organisatorische Maßnahmen (z. B. Ersatz gefährlicher Arbeitsstoffe durch andere, Änderungen der Arbeitsabläufe/der Arbeitsweise; technische Schutzvorrichtungen) • persönliche Schutzmaßnahmen (z. B. Maske, gebläseunterstützter Atemschutzhelm) • medizinische Maßnahmen (ambulante und stationäre Heilbehandlung, spezielle therapeutische Maßnahmen, Umstellung der Medikation); • sonstige Maßnahmen (z. B. Gesundheits- oder Verhaltenstraining) Vor einer § 3-Anzeige ist der Patient um sein Einverständnis zu bitten.
7
Unfallversicherungsrechtliche Zusammenhangsbegutachtung
In der unfallversicherungsrechtlichen Zusammenhangsbegutachtung geht es vorrangig um die Kausalitätsbeurteilung. Der Vergleich der verschiedenen Sozialversicherungssparten ist orientierend in Tabelle 3 dargestellt.
Tabelle 3. Übersicht über die Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung – jeweils mit Kausalitätsanforderung und Maß Gesetzliches ...
Kausalität
Maß
Krankenversicherungsrecht
–
AU
Unfallversicherungs-/BK-Recht
+
MdE
Rentenversicherungsrecht
–
Erwerbsmindung (Altfälle: EU/BU)
Soziales Entschädigungsrecht
+
MdE
Schwerbehindertenrecht
–
GdB
Pflegeversicherungsrecht
–
Pflegestufe I, II, III
}
(=)
132
Dennis Nowak, München
Gutachterliche Aspekte sind andernorts verschiedentlich ausgeführt worden [9, 19]. Zur Orientierung sind hier nur die einschlägigen Berufskrankheiten aufgeführt (Tabelle 4). Tabelle 4. Berufskrankheiten, unter denen die Mehrzahl der berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankungen subsumiert werden können Berufskrank- Wortlaut heit Nr. 4301
Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können
4302
Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können
1315
Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können
4111
Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m3) × Jahre]
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Sex- und Genderaspekte in Entwicklung, Prävention und Management
135
Sex- und Genderaspekte in Entwicklung, Prävention und Management von Asthma bronchiale und COPD Richard Lux und Ulla Walter, Hannover
1
Hintergrund
Asthma bronchiale und COPD unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Geschlechterverteilung bei Auftreten sowie Verlauf. Dazu tragen einerseits die sexbasierten Grundlagen ihrer biologischen Entstehungsmechanismen bei. Andererseits sind die verhaltensabhängigen und lebensstilbedingten Risikofaktoren für die Krankheitsentstehung sowie -bewältigung unmittelbar gebunden an die Geschlechterrolle und -identität (gender-based). Diese Erkenntnisse müssen in Ansätze sowohl der Prävention als auch der Therapie bei diesen Erkrankungen einfließen.
2
Asthma
2.1
Epidemiologie
Die Geschlechterverteilung zeigt sich hinsichtlich des Auftretens und der Schwere von Asthma altersabhängig. In der Altersgruppe der unter 16-Jährigen leiden Jungen häufiger an Asthma als Mädchen [1]. Ebenfalls wird bei Jungen ein größerer Effekt des Asthmas auf die Lungenfunktion beobachtet. Die Geschlechterunterschiede lassen sich zumindest partiell auf die kürzere Dauer des asthmatischen Geschehens bei Mädchen zurückführen [2]. Während der Pubertät egalisiert sich der Geschlechterquotient [3] und verkehrt sich schließlich bei Erwachsenen ins Gegenteil. Noch während des Erwachsenenalters wird die Asthmaschwere bei Männern, nicht jedoch bei Frauen geringer [4]. Der genaue Zeitpunkt der Umkehrung und der dazu führende Mechanismus sind unklar [5]. Dem „European Community Respiratory Health Survey“ zufolge beträgt während der Kindheit das Relative Risiko (RR) von Mädchen im Vergleich zu Jungen in der Altersklasse 0 bis 5 Jahre 0,74 und in der Altersklasse 5 bis 10 Jahre 0,56. Um den Zeitpunkt der Pubertät herum ist das Risiko bei beiden Geschlechtern annähernd gleich (RR = 0,84; 95 %-Konfidenzintervall (KI): 0,65 bis 1,10 in der Altersklasse 10 bis 15 Jahre). Postpubertär liegt das Risiko bei Frauen stets signifikant höher als bei Männern (RR: 1,38 bis 5,91) [6]. Nach Daten des Robert-Koch-Institutes [7] ist zudem das Vorkommen des nicht allergischen Asthmas an die Schichtzugehörigkeit gebunden. So beträgt in Deutschland der Anteil be-
136
Richard Lux, Ulla Walter, Hannover
troffener Frauen bzw. Männer in der Unterschicht 3,7 % bzw. 4,0 %, in der Mittelschicht 3,1 % bzw. 2,5 % und in der Oberschicht 1,8 % bzw. 1,5 %. In einer US-amerikanischen Studie wurde der inverse Zusammenhang zwischen Bildungsniveau als Messgröße des sozioökonomischen Status und nichtatopischem Asthma bestätigt [8]. Als Ursache der altersgebundenen Geschlechterunterschiede hinsichtlich Asthmaprävalenz und -ausprägung werden biologische und soziokulturelle Faktoren vermutet. Zum einen liegt eine unterschiedliche biologische Suszeptibilität gegenüber Veränderungen des Hormonhaushaltes und Umwelteinflüssen vor. Zum anderen bestehen Differenzen in der Krankheitswahrnehmung, beim Asthmamanagement und in der Inanspruchnahme gesundheitsbezogener Leistungen [9].
2.2
Endogene biologische Faktoren
Bei den biologischen Komponenten tragen neben den Umstellungen im Hormonhaushalt die dynamischen Größenverhältnisse der Lungenstrukturen sowie die kurz- und langfristigen immunologischen Veränderungen zur unterschiedlichen Ausprägung von Asthma zwischen den Geschlechtern bei [10]. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen männlichem Geschlecht des Kindes und allergischer Erkrankung der Eltern legen zudem die Annahme eines sexspezifischen genetischen Parameters nahe [11]. Die verschiedenen sexspezifischen Einflussfaktoren können miteinander interagieren. So bedingen beispielsweise genetische und immunologische Komponenten entzündliche (inflammatorische) Prozesse in den Atemwegen, die zur Asthmaentstehung beitragen. Dabei spielen Rezeptorgene für Botenstoffe des Immunsystems (Interleukine) auf der pseudoautosomalen Region der X- und Y-Chromosomen eine Rolle. Eine Variante dieser Gene (Haplotyp) bringt zwar für Jungen, nicht jedoch für Mädchen einen schützenden Effekt vor Atemstörungen mit sich [12]. Ein weiterer Grund für die Biodiversität der Asthmagenese ist die immunmodulierende Wirkung der Sexualhormone: Das männliche Sexualhormon Testosteron besitzt einen anti-inflammatorischen Effekt, die weiblichen Sexualhormone wirken pro-inflammatorisch [13]. Änderungen des Sexualhormonstatus während der Pubertät könnten für die Prävalenzumverteilung zwischen Mädchen und Jungen verantwortlich sein [14]. Die Abhängigkeit der Asthmaschwere von den monatlichen Schwankungen des Estradiolserumspiegels bei erwachsenen Frauen [15] und von dem Geschlecht des Fetus während einer Schwangerschaft [16] deutet auf vergleichbare Phänomene hin: Ist der Androgene produzierende Fetus männlich, leiden die schwangeren Asthmatikerinnen im Vergleich zur Schwangerschaft mit einem weiblichen Fetus weniger an Atembeschwerden [17]. Das asthmatische Geschehen der schwangeren Mutter wiederum prägt das Gedeihen des Fetus in geschlechterdifferenzieller Weise. Bei weiblichen Feten von Frauen, die während ihrer Schwangerschaft keine Steroide aus therapeutischen Gründen inhalieren, wird ein signifikant geringeres Geburtsgewicht beobachtet, während das Geburtsgewicht männlicher Feten unauffällig bleibt [18]. Der Einfluss der Sexualhormone auf die Asthmainzidenz, -symptomatik, -ausprägung und -progression ist in mehrfacher Hinsicht therapeutisch von Bedeutung [19]. Zu den Strategien einer ergänzenden Medikation gehören jene Ansätze, die die anti-inflammatorische Wirkung der Androgene in Form exogener Hormonsubstitution pharmakologisch nutzen [20]. Zu den anpassungsbedürftigen Interventionen gehört die medikamentöse Versorgung schwangerer Frauen, die sich möglicherweise in Abhängigkeit von dem Geschlecht des Kindes präsentiert – wenn sich bestätigen ließe, dass Trägerinnen eines
Sex- und Genderaspekte in Entwicklung, Prävention und Management
137
männlichen Fetus aufgrund dessen protektiver Hormonproduktion weniger Antiasthmatika benötigen [21].
2.3
Exogene biologische Faktoren
Exogene Faktoren wie Tabakkonsum zeigen ebenfalls einen sexdifferenzierten Einfluss auf die Asthmagenese. Hierbei ist offensichtlich nicht allein die aktive oder passive Rauchexposition asthmafördernd [22]. Einer kanadischen Studie zufolge erhöht die direkte oder indirekte Anwesenheit von Haustieren bei Raucherinnen die Wahrscheinlichkeit der Asthmainzidenz, wobei keine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Haustierarten erfolgt. Dienen Werte nicht rauchender Frauen als Vergleich, beträgt bei Frauen mit Haustier die adjustierte Odds Ratio (OR) für den Tabakkonsum in Relation zur Asthmainzidenz 2,50 (95 %-KI: 1,24 bis 5,05) und bei Frauen ohne Haustier 0,95 (95 %-KI: 0,49–1,85). Ein solcher Zusammenhang zwischen Raucherstatus und Haustier besteht bei Männern nicht [23]. Die Datenanalyse des „Third National Health and Nutrition Examination Survey“ (NHANES III) bestätigte das weibliche Geschlecht, Rauchen und den Besitz eines Haustieres als wichtige Risikofaktoren für die Entstehung von Asthma [24]. Die Nebenwirkungen des Tabakmissbrauches bei Erwachsenen auf die Lungenfunktion bei Kindern machen sich bereits in utero bemerkbar. Sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen, deren Mütter in der Schwangerschaft rauchten, lassen sich Störungen der Lungenfunktion nachweisen – insbesondere dann, wenn die Kinder an Asthma leiden. Die Auswirkungen des Passivrauchens nach der Geburt variieren nach dem Geschlecht und dem Asthmastatus der Kinder. Während sich die Atemdefizite infolge einer aktuellen Rauchexposition lediglich bei asthmafreien Kindern als signifikant erweisen, geht eine Rauchexposition in der Vergangenheit mit einer reduzierten Lungenfunktion bei asthmatischen Jungen und bei Mädchen ohne Asthma einher [25]. Es hat also den Anschein, als seien unter den asthmatischen Kindern die Jungen im Vergleich zu den Mädchen sensitiver gegenüber Passivrauchen. Dieser gegenläufige Effekt nimmt mit dem Alter und der Dauer der Exposition zu [26]. Übergewicht selbst steht in Beziehung zur Entwicklung eines asthmatischen Leidens. Dies trifft jedoch nur auf Frauen, nicht auf Männer zu [27] – mit Ausnahme von Männern, die einer Minderheitengruppe angehören [28]. Mit zunehmendem BMI steigt das Risiko für die Ausbildung von Asthma [29]. Die Assoziation zwischen Adipositas als einem unabhängigen Risikofaktor und Asthma wird zwar geschlechterübergreifend bereits bei Kindern registriert [30]. Jedoch entscheidet insbesondere Übergewicht bzw. Adipositas bei Mädchen im Alter zwischen 6 und 11 Jahren über die Ausprägung der Asthmasymptome und bronchialer Überempfindlichkeit in der Phase der frühen Adoleszenz [31]. Bedenkliche Wechselwirkungen zwischen Asthma und Hormoneinnahme umfassen schließlich die Hormonersatztherapie bei perimenopausalen Frauen [32]: Asthma sowie asthmagebundene Symptome werden bei Frauen mit geringem BMI unter einer Hormonersatztherapie häufiger und erfahren die gleiche Steigerungsrate wie bei übergewichtigen Frauen ohne Hormonsubstitution [33].
2.4
Soziokulturelle Faktoren
Auch hinsichtlich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen existieren geschlechtsspezifische Unterschiede (vgl. Kapitel Versorgungsgeschehen). Einer US-ameri-
138
Richard Lux, Ulla Walter, Hannover
kanischen Multicenter-Studie zufolge sind unter den Erwachsenen, die sich wegen akuter Asthmabeschwerden an den Notfalldienst wenden, deutlich mehr Frauen als Männer. Obgleich Männer in geringerem Ausmaß die ambulante Versorgung in Anspruch nehmen und über eine schlechtere Lungenfunktion verfügen, werden bei Frauen mehr Krankenhausaufenthalte verzeichnet. Hingegen werden unter Kindern mit akuten Asthmabeschwerden mehr Jungen als Mädchen stationär aufgenommen. Der Grund hierfür könnte in dem oben geschilderten Prävalenzunterschied zwischen den Geschlechtern im Kindesalter liegen, da hinsichtlich Asthmaschwere und -therapie keine Differenzen beobachtet werden [34]. Zudem berichten Frauen häufiger über eine aktuelle Exazerbation, obwohl sie von einem Rückfall annähernd so oft betroffen sind wie Männer [35]. Frauen mit einer moderaten Exazerbationsausprägung neigen dazu, die Verschlechterung des asthmatischen Geschehens als Ursache einer schwerwiegenden Aktivitätsbeeinträchtigung zu beschreiben [36]. Andere Gründe für das Überwiegen des weiblichen Geschlechtes bei Krankenhausaufnahme als die genderunterschiedliche Wahrnehmung asthmatischer Beschwerden wie die Schwere oder der Umgang mit der Krankheit können zwar nicht ausgeschlossen werden [37]. Möglicherweise ist jedoch vor dem Hintergrund der Einschätzung von Lebensqualität und der Einnahme antiasthmatischer Medikamente die geschlechterdifferenzierte Reaktion auf die Erkrankung von größerer Bedeutung als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Erkrankung selbst [38].
2.5
Kosten
Nach der Gesundheitsberichterstattung des Bundes betrugen die asthmabedingten Krankheitskosten 2004 bei Frauen insgesamt 830 Mio. Euro, bei Männern 757 Mio. Euro. In der Altersgruppe bis 15 Jahre lagen die Kosten bei Mädchen unterhalb der bei Jungen (95 vs. 162 Mio. Euro). In den Altersgruppen ab 15 Jahre lagen die Kosten bei Frauen über denen bei Männern. In der Altersgruppe von 15 bis 30 Jahren betrugen die Kosten 90 vs. 84 Mio. Euro, in der von 30 bis 45 Jahren 159 vs. 125 Mio. Euro, in der von 45 bis 65 Jahren 257 vs. 203 Mio. Euro, in der von 65 bis 85 Jahren 210 vs. 174 Mio. Euro und in der ab 85 Jahre 18 vs. 9 Mio. Euro [39]. Damit spiegelt sich das eingangs dargestellte Geschlechterverhältnis in den Kosten wider. 1996 wurden in Deutschland insgesamt 2660 Fälle von Frühberentung infolge Asthma bronchiale registriert. In 1198 Fällen betraf es Frauen, in 1462 Fällen Männer. Daraus resultierten zusammengenommen 27158 verlorene Jahre Erwerbstätigkeit bzw. Kosten der Frühberentung in Höhe von 1,68 Mrd. DM (859 Mio. Euro). Im gleichen Jahr waren insgesamt 6111 Fälle (1244 Frauen und 4867 Männer) von Frühberentung infolge chronischer Bronchitis zu verzeichnen mit zusammengenommen 53914 verlorenen Jahren Erwerbstätigkeit bzw. Kosten der Frühberentung in Höhe von 3,34 Mrd. DM (1,71 Mrd. Euro) [40].
2.6
Prävention
Bei der Prävention des Asthmas spielen in erster Linie Umwelteinflüsse als Risikofaktoren eine Rolle [41]. Bei Erwachsenen ist zudem das berufsbedingte Asthma zum Beispiel in Folge des Umganges mit asthmaauslösenden Agenzien von Bedeutung. Die Geschlechterverteilung in den betroffenen Berufszweigen spiegelt sich in der Geschlechterverteilung bei der Asthmaentstehung wider [42]. Zu den generell empfohlenen Maßnahmen
Sex- und Genderaspekte in Entwicklung, Prävention und Management
139
der Primärprävention gehören das Stillen, die Vermeidung von Tabakrauchexposition insbesondere im Kindesalter sowie ein ausreichender Luftaustausch und eine mittlere Luftfeuchtigkeit im häuslichen Umfeld [43]. In der Nationalen Versorgungs-Leitlinie Asthma [44] wird zudem als sekundärpräventive Maßnahme die Allergenkarenz empfohlen. Dazu gehören die Expositionsminderung gegenüber Hausstaubmilben und für Personen mit Allergie der Verzicht auf federn- oder felltragende Haustiere. Möglicherweise kann der Verzehr bestimmter Gemüsesorten wie beispielsweise Tomaten, Karotten und Blattgemüse die – zumindest weibliche – Asthmaprävalenz bei Erwachsenen senken [45]. Zudem gibt es Hinweise, dass eine geringe Aufnahme antioxidativer Vitamine bereits bei Schulkindern einen nachteiligen Effekt auf die Lungenfunktion hat [46]. Der Auswertung des „Third National Health and Nutrition Examination Survey“ (NHANES III) zufolge geht ein erhöhter Serumspiegel von Beta-Karotin und Vitamin C bei 4- bis 16-jährigen Kindern und Jugendlichen mit einem geringeren Risiko für Asthma einher, wobei diese Assoziation in der Tabakrauch ausgesetzten Subgruppe besonders ausgeprägt ist [47].
2.7
Krankheitsmanagement
In Hinblick auf den geschlechterunterschiedlichen Umgang mit der Krankheit „Asthma“ könnten Schulungsinstrumente im Rahmen des Selbstmanagements wie das US-amerikanische „National Asthma Education Program (NAEP)“ besonders für Frauen hilfreich sein [38]. Die im Therapieregime des Asthmas für Jugendliche vorgesehenen Maßnahmen Sport und Diät sind insofern gendergeprägt, als diese Aspekte soziokulturellen Charakter zeigen [48]. Jedoch bleiben bei den meisten deutschsprachigen Evaluationen von Schulungsprogrammen wie der „Ambulanten Fürther Asthma-Schulung (AFAS)“ für Patientinnen und Patienten mit Asthma oder COPD Sex- bzw. Genderaspekte im Rahmen der Ergebnisinterpretation unberücksichtigt [49, 50]. Auch die Nationale Versorgungs-Leitlinie Asthma berücksichtigt Geschlechteraspekte lediglich im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, die Nationale Versorgungs-Leitlinie COPD [44] weist auf diese nur innerhalb der Epidemiologie und des 5-R-Konzeptes zur Motivationssteigerung bei nicht entwöhnungswilligen Rauchern hin. Sowohl in der präventiven als auch in der therapeutischen Umsetzung spielt das Geschlecht in der COPD-Leitlinie keine Rolle. Kosten-Nutzen-Analysen therapeutisch-rehabilitativer Interventionen werden zumeist ebenfalls unter Ausschluss einer ergebnisorientierten Sex- und Genderperspektive durchgeführt [51]. Dabei ginge es bei der geschlechterdifferenzierten Betrachtung weniger um die Fokussierung auf ausschließlich geschlechterspezifische Unterschiede als vielmehr um die Dokumentation auch geschlechtergleicher Resultate als Bestandteil einer umfassenden Ergebnisdarstellung [52, 53].
3
COPD
3.1
Epidemiologie
Eine genaue Prävalenzangabe der COPD in Deutschland wie auch weltweit [54] ist aufgrund der Anwendung unterschiedlicher Definitionen der Krankheit „COPD“ sowie aufgrund der Dunkelziffer von COPD-Patientinnen und -Patienten nicht möglich. Unter
140
Richard Lux, Ulla Walter, Hannover
Berücksichtigung der diagnostizierten und behandelten COPD in Deutschland wird die Prävalenz bezogen auf die Gesamtbevölkerung zwischen 1 % und 3,3 % geschätzt [55]. Somit ist deutschlandweit mit 4 bis 5 Mio. COPD-Patientinnen und -Patienten zu rechnen, wobei vor allem Männer im höheren Lebensalter betroffen sind [56]. Nach einer kanadisch-US-amerikanischen Studie muss jedoch davon ausgegangen werden, dass von Ärztinnen und Ärzten in der medizinischen Grundversorgung COPD insbesondere bei Frauen unterdiagnostiziert wird. Die Lungenfunktionsprüfung wird zu wenig zur Verhinderung dieser Fehleinschätzung und eines daraus resultierenden Gender Bias genutzt [57]. Dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 zufolge geben mehr Männer als Frauen an, an einer chronischen Bronchitis zu leiden. Dabei ist bei beiden Geschlechtern eine deutliche Assoziation zur Schichtzugehörigkeit zu beobachten. 7,8 % der Frauen und 9,1 % der Männer aus der Unterschicht sind nach eigenen Angaben von einer chronischen Bronchitis betroffen. Dem gegenüber stehen 5,9 % der Frauen bzw. 6,5 % der Männer aus der Mittel- und 3,4 % bzw. 4,6 % aus der Oberschicht. Das Auftreten der chronischen Bronchitis in Abhängigkeit zur Geschlechts- und Schichtzugehörigkeit bildet somit das Risikoverhalten hinsichtlich des Tabakkonsums in den geschlechtlichen und sozioökonomischen Gruppierungen direkt ab [58]. In der Folgebefragung lässt sich zwar weiterhin eine schichtspezifische Häufigkeit der chronischen Bronchitis bei beiden Geschlechtern erkennen. Der Anteil der betroffenen Frauen ist mit insgesamt 12,4 % jedoch höher als der der Männer mit 10,2 % [7]. Die COPD stellt weltweit die vierthäufigste Todesursache dar. Laut Centers for Disease Control and Prevention (CDC) stieg im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die Todesrate durch COPD unter US-amerikanischen Frauen um 382 %, während sie bei Männern lediglich um 27 % zunahm. Die Folge war eine Annäherung der weiblichen COPD-Mortalität an die männliche [59]. 2002 lag sie in Deutschland an siebenter Stelle der Todesursachenstatistik [44]. Projektionen zufolge wird die COPD im Jahre 2020 den 3. Platz in der Weltstatistik der Todesursachen einnehmen [60].
3.2
Risikofaktoren
Ein niedrigerer BMI geht mit einer höheren Mortalität einher. Ein BMI unter 20 kg/m2 ist unabhängig vom Schweregrad der COPD bei Frauen mit einem Relativen Risiko von 1,42 und bei Männern mit einem RR von 1,64 zur Gesamtmortalität der COPD-Population verbunden [61]. Die im Vergleich zu Frauen ausgeprägtere Schwere der COPD bei Männern scheint die männliche Risikosteigerung zu bedingen, an der Erkrankung zu versterben [62]. Unbestritten ist der aktive Tabakkonsum der wichtigste einzelne Risikofaktor für die Entstehung von COPD. 85 % bis 90 % der COPD-bedingten Mortalität sind auf aktiven Tabakkonsum zurückzuführen. Dabei hat Rauchen bei Frauen einen größeren Einfluss auf die Lungenfunktion als bei Männern. Zudem unterliegen Raucherinnen einem größeren Risiko, wegen einer COPD ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, so dass insgesamt von einer deutlicheren Effektstärke des Tabakkonsums auf die Lungenfunktion bei Frauen ausgegangen werden kann [63]. Regional kann in den letzten Jahrzehnten besonders bei Frauen ein dramatischer Anstieg der COPD-Mortalität und anderer tabakassoziierter Erkrankungen mit Todesfolge beobachtet werden [64]. Während bei Männern die
Sex- und Genderaspekte in Entwicklung, Prävention und Management
141
COPD-Verbreitung ihren Gipfel erreicht zu haben scheint, ist bei Frauen mit einer weiter ansteigenden Prävalenzrate der COPD zu rechnen [65]. Nicht weniger bedeutsam ist das Passivrauchen. Verglichen mit Frauen, deren Ehemänner niemals geraucht haben, sind Frauen von rauchenden Ehemännern einem deutlich gesteigerten COPD-Risiko ausgesetzt [66]. Ein weiteres Setting für Passivrauchen stellt der Arbeitsplatz dar [67]. COPD ist zudem mit anderen Erkrankungen assoziiert. Bei älteren COPD-Patientinnen ist verglichen mit gleichaltrigen Asthma-Patientinnen aus unbekannten Gründen häufiger eine Osteoporose nachweisbar [68]. Wie beim Asthma gibt es bei der COPD trotz Gleichheit der Lungenfunktionsbeeinträchtigung Hinweise auf eine Geschlechterunterschiedlichkeit in der klinischen Manifestation der Erkrankung [69]. Zudem erweisen sich Frauen verglichen mit Männern trotz ähnlicher Lungenfunktion und Sauerstoffaufnahme sowie bei gleichem BMI als in höherem Ausmaße hyperkapnisch [70]. In der Gruppe der Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten hingegen gibt es Hinweise für eine geringere Suszeptibilität von Frauen gegenüber obstruktiven Erkrankungen der Atemwege [71]. Unter Patientinnen und Patienten mit COPD, bei denen erstmalig ein Lungenkrebs diagnostiziert wurde, zeigt ein signifikant höherer Anteil von Frauen einen normalen Lungenfunktionstest. Dieser geschlechterbasierte Unterschied bringt für das Screening auf Lungenkrebs mittels Lungenfunktionstest weitreichende Konsequenzen mit sich [72].
3.3
Prävention
Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Tabakkonsums für die COPD-Genese wird der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention des Nikotinmissbrauches eine besondere Rolle zuteil. Dies umso mehr als in allen Stadien des Tabakkonsums neben vielen geschlechterübergreifenden Gemeinsamkeiten entscheidende Sex- und Genderdifferenzen nachweisbar sind. Beim Raucheinstieg, während des Nikotinkonsums und in der Nikotinentwöhnung können unterschiedliche Motivationslagen und biologische Reaktionsmuster beobachtet werden [73]. Die tabakepidemiologischen Trends unter Mädchen und Jungen bzw. Frauen und Männern in den letzten Jahrzehnten sowie die dazu parallel verlaufende Entwicklung der COPD-Verbreitung und -Verteilung verdeutlichen die Notwendigkeit einer geschlechterdifferenziellen Betrachtung. Die Abhängigkeit des geschlechtsspezifischen Konsumverhaltens vom Alter sowie der unmittelbare Bezug zur Schichtzugehörigkeit und zu weiteren psychosozialen Komponenten mit Geschlechterspezifität erklären zum einen die mäßigen Erfolge bisheriger Antitabakstrategien auf Bevölkerungsebene und lassen zum anderen genderadäquate Vorgehensweisen sinnvoll erscheinen. Auf der individuellen Ebene geben geschlechterdivergente Aussteigerquoten bei geschlechtergleichen therapeutischen Interventionen Anlass, über sex- und genderangepasste Begleitmaßnahmen nachzudenken [74]. Voraussetzung für die erfolgreiche Prävention werden geschlechtersensible Zugangswege sein, die die unterschiedlichen Ausgangssituationen aufgreifen sowie den aktuellen Bedürfnissen und Anforderungen gerecht werden [75]. Dies erfordert auch auf Seiten der Anbieter eine Bereitschaft zur Erprobung neuer zielgruppenorientierter Strategien [76]. Nicht zuletzt muss die Evaluation von Präventions- und Schulungsprogrammen im Sinne eine Sex- und Gender-Based Analysis durchgeführt werden.
142
Richard Lux, Ulla Walter, Hannover
Darüber hinaus müssen in therapeutischer Hinsicht an die Geschlechterdivergenz und -konvergenz adaptierte Empfehlungen integraler Bestandteil der Behandlungs-Leitlinien für obstruktive Atemwegserkrankungen werden.
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Die Rolle der Psyche
Asthma und Psyche
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Asthma und Psyche Franz Petermann und Ulrike de Vries, Bremen
Bei Asthma bronchiale ist, wie auch bei anderen chronischen Erkrankungen, eine für den Krankheitsverlauf und die Prognose einflussnehmende und moderierende Beteiligung psychischer Prozesse unterschiedlicher Ausprägung einzubeziehen. Dabei können drei Aspekte der Erkrankung diesen Zusammenhang nahelegen: die Chronizität der Erkrankung, die Variabilität des Krankheitsverlaufs sowie die Spezifität der Symptomatik. Die Chronizität der Erkrankung bedeutet für den Patienten eine in der Regel lebenslange Auseinandersetzung mit Krankheit und Behandlungserfordernissen. Der Patient steht vor der Aufgabe, diese Anforderungen in sein Selbstbild zu integrieren. Hinzu kommen können Unsicherheiten bezüglich des Verlaufs und der Prognose der Krankheit. Hier spielen Einstellungen, individuelle Krankheits- und Behandlungskonzepte und Bewältigungsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle. Eine von variablen Krankheitsphasen geprägte Erkrankung wie Asthma kann als stetiger Stressor wahrgenommen werden, insbesondere dann, wenn der Patient sie als unkontrollierbar wahrnimmt. Schließlich ist die Symptomatik des Asthmas selbst, das Erleben von Asthmaanfällen, Luftnot, so beschaffen, dass sie eine elementare Funktion des Körpers betrifft und nicht nur subjektiv sondern auch objektiv lebensbedrohlich sein kann. Bei keiner anderen Erkrankung wurde in der Vergangenheit so beharrlich nach spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen der Betroffenen gesucht, die die Entstehungsbedingungen und Symptomatik der Erkrankung erklären halfen. Die Bemühungen um die Identifizierung einer spezifischen „Asthmapersönlichkeit“ hat eine Reihe formelhafter Erklärungen geliefert, die gleichermaßen eingängig und falsch bzw. inzwischen widerlegt sind. Die tradierte Annahme einer spezifischen Persönlichkeitsstruktur basiert auf einer irrtümlichen Interpretation der Untersuchungsergebnisse von French und Alexander [1] an 27 Patienten. Selbstverständlich finden sich auch in der Gruppe der Patienten mit Asthma, wie auch in der Gesamtbevölkerung, verschiedene Persönlichkeitsakzentuierungen, wie zum Beispiel ängstliche, dependente, unsichere Züge. Diese treten aber nicht regelhaft nur bei Asthmatikern auf. Sind sie jedoch vorhanden, können sie das Krankheitsmanagement ungünstig beeinflussen. Insbesondere das Erleben lebensbedrohlicher Atemnotzustände und eine ständige Angst vor erneuten Anfällen sind sicher in der Lage, Einfluss auf verschiedene Dimensionen des Verhaltens, der Einstellung und Kognitionen der Patienten zu nehmen. Die Frage nach dem Stellenwert psychischer Faktoren ist daher weniger eine akademische als eine rein pragmatische, da sie direkt das therapeutische Vorgehen bestimmt. Dabei führen präzisere Fragestellungen zu mehr Transparenz, beispielsweise welche Rolle psychische Faktoren wie Emotionen, Krankheitsakzeptanz, Bewältigungsstile, aber auch die Symptomwahrnehmung bei der Aufrechterhaltung der
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Franz Petermann, Ulrike de Vries, Bremen
Erkrankung spielen oder durch welche Mechanismen psychische Stimuli Asthmasymptome auslösen können. Es können drei Arten von psychischen Einflüssen betrachtet werden: Psychische Auslöser: Psychische Faktoren können im Rahmen eines multifaktoriellen Modells als Auslöser einer asthmatischen Reaktion angesehen werden, indem sie Endorphine aktivieren, die biologische Mediatoren in den Mastzellen stimulieren. Die asthmatische Reaktion erzeugt neue Affekte (z.B. Ängste), die im Rahmen von Rückkopplungsschleifen neue ungünstige Prozesse bewirken. Eine wichtige Verbindung zwischen psychischen Faktoren und einer Erhöhung des Bronchialmuskeltonus ist das vegetative Nervensystem. Emotionale Prozesse und Reaktionen können über das limbische System und anschließende Stimulierung des Vagus eine Bronchokonstriktion bewirken. Weiterhin kann dieses Reaktionsmuster auf immunologischem Weg passieren: Sowohl Stress als auch ein depressiver Zustand wirken über zentral gesteuerte adrenerge Systeme auf das Immunsystem ein. Im ersten pathogenetischen Strang sind Prozesse der klassischen Konditionierung denkbar. So kann es sein, dass ursprünglich neutrale, externe oder interne Reize in Anwesenheit von allergischen Reizen zu konditionierten Stimuli werden, welche dann die allergische Reaktion auch in Abwesenheit von Allergenen auslösen können. Dieser Mechanismus könnte die Vielzahl „psychogener“ Auslöser von Asthmaanfällen erklären. Aufrechterhaltende Bedingungen: Hierzu zählen beispielsweise bestimmte familiäre Interaktionsmuster, wie Überbehütung des asthmakranken Familienmitglieds oder dessen Nutzung eines sekundären Krankheitsgewinns. Zusätzlich können aber auch bestimmte Krankheitskonzepte, Wissensdefizite und Ängste des Patienten aufrechterhaltende Bedingungen für die Erkrankung sein. Psychosoziale Folgen: Hier können wesentliche Lebensbereiche des Patienten betroffen sein. Ursächlich sind Begleiterscheinungen der Erkrankung, der Behandlung, aber auch der Status des Erkrankten. So kann es, einhergehend mit der Abnahme der Lungenkapazität, zu einem Schwinden der physischen Leistungsfähigkeit und Aktivität im Alltagsleben kommen [2]. Zudem können auch psychische Probleme und emotionale Belastungen wie Ängste, berufliche und familiäre Beeinträchtigung der Partizipation und Integration und damit der Verlust an Lebensqualität als sekundäre Krankheitsfolgen hinzukommen. Die subjektiv empfundene Lebensqualität hat für Patienten häufig eine größere Bedeutung als körperliche Beeinträchtigungen. Die folgenden Aspekte nehmen bei allen drei genannten Dimensionen der psychischen Einflüsse eine mehr oder weniger entscheidende Rolle ein.
1
Asthma und Angst
Asthmatiker können krankheits- und behandlungsspezifische Ängste zeigen, die sich auf verschiedene Aspekte der Erkrankung beziehen und sich gegenseitig beeinflussen können, beispielsweise Prognoseängste oder Medikamentenängste. Zudem sind symptomspezifische Ängste, z.B. vor oder während eines Asthmaanfalls, weit verbreitet. Ist das Angstniveau generell oder in bestimmten Situationen (Auslöserkontakt, drohender Asthmaanfall) (zu) hoch, kann dies weitreichende negative Folgen für das Krankheitsmanagement bedeuten [3]. Ergebnisse aus der Interozeptionsforschung konnten Zusammenhänge zwischen der Qualität der Obstruktionswahrnehmung und Angst herstellen. Sehr ängstliche Asthmatiker tendieren zu einer Überschätzung, Patienten mit sehr nied-
Asthma und Psyche
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rigen Angstwerten zu einer Unterschätzung des tatsächlichen Obstruktionsgrades [4]. Beide Situationen sind für ein erfolgreiches Asthmamanagement gleichermaßen kontraproduktiv.
2
Symptomwahrnehmung und -bewertung
Die subjektive Beurteilung der Asthmasymptome durch den Patienten spielt für ihn und für den Behandler gleichermaßen eine entscheidende Rolle für Therapieentscheidungen, den Einsatz präventiver Maßnahmen und die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung. Für die Behandlung ausschlaggebend sind nicht nur objektive Befunde, wie Lungenfunktionsparameter, sondern auch die Asthmabeschwerden, die der Patient wahrnimmt und beschreibt. Häufig berichten Asthmatiker darüber, dass einer Verschlechterung der Erkrankung oder einem drohenden Atemnotanfall eine Reihe von eindeutigen Symptomen zeitlich voranging, wie z.B. das Auftreten von Atemgeräuschen, vermehrtes Husten. Die Kenntnis der individuellen Symptomatik im Falle einer Krankheitsverschlechterung und des individuellen Auslösermusters ist insbesondere beim variablen Charakter des Asthmas eine wertvolle Orientierungshilfe zur Vermeidung von Exazerbationen oder Asthmaanfällen In vielen Studien ist festgestellt worden, dass eine Korrelation zwischen subjektiver Bewertung der Beschwerden und objektiven Messbefunden (Lungenfunktionswerte) schwach bis nicht existent ist [5, 6]. Zusammenfassend stellen Dahme und Mitarbeiter [7] fest, dass bei Asthmakranken die Fähigkeit zur Obstruktionswahrnehmung extrem variiert. Diese Variationsbreite enthält sowohl „gute“ wie auch „schlechte“ Wahrnehmer, unter letzteren sogar Patienten mit bedeutsamen Wahrnehmungsdefiziten, die selbst eine schwerwiegende Obstruktion der Atemwege sehr spät oder gar nicht wahrnehmen (können). In einigen Untersuchungen wurde der Frage nachgegangen, ob und in welcher Weise die Wahrnehmung und Bewertung von Asthmasymptomen emotional moduliert werden. Janson und Mitarbeiter [8] fanden eine Korrelation zwischen Depression und Angst und berichteten Asthmasymptomen, andererseits wurde kein Zusammenhang zwischen diesen Gefühlszuständen und objektiven Messergebnissen gefunden. Beispielsweise berichteten Patienten mit zusätzlicher Panikstörung über mehr Atemnot als die Patienten ohne Panikstörung bei vergleichbaren klinischen Messparametern [9].
3
Krankheitsbewältigung
Der Einfluss von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen, wie beispielsweise der Bewältigungsstil, ist insbesondere bei Patienten untersucht worden, die eine lebensbedrohliche Asthmakrise erlebt hatten. So verglichen Barboni und Mitarbeiter [10] diese Patienten mit jenen, die niemals einen schweren Asthmaanfall hatten. Es konnten keine Unterschiede bezüglich psychologischer Variablen gefunden werden. Jedoch fand man bei den Patienten einen eher verleugnenden Bewältigungsstil. Die Patienten hatten frühe Anzeichen einer Verschlechterung der Erkrankung zwar wahrgenommen, sie aber ignoriert bis ein lebensbedrohlicher Anfall eingetreten war. Es bleibt jedoch unklar, ob die Patienten die Frühwarnzeichen zwar wahrgenommen, aber aktiv ignoriert hatten oder ob sie „schlechte“ Wahrnehmer waren. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass nicht nur die Wahrnehmung der Symptome eine Rolle spielt, sondern auch, welche Bedeutung der Patient ihnen zumisst. Ein Patient, der offensichtlich in der Lage ist, Frühwarnzeichen einer Verschlechterung bzw. eines drohenden Asthmaanfalls zu nennen (Wissensaspekt), kann diesen Symptomen dennoch eine geringe oder gar keine Bedeutung zumessen und
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Franz Petermann, Ulrike de Vries, Bremen
in der Folge auch wichtige Notfallmaßnahmen unterlassen [11]. Es ist daher möglich, die Ergebnisse aus der Interozeptionsforschung um diese spezifische Kategorie zu erweitern: neben „guten“ und „schlechten“ Wahrnehmern gibt es offensichtlich auch Patienten, die Symptome wahrnehmen, sie aber mehr oder weniger bewusst verleugnen und/oder nicht benennen können.
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Komorbidität
Es kann angenommen werden, dass ein substantieller Teil der Asthmakranken unter komorbiden psychischen Belastungen und Störungen leidet [12]. Patienten mit Asthma bronchiale weisen demnach in rund 41–52 % der Fälle eine affektive Störung bzw. eine Angststörung auf. In einer Studie von Lavoie et al. [13] litten 25 % der 406 Patienten unter Angststörungen, 12 % unter Panikstörung, 5 % unter Generalisierter Angststörung, 4 % unter sozialer Angst, 15 % unter Major Depression. Die Patienten mit psychischen Beeinträchtigungen wiesen eine signifikant schlechtere Asthmakontrolle und eine beeinträchtigte Lebensqualität auf. In einer Studie mit mehr als 7000 Patienten fanden Goodwin und Mitarbeiter [14] eine signifikant höhere Prävalenz klinisch manifester Angststörung im Vergleich zur Gesamtpopulation. Dabei wurden höhere Prävalenzen besonders bei Personen ermittelt, die in jüngster Vergangenheit (vergangene 4 Wochen, Gruppe a) eine schwere Asthmakrise erlebt hatten verglichen mit den Patienten, die jemals in ihrem Leben (Gruppe b) bzw. nie (Gruppe c) eine derartige Phase erlebten. Das Risiko für Panikstörungen lag bei OR 4.61 (Gruppe a) und OR 2.61 (Gruppe b). Bei Patienten, die niemals eine schwere Krise erlebten, lag kein größeres Risiko für Panikattacken, Generalisierte Angststörung (GAS), spezifische und soziale Phobie vor. Jedoch gab es für einige dieser Störungen erhöhte Risikowerte bei Patienten, die in jüngster Vergangenheit eine schwere Asthmakrise erlebten. Generalisierte Angststörung entwickelten häufiger die Patienten, die in der Vergangenheit eine Asthmaexazerbation erlebten. Auch jenseits der Störungsschwelle sind Angst und Panik schlechte Begleiter für das Krankheitsmanagement des Patienten. Sie können die Erkrankung und damit die Prognose direkt beeinträchtigen (z.B. durch Hyperventilation bei Panikattacken) oder indirekt durch das ängstliche Verhalten des Patienten (Über- oder Unterdosierung der Medikamente, geringe Erwartung an Selbstkontrollfähigkeit, Lebensqualität). Die weitreichenden psychosozialen Folgen und begleitenden Aspekte des Asthmas betreffen alle, für die Patienten oft wesentlichen Lebensbereiche. Daher kann es sinnvoll sein, die Behandlung auf diesen systemischen Ansatz auszurichten, das heißt, nicht „das Asthma“ sondern „den Patienten mit Asthma“ zu behandeln.
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COPD und Psyche
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COPD und Psyche Jürgen Fischer, Norderney
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Depression
In der ICD-10-GM-Klassifikation, Version 2007, werden die depressiven Episoden nach den typischen Symptomen in leichte (F32.0), mittelgradige (F32.1) und schwere (F32.2 und F32.3) klassifiziert. Die beklagten Hauptsymptome sind depressive Stimmung (ungleich Trauer), Interessensverlust, Freudlosigkeit und Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit. Als Zusatzsymptome werden verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühl von Schuld/Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken oder -handlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit angegeben. Die Schweregrade der Depression werden mit leicht: 2 Hauptsymptome + 2 Zusatzsymptome, mittelgradig: 2 Hauptsymptome + 3–4 Zusatzsymptome und schwer: 3 Hauptsymptome + 4 oder mehr Zusatzsymptome beurteilt, wobei der Verlauf über 2 Wochen und länger anhalten muss.
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Angststörung
Die zweite häufig vorkommende psychische Störung ist die Angststörung. Bei den sogenannten phobischen Störungen handelt es sich um eine Gruppe von Störungen, bei der Angst ausschließlich oder überwiegend durch eindeutig definierte, eigentlich ungefährliche Situationen hervorgerufen wird. In der Folge werden diese Situationen typischerweise vermieden oder mit Furcht ertragen. Die Befürchtungen des Patienten können sich
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Jürgen Fischer, Norderney
auf Einzelsymptome wie Herzklopfen oder Schwächegefühl beziehen, häufig gemeinsam mit sekundären Ängsten vor dem Sterben, Kontrollverlust oder dem Gefühl, wahnsinnig zu werden. Allein die Vorstellung, dass die phobische Situation eintreten könnte, erzeugt meist schon Erwartungsangst. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Angststörungen, von denen die Menschen im Laufe ihres Lebens unterschiedlich betroffen sein können. Eine soziale Phobie (F40.1) kommt bei 11 %, eine spezifische Phobie (F40.2) bei 9 %, Agoraphobie (F40.0) oder generalisierte Angststörungen (F41.1) bei jeweils 5 %, Panikstörungen (F41.0) bei 4 % und eine gemischte Depression/Angst bei etwa 1 % vor. Von klinischer Bedeutung sind die bei Panikattacken auftretenden Begleitsymptome wie Tremor, Palpitationen, Schweißausbrüche, Thoraxschmerzen, Herzbeschwerden oder Atembeschwerden. Etwa 10 % der in einer Allgemeinpraxis behandelten Patienten weisen eine behandlungsbedürftige Angststörung auf [2], wobei etwa 50 % erkannt werden und nur 40 % irgendeiner Behandlung zugeführt werden. Zur Diagnostik steht eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung. Neben dem Beck’schen Depressions- und Angstinventar [3, 4] eignet sich besonders die Hospital Anxiety and Depression Scale [5] als Instrumentarium sowohl für die Depression als auch die Angststörung.
3
Komorbidität von psychischen Störungen und COPD
Die Prävalenz einer Komorbidität von psychischen Störungen und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen ist in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben. In einer kürzlich erschienenen telefonischen Umfrage von Kunik et. al [6] bei 1334 Armee-Veteranen mit Atemwegsproblemen hatten 1067 positive Reaktionen bei Angst und/oder Depressionen. Bei 204 Patienten wurde mit einem spirometrischen Test eine COPD diagnostiziert. Hiervon wiesen 12 % eine Depression, 23 % eine Angststörung und 26 % sowohl Angst als auch Depression gemeinsam auf. Nur 39 % der Untersuchten hatten keinerlei psychische Störung. Erstaunlich war, dass nur 31 % der betroffenen Patienten wegen ihrer Depression oder Angststörung behandelt wurden. Mikkelsen et. al [7] publizierten eine Übersichtsarbeit, in der sich Prävalenzen für Depression von 2–57 % und für Angststörungen von 2–50 % ergaben. Bei 3 der größten kontrollierten Studien fand sich für Depression eine Prävalenz von 57 % [8] bzw. von 42 % für Depression und 18 % für Angststörung [9] und bei Dowson et. al [10] von 28 % für Depression und 50 % für Angststörung. Die zum Teil sehr großen Unterschiede in der Prävalenz sind im Wesentlichen auf die Verwendung unterschiedlicher Instrumentarien zur Diagnosestellung zurückzuführen. In einer eigenen Studie an 200 COPD-Patienten, die an einer Rehabilitationsmaßnahme der Deutschen Rentenversicherung teilnahmen, wurde der IRES-Fragebogen zu Gesundheit und Leistungsfähigkeit [11] eingesetzt. Es zeigte sich, dass die Dimension der vitalen Erschöpfung bei 62 % der Patienten auffällig oder extrem auffällig gegenüber einer Normalpopulation war. In den Dimensionen Depressivität waren 53 %, mit Schlafstörungen 52 % und mit Ängstlichkeit 49 % der Patienten auffällig oder extrem auffällig gegenüber der Normalpopulation. Für das Ausmaß der obstruktiven Ventilationsstörung, gemessen an der Einsekundenkapazität gegenüber dem alters-, größen- und geschlechtsabhängigen Sollwert (FEV1 % Soll), ergab sich kein Zusammenhang zum Ausmaß der psychischen Störung.
COPD und Psyche
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Tabelle 1. Ursachen psychischer Störungen bei COPD • • • • • • • •
Nikotinabhängigkeit eigenständige psychiatrische Krankheit Hypoxämie Hyperkapnie Atemnot Schlafstörungen Einschränkung der Belastbarkeit und Mobilität Vereinsamung
Als mögliche Ursache von psychischen Störungen bei der COPD werden in einer Übersicht von Steinkamp et. al [2] verschiedene Faktoren diskutiert (Tabelle 1). Andererseits konnten verschiedene signifikante Prädiktoren mit Einfluss auf den Krankheitsverlauf der COPD im Sinne einer Hospitalisierung ermittelt werden [9]. Im Rahmen einer multiplen Regressionsanalyse konnten sie zeigen, dass neben einer verminderten Alltagsaktivität mit einer Erklärung der Varianz von 5 %, die Angst mit 4 %, der BMI mit 2 % sowie der Raucherstatus mit 1,4 % als Anteil an der Erklärung der Varianz beteiligt sind.
mangelnde körperliche Leisungsfähigkeit
COPD
Abb. 1.
Atemnot
Immobilität
Depression
soziale Isolation
nach Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), Update 2003, www.GOLDcopd.com
Sowohl in der GOLD-Leitlinie [12] als auch der Leitlinie der Atemwegsliga wird der Teufelskreis zwischen COPD und psychosozialen Folgen dargestellt (Abb. 1). In den Empfehlungen dieser Leitlinie wird der kurzzeitigen Psychotherapie allerdings nur der Status einer Expertenmeinung zugewiesen. Dennoch gibt es nach einer aktuellen Übersichtsarbeit von Brenes [13] Hinweise dafür, dass z.B. durch kognitive Verhaltenstherapie und/oder Entspannungsverfahren Ängste und Depression signifikant reduziert werden. Das Anxiolytikum Buspiron und die Antidepressiva Nortryptilin und Sertralin konnten Angst und Depression bei COPD-Patienten ebenfalls reduzieren. Allerdings handelte es sich bei allen Studien um relativ geringe Fallzahlen von 7–30 Patienten, zum Teil auch
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Jürgen Fischer, Norderney
ohne Kontrollkollektiv. Auch für die aus verschiedenen Komponenten bestehende pneumologische Rehabilitation konnten Erfolge in der Reduzierung der Ängstlichkeit gezeigt werden. In der pneumologischen Rehabilitation sollten in Abhängigkeit von den individuellen psychosozialen Therapiezielen des Patienten, wie Verminderung der Ängstlichkeit, Optimierung der Krankheitsbewältigung, Verbesserung des Selbstwertgefühles, Verbesserung der sozialen und beruflichen Integration, die erforderlichen verhaltens- oder psychotherapeutischen Maßnahmen eingesetzt werden. Nichtrauchertraining, Stressbewältigung, Erlernen des Umgangs mit der Erkrankung, Überwindung von Angst- und Panikzuständen, Verbesserung der Sozialintegration, Stärkung des Selbstbewusstseins kommen in Einzel- oder Gruppentherapie zur Anwendung. Ebenso ist das Erlernen von Entspannungsverfahren, wie z. B. der Progressiven Muskelrelaxation oder das Autogene Training hilfreich. Ergänzend im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes der pneumologischen Rehabilitation wird in Abhängigkeit von zusätzlich bestehenden somatischen, funktionalen oder edukativen Therapiezielen ein individuell, den Erfordernissen angepasstes therapeutisches Programm durchgeführt [14]. Garuti et. al [15] konnten bei 149 Patienten mit einem individuell abgestimmten Rehabilitationsprogramm sowohl für die Angst als auch für die Depression und die Lebensqualität signifikante Verbesserungen bei allen Schweregraden der COPD aufzeigen. Der Teufelskreis von körperlichen Symptomen, psychischen Symptomen und verminderter Lebensqualität bei COPD muss unterbrochen werden. Bei den vielen Patienten mit COPD, bei denen zusätzlich Depressionen oder Angststörungen vorliegen, die auch noch einen ungünstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf der COPD haben, muss möglichst frühzeitig die Diagnostik und Therapie sowohl der COPD als auch der psychischen Störungen einsetzen. Die pneumologische Rehabilitation ist hierzu aufgrund ihres mehrdimensionalen Therapieansatzes besonders geeignet.
Literatur 1. Gesundheitsberichterstattung Robert-Koch-Institut (2004) Themenheft „Angststörungen“ 2. Steinkamp, G., Dierkesmann, R., Gillissen, A., Lindner, M. et al. (2005), COPD und Psyche – ein Überblick, Pneumologie, 59, 814–830 3. Beck A.T., Epstein N., Brown, G., Steer R.A. (1988), An inventory for measuring clinical anxiety: psychometric properties, Consult Clin. Psychol. 56, 893–7 4. Beck, A.T., Steer, R.A., Braun, G.K. (2006), BDI–II, Beck-Depressionsinventar, Hogrefe Verlag Testzentrale 5. Herrmann-Lingen, Ch., Buss, U., Snaith, R.P. (1995), Hospital Anxiety and Depression Scale – Deutsche Version (HADS-D), Hogrefe Verlag Testzentrale 6. Kunik, M.E., Roundy, K., Veazy, C., Soudek, J. et al. (2005), Surprisingly high prevalence of anxiety and depression in chronic breathing disorders, Chest 127,1205–1211 7. Mikkelsen, R.L., Middelboe, T., Pisinger, C. et al. (2004), „Anxiety and depression in patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD), A review, Nord J Psychiatry 58, 65–70 8. Lacasse, Y., Rousseau, L., Maltais, F. (2001), prevalence of depressive symptoms and depression in patients with severe oxygen-dependent chronic obstructive pulmonary disease, J Cardiopulm Rehabil 21, 80–86
COPD und Psyche
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9. Yohannes, A.M., Baldwin, R.C., Connolly, M. J. (2000), Depression and anxiety in elderly outpatients with chronic obstructive pulmonary disease: prevalence and validaton of the BASDEC screening questionnaire, Int. J Geriatr Psychiatry 15, 1090–1096 10. Dowson, C.A., Town, G.I., Frampton, C. et al. (2004), Psychopathology and illness beliefs influence COPD self-management, J Psychosom Res 56, 333–340 11. Gerdes, N. und Jäckel, W.H. (1995), Der IRES-Fragebogen für Klinik und Forschung, Die Rehabilitation 34, XIII–XXIV 12. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease, Global strategy for the diagnosis, management end prevention of chronic obstructive pulmonary disease (2003), Updated 2003, NHLBi/WHO Workshop Report, Executive Summary, National Institutes of Health, National Heart, Lung and Blood Institute, World Health Organisation 13. Brenes, G.A. (2003) Anxiety and chronic obstructive pulmonary disease: prevalence, impact and treatment, Psychosom Med 65, 963–970 14. Fischer, J., Schnabel, M., Sitter, H. (2007), Rehabilitation von Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW), Pneumologie 61, 233–248 15. Garuti, G., Cillione C., Dell’Orso D. et al. (2003), Impact of comprehensive pulmonary rehabilitation on anxiety and depression in hospitalized COPD patients, Monaldi Arch Chest Dis 59, 56–61
Asthma, COPD, Partnerschaft und Sexualität
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Asthma, COPD, Partnerschaft und Sexualität Jürg Hamacher, Homburg, Thomas Linnemann, Homburg, Magnus Baumhäkel, Homburg, Kathrin Bernardy, Blieskastel und Bernd Schönhofer, Hannover
1
Zusammenfassung
Jede schwere chronische Erkrankung hat bedeutenden Einfluss auf das Individuum und das psychosoziale Umfeld Partnerschaft, Familie, Arbeitsfeld und Freundeskreis. Eine gute, kommunikative und sich der Situation ko-evolutiv anpassende Partnerschaft kann Grundlage der Verarbeitung von Krankheiten wie COPD oder Asthma sein. Gut behandelbares anstrengungsinduziertes Asthma steht bezüglich Sexualität für Asthmatiker im Vordergrund. Luftnot, Husten, motorische Schwäche und die Einschränkung der körperlichen Mobilität sind Ursachen für die Abnahme der sexuellen Aktivität der Patienten mit COPD. Sexualität sollte besonders bei chronisch Kranken mit physischer Limitierung nicht leistungsorientiert sein und kann beiden Partnern Erfüllung, Selbstsicherheit und Lebensqualität bieten. Basis jeglichen Erkennens ist das von Patienten mit chronischen Krankheiten gewünschte Ansprechen jedes Patienten auf allfällige sexuelle Probleme: mehr als 90 % der Männer mit kardiologischen Erkrankungen wünschen dies, und bei ganz wenigen Patienten (meist weniger als 5 %) wird dies durchgeführt. Unter optimaler Kommunikation aller Beteiligten sowie der Anwendung optimaler medikamentöser und rehabilitativer Therapie ist es auch dem Patienten mit einer schwergradigen Lungenerkrankung möglich, sexuell aktiv zu sein und limitierende Ängste abzubauen.
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Partnerschaft und Sexualität
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) wird erlebt als weitgehend irreversibles Geschehen mit einer Progredienz und möglichen akuten Exazerbationen bzw. Komplikationen, welche im individuellen Fall kaum voraussehbar sind. Es kommt bei schwerer COPD relativ häufig zu Angststörung, Depression, emotionaler Labilität oder Reizbarkeit. Die Krankheit vermindert Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl und belastet Partnerschaft und Familie. Chronische Krankheit bewirkt oft, dass die Persönlichkeitsentwicklungen zweier Partner nicht synchron verlaufen und dass es somit besonders schwierig sein kann, sich ko-evolutiv aufeinander abzustimmen. Das Ungleichgewicht nimmt weiter zu, wenn der bisher aktivere Part der Beziehung betroffen ist und dem bisher eher zurückhaltenden Partner die dominierende Funktion zukommt. Eine Arbeit zeigt, dass neben 38 % der Patienten, die die Abhängigkeit von ihrem Partner als negativ beurteilten, 40 % der Patienten angaben, dass sich die eigene Krankheit positiv auf die
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J. Hamacher, T. Linnemann, M. Baumhäkel, K. Bernardy, B. Schönhofer
Beziehung ausgewirkt habe [1]. Dieser positive Effekt dürfte Ausdruck nicht nur des SichZurechtfindens beider Partner mit der neuen – und oft objektiv schwierigeren – Lebenssituation, sondern teils auch eines Gewinnes in zentralen Dimensionen der Beziehung zueinander sein. Sexualität stellt einen integralen Bestandteil des menschlichen Lebens dar. Sex im Sinne des rein biologischen Aktes, Erotik als sinnliche Erfahrung und Sexualität als essentieller Bestandteil biologischen Überlebens genauso wie menschlicher Kultur sind untrennbar verknüpft. Auch wenn sexuelle Aktivität physiologisch im höheren Alter abnimmt, begleitet Sexualität den Menschen lebenslang. Wir Menschen denken relativ alters- und krankheitsunabhängig täglich fünf bis zehn Mal an Sexualität, und Libido bleibt meist auch bei schwerer Krankheit wie COPD erhalten. Epidemiologische Hinweise auf den gesundheitsprotektiven Charakter von sexueller Aktivität bestehen. Die Fehlmeinung, dass Sexualität für chronisch Kranke kaum oder überhaupt nicht von Bedeutung sei, basiert auf dem Vorurteil, dass es im höheren Alter keine erfüllte Sexualität gäbe. Die Atmung nimmt bei sexueller Erregung eine zentrale Rolle ein. Kardiorespiratorische Erkrankungen haben entsprechend einen wichtigen Einfluss auf das sexuelle Erleben.
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Sexualität im Alter und bei chronischer Krankheit
Mit zunehmendem Alter nehmen individuell verschieden die sexuelle Aktivität und sexuelle Phantasie ab, und sexuelle Dysfunktion wird prävalenter. Sexuelle Aktivität im Alter wird meist unterschätzt. Es zeigt sich, dass sexuell aktive Senioren körperlich leistungsfähiger sind, sich jünger fühlen und ein generell besseres Lebensgefühl haben. Knapp ein Viertel der Achtzigjährigen hat regelmäßig Geschlechtsverkehr. Auch bei Heimbewohnern ist bei der Mehrheit von männlichen Heimbewohnern Interesse an sexueller Aktivität vorhanden, vor allem in fester Beziehung. Mit zunehmendem Alter steigt der Mangel an potentiellen Sexualpartnern infolge des oft früheren Todes von Partnern. Im Alter und durch kardiovaskuläre Risikofakturen wie Diabetes mellitus, Rauchen, Hypercholesterinämie oder arterieller Hypertonie steigt die Prävalenz der erektilen Dysfunktion. Die durch die Risikofaktoren verursachte endotheliale Dysfunktion vermindert die erektile Funktion durch verminderte NO-Synthese. Sexuelle Dysfunktion im Alter ist somit meist keine eigenständige Erkrankung, sondern Ausdruck einer generalisierten Atherosklerose. Dabei wird die erektile Dysfunktion bereits mehrere Jahre vor einem kardiovaskulären Ereignis wie einem Herzinfarkt oder Schlaganfall manifest [2]. Hieraus ergeben sich präventive Optionen.
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Sexualität bei Asthmapatienten
Anstrengungsinduzierte Asthmabeschwerden beschreiben bis 70 % der Asthmatikerinnen und Asthmatiker, betreffen oft das Sexualleben und sind zumeist Ausdruck einer Unterbehandlung. Postkoitales Asthma und Rhinitis könnten auch zusätzlich Ausdruck einer autonomen Imbalance sein. Zur größtmöglichen Compliance sind optimale Information und einfache Therapieschemata zum Selbstmanagement im Vordergrund. Latexallergie verunmöglicht den Gebrauch latexhaltiger Kondome; Kreuzallergien z. B. mit Avocados, Bananen, Kiwi, Sellerie, Tomaten und Birkenfeigen sind bekannt. Durch mit der Samen- bzw. Vaginalflüssigkeit übertragene Allergene sind Reaktionen inkl. Asthma auf Walnüsse, Vinblastin, Thioridazin, Betalactame und Cotrimoxazol beschrieben.
Asthma, COPD, Partnerschaft und Sexualität
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Sexualität bei Patienten mit COPD
Bei Lungenkranken, deren Leitsymptom Dyspnoe ist, kann es durch körperliche Überlastung zur Beeinträchtigung der Sexualität kommen. Nach subjektiver Einschätzung führt die Lungenkrankheit bei 80 % der chronisch Lungenkranken physisch bedingt zur Beeinträchtigung der Sexualität [1]. Mit der sexuellen Stimulation geht eine energieverbrauchende kardiopulmonale Belastungssteigerung mit Zunahme von Atemzug und Atemfrequenz einher. Der Energieverbrauch physischer Aktivitätsniveaus wurde mit Hilfe metabolischer Äquivalente („metabolic equivalents“: 1 Met = Sauerstoffverbrauch/kg Körpergewicht/Minute in Ruhe) definiert, die auf alltägliche Aktivitäten bezogen werden und sich definitionsgemäß als 1 Met auf den Ruhezustand beziehen. Dabei soll die Spitze des Energie- und Sauerstoff verbrauchs beim Geschlechtsverkehr beim Gesunden zwischen 4.7 und 5.5 Met liegen, was dem Ersteigen zweier Stockwerke innerhalb einer Minute entspricht; Selbstbefriedigung mit Orgasmus oder eine nicht-koitale Stimulation mit Orgasmus gehen mit ca. 2 Met einher. Zudem wird die Atemarbeit bei Sexualität sehr verschieden wahrgenommen, z.B. bei Geschlechtsverkehr with man on top für männliche Partner 2.0 bis 5.4 Met. With woman on top ist deutlich weniger belastend, und beide Aktivitäten sind anstrengender als nichtkoitale Stimulationen. Dies weist darauf hin, wie wichtig der Leitsatz „Taking stress out of intercourse“ ist und wie zentral die Kommunikation des Paares und mit dem Arzt und positive Einstellung zu einer Problemlösung sein dürften. Bei fehlenden Hinweisen auf eine kardiale Komorbidität sollte die völlig überschätzte Angst des Todes durch Sexualität und die Sicherheit körperlicher Anstrengung und körperlichen Trainings ein Gesprächsthema sein. Bei COPD kann zudem infolge Versagensangst, verminderten Selbstbewusstseins, Autonomieverlustes und Depression psychogene Impotenz auftreten. Die Inzidenz der erektilen Dysfunktion bei COPD liegt populationsabhängig bei 18–30 %. Neue Daten existieren von 60 türkischen Männern (mittl. Alter 63 [SD 7] Jahre) mit mehrheitlich schwerer oder sehr schwerer COPD [3]. Die normale Libido bei über 90 % der Patienten und die in allen GOLD-Gruppen vorhandene Geschlechtsverkehrfrequenz zwischen 1 und 1,8 pro Woche weisen auf ein aktives Sexualleben hin. Die erektile Dysfunktion war nur schwach mit dem Schweregrad der COPD assoziiert. Zusammenfassend zeigt die Studie den Erhalt der Libido und der sexuellen Aktivität über alle COPD-Stadien hinweg. Eine Arbeit befasste sich damit, wie Partnerinnen von COPD-Patienten in ihrer Sexualität betroffen sind. Insbesondere die gute Kommunikation in der Beziehung ist ein entscheidender Faktor für die Zufriedenheit in der Partnerschaft. Ein Teil der Patientinnen betrachtet die eingeschränkte oder fehlende Sexualität nicht als belastend. Ein Teil der Partnerinnen hat Angst vor der Zumutung einer körperlichen Belastung des Partners. Dieser wichtige Punkt dürfte durch ein Zurückgewinnen von Selbstvertrauen wie auch Vertrauen des Partners in die relativ große Sicherheit körperlicher Belastung bei alleiniger COPD z. B. durch Rehabilitationsmaßnahmen sinnvoll beeinflussbar sein. Eine bedeutende sexuelle Unzufriedenheit der Partnerinnen besteht, die zwischen Patientenpartner und Arzt unzureichend kommuniziert wird [4] und den Diskussionsbedarf verdeutlicht.
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J. Hamacher, T. Linnemann, M. Baumhäkel, K. Bernardy, B. Schönhofer
Verhalten des Arztes
Basis jeglichen Erkennens ist das von Patienten mit chronischen Krankheiten gewünschte Ansprechen jedes Patienten auf allfällige sexuelle Probleme: mehr als 90 % der Männer mit chronischen Erkrankungen wünschen dies, und bei ganz wenigen Patienten (meist weniger als 5 %) wird dies, eventuell mit dem Einbezug des Partners, durchgeführt. „Eine beträchtliche Anzahl von Patienten mit Ihrer Krankheit COPD hat Ängste und Sorgen zum Thema Sexualität. Wir können gerne über die Sexualität jetzt reden, falls Sie es wünschen, oder wir können auch einen Gesprächstermin vereinbaren, um darüber – gegebenenfalls gemeinsam mit Ihrem Partner – ausführlich zu sprechen“ ist das Beispiel des Beginns eines Gesprächs. Jeder im Bereich „Sexualität“ tätige Therapeut soll bei Bedarf Hilfe (Supervision im Team, Balint-Gruppe) in Anspruch nehmen. Sexualverhalten des Patienten soll akzeptiert und keinesfalls negativ bewertet werden.
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Therapeutische Strategien
Keine medikamentöse Intervention hat so viel therapeutisches Potential wie die Rehabilitation des Patienten. Der Patient mit schwerer COPD erfährt im holistischen Rehabilitationsrahmen zusammen mit seinem Partner, dass körperliche Anstrengung zu Atemnot führt, diese aber weder im Ausdauertraining, noch beim Sexualverkehr bedrohlich ist. Bei Patienten mit Asthma oder COPD ist die optimale Medikation Grundvoraussetzung für die adäquate sexuelle Aktivität. Pharmakologisch haben sich Sildenafil, Alternativen oder die Testosteronsupplementation bewährt. Phosphodiesterase-V (PDE-V)-Inhibitoren wie Sildenafil können bei COPD-Patienten mit obstruktivem Schlafapnoesyndrom zu verstärkten Apnoen führen: Die NO-Freisetzung im Naso-Pharynx relaxiert die pharyngeale Muskulatur mit entsprechender Apnoe-Aggravierung, zudem ist eine Nasenschleimhautschwellung typische Nebenwirkung der PDE-V-Inhibitoren. COPD-Patienten mit nachgewiesener O2-Entsättigung bei Belastung sollten O2 während des Geschlechtsverkehrs benützen. Eine bessere Oxygenierung wird erreicht, das Atemminutenvolumen und damit die Atemarbeit reduziert. Bei chronischer ventilatorischer Insuffizienz kann die nicht-invasive Ventilation (NIV) indiziert sein [5]. Etwa ein Drittel der Patienten mit NIV ist sexuell aktiv. Eine dynamisch adaptierte maschinelle Unterstützung, um dem steigenden Ventilationsbedarf adäquat zu realisieren, kann hilfreich sein [5]. Da Sexualität auf den Partner bezogen ist, sollten ausführliche Gespräche im Sinne der Paartherapie mit Patient und gesundem Partner geführt werden. Die Themen müssen sich möglichst auf praktische Inhalte beziehen. Bedingungen der Räumlichkeiten wie angenehme Temperatur (d. h. nicht zu warm) und Luftfeuchtigkeit im Schlafzimmer sollen den Bedürfnissen des kranken Partners angepasst sein. Der optimale Zeitpunkt im Laufe des Tages inkl. maximaler Bronchodilatation sollte bedacht werden. Opulente Mahlzeiten und Alkoholkonsum sind zu vermeiden. Atemtechniken wie „Lippenbremse“ können hilfreich sein. „Taking stress out of intercourse“: Der Patient sollte während des Geschlechtsverkehrs eine möglichst passive Position einnehmen und der gesunde Partner die aktive Rolle.
Asthma, COPD, Partnerschaft und Sexualität
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Alternativen zum Geschlechtsverkehr mit möglichst geringem Energieverbrauch, wie z.B. manuelle Techniken, sind oft hilfreich. Adipöse haben in Rückenlage vermehrte inspiratorische Atemarbeit zu leisten; Sitzen oder seitliche Lage sind weniger anstrengend.
Literatur 1. Hanson EI. 1982. Effects of chronic lung disease on life in general and on sexuality: perceptions of adult patients. Heart Lung 11:435–441. 2. Baumhäkel, M., Böhm, M 2007. Erectile dysfunction correlates with left ventricular function and precedes cardiovascular events in cardiovascular high-risk patients. Int J Clin Prac 61:361–3668. 3. Koseoglu N, Koseoglu H, Ceylan E, Cimrin HA, Ozalevli S, Esen A. 2005. Erectile dysfunction prevalence and sexual function status in patients with chronic obstructive pulmonary disease. J Urol 174:249–252. 4. Ibanez M, Aguilar JJ, Maderal MA, Prats E, Farrero E, Font A, Escarrabill J. 2001. Sexuality in chronic respiratory failure: coincidences and divergences between patient and primary caregiver. Respir Med 95:975–979. 5. Schönhofer B, Von Sydow K, Bucher T, Nietsch M, Suchi S, Köhler D, Jones PW. 2001. Sexuality in patients with noninvasive mechanical ventilation due to chronic respiratory failure. Am J Respir Crit Care Med 164:1612–1617.
IV
Diagnostik und Früherkennung
Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Erwachsenen
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Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Erwachsenen Karl-Christian Bergmann, Berlin
Die Diagnose Asthma bronchiale basiert auf der für die Erkrankung typischen Anamnese und dem Bestehen charakteristischer Symptome sowie dem Nachweis einer reversiblen Atemwegsobstruktion oder einer bronchialen Hyperreaktivität.
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Die Anamnese
Patienten mit Asthma klagen über Atemnot und/oder einen trockenen Husten; falls Auswurf besteht, so ist dieser zäh und klar. Die Beschwerden treten meist plötzlich, anfallsartig auf, insbesondere bei körperlicher Belastung, Infekten der Atemwege, kalter und feuchter Luft, Rauch- und Staubexposition. Typisch für Asthma sind morgendliche Beschwerden („Morgentief “) mit Husten und Druck auf dem Thorax. Die Beschwerden sind umso stärker bzw. werden bei umso geringeren Anlässen ausgelöst, je stärker die Überempfindlichkeit der Bronchien ist. Dann kann schon aus einem Lachen heraus ein Husten entstehen. Da die Stärke der bronchialen Überempfindlichkeit Schwankungen unterworfen ist, sind die empfundenen Beschwerden wechselnd stark. Manche Patienten gewöhnen sich an ihre eingeschränkte Lungenfunktion, andere sind sehr empfindlich. In der Anamnese kann eine Häufung von Asthma in der Familie festgestellt werden, da das Auftreten von Asthma einen genetischen Hintergrund hat. Beachtet werden muss in der Anamnese auch der mögliche Zusammenhang asthmatischer Beschwerden mit dem Beruf, der Tätigkeit, einem Hobby oder aber der Einnahme von Medikamenten. Betablocker, auch als Augentropfen, nichtsteroidale Antiphlogistika und ACE-Hemmer können zu einem trockenen Husten führen. Eine gastroösophageale Refluxkrankheit, die meist, aber nicht immer mit Sodbrennen, nächtlichen Refluxsymptomen und/oder einem retrosternalen Brennen verbunden ist, kann ebenfalls zu asthma-ähnlichem Husten führen. Häufig tritt diese Form von Husten auffälligerweise überwiegend im Liegen zu jeder Tageszeit auf und ist so zu erkennen. Anamnestisch zu berücksichtigende Faktoren sind: • wiederholtes Auftreten anfallsartiger, oft auch nächtlicher/morgendlicher Atemnot und/oder trockenem Husten
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Karl-Christian Bergmann, Berlin
• positive Familienanamnese • jahreszeitliche Variabilität der Symptome • berufs-, tätigkeits- und umgebungsbezogenen Auslöser von Atemnot bzw. Husten
2
Die körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung beinhaltet die Inspektion, Perkussion und Auskultation des Patienten. Die Inspektion des Brustkorbs kann eine stark abgeflachte Form, eine Trichterbrust oder auch einen „Emphysemthorax“ darstellen; hier wird ein horizontaler Verlauf der Rippen auffällig. Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel sind Hinweise auf eine bereits chronische Atemwegserkrankung. Bei deutlich eingeschränkter Atmung wird der Einsatz der Atemhilfsmuskulatur beim Sitzen deutlich. Die Perkussion gibt einen Hinweis auf die Höhe des Zwerchfells und deren Verschieblichkeit, die Stärke des Klopfschalls steht in Korrelation mit einer Überblähung des Thorax. Die Auskultation ist eine wichtige Untersuchungsmethode beim Asthma. Insbesondere das Hören von ziehenden, „giemenden“ Geräuschen bei der Ausatmung ist charakteristisch für das Asthma; bei der obstruktiven Bronchitis sind Atemgeräusche eher bei der Inspiration hörbar. Das „Giemen“ kann von den Patienten mit Asthma auch beschrieben werden, im Asthmaanfall ist es fast immer auch ohne Stethoskop hörbar.
3
Die Lungenfunktionsprüfung
Die Prüfung der Lungenfunktion, insbesondere der Ventilation, ist von überragender Bedeutung bei der Diagnosestellung Asthma. Sie wird auch als „Goldstandard“ in der Diagnostik von Atemwegserkrankungen bezeichnet, da ohne eine Lungenfunktionsprüfung keine sichere Diagnose einer Atemwegs- oder Lungenkrankheit zu stellen ist. Die Basisdiagnostik der Lungenfunktionsprüfung für die Diagnose Asthma soll erfassen oder ausschließen: • das Vorliegen und die Quantifizierung einer Verengung der Atemwege, d.h. die Atemwegsobstruktion • das Bestehen einer Reversibilität der Obstruktion • das Ausmaß der Variabilität der Atemwegsobstruktion Durch diese drei Parameter wird die Diagnose Asthma gestützt, und sie dienen der differentialdiagnostischen Abgrenzung von anderen Atemwegserkrankungen; sie sind weiterhin wichtig für die Therapie- und Verlaufskontrolle. Die Basisdiagnostik kann durchgeführt werden mit • der Spirometrie in der Arztpraxis • der Peak-Flow-Metrie als Eigenmessung durch den Patienten
Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Erwachsenen
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Die Spirometrie: Sie ist die einfachste Form der Erfassung der ventilatorischen Parameter, insbesondere von: • Einsekundenkapazität oder Forciertes exspiratorisches Volumen in der 1. Sekunde (FEV1), auch Sekundenluft genannt • Vitalkapazität (VK), das ist die Luftmenge, die bei schneller Ausatmung als forcierte Vitalkapazität (FVK) ausgeatmet werden kann oder die Luftmenge, die bei langsamer Einatmung eingeatmet wird (inspiratorische Vitalkapazität, IVK) • Peak-Exspiratory-Flow (PEF). Das ist der maximale exspiratorische Spitzenfluss bei forcierter Ausatmung nach maximaler Einatmung • MEF75, MEF50 und MEF25. Das ist der maximale exspiratorische Fluss bei noch 75 %, 50 % oder 25 % auszuatmender Vitalkapazität. • MIF50. Das ist der maximale inspiratorische Fluss bei forcierter Einatmung bei noch 50 % einzuatmender Vitalkapazität Bei der Darstellung der spirometrischen Werte werden nicht nur diese sondern auch die sog. Fluss-Volumenkurve ausgedruckt, die für die Beurteilung der vorliegenden Atemwegsobstruktion oder einer Restriktion von besonderer Bedeutung ist. Aus der Form der Fluss-Volumenkurve sind vom Geübten „auf einen Blick“ krankheitstypische Befunde erkennbar. Die Durchführung einer Spirometrie in guter Qualität verlangt einen erfahrenen Untersucher und ist von der Mitarbeit des Patienten abhängig. Durch Plausibilitätsprüfungen ist die Qualität der Messung kontrollierbar.
Abb. 1.
Erste Darstellung von Asthma. Eine Tonfigur der Nayarit-Kultur in Mexiko (ca. 400 bis 800 n. Chr.) zeigt eine Figur im Asthmaanfall. Es handelt sich um eine Grabbeigabe
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Karl-Christian Bergmann, Berlin
Eine vorliegende Verengung der Atemwege und deren Ausmaß werden durch die relative FEV1 (Tiffenau-Wert) charakterisiert. Sie gibt an, wie viel Luft von der zur Verfügung stehenden Vitalkapazität in der 1. Sekunde ausgeatmet werden kann, also die FEV1%VK. Die (errechnete) relative FEV1 gibt eine Obstruktion besser an als die absolute (gemessene) FEV1, da diese von der vorhandenen Luftmenge abhängig ist. So hat selbstverständlich ein Patient nach der Entfernung eines Lungenflügels eine geringere Vitalkapazität und auch eine gegenüber dem Soll verringerte FEV1 – ohne dass seine Atemwege verengt sein müssen. Wird die gemessene FEV1 auf die gemessene VK bezogen, dann kann sich ergeben, dass die relative FEV1 mindestens 80 % der VK erreicht und damit keine Obstruktion vorliegt. Die Spirometrie wird auch zur Feststellung einer Reversibilität der Atemwegsobstruktion mittels Bronchospasmolysetest benutzt. Bei diesem Test werden zunächst mittels Spirometrie die vorliegenden Funktionswerte erfasst. Dabei wird verlangt, dass mindestens vier Stunden vor dem Test keine kurzoder langwirkenden Erweiterungssprays inhaliert wurden. Wird in der Spirometrie eine Verengung der Atemwege registriert, dann inhaliert der Patient ein schnell wirkendes Beta-2-Sympathomimetikum (meist Salbutamol) und die Lungenfunktion wird ca. 15 min später erneut gemessen. Vergrößert sich die FEV1 um mindestens 15 % ihres Ausgangswertes oder um mindestens 200 ml (vor dem Spray), dann liegt eine Reversibilität der Atemwege vor, der Test ist positiv. Bei einem positiven Bronchospamolyse-Test kann vom Vorliegen einer bronchialen Hyperreaktivität ausgegangen werden. Die Peak-Flow-Messung: Sie ist die einfachste Alternative zur Spirometrie. Mit ihr kann der Patient selber zu Hause, im Urlaub oder am Arbeitsplatz seine Lungenfunktion prüfen, insbesondere im Verlauf oder bei besonderen Ereignissen. Gemessen wird die maximale exspiratorische Atemstromstärke kurz nach dem Beginn einer forcierten Ausatmung aus einer maximalen Inspirationsstellung heraus; der Wert wird in Liter pro (umgerechnet) Minute angegeben. Zur Messung gibt es einer Reihe von mechanischen oder elektronischen Peak-Flow-Metern, die in der Apotheke erhältlich sind. Ein Asthma gilt als gesichert, wenn im Verlauf von zwei Wochen der PEF mindestens drei Mal um mehr als 20 % unter den persönlichen Bestwert abfällt. Insgesamt ist die Peak-Flow-Metrie weniger zur Erstdiagnostik von Asthma einzusetzen, sondern vielmehr als ein geeignetes Instrument zur Verlaufs- und Therapiekontrolle anzusehen. Seine Anwendung erfordert eine gute Unterrichtung des Patienten in der Patientenschulung. Die erweiterte Lungenfunktionsdiagnostik besteht aus der • Bodyplethysmographie und der • Bestimmung der unspezifischen Hyperreaktivität (oder Hyperreagibilität), abgekürzt mit BHR
Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Erwachsenen
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Die Bodyplethysmographie ist eine technisch aufwendige Messmethode, die gegenüber der Spirometrie unter anderem den Vorzug hat, von der Mitarbeit des Patienten weitgehend unabhängig zu sein. Die Messwerte haben ein hohes Maß an Spezifität und Sensitivität. Über die in der Spirometrie erfassten Parameter hinaus werden in der Bodyplethysmographie erfasst: • der Atemwiderstand (Raw, sRaw) • die statischen Volumina mit der Möglichkeit, eine vorhandene Lungenüberblähung einzuschätzen (totales Lungenvolumen, TLC) • das sog. „Air-trapping“ durch Messung der funktionellen Residualkapazität mittels Heliumeinwaschung Mit der Bodyplethysmographie werden Qualitätsmängel in der Spirometrie ausgeglichen, die Atemmanöver erfolgen auf der physiologischen Atemmittellage, und die vom Patienten subjektiv empfundene Atemnot korreliert stärker mit forcierten inspiratorischen Atemmanövern und der TLC als mit der FEV1. Die Bestimmung der bronchialen Hyperreaktivität ist eine wichtige Komponente in der Diagnostik des Asthma. Die gesteigerte Reagibilität ist bei allen Asthmaformen nachweisbar; da es aber auch Personen mit einer klinisch stummen Hyperreaktivität gibt, reicht der alleinige Nachweis einer BHR zur Diagnosestellung Asthma nicht aus. Auch respiratorische Infekte erhöhen die BHR für bis zu 6 Wochen und Allergenexpositionen bei Patienten mit allergischer Rhinitis oder Asthma. Die Messung der BHR erfolgt im Rahmen einer Spirometrie oder – besser – durch eine Bodyplethysmographie vor und nach der Inhalation von Metacholin, Histamin oder Acethylcholin. Normale Erwachsene können z.B. 8 mg/ml Metacholin inhalieren, ohne dass sie eine Obstruktion entwickeln, empfindliche Personen reagieren bereits bei Dosen von 0,8 mg und weniger. Je kleiner die Dosis an Metacholin ist, auf die der Betroffene reagiert, umso stärker ist der Grad an asthmatischer Entzündung in den Bronchien. In den Morgenstunden ist die BHR beim Asthmatiker fast doppelt so hoch wie gegen Mittag.
4
Die Allergiediagnostik
Je jünger die Patienten sind, bei denen der Verdacht auf ein Asthma besteht, umso wichtiger ist die Prüfung auf eine mögliche allergische Genese der Erkrankung. Bei Personen mit einer allergologisch positiven Familienanamnese und einem erhöhten Gehalt an Gesamt-IgE treten allergische Rhinitis und allergisches Asthma signifikant häufiger auf. Diese Personen werden als Atopiker bezeichnet. Besteht bei einem Patienten bereits eine allergische Rhinitis, z.B. als Heuschnupfen, und es kommt zu Atembeschwerden, dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein allergisches Asthma handelt. Die Allergiediagnostik wird sinnvollerweise in Stufen durchgeführt. Sie besteht aus: • allergologischer Anamnese; geigneterweise unter Benutzung eines Allergie-Fragebogens
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Karl-Christian Bergmann, Berlin
• Prick-Test zum Nachweis einer Sensibilisierung • Intrakutan-Test bei negativem Prick-Test trotz Hinweisen auf eine Allergie • Bestimmung allergenspezifischer IgE-Antikörper im Serum • Bestimmung von Gesamt-IgE im Serum • nasalem oder inhalativem Provokationstest mit Allergenen zur Bestimmung der allergenspezifischen nasalen oder bronchialen Hyperreagibilität. Die sorgfältige Erhebung einer allergologischen Anamnese ist die notwendige Basis jeder weiteren Allergiediagnostik. Je erfahrener der Untersucher, umso weniger sind nachfolgende Tests notwendig. Mit dem Prick- oder dem empfindlicheren Intrakutan-Test wird nachweisbar, ob der Untersuchte sensibilisiert ist, d.h. spezifische Antikörper gegen ein Allergen entwickelt hat, die durch den Test in der Haut an Mastzellen durch die Freisetzung von Histamin durch Rötung und Schwellung erkennbar werden. Diese IgE-Antikörper sind auch im Serum nachweisbar. Ist der Hauttest nicht durchführbar oder sein Ergebnis nicht zweifelsfrei, dann können die Antikörper mittels EnzymImmuno-Assay nachgewiesen werden. Stehen die Ergebnisse im Hauttest mit den Informationen aus der Anamnese in Übereinstimmung, dann kann eine allergische Erkrankung angenommen werden. Treten z.B. trockener Husten und Atemenge bei einem Patienten im Juni bis August der Jahre auf und im Hauttest bestehen positive Reaktionen auf Gräser- und Roggenpollen so kann ein pollen-induziertes Asthma angenommen werden. Handelt es sich aber beim Hauttest um Reaktionen auf ganzjährig auftretende Allergene wie Katzen- und Hundehaar, Hausstaub- oder Vorratsmilben und Schimmelpilze, so muss vor der Verordnung aufwendiger Karenzmaßnahmen („Reißen Sie alle Teppiche in Ihrer Wohnung raus“, „Trennen Sie sich von Ihrer Katze“) oder etwa vor dem Beginn einer Immuntherapie gesichert sein, dass das betreffende Allergen auch wirklich der Auslöser der asthmatischen Beschwerden ist. Dies ist häufig nicht der Fall, so z.B. bei Personen mit einer positiven Reaktion auf Hausstaubmilben. Sicherheit über die „klinische Aktualität“ einer Sensibilisierung wird durch den nasalen oder bronchialen Provokationstest erreicht. Bei diesen Tests wird das zu untersuchende Allergen direkt in die Nase gesprüht oder als Aerosol eingeatmet, und die möglichen Reaktionen werden klinisch (Naselaufen, Niesen, Juckreiz der Nase) und mittels Rhinomanometer bzw. durch eine Spirometrie dokumentiert. Reagieren Patienten in den genannten Provokationstests, so kann die allergische Genese der Beschwerden als gesichert gelten (es besteht dann eine „klinisch aktuelle Sensibilisierung“).
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Zusammenfassung
Asthma, die chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege, ist charakterisiert durch eine bronchiale Hyperreagibilität und variable Atemwegsobstruktionen, die zu typischen Symptomen führen. Für die Diagnosestellung Asthma sollen alle drei Parameter gegeben sein.
Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Erwachsenen
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Die Symptome (Häufigkeit, Schwere, Ort und Zeitpunkt des Auftretens) werden durch die Anamnese erfasst. Die Atemwegsobstruktion und die Hyperreaktivität werden durch einfache (Spirometrie und Peak-Flow-Messungen) oder komplexe Lungenfunktionsmessungen objektiviert: Spasmolyse-Tests und inhalative Provokationen mit Metacholin geben Aufschluss über das Vorliegen einer bronchialen Überempfindlichkeit.
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Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Kindern
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Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Kindern Dietrich Berdel, Wesel
Asthma ist vor allem eine klinische Diagnose. Es wird zwischen Basis- und weiterführender Diagnostik unterschieden.
1
Basisdiagnostik
• Anamnese (Art, Häufigkeit und Zeitpunkt der Beschwerden auch nach Belastung; andere atopische Erkrankungen/Allergien in der Eigenanamnese; familiäre Asthmaund Atopiebelastung; Umgebungsanamnese) und körperliche Untersuchung • Lungenfunktionsprüfung (z.B. Spirometrie, Pneumotachographie, Ganzkörperplethysmographie) – Bei Vorliegen einer obstruktiven Ventilationsstörung zusätzlich Nachweis der Reversibilität der Obstruktion nach Beta-2-Sympathomimetika-Inhalation (Bronchospasmolysetest). Dieser sollte schon bei konkavem Verlauf des abfallenden Schenkels der Exspirationskurve des Flussvolumendiagramms durchgeführt werden, auch wenn die Werte numerisch noch normal sind – Bei unauffälliger Ruhelungenfunktion Nachweis der bronchialen Hyperreagibilität (BHR) durch eine Provokationstestung (standardisierte Laufbelastung, unspez. inhalative Provokation z.B. mit Histamin oder Methacholin etc.) Bei der Lungenfunktionsprüfung sollten dabei konkret folgende Kriterien erfüllt sein: – Nachweis einer Obstruktion (FEV1/VK < 75 %), dann FEV1-Zunahme ≥ (12–)15 % bzw. Abnahme des Atemwegswiderstandes um > 50 %, nach Inhalation eines kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums jeweils bezogen auf den Ausgangswert – oder Abfall der FEV1 > 15 % bzw. Anstieg des Atemwegswiderstandes > 100 % nach Provokation mit bronchokonstriktorischen Stimuli (z.B. standardisierte Laufbelastung, Methacholin) jeweils bezogen auf den Ausgangswert – oder zirkadiane PEF-Variabilität > 20 % über drei bis 14 Tage
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Dietrich Berdel, Wesel
• Allergiediagnostik Während im Schulalter und im Erwachsenenalter durch die genannten Maßnahmen die Diagnose meist eindeutig zu stellen ist, ist dies bei Säuglingen und Kleinkindern nicht der Fall. In diesem Alter sind Kriterien für die Diagnosestellung: – Drei Episoden mit trockenen Nebengeräuschen (Giemen, Pfeifen, Brummen) während der letzten sechs Monate – Atopiemanifestation (z.B. atopisches Ekzem) in der Eigenanamnese bzw. mehrere „Schwachzeichen“ (Minor-Kriterien) der Atopie (Ohrläppchenrhagaden, doppelte Lidfalte (Dennie-Morgan), Hertoghe-Zeichen) – familiäre Asthma- und/oder Atopiebelastung – Hospitalisierung wegen bronchialer Obstruktion – Rhinorrhoe ohne gleichzeitigem Luftwegsinfekt – Nachweis einer Sensibilisierung: spezifisches IgE im Serum und/oder Hauttest (Pricktest) gegen häufige Inhalationsallergene (bei Kleinkindern auch Nahrungsmittelallergene berücksichtigen).
2
Weiterführende differenzierende Diagnostik (alphabetisch )
• Basale Immundefektdiagnostik • Bronchoskopie z.A. anatomischer Ursachen oder Fremdkörper, zur Charakterisierung der Art der Entzündung • CT, Spiral-CT mit HR-Schnitten, z.B. V. a. Bronchiolitis obliterans, Bronchiektasen, Fehlbildungen etc. • Diff. BB mit Eosinophilen, Immunglobuline A, M, G und E • eNO-Messung • Nasaler Provokationstest • pH-Metrie, obere Magen-Darm-Passage, Endoskopie • Röntgen-Thorax 2 Ebenen: Nachweis von Überblähung, entzündlichen Veränderungen, anatomischen Anomalien • Schweißtest • Spez. IgG-, IgE-Antikörper: DD allergische Alveolitis/ABPA • Tuberkulose-Diagnostik • Virologische/bakteriologische Diagnostik, z.B. Sputum (z.B. Tuberkulose), Nasopharynxsekret (z.B. RSV), Serologie (z.B. Pertussis) • Zilienuntersuchung In Abb. 1 ist das diagnostische Vorgehen in einem Algorithmus dargestellt.
Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Kindern
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0
Intermittierende (u.U. persistierende) und variable Symptome: – Atemnot (häufig anfallsartig) – Giemen – Brustenge – Husten 1
Anamnese klinische Untersuchung (wenn möglich einschließlich forcierter Exspiration) 2
Lungenfunktionsdiagnostik 4
3
Obstruktion? nein
ja
Reversibilität nach inhalativem Beta-2Sympathomimetikum?
ja
10
nein
Messung der bronchialen Reagibilität und/oder PEF-Variabilität
Weiterhin Arbeitsdiagnose Asthma?
11
BHR und/ oder PEF-Variabilität nachgewiesen?
7
6
ja
nein
ja
Reversibilität nach nach vier Wochen ICS oder spontan? nein
12
nein
5
Asthma 14
weiterführende Diagnostik
ja
Asthma 13
Allergiediagnostik
8
weiterführende Diagnostik
9
Allergiediagnostik
Abb. 1.
Diagnostisches Vorgehen
3
Diagnostik von eingeschränkter Lebensqualität beim Asthma
Die subjektive, krankheitsbezogene Lebensqualität wird durch das Asthma wesentlich beeinflusst. Die Erfassung ist wünschenswert. Sie soll anhand zuverlässiger, für die spezifische Gruppe pädiatrischer Asthmapatienten entwickelter Messinstrumente (Lebensqualitätsindices und -fragebögen, z.B. KINDL) erfolgen. Die Instrumente sollten geeignet sein, Veränderungen der Lebensqualität in Abhängigkeit von unterschiedlichen Rahmenbedingungen (z.B. der sozialen Umgebung und dem objektiven Gesundheitsstatus) und im Therapieverlauf quantitativ abzubilden.
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4
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Differenzialdiagnosen
In Tabelle 1 sind die Differenzialdiagnosen in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Tabelle 1. Differenzialdiagnosen • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
5
Adipositas Alpha-1-Antitrypsinmangel (bei Jugendlichen) Angeborene Fehlbildungen Atypische Pneumonie (protrahierter Verlauf ) Aspiration, z.B. Fremdkörper Broncho-pulmonale Dysplasie Bronchiektasen Entwicklungsstörungen, außer durch Asthma verursachte Funktionelle Atemstörungen (psychogene Atemstörungen, Hyperventilation, Stimmbanddysfunktion) Gastroösophagealer Reflux Herzerkrankung Immundefekt Interstitielle Lungenerkrankungen, u.a. exogen allergische Alveolitis Kehlkopf-Veränderungen (u.a. Hämangiome) Neuromuskuläre Erkrankungen (Atempumpstörung) Postinfektiöse Störungen (z.B. Pertussis, BO) Spontanpneumothorax Tuberkulose Tumor (Kehlkopf, Trachea, Lunge) Zilienfunktionsstörung Zystische Fibrose
Schweregradeinteilung
Neben der Asthmasymptomatik wird zur Schweregradeinteilung auch die Lungenfunktionsprüfung herangezogen (Tabelle 2). Bei der Beurteilung der Lungenfunktion zur Festlegung des Asthmaschweregrades müssen für Kinder allerdings folgende Einschränkungen berücksichtigt werden: Die Erwachsenenkriterien, die der derzeitigen Einteilung zugrunde liegen, werden der speziellen Gegebenheit im Kindesalter nicht in allen Situationen gerecht. Ein Teil der Kinder mit persistierendem Asthma bronchiale hat auch bei klinischem Schweregrad III eine nach Werten „normale“ Ruhe-Lungenfunktion. Eine eindeutige und behandlungsbedürftige Obstruktion kann auch bei nach gängigen Kriterien „normalen“ Lungenfunktionswerten mit FEV1 > 80 % und MEF50 > 65 % vorliegen. So sollte bereits ein konkaver Verlauf des abfallenden Schenkels der Exspirationskurve des Fluss-Volumen-Diagramms zu einem Bronchospasmolysetest Anlass geben, um die Obstruktion indirekt nachzuweisen. Für Kinder vor dem Schulalter können diese Lungenfunktionskriterien derzeit keine alleinige Anwendung finden. Verglichen mit Schulkindern und Erwachsenen haben jüngere Kinder relativ große Atemwege im Vergleich zum Lungenvolumen. Sie leeren ihre Lungen deshalb in kürzerer Zeit. Die Exspirationszeit liegt oft deutlich unter einer Sekunde, so dass FEV1 kein sinnvoller Parameter ist. Die zusätzliche Berechnung von FEV0,5 und FEV0,75 wird daher empfohlen. Selbst wenn die Ausatemzeit länger als eine Sekunde ist,
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Tabelle 2. Klassifikation der Asthmaschweregrade Schweregrad
Kennzeichen vor Behandlung Symptomatik
Lungenfunktion (d)
IV schwergradig persistierend (b)
FEV1 < 60 % des Sollwertes anhaltende tägliche Symptome, häufig auch oder PEF < 60 % PBW PEF-Tagesvariabilität > 30 % nächtlich
III mittelgradig persistierend
an mehreren Tagen / Woche (c) und auch nächtliche Symptome
Auch im Intervall obstruktiv: FEV1 < 80 % des Sollwertes u/o MEF25-75 bzw. MEF50 < 65 % PEF-Tagesvariabilität > 30 %
II geringgradig persistierend (episodisch symptomatisches Asthma)
Intervall zwischen Episoden < 2 Monate
Nur episodisch obstruktiv, Lungenfunktion dann patholog.: FEV1 < 80 % des Sollwertes u/o MEF25-75 bzw. MEF50 < 65 %, PEF-Tagesvariabilität 20–30 % Lungenfunktion im Intervall meist noch o.p.B.: FEV1 > 80 % des Sollwertes u/o MEF25-75 bzw. MEF50 > 65 % PEF-Tagesvariabilität < 20 %
I intermittierend (intermittierende, rezidivierende, bronchiale Obstruktion) (a)
Intermittierend Husten, leichte Atemnot Symptomfreies Intervall > 2 Monate
Nur intermittierend obstruktiv; Lungenfunktion oft noch normal: FEV1 > 80 % des Sollwertes MEF25-75 bzw. MEF50 > 65 % PEF-Tagesvariabilität < 20 % Im Intervall o.p.B
a) Chronische Entzündung und Vorliegen einer Überempfindlichkeit der Bronchialschleimhaut nicht obligat. Somit definitionsgemäß dann eigentlich noch kein Asthma. Z.B. Auftreten der obstruktiven Ventilationsstörung bei Säuglingen und Kleinkindern infektgetriggert, vor allem in der kalten Jahreszeit und bei Schulkindern nach sporadischem Allergenkontakt (z. B. Tierhaarallergie). b) Von einer bronchialen Überempfindlichkeit auch im symptomfreien Intervall ist bei den Schweregraden II, III und IV auszugehen. c) Z. B. bei alltäglicher körperlicher Belastung. d) Individuelle Maximalwerte sind zu berücksichtigen. Gegebenenfalls Überblähung beachten (FRC > 120 % des Sollwertes). Lungenfunktion im Säuglings- und Kleinkindesalter nur in Spezialeinrichtungen messbar.
liegt die FEV1/FVC bei gesunden Kindern bis zum sechsten Lebensjahr bei 90 %. Diese Ratio kann also bei Kindern vor dem Schulalter nicht wie bei älteren üblich zur Beurteilung einer Atemwegsobstruktion verwendet werden. Ein weiteres Problem ist der Mangel an geeigneten Referenzwerten. Eine Extrapolation von Normalwerten, die bei älteren Kindern erhoben wurden, führt bei den jüngeren Kindern zu einer Überschätzung der Lungenfunktion und damit Unterschätzen einer Obstruktion. Eine visuelle Inspektion der Fluss-Volumenkurve (z.B. Vorliegen einer konkaven Deformierung des abfallenden Schenkels der Exspirationskurve des Fluss-Volumen-Diagramms) ist obligat, nicht nur
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um die Qualität der Messung zu beurteilen, sondern auch um eine mögliche Obstruktion zu erkennen. In Anlehnung an die internationalen Leitlinien erfolgt in diesen Empfehlungen die klinische Einteilung in vier Schweregrade. Abweichend von den meisten anderen Empfehlungen kann in dieser Graduierung beim Schweregrad 1 (intermittierendes Asthma) auch von intermittierender oder rezidivierender bronchialer Obstruktion (wheezing) gesprochen werden, da gerade der Verlauf einer solch sporadisch auftretenden, obstruktiven Ventilationsstörung sehr variabel ist. Derzeit lässt sich bei behandlungsbedürftiger rezidivierender bronchialer Obstruktion eines Säuglings und Kleinkindes nicht sicher vorhersagen, ob das Kind zu jenen zählt, bei denen die Erkrankung bis zum Schulalter „spontan“ zurückgehen wird oder zu jenen, bei denen das Asthma persistiert. Darüber hinaus muss gerade im Kleinkindesalter die infektgetriggerte, so genannte obstruktive Bronchitis noch keine chronische Entzündung der Atemwegsschleimhaut aufweisen, so dass die Definition Asthma bronchiale bei diesen Patienten zwar klinisch, jedoch nicht pathophysiologisch erfüllt ist. Das Gleiche gilt für Schulkinder, bei denen es nur bei kurzfristigem Allergenkontakt zu einer obstruktiven Ventilationsstörung kommt, z.B. bei Bestehen einer isolierten Pferdehaarallergie. Bei rein klinischer Definition könnte man auch bei dieser Gruppe von intermittierendem Asthma sprechen. Dagegen geht man beim persistierenden Asthma (Schweregrad II–IV) davon aus, dass ein Asthma bronchiale definitionsgemäß vorliegt.
6 ABPA Asthma BHR BO CF GCS CT DA DD Diff.BB DMP DNCG ENO EG FEV1 FEV1/VC FEV0,5 FEV0,75 FRC HFA HR
Abkürzungen Allergische Broncho-Pulmonale Aspergillose Asthma bronchiale Bronchiale Hyperreagibilität Bronchiolitis obliterans Zystische Fibrose Glukokortikosteroid (vgl. IGCS) Computertomogramm Dosieraerosol Differenzial-Diagnose Differenzial-Blutbild Disease-Management-Programm Dinatrium-Cromoglycat exhaliertes Stickoxyd 1,0 Evidenzgrad Forciertes exspiratorisches Volumen in 1,0 Sekunden Einsekundenkapazität/Vitalkapazität (Tiffeneau-Test) Forciertes exspiratorisches Volumen in 0,5 Sekunden Forciertes exspiratorisches Volumen in 0,75 Sekunden Funktionelle Residualkapazität Hydrofluoralkan, z.B. Norfluran (HFA 134a) High Resolution
Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Kindern IGCS i.v. IgG, A, M, E J KG kg KINDL kPa LABA l Lj Lsg. LTRA MEF25–75 MEF50 μg mg min MTD o.p.B. PaO2 PCO2 PEF PEP pH RABA Raw RSV SABA SIT SaO2 sRaw UAW V.a. VK z.A.
Inhalatives Glukokortikosteroid intravenös Immunglobulin der Klassen G, A, M, E Jahre Körpergewicht Kilogramm Revidierter KINDer-Lebenqualitäts-Fragebogen Kilopascal Inhalative lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika (long acting beta-2-agonist) Liter Lebensjahr Lösung Leukotrien-Rezeptor-Antagonist Mittlerer exspiratorischer Fluss zwischen 25 und 75 % VK Maximaler exspiratorischer Fluss bei 50 % der VK Mikrogramm Milligramm Minute Maximale Tagesdosen über einen limitierten Zeitraum Ohne pathologischen Befund Arterieller Sauerstoffpartialdruck Kohlensäurepartialdruck Exspiratorischer Spitzenfluss (Peak exspiratory flow) Positiver Exspirationsdruck (positiv exspiratory pressure) Pondus Hydrogenii Inhalative rasch wirksame Beta-2-Sympathomimetika (rapid acting beta-2-agonist) Atemwegswiderstand Respiratory syncytial virus Inhalative kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika (short-acting beta-2-agonists) Spezifische Immuntherapie Arterielle Sauerstoffsättigung Spezifischer Atemwegswiderstand Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Verdacht auf Inspiratorische Vitalkapazität Zum Ausschluss
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Dietrich Berdel, Wesel
Literatur Diagnostik Lungenfunktion 1. Arets H, Brackel H, van der Ent C (2001): Forced expiratory maneuvers in children: do they meet ATS and ERS criteria for spirometry? European Journal of Respiratory Diseases 18: 655–680. 2. Aurora P et al (2004): Quality control for spirometry in preschool children with and without lung disease. Am J Respir Crit Care Med 169 (10): 1152–9. 3. Chavasse R et al (2003): To clip or not to nose-clip? Noseclips for spirometry. European Respiratory Journal 21: 876–878. 4. Frey U (2005): Forced oscillation technique in infants and young children. Paediatr Respir Rev 6 (4): 246–54. 5. Gracchi V et al (2003): Spirometry in young children: should computer-animation programs be used during testing? European Respiratory Journal 21: 872–875. 6. Kozlowska WJ, Aurora P (2005): Spirometry in the pre-school age group. Paediatr Respir Rev 6 (4): 267–72. 7. Limb SL et al (2005): Irreversible lung function deficits in young adults with a history of childhood asthma. J Allergy Clin Immunol; Dec; 116 (6): 1213–9. 8. Morgan WJ et al (2005): Outcome of Asthma and Wheezing in the First 6 Years of Life: Follow-up through Adolescence. Am J Respir Crit Care Med; Nov 15; 172 (10): 1253–8. 9. Miller MR et al (2005): Standardisation of spirometry. Eur Respir J 26 (2): 319–38. 10. Miller MR et al (2005): General considerations for lung function testing. Eur Respir J 26 (1): 153–61. 11. Paull K et al (2005): Do NHLBI lung function criteria apply to children? A crosssectional evaluation of childhood asthma at National Jewish Medical and Research Center, 1999–2002. Pediatr Pulmonol 39 (4): 311–7. 12. Spahn JD et al (2004): Is forced expiratory volume in one second the best measure of severity in childhood asthma? Am J Respir Crit Care Med 169 (7): 784–6.eNO: Diagnostik eNO 13. Buchvald F et al (2005): Measurements of exhaled nitric oxide in healthy subjects age 4 to 17 years. J Allergy Clin Immunol 115 (6): 1130–6. 14. Leung TF et al (2005): Clinical and atopic parameters and airway inflammatory markers in childhood asthma: a factor analysis. Thorax 60 (10): 822–6. 15. Pijnenburg MW et al (2005): Titrating steroids on exhaled nitric oxide in children with asthma: a randomized controlled trial. Am J Respir Crit Care Med 5; 172 (7): 831–6. 16. Zacharasiewicz A et al (2005): Clinical use of non-invasive measurements of airway inflammation in steroid reduction in children. Am J Respir Crit Care Med 171 (10): 1077–1082.
Diagnostik und Früherkennung von COPD
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Diagnostik und Früherkennung von COPD Tobias Welte, Hannover
1
Einleitung
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD, chronic obstructive pulmonary disease) ist neben dem Asthma bronchiale die häufigste und sozioökonomisch bedeutsamste Lungenerkrankung [1] weltweit. Die in Deutschland im Großraum Hannover für die im Auftrag der WHO initiierte „Burden of obstructive Lung Disease (BOLD)“-Studie erhobenen Prävalenzzahlen ergaben bei über 13 % aller über 40-jährigen Menschen eine pathologische Lungenfunktion im Sinne einer COPD. Knapp 7 % aller Untersuchten zeigten bereits Zeichen einer fortgeschrittenen Lungenerkrankung (mindestens GOLD-Stadium II, entspricht einer FEV1 von 50–80 % des Solls bei einem FEV1/IVC-Verhältnis < 70 %). Bei knapp der Hälfte dieser Patienten war bis zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Lungenerkrankung bekannt [2]. Die Kosten für die COPD-Erkrankung steigen mit zunehmender Schwere der Erkrankung, wobei der Großteil der Kostensteigerung auf Arztkontakte und Hospitalisierungen entfällt [3]. Eine Vermeidung wichtiger Risikofaktoren und eine frühzeitige Therapieeinleitung verzögern die Progression der Erkrankung, sodass Früherkennungsmaßnahmen eine besondere Bedeutung zukommt.
2
Diagnostik
Die Diagnose einer COPD sollte immer in Erwägung gezogen werden, wenn charakteristische Symptome auftreten (Tabelle 1) sowie anamnestisch Expositionen gegenüber Risikofaktoren wie Tabakrauch oder Berufsnoxen vorhanden sind (Tabelle 2). International wird der Tabakkonsum in Packungsjahren (Englisch: pack years) angegeben, ein Nikotinkonsum von 20 Zigaretten pro Tag über 1 Jahr entspricht einem Packungsjahr. Zur Basisdiagnostik gehören Anamnese, Untersuchung und die Spirometrie. Eine Röntgen-Thoraxuntersuchung dient zur Abgrenzung von Differentialdiagnosen, bei Risikopatienten > 45 J. mit langjährigem Nikotinabusus wird sie zum Ausschluss einer malignen Erkrankung empfohlen. Die Spirometrie ist die zentrale diagnostische Maßnahme sowohl für die Diagnosestellung als auch für die Schweregradabschätzung bei COPD. Zur weiteren Differenzierung der Atemnot sowie zur Differenzierung von chronisch-obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem haben sich die Ganzkörperplethysmographie sowie die Bestimmung der
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Tobias Welte, Hannover
Tabelle 1. Typische COPD-Charakteristika (modifiziert nach [16]) Merkmal
Ausprägung
Chronischer Husten
Intermittierend oder kontinuierlich, oft während des Tages, seltener in der Nacht.
Chronische Mukushypersekretion
Jegliche Form der Hypersekretion kann auf das Vorliegen einer COPD hinweisen.
Akute Bronchitis
Wiederholende Episoden akuter Bronchitiden können auf Exazerbationen einer bestehenden COPD hinweisen.
Atemnot
Belastungsdyspnoe, progressive Dyspnoe, persistierende Dyspnoe können auf eine COPD hinweisen.
Exposition
Gegenüber Tabakrauch und anderen inhalativen Außen- und Innenraumnoxen.
Tabelle 2. Risikofaktoren für die Entwicklung der COPD (modifiziert nach [16]) Genuine Faktoren
Genetische Prädisposition (z.B. Alpha-1-Protease-Inhibitor-Mangel, Bronchiale Hyperreaktivität Störungen des Lungenwachstums
Erworbene Faktoren
Inhalativer Tabakkonsum Berufsbedingte Stäube (z.B. quarzhaltige Stäube, Baumwollstäube, Getreidestäube, Schweißrauche, Mineralfasern und irritativ wirksame Gase wie Ozon, Stickstoffdioxid und Chlorgas) Allgemeine Luftverschmutzung Häufige Atemwegsinfektionen in der Kindheit
CO-Diffusionskapazität bewährt [4]. Die arterielle Blutgasanalyse ist zur Abklärung einer unklaren Atemnot unter Belastung und für das Management der respiratorischen Insuffizienz notwendig.
3
Schweregradeinteilung
Entsprechend der Empfehlungen der internationalen Expertenkommission „Global initiative of Obstructive Lung Disease (GOLD)“ [5] und der ATS/ERS-Konsensuskonferenz [6] wird die COPD nach klinischen und lungenfunktionsanalytischen Kriterien in vier Schweregrade unterteilt (Tabelle 3). In früheren Empfehlungen fand sich zusätzlich eine als Stadium 0 (at risk) bezeichnete Gruppe (chronischer Husten und/oder Auswurf bei normaler Spirometrie). Wegen der fehlenden Relevanz dieser Gruppe für die Prognoseabschätzung der Patienten wurde diese Einteilung jedoch 2006 verlassen. Eine neue multidimensionale Schweregradeinteilung, der BODE-Index (Tabelle 4), charakterisiert die Beeinträchtigung des Patienten deutlich besser als die FEV1 allein. In die-
Diagnostik und Früherkennung von COPD
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Tabelle 3. Klassifikation der Schweregrade der COPD (modifiziert nach [5]) Stadium
Charakteristika
I : leicht
FEV1/FVC < 70 %, FEV1 ≥ 80 % des Solls
II: mittelgradig
FEV1/FVC < 70 %, 50 % ≤ FEV1 < 80 % d. Solls
III: schwer
FEV1/FVC < 70 %, 30 % ≤ FEV1 < 50 % d. Solls
IV: sehr schwer
FEV1/FVC < 70 %, 30 % < FEV1 < 50 % d. Solls + chronisches respiratorisches Versagen
Für die Schweregradeinteilung gelten die Messwerte der FEV1 nach Bronchodilatation.
Tabelle 4. BODE-Index (Addition der Punkte für jeden Parameter ergibt den BODE-Score) Parameter
Punkte auf der BODE Skala 0
1
2
3
FEV1 (% Soll)
≥ 65
50–64
36–49
≥ 35
6-min-Gehtest (m)
> 350
250–349
150–249
≤ 149
MRC Dyspnoe (Stufe)
0–1
2
3
4
Body-Mass-Index (kg/m2)
> 21
≤ 21
sem Index finden der Body-mass-index (B), die FEV1-Einschränkung (O, obstruction), das Dyspnoeempfinden (D) und die Belastbarkeit (E, exercise capacity) Berücksichtigung [7]. Die Dyspnoe wird mittels des (modifizierten) MRC (Medical Research Council) Scores (0 = keine Atemnot, 1 = Atemnot bei schwerer Belastung, 2 = Atemnot bei leichter Belastung, 3 = zu atemlos, das Haus zu verlassen und atemlos beim An- und Ausziehen), die Belastbarkeit über die 6 Minuten Gehstrecke gemessen. Die BODE-Scorebereiche (Quartilen) 0–2, 3–4, 5–6 und 7–10 Punkte korrelierten mit der Gesamtletalität und mit der COPD bedingten Sterblichkeit in der untersuchten internationalen COPD Patientenpopulation besser als die FEV1.
4
Differenzialdiagnose
Die wichtigste Differenzialdiagnose zur COPD ist das Asthma bronchiale. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale sind der Tabelle 5 zu entnehmen. Obwohl beide Erkrankungen mit Atemwegsobstruktion einhergehen, sind sie pathophysiologisch deutlich unterschiedlich. Dabei ist die COPD hauptsächlich durch eine neutrophile Entzündung gekennzeichnet, die mit einer Aktivierung von Makrophagen einhergeht. Im Bereich der Entzündungsmediatoren dominieren die Zytokine Interleukin (IL)-8 und Tumornekrosefaktor (TNF)-α. Demgegenüber spielen beim allergischen Asthma bronchiale vorwiegend eosinophile Granulozyten und Mastzellen eine Rolle. Im Bereich der Mediatoren sind erhöhte Spiegel von IL-4, IL-5 und IL-13 und Histamin zu finden. Aufgrund dieser
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Tobias Welte, Hannover
Tabelle 5. Unterschiede zwischen Asthma bronchiale und COPD Parameter
COPD
Asthma bronchiale
Obstruktion
Meist nur partiell reversible/irreversibel
Meist reversibel
Parenchym
Destruktive Prozesse
Weitgehend intakt
Bronchiale Hyperreagibilität
Variabel
Meist vorhanden
Wirksamkeit von Kortikosteroiden Nur eingeschränkt wirksam Meist vorhanden
Unterschiede werden beide Erkrankungen auch grundsätzlich verschieden behandelt [8]. Bei etwa 10–15 % aller Patienten mit Atemwegsobstruktion werden Asthma und COPD nebeneinander beobachtet. Sollte eine eindeutige Unterscheidung zwischen Asthma und COPD aufgrund der Lungenfunktionsanalyse oder bildgebender Verfahren nicht möglich sein, sollten die Behandlungsrichtlinien gemäß einer Diagnose Asthma bronchiale gestaltet werden.
5
Diagnostische Methoden
5.1
Anamnese
In der Regel kann die Verdachtsdiagnose COPD anhand einer ausführlichen Anamnese bestimmt werden. Wesentliche Befunde sind dabei: • Dyspnoe, die typischerweise primär unter Belastung und am Tage auftritt • Intermittierender oder kontinuierlicher Husten, der überwiegend am Tage auftritt • Auswurf, überwiegend am Morgen, dieser ist meist weiß-gräulich, kann jedoch auch gelb bis grünlich verfärbt sein • Nikotinkonsum von mehr als 10 pack years, eine COPD wird häufiger bei aktuellen Rauchern diagnostiziert, kann sich jedoch auch noch lange nach Beendigung des Rauchens manifestieren • Bei familiär gehäuft auftretender COPD muss an das Vorliegen eines genetischen Defekts (Alpha-1-Antitrypsinmangel) gedacht werden Zur Abgrenzung vom Asthma bronchiale sind eine Reihe weitere anamnestische Angaben von Bedeutung. Für Asthma sprechen folgende Angaben: • Vorkommen allergischer Symptome wie Heuschnupfen, allergische Konjunktivitis oder Neurodermitis beim Patienten oder in der Familie • Anfallsartiger Husten oder Dyspnoe, vor allem nachts • Induktion der Beschwerden durch äußere Reize wie Belastung, inhalative Noxen, Rauch • Gutes Ansprechen auf Beta-2-Mimetika oder inhalative Corticosteroide
Diagnostik und Früherkennung von COPD
189
Für die Prognoseabschätzung der Erkrankung COPD ist es von Bedeutung zu erfahren, ob • gehäuft infektbedingte Exazerbationen evtl. mit Krankenhausaufenthalt vorliegen • ein Gewichtsverlust zu beobachten ist • Begleiterkrankungen, vor allem im kardialen Bereich zu beobachten sind
5.2
Körperliche Untersuchung
Insbesondere bei Patienten mit leichter COPD kann die körperliche Untersuchung unauffällig sein. Bei mittelschwerer COPD findet sich auskultatorisch ein verlängertes Exspirium mit Giemen und Brummen als Zeichen der Atemwegsobstruktion. Perkutorisch wird ein hypersonorer Klopfschall sowie ein wenig verschiebliches und tief stehendes Zwerchfell als Kennzeichen einer Lungenüberblähung feststellbar sein. Bei schwerer und sehr schwerer COPD ist eine Vielzahl von klinischen Symptomen möglich, die nebeneinander auftreten können, aber nicht müssen: • Fassthorax und inspiratorische Einziehungen, reduziertes Atemgeräusch und leise Herztöne als Zeichen einer chronischen Lungenüberblähung • pfeifendes Atemgeräusch vor allem bei der forcierten Exspiration • zentrale Zyanose • leichte bis umfangreiche Sekretansammlung im Anhusteversuch • präkordiale Pulsationen, betonter Pulmonalklappenschlusston und Trikuspidalklappeninsuffizienz (Systolikum über dem 3. bzw. 4. Interkostalraum parasternal rechts) bei pulmonaler Hypertonie • periphere Ödeme • Gewichtsverlust (pulmonale Kachexie) • verminderte Vigilanz und Konzentrationsschwächen Gerade bei sehr schweren Exazerbationen kann es sein, dass man über der Lunge kein Atemgeräusch mehr auskultieren kann (stille Lunge, „silent lung“), was als durchaus lebensbedrohliches Zeichen eingestuft werden muss.
5.3
Lungenfunktionsdiagnostik
Die COPD wird durch eine progrediente Atemwegsobstruktion definiert, welche nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Glukokortikoiden nicht vollständig reversibel ist. Die Lungenfunktionsanalytik ist daher entscheidend für die Diagnosestellung, wird jedoch auch zur Schweregradeinteilung und zur Verlaufskontrolle benötigt. Die Lungenfunktionsdiagnostik sollte mittels Spirometrie oder Ganzkörperplethysmographie erfolgen. Wichtige Kenngrößen sind die 1-Sekunden-Kapazität (FEV1) und die inspiratorische Vitalkapazität (IVC) sowie deren Ratio FEV1/IVC, eine FEV1/IVC < 70 % ist conditio sine qua non der COPD-Diagnose. Es ist darauf hinzuweisen, dass GOLD die Obstruktion durch das Verhältnis von FEV1 zur forcierten Vitalkapazität (FVC) definiert [5]. In der neuen Spirometrieempfehlung der Deutschen Atemwegsliga [9] und der ATS-Empfehlung zur Lungenfunktionsdia-
190
Tobias Welte, Hannover
gnostik [10] wird jedoch die IVC empfohlen. In Grenzfällen können sich hierdurch Abweichungen ergeben. Bei Vorliegen eines reinen Lungenemphysems ist es möglich, dass die FEV1/FVC normal ist. Diese Patienten sind in der Ganzkörperplethysmographie durch ein erhöhtes intrathorakales Gasvolumen und eine erhöhte funktionelle Residualkapazität (FRC), sowie eine verminderte CO-Diffusionskapazität charakterisiert. Es finden sich dabei ebenfalls häufig stark reduzierte maximale Atemstromstärken nach Ausatmung von 50 und 75 % der Vitalkapazität (MEF 50, MEF 25) ohne FEV1/FVC Einschränkung. Peak-Flow-Messungen führen häufig zu einer Unterbewertung des COPD-Schweregrades und Peak-Flow-Werte von mehr als 80 % des Sollwertes schließen eine COPD grundsätzlich nicht aus. Bei COPD-Exazerbationen geht die Beschwerdesymptomatik häufig dem Peak-Flow-Abfall voraus [11]. Darüber hinaus sind Peak-Flow-Messungen schlechter für ein Monitoring der Erkrankung geeignet als beim Asthma bronchiale.
5.4
Weitere Lungenfunktionsuntersuchungen
Bei leichteren COPD-Schweregraden sind weitergehende Lungenfunktionsuntersuchungen nicht notwendig, wenn auswertbare forcierte Atemmanöver durchführbar sind. Bei fortgeschrittener Erkrankung sollten neben der Spirometrie ganzkörperplethysmographische Messungen zur Bestimmung der Überblähung und der Obstruktion durchgeführt werden. Darüber hinaus ist bei Patienten mit Lungenemphysem eine Erfassung der CO-Diffusionskapazität zur Bestimmung der funktionellen Auswirkung des Emphysems sinnvoll.
5.5
Arterielle Blutgasanalyse
Eine Bestimmung der arteriellen Blutgase in Ruhe und unter Belastung dient zur Abschätzung einer Gasaustauschstörung und therapeutisch zur Klärung der Indikation einer Sauerstofftherapie. Die Blutgasanalyse kann mit hyperämisiertem Kapillarblut aus dem Ohrläppchen durchgeführt werden, allerdings sollte sie bei COPD-Patienten mit Präschock- oder Schockzustand über eine arterielle Punktion erfolgen. Die Pulsoxymetrie ist bei kreislaufstabilen Patienten zur Beurteilung der Sauerstoffsättigung gut geeignet, eine akustische oder optische Kontrolle der Pulskurve sichert die Validität der Messung. Eine respiratorische Partialinsuffizienz wird bei Sauerstoff-Partialdruck (PaO2)-Werten < 8,0 kPa (60 mmHg) diagnostiziert, eine Hyperkapnie bei einem CO2-Partialdruck (PaCO2) > 6,0 kPa [45 mm Hg]. Bei Patienten mit schwerer COPD kann eine respiratorische Globalinsuffizienz mit arterieller Hypoxämie und Hyperkapnie angetroffen werden.
5.6
CO-Diffusionskapazität
Bei COPD-Patienten mit einem Lungenemphysem sollte eine Bestimmung der CODiffusionskapazität erfolgen. Diese Untersuchung erfolgt in der Regel nach der „Single Breath“-Methode und dient zur Bestimmung der Funktionseinschränkung aufgrund des Emphysems, wobei die Werte der CO-Diffusionskapazität gut mit dem radiologischen Schweregrad des Lungenemphysems korrelieren [12].
Diagnostik und Früherkennung von COPD
5.7
191
Röntgenaufnahmen des Thorax
Bei der Erstdiagnostik einer COPD sind Röntgenaufnahmen des Thorax in zwei Ebenen wichtig. Mit der konventionellen Röntgendiagnostik kann ein Lungenemphysem zwar nicht zuverlässig erkannt werden, allerdings dient diese Untersuchung ganz wesentlich zum Ausschluss anderer Erkrankungen, vor allem des Bronchialkarzinoms oder von kardialen Erkrankungen.
5.8
Computertomographie des Thorax
Die hochauflösende Computertomographie (High Resolution, HR-CT) der Thoraxorgane ist ein wichtiges Instrument zur Erfassung von Verteilung und Ausmaß des Emphysems. Bei Patienten ohne Emphysem ist diese Untersuchung nicht notwendig. Sie spielt insbesondere vor einer Resektion von Emphysem-Bullae oder vor einer Lungenvolumenreduktion eine Rolle. Die HR-CT der Thoraxorgane ist ebenfalls sinnvoll zur Erfassung von Bronchiektasen bei häufigen Exazerbationen.
5.9
Belastungstests
Belastungstests bei COPD-Patienten dienen der Quantifizierung der Belastungsdyspnoe, der Beurteilung therapeutischer Effekte von Bronchodilatatoren wie auch nichtmedikamentöser Maßnahmen, insbesondere des körperlichen Trainings. Belastungstests können zur Differenzierung verschiedener Ursachen der Belastungsdyspnoe, zur Quantifizierung der eingeschränkten Belastbarkeit, zur Auswahl eines individuell abgestuften Trainingsprogramms und zur Beurteilung von Therapieeffekten bezüglich des Einsatzes von Bronchodilatatoren wie auch von körperlichen Trainingsprogrammen in der pneumologischen Rehabilitation eingesetzt werden. Für die Routinediagnostik bei Patienten der Risikogruppe erscheinen sie primär entbehrlich.
5.10
Bronchodilatator-Reversibilitätstests
Bronchodilatator-Reversibilitätstests sind vor allem zur Differenzialdiagnose zwischen COPD und Asthma bronchiale indiziert. Dabei ist die spirometrische Bestimmung der FEV1 nach Bronchodilatator-Inhalation eine der besten Prädiktoren der Langzeitprognose und sollte der Peak-Flow-Messung aufgrund besserer Reproduzierbarkeit als Parameter für die COPD-Schweregradeinteilung vorgezogen werden. Aufgrund individuell unterschiedlicher Effekte ist es auch sinnvoll, Bronchodilatatoren vor einer Verordnung als Dauertherapeutika in einem Reversibilitätstest auszutesten. Die FEV1-Reversibilitätsmessungen sollen vor und 15 Minuten nach der inhalativen Gabe des Beta-2-Sympathomimetikums bzw. vor und 30 Minuten nach Anticholinergikum-Inhalation durchgeführt werden. Dabei gilt eine Erhöhung des FEV1-Wertes um > 200 ml und > 15 % des Ausgangswert als relevant. Eine fehlende Reversibilität im Test schließt einen späteren positiven klinischen Effekt des Pharmakons beispielsweise bezüglich der Abnahme einer Belastungsdyspnoe und der Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit jedoch nicht prinzipiell aus. Die Bronchodilatator-Reversibilitätstests sollten in einem infektfreiem und klinisch stabilen Zustand ausgeführt werden, wobei vor der Testdurchführung kurz wirksame Beta2-Sympathomimetika mindestens 6 Stunden, langwirksame Beta-2-Sympathomimetika
192
Tobias Welte, Hannover
12 Stunden, Anticholinergika 6 bis 12 Stunden und retardierte Theophyllinpräparate 24 Stunden abgesetzt werden. Demgegenüber kann eine Verlaufsuntersuchung der aktuell erreichbaren Bronchodilatations-Steigerung auch ohne vorheriges Absetzen der Therapie durchgeführt werden [13].
5.11
Glukokortikoid-Reversibilitätstests
Glukokortikoid-Reversibilitätstests werden differenzialdiagnostisch zur Unterscheidung zwischen COPD und Asthma bronchiale eingesetzt. Zur Abschätzung der Effektivität einer inhalativen Langzeittherapie mit Glukokortikoiden sind sie nicht geeignet. Im Gegensatz zu der schnellen Durchführung von Bronchodilatator-Reversibilitätstests wird der Glukokortikoid-Effekt auf die FEV1 nach einem mindestens vierwöchigen Intervall einer täglichen zweimaligen Inhalation von 1000 μg Beclometasondipropionat oder der Äquivalenzdosis eines anderen Präparats gemessen. Dabei gelten als relevant die gleichen Standards wie bei Bronchodilatator-Reversibilitätstests mit einer Erhöhung des FEV1Wertes mindestens um > 200 ml und > 15 % des Ausgangswert. Alternativ kann auch der Effekt einer zwei- bis dreiwöchigen Therapie mit 20 - 40 mg oralen Prednisolons täglich erfasst werden. Bei der Differentialdiagnostik zwischen COPD und Asthma bronchiale sprechen Patienten mit allergischem Asthma in der Regel gut auf die Glukokortikoidgabe an, während Patienten mit COPD nur in 10–20 % eine Verbesserung aufzeigen [13].
5.12
Sputumdiagnostik
Eine mikrobiologische Sputumuntersuchung (Gramfärbung und Bakterienkultur mit Resistenztestung) wird nur bei Patienten mit häufigen Exazerbationen (> 3 pro Jahr), Therapieversagern und/oder bei besonders schweren Erkrankungen mit Verdacht auf multiresistente Bakterien empfohlen. Voraussetzungen sind das Vorliegen eines makroskopisch purulenten Sputums und die Gewährleistung der notwendigen logistischen Voraussetzungen (Transport und Verarbeitung innerhalb von 2 bis 4 Stunden) (Abb. 1) [14].
5.13
Echokardiographie und Elektrokardiogramm
Liegt bei höheren COPD-Schweregraden der Verdacht auf ein begleitendes Cor pulmonale mit pulmonaler Hypertonie vor, so sind die Echokardiographie und Farbdopplertechnik indiziert zur vorläufigen Erfassung der Ausprägung. Die Elektrokardiographie kann ebenfalls Zeichen einer Rechtsherzbelastung und –hypertrophie erbringen [15].
5.14
Verlaufsuntersuchungen
Die COPD stellt eine progrediente Erkrankung mit fließenden Übergängen und unterschiedlichen Therapieformen dar. Aus diesen Gründen sollten die Funktionsparameter und klinischen Symptome mindestens einmal pro Jahr bzw. bei jeglicher Progredienz der klinischen Symptome fachärztlich überprüft werden. Niktoin- und Schadstoffkarenz sind zu prüfen und zu dokumentieren, der weiterhin exponierte Patient ist entsprechend zu beraten.
Diagnostik und Früherkennung von COPD
193
0
Akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis
1
Sputumproduktion?
2 ja
logistische Voraussetzung für Sputumuntersuchung
ja
3 oder mehr Exazerbationen pro Jahr?
3 ja
nein 5 ja
Therapieversagen? nein
nein
nein
6
Verdacht auf resistente Erreger?
ja
4 nein 7
Verzicht auf Sputumuntersuchung
Abb. 1.
Sputumuntersuchung (Gramfärbung, Bakterienkultur, Resistententestung)
Sputumdiagnostik bei Patienten mit akuter Exazerbation der COPD (entsprechend [14])
Bei der Kontrolluntersuchung ist die Lungenfunktion zu analysieren und zu dokumentieren (mindestens einmal jährlich). Auch die spirometrischen (IC) bzw. bodyplethysmographischen Messparamter (RV, etc.), die Überblähung reflektieren, können von Bedeutung für die Verlaufsbeurteilung sein. Arterielle Blutgase sollten bei klinischer Verschlechterung und bei allen Patienten mit einer FEV1 < 40 % des Sollwertes durchgeführt werden. Bei jeder Kontrolluntersuchung ist die Aufzeichnung von Häufigkeit und Schweregrad von Exazerbation und Atemnot sowie Sputummenge und -konsistenz von großer Bedeutung. Die Bestimmung der 6-min-Gehstrecke stellt ein wesentliches diagnostisches Kriterium zur Einschätzung der Progredienz dar. Darüber hinaus sollten Dauer und Häufigkeit von Hospitalisationen und stationäre Maßnahmen sowie Einsatz von Notfallbehandlungen registriert werden. Darüber hinaus ist es wichtig, das Körpergewicht festzustellen und den Body-Mass-Index (BMI) zu berechnen. Bei untergewichtigen COPD-Patienten (BMI < 24 kg/m2) sollte eine Ernährungsberatung erfolgen und ggf. Zusatznahrung verordnet werden, da eine Gewichtsnormalisierung die Prognose bessert. Wesentlicher Bestandteil jeder Kontrolluntersuchung ist die Besprechung der Medikamentendosierung und unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Wenn inhalative Substanzen zum Einsatz kommen, muss die Inhalationstechnik überprüft werden.
194
Tobias Welte, Hannover
Darüber hinaus ist die in weniger typischen Fällen einmal gestellte Diagnose COPD – insbesondere in Abgrenzung zum Asthma – bei jeder Konsultation kritisch zu überprüfen. Eine neu aufgetretene oder sich verschlechternde Komorbidität (insbesondere koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz) muss diagnostiziert und ggf. behandelt werden.
5.15
Früherkennung
Wie bereits oben gezeigt, kann aus den Daten der BOLD-Studie abgeleitet werden, dass Patienten in frühen und mittleren Stadien der COPD nicht diagnostiziert sind. Da Nikotinkarenz weiterhin die effektivste Methode darstellt, um die Progredienz der COPD zu verhindern, kommt einer Früherkennung gefährdeter Patienten eine wesentliche Aufgabe zu. Ob eine frühzeitige medikamentöse Intervention ähnliche Effekte haben kann, wurde bisher für die meisten heute etablierten Arzneimittel nicht untersucht. Bisher sind in Deutschland keine weitreichenden Früherkennungsprogramme entwickelt worden. Lungenfunktionsanalytische Untersuchungen werden in den meisten allgemeinmedizinischen Praxen nicht angeboten. Dort, wo sie verfügbar sind, ist häufig die Qualität der Untersuchung nicht ausreichend. Betriebsärztliche Untersuchungen der Lungenfunktion finden nur in wenigen Betrieben statt. Außerhalb des ärztlichen Bereiches ist eine Früherkennung überhaupt nicht etabliert. Ziel von Gesundheitsförderungsprogrammen muss sein, einfache Lungenfunktionsuntersuchungen zu entwickeln, die valide genug sind, um eine Verdachtsdiagnose zu stellen und eine weitere fachärztliche Abklärung auszulösen. Alle Risikogruppen (Raucher mit > 10 pack years, beruflich mit Inhalationsnoxen exponierte Menschen) sollten regelmäßig gescreent werden. Bei COPD-typischen Symptomen wie Belastungsdyspnoe, Husten und Auswurf muss spätestens nach Ausschluss anderer Erkrankungen an COPD gedacht und eine entsprechende Untersuchung eingeleitet werden.
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Diagnostik und Früherkennung von COPD
195
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V
Maßnahmen
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien
199
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien Peter Kardos, Frankfurt
1
Einleitung
Die ersten evidenzbasierten Leitlinien wurden in Australien eingeführt. In den letzten 15 Jahren folgten in den meisten Industrieländern zahlreiche Weitere. Sie wurden als unverbindliche Empfehlungen erstellt. Es gibt sie für einzelne diagnostische oder therapeutische Methoden, für ethische Fragen oder aber für die umfassende Versorgung von Patienten mit einer definierten Erkrankung. Dabei kann der Adressat der Leitlinie sowohl der Allgemeinarzt, als auch der Facharzt sein; ebenso werden Patienten angesprochen (in patientengerechter Sprache). Entscheidungs- und Kostenträger im Gesundheitswesen sind ebenfalls an Leitlinien interessiert.
2
Erstellung von Leitlinien
Im Gegensatz zur früher üblichen Praxis für die Erstellung von – zum Beispiel medikamentösen – Therapieempfehlungen, die in Lehrbüchern meistens von Autoren mit ausgewiesener Expertise auf dem Fachgebiet verfasst worden sind, werden jetzt evidenzbasierte Leitlinien nach methodischen Vorgaben produziert, in Deutschland nach denen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich medizinischen Fachgesellschaften (AWMF; www.awmf-online.org). Abb. 1 zeigt den Prozess der Entstehung einer solchen Leitlinie. Die Zusammensetzung der Expertengruppe, die die Leitlinie erstellt, muss repräsentativ sein: Ärzte aus der Forschung, Klinik und Praxis des betroffenen Fachgebietes, Vertreter der wissenschaftlichen und der Fachverbände der Ärzteschaft, Patientenvertreter, Vertreter der Kostenträger, der Industrie und Systematiker sitzen an einem Tisch. Die gesamte „Evidenz“ aus der Literatur muss gesichtet werden. Sowohl vorhandene nationale als auch internationale Leitlinien als auch die Literatur (gesammelt mit Hilfe von Suchmaschinen und Schlüsselworten) werden in Hinblick auf jede einzelne in der Leitlinie behandelte Frage ausgewertet und gewichtet. Eine formelle Konsensfindung mit Mehrheitsentscheidung bestimmt die Stellungnahme, und ihre Einstufung nach Qualität der vorhandenen Evidenz. Die höchste Evidenz bieten mehrere randomisierte kontrollierte Studien zu einer bestimmten Fragestellung, die schwächste Evidenz ist die Meinung einer Expertengruppe. Außerdem wird in der Regel eine Empfehlung für die Anwendung – zum Beispiel einer Therapie – ausgesprochen. In der Regel gilt, je besser die Evidenz, umso höher wird der Grad der Empfehlung sein. Allerdings kann es vorkommen, dass die in der Literatur publizierte Evidenz schwach, die Empfehlung trotzdem stark ist.
200
Peter Kardos, Frankfurt
Sichtung der Literatur (Suchmaschinen, Keywords)
Auswahl der relevanten Arbeiten (Zusammenfassung)
Volltextartikel Lesen + Bewerten durch mehrere Experten
1. Konsensuskonferenz: Entscheidung über die Berücksichtigung relevanter Literatur
Abfassung der 1. Version Elektronisches Delphi-Verfahren
2. Konsensuskonferenz: formale Konsensusfindung Logische Analyse (Algorithmen)
Abfassung der 2. Fassung Elektronisches Delphi-Verfahren
3. Konsensuskonferenz: Evidenzgrade, Outcome-Analyse
Abfassung der 3. Fassung Elektronisches Delphi-Verfahren
Vorlage bei der wissenschaftlichen Gesellschaft Externe Gutachten
Endgültige Fassung Vorlage bei der wissenschaftlichen Gesellschaft
Publikation
Abb. 1.
Beispiel zum Entwicklungsprozess einer S3-Leitlinie
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien
201
Zum Beispiel dürfte es aus ethischen Gründen keine randomisierten Studien zur Frage Operation versus medikamentöse Therapie bei akuter Blinddarmentzündung geben. Die Evidenz zugunsten der Operation ist also schwach, die Empfehlung zu operieren trotzdem stark. Es können andererseits zu einer Fragestellung methodisch sehr gute Studien vorliegen, die daraus abgeleitete Empfehlung bleibt trotzdem schwach. Ein Chemotherapieschema kann zwar gegenüber Placebo sicher wirksam sein. Wenn die Wirkung sich nur in einer geringen Verlängerung der Lebenserwartung mit kaum tolerablen Nebenwirkungen niederschlägt, wird der Empfehlungsgrad niedrig ausfallen. Neben der Tatsache einer nachgewiesenen Wirksamkeit hängt die Empfehlung auch vom Ausmaß des erzielten Effektes, von den Nebenwirkungen und vom Preis der Therapie ab. Die Terminologie der Evidenz- und Empfehlungsgrade ist nicht einheitlich; die Asthmaund COPD-Leitlinien der Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) benützen die Evidenzgrade 1 (höchste) und 4 (niedrigste Evidenz, lediglich Konsensus der Experten, ohne sich auf Studien stützen zu können). Die Empfehlung wird mit A (stark) bis D (schwach) eingestuft. Die American Thoracic Society (ATS) hat festgelegt, dass ihre Leitlinien künftig nur noch eine starke und schwache Empfehlung aussprechen werden [1]. Die Qualität der Leitlinien wird nach den Empfehlungen der AWMF (www.AWMFonline.com) in drei Stufen (S1, S2, S3) eingeteilt: S1 (Expertengruppe): Eine repräsentativ zusammengesetzte Expertengruppe der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom Vorstand der Fachgesellschaft verabschiedet wird. S2 (formale Konsensusfindung): Eine Leitlinie wie in der Stufe 1 wird in formalem Konsensusverfahren beraten, modifiziert, ggf. mit systemischen Elementen wie Algorithmen ergänzt und als Leitlinien der Stufe 2 verabschiedet. S3 (Leitlinie mit allen Elementen systematischer Erstellung): Systematische Literaturrecherche und Konsensusprozess, ergänzt durch weitere systematische Elemente: Logische Analyse (klinischer Algorithmus), formale Konsensfindung, Evidenzbasierung, Entscheidungsanalyse und Outcome-Analyse.
3
Auswirkungen Evidenzbasierter Leitlinien auf die medizinische Versorgung
3.1
Vorteile der Leitlinien
• Aus- und Weiterbildung der Ärzte (und anderer medizinischen Berufsgruppen wie Krankenpflege und Physiotherapie) können verbessert und vereinheitlicht werden. • Leitlinien tragen dazu bei, im Gesundheitswesen realistisch zu planen. • Leitlinien ermöglichen eine Qualitätskontrolle im Gesundheitswesen [2]. Einige Leitlinien beinhalten auch Qualitätsindikatoren, anhand derer die Güte der Versorgung in verschiedenen Institutionen gemessen und verglichen werden kann, z.B. die Hustenleitlinie der DGP [3]. • Leitlinien können als Grundlage der Bedarfsplanung in der medizinischen Versorgung dienen. Durch Konzentration der verfügbaren finanziellen Ressourcen auf eva-
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luierte sinnvolle Vorsorgemaßnahmen könnte auch die Früherkennung von Krankheiten durch die Implementierung von Leitlinien verbessert werden. • Der größte Vorteil von Leitlinien ist bei ihrer konsequenten Anwendung ohne Zweifel eine qualitative Verbesserung der individualmedizinischen Versorgung. Leitlinien sind keine Monographien, sie subsumieren aber die neuesten, für die Diagnostik und Therapie relevanten Erkenntnisse. Somit liegen sie in konzentrierter Form, häufig in getrennten Versionen für den Allgemeinarzt und für den Spezialisten vor. Voraussetzung für diesen Nutzeffekt ist aber die Aktualität. Die vorletzte Leitlinie Asthma der Deutschen Atemwegsliga und der DGP wurde im Jahre 1998 publiziert [4] und in 2006 aktualisiert [5]. Die im Jahre 2002 erstellte COPD-Leitlinie der Atemwegsliga und der DGP wurde im Frühjahr 2007 aktualisiert. Die AWMF publiziert auf ihrer Webseite nur entsprechend aktualisierte Leitlinien (http://leitlinien.net). Die internationalen Initiativen GOLD (Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease; www.goldcopd.com) und GINA (Global Initiative Asthma; www.ginasthma.com) aktualisieren ihre Leitlinien jedes Jahr. Die Versionen 2006 sind seit November 2006 auf dem web einsehbar. • Die konsequente Anwendung von Leitlinien hilft Kosten zu sparen, die durch Vermeidung von Fehlverordnungen entstehen. Es liegen evidenzbasierte, in den AsthmaLeitlinien der Atemwegsliga/DGP [5] niedergeschriebene Daten zur Indikation der Anwendung von Kombinationspräparaten aus lang wirksamen Bronchodilatatoren und inhalativen Kortikosteroiden (ICS) für Asthma ab Schweregrad III (mittelgradiges persistierendes Asthma) vor. Die COPD-Leitlinien der Atemwegsliga/DGP [6] beschränken die Anwendung für schwere und sehr schwere Fälle von COPD mit häufigen Exazerbationen. Die Marketingdaten der entsprechenden Präparate lassen jedoch vermuten, dass diese Kombinationen bereits für leichtere Asthma- und COPD-Fälle verordnet werden – ohne Zusatznutzen und mit potentiellen, wenn auch seltenen Nebenwirkungen für den Patienten. Durch strikte Anwendung der Empfehlungen ließen sich hier sicher Kosten einsparen. Ein weiteres Beispiel kann anhand der Diagnostik des chronisch persistierenden Hustens [3] aufgezeigt werden. Hierbei gehört der asthmatische Husten (Husten als Asthmaäquivalent) zu dessen häufigsten Ursachen. Wenn die körperliche Untersuchung, die Röntgenaufnahme der Thoraxorgane und die Lungenfunktionsprüfung negativ ausfallen, sollte – um die dann häufigste Ursache zu suchen – eine unspezifische inhalative Provokationstestung durchgeführt werden. Vielerorts wird an dieser Stelle die nur in seltenen Fällen (weniger als 5 %) diagnostische Bronchoskopie durchgeführt. Hierbei entstehen hohe Kosten, die bei einem evidenzbasierten diagnostischen Vorgehen einzusparen wären. Auch Leitliniengerecht (früh) diagnostiziertes Asthma könnte durch rechtzeitige Behandlung erhebliche Kosten einsparen.
3.2
Nachteile der Leitlinien
Den geschilderten Vorteilen stehen Nachteile gegenüber. • An erster Stelle ist die bereits vom Begründer der evidenzbasierten Literatur [7] geäußerte Befürchtung, die evidenzbasierten Leitlinien würden vom Kostenträger zur Kostendämpfung missbraucht, zu erwähnen. Motto: Wofür es keine Evidenz gibt, wird nicht bezahlt. Dabei handelt es sich um ein grundlegendes (von manchen Kostenträgern vielleicht gewolltes?) Missverständnis. Die fehlende Evidenz darf keinesfalls mit
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien
203
fehlender Wirksamkeit verwechselt werden. So konnte bislang keine Evidenz für die Wirksamkeit von Sekretolytika erbracht werden. Dies liegt zum Teil daran, dass geeignete objektiv messbare Zielparameter zu finden schwierig ist. Andererseits sind die Sekretolytika weitestgehend patentfrei. Kein Hersteller wird unter diesen Umständen bereit sein, viele Millionen Euro in Studien – die den heutigen methodischen Anforderungen entsprechen – zum Nachweis der Wirksamkeit patentfreier Arzneimittel zu investieren. Das Präparat könnte dann von „Trittbrettfahrern“ ebenfalls vermarktet werden. • Ein Einsparpotential durch leitliniengerechte Diagnostik und Therapie darf nicht in Frage gestellt werden. Es führt jedoch nicht zu einer Verringerung, lediglich zu einer Optimierung der Gesamtkosten. Durch eine bessere Diagnostik wird die Anzahl der COPD-Fälle in einer Kohorte verdoppelt [8]; dies bleibt nicht ohne Konsequenz auf die Kosten der intensiven Diagnostik und der daraus folgenden Therapie. Leitliniengerecht behandelte Diabetespatienten mit strenger glykämischer Kontrolle entwickeln die gleichen Komplikationen später, als schlecht eingestellte Patienten. Die in den letzten 15 Jahren in Leitlinien empfohlene interventionelle und chirurgische Behandlung der koronaren Herzkrankheit wird in den nächsten Jahren einen ähnlichen Effekt zur Folge haben. Dies gilt für alle Behandlungsmethoden, die eine erfolgreiche Palliation, aber keine Heilung der Grundkrankheit bewirken. Hierdurch ist kein Kostenersparnis zu erzielen, sondern eine Verschiebung der Kosten zu späteren Lebensjahren. Unzählige weitere Beispiele sind für das Einsparpotential und für den Kostenanstieg möglich. Es zeichnet sich aber ab, dass Sacketts [7] ursprüngliche Befürchtungen – „Some fear that evidence based medicine will be hijacked by purchasers and managers to cut the costs of healthcare. This would not only be a misuse of evidence based medicine but suggests a fundamental misunderstanding of its financial consequences.” – sich bewahrheiten. Eine Kostenneutralität ist bei konsequenter Anwendung der evidenzbasierten Leitlinien nicht zu erwarten. Die individualmedizinisch höchst willkommene Entwicklung durch eine optimierte (= leitliniengerechte) Diagnostik und Therapie führt mittelfristig zwangsläufig zu einer Kostenexplosion in der Medizin. Auch das ist die Folge der evidenzbasierten Medizin. Unsere Gesellschaft wird sich mit der Finanzierung dieser Entwicklung auseinandersetzen müssen. • Es muss festgehalten werden, dass bislang kein umfassender wissenschaftlicher Vergleich publiziert wurde, der beweisen würde, dass die erhofften Vorteile der Einführung von Leitlinien die Versorgung der Patienten tatsächlich verbessern. Gerade die evidenzbasierte Medizin lehrt uns, keine „logischen“ (offensichtlichen) Hypothesen, sondern nur methodisch einwandfreie Vergleichsstudien gelten zu lassen. In diesem Sinne gibt es bislang keine Evidenz für die Vorteile der Anwendung der evidenzbasierten Asthma- und COPD-Leitlinien. • Heutigen methodischen Anforderungen genügende Studien liegen keinesfalls für alle in einer Leitlinie auftauchenden Fragen vor. Fragestellungen werden meistens durch Bedürfnisse der Hersteller, die solche Studien sponsern, gesteuert. Sie entsprechen mehr den Anforderungen an Zulassung oder Marketing, denn einer leitlinienkonformen Bewertung. Daraus folgend ist die Bewertung der Evidenz durch eine Leitlinieproduzierende Expertengruppe subjektiv und schlecht reproduzierbar [9]. Darüber hinaus verfügen billige, ältere, patentfreie Medikamente oder gar Hausmittel selten über die gewünschte hochgradige Evidenz.
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Peter Kardos, Frankfurt
• Ein weiteres Problem der Empfehlungen stellt die externe Validität der Ergebnisse aus bewerteten Studien dar. Mit anderen Worten: gilt das Ergebnis einer guten randomisierten kontrollierten doppelblinden Studie auch für meinen konkreten Patienten? Zum Nachweis der Wirksamkeit werden in Studien meistens „homogene“ Patientengruppen eingeschlossen, die zum Beispiel an schwerer bis sehr schwerer COPD (FEV1 < 50 %) ohne weitere wesentliche Erkrankungen leiden. Wird mein Patient, der gleichzeitig an einer koronaren Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen (eine sehr häufige Komorbidität bei COPD) leidet, ebenfalls von der leitliniengerechten Verordnung eines langwirksamen Beta2-Adrenergikums profitieren? Oder sind in diesem konkreten Fall kardiale Nebenwirkungen zu befürchten, die die Vorteile des langwirksamen Beta-Adrenergikums mehr als wettmachen könnten? Eine gewisse Schematisierung der individuellen Behandlung ist selbst dann zu befürchten, wenn die Leitlinien lediglich als Behandlungsvorschlag, nicht aber als Vorschrift für den Arzt dienen sollen. Kostenträger könnten naturgemäß geneigt sein. Diese jedoch eher als unabänderliche „Richtlinie“, an der sie die Wirtschaftlichkeit bzw. die Verordnungsfähigkeit messen, anzusehen. Ein weiteres Problem der externen Validität der Asthma- und COPD-Studien ist darin zu sehen, dass gerade neue, methodisch einwandfreie Studien einen besonderen Wert auf Trennung von Asthma und COPD legen. In der Praxis dürften mindestens 20 % der Patienten sowohl an Asthma als auch an COPD leiden. Welche Empfehlungen gelten für diese Patienten? • Bei sehr häufig fehlender Evidenz stellen Konsensusleitlinien notwendiger Weise den kleinsten gemeinsamen Nenner eines Expertengremiums dar. Ist das immer die beste Behandlung für einen konkreten Patienten? • Es ist nicht zu übersehen, dass aus Leitlinien abgeleitete Feststellungen immer einen „Mittelwert“ darstellen und nicht in der Lage sind, individuelle Besonderheiten eines Patienten in der Diagnostik oder in der Therapie zu berücksichtigen. Viele COPDPatienten sind nicht in der Lage, eine den Spirometrie-Leitlinien der Atemwegsliga/ DGP [10] genügende Untersuchung durchzuführen. Werden die Patienten aus dem Disease Management Programm COPD ausgeschlossen, dessen eigene Leitlinie (s. dort) eine spirometrische Sicherung der Diagnose vorschreibt? • Die Präferenz der Patienten findet in Leitlinien selten Berücksichtigung: Manche Patienten lehnen inhalative Medikamente ab oder sie sind nicht in der Lage, die entsprechenden Inhalationsgeräte zu benützen. Behandelt man diese Patienten mit einer oralen Therapie nicht mehr leitliniengerecht? • Für seltene Erkrankungen kann es keine evidenzbasierten Leitlinien geben. Für die Therapie der sehr seltenen tracheobronchialen Amyloidose gibt es keine Empfehlungen, die auf der Grundlage der Behandlung von vielen hundert oder tausend Patienten in randomisierten doppelblinden Studien entstanden wären. • Globale internationale Leitlinien wie GINA und GOLD erheben Anspruch auf globale Gültigkeit, obwohl Auslösefaktoren, Infrastruktur, Finanzierbarkeit, Mentalität etc. von so verschiedenen Ländern wie China und Deutschland sehr unterschiedlich sein können. So war in ländlichem China für einen großen Anteil von COPD-Erkrankungen die Verfeuerung von Kohle in Wohnräumen ohne Rauchabzug verantwortlich [11], eine Ursache, die in Deutschland kaum mehr vorkommen dürfte. In den westlichen Gesellschaften, allem voran in den englischsprachigen Ländern, ist die Prävalenz von Asthma 10- bis 20-mal höher als in afrikanischen Gesellschaften. Selbstverständlich muss eine nationale Leitlinie solche Unterschiede, die gegebene In-
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien
205
frastruktur und Finanzierung ebenfalls berücksichtigen. Dies führt dazu, dass in den meisten westlichen Ländern eigene nationale Leitlinien herausgegeben werden, die die genannten Unterschiede berücksichtigen. • Die Herstellung von Leitlinien nimmt Zeit in Anspruch. Die Literaturrecherche, die Konsensuskonferenz zur Bewertung der Literatur, die Abfassung der Ergebnisse und die Korrektur bis zum Erscheinen nehmen durchschnittlich zwei bis drei Jahre in Anspruch (Abb. 1). Im Augenblick des Erscheinens einer Leitlinie kann sie bereits obsolet sein. • Bei der Bewertung der „Leitlinienmedizin“ ist schließlich offen zu diskutieren, dass Leitlinien von führenden Experten auf dem jeweiligen Fachgebiet erstellt werden. Diese Experten sind i. d. R. mit der pharmazeutischen Industrie, mit Patientenorganisationen, aber auch Krankenkassen etc. vielfältig, teilweise auch finanziell verflochten. Die Pharmaindustrie finanziert viele Forschungsobjekte der Experten und nimmt häufig deren Beratung für ihre eigene Forschung und Entwicklung in Anspruch. Selbst das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) kann nicht als „unabhängig“ angesehen werden, wenn die Stiftung mit dem erklärten Ziel von Einsparungen im Gesundheitswesen gegründet wurde. Die Deklaration von Interessenkonflikten schafft hier nur teilweise eine Abhilfe. Eine perfekte Lösung für dieses Problem ist nicht in Sicht. Asthma und COPD sind „Volkskrankheiten“ von besonderer gesundheitspolitischer und ökonomischer Bedeutung. Neben den wissenschaftlichen Fachgesellschaften einzelner Länder, Kostenträgern, internationalen Fachgesellschaften wie die European Respiratory Society entstanden in den letzten zehn Jahren mit der Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation und auch nationaler Institutionen wie der US-amerikanischen NIH (National Institutes of Health) internationale Initiativen: GOLD und GINA. Zu den Aufgaben dieser Initiativen gehört neben der Öffentlichkeitsarbeit die Erarbeitung, Herausgabe und die jährliche Aktualisierung von Leitlinien zur Behandlung von Asthma und COPD. Für die meisten Industrieländer bilden diese Leitlinien die Grundlage zur Erstellung nationaler Leitlinien mit besonderer Berücksichtigung des Gesundheitssystems des eigenen Landes oder des Geltungsbereichs.
4
Die Asthma-Leitlinien
In Deutschland gibt es mindestens sechs aktuelle Asthma-Leitlinien (Tabelle 1). Als Grundlage dient die internationale Leitlinie GINA (www.ginasthma.com). Alle diese Leitlinien teilen die Auffassung, dass Asthma eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege ist, die durch eine bronchiale Hyperreagibilität und eine variable Atemwegsobstruktion gekennzeichnet ist. Folglich ist die Therapie in erster Linie eine Antientzündliche und in zweiter Linie eine Bronchodilatatorische. Die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen Leitlinien ergeben sich aus dem Datum der Erstellung, der zu behandelnden Zielpopulation (Erwachsene, Kinder), der Ärztegruppen für die die Leitlinie erstellt wurde (Fachärzte, Forscher, Allgemeinärzte), den Besonderheiten des nationalen Gesundheitssystems und ob die Leitlinie regulatorische Aufgaben erfüllen soll Die internationale GINA-Leitlinie wurde zuletzt im November 2006 aktualisiert. Aufgrund der Erfahrungen mit der Leitlinie in der Praxis wurde eine grundsätzliche Änderung eingeführt. Die Asthmatherapie (Abb. 2) wurde bislang nach dem Schweregrad des Asthmas (Tabelle 2) festgelegt. Dieses Herangehen ist theoretisch gut begründbar, aber
206
Peter Kardos, Frankfurt
Tabelle 1. Asthma-Leitlinien Leitlinie
Langfassung
Kurzfassung
Jahr
Publikation
Nationale Versorgungs-LL Asthma NVL
ja
ja
2006
www.versorgungs leitlinien.de 2006
LL zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma der Atemwegsliga und der DGP
ja
ja
2006
Pneumologie 2006 60:139–183
LL der GPP Asthma im Kindes- und Jugendalter
ja
nein
2006
Atemw-Lungenkrkh 32 11/2006 445–463
2000
http://www.ifapindex.de/bdamanuale/asthmacase/ index.html
2006
www.kvb.de
Asthma Manual Casemanagement Deutscher Hausärzteverband Leitlinie der KV Bayern zu Disease Management Programm Asthma/COPD
ja
nein
LL Leitlinie, DGP Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, GPP Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie, KV Kassenärztliche Vereinigung
Stufe 4 schwer
Stufe 3 mittel
Stufe 2 gering
Stufe 1 intermittierend
Abb. 2.
ICS hohe Dosis + LABA+ Anti-IgE* Theo u/o OCS, LTRA** ICS bis mittl. Dosis + LABA Alternativ: ICS hoch, LTRA, Theo, β2 oral
ICS niedrige Dosis
keine Dauertherapie
Asthmatherapie
ICS inhalatives Corticosteroid, LTRA Leukotrienantagonist, Theo Theophyllin, ß2 Beta2-Mimetikum, OCS orales Corticosteroid, Anti-IgE Anti-Immunglobulin E-Antikörper * bei schwerem allergischen Asthma; ** in Deutschland für diese Indikation nicht zugelassen
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien
207
Tabelle 2. Asthma-Schweregrade Schweregrad
Symptome
FEV1 PEF
tagsüber
nachts
IV schwer
andauernd hohe Variabilität hohe Intensität
häufig
< 60 % Variabilität > 30 %
III mittelgradig
täglich
> 1×/Woche
60–80 % Variabilität 20–30 %
II geringgradig
> 1×/Woche < 1×/Tag
> 2×/Monat
≥ 80 % Variabilität 20–30 %
I intermittierend
>1×/Woche dazwischen asymptomatisch
≤ 2×/Monat
≥ 80 % Variabilität <20 %
FEV1 Forciertes exspiratorisches Volumen in der 1. Sekunde, PEF Peak flow (Exspiratorischer Spitzenfluss)
wenig praktikabel, da wir in der Praxis in der Regel mit bereits behandelten Patienten zu tun haben. Die Schweregrad adaptierte Empfehlung hat die bereits laufende Asthmatherapie nicht berücksichtigt. Für die Weiterbehandlung eines Patienten mit häufig bestehenden nächtlichen Atemnotanfällen (schweres, persistierendes Asthma) ist doch entscheidend, ob er bislang nur mit einem Bronchodilatator bei Bedarf behandelt worden ist oder bereits ein hoch dosiertes inhalatives Kortikosteroid gehabt hat. Im ersten Fall wird die Verordnung eines inhalativen Kortikosteroids wahrscheinlich zur Beschwerdefreiheit führen. GINA empfiehlt jetzt – was in der täglichen Praxis schon immer praktiziert wurde –, die Asthmatherapie dem aktuellen Stand der Einstellung eines Patienten anzupassen. Es wurden drei Kategorien unterschieden: „Sehr gut eingestelltes Asthma“, „Akzeptabel eingestelltes Asthma“ und „Schlecht eingestelltes Asthma“. Dabei sollte durch Eskalation der bisherigen Behandlung bei jedem Patienten eine gute Asthmakontrolle angestrebt werden. Wenn diese erreicht wurde, kann die medikamentöse Therapie bei einer Stabilität über drei Monate reduziert werden. Die neue Leitlinie der Atemwegsliga und der DGP (2006) sowie die der Gesellschaft pädiatrischer Pneumologen (GPP) empfehlen bereits dieses Vorgehen, obwohl das GINADokument viel später erschienen ist. Die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma (NVL), die Leitlinie des Bundesverbandes Deutscher Allgemeinärzte und die Leitlinie zum Disease Management Programm (DMP) enthalten noch die alten Empfehlungen, die sich am Schweregrad des Asthmas orientieren. Dies gilt auch für die verschiedenen nationalen Leitlinien für Asthma z.B. British Thoracic Society 2004 [12]. Die neue Leitlinie der Atemwegsliga/DGP [5] beinhaltet eine Eskalations-/Deeskalationstabelle (Tabelle 3). Je nach Vortherapie sollte immer dann die Behandlung erweitert werden, wenn der Patient noch Beschwerden hat. Umgekehrt, bei gut eingestelltem Asthma nach dreimonatiger Stabilität kann die Therapie um eine Stufe deeskaliert werden. Diese Tabelle gilt grundsätzlich auch für Kinder; ein ähnliches Prinzip ist in den Leitlinien für das Kindes- und Jugendalter der GPP enthalten [13].
208
Peter Kardos, Frankfurt
Tabelle 3. Eskalations/Deeskalationstabelle zur Asthma-Therapie 1. Wahl
Alternativen
ICS niedrige Dosis
Kinder: LTRA, Cromone
ICS mittlere Dosis
ICS niedrige Dosis + LABA nicht bei Kleinkindern
ICS mittlere Dosis + LABA
ICS mittlere Dosis + LTRA besonders bei Kleinkindern
ICS hohe Dosis + LABA
ICS hohe Dosis + LTRA o. ICS hohe Dosis + THEO
ICS hohe Dosis + LABA + Theo oder Omalizumab
ICS hohe Dosis + LABA + LTRA o. ICS hohe Dosis + LABA + LTRA + THEO
+ OCS
+ steroidsparende Immunsuppressiva
ICS inhalatives Corticosteroid, LTRA Leukotrienantagonist, Theo Theophyllin, LABA langwirksames Beta2Adrenergikum, OCS orales Corticosteroid
Die NVL Asthma beinhaltet – entsprechend dem Zielpublikum – ausführliche Hinweise zu Koordination der Versorgung, Qualitätsförderung und Qualitätsmanagement sowie ausführliche Hintergrundinformationen zu den empfohlenen Maßnahmen. Die Leitlinie für das DMP Asthma/COPD ist hingegen auf je ca. 10 Seiten für Asthma und COPD abgefasst und bezieht sich auf die in Rahmen der DMP erforderliche Diagnostik, um einen Patienten einzuschreiben, sowie auf die erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Auf eine evidenzbasierte Darstellung wurde verzichtet; die Empfehlungen übernehmen aber im Wesentlichen Diejenigen der evidenzbasierten NVL. Die Leitlinie des BDA führt ebenfalls keine Evidenzgrade. Dafür sind Hinweise auf verschreibungsfähige Hilfsmittel und auf das Praxismanagement zu finden. Abgesehen von zielgruppenspezifischen Inhalten unterscheiden sich die Asthmaleitlinien allenfalls in Akzenten, die Gemeinsamkeiten überwiegen.
5
Die COPD-Leitlinien
Der Begriff COPD umfasst das weite Spektrum der chronisch obstruktiven Bronchitis, des Lungenemphysems und deren Kombinationen. Die Obstruktion bei COPD ist progressiv, sie kann irreversibel, teilreversibel, aber niemals voll reversibel sein. Voll reversible Obstruktion entspricht Asthma, das nach heute gültiger Auffassung nicht in das Spektrum der COPD gehört. Zwischen COPD und Asthma gibt es sowohl in der Ätiologie, Schweregradeinteilung und Prognose als auch in der Therapie wichtige Unterschiede. Die strikte Trennung von Asthma und COPD wurde erst in den letzten zehn bis 15 Jahren allgemein akzeptiert. Nachdem sich die COPD epidemiologisch gesehen kräftig auf dem Vormarsch befindet und im Jahre 2020 zur dritthäufigsten Todesursache zu avancieren droht [14], wurde in den letzten Jahren dieser Erkrankung außergewöhnlich viel Auf-
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien
209
merksamkeit gewidmet, was sich in zahlreichen, zum Teil parallel erscheinenden Leitlinien niederschlug. Die wichtigsten sind in Tabelle 4 aufgeführt. Die Leitlinie der Atemwegsliga/DGP [6] wurde im Jahre 2002 publiziert, ist nicht mehr aktuell und wird 2007 aktualisiert. Sie enthält vier Schweregrade (0–III). Patienten mit einem FEV1 zwischen 80 und 30 % wurden in einen einzigen Schweregrad (II) eingeteilt. Heute gibt es robuste Evidenz, dass die Patienten zwischen 50 und 30 % FEV1 eine andere Symptomatik, Prognose und Therapieansätze haben als Patienten mit FEV1 zwischen 80 und 50 %. Bereits im Jahre 2003 hat GOLD die Schweregradeinteilung 0–IV neu definiert (Tabelle 5), welche die nachfolgenden Leitlinien weitgehend übernommen haben. Die neue GOLD-Leitlinie 2006 hat den Schweregrad 0 (Risikopatienten mit Husten und Auswurf, aber ohne Einschränkung der Lungenfunktion) abgeschafft, da es keine Daten gibt, die bei solchen Patienten eine häufigere Entstehung von Bronchialobstruktion und damit COPD I–IV gegenüber der Allgemeinbevölkerung beweisen würden. Die ATS/ERS-Leitlinie betont, dass neben FEV1 auch weitere wichtige Charakteristika wie Dyspnoe, Körpergewicht und körperliche Belastbarkeit den Schweregrad mitbestimmen. Im Gegensatz zu den anderen, sich auf GOLD stützenden Leitlinien macht die ATS/ERS daher die
Tabelle 4. COPD-Leitlinien Leitlinie
Langfassung
Kurzfassung
Jahr
Publikation
GOLD
ja
noch nicht
2006
www.goldcopd.com
2004
www.ersnet.org
2006
www.versorgungsleitlinien.de
2002
Worth et al [6]
ATS/ERS NVL COPD
ja
ja
Atemwegsliga/DGP NICE
ja
ja
2004
www.nice.org.uk
Leitlinie der KV Bayern zu Disease Management Programm Asthma/ COPD
ja
nein
2006
www.kvb.de
Tabelle 5. COPD-Schweregrade nach GOLD, NLV und NICE nach postbronchodilatatorischer FEV1. FEV1/FVC (oder VC) < 70 % Schweregrad I
Leicht
FEV1 ≥ 80 % Sollwert
Schweregrad II
Mittelgradig
50 % ≤ FEV1 < 80 % Sollwert
Schweregrad III
Schwer
30 % ≤ FEV1 < 50 % Sollwert
Schweregrad IV
Sehr schwer
FEV1 < 30 % Sollwert oder FEV1 < 50 % Sollwert + chr. respiratorische Insuffizienz
210
Peter Kardos, Frankfurt
medikamentöse Therapie nicht von starren FEV1-Grenzen, sondern von den unter einer Therapie noch bestehenden Beschwerden des Patienten abhängig und entspricht damit einem praxisnahen Therapieeskalationsschema. GOLD 2006, ATS/ERS und die NVL bevorzugen gegenüber den kurz-wirksamen die langwirksamen Bronchodilatatoren, die nicht nur in der Anwendung für den Patienten bequemer, sondern auch wirksamer sind. Das National Institute for Health and Clinical Excellence [15] im Vereinigten Königreich überlässt die Auswahl des Bronchodilatators je nach Ansprechen dem individuellen Fall. In allen vier Leitlinien ist die Rolle der ICS klar definiert: Sie sind bei FEV1 < 50 % indiziert, falls diese Patienten häufig (mindestens einmal pro Jahr) Exazerbationen haben. Wenn sowohl ICS als auch langwirksame Bronchodilatatoren indiziert sind, wie in der zuletzt erwähnten Patientengruppe, kann selbstverständlich diese Therapie auch in Form von Kombinationspräparaten verordnet werden. Insgesamt hängen die Unterschiede zwischen den einzelnen COPD Leitlinien vor allem von der Zeit ihrer Entstehung ab.
Literatur 1. Schunemann HJ et al. An official ATS statement: grading the quality of evidence and strength of recommendations in ATS guidelines and recommendations Am.J Respir Crit Care Med 1-9-2006; 174; 605–614 2. Kopp I et al. Die zentrale Rolle von Outcome in Leitlinien und Disease-Management Programmen. 8. Rundbrief AWMF online 27-2-2003; 1–10 3. Kardos et al. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten Pneumologie 2004; 58 570–602 4. Wettengel R et al. Empfehlungen für Asthmatherapie bei Kindern und Erwachsenen Pneumologie. 1998; 52; 591–601 5. Buhl R et al. Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma Pneumologie 2006; 60; 139–177 6. Worth H et al. Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) Pneumologie 2002; 56; 704–738 7. Sackett D et al. Evidence based medicine: what it is and what it isn‘t BMJ 13-1-1996; 312 (7023); 71–72 8. Buffels J et al. Office Spirometry Significantly Improves Early Detection of COPD in General Practice: The DIDASCO Study Chest 1-4-2004; 125 (4); 1394–1399 9. Raine R et al. An experimental study of determinants of group judgments in clinical guideline development Lancet 31-7-2004; 364 (9432); 429–437 10. Criee CP et al. Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zur Spirometrie Pneumologie 2006; 60 (9); 576–584 11. Chapman RS et al. Improvement in household stoves and risk of chronic obstructive pulmonary disease in Xuanwei, China: retrospective cohort study BMJ 5-11-2005; 331 (7524); 1050 12. British Guideline on the Management of Asthma Thorax 1-2-2003; 58 Supplement 1 (90001); 1i–94i 13. Berdel D et al. Asthma bronchiale im Kindes- und Jugendalter. S2 Leitlinie Z Ärztl Fortbild Qualitätssich. 2006; 100 (6); 425–430
Asthma und COPD: Nationale und internationale Leitlinien
211
14. Murray CJ, Lopez AD. Alternative projections of mortality and disability by cause 1990–2020: Global Burden of Disease Study Lancet 24-5-1997; 349 (9064); 1498– 1504 15. NICE. Chronic Obstructive Pulmonary Disease National Clinical Guideline on Management Thorax 2004; 59 (Suppl 1); 1–232
Nationale Versorgungsleitlinie Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
213
Nationale Versorgungsleitlinie Asthma bronchiale: Besondere Aspekte bei Kindern und Jugendlichen Dietrich Berdel, Wesel
1
Einleitung
Leitlinien sind heutzutage nicht mehr aus dem medizinischen Alltag wegzudenken und werden in Zukunft das diagnostische und/oder therapeutische Handeln zunehmend beeinflussen. Medizinische Leitlinien sind ein wesentliches Instrument der Qualitätsförderung und Transparenz. Diese „Klinischen Leitlinien oder Praxisleitlinien“ sind in der Regel auf umschriebene Teilbereiche des Versorgungsgeschehens ausgerichtet und beschreiben nur selten organisatorische Rahmenbedingungen der Patientenversorgung oder Nahtstellen zwischen den verschiedenen Disziplinen bzw. Versorgungsbereichen (Primäre Prävention – Sekundäre Prävention – Kuration – Rehabilitation). Werden neue Leitlinien formuliert, sollen dabei Kerninhalte bereits existierender hochwertiger Leitlinien auf einander abgestimmt, Nahtstellen zwischen verschiedenen Disziplinen und Versorgungsbereichen definiert und ein organisatorischer Rahmen für Leitlinien-basierte Qualitätsmanagementsysteme geschaffen werden. Alle Leitlinien sollten mit entsprechenden Begleitmaterialien (Praxishilfen, z. B. für Qualitätszirkel und Schulungen; Patientenversion und Leitlinienreport zur Methodik des Entwicklungsprozesses) ausgestattet und im Internet frei verfügbar sein.
2
Hintergrund und Zielsetzung
Asthma ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen; im Kindesalter ist es die häufigste chronische Erkrankung überhaupt. In Deutschland sind ca. 10 % der kindlichen Bevölkerung davon betroffen. Repräsentative Erhebungen in Deutschland zeigen Prävalenzen von etwa 9–14 % im Kindesalter. Die Prävalenz des Asthmas hat in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Ländern zugenommen. Die Häufigkeit des Asthma bronchiale ist in den hochentwickelten westlichen Ländern wesentlich höher als in Osteuropa und den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern. In den westlichen Ländern hat die Prävalenz des Asthmas in den letzten vier Dekaden deutlich zugenommen. Einige neuere Studien deuten an, dass die Zunahme asthmatischer Erkrankungen in westlichen Ländern zum Stillstand zu kommen scheint (Übersicht bei 1). Die Asthmamortalität in Deutschland hat in den letzten 10 Jahren um etwa ein Drittel abgenommen. Die Abnahme der Mortalität betrifft
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Dietrich Berdel, Wesel
alle Altersgruppen einschließlich der kindlichen Asthma-Todesfälle. Diese erfreuliche Entwicklung wird im Wesentlichen der inzwischen weitgehend etablierten Therapie mit inhalativen Corticosteroiden zugeschrieben [2]. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Asthmas ist groß. Krankheitskosten für Kinder und Erwachsene mit mittelschwerem allergischem Asthma wurden mit € 2.200 bzw. € 2.700 pro Jahr berechnet, bei schwerem allergischem Asthma resultierten € 7.900 bzw. € 9.300 pro Patient und Jahr. Die Kosten für die vielfach schwereren Krankheitsverläufe nicht-allergischer Asthmaformen dürften höher anzusetzen sein [3]. Ziel einer jeden nationalen oder internationalen Leitlinie Asthma muss es sein, die Verbreitung evidenzbasierter Empfehlungen, mit deren Hilfe man Entscheidungen in der medizinischen Versorgung von Menschen mit Asthma-Risiko oder mit Asthma auf eine rationalere Basis stellen kann, zu optimieren. Auf diesem Weg sollen die Qualität der Versorgung verbessert und die Stellung des Patienten gestärkt werden. Zudem soll die Berücksichtigung der Empfehlungen zu einer Effizienzsteigerung und damit zu einem angemesseneren Einsatz der begrenzten Ressourcen im Gesundheitswesen beitragen. Von der Berücksichtigung der Empfehlungen nationaler und internationaler Leitlinien Asthma erhofft man sich u. a. • die Reduktion von – akuten und chronischen Krankheitserscheinungen (z. B. Symptome, Asthmaanfälle) – krankheitsbedingter Beeinträchtigung der körperlichen und sozialen Aktivitäten im Alltag – Progredienz der Krankheit – unerwünschten Wirkungen der Therapie • Normalisierung bzw. Anstreben der bestmöglichen Lungenfunktion und Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität • Verbesserung der Asthma-bezogenen Lebensqualität • Reduktion der Asthma-bedingten Letalität • Unterstützung der Patienten mit dem Ziel, die individuell bestmögliche Gesundheit sowie soziale Integration zu erlangen und aufrecht zu erhalten In der Schwangerschaft zielt die Behandlung auf die optimale Asthmatherapie der Mutter bei möglichst geringem Risiko für das ungeborene Kind.
3
Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma: Entwicklung und Evidenzdarlegung
Die Methodik des NVL-Programms ist an anderer Stelle ausführlich beschrieben [4, 5, 6]. Die Ausführungen dieses Kapitels sind in enger Anlehnung an diese Veröffentlichungen verfasst. Nachstehend werden einige Charakteristika des Verfahrens dargestellt, die das Zustandekommen und die Präsentation der NVL-Empfehlungen zum Thema Asthma erklären. Die Expertengruppen für die Entwicklung Nationaler Versorgungsleitlinien werden von den Trägern des Programms einberufen. Primäre Ansprechpartner sind die Mitglieds-
Nationale Versorgungsleitlinie Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
215
gesellschaften der AWMF und die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Dem entsprechend haben die an der Versorgung von Asthmapatienten aller Altersstufen maßgeblich beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen Mandatsträger für die Entwicklung der NVL Asthma entsandt (Tabelle 1). Die Beteiligung von Patienten an der Entwicklung von NVL erfolgt in Abstimmung mit dem Patientenforum bei der Bundesärztekammer. Dem entsprechend wurden für die Begutachtung der NVL Asthma und Entwicklung einer Patientenleitlinie sowohl Vertreter der im Forum vertretenen Organisationen als auch der Asthma-Betroffenen benannt. Für die Formulierung von Empfehlungen wurde die Adaptation existierender, hochwertiger Leitlinien angestrebt und bewusst auf eine systematische Primärliteraturrecherche verzichtet. Als Grundlage für die NVL Asthma wurde – im Konsens der beteiligten Fachgesellschaften – die British Guideline on the Management of Asthma von 2003/2004 [7] ausgewählt. Die englischsprachige Quell-Leitlinie wurde übersetzt, 60 Empfehlungen ex-
Tabelle 1. NVL Asthma 2005: Evidenz- und Empfehlungsdarlegung Empfehlungsgrad*
Evidenzgrad
Charakteristika der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Belege
↑↑ Starke Empfehlung
1 ++
Qualitativ hochstehende Meta-Analysen oder systematische Übersichtsarbeiten von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) oder RCT mit sehr geringem Bias-Risiko
1 +.
Gut durchgeführte Meta-Analysen oder systematische Übersichtsarbeiten von RCT oder RCT mit geringem Bias-Risiko
1-
Meta-Analysen oder systematische Übersichtsarbeiten von RCT oder RCT mit hohem Bias-Risiko.
2 ++.
Qualitativ hochstehende systematische Übersichtsarbeiten von Fall-Kontroll- oder Kohorten-Studien Qualitativ hochstehende Fall-Kontroll- oder Kohorten-Studien mit sehr geringem Risiko für Confounding, Bias oder Zufall und hoher Wahrscheinlichkeit für Kausalität der gefundenen Assoziation
2+
Gut durchgeführte Fall-Kontroll- oder Kohorten-Studien mit geringem Risiko für Confounding, Bias oder Zufall und mittlerer Wahrscheinlichkeit für Kausalität der gefundenen Assoziation
2 -.
Fall-Kontroll- oder Kohorten-Studien mit hohem Risiko für Confounding, Bias oder Zufall und hohem Risiko einer nicht bestehenden Kausalität der gefundenen Assoziation
3
Nicht-analytische Studien, z. B. Fallstudien, Fallserien
4
Expertenmeinung
↑ Empfehlung
↔ Empfehlung offen
* Die Vergabe der Empfehlungsgrade berücksichtigt neben der Stärke der zugrunde liegenden Evidenz auch Konsensusaspekte, z.B. klinische Relevanz und Konsistenz der Studienergebnisse, Anwendbarkeit und Patientenpräferenzen. In entsprechend begründeten Fällen kann eine Auf- oder Abwertung des Empfehlungsgrades gegenüber dem Evidenzgrad vorgenommen werden.
216
Dietrich Berdel, Wesel
trahiert und diese hinsichtlich ihrer inhaltlichen Angemessenheit und der Qualität der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Belege gemäß der Original-Evidenztabellen geprüft. Die Feststellung eines Überarbeitungsbedarfs erfolgte im Konsens der Expertengruppe nach folgenden Kriterien: Notwendige Ergänzung (nicht adressierte Schlüsselfrage); notwendige Aktualisierung aufgrund neuer Erkenntnisse (Publikationen); unzureichende wissenschaftliche Belege; relevante Diskrepanz zur Versorgungssituation Deutschland. Dies betraf Struktur- und Versorgungsfragen des Deutschen Gesundheitssystems bezüglich spezifischer Aspekte der Epidemiologie, Diagnostik (Erfassung der krankheitsspezifischen Lebensqualität), Arzneimittelversorgung, Rehabilitation, Versorgungskoordination und des Qualitätsmanagements sowie Schulungs- und Übungsangebote. Der Beantwortung dieser Fragen wurden vor allem die Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Asthma der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie [8] und die Therapieempfehlung Asthma bronchiale der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft von 2001 [9] zugrunde gelegt. Evidenzdarlegung und Konsensusverfahren: Die NVL Asthma nutzt als Grundlage zur Evidenzdarlegung für die Schlüsselempfehlungen – ebenso wie die Quell-Leitlinie – die Evidenzgraduierung des Schottischen Leitliniennetzwerks (Scottish Intercollegiate Guidelines Network, SIGN) [7]. Die Evidenzgraduierung der aus der Quell-Leitlinie übernommenen Literatur wurde nicht verändert. Die NVL-Methodik sieht zur Darlegung der Gewichtung von Empfehlungen die zusätzliche Vergabe von Empfehlungsgraden im Rahmen eines formalen Konsensusverfahrens vor. Diese berücksichtigt neben der zugrunde liegenden Evidenz auch ethische Verpflichtungen, die klinische Relevanz der Effektivitätsmaße der Studien, die Anwendbarkeit der Studienergebnisse auf die Patientenzielgruppe, Präferenzen der Patienten und die Umsetzbarkeit im ärztlichen Alltag, insbesondere in den verschiedenen Versorgungsbereichen [5]. Dem entsprechend wurden die 60 Schlüsselempfehlungen der NVL Asthma im Rahmen eines Nominalen Gruppenprozess [10] im Kreis aller benannten Vertreter der an der Erstellung beteiligten Fachgesellschaften diskutiert und abgestimmt.
4
Inhaltliche Schwerpunkte der NVL Asthma
Bei der Gliederung und Formulierung von Schlüsselfragen der NVL Asthma orientierten sich die Autoren an den Empfehlungen des Clearingberichtes Asthma des deutschen Leitlinien-Clearingverfahrens. Die behandelten Themen sind in Tabelle 2 zusammengestellt; die einzelnen Empfehlungen, ihre Begründung und zugrunde liegende Literatur sind auf der Internet-Seite des NVL-Programms unter www.asthma.versorgungsleitlinien.de zugänglich. Unter anderem nehmen die Versorgungsleitlinien zu folgenden Fragen Stellung: • Anhand welcher objektiven Messungen sollte die Diagnose gesichert werden? • Welche Therapeutika sollten in welcher Dosierung bei intermittierendem oder persistierendem Asthma von Kindern und Jugendlichen bzw. Erwachsenen eingesetzt werden? • Welche nichtmedikamentösen Maßnahmen sind anzuwenden? • Welche Maßnahmen sind beim Asthmaanfall indiziert? Welche sollten vermieden werden?
Nationale Versorgungsleitlinie Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
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Tabelle 2. NVL Asthma 2005 – Inhaltsverzeichnis (fett gedruckt: Kapitel/Themen mit pädiatrischen Inhalten) 1. Definition, Epidemiologie, Formen des Asthmas 2. Diagnostik • Algorithmus zur Asthma-Diagnostik bei Erwachsenen • Algorithmus zur Asthma-Diagnostik bei Kindern • Anamnese • Objektive Messungen zur Sicherung der Diagnostik (Erwachsene) • Objektive Messungen zur Sicherung der Diagnostik (Kinder und Jugendliche) • Allergologische Stufendiagnostik • Differenzialdiagnose • Diagnostik von eingeschränkter Lebensqualität • Klassifikation der Asthma-Schweregrade (Erwachsene) • Klassifikation der Asthma-Schweregrade (Kinder und Jugendliche) 3. Therapie • Therapieziele des Asthmamanagements • Pharmakotherapie • Anstrengungsinduziertes Asthma • Medikamentöse Therapie bei Erwachsenen (Stufentherapie) • Medikamentöse Therapie bei Kindern und Jugendlichen (Stufentherapie) 4. Wirkstoffe • Dauer- und Bedarfstherapie, wichtige unerwünschte Arzneimittelwirkungen • Tagesdosen verschiedener ICS 5. Inhalationssysteme: Verordnung, Technik, Training • Inhalation bei Kindern unter 5 Jahren 6. Nichtmedikamentöse Maßnahmen • Patientenschulung, Körperliches Training, Atem- und Physiotherapie, Tabakentwöhnung, Psychosoziale Krankheits- und Behandlungskonzepte, Kontrolle des Körpergewichts 7. Asthma-Anfall beim Erwachsenen 8. Asthma-Anfall bei Kindern und Jugendlichen • Management des Asthmaanfalls bei Kindern über 2 Jahren: Mittelschwerer / schwerer Anfall • Management des Asthmaanfalls bei Kindern unter 2 Jahren 9. Asthma in der Schwangerschaft 10. Maßnahmen zur Asthma-Prävention 11. Rehabilitation 12. Maßnahmen mit unzureichendem oder fehlendem Wirksamkeitsnachweis 13. Versorgungskoordination 14. Qualitätsförderung und Qualitätsmanagement Kapitel H1 – H14: Hintergrund und Evidenz zu den Kapiteln 1–14
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Dietrich Berdel, Wesel
• Welche Besonderheiten sind bei schwangeren Asthmatikerinnen zu bedenken? • Für welche präventiven Maßnahmen existieren Wirksamkeitsnachweise? • Wann sind stationäre bzw. rehabilitative Maßnahmen indiziert? • Wie sollte die Betreuung von Menschen mit Asthma oder Asthma-Risiko im deutschen Gesundheitswesen koordiniert und organisiert werden? • Für welche Maßnahmen, die häufig im Zusammenhang mit Asthma genannt werden, existiert kein ausreichender Wirkungsnachweis? Der speziellen Zielsetzung der NVL entsprechend haben die beteiligten ärztlichen Fachgesellschaften konkrete Empfehlungen zur versorgungsbereichübergreifenden Koordination der Betreuung von Patienten mit Asthma konsentiert. Demnach erfolgt die Langzeit-Betreuung des Patienten grundsätzlich durch den Kinderu. Jugend- bzw. Hausarzt. Nur wenn medizinische Gründe es erfordern, sollte der Patient durch einen pneumologisch besonders qualifizierten, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt bzw. durch eine qualifizierte Einrichtung betreut werden. Dabei soll bei einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes obligatorisch geprüft werden, ob eine Rückverweisung an den Hausarzt möglich ist. Als Indikationen für die Betreuung durch einen Spezialisten werden angesehen: • unzureichender Therapieerfolg trotz intensivierter Behandlung • Notwendigkeit einer Dauertherapie mit oralen Corticosteroiden • vorausgegangene Notfallbehandlung • Beenden einer antientzündlichen Dauertherapie • Begleiterkrankungen (z. B. chronische Sinusitis) Die Einweisung zur stationären Behandlung hat bei Hinweis auf lebensbedrohlichen Anfall bzw. bei schwerem, trotz initialer Behandlung persistierenden Anfall obligatorisch zu erfolgen. In Erwägung zu ziehen ist eine stationäre Behandlung nach Meinung der Leitlinien-Autoren und –Herausgeber bei Verdacht auf schwere broncho-pulmonale Infektionen; bei Absinken des Peakflow unter ca. 30 % des persönlichen Bestwertes bzw. unter 100 l/min und/oder Atemfrequenz mehr als ca. 25 pro Minute und/oder Sprech-Dyspnoe bei Erwachsenen; sowie bei asthmakranken Schwangeren mit Verdacht auf Gefährdung des ungeborenen Kindes. Eine Rehabilitationsmaßnahme ist insbesondere zu erwägen bei schweren Asthmaformen mit relevanten Krankheitsfolgen trotz adäquater medizinischer Betreuung, insbesondere bei Ausschöpfung der Therapie bei schwierigen und instabilen Verläufen mit schwerer bronchialer Obstruktion, ausgeprägter bronchialer Hyperreagibilität, psychosozialer Belastung und/oder bei schweren medikamentös bedingten Folgekomplikationen. Außerdem in Fällen, wenn medizinisch indizierte nicht-medikamentöse Therapieverfahren (z. B. Schulung oder Trainingstherapie) ambulant nicht erfolgen können.
Nationale Versorgungsleitlinie Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
219
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Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen
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Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen Dieter Ukena, Bremen
1
Einleitung
Die folgenden Ausführungen basieren auf den Empfehlungen der Nationalen Versorgungs-Leitlinie Asthma [1] und der Deutschen Atemwegsliga [2]. Diese wiederum stimmen inhaltlich mit dem Scottish Guideline Intercollegiate Network (SIGN)/British Thoracic Society (BTS): Guideline on the Management of Asthma (2004) [www.brit-thoracic. org.uk/sign] und der WHO/NIH Global Initiative for Asthma, GINA (2006) [www. ginasthma.com]) überein. Folgende Therapieziele sind in Abhängigkeit von Alter und Begleiterkrankungen des Patienten anzustreben [1, 2]: • Vermeidung von: – akuten und chronischen Krankheitserscheinungen (z.B. Symptome, Asthma-Anfälle) – einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung der physischen, psychischen und geistigen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen – einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung der körperlichen und sozialen Aktivitäten im Alltag – einer Progredienz der Krankheit – unerwünschten Wirkungen der Therapie • Normalisierung bzw. Anstreben der bestmöglichen Lungenfunktion und Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität • Verbesserung der Asthma-bezogenen Lebensqualität • Reduktion der Asthma-bedingten Letalität
2
Pharmakotherapie
Das Ziel der medikamentösen Therapie besteht in der Suppression der asthmatischen Entzündung und in der Verminderung der bronchialen Hyperreagibilität und der Atemwegsobstruktion. Die Medikamente werden in sog. Reliever (Bedarfsmedikation) (Tabelle 1) und in sog. Controller (Dauermedikation zur Langzeitkontrolle) (Tabelle 2) unterteilt.
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Dieter Ukena, Bremen
Tabelle 1. Bedarfsmedikamente (Reliever) zur Symptomkontrolle Erste Wahl Inhalative raschwirksame β2-Sympathomimetika • Fenoterol • Formoterol • Salbutamol • Terbutalin
Alternativen • Inhalatives Anticholinergikum (= Ipratropiumbromid) • Inhalatives raschwirksames β2-Sympathomimetikum
plus Anticholinergikum als feste Kombination (= Fenoterol + Ipratropium) • Raschwirksames Theophyllin (Tropfen oder Lösung) • Nicht retardiertes orales β2-Sympathomimetikum
Tabelle 2. Dauermedikamente (Controller) zur Langzeittherapie (Nationale Versorgungsleitlinie, 2005; Dt. Atemwegsliga, 2005) • Inhalative Corticosteroide (ICS) • Inhalative langwirksame β2-Sympathomimetika (LABA, long-acting beta2-agonists):
Formoterol, Salmeterol • Leukotrienrezeptorantagonist: Montelukast • Theophyllin (Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung) • Systemische Corticosteroide: z. B. Prednisolon
Feste Kombination ICS/LABA: • Formoterol/Budesonid • Formoterol/Beclometason • Salmeterol/Fluticason
Die inhalative Applikation der meisten Antiasthmatika ist vorteilhaft, da so mit geringen Wirkstoffmengen hohe topische Konzentrationen im Bronchialsystem erzielt werden können, während systemische (Neben-) Wirkungen weitgehend vermieden werden können. Orale Medikamente sind nur indiziert bei unzureichender Wirkung inhalativer Präparate bzw. dann, wenn ein Patient ein Inhalationsmanöver nicht durchführen kann, z.B. infolge neurologisch bedingter Koordinationsstörungen. Die wirksamsten Medikamente zur Therapie akut auftretender Symptome sind die inhalativen raschwirksamen β2-Sympathomimetika. Im Vergleich zu den β2-Sympathomimetika sind die als Alternativen aufgeführten Medikamente (Tabelle 1) in der Regel schwächer wirksam, weisen einen langsameren Wirkeintritt auf und besitzen ein höheres Risiko für systemische Nebenwirkungen. Die inhalativ applizierten topisch wirksamen Corticosteroide (ICS) sind aufgrund ihrer Wirksamkeit die wichtigsten Antiasthmatika (Tabelle 3) [3]. Sie werden in der Regel einmal oder zweimal täglich eingenommen. Lokale unerwünschte Wirkungen wie die oropharyngeale Candidiasis oder Heiserkeit können durch eine gute Inhalationstechnik, Spülung des Mundes nach der Inhalation oder durch die Inhalation vor einer Mahlzeit weitgehend vermieden werden. Der Dosisbereich der ICS ist in Tabelle 4 dargestellt. Additiv und alternativ (z.B. bei Patienten, denen eine inhalative Therapie nicht möglich ist bzw. mit lokalen Nebenwirkungen) können Montelukast oder Theophyllin-Präparate mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung eingesetzt werden. Montelukast ist in dieser Indikation als Monotherapie zwar nicht in Deutschland, aber in anderen Ländern zugelassen. Allerdings sind diese Medikamente entweder weniger wirksam als inhalative Corticosteroide oder nur bei einem Teil der Patienten wirksam (Behandlungsversuch indiziert) [2].
Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen
223
Tabelle 3. Wirkungen von Glukokortikoiden • • • • • • • • • • •
Besserung von Symptomen Besserung der Lungenfunktion Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität (BHR) Reduktion von Reliever-Medikation Reduktion von Exazerbationen (Häufigkeit/Schweregrad) Prävention der Asthma-bedingten Hospitalisation Suppression der asthmatischen Entzündung Prävention des Remodeling der Atemwege Verstärkung der Wirkung von β-Sympathomimetika (permissiver Effekt) Reduktion der Asthma-Mortalität Nachweis der Kosteneffektivität
Tabelle 4. Tagesdosen inhalativer Corticosteroide (ICS) niedrig
Dosis [μg] mittel
hoch
Beclometason-Pulver
≤ 500
≤ 1000
≤ 2000
Beclometason-HFA
≤ 200
≤ 400
≤ 800
Budesonid
≤ 400
≤ 800
≤ 1600
Ciclesonid
80–160
160
> 160
Fluticason
≤ 250
≤ 500
≤ 1000
Mometason
200
400
800
HFA = Hydrofluoralkan (z.B. Norfluran)
Unter einer Langzeitbehandlung mit einem Theophyllin-Präparat mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung sollte die Serum-Theophyllinkonzentration bestimmt werden (sog. Drug monitoring), insbesondere bei Änderungen von Komedikation und Komorbidität sowie Instabilität des Asthmas. Praktisch keine Bedeutung mehr in der Asthmatherapie des Erwachsenen besitzen die Cromone wie Cromoglicinsäure oder Nedocromil. Dies gilt selbstredend auch für die fixe Kombination Cromon/β2-Sympathomimetikum.
3
Langzeittherapie
Zur Pharmakotherapie des Asthmas wird üblicherweise ein Stufenplan eingesetzt (Abb. 1) [1, 2]. Dieser Stufenplan ist in Abhängigkeit vom aktuellen Schweregrad präferenziell eine Empfehlung für die Erstbehandlung des zuvor nicht behandelten Patienten. Das Konzept einer Stufentherapie beinhaltet, dass die Therapie stufenweise intensiviert wird, falls mit der aktuellen Medikation keine adäquate Krankheitskontrolle erzielt wird. Die Therapie kann prinzipiell auf allen Stufen begonnen werden. Die Einschätzung des Schweregrades basiert auf den Beschwerden des Patienten und der aktuellen Lungenfunktion. Es ist hervorzuheben, dass Schweregrad und Therapiestufe nicht notwendigerweise übereinstimmen müssen. So kann z.B. bei einem Patienten mit einer Krankheitskontrolle entsprechend Stufe 3 scheinbar ein Schweregrad 1 vorliegen. Alternativ richtet sich die Intensität der antiasthmatischen Therapie nach den Symptomen, die unter Behandlung noch bestehen.
224
Dieter Ukena, Bremen Stufe 4 ICS in hoher Dosis plus LABA (ggf. feste Komb.) und eine oder mehrere der zusätzl. Optionen: retardiertes Theoph.; Omalizumab; system. Kortikoid (intermittierend o. dauerhaft) in der niedrigsten noch effektiven Dosis Stufe 3 ICS (niedrige-mittlere Dosis) plus langwirkendes inhalatives β2-Mimetikum (LABA, ggf. feste Kombination) Statt LABA Alternativen, ggf. zusätzliche Optionen: – ICS in hoher Dosis – Montelukast – retardiertes Theophyllin – orales ret. β2- Mimetikum Stufe 2 plus inhalatives Kortikoid (ICS) in niedriger Dosis Stufe 1 Inhalatives raschwirksames β2-Mimetikum bei Bedarf
Abb. 1.
Stufentherapie nach Schweregraden für das unbehandelte Asthma des Erwachsenen: Dauertherapie („Controller“) In allen Stufen bedarfsweise Anwendung von Reliever, präferenziell eines raschwirksamen β2-Sympathomimetikum, zur symptomatischen Therapie.
Dagegen wird in den aktuellen GINA-Empfehlungen [www.ginasthma.com] eine Klassifikation entsprechend dem Ausmaß der klinischen Kontrolle empfohlen – mit Einteilung in „kontrolliert“, „teilweise kontrolliert“ und „nicht-kontrolliert“. Dadurch soll berücksichtigt werden, dass der Asthma-Schweregrad nicht nur die Schwere der zugrunde liegenden Erkrankung zu berücksichtigen hat, sondern auch von dem Ansprechen auf die Behandlung abhängig ist. Der Asthma-Schweregrad kann zudem über Monate bis Jahre erhebliche Schwankungen aufweisen. Die Basis der Therapie bei persistierendem Asthma besteht in der regelmäßigen Anwendung eines antiinflammatorischen Medikaments, nämlich des inhalativen Corticosteroids (ICS). Zusätzlich zu der regelmäßigen antiinflammatorischen Therapie werden raschwirksame β2-Sympathomimetika nur bei Bedarf zur Symptomkontrolle eingesetzt. Dies gilt für alle Stufen der Asthmatherapie. Ein Reliever sollte nicht häufiger als 3–4mal pro Tag eingesetzt werden. Bei einem höheren Reliever-Verbrauch muss die antiinflammatorische Therapie intensiviert werden. Das Ziel der bestmöglichen Asthmakontrolle kann auf zwei Wegen erreicht werden: • Die Behandlung beginnt auf der Stufe, die dem augenblicklichen Schweregrad der Erkrankung entspricht. Falls keine adäquate Kontrolle erreicht wird, erfolgt der Übergang auf die nächsthöhere Stufe (Step up-Prinzip). • Alternativ orientiert sich die Behandlung an der Stufe über dem aktuellen Schweregrad, um eine möglichst rasche Asthmakontrolle zu erzielen. Nachdem diese erreicht
Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen
225
wurde, erfolgt der Rückgang auf die nächsttiefere Stufe für die Langzeittherapie (start high – go low-Prinzip bzw. Step down-Prinzip). Langfristig sind die klinischen Ergebnisse beider Strategien vergleichbar. Bei Patienten mit mittelschwerem persistierendem Asthma und mit geringgradigem persistierendem Asthma, welche mit einer niedrigen ICS-Dosis keine Krankheitskontrolle aufweisen, wird jeweils die Kombination mit einem langwirksamen inhalativen β2-Sympathomimetikum (LABA) empfohlen [1, 2]. Die Therapie mit diesen beiden Medikamenten verringert die Symptomatik einschließlich nächtlicher Asthma-Beschwerden, verbessert die Lungenfunktion und verringert den Bedarf an raschwirksamen β2-Sympathomimetika und die Exazerbationsfrequenz [4, 5, 6]. Lässt sich auch durch die kombinierte Therapie mit diesen beiden Wirkstoffen keine ausreichende Asthma-Kontrolle erzielen, sollte im Rahmen der weiteren Eskalation zunächst die Dosis des inhalativen Corticosteroids erhöht werden. Die beiden Wirkstoffklassen sind auch als feste Kombinationen verfügbar (Budesonid/ Formoterol; Beclometason/Formoterol; Salmeterol/Fluticason). Eine Überlegenheit der festen Kombination gegenüber der freien Kombination wurde bislang nicht belegt. Die Therapie mit einer festen Kombination ist für den Patienten bequem und kann zu einer Verbesserung der Einnahmecompliance (Therapieadhärenz) führen. Allerdings ist die wünschenswerte Flexibilität bei der Wahl der Dosis sowohl des inhalativen Glucocorticosteroids als auch des langwirksamen β2-Sympathomimetikums damit schwieriger umzusetzen. Falls keine ausreichende Krankheitskontrolle mit der Initialtherapie (z. B. innerhalb eines Zeitraumes von 1 Monat) erzielt wird, sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden: • Kontrolle der Therapieadhärenz (Einnahmecompliance) • Überprüfung der Inhalationstechnik (Vorführung durch den Patienten) • Hinterfragung der Diagnose, z.B. Differenzialdiagnose COPD, Atemwegsstenose durch Tumor, Vaskulitis, Lungenarterienembolien etc. • Persistierende Exposition von Schadstoffen und Allergenen • Aggravierende Faktoren wie gastroösophagealer Reflux, chronische Sinusitis etc. Die Langzeittherapie mit ICS führt zu einer Abnahme des Asthmaschweregrades. Bei längerer Zeit stabiler Erkrankung kann die Therapie stufenweise reduziert werden (Abb. 2). Es wird empfohlen, bei adäquater Asthmakontrolle über mindestens 3 Monate die Dauertherapie hinsichtlich Zahl, Dosis und Einnahmehäufigkeit der Medikamente zu reduzieren. Falls die Kombination aus ICS und LABA nicht zu der erwünschten Krankheitskontrolle führt oder (seltener) wegen unerwünschter Wirkungen der LABA nicht fortgeführt werden kann, stehen die folgenden Alternativen für die Kombination mit inhalativen Glucocorticosteroiden zur Verfügung: • Leukotrienrezeptor-Antagonist, der allerdings weniger wirksam ist als langwirksame inhalative β2-Sympathomimetika [7, 8]. • Theophyllin aus einem Präparat mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung, das allerdings weniger wirksam ist als lang-wirksam inhalative β2-Sympathomimetika [9, 10]. Die
226
Dieter Ukena, Bremen
Empfehlung
Alternativen
+ systemisches Glucocorticosteroid ICS hohe Dosis + LABA + THEO ICS hohe Dosis + LABA ICS mittlere Dosis + LABA ICS mittlere Dosis ICS niedrige Dosis
+ steroidsparende Immunsuppressiva ICS hohe Dosis + LABA + LTRA oder + THEO + LTRA ICS hohe Dosis + THEO oder + LTRA ICS mittlere Dosis + LTRA (besonders bei Kleinkindern)
ICS niedrige Dosis + LABA (nicht bei Kleinkindern) Nur bei Kindern: LTRA, Cromone
Bei Eskalation: Überspringen einzelner Stufen möglich Abb. 2.
Eskalation und Deeskalation
Serum-Theophyllinkonzentration sollte zwischen 5 und 15 mg/l liegen (Bestimmung am Morgen vor der Medikamenteneinnahme). Die Erkrankung von Patienten mit schwerem persistierendem Asthma kann oft nicht dauerhaft vollständig kontrolliert werden. Ziel der Therapie ist es daher, die bestmöglichen Therapieergebnisse bei möglichst geringen Nebenwirkungen der Medikation zu erzielen. Die Therapie besteht meist aus einer Kombination mehrerer täglich anzuwendender Antiasthmatika. Bei Patienten mit schwerem persistierenden Asthma können zusätzlich orale Glucocorticosteroide intermittierend oder dauerhaft erforderlich sein und sollten dann in der niedrigsten noch effektiven Dosis, vorzugsweise als Einzeldosis am Morgen gegeben werden, um systemische Nebenwirkungen zu minimieren [2]. Omalizumab, ein monoklonaler, humanisierter Anti-IgE-Antikörper, bindet an zirkulierendes freies IgE und führt zu einer selektiven unspezifischen Hemmung IgE-vermittelter, allergischer Reaktionen. Bei Patienten mit schwerem, durch Standardtherapie nicht ausreichend kontrollierbaren allergischem Asthma ließ sich unter Omalizumab ein Rückgang der klinischen Beschwerden, des Medikamentenverbrauchs und der Anzahl an Asthmaexazerbationen nachweisen, während gleichzeitig die Lebensqualität verbessert wurde [11]. Omalizumab ist eine zusätzliche Option zur Verbesserung der Asthmakontrolle bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit schwerem persistierendem allergischem Asthma, die einen positiven Hauttest oder in vitro-Reaktivität gegen ein ganzjährig auftretendes Aeroallergen zeigen und sowohl eine reduzierte Lungenfunktion (FEV1 < 80 %) haben als auch unter häufigen Symptomen während des Tages oder nächtlichem Erwachen leiden und trotz täglicher Therapie mit hoch dosierten inhalati-
Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen
227
ven Kortikosteroiden und einem lang wirkenden inhalativen Beta2-Agonisten mehrfach dokumentierte, schwere Asthmaexazerbationen hatten.
4
Neue Therapiekonzepte mit Fixkombinationen ICS/LABA
Mit der Verfügbarkeit der Fixkombinationen ICS/LABA wurden in den letzten Jahren neue Konzepte zur Gestaltung der Asthmatherapie mit dem Ziel einer verbesserten Asthmakontrolle entwickelt und in klinischen Studien überprüft. Diese Konzepte berücksichtigen die unterschiedlichen pharmakologischen Eigenschaften der LABA (rascher Wirkeintritt von Formoterol, verzögerter Wirkeintritt von Salmeterol). Im sog. GOAL-Konzept (Gaining Optimal Asthma Control) wird mit einer relativ hochdosierten Fluticason/Salmeterol-Therapie die bestmögliche Asthmakontrolle erreicht [12]. Entsprechend dem SMART-Konzept (Symbicort Maintenance and Reliever Therapy) wird die Fixkombination Budesonid/Formoterol nicht nur als Basistherapie, sondern zusätzlich auch zur Therapie von Akutbeschwerden eingesetzt (Asthmatherapie mit einem Inhalator) [13, 14, 15]. In entsprechend konzipierten Studien ließ sich die Überlegenheit der jeweiligen Fixkombination ICS/LABA gegenüber den Vergleichsbehandlungen nachweisen. Eine genauere vergleichende Bewertung der unterschiedlichen Therapiekonzepte (GOAL vs. SMART) ist gegenwärtig noch nicht möglich [16, 17].
4.1
Führung des Patienten
Neben der obligaten Asthmaschulung sollte jeder Patient im Besitz eines schriftlichen Therapieplanes sein. Dieser enthält: • Auflistung der Medikamente mit Angaben zur Dosis und Einnahmehäufigkeit • Verhaltensregeln im Notfall bzw. bei Verschlechterungen im Sinne von Exazerbationen.
5
Akuter Asthma-Anfall
[übernommen aus Empfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, 2001; Nationale Versorgungs-Leitlinie, 2005; Dt. Atemwegsliga, 2006]
5.1
Leichter und mittelschwerer Anfall
Symptome (PEF > 50 % des Sollwertes oder des Bestwertes; Sprechen normal; Atemfrequenz < 25/min; Herzfrequenz < 110/min) Initialtherapie • 2–4 Hübe eines raschwirksamen β2-Sympathomimetikums, z.B. Salbutamol (Dosieraerosol + Spacer); ggf. nach 10–15 min wiederholen • 25–50 mg Prednisolonäquivalent oral
228
5.2
Dieter Ukena, Bremen
Schwerer Anfall
Symptome (PEF < 50 % des Sollwertes oder des Bestwertes; Sprech-Dyspnoe; Atemfrequenz ≥ 25/min; Herzfrequenz ≥ 110/min) Ambulante Initialtherapie • Sauerstoff 2–4 l/min über Nasensonde (Atmung beachten) • 2–4 Hübe eines raschwirksamen β2-Sympathomimetikums, z.B. Salbutamol (Dosieraerosol + Spacer); in 10–15 min-Intervallen wiederholen • 50–100 mg Prednisolonäquivalent oral oder intravenös • 2–4 Hübe Ipratropiumbromid • β2-Sympathomimetikum parenteral: z. B. Terbutalin 0,25–0,5 mg s.c. (ggf. Wiederholung in 4 Stunden) • umgehende Einweisung in ein Krankenhaus mit ärztlicher Begleitung in Intubationsbereitschaft
5.3
Hinweise auf eine lebensbedrohliche Situation
• PEF < 33 % des Soll/Bestwertes bzw. • PEF <100 l/min • SaO2 < 92 % (PaO2 < 8 kPa) • PaCO2 normal oder erhöht (4,6–6 kPa) • kein Atemgeräusch („Stille Lunge“) • Frustrane Atemarbeit / flache Atmung • Zyanose • Bradykardie oder arterielle Hypotension • Erschöpfung, Konfusion, Somnolenz oder Koma Standard
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Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen
229
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Medikamentöse Therapie v. Asthma bronchiale bei Kindern/Jugendlichen
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Medikamentöse Therapie von Asthma bronchiale bei Kindern und Jugendlichen Dietrich Berdel, Wesel
1
Definition
Asthma bronchiale wird pathophysiologisch definiert als eine Krankheit mit einer erhöhten Empfindlichkeit der Atemwege gegenüber verschiedenartigen Reizen (Hyperreagibilität), die auf einer chronischen Entzündung der Bronchialschleimhaut, insbesondere im Bereich der kleinen Atemwege, beruht. Es findet sich eine komplexe Interaktion von endogenen (genetisch bedingten) Faktoren und exogenen Reizen physikalischer, chemischer, pharmakologischer und/oder immunologischer Art (Auslösermechanismen bzw. Inducer) mit der Folge von Hyper-/Dyskrinie, Bronchospasmus, Schleimhaut-Ödem und u.U. Remodelling. Asthma bronchiale ist klinisch gekennzeichnet durch eine überwiegend anfallsweise auftretende, in seltenen Fällen auch konstante, vor allem exspiratorische Behinderung der Atmung, die entweder spontan oder infolge der Behandlung variabel ist. Das Krankheitsbild stellt im Schulalter eine klinisch klar definierte, lungenfunktionsanalytisch meist gut charakterisierbare Entität dar. Im Säuglings- und Kleinkindesalter wird dagegen die Diagnose durch mangelnde Untersuchungsmöglichkeiten und unzureichende klinischexperimentelle Daten erschwert. In dieser Altersgruppe wird die Diagnose anamnestisch und klinisch gestellt. Dabei verbirgt sich das frühkindliche Asthma bronchiale in einer Gruppe von Kindern mit dem Leitsymptom Giemen. Die meisten dieser Säuglinge und Kleinkinder, die ohne Grundkrankheit (Zystische Fibrose, gastroösophagealer Reflux, Bronchopulmonale Dysplasie etc.) in der infektreichen Jahreszeit zwei- bis dreimal im Rahmen viraler Infekte eine obstruktive Bronchitis über mehrere Tage durchmachen, sind und bleiben nach Abklingen des Infektes klinisch hinsichtlich eines Asthmas beschwerdefrei.
2
Therapieziele
Ziel der Asthmatherapie im Kindes- und Jugendalter ist die uneingeschränkte Teilhabe am normalen Leben, durch: Vermeidung einer (1) krankheitsbedingten Beeinträchtigung der physischen, psychischen und geistigen Entwicklung, (2) einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung der Aktivitäten im Alltag und im sozialen Umfeld, (3) einer Progredienz der Krankheit und Beeinträchtigung des normalen Lungenwachstums, (4) von akuten und chronischen Krankheitssymptomen, (5) von Asthma-bedingter Letalität und (6) von unerwünschten Wirkungen der Therapie, eine Normalisierung bzw. Anstreben der
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Dietrich Berdel, Wesel
bestmöglichen Lungenfunktion und Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität und eine Verbesserung der Lebensqualität. Diese Therapieziele sind nur durch die Kombination medikamentöser und nichtmedikamentöser Maßnahmen zu erreichen.
3
Medikamentöse Therapie
Antiasthmatika werden nach ihrer Wirkungsweise in Bronchodilatatoren und Entzündungshemmer eingeteilt. Darüber hinaus bietet sich für die Langzeittherapie eine Einteilung nach dem Wirkeintritt und der Wirkdauer in Bedarfsmedikamente (Reliever) und Dauertherapeutika (Controller) an (s. Tabelle 1). Beta-2-Sympathomimetika und Glukokortikosteroide (GCS) sind sowohl topisch als auch systemisch zu applizieren, wobei in der Dauertherapie der inhalativen Behandlung der Vorrang gegeben werden sollte. Anticholinergika und Cromone sind nur topisch, Leukotrien-Rezeptor-Antagonist (LTRA) und Theophyllin nur systemisch zu verabreichen. Die inhalativen Beta-2-Sympathomimetika werden unterschieden in kurz, rasch und lang wirksame Therapeutika (SABA, RABA und LABA). Dabei haben die inhalativen kurz wirksamen SABA und rasch wirksamen RABA einen raschen Wirkungseintritt. Bei den inhalativen lang wirkenden LABA ist nur Formoterol rasch wirksam und kann in begründeten Fällen als Bedarfsmedikation eingesetzt werden. Da sich die beiden Altersgruppen Säuglinge/Kleinkinder und Schulkinder zwar im Hinblick auf die Pathogenese unterscheiden, nicht jedoch in Bezug auf die Symptomatik und Therapie (Einschränkung: Säuglinge und Kleinkinder haben mehr Husten als Atemnot), wird bei der Erstellung der Therapiestufen auf eine altersabhängige Unterteilung verzichtet. Dauertherapie: Zur Pharmakotherapie des Asthmas wird üblicherweise ein Stufenplan eingesetzt. Die Anzahl der eingesetzten Medikamente sowie deren Dosierung und Applikationshäufigkeit wird dem Schweregrad der Erkrankung angepasst. Die Basis der Therapie bei persistierendem Asthma besteht in der regelmäßigen Anwendung eines antiinflammatorischen Medikaments. Beim unbehandelten Patienten beginnt die Behandlung auf der Stufe, die dem augenblicklichen Schweregrad der Erkrankung entspricht. Falls keine adäquate Kontrolle erreicht wird, erfolgt der Übergang auf die nächsthöhere Stufe („Step-up“-Ansatz). Alternativ orientiert sich die Behandlung an der Stufe über dem aktuellen Schweregrad, um eine Tabelle 1. Antiasthmatika unterschieden in Bedarfs- und Langzeitmedikamente Bedarfmedikation (Reliever)
Langzeitmedikamente (Controller)
Kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika und das rasch wirksame Langzeit-Beta-2Sympathomimetikum Formoterol
Cromone (DNCG, Nedrocromil)
Inhalative Anticholinergika
Vorzugsweise inhalative Glukokortikosteroide (ICS)
Wasserlösliches Theophyllin
Antileukotriene
Systemische Glukokortikosteroide
Lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika Retard-Theophyllin
Medikamentöse Therapie v. Asthma bronchiale bei Kindern/Jugendlichen
233
möglichst rasche Asthmakontrolle zu erzielen. Nachdem diese erreicht wurde, erfolgt der Rückgang auf die nächsttiefere Stufe für die Dauertherapie („Step-down“-Ansatz). Bei seit längerer Zeit stabiler Kontrolle der Erkrankung kann die Therapie stufenweise reduziert werden. Falls keine ausreichende Krankheitskontrolle mit der Initialtherapie (z.B. innerhalb eines Zeitraumes von einem Monat) erzielt wird, sollte die Behandlung überprüft und immer auch die Diagnose überdacht, gegebenenfalls die Diagnostik wiederholt bzw. erweitert werden. Bei bereits behandelten Patienten stimmen Asthmaschweregrad und Therapiestufe meist nicht überein. So kann bzw. sollte z.B. bei einem Patienten mit guter Einstellung in Therapiestufe 3 scheinbar ein Schweregrad 1 vorliegen. Entsprechend der Schweregradeinteilung gibt es vier Therapiestufen: In der Stufe 1 erfolgt lediglich eine Bedarfstherapie mit einem inhalativen rasch bzw. kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetikum. In begründeten Fällen können Anticholinergika, Theophyllin in Lösung auch zusätzlich als Bronchospasmolytika eingesetzt werden. Die Bedarfstherapie ändert sich beim persistierenden Asthma von Stufe zu Stufe nicht. In der Stufe 2 sollten als Dauertherapie in erster Linie niedrig dosierte inhalative Glukokortikosteroide (ICS) (s. Tabelle 2) eingesetzt werden. In begründeten Fällen können Leukotrienantagonisten (LTRA) oder auch Cromone (Cromoglicinsäure (DNCG)/Nedocromil) für vier bis acht Wochen entweder vorher oder Leukotrienantagonisten auch im Sinne des „Step down“ im Anschluss an die ICS-Therapie gegeben werden (s. Abb. 1 und Tabelle 2). Ist darunter keine ausreichende Stabilisierung zu erreichen und/oder kommt es zu häufigem Bedarf an inhalativen kurz/rasch wirksamen Beta-2-Sympathomimetika, sollten dauerhaft ICS eingesetzt werden, bei denen in jedem Fall die kleinste noch wirksame Dosis auszutitrieren ist. In der Stufe 3 erfolgt eine Dauertherapie mit ICS in mittlerer Dosierung. Hier ist eine Dosissteigerung bei ausbleibendem Therapieerfolg oder eine add-on-Therapie mit LTRA oder LABA sowie in begründeten Fällen mit Retard-Theophyllin angezeigt. Auf Grund der Studienlage sind im Kleinkindesalter – in dem kaum Erfahrungen mit LABA vorliegen – die LTRA und im Schulalter dann die LABA zu bevorzugen (Tabelle 2). In der Stufe 4 werden hohe ICS-Dosen gegeben. Zusätzlich werden LABA und/oder Retard-Theophyllin eingesetzt. LTRA sind für diese Stufe in Deutschland nicht zugelassen. Orale Glukokortikosteroide (GCS) sind meist nur noch im Intervall notwendig, ganz selten gibt es noch Patienten, die GCS dauerhaft benötigen. Nach Überprüfung der Therapiecompliance müssen diese Patienten einer erweiterten Diagnostik unterzogen werden. Die Dosierungen der einzelnen Substanzen sind aus Tabelle 3 zu entnehmen. Für den weiteren Therapieerfolg ist zu berücksichtigen, dass die anfängliche Behandlungsstufe nicht festgeschrieben ist, sondern dass man in Abhängigkeit von den Symptomen und den Lungenfunktionswerten in beide Richtungen von einer zur anderen Stufe übergehen kann (s. Abb. 1). Bei guter Asthmakontrolle kann die Therapie stufenweise reduziert werden. Bei Beschwerdezunahme muss überprüft werden, ob sich die Umgebungsbedingungen verändert haben (zusätzliche Schadstoff- und/oder Allergenbelastung, Atemwegsinfekt, inadäquate Inhalationstechnik, mangelnde Compliance etc.), bevor auf die nächsthöhere Stufe übergegangen wird. Entscheidend für die Langzeittherapie ist es, dass bei Therapieversagen die zur Dauertherapie verwendeten Medikamente nicht zu rasch gesteigert und bei Therapieerfolg nicht zu rasch reduziert werden. Es empfiehlt sich ein Vorgehen, wie es in Abb. 1 skizziert ist.
234
Dietrich Berdel, Wesel
Tabelle 2. Medikamentöse Stufentherapie (Generell gilt die Devise: Soviel wie nötig, so wenig wie möglich!) Bedarfstherapie
Dauertherapie
Stufe 4** Inhalatives rasch wirksames Beta-2-Sympathomimetikum*
ICS in hoher Dosis, wenn nicht ausreichend plus eine oder mehrere der folgenden Optionen: • Inhalatives lang wirksames Beta-2-Sympathomimetikum (ggf. als fixe Kombination) • Montelukast***** • Retard-Theophyllin • Systemisches Glukokortikosteroid (intermittierend oder dauerhaft) in der niedrigsten noch effektiven Dosis
Stufe 3** Inhalatives rasch wirksames Beta-2-Sympathomimetikum*
ICS in mittlerer Dosis, wenn nicht ausreichend plus eine der folgenden Optionen: • Steigerung der Dosis des inhalativen Glukokortikosteroids • Inhalatives lang wirksames Beta-2-Sympathomimetikum**** • Montelukast***** • Retard-Theophyllin
Stufe 2
Inhalatives rasch wirksames Beta-2-Sympathomimetikum*
• Therapie der 1. Wahl: niedrig dosierte ICS • Alternativtherapien: Montelukast*****, Cromone (DNCG, Nedocromil), Versuch über 4–8 Wochen möglich
Stufe 1
Inhalatives rasch wirksames Beta-2-Sympathomimetikum*
Keine***
* Alternativen: Anticholinergika (z. B. Ipratropiumbromid ),Theophyllin in Lsg., evtl. auch kombinierte Medikationsmöglichkeit mit rasch wirksamen Beta-2-Sympathomimetika. ** Vor Dosissteigerung des ICS bzw. vor add-on-Therapie oder Gabe oraler Glukokortikosteroide: Vorstellung in einem pädiatrisch-allergologisch-pneumologischen Schwerpunkt (Praxis/Zentrum). *** Eine vorübergehende anti-entzündliche Therapie z.B. bei rezidivierenden, infektgetriggerten Bronchialobstruktionen im Säuglings- oder Kleinkindesalter sowie bei kurzfristigem Allergenkontakt (z. B. Birkenpollen, sporadischer Tierkontakt) älterer Kinder ist möglich, wird aber kontrovers diskutiert. **** Im Vorschulalter kaum Wirksamkeits- oder Sicherheitsdaten, deshalb hier nur in Ausnahmefällen. ***** Als Monotherapie ab dem 2. Lebensjahr zugelassen, bei Kleinkindern (1–6 Jahre) ist Montelukast den lang wirksamen Beta-2-Sympathomimetika vorzuziehen, für Stufe 4 in Deutschland noch nicht zugelassen.
Für die verlaufsorientierte Therapieanpassung ist neben den Symptomen die punktuell durchgeführte Lungenfunktionsprüfung in der Zwischenevaluation von Bedeutung. Auf diese Weise wird es dem Patienten langfristig möglich, mit Hilfe eines vom behandelnden Arzt aufgestellten Asthmabehandlungsplans auch zwischen den Vorstellungsterminen eine Therapieanpassung vorzunehmen.
3.1
Besonderheiten der medikamentösen Therapie
Kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika (z.B. Terbutalin, Salbutamol) können in begründeten Fällen bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren, abends auch aus-
Medikamentöse Therapie v. Asthma bronchiale bei Kindern/Jugendlichen
235
Tabelle 3. Dosierungen der Antiasthmatika in der Dauertherapie Substanz Tagesdosis
Bemerkungen
< 6. Lj.
> 6. Lj.
Bei ausgewählten Patienten DA + Vorschaltkammer 2 × 12 μg
Pulver
Bei ausgewählten Patienten DA + Vorschaltkammer
Pulver DA + Vorschaltkammer
überwiegend antiobstruktiv bronchodilatorisch 1
Formoterol
2 × 12 μg (MTD)***
Wie Salmeterol, evtl. als Reliever einsetzbar
2
Salmeterol
2 × 50 μg (MTD)***
Toleranzentwicklung möglich, nicht ohne ICS, wenig pädiatrische Daten
3
Theophyllin
12–16 mg/ kg
Reservesubstanz, Drugmoni- Körpergetoring, Serumspiegel therawichtsabpeutisch bei 5–15 μg/l hängig
2 × 12 μg und 2 × 6 μg
Körpergewichtsabhängig
überwiegend antientzündlich 1
DNCG
bis 80 mg
Breites Dosis/Wirkungsspektrum, Pulverapplikation ungünstig, niedrig dosiertem ICS unterlegen
DA + VorDA + Vorschaltschaltkamkammer mer Feuchtinhalation mit Druckvernebler möglich
2
Montelukast
altersabhängig
Gute Safetydaten, wenig Daten im Vergleich zu anderen Antiasthmatika und zur Langzeittherapie, Demaskierung eines Churg-StraussSyndroms bei Cortisonreduktion möglich
4 mg/d
5 mg/d > 14 Lj. 10 mg/d
3
Nedocromil
2 × 4 mg
Wenig publizierte Daten, evtl. bei cough-variant Asthma
DA + passende Hülse eines anderen DA + Vorschaltkammer
DA
Fortsetzung nächste Seite
236
Dietrich Berdel, Wesel
Tabelle 3. Dosierungen der Antiasthmatika in der Dauertherapie (Fortsetzung) Substanz Äquivalenz- Bemerkungen (Schwellen-) Dosierungen**
< 6. Lj.
> 6. Lj.
1
Beclomethason
400 μg/d
Mögliche Wachstumsretardation
Pulver
1
Beclomethason (Lösung)
200 μg/d
Wenig Sicherheitsdaten
DA + Vorschaltkammer
DA + Vorschaltkammer, Autohaler
2
Budesonid*
400 μg/d
Für Pulver gute Datenlage, keine Langzeitnebenwirkungen
DA + Vorschaltkammer
Pulver
3
Ciclesonide
160 μg/d
Keine ausreichenden klin. Daten bei Kindern < 12 J.
4
Fluticason*
200 μg/d
Gute Datenlage, keine Langzeitnebenwirkungen
5
Mometason
400 μg/d ?
Keine ausreichenden klin. Daten bei Kindern < 12 J.
DA + Vorschaltkammer DA + VorPulver schaltkammer Pulver
* auch als Inhalationslösung im Handel ** entsprechen den mittleren Dosierungen in der Stufentherapie, bei denen im Allgemeinen keine klinisch relevanten, unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu erwarten sind. Niedrige, d. h. sichere Dosierungen liegen darunter, hohe darüber. *** MTD = maximale Tagesdosis
nahmsweise lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika (z.B. Clenbuterol, Tulobuterol) oral gegeben werden. Eine länger dauernde Monotherapie mit Beta-2-Sympathomimetika, sei sie oral oder inhalativ, ist obsolet. Ipratropiumbromid zeigt bei Säuglingen gelegentlich eine bessere Wirkung als die inhalativen kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika. Darüber hinaus sollte es bei Toleranzentwicklung gegenüber Beta-2-Sympathomimetika eingesetzt werden. Auch bei Kindern mit Unverträglichkeit gegenüber Beta-2-Sympathomimetika werden sie bevorzugt angewandt. Außerdem dienen sie als Kombinationstherapeutika. Dabei wird vermutet, dass zwischen dem Beta-2-Sympathomimetikum und dem Anticholinergikum ein funktioneller Synergismus besteht. Spezifische Immuntherapie (SIT): Beim leichten bis mittelschweren IgE-vermittelten Asthma bronchiale sollte die Indikation zur SIT geprüft werden. Ein dauerhaft symptomatisches bzw. unzureichend behandeltes Asthma bronchiale mit einem FEV1 unter 70 % des Sollwertes stellt eine Kontraindikation dar. Anti-IgE-Antikörper: Ein neuer Therapieansatz mit einem rekombinanten, humanen monoklonalen Antikörper gegen IgE wurde u.a. bei Kindern mit allergischem Asthma bronchiale überprüft. Diese Anti-IgE-Antikörper werden bisher in Einzelfällen als Zu-
Medikamentöse Therapie v. Asthma bronchiale bei Kindern/Jugendlichen
237
0
Asthmapatient in der Verlaufskontrolle
1
Lungenfunktion normal, keine Symptome
ja
nein 5
2
Intensivierung (step up)
Reduzierung (step down) 6
Topische Steroide erhöhen bzw. add-on-Therapie
3
Bronchodilatatoren bei Bedarf bzw. topische Steroide oder add-on-Therapie reduzieren bzw. topische Steroide durch Montelukast ersetzen 4
Beobachtung, Wiedervorstellung im Mittel nach drei Monaten
Abb. 1.
Algorithmus zur verlaufsorientierten Therapieanpassung (step-up/step-down)
satztherapie zur verbesserten Kontrolle des persistierenden, schweren, allergischen Asthma bronchiale bei Kindern und Jugendlichen ab dem zwölften Lebensjahr eingesetzt und sind auch nur dafür zugelassen. Impfung: Epidemiologische Daten aus den USA zeigen, dass Asthmatiker im Vergleich zu Gesunden ein erhöhtes Risiko einer invasiven Pneumokokkenerkrankung haben. Daher sollte bei diesen eine Pneumokokkenimpfung erwogen werden. Da nicht belegt ist, dass eine Influenzaimpfung die Zahl der Exazerbationen oder Komplikationen bei Kindern und Jugendlichen mit Asthma reduziert, kann eine solche Impfung wegen dieser Erkrankung nicht generell empfohlen werden.
3.2
Fixe Kombinationspräparate
Fixe Kombinationspräparate aus Bronchodilatatoren und Entzündungshemmern haben so lange eine Berechtigung, wie eine kombinierte Therapie aus einem inhalativen Beta-2Sympathomimetikum und einem ICS indiziert ist. Mit dem Ziel, die Therapiecompliance zu verbessern, ist daher die Verwendung fixer Kombinationen in Therapiestufe 3 und 4 zu empfehlen. Der Einsatz fixer Kombinationen aus zwei Bronchodilatatoren mit unterschiedlichem Angriffspunkt kann in der Bedarfstherapie in begründeten Fällen sinnvoll sein (s.o.).
238
3.3
Dietrich Berdel, Wesel
Akuter Asthma-Anfall
Therapie des akuten Asthma-Anfalls bei Kindern über zwei Jahren
Mittelschwerer Anfall Symptome
Initialtherapie
• 2–4 Hübe eines kurz wirksamen Beta-2• PEF < 80 % des Bestwertes* Sympathomimetikums ggf. alle 10 min • Unvermögen, einen längeren Satz wäh• evtl. 2–3 l/min Sauerstoff über Maske rend eines Atemzuges zu vollenden der Nasensonde (Ziel: SaO2 > 92 %) • Gebrauch der akzessorischen Atemmuskulatur • evtl. 1–2 mg/kg KG Prednisolon oral • Atemfrequenz < 30/min • Herzfrequenz < 120/min
Schwerer Anfall Symptome
Initialtherapie
• PEF < 50 % des Bestwertes* • Unvermögen, zu sprechen oder Nahrung aufzunehmen • Sitzende Haltung, Arme seitlich abgestützt • Atemfrequenz > 5 J > 30/min; 2–5 J > 40/min • Herzfrequenz > 5 J > 120/min; 2–5 J > 130/min • SaO2 < 90 % unter Raumluft
• 2–4 (–10) Hübe eines kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums ggf. alle 10 min • 2–3 l/min Sauerstoff über Maske oder Nasensonde • 1–2 mg/kg KG Prednisolon oral oder i.v. (evtl. mit höherer Dosis rektal)
* PEF-Manöver nur sinnvoll bei mit dem Gerät geschultem Kind, im schweren Asthmaanfall Durchführung oft nicht mehr möglich.
3.4
Beta-2-Sympathomimetika
Inhalative kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika (z.B. Salbutamol) sind Mittel der ersten Wahl. Treibgasdosieraerosole mit Spacer sind die bevorzugte Applikation bei leichtem bis mittelschwerem Asthmaanfall. Bei schwerem Verlauf ist alternativ die Verabreichung über Vernebler – wenn möglich sauerstoffbetrieben – zu erwägen. Bei schweren Verläufen kann die zusätzliche Bolusgabe z.B. von Reproterol intravenös eine wirksame Ergänzung sein (Dosierung s.u.).
3.5
Glukokortikosteroide (GCS)
Prednisolon soll zur Behandlung eines akuten Anfalls frühzeitig eingesetzt werden. Die Dosierung von Prednisolon als Initialtherapie s.o. Als Erhaltungstherapie können 1–2 mg/kg KG alle sechs Stunden verabreicht werden. Bei Erbrechen sollte die orale Prednisolongabe wiederholt oder der Übergang zur intravenösen Applikation erwogen werden. Üblicherweise ist eine Behandlungsdauer bis zu drei Tagen ausreichend. Die Behandlungsdauer kann in Abhängigkeit vom Eintreten der Remission verlängert werden.
Medikamentöse Therapie v. Asthma bronchiale bei Kindern/Jugendlichen
4
239
Besonderheiten des akuten Asthma-Anfalls bei Kindern unter zwei Jahren
• Die Erfassung eines akuten Asthma-Anfalls bei Säuglingen und jungen Kleinkindern kann schwierig sein. • Zu intermittierendem Giemen kommt es häufig im Rahmen von Virusinfektionen. • Die Differenzialdiagnose umfasst u.a.: – Aspiration (z.B. Fremdkörper), – Pneumonie, – Bronchiolitis, – Kongenitale Anomalien, z.B. Tracheo-Bronchomalzie oder – Mukoviszidose.
4.1
Beta-2-Sympathomimetika
Eine notfallmäßige orale Gabe von Beta-2-Sympathomimetika ist bei Säuglingen und Kleinkindern nicht indiziert. Treibgasdosieraerosol mit Spacer ist die bevorzugte Applikationsform.
4.2
Glukokortikosteroidtherapie
Die systemische Glukokortikosteroidgabe sollte bei Säuglingen und Kleinkindern früh erwogen werden. Die orale Applikation ist für die Dauer von bis zu drei Tagen in einer verlaufsorientierten Dosis die bevorzugte Darreichungsform.
4.3
Weitere Therapieformen
Bei schwereren Verläufen kann mit Ipratropiumbromid und/oder alternativ zu Beta-2Sympathomimetika mit Epinephrin/Adrenalin inhaliert werden.
5 ABPA BHR CF GCS CT DA DD Diff.BB DMP DNCG ENO EG
Abkürzungen Allergische Broncho-Pulmonale Aspergillose Bronchiale Hyperreagibilität Zystische Fibrose Glukokortikosteroid (vgl. ICS) Computertomogramm Dosieraerosol Differenzial-Diagnose Differenzial-Blutbild Disease-Management-Programm Dinatrium-Cromoglycat exhaliertes Stickoxyd 1,0 Evidenz-Grad
240
Dietrich Berdel, Wesel
FEV1 FEV1/VC FEV0,5 FEV0,75 FRC HFA HR ICS i.v. IgG, A, M, E KG kPa LABA LTRA MEF25–75 MEF50 MTD PaO2 PCO2 PEF PEP pH RABA Raw RSV SABA SIT SaO2 sRaw UAW VK
Forciertes exspiratorisches Volumen in 1,0 Sekunden Einsekundenkapazität/Vitalkapazität (Tiffeneau-Test) Forciertes expiratorisches Volumen in 0,5 Sekunden Forciertes expiratoruisches Volumen in 0,75 Sekunden Funktionelle Residualkapazität Hydrofluoralkan, z. B. Norfluran (HFA 134a) High Resolution Inhalatives Glukokortikosteroid intravenös Immunglobulin der Klassen G, A, M, E Körpergewicht Kilopascal Inhalative lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika (long acting beta-2-agonist) Leukotrien-Rezeptor-Antagonist Mittlerer exspiratorischer Fluss zwischen 25 und 75 % VK Maximaler exspiratorischer Fluss bei 50 % der VK Maximale Tagesdosen über einen limitierten Zeitraum Arterieller Sauerstoffpartialdruck Kohlensäurepartialdruck Exspiratorischer Spitzenfluss (Peak exspiratory flow) Positiver Exspirationsdruck (positiv expiratory pressure) Pondus Hydrogenii Inhalative rasch wirksame Beta-2-Sympathomimetika (rapid acting beta2-agonist) Atemwegswiderstand Respiratory-syncytial-virus Inhalative kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika Spezifische Immuntherapie Arterielle Sauerstoffsättigung Spezifischer Atemwegswiderstand Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Inspiratorische Vitalkapazität
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Medikamentöse Therapie der COPD
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Medikamentöse Therapie der COPD Adrian Gillissen, Leipzig
Ziele der Pharmakotherapie sind die Besserung der Symptome Dyspnoe, Husten, Auswurf, eine Zunahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und eine Verlangsamung der krankheitsbedingten Abnahme der Lebensqualität. Zudem dient die Pharmakotherapie der Prävention und Reduktion von Exazerbationen. Allerdings sind weder für Bronchodilatatoren noch für inhalative Kortikosteroide (ICS) eine Besserung der Prognose und eine signifikante Reduktion der COPD-bedingten Mortalität nachgewiesen worden.
1
Leitsätze der Pharmakotherapie
1) Eine erfolgreiche Raucherentwöhnung ist bei allen Parameter der Langzeitprognose immer effektiver als jegliche Pharmakotherapie und sollte diese daher immer flankieren [2]. 2) In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung erfolgt die Pharmakotherapie in Form eines eskalierenden bzw. bei klinischer Besserung eines deeskalierenden Vorgehens. Für letztere Empfehlung gibt es allerdings in Studien keine gesicherte Daten (Expertenempfehlung) [19]. Je größer die Lungenfunktionseinschränkung ist, desto höher wird die Dosierung gewählt und desto mehr Medikamente müssen verordnet werden und umgekehrt. 3) Die Pharmakotherapie verhindert nicht den Erkrankungsprogress mit entsprechender Einschränkung der Lungenfunktion. Allerdings ermöglicht sie eine Linderung der Beschwerden, eine Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit, der Lebensqualität und die Reduktion von Exazerbationen. 4) Bronchodilatatoren (β2-Sympathomimetika, Anticholinergika, Theophyllin) sind die Basismedikamente in der Pharmakotherapie. Langwirksame Bronchodilatatoren (die β2-Sympathomimetika Formoterol und Salmeterol, Tiotropium) sind einfacher anzuwenden als kurzwirksame. Theophyllin ist wegen zahlreicher Nebenwirkungen und Interaktionen sowie der im Vergleich zu β2-Sympthomimetika geringen bronchodilatativen Wirkung Medikament der 3. Wahl. 5) Eine Dauerbehandlung mit ICS ist nur bei COPD-Patienten des Schweregrades III (FEV1 < 50 % Sollwert) und IV indiziert, sofern wiederholte COPD-Exazerbationen bestehen, d.h. der Erkrankungszustand innerhalb der letzten 12 Monate klinisch instabil ist.
250
Adrian Gillissen, Leipzig
6) Eine Dauerbehandlung mit systemischen Kortikosteroiden ist in der Regel nicht indiziert. 7) Eine effiziente Langzeitbetreuung bedarf einer eng verzahnten Versorgung durch Hausarzt, Facharzt, Akutkrankenhaus/Fachklinik sowie rehabilitativer Einrichtungen (siehe Kapitel Rehabilitation bei Asthma bronchiale und COPD: Erwachsene).
2
Pharmakotherapie
Bronchodilatativ wirkende Medikamente werden entweder als Bedarfsmedikation oder als Dauermedikation eingesetzt. Hierzu zählen: •
kurzwirksam: – raschwirksame β2-Sympathomimetika (z.B. Fenoterol, Formoterol, Reproterol, Salbutamol, Terbutalin) – kurzwirksame Anticholinergika (Ipratropiumbromid) – nicht-retardiertes Theophyllin
•
langwirksam: – β2-Sympathomimetika (Formoterol, Salmeterol) – Anticholinergika (Tiotropiumbromid) – Retardiertes Theophyllin
β2-Sympathomimetika werden im Regelfall immer inhalativ appliziert. Die orale Form steht für Patienten zur Verfügung, die nicht inhalieren können. Die intravenöse Applikation ist nur dem Notfall (Exazerbation) vorbehalten, sofern auf andere Art und Weise kein oder kein ausreichender therapeutischer Effekt zu erzielen ist. Anticholinergika werden immer inhalativ gegeben. Theophyllin wirkt immer systemisch und steht für die Dauertherapie ab Stufe II des Behandlungsplans (s.u.) in oraler Form zur Verfügung. Nicht-retardiertes Theophyllin (oral, i.v.) ist dem Notfall vorbehalten (s.u.).
3
Stufentherapie
Die COPD wird in Abhängigkeit von den post-bronchodilatatorisch ermittelten lungenfunktionsanalytischen Einschränkungen (FEV1) mit steigender pharmakologischer Therapieintensität behandelt (Abb. 1). 1) Stufe I: Patienten mit einer milden Erkrankungsform (FEV1 >80 % des Sollwertes, FEV1/FVC < 70 %, mit und ohne Symptome) werden inhalativ mit raschwirksamen Bronchodilatatoren bei Bedarf therapiert. 2) Stufe II: In der mittelschwer erkrankten COPD-Gruppe (FEV1 <80 % des Sollwertes bis > 50 %, FEV1/VC < 70 % mit und ohne Symptome) erfolgt eine intensivierte Therapie mit einem oder mehreren Bronchodilatatoren (kurz-/langwirksamen β2-Sympathomimetika, Anticholinergika, Theophyllin). Wegen des Nebenwirkungspotentials von langwirksamen β2-Sympthomimetika wird für die Langzeittherapie primär Anticholinergika empfohlen [15]. Grundsätzlich ergeben sich in Bezug auf die Lungenfunktionsverbesserung keine Unterschiede zwischen langwirksamen Anticholinergika und β2-Sympathomimetika. Die Kombination beider Medikamentengruppen
Medikamentöse Therapie der COPD
251
führt zu einer größeren FEV1-Steigerung (= additiver Effekt) als mit dem jeweiligen Einzelmedikament [14]. Theophyllin ist wegen des hohen Nebenwirkungspotentials, wie z.B. Tachykardie, Unruhe, Zittern und dem gegenüber der β2-Mimetika und Anticholinergika niedrigeren bronchodilatativen Wirksamkeit Bronchodilatator der letzten Wahl [4, 8, 12]. Ab der Stufe II sind ergänzend rehabilitative Maßnahmen indiziert [1]. 3) Stufe III: Patienten dieser Stufe sind schwer krank (FEV1 <50 – >30 % des Sollwertes) und werden ergänzend zur Dauertherapie der Stufe II mit ICS behandelt. Sie haben allerdings auch bei langjährigem Einsatz nur einen geringen Effekt auf die Vermeidung bzw. Reduktion der bei dieser Erkrankung typischerweise beschleunigten Lungenfunktionsverschlechterung [7]. Ihre wesentliche Bedeutung liegt in der Reduktion der Exazerbationsfrequenz, da häufige Exazerbationen mit einem beschleunigten FEV1-Abfall assoziiert sind. In mehreren Studien haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Absetzen von ICS negative Auswirkungen auf Lungenfunktion und Symptome sowie eine Exazerbationssteigerung haben kann [16]. Eine systemische Langzeit-Steroid-Therapie wird nicht empfohlen [3]. Die inhalative Kombinationstherapie mit ICS und langwirksamen β2-Sympthomimetika ist gegenüber Placebo und der Monotherapie mit der jeweiligen Einzelsubstanz hinsichtlich der Senkung von Exazerbationsraten und der Verbesserung der Lungenfunktion (FEV1) und teilweise bei der Lebensqualität überlegen. 4) Stufe IV: In dieser Stufe (FEV1 <30 % vom Sollwert mit oder ohne respiratorische Insuffizienz, Cor pulmonale) sind die pharmakologischen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. Es bleiben daher nur noch supportive Therapiemaßnahmen übrig. Bei
Stufe I
Stufe II
Stufe III
Stufe IV
Bei Bedarf: kurzwirksame Bronchodilatatoren Pharmakotherapie
+ langwirksame Bronchodilatatoren (Dauertherapie: einzeln und/oder Kombination)
+ inhalative Kortikosteroide (wiederholte Exazerbationen, Therapieeffekt vorausgesetzt)
Rehabilitation Sonstige Therapie, Prophylaxe
• Langzeit-Sauerstofftherapie bei chronischer Hypoxämie
• evt. Heimbeatmung (NPPV) Risikovermeidung, Schutzimpfungen, Antibiotika bei infektinduzierter Exazerbation,Training, Ernährungstherapie
Abb. 1.
Stufentherapie der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD; modifiziert [8]) (NPPV = non-invasive positive pressure ventilation)
252
Adrian Gillissen, Leipzig
einer Hypoxämie besteht die Indikation zu einer Langzeit-Sauerstofftherapie, die durch andere symptomatische Therapiemaßnahmen (z. B. Behandlung des Cor pulmonale, nicht-invasiv durchgeführte Heimbeatmung, siehe Kapitel Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD) ergänzt wird [11].
4
Inhalationstechnik
Die Inhalation ist die Applikationsform der Wahl. Aus diesem Grund ist bei den Patienten die Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme sicherzustellen. Dabei muss dem Patienten nicht nur die Bedeutung der richtigen Inhalationstechnik, die richtige Handhabungsweise der verordneten Inhalatoren und deren Wirkungsweise erklärt werden, sondern der Patient sollte im Idealfall dem Arzt/der Schwester/dem Inhalationstherapeuten auch umgekehrt die richtige Anwendungsweise demonstrieren [18].
5
Unerwünschte Wirkungen
Alle in der Pharmakotherapie eingesetzten Medikamente haben dosisabhängig diverse unerwünschte Nebenwirkungen. Zudem variiert die individuelle Sensibilitätsschwelle für diese Nebenwirkungen. Da COPD-Patienten häufig auch an kardialen Erkrankungen (koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, siehe Kapitel Komorbidität bei Erwachsenen) leiden, sind insbesondere die bei β2-Sympathomimetika und Theophyllin bedeutsamen Nebenwirkungen zu beachten.
6
Sonstige Pharmakotherapeutika
Diverse andere Therapien wurden bei der COPD eingesetzt. Allerdings ist die Studienlage bei allen schlechter als den oben beschriebenen. Nicht empfohlen sind wegen fehlendem Effektivitätsnachweis: Mukopharma, Leukotrienrezeptorantagonisten, Nedocromil und DNCG, homöopathischen Therapieverfahren, Atemstimulanzien, die Akupunktur und Immunmodulatoren (lyophilisierter normierter Bakterienextrakt). Husten kann Patienten mit COPD stark beeinträchtigen, weswegen insbesondere bei einer dadurch gestörten Nachtruhe die zeitbegrenzte (z.B. 2-3 Wochen) Therapie mit Antitussiva sinnvoll sein kann [10]. Die atemdepressive Wirkung mancher Antitussiva ist bei Patienten mit respiratorischer Globalinsuffizienz zu beachten. Antitussiva sind bei produktivem Husten kontraindiziert. Morphin kann bei schwerer Dyspnoe zur Linderung beitragen. Da Morphine aber atemdepressiv wirken, muss der Einsatz nur auf wenige, besonders beeinträchtigte Patienten mit schwerer Atemnot und Hyperventilation beschränkt bleiben. Zudem sind diese Patienten zu überwachen.
7
Pharmakotherapie der COPD-Exazerbation
Die Exazerbation ist ein Notfall und ist wie folgt definiert [6]: „Die Exazerbation einer COPD ist durch eine akute und anhaltende Zustandsverschlimmerung charakterisiert, die über die für den Patienten normale Variation seiner Erkrankung hinausgeht und eine Intensivierung der Therapie erfordert.“
Medikamentöse Therapie der COPD
253
Häufige Ursachen sind intrabronchiale/pulmonale virale und bakterielle Infekte oder exogene Faktoren (z.B. Smogsituationen).
7.1
Bronchodilatatoren und Kortikosteroide
Die Pharmakotherapie der Exazerbation basiert auf den oben genannten Substanzgruppen in der höchsten zugelassen Dosierung, wobei im individuellen Fall diese überschritten werden kann [6]. Die im Notfall hochdosiert applizierte systemische Kortikosteroidtherapie (i.v. oder oral) bewirkt gegenüber Placebo eine signifikant schnellere Besserung der Lungenfunktion [13]. Je schlechter die Ausgangslungenfunktion ist, desto besser scheint der Steroideffekt zu sein. Empfohlen sind Dosen von ca. 40 mg Prednisolon/Tag (max. 100 mg Prednisolon/Tag) über einen Therapiezeitraum von 10–14 Tagen [8, 12]. Der Therapieeffekt einer längeren Therapiedauer entspricht dem von Placebo und ist daher nicht indiziert [13].
8
Antimikrobielle Therapie
Die Antibiotikatherapie, die initial meist kalkuliert begonnen wird, ist bei Verdacht (putrides Sputum) oder Nachweis einer bakteriellen Ursache indiziert und muss das o.g. Keimspektrum – meist Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenza und Moraxella catarrhalis [5] – insbesondere aber das bei den Patienten bestehende Ps.a.-Risiko (Tabelle 1) berücksichtigen [9, 17]. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die empfohlene Antibiotikatherapie.
9
Ergänzende nicht-pharmakologische Therapieansätze
Die pharmakologische Therapie wird im Notfall durch nicht-pharmakologische Maßnahmen, wie der Sauerstofftherapie (obwohl O2 eigentlich als ein Pharmakon einzustufen ist) und der nicht-invasiven und invasiven Beatmungstherapie ergänzt (siehe Kapitel Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD).
Tabelle 1. Folgende Faktoren zeigen eine akute klinische Verschlechterung und ein erhöhtes individuelles Risiko einer akuten Pseudomonas aeruginosa (Ps.a.)-Infektion an. • Rasche Zunahme der Dyspnoe • Vorbekannte schwere COPD/rezidivierende Exazerbationen • Hinweise für respiratorisches Versagen: – Neu aufgetretene Lippenzyanose – Schläfrigkeit/Müdigkeit
• • • • • • •
Signifikante Komorbidität/Sekundärkomplikationen Rechtsherzdekompensation Neu aufgetretene Arrhythmien Hohes Alter Therapieversager (z.B. keine Besserung nach 30 min) Unsicherheit bei der Diagnosestellung Unzureichende häusliche Versorgung
254
Adrian Gillissen, Leipzig
Tabelle 2. Antibiotikaempfehlung bei COPD-Exazerbation in Abhängigkeit vom Risiko, dass akut eine Pseudomonae aeruginosa (Ps.a.) vorliegt [9]. * in Kombination mit Ciprofloxacin, ** in Kombination mit Ceftazidim Schweregrad
Vorschläge zur kalkulierten Initialtherapie
Dosierung oral/Tag
FEV1 50 %– 80 %Soll
• Amoxicillin
• • • •
FEV1 <50 %Soll kein Ps.a.Risiko
• Azithromycin • Clarithromycin
• • • •
• Aminopenicillin +
• ≥70 kg: 3× 1,0 g • <70 kg: 2× 1,0 g
• Sultamicillin • Ampicillin + • • • •
FEV1 <50 %Soll mit Ps.a.Risiko
Sulbactam Ceftriaxon Cefotaxim Levofloxacin Moxifloxacin
• 1× 500 mg • 1× 400 mg
• Piperacillin/ • • • • • •
Tazobactam Cefepim Ceftazidim* Imipenem Meropenem Levofloxacin Ciprofloxacin**
• 1× 500 mg • 2× 750 mg
Therapiedauer • 7–10 Tage
≥70 kg: 3× 1,0 g <70 kg: 3× 750 mg) 1× 500 mg 2× 500 mg (3 Tage) + 2× 250 mg 1× 300 mg 1× 200 mg initial + ≥70 kg: 1× 200 mg <70 kg: 1× 150 mg
• Roxithromycin • Doxycyclin
Clavulansäure
Dosierung i.v./Tag
• 3 Tage • 7–10 Tage • 7–10 Tage • 7–10 Tage
• 3× 2,2 g
• 7–10 Tage
• 3× 3,0 g • 1× 2,0 g
• 7–10 Tage • 7–10 Tage • 7–10 Tage
• 3× 2,0 g • 1× 500 g • 1× 400 mg
• 5 Tage • 5 Tage
• 3× 4,5 g
• 7–10 Tage
• • • • • •
• • • • • •
3× 2,0 g 3× 2,0 g 3× 1,0 g 3× 1,0 g 2× 500 mg 3× 400 mg
7–10 Tage 7–10 Tage 7–10 Tage 7–10 Tage 5 Tage 7–10 Tage
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Arzneimittelversorgung aus Sicht des Arzneimittelreports
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Arzneimittelversorgung aus Sicht des Arzneimittelreports Gerd Glaeske, Bremen
1
Behandlung mit Medikamenten
Asthma muss immer medikamentös behandelt werden, und zwar so früh und so konsequent wie möglich. Ziel der Behandlung ist es, Asthmaanfälle zu vermeiden, die körperliche Belastbarkeit sowie die Lungenfunktion zu verbessern und damit die Lebensqualität bestmöglich zu erhalten. Medikamente sollen die Überempfindlichkeit der Bronchien eindämmen, den krankheitsbedingten Husten sowie die Atemnot in der Nacht, am frühen Morgen oder bei Anstrengung abmildern. Auch bei der obstruktiven Bronchitis des Säuglings und Kleinkindes, welche ähnliche Beschwerden zeigt wie Asthma, werden diese Medikamente eingesetzt. Hierfür stehen niedriger dosierte Zubereitungen für Kinder zur Verfügung. Zu unterscheiden sind Mittel, die kurzfristig wirken und die Bronchien erweitern (Reliever) und solche, die über lange Zeit und antientzündlich wirken (Controller). Zu den Relievern gehören kurz wirkende Beta-2-Sympathomimetika und Anticholinergika sowie Theophyllin-Präparate, bei denen die Wirkstofffreisetzung nicht verzögert ist. Als Controller gelten Glukokortikoide, lang wirkende Beta-2-Sympathomimetika, Mastzellstabilisatoren und Theophylline mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (Retard-Präparate). Die medikamentöse Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung.
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Mittel zur Behandlung von Asthma
Entsprechend der Leitlinien (siehe Kapitel Asthma und COPD: Nationale und Internationale Leitlinien) kommen unterschiedliche Mittel in den verschiedenen Asthmastufen zur Anwendung. Geeignet bei einem Asthmaanfall sind z.B. kurz wirkende Substanzen wie Fenoterol, Salbutamol und Terbutalin (z.B. Fenoterol: Berotec N; Salbutamol: Apsomol N, Bronchospray, Epaq, Pädiamol, Salbubreathe, Salbuhexal, Salbulair N, Salbutamol AL, SalbutamolCT, Salbutamol-ratiopharm, Salbutamol Sandoz, Salbutamol STADA, Salbutamol Trom, Sultanol, Ventilastin; Terbutalin: Aerodur Turbohaler). Diese Mittel sind aber wegen ihrer möglichen unerwünschten Wirkungen vor allem auf das Herz nicht zum Dauergebrauch geeignet. Anticholinergika zum Inhalieren sind mit Einschränkung geeignet, weil sie langsamer und schwächer wirken als die kurz wirkenden Beta-2-Sympathomimetika zum Inhalie-
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Gerd Glaeske, Bremen
ren (Ipratropiumbromid: Atrovent, Tiotropium: Spiriva). Sie werden angewendet, wenn die Anwendung von kurz wirkenden Beta-2-Sympathomimetika nicht möglich ist, oder in Kombination mit kurz wirkenden Beta-2-Sympathomimetika, wenn sich das Asthma akut stark verschlimmert und kurz wirkende Beta-2-Sympathomimetika allein nicht ausreichend wirken. In diesen Fällen müssen die Anticholinergika hoch dosiert werden, um die Bronchien zusätzlich zur Gabe von Beta-2-Sympathomimetika zu erweitern. Das gilt auch für die Kombination Beta-2-Sympathomimetikum + Anticholinergikum zum Inhalieren (Berodual). Weil aber die einzelnen Wirkstoffe in der fixen Kombination niedrig dosiert sind, besteht die Gefahr, dass das Beta-2-Sympathomimetikum – um die geeignete Dosis des Anticholinergikums zu erreichen – in einer höheren als eigentlich nötigen Dosierung zur Anwendung kommt. Dadurch wird das Risiko für unerwünschte Wirkungen am Herzen erhöht. Eine fixe Kombination sollte daher nur dann eingesetzt werden, wenn die Dosierung der Einzelstoffe dem patientenindividuellen Bedarf entspricht und dadurch eine Vereinfachung der Therapie möglich ist (z.B. bei älteren Patienten). Im Gegensatz zu inhalativen Glukokortikoiden wirken Anticholinergika aber nicht antientzündlich, bei einer Daueranwendung kann sich auch eine Toleranz gegenüber den Wirkstoffen einstellen. Wenn in der Behandlung eine Dauertherapie mit diesen Mitteln für erforderlich gehalten wird, ist umso mehr darauf zu achten, dass gleichzeitig regelmäßig Glukokortikoide zum Inhalieren eingesetzt werden, um die entzündliche Reaktion in den Bronchien zu dämpfen. Dadurch werden diese weniger empfindlich, sodass sich die Anzahl der Asthmaanfälle verringert. Nach den derzeit vorliegenden Studiendaten stellen Glukokortikoide zum Inhalieren die am besten belegten Dauermedikamente bei Erwachsenen wie auch bei Kindern mit mittelgradigem bis sehr schwerem Asthma dar (Beclometason: AeroBec N, BecloHEXAL, Beclometason-ratiopharm, Bronchocort, Junik, Sanasthmax, Sanasthmyl, Ventolair: Budesonid: Budecort, Budes, Budesonid-CT, Budesonid-ratiopharm, budesonid von ct, Budiair, CYCLOCAPS Budesonid, Miflonide, Novopulmon, Pulmicort, Fluticason: atemur, Flutide). In ihrer Wirksamkeit als Dauertherapie sind diese Mittel den lang wirkenden Beta-2-Sympathomimetika Formoterol (Formoterol: Foradil, Oxis) oder Salmeterol (Salmeterol: aeromax, Serevent) überlegen. Da die Wirkung von Formoterol rasch einsetzt, kann es im Gegensatz zu Salmeterol in Ausnahmefällen aber auch als Akutmedikament beim akuten Asthmaanfall eingesetzt werden. Beide Wirkstoffe können Glukokortikoide zum Inhalieren, die die chronische Entzündung der Bronchien stoppen, allerdings nicht ersetzen. Ihre Anwendung ist nur in Kombination mit Glukokortikoiden zum Inhalieren vertretbar, wenn Glukokortikoid-Inhalate allein nicht ausreichend wirken (fixe Kombinationen: Formoterol + Budesonid: Symbicort; Salmeterol + Fluticason: atmadisc, Viani). Solche fixen Kombinationen sind geeignet bei Asthma, wenn nach der Ersteinstellung mit den Einzelsubstanzen eine Dauerbehandlung mit einem Glukokortikoid und einem lang wirkenden Beta-2-Sympathomimetikum zum Inhalieren nötig ist und die Dosierung des Kombinationsmittels den Anforderungen entspricht. Die Langzeitverträglichkeit lang wirkender Beta-2-Sympathomimetika ist noch nicht abschließend zu bewerten. Im Zusammenhang mit der inhalativen Glukokortikoid-Therapie ist auch das Mittel Montelukast (Singulair) zu erwähnen, das als mit Einschränkungen geeignet angesehen wird. Es kann die Anwendung von Glukokortikoiden zwar nicht ersetzen, aber es gibt Hinweise darauf, dass durch die gleichzeitige Anwendung die Dosis der Glukokortikoide reduziert werden kann. Das Mittel kann auch Kindern und Kleinkindern verabreicht werden. Eine endgültige Beurteilung des Stellenwerts steht allerdings noch aus. Als Dauermedikamente sind Mastzellstabilisatoren zum Inhalieren mit den Wirkstoffen Cromoglizinsäure und
Arzneimittelversorgung aus Sicht des Arzneimittelreports
259
Nedocromil dagegen wenig geeignet, da sie deutlich schlechter und weniger zuverlässig wirken als Glukokortikoide zum Inhalieren. Sie kommen allenfalls bei allergischem Asthma bei Kindern zum Einsatz oder wenn Asthmaanfälle unter körperlicher Belastung auftreten (Anstrengungsasthma). Der häufig verordnete Wirkstoff Ketotifen (in Zaditen) ist dagegen wenig geeignet, weil die therapeutische Wirksamkeit nicht ausreichend nachgewiesen ist. Kombinationen eines Beta-2-Sympathomimetikums + Mastzellstabilisator zum Inhalieren (z.B. Reproterol + Cromoglizinsäure: AARANE, Allergospasmin) sind als Dauermedikament ebenfalls wenig geeignet, weil Beta-2-Sympathomimetika nur bedarfsweise eingesetzt werden sollen, Mastzellstabilisatoren aber dauerhaft. Außerdem ist nicht ausreichend nachgewiesen, dass die fixe Kombination im Vergleich zur getrennten Anwendung der einzelnen Mittel besser wirksam ist. Als weitere Arzneimittel sind die Xanthine als Dauermedikamente zusätzlich zu Glukokortikoid-Inhalaten geeignet, wenn die lang wirkenden Beta-2-Sympathomimetika als Zusatzmedikamente nicht ausreichend wirken (Theophyllin: Aerobin, Afonilum, Bronchoretard, Euphylong, Solosin, theo-ct, Theophyllin AL, Theophyllin Heumann, Theophyllin-ratiopharm, Theophyllin Sandoz, Theophyllin Stada, Tromphyllin, Unilair, Uniphyllin). Der Wirkstoff Aminophyllin ist allerdings nur wenig geeignet, weil er sich aus Theophyllin und Ethylendiamin zusammensetzt, jedoch nicht besser wirkt als Theophyllin allein und mehr unerwünschte Wirkungen haben kann.
3
Mittel zur Behandlung von COPD
Ziel der medikamentösen Behandlung der COPD (siehe auch Kapitel Medikamentöse Therapie der COPD) ist es, die Beschwerden der Erkrankung wie Atemnot, Husten und Auswurf zu lindern, die körperliche Leistungsfähigkeit und damit die Lebensqualität zu erhöhen und zu verhindern, dass sich das Krankheitsbild immer wieder verschlimmert (Exazerbation). Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung: Mit Anticholinergika zum Inhalieren lässt sich die akute Atemnot mildern (z.B. Tiotropiumbromid: Spiriva; Ipratropium: Atrovent). Sie gelten hier als Mittel der Wahl. Für die Behandlung der Beschwerden im Schweregrad I genügen in der Regel kurz wirkende Anticholinergika, die bedarfsweise eingesetzt werden. Wenn COPD-Patienten kurz wirkende Bronchodilatatoren wie Ipratropium häufig anwenden müssen, bietet Tiotropium mit seiner langen Wirkdauer Vorteile. Auch kurz wirkende Beta-2-Sympathomimetika zum Inhalieren (z.B. Fenoterol, Salbutamol und Terbutalin, s.o.) sind geeignet, um bei Bedarf die Verkrampfungen der Bronchialmuskulatur zu lösen. Lang wirkende Substanzen sind ebenfalls geeignet, weisen aber gegenüber den kurz wirkenden keine zusätzlichen Vorteile auf, außer dass sie seltener inhaliert werden müssen (Salmeterol, Formoterol, s.o.). Nach gegenwärtiger Datenlagen sind langwirksame Beta-Mimetika und langwirksame Anticholinergika auch in den neuesten Leitlinien als gleichwertig zu bezeichnen. Die Kombination Beta-2-Sympathomimetikum + Anticholinergika (z.B. Berodual) zum Inhalieren kann die Beschwerden unter Umständen besser beheben, vorausgesetzt, die Zusammensetzung entspricht der bei den Einzelsubstanzen nötigen Dosis. Beide Wirkstoffe können auch getrennt voneinander gegeben werden und ergänzen sich schon in niedriger Dosierung vorteilhaft. Tiotropiumbromid (Spiriva) wirkt länger als Ipratropiumbromid (in Atrovent) und muss daher nur einmal verabreicht werden. Es verbessert die Lungenfunktion deutlicher als Ipratropiumbromid und senkt die Rate an akuten Verschlimmerungen des Krankheitsbildes. Daher wird es für die Dauerbehandlung als
260
Gerd Glaeske, Bremen
geeignet angesehen. Xanthine erweitern die Bronchien weniger gut als Anticholinergika und Beta-2-Sympathomimetika zum Inhalieren, ziehen aber häufiger unerwünschte Wirkungen nach sich und wirken nur bei einem Teil der Patienten. Diese Mittel sind daher im Stadium II der COPD nur mit Einschränkung geeignet, nämlich nur dann, wenn die oben genannten Mittel – auch in Kombination - nicht ausreichend wirken. Auch sollten nur retardierte Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung in der Langzeitbehandlung eingesetzt werden. Glukokortikoide zum Inhalieren sind bei COPD im Schweregrad I und II als Dauermedikamente wenig geeignet, weil nicht ausreichend nachgewiesen ist, dass diese Mittel den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Meist werden die Mittel eingesetzt, weil nicht genau genug zwischen COPD und Asthma unterschieden worden ist. Sie können aber eingesetzt werden, wenn eine schwere oder sehr schwere COPD (Grad III und IV) behandelt werden soll und wenn sich die Krankheit im vorausgegangenen Jahr häufiger als 3mal akut verschlimmert hat. Die Symptome können sich dadurch bessern, an der Lungenfunktion ändert sich jedoch nichts. Werden die Beschwerden oder die Lungenfunktion durch die Therapie mit Glukokortikoiden nicht verbessert, sollten die Mittel wieder abgesetzt werden Zusätzlich zu der bei Grad III genannten medikamentösen Dauertherapie kann in diesem Stadium über eine Nasensonde oder eine Atemmaske kontinuierlich Sauerstoff zugeführt werden. Diese Langzeit-Sauerstofftherapie soll dann eingesetzt werden, wenn ein Sauerstoffmangel besteht und sich die Krankheit mit der Sauerstoffgabe bessert. Bei akuten starken Entzündungen der Atemwege ist es meist erforderlich, für 10 bis 14 Tage Glukokortikoide in Form von Tabletten zu geben. Damit verbessert sich die Lungenfunktion, und die Entzündung klingt rasch ab. Über einen längeren Zeitraum sollten diese Mittel nicht angewendet werden, weil dann die Risiken durch die unerwünschten Wirkungen größer sind als der zu erwartende Nutzen. Für Glukokortikoide zum Inhalieren gelten die Grad III ausgeführten Angaben. In allen Stadien der COPD kann sich die Erkrankung bei bakteriellen Infektionen der Atemwege immer wieder akut verschlimmern (Exazerbation). Dies lässt sich vermeiden, wenn die bakteriellen Infekte schnellstmöglich mit Antibiotika behandelt werden. Welche Antibiotika geeignet sind, richtet sich nach der Art des Erregers und dem regionalen Vorkommen von Resistenzen, nach dem Schweregrad der Erkrankung sowie danach, wie häufig Infektionen auftreten. In der Regel werden zunächst Penizilline, eventuell auch die Kombination von Amoxizillin mit Clavulansäure oder Cephalosporine eingesetzt. Sind diese nicht ausreichend wirksam, steht der Wirkstoff Moxifloxacin aus der Gruppe der Chinolone zur Verfügung. Nach dem derzeitigen Wissensstand senkt eine jährlich durchgeführte Grippeschutzimpfung die Rate akuter Verschlimmerung der COPD. Daher wird allen COPD-Patienten zu einer jährlichen Grippeschutzimpfung geraten. Ob auch eine Pneumokokken-Schutzimpfung die Rate akuter Verschlimmerungen bei COPD-Patienten senkt, ist noch nicht eindeutig belegt. Dennoch wird COPD-Patienten auch zu dieser Schutzimpfung geraten, da mit ihr die Rate schwerer Lungenentzündungen günstig beeinflusst wird.
Arzneimittelversorgung aus Sicht des Arzneimittelreports
4
261
Die Realität der Arzneimittelversorgung
Die Darstellung der Verteilung der unterschiedlichen Arzneimittelgruppen zeigt, dass es ohne klinische Daten zu den behandelten Patientinnen und Patienten kaum möglich ist, eine spezifische Zuordnung zu den Stadien und zu den einzelnen Krankheitsbildern Asthma und COPD zu bestimmen. Es kann daher nur um eine Analyse des Gesamtverbrauchs und die Bewertung der Mengenrelationen zueinander gehen. Betrachtet man die Entwicklung der Arzneimittel aus der Indikationsgruppe „R03 Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen“ im Verlauf der letzten Jahre (Abb. 1), so zeigen sich für die gesamte Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sinkende Verordnungswerte in dieser Gruppe – von 1,46 Mrd. Tagesdosierungen (DDD) im Jahre 1996 auf 1,19 Mrd. Tagesdosierungen im Jahre 2005. Diese Menge würde ausreichen, um im Jahre 2005 ca. 3,3 Mio. Menschen mit zumindest einer Tagesdosierung eines Mittels aus dieser Gruppe kontinuierlich über ein Jahr zu behandeln (daraus errechnete Behandlungsprävalenz 4,1 %). Nun ist aber bekannt – und dies lässt sich auch den Leitlinien entnehmen –, dass viele Patientinnen und Patienten in frühen Stadien des Asthmas und COPD mit einer Bedarfsmedikation auskommen, also nicht ganzjährig und dauerhaft Arzneimittel einnehmen müssen und dass viele Patientinnen und Patienten eine kombinierte Behandlung aus mehreren Wirkstoffen benötigen, um die jeweilig Erkrankung kontrolliert behandeln zu können. Solche Asymmetrien sind mit den allgemeinen Verbrauchsdaten nicht darstellbar, hier wären personenbezogene Auswertungen erforderlich, um unter Berücksichtigung einer vorliegenden Diagnose die Arzneimitteltherapie einer Unter-, Über- und Fehlversorgung beurteilen zu können. Der Arzneimittel-Atlas 2006 [1] weist allerdings darauf hin, dass mit den verordneten Mengen „seit 2001 der maximal angenommene Bedarf exakt (hätte) gedeckt werden können.“ (S. 214) Betrachtet man die Veränderungen bei den wichtigsten Gruppen im Zeitvergleich, so zeigt sind ein deutlicher Rückgang der Beta-2-Sympathomimetika von 726 Mio. DDDs im Jahre 1996 auf 473 Mio. DDDs im Jahre 2005, abgesunken sind auch die Verordnun-
800 726
708
700
638
500
Mio. DDD
681
Betasympathomimetika Xanthinderivate Glucocorticoide (inhalativ)
600
400
689
383
369
354
546
338
321
215
223
238
252
256
1997
1998
1999
2000
501
313
303
301
272
297
281
300 200
522
463
298 238
473
342
222
100 0 1996
Abb. 1.
2001
2002
2003
2004
2005
Verbrauch der wichtigsten Arzneimittelgruppen zur Behandlung von Asthma und COPD seit 1996 [4]
262
Gerd Glaeske, Bremen
gen von Xanthin-Derivaten in der GKV, von 383 Mio. im Jahre 1996 auf 222 Mio. DDDs im Jahre 2005. Gestiegen sind dagegen die Verordnungsmengen von inhalativen Glukokortikoiden: Von 215 Mio. DDDs im Jahre 1996 auf 342 Mio. DDDs im Jahre 2005. Diese Veränderungen sind erwünschte Effekte und werden auf eine stärkere Berücksichtigung der Leitlinien zurückgeführt, in denen, wie weiter oben bereits beschrieben wurde, die Behandlung des Asthmas mit inhalativen Glukokortikoiden als Mittel der Wahl empfohlen wird, während die Beta-2-Sympathominetika immer nur – von wenigen Ausnahmen abgesehen – als Bedarfsmedikalisierung in einer akuten Situation von Atemnot angewendet werden sollen. Es wird allerdings beklagt, dass die Häufigkeit der Verordnungen von Glukokortikoiden bei Asthma wahrscheinlich noch immer hinter dem Bedarf zurückliegt. Sicherlich ist es aber ein Fortschritt in der Therapiequalität, dass der erkennbar wachsende Einsatz der inhalativen Glukokortikoide die Hyperreagibilität der Atemwege bei Asthmapatientinnen und –patienten soweit gebessert hat, dass der Verbrauch von Beta-2-Sympathomimetika zur Symptomlinderung deutlich zurückgedrängt worden ist. Eine Zuordnung der Arzneimittel zur Behandlung von Asthma und COPD kann sich näherungsweise auch daran orientieren, dass die Diagnose COPD häufig erst in der 6. Lebensdekade gestellt wird, während Asthma meist im Kindesalter erstmalig auftritt. In eine Studie von Schneider et al. [2], der in einer Querschnittsstudie in 6 süddeutschen Hausarztpraxen bei 6,4 % der Personen einen Hinweis in Patientenakten auf Asthma oder COPD fand, zeigte sich, dass Asthmatiker mit einem Durchschnittsalter von 36,5 Jahren (SD: 21,0) um rund 20 Jahre jünger waren als Patienten mit COPD (Durchschnittsalter 56,3 Jahre; SD: 18,4).
5
Auswertungen aus der Datenbank der GEK
Die Auswertungen der Daten der Gmünder ErsatzKasse GEK zeigen sowohl die Altersverteilung Patientinnen und Patienten, die Arzneimittel aus der Gruppe zur Behandlung von obstruktiven Atemwegserkrankungen bekommen, wie auch die Verteilung auf die einzelnen Arzneimittelgruppen (geordnet nach ATC-Code). Tabelle 1 zeigt zunächst die Gesamtübersicht über die Gruppe R03 „Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen“, es zeigt sich, dass etwa 8,6 % aller GEK-Versicherten zumindest einmal im Jahr ein Mittel aus dieser Gruppe verordnet bekommen (Männer 8,51 %, Frauen 8,83 %). Auffällig sind dabei die Kumulationen in den Alterstufen bis 10 Jahre und zwischen 40 und 50 Jahren. Die Kosten für diese Mittel liegen bei 6 % der Gesamtausgaben. Erkennbar ist, dass die inhalativen Sympathomimetika mit weitem Abstand am häufigsten verordnet werden (Tabelle 1, R03A), wahrscheinlich auch, weil sie sowohl bei Asthma wie aber auch bei COPD eingesetzt werden können. In dieser Gruppe befinden sich auch die fixen Kombinationen mit Glukokortikoiden. Ob die in ihrem starren Dosierungsschema immer dem wirklichen Bedarf der Patientinnen und Patienten entsprechen, muss kritisch hinterfragt werden. Dass die Verordnungen der inhalativen Glukokortikoide dahinter deutlich abfallen (R03 B), zeigt, dass die Anforderung der Leitlinien, solche Mittel ab der Asthma-Stufe II als Basistherapie einzusetzen, noch nicht ausreichend berücksichtigt wird. Die hohe Anzahl von Kindern, die mit Arzneimitteln aus der Gruppe R03 B behandelt wird, weist auf die häufige Verordnung von Mitteln mit Cromoglicinsäure in dieser Altergruppe bis 10 Jahre hin (siehe Tabelle 3, R03 B). Auch systemisches Terbutalin (in Bricanyl) wird vor allem bei Kindern bis zum 10. Lebensjahr eingesetzt (siehe Tabelle 2 R03 C in Verbindung
Arzneimittelversorgung aus Sicht des Arzneimittelreports
263
Tabelle 1. Verordnungen und Kosten für Arzneimittel aus der ATC-Gruppe R03 (alle Mittel, die bei Asthma und COPD eingesetzt werden; Zeitraum 12/05 – 11/06: 402.859 Rezeptverordnungen (4,46 % aller Verordnungen bei der GEK)) (Quelle GEK-Arzneimittel-Monitor 2007) Grundgesamtheiten 2005: 1,55 Mio. Versicherte, 9,03 Mio. Verordnete Packungen, 357,1 Mio. € Ausgaben für Arzneimittel über Apotheken [3] Alter
Versicherte
Kosten in €
Männer
Kosten in €
Frauen
Kosten in €
0 – u.10
25.701
1.971.140,53
15.214
1.235.778,00
10.487
735.362,53
10 – u.20
16.827
1.752.086,71
9.333
1.030.851,01
7.494
721.235,70
20 – u.30
10.557
1.238.955,95
4,591
584.261,31
5.966
654.694,64
30 – u.40
15.268
2.095.353,09
7.522
1.137.028,33
7.746
958.324,76
40 – u.50
21.488
3.683.354,38
10.094
1.822.629,42
11.394
1.860.724,96
50 – u.60
17.192
3.666.507,74
8.719
1.961.846,10
8.473
1.704.661,64
60 – u.70
15.243
3.751.770,42
8.800
2.461.356,64
6.443
1.390.413,78
70 – u.80
9,233
2.483.018,34
5.633
1.657.796,65
3.600
825.221,69
80 – u.90
2.862
707.877,25
1.574
427.308,77
1.288
280.568,48
232
40.400,79
90
18.347,55
142
22.053,24
4
557,39
1
351,48
3
205,91
90 – u. 100 Über 100
Summe % von Gesamt
134.607 21.391.022,59 71.571 12.237.555,26 63.036 9.153.467,33 (8,66 %) (5,99 %) (8,51 %) (6,22 %) (8,83 %) (5,70 %)
mit Tabelle 3), das gleiche gilt für das Mittel Singulair (R03 D) mit dem Inhaltsstoff Monelukast. Nach wie vor werden auch Xanthin-haltige Mittel in größerem Umfang verordnet, die sowohl bei Asthma wie bei COPD zu Anwendung kommen.
6
Ausblick
Die medikamentöse Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Asthma und COPD ist wahrscheinlich noch immer von Unter-, Über- und Fehlversorgung charakterisiert. Unterversorgung mit inhalativen Glukokortikoiden, Über- und Fehlversorgung mit Beta-2-Sympathomimetika und wahrscheinlich auch mit Kombinationen dieser Mittel mit Glukokortikoiden oder mit Anticholinergika. Eine noch bessere Berücksichtigung der Leitlinien bezüglich der Therapie nach dem jeweiligen Schweregrad von Asthma oder COPD könnte die Qualität der Versorgung verbessern und die Folgeereignisse (z.B. Notfallbehandlungen wegen eines schweren Asthmaanfalls) vermeiden helfen.
264
Gerd Glaeske, Bremen
Tabelle 2. Die jeweils am häufigsten verordneten Mittel ausgewählter Gruppen nach ATC-Codes (Auswertung von 402.859 Rezepten) Gruppe R03 A: Inhalative Sympathomimetika (incl. z.B. Salbutamol, Terbutalin, Fenoterol, Salmeterol, Formoterol und Kombinationen mit Glukokortikoiden) Präparat Symbicort Turbo (Formoterol Kombi) Viani (Salmeterol Kombi) Berodual N (Fenoterol Kombi) Gesamtgruppe R03 A (% aller Verordnungen
Anzahl Rezepte
Kosten in €
25.664
2.816.858,99
5.723
783.754,25
11.242 247.896 (61,53 %)
675.392,71 14.054.859,60 (65,70 %)
Gruppe R03 B: Andere inhalative Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (incl. z.B. Budesonid, Beclometason, Tiotropiumbromid, Terbutalin, Cromoglicinsäure, Nedocromil u.a.) Präparat
Anzahl Rezepte
Kosten in €
Spiriva (Tiotropium)
12.419
1.632.385,04
1.982
135.906,60
Alvesco Artrovent LS
6.215
105.554,27
Budes N
3.551
103.520,05
Gesamtgruppe R03 B (% aller Verordnungen
95.972 (23,82 %)
4.983.719,24 (23,30 %)
Gruppe R03 C: Sympathomimetika zur systemischen Anwendung bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (incl. z-B. Terbutalin, Clenbuterol) Präparat
Anzahl Rezepte
Kosten in €
Bricanyl Elixier
7.292
88.973,32
Spiropent
1.067
24.115,66
Brelomax
443
10.026,21
Volmac
285
7.707,73
Bricanyl Duriles
196
5.381,94
Gesamtgruppe R03 C
11.779 (2,92 %)
200.792,46 (0,94 %)
Gruppe R03 D: Andere Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen zur systemischen Anwendung (incl. z.B. Xanthine, Montelukast) Präparat Singulair (Montelukast) Theophyllin-Produkte Xolair Gesamtgruppe R03 D
Anzahl Rezepte
Kosten in €
6.922
893.059,48
31.868
701.726,92
133
126.410,13
47.212 (11,72 %)
2.339.628,60 (10,94 %)
Arzneimittelversorgung aus Sicht des Arzneimittelreports
265
Tabelle 3. Die Altersverteilung auf die einzelnen Arzneimittelgruppen Alter
R03 A
R03 B
R03 C
R03 D
75
4.172
5.889
1.214
10 – u.20
1.292
778
557
735
20 – u.30
1.474
430
55
212
30 – u.40
2.541
650
65
256
40 – u.50
3.905
1.287
61
449
50 – u.60
3.366
1.761
56
310
60 – u.70
3.115
2.240
62
221
70 – u.80
1.894
1.564
48
90
80 – u.90
547
465
27
32
90 – u.100
26
19
2
0 – u.10
Literatur 1. Häussler B, Höer A, Hempel E, Storz P. Arzneimittel-Atlas 2006. München, 2007 2. Schneider A, Gantner L, Maag I, Borst M M, Wensinf M, Szecsenyi J . Are ICD-10 codes appropriate for performance assessment in asthma and COPD in general practice? Results of a cross sectional observational study. BMC Health Serv Res 2005; 5:11 3. Glaeske G, Janhsen K. GEK-Arzneimittel-Report 2006. St. Augustin 2006 4. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg) Arzneiverordnung-Report 2006. Heidelberg, 2007
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Erwachsene
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Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Asthma bronchiale: Erwachsene Wolfgang Petro, Bad Reichenhall
1
Allergen- und Schadstoffkarenz
Karenzmaßnahmen stellen eine wesentliche Facette der kausalen Therapie dar. Da die Ursache des Asthma bronchiale u.a. aus der Einwirkung exogener Faktoren, u.a. Allergenen, besteht, ist deren Vermeidung erste therapeutische Maßnahme. Die wichtigsten asthmaauslösenden Allergengruppen sind saisonal auftretende Gräser-Roggenpollen, perennial vorhandene Milben bzw. deren Kot, perennial und ubiquitär auftretende Tierhaare und Epithelien sowie Schimmelpilze. Patienten mit allergischer Diathese bzw. einer familiären Atopie sollten daher als wesentliche Maßnahme der Prophylaxe Allergenquellen – soweit möglich – meiden. Im Einzelfall bedeutet dies, z.B. keine Felltiere als Haustiere anzuschaffen und in besonderen Fällen, wie z.B. bei der Hausstaubmilbenallergie mit entsprechenden Mitteln zu beseitigen bzw. durch ein milbendichtes Encasing der Bettmaterialien die Migration der Milben zu behindern. Asthma bronchiale geht einher mit einer bronchialen Inflammation und Hyperreagibilität der Bronchialschleimhaut. Durch inhalatives Zigarettenrauchen kann die Hyperreagibilität verstärkt werden. Rauchen ist kein Asthmaauslöser, jedoch kann Rauchen einerseits die Reagibilität erhöhen, andererseits den antiinflammatorischen Effekt von inhalativen Steroiden vermindern. Insofern ist das Aufgeben des inhalativen Zigarettenrauchens eine wesentliche Maßnahme der Noxenkarenz. An erster Stelle steht zweifelsfrei die Ansprache durch den Arzt.Jeder Arzt sollte seinen atemwegserkrankten Patienten nach Rauchgewohnheiten befragen und auf die Gefährlichkeit des inhalativen Zigarettenrauchens hinweisen und die Möglichkeiten zur Raucherentwöhnung anbieten. Die Entwöhnungsverfahren können auf der Basis edukativ-psychologischer wie auch pharmakologischer Verfahren durchgeführt werden bzw. in der Kombination beider Ansätze. Erstere beinhalten neben Aufklärung insbesondere Versuche zur Entwicklung einer Aversion bzw. Varianten der Bewusstmachung zum kontrollierten Rauchen. Die pharmakologische Raucherentwöhnung basiert auf Nikotinersatz. Hier stehen Nikotinersatzmittel (transdermale Applikation, Nikotinkaugummi, inhalative Applikation) zur Verfügung. Eine besondere Rolle spielen hierbei die Antidepressiva, deren Einsatz (Buprion) in Kombination mit Raucherentwöhnung Erfolg erzielen kann. Vareniclin als partieller Nikotin-Agonist hat die bisher größte Erfolgsquote aufzuweisen.
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Wolfgang Petro, Bad Reichenhall
Häufigste Asthmaform des Erwachsenenalter ist das Intrinsic Asthma bronchiale mit Infekttriggerung. Virale und bakterielle Infekte verstärken die Hyperreaktivität und Inflammation und können sowohl Asthma auslösen, wie auch verstärken. Infektvermeidung ist daher eine wesentliche therapeutische Komponente, wobei in erster Linie pharmakotherapeutische Prinzipien hilfreich sind, hier insbesondere Grippeschutzimpfung, ggf. auch Pneumokokkenimpfung und Verfahren der Immunstimulation und Immunmodulation. Neben diesen Möglichkeiten lässt sich die Infektabwehr insbesondere durch Varianten der „gesunden Lebensweise“ verbessern. Hierzu zählen die Trainingstherapie mit Ausdauertraining und Aufbau fettfreier Muskelmasse, die Ernährungstherapie mit dem Ziel, den Body-Maß-Index zwischen 20 und 25 zu halten und Varianten der Balneotherapie zur Stimulierung der körpereigenen Abwehr wie z.B. Schott’sche Wechseldusche, Kneipp’sche Anwendungen, Blitzgüsse, Sauna. [20, 21 26, 34, 39].
2
Patientenschulung
2.1
Inhalte
Dank hervorragender pharmakologischer Therapieprinzipien zeigt die Mortalität des Asthma bronchiale eine sinkende Tendenz, die Prävalenz jedoch bleibt weitgehend unberührt und steigt an [19]. Die Fortschritte der Pharmakotherapie kommen den betroffenen Patienten immer noch unzureichend zugute, wofür teilweise eine mangelnde Patientencompliance verantwortlich gemacht werden kann [2, 29, 33]. Im Rahmen eines verbesserten Krankheitsmanagements, insbesondere Selbstmanagements der Betroffenen zeigt sich eine verbesserte sozialepidemiologische Situation mit Rückgang von Krankenhausnotfalleinweisungen, Schulfehltagen, Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie eine nennenswerte Kosteneinsparung und verbesserte Lebensqualität. Selbstmanagement ist die erlernbare Fähigkeit des Erkrankten, alle Maßnahmen in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt selbst zu planen und anhaltend durchzuführen. Patientenschulung bei Asthma bronchiale ist die Gesamtheit aller Maßnahmen, die eine aktive Teilnahme des Patienten an der Bewältigung seiner chronischen Krankheit durch Überwachen der Symptomatik und adäquate Selbstanpassung der Therapie an den jeweiligen Schweregrad der Erkrankung ermöglicht [30]. Sie soll über eine Verhaltensänderung zu einem günstigeren Krankheitsverlauf und erhöhter Leistungsfähigkeit führen. Langfristig sollten Morbidität und Letalität gesenkt und die Lebensqualität verbessert werden. Patientenschulung erfolgt im Rahmen der leitliniengerechten Therapie mit pädagogisch ausgefeilten, strukturierten und evaluierten Trainingsprogrammen [4, 8, 20, 23, 24, 25, 41, 43]. In der Entwicklung der letzten Jahre hat sich hier das gemeinsame Schulungsprogramm der Deutschen Atemwegsliga, des Bundesverbandes der Pneumologen und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (Sektion, Prävention und Rehabilitation) durchgesetzt und wird in den Leitlinien insbesondere auch für Disease Management Programme für Asthmatiker (DMP) empfohlen. Hierbei handelt es sich um das nationale ambulante Schulungsprogramm für erwachsene Asthmatiker (NASA), welches den oben genannten Anforderungen entspricht [9, 10, 27, 31].
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Erwachsene
269
Tabelle 1. Essentielle Trainingsinhalte von Patientenschulung bei erwachsenen Asthmatikern Einführung mit Darstellung von Aufbau und Funktion bei Krankheiten der Atmungsorgane
Infektbekämpfung und Maßnahmen bei Infektexacerbation
Ursachen und atemnotauslösende Mechanismen
Therapie mit Glucocorticoiden
Therapie mit Medikamentenkunde und Applikationsübungen
Therapiekontrolle mit Peak-Flow-Meter
Nichtmedikamentöse Therapie und Selbstmedikation in stabiler Krankheitsphase
Selbsthilfetechniken
Selbstmedikation bei Exacerbation
Notfalltherapie und Notfallplan
Die essenziellen Trainingsinhalte und Trainingsziele jedoch sind weitgehend unabhängig von verschiedenen Programmen gleichartig aufgebaut und enthalten die in Tabelle 1 aufgeführten Bausteine.
2.2
Durchführung
Patientenschulung für erwachsene Asthmatiker ist wesentliche Aufgabe des betreuenden Hausarztes, des Facharztes und der Fachklinik. Voraussetzung ist neben der Motivation des Erkrankten die Erkenntnis des behandelnden Arztes, dass apparative Diagnostik und Verschreibung von Präparaten nicht in allen Fällen eine effektive Therapie bewirkt. Das Programm NASA ist so strukturiert, dass es auch von nicht vorgebildeten Trainern nach entsprechender Zertifizierung sachkundig durchgeführt werden kann. Patientenschulung wird vom therapeutischen Team durchgeführt, d.h. vom behandelnden Arzt und der Arzthelferin (oder anderer Hilfskraft, z.B. Physiotherapeutin, Sozialpädagogin). Alle Mitglieder der therapeutischen Teams bedürfen einer zertifizierten Fortbildung im Rahmen eines Train-the-Trainer-Seminars von wenigsten 1½ Tagen. Der Ablauf der Patientenschulung für Asthmatiker soll so aufgebaut sein, dass die Inhalte in 6 Vollstunden vermittelbar sind. Die Teilnehmerzahl sollte 6–8 Patienten nicht überschreiten, in Einzelfällen ist die Teilnahme von Lebenspartnern und/oder Angehörigen sinnvoll. Es sind mindesten 3 Termine vorgesehen. Für entsprechende räumliche Voraussetzungen ist zu sorgen, eine Fülle von Unterrichtsmaterialien stehen zur Verfügung und decken alle Wünsche hinsichtlich differenzierter Präsentation ab.
2.3
Erfolge
Der Effekt von Patientenschulung bei Asthma ist weltweit gut belegt. Auf dem Hintergrund eines verbesserten Selbstmanagements führt Patientenschulung zu einer verminderten Anzahl von Notfalleinweisungen und zu einer verminderten Anzahl von Fehltagen. Es gelingt, das Asthma in einen höheren Grad der Krankheitskontrolle zu überführen, so dass insgesamt Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbessert sind [1, 7, 14, 20, 23, 24, 43].
270
Wolfgang Petro, Bad Reichenhall
Studien, die den Effekt der Asthmaschulung detailliert belegen, zeigen jedoch, dass der Schulungseffekt in Abhängigkeit von der Intensität der Primärschulung an Nachhaltigkeit verliert. Daraus folgert die dringende Konsequenz zur regelmäßigen Nachschulung. Die Nachschulung sollte spätestens nach Ablauf eines Jahres konzipiert werden. Wegen der praktischen Bedeutung der Nachschulung ist selbige im Disease Management Programm Asthma verankert.
3
Physikalische Therapie
Die physikalische Therapie bei Asthma hat das Ziel, Hilfen zu geben, um die bronchiale Obstruktion, die vorwiegend exspiratorisch wirksam ist, zu mindern, im Rahmen von Selbsthilfetechniken die asthmatische Atemnot und die Angst zu mindern und unproduktiven Husten zu vermeiden. [11, 17, 36, 40].
3.1
Krankengymnastische Atemtherapie
Krankengymnastische Atemtherapie verfolgt das Ziel, die Thoraxbeweglichkeit zu steigern und die Atmung wahrnehmbar zu machen. Hierbei geht es insbesondere um das Erlernen abdomineller Atembewegungen mit dem Ziel der verbesserten Ventilation und verbesserten Atemmuskelkraft. Die autogene Drainage ist eine spezielle Atemtechnik, mit deren Hilfe der Sekrettransport mundwärts bis zur effektiven Expektoration erlernt wird. Die autogene Drainage ist bei schwerer Mukostase, somit für Patienten mit Asthma bronchiale bei einer Mukostase durch Exazerbation hilfreich. Techniken der Thoraxmobilisation dienen der Verbesserung der Ventilation. Hierbei geht es um Dehnungslagen, Drehdehnungslagen und manualtherapeutische Techniken zur Lockerung von Wirbelsäule und Rippen-Wirbel-Gelenken.
3.2
Selbsthilfetechniken
Erlernbare Selbsthilfetechniken dienen der Verbesserung der Ventilation, der Exspiration und insbesondere der Expektoration bei Mukostase. Die dosierte Lippenbremse als extrathorakale exspiratorische Stenose durch locker aufeinander gelegte Lippen führt während der Exspiration zur einem positiven Intrabronchialdruck. Dieses verhindert ein Kollabieren der kleinen Bronchien während der Exspiration und mindert somit den exspiratorischen Atemwegswiderstand, dient einerseits der Entblähung, andererseits der Überwindung der durch instabile Atemwege verursachten Obstruktion und führt zu einer verbesserten Sekretelimination durch effektiven Husten. Das Erlernen atmungserleichternder Körperstellungen verfolgt im Wesentlichen das Prinzip, den Thorax vom Gewicht des Schultergürtels und der Arme zu entlasten und Fixpunkte zu setzen zum Einsatz der Atemhilfsmuskulatur. Hierzu dienen Kutschersitz mit Auflegen der Ellbogen auf die Knie, Abstützen oder Ablegen der Arme und des Schultergürtels auf Tisch oder Treppengeländer oder das Ablegen von Armen und Kopf auf Tisch oder Bett-Bänkchen. Hustentechniken führen zur Verbesserung der Husteneffizienz und verhindern hustenausgelöste Reaktivitätssteigerung. Insbesondere geht es um Vermindern von Tracheobronchialkollaps, um das Vermeiden von Hustenattacken, die weiteren Husten auslösen
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Erwachsene
271
können bis zu Hustensynkopen oder aber zur Verstärkung des Asthmaanfalls führen können und sie dienen der Vermeidung von Atemmuskelermüdung. Wichtige mechanische Maßnahme ist das Vermeiden von husteninduzierter tiefster Exspiration, indem man nach kurzem Hustenstoß durch geschürzte Lippen (Lippenbremse) einatmet und den Thorax immer wieder in Inspirationsstellung bringt. Ziel ist es, den Atemwegskollaps und damit weitere Reizauslösung zu vermeiden. Zusammen mit atemerleichternder Köperstellung und dosierter Lippenbremse kann ein unproduktiver Husten gedämpft bzw. bei Mukostase die Husteneffizienz erhöht werden [18, 39, 40]. Einzelheiten physikalischer Therapieprinzipien sind in Tabelle 2 zusammenführend dargestellt.
Tabelle 2. Prinzipien in der physikalischen Therapie bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (nach [39]) Physikalisches Prinzip
Praktische Anwendung
1. Unterstützung der Sekretmobilisation und Reinigungsvorgänge Atemsynchrone Bronchialkaliberschwan- Kombinierte Ein- und Ausatemtechniken kungen bei vertiefter Ein- und Ausatmung (willkürlich – mit manueller Thoraxhilfe); durch Bewegen induzierte Atemzüge Manuelle Thoraxerschütterung
Vibrieren; Klopfen; Komprimieren des Thorax
Schwerkrafteffekt
Lagern- Drainagepositionen
Entspannung durch Wahrnehmen der Atembewegungen und des Sekrettransports
Konzentrieren auf den Atemvorgang und die Atemnebengeräusche
Wärme am Thorax
Auflagen, Packungen, Wickel, heiße Rolle
Bewegen nach Körperruhe (Flimmerstrom in Ruhe verlangsamt)
Gliedmaßenbewegungen beim Bettlägerigen, Gesamtkörperbewegungen beim umhergehenden Patienten
2. Vermeiden oder Abschwächen von unproduktivem Husten bei anfallinduziertem Husten und bei Sekretretention Dosierter intrathorakaler Druckaufbau
Bei Hustenreiz: Anhusten gegen geschlossene Lippen
Vermeiden übermäßiger Rezeptorenreizung
Bei Hustenreiz: In angehobener Atemmittellage (Einatemstellung) oberflächlich atmen
Sekretwahrnehmung bei Sekrettransport Entspannung durch Wahrnehmen der Atembewegungen und des Sekrettransports
Abhusten nach Sekretwahrnehmung im Trachealbereich
Patienteninformation
Erklären des Hustenmechanismus Fortsetzung nächste Seite
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Tabelle 2. Prinzipien in der physikalischen Therapie bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (nach [39]) (Fortsetzung) Physikalisches Prinzip
Praktische Anwendung
3. Hilfen bei erschwerter Ausatmung Verminderung des exspiratorischen Atem- Ausatemtechniken: wegskollapses durch kurzzeitige exspira• „dosierte“ Lippenbremse in Körperruhe torische Erhöhung des intrabronchialen und bei körperlicher Belastung Drucks und Verschieben des EPP (Ort des • dosierte Phonationstechniken gleichen Druckes) nach zentral Vordehnung des Lungen- und Thoraxsystems
Atemerleichternde Körperstellungen: Körperstellungen in angehobener Atemmittellage (Einatemstellung von Lunge und Thorax); Einatemtechniken: Schnüffelnd oder gähnend tiefer einatmen und Luftvolumen 1–2 s anhalten – entsprechend lange ausatmen
4. Angstminderung bei Atemnot Herabsetzen der erhöhten Atemarbeit
Atemerleichternde Körperstellungen: Körperstellungen in angehobener Atemmittellage (Einatmungsstellung von Lunge + Thorax)
Entspannung durch zunehmende Konzentrationslenkung auf Atembewegungen und Atemrhythmus
Wahrnehmen von kostoabdominalen Atembewegungen nach ventral, lateral, dorsal: • beim Packegriff • bei dosierter Lippenbremse • bei Gähnatmung mit geschlossenen Lippen (Höflichkeitsgähnen)
5. Verbesserung von Atemmuskelkoordination und Atemmuskelkraft, Verbesserung eingeschränkter Thoraxdehnbarkeit (Thoraxmobilisation), Verbesserung der Belastungstoleranz Wiederholte Muskelspannungserhöhung und/oder Muskelspannungsherabsetzung, Hautspannungsherabsetzung
Tiefe Atemzüge mit kombinierten Einund Ausatemtechniken (willkürlich – mit manueller Thoraxhilfe), durch Bewegen induzierte tiefe Atemzüge Massagen bzw. manuelle Techniken am Thorax/Rumpf: Oberkörperdehnlagen und Oberkörpergymnastik
Wiederholte Ausdauerbeanspruchung in Abhängigkeit von der kardiopulmonalen Belastbarkeit
Freies Bewegen in intermittierender und/ oder kontinuierlicher Dauerform (Gehen/ Traben)
6. Vermeiden schädigender Atemtypen • beim Pressen und Halten • beim Sprechen (forciert lange Ausat-
mung)
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3.3
273
Entspannungstechniken
Die praktisch wichtigsten Entspannungstechniken beim Asthma sind das autogene Training und das muskuläre Tiefentraining nach Jacobsen. Maßnahmen des Entspannungstrainings führen vorübergehend zu einer Minderung des Atemwegswiderstandes, dies wird meist verursacht durch eine Verlangsamung und Vertiefung der Atmung mit abnehmenden intrabronchialen Turbulenzen. Die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen beruht auf der Wahrnehmung von Muskelanspannung und -entspannung. Hier werden bestimmte Muskelgruppen in wechselnder Folge und unterschiedlicher Stärke in einen Entspannungszustand versetzt und wieder detonisiert. Ziel ist es, ein Ruhe- und Entspannungsgefühl zu erzeugen. Das autogene Training verursacht über Schwere- und Wärmeübungen eine Tonusminderung in den übenden Muskelpartien und die Erzeugung einer Entspannung. Neben Muskeldetonisierung wird auch eine Gefäßerweiterung wirksam. Diese sich vorwiegend im peripheren Bereich abspielenden Veränderungen haben offenbar eine zentrale Rückwirkung und können zu einer relevanten Verminderung des Atemwegswiderstandes führen.
3.4
Physikomechanische unterstützende Atemtherapie
Eine Reihe physikomechanischer Wirkprinzipien dienen ebenfalls der verbesserten Ventilation, indem sie die bronchiale Reinigung unterstützen Diese Therapieprinzipien spielen allerdings vorwiegend bei chronischer Mukostase, hier insbesondere bei der COPD (siehe dort) eine herausragende Rolle.
4
Asthma und Sport
Die dem Asthma bronchiale zugrunde liegende Inflammation und bronchiale Hyperreagibilität kann durch belastungsinduzierter Hyperventilation, Austrocknung und Auskühlung des Bronchialsystems verstärkt werden Dies kann beim Patienten zum belastungsinduzierten Asthmaanfall führen. Daraus resultiert sowohl bei Patienten, wie auch bei Behandlern der Trend, eine sportliche Betätigung beim Asthmatiker auszuschließen. Mangelbelastung kann zu körperlicher Schonung führen, diese verursacht eine Dekonditionierung. Zunehmende Dekonditionierung verschlechtert die Atemmechanik, aber auch die Immunabwehr und kann zu einer weiteren generellen Abwärtsspirale führen, die den Gesamtzustand des Patienten negativ beeinträchtigen kann. Bei schwer behandelbarem Asthma, aber auch bei stark instabilem Asthma wird des nötig sein, die Therapie bis zur Behandlungsstufe 4 auszudehnen, d.h. es kann die Gabe systemischer Steroide notwendig werden. Langanhaltende Gabe systemischer Steroide kann zu einer Atrophie der Skelettmuskulatur führen, kann eine Osteoporose verursachen und über diese Komorbidität den Konditionszustand verschlechtern. Dem kann durch gezieltes Training begegnet werden [12, 13, 15, 35].
4.1
Trainingsinhalte Ausdauer
Ausdauertraining zielt auf einen verbesserten Wirkgradienten von Atmung und Kreislauf ab und muss – um einen Effekt zu erreichen – mehr als 1/6tel der gesamten Muskelmasse
274
Wolfgang Petro, Bad Reichenhall
mit leichtem bis mäßigem Krafteinsatz über einen längeren Zeitraum (mind. 10 min) bewegen [16]. Ausdauertraining beginnt bei geschwächten Patienten mit einer Belastung < 75 % der Ausdauerleistungsfähigkeit und mit einer wöchentlichen Nettotrainingszeit von 30 min. Eine Steigerung bis zu einer wöchentlichen Nettotrainingszeit von 120 min erscheint sinnvoll. Das Ausdauertraining umfasst eine Aufwärmphase mit unterschiedlichen Varianten. Intervallartiges Aufwärmen wechselt Erholungsphase, die mindestens doppelt so lang sei soll wie die Belastungsphase, wobei die Erholungsphase keine Pause ohne jegliche Belastung sei soll [21, 32]. Diese Intervallphase muss mindestens 10 min dauern. Sie kann mit Lauf- und Gehübungen durchgeführt werden, mit Bällen, mit Spielen. Die sich anschließende Belastungsphase besteht in der Durchführung gleichmäßiger Belastung ohne Spitzenbelastungen, hier insbesondere Ballspiele, Laufspiele, Fangspiele, auch Singspiele unterbrochen von Gymnastik, auch das Einbauen von Radfahren und Schwimmen ist bei Asthmatikern möglich. Wichtig ist das Vermeiden von Spitzenbelastungen und die stets vorhandene Möglichkeit, den Peak Flow mittels Peak-Flow-Meter zu messen. Geschulte Asthmatiker sind daran gewöhnt, ggf. vor sportlicher Betätigung ein Bedarfsspray im Sinne eines schnellwirkenden Beta-2-Adrenergikums anzuwenden.
4.2
Trainingsinhalte Kraft
Die Effizienz des Krafttrainings ist abhängig von Intensität und Dauer. Intensität ist definiert als das Trainingsgewicht in Prozent des sog. Einwiederholungsmaximums für die gleiche Übung. Die richtige Intensität liegt zwischen 50 und 70 %, wobei das Trainingsgewicht nach dem Prinzip der ermüdungsbedingt letzten Wiederholung festgelegt wird. Die Anzahl der Wiederholungen pro Übungssatz bleibt konstant zwischen 10 und 15, die Erhöhung der Dauer erfolgt lediglich durch Erhöhung der Anzahl der Sätze für eine Muskelgruppe pro Training. Eine angemessene wöchentliche Nettotrainingsbelastung für Patienten liegt bei einem Satz pro Muskelgruppe pro Woche. Mehr als 6 Sätze pro Muskelgruppe pro Woche erscheinen bei Asthmatikern weder sinnvoll, noch notwendig. Krafttraining erfolgt an eigens dafür ausgerichteten Übungsgeräten mit besonderer Betonung des Krafttrainings für obere und untere Extremität. Für die praktische Umsetzung ist es wichtig, dass auch Asthmapatienten mit einem hohen Krankheitsschweregrad Trainingseinheiten erhalten. Diese erfolgen unter Verwendung von Therabändern und Hanteln, ggf. in Kombination mit Bett- bzw. Zimmerergometern. Weitere Trainingsziele beim Asthmatiker sind Beweglichkeit und Koordination. Schnelligkeitstraining kann reaktivitätsverstärkend sein und sollte daher eher gemieden werden.
4.3
Effekte der Trainingstherapie
Medizinische Trainingstherapie versetzt den Asthmatiker in die Lage, seinen beruflichen, sozialen und privaten Aktivitäten nachzugehen und die Teilhabe bzw. die soziale Re-Integration zu sichern. Trainingstherapie führt zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit der Lebensqualität [42]. Es ist sinnreich zu kombinieren mit Patientenschulung für Asthmatiker insbesondere im Rahmen der integrierten Versorgung. Asthmatikerschulung und
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Erwachsene
275
Asthmasportgruppen im ambulanten, wie auch im teilstationären oder stationären rehabilitativen Setting sollten zur Basistherapie zählen [22].
5
Psychotherapie
Asthma ist nicht psychisch ausgelöst, kann jedoch unter bestimmten Umständen psychisch verstärkt werden. Asthma als anfallsweise auftretende Luftnot, die willentlich nicht beeinflusst werden kann, erzeugt Angst, Angst erzeugt Unsicherheit. Diese Unsicherheit ist ein wesentliches Begleitphänomen in der psychischen Grundhaltung des Asthmatikers. Besonders junge Asthmatiker zeigen überhäufig psychosoziale Beeinträchtigungen mit Ängsten (37,7 %), Ärgerlichkeit (29,5 %), Traurigkeit (27,8 %), Zweifel (25,4 %) und soziale Unsicherheit als Folge der Asthmaerkrankung (25,1 %) [28]. Die psychologische Intervention besteht zum Einen in der Anwendung von Entspannungstechniken (siehe dort) und in der Verbesserung der Selbstbeobachtung psychischer und körperlicher Symptome, d.h. im Erkennen von Auslösern und Vorboten sowie Begleiterscheinungen eines Asthmaanfalls. Hierdurch kann die Patientencompliance verbessert werden und die Umgebung des Patienten in den Krankheitsprozess positiv eingebunden werden [38].
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Wolfgang Petro, Bad Reichenhall
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Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
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Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Asthma bronchiale: Kinder und Jugendliche Josef Lecheler, Berchtesgaden
1
Ambulante Asthmaschulung
Seit dem Jahr 1999 berücksichtigt der Gesetzgeber ausdrücklich ambulante Patientenschulungen im § 43 des Sozialgesetzbuches Nr. 5 (SGB V) als Formen der wohnortnahen „ergänzenden“ Rehabilitation. Grundlagen der Patientenschulung bei asthmakranken Kindern wie z.B. dem Asthmaverhaltenstraining [1] waren evaluierte Verhaltenstrainings aus den Vereinigten Staaten [2] auf der Basis lerntheoretischer Ansätze [3]. Der Patient wird danach befähigt, eine realistische Krankheitseinschätzung vorzunehmen und eigenständig zu handeln. Er wird ermutigt, Vertrauen in seine eigene Handlungsfähigkeit zu erwerben und die Überzeugung zu erlangen, etwas gegen die Krankheit ausrichten zu können („Self-efficacy“ [4]). Das Asthmaverhaltenstraining erreicht bei Kindern und Jugendlichen dieses Ziel durch vier Schritte: • Der erste Baustein im Asthmaverhaltenstraining ist die Informations- und Wissensvermittlung. • Der nächste Schritt besteht in der Schulung der Selbstwahrnehmung. • Für den verhaltensmodifizierenden Aspekt der Schulung ist die Verhaltenseinübung entscheidend: Die angestrebte Verhaltensmodifikation erfolgt in komplexen Lernschritten, die das Kind in die Lage versetzt, eigene Handlungsschritte zu beurteilen, ggf. zu kritisieren und beim nächsten Bewältigungsversuch zu verbessern. • Ein vierter und letzter Schritt beim Verhaltensmedizinischen Training mit asthmakranken Kindern und Jugendlichen ist das Einüben krankheitsspezifischer sozialer Fertigkeiten.
2
Moderne Asthmaschulungsformen mit Hilfe Neuer Medien (www.my-air.tv)
Zwei große Studien [5] konnten zeigen, dass Lerneffekte durch Patientenschulung erreicht werden können, ungeklärt bleibt allerdings, wie dieser Lernerfolg durch Asthmaschulung langfristig stabilisiert und ausgebaut werden kann. Angesichts der berichteten hohen Akzeptanz und weiten Verbreitung elektronischer Medien bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland [6] ist es naheliegend, das Internet zu
280
Josef Lecheler, Berchtesgaden
diesem Zweck zu nutzen. Diese Ergebnisse widersprechen teilweise den Meinungen der behandelnden Kinderärzte: Kinderärzte schätzen die Bereitschaft ihrer Patienten, weitere Informationen und Schulungen zu erhalten, sehr viel geringer ein und beurteilen insbesondere die von Kindern präferierten Methoden anders (siehe Abb. 1).
Kinder (n = 88)
% Werte
Pädiater (n = 101)
mehr Asthmaschulung gewünscht 71
33*
Auf welche Weise/durch welche Informationsquellen? (gestützt) durch Kurse/Selbsthilfegruppen
(n = 62)
(n = 83)
53
49
durch Gespräche mit dem Arzt
27
durch Fernsehsendungen oder Videos
23
durch Bücher oder Broschüren mit Hilfe des Computers (Internet und andere elektronische Medien)
82 45
26
35
36
durch Vorträge/Fortbildungen
19 8
durch Tageszeitung/Illustrierte und andere Printmedien
31 **
7
* Durchschnittswert ** nicht abgefragt
Abb. 1.
Informations- und Schulungsbedarf asthmakranker Kinder und Jugendlicher: Unterschiedliche Sichtweisen von Arzt und Patient [7]
Internet und Neue Medien schneiden demnach in der Sicht der Kinder deutlich besser ab als das Gespräch mit dem Arzt [7]. Die im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Asthmaschulung im Kindesalter neu entwickelte Internet-Plattform „My-air.tv“ erhöht nach ersten Erkenntnissen die Akzeptanz und die Nachhaltigkeit der Asthmaschulung erheblich [8].
3
Teilstationäre Asthmaschulung
Die formalen Voraussetzungen einer ambulanten verhaltensmedizinischen Behandlungsoption sind nicht ganz einfach zu erfüllen. Verhaltensmedizinische Patientenschulungsprogramme wie das Asthmaverhaltenstraining werden in einem zeitlichen Rahmen von 10 Terminen durchgeführt, wobei jeder Termin 1,5–3 Stunden in Anspruch nimmt. Krankenkassen, die diese Leistung bezahlen, haben in der Regel diesen zeitlichen Umfang auch als Vergütungsgrundlage genommen und festgeschrieben [20]. Petermann et al. [1, 9, 10] konnten allerdings zeigen, dass die ambulante Durchführung verhaltensmedizinischer Schulungsprogramme sowohl bei Ärzten wie bei Patienten auf hohe Hürden stieß: Arztpraxen konnten die geforderten formalen Kriterien nicht erbringen, Patienten waren außerdem nicht ausreichend bereit, die vorgesehenen Ter-
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
281
mine einzuhalten. Teilstationäre Verhaltensmedizinische Behandlungsoptionen sind daher als weiteres Modul des Schulungsangebotes sinnvoll: In Form von Feriencamps werden in schulfreien Zeiten wohnortferne Asthmaverhaltenstrainings angeboten (www.asthmatraining.de) und damit Kinder erreicht, die unter wohnortnahen ambulanten Bedingungen nicht betreut werden können [11, 21].
4
Asthma und Sport
Anstrengungsasthma ist eine Folge der stets vorhandenen Hyperreaktivität des Bronchialsystems. Auf dem Boden dieser Hyperreaktivität können Auslösefaktoren (Triggerfaktoren) jederzeit, auch in symptomfreien Phasen, Atemnotzustände auslösen. Neben Allergien und Infekten ist körperliche Anstrengung der wichtigste Triggerfaktor. Erhöhte Atemarbeit während körperlicher Belastung führt zu einem relativen Temperatur- und Wasserverlust an der Bronchialschleimhaut, Faktoren, die eine obstruktive Ventilationsstörung hervorrufen. Vor allem die Austrocknung während der Hyperventilation führt zu einer Osmolaritätsänderung. Dieser osmotische Stimulus kann die protektive Wirkung gleichzeitig freigesetzter Katecholamine und cyclischen AMPs überspielen. Da sich Kinder in der Regel mehr körperlich bewegen als Erwachsene, fällt bei ihnen Anstrengungsasthma früher auf und stellt oft das von Eltern berichtete Erstsymptom dar. Die Folgen sind Schonempfehlungen und Ausgrenzung von altersadäquater Belastung. Nach einer neueren Untersuchung sind 30 % chronisch asthmakranker Kinder und Jugendlicher dauerhaft vom Schulsport befreit, eine ähnlich große Gruppe nimmt an keinerlei sportlichen Aktivitäten auch außerhalb der Schule teil. Da physische Attraktivität und Sportlichkeit zentrale Erlebensbereiche schon im Kindesalter und mehr noch im Jugendlichenalter sind, kann diese Ausgrenzung erhebliche Entwicklungsdefizite nach sich ziehen [13]. Weiterhin haben Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt, dass trotz der Gefahr des Anstrengungsasthmas Sport und körperliches Training empfohlen werden muss, um das Anstrengungsasthma selbst einzugrenzen. Bei verbessertem körperlichem Trainingszustand durch regelmäßiges Ausdauertraining sinkt die Atemarbeit. Dadurch werden Asthma-auslösende Stimuli der anstengungsbedingten Hyperventilation weniger wirksam, der Bewegungsspielraum und der Aktionsradius vergrößern sich.
4.1
Ärztliche Voraussetzungen für die Empfehlung einer Sporttherapie [12, 13]
Zunächst sollte vor Beginn einer Sporttherapie eine gründliche lungenfunktionelle Untersuchung mit einem geeigneten Belastungstest erfolgen, um den Grad des Anstrengungsasthmas zu ermitteln. Laufbandergometrie ist dabei das geeignete Provokationsmedium, aber auch standardisierte Laufstrecken. Nicht geeignet ist die Fahrradergometrie, die zu geringe Belastungsintensitäten erzeugt. Spirometrische Messmethoden sollten nur zusammen mit Bestimmung der Flussvolumenkurve Anwendung finden. Besser noch sind die Zuziehung bodyplethysmographischer Messungen sowie die Blutgasanalyse. Damit sind nicht nur unkompliziertere Verläufe von Anstrengungsasthma zu ermitteln, sondern auch (seltenere) Erscheinungsformen, die mit Überblähung und mit einem Abfall des Sauerstoffpartialdruckes einhergehen.
282
Josef Lecheler, Berchtesgaden
Während eine lungenfunktionelle Basisuntersuchung mit geeigneter Belastung zunächst wenigstens einmal durchgeführt werden sollte, gehören einfachere Lungenfunktionsmessungen zum Patientenalltag. Dabei hat sich die regelmäßige Peak-flow-Messung besonders bewährt. Sie ist einfach anzuwenden und doch aussagekräftig. Für den täglichen Gebrauch ist sie vergleichbar mit dem Blutdruckmessgerät eines Hypertonikers und ist gut geeignet, das Perzeptionsproblem einer während der Sportausübung schlechter werdenden Lungenfunktion zu lösen. Durch Peak-Flow-Messungen können Trainingsprogramme optimiert werden, aber auch Einbrüche bei der stark schwankenden Symptomatik des Asthmasyndroms (etwa bei Infekten) frühzeitig erfasst werden. Ein dritter wesentlicher Aspekt, der vor Beginn eines sportlichen Trainings mit dem Arzt abgeklärt werden muss, ist die Frage der Prämedikation.
4.2
Allgemeine Empfehlungen für die Durchführung einer Sportstunde [13]
Grundsätzlich können alle asthmakranken Patienten, gerade auch Kinder und Jugendliche, an Sportprogrammen teilnehmen, wenn adäquate therapeutische Rahmenbedingungen einzuhalten sind. Neben der erwähnten Vordiagnostik sowie der individuell abgestimmten Prämedikation gelten folgende Empfehlungen, die auch nichtärztlichen Therapeuten oder Sportlehrern zugänglich gemacht werden sollten: • Erste Empfehlung: Aufwärmphase („Warming up“): Aufwärmen zu Beginn der Sportstunde ist der sicherste Garant für das Ausbleiben einer Atemwegsobstruktion. Plötzlicher Belastungsbeginn (Kaltstart) führt aufgrund der Peitschenwirkung plötzlicher Belastung auf das Atemwegssystem schnell zu Obstruktion. Wie erwähnt, will man das nur im Belastungstest, um das Ausmaß des Anstrengungsasthmas zu ermitteln. Bereits bei solchen Tests wirken sich modifizierte Aufwärmphasen (Stufenweiser Belastungsanstieg) „günstig“ aus, so dass der Anstrengungsasthmatiker sein Anstrengungsasthma unterlaufen kann. Gerade dieser Aspekt muss in einer ausreichend lang bemessenen (wenigstens 15 Minuten dauernden) Aufwärmphase zu Beginn der Sportstunde ausgenützt werden. • Zweite Empfehlung: Intervalltraining: Das Anstrengungsasthma kennt eine Refraktärperiode, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Nach Ende einer definierten Belastung und nachfolgender Erholung des Patienten kann bei einer erneuten identischen Belastung der vorher gemessene Obstruktionsgrad in der Regel nicht wieder erreicht werden. Diese reproduzierbare Refraktärperiode wird seit einiger Zeit in der Sporttherapie in Form eines Intervalltrainings angewandt. Allerdings ist ein stures Intervalltraining (Belastung - willkürliche Pause - Belastung) wohl nicht die ideale Form, um Asthmatiker zu trainieren. Gut geht es dann, wenn die gewählte Sportart solche Pausen zwanglos ermöglicht oder wenn zumindest extensive Belastungsphasen intensive abwechseln. • Dritte Empfehlung: Auswahl geeigneter Sportarten: Schon im Lungenfunktionslabor lässt sich feststellen, dass verschiedene Belastungsarten unterschiedlich asthmogen sind. Belastungen auf dem Fahrradergometer führen nur bei schweren Asthmatikern zum Anstrengungsasthma und sind für einen Belastungstest kaum geeignet, besser geht es mit dem Laufbandergometer, das als Standardmethode gut geeignet ist, einen noch stärkeren Obstruktionsreiz erzeugen aber plötzliche und schnelle Spurts in freiem Gelände. Nicht unwesentlich sind dabei Umgebungsfaktoren, vor allem Tempera-
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
283
tur und Luftfeuchtigkeit. Schwimmen ist aus diesem Grund eine besonders günstige Sportart für Asthmatiker, vor allem im Schwimmsport können enorme Leistungen (nach entsprechender Aufwärmung!) erzielt werden. Bei Kindern, die wegen ihres Asthmas allzu sehr geschont wurden, fallen unterhalb des zehnten Lebensjahres häufig Koordinationsdefizite auf, die zuvörderst trainiert werden müssen. Ältere Kinder und Jugendliche aber auch Erwachsene profitieren vor allem von Ausdauersportarten. • Vierte Empfehlung: Besondere Vorsicht bei Wettkampfsportarten: Sportstunden mit Jugendlichen können ohne einen gewissen Wettkampfcharakter nicht längerfristig durchgeführt werden. Sie benötigen den Wettkampf, sonst sinkt die Motivation und der Jugendliche verliert ganz das Interesse am Sport. Eine hohe Motivation beim Sport ist auch bis zu einem gewissen Grad asthmavermeidend: Untersuchungen haben gezeigt, dass willkürliche Hyperventilation im Vergleich zu motivationsbetonter sinnvoller Hyperventilation bei körperlicher Anstrengung höhere Obstruktionsreize setzen kann. Motivierte arbeitsbedingte Hyperventilation führt zu einem Ausstoß adrenerger Hormone und damit in gewisser Hinsicht zu einer Eigen-Lyse der Bronchokonstriktion. Allerdings haben die Wettkampfsportarten den entscheidenden Nachteil, dass die mangelnde Wahrnehmung (Perzeption) der beginnenden Bronchokonstriktion eingerechnet werden muss. Daher sollten bei Wettkampfsportarten asthmakranke Kinder und Jugendliche nicht sich selbst überlassen bleiben. Zumindest bei diesen Sportarten sollte immer ein Lehrer oder Trainer anwesend sein. • Fünfte Empfehlung: Belastungen nur submaximal: Wenngleich chronisch asthmakranke Patienten beschrieben werden, die enorme sportliche Leistungen vorweisen können und sogar Olympiasieger geworden sind (typischerweise in der Sportart Schwimmen), soll es nicht das Ziel der Sportstunde sein, die Patienten zur Erschöpfung zu treiben. Belastungen weit im submaximalen Bereich, vor allem mit Betonung des Ausdauertrainings, reichen völlig aus, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Der Ehrgeiz sollte eher auf häufigere Wiederholungen und zeitliche Ausdehnung gerichtet werden als auf vermeintliche Rekorde im Bereich hoher Belastungsintensitäten. Werden maximale Belastungen angesteuert, besteht jederzeit die Gefahr eines Asthmaanfalles. • Sechste Empfehlung: Abklingphase: Am Ende der Sportstunde sollte die Belastung nicht abrupt abbrechen sondern in einer Abklingphase auslaufen. Dabei können in spielerischer Form Elemente der krankengymnastischen Atemtherapie eingebracht werden, etwa Übungen mit Lippenbremse, atemerleichternde Körperhaltungen und dergleichen. Ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt ist dabei auch die Eigenart mancher Anstrengungsasthmatiker, erst fünf bis zehn Minuten nach Belastungsende mit der maximalen Obstruktion zu reagieren. Bricht nun die Sportstunde abrupt ab und der Sportlehrer verabschiedet sich, kann er möglicherweise etwas später auftretende Problemphasen nicht mehr kontrollieren.
5
Allergenvermeidung und Klimatherapie
Haustiere: Bei nachgewiesener Sensibilisierung auf Haustiere (über 80 % der kindlichen Asthmatiker) ist die Abschaffung der Allergenquelle nach wie vor die vorrangige Empfehlung. Hier sollte keine Verwechslung mit primär- oder auch sekundärpräventiven Folgen einer Haustierhaltung stattfinden, wie sie in den epidemiologischen Studien beschrieben
284
Josef Lecheler, Berchtesgaden
wurden, die die sog. „Hygienetheorie“ begründeten [14]. Wenn die Sensibilisierung bereits klinisch relevant ist, gibt es an der Wirksamkeit der Allergenkarenz keinen Zweifel. Hausstaubmilben: Hausstaubmilben und Hausstaubmilbenallergene gehören zu den häufigsten klinisch relevanten Allergenen beim allergischen Asthma bronchiale. Temperaturänderungen und Änderungen der relativen Luftfeuchtigkeit gelten als wirksame Umfeldbehandlung zur Bekämpfung der Milbenentwicklung, da diese nur in engen klimatischen und hygrometrischen Grenzen leben können. Entsprechende Änderungen im häuslichen Umfeld führen zu einer Allergenreduktion und zu einer Reduktion der Krankheitssymptome [15]. Da im Hochgebirgsklima die Milbenbesiedlung in den Haushalten ausbleibt, bestehen für Milbenallergiker nachweislich günstige Umgebungsverhältnisse [16, 17]. Neben den Temperaturschwankungen und Reduktion der absoluten Luftfeuchtigkeit im Hochgebirgsklima wird auch die verstärkte UV-Strahlung als Grund für das Fehlen der Hausstaubmilben angesehen. Als Folge wurde eine Verbesserung von Lungenfunktionsparametern, aber auch eine langfristige Senkung der bronchialen Hyperreaktivität von Milbenallergikern mehrfach beschrieben [18]. Pollen: Pollenallergene bilden im Gegensatz zu den Hausstaubmilben eine jahreszeitlich befristete Gefahr. Erfolgreiche Vermeidungsstrategien wurden beschrieben, ohne dass allzu großer technischer Aufwand betrieben werden sollte. Über die Reduktion allergologisch relevanter Pollen im Hochgebirgsklima im Verhältnis zum Tiefland liegen ebenfalls zahlreiche Untersuchungen vor, sodass Allergiker in bestimmten Blühperioden dort profitieren [18]. Schimmelpilze: Sporen von Schimmelpilzen sind ebenfalls wesentliche Bestandteile des Aeroplanktons. Auch sie können bei Sensibilisierten zu allergischem Asthma bronchiale, allergischer Rhinoconjunctivitis und anderen atopischen Symptomen führen [19]. Vermeidungsstrategien im häuslichen Umfeld (Sanierung von Feuchtstellen) sind bei diesen Allergenen von besonderer Bedeutung. Bei den extramural vorkommenden Schimmelpilzen wie Alternaria tenuis und Cladosporium herbarum ist der verminderte Sporenflug in Hochgebirgsklimazonen belegt [19].
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Nichtmedikamentöse Therapieverfahren b. Asthma bronchiale: Kinder/Jugendliche
285
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Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD
287
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD Susanne Lang, Bad Lippspringe In der Behandlung der COPD wird der Schwerpunkt traditionell auf die medikamentöse Therapie gelegt. So werden Exazerbationen im Akutkrankenhaus durch eine Optimierung der antiobstruktiven Therapie, Sauerstoffgabe, Antibiotika und Kortikosteroidgabe meist erfolgreich behandelt, und der Patient wird mit einer Kombination aus inhalativen Medikamenten und einem Medikationsplan zum Ausschleichen der Steroide nach Hause entlassen. Unberücksichtigt bleibt jedoch, wie der Verlust der Leistungsfähigkeit wieder wettgemacht oder künftige Exazerbationen vermieden werden können. Eine alleinige medikamentöse Behandlung reicht nicht aus, um die Atemnot zu lindern, die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten und die Lebensqualität und vor allem die Lebensperspektive zu verbessern. Eine optimale Behandlung muss deshalb neben der medikamentösen Therapie auch die Atemphysiotherapie, Verhaltenstraining, Ernährungsberatung, psychosoziale Unterstützung und ein körperliches Training beinhalten. Der optimale Zeitpunkt für den Einsatz dieses komplexen Behandlungsangebots muss individuell bestimmt werden und sollte allen COPD-Patienten mit funktioneller Einschränkung ab Stufe II angeboten werden [1]. Heute sieht man die pneumologische Rehabilitation nicht mehr nur als eine letzte therapeutische Option bei der Behandlung von Schwerstkranken, sondern als integralen Bestandteil des Behandlungskonzepts der COPD mit dem Ziel, funktionelle oder psychische Krankheitsfolgen frühzeitig auszugleichen oder zu vermeiden [1, 2].
1
Atemnot – Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten
1.1
Dekonditionierung
Bei Patienten mit COPD kommt es aus unterschiedlichen Gründen zur Atemnot. In der Regel fällt sie dem Patienten zunächst nur bei Belastung auf und führt zu einer Schonhaltung mit dem Ziel, Tätigkeiten zu vermeiden, die zu Atemnot führen. Dies trägt jedoch nicht nur zum gewünschten Effekt der Linderung von Atemnot bei, sondern auch zu einer Abwärtsspirale, die durch zunehmende Atemnot, Mangel an Bewegung, eingeschränkte Leistungsfähigkeit im beruflichen und privaten Leben, vorzeitige Berentung, sozialen Rückzug und eine depressive Grundhaltung charakterisiert ist. Patienten mit schwerer COPD entfalten im Vergleich zu Gesunden nur etwa halb soviel tägliche Aktivität. Umgekehrt führte allein die Teilnahme an einem Trainingsprogramm zu einer Steigerung der Aktivität im Alltagsleben – unabhängig vom erreichten Fitnesslevel [3].
288
1.2
Susanne Lang, Bad Lippspringe
Muskeldysfunktion bei COPD
Eine zentrale Rolle bei der Dekonditionierung spielt die Muskulatur, die den aeroben Stoffwechsel nicht mehr effektiv bewältigen kann. Der untrainierte Muskel verbrennt bei Belastung mehr Sauerstoff und produziert rascher Laktat und Kohlendioxid. Die daraus resultierende gesteigerte Atemarbeit kann die erkrankte Lunge aber nur begrenzt leisten. Daher führt die verbesserte Ausdauerkapazität der trainierten Muskulatur zu weniger Atemnot. Die Muskulatur weist bei Patienten mit COPD eine verminderte aerobe Kapazität auf. Durch Bettruhe kommt zu einer Verminderung des Muskelquerschnitts, der Kapillardichte, der Anzahl an Mitochondrien und zu einer erhöhten Sauerstoffextraktion. Patienten mit COPD haben zudem niedrige Spiegel an anabolen Steroiden und Wachstumsfaktoren und es kommt schon früh unter Belastung zur Laktatbildung. Weitere Störungen betreffen unter anderem die verminderte Kraftentwicklung des Muskels, den verminderten Besatz an metabolischen Enzymen und eine verminderte Regeneration der energiereichen Phosphate in der Muskulatur [2, 4] (Tabelle 1).
Tabelle 1. Physiologische Effekte von Training bei Patienten mit COPD (adaptiert nach [2]) Faktor
Pathophysiologische Störung
Effekt von Training
Körpermasse
Muskelfaserquerschnitt erniedrigt Erhöhung der fettfreien Fettfreie Masse erniedrigt Köpermasse durch Krafttraining und Ausdauertraining, besonders in Kombination mit anabolen Steroiden
Muskelfasertyp, Größe
Verminderung der Muskelfasern des Typs I (aerober Stoffwechsel, langsame Kontraktion, wenig Laktatbildung)
Verbesserung des Muskelquerschnitts und Zunahme der aeroben Fasertypen
Kapillarisierung
Verminderte Kapillardichte
Kapillardichte nimmt proportional zu erhöhtem Muskelquerschnitt zu
Metabolische Kapa- Erniedrigte Kapazität der oxidatizität des Muskels ven Enzyme
Kapazität der oxidativen Enzyme nimmt zu
Metabolismus in Ruhe und unter Belastung
In Ruhe: erniedrigter intrazellulärer pH-Wert, erhöhter Laktatspiegel, erniedrigte Glykogendepots Unter Belastung rascher Abfall des pH-Werts, rascher Abfall der energiereichen Phosphate
Relativ verringerte Laktatproduktion, verringerter Abfall des pH-Werts, raschere Resynthese energiereicher Phosphate
Inflammation
Erhöhte inflammatorische Marker mindestens in einer Subgruppe von Patienten
Nicht untersucht oder kein Effekt
Adaptiert nach Nici et al. 2006
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD
1.3
289
Einschränkung der Lungenfunktion, dynamische Überblähung
Die Einschränkung der Lungenfunktion ist bei der COPD per definitionem nicht reversibel. Durch die nichtmedikamentöse Therapie können jedoch die negativen funktionellen Auswirkungen der eingeschränkten Lungenfunktion vermindert werden. Ein wesentlicher Faktor, der zu Atemnot bei COPD beiträgt, ist die dynamische Überblähung. Darunter versteht man das Phänomen, dass es beim Ausatmen zu einer Einengung des Brustkorbs und damit auch der Atemwege kommt, die den Druckschwankungen im Thorax unterliegen. Während dies in Ruhe wenig ausmacht, werden die Atemzüge unter Belastung immer tiefer und folgen immer rascher aufeinander (Abb. 1). Der Patient mit COPD ist kaum in der Lage, tiefer einzuatmen und kann vor allem die Ausatmung nicht mehr vollständig durchführen. So kommt es zu einer immer stärkeren Überblähung, und nach kurzer Zeit wird die Grenze erreicht, an der die Belastung abgebrochen werden muss (Abb. 2).
Abb. 1.
Atemmuster in Ruhe und unter Belastung. In Ruheatmung nimmt das Atemzugvolumen nur einen geringen Anteil der Vitalkapazität ein. Unter Belastung werden die Atemzüge zunächst immer tiefer und folgen dann immer rascher aufeinander bis an die Grenze der Belastbarkeit.
1.4
Schleimbildung (Hypersekretion)
Physiotherapie wird eingesetzt, wenn eine exzessive Schleimbildung zu häufigen Infektbedingten Exazerbationen und zur Atemnot beiträgt. In der Regel besteht die Atemphysiotherapie aus einer Kombination aus Drainagelagerung, Atemtechnik, Abhusten und Thoraxperkussion.
290
Abb. 2.
Susanne Lang, Bad Lippspringe
Dynamische Überblähung unter Belastung bei Patienten mit COPD (nach [18]). Unter normalen Bedingungen kann die exspiratorische und in größerem Umfang die inspiratorische Kapazität für die zunehmende Atemtiefe rekrutiert werden. Bei Patienten mit COPD kommt es infolge der Überblähung rasch zu einer Ausschöpfung der verminderten inspiratorischen Reserve und zur atemmechanischen Limitierung.
Normalerweise erfolgt die Sekretelimination durch einen Hustenstoß. Dabei wird durch die geschlossene Glottis ein Druckanstieg im Bronchialsystem verursacht, der sich quasi explosionsartig entlädt und das Sekret dabei mitbefördert. Diese physiologische Art der Sekretelimination ist sehr wirksam, wirksamer beispielsweise als die Lagerungsdrainage [5]. Bei Patienten mit COPD kommt es infolge der bronchialen Instabilität jedoch zu einem ineffektiven Hustenstoß, der durch Hustentechniken angegangen werden kann. Im Gegensatz zum Hustenstoß erfolgt die sogenannte „Huffing Technik“ bei offener Glottis. Hierbei entstehen geringere Drucke im Bronchialsystem bei gleichzeitig hoher Flussrate. Dadurch kann die Sekretelimination bei Bronchialkollaps verbessert werden, besonders wenn ein dicker Schleimbelag vorhanden ist [6]. Die isolierte Anwendung von Lagerungsdrainage und Thoraxperkussion ist nicht ausreichend durch Studien belegt. In einer Cochrane-Analyse ergaben sich jedoch Hinweise für die Verbesserung der Schleimelimination durch die Kombination von Lagerungsdrainage, Perkussion und forcierter Exspiration, besonders wenn zusätzlich Bronchiektasen bestehen. Die Kombination aus Abhusten, Lagerung und Atemtechnik ist am effektivsten, während der Wert der manuellen Perkussion nicht überschätzt werden sollte [5]. Eine weitere Option stellt der Einsatz von oszillierenden PEP-Systemen (VRP1 Flutter®, RC-Cornet® und acapella choice®) dar. Diese Systeme bewirken ein Offenhalten der Bronchien während der Expektoration und tragen durch die Oszillation dazu bei, Schleim von den Bronchialwänden abzuscheren und dessen Viskosität zu vermindern.
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD
2
Nichtmedikamentöse Behandlungsmöglichkeiten
2.1
Physiotherapeutische Atemtherapie
291
Lippenbremse Die Lippenbremse fungiert als exspiratorische Stenose, „bremst“ die Ausatemluft , verringert den Druckabfall und wirkt so dem Atemwegskollaps entgegen. Prinzipiell wird die Lippenbremse bei allen obstruktiven Ventilationsstörungen eingesetzt und ist im Kapitel Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale bei Erwachsenen genauer beschrieben. Koppelung von Atmung und Bewegung Die Koppelung von Atmung und Aktivität ermöglicht, Belastungen im Alltag und die Trainingstherapie besser zu bewältigen. Neben der Verbindung von Bewegung und Atmung im Liegen, z.B. durch Armbewegung über Kopf beim Einatmen und Rückführen des Arms in der Ausatmung (analog dazu Bewegungen im Schulter-Armgürtel oder mit den Beinen), werden Belastungssituationen geübt. Wichtige Grundsätze sind die Ausatmung während der Anstrengungsphase. Dies kann für das Anheben von Gegenständen, das Aufstehen vom Stuhl und für das Treppensteigen geübt werden. Prospektive, kontrollierte Studien, die den Nutzen dieser Maßnahmen belegen, sind nicht publiziert, es entspricht jedoch der klinischen Erfahrung, dass diese Techniken gerade im Alltagsleben hilfreich sind. Atemerleichternde Stellungen Atemerleichternde Körperstellungen (Kutschersitz, Hocksitz, Knie-Ellbogenstütz, Torwartstellung u.ä.) entlasten den Thorax vom Gewicht des Schultergürtels und verbessern das Längen-Spannungsverhältnis der Atemhilfsmuskulatur und des Zwerchfells (s. Kapitel Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Asthma bronchiale: Erwachsene). Atemtechniken (autogene Drainage) Die autogene Drainage ist eine komplexe Atemtechnik, durch die das Sekret aus den distalen Bronchien in die zentralen Atemwege befördert wird, bevor es durch Abhusten mit geringem Kraftaufwand entfernt werden kann. Durch diese Technik wird das Sekret vom Atemstrom mitgenommen, bis es in die Luftröhre drainiert wird [6], und es kann eine verbesserte Sekretclearance [7] besonders bei Patienten mit Bronchiektasen oder zystischer Fibrose erreicht werden.
2.2
Physikalische Maßnahmen
Lagerungsdrainage Die Wirksamkeit der Lagerungsdrainage konnte durch bisher veröffentlichte Daten nicht belegt werden. Während bei Patienten mit hoher Sekretlast (Patienten mit zystischer Fibrose) positive Effekte nachgewiesen werden konnten [7], ließ sich ein signifikanter Effekt bei Patienten mit Bronchitis nicht belegen. Heiße Rolle Die Applikation von Wärme auf den Thorax („heiße Rolle“) kann zur Sekretexpektoration eingesetzt werden. Es gibt jedoch keine Studien, die die Wirksamkeit der Maßnahme
292
Susanne Lang, Bad Lippspringe
belegen. Die heiße Rolle wird in der Regel mit anderen sekretfördernden Maßnahmen kombiniert.
2.3
Training
Die Effekte körperlichen Trainings bei Patienten mit COPD sind durch randomisierte und kontrollierte Studien belegt [8, 9, 10, 11]. Training bewirkt eine bessere Effizienz der Atmung mit Abnahme von Atemfrequenz, Totraumventilation und Sauerstoff verbrauch bei vergleichbaren Belastungen. Darüber hinaus ließen sich mit körperlichem Training Steigerungen der maximalen körperlichen Belastbarkeit, der Gehstrecke und der Ausdauer dokumentieren, ferner eine Steigerung der Lebensqualität sowie eine Reduktion krankheitsbedingter Symptome. Ungeklärt ist bisher, ob durch körperliches Training bei COPD-Patienten auch die Lebenserwartung positiv beeinflusst werden kann [13]. Ausdauer-Training Für Patienten mit COPD eignen sich besonders Sportarten wie Laufen, Schwimmen, Fahrradfahren und zunehmend Walking-Techniken, um die Ausdauerleistungsfähigkeit zu verbessern. Beim Nordic Walking kommt es zu einer Mitbewegung der Arme, was sich positiv auf das Leistungsvermögen auswirkt. Die aktuellen ATS ERS-Empfehlungen sehen als Minimum ein 3mal wöchentliches Training unter regelmäßiger medizinischer Überwachung vor [2]. Dabei sollte eine möglichst hohe Intensität angestrebt werden unter Berücksichtigung der speziellen Gesundheitsprobleme des einzelnen Patienten und eine Mindestdauer von 30 Minuten effektiver Trainingszeit erreicht werden. Andererseits vermag eine niedrigere Intensität zur Akzeptanz des Trainings und zur Motivation bei einzelnen Patienten beizutragen. Bei Patienten mit ausgeprägter ventilatorischer Limitierung können mit Hilfe eines Intervalltrainings sowie des Trainings von Atem- und Armmuskeln die Effizienz und Koordination der trainierten Muskeln gesteigert, das Dyspnoeempfinden gesenkt und damit die Lebensqualität gebessert werden. Intervalltraining ist durch den systematischen Wechsel von Belastung und sogenannten „lohnenden Pausen“ gekennzeichnet. Dieses Konzept geht davon aus, dass die frühe Erholungsphase am effektivsten ist, die aeroben Energieprozesse aktiv bleiben und die eintretende Sauerstoffschuld wesentlich reduziert wird. Der Patient kann daher höhere Belastungsintensitäten während der kurzen Belastungsphasen tolerieren. Tatsächlich führte Intervalltraining zu signifikant weniger Beschwerden trotz hoher Belastungsintensitäten [14]. Krafttraining (medizinische Trainingstherapie) Patienten mit ausgeprägter muskulärer Dekonditionierung müssen zunächst ausreichend Muskelkraft aufbauen, bevor sie in der Lage sind, ein Ausdauertrainingsprogramm durchzuhalten. Dabei muss für die Trainingssteuerung [14] beachtet werden, dass der Belastungsreiz einerseits hoch genug gewählt wird, um adaptive Vorgänge anzustoßen, andererseits nicht so hoch ist, dass er die Muskulatur schädigt. Man muss von einer großen Variabilität der Intensität ausgehen, die bei Untrainierten bei ca. 30 % und bei Hochtrainierten bei ca. 70 % der isometrischen Maximalkraft liegt, um einen optimalen Kraftzuwachs zu erfahren. Im Verlauf sollte die Belastungsintensität permanent an die Steigerung des Leistungsniveaus angepasst werden, um die relative Belastungsintensität konstant zu halten.
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD
293
Neben der unteren Extremität werden auch spezielle Angebote für die obere Extremität, wie Armergometer, Gewichte oder elastische Bäder eingesetzt. Es wird empfohlen, 2 bis 4 Sets von 6 bis 12 Wiederholungen durchzuführen mit 50–85 % der maximalen Kraft [2]. Atemmuskeltraining Inspiratorisches Muskeltraining kann zum Ausgleich der Dysfunktion der Atemmuskulatur zusätzlich zum Ausdauertraining eingesetzt werden. Hierbei sollte beachtet werden, dass in Metaanalysen das inspiratorische Muskeltraining in Studien dann am wirksamsten war, wenn eine nachweisbar eingeschränkte Kraft der Atempumpe vorlag [15]. Zur Zeit werden drei verschiedene Methoden angewandt, die normokapnische Hyperventilation (Spiro Tiger®), Einatmen gegen einen atemflussabhängigen Widerstand (Respifit®) und Einatmen gegen einen flussunabhängigen Widerstand (Threshold IMT®). Lungensport Lungensportgruppen sind im Vergleich zu Koronarsportgruppen in Deutschland nur wenig vertreten. Während die Organisation von Koronarsportgruppen dem Deutschen Sportbund (DSB) mit seinen 92 Verbänden und 84000 Vereinen unterliegt und eine flächendeckende Infrastruktur wohnortnah angeboten werden kann, sind derzeit im Register der AG Lungensport lediglich 367 Lungensportgruppen in Deutschland eingetragen (www.lungensport.de). Während viele Trainingselemente zur Steigerung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit allgemeinen Trainingsgrundsätzen unterliegen, unterscheidet sich Lungensport deutlich vom Koronarsport in Bezug auf notwendige Voruntersuchungen, notwendige Kontrollen während des Trainings, Atemtechnik und Trainingsinhalte und erfordert speziell weitergebildete Therapeuten („Übungsgruppenleiter Lungensport“). In der Regel ist es sinnvoll zunächst ein individuelles Programm zum Aufbau der Leistungsfähigkeit im Rahmen einer stationären Rehabilitation durchzuführen, um die erforderliche Basis für die ambulante Sportgruppe zu legen. Im Anschluss daran sollte die Teilnahme an einer ambulanten Sportgruppe angestrebt werden, um die Fortschritte, die im Rahmen der stationären Rehabilitation erreicht wurden, langfristig zu sichern und zu steigern. COPD-Patienten leichteren Schweregrades (FEV1 > 60 % des Sollwertes) können Ausdauer- und Koordinationstraining sowie Atemübungen in ambulanten Lungensportgruppen durchführen. An Trainingseffekten sind eine Steigerung der aeroben Kapazität sowie eine Abnahme der Laktatbildung unter Belastung zu erwarten. Beim mittleren Schweregrad (FEV1 zwischen 40 % und 60 % des Sollwertes) liegen häufig Limitierungen der ventilatorischen Kapazität, Störungen der Atemmuskelfunktion und eine Einschränkung des Gasaustausches vor. Solche Patienten sollten nur an ambulanten Sportgruppen teilnehmen, die von speziell ausgebildeten Sportlehrern/ Übungsleitern geleitet werden. Für Patienten mit schweren Funktionseinschränkungen empfiehlt sich ein Training peripherer Muskelgruppen zur Steigerung von Kraft und Ausdauer, Atemübungen und Gehen in maximal tolerablem Tempo. Als Sicherheitsmonitoring sollte nicht nur Blutdruck und Puls gemessen werden, sondern eine Kontrolle der Sauerstoffsättigung bei Belastungshypoxämie erfolgen. Selbst bei starker funktioneller Beeinträchtigung (FEV1 unter
294
Susanne Lang, Bad Lippspringe
40 % des Sollwertes) wird über positive Trainingseffekte mit und ohne Sauerstoffgabe mit intensiven Trainingsprogrammen berichtet.
2.4
Hilfsmittel
Für Patienten mit starker Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Alltag können Hilfsmittel eingesetzt werden, die die Körperpflege (Sitz für die Badewanne, Haltevorrichtungen) oder das Anziehen (verlängerter Schuhlöffel) erleichtern. Für Patienten mit COPD stellt der Gebrauch des Rollators beim Gehen ein wichtiges Hilfsmittel dar, da er zu einer vornüber gebeugten Körperhaltung mit Abstützen der Arme beiträgt und dem Prinzip der atemerleichternden Körperstellung nahe kommt.
2.5
Ergotherapie
Ergotherapeutische Interventionen sind im Kapitel Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei Asthma bronchiale: Erwachsene näher erläutert und zielen darauf ab, Fähigkeiten für den Alltag und die Teilhabe am sozialen Leben zu schulen.
2.6
Patientenverhaltenstraining
Strukturierte Schulungsprogramme sind für das Management der COPD unverzichtbar [16, 17]. In Analogie zu Schulungsprogrammen (NASA) bei Asthma bronchiale beinhalten COPD-Schulungsprogramme wie „COBRA“ im ambulanten und das „Reichenhaller Modell“ im stationären Bereich die Vermittlung von Grundkenntnissen über Anatomie und Krankheitsbild, konkrete Handlungsanweisungen für eine bessere Prävention (Raucherentwöhnung, Infektionsprophylaxe), ein besseres Krisenmanagement (Aktionsplan), den korrekten Gebrauch der Inhalatoren und die Vermittlung von atemphysiotherapeutischen Techniken. Die klinische Erfahrung lehrt, dass gerade die enge Verzahnung aus Theorie (Schulungseinheit), praktischer Anwendung (Physiotherapieeinheit) und positiven psychischen Effekten im Rehabilitationsablauf zusammenwirken. Dabei kommt es zu einem Verstärkereffekt durch das immer wiederkehrende Ansprechen von Themen im therapeutischen Team und in Diskussionen der Patienten untereinander. Die Effekte von Schulung beruhen weniger auf der reinen Vermittlung von Wissen und Krankheitsverständnis, sondern – im positiven Falle – auf einer anhaltenden Verhaltensänderung. Gerade nach einer akuten Krise kann die enge Koppelung von akutstationärem Aufenthalt und Rehabilitation dazu beitragen, eine Verhaltensänderung zu bewirken und damit Folgekosten im Gesundheitswesen zu reduzieren [11, 12]. Durch Schulung kann die Anzahl der Krankenhaustage und Notfallbehandlungen signifikant vermindert, die Lebensqualität verbessert und letztlich weniger Arbeitsunfähigkeitszeiten erreicht werden [16, 17].
2.7
Entspannung
Entspannung führt zu einer Vielzahl physiologischer Veränderungen. Für Atemwegspatienten bieten sich hier neben klassischen Methoden wie autogenem Training auch spezielle Methoden wie Qi Gong oder muskuläre Entspannung nach Jacobson an.
Nichtmedikamentöse Therapieverfahren bei COPD
295
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Operative Therapieverfahren
297
Operative Therapieverfahren Georgios Stamatis, Essen
1
Einleitung
Das fortgeschrittene Lungenemphysem ist eine schwerwiegende Erkrankung, an welcher unter Zugrundelegung epidemiologischer Erhebungen mehr als 900.000 Deutsche leiden; es verursacht eine erhebliche Morbidität und Letalität. Die Atemnot setzt bereits nach geringer körperlicher Belastung ein und ist das führende klinische Symptom. Zum Zeitpunkt der Diagnose findet sich meist eine schwere Atemwegsobstruktion. Eine medikamentöse Behandlung ist nur begrenzt wirksam, da die bereits bestehenden anatomischen Veränderungen kaum beeinflussbar sind. Seit 1906 sind verschiedene operative Verfahren zur Behandlung des Lungenemphysems entwickelt worden, deren Stellenwert kontrovers diskutiert wird. Methoden wie die Costochondrektomie, die Phrenikusdurchtrennung, die Thorakoplastik, die Glomusextirpation oder das radikale Hilusstripping wurden wegen der schlechten Ergebnisse schnell verlassen und haben heute nur eine historische Bedeutung. Von allen bisher praktizierten chirurgischen Verfahren versprechen nur Operationen an der Lunge einen Erfolg. Diese sind die Bullektomie, die Volumenreduktion der Lunge (LVR) und die Lungentransplantation (LTx) [1–4, 5, 6, 7, 8]. In den letzten Jahren wurde in mehreren Studien die Effektivität von endobronchialen EinwegStents überprüft; die bisherigen Ergebnisse zeigen eine Verbesserung der Atemnot nur in der frühen Phase nach der Implantation. Weitere randomisierte Studien mit großen Patientenkollektiven sind erforderlich, um den Stellenwert dieser neuen Therapieform zu definieren.
1.1
Bullektomie
Als Bulla wird ein emphysematöser Hohlraum von mindestens 1 cm Durchmesser während der Inspiration bezeichnet [2]. Die Indikation zur operativen Behandlung wird bei asymptomatischen Patienten und bei Patienten mit Beschwerden unterschiedlich gestellt. Symptome wie Atemnot oder Thoraxschmerz durch Spannung sind von prognostischer Bedeutung. Bei asymptomatischen Patienten (keine COPD) ist eine chirurgische Intervention bei Komplikationen wie Pneumothorax, Infektion der Bulla (Spiegelbildung), Perforation der Bulla in die Pleura oder in das Mediastinum, Hämoptysen, Brustschmerzen, nicht zuletzt auch bei Verdacht auf ein Neoplasma sinnvoll. Bei Patienten mit einer COPD, die den größten Anteil der Patienten mit Beschwerden ausmachen, gelten ähnliche Indikationskriterien wie bei der Lungenvolumenreduktion. Die Dekompression kollabierter Lungenabschnitte, die Verbesserung der hämodynamischen Parameter, die Wiederherstellung der Zwerchfellfunktion und der elastischen Rückstellkraft und die Re-
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Georgios Stamatis, Essen
Abb. 1a,b. CT-Thorax beim Patienten mit bilateralen Riesenbullae (a) und entsprechendem Ausfall im Perfusionscan der Lungen (b)
duktion des Atemwegswiderstands sind die angestrebten Ziele in diesem Patientenkollektiv. Es gibt eine dritte Gruppe von Patienten, die aufgrund von radiologisch nachgewiesenen Bullae präventiv operiert werden können. Die meisten Autoren sind sich einig, dass diese präventive Chirurgie nur dann legitimiert ist, wenn in der Computertomographie des Thorax die Ausdehnung der Bulla ein Drittel bis eine Hälfte des Hemithorax umfasst (s.g. Riesenbulla) – mit entsprechendem Ausfall im Perfusionsszintigramm – und „intaktes“ Lungengewebe komprimiert wird (Abb. 1). Eine weitere Indikation zur präventiven Resektion stellt eine über mehrere Jahre kontinuierlich wachsende Bulla (radiologischer Verlauf) dar [9]. Der operative Zugang kann die Thorakotomie, die Sternotomie oder die videoassistierte Thorakoskopie sein. Operativ wird die Entfernung der Bulla unter Erhaltung des gut perfundierten und ventilierten Lungengewebes vorgenommen. Dieses gewebeschonende Verfahren erfolgt mittels lokaler Resektion, der Plikation oder der Kombination beider Verfahren. Bei Patienten mit hohem Risiko kann alternativ die intrakavitäre Kathetereinlage mit Absaugung der Bulla durchgeführt werden. Bei den offenen Verfahren werden gestielte Blasen mit einer Durchstichligatur an deren Basis versorgt und anschließend reseziert. Die Entwicklung geeigneter Klammernahtinstrumente hat die Resektion vereinfacht. Große Blasen werden entlang des weitesten Durchmessers eröffnet, der Innenraum inspiziert und vorhandene Septen durchtrennt. Mit „Allis-Klemmen“ wird von innen die Pleura nahe dem normalen Lungenparenchym erfasst und die Zystenwand zu der Lunge umgeschlagen. Das Klammernahtgerät wird entlang der Basis der Bulla eingesetzt und so oft wie erforderlich betätigt. Die Doppelung der Pleura-Zystenwand bewirkt eine bessere Abdichtung der Klammernaht, womit die Entstehung von Parenchymfisteln vermieden werden kann. Andere Techniken zur Reduktion der Parenchymfistelung beinhalten die Anwendung von synthetischen Materialien zur Verstärkung der Nahtreihe, wie Streifen aus Teflon, PTFE (Polytetraflurethylen) oder bovinem Perikard [10]. Bei dem Ausmaß der Resektion soll darauf geachtet werden, dass die verbliebene Lunge dem Hemithorax angepasst wird. Zu diesem Zweck empfehlen manche Autoren zusätzlich zu der Bullektomie die Bildung eines Pleurazelts [11]. Die Chirurgie von Bullae mittels der videoassistierten thorakoskopischen Technik (VATC) ist für den Patienten wenig belastend, so dass die Indikation auf Risikogrup-
Operative Therapieverfahren
Abb. 2.
299
Intraoperatives Bild bei der thorakoskopischen Resektion einer Riesenbulla
pen mit sonst hoher Morbidität und Letalität erweitert werden konnte (Abb. 2). Zwei bis drei Stichinzisionen bzw. Trokare zwischen 5. und 7. ICR in der vorderen und hinteren Axillarlinie werden benötigt. Die Bullae werden versorgt mit endoskopischen Klammernahtinstrumenten, ligiert mit endoskopischen Ligaturen oder verschorft mit dem Elektrokauter, Argon-Beamer oder Laser [12–15]. Die Anwendung der endoskopischen Klammernahtgeräte scheint das sicherste Verfahren zu sein [16]. Bei der Resektion sollte auf die korrekte Lage des Klammernahtgeräts entlang der Basis der Bulla und den Verlauf der Klammerreihe der nachfolgenden Magazine geachtet werden. Die Anlage von ein bis zwei Thoraxdrainagen ist wichtig, dabei darf es mit 10 cm H20 abgesaugt werden. Eine weitere operative Methode ist die intrakavitäre Kathetereinlage mit Absaugung der Bulla. Dieses Verfahren, das sehr einfach ist und bei Patienten mit eingeschränkter Lungenfunktion verwendet wird, wird in den letzten Jahren von der VATC verdrängt. Die Operation kann sogar in Lokalanästhesie vorgenommen werden. Durch eine kleine Inzision wird die Pleura eröffnet und die Bulla inzidiert. Nach Durchtrennung von Septen wird Talkum zwecks Verklebung insuffliert (Pleurodese), ein Foley-Katheter (Größe: 32F) intrakavitär gelegt und der Ballon mit 30 bis 40 ml Luft gefüllt. Die Inzisionsstelle der Bulla wird mit einer Tabaksbeutelnaht verschlossen, der Faden an dem Katheter festgeknotet. Der Foley-Katheter bleibt postoperativ am Sog und wird nach 8 Tagen entfernt. Die perioperative Morbidität ist bei allen drei Verfahren gering, die postoperative Letalität liegt zwischen 1 und 5 %. Bei korrekter Indikationsstellung und Nikotinabstinenz des Patienten sind nicht nur die Kurz- sondern auch die Langzeitergebnisse ausgezeichnet.
300
1.2
Georgios Stamatis, Essen
Lungenvolumenreduktion
Wenn man die strengen Selektionskriterien, die langen Wartezeiten wegen der begrenzt verfügbaren Spenderorgane und die Früh- und Spätkomplikationen nach Lungentransplantation (LTx) betrachtet, ist offensichtlich, dass die LTx leider nur für eine kleine Zahl von Patienten in Frage kommt. Mit der chirurgischen Volumenreduktion der Lunge (LVR) steht ein weiteres operatives Verfahren zur Behandlung des schweren Lungenemphysems zur Verfügung, dessen Selektionskriterien im Vergleich zur LTx weniger restriktiv sind und dessen perioperative Morbidität und Letalität niedriger liegt (Tabelle 1). Tabelle 1. Differenziertes Vorgehen bei Patienten mit terminalem Lungenemphysem Lungenvolumenreduktion
Lungentransplantation
Alter > 50 Jahre
Alter < 50 Jahre
Lungenemphysem
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, Lungenemphysem
FEV1 > 20 % des Sollwerts
FEV1 < 20 % des Sollwerts
PaCO2 < 48 mmHg
PaCO2 > 50 mmHg
PAPm < 35 mmHg (in Ruhe)
PAPm > 35 mmHg
nicht indiziert bei chronischen Infekten
auch bei Bronchiektasen und restriktiven Lungenveränderungen
Überbrückung bis zur LTx FEV1 = Ein-Sekundenkapazität; PAPm = pulmonalarterieller Mitteldruck, LTx = Lungentransplantation. Umrechnungsfaktor mmHg in kPa: × 0,1333
Das Verfahren der operativen LVR wurde 1957 von O. C. Brantigan entwickelt. Er beschrieb die Reduktion des Lungenvolumens durch randständige Keilexzisionen oder Plikationen des Lungenparenchyms durch eine Standardthorakotomie und erreichte bei 75 % der Patienten eine Verbesserung der klinischen Symptome [17]. Wegen der hohen postoperativen Mortalität von bis zu 25 % konnte sich dieses Operationsverfahren damals jedoch nicht durchsetzen. Besondere Probleme bereitete der nicht luftdichte Verschluss der Resektionsränder, wobei Parenchymfisteln über Wochen persistierten und Komplikationen wie Pneumonien und Pleuraempyeme begünstigt wurden. Diese Erfahrung von Brantigan konnte durch Beobachtungen von Cooper bei transplantierten Emphysematikern ergänzt werden [5]. So stellte er fest, dass während der einseitigen Beatmung der nativen Lunge bei der unilateralen Lungentransplantation ein ausreichender Gasaustausch möglich ist, vorausgesetzt, die Lunge wird adäquat ventiliert [11]. Zusätzlich fand er, dass nach unilateraler oder bilateraler Lungentransplantation Zwerchfellstand und -funktion der operierten Seite reversibel waren. Diese Erkenntnisse zusammen mit pathophysiologischen Untersuchungen über die Auswirkungen der Lungenüberblähung auf Atemmechanik, Ventilation, Perfusion und Gasaustausch führten zu der Entwicklung eines speziellen Protokolls, welches spezifische Selektionskriterien, die präoperative Vorbereitung, das anästhesiologische, operative und intensivmedizinische Vorgehen und die postoperative Rehabilitation für Patienten mit schwerem Lungenemphysem einschließt [18–20].
Operative Therapieverfahren
301
Die Selektionskriterien werden anhand der Anamnese, der klinischen Untersuchung, der radiologischen Diagnostik, der Lungenfunktionsprüfung, der Perfusions-/Ventilationsszintigraphie, der kardialen Diagnostik, der Abdomensonographie und ggf. auch der Bronchoskopie gestellt [21]. Die radiologische Diagnostik beinhaltet die Röntgenuntersuchung des Thorax in 2 Ebenen und die Computertomographie des Thorax [22]. Die Kernspintomographie dient zur Dokumentation der Beweglichkeit des Zwerchfells und der Veränderungen des knöchernen Thorax während der Inspiration/Expiration, gilt aber wegen der hohen Kosten und der geringen Nutzbarkeit nicht als obligat notwendig. Bei der Lungenfunktionsprüfung finden die inspiratorische Vitalkapazität (IVC), die forcierte expiratorische Vitalkapazität nach 1s absolut (FEV1) und in % der IVC (Tiffeneau), die totale Lungenkapazität (TLC), das Residualvolumen (RV), die funktionelle Residualkapazität (FRC), der Atemwegswiderstand (Raw) und die spezifische Conductance (sGaw) eine Berücksichtigung. Zusätzlich wird der 6-Minuten-Gehtest und unter Ruhebedingungen bei Raumluft die arterielle Blutgasanalyse durchgeführt. Die Perfusions-Ventilations-Szintigraphie dient der segmentalen Einordnung der minderdurchbluteten und ventilierten Lungenareale, zum Ausschluss von Lungenembolien und zur Seitenquantifizierung beider Lungenseiten. Die kardiale Diagnostik beinhaltet das EKG in Ruhe und unter Belastung, die Echokardiographie, die Messung des pulmonalarteriellen Drucks und in einzelnen Fällen die Koronarangiographie. Bei der Bronchoskopie wird Bronchialsekret bakteriologisch evaluiert und beim Nachweis von Bakterien präoperativ eine antibiotische Behandlung gemäß Resistogramm eingeleitet [23]. In Frage kommen Patienten mit folgenden Charakteristika: einem generalisierten Lungenemphysem und Dyspnoe trotz optimaler medikamentöser und inhalativer Therapie, einem FEV1 < 35 % des Sollwertes, RV > 250 % des Sollwerts und TLC > 125 % des Sollwerts. Der PaO2 darf unter Ruhebedingungen in Raumluft nicht unter 55 mmHg, der PaCO2 nicht über 48 mmHg, der PAPm nicht über 35 mmHg und die DLCO nicht unter 20 % betragen. Ausschlusskriterien sind therapieresistente oder chronische Infekte, zusätzliche restriktive pulmonale Ventilationsstörungen (z.B. Silikose, Pleuraschwarte), Nebenerkrankungen, die mit einem erhöhtem Operationsrisiko vergesellschaftet sind, persistierender Nikotinabusus und mangelnde Patienten-Compliance [24]. Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der NETT-Studie (National Emphysema Treatment Trial) erwiesen sich als besonders gefährdet Patienten mit einer FEV1 < 20 % in Verbindung mit einem homogenen Emphysemverteilungsmuster oder mit einer gleichzeitig reduzierten DLCO von < 20 %. Die restlichen funktionellen Parameter hatten keine prognostische Relevanz [25]. Über die Bedeutung der pulmonalen Rehabilitationsmaßnahmen für einen Zeitraum von 3–4 Wochen vor der LVR herrscht breiter Konsens. Dieses Rehabilitationsprogramm beinhaltet eine Schulung zur Verbesserung der Atemund Hustentechnik, Übungen mit dem „Flutter“ und dem Giebelrohr, die Anleitung zur korrekten Anwendung von Dosieraerosolen und Inhalationsgeräten, regelmäßiges Training der Inspirationsmuskulatur, inklusive Zwerchfell- und Atemgymnastik und nicht zuletzt ein fahrradergometrisches Konditionstraining mit Belastung im Sitzen. Bei sauerstoffabhängigen Patienten erfolgt das Training unter Sauerstoffsubstitution, z.B. über Nasenbrille. Bei Patienten mit einem reduzierten Ernährungszustand (BMI < 80 % Soll) ist eine Diätberatung und eine protein- und fettreiche Ernährung, die entsprechend den Empfehlungen von Askanazi et al. zusammengestellt wird, von besonderer Bedeutung, da untergewichtige COPD-Patienten eine geringere Lebenserwartung haben [26]. Beim operativen Vorgehen sollte prinzipiell eine LVR beider Lungen angestrebt werden. Indikation zum einseitigem Vorgehen wird nur bei speziellen Risiken gestellt, wie Be-
302
Georgios Stamatis, Essen
gleiterkrankungen mit hohem perioperativem Risiko, hohes Alter (> 75 Jahre), Seitendifferenz in der Perfusionsszintigraphie von mehr als 20 %, diffuse pleurale Verwachsungen, vorausgegangene thorakale Eingriffe und bei pulmonalarterieller Hypertonie (PAP > 40 mmHg in Ruhe). Der Zugangsweg kann mittels medianer Sternotomie, uni- bzw. bilateraler Thorakotomie oder uni- bzw. bilateraler videoassistierter Thorakoskopie erfolgen. Unterschiedliche Faktoren finden dabei Berücksichtigung wie die Morphologie des Emphysems (zentrolobulär, panlobulär, bullös oder fokal), die Lokalisation (diffus, apikal oder basal betontes Emphysem), das Vorliegen von Verwachsungen, eine vorausgegangene Thorakotomie oder Sternotomie, die Erfahrung des Operationsteams mit der jeweiligen Technik, nicht zuletzt die mit dieser Operation verbundenen Kosten (offen gegenüber Thorakoskopie). Die Anwendung eines doppelläufigen Tubus zur getrennten Lungenbeatmung und die Anlage eines thorakalen Periduralkatheters werden als Standardmaßnahmen betrachtet. Die Notwendigkeit der Anlage eines Swan-Ganz-Katheters sollte von dem kardialen Zustand des Patienten (PAPm > 35 mmHg in Ruhe) abhängig gemacht werden. Die Lokalisation und Ausdehnung der Resektion/Volumenreduktion der Lunge erfolgt unter Berücksichtigung des HR-CT (High-Resolution Computertomographie) des Thorax, der Perfusionsszintigraphie und des intraoperativen Situs. Überblähte Lungenareale trotz einseitiger Beatmung und effektiver Absaugung des Bronchialsystems sollten reseziert werden (Abb. 3). Für die Volumenreduktion der Lunge sind bisher verschiedene Verfahren vorgeschlagen worden. Von der Unterbindung unterschiedlich großer Lungenabschnitte, der Plikation des Lungenparenchyms, der manuellen oder maschinellen randständigen Resektion im Sinne von Keilexzisionen bis zu der Laserkoagulation des Lungenparenchyms. Nach unserer Erfahrung stellt die Resektion mit Hilfe von Klammernahtgeräten und Verstärkung der Nahtreihe mit bovinen Perikardstreifen das sicherste Verfahren dar (Abb. 4). Damit ließ sich eine Rückbildung der Parenchymleckagen und Verkürzung der Drainageliegezeit erzielen; bei 70 % der Patienten waren die Resektionsstellen sogar von Beginn an luftdicht. Ein Teil der endoskopischen Klammernahtinstrumente verfügt über eine zusätzliche dritte Klammerreihe. Obwohl dadurch eine zufriedenstellende Abdichtung des Lungenparenchyms möglich ist, konnte durch den Einsatz neuerer, für diese Instrumente entwickelter Perikardstreifen eine weitere Reduktion der postoperativen Leckagen und der damit verbundenen Komplikationen erreicht werden [4]. Die Seite mit der besseren Perfusion wird zuerst angegangen [27]. Ein Anstieg des PaCO2, der bei der Volumenreduktion der zweiten Lunge nicht selten auftritt, kann durch die Anwendung von CPAP (continous positive airway pressure) effektiv beeinflusst werden. Bei der Sternotomie sollte die mediastinale Pleura soweit mobilisiert werden, dass am Ende der Operation diese anatomiegerecht wieder verschlossen werden kann. Bei Patienten mit Zielzonen in den basalen und posterobasalen Lungenabschnitten, wie bei homozygotem alpha-1-Antitrypsin-Mangel oder bei Patienten mit diffusen pleuralen Verwachsungen erscheint die Thorakotomie als der beste Zugang. Beim videothorakoskopischen Vorgehen werden drei bis vier Stichinzisionen bzw. Trokare zwischen 5. und 8. ICR in der vorderen und hinteren Axillarlinie benötigt. Während der Resektion sollte auf die korrekte Lage des Klammernahtgeräts und den Verlauf der Klammerreihe der nachfolgenden Magazine geachtet werden. Durch Kreuzung der Nahtreihen können unnötige Parenchymfisteln entstehen. Durch starkes Ziehen am Klammernahtgerät entstehen Schwerkräfte, die zum Parenchymabriss neben der Nahtreihe führen können. Das Ausmaß der Resektion liegt zwischen 20 % und 30 % des Volumens der entsprechenden Lunge. Bei Lokalisation der Zielzonen in der oberen Lungenhälfte beginnt
Operative Therapieverfahren
303
Abb. 3a,b. Röntgen-Thorax bei einem 67-jährigen Patienten vor (a) und nach (b) einseitiger rechtsseitiger LVR beim Lungenemphysem
Abb. 4a,b. Intraoperatives Bild vor und nach thorakoskopischer LVR
die Resektion in der Lingula bzw. dem Mittellappen und setzt sich fort nach apikodorsal in Form eines Hockeyschlägers [6, 27, 28]. Beim basal dominanten Emphysem werden die zerstörten Lungenareale tangential von der Lingula bzw. Mittellappen zum posterobasalen Segment reseziert. Dabei ist wichtig, dass die Restlunge den Pleuraraum ausfüllt und sich keine Resthöhlen bilden. Apikale Resthöhlen können sich unter Dauersog nach einigen Tagen vollständig zurückbilden. Dagegen persistieren basale Resthöhlen, so dass die Gefahr der späteren Infektion bzw. Empyembildung relativ groß ist. In solchen Fällen kann die Bildung eines Pleurazelts durch Mobilisierung der parietalen Pleura hilfreich sein. Die Anlage von zwei Thoraxdrainagen ist ausreichend, der Sog sollte die 10 cm H20 nicht überschreiten. Eine Extubation noch im Operationssaal sollte angestrebt werden. Die perioperative Letalität liegt in erfahrenen Zentren zwischen 1 % und 5 %. Die häufigsten postoperativen Komplikationen sind Sekretretention, Pneumonien und länger anhaltende Parenchymfistelungen. Die ersten beiden Komplikationen können durch eine gute präoperative Vorbereitung vermieden und die Parenchymfistel durch Abdich-
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Georgios Stamatis, Essen
tung der Klammernahtreihe wesentlich reduziert werden. Die Funktionsdaten im ersten postoperativen Monat zeigen eine signifikante Verbesserung der Lungenfunktion, des Gasaustausches, der Funktion der Atempumpe sowie eine klinisch relevante Steigerung der Belastungstoleranz und Abnahme der Dyspnoe. Die FEV1 verändert sich im Durchschnitt um 60 %, die TLC um 20 %, das RV um 30 %. Die funktionelle Verbesserung ist deutlicher nach doppelseitiger als nach einseitiger Volumenreduktion. Der Sauerstoffpartialdruck in Ruhe steigt nach der LVR um durchschnittlich 6–8 mmHg, unter Belastung um 8–10 mmHg, der PaCO2 fällt um 6–10 mmHg. Im 6-Minuten-Gehtest und in der Dyspnoeskala, wie in der zitierten Studie von Cooper 1989, verlängert sich die Gehstrecke gegenüber dem präoperativen Befund um mehr als die Hälfte, der Dyspnoegrad fällt deutlich um 1,6–2 Punkte [7, 29]. Die Zunahme der elastischen Rückstellkraft des Lungengewebes nach LVR führt dazu, dass bei der Exspiration das Bronchiallumen länger offen bleibt; folglich der Atemwegswiderstand um ca. 20 % abnimmt und die spezifische Leitfähigkeit der Atemwege um ca. 70 % ansteigt. Die funktionelle Verbesserung der Atempumpe wird zusätzlich durch den Anstieg des maximalen inspiratorischen Druckes (um 60 %), des inspiratorischen Sniff-Druckes (um 70 %), des transdiaphragmalen Druckes (um 30 %) und den Abfall des Mundverschlussdruckes (um 25 %) dokumentiert [30, 31]. Das Zwerchfell ist postoperativ besser gewölbt, dessen Beweglichkeit erhöht und der interkostale Rippenabstand reduziert (Abb. 1). Die Langzeitresultate nach der LVR sind allerdings unterschiedlich. Eine wesentliche Rolle scheint die Morphologie und Lokalisation des Emphysems, die Häufigkeit bronchopulmonaler Infekte und die Regelmäßigkeit der postoperativen fachspezifischen Betreuung zu spielen [32–34]. Nach der eigenen Erfahrung profitieren Patienten mit Lungenemphysem und α1-Antitrypsin Mangel nur für eine kurze Zeitdauer von bis zu 12 Monaten von der LVR, so dass für diese Patientengruppe die chirurgische Therapie nicht mehr empfohlen wird [1]. Ein Teil dieser Patienten wird wegen der erneuten raschen Verschlechterung der Funktionsparameter Kandidaten für eine Lungentransplantation [8, 35]. Die publizierten Ergebnisse von 1033 randomisierten Patienten mit Emphysem bei der NETTrial zeigen, dass Patienten mit niedrigem Atemstoß (< 20 %), niedrigem DLCO (< 20 %) und homogenem Emphysem von einer Operation ausgeschlossen werden sollten [25].
1.3
Lungentransplantation
Die ein- und doppelseitige Lungentransplantation (LTx) sowie die Herz-Lungentransplantation (HLTx) sind weitere therapeutischen Optionen zur Behandlung des terminalen Lungenemphysems. Im Vergleich zu anderen Organen wie Niere, Leber und Herz, blieb ein lang andauernder Erfolg dieses Verfahrens bis Anfang der 80er Jahre aus. Erstmals im Jahre 1983 gelang der „Toronto Lung Transplant Group“ um J. D. Cooper die erste erfolgreiche LTx bei einem Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose. Dieses Verfahren fand schnell Anwendung auch bei Patienten mit Lungenemphysem im terminalen Stadium. Wegen der Gefahr des Ventilations-Perfusions-Missverhältnisses und des postoperativen mediastinalen Shifts wurde anfangs die doppelseitige Lungentransplantation als Verfahren praktiziert [3]. Im Jahre 1988 gelang es Adressian et al., Patienten mit Lungenemphysem erfolgreich einseitig zu transplantieren und die geltenden Einschränkungen zu relativieren. Liegt neben dem Lungenemphysem ein chronischer pulmonaler Infekt vor, wird heute das doppelseitige Vorgehen vorgezogen. Ein bilaterales Verfahren wird auch bei jungen Patienten, hier besonders mit alpha-1-Antitrypsin-Mangel emp-
Operative Therapieverfahren
305
Abb. 5a,b. Röntgen-Thorax bei einem 40-jährigen Patienten vor (a) und nach (b) einseitiger linksseitiger Ltx beim Lungenemphysem
fohlen. Für Patienten mit Lungenemphysem und schwerem Cor pulmonale, kongestiver Kardiomyopathie oder sekundärer irreversibler pulmonaler Hypertonie wird die HLTx in Betracht gezogen. Die ein (SLTx)- oder beidseitige (DLTx) Lungentransplantation ist eine therapeutische Option für nur wenige Patienten, die die strengen Ein- bzw. Ausschlusskriterien erfüllen. Die Patienten sollen auf Grund des Schweregrades ihrer Erkrankung eine limitierte Lebenserwartung von 12 bis 18 Monaten haben, als Altersgrenzen gelten für die SLTx und die DLTx das 55. Jahresalter; der funktionelle Zustand des Kandidaten muss stabil sein, um die lange Wartezeit überbrücken zu können; er muss in der Lage sein, einfache Aktivitäten, wie Gang zum Badezimmer, Spaziergang mit der Sauerstoffflasche, alleine zu bewerkstelligen; ein adäquater Ernährungszustand wird angestrebt. Kontraindikationen zur LTx sind systemische Erkrankungen, maligne Erkrankungen, die Niereninsuffizienz und die notwendige langjährige Einnahme von hochdosierten Kortikosteroiden. Weitere Kontraindikationen bilden psychosoziale Probleme und ein Alkohol-/Drogenmissbrauch. Vorausgegangene Operationen stellen eine relative Kontraindikation dar; hierbei muss von Fall zu Fall individuell entschieden werden. Die 30-Tages-Letalität liegt in erfahrenen Zentren zwischen 6 % und 12 % für die SLTx und 8 % bis 15 % für die DLTx. Waren in den ersten Jahren der frühe Ausfall des Transplantats und die bronchialen/trachealen Komplikationen für die relativ hohe Letalität verantwortlich, sind es heute die bakteriellen und viralen Infektionen. Die funktionellen Ergebnisse nach LTx sind gut, wobei die Patienten nach DLTx eine höhere Belastbarkeit als die mit SLTx aufweisen (Abb. 5). Die Langzeitergebnisse werden jedoch vom Auftreten der (chronischen) Organabstoßung und/oder der Entwicklung einer Bronchiolitis obliterans beeinflusst. Obwohl sich die medikamentöse Therapie kontinuierlich verbessert hat, gibt es bis zum heutigen Tage keine definitive Antwort auf dieses Problem.
306
1.4
Georgios Stamatis, Essen
Endobronchiale Einweg-Stents
Um die überblähten Lungenabschnitten zu „entlüften“, wurde mit Hilfe von endobronchialen Einweg-Stents eine neue anatomische Passage zwischen dem kollateral ventilierten Lungenparenchym und den größeren Atemwegen geschaffen. Damit konnte das „trapped gas“ das Lungengewebe verlassen mit Folge Rückgang der Überblähung, bessere Funktion der Brustwandmuskulatur und des Diaphragma und schließlich Verbesserung der Dyspnoe und der Lebensqualität. Die Einweg-Stents werden bronchoskopisch eingesetzt; die zum jetzigen Zeitpunkt angebotenen Stents können in den segmentalen oder subsegmentalen Bronchien direkt oder mit einer Dilatationsnadel and die Bronchienwand angebracht werden. Es werden in ein oder zwei Sitzungen bilateral mehrere (bis zu 12) Stents eingesetzt. Ideale Patienten sind diese mit homogenem Emphysem und ausgeprägter Lungenüberblähung. Als perioperative Komplikationen werden Pneumothorax und Blutung berichtet; die häufigsten postoperativen Probleme bereiten die Exazerbation der COPD und pulmonale Infektionen [36, 37]. Die funktionellen Ergebnisse sind vielversprechend mindestens in den ersten 6 Wochen. In mehreren Studien hat man eine Minderung des Residualvolumens und eine Besserung des 6-Minuten-Gehtests und der Dyspnoe feststellen können [37, 38]. Die Effektivität der Methode über längere Zeit ist noch nicht genau geprüft. Zu diesem Zweck sind multizentrische prospektive Studien erforderlich, um das therapeutische Potential dieser Methode zu überprüfen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Anwendung dieser o.g. operativen Methoden bei Patienten mit schwerem Lungenemphysem zu einer Verbesserung der Dyspnoe, der Belastbarkeit und damit der Lebensqualität führt. Unter der Voraussetzung einer sorgfältigen Selektion, einer guten präoperativen Vorbereitung inkl. Rehabilitation und der interdisziplinären Betreuung sind die perioperative Morbidität und Letalität niedrig. Die Bullektomie, die LVR und die LTx sind etablierte Verfahren. Die bisherige Erfahrung mit der LVR, besonders die systematische Analyse der verschiedenen Patientengruppen bei der NETTrial hat gezeigt, dass es eine kleine Gruppe mit heterogenem, apikalem Emphysem gibt, die von der LVR enorm profitiert, mit deutlicher Besserung der Belastbarkeit und damit der Lebensqualität. Die Anwendung von endobronchialen Einweg-Stents soll zum jetzigen Zeitpunkt nur im Rahmen von Studien vorgenommen werden.
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Operative Therapieverfahren
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Georgios Stamatis, Essen
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Langzeit-Sauerstofftherapie
309
Langzeit-Sauerstofftherapie Birgit Krause-Michel, Bad Reichenhall
Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Langzeit-Sauerstofftherapie ist die Verordnung von Sauerstoff notwendig, wenn trotz Ausschöpfung aller medikamentösen Therapien eine chronische Unterversorgung mit Sauerstoff (Hypoxämie) nachweisbar ist. und der Patient sich seit 4 Wochen in einer stabilen Phase seiner Erkrankung befindet [6, 7, 8]. Der Sauerstoffgehalt muss im arteriellen Blut bestimmt werden. Geeignet sind Messungen aus dem Ohrläppchen, das 10 Minuten vorher mit einer durchblutungsfördernden Salbe eingerieben wurde. Eine behandlungsbedürftige, chronische Hypoxämie liegt vor, wenn der arterielle Sauerstoffpartialdruck (PaO2) unter Ruhebedingungen und Raumluft mehrfach (mindestens 3mal) unter 55 mmHg liegt. Die Ursache der Hypoxämie ist für die Entscheidung zur Langzeit-Sauerstofftherapie unerheblich. Gibt es bereits Anhaltspunkte für ein Cor pulmonale oder auch eine sekundäre Polyglobulie, kann eine Sauerstofflangzeittherapie auch schon indiziert sein, wenn die Grenzwerte noch nicht unterschritten sind und PaO2-Werte zwischen 56–60 mmHg gemessen werden. Bei einer gründlichen Indikationsstellung können so krankheitsbedingte Immobilität und deren Sekundärfolgen wie Osteoporose, Infektanfälligkeit sowie soziale Isolation und Pflegebedürftigkeit vermieden bzw. verzögert werden.
1
Welche Untersuchungen sind für die LangzeitSauerstofftherapie (LOT) entscheidend?
Grundlage für die Verordnung von Sauerstoff ist die Bestimmung der arteriellen Blutgase unter Raumluft nach einer Ruhezeit von mindestens 15 Minuten. Liegt der PaO2 unter 55 mmHg, sollte durch Gabe von 2 Liter Sauerstoff/min über eine Nasensonde der PaO2-Wert nach 15 Minuten erneut bestimmt werden. Steigt er auf über 60 mmHg oder um mindestens 10 mmHg an, benötigt der Patient eine Langzeit-Sauerstofftherapie. Zusätzlich muss durch eine Sauerstofftestatmung (mind. 30 Minuten, besser 2 Stunden oder über Nacht) ausgeschlossen werden, dass durch eine längere Sauerstoffzufuhr die Gefahr einer Hyperkapnie (CO2-Narkose) besteht [12]. Liegen die arteriellen Blutgaswerte in Ruhe über 60 mmHg, müssen Belastungstests durchgeführt werden. Durchgesetzt hat sich der der 6-Minuten-Gehtest (shuttle-walk-test) mit und ohne Sauerstoff [9, 10, 11]. Der Patient sollte mit normaler Ganggeschwindigkeit
310
Birgit Krause-Michel, Bad Reichenhall
gehen. Die Distanz, die er in 6 Minuten zurücklegt, wird gemessen und die subjektive Angabe seiner Atemnot auf einer Befindlichkeitsskala (Bjorg-Skala) dokumentiert. Diese Blutgasanalysen können nur bei einem niedergelassenen Pneumologen, spezialisierten Internisten oder in einer Krankenhausambulanz durchgeführt werden [5]. Nachsorgeuntersuchungen sollen im ersten Jahr alle 3 Monate, später mindestens 2mal im Jahr oder bei Verschlechterung der Erkrankung sofort veranlasst werden [4]. Der Patient muss wissen, dass Sauerstoff ein Medikament ist und die Mengenangabe wichtig und bindend ist, denn zu wenig Sauerstoff kann genauso gefährlich werden wie zu viel. Eine Selbstbehandlung bei akuter Atemnot durch Aufdrehen des Flow-Reglers kann zur gefürchteten CO2-Narkose führen.
2
Wie lange muss der Sauerstoff täglich angewendet werden?
Langzeit-Sauerstofftherapie bedeutet mindestens 16 Stunden Sauerstoffatmung am Tag. Sämtliche Studien haben bisher gezeigt, dass der Erfolg von einer konsequenten Therapie und von der täglichen Nutzungszeit abhängt. Die Überlebenszeit war bei Patienten, die 24 Stunden Sauerstoff eingeatmet hatten, signifikant länger als bei denjenigen, die den Sauerstoff nur 12 Stunden täglich oder nur nachts benutzt hatten [2, 3].
3
Welches Sauerstoffsystem für welchen Patienten?
Für die Sauerstoff-Langzeittherapie zu Hause stehen Sauerstoffkonzentratoren, Flüssigsauerstoffsysteme und Sauerstoffgasdruckflaschen zur Verfügung (Abb. 1). Ist der Patient mobil, steht ihm ein Flüssigsauerstoffsystem zu, ist er immobil, wird die Krankenkasse nur einen Sauerstoffkonzentrator genehmigen [1]. Mobilität gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen und wird im Sozialgesetzbuch jedem Bürger zugestanden. Die Beurteilung der Mobilität führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Leistungsträgern und Betroffenen
3.1
Sauerstoffkonzentratoren
Vor 30 Jahren gab es nur den Sauerstoffkonzentrator, einen schweren, großen und lauten Kasten, der mit Kompressoren die Raumluft zu Sauerstoff komprimieren konnte. Der Aktionsradius war an das Gerät gebunden und nur für wirklich immobile Patienten geeignet. Haute gibt es Kofferkonzentratoren und Minikonzentratoren, die nur noch 4 kg wiegen und sowohl im Auto über den Zigarettenanzünder als auch mit Akkus benutzt werden können (Abb. 2).
3.2
Flüssigsauerstoffsysteme
Für die Versorgung mit Flüssigsauerstoff stehen verschiedene große stationäre Kannen zur Verfügung, die vom Händler direkt mit flüssigen Sauerstoff befüllt werden, Ein Liter Flüssigsauerstoff entspricht ca. 853 Liter (bei 15 Grad Celsius und 1 bar) gasförmigen Sauerstoff. Der Patient kann sich seine 0,5- oder 1,2-Liter-Kanne direkt vom stationären Behälter abfüllen. Bei einem Fluss von 2 Liter/min und einer normalen Atemfrequenz reicht ein kleiner mobiler Tank zwischen 4,25 bis 8,5 Stunden. Die Geräte können im
Langzeit-Sauerstofftherapie
Abb. 1.
311
LOT mit Konzentrator (1977) und Flüssigsauerstoffsystem (1988)
Abb. 2.
Minisauerstoffkonzentrator
Rucksack oder einem Caddy mitgeführt werden (Abb. 3).
3.3
Sparautomaten
Um die Mobilität zu erhöhen, werden immer mehr Sparautomaten eingesetzt, die nur am Anfang der Einatmung eine bestimmte Sauerstoffmenge abgeben. Während vor 6 Jahren Sparautomaten kleine elektronische (Abb. 4) oder pneumatisch gesteuerte Zusatzgeräte (Abb. 5) waren, die sowohl mit dem stationären als auch dem mobilen Tank genutzt werden konnten, geht jetzt der Trend zu integrierten Sparautomaten, die den Patienten eine Reichweite bis zur 36 Stunden mit einer einzigen Füllung ermöglichen (Abb. 6). Sparautomaten müssen wie jedes andere Sauerstoffsystem getestet werden, da nicht jeder Patient das Ventil triggern kann. Demandsysteme dürfen nicht mit einem Befeuchter verwendet werden [3]. Durch die Einsparung der nicht immer sterilen Wassersysteme kommt es
Abb. 3.
Flüssigsauerstoffsystem mit stationärem 40-Liter-Tank und mobiler 0,5- und 1,2-Liter-Kanne
312
Birgit Krause-Michel, Bad Reichenhall
Abb. 4.
Elektronisch gesteuerte Demandsysteme
Abb. 5.
Pneumatisch gesteuertes Demandsystem
Langzeit-Sauerstofftherapie
Abb. 6.
313
Minimobilsystem mit integriertem Sparventil
sowohl zu einer beträchtlichen Kosteneinsparung, als auch zu einer deutlichen Abnahme bronchialer Infekte.
3.4
Sauerstoffdruckflaschen
Sauerstoffdruckflaschen gibt es in unterschiedlichen Größen. Ihr Nachteil liegt in dem hohen Gewicht, der Nachfülllogistik und auch in ihrem Preis. Die kleinen portablen Flaschen wiegen zwischen 4 bis 6 kg, so dass der Gewinn an Mobilität durch das hohe Eigengewicht aufgehoben wird. Ohne Sparautomaten reicht die Füllung einer 2-Liter-Flasche nur 2,5 Stunden, mit einem elektronischen Sparventil kann die Nutzungsdauer auf 12–19 Stunden erhöht werden (Abb. 7). Eine alleinige häusliche Versorgung mit diesem System ist nur in Verbindung mit einem Konzentrator denkbar. Die Flaschen stellen eine Alternative zur Überbrückung bei kurzen Phasen von Mobilität, z.B. einem dringenden Hausarztbesuch dar.
314
Birgit Krause-Michel, Bad Reichenhall
Abb. 7.
Gasdruckflasche mit Sparautomaten
4
Zusammenfassung
Langzeit-Sauerstofftherapie ist die einzige Möglichkeit, Patienten, die an einer schweren Hypoxämie leiden und die bereits austherapiert sind, wieder Lebensqualität zurückzugeben und sie wieder sozial einzugliedern. Die Indikation zur Langzeit-Sauerstofftherapie und die Einstellung auf ein System, das auf die individuellen Wünsche und Möglichkeiten des Patienten abgestimmt ist, müssen bei einem Lungenfacharzt oder einem spezialisierten Internisten durchgeführt werden. Jedes System, egal ob es sich um Flüssigsauerstoff, Gasdruckflaschen oder Minikonzentratoren handelt, muss am Patienten in Ruhe, nachts und unter Belastung getestet werden. Durchgesetzt hat sich der 6-Minuten-Gehest. Liegen die mehrmals gemessenen arteriellen Sauerstoffpartialdrücke in Ruhe oder unter Belastung unter 60 mmHg, besteht die Indikation zur Langzeit-Sauerstofftherapie. Die Therapie ist lebenslänglich und mindestens 16 Stunden täglich. Patienten, die mobil sind, erhalten ein Flüssigsauerstoffsystem. Patienten, die immobil sind, werden mit einem Konzentrator versorgt. Gasdruckflaschen dienen nur zur Überbrückung bei kurzfristigem Mobilitätswunsch. Sauerstoff ist ein Medikament und sollte gewissenhaft und wirtschaftlich eingesetzt werden, nur so kann jeder Patient sein Gerät optimal nutzen und wieder ein Stück Lebensqualität zurückgewinnen.
Langzeit-Sauerstofftherapie
315
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Heimbeatmung bei COPD
317
Heimbeatmung bei COPD Jens Geiseler und Ortrud Karg, Gauting
1
Oxygenierungsstörung und ventilatorische Insuffizienz
Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen weisen häufig in fortgeschrittenen Krankheitsstadien eine respiratorische Insuffizienz auf. Hierbei unterscheidet man eine Oxygenierungsstörung – Sauerstoffmangel im Blut bei normalem bzw. erniedrigtem Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) – von einer ventilatorischen Insuffizienz, deren Kennzeichen eine Erhöhung des pCO2 ist (Abb. 1). Verantwortlich für die Ventilation der Lunge ist die Atempumpe, bestehend aus Atemzentrum, peripherem Nervensystem, Atemmuskulatur und knöchernem Thorax. Bei schwerer COPD kann eine Überlastung
Respiratorische Insuffizienz
Oxygenierungsstörung
Ventilatorische Insuffizienz
Verteilungsstörung Diffusionsstörung Shunt
Atempumpenschwäche
Kennzeichen
Hypoxämie
Hyperkapnie (+ begleitende Hypoxämie)
Therapie
Sauerstoff
Beatmung
Ursache
Abb. 1.
Formen der respiratorischen Insuffizienz
318
Jens Geiseler, Ortrud Karg, Gauting
der Atemmuskulatur aus verschiedenen Gründen auftreten: veränderte Thoraxgeometrie mit ungünstiger Längen-Spannungs-Beziehung der Inspirationsmuskulatur [1], erhöhte Atemwegswiderstände sowie Veränderungen der Atemmuskulatur. Therapieprinzip der Oxygenierungsstörung ist die Einleitung einer Langzeitsauerstofftherapie nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. [2]. Im Falle der Atempumpenschwäche kann die Ventilation der Lunge durch assistierte oder kontrollierte Beatmung unterstützt bzw. ersetzt werden. Zusätzlich kann durch Verwendung eines externen PEEP die Atemarbeit reduziert werden. Bei akuter ventilatorischer Insuffizienz aufgrund einer Exazerbation der COPD stellt die nichtinvasive Maskenbeatmung mittlerweile eine Standardtherapie dar: In mehreren randomisierten, kontrollierten Studien konnte eine Senkung der Intubationshäufigkeit, eine Abnahme der Infektionen sowie eine Verkürzung des Krankenhausaufenthaltes und eine Verbesserung des Überlebens eindeutig nachgewiesen werden. Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2004 bestätigt diese Befunde [3]. Nicht so eindeutig ist die Datenlage bei chronisch stabiler Hyperkapnie. Die prognostische Bedeutung des erhöhten pCO2-Wertes wird in den bisher publizierten Untersuchungen unterschiedlich beurteilt: Einige Arbeiten gehen von einem positiven prädiktiven Wert für das Langzeitüberleben aus [4, 5], während in anderen Arbeiten entweder kein Unterschied im Langzeit-Überleben [6] oder eine verkürzte Überlebenszeit bei Hyperkapnie beobachtet wurde [7]. Diese Ergebnisse können in der Weise interpretiert werden, dass es verschiedene Untergruppen von Patienten mit Hyperkapnie gibt: eine Gruppe, bei denen die Atemmuskulatur unter Inkaufnahme einer Hyperkapnie geschont und damit vor der Erschöpfung bewahrt wird, und eine andere Gruppe, bei denen die Hyperkapnie Ausdruck einer Erschöpfung bzw. Überlastung der Atemmuskulatur darstellt. Die zugrundeliegenden Mechanismen und Unterscheidungsmerkmale sind bisher nicht definiert. Bei letzterer Gruppe erscheint eine die Atemmuskulatur entlastende Therapie indiziert, bei ersterer fraglich. Unklar ist auch, ob erhöhte pCO2-Werte per se einen ungünstigen Prognosefaktor darstellen, völlig unabhängig von der Belastung der Atempumpe (z.B. Verstärkung der Vasokonstriktion, hoher Bikarobonatpool etc.). Der genaue Wirkmechanismus der Heimbeatmung bei COPD ist nicht geklärt. Hauptsächlich zwei mögliche Hypothesen werden diskutiert: Muskelentlastungshypothese und Schlafhypothese. Erstere geht von einem Zustand chronischer Überlastung und Erschöpfung der Atemmuskulatur bei schwerer COPD aus, bei der die intermittierende Entlastung durch die Heimbeatmung die Erschöpfung abmildert und so zu einer Verbesserung der Atemmuskelfunktion führt [8]. Letztere führt die bei vielen COPD-Patienten im Vergleich zur Normalbevölkerung deutlich schlechtere Schlafqualität auf anhaltende nächtliche Phasen der Hypoventilation zurück, die über eine vermehrte Bikarbonatretention zu einer Dämpfung des Atemzentrums führen, mit der Folge einer Spirale aus Kohlendioxidretention und weiterer Verminderung des Atemantriebs. Durch nächtliche Beatmungstherapie könnte diese Spirale durchbrochen werden und so auch zu einer verbesserten Ventilation untertags führen [9].
Heimbeatmung bei COPD
2
319
Heimbeatmung
Unter dem Begriff Heimbeatmung versteht man die intermittierende oder kontinuierliche außerklinische Beatmungstherapie bei Überlastung oder Erschöpfung der Atempumpe. Diese Beatmungstherapie kann nichtinvasiv über Maske oder invasiv nach Tracheotomie über Trachealkanüle durchgeführt werden. Die Heimbeatmungstherapie begann während der Polio-Ära (ca. 1950–1960) in Form der Negativdruckbeatmung mittels „Eiserner Lunge“. Durch Entwicklung von kleinen tragbaren Respiratoren und Beatmungsmasken (Nasenmasken, Nasen-Mund-Masken) ist die Negativdruckbeatmung mittlerweile praktisch vollständig von der Positivdruckbeatmung abgelöst worden. Eine aktuelle Umfrage in 16 europäischen Ländern hat für Deutschland eine Prävalenz von 5,5 heimbeatmeten Patienten auf 100.000 Einwohner ergeben [10]. Ca. 33 % der heimbeatmeten Patienten litten an einer COPD als Ursache der Atempumpeninsuffizienz. Die Heimbeatmung wird in Deutschland überwiegend (geschätzt ca. 85–90 %) nichtinvasiv durchgeführt. Als bevorzugter Beatmungszugang dient die Nasenmaske (Abb. 2). Die invasive Heimbeatmung wird dann notwendig, wenn ein Patient z.B. im Rahmen einer Exazerbation der COPD intubiert wurde und im Verlauf nicht mehr erfolgreich vom Respirator entwöhnt werden kann.
Abb. 2.
COPD-Patient mit nichtinvasiver Heimbeatmung über Nasenmaske
320
Jens Geiseler, Ortrud Karg, Gauting
Geräteseitig kommen sowohl Beatmungsgeräte mit Volumenvorgabe als auch Geräte mit Druckvorgabe zum Zug, wobei ein Trend zu kleineren, turbinengetriebenen Geräten erkennbar ist. Eine Weiterentwicklung stellt bei diesen Geräten der so genannte duale Beatmungsmodus dar – druckkontrollierte Beatmung mit garantiertem Mindestatemzugvolumen. Erste Daten zeigen hierdurch eine stabilere Ventilation [11], auch wenn eine Überlegenheit dieses Modus gegenwärtig nicht bewiesen ist. Gleiches gilt für den prinzipiellen Vergleich zwischen volumen– und druckkontrollierter Beatmung [12, 13]. Die Anzahl der Beatmungsstunden pro Tag, die einen maximalen Effekt garantiert, ist nicht bekannt – eine kürzlich publizierte Arbeit berichtet über positive Effekte der Beatmung auf u.a. die 6-Minuten-Gehstrecke und das Atemnotempfinden bei einer Beatmungsdauer von nur 3 Stunden täglich [14]. Generell wird aber eine längere Beatmungsdauer pro Tag in der Größenordnung von 8–10 Stunden, vorzugsweise nachts, empfohlen. Tabelle 1 zählt mögliche therapeutische Ziele bzw. Effekte der nichtinvasiven Heimbeatmung bei COPD auf. Tabelle 1. Mögliche therapeutische Ziele bzw. Effekte der Heimbeatmung bei COPD • • • • • • • • •
Verlängerung des Überlebens Verbesserung der Lebensqualität Verminderung der Häufigkeit von Exazerbationen Verminderung der Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten Verbesserung der Belastbarkeit Abnahme der Dyspnoe Verbesserung der Schlafqualität Entlastung der Atemmuskulatur Verbesserung bzw. Normalisierung der Blutgase
Wenn auch die Verlängerung des Überlebens prinzipiell ein wichtiger Parameter ist, ist in den letzten Jahren bei chronisch progredienten Erkrankungen die Verbesserung der Lebensqualität mit der Möglichkeit, weiter ein selbstbestimmtes Leben zu führen, zunehmend in den Vordergrund getreten und stellt ein wichtiges therapeutisches Ziel dar.
3
Datenlage zur Heimbeatmung bei COPD
Im Folgenden soll die Datenlage dargestellt werden, die zur Heimbeatmung bei COPD vorliegt. Generelles Problem der veröffentlichten Studien sind die Größen der untersuchten Kollektive, die nur teilweise vorhandenen Kontrollgruppen, die unterschiedlichen Beobachtungszeiträume sowie die unterschiedlichen Outcome-Parameter, die eine Vergleichbarkeit erschweren. 5 randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) sind publiziert, in denen die Patienten mindestens 5 Stunden täglich über mindestens 3 Monate nichtinvasiv beatmet wurden [15–19]. Die Patientencharakteristika sowie die verwendeten Beatmungsdrücke, Kohlendioxidpartialdrücke, Beobachtungsdauer und einige Outcome-Parameter sind in den Tabellen 2 und 3 dargestellt. Zusammengefasst konnten in den fünf Studien fast keine signifikant besseren Ergebnisse bezüglich Überleben, Schlafqualität, Lebensqualität, erneuter Hos-
Heimbeatmung bei COPD
321
pitalisierung und Verbesserung der Belastbarkeit erzielt werden – Ausnahmen hierbei sind die Untersuchung von Meecham-Jones [17], in der es zu einer Zunahme der totalen Schlafzeit und auch der Schlafeffizienz kam, sowie die Studie von Clini [19], in der sich die Lebensqualität anhand des Fragebogens MRF-28 signifikant besserte. Casanova [18] fand für die ersten 3 Monate eine Reduktion der Häufigkeit der Krankenhausaufnahmen, dieser Effekt war nach 12 Monaten nicht mehr nachweisbar. Hieraus die Folgerung abzuleiten, die Unwirksamkeit der häuslichen Beatmung sei somit bewiesen, ist aber aus folgenden Gründen nicht zulässig: In die Studien wurden Patienten mit meist nicht ausgeprägter Hyperkapnie eingeschlossen – Casanova et al. [18] sowie Strumpf et al. [16] beatmeten auch normokapnische Patienten –, und die verwendeten Beatmungsdrücke waren mit durchschnittlich 12–16 mbar Inspirationsdruck zu gering, als dass eine deutliche Entlastung der Atemmuskulatur und Verbesserung der Ventilation zu erwarten gewesen wäre. Demzufolge ist die Reduktion des pCO2 in diesen Studien meist ungenügend – ein Absinken um 5 % wurde als Studienziel angegeben. Die Studie von Meecham-Jones [17], die die höchsten Inspirationsdrücke verwendete, schnitt bezüglich Verbesserung der Outcome-Parameter am besten ab. Außerdem waren die Patientenzahlen klein und
Tabelle 2. RCTs nächtliche NIV bei COPD – Patientencharakteristika und Studiendesign Autor
Typ
FEV1 (l) [Range] bzw. FEV1 %pred.
Dauer (Monate)
IPAP/EPAP (mbar)
pCO2 (mmHg)
Gay et al. [15]
ParallelGruppen
0,68 [0,5–1,1]
3
10/2
55
Strumpf et al. [16]
Cross-over
0,54 [0,46–0,88]
3
15/2
46
MeechamJones et al. [17]
Cross-over
0,86 [0,33–1,7]
3
18/2
56
Casanova et al. [18]
ParallelGruppen
0,85 [0,44–1,28]
12
12–14/4
51
Clini et al. [19]
ParallelGruppen
27 ± 8 %
24
14/2
54
FEV1 = Forciertes exspiratorisches Volumen in 1 sec.; IPAP = Inspiratory positive ariway pressure; EPAP = expiratory positive airway pressure
Tabelle 3. Outcome-Parameter RCTs NIV bei COPD Autor
Änderung pCO2 6-Minuten- Lebens(mmHg) unter NIV Gehtest qualität
Überleben
Gay et al. [15]
-1,1 (-7,4; 5,1)
+13,2 m
n.u.
n.u.
Strumpf et al. [16]
-2,1 (-14,8; 10,7)
n.u.
n.u.
n.u.
Meecham-Jones et al. [17]
-4,6 (-9,8; 0,7)
+52,9*
SGRQ*
n.u.
Casanova et al. [18]
+1,0 (-3,9; 5,8)
n.u.
n.u.
n.s.
Clini et al. [19]
-1,0
-20 m
MRF-28*
n.s.
* signifikanter Unterschied zugunsten NIV; n.s. = nicht signifikant; n.u. = nicht untersucht; SGRQ = St. George´s Respiratory Questionnaire; MRF-28 = Maugeri Foundation Respiratory Item set
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Jens Geiseler, Ortrud Karg, Gauting
die Beobachtungsdauer häufig zu kurz, um Effekte z.B. bezüglich Rehospitalisierung und Mortalität zu untersuchen. Mittlerweile existieren mehrere nicht randomisierte Studien, deren primäres Ziel der nichtinvasiven Beatmungstherapie bei COPD die Verbesserung der Ventilation mit Normalisierung des Kohlendioxidpartialdrucks war. Windisch und Mitarbeiter [21] beatmeten 37 COPD-Patienten mit stabiler Hyperkapnie (pCO2 53,3 ± 4,8 mmHg) mit durchschnittlichen Inspirationsdrücken von 28 cmH2O und fanden eine Abnahme des pCO2 um durchschnittlich 7 mmHg unter Spontanatmung, eine gute Toleranz der Behandlung sowie eine 2-Jahres-Überlebensrate von 86 %. Tuggey und Mitarbeiter [22] publizierten 2003 eine ökonomische Analyse der Heimbeatmung bei wenigen Patienten mit hyperkapnischer COPD. Das Ergebnis war eine Kosteneinsparung durch Reduktion der Krankenhaustage und –einweisungen, Abnahme der Tage auf der Intensivstation und auch Verminderung der ambulanten Arztvorstellungen trotz der nicht unerheblichen Kosten für Heimbeatmungsgerät und -zubehör.
4
Praktische Durchführung der nichtinvasiven Beatmung
Patienten mit symptomatischer hyperkapnischer COPD können, wie oben dargestellt, von einer intermittierenden nichtinvasiven Heimbeatmungstherapie profitieren. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten haben Patienten mit COPD jedoch nur sehr selten ein symptomatisches Hypoventilationssyndrom. Die Indikation sollte durch ein erfahrenes Beatmungszentrum gestellt werden. Insbesondere die Symptomatik wie z.B. Tagesmüdigkeit, morgendliche Kopfschmerzen als Ausdruck nächtlich deutlich ansteigender CO2Partialdrücke oder ein nur selten unter Langzeitsauerstofftherapie zu beobachtender deutlicher Anstieg der pCO2 stellen nach unserer Auffassung eine eindeutige Indikation für eine Heimbeatmung dar. Mitentscheidend sind auch die Motivation und der Leidensdruck des Patienten. Gegebenenfalls ist bei unklarer ätiologischer Zuordnung der Beschwerden und der hohen Koinzidenz von COPD und schlafbezogenen Atemstörungen auch eine Untersuchung im Schlaflabor angezeigt. Die Adaptation an die erforderlichen hohen Beatmungsdrücke erfolgt während eines 7–14-tägigen stationären Aufenthalts, bei dem der Inspirationsdruck von Tag zu Tag gesteigert wird und auch die Beatmungszeiten ausgedehnt werden. Eine Kontrolle der Blutgase ist unbedingt erforderlich, um den Therapieeffekt auf den Kohlendioxidpartialdruck zu dokumentieren. Als Beatmungszugang sind industriell hergestellte Nasenmasken in den meisten Fällen ausreichend, selten ist die Anfertigung von individuellen Masken erforderlich. Eine Konditionierung der Atemgase ist routinemäßig nicht erforderlich. Indikation für die Befeuchtung sind persistierende Probleme im Nasen-Rachen-Raum unter nichtinvasiver Beatmung wie Trockenheit der Schleimhäute oder Fließschnupfen. Während des Aufenthaltes ist eine eingehende Patientenschulung erforderlich, um das Verständnis der Patienten für die Therapie und damit auch die Compliance zu erhöhen, aber auch um unsachgemäße Bedienung der Geräte sowie hygienische Probleme an Maske, Filtern und Schlauchsystem zu minimieren. Diese Schulung wird in unserer Klinik von in der Beatmungstherapie speziell weitergebildeten Pflegekräften und Ärzten durchgeführt und evaluiert. Entscheidend ist die enge Anbindung des Patienten an das Beatmungszentrum. Hier sollten regelmäßige Kontrollen der Beatmung durchgeführt werden, bei denen auch die Compliance der Patienten anhand des in den Beamtungsgeräten vorhandenen Stundenzählers beurteilt werden kann – in der Literatur sind Compliance-Raten von 50 %
Heimbeatmung bei COPD
323
[15] – 86 % [21] berichtet. Bei Einleitung der nichtinvasiven Beatmung im Anschluss an eine hyperkapnische Exazerbation sollte nach 4–6 Wochen ein Auslassversuch der Beatmungstherapie stattfinden, da sich häufig nach dieser Zeit eine Hyperkapnie spontan zurückbildet. Die Organisation der häuslichen Beatmung stellt für die meisten Patienten, die sich nichtinvasiv beatmen, kein großes Problem dar. Für Patienten, die invasiv nach Weaning-Versagen beatmet werden, gestaltet sich die Überleitung in die Heimbeatmung wesentlich aufwendiger: Die Form der außerklinischen Versorgung (Pflege zu Hause durch professionellen Pflegedienst/Familienangehörige, Betreuung in spezialisierten Wohngruppen oder Unterbringung in einem auf Beatmung spezialisierten Pflegeheim) muss ebenso mit Patient, Betreuer und Angehörigen geklärt werden wie die Finanzierung der notwendigen Pflege. Die Schulung der an der Pflege Beteiligten und die Einbindung von Home-Care-Provider, Hausärzten, Physiotherapeuten und weiteren an der Pflege des Betroffenen beteiligten Berufsgruppen ist notwendig, um ein Netzwerk für eine erfolgreiche außerklinische Beatmungstherapie für diese schwer kranken, von der Beatmung abhängigen Patienten zu schaffen.
5
Zusammenfassung
Der Stellenwert der Heimbeatmung als Therapieprinzip bei schwerer COPD ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eindeutig geklärt. Eine Hypoventilationssymptomatik wäre eine eindeutige Indikation, diese liegt aber nur selten vor. Ein Grenzwert des pCO2, oberhalb dessen die Beatmung indiziert ist, existiert nicht. Letztendlich ist die klinische Gesamtsituation entscheidend für die Indikationsstellung, die deswegen durch ein erfahrenes Zentrum erfolgen sollte. Die Beatmung sollte mit ausreichend hohen Beatmungsdrücken durchgeführt werden, um eine ausreichende Verbesserung der Ventilation und Reduktion des Kohlendioxidpartialdrucks zu erzielen, wobei das Behandlungsziel – Ausmaß der Absenkung des pCO2 – unklar ist. Eine engmaschige Anbindung an das Beatmungszentrum auch im Verlauf ist bei dieser teuren Therapie absolut erforderlich, um Therapieeffekte beurteilen und ggf. eine Modifikation der Beatmungseinstellungen vornehmen zu können. Wie bei der Indikationsstellung zur Sauerstofflangzeittherapie ist eine Einstellung auf eine Heimbeatmung bei persistierendem Nikotinabusus eigentlich kontraindiziert. Dies wird in den einzelnen Behandlungszentren jedoch unterschiedlich gehandhabt, auch unter dem Aspekt, einem Patienten eine Therapie nicht vorenthalten zu dürfen. Nach unserer Meinung sollte aber bei Einleitung der Heimbeatmung eine Nikotinkarenz vorliegen. Weitere Daten sind von der aktuell in Deutschland und Österreich laufenden Studie zum Stellenwert der Heimbeatmung bei COPD zu erwarten.
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324
Jens Geiseler, Ortrud Karg, Gauting
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Heimbeatmung bei COPD
325
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Disease Management Programme
327
Disease Management Programme Dieter Köhler, Schmallenberg
Seit 2002 gibt es gesetzliche Disease Management Programme (DMP) in Deutschland, die an die Änderung zur Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) gekoppelt sind. Das Ziel des Gesetzgebers war es hierbei, chronisch Kranke besser zu betreuen und den Strukturausgleich zwischen den Krankenkassen an die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder in den DMPs zu koppeln. Infolge des hohen Verschiebevolumens (ca. 14 Milliarden Euro) war und ist vor allen Dingen das Interesse der Krankenkassen groß an deren Umsetzung. Am 22. Dezember 2004 ist das DMP für Patientinnen und Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen dazugekommen. Es gliedert sich in zwei Teile, Asthma bronchiale und COPD. Bisher sind vier DMP-Programme im Einsatz: Brustkrebs, Diabetes mellitus Typ I und Typ II und Koronare Herzkrankheit. Die Rechtsverordnung sollte vor allen Dingen auch in Bezug auf die Dokumentation jedes Jahr aktualisiert werden. Deswegen stehen hier permanent Änderungen an, die man mit dem gesamten Komplex auf der Website des Gemeinsamen Bundesausschusses abrufen kann (www.g-ba.de unter Ärztliche Angelegenheiten). Der Gemeinsame Bundesausschuss hat nach § 91 Absatz 4 SGB V die Aufgabe, Empfehlungen und inhaltliche Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogamme zu formulieren. Betrachtet man die Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus (Typ I und Typ II), Brustkrebs und koronaren Herzerkrankungen in Deutschland, so ist ganz sicher das zuletzt erstellte DMP Asthma/COPD das für die Gesundheitsversorgung wichtigste, denn gerade bei den obstruktiven Atemwegserkrankungen gibt es die größte Unter- bzw. Fehlversorgung. Dieses ist im Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (Band III zur Über-, Unter- und Fehlversorgung) ausdrücklich ausgesprochen worden. Das komplette Gutachten steht auf der Website des Sachverständigenrates unter www.svr-gesundheit.de. Bisher sind alle DMP-Programme nur schleppend angelaufen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Anfangs war die schwierige und oft fehlerhafte Dokumentation ein großes Ärgernis. Ab 2007 wird es nur noch EDV-Versionen geben, die dann programmtechnisch ein falsches Ausfüllen des Dokumentationsbogens verhindern. Weiterhin wurde vor allen Dingen von vielen niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen der bürokratische Aufwand im Verhältnis zur Bezahlung als unverhältnismäßig betrachtet. Weiterhin waren auch strukturelle Probleme mit den an das DMP gekoppelten Schulungsinhalten schwierig zu lösen. Außerdem ist die Situation in Deutschland regional sehr unterschiedlich; dies nicht nur in den Bundesländern (die meisten berufsständischen Verbände sind länderorientiert organisiert), sondern auch die Praxisnetze haben sehr unterschiedlich das
328
Dieter Köhler, Schmallenberg
Angebot angenommen. In den letzten Monaten scheint sich die Situation aber etwas zu entspannen.
1
Struktur des DMP Asthma bronchiale/COPD mit Einschreibekriterien
Alle DMP sind gleich strukturiert. Am Anfang wird die Erkrankung definiert, dann folgen die für die Einschreibung erforderliche Diagnostik und die Angabe, welche Berufsgruppe für welchen Teil zuständig ist. Die Therapieziele werden definiert. Es folgte eine differenzierte Therapieplanung des Arztes mit dem Patienten auf der Basis einer individuellen Risikoabschätzung. Die therapeutischen Maßnahmen sind i. d. R. unterteilt in nichtmedikamentöse strukturierte Schulungs- und Behandlungsprogramme, körperliche Aktivitäten, Rehabilitation und psychosomatische und psychosoziale Betreuung. In den medikamentösen Maßnahmen sind die Substanzgruppen genannt bzw. in begründeten Fällen auch die Substanzen selber, wobei gerade beim DMP Asthma/COPD zwischen Bedarf und Dauertherapie unterschieden wird. Bei der Therapie des Asthmas ist zusätzlich ein Abschnitt zur spezifischen Immuntherapie enthalten. Ggf. erforderliche Schutzimpfungen werden kommentiert. Alle diese Angaben sind mit aktueller Literatur bzw. bewerteten Leitlinien hinterlegt, um ein entsprechend hohes Evidenzniveau zu garantieren. Die Kooperation der Versorgungssektoren bzw. wer bei welchen Bedingungen einen Patienten in eine qualifizierte Einrichtung bzw. ins Krankenhaus bzw. zur Rehabilitation einweist, ist ebenfalls orientierend angegeben. Ein wesentliches Element des DMP sind qualitätssichernde Maßnahmen, wobei vor allen Dingen bei dem Dokumentationsbogen Qualitätsindikatoren festgeschrieben sind, die für den Arzt eine Rückmeldung erlauben sollen, ob die Patienten gut behandelt sind bzw. wie seine Behandlungsgruppe im Mittelwert der anderen behandelten Patienten zu sehen ist. Diese Daten stehen nicht der Krankenkasse zur Verfügung. Gerade dieser Teil ist bei der inzwischen erfolgten Änderung am stärksten im Fluss, da sich gezeigt hat, dass die ursprünglichen Erwartungen nicht erfüllt werden konnten. Dies hing u.a. mit dem schleppenden Beginn zusammen. Man wird hier in der Zukunft Modifikationen vornehmen müssen, abhängig von der wachsenden Erfahrung im DMP.
1.1
Einschreibekriterien
Ein zentraler Eckpunkt aller DMP sind die Einschreibekriterien. Hier sind konkrete Angaben erforderlich, denn diese Stelle muss juristisch eindeutig definiert sein. Bei allen anderen Inhalten des DMP gibt es eine entsprechende ärztliche Entscheidungsfreiheit. Die Einschreibekriterien müssen jedoch absolut eindeutig sein und sind daher durch entsprechende Funktionsparameter definiert. Im Folgenden werden die Einschreibekriterien bei Asthma/COPD wiedergegeben. Zur praktischen Anwendung ist es oft einfacher, sie anhand eines Algorithmus zu entscheiden. Dort werden die näheren praktischen Probleme besprochen.
Disease Management Programme
329
Welche Sollwerttabellen für die Lungenfunktion im DMP gefordert werden, ist nicht näher erklärt. Üblicherweise enthalten die heute gängigen elektronischen Spirometer geschlechts- und größenabhängige Sollwerttabellen, die akzeptiert werden. Ebenfalls nicht geklärt ist, ob es sich bei der Vitalkapazität um die langsame inspiratorische (IVC) oder um die forcierte exspiratorische Vitalkapazität (FVC) handeln soll. Auch dieses ist dem Arzt freigestellt. Empfohlen wird aber die langsame IVC, da diese eine unbekannte Obstruktion besser diskriminiert.
1.2
DMP Asthma
Teil I – Asthma bronchiale Im DMP Asthma bronchiale können Kinder ab dem vollenden 5. Lebensjahr eingeschrieben werden. Obwohl natürlich das Asthma vor allen Dingen auch bei jüngeren Kindern häufig vorkommt, konnten aufgrund der Datenlage keine eindeutigen Einschreibekriterien beschlossen werden. Es ist geplant, hier eine Überarbeitung anhand von Konventionen vorzunehmen. Hintergrund ist im Wesentlichen die nicht eindeutige Lungenfunktionsdiagnostik bei Kindern unter 5 Jahren mit einfachen spirometrischen Methoden. Eine gleichzeitige Einschreibung in Teil I (Asthma bronchiale) und Teil II (COPD) ist nicht möglich. Falls bei dem Patienten beide Diagnosen vorliegen, so soll er für die Krankheit eingeschrieben werden, die im Vordergrund steht. Auszug aus der 11.Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (11.RSA-ÄndV) vom 22. Dez. 2004: Teil I-Asthma 1.2.2. Lungenfunktionsanalytische Stufendiagnostik Für eine Diagnosestellung im Hinblick auf die Einschreibung ist das Vorliegen einer aktuellen oder längstens zwölf Monate zurückliegenden asthmatypischen Anamnese gemäß Ziffer 1.2.1 und das Vorliegen von mindestens einem der folgenden Kriterien erforderlich: Bei Erwachsenen ist mindestens eines der folgenden Kriterien erforderlich: – Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 70 % und Nachweis der (Teil-)Reversibilität durch Zunahme der FEV1 um mindestens 15 % und mindestens 200ml nach Inhalation eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetikums, – Zunahme der FEV1 um mindestens 15 % und mindestens 200 ml nach bis zu 14tägiger Gabe von systemischen Glukokortikosteroiden oder bis zu 28-tägiger Gabe von inhalativen Glukokortikosteroiden2),4), – circadiane PEF-Variabilität größer 20 % über 3–14 Tage, – Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität durch einen unspezifischen, standardisierten, mehrstufigen inhalativen Provokationstest. Im Alter von 5–17 Jahren ist mindestens eines der folgenden Kriterien erforderlich: – Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 75 % und Nachweis der (Teil-)Reversibilität durch Zunahme der FEV1 um mindestens 15 % nach Inhalation eines kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums,
330
Dieter Köhler, Schmallenberg
– Zunahme der FEV1 um mindestens 15 % nach bis zu 14-tägiger Gabe von systemischen Glukokortikosteroiden oder bis zu 28-tägiger Gabe von inhalativen Glukokortikosteroiden 2),4), – circadiane PEF-Variabilität größer 20 % über 3–14 Tage, – Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität durch einen unspezifischen, standardisierten, nicht inhalativen oder durch einen unspezifischen, standardisierten, mehrstufigen inhalativen Provokationstest. Teil II – COPD 1.2.2 Lungenfunktionsanalytische Stufendiagnostik Für eine Diagnosestellung im Hinblick auf die Einschreibung ist das Vorliegen einer COPDtypischen Anamnese, Nachweis einer Reduktion von FEV1 unter 80 % des Sollwertes und mindestens eines der folgenden Kriterien erforderlich – Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 70 % und – Zunahme der FEV1 um weniger als 15 % und/oder um weniger als 200 ml 10 Minuten nach Inhalation eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetikums oder 30 Minuten nach Inhalation eines kurzwirksamen Anticholinergikums (Bronchodilatator-Reversibilitätstestung). – Nachweis der Obstruktion bei FEV1/VC kleiner/gleich 70 % und – Zunahme der FEV1 um weniger als 15 % und/oder um weniger als 200 ml nach mindestens 14-tägiger Gabe von systemischen Glukokortikosteroiden oder mindestens 28tägiger Gabe eines inhalativen Glukokortikosteroids in einer stabilen Krankheitsphase (Glukokortikosteroid-Reversibilitätstestung). – Nachweis einer Atemwegswiderstandserhöhung oder einer Lungenüberblähung oder einer Gasaustauschstörung bei Patienten mit FEV1/VC größer 70 % und einer radiologischen Untersuchung der Thoraxorgane, die eine andere die Symptomatik erklärende Krankheit ausgeschlossen hat.
1.3
Entscheidungsalgorithmus zur Einschreibung ins DMP Asthma/ COPD
Alle weltweit publizierten Leitlinien zum Asthma bzw. zur COPD behandeln meist die jeweils andere Diagnose in ihren Abschnitten unter differentialdiagnostischen Gesichtspunkten. Es gibt jedoch erstaunlicherweise keine Leitlinie, die Hilfe dabei gibt, wann denn ein Asthma bzw. wann denn eine COPD vorhanden ist bzw. im Vordergrund steht. Aus diesem Grunde sind die Einschreibekriterien des DMP als Expertenmeinung anzusehen, da keine verfügbare Literatur existiert, um das Problem auf höherer Evidenz zu klären. In der Praxis steht dieser Fall aber ganz im Vordergrund, denn der Patient bzw. der Hausarzt kennt anfangs die Diagnose nicht. Durch entsprechende klinische Untersuchungen und der Anamnese mag er die Vortestwahrscheinlichkeit für die eine oder andere Diagnose erhöhen. Deswegen wurde im DMP versucht, durch die Einschreibekriterien einen zwin-
Disease Management Programme
331
genden, jeweils sich ausschließenden Algorithmus festzuschreiben. Dieser enthält jedoch leider einen Fehler, der offensichtlich wird, wenn man die Einschreibekriterien in einem Algorithmus darzustellen versucht, wie in Abb. 1 geschehen. Das hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass zwar in beiden Fällen die Obstruktion u.a. an der reduzierten relativen 1-Sekundenkapazität (FEV1/VC kleiner 70 % bzw. 75 %) festgemacht wird, der absolute FEV1-Wert (unter 80 % Sollwert) jedoch nur bei der COPD zur Einschreibung herangezogen wird. Beim Asthma fehlt er, so dass im Prinzip auch Patienten mit FEV1 größer 80 % Sollwert eingeschrieben werden können. Zum Glück ist diese Gruppe jedoch recht klein, so dass dieser Fehler in der Praxis keine Rolle spielt. In einem programmierbaren Algorithmus wie in Abb. 1 fallen solche fehlenden komplimentären Bezüge sofort auf. Zum DMP Asthma ist das Vorliegen einer einjährigen asthmatypischen Anamnese Bedingung. Beim DMP COPD ist das ähnlich, wobei jedoch kein Zeitrahmen vorgegeben ist (Kasten 1 und 2). Wie eine solche Anamnese aussieht, steht in den entsprechenden Leitlinien zum Asthma oder zur COPD bzw. ist Bestandteil anderer Kapitel dieses Buches. Der Gesetzgeber hat es hier dem Arzt überlassen zu entscheiden, ob eine solche krankheitstypische Anamnese vorliegt. Sind weitere Bedingungen erfüllt, so erfolgt eine Spirometrie (Kasten 3). Liegt eine Reduktion von FEV1 unter 80 % Sollwert vor (Kasten 4), so wird ein Reversibilitätstest durch Inhalation eines kurz wirksamen Beta-2-Mimetikums (Kasten 5) durchgeführt. Bessert sich der FEV1-Wert um mehr als 15 % bzw. absolut um 200ml, so liegt ein Asthma vor und der Patient kann in das DMP Asthma eingeschrieben werden. Häufig liegt aber bei der aktuellen Vorstellung keine Obstruktion vor (FEV1 größer 80 % Sollwert). Dann kann die Diagnose Asthma gesichert werden über eine Peak flow-Variation größer 20 % in einem Zeitraum von 3–14 Tagen. Dieses ist jedoch recht unpraktikabel wie die Praxis gezeigt hat. Deswegen sollte man besser einen Hyperreagibilitätstest durchführen, der in der Regel vom Pneumologen angeboten wird. Ist dieser positiv, so besteht ein DMP Asthma. Ist er negativ, so muss man nach anderen Ursachen der Luftnot fahnden (Kasten 6/7). Bessert sich der Patient nach der Inhalation eines kurz wirksamen Beta-2-Mimetikums nicht wesentlich in seiner Lungenfunktion, so sollte ein Röntgen-Thorax durchgeführt werden, um andere Differentialdiagnosen zu erkennen. Im DMP ist dies zwingend erst bei Kasten 13 vorgeschrieben. In der Praxis sollte man aber diesen Schritt vorziehen. Zeigt dieses Röntgenbild keine COPD-typischen Veränderungen, sondern z.B. eine Herzinsuffizienz oder eine Lungenfibrose (Kasten 9), so liegt eine andere Erkrankung vor. Ist hingegen das Röntgenbild mit einer COPD-Erkrankung vereinbar, so sollte ein Langzeitreversibilitätstest mit oralen Steroiden über 2 Wochen oder inhalativen Steroiden über 4 Wochen durchgeführt werden. Erfahrungsgemäß wird dieser mit oralen Steroiden, z.B. 2 × 10 mg Prednisolon für 10 Tage (ohne danach auszuschleichen) durchgeführt, da das viel einfacher ist und man eine sofortige Wirkung sieht, sofern der Patient darauf anspricht. Bei den inhalativen Steroiden muss der Patient erst entsprechend geschult werden, damit er die Inhalation auch richtig durchführt (Kasten 10). Ist unter dieser Langzeitreversibilitätstherapie die Obstruktion verschwunden (FEV1 größer 80 % Sollwert), so besteht ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Asthma, so dass der Patient ins DMP eingeschrieben werden kann. Bleibt hingegen die Obstruktion erhalten, so wird jetzt gefragt, ob eine Einschränkung der relativen 1-Sekundenkapazität vorliegt (Kasten
332
Dieter Köhler, Schmallenberg Atemnot ±Husten ±Auswurf (ggf. nur episodisch, über 1 Jahr)
1
Asthma oder COPD-typische Anamnese körperliche Untersuchung
2
Spirometrie
3
ja
nein
Röntgen-Thorax
COPD-typische Veränderungen?
ja
FEV1 < 80 % SW?*
β2-Inhalation FEV1 > 15 % und FEV1 > 200 ml?***
ja
ja 5
Hyperreagibilitätstest positiv? Delta-PEF > 20 %** in 3–14 d?
nein 6
8
nein 9
DMP Asthma
orale Steroide 2 Wo oder inhalative Steroide 4 Wo 10
ja
nein 4
7
andere Erkrankung
nein
FEV1 < 80 % SW? 11
ja
nein
FEV1/VC < 70 %?**** 12
DMP COPD
ja
Atemwegswiderstanderhöhung oder Lungenüberblähung oder Gasaustauschstörung
nein 13
*Entfällt formal bei alleinigem V.a. Asthma; sie wird durch FEV1/VC<70% (bzw. 75% bei Kindern 5-17J) ersetzt. Unterschied spielt in der Praxis keine Rolle, da das Asthma durch die anderen Maßnahmen sicher diagnostiziert wird **Falls PEF-Test negativ; Hyperreagibilitätstest durchführen ***200ml Bedingung entfällt im Alter von 5-17J ****im Alter von 5-17J <=75%
12). Ist das vorhanden, so hat der Patient eine COPD und kann hier eingeschrieben werden. Für den Fall, dass FEV1/VC größer 70 % bleibt, so kann trotzdem eine COPD vorliegen. Dieses ist leider in den GOLD-Leitlinien nicht entsprechend berücksichtigt. In Abb. 2
Disease Management Programme
333
Abb. 1. Algorithmus zur Abklärung, ob ein Patient mit Dyspnoeanamnese (ggf. mit Husten und/oder Auswurf ) über 1 Jahr in ein DMP Asthma oder COPD eingeschrieben werden kann. Die Details sind im Text erklärt. Grau hinterlegt sind Untersuchungen, die üblicherweise beim Pneumologen durchgeführt werden. Das Diagramm deckt sich formal nicht ganz mit dem Einschreibetext, da der Gesetzestext aufgrund eines Formfehlers nicht völlig komplementär ist. Das Diagramm reicht aber für die Praxis, da damit praktisch alle Patienten erkannt werden können. Wenn ein Patient im Flussdiagramm am Ende im Kasten DMP Asthma oder COPD landet, so ist die gesetzliche Bedingung in jedem Falle erfüllt.
sind zur Klarstellung dieses Problems 1000 Patienten mit gesicherter COPD dargestellt, deren absolute 1-Sekundenkapazität zum relativen Wert dargestellt ist [1]. Anhand der GOLD-Klassifikation sind die Klassen von 0 bis 4 dargestellt. Die Punktewolke zeigt, dass die Definition der Obstruktion an einer reduzierten relativen 1-Sekundenkapazität unter 70 % arbiträr ist. Es gibt einen erheblichen Anteil von Patienten, die nach GOLD nicht klassifiziert werden (in dieser Untersuchung ca. 14 %). Diese Patienten sind mitunter erheblich obstruktiv und zeigen in der Ganzkörperplethysmographie eine Überblähung, 100 Nicht klassifiziert
0
90
FEV1/FVC (%)
80 70 60 50 40 30
IV
III
I
II
n = 1000
20 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110 120 130 140
FEV1 (%-Sollwert) Abb. 2.
Beziehung zwischen FEV1 in % Sollwert und relativem FEV1 (FEV1/VC) bei 1000 Patienten mit gesicherter COPD. In den einzelnen Abschnitten sind die Schweregradeinteilungen nach der GOLD-Leitlinie angegeben. Die GOLDKlassifizierung ist sehr inhomogen, was damit die klinische Wirklichkeit nicht gut widerspiegelt. Außerdem wird eine vergleichsweise große Gruppe von ca. 14% nach GOLD nicht klassifiziert. Die Anzahl der Patienten in die GOLDSchweregradeinteilung im Einzelnen: 0: 32,7%; 1: 4,8%; 2: 22,5%; 3: 21,1%; 4: 5,0%; nicht klassifiziert: 13,9%
334
Dieter Köhler, Schmallenberg
manche auch eine reduzierte CO-Diffusionskapazität, da hier das Emphysem im Vordergrund steht. Damit diese Patienten auch ins DMP eingeschrieben werden können, hat der Gesetzgeber für diese Gruppe eine Vorstellung beim Pneumologen mit Messung des Atemwegswiderstandes bzw. der Lungenüberblähung oder einer Gasaustauschstörung (Kasten 13) vorgesehen. Die Atemwegswiderstandserhöhung und die Lungenüberblähung werden in der Regel mit dem Ganzkörperplethysmographen, die Gasaustauschstörung mit der CO-Diffusionskapazitätsmessung oder Belastungsblutgastest durchgeführt. Ist einer dieser drei Parameter pathologisch, so liegt ebenfalls eine COPD vor und der Patient kann eingeschrieben werden. Dieses Schema erlaubt in der Regel eine deutlich raschere Einordnung der Patienten in eine der beiden DMP-Teile und hilft beim Verständnis der Zuordnung der Funktionswerte zu den einzelnen Krankheitsbildern, vor allen Dingen für den Nicht-Pneumologen.
Literatur 1. Köhler D, Fischer J, Raschke F, Schonhofer B. Usefulness of GOLD classification of COPD severity. Thorax. 2003; 58:825.
Integrierte Versorgung bei Asthma bronchiale und COPD
335
Integrierte Versorgung bei Asthma bronchiale und COPD Klaus Kenn, Schönau/Königsee
Das Konzept einer Integrierten Versorgung (IV) zählt seit 2004 zu den Schlüsselbegriffen, für einige sogar zu den „Zauberwörtern“ in der bundesdeutschen Gesundheitslandschaft. Diesem Terminus ist die Idee zugrunde gelegt, insbesondere bei komplexen oder dauerhaft ablaufenden Therapienotwendigkeiten die verschiedenen Versorgungsstufen aufeinander abzustimmen, Informationsqualität und -flüsse zu verbessern und unnötige bzw. kosteninduzierende Redundanzen in der Versorgungskette zu minimieren. Ein solcher Gedanke tut durchaus Not in einem System, in dem die Abläufe und deren Prozessqualität oft mehr von den punktuellen Strukturen und Möglichkeiten der Leistungserbringer, denn von der Norm eines vorgegebenen Behandlungsziels geprägt waren. Von daher lässt sich die Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen, wie sie im §140 als integrierte Versorgung vorgesehen ist, in Kombination mit einer eigens hierzu zur Verfügung gestellten Anschubfinanzierung als Chance zur qualitativen Verbesserung der medizinischen Versorgung in Deutschland verstehen. Beinahe zeitgleich werden für bestimmte chronische Erkrankungen Disease Management Programme (DMP) implementiert, so dass im Falle eines gleichzeitigen Angebotes von DMP und IV für dieselben Erkrankungen einerseits klare Abgrenzungen, andererseits aber auch definierte Überleitungen zwischen den beiden Systemen festgelegt werden müssen.
1
Worthülse oder Raum für echte Innovation?
Wurden wirklich patientenorientierte und sektorübergreifende Behandlungswege – so ist die integrierte Versorgung definiert – geschaffen, die sich von dem bisher üblichen Vorgehen unterscheiden? Sind solch formal berechtigte Hoffnungen in einem System multipler, teils erheblich divergierender Partikularinteressen schon zur Realität geworden? Im Internetauftritt zur Gesundheitsreform 2006 wird Frau Ministerin U. Schmidt wie folgt zitiert: „Wer sich eine bessere Versorgung der Patienten zum Ziele gesetzt hat, der kommt um die integrierte Versorgung nicht herum. Die neuen Möglichkeiten der engmaschigen Kooperation von Klinikärzten und niedergelassenen Kollegen sowie weiteren Gesundheitsberufen ist ein Schritt hin zu mehr Qualität“.
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Klaus Kenn, Schönau/Königsee
Franz Knieps, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung sieht an gleicher Stelle die integrierte Versorgung als Brücke über die Gräben der vorhandenen Versorgungsbereiche. In diesem kurzen Satz verbirgt sich bereits viel Wahrheit über die bisher aktiven Versorgungssegmente unseres Systems zur Behandlung chronisch Kranker. Klare Umschreibungen des Behandlungsvolumens waren bislang ebenso wenig definiert wie vernetzende Übergänge bzw. Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Leistungserbringern in der Patientenbetreuung wie z. B. Hausarzt – Facharzt – Krankenhaus – Rehabilitation. Hat uns die neue Option von integrierten Versorgungsverträgen für bestimmte Krankheitsbilder flächendeckend mehr und v. a. neue Qualität im Gesundheitswesen gebracht? Das Gros der bislang geschlossenen Vereinbarungen wird dem hohen und sinnvollen Anspruch der IV nur teilweise gerecht. Statt wirklicher Innovation wurde in nicht unerheblichem Rahmen alter Wein in neue Schläuche gefüllt. So mutierte z. B. eine bisherige „Fallpauschale Hüftgelenksersatz“ unter Einschluss von Operation und Rehabilitation zum integrierten Versorgungsmodell. Dabei ging es einzelnen Playern auf Seiten von Kostenträgern wie auch von Leistungserbringern offenbar eher um die Absicherung und Festschreibung des Status quo oder um die Umfinanzierung bisheriger Kosten, als um die politisch gewollte tatsächliche medizinische Innovation. Die von Krankenkassen berichtete Flut von IV-Modellangeboten unter Einschluss aller vorstellbarer Gesundheitsberufe war initial gewaltig. Dem Mindestkriterium, dass zwei zuvor nicht kooperierende Versorgungsmodule miteinander abgestimmt arbeiten sollten, trugen diese Vorschläge zwar formal Rechnung, nicht aber dem Anspruch nach dem Aufbau von höherwertigen, bis dato nicht vorhandenen Behandlungskonzepten. Dennoch finden sich auch zahlreiche Beispiele sinnvoller Kreationen von neuen Behandlungsstrukturen, die als nutzbringende Verbesserungen zu bewerten sind.
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Asthma bronchiale/COPD – Modellkrankheiten für die Integrierte Versorgung
Das Asthma bronchiale tritt teils schon in frühen Lebensjahren auf und manifestiert sich als lebenslang begleitende Erkrankung mit der Notwendigkeit zu wiederkehrender Inanspruchnahme von medizinischen Versorgungsangeboten in unterschiedlichen Segmenten. Insbesondere Patienten mit einem schwergradigen, kaum zu stabilisierenden Asthma haben sich in zahlreichen nationalen und internationalen Studien als enorm Ressourcen verschlingend erwiesen [1, 2]. Für die Behandlung des kindlichen Asthma bronchiale existieren nur wenige speziell ausgebildete pädiatrische Pneumologen. In Kinderarztpraxen finden sich nach wie vor noch keine flächendeckenden diagnostischen Möglichkeiten zur Therapiesteuerung in Form von Spirometrien. Schnittstellen zwischen Pädiatern und Erwachsenenpneumologen sind ebenso wenig definiert wie die Überweisung von erwachsenen Problemasthmatikern in fachärztliche Behandlung. Dies trägt mit dazu bei, dass die weltweit unstrittigen und konsensfähigen Therapieleitlinien beim Asthma nach wie vor nicht ausreichend umgesetzt werden, was insbesondere in der beklagenswerten Nicht- oder Untertherapie mit inhalativen Steroiden Ausdruck findet [3].
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Ambulante Schulungsangebote existieren zwar vereinzelt, wurden jedoch bundesweit bislang nur punktuell finanziert. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen sind in großer Zahl vorhanden, weisen aber bzgl. der Behandlungsqualität ein breites Spektrum auf. Rehabilitation ist noch immer kein mit klaren Inhalten hinterlegter Begriff. In der Summe führt dies zu einer Mischung von Unter-, Über- und Fehlversorgung, die das Asthma bronchiale auch heute noch als ein nicht adäquat gelöstes Problem erscheinen lässt [4]. Unter dem Begriff COPD (chronic obstructive pulmonary disease) werden die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem zusammengefasst. Mit alleiniger medikamentöser Behandlung ist diese Volkskrankheit, die zu 90 % durch das Rauchen verursacht wird, nicht ausreichend zu behandeln. Der Krankheitsverlauf kann allerdings durch ein leitlinienkonformes, sektorenübergreifendes Management – d.h. insbesondere auch unter systematischer Einbeziehung nicht medikamentöser, rehabilitativer Therapiekomponenten – medizinisch und ökonomisch erheblich verbessert werden [5, 6]. Die COPD ist im Sinne einer Modellkrankheit deshalb prädestiniert für integrierte Versorgungsmodelle. Neben den Leitsymptomen von Husten, Auswurf und Belastungsdyspnoe ist die COPD durch eine zunehmende Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit gekennzeichnet und geht mit häufigeren Arztbesuchen, einer erhöhten Zahl an Arbeitsunfähigkeitstagen, vorzeitiger Invalidisierung und im weiteren Verlauf oft mit längeren stationären Aufenthalten einher. Nach notwendiger stationären Behandlung wegen COPD kommt es im folgenden Jahr in bis zu 2/3 d. F. zu einer erneuten Krankenhausaufnahme und jeder 4. COPD-Patient, der akutstationär wegen akuter Verschlechterung seiner Lungenerkrankung behandelt werden musste, verstirbt in den folgenden 12 Monaten [7, 8]. Viele COPD-Patienten sind in ihrer Lebensqualität sehr stark eingeschränkt, was sich in eingeschränkter Mobilität und Leistungsfähigkeit, Neigung zu sozialer Isolation, gehäuften Depressionen und Angsterkrankungen zeigt. Typische Spätfolgen sind Sauerstoffmangel und eine sekundäre Herzschädigung („Cor pulmonale“) sowie eine Erschöpfung der Atemmuskulatur. Bei COPD-Patienten zeigt sich der hohe Stellenwert einer regelmäßigen Trainingstherapie. Sowohl ambulant (9) als auch stationär [7] durchgeführte Rehabilitationen im direkten Gefolge von Krankenhausaufenthalten können den Verlauf und auch die Prognose der COPD deutlich verbessern. Eine aktuelle Studie zeigt erstmals, dass ggf. auch die Mortalität durch eine gezielte Trainingstherapie gesenkt werden kann [10]. Dabei werden die Effekte medikamentöser Interventionen teils deutlich vom Benefit durch eine Trainingstherapie übertroffen [11]. Zählt das Asthma bronchiale mit direkten und indirekten Kosten von jährlich ca. 2,5 Mrd. Euro bereits zu den Volkskrankheiten mit großer gesundheitsökonomischer Bedeutung, so stellt sich die bis vor wenigen Jahren noch weitgehend unbekannte und unterschätzte COPD mit vermuteten Jahresgesamtkosten von mehr als 8 Mrs. Euro als die eigentliche und in Zukunft besser zu lösende Herausforderung für unser Gesundheitssystem dar. Von den COPD-Gesamtkosten entfielen in einer aktuellen Krankheitskostenanalyse 2004 26 % auf Krankenhausaufenthalte und 23 % auf Medikamente. Frührente und Arbeitsunfähigkeit schlugen mit 17 % bzw. 12 % zu Buche. Die Kosten für die medizinische Rehabilitation machten allerdings nur ganze 1,5 % aus. Insgesamt gingen 64 % der Gesamtkosten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung [12].
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Klaus Kenn, Schönau/Königsee
Die Krankheitskosten nehmen mit zunehmendem COPD-Schweregrad drastisch zu. Nach US-amerikanischen Zahlen verursachten Patienten mit einer leichten COPD jährlich Kosten von 1.681 US $, während Patienten mit dem höchsten Schweregrad jährlich mit 10.812 US $ zu Buche schlugen [13]. D.h. die ca. 5–10 % der Patienten mit dem höchsten Schweregrad generieren ca. 50 % der Gesamtkosten. Umgekehrt verbirgt sich hinter diesen Zahlen ein hohes und z. Zt. noch weitgehend ungenutztes medizinisches und ökonomisches Optimierungspotential auf. Hier sind in erster Linie eine frühere und exakte Diagnosestellung, die Prävention, das Einstellen des Tabakrauchens und eine stadiengerechte und leitliniengemäße Therapie einschließlich der pneumologischen Rehabilitation zu nennen [9, 10]. Beide Atemwegserkrankungen implizieren somit, dass eine effiziente Behandlung insbesondere bei kostenintensiven Problempatienten die Nutzung aller leitlinienkonformen Therapieanteile einschließen muss. Dies beinhaltet bei der COPD-Therapie mehr noch als beim Asthma bronchiale die konsequente Nutzung nicht medikamentöser Maßnahmen, so dass für eine moderne, effektive Therapie ein abgestimmtes und auf fachlich hohem Niveau gesteuertes Netzwerk mit durchgängiger fachärztlicher Expertise unverzichtbar ist [14].
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Behandlungsqualität bei Asthma bronchiale und COPD – Realität und Anspruch
Das Asthma bronchiale sowie COPD sind als Volkskrankheiten mit erheblicher gesundheitsökonomischer Relevanz zu betrachten. Sie stellen für eine integrierte Versorgung im Sinne eines verzahnten und abgestimmten Versorgungssystems ideale Modellerkrankungen dar, da diese chronisch Kranken zeitlebens in irgendeiner Form die bereits genannte Versorgungskette von Hausarzt – Facharzt – Krankenhaus – Rehabilitation in Anspruch nehmen müssen. Hier ist es also sinnvoll, die Patienten unter qualitativ festgelegten diagnostischen und therapeutischen Kriterien zu betreuen und sicherzustellen, dass der Patient die dem aktuellen Status seiner Erkrankung angepassten Interventionen zum jeweils gegebenen Zeitpunkt an der geeigneten Stelle innerhalb dieser Versorgungsstrukturen in Anspruch nehmen kann. Hierzu ist eine Abstimmung unter den Leistungserbringern hinsichtlich der jeweiligen Behandlungsaufträge, die Definition von Schnittstellen bzw. die Beschreibung eines sinnvollen Überleitungsprozederes notwendig. Um eine derart hochwertige Koordination sicherstellen zu können, ist die Festlegung des Managers innerhalb dieses Systems von großer Bedeutung. Die sichere Erkenntnis, dass die Versorgung von Asthmatikern in Deutschland durch eine Unter-, Fehl- und teilweise Überversorgung gekennzeichnet war, veranlasste bereits 1999 Herrn Prof. Schwartz, damaliger Vorsitzender des Sachverständigenbeirates (SVR) des Bundesgesundheitsministeriums, für den Krankenhausreport 1999 einen Übersichtsartikel zum Thema „Volkskrankheit Asthma bronchiale“ [4] erstellen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht ausreichend evident, dass die COPD eine noch größere und v.a. noch weniger gelöste Herausforderung für unser Gesundheitssystem darstellen wird. Gesundheitsexperten war der erhebliche Mangel an spezieller pneumologischer Expertise in der allgemeinen Krankenhauslandschaft ebenso bekannt wie die in der Regel unzureichende pneumologische Aus- und Weiterbildung von hausärztlich tätigen Ärzten. Dies inkludierte, dass in Deutschland noch keine flächendeckende, hochwertige pneumologische Versorgung möglich war.
Integrierte Versorgung bei Asthma bronchiale und COPD
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Diese Defizite an Fachkompetenz im Teilgebiet Pneumologie widerspiegeln sich auch in der mangelnden universitären Präsenz dieser Teildisziplin der Inneren Medizin. Im Gegensatz zu überall existenten Fachbereichen für z. B. Kardiologie oder Gastroenterologie finden sich lediglich an fünf Universitäten in Deutschland eigenständige Abteilungen für Lungen- und Bronchialheilkunde. Dass hieraus insgesamt ein Mangel an Weiterbildungsstellen und somit an Weiterbildung resultieren muss, kann nicht verwundern. Diese Gegebenheiten stehen jedoch ganz im Gegensatz zur epidemiologischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung der hier erwähnten pneumologischen Krankheitsbilder. Lag 1990 die COPD noch auf Rang 6 der weltweiten Morbiditäts- und Mortalitätsstatistik, so wird diese Erkrankung im Jahr 2020 Platz 3 einnehmen [15]. Auch die Zahl von Allergisierungen steigt stetig weiter an, so dass auch das Asthma bronchiale in Zukunft an Bedeutung eher zunehmen wird. Für das Asthma bronchiale wurde auf Grund einer erdrückend eindeutigen Literaturlage [3] auf die erheblichen Defizite bei der Umsetzung von national und international konsensfähigen Therapieleitlinien hingewiesen, was einerseits zu einem erheblichen Verlust an medizinischer Behandlungsqualität und andererseits eine enorme negative gesundheitsökonomische Bedeutung hat. Eine Unterversorgung mit der wichtigsten Substanzgruppe bei der Asthmabehandlung, den inhalativen Steroiden, die – wie in zahlreichen Studien nachgewiesen – nur in 30 % der Fälle eingesetzt wurden, führt zu unnötigen Exazerbationen, gehäuften und in den meisten Fällen vermeidbaren Akutbehandlungen inklusive Krankenhaustherapie und medizinisch betrachtet zu einem schlechteren Gesamtverlauf der Erkrankung mit allen patientenseitigen wie gesundheitsökonomischen Folgen. Diese Erkenntnisse, die im SVR-Gutachen 2001 [16] umfassend gewürdigt wurden, mündeten in der politischen Willensbekundung, durch strukturierte Behandlungsabläufe – Disease Management Programme (DMP) – zu Verbesserungen der Basisversorgung von Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen zu gelangen. Dabei wurde die zeitgleich zunehmende Bedeutung der COPD als Volkskrankheit mit ihrer noch erheblich größeren gesundheitspolitischen Bedeutung realisiert, so dass die COPD einbezogen wurde. Diese neu initiierten Disease Management Programme regeln die Basisversorgung der Patienten mit Asthma bronchiale oder COPD. Obwohl beide Atemwegskrankheiten therapeutische Analogien zeigen und selbst für Experten im Alltag nicht in jedem Fall ohne weiteres zu unterscheiden sind, wurden erfreulicherweise zwei klar getrennte DMPs geschaffen, so dass eine eindeutige Zuordnung zum Asthma oder zur COPD erfolgen muss. Dies zieht einen erheblichen Bedarf an Fort- und Weiterbildung in den beschriebenen, bislang noch defizitären Bereichen nach sich. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits eingeleitet, wobei vereinzelt selbst Kostenträger diese Notwendigkeiten erkannt haben und z. B. in Bayern die Teilnahme von Akutkliniken am DMP Asthma/COPD von der Erlangung einer formalen Mindestexpertise auf Leitungsebene anhängig machen. Durch derartige DMPs sind jedoch die Probleme, die sich bei der Diagnostik und Therapie von Patienten mit komplizierten, schwergradigen Krankheitsverläufen ergeben, nach wie vor nicht gelöst.
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DMP oder integrierte Versorgung – oder beides? Wer, was, warum?
Aktuell werden bundesweit mit bislang unterschiedlichem Erfolg Disease Management Programme für Asthma und COPD aufgelegt. DMPs für chronische Erkrankungen beziehen sich zunächst auf die Strukturierung und somit Verbesserung der Grundversorgung aller Erkrankter innerhalb eines Indikationsbereiches. Die Koordinationsfunktion innerhalb der bisher aufgelegten Programme ist überwiegend der hausärztlichen Versorgung zugeordnet. Unter dem Aspekt, dass gerade für den Bereich Asthma/COPD auf Grund der großen Patientenanzahl eine fachärztliche Therapie flächendeckend nicht vorstellbar ist, erscheint diese Struktur für die DMPs Asthma/COPD pragmatisch und sinnvoll. Zukunftsfähige IV-Modelle sollten sich neben indikationsgleichen DMPs als ergänzende Programme verstehen, die in den DMPs nicht inkludierte Leistungen entsprechend der Therapieleitlinien anbieten. Hier sind v.a. körperliches Training und allgemein rehabilitative Ansätze zu nennen. Hauptziel aber sollte sein, die relativ wenigen Problempatienten (ca. 5–10 %), die laut Schätzungen mehr als 50 % der finanziellen Gesamtressourcen verschlingen, herauszufiltern und auf fachlich hohem Niveau weiter zu diagnostizieren und zu therapieren. Dabei sieht der Gesetzgeber explizit vor, dass IV-Modelle nicht nur der Vernetzung bestehender Strukturen und Abläufe dienen sollen, sondern dass wirkliche Innovationen möglich und gewünscht sind. DMP und IV bei Asthma bronchiale und COPD sind dabei nicht alternativ, sondern vielmehr komplementär zu betrachten. Die Teilnahme an beiden Programmen sollte für Patienten nicht nur möglich sein, sondern sie ist als sinnvoll zu betrachten. Dabei finden sich neben dem medizinischen Nutzen v.a. auf Kostenträgerseite zumindest initial auch attraktive pekuniäre Aspekte. In einem System, das der Behandlung von Problempatienten dienen will, sollte die Managementfunktion in Händen des fachlich Qualifiziertesten, also des Lungenfacharztes liegen. Nur so kann sichergestellt werden, dass dem Problempatienten im gesamten Behandlungsprozess die jeweils adäquate Fachexpertise zur Verfügung steht. Für die numerisch begrenzte Gruppe von wirklich Problempatienten, die durch auffallend häufige Hospitalisierungen oder durch wiederholte Inanspruchnahme von Notfallversorgung identifizierbar sind, ist generell in Deutschland eine durchgehende Facharztversorgung – ambulant wie stationär – gewährleistet. Dies bedeutet aber, dass für diese Patienten nicht immer die nächste, sondern die nächst geeignete Stelle aufzusuchen ist.
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Die aktuelle pneumologische IV-Landschaft – ein Überblick
Verschiedene Krankenkassen haben regionale Verträge zur integrierten Versorgung bei Asthma und COPD abgeschlossen. Die Barmer Ersatzkasse (BEK) hat solche Vereinbarungen z. B. für die Bereiche Lübeck, Teile des Umfelds von Hamburg, Nordbaden und Südwürttemberg geschlossen. Die Versorgung wird hier durch eine Verzahnung von haus- und fachärztlicher Versorgung geregelt. Rehabilitation sowie stationäre Akutbehandlungen sind formal offenbar nicht einbezogen. Teilweise sind die Abkommen auch über den Dachverband der Angestellten Krankenkassen, den VdAK abgeschlossen worden.
Integrierte Versorgung bei Asthma bronchiale und COPD
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Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) hat neben dem noch zu erwähnenden Vertrag mit dem Pneumo-Netzwerk Südbayern nachträglich ähnliche Vereinbarungen im Bereich Allgäu sowie in Nordhessen getroffen. Hierbei ist jeweils – wie in Südbayern – die gesamte zur Umsetzung der Therapieleitlinien notwendige Versorgungskette abgebildet. Einen Vertrag zur IV, der neben der haus- und fachärztlichen Versorgung zumindest die Akutkrankenhaustherapie sowie ein Angebot zur ambulanten Rehabilitation beinhaltet, wurde zuletzt mit der DAK in Leipzig abgeschlossen. Ein integrierter Versorgungsvertrag für Asthma und COPD in einer bestimmten Region, der ein breiteres bzw. das gesamte Spektrum der Krankenkassen einschließen würde, existiert bislang noch nicht.
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IV-Asthma/COPD Pneumologisches Netzwerk Südbayern e. V.: ein Vorzeigeprojekt
Durch den Vertragsabschluss im Jahr 2004 zwischen dem Pneumologischen Netzwerk Südbayern und der DAK Bayern zur integrierten Versorgung von Patienten mit schwergradiger COPD sowie von Asthmatikern mit kompliziertem Erkrankungsverlauf ist es erstmals für diesen Indikationsbereich gelungen, alle für eine optimale Versorgung verfügbaren Strukturen in ein Netzwerk zu implementieren. Somit wird dieser Vertrag dem Geist des gesundheitspolitischen Auftrags, welcher der Idee einer integrierten Versorgung zu Grunde liegt, gerecht. In diesem Modell sind jedoch nicht nur Verbindungen von bisher weitgehend losgelösten, eigenständigen Strukturen geschaffen worden, sondern es wurde auch konsequent die Chance zu echten Innovationen genutzt. Das Besondere an diesem Netzwerk besteht darin, dass es nicht erst nach der politischen Willensbekundung zur IV gegründet wurde, sondern dass die beteiligten Ärzte bereits seit Jahren Ideen zur vernetzten Versorgung von Patienten mit Asthma und COPD diskutiert hatten. Die Vereinsgründung erfolgte bereits im Jahr 2001, so dass letztlich bereits erarbeitete medizinische Konzepte endlich auf politische und rechtliche Umsetzbarkeit stießen. Dies ermöglichte, dass bei gleichzeitig großer Bereitschaft zur Qualitätsverbesserung seitens des Kostenträgers in sehr kurzer Zeit ein komplexer und in dieser Form beispielgebender IV-Vertrag abgeschlossen werden konnte. Als Manager des Systems fungiert der niedergelassene Lungenfacharzt, der die speziell bei der COPD verfügbaren Behandlungsmodule (Abb. 1) problemadjustiert für den einzelnen Patienten einsetzen kann. Die Versorgung im Rahmen von akuten Exazerbationen, also plötzlichen und oft bedrohlichen Verschlechterungen der Erkrankung, ist ausschließlich in zwei Pneumologischen Akutkliniken vorgesehen. Dies bedeutet, dass die Krankenhausbehandlung nicht an der nächsten, sondern in der tatsächlich geeigneten Institution stattfindet. Ausgenommen sind vital bedrohliche Notfälle, die einen längeren Transport verbieten würden. Die Rehabilitation von eingeschriebenen Patienten dieses Netzwerkes erfolgt gezielt in zwei Fachkliniken, die modulare Rehabilitation mit hoher fachlicher Expertise unter Einschluss von z. B. nicht invasiver Beatmung garantieren (Abb. 2). Darüber hinaus sieht das Versorgungsmodell die Schaffung von ambulanten, nicht medikamentösen Therapien vor, die dem Wesen nach rehabilitativen Charakter aufweisen. Der Begriff der ambulanten Rehabilitation wurde absichtlich vermieden, um eine Verwechse-
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Klaus Kenn, Schönau/Königsee wer
hr sch
IV: Se hwer
III: Sc tel
II: Mit ht
I: Leic
Niedergel. Lungenfacharzt
Niedergel. Lungenfacharzt
Niedergel. Lungenfacharzt
Niedergel. Lungenfacharzt
Pneumofit
Pneumofit
Pneumofit
Pneumofit
Pneum. RehaFachklinik (optional)*
Pneum. Akutklinik (optional)**
Pneum. Akutklinik
Pneum. RehaFachklinik (optional)*
Pneum. RehaFachklinik
* In Form von Direkteinweisung, z.B. bei häufigen Infekten, hohem Schulungs- und Motivationsbedarf, Komorbidität ** z.B. bei akuten Exazerbationen, weiterführender Diagnostik, Zusatztherapien wie nicht invasive Beatmung (NIV)
Abb. 1.
Schweregrad-adaptierte Therapiemodule für Patienten mit COPD
Pneumologische Akutklinik Pneumologische Reha-Fachklinik Niedergelassene Lungenfachärzte
MU-Gauting
Bad Reichenhall Berchtesgaden
Pfronten
Abb. 2.
Regionale Struktur und Partner des Pneumologischen Netzwerks Südbayern
Integrierte Versorgung bei Asthma bronchiale und COPD
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lung mit den hierfür hinterlegten Inhalten, nämlich zeitlich limitierte Rehabilitation ohne Hotelleistung auszuschließen. Zur semantischen Abgrenzung wurde der Begriff „Pneumo Fit“ kreiert. Solche ambulanten Strukturen waren zuvor nicht existent, sind aber für Sicherung einer adäquaten, leitlinienkonformen Behandlung unverzichtbar. Weiterhin neu und zuvor undenkbar ist die Möglichkeit, dass der das System steuernde Lungenfacharzt Patienten direkt in eine der beiden Reha-Fachkliniken einweisen kann, wenn definierte Kriterien erfüllt sind. Dabei meint „direkt“ keine Analogie, insbesondere keinen Ersatz für eine Krankenhauseinweisung, sondern beschreibt eine sehr zeitnahe Zuweisung von Problempatienten vor Manifestation bzw. zur Vermeidung wirklicher Akutsituationen. Abb. 3 gibt einen Überblick über die inkludierten Netzwerkpartner bzw. die dahinterstehenden Behandlungsmodule, die durch den Netzwerkmanager, den Lungenfacharzt, unter Berücksichtigung von Schweregrad und aktueller Therapiebedürftigkeit verordnet werden.
Niedergelassener Hausarzt
über Schnittstellen mit DMP verknüpfen
Niedergel. Lungenfacharzt Pneumolog. Akutklinik
Netzwerk-Manager
Patient
le
l tfä No r Nu
Allgemeine Akutklinik
Stationäre Reha Pneumofit
= Direkteinweisung
Abb. 3.
Versorgungsmodule und Struktur des Pneumologischen Netzwerkes Südbayern
Die Kommunikation zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern erfolgt über eine datengeschützte Internetplattform (Health Base), die der raschen Übermittlung und der Vermeidung des Verlusts von patientenbezogenen Informationen einerseits und der Reduktion von diagnostischer Redundanz dienen soll. Eine aktuelle Studie zeigt, dass ein abgestimmtes Vorgehen der an der Patientenversorgung beteiligten Partner sowie die stringente und gemeinsame Führung der Patienten im Hinblick auf den Gesamttherapieerfolg von großer Bedeutung sind [10]. Langfristig sollen die so gesammelten Daten der Dokumentation, der Verlaufsbeobachtung und im besten Fall einem Erkenntnisgewinn bei der Therapie dieser chronisch Kranken dienen.
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Klaus Kenn, Schönau/Königsee
Für die Patienten, die freiwillig dem Netzwerk beitreten, bedeutet dies eine umfassende fachärztliche Betreuung in allen Behandlungssegmenten. Um dies ganzjährig zu gewährleisten, bietet das Netzwerk zudem noch eine 24 Stunden-Telefonhotline, die jederzeit die Einholung von fachärztlichem Rat garantiert. Darüber hinaus erhalten sie in den beteiligten Kliniken einen höheren Hotelleriestandard. Im ambulanten Bereich haben sie Zugang zu Schulung, Lungensport und Raucherentwöhnung. Dass die hausärztlichen Versorgung bisher noch nicht erwähnt wurde, bedeutet nicht, dass diese ausgeschaltet sein soll. Vielmehr sind hier im Verlauf noch klare und durchgängige Überleitungen von DMP in IV oder auch im Einzelfall von IV in DMP zu definieren. Dieser IV-Vertrag des PneumoNetzwerks Südbayern mit der DAK ist von der konsequenten Vorstellung getragen, dass für kostenintensive Problempatienten durchgängig eine fachärztliche Behandlung verfügbar sein muss. Dies schließt u. a. ein, dass Patienten gezielt an ihrem Heimatkrankhaushaus ohne dezidierte pneumologische Strukturen vorbei in die besser geeignete Klinik überwiesen werden. Aus dem Vertrag zur integrierten Versorgung von COPD-Patienten in Südbayern wurde mit der DAK als Kostenträger in der Folge für den Bereich erwachsener Asthmatiker eine Vertragerweiterung erarbeitet, die in ähnlich strukturierter Form eine lückenlose fachärztliche Behandlung von Patienten mit schwergradigem Asthma erlaubt. Die ambulante Verordnung von Schulung und Asthmamanagementeinheiten ist ebenso wie die Direkteinweisung in eine der beiden Rehabilitationsfachkliniken geregelt. Um Überlappungen mit den anlaufenden Disease Management Programmen Asthma/ COPD zu vermeiden, wurden die IV-Verträge an die beschlossenen DMP Strukturen angepasst. Somit sehen sich die IV-Verträge als „on top“-Modelle bei schwierigen Verlaufsformen. Für Asthmatiker im Kindes- und Jugendlichenalter wurde mit einem Netzwerk von Pädiatern ein ähnlicher Versorgungsvertrag geschlossen, so dass in Südbayern ein komplettes Behandlungskonzept für das Asthma zur Verfügung steht.
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Probleme, Hindernisse und Bedrohungen für dauerhaft erfolgreiche IV-Modelle
Für wirklich gute und neue IV-Modelle stellt sich als erstes das Problem des Überwindens von immanenter Systemträgheit. D.h., das, was es noch nicht gibt, muss erst geschaffen und dann am Leben gehalten werden. Alle notwendigen Abläufe sind im Alltag bis zur professionellen Implementierung immer wieder einzufordern und stellen nicht zuletzt einen ungeliebten neuen administrativen Aufwand dar, da heute Dokumentation Bestandteil jeder Struktur im Gesundheitswesen ist. Wirkliche Durchsetzungskraft erhalten innovative Wege wohl erst dann, wenn sie nicht nur im zu identifizierenden Einzelfall, sondern in breiterer Front zum Einsatz kommen können. Hierin liegt eine Gefahr, dass für relativ kleine IV-Modellgruppen, die einen sehr hohen administrativen Aufwand induzieren, eine dauerhaft erfolgreiche Umsetzung mühsam ist.
Integrierte Versorgung bei Asthma bronchiale und COPD
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Natürlich bieten IV-Verträge für Kostenträger die Möglichkeit, über solche Differenzierungsmerkmale ihren Versicherten einen besonderen Nutzen bei hoher Innovationsbereitschaft zu demonstrieren. Eine breitere Anwendungsfront für eine neu geschaffene IV-Struktur unter Einbeziehung mehrerer Kostenträger würde den Erfolg jedoch langfristig deutlich erleichtern. Letzteres gilt natürlich nicht für die eingangs erwähnten umfirmierten Versorgungswege, die bereits zuvor Bestand hatten und daher keine Implementierung in den Alltag benötigen. Zusammenfassend bieten integrierte Versorgungsverträge eine hervorragende Plattform zur Schaffung sinnvoller, neuer und auf Dauer qualitätsverbessernder Behandlungswege chronisch Kranker. Die Krankheitsbilder Asthma bronchiale und insbesondere die COPD bieten für Patienten mit weit fortgeschrittener Krankheit ein ideales Betätigungsfeld für derartige Innovationsmöglichkeiten. Diese Optionen gilt es von allen im System Beteiligten verantwortlich umzusetzen und nicht der Verlockung zu erliegen, Wege, die für wirkliche Verbesserungen unseres Gesundheitssystems vorgesehen sind, andersartig zu gebrauchen. Nur durch Nutzung dieser gebotenen Chancen kann es gelingen, Erkrankungen, die trotz oder teils auch wegen der Errungenschaften unserer Zivilisation weltweit in erschreckendem Ausmaß auf dem Vormarsch sind, abzubremsen und mittel- bis langfristig so einzudämmen, dass jeder Betroffene einer frühzeitigen und hochwertigen Diagnostik und Therapie zugeführt werden kann. Unter Berücksichtigung der weltweit absehbaren gesundheitsökonomischen Relevanz chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen muss es vor allem für die COPD als Volkskrankheit im Interesse aller liegen, die vorhandenen Probleme zu identifizieren und die konsequente Umsetzung erarbeiteter Lösungswege von allen am Behandlungsprozess Beteiligten einzufordern. Neben dem Fordern gilt es jedoch auch, die Umsetzung der dabei notwendigen Module hinsichtlich der medizinischen Expertise und deren Finanzierbarkeit sicherzustellen.
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Allgemeinärztliche Versorgung
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Allgemeinärztliche Versorgung Carsten Kruschinski und Eva Hummers-Pradier, Hannover
1
Ansprüche an die allgemeinärztliche Arbeitsweise
Die europäische Organisation der WONCA (Weltorganisation der Hausärzte) hat eine eigene Definition der Allgemeinmedizin / Hausarztmedizin erarbeitet, die sechs Kernkompetenzen und insgesamt elf Wesensmerkmale dieser Kernkompetenzen benennt („WONCAbaum“ in Abbildung 1). Daraus werden die Besonderheiten der allgemeinärztlichen Arbeitsweise deutlich, die – im Kontrast zu der des Spezialisten – durch den Aufbau einer langjährigen Arzt-Patient-Beziehung gekennzeichnet und dabei einem ganzheitlichen („biopsychosozialen“) Krankheitsmodell verpflichtet ist. Der Hausarzt wird mit einer Vielfalt früher, undifferenzierter, noch unselektionierter Beratungsanlässe
frühe und undifferenzierte Probleme Entscheid spezifische berücksichtigt ProblemlösungsPrävalenz & fähigkeiten Inzidenz Verantwortung für Gesundheit der Bevölkerung
Koordination & Interessenvertretung für Patienten
Gesellschaftsausrichtung
Ansatz
zentriert auf Patient und Umfeld
personenbezogene Betreuung
Patient-ArztBeziehung
Primärversorgung
Erstkontakt, offener Zugang, unselekt. Probleme
ganzheitliches Modell
klinische Arbeit Arzt-Patient-Kommunikation Praxis-Management
Haltung
Abb. 1.
akute und chronische Probleme Gesundheitsförderung Kontinuität umfassender
Wissenschaftlicher Ansatz
Kontext
physisch, psychisch, sozial, kulturell, existentiell
Europäische Definition der Hausarztmedizin: Kernkompetenzen und Wesensmerkmale (Wonca 2002) @ 2004 U. Grüninger / Schweizer Kollegium für Hausarztmedizin
Europäische Definition der Allgemeinmedizin / Hausarztmedizin (gemäß WONCA): Kernkompetenzen und ihre Wesensmerkmale
348
Carsten Kruschinski, Eva Hummers-Pradier, Hannover
Tabelle 1. Kennzeichen bei der Differentialdiagnose Asthma und COPD (entnommen [3]) Merkmal
COPD
Asthma
Alter bei Erstdiagnose
Meist 6. Lebensdekade
Meist Kindheit, Jugend
Tabakrauchen
Überwiegend Raucher
Kein Kausalzusammenhang
Atemnot
Bei Belastung
Anfallsartig auftretend
Allergie
Selten
Häufig
Reversibilität der Obstruktion
Nicht voll reversibel, progredient
Gut reversibel: Δ FEV1 > 15 %, variabel, episodisch
Ansprechen auf Corticosteroide
Gelegentlich
Regelhaft vorhanden
konfrontiert. Am Beispiel der obstruktiven Atemwegserkrankungen bedeutet dies in der Regel das Stellen der Erstdiagnose „Asthma“ oder „COPD“ bei einer eher unspezifischen Symptomatik der Atemwege bzw. das frühzeitige Erkennen von drohenden Verschlechterungen (Exazerbationen). Darüber hinaus übernimmt der Hausarzt die Langzeitbetreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen. Also beinhaltet die komplexe hausärztliche Arbeitsweise neben Diagnostik und Therapie auch Aspekte der Prävention, der Rehabilitation und der Versorgungskoordination. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist die Orientierung an Leitlinien, die nur Teilbereiche der Versorgungskette abbilden, oft nicht ausreichend [1]. Es existiert eine Vielzahl beachteter internationaler Leitlinien (z.B. SIGN [Scottish Intercollegiate Guidelines Network], GINA [Global Initiative for Asthma]), die allerdings z.T. eher spezialärztlich ausgerichtet sind. Die kürzlich fertiggestellten Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) Asthma und COPD unter der Trägerschaft der Bundesärztekammer, der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung stellen hier eine wichtige Ergänzung dar [2, 3], da auch die für die hausärztliche Arbeitsweise spezifischen Belange erstmals in einem konsentierten Rahmen dargestellt werden.
2
Kernaussagen der Leitlinien
Algorithmen zur Klassifizierung typischer Symptome gestatten die Verdachtsdiagnose von Asthma bzw. COPD [2, 3]. In den meisten Fällen können beide Erkrankungen mit Hilfe einer spirometrischen Untersuchung festgestellt werden. Zu ihrer differentialdiagnostischen Abgrenzung sei auf Tabelle 1 verwiesen. Ihre Differenzierung ist klinisch bedeutsam, da Behandlung und Prognose beider Krankheitsbilder unterschiedlich sind. In der hausärztlichen Praxis ist des Weiteren die Dauertherapie einer bereits bekannten obstruktiven Atemwegserkrankung von Bedeutung. Leitlinien stellen Stufenschemata zur Verfügung, bei denen sich die Auswahl geeigneter Medikamente an der Symptomausprägung beim einzelnen Patienten orientiert (s. Kapitel Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale: Erwachsene, Medikamentöse Therapie von Asthma bronchiale bei Kindern und Jugendlichen sowie Medikamentöse Therapie der COPD). Zur Symptomkontrolle wird in der Regel auf der dem augenblicklichen Schweregrad der Erkrankung entsprechenden Stufe bzw. der nächsthöheren Stufe begonnen. Nach Kontrolle der akuten Symptome kann für die Langzeittherapie ein Rückgang auf die nächsttiefere Stufe erfolgen („Step
Allgemeinärztliche Versorgung
349
down“). Bleibt die Symptomatik über einen längeren Zeitraum stabil (ca. ein bis zwei Monate, bei inhalativen Corticosteroiden (ICS) mindestens über drei Monate), ist eine stufenweise Reduktion der Therapie möglich [4]. Wichtig ist, dass die bronchialen Depositionsraten von ICS sich in Abhängigkeit vom Applikationssystem stark unterscheiden. Somit ist nicht nur die Wirkstärke eines Corticosteroids, sondern auch das Inhalationssystem (und dessen korrekte Verwendung) eine wichtige Determinante der verfügbaren Dosis. Daher sind die richtige Handhabung z.B. von Trockenpulverinhalationssystemen (DPI) oder Treibgasdosieraerosolen (pMDI) ein wichtiges Ziel der hausärztlichen Beratung. Bei DPI ist eine rasche, kräftige Inspiration anzustreben, wohingegen pMDI eher mittels langsamer Inhalation und Atemanhalten zu verwenden sind. Dabei ist ein sog. Spacer, also ein vorgeschaltetes großvolumiges Aufsatzstück, zu empfehlen, der die bronchial verfügbare Dosis deutlich erhöht.
3
Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Leitlinien im hausärztlichen Arbeitsbereich
Die personenzentrierte, kontinuierliche Betreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen erfordert spezifische Problemlösungsfähigkeiten. Gerade in Deutschland findet sich ein auffälliger Kontrast zwischen der sehr patientenzentrierten Sichtweise befragter Hausärzte und der sachbezogenen und von empirischen Therapiestudien geprägten Perspektive evidenzbasierter Leitlinien [5]. Externe Evidenz beruht auf der Untersuchung von Patientenkollektiven und beweist die Wirksamkeit einer Behandlung für „Durchschnittspatienten“. Hausärzte sehen ihre Patienten jedoch als Einzelpersonen mit individuellen Wünschen und Bedürfnissen. Daher entsteht häufig der Eindruck, keine „passenden“ Patienten für eine empfehlungsgerechte Therapie zu haben. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Multimorbidität vieler älterer hausärztlicher Patienten. Sollen alle relevanten Leitlinien für einen individuellen Patienten angewendet werden, entstehen rasch unübersichtliche Therapieschemata mit drohender Zunahme unerwünschter Arzneimittelwirkungen oder etwa Complianceprobleme [6]. Die umfangreiche Literatur zum Thema Patientenzentriertheit und geteilte Entscheidungsfindung („Shared decision making“) zeigt, dass die Integration von Patientenperspektiven und -wünschen ein wichtiges Element allgemeinmedizinischer Arbeit ist [7]. Ein partnerschaftlicher, patientenorientierter Konsultationsstil fördert die Zufriedenheit und Gesundheit der Patienten [8]. Patientenorientierung ist also ein Qualitätsmerkmal, dessen Stellenwert durchaus gegen das Qualitätsmerkmal „leitliniengerechte Therapie“ abgewogen werden muss. Die Therapieziele können daher im Einzelfall ganz unterschiedlich aussehen und müssen im Gespräch mit dem Patienten ermittelt werden.
4
Diagnostik und Verlaufskontrollen mit Hilfe des Peak-flow
Die leitliniengerechte Lungenfunktionsdiagnostik erfordert das Vorhandensein eines entsprechenden Messgerätes, wovon nur bei einem Teil der hausärztlichen Praxen ausgegangen werden kann [1]. Die Diagnose eines Asthma bronchiale ist zudem bei der Messung von Normwerten in der Spirometrie nicht ausgeschlossen, etwa wenn die Lungenfunktionsuntersuchung im symptomfreien Intervall erfolgt. Provokationstests z.B. mit Metacholin können hier Klarheit verschaffen, sind aber dem Spezialisten vorbehalten; alternativ
350
Carsten Kruschinski, Eva Hummers-Pradier, Hannover
kann ein körperlicher Belastungstest über ca. sechs Minuten Dauer durchgeführt werden. In der Hausarztpraxis hat sich für Diagnose und Verlaufskontrolle von Asthma die Patientenselbstmessung des Peak-flow-Wertes (s. Kapitel Diagnostik und Früherkennung von Asthma bronchiale bei Erwachsenen) als nützlich erwiesen. Dabei können Schwankungen mittels eines Protokolls, das auch den individuellen Bestwert enthält, erfasst werden. Man beobachtet eine zirkadiane PEF-Variabilität, d.h. der minimale PEF-Morgenwert schwankt bei Messungen über sieben Tage in Prozent des individuellen PEF-Bestwertes. Dabei sind Schwankungen von mehr als 20 % typisch für (unzureichend kontrolliertes) Asthma. Ideal wären Messungen an mindestens drei Tagen einer Woche über insgesamt zwei Wochen. Die zirkadiane PEF-Variabilität kann auch bei Kindern untersucht werden. Die Verordnung eines Peak-flow-Meters gehört zum Management eines Asthmapatienten; bei der Behandlung hausärztlicher Asthmapatienten liefert ein Peak-flow-Protokoll in Zusammenhang mit der Anamnese wertvolle Hinweise für eine Verschlechterung der Beschwerden bzw. für eine noch insuffiziente Behandlung. Wenn dem Hausarzt auch weniger diagnostische Möglichkeiten als dem Spezialisten zur Verfügung stehen, so hat er doch meist bessere Möglichkeiten der Verlaufskontrolle. Durch die Beobachtung von Patienten im Sinne eines „abwartenden Offenhaltens“ oder im Rahmen eines Therapieversuchs bzw. durch Kenntnisse des Patienten über Jahre hinweg („erlebte Anamnese“) wird sich die Verdachtsdiagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung in der Regel verifizieren lassen.
5
Schwierigkeiten einer leitlinienorientierten Therapie in der täglichen hausärztlichen Praxis
In der hausärztlichen Praxis erfolgt ein Teil der therapeutischen Maßnahmen ex iuvantibus ohne sichere Diagnose. Nicht nur die möglicherweise fehlende Ausstattung, sondern auch klinische Gründe führen oftmals bewusst zu einer eher symptom- statt krankheitsorientierten Behandlungsstrategie, die kein Qualitätsdefizit, sondern ein sinnvolles Vorgehen darstellen kann. Asthma bronchiale kann sich beispielsweise unter dem Bild einer akuten Bronchitis mit länger andauerndem Husten manifestieren. Hier sind die Grenzen zwischen intermittierendem Asthma („spastische Bronchitis“) und unkomplizierten Bronchitiden fließend. Eine Untersuchung basierend auf hausärztlichen Routinedaten hat gezeigt, dass die Verwendung von in Deutschland häufig benutzten Diagnosen wie der „asthmoiden Bronchitis“ nicht zu einer wesentlichen relativen Unterversorgung mit ICS führt [9]. Ein Therapieversuch mit kurzwirksamen Beta-Sympathomimetika ex iuvantibus bei protrahiert verlaufender akuter Bronchitis kann im hausärztlichen Arbeitsbereich ebenfalls ein sinnvolles therapeutisches Vorgehen darstellen [10]. Auch die COPD geht mit Husten als einem ihrer Leitsymptome einher. An dieser Stelle greift wiederum die in Kürze fertig gestellte DEGAM-Leitlinie „Husten“ an, die – wie bei den meisten DEGAM-Leitlinien intendiert – eine am Leitsymptom orientierte Herangehensweise skizziert. Es ist bekannt, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Asthmatiker eine Therapie erhält, die nicht mit den Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga vereinbar ist. Dies betraf in einer Beobachtungsstudie immerhin 65 % aller Patienten, die wegen Asthma ins Krankenhaus eingewiesen wurden [11], aber auch 47 % der Patienten bei der Entlassung aus dem Krankenhaus. Problematisch ist insbesondere die Unterversorgung mit oralen Corticosteroiden und ICS. Nur 44 % erhielten vor Einweisung ins Krankenhaus ein ICS. In der AIRE-Studie zeigten sich in 7 anderen europäischen Ländern vergleichbare Ergebnisse [12]. 32 % der Patienten in [11] erhielten Mucolytika, die in ihrer
Allgemeinärztliche Versorgung
351
Anwendung bei Asthmatikern möglicherweise auf eine unzureichende Kontrolle der Hustensymptomatik hinweisen. Die Ursachen dieser unvollständigen Leitlinienadhärenz, die sich (z.T. in geringerem Ausmaß) auch in anderen Ländern beobachten lässt (AIRE), sind nicht vollständig geklärt. Die oben genannte stark patientenzentrierte Arbeitsweise mit Berücksichtigung individueller Präferenzen wird ebenso dazu beitragen wie das (bis dato) Fehlen von klaren Empfehlungen, die die Spezifika der hausärztlichen Versorgung berücksichtigen. Wissensdefizite, z.B eine Überschätzung der unerwünschten Wirkungen von Corticoiden oder der Rolle bakterieller Infekte bei Exazerbationen oder eine Fehleinschätzung klinischer Zeichen („eitriges“ Sputum als angeblicher Beweis einer bakteriellen Infektion) mögen ebenfalls dazu beitragen (s. nächster Absatz).
6
Spezielle Behandlungssituationen in der hausärztlichen Praxis
Als relativ häufige Behandlungssituationen beim Hausarzt sind (Infekt-)Exazerbationen eines Asthmas zu nennen, v.a. im Rahmen von Virusinfekten der Atemwege. Neben einer Überprüfung der Basistherapie ist dann zusätzlich – unabhängig vom Stufenplan – die kurzfristige Anwendung eines oralen Corticosteroids angezeigt. Dies wird u.a. aus – bei kurzfristiger Therapie unbegründeter – Angst vor den Nebenwirkungen oftmals nicht angesetzt [13]. Auch Exazerbationen einer COPD mit Zunahme von Husten, Auswurf und/oder Atemnot werden überwiegend durch Bronchialinfekte ausgelöst. Bei der Exazerbation einer COPD sollte – wie beim Asthma auch – zunächst die Basistherapie intensiviert werden. Auch hier ist etwa die Gabe systemischer Corticosteroide (20–40 mg Prednisolonäquivalent pro Tag) für maximal 14 Tage indiziert. Die Entscheidung, ob Exazerbationen bzw. allgemein Atemwegsinfekte viral oder bakteriell bedingt sind, kann klinisch nicht mit ausreichender Sicherheit getroffen werden. Laut NVL gilt ein bakterieller Infekt bei vermehrtem „Sputumvolumen oder Purulenz“ als „eher wahrscheinlich“ [3]; nur dann seien Antibiotika indiziert. Dabei wird aber weder die Häufigkeit dieses Symptoms bei geringer Spezifität und der bei unselektierten hausärztlichen Patienten niedrige positive prädiktive Wert von „Hinweisen“ auf bakterielle Infektionen noch die internationale Evidenz zum geringen Nutzen von Antibiotika bei Atemwegsinfekten thematisiert. Derzeit ist der Nutzen laborchemischer Marker wie Procalcitonin zur Unterscheidung viraler von bakteriellen Atemwegsinfekten Gegenstand von Studien [14]. Allgemein kann bei akutem Husten – unabhängig von einer bekannten obstruktiven Atemwegserkrankung – davon ausgegangen werden, dass Antibiotika insgesamt zu häufig verordnet werden [15]. Dabei spielen gelegentlich auch Patientenwünsche eine Rolle. Ärzte scheinen jedoch zumindest teilweise die Wünsche ihrer Patienten bzw. die Bedeutung einer „Wunschverordnung“ für die Patientenzufriedenheit zu überschätzen [16]. Ein akuter Asthmaanfall stellt eine Notfallsituation in der Allgemeinpraxis dar. Seine Behandlung wird in Kapitel Medikamentöse Therapie des Asthma bronchiale: Erwachsene sowie in Kapitel Medikamentöse Therapie von Asthma bronchiale bei Kindern und Jugendlichen ausführlich beschrieben. Aus hausärztlicher Sicht bedeutsam ist, dass die orale Gabe von Steroiden der intravenösen Gabe nicht unterlegen ist und dass intravenöses Theophyllin beim akuten Asthmaanfall häufig nicht zu einer zusätzlichen Bronchodilatation verglichen mit der Standardtherapie aus inhalativem Bronchodilatator und Steroid führt [2]. Da relevante unerwünschte Wirkungen wie Palpitationen, Arrhythmien und
352
Carsten Kruschinski, Eva Hummers-Pradier, Hannover
Erbrechen ausgelöst werden können, ist eine Akutbehandlung mit Theophyllin in der Hausarztpraxis nicht indiziert. Eine Schwangerschaft kann den Asthma-Verlauf sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Eine engmaschige Betreuung von Schwangeren mit bekanntem Asthma ist daher empfehlenswert, um die Therapie gegebenenfalls frühzeitig anpassen zu können. Die Basistherapie (ICS, Beta-2-Sympathomimetika) sollte keinesfalls abgesetzt werden [2]. Auch orale Corticosteroide sind bei schwerem Asthma oder akuten Verschlechterungen wie gewohnt anzuwenden. Sie sollten – wenn indiziert – niemals aus Gründen der Schwangerschaft vorenthalten werden, da die möglichen Komplikationen eines schlecht eingestellten Asthmas – beschrieben ist u.a. eine erhöhte perinatale Mortalität des Neugeborenen – stets höher zu bewerten sind als mögliche schädliche Auswirkungen der Therapie selbst. Asthmatikerinnen sollten zum Stillen angehalten werden [17] – auch hier unter Einnahme der üblichen anti-asthmatischen Medikation.
7
Nichtmedikamentöse Maßnahmen und präventive Aspekte
Zusätzlich zu den bislang genannten medikamentösen Empfehlungen sind weitere Maßnahmen als wichtiger Bestandteil der Therapie von Asthma und COPD zu empfehlen. Leitlinien erwähnen oft, dass Patientenschulungen zu einer deutlich besseren Symptomkontrolle führen und dass die Häufigkeit akuter Asthmaanfälle bzw. bei der COPD von akuten Exazerbationen und Notfallbehandlungen dadurch verringert werden kann. Für den Hausarzt stellt sich in praxi jedoch das Problem mangelnder Umsetzbarkeit. Eigene Schulungsangebote in der Praxis durchzuführen, stellt einen erheblichen organisatorischen Aufwand – zudem ohne Abbildung im Abrechnungskatalog – dar. Schulungsangebote etwa von Krankenkassen oder Volkshochschulen dürften nur in Einzelfällen zu finden sein. Anders als beispielsweise in England gibt es derzeit auch keine speziell für solche Zwecke weitergebildeten Krankenschwestern bzw. Arzthelferinnen. An dieser Stelle besteht ein erheblicher Bedarf zur Verbesserung der Versorgung über die rein medikamentöse Behandlung des Patienten hinaus [18]. Asthmatikern sollte unter Berücksichtigung der individuellen und aktuellen Leistungsfähigkeit eine regelmäßige sportliche Betätigung empfohlen werden. Starke körperliche Belastung kann zwar eine Obstruktion auslösen und somit zur Negativerfahrung des Asthmatikers werden (Anstrengungsasthma). Dies unterstreicht die Notwendigkeit von Schulungen und eines individuellen Trainingsprogramms, stellt jedoch nicht den Sinn einer grundsätzlichen Verbesserung der kardiopulmonalen Belastbarkeit in Frage. Bei adipösen Asthmatikern sollte eine Gewichtsreduktion angestrebt werden. Bei COPD-Patienten stellen auch Unterernährung und ungewollter Gewichtsverlust ein Problem dar [3], da sie mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind. Daher sind regelmäßige Körpergewichtskontrollen genauso angezeigt wie ggf. die Einleitung einer Ernährungssupplementierung zum Erreichen einer Gewichtszunahme. Tabakrauch (auch passiv) verschlimmert Asthma bzw. ist als auslösender Faktor bekannt, so dass Maßnahmen der Raucherentwöhnung bzw. Expositionsverminderung insbesondere bei Kindern ergriffen werden sollten. Bei der COPD stellen der Verzicht auf Tabakrauchen bzw. die Raucherentwöhnung wesentliche Maßnahmen dar, da das Rauchen als wichtigster pathogenetischer Faktor belegt ist. Die Rauchgewohnheiten sollten regelmäßig dokumentiert werden, und der Arzt sollte bei jedem Patientenkontakt dringend zur
Allgemeinärztliche Versorgung
353
Abstinenz raten. Dazu gehört z.B. auch das Aushändigen von Informationsmaterialien oder die Erläuterung medikamentöser Entwöhnungshilfen. Bei diagnostizierter COPD sollte jährlich gegen Influenza geimpft werden. Desgleichen wird altersunabhängig die Pneumokokkenschutzimpfung empfohlen (STIKO). Ein aktuell erschienenes Cochrane Review findet jedoch keinen wissenschaftlichen Beleg für eine signifikante Beeinflussung von Morbidität und Mortalität [19]. Die Indikationen zur Rehabilitation werden ebenfalls in der jeweiligen NVL hervorgehoben und in diesem Buch an anderer Stelle beschrieben (s. Kapitel Rehabilitation bei Asthma bronchiale und COPD: Erwachsene, Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen). Wichtig für den Hausarzt wären das Aufgreifen der zeitlich befristeten Rehabilitationsmaßnahme und ihre Fortsetzung durch ergänzende nichtmedikamentöse Langzeitangebote wie beispielsweise Nachschulungen oder Lungensport. Auch hier gelten aber die oben genannten Versorgungsprobleme, da es bislang keine flächen- und bedarfsdeckenden ambulanten Schulungsangebote gibt [2]. Dies gilt auch für psychosoziale Behandlungskonzepte obstruktiver Atemwegserkrankungen sowie atemtherapeutische Maßnahmen, die daher oft nicht in ein längerfristiges ambulantes Betreuungsangebot eingebunden werden können. Für beide Ansätze gibt es einige Evidenz [2, 3], allerdings auch weiteren Forschungsbedarf. Disease Management Programme (DMP) könnten an dieser Stelle zu einer verbesserten Versorgung beitragen; ihr Nutzen bleibt aber noch zu evaluieren.
Literatur 1. Schneider A et al. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2006; 100: 419–423 2. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (äzq). http://www.asthma.versorgungsleitlinien.de 3. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (äzq). http://www.copd.versorgungsleitlinien.de 4. Hawkins G et al. BMJ 2003; 326: 1115 5. Hummers-Pradier E et al. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2000; 94: 379–387 6. Boyd C et al. JAMA 2005; 294: 716–724 7. Ford S et al. Soc Sci Med 2003; 56: 589–602 8. DiBlasi Z et al. Lancet 2001; 357: 757–762 9. Fassheber S et al. Z Allg Med 2004; 80: 396 (V21) 10. Hueston WJ. J Fam Pract 1994; 39: 437–440 11. Hummers-Pradier E et al. Pneumologie 2003; 57: 655–661 12. Rabe KF et al. Eur Respir J 2000; 16: 802–807 13. Hummers-Pradier E und Kochen MM. Z Allg Med 1999; 75: 375–380 14. Briel M et al. BMC Fam Pract 2005; 6: 34. 15. Hummers-Pradier E et al. Eur J Gen Pract 1999; 5: 15–20 16. Himmel W et al. Scand J Prim Health Care 1997; 15: 118–122 17. Berdel D et al. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2006; 100: 425–430 18. Spielberg P. Deutsches Ärzteblatt 2006; 103: A-3240 19. Granger R et al. Cochrane Database of Systematic Reviews 2006; Issue 4. Art. No.: CD001390.
Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma
355
Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma bronchiale Andreas Hellmann, Augsburg
1
Krankheitserkennung in der Primärversorgung
Obwohl die Prävalenz von obstruktiven Atemwegserkrankungen in Hausarztpraxen auf 30 % geschätzt wird [35, 38], bestehen Lücken in der Behandlung von Patienten mit obstruktiven Erkrankungen. Die Erkennung obstruktiver Atemwegserkrankungen in der Hausarztpraxis scheint nicht systematisiert zu sein. Selbst bei nachgewiesener Obstruktion in der Lungenfunktion wird die Diagnose Asthma oder COPD nur bei 50 % der Patienten gestellt. Gerade bei der COPD besteht die Gefahr, dass ohne einen systematischen Erkennungsprozess ein Großteil der Kranken nicht entdeckt wird. Während der Asthmatiker wegen seiner Symptome meist von sich aus den Arzt aufsucht, hat der Patient mit COPD gelernt, sich mit seinen Symptomen zu arrangieren. Bei der zunehmenden Prävalenz der Erkrankung in höherem Alter und bei Rauchern könnte die Durchführung einer regelhaften spirometrischen Untersuchung in der Hausarztpraxis einmal im Jahr bei dieser Zielgruppe zu einer vermehrten und damit auch frühzeitigeren Entdeckung obstruktiver Atemwegserkrankungen führen. Das Kompendium „Qualitätsmanagement Asthma/COPD“ des deutschen Hausärzteverbandes (Münster, 2005) gibt hierzu keine Empfehlungen. Vor Einführung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes EBM 2000 war ein großer Teil (42 % nach Szecsenyi persönliche Mitteilung 2003) der hausärztlichen Praxen nicht mit einem Spirometriegerät ausgestattet. Damals wurden in Bayern in Hausarztpraxen ungefähr drei Spirometrien auf 100 Fälle im Quartal erbracht. Das sind in einer 800-Scheine-Praxis rund 25 Spirometrien im Quartal [37]. Nach der Einführung des neuen einheitlichen Bewertungsmaßstabes im Jahr 2005, der die Spirometrie u.a. in einer Komplexziffer lokalisiert hat, ist die tatsächliche Frequenz dieser Untersuchung nicht mehr sicher anzugeben. 98,8 % aller Hausarztpraxen in Bayern rechnen aber diese Gebührenziffer ab, die die Vorhaltung einer Spirometrie zur Voraussetzung hat. Ob sich damit die tatsächliche Anzahl der Untersuchungen erhöht hat, ist aber nicht darstellbar. Hinsichtlich eines großen Anteils an verborgener Morbidität obstruktiver Atemwegserkrankungen wäre eine regelhafte spirometrische Untersuchung in der Hausarztpraxis insbesondere bei Risikogruppen sicher der richtige Weg, um den großen Anteil nicht diagnostizierter und nicht behandelter Asthma- und COPD-Kranker zu verringern.
356
Andreas Hellmann, Augsburg
2
Diagnostischer Prozess als Schnittstelle zwischen Primärversorgung und pneumologischer Versorgung
2.1
Peak-Flow-Messung
In den meisten Leitlinien wird nicht die Versorgungsebene, sondern die notwendigen Untersuchung ohne eine Anmerkung zur durchführenden Struktur angegeben. Die Peak-Flow-Messung hält sich standhaft in den meisten Leitlinien, spielt aber in der Praxis zur Sicherung der Diagnose so gut wie keine Rolle. Dies ist auch gut so, da der Peak Flow nicht geeignet ist, mit ausreichender Sensitivität und Spezifität ein Asthma bronchiale zu diagnostizieren. In einer prospektiven Studie [12] an 121 Patienten mit Verdacht auf Asthma bronchiale kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die Bestimmung der Peak-Flow-Variabilität im Vergleich zum inhalativen Provokationstest mit Metacholin die Sensitivität, Asthmatiker zu erkennen, bei 53,6 % lag. Hinzu kam, dass die Compliance, 2–3 Wochen Peak-Flow-Messungen 2x täglich durchzuführen, mit 50,4 % deutlich unter derjenigen lag, einen inhalativen Provokationstest mit Metacholin durchführen zu lassen (66,1 %). Der hohe Schulungsaufwand und die mangelnde Compliance der Peak-Flow-Messung [20] belegen, dass diese Untersuchungsmethode gerade unter den Bedingungen des deutschen Versorgungsniveaus zur Diagnose des Asthmas bronchiale die schlechteste (und wahrscheinlich teuerste) Variante der Asthmadiagnose darstellt. Bellia et al. fassen die Probleme der Peak-Flow-Messung zusammen: Die Peak-FlowMessung hat mehrere methodologische Probleme: Es fehlen die Zuverlässigkeit und die Sensibilität, um Änderungen der Bronchusweite zu entdecken; die Compliance im Langzeit-Monitoring lässt zu wünschen übrig, und die Unterscheidung zwischen Asthmatikern und Nicht- Asthmatikern ist nicht sichergestellt [4]. Trotzdem wird diese, in der Literatur weitgehend übereinstimmend [1, 20] als ungeeignet identifizierte Methode immer wieder repetitiv in Veröffentlichungen und auch der Rechtsverordnung zum DMP (Elfte Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (11. RSA-ÄndV) vom 22. Dezember 2004, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004 Teil I Nr. 73, ausgegeben zu Bonn am 28. Dezember 2004) als Alternative erwähnt.
2.2
Spirometrie
Ohne Zweifel ist die Spirometrie die wichtigste und entscheidende Untersuchung bei Verdacht auf eine Atemwegserkrankung. Nachteile der Methode sind die mangelnde Sensitivität durch große interindividuelle Normbereiche, begrenzte Spezifität, da auch außerpulmonale Faktoren wie Muskelkraft, Thoraxkonfiguration in die Messung mit einfließen sowie die Abhängigkeit von Mitarbeit und Motivation des Patienten. Bei einer durchschnittlichen Untersuchungsfrequenz von zwei bis drei Spirometrien pro Woche [37] in einer durchschnittlichen Hausarztpraxis muss der Qualität der Lungenfunktionsuntersuchungen Aufmerksamkeit geschenkt werden. International vereinbarte Standards sollten eingehalten werden [21]. Dies ist uneingeschränkt für die Hausarzt- und für die fachärztliche Praxis zu fordern.
Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma
357
In der Praxis macht es Sinn, Patienten mit Verdacht auf eine obstruktive Atemwegserkrankung diagnosenah beim Pneumologen vorzustellen. Dies dient der Selbstevaluation der Spirometrie in der Hausarztpraxis und sichert den zukünftigen Behandlungsprozess ab. Die Prävalenz und das unausgelesene Patientengut in der Hausarztpraxis führen zu einer anderen Vortestwahrscheinlichkeit bezüglich einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Gegensatz zu einer pneumologischen Facharztpraxis. Dazu darf eine einfache Rechnung dienen: Geht man von einer Prävalenz von 4 Mio. Asthmatikern der Bundesrepublik aus, so ist bei gleichbleibender Morbidität ein Zuwachs (und Abgang) von 130.000 Asthmatiker jährlich zu erwarten. Diese 130.000 „neuen“ Asthmatiker bedeuten, dass 2–4 solcher Patienten im Jahresschnitt in einer durchschnittlichen Hausarztpraxis gesehen werden. Gleichzeitig sind die ca. 1000 niedergelassenen Pneumologen in der Lage, dieses Patientengut zeitnah zu sehen. Bei einer angenommenen Inzidenz von 130.000 Fällen würde nicht einmal ein Patient pro Tag und Pneumologe anfallen. Es macht deshalb Sinn und ist ökonomisch vertretbar, dass jeder Patient mit Verdacht auf eine obstruktive Atemwegserkrankung diagnosenah vom pneumologischen Facharzt gesehen wird. Tatsächlich scheint es aber so zu sein, dass bei Patienten, bei denen die Diagnose eines Asthma bronchiale oder einer COPD neu gestellt wird, von der Möglichkeit einer fachärztlichen Supervision nur selten Gebrauch gemacht wird. In einer Analyse in der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zeigte sich für das Jahr 2003, dass von 100 Patienten, die in den letzten 12 Monate eine Diagnose Asthma bzw. COPD erhalten haben, nur 11,2 beziehungsweise 15,4 vom Facharzt gesehen wurden. Eine vermehrte Inanspruchnahme des Facharztes im Rahmen der Primärdiagnostik könnte die Zahl der Drop-outs möglicherweise vermindern [34]. Tauscher hat Daten der KV Bayerns evaluiert. Dort zeigt sich, dass der Anteil an falsch positiven Asthmadiagnosen bei ca. 18 % liegt (Abb. 1). 120,0% 100,0% 80,0% 60,0%
9,3% 8,4%
Patienten mit nur einmaliger Asthmadiagnose ("falsche Inzidenz/ Beendigung") Therapie-Beender (1 Jahr) mit Vorbehandlung ("echte Beender")
10,3%
Erstzugänge (1 Jahr) mit Weiterbehandlung ("echte Inzidenz")
22,8%
sonstige Patienten mit wiederholter Asthma Diagnose, weiterhin in Behandlung
49,3%
Patienten mit Asthmabehandlungen in 4 aufeinanderfolgende Q. (gem. Bew.ausschuss)
40,0% 20,0% 0,0%
Abb. 1.
Beschreibung der Patienten mit Asthmadiagnosen [34]
358
3
Andreas Hellmann, Augsburg
Der diagnostische Prozess in der pneumologischen Facharztpraxis
In einer pneumologischen Facharztpraxis steht zur Diagnosesicherung, Schweregradeinteilung und Differenzialdiagnose ein weitgehend standardisierter Untersuchungsumfang zur Verfügung. In der Regel wird sich ein Patient mit Symptomen einer obstruktiven Atemwegserkrankung in der Facharztpraxis aufgrund einer Überweisung durch den Hausarzt vorstellen. Damit stellt sich die Situationen in einer pneumologischen Facharztpraxis aufgrund der hohen Vortestwahrscheinlichkeit bezüglich einer Diagnose Asthma oder COPD anders dar als in einer Hausarztpraxis mit unausgelesenem Patientengut. Köhler und Hellmann [18] haben den Prozess Atemnot im Rahmen der Entwicklung von Disease-Management-Programmen zusammengefasst (Abb. 2). Die in diesem Leitfaden erwähnten Untersuchungsmethoden der Bodyplethysmographie, der unspezifischen bronchialen Provokation, der Messung der Diffusionskapazität, der Bestimmung der arteriellen Blutgase in Ruhe und unter Belastung sowie die RöntgenThoraxuntersuchung steht in den pneumologischen Praxen regelhaft zur Verfügung.
3.1
Stellenwert der unspezifischen bronchialen Provokation und der Bodyplethysmographie im Rahmen der Stufendiagnostik obstruktiver Atemwegserkrankungen
Eine gesteigerte bronchiale Reaktivität (BHR) gegenüber unspezifischen Reizen (im Laborversuch meist Histamin oder Metacholin) ist ein Charakteristikum des Asthma bronchiale. Eine gesteigerte Reaktivität ist praktisch immer beim Asthmatiker nachweisbar, aber nicht hinreichend zur Diagnosestellung. Die BHR korreliert mit den zellulären Veränderungen der Atemwegsentzündung [6] und lässt damit einen direkten Blick auf die dem Asthma zugrunde liegende Pathophysiologie zu. Es besteht u.a. eine gute Korrelation zu den Asthmasymptomen [7, 25]. Der Cut-off zwischen empfindlich/nichtempfindlichen Individuen wird bei 8 mg/ml oder 8 mmol/l Metacholin angenommen [17]. Dadurch wird eine rationale Risikoabschätzung der Erkrankung möglich [27]. Die Empfindlichkeit z.B. gegenüber Histamin ist ein eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung von respiratorischen Symptomen. Diese Hyperreaktivität ist klar assoziiert mit steigender Sterblichkeit an Asthma und anderen Todesursachen [15]. Auch zur Abschätzung des Schweregrades eines Asthma bronchiale eignet sich die Messung der bronchialen Hyperreaktivität [28]. Gerade beim episodenhaft verlaufenden Asthma ist die Identifizierung der Hochrisikogruppen – auch in ökonomischer Hinsicht, denn hier entstehen die meisten, oft stationären Kosten – entscheidend. Die Messung und Quantifizierung der bronchialen Hyperreaktivität ist dafür die Methode der Wahl und darf nicht, weil in manchen Leitlinien nicht berücksichtigt, vergessen werden. Der Nachweis einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität (BHR) bei Patienten mit COPD ist mit einer Verschlechterung der Prognose verbunden. Die Existenz einer BHR könnte das Ansprechen auf eine systemische oder inhalativen Steroidtherapie beeinflussen. Für die klinische Praxis ist die Messung der BHR eine “second line”-Untersuchung für Patienten mit unklarer Symptomatik, für Patienten, die nicht in der Lage sind, ein Spiromet-
Abb. 2.
Leitfaden zur Abklärung Dyspnoe in der pneumologischen Praxis
Dieter Köhler Andreas Hellmann (4/2004)
vorwiegend COPD
nein
vorwiegend chron. obstr. Bronchitis
nein
ja
nein
nein
deutlich reversibel?
ß2-Inhalation
ja
ja
ja
nein
ja
vorwiegend Emphysem
Wahrscheinlich (vorwiegend) Asthma
Obstruktion?
GKP/Lufu
(ggf. nur episodisch)
Leitsymptom Atemnot
KCO reduziert?/ Bel.-Hypoxämie?
normal oder COPDtyp. Veränderungen?
Röntgen-Thorax
CO-Diff Belastungs-BGA
deutlicher Rückgang der Obstruktion?
orale Steroide 2 Wo oder inhalative Steroide 4Wo
ja
(chronisch oder episodenhaft)
Praxisleitfaden Pneumologie Abklärung Dyspnoe in der pneumologischen Praxis
ja
nein
wahrscheinlich HV-Syndrom
positiv?
Hyperreagibilitätstest
nein
-(Links)-Herzinsuffizienz -Fibrosen -Lungenembolie -Tumor -Fremdkörperaspiration weitere Diagnostik z.B: -Rö-Thorax EKG -Bel.-BGA/ Ergospirometrie -CO-Diff. -Herzecho Thoraxsono -CT -Labor
andere Erkrankung z.B:
positiv?
Hyperventilationstest bei klin. Verdacht
Ein Praxisleitfaden soll eine grobe Orientierung über Abläufe geben. Er ersetzt nicht Leitlinien, sondern ist eher diesen vorgeschaltet. Auch ersetzt er nicht das Nachdenken im Einzelfall, wo jederzeit Abweichungen möglich sind. Unschärfen z.B. sichtbar in fehlenden Grenzwerten sind aus Gründen der Übersichtlichkeit unvermeidbar.
Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma 359
360
Andreas Hellmann, Augsburg
riemanöver durchzuführen (oder ein Peak-Flow-Protokoll anzufertigen) [2]. Es handelt sich um einen hochpraktikablen Ansatz der Diagnosesicherung und der Differenzialdiagnose eines Asthma bronchiale. Insbesondere im Zusammenspiel mit weiteren Untersuchungen zeigt sich die Wertigkeit der Messung der BHR. In einer Studie konnten die Peak-Flow-Messung und die Bestimmung der BHR zusammen knapp 90 % der symptomatischen Patienten identifizieren [33]. Die Messung der BHR hat also einen festen Platz im Diagnosealgorithmus Asthma bronchiale, insbesondere bei den Patienten, die ein „cough variant“-Asthma haben, die atypische Befunde in den Basisuntersuchungen produzieren oder die nicht compliant sind [14, 16].
3.2
Bodyplethysmographie
Die Bodyplethysmographie ist eine von der Mitarbeit des Patienten weitgehend unabhängige Messmethode, deren Messwerte ein hohes Maß an Sensitivität, Spezifität und prädiktivem Wert haben. Bei Asthma bietet die Bodyplethysmographie wichtige Informationen zum erhöhten Atemwiderstand und dem Zustand der Lungenüberblähung. In Verbindung mit der Heliumeinwaschmethode erlaubt die funktionelle Residualkapazität Aussagen über ‚Air trapping‘ [31]. Studien zeigen, dass bodyplethysmographisch gemessene Atemwiderstände bei Kindern mit Asthma einen hohen prädiktiven Wert haben [23]. Gerade die Unabhängigkeit von der Mitarbeit der Patienten macht die Bodyplethysmographie zu dem entscheidenden Werkzeug der Supervision der Asthmapatienten durch den Facharzt. Die Bodyplethysmographie ist in der Lage, Qualitätsmängel der Spirometrie oder der Peak-Flow-Messung auszugleichen. Die Vorteile der Bodyplethysmographie machen sich insbesondere bei der Messung der bronchialen Reaktivität bemerkbar. Die Atemmanöver auf der physiologischen Atemmittellage, die Vermeidung von unphysiologischen Expirationsmanövern und die Messung weiterer für die Obstruktion relevanter Parameter (TLC, Raw, SRaw, SGaw) machen die Ganzkörperplethysmographie zur notwendigen Vorraussetzung für bronchiale Provokationsteste. Die Spirometrie und die Ganzkörperplethysmographie messen unterschiedliche, pathophysiologisch wichtige Parameter bei bronchopulmonalen Krankheiten. Hinzu kommt, dass die subjektiv empfundene Atemnot der Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen nicht mit der FEV1, sondern insbesondere mit forcierten inspiratorischen Atemmanöver (und der TLC) korreliert, die mit mechanischen Spirometern (z.B. Vitalog, weit verbreitet in den Vertragsarztpraxen) nicht problemlos gemessen werden können. Beide Methoden geben unterschiedliche Informationen, die jeweils für die Schweregrade ab Stufe II dieser Krankheiten von wesentlicher Bedeutung sind. Beide Methoden können sich nicht alternativ ersetzen.
Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma
3.3
361
Fachärztliche Aufgaben in der Differenzialdiagnose, Unterscheidung Asthma/COPD
Die Atemwegsobstruktion ist unspezifisch, auch bei Reversibilität von 15 % und Wirksamkeit von Bronchodilatoren können Nicht-Asthmaerkrankungen vorliegen (inhalierte Fremdkörper, obstruierende Tumoren, Vocal cord dysfunction, reactive airways dysfunction syndrome (RADS), postinfektiöse bronchiale Hyperreaktivität (BHR), Mukoviszidose, Bronchiektasen, Linksherzinsuffizienz, Refluxerkrankung, Lungenembolien, pulmonale Eosinophilie, medikamentös induzierte BHR: β-Blocker, ACE-Hemmer, nicht-steroidale antientzündlich wirksame Substanzen, Bronchialkarzinom, Tuberkulose, Hyperventilationssysndrom, chronische Pneumonien, Pneumokoniosen, Sarkoidose, rez. Lungenembolien). Patienten mit einer Atemwegsobstruktion, die nicht auf die übliche Behandlung ansprechen, die nicht in der Lage sind, ein Peak-Flow-Protokoll anzufertigen oder ein brauchbares Spirometriemanöver auszuführen, bedürfen weitergehender Exploration. Dazu gehören die üblichen Untersuchungen: erweiterte körperliche Untersuchung, Röntgen des Thorax, ggf. der Nasennebenhöhlen, Bodyplethysmographie, Quantifizierung der bronchialen Reaktivität, EKG, arterielle Blutgase, Diffusionskapazität, UKG, Young Test, ggf. 24 h pH-metrie, Computertomographie, Schweißtest, Bronchoskopie. Diese Untersuchungen ergeben sich im weiteren Verlauf und bauen z.T. aufeinander auf. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist aber die zwischen COPD und Asthma.
3.4
Disease Management als strukturbildendes Element einer rationalen Behandlung obstruktiver Atemwegserkrankungen
Ohne Zweifel hat sich das System der gegliederten Versorgung in der Bundesrepublik bewährt und wird seit Jahren durch den Verordnungsgeber gestützt. Die ambulante fachärztliche Versorgungsebene stellt ein wesentliches Qualitätsmerkmal des deutschen Gesundheitssystems dar. Dadurch wird – weltweit einmalig – der Zugang aller Versicherten zu fachärztlichen Leistungen garantiert. Dies trägt maßgeblich zur umfassenden Humanität und Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems bei. Seit Dezember 2004 ist die Elfte Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (11. RSA-ÄndV) in Kraft. Dort wird ausführlich zur Frage in der fachärztlichen Versorgungsnotwendigkeit Stellung genommen. Unter 1.6.2 Überweisung von der/dem koordinierenden Ärztin/Arzt zur/zum jeweils qualifizierten Fachärztin/Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung werden folgende Vorschläge gemacht: Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob insbesondere bei folgenden Indikationen/Anlässen eine Überweisung/Weiterleitung zur Mitbehandlung und/oder zur erweiterten Diagnostik von Patientinnen und Patienten zur/zum jeweils qualifizierten Fachärztin/Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung erfolgen soll: • bei unzureichendem Therapieerfolg trotz intensivierter Behandlung, • wenn eine Dauertherapie mit oralen Steroiden erforderlich wird, • vorausgegangene Notfallbehandlung, • Beenden einer antientzündlichen Dauertherapie,
362
Andreas Hellmann, Augsburg
• Begleiterkrankungen (z. B. COPD, chronische Sinusitis, rezidivierender Pseudo-Krupp), • Verdacht auf eine allergische Genese des Asthma bronchiale, • Verdacht auf berufsbedingtes Asthma bronchiale, • Verschlechterung des Asthma bronchiale in der Schwangerschaft. Die oben genannten Spiegelstriche beziehen sich weitgehend nur auf Patienten, die bereits über eine gesicherte Diagnose verfügen. Gleichzeitig ist dieser Katalog nicht abschließend, da im letzten Punkte „Im Übrigen entscheidet die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung“ die Verantwortung wieder an den behandelnden Hausarzt zurückgegeben wird. Analog wird in der 11. RSAV auch zur COPD Stellung genommen (1.6.2.): Die Ärztin oder der Arzt hat zu prüfen, ob insbesondere bei folgenden Indikationen/Anlässen eine Überweisung/Weiterleitung zur Mitbehandlung und/oder zur erweiterten Diagnostik von Patientinnen und Patienten zur/zum jeweils qualifizierten Fachärztin/Facharzt oder zur qualifizierten Einrichtung erfolgen soll: • bei unzureichendem Therapieerfolg trotz intensivierter Behandlung, • wenn eine Dauertherapie mit oralen Steroiden erforderlich wird, • vorausgegangene Notfallbehandlung, • Begleiterkrankungen (z. B. schweres Asthma bronchiale, symptomatische Herzinsuffizienz, zusätzliche chronische Lungenerkrankungen), • Verdacht auf respiratorische Insuffizienz (z. B. zur Prüfung der Indikation zur Langzeitsauerstofftherapie bzw. intermittierenden häuslichen Beatmung), • Verdacht auf berufsbedingte COPD. Im Übrigen entscheidet die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Überweisung. Die in der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung genannten Kriterien reichen aber nicht aus, um den gesamten Bereich der Schnittstelle zwischen Hausarzt und Facharzt in der Diagnose und Behandlung zu beschreiben. Im pflichtgemäßen Ermessen stehen weitere Probleme der Diagnose und Therapieentscheidung, bei Behandlungsproblemen und strukturellen Fragestellungen (u.a. Arbeitsfähigkeit, Heilverfahren). Ein Sonderproblem stellt die Frage des Therapieabbruchs oder besser der Therapiebeendigung dar. Gerade beim Asthma bronchiale gelingt es häufig, auch Patienten mit initial schweren Asthmasymptomen mit einer antientzündlichen Dauertherapie symptom- und beschwerdefrei zu bekommen. Unter schrittweiser Reduktion der Medikation bleibt der positive Behandlungserfolg bestehen, in manchen Fällen sogar nach Therapiebeendigung. In solchen Konstellationen sollte man sich nicht ausschließlich auf die subjektive Symptomfreiheit verlassen. Vor dem endgültigen Abbruch einer antientzündlichen Dauertherapie beim Asthma bronchiale sollte auf jeden Fall eine Lungenfunktion durchgeführt werden. Inwieweit unter diesen Bedingungen auch die Messung der bronchialen Reagibilität sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Insbesondere bei einer erheblichen bronchialer Hyperreagibilität in der Vorgeschichte ist ein entsprechender unspezifischer Provokationstest zu erwägen.
Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma
3.5
363
Abgestufte Therapieüberwachung, Schweregradorientierung, Intervalle
Auch bei höheren Schweregraden entscheidet der Hausarzt über die Allokation der Versorgungsebene nach pflichtgemäßem Ermessen. Neben der medizinischen Begründung einer Dauerbehandlung durch den Facharzt spielen Argumente in der psychosozialen Betreuung und der Pflegesituation eine überragende Rolle. Deshalb kann es auch hier keine klaren Vorgaben geben. Weitgehende Übereinstimmung besteht aber, dass eine Dauerbetreuung durch den Pneumologen chronisch kranker Asthma- oder COPD-Patienten bei den Schweregraden 3 und 4 zu erwägen ist und auch weitgehend konsentiert ist [3]. Gerade Patienten mit einer progredienten COPD höheren Schweregrades sollten frühzeitig einer Langzeitsauerstofftherapie zugeführt werden. Die Indikationsstellung ist analog der gültigen Leitlinie [19] durch mehrere Messungen der arterielle Blutgase und des Anstiegs des arteriellen Drucks unter Sauerstoffinsufflation Aufgabe einer pneumologischen Fachpraxis.
3.6
Kommunikation der Versorgungsebenen
Ein wesentlicher Mangel der gegliederten Versorgungsstruktur in der Bundesrepublik ist die mangelnde und nicht-standardisierte Dokumentations- und Kommunikationsstruktur der Leistungsanbieter untereinander. Ohne Zweifel führt dieser Mangel zu Qualitätsverlust und Unwirtschaftlichkeit. Für den ambulanten fachärztlichen Bereich, der unter dem Schlagwort der „doppelten Facharztschiene“ unter Druck geraten ist, ist die Verbesserung der Kommunikation und Dokumentation deshalb überlebenswichtig. Es fehlen Qualitätsstandards und Konsens über die zu verwendenden Formate. Die elektronische Gesundheitskarte könnte hier Strukturen bilden, wird aber von sehr vielen Ärzten abgelehnt. Trotzdem ist nicht mehr das Ob, sondern nur noch das Wann und Wie der Einführung der elektronischen Kommunikation zu diskutieren. Ein erster Schritt wurde im Vertrag zum DMP Asthma/COPD der KV Bayerns mit den Krankenkassen gemacht. Vertrags- und Vergütungsinhalt ist ein standardisierter Arztbrief vom Facharzt an den Hausarzt (Abb. 3). Hier werden erstmals die Diagnosen an die klaren Vorgaben der RSAV gekoppelt, dokumentiert und damit auch für Versorgungsforschung zugänglich. Diese Dokumentation ist dem Hausarzt zu übermitteln. Das kann nur ein Anfang sein. Arbeitsgruppen auf unterschiedlichen Ebenen befassen sich mit diesem Problem. Große Anbieter von Gesundheitstechnologie arbeiten am elektronischen Arztbrief. Innerhalb der Pneumologen wird ein IT basiertes Gesamtmodell diskutiert.
3.7
Indikation zur stationären Behandlung
Es dürfte eine banale Erkenntnis sein, dass die Notwendigkeit stationärer Behandlung mit dem Schweregrad der Erkrankung steigt. Als besondere Risikofaktoren sind [10] Raucherstatus, niedriger FEV1, niedriger O2, Einnahme von oralen Steroiden, mehr als dreimalige stationäre Behandlung im Vorjahr und Betreuung durch den Pneumologen anzusehen.
364
Andreas Hellmann, Augsburg
Adresse überweisender Hausarzt: Name Straße Ort
Arztstempel
Sehr geehrte Frau Kollegin / sehr geehrter Herr Kollege, vielen Dank für die Überweisung Ihres Patienten ______________________________ [Name]. Die hier durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, dass eine Einschreibung in das DMP Asthma möglich wäre unter folgenden Aufnahmekriterien: Die Messwerte der Lungenfunktion entnehmen Sie bitte dem beigefügten Original-Befund! Einschreibung
Für die Einschreibung muss eine asthmatypische Anamnese (längstens 12 Monate zurückliegend) und mindestens eines der folgenden Kriterien vorliegen. Für die Einschreibung berücksichtigte Befunde dürfen nicht älter als 12 Monate sein.
Erwachsene ( 18 Jahre)
Kinder (5 – 17 Jahre):
Reversibilitätstest mit Beta2-Sympathomimetika:
FEV1/VC 70% und Zunahme der FEV1 15 % und absoluter Wert der Zunahme 200 ml
Reversibilitätstest mit Beta2-Sympathomimetika:
FEV1/VC 75 % und Zunahme der FEV1 15 %
Reversibilitätstest mit Glukokortikosteriode (oral 14 Tage, inhalativ 28 Tage):
Zunahme der FEV1 15 % und absoluter Wert der Zunahme 200 ml
Reversibilitätstest mit Glukokortikosteriode (oral 14 Tage, inhalativ 28 Tage):
Zunahme der FEV1 15 %
Sonstige Diagnosesicherung durch:
Circadiane PEFVariabilität > 20 %
Sonstige Diagnosesicherung durch:
Circadiane PEFVariabilität > 20 %
Sonstige Diagnosesicherung durch:
Nachweis bronchiale Hyperreagibilität
Sonstige Diagnosesicherung durch:
Nachweis bronchiale Hyperreagibilität
Diagnosespezifische Regelmedikation (asthmatypische Anamnese und Diagnosestellung vor Therapiebeginn gemäß vorstehender Diagnoseverfahren erfüllt)
ja
Die von uns empfohlene Therapie lässt sich wie folgt klassifizieren: Aktuelle Medikation Kurzwirksame Beta-2-Sympathomimetika (bevorzugt inhalativ)
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Inhalative Glukokortikosteroide
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Inhalative lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Systemische Glukokortikosteroide
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Sonstige (z.B. Theophyllin, Leukotrien-RezeptorAntagonist)
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Zusätzlich von uns bereits veranlasste Maßnahmen: Schulungen Asthma-Schulung bereits vor Einschreibung in das strukturierte Behandlungsprogramm wahrgenommen
ja
nein
Asthma-Schulung empfohlen (bei aktueller Dokumentation)
ja
nein
Inhalationstechnik überprüft
ja
nein
Behandlungsplanung und vereinbarte Ziele Empfehlung zum Tabakverzicht
ja
nein
Schriftlicher Selbstmanagement-Plan
ja
nein
nicht durchführbar
Für weitere Fragen zur Einschreibung in das DMP Asthma stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Abb. 3a. Formular DMP-Einschreibeinformation (Stand_2006_03_08): Asthma
Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma
365
Adresse überweisender Hausarzt: Name Straße Ort
Arztstempel
Sehr geehrte Frau Kollegin / sehr geehrter Herr Kollege, vielen Dank für die Überweisung Ihres Patienten _______________________________ [Name]. Die durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, dass Ihr Patient die Diagnosekriterien für die Einschreibung in das DMP COPD erfüllt. Die ausführlichen Messwerte der Lungenfunktion entnehmen Sie bitte dem beigefügten OriginalBefund! FEV1 = _________ l = < 80% des Sollwertes vom _______________ [Datum]. Einschreibung
Für die Einschreibung muss eine COPD-typische Anamnese und eine Reduktion der FEV1 unter 80% des Sollwerts vorliegen und mindestens eines der drei folgenden Kriterien vorliegen. Für die Einschreibung berücksichtigte Befunde dürfen nicht älter als 12 Monate sein.
Nachweis der Obstruktion und Reversibilitätstest mit Beta-2-Sympathomimetika oder Anticholinergika
FEV1/VC 70% und Zunahme der FEV1 < 15 % und/oder < 200 ml
Nachweis der Obstruktion und Reversibilitätstest mit Glukokortikosteroiden (oral 14 Tage, inhalativ 28 Tage) in einer stabilen Krankheitsphase
FEV1/VC 70% und Zunahme der FEV1 < 15 % und/oder < 200 ml
Falls FEV1/VC >70% und radiologischer Ausschluss anderer Diagnose gesichert durch:
Atemwegswiderstandserhöhung
Lungenblähung
Gasaustauschstörung
Die von uns empfohlene Therapie lässt sich wie folgt klassifizieren: Aktuelle Medikation Aktuelle COPD-spezifische Regelmedikation
ja
nein
Kurzwirksame Anticholinergika und/oder Beta-2Sympathomimetika
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Langwirksame Anticholinergika
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Langwirksame Beta-2-Sympathomimetika
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Theophyllin
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Systemische Glukokortikosteroide
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Inhalative Glukokortikosteroide
bei Bedarf
Dauermedikation
keine
Zusätzlich von uns bereits veranlasste Maßnahmen: Sonstige Behandlung keine
Langzeitsauerstofftherapie
häusliche Beatmung
operative Verfahren
Schulungen COPD-Schulung bereits vor Einschreibung in das strukturierte Behandlungsprogramm wahrgenommen
ja
nein
COPD-Schulung empfohlen (bei aktueller Dokumentation)
ja
nein
Inhalationstechnik überprüft
ja
nein
Behandlungsplanung und vereinbarte Ziele Empfehlung zum Tabakverzicht
ja
Empfehlung zum körperlichen Training
ja
nein nein
COPD-spezifische Über- bzw. Einweisung veranlasst
ja
nein
Für weitere Fragen zur Einschreibung in das DMP COPD stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Abb. 3b. Formular DMP-Einschreibeinformation (Stand_2006_03_08): COPD
366
Andreas Hellmann, Augsburg
Komorbidität erhöht mit jeder zusätzlichen Diagnose das Risiko einer stationären Behandlungsbedürftigkeit um 1,4 [22]! Ein BMI < 18 erhöht das Risiko stationärer Behandlungsbedürftigkeit bei COPD um den Faktor 3,5 [13]. Fragescores können die Entscheidung erleichtern [11, 26]. Auch die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (Elfte Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (11. RSA-ÄndV) 22. Dezember 2004) nimmt dezidiert Stellung zur stationären Behandlungsbedürftigkeit.
3.8
Schnittstelle Patientenschulung
Die Schulung und das Training von Patienten mit Atemwegserkrankungen ist ein wesentlicher Teil der Behandlungsstrategie. Die RSAV fordert die Schulung der Patienten schon im Gesetzestext. Jeder Hausarzt, der an DMP teilnimmt, sollte mit einer Schulungseinrichtung kooperieren, wenn er nicht Asthma/COPD-Schulung selbst anbieten wird. In der Regel wird aber ein Allgemeinarzt nicht so viele Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen betreuen, dass sich die Aufrechterhaltung einer Schulungsstruktur lohnen würde. Um eine diagnosenahe Schulung zu gewährleisten, sollten die Schulungstermine regelmäßig und häufig, an verschiedenen Wochentagen oder an einem Wochenende stattfinden. Optimal bietet sich die Kooperation mit einem Pneumologen oder einem Schulungszentrum an, da dort eine Konzentration von Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen stattfindet und damit eine effektive Infrastruktur aufrecht erhalten werden kann.
4
Zusammenfassung
Die fachärztliche und stationäre Behandlung von Patienten mit Atemwegserkrankungen ist nur möglich auf der Basis einer kompetenten und professionellen hausärztlichen Versorgung. Notwendig ist ein geregeltes hausärztliches Verfahren zur Entdeckung und Behandlung von Atemwegspatienten. Die Schnittstellen zur fachärztlichen Versorgung sind wie die Indikationen zur stationären Behandlung weitgehend konsentiert. Auch die fachärztliche Ebene muss ihre Prozesse transparent und in gesicherter und nachprüfbarer Qualität darlegen. Schon allein die Quantität der Probleme obstruktiver Atemwegserkrankungen erfordert eine Verlagerung auf die Versorgungsebene, die pneumologische Probleme am effektivsten lösen kann. Der Kommunikation der Versorgungsebenen als Zweibahnstraße ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. An der Schnittstelle sollte die Dokumentation mittels EDV erfolgen, um Redundanz zu vermeiden. Die Innovationen der elektronischen Kommunikation müssen genutzt werden.
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Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma
367
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Rehabilitation bei COPD und Asthma: Erwachsene
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Rehabilitation bei COPD und Asthma bronchiale: Erwachsene Konrad Schultz, Pfronten und Karin Taube, Hamburg
1
Definition und rechtliche Rahmenbedingungen
Pneumologische Rehabilitation ist eine „evidenzbasierte multidisziplinäre und umfassende Behandlung für Patienten mit chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane, die Symptome aufweisen und in ihren Alltagstätigkeiten eingeschränkt sind“ [1]. Ziele sind die Verbesserung der Symptome, die funktionelle Optimierung, die Verbesserung der sozialen Teilhabe und die Verringerung der Behandlungskosten durch Stabilisierung oder Verbesserung der systemischen Folgen der Krankheit. In allen Leitlinien zur pneumologischen Rehabilitation [2, 3, 35, 57] wird betont, dass es sich hierbei um ein für jeden Patienten individuell erstelltes komplexes Therapieprogramm handelt, bei dem über einen gewissen Zeitraum verschiedene, wissenschaftlich fundierte diagnostische und therapeutische Verfahren genutzt werden. Hierfür ist ein multiprofessionelles Rehabilitationsteam erforderlich, dem neben Ärzten auch Psychologen, Pflegepersonal, Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Physiotherapeuten, Sporttherapeuten, Ergotherapeuten und Ernährungsberater angehören. In Deutschland ist die medizinische Rehabilitation in das gegliederte System der sozialen Sicherung eingebunden. Träger und Leistungsrahmen der Rehabilitation sind gesetzlich geregelt (Tabelle 1). In Übereinstimmung mit diesen Rahmenbedingungen ist die Indikation zur Rehabilitation gegeben, wenn trotz adäquater kurativer Krankenversorgung alltagsrelevante körperliche oder psychosoziale Krankheitsfolgen drohen oder bestehen, die die Möglichkeiten zu normalen Aktivitäten und zur Teilhabe am normalen beruflichen und gesellschaftlichen Leben behindern und durch Rehabilitation voraussichtlich zu bessern sind. Die Rehabilitationsmedizin zielt also neben der Beseitigung bzw. Kompensation der körperlichen Krankheitsaspekte immer auch auf die resultierenden körperlichen, psychischen und sozialen Krankheitsfolgen. Wichtige Indikationen sind persistierende Symptome, Gefährdung der Erwerbsfähigkeit, drohende Pflegebedürftigkeit sowie die Notwendigkeit von Reha-spezifischen nichtmedikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen können. Dabei ist der unterschiedliche Leistungsrahmen der einzelnen Rehabilitationskostenträger (Tabelle 1) zu berücksichtigen. So ist z.B. die Hauptaufgabe der Rehabilitation zu Lasten der Rentenversicherung die Sicherung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit [4]. Relevante Rehabilitationsaufgaben ergeben sich aber regelhaft auch bei nichterwerbstätigen Patienten, z.B. bei Kindern, Schülern, Auszubildenden, Hausfrauen und Rentnern (alltagsrelevante krankheitsbedingte Fähig-
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Konrad Schultz, Pfronten und Karin Taube, Hamburg
Tabelle 1. Die wichtigsten Trägerstrukturen der medizinischen Rehabilitation (Erwachsene) Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
Gesetzliche Unfallversicherung (GUV)
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können einem Versicherten oder Rentner gewährt werden, wenn (§ 10 SGB VI) • die erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abgewendet, • die bereits geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden erbracht, (§§ 27, 40 SGB V) um • drohender Behinderung bzw. • Pflegebedürftigkeit vorzubeugen oder sie nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden erbracht (§ 7 SGB VII) • aufgrund eines Arbeitsunfalls oder • nach Eintritt einer anerkannten Berufskrankheit. • Die Leistungen sollen den Gesundheitsschaden (§ 26 SGB VII) beseitigen, bessern, eine Verschlimmerung verhüten oder die Folgen mildern.
keitsstörungen bzw. Einschränkungen in der sozialen Teilhabe). Auch diesen Patienten soll durch die Rehabilitation ermöglicht werden, selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben [5].
2
Was ist gesichert?
2.1
Reha bei COPD
Die Effektivität der pneumologischen Rehabilitation bei COPD ist auf höchstem Evidenzgrad gesichert [6, 7]. Dies gilt für COPD-Patienten aller Schweregrade [8], auch im höheren Lebensalter [9]. In der GOLD-Leitlinie [10] sind die gesicherten Effekte bei COPD mit Angabe des Evidenzgrades tabellarisch dargestellt (Tabelle 2).
2.2
Reha bei Asthma bronchiale
Während die Effektivität der Reha bei COPD auf höchster Evidenzstufe belegt ist, sind entsprechende randomisierte kontrollierte Studien [11, 12] oder gar Meta-Analysen [13] für Asthma bronchiale spärlicher aber existent. Sie beschränken sich aber z.T. auf einzelne rehabilitative Therapiekomponenten. Dennoch gibt es sowohl in der internationalen [14, 15, 16, 17] als auch in der deutschen Literatur [18, 19] Studien, die die Effektivität des oben dargestellten komplexen Gesamtprogramms pneumologischer Rehabilitation auch bei Asthma bronchiale belegen. Anhand dieser „best available evidence“ konnten folgende Rehabilitationseffekte dokumentiert werden (s. Tabelle 3).
3
Komponenten der Rehabilitation
Die Therapiebausteine variieren in Abhängigkeit von den individuell formulierten Rehabilitationszielen. Zudem wird regelhaft die notwendige internistisch/pneumologische
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Tabelle 2. Gesicherte Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei COPD [10] (Evidenzgrad A: Konsistente Daten von randomisierten kontrollierten Studien (RKS) mit großer Patientenzahl; Evidenzgrad B: Randomisierten kontrollierten Studien mit geringerer Patientenzahl und gewissen Inkonsistenzen; Evidenzgrad C: Ergebnisse aus unkontrollierten oder nicht randomisierten Studien oder aus Beobachtungen) • • • • • • • • • •
Besserung der körperlichen Leistungsfähigkeit (Evidenzgrad A) Verminderung der Atemnot (Evidenzgrad A) Besserung der krankheitsspezifischen Lebensqualität (Evidenzgrad A) Reduktion der Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten (Evidenzgrad A) Reduktion von COPD assoziierter Angst und Depression (Evidenzgrad A) Kraft- und Ausdauertraining der oberen Extremität verbessert die Funktion der Arme (Evidenzgrad B) Positive Effekte eines Trainingsprogramms überdauern die Trainingsperiode (Evidenzgrad B) Lebensverlängerung (Evidenzgrad B) Atemmuskeltraining ist effektiv, insbesondere in Kombination mit einem allgemeinen körperlichen Training (Evidenzgrad C) Psychosoziale Intervention ist hilfreich (Evidenzgrad C)
Tabelle 3. Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei Asthma bronchiale [nach 20] • • • •
Verbesserung der klinischen Leitsymptome (Atemnot, Husten, Auswurf ) Verbesserung der allgemeinen und krankheitsbezogenen Lebensqualität Verbesserung der (körperlichen) Leistungsfähigkeit Verbesserung der beruflichen und privaten Partizipationsfähigkeit (z.B. Erhalt der Erwerbsfähigkeit, Verringerung von Arbeitsunfähigkeitstagen) • Geringerer akutmedizinischer Ressourcenverbrauch (Krankenhaustage, Notfallbehandlungen) • Verringerung psychosozialer/familiärer Auswirkungen
Tabelle 4. Therapiekomponenten der pneumologischen Rehabilitation bei Asthma und COPD • • • • • • • • •
Umfassende(s) Patientenschulung/ Verhaltenstraining, Medizinische Trainingstherapie (auch für Schwerkranke), Atemphysiotherapie, manuelle Therapie Ergotherapie einschließlich Hilfsmittelberatung, Psychologische/psychotherapeutische Hilfen, Sozial- und Berufsberatung, Ernährungstherapie/ Ernährungsberatung, Allergen- und Luftschadstoffkarenz, Tabakentwöhnung
Diagnostik durchgeführt und fortlaufend die medikamentöse Therapie überprüft und im Erfordernisfall leitliniengemäß modifiziert. Die wichtigsten therapeutischen Reha-Komponenten sind in Tabelle 4 zusammengestellt.
374
3.1
Konrad Schultz, Pfronten und Karin Taube, Hamburg
Patientenschulung/Patientenverhaltenstraining
Patientenverhaltenstraining in der Reha zielt neben der Wissensvermittlung immer auch auf das konkrete Einüben von praktischen Fertigkeiten und vor allem auf Verhaltensmodifikation. Ziel ist die aktive Teilnahme des Patienten an der Bewältigung seiner Krankheit. Dies beinhaltet das Überwachen der Symptomatik und die adäquate Selbstanpassung der Therapie an den jeweiligen Krankheitsschweregrad („Ärztlich begleitetes Selbstmanagement“). Zentrale Schulungsinhalte sind die Kenntnis der Medikamente mit Wirkungen und Nebenwirkungen, vor allem aber deren korrekte Anwendung (praktisches Training der Inhalationstechnik). Zudem soll der Patient lernen, Notfallsituationen und Exazerbationen rechtzeitig zu erkennen und zu beherrschen (Notfallplan, Notfall-Set, Mitgabe von entsprechenden Medikamenten insbesondere für einen Kortisonstoß). Patientenschulung kann im Setting der Rehabilitation sehr zielgruppenspezifisch, d.h. „modular strukturiert“ erfolgen. Verschiedene, unabhängig miteinander kombinierbare Schulungsmodule werden dabei nach dem „Baukastenprinzip“ für jeden Patienten zu einem individuell bedarfsgerechten Kurrikulum kombiniert. Dieses besteht i.d.R. aus einem separaten einwöchigen Intensivtrainingskurs für Asthmatiker bzw. COPD-Patienten und wird bedarfsweise durch „Essentialtrainingsmodule“, „Spezialschulungsmodule“ sowie „psychologische Module“ ergänzt. Schulungsprogramme für „Asthma“ bzw. „COPD“ müssen zwangsläufig bei manchen Patienten mit „Sonderproblemen“ unvollständig bleiben. Solche sind jedoch gerade in den pneumologischen Schwerpunkt-Rehabilitationskliniken überproportional vertreten, weshalb zusätzliche spezielle Programme vonnöten sind, die im Rahmen einer ambulanten Patientenschulung i.d.R. nicht vorgehalten werden können/müssen. Dies betrifft z.B. Patienten mit Indikation zur Sauerstoff-Langzeittherapie oder Heimbeatmung. Hier werden spezielles Wissen und spezielle Fertigkeiten vermittelt und praktisch trainiert, die für diese speziellen Patientengruppen von sehr hoher Relevanz sind, die allgemeinen Grundlagenkurse jedoch mit Themen überfrachten würden und zudem dort für das Gros der Kursteilnehmer irrelevant wären. Ein Beispiel solcher Spezialschulungsprogramme ist das Allergiker-Karenztrainingsprogramm [21] mit den Grundprinzipien „gezielte Indikation“ und „gezielte Schulung“. Gezielte Indikation: Allergikerkarenztraining nur für Allergiker und nicht ungezielt für alle Teilnehmer an einer „Asthmatikerschulung“. Gezielte Schulung: Differenziertes Einüben der Karenzund Therapiemaßnahmen nach den tatsächlichen Bedürfnissen, d.h. Trennung der Schulungsgruppen nach Allergenspektrum (Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare, Schimmelpilze). Für jeden Patienten kann so ein individuelles Allergikertrainingsprogramm zusammengestellt werden, zudem ist es dadurch möglich, das allgemeine Asthmatikerschulungsprogramm von diesen Sonderthemen weitgehend zu entlasten. Ein weiteres Beispiel ist das seit 10 Jahren etablierte Schulungsprogramm zur Langzeit-Sauerstofftherapie [22], welches neben Wissensvermittlung vor allem auch ein praktisches Einüben der notwendigen Fertigkeiten beinhaltet.
3.2
Medizinische Trainingstherapie
Körperliches Training ist eine unerlässliche Kernkomponente der pneumologischen Rehabilitation. Durch Training können sowohl beim Asthma bronchiale [23] als auch bei COPD die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität gesteigert sowie Krankenhausbehandlungstage reduziert werden [24]. Um effektiv zu sein, muss ein Trainingsprogramm die krankheitsspezifischen leistungsmindernden Faktoren berücksichtigen
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und auf der anderen Seite die oft multimorbiden Patienten nicht überfordern. Bei Patienten mit Asthma bronchiale muss durch eine gute Prämedikation und eine langsame Aufwärmphase dem Phänomen des Belastungsasthmas Rechnung getragen werden. Bei der COPD müssen ventilatorische Limitierung, dynamische Überblähung, erhöhte Atemarbeit, Atemmuskel- und Skelettmuskeldysfunktion, Osteoporose und kardiale Komorbidität beachtet werden. Geeignete Methoden der Trainingssteuerung sind weniger die Herzfrequenz sondern die Obstruktion (Peak-Flow), das Atemmuster, die Atemnot (modifizierte Borg-Skala) und die Sauerstoffsättigung. Essenzielle Inhalte sind die Beherrschung krankheitsspezifischer Techniken, wie Lippenbremse und atemerleichternde Körperstellungen, Training der Ausdauer, der Kraft, der Koordination und der Beweglichkeit [25]. Die positiven Effekte des Trainings wurden durch zahlreiche Studien vor allem in mehrwöchigen Programmen mit 3–5 [26] supervidierten [27] Übungseinheiten pro Woche und hoher Trainingsintensität belegt. Demzufolge werden in den aktuellen ATS-ERS-Empfehlungen [33] zur pneumologischen Rehabilitation mindestens 3 Trainingseinheiten pro Woche empfohlen, insgesamt aber mindestens 20 Einheiten. Das Training soll nach dieser internationalen Reha-Leitlinie möglichst sowohl Ausdauertraining (obere und untere Extremitäten, ggf. als Intervalltraining) als auch Krafttraining umfassen. Solche Programme können derzeit in Deutschland nahezu ausschließlich im Rahmen der Rehabilitation angeboten werden. Das Reha-Setting bietet den großen Vorteil, dass das Training regelhaft durch physiotherapeutische und psychoedukative Maßnahmen ergänzt wird. Zudem kann das Training hier besonders zielgruppenspezifisch erfolgen (z. B. Trennung in Gruppen mit unterschiedlichen Krankheitsschweregraden). Ebenfalls aufgrund des Reha-Settings (z.B. permanente Arztverfügbarkeit, niederschwellige Möglichkeiten zu kurzfristigen diagnostischen und therapeutischen Interventionen) ist auch ein Training bei Patienten mit fortgeschrittenen Krankheitsschweregrad oder gravierenden Komorbiditäten möglich. Auch wenn initial noch Bettlägerigkeit besteht oder z.B. bei Patienten mit Indikation zur Langzeitsauerstofftherapie, ist es so möglich, eine Trainingstherapie während einer Rehabilitationsmaßnahme einzuleiten und in dem begrenzten Zeitraum signifikante Effekte zu erzielen [28].
3.3
Physiotherapeutische Atemtherapie
Wenn auch bisher nicht alle Methoden der Atemphysiotherapie ausreichend durch randomisierte kontrollierte Studien überprüft worden sind [29], so ist diese doch ein weiterer wichtiger Baustein einer Rehabilitationsbehandlung. Hauptziele sind die Reduzierung der Lungenüberblähung, besonders bei Belastung und damit die Senkung der Atemarbeit, die Kräftigung der Atemmuskulatur, die Steigerung der Thoraxbeweglichkeit und die Verbesserung der Sekretelimination. Durch exspiratorische Stenosen wird der intrabronchiale Druck erhöht und die Ausatmung verlängert. Die am häufigsten angewandte Methode ist die Lippenbremse, bei der die Ausatmung durch die locker aufeinanderliegenden Lippen erfolgt. Sie sollte regelhaft bei Belastungen eingesetzt werden, aber auch bei Atemnot in Ruhe. Atemerleichternde Stellungen wie die Vorwärtsbeugung des Oberkörpers und Abstützung der Arme (z. B. der Kutschersitz) entlasten den Thorax vom Gewicht des Schultergürtels und verbessern das Längen-Spannungsverhältnisses des Zwerchfells [30]. Auf diesem Prinzip beruht auch die Anwendung des Rollators beim Gehen [31]. Koppelung von Atmung und Aktivität ist die Voraussetzung für Belastungen im Alltag und die Trainingstherapie. Die Anwendung der Lippenbremse, Ausatmung während der Anstrengungsphase im Rhythmus 3:2 sind wichtige Grundsätze. Die Verbesserung der Sekreteli-
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Konrad Schultz, Pfronten und Karin Taube, Hamburg
mination ist ein weiteres Ziel. Hierzu dienen verschiedene spezielle Atemtechniken sowie verschiedene apparative Hilfen.
3.4
Ergotherapie einschließlich Hilfsmittelberatung
Ergotherapeutische Interventionen haben einen betont individuellen Ansatz unter Berücksichtigung der ICF-Komponenten Aktivität und Partizipation [32]. Für Erkrankte mit einer schwergradigen COPD ist außer dem Rollator der Gebrauch von Hilfsmitteln erforderlich, die die Körperpflege (z. B. Sitz für die Badewanne, Haltevorrichtungen) oder das Anziehen (z. B. verlängerter Schuhlöffel) erleichtern. Im Rahmen der Reha kann sowohl eine korrekte Hilfsmittelberatung und -versorgung als auch das notwendige Einüben der korrekten Nutzung erfolgen.
3.5
Psychologische/psychotherapeutische Hilfen
Psychologische Interventionen sind Kerninhalte aller pneumologischen Reha-Programme und für das übergeordnete Reha-Ziel der sozialen (Re-)Integration unerlässlich. In der aktuellen ERS-ATS-Leitlinie zur pneumologischen Rehabilitation [33] wird explizit ein Screening bzgl. Angst und Depression im Rahmen der Eingangsdiagnostik empfohlen. Zudem wird betont, dass zwar die Reha an sich bereits einen positiven Effekt z.B. auf leichte Formen von Angst und Depressionen bewirken kann, dass jedoch bei ernsthaften psychischen Komorbiditäten zusätzlich entsprechende Fachspezialisten einbezogen werden müssen. In einer aktuellen deutschen Studie [34] erfolgte über 3 Monate ein Screening von 159 konsekutiven pneumologischen Reha-Patienten mit zwei gängigen psychiatrischen Screening-Fragebögen (HADS, BSI). Bei 30 % der Patienten fanden sich mit beiden Instrumenten auffällig Werte, d.h. es muss eine relevante psychische Belastung angenommen werden. Parallel wurden auch 31 % dieser Patienten von ihren behandelnden Ärzten im Rahmen der klinischen Routineuntersuchung als psychologisch behandlungsbedürftig eingeschätzt und daher einer psychologischen Beratung bzw. Psychotherapie zugeführt. D.h. die psychische Komorbidität ist unter Reha-Patienten hoch, wird aber offenbar im Rahmen der rehabilitationsspezifischen Routinediagnostik erkannt und führt zu einer entsprechenden Behandlung.
3.6
Sozialmedizinische Begutachtung und Sozialberatung
Die Sozialmedizinische Begutachtung ist insbesondere in den Reha-Einrichtungen der Rentenversicherung eine der Kernaufgaben und erfordert spezielle sozialmedizinische Kenntnisse [35]. Daneben spielt die allgemeine Sozialberatung eine wichtige Rolle (Anträge auf Schwerbehinderung, Pflegestufen, Hilfsmittelversorgung, Beratung über soziale Dienste und Einrichtungen u.v.a.).
3.7
Ernährungstherapie/Ernährungsberatung
In der Ernährungstherapie und -beratung sind bei Asthma und COPD krankheitsspezifische Besonderheiten zu beachten. Beim Asthma bronchiale spielen Nahrungsmittelallergien und Intoleranzphänomene eine Rolle. Bei der COPD stellt die Malnutrition einen prognostisch wichtigen Faktor dar, die, unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung, mit einer erhöhten Mortalität und in mittleren und schweren Stadien zudem mit einer
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erhöhten Morbidität (häufigere Exazerbationen, höhere Notwendigkeit von stationären Therapie und Beatmung) assoziiert ist [36]. Faktoren, die bei COPD zur Gewichtsabnahme (besonders Reduzierung und Veränderung der Muskelmasse) führen, sind einerseits die Erhöhung des Ruheenergieumsatzes, der durch die erhöhte Atemarbeit, den erhöhten intrazellulären Sauerstoffverbrauch der peripheren Skelettmuskulatur und den gestörtem Aminosäuremetabolismus zustande kommt. Auch β-Adrenergika und Theophyllin steigern den Energiebedarf. Auf der anderen Seite ist die Energiezufuhr unzureichend bei Appetitmangel aufgrund der durch chronische Mundatmung gestörten Geschmacksempfindung und der durch die postprandiale Magenfüllung ausgelösten Dyspnoe. Eine ernährungsmedizinische Intervention in Form einer vermehrten Kalorienzufuhr ist erforderlich bei einem BMI unter 21 kg/m², oder bei einem ungewollten Gewichtsverlust von >5 % im letzten Monat oder >10 % in den letzten 6 Monaten. Als Faustregel kann gelten, dass pro kg/Körpergewicht 10 kcal zusätzliche Energie aufgenommen werden soll, möglichst in Form von kleinen Zwischenmahlzeiten. Wichtig ist eine ausreichende Proteinmenge von 1,5 Gramm pro kg/Körpergewicht. Als weitere Energieträger werden nicht mehr Fette sondern mehr Kohlehydrate bevorzugt [37]. Der Effekt einer alleinigen Ernährungstherapie auf körperliche Leistungsfähigkeit, Lungenfunktion und Prognose ist bisher nicht gesichert. Notwendig ist stets die Kombination der Ernährungstherapie mit körperlichem Training, z. B. im Rahmen der Reha. [38].
3.8
Allergen- und Luftschadstoffkarenz
Zur Rehabilitationsmedizin gehört traditionell auch die Klimatherapie. In Studien konnten Vorteile sowohl des Seeklimas als auch des Hochgebirgsklimas u.a. für die Behandlung allergischer Atemwegserkrankungen aufgezeigt werden [39, 40]. So sind Hausstaubmilbenfreiheit [41, 42] und verminderter extramuraler Schimmelpilzsporenflug im Gebirgsklima, sowie Pollenarmut z.B. der Nordseeinseln und des Hochgebirges als additive Maßnahme wertvoll. Umgekehrt definiert sich moderne pneumologische Rehabilitation keinesfalls primär über klimatherapeutische Verfahren, wenngleich hierin durchaus ein Argument für die wohnortferne Reha zu sehen ist. Klimatische Bedingungen sind also in erster Linie additive Therapiemomente. Wesentlicher als eine passagere Allergenkarenz erscheint das Einüben von Maßnahmen, die auch am Heimatort langfristig greifen, also die Vermittlung der notwendigen Karenzmaßnahmen.
3.9
Tabakentwöhnung
Tabakrauchen ist der wesentliche Risikofaktor für die COPD. Rauchende COPD-Patienten weisen eine besonders hohe Nikotinabhängigkeit auf, d.h. die Beendigung des Tabakrauchens ist für sie besonders schwierig. Die Tabakentwöhnung zeigt jedoch klinisch relevante positive Effekte auf die Symptomatik, die Lungenfunktion und die Mortalität und gilt daher als einzige kausale Therapie. Im Rahmen der Rehabilitation hat die Tabakentwöhnung daher einen sehr hohen Stellenwert und umfasst regelhaft sowohl medikamentöse Hilfen (zumeist Nikotinersatztherapie) als auch psychosoziale Unterstützung. Aus der stationären Reha liegen Katamnesedaten [43, 44] zur Effektivität dieser Tabakentwöhnungsprogramme vor. Im Rahmen einer prospektiven multizentrischen Studie [45] bewirkte insbesondere die telefonische Nachbetreuung eine signifikante Steigerung der Karenzraten, so dass dieser Ansatz in verschiedenen Tabakentwöhnungsprogrammen in der Reha mittlerweile routinemäßig angewandt wird.
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4
Stellenwert der Reha bei COPD und Asthma – Was steht in den Leitlinien?
4.1
Rehabilitation bei COPD (stabile COPD)
Aufgrund der Evidenzlage gilt die pneumologische Rehabilitation in allen COPD-Leitlinien als essenzielle Komponente des Langzeitmanagements. In der internationalen GOLD-Leitlinie [46] wird Rehabilitation generell ab dem Schweregrad 2, also ab einem mittleren Krankheitsstadium empfohlen (vergl. Abb. 1 im Kapitel Medikamentöse Therapie der COPD). Auch in den deutschen COPD-Leitlinien [47] werden rehabilitative Maßnahmen regelhaft ab einem mittleren Schweregrad empfohlen. In der praktischen Umsetzung sind wir hiervon jedoch weit entfernt. Einer aktuellen Befragung zufolge setzten weniger als 5 % der Hausärzte [48] aber auch der Pneumologen [49] die Rehabilitation bei Patienten mit einem mittleren Krankheitsstadium ein, d.h. es besteht gemessen an den Leitlinien eine erhebliche Unterversorgung.
4.2
Anschluss-Rehabilitation nach COPD-Exazerbation
Das deutsche Gesundheitssystem sieht die Anschlussrehabilitation (AHB) nach einer akutstationären Behandlung vor. Dies ist bei der COPD von erheblicher Relevanz, da COPD-Patienten, die wegen einer Exazerbation stationär behandelt werden müssen, erschreckend hohe Morbiditäts- und Mortalitätsraten aufweisen, die durch Rehabilitation unmittelbar nach der Exazerbation deutlich verbessert werden können [50, 51]. Publizierte Daten [52] dokumentieren die Wirksamkeit dieser Maßnahme hinsichtlich Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität, auch unter den Bedingungen der AHB in Deutschland. Bei COPD-Patienten nach schwerer Exazerbation mit der Notwendigkeit einer akutstationären Behandlung wird in der „Nationalen Versorgungsleitlinie COPD“ empfohlen, die Indikation zur Anschlussrehabilitation regelhaft zu prüfen, um der nachfolgenden Abwärtsspirale Einhalt zu gebieten [47].
4.3
Rehabilitation bei Asthma
Als spezielle Indikationsbeispiele für Rehabilitation bei Asthma bronchiale sind in der Nationalen Versorgungs-Leitlinie Asthma [20] und in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga [58] folgende Konstellationen aufgeführt, wenn diese trotz adäquater kurativer Krankenversorgung weiterhin bestehen: • persistierende asthmatische Beschwerden bzw. Einschränkungen der Lungenfunktion • krankheitsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit/eines geeigneten u. angemessenen Schulabschlusses bzw. einer Berufsausbildung • drohende Pflege- und Hilfsbedürftigkeit • Notwendigkeit von Reha-spezifischen nichtmedikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen können, z.B. Schulung, Physiotherapie, medizinische Trainingstherapie, Tabakentwöhnung, psychologische Hilfen, Allergen- und Schadstoffkarenz.
Rehabilitation bei COPD und Asthma: Erwachsene
5
Rehabilitationsnachsorge
5.1
Lungensport
379
Die Dauer von Rehabilitationsmaßnahmen beläuft sich entsprechend der Gesetzesvorgaben in Deutschland in der Regel auf 3 bis 4 Wochen. Während dieser Zeit kann ein individuelles Rehabilitationsprogramm erarbeitet und erfolgreich eingesetzt werden [28]. Um jedoch Nachhaltigkeit zu garantieren, sind Nachsorgeprogramme erforderlich. Bei den obstruktiven Atemwegserkrankungen sind von besonderer Bedeutung die Verfestigung der Schulungsinhalte, die Aufrechterhaltung der Nikotinkarenz und der Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit. Letzteres ist nur durch die Fortführung eines Trainingsprogramms möglich. Als wichtige ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist insbesondere der Rehabilitationssport zu nennen. Lungensport ist von den Kostenträgern als Rehabilitationssport anerkannt. Die Effektivität von Lungensportgruppen ist sowohl bei Asthma bronchiale [53] als auch bei COPD [54] belegt. Der Vorteil von Lungensportgruppen liegt dabei – auch aufgrund der Förderung gruppendynamischer Prozesse – im langfristigen und regelmäßigen effektiven Training, welches von Fachübungsleitern mit spezieller Ausrichtung geleitet wird. Um sicherzustellen, dass Rehabilitationssport im Rahmen der für die einzelnen Rehabilitationsträger geltenden Vorschriften nach einheitlichen Grundsätzen erbracht bzw. gefördert wird, haben die Rehabilitationsträger und die Leistungserbringer unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) Rahmenvereinbarungen getroffen, die ab 1.1.2007 in neuer Fassung gelten [55]. Erst bei Erfüllung der dort festgeschriebenen Kriterien hat ein Leistungserbringer Anspruch auf Kostenerstattung. Rehabilitationssport kann im Rahmen ambulanter Behandlung von den Betroffenen beantragt, vom behandelnden Arzt auf dem Formblatt Nr. 56 verordnet und von den gesetzlichen Krankenkassen für einen begrenzten Zeitraum bewilligt werden. Er kann aber auch während einer Rehabilitationsmaßnahme durch die Rentenversicherungsträger direkt von den dort tätigen Ärzten verordnet werden. Bereits während der Reha sollten die Patienten regelhaft auf Lungensportgruppen oder alternative Möglichkeiten (Gesundheitssport oder FitnessCenter) am Heimatort hingewiesen werden. Hilfreich ist die Erarbeitung eines individuellen Trainingsplans mit möglichst konkreten Vorschlägen. Regionale Adressen findet man auf der Internetseite der AG Lungensport in Deutschland e.V. (www.lungensport. org). Diese Arbeitsgemeinschaft unterstützt die Gründung von Lungensportgruppen, bildet Übungsleiter aus und hat für die Strukturierung einer Übungseinheit und für ein Langzeittraining Empfehlungen erarbeitet [25]. Der Lungensport hat sich mittlerweile als effektiver Baustein im Langzeitmanagement der COPD etabliert, sowohl als Komponente einer leitliniengerechten ambulanten Therapie [47] als auch als Rehabilitationsnachsorge. In den meisten bisher vertraglich umgesetzten Disease-Management-Programmen (DMP) ist lediglich die Patientenschulung als finanzierter Bestandteil integriert. Ambulanter Lungensport wird lediglich empfohlen. Die regelhafte Einbeziehung der leitliniengemäßen Rehabilitation einschließlich der notwendigen ambulanten Angebote in diese Programme ist eine wichtige Nagelprobe für deren inhaltliche Qualität.
5.2
Ambulante rehabilitative Therapieprogramme
In einigen Städten haben sich ambulante Therapieprogramme formiert, die sich nicht primär an den Anforderungen der BAR, sondern an bewährten und evidenzbasierten Vorbildern angloamerikanischer Rehabilitationsprogramme orientieren. Kernkompo-
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nenten dieser „komplexen“ Therapieprogramme sind Schulung, Atemtherapie, Atemmuskeltraining und Training. Durch Anbindungen an Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen oder Facharztpraxen können auch Patienten mit höheren Krankheitsschweregraden, die nicht für den Lungensport geeignet sind, weil sie z. B. einer ständigen ärztlichen Kontrolle bedürfen, an einer kontinuierlichen medizinischen Trainingstherapie im ambulanten Bereich teilnehmen.
6
Rehabilitationszugang – Wege in die Reha
Die verschiedenen Kostenträger sind in Tabelle 1 dargestellt. Idealerweise erfolgt die „Verordnung“ (Krankenkasse) bzw. der „Antrag“ (Rentenversicherung) auf medizinische Rehabilitation direkt beim zuständigen Kostenträger. Es ist aber gesetzlich geregelt, dass der Antrag bei jedem der genannten Kostenträger gestellt werden kann. Diese sind verpflichtet, den Antrag an die richtige Stelle weiterzuleiten.
6.1
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)
Die ärztliche Verordnung von Rehabilitation wird vom Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) begutachtet [56]. Hierbei sind vier Kriterien entscheidend: • Rehabilitationsbedürftigkeit: alltagsrelevante Fähigkeitsstörung bzw. Beeinträchtigung der sozialen Teilhabe • Rehabilitationsfähigkeit: Der Versicherte muss gewillt und in der Lage sein, die Reha erfolgreich durchzuführen • Positive Rehabilitationsprognose: Reha muss voraussichtlich das Reha-Ziel erreichen • Es muss ein realistisches Rehabilitationsziel formuliert werden. Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn eine „anhaltende alltagsrelevante Fähigkeitsstörung“ vorliegt oder eine „Beeinträchtigung der sozialen Teilhabe“ droht bzw. vorliegt. Wichtig ist daher, dass der Reha-Antrag nicht primär mit der Krankheit („der Patient hat ein sehr schweres Asthma“), sondern immer auch mit den daraus resultierenden „alltagsrelevanten Krankheitsfolgen“ bzw. „Teilhabestörungen“ begründet wird („deswegen ist er nicht mehr in der Lage, sich bzw. seinen Haushalt selber zu versorgen“).
6.2
Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)
Eine Rehabilitationsleistung durch den Rentenversicherungsträger darf nur bewilligt werden, wenn folgende zwei miteinander verknüpfte „persönliche Voraussetzungen“ erfüllt sind [4]: Die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten muss erheblich gefährdet oder gemindert sein und die erheblich gefährdete oder geminderte Erwerbsfähigkeit muss voraussichtlich durch die Rehabilitation wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden oder eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden. Zudem müssen bestimmte „versicherungsrechtliche Voraussetzungen“ erfüllt sein.
7
Ausblick
Die Chancen der Rehabilitation für Patienten mit COPD und Asthma werden derzeit in der Versorgungswirklichkeit infolge der z.T. starren Grenzen der Versorgungssekto-
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ren nur unzureichend genutzt. Dabei wurde bereits im Sachverständigengutachten von 2000/2001 [59] für eine bessere Integration der pneumologischen Rehabilitation in alle Bereiche der pneumologischen Versorgung plädiert. U.a. wurde hier die Möglichkeit der Direkteinweisung in geeignete pneumologische Rehabilitationseinrichtungen empfohlen. Auch heute, 6 Jahre später, sollte es Ziel sein, den Zugang zu ambulanten oder stationären Reha-Programmen bzw. zur AHB sektorenübergreifend primär nach medizinischer Notwendigkeit und nicht in erster Linie nach versicherungsrechtlichen Aspekten zu organisieren. Erforderlich ist zudem eine gesicherte Reha-Nachsorge, um den Effekt zu verstetigen. Unter anderem an dieser sektorenübergreifenden Einbeziehung der Rehabilitation in das Langzeitmanagement müssen sich neue Versorgungsstrukturen wie „Integrierte Versorgung“ oder „Strukturierte Behandlungsprogramme“ messen lassen.
Literatur 1. Nici L et al.: ATS/ERS Pulmonary Rehabilitation Writing Committee. American Thoracic Society/European Respiratory Society statement on pulmonary rehabilitation. Am J Respir Crit Care Med. 2006;173:1390–413 2. British Thoracic Society. Rehabilitation. Thorax 2001;56:827–34 3. Pulmonary Rehabilitation Joint ACCP/AACVPR Evidence-Based Guidelines. Chest 1997; 112:1363–1396 4. Deutsche Rentenversicherung Bund. Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei Krankheiten der Atmungsorgane – für den Beratungsärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Bund. Available from: www.deutsche-rentenversicherung. de 5. Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB V in der Fassung vom 16. März 2004 veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 63 (S. 6769) vom 31. März 2004 in Kraft getreten am 1. April 2004 6. Y Lacasse et al.: Pulmonary rehabilitation for chronic obstructive pulmonary disease (Cochrane Review). In: The Cochrane Library, Issue 3, 2005. Chichester, UK: John Wiley & Sons, Ltd. 7. Salman GF et al.: Rehabilitation for patients with chronic obstructive pulmonary disease: meta-analysis of randomized controlled trials. J Gen Intern Med. 2003;18:213– 21. 8. Berry MJ et al.: Exercise rehabilitation and chronic obstructive pulmonary disease stage. Am J Respir Crit Care Med 1999;160:1248–53 9. Katsura H et al.: Long-term effectiveness of an inpatient pulmonary rehabilitation program for elderly COPD patients: comparison between young-elderly and old-elderly groups. J Gen Intern Med. 2003;18:213–21 10. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease. Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease. NHLBI/WHO workshop report. Bethesda, National Heart, Lung and Blood Institute; updated 2006. www.goldcopd.com 11. Cambach W et al.: The effects of a community-based pulmonary rehabilitation programme on exercise tolerance and quality of life: a randomized controlled trial. Eur Respir J 1997;10:104–13 12. Nathell L. Effects on sick leave of an inpatient rehabilitation programme for asthmatics in a randomized trial. Scand J Public Health 2005;33:57–64
382
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Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen
385
Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen Andreas van Egmond-Fröhlich, Bad Kösen und Thomas Spindler, Wangen
Die Rehabilitation in der Kinder- und Jugendmedizin ist Teil der Versorgung von Atemwegserkrankungen. An erster Stelle steht dabei die Diagnose Asthma bronchiale, die 22,3 % der gesamten stationären Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung bei Kindern und Jugendlichen 2004 ausmachte. 8,4 % der Rehabilitationsverfahren erfolgten wegen anderen chronischen Erkrankungen der unteren Atemwege und 3,2 % wegen (rezidivierenden) Infektionen der Atemwege. Die Altersverteilung der Rehabilitanden mit Asthma zeigt einen Gipfel bei 5–9 Jahren (Abb. 1). 50% Asthma
40%
Bronchitis
30% 20% 10% 0%
<5
'5–9
'10–14
'15–19
'20–24
'25+
Abb. 1.
Altersverteilung der Rehabilitation bei Asthma und Bronchitis Rentenversicherung 2004
1.1
Moderne Rehabilitation statt Kur
Noch immer werden Anträge für Kinder und Jugendliche mit dem veralteten Verständnis für „Kuraufenthalte“ mit Klimaänderung gestellt. Diese sind für ein Asthma bronchiale nicht indiziert [1]. Eine moderne stationäre Rehabilitation bei chronischen Atemwegserkrankungen bietet hingegen mehr: eine nachhaltige Befähigung, die somatische Störung sowie die resultierenden Einschränkungen in Aktivitäten und sozialer Teilhabe zu meistern und dabei un-
386
Andreas van Egmond-Fröhlich, Bad Kösen und Thomas Spindler, Wangen
günstigen psychosozialen und gesellschaftlichen Bedingungen zu trotzen. Rehabilitation kann nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn die durchführende Einrichtung in der Lage ist, den Alltag des Kindes/Jugendlichen so abzubilden, dass das während des Aufenthaltes bzgl. der Erkrankung Erlernte auf zu Hause übertragbar ist. Dies erfordert hohen medizinischen Standard gepaart mit psychologischer und pädagogischer Kompetenz in einem interdisziplinären Team.
1.2
Indikation zur Rehabilitation
Eine Rehaindikation besteht bei (drohenden) Einschränkungen der: • körperlichen Aktivität im Alltag, z.B. im Schul- und Freizeitsport • Teilhabe an schulischer/beruflicher Qualifikation • körperlichen, psychischen und seelischen Entwicklung (Lebensqualität) sowie bei therapierefraktärer funktioneller Einschränkung: • FEV1 < 80 % und/oder FEV1 Abfall > 20 % nach Anstrengung • Beschwerden tagsüber > 1-mal/Woche und/oder nachts > 2-mal/Monat Häufig bedingt durch die die ambulante Therapie hemmenden Faktoren: • unzureichende Krankheitsbewältigung und Therapieakzeptanz • somatische Multimorbidität (z.B. Adipositas, Neurodermitis) • komorbide psychische Störungen/Defizite (z.B. Aufmerksamkeitsdefizitstörung) • dysfunktionales bzw. überfordertes soziales Umfeld • unzureichendes selbstständiges Krankheitsmanagement Die Rehabilitationsziele werden bei schwerer geistiger Behinderung oder fehlender Gruppenfähigkeit bestenfalls mit Begleitperson erreicht.
1.3
Nachhaltigkeit durch Rehabilitationskette
Die Rehabilitation erfolgt als Teil einer „Rehabilitationskette“ zusammen mit niedergelassenen Ärzten, Spezialkliniken/Ambulanzen [2]. Der zuweisende Arzt bereitet dabei die Rehabilitation vor, indem er informiert, motiviert individuelle, realistische Ziele erarbeitet und diese gemeinsam mit Vorbefunden kommuniziert. Die Rehabilitationsklinik muss zur Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge der Reha fallweise zudem ggf. Spezialambulanzen, Psychotherapeuten, Anbieter von Rehabilitationssport, Selbsthilfeorganisationen, Jugendämter, Erziehungsberatungsstellen, Schulen bzw. Kindertagesstätten, sozialpädiatrische Zentren und medizinische Dienste einbeziehen.
Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen
2
Rehabilitation bei Asthma bronchiale
2.1
Einleitung
387
Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter (Prävalenz 8–10 %) und kann in Abhängigkeit von Schweregrad und Therapie erhebliche Auswirkungen auf die Funktion, Aktivitäten und Teilhabe sowie die Lebensqualität haben.
2.2
Ziele der Rehabilitation
Ziel der Asthmarehabilitation wie auch der Asthmatherapie im Kindes- und Jugendalter ist die Vermeidung von Beschwerden und unerwünschten Wirkungen der Therapie sowie die uneingeschränkte Teilhabe am normalen Leben. Es gilt, krankheitsbedingte Beeinträchtigungen von Aktivitäten (z.B. Sport), der Teilhabe in Schule und sozialem Umfeld und damit der Lebensqualität zu vermeiden. Parallel wird eine Normalisierung der Lungenfunktionswerte und der bronchialen Reagibilität angestrebt. Hieraus können sich als Teilziele ergeben: • Förderung der Krankheits- und Therapieakzeptanz • Förderung von selbstwirksamem, autonomem Krankheitsmanagement • Verbessertes Stressmanagement • Verbesserung der sozialen Interaktionen • Vorbereitung der Eltern auf ihre unterstützende Rolle • Verbesserung eingeschränkter psychophysischen Leistungsfähigkeit Die individuellen Ziele berücksichtigen dabei speziell: • die individuellen Störungen (Funktion, Aktivitäten und Teilhabe) und deren Bewertung durch Patient, Eltern und niedergelassenem Arzt • die Einschätzung der Erreichbarkeit der einzelnen Ziele in der Reha
2.3
Diagnostik
Die Aktualisierung und Überprüfung der Diagnose entspricht der Leitlinie [1]. Rehakliniken mit pneumologischer Hauptindikation verfügen über Personal und Labor zur Durchführung von Spirometrie, Bodyplethysmographie, Blutgasanalyse, Sauerstoffsättigung unter ergometrischer Belastung, Laufprovokation, pharmakologischen Provokation, Sonographie (z.B. Nasennebenhöhlen), Thoraxröntgen, Schweißtestung und Allergiediagnostik (weitere Diagnostik ggf. in Kooperation). Differentialdiagnostisch wird damit selten eine Fremdkörperaspiration, psychogene Stimmbanddysfunktion, ziliäre Dyskinesie, Tracheo- bzw. Bronchomalazie oder eine Mukoviszidose und häufiger eine mechanisch bedingten Einschränkungen bei adipösen Jugendlichen entdeckt. Die Entscheidung über eine Anpassung der Therapie erfordert die anamnestische und funktionsanalytische Einschätzung des Schweregrades, Analyse der Therapiecompliance, Überprüfung der Inhalationstechnik und des individuellen Ansprechens auf die Medikamente.
388 2.3.1
Andreas van Egmond-Fröhlich, Bad Kösen und Thomas Spindler, Wangen Diagnostik zur Erfassung von Komorbiditäten
Nach Aster-Schenck [3] wurden 55 % der Rehabilitanden mit der Erstdiagnose Asthma bronchiale auch wegen eines atopischen Ekzems und/oder einer allergischen Rhinokonjunktivitis rehabilitiert. Dies erfordert Rehabilitationseinrichtungen, die eine solche Multimorbidität adäquat diagnostizieren und behandeln können. Dies gilt auch für die chronische Sinusitis. Daneben liegen häufig Erkrankungen vor, die mit dem Asthma bronchiale interagieren wie Adipositas, Aufmerksamkeitsstörungen mit und ohne Hyperaktivität, emotionale Störungen des Kindesalter und Störungen des Sozialverhalten. Eine Psychodiagnostik (krankheitsmanagementbezogen, symptombezogen oder systemisch sowie Lern-, Leistungs- oder Persönlichkeitsdiagnostik) dient zur Indikationsstellung von therapeutischen Maßnahmen während der Rehabilitation und/oder am Heimatort als psychosoziale Nachsorge. Eine Diagnostik bzgl. Störungen des Sozialverhaltens, der Emotionen und der Aufmerksamkeit ist dabei ebenso erforderlich wie orientierende und differenzierte Messinstrumente zur kognitiven Leistungsdiagnostik (z.B. HAWIK III, K-ABC). Zur Steuerung der Rehabilitation und als Erfolgskontrolle dienen der Asthmawissenstest mit Verhaltensprobe, die Beobachtung der Selbständigkeit der Selbstbehandlung im Bedarfsfall, die Beurteilung der Spiel- und Sportfähigkeit, der Peak-Flow-Verlauf und die Wiederholung der Lungenfunktionstests (bei Änderung der Therapie oder pathologischer Basismessung).
2.4
Therapie und Schulung
Der Therapieplan wird individuell modifiziert, um Komorbiditäten sowie individuellen Zielen, Therapiehindernissen, Kompetenzdefiziten, Neigungen und Belastbarkeit gerecht zu werden. Wo möglich nutzt die Behandlung Gruppeneffekte. Das interdisziplinäre Zusammenwirken von Ärzten, Kinderkrankenschwestern, Psychologen, Pädagogen, Physiotherapeuten und Sporttherapeuten wird in wöchentlichen Teambesprechungen koordiniert. 2.4.1
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie erfolgt leitliniengerecht und wird ggf. in Abstimmung optimiert. Um die ambulante Weiterbehandlung vorzubereiten, wird sie durch Schulung und Beratung begründet, Ängste ausgeräumt und die Inhalationstechnik geübt. 2.4.2
Asthmaschulung für Patienten
Ziel der Patientenschulung ist, eine aktive Teilnahme des Patienten und seiner Familie durch Überwachen der Symptomatik und adäquate Selbstanpassung der Therapie zu ermöglichen. Leitliniengemäß soll nach Diagnose Zugang zu einem strukturierten, evaluierten, qualitätsgesicherten Schulungsprogramm gewährt werden. Die Arbeitsgemeinschaft Asthmaschulung im Kindes- und Jugendalter e.V. 2003 [4] hat für die ambulante und stationäre Asthmaschulung nationale Qualitätsstandards mit Ausbildungs- und Zertifizierungssystem entwickelt.
Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen
389
Die Asthmaschulung bei Kindern und Jugendlichen bzw. deren Eltern wird von einem Schulungsteam (Arzt, Psychologe/Pädagoge, Sporttherapeut/Physiotherapeut) mit mindestens einem zertifizierten Asthmatrainer in altershomogenen Gruppen mit maximal 7 Patienten durchgeführt. Die ambulante wie stationäre Patientenschulung führte in bundesweiten Verlaufsstudien zu einer klinisch bedeutsamen Verbesserung der Selbstmanagementfähigkeit mit besserer Symptomkontrolle, Verringerung der Anzahl der Asthmaanfälle und Notfallsituationen, Verbesserung der Lebensqualität sowie Verringerung der Krankenhaus-, Arbeitsunfähigkeits- bzw. Schulfehltage (siehe Abb. 2) [5, 6]. Vgl. dazu [7, 8]. 10 ambulant
Schulfehltage
8
stationär/Reha
6 4 2 0 Vor Schulung
1 Jahr nach Schulung
Setting Abb. 2.
Effekt der Asthmaschulung auf die Schulfehltage
Dies begründet die steigende Zahl der Asthmaschulungen (siehe Abb. 3), wobei insbesondere bei Vorschulkindern und Jugendlichen (siehe Abb. 4) Schulungen in der Reha überwiegen. Die altersgemäße Schulung umfasst (Unterrichtseinheit UE= 45 Minuten): • Einführung in Techniken zur Inhalation und Selbstbeurteilung (2 UE) • Anatomie/Physiologie, Pathophysiologie, Auslöser und Auslöservermeidung, Inhalationsmethoden, Selbstkontrolle, Medikamente und Notfallmanagement, Umgang mit emotionalen Auslösern. (9 UE) • Interdisziplinäre Elternschulung für begleitende Eltern (8 UE) • Angebot Elternschulung für nicht begleitende Eltern (6 UE) [9] neben schriftlichen Materialien und der Beratung bei Abreise • Informationen zu heimatnahen Nachschulungsmöglichkeiten [10] Qualifizierte Rehabilitationseinrichtung verfügen über mehrere Schulungsteams mit zertifizierten Asthmatrainern. Die vermittelten Inhalte und Verhaltensweisen sowie das Führen eines Symptomkalenders werden im Rehaalltag eingeübt und erprobt.
390
Andreas van Egmond-Fröhlich, Bad Kösen und Thomas Spindler, Wangen
Schulungskurse/a
2000
1500
1000
500
0
ambulant
stationär
Reha
1992
8
22
52
1999
285
108
708
2000
427
148
1142
2002
558
101
1547
Setting Abb. 3.
Zeittrend der Asthmaschulung für Kinder und Jugendliche in Deutschland
3500 ambulant stationär stationäre Reha
3193
3000 2500
2261
2000 1303
1000 275
500 0
1750
1258
1500
120 Eltern
853
328
69 Vorschulkinder (5–7)
Schulkinder (8–12)
409 83 Jugendliche (13–18)
Altersgruppe
Abb. 4.
Patienten in Asthmaschulung 2002 nach Setting und Altersgruppe
2.4.3
Sporttherapie
Eine verbesserte Fitness bewirkt eine ökonomischere Atmung und verschiebt die Dyspnoe-Schwelle nach oben. Sport integriert sozial und reduziert die anstrengungsinduzierte Bronchialobstruktion. Ziele und Inhalte der Sporttherapie sind verbesserte Kör-
Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen
391
perwahrnehmung, Abbau von Angst vor körperlicher Belastung, Vermittlung von Freude an Bewegung, Spiel und Sport, volle Integration in Schul- und Freizeitsport und schließlich die Vermittlung einer geeigneten daheim verfügbaren Sportart. 2.4.4
Physiotherapie
Die Atemphysiotherapie ist Teil des Patientenschulungsprogramms und besteht aus Übungen zur Atemwahrnehmung (erleichtern sportliche Betätigung), Vermittlung von Lippenbremse und atemerleichternde Stellungen (mindern Atemnot im Anfall), Schulung von Inhalationstechniken, Vermittlung von Techniken zur Therapiekontrolle (z. B. Peak-Flow-Messung). Bei einer komorbiden chronischen Bronchitis werden sekretfördernde Atemphysiotherapietechniken vermittelt. 2.4.5
Psychosoziale Beratung und Behandlung
Gerade hier liegt häufig das Grundproblem mangelhaften Therapieerfolges oder der sog. „Noncompliance“. Deshalb ist die enge Einbindung eines psychosozialen Bereichs mit breiten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten für eine qualifizierte Rehabilitation unabdingbar. Beispielhaft seien Entspannungsverfahren, Verhaltensübungen im Rollenspiel oder in konkreten Alltagssituationen, themenzentrierte therapeutische Gruppen mit Patienten / Angehörigen, therapeutische Einzelinterventionen und systemische Familienberatung, professionellen Krisenintervention und Weitervermittlung an ambulante Hilfesysteme genannt. 2.4.6
Vermittlung und Einübung von Techniken zur Infektprophylaxe
Während die Allergen- und Schadstoffkarenz und etwaige Klimaeffekte während der Rehabilitation in der Regel nur kurzfristige Effekte erzielen, kann die Vermittlung von Techniken zur Infektprophylaxe und zur Erhaltung der Funktion der Nase (Kneipp-Güsse, Wechselduschen, Sauna, Sport, vitaminreiche Ernährung, Nasenspülung mit Sole, Soleinhalationen) gemeinsam mit der aktiven und passiven Tabakrauchkarenz die Beschwerden nachhaltig vermindern helfen.
2.5
Längerfristige Effekte der Rehabilitation
Der Effekt dieser Rehabilitation ist vor allem durch die multizentrischen ESTAR-Studie von Bauer et al. [2] an 8- bis 16-jährigen Kindern und Jugendlichen belegt. Von den 318 Probanden erhielten 226 eine stationäre medizinische Rehabilitation. 92 potentielle Kandidaten wünschten keine Reha und dienten als Kontrollgruppe. 1 Jahr nach der Basismessung hatte sich die MEF50 nur in der Rehagruppe signifikant (p < 0,001) von 70 % auf 77,6 % des Sollwertes verbessert. Das asthmaspezifische Wissen und die asthmaspezifischen Verhaltensfertigkeiten (0,4 auf 1,2 Punkte) der Rehabilitanden verbesserten sich signifikant (p < 0,01), während die Schulfehltage von 11,9 auf 3,8 pro Jahr sanken. Die asthmaspezifische Lebensqualität verbesserte sich in bei den rehabilitierten Patienten in der Studie (p < 0,001) und weit deutlicher als in der Kontrollgruppe (p < 0,001) [11].
392
3
Andreas van Egmond-Fröhlich, Bad Kösen und Thomas Spindler, Wangen
Rehabilitation bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen
Die Rehabilitation von selteneren genetisch bedingten Erkrankungen der Lungen wie Mukoviszidose, primärer ziliärer Dyskinesie oder Immundefekten, aber auch bei bronchopulmonaler Dysplasie spielt eine quantitativ weitaus geringere Rolle. Für die komplexe und aufwändige Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen mit Mukoviszidose sind Qualitätsstandards festgelegt [12]. Gerade diese hochkomplexen Krankheitsbilder sollten entsprechend spezialisierten Rehakliniken vorbehalten bleiben. Die Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen könnte zudem durch Raucherprävention und -entwöhnung, Verminderung der passiven Zigarettenrauchexposition durch die Eltern [13], Vermittlung von Techniken zur Infektprophylaxe und Vermittlung von sekretfördernder Atemphysiotherapie bei rez./chron. Bronchitis [14] und Optimierung der Asthmatherapie zur Reduktion von Entzündung und Remodelling [15] zur Prävention der Volkskrankheit COPD beitragen.
4
Besonderheiten der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen
4.1
Rehabilitationsdauer
Da Rehabilitation sich an chronisch kranke Kinder/Jugendliche und ihre Familien mit dem Ziel einer Verhaltensmodifikation im Sinne einer besseren Krankheitsbewältigung im medizinisch-sozialen Kontext richtet, sind in der Regel (4 bis) 6 Wochen erforderlich.
4.2
Pädagogik
Die pädagogische Betreuung erfolgt in altershomogenen Gruppen und unterstützt die medizinischen und psychologischen Rehabilitationsziele unter alltagsnahen Bedingungen.
4.3
Schule als Teil des Rehaalltags
Die Weiterführung der schulischen Ausbildung in den Kernfächern wird in Form eines Stützunterrichtes in klinikeigenen Schulen unter Berücksichtigung ihrer Schulart in kleinen Gruppen gewährleistet. Dies dient auch der Aufdeckung von Schulleistungsstörungen und Belastungserprobung.
4.4
Berufsberatung und Berufshinführung
Für Patienten der letzten Schulklassen des Bildungsgangs werden durch Klinikpersonal gemeinsam mit Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit Beratungen angeboten, um über krankheitsbedingte Risiken zu informieren, individuelle berufliche Perspektiven zu ergründen und bei Bedarf medizinisch geeignete Alternativen aufzeigen.
Rehabilitation – Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen
4.5
393
Elternarbeit als wichtiger Rehabilitationsbestandteil
Im Vorschulalter und bei eingeschränkter Gruppenfähigkeit ist die Einbindung der Eltern als Begleitpersonen unabdingbar. Sie werden über Zielplanung, indikationsspezifische Schulung und Beratung einbezogen. Die Eltern werden bedarfsweise auch durch ein strukturiertes Erziehungskompetenztraining und Beratung zum Passivrauchen unterstützt.
4.6
Qualitätssicherung
Rahmenkonzepte und Qualitätsstandards wurden für die pneumologische Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen bereits 1998 festgelegt [16, 17] und in den Leitlinien der Fachgesellschaft Rehabilitation in der Kinder- und Jugendmedizin [12, 18] weiterentwickelt. Als gemeinsames Projekt der Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Qualitätssicherung der stationären medizinischen Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen optimiert. Für die Strukturqualität wurden indikationsspezifische Mindestanforderungen erarbeitet und für die Prozess- und Ergebnisqualität geplant.
4.7
Rechtliche Voraussetzungen
Das SGB IX bildet die gesetzliche Grundlage für die Rehabilitation von Erwachsenen und Kindern. Die Rehabilitation bei Kindern und Jugendlichen wird durch GKV und DRV gemeinsam getragen. Bei der Antragstellung ist auf eine möglichst präzise Darstellung der Indikation und der Zielsetzung zu achten. Im Rahmen eines strukturierten Behandlungsprogramms (DMP) bildet die stationäre Rehabilitation einen Teil der 3. Versorgungsebene. Die ambulante Asthmaschulung wird auf der Basis von §43a SGB V als ergänzende Leistung zur Rehabilitation finanziert.
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Komorbidität bei Erwachsenen
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Komorbidität bei Erwachsenen Gerhard König, Memmingen
1
Komorbidität bei COPD
1.1
Allgemeines
Multimorbidität bestimmt das tägliche Bild in Kliniken und Praxen in einer zunehmend alternden Population. Leitlinien lassen den Einfluss von fachübergreifenden Begleiterkrankungen häufig außer Acht [1]. Selbst schwer kranke COPD-Patienten werden bezüglich ihrer Begleiterkrankungen nur unzureichend versorgt [2]. Die Komorbidität ist für die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) entscheidend, mehr als das FEV1, demographische Faktoren oder Atemwegssymptome. COPD-Patienten mit 3 oder mehr Begleiterkrankungen haben die schlechteste HRQoL. Die Komorbidität bestimmt nicht nur die Lebensqualität von COPD-Patienten, der Umfang der Komorbidität korreliert – im Gegensatz zum FEV1 – auch mit der Inanspruchnahme medizinischer Einrichtungen [3].
1.2
Einfluss auf die Mortalität
Die Prognose der COPD hängt ab von Alter und Geschlecht, Schwere der Erkrankung sowie deren Folgen wie Störungen des Gasaustausches und Kachexie [4]. Bei Patienten mit schwerer COPD war eine respiratorische Insuffizienz in 61 % die Todesursache, gefolgt von kardialen Ursachen in 14 % und malignen bronchopulmonalen Erkrankungen in 12 %. Die Komorbidität (gemessen am Charlson-Index) war bei Verstorbenen signifikant höher als bei den Überlebenden (5,9 vs 2,9). Ein Charlson-Index ≥ 2 ging mit einer 3-fach erhöhten Mortalität einher [5]. Die Komorbidität erwies sich auch bei Patienten mit fortgeschrittener COPD unter Langzeit-Sauerstoff-Therapie neben einem reduzierten BMI als signifikanter Indikator für die Mortalität [6, 7]. Ein Diabetes mellitus in Verbindung mit einer fortgeschrittenen COPD erhöhte das Risiko für respiratorisch verursachte Todesfälle auf das 2,8-fache, und das Risiko für kardial bedingte Todesfälle stieg auf das 3,4-fache [4].
1.3
Hypertonie und kardiovaskuläre Erkrankungen
In einem Kollektiv von 5.648 COPD-Patienten war die arterielle Hypertonie mit einer Prävalenz von 45 % die häufigste Begleiterkrankung, gefolgt von der Herzinsuffizienz (14 %), der ischämischen Herzerkrankung (13 %) und Kardiomyopathien (4 %) [8]. De-
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wan et al. fanden bei COPD-Patienten in 65 % eine arterielle Hypertonie, in 51 % eine koronare Herzerkrankung und in 30 % eine chronische Herzinsuffizienz [9]. In einer Studie von Marti et al litten 13 % der Patienten mit schwerer COPD an einem kongestiven Herzversagen, 7 % hatten einen Myokardinfarkt erlitten [6]. Gudmundsson et al. beschrieben bei Patienten mit schwerer COPD in 45 % kardiovaskuläre Erkrankungen. In einer Studie an 2.727 Patienten mit COPD höheren Schweregrades waren kardiovaskuläre Erkrankungen einschließlich zerebraler Insulte mit 38 % bei Männern und 26 % bei Frauen die häufigste Todesursache gefolgt von bronchopulmonalen Erkrankungen mit 26 % (Männer) und 32 % (Frauen). Auf die COPD gingen 21 % der Todesfälle bei Männern und 27 % bei Frauen zurück. Ein Tumorleiden, meist bronchopulmonale Tumoren, war in 21 % (Männer) und in 20 % (Frauen) die dritthäufigste Todesursache [10]. Die COPD ist mit einer Prävalenz von 20–30 % nach Hypertonie und Diabetes die dritthäufigste Begleiterkrankung bei Myokardinfarkt [11]. Ähnlich häufig findet sich eine COPD bei chronischer Herzinsuffizienz: in 20 % [12] bzw. 33 % [13]. Das FEV1 erwies sich als guter Indikator für das Mortalitätsrisiko verschiedener Erkrankungen. Das Mortalitätsrisiko in Folge einer ischämischen Herzerkrankung stieg bei Männern mit erniedrigtem FEV1 auf 1,6 und bei Frauen auf 1,9 an [14]. Patienten mit erniedrigtem FEV1 hatten eine höhere Gesamtmortalität, mehr kardiale Ereignisse und Todesfälle in Folge ischämischer Herzerkrankung als Patienten mit normalem FEV1 [15, 16]. COPD-Patienten tragen ein erhöhtes Risiko, einen Myokardinfarkt (RR = 1,7) oder Angina pectoris (RR = 1,7) zu akquirieren [17]. Engström et al. fanden bei Patienten mit erniedrigter forcierter Vitalkapazität erhöhte Serumspiegel entzündungsrelevanter Proteine wie alpha-1Antitrpsin, Fibrinogen, Coeruloplasmin, Haptoglobin und Orosomucoid. Diese Befunde korrelierten mit der Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse [18]. Raucher haben im Vergleich zu Nichtrauchern erhöhte Serumspiegel entzündungsrelevanter Proteine [19]. Patienten mit höhergradiger Bronchialobstruktion hatten im EKG gehäuft Ischämiezeichen, höhere Fibrinogenspiegel sowie Leukozyten- und Thrombozytenzahl als Patienten ohne Obstruktion. Ein erhöhtes CRP und schwere Bronchialobstruktion gingen mit einem 2,7- bzw. 5,9-fachen Infarktrisiko einher im Vgl. zu Patienten ohne Obstruktion und normalem CRP [20]. Erhöhte Serumspiegel entzündungsrelevanter Proteine waren mit einer signifikant höheren kardialen Mortalität und einer Zunahme kardialer Ereignisse verknüpft [21, 22]. Aufgrund der Datenlage kann davon ausgegangen werden, dass eine COPD mittleren und höheren Schweregrades ein Risikofaktor für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen ist.
1.4
Sonstige, mit COPD assoziierte Erkrankungen
COPD-Patienten sind vermehrt gefährdet, an Pneumonie (RR = 16,0), Osteoporose (RR = 3,1), Atemwegsinfektionen (RR = 2,2), Frakturen (RR = 1,6) oder Glaukom (RR = 1,3) zu erkranken [17]. Dewan et al. fanden bei 107 Männer mit COPD als Begleiterkrankung neben arterieller Hypertonie und kardiovaskulären Erkrankungen in 45 % eine Alkoholkrankheit und in 13 % eine Niereninsuffizienz [9]. Ein Diabetes mellitus bestand in 9 % [7], 11 % [4] bzw. 18 % [17]. Stimmungstiefs waren im letzten Lebensjahr von COPD-Patienten in 77 % der Fälle die häufigsten Begleitsymptome. Eine Besserung dieser Symptome war nur in 8 % erreicht worden. 82 % erhielten diesbezüglich keine Therapie [2]. Für COPD-Patienten mit schlechtem Gesundheitszustand waren Angststörungen ein Risikofaktor für eine Rehos-
Komorbidität bei Erwachsenen
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pitalisierung [4]. Der Abbau kognitiver Leistungen verlief schneller, wenn eine hochgradige Bronchialobstruktion bestand [23]. Angststörungen und Depressionen hatten einen starken Einfluss auf die Lebensqualität von COPD-Patienten [24].
1.5
COPD – Auswirkungen auf andere Erkrankungen
Eine koexistente COPD belastet die Prognose anderer Erkrankungen: Patienten mit Myokardinfarkt haben eine schlechtere Überlebenschance, wenn eine COPD hinzukommt [25, 26]. Die Überlebensrate nach aortokoronarer Bypassoperation nimmt ab, wenn eine COPD zur kardialen Erkrankung hinzukommt: anhand von 33.137 Krankheitsverläufen kamen Leavitt BJ et al. [27] zu dem Ergebnis, dass durch eine begleitende COPD die 3-Jahresmortalität nahezu verdoppelt wird. Nach PTCA ist die Lebenserwartung der Patienten mit COPD erheblich belastet. Bei gleicher Hospitalmortalität ist die 3-Jahresmortalität in der COPD-Gruppe höher als bei Patienten ohne COPD (21 % vs. 9 %). Die COPD ging als unabhängiger Risikofaktor mit einem 2-fachen Anstieg der Langzeitmortalität einher [28]. Die perioperative Mortalität nach kardiochirurgischen und thoraxchirurgischen Eingriffen ist abhängig vom Schweregrad der funktionellen Beeinträchtigung durch die COPD. Fuster et al. [29] fanden bei 1.412 Patienten mit ACVB-OP perioperative Mortalitätsraten von < 1 % bei einem FEV1 > 60 % Soll. Ein FEV1 von 40–59 % war assoziiert mit einer Mortalitätsrate von 11 % und mit einem FEV1 von weniger als 40 % stieg die Mortalität auf 54 % an. Als bester Parameter zur Vorhersage eines perioperativen Todesfalles erwies sich ein FEV1 < 60 %, gefolgt von CRF und pAVK. Die Überlebensraten nach Thoraxchirurgischen Eingriffen bei Bronchialkarzinom waren abhängig vom präoperativ gemessenen FEV1-Wert. Messwerte < 60 % waren assoziiert mit vermehrten respiratorischen Komplikationen (OR = 2,7) und einer erhöhten 30-Tagesmortalität (OR = 1,9) [30]. Die Rekonvaleszenz z.B. post Apoplex oder bei Morbus Parkinson wird durch eine begleitende COPD beeinträchtigt [31]. Besteht bei COPD-Patienten eine chronische Bronchitis, wirkt sich dies auf die Mortalität in den jeweiligen Patientengruppen gleicher GOLD-Stadien risikosteigernd aus: Stadium I (RR 2,0), Stadium II (RR 1,2) bei Männern und in den Stadien I (RR 1,6), II (RR 3,2) und III (RR 2,2) bei Frauen. Bei fortgeschrittener COPD mit vs ohne Bronchitis unterscheiden sich die Kollektive hinsichtlich der Prognose nicht [32].
2
Komorbidität bei Asthma bronchiale
65 % der Asthmatiker erhielten neben der Asthmamedikation andere Medikamente. 41 % nahmen 5 oder mehr Präparate ein. 63 % der Asthmapatienten waren von mindestens einer weiteren Gesundheitsstörung betroffen. Die häufigsten Begleiterkrankungen von 2.952 erwachsenen Asthmapatienten waren Erkrankungen des Bewegungsapparates mit 45 %, Allergien (60 %), arterielle Hypertonie (27 %), kardiovaskuläre Erkrankungen (20 %), Migräne (14 %) und Diabetes mellitus (8 %) [35]. Mehrere Untersuchungen zeigen eine erhöhte Anfälligkeit von Asthmatikern für bronchopulmonale Infekte: das Risiko einer invasiven Pneumokokkenerkrankung ist bei Asthmapatienten 2,4-fach höher als bei Nichtasthmatikern [36]. Soriano et al. fand bei 7.931 Asthmatikern vermehrt respiratorische Infekte (RR = 1,8) und Frakturen (RR = 1,5). Angina war mit 0,7 % etwas häufiger als erwartet (RR = 1,4) [17].
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Rhinitis und Sinusitis: Die Rhinitis war mit 60 bis 70 % die häufigste Begleiterkrankung [33, 35]. Asthmapatienten mit Rhinitis unterscheiden sich nicht wesentlich von Asthmatikern ohne Rhinitis hinsichtlich Lungenfunktion und Exazerbationsraten. Patienten mit Asthma und Sinusitis haben jedoch mehr Exazerbationen als Asthmatiker ohne Sinusitis [33]. Die Lebensqualität von Asthmapatienten wird verbessert, wenn neben der Asthmatherapie auch eine Behandlung der Rhinits erfolgt. Trotz der meist allergischen Genese beider Erkrankungen bestehen Unterschiede im Ansprechen auf Antihistaminika [34]. Eine allergische Rhinitis erhöht das Risiko, ein Asthma zu entwickeln, auf das 8-fache [37]. 55 % der Patienten mit Rhinitis berichteten über wenigstens ein Asthmasymptom, 30 % über 3 Asthmasymptome. Husten beim Treppensteigen war das am häufigsten genannte Symptom, gefolgt von pfeifender Atmung in staubiger Umgebung und Brustbeklemmungen beim Treppensteigen [38]. Parasiten: In einer Metaanalyse von 57 Studien aus der Zeit von 1966 bis 2006 kamen Leonardi-Bee et al. zu dem Ergebnis, dass eine intestinale Infektion mit Parasiten nicht generell vor Asthma schützt. Es zeigt sich aber, dass ein Befall mit Hakenwurm (Ankylostoma) mit einer geringeren Asthmahäufigkeit einherging, ein Befall mit A. lumbricoides jedoch mit einer erhöhten Asthmainzidenz vergesellschaftet war [39]. Übergewicht: Patienten mit Asthma weisen, anders als Patienten mit COPD/Emphysem, oftmals einen hohen BMI auf. [40, 41]. Kinder mit Asthma haben im Vergleich zu Kindern ohne Asthma ein 1,5-fach höheres Risiko, adipös zu werden [42]. Frauen mit Übergewicht neigen vermehrt dazu, ein Asthma bronchiale zu entwickeln. Der Zusammenhang zwischen Atemwegserkrankungen und BMI ist letztlich nicht eindeutig geklärt. Da sowohl das Asthma bronchiale wie auch die Adipositas zu den Gesundheitsstörungen mit den höchsten Zuwachsraten in unserer Gesellschaft zählen, bleibt offen, ob es sich dabei um ein zufälliges oder kausales Zusammentreffen handelt [43]. Autoimmunerkrankungen: Die Lungen sind eines der Zielorgane, die von systemischen, immunologisch vermittelten, v.a. ANCA-assoziierten Erkrankungen betroffen werden können. Das Churg-Strauss-Syndrom ist eine seltene ANCA-assoziierte Vaskulitis, die meist mit Asthma bronchiale, Eosinophilie und variablen Organmanifestationen einhergeht. [44, 45]. Einzelne Berichte legen nahe, dass in einigen Fällen ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Leukotrienantagonisten und der Systemerkrankung bestehen kann [46–48]. Personen, die an einem Asthma bronchiale erkrankt sind, entwickeln seltener systemische Autoimmunerkrankungen. In einer Untersuchung an 488.841 Personen waren Asthmatiker signifikant weniger häufig von einer Vaskulitis, einer Polyarthritis, einem Morbus Werlhoff oder von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen betroffen [49]. Angststörungen: Im 19. und 20. JH wurde die psychogene und neurogene Genese des Asthmas als krankheitsursächlich angesehen. Wenngleich dieser Pathomechanismus nicht belegt ist, kommt es doch in Folge psychosozialer Stresssituationen, in Zusammenhang mit negativen Life-events und Emotionen zu Asthmaexzerbationen. Angststörungen und Depressionen wirken sich auf den asthmabezogenen Gesundheitszustand negativ aus. Asthmatiker zeigen häufiger als erwartet Angststörungen. Andererseits sind Patienten mit psychischen Erkrankungen häufiger von Asthma betroffen. [50, 51].
Komorbidität bei Erwachsenen
3
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Komorbidität bei Asthma und COPD
Der Zusammenhang zwischen Zigarettenrauchen und der Erkrankung an (BC) oder COPD ist wissenschaftlich gesichert. [52]. COPD-Patienten sind vermehrt gefährdet, an einem BC zu erkranken. Die Lungenfunktion ist dafür ein Risikoindikator. Die Wahrscheinlichkeit, in zehn Jahren ein BC zu akquirieren, ist – im Vergleich zu Rauchern ohne COPD – bis zu dreimal größer, wenn eine geringgradige COPD besteht und bis zu zehnmal größer bei einer schwergradigen COPD [53, 54]. In einer Metaanalyse von 16 Studien kamen Santillan et al. zu dem Ergebnis, dass Asthmapatienten, die nie geraucht hatten, ein erhöhtes Risiko aufweisen ein Bronchialkarzinom, meist Adenokarzinome, zu entwickeln. Bei Eingrenzung der Analyse auf Nichtraucher ergab sich ein 1,8-faches, statistisch signifikant erhöhtes Risiko für Asthmatiker [55]. Patienten mit COPD entwickeln, im Gegensatz zu Asthmapatienten, gehäuft einen Diabetes mellitus Typ II [56]. In einer Verlaufsbeobachtung bei 103.614 Frauen zeigte sich, dass eine COPD mit einem 1,8-fachen Risiko für die Entwicklung eines Diabetes einherging. Asthmatikerinnen hatten kein gesteigertes Risiko [57]. Patienten mit Asthma bronchiale haben im Vergleich zu Nicht-Asthmatikern ein signifikant geringeres Risiko, einen Diabetes mellitus Typ I zu entwickeln, wie eine Studie an 488.841 Personen ergab [49].
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Komorbidität bei Kindern
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Komorbidität bei Kindern Josef Lecheler, Berchtesgaden
In der Vermeidung von Asthmaauslösern und in der konsequent durchgeführten antientzündlichen medikamentösen Dauertherapie stehen heute Behandlungsstrategien zur Verfügung, die Asthmasymptome nicht entstehen lassen oder zumindest die Entwicklung höherer Schweregrade der Erkrankung verhindern können. Wenn epidemiologische Zahlen dennoch von einer zunehmenden Häufigkeit von Asthma bronchiale im Kindes- und Jugendalter ausgehen [1], erhebt sich die Frage, in wieweit Komorbiditäten dazu beitragen, die Komplexität des Krankheitsgeschehens zu erhöhen und damit therapeutische Strategien zu unterlaufen.
1
Komorbiditäten im Rahmen des atopischen Syndroms
Das atopische Syndrom (Allergie Typ I) umfasst das exogen-allergische Asthma, den Heuschnupfen (allergische Rhinokonjunktivitis) sowie die Neurodermitis (atopisches Ekzem, Hautkrankheiten). IgE-vermittelte Allergien spielen dabei die zentrale Rolle. Allergene zeigen jedoch eine unterschiedliche klinische Relevanz. Die für das Kindesalter häufigsten IgE-vermittelten Allergene sind • Pollen, die saisonale – jahreszeitlich begrenzte – Symptome auslösen (Heuschnupfen, aber auch Heuasthma) bei der Mehrzahl exogen-allergischer Asthmatiker [2] • Haustiere – vor allem Haartiere – mit einer hohen Sensibilisierungswahrscheinlichkeit je nach Tierart [3] • Hausstaubmilben (Dermatophagoides pteronysinus und D. farinae) mit einer Sensibilisierungswahrscheinlichkeit bei Kindern bis 94 % [4] • Schimmelpilze mit einer Sensibilisierungswahrscheinlichkeit von bis zu 50 % bei Kindern [5] • Nahrungsmittel mit einer hohen Prävalenz im Kleinkindesalter, einer abnehmenden Prävalenz im Schulkindesalter und späteren Jugendalter. Junge Erwachsene haben nur in etwa 3 % Allergien auf Grundnahrungsmitteln (z. B. Milcheiweiß) [6].
2
Komorbiditäten bei intrinsic asthma
Chronische Infekte der oberen Atemwege (Sinusitis maxillaris, Sinusitis ethmoidalis und Sinusitis frontalis) treten häufig zusammen mit dem nichtallergischen, intrinsischem Asthma auf, das deswegen auch als „Infektasthma“ bezeichnet wird.
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Josef Lecheler, Berchtesgaden
Nasennebenhöhlenaffektionen sind bei dieser Asthmaform nicht nur häufig, sondern können auch der Asthmaentwicklung vorausgehen. So führen virale Infekten der oberen Atemwege zu einer Steigerung der bronchialen Hyperreaktivität [7].
3
Kinder- und Jugendpsychiatrische Komorbiditäten bei Asthma im Kindesalter
Probleme mit dem Asthma-Management zuhause haben viele Kinder. Lassen sie sich im familiären Umfeld nicht bewältigen, sind bisweilen stationäre Behandlungen erforderlich. Die aufgrund der Fallpauschalenregelung seit 2003 statistisch miterfassten kinderund jugendpsychiatrischen Komorbiditäten waren im Asthmazentrum Berchtesgaden auffällig hoch: Am höchsten dabei die Klassifikation ICD-10 F54, die im weiteren Sinne die Unfähigkeit des Patienten und seiner Umgebung zeigt, mit der Erfordernissen der Erkrankung zuhause zurecht zu kommen (siehe Abb. 1).
300 250 200 150 100 50 0
F19f
Abb. 1.
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F5f
F6f
F7f
F8f
F9f
Kinder- und Jugendpsychiatrische Komorbiditäten (Kapitel F der ICD-10)der Fallpauschalen im CJD Asthmazentrum Berchtesgaden 2006 (n= 386, Durchschnittliche Komorbidität pro Fall: 1,23)
Der Einfluss psychosozialer Faktoren auf das Krankheitsgeschehen bei Kindern mit Asthma bronchiale wird auch anderswo häufig beschrieben. So werden in den BTS-Guidelines aus dem Jahre 2003 insbesondere Patienten mit Hochrisiko-Asthma genannt, die eine Kombination eines schweren Asthmas (Grad III und IV) mit ungünstigem Verhalten bzw. psychosozialen Problemen aufweisen [8]. Strunk at al [9] haben Faktoren zur Einhaltung von Studienprotokollen bei Kindern untersucht: Hierbei zeigen sich häufige Protokollverletzungen bei Aufmerksamkeitsproblemen des Kindes, hingegen geringere bei Ängstlichkeit und depressiven Verstimmungen. In einer schon länger zurückliegenden Fallkontrollstudie desselben Autors wurde verglichen, welche Kinder einen letalen Ausgang ihrer Asthmaerkrankung erfahren hatten und welche in etwa vergleichbaren Kinder nicht an der Krankheit verstorben waren. Zwar gab es auch somatische Faktoren, die den Unterschied begründeten (häufige hypoxämische Krampfanfälle und respiratorisches Versagen, Intubation bei Kindern mit letalem Ausgang), die Mehrheit der signifikant unterschiedlichen Parameter lag jedoch im psychoso-
Komorbidität bei Kindern
405
zialen Bereich. Kinder mit letalem Ausgang hatten signifikant häufiger Probleme mit dem Selbstmanagement, missachteten wahrgenommene Symptome häufiger, hatten keine altersgemäße Mitarbeit und gebrauchten manipulativ das Asthma. Auch die mangelnde familiäre Unterstützung zeigte in dieser Untersuchung eindeutig insbesondere Schwierigkeiten bei der Durchführung der Therapie, Eltern-Kind-Konflikte und familiäre Krisen. Schließlich fielen psychiatrische Diagnosen, vor allem Depressionen auf. Unklar bleiben allerdings Hinweise aus kinder- und jugendpsychiatrischem Krankengut, die bei 0,8 % Komorbiditäten eher ein unterdurchschnittliches Asthma bronchiale feststellten. [10] Bemerkenswert ist dennoch, dass es kaum systematische Studien gibt, die definierte kinder- und jugendpsychiatrische Krankheitsbilder wie ADHS oder Störung des Sozialverhaltens im Hinblick auf die Asthma-Komorbidität untersuchen [11]. Andererseits gibt es genügend Hinweise auf das gemeinsame Vorhandensein von Asthma und depressiven Krankheitsbildern mit einer OR von 1,5 oder mehr [12, 13].
4
Pseudo-Asthma als Asthmakomorbidität
4.1
Vocal Cord Dysfunction (VCD)
Mitte der 90-er Jahre tauchten erstmals im National Jewish Medical Asthmacenter in Denver USA Berichte auf, wonach vor allem dramatische Notfälle bei Asthma bronchiale nicht allein auf eine asthmatypische Reaktion der Atemwege zurückzuführen waren [14]. Es handelte sich vielmehr um eine Obstruktion der oberen Atemwege, die durch eine paradoxe Bewegung der Stimmbänder bzw. auch supraglottischer Strukturen hervorgerufen wurde. Das Hauptsymptom waren dabei in 70 % stridoröse Atemgeräusche, die sowohl inspiratorisch (häufiger) als auch exspiratorisch (eher seltener, dann aber stark einem Asthmaanfall ähnelnd) vorkommen. In 59 % der Fälle werden vital-bedrohliche Erstickungsanfälle beschrieben, ebenso häufig heftige Hustenattacken. In 51 % der Fälle Aphonie, in 54 % der Fälle Atemnot, in 37 % der Fälle gastroösophagealer Reflux. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahre 1995 zeigte bei diesen Krankheitsbildern, dass etwa die Hälfte dieser Patienten Asthma bronchiale mit der Komorbidität Vocal cord dysfunction hatten. Bei der anderen Hälfte wurde zwar die Diagnose Asthma bronchiale gestellt wurde, jedoch handelte es sich ausschließlich VCD – Asthma war fehldiagnostiziert (nach [15]). Die Dramatik dieser Komorbidität zeigte sich darin, dass die falsche Alleindiagnose Asthma bronchiale in einem größeren Krankengut seit etwa fünf Jahren bestand und dass etwa ein Drittel der Patienten dauerhaft mit systemische Steroiden behandelt wurden (im Durchschnitt 30 mg täglich), die sich nicht benötigten. Weiter wurden pro untersuchtem Fall im Durchschnitt 10 Notfallbehandlungen (Emergency Room Visits) für notwendig erachtet, 6-mal wurden pro Fall stationäre Einweisungen veranlasst. 28 % dieser Patienten wurden bereits einmal intubiert. Die Diagnosestellung dieser Komorbidität bei Asthma bronchiale ist im Einzelfall ausgesprochen schwierig, da die anamnestischen Angaben mit einer asthmatypischen Anamnese verwechselbar sind, wenngleich ein inspiratorischer Stridor, falls vorhanden, eindeutig auf VCD hinweist. Lungenfunktionell kommt es insbesondere bodyplethysmographisch zu einer Knickung der Inspirationskurve bis zu 90 Grad bei inspiratorisch betonter VCD. Technische Diagnoseprozeduren wie die Visualisierung der Adaption der Stimmbänder
406
Josef Lecheler, Berchtesgaden
durch Laryngoskopie oder Bronchoskopie haben sich bisher noch nicht routinemäßig durchgesetzt [15].
4.2
Adipositas-induzierte respiratorische Dysfunktion (AIRD)
Seit etwa zwanzig Jahren ändert sich das Bewegungsverhalten von Kinder und Jugendlichen in den westlichen Industrieländern drastisch. Der Deutsche Sportbund führt zusammen mit der AOK jährliche Untersuchungen über die körperliche Aktivität von Kindern und Erwachsenen durch [16]. Danach liegen die Defizite in der Entwicklung der sportmotorischen Leistungsfähigkeit von 10- und 11-Jährigen heute im Vergleich zu Gleichaltrigen vor sieben Jahren in einer Größenordnung von etwa 30 %. Diese allgemeine Entwicklung scheint auch Auswirkungen auf die Morbidität bei Asthma bronchiale zu haben: Zwillingsstudien haben ergeben, dass für die Asthmaentstehung der Grad der körperlichen Aktivität von entscheidender Bedeutung ist – je inaktiver ein Kind ist, desto wahrscheinlicher kommt es zur Diagnose Asthma bronchiale. Allenfalls das Vorliegen einer Atopie zeigt ein vergleichbares Risiko, während z.B. für Haustierhaltung, Schadstoffbelastung oder elterliches Rauchen kein derartiger signifikanter Zusammenhang festgestellt werden konnte [17]. Auch das Risiko, Asthma in Adoleszenz neu zu entwickeln, scheint sich signifikant zu reduzieren, und zwar linear mit dem Ansteigen der physischen Fitness [18]. Die Entwicklung von Adipositas beschleunigt diese Entwicklung offenbar, jedoch scheint auch die Zunahme der Adipositas – ähnlich wie die Zunahme des Asthma bronchiale – eine Folge des modernen sedentary lifestyle zu sein [19]. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt dabei die Benutzung Neuer Medien: So haben bereits 80–90 % aller 1-Jährigen in den USA im Zimmer, in dem sie schlafen, ein Fernsehgerät, das lange Zeiten angeschaltet ist. Die Kinder werden somit schon in diesem Alter tagsüber ruhiggestellt. Schulkinder verbringen pro Tag im Durchschnitt fünf Stunden vor einem Monitor [20]. Eine der Folgen: Sie gewöhnen sich ein signifikant anderes Atemmuster an im Vergleich zu Kindern, die Sport treiben oder selbst Kindern, die überwiegend Bücher lesen. Die Rate der „Seufzer“–Atmungen (sigh frequency) ist bei bücherlesenden Kindern doppelt so hoch wie bei Kinder vor dem Monitor. Das Atemmuster der Computerkids mit dauerhaft flacher Atmung führt allerdings zu einer nachhaltigen Änderung in der glatten Muskulatur der Atemwege dieser Kinder. Diese Muskulatur verkümmert und wird stressempfindlicher – man spricht von einem Bronchial-Latching. Die Entwicklung einer Hyperreaktivität des Atemwegssystems ist bei diesen Kindern daher möglich [21]. Zusammen mit der Adipositas als weiterer Folge des Bewegungsmangels entsteht seit kurzem in der pädiatrischen Praxis ein neuer Typus Patient: Kinder, die adipös sind und Belastungsdyspnoe angeben und zusätzlich asthmatypische Einschränkungen der Lungenfunktion zeigen. Während Verminderungen der Einsekundenkapazität bei Adipösen noch als Folge der Thoraxveränderungen bei Adipositas erklärt werden können, irritiert doch das Vorliegen einer bronchialen Hyperreaktivität erheblich, da damit vordergründig Kriterien erfüllt werden, die als diagnostische Merkmale eines kindlichen Asthmas gelten. Tatsächlich besteht aber keine Inflammation, und Antiasthmatika helfen nicht. Dieses Beschwerdebild wird als Adipositas-induzierte respiratorische Dysfunktion (AIRD) bezeichnet. Offen bleibt allerdings, ob es sich um ein Vorstadium einer Asthmaentwicklung, eine Komorbidität oder ein eigenständiges Krankheitsgeschehen handelt [21, 22].
Komorbidität bei Kindern
407
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Alternative Behandlungsansätze
409
Alternative Behandlungsansätze Walter Dorsch, München
1
Einleitung
Die Geschichte der Scharlatanerie ist so alt wie die Geschichte der Medizin. Die Diskussion über seriöse oder unseriöse medizinische Verfahren reißt nicht ab. Viele unkonventionelle Heilmethoden werden als so genannte Alternativmethoden zur Behandlung verschiedenster Erkrankungen angeboten; nur wenig verlässliche Information steht allgemein zur Verfügung. Angesichts zunehmend knapper Kassen wird der Verdrängungswettbewerb schärfer und unsachlicher. Zweifellos können manche Komplementärmethoden (z. B. Kneipp’sche Verfahren oder Phytotherapie) eine wertvolle Ergänzung klassischer Methoden darstellen, andererseits werden unter dem Deckmantel ,,Naturheilverfahren“ oder ,,Alternativmethode“ Verfahren angeboten, die schlicht als Betrug anzusehen sind und die Leichtgläubigkeit Betroffener ausnutzen. Da die Wirkung ärztlichen Handelns nicht nur rein wissenschaftlich erklärt werden kann, verwundert es nicht, dass viele auch unseriöse Therapierichtungen überzeugte Anhänger ins Feld führen können, die zum Teil mit messianischem Eifer um „ihre“ Methoden kämpfen. Von ihnen hört man gern das Argument „Wer heilt, hat Recht“, ein Standpunkt, der einer rational betriebenen ärztlichen Kunst widerspricht, schließlich wird, einer Umfrage des DAAB zu Folge, von jedem vierten (!) chronisch Kranken auch Handauflegen als hilfreich erlebt, wenn auch nur für kurze Zeit (zit. in [5]). Es besteht in unserer Gesellschaft – leider – kein allgemein anerkannter Konsens darüber, was als wissenschaftlich eindeutig erwiesen anzusehen ist. Manche Verfahren versuchen sich einer wissenschaftlichen Bewertung dadurch zu entziehen, dass sie einerseits die Schulmedizin als symptomorientierte Apparatemedizin denunzieren und sich im Gegensatz zu ihr als ganzheitlich oder patientenorientiert definieren. Manche Denkrichtung, wie die Anthroposophische Medizin, ist in ein spezifisches weltanschauliches System eingebunden, das eine Bewertung von außen erschwert. Bei bestimmten Methoden, wie der Akupunktur oder der Ernährungsmedizin, lässt sich der rationale Kern des Verfahrens nur schwer von dem historischen Beiwerk einer zum Teil sehr alten medizinischen Tradition trennen. Unparteiische Informationen über Methoden der Komplementärmedizin sind oft schwer zugänglich. Es besteht ein großer Nachholbedarf an solider Forschung auf diesem Gebiet, der angesichts der existierenden Marktsituation für medizinische oder pharmazeutische Produkte kaum finanziert werden kann.
410
Walter Dorsch, München
Als obsolet erkannte Verfahren werden oft mit geringen Modifikationen und anderen Namen wieder auf den Markt gebracht und erleben so verschiedenste Neuauflagen (Bioresonanz – Biocom – Regumed – Mora-Therapie etc.). In dem vorgelegten kurzen Überblick können nur die häufigsten unkonventionellen Methoden kurz besprochen werden (Hinweise auf Übersichtsarbeiten finden sich im Literaturverzeichnis unter [3, 4, 5, 7, 13, 14]).
2
Diagnostische Verfahren
2.1
Bioresonanzdiagnostik und -therapie
Leben ist Elektrizität. Jede Aktivität lebender Organismen und lebender Zellen ist verbunden mit elektrischen Begleitphänomenen. Eine Änderung der Bioresonanz jedoch beim bloßen Kontakt mit einem Allergen (z. T. in Glasampullen eingeschweißt) wurde nie von unabhängigen Forschern bestätigt und bleibt mysteriös. Allergiediagnostik mittels Bioresonanz besitzt keine Reproduzierbarkeit. Sie ist vergleichbar einer Allergiediagnostik mit Würfeln [4, 15]. Auf der Bioresonanzdiagnostik basiert die Bioresonanztherapie: Dem Anwender wird suggeriert, er könne mit einer speziellen Technik negative elektrische Impulse, welche durch Allergien oder andere Krankheiten verursacht werden, durch positive neutralisieren, Allergien würden „gelöscht“. Diese Behauptung ist durch nichts bewiesen und wurde wiederholt widerlegt [4, 15]. Sie muss als Betrug angesehen werden. (Niemand, der im treuen Glauben an die Mitteilungen der Herstellerfirma die Bioresonanz anwendet, sollte als Betrüger diffamiert werden. Er muss sich aber fragen, weshalb er sich von den Allmachtsphantasien verführen lässt (s.a. [1]): Bioresonanzler behaupten, alles heilen zu können: Unfruchtbarkeit und Aufmerksamkeitsdefizit, Asthma, Allergien u.v.a.m.).
2.2
Elektroakupunktur nach Dr. Voll
Als diagnostische Prozedur hat die Elektroakupunktur nach Dr. Voll keinen wissenschaftlichen Wert. Bereits im Jahre 1976 wurde die Methode unter dem Beisein von Dr. Voll und anderen führenden Vertretern dieser Methode untersucht. Das Ergebnis war /und ist auch heute [4, 15] enttäuschend: Alle beobachteten elektrischen Veränderungen waren Artefakte.
2.3
Kinesiologie
Die Kinesiologie beansprucht, Allergien und Unverträglichkeiten dadurch zu erkennen, dass die Berührung eines Allergens, auch wenn es in einer Phiole eingeschmolzen ist, zu Muskelverspannungen führt, die ein erfahrener Kinesiologe erfassen kann. Es existiert bisher nur eine anspruchsvolle wissenschaftliche Studie (doppelblind, Beteiligung erfahrener Kinesiologen und Allergologen). Sie hat diesen Anspruch eindeutig widerlegt. Allergologische Diagnosen wurden nach dem Zufallsprinzip verteilt (Arbeitsgruppe J. Ring, zit. in [5])
Alternative Behandlungsansätze
2.4
411
IgG-Nachweis zur Diagnostik einer Nahrungsmittelallergie
Diätempfehlungen, die auf Grund unseriöser diagnostischer Techniken ausgesprochen werden, können v. a. Kinder extrem gefährden („Diät als Kindsmisshandlung“). In einschlägigen Kreisen ist derzeit der Nachweis einer angeblich IgG-vermittelten Nahrungsmittelallergie besonders beliebt. Laien wissen nicht, dass diese Antikörper von jedem Menschen gebildet werden und manche eine Schutzfunktion ausüben. Privatlabors lassen sich den Antikörper-Nachweis und eine daraus erstellte Liste mit zu vermeidenden Nahrungsmitteln teuer bezahlen. Eine besonders pikante Variante dieser Verfahren wird zu Behandlung Adipöser eingesetzt. Für die Mitteilung: „Lass alles weg, was du gegessen hast, und du wirst dünner“ bezahlten betrogene Patienten mehrere Hundert Euro [5, 16].
3
Therapeutische Verfahren
3.1
Phytotherapie
Die moderne Phytotherapie definiert sich als einen integralen Teil der klassischen Pharmakotherapie. Pharmazeutische Produkte auf pflanzlicher Basis müssen auf dieselbe Art und Weise untersucht, kontrolliert und verwendet werden wie synthetische Verbindungen. Man sollte nicht vergessen, dass fast alle modernen Antiasthmatika von sorgfältigen klinischen Beobachtungen der traditionellen Medizin entdeckt und nicht in pharmazeutischen Labors entwickelt wurden. In der Behandlung von bronchopulmonalen Erkrankungen besitzen Phytotherapeutika einen hohen Stellenwert; in der Behandlung des Asthma bronchiale sind sie nur adjuvant einzusetzen: Die Süßholzwurzel, reich an Saponinen, besitzt eine sekretolytische und expektorierende Wirkung. Bei längerer Anwendung und höherer Dosierung können mineralokortikoide Nebenwirkungen wie Kaliumverlust mit Ödemen entstehen. Efeublätter wirken expektorierend und mäßig broncholytisch, in hohen Dosen als Saponindroge auch haut- und schleimhautreizend. Schlüsselblumenblüten und Primelwurzeln sind sog. Saponindrogen, die über eine Schleimhautreizung einen sekretolytischen und expektorierenden Einfluss ausüben. Thymiankraut, das vor allem ätherische Öle als Wirksubstanz enthält (u. a. Thymol), besitzt in sehr hohen Dosen bronchospasmolytische Eigenschaften. Es ist expektorierend und antibakteriell wirksam. Wollblumen enthalten Schleimpolysaccharide und Saponine und sind reizlindernd und expektoriend. Malvenblüten und weniger intensiv Malvenblätter und Eibischblätter sind ebenfalls Schleimdrogen, denen eine Reizlinderung zugeschrieben wird. Spitzwegerichkraut enthält Schleimstoffe, Gerbstoffe und Iridoidglycoside; es wirkt reizmildernd (Schleimstoffdroge), adstringierend sowie mäßig antibakteriell. Bei wenig Sekret und eher trockenem Husten werden vor allem Drogen aus Eibischwurzel, Königskerzen, Malvenblüten, Isländisch Moos; bei zähflüssigem Schleim Saponindrogen wie Efeublätter, Primelblüten, Süßholzwurzel empfohlen (u. a. [12]).
412
3.2
Walter Dorsch, München
Kneipp’sche Verfahren, Balneologie, Balneotherapie
Balneologie, Balneotherapie, Kneipptherapie und Physiotherapie sind als zusätzliche Methoden mit erprobter Effektivität bekannt. Sauna, Wechselduschen, und andere Kneipp’sche Verfahren können – wie verschiedene Studien gezeigt haben – Rezidive von Infektionen der oberen Luftwege vermindern [2] und zeigen positive Effekte auch bei COPD-Patienten [8].
3.3
Physiotherapie und Atemtherapie
Atemtherapie und Physiotherapie sind als wirkungsvolle Techniken zur Behandlung v. a. von obstruktiven Atemwegserkrankungen unumstritten und integrierter Bestandteil von spezifischen Schulungsprogrammen.
3.4
Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training und andere Entspannungstechniken
Die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson zeigt in der Behandlung asthmakranker Kinder eine deutliche bronchodilatatorische Wirkung, die allerdings schwächer ist als die Inhalation von Salbutamol. Dies wurde in einer prospektiv angelegten, randomisiert durchgeführten und placebokontrollierten Studie gezeigt (Arbeitsgruppe Zimmermann, Universitätskinderklinik Erlangen, zit. in [4, 5]). Das Verfahren hat seine Wurzeln in der Tradition indischer Meditations- und Entspannungstechniken und wurde seit den 30er Jahren systematisch weiter entwickelt. Als Entspannungstechnik besitzt auch das Autogene Training einen hohen Stellenwert in der Asthmatherapie, allerdings eher bei älteren Kindern oder Erwachsenen.
3.5
Klimatherapie
Die positiven Effekte der Klimatherapie sind hinreichend belegt. Leider sind nur wenige Studien über Langzeiteffekte durchgeführt worden.
3.6
Psychotherapie
Psychotherapie – sofern indiziert – ist effektiv und vermindert die Kosten des öffentlichen Gesundheitswesens. In der Chronifizierung von Atemwegskrankheiten können psychosomatische Faktoren eine große Rolle spielen. In der Behandlung von asthmakranken Kindern muss auch deren Familiendynamik berücksichtigt werden.
3.7
Akupunktur
Die Anfänge der Akupunktur reichen nach chinesischer Darstellung bis in die Jung-Steinzeit (ca. 4000 v. Chr.) zurück. Man soll schon damals beobachtet haben, dass umschriebene Bezirke der Haut eine erhöhte Empfindlichkeit bei bestimmten Erkrankungen zeigen. Eine Reizung dieser Hautbezirke durch Betasten, Massage oder Nadelreiz soll Einfluss auf die vorliegende Erkrankung gehabt haben. Historisch belegt sind diese Angaben nicht. Akupunktur wuchs als Teil-Heilkunst im Rahmen der Entwicklung der gesamten chinesischen Medizin. Sie wurde angeblich erstmals unter dem sagenumwobenen Kaiser
Alternative Behandlungsansätze
413
HUANG DI (,,Der gelbe Kaiser“) als Heilkunst gefördert. Etwa um 300 v. Chr. finden sich Ursprünge, die allerdings nur durch eine Bibliographie aus dem Jahre 26 n. Chr. belegt werden. Eine so genannte Naturwissenschaftlich-physiologisch begründete Akupunktur bezeichnet viele Besonderheiten der klassischen Akupunktur als überflüssiges, v. a. medizinhistorisch zu verstehendes Beiwerk, so beispielsweise die Säftelehre oder die Lehre über Meridiane, denen jedes physiologische Korrelat fehlt. Viele, auch kontrollierte Studien wurden an Asthmapatienten durchgeführt. Häufig werden bei leichtem Asthma geringe bronchodilatatorische Effekte und eine positive Veränderung von subjektiven Parametern beobachtet. Dass Akupunktur wirkt, kann nicht bezweifelt werden, zur Behandlung Asthmakranker ist sie aber wegen der schwachen Wirkung (und hohen Kosten!) kaum zu empfehlen [10].
3.8
Homöopathie
Im Jahre 1991 wurde eine Metaanalyse von 107 Studien über homöopathische Behandlungsmethoden publiziert. Der Bewertung der Studien lagen folgende Kriterien zugrunde: Beschreibung von Patienten und ihren Symptomen, Anzahl der Patienten, Beschreibung der Behandlung, Auswahl von Patienten, Doppelblindstudien-Design, Relevanz von Parametern, Präsentation von Ergebnissen. Unter den 12 relativ besten Studien betrafen 2 randomisierte Doppelblindstudien die Allergologie [17]: Galphimia glauca in der „Potenz“ D4/D6 scheint positive Effekte bei Pollinosis zu besitzen. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Pflanze Galphimia glauca in der traditionellen Medizin einiger Stämme im Regenwald von Brasilien gegen Allergien verwendet wurde. Eigene pharmakologische Untersuchungen von Galphimiaextrakten zeigten eine deutliche asthmaprotektive Wirksamkeit, allerdings in klassischer pharmakologischer bzw. phytotherapeutischer Anwendung. Wir konnten auch die pharmakologischen Wirkstoffe identifizieren. Hochpotenz- und Niederpotenz-, organotrope und personotrope Homöopathie sind zu unterscheiden. Urtinkturen und Mischungen von „niedriger Potenz“ (bis zu D2/D4) sind oft mehr oder wenig verdünnte Pflanzenextrakte, bei denen klar definierte pharmakologische Eigenschaften nachgewiesen wurden. Erstaunlich bleibt, dass diese Mischungen sowohl allopathisch wie homöopathisch wirken sollen. Der Nachweis einer der Placebobehandlung überlegenen pharmakologischen Wirkung in der Behandlung obstruktiver Lungenerkrankungen fehlt bis heute [10, 11].
3.9
Autohomologe Immuntherapie
Ausgangsmaterial der sog. Autohomologen Immuntherapie nach Dr. Kief ist Patientenblut bzw. Patientenurin. In einer patentierten Technik, die der hyperbaren Ozontherapie ähnelt, wird dies biochemisch verändert und dem Patienten auf oralem, nasalem, inhalativem und/oder parenteralem Wege verabreicht. Ein nachvollziehbarer Wirknachweis ist nicht erbracht [4, 5]. Die Indikationslyrik für das Marketing dieses Verfahrens umfasst u. a. allergologische, pneumologische, dermatologische und sogar maligne Erkrankungen.
414
3.10
Walter Dorsch, München
Bachs Blütentherapie
Frische Blüten ausgewählter Pflanzen werden über Nacht in frisches Quellwasser gelegt. das Wasser am nächsten Morgen getrunken oder weiterverarbeitet. Es ist schwer vorstellbar, dass das tropfenweise Trinken von Blumenwasser überhaupt Wirkungen zeigen soll. Manche Anhänger der Blütentherapie nach Dr. Bach (1886–1936) schildern eine starke Beeinflussung ihres subjektiven Befindens; die suggestive Wirkung scheint groß; ernst zu nehmende Studien zur Wirksamkeit in der Allergologie und/oder Pneumologie fehlen [4, 5].
3.11
Aromatherapie
Auch eine Art von Autosuggestion...
3.12
Eigenblutbehandlungen
Klassische Eigenblutbehandlungen verursachen durch die intramuskuläre Injektion von venös entnommenem Blut durchaus schmerzhafte Entzündungsprozesse, die im Sinne eines counter irritant-Effekts antientzündlich wirken können. Kontrollierte Studien in der Pneumologie fehlen. Eine homöopathische Variante dieser Therapie lässt in Alkohol bzw. Wasser aufgeschüttelte (potenzierte) Blutstropfen schluckweise trinken. Der Nachweis der Wirksamkeit fehlt, etwa im Rahmen einer Studie, die den Effekt dieser Therapie mit dem von Zahnfleischbluten vergleicht.
3.13
Diäten
Allergenvermeidung ist für Allergiepatienten essentiell, dies gilt natürlich auch für Nahrungsmittelallergiker: Eine Ernährungstherapie, die den Aufbau der intestinalen Mucosabarriere befördert, kann bei vielen Erkrankungen des allergischen Formenkreises hilfreich sein. Unsere Darmflora beeinflusst unser Immunsystem. Beispielsweise kann die Zufuhr von Milchsäurebakterien Frequenz und Schweregrad des atopischen Ekzems bei Säuglingen günstig beeinflussen. Diäten, welche ausschließlich auf dem Nachweis spezifischer IgG-Antikörper beruhen, sind gefährlich, wer sie verordnet, setzt sich dem Verdacht des Betrugs aus [16]. Nur wenige der genannten Verfahren können also als seriöse ergänzende Methoden (Komplementärmethoden) bezeichnet werden (Tabelle 1). Die Liste obsoleter Methoden (Tabelle 2) ist sicher unvollständig; sie wächst stetig. Viele dieser genannten Methoden zeigen alle Merkmale der Scharlatanerie (Tabelle 3). Man wundert sich oft über die Leichtgläubigkeit der Einen und die Unverfrorenheit der Anderen. Allerdings ist Betrug keine Spezialität der so genannten Alternativmedizin [9].
Alternative Behandlungsansätze
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Tabelle 1. Sinnvolle Komplementärmethoden (nach [5]) • • • • • • • • • • •
Atemtherapie Akupunktur (begrenzte Indikation!) Autogenes Training Balneologie Progressive Muskelrelaxation // funktionelle Entspannung Klimatologie Kneipp’sche Verfahren Ernährungstherapie // seriöse Diätetik Phytotherapie Physiotherapie Psychotherapie
Tabelle 2. So genannte „Alternativmethoden“, von deren Gebrauch nach derzeitiger Datenlage abzuraten ist (nach [5]) • • • • • • • •
Autohomologe Immuntherapie Bachblütentherapie Bioresonanz und Varianten Diätempfehlungen auf der Basis unseriöser Diagnostik Elektroakupunktur Haarmineralstoffanalyse Kinesiologie Pendeln
Tabelle 3. Merkmale von Scharlatanen [13] • Rasche Diagnose mit rascher Empfehlung teurer und langwieriger Behandlungsmethoden • Mangelnde Information über geplante diagnostische und therapeutische Maßnahmen • Unterstellung der Gefahr bedrohlicher Krankheiten (z.B. Präkanzerosen), deren Ausbruch nur durch eine spezielle Therapie verhindert werden kann • Kritiklose Heilsversprechen • Verneinung jeglicher Nebenwirkungen • Abwertung klassischer Verfahren • Forderung nach Vorauszahlungen
416
Walter Dorsch, München
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Alternative Behandlungsansätze
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VI
Patient – Compliance – Selbsthilfegruppen
Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus der Sicht der Patienten
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Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus der Sicht der Patienten Helmut Berck, Mainz
1
Vorbemerkungen
Eine Selbsthilfegruppe ist ein Zusammenschluss von Menschen mit – zumindest in einigen Punkten – gemeinsamen Problemen, Interessen und Zielen, z.B. bei der Bewältigung einer Krankheit, von der alle betroffen sind. Eine besondere Art der Organisation ist zwar nicht erforderlich, aus rechtlichen Gründen (Haftung, Vertretung, Steuerrecht) wird aber in Deutschland durchweg die Rechtsform des eingetragenen Vereins (e.V.) gewählt. Selbsthilfegruppen versuchen, im Innenverhältnis, d.h. gegenüber ihren Mitgliedern und deren Angehörigen, primär Informationen zur Bewältigung der gruppenspezifischen Probleme zu geben. Also z.B. zu der Frage: Wie gehe ich mit meinem Asthma bronchiale oder mit meiner COPD um? Im Außenverhältnis sehen sich die Selbsthilfegruppen, soweit sie von einer bestimmten Erkrankung betroffene Menschen vertreten, primär als deren Interessenvertreter. Sei es gegenüber den Akteuren im Gesundheitswesen (Ärzte, Krankenkassen, Kostenträger von Rehabilitationsmaßnahmen), sei es gegenüber den Vertretern der politischen Parteien auf Orts-, Landes- und Bundesebene (Gesundheitsund Sozialpolitik). Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Bedeutung von Selbsthilfegruppen für Menschen mit einem Asthma bronchiale oder mit einer chronisch obstruktiven Bronchitis mit oder ohne Lungenemphysem (COPD). Soweit es sich um Patienten mit einem Asthma bronchiale handelt, werden darunter auch Kleinkinder, Kinder und Jugendliche sein. Für diesen Personenkreis gilt, dass hier Eltern und andere Erziehungsberechtigte so lange die Aufgabe eines „stellvertretenden Betroffenen“ übernehmen müssen, bis die eigentlich Betroffenen selbst lernen können, mit ihrem Asthma bronchiale – sei es allergisch oder nicht-allergisch – umzugehen.
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Selbsthilfe bei Asthma bronchiale und COPD – Warum ist sie so wichtig?
Das Asthma bronchiale und die COPD sind chronische, d.h. lebenslange Erkrankungen. Weil dem so ist, müssen die betroffenen Patienten zwangsläufig während ihres gesamten Lebens dauerhaft medikamentös und nicht-medikamentös behandelt werden. Kurz gesagt: „Eine chronische Erkrankung bedarf einer chronischen Therapie“.
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Die Akzeptanz einer solchen persönlichen Situation fällt vielen Betroffenen nach einer entsprechenden Diagnose häufig leichter, wenn sie mit anderen Menschen, die schon lange mit ihrer chronischen Atemwegserkrankung leben, über deren Erfahrungen in derselben Situation sprechen und von ihnen lernen können, mit ihrer Erkrankung richtig umzugehen. Wenn die Behandlung eines Asthma bronchiale oder einer COPD, langfristig gesehen, erfolgreich sein soll, muss der Betroffene dauerhaft bei der Behandlung mitwirken. Dies setzt, wie die Erfahrungen zeigen, jedoch voraus, dass es zu einer regelmäßigen engen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient kommt. Der Patient selbst muss deshalb bereit sein, eine Mitverantwortung für den Erfolg einer ärztlichen Therapie zu übernehmen. Er muss zum Mit-Manager seiner individuellen Erkrankung werden. Er muss sich sowohl bei normalem Verlauf seiner Erkrankung, vor allem aber in Notsituationen (Verschlechterung, Atemnotanfall) selbst helfen können. „Selbsthilfe“ bedeutet daher nicht „Alleinhilfe ohne ärztliche Begleitung“, sondern „Selbsthilfe“ heißt die von Arzt vorgegebene, miteinander besprochene Therapie in eigener Verantwortung auszuüben. Damit keine Zweifel aufkommen, sei deutlich gesagt: Die Länge der Leine, d.h. das Ausmaß der jeweiligen individuellen „Therapiefreiheit“ des Betroffenen, wird stets von dem behandelnden Arzt festgelegt.
3
Selbsthilfe bei Asthma bronchiale und COPD – Warum muss der Patient „mündig“ werden?
Eine dauerhafte Mitwirkung des Patienten erfordert ein angemessenes Wissen über die Art und die Schwere seiner chronischen Atemwegserkrankung und deren Therapie. Mit anderen Worten, Selbsthilfe setzt den „mündigen“ Patienten voraus. Das ist leicht gesagt, aber wie sieht es in der Wirklichkeit aus? Die ganz überwiegende Mehrzahl der Millionen von Menschen, die in Deutschland von einem Asthma bronchiale oder einer COPD betroffen sind, können mit ihrer Erkrankung – vorausgesetzt, dass sie ärztlicherseits richtig diagnostiziert und medikamentös therapiert wird – nicht so umgehen, dass sie die im individuellen Fall jeweils noch mögliche Lebensqualität erreichen. Immerhin – daran ist hier ausdrücklich zu erinnern – ist das Ziel der Therapie des Asthma bronchiale eine weitgehend dauerhafte Befreiung von den damit verbundenen spezifischen Symptomen. Bei der Behandlung einer COPD werden hauptsächlich angestrebt: eine Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung und die Vermeidung bzw. die konsequente Behandlung von akuten Verschlechterungen (Exazerbationen) mit dem Ziel einer Verlängerung der Lebensdauer der Betroffenen. Woran liegt es, dass nur ein Teil der Betroffenen mit ihrer Erkrankung „gut“ leben können und dass die übrigen Patienten nur halbwegs oder kaum mit ihrem Asthma bronchiale oder ihrer COPD umgehen können? Diese Situation ergibt sich daraus, dass immer noch eine zu hohe Anzahl der Betroffenen „unmündig“ ist, sodass die oben beschriebene „Selbsthilfe“ gar nicht möglich ist. Der „unmündige“ Patient • verfügt nicht über das erforderliche Wissen, das er zur Bewältigung seiner Erkrankung braucht, obwohl er sich alle notwendigen Informationen selbst beschaffen könnte. Ergebnis: Er beherrscht nicht die Krankheit, sondern die Krankheit beherrscht ihn!
Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus der Sicht der Patienten
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• versteht nicht das Wesen, den Verlauf und die Risiken, die mit seiner Krankheit verbunden sind. Ergebnis: Er steht seiner Krankheit mit Unverständnis gegenüber! • versteht nicht die Art und die Bedeutung seiner Medikamente sowie die zu beachtenden Besonderheiten der jeweiligen Inhalationsvorrichtungen. Ergebnis: Er kann sowohl mit den verordneten Medikamenten als auch mit deren Inhalation nicht richtig umgehen! • verarbeitet nicht seine Krankheit rational und bewusst, sondern häufig unsicher und von Angst geleitet. Ergebnis: Er erreicht nicht die Lebensqualität, die – wäre er ein mündiger Patient – für ihn eigentlich noch erreichbar wäre! Am Anfang des Weges zum mündigen Patienten muss deshalb die Erkenntnis des Patienten selbst stehen, dass er wegen der lebenslangen Dauer seiner Erkrankung zwingend darauf angewiesen ist, sich ein Mindestmaß an Wissen zu erarbeiten. Denn nur dann kann er zum Mit-Manager seines Asthma bronchiale oder seiner COPD werden. Die gute Botschaft für alle „Asthma- und COPD-Neulinge“ und für die Betroffenen, die mit dieser Erkrankung noch nicht zurechtkommen, ist: Mündigkeit als Voraussetzung für Selbsthilfe ist machbar!
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Selbsthilfe bei Asthma und COPD – Was muss der „mündige“ Patient wissen?
Bevor ein Patient mit der Diagnose: „Sie haben ein Asthma bronchiale!“ oder „Sie haben eine COPD!“ überlegt, was er nun selbst tun kann, muss er die folgenden Fragen eindeutig mit einem „Ja“ beantworten können: 1. Hat mein Arzt die richtige Diagnose gestellt? 2. Wenn die Diagnose stimmt, akzeptiere ich meine Erkrankung? 3. Weiß ich aufgrund der Art und der Schwere meiner ganz persönlichen, individuellen Erkrankung, welche Lebensqualität ich – realistischerweise! – noch erreichen kann und will ich dies auch? Nur wenn der Patient diese Bestandsaufnahme seiner persönlichen Krankheitssituation gemacht hat, hat er den Weg dafür gebahnt, mit seiner Erkrankung künftig umgehen zu können. Denn gegen die Erkrankung zu leben – vielleicht noch zornig und ängstlich – kostet zuviel Kraft und führt nicht zu einer angemessenen Lebensqualität. Welches Wissen braucht ein Patient, um „mündig“ zu werden? • Unabhängig davon, ob der Arzt ein Asthma bronchiale oder eine COPD diagnostiziert hat, sind gewisse Grundkenntnisse über den Aufbau und die Funktion der Lunge zwingend erforderlich. • Hinzukommen sollte ein Verständnis für die die jeweilige Atemwegserkrankung auslösenden Prozesse in der Lunge (Entzündung, Verkrampfung, Schwellung, Schleimbildung, Umbau der Struktur des Lungengewebes).
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• Da die Beschwerden, die ein Asthma bronchiale oder eine COPD verursacht, nicht immer gleichbleiben, muss der Patient die Anzeichen, die eine Verschlechterung seines Krankheitsbildes signalisieren, rechtzeitig erkennen und die mit seinem Arzt für eine solche Situation besprochenen Maßnahmen treffen, z.B. Erhöhung der Dosis der zu inhalierenden Medikamente oder die Einnahme zusätzlicher Medikamente (Cortison-Tabletten). • Die Grundlagen der medikamentösen Therapie sind sowohl bei einem Asthma bronchiale als auch bei einer COPD auch für Laien eigentlich leicht zu verstehen. Etwas vereinfacht ausgedrückt, geht es nur darum, ob das verordnete Medikament die chronische Entzündung unterdrücken soll und/oder ob es die Bronchien erweitern soll. Die beiden Wirkstoffe, die diese Reaktionen in den Atemwegen auslösen, sind zudem häufig (gemeinsam) in einem Medikament enthalten. Außerdem muss der Betroffene noch wissen, ob die Wirkung des Medikaments rasch oder verzögert einsetzt und wie lange die Wirkung anhält. • Wenn die Wirkungen der Medikamente verstanden worden sind, muss der Patient nur noch lernen, und zwar besser mit Hilfe anderer, wie er die Medikamente optimal einzunehmen hat und wann und wie oft er dies jeden Tag tun muss. Das Wissen über den richtigen Umgang mit „seinen“ Medikamenten muss bei jedem Patienten für die drei möglichen Krankheitsphasen vorhanden sein: • für den normalen Verlauf der Erkrankung • für den Fall einer Verschlechterung der Erkrankung • für den akuten Atemnotanfall Damit der Patient diesen Anforderungen, die für ihn im wahrsten Sinne des Wortes „lebenswichtig“ sind, gerecht werden kann, hat der behandelnde Arzt stets zwei Dinge zu beachten: • Der Arzt sollte aus den vorhandenen Inhalationssystemen, deren Vielfalt nur er kennt, das System auszusuchen, mit dem der jeweilige Patient voraussichtlich am besten umgehen kann. In jeder Arztpraxis sollte es jemanden geben, der dem Patienten zeigen und mit ihm üben kann, wie er sein Inhalationsgerät richtig einsetzt. • Der Arzt sollte dem Patienten (auch!) die Medikamente verordnen, die dieser im Fall einer akuten Atemnot einnehmen muss. Dabei handelt es sich vor allem um ein raschwirksames Mittel zur Erweiterung der Atemwege und um Cortison-Tabletten oder Cortison-Zäpfchen. Nur dann ist „Selbsthilfe“ auch und gerade in Notsituationen überhaupt erst möglich. Die allgemeine Versorgung der Betroffenen mit den genannten Notfallmedikamenten ist – nach den Erfahrungen der Selbsthilfegruppen – in Deutschland bei weitem noch nicht gewährleistet. Zu bedauern ist auch, dass nur sehr wenige Patienten von ihrem Arzt einen schriftlichen Plan für die Vorgehensweise im Atemnotanfall erhalten. Dies gilt übrigens auch für die Verordnung eines Peak-Flow-Meter zur regelmäßigen Kontrolle der Weit- oder Engstellung der Atemwege durch den Patienten selbst. Wenn „Offensein“ der Atemwege nicht regelmäßig bzw. bei Bedarf gemessen und kontrolliert werden kann, fehlt zwangsläufig die entscheidende Voraussetzung dafür, aufgrund der Ergebnisse einer solchen Kontrolle überhaupt „Selbsthilfe“ praktizieren zu können. Nicht zuletzt muss der von einem Asthma bronchiale oder einer COPD Betroffene auch die wichtigsten Komponente der nichtmedikamentösen Therapie kennen. Das sind:
Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus der Sicht der Patienten
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• eine angemessene Erst- und Nachschulung der Patienten • ein dosiertes körperliches Training in einer Lungensportgruppe oder – in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung – in eigener Verantwortung • ein Erlernen der wichtigsten Übungen einer Atemtherapie und der atemerleichternden Körperstellungen.
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Selbsthilfe bei Asthma bronchiale und COPD – Wie komme ich als Patient zu dem für mich erforderlichen Wissen?
Das Angebot an Informationen zur Bewältigung eines Asthma bronchiale oder einer COPD in einer für Laien verständlichen Sprache ist in Deutschland fast unüberschaubar. Das Angebot beginnt mit der Aufklärung über die Ursachen und die empfohlene Behandlung durch den Arzt in dessen Praxis. Es umfasst weiterhin die unzähligen Broschüren, Faltblätter und sonstigen Informationsträger (Videos, CD) und nicht zuletzt die im Internet angebotenen Informationen. Viele tragen zu der Informationsflut bei: • Berufsvertretungen und Gesellschaften der Lungenfachärzte, die Deutsche Atemwegsliga e.V., die Deutsche Lungenstiftung e.V.; von diesen Organisationen werden – gerade auch für Patienten – Broschüren und Faltblätter angeboten, die über viele Aspekte, die mit einem Asthma bronchiale oder mit einer COPD verbunden sind, umfassend und verständlich informieren. • Krankenkassen, insbesondere in Form von Begleitbroschüren zu den allmählich anlaufenden Disease Management Programmen „Asthma und COPD“. Jeder Teilnehmer an einem solchen Programm hat somit die Chance, ein „mündiger“ Patient zu werden. • Pharmaunternehmen, die Medikamente zur Behandlung eines Asthma bronchiale oder einer COPD herstellen. Deren Broschüren und die zahlreichen von Pharmaunternehmen getragenen Seiten im Internet enthalten ebenfalls – weitgehend neutrale – Informationen. • Selbsthilfegruppen für Patienten mit einem Asthma bronchiale oder einer COPD. Die Informationsangebote der Selbsthilfegruppen sind recht vielfältig. Sie umfassen sowohl Broschüren und Flyer als auch Informationen auf ihrer jeweiligen Internetseite. Wichtige Selbsthilfegruppen mit ihren Anschriften und Internet-Seiten finden Sie am Ende dieses Beitrages. Folgende Besonderheiten prägen das Informationsangebot der Selbsthilfegruppen und machen es für betroffene Patienten und deren Angehörige attraktiv: • Das Angebot der unmittelbaren individuellen persönlichen Erteilung von Auskünften und Hilfen in der jeweiligen Bundesgeschäftsstelle, in den regionalen Stützpunkten und in den einzelnen Ortsverbänden. • Die Herausgabe von periodisch erscheinenden Zeitschriften für ihre Mitglieder und sonstige Abonnenten sowie zur Auslage bei Ärzten und bei öffentlichen Veranstaltungen der jeweiligen Selbsthilfegruppe. Die in den Zeitschriften behandelten Themen
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Helmut Berck, Mainz
umfassen zum einen Grundlageninformationen, zum anderen Beiträge über neue Forschungsergebnisse und aktuelle Informationsangebote. • Die regelmäßigen Informationsveranstaltungen und der Erfahrungsaustausch zwischen den Betroffenen, aber auch soziale Kontakte auf regionaler und lokaler Ebene, in denen Ärzte, Physiotherapeuten, Apotheker, Vertreter von Krankenkassen und Rehabilitationseinrichtungen u.a. – durchweg ohne Honorar – als Referenten auftreten. • Die Teilnahme an zentralen Kongressen und zahlreichen dezentralen Veranstaltungen („Deutscher Lungentag“), vor allem für Betroffene, aber auch für die potenziell Betroffenen, z.B. für Raucher, die ihre Lungenfunktion testen lassen können. Bei solchen Aktionen werden immer zahlreiche Personen „entdeckt“, denen es subjektiv noch gut geht, obwohl sie aufgrund der objektiven Messergebnisse deutliche Anzeichen z.B. einer COPD aufweisen.
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Selbsthilfe bei Asthma bronchiale und COPD – Vorteile für die Beziehung zwischen Arzt und Patient
Die Entwicklung zum „mündigen“ Patienten ist ohne die engagierte Zusammenarbeit einer Vielzahl von Fachärzten für Lungenheilkunde und anderen Ärzten mit den Selbsthilfegruppen nicht möglich. Die einschlägigen Selbsthilfeverbände werden bei ihrer Informationstätigkeit – insbesondere bei ihren regelmäßigen lokalen Aufk lärungsveranstaltungen – fast ausschließlich von Pneumologen aus Praxen und Kliniken unterstützt. Diese Ärzte haben dann im Umgang mit den „mündigen“ Patienten, die von ihnen behandelt werden – wie immer wieder bestätigt wird –, folgende Entlastungen in der Praxis: • Die Gespräche über Diagnose, Therapie und Prognose werden deutlich vereinfacht. • Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird wesentlich verbessert. • Die Therapietreue des Patienten, also die „Compliance“, wird nachhaltig gefördert und dauerhaft stabilisiert. Kurzum, der Umgang mit „mündigen“ Patienten ist insgesamt für den Arzt befriedigender, und er ist wohl auch weniger zeitaufwendig, weil man sich besser und schneller versteht. Von den vielfältigen Aktivitäten der Selbsthilfegruppen profitieren deshalb beide, sowohl der Arzt als auch der Patient. Selbsthilfe bei Asthma bronchiale und bei COPD ist daher ein fester Bestandteil der Therapie; sie trägt wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen bei. … und zum Schluss noch ein wichtiger Ratschlag: Bitte denken Sie immer daran, nur wenn Sie als gut informierter, also „mündiger“ Patient wissen, wann und wie Sie sich auch selbst helfen können – z.B. bei akuter Atemnot –, hat immer jemand für Sie Zeit. Nämlich Sie selbst!
Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus der Sicht der Patienten
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Wichtige bundesweit tätige Selbsthilfegruppen für Patienten mit Asthma bronchiale oder COPD
Patientenliga Atemwegserkrankungen e.V. Geschäftsstelle Berliner Straße 84 55276 Dienheim Tel.: 06133 / 35 43 Fax: 06133 / 92 45 57 E-Mail:
[email protected] Internet: www.patientenliga-atemwegserkrankungen.de Geschäftszeiten: Mo – Do von 8.30–13.30 Uhr Koordinationsstelle der COPD-Deutschland e.V. Uwe Krause Fabrikstraße 33 47119 Duisburg Tel.: 0203 / 718 8742 Fax: 0203 / 718 8743 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.copd-deutschland.com Selbsthilfegruppe Lungenemphysem – COPD Jens Lingemann Lindstockstraße 30 45527 Hattingen Tel.: 02324 / 999 000 Fax: 02324 / 687 682 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.lungenemphysem-copd.de Deutsche Selbsthilfegruppe Sauerstoff-Langzeit-Therapie (LOT) e.V. Dr. Birgit Krause-Michel Olympiaring 19b 83435 Bad Reichenhall Tel.: 08651 / 98 48 18 Fax: 08651 / 98 48 19 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.selbsthilfe-lot.de Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB) Fliethstraße 114 41061 Mönchengladbach Tel.: 02161 / 81 49 40 Beratungstelefon: 02161 / 10 207 Fax: 02161 / 81 49 430 E-Mail:
[email protected] Internet: http://www.daab.de
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Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus ärztlicher Sicht
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Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus ärztlicher Sicht Heinrich Worth, Fürth
1
Einleitung
Die Volkskrankheiten Asthma und COPD gehören zu den chronischen Krankheiten, mit denen die betroffenen Patienten ihr Leben lang zurecht kommen müssen. Bei adäquatem Einsatz medikamentöser und nicht medikamentöser Therapieoptionen kann den Patienten mit Asthma und COPD ein zufriedenstellendes Leben mit ihrer Erkrankung ermöglicht werden. Dies gelingt um so eher, je aktiver der betroffene Patient selbst an der Bewältigung seiner chronischen Krankheit mitwirkt. Für diese Möglichkeit bedarf es der Akzeptanz seiner chronischen Krankheit. Der Patient benötigt Informationen über Art, Krankheitszeichen und Verlauf der Erkrankung sowie über Behandlungsziele, Möglichkeiten und Risiken der Behandlung. Insbesondere muss er Fähigkeiten erwerben zur Erkennung der Krankheitsschwere und zur adäquaten Selbstmedikation. Sowohl für das Asthma wie auch für die COPD kann er diese Fähigkeiten in strukturierten Patientenschulungen erwerben [1, 2]. Die Vorzüge eines informierten und mündigen Patienten als Partner des behandelnden Arztes für das gemeinsame Management der Erkrankung liegen in der Regel in der höheren Therapietreue, einem rascheren und effektiveren Management akuter Verschlechterungen durch Selbstkontrolle und eine dem aktuellen Schweregrad der Erkrankung angepasste Medikation. Die Zufriedenheit des Patienten, der sich selbst in der Bewältigung seiner obstruktiven Atemwegserkrankungen besser helfen kann, wird letztlich auch zu einer stärkeren Bindung zu seinem Arzt führen, der ihm dies ermöglicht hat. Nachteilig für den behandelnden Arzt kann der zumindest initial höhere Zeitaufwand für die Diskussion von Therapieoptionen sein, ferner eventuell auch das für die Diskussion von Therapieoptionen mit dem „mündigen“ Patienten auch beim Arzt erforderliche umfangreichere Fachwissen.
2
Beweggründe für Patienten zur Mitgliedschaft in Selbsthilfegruppen
Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre in den westlichen Industrienationen ist durch Demokratisierung und Emanzipation gekennzeichnet, die beide auf das ArztPatienten-Verhältnis Einfluss nehmen. So nimmt die Zahl der Patienten, die dem Arzt ihre Verantwortung übertragen, zugunsten derjenigen ab, die in einer partnerschaftlichen Beziehung mit ihrem behandelnden Arzt Verantwortung für ein effektives Management
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Heinrich Worth, Fürth
ihrer Krankheit übernehmen wollen. Patienten, die in Augenhöhe mit ihrem Arzt kooperieren wollen, haben nicht selten das Gefühl, dass der Arzt zu wenig Zeit für sie hat, Informationen über die Erkrankung und deren Behandlung zu knapp und vielfach auch unverständlich vermittelt werden, so dass sie sich häufig unverstanden und nicht ernst genommen fühlen. In dieser Situation sucht der verunsicherte Patient, der sich auf der Sachebene und auf der Beziehungsebene allein gelassen fühlt, nach Informationen und Zuwendung.
2.1
Angebote von Selbsthilfeorganisationen
Regionale oder überregional organisierte Selbsthilfeorganisationen entstehen in der Regel für spezifische Krankheitsbilder wie auch Asthma und COPD. Sie bieten ihren Mitgliedern sowohl Informationen über das Management der Erkrankung als auch das Gefühl, sich in einer geschützten Gruppe gleichartig Betroffener und Gleichgesinnter zu bewegen. Die Schwerpunkte können in Abhängigkeit von den Zielen der Selbsthilfegruppe und deren Führung unterschiedlich verteilt sein. So können Gruppen zum Austausch eigener Erfahrungen anderen gegenüberstehen, die geselliges Zusammensein, Wissensvermittlung, das Erlernen bestimmter Fertigkeiten als Ziele definiert haben. Bei der Wissensvermittlung können in Selbsthilfegruppen schulmedizinische Aspekte aber auch alternative Behandlungsverfahren im Vordergrund stehen. Dies bedeutet, dass die Bewertung von Selbsthilfegruppen aus ärztlicher Sicht nicht pauschal, sondern nur bezogen auf eine bestimmte Gruppe möglich ist. So unterscheidet sich eine Selbsthilfeorganisation wie die Patientenliga Atemwegserkrankungen e.V., die eine intensive Zusammenarbeit mit kompetenten Ärzten und Physiotherapeuten sucht, erheblich von Vereinigungen, bei denen alternative Therapieprinzipien im Mittelpunkt stehen. Lungensportgruppen oder Atemtherapiegruppen, die Training oder physiotherapeutische Übungen in den Vordergrund stellen, sind sicherlich anders zu bewerten als Gruppierungen, bei denen ausschließlich Wissen vermittelt wird.
2.2
Nutzen der Selbsthilfegruppen aus ärztlicher Sicht
Selbsthilfegruppen spielen aus ärztlicher Sicht dann eine wichtige Rolle, wenn sie aufgrund ihrer Ziele, Aufgabenstellungen, Arbeitsmethoden und Informationsinhalte in der Lage sind, sinnvolle therapeutische Maßnahmen zu unterstützen. Dies kann auf der Ebene der emotionalen Auseinandersetzung mit der Krankheit im Sinne einer Krankheitsbewältigung erfolgen, aber auch über die Vermittlung von Wissen über Asthma und COPD sowie deren Behandlung, ferner auch über die Weitergabe praktischer Hilfen bei der Bewältigung von Krankheitsfolgen. Wesentlich hierbei ist, dass die in der Selbsthilfegruppe vermittelten Inhalte die Maßnahmen des behandelnden Arztes ergänzen und ihnen nicht konträr gegenüber stehen. • Qualifiziert arbeitende Selbsthilfeorganisationen sind geeignet, Patienten mit Asthma und COPD einer strukturierten Schulung zuzuführen und durch ihre Angebote auch für eine Auffrischung der Schulungsinhalte sorgen. • Selbsthilfeorganisationen können Patienten bei Versorgungs- und versicherungsrechtlichen Fragen aufklärend zur Seite stehen. • Selbsthilfegruppen sind auch in der Lage, bei Patienten Selbstwertgefühl und Lebensqualität zu steigern.
Die Rolle der Selbsthilfegruppen aus ärztlicher Sicht
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Diese Möglichkeiten von Selbsthilfegruppen können zum Wohle der betroffenen Patienten genutzt werden, je enger fachkompetente Ärzte mit seriös und qualifiziert arbeitenden Selbsthilfegruppen zusammenarbeiten. Die Beratung von Selbsthilfegruppen durch fachkompetente Ärzte kann dazu beitragen, dass Selbsthilfeorganisationen keine medizinisch nicht oder unzureichend belegte und mitunter gefährliche Therapieverfahren propagieren. Überregional organisierte Patientenorganisationen können an der Erstellung von Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Asthma und COPD beteiligt werden, wie dies bei den Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga e.V. in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin sowie bei der Erstellung der Nationalen Versorgungsleitlinien für Asthma und COPD geschehen ist. So wurden z.B. bei der Erstellung der Patientenleitlinie im Rahmen der Nationalen Versorgungsleitlinie COPD von den Patientenorganisationen gewünscht, schriftliche Therapiepläne sowohl für die Langzeitmedikation als auch für die Behandlung akuter Verschlechterungen stärker bei der Versorgung der betroffene Patienten zu berücksichtigen. Dies galt auch für nichtmedikamentöse Therapieverfahren wie körperliches Training. Gemeinsame Ziele von Ärzten und den ihre Patienten vertretenden Selbsthilfegruppen können die Durchsetzung einer besseren Versorgungsqualität bei Kostenträgern und Behörden sein. Neben überzeugenden Daten zum Stellenwert der aus ärztlicher Sicht notwendigen Maßnahmen kann die Unterstützung der betroffenen Patienten und deren Repräsentanten hierbei hilfreich sein.
3
Schlussfolgerungen
Bei einer guten Partnerschaft zwischen Ärzten und den ihnen anvertrauten Patienten kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen aus ärztlicher Sicht zu einem mündigeren Patienten führen, der durch eine bessere Selbstkontrolle und Anpassung seiner Therapie an den jeweiligen Schweregrad der Erkrankung besser mit seiner Krankheit leben kann. Selbsthilfeorganisationen können auch aus ärztlicher Sicht somit zu einer besseren Versorgungsqualität ihrer Mitglieder beitragen, wenn sie eine enge Kooperation mit fachkompetenten Ärzten suchen.
Literatur 1. Schacher C, Dhein Y, Münks-Lederer C, Vollmer T, Worth H (2006) Evaluation eines strukturierten ambulanten Schulungsprogramms für erwachsene Asthmatiker. Dtsch Med Wochenschr. 131:606–610 2. Worth H, Dhein Y. (2004) Does patients education modify behaviour in the management of COPD? Pat Educ Couns 52:267–270
VII Perspektiven und Forschungspotenziale
Perspektiven und Forschungspotenziale: Asthma
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Perspektiven und Forschungspotenziale: Asthma J. Christian Virchow, Rostock
1
Einleitung
Asthma ist in Deutschland eine der häufigsten chronischen Erkrankungen. Asthma betrifft alle Altersgruppen und verursacht neben erheblichen direkten Kosten im Gesundheitswesen erhebliche indirekte Kosten [1]. Trotz effektiver anti-asthmatischer Therapie wird das in Leitlinien fixierte Behandlungsziel einer vollständigen Asthmakontrolle auch in kontrollierten Studien nur ansatzweise erreicht [2]. Trotz einer prinzipiell möglichen guten Versorgung besteht dennoch eine erhebliche Morbidität [3]. Der Therapieerfolg ist von vielen Faktoren abhängig. Der Schweregrad der Erkrankung, die wiederum die bereits erfolgte Vortherapie bestimmt, der Zeitpunkt der Einleitung einer anti-asthmatischen Behandlung (früher oder später Einsatz von inhalativen Kortikosteroiden), Komorbiditäten und andere können darauf Einfluss nehmen. Aber auch soziokulturelle und Persönlichkeitsmerkmale des Patienten, Versicherungsstatus, Verfügbarkeit und Ansprechbarkeit eines Spezialisten sowie Asthmaschulung spielen eine Rolle. Die Interaktion dieser Faktoren ist bislang unverstanden, und prospektive Interventionsstudien, die sich diesen Interaktionen widmen, fehlen.
2
Asthma als Syndromenkomplex
Asthma bronchiale umfasst einen Komplex von Syndromen, die sich hinsichtlich der Ätiopathogenese, der Auslöser und anderer klinischer Phänotypen unterscheiden. Die wichtigste und klinisch sinnvollste Unterscheidung ist die in einen exogen-allergischen Phänotyp und in einen kryptogenen, intrinsischen Phänotyp. Während ersterer vor allem bei jüngeren Patienten auftritt und klare symptomatische Bezüge zu exogenen Allergenen aufweist, ist die Ursache des intrinsischen Asthmas unbekannt [4]. Die Unterscheidung in Childhood- und Adult-Onset-Asthma ist arbiträr und bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass das Childhood-Onset-Asthma mehr exogen-allergische Fälle umfasst, während sich beim Adult-Onset mehr Patienten mit einem Intrinsic Asthma finden, das aber auch bei Kindern vorkommen kann und vice versa. Die Analgetika-Intoleranz ist nicht Asthma-spezifisch, sondern kann auch isolierte nasale oder kutane Reaktionen verursachen. Das Analgetika-Asthma ist auch ohne Einnahme nicht-steroidaler Antiphlogistika eine chronisch-progrediente Asthmaerkrankung, oft vom Intrinsic-Typ. Anstrengungsasthma wird oft als eigenständige Erkrankung innerhalb des Formenkreises missverstanden, stellt aber in erster Linie eine Funktion der gesteigerten bronchialen Hyperreagibilität dar.
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J. Christian Virchow, Rostock
Die exakte klinische Charakterisierung von Asthma für Studien und Verlaufsbeobachtungen stellt immer noch eine große, ungelöste Herausforderung zukünftiger Forschung dar.
3
Variabilität des Schweregrades
Asthma ist eine sehr variable Erkrankung, insbesondere in seiner leichteren Form. Entsprechend variabel ist das individuelle Ansprechen auf Therapie. Die Ergebnisse erster pharmakogenetischer Untersuchungen beim Asthma zu Polymorphismen, z. B. im β2Rezeptor-Gen, der 5-Lipoxygenase und der LTC4-Synthase [5] sind aber bislang ungeeignet, phänotypische Beobachtungen bzw. Ansprechen auf Therapie beim Asthma hinlänglich zu erklären. Weitere Untersuchungen zu möglichen genetischen Besonderheiten einzelner Patienten oder spezieller phänotypischer Subgruppen sind erforderlich, um zu einer besseren Charakterisierung des Syndromenkomplexes Asthma bronchiale zu gelangen.
4
Akzeptanz von Asthma
In der Allgemeinbevölkerung, aber auch bei den behandelnden Ärzten findet Asthma als chronische Entzündungskrankheit oft unzureichende Akzeptanz. Vielfach wird unverändert der reversible, therapierbare, asthmatische Bronchospasmus erkannt und behandelt, während die entzündlichen Veränderungen als Ursache der Symptome unberücksichtigt bleiben. Die fehlende Umsetzung und Akzeptanz moderner Erkenntnisse zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie der Erkrankung resultieren in Unterversorgung und Fehlversorgung, punktuell aber auch in Überversorgung. Die dafür verantwortlichen Faktoren gilt es zu identifizieren und zu beeinflussen.
5
Asthma als chronisch-entzündliche Erkrankung
Studien der letzten Jahrzehnte belegen, dass die Prävalenz von Asthma zugenommen hat. Die Ursachen dafür sind unklar. Für die zunehmende Verbreitung des Merkmals Allergie wird heute bevorzugt eine fehlende Präoccupation des Immunsystems mit bakteriellen Antigenen und eine daraus resultierende Deviation und Fehlerkennung harmloser Umweltallergene angenommen [6]. Asthma bronchiale findet sich aber auch bei Patienten ohne eine atopische Diathese, beim Intrinsic Asthma [7]. Diese Erkrankung nimmt oft einen schwereren Verlauf. Aber auch allergisches Asthma kann im Verlauf den Bezug zu Allergenen als alleinigem oder Haupt-Auslöser von Beschwerden verlieren. Asthma geht darüber hinaus mit einem progredienten Lungenfunktionsverlust einher [8]. Die Mechanismen, die dieser so genannten Chronifizierung von Asthma zugrunde liegen und Asthma in die Nähe von Autoimmunerkrankungen bringen, sind bis heute wenig bekannt. Sie sind aber von erheblicher klinischer Bedeutung, da sie an sich die zunehmende Refraktärität auf antiasthmatische Therapie erklären können, aber auch dazu führen, dass Asthma aufgrund unzureichenden Ansprechens auf Bronchodilatoren als COPD fehlgedeutet wird. Als Folge asthmatischer Entzündung, möglicherweise aber auch völlig unabhängig davon, kommt es in den Atemwegen zu einem strukturellen Umbau der Atemwegswand, was als Remodeling beschrieben wird. Neben einer Hypertrophie der glatten Muskulatur, deren Ausmaß mit dem Grad der Atemwegsobstruktion korrelieren kann [9], kommt es
Perspektiven und Forschungspotenziale: Asthma
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zu einer Vermehrung von Becherzellen im Epithel, einer Einlagerung von Kollagen, einer Verdickung der Basalmembran und anderen Veränderungen. Die Faktoren, die die Genese dieser strukturellen Veränderungen bestimmen, der zeitliche Ablauf und individuelle Risikofaktoren sind bis dato weitgehend unklar und bedürfen der Erforschung, um einerseits individuelle Risiken besser einschätzen zu können, andererseits, um Interventionen auf ihre präventive Wirksamkeit für solche Veränderungen prüfen zu können. Das exakte Verständnis der Pathomechanismen des Asthma bronchiale ist unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung neuer, effektiverer Therapien.
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Risikofaktoren
Ob sich im Rahmen des Risikos atopischer Vorerkrankungen ein Asthma bronchiale entwickelt, lässt sich bis dato individuell nicht voraussagen. Mütterliche Allergenkarenz während der Schwangerschaft, Innenraum-Allergenkontrolle, diätetische Maßnahmen konnten bis dato die Inzidenz von Asthma nicht beeinflussen. Unter der Vorstellung, dass eine allergische Sensibilisierung nur durch immunologische Interaktion zwischen Umwelt und Individuum auftreten kann, sind weitere Modelle und Hypothesen unverzichtbar, diese Interaktionen weiter zu untersuchen, um dadurch präventive Strategien ableiten zu können.
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Monitoring
Asthma ist an eine Reihe von immunologischen und pathophysiologischen Besonderheiten, wie die Eosinophilie des Sputums und des Blutes, die bronchiale Hyperreagibilität, exhaliertes NO, gekoppelt, die Asthma unscharf von anderen Erkrankungen der Lunge trennen, andererseits zum Monitoring des Entzündungsverlaufs hinzugezogen werden können. Dass durch derartiges Monitoring die Kontrolle von Asthma verbessert werden kann, zeigen bislang nur Studien mit vergleichsweise kleinen Fallzahlen; größere Kollektive bedürfen der Untersuchung, um dies auf alle Asthmapatienten übertragen zu können. Inwieweit sich erfolgreiches Asthmamanagement durch Fragebögen sicher und erfolgreich steuern lässt, ist ebenfalls eine aktuelle Fragestellung mit erheblicher Bedeutung.
8
Bronchiale Hyperreagibilität
Asthma ist durch eine bronchiale Hyperreagibilität charakterisiert, die sich klinisch als Asthmaanfälle, ausgelöst durch Kontakt mit verschiedenen unspezifischen Atemwegsreizen, wie Rauch, Nebel, kalter Luft und vielen anderen äußert. Neuere Untersuchungen der letzten Jahre legen nahe, dass neben den bekannten entzündlichen Veränderungen allergenabhängig Nerven-Wachstumsfaktoren in den Atemwegen freigesetzt werden, die im Tiermodell per se eine bronchiale Hyperreagibilität verursachen.
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Medikamentöse Therapie
Die medikamentösen Therapieoptionen beim Asthma sind begrenzt. Sie umfassen symptomatisch wirksame Bronchodilatoren in Form von β2-Agonisten mit unterschiedlicher Wirkdauer, Theophyllin und Anticholinergika. Für letztere konnte aber in kontrollierten Studien bis dato keine überzeugende Wirkung auf die Symptomatik
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oder den Verlauf des Asthma bronchiale gezeigt werden. Dennoch besteht der Eindruck, dass einzelne Patienten oder Untergruppen von dieser Therapie profitieren können [10]. Zu den Medikamenten, die zur Kontrolle des Asthmas beitragen, zählen in erster Linie inhalative Glucocorticosteroide (ICS), gefolgt von Leukotrien-Antagonisten (Leukotrien-Synthese-Hemmer und Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten), während Cromoglycinsäure und Verwandte heute zur Asthmakontrolle wegen ihrer schwachen Wirkung kaum mehr empfohlen werden [11]. Systemische Steroide werden wegen ihres Nebenwirkungsprofils für die Dauertherapie nur empfohlen, wenn sich auch mit hochdosierten ICS unter Zusatz der anderen genannten Therapieoptionen keine befriedigende Asthmakontrolle erzielen lässt [11]. Chimerische, humanisierte Antikörper gegen IgE können bei Patienten mit schwerem Asthma und einer IgE-abhängigen Komponente zur Stabilisierung eines Asthmas beitragen. Wegen ihrer hohen Kosten werden sie für leichtes, allergisches Asthma nicht empfohlen, obwohl gerade dort eine Domäne ihrer Wirkung liegen könnte. Schließlich ist die Immuntherapie mit Allergenen als Therapieoption zu nennen [12]. Sie gilt heute als einzig potentiell kurative Therapie des Asthmas, ist aber nur einer ausgewählten Untergruppe von Patienten erfolgversprechend vorbehalten.
10
Perspektiven anti-asthmatischer Therapie
Die heute verfügbare anti-asthmatische Therapie ist bei der Mehrzahl der Patienten wirksam. Insbesondere die Kombination aus inhalativen Corticosteroiden und β2-Agonisten hat die Asthmakontrolle, die Häufigkeit nächtlicher Atemnotanfälle, die Anzahl an Krankenhausaufenthalten und die Mortalität an Asthma verbessert. Neu zu entwickelnde Therapien sollten daher Vorteile aufweisen, die über diese Wirkungen hinausgehen. Abgesehen davon besteht dennoch, v. a. bei Kindern, Bedarf an inhalativen Glucocorticosteroiden z.B. ohne Langzeittoxizität. Weitere Defizite antiasthmatischer Therapie ergeben sich nicht nur bei schwererem Asthma und bei Patienten mit hohem Steroidbedarf, sondern auch aus der Tatsache, dass inhalative Corticosteroide regelmäßig inhaliert werden müssen und keine anhaltende krankheitsmodifizierende Wirkung haben [13]. Perspektiven für neu zu entwickelnde anti-asthmatische Therapien bestehen daher darin, bestehende Behandlungen durch verlängerte Wirkdauer zu verbessern oder die Einnahme zu vereinfachen. Insofern besteht ein Bedarf an Medikamenten, die 1. bei schwerem Asthma wirken, die 2.oral genauso wirksam sind wie inhalativ und 3. denen eine krankheitsmodifizierende Wirkung zukommt. Solange aber die molekularen und möglicherweise genetischen Grundlagen von Asthma bronchiale und seinen Subtypen nicht besser verstanden werden, ist eine kurative Therapie des Asthmas weiter Illusion.
11
Neue Bronchodilatatoren
Langwirksame β2-Agonisten mit Wirkung über 24 h werden derzeit entwickelt. Indacaterol, Carmoterol und GSK-159797 befinden sich bereits in klinischer Erprobung. Darüber hinaus werden neben Tiotropoium neue langwirksame Anticholinergika entwickelt [14]. Ob deren Stellenwert in der Asthmatherapie über eine Therapievereinfachung hinaus-
Perspektiven und Forschungspotenziale: Asthma
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geht, ist aber ungewiss. Das Sicherheitsprofil dieser neuen Substanzen ist von großem Interesse.
12
Neue Glucocorticosteroide
Alle Glucocorticosteroide werden pulmonal resorbiert. Eine partielle Ausnahme bildet hier das Ciclesonid, das eine stärkere Retention in der Lunge, keine orale Bioverfügbarkeit und eine hohe Proteinbindung aufweisen soll [15]. Dennoch sind die Unterschiede zu herkömmlichen Glucocorticosteroiden klinisch nicht offenbar. Theoretisch sollte es möglich sein, Glucocorticosteroide zu entwickeln, bei denen Nebenwirkungen und Wirkungen trennbar sind, da die Nebenwirkungen vor allem durch genomische Effekte und Bindung an Glucocorticosteroid-Rezeptoren vermittelt werden, die antientzündlichen Wirkungen hingegen durch die Hemmung von Transkriptionsfaktoren [16]. Diese so genannten Dissociated Steroids könnten sogar zur oralen Anwendung kommen. Als mögliche Alternativen werden nichtsteroidale Glucocorticosteroid-Aktivatoren wie AL-438 entwickelt [17], die keine der Nebenwirkungen der Glucocorticosteroide haben könnten. Alternativ könnten Aktivatoren der Histon-Deacetylase-2 ähnliche Wirkungen entfalten.
13
Perspektiven der Mediatorantagonisten-Entwicklung
Beim Asthma ist eine große Zahl an Mediatoren in erhöhter Konzentration oder Funktion nachweisbar. Leukotrien-Antagonisten sind gegenwärtig die einzigen Mediator-Antagonisten mit therapeutischer Wirkung beim Asthma, während Antagonisten für LTB4, Tachykinine, Histamin, Prostaglandine, PAF und Bradykinin bislang wirkungslos blieben [18].
14
Zytokin-Inhibitoren
Zytokine spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese allergisch asthmatischer Entzündung. Dennoch blieben bislang klinisch getestete Zytokin-Antagonisten weit hinter den postulierten Effekten zurück. Obwohl ein Anti-IL-5-Antikörper die Eosinophilie des peripheren Blutes fast vollständig beseitigte, blieben allergeninduzierte Bronchokonstriktion und vor allem die bronchiale Hyperreagibilität klinisch unbeeinflusst. IL-4 spielt in der Aktivierung von T-Lymphozyten, vor allem aber bei der IgE-Synthese eine entscheidende Rolle. Aber auch hier blieben wirksame Antikörper gegen dieses Zytokin in klinischen Studien wirkungslos [19]. Dennoch besteht eine gewisse Erwartung an Antikörpern gegen IL-13 bzw. dessen Rezeptor. Hierzu wurden klinische Studien begonnen, deren Ergebnisse in Kürze erwartet werden. Ein weiteres Zytokin, das primär nicht in den Kreis der so genannten TH-2-Zytokine zu rechnen ist, TNF-alpha, hingegen scheint in der Asthmapathogenese von Bedeutung, da mehrere unabhängige Studien bei schwerem, corticosteroid-pflichtigem Asthma positive Effekte auf Lungenfunktion und Beschwerdebild berichten [20]. Inwieweit der Schweregrad des Asthmas die Wirkung von anti-TNF-α-Strategien bestimmt, bedarf weiterer Untersuchung, zumal neuere Untersuchungen diese Wirkungen nicht bestätigen konnten.
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Zu den Faktoren, deren Hemmung positive Wirkungen beim Asthma haben könnten, gehören ferner der Stem cell Factor (SCF) oder c-kit, der z.B. durch Imatinib blockiert wird, das Thymic stromal lymphopoetin (TSLP), das dendritische Zellen aktiviert.
15
Anti-entzündliche Zytokine
Verschiedene unkontrollierte Studien haben IFN-γ unter der Vorstellung eingesetzt, TH2-Effekte zu antagonisieren. Während einzelne Patienten von dieser Therapie profitieren könnten, ist der Einsatz durch Nebenwirkungen und interindividuell unvorhersagbare Wirkung limitiert. IL-10 hat verschiedene anti-entzündliche Eigenschaften und ist bei Patienten mit schwerem Asthma vermindert [19]. Kontrollierte Studien beim Asthma fehlen und werden voraussichtlich durch erhebliche Nebenwirkungen begrenzt werden. IL-12 ist ein weiteres Zytokin mit anti-entzündlichen Eigenschaften beim Asthma. Sein Einsatz reduziert die Eosinophilie des peripheren Blutes, wiederum jedoch ohne klinische Auswirkung auf das Asthma oder die bronchiale Hyperreagibilität [21]. Darüber hinaus verursachte es schwere Allgemeinsymptome und kardiale Arrhythmien.
16
Chemokin-Antagonisten
Chemokine sind kleine Peptide, die auf Entzündungszellen chemotaktisch wirken. Gegenwärtig wird vor allem untersucht, den Chemokinrezeptor CCR3 zu blockieren, der auf Eosinophilen exprimiert wird und die Reaktion dieser Zellen auf Eotaxin vermittelt [22]. Andere Chemokinrezeptoren von Interesse sind der CCR2 auf Monozyten und TZellen und CCR4 auf TH2-Zellen. Studienergebnisse beim Asthma sind bislang nicht berichtet worden.
17
Neue anti-entzündliche Therapien
Trotz der guten Wirksamkeit besteht ein ungebrochenes Interesse an alternativen antientzündlichen Therapien, die weniger Nebenwirkungen aufweisen und als systemische Therapie zudem den Vorteil einer kombinierten Wirksamkeit nicht nur für die Atemwege, sondern auch für die Nase oder die Haut (atopische Dermatitis) aufweisen.
17.1
Phosphodiesterase-Inhibitoren
Phosphodiesterase-4-Inhibitoren werden gegenwärtig für die Therapie des Asthmas als auch der COPD entwickelt. Das Isoenzym Phosphodiesterase 4 findet sich in vielen Entzündungszellen und in den Nerven der Atemwege. Roflumilast inhibiert die Allergeninduzierte Reaktion der Atemwege und die Symptome des Asthmas [23]. Limitiert werden diese Wirkungen durch Nebenwirkungen, die denen des Theophyllins ähneln. Möglicherweise können noch selektivere Inhibitoren gegen Isoenzyme des PDE4 (PDE4B) diese Nebenwirkungen umgehen.
Perspektiven und Forschungspotenziale: Asthma
17.2
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Transkriptionsfaktor-Blockade
Transkriptionsfaktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulation entzündlicher Veränderungen. NFκ-B reguliert verschiedene Gene bei der asthmatischen Entzündung. Hemmer der NFκ-B Kinase (IKK2) werden gegenwärtig entwickelt [23]. Die Mitogen-aktivierte Protein- (MAP-) Kinase aktiviert ebenfalls Gene der asthmatischen Entzündung. Im Tiermodell können anti-Sense-Moleküle gegen MAP-Kinase pulmonale Entzündung hemmen [24]. MAP-Kinasen und NFκ-B werden aber von vielen anderen Zellen und Zellsystemen verwendet, weshalb deren Nebenwirkungen derzeit schlecht voraussagbar sind, möglicherweise aber durch inhalative Therapie umgangen werden können. Weiterer Therapieansatz der Zukunft ist die Hemmung von Adhäsionsmolekülen, die den Einstrom von Entzündungszellen in das Bronchialsystem vermitteln. Besonderes Interesse besteht derzeit in der Entwicklung von Strategien gegen das VLA-4, α4β7, das zur Rekrutierung von T-Zellen und Eosinophilen benötigt wird [25]. Derzeit werden darüber hinaus neue Anti-Zytokine, Immunmodulatoren, Adhäsionsmolekül-Inhibitoren und Signal-Transduktions-Hemmer (z. B. Stat-1) entwickelt.
18
Anti-Allergische Therapien
Da viele Patienten mit Asthma auch allergisch sind, werden, unter der Vorstellung, dass die Allergie wesentliche Beiträge zum chronischen Asthma liefert, neue anti-allergische Strategien entwickelt. Der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab kann die Zahl und Schwere von Exazerbationen reduzieren, selbst in Gegenwart hochdosierter GlucocorticosteroidTherapie [26]. Andere Moleküle, wie die Spleen Tyrosine Kinase (SYP), die Mastzellen aktiviert, werden gegenwärtig untersucht, da anti-sense-Inhibitoren der SYK in Tiermodellen wirksam sind. Der Rezeptor für niedrigaffine (Fcε-RII oder CD23) und der hochaffine IgE-Rezeptor (Fcε-RI), an die das IgE-Molekül binden, finden sich auf einer Vielzahl von Zellen, einschließlich T- und B-Zellen. Der Anti-CD23-Antikörper Lumiliximab ist bei Patienten mit Asthma zumindest gut verträglich, auch wenn Daten zur Wirksamkeit noch ausstehen [27]. Inwieweit sich mit speziellen Peptid-Impfungen die Aktivität von regulatorischen T-Zellen (Treg) und deren IL-10-Syntheseleistung bessern lässt, wird derzeit ebenfalls untersucht. Es wird spekuliert, dass sich durch derartige Therapien, für die z. B. CpG-Oligodesoxynucleotide, die den Toll-like-Receptor-9 (TLR-9) zum Ziel haben, eine Heilung des Asthmas erzielen lassen könnte, was derzeit bereits in Studien untersucht wird [28]. Ob diese Th erapien als Primärprophylaxe oder möglicherweise auch zur Sekundärprophylaxe dienen könnten, ist ungewiss.
19
Perspektiven
Asthma bronchiale ist unvermindert ein großes epidemiologisches und therapeutisches Problem. Trotz einer möglichen Abschwächung in der Zunahme der Prävalenz ist welt-
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weit, aber auch in Deutschland, mit einer weiteren Zunahme an Asthma zu rechnen. Obwohl derzeit effektive Therapien zur Verfügung stehen, ist deren Sicherheit im Langzeiteinsatz nicht völlig unbedenklich. Darüber hinaus stehen aber keine Interventionen zur Verfügung, die Asthma heilen. Aufgrund der erheblichen direkten und indirekten Kosten dieser Erkrankung und der Vorhersage, dass neben vielen leichten Fällen die Anzahl der schweren und schwersten Asthmaerkrankungen zunehmen wird, sind gesundheitspolitisch, von Seiten der Versicherungsträger, der pharmazeutischen Industrie, aber vor allem von ärztlicher Seite weitere Investitionen in diese häufige Erkrankung gerechtfertigt und angezeigt. Strategien, die die Einnahme der vorhandenen Therapien verbessern (z. B. wirksame Inhalatoren, EDV-gestützte Einnahme von Medikamenten, Werkzeuge zur Messung von Asthmakontrolle), sollten weiter verfolgt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass einzelne Mediator-Antagonisten eine entscheidende Wirkung entfalten werden, weshalb auch Kombinationen von Mediator-Antagonisten geprüft werden sollten. Tiermodelle haben sich als zunehmend bedeutungslos in der Vorhersage von pathogenetischen oder therapeutischen Effekten erwiesen, so dass in Zukunft die Forschung am menschlichen Modell zunehmend bedeutsamer werden wird. Entsprechende Strukturen müssen dafür erst geschaffen werden. (In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass bundesweit von 34 medizinischen Fakultäten nur 6 einen Lehrstuhl für Pneumologie aufweisen, dessen Tätigkeitsbereich auch ausschließlich im Bereich eines Universitätsklinikums liegt.)
20
Forschungspotenzial
Das Forschungspotenzial für Asthma ist, wie die Ausführungen oben belegen, ungebrochen. Strukturelle Voraussetzungen, die national dafür sorgen, dass an diesem Wachstumsmarkt teilgenommen werden kann, sind zu erhalten und weiter zu schaffen. Ausreichend wissenschaftlich qualifizierte Ausbildungsstätten für wissenschaftlichen Nachwuchs, der sich derzeit aus sehr wenigen Einrichtungen rekrutiert, sind erforderlich, um dem Faktor „human resources“ Rechnung zu tragen. Eine nationale Einrichtung, die auf diesem Schwerpunkt gefördert und zu einem Kompetenzzentrum ausgebaut ist, fehlt und scheint nötiger, als wiederholt zeitlich befristete Schwerpunktprogramme auszurufen, da kompetitive Forschung auf diesem Gebiet langfristig angelegt werden muss und die Interaktion von klinischer Expertise einschließlich der Verfügbarkeit von Patienten und Grundlagenwissenschaften verbinden muss. Von Seiten der Versorger, die sich derzeit vornehmlich auf die Limitierungen von Kosten konzentrieren, sind Forschung und Strategien zu unterstützen, die den langfristigen Erfolg eingeschlagener Therapien und Therapieschemata überprüfen, um solche Konzepte auszubauen und flächendeckend zu implementieren. Ziel antiasthmatischer Therapie darf nicht die Einhaltung minimaler Budgets, sondern der bestmögliche Therapieerfolg sein. Diesen jedoch zu belegen, bedarf es weiterer Forschung. Die Regularien der DiseaseManagement-Programme (DMP) fassen hier viel zu kurz und dienen anderen Zielen (Risikostrukturausgleich). Insgesamt stellt Asthma bronchiale mit seinem Forschungspotenzial für alle im oder mit dem Gesundheitswesen Beschäftigten, einschließlich der Patienten, eine ungebrochene Herausforderung dar, die es anzunehmen gilt.
Perspektiven und Forschungspotenziale: Asthma
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Perspektiven und Forschungspotenziale: COPD
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Perspektiven und Forschungspotenziale: COPD Helgo Magnussen, Großhansdorf
1
Einleitung
Die chronisch-obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem („chronic obstructive pulmonary disease“; COPD) sind Erkrankungen, die mit einer nicht vollständig reversiblen Verminderung des Atemflusses einhergehen. Die Krankheiten sind üblicherweise progredient und mit einer abnormen Entzündungsreaktion der Lunge auf schädliche Gase und Partikel verbunden. Diese sind in erster Linie durch das Zigarettenrauchen verursacht. Die COPD betrifft primär die Lunge, sie hat aber auch klinisch bedeutsame systemische Konsequenzen. Die Begriffsbestimmung ist international akzeptiert und in die nationalen Leitlinien übernommen worden [1, 2].
2
Epidemiologische Bedeutung
Der im Jahre 2004 aktualisierte Weltgesundheitsbericht zeigte, dass die COPD mit 4,8 % Mortalität die 5-häufigste Todesursache war. Nur die koronare Herzerkrankung mit einer Mortalität von 12,6 %, cerebrovaskuläre Erkrankungen (9,7 %), Infektionen der unteren Atemwege (6,8 %) und HIV/AIDS (4,9 %) führten häufiger zum Tode als die COPD [3]. Diese Zahlen zeigen klar, dass die COPD eine große sozio-ökonomische Bedeutung hat. Dieser Aspekt muss in entsprechenden Forschungsansätzen berücksichtigt werden, da die gegenwärtigen Kosten eines Patienten mit COPD im fortgeschrittenen Krankheitsstadium in der Bundesrepublik Deutschland ca. 5.000 Euro pro Jahr betragen [4].
3
Charakterisierung der Erkrankung
Die COPD geht mit einer Verminderung des Atemflusses einher. Die Messung des Atemflusses erfolgt mit Hilfe der Spirometrie. Das forciert ausgeatmete Volumen in der ersten Sekunde der Ausatmung (FEV1,0) ist gegenwärtig die wesentliche funktionelle Größe, um die Konsequenzen der Erkrankung zu beschreiben. Wir haben jedoch bereits 1994 zeigen können, dass die Charakterisierung des Patienten mit COPD über die Messung von FEV1,0 hinausgeht [5]. So stellen die Lungenüberblähung, die 6-Minuten-Gehstrecke und die Selbsteinschätzung des Patienten mit Hilfe geeigneter Fragebögen unabhängige Faktoren dar, die bei der klinischen Betrachtung des Patienten berücksichtigt werden müssen. Kürzlich wurde der BODE-Index als ein multidimensionales Bewertungssystem für die COPD eingeführt [6]. Der Index setzt sich aus 4 Faktoren zusammen: Körpergewicht (engl. body mass index), FEV1,0 (engl. obstruction), Grad der Luftnot (engl. dyspnea) und Belastbarkeit gemessen anhand der 6-Minuten-Gehstrecke (engl. exercise).
446
Helgo Magnussen, Großhansdorf
Die Ergebnisse dieser Messungen werden summiert und führen zu einem Summenscore, der die Krankheitsschwere umfassender angibt als FEV1,0 alleine. Dementsprechend ist der BODE-Index der Messung von FEV1,0 in der Prädiktion der Mortalität überlegen. Dies wurde mittlerweile in Untersuchungen bestätigt, die die Bedeutung des BODE-Index bei der Vorhersage z.B. des Effektes einer Rehabilitation [7], der Hospitalisation [8] und der Wirkung einer Lungenvolumenreduktionschirurgie zeigen [9]. Dieser Zusammenhang macht deutlich, dass die lungenfunktionellen Parameter der COPD nicht zur Beschreibung des Schweregrades der Erkrankung ausreichen.
4
Systemische Erkrankungsfolgen
Patienten mit COPD leiden an einer Dysfunktion der respiratorischen und peripheren Muskulatur. Zudem ist der Gewichtsverlust ein charakteristisches Merkmal der COPD [10]. Beide Prozesse sind mit systemisch erhöhten Markern der Inflammation gekoppelt (z.B. hs-CRP und TNF-alpha). Patienten mit COPD versterben überproportional häufig an kardiovaskulären Erkrankungen [11]. Auch die Depression und Osteoporose werden überhäufig bei COPD beobachtet [12]. All diese Erkrankungen werden unter dem Begriff der Komorbidität zusammengefasst. Bis heute ist kein brauchbares klinisches Instrument entwickelt worden, um den jeweiligen Begleiterkrankungen einen Stellenwert in der Beschreibung der COPD zu geben. Dies muss in Zukunft ein zentrales Forschungsthema sein, da erst die Kenntnis des Einflusses von Begleiterkrankungen auf die Morbidität und Mortalität der COPD zu geeigneten therapeutischen Maßnahmen führen wird.
5
Neue Paradigmen in der Pathogenese der COPD
Neben der entzündlichen Veränderung der Atemwege kommt es bei Patienten mit COPD häufig zur Schädigung und zum Abbau der alveolären Strukturen (Lungenemphysem) [13]. Bislang ist nicht bekannt, welche Mechanismen der Lungenzerstörung durch inhalatives Zigarettenrauchen zugrunde liegen [14]. Es wird aber angenommen, dass die alveoläre Zerstörung durch ein Ungleichgewicht zwischen schädigenden und protektiven Faktoren (Proteasen/Antiproteasen, Oxidantien/Antioxidantien) verursacht wird. In eigenen Untersuchungen konnten wir zeigen, dass die an der Reparatur beteiligten Fibroblasten Anzeichen für eine vorzeitige Alterung aufweisen [15]. Der veränderte Phänotypus des Fibroblasten zeichnet sich durch die Expression typischer Alterungsmarker, durch vermindertes Wachstum, eine verminderte Fähigkeit zu kontrahieren sowie durch eine eingeschränkte Fähigkeit aus, auf chemotaktische Faktoren zu reagieren. Experimentelle Untersuchungen wie diese könnten langfristig zu neuen therapeutischen Perspektiven führen, die auch die alveoläre Regeneration und die Wiederherstellung von Reparaturkapazitäten mit einbeziehen [16]. Zudem ist zur Charakterisierung der COPD ist auch ein besseres Verständnis des Einflusses von genetischen Faktoren erforderlich. Mehrere größere internationale und multizentrische Netzwerke arbeiten an dieser Fragestellung. Die bisherigen Erkenntnisse sind noch zu begrenzt, um daraus therapeutische Perspektiven ableiten zu können. Es ist aber zu erwarten, dass die Verbesserung der Phänotypisierung und Genotypisierung unser pathogenetisches Verständnis der Erkrankung erheblich verbessert.
Perspektiven und Forschungspotenziale: COPD
6
447
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie mit Bronchodilatatoren ist subjektiv wirksam. Die bisherigen Interpretationen sind davon ausgegangen, dass die Bronchodilatatoren zu einer Erweiterung der Atemwege führen. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass eine subjektive Verbesserung nach Einatmung von Bronchodilatatoren gegeben war, obwohl FEV1,0 als der klassische Parameter der Atemwegsobstruktion nur eine geringe Änderung zeigte [17]. Die Messung der inspiratorischen Kapazität sowie des forciert eingeatmeten Volumens in der ersten Sekunde der Einatmung geben als indirekte Marker der Lungenüberblähung das therapeutische Ansprechen der Bronchodilatatoren besser wieder [18]. Direkt kann die Lungenüberblähung nur mit Hilfe der Ganzkörperplethysmographie gemessen werden kann. Die Abnahme der Lungenüberblähung in Ruhe und insbesondere bei körperlicher Belastung durch Bronchodilatatoren kann durch die Änderung von FEV1,0 nicht vorhergesagt werden. Daher ist eine Neubewertung der bronchodilatatorischen Therapie durch die Berücksichtigung der geeigneten funktionellen Parameter dringend erforderlich. Die bisher durchgeführten Arbeiten zeigen übereinstimmend, dass die Reduktion der Lungenüberblähung den symptomatischen Benefit des Patienten beschreibt [19]. Diese Perspektive ist auch durch die Ergebnisse der Lungenvolumenreduktionschirurgie gestützt, da die chirurgisch induzierte Abnahme der Lungenüberblähung die subjektive Verbesserung und das Überleben am besten beschreibt [9]. Die zukünftige Forschung muss daher geeignete Methoden entwickeln, um die Lungenüberblähung und ihre Beziehung zur Belastbarkeit und körperlichen Aktivität mit einfachen Methoden zu beschreiben. Die Ganzkörperplethysmographie als GOLD-Standard zur Messung der Lungenüberblähung ist nicht in allen Ländern verfügbar, da sie komplex in der Anwendung ist und hohe Kosten verursacht. Es ist jedoch denkbar, dass die Verteilung von Gasen in den luftleitenden Atemwegen und dem Alveolarraum ein Maß für diejenigen funktionellen Veränderung ist, die mit FEV1,0 nicht erfasst werden können [20]. Die große epidemiologische Bedeutung der COPD erfordert die Entwicklung von robusten, einfach bedienbaren, und preiswerten Geräten, die in allen Ländern der Welt einen Einblick in die funktionellen Besonderheiten der COPD erlauben.
7
Nicht-medikamentöse Therapie der COPD
Die COPD geht infolge der pulmonalen Limitierung und der systemischen Konsequenzen mit einer zunehmenden Inaktivität einher [21]. Die resultierende Inaktivität ihrerseits führt ähnlich einem Teufelskreislauf zu einer weiteren Verschlechterung der Erkrankung. Dieser Kreislauf kann durch eine pneumologische Rehabilitation in hervorragender Weise unterbrochen werden. Zahlreiche Arbeiten haben gezeigt, dass die Rehabilitation von Patienten mit COPD im Rahmen von Sportgruppen, ambulanten und stationären Rehabilitationsmodellen zu einer symptomatischen Verbesserung führt [22]. Diese symptomatische Verbesserung ist regelhaft durch eine Verlängerung der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest zu belegen. Diese Erkenntnisse finden sich gegenwärtig noch nicht in den Versorgungsstrukturen wieder.
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Helgo Magnussen, Großhansdorf
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Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
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Zusammenfassung und Schlussbetrachtung Heidrun Lingner, Hannover, Konrad Schultz, Pfronten-Ried und Friedrich-Wilhelm Schwartz, Hannover
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Zum Hintergrund der Volkskrankheiten Asthma bronchiale und COPD
Selbst ein rasches Durchblättern der vorausgegangen Seiten zeigt: Asthma und COPD sind Volkskrankheiten mit einer immensen – nicht zu überschätzenden – medizinischen und sozioökonomischen Bedeutung. Nahezu jedes 10. deutsche Kind ist von Asthma bronchiale betroffen; nach Prognosen der WHO wird die COPD im Jahr 2020 die dritthäufigste Todesursache weltweit sein [1]. Solche Zahlen können zwar die Größenordnung der Relevanz abstrakt beschreiben, nicht aber die individuelle körperliche, psychische und soziale Krankheitslast, die die Betroffenen oft ein Leben lang tragen müssen. Die Ätiologie des Asthma bronchiale ist noch nicht vollständig geklärt. Ihre genetische Komponente kann nicht für die weltweite Zunahme dieser Erkrankung verantwortlich sein. Umwelteinflüsse und Lebensgewohnheiten spielen ebenso eine Rolle wie veränderte Lebensumstände. Vor allem allergisierende Stoffe, Rauchen, Passivrauchen und wahrscheinlich auch Übergewicht [2] sind hier zu erwähnen. Die Annahme, dass so genannte Lifestyle-Faktoren zur Ausbreitung der Krankheit führen, wird unter anderem durch die in Studien nachgewiesene Angleichung der Neuerkrankungsraten an Asthma bronchiale zwischen den neuen und den alten Bundesländern gestützt (s.a. die Beiträge von K.-C. Bergmann im Abschnitt „Diagnostik und Früherkennung“ und von J. Steiß et al im Abschnitt „Ursachen – Zusammenhänge – Prävention“). Der Verdacht auf das Vorliegen eines Asthma bronchiale ergibt sich aus der Schilderung der wiederkehrenden typischen Beschwerden wie Atemnot mit Giemen und Brummen, vor allem in den frühen Morgenstunden oder bei Kontakt mit Atemwegsreizstoffen. Weiterführende Hinweise erhält man auch durch anamnestische Fragen, z.B. nach dem Zeitpunkt, an dem die Beschwerden auftreten (während oder nach körperlicher Arbeit, bei Infektionen der Atemwege), nach berufs- oder freizeitbezogenen Belastungsfaktoren oder nach familiären Erkrankungen. Bei der Prävention und der Behandlung des Asthma bronchiale ist das Meiden von Triggerfaktoren von großer Bedeutung (s.a. den Beitrag von C. Kroegel im Abschnitt „Ursachen – Zusammenhänge – Prävention“). Das gilt sowohl für Allergene als auch für unspezifische Atemwegsreizstoffe und insbesondere für das Rauchen. Beim Asthma bronchiale dienen präventive Maßnahmen sowohl dem Vermeiden von akuten Anfällen, als auch der Verhinderung von Langzeitschäden.
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Die medikamentöse Behandlung des Asthma bronchiale erfolgt individuell und stadienangepasst, wobei der Grad der Asthmakontrolle neben dem Krankheitsstadium bei der Therapiesteuerung eine zunehmende Rolle spielt. Je nach Schweregrad und Krankheitskontrolle kommen verschiedene Medikamentengruppen bzw. unterschiedliche Dosierungen zum Einsatz. Dabei wird zwischen sog. Controllern und Relievern unterschieden. Für die therapeutische Prognose ist der rechtzeitige Einsatz inhalativer Steroide eminent wichtig. (s. hierzu Details in den Beiträgen von D. Ukena, D. Berdel und G. Glaeske zum Thema „Medikamentöse Therapieverfahren“). Die Indikation zu einer Hyposensibilisierung muss individuell geprüft werden. Der therapeutische Einsatz von IgE-Antikörpern zur verbesserten Kontrolle des schweren, dauerhaften allergischen Asthma bronchiale kann in Einzelfällen angezeigt sein. Die Therapieziele • der uneingeschränkten Teilhabe am normalen Leben, • einer Normalisierung der Lungenfunktion und • einer Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität sowie • der Verbesserung der asthmabezogenen Lebensqualität können aber nur durch eine Kombination medikamentöser und nichtmedikamentöser Maßnahmen erreicht werden (s. hierzu die Beiträge zum Thema „Nichtmedikamentöse Therapieverfahren“ von W. Petro und J. Lecheler), wobei eine suffiziente Patientenschulung unabdingbar ist. Die COPD wird heute als Systemerkrankung verstanden, die erhebliche Auswirkung auf andere Organsysteme hat [3]. In fortgeschrittenen Stadien kommt es neben den bronchopulmonalen Veränderungen zu kardialen, muskulären, ossären, nutritiven und psychischen sowie zu sozialen Krankheitsfolgen, die allein durch eine rein medikamentöse Therapie nur unzureichend behandelt werden können. Viele Patienten erleben eine Abwärtsspirale, die durch zunehmende Dyspnoe, Mangel an Bewegung, eingeschränkte Leistungsfähigkeit im beruflichen und privaten Leben, sozialen Rückzug und depressive Verstimmung charakterisiert ist. Letztendlich resultiert daraus eine deutlich reduzierte Lebensqualität. In Deutschland sind nach verschiedenen Schätzungen rund fünf Millionen Menschen von der COPD betroffen, weltweit etwa 600 Millionen (s. auch den Beitrag von T. Welte im Abschnitt „Diagnostik und Früherkennung“). Dennoch wird die Krankheit immer noch zu wenig beachtet, diagnostiziert und behandelt. Ursächlich für den Anstieg der Prävalenz in den Industriestaaten ist unter anderem auch die wachsende Zahl der Raucherinnen (s. hierzu auch das Kapitel „Sex und Genderaspekte in Entwicklung, Prävention und Management von Asthma und COPD“ von R. Lux et al.). Die symptomatische Pharmakotherapie der COPD beinhaltet die Bronchodilatation, die u.a zu einer Reduktion der Überblähung der Lunge führt und die Dyspnoe verringert. Das moderne Therapiekonzept der COPD geht aber weit über die rein medikamentöse Behandlung hinaus. Kausal ist bisher nur der absolute Verzicht auf das inhalative Tabakrauchen wirksam. Außer der entsprechenden, individuell angepassten, medikamentösen Therapie (Genaueres ist dem Beitrag von A. Gillissen zu entnehmen) sind nichtmedikamentöse Therapien bei der COPD von großer Bedeutung. Insbesondere seien hier Schu-
Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
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lungsmaßnahmen sowie eine adäquate Physio- und Trainingstherapie genannt, wie von S. Lang dargestellt werden. In fortgeschrittenen Stadien können eine Sauerstofflangzeittherapie und ggf. auch eine Heimbeatmung (s. hierzu J. Geiseler et al und B. Krause-Michels) erforderlich sein. Daneben spielen auch die psychosoziale Unterstützung und eine differenzierte Ernährungstherapie eine wichtige Rolle (s.a. im Abschnitt „Die Rolle der Psyche“ die Beiträge von J. Fischer und J. Hamacher et al.). Außerdem sollten in jedem Therapiekonzept die Kompetenz und das Selbstmanagement der Patienten durch Schulungen und Motivation entwickelt werden. Faszinierend erscheinen neue operative bzw. invasive Therapieverfahren bei Patienten mit schwerem Emphysem. Dabei muss die Indikation zur Lungenvolumenreduktion ebenso sorgfältig gestellt werden wie die einer Lungentransplantation (s. im Abschnitt „Maßnahmen“ den Beitrag „Operative Therapieverfahren“ von G. Stamatis). Voraussetzungen für die Durchführung dieser Eingriffe sind aber in jedem Fall eine pneumologische Rehabilitation und die vorausgehende Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmöglichkeiten (s. a. die Beiträge von D. Ukena, D. Berdel und A. Gillissen zum Thema „Medikamentöse Therapie“). Die Schwierigkeit in der hausärztlichen Praxis, Asthma bronchiale und COPD immer klar zu unterscheiden, ist auch durch überlappende Symptombilder bedingt (s. hierzu den Beitrag von C. Kruschinski et al.). Als differentialdiagnostische Hilfe können die in der folgenden Tabelle aufgeführten Kriterien gelten: Tabelle 1. Differentialdiagnose Asthma bronchiale ↔ COPD (*) Kennzeichen Beginn Verlauf Hauptbeschwerden Allergie Obstruktion Bronchiale Hyperreagibilität Ansprechen auf Kortikoide Nikotinabusus
Asthma bronchiale oft im Kinder-/Jugendalter episodisch, variabel anfallsartig auftretende Atemnot häufig reversibel meistens vorhanden
COPD meist ab 45–50 Jahren irreversibel, fortschreitend Atemnot bei Belastung selten irreversibel gelegentlich
meistens vorhanden
gelegentlich
kein primärer Zusammenhang, aber direkter Zusammenhang Verschlechterung bei Exposition
(*) modifiziert nach [5]
Eine Vermeidung der zu COPD führenden Noxen, d.h. insbesondere des inhalativen Tabakrauchens und eine frühzeitige Therapieeinleitung verzögern die Progression der Erkrankung. Präventive Maßnahmen haben daher eine besondere Bedeutung (s.a. den Beitrag von S. Andreas im Abschnitt „Ursachen – Zusammenhänge – Prävention). Das Spektrum der im Einzelfall erforderlichen Diagnostik ist sehr weit; es reicht von den klassischen funktionsdiagnostischen und bildgebenden Verfahren (z.B. Lungenfunktion, Messung der Atemmuskelpumpe, Blutgase, Röntgendiagnostik) über die Echokardio-
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graphie (Cor pulmonale), immunologische und allergologische Diagnostikverfahren, Leistungsdiagnostik bis hin zu psychologischen Erhebungsinstrumenten bezüglich der Lebensqualität. Die Aufzählung ist keinesfalls vollständig. Sie zeigt aber, dass alleine für die Diagnostik umfassende und vielschichtige Kenntnisse erforderlich sind, die im Rahmen der derzeitigen ärztlichen Ausbildung nicht immer vermittelt werden können, alleine schon weil das Fach Pneumologie an den deutschen Universitäten im Vergleich zum Ausland deutlich unterrepräsentiert ist.
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Fragen der Versorgung
Faktoren wie Geschlecht, Alter, Komorbidität, sozioökonomischer Status, Bildung und Arbeitslosigkeit haben einen erheblichen Einfluss auf die Ausprägung, den Verlauf und den Therapieerfolg von Asthma bronchiale und von COPD (s. hierzu die Beiträge zu den Settingansätzen Schule, Arbeitswelt und Umwelt zum Thema „Gesellschaftlicher und Umweltkontext“ von J. Lecheler, H. Schulz und D. Nowak). Sie sind sicherlich auch bedeutsam für die Chancen, eine leitliniengerechte Behandlung zu erhalten (vergleiche Darstellungen von D. Berdel und P. Kardos zum Thema „Nationale und internationale Leitlinien“). • Geschlecht: Wie R. Lux et al. im Beitrag zum Abschnitt „Ursachen – Zusammenhänge – Prävention“ ausführen, muss davon ausgegangen werden, dass Männer doppelt so häufig wie Frauen von der Diagnose COPD betroffen sind, wenngleich die Zahl der weiblichen COPD-Patienten rasant zunimmt. • Alter: Der Schweregrad der Erkrankung und die Veränderungen der kindlichen Lungenfunktionswerte bestimmen die Beeinflussbarkeit des Asthma bronchiale im Erwachsenenalter (s.a. den Beitrag von C. Kroegel). Daher ist, wie im Beitrag „Medikamentöse Therapie von Asthma bronchiale bei Kindern und Jugendlichen“ von D. Berdel darstellt, gerade auch im Kindesalter eine konsequente antientzündliche bzw. antiobstruktive Therapie wichtig. Zwar bleiben viele Fragen zur Primärprävention des allergischen Asthma bronchiale zurzeit unbeantwortet, aber hinsichtlich des Nutzens des Stillens besteht Konsens. Da weder Asthma noch COPD Kurzzeiterkrankungen sind, sondern in der Regel die Betroffenen ein Leben lang begleiten, müssen besondere Ansprüche an die Versorgung der Erkrankten gestellt werden. Diese Ansprüche betreffen einen mehrdimensionalen Zugang, der sowohl körperliche, seelische als auch soziale Aspekte einbezieht. Andererseits ist es notwendig, eine intersektorale Kooperation der Fachdisziplinen und Therapeuten zu realisieren, um das Ziel einer optimalen Versorgung der Betroffenen zu erreichen (s.a. den Settingansatz Schule, Arbeitswelt und Umwelt von D. Nowak, H. Schulz und J. Lecheler und den Beitrag von F. Petermann et al „Asthma und Psyche“). Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg neuer Versorgungsformen ist die grundsätzliche Einbeziehung der Patienten in jede Form der Therapie. Gerade bei chronischen Krankheiten ist die aktive Mitarbeit für das Gelingen einer erfolgreichen Langzeittherapie obligat. Schulungs- und Selbstmanagement, patientenzentrierte Beratung und Selbsthilfegruppen, die die ärztlichen Maßnahmen unterstützen, spielen daher eine wichtige Rolle (s.a. die Beiträge von H. Berck und H. Worth im Abschnitt „Patient – Compliance – Selbsthilfegruppen).
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Für die ambulante und stationäre fachärztliche Versorgung existieren in Deutschland auf therapeutischer Ebene vielschichtige Angebote an medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieoptionen (s. das Kapitel „Fachärztliche ambulante und stationäre Versorgung von Asthma“ von A. Hellmann). So kann auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen umfassend eingegangen werden. Schwierigkeiten bestehen eher in der Abstimmung und Koordination der einzelnen Versorgungsbereiche und in der Compliance einzelner Patienten. Strukturierte Programme wie Disease Management Programme (DMP) oder die Integrierte Versorgung, wie sie von D. Köhler und K. Kenn in den entsprechenden Kapiteln erläutert werden, verfolgen das Ziel, die bisherigen Versorgungsdefizite (sowohl Fehl- als auch Unterversorgung) durch eine Verbesserung der Versorgungsstrukturen auszugleichen, um Folge- und Begleiterkrankungen zu vermeiden. Es ist erfreulich, dass immer mehr Ärzte entgegen gewissen Vorbehalten an diesen Programmen teilnehmen und dies trotz zunächst zusätzlicher Belastungen, die in einer Praxis bei der Einführung der DMPs entstehen. Da die notwendige Trainingstherapie nicht im Rahmen der DMPs finanziert wird und zudem eine massive Unterversorgung mit speziellen Trainingsmöglichkeiten besteht, sind in diesem Bereich noch weitere Anstrengungen notwendig. Die pneumologische Rehabilitation ist essentieller Teil des Langzeitmanagements sowohl bei Asthma bronchiale als auch COPD. Wichtig ist eine sektorenübergreifende Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgungsangebote im Akut- und Reha-Bereich einschließlich der Reha-Nachsorge [4]. Ergänzend zur kurativen Krankheitsbehandlung zielt die pneumologische Rehabilitation auf die körperlichen, seelischen und sozialen Krankheitsfolgen und fokussiert dabei u.a. auf eine Reihe von Problemen wie Trainingsmangel, Muskelschwäche, Ernährung, soziale Isolation, Depression, Prävention von Komplikationen (siehe auch den Beitrag zur Komorbidität von G. König und J. Lecheler) und Verringerung der Exazerbationshäufigkeit. Im Rahmen der Rehabilitation wird ein individueller interdisziplinärer Behandlungsplan erstellt, durch den die bestmögliche physische und psychische Gesundheit sowie die soziale Integration der Betroffenen angestrebt wird. Dieses multimodale Konzept der Rehabilitation ermöglicht über die medikamentöse Therapie hinaus, die Symptome zu lindern, die Leistungsfähigkeit und Teilhabe am sozialen Leben zu verbessern und letztendlich die Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren (siehe auch die Beiträge zum Thema Rehabilitation von K. Schultz et al und A. van Egmond-Fröhlich et al.). Obwohl die Rehabilitation sowohl bei der „stabilen COPD“ als auch als Anschluss-Rehabilitation nach Akutkrankenhausbehandlung im Rahmen einer Exazerbation hochgradig evidenzbasiert ist, wird sie noch zu selten eingesetzt [6, 7]. Leider unterliegt der Zugang zur Rehabilitation nicht unerheblichen administrativen Zwängen, so dass diese effektive Behandlungsoption nur einem Teil der dafür geeigneten Patienten zugute kommt.
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Aus Public Health-Sicht
Unter Berücksichtigung epidemiologischer Erkenntnisse (siehe Beitrag von D. Nowak und E. von Mutius), der Beachtung des Versorgungsgeschehens (siehe Beitrag von T. Grobe et al.) und dem Einbeziehen volkswirtschaftlicher Aspekte (s. den Beitrag von A.D. Raadts et al.) sollten aus Public Health-Sicht in folgenden Bereichen schwerpunktmäßig Maßnahmen ergriffen werden:
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Gesellschaft und Gesundheitsversorgung • Das öffentliche Bewusstsein für die Häufigkeit und Bedeutung beider Erkrankungen, ihre Behandelbarkeit und vor allem ihre Prävention sollte geschärft werden. Vor allem durch den letztgenannten Ansatz sind positive Effekte auf die Lebensdauer und Arbeitsfähigkeit zu erwarten. Eine Steigerung der Awareness ist auch für Asthma bronchiale unbedingt notwendig. • Mit Hilfe evidenzbasierter fundierter Problemanalysen sollten weitere präventive Maßnahmen und Interventionsmöglichkeiten entwickelt und auch implementiert werden. • Zur Verbesserung der Früherkennung, der Diagnostik und Therapie müssen die pneumologischen Ausbildungskapazitäten an den Universitäten deutlich verbessert werden. • Notwendige nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen und die pneumologische Rehabilitation müssen in die angelaufenen DMPs noch besser integriert werden. • Angesichts der Tatsache, dass es sich bei Asthma bronchiale und auch bei COPD um chronische Erkrankungen handelt, die die Betroffenen ein Leben lang begleiten, sollten Therapieprogramme gefördert werden, die konsequent langfristig, multidisziplinär und sektorenübergreifend angelegt sind. • Eine tragfähige kommunikative Basis zwischen Therapeuten und alltäglicher Umgebung des Erkrankten am Arbeitsplatz oder in der Schule muss geschaffen werden. • Offizielle Austauschplattformen müssen sich etablieren und das Ziel verfolgen, beide Krankheiten mit ihren gesellschaftlichen, primär- und sekundärökonomischen Folgen in das Bewusstsein der Gesundheitspolitiker auf kommunaler und nationaler Ebene zu bringen. • Angesichts der Umwälzungen im Gesundheitssystem sollten die professionelle Rolle der Ärzte neu definiert werden und die ökonomischen Dimensionen zugunsten der Professionalität an Gewicht verlieren. Kollegiale Diskussionen auf wissenschaftlicher Basis und Gedankenaustausch mit den Betroffenen sollten wieder absolute Priorität erhalten. • Um einerseits die Kompetenz der Selbsthilfe zu steigern, andererseits die Partizipation der Erkrankten und ihrer Angehörigen an der Versorgung, der Erstellung von Therapieplänen und der Auswahl sinnvoller Maßnahmen sicherzustellen, ist ein Empowerment der Betroffenen zu fördern.
Forschung • Es scheint wichtig, sich der Thematik obstruktiver Atemwegserkrankungen auf zwei Wegen zu nähern: einerseits sollte die Ursachenforschung mit dem Ziel der Verhinderung oder Prävention vorangetrieben werden. Hierzu zählen die Bemühungen auf biologischer, genetischer und auch auf molekular-chemischer Ebene (s.a. die Beiträge von C.J. Virchow und H. Magnussen). Andererseits müssen fachübergreifende Vorhaben, die die therapeutischen, biologischen und sozialwissenschaftlichen Aspekte krankheitszentriert miteinander verknüpfen und neue Therapieansätze einbeziehen, gefördert werden.
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• Die Versorgungsforschung sollte die Diskrepanz zwischen besten Versorgungsmöglichkeiten und realer Praxis mit dem Ziel verfolgen, diese zu beheben und die Ursachen für Non-Compliance und Therapieversagen zu eruieren. • Die Entwicklung weiterer wissenschaftlich begründeter, evidenzbasierter wirtschaftlicher und qualitätsgesicherter Diagnose-, Präventions- und Behandlungsansätze sollten vorangetrieben werden. Integrative Projekte wie die beiden Nationalen Versorgungsleitlinien erscheinen dabei als wichtige Schritte in die richtige Richtung. In dem vorliegenden Buch finden sich zahlreiche Anregungen und Lösungsansätze zu den oben genannten Punkten. Die wichtigste Kernaussage ist jedoch, dass ein adäquates Herangehen an die vielschichtige Problematik der beiden Volkskrankheiten nur mehrdimensional und differenziert erfolgen kann und vor allem als langfristige Aufgabe gesehen werden muss, die nicht episodenhaft im Sinne einer kurzfristig angelegten Reparaturmedizin zu lösen ist. Allen an der Erstellung des Buches Beteiligten sei an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt.
Literatur 1. Lopez AD, Murray CC. The global burden of disease, 1990–2020. Nat Med. 1998 Nov;4 (11):1241–43. 2. Schäfer H, et al. (2007) Adipositas und pneumologische Erkrankungen. DMW 132:513–518 3. Wouters EF, Management of severe COPD. Lancet 2004; 364:883–895 4. Schultz K, Taube K, Lang SM (2007) Stellenwert der Rehabilitation bei der Langzeitbehandlung der COPD. DMW 132:508–512 5. Vogelmeier C, Buhl R, Criee CP , Gillissen A, Kardos P, Köhler D, Magnussen H, Morr H, Nowak D, Pfeiffer-Kascha D, Petro W, Rabe K, Schultz K, Sitter H, Teschler H, Welte T, Wettengel R, Worth H: Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). DOI 10.1055/ s−2007−959200 Online-Publikation: 2007 Pneumologie 6. Glaab T, Banik N, Singer C, Wencker M. Leitlinienkonforme ambulante COPD-Behandlung in Deutschland. Dtsch med Wochenschr 2006;131:1203–1208 7. Glaab T et al.: COPD-Management nach aktuellen Leitlinien. Pneumologie 2006; 60:395–400
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Abkürzungsverzeichnis ABPA ACVB-OP AFAS AHB AIDS AIRD AIRE ANCA Anti IgE APC AR ATC-Code ATS AWMF BAR BGA BHR BImSchV BIPAP BMI BO BODE BPD BSI
BZgA CDC CF CO CO2
allergische broncho-pulmonale Aspergillose aortocoronare Venenbypass-Operation Ambulante Fürther Asthma-Schulung Anschlussheilbehandlung = Anschlussrehabilitation (AR) acquired immunodeficiency syndrome; erworbene Immuninsuffizienz Adipositas-induzierte respiratorische Dysfunktion Asthma Insights and Reality in Europe anti-neutrophil cytoplasmic antibody Anti-Immunglobulin E antigenpräsentierende Zelle Anschlussrehabilitation = Anschlussheilbehandlung (AHB) Anatomical Therapeutic Chemical Code (Codierung zu Klassifikation von Wirkstoffen, nach WHO) American Thoracic Society Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich medizinischen Fachgesellschaften Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (www.bar-frankfurt.de) Blutgasanalyse bronchiale Hyperreagibilität Bundes-Immissionsschutzverordnung biphasic positive airway pressure body mass index Bronchiolitis obliterans body mass index, obstruction, dyspnea, exercise bronchopulmonale Dysplasie Brief Symptom Inventory (BSI); Psychologischer Fragebogen zur Erfassung subjektiver Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Centers for Disease Control and Prevention zystische Fibrose Kohlenmonoxid Kohlendioxid
460 COPD CPAP CRF CRP CT DA DAAB DAK DALYs DD DDD DEGAM DFG DGP Diff.BB DM DMP DNCG DPI EG ENO EPP ERS EU FcεRI FcεRII FEV0,5 FEV0,75 FEV1 FEV1/VC FRC FVC GAS GCS GEK GINA GIS GKV
Abkürzungsverzeichnis chronic obstructive pulmonary disease (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) continuous positive airway pressure chronic renal failure C-reaktives Protein Computertomogramm Dosieraerosol Deutscher Allergie- und Asthmabund Deutsche Angestellten Krankenkasse disability-adjusted life years Differenzialdiagnose defined daily dose (definierte Tagesdosierung) Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin Differenzial-Blutbild Deutsche Mark Disease-Management-Programm Dinatrium-Cromoglycat Trockenpulverinhalationssysteme Evidenz-Grad exhaliertes Stickoxyd 1,0 equal pressure point (Ort des gleichen Druckes) European Respiratory Society Europäische Union hoch affine IgE-Rezeptoren niedrig affine IgE-Rezeptoren forciertes exspiratorisches Volumen in 0,5 Sekunden forciertes exspiratorisches Volumen in 0,75 Sekunden forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde; Einsekundenkapazität, d.h. das Volumen, das nach maximaler Inspiration innerhalb einer Sekunde maximal ausgeatmet werden kann. Quotient aus Einsekundenkapazität und Vitalkapazität (TiffeneauTest); dieser Wert ist bei obstruktiven Atemwegserkrankungen erniedrigt (< 70 %), bei restriktiven Lungenerkrankungen normal (> 70 %). funktionelle Residualkapazität forcierte Vitalkapazität generalisierte Angststörung Glukokortikosteroid (vgl. IGCS) Gmünder ErsatzKasse Global Initiative for Asthma Geographical Information System Gesetzliche Krankenversicherung
Abkürzungsverzeichnis GM-CSF GOLD GOR GPP GRV GUV HADS HFA HIV HR HRQoL hs-CRP i.v. ICD ICF
ICS IGCS IgG, A, M, E IL IQWIG IV KG KHK KI kPa KV LABA LOT LPS LTRA MEF25–75 MEF50 Met
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Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-Stimulationsfaktor Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (www.goldcopd.org) gastroösophagealer Reflux Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie Gesetzliche Rentenversicherung Gesetzliche Unfallversicherung Hospital Anxiety and Depression Scale; Fragebogen zur Erfassung von Angst und Depressivität in der somatischen Medizin Hydrofluoralkan, z. B. Norfluran (HFA 134a) human immunodeficiency virus high resolution health related quality of life high sensitive C-reactive proteine intravenös Internationale Statistische Klassifikation von Krankheiten und verwandter Zustände International Classification of Functioning, Disability and Health (WHO 2001, Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit); Klassifikation der funktionalen Gesundheit und ihrer Beeinträchtigungen; die ICF wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt und ergänzt insbesondere die Klassifikation der Krankheiten (ICD); die ICF ist die Nachfolgerin der Internationalen Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen (ICIDH) von 1980 (WHO 1980) inhalative Kortikosteroide inhalative Glukokortikosteroide Immunglobulin der Klassen G, A, M, E Interleukin Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen integrierte Versorgung Körpergewicht koronare Herzkrankheit Konfidenzintervall Kilopascal Kassenärztliche Vereinigung long acting beta-2-agonist (lang wirksames Beta-2-Sympathomimetikum) Langzeit-Sauerstofftherapie Lipopolysaccharide Leukotrien-Rezeptor-Antagonist mittlerer exspiratorischer Fluss zwischen 25 und 75 % VK maximaler exspiratorischer Fluss bei 50 % der VK metabolische Äquivalente
462 Mio. mmHg Mrd. MRF-28 MTD NAc NAEP NASA NHANES NIMH NIV NO2 NPPV NVL O2 O3 OCS OR paCO2 PaO2 pAVK pCO2 PDE-V PEEP PEF PEP pH PM PM10 PM2.5 pMDI Ps.a. PTCA RABA Raw RCT Reha
Abkürzungsverzeichnis Millionen Millimeter Quecksilbersäule Milliarden Maugeri Foundation Respiratory Failure Questionnaire maximale Tagesdosen über einen limitierten Zeitraum Nucleus accumbens National Asthma Education Program nationales ambulantes Schulungsprogramm für erwachsene Asthmatiker National Health and Nutrition Examination Survey National Institute of Mental Health nicht-invasive Ventilation Stickstoffdioxid non-invasive positive pressure ventilation (= nicht-invasive Beatmungstherapie) nationale Versorgungsleitlinie Sauerstoff Ozon orales Kortikosteroid odds ratio (relatives Risiko) arterieller Kohlendioxidpartialdruck (Gasdruck von Kohlendioxid im arteriellen Blut in mmHg) arterieller Sauerstoffpartialdruck (Gasdruck von Sauerstoff im arteriellen Blut in mmHg) periphere arterielle Verschlusskrankheit Kohlendioxidpartialdruck Phosphodiesterase-V positive end-expiratory pressure (positiver endexspiratorischer Druck) peak expiratory flow (expiratorischer Spitzenfluss) positiv expiratory pressure (positiver Exspirationsdruck) Pondus Hydrogenii particulate matter (Schwebstaub) Schwebstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser < 10 μm Schwebstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser < 2,5 μm, alveolargängige Fraktion, Feinstaub Treibgasdosieraerosole Pseudomonas aeruginosa percutaneous transluminal coronary angioplasty rapid acting beta-2-agonist (rasch wirksames Beta-2-Sympathomimetikum) Atemwegswiderstand randomised controlled trial (randomisierte kontrollierte Studie) Rehabilitation
Abkürzungsverzeichnis ROS RR RSAV RSV Sa02 SABA SaO2 SGB SGRQ SIGN SIT sRaw SVR TGF-β TH TNFα TNF-alpha Treg TSP UAW UFP US VC VCD VK VOC vs.
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relative Oxygen-Spezies relatives Risiko Risikostrukturausgleichsverordnung respiratory syncytial virus arterielle Sauerstoffsättigung in % (nicht-invasive Methode zur Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung) short acting beta-2-agonist (kurz wirksames Beta-2-Sympathomimetikum) arterielle Sauerstoffsättigung Sozialgesetzbuch St. George’s Respiratory Questionnaire Scottish Intercollegiate Guidelines Network spezifische Immuntherapie spezifischer Atemwegswiderstand Sachverständigenbeirat transforming growth factor β T-Helferzellen Tumornekrosefaktor α Tumornekrose-Faktor-alpha regulatorische T-Zelle Gesamtschwebstaub unerwünschte Arzneimittelwirkungen ultrafeine Partikel (< 100 nm) United States Vitalkapazität (maximal ventilierbares Atemvolumen) vocal cord dysfunction inspiratorische Vitalkapazität volatile organic carbon versus
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Stichwortverzeichnis
A Aarane® 259 ACE-Hemmer 169 Acethylcholin 173 ADHS 405 Adipositas 137, 406 Adipositas-induzierte respiratorische Dysfunktion (AIRD) 406 Adoleszenz 61 Adrenalin 239 AeroBec® 258 Aerobin® 259 Aerodur Turbohaler® 257 aeromax® 258 Afonilum® 259 AG Lungensport in Deutschland e.V. 379 AIDS 445 Air-trapping 173 Aktivität 447 – Einschränkungen 385 – körperliche 328, 447 – sportliche 105 Akupunktur 252, 412 Allergen – Exposition 56 – Karenz 66, 267, 284, 377 – Quelle 267 – Vermeidung 283 Allergie 162 – Auslöser 56 – Diagnostik 173, 178 Allergiker-Karenztrainingsprogramm 374 allergische Reaktion, sexuell übertragen 162 Allergospasmin® 259 Alpha-1-Antitrypsinmangel 60 Alternaria tenuis 284 Alter 446 – Abhängigkeit 22 – Gruppen 214 Alterungsmarker 446
Alveolarraum 447 Alveolitis, exogen-allergische (ABPA) 56 Alvesco® 264 ambulante Versorgung 20 – Diagnosehäufigkeit Asthma 21 – Diagnosehäufigkeit COPD 21 Amoxicillin 254, 260 Analgetika-Intoleranz 69 Anamnese 169, 350 Angst 149, 150, 152, 161, 163 Angststörung 152, 155, 397, 398 Anomalien, kongenitale 239 Anschluss-Rehabilitation 378 Anstrengungsasthma 56, 259, 281 Anti-IgE-Antikörper 73, 441 Antiasthmatika 232 Antibiotika 253, 260, 351 Antibiotikaempfehlung 254 Anticholinergika 222, 232, 249, 257 – Beta-2-Sympathomimetikum, Kombination 258 Antioxidantien 446 Antiphlogistika 169 Antiproteasen 446 Antitussiva 252 Apsomol® 257 Arachidonsäuremetabolismus 57 Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich medizinischen Fachgesellschaften 199 Arbeitsplatzexpositionen, COPD 11 Arbeitsplatzwechsel 70 Artrovent® 264 Arzneimittelgruppen zur Behandlung von Asthma und COPD 261 Arzneimittelkommission 215 Arzneimittelreport 257 Arzneimittelversorgung 216 Aspiration 239 Asthma bronchiale 135, 267, 435 – allergisches 284 – Anfall 71, 116, 216, 227, 257, 351
466 – Auslöser 267 – Behandlungsplan 234 – berufliche Einflüsse 123 – Diagnosehäufigkeit 21 – Epidemiologie 3 – extrinsisches 55 – Forschungspotenziale 435 – Intrinsic 55, 268 – Kindesalter 404 – Komorbidität 29, 397 – Mortalität 213 – nach Geschlecht und Alter 22 – Rehabilitation 387 – Sport 281 – subklinisches 55 – volkswirtschaftliche Bedeutung 214 Asthmapersönlichkeit 149 Asthmaschulung 88, 388, 389 asthmatische Erkrankungen, Zunahme 3 atemerleichternde Stellung 375 Atemfluss 445 Atem(hilfs)muskulatur 170, 238 Atemmuskeltraining 293 Atemnot 169, 287 Atemnotanfall, Plan für 424 Atemphysiotherapie 287 Atempumpe 317 Atempumpenschwäche 317 Atemstimulanzien 252 Atemtherapie 412, 425 – krankengymnastische 270 – physiotherapeutische 375 atemur® 258 Atemwegserkrankungen – chronische 327 – obstruktive, Prävalenz 355 – obstruktive, Stufendiagnostik 358 Atemwegsinfekt 351 Atemwegsobstruktion 57, 447 – reversible 169 Atemwegsremodelling 62 Atemwegswiderstand, spezifischer 58 Atemwegswiderstandserhöhung 330 Atemwiderstand 173 atmadisc® 258 Atmung und Aktivität, Koppelung 291, 375 Atopie 267 – Belastung 177 – Risiko 6 Atrovent® 258, 259 Aufwärmphase 282 Augentropfen 169 Ausatmung, giemende 170
Stichwortverzeichnis Ausdauer 273 Ausdauertraining 274, 292 Auskultation 170 Auslöser, psychische 150 Außenluftschadstoffe, COPD 12 Auswurf 169 Autogenes Training 412 Autoimmunerkrankung 55, 398 Azithromycin 254
B bakteriell 351 Bakterienextrakt 252 Balneotherapie 412 Basisdiagnostik 170, 177 – COPD 185 Beatmung 318 Beatmungstherapie 253 – nichtinvasive 319 Beclometason 223, 258 Bedarfsmedikamente 221, 232 Bedarfstherapie 217, 233, 237 Begleiterkrankung 446 Begutachtung, sozialmedizinische 376 Behandlung – psychosoziale 391 – stationäre 363 Behandlungsansätze, alternative 409 Behandlungsprogramme 328 – strukturierte 381, 393 Belastbarkeit 445, 447 Belastung, körperliche 447 Belastungsblutgastest 334 Belastungsphase 274 Belastungstest, COPD 191 Berodual 264 Berotec 257 Beruf 169 Berufsasthma 57, 124 Berufsberatung 392 Berufshinführung 392 Berufskrankheitenverordnung, Asthma, COPD 130 Berufswechsel 70 Beta-2-Sympathomimetika 172 – Anticholinergikum, Kombination 258 – kurz wirkende 257 – lang wirkende 257 Betablocker 169 Betreuung – psychosomatische 328 – psychosoziale 328
Stichwortverzeichnis Bewältigungsstile 149 Bioresonanz 410 BiPAP 44 BODE-Index 445 – COPD 187 Bodyplethysmographie 172, 358, 360 body mass index (BMI) 137, 445 Bolusgabe 238 bottom-up-Methode 37, 38, 40, 41 Bricanyl® 264 Bronchialkarzinom 399 Bronchiektasen 361 Bronchiolitis obliterans 122, 305 Bronchitis – chronisch-obstruktive 445 – chronische, Arbeitseinflüsse 123 Bronchocort® 258 Bronchodilatator-Reversibilitätstests, COPD, Asthma 191 Bronchodilatatoren 232, 250, 447 – neue 438 Bronchoretard® 259 Bronchospamolyse-Test 172, 180 Bronchospasmolytika 233 Bronchospray® 257 Brustkrebs 327 Budecort® 258 Budes® 258, 264 Budesonid® 223, 258 Budiair® 258 Bulla 297 Bullektomie 297 Bundesausschuss, Gemeinsamer 327 Buprion 267
C Cefepim 254 Cefotaxim 254 Ceftazidim 254 Ceftriaxon 254 Cephalosporine 260 Chemokin-Antagonisten 440 Chinolone 260 Ciclesonid 223 Ciprofloxacin 254 Cladosporium herbarum 284 Clarithromycin 254 Clavulansäure 254, 260 CO-Diffusionskapazitätsmessung 334 COBRA 294 Compliance 233, 426 Controller 221, 232, 257
467 COPD 135, 157, 189, 445 – assoziierte Erkrankungen 396 – Diagnosehäufigkeit 21 – Exazerbation 254 – Komorbidität 31 – medikamentöse Therapie 259 – nach Geschlecht und Alter 25 – Prognose 395 Corticosteroide 214, 222 – inhalative 222 Cough-Variant-Asthma 56 CPAP 44 Cromoglicinsäure 223, 258 Cromone 223, 232 Cyclocaps® 258 Cysteinyl-Leukotriene 57
D DALY 45, 46 – COPD 9 Daten, administrative 19 Dauertherapeutika 232 Dauertherapie 218, 250 Dekonditionierung 273, 287 Dennie-Morgan 178 Depression 151, 155, 161, 163, 397, 405, 446 Depressivität 92 Desensibilisierung 66, 72 Deutscher Lungentag 426 Deutsche Atemwegsliga 58 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 431 Diabetes mellitus 327, 395 Diagnose 216 Diagnosehäufigkeit – Asthma 21 – COPD 21 – Komorbidität 29 – nach Geschlecht und Alter 22 Diagnosekombination – Asthma und COPD 26 – Komorbidität 29 Diagnostik 169 – Berufsasthma 125 – COPD 185 Diathese 68 – allergische 55, 267 Dieselpartikel 108 Differenzialdiagnose 180 – Asthma/COPD 361 – Asthma bronchiale 187 – COPD 187
468 Direkteinweisung 343, 381 Disease Management Programme (DMP) 204, 268, 327, 335, 339, 340, 361, 379, 425 – Asthma 270 – Einschreibeinformation 364, 365 DNA, Epitop-spezifische 74 DNCG 252 Dokumentationsbogen 327 Doxycyclin 254 Drainage, autogene 270 Drugmonitoring 235 Dysfunktion 446 – erektile 162, 163 Dyskrinie 231 Dysplasie, bronchopulmonale (BPD) 86
E Effekt, protektiver 70 Eigenblutbehandlungen 414 Eigenmessung 170 Einnahmecompliance 225 Einsekundenkapazität 171 Einweg-Stents, endobronchiale 297, 306 Ekzem, atopisches 403 Elektroakupunktur 410 Elektroherd 104 elektronische Medien 279 Eltern-Kind-Konflikte 405 Emotionen 149 Empfehlungsgrade 201 Emphysem – Diagnosehäufigkeit 21 – nach Geschlecht und Alter 25 Encasing 267 Endoskopie 178 Engstellung der Atemwege, Kontrolle 424 Entscheidungsalgorithmus 330 Entscheidungsfindung 349 Entspannung 294 – Techniken 273, 412 – Verfahren 158 Entwöhnungsverfahren 267 Entzündung, immunologische Mechanismen 80, 445 Entzündungshemmer 232 Enzym-Immuno-Assay 174 Epaq 257 Epidemiologie 135 – Asthma 3 – COPD 9 Epinephrin 239 Epithelien 267
Stichwortverzeichnis Ergotherapie 376 Erkrankungen – cerebrovaskuläre 445 – kardiovaskuläre 395, 446 – laryngeale 60 – systemische 92 Ernährung, Asthma 7 Ernährungsberatung 287, 376 Ernährungstherapie 268, 376 Erstdiagnostik 172 Etagenwechsel 64, 87 Euphylong 259 Evidenz 201, 216 Exazerbation 42, 61, 138, 237, 249, 250, 260, 348, 351, 352 exercise 445 Expression 446 Exspirationszeit 180
F Facharztpraxis, pneumologische 358 Faktoren – endogene 231 – genetische 231 – psychosoziale 404 Fall-Kontroll-Studien 215 Familie 59 Familienanamnese 170 Fehlversorgung 337, 338 Feinstaub 85 Felltiere 56 Fenoterol 250, 257, 259 Feriencamp 281 Fetus 136 Feuchtigkeitsentwicklung 60 Feuchtigkeitsverlust 57 Feuchtinhalation 235 FEV1 42, 360, 445 Fibroblasten 446 Fibrose, zystische 60 Fluss-Volumenkurve 171 Flüssigsauerstoffsysteme 310 Fluticason 223, 258 Flutide 258 Folgekomplikationen 218 Folgen, psychosoziale 150 Foradil® 258 Formoterol 222, 232, 250, 258 Forschungspotenziale 435 Fragebögen 445 Frauen 141 Freizeitaktivitäten 105
Stichwortverzeichnis Früherkennung 169, 177 – COPD 185 Frustrationen 116
G Gähnatmung 272 Ganzkörperplethysmographie 177, 334, 447 Gasaustauschstörung 330 Gase 445 Gasherd 102, 104 Geburtsgewicht, vermindertes, COPD 12 Gehstrecke 447 Gender 135 Generika 39 Genetik – Asthma 5 – COPD 10 genetischer Hintergrund 169 genetische Faktoren 84 Genotypisierung 446 Geschlecht 135 Geschlechtsabhängigkeit 22 Geschlechtsverkehr 162, 163 Geschwisterzahl, Asthma 6 Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) 372 Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) 372 Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) 372 Gesundheitsbildung, schulische 115 Gesundheitsförderung 113 – ganzheitliche 115 Gewichtsverlust 446 Giemen 60, 231 – kindliches 71 GINA 202, 221 Glukokortikoide 257 – zum Inhalieren 258 Glukokortikosteroide 232 – inhalative 329 – neue 439 – systemische 329 GOLD 170, 202, 447 Gräser-/Roggenpollen 174, 267 Grippeschutzimpfung 260, 268 Guideline 215 Gynäkologe 68
H Hämoptysen 297 Hausarzt 68, 218 Hausstaubmilben 66, 174, 284, 403 – Allergene 284
469 – Allergie 267 – Freiheit 377 Haustiere 56, 137, 283, 403 Hauttest 174 Health Base 343 Heimbeatmung 319 Heiße Rolle 291 Hertoghe-Zeichen 178 Herz-Lungentransplantation (HLTx) 304 Herzerkrankung – ischämische 395 – koronare 396 Herzinsuffizienz 331 – chronische 396 Herzkrankheit, koronare 327 Heterogenität 65 – geographische 3 Heuschnupfen 403 Hilfen – psychologische 376 – psychotherapeutische 376 Hilfsmittelberatung 376 Histamin 173, 358 HIV 445 Hobby 169 Hochgebirgsklima 284, 377 Höflichkeitsgähnen 272 Höhenaufenthalte 73 Homöopathie 413 Hormon 136 – Ersatztherapie 137 Hospitalisation 446 Hospitalisierung 71 hs-CRP 446 Huffing 290 Hundehaar 174 Husten 179, 350, 351 – Attacken 270 – Effizienz 271 – Synkopen 271 – Techniken 270, 290 – trockener 169 Hygienehypothese 73 – Asthma 6 Hygienetheorie 284 Hyperreagibilität 231, 267 – bronchiale 169, 329, 437 – postinfektiöse bronchiale 361 Hypersekretion 289 Hypertonie 395 – arterielle 396 – pulmonalarterielle 302 Hypoventilationssyndrom 322
470
Stichwortverzeichnis
I
K
ICD10 20 IgE 56, 174, 178 IgG 178 IgG-Nachweis 411 Imipenem 254 Immunmodulation 268 Immunmodulatoren 252 immunologische Ursachen, Asthma 124 Immunstimulation 268 Immunsystem 136 Immuntherapie 72 – autohomologe 413 – spezifische (SIT) 87, 328 Impfen 67, 237 Impotenz 163 Inaktivität 447 Infektasthma 403 Infekte 169 – Asthma 6 – der unteren Atemwege 445 – virale 85 Infektprophylaxe 391 Infekttriggerung 268 Infektvermeidung 268 Inflammation 446 – bronchiale 267 Inhalationsintoxikationen, Asthma, COPD 121 Inhalationssysteme 217 Inhalationstechnik 252 Initialtherapie 238 Innenraumluftschadstoffe, COPD 11 Inspektion 170 Insuffizienz – respiratorische 317, 395 – ventilatorische 317 Integrierte Versorgung 335, 336, 340, 345, 381 Interozeption 150 Intervalltraining 282, 292 Intrakutan-Test 174 Ipratropium 259 Ipratropiumbromid 222, 239, 250, 258 Irritantien 66 IV-Asthma/COPD 341
Kältebrücken 60 Kaninchen 67 Kapazität – aerobe 288 – inspiratorische 447 Kardiomyopathien 395 Karenzmaßnahmen 267 Kathetereinlage 299 Katze 72, 174 Kausalitätsbeurteilung 131 Ketotifen 259 Kinder 113, 177, 182 Kindergarten/-krippe 6, 113 Kinesiologie 410 Klassenausflug 114 Klimaänderung 385 Klimatherapie 283, 377 Klopfschall 170 Kneipp’sche Anwendung 268, 412 Kofferkonzentratoren 310 Kohorten-Studien 215 Kombination, fixe 236, 237, 258 Kombinationspräparate, fixe 236, 237, 258 Komorbidität 29, 152, 395, 446 – bei Asthma bronchiale 29, 397 – bei COPD 31, 395 – Erfassung 388 – Kinder 403 – kinder- und jugendpsychiatrische 404 Körpergewicht 217, 445 körperliche Untersuchung, COPD 189 Körperstellung – atmungserleichternde 270, 272, 291, 425 Kortikosteroide 249 Kosten 138, 445, 447 – direkte 37, 39 – für Arzneimittel 263 – indirekte 37 Kosten-Nutzen-Analyse 95 Kraft 274 Krankenhaus 138 Krankenhausbehandlungen 33 Krankenhausreport 1999 338 Krankenversicherung, gesetzliche 393 Krankheitsbewältigung 151 Krankheitsdruck 68 Krankheitsfolgen 371 Krankheitskontrolle 62, 269 Krankheitslast 54 Krankheitsmanagement 149, 268 Krankheitsphasen 424
J jahreszeitliche Variationen 27 Jugendliche 113 Jungen 141 Junik® 258
Stichwortverzeichnis Krankheitsschwere 446 Kreuzallergie 69 Krisen, familiäre 405 Kuration 213 Kuraufenthalte 385 Kutschersitz 270
L LABA 222 Lactobacillus GG 87 Lagerungsdrainage 290, 291 Laktat 288 Langzeit-Sauerstofftherapie 260, 318 – Schulungsprogramm 374 Langzeittherapie 223, 232, 250 Lebensqualität 150, 152, 179, 214, 268 – gesundheitsbezogene (HRQoL) 395 Lebensqualität von COPD-Patienten 397 Leistungsbeurteilung/-entwicklung 116 Leistungsfähigkeit, körperliche 116 Leitlinien 199, 263, 328, 348, 350, 445 – evidenzbasierte 199 – internationale 214 – nationale 214 – Vorteile 201 Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga 431 Lernfähigkeit 116 Lernpensum 116 Lerntempo 115 Letalität 214, 231 Leukotrien-Rezeptor-Antagonist 232, 252 Levofloxacin 254 Libido 162 Limitationen 65 Limitierung 447 Lippenbremse 291, 375 – dosierte 270, 272 LKW-Verkehr 104, 108 Luftnot 445 Luftschadstoffe, Asthma 8 Luftschadstoffkarenz 377 Lungenemphysem 297, 445, 446 – Behandlung, operative Verfahren 297 Lungenerkrankung, parenchymatöse 59 Lungenfibrose 331 Lungenfunktion 93, 135, 169, 301, 329 – Prüfung 301 Lungenfunktionsdiagnostik 179 – COPD 189 Lungenfunktionsverlust 70 Lungenödem 122 Lungensport 293, 379
471 Lungensportgruppe 425 Lungentransplantation (LTx) 297, 300, 304 – doppelseitige 304 – einseitige 304 Lungenüberblähung 173, 330, 445 Lungenvolumenreduktion 300 Lungenvolumenreduktionschirurgie 446 Lungenwachstum 231 – vermindertes, COPD 12 Lungenzerstörung 446
M Mädchen 141 Management, sektorenübergreifendes 337 Männer 141 Marker 446 – indirekte 447 Marshallplan 46 Maske, nichtinvasive 319 Maßnahme – nichtmedikamentöse 217 – qualitätssichernde 328 Mastzellmediatorsekretion 57 Mastzellstabilisatoren 258 Mediatorantagonisten 439 Medikamente 169, 257 Meerschweinchen 67 Meldung des Verdachts einer Berufskrankheit, Asthma, COPD 130 Meropenem 254 Meta-Analysen 215 Metacholin 173, 358 MIF 171 Miflonide 258 Milben 267 Minikonzentratoren 310 6-Minuten-Gehtest 309, 445 Mittelschicht 136 Mometason 223 Monotherapie 236 Montelukast 222, 234, 258, 264 Morbidität 446 Morgentief 169 Morphin 252 Mortalität 42, 45, 80, 140, 395, 446 Mortalitätsrisiko, Indikator 396 Moxifloxacin 254, 260 Mukopharma 252 Mukostase 270 Mukoviszidose 239 Multimorbidität 349, 395 mündiger Patient 422
472 Muskeldysfunktion 288 Muskelentspannung nach Jacobsen 273, 412 Muskeltraining, inspiratorisches 293 Muskulatur 446 Mutter 71
N Nachbetreuung, telefonische 377 Nachschulung 270 Nagetiere 72 Nahrungsmittel 403 Nahrungsmittelallergie 69 NASA 268, 269, 294 Naselaufen 174 Nasenspülung 391 Nationale Versorgungs-Leitlinie 139 Nedocromil 223, 252, 259 Negativdruckbeatmung 319 NETT-Studie (National Emphysema Treatment Trial) 301 Nettotrainingsbelastung 274 Netzwerkpartner 343 Neurodermitis 403 Niesen 174 Nikotin – Entwöhnung 141 – Ersatz 267 – Ersatztherapie 377 – Karenz 61 – Kaugummi 267 Normalwerte 181 Notfall 250 – Behandlung 218 – Einweisung 269 – Management 117 – Medikamente 424 Notsituationen 424 Novopulmon 258 Noxen 57 Noxenkarenz 267
O Oberschicht 136 Obstruktion 58, 445 Obstruktionswahrnehmung 150, 151 Offenhalten, abwartendes 350 Omalizumab 226, 441 Organabstoßung, chronische 305 Osteoporose 141, 446 Oxidantien 446 Oxis® 258 Oxygen-Spezies, reaktive (ROS) 108
Stichwortverzeichnis Oxygenierungsstörung 317 Ozon 102
P Packegriff 272 Pädagogik 392 Panik 152 Parasiten 398 Partikel 102, 445 – ultrafeine 103, 107 Partikeldeposition 107 Partnerschaft 161 Passivrauchen 5, 93, 137 Pathogenese 54 Pathophysiologie 80 Patient – informierter 429 – mündiger 422, 429 Patientencompliance 268 Patientenleitlinie 215 – im Rahmen der Nationalen Versorgungsleitlinie COPD 431 Patientenschulung 69, 172, 217, 268, 269, 366, 374 – ambulante 279 – bei asthmakranken Kindern 279 – strukturierte 429 Patientenverhaltenstraining 294 Peak-Flow 172, 349 – Messung 356 – Meter 424 – Metrie 170 PEF 171 PEF-Variabilität – circadiane 58, 329 Penizilline 260 PEP-Systeme, oszillierende 290 Perfusionsszintigraphie 301 Perkussion 170 Persönlichkeitsmerkmale 149 Phänotypisierung 446 Pharmakotherapie 72, 249 Phonationstechniken 272 Phosphodiesterase-Inhibitoren 440 physikalische Therapie 270 Physiotherapie 391, 412 Phytotherapie 411 Piperacillin 254 Placebo 413 Plausibilitätsprüfung 171 Pleurodese 299 PM2.5 103
Stichwortverzeichnis Pneumo-Netzwerk Südbayern 341 Pneumokokkenerkrankung 237 Pneumokokkenimpfung 260, 268, 353 Pneumologisches Netzwerk Südbayern 341, 342 Pneumonie 239 Pneumotachographie 177 Pneumothorax 297 Pneumo Fit 343 Pollen 284, 403 – Allergene 69, 284 – Armut 377 – Saison 114 Polyposis nasi 56 Positivdruckbeatmung 319 Prädisposition, genetische, Asthma 5 Prävalenz 3, 53, 79, 213 – Asthma bronchiale 121 – COPD 121 – primäre 53, 54 – sekundäre 53, 54 – tertiäre 53, 54 Prävention 86, 135, 249 – berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen 129 – primäre 213 – sekundäre 213 Präventionsparadox 65 Praxishilfen 213 Prednisolon 222, 253 Prick-Test 174 Primärprävention 141 Primärversorgung 356 Probiotika 87 Prognose, Berufsasthma 128 Proteasen 446 Provokation – spezifische 58 – unspezifische bronchiale 358 Provokationstest 174 – inhalativer 329 Pseudomonas aeruginosa 253 Psyche 155 Psychodiagnostik 388 Psychotherapie 275, 412 Pubertät 135 Pulmicort® 258 Pulverapplikation 235
Q Qualitätsförderung 213 Qualitätsindikatoren 328 Qualitätsmanagement 217
473 Qualitätssicherung 393 Qualitätszirkel 213
R Rauchen 137, 352 – COPD 10 Raucher 396 Raucherentwöhnung 94, 267 – pharmakologische 267 Rauchexposition 169 Rauchgewohnheiten 267 Rauchreduktion 95 reactive airways dysfunction syndrome (RADS) 60, 361 Referenzwerte 181 Reflexbronchokonstriktion, akute 122 Reflux, gastroösophagealer (GOR) 86 Refluxkrankheit 169 Regeneration, alveoläre 446 Rehabilitation 158, 163, 164, 213, 217, 328, 348, 353, 371, 446 – Asthma bronchiale, Effekte 373, 378, 387 – Bedürftigkeit 380 – bei COPD, Effekte 373 – bei COPD (stabile COPD) 378 – Besonderheiten von Kindern und Jugendlichen 392 – Einrichtungen 388 – Fähigkeit 380 – Indikation 371, 386 – Jugendliche 385 – Kinder 385 – Nachsorge 379 – pneumologische, Therapiekomponenten 373 – Prognose, positive 380 – Programm 301 – sektorenübergreifende Einbeziehung 381 – Verordnung 380 – Ziele 387 – Zugang 380 Rehabilitationskette 386 Rehabilitationskostenträger 371 Rehabilitationsleistung durch den Rentenversicherungsträger 380 Rehabilitationsmaßnahmen, pulmonale 301 Rehabilitationsmodelle – ambulante 447 – stationäre 447 Rehabilitationsziel, realistisches 380 Rehaindikation 386 Reliever 221, 232, 257 Remodelling 231
474 Rentenversicherung 393 Reparatur 446 – Kapazitäten 446 Reproterol 250 Residualkapazität 173 Reversibilität 172, 179 Rhinitis 398 – allergica 64 Rhinokonjunktivitis, allergische 403 Rhinomanometer 174 Rhinorrhoe 178 Riesenbulla 298 Risiko 65 Risikoabschätzung 328 Risikofaktoren 135 Risikostruktur-Ausgleichsverordnung 327, 366 Risikoträger 68 Roggenpollen 174 Röntgen-Thorax 178 Routinedaten 19 Roxithromycin 254 Ruhelungenfunktion 177
S Sachverständigenrat 327 saisonale Unterschiede 27 Salbubreathe® 257 Salbuhexal® 257 Salbulair® 257 Salbutamol® 250, 257, 259 Salmeterol® 222, 250, 258 Sanasthmax® 258 Sanasthmyl® 258 Sauerstoff 238 – Gasdruckflaschen 310 – Konzentratoren 310 – (Langzeit-)Therapie 95, 253 Säuglinge 178 Säuglingsnahrung 71 – hypoallergene 86 Sauna 391 Schadstoffkarenz 267 Schichtzugehörigkeit 135 Schimmelpilze 66, 174, 267, 284, 403 – Bewachsung 60 – Sporen 284 Schlafapnoesyndrom 164 Schott’sche Wechseldusche 268 Schule 113 Schüler 113 Schulfehltage 113
Stichwortverzeichnis Schulkinder 180 Schulmotivation 116 Schulsport 114, 281 Schulungen 139, 213, 352, 388 Schulungsprogramme 268, 328 – zur Langzeit-Sauerstofftherapie 374 Schulverweigerung 117 Schutzimpfung 328 Schwangerschaft 71, 136, 214, 352 Schwankungen, jahreszeitliche 56 Schwellenkonzentration 71 Schweregrad 446 Schweregradeinteilung 180, 233 – COPD 186 Schwimmsport 283 Screening 68 Seeklima 377 Sekretelimination 270, 290 Sekretmobilisation 271 Sekretretention 271 Sekundärprävention 141 Selbsteinschätzung 445 Selbsthilfe 424, 426 Selbsthilfegruppen 421, 429 – Informationsangebote 425 – Mitgliedschaft 429 Selbsthilfeorganisationen 430 Selbsthilfetechniken 270 Selbstkontrolle 429 Selbstmanagement 268 Selbstwahrnehmung, Schulung 279 Sensibilisierungsmuster 56 Serevent® 258 Serologie 178 Sex 135 Sexualität 161 SGB IX 393 shuttle-walk-test 309 Sildenafil 164 Singulair® 258, 264 Sinusitis 398 Sodbrennen 169 Sollwerttabellen 329 Solosin® 259 Sozialberatung 376 Sozialverhalten, Störung 405 Sozialversicherung 131 Sparautomaten 311 Speläotherapie 73 Spiriva® 258, 259, 264 Spirometrie 170, 356, 445 Spirometriegerät 355 Spiropent® 264
Stichwortverzeichnis Spitzenbelastungen 274 Sporenflug 284 Sport 281, 391 Sportarten, geeignete 282 Sportgruppen 447 Sporttherapie 281, 390 Sportunterricht 114 Sputumdiagnostik, COPD 192 Ständige Impfkommission 66 Staubexposition 169 Sternotomie 298 Steroide, inhalative 267 Stickstoffdioxid (NO2) 102 STIKO 66 Stillen 67, 70 Stillzeit 67 Stressor 149 Stridor, inspiratorischer 60 Studien, kontrollierte 215 Stufendiagnostik 329 Stufenplan 223, 232 Stufentherapie 250 Substanzgruppe 328 Sulbactam 254 Sultamicillin 254 Sultanol 257 Summenscore 446 Suszeptibilität 136 Symbicort® 258 Sympathomimetika 232 β2-Sympathomimetika 222, 249 Symptomatik, pulmonale 93 Symptome 169 Symptomwahrnehmung 149, 151 Syndrom, atopisches 403
T T-Zellen, regulatorische (Treg) 81 Tabakabhängigkeit 91 Tabakentwöhnung 377 – Programm 377 Tabakkonsum 137 Tabakrauch 352, 377 – Epidemiologie 92 – Exposition 67, 86 Tagesdosen 217 Tagesdosierungen (DDD) 261 Tagesvariabilität 181 Tazobactam 254 Teilhabe 371 – soziale, Einschränkungen 385 Telefonhotline 344
475 Terbutalin 250, 257, 259 Tertiärprävention 141 Theophyllin 222, 232, 249, 257, 259 Therapie 135, 388 – anti-allergische 441 – anti-entzündliche 72 – Bestandteil der 426 – medikamentöse 62, 232 – neue anti-entzündliche 440 Therapieadhärenz 225 Therapieerfolg 233 Therapiekontrolle 172 Therapieplanung 328 Therapieprogramme, ambulante rehabilitative 379 Therapietreue 429 – des Patienten 426 Therapieziele 328 Thorakoskopie 298 Thorakotomie 298 Thoraxmobilisation 270 Thoraxperkussion 290 Thunderstorm-Asthma 57 Tierhaare 267 Tierhaltung 65 Tiffenau-Wert 172 Tiotropium 258 Tiotropiumbromid 250, 259 TNF-alpha 446 Todesursache 395 top-down-Methode 37, 38 Trachealkanüle 319 Tracheobronchialkollaps 270 Tracheotomie 319 Training 217, 288, 292 – körperliches 281, 287 Trainingsinhalte 269, 273, 274 Trainingsprogramme 268 Trainingssteuerung 292, 375 Trainingstherapie 218, 268 – medizinische 292, 374 Transkriptionsfaktor-Blockade 441 Triggerfaktoren 281 Trommelschlägelfinger 170 Tromphyllin® 259 TSP 103 Tuberkulose 178 Tumorleiden 396
U Überblähung, dynamische 289 Überempfindlichkeit 169
476 Übergewicht 137, 398 – Asthma 8 Überleben 447 Überversorgung 337, 338 Uhrglasnägel 170 Umweltallergene 56 Umweltfaktoren 84 Umweltschadstoffe 73 Unilair® 259 Uniphyllin® 259 Unterricht 113 Unterschicht 136 Unterstützung, psychosoziale 287 Unterversorgung 337, 338
V Vakzination 74 Validität, externe 204 Vareniclin 267 Variabilität 170 VATC 299 Ventilastin® 257 Ventilation 170 – nicht-invasive 164, 462 Ventilationsszintigraphie 301 Ventolair® 258 Verhaltensänderung 268 Verhaltensmodifikation 279 Verhaltenstraining 287 Verlaufskontrolle 172 Verlaufsuntersuchungen, COPD 192 Vernebler 238 Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (11. RSA-ÄndV), Elfte 361 Versorgung – ambulante 20, 138 – fachärztliche ambulante 355 – pneumologische 356 – Qualität 214 – stationäre 355
Stichwortverzeichnis Versorgungsgeschehen 19, 213 Versorgungskette 335 Versorgungsleitlinie 213 – nationale 214 Versorgungssektoren 328 Versorgungsstrukturen 447 Verteilung, jahreszeitliche 60 Viani® 258, 264 Viren 55 Virusinfektionen 239 Vitalkapazität 171 Vitamin C 103, 106 Vocal Cord Dysfunction (VCD) 60, 361, 405 Volmac® 264 Volumenreduktion der Lunge (LVR) 297, 300, 302 Vorratsmilben 174 Vortestwahrscheinlichkeit 330
W Wald 69 Wechseldusche 391 Weitstellung der Atemwege, Kontrolle 424 Weltgesundheitsbericht 445 Wettkampfsport 283 Wiese 69
X Xanthine 259 Xolair 264
Z Zaditen® 259 Zielgruppe 65 Zigarettenrauchen 267, 445 – inhalatives 446 Zytokin-Inhibitoren 439 Zytokine 56 – anti-entzündliche 440