Meiner Tante Annetta Bernasconi
DARIA PEZZOLI-OLGIATI
Täuschung und Klarheit Zur Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte in der Johannesoffenbarung
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schrage und Rudolf Smend 175. Heft der ganzen Reihe
Mit 3 Abbildungen
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pelloli-Olgial~ Daria: Täuschungen und Klarheit: zur Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte
in der Johannesoffcnbarung I
Dan. Pczzoli-Olgiati. -
Göllingen: Vandenhoeck und Ruprecht. 1997 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; H. 175) ISBN 3-525-53858-8 NE:GT
«) 1997 Vandenhoeck & Ruprecht. GÖlIingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen. Übersetzungen. Mikro.erfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co .. GÖllingen.
Eine Reise beginnt
Die Johannesoffenbarung beschreibt die Etappen einer besonderen Reise. einer Reise durch Fiktionen. einer Reise von der Insel Patmos zum Himmel. durch die Wüste bis zu einem grossen. hohen Berg. Unterwegs erlebt Johannes erschütternde. mitreissende Visionen voller Farben und Bilder. Noch heute kann man die zahlreichen Szenen aus der merkwürdigen Reise des Johannes nacherleben. wenn man die letzten Seiten des Neuen Testaments aufschlägt. In der Auseinandersetzung mit dem Text lassen Leserinnen und Leser aus den schweigsamen Buchstaben die grossartigen Bühnenbilder und die Inszenierungen wieder entstehen. die seit bald zwanzig Jahrhundenen Menschen erschrecken und anziehen. Der Faszination dieser Visionen bin auch ich erlegen. Die zugleich raffiniene und gewaltige Sprache beeindruckte mich tief. Deshalb habe ich mich auf diese Reise durch Fiktionenwelten aufgemacht. Die Metaphorik der Reise eignet sich auch zur Beschreibung mehrerer Ebenen der vorliegenden Untersuchung. Das Gefühl. unterwegs zu sein. entspricht nämlich nicht nur dem Inhalt der Apokalypse. Vielmehr erschien mir die Suche nach einer passenden Auslegungsmethode eine heikle Gratwanderung zwischen gähnenden Abgründen. Bei der Arbeit mit der Offenbarung schien mir ein Zugang nötig. der dem Anderssein dieses Werkes auf besondere Weise Rechnung tragen konnte. ein Zugang. der den Text von der fast unwiderstehlichen Tendenz schützen kann. nur das zur Kenntnis zu nehmen. was man sowieso vermutet. Kurz: eine Methode. welche eventuelle Neuentdeckungen nicht von vornherein ausschliessen würde. Ausserdem ist diese Arbeit stark mit den Erinnerungen an tausend Reisen verbunden. die mich von dieser auf die andere Seite des Gotthardmassivs und wieder zurück fühnen. Diese Seiten wurden auf deutsch verfasst. also in der Sprache der Stadt. in der ich lebe. in der Sprache meines Studiums und der vieler meiner Freunde und Bekannten. jedoch nicht der meiner Wurzeln. meiner Familie und meiner Gedanken. Die sprachliche Ambivalenz. die mein Leben prägt. spiegelt sich auf den folgenden Seiten in ungenauen Formulierungen. ungewohnten Ausdrücken. vermeidbaren Wiederholungen und Neologismen. Wie jede Reise war auch diese eine kostbare. aber kostspielige Erfahrung. In diesem Zusammenhang danke ich dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung für seine grosszügige Unterstützung.
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Vorwort
Der Weg durch die Apokalypse war kein Alleingang - viele haben mich begleitet. Ihnen allen, besonders aber Hans Weder, Daniel Kosch und Stephan Landis danke ich herzlich. Der ausdauerndste Reisegefährte war Valdo Pezzoli, der mich inuner wieder zu diesem akademischen Abenteuer ermutigte, vieUeicht ohne zu wissen, worauf er sich einliess. Ihm verdanke ich mehr als ich ausdrücken kann.
Zürich, Juni 1996
Daria Pezzoli-Olgiati
Inhalt
I. Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Welt der Visionen .................. 13 I Ein peßÖnliches Won zum Einstieg .......................................... 13
2 «Forse un mattino andando in un'aria di vetro,.: ein möglicher Zugang zur Johannesapokalypse .............................. 14 3 Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Welt der Visionen: Oftb 1,9-12a .................................................................. 3.1 Autbau ...................................................................... 3.2 Johannes .................................................................... 3.3 In Patmos, am Herrentag .................................................
16 16 17 22
4 Übergang in die Welt der Visionen ............................................ 27 5 . EmoTpiej".. : Die Bedingung zum Sehen ..................................... 28 6 Thema und Ziel der vorliegenden Arbeit. ..................................... 29
1I. Ausgewählte Visionen ............................................................. 33 Auswahl der Texte .... " ........................................................ 33 1.1 Auswählen setzt eine Struktur voraus ................................... 34 1.2 Auf der Suche nach einer möglichen Textgliederung: die Johannesoffenbarung und ihre brieflichen Züge ................... 35 1.3 • Ev 1lVEUl1a-n: ein zweiter Schritt zur Textgliederung ................ 37 1.4 Et60v als letztes Gliederungskriterium .................................. 38 1.5 Die Textgliederung......................................................... 40 I .6 Charakterisierung der Hauptgestalten ................................... 41 I .7 Die ausgewählten Texte ................................................... 44 2 Oftb 4.1-11: Der Thron im Himmel. ........................................ 45 2.1 Autbau ...................................................................... 46 2.2 Die Tür im Himmel ........................................................ 46 2.3 Die Stimme ................................................................. 49 2.4 Der Thron und der Sitzende .............................................. 5 I
8
Inhall 2.4.1 DerThron ................................................................ 2.4.2 Der Sitzende .............................................................. 2.5 Vierundzwanzig Throne und Älteste ..................................... 2.6 Der Raum um den Thron .................................................. 2.7 Die vier Wesen ............................................................. 2.8 Die Handlungen um den Thron .......................................... 2.9 Zusammenfassung .........................................................
51 52 55 58 62 65 70
3 Offb 5,6---10: Das Lamm ...................................................... 72 3.1 Aufbau ...................................................................... 72 3.2 Das Lamm .................................................................. 73 3.2.1 Die Züge des Lammes .................................................. 73 3.2.2 Die Handlungen des Lammes .......................................... 77 Exkurs I: MOlivgeschichlliches zum Lamm .................................. 78 3.3 Das neue Lied .............................................................. 80 3.3.1 Handlungen vor dem Lamm ........................................... 80 3.3.2 Das neue Lied ............................................................ 81 3.4 Zusammenfassung ......................................................... 84
4 Offb 7,9-8,1: Eine schreiende Menschenmenge ........................... 86 4.1 Aufbau ...................................................................... 87 4.2 Eine schreiende Menschenmenge ........................................ 87 4.3 Alle Engel. .................................................................. 92 4.4 Ein deutender Dialog ...................................................... 93 4.4.1 Die Frage ................................................................. 93 4.4.2 Und die Antwort ......................................................... 93 4.4.3 Ein Rückblick ............................................................ 94 Exkurs 11: Das Blul in der Apokalypse ....................................... 95 4.4.4 Gegenwart ................................................................ 97 4.4.5 Zukunft ................................................................... 97 4.5 Stille im Hinunel .......................................................... 100 4.6 Zusammenfassung ........................................................ I()() 5 Offb 9,1-21: Wesen aus dem Abgrund .................................... 102 5.1 Aufbau ..................................................................... 103 5.2 Die filnfte Posaune oder das erste Wehe ............................... 105 5.2.1 Der Aufstieg der Heuschrecken aus dem Abgrund ................. 105 5.2.2 Die Macht der Heuschrecken .......................................... 108 5.2.3 Folter der Menschen ................................................... 110 5.2.4 Beschreibung der Heuschrecken ..................................... 111 5.3 Die sechste Posaune oder das zweite Wehe ............................ 114 5.3.1 Die Entfesselung der vier Engel ...................................... 114 5.3.2 Beschreibung von Pferden und Reitem .............................. 116 5.3.3 Der Tod eines Drittels der Menschen ................................. 117
Inhalt
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5.3.4 Die Macht derPferde ................................................... 117 5.4 Die Überlebenden ......................................................... 118 5.5 Zusammenfassung ........................................................ 120 6 Offb 13,1-10: Ein Tier aus dem Meer...................................... 123 6.1 Aufbau ..................................................................... 124 6.2 Das Aussehen des Tieres ................................................. 124 6.3 Bewunderung hinter dem Tier........................................... 128 6.4 DieMachtdesTieres ..................................................... 130 6.5 Die Anbeter des Tieres ................................................... 133
Exlcurs 111: i(ouu{a und ihre Spannung in der Apo/CJJlypse ............... 135 6.6 Eine rätselhafte Aufforderung ........................................... 137 6.7 Zusammenfassung ........................................................ 140 7 Offb 17,3-18: Babyion, eine Hure, eine Stadt. ........................... 142 7.1 Aufbau ..................................................................... 143 7.2 Babyion .................................................................... 144 7.2.1 Eine in rot gekleidete Frau............................................. 145 7.2.2 Babyions Schattenseite ................................................ 148
Exhrs N: Babyion - Wuneln des Motivs im Alten TestamLnt und im Alten Orient ............................................................ 148 7.3 Bewundern oder verstehen? ............................................. 153 7.4 Deutende Worte des Engels .............................................. 154 7.4.1 Das Tier und die sieben Häupter...................................... 154 7.4.2 Die zehn Hörner ........................................................ 156 7.4.3 Die Wasser .............................................................. 157 7.4.4 Die Vernichtung der Frau.............................................. 157 7.4.5 Die Frau ................................................................. 158 7.5 Zusammenfassung ........................................................ 158 8 Offb 21,1-22,5: Jerusa1ern, eine Braut, eine neue Stadl.. ............... 161 8.1 Aufbau ..................................................................... 163 8.2 Ein neuer Himmel und eine neue Erde ................................. 164 8.3 Bedeutung der Stadt ...................................................... 166 8.3.1 Vorstellung der Stadt.. ................................................. 166 8.3.2 Die Stadt als Ort der Nähe ............................................. 167 8.3.3 Die Stadt als ErftIllung ................................................. 169 8.3.4 Die Stadt als Etbschaft ................................................. 170 8.3.5 Die Ausgeschlossenen ................................................. 170 8.4 Beschreibung der Stadt. .................................................. 171 8.4.1 Ortswechsel ............................................................. 171 8.4.2 Der ausserordentliche Glanz der Stadt ............................... 172 8.4.3 Elemente der Stadt. ..................................................... 173 8.4.4 Mass ..................................................................... 174
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Inhalt 8.4.5 MateriaIien ............................................................... 175 8.4.6 Das Fehlen des Tempels ............................................... 176 8.4.7 Licht und Herrlichkeit. ................................................. 176 8.4.8 Ausgeschlossenes und Ausserwählte ................................ 177 8.5 Die Stadt als on der Zuwendung ....................................... 178 8.5.1 Lebenswasser und Lebensholz ....................................... 178 8.5.2 Transparente Unminelbarkeit ......................................... 179 Exkurs V: Altes und Neues in der Beschreibung von Jerusalem ......... 181 8.6 Zusammenfassung ........................................................ 184 9 Ergebnis ......................................................................... 187 9.1 Herkunft und Verwendung der Motive ................................. 187 9.2 Visionen als komplexe Sprachbilder.................................... I90 9.2.1 Et60v und die Visionen ................................................ 190 9.2.2 Ein Versuch. das Verständnis von «Vision,. zu bestimmen ....... 191 9.2.3 Komplexität in den Visionen .......................................... 192 9.2.4 Visionen als Sprachbilder ............................................. 195 9.2.5 Sprachbilder als kohärente Einheiten einer fiktiven ErzähJung .... 196 9.2.6 Sprachbilder und MehrdimensionaIität.. ............................. 198 9.2.7 Visionen und Geschichte .............................................. 200 9.3 Wesentliche theologische Linien ........................................ 201 9.3.1 Spiegelbilder ............................................................ 201 9.3.2 Paradoxe Symmetrien und Überwindung der Gegensätze ........ 202 Exkurs VI: Eine bleibende Schwierigkeit .................................... 204 9.3.3 Ein weiterer Aspekt der paradoxen Symmetrien .................... 206 9.3.4 Eine Reise durch verschiedene Räume ............................... 206 9.3.5 Die Zeiten und ihre Qualitäten ......................................... 208 9.3.6 Täuschung und Klarheit ............................................... 211 9.3.7 Klarheit und Trost ...................................................... 212 9.3.8 Sehen und Deuten ...................................................... 212
m. Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
der Offenbarung ........... 215
Von den Visionen zur Geschichte ............................................ 215 I. I Spuren eines schwerwiegenden Konfliktes ............................ 216 1.1.1 Die Bedrängnis ......................................................... 216 1.1.2 Die vernichtenden Mächte ............................................. 217 1.1.3 Babyion .................................................................. 218 1.2 Zur Rekonstruktion des historischen Hintergrundes ................. 219 2 Datierung der Offenbarung .................................................... 221 2. I Hinweise aus der Offenbarung .......................................... 221 2.1.1 Die sieben Häupter und die Kaiser ................................... 221
Inhalt
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2.1.2 Das sechste Haupt und Domitian ..................................... 222 2.1.3 Die Rolle der Nero-Legende .......................................... 224 2.1.4 Die sieben Häupter und die sieben Berge ............................ 226 2.1.5 Auswenung ............................................................. 226 2.2 Frilhchristliche Zeugnisse ................................................ 227 2.3 In Kleinasien am Ende des ersten Jahrbundens ....................... 228 3 Domitian und der Kaiserirult .................................................. 229 3.1 Römische Zeugnisse über Domitian .................................... 229 3.1.1 Tacitus ................................................................... 229 3.1.2 Plinius der Jüngere ..................................................... 230 3.1.3 Sueton ................................................................... 232 3.1.4 Dio Cassius Cocceianus ............................................... 233 3.1.5 Ene umstrittene Auswertung ......................................... 233 3.2 Der Kaiserirult in den Städten Kleinasiens unter Domitian ........... 236 3.2.1 Tempel und Altäre. öffentliche Gebäude. Statuen und Bilder..... 237 3.2.2 Der Kaiserirult im städtischen Leben ................................. 239 3.3 Zusammenfassung ........................................................ 240 4 Ergebnis ......................................................................... 242 4.1 Konflikt der Mächte in der Geschichte ................................. 242 4.2 Gegensätzliche Aspekte des Lebens in der Stadt. ..................... 243 4.3 Zur historischen Gestalt der Bedrängnis ............................... 244 IV. Wechselwirlc.ung zwischen Vision und Geschichte ........................... 247 Von der Täuschung in der Geschichte zu den Visionen ................... 247 2 Von der Klarheit der Visionen zur Geschichte .............................. 248 3 Ausharren und Deuten: zur ethischen Relevanz der Wechselwirlc.ung ... 249 4 Visionen und Krisenzeiten: ein Ausblick .................................... 250
Faszination und Gefahren ............................................................ 253 Verzeichnis der Abbildungen ........................................................ 255 Literaturverzeichnis ................................................................... 257 Stellenregister .......................................................................... 267
I. Von der geschichtlichen Wirklichkeit
zur Welt der Visionen
1 Ein persönliches Wort zum Einstieg Die Johannesoffenbarung ist ein farbiges Buch. Sie besteht aus einer unglaublichen Reihe von eigenartigen Wesen und Unwesen, Handlungen, Dialogen, Bildern, Visionen. Sie enthält zarte Szenen, die mit grausamen Beschreibungen abwechseln. Sie faszinien und verwim, manchmal begeisten und öfters schokkien sie Leserinnen und Leser: Nie gestattet sie ilmen eine Atempause. Die Apokalypse des Johannes übt eine starke Anziehungskraft auf mich aus, denn ich zähle zu den faszinieRen und gleichzeitig empöRen Leserinnen dieses Schreibens. Die freie Gestaltung der Bilder, die ausdrucksvolle Sprache, die sich nicht scheut, die griechische Grammatik zu strapazieren, um ihre Ziele zu erreichen, und die Charakterisierung der Akteure verleihen diesem Buch den Wen eines Kunstwerkes. Und ttotzdem gibt es viele Aspekte, zu denen ich eine ablehnende Haltung einnehme. Vor allem stön mich die schwarzweisse Denkweise der Apokalypse, nach der die Menschheit in zwei Gruppen aufgeteilt ist: auf einer Seite stehen die Guten und auf der anderen die Bösen. Rettung oder Abgrund scheint die einzige Alternative zu sein; fIlr die Verdammten besteht keine Chance. Solche gemischten Gefühle machten mir den Einstieg zur Johannesoffenbarung als einem ganzen, einheitlichen Werk schwer. Das eigentliche 1lIema dieser Schrift blieb mir unverständlich, und es gelang mir nicht, ihren springenden Punkt zu begreifen.
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Welt der Visionen
2 «Forse un mattino andando in un'aria di vetro»: ein möglicher Zugang zur Johannesapokalypse Einen Zugang fand ich schliesslich dank einem Gedicht von Eugenio Montale: «Forsc un manino andando in un'aria di vetro».1 Dieses Stück aus der italienischen LiteranJr unseres Jahrhundens gehön zur Gedichtsanunlung «Ossi di Seppia», die in der Zeitspanne zwischen 1920 und 1927 entstand. Es lhematisien ein Erlebnis, das troIZ der kulturellen und zeitlichen Entfernung an den Anfang der Apokalypse des Johannes erinnen. Forse un mauino andando in un'aria di vetro, arida, rivolgendomi, vcdro compirsi iI miracolo: il null. alle mic spalle, il vuoto dielrO di rne, con un tcrrore di ubriaco. Poi corne s'uno schenno, s'accamperanno di gino a1beri case colli per I'inganno consueto. Ma sarl troppo tardi; cd io rne n'andm lino tra gli uomini ehe non si voltano, col mio segrcto. 2 Ich möchte an dieser Stelle keinen ausfilhrlichen Kommentar des zitienen Gedichtes versuchen. Es geht vielmehr um die Hervorhebung einiger Gedanken, die mir in der Annäherung zur Offenbarung als wichtig erschienen. Die ersten zwei Verse erzählcn von einem Wunder, das vie11cichl geschehen wird; das anfängliche «forsc» versetzt das ganze Gedicht in eine unbestimmte Zeit. Interessant ist die Beschreibung des ausscrordcntlichen Geschehens. Der Enähler erflihrt dieses Wunder, weil er sich umgedreht hat. Dieses Ereignis stellt ihn vor das Nichts und die Leere. Er empfutdct Angst wie ein Betrunkener. Im zweiten Teil geht es um eine Wiederherstellung der Welterscheinung, die als «gewöhnliche Täuschung» beschrieben wird. Nachdem das erzählende Subjekt das Wunder, das Nichts gesehen hat, lässt es sich nicht mehr in die Uügerische Erscheinung der Welt verwickeln. Der Enähler behält das erfahrene Wunder wie ein Geheimnis für sich. Er geht seinen eigenen Weg unter den anderen Menschen weiter. Er unterscheidet Vgl. Montale, Tu".!. p
. I
2
Einführung
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sich von ihnen deutlich, jedoch nur durch ein einziges Merlanal: Er hat sich umgedreht, alle anderen nicht. Zwei Aussagen dieses Gedichtes haben mich besonders nachdenklich gemacht: Einerseits wird die Erfahrung der Welt durch die Menschen als ungenügend, trügerisch betrachtet. Um zum Wesentlichen zu gelangen, braucht man eine ausserordentliche Enthüllung der Wirklichkeit. Diese Sehnsucht nach dem Wahren endet im Gedicht von Montale im Nichts. Andererseits stelle ich einen sehr starken Gegensatz zwischen dem Erzähler und den anderen Menschen fest. Indem er sich umgedreht hat, konnte er sich dem trügerischen Dasein entziehen; die anderen Menschen erfahren gar nichts, weil sie diejenigen sind, «welche sich nicht umdrehen». «Forse un mattino andando in un'aria di vetro" bringt lbernen zur Sprache wie das Sich-Umdrehen und das Sehen, um zu einer neuen Sicht der Welt zu gelangen. Ich empfmde Montales Gedicht als einen in den Worten unserer Zeit formulierten Ausdruck existentiellen Unbehagens. Die Apokalypse bringt eine andere Weltanschauung zum Ausdruck, ist in antiken Zeiten verfasst worden, stammt aus einer mir weit entfernten Welt. Trotzdem entdecke ich in dieser Schrift, besonders in den Versen 1,9-12a, starke Parallelen zum Gedicht von Eugenio Montale. Auch in Offb I wird von einem ausserordentlichen Erlebnis gesprochen, durch welches der Erzähler Einsicht in eine neue Dimension erhält. Ganz ähnlich wie in Montales Versen befmdet sich der Seher Johannes plötzlich in einer Situation, in der es ihm möglich ist, Ungewöhnliches zu sehen. Bemerkenswert ist, dass auch in der Apokalypse die einzige aktive Teilnahme des Johannes aus einer spontanen Drehung um 180 Grad nach hinten besteht. Das, was in den zwei Texten gesehen wird, ist radikal verschieden: auf einer Seite das Nichts, auf der anderen 22 Kapitel Visionen. Das Sich-Umdrehen und das Sehen, um Ausserordentliches zu erleben, stellen den Ausgangspunkt der Offenbarung dar. Darüber hinaus lassen die Anspielungen auf die Lebenssituation des Schreibers in Offb 1,9 ahnen, dass diese Schrift ebenfalls mit Lebensschwierigkeiten zu tun hat. Der Vergleich zwischen dem Gedicht von Montale und einigen Versen aus dem ersten Kapitel der Apokalypse stellt für mich eine hilfreiche Brücke dar. Durch sie habe ich einen Zugang zur Johannesapokalypse und ihren Schwierigkeiten gefunden. Ausserdem ermöglicht diese Brücke eine Begegnung zwischen zwei Epochen: meiner und der femen, fremden Zeit des Verfassers und der ersten Adressaten der Offenbarung.
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Welt der Visionen
3 Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Welt der Visionen: Oftb 1,9-12a Offb 1,9-12a steUen das inhaltliche Gegenstück zu .Forse un manino andando in UD'aria di vetro» dar. Schon in diesem einfilhrenden Teil scheint es mir angebracht, durch eine Lektüre dieser Verse den Text zu Won kommen zu lassen. Dadurch soll einerseits die Gedanken- und Vorstellungswelt, in der sich die ganze A!beit abspielen wird, in ihren Grundlinien vorgestellt werden. Andererseits werden einige Themen aus der ganzen Johannesapokalypse angedeutet. Offb 1,9-I2a beschreibt den Übergang von der Welt des täglichen Lebens zu jener der Visionen. Der Schreiber der Apokalypse formulien dieses Erlebnis mit folgenden Worten: 9 Ich, Johannes, euer Bruder und Genosse in der Bedrängnis, im Reich und im Ausharren in Jesus, fand mich auf der Insel Patmos wegen des Wones Gottes und des Zeugnisses Jesu. 10 Ich fand mich im Geist am Herrentag und höne hinter mir eine laute Stimme - wie von einer Posaune - 11 die sagte: «Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Gemeinden, nach Ephesus, nach Smyma, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea». 12 Und ich drehte mich um, um die Stimme zu sehen, die mit mir redete, und indem ich mich umdrehte, sah ich ... 3.1 Aufbau Offb 1,9-12a weist eine lineare syntaktische Struktur auf. Diese vier Verse beschreiben zuerst das Subjekt, dann den Zustand, in dem es sich befindet, und zuletzt die Handlungen, die es tut. Schematisch dargestellt, sieht der Textaufbau wie folgt aus: Beschreibung des Subjektes
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3.2 Johannes Offb 1,9-12a beginnt mit einer genauen Beschreibung des Subjektes. Das Personalpronomen Er'" wird durch einen Eigennamen und zwei weitere Substantive erweiten. Der erste Vers unserer Perikope vermittelt eine Schilderung des Subjektes, die sehr viel über dessen Selbstverständnis aussagt . . Er"': Das Personalpronomen im Nominativ dient der Hervorhebung. 3Es handelt sich um einen starken Ausdruck, der im Neuen Testament meistens in bezug auf Gon oder Jesus Christus verwendet wird.· Im Alten Testament findet man einige SteUen mit einem ähnlichen Gebrauch des Personalpronomens in der ersten Person des Nominativs: als Beispiel erwähne ich Daniel 8,1.15. s Schon aus diesen wenigen allgemeinen Beobachtungen kann man entnehmen, dass Er'" filr wichtige Subjekte wie Gon, Christus oder einen Propheten steht. Ein Überblick über das Vorkommen von Er'" in Offb bestätigt diese Beobachtung. 19mal kommt das Pronomen in der ersten Person des Singulars nominativisch vor. In 14 Fällen bezieht es sich auf Gott oder Christus, einmal auf einen Engel und zweimal auf Johannes (darunter befindet sich 1,9).6 Eine weitere SteUe (22,18) ist zweideutig, mindestens bei der ersten Lektüre:· Er'" könnte sowohl Jesus Christus als auch Johannes bezeichnen.' Man kann somit feststeUen, dass Er'" in Beziehung zur göttlichen Sphäre verwendet wird.' Er'" in Offb 1,9 bezeichnet
) VII. BVOIR t 277.1; Moulton. G,QIMIQ' m. 37. • VII. Slauffcr. ThWNT 11341 ff. 'An die.... zwei Slelle. komml die Formulierung
unsicher.
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Weh der Visionen
Johannes als eine Person, die in einem besonderen Verhältnis zu Gott und Jesus Christus steht. 8 Seine autoritative Stellung wird betont. Das redende Subjekt stellt sich mit dem Eigennamen' IwavvTj, vor. Die einzigen sicheren Auskünfte über diesen Mann stehen im Text. In unserer Perikope stellt er sich als Bruder und Genosse vor . •A6'>'4>o, Uj.lwv: mit diesem Ausdruck wird eine Beziehung zu den Lesern hergestellt. In der christlichen Literatur wird a6E>'4>o, meistens im übertragenen Sinn verwendet und bedeutet "Mitchrist,.. Die Grundbedeutung Bruder schwingt jedoch mit.' A6'>'4>o, enthält die Stärke und die Intimität. welche die Verwandtschaftsbeziehung unter Kindern gemeinsamer Eltem charakterisieren. 9 Johannes gibt somit der Nähe zwischen ihm und seinen Adressaten Ausdruck. Ein Vergleich aller Belege lO von a6E>'4>Os- in der Johannesapokalypse enthüllt weitere wichtige Nuancen. Zuerst kann man beobachten. dass die Gestalten. welche sich in diesem gegenseitigen Verhältnis befindenlI, in Verbindung mit dem Zeugnis und dem Wort l2 stehen. Dass das Zeugnis und das Wort den Mitchristen Leiden verursacht, wird sich in der Folge deutlich zeigen .. A6'>'4>o, bezeichnet somit eine starke Beziehung zwischen Christen. d.h. zwischen Leuten. die ihr Leben dem Zeugnis und dem Wort widmen und deshalb dem Leiden und Tod unterworfen sind. Darüber hinaus hebt das Wort a6'>'4>0s- die Gleichwertigkeit der Christen hervor. Somit stellt sich Johannes auf die Ebene seiner Adressaten; sie alle sind Geschwister, Mitchristen. 1l Weiterhin beschreibt sich Johannes als OU'YKOlVWVO,. Dieses Wort ist eine verstärkte Form des im NT geläufigeren Wortes KOlVWVO,. Damit wird der Genosse, der Teilhaber bezeichnet. KOlVWVO, orientiert sich an einer Teilhabe, in
8 Diesbezüglich sehr interessanl iSI auch die spannungsvoUe Verwendung von 'y"; als Übergang von V.8 zu 9 im e..ten Kapitel der oelb. An der e..ten SteUe es iSI der Herr. Gott. 0S' bzw. a6o( kommt auch die WonkonsteUation ~apTup(a und .eyoS' (oder eIns dieser zwei Wöner) vor. Vgl. 1.9; 6.9; 12.11; 19.10; 22.9. Il Der Gleichwenigkeitsaspekt kommt deu~ich in Oflb 19.10 und 22.9 zum Vorschein. An beiden SteUen antwonet ein Engel dem Iohannes. dersich vor ihm niedergeworfen hat. In 19.10 sagt der Engel: öpa .,.~. oUlISou>.6S' oou Elj.Ll Kat nlv d6d.,*,wv (Jou T(j)j./ EXOVHuV T~~' j.LapTup(av'I'ICJoiJ" T~ 8E:ti) npOOKUV'l00V. In 22.9laulct die Antwort des Engels sehr ähnlich. Der Engel. Iohannes und die Mitchristen stehen alle in der gleichen SteUung als -Mitdiener», aU\l6ou~o\. Gottes.
Einführung
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welcher das Moment der Gemeinschaft zenttal ist." In Offb 1.9 wird der gemeinschaftliche Charakter durch das PräfIX ouv besonders unterstrichen.l s Das Umfeld. in dem sich Johannes als Genosse betrachtet. wird mit der folgenden Dreiergruppe bestimmt: EV T1! 9>'(1jIE' Kat f3aOl>.dt,l Ka\ unollov1!. Die Beschreibung dieses Rahmens ist ausserordentlich wichtig. Er zeigt. wie der Autor der Apokalypse seine Lebenssituation als Christ schilden. Es lohnt sich deshalb. die einzelnen Wöner zu betrachten. Mit 9>.t""S" ist die Bedrtlckung. die Bedrängnis. die Drangsal gemeint. Sie kann von äusseren Umständen verursacht oder die Folge eines geistigen Zustandes sein. t6 Sie hat verschiedene Erscheinungsformen; Röm 8.35 enthält eine Außistung von Bedrängnissen. die neben der 9>.t""S" erwähnt werden und sie illustrieren: Angst. Verfolgung. Hunger. Blösse. Gefahr. Schwen. Der darauffolgende Vers zeigt, dass die 9>.t""S" nicht nur in enger Beziehung zum Leiden. sondern auch zum Tod t7 steht: Wer will uns von der Liebe Christi trennen? Bedrängnis (BAt",.,) oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Nacktheit oder Gefahr oder Schwen? Wie 14 Teilhabe kann auch mit ancIemI Worten, die jedoch nIcR NllllnCen haben, ausgedrückt werden; so betont z.B .• CA~ die Verbundenheit in VerwondbchaII und Liebe, halpo>. unter anderem. dos JCmeinschal\licbe Unternehmen, GU.
15 Um die Bedeutung von OUYKOUlwv6s zu rekonstruieren, ist ein Vergleich unter den einzi-
gen vier aeleJCn dieses Wanes im NT aufschlussreich. Ausser in Offb 1,9 finden wir es in I Kor 9,23. Phil 1.7 und Röm 11,17. Ich zitiere diesen letzten Vers als Illustration: .Wenn""" einige der Zweige ausgebrocben wonIen sind, du aber, der du von einem wilden Ölbaum stammst. unter ihnen eingepfropft worden bist und u der saftn:ichen Wurzel des Oelbaums mit Anteil (Kai GUYKOI.",.O, T~, pC,q,) bekommen hast ("')" Das Bild des aufJCPfropfien Zweiges, der in den neuen Baum so eingebaut wird, dass er mit ihm zu einem einziJCn BIIDO wlichst. iIIustrien sehr gut die Bedeulng von GUYKO""'v.s,. 16 Vgl. Bauer, Wlintrl>uch 7\S und Schlier, ThWNT m 139 ff. Über die möglicben U..... ehen der 9Alojn, vg\. 2 Kor 7,S: .Denn als wir nach Mazedonien Bekommen waren. hat unser Fleisch keine Ruhe gehabt, sondern wir w""'n in allem bedrtngt (9AI~O~I, nicht vorkommt, können wir uns eine Vorstellung über die Konbetheit der Bedrängnisse machen: .Diener Christi sind sie? - ich rede waltnwitzig - ich bin's noch mehr: mehr in Mühsalen, mehr in Gefangenschaften, weitaus mehr in SchilIgen, oflma\s in TodesJCfalftn; fIInfmai habe ich von Judm vierzig Geisselhiebe weniJCf einen erhalten, dreimal bin ich mit Ruten JCschl8JCn. einmal gestelDigt worden, dreimal habe ich Schillbruch gelinen, einen Tlg und eine Nacht habe ich auf dem tiefen Meer treibend zugelncht; oftmals auf Reisen, in Gefahren durch Flüsse, in Gefahml durch Räuber, in Gefahren vom ei,enen Volk. in Gefahren von Heiden, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Einöde, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern, in Mühsal und Beschwerde, oftmals in durchwachten Nlichten, in Hunger und Durst, oftmals in Fasten, in Kälte und Blösse ...• (Übersetzung aus der Zürcher Bibel).
20
Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Welt der Visionen geschrieben steht: «Wegen dir werden wir den ganzen Tag getötet, wir sind als Schlachtschafe angesehen worden».
Wenn man von diesem und anderen neutestamentlichen Texteni! ausgeht, versteht man die 8Alo)nS' als eine Grösse, die in der christlichen Existenz unvermeidlich ist; sie gehön zu den harten, negativen Seiten des Lebens. In der Johannesapokalypse wird der Aspekt des Leidens und des Todes mit einer gewissen Beharrlichkeit hervorgehoben. Damit wird die aIJgemeine Leidenssituation der Glaubenden, die wegen ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde in der Gesellschaft leiden müssen, beschrieben 19. Dieses Leiden kann sich auch bis zum Tod erstrecken 20 . BacnAEla bezeichnet die Königsherrschaft und das Königreich. Dieses Won drückt sowohl die Würde als auch das Gebiet des Königs aus21 • In den ersten zwölf Kapiteln der Johannesoffenbarung22 knüpft das Won ßacnAEia an die Bedeutung an, welche uns aus der jesuanischen Rede venraut ist. ßacnAEla bezeichnet die Königsherrschaft Gones. In diesem ersten Teil der Apokalypsen wird die ßaolAEla als eine Grösse dargestellt, die fUr das Leben der Christen auf der Erde relevant ist: Einerseits ist sie vorhanden 2', anderseits ist sie am Werk2S • Sie be18
Vgl. z.B. Joh 16,33.
19 Nach Vanni, Apoca/isst 118 bezeichnel eAt'J"~ in der Offenbarung eine slelige Schwierigkeil, welcher der Christ immer wieder in seinem Lehen hegegnel, denn siels muss er sich seiner Umwelt widersetzen. 20 Vgl. Ofrb 7,14. eAt<Jn~ komml in der Ofrb fünfmal vor: in 1,9; 2,9; 7,14 und 2,10.22. An den ersten drei SIelIen wild dieses Won mil dem bestimmlen Anikel verwendei und heschreibl die allgemeine Leidensstituation des Chrislen in der Gesellschaft Im zweiten Kapitel der Apokalypse wild eAt.pl~ zweimal ohne Anikel gebraucht und bezeichnet eine hestimmte An von Leiden; in 2,10 ist von der Gefangenschaft die Rede, in 2,22 vielleicht von einer Krankheit Interessant ist, dass das Subjekt, welches die Bedrückung verursacht, nicht immer dasselbe iSI: in 1,9; 2,9 und 7,14 wird dieses Subjekt nicht explizit genannt; in 2,10 verursacht der Teufel die Notsituation und in 2,22 der Sprechende, die Menschensohngestalt 21 Vgl. K. L. Schmidl. ThWNT I 579-580. 22 In diesem Teil der Apokalypse kommt ~QOlA'(Q fUnfmal vor: in 1,6.9: 5_10; 11.15 und 12,10. 2) Die weiteren Belege von ~QolA'(Q (16.10; 17,12.17.18) sprechen von einem grundsätzlich anderen Reich: Es handelt sich um ein Reich. das unter der Herrschaft einer ""rnichtenden Macht steht. 24 Der Gegenwansaspekt der Gonesherrschaft in Offb kann an Stellen wie 12,10 und I 1.15 festgesteUt werden. Dabei bleiben jedoch einige Unsicherheiten; es ist nämlich nich ganz deutlich, welche Zeit wirklich gemeint ist Beziehen sich diese direkten Reden auf eine vergangene. gegenwärtige oder zukünftige Dimension? Ist überhaupt die Frage nach der Zeit in einem visionären Kontext angebracht? Dazu s. D 9.3.5. Wichtig ist auch Offb 1,6. Don wird innerhalb einer Doxologie gesagt, dass Jesus
'TlOlTlOEV ~lJ.äS' ~aol>.Elav. lEpdS' T4i 9El\$ Kat nQTpt aUTOü'.
Die flaal>.,Ela erscheint als
eine schon vorllandene Dimension. Dazu vgl. auch D 3.3.2. " Auch diesbezüglich vgl. den oben erwähnten Vers 12,10. Don erscheinen neben j3aol).Ela
auch die
aWTllpta
und die 6uVGIl\S'.
Einführung
21
zeichnet den Rahmen, in dem die Christen sich unter der Herrschaft Christi und Gottes befinden. 26 Das letzte Wort der Dreiergruppe, Ul1OIlOVt], bedeutet Ausharren, Geduld, Ausdauer, Standhaftigkeit. 27 Das Wort U1101l0Vt] hat «einen durchaus aktiven Inhalt. Es schliesst den tätigen und angespannten Widerstand gegen die feindliche Macht ein, ohne dass es zugleich eine Aussage über den Erfolg solchen Widerstandes enthielte»28. In der Apokalypse29, so wie in den anderen Schriften des Neun Testaments, bezeichnet Ul1OIlOVt] das Ausharren des Christen unter den Schwierigkeiten, die das Leben als Christ mit sich bringt.lO axt
Tl"
napaKa),oU~Eea. unEp T~S' u~wv napad.. rioEWS' TwlS' EVEP'You~lv'lS' EV uno~ov'ij TWV Gun3v nae'l~dTUlV WV lCa\ ~~dS' nciaXOIJ.Ev. In diesem Text kommt der aktive Aspekt der uno~ovti sehr deullich zum Ausdruck. JI 'Ev mil dem Dativ bezeichnei grundsätzlich einen On. Dazu vgl. Schwyzer, Grammatik 11 457ff; BVOIR § 218; Oepke, ThWNT 11 534ff. Jl Das ThWNT 11 537-539, listei die verschiedenen Bedeulungsnuancen der mit • v'l ~ooii verwandten Formeln auf. Ich erwähne die zwei Punkle, die für unsere Sielle relevani sind.' Ev , I ~ooij bezeichnei die Zugehörigkeil zu Chrislus und zur Gemeinde; es kann auch eine Tätigkeil oder Lage als christlich charakterisieren. In Offb komml €v 'I ~ooo nur in t ,9 vor. In 14,13 findei man tv ""pt",. Das sind die einzigen Belege dieser An von Formeln. Dazu vgl. auch Boussel, Ojf.nbarung 191: «€v 'I~aoij isl wie gewöhnlich im NT zu deulen: in der Lebensgemeinschafl mil Jesus ( ... )•. II Das einmalige Vorkommen des Artikels T~ unlerslützl die ersle Möglichkeil. Die zweite hebl hervor, dass das Ausharren in dem Bereich geschiehl, in welchem Jesus massgebend ist. Diese Inlerpretation schlagen vor: Giesen, Johann.s·ApoIcaJyp.. 35; Krafl, Ojf.nbarung 40; Müller, Ojfmbarung 80; Prigenl, Apocalyp.. 23.
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Weil der Visionen
somit das Umfeld. in welchem die Christen 9).lIjlW. ~aaV.Eia und unol'ovtjJ.l erfahren. Abschliessend kehren wir zur gesamten Dreiergruppe zurück. lohannes bezeichnet sich als Genosse in der Bedrängnis. im Reich und im Ausharren. in einem Umfeld. in dem lesus massgebend ist. Die Reihenfolge der Begriffe ist bemerkenswert. Die verfolgten. leidenden Christen haben schon Anteil an der Gottesherrschaft. Die Geduld erlaubt ihnen. eine Verbindung zwischen zwei vorhandenen Dimensionen zu schaffen. Einerseits müssen sie geduldig und standhaft Leiden erfahren und ertragen. Andererseits leben sie schon jetzt in der Dimension der kommenden Gollesherrschaft: die Geduld findet hier ihren Platz im Wanen auf die VoUendung. 35 Vor allem aber brauchen diese Christen Geduld. um die radikale Opposition zwischen der Erfahrung von Leiden und Tod und gleichzeitig der Erfahrung von der Gottesherrschaft zu verkraften. Die befreiende Botschaft und das Leben unter der vernichtenden Macht des Todes zerreissen diese Menschen: Nur das Ausharren erlaubt ihnen. diesen Zwiespalt zu verstehen und fruchtbar zu machen. J6 3.3 In Patmos. am Herrentag Auf diese An und Weise wird der Seher lohannes in Offb 1.9 beschrieben. Im ersten Teil des folgenden Verses steht der Zustand. in welchem sich lohannes befindet. im Mittelpunkt. Die Wiederholung der Verbform EyevOl'lW37 teilt diese Beschreibung in zwei Momente auf. Zuerst wird etwas über die konkrete. historische Lebenssituation von lohannes gesagt. danach wird eine Lage geschildert. welche ich jetzt nicht mit einem Wort zu definieren vermag.
!. Gegen die vorseschlagene InlCrprelalion könnte man erwidern. dass die 8edränpis und das Reich selbstverständlich in bezug auf Jesus erlebe werden. Meiner Meinung nach ist jedoch die explizite Betonung des Umfeldes auch bei diesen typisch christlichen Begriffen wichtig und viel· leicht. im Kontext dor Apokalypse. notwendig. In den Anmerkungen 20 und 24 wurde darauf hingewiesen. dass ~ao\).Ela bzw. e).t~lS' an einigen Stellen auch eine negative oder mindestens zweideutige Bedeutung übernehmen. Die gewählte Interpretation vetrin auch Hughes. Th. Book olthe Revelation 22ff. H Kraft. Offenbanurg 40. schreibt: .e~t"',~. ~aol~.(a und uno~ov~ bezeichnen die Ge· genwart, die Zukunft und die Tugend. die in der Gegenwan Hoffnung auf die Zukunft verleiht>. Es IWIdeh sich um eine oft venretene InlCrprelalion. die meiner Meinung nach nur einen Teilaspekt dor Aussage erläutert. Ich denke. dass ~aol~.(a und e~tl~ als in dor Gegenwan erfa/wtae Grössen dargeslcUt werden. Das chronologische Schema ist meiner Meinung nach nichtgeeignel. die Gleichzeitigkeit dieser Dimensionen auszudrtIcken. 16 Ein weileRS Argument zur Unternützung dieser Interpretation: uno~ov~ ist Ausdruck einer aktiven Tätigkeit. d.h. einer Tätigkeit. welche vom Subjekt ausgeht. e~tl~ und ~aol~"a bezeichnen zwei Wirldichkeiten. die auf das Subjekt zukommen. l7 Zur Bedeutung von 'YEV6~~v vgl. Bauer. WlilTtrl>uch 313-318. rl vo~al bezeichnet in der Offb einen gewordenen Zustand. Vgl. Vanni. Apocalisst 120.
Einführung
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Wir erfahren, dass Johannes sich auf Patmos, einer Insel im Dodekanes, befindet. l8 Die mit liul eingefUhrte Ergänzung drückt den Grund des Aufenthaltes in Patmos aus l9 , wegen des Wones Gottes und des Zeugnisses Jesu. aUI TOV Io.oyov Toil 9Eoil "al n'lv I'aprup(av 'illooil ist ein Ausdruck, der gleich oder mit geringen Variationen auch an anderen SteUen der Johannesoffenbarung vorkommt. oo Diese Formulierung trin inuner als Begründung vOn erfahrenem Leiden oder Tod auf." Das Won und das Won Gones steUen häufige Begriffe in der Johannesapokalypse dar." Mit lo.oyoS" bzw. lo.oyoS" Toil 9Eou 4l (das gleiche gilt auch für I'aprupla ' lllooil) wird meistens eine vorgegebene Grösse bezeichnet: .. Die in der Schauung des Johannes gegebene Mitteilung des Herrn will nichts sein als Darlegung, Ausbreitung, Verdeutlichung und Versichtbarung jenes vOn Gott gesprochenen Io.oyos- und jener vOn Jesus abgelegten I'aprup(a, dh. jener der Christenheit gegebenen Gegebenheit»44. An manchen SteUen wird das Won Gones mit Jesus identifizien: Jesus ist das wahre und zuverlässige Won4s; sein Name ist ..Won GotteS».46 Auch die vOn Johannes geschriebenen Wone werden lo.oyoS" oder Io.OYOI genannt."
Ja Über die geographische Lage von PalmOS vgl. die Landkane in: Roloff, Ojf.nbarung 42; Melas, Di. griuhisch.n ln..ln 284-290. J' l>,ei mit Akkusativ bezeichnet den Grund oder das Minel. Meistens ist 6ui kausal. V gl. Bomemann/Risch, GramnuJtik 200. Im NT bezeichnet 6ui. ausser in einem Fall, den Grund und den Zweck. Ein Vergleich mit ähnlichen Stellen innerhalb der 0fIb hebt die kausale Bedeutung von 6ui hervor: vgl. als Beispiel 6.9; 7,15; 20,4. Dazu vgl. auch Charles. R.vda/ion I 22: «6,ei denOIes lhe gmund and not lhe pwpose in Ibis book •. '0 Vgl. 6.9 und 20,4 (in umgekehner Reihenfolge). Darüber hinaus siehe Offb 12.11: Kal «inol ev(KTlOQlI «UTOll BUI TO al .... a Toil cipv(ou Kot Bui TOV }.6yov TiiS' llapTup(QS Qunih' und 0Hb 2.3: Kat unollov~v lXElS' Kat ~fJciOTQOaS" Bui TO 6vo .... d IlOU Kat oü KEKon(QKES' .
• , Vgl. Eo~ay~lv",v in 6.9; n.nü .. ,o~(v",v in 20,4; in 12.11 ist vom Tod die Rede; in 2.3 steht paoTdC'" im Millelpunkl. .2 Das Vorkommen von ;'6yos in der Johannesapokalyspe sieht folgendermassen aus. Es gibt 18 Belege. Darunter wird siebenmal ;'6yOS bzw. ;'6yo, mit dem Genitiv TOU e.OU ergänzt (\.2.9; 6.9; 17.17; 19.9.13; 20.4). Einmal kommt ;'6yoS" mit dem Personalpronomen ~ou vor. welches sich auf das Wesen. das die Briefe an die sieben Gemeinden diktien. bezieht (3.8). Zweimal ist von ;'6yo, mOTol Kal a;'q8,vo( die Rede (21.5; 22.6; vgl. auch 19.9). Sonst wird ;,oYOS bzw. ;'6yo, mit Genitivformen wie T~S" npo~qTE(aS" 0.3; 22.7.10.18). ~apTup(aS" (12.11). TOU p,p).{ou TOUTOU (22.9 vgl. 22.19). und einmal uno~ov~S" (3.10) verwendet. 4l Dazu Procksch. ThWNT IV 92: «In jedem gesprochenen Wane soll ein WahrheilSverhähnis zwischen Won und Sache und ein Treuvernähnis zwischen Redendem und Hörendem sein '. Dieser Salz hebt den BeziehungscharaJner des Begriffes «Wen. hervor. •• Ibid. 126. • s Vgl. Offb. 3.14 . •• Vgl. Offb 19.13 . • 7 Vgl. als Bs. 1.3; 22.7.9.
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Weil der Visionen
Man stellt somit fest, dass AOYO, in Offb das vorgegebene Won Gottes meint Gleichzeitig kann es auch menschliche Wone bezeichnen, welche Entfaltung und Wiedergabe des einen göttlichen Wones zum Ausdruck bringen. Das Zeugnis, l'aprupia 48 , wird in Offb 1.10 parallel zu AOYO, mit einem Genitiv gebraucht So wie AOYO, hat dieses Won eine zweifache Bedeutung: I'aprupia bezeichnet das Zeugnis, das Jesus Christus abgelegt hat<9 oder das Zeugnis, das die Christen für Jesus ablegen. so Somit stellen wir fest, dass I'aprupia sowohl das den Christen vorgegebene als auch das von den Gläubigen immer neu entfaltete Zeugnis ist Innerhalb der Offenbarung übemimmt I'aprupia öfters einen konkreten Sinn. Die aktive Teilnahme am Zeugnis und die Folgen, welche diese Bereitschaft verursachen, werden plastisch beschrieben.~1 Es besteht eine feste Verbindung von I'aprupia mit Blut und Tod. Das Won und das Zeugnis sind in der Johannesapokalypse gleichzeitig der Ausgangspunkt und das Ziel eines an Jesus Christus orientienen Lebens. ~2 Wir kehren zur Stelle in Offb 1,10 zurück. Es bleibt unklar, ob die zwei Genitive subjektive oder objektive Bedeutung haben. 53 Meiner Meinung nach ergeben beide Möglichkeiten einen Sinn. S4 'S MapTup(a bedeutet primär die menschliche Verkündigung von Tatsachen. Darüber hinaus wird das Bezeugen Gottes. des Geisles. der Schrift ausgedrückt. Vgl. dazu Strathmann. ThWNT IV SOO ff; Spicq. Lexiq•• 969-974. Spicq betont den aktiven Charakter des Zeugnisses . •• Vgl. z.B. Offb 1.5. An dieser Stelle wird Jesus Christus unter anderem als " ~apTu" ge. priesen. '0 Dazu vgl. als Beispiel Offb 1.2 : Johannes bezeugte (E~apTup~aEV) das Won Gottes und das Zeugnis (~apTup(av) Jesu Christi. Hier ist das Subjekt des Hauptverbes Johannes. Im zweiten Teil des Saztes ist .... apTupia jedoch wiederum mit einem Genilivus subieklivus kon~ struien. :11 Vgl. l.B. Offb 11.7: Kat lSTav TÜ.EOW(]\V T~\I llapTup(av aunilv, TO 8'lPlOV TO c:ivapatllov EK Ti\s' cifhioaou nOl1ioEl !lET' aUTc.ilv n6AEJ.I,OV Ka\ VlKtlOEl aUTOUS' Kat anoKTEvEt a,hauS'. Auch 2.13 und 17,6 assoziieren explizit das Blut und den Tod mit dem Zeugnis. S2Dazu vgl. auch Offb 19.10: ~ yap ~apTup(a 'l~aoO 'aTlv TO "v,O~a T~S
npo4tTJTElaS'.
" Petros Vassiliadis. BiTr 36. 129-134 beschäftigt sich mit der Auswenung des Genitive. im Ausdruck ~apTup(a 'l~aoO bzw. 'I~aoij Xp,aToO. Diese Fragestellung ist sehr wichtig. Zur Auswahl stehen folgende mögliche Übersetzungen: entweder .testimony of Jesuso (Gen. sub.) oder .testimony to Jesuso (Gen. ob.). Nach Vassiliadis kann dieser letzte Ausdruck in der Apokalypse den Mänyrenod bezeichnen. Was Offb 1.10 betrifft. entscheidet sich der Autor für
einen Genitivus subiektivus. Wenn man diese Interpretation annimmt. soll man auch den ersten Genitiv (TOU 9'001 aufgrund des Parallelismus als subjektivauffassen. ,. Ich möchte die zwei möglichen Übersetzungen noch einmal kurz erläutern. Wenn die Genitive als subjektiv verstanden werden. meint 1,10. dass Johannes sich auf der Insel Patmos wegen des vorgegebenen Wenes Gottes und des von Jesus abgeleglen Zeugnisses befindet. Im anderen Fall wird der Aufenthalt als Folge der Tätigkeit des Johannes in der Verkündigung und im Zeugnis über Gott und Jesus verstanden. Ich bin der Auffassung. dass beide Bedeutungen in
einem einzigen Ausdruck mitschwingen.
Einführung
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Johannes befindet sich in Patmos, weil er in Beziehung zum Wort Goltes und zum Zeugnis Jesu steht. ss Im zweiten Teil von V.lO wird die Schilderung der Lebenssituation von Johannes erweitert. Während im ersten Teil des Verses die historische Lage des Schreibenden geschildert wurde, verlagert sich der Akzent jetzt auf die Dimension, welche den Übergang von der wahrnehmbaren Welt zur Welt der Visionen ermöglicht. Die Wiederholung von EYEVOIl'lV markiert diesen Wechsel innerhalb der Beschreibung des Zustandes. Zwei mit Ev konstruierte Ergänzungen vervollständigen das Hauptverb: Ev nVEUIlQn und Ev Tij KUptQKij -i)IlEpq.· 'Ev nVEUIlQn bezeichnet den Machtbereich des Geistes, ein Umfeld, in dem der Geist massgebend ist. Der Vergleich mit einigen neutestamentlichen ParallelsteIlen trägt zur Verdeutlichung dieser Umschreibung bei. Dem Ausdruck EV nVEUIlQn begegnet man in der Verkündigung des Täufers.SI> In der markinischen Version wird der Unterschied zwischen dem Täufer und Jesus durch die verschiedenen Arten zu taufen hervorgehoben: Der erste tauft im Zeichen des Wassers, der zweite im Zeichen des heiligen Geistes. Die Formulierung Ev nVEUIlQn (BEoil) steht in Verbindung mit der Macht und der Wirksamkeit Jesu auch in Mt 12,28: die Nähe der Goltesherrschaft konkretisiert sich im befreienden Tun Jesu.' Ev nVEUIlQn bezeichnet somit einen Rahmen, in dem der Geist Goltes zu den Menschen gelangt und an ihnen arbeitet. In Röm 8,9 finden wir eine ähnliche Bedeutung von Ev nVEullQTl. An dieser Stelle redet Paulus vom Gegensatz zwischen einer menschlichen Existenz, die sich selbst genügen will, und einer menschlichen Existenz, welche in Beziehung zum Unverfugbaren stehtY Die Christen leben «im Geist», in Beziehung zur Freiheit, die Gou den Menschen geschenkt hat. «Im Geist Sein» ist somit ein Merkmal der Gemeinschaft aller Menschen, für welche Jesus Christus massgebend ist. Die Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde und zum Geist sind untrennbare Dimensionen. SI
" Der Grund des Aurenthaltes in PalmOS scheint negativer Art zu sein. Dies ergibt sich aus dem V.rgleich mit den ande ... n St.n.n. in denen der gl.iche Ausdruck vorkommt (s. ohen). Es handelt sich imm.r um B.schreibungen von V.rfolgungssituationen. ,. Vgl. Mk t,8: Lk 3,16 und Mt 3.11. " Aur diese W.ise habe ich versuch~ die fllt heutig. Leser schwer v.rständlichen AusdIilcke EV oapl
bzw.
EV
nVEUIJ,Qn
wiederzugeben.
" Der g.m.inschaftliche Aspekt wird sehr stark von RJ. J.sk., NTS 31. 452-466 hervor· gehoben. S.462 schreibt Jesk.: -Ta be €v nv ..j~an is symbolic code rar participation in the community ofthe Spirit •• specially when particular ... r.... nc. is giv.n to being in th. Spirit €v nj I
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Weil der Visionen
Ein Vergleich zwischen den vier Stellen in der Apokalypse. an denen EV vorltommt 59 • zeigt. dass unsere Formulierung immer einen Raumwechsel signalisien.60 Eine vergleichbare Funktion übernimmt dieser Ausdruck in der synoptischen Erzählung der Versuchung Jesu in der Wüste. 61 Jesus erreicht die Wüste dank der Wirlrung des Geistes. In Offb 1.IOb wird Johannes als Mensch vorgestellt. der sich unter der Macht des Geistes und somit in Verbindung zu allen anderen Christen befindet. 62 Dieser zweite Aspekt wird auch von der darauffolgenden Ergänzung wieder betont. • H KUplaKi) ~I1Epa ist wörtlich als «der Tag des Herrn ..63 wiederzugeben. Einige Parallelen aus dem NT nahestehenden Texteo6ol unterstützen die These. nach der dieser «Tag des Herren .. der chrislliche Sonntag ist. 65 Da aber Offb 1.10 den ersten Beleg dieser Art darstellt, behält diese Interpretation einen hypothetischen Charalcter. . Ev Ti! KUPUIICi! ~I1Epq. ist die einzige Zeitangabe in unserer Perikope. Sie gibt aber keine Auskunft über das historische Datum. in dem Johannes die Visionen erlebte. sondern verminelt eher eine Stimmung. Der Seher kennzeichnet jenen besonderen Tag in bezug auf den Herrn. und wenn ICUPUIICf) ~I1Epa lalsächlich den chrisllichen Sonntag bezeichnet. spielt er auf die sonntägliche Versammlung der Mitchristen an.66 Die Wiederholung von EYEV0I111V teilt die Beschreibung der LebenssilUation Johannes in zwei Momente. Nach der Schilderung des historischen Ones folgt die Anspielung auf einen Konflikt. unter dem der Seher leidet. Diese Angaben nVEUl1an
"Oflb 1.10; 4.2; 17.3 und 21.10. .. Vgl. 11 2.4; 11 7.2; 11 8.4.1. 61 Vgl. Mk 1.12; Lk 4.1; Mt 4.1. 62 Mit dieser Interprewion von iv nv
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erlauben somit einen Blick in die gesellschaftliche Lage dieses Menschen. Anders liegt der Akzent im zweiten Teil der Darstellung. Hier geht es eher um die Identität von Johannes als Christ, als Teilnehmer an der christlichen Gemeinschaft. Diese unterschiedlichen Lebenshorizonte veranschaulichen in der Person J0hannes die Spannung, die wir schon bei OAtljJlS" und !laolAE(a getroffen haben; es sind gegensätzliche Aspekte einer einzigen Existenz.
4 Übergang in die Welt der Visionen Der Übergang in die Welt der Visionen wird anband dreier Handlungen dargestellt. Die erste besteht aus dem Hören einer Stimme, die von hinten67 kommt. Diese Stimme wird als 4>Wvl} I'EY.v.'l umschrieben. Dabei geht es um ein lautes Geschrei6l , das mit dem Schall einer Posaune verglichen wird. 69 Das am Anfang von V.ll stehende Partizip füIut eine direkte Rede ein und ist überraschenderweise70 ein Genitiv. Die sprechende Stimme ist hier personiftzien: sie wird als selbständige Gestalt in unseren Text eingefülut. 71 Sie befiehlt dem Seher zu schreiben, was er sieht. Das somit entstandene Buch soll an sieben bestimmte Gemeinden in KIeinasien72 geschickt werden. Interessant ist die syntaktische Struktur des Befehls: der Relativsatz ö !lAEllElS" wird den Imperativen ypdljJov und llEl'ljJov vorangestellt. Der Auftrag der Stimme nimmt das Wesen der ganzen Johannesapokalypse vorweg: Es handelt sich um gesehene Szenen, die niedergeschrieben und verbreitet werden müssen . • 7 Die Präposition on(ow komml in der Oflb nur dreimal vor: hier, in 12,15 und 13,3. Vgl.lI 6.3 . •• In der griechischen Sprache bezeichnel.wv~ einen «von beseellen Wesen in der Kehle erzeugten hörbaren Laul_ (vgl. BeIZ, ThWNT IX 272). In der LXX gibt .wv~""" wieder; wie das hebräische Wort meinl.wv~ alles, was gehön werden kann (ibid. 274) . •• Es iSI möglich, dass Offb 1,10 auf dieTheophanie von Ex 19,16 ff anspielI. 70 Eine korrigiene Form des Codex Sinaiticus enlhJill die entspm:hende Lesan im Akkusaliv: A{youoav. Diese sekundäre Varianie lässl erkennen, dass der Genitiv im V.II lalsächlich als problematisch empfunden wurde. Meislens erklärt man diesen Fall als eine Altraktion cbd1 das vorangehende odAmyyos- Vgl. Delebecque, RThom 89, 87f. 71 In der Offb komml die .wv~ ~
der"""
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Weil der Visionen
BAinw stellt ein Schlüsselwort dar: Johannes wird nicht befohlen. eine Lehre oder ein Wissen zu verbreiten. sondern das. was er sieht 71 : Das visionäre Erlebnis steht im Minelpunkt. Die zwei Imperativfonnen bilden eine BrUcke zwischen der Welt der Visionen. in welche Johannes eingeht. und der Weil der Adressaten. die an dieser ausserordentlichen Auffilhrung nicht direkt teilgenommen haben. V .12 enthält den Höhepunkt unserer Perikope: Johannes dreht sich um. um eine Stimme zu sehen. Diese Körperbewegung ist überraschend. Eine Stimme ist unsichtbar. Warum wendet sich Johannes um?
5' ETilOTpecpw: Die Bedingung zum Sehen Die erste Hälfte von V.12 ist dieser Bewegung nach hinten gewidmet. Das Verb das in der Johannesapokalypse nur hier anzutreffen ist. wird zweimal wiederholt. Dieser Beharrlichkeitseffekt ist im Versaufbau verankert. Die erste Aoristforrn im Indikativ fuhrt die Geschichte fort. indem sie die Reaktion von Johannes auf das Hören der Stimme beschreibt. Die Wiederaufnahme von Ema'Tpi~w. diesmal im Partizip Aorist. hat primär eine feststellende Funktion: Damit wird ausgedruckt. dass der Protagonist unserer Geschichte sich tatsächlich umgedreht hat. . Ema'Tpi~w gibt in der LXX meistens JlC wieder und kennzeichnet sowohl eine äussere Bewegung. Wendungen. Ortsveränderungen als auch die Bekehrung." Auch im NT übernimmt Ema'Tpi~w beide Bedeutungen. 7S Offb 1.12 redet von einer Körperbewegung. Der Erzähler drehte sich um. die von hinten her kommende Stimme zu sehen:' Ema'Tpi~w beschreibt eine Drehung um 180 Grad. Vielleicht übernimmt diese Verbforrn gleichzeitig eine andere Bedeutung. In der Gestaltung der Visionen bedient sich der Verfasser unglaublich vieler Motive und Materialien aus dem damaligen Kulturgut. er zerlegt den ihm vorliegenden Stoff und macht daraus eine neue. originale Geschichte. Ich frage mich. ob diese Aufnahme von ihm bekannten Traditionen nicht als Rückschau dargestellt wird . . Ema'Tp€~w könnte nämlich nicht nur die spontane Reaktion des hörenden JoEma'Tp€~w.
1) Delebccq.... RThom 89. 460. beschreib! die Bedeutung von ~~En", mil folgenden Worlen: .Verbe e.pressif. il suWre un regart! inlense. appuy~. Inquo! dans une direction donn6: lorsqu'il esl suivi d'un compl~menl direcl. Lorsque 500 emploi e51 absolu, il e51 dil nOlammenl de I'aveuglc qui. la vuc I'CC'OUVIU. (YOib _. ,. Vgl. Bertram, ThWNT VII 123. Ich nenne hier Jes 6.10. da dieser Beleg als Illustralion von :l1C I EmoTpl..w und gleichzeitig im Vergleich mit unserem TCK-t interessanl ist. " Vgl. ibid. 72Sff. In Lk 17.4 meinl 'n,oTpl4> .. sowohl die äussere als auch die innere Bewegung.
Einführung
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hannes, sondern auch den Entstehungsvorgang der Johannesoffenbarung schildern. Das Ergebnis der Wende nach hinten wird in Offb 1,12 mit (l60v ausgedrückt. Vor der Wende war von ßAEnw die Rede. Die Spannung zwischen diesen zwei Verben des Sehens ist sehr subtil und trotzdem wirkungsvoll. Johannes will die gehörte Stinune sehen (ßAEnw), dreht sich um, und sieht (€l60v) eine ganze Szene, die er gar nicht erwartet hatte.'· Ei.60v eröffnet die Reise des Johannes in eine sonderbare Visionenwelt. In diesen einführenden Seiten wurde versucht, zwei wesentliche Übergänge zu thematisieren: den Übergang vom unserem Jahrhundert in die Zeit der Entstehung der Apokalypse und den Übergang von der historischen Wirklichkeit (des Johannes) in die Welt des Visionären. Die Analyse einiger Verse aus der Johannesoffenbarung nahm darüberhinaus ein zentrales Anliegen dieser Untersuchung vorweg: eine besondere Aufmerksamkeit für den Text, in diesem Fall für die erschütternden Visionen der Offenbarung.
6 Thema und Ziel der vorliegenden Arbeit Die vorliegende Auseinandersetzung mit der Offenbarung des Johannes besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste, grössere Teil ist der Textanalyse gewidmet. In dieser ersten Phase stehen die Visionen der Apokalypse als abgeschlossene, sinntragende Bilder im Mittelpunkt. In einem zweiten Gang wird versucht, den historischen Hintergrund der Johannesoffenbarung zu beleuchten. Ziel dieser zweiteiligen Untersuchung ist es, den Bezug zwischen den Visionen und ihrem geschichtlichen Hintergrund zu erfassen und zu beschreiben. Wie verhält sich die Fiktion der Visionen zur Wirklichkeit der Geschichte in der Offenbarung? Sind ihre Visionen bloss als Allegorien einer bestimmten historischen Situation zu verstehen? Oder stehen Vision und Situation in einer anderen, komplexeren Wechselwirkung zueinander? Die Gegenüberstellung der Visionen als fiktive Bilder mit ihrem zeitgeschichtlichen Horizont versteht sich auch als Auseinandersetzung mit den zahlreichen Zugängen zu diesem bekanntlich schwierigen Werk am Schluss des Neue Testaments. Die grundlegende Absicht, zuerst auf die Texte und ihre Aussage zu hören, ihnen einen angemessenen Platz zu Verfilgung zu stellen, verlangt nach einer Auslegungsmethode, welche die Eigentümlichkeiten und die Integrität der Visionen als Sprachbilder nicht bereits von vornherein beeinträchtigt. Motivgeschichtliche, aber vor allem auch form- und ganuoggeschichtliche Erwägungen werden 7. Die Bedeutung von .t50v und andc:rcn Verben des Sehens wird in 11.1.4. und 11.9.2.1 untersucht.
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Von der geschichtlichen Wirklichkeit zur Welt der Visionen
ins Spiel gebracht. um einige wesentliche theologische Themen in den ausgewählten Visionen herauszukristallisieren. Erst in der zweiten. historisch orientierten Phase werden Fragestellungen aus der Zeit- und Sozialgeschichte bertIcksichtigt. Die Verbindung der unterschiedlichen Fragestellungen erscheint im Rahmen einer heutigen Auslegung der Offenbarung unumgänglich. wie die Entwicklungen der Apokalypseforschung in IeIZter Zeit zeigen. n Wie mir scheint. können die Arbeiten über die Johannesoffenbarung im grossen und ganzen drei Tendenzen zugeordnet werden: den zahlreichen Untersuchungen aus der religions- und traditionsgeschichtlichen Fragestellung7• steht eine beachtliche Anzahl von Arbeiten gegenüber. in denen die sozial- und zeitgeschichtliche Komponente bevorzugt wird7'/; schliesslich konzentrieren sich weitere Versuche auf die literarische QuaIiIäl der Johannesapokalypse. indem sie sich vor allem mit ihrer formalen Gestalt auseinandersetzen. 1O Bertlhrungspunkte zwischen den unterschiedlichen methodischen Ansätzen sind selbstverständlich vorhanden. denn die geschilderten Tendenzen betreffen eher die grundlegende Absicht der verschiedenen Forscher.1I Allerdings sind übergreifende Versuche. in denen die Apokalypse als ein in sich selbst abgeschlossenes. eigenständiges Werk gewürdigt wird. ohne dass ihre Anspielungen auf die Zeitgeschichte und ihre offensichtliche Verbindung zu anderen Traditionen ausgeblendet werden. nicht sehr zahlreich. B2 Im Bewusstsein aller Schwierigkeiten. die mit dieser Absicht gegeben sind, möchte ich versuchen, diesen ungewohnten Weg im Rahmen der Auslegung der
Übersichten über die Forschunpgeschichte der Offenbaruns liesen bei Vanni. L'Apoca' tIlU de Ia qutstion und bei Böcher, JohDnntsapo/rDlyp.., beide 1980 erschie· nen, vor. Interessante Auskünfte über die Enräse der Forschuns bis am Ende der ach1Ziser Jahre finden sich bei Mazzaferri, TM Gen". 18 Dazu s. Böcher, ibid. 23 und die neueren Arbeiten von G.K. Beale, The U.. 01 Daniel (1984), Jean-Pierre Ruiz, Ezditl in tht !opocalyp.. (1989), Jan Feldes. lsoiah and Prophetie Traditions (1994). 79 S. insbesondere die Arbeiten von Adela Yatbro Colhns (Crisis and CD/hanis, 1984) und Leonanl L. Thompson (Tht Book 01 R ..elation, 1990). 80 S. au...r den von Böcher (ibid. 23) erwähnten Autoren die Untersuchunsen von Jacques Ellul (Die Offenbarung des JOMnntS, 1981) und von Mlltin Karrer (Die JohDnnesoffenbanurg als Brie/. 1986), den Kommentar von Vanni (!opocalis... 1988) und seine Monosraphie La $ITUllUra ItlltraritJ dell'!opocalisse in der zweiten, durchsesehenen Auflase von 1980. .. VSI. dazu die Erwii8unse. von Böcher, ibid. 25. Diese kune Übersicht auf die letzten Etappen der Apok.aIypseforschung dient bloss als erste Orientieruns; sie ist unvollsUiodiS und nur auf die Gebiete konzentrien, die in der vorliegenden Untersuchuns aufsenommen wenIen. Andere, nicht weniser interessante Ansätze wurden dabei ausseblendet. Dazu sehön beispiels· weise die psychoanalytische Auseinandersetzuns mit der Offenbaruns, vgl. die Arbeiten von Drewermann (1984) und Raguse (1993). 12 Dazu s. Richard Bauckham, The Theology 01 the Boot 01 Revelation und die Aufsatz· sammlUDS The Clinuu 01 Prophtcy, beide 1993 erschienen; Elisabeth SchUssler Fiorenza. The Book 01 R..e/DIion (198S); 1. R. MichaeIs, Inlt'P"ting ,he Book 01 Revelalion (1992). 71
Iyp.. johDnniqut,
Einführung
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Offenbarung zu wagen. ll Um die Gefahr einer unerträglichen Oberflächlichkeit oder einer nicht weniger problematischen Zerstreuung in Grenzen zu halten, habe ich ein exemplarisches Vorgehen gewählt. Der Versuch, die Beziehung zwischen den Visionen als fiktiven Bildern und dem historischen Hintergrund, in dem sie verfasst wurden und auf die ersten Adressaten wirkten, zu beschreiben, wird anhand von sieben Visionen durchgeführt.
13 Ellul. Apokalypse I äussen sich wie rolgt: _Es ist ein ungeheuer ehrgeiziges. gefährliches und unpassendes Unternehmen. wenn einer etwas üher die Apokalypse des Johannes schreiben will •. Die Tatsache. dass Ellul diesem ersten Satz weitere 263 Seiten hinzugerugt hat. beruhigt mich deran. dass ich - wie er - nun das Risiko eingehe. gegen die Mahnung in 0fIb 22.ISr zu verstossen: -Ich bezeuge jedem. der die prophetischen Worte dieses Buches hön: Wenn jemand zu ihnen etwas zulUgt. so wird GOII ihm die Plagen zulUgen. die in diesem Buch geschreiben sind und wenn einer etwas von den prophetischen Wonen dieses Buches wegnimmt. so wird GOII seinen Anteil am Holz des Lebens und an der heiligen Stad~ die in diesem Buch geschrieben sind. wegnehmen •.
11. Ausgewählte Visionen
1 Auswahl der Texte In diesem Teil der Untersuchung sollen einige Visionen zu Wort kommen. Wir
werden versuchen. sie als abgeschlossene Sinneinheiten aufzufassen und nach ihrer Bedeutung als kohärente Szenen zu fragen. Die Auswahl der Visionen aus der gesamten Apokalypse ist jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Die Offenbarung erscheint schon nach einer ersten Lektüre als ein äusserst dichtes und undurchsichtiges Werk. im welchem es schwierig ist. den roten Faden im Laufe der Erzählung nicht zu verlieren. Dennoch ist die Apokalypse eine einheitliche. eng verkettete Erzählung.' Die Siebner-Zyklen und ihre eigentümliche Entwicklung2 und vor allem das wiederholte Vorkonuncn ähnlicher oder sogar identischer Formulierungen und Bilder untermauert diesen ersten Eindruck.
I Diese Annahme knüpft an die Entwicklung iMCrhalb der aktuellen Auslegungsgeschichte der Apokalypse an. In der neueren Auslegung überwiegen die Untersuchungen der Apokalypse als einheitliches Werk gegenüber den Arbeiten, die verschiedene Stadien in der Entstehung des Buches unterscheiden. Dazu s. I 6, Anm. 80. Die 1980 erschienene zweite Auflage von Vannis Untersuchung (S'rum.",) bietet eine Darstellung der Auslegungsgeschichte unter dem literarischen Gesichtspunkt bis 1980 und somit einen vollstädingen Überblick von Victorinus von Pettau bis zu den Werken von Rousseau (Apocalypse ., I, mili,u), Schüssler Fiorenza (CBQ 39, 344-366), Yarbro Collins (n.. Comba, My,h), Hahn (Zum Aufbau), Lambrecht (S'ructura,;on), Feuillet (EeV 85, 432-443) und Giblin (Biblica 55. 487-504). Der Versuch, die Offb als einheiltliches Werk zu lesen_ versteht sich als Würdigung des Textes in der Gestalt, die uns überliefen wurde, denn die Versuche, verschiedene Stadien in der Entstehung des Buches zu unterscheiden, haben unserer Meinung nach zu keinen einleuchtenden Ergebnissen gefilhn. 2 In der Offenbarung liegen vier Siebner-Zyklen vor: die sieben Briefe (Kap. 2-3), die sieben Siegel (Kap. 6-8). die sieben Posaunen (Kap. 8-11) und die sieben Schalen (Kap. IS16). Der erste Zyklus beSieht aus sieben selbständigen Elementen, den Briefen filr die sieben Gemeinden in K1einasien. Die drei anderen Zyklen wirken dagegen unabgeschlossen und weisen alle dasselbe Aulbaumerkmal auf: Das siebte Element wird angekündigt, aber nicht vorgefilhn. Es scheint. dass das siebte Glied jeweils in der Fonsetzung des gesamten Buches besteht. Zum Aufbau der Siebner-ZykJen vgl. Vanni, S'rulIUrtl 120---130. Im Schlusswon des Kapitels über die Zyklen fasst Vanni seine These zusammen: In den Siebner-Reihen der Offenbarung stellt man fest, dass das siebte Glied einer Reihe mit der Fortsetzung des Buches verbunden wird; diese starke Verbindung nimmt dem leu.en Glied der jeweiligen Serie eine eigene Bedeutung weg.
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Ausgewählte Visionen
Diese Merkmale der Apokalypse erschweren die Abgrenzung einzelner Visionen: nicht inuner ist es möglich. thematische Einheiten klar abzugrenzen. 1.1 Auswählen setzt eine Struktur voraus Die Eingentümlichkeiten der Johannesoffenbarung erschweren die Beschreibung des Aufbaus des Buches. Im Laufe der Jahrhunderte haben Exegeten inuner wieder verschiedene Gliederungen der Apokalypse vorgeschlagen. Obwohl die Versuche sich vor allem in den letzten zwanzig Jahren vennchrt haben J • fehlt es immer noch an einer allgemein anerkannten Lösung. Die vorgelegten Strukturbeschreibungen erscheinen meistens als sehr komplex und etwas forciert. Vanni 4 erklärt die Abwesenheit einer allgemein anerkannten Strukturierung mit folgenden Erwägungen: Einerseits setzen viele Strukturbeschreibungen mit falschen Prämissen auf methodischer oder inha1tlicher Ebene ein;~ andererseits präsentieren andere Versuche synunetrische. regelmässige Strukturen. die sich jedoch nicht mehr mit dem Text decken6 . Angesichts dieser offensichtlich unüberwindlichen Schwierigkeit drängt sich der Zweifel auf. ob überhaupt ein geordneter Aufbau vorliegt. 7 Auf jeden Fall 3 Ugo Vannis Werk La slnatura Im.rariiJ d./l'ApociJ/js.. ist ganz dem Problem des Aufbaus der Johannesoffenbarung gewidmet. Der kritischen Darstellung der verschiedenen Vorschläge folgt der eigene Ve~uch des Autors. Für alle Bemühungen um die Struktur der Offenbarung verweise ich somit auf Vannis Arbeit. Die darin enthaltenen Literaturangaben sind sehr sorgfaI· tig zusammengestellt und können als guter Ausgangspunkt für weitere Arbeiten in diese Rich· tung dienen. Für die Zeitspanne nach dem Erscheinen der zweiten Auflage von Vannis Monogra· phie verweise ich auf Strand. AUSS 25. 107-121 als Beispiel flir einen neueren Versuch. • SlrutturiJ 102-104. , Vgl. Slrullura 103. Nach Vanni beruhen die meisten vorgenommenen literarischen Studien auf Methoden. die nicht unbedingt literarisch sind. Man habe den Tut der Apokalypse auf seine Struktur hinterfragt, ohne sich von den vielen stereotypen Vorurteilen zu distanzieren: von vorgegebenen Einheiten. die man auf jeden Fall bestätigen wollte. von strenger Unterteilung nach den Siebener-Reihen. zweifachen RcdaktionsslUfen. chiastischen Strukturen. chronologischer Reihenfolge oder Rekapitulation. theologischen Themen. die sich in literarischen Formulierungen wide~piegeln solhen. In dieser Menge von vorgegebenen Annahmen seien die rein literarischen Signale untergegangen. • Ibid.: Ein weiteres Problem in der Erforschung der Struktur der Offenbarung besteht nach Vanni im Festhalten an genau definierten. perfekten Formeln. Viele der vorgeschlagenen Thesen weisen nämlich ein abgeschlossenes Schema vor. aus dem. in einigen Fällen. sogar Gesetze ahgeleitet wenlen. Um diese Abgeschlossenheit im Aufbau aufrechterflalten zu können. müssten jedoch viele Elemente unbegründet forciert. andere willkürlich vernachlässigt wenlen. «Per arri· vare a questo livello di compiuteua determinata. molti elemcnti sono stati indebitamente forzati. a1lri aggiunti arbilrllriarnente e si ~ seivolati nel soggeltivismo» (103). 7 Vanni formuliert auf S.103 diesen Gedanken wie folgt: .Der Tendenz zur perfekten Formel. die eigentlich auf einer intellektualistisch-rationalistischen Haltung beruht. setzt sich die literarische Tatsache als solche entgegen. Und vor einer literarischen Tatsache wie der Apokalypse können wir nicht davon ausgehen. dass es eine bestimmte. organische Entfaltung gehen
Auswahl der Texte
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muss die Suche nach einer Gliederung des gesamten Werkes gerechtfertigt sein. und nicht um seiner selbst willen durchgeführt werden. Zur Abgrenzung und Auswahl der Visionen. die den Kern der vorliegenden Untersuchung bilden sollen. werden nun Kriterien gesucht. die eine möglichst kohärente und homogene Gliederung der Apokalypse erlauben. 1.2 Auf der Suche nach einer möglichen Textgliederung: die Johannesoffenbarung und ihre brieflichen Züge Der Anfang und der Schluss der Johannesapokalypse weisen Elemente auf. weIche an urchristliche Briefe erinnern. Aus diesen Textbefunden entsteht die Frage. ob die Apokalypse als Brief betrachtet werden kann. Martin Karrer' ist dieser Fragestellung nachgegangen. Gestützt auf zahlreiche Vergleiche mit paulinischen und deuteropaulinischen Briefen einerseits und mit weiteren Werken aus der frühchristlichen und christlich-gnostischen Offenbarungsliteratur andererseits bejaht er die Ausgangshypothese: Nach ihm stellt die Johannesapokalypse einen Brief an die Gemeinden in Asien dar. Karrer hebt hervor. dass der briefliche Charakter die Offenbarung nicht nur in ihrer Form. sondern auch in ihrem Inhalt wesentlich prägt. Im Aufbau der Offb sind folgende typische BriefrnerkmaJe ausdrücklich zu erkennen: a) Offb 1.4--8 bildet die Brieferöffnung. V.4a enthält ein Briefpräskript: ein Absender (Johannes) und ein Adressat (die sieben Gemeinden in Asien) werden genannt. In V.4b-5a folgt der Gruss XaPlS' Ulltv ICa\ Elp1]VlJ. der durch eine dreigliedrige präpositionale Ergänzung erweitert wird. Der Gruss stammt von Gott. den sieben Geistern und Jesus Christus. 9 In V.5bf liegt eine Doxologie lO vor. die in V.7 vertieft und in V.8 durch eine Selbstprädikation Gottes bekräftigt wird.
muss. die vom Verfasser absichtlich geplant und konkret in geordneten SlJUkturen ausgedrtlclct wwde. Zweifellos besteht eine Kohärenz. aber literarischer und nicht gezwungenermassen logi· scher An; eine Kohärenz. welche Unterbrechungen. ungleichnnässige Verteilungen in der Ent· wicklung der verschiedenen Teite und Intuitionen. die an manchen Stellen nur angedeutet und an anderen im einzelnen ausgebaut werden. zulassen kann. Es geht um eine Kohärenz. die zuletzt auf den literarischen Ausdruck des Verfassers zwückgeht. Das Werk in seiner Ganzheit wird schliesslich die eigenen Züge offenlegen» (Ziw aus dem Italienischen übersetzt). In den folgenden Kapiteln dieses Werkes liegt die Suche nach einer Struktur. die den im Zitat ausgedrückten Beobachtungen gerecht wird. vor. Vanni rekonstruien einen Grundrnster mit Hilfe wiederkehrender. fester Fonnulierungen und inhaltlicher Kriterien. • Di. Johann"oJJ.nbarung als Sri.! • S. Karter. ibid. 66-83 und 108-132. 10 Mehr über die Bedeutung der Doxologie als Element des Briefformulares erflilut man in SchniderlStenger. S"uJi.n zum n'UI.stam.ntlich.n Sri.JJonnular 17'J-18 t .
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Ausgewähhe Visionen
b) Offb 22.6---21 bildet den Schluss des Werkes. In V.21 wird die Johannesapokalypse mit dem Schlussgruss 1) Xapw TOU KUpiou . I '100U I'ETQ navTwv abgeschlossen. I I Sowohl die Brieferöffnung als auch der Briefschluss stehen dem paulinischen Briefformular nahe}Z Karrer formulien dies wie folgt: «Die Apokalypse steht in der spezifischen Ausprägung ihrer brieflichen Züge innerhalb der ihr zeitgenössischen apokalyptischen und Offenbarungsliteratur singulär da. findet aber ein Bezugsfeld in der urchristlichen Briefliteratur. Da sie in ihrem Formular näherhin auf die briefkonventioneUe Sonderprägung der Paulinen und Deuteropaulinen zurückgreift. muss die paulinische Tradition den Kontext ihrer brieflichen Analyse bilden. Doch steht sie keineswegs ungebrochen in dieser. Schon Präskript und Schlussgruss übernimmt ihr Autor nicht ohne Modifikationen und Adaptationen».1l c) Zu den Veränderungen gegenüber der paulinischen Tradition gehören die einfiIhrenden Verse 1.1-3. denn sie bilden kein typisches Element des Briefformulares. Solche einleitenden Verse sind jedoch aus anderen christlichen Schriften bekannt. Karrer kommt aufgrund ausführlicher Vergleiche und Abwägungen zum folgenden Ergebnis: .. Offb 1.1-3 ist ein vortitulares Incipit. wie es bei Werken der frühchristlichen. christlich-gnostischen Offenbarungsliteratur als eine in den Einzelelementen offene Form anzutreffen ist und sich mit dem von der Offb beanspruchten brieflichen Textcharakter voll vereinbaren lässt ... 14 Nachdem der briefliche Rahmen bestimmt wurde l5 • sollen nun einige Erwägungen in Bezug auf das Corpus aufgenommen werden: d) Offb 1.9-22.5 bildet stilistisch einen homogenen Teil. 1.9-20 enthält eine erste Vision. in der dem Seher der Auftrag eneilt wird. den sieben Gemeinden in Kleinasien sieben Briefe zu senden. Offb 2.1-3.22 besteht aus eben diesen Kunbriefen. Dadurch wird die im Rahmen angekündigte Briefsituation in diesem ersten Teil des Corpus ausdrilcldich durchgespielt: Die sieben Gemeinden
11 Für diesen letzlen Vers der Offb gibl es zahlreiche lexlkritische Varianlen. Das Bestehen des Verses an sich ist jedoch in allen Zeugen belegt. Zu den verschiedenen Varianten und doren Abwägung s. Metzger. Texrual Commenra,>" 768f. 12 So wie die paulinischen Briefe kann man die Offenbarung als Mischform zwischen der vorderorienlalischen und der griechisch-hellenistischen Brielkonvention betrachten. Vgl. dazu Karrer. Di, JoIoonnLsoffmbturmg als Bnq 67ff und Vielha.. r. G..chichr. M' urchrisrlich
Auswahl der Texte
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werden sowohl einzeln l6 als auch als gesamte Kirche 17 direkt angesprochen. Der zweite Teil, Offb 4,1-22,5, besteht aus einer langen Reihe von Visionen. 0bwohl hier der ErzähIstii dominien, fehlen Hinweise auf einen Dialog mit den Adressaten des Werkes nicht: mehnnals werden nämlich die hörenden Christen direkt angesprochen. II Diese allgemeinen Aussagen über die Offenbarung lassen bereits erkennen, dass die Ebene der brieflichen Kommunikation zwischen dem Verfasser und seinen Adressaten nicht nur den mit typisch brieflichen Merlcma1en versehenen Rahmen betrifft, sondern das ganze Werk kennzeichnet. Nimmt man die brieflichen Züge der Offb ernst, so kommt man zu einer ersten Einteilung des Werkes, die schematisch wie folgt aussieht: Offb Offb Offb Offb
1,1-3 1.4--8 1,9-22,5 22,6-21
Einfilhnmg Briefel'Öffnung Bricfcorpus Briefschluss
1.3' Ev nVEUI1Cln: ein zweiter Schritt zur Textglicdcrung Die brieflichen Züge erlauben eine erste Einteilung der Offb. Um einzelne Texte
im Briefcorpus abgrenzen zu können, sind jedoch weitere Kriterien erforderlich. In der Analyse von Offb 1.9-12a wurde hervorgehoben, dass der Ausdruck Ev nVEUI1Cln, im Geist,I9 der in der ganzen Apokalypse nur vierma1 vorkommt, an jeder SteUe einen Ortswechsel signalisien. In Offb 1,10 singnalisien die Wendung "im Geist,. den Übergang von der Situation in Patmos zur Dimension der Visionen: der Seher befindet sich im Geist, hön eine Stimme, wendet sich ihr zu und sieht die erste Vision. In Offb 4,1 sieht der Seher eine offene Tür im Himmel und wird aufgefordet, hinaufzusteigen. Der Wechsel in den Himmel wird in V.2 mit EueEws- EYEV611'lV Ev nVEUI1Cln beschrieben.
'6 Jeder KUJZbrief wird an eine bestimmte Gemeinde adrcssien. Jede einzelne Gemeinde wird in ihrer eigenen. konkreten Siluation angesprochen. " Die Wcckformcl am Schluss dor einzelnen Briefe iSI immer an alle Gemeinden gerichtet: s. 2.7.11.17.29; 3.6.13.22. 11 Für die Zuordnung der Johanncsoffenbarung zur brieflichen Gillung können weitere TUIbefunde als Argumenl dienen. Es kommen im ganzen Werk immer wieder SlIlzc vor. die diIdtt an die Adressaten dieses Schreihens gerichtei werden. Vgl. LB. 0fIb 1.9. die sieben Briefe an die Gemeinden in K1einasien in den Kapiteln 2-3. 0fIb 18.20. Weiterhin kann man die Makarismen (1.3; 14.13; 16.15; 19.9; 20.6; 22.7.14) und die Formulierung" Ix",. oUsci_oua,h", ... in 2.7.11.17.29; 3.6.13.22 (vgl. dazu auch 13.9) nennen. '9 Für die Bedeulung die..r Formulierung vgl. Anm. 59.60. 1.3.3.
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Ausgewählte Visionen
Nach einem kwzen Dialog mit einem Engel wird Johannes in Oftb 17,3 in die WUste gebracht. Diese Reise wird mit dem Ausdruck Kd\ amivE'YKEV I1E El, lp'll1oV Ev nVEUl1dn wiedergeben. Der letzte Raumwechsel findet in Oftb 21,10 stall: Wiederum taucht ein Engel auf und bringt den Seher auf einen grossen, hohen Berg. Ein Vergleich dieser vier Stellen ergibt: Der Übergang von einem Raum zum anderen geschieht immer Ev nVEulldn. Andererseits tli1lt der Wechsel von E'YEV61l'lV 0,10: 4,2) zu amiVE"fKEV I1E (17,3: 21,10) stark auf. Darüberhinaus stehen die ersten zwei Ortswechsel wunittelbar in Verbindung mit Ankündigungen einer Stimme, während in den parallel aufgebauten Ortsveränderungen in 17,1-3 und 21.9f ein Engel spricht. In 4,2: 17,1-3 und 21,9fwird dem Seher die Absicht, ihm etwas zu zeigen, mitgeteilt. An allen drei Stellen (und nur hier in der ganzen Offenbarung) kommt die Form IiEie.., vor. Die Ortsveränderungen innerhalb der Erzählung werden nun als weiterer Schritt zur Textgliederung verwendet. Obwohl einige der erwähnten Beobachtungen erahnen lassen, dass diese Raumänderungen wichtige Entwicklungen in der Erzählung markieren20, sollen sie anfangs als Kriterium filr eine formale Gliederung dienen. Schematisch sieht diese weitere Einteilung des Briefcorpus wie folgt aus:
V./,/O: USlu
Onsw~chs~/
EYEVOI1'lV €v nVElll14n:
von Patmos in die Welt der Visionen
V.4,2:
zw~il~r
Onswechse/
V./7,/-J:
drill~r Onswuhs~/
lV TlVEUJ1QTl: vom Himmel in die Wüste
antlvE'YKlv tu:
V.2/,9j:
vi~ner Onswuhs~/
cI",\V
von der Wüste auf einen grossen, hohen Berg
1.4 Elliov als letztes Gliederungskriterium
Die Ortswechsel im Briefcorpus heben verschiedene Phasen der Erzählung hervor, ohne jedoch eine detaillierte Abgrenzung der einzelnen Perikopen zu er-
20 Alle vier Stellen werden innerflalb der vorliegenden Untersuchung anaIysien. Vgl. U 2.4; 111.2; 11 8.4.1.
Auswahl der Texte
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möglichen. Dazu wird als letztes Gliederungskriterium das Vorlmmrnen von
.t50" berücksichtigt.21 Zu dieser Wahl filhrIcn folgende Erwägungen. Es wurde oben erwähnt, dass Offb 1,1-3 die ganze Johannesapokalypse zusammenfasst. In V.2 wird die RoUe des Johannes vorgesteUt: Er hal das Wort Goltes und das Zeugnis Jesu Christi bezeUgt.22 Das Won Goltes und das Zeugnis Jesu Christi werden durch die Apposition ooa Et50" näher bestimmt: Damit entsteht eine Identität zwischen dem, was Johanncs gesehen hat, dem Won Goltes und dem Zeugnis Jesu. Die Verwendung von ooa unterstreicht, dass Johannes seinen Adressaten in den k1cinasiatischen Gemeinden genau weitererzählt, was er gesehen hat. Er behält kein Geheimnis für sich. Darüber hinaus unterstreicht diese Formulierung die Wichtigkeit des Sehens. Die Botschaft des Sehers besteht aus Bildern, aus Visionen. Kurz gefasst: Die Joahnnesapokalypse besteht aus der treuen, zuverlässigen Wiedergabe aUer Visionen, welche Johannes auf seiner Reise erlebt haln . Ein weiteres Argument für die Verwendung von Et60" als Gliederungskriteriumstammt aus der Analyse von Offb 1,9-12a24 : Die erste Handlung, die Johannes in der Dimension des Geistes vollzieht. ist das Sehen. In 1,12 kommt .,50" zum ersten Mal vor. Danach wird diese Verbform 41mal zur Einführung gleich vieler Visionen verwendet. Die formale Gliederung aufgrund von ElOO" fühn zu befriedigenden Ergebnissen. So kann das Briefcorpus in sinnvolle Einheiten untencilt werden. An einigen Stellen erscheint dieses Kriterium jedoch als problematisch. In Offb 10,1 kommt Et50" zum letzten Mal vor und wird bis 12,17 nicht mehr wiederholt. Einerseits ist es schwierig, diese grosse Perikope als Einheit aufzufassen, denn in diesen zentralen Kapiteln spielen sich viele unterschiedliche Szenen ab. Andererseits weisen Offb 1~12 eine gewisse Homogenität auf. In \Of übernimmt der Seher eine aktive Rolle im Geschehen: vom Beobachter und Erzähler der Vision wird er zu einer Gestalt innerhalb der Inszenierung. Dieser Veränderung der Funktion des Sehers entspricht das Überwiegen von Auditionen. Ab 11,19 scheint hingegen das einfilhrende El60" durch w.p9'l ersetzt zu werden.2.5 Ähnlich sieht es in Offb 21f aus. Nachdem .\60" zum letzten Mal in 21,1 vorkommt, wird das Gesehene durch Formen von 6E<ewll6E,e.,,26 eingefühn.
I1 Als Gliederungskrileriwn wird <160. nur in der ersten Pe""n Singular in HauplSälun berücltslchligt. II Zur BedeutunI von AoyOS" Toil e
40
Ausgewähhe Visionen
Trotz diesen Schwierigkeiten, die weiterer Klärung bedürfen,27 erlaubt die Kombination der drei vorgeschlagenen Kriterien eine nachvollziehbare Beschreibuog des Aufbaus der Apokalypse und eine transparente Abgrenzung einzelner Visionen.
1.5 Die Textglicderung
Das folgende Schema soU die Verkettung der drei Schritte zur Textglicderuog veranschaulichen.
1,1-3 Einführung 1,4-8 Brieferöffnuog 1,9-22,5 Briefcorpus 1,9-11
Einslieg in die Visionenweh
1,10 VOll Patmos in die Welt der Visionen 1.12 4.1
Ein Wesen wie ein Menschensohn und die sieben Briefe an die Gemeinden Der Thron im Himmel
4.2 Durch die Tür hinauf ZUIII Himmel 5.1
5,2 5,6 5.11 6,1 6,2 6,5 6,8 6,9 6.12 7.1
7.2 7.9 8,2 8.13 9.1 10,1
Ein Buch mil sieben Siegeln Suche nach jemandem, um die Siegel zu lösen Das Lamm Lobpreis des Lammes Das ersle Siegel wird geöffnel Das weisse und das rOle Pferd Das schwarze Pferd Das grUne Pferd Die Seelen der Geschlachlelen Ein grosses Erdbeben Vier Engel an den vier Enden der Erde 144000 Siegellräger Eine schreiende Menschenmenge Sieben Engel mil sieben Posaunen Ankündigung der lelZen drei Posaunen durch den Adler Wesen aus dem Abgrund Ein gewalliger Engel mil einem Büchlein Versiegelung der BOlschafl der sieben Donner
27 Die Kap. 1~12 werden in der vorlieseoden UnlerSUChUDS nicht mehr betnchtet. wliRnd Offb 21.22 eiseheRd untersucht werden. Dazu s. U 8.4.1 und U 9.2.2.
Auswahl der Texte
13,1 13,11 14,1 14,6 14,14 15,1 15,2 15,5 16,13
Johannes verschlingt das Büchlein Johannes misst den Tempel Gones Die zwei Zeugen Die siebte Posaune wird geblasen Die Lade des Bundes Die Himmelsfrau Ein feuerroter Drache Ein Tier aus dem Meer Ein zweites Tier aus der Erde Das Lamm und die 144000 auf dem Zion Ankündigung des Uneils und des Falles Babyions Eine weisse Wolke mit dem Wesen wie ein Menschensohn Die sieben letzten Plagen Die Besieger des Tieres Sieben Engel mit den sieben Schalen Drei unreine Geister wie Frösche
17,1-3
Vom Himmel in die Wüste
17,3 17,6
Die Hure Babyion Die vom Blut der Heiligen betrunkene Frau Der Fall Babyions Das weisse pferd Einladung aller Vögel zum Fressen von Menschen- und pferdefleisch Krieg zwischen dem Tier und dem Reitenden mit den entsprechenden Heeren Fesselung des Vernichtenden im Abgrund Throne und Gericht Ein grosser, weisser Thron Gericht über die Toten Ein neuer Himmel und eine neue Erde Jerusalem
18,1
19,11 19,17 19,19 20,1 20,4 20,11 20,12 21,1 21,2-
21,9f
Von der Wüste auf einen grossen, hohen Berg
-22,5 22,6-21
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Jerusalem
Briefschluss
1.6 Charakterisierung der Hauptgestalten Aufgrund der vorgelegten Gliederung des Werkes können nun einzelne Visionen abgegrenzt und ausgewählt werden. Damit die exemplarische Auslegung der ausgewählten Perikopen einen Einblick in die gesamte Apokalypse gewährleisten
42
Ausgewählte Visionen
kann. soll das Vorkommen von je einer Hauptgestalt21 des Werkes für die Wahl der Visionen massgebend sein. Beim Versuch. alle erwähnten Gestalten und Figuren aufzulisteD. fallt auf. dass viele unter ihnen sehr ähnlich gekennzeichnet werden oder gleiche Handlungen vollziehen. Aufgrund dieser Parallelen ist es möglich. die verschiedenen Akteure in wenige Kategorien von Gestalten einzuordnen. 29 Dabei wird bereits klar. dass die Hauptfiguren der Apokalypse in starter Opposition. als Bilder und Gegenbilder. dargestellt werden. Die Kontraste können auf ein dualistisches Schema reduziert werden: Als positiv werden alle Figuren gekennzeichnet, die auf der Seite Gottes stehen; ihnen stehen alle Akteure. die mit dem Satan verbunden sind. als negativ und zerstörerisch gegenüber. Wie die Opposition zwischen den Gestalten genau aufgebaut ist. welche Bedeutung ihr verliehen wird. welche Entwicklungen sie innerhalb der Erzählung durchmachen. wird sich im Laufe der Analyse der ausgewählten Visionen herausstellen. Vorläufig halten wir uns an folgende Kategorien der Gestalten:
Zu den positiven Figuren gehören;30 a)Gon Oft wird Gott als Sitzender auf einem Thron (4.3) dargestellt. b) Christologische Gestalten Christus tritt als Menschensohn (1.13). als Lamm (5.6). als Sohn (12.5). als Reiter auf einem weissen Pferd (19.11) auf. c) Einmal vorkommende Gestalten ll
Zu dieser Gruppe werden die zwei Zeugen in Offb 11. die Himmelsfrau in Offb 12 und Jerusalern als Braut (19.1) und Stadt (Offb 21122) gezählt.
2. Der AnS81z fllt eine Apokalypscnanalysc aufgrund der Gcslahen und ihrer Funktionen wild in CalloudlDclonnelDuplantier. LeDiv 95. 351-381 vorgeslelh. 2' Sowohl die Auflislung als auch die Einordnung verslehen sich eher als Versuche und heanspnIChen auf keinen Fall Vollslindigkeil. Die EinordunS einer Figur zu einer hcslimmlen Gruppe geschieht enlWCdcr aufgrund einer expliziten Nennuns oder einer vom Kontext ennöslichten Identifikalion. '0 Es iSI hier nicht möSlich. die Gesamlhcit dor Fisuren und Bczcichnunscn dor verschiedenen Geslalten saml ihrer BcIcSC aufzulisten. Pro Gcslalt wild immer nur auf eine SleUe tunsewiesen. ) I Die Definition wurde von dor erwähnten Arbeit von CalloudIDclorrnclDuplantier über-
nommen: _Plusieurs personnq:es. par conue. n'apparaissent qu' une rois. leur rOlc ne comportc pas dc suite apparente. (S.352).
Auswahl der Texte d)
43
Goll treue Wesen und Menschen, die immer wieder vorkommen
Zu den unzähligen Stimmen und Engeln, welche die gesamte Inszenierung beleben, konunen hinzu: die 24 Ältesten (4,4), die vier Lebewesen (4,6), die Seelen der Geschlachteten (6,9), die 144'000 Siegelträger, die weiss bekleidete Menschenschar (7,9), die Nachkommenschaft der Hinunelsfrau ( 12,17), die im Herrn Getöteten (14,13), die Heiligen (20,6). Zu den letzteren gehören auch die Adressaten der Apokalypse in den Gemeinden. Auch Johannes, der Seher, erscheint als Mensch, der Gott lreu ist.
Zu den negativen Gestalten gehören: e) SaJanische Gestalten
Der Teufel (2,10), der Engel des Abgrundes, der Vemichter (9,11), der feuerrote Drache (12,3), der Satan und die alte Schlange (20,2) sind alle Erscheinung der vernichtenden Kraft.
oDie Tiere Das erste und das zweite Tier ( 13) und das Tier in 17,3 weisen viele gemeinsame Eigenschaften auf.
Einmal vorlcommnuk Geslallen Die vier Reiter (6)32, die Heuschrecken, Skorpione, Pferde und die gefesselten
g)
Engel am Euphrat (9), der falsche Prophet (16,3), Babyion als Hure (17,1) und als Stadt (18). h) Den satanischen Gesmlten /reue Wesen und Menschen, die immer wieder vorkommen Die Engel des Drachens (12,8), die ganze Erde (13,3), die Bewohner der Erde, deren Name nicht im Buch des Lammes steht (17,8), sieben Könige (17,10),
Feige, Unglaubwürdige, Abscheuliche, Mörder, Unzüchtige, Zauberer, Götzendiener und alle Lügner (21,8).
Zu diesen acht Kategorien von Gestalten kommt eine weitere hinzu, in der personifIZierte Elemente gruppien sind. Es handelt sich zum Beispiel um das Meer (20,13), die Erde (12,16) und den Hades (6,8). Je nach Kontext können diese Elemente eine positive oder negative Funktion übernehmen. Johannes übernimmt eine vielfliltige Rolle. Als Gestalt inncrbalb der inszenierung gehön er zu den Menschen, die an Gon festhalten. Als Scher und Schreiber der Apokalypse wurde er bereits in Abschnitt 1.3.2 vorgestellt.
II
Die Bestimmung der Reiter istllusserst schwierig.
44
Ausgewählte Visionen
1.7 Die ausgewählten Texte Die aufgefilhrten Schritte zur Textgliederung und die Untersuchung der Gestalten der Apokalypse sollen zu einer möglichst sinnvollen Auswahl von Texten führen, die etwas über die Entfaltung der gesamten Erzählung sagen. Zur DarstelllDlg Gottes wurde 0fIb 4,1-11 gewählt; zur Schilderung der christologischen Gestalt wurde die erste Vision ausgewählt, in der das Lanun vorkommt (5,6--10); die Menschen, die Gott !reu sind, werden aufgrund von 7,9-8,1 geschilden. Spiegelbildlich werden wir uns mit Offb 9,1-21 als Vision der satanischen Gestalten, 0fIb 13,1-10 als Darstellung des ersten Tieres und der Menschen, die den vernichtenden Kräften !reU sind, beschäftigen. Als Beispiel von einmal vorkommenden Gestalten wurden die personiflZienen Städte auf beiden Seiten gewählt: Die Visionen von Babyion in 0fIb 17,3-18 und von JerusaJem in Offb 21,1-5.
Oflb 4,1-11: Der Thron im Himmel
45
2 Offb 4, 1-11: Der Thron im Himmel Mit Oflb 4.1-11 beginnt die Analyse der ausgewählten Texte. In dieser Vision steht Gott, als sitzende Gestalt auf einem kosmischen Thron, im Mittelpunkt. I Danach sah ich, und siehe, eine Tür war geöffnet im Himmel, und die erste Stimme, die ich gehört hane wie von einer Posaune, die mit mir redete, sagte: «Komm hier herauf, und ich werde dir zeigen, was danach geschehen muss_. 2 Sogleich fand ich mich im Geist, und siehe, ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron sass einer, 3 und der Sitzende war im Aussehen einem Jaspisund Sarderstein gleich, und ein Strahlenkranz war rings um den Thron, im Aussehen einem Smaragd' gleich. 4 Und rings um den Thron sah ich vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen vierundzwanzig Älteste sitzend, umhüllt mit weissen Gewändern, und auf ihren Häuptern goldene Kronen. 5 Und vom Thron gehen Blitze, Stimmen und Donner aus, und sieben Feuerfackeln brennen vor dem Thron - welche die sieben Geister Gottes sind6 und vor dem Thron ist etwas wie ein gläsernes Meer, einem KristalP gleich. Und in der Mine des Throns und rings um den Thron sind vier Wesen voller Augen vorne und hinten. 7 Und das erste Wesen ist einem Löwen gleich, und das zweite Wesen ist einem Kalb gleich, und das dritte Wesen hat das Gesicht wie das eines Menschen, und das vierte Wesen ist einem fliegendem Adler gleich. S Und die vier Wesen, von denen eins wie das andere je sechs Aügel hat, sind ringsherum und innen voller Augen,
, Oder Kristall. S. unten U 2.4.2. Oder Eis. Vgl. unten II 2.6.
2
Ausgewählte Visionen
46
und Tag und Nacht haben sie keine Ruhe und sagen: .Heilig. heilig. heilig der Herr. Gon. der Allmächtige. der war und ist und kommen wird •. 9 Und wenn die Wesen Ehre und Preis und Dank geben werden dem. der auf dem Thron sitzt. dem. der in alle Ewigkeit lebt. 10 werden die vierundzwanzig Ältesten niederfallen vor dem. der auf dem Thron sitzt. und werden den anbeten. der in alle Ewigkeit lebt. und werden ihre Kronen vor dem Thron niederlegen und sagen: II .Würdig bist du. unser Herr und Gott. die Ehre. den Preis und die Kraft zu empfangen. denn du bist es. der alles geschaffen hat. und kraft deines Willens bestand es und wurde es geschaffen». 2.1 Aufbau
Die graphische Gestaltung der Übersetzung deutet bereits eine thematische Unteneilung des Textes an. V.I stellt eine Tür im Himmel und eine Stimme vor. während die übrigen Verse einer Thronvision gewidmet sind. V.2-8a enthalten eine statische Beschreibung, in der alle Gestalten und Elemente der Thronszene in parataktisch verbundenen Sätzen aufgelistet werden. V.8b-11 geben die sich um den Thron abspielenden Handlungen wieder. V.I
die Tür und die Stimme
V.2-11
der Thron V.2-8a
Beschreibung der Elemente V.2f V.4
V.5-7 V.7-8a V.8b-11
der Thron und der Sitzende die 24 Throne und Ältesten der Raum um den Thron die vier Wesen
Beschreibung der Handlungen um den Thron
Mit dem Ausdruck I'nlt TaÜTa ElOOV beginnt das viene Kapitel der Offenbarung. Et8ov, hier absolut verwendetl, eröffnet eine neue Szene. 2.2 Die Tür im Himmel Johannes sieht eine offene Tür im Himmel. Das Offen-Sein der Tür wird mit dem Partizip Perfekt 1)VE4''YI'EV'l ausgedrUckt, das einen Zustand (in diesem Fall das
NIll' Mna
TaOTa .t80. kommt ausser in Oflb 4 noch in 1,1; 15,5; 18.1 vor. Für die JIaIou. dieses Ausdrucks v,l. DeJebecque. Rlbom 88, 461: 0( ... ) le vcrbc voir, ~tant employ~ ab5OIwnenl, • pour rOle d'entretenir I. dune de Ja vision CI d'en annoncer 1'~I~mcnt nouveau».
Oflb 4,1-11: Der Thron im Himmel
47
Offen-Sein) als Ergebnis einer vergangenen Handlung bezeichnet (die Tür ist geöffnet worden).- Das Bild der Tür kommt auch in Offb 3,8 vors. Im Brief an die Gemeinde in Philadelphia wendet sich der Sprechende an seine Adressaten mit den folgenden Worten: Ich kenne deine Werke, siehe ich habe vor dir eine Tür geöffnet (61&.»ca GOU 9Upav ~v"nl"V'lv), die niemand schliessen kann ( ... )
hwmov
Dieser Satz legt die im Perfekt enthaltene Idee deutlich aus: der Zustand des Offen-Seins ist bleibend. Im vorangehenden Vers erfahren wir, wer über die Fähigkeit zu öffnen bzw. schliessen verfilgt: Dies sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids haI, der öffnet, und niemand kann schliessen, der schliesst und niemand kann öffnen. Offb 3,7 stellt die Verbindung zwischen der geöffneten Tür und der sprechenden christologischen Gestalt her.6 Bemerkenswert ist der Gebrauch der zwei substantivierten Partizipien. avotywv und KAEtwV, die neben ä.YlO' und aA 'l91 als christologische Prädikate gebraucht werden. Offb 3,20 bietet eine weitere Einsicht in das Bild der Tür. Die Christusgestalt sagt dem Engel der Gemeinde in Laodizea:
vo.
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich hineingehen und werde mit ihm speisen und er mit mir.
Der zitierte Vers enthält ParalJelen zu Offb 4,1: Vor allem fallt das gleichzeitige Vorkommen des Bildes von der Tür und des Motives des Hörens auf. Interessant sind jedoch auch die Unterschiede zwischen den zwei Texten: In 3,20 soll die Tür vom Hörenden geöffnet werden. Die Möglichkeit, den Klopfenden eintreten zu lassen und einzuladen, liegt bei jedem, der die Stimme hört und aufmacht. Die Tür befindet sich im Himmel. Innerhalb der Johannesoffenbarung hat dieser Raum eine besondere Bedeutung. Der Himmel ist der Herkunftsort des neuen Jerusalem 7, im Himmel befmden sich Gottes Thron 8 und Tempel9; im Himmel erschallen viele Stinunen lO ; grosse Zeichen werden dort vorgefühn ll ; der Krieg , BIIDIR § 318.4. , In der Apokalypse kommt die Tür insgesamt dreimal vor: in 4,1; 3,8 und 3,20. Zum Bild der Tür vgl. auch Joh 10. • An mehreren Stellen ist das Lamm, eine weilere christologische Gestalt, das Subjekt von avoIY": vgl. z.B. S.9: 6,I.3.S.7.9.12; 8.1. 7 Vgl. 3,12; 21,2.10. Dazu siehe II 8.3.1. • Siehe unten, II 2.4.1. • Vgl. 11,19. 10 Vgl. z.B. II,IS; 19,1.
48
Ausgewählte Visionen
zwischen Michael und dem Drachen vollzieht sich im Himmel 12. Die Tür im Himmel steUt das Eingangstor zur Visionenwelt dar. Sie symbolisien den Übergang zwischen der Wirklichkeit, welche die sieben Gemeinden kennzeichnet, und der himmlischen Sphäre. Die Vision der Tür im Himmel in Offb 4 steht nicht allein innerhalb der alttestamentlichen und apokalyptischenIl Literatur. AscJes 6,9 enthält eine unserem Text sehr ähnliche Beschreibung: Und sie gaben Ehre dem, der solch eine Tür zu einer fremden Welt verliehen hat, einem Menschen verliehen hat." Das Motiv der Himmelstür kommt darüber hinaus in Test Levi 5,1 vor: Ka\ I\VOl~' 110' " "YYE>',,> Ta<; mi>.a<; Toil oupavoil.1>
Sehr wahrscheinlich stehen diese Texte samt Offb 4 in der Rezeptionsgeschichte von Ez 1,1. Nach einer Zeit- und onsbestinunung werden Ezechiels Visionen mit folgenden Wonen eingefilhn: Die Himmel öffneten sich, und ich sah die Visionen des Herrn. Auch an anderen SteUen des Neuen Testamentes begegnet man der Vorstellung des sich öffnenden Himmels. Als Beispiel sei die Taufe Jesu erwähnt. '6 Die erwähnten Texte bezeugen eine gewisse Verbreitung der Vorstellung von der Tür als Eingang zum Himmel, zu einem fremden On, zur göttlichen Dimension, im kultureUen Umfeld, aus welchem die Apokalypse stammt. Der Autor integrien diese bekannten Motive in seine Erzählung, und aus der Interaktion zwischen der Geschichte des Bildes und dem neuen Kontext, in welchem es sich befmdet, entstehen neue Querverbindungen und Sinnmöglichkeiten. So ist die Tür auch in Offb 4 der Übergang in die fremde Welt der Visionen. Daliiber hinaus erhält sie innerhalb der Apokalypse einen starken christologischen Bedeutungsgehalt.
Vgl. z.B. 12.1.3. Vgl. 12.7f. 13 Für die Definition von «apokalyptisch» und den Umfang der apokalyplischen Literalur verweise ich auf ColliDs. Apocalyp..: The Morphology 0/ a Gen,. und Lambrecht. Apocalypu johannique. " Übersetzung von A. Schindler (Apokryphen zum AI"n und Neuen TeS/amenl 376). " Die angefiihrten Zitate sind nur Beispiele fiIr das Vorkommen des Motives der Tür im Himmel. Dazu kann man noch äthHen 14.15 nennen. 16 Vgl. Mt 3.16: Mk 1.10: Lk 3.21. und darüber hinaus Apg 7,56 und 10.11. 11
12
Offb 4,1-11: Der Thron im Himmel
49
2.3 Die Stimme Nach der DarsteUung der Tür kommt in V.I eine Stimme vor. Der Text selbst setzt diese mit deljenigen von 1,10 gleich: Es handelt sich um die erste, dem Klang einer erschallenden Posaune äImliche Stimme, die der Seher bereits am Anfang gehön hatte.l1 Die syntaktischen Verkettungen des Satzes sind an dieser SteUe sehr locker; zahlreiche Texrvarianten verstärken diesen Eindruck. Der Nominativ ~ $WVTt ~ np"h'l, der parallel zu 9Upa steht, muss als überraschend empfunden worden sein. Jedoch, wenn die Stimme nicht ausschliesslich als akustisches Phänomen, sondern eher als Gestalt verstanden wirdi', bereitet der Kasus keine Schwierigkeit mehr. Die personiflZiene Stimme fmdet zwischen der Tür und dem Thron ihren Platz als plastisches Element in der gesamten Vision. 19 Das Partizip hEYWV, das als lectio difficilior vorzuziehen ist20, fUhn die Einladung der Stimme ein. Johannes wird aufgeforden, in den Hinunel hinaufzusteigen. Ein Überblick über das Vorkommen von avajla(vw in Oflb fUhn zu aufschlussreichen Beobachtungen. Auffallend ist die Ähnlichkeit zwischen unserem Text und 11,12. Oflb II schilden die Geschichte von zwei Zeugen, die GOIt als Propheten fllr 1260 Tage bevollmächtigt. Danach werden sie vom Tier besiegt und getötet. Dreieinhalb Tage lang werden ihre Leichen auf dem Platz einer grossen Stadt ausgestellt. Nach dieser Zeitspanne geht der Geist des Lebens in sie hinein und belebt sie wieder. Die Erzählung fähn wie folgt weiter: Und sie hönen eine gewallige Stimme vom Himmel her zu ihnen sprechen: ~Kommt herauf•. Und sie sliegen in den Himmel auf in der Wolke und ihre Feinde beobachleten sie. Der Vergleich von 11,12 mit 4,1 zeigt, dass die Aufforderung, in den Hinunel hinaufzusteigen, eine ausserordentliche, von GOI! angebotene Gelegenheit darstellt und Gestalten betrifft, die eine prophetische Funktion ausüben. 21 Offb II enthält viele Anspielungen auf Jesu Passions- und Auferstehungsgeschichte. 22 Vgl. dazu I 4. Die pcßOßiliziene Stimme komml vcrmehn in der Johanncsoffenbarung vor. Dazu vgl. 14 Anm. 71. ,. Die Texlvariante in It hebt die Parallelität zwischen der Tür und der Stimme durch die Wicdcrflolung von 160'; hervor. Zu den vorhouodaocn Variante. zu ~,,~o';a~~ vgl. Anm. 70. 14. '0 Ein weiteres Argument zugunstc. dieser Lesart bietel die Fcsl5tellung, dass ~'Y"'v und ~{YOVT(~ in der Oflb sehr oft anakoluthisc:h verwendet werden. Dazu. BVOIR 1136.4. 11 Vgl. 1I,31Ur die Zeugen und 1.2UUr Johanncs. 11 Die Zeugen werden gelölel (11,7), ihre Leichen werden in der Stadl ausgeslelll, in dcr «auch ihr Herr gekreuzigt wurde. (11.8). In V.19 kommt das Thema des Grabes vor: in V.13 17
18
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Ausgewählte Visionen
Obwohl dieser Aspekt in Offb 4 nicht explizit vorliegt, bin ich der Meinung, dass das Christusereignis für das Verständnis von Offb 4,1 grundlegend is!. Die Tür im Himmel und die Aufforderung, in die Visionenwelt hinaufzusteigen, sind mögliche Veranschaulichungen der Folgen der Geschichte Jesu. Durch ihn wird eine neue Beziehung zwischen Mensch und Gott möglich; das Verhältnis zwischen der Transzendenz und der menschlichen Wirk1ichkeit wurde erschüttert und anders gestalte!. Die Reise des Johannes in den Himmel ist nicht als Entfernung und Entfremdung aus seiner Wirk1ichkeit zu verstehen: Die Einsicht in die fremde Visionenweit bringt dem Seher und den Lesern seiner Schrift eine neue Einsicht in dieselbe Wirklichkeit. Im letzten Teil von 4,1 wird der Zweck des Einganges in den Himmel erklärt. Die Stimme verspricht zu zeigen, «was geschehen muss danach». Diese Formulierung kommt leicht variiert dreimal im ganzen Werk vor.2l&(~w heisst wörtlich «sehen lassen, vor Augen bringen».24 Objekt von &~w ist &1 YEVE09ot. Offb 1,1-22' belegt, dass &!I. YEvlo9at den Inhalt der Apokalypse umschreibt. Zu diesem Schluss kommt man beim Versuch, die Bedeutung von Ci &1 YEVEo9at textintern zu bestimmen. Die Verwendung von &1 lässt jedoch die Frage nach einem breiteren Bedeutungshorizonl zu. ~Et «drückt den Charakter der Notwendigkeit und des Müssens aus, den ein Geschehen hat. Im Begriff selbst ist die Instanz nicht genannt, die einem Geschehen diesen Charakter gib!. Daher erhält es seine präzise Bedeutung jeweils in Verbindung mit der Macht. die hinter der jeweiligen Notwendigkeit steht».26 Oft übernimmt dieses Verb eine eschatologische Bedeutung.2' "A &!I. YEVE09at setzt sornit den Verlauf der Pläne Gottes, welche auf die eschatologische Vollendung hinzielen, voraus. Auch die Zeitbestimmung I'ETa TOOTO bereitet einige Interpretationsschwierigkeiten. Das Demonstrativpronomen TOOTO weist auf schon Genanntes. 28 METa mOTO kann somit entweder mit «nach dem eben ErzähJten», nach dem Inhalt der
a
a
das Erdbeben (dazu vgl. die malthäische Fassung. MI 27.51). Inleressanl sind die Parallelen und die Asymmetrien zwischen Ollb 11 und der Passions· und Auferslehungsgeschichle. Auf eine Analyse die... Vergleiches muss ich innerhalb der vorliegenden Unlersuchung verzichlen. 23 Offb 1.1: 'AnOKQXul.lJlS 'l'lO'OO XPlOTOU ilv l6wKEV auTl.~ 0 8EOS' BEteOl TolS' 60UAOlS' aUToiJ cl 6Et YEVE0801. ELI TaXEt. orfb 22.6: Kat 6 KUPlOS' 0 8EOS' TWV nVEUllclTWV TWV npo4>'lTf,~V
YElIla8o.l
EV
dnloTUAEV TOV ayyd..ov aUTolJ 6Eteo\ TotS' 60U).OlS' aUTou TCi'XEl.
Ö.
6ü
,. Vgl. Bauer. WIJrt,rbuch 342f. "·AnoK
Offb 4,1-11: Der Thron im Himmel
51
vorangehenden KapiteJ29 oder mit «nach den Ereignissen, die wir jetzt erlebt haben», den historischen Gegebenheiten, in denen die Offenbarung entstanden ist, übersetzt werden. In Offb 4,2-11 erlebt der Seher eine Thronvision. Im ersten Teil dieser Szene werden verschiedene Gegenstände und Gestalten statisch dargestellt. Erst ab V.Sb wird der Leser zu den Handlungen rund um den Thron zugelassen. Wir wenden uns nun den beschreibenden Versen 2--8a zu.
2.4 Der Thron und der Sitzende Eu9€wS' eYEvOIITlV Ev llVEUIIQn signalisiert einen Raumwechsel und bestätigt, dass Johannes tatsächlich in den Hinunel hinaufgestiegen ist. 30 Da erscheint ihm der Thron.
2.4.1 Der Thron Das Wort apovoS' kommt in Offb 4 14ma1 vor (I2ma1 im Singular und zweimal im Plural). Die häufigen Belege des gleichen Wortes unterstreichen die Wichtigkeit des Thrones, dessen Anwesenheit alles, was vorkommt und geschieht, bestimmt und charakterisiert. Die folgende Auflisrung trägt alle Belege von apovoS' in Offb 4 zusammen)' 4,2
8povo, ln! TI,. 8pOvov
4,3
KVKA08
TOU
8pOvou
4,4
KVKA08
TOU
8pOvou
4,5
€K TOO 9"ovou
4,6
'v";mov Ev plo"l
lvwrnov Toil 9p6vou
KUc.\"1
4,9
in!
4,\0
Enl
29
TQ
8pOvou 8pOvou Ka\ 8pOvou
TOU TOO
TOU
8pOv4'
TOO 8pOvou fVW11l0V TOO 9"ovou
Diese Bedeutung übernimmt meiner Meinung nach das erste Vorkommen von
TQll'Ta in 4,1. 30 31
Vgl. Anm. 60, 1.3.3 und n 1.3. Die Idee der Auflistung habe ich von Vanni, S,runura 185 übernommen.
I.lE TC!
Ausgewählte Visionen
52
Vanni betont zu Recht die hohe literarische Qua1itäl dieser Perikope. 32 Vor allem flillt der gepflegte Einsatz der Präpositionen auf. Das Beharren auf den gleichen Präpositionen)) wird durch einen gezielten Gebrauch der variatio 34 aufgelocken. Der Raum, in dem sich die Vision abspielt, wird vom Thron ausgehend konstituien: Im Verlauf der Erzählung erfährt der Leser, was sich im, auf, rundum und vor dem Thron befmdet. Zur Bedeutung von 9povoS" kann man folgendes feststellen.)5 Die in der Oftb vorkommenden Throne gehören besonders mächtigen Figuren: entweder Gott 36 , Christus und christologischen Gestalten 37 und den Ältesten). oder Satan)9 und dem Tier:.oo Wer auf dem Thron sitzt, herrscht und übt Macht aus. Offb 4.2 berichtet von einem Thron. der im Himmel steht. Der Autor insistien auf der Onsbestimmung Ev T<ji oupav<ji und wiederholt sie in 4.2. obwohl es aus V.I schon klar sein sollte. dass sich die Szene im Himmel ereignet. Dieser Thron im Himmel steht wie ein unbeweglicher Punkt als Zeichen der Macht in der Mine der Vision. Von daher wird die Erzählung entfaltet und immer wieder zu diesem Zentrum zurUckgefilhn. 2.4.2 Der Sitzende
In V.2 steht die Gestalt des Sitzenden im Mittelpunkt. Erstaunlicherweise wird hier die Hauptgestalt der Offenbarung mit dem unbestimmten substantivienen Partizip Praesens Ka91l1'EvQS" in die Vision eingefilhn. Diese Verbform übernimmt in unserer Perikope eine wichtige Stellung. da sie vierrnal 4 ' und immer als Gonesbezeichnung42 vorkommt. K&9I)l'm heisst grundsätzlich «sitzen. sich setzen. niedersetzen».') In Verbindung mit dem Thron wird dieses Won zum Ausdruck besonderer Machtausübung und Herrschaft. Offb 18.7 wird diese Idee pointien veranschaulicht: Babyion denkt über seine Stellung als mächtige Herrscherin nach und druckt diesen Gedanken mit der Wendung Ka91)I'OI ßOOlAlOOO aus. l2 VII. S,,,IIIII'" 184-186. II KUK>..68EII (zweimal) und Kud.~: 4:V Jl4a~; EVWnlOV (dreimal); Eni (dreimal); EK. " 'Eni kommt jedes Mal mit einem anderen Kasus vor, behält jCdoch immer die Ileiche Bodeutunl. Dazu Vanni, S''''I111''' 185. " Für BpOvOS' libtes im lanzen NT 62 BeIeIe; davon stehen 47 in der Apokalypse. ,. VII. z.B. 22,1. " VII. z.B. 3,21; 5.6. Ja VII. Z B. 4,4. )9 VII. z.B. 2,13 . .. VII. z.B. 16,10. Oflb 4,2.3.9.10. 42 In der Oflb wird Gon oft als b KQBq~(Vo~ • nl TOi! Bpovoi! bzw. Enl T.;! Bpov.;! umschrieben. Vgl. ausser Kap. 4 Oflb 5.1.7.13; 6,16; 7.10.15; 19.4; 20,11 (ltier sIeht ein Pronomen an der Slene von TOi! Bpavoi!); 21.5. 4l VII. Schneider. ThWNT m 444ff; in diesem Sinne kann dieses Verb mit der Bedeutung -seinen Sitz haben, sich aufhalten. sich befUlden, wohnen. vorkommen. In Oflb 14,6 waden die Menschen als TOUs- KQBq~{vou~ En\ T~~ y~~ bezeichnet.
4'
Offb 4,1-11: Der Thron im Himmel
53
In der ersten Hälfte von V.3 wird der Sitzende auf dem Thron geschildert. Der Seher vergleicht das Aussehen der mächtigen Gestalt mit zwei Edelsteinen: dem Jaspis und dem Sarder. Für uns, die heutigen Leser der Apokalypse, ist das Entsprechungsverhältnis dieses Vergleiches nicht evident. Jaspis ist ein undurchsichtiger, schwerer Stein, der in verschiedenen Farhen vorkommt<". In der Antike waren eine rot-braune, eine gelbliche und eine seltenere grüne Jaspissorte bekannt. 45 Der rotbraune, trüb durchscheinende Sarder gehört zur Gruppe der Chalcedonsteine. In der Antike wurden die Edelsteine nach Farbe, Glanz und Herkunft betrachtet und eingestuft. 46 Im Versuch, die Bedeutung des Vergleiches von V.3 zu rekonstruieren, stützen wir uns auf diese drei Bestimmungskriterien. Die Kombination von Jaspis und Sarder lässt an eine intensive rot-braune Farbe denken. Rot spielt in der Apokalypse eine wichtige Rolle. Das entsprechende Vokabular ist sehr präzis und differenziert. Verschiedene Bezeichnungen drtIcken mehrere Rotnuancen aus: rot, feuerrot, purpurrot, scharlachrot usw. 47 In diesem Kontext muss man wahrscheinlich auch an rote Elemente wie Feuer und Blut denken, die in der Offb auffallend oft vorkommen." Der Quervergleich zwischen den Stellen, in denen «rot» vorkommt, lässt eine deutliche Verbindung zwischen dieser Farhe und dem Machtbegriff erkennen. Wiederum stellt man fest, dass diese chromatische Machtsymbolik sowohl in bezug auf Gott als auch auf das Böse vorliegt. Im Glanz kontrastieren die erwähnten Edelsteine stark: Neben der ausgesprochen harten Glanzlosigkeit des Jaspis erscheint der Sarder als durchscheinend und leicht leuchtend. Was diese kontrastierenden Eigenschaften zweier Edelsteine über das Aussehen Gones zu sagen vermögen, bleibt offen. Vielleicht wiU dieser Vgl. Schumann, Edelsteine 146. " Dazu vgl. Hermann, RAe IV S06ff und My,"s, EB(C) IV 4806; Schille, SNTU 17, 234. Im XXXVß Buch der Naturl lIÜbe und nicht glänzend. Amisos liefen einen dem indischen Jaspis ähnlichen Stein, Kalchodon einen lIÜben. Es ist aber weniger wichtig, die Herkunftsone zu unterscheiden als die Qualitäten. Die beste An ist die, welche etwas vom 44
Purpurrot. die zweite. die etwas von der Rose. die dritte. die etwas vom Smaragdt habt.
4. Schille, SNTU 17,234.
" lluppO, (6,4.12,3), nUptv';, (9,17), K';KKlVO, (17,3.4; 18,12.16). Zur Symbolik der Farben in der Johannesoffenbarung vgl. Vanni, Apacalisse 49ff. 4. lliJp kommt in Offb 26mal vor (in den übrigen neutestamentlichen Te.ten 47mal); Qt~Q 19mal (im übrigen NT 78mal). Die Assoziation von Feuer und Blut mit dem Roten scheint mir aufgrund folgender Te.tbeobachtungen berechtigt zu sein. Aus dem Won niJp stammen die Adjektive nup!>O> und nuptv';" die verschiedene ROlnuancen bezeichnen. Obwohl das Blut in der Offb nirgends als rot charakterisien wird, spielt der Verfasser oft mit chromatischen Kontrasten um das Blut. Als Beispiel dazu vgl. 7,14. Dazu s. auch den E.kurs II in II 4.
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Ausgewählte Visionen
Vergleich die Schwierigkeit. Gott zu erfassen. plastisch vor die Augen der Adressaten bringen. Obwohl der Seher sich vor Gon befindet. kann er nur den Eindruck seines Aussehens wiedergeben. und auch dies nur mit einem schwer fassbaren Bild. 49 Das dritte Kriteriwn für die Wertschälzung eines Edelsteines in der Antike war seine Herkunft. In griechisch-römischer Zeit waren beide genannten Steine in K1einasien vorhanden. 5O Der Name .. Sarde!'». der aus der in Offb 3 genannten Stadt Sardes stanunt". heb! die kleinasiatische Herkunft hervor. Man kann deshalb annehmen. dass diese Edelsteine den Adressaten der Offenbarung wohl bekannt waren. Man kann sich fragen. ob die Herkunft der Steine eine Rolle spielt im Vergleich mit V.3. Vielleicht liegt hier der Akzent auf dem Thema der Kostbarkeit. die in der unmittelbaren Nähe zu finden ist. In Oflb 4 stellt der Vergleich zwischen dem Aussehen Gones und dem Jaspisund Sarderstein den einzigen Versuch dar. Gon zu beschreiben. Der Autor ist diesbezüglich sehr zurUckhaltend: 52 Er beschränkt sich auf die Aussage über das Aussehen und beschreibt metaphorisch nur einige Aspekte. setzt Akzente. Mir scheinen vor allem die Ideen der Kostbarkeit. der Farbe. der Nähe und der Kontrast zwischen Glanz und Opazität die SchlUsseIelemente der Gottesbeschreibung zu sein. Die Erzählung flihn in V.3b mit einem ähnlichen Vergleich fort: Den lbron umgibt ein Strahlenkranz. dessen Aussehen einem weiteren Edelstein gleicht. tPlS' kommt im NT nur noch in Offb 10.1 vor. Es bezeichnet den Regenbogen oder einen Strahlenkranz. 53 Dieser leuchtende Bogen sieht wie ein ..Smaragd.. 49 Zu diesem Thema vgl. Trwnmer. BikUrspracM der Johonn~sapoA:JJJyp.. 288: _In unserem Beispiel [d.h. Ollb 4.31 gewinnt der Stein einen besonderen Wen. wird zum .Edelstein •• deutet lange Suche und eventuell sorgfllltige Bearbeitung an. Jedoch bleibt er hier bildlos (ist also höchstens polien). obwohl sonst auch Gemmen und Kameen daraus verfertigt werden. Metapher risch vermag er. obwohl er Geschaffenes ist und bleibt. etwas von der Qualität einer Gotteshegegnung auszusagen: Der Jaspis ist opak. d.h. er ist undurchsichtig. weil auch Gott nicht durd>schaubar ist ( ... )•. Hennann. RAe. IV S20. " Dazu Plinius Secundus (Naturkunde. XXXVII lOS): _Hingegen ist filr alle diese Anwendungen der Sarder (sanla) geeignet. der einen Teil seines Namens mit dem Sardoni. gemeinsam hat. Er ist ein allbekanter Stein und wurde zuerst zu Sardes gefunden; der am meisten geschälzte kommt jedoch aus der Gegend von Babyion •. Vgl. auch Schumann. Ed~/s"iM 126. '2 Dazu vgl. Giesen. Johonnes-Apo/cQJyp.. S3: ,.Jobannes sieht Gott selbst nicht und kann ihn deshalb auch nicht beschreiben. Was er erkennen kann. ist nur der Lichtglanz von Edelsteinen. die wir im einzelnen nicht genau identifizieren können. ( ... ) Das alles ist kein Zufall: es unterstreicht. dass Gott der ganz anden: ist. der dem Menschen immer ein undurchschaubares Geheimnis bleibt •. Vgl. auch Hurtado. JSNT 2S. 111: -Most studenlS of Revelation recognize !hat. thougt the write(s description of God's throne is very similar to descriptions of it in Jewish apocalyptic literature (e.eep! !hat the author is very reserved about any anthropomorphic imagery such as we sometimes find) ...•. " Bauer. Wllrt~r6l1th 7S2. Rengstorf. ThWNT m 34G-343. ertJiin ausfilhrlich die Verbindung zwischen \p\~ und TO(OV. Schlüsselsteile in diesem Konte.t ist Ez 1.27b.28 (LXX): Kai
'0
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aus. Die Bezeichnung (A(SoS-) 0l10pay6lVOS" ist in der Antike vor allem Ausdruck von hobem GlanzS4 und entspricht nicht der modemen Edelsteinnomenklatur. Es liegen Hinweise vor. nach denen an dieser SteUe eher an einen Bergkristall gedacht werden soll.55 Bei der DarsteUung des Thrones und des Sitzenden hat sich der Autor von schon vorhandenen Motiven inspirieren lassen. In äthHen 14.18ffwird von einer Offb 4 ähnlichen Thronvision berichtet. Test Levi 5 und Asc Mos 4.2 erwähnen das gleiche Motiv. Unter den biblischen Schriften kÖMen exemplarisch Texte wie Ps 11.4; IKön 22.19 genaMt werden; dam kommen die für unsere Thematik sehr wichtigen SteUen Jes 6.1 und Ez 1.26---28. Auch der Einfluss von Dan 7.9 ist evident. 2.5 Vierundzwanzig Throne und Älteste In V.4 wird das Szenar erweiten56 • Rings um den zentralen Thron stehen vierundzwanzig Throne. auf denen vierundzwanzig Gestalten sitzen. Die ParaUelität zur DarsteUung von V.2 ist offenkundig und wird durch die Wiederholung von 9pOvous- und K09'lI1EVOUS- noch verdeutlicht. Wir können somit davon ausgehen. dass die neu eingeftlhrten Gestalten in die Machtsphäre des auf dem Thron Sitzenden gehören. Anders als «der Sitzende" werden die vierundzwanzig Gestalten plastisch und genau geschilden. 57 Die Bedeutung der Zahl vierundzwanzig ist unklar. In den Kommentaren werden unterschiedliche Interpretationen angeboten: Man verweist auf die vierundzwanzig Leviten- und Priesterklassen58 und auf die vierundzwan-
w,
TO +lyyos- a,;'oO (d.h. einer menschenartigen GcsI.aIt. Vgl.V.26) KUKX .... öpaol, TO(OU. öTav ~ h T~ v<.lX~ h ~~lP4 ';
,. Dazu Plinius Sccundus. NOIIUIaurtk xxxvn 66: .Die übrigen Ar1en .von Snungden> werden in Kupfcrgrubcn gefunden. weshalb die laypti.schen unter ihnen den ersten Rang ein· nehmen. Ihre Bcsonderbcit besteht in einer k1.... n. nicht blassen. sondern sanen. feucht wirkenden Farbe. die. wo man sie auch ansicht. die Dwt:hsichligkeit des Meeres nachahmt. so dass .ihr Grün> gleichmässig durchscheint und sehimmen. das heisst die Farbe ausstrahlt und den Blick auf sie zieht •. " Myres. EB(e) IV 4804f behandelt dieses Thema ausfiIhrlieh. Es handelt sich auf jeden Fall nicht um einen echten SIIIII'I8d. da dieser Edelstein in der Antike gar nicht bekannt war. Kraft. OJI~nbtuvng 96. weist in bezug auf 0fIb 4.3 auf Plalon. Phaidon IIOd hin. In bcidcn Texten kommen die gleichen drei Edelsteine vor. Ob diese Triade als Ausdnlck fiIr allerlei Sorten kostbarer Steine verslaJldcn werden soll. Ilisst sich nicht entscheiden. " Intel'CSSlDt ist der Kasuswcchscl in der Aunistung der Visioncnelemente. Bis V.3 stehen die neuen Elemente jeweils im Nominativ; dagegen findet man in V.4 den AkIcusaIiv. Man kann die.. Akkusative als direkte Objekte von .t60v (V.I) auffassen. " Zur textkritischen Schwierigkeit in V.4.4a wegen der crsIaunlichen Form «KOOI Tl 00'pa, (die als Icctio diflicilior gelten soll) vgl. BIDIR t 46.2.b. " Lohmeyer. OJI,nbarvng 44.
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Ausgewählte Visionen
zig Stunden des Tages'·, auf Engelgestalten60, auf verkläne Menschen"l, auf die BUcher des Alten Testamentes oder auf ihre Verfasser6 2, auf Märtyrer63 , auf !reue GläubigeM. Diese Interpretationen gründen auf textexternen Annahmen, die nicht Uberprüfbar sind. Wenn man jedoch vom Text ausgeht, kann man folgendes beobachten. Im NT kommt die Zahl vierundzwanzig nur in Offb und immer im Bezug auf die npEojluTEpol vor."' Vielleicht ermöglicht Offb 21,12.14 eine Interpretation der Zahl. 21,12 erwähnt die zwölf Türen des neuen Jerusalems mit den Namen der zwölf Stämme Israels. In V.14 werden die Grundsteine der Mauer beschrieben, die die Namen der zwölf Apostel des Lammes tragen. Es ist denkbar, dass die Zahl vierundzwanzig die Addition der Stammes- und der Apostelnamen darstellt; somit liesse sich diese Zahl als symbolische Verbindung - um es mit heutigen Worten auszudrücken - des Alten und Neuen Testamentes verstehen.66 Mit npEojluTEpos" bezeichnet die Johannesoffenbarung immer die Gestalten um den Thron Golles. 61 Das Won, eigentlich eine Komparativform von npEoßuS". bezeichnet das hohe Alter eines Menschen. Es enthält das «positive Moment des ehrenvollen Ansehens,,; npEojluTEpos" verbindet das Alter mit dem Rat und der Weisheit." Ein weiterer interessanter Aspekt dieses Wones wird von Spicq hervorgehoben. In hellenistischer Zeit ist der npiojluS" ein Bote, der die Aufgabe hat, Freundschafts- und AllianzbUndnisse zwischen den Städten zu schliessen. 69
,. Roloff, Offtnbarung 68. Offtnbarung 245-241; Giesen. J~s·Apom/yp.. 54; Lohmeyer. Offtnba· rung 44; Roloff. Offtnbarung 61. 61 Prigenl. Apoca/ypst 84. 62 Prigenl, ibid .. nennl die Inlerprelalion von Viclorinus von Pellau, der die 24 Ällesien mil den Büchern des Allen TeSlanlenles b.w. mil ihren Verfassern identifiziene. In diesem KonieXI spiell 4Esr 14,44f eine sehr wichtige Rolle. 6J Kraft, Offtnbarung 96 . .. Corsani, L 'Apoca/isst 65. os Vgl. ausser dieser Stelle noch 4,10; 5,8; 11,16; 19,4: Das identische Vorkommen dor Zahl 24 verhindert die Enldcckung einer möglichen BedeUlUßg dieser Zahl . .. Dazu vgl. Offb 21,12.14 und 118.4.3 Vanni fassl die np(a~UTo auf, die von den Lesern jeweils mil venrauten Gesichtern und Namen aus dem Allen oda" Neuen Testamenl gerulll werden können; er weist auf die Abwesenheil der Ältesten im neuen Jerusalem hin (ApocaJisst, 111, Übersetzung aus dem Italienischen): .Di.. belonl ihre Funklion. welche, wie im Fall der Lebewesen, ersl in der Enlfallung dor Heilsgeschichte bis zu ihrer Vollendung ertdlIn wird und darauf hinweist, dass sie keine bereits bestimmlen Gestalien ( ... l, sondern eher lilCrarische Schemata von Gestalten (schemi Ienerari di pmonaggi) sind. Diese Schemata sind : Die Gruppe der Zuhöret, aktive Protagonislen der apokalyptischen Erfahrung. muss sie mil bekannlen und inspirierenden Gestalten und Namen füllen, die sowohl aus dem Allen als auch aus dem Neuen Teslanlenl stammen können>. 67 Insgesami komml np
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Die weitere Beschreibung der vierundzwanzig Figuren konzentrien sich auf deren Bekleidung: Sie sind von weissen Gewändern umhüllt und tragen goldene Kronen. Die Verwendung von TlEp\.ßEßATU1€VOS' in der Offb und im ganzen NT lässt erkennen, dass die Anweisung über die Bekleidung eine wichtigere Aussage enthält als die blosse Information über das Aussehen. Das Partizip Perfekt TlE PlßEßATU1€VOS' kommt 12ma1 in Offb vor, um die Kleider von zentralen Gestalten zu beschreiben. Eine SteUe wie z.B.II,3 hebt eine Beziehung zwischen der Bekleidung und der Funktion einer Gestalt hervor. Die aus Säcken gewonnene Bekleidung der zwei Zeugen drückt im voraus die Dramatik und Traurigkeit ihres Auftrages aus. 70 Die weissen Gewänder symbolisieren die Zugehörigkeit zu Christus. In der Apokalypse ist Weiss die Farbe der mit Gott verbundenen Gestalten71 • Auf die metaphorische Bedeutung der weissen Bekleidung wird vor aUem innerhalb der sieben Briefe hingewiesen. Im Schreiben an die Gemeinde in Sardes steht das Thema der Werke im Mittelpunkt. Die Gemeinde hat den Ruf, lebendig zu sein, wird aber vom Verfasser des Briefes als tOl bezeichnet,weil ihre Werke vor Gott nicht vollkommen sind. In dieser Rede wird das Thema der weissen Gewänder so aufgenommen: Du hast aber wenige Namen in Sardes, die ihre Gewänder nicht befleckt haben, und sie werden mit mir in weissen (Gewändern) wandeln, weil sie würdig sind. Wer siegt, wird so mit weissen Gewändern bekleidet werden (... )."
Die Leute, welche ihre weissen Gewänder nicht befleckt oder gar verloren haben 7J, werden in der Gemeinschaft mit Christus bleiben. Der Brief nach Sardes lässt eine Beziehung zwischen den Werken und den weissen Gewändern erkennen. 19,8 nimmt das gleiche Thema mit anderer Wonwahl wieder auf und identifizien die gerechten Werke mit den weissen Kleidern:
70 Weilere SIelIen, die diese Beziehung hervorheben, sind: 10,1; 12,1; 17,4; 18,16; 19,8. 7J AEUKO, heissl leuchlend, glänzend, schimmemd. Das gleiche Adjektiv bezeichnei ver· schiedene Weissabstufungen. etwa von Grau bis zum eigentlichen Wciss. Die zwei Bedeutungen stehen allerdings in enger Beziehung zueinander. Dazu: Michaelis, ThWNT [V 247ff; Bauer, Wörterbuch 933f; Vanni, Apocalisse 51. [n der Apokalypse kommt AEuKo, insgesamt 15mal vor; vgl. z.B. 1,14; 6,2; 19.14; 20,11. " Oflb 3,4f. 7J Dazu 3,18 und 16,15. 74 [n 19,8 wird das ~uaa\Vov (eigentlich eine sehr feine Sone von Leinwand) als Aa~npov und Ka8apov gekennzeichnet. Diese [nsislenz auf dem leuchlendcn Effekt und der Reinheit des Byssos erlaubt durchaus seine Gleichsetzung mit den I ~cl Tla AE uKcl. An dieser Stelle möchle ich Mk 16,5 ( und Mt 28,3) erwähnen: Die weissc Bekleidung wird in diesen Texten mit dem Auferstandenen verhunden. Leider kann ich im Verlauf dieser Arbeit die thematische Verwandtschaft zwischen diesen Evangelienpcrikopcn und der Offenbarung nicht näher betrachten.
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l:TEavOS" kommt in Offb achtmal vor. An einigen Stellen ist on€avoS" ein Attribut einer mächtigen Gestalt: In 6,2 steht dieses Won als Zeichen flir den Sieger und dessen Sieg; in 12,1 trägt die Himmelsfrau eine Krone aus zwölf Sternen; in 14,14 ist oTEavOS" ein weiteres Attribut einer christologischen Gestalt. In 2,10 stellt die Krone ein Lebensversprechen dar, das als Belohnung filr die Treue verstanden wird; auch 3,10 stellt die Krone als Zeichen der Treue dar. n Die Kronen der Ältesten sind aus Gold. Dieses kostbare Material ttiffi man oft in der Offb76 , stets ist es Zeichen von Reichtum und Kostbarkeit n . Zusammenfassend muss man zwei Aspekte hervorheben. Einerseits tragen die Ältesten die Züge mächtiger Gestalten, die auf der Seite GOlles stehen; andererseits werden sie mit den Attributen der Sieger geschilden: Das weisse Kleid, die goldene Krone und die Nähe zu Gottes Thron kennzeichnen auf unverkennbare Weise diese Stellung. 71
2.6 Der Raum um den Thron In V.Sf steht der Raum um den Thron im Mittelpunkt. 'EKTlOpEUOVTal, die erste finite Verbform seit V.2, filhrt zum ersten MaI eine Handlung in die Thronszene ein. Der überraschende Wechsel zum Präsens drUckt den dauerhaften Charakter der Handlung aus und verleiht der Vision einen Gegenwansaspekt. Dadurch steht dem Leser die beschriebene Szene direkt vor Augen. Darüber hinaus könnte der präsentische Zeitaspekt darauf hinweisen, dass die beschriebenen Handlungen sich in der Gegenwan vollziehen. Aus dem Bereich des Thrones kommen Blitze, Stimmen und Donner heraus. Diese Dreiergruppe kommt in der Offenbarung mit einigen Änderungen insgesamt vierrnaI vor: 4,5
8,5
Ka\ 'ylvoVTO fJpoVTal Kai ~wval Kai aUTpana\ KaI OEIOl1o,.
'0,
75 Nur in 9,7 komml o,l.av", als Kennzeichen vernichlender Gestalten vor: Kat ,QS' a,hwv hw" ch:p(&,w) wS' oT,+avol ( ) Die Verwendung von wS' ist in diesem Kontell sehr inleressanl. Dazu vgl. U.5.2.4. 1. Xpuo<", iSI 15mal belegt, Xpuo(ov fUnfmal und Xpu06, viermal. 11 Dazu vgl. als Beispiel 18,11>-17, wo neben dem Gold andere koslbaren Malerialien auf· gezähll waden. V.Il-13 enlhallen einen senaucrm Kalalog der wenvollslen Waren. die die HIndJer in Babylon, vor seiner Zerstörung. verkauflCn. 11 Als ArJwnenl zugunsten dieser InlCrpreWion dienen die schon erwihnlen Verse 3.5.10 und vor allem 3.21: '0 VIKWV 8';0", aVT.;! Ka8(oal 11"'<1100
w,
59
Offb 4,1-11: Der Thron im Himmel 11,19
Kat
~wvai
Kai ßpoVTal KaI.
OHO~o,
KaI.
x
16,18
Ka\ yij TllX'KOilTOS" OHO~o, OÜTW ~'yaS".
Der Vergleich dieser vier Stellen macht eine Steigerung in der Verwendung der Dreiergruppe aOTpaflal Kai ",,,,val Kai ßpoV'Tai deutlich. Die Kontexte, in denen sich die zitierten Ausdrücke jeweils befinden, erklären die vorhandene Verstärkung. Ausser in 4,5 steht die erweiterte Dreiergruppe in Verbindung rnit dem zerstöreriscben Eingreifen Gones in die menschlicbe Wirklichkeit: 16,18 kündigt die endgültige Zerstörung rnit einer Formulierung an, welche nicht nur Babyion, sondern auch das Vorstellungsvermögen der Leser dem Boden gleich macht. 8,5 steht unmittelbar vor den Reiben der sieben Posaunen, welcbe das Eintreten grossen Leids und von Plagen auf Erden ankündigen. In 11,18 wird die Verbindung zwiscben der vernichtenden Macht Gottes und Offb 4 erklärt. In einem Preislied der vierundzwanzig Ältesten zu Gott, dem Herrscher, kann man don folgendes lesen: Die Völker wurden zornig, und dein Zorn kam, und die Zeit, die Toten zu richten und den Lohn deinen Knechten, den Propheten und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen und den Grossen zu geben, und jene zu verderben, die die Erde verderben. Dem Lohn für die Treuen Gones entspricht die Vernichtung deIjenigen, die die Erde vernichten. Aufgrund dieser Beobachtungen schlage ich vor, die Gruppe aOTpaflal Kai "'",val Kai ßpoV'Tai in Offb 4 als Veranschaulichung der Macht Gones über die Welt zu versteben. Auf diese Weise integrien Johannes das alte Motiv der Theophanie, welche von Blitzen, Feuer und Erdbeben begleitet ist. Als Vorbilder dazu sind Ex 19,16, Ps 77,19, Dan 7,9, Ez 1,13, Jub 2,2 und äthHen 14,9 zu nennen. Vor dem Thron brennen sieben Feuerfackeln. Diese neuen Elemente werden rnit einer panizipialen Konstruktion im Norninativ in die Vision eingeführt. Aa"flQ, bezeichnet die Fackel als Lichtquelle: Die Genitivergänzung flUPO, und das Panizip Präsens Ka,o~EVal beben die Idee des Feuers und des aus der Fackel strahlenden Lichtes hervor. Auf die Frage, was die sieben Fackeln bedeuten, gibt der Text selber Antwon. Die Feuerfackeln sind die Geister Gottes. Die Formel ä "olv 79 , die die Verbindung zwischen den Fackeln und den Geistern Gottes 7. Zum Kongruenzroblem von Ii ElolV vgl. BIDIR § t 32.2.
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herstellt, übernimmt eine äusserst wichtige Funktion, weil sie bestätigt, dass hinter den verwendeten Bildern eine andere Bedeutung steckt. Durch sie wird der Leser aufgefordert, die sieben Leuchter als Bild für die Geister zu verstehen. Die sieben Geister Gottes konunen an dieser Stelle bereits zum drillen Mal innerhalb der Apokalypse vor. In 1,4 werden sie zwischen Goll und Jesus Christus, in 3, I parallel zu «den sieben Sternen .. genannt. Der erste Beleg legt eine pneumatologische Interpretation der sieben Geister nahelO • 3, I stellt eine rur 4,6 interessante Verbindung zwischen den Geistern und einem starken, brennenden Licht her. BI Die Metaphorik des brennenden Lichtes fUr die sieben Geister Gones ist nicht erstaunlich; unminelbar vorher wurden Blitze als Zeichen der MacIU Gottes erwähnt.'2 Die Zahl sieben drückt hier, wie allgemein in der Apokalypse, die Ganzheit aus. l ! Die sieben Geister stellen sornit den Geist Golles in seiner Fülle dar. 84 Auch fl.lr die Vorstellung der Feuerfackeln hat sich der Autor bekannter Motive bedient." In der LXX enthalten Gen 15,17 und Ez 1,13 das Fackelmotiv mit der gleichen Begrifflichkeit. Dan 7,9 steht unserem Text sehr nahe, während Sach 4 eine sachliche Parallele zu Offb 4,5b bietet. 86 10 Vgl. Moriconi. Lo Spirilo 3 t (Übcrsettung aus dem halienischen) .Die Siellung unmil' telbar nach Gon dem Vater und vor J..us Christus liefen ein weiteres Argument zugußSten .... pneumatologischen Interpretation>. Vgl. auch Bauckham, Evangelical Quancrly 52. 66-83: .The Scven Spirits arc 1hc thitd and last C8tegory ofreferene.. to 1hc Spirit in Revelation (. .. ). The question of 1hcir identity - angels or 1hc Holy Spirit? - has bcen much discusscd. On balance it sccms propable1hat1hcy arc symbolic of1hc Spirit ofOod>. Zu dieser Thematik vgl. auch Kraft. Ojfenbanurg 32. 11 In 3.t kommen sieben Sterne (daT{pa~) vor. Die Beziehung zwischen dOT~P und ~a~",i~ wird durch 8.10 geslOtzt: An dieser Stelle wir ein grosscr. brennender Stern mit einer Fackel verglichen. " Zur zentralen Bedeutung der Beziehung Gones zum licht oder verschiedenen lichtqucllen vgl. 21.23 und 22.5. Dazu s. 11 8.4.2 und IIS.4.1. I) Rengstorf. ThWNT 11 62Sff und Vanni. Apocali.sse 53 (Übcrsettung aus dem Italienischen): .Die Zahl 7 bezeichnet bereits im a1nestamcntlichen Umfeld Vollständigkeil und Ganzheit: Der Verfasser der Offenbarung ühcmimmt diese Bedeutung aus seinem kulturellen Umfeld und belrllCh1C1 sie als selbstventlindlich. Die qualitative Msung der Bedeutung geht nicht auf ihn zurück. Auf ihn seht hingegen die Verwendung der Zahl sowohl auf der expliziten Ebene die 7 Gemeinden. die 7 Siegel. die 7 Posaunen. die 7 Schalen usw. - als auch auf der Ebene der literarischen SlnIktur. in den Aufzählungen von sieben Elementen. zurück. In beiden Fallen möchte der Verfasser uns eine An von Oanzheit zeigen. welche ent der Konte .. bestimmt und klärt>. U Dazu s. Schweizer. ThWNT VI 449. den .• Die siebe. Geister i. der Apokalypse und Oe Smidt. Neotes!. 2S. 241. "' In syrBarApk 21.6 liegt ein lhnliches Bild vor. "' In Sach 4 (LXX) sicht der Prophet einen goldenen leuchter (~uxv(a) mit sieben Lampen (~UXVOI). Diese Vision diente wahncheiDlich als Vorbild in mehreren Kapiteln der Offenbarung (vgl. z.B. Offb I und vor allem 11). Man kann nicht viel über ihre Beziehung zu Ortb 4 aussa· gen. Zwei Bemerkungen darüber scheinen mir jedoch angebracht. In Sach 4.10 werden die sieben Lampen mit den Augen Gones identifizien. In Ortb 4 stehen die sieben Feuerfackeln für die sie·
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Vor dem Thron befinden sich nicht nur die sieben Feuerfackeln. sondern auch etwas. das mit einem gläsernen Meer verglichen wird. Das Meer wird seinerseits durch einen weiteren Vergleich erläuten. Diese Vergleichskette lässt paradoxerweise die Vision wegen der BilderfülJe unscharf erscheinen. V.6 versucht etwas zu schildern. das vor dem Thron glänzt und Licht widerspiegelt oder als rein und durchsichtig erscheint. Auf diese möglichen Eigenschaften des Beschriebenen kommt man aufgrund der Veranschaulichung durch den Kristall. KpuaTaAAoS" bezeichnet im klassischen Griechisch entweder den Bergkristall oder das Eis 87 • im alttestamentlichen Umfeld eher das Eis BB • Die einzigen Belege dieses Wones im NT finden sich hier und in Offb 22.1. Aus diesem Vers wird deutlich. dass AallTlpOs- der Schlüssel des Vergleiches zwischen dem Meer (4.6) bzw. dem Fluss (22.1) und dem Krista111Eis ist. Wiederum steht der Glanz. das Licht im Mittelpunkt. 89 So wie viele andere Elemente der Thronvision hat das Motiv des Kristall- oder Eismeeres eine lange Geschichte. In unserem Kontext erweist sich die Parallele zu Ez 1.22 als sehr spannend. Aufgrund dieser Stelle kann man annehmen. dass das «etwas wie ein gläsernes Meer» sich auf die Himmelsplane. das Firmament bezieht. In seinem Kommentar zu Ez 1.22 hält Othmar Keel fest: «Die Plane bezeichnet ja die Grenze zwischen der unzugänglichen heiligen Sphäre Gottes und dem Bereich der Schöpfung»90. In einem Rückblick auf V.Sf soll folgendes betont werden: Der den Thron umgebende Raum trägt Züge. welche an die sitzende Gestalt in V.2f erinnern: Glanz. Feuer. Licht. Die brennenden Feuerfackeln und das ~Iäseme. dem Eis oder Kristall gleichende Meer bilden einen starken Kontrast. Nicht nur GOlt ist den Menschen gleichzeitig vertraut und fern. sondern auch der Rahmen. in dem der Sitzende geschilden wird. weist diese Ambivalenz auf. Die Schilderung wird mit der überraschenden Formulierung Kat Ev lila
Wir stellen somit eine ziemlich kompliziene Motivvcrkcuung fest. die sich über cin einzelnes Bild hinauserstm:kt. Die zweite Beobachtung betrifft die An der Erzählungsentfaltung. Sowohl in Sach 4 als auch in 0fIb 4 kommt dasselbe Vorgehen zum Vorschein: Einige Bilder der Vi·
sion werden im Text durch E:tVQl entschlüsselt Bauer. Wärttrbuch 899; My"'s. EB(C) fV 4805. Levesque. DB(V) V. 425. S. dazu Pli· nius Secundus. NaJurIamtJL xxxvn. 23: -Eine der vorbergehendcn entgegengesetzte Ursache
.7
bildet den Kristall: Er wird durch eine heftige Kälte verfestigt; man findet ihn wenigstens nur
dort. wo die winterlichen Schneemassen am meisten starren, und es ist sicher. dass er aus Eis besteht. woher ihm die Griechn den Namen gegeben haben •. •• Zur Bedeutung von KpuoTaHoS" im AT vgl. Kul. Johwt· Visiontn 254f. •• Die Parallelität zwischen 4.5.6 und 22.1 ist auffallend. Der Vergleich mit dem Kristall. das Vorkommen von "nop.uo~al und des Thrones lassen die enge Verwandtschaft dieoer Stellen erkennen. 90 Kul. Jahwt· Visiontn 255.
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die vier Wesen sich entweder in der Mitte des Thrones oder rund um den Thron befmden sollen.91 Versucht man. die zwei Onsbestimmungen zu vereinbaren. dann muss man sich die vier Wesen z.B. als Teil des Thrones denken. so dass sie gleichzeitig sowohl in der Mitte des Thrones als auch rundherum sein können.92 Einen anderen Weg schlägt Kraft vor. Nach ihm kann der Begriff Thron doppeldeutig ausgelegt werden. «Der (Thron. ist einerseits der in der Vision geschaute zentrale Ehrenplatz der gött1ichen Majestät, andererseits ein Ausdruck für den Himmel •.91 Die zwei Raumangaben können somit jeweils auf eine Bedeutung von Thron bezogen werden. Meiner Meinung nach muss man auch die Auflösung des plastischen Bildes in ein Sprachbild als Interpretationsmöglichkeit auffassen: In diesem Fall übersteigen die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten die Grenzen des Darstellbaren. Die Vorstellung. dass die vier Wesen sich in der Mitte und rings um den Thron befinden. bereitet Schwierigkeiten. dennoch ist das nicht unverständlich. Dun:h sie wird die Stellung der Wesen in den Mittelpunkt gerückt. Der Schlussteil von V.6 bietet eine erste Vorstellung dieser merkwürdigen Wesen. Der Vedasser betont. dass sie voller Augen sind. und zwar vorne und hinten.
2.7 Die vier Wesen In der Darstellung der vier Wesen übernimmt der Vedasser der Apokalypse viele Züge aus der ezechielischen Jahwe-Vision. Ez 1.5-11 schilden vier Lebewesen. die wie Menschengestalten aussehen (V.5) und je vier Gesichter und vier Aügel haben. Nach der Darstellung ihrer Beine. Fusssohlen. Hände und Aügel wird ihr Aussehen in V.IO beschrieben: ""'- ollolwo\s-
npoownwv alrrWil' np6awnov d\l9polnou KaI np60wnov Tlooapo1.V Ka\ np6awnov 1l00Xou i;t dplOHpWV TolSnpOawnov dnaO TalS- TlOOap01.V."
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Tlooapo1.V
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Die Lebewesen in Offb sind anders zusammengestellt. Die Menschen-. Löwen-. Stier- und Adlerzüge werden auf je ein Wesen konzentrien. Die tetrarnor91 Charles. RroItl4lion I 118 be_htcl" ~la ... TOU 9povou Kal als Glosse und löst mil dieser Annahme die Schwierigkeil von 4.6. 91 Diese 1bese veMu 1.B. Hall. NTS 36. ~13 .• Wben lohn's imagery is untcrstood aaainst its proper backaround. Ev ~lo ... TaU 9p6vou Kal K1iK~'" TOU 9p6 vou is nol self
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phen Lebewesen in Ez I stehen mit den vier Winden in Verbindung; darüber hinaus sind sie die Träger der Himmelsplane. auf der sich Gones Thron befindet. 95 An dieser Stelle ist die Frage angebracht. ob die vier Wesen von Offb 4.6bff. Symbolik und Funktion ihrer Vorbilder aus dem Ezechielbuch übernehmen. Mein Versuch. etwas mehr über diese Gestalten der Apokalypse zu erfahren. beginnt mit der Feststellung. dass durch die Verteilung der tetramorphen Züge auf vier verschiedene Wesen Gestalten geschaffen werden. die eine eigene Identität besitzen und sich somit voneinander deutlich unterscheiden. obwohl sie viel Gemeinsames haben. Alle vier Gestalten werden 'v genannt. Z
., Dazu Kcel. Johw.-Vision.n 191-250. Über die Symbolik der vier Tiere _ sich Kcel wie folgt: .Die Symbole haben .ich durch die Jahrbunderle und Jahrtausende zählebig behauptet Kein Symbol schmückl die Wappen moderner Slaalen häufiger als der Löwe. Der Adler slehl ihm nur w.nig nach. Parallel.n für Löw•• SIi.r und Adler als Ausdruck slalzen Seibslbewus.... ins. unüberwindlicher Kraft und unbeugsam.n MUles zu samm.ln. filhn ins Uferlo.e. (23S) . .. Bauer. Wö".rbuch 61Sf. " In S.6.8.11.14; 6.6: 1.11: 14.3: IS.1; 19.4 werden die yi.r Lebewesen als Gruppe senannl.ln 6.I.3.S.1; IS.1 handeh .in .inzelnes Wesen all.ine . •• 1.1; 20.8. 991.1. 100 Dazu ygl. Kcel. Johw.- Vision," 246ff und die don angeg.ben. Lileralur. 101 Au...r in Offb 4 komml di .... Won in SoS; 9.8.11; 10.3 und 13.2 vor. 102 Als Beispiel s. 9.11f. 10' Über die Bedeulung der w.issen Farbe und der Kron. ygl. oben U 2.S.
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Ausgewählte Visionen Siehe. der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel David haI gewonnen.
Das zweite Geschöpf wird mit einem jungen Stier oder einem Kalb verglichen. Dieses Tier kommt in der Offb nur hier vor. Im übrigen NT erscheint das Kalb als Ess- oder Opfertier")<. In Offb 6.3f ruft das zweite Lebewesen das feuerrote Ross. welches unter anderem eine Schlacht unter den Bewohnern der Erde auslöst. Die Kombination von a4>al;w und der roten Farbe des Pferdes kann kaum zuflillig seinlOS. Das zweite. dem Kalb gleiche Wesen verursacht auf der Erde gerade das. was typisch für das Schicksal dieses Tiers ist. Das drine Wesen trägt menschliche Züge. Denselben Vergleich mit dem Gesicht des Menschen finden wir nur noch in 9.7. wo von den Heuschrecken die Rede ist. die Gesichter wie die der Menschen haben. 106 Das Wesen mit dem Gesicht wie das eines Menschen lässt in 6.5 ein schwarzes Pferd in die Szene eintreten. Die Öffnung des drinen Siegels verursacht soziale Ungerechtigkeit. Verantwonlieh dafiJr scheint der Reitende zu sein. der mit einer Waage lO7 in der Hand als verkehnes Bild der Gerechtigkeit vorgestellt wird 108. Die Menschenzüge des dritten Wesens deuten darauf hin. dass der durch den dritten Reiter zugefügte Schaden als Menschenwerk zu betrachten ist. Das vierte Wesen wird mit einem Adler verglichen. Als einziges unter den vier Vergleichstieren wird dieser Vogel durch das Partizip l1ETOllivwlO9 näher charakterisiert. Innerhalb einer statischen Beschreibung der Umgebung um dl:n Thron Gottes ist der Vergleich des vierten Wesens mit einem sich bewegenden Adler auffällig. Andererseits muss man feststellen. dass der Adler in der Apokalypse immer mit diesem Anribut versehen ist. 110 Es ist schwierig zu sagen. ob mit den jeweils auftretenden Adler immer die gleiche Gestalt gemeint ist. Ich tendiere dazu. sie aufgrund ihrer Funktion zu identifizieren. Sie stehen im Dienste Gottes und greifen in spannungsvolle Situationen ein. 8.13 unterbricht mit der Szene des Adlers die Reihenfolge der sieben Posaunen und steigert damit gezielt die Dramatik der Erzählung. Sowohl an dieser Stelle als auch in 6.7f kündigt der Adler bzw. das Wesen. das dem Adler gleicht. die Öffnung des Abgrundes. das 104 Die einzigen Belege im NT befinden sich in Lk 15.23.27.30 und Hebr 9.12.19. In Lk 15 bezeichnel ~60xos das Kalb. das für das grosse FeSI geschiachleI wird. Im Hebriierbrief wird ~60xos neben Tparos als Opfertier genannl. 105 Über die Beziehung zwiscben dem ROI und dem Blul vgl. U 2.4.2 und den Exkurs D in 11 4. 106 Es ist interessant zu sehen. dass im anschliessendcn V.8 die Löwen vorkommen. Dazu vgl. 11 5.2.4. 107 Zur"> bezeichneI das Joch und den Waagebalken. In 6.5 können beide BedeulUDgen milgemeinl sein: Der Missbrauch der Waage lässl sie zu einem Joch flir die auf Nahrung angewiesene Bevölkerung werden. 10. Auch das Vorkommen der schwarzen Farbe kündigt Negatives an. Zur BedeulUDg dieser Farbe in Offb vgl. Vanni. Apocali... SO. 109 Zu diesem Verb vgl. BIDIR I 101.64. 110 Vgl. neben 4.7 Offb 8.13; 12.14.
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Hervorueten des Todes an. In 12.14 verlien der Adler seine Fähigkeit zu fliegen. weil seine Aügel zur Rettung der Hinunelsfrau eingesetzt werden. Diese Verse erklären meiner Ansicht nach. warum der Adler in den vorangehenden Kapiteln immer fliegend dargestellt wird: Seine Rolle in der Offb hängt näm1ich gerade von seiner Beweglichkeit ab. So wie iIue Vorbilder in Ez I sind die vier Wesen geflügelt. Im Gegensatz zu ihnen haben sie jedoch nicht vier. sondern sechs Aügel.l ll Die Sechszahl erinnen an die Seraphim in Jes 6. Man stellt somit fest. dass die Aügel der Wesen in Offb der Verbindung zweier lraditionsgeschichtlicher Motive dienen. 112 Die statische Beschreibung der vier Wesen wird kunstvoll mit einer geänderten Wiederaufnahme iluer erstgenannten Eigenschaft beendet. In V.6 wurden sie als YEl'ovra ~9aAl'wV El'npoo8Ev oca\ omo&v eingeftlhn. in V.8 wird das Thema der Augen erneut aufgenommen: ocuKA09Ev oca\ EOwllEv YEI'Oucnv ~9aAl'wv. Die variiene Wiederholung unterstreicht. dass die Wesen ganz voller Augen sind: Vorne. hinten. rundherum. innen ll3 heisst schliesslich überall. Die Augen spielen in der Offenbarung eine vorrangige Rolle. In 1.7 wird ~9aAI'6s- als Synekdoche ftIr den Menschen verwendet. lI ' Die Bedeutung der Augen als Organe des Sehens wird auch in 3.18 betont. Dem Adressaten des Kurzbriefes an Laodizea empfiehlt die christologische Gestalt folgendes: Ich rate dir. bei mir im Feuer geläutenes Gold zu kaufen. um reich zu werden. und weisse Gewänder. um dich zu bekleiden und damit deine Schande nicht mehr gesehen werden kann. und Augensalbe. um deine Augen zu bestreichen. damit du sehen kannst.
Die wichtigste Eigenschaft der vier Lebewesen ist ihr ausserordentliches Sehvennögen. Die Schilderung der vier Wesen beschliesst die Darstellung der Elemente und Gestalten der Thronvision. 2.8 Die Handlungen um den Thron
In V .8b-11 steht das Geschehen. das sich im Raum um den Thron abspielt. im Mittelpunkt. Diese lelZlen Verse enthalten zwei Lobpreise in direkter Rede (V.SC und 11). denen jeweils eine kurze Beschreibung der vorangehenden Handlungen (V.8b und 90 vorangestellt wird.
Vgl. Ez 1.5. Zum Umgang der oelb mit Motiyen aus verschiedenen Traditionen s. n 9.1. 113 "'Eow8EV kann sowohl mit .innenlt oder «von innen her» wiedergegeben 'NCl'dcn. BUDIR t 104.2 weist dInuf bin. dass ·8'pcSs111
11'
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Ausgewählte Visionen
V.Sb besagt. dass die vier Lebewesen ununterbrochen. Tag und Nacht. die göttliche Gestalt auf dem Thron preisen. Der Ausdruck Ka\ avanauotv OUK EXOUOlV TlIu1pas Kat VUKTOS hebt die Beständigkeit des Lobes hervor. Beharrlichkeit wird auch in Offb 14 durch den gleichen Ausdruck wiedergegeben. diesmal jedoch in bezug auf eine zerstörerische Handlung: Den Verehrern des Tieres wird Zorn und Folter angekündigt. Sie werden unaufhörlich und in alle Ewigkeit geplagt werden: Und der Rauch ihrer Folter steigt in alle Ewigkeit auf. und keine Ruhe haben Tag und Nacht die Anbeter des Tieres und seines Bildes und wenn jemand das Zeichen seines Namens empfängt I " Offb 4.8c gibt den Inhalt des Lobes in direkter Rede wieder. Die Anlehnung an die Berufungsvision von Jesaja. die mit der Beschreibung der Hügel der Lebewesen begonnen hat. erreicht ihren Höhepunkt mit der Aufnahme des Trisagion und der Gonesprädikate KIlPlOS " OEos " naVTOKp
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heil, Gegenwan und Zukunft. Somil wird eine Beziehung zwischen Gotl und der menschlichen Geschichte dargestellt. Das chronologisch geordneIe Vorkommen der drei Partizipien unterstreichI diesen alle Zeiten umfassenden Aspekl. 122 Die Zukunftsdimension wird sehr sorgfältig ausgedrückt: Die futurische Fonn schliesst erwanungsgemäss die Dreiergruppe, während der Wechsel des Verbs neue Horizonle in die GOllesbeschreibung hineinbringt. "EPX0I'01 wird in der Apokalypse oft verwendeI, um das Kommen Gones bzw. Christi auszudrücken. 12 ) Sehr illustrativ in diesem Zusammenhang erscheint der vorlelZte Vers der Offenbarung, in dem das Kommen Christi als Versprechen und Hoffnung zum Ausdruck kommt: lIly.. " lloprupöW TMO' (22,20).
vol.
EpXOlial
TOxU.
'AP'lV,
lpxou oaipt< '1'1<'00.
Das Kommen Gottes in der Zukunft steIlI eines der zentralen Themen in der Offenbarung dar. K1aus-Peter Jöms fonnulien diesen Gedanken so: «Die Prädikation b EpX61'EVOS" iSI also von grosser Bedeulung, indem sie Vorschau auf das Endgeschehen und damil auf den gesamten InhaII der Apokalypse ist. Nach der - abgesehen von Kap. 1-3 - ersten futurischen Wendung in 4,1 haben wir hier die zweite Verbfonn mil futurischer Bedeulung. b EpX61'EVOS" und &:1 YEV€09a1 stehen also in Parallele zueinander: das Kommen Gottes ist identisch mit dem, was geschehen SOIl .. 12'. Das Lob der vier Wesen spiell eine wesentliche Rolle in der Thronszene, indem es die sitzende GestalI als den mächtigen Herrn über die Geschichle anpreist. Die Macht GOlles, die in den vorangehenden Versen bildlich dargestellI wurde, erhälI erst durch das Won der vier Wesen eine ihrer Grossanigkeil angemessene Schilderung. Die Sllirke dieser Macht stehl in Verbindung mil dem Bogen über alle Zeiten und insbesondere mil der Zukunftsdimension: 0011 ist allmächtig, und deshalb wird er über das Böse siegen; andererseits, da GOII Herr über die Geschichle und sogar über die Zukunft iSl, kann man behaupten, dass er allmächtig ist ln
'" Oflb 4,8 iSI die einzige SIeUe, an der diese zeilÜche Reihenfolge vorliegt. In 1,4.8 siehl die Fonnel nämlich so aus: I> wv .a\ I> ~v .a\ I> lpxoIlEVQ5. 12. Jöms, ibid. 21, anaJysien das Vorkommen von lpxolla, in Oflb .• Von den 36 Beleg· sleUen beziehen sich din:kt aof das escllllologische Kommen Gottes bzw. seines Christus: 1,4.1.8; 2,S.16; 3,11; 4,8; 6,11; 11,18; 14,1.IS; 16,IS; 18,10; 19,1; 22,1.12.11 (dreimal). 20 (zweimal)>>. '24 5.28. '" Ich gehe davon aus, dass lPXOIlEVQ5 und navTloIKpciTop sich entsprechen. Dafür spricht in 0fIb 4,8 die parallele Slellung beider Prädikationen als drin.. Element einer Wongruppe. Auch in 1,8 scheint die WansteUung die.. Entsprechung zu unterstreichen: '[y"; <\111 TO 4A+a .a\ TO W, Aly .. 'UPIO, I> SEO" I> wv .a\ " ~v Ka\ I> lPXOIlEVQ5, I> navTo.pciT",p.
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Ausgewählte Visionen
Die FonnuJierung ÖTav &!aou<J\v am Anfang von V.9 126 lässt die Erzählung in die Zukunft rücken und verkertet die Handlungen der vierundzwanzig Ä1lCSten in V.I 0 mit dem eben geschilderten Geschehen: Das Preisen der vier Wesen wird noch einmal aufgenommen. Indem sie das Lob aussprechen. geben die Wesen Gott Ehre. Preis und Dank. Die Substantive aGea. TI I' ~ und EuxaptaTia haben einen gemeinsamen Zug: Alle drei setzen eine gegenseitige Beziehung voraus. Nur aufgrund eines solchen Verbliltnisses hat es einen Sinn. von Wichtigkeit. Wertschätzung und Dankbarkeit zu reden. 127 Gott. der Adressat des Lobpreises. wird wiederum als KaEhll'EV'l' Ern Tcil 9pOv'I' geschilden. Diesem Machtausdruck wird Tc;. <:WVTI Els- TOUS' alwvaS' TWV alwv",v zugefUgt. Ein Vergleich zwischen allen Belegstellen von <:0.., 121 lässt erkennen. dass dieses W on in der Offenbarung eine besondere Qualität von Leben ausdrilckt. An zwei Stellen wird das Leben als deutlicher Gegensatz zum Tod erfasst. 129 Sonst drilckt <:ci", den Inbegriff des Lebendig-Seins aus. Dem Leben wird eine neue Qualität verliehen. die sogar den Gegensatz zum Tod zu überwinden vermag: Dieser Aspekt kommt sehr deutlich an Stellen wie 1.18 zum Vorschein. Die christologische Gestalt der ersten Vision stellt sich wie folgt vor: Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. und ich war tot und siehe. ich bin lebendig in aUe Ewigkeit. So wie hier wird <:a... in Offb 4,9 mit EIS' TOUS' alwvaS' TWV alwv",v ergänzt: Diese Fonnulierung llO im Plural übernimmt und verstärkt das letzte Glied des 126 ·OTav &laoua," bereitet .iniS. Schwi.risk.iten. Der I•• lkritische Apparal bi.l.t mehnnals als Variant. den Konj. 8oSa"''''vl an. was jedoch die lectio facilior darstellt Nach BIIDIR t 382.3 wird öTav nonnalerw.ise mil dem Konj. konsttui.n •• w.nn .in. Handlung in der Zukunflliegl (Ev.ntualis). oder W.M .ine Handlung häufiS wiederUhn (lI.rativus) .... Die Formuli.runS in Oßb 4.9 soll «die Erwanung, ähnlich wie mil FUI. und Präs .• ausdrilck.n. JÖms. ibid. 3Of. behandelt diese Konsuulr.tion ausfllhrlich und komml zum folsenden Schluss: .Es handelt sich also um .in aussesprochen <.schatologisches FUlurum ••. Wir über· nehm.n seine 1bese und v.rw.isen auf sein. überzeug.nde Argumentation. 127 Ich beschränke mich auf diese w.nig.n Beohachrung.n Ober diese drei Substantiv. und v.rw.ise auf Jöms sorgfaltiS. Arbeil (320. 121 Es komml flinfmal als Gouesprädikat im Pan. Präs. (4.9f: 7.2: 10.6: 15.7). zw.imal in bezuS auf Jesus ChriSIUS (1.18: 2.8) •• inmal auf das TIer (13.14) und vi.rmal auf M.nschen (3.1: 19.20: 20.40 vor. 129 In 3.1 wird der Gemeinde in Sarde> folsendes milg.teilt: oi6
',iv
.t.
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vorangehenden Lobes. Die Lebendigkeit Gottes übersteigt jede zeitliche Grenze und erstreckt sich bis in die Ewigkeit. In V.1O wird der Lobpreis der vierundzwanzil!: Ältesten mit der Schilderung ihrer Handlungen vorbereitet. nillTW und llPOOKUVEW drücken die ehrenvolle Verehrung Gottes aus. 131 Bedeutungsvoll ist das Niederlegen der Kronen vor Gott. Die Macht der 24 Siegergestalten verliert vor Gott ihre Bedeutung. In der direkten Rede von V.II wenden sich die Ältesten Gott in der zweiten Person zu: Damit wird die grösste Nähe zwn Thron und zwn darauf Sitzenden erreicht. 132 Diese Nähe wird auch durch die Verwendung des Personalpronomens in der Formulierung b .ruPlOS' Kat b 9Eo, ~I'WVI33 verdeutlicht. Der Angeredete wird als würdig l34 bezeichnet, die Ehre, den Preis und die Kraft zu bekommen. ~oea und Tll'l] werden in der gleichen Reihenfolge wie in V.9 genannt. Die Änderung des dritten Gliedes in der Aufzählung verleiht diesem letzten Wort eine besondere Relevanz. Die Wendung Aal'ßavHv Tf)V IiUVal'lV kommt nochmals in 5,12 und 11,17 vor. Diese letzte Stelle ist für das Verständnis von 4.11 sehr wichtig. Die Handlung in 11.16 erinnert sehr stark an 4,10. Die vierundzwanzig Ältesten sitzen auf ihren Thronen vor Gott. werfen sich nieder und beten ihn mit diesen Worten an:
Wir danken dir Herr, Gott, Allherrscher. der da ist und der war, denn du hast deine grosse Macht ergriffen und bist König geworden. [n 11.17 wird bestätigt. dass das. was sich in Offb 4 bewegt, vollendet ist: Gott hat die Kraft, die Macht ergriffen und herrscht 135 • Die Verwendung des Aratt.3vas nlv alwvulV entsteht •. Diese Fonnel kommt in Offb insgesamt 14maJ vor: elfmaJ in bezug auf Gou oder eine christologische Gestalt; dreimal in bezug auf die Zerstörung und das Leiden, die den Nachfolgcm des Tieres zukommen. III Dieses Verbpaar kommt in Oftb neunmal vor, um eine solche Verehrung zu schildern. Vgl. 4,10; 5,14; 7,11; 11,16; 19.4; 19,10; 22,8. An allen erwähnten Stellen ist Gou, das Lamm oder ein Engel der Adressat der Verehrung. III Jörns, ibid. 34f, untersucht das Vorkommen des Du-Stils in Hymnen und Formeln verschiedener An. Sehr interessant ist der Hinweis, dass dieser Stil im NT nur im Vater-Unser .als Ausdruck des besonderen Gottesverhältnisses Jesu» vorkommt. IB An dieser Stelle erwartet man eigentlich einen Vokativ, so wie einige Tcxlvarianten vorschlagen. Der Nominativ ist als lectio difficilior vorzuziehen. Charlcs. R~velQlion I cxxxixf., spricht von etwa 60 Stellen im NT, an denen der Nominativ mit Artikel an der Stelle des Vokativs eintrilI. In der Oftb findet man dieses Phänomen in 4,11; 6,10; 12,12; 15,13; 16,5; 18,4.20 und 19,5. " KUPlO, Kai" 8<0, ~~wv bleibt trOll dieser Beobachtungen über die sprachlieben Gewohnheiten unseres Autors problematisch, weil es der einzige Beleg dieser An ist. In 11,17; 15,2 und 16,7 kann man KUPl' " 8<0, lesen. Man kann somil die Frage nicht vermeiden, ob " KUPlO, Kai" 8<0, It~wv nicht als Nominalsall aufzufassen ist. Zu dieser Sielle vgl. Sueton, Domitian 13,~, III 3.1.3. 114 Vgl. II 3.3.2. In Jörns, ibid. 37, weist zurecht darauf hin, das der Aorist '~aa(A.uaa, ingressive Bedeulung hat. Dazu vgl. auch BIDIR § 318.
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Ausgewählte Visionen
tikels präzisien den Begriff 6UVal'lS. Es geht dabei nicht um einen Anteil an der Macht. sondern um die Macht schlechthin. Das besagt. dass Gott der eigentliche Herr der Geschichte und der Welt ist. Der ön-Satz begründet diese folgenreiche Aussage. indem er Gon als den Schöpfer preist. Auffallend in diesem Kontext ist das Vorkonunen des Personalpronomens oU. Einerseits bekräftigt es den Anredecharakter dieses Lobes; andererseits überrascht es. weil damit etwas gesagt wird. was selbstverständlich sein sollte. Nur Gott konunt nämlich als Schöpfer in Frage.l 36 Offb 4.11 preist Gon und seinen Willen als die Urheber der gesamten Schöpfung.
2.9 Zusanunenfassung
Die Vision in Offb 4 begiMt mit der Einladung. durch eine offene Tür in den Hinunel zu steigen. Hier soll Johannes das für ihn und seine Mitchristen Wichtigste erfahren: Es geht um den Inhalt der Offenbarung. um die Vollendung der menschlichen Geschichte. Die An. wie der Autor mit bekannten Motiven aus der ihm vorliegenden Tradition umgeht. lässt schon im ersten Vers erkennen. dass die Botschaft der Johannesapokalypse keine geheime ist. Vielmehr liegt hier eine Verarbeitung schon vorhandener christlicher Inhalte vor. Dieser Hintergrund veranlasst dazu. Offb 4.1 christologisch zu interpretieren. Nicht der exklusive Übergang in eine jenseitige Welt wird mit dem Bild der Tür angeboten. sondern eine neue Einsicht in die menschliche Geschichte. die durch das Christusereignis jedem offensteht. Im Zentrum der sich in V.2-11 abspielenden Vision stehen Gon und sein Thron. deren Beschreibung sich sehr stark an die berühmtesten Jahwe-Visionen des Alten Testaments anlehnt: Ez I. Jes 6 und Dan 7 bilden ein Grundgerüst. welches mit zahlreichen Anspielungen auf andere wichtige Texte (wie z.B. Sach 4) vervollständigt wird. Leitfaden der Vision in Offb 4.2-11 ist die Macht. Die Raumgestaltung. die vorkommenden Personen und Gott selbst tragen eindeutige Zeichen einer starken Macht. Der Nachdruck auf Worten wie 9povos und KaEhjl'al. die Nennung von kostbaren Materialien. Edelsteinen und Gold. das sorgfaItige Spiel mit Glanz und Licht. schliesslich der gezielte Einsatz von Farb- und Zahlensymbolik stellen diese Macht grossanig dar. In V.2-8a erscheint Gottes Macht zwiespältig. Einerseits vermittelt sie den Eindruck von Pracht und Kostbarkeit. Dem steht das Bild eines entfernten und unbeweglichen Gottes entgegen. das von der absolut statischen Auflistung der
136 ISI
dieses Lob ein polemischer Te
präsentien? Dazu vgl. U 9.3.2 und IU 4.1.
Oflb 4.1-11: Der Thron im Himmel
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Visionselemenle hervorgerufen wird. Ersl das anha11ende Preisen der vier Lebewesen bring! Bewegung in die Szene und wirft ein anderes Lichl auf die Gonesschilderung. In Offb 8b---II slehen Handlungen und Reden im Minelpunkt Die in direkter Rede wiedergegebenen Preiswone überwinden die Ambivalenz der vorangehenden Verse. Gon wird als der Schöpfer. der Lebendige. der Herr der Geschichle proklamien. Er iSI der Inbegriff jeder Macht Er iSI der Herrscher der Welt Der Du-Stil in der Anrede und die Formulierung b .ruPlOS' Kat 9EOs- TuuiiV tragen dazu bei. den Eindruck des femen Gones zu überwinden. Nichl zuflillig wird die Gonesvision von Offb 4 mil Aussagen über die schöpferische Kraft Gones abgeschlossen. Machl und Nähe sind in der kreativen Tätigkeil vereint Noch einige BelraChlungen über die in Offb 4 vorkommenden Tempora drängen sich auf. Die Vision wird in V.I f mil einem Aorisl eröffnel; es wird von einem vergangenen punktuellen Geschehen berichtet Obwohl Akkusativobjek!e wiederholl den anfänglichen Aorisl Et60v in Erinnerung rufen. prägen Nominalsälze den Stil in V.3--8. Vereinzelle Präsensformen lassen dann die Vision deullieh in die Gegenwansdimension rucken. Überraschend wirkl in V.9---11 der zusälZliehe Tempuswechsel in die Zukunft. Meiner Ansiehl nach unterstreichI diese Verwendung der Tempora den Gedanken. dass Gon. der Herr der Geschichle. schon in der Gegenwart wirkl. obwohl die von ihm gesteuene Vollendung fllr die Menschen noch nichl realisien ist Die Zukunftsformen in den abschliessenden Versen verleihen der ganzen Thronvision einen Erwartungscharakter. Offb 4 stellI die grossartige. kreative Machl Gones dar. Er iSI der Schöpfer. der Herr der Geschichle. Mil dieser Sicherheil wird der Leser in die Well der Visionen geschickl l 37.
117 SchOssie, Fiorcnza, Vision 58 fonn"lien denselben Gedanken wie folgl: .lbc cenlr1ll Iheological qucstion of chaplers 4-5 as weil as of Ihe whole book is: Who is Ihe lJUe Lord of this world?,.
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Ausgewählte Visionen
3 Oftb 5,6-10: Das Lamm In der Vision von Offb 4 stand das Bild Gottes im Zentrum. Nun fillut uns eine neue Vision zu einer anderen Hauptgestalt der Johannesoffenbarung: einige Verse aus Offb 5 machen den Leser mit dem christologischen Hauptbild des Werkes vertraut. 6 Und ich sah in der Mine des Thrones und der vier Wesen und in der Mitte der Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, welche die sieben Geister Gones sind, gesandt in die ganze Welt.
7 Und es kam und hat empfangen aus der Rechten dessen, der auf dem Thron silZl. 8 Und als es das Buch empfing, fielen die vier Wesen und die vierundzwanzig Ältesten vor dem Lamm nieder. Sie hanen jeder eine Harfe und goldene Schalen voller Räucherwerle, welche die Gebete der Heiligen sind, 9 und sie singen ein neues Lied und sagen: .Würdig bist du, das Buch zu empfangen und seine Siegel zu öffnen, denn du wurdest geschlachtet und hast Menschen aus jedem Stamm, jeder Sprache, jedem Volk und jeder Nation fiIr Gon mit deinem Blut erleauft, 10 und du hast sie rur unseren Gon zum Reich und zu Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf der Erde •.
3.1 Aufbau
Die ausgewählte Perikope 5,6-10 wird thematisch geglieden. V.6f enthalten eine zweiteilige Beschreibung des Lammes: Zuerst wird sein Aussehen geschilden und anschliessend sein Handeln. In V.S-IO steht die Reaktion auf das Tun des Lanunes im Mittelpunkt. In V.S-9a werden die hymnischen Worte (V.9b10) vorbereitet. V.6-7
das Lamm V.6 V .7
V.8-1O
seine Züge seine Handlungen
das neue Lied
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Offb 5,6-10: Das Lamm
V.8-9a Handlungen vor dem Lamm V.9b--1O das neue Lied 3.2 Das Lamm Die Vision des Lammes wird mit einer Onsangabe eröffnet. Ihre Stellung zwischen dem Hauptverb et60v und dem Objekt und die zweifache Verwendung von €v 1'010"" nehmen die Wichtigkeit des Lammes vorweg. Es befmdet sich im Zenuum der Szene, in der unmittelbaren Nähe Gones.
3.2.1 Die Züge des Lammes Das Tier wird mit dem unbestimmten Substantiv apV
al'
I Einige Kommentatoren betrachten dieses zweifache Vorkommen von €v ~EO", als Hebraismus (als Wiedergabe von ;0:>' ;0:». Nach dieser Auffassung beschreibt die Onsangabe den Raum zwischen dem "Thron (mit den vier Wesen) und den Ältesten. Vgl. dazu z.B. Lahmeyer, Offenbarung 5 I und Chartes. Rev"ation I 140. Chartes weist auf eine denkbare. obwohl nach ihm weniger treffende Interpretation hin: .( ... ) the two phrases
.
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Ausgewählte Visionen
net. 6 ZU dieser letztgenannten semantischen Gruppe gehört Apg 8,32, ein Zitat aus Jesaja 53,7. Mil dem Enlschluss, ciplliov mil Lamm zu überseIZen, sollen vor allem für dieses junge Tier charakteristische Züge wie seine Schwäche und SchulZlosigkeil hervorgehoben werden. Das ohnmächtige Lamm als Bild für Chrislus wirkl in Offb 5,6 äussersl widersprüchlich. In V.5 wurde das Auftreten der neuen Geslall in einem Dialog zwischen Johannes und einem Ältesten vorbereilet Und einer der Äheslen sagl zu mir: .Weine nichl! Siehe, der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids haI gesiegl, um das Buch und seine sieben Siegel zu öffnen». Der erwartete Sieger, der Löwe erweist sich in der zentralen Vision des fünften Kapitels als Lamm. Dieses Paradox ist gewollI und wesentlich: Schwäche und Stärke sind hier auf subtile Weise vereint. Dies wird in der Fonsetzung der Schilderung in V.6 bestätigt.'
Das Partizip Perfekt EOTllKOs- ist das erslgenannte Prädikat des Lammes: Die stehende Haltung ist das Ergebnis einer vergangenen Handlung. Der Aorist i v{Kll0E V in V.5 beleuchtet diesen Hintergrund. Die Verbindung von EOTllKOs- zur Stellung des Siegers wird somit deullich. 8 "loTll~1 defmien näher die Qualität dieses Sieges. Grundsätzlich umschreibt dieses Verb das Stehen. 9 In der Offb kann man an verschiedenen Stellen jedoch wichtige Nuancen der Grundbedeutung erkennen. In 11,11 wird der Aorist EOTlloav zum Zeichen der erfolgten Wiederbelebung der Zeugen. Die Anspielung auf die Auferstehung ist hier evident. Die Verkenung der Motive von Sieg und Auferweckung bildet den Kern des Kurzbriefes an die Gemeinde in Smyma (2,8-11). Es geht um die Auferstehung Christi (V.8) und um die künftige Befreiung der Christen aus dem zweiten Tod (V.lot). Die Gegenwart der Christen, denen das Leben versprochen
6 Zur Beziehung zwischen Q~v6s" und apv(ov vgl. Vanni, Apocali... 181. 7 Diese paradoxe Verbindung erinnen sehr stark an 2 Kor 13,4. Weder, Das KnUl 173 kommentiert diese Stelle rolgendermassen: .Oie Schwachheil Chrisli iSI nämlich im Slrengen Sinne zeilf
Offb 5.6-10: Das Lamm
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wird. ist von Leiden und Bedrängnis gekennzeichne\.10 "loTlllJ.l kann aufgrund von 6.16f mit der 11lematik des Enragens und Bestehens direkt in Beziehung gesetzt werden. 11 Es ist anzunehmen. dass sich die aufgefiihrten Bedeutungen von '(0T111J.l in 5,6 überlagern: Die stehende Haltung des Lammes bezeugt. dass es auferweckt wurde und somit zum Sieger über den Tod geworden ist.' EOTT]KOs- bebt die unzerstörbare Beziehung des Lammes zur Lebendigkeit hervor. Die perfektische Form verleiht diesem Zug eine Gültigkeit in der Gegenwart. Auch das zweite Prädikat des Lammes steht im Perfekt. 1:<j"I'''' bezeichnet das Schlachten eines Tieres und die gewaltsame Tötung eines Menschen. ll Beide Bedeutungen sind in Offb bezeugt: In 6,4.9; 18.24 geht es um die Tötung von Menschen ll ; an unserer SteUe. so wie in V.9.12 und 13.8. bezieht sich 04>01;", auf ein Tier l4 . Das Lanun trägt das Zeichen einer gewaltsamen Tötung: Auf dieser Weise präsentien der Autor der Offenbarung die Kreuzigung Jesu. IS Wiederum unterstreicht die perfektische Form die Relevanz des Kreuzes auch in der Gegenwart. 16 Die präsentische Dimension des Kreuzesereignisses ist darüberhinaus durch die umgekehrte chronologische Reihenfolge von EOTT]KOs- und €04>aYlllvov hervorgehoben. 10 Sehr interessant ist das Vorkommen von TlaOXElv in 2,10. Die Anspielung auf Jesu Passion und Auferslehung wird dadurch vollständig. 11 In Oflb 6.16f rufen die von einer gewaltigen kosmischen Katastrophe heimgesuchten Menschen aus: .Falh auf uns und verbergl uns vor dem Angesichl dessen. der auf dem Throne SilZ!, und vor dem Zom des Lammes. denn gekommen iSI der grosse Tag ihnos Zorns. und wer kann da heslehen? 12 Vgl. Michel. ThWNT VII 925-938. I' In 6,4 bringen sich die Menschen gegenseitig um. Dieses Verllallen wird durch den Reiler des rolen pferdes verursacht: Ihm wurde die Machl gegeben. den Frieden von der Eide wegzu· nehmen. l:~ci,w beuichnel hier somil die gewalllätige SelbslZCrslörung der Menschen im Krieg. 14 In 5.6.9.t2 und 13,8 gehles um das geschlachlele Lamm: 13.8 wird o~ci,w zur Schilderung des ersten Tieres eingesetzt. " In 6.9 iSI die Rede von den Seelen der um des Wones Gones und des Zeugnisses Jesu willen Geschlachlelen. Ihre Tötung wird in V.II mil anoKTivv.o8al ausgedrilckl. Dem gleichen Verb begegnei man bei der Tötung der zwei Zeugen in Oflb 11. Der Tod dieser Geswlen gleichl demjenigen Jesu: Die.. Ähnlichkeil wird in 11.7f zwn Ausdruck gebracht An dieser SIeUe enlsprechen sich oTaupOw und anoKT
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Das Auftreten des Lammes nach der Ankündigung eines Löwen in V.5 überrascht. Der Kontrast wird mit der Verbindung der zwei Panizipien verstärkt. Leben und Tod. Stärke und Schwäche sind Attribute des Lammes, welche gleichzeitig und im Jetzt gilltig und wirksam sind.l' Die Partikel Ws- macht es möglich, diese unvereinbaren ZIIge in einem konsistenten Bild zu verbinden. 11 "Exwvl9 flIhn weitere Eigenschaften des Lammes ein: Es hat sieben Hörner und sieben Augen. Die Hörner sind ein religionsgeschichtlich gut bezeugtes Zeichen von Macht und Stärke. lIl Zusanunen mit der Zahl Sieben, welche Ganzheit ausdrückt,'l bezeugen die Hörner die Grösse dieser Macht: Es geht um das Zeichen einer Totalität an Macht. Die sieben Augen" sind Voraussetzung und Beweis einer absoluten. ganzheitlichen Wahrnehmung. Der Text selbst bietet eine erweiterte Interpretation dieser siebenfachen Attribute: Die Augen werden durch 0'( .lOlV mit den siebenD Geistern Gortes identifiziert. 2' Die schon in Offb 4 vorkonunenden Geister Gottes werden in 5.6 näher bestimmt. . AOTQAIlEVOI ist noch einmal eine Perfektform. Der Geist Gottes 25 ist gesandt worden und wirkt 17 Vg!. Vanni. Apocalissr 183 (Übersetzung aus dem Italienischen): .Die Gleichzeitigkeit heider Aspekle - Tod und Auferstehung - ist real und muss als solche erklärt weden •. Dazu vgl. auch Holu. Christ%gi, S2: _Der Grund der Erhöhung iSI der Tod. Diese nichl weiter auflösbare. weil in der geschichtlichen Begegnung erfahrene Paradoxie urchistlichen Glaubens wird stteng durchgehalten. ja bewusst betont. Das geschlachtete Lamm ist der Erhöhte. der Löwe aus dem Stamm Juda. die Wurzel Davids •. Meiner Meinung nach geht es hier nicht um eine Abschwächung von 'o.QY~.vov. Dieses Pan. ist in seiner ganzen Tragweite ein Attribut des Lammes. so wie auch S.12 und 1,8 es bezeugen. Vg!. Vanni. Apoca/isse 182: • Ws- Die Partikel drilckt normaJerweise in der ApoI sein •. " Der text1tritische Apparat bietet die Variante lxov. die als Korrektur der problemati-
I.
scheren Maskulinronn anzusehen ist -"Exwv kann auf zwei verschiedene Weisen erldän werden. BIIDIR f 136.4 weist auf einen (seltenen) anakoluthischen Einsatz von I X"'V hin. Aber auch eine paniellc Auflösung des Bildes des Lammes ist denkbar; danach bezieht sich das maskuline Partizip direkt auf Christus.
'0 Vg!. Focrster. ThWNT m 66~71. Die Hörner als Zeichen von Stärke und Macht kommen im AT mehrmals vor: Num 23.22; Di 33.17; Dan 7.7.20. Sach 2.1-4 sind nur ei· nige Beispiele dafür. Eine anregende Stelle in bezug auf dieses Thema findet man im IthHen: 90.9 berichtet von Ummcrn. aus deren Köpfen Hörner sprossen. Die Motive des Lammes und der Hörner sind in äthHen 90 wie in Offb S verbunden. Dazu kommt noch in äthHen 90. t Off das Thema der Augen. " Dazu 112.6. " Vgl. dazu 11 2.7. " Die text1tritischen Argumente filr und gegen die Lcsan inTci sind etwa gleichgewichtig. Dazu Metzger. TUIIIIJ/ COmmtlll4ry 738. ,. Über die Funktion dieser Formel vgl. 11 2.6. " Die Siebenzahl drtlckt hier wie allgemein in der Ollb Ganzheit aus: die sieben Geister sind Ausdruck filr den Geist in seiner Vollständigkeit. Dazu 11.2.6.
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im Jetzt. 26 Die Ergänzung .iS" TTciaav Tl]V 'Yiiv unterstreicht, dass die Wirkung des Geistes sich auf eine sowohl zeitliche wie auch geographische Ganzheit erstreckt. Dieser Totalitätsaspekt wird zudem von der Zahl Sieben bekräftigt.27 Die ganzheitliche Wahrnehmung des Lammes findet ihre Entsprechung auf der Erde in der allgegenwänigen Tätigkeit des Geistes. 3.2.2 Die Handlungen des Lammes
Die Vision des Lammes wird in V.7 mit der Beschreibung seines Tuns fortgeführt. Sein Handeln wird im wesentlichen durch ~1-9EV und .ll- Tjq,ev wiedergegeben. Im Kontext von V.6 wirkt ~1-9EV überraschend: Das Lamm stand von Anfang an in der Mitte der Szene. Der Hinweis auf eine Bewegung scheint somit überflüssig. Zieht man eine partielle Auflösung des Bildes in Betracht, so kommt man zu spannenden Interpretationsmöglichkeiten dieser Verbform. Der Aorist kann durchaus die Ankunft Jesu in die Welt beschreiben: er stellt einen historischen Rückblick auf das Auftreten Jesu dar. Diese Annahme wird von der Verwendung von €Pxol1at in Offb bekräftigt. 28 Eine aufschlussreiche parallele Verwendung von ~1-9EV kommt in Joh 1,11 vor. Mit ~1-9EV wird rückblickend die Ankunft Jesu in der Welt thematisiert. Die punktuelle Aoristform lässt das Hervortreten Jesu als ein unerwartetes, plötzliches Ereignis erscheinen. In der Lanunvision übernimmt .ll- Tjq,EV eine zweifache Funktion: Einerseits wird dadurch die Peripetie des versiegelten Buches fortgesetzt; andererseits bildet es den zweiten Teil des historischen Rückblickes. Dieses objektlose Perfekt entwickelt den Gedanken des unerwarteten Kommens Jesu in die Welt, indem es dieses als eine von Gon geschenkte Gabe darstellt; dabei beleuchtet das Verb den Aspekt des Empfangens. 29 Das Perfekt insistiert auf der gegenwänigen Gilltig2. 'AnooT'~~w ist in Offb dreimal belegt. Zu 5,6 kommen 1,1 und 22,6 hinzu. Die letzt· genannten Stellen seben sehr ähnlich aus und bilden einen inhaltlichen Rahmen um die Apokalypse. An beiden Stellen ist GOll das Subjekt von cinooTü~w und die OffenbarungsbolSChaft das Allusativobjekt.' AnooT'~~W beschreibt das Senden einer BOlSChaft durch GOll. Diese Offenbarung kam in die Welt und stehtjelZt den Menscben zur Verf"gung. Dazu vgl. auch 1,3 und 22,7. 27 So wie in Offb 4,5 steht auch hier Sach 4 im Hintergrund. In Sach 4,10 (LXX) wenlen die sieben Leuchter als Augen Gottes gedeutet: EnTCi OUTOl o+9aXIlO\ KUp(OU Etat v ol E"'~~'novTE> Ent ndoav T~V y~v. Die Umarbeitung dieses a1tttestamentlichen Motives in Offb 5 beruht einerseits auf der Verlegung des Augenmotives auf den Christus: andererseits wird die durch Em~~'novTE> bedingte Distanz mit der Einfllhrung des gesandten Geistes als einer Kraf~ die auf Erden wirksam is~ überwunden. 28 Dazu S. K.-P. löms, Das hymnisch. Evang./ium 27ff: Ein Drillei aller Belege von lpxo~al (im Ganzen 36) drückt das endzeitliehe Kommen Gones bzw. Christi aus. Die Aoristform in Offb 5,6 schliesst die ZukunflSdimension aus. Für uns ist es jedoch relevant festzustellen, dass lpxo~al das Kommen lesu als Phänomen göttlicher Zuwendung wiedergibt. 2. Die intransitive Verwendung muss als störend empfunden worden sein. Dies bezeugen die
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keit dieser in der Vergangenheit verankerten Handlung: Der Kern der Beziehung Jesu zu Gon besteht auch in der Gegenwart aus dem Empfangen. Die durch Ex eingefilhrte Ergänzung beleuchtet die andere Seite dieses Verhältnisses. Die rechte Hand Gones besagt etwas über die Qualität und die Kraft des Gebens. JO
Exkurs I: Motivgeschichtliches zum Lamm Das Bild des Lammes in der Apokalypse weist einige rätselhafte Seiten auf: seine Herkunft als Christusbild bleibt unklar. Das Motiv des Lammes taucht an verschiedenen Stellen des Neuen Testamentes auf. Neben den oben erwähnten Versen aus Job I; I Petr I und Apg 8 spielt I Kor 5.7 eine interessante Rolle; an dieser Stelle kommt das Wort naoxa als Bezeichnung des Osterlammes vor. Bei den erwähnten neutestamentlichen Stellen sind Anklänge an das AT deutlieb erkennbar. Das vierte Gonesknechtslied in Jes 53 ist in diesem Zusammenhang wicbtig. In V.7 wird der Knecht mit einem verstummten Schaf verglichen. das zur Schlachtbank gefilbrt wird. Ein ähnlicher Vergleicb fmdet sich in Jer 11.19. Auch 2 Sam 24.17 und Ps 44.12.13 verwenden die Figur des Lammes in diesem Sinn. In Ex 29.3~2 und Num 28.3-8 wird vom Lanun als Opfertier berichtet. wäbrend in Ex 12.1-27 das Passablamm im Vordergrund stebt. In Ez 34 wird der Herr als Hirte der Menschen dargestellt. In Dan 8.1-14 liegt eine Verbindung zwischen Schaftier und grosser Macht vor. In ätbHen 89 werden das Macht- und Lammotiv aufgenonunen und entfaltet.)1 Dieser knappe motivgeschicbtliche Überblick)' vermag nicht das Thema des Lammes in der alttestamentlichen und apokalyptischen Literatur zu verfolgen. Es ging vielmehr darum. Hauptlinien zu skizzieren. um die unterschiedlichen Vorstellungen hervorzuheben. Der Einfluss dieser alttestamentlichen Vorbilder auf die Offenbarung wird in der Literatur unterschiedlieb bewertet. Comblin versteht das Lamm in Offb als Ergebnis einer Überlagerung dreier Motive: dem Thema des Schafes als Bild für den Gonesknecht misst er grosse Bedeutung bei; das Osterlamm und die
sekundän:n Lcsanen. welche Tb Pl/IA(o. als Obiekt zu ,rA~.H vorsehen. Eine ähnliche Vawendung von AQ~pci .... komDI! in Joh 1.16 vor: Auch an dieser Siene steht schlicht das Phänomen des Empfangens im Vordergrund. Dazu s. Weder. EvTh 53. 332. )0 6'('Os ist Symbol göttlicher Kraft. Darüber hinaus schwingt bei diesem Begriff die Bodeutung .günstig. glOckbringendo DU\. Dazu vgl. Grundmann. ThWNT [) 31-39. Offb 5.1.1 stenen die einzigen Belege von der "",hten Hand GOlles im NT dar. Um dieses Thema zu vertiefen. könnte ein Vergleich DUt einer Stene wie Lk 11.20 spannend sein. II Dazu vgl. Offb 1.11. wo das Lamm selbst zum Hinen wird. Vgl. [) 4.4.5. ), In dieser DarstcUung wurde auf die Diskussion über problematische Te.te nichl hingewiesen. Te.te wie Mk 14,24 (und Parallelen) wurden ganz ausgelassen.
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Hirtenthematik übernehmen eine ergänzende Funktion.)) Kraft geht vom vordergründigen Gewicht der Schaf- und Lammsymbolik in der Beschreibung der Nähe Gones zu seinem Volk in der ganzen Bibel aus. J4 Auch nach ihm spielen Jes 53 und Jer II eine wichtige Rolle: Der Vergleich des Gottesknechtes mit einem Lamm für die Deutung Jesu «erlangte jedoch für die nachösterliche Gemeinde fundamentale Bedeutung, weil er die Möglichkeit gab, das stellvertretende Leiden des als Gottesknecht gedeuteten Jesus mit der Vorstellung des Opfers und besonders des Opferlammes zu verbinden,..)' Nach Prigent spielt hingegen Jes 53 keine zentrale Rolle. Vielmehr betont er die Wichtigkeit des Opfergedankes36 und die messianischen Züge des Lammes. Diesbezüglich erinnert er an die schon oben erwähnte Henochstelle und weist auf Test Jos 19,7f(37 hin. Roloff bettachtet die Lammgestalt als originelle Komposition der Apokalypse, die aus der Verbindung von zwei traditionsgeschichtlich belegten Motiven entsteht, des Opferlammes und der Zeichen von Macht und Stärke. lI Auch Vanni spricht von einer Erfindung: das Bild des Lanunes in Offb stellt eine originelle Weiterfilhrung des gleichen Motives aus dem Johannesevangelium dar.)9 Die königlichen Züge des Lanunes sind das Zeichen seiner Verbindung zur Geschichte der Menschen. Die somit entstandene Lammgestalt konzentriert in sich jedoch alle erwähnten motivgeschichtlichen Aspekte.
Comblin. l.L Christ t 7-47. S. dazu den Exkun bei Kraft, OfJ.nborung 107-110. Ibid. S. t09. J6 Prigent, Apoealyp.. 98: .Cest ainsi que doivent s'expliquer I"insislance sur le sang de cet agneau etl"effet de son sacrifice qui assure la lidemption des hommes (5.9) comme jadis lors d: 10 premim Plque. celle d' Israiil rache~ de Ia tare de servitude •. J7 Ibid.: .Dans le Testament de Joseph 19,7ss nous trouvons encore la prophetie d'un agneau. figure du messie viclOrieux des betes sauvages. Le texte pdsente aujourdbui d'indtniJt. bles traces de relOuches clln!tiennes, mais !'image qui en est la base n'est certainement pas une invention des chn!tiens •. J, .A1les spricht dafür, dass Johannes diese Verbindung des aus dor Hem:nmahlsliturgie entwickelten Lamm-Motivs mit Symbolen von Macht und Stärke noch nicht in dor Tradition vorfand, sondern erst selbst geschaffen hat. um auf diese Weise die beiden zentralen Aspekte des gemeindlichen Christusbekenntnisses, Erniedrigung und Erböhung. in ihrer unmiuelbaren Zusammengehörigkeit sichtbar zu machen: Jesus ist Herr über Welt und Geschichte nur aufgrund seiner Selbsthingahe in das Sterben •. Rolorr, OfJ.nbo",ng 76. J9 .In der ApobIypse finden wir eine Antwon darauf. Das Reich des Christus
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Eine Anlehnung an die alttestamentlichen Lammmotive ist in Offb 5 unübersehbar. Das Lamm als schutzloses Tier. das Thema des Schlachtens sowie die königlichen und mächtigen Züge samt der Sieger-Thematik lagen dem Autor schon vor. Die Verwendung des Lammes in bezug auf Jesus Christus ist sehr wahrscheinlich älter als die Offb. Aber so wie die schon analysierten Perikopen zeigt Offb 5 einen kreativen Umgang mit der Tradition. Die aus dem AT bekannten Motive werden zu spannungsreichen und effektvollen Paradoxen forciert: der erwartete Löwe ist ein Lamm; das Lamm ist geschlachtet und Sieger. getötet und lebendig. tot und gegenwärtig; es ist schutzlos und verfügt über die grösste Macht; obwohl es sich im Hinunel befindet. wird es auf der Erde wahrgenommen. Zu dieser neuen Gestaltung der Züge des Lammes kommt mir seine Personifizierung als grossartige Erfindung vor. Das Lamm steht in der Offb nicht mehr als Vergleich oder Illustration des Christus. Das Lamm ist die handelnde Gestalt; in Offb 5 ist nirgends von Jesus Christus die Rede.
3.3 Das neue Lied V.8-10 schildern die Reaktion der Anwesenden auf das Auftreten des Lammes.
3.3.1 Handlungen vor dem Lamm Das Erscheinen von TO ~t~A(OV als Objekt von EAaßH in V.8a führt die Erzählung ganz zu ihrem ursprünglichen Visionscharakter zurück. Die Szenerie wird jetzt erweitert und der Blick des Sehers konzentriert sich auf das Geschehen vor dem Lamm. Die vier Wesen und die vierundzwanzig Ältesten werfen sich vor ihm nieder. Jeder von ihnen hält ein Musikinstrument. welches das Singen in V.9f vorwegnimmt. Dazu werden goldene40 Schalen voller Räucherwerk genannt. welche mit den Gebeten der Heiligen identifiziert werden. 4I In bezug auf die Frage nach der Identität der Heiligen und dem Inhalt der Gebete kann Offb 6.9f hilfreich sein: Und als es das fünfte Siegel öffnete. sah ich unter dem Altar die Seelen der um des Wortes Goltes und des Zeugnisses willen Geschlachteten. das sie halten. Und sie schrien mit lauter Stimme und sagten: «Wie lange. Herr. Heiliger und Wahrhaftiger. richtest und rächst du nicht unser Blut an den Bewohnern der Erde?». Durch die Gebete werden zum ersten Mal in der Lammvision Menschen einge-
fUhrt; das von ihnen Formulierte vertritt sie in der himmlischen Sphäre. '0 Über die BedeulUng und die Funktion des Goldes vgl. 11 2.S . • , Eine ähnliche Beziehung zwischen den Geheten der Christen und einem goldenen Behälter kommt in Oflb 8.3f vor. Für eine Verliefung dieses Themas vgl.Vanni. Struttura 219-227. Der Autor untersucht sehr ausfllhrlich das Vorkommen und die Funktion von "dll~ in Offh.
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In V.9a mündet die Verehrung des Lammes in ein Lied. das als neu bezeichnet wird42 . Alle Anwesenden beteiligen sich an diesem Gesang. 43 3.3.2 Das neue Lied In V.9 wird das Lamm als würdig gepriesen. das Buch zu empfangen und seine Siegel zu öffnen. Das versiegelte Buch. das im ganzen filnften Kapitel von Bedeutung ist. wird in den Kommentaren sehr verschieden gedeutet: als Urkunde". als Zeichen von Macht45, als Weissagung über die Endzeit46. als typisches apokalyptisches Motiv des Endzeitgerichtes47 . Prigent spricht vom AT"'. V anni sieht darin eine Konkretisierung des Eingreifens Gottes in die menschliche Geschichte49• Im AT erscheint das Motiv des versiegelten Buches in den prophetischen Schriften. Nach Ez 2.9 wird dem Propheten eine vorne und hinten beschriebene Buchrolle übergeben. die Klage. Ach und Wehe enthält; in Dan 12 geht es ebenfalls um ein Buch. das bis zur Endzeit versiegelt bleiben muss; in Jes 29.11 wird ein Vergleich zwischen den prophetischen Worten und einem versiegelten Buch angestellt. Die Analyse des Vorkommens von Ih/lAlOV in Offb hebt den prophetischen Bedeutungsgehalt des Motivs hervor. Dieser Zug ist allen Sonen von Büchern. die im gesamten Werk auftauchen. gemeinsam: Neben dem Buch mit den sieben SiegelnSO begegnet man dem Buch des Lebens~l. den BUchern mit den Werken~2 und einem geöffneten Buch~3; darüber hinaus wird die Apokalypse selbst als Buch bezeichnet~. Der Verfasser der Offenbarung übernimmt das Motiv der ver., Das Motiv des neuen Liedes iSI aus dem AT. vor allem aus den Psalmen. bekannl. Lomeyer. Of/_nbaTIUIg S3 fllhrt zahlreiche all. Belegstellen an. Für die Bedeulung von vgl. 11 8.2. " Schlier. ThWNT I 163-16S weisl auf den kuhischen Charakter des Gesanges hin. Es handeh sich um Lieder. die in der versammelten Gemeinde gesungen werden . •• Lohse. 0ff_nbaTIUIg 42 . • , SchUssler Fiorenza, Vision 60-61. •• Kraft. Of/.nbarung 103. Dazu vgl. auch Bergmeier R.. ZNW 76. 225-242 . ., Jöms. Das hymnisch_ EV/JIIg_lium 46 . •• Prigen~ Apo/ctJ/yps. 94: -Le lexle pr<>p<>K el pouNnl inaccesible. c'esl J'AT qui dcmeure leilre mone \aß1 que le Chrisl ne 1'~laire el ne le n!v~le en en brisanlies sceaux> . •• Vonni. Apocaliss. 166 (Übersetzung aus dem llalienischen): -Das Buch liegl .in d: es drückt also eine Konkrelisierung der aktiven. vom Thron symbolisienen Hemchaft Gottes über die Geschichle der Menschen aus. Diese Konkretisierung wird dadurch aufschlussreicher. dass sie in allen Delails ausgefilhn wird: .(bereilS) in- und auswendig geschrieben>. Es beslehen keine leeren SIelIen: alles, was die Mensche. und ihre Geschichle belrim. iSI mil vollslindiger Genauigkeil bestimmi>. '0 Vgl. S.1.2.3.S.9. " Vgl. 13.8; 17,8; 20,12: 21,27. Dazu auch 3,5 und 20,15: on diesen zwei SIelIen komml ~ijI.OS" vor. "Vgl. 20,12 (zweimal). " Vgl. 10,8. Dazu auch 10.2.5.10; hier wird ~'~'api6,o. verwendel. ,. Vgl. 1.11; 22,7.9.10.18 (zweimal).19.
.a,.o,
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siegelten Buchrolle und gibt iIun einen neuen Sinn. Die Zeit der verborgenen Prophetie ist vorbei. und die Öffnung der Siegel steht in Oflb 5 bevor: Der radikalen Verschlossenheit des Buches. die durch die Siebenzahl der Siegel ausgedrilckt wird. wird mit dem christologischen Rekurs auf das Lamm ein Ende gesetzt. Die öffnende Tätigkeit des Christus ist unwiderruflich. 55 Das Lamm wird als würdig gepriesen. das versiegelte Buch zu empfangen und zu öffnen. Nach K.-P. Jörns übernimmt iielOS' die Bedeutung von 6uvallal: damit werden Fähigkeit und Können ausgedrUckt. 56 Die durch ön eingelUhrte Begründung bringt die Kraft zum Ausdruck. aus welcher dieses Können stammt.' Ea.pay'lS' • .;yopaaaS' und ETlol'laaS' bilden den Kern des ön-Satzes. Die Aoristfonnen geben zu erkennen. dass es sich um einen Rückblick auf vergangene Ereignisse handelt. 51 Ausgangspunkt ist das Schlachten: das 1bcma der gewaltsamen Tötung Jesu wird wieder aufgenommen. Dicsmalliegt der Akzent anders als in V.5. da der Tod als abgeschlossene Handlung schlechthin dargestellt wird . •HyopaaaS' drilckt die erste Implikation des Kreuzes aus. Es geht um seine erlösende Wirkung. 58 • AyopdCw steht hier ohne Akkusativobjekt; dadurch wird. ähnlich wie bei Aalillavw in V.7. die Handlung an sich in ihrer ganzen Tragweite hervorgehoben. Die befreiende Tätigkeit Christi veränden die Beziehung der Menschen zu Gott59. die im Zeichen des Todes Jesu zustande gekonunen ist. Durch das Blut60 wird das Thema des gewaltsamen Todes zum drinen Mal aufgenonunen .. Ev T<jl allian aou steht eigentlich rur das ausgegossene Blut. für Mord und Tod; dieses Bild erinnen gleichzeitig an die schwache Beschaffenheit " Dazu vgl. 11 2.2. JÖms. Das hymnische Evangelium S6-13. unlersuchl in einem Exkurs die BcdcuIUng von d~IO~. " Vgl. Daryl Charlcs. JETS 34. 410:.NOIably all thrcc verbs arc aorisl. undcTscoring thc emphalic hislorical momenl of thc salvation evenl in Chrisl •. ,. . 'y"""C... in bezug auf die Erlösung komml noch in Offb 14.3ff vor: in V.3 bezeichnei ein Pan. Perf. die Christen. die bereits erlösI sind. Über die Bedeutung dieses Verbs vgl. SchUssI.. Fiorenza, Priester /Ur GOII 28Of: .Das Verbum ciyopaC .... das hier die ganze Bildaussage bestimmi. stamml aus dem Geschäftsleben. wobei an einen verschiedenen geschäft\icben Hintergrund gedachl sein kann (".). Da es sich bei dem Objekl des Kaufe.. um Menscben handelt. könnle in Offb S.9 speziell der Sklavenmarkl gemeinl sein. (.,,) Da das Lamm seinen Kauf in allen I..ändcm und bei allen Völkern der Erde tätigte. könnle in Offb S.9 an diese letzte Form. nämüch an die Befreiung von Kriegsgefangenen. gedachl sein. die unter Frerndvö\kern wohnen. Diese Bedeulung von ciyopciC'" wird auch durch die drine Begründung geslÜlZI, in der davOll die Rede iSI. dass die Freigekauften zu einem Königreich oder Königvolk fiIr Gon gemachl worden sind. da nämlich nach römiscbem Rechl der duR:h die Gefangenschaft zum Sklaven gewordenc durch den Freikauf wieder ,in den Raum des eigenen Volksganzen zurik:kgefllhrb und seiner politiscben Rechte wieder teilhaftig wurde •. " Obwohl T<Öl 9<<Öl nur in A bezeugt iSI. steIlI dies die bessere Lesan gegenüber den anderen Textvarianten. die T<Öl e.<Öl mil l\~a~ ergänzen oder gar ersetzen: dazu Metzger. Tex/ual Com-
'6
men/ary 138. 60 FOt die syntaklische Funktion von (y T<Öl al~aT( aou vgl. BIIDIR
I 219.3.
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des Menschen, der nach jüdischer Auffassung aus Fleisch und Blut besteht. 61 Das ausgegossene Blut verbindet den Tod und seine erlösende Wirkung.62 Diese Befreiung betrifft Menschen aus alIenn Stänunen, Sprachen, Völkern und Nationen. Der Universa1itätscharakter der Erlösung wird hier stark betont: die durch Ka( verbundenen Substantive $uX", yXwooa, Xao" lavo, und das Vorkommen von mi, lassen keine Lücke frei: Menschen aus allen Völkern sind betroffen. EK bringt die Idee der Auswahl zum Ausdruck.63 Der dritte Teil der Begründung erweitert das Vorangehende: Es geht nun um die Freigekauften64 • Die erlösende Wirkung des Gekreuzigten machte die Erwählten zwn Reich und zu Priestern. Die Zusammenstellung des Abstraktums [3aOlXdav und von lEPEl,65, der Bezeichnung einer bestimmten Gruppe von Menschen, ist erstaunlich. Das Reich Gottes betrifft die Christen: es ist fiIr die Befreiten bereits Wirklichkeit66, und zwar so, dass man von seinem Anfang im Aorist reden kann. Innerhalb der Ofib wird lEpEl, inhaltlich nicht näher bestimmt. Die drei Belegstellen dieses Wortes (1,6: 5,10 und 20,6) sind in unterschiedlich verarbeitete Aufnahmen von Ex 19,6 integriert. In 1,6 kommt lEpEl, als Apposition von [3aOlXdav vor. Diese syntaktische Verkettung hebt den menschlichen Charakter des Reiches hervor: Es geht um eine den Menschen geschenkte Dimension, die nur mit deren Teilnahme rea1isiert werden kann. Aus 20,6 kann man eine gewisse P-.ua1.Ielität zwischen äylO, und lEpEt, entnehmen. Die Menschen, die an der Königsherrscbaft Gottes bereits teilnehmen, werden in 5,10 Priester genannt. Daraus wird deutlich, dass lEpEl, in Ofib zur Bezeichnung aller Christen und nicht einer amtlichen Funktion verwendet wird. 67 Die Ausdehnung des Priestertitels auf alle Gemeindemitglieder bezeugt eine Vermischung der sakralen Sphäre mit der profanen Welt. Die befreiende Tätigkeit des
.1 Vgl. Behm, ThWNT I 171. Vgl. S.88fr. .2 Daryl Charles, JETS 34, 471:.Bolh agorazo and spharo .... uniled by one element, !he purehase price: en 10 haimali sou» . • , In der Offb kommen "'UA~: YAwooa, Aao. und 19vo. mehrmals vor, jedoch immer in verschiedener Reihenfolge. Wie in 5,9 hezieht sich die Aunistung in 7,9 auf Leute, die von di:r Ankunft Christi betroffen sind. In 14,6 beschreibt diese Vierergruppe die Adressaten des Evangeliums, wälRnd in 11,9 Menschen gemeint sind, die sich auf den Tod der zwei von GOlt JesandIen Zeugen freuen. 14,6 Sieht die Gruppe parallel zu den Bewohnern der Erde und meint alle Menschen schlechthin; der Ausschliesslichkeitsaspekt wird auch in 7.9 relativien, da die Zahl der Erwählten deran gross ist, dass man sie nicht zählen kann. Dazu vgl. 0 4.2. Die Wendung EK "aollS' 4!u).i'jS" Kat y>..wao'lS' Kat ).aoll Kat l811ouS' erinnen ans Danielbuch: in 3.7 und 5.19 (9") kommt nav". 01 AaOl, "'UAal, YAwooa, vor; in 3,7 (LXX) naVTa T
Kat y>"WOOCll.
.. A.iTou. bezieht sich auf das unbenannle Objekt von ~yopaoa •. Dieses Pronomen steUt gegenüber der VarianIe q~a. die lectio difficilior dar. Vgl. Metzger, r.xrual Comm
genden inneren und äusseren textkritischen Argumenten . •• Dazu vgl. 17f. • 7 Zu dieser Thematik ist die UnlelSuchung von Schüssler Fiorenza. PrieS/., filr Goll empfehlenswen.
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Christus wurde bis hierher in ihrer historischen Tragweite geschildert. Eine futurische Aussage unterbricht plötzlich in V.IO den Rückblick6l ; unvermittelt wird arn Schluss des Hymnus der eschatologischen Perspektive Raum gegeben. Es wird an die künftige Erfüllung der ßacnAEia erinnert. Die starke Spannung zwischen «schon jetzt» und «noch nicht» kommt wieder auf. . En\ TijS' yijS' beschliesst die ausgewählte Perikope. Die Apokalypse schildert das Lamm und erzählt von seiner befreienden Wirkung an Menschen. die auf der Erde. in der Welt leben. 3.4 Zusammenfassung Die Vision des Lammes in Offb 5.6--10 lässt paradoxe Gegensätze sichtbar werden; das erste Auftreten des Lammes nach der Ankündigung eines siegenden Löwen in V.5 nimmt die weitere Entwicklung der Erzählung vorweg. Der erste Teil der Vision wird den Merkmalen des Lammes gewidmet. Seine stehende Haltung bezieht sich auf die Ankündigung von V.5 und führt sie weiter aus. Es geht um das Ergebnis eines ausserordentlichen Sieges. des Sieges über den Tod. Das stehende Lamm wird so zum Inbegriff der Lebendigkeit in der Gegenwart. Dazu kontrastiert seine Todeswunde sehr stark. Das Lamm wird als zugleich geschlachtet und lebendig dargestellt. Seine sieben Hörner bezeugen höchste königliche Macht und Würde. seine Augen eine vollkommene Wahrnehmung. Die Identifikation der Augen mit den Geistern Gottes verrät eine erste Beziehung des im Zentrum der Szene stehenden Lammes zur Erde. Nach den Zügen der Hauptgestalt werden ihre Handlungen geschildert. THA8EV und EtA 'l4>Ev brechen zum Teil die plastische Darstellung und führen einen historischen Rückblick ein. THA8.v thematisiert die unerwartete Ankunft Jesu in der Welt. während ElA'l4>Ev die göttliche Zuwendung als Moment des reinen Empfangens reflektiert. Gleichzeitig dienen diese zwei Verbforrnen zur weiteren Entfaltung der Vision. Das Lamm empfangt aus der Rechten Gottes ein Buch: diese Geste eröffnet eine ganze Serie von Ereignissen. die im Zentrum der folgenden Visionen stehen. Dieses Geschehen veranlasst die Gestalten um den Thron dazu. dem Lamm ein neues Lied zu singen. In den hymnischen Versen 91>-10 steht die öffnende Tätigkeit des Lammes im Mittelpunkt. Die Fähigkeit des Lammes. die Siegel des 68 Das Futurum llaoL>..EuoOVOU' ist textkritisch umstrinen. wird jedoch von vielen Exege(en der Präsensfonn liao1.).f.UOUOlV vorgezogen. Es ist nicht möglich. sich aufgrund von äusseren Kriterien flir die eine oder die andere Variante zu entscheiden. Mit Daryl Charle,. JETS 471 entscheide ich mich flir das Futurum: Auf der Spannung zwischen der gegenwärtigen Dimension des Reiche, und seiner eschatologischen Erfüllung beruht die ganze Offenharung. Dazu vgl. Metzger. ru/ual Comnrenrary 738; Schüssler Fiorenza. Priesru /Ur GOIt 74; Bous,et. Offen· barung 169; Charle,. Revela/ion 1 148. bevorzugt ~aalA.uoualv; inhaJUich versteht er jedoch diese Fonn futurisch.
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Buches zu öffnen. ergibt sich aus seiner Vergangenheit. Aus seiner Geschichte werden hier drei Momente thematisien: die gewaltsame Tötung. die erlösende Wirkung und der Anbruch des Reiches Gones. Das Tun des ChrislUs-Lanunes wird in seiner Relevanz für die Menschen dargestellt: Menschen aus jedem Volk sind betroffen. sie wurden «zum Reich und zu Priestern» gemacht. Der letzte Satz des Liedes spannt einen Bogen über die Zeiten: das Reich wird in die Dimension der Verheissung gerückt. Die Spannung zwischen «schon vorhanden» und «noch nicht vollendet» erscheint in Offb 5 als sehr stark und unerwartet. In diesem Kontext übernimmt die letzte Onsangabe eine wesentliche Rolle. indem sie die Erde als den on der Vollendung des Reiches bestimmt.
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4 Offb 7,9-8,1: Eine schreiende Menschenmenge Nach der DarsteUung Gottes und des Lammes wurde eine Perikope ausgewählt, in der Menschengestalten geschildert werden. Die Geschichte und die Zukunft der Menschen von Ollb 7,9-17 ist durch eine besondere, starke Beziehung zu Gott geprägt. 9 Danach sah ich, und siehe, eine grosse Menge, die niemand zählen konnle. aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, umhülll mil weissen Kleidern und sie hanen Palmzweige in ihren Händen. 10 Und sie schreien mil lauler Stimme: «Das Heil unserem Gon, der auf dem Thron sitzl, und dem Lamm». 11 Und alle Engel slanden rings um den Thron und um die Älteslen und um die vier Wesen, und sie fielen vor dem Thron auf ihre Gesichler nieder und beteten Gon an: 12 «Amen, das Lob und die Herrlichkeil und die Weisheil und der Dank und die Ehre und die Kraft und die Stärke unserem Goll in alle Ewigkei!. Amen •. 13 Und einer der Älteslen fuhr fon und sagle mir: «Diese, die mil den weissen Kleidern umhüllt sind, wer sind sie und woher sind sie gekommen?» 14 Und ich sagle ihm: «Mein Herr, du weissl es •. Und er sagle mir: .Das sind die, welche aus der grossen Bedrängnis kommen, und sie haben ihre Kleider gewaschen und sie im Blul des Lammes weiss gemach!. 15 Deswegen sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nachl in seinem Tempel, und der, welcher auf dem Thron SilZl, wird über ihnen wohnen. 16 Sie werden nichl mehr hungern und nichl mehr dürslen. Weder die Sonne wird auf sie fallen, noch irgendeine GIUl, 17 denn das Lamm millen im Thron wird sie weiden und sie zu Quellen von Lebenswasser führen. Und GOll wird jede Träne von ihren Augen abwischen». 8, I Und als das Lamm das sieble Siegel öffnele, enlstand eine Stille im Himmel, elwa eine halbe Stunde.
Offb 7,8-8,1: Eine schreiende Menschenmenge
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4.1 Aufbau In Offb 7.9-8,1 lassen sich drei Szenen unterscheiden. V.9-12 umfassen die Vision von Menschen und Engeln. Die DarsteUung der Menschen (90 und diejenige der Engel (110 sind ähnlich strukturien; der erste Vers beschreibt das Gesehene, während der zweite eine direkte Äusserung enthält. Eine rhetorische Frage eröffnet die zweite Szene; in V.13-14a wird eine Grundfrage formulien. in 14~17 eine umfassende Antwon dazu. In diesem deutenden Dialog fällt eine zeitliche Gliederung auf: V.14b schilden die Vergangenheit der Menschenschar, 15ab ihre gegenwärtige Situation und 15c-17 ihre Zukunft. I Die ausgewählte Perikope wird in 8.1 mit der Öffnung des siebten Siegels abgeschlossen. 7,9-12
Vision V.9 V.1O
Schilderung der Menschen Ihre Äusserung
V.II V.12
Schilderung der Engel Ihre Äusserung
7,13-17
Dialog
V.l3-14a V.14~17
eine rhetorische Frage Antwon
14b ISab ISc-17 8,1
Vergangenheit Gegenwan Zukunft
Öffnung des siebten Siegels
4.2 Eine schreiende Menschenmenge
In Offb 7.9f sieht Johannes eine grosse Schar. Diese Gruppe wird mit Sorgfalt beschrieben. Als erste Eigenschaft wird ihre Grösse genannt: Es geht um eine grosse Schar. nOAUS' wird im anschliessenden Relativsatz erläuten: Kein Mensch ist im Stande, die Menge zu zählen. Diese Schar kann mit keiner Zahl identifIZien
I
Dazu vgl. Corsani, L'Apocaliss. 87.
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Ausgewählte Visionen
werden. 2 Die enonne Ausdehnung der Menschenmenge wird von der Herkunft ihrer einzelnen Glieder noch bekräftigt: Sie stammen aus aIJen Nationen, Stämmen, Völkern und sprechen verschiedene Sprachen. Der mit einer parallelen Auflistung in 5,9 angedeutete Universalcharakter wird an dieser SteUe besonders hervorgehoben.) Die Schar von Offb 7,9 ist unzählig, heterogen, umfasst Leute aus allen Kulturen. 4 Beim Partizip EO'TWTES' wird der Blick vom koUektiven Begriff öxAoS' zu den Einzelnen gewendet. Das Stehen vor dem Thron und dem Lamm kennzeichnet nicht nur den Ort, an dem sich die Menschenmenge hefindet. Es geht meiner Meinung nach um eine qualitative Aussage über die versammelten Gestalten. Die Perfektform besagt, dass die stehende Haltung als Ergebnis einer früheren Handlung zu versteben ist. Hier könnte lO'Tlllil, so wie beim stehenden Lamm in Offb 5,95, das Ergebnis eines Sieges zum Ausdruck bringen. Der Vergleich zwischen 7,9 und 15,2 bestätigt diese Vermutung: Und ich sah etwas wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vennischt, und (ich sah) die Sieger über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens auf dem gläsernen Meer stehen mit den Harfen Gottes·. Der Raum vor dem Thon und dem Lamm ist ein besonderer Ort: Die Gestalten von Offb 7 treten als erste Menschen vor dem Angesicht Goltes und des Christus auf. Dieser räumliche Aspekt lässt eine besondere Beziehung dieser Menschen zur göttlichen Sphäre erahnen. Die Gemeinschaft mit GOII wird darüber hinaus von den weissen Gewändern der Menschen unterstrichen. Aus den Ausführungen über die weisse Bekleidung der Ältesten im Kap. 4' soll hier
1 Prigent, Apocalypso 123 erinnen an die gendankliche Parallele zu Gen 15,5; 22,17, wo die Verheissung einer unzählbaren Nachkorrunenschaft flir Abnun fonnulien wird. l Vgl. 11 3.3.2. Der Übergang vom Singular naVTo, l8vou, zu den folgenden Pluralfonnen versUirkt den Steigerungserrekt der Aunistung . • An dieser Stelle drangt SIch ein VergleIch mit der Vision in 7,1-8 auf. Don wird eine Schar von 144.000 Menschen aus jedem Stamm Israels dargestellt. In der Sekundärliteratur wird der Kontrast zwischen dieser hestimmten Zahl und der israelitischen Herkunft der Schar in do!ersten Vision einerseits und der Unbestimmtheit und Heterogenität der Gruppe in 7.9 andererseits eingehend diskutien. Viele Forscher tendieren dazu, die Scharen von V.4 und V.7 zu identifizieren: Die Abfolge von zwei ähnlichen Visionen wird als Millel zur Weiterführung und Vertiefung einer einzigen lbematik betrachtet. Vgl. z.B. Chartes, Rn.la/ion I 199f; Jöms, Dm Hymnisch. Evang.lium 77; MOlIer, Offmbarung 18Of; Roloff, Off.nbarung 90; Prigent, Apocalypso 123. Dieser These widersprich! eine ältere Auffassung, nach der die erste Schar die judenchristlichen Glieder der Gemeinde darslell~ wäluend die zweite die Christen heidnischer Herkunft symbolisien. 5 Vgl. dazu 113.2.1. • Die Verwendung von VlKa .. mit
Offb 7,8-8,1: Eine schreiende Menschenmenge
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nochmals an den Brief für die Christen in Sardes erinnert werden. Ihnen wird folgendes versprochen: •0
VlKölv OÜTWS' n
Il1anotS' A
Die weisse Bekleidung der Menschenschar in Offb 7 scheint die Erfüllung dieses Versprechens zu bezeugen. Schwieriger ist es, die Funktion der Palmzweige im Kontext der Offenbarung zu bestimmen, vor allem weil es sich um ein einmaliges Vorkommen dieses Wortes handelt. $olVle bezeichnet den Palmbaum, die Dattelpalme.8 In der altorientaIischen Welt wurde der Lebensbaum als stilisierte Palme dargestellt; die Palme wurde als Symbol von paradiesischer Lebenswonne in kultischen Feiem getragen. Die PaImzweige übemehmen diese Funktion z.B. in lMakk l3,SI; 2Makk 10,7 und Lev 23,40.9 Viele Ausleger der Apokalypse sehen in den Palmzweigen einen Ausdruck der Freude wegen des errungenen Sieges.'o Diese Deutung wäre jedoch eher aufgrund der griechischen Symboldeutung des PaImzweiges denkbar. 1I Ulfgard l2 äussert sich sehr skeptisch über den Rekurs auf die Bedeutung der Palme in der griechisch-römischen Welt. I) Nach ihm soll man die Palmzweige als Anspielung auf die Bedeutung des Laubhüttenfestes in der jüdischen Welt verstehen: Die schützende Anwesenheit Gottes innerhalb seines Volkes kommt hier ins Spiel. 14 Wenn man aufgrund der altorientaIischen Tradition das Motiv der Palme mit demjenigen des Lebensbaumes verknüpft, kann man Ulfgards These mit weiteren Vergleichen innerhalb der Offenbarung bestätigen. Der Baum des Lebens kommt in Offb mehrmals vor. In 2,7 wird der Gemeinde in Ephesus folgendes versprochen:
• Bauer, Wörterbuch 1709. • Vg). KeeVKüchlerlUehlinger, Orte und Landschaften 164. 10 S. z.B. Lohmeyer, Offenbarung 68; Lohse, Offenbarung 54; Müner, Offenbarung 181. Roloff, Offenbarung 91 belonl den Aspekl des mil dem Sieg verbundenen Friedens. 11 Dazu KeeVKüchlerlUehlinger, Orte und Landschaften 164: .In Offb 7,9 bingegen dürften die Palmzweige in den Händen der Heiligen, die das Lamm umstehen, unler griech. Einfluss als Symbol des Sieges zu verstehen sein •. Vgl. auch Krafl, Offenbarung 128f. 12 In Feast anti Fwurt. I J «Howcvcr. Olle important objection to seeing the palm branctles as mere signs cf victory is Ihat lhis use of palm branches was primarily pagan, and Ibal il would be quile e.traordinary if an anti-pagan writing as Rev would make use only of such non-biblical symbolism when describing Ihe people of God before bis Ihrone •. Ibid. 90. 14 .The palm branches should be interpreted according 10 Ibis general panem in Ihe description of God's people. As liturgical elements lhey are associated wilb Ibe Feast of Tabernades wbich celebrates God's protective presence among Ihe people of Israel during Ihe wandering in !he wildemess, and in Ibe Christian reinterpretation of Ihe Bible !hey ten Ibe readersllisteners ihatlhey share Ihe same e.perience in Christ•. Ibid. 90.
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Ausgewählte Visionen Dem Sieger werde ich vom Holz des Lebens zu essen geben, das im Paradies Gottes steht.
Der Lebensbaum kommt wiederum im Kap. 22 vor; in V.2 ist von den FlÜchten dieses Baumes und von der heilenden Kraft seiner Blätter die Rede. Aufschlussreich für die Interpretation von Offb 7 erscheint der Makarismus in 22,14: Selig sind die, welche ihre Gewänder waschen, damit sie Anrecht bekommen am Holz des Lebens und durch die Türen in die Stadt hineingehen dürfen."
Das Waschen der Kleider erscheint hier als Voraussetzung, um zum lebensbaum zu gelangen. Die erwähnten SteUen geben Grund dazu, den Palmzweig von 7,9 als partieUe Konkretisierung des Versprochenen, der Teilhabe am lebensbaum in der neuen Stadt, aufzufassen. 16 Mit der ersten [miten Verbform entsteht ein grosser Bruch in der Vision der Menschenmenge. Die vielen Zeichen, welche die Nähe zu Gon und die Teilnahme an seinem Versprechen in der Schilderung der Menschen zum Ausdruck bringen, kontrastieren kräftig mit dem Schreien in V.I O. K~w alunt als Schallwon das Krähen des Rabens nach: es bedeutet «schreien» und kann verschiedene Nuancen beinhalten.l1 In der LXX kommt Kpciew "im Zusammenhang des Rufens und Schreiens zu Gon in irgendwelcher Not des Volkes oder des Einzellebens,. vor. IB Im NT steht KpOcW oft in Verbindung mit Dämonen und auf der Linie der LXX hebt dieses Verb die Not hervor. 19 In der Apokalypse leitet KpOcW mehrmals die furchterregende Ankündigung eines Engels ein. 20 In 18,18.19 unterstreicht das zweimalige Vorkommen von KpOcW die Verzweiflung und die Trauer der Bewohner Babyions, die aus der Feme den Rauch der niedergebrannten Stadt steigen sehen. In 12,2 wird das Schreien von den quälenden Geburtsschrnerzen einer Frau verursacht. Unserer Stelle im Kap. 7 steht 6,9-11 nahe. Die Formulierung 4>wvfj llE'yaA'{l verstärkt hier wie in 7,10 die Vorstellung des Schreiens. Subjekt dieses
" Vgl. auch 22,19. ~OiVl~ komml in der johanneischen Fassung des Einzugs Jesu in Jerusaiem vor. Joh 12,13 und 0fIb 7,9 ..eUen die zwei einzigen Belege im NT dar. Nach Schnackenburg, Johon· n~JItvtUI,~Ii"", 468f sind die Palmzweige als Symbole eines siegreichen Hemchen oder des Sieges aufzufassen. Diese Auslegung des Palmmolivs beim Einzug in Jerusaiem Sieht der angenommenen Bedeurung in der Offenbanmg sehr nahe. " Grundmann, ThWNT DI 898-904. " lbid. 899. Ibid. 900f. 20 Vgl. 7.2; 10.3; 14.IS; 18.2; 19.17. 16
'9
Offb 7.8-8.1: Eine schreiende Menschenmenge
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Rufens sind die Seelen der Geschlachteten. welche nach der Öffnung des fünften Siegels unter dem Altar erscheinen. Und als es das fünfte Siegel öffnete. sah ich unter dem Altar die Seelen der um des Wortes Gottes und des Zeugnisses willen Geschlachteten. das sie hielten. Und sie schrien mit lauter Stimme und sagten: «Wie lange. Herr. Heiliger und Wahrhaftiger. richtest und rächst du nicht unser Blut an den Bewohnern der Erde?». Und jedem von ihnen wurde ein weisses Gewand gegeben und es wurde ihnen gesagt. noch kurze Zeit zu warten. bis (die Zahl) ihrer Mitdiener und ihrer Brilder und Schwestern vollendet sei. die noch getötet werden müssten. wie sie selber. Offb 6.lOf bezeugt wiederum eine starke Verbindung zwischen K~W und dem Leiden; die Not steht in Offb 6 im Mittelpunkt. Für die Verwandtschaft von 6.lOf mit 7.10 spricht nicht nur das Vorkonunen von Kpci,W. Auch das Motiv des weissen Gewandes und die Aufforderung. auf die vollständige Zahl der Getöteten zu warten. spannen einen inhaltlichen Bogen zwischen den zwei Stellen. Man hat den Eindruck. dass es sich um die gleichen Gestalten handelt. Die Äusserung der Menschengestalten wird also als Schreien in der Not dargestellt. Der elliptische Satz in V.lOb verleiht diesem Leidensausdruck eine inhaltliche Gestalt. Das Fehlen der Verbforrn erschwert jedoch das Verständnis der direkten Äusserung. Zahlreiche Ausleger der Offenbarung sehen in V.I Ob einen Siegesruf. in dem Gott und das Lanun als Retter und Helfer gepriesen werden. 21 Die Verbindung von Kpa,w mit einem Preiswort scheint mir sehr schwierig und wird den einführenden Worten des Rufes gar nicht gerecht. Meiner Ansicht nach soUte man die Worte in lOb als einen verzweifelten Ausdruck von Zuversicht betrachten. Die oben analysierten Attribute der Menschen konkretisieren die Teilnahme an der Vollendung. während das Schreien von V.IO die Aktualität des Leidens zum Ausdruck bringt. In dieser unheimlichen Spannung ist der Ruf 1] OWTllPIa TIjl 9f<ji .qI1WV TIjl Ka91111EV'll E11t TIjl 9pov'll Kat TIjl apvt'll eingebettet. Die OWTllPIa wird mit Gott und dem Lanun verbunden: Hoffnung und Zweifel werden in dieser kurzen Äusserung in erschütternde Nähe gebracht. DuTllPla kommt in Offb insgesamt nur dreimal vor. In den Belegen ausserhalb von Kap. 7 ist die starke Spannung von 7.lOb bereits aufgelöst. Für das Verständnis unserer Stelle kann vor allem 12.IOfhilfreich sein: Und ich hörte eine laute Stimme im Himmel. die sagte: «.letzt ist das Heil angebrochen und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines 21 Vgl. z.B. Charles. Rtvelation 1211: Lohmeyer. Offenbarung 92; Loh... Offtnbarung S4 Roloff. Offenbarung 91; JÖms. Das hymnischt Evangtlium 83f. Diese Autoren betonen dm alttestamentlichen Hintergrund dieser Worte und weisen auf z.ahlreichc Parallelstenen aus cbn AT hin.
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Ausgewählte Visionen Christus, denn hinabgestürzt ist der Ankläger unserer Geschwister, der sie vor unserem Gon Tag und Nach anklagte. Und sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch das Wort ihres Zeugnisses, und sie haben ihr Leben nicht bis zum Tod geliebt».
Man elllhnt hier eine Linie, die von 6,IOf über 7,9f zu 12,IOf führt. Die Hoffnung auf Rettung erscheint in Offb 6 als noch unerreichbar; in 12,9 ist sie bereits realisien. Der Schrei in Offb 7.10 liegt mit seinem Zwiespalt gerade dazwischen. Die rettende Wirkung ist ein Ausdruck der Macht Gones und des Lanunes, sie ist aber für die Menschenmenge in Offb 7 noch nicht vollendet. 22 4.3 Alle Engel Nach der Menschenmenge nimmt der Seher die Gestalten in den Blick, die sich rund um den Thron befinden: Ausser den schon bekannten Ältesten und geflügelten Mischwesenwesen 23 treten an dieser Stelle alle Engel auf. Die vollständige Zahl der Engel betont erneut die Grossartigkeit der Vision. Die Engel stehen um den Thron. Ihre Wone werden anders eingeführt als diejenigen der Menschen. Dem VerbK~w in V.lO stehen hier Handlungen gegenüber, die typisch für einen Lobpreis24 sind: die Engel fallen auf ihre Gesichter und beten Gon und das Lamman. 25 Der Lobpreis der Engel beginnt und endet wahrscheinlich mit a1'Tlv. 26 Für die Wichtigkeit dieses Wones innerhalb der Offb spricht 3.14b: Dies sagt der Amen, der zuverlässige und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Goltes. , AI' TlV wird hier als christologische Bezeichnung gebraucht und durch die anerläuten: das 1bema der schliessenden Wöner b l'apTU, b 11I0TO, Kat aA '191. Zuverlässigkeit ruckt dabei in den Vordergrund. Die Umrahmung der Doxologie mit al'Tlv verleiht der Aussage aller Engel einen starken ZuverlässigkeilSCharakter. Der Lobpreis besteht aus einer Reihe von sieben Begriffen. Diese Zahl druckt hier wie an vielen Stellen in der Offb Voll-
vo,
22 Die Verbindung von oWTqp(a mit 8uva~IS", ~aoIA"a und «ouo,a in 12.10 hebl den eschalologischen Aspckl dieser Begriffe hervor. Dazu vgl. Schüssler Fiorenza, Vision 68. 2l Vgl. 112.5 und U 2.7. 24 Vgl. Jöms, Dw hymnische Evangelium 82. lS Vgl. dazu 11 2.8. und 11 3.3.1. 26 Das zweite Vorkommen von cI~~v iSI unsicher. Vgl. Metzger, r.X/UD/ Com.ntary 742: «Altough lhe absence of cI~~v allhe c10se of ver. 12 in scvera! witnesscs (C len minuscules 0/) may SUgsesl lhat lhe word is a liturgicaJ addition in lhe olher wilnesscs, lhe Commille. was impresscd by lhe prepondcrantteslimony supponing ilS proscnce (... )>>.
Offb 7.8-8.1: Eine schreiende Menschenmenge
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ständigkeit aus: «Die 7-ZahI weist wohl darauf hin. dass die Kette der lobpreisenden Prädikationen ohne Ende fortgefühn werden könnte».27 Wieder liegt an dieser Stelle ein elliptischer Satz vor: Unter dem Einfluss von a~ ~v scheint hier eine indikativische Verbform angebracht. Es wird gesagt. dass das Lob. die Herrlichkeit. die Weisheit. der Dank. die Ehre. die Kraft und die Stärke Gott in alle Ewigkeit gehören. Die Engel sprechen aus einer anderen Perspektive als die Menschen. denn sie gehören zur göttlichen Sphäre. Ihr Lobpreis kennt deshalb die Spannung der irdischen Menschenworte in V.I 0 nicht. 4.4 Ein deutender Dialog Der zweite Teil unserer Perikope besteht aus einem Dialog zwischen einem der Ältesten und dem Seher Johannes. Das Pronomen ~Ol eröffnet dem Erzähler den Zugang zur Vision. Aus der Begegnung zwischen einem visionären Element (dem Ältesten) und dem Zeugen der Vision. einem konkreten Menschen. entsteht die Deutung des Gesehenen.
4.4./ Die Frage Der Älteste fragt nach der Identität der weiss bekleideten Gestalten. Dabei will cr wissen. wer sie seien und woher sie kämen. Die Herkunft ist für die Bestimmung der Identität der Schar wesentlich. Die Antwort auf die Frage wird durch die Unwissenheit des Sehers verzögert. Schliesslich spricht der Älteste und antwortet selber auf seine rhetorische Frage. 28 Eigenartig an diesem Dialog ist die Tatsache. dass der Impuls zum Deuten von einer Gestalt der Vision stammt. Die Frage des Ältesten erscheint zudem überflüssig. da die Gestalten aus der Schar in der vorangehenden Vision ausführlich beschreiben wurden. Deutende Dialoge sind in der Offenbarung relativ selten und heben entscheidende Momente hervor. 29 Worin besteht die Besonderheit von Offb 7.14ff?
4.4.2 Und die Antwort Die Antwort des Ältesten ist zeitlich gegliedert. Ein Rückblick in die Vergangenheit der weiss Bekleideten eröffnet die Deutung.
JÖms. Das hymnische Evangelium 84. Dazu auch Berger, Formgeschichte 223. Der rhetorische Dialog in V.13f, der eine Deutung einführt, erinnert an Te.te wie Jer 1.11-13; Ez 37.3f; Sach 4,1. 2. Vgl. 17,1-3; 21,9ff; 22,lff. In diese Auflistung gehört auch 13,18, wo die Adressaten selbst aufgefordert werden, eine Deutung des (verschlüsselten) T.. tes zu finden. 21
18
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Ausgewählte Visionen
4.4.3 Ein Rückblick V.14b erklärt, warum die Frage nach der Identität der Schar zweifach gestellt wird. Die Identität dieser Menschen ist durch ihre gemeinsame Herkunft festgelegt: Sie sind diejenigen, welche aus der grossen Bedrängnis kommen. Die Wendung 9AltjJlS" I'€yaAlJ kommt nur zweimal in Offb vor, und nur hier mit dem bestirrunten Anikel. In 2,22 wird eine grosse Bedrängnis als Strafe eingesetzt und steht in Verbindung mit dem Tod. Die sonstigen Verwendungen von 9AltjJlS" in der Offenbarung kennzeichnen die Auseinandersetzung mit dem Leiden, mit den negativen Seiten menschlichen Lebens. JO 9AltjJlS" I'€YdAlJ ist ein seltener Ausdruck im NT;)I in Mt 24,21 wird eine grosse Bedrängnis als eschatologisches Ereignis dargestellt. Das Motiv stammt wahrscheinlich aus Dan 12, I. Es stellt sich somit die Frage, ob auch Offb 7,14 unter den Einfluss dieser apokalyptischen Tradition steht.)2 Der Kontext von Offb 7 enthält überzeugende Argumente für diese Annahme. Die abschliessenden Verse von Offb 6 geben die Aussage der Menschen wieder, welche von der Öffnung des sechsten Siegels betroffen sind. Sie verstecken sich vor den unheimlichen Folgen des Zorns Gottes und des Lammes. Das Kapitel wird in V.17 mit folgenden Worten beendet: ( ... ) denn gekommen ist der grosse Tag ihres Zorns, und wer kann bestehen?" Haben die Menschen in Offb 7 die Katastrophe der lelZ\en Tage bereits hinter sich?34 Neues Licht auf diese schwierige Stelle wirft die Fortsetzung des Rückblickes auf die Vergangenheit der Menschenmenge. Sie haben ihre Gewänder gewaschen und sie im Blut des Lammes weiss gemacht. Das Waschen der Kleider selZl eine aktive Handlung eines Subjektes voraus. Diese Tätigkeit wird am Ende der Apokalypse an der oben erwähnte Stelle in Offb 22,14 gepriesen. Das Waschen der Kleider garantien den Zugang zum Lebensbaum und zum heiligen Jerusalem.l s In 19,8 wird eine Beziehung zwischen
Über die Bedeulung von 9Alcjl\S" vgl. 1 3.2 und rn 1.1.1. Vgl. MI 24.21 und Apg 7,11. 12 Dazu Lohse, Off'Mo""'g 54: .Die grosse Trübsal iSI in der Apokalyptik ein fesl· stehender Ausdruck für die endzei~iche Bedrückung •. )) Vgl. zu diesem Thema auch 3,10. 14 Diese Meinung venrin u.•. Schüssler Fiorenll, Vision 65f: .The Vision in Rev 7: 1-8 seems 10 provide an answer 10 the concluding question of the si. tb seal vision: Who can be 58ved from the wrath and cosmic cataclysms of the .Lord's Day. ? (6: 17). Rev 7: 9-17 in lurn piclures tbose who have .carne oul of the greaI tribulation. (7: 14). I1 is the same tribulation which the opening of the ftrSllive seals has visualized •. " Vgl. Prigenl, Apocalypse 126. Eine vergleichbare Verbindung zwischen einem geeignelen Kleid und der Zulassung zu einem On des Fesles liegt im Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl in MI 22,11-14 vor. 10 11
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einer weissen Bekleidung und den rechten Talen der Christen hergestellt. J6 Die Aufforderung an die Gemeinde in Laodizäa, weisse Kleider zu kaufen. scheint in dieselbe Richtung zu gehen. J7 Das Ergebnis des Waschens wird in einer Paradoxie präsentiert: Im Blut des Lammes wurden die Kleider weiss gewaschen. Das Blut des Lammes steht in Verbindung mit dem gewaltsamen Tod Jesu. Die erlösende Funktion des Blutes des Lammes wurde schon in 5.9 hervorgehoben. Die Paradoxie bringt eine Umkehrung in den Text. Die weiss Bekleideten werden als handelnde Subjekte dargestellt, die selber die Kleider gewaschen haben; die Möglichkeit. die Kleider zu reinigen. ist jedoch erst durch das Blut des Lammes gegeben. lI Nur dank des Todes Jesu erfahren die Christen die ErIösung. J9 Die Vergangenheit der Menschenmenge ist von der grossen Bedrängnis. vom Waschen der Kleider und von der Wirkung des Blutes des Lammes bestimmt. Dieser in drei Momente gegliederte Rückblick erinnert sinngemäss an die Schilderung in Offb 1.9: Hier stellt sich der Seher als Genosse in der Bedrängnis. im Reich und im Ertragen in Jesus vor. Vielleicht besteht eine inhaltliche Verwandtschaft zwischen diesen zwei Texten. Wenn dies stimmt. kann man die grosse Bedrängnis als Verschärfung der in 1.9 genannten Bedrückung und das Waschen der Kleider als Bild fUr das Beharren. fUr das !reue Festhalten der Menschen an der Botschaft Jesu auffassen. Die ParaUelität zwischen der ßao\A€\a und der Wirkung des Blutes hebt die Kategorie der geschenkten Freiheit hervorW. Exkurs 11: Das Blut in der Apokalypse
In diesem Kapitel und in Offb 5 sind wir der befreienden Wirkung des Todes des Lammes begegnet. Diese wird mit dem Bild des Blutes ausgedrückt. Eine weitere Parallele flOdet sich in 12.11: Die Christen werden zu Siegern durch das Blut des Lammes und das Wort ihres Zeugnisses. Nur in 1.5 wird ausdrücklich das Blut Christi genannt. Eine erschütternde Szene. die thematisch 7.14 sehr nahe steht. wird in 19.1ff beschrieben. Der Zuverlässige und Wahre reitet auf einem weissem Pferd. Unter ,. Di.s. SIeU. wurde in 112.S ziti.n. Der Byssus von 19.8 wird als ~a~npOv und Ka8apov g.kennuichnel. 17 Vgl. Offb 3.18 bzw. oben (114.2). 11 Dazu Müller. OJf.nbarvng 183: .W.il die ChriSICD durch ihr Verhallen sich zur Erlösung durch das Blul Christi bekannt, sich also in der Drangsal bewährt haben. g.wannen si. bleibend.n Anleil an der .inmal geschehenen H.ilslal Christi. symbolisi.n durch sein Blul•. ,. Ähnliche Auffassungen des Blules J.su und seiner erlösenden Wirkung bel.gt u::h lJoh 1.7. W.i..... wichtig. ParalI.ISIeU.n sind Röm 3.2S; S.9 und H.br 9.l3f. Dazu vgl. Prig.nl. Apocalyp.. 126: «ü demi'rI"1e (H.br 9.14) esl paniculi~remenl inl~ressanl puisqu'il amnn•• comme Ap. 7.14f. que la purification ~ par I. sang du Chrisl pennel lIUl c~li.ns de rendre l Di.u un culle ..pabl••. Zur Inlerprelation von 1.9 vgl. S.ISff.
4.
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anderem wird auch seine Bekleidung geschilden: Er trägt einen in Blut getauchten Mantel. Ihm folgt ein Heer von weissen Pferden. Die Kleider der Rirter sind aus weissem, reinem Leinen. Die christologische Gestalt ist die einzige, die das Zeichen des Blutes und des Todes trägt. Die Todeswunde des Lanunes wird in 19,13 mit dem Motiv des Kleides wiederaufgenommen. Seine Nachfolger haben von der reinigenden Funktion dieses Blutes profitiert. 19,11 ff bietet den letzten Beleg von all'a, der vom Blut Christi und seiner Wirkung spricht. In diesem kurzen Exkurs sollen weitere Funktionen des Blutes innerhalb der Offenbarung in Betracht gezogen werden. Auch das Blut der Menschen ist ein Bild für den Tod. In 6,10 sehnen sich die Seelen der Geschlachteten nach dem Uneil und der Rache für ihr Blut. 16,5f scheint in Verbindung mit dieser Stelle zu stehen. Das Uneil ist nun gefallt: Und ich höne den Engel der Gewässer sagen: «Gerecht bist du. der du bist und warst, du Heiliger, dass du dies gerichtet hast, denn das Blut der Heiligen und Propheten haben sie vergossen und du hast ihnen das Blut zu trinken gegeben. Sie sind würdig dazu •. Das Blut, das sie zu trinken bekonunen, stammt aus verschmutzten Wasserquellen. Die Frau BabyIon betrinkt sich mit dem vergossenen Blut der Propheten und der Zeugen Jesu in 17,6. Ähnlich sieht es in 18,24 aus: In der Stadt Babyion wird das Blut von Propheten und Christen und allen Geschlachteten auf der Erde gefunden. 19,2 knüpft mit der Gerichtsthematik an 16,6 an. Auch auf kosmologischer Ebene spielt das Blut eine Rolle. In 6, 12ff ereignen sich im Hinunel und auf der Erde gewaltige Erschütterungen. Die Sonne wird schwarz und der Mond wie Blut. Diese und andere fUrchterliche Veränderungen sind Ausdruck des Zornes Gottes und gefahrden die Menschheit. In 14,14--20 wird die Gerichtsthematik im Bild der Ernte entfaltet. Nach der Ernte werden die Trauben in der Kelter des Zornes Gottes getreten. Daraus fliesst Blut bis an die Zügel der Rosse. 1600 Stadien weit. Das Blut steht oft in Verbindung mit dem Wasser: Hagel, mit Feuer und Blut gemischt, fallt auf die Erde (8,7), ein Drirtel des Meeres wird zu Blut (8,8). In 16,3 wird das Meer zu Totenblut verwandelt mit verheerenden Folgen für alle Lebewesen im Meer. In 16,4 wird das Wasser der Flüsse und der Quellen zu Blut. Für das Verständnis dieser Verwandlung ist die Beobachtung wichtig, dass sowohl das Wasser als auch das Blut Flüssigkeiten sind, die zum Leben notwendig sind. Ihre Venauschung ist jedoch unmöglich und verursacht den Tod. Über die Macht, das Wasser in Blut zu verwandeln verfugen die zwei Zeugen von Offb 11: und sie haben Macht über die Gewässer, sie in Blut zu verwandeln. (V.6)
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Zusammenfassend soll folgendes hevorgehoben werden: Das Blut spielt in der Offenbarung in drei unterschiedlichen Bereichen eine Rolle. Das Blut des Lammes bezeugt einerseits die Aktualität des Todes Cluisti und andererseits die von ihm bewirkte Befreiung. Das Blut im Kosmos gehön hingegen zur Thematik des Gerichtes. veranschaulicht die unheimlichen Folgen des Zornes Gottes und erscheint somit als Bild von Strafe und Rache. Ganz anders sieht es beim Blut der Menschen aus. Hier fehlen sowohl der bittere Geschmack der Revanche als auchjede Spur von Freiheit. Das Blut ist in diesem Zusammenhang das Zeichen des gewaltsamen Todes. den Cluisten und Propheten erfahren. Es ist nicht ganz klar. ob es sich dabei um den physischen Tod handelt. Viele Stellen in der ganzen Scluift scheinen davon zu sprechen. Beispielsweise kann man auf den Tod von Antipas. dem !reuen Zeugen (2.13). und auf die Cluisten von 12.11. die ihr Leben bis zum Tod nicht geliebt haben. hinweisen. An anderen Stellen könnte man den Tod auch als Metapher fUr den Ausschluss auffassen. Mit diesem Aspekt werden wir uns in der Analyse der folgenden ausgewählten Perikopen immer intensiver beschäftigen.'.
4.4.4 Gegenwarr Die Schar befmdet sich vor Gottes Thron'2: die präsentische Formulierung fasst die in 7.9 aufgelisteten Eigenschaften der Schar zusammen. Die Nähe zu Gott wird in V.ISa als Folge der Vergangenheit dieser Menschengestalten dargestellt. In dieser besonderen Nähe dienen sie ihm in seinem Tempel Tag und Nacht. Das Vorkommen des Verbs ),aTpOJw. das einen ausgeprägt religiösen Charakter hat.') verbindet die Aussage in ISb mit 5.10: Don werden die Menschen als Priester bezeichnet." Die Schilderung in V .ISb enthält als neues Element den on des Dienens. nämlich den Tempel Gottes. Im Kontext von Offb 7 scbeint der Tempel Gottes sich don zu befinden. wo die Menschenschar ist. Ist der Tempel Gottes die Dimension. in der die Menschen leben? Dieses Thema soll später in Zusammenhang mit Offb 21 f aufgenommen werden.
4.4.5 Zukunft Der Tempuswechsel in V.ISc änden zum dritten Mal die Perspektive: Die Zukunft der Schar ruckt nun ins Zentrum der Deurung. Gott wird Ober den Menschen wohnen. OKTJVOw kommt viennal in Offb vor: In 12.12 und 13.6 bezieht sich eine Partizipialform auf die Bewohner des Himmels; in 21.3 und an unserer Stelle schilden dieses Verb das Wohnen Gottes .
• , Vgl. 1114.3. 42 • Evwn.ov komm. in Oflb insgesamt 31maJ vor. 14maJ beuicJmet diese Präposition den Raum vor Gott oder seinem Thron. Dazu s .•uch D 2.4.1. und U 3.3.1 . • , Vgl. Strathmann. ThWNT IV 62~S . •• Vgl. 11 3.3.2.
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Ausgewählte Visionen
Auch das Substantiv OKl]Vt] bezeichnet in 13,6;15,5;21,3, den einzigen drei Stellen in Offb, die Wohnung Gottes. Das Wohnen Gottes über den Menschen ist Ausdruck seiner Nähe. Das Motiv der Nähe Gottes zu den Menschen steht nicht zufaIlig zu Beginn dieser Zukunftsschau, denn es handelt sich um das Leitmotiv der ganzen Perikope. Der motivgeschichtliche Hintergrund von OKl]VOw geht auf das Alte Testament zurück. Durch das Zelt kann Jahwe mitten in seinem Volk wohnen.4S Auch die folgenden Aussagen in V.l7 haben ihre Wunel im Alten Testament. Die Nähe Gottes zu den Menschen wird bedeutsame Folgen für sie haben. Hunger und Durst werden die Menschen nicht mehr plagen; es wird von einer Zeit gesprochen, in der die Knappheit an lebenswichtigen Gütern aufgehoben ist. Dieser Aspekt des Wohlstandes erstreckt sich auch auf die menschenfeindlichen Seiten der Natur. Die Sonne und die Glut werden nicht mehr auf die Menschen fallen. 46 Diese Aussagen stammen sehr wahrscheinlich aus Jesaja 49,10. 47 Der Aufhebung der zerstörerischen Wirkung der kosmischen Elemente verleiht der Kontext der Johannesapokalypse eine starke Bedeutung. Sonne und Sterne sind nämlich gewaltige Mittel zur Vernichtung der Erde. Interessant im Vergleich zu Offb 7, 16f erscheint 8,lOf: Und der drine Engel blies: und vom Himmel fiel ein grosser Stern, der wie eine Fackel brannte, und er fiel auf ein Drinel der Flüsse und auf die Wasserquellen, und der Name des Sternes ist «Wermut», und ein Drittel der Gewässer wurde zu Wermut und viele Menschen starben vom Wasser, weil es biner geworden war. Diese Verse aus Offb 8 stellen die Zerstörung als Kettenreaktion dar: Zuerst tlillt ein himmlischer Körper auf die Erde, verschmutzt die Gewässer und verursacht schliesslich den Tod vieler Menschen. 48 Den Hauptgestalten von Offb 7 wird eine Zukunft ohne solche Gefahren versprochen. Die Begründung dazu wird in V.17 formuliert. Das Wohlergehen der Menschen hängt vom Lamm ab. Es tritt an dieser Stelle als weidender Hirte hervor. Obwohl das paradoxe Bild eines Schafes als Hirte ., Es ist an dieser Stelle nicht möglich, den traditionsgeschichtlichen Hintergrund darzustel· len. Dazu vgl. z.B.Charles, R.v.larion 1215, Prigent, Apocalyps. 127 und Brown, lohn 32fr. Ein Vergleich zwischen Oßb 7.15 und loh 1,14 in Bezug auf oKqv6w könnte zu aufschlussreichen Ergebnissen führen . •• Vgl. Roloff, Off.nbarung 92 . • 7 Es handelt sich jedoch nicht um ein genaues Zitat. Vgl. Prigent, Apocalypse 128: .On peUI se livrer • une comparaison minuLicuse entre le texte d'Esa:ie cn hl!breu cl CD grec cl Ap. 7,16-17. Les conclusions sont assez dtcevantes: on croit d'abord que nolre auteur fait sa propre traduction grecque directement sur I'hI!breu, mais bien vite il faut ajouter que du meme coup le texte • ~tC modifi~ d'une f""on si profonde qu'il vout mieux n:noneer l parler de traduction •. Für die Motivgeschichte vgl. auch Ps 23,1 und Ion 4,8. '8 Weitere Schilderungen der Zerstörung durch kosmische Elemente kommen in 6,13 um 9.1 vor.
Offb 7,8-8,1: Eine schreiende Menschenmenge
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motivgeschichtlich bezeugt ist<9, gewinnt es im Kontext dieses Kapitels und der ganzen Offenbarung besondere Bedeutung. Mit diesem Motiv wird nämlich das lbema des schwachen, tödlich verletzten und zugleich siegenden Lammes von Offb 5 aufgenommen und weitergefl1hrt. Das lbema des Weidens bildet einen fremden Einschub in die Jes 49,10 nachgebildete Zukunftsaussage. so Der jesajanische Faden geht in 17b weiter: Das Lamm wird die Menschen zu Quellen von Lebenswasser führen. 51 In der Offenbarung spielt das Wasser eine grosse Rolle. 52 An einigen Stellen dient das Wasser als klangliches Bild für transzendente Stimmen. 53 Das Wasser als bedrohliches Element kommt nur in 12,15 vor. In 17,15 werden Gewässer mit Völkern, Scharen, Nationen und Sprachen in Verbindung gebracht. In den meisten Belegen stellt das Wasser etwas Fundamentales zum Leben dar. Dieser Aspekt zeigt sich beispielsweise in den oben zitierten Ve~n aus Kap. 8 oder in 14,9, wo Gott als Schöpfer des Himmels, der Erde, des Meeres und der Wasserquellen genannt wird. Die Para1lelität der Quellen zu den anderen drei Bereichen der Schöpfung hebt ihre Lebensnotwendigkeit hervor. 54 Aus den Quellen des Versprechens von Offb 7,16c sprudelt besonderes Wasser, Wasser des Lebens. Dieser Begriff kommt zudem in Offb 21f dreimal vor. 55 Das Wasser des Lebens gehön zur neuen Stadt, die aus dem Himmel herabsteigt. 56 Die Beschreibung der Zukunft der Schar lehnt sich an das Alte Testament an. Der Verfasser der Offb greift vor allem zu jesajanischen Texten, um die Nähe Gottes zu den Menschen zur Sprache zu bringen. Die letzte Auswirkung dieser Beziehung enthält unverkennbare Anklänge an Jesaja 25,8. Gott selbst wird die Tränen von den Augen der (weinenden) Menschen abwischen. Mit diesem warmen und zärtlichen Bild eines tröstenden Gottes wird die Deutung zum anfanglichen Schreien der Menschenmenge zurilckgefl1hrt. Gottes Zuwendung wird das jetzige Leiden beseitigen. Diese Schilderung der Zukunft der Menschenmenge besteht zum grossen Teil aus Übernahmen und Anklängen an alte Texte. Johannes skizzien eine künftige Zeit, indem er verschiedene Sätze aus der prophetischen Tradition anders zusammenstellt. Aus dieser Kollage entsteht Neues. Dieser Vorgang dient gleichzeitig dazu, die Vision der V.9-12zu deuten. Die Interpretation des Gesehenen stützt sich nämlich auf Johannes originelle Art, mit der ihm vorliegenden Tradition umzugehen . •• V gl. älhHen, vor allem 89,32. Dazu s. U 3. '0 Das Motiv des Weidcns ist an mehreren Stellen des AT bezeugt. Vgl. z. B. Ps 23,2; 121.6 und Ez 34,23. " Motivgeschichtlich relevant sind auch Ps 23.2; 36.10; Jer 2.13. " In Offb liegen 18 Belege vor (im ganzen NT 78). " Vgl. 1.15; 14.2; 19.6. " Vgl. auch 11.6; t6.4ff. " Vgl. 21,6; 22.1.11. " Weitere. in 118.5.1.
100
Ausgewählte Visionen 4.5 Stille im Himmel
Die Vision der schreienden Menge endet mit einer geheinmisvollen Stille im Hinunel. Der Himmel bildet seit 4,2 die Bühne, auf der sich die meisten Visionen abspielen. Nicht nur farbige und spektakuläre Ereignisse beleben dieses Szenario, sondern auch Geräusche aller Art: Stimmen S7 , Donners" ununterbrochener Lobpreis von Chörens9 , das Singen von Tausenden von Engeln60, das Sprechen aller Geschöpfe der Erde61 und zuletzt das Schreien einer unzählbaren Schar von Menschen. Die ausgewählte Perikope 7,9-8,1 umfasst die Pointe dieser akustischen Klimax und leitet zu ihrer Auflösung über: Plötzlich unterbricht eine halbstündige Stille das hinunlische Geschrei. Damit kODUllt eine unheimliche Spannung in die Erzählung. Diese Art Pause ist durch die Öffnung des siebten Siegels verursacht und beschliesst die in 6,1 begonnene Reihe der sieben Siegel; gleichzeitig unterbricht sie die Deutung des Ältesten und lässt die Abfolge der Visionen weitergehen.
4.6 Zusammenfassung Starke Gegensätze, Paradoxien, der Einsatz von verschiedenen Zeitstufen und das Vorkonunen einer Deutung machen aus Offb 7,9-8,1 eine dichte Erzählung. Es ist nun Zeit, eine Antwon auf die oben forrnuliene Frage zu versuchen: Wer sind die Menschen der Schar? In dieser ausgewählten Perikope werden die Menschengestalten mehrmals vorgestellt; ihre Identität wird aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Die Menschen aus der Menge kennen die grosse Bedrängnis aus eigener Erfahrung. Trotzdem haben sie an GOll und dem Lamm festgehalten. Ihr Beharren ist Ausdruck einer aktiven Antwon auf die befreiende Wirkung Christi und seines Todes. Ihr Leiden und ihre Not veranlassen die Menschen zu einem Schreien, in dem sich Hoffnung und Verzweiflung vermischen. Die Gegenwan der Schar wird zuerst in V.9-11 skizzien. Aus den Eigenschaften der Gestalten geht hervor, dass sie in einer besonderen, nahen Beziehung zu Gon leben. Sein Versprechen ist für sie teilweise bereits Wirklichkeit. Die künftige Zeit steht ganz im Zeichen der Nähe Gones zu den Menschen. Diese Zuwendung wird die Defizite, die das menschliche Leben charakterisieren, aufheben. Mit dem paradoxen Bild eines Lammes als Hine wird das Verhältnis der Gestalten zu Jesus Christus dargestellt. Durch ihn werden sie zu Lebens51 Vgl. 51 Vgl. Vgl. .. Vgl. 6' Vgl.
'9
4.1; S.2.
4.S. 4.8ff; S.9rr. S.II. S.I3.
Offb 7,8--8,1: Eine schreiende Menschenmenge
101
wasser kommen. Paradoxerweise besteht die Schilderung der Zukunft aus lauler a1tteslllmCntlichen Ziwen, die mehr oder weniger modiflZien zu einem neuen Text zusammengeftlgt werden. Die Schilderung in Offb 7,9-8,1 ist durch zwei starke Linien gekennzeichnet Das Leiden, den Schrei und die grosse Bedrängnis einerseits, die Nähe GoUes zu der Schar andererseits. Beide Dimensionen prägen das Leben der Schar. Eine zänliche Geste Gones wird diese Spannung auflösen; er wird die Tränen aus ihren Augen abwischen. Der Trost wird aus einer Tat der Zuwendung hervorgehen.
102
Ausgewählte Visionen
5 Offb 9.1-21: Wesen aus dem Abgrund In den bis jetzt analysienen Texten sind wir Figuren begegnet, die uns erlaubten, grundlegende VorsteUungen in der Apokalypse zu erfassen. Der DarsteUung von Gott, Christus. den ihnen treuen Menschen und Johannes kann man entnehmen, auf welche Weise die christliche Botschaft aufgenonunen und verarbeitet wurde. Die Untersuchung von Offb 9 wird eine Erweiterung des bin dahin gewonnenen Blickes in die Offenbarung bringen, deM zum erstenma1 stehen zerstörerische Kräfte im Mittelpunkt. I Und der fünfte Engel blies. Und ich sah einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gestürzt war, und ihm wurde der Schlüssel zum Brunnen des Abgrundes gegeben, 2 und er öffnete den Brunnen des Abgrundes, und Rauch stieg aus dem Brunnen, wie Rauch eines grossen Ofens, und die Sonne und die Luft wurden vom Rauch des Brunnens verfinsten. 3 Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken zur Erde hervor, und ihnen wurde Macht gegeben, so wie die Skorpione der Erde Macht haben. 4 Und ihnen wurde gesagt, dass sie das Gras der Erde nicht beschädigen sollten, und nichts GrUnes und keinen Baum, sondern nur die Menschen, die das Siegel Gottes auf der Stirn nicht haben. S Und ihnen wurde (die Vollmacht) gegeben, sie nicht zu töten, sondern fünf Monate zu foltern und ihre Folter war wie die Folter eines Skorpions, wenn er einen Menschen sticht. 6 Und in jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen, aber sie werden ihn nicht finden, und sie werden begehren, zu sterben, und der Tod nieht vor ihnen. 7 Und die Gestalten der Heuschrecken waren Pferden gleich, die zum Krieg bereitet sind, und auf ihren Häuptern etwas wie Kronen, gleich wie Gold. und ihre Gesichter waren wie Menschengesichter. 8 und sie hatten Haare wie Frauenhaare, und ihre Zähne waren wie die von Löwen, 9 und sie hatten Brustkörbe wie eiserne Panzer. und das Geräusch ihrer Aügel war wie das Geräusch von Wagen mit vielen Pferden. die zum Kampf rennen, IO und sie haben Schwänze, den Skorpionen ähnlich. und Stachel.
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Offb 9,1-21: Wesen aus dem Abgrund
und in ihren Schwänzen steckt ihre Macht, die Menschen fünf Monate zu schädigen. II Als König haben sie über sich den Engel des Abgrundes; sein Name ist auf hebräisch Abaddon, und auf griechisch heisst er Apollyon. 12 Das erste Wehe ist vergangen, siehe danach kommen noch zwei Wehe. 13 Und der sechste Engel blies. Und ich hörte aus den vier Hörnern des goldenen Altars, der vor Gon steht, eine Stimme, 14 die zum sechsten Engel, der die Posaune hatte, sagte: «Löse die vier Engel, die gefesselt sind beim grossen Auss Euphrat». 15 Und die vier Engel, die auf die Stunde, den Tag, den Monat und das Jahr vorbereitet sind, wurden gelöst, um ein Drinel der Menschen zu töten. 16 Und die Zahl der Reiterheere war zwei Myriaden von Myriaden, ich hörte ihre Zahl. 17 Und so sah ich die Pferde in der Vision und die, welche aur ihnen sassen. Sie hatten reuerrote und blaue und schwerelrarbige Panzer, und die Häupter der Pferde waren wie Löwenhäupter und aus ihren Mäulern kam Feuer, Rauch und Schwerel heraus. 18 Von diesen drei Plagen wurde ein Drittel der Menschen getötet, vom Feuer, dem Rauch und dem Schwerei, der aus ihren Mäulern herauskam.
19 Die Macht der Pferde liegt nämlich in ihrem Maul und in ihren Schwänzen, denn ihre Schwänze sind Schlangen gleich, und sie haben Häupter und mit ihnen schädigen sie. 20 Und die übrigen Menschen, die nicht getötet wurden durch diese Plagen, kehrten nicht einmal von den Werken ihrer Hände um, so dass sie nicht die Dämonen und die goldenen, silbernen, bronzenen, steinernen und hölzernen Götterbilder verehrten, die weder sehen noch hören, noch umhergehen können. 21 Und sie kehrten nicht um von ihren Morden, von ihren Girten, von ihrer Hurerei und von ihren Diebstählen.
5.1 Aufbau Das Vorkommen von Kat Et60v in 9,1 signalisiert den Beginn einer neuen Vision, die das ganze neunte Kapitel umfasst. I Der innere Aufbau dieser Perl-
I
Dazu noch einige Präzisierungen. Der Satz KOl.
/:) nEJ.1nTOS' &YYE~OS' Eaci~n\OElI
wird
111
dieser Vision gezlihlt, obwohl er dem Gliederungkrilerium Kal .tBov vorangehl. Darüberbinaus wird das Vorkommen von Kat OÜT~ Et60v in V.17 nicht als Bcginn einer neuen Perikope betrachtet, sondern als Wiederaufnahme aus V.I .•t50v wird nur an dieser Stelle in der 0fIb in
Verbindung mit OÜTWS verwendeI. Die Formulierung Kai.. OÜTWS'
,tBOll fühn
keine vollständige
Vision ein, sondern bloss die genaue Beschreibung eines Elementes der unmittelbar vorher
104
Ausgewählte Visionen
kope lässt sich anband inhaltlicher Kriterien erfassen. V.I-12 und 13-19 beschreiben die Ereignisse. die durch das Blasen der filnftcn bzw. sechsten Posaune in Gang gesetzt werden. Die synonyme Bezeichnung «erstes bzw. zweites Wehe,. stammt aus 8.13 und 9.12. Eine gewisse Ähnlichkeit der beiden Teile der Vision flilIt schon beim ersten Lesen auf: Vor allem das Vorkonuncn vergleichbarer Abschnitte zeigt die inhaltlichen Parallelen. Diese Abschnitte sind jedoch in einer jeweils anderen Reihenfolge angeordnet. In beiden Teilen steht zu Beginn die Schilderung eines von der Posaune ausgelösten Ereignisses; es folgen dann die Beschreibung von ungeheuerlichen Wesen. ihrer Macht und ihrer Wirkung auf die Menschen. Offb 9.1-12 lässt sich wie folgt unterteilen: In V.I-3a wird die Öffnung des Abgrundes und der Aufstieg von Rauch beschrieben. Auf diesem Hintergrund treten Heuschrecken als Hauptgestalten hervor. In V.3b-5 steht die Macht der Heuschrecken im Mittelpunkt. in V.6 die Wirkung der Heuschrecken auf die Menschen. Zuletzt folgt in V. 7-12 eine genaue Schilderung dieser unheimlichen Tiere. In V.13-19 wird die Befreiung von vier gefesselten Engeln eingeleitet. Daraus entwickelt sich ein Reiterbccr. das in V.17 beschrieben wird. In V.18 ist von seinen tödlichen Folgen fI1r ein Drittel der Menschen und in V.19 von seiner Macht die Rede. In Oftb 9.20-21 werden Menschen vorgestellt. die an den vorangehenden Plagen nicht gestorben sind. Zusammenfassend wird die vorgenommene Gliederung mit einem Schema iIIustrien: V.I-12
Die filnftc Posaune oder das erste Wehe V.l-3a V.3b-5 V.6 V.7-12
V.I3-19
Die sechste Posaune oder das zweite Wehe V.I3-16 V.17 V.18 V.19
V.20-21
Aufstieg der Heuschrecken aus dem Abgrund Macht der Heuschrecken Wirkung auf die Menschen Beschreibung der Heuschrecken
Entfesselung der vier Engel und des Heeres Beschreibung des Heeres Wirkung auf die Menschen Macht der Pferde
Die Überlebenden
gcschiJdenen Ereignisse. Das Vorkommen von .Iv T~ opaan in V.17 verstärlct diesen beschreibenden Charakter.
Offb 9,1-21: Wesen aus dem Abgrund
105
5.2 Die fünfte Posaune oder das erste Wehe Die Vision von Offb 9 befindet sich in der Mitte des in 8,2 beginnenden Posaunenzyklus. Die ersten vier Posaunen leiten die Verwüstung vieler Teile der Schöpfung ein: die Erde, die Pflanzenwelt, das Meer, die Hüsse und die Wasserquellen, die Sonne, der Mond und die Gestirne sind jeweils zu einem Drittel zerstört. Nach diesen dramatischen Ereignissen trin in 8,13 ein Adler im Hinunel auf: Und ich sah und hörte einen Adler hoch oben im Himmel fliegen und mit lauter Stimme sagen: .Wehe, wehe, wehe den Bewohnern der Erde wegen der übrigen Stösse der Posaune der drei Engel, die nun blasen werden». Diese Ankündigung der drei letzten Posaunen lässt die Spannung im Zyklus erheblich steigen. Der Adler warnt die Bewohner der Erde vor etwas, das schon in Gang gesetzt wurde. Es scheint, dass kein Ausweg mehr besteht.' Unmittelbar danach bläst ein Engel die fünfte Posaune. Das Erschallen einer Posaune ist uns bereits aus Offb 1,10 und 4,1 vertraut} Dort dient der Posaunenklang zur Beschreibung einer Stinune aus einer anderen Dimension. Das Posaunenspiel in Offb 9 hat jedoch eine andere Funktion: Damit werden nämlich siehen zerstörerische Prozesse in Gang gesetzt. Diese Verbindung zwischen Posaune und Zerstörung erinnert eher an die Verwendung dieses Instruments im Krieg.- Zerstörung und Posaunenklang konunen auch in Mt 24 bei der Schilderung der endzeitlichen Katastrophe vor: Nach dem Ablaufen der grössten Bedrängnis der Zeiten wird der Menschensohn seine Engel mit einer grossen Trompete zur Sammlung der Erwählten senden. S In Offb 9 ist nirgends direkt von dem endzeitlichen Gericht die Rede; darüberhinaus geht das Blasen der Posaunen der jeweiligen Zerstörung immer voraus. Die Frage nach einem eschatologischen, gerichtlichen Hintergrund bleibt jedoch bestehen und soll die Analyse der ausgewählten Perikope begleiten.
5.2. J Der Aufstieg der Heuschrecken aus dem Abgrund Unmittelbar nach dem Erschallen der fünften Posaune sieht Johannes einen aus dem Hinunel gestürzten Stern. Verschiedene Parallelen veranlassen dazu, das Stürzen des Sterns mit dem Motiv des gefallenen Engels in Verbindung zu bringen.- Aufschlussreich ist die thematische Verwandtschaft mit dem Henochbuch Vgl. Vanni, Strul1u,a 131-133. S. [ 4 und 11 2.3. • Dazu vgl. Friedrich, ThWNT VII 73 und 78 und Corsani, L'Apocaiisst 89. , Vgl. Mt 24,3Of. Das Motiv der Posaune steht im NT oft in Zusammenhang mit den endzeitlichen Ereignissen. Dazu s. I Kor 15,52 und ITh 4,16. Andere Verwendungen von o"A",y~ und oaAn(,,,, liegen in I Kor 14,8 und Hebr 12,19 (Substantiv) bzw. in Mt 6,2 (Verb) vor. 6 Vgl. Charles, R.v.lation [ 238f; Lahmeyer, OfJ.nbarung 75; lohS<, Off.nbarung 59; 1 l
106
Ausgewählte Visionen
und mit Lk 10,18. In äthHen 86,1.3 und 88,1 geht es um verschiedene gefallene Sterne. Im lukanischen Text wird der Gefallene ausdrilcklich Satan genannt: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen
(EI<
TOU
ovpavou
n.aoVTa).
Obwohl hier der Satan nicht mit einem Stern, sondern mit einem Blitz verglichen wird, lassen doch das Vorkommen von nimOl und des gleichen Herkunftsorts, des Himmels, den Vergleich als plausibel erscheinen. IlimOl übernimmt in der Offb oft eine negative Bedeutung': Es dient der Beschreibung der Zerstörung Babyions und anderer Städte'; einmal kommt es als Ausdruck für die Abweichung einer Gemeinde von ihrem guten Weg9 und zuletzt im Zusammenhang mit kosmischen Verwtistungen lO vor. Unter der letztgenannten Bedeutungsgruppe fällt 6,13 auf, denn auch hier handelt es sich um das Fallen von Sternen. Neben der Tatsache, dass diese Sterne als himmlische Körper und nicht als Figuren gedacht sind, besteht der wesentliche Unterschied zu 9,1 im Zeitaspekt von n(mOl: Im Gegensatz zum Aorist von 6,13, der eine einmalige und abgeschlossene Zerstörung umschreibt, liegt in Offb 9 eine perfektische Form vor. Im Gegensatz zu 6,13 erschöpft sich das Stürzen des Sternes in unserem Text nicht im FaJlen selbst, sondern dieses bildet nur die Ausgangssituation, deren verheerende Folgen für Gegenwart und Zukunft erst im Verlauf der Vision geschildert werden. 11 Die folgenden Handlungen lassen nämlich erkennen, das der Stern als handelndes Subjekt in die Erzählung eingeführt wird. Vieles legt es nahe, das Fallen des Sternes als Engelsturz zu betrachten: Auch die vertikale, absteigende Bewegung vom Himmel auf die Erde unterstützt diese Annahme. 12 Ein Vergleich mit Offb 12,9 illustriert diesen Gedanken deutlich:
Kraft, Offenbarung 140; Müller. Offenbarung 193; Roloff. Offenbarung 102; Prigent. Apoca· typs. I 39f. , ninTw kommt auch mit einer ganz anderen Bedeulung vor. z.B. rur die ehrenvolle Bewegung der 24 Ällesten und anderer Gestalten. die sich vor dem lllron Gottes niederwerfen (4.10; 5.8.14; 1.11; 11.16; 19,4). Vgl. auch 1,11; 19,10 und 22.8. An diesen Stellen wird die gleiche Handlung von lohannes vollzogen. • Vgl. 11.13; 16.9 fur die Städte. 14,8; 18.2 ftir Babyion. • Es handeIl sich um die Gemeinde in Ephesus (2.5). 10 Vgl. 6.13.16; 1.16; 8.10 (zweimal); 11.13. I1 Dazu s. Lohmeyer. Offenbarung 15: «Der Stern iSI als himmlisches Wesen vorgestelll; deshalb wohl auch das Perfektwn TlEnn/Jl((ha ( ... ). Zwischen n(nT€\V und KaTafla(v€1.v scheint im ganzen auch eine An Wenunterschied festgehalten; ,gute) und . nur böse Engel ,stürzen nieder> (U 10.18) und werden ,hinabgeschleuden, (12.9)>>. 12 Weiteres über das Motiv des stürzenden Sternes bei Vollenweider. ZNW 19, vor allem 193f.
Offb 9.1-21: Wesen aus dem Abgrund
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Und hinabgestürzt wurde der grosse Drache. die alte Schlange. der Teufel und Satan genannt wird. der den ganzen Erdkreis irreführt. hinabgestürzt wurde er auf die Erde. und seine Engel wurden mit ihm hinabgestürzt. Dem Stern wird ein Schlüssel gegeben. mit dem er den Zugang zum Abgrund öffnet. • Aj3uooos- ist eine Bezeichnung für die Unterwelt. In der LXX gibt dieses Won meist c'.-1!'l wieder und kann das Urmeer. das Erdinnere oder das Reich der Toten meinen. 13 Irn NT ist iif!uooos- ausserhalb der Offb nur noch in Röm 10,7 als Totenreich und in Lk 8.31 als Verbannungson für Legion, die vielen Däm0nen. belegt. In der Offenbarung ist der Abgrund der Raum des Satans und seiner Tiere: Aus dem Abgrund stammen sie" und don wird der Satan gegen Ende der Erzählung für 1000 Jahre gefesselt werdeni!. In der Apokalypse wird der Eingang zur Unterwelt als Brunnen dargestellt. Seine Öffnung ist eng. kann gut verschlossen oder geöffnet werden. Dazu braucht es den Schlüssel. welcher dem Stern gegeben wurde. Der Schlüssel symbolisien in Offb 9 die Macht über die Welt des Satans. Der Schlüssel zum Abgrund kommt in Offb 9,1 und 20,1 vor. In 1,l7f ist von den Schlüsseln des Hades die Rede. Dem eingeschüchtenen Johannes sagt die imposante Gestalt der ersten Vision folgendes: Fürchte dich nicht. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. und ich war tot, und siehe. ich bin lebendig in alle Ewigkei~ und ich habe die Schlüssel zum Tod und zum Hades. Nach diesem Text besitzt Christus den Schlüssel zur Unterwelt. Dazu lässt
das passivum divinum E60aTl in 9.1 erkennen. dass der Entscheid, den Abgrund zu öffnen, auf Gott zurückgeführt werden muss. 16 Der Stern öffnet. Aus dem Brunnen steigt derart viel Rauch heraus, dass die Sonne und die Luft verfmsten werden,l1 Aus diesem Rauch konunen Heuschrecken heraus. die zur Erde hingehen. Die Beziehung zwischen Heuschrecken und Dunkelheit ist schon aus dem Alten Testament bekannt: In Ex 10.15 und Joel 2.10 wird die Finsternis als Folge der Heuschrecken dargestellt. Ihre Zahl ist enorm, und sie fliegen so dicht durch das Land. dass das Licht von Sonne, Mond und Sternen ganz abgeschirmt wird. In unserer Erzählung fmdet eine Umkehrung im Verhältnis von Ursache und Wirkung statt: Rauch und Dunkelheit IJ Vgl. J. Jorcmias. ThWNT I 9.
Vgl. 11.1 und 11.8. " Vgl. 20.1.3. Dazu s. Cuvillior. FV 91. 58: .Le .pouvoir des c1ts' 051 c1airemenl clans I"Apocalypse uno p esl conf~ par Diou A I"ttoilo •. 17 Vgl. auch orfb 16.10. 14
16
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Ausgewählte Visionen
gehen den Heuschrecken voraus. 11 Sie bereiten die Ankunft dieser Tiere vor und kündigen ihre dunkle Abstanunung an. Die Heuschrecken von Oflb 9 konunen aus der Unterwelt, aus dem Bereich der Finsternis: Sie sind Wesen des Abgrundes. Im diesem ersten Abschnitt der Vision, in V.I-3a, umfassen die Ereignisse drei grosse Räwne: den Himmel als Herkunftsort des Sternes, den Abgrund als Welt des Satanischen, und schliesslich die Erde, die zur Bühne der konunenden schrecklichen Handlungen wird. Aus der Begegnung von Unterwelt und Erde entsteht Unheimliches.
5.2.2 Die Macht der Heuschrecken Gerade auf diesen Hintergrund treten die Heuschrecken auf. Als erste Egenschaft dieser Tiere wird in V.3b-5 ihre Macht beschrieben. Die Heuschrecken sind mit einer besonderen Gewalt ausgerüstet, die mit deljenigen von Skorpionen vergleichbar ist. Wiederum fällt das passivurn divinum E6Oel] auf: Diese besondere Egenschaft der Heuschrecken geht auf Gott zurück. Normalerweise fressen Heuschrecken die Vegetation ganz auf. Diese vernichtende Wirkung auf Pflanzen und Gräser ist im bereits erwähnten Kapitel aus Joel eindriJcklich beschrieben: Vor ihm (dem Volk der Heuschrecken) her frisst Feuer, und hinter ihm lodert die Ramme. Wie der Garten Eden ist vor ihm das Land, und hinter ihm Öde und Wüste; nicht einmal einen Rest hat es übriggelassen (2,3). Auch in Ex 10,15 wird die Verwüstung durch die Heuschrecken dramatisch geschildert: Und sie (die Heuschrecken) frassen alles Gewächs der Erde und alle Früchte auf den Bäumen, was der Hagel übriggelassen hatte, 50 dass nichts Grünes mehr übrigblieb an den Bäumen und am Gewächs des Feldes im ganzen Lande Ägypten.
Im Gegensatz zu den zitierten Texten aus dem AT wird den Heuschrecken in Offb 9 ausdrücklich befohlen, auf die Vegetation zu verzichten, denn Menschen sind als Opfer ihrer Gewalt bestimmt worden. EIle bestimmte Auswahl unter den Menschen bleibt von dieser Qual unangetastet. Verschont werden alle, die das Siegel Gottes auf der Stirn tragen. Ein Siegel auf der Stirn erhalten nach 7,3 die Diener Gottes von einem ebenfalls mit einem Siegel versehenen Engel. Stellen wie 14,1 und 22,4 lassen eine mögliche
II Der Rauch in Oftb 9,2.3 erinncn an die Szene in Gen 19.28. wo der Rauch aus Sodom und Gomorra aufsleigt. Beidr:n Te'len iSI da" Vergleich dicsa Rauches mil dem Rauch eines grossen Kamins gemeinsam..
Offb 9.1-21: Wesen aus dem Abgrund
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Beziehung zwischen diesem Siegel und dem Namen Gottes und des Lanunes erkennen. Vor allem Offb 14.1 kann zum Verständnis von 9.4 beitragen: Und ich sah. und siehe das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend. die seinen Namen und den Namen seines Vaters auf ihrer Stirn geschrieben trugen. Es ist naheliegend, das Siegel von Offb 9 mit dem Namen von 14, I zu identifizieren. Das Siegel Gottes ist der sichtbare Ausdruck einer Beziehung zum Namen Gottes und des Lammes, es drilckt die Zugehörigkeit der von den Heuschrecken Ausgesparten zu Christus aus. In V.S wird die Wirkung der Heuschrecken auf ihre Zielscheibe, die Menschen ohne Siegel, in ihrer ganzen Tragweite dargestellt. Die Tiere aus dem Abgrund erhalten den Auftrag, die Menschen zu quälen, ohne sie zu töten. Die passive Form EB69r}, die hier bereits als dritte passivische Form innerhalb weniger Zeilen vorkommt, besagt, dass dieser Plan auf Gott zwilckgeht. Die Wirkung der Heuschrecken wird mit ßaaavit;w, foltern, quälen, umschrieben. t9 In Offb kommt dieses Wort in verschiedenen Kontexten vor. In 11,10 quälen die zwei von GOtt gesandten Propheten die Bewohner der Erde. In 14,9f werden diejenigen, die das Malzeichen des Tieres tragen, mit Feuer und Schwefel gefoltert,20 während in 20,10 der Teufel und seine Anhänger von der gleichen Plage betroffen sind. Eine wichtige Rolle spielt das Substantiv ßaaaVla~6S' in Offb 18 für die Schilderung des Untergangs Babylons. 2t Zusammenfassend stellt man fest, dass ßaaav!t;w im allgemeinen stechenden Schmerz und schwerwiegende Zerstörungen zum Ausdruck bringt. Der Vergleich der Macht der Heuschrecken mit dem Stich des Skorpions nimmt diese beiden Momente auf und verstärkt sie. Die quälende Macht der Heuschrecken wird in V.S zeitlich definiert. Die Heuschrecken foltern die Menschen während fünf Monaten. Soll man diese Zeitspanne als Linderung des Schrecklichen auffassen?22 Die Vorstellung, während fünf Monaten von Skorpionen gestochen zu werden, bleibt jedoch unerträglich und nimmt der Qual nichts von ihrer Härte weg,l3 Einige Ausleger der Apokalypse haben die Zeit von fünf Monaten mit der durchschnittlichen Lebenslänge " Ursprunglieh stammt dieses Won aus dem Geschäftsleben als Ausdruck fiir das Prüfen der Münzen nach ihrer Echtheit mit einem Stein. Für die interessante Geschichte von j3aoav(ew vgl. Schneider. THWNT I SS9~1. 20 Dazu vgl. auch das Vorkommen des Substantives ~aoaV\o~6> in 14.11. 11 Vgl. 18.7.10.IS. Ganz anders sieht es hingegen in 12.2 aus. wo ~aoavl'w zusammen mit walVW zur Schilderung der Schmerun einer gebärenden Frau dient. II Vgl. Roloff. Ojf.nbaTWIg 102; Prigent. Apocalypu 142 und Vanni. Apocalisu S4 (Übersetzung aus dem Italieniscben): .Die Zahl 10 scheint - wie 2.10 suggerien (00.) - ßo. schränktheit trotz des Anscheins des Gegenteiles zu signalisieren. Dasselbe kann man von S behaupten (s. 9.S.IO) •. II Vgl. Lohmeyer. Off.nbarung 77.
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von Skorpionen gekoppelt." Ein solches realistisches Argument innerhalb dieser visionären Darstellung der Heuschrecken vennag auch nicht zu überzeugen. Es scheint nicht möglich, eine überzeugende Erklärung dieser Zeitspanne zu finden.'~
5.2.3 Folter der Menschen Die Heuschrecken, diese Wesen aus dem Abgrund, werden mit einer besonderen Macht ausgestattet. Sie meiden Pflanzen und Gräser und zielen auf eine bestimmte Gruppe von Menschen, um sie zu plagen. V.6 berichtet von der tatsächlichen Wirkung der abgründigen Tiere auf die Menschen: Die Folter greift tief und erweckt in den missbrauchten Opfern die Sehnsucht nach dem Tod. Der starke Wunsch zu sterben wird innerhalb der biblischen Tradition im dritten Kapitel des Hiobbuches eindrücklich thematisiert.'. Vor aUem V.21 fällt wegen der Ähnlichkeit zu Offb 9,6 auf:
c. .. ) die auf den Tod warten und da ist keiner, mehr als nach verscharrten Schätzen schürfen nach ihm. 27
In unserem Text wird der gleiche Gedanke mit einem Parallelismus formuliert: Die Menschen sehnen sich nach dem Tod, finden ihn aber nicht; sie begehren zu sterben, doch der Tod flieht vor ihnen. Vor aUem die abschliessende Personifizierung des Todes verleiht V.6 eine besondere Dramatik und Unmittelbarkeit. Auch die Anlehnung an Hiob 3,21 trägt zur Tragik dieser Verse bei: Die geplagten Menschen von Offb 9 erfahren das Leben wie der ebenfalls geplagte Hiob, der aus Verzweiflung den Tag seiner Geburt verflucht. Die ersten Verse von Offb 9 wecken beim Leser eine gewisse Ratlosigkeit. Die Heuschrecken werden beauftragt, die Menschen zu foltern, welche das Siegel Gottes nicht tragen. Die Passivformen verraten, dass Gott der Auftraggeber der Plagen ist. Diese Verbindung zwischen Gott und Folter ist unerträglich. Darüber hinaus erscheinen diese harten Züge Gottes unvereinbar mit denjenigen, die wir aus den schon behandelten Kapiteln kennen: Wie steht es nun mit dem mächtigen Schöpfer, dem Weltenherrscher aus Offb 4, dem nahen, tröstendem Gott aus Offb 7? Im Moment können diese schwerwiegenden Fragen nicht beantwor-
,. Vgl. Charles, Re.etalion I 243. " Schon Kraft. Offenbanmg 141. verzichtet nach Abwägung der genannten möglichen Deu· lungen auf eine Erklärung. 2. Zu diesem Motiv s. auch Jel 8.3. 27 Die Übersezung stammt von M.Buber. In der LXX kann man die sprachlichen Berührungen zwischen Offb 9.6 und Hiob 3.21 beobachten: 0\ o~EipOVTQl TOD 8aVGTOU Kat OU TuyxavouolV avapuooovTES' wonEp 8'loaupouS'.
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tet werden. Wir beschränken uns darauf. unsere Bedenken zu dieser theologischen Betrachtungsweise zu formulieren. 28 Im Übergang von V.5 zum Folgenden fallt eine Unstimmigkeit in der Verwendung der Tempora auf. Unangekündigt wird die Erzählung in V.6 im Futurum und Präsens29 fongeführt. Der Tempuswechsel veranlasst zu folgenden Erwägungen: Die Szene der Folter scheint gar nicht vollzogen zu sein. Steht sie in der Vision noch bevor oder beziehen sich die futurischen Formen auf die Geschichte der Menschen? Das Vorkommen von Ev TalS" lll1EpalS" EKelVQlS" lässt an eine künftige Dimension denken. JO Der Raum der Vision als Darstellung einer zeitlich und räumlich abgeschlossenen Handlung ll wird durch die futurischen Verbformen in V.6 gesprengt. Das Visionäre wird hier mit der künftigen Geschichte der Menschen vermischt. Handelt es sich um eine Darstellung eschatologischer Endereignisse? Da konkrete Hinweise in diese Richtung fehlen. muss dies eine Vermutung bleiben.
5.2.4 Beschreibung der Heuschrecken Die Heuschrecke wird im AT oft als gefrässiges Tier erwähnt: Sie bringt Verwüstung. indem sie die Vegetation vemichtet. l2 In Ex 10 liegt die Erzählung der achten ägyptischen Plage vor: eine gewaltige Beschreibung des Zerstörungspotentials dieser Tiere. Sie werden von Gon als Strafwerkzeug gegen den Pharao geschickt; nach ihrem Durchzug bleibt im ganzen Land nichts Grünes zurück. 33 Neben Ex 10 wird auch in anderen alttestamentlichen Texten von Heuschreckenplagen herichtet: Am 7.1-3 und Joel1.2 sind berühmte Beispiele dafür. Besonders anregend ist der Vergleich mit Joel 2. vor allem wegen des metaphorischen Spiels zwischen den Heuschrecken und dem Heer. In Offb 9.7ff wurden diese ÄImIichkeiten zwischen den zerstörerischen Tieren und einem Kriegsherrn als Grundidee für die Beschreibung der Heuschrecken übernommen. Nach dem uns aus den bereits analysienen Kapiteln schon bekannten Vorgehen wurden einige SlÜcke aus den erwähnten alttestamentlichen Texten zur Formulierung einer neuen Vision zusammengefügt. Zu Beginn. in 9.7. steht bereits im ersten Satz der Vergleich mit Rossen. die zum Krieg ausgerüstet sind.
2. Zu diesem Problem vgl. den Exkurs VI in II 9. 2. Die futurische Variante zu ~,uYEl kann m.A.n. als einfachere Lesart betrachtet werden. Die Präsensform ~,uYEl kann jedoch dun:baus einen futurischen Sinn übernehmen. Dazu vgl. BIDIR 1323. In diesem Kontext drück sie ein Ereignis aus. das e"t in der Zukunft möglich sein Wird (d.h. e"t dann. wenn die Menschen geplagt werden). 3. Als Vergleich dazu s. das vermehne Vorkommen dieses Ausdruckes in Mk 13 und Mt 24. Vgl. auch Delling. ThWNT II 953. 1I Die Visionen werden immer mit dem Aorist .t80v eingeflIhn; in 1.2 und 22.8 ist auch von den Visionen als Ereignisse in der Vergangenheit die Rede. 12 VgI. KeellKüchIerlUehlinger. Or" und Landschllfttn I 168. lJ S. den oben zitierten V.IS.
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Den Kriegspferden wird das allgemeine Aussehen der Heuschrecken gegenübergesteUt. Die folgenden Verse skizzieren die Heuschrecken in ihren Einzelzügen vom Kopf bis zum Schwanz. Ihre Häupter erwecken den Eindruck von Kronen, welche wiederum mit Gold34 verglichen werden. Dieses Bild ist merkwürdig und erinnert unvermeidlich an die Kronen der vierundzwanzig Ältesten, die rings um den Thron GOlles silZen. 3s So wie in 4,4 ist die Krone auch hier als Zeichen von Macht zu verstehen. 36 Der frappanIe Unterschied zwischen den Kronen beruht auf dem Malerial, aus dem sie bestehen. Die ÄlleSlen tragen Kronen aus echleßl, kostbarem Gold, während der Kopfschmuck der Heuschrecken mit Gold bloss verglichen werden kann. Die Gesichter der Tiere sind wie Menschengesichter. Wiederum fällt ein Berührungspunkt mit Offb 4 auf. Nur in Offb 4 und 9 wird das Aussehen eines Tieres einem anlhropomorphen Gesicht gleichgesteUt. Die MenschenzUge der Heuschrecken rufen die im Hinlergrund sIehende Melaphorik des Heeres wieder in Erinnerung. Dieser und der nächste, ebenfalls anlhropomorphe Zug bleiben jedoch unklar. Die erwähnten ParaUelen in der Schilderung der Heuschrecken zu Kapilel 4, der DarsteUung des Thrones GotleS und seiner Umgebung, scheinen eine Ähnlichkeit zwischen verschiedenen MachIpolen aufzuweisen; die zerstörerischen Kräfte und die kreative Kraft scheinen mindestens teilweise gleich auszusehen. Als nächstes Element werden nämlich die Haare der Heuschrecken genannt und mit Frauenhaaren verglichen. Nirgends sonst in der Offenbarung kommen Haare oder Frauenhaare vor.J7 Nimmt dieser Zug die Beziehung der abgründigen, satanischen Tiere zu BabyIon, der korrupten Frau, vorweg? Es liegen keine Argumenle fiIr diese Vermutung vor. 38 Zur Beschreibung der Zähne dient der Löwe. Er verkörpert Kraft und Gewalt und kam schon an einigen SIeUen in Offb vor. 39 Die Zähne des Löwen als besonderes Bild seiner Kraft wurden wahrscheinlich aus Joel 1,6 übernommen: Denn ein Volk ist gegen mein Land herangezogen, stark und ohne Zahl; es hat
Zähne wie ein Löwe, ein Gebiss wie eine Löwin. ,. Die textkritische Variante xpuo41 ist der sehenen PIura1form vorzuziehen. Vgl. Metzger.
Tu,,,,,1 Comm,nUlry 743. " Eine weitere goldene Krone wird in 14.14 erwähnt. J' S. H.2.S. J1 Auch die übrigen Belege von epi~ im NT helfen nicht weiter bei der Deutung dieser Eigenschaft der Heuschrecken. S. Allo. Apocalypse 131. J. An dieser Stelle kann ich blass auf eine sehr freie Gedankenverbindung hinweisen. In I Kor II.Sf sind die HaaR: der Frauen und die Notwendigkei~ sie wälend des Betens und Prophezeiens zu bedecken, ein 1bema. Wurden die offenen HaaR: als Zeichen von Korruption betrachtet? Dazu vgl. Küchler. Schweigen. Schmuck und Schleier. J' Vgl. H.2.7 und U 3.2.1.
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Der Hinweis auf die Zähne vervollständigt die Beschreibung des Kopfes. In V.9 wird die Schilderung der Heusclmcken auf ihre Körper erweitert. Ihre Brustkörbe sind wie eiserne Panzer. 40 Die Heusclmcken sind sehr solid gebaut und sehen resistent aus, als ob sie mit einem harten Kampfanzug ausgerüstet wären. Auch das Geräusch ihrer Aügel wird mit dem Lärm von Kriegswagen und ihren Rossen in Velbindung gesetzt. An dieser Stelle wird nochmals die Nähe zum Joelbuch sichtbar: In Joel 2,4f liegt nämlich das gleiche Bild vor. Zuletzt werden in V.1O die Schwänze der sclmcklichen Tiere von Offb 9 dargestellt: Wie Skorpione sehen sie aus, und wie diese haben sie Stacheln. Die Skorpionenschwänze und Stacheln der Heusclmcken übersteigen an Grauen ihre schon gewaltigen Häupter und Körper, denn in diesen Körperteilen ist ihre Macht zu schädigen und plagen angesiedelt. Merkwürdigerweise fmdet in V.1O ein Tempuswechsel stall: Die Erzählung wird von der Vergangenheits- auf die Gegenwartsebene verschoben. Die Wiederaufnahme von V.5 beschliesst die Beschreibung der Wesen aus dem Abgrund. Fügt man alle Einzelzüge zu einem Gesamtbild zusammen, erscheinen abscheuliche Ungeheuer. Die Heusclmcken bilden ein Heer, das auf Folter und Vernichtung von Menschen hinzielt. Und wie jede Armee gehorchen sie einem Vorgesetzten, nach V.II einem König. 4I Es handelt sich um den Engel des Abgrundes, dessen Name in verschiedenen Sprachen vermittelt wird. 42 Auf Hebräisch heisst er Abaddon, auf Griechisch Apollyon. 111:111, Untergang, Untergangsort, ist eine Bezeichnung für das Totenreich. 4l Dieses Wort kommt im AT mehrma1s vor44 und wird in Hiob 28,22 als parallel zu mo personal gebraucht. 45 Die griechische Fassung in Offb 9,11 könnte eine eigene Übersetzung des Verfassers sein, da dieses Wort sonst nicht belegt is(46. Der Name des Heusclmckenführers passt gut zur Tätigkeit seiner Soldaten: Er selber ist der Inbegriff des Zerstörerischen. Seine Macht wurzelt im Abgrund, in der Welt des Todes und der Vertilgung. Mit ihm trin zum ersten MaI in den flIr diese Untersuchung ausgewählten Visionen die vernichtende Macht in Person '0 Einige Komme.laloren haben das Wortspiel um die zweirache Bedeutung von ewpa~ in V.S hervorgehoben. Vgl. z. B. Lohmeyer Offenbarung 77, KlUt Offenbarung 141. ., Nach Spr 30,27 haben Heuschrecken keinen König. Die Anwesenheil des Engels des Abgrundes als Herrscher der Heuschrecken von Oflb 9 hebl noch einmal die besonderlleil dieser Ungeheuer vor. '2 In einigen allen Obe...tzungen der Apokalypse wurde die Liste der Namen des Engels weitergefilhn. In der Vulgata wird V.II wie rolg! wiedergegeben: .el habebanl super se n:gern angelum abyssi cui nOßIC. hebraice Abaddon graece autem Apollyon CI Ialine habel nomen Exterminans •. Prige.I, Apocalypse 143, erwlhnl das gleiche Vorsehen bei der armenischen Übersetzung. 'J Vgl. Jenni, THAT I 17-20. •• S. u.a. Hiob 26,6; 31,12; Ps 88,12 . ., S. auch Spr IS,II. •• Die LXX übe ... IZI i'~" mil clnw~"a.
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auf. V.12 dient als Überleitung von der fünften zu den folgenden Posaunen. Der Weckruf oua( sagt im voraus, dass sich etwas Fürchterliches ereignen wird.41 5.3 Die sechste Posaune oder das zweite Wehe Die Beschreibung der Ereignisse, die vom Erschallen der sechsten Posaune eingeleitet werden, weist viele Ähnlichkeiten mit den vorausgehenden Versen 9,112 auf. Einerseits kann man in der Struktur von V.13-l9 die gleichen Elemente wiedererkennen, obwohl sie in einer anderen Reihenfolge vorkommen. 48 Andererseits fant auf, dass zahlreiche Wörter aus dem ersten Teil der Vision wiederholt werden. 49 Inhaltlich stellt man eine Steigerung fest: Der schon schlimmen Folter durch die Heuschrecken folgt nun der Tod eines Drirtels der Menschen durch monströse Pferde. 5.3.1 Die Entfesselung der vier Engel Nach V.13 hön der Seher als erste Wirkung der sechsten Posaune eine Stimme, die von einem der vier~ Hörner des goldenen Altars Gottes ausgeht. Die Angabe des Herkunftsones erlaubt es dem Leser, die Stimme näher zu definieren. Der Altar Gortes wird an verschiedenen Stellen der Offenbarung genannt. SI In 6,9 erscheint er als Aufenthaltson der Seelen der Geschlachteten. In 16,7 wird der Altar zur Person und spricht. S2 Aufschlussreich für unseren Vers ist ferner 8,2---6: Und ich sah die sieben Engel, die vor Gau stehen, und ihnen wurden sieben Posaunen gegeben. Und ein anderer Engel kam und trat an den Altar; er halle eine goldene Räucherpfanne, und ihm wurde viel Räucherwerk gegeben, damit er es für die Gebete aller Heiligen auf den goldenen Altar gebe, der vor Gou ist. Und der Rauch des Räucherwerkes für die Gebete der Heiligen stieg von der
.7
Vgl. Vanni. Apocaliss. 223 . •• S. oben 11 S.1. •• Vgl. das Vorkommen von ~Tol~ao~a~q (V.7 bzw. 17 - zweimal-): ~E"V (V.8 bzw. 17): 8wpa~ (V.9 - zweimal - bzw. (7): o"pd (V.IO - zweimal - bzw. 19 - zweimal -): av8p.. noS" (V.4.6.7.tO bzw. IS.18.20). ~o Die internen und externen Argumente zugunsten bzw. gegen die Lesan TEoaapwv KEPClTWV entsprechen sich. Dazu s. Metzger. TextJuJl Commenlary 744. " In 6,9: 8,3 (zweimal)5: 9,13: 11,1: 14,18 und 16,7. 52 Die Fonnulierung in 16,7 ist auffallend: Kat tlKOUOa TOU 8uolaoTllPi'ou AiyoVTOS'. Die im textkritischen Apparat suggeriene Hinzufugung von EK ist m.A.n. als lectio facilior zu betrachten. Die Konstruktion von QKOUW mit dem Genitiv lässt an eine Personifizierung des A11arS denken. Diese Annahme winl durch das Panizip ~'YOVTOS" noch verslärkl. Zum Gebrauch von aKou .. mit dem Genitiv vgl. Delebecque, RThom 89, 8S-90.
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Hand des Engels vor Gott empor. Und der Engel nahm die Räucherpfanne und füllte sie mit Feuer vom Altar und warf sie auf die Erde, und da entstanden Donner und Stimmen und Blitze und Erdbeben. Und die sieben Engel, die die sieben Posaunen hatten, machten sich bereit zu blasen. Der Altar Gottes, der nach V.3 vor dem Thron Gottes steht, wird als Ausgangspunkt der Posaunenreihe dargestellt. 5J So erstaunt es nicht, dass der Befehl der Stinune in 9,13 von diesem zentralen Ort ausgeht. Ausserdem wird dank 8,2~ eine Verbindung zwischen den Gebeten der Heiligen und der zerstörerischen Wirkung der Posaunen sichtbar. Im Rauchfass des Engels wird Räucherwerk für die Gebete der leidenden und verzweifelten Christen 54 verbrannt, und aus dem gleichen Gefäss wird anschliessend Feuer auf die Erde geworfen. Die danach folgenden Katastrophen scheinen somit in unmittelbarer Verbindung mit der Klage der Betenden zu stehen. Dartlber hinaus lässt die Stinune aus dem goldenen Altar, der vor Gott steht, im Einklang mit den passivischen Formen von 9,3.4.5 klar werden, dass Gott selbst der Regisseur des ganzen Ablaufes ist. 55 In V.14 wird der Auftrag der Stinune an den sechsten Engel formulien: Die vier gefesselten Engel sollen befreit werden. Der bestimmte Anikel vor a'Y'Y'Xous- ist verwirrend, da nirgends vorher gefesselte Engelgestalten vorkamen. In 7,1 f werden jedoch vier Engel genannt, denen zerstörerische Macht über die Erde, das Meer und die Pflanzenwelt verliehen wurde. In 7,3 wird ihnen befohlen, mit der Schädigung dieser Lebensräume zu warten. Ist dieser Befehl als eine An Fesselung dieser gefahrlichen Engel aufzufassen? Die Vierzahl, das zerstörerische Potential und der Handlungsbereich dieser Engel könnten als Argumente gelten, um sie mit den gefesselten Engeln von 9,14 in Verbindung zu bringen. 56 Etwas eindeutiger ist der Ort der Entfesselung: der grosse Fluss, der Euphrat. Dieser Eigenname kommt im NT nur noch in Offb 16,12 vor und auch don mit dem Attribut 1l''Yas-. Babyion, die korrupte Stadt, die grosse Hure, liegt nach 17,1 an vielen Wassern (ETl\ iI6&.,.wv noHwv). Diese letzte Formulierung umschreibt sehr wahrscheinlich den Euphrat, an dem das historische Babyion tatsächlich liegt. Die vier Engel sind an dem Ort gefesselt, an dem nach der Apokalypse alles Böse und Negative konzentrien ist. 57
" Für die Vorstellung der Hörner des AlIaß s. E. 27,2 und 30,t-3. " Dazu s. Oflb 6,10 und vor allem U 4.2. 5S Für eine Vertiefung über 9u,,,aoTr\p'oV vgl. Behm, ThWNT m, 18G-190 und, als Ergänzung dieses Aufsatzes, K1auck, 'ZNW 71,274-277. ,. Lahmeyer versucht, die ldentiläl der vier Engel aufgrund eines Vergleiches mit Ez 38 und äthHen 56,5 zu rekonstruieren. Für diesen interessanten Beitrag vgl. Off.nbanmg 79. " Die Schilderung und die Eigenschaften von Baby Ion werden in U 7 untersucht.
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Ausgewählte Visionen
Der Auftrag der Stinune wird erfüllt. In V.15 berichtet der Seher, dass die Engel losgelassen wurden mit dem bestimmten Ziel, ein Drittel der Menschen umzubringen. Die Engel wurden auf einen ganz genauen Zeitpunkt hinbereitet: Die Klimax in der Zeitangabe verleiht diesem Ereignis eine starke Spannung. Darüber hinaus lässt die genaue Bestimmung der Zeit an einen Plan denken, in dem alle folgenden Handlungen schon vorgesehen sind. Das Vorkommen von ~TotllaallEVot spannt einen Bogen zurück zur gleicben Form in V.7. So wie die Heuschrecken wurden auch die Engel f1ir ein kriegerisches Aufbrechen vorbereitet: Dies geht aus dem folgenden Finalsatz und aus V.l6 hervor. Der letztgenannte Vers in der Schilderung der Ausgangshandlung bringt einen Bruch im Ablauf der Erzählung. Plötzlich werden die vier Engel nicht mehr erwähnt und an ihrer Stelle trin ein unermesslich grosses Reiterheer auf: zwei Myriaden von Myriaden, also 20'000 mal 10'000, was 200 Millionen ergibt. Diese Zahl ist keine annähernde Schätzung des Sehers, sondern sie wird ihm mitgeteilt. 5.3.2 Beschreibung von Pferden und Reitern
Im Gegensatz zu den Heuschrecken, deren Körperteile in 9,7-12 detailliert aufgezählt und beschrieben wurden, werden Rosse und Reiter in V.l7 nur kurz charakterisiert. Die Reiter tragen feuerrote, blaue und schwefelfarbige Panzer. Zur Schilderung der Häupter der Pferde dient wie in V.8 ein Vergleich mit dem kräftigen und mächtigen Löwen. Aus dem Maul der Rosse kommt Feuer, Rauch und Schwefel hervor. Die Farben der Panzer sind diesen drei Substanzen entnommen: Man kann sich vorstellen, dass sie die Flammen-, Rauch- und Schwefelströme aus den Mäulern der Pferde widerspiegeln. Die Verbindung zwischen Feuer, Rauch und Schwefel kündigt Zerstörung und Folter an. 14,9-11 enthält ein weiteres Beispiel dafür. Als besonders gefährlich wird in der Offenbarung die Vermischung von Feuer und Schwefel dargestellt. Dieses verhängnisvolle Gemisch wird zur endgültigen Bestrafung des Teufels, des Tieres und aller seiner Anhänger eingesetzt58 . Der Rauch alleine hingegen signalisiert meist eine schon realisierte Zerstörung. 59 Zusammenfassend kann man aufgrund dieser Textvergleiche feststellen, dass Rauch und vor allem Feuer und Schwefel potente Mittel zur Zerstörung sind, da sie es vermögen, sogar den Inbegriff von Vernichtung, den Satan, zu töten. 60 Das Motiv von Feuer und Schwefel als Mittel zur Vernichtung ist in der alttestamentlichen Literatur gut bezeugt. Als Beispiel sei hier die Zerstörung von Sodom und Gomorrha in Gen 19,24 genannt.
" Vgl. 19,20; 20.10; 21.8. s. Vgl. 18.9; 18,18; 19,3 .. Vgl. ins bes. 21.8. wo auch vom zweiten Tod die Rede ist.
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5.3.3 Der Tod eines Drittels der Menschen
Die Folgen von Feuer. Schwefel und Rauch für die Menschen lÜcken in V.18 in den Mittelpunkt: So wie in V.15 vorgesehen. stirbt ein Drittel der Menschen tatsächlich an diesen Plagen. Die Quantitätsangabe von einem Drittel kommt in der gesamten Apokalypse immer nur dann vor. wenn es um Zerstörungen geht; am häufigsten triffl man sie innerhalb des Posaunenzyklus.6l Ein Drittel ist mathematisch gesehen ein Teil einer Einheit. weniger als eine Hälfte: SoU dies hinsichtlich unseres Textes bedeuten. dass die Zerstörung und der Tod. obwohl schlimm und unausweichlich. nur in begrenztem Ausmass wirken? Dieser Interpretationsversuch erinnen an einige oben genannte Auslegungen der Zeitspanne von fllnf Monaten in V.5 und 10. Auch in jenem Kontext ging es nach verschiedenen Kommentatoren um eine Begrenzung von Folter und Heuschreckenplage. 5.3.4 Die Macht der Pferde
In V.19 ist von der Macht der Pferde die Rede. Als Wiederaufnahme von V.17f wird ihr Rachen zuerst genannt. Wie bei den Heuschrecken ist auch bei den Rossen die Macht in den Schwänzen konzentriert. Als Vergleich zur DarsteUung der Schwänze werden diesmal nicht Skorpione herangezogen. sondern Schlangen. Der Schwanz der Rosse gleicht Schlangen. die mit ihren Köpfen Schaden verursachen. Im NT wird die Schlange oft als lebensfeindliches Tier dargestellt. 62 Dieser Zug wird im letzten Buch der Bibel stark akzentuien: Die Schlange wird zur Bezeichnung Satans. 63 Der Vergleich zwischen den Pferdeschwänzen und den Schlangen in Offb 9.19 onet die besondere Macht der Rosse im Bereich satanischer Kräfte. 64
6' Vgl. innerhalb der Posaunenreihe: 8.7.8.9 (mal).10.11.I2 und 9.15. Dazu komml noch 12.4. 61 Vgl. Foerster. ThWNT V 578-582. kommt insgesamt runfmal vor: in 9.19; 12.9.14.15; 20.2. An zwei Stellen (12.9 und 20.2) wird der Satan b 11+,> b cipxato> genannt. .. KeeVKüchlerllJehlinger. Ort~ und Landschaft~n I 129f. weisen auf die negative Symbolik des Pferdes im AT: .Im AT hingegen findet sich unter vielen Dutzend Stellen kaum eine einzige positive Aussage zum Pferd. Psalmisten (Ps 20.8; 147.10) und Weisheitslehrer (Spr 21.31) sind sich in seiner Ablehnung einig. Das Gesetz hat zum Pferd nichts weiter zu sagen. als dass der König sich nicht viele davon halten soll (Dtn 17.16). Für die Propheten ist die Anschaffung von Pferden und Wagen n:ine Hybris (Jes 30.150. die das Land nur von den Grossmächten abhängig macht (Jes 31.1.3). mit den:n Besitz an Pferden es Israel sowieso nie aufnehmen kann (2Kön 18.23). Für alle genannten Te.te äussen sich im unstillbaren Vertangen nach Pferden und Wagen fehlendes Vcnraucn auf JHWH •. Dieser molivgeschichtliche Hintergrund bekräftigt das aus der Analyse der Eigenschaften in Offb 9 hervorgehende negalive Bild der Pferde.
6' ·0.,>
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Ausgewählte Visionen 5.4 Die Überlebenden
V.2Of stellt die Menschen dar. die von den Plagen nicht betroffen wurden. Es ist nicht ganz klar. ob sich der Ausdruck Ev TalS" l1AllyalS" Ta\JTalS" auf die in V.I3-19 gesehenen Katastrophen oder auf alle Zerstörungen der ersten sechs Posaunen bezieht. Im Rahmen dieser Untersuchung wird die zweite Möglichkeit vorgezogen und folglich V.20f als eigenständiger Abschnitt innerhalb der Vision von Offb 9 betrachtet. Dies hat zur Folge. dass den Menschen. die auf der Seite des Negativen und Satanischen stehen. grössere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Problematisch an den Überlebenden sind ihre Werke. In V.20f werden zahlreiche Bereiche ihres Tuns dargestellt und gleich hart kritisiert. Als erster Bereich menschlichen Lebens wird die Beziehung zum Göttlichen in Betracht gezogen. Die Gestalten von Offb 9.20f beten Gottheiten an. die nichts sind. Die Polemik gegen diese Götter wird auf den Spuren alttestamentlicher Götzenkritik gefilhrt und durch verschiedene Anklänge und Zitate gestützt. Eine Auflistung aus Dan 5,4 wird verwendet. um die Materialien. aus denen die Götterbilder bestehen. aufzuzählen. In Offb 9.20 wird die Reihenfolge der Elemente aus Dan6S anders geordnet und zu einer Antiklimax vom Kostbarsten zum Gewöhnlichen umgestaltet. Die Dämonen und Götterbilder sind nichts anderes als ein menschliches Produkt; deswegen sind sie nicht imstande. zu sehen. zu hören und zu gehen. Diese Aussagen erinnern an Jes 266 und enthalten Ausschnitte aus Ps 115 und 135. In Offb 9.20 werden drei Defizite der Götterstatuen aufgezählt. die sich nicht ganz mit den Listen aus den genannten Psalmen decken. In Ps 115.4-7 wird die Unfähigkeit der Götzen. zu reden. zu sehen. zu hören. zu riechen. zu greifen und zu gehen genannt. während in Ps 135.15-17 nur die ersten drei Handlungen vorkommen. Für Offb 9.20 wurden die Bereiche des Sehens und des Hörens. zwei Tätigkeiten der Wahrnehmung. sowie das Gehen zur Darstellung der Nichtigkeit von Dämonen und Statuen ausgewählt. Dabei merkt der aufmerksame Leser der Offenbarung sofort. dass diese Auswahl kaum zuf3.llig getroffen wurde. Sehen und Hören spielen nämlich im ganzen Werk eine hervorragende Rolle. 67 Die Apokalypse selbst ist das unmittelbare Ergebnis des Sehens und Hörens von Jo-
., Die Auflistung aus Dan 5.4 (8") sieht wie folgt aus: (. .. )
8EouS" Al9("ou,
TOU,
Kat. cipyupous K<1\ Xa).KOUS' Kat 01.B'lPOOS' Kal (U).(VOUS' Kat
TOU,
XPU(JoOS"
•• Vgl. vor allem V.8.1O und 20 . • 7 Vgl. als Indiz dazu das massive Vorkommen dieser Verben. A.ouw ist 46mal belegt (im ganzen I'IT 430); darunter befindet sich 28mal ~.ouoa (mit Johannes als Subjekt). Das Sehen wird mit verschiedenen Wurzeln ausgedrückt. p~inw kommt in 0fIb 17mal vor (im I'IT 132), opa", 7m.I, 16
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Offb 9,1-21: Wesen aus dem Abgrund
hannes; seine Adressaten bekonunen durch ihn die Möglichkeit, das gleiche zu sehen und das Won der Prophetie zu hören. 61 Ähnlich verhält es sich mit der drinen Handlung, welche die Gönerbilder nicht unternehmen können: nEpma"TEtv. lmjüdisch-<:hristlichen Sprachgebrauch meint dieses Won oft nicht nur das Gehen im eigentlichen Sinn, sondern auch die An, das Leben zu gestalten.69 In Offb ist TlEpmanfw fünfmal belegt. ' An allen SteUen scheint sowohl die wönliche als auch die übertragene Bedeutung dieser Wurzel mitzuschwingen. Diese umfassende Verwendung von nEpmaT~w wird z.B. in 3,4 ersichtlich: Im Schreiben nach Sardes werden bUtz der harten Kritik an der Gemeinde einige Mitglieder mit folgenden Wonen gelobt:
°
Aber du hast wenige Namen in Sardes, die ihre Gewänder nicht befleckt haben und sie werden mit mir in weissen Gewändern wandeln, denn sie sind würdig. Das Bild der unbefleckten Kleider drückt das Beharren dieser Christen und ihre Treue zur christlichen Botschaft aus. lI Diesem rechten Tun entspricht in der Zukunft das Herumgehen mit der sprechenden christologischen Gestalt in weissen Gewändern. Eine andere Stelle kann in diesem Kontext aufschlussreich sein. In 2,1 kommt das Panizip TlEpmaTüiv als Anribut derselben Gestalt vor. Der Vergleich dieser Stelle mit Offb 9 hebt den polemischen Ton in V.20 deutlich hervor: die Gönerbilder sind nicht fähig zu gehen, während Christus als Gehender angesprochen werden kann. Sehen, hören und dementsprechend das Leben gestalten sind drei Handlungen, welche eine Beziehung zum Wirklichen, zur Lebensrealität der Menschen ermöglichen und bestimmen. Gerade daran scheitern die von den Überlebenden verehrten Göner. Als menschliche Produkte bleiben sie in ihrer künstlichen Welt, abgeschninen von jeder Wahmehmungsmöglichkeit. Der falschen Beziehung der Menschen von Offb 9,20f zur gönlichen Sphäre entspricht eine falsche Sicht und Gestaltung der zwischenmenschlichen Dirnension. 12 Morde, Zauberei oder Vergiftungen, Prostitution und Diebstahl kennzeichnen nach V.21 den Umgang dieser Leute miteinander. 1J Die Kritik an der miserablen Qualität des Zusammenlebens unter den Überlebenden macht erneut die besondere Sensibilität für das Menschliche und Diessei-
O.
Vgl. z. B. Offb 1,1-3.
70
In 2,1; 3,4; 9.20; 16,15; 21.24.
o. Dazu Seesemann, ThWNT V 940-946. Dazu vgl. 19.8. 12 Die ParaJlelität zwischen der Beziehung zum Gönlichen und der Beziehung zu den anderen Menschen wird m.A. n. durch die Wiederholung von ~ETEv6~oav in V.20 und V.21 hervorge· hoben. 71 Vgl. dazu den Lasterkatalog in Ga! 5.20r. 71
120
Ausgewählte Visionen
tige sichtbar, die wir in anderen Texten der Joahnnesapokalypse schon in den Blick bekonunen haben. Sogar angesichts der gewaltigen Kräfte, die ein Drittel der Menschen getötet haben, merken die Menschen von Offb 9,20f nicht, in welchem Ausrnass ihre falsche Verehrung und ihr falsches Handeln sie selbst schädigen. Offb 9 beginnt mit einer vom Himmel her eingeleiteten Zerstörung, die jedoch von der Unterwelt und den schon vorhandenen teuflischen Kräften realisiert wird. Diese Vemichtung visiert die Erde an: Ihre Zielscheibe ist eine vorbestimmte Auswahl von Menschen, Leute, die das Siegel Gottes nicht tragen. Die letzten Verse der Vision schildern einige davon. Obwohl sie von den Plagen nicht direkt betroffen sind, leben diese Menschen paradoxerweise aus Eigeninitiative unter dem Zeichen der Zerstörung und Vernichtung. In der Vision von Offb 9 schliesst sich der Kreis von Gewalt und Untergang. und die Kräfte der Zerstörung erscheinen sehr mächtig. Sie sind an mehreren Orten, mit verschiedenem Aussehen und als durchaus zu unterscheidende Subjekte am Werk. 5.5 Zusammenfassung Offb 9 bietet ein Szenario von aUgegenwärtiger Gewalt und Zerstörung. Alle vorkommenden Gestalten treten aktiv oder passiv mit den wirkenden Vernichtungskräften in Berührung. Das Phänomen der Zerstörung umfasst aUe vorkommenden Handlungsräume: Himmel, Erde und Unterwelt. Auch alle Zeiten sind davon betroffen: Die Vision. als abgeschlossene Szene in der Vergangenheit, wird in ihrer zeitlichen Kohärenz von Zukunftsaussagen unterbrochen. Diese und noch andere erzählerische Züge machen aus Offb 9 eine komplexe Erzählung. Das Vorkommen von zwei unterschiedlichen und doch recht ähnlichen Szenen aus dem Posaunenzyklus samt den abschliessenden Aussagen über die Überlebenden tragen zu diesem Eindruck von Dichte bei. Dazu kommen literarische Mittel: kunstvolle Wiederaufnahmen und Varialionen. besondere Formulierungen, Zitate und Anspielungen auf das Alte Testament. Einige Linien aus diesem eng verflochtenen Ganzen sollen nun zusammenfassend hervorgehoben werden. Bei den auftretenden Gestalten faUen starke Gegensätze auf. Neben ausgesprochen negativen, vernichtenden Figuren aUer Art tritt Gott als Regisseur des ganzen Ablaufes auf. Unter den Menschen gibt es ebenfalls gegensätzliche Kategorien: Die Menschen. die das Siegel Gottes tragen, werden vor Folter und Qual geschützt, denn nur eine Auswahl ist zum Opfer der gewalttätigen Kräfte und des Todes bestimmt worden. Noch andere Menschen überleben die Ereignisse nach den Posaunen unversehrt, obwohl sie eigentlich nicht auf der Seite Gottes stehen.
Offb 9.1-21: Wesen aus dem Abgrund
121
Die teuflischen Kräfte treten in grösster Vielfalt auf. Alles beginnt mit einem gestürzten Stern oder Engel. Danach treten die Heuschrecken mit ihrem König Verderben heisst er - auf. gefolgt von den vier Engeln. Die Parade der bösartigen Mächte gipfelt in der Schilderung von nicht weniger als zwanzigtausend Reiterheeren. Sämtliche Gestalten weisen zahlreiche ähnliche und einzelne identische Züge auf: Von allen Gemeinsamkeiten imponiert ihre enorme zerstörerische Wirkung am meisten. Diese Wesen aus dem Abgrund verkörpern die Vemichtung an und für sich. Einzige und unbestrittene Gegenrnacht zu ihnen ist Gott. Nirgends wird er in seiner aktiven Rolle genannt. Passive Verbalformen verstecken seine Anwesenheit. ohne seine Allmacht zu schwächen. Er beherrscht hintergründig den ganzen Ablauf. indem er den negativen Kräften den Zugang zur Erde freigibt. ihnen besondere Mächte und Aufträge überträgt und sie in einem definierten Rahmen kontrolliert: Die Heuschrecken dürfen nur während fünf Monaten plagen und die Pferde töten nicht weniger und nicht mehr als ein Drinel der Menschen. In der Schilderung der fünften Posaune werden zwei Sorten von Leuten genannt: einerseits die. welche in Beziehung zu Gon stehen. die itun treu sind sie werden aus dem unheimlichen Geschehen ausgeklammert - . und andererseits die zur Zielscheibe der Ungeheuer Bestimmten. Innerhalb der sechsten Posaune wird kein ausdrücklicher Unterschied mehr zwischen den Opfern der Reiterheere gemacht: Es wird allgemein von einem Drittel der Menschen. iiv9pwTTot. gesprochen. Die letzte menschliche Gruppe kommt in V.20 vor. Es sind Leute. die an den Plagen nicht gestorben sind. Glücklicherweise wurden sie von der Zerstörung verschont; trotzdem geniessen sie ihr gerenetes Leben nicht. sondern kehren es wiederum in eine Situation von Zerstörung um. Dies wird aus ihrer Beziehung zum Göttlichen und der damit verbundenen Gestaltung der zwischenmenschlichen Dimension ersichtlich: Ihr Tun widerspricht jeder Auffassung von konstruktivem gesellschaftlichem Zusammenleben. Die Verteilung der Handlungen auf Himmel. Erde und Unterwelt in Offb 9 scheint dem gleichen Schema zu folgen. nach dem auch die genannten Gestalten eingeordnet sind. In der Unterwelt wurzelt die Zerstörung. Das Ausbrechen der Unterweltmächte wurde aber im Himmel vorbereitet. und auch die einzelnen Ereignisse sind von dort her gesteuert. Die Erde dient als Bühne zur Durchsetzung von Folter und Tod. Nicht so klar sieht es auf der zeitlichen Ebene aus. Die zu Beginn geäusserte Frage nach der zeitlichen Situierung der Abläufe in Offb 9 bleibt im Text unbeantwortet. Die Vision wird als abgeschlossene Handlung in einer Vergangenheitsdimension. vorwiegend mit Aoristformen. erzählt. V.6 bildet in dieser kohärenten Zeiteinheit eine Ausnahme wegen der plötzlichen Einfügung von Zukunftsformen. Das Vorkommen von Ev -ralS" Tllufpats" EKElvaS" im gleichen Vers könnte dariiberhinaus als Signal aufgefasst werden. diese künftige Dimension mit der Zeit des Weitendes gleichzusetzen. Kann man aufgrund dieser Beobach-
122
Ausgewählte Visionen
lUngen die fünfte Posaune oder sogar die ganze Vision in Oftb 9 als Voraussage der eschatologischen Katastrophe deuten? Und wUrde die Verzögerung der Plage auf das Ende der Zeit hin zu einer Erleichterung oder einer Verschlinunerung der Ereignisse filhren? Gegen eine eschatologische Interpretation dieser Vision spricht vor allem V.2Of. In diesem letzten Teil des Kapitels wird die Situation von Menschen nach den Plagen beschrieben: auch wenn es nicht der rechten Spur folgt. geht das Leben auf der Erde doch weiter. Die Zeitstruktur der Enählung ist ihrem phantastischen Charakter unterworfen. Dennoch liegen in Oftb 9 Aussagen. die den Rahmen eines visionären Erlebnisses übersteigen. Diese Aussagen scheinen auf die Klage der leidenden Christen. der Adressaten der Vision. einzugehen. Sie können als Verlangen nach Rache aufgefasst werden. als Veranschaulichung des Wunsches. Gon möge das Leiden seiner Treuen ihren Feinden mit Plagen. Folter und Tod vergelten. Auf der anderen Seite lassen sich die Aussagen in Oftb 9 auch als Versuch deuten. das Existieren von Tod und Qual als Werk böser Wesen zu erklären. Diesbezüglich ist es interessant festzustellen. dass die Bilder zur Schilderung der Vernichtung aus bekannten Erfahrungsbereichen stanunen. Sowohl die Heuschrecken als Gefahr für Felder und Ernährungsressourcen als auch die Reiterheere als Werkzeug kriegerischer Verwüstung waren den Adressaten der Offenbarung sicher nicht nur aus der alttestamentlichen Tradition veruaut. Die Zeiteinheit innerhalb der Vision wird gebrochen. aber nicht unbedingt im Sinne einer Verschiebung auf die eschatologische Endzeit. Die Zeit der Vision betrifft ein Stück weit auch das Leben ihrer Adressaten in der Dimension ihres Traumes und ihrer Geschichte.
Offb 13.1-10: Ein Tier aus dem Meer
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60ffb 13.1-10: Ein Tier aus dem Meer Die Vision eines Tieres in Offb 13.1-10 liefert eine weitere Grundlage zur Darstellung der zerstörerischen Kräfte. Das Tier bekommt seine Macht vom Drachen. dem Vernichter. fasziniert die ganze Erde und beherrscht sie. Es zielt darauf. Menschen zu besiegen. die auf der Seite Gones stehen. 1 Und ich sah ein Tier aus dem Meer aufsteigen. das zehn Hörner und sieben Häupter bane und zehn Diademe auf seinen Hörnern und Namen der Lästerung auf seinen Häuptern. 2 Und das Tier. das ich sah. war einem Panther gleich und seine Füsse wie die einer Bärin' und sein Mund wie der Rachen eines Löwen. Und der Drachen gab ihm seine Kraft und seinen Thron und grosse Mach!. 3 Und (ich sah) eines seiner Häupter wie zum Tode geschlachtet. und seine Todeswunde wurde geheilt. Und die ganze Erde verwunderte sich hinter dem Tier. 4 und sie beteten den Drachen an. weil er dem Tier die Macht gegeben bane. und sie beteten das Tier an und sagten: .Wer ist dem Tier gleich und wer kann gegen dieses kämpfen?» 5 Und ihm wurde ein Mund gegeben. um Grosses und Lästerungen zu reden. und ihm wurde Macht gegeben. zweiundvierzig Monate zu handeln. 6 Und es öffnete seinen Mund zu Lästerungen gegen Gotl, um seinen Namen und seine Wohnung zu lästern. (und) die. welche im Himmel wohnen. 7 Und ihm wurde gegehen. Krieg gegen die Heiligen zu führen und sie zu besiegen. und ihm wurde Macht über jeden Stamm und jedes Volk und jede Sprache und Nation gegeben. 8 Und alle. die auf der Erde wohnen. werden ihn anbeten. deren Name nicht im Lebensbuch des geschlachteten Lammes seit dem Anfang der Welt geschrieben steht. 9 Wenn jemand ein Ohr hat. so höre er. 10 Wenn jemand in Gefangenschaft gehen soll. so geht er in Gefangenschaft. wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll. so wird dieser mit dem Schwert getötet. Hier ist das Ausharren und das Venrauen der Heiligen.
"AP"OS' kann männlich oder weiblich sein. Aufgxund verschiedener Parallelen im AT scheint mir das weibliche Tier an dieser Stelle passender. S. unten 11 6.2.
124
Ausgewählte Visionen 6.1 Aufbau
Die Vision 2 in Offb 13.1-10 lässt sich thematisch in fünf Abschnitte unteneilen. Die ersten vier Szenen sind streng symmetrisch aufgebaut: Der jeweiligen Beschreibung eines Aspektes des Tieres folgt die Reaktion seiner Bewunderer und Anbeter. In 13.1-3b und 13.5-7 wird das Tier aus dem Meer dargesteUt: Zuerst wird sein Ausseben und dann seine gewaltige Macht geschilden. In 13.3b und 13.8 steht die Verehrung des Tieres durch die Bewohner der Erde im Mittelpunkt. Die Vision wird mit einer anspruchsvollen Aufforderung (V.90 abgeschlossen. Die vorgenommene Gliederung der Vision kann wie folgt zusammengefasst werden: V.I-3b V.3bf
Beschreibung des Tieres: sein Ausseben Reaktion der Bewohner der Erde
V.5-7 V.8
Beschreibung des Tieres: seine Macht Reaktion der Bewohner der Erde
V.9f
Aufforderung zum Ausharren 6.2 Das Aussehen des Tieres
Das Meer. der Herkunftsbereich des Tieres. eröffnet die Vision. Die Erwähnung des Meeres unmittelbar zu BegiM verknüpft die Darstellung des Tieres mit den Ereignissen um den Drachen in Offb 12. Nachdem er im Himmel besiegt wurde. landet er am Ufer des Meeres. Diese anfängliche Verknüpfung zwischen dem Drachen. dem Satan. und dem Tier wird in der Fonsetzung der Vision in Offb 13 immer wieder aufgenommen und vertieft. Das Meer erscheint als Raum von Unordnung und Chaos. Diese negative Sicht ist auch in der Offenbarung gut belegt. Neben 12.18 kaM man noch auf 20.13 hinweisen. wo das Meer parallel zum Hades als voller Toten fast personiftziert wird'. In der Offb liegen jedoch auch Stellen vor. in denen das Meer als Teil der Schöpfung erwähnt wird'; in anderen Visionen wird es als Bereich menschlichen
on
2 Der Umfani der Vision ist nach dem lewählten Gtiederunsskriterium .\&,. deutlich abselrenll. Ähnlich wie in 9.t7 (11 5.1) wird das Vorkommen von .160v in einem Relativsatz in 13.2 nicht als Gtiederunssmterium betrachtet. Dazu VII. II 1.4. ) Der nesalive Charakter des Meeres wird indirekt auch von 21.1 bestätigt. In der Vision des neuen Himmels und der neuen Erde wird ausdrücklich betont. dass das Meer nicht mehr elislien. • Vgl. 1.B. 10.6 und 14.7.
üffb 13,1-10: Ein Tier aus dem Meer
125
Handels und Austauschens dargestellt. S Das Meer gehört zur Lebenswelt der Menschen und ist von Gon geschaffen worden. Die schöpferische Macht Gones über das Meer signalisiert eine klare Hierarchie. Der Drachen und das Tier sind zerstörerische Kräfte und stehen deswegen in Verbindung mit dem Meer. Gott, der Schöpfer des Gesamten, behelTSCht jedoch auch diesen Ort von Chaos und Vernichtung. 6 Nichts Gutes verspricht ein Tier, das aus dem Meer aufsteigt. Diese Wendung geht wahrscheinlich auf Dan 7 zurück und ist ausserdem in 4Esra II belegt. In Dan 7 steigen vier fürchterliche Wesen aus dem Meer, in 4Esra ein besonderer Adler.' Hinter der Bezeichnung «Tier» steckt das entsprechende griechische Wort, 8TJPlOV, bei dem die Idee der Wildheit mitschwingt. 8 Dieses in der Offenbarung gut belegte Substantiv bezeichnet verschiedene Gestalten: das Tier in Offb 13,1-10, ein anderes Tier in den V.II-18. Auch in Offb 17 spielt 811PlOV eine Rolle: in 11.7 ist damit anscheinend der Drache gemeint. All diese Wesen treten als negative Gestalten auf, denn sie schädigen Menschen, welche zu Gon stehen. Das Partizip EXOV führt die Aufzählung der äusserlichen Medanale des Tieres ein. Es weist Hörner auf. So wie in der Schilderung des Lammes im Kap. 5 sind sie Ausdruck von Macht und Stärke. 9 lm Gegensatz zu jenem trägt das Tier nicht sieben, sondern zehn Hörner. Nach Vanni symbolisiert diese Zahl die Beschränktheit der Macht lO, während die Siebenzahl der Hörner des Larrunes Vollendung und Ganzheit ausdriickl. Eine ähnliche Steigerung durch die Zahl Sieben betrifft die Häupter des Tieres und dadurch wird es zum eigentlichen Ungeheuer. In der Fortsetzung der Vision wird deutlich, dass die Köpfe und vor allem der Mund gefährliche Zerstörungsmittel darstellen. Dieser Zug wurde schon in der Vision von Heuschrecken und Pferden in Offb 9 hervorgehoben: auch sie schädigen und vernichten nämlich mit dem Mund. I I Die Siebenzahl der Köpfe veranschaulicht das beängstigende Zerstörungspotential des Unwesens. Auf den Hörnern trägt das Tier zehn Diademe. a,a611IlQ bezeichnet ein Diadem oder eine Stirnbinde, ist Zeichen von grosser Macht und Würde, gehört zu den Attributen von Königen und HelTSChem. 12 In der Offb wird 6la6TJIlQ sowohl als Ausdruck negativer Macht als auch in bezug auf eine christologische Gestalt
, Vgl. Offb 18. o Zur Ambivalenz des Meeres vgl. Kraft, Offenbarung 174. 7 Dazu Prigent, Apocalypse 201. • S. Foerster, ThWNT III 133fr. e~p(ov kann auch als abschätzende Bezeichnung fllr eine verhasste und feindliche Person verwendet werden. Dazu vgl. auch LiddelVScon, uxicon 800. 9 Vgl. 11 3.2.1. 10 Vgl. Apocalisu 54. 11 Vgl. 11 5.2.4. und 11 5.3.2. 12 Vgl. LiddelVScott, uxicon 393. S. auch Lohmeyer, Offenbarung 108.
126
Ausgewählte Visionen
verwendet. 13 Daraus kann man entnehmen, dass die Macht des Tieres, mindestens in bezug auf ihre Symbolik, durchaus mit deJjenigen von Christus zu vergleichen ist. Auf den Häuptern des Tieres sind Lästernamen I< zu lesen. BAao$l1 I1la kommt in Offb 13,1-10 wie ein Leiunotiv vor. 15 Auf der Suche nach der genauen Bedeutung dieses Wortes innerhalb der Offenbarung kann man eine Stelle aus dem Kurzbrief nach Smyma einbeziehen (2,9): Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut, aber du bist reich, und die Lästerung von denen, die sich Juden nennen und es nicht sind, sondern eine Synagoge des Satans" Nach dieser Passage besteht die Lästerung darin, etwas zu behaupten, was der Wahrheit ganz und gar widerspricht: Einige in Smyrna geben sich als Juden aus, sind es aber nicht. So ist anzunehmen, dass die Namen in 13,1 eine Identität des Tieres ankündigen, die falsch und verwirrend ist, da das Tier sich Namen angeeignet hat, die ihm gar nicht zustehen. Diesbezüglich ist ein Vergleich mit 19,12f aufschlussreich. Der Reiter eines weissen Pferdes weist einige Ähnlichkeiten mit dem Tier auf. Zum einen trägt auch er Diademe (allerdings nicht zehn, sondern viele), zum anderen einen Namen: nach V.13 heisst er b 1.01'0, Toil 9€oil. Der Name des Reiters ist also bekannt und eindeutig.17 Dieser Bezeichnung stehen die Namen des Tieres diametral entgegen. Sie werden nicht einmal in ihrem Wortlaut genannt, sind nicht wahrhaftig, besagen Falsches, Blasphemisches. Bereits nach wenigen Worten erfahren die Adressaten der Apokalypse viel über das Tier. Sowohl seine Herkunft als auch seine erste Skizzierung führen es als gefährliches, auf Betrug und Zerstörung ausgerichtetes Tier in die Vision ein. Bei der Schilderung dieses Monsters hat Dan 7,2-7 unverkennbar als Vorlage gedient. Nicht nur die zehn Hörner sind schon dort belegt, sondern die meisten Elemente, aus denen das Wesen von Offb \3 besteht. Die tierischen Züge der ersten drei Wesen von Dan 7 werden in einer einzigen Gestalt konzentriert und in einer neuen Reihenfolge vorgestellt: das Tier gleicht IJ Es gibl nur drei Belege von 8"i6~~a im NT: in 12,3 als Auribul des Drachens, hier in Oflb 13 und schliesslich in 19,12. 14 Die Pluralform OV6~aTQ iSllcxtkritisch unsicher. denn auch das Singular OVOIlQ ist gut bezeugt. Es iSI schwierig. ausschlaggebende lextinterne Argurnenle zugunsten der ersten aII:r zweiten Variante zu nennen. Aufgrund des Zeugnisses von A und 2053 kann man die Pluralfonn bevorzugen. Dazu s. Mettger. TurllDl Com"",ntary 748. " Es komml dreimal vor. in V.I.5.6. In V.6 iSI dazu noch eine Verbal form aus der gleichen Wurzelenlhalten. '6 Oflb 2.9. 17 Die .. Bezeichnung erinnen ihrerscilS an andere chrislologische Namen aus den Kurz· schreiben. wie z. B." ci~~v. b ~ciPTUS b mOTos Kal aA~elV6> (3.14).
Offb 13.1-\0: Ein Tier aus dem Meer
127
einem Panther. seine Füsse erinnern an diejenigen einer Bärin und das Maul an den Rachen des Löwen. Ausser dem Vergleich mit Dan 7 kann man einige andere alttestamentliche Texte zur Bestimmung der Eigenschaften der drei wilden Tiere einbeziehen. Beispielsweise wird in Hab 1.8 die Schnelligkeit des Panthers hervorgehoben. 2 Sam 17.8 und Spr 17.12 bezeugen die Aggressivität der Bärin. die ihrer Jungen beraubt wurde. Der Löwe als Symbol von Kraft und Gewalt ist aus den bereits behandelten Visionen bekannt lB • In Hos 13.7f werden die drei Tiere in einem Bild gemeinsam erwähnt. Gon sagt: So werde ich gegen sie denn wie ein Löwe. laure gleich einem Panther am Wege. Ich falle sie an wie eine Bärin. die ihrer Jungen beraubt ist, und zerreisse den Verschluss ihres Herzens." Die Geflihrlicbkeit dieser wilden Tiere wird mit der Schaffung eines Mischwesens in Offb 13 gesteigert. Die Stärke des Löwen ist in seinem Rachen. während die Bärin ihre Opfer mit ihren gewaltigen Tatzen erledigt. Folglich weist das Ungeheuer gerade diese Züge auf: ein Löwenmaul und Bärenfüsse. Sein Gesamteindruck wird dem schnellen Panther verglichen. Nach der Darstellung des monströsen Aussehens des Tieres werden seine Beziehungen zu anderen Hauptgestalten der Offenbarung erläutert. Zuerst wird in V.2b seine Verwandtschaft mit dem Drachen geklän. Dieser ist eine teuflische Gestalt. die im Zentrum von Offb 12 steht. In 12.9 wird er durch mehrere Namen charakterisiert:
Und hinabgestürzt wurde der grosse Drache. die alte Schlange. der Teufel und Satan genannt wird. der den ganzen Erdkreis irreführt ... Der Drache. der Verführer der ganzen bewohnten Erde. ist die gleiche Figur. der wir in Offb 9 als König der Heuschrecken begegnet sind20 • Dieser Zerstörer. der Inbegriff der Vernichtung. verleiht dem Tier seine Kraft. seinen Thron und grosse Macht. Die Übergabe von Gewaltmitteln wird durch das Aussehen der zwei Wesen anschaulich gemacht. Sowohl der Drache als auch das Tier sind Monster. beide sind mit sieben Häuptern und zehn Hörnern ausgestallet. 21 Die Dreiergruppe 6uVOIi'S'. 9povoS' und E~OUO(O fällt auf: Der Vernichter übergibt dem Tier ein Konzentrat an Mächten und Gewalten; andererseits kamen 6uVOlilS' und vor allem 9povoS' bis dahin als unverkennbare. exklusive Attribute
11 VII. 11 2.7: 11 3.2.1; 0 S.2.4. Zu den einzelnen Tieren VII. KeellUehlinle,. o,u und 1143--146. " ÜbersetzunI aus der Zürcher Bibel. Übe, die Einzelzüle des Tieres VII. Charlie,. Compnndn l'Apocalyp.. I 280. S. 11 S.2.4. 11 S. Oflb 12.3. LandsclrDft~n
'0
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Ausgewählte Visionen
Gottes oder ilun treuer Gestalten vor. 22 Weniger erstaunlich ist das Vorkommen von 'eOUola, da dieser Begriff schon in Offb 9 eine äusserst negative Form von Vermögen bezeichnet. In V.13,2 ist sogar von einer gesteigenen Form dieser Macht die Rede: das Tier bekommt grosse Macht.2l Die Übergabe von ouva~lts", 9povoS" und 'eouota l1 ..y&A Tj erinnen an eine lnthronisationsszene 24 : Nun sitzt das Tier auf dem Thron des Vemichters, und damit wird klar, dass dieses Wesen eine Herrscherfunktion übemimmt. Seine Ausstattung und seine enge Beziehung zum Satan bestätigen und betonen die Negativität des Tieres und seiner Machtposition. Gleichzeitig wirft V.2b ein neues Licht auf die am Anfang analysienen Visionen des Sitzenden auf dem Thron (Offb 4) und des Lammes (Offb 5,6--10). Der kosmische Sitz des Weltenherrschers rückt zumindest vorläufig in den Hintergrund, da plötzlich ein neuer Thron auftritt. Dieser symmetrische Kontrast zwischen dem Verderber und dem Schöpfer wird in V.3 zugespitzt. An dieser Stelle verrät nämlich der Seher eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem Tier und dem (nicht einmal erwähnten) Lamm. Das Tier weist das Merkmal des Lammes auf, eins der sieben Häupter ist wie geschlachtet. 2' • Eoq,aYI1EVTjV ist das gleiche Partizip Perfekt wie in 5,6, und so wie das Lamm ist das Tier trotz der Wunde lebendig. Das in Offb 5 knapp ausgedrückte Paradox EOTTjKOS" wS" Eoq,aYI1EVoV erfährt im Kontext von Offb 13 einige beachtenswene Veränderungen. 'Eoq,aYI1EVTjV wird durch elS" 9avaTov ergänzt. Die Tatsache, dass das zum Tode verwundete Tier trotzdem lebt, wird mit vernünftigen Argumenten erklän: es wurde geheilt. Es fallt auf, dass die Symmetrie zwischen Lamm und Tier inhaltlichen Charakters ist: Beide Wesen sind wie geschlachtet. Die Paradoxie des Lammes, das gleichzeitig als Sieger sIeht und geschlachtet ist, wird in Offb 13 mit der Angabe aufgelöst, dass das geschlachtete Haupt des Ungeheuers geheilt wurde. Dennoch behält die Heilung der Todeswunde ihre wundervolle Stärke. Dies geht aus 13,12.14 deutlich hervor, wo das geschlachtete und geheilte Tier zum Objekt religiöser Verehrung wird. 26 6.3 Bewunderung hinter dem Tier Nach der ersten Skizzierung des siebenköpfigen Wesens gibt der Seher die Reaktion der Leule vor ilun wieder. Grosse allgemeine Bewunderung wird dem S. z.B. rlir 6uva~\S' 11 2.8 und 11 4.3 und rur 9povoS' 11 2.4.1. Die Wendung €(ouotall I.1EyciA.Jtv kommt nur zweimal in Oftb vor: hier und in 18.1 (in bezug auf einen Engel). ,. Vgl. Petraglio. Obielione 360. " Viele Kommentare heben die Ähnlichkeit zwischen Lamm und Tier hervor: s. z.B. Charlier, Comprtndrt /'Apocalypse I 282; Kraft, Offenbarung 176; Loluneyer, Offenbarung l08f; Lohse, Offenbarung 78; Prigent, Apocalypse 203; Roloff Offenborung 136. 26 Vgl. das Vorkommen von npooKuvEW und ElKWV. 12 2J
Offb 13,1-10: Ein Tier aus dem Meer
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Tier entgegengebracht. In der Offb weist 9au11O<:w 27 einen negativen Bedeutungsgehalt auf, es beschreibt das Staunen vor einer Macht, die auf Zerstörung hinzielt. 21 Das Vorkonunen von <,"lOW in diesem Zusanunenhang ist beachtenswen. 29 Diese selten verwendete JO Präposition 31 fällt vor allem im Gegensatz zur Häufigkeit ihres Gegenteiles Evwmov 32 auf. Dieses letzle Won wird oft im Zusammenhang mit der Anbetung Gottes oder des Lammes gebraucht: Die vierundzwanzig Ältesten werfen sich vor dem Thron Goltes nieder (4,10)33; die gleiche Szene wird in 5,8 34 vor dem Lanun wiederholt, und diesmal mit Beteiligung der vier Wesen. Auch im Kap. 73~ wird Gott auf diese Weise gepriesen. Noch interessanter erscheint 7,9.15, als Kontrast zur Bewunderung in 13,3: Das Sein vor Golt bringt die nahe, intensive Beziehung des Sitzenden auf dem Thron gegenüber den Menschen, die treu an ihm festhalten, zum Ausdruck . • 011l0W ist viel seltener, die Konstruktion mit 9auI1O<:w merkwürdig 36 . M.E. bringt 011(OW einen polemischen Ton in die Verehrungsszene. Die ganze Erde staunt nicht vor, sondern hinter dem Tier. Das Staunen lässt eine Beziehung entstehen, in der kein direktes Gegenüber möglich ist. Die Stellung der Verehrenden ist ungünstig, sie sehen das, was sie bewundern, aus einem ungeeigneten BlickwinkeP7. Der Bewunderung folgt die Anbetung des Drachens, der ihm die Macht verliehen hat, sowie des Tieres. Das Anbeten des Drachens und des Tieres hat einen 27 Die Aoristfonn t8au~ci08~ hal deponentiale Bedeulung, s. BVDIR , 78.1. " Dieses Verb iSI viennal in Offb belegt: in 13,3; 17,6.7.8. Subjekt der Handlung sind enlweder die Erde und seine Bewohner (13,3 und 17,8) oder Johannes (17,6.7). Die Objekte doF Bewunderung sind untereinander verwandt die Machl des Tieres und, in Kap. 17, die Fnw-Stadl Babyion. " Vgl. KJafi, OJJ.nbarung 176; Prigen~ Apocalypu 203. Charles, R.v.l4tion I 350f fasst die Schwierigkeit dieser Konstruktion als Korruption einer hebräischen Vorlage auf, die dann ins Griechische übersetzt wurde. Obwohl diese Erklärung heute nicht mehr haltbar ist, bezeugt sie auf indirekte Weise die Seltsamkeit der Konstruktion. Textkritische Varianten zu dieser Sielle gibt es keine. JO In Offb kommt sie bloss dreimal vor: 1.10; 12,IS; 13,3. J I Im profanen Griechischen wurde 0.(0", stets als Adverb gebraucht. Die präpositionale Verwendung ist nur im NT belegt. Dazu BVDIR '2IS.I, Anm. 2.
32' Evwmov kommt 34mal in der Oflb vor. S. JJ 2.8. " S. JJ 3.3.1. " S. JJ 4.3. " Dazu vgl. Charles, R.v.l4tion I 35Of: .We have here a construction which is neither Greek nor Hebrew ( ... )•. S. auch KJafi, OJJ.nbarung 17S; Prigen~ Apocalypu 203. J7 Kaum als Zufall kann man das Fehlen von 0.(0", in der Darstellung Gottes in Offb 4 JJ
anschauen, denn sonst kommen alle Präpositionen vermehn vor, welche zur Beschreibung eines Raumes nötig sind: auf, ringsum, von, vor, in der Mitte. Zur Verwendung der Präpositionen in Offb 4 vgl. die Übersicht in D 2.4.1. Petraglio, Obi.von. 362, interpretien das Vorkommen von 0.(0", als Parodie der Nachfolge Jesu.
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Ausgewählte Visionen
blasphemischen Charakter. J8 Nur Gott soll auf diese An verehrt werden: dies wird dem Seher von einem Engel ausdrücklich und wiederholt gesagt.39 Schliesslich kommen die Menschen, die das Tier bewundern und preisen, zu Wort. Sie stellen eine (rhetorische) Frage: «Wer gleicht dem Tier und wer kann gegen dieses kämpfen?» Die Macht des Tieres und sein Aussehen wirken imposant. Die Frage hebt hervor, wie überzeugt die Menschen von der gewaltigen Erscheinung des siebenköpfigen Tieres sind. Doch bereits im engen Kontext der Vision fallt bei diesem Ausruf eine subtile Ironie auf. Wer gleicht dem Tier? Ein Panther, eine Bärin oder ein Löwe lautet die vorweggenommene Antwort des Sehers. Sehr wahrscheinlich liegt auch eine Anspielung auf die Frage in 5,2 vor: 40 Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen? Wird ein breiteres, von der Tradition gezeichnetes Umfeld in Betracht gezogen, so zeigt sich der parodistische Charakter" der Frage. Solche Fragen werden im AT formuliert, um die Grösse Gottes zu preisen. 42 Die Anbetung des Tieres wird in dieser zweiten Szene der Vision mit blasphemischen Tönen dargestellt. Ironie und parodistische Anspielungen werden gezielt eingesetzt, um das schlechteste Bild des Monsters und von dessen Macht zu erwecken. 43
6.4 Die Macht des Tieres Die Autorität des Tieres wird nun in der dritten Szene (V.5-7) ausführlich dargestellt; dabei stehen vor allem die Folgen und die konkreten Auswirkungen dieser Macht im Mittelpunkt. Durch die Passivform .ooa'l wird die konkrete Gestalt der Macht des Monsters geschildert. Diese Form, die viermal in dieser kurzen Perikope wiederholt wird. übemimmt die Funktion eines Leitwortes. Alles, was das Tier aufgrund seiner Macht treibt, wurde ihm gegeben. Es liegt nahe, diese Formen gleich wie in Offb 9 als passivum divinum zu interpretieren. Gott erscheint somit als das Subjekt, welches dem Tier zu seiner Gewaltausübung verhilft.
3B npooKuviw kommt zehnmal in Bezug aufGoll vor und zehnmal als Ausdruck der Anbetung des Satans oder von Tieren und Götzen. Vgl. Kraft. OJj.nbarung 116: .So beten die Menschen die Macht an in ihrem teufliscben Ursprung und in ihrer irdischen Darstellung». l ' Offb 19.10; 22,8f. .. Vgl. Roloff. OJjenba",ng 131; Petraglio, Obitliont 362f. " Vgl. Kraft, OJJtnba",ng 116; Lohmeyer. OJJtnba",ng 109. Vgl. z. B. Ex 15.11; Ps 89.1; II3.5f; 35.10. In Jes 40.25 und 46.5 stellt GOIl seiher die Frage. 4l Dazu vgl. Bovon. CrSt 1. 221.
4'
Offb 13,1-10: Ein Tier aus dem Meer
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Dieser Aspekt der Gonesvorstellung bereitet unserer Sensibilität unüberwindliche Schwierigkeiten. Auch im Kontext der Offenbarung erscheint dieser Zug als widersprilchlich. Der dualistische Charakter Gones als Liebender und Zerstörer ermöglicht jedoch nach dem theologischen Konzept der Johannesapokalypse, den Dualismus in der Geschichte aufzulösen. Nicht einmal das mächtige Unwesen, hinter dem der Drache steht, kann selbständig handeln und wirken, denn Gott, der Weltenherrscher, hält die absolute Kontrolle über jedes Geschehen fest in der Hand." Dem siebenköpfigen Tier wird ein Mund gegeben. Damit redet es Grosses und Lästerungen. Dieses unangemessene Sprechen, das zu den Namen auf seinen Häuptern gut passt, geht seinem Tun unmittelbar voraus. 45 Dem Tier wird Macht gegeben, während zweiundvierzig Monaten zu handeln. Die Zeitangabe grenzt die blasphemische Wirkung des Ungeheuers ein, handelt es sich doch um dreieinhalb Jahre bzw. die Hälfte von sieben Jahren, einer vollständigen Zeit. Das Handeln des mächtigen Siebenköpfigen wird somit von vornerein als eine vorilbergehende, abgeschlossene Phase vorgestellt. Eine Zeiteinheit von zweiundvienig Monaten kommt auch in Offb 11,1 f vor. Und es wurde mir ein Massstab wie ein Stock gegeben, und es wurde mir gesagt: .Steh auf und miss den Tempel Gones und den Altar und die, welche darin anbeten. Aber den äusseren Vorhof des Tempels lass aus und miss ihn nicht, weil er den Heiden gegeben wurde, und sie werden die heilige Stadt zweiundvierzig Monate zertreten».
Auch im Kontext von Kap 11 geht es um Zerstörung. Die heilige Stadt Jerusalern wird von den Feinden zertrampelt. Die Zeitspanne von dreieinhalb Jahren hat auch andere Entsprechungen innerhalb der Offenbarung: die 1260 Tage in 11,3 und 12,6. An beiden Stellen geht es um Sondersituationen, in die Gestalten involviert sind, die auf der Seite Gottes stehen. Die Himmelsfrau wird in der Wüste, einem geschützten, von Gott vorbereiteten Ort, dreieinhalb Jahre verbringen; dreieinhalb Jahre werden die zwei Zeugen als mit Säcken bekleidete Propheten wirken.
" Dazu Yamro Collins, Apocalypse 92: «In vs. 7 it is said that the beast WQ.f aJlowtd to make war on the saints. This saying indicates that the Apocalypse does not express a !1IdicaI dualism. Yes, the beast rebels against GoeJ, but even that rebellion is pan of GoeJ's plan> wxI Petraglio, Obitliont 363 (Übersetzung aus dem Italienischen): «Klar, fiir uns ist es erschütternd zu denken, dass Gott dem Toer die Macht gegeben hat, gegen die Heiligen Krieg zu führen wxI sie zu besiegen. wxI dass er ihm Macht über jeden Stamm, jedes Volk, jede Spnche und jede Nation gegeben hat. Es überrascht uns, weil wir an die Radikalität der Apokalyptik, die jeden Dualismus vermeiden will, nicht gewöhnt sind: neben Gou gibt es keinen Platz fiir einen ando>ren Gou, einen Satan oder einen von Gou unabhängigen, autonomen Staat>. S. auch Loh.., Offtnbarung 79: Roloff, Offtnbarung 137. Cl Dazu s. Schlier, Antichrist 23.
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Ausgewählle Visionen
Die gleiche Zeitspanne dient also dazu, verschiedene Vorgänge zeitlich zu begrenzen. Mit zweiundvierzig Monaten wird die Zeit von Zerstörung und blasphemischem Handeln umschrieben; mit 1260 Tagen Übergangssituationen, in denen Gottes treue Gestalten bedrängt werden. Hier wird deutlich erkennbar, wie geschickt und sorgfliltig der Verfasser inhaltliche Unterschiede und Parallelen sprachlich gestaltet. V.5 illustriert die Voraussetzungen, über die das Tier verfügt, um die ihm vom Drachen verliehene Macht auszuüben. In V.6f geht es um deren Umsetzung. Der Mund dient ihm dazu, den Namen Gottes, seine Wohnung und die Bewohner des Himmels zu lästem. 46 Die Verbindung zwischen Lästerung und Namen taucht in Offb 13 immer wieder auf. Der Name Gottes drückt in der Offenbarung seine Zuwendung zu den Menschen aus, die auf seiner Seite stehen. Dieser Gedanke wird in 3,12 illustriert: Der Sieger - ihn werde ich zur Säule im Tempel meines Galtes machen, und er wird nicht mehr hinausgehen, und ich werde auf ihn den Namen meines GOlles schreiben und den Namen der Stadt meines Galtes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel von meinem Goll herabsteigt, und meinen neuen Namen'" Diese Stelle aus dem Kap. 3 erleichtert auch das Verständnis der Lästerung gegen die Wohnung Gottes. Auch OKllV~ ist ein Beziehungswort: es kennzeichnet den Ort, in dem Menschen und Gott zusanunen sein werden. 48 In 3,12 wird dem Siegenden zugesichert, zur Säule im Tempel Gottes gemacht zu werden: In der Stätte Gottes, in seinem Tempel, wird der Adressat des Versprechens für immer bleiben. Auch die Schilderung einer Stadt, die aus dem Himmel herabsteigt, zielt auf einen gemeinsamen Ort für Menschen und Gott. In diesem Sinne sind diejenigen, welchen diese Hoffnungsworte zugesprochen werden, künftige Bewohner des Himmels. Der Himmel erscheint somit nicht primär als kosmischer Raum über der Erde, sondern als Dimension der Nähe zu Gott. 49 Die Apposition TOU, h T.;l oupav.;l OKllVOOVTQ, lässt den Kollektivcharakter von OKllV~ explizit werden. Das auf zweiundvierzig Monate begrenzte Handeln des Tieres erweist sich als kriegerischer Kampf. Opfer dieses Kampfes sind die Christen. Indem das Unge-
46 Zur Fonnulierung TOUS EV Tli) oupavti) OKIlVOü'VTQS werden im textkritischen Apparat einige Varianten vorgeschlagen. Die Einrtihrung von Ka( gilt als leclio faeilior. denn sie macht aus einer Apposition ein weiteres Glied der Auflistung. Das gleiche Argument spricht gegen die
yon tp40 venretene Variante . • , Andere interessante Vergleichsstenen in Offb sind 14.1 und 22.4 . •• Vgl. 21.3 . •• Dazu s. auch Prigen~ Apocalypse 205. Es ist nicht auszuschliessen. dass als Bewohner der Erde auch die himmlischen Scharen milgemeint sind. Eine Stene wie 12.12 könnte auch diesen Aspekt beinhalten.
Oflb 13.1-10: Ein Tier aus dem Meer
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heuer die Heiligen bekämpft. fiIhrt es den Krieg fon. welchen der Drache aus Wut wegen seiner Niederlage im Hinunel auf die Erde gebracht hat: Und der Drache erzürnte sich gegen die Frau und ging weg. um Krieg zu führen gegen die übrigen ihres Samens. die die Gebote Gones halten und das Zeugnis Jesu haben. (12.17) Diese Aussage aus dem vorangehenden Kapitel wird nun in 13.7 mit einer traurigen. fatalistischen Ergänzung vervollständigt. Das Tier setzt tatsächlich den Krieg des Drachens fon und besiegt die Christen. Obwohl seine Macht zeitlich begrenzt ist. wirkt sie äusserst effizient und aktiv. Mit der passiven Form EIi09-q erreicht die Vision den Höhepunkt der Tragik: Gott gibt dem Tier die Macht. die Heiligen tatsächlich zu besiegen. Und wenn Gon selbst. der unbestrittene Weltenherrscher. hinter diesem Plan steht. gibt es für die Christen keine Renungschance vor dem Tier. Mit der letzten Aussage dieser Szene wird der Geltungsbereich der Macht des Tieres definien: Es herrscht über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen; es hält die gesamte Erde unter Kontrolle. 50 Folglich können sich die Christen nirgends in Sicherheit bringen. Die Tragik dieser Verse betrim nicht nur die beschriebenen Ereignisse. sondern sie geht direkt in die theologische Auffassung über. auf der das Werlt beruht. Wie ist es möglich. dass Gon eine (wenn auch befristete) Vemichtung seiner Treuen zulässt? Die Opfer des Tieres haben keine Möglichkeit. auf das Ablaufen der Frist zu wanen. Warum müssen sie unter der Macht des blasphemischen Tieres leiden?
6.5 Die Anbeter des Tieres
Die Macht des siebenköpfigen Tieres erstreckt sich über alle Stämme. Völker. Sprachen und Nationen. Nicht alle Menschen. die von dieser Formulierung umfasst sind. unterwerfen sich jedoch dieser überall vorhandenen Macht. Eine Auswahl aus der gesamten Erde weigen sich. Es sind die Christen. die Gott treu sind und deswegen vom Tier bekämpft werden. Um jede Verwechslung mit den Bewunderern des Tieres zu vermeiden. wurden diese Menschen in V.6 «Bewohner des HinunelslO genannt. Vor diesem Hintergrund wird klar. warum die Bewunderer des Tieres in V.8 als «alle. die auf der Erde wohnen» bezeichnet werden. Die Erde bezeichnet nicht den Lebensraum aller Menschen. sondern steht hier als Gegensatz zum Himmel. dem (symbolischen) Ort der Nähe zwischen Gott und Christen. «Alle Bewohner der Erde.. meint somit genau: alle Menschen ausser der Auswahl der Gottestreuen. ~o
Die fonnulierung im
ndaall 4Iu),qll Kot ),0011 Kat y),waooll Kat levoS'
kommt nicht
zum e ..tcn Mal vor. Wir kennen sie in leicht variierter Fonn bereits aus 5.9 und 7.9. S. auch 11.9; t4.6 und 17.t5.
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Ausgewählte Visionen
Die Bewohner der Erde stehen im Zentrum der letzten Szene der Vision von Offb 13,1-10. Sie werden nun als Anbeter beschrieben. Das Objekt dieser Verehrung ist mit alJT()v wiedergegeben. Das Pronomen nimmt von seiner syntaktischen Funktion her das Subjekt des vorangehenden Satzes, das Tier, auf; morphologisch ist es jedoch ein Maskulinum, muss sich auf den Drachen beziehen. 31 Diese Inkongruenz ist inhaltlich sehr wirksam, verdichtet das, was der Leser schon in V.4 erfahren hat: Die Bewunderer des Tieres sind die Anbeter des Drachens. Das Verehren des Tieres ist Anbetung des Blasphemischen. Die ganze Erde verleiht dem mächtigen Ungeheuer eine Ehre, die ihm gar nicht zusteht, denn sie beruht auf Betrug. Die Namen des Tieres sind zu Unrecht angeeignete Bezeichnungen, seine Handlungen vernichten, sein grosses Reden erweist sich als Lästerung. Am Ende von V.8 wird noch einmal ausdriicklich betont, dass sich nicht alle der Anbetung des Tieres anschliessen, sondern nur diejenigen, deren Namen nicht im Lebensbuch des geschlachteten Lammes geschrieben stehen. Te. ßlßXlOV Tij, t;wij> kommt an verschiedenen Stellen in der Offenbarung vor. S2 Die Vorstellung eines Buches mit den Namen der Heiligen und Getreuen geht auf das AT zwiick. SJ Das Motiv des Lebensbuches steht in Verbindung mit Gerichtsvorstellungen: Dieser Aspekt geht deutlich aus Offb 20,12 hervor: Und ich sah die Toten, die Grossen und die Kleinen. vor dem Thron stehen. Und Bücher wurden geöffnet. und ein anderes Buch wurde geöffnet. welches das Buch des Lebens ist. und die Toten wurden gerichtet gemäss dem. was in den Büchern geschrieben war. nach ihren Werken. Eine weitere Stelle. Offb 3.5. trägt zum Verständnis des Lebensbuchmotives bei: Der Sieger wird so mit weissen Gewändern umhüllt werden. und ich werde seinen Namen aus dem Buch des Lebens nicht auslöschen. und ich werde seinen Namen vor meinem Vater und vor seinen Engeln bekennen. Die christologische Gestalt, welche die Mitteilungen diktiert. verspricht. sich zu den Namen im Buch vor Gott und seinen Engeln zu bekennen. Wiederum
steht die Vorstellung des Gerichtes im Hintergrund. Eine weitere Beobachtung ist sehr wertvoll in bezug auf 13,8: Die Namen werden nicht in das Lebensbuch eingetragen, sondern getilgt. Es ist deshalb anzunehmen. dass die Namen von
'I Vgl. Kraft. Offenbarung >2
177.
In 13.8: 17.8: 20.12 und 21.27. Vgl. auch 3.5 und 20.15: an diesen zwei Stellen sieht iJ
P(j!Aos T~> ''''~>.
" S. SchreBk. ThWNT 1618f. Für das Vorkommen dieses Motives in der rabbinischen und pseudoepigraphischen Literatur s. StrackIBilierbeck U 169.
Offb 13.1-10: Ein Tier aus dem Meer
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Anfang an im Buch geschrieben slehen. ln 13.8 wird dieser Zeitpwtkt präzisiert: die Namen erscbeinen im Buch seit der Erschaffung der Welt. Wenn die Namen der Bewohner der Erde. die das Tier bewundern. nicht mehr im Lebensbuch erscheinen. heisst es. dass sie gestrichen wurden. Ihr Handeln und Bekenntnis zu den vernichlenden Mächlen ist mit dem Leben unvereinbar.
Exkurs ill: EeOUo{a und ihre Spannung in der Apokalypse Die Bewohner der Erde verehren das Tier und den Drachen. Ihr mächtiges Auftreten bestaunen sie. Die Atuibule des Tieres. welche auf Macht hinweisen. sind in 13.1-10 zahlreich; darunler ragen Hörner und Diademe hervor. Die dreifache Übergabe des Drachens ans Tier spitzt den Machtaspekt zu: Es verfügt nun über seine Kraft. seinen Thron und grosse Macht. Der letzIe Begriff. EeOUo{a. bildet den Kern der Identität des siebenköpfigen Monsters. Grosse Macht wurde ihm gegeben. diese Macht übt es dann aus. Sie wird im Reden und im Tun konkretisiert und erweist sich als Betrug und Vernichtung. Der negative Bedeutungsgehalt von EeOuola in der erslen Vision von Offb 13 kann nicht übersehen werden. ln den meisten Belegen dieses Wones so innerhalb der Apokalypse kommt die negative Kennzeichnung deutlich zum Vorschein. Oft beschreibt EeOUola das Vermögen. Menschen oder Teile der Erde zu schädigen. Dieser Aspekt. dem wir in Offb 9 zum ersten Mal begegnet sind. kommt in verschiedenen Kontexlen vor. Subjekte. welche über diese vemichlenden Macht verfügen. sind der Reiler eines grünen Pferdes. der Tod gefolgt von der TOlenwelt (Offb 6). verschiedene Ungeheuer wie die Heuschrecken und die Rosse von Offb 9. beide Tiere von Offb 13. ein Engel in 14.18 und ein weiteres. vom Himmel herabsteigendes Engelwesen in 18.1. Nach 20.6 kann der endgültige Tod Macht haben. Auch unter den GestalIen auf der Seile GotleS gibt es einige. denen die Fähigkeit zu zerstören gegeben wurde: Die zwei Zeugen von Offb II können die Erde so lange sie wollen mit allerlei Plagen schlagen.~~ Nach 16.9 übt sogar Gott selbst diese An von Macht gegen die Menschen aus. welche das Malzeichen des Tieres tragen: Und die Menschen verbrannlen in einer grossen Glut. und sie lästerten den Namen Gottes. der die Macht ('~oua(av) über diese Plagen hat. und sie kehrten nicht um. um ihm Ehre zu geben. Egal auf welcher Seile und mit welchem Ziel: Stets ist EeOUo{a eng mit Vernichtung. Zerstörung und Tod verknüpft. Wesentlich zum Verständnis dieses Begriffes ist der On. wo die EeOUo{a fassbar wird: Unabhängig vom handelnden , •• E~ouo(a komml 20maJ vor. " S. 11.6.
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Ausgewählle Visionen
Subjekt wird die ~~oucrla immer auf der Erde entfaltet. Aufgrund von 17.12f können die Leser den Geltungsbereich dieser vernichtenden Gewalt noch präziser orten. Danach steht E~ouo{a in Verbindung mit der Macht der Könige. gehön zur Sphäre des Regierens. des Politischen. Sie ist die abstraktere. umfassendere Form von Macht auf der Erde.56 Nach Offb 13 erstreckt sich die E~oucrla sogar in die religiöse Sphäre: Einerseits spricht der Träger der Macht Blasphemien aus. andererseits reagieren darauf die Bewohner der Erde mit Anbetung. mit einer typischen Handlung religiöser Verehrung.~7 Diesen zutiefst negativen Darstellungen von Macht sind wenige Belege gegenüberzustellen. in denen dem gleichen Begriff eine andere Qua1itäl verliehen wird. 5I In einem Hymnus in Offb 12.10 erscheint E~ouo(a als letztes. zusammenfassendes Glied einer Auflistung: Jetzl ist das Heil (i! OW1'1)p\a) angebrochen und die Kraft (i! 6Uvall'S') und das Reich unseres Gones (i! lIaav.<1a TOO e.oü i!1I'"") und die Macht seines Christus (i! E~oua(a TOO XPlOTOO a.hou). denn hinabgestürzt ist der Ankläger unserer Bruder und Schwestern. der sie vor unserem Gon Tag und Nacht anklagte.
Die zerstörerischen Mächte sind auf Erden tätig und sogar Gon ist in diesen vernichtenden Prozess als letzte Kontrollinstanz verwickelt. Trotzdem. nachdem der Drache zumindest im Himmel besiegt wurde. kann die E~ouo{a TOiJ XP\OTOiJ gepriesen werden. Diese E~ouo(a eröffnet neue Ziele. welche sich in einem neuen Raum verwirklichen werden. in der neuen Stadt Jerusalem. im Raum der Nähe zu Golt und dem Lamm. Don werden sogar Menschen Anteil an der ~~ouo(a haben. Die neue Qua1itäl dieses Begriffes wird deutlich in einem Makarismus in 22.14 hervorgehoben: Selig sind die. welche ihre Kleider waschen. damit ihre Macht (~ '~ouaia aiJT<>!v) auf dem Holz des Lebens bestehe und sie durch die Türen in die Stadt hineingehen. Dieser Text ist der einzige in der Offenbarung. der die Verbindung zwischen den zwei entgegengesetzten Bedeutungen von E~ouo(a durchschaubar macht. Die Opfer der zerstörerischen Macht auf der Erde werden selber über Macht verfugen: die Macht über den Baum des Lebens. das Vermögen. in die künftige Stadt einzutreten. Ziel der Treuen des Lammes ist es. die negative Erscheinung von
,. Dazu Ellul. ApolulJypsr 82-85. " Schlier. Antichrist 22: .Es enlSteht die Religion des Tieres. Dass es sich um Religion IwIdeIt und dass eine religiöse Apotheose des Tieres vorliegt. verrät schon die Sprache. in cb' sich die Anbetung Ausdruck verschafft. Sie ist die religiöse •. Dazu auch Bovon. CrSt7. 227. " S. 2.26; 12.10 und 22.14.
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El;ouaia zu ertragen. um die neue. durch Christus ermöglichten Qualität von Macht zu gelangen.
6.6 Eine rätselhafte Aufforderung Die Christen sind im Buch des geschlachteten Lammes eingetragen. Diese Aussage hebt die Paradoxie des Lammes nochmals vor: Es wurde getötet und hält doch das Buch des Lebens. Seine gleichzeitige Beziehung zu Leben und Tod wird nun auf die Christen übertragen. Einerseits haben sie sich für das Leben entschieden. sind Gott treu geblieben und stehen nicht hinter dem Tier. Auf der anderen Seite müssen sie dieses Bekenntnis zu Gott und dem Lanun teuer bezahlen. weil das Tier die Macht erhalten hat, sie zu besiegen. Im letzten Teil von Offb l3,9fwird gerade diese 1bematik aufgenommen: Die Niederlage durch das Tier wird in ihrer konkreten, dramatischen Gestalt entfaltet. Zu Beginn steht die Formel €'( TlS" EX€l oOS" clKOUaClTw. Dieser Ausdruck kommt sonst in der Offenbarung in den sieben Briefen vor, jedoch in leicht abweichender Form 59 • Dieser Satz dient in Offb 13 als ermutigende Einleitung zu den folgenden Versen; er lädt die Hörer ein, den gegen sie gerichteten Kampf des Tieres zu ertragen.60 Indem die Adressaten der Offenbarung unmittelbar angesprochen werden, unterbricht die Formel die Vision. Plötzlich geht es nicht mehr um die Schilderung von Phantastischem, und auch nicht mehr um die Reaktion der Menschen innerhalb der Vision. Im Mittelpunkt steht nun die unmittelbare Reaktion der Leser. Es stellt sich somit heraus, dass die Vision doppeldeutig ist. Wenn sie lebende Menschen direkt betrifft, kann es sich gar nicht bloss um eine Schilderung von Szenarien aus einer Visionen welt handeln. Die geschichtliche Dimension ruckt nun in den Mittelpunkt. Die Formel €'( TlS" EX€l oOS" clKouachw wendet sich direkt an die Adressaten der Offenbarung. Sie verdeutlicht ihnen, dass der Sieg des Tieres über die Heiligen sie, jenseits der Vision, in ihrer Welt betrifft und zwar mit schwerwiegenden Folgen, die in V. 10 geschildert werden.
59 '0 lxwv o~S" aKOUaaTta.l Ti TO nVEü'~a ).iyE1. Tats- EKKA'lo(a\S' (Offb 2.7.11.17.29; 3.6.13.22). 60 Dazu H.-M. Enrolb. NTS 36. 606: .Thus Ibe Hearing Fonnula is to be under.;tood as a strong call and encouragement. It encourages the bearer.; to endure in Ibe fight against the oppressor of Ibe church. For Ibe hearer.; and readers it is an encouragement to trust in God's docision and dispensation. for be or sbe whose fate is prison or manyrdom will mett his or her fate •. Zur Funktion der WeckfonneI in der Offenbarung _gI. auch Popkes. ZNW 14. 9G-I01.
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Ausgewählte Visionen
Der textkritische Befund in V.lO ist problematisch61 • Anscheinend verursachte das Fehlen des Verbs im ersten Teil der Aussage das Entstehen zahlreicher Varianten. die grundsätzlich in zwei entgegengesetzte Aussagen münden. Die einen haben durch Einfllgung eines zusätzlichen Verbes die Aussage wie folgt vervoUständigt: Wenn einer in Gefangenschaft ruhn. so geht er in Gefangenschaft." Wenn einer mil dem Sehwen IÖlel. so wird er mil dem Sehwen gelölel. Dieser Spruch zeigt eine nahe Verwandtschaft rnit Mt 26.52: nalfT.' Yclp 01 Aaj!OIfT.' Ilaxalpov (V llaxa(Pll anOXOOVTGI (V.52b). Denn alle. die das Schwen nehmen. werden durch das Schwen umkommen.
Diese Aufforderung zum Gewaltverzicht bei der Verhaftung Jesu6l gilt auch fIIr die Adressaten der Offenbarung: Sie sollen keine Gewalt gegen das Tier und seine Anhänger anwenden. Den gleichen Spruch kann man jedoch auch umgekehrt auffassen. als Unheilsansage6" gegen die Anhänger des Tieres; wenn sie die Christen rnit Schwen und Gefangenschaft vernichten. werden die Anbeter des Tieres Gleiches erfahren. M Die andere wichtige Lesan ist im Codex A1exandrinus enthalten:
d d
Tl. .1. aIXllaAwa{av. .1. alXllaXwa{av imay'" Tl.
Die parallel konstruienen Sätze enthalten eine Klimax: Wenn einer in Gefangenschaft (gehen soll). dann gehl er in Gefangenschaft; wenn einer mil dem Sehwen gelölel (werden soll). dann (wird) dieser mil dem Schwen gelölel. Diese fatalistische Aussage geht wahrscheinlich auf Jer 15.2 zurtlck:
61 Für eine delailliene Außislunl der wichlilslen Lesanen VII. Meuger. A TutUD/ Com·
749-750. 616. 1828. 18S4. 1862. 1888. 2322 und einige ÜberselZUngen fUgen cineiy" hinzu. wahrend 20S9. 2081 (und der IexlUS Ieeeplus) au"eiy .. vonchlagen; 94. 104. 4S9. 2019 enetzlen den erslen Teil von V.JOa durch alx~aA">T('E\. 'JI'" M. C. P. 046. 1006. 1611. 20S3 und andere lassen einmal d5' alx ....aAwo(a" aus. 61 S. Schweizer. MQ/thilw 324 . .. S. Berger. Formg..chichu 176r. ., VgI. Pelraglio. Obj~zjoM 364r. Kraft. Off~nbarung 177f enlscheidet sich aus inhallliehen Gründen nach einer sorgfliIligen Erwäpn& der verschiedenen VIliIllllCll flIr diese LesIn. m~nl4ry
62
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"OOOl EI, aaVaTOV, EI, aaVaTOV· Ka\ OaOl EI, lIaxalpaV, d, lIaxalpaV· Ka\ 0a0l EI, Xlll6v. EI, Xlll6v· Ka\ OaOl El, alXllaXwaiav, EI, alXllaXwa{aV."
Wer des Pesttodes ist, zum Pesttod, wer des Schwertes ist, zum Schwen, wer des Hungers ist, zum Hunger, wer der Gefangenschaft ist, zur Gefangenschaft!"
Im Kontext von Offb 13 gewinnt dieser Unheilsspruch eine neue Bedeutung. Es geht nicht mehr um die Strafe GOlles wegen der Untreue seines Volkes; Gefangenschaft und Tod stellen nun die greifbaren Auswirkungen der Macht des Tieres auf die GOllestreuen dar. Der Verfasser von Offb 13 ventill eine deutliche, pessimistische Linie: Die Macht des Tieres erstreckt sich auf die ganze Erde, ist für zweiundvierzig Monate unbesiegbar, und deshalb ist es gar nicht möglich, dem Tod und der Gefangenschaft zu entgehen. Diese zweite Lesart passt inhaltlich besser in den Kontext von Offb 13 und überhaupt in die Offenbarung als ganze. 68 Der Schlusssatz in V.lO bestätigt meiner Meinung nach diese Wahl. Unter solchen Umständen gibt es keinen Ausweg. Was bleibt, ist einzig das Ausharren. Das Vorkommen von iJT1ol'ov~ erlaubt uns, einen Bogen zurück zu Offb I ,9--1 2a zu schlagen. Don kam das Thema des Enragens in der Spannung zwischen der Bedrängnis (9AlljllS"1 und der Gottesherrschaft (ßaolAEtal vor: UT10I'OV~ ist die Dimension, welche den Christen erlaubt, gleichzeitig das Leiden und das Anbrechen des Gottesreiches zu erleben.69 Diese Deutung von UT10I'OV~ wird nun in 13,10 bestätigt und vertieft. Die Bedrängnis geht von der Tatsache aus, dass das Tier die Heiligen besiegt hat, und dies wird wiederum im Spruch von V.lOab konkretisien. Aber trotz Tod und Gefangenschaft bleibt die Gewissheit, dass die Christen immer noch im Buch des Lebens eingetragen sind: Ihre Beziehung zu Gott und seine Zuwendung werden von den schwierigen Lebensumständen unter dem Drachen und dem Tier nicht beeinträchtigt. Das Venrauen der leidenden Christen zu GOII und seinem Lanun und, von deren Seite her, eine liebevolle, zarte Zuwendung in der
•• LXX . • 7 Übersetzung von M. Buber. •• Wie Kraft, ibid., betont, kann die Abwägung der verschiedenen Lesarten von V.lOab nicht aufgrund innerer textkritischer Argumente durchgefilhn werden, da die Situation so heikel aussieht. Die meisten Kommentatoren unterstützen die zweite Variante. Vgl. z.B. Lohmeyer, Offenbarung 110; Lohse, Offenbarung 77; Perraglio, ibid.; Prigent, Apocalypse 207; Roloff,
Offenbarung 138 . •• S. 1 3.2.
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Ausgewählte Visionen
Gegenwart und in der Zukunft gewinnen im Kontext von Offb 13 eine stärkere Intensität. Offb 13.9f hebt das Thema des Leidens. des Ausharrens und des vertrauensvollen Glaubens der Christen hervor. Die Formel in V.9 unterbricht die visionäre Erzählung der vorangehenden Verse. Die Heiligen werden direkt in ihrer schwierigen Lebenssituation angesprochen. Aus der Vision erfährt der Leser der Apokalypse. dass das Leiden der Christen vom Tier verursacht wird; in V.IO wird diese Bedrängnis präzisiert: Es geht um Gefangenschaft und Tod. Daraus entsteht die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Tier. Tod und Gefangenschaft. Mit anderen Worten fordert 13.9-10 auf. das vorangehende Bild (1-8) zu dechiffrieren. 7o 6.7 Zusammenfassung Offb 13.1-10 fokussiert ein mächtiges Tier. Sein Herkunftsort. das Meer und seine Attribute. zehn Hörner. sieben Häupter. zehn Diademe und lästerliche Namen kündigen bereits zu Beginn seine Zugehörigkeit zu den bösen Kräften. die unter der Herrschaft des Verderbers oder Drachens stehen. an. Von ihm bekommt das gefährliche Unwesen seine Kraft. seinen Thron und grosse Macht. Damit wird die Machtposition des Tieres enorm gefestigt. Aus seiner Stellung heraus spricht es Grosses und Blasphemisches und Ubt seine Macht aus. Die ganze Erde. alle Völker und Nationen sind nun der Macht des Monsters unterworfen. Die Stärke der Gewalt dieses Tieres wird auch in der Reaktion der Bewohner der Erde sichtbar: Mit grossern Staunen folgen sie dem Tier. beten es an. Dabei bekennen sich diese Menschen zu seiner bösen. auf Zerstörung und Lästerung hinzielenden Identität. Nicht alle Menschen schliessen sich der religiösen Verehrung des Tieres an. Der mit negativen Konnotationen verbundenen Bezeichnung .. Bewohner der Erde» steht die Kennzeichnung der Christen als _Bewohner des Himmels» gegenUber. Ihn: Beziehung zum lebendigen Gott und dem Lamm und ihre vertrauensvolle Zuwendung zum Leben bleibt auch unter der Macht des Tieres fest. Die Unterdrückung durch das siebenköpfige Untier ist sehr hart. denn ihm wurde gegeben. die Menschen. welche auf der Seite Gottes und des l..anunes stehen. zu besiegen. In der Abschlussszene der Perikope wird die Vision unterbrochen. Mit einer recht fatalistischen Aussage werden die Christen aufgefordert. die Schwierigkeiten und das Leiden ihrer Geschichte zu ertragen. Wer von Tod und Gefangenschaft bedroht ist. wird diesen Gefahren nicht entkommen. denn die Macht des
70 Mit der Entschlüsselung dieser Wane und den damil verbundenen Fragestellungen waden wir uns im folgenden Teil der vorliegenden Untersuchung befassen.
Offb 13.1-10: Ein Tier aus dem Meer
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Tieres ist zwar zuvor auf eine relativ kurze. abgegrenzte Zeit beschränkt worden. aber sie ist stark: und absolut. In Offb 13. I -10 spielen Kontrast. Parallele und Paradoxie eine zentrale Rolle: Die Christen bekennen sich zum zugleich geschlachteten und lebendigen Lamm. Ihr Vertrauen auf sein Versprechen fuhrt diese Spannung zwischen Tod und Leben in ihre eigene Existenz ein: Während sie vom Tier sogar mit dem Tod geschlagen werden. stehen ihre Namen fest im Buch des Lebens. Auch das Tier wird mit solchen Stilfiguren beschrieben. Es selbst ttägt wie das Lanun Hörner. Wie das Lamm ist es geschlachtet worden. und geheilt lebt es nun. Wie das Lamm (und Gott) verfügt es über einen mächtigen Thron. über Kraft und Macht. Sogar die Preiswone der Bewohner der Erde erinnern an die Lobpreise für das Lamm. und der Bereich seines Einflusses wird mit der gleichen Formulierung wiedergegeben: Völker. Nationen. Sprachen und Stämme. Diese Parallelen zwischen dem Tier und dem Lamm wirken parodistisch: Das Tier tritt so auf. als ob es das Lamm wäre. Diese evidenten und im Text sorgfliltig hervorgehobenen Ähnlichkeiten können jedoch auch anders angesehen werden. Sie bringen nämlich die Schwierigkeit zum Ausdruck. zwischen Lamm und Tier zu unterscheiden. Seide weisen gleiche Züge auf. sind mächtig. wurden inthronisien. Von der Erde aus gesehen besteht die Möglichkeit einer verhängnisvollen Verwechslung. Offb 13.1-10 schafft Klarheit: Es wird deutlich dargelegt. wie unterschiedlich - trotzt aller Ähnlichkeiten - diese zwei Tiere sind. Die Macht des Lammes ist zan. sie besteht und zielt auf Lebendigkeit hin. Die Macht des Tieres ist hingegen arrogant. mit der Macht wilder Tiere vergleichbar. Sein Ziel ist eindeutig. es geht um Lästerung. Unterdrückung und Vernichtung. Offb 13.1-10 vermittelt den Eindruck. die Welt und die Mächte. denen sie ausgeliefen ist. seien perfekt synunetrisch: Gott. das Lamm und die ihnen treuen Menschen auf der einen Seite. auf der anderen der Vemichter. das Tier und ihre Anbeter. Immer wieder liegen jedoch Signale vor. welche die Symmetrie in eine hierarchische Ordnung umwandeln: Die Macht Gottes ist am stärksten. sie beherrscht jedes Ereignis und sogar die bösen Kräfte.
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Ausgewählte Visionen
70ffb 17.3-18: Babyion. eine Hure. eine Stadt Die Reise von Johannes. dem Seher, wird fongeführt. Nach Oflb 1,9-12a verliess er am Herrentag die Insel Patmos, um eine Welt von Visionen zu entdecken. Nach Offb 4,1 ging er durch eine Tür, die ihm den Zugang zum Hinunel eröffnete. Aus dieser himmlischen Lage sah Johannes viele Gestalten, Handlungen. Kontraste. Gon. sein Lamm und ihnen !reUe Menschen sind ihm in den für diese Untersuchung ausgewählten Visionen begegnet. Andererseits erschienen ihm fast spiegelbildlich zerstörerische Kräfte, zum Beispiel in der Gestalt von Heuschrecken, ihrem König. dem Vernichter und einem Tier aus dem Meer. Auch an der Seite dieser Gestalten stehen Menschen, die Johannes den Adressaten seiner Schrift genau beschreibt. Nun wird der Seher in eine neue Dimension versetzt: Einer der sieben Engel rnit den Schalen trägt den Seher in die WUste fon. I In diesem neuen Gebiet erlebt er ein besonderes visionäres Geschehen: Eine personiflZiene Stadt, Babyion, die grosse Hure, wird ihm gezeigt. Die Schilderung des Johannes beschränkt sich nicht auf Aussehen und Tun der Frau; auch ihre Beziehungen zu den vernichtenden Kräften werden in allen Einzelheiten vorgeführt.
Und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das voller Namen der Lästerung war und sieben Häupter und zehn Hörner hatte. 4 Und die Frau war in Purpur und Scharlach gehOllt und vergoldet mit Gold und Edelstein und Perlen; sie hielt einen goldenen Kelch in ihrer Hand, der voll mit Greueln und den Unreinheiten ihrer Hurerei war. 5 Und auf ihrer Stirn stand ein Name geschrieben, ein Geheimnis. «Baby Ion, die Grosse, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde •. 6 Und ich sah die Frau sich vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu betrinken. Und ich wundene mich über dieses grosse Wunder, als ich diese sah. 7 Und der Engel sagte mir: .Warum wunderst du dich? Ich werde dir das Geheimnis der Frau und des Tieres sagen, das sie trägt, das sieben Häupter und zehn Hörner hat. 8 Das Tier, das du gesehen hast. war und ist nicht und wird aufsteigen aus dem Abgrund und geht zur Vernichtung hin. I Dazu s. die detaillierte Beschn:ibung aller Etappen von Johannes Reise in I 1.3. Für die Rolle des Oeistes in den Onswechseln s. I 3.3.
Oflb 17,3-18: Babyion, eine Hure, eine Stadt
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Und die Bewohner der Erde, deren Name im Lebensbuch seit dem Anfang der Welt nicht geschrieben ist, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, denn es war und ist nicht und wird anwesend sein. 9 Hier wird die Vernunft verlangt, die Weisheit hat. Die sieben Häupter sind sieben Berge, auf welchen die Frau sitzt. und sie sind sieben Könige: fünf sind gefallen, der eine ist da, der andere ist noch nicht gekommen, und wenn er kommt, muss er nur kurz bleiben. 11 Und das Tier, das war und nicht ist. ist selber der achte und einer der sieben, und geht zur Vernichtung hin. 12 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, sind zehn Könige, welche noch keine Herrschaft empfangen haben; sie werden aber Macht wie Könige für eine Stunde mit dem Tier empfangen. 13 Diese haben eine einzige Absicht und haben dem Tier ihre Kraft und Macht zur Verfügung gestellt. 14 Diese werden gegen das Lamm Krieg führen und das Lamm wird sie besiegen - denn es ist Herr der Herren und König der Könige - und mit ihm die Berufenen und Auserwählten und Treuen». 15 Und er sagt mir: «Die Wasser, die du gesehen hast, wo die Hure sitzt. sind Völker und Scharen und Nationen und Sprachen. 16 Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, und das Tier - diese werden die Hure hassen und sie wüst und nackt machen und ihr Aeisch fressen und sie mit Feuer verbrennen. 17 GOII hat ihnen nämlich in ihre Herzen gegeben, seine Absicht auszuführen - (und) eine einzige Absicht auszuführen - und ihre Herrschaft dem Tier zu geben, bis die Worte Golles vollendet sein werden. 18 Und die Frau, die du gesehen hast, ist die grosse Stadt, die die Herrschaft über die Könige der Erde hat».
7.1 Aufbau Das Vorkommen von Ka\ .t6ov in 17,3 und 18,1 grenzt den ausgewählten Text deutlich ab. Die Vision von Babyion besteht somit nach der vorgenommenen Textgliederung aus zwei Teilen (17,3-5 und 17,6--18), die hier gemeinsam analysiert werden. Für die innere Unterteilung der Perikope wurde das Vorkommen verschiedener Formen der gleichen Wurzel verwendet, denn sie heben den Anfang inhaltlich sinnvoller und abgeschlossener Abschnille hervor. Schon beim ersten Lesen von Offb 17 fällt eine inhaltliche und fonna1e Dreiteilung des Textes auf: Die eigentliche Vision (V.3b--6a) wird durch einen kurzen Austausch zwischen Johannes und dem Engel unterbrochen (V.6bO; eine längere Deutung des Gesehenen schliesst dann die Texteinheit ab (V.8-18).
Ausgewählte Visionen
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Die Belege von Kat €\6ov in V.3 und 6 unterstreichen ein schilderndes und ein eher dynamisches Moment' innerhalb der Vision. während das Panizip t6wv die Reaktion des Johannes und des Engels einführt. Im dritten. deutenden Teil kann man aufgrund der Wiederholung von €\6€, fünf Unterabschnitte unterscheiden. Im Überhlick sieht die beschriebene Gliederung von 17,3-18 wie folgt aus: V.3b----6a
Vision einer Frau
3b---5 6a
BabyIons Züge BabyIons Handlung
V.6b---7
Reaktion des Johannes und Worte des Engels
V.8-18
Deutende Rede V.8-11 V.12-14 V.15 V.I6--17 V.18
Das Tier und die sieben Häupter Die zehn Hörner Die Wasser Beziehung zur Frau Die Frau
(Kat €\6ov) (Kat €\6ov)
(,6wv)
(€\6€,) (€\6€,) (€\6€,) (€\6€,) (€\6€,)
7.2 BabyIon Um Johannes die Zerstörung der grossen Hure zu zeigen. bringt ihn ein Engel vom Himmel in die Wüste. Damit verlässt der Seher die Dimension des Göttlichen und kehrt wieder auf die Erde zurück. Die Wüste. epTJl!o,. bezeichnet einen menschenleeren Raum. einen Ort der Verlassenheit. 3 In Offb 12.6.14 erscheint epTJI!OS" als ein Zufluchtsort. eine provisorische Stätte für eine bedrängte Frau: Ihr spendet Gott Geborgenheit und Nahrung für eine begrenzte Zeit. Paradoxerweise findet die bedrohte Himmelsfrau gerade an diesem verlassenen Ort, wo kein Leben sich entwickeln kann. eine Möglichkeit zum Überleben.-
1 Die Eigenschaften und Handlungen der Frau in 17,3b-6 werden hauptsächlich mit Panizipialformen ausgedrückt. Dabei schildern die Verbfonnen in 3b-5 eher den Zustand der Frau. die lohannes sieht, während das Pan. Präs. ~E9uouoav. eine Handlung umschreibt. die ersl dann geschiehl, wenn lohannes hinschaut. D82U Delebecque, RThom. 88, 463: .Dans les exemples qui viennent, au contraire, o~ le panicipe est au present, et compl~tif, le panicipe montre I'objct cn train d'accomplir un acle. Apres la mention de son ~tal. la chose ou )'ette vu est montR agissanl; iI prend vie devant nos yeux comme devant les yeux de Jean~. 3 S. Kiuel, ThWNT 11 654f. • In diesem Zusammenhang kann ein Vergleich mit Weish 10.11 aufschlussreich sein. In den genannten Kapiteln wird die Befreiung des Volkes Goues aus Ägypten nacherzJihlt. In 11,2-8 kommt das Motiv der Wüste vor. Zuerst wird sie als unbewohnter und unfreundlicher
Offb 17.3-18: Babyion. eine Hure. eine Stadt
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Johannes wird von seinem neuen Standpunkt aus eine Frau und deren Verwüstung wahrnehmen und seinen Adressaten beschreiben. Angesichts dieser Aufgabe scheint ihm die Wüste. so wie bei der bedrohten Hinunelsfrau. eine gewisse Sicherheit vor der sich vollziehenden Katastrophe der grossen Hure zu gewähren. 1 Darüber hinaus nimmt lp'll'os das Schicksal der personifIZierten Stadt symbolisch voraus. denn sie wird unmittelbar danach dem Boden gleichgemacht und verwüstet werden. 6 7.2. J Eine in rot gekleidete Frau In V.3lr--5 wird Babyion als eine Frau vorgestellt. die auf einem scbarlachroten Tier sitzt. das voller Lästernamen ist und sieben Häupter und zehn Hörner hat. Diese Eigenschaften erinnern sowohl an das Tier von Offb 13.1-10 als auch an den Drachen von Offb 12.3: Beide weisen sieben Köpfe und zehn Hörner auf. hingegen wird nur die alte Schlange als feuerrot bezeichnet. 7 Trotz dieser (wahrscheinlich durchaus gewollten) Unschärfe deklarieren diese Attribute die satanische Zugehörigkeit dieses Wesens unverkennbar. Das Sitzen der Frau auf einem solchen Tier bringt ihre Verbundenheit mit den zerstörerischen Kräften zum Ausdruck und lässt ihre Machtposition durchscheinen.· Die Verwandtschaft zwischen der Frau und dem Tier wird zusätzlich durch die rote Farbe ihrer Bekleidung betont: Sie ist in teure Purpur- und Scharlachgewänder gehüllt. Beide Stoffe werden in einer Liste kostbarer Güter. die einst in der reichen Stadt verkauft wurden. in 18.12f aufgeführt. Die edlen Purpur- und Scharlachgewänder wurden in der Antike von Königen und Mächtigen getragen. bezeugen Reichtum und Glanz. 9 Ausserdern stellt die Frau ihre Pracht mit ihrem Schmuck zur Schau: Dieser besteht aus weiteren Kostbarkeiten aus der erwähnten Liste: Gold. Edelsteine und Perlen bedecken sie. Sprachlich wird der Prunk der Frau mit Stilmitteln unterstrichen: Der pleonastische Ausdruck KEXPUOWI'{V'l Xpuoiq> wird unminelbar mit einem Zeugma fangesetzt. On dargestellI (V.21). dann aber als On. an dem das Volk alles findel. was es zum Überleben nÖlig halo Gonlässl das W.... r aus dem Fels herausmesscn. , Auch die Bewohner Babyions beuachlCn den Brand ihrer gelieblen Sladl aus sicherer Enl· fernung ( 18.91). • S. 18,17.19. 7 Die Identifizierung des Tieres von V.3 mil dem Drachen kann zur Klärung von yl~oV"Ta und l xwv beilnIgen. Die Maskulina könnlen als diIdac Aufnahme von 8pci.wv verstanden werden. Unklar bleibt jedoch der synlllktiscbe Bruch durch den Nominativ lxwv • Dazu vgl. die Ausführungen über .cieq~a\ in der Oflb in 11 2.4.2. • S. Charles, Rn-t/QI;on 11 64: Lohmeyer, OJftnbanurg 138: Prigenl, Apocalypst 258. Die BedeUlung von Purpur und Scharlach im darnaligen Umfeld komml in der Passionsgeschichle deullich zum Ausdruck. In der Verspollungsszcne bekleiden die Soldalen Jesus mil einem kön.glicben Gewand und selZCn ihm eine Dornenkrone auf das Haupt und sprechen ihn als _König der Juden» an. In der markiniscben und in der johanneiscben Fassung iSI von Purpur die Rede. während nach MI das Gewand scharlachrol iSI (s. Mk 15,17; Joh 19,2; MI 27,28).
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Ausgewählte Visionen
In dieser ersten Skizzierung der in rot gekleideten Frau fallen verschiedene Anspielungen an das Aussehen des Thrones Gottes in Offb 4 auf: Auch in jener Vision spielten rote Farbtöne und zahlreiche Edelsteine eine erstrangige Rolle; sogar die KörpersteIlung Gottes und der Frau sind identisch. beide werden sitzend vorgestellt. Die Frau weist königliche. mächtige Züge auf. welche durchaus mit denjenigen des Weltenherrschers vergleichbar sind. Der goldene Kelch der Frau ist mit den Ergebnissen ihrer Handlungen gefiillt: Greuel und Unreinheiten. Die kostbare Schale und ihr Inhalt illustrieren die Beziehung zwischen dem edlen Aussehen dieser Frauengestalt und ihrem Tun. Reichtum und Greuel werden in einem einzigem Objekt. dem Kelch. vereint. nonlplOv ist in der Apokalypse stets ein unheimlicher Becher. der mit Greuel und Zorn lo verbunden ist. In 16.19 steht Tlonlplov als Bild für die bevorstehende Bestrafung Babyions durch Gott: (... ) und Babyion. die grosse. wurde in Erinnerung gerufen vor Gott. um ihr den Becher (TI> TlOTT1P'ov) des Zomweins seines Grimms zu geben. Nach 18.6.7a dient der Kelch als Mass für diese Strafe: Gebt ihr zurück. so wie sie zurückgab. und verdoppelt das Doppelte gemäss ihren Werken. schenkt ihr doppelt in den Becher. in den sie eingeschenkt haI. Gebt ihr Qual und Leid genau in dem Masse. wie sie sich rühmte und ihr üppiges Leben fühMe. Wiederum steht die Verbindung des Reichtums dieser mächtigen Frau mit dem von ihr verursachten Leiden im Mittelpunkt. Die Frau. die auf dem roten Tier sitzt. trägt einen Namen. der das bisher Gesagte zuspitzt. Obwohl er ihr auf der Stirn geschrieben steht. wird er als ein Geheimnis gekennzeichnet. Um so mehr überrascht die unmittelbare Offenbarung seines Wortlautes. sie wirkt paradox. Einige Ausleger betrachten dieses Geheimnis als Vorwegnahme der Deutung in 17.8-18. 11 Ein Geheimnis könnte aber
Vgl. Oftb 14.10; 16.19; 18.6. " S. z.B. Charles. Revelation U 12; Lohmeyer. Offenbarung 138. MUOT~P'OV wird in
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auch bedeuten. dass der Name den Lesern der Apokalypse zwar verraten wird. vor allen anderen jedoch geheimgehalten wird. 12 Der Name lautet: Babyion. die Grosse. die Mutter der Huren und der Greuel der Erde. Sowohl der Eigenname der Frau als auch die Bezeichnung ihrer Rolle als Prostituiene werden superlativisch formulien. Sie trägt nicht irgendeinen Eigennamen. sondern den Namen einer der berühmtesten antiken Städte. Auch als Hure steht sie in fUhrender Rolle. als Mutter der Prostituienen. Die Tätigkeit der Hure Babyion wird in Offb 18.2~3 bei der Ankündigung ihrer Zerstörung eingehend beschrieben: Gefallen. gefallen ist Babyion. die grosse. und sie wurde zur Wohnstätte von Dämonen und zur Behausung jedes unreinen Geistes und zur Behausung jedes unreinen Vogels und zur Behausung jedes unreinen und verhassten Tieres. denn vom Zomwein ihrer Hurerei haben alle Nationen getrunken. und die Könige der Erde haben mir ihr gehun. und die Kaufleute der Erde sind von der Kraft ihrer Üppigkeit reich geworden. Aus diesen Versen geht hervor, dass die Unzucht Babyions als Metapher für ihren Umgang mit Macht und Reichtum eingesetzt wird. Nach 18,7b sass BabyIon als Königin. stolz und ihrer eigenen Macht gewiss. umgeben von den Königen der Erde: Denn sie sagt in ihrem Herzen: _Ich sitze als Königin. Wirwe bin ich nicht. und ich werde keine Trauer sehen •. Aus dieser Stellung ging sie Geschäfte mit den mächtigen Kaufleuten der Erde ein. sie wurde irnrner reicher und reicher, verkaufte allerlei Güter ohne Bedenken. Dieser Aspekt wird in der eindrücklichen Warenliste in 18.11-13 herausgestellt: Und die Kaufleute der Erde weinen und trauern um sie. weil niemand mehr ihre Fracht kauft: Fracht von Gold und Silber und Edelstein und Perlen und ByssusLeinen und Purpur und Seide und Scharlach und all das Thuyaholz und alle die Geräte aus Elfenbein und alle Geräte aus Edelholz und Bronze und Eisen und Marmor und Zimt und Ammonum und Räucherwerk und Salböl und Weihrauch und Wein und Öl und Feinrnehl und Weizen und Rinder und Schafe und die Fracht von Pferden und Wagen und Seelen von Menschen. DarUberhinaus wird in V.17-19 retrospektiv die erstrangige Stellung Babyions im Zentrum des Seehandels betont:
12 Die Idee einer geheimen Botschaft Goues. die den Chrislen bekannt ist. komml in 10.7 zum Vorschein.
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Und jeder Steuermann und jeder, der auf dem Meer fähn, und Matrosen und alle, die auf dem Meer arbeiten, standen weit weg, und als sie den Rauch ihres Brandes sahen, sehrien sie: «Welche (Stadt) war der grossen Stadt gleich?». Und sie warfen Staub auf ihre Häupter und weinend und trauernd sehrien sie: «Wehe, wehe, die grosse Stadt, in der alle, die ein Schiff auf dem Meer hatten, von ihrer Kostbarkeit reich geworden sind, denn in einer einzigen Stunde wurde sie verwüstet». Alle diese Aspekte von Babyions Treiben und Handeln zielen einzig darauf hin, ihr Eigentum und ihren Luxus zu vermehren. Das Rennen nach einem immensen Reichtum verursacht verheerende Folgen, und deshalb wird Babyion Mutter der Greuel genannt. Ihr Tun zerstört.
7.2.2 Babyions Schattenseite Der Preis von Babyions Geld- und Machtgier wird mit Blut bezahlt. Und es ist das Blut der Heiligen und das Blut der Zeugen Jesu, das fliesst und den Kelch der Hure füllt. Johannes sieht die Frau, die dieses Blut trinkt, als ob es Wein wäre, und wahrscheinlich in einer solchen Menge, dass sie sich damit betrinkt. Die Menschen, welche Gon treu sind, tragen die Folgen von Babyions Tun. Sie ist mächtig, mit Purpur bekleidet und mit Gold und Edelsteinen geschmückt, sie ist Königin, thront, verfügt über unbegrenzte Reichturnsquellen, beherrscht den Welthandel. Johannes sieht sie von der Wüste aus, mit Abstand und im Lichte der Folgen ihrer Handlungen: Greueltaten, Unreines, Unzucht, Blutvergiessen. Er vermittelt seinen Adressaten ein vollständiges Bild dieser Frau, das ihre fürchterliche Schattenseite unmissverständlich anzeigt.
Exkurs IV: Babyion - Wurzeln des Motivs im Alten Testament und im Alten Orient Die in rot gekleidete Frau trägt den Namen einer berühmten Stadt der Antike. Aus dem AT stammt nicht nur das Motiv von Babyion als verkehrter Stadt, sondern auch deren Personifizierung. Zahlreiche Städte kommen im AT als Frauen vor; oft werden sie als Prostituierte dargestellt. Jerusalern, Samaria, Tyrus, Ninive und selbstverständlich Babyion kommen in manchen Texten als Verräterinnnen, Dirnen vor. Sie gehen fremd, umringt von Liebhabern und Freiem. Die Hurerei steht in diesen Texten als Bild für den Verrat. Im Hoseabuch wird die Bedeutung dieses Bildes ersichtlich. Dem Propheten wird von Gott befohlen, eine Hure zu heiraten, und diese Ehe wird als symbolische Handlung für das Verhältnis des Landes zu seinem Gott Jahwe gedeutet:
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Im Anfang, da der Herr zu Hosea redete, sprach er zu ihm: «Geh, nimm dir eine Dime und erzeuge Dimenkinder. Denn zur Dime ist das Land geworden, hat den Herm verlassen •. " Gomer, Hoseas Ehefrau, illustriert die Zuwendung des Volkes Jahwes zu fremden GÖltern.'4 Auch Jerusalern, einst eine treue Stadt, vergnügt sich mit ihren Liebhabern. Das Bild der Hurerei ist eine Reaktion auf die Tatsache, dass der Kult von anderen Göttern und Göttinnen in Jahwes liebster Stadt Fuss gefasst hat. Die Stadt hat sich nicht an ihre Abmachungen gehalten, sie hat Jahwe, ihren Bräutigam, verlassen und betrogen. Gleichzeitig steht die Hurerei im Zusammenhang mit der zunehmenden sozialen Ungerechtigkeit unter den Bewohnern Jerusalems.'~ Beide genannten Aspekte kommen vereint in Jes 1,21-23 zum Ausdruck: Wie ist zur Dime geworden die treue Stad\, die voll war des Rechts! Gerechtigkeit wohnte in ihr, jetzt aber Mörder! Dein Silber ist zu Schlacken geworden, dein Wein mit Wasser verfälscht. Deine Führer sind Aufrührer und Gesellen der Diebe. Sie alle lieben Bestechung und jagen Geschenken nach. Der Waise helfen sie nicht zum Recht, und die Sache der Witwe kommt nicht vor sie.'· In Ez 23 wird Jerusalern als Dime angesprochen, weil sie, zusammen mit Samaria, politische Bündnisse mit fremden, starken Mächten eingegangen ist, ohne allein auf Jahwe, ihren Beschützer, zu vertrauen." Auch Tyrus wird Hure genannt.'. Jahwe hat ihren Stolz und ihre Pracht zerstört, sie gedemütigt. Ninive ist stark und blutgierig'9, Babyion arrogant, übermütig, hat keinen Respekt vor Jahwe, dem Heiligen Israels20. Städte werden als Hure bezeichnet, weil sie auf irgendeine Weise zu Verräterin geworden sind; die Art des Verlassens und Betrügens, obwohJ immer wieder anders, betrifft stets ihr religiöses, soziales und politisches Verhalten.
'J Hos 1,2f in der Übersetzung der Zürcher Bibel (mit leichten Veränderungen). " Über den Einfluss des Hoseabuches auf Offb 17f s. Peuaglio, Obi'Zion. 372-374. " Es ist mir nicht möglich in diesem Exkurs, mehr als einen kurzen Überblick zu versuchen. Die Hinweise auf die verschiedenen all. Texte waden als Beispiele verstanden. ohne An.pruch auf Vollständigkeit. Zur Personifizierung Zions (und Jerusalems) als positives und negalives Bild vgl. Steck, ZThK 86, 261- 281. " Übersetzung aus der Zürcher Bibel. n Zum Verhältnis zwischen Ez 16.23 und Offb 17ff s. die sorgfliltige Analyse von Ruiz, Eukiel in ,h. ApolriJlyps. 359--378. "VgI. Jes 23,16.17. Die Aufnahme von Jes 23,1-17 in Offb 17 wird in Fekkes, IsaiDIo 210-212 untersucht. Vgl. auch Yarbro Collins, Biblical Interpretation I, 26: .Prostitution her. seems to express a way of li fe in which no scruples limit the quest for wealth •. 19 Vgl. Nah 3. 20 Vgl. z.B. Jer 50.51: Jes 13.
ISO
Ausgewählte Visionen
Diese Vorstellungen aus dem Alten Testament sind in Offb 17 stark präsent. Die Züge und Handlungen der in rot gekleideten Frau wirken wie eine Collage
aus den Eigenschaften der genannten Städte. Das Thema der Wüste im Zusanunenhang mit Babyion liegt bereits in Jes 21,1 vor. Die Beschreibung von Bekleidung und Schmuck erinnert an Jes 3,16--23. Vor aUem V.18ff ist in diesem Zusammenhang iUustrativ": An jenem Tag wird der Herr die ganze Pracht wegnehmen: die Fussspangen, die Stirnreife und die Möndchen, die Ohrgehänge, die Arrnketten und die Schleier, die Kopfbunde und die Fusskettchen, die Gürtel, die Riechfläschchen und die Amulette, die Fingerringe und die Nasenringe, die Feierkleider und die Mäntel, die Umschlagtücher und die Taschen, die feinen Zeuge und die Hemden, die Turbane und die Überwürfe."
Auch ß6EAUYIIO steht in der LXX oft in Verbindung mit dem Götzendienst'). In Jer 51,7 spielt, wie in Offb 17, das Motiv des Kelches eine Rolle:'4 Ein goldener Becher war Babel in der Hand des Herrn, die ganze Erde machte er trunken; die Völker tranken von seinem Wein, darum wurden sie toll." Das Trinkgefäss führt darüber hinaus ausserhalb des Alten Testaments in die altorientalischen Darstellungen thronender Göttinnen.,6 Der Thron ist in gewissen Räumen mit Vorliebe von Tieren getragen, oder die Tiere bilden selbst den Thron,21 In vielen solchen Darstellungen trin die kriegerische Ischtar auf.,8
,. Zur roten Farbe des Gewandes vgl. Jes 1.18-20. Scharlachrot steht hier als Symbol fiir die Sünden. 2' Übersetzung aus der Zürcher Bibel. II Vgl. Foerster, ThWNT I 59~. Der Autor weist daraus hin. dass ~6<~uYI1QTa auch die Götzen selbst bezeichnen kann. 24 Vgl. auch Jer 25,15-29. " Übersetzung aus der Zürcher Bibel. 26 Dazu Winter. Frau und Glirri" 445. 27 Ibid. 450. 28 Ibid. 450.
Offb 17.3-18: Babyion. eine Hure. eine Stadt
151
Abb. I
In diesem Beispiel aus der akkadischen Glyptik sitzt die Königin auf einem Löwen. Aus dem syrischen Raum ist der Stier als Thron belegt.
Abb.2
Diese Abbildung ist in bezug aufOffb 17 besonders spannend. Es wäre denkbar. dass die Göttin ein Gefäss in der Hand hält und eine Hömerkrone trägt.29 29 Ibid. 452: .Unsicher is~ ob sie in der Hand ein Gelliss hält und ob sie eine Hömerlaone trägt •.
Ausgewählte Visionen
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Ein anderes Beispiel aus dem gleichen Umfeld. nach Winter ein Unikum. zeigt eine kleine Szene mit zwei Göttergestalten:
Abb.3
Sofon erkennt man zahlreiche Elemente. die auch in der ausgewählten Vision aus der Offb belegt sind. Eine mit einem Fabelk.leid bekleidete Göttin sitzt auf einem Löwen. Sie trägt eine Hörnerkrone und hält eine Leine. die zum Rachen des Löwen fUhn. Auf der anderen Seite steht der Wettergott auf einem Löwendrachen. lO Trotz der zeitlichen und geographischen Entfernung dieser altorientalischen Darstellungen zum Apokalypsentext hesteht eine gewisse Verwandtschaft mit der Frauenvision in Offb 17. Die Stellung Babyions auf einem Tier. die Hörner und das Gefass machen sie einer altorientalischen Göttin sehr ähnlich. Hinter der Gestalt Babyions. der grossen Hure. steckt also eine lange Geschichte. eine Auseinandersetzung mit Themen und Motiven. die weit in die Johannes vorliegende Tradition zurückreichen. Die meisten Elemente stanunen aus der Prophetie. aus den Wonen gegen personifiziene Städte. die Jahwe verraten haben. Andere Motive wurzeln hingegen im altorientalischen Umfeld. In einem so knappen Exkurs kann der Vergleich von Offb 17 mit möglichen Inspirationsquellen nicht erschöpfend behandelt werden. Zwei wichtige Linien konnten dennoch aufgezeichnet werden. Einerseits wurde noch einmal klar. wie der Verfasser der Offenbarung alte Motive und Darstellungen aufnimmt. um daraus neue Visionen und Inhalte zu gestalten. Auf der anderen Seite wird die negative Kennzeichnung der Frau als Hure in ihrer metaphorischen Bedeutung klarer. Die Prostituiene wird zum Bild der Unfähigkeit. sich an einen Bund zu halten. 30
Ibid. 452.
Oflb 17,3-18: Babyion, eine Hure, eine Stadt
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der allein auf Liebe beruht.)1 Hurerei veranschaulicht den Verrat auf der religiösen, sozialen und politischen Ebene. 7.3 Bewundern oder verstehen? In der Schilderung Babyions in V.3b-6 hebt Johannes ganz deutlich die Schattenseiten dieser Gestalt hervor. Sie ist mit den zerstörerischen Mächten verbunden, treibt Unreines, ist die Mutter der Huren und Greuel, trinkt das Blut ihrer Opfer. Trotzdem reagien der Seher mit grosser Bewunderung auf ihre wunderbare Erscheinung. Ihr gegenüber nimmt er genau die gleiche Haltung ein wie die Menschen gegenüber dem Tier in 13,3. 32 Der Engel, der nach V.3 Johannes in die Wüste gebracht bat, ergreift nun das Won. Indem er Johannes fragt, warum er deM staune, bezeichnet er die Haltung des Sehers vor der Frau als unangemessen, obwohl sie, mindestens von ihrer Aufmachung her, als sehr bewundernswen erscheint. Vor dieser Vision sind Bewunderung und Staunen fehl am Platz. Der Engel forden mit seinem Fragen Johannes und die Adressaten des Textes auf, die Anstrengung auf sich zu nehmen, das Bild zu verstehen. Die Szene ist bloss ein GeheifMis, das enthüllt werden muss.)) Der Engel bietet an, nicht nur die Gestalt der Frau zu erklären, sondern auch jene des Tieres, auf dem sie thront. Sogar seine Hörner und Häupter können entschlüsselt werden. Das Angebot des Engels und seine polemische Frage an Johannes verweisen auf die letzten Zeilen von 13,1-10, auf die Aufforderung, sich mit den kontingenten Schwierigkeiten mit Geduld und Vertrauen auseinanderzusetzen. 14
] I Vgl. Ellul, Apokalyps. 188: .Prostitution ist hierbei nicht als moralisches oder se.uelles Problem angesprochen. Vielmehr geht es um die Aufnahme von Gemeinschaft mit religiösen und spirituellen Mächten (00.), mit satanischen Praktiken und Geheimlehren (.00)' Die Prostitulion ist ganz sicher zugleich auch Zeichen flir die Un-Treue. insofern solcheran sexuelle 'hrstreuung Ausdruck rur die Unfähigkeit ist, einen wahren Bund zu schliessen, personale Treue ZlI leben, Vertrauen und Glauben zu praktizieren, oder, wie wir heute sagen würden: echte Kommunikation. Ausserdem ist sie ein Bild fUr die Verbindung von ,Liebe. mit der Welt des Geldes, des Tauschens und der Macht: Nicht umsonst wird erst von der Prostitution gesprochen, dann von der Macht und schliesslich vom Geld. Die Prostitution iSI das diabolische Schanenbild der Liebe». 12 Zur Bedeutung von eau~a, ... in der Offb s. 11 6.3. JJ S. Kraft, Offenbarung 215: .~uaT~plov bedeutet in der Apokalypse kein Mysterium, sondern einen Ausdruck mit einem geheimen, nicht offen daliegenden Sinn; etwas, was aufgedeckt werden muss, will man erfahren, was sich dahinter verbirgt•. S. auch S.217. J4 Vgl. 116.6.
Ausgewählte Visionen
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7.4 Deutende Wone des Engels
In diesem Teil der Untersuchung wird versucht, die Offenbarung als literarisches, einheitliches Werk zur Geltung zu bringen, fast ohne Einbezug historischer Begebenheiten aus der Entstehungszeit Auch bei den kommenden Versen wird das gleiche Vorgehen gewählt Anspielungen und konkrete Hinweise auf das soziale, politische, religiöse Umfeld der Offenbarung werden im zweiten Haupncil der Arbeit im Zenoum der Aufmerksamkeit stehen. In seiner deutenden Rede geht der Engel auf die einzelnen Elemente der Vision ein: zuerst erlclän er die BedeulUßg des Tieres und seiner sieben Häupter, anschliesscnd sind die zehn Hörner und die Wasser an der Reihe. Der EnlSChlüssclung der Frau geht die Verdeutlichung ihrer Beziehung zum Tier und den Hörnern voraus. Die DeulUßg des Engels zersplincn die Vision und rcduzien sie auf ihre einzelnen Elemente. Paradoxerweise wirk! die Deutung nicht unbedingt erhellender als das vorangehende Bild. 35 Die enlSChlüsselnden Wone des Engels erweisen sich vielmehr als eine Einladung an den Leser, die eigentliche EnlSChlüsselung selber zu wagen. Seine Rede zeigt schlicht, dass zusätzlich zur unminclbaren Bedeutung des visionären Bildes ein anderer Sinnhorizont rnilSpielt Woraus dieser aber konkret besteht, soll der Adressat herausfinden. rnit der Vernunft, die über Weisheit verfilgt.36
7.4.1 Das Tier und die sieben Häupter V.8-ll deuten das Tier und seine Köpfe. BereilS die erste Aussage über das Tier erweist sich als rälSelhafl: Das Tier war und ist nicht und wird aufsteigen aus dem Abgrund und geht zur Vernichtung hin. Die ersten drei Aussagen des SalzeS sind spiegelbildlich zu 4.8 konzipien: don wird GOII als b ~V KaI b WV KaI ;, EPXOI'EVOS" gepriesen.J7 So wie der Weltenherrscher wird das Tier als Wesen dargestellt, das in der Vergangenheit. Gegenwan und Zukunft eine RoUe spielt Bemerkenswene Unterschiede zwischen den zwei entgegengeselZten Mächten werden erst in der präsentischen und künftigen Dimension sichtbar. Gegenwänig ist das Tier nicht da. Ist es gestorben oder noch nicht geboren? Das Tier ist im " Vgl. Lohse. Olfenbanuog 96; Rotoee. Offenbanuog 167: .So klar die Vision ist. so dunkel und rälSClhafi ist dagegen die nachfolgende Deutung, zumaI viele ihrer Einzelheiten ( ... ) in sich widenprtlchlich und auch mit der Vision selbst nicht kongruent sind •. J6 Dazu Vanni. ApocalL..e 71 (ÜbcnclZung aus dem Italienischen): • In wenigen Worten: Wir haben das Symbol in reinem Zustand; das als solches rezipiene Symbol wild zum Problem. das sowobl in seinen realistischen Äquivalenzcn als auch in seiner Applikation auf die konkrete historische Wirklichkeit zu lösen ist. In dicsa dynamischen Phase wild das Symbol zum ~UOT~plOV. dem ein Zustand der Bewunderung und des Emauncns entspricht; dazu kommt dann die weishcitliche Renexion. die. nachdem sie das Symbol dckndicrt hat. die Realisierung im konkreten historischen Horizont aufdccklo. J7
S. 11 2.8.
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Begriff, aus dem Abgrund aufzusteigen. Es stammt aus dem gleichen Raum wie die Wesen von Offb 9. Ist das Tier Abbadon, Apollyon, der Vemichter?38 Die weitere Präzisierung über das Schicksal des Tieres scheint diese Vermutung zu bestätigen: Es geht 39 zur Vernichtung hin. In V.8b werden beide Szenen aus Offb 13 aufgenommen, wo die Reaktionen der Bewohner der Erde angesichts des Tieres dargestellt werden: Aus 13,3b---4 stammt das Thema des Staunens, während die Beschreibung der Identität dieser Menschen auf 13,8 zurückgeht.40 Vor dem mächtigen Tier nehmen die Bewohner der Erde eine falsche Haltung ein. Sie bestaunen und betrachten es, anstatt sich anzustrengen, zu begreifen, dass es nur Zerstörung mitbringt. Denn nach Offb 13 besteht die Haupttätigkeit des Tieres aus grossen, blasphemischen Reden. Sowohl die Tätigkeit des Tieres als auch die Deutung des Engels bedürfen einer kritischen Interpretation: Vernunft und Weisheit sind dabei unerlässlich. Will man die Frau deuten, so muss man ihre Umgebung begreifen: Dazu gehören das Tier und die von ihm untrennbaren Häupter. Vernunft und Weisheit werden auch für die anschliessende Deutung der sieben Köpfe stark beansprucht. Die Häupter symbolisieren eine geographische Grösse, die sieben Berge, dort wo die Frau herrscht. Sie steUen damit das Zentrum der Macht dar. Gleichzeitig sind sie sieben Könige, also Träger der Macht. Nach V.1O sind die Zeiten von fünf dieser sieben Könige schon vergangen; einer ist jetzt an der Macht, ein anderer, der siebte König, ist noch nicht gekommen. Nach der Deutung wird er nur kurz an der Macht bleiben. Erstaun1icherweise fahrt V.II mit der Beschreibung eines weiteren Herrschers fort. Die Siebenerreihe wird um einen ausdrücklich so benannten achten König erweitert. Dieser wird im Text durch die Aufnahme von Teilen aus V.8 eindeutigrnit dem Tier identifiziert. Der achte König, das Tier, ist auch mit einem seiner sieben Häupter identisch. Aus Kohärenzgründen mit der Umschreibung ö ~V Kat OUK EOTlV ist anzunehmen, dass der achte König, der eben als achter zur erwähnten Reihe der sieben Könige nicht gehören sollte, einer der ersten fünf sein soll, denn er ist wie sie vergangen. Diese Mischung4t der Tier- und Häuptersymbolik macht den Sinn dieses Abschnittes dunkel. Klarheit darüber kann man wahrscheinlich erst durch den Vergleich mit dem historischen Hintergrund erhoffen, vor dem das Werk konzipiert wurde. 42
" Vg!. Offb 9.11 und die Beobachtungen dazu auf S. 11 S.2.4. ,. Als Alternative zur Lesart unaYEl (bezeugt in A. 1611, 20S3. 2062) liegt unaYElv vor (M. OS I, !Dl). Die Infinitivform hängt direkt von ~'~~El ab und stellt die lectio facilior dar. Aus diesem Grund wird hier die von Nesde·A1and26 vorgeschlagene Variante bevorzugt. '0 Für die Analyse dieser Verse S. 116.S. " Besagte Überlappung von Bildelementen lässt retrospektiv die Gliederung der Deutung nach dem Vorkommen von .ts.s als besonders plausibel erscheinen: danach bildet die Deutung des Tieres und der Häupter eine Einheit. " S. insbesondere 11 2.1.
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Ausgewählte Visionen
Eines wird jedoch unmissverständlich formulien und wiederholt: Sowohl das Tier als auch die HäupterlKönige sind mit Zerstörung und Vernichtung verbunden, und ausschliesslich darauf zielt ihr (noch nicht ganz entfaltetes) Dasein. 7.4.2 Die zehn Hörner Auch die zehn Hörner sind Könige. Sie werden in 12-14 wie folgt charakterisien: Sie haben ihr Reich noch nicht erhalten, aber sie werden zusammen mit dem Tier Macht wie Könige empfangen. Ihre Teilnahme an der Macht wird jedoch auf eine einzige Stunde begrenzt sein. Diese Zeitspanne ist in der Apokalypse ausgesprochen kurz: Nur eine Stunde4l dauen nämlich die Zerstörung Babylons. In der Klage der betroffenen Einwohner fällt der Kontrast zwischen Grösse und Reichtum Babyions und seinem blitzschnellen Untergang stark auf. Werden die zehn Könige, die auch nur eine Stunde herrschen, selber diese Zerstörung vornehmen? Die Vermutung drängt sich auf, obwohl es schwer ist, sie mit anderen Argumenten zu stützen. Die zehn mächtigen Gestalten teilen einen gemeinsamen Plan, sind der gleichen Gesinnung und werden vielleicht deswegen als einheitliche Gruppe dargestellt. Nach V .13b geben sie dem Tier ihre Kraft und Macht. Auffallend erscheint in diesem verworrenen Kontext die Präsensform 6160aolV, denn in der präsentischen Dimension ist das Tier gar nicht anwesend. Tier und Könige teilen ferner eine gemeinsame Absicht: Sie werden gegen das Lamm Krieg führen. Ein ähnliches Ziel hatte das Tier in 13,7: Es wurde ihm gegeben, gegen die Christen zu kämpfen und sie zu besiegen. Nun in 17,14 wird der Sieg dem Lamm und seinen Treuen gehören. Diese Umkehrung gegenüber 13,7 wird am Ende des Abschnittes begründet. Das Lamm ist Herr über alle Herren, König über alle Könige44 , es steht ja auf der Seite Gottes, des WeItenherrschers. Obwohl das Tier, der Drachen, der Vemichter und die anderen satanischen Wesen über grosse Macht verfügen, sich als Könige erweisen, ist die Kraft und Macht des Lammes ihnen eindeutig überlegen. Darüber hinaus ist das Lamm nicht alleine. Menschen stehen zu ihm. Die Christen, die nun mehrmals in den ausgewählten Texten vorkamen, werden hier als Berufene, Auserwählte und Treue bezeichnet.4~ Gegenüber den fatalistischen Aussagen in 13,9f bringt die Umkehrung des Kampfausgangs in 17,14 einen neuen Grund zur Hoffnung. Dadurch erscheint
4l Vgl. 18.10.16.19. Zusammen mir 11,12 51enen diese Belege das gesamle Vodommen von ~l4 w~ in Oflb dar. •• Beale, NTS 31, 618-{j20, lieren einen inleressanlen Überblick über die mögliche AI>5lammUng dieses Ausdruckes in der all. Tradition . ., KA~T6~ komml in Röm 1.1 und IKor 1.1 als Selbslbezeichung von Paulus vor. in Röm 1.6rund IKor 1.2.24 als Bezeichnung der Chrislen. ·E.A.ICT~ wird Rufus in Röm 16.13 ge-
nannt.
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die zwar mächtige und fürchterliche Gefahr der zerstörerischen Kräfte als tatsächlich beschränkt.
7.4.3 Die Wasser V.15 nimmt ein Element auf, das nicht in der Vision der Frau in V.3--{) vorkommt, sondern in der einfiihrenden Rede des Engels in 17,1 f. Er verspricht dem Johannes, ihm die Frau zu zeigen, und rechtfenigt damit die Verlegung in die Wüste: «Auf! Ich werde dir das Gericht über die grosse Hure zeigen, die an vielen Wassern sitzt. Mit ihr haben die Könige der Erde gehurt, und die Bewohner der Erde haben sich vom Wein ihrer Hurerei betrunken». Und er brachte mich im Geist in die Wüste. Die Wasser, an denen sie sitzt, sind Völker, Scharen, Nationen und Sprachen. Diese Wendung, der wir mehrmals begegnet sind, bezeichnet den Geltungsbereich der Macht der Frau: Sie herrscht über die Bevölkerung der Erde. Eine leicht variierte Liste wurde in Offb 13,7 verwendet, um den Machtbereich des Tieres zu beschreiben; äImlich wurde die Gruppe der Treuen des Lanunes in 5,9 und 7,9 gefasst. 46
7.4.4 Die Vernichtung der Frau Nachdem alle wichtigen Elemente der Vision, das Tier mit seinen Köpfen, die zehn Hörner und die Wasser, gedeutet wurden, rücken nun die Beziehungen unter ihnen in den Mittelpunkt. Dieser Einblick dient der Enthüllung der tieferen Identität der Frau. In der Zukunft werden die Hörner und das Tier die Frau derart hassen, dass sie sie zerstören werden. Die Frau wird zur Wüste gemacht werden, nackt wird sie stehen, man wird ihr Aeisch fressen und sie mit Feuer niederbrennen. 47 Ihre Vemichtung, die in den folgenden Kapiteln eingehend geschildert wird, wird in V.l6 vorweggenommen. Die Vernichtung der Frau geschieht jedoch nicht durch die Engelscharen oder andere göttliche Gestalten, denn das Tier selbst, zusammen mit den zehn Hörnern-Königen, wird sich darum kümmern. Das Vernichtungspotential dieser Kräfte wird sich gegen sie selber wenden; sie werden sich als selbstzerstörerisch erweisen. In der einzigen Stunde, in der die zehn Könige mit dem Tier die Macht ergreifen werden, wird die Frau verwüstet werden. Das Gericht Babyions er•• Dazu vgl. noch Anm. 63 in 11 3.3.2; 11 4.2; 11 6.S. 47 Die Arten von Zerstörung hassen. verwüsten. entblössen, Aeisch fressen und niederbrennen - slammen aus dem AT. Nach Charles, Revelation n 62. slammen sie aus Ez 23.29 (hassen); Ez 23.26.29 (verwüsten und enlblössen); Ps 27.2; Mi 3.3; 2Kön 9.36 (Aeisch fressen); Ez 23.15 (niederbrennen). S. auch Ruiz. EuchieI360-364.
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Ausgewählte Visionen
scheint somit in neuem Licht: Nicht Gon selbst wird vernichtend eingreifen und die Frau mit Feuer niederbrennen; es sieht eher so aus, als ob die Zerstörung der Frau das Ergebnis interner Abrechnungen untern den satanischen Kräften wäre. In V .17 wird die Stellung Gones vor der bevorstehenden Katastrophe geklärt. Er hat aUes so vorgesehen und bewirkt, dass diese vernichtenden Kräfte eine einzige Meinung teilen; er hat vorgesehen, dass die zehn Hörner dem Tier ihre Macht geben mit den bekannten Folgen. Gon steht als ferner Regisseur hinter dem Ganzen, und die Geschichte entwickelt sich genau entsprechend seinen Plänen. Ein Ende wird der Zerstörung erst dann gesetzt, wenn die Worte Gones erfüllt sein werden. Die explizite Erwähnung Gones in V.l7 bestätigt die angenommene Bedeutung aUer Passivformen in den vorangehenden Visionen: Gott selber lenkt die negativen Mächte. 48 Noch einmal stellt sich, mindestens für heutige Leser und Leserinnen der Johannesapokalypse, eine theologisch schwerwiegende Frage: Wie kann Gon, der Inbegriff der Liebe, die Zerstörung seiner Feinde vorsehen und zuschauen, wie sich aUes planmässig vollzieht? Warum vermeidet er die Katastrophe nicht? Die Apokalypse vermag dieses Problem nicht zu lösen. Gon greift in die menschliche Geschichte ein, hält alles fest in seiner Hand. AJs Weltenherrscher ist er auch den vemichtenden Kräften überlegen, obwohl sie innerhalb des ihnen zustehenden, von Gon begrenzten Zeit- und Raumbereiches durchaus autonom handeln. Um eine dualistische Trennung zwischen den positiven und den negativen Kräften, welche die Welt lenken, zu vermeiden, werden in diesem theologischen Konzept beide Züge in den Gonesbegriff integriert.
7.4.5 Die Frau Die mächtige Frau, die zum emiedrigten, vernichteten Opfer werden wird, heisst Babyion. So wie ihr Name (und die ganze Motivgeschichte dahinter) schon vermuten Iiess, ist sie eine Stadt. Nicht aber irgendeine, sondern die grosse Stadt, die Stadt, welche Macht über die Könige der Erde hat. Sie sitzt (noch) in einer LeadersteIlung, fast in der gleichen Position wie das Lamm. das König aller Könige ist. Aber angesichts der in V.16f angekündigten und bevorstehenden Zerstörung wirkt die riesige Macht der Frau-Stadt anders, eher wie eine Parodie ihrer selbst.
7.5 Zusammenfassung Eine Frau, eine personifizierte Stadt, steht im Minelpunkt von Offb 17,3-18. Durch die verschiedenen Attribute der Hauptgestalt wird ihr Wesen detailliert charakterisiert. Die sitzende Stellung und die königliche Bekleidung betonen ihre Machtposition. Darüber hinaus erweisen sich die Purpur- und Scharlachgewän•• S. II S.2.3 und II 6.4.
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der als Zeichen von enormem Reichtum; der Schmuck aus Gold und Edelsteinen betont nochmals die Pracht der Frau-Stadt. Die Verbindung zur Zerstörung wird im Text erstmals durch das Kclchmotiv entfaltet: Das Gefäss ist mit Greuel und Hurerei gefüllt. Der Name der Frau pointien die Eigenschaften der Frau: Sie heisst Babyion, trägt also den Namen einer mächtigen Stadt; sie ist die Mutter aller Huren, der Inbegriff von Perversität, Verrat und Selbstzerstörung. Nicht nur die Beschreibung ihres Aussehens hebt die Ambiguität dieser Gestalt hervor. Auch ihre Beziehungen zu anderen wichtigen Wesen der Apokalypse führen zu ähnlichen Feststellungen. Als extrem ambivalent erscheint die Verbindung der Frau zum Tier: Einerseits sitzt sie auf ihm. beteiligt sich an seiner Macht und trin dadurch in enge Panncrschaft mit den zerstörerischen, bösen Kräften; andererseits wird das Tier selber, zusammen mit den zehn Hörnern, Babylon vernichten. Die Frau herrscht über Völker, Scharen, Nationen und Sprachen: ihre Beziehung zu den Bewohnern der Erde ist ebenfalls durch ihre Macht bestimmt. Zerstörung und Tod charakterisieren hingegen das Verhältnis zu den Christen: Die Frau ist von ihrem Blut betrunken. Obwohl sie nicht explizit genannt werden, liegen Hinweise auf Babyions Beziehung zu Gott vor: im Vergleich zu Offb 4 erscheinen Eigenschaften und Stellung der Hauptgestalt von Offb 17 als eine Parodie des einzigen Weltenherrschers. Diese Ähnlichkeit verstärkt den Eindruck von Babyions unverkennbarer Macht. Die Macht dieser Frau-Stadt betrim nicht nur ihr Aussehen. Aktiv übt sie ihre Gewalt aus, lässt sie auf alle Völker wirken. Die negativen Folgen davon müssen jedoch zuerst die Christen tragen. In einer späteren Zeit wird jedoch Babyion selbst Opfer der gewaltigen Macht werden, an der sie in der Gegenwan teilhat. Die Ambiguität der Gestalt wird auf formaler Ebene von der recht komplexen Struktur der ausgewählten Perikope unterstützt. Obwohl die eigentliche Vision mit einer deutenden Rede ergänzt wird, lässt sich ihre Bedeutung nicht in aller Klarheit erkennen. Eigentlich könnte die Vision für sich stehen: Sie vermittelt ein vollständiges Bild, das Leser und Lcserinnen einigermassen nachvollziehen können. Obwohl die Vision zahlreiche Anspielungen aus der alttestamentlichen und altorientalischen Welt enthält, wirkt sie in sich geschlossen. Als interpretationsbedürftig erweist sie sich erst nachträglich aufgrund des Staunens von Johannes. In den deutenden Wonen verrät der Engel die Möglichkeit anderer Interpretationen; jedem Bestandteil der Vision wird Mehrdeutigkeit zugesprochen. Bezeichnend ist, dass die Offenheit der Vision sogar in der folgenden Entschlüsselung nicht aufgelöst wird. In der Deutung werden die Adressaten vielmehr für weitere Sinnaspekte sensibilisien, ohne dass die Lösung preisgegeben wird. Wer mehr wissen will, soll selber zum Interpreten werden und mit Weisheit und Vernunft das Geheimnis aufdecken. Der Text liefen nur wenige AnhaItspunkte: das Tier, die sieben Häupter und die zehn Hörner sind Könige, die sieben Häupter sind auch Berge, die Wasser sind Völker und die Frau eine Stadt. In der thematischen und strukturellen Vielfalt von Oftb 17,3-18 übernimmt das Motiv der Hure eine erstrangige Rolle. Diese Gestalt wird zum Bild von Ver-
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Ausgewählte Visionen
rat, von der Gier nach Reichtum, von Grausamkeit und Gleichgültigkeit, von Zerstörung anderer und Selbstvemichtung und schliesslich zur Personifizierung einer bestimmten Sorte von Stadt. Das Bild der Prostituierten wird unter Einbezug traditioneller Motive auf mehreren Ebenen entfaltet. Auf der persönlichen Ebene ist Babyion eine Hure, eine Frau, die unfahig ist, sich an ein Liebesbündnis zu halten; ihre sexuellen Beziehungen dienen vor allem der Bereicherung. Auf der sozialen Ebene betont das Bild der Hure die Unfahigkeit, für die eigenen Kinder verantwortungsvoll zu sorgen; BabyIon kümmert sich um ihren Wohlstand; sie ist bereit, ihre Bewohner in den auf Selbstzerstörung hinzielenden Weg mitzureissen, von anderen - den Christen - trinkt sie das Blut. Politisch wird die Hure als Bild verwendet, um BabyIons Beziehungen zu den Königen der Erde zu illustrieren. Das Bild der Prostituierten spielt schliesslich auch im religiösen Bereich eine wesentliche Rolle: Hurerei ist im AT ein Ausdruck für Untreue gegenüber Jahwe, für die Zuwendung zu anderen Gottheiten. Das Bild der Hure erstreckt sich nicht nur auf diese vielen Sphären, sondern vermag unvereinbare Gegensätze in sich zu konzentrieren: Faszination und Zerstörung, Reichtum und Greueltaten, Wohlstand und Selbstvernichtung. Zum Schluss dieses Rückblickes auf Vision und Deutung Babyions sollen die verschiedenen Zeiten betrachtet werden. Die eigentliche Vision wird wie üblich in der Vergangenheit erzählt. Auch die Reaktion des Johannes auf das Gesehene wird als abgeschlossen und vergangen präsentiert. Erst der Engel äussert sich mit einer Futurform. In der Deutung werden die Elemente der vergangenen Vision das was Johannes gesehen hatte - mit der Zeitdimension der Adressaten in Verbindung gesetzt. Das Tier gehört paradoxerweise sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft; in der Gegenwart ist es nicht anwesend. Fünf der sieben Häupter-Könige sind vergangen, eins ist gegenwärtig und eins wird noch kommen. Auch die zehn Hörner-Könige gehören in ein futurisches Szenario. Hingegen wird die Stadt mit ihren sieben Bergen als eine aktuelle Grösse vorgestellt. Ihre Zerstörung durch das Tier steht hingegen noch bevor. Die Analyse der Zeiten ist ein wesentliches Indiz bei der Suche nach der Entschlüsselung des Geheimnisses von Offb 17; sie erlaubt sogar einem modemen Leser eine Unterscheidung zwischen Begebenheiten, die in die Zeit der Adressaten passen, und damaligen Zukunfts visionen.
Offb 21.1-22.5: Jerusalem. eine Braut. eine neue Stadt
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8 Oftb 21.1-22.5: JerusaIem. eine Braut. eine neue Stadt In der letzlen Vision der Offenbarung wird wiederum eine Stadt beschrieben. Obwohl sie in vielen Zügen Babyion gleicht. erscheint die Stadt aus dem Himmel, Jerusalern, als ihr Spiegelbild. I Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Der erste Himmel und die erste Erde sind nämlicb vergangen. und das Meer gibt es nicbt mehr.
2 Und die heilige Stadt, das neue Jerusalern, sah ich aus dem Himmel von Gou herabsteigen. bereitet wie eine Braut, die rur ihren Mann geschmückt ist. 3 Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron. die sagte: .Siehe. die Wohnung GOUes mit den Menschen. und er wird mit ihnen wohnen. und sie werden seine Völker sein. und er .• der Gon mit ihnen •• wird ihr Gou sein.' 4 Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen. Und den Tod wird es nicht mehr geben. weder Trauer noch Geschrei noch Leid wird es geben. denn das Erste ist vergangen •. 5 Und der. welcher auf dem Thron sitzt. sagte: .Siehe. ich mache alles neu». Und er sagt: .Schreibe, denn diese Worte sind zuverlässig und wahrhaftig». 6 Und er sagte mir: .Sie sind geschehen. Ich bin das Alpha und das Omega. der Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden aus der Quelle des Lebenswassers umsonst geben. 7 Wer siegt. wird dies erben. und ich werde ihm Gott sein. und er wird mir Sohn sein. S Den Feigen aber und Unzuverlässigen und Abscheulichen und Mördern und Unzüchtigen und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern - ihr Platz ist im See, der von Feuer und Schwefel brennt. das ist der zweite Tod •. 9 Und einer von den sieben Engeln. die die sieben Schalen hauen. welche mit den sieben letzten Plagen voll waren. kam und sprach mit mir und sagte: «Auf! Ich werde dir die Braut. die Frau des Lammes. zeigen.. 10 Und er brachte mich im Geist auf einen grossen und hohen Berg. und er zeigte mir die heilige Stadt, Jerusalem. die aus dem Himmel von Gou herabstieg. II Sie hat die Herrlichkeit Goues. ihr Glanz gleicht dem kostbarsten Stein. wie einem durchsichtig leuchtenden Jaspisstein. 12 Sie hat eine grosse und hohe Mauer. sie hat zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel und daraufgeschriebene Namen, die die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels sind. 13 Von Osten drei Tore und von Norden drei Tore und von Süden drei Tore und von Westen drei Tore. 14 Und die Mauer der Stadt hat I Oder: «und cr. Gon. wird bei ihnen sein •. Für die lextkritische Lage s. unlen Anm. 22. 11 8.3.2.
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Ausgewählte Visionen
zwölf Grundsleine und auf ihnen die zwölf Namen der zwölf AposIel des Lammes. 15 Und der Engel, der mil mir redeIe, halle einen goldenen Masssrab, um die Sladl und ihre Tore und ihre Mauer zu messen. 16 Und die Sradl iSI viereckig und ihre Länge iSI idenlisch mil ihrer Breile. Und er mass die Sradl mil dem Rohr auf zwölflausend Sradien: ihre Länge, Breile und Höhe sind idenlisch. 17 Und er mass ihre Mauer auf hundertvierundvierzig Ellen nach Menschenmass, das das Mass des Engels ist 18 Und der Unlerbau ihrer Mauer beslehl aus Jaspis und die Sladl aus reinem Gold, das reinem Glas gleich ist 19 Die Grundsleine der Sladlmauer sind mil jeder Art von koslbaren Sleinen geschmückt Der erSle Grundslein iSI ein Jaspis, der zweire ein Lapislazuli, der drine ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd', 20 der fünfle ein Sardonyx, der sechsIe ein Sarder, der sieble ein Chrysolylh, der achle ein Beryll, der neunIe ein Topas, der zehnIe ein Chrysopras, der elfle ein Hyazinlh, der zwölfle ein Amelhysl, 21 und die zwölf Tore sind zwölf Perlen. Jedes Tor besland aus einer einzigen Perle. Und die Strasse der Sradl beslehl aus reinem Gold, wie aus durchsichligem Glas. 22 Und einen Tempel sah ich nichl in ihr, denn der Herr, Goll der Allmächlige, iSI ihr Tempel und das Lamm. 23 Und die Sladl brauch I weder die Sonne noch den Mond, damil sie ihr leuchlen. denn die Herrlichkeil Gones erleuchlele sie und ihr Leuchler iSI das Lamm. 24 Und die Nalionen werden in ihrem Lichl wandeln und die Könige der Erde ihre Herrlichkeil in sie hineinbringen, 25 und lagsüber werden ihre Tore nichl geschlossen werden, denn Nachl wird es nichl mehr geben. 26 Und sie werden die Herrlichkeil und die Ehre der Nalionen in sie hineinbringen. 27 Und alles Unreine und wer Abscheuliches und Lüge IUI wird in sie nichl einIrelen, sondern nur diejenigen, welche im Lebensbuch des Lammes geschrieben slehen.
22,1 Und er zeigle mir einen wie Krisrall leuchlenden Fluss von Lebenswasser, der vom Thron Gones und des Lammes ausging. 2 In der Mille zwischen ihrer Slrasse und dem Fluss, von hier und von dort kommend, sland ein Holz des Lebens, das zwölf Früchle Iräg!, indem es jeden Monal seine Frucht hervorbringl, und die Bläner des Holzes dienen zur Heilung der Nalionen. 3 Und nichls Verfluchles wird es mehr geben. Und der Thron GOlles und des Lammes wird in ihr sein, und seine Knechle werden ihm dienen 4 und sie werden sein Angesichl sehen und sein Name wird auf ihren Slimen sein. 5 Und Nachl wird es nichl mehr geben, und sie brauchen weder das Lichl des Leuchlers noch das Lichl der Sonne, denn der Herr, GolI, wird über ihnen leuchlen, und sie werden in alle Ewigkeil herrschen.
, Oder Kristall. S. [[ 2.4.2.
Offb 21.1-22.5: Jerusalern. eine Braut. eine neue Stadt
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8.1 Aufbau Das zweimalige Vorkommen von .t6ov J erlaubt es. die Perikope 21.1.-22,5 in zwei Szenen zu unterteilen. In V.I liegt die Schilderung einer neuen Schöpfung und in 21.2-22.5 die Beschreibung Jerusalems. der Stadt aus dem Himmel. vor. Mit dieser letzten Szene wird der gesamte Visionenteil. und somit der Hauptteil der Offenbarung als Brief. abgeschlossen. In V.9f fmdet der letzte Onswechsel stan: Joharmes wird von einem Engel von der Wüste (s. 17,3) auf einen hohen Berg versetzt. Was der Seher nach der Verschiebung auf den Berg sieht. wird nicht mehr mit .t60v sondern mit Formen von IiEUcVIJI'I eingeführt. Zur Untetteilung der Vision der neuen Stadt werden sowohl die Formen von .t60v als auch von IiEUcVIJI'I berücksichtigt. Daraus resultiert eine dreiteilige Gliederung von Offb 21,2-22,5. In V.2-8 wird die Bedeutung der hera1Jsteigenden Stadt vor allem mit Auditionen bekarmt gemacht; in V.9-27 steht ihre Ausstanung im Vordergrund, während sie in 22,1-5 als on der Zuwendung Gones zu seinen Menschen dargestellt wird. Die weitere Auflistung einzelner Themen in den drei Teilen der Vision erleichtert die Übersicht über diesen dichten Text. V.21,1
Vision einer neuen Schöpfung
(Kat
V.2I,2-22,5
Vision von Jerusalern
(KaL .•t6ov)
V.2-8
Bedeutung der Stadt
V.2 V.3f V.5f V.7 V.8 V.9-27
.t6ov)
Vorstellung der Stadt Die Stadt als Ort der Nähe Die Stadt als Erfüllung Die Stadt als Erbschaft Die Ausgeschlossenen Beschreibung der Stadt
V.9-lOa V.lOb-11 V.12-14 V.15-17 V.18-21
onswechsel Der ausserordentliche Glanz Elemente Mass Materialien
) In V.2 steht das Objekt vor .tSov. Diese Umkehrung. die nur hier vorkommt. fallt mit dem letzten Beleg des gewählten Unterteilungskriteriurns zusammen. In Oflb 21.22 liegt auch die einzige verneinte Fonn von Et60v vor. Dies wird allerdings hier nicht als Signal einer neuen
Perikope beuachtel.
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Ausgewählte Visionen V.22 V.23-26 V.27
Abwesenheit des Tempels Licht und Herrlichkeit Ausgeschlossenes und Auserwählte
V.22,1-5 Die Stadt als on der Nähe V.lf V.3-5
Wasser und Holz des Lebens Nähe Gottes und der Menschen
8.2 Ein neuer Hinunel und eine neue Erde Mit einer knappen Formulierung wird die Anwesenheit einer neuen Schöpfung angekündigt. Ein neuer Hinunel und eine neue Erde ersetzen die alte Welt. Der Bruch vom Alten zwn Neuen wird nur kurz im Begründungssatz erwähnt: Der erste Hinunel und die erste Erde sind vergangen. Es fehlt eine Beschreibung der katastrophalen Zerstörung des Ersten.- Die einzige Beschreibung, wie die erste Erde und der erste Hinunel verschwunden sind, liegt in 22,11 vor: Und ich sah einen grossen. weissen Thron und einen. der auf ihm sass. vor dessen Angesicht die Erde und der Himmel flohen. und für sie wurde kein Ort (mehr) gefunden. Das Meer gibt es in der neuen Schöpfung nicht mehr. Die Abschaffung dieses Ortes bedeutet die Überwindung eines Bereiches. in dem das Chaotische und der Tod früher gedeihen konnten: das Tier in Offb 13.1-10 und die Toten in 20.13 stanunen aus dem Meer. 5 Dennoch war das Meer in der ersten Welt nicht nur negativ gekennzeichnet. denn an mehreren Stellen wurde es als Bestandteil der Schöpfung Gottes aufgelistet. 6 Mit der Abschaffung dieses Raumes wird auch seine zweideutige Funktion überwunden. Die neue Welt erscheint daher bereits zu Beginn als ein Ort der Klarheit, wo sowohl die vernichtenden Kräfte als auch der Zwiespalt und die Unklarheit keinen Platz mehr finden.
4 S. Prigent. Apocalypu 324: .Pounanl rtsstntiel esl sans doule de noler relonnanle sobriele d'un lexte qui se veul apocalyptique. Pas un mol de description du calaclysme final qui laisse la place au monde nuoveau!». S. auch Corsani. L'Apocalisse 153. , S. II 6.2. Dazu auch Yarbro Collins. Th. Apocalypst 145: .The sea. Iike Ihe dragon .nl the heasl. symbolizes chaos. So the elimination of the sta symbolizes the complele triumph of crealion over chaos. just as the elimination of dealh implies the complele victory of Iife over death». • Ibid. S. auch Müller. Offtnbarung 349.
Offb 21,1-22,5: Jerusalern, eine Braut, eine neue Stadt
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Die Dimension des Neuen wird mit der zweifachen Wiederholung von als Gegensatz zu npwTo, ausgedrückt. Das Neue (und nicht das Letzte) stellt die Überwindung des Ersten dar; damit wird der Akzent eher auf den qualitativen 8 als auf den zeitlichen9 Aspekt der bereits eingetretenen Welt gesetzt. Inhaltlich wird diese neue Dimension in der folgenden Vision der Stadt ausführlich umschrieben. Die Vorstellung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, welche die alte Welt ersetzen, ist im jüdischen Kulturbereich gut bezeugt. Da eine vollständige Retrospektive auf die zahlreichen Belege und Anspielungen auf eine neue Schöpfung den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde 10, soll hier nur exemplarisch auf einige Texte hingewiesen werden. Einen wichtigen Ausgangspunkt in der Geschichte dieser Formulierung stellt Jes 65,17 dar: 11
KQ'VO,7
Denn, wohlan, ich schaffe den Himmel neu, die Erde neu, nicht gedacht wird mehr des Frühem, nicht steigts im Herzen mehr auf, sondern entzückt euch, jubelt fort und fort, drob was ich schaffe! 12 Jes 65,17 13 wurde in mehreren Texten aus der frühjüdischen Literatur aufgenommen und zum Teil mit anderen Motiven verbunden. So faJIt auf, dass in einigen Texten die Schilderung der Zerstörung der alten Welt der neuen Schöpfung Gottes vorausgeht. l < In anderen Schriften steht die Erneuerung der Schöpfung im Vordergrund. Jub 1,29 gehört du dieser zweiten Gruppe: Und es nahm der Engel des Angesichtes, der einherzog vor den Herren Israels, die Tafeln der Einteilung der Jahre von der Schöpfung des Gesetzes an und des Zeugnisses seiner Wochen der Jubiläen je nach den einzelnen Jahren in allen ihren Zahlen und Jubiläen und vom Tag der neuen Schöpfung an, wann erneuert werden der Himmel und die Erde und alle ihre Schöpfung wie die 7 KalI/OS' kommt in der Offenbarung sechsmal vor und immer nur in Verbindung mit Gott oder dem Lamm: in 2.17 und 3.12 wird den Adressaten der Kunbriefe ein neuer Name versprochen; in 5.9 singen die 24 Ältesten und die vier Wesen dem Lamm ein neues Lied; in 3.12 und 21.2 wird das neue JerusaIem genannt und in 21.1.5 bezieht sich das Attribut Kalv", auf die
neue Dimension. die Gou geschaffen hat. B S. Schüssler Fiorenza, Revtlat;on 109. 9 S. Yarbro Collins, The Apocalypst 144: -These images should not be laken as descriptions of the way things will be at seme future time. Ratber. they say that. in a way we cannot fully undersland, crealion and life do, in lhe present. have lhe victory over chaos and death •. 10 Prigent. Apocalypst 323f bietet eine reiche Auswahl an Vergleicben aus dem späten Judentum. StrackIBillerbeck m 840ff enthält zahlreiche Belege aus der pseudoepigraphiscben
und rabbinischen Literatur. 11
Das gleiche Motiv kommt in Tritojesaja mehrmals vor; s. als Beispiel Jes 66.22.
I' Übersetzung aus BuberlRosenzweig. Büch" d" KündlUlg 205f.
IJ Die Version in LXX und der MT stimmen nicht übe ..in. Ein Vergleich zwiscben den zwei Texten im Hinblick auf ihre Aufnahme in Offb 21.1 liegt bei Fekkes. Isaiah 226ff vor. " V gl. in diesem Zusammenhang äthHen 91.
Ausgewählle Visionen
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Mächte des Himmels und wie alle Schöpfung der Erde. bis zu dem Tag. an dem geschaffen werden wird das Heiligtum des Herrn in Jerusalem auf dem Berge Sion. 1l Die Johannesapokalypse liegt auf dieser wirkungsgeschichtlichen Linie von Jes 65.17. Das Interesse am katastrophalen Zusammenbruch des alten Kosmos ist an dieser Stelle nicht vorhanden. denn die Erschaffung einer neuen Schöpfung dient in Offb 21 - so wie in Jes 65 - primär zur Einführung der geliebten Stadt: Denn. wohlan. ich schaffe aus Jerusalern einen Jubel. aus seinem Volk ein Entzücken (Jes 65.18)"6 8.3 Bedeutung der Stadt Auf dem Hintergrund der neuen. von jeder Ambiguität befreiten Schöpfung wird in Offb 21.2-22.5 die neue Stadt vorgestellt. 8.3. J Vorstellung der Stadt
V.2 nimmt alle wesentlichen Züge der Stadt voraus. Die Stadt ist lu!ilig: Dies drückt den Zusarrunenhang dieses Raumes sowohl mit Gott als auch mit den Menschen aus. welche ihre Beziehung zu Gott als massgebend erkennen." Der Eigenname Jerusalem verleiht dieser Stadt von vornherein eine zweifache Dimension. Die erste ist eine historische. Dazu ist ein Vergleich mit 11.1 f unentbehrlich. Don wird dem Seher ein Stab gegeben; er bekommt den Auftrag. den Tempel Gottes. den Altar und die Zahl der Betenden im Tempel zu messen. Die Vorhalle soll er aber nicht berücksichtigen. denn sie ist den Völkern ausgeliefen. weIche die heilige Stadt zweiundvierzig Monate zertreten werden (11.2). In Offb 11.8 wird die heilige Stadt mit dem der zwei Zeugen getötet wurde:
on identifizien. an dem der Herr
Und ihre Leichen wurden auf der Strasse der grossen Stadt aufgestellt. welche symbolisch Sodom und Ägypten genannt wird. wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde.
11
Für eine detailliene Analyse s. Fekkes. ibid. Die Übersetzung slammt von Berger.
JSHRZ [1.3.
'6 Übersetzung aus BuberlRosenzweig. Bücher der Kündung 20Sr. 17 "Ay'o, bezeichnet in derOffb sowohl die Christen (5.8; 8.3.4; 11.18; 13.7.10; t4.12; t6.6; 17.6; 18.20.24; t9.8; 20.6.9; 22.2t) als auch Gou oder Christus (3.7; 4.8; 6.10).
Offb 21.1-22,5: Jerusalern, eine BrauI, eine neue Sladl
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JerusaIem ist die grosse Stadt, in der Jesus gewaltsam getötet wurde. Gleichzeitig erscheint hier Jerusalern als die gefallene Stadt, welche nur noch mit Sodom und Ägypten 18 verglichen werden kann. Diese negative Sicht der grossen Stadt, des religiösen Zentrums, erlaubt uns, die zweite Dimension zu erfassen: Jerusalern ist mit der Erwartung einer neuen Form der heiligen Stadt verbunden. Der Eigenname spannt somit einen Bogen zwischen der historischen Stadt und der messianischen Erwartung eines neuen Jerusalern. Die Verbindung der Stadt in Offb 21 f mit dem messianischen Jerusalern wird aufgrund zahlreicher Zila\e und Anspielungen auf alttestamentliche und weitere jüdische Texte im Laufe der Vision immer wieder in Erinnerung gerufen. Die Stadt ist neu. Jerusalern steht in Verbindung mit der historischen, gleichnamigen Stadt, so wie der erste Hinunel und die erste Erde zur neuen Schöpfungsdimension steht. Sie gehön in diesen qualitativ emeuenen Raum. Johannes sieht die Stadt herabsteigen aus dem Himmel von Gott. Damit wird die Herkunft der Stadt explizit genannt. '9 Die heilige Stadt wird von Gott geschickt, sie ist eine externe Grösse, die in der irdischen Dimension ankommt. Wie BabyIon in Offb 17 wird Jerusalern mit personiflZienen Zügen vorgestellt. Beide Städte sind Frauen, und gerade als solche bilden sie einen Gegensatz. Die eine ist die Mutter aller Huren, die andere eine Braut. Mit der Personifizierung Jerusalems als Braut wird der Aspekt der Reinheit und der Liebe angedeutet. Die Braut ist mit besonderer Sorgfalt geschmückt worden, damit sie ihrem Mann gefli.llt. Damit wird die grossanige Schönheit der heiligen Stadt aus dem Himmel vorweggenommen. 8.3.2 Die Stadt als Ort der Nähe
In V.~ wird die Bedeutung der Stadt erläuten. Eine Stimme vom Thron kündigt in V.3f die Stadt als On der Nähe Goues zu den Menschen an. 20 Diese
18 Jerusalem wird bereilS in Jes 1,10 und Jer 23,14 Sodom genannt. Nach Ez 16,46 haI sich lerusalem noch schlimmer benommen als Sodom. Den Vergleich mit Ägypten interpretien Prigenl, Apocalypu 169 wie folgt: •.. .le Iivrc de la Sagesse (l9,14ss) condamne plus Sl!v~rement l'Egypte que Sodome. Si I'on se souvient en outre de la traditionneUe valeur symbolique '" I"Egypte ( ... ) comme Iieu d'esclavage el de soumission aux palens idolltres, on conclura que ces
deux noms <spiritueis) qualifienlla villc commc un lieu oilles hommes de Dieu ne peuvent ren· contrer qu'une monelle hostili~ •. " Zur Verwendung von EK und cincl s. Delebecque, Apocalypu 83: .Bien plus, I. pre~ proposition, €K, signifie I'origine de la descente, le ciel, el I. seconde, cincl, tout en dqJendanl .ncore du cie" s'unil ä la premi~re en signifianl qu'eUe eslencore ratlachh ä Dieu ( ... ). !.es deux propositions, proches par le sens ne se confondenl pas: eUes gardenl chacune sa valeur propre, Ja seconde plus riche de sens que la premi~re. En un mOl, 10 priposition cin<> montre que loul vient du P~re •. S. auch CigneUilBottini, SBFLA 39, 37~8.
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Ausgewählte Visionen
Äusserung, die aus mehreren Anspielungen auf das AT besteht, enthält eine positive und eine negative Aussage. Grosse Zuversicht wird mit der Aufnahme von Ez 37,27 21 , vielleicht Jes 7,14 22 und 25,8 ausgedlilckt. Der Ezechieltext lässt die Stadt als Wohnung GOlles21 bei den Menschen erscheinen, und - möglicherweise durch die Anspielungen auf Jesaja 7,14 und 8,8 verstärkt - hetont er die Zugehörigkeit der Menschen zu Goll und umgekelut: Er wird bei ihnen wohnen und sie werden seine Völker sein. 24 Das in Offb 7,17 schon zitierte Wort aus Jes 25,8 drückt die Folge dieser Nähe aus. Gott wird die Menschen mit einer zarten Geste der Zuwendung trösten: Seinen leidenden Treuen wird er jede Träne von den Augen abwischen. 2S Trost und Zuversicht werden mit der folgenden negativen Äusserung bekräftigt: Tod, Trauer, Geschrei, Mühe gibt es im neuen Raum der Nähe Golles zu den Menschen nicht mehr. Der Tod wurde in Offb 9,6 als etwas vorgestellt, das angesichts der Macht der vernichtenden Kräfte als wünschenswert erscheint. 26 aa va TOS" , das erste Glied der Liste in 21,4, wird zum Inbegriff des Leidens.27 rUv8oS", Kpau"y~ und novoS" ergänzen die Schilderung des von Leiden und Bedrängnis gekennzeichneten Lebens in der ersten Welt. Durch diese Liste, die sich an verschiedene Stellen aus Jesaja anIehnt 28 , wird die Vorstellung der Stadt bereits zu BegiM mit der Vision der schreienden Men-
'0 Vgl. dazu Roloff. OjJ.nbarung 199: .Eine himmlische Stimme (. .. ) nennt in V.3 da<; entscheidende Wesensmerkmal der endzei~ichen GOllesstadt: Golles direkte und unverstellbare Gegenwart unter den Menschen •. 1I Das Motiv des Wohnens Goltes mit den Menschen und der Zugehörigkeit kommt auch an anderen Stellen vor: S. z.B. Lev 26,tl; Ex 6,7; Jer 38,33 (LXX); Sach 2.14. 22 Die Fonnulierung in 3b KCli Qlho, 0 9EO, ~ET' aun;)" IOTQ\ faun';;v 8Eo,J ist text· kritisch äusSetSt problematisch. Es fehlt an deutlichen Argumenten, um zu entscheiden, ob a,iT"v S
Offb 21,1-22,5: Jerusalem, eine Braut, eine neue Stadt
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schenmenge in 7,9-8,1 verbunden. 29 Der Trost und die Nähe können erst voll begriffen werden, wenn Tod, Trauer, Geschrei und Anstrengung aus der neuen Stadt explizit ausgeschlossen sind. Das erste, die Wel!, in der die Christen in der Gegenwart leben, gilt aus dem Blickwinkel der Vision der Stadt als vergangen. Die Vermischung verschiedener Blickwinkel ist in der Verwendung der Tempora spürbar: Johannes erzählt seinen Adressaten das, was er in der Vision hört, als bereits abgeschlossenes Ereignis. Die futurischen Verbformen projizieren jedoch die Realisierung der Vision in eine künftige Zei!. 8.3.3 Die Stadt als ErjUllung
Dieser intrikate Umgang mit den Zeiten erscheint in V.5f nochmals. Nachdem Gott selber seine neue schöpferische Tätigkeit ausdrücklich verkündet hat, beftehl! er Johannes, das Gehörte aufzuschreiben. Der Befehl wird begründet: Der Seher soll die Worte JO aufschreiben, denn sie sind glaubwürdig und zuverlässig. Die Aussagen über die Stadt als neuem Ort der Nähe, des Trostes und der Zuwendung Gottes zu den Menschen sind verbindlich. V.6 bringt den Gedanken der Erfüllung zum Ausdruck: Es ist geschehen, die Worte sind erfüll!. Das Perfekt ylyoVQV besagt, dass die Erfüllung geschehen ist und in der Gegenwart gültig bleib!. Dadurch werden Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart spannungsreich identifiziert. Der Bogen über die Zeiten wird in den Selbstaussagen Gottes in V.6 aufgenommen und zweifach bekräftigt: Gon ist das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende, er umgreift die Geschichte. Die zwei Äusserungen spannen einen Bogen nicht nur um die Geschichte, sondern auch um das Buch der Offenbarung selbs!. Offb 1,8 enthält eine parallele Selbstaussage Gottes: Ich bin das Alpha und das Omega, sagt der Herr, GOI!, der ist und war und kommen wird, der Allmächtige. Ähnlich sieht es mit Y1V0l1Qt aus: nach V.I,PI soll die Offenbarung den Knechten Gones alles mitteilen, was in Kürze geschehen muss: ä &:1 Y'VEo9at EV 'TaxEt. Nach V.6 ist dieses Versprechen in der letzten Vision erfüll!. Dieses Geschehen wird in seiner Tragweite mit der Aufnahme von Jes 55,1 illustriert: den Dürstenden wird Gott Lebenswasser umsonst geben. In diesem Kontext spielt 6wp.av eine wichtige Rolle, denn es besagt, dass Gones Zuwen-
,. S. das Vorkommen von .pd,,,, in 7,10 und darüberhinaus die Formulierung in 7,14 . ....uch das Zilal aus Jes 25,8 in Offb 7,17 bekräftigt die Parallelität zwischen Offb 7,17 und ~I,3ff.
'0 Für die Bedeutung von Xoy<» s. 1 3.3. " S. auch 11 2.3.
Ausgewählte Visionen
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dung nicht von der Gegenleistung der Menschen abhängt. l2 Das Lebenswasser wird denjenigen. die es woHen. umsonst zur Verfügung gesteHt."
8.3.4 Die Stadt als Erbschaft In V.7 wird der Gedanke der Gratuität mit dem Thema der Erbschaft gekoppelt. Die Stadt. der Ort der Nähe Gottes und der ErfiUlung steht demjenigen zur Verfügung. der siegt. Nll
8.3.5 Die Ausgeschlossenen Treue und Glaubwürdigkeit kennzeichnen die Haltung Gottes und diejenige der Menschen. welche auf seiner Seite stehen; Wahrhaftigkeit und Zuwendung prägen das Lehen in der Stadt. ihrer gemeinsamen Wohnung. Alle. die diese Haltung nicht teilen. werden in V.8 ausdrilcklich ausgeschlossen: Das Leben in der Stadt ist nicht mit allen Verhaltensweisen kompatibel. Mit einem Lasterkatalog werden die Ausgeschlossenen vorgestellt: Feige'•• Unzuverlässige. Abscheuliche. Mörder. Unzüchtige. Zauberer. Götzendiener. In dieser Aufzählung werden Eigenschaften und Tätigkeiten erwähnt. die einerseits an die Schuld Babylons40 • andererseits an das Verhalten der Überlebenden der Heuschrecken- und Pferde plage in 9.20(41 erinnern. Der Katalog wird in V.8 mit dem zusammenfassenden Ausdruck «alle Lügner» abgeschlossen. Damit wird der Zug hervorgehoben. der am meisten der Haltung widerspricht. die von den 12
Theologisch steht diese Aussage auf der gleichen Linie wie Röm 3,23f: (00.) ndYT€, yap
iillapTov
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xciPlTl Blo. Tr1S' anoAuTpWaEWS' TllS' E,V XPlOT4l 'l'looO. 33
Vgl. dazu Offb 22,17.
'4 S. Offb 5.5f, 11 3.2.1. " S. Offb 5,9, I 3.3.2. ,. S. 11 5; 11 6.4; 11 7.4.4. 37 Vgl. die Verwendung von b vm.lv in 2.7.11.17.26 und 3,5.12.21. ,. Vgl. dazu Offb 1,9 (13.2), 7,9f(1I4.2) und 17,14 (117.4.2). S. auch 116.6. ,. Prigent, Apoca/ypse 333 weist zum Verständnis von 6
Offb 21.1-22.5: lerusalem. eine Braut. eine neue Stadt
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Christen verlangt wird. Treue. Ausharren. Beziehung zur Wahrhaftigkeit sind mit dem Lügen und Morden unvereinbar. So wie die zerstörerische Wirkung des Tieres schliesslich auch die Frau treffen wird. die auf ihm sitzt. werden auch die im Lasterkatalog erwähnten Handlungsweisen diejenigen treffen, die sie ausüben. 42 Im Schwefel- und Feuerpfuhl43 werden sie dann ihren angemessenen Platz finden. Dieser 011 der Verdanunung stellt den Gegensatz zur neuen Stadt aus dem Himmel dar. Sie ist die Dimension der Nähe zum lebendigen Gott. während der mit Schwefel und Feuer brennende Pfuhl den zweiten Tod darstellt. Als solcher ist er endgültig. Nach 20,14 werden der Tod selbst und die Totenwelt in den Pfuhl geworfen: Und der Tod und die Unterwelt wurden in den Feuersee geworfen. Dies ist der zweite Tod. der Feuerpfuhl. Das Zitat aus Offb 20 illustriert den Unterschied zwischen Tod und zweitem Tod: mit dem ersten ist das Ende des menschlichen Leben gemeint. mit dem zweiten die endgültige Vernichtung jeder Lebendigkeit. 8.4 Beschreibung der Stadt Nach V.2-8 sieht Johannes. wie die Stadt aus dem Hirrunel herabsteigt. Die verschiedenen Aspekte der Stadt, die ihre Bedeutung für die Christen ausmachen, werden jedoch in Auditionen mitgeteilt. Die Schilderung der Ausstattung Jerusalems steht im Mittelpunkt des folgenden Abschnittes. 8.4.10nswechsel Die Beschreibung der Stadt wird jedoch erst in V.9-lOa durch das Auftreten des Engels möglich, der Johannes bereits in Offb 17 begleitet hatte. 44 Der Engel wird dem Seher die Braut, die Frau des Lammes zeigen. Die Erwähnung der Stadt als Braut nimmt das in V.2 vorweggenommene Bild auf und vervollständigt es: der Mann der Braut wird nämlich mit dem Lamm identifiziert. 45 Die ., Dazu Roloff. Offenbanlng 201: .Fonnal handelt es sich hier um einen Laterkatalog. d.h. um eine Aufzählung jener Verhaltensweisen und Eigenschaften. dun:h die sich der Mensch selbst vom Erbe des Heils ausschliesst•. Roloff weist auf Parallelen in Röm 1.29-32; IKor 6.911; Gal5.19-21 hin. " Zur Bedeutung von Feuer und Schwefel s. U 5.3.2. Die Vorstellung des Feuer- (und Schwefel-)pfuhles kommt in Offb in 19.10; 20.10.14.15 und in 21.8 vor. immer als Millel ZID' Zerstörung negativer Kräfte (des Tieres und des falschen Propheten. des Teufels. des Todes und der Unterwel~ deljenigen. deren Name nicht mehr im Buch des Lammes steht). "Die Fennulierungen in 17.1-3 und in 21. 9 sind streng parallel aufgebaut. 41 Das Bild Jerusalems als Braut des Lammes erscheint zum ersten Mal in 19.7ff: « .Lasst uns und freuen und jubeln und ihm (GOIt) die Ehre geben. denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen. und seine Frau hat sich vorbereitet. Und ihr wurde gegeben. reines glänzendes
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Ausgewählte Visionen
Personifizierung der neuen Stadt als Braut bringt an dieser Stelle mehrere Aspekte gleichzeitig zum Ausdruck. Einerseits wird das Thema der Nähe neu aufgerollt: die Stadt steht dem Lamm nahe; ihre Beziehung zu ihm ist durch Liebe und Intimität gekennzeichnet. 46 Auf der anderen Seite symbolisien das Motiv der Braut Treue; dieser Zug wird vor aUem durch die Gegenüberstellung zwischen Jerusalem als Braut und Babyion als Hure hervorgehoben. 47 Um sein Vorhaben zu realisieren, bringt der Engel Johannes auf einen grossen, hohen Berg: Erst auf dieser letzten Etappe seiner Reise kann der Seher die Stadt in ihrer Grösse betrachten und beschreiben. Das Eintreten des Engels und der Ortswechsel verändern jedoch die An der Wahrnehmung: In der Folge wird Johannes die verschiedenen Elemente der Vision nicht mehr von selbst sehen, sondern sie werden ihm gezeigt. Zur Wahrnehmung Jerusalerns erscheint hier die Venninlung des Engels als unerlässlich. 8.4.2 Der ausserordentliche Glanz der Stadt
In V.IOb wird die neue Stadt mit den gleichen Wonen wie in V.2 vorgestellt: die Stadt, die Johannes herabsteigen sah, und die Braut, die ihm der Engel zeigte, sind identisch. Nach V .11 strahlt das neue Jerusalern einen ausserordentlichen Glanz aus, im wörtlichen und übenragenen Sinne. Dieser Glanz ist die Herrlichkeit Gones und zugleich das Licht der Stadt, das mit einem doppeltem Vergleich näher beschrieben wird: ihre Helligkeit gleicht dem Lichtstrahl des kostbarsten Edelsteines, der seinerseits an einen durchsichtig leuchtenden Jaspis erinnen. Das Vorkonunen des Jaspissteines an dieser Stelle spannt einen grossen Bogen über die Visionenreihe zurück zum ersten himmlischen Erlebniss des Johannes, der Vision des Thrones Gottes. In 4,3 wurde das Aussehen des Sitzenden auf dem Throne mit dem Sarder- und Jaspisstein verglichen; rings um den Thron war ein Strahlenkranz, wie ein Kristall. Byssusleinen anzulesen; das Byssusleinen sind nämlich die rechten Talen der Heiligen), Und sie (die Stimme) sagt mir: .Schreibe: Selig sind die zum Hochzeitsmahl des Lammes Geladenen, -. In diesem Te'l komml die Verbindung der Stadt zu ihren Bewohnern zweimal vor. Der e..te Aspekt dieser Gemeinschaft wird mil der Symbolik des Kleides aufgebaut: Die rechlen Werke der Heiligen sind das Kleid der Frau; Der zweite Aspekl erscheini im Moliv der Einladung zum Hochzeitsfest. Zum Motiv der Stadl-Braul vgl. auch 22,17. Zur Metapher der Braul s. auch Infanie, Rivista Bib 33, S~J. .. S. Deutsch. ZNW 78. 111-113 . ., Vgl. Du Rand, Neolesl. 22, 76 und Bauckham. Th
Offb 21,1-22,5: lemsalem, eine Braut, eine neue Stadt
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Obwohl die Bestimmung der Edelsteine in der Antike sich als recht schwierig erweist, gilt die Glanzlosigkeit als Hauptmerkmal von Jaspis als bewiesen. 4 • Der Vergleich dieses Steines mit dem Kristall in V.ll wirkt paradox. Andererseits betont das Vorkonunen des Jaspis die Ähnlichkeit zwischen Gott und der von ihm gesandten Stadt. Der Vergleich des Glanzes Jerusalems mit dem kostbarsten Edelstein und mit dem roten Jaspis betont noch einmal die Synunetrie zu Babyion, denn auch die perverse Stadt ist mit Rottönen und Edelsteinen beschrieben: Und die Frau war von Purpur und Scharlach umhüllt und vergoldet mit Gold und Edelstein und Perlen: sie hielt einen goldenen Kelch in ihrer Hand, der voll mit Greueln und den Unreinheiten ihrer Hurerei war. Und auf ihrer Stirn stand ein Name geschrieben, ein Geheimnis, «Baby Ion, die Grosse, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde •. Und ich sah die Frau sich vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu betrinken (I7,4---{i). Rot sind Purpur, Scharlach und das Blut der Zeugen Jesu, und die Edelsteine drücken Babyions Reichtum und Macht aus. Die Ähnlichkeit zwischen Babyion und Jerusalem wird hier als Mittel eingesetzt, um ihren radikalen Unterschied hervorzuheben: Rot und Edelsteine sind Zeichen der Perversion Babyions, während die gleichen Elemente Jerusalems Herrlichkeit ankündigen. 8.4.3 Elemente der Stadt In V.12-14 werden die wesentlichen Bauelemente der Stadt dargestellt: eine Mauer, zwölf Tore und zwölf Grundsteine. Die Mauer ist wie der Berg in V.lO gross und hoch. Damit wird klar, warum erst durch den letzten Ortswechsel die Betrachtung der Stadt möglich wird: Szenisch befinden sich nun der Deuteengel und Johannes auf einer geeigneten Höhe, um den Überblick über die Stadt zu geniessen. Die zwölf Tore sind regelmässig auf die gesamte Mauer veneilt, drei pro Windrichtung. Über ihnen befinden sich zwölf Engel und die Namen der zwölf Stämme Israels. Die Namen der zwölf Apostel des Lanunes49 stehen hingegen auf den Grundsteinen der Stadt. Mit der Erwähnung dieser vierundzwanzig Gestalten 50 wird eine Verbindung plastisch dargestellt, die uns öfters in der Komposition der Visionen begegnet ist. Die fundamentale Relevanz des Christusereignisses wird mit der ständigen Aufnahme alttestamentlicher Texte, Motive und Traditionen erläuten, die zu neuen Visionen zusammengestellt werden. Jüdisches und christliches Gedankengut werden vereint: In diesem Kontext kann '8 S. Anm. 49,50 und 54, 11 2.4.1. •• Es ist anzunehmen, dass damit die zwölf Jünger gemeint sind. Vgl. Mk 3.13-19, Lk 6.12-16, Mt 10.1-16. In diesem Kontext könnte auch ein Vergleich mit Mt 19.28 interessant sein. '0 Vgl. dazu s. 112.5. und Corsani, L'Apocalisse 156.
174
Ausgewählte Visionen
die Assoziation der Stänune Israels mit den Toren und der Apostel des Lammes mit den Grundsteinen kaum zufällig sein.
8.4.4 Mass
In den V.15-17 liegt eine Messszene vor. Der Engel misst die Stadt. Daraus ergibt sich, dass die Stadt in ihrer riesigen Ausdehnung einen perfekten Würfel bildet mit einer Seitenlänge von umgerechnet etwa 2304 Kilometern, während die Höhe der Mauer nur etwa 66 m beträgt. Die geometrisch perfekte Gestalt von Jerusalem entspricht der idealen Form einer antiken Stadt. 51 Die Zahlen 12'000 und 144 spielen zugleich eine symbolische Rolle. 144 ergibt sich aus der Multiplikation von 12 x 12; 12.000 aus 12 x 1000. Zwölf sind die Tore der Stadt, die Grundsteine, die Stänune Israels und die Apostel des Lammes52; 12 x 12 x 1000, 144.000, die Zahl der Ausserwählten nach 7,4 und 14,1.3; l()()()ll kommt in der Oflb nur in bezug auf das tausendjährige Reich vor und stellt den Inbegriff der Zeit Gottes und des Lammes dar. Das Vorkommen von 12 und 1000 in der Beschreibung der Stadt aus dem Himmel spielt somit auf Menschengruppen und Zeiten an, die ganz Gott und seinem Lamm gehören. 54 Angesichts der Ausdehnung der neuen Stadt ist es klar, warum ein Engel sie messen muss: Eine solche Aufgabe übersteigt die menschlichen Möglichkeiten. Die abschliessende Anmerkung in V.I7 besagt jedoch, dass die Angaben des Engels und diejenigen der Menschen identisch sind: Menschlich verständliche Zahlen wurden angegeben. Keine Zahlen werden hingegen in der anderen Messszene innerhalb der Offenbarung mitgeteilt. Johannes wird in 11,1 f beauftragt, den Tempel und den Altar 51 Kraft, Offenbarung 270: .Der quadratische Grundriss und ersl rechl die Gleichheil von Seitenlänge und Höhe symbolisien Vollkommenheit•. Kraft weisl auf Herodot 1,178 hin, nach dem auch Babyion eine quadralische Form hatte. Zur Form von Jerusalem s. auch Roloff. Offenbarung 205. ~2 Vgl. auch die 12 Sterne der Krone der Himmelsfrau in 12,1. " V gl. Offb 20,2-7. 54 Dazu Vanni. Apoca/isst 54 (ÜberselZung aus dem Italienischen): .Die Zahl 12 weiSI keine überzeugenden Belege in der apokalyptischen Lileratur auf und scheinl eine direkte Anlehnung des Verfassers an die 12 Stämme Israels und die 12 Apostel zu sein, mit welcher immer
die einen oder die anderen oder heide gemeint werden. ausser wenn sie scheinbar in realistischem Sinn verwendet wird (s. 22,2 wo die 12 Monate des Jahres gemeinl sind). ( ... ) Typisch für die Offenbarung - und hier erscheini deutlicher das kreative Vorgehen, wo der Verfasser den Leser
involvieren will- erscheint die Zusammensetzung der Zahlen aus immer konstruierten. aber in sich relativ schlichten arithmetischen Operationen. Das inleressanteste Beispiel ist die Zahl 144000, die sich aus der Multiplikation von 12 x 12 x 1000 ergibt. Nach den oben aufgeftiluten Anweisungen hätle man eine ideelle Multiplikation zwischen den 12 Stämmen Israels und den 12 Aposteln des Lammes; Altes und Neues Testament würden sich deran durchdringen, dass sie ein einziges Volk Gottes bilden würden ( ... ). Die folgende Multiplikalion .mal 1000. beziehl dieses Volk Gottes ( ... ) auf die 1000 Jahre. die die Gegenwan Gottes und Christi in der Geschichte der Menschen kennzeichnet».
Offb 21,1-22,5: lerusalem, eine Braut, eine neue Stadt
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Gottes zu messen. Aus diesem Text wird jedoch nicht klar, ob der Auftrag ausgeführt wird oder nicht, denn die Masse werden den Lesern nicht mitgeteilt. Die VorhaUe soll der Seher jedoch nicht messen, weil sie den Völkern ausgeliefert ist; sie steht also noch nicht den Treuen Gottes zur Verfügung. Der Vergleich zwischen 1I,If und 21,15-17 hebt den Charakter der Vollendung in der Beschreibung der neuen Stadt hervor. Nun hat die Stadt vollkonunene Masse, die ganz zu erfassen sind und bekannt gegeben werden können. 8.4.5 Materialien
In V .18 wird die Aussage von V.II aufgenonunen und präzisiert. Die Stadt besteht aus reinem Gold, das reinem Glas gleicht; wiederum wird der Glanz der Stadt mit einem paradoxem Vergleich beschrieben. Aus Jaspis besteht der Unterbau 55 der Mauer. Jaspis, Gold und Glanz fassen die kostbare Ausstattung der gesamten Konstruktion zusammen. Die Liste in V.19f konkretisiert diese Aussage mit der Auflistung aller Edelsteine. 56 Auch die Öffnungen dieses wunderbaren Werkes sind ausserordentlich: sie bestehen je aus einer einzigen Perle. Die Beschreibung der wertvollen Materialien der neuen Stadt gipfelt in der Beschreibung des Platzes57 : er besteht aus reinem Gold, das noch einmal mit durchsichtigem Glas verglichen wird. Das Vorkonunen der Edelsteine an dieser Stelle kann auf verschiedene Weise interpretiert werden. Bereits die Konzentration derart zahlreicher Edelrnaterialien zum Bau der Stadt hebt ihre Kostbarkeit und Ausserordentlichkeit hervor. Diese Züge werden durch die riesigen Masse von Mauer, Toren und Platz und folglich durch die unvorstellbare Menge an benötigten wertvollen Stoffen bekräftigt. Sogar die natürliche Beschaffenheit der Materialien scheint hier verbessert worden zu sein, so dass das matte Gold - und in V.II der Jaspisstein - als durchsichtig beschrieben werden. 58 S5 Die Bedeulung von (v6w~ 1l0l.S'. einem sehr seltenen Won. ist unsicher. Nach
LiddelVScou, uxicon 562: .enelosing with a wall-. Es ist anzunehmen, dass mit tv6w~~o,s die Gesamtheit der Grundsteine gemeint ist. ,. Für die Übersetzung der Edelsteine habe ich mich auf die Arbeiten von Loewen, BiTr 35, 229-234 und Schille SNTU 17,231-244 gestützt. " Zu der genauen Bestimmung von nAQTEtQ s. Delebecque RThom 88, 126. " Eine gute Übersicht über die Namen und die Eigenschaften der zwölf Edelsteine von 0fIb 21 liefen G. Schille, ibid. Nach einer genauen Betrachtung von Farbe. Glanz und Herkunfison der einzelnen Steine versucht Schille eine theologische Deutung der Liste: .Wer nach dem Motiv sucht, das zur Veneilung von zwölf Edelsteinen auf die Grundsteine des künftigen Jerusalem gefiihn hat, kann von der Zahl ausgehen. Es ist die Zahl der Stämme Israels (Offb 7; 21,12) und der Apostel, deren Namen auf den Toren bzw. den Grundsteinen eingravien sind (21,14). Nimmt man die Grosse hinzu, die eine geradezu unwahrscheinliche Masse vom edelsten verfügbaren Material ankündigt, so ist die Steigerung deutlich. Das himmlische Jerusa1em wird nicht nur ein Stück der neuen Schöpfung sein. Es wird auch Materialien auf sich vereinen, die in dioser Menge und Vielfalt alles von unserer Weh Bekannte weit in den Schauen stellt. ( ... ) Wer die Farbskala der Steine von Offb 21 bedenkt, violeu-rotbunt, tleischrot, rot-weiss, rötlich-grun.
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Ausgewählte Visionen
Darüber hinaus bricht die Zuspitzung von Jerusalems Kostbarkeit die Synunetrie zu ihrem Gegenpol. BabyIon. Obwohl die pervertierte Stadt über grosse Schätze an Edelsteinen und Gold verfügt. wird sie die Reinheit der Steine der neuen Stadt nie erreichen. Der Schmuck der Braut des Lammes wird von der pompösen Bekleidung der Mutter aller Huren nicht übertroffen. Die Liste der Materialien wird mit der Schilderung des Platzes abgeschlossen. Damit wird ein neuer Blickwinkel in die Beschreibung der neuen Stadt eingeführt: Man verlässt die Aussenseite und begibt sich in die Mitte der neuen städtischen Dimension.
8.4.6 Das Fehlen des Tempels In der Stadt befmdet sich kein Tempel. In V.22 wird diese Abwesenheit begründet: Gon und das Lamm sind ihr Tempel. Die in V.3-7 angekündigte Dimension der Nähe Gones zu den Menschen wird nun mit der Abwesenheit des Tempels unter den Elementen der Stadt in der Vision verankert. In der neuen Stadt ist die Nähe unmittelbar. die Vermittlung durch den Tempel erübrigt sich. sO Ein Vergleich zwischen Offb II und 21.22 hebt die Entwicklung in der Beziehung zwischen Menschen. Gon und dem Tempel in der ersten bzw. in der neuen Schöpfung hervor: Nach 11.1 f steUt der Tempel Gottes einen Ort der Anbetung dar. während die Vorhalle der Zerstörung durch feindliche Völker ausgeliefen wird. Nun. in der neuen Dimension. wird nicht nur die Geflihrdung aufgehoben. sondern auch der Ort. der für die Anbetung reserviert war.
8.4.7 Licht und Herrlichkeit Nicht nur der Tempel ist nicht mehr vorhanden. sondern auch die Sonne und der Mond. Ihre Abwesenheit wird durch eine neue An von Beleuchtung und Zeitrechnung ersetzt. QueUe von Licht und Glanz sind nicht mehr die Gestirne. sondern Gott mit seiner Herrlichkeit und das Lamm als Leuchte~. Licht und Herrlichkeit stammen grünlich. oliv·hellblau. blau· gelblich - dazu der bunte Jaspis. dessen Grundfarben rot. gelb und weiss sind. sieht kein kritisches Grau. sondern einen Blütenganen vor sich. ein Schöpfung,wunder. wie e, einzig als der neue Frühling einer absoluten Wende zu ",wanen i't. ( ... ) Es geht offenbar um das Wunder einer überraschenden Farbigkeit. Nicht der einzelne Stein zählt fiIr sich. vielmehr das Zusammenspiel unterschiedlicher Farben und Tönungen> (243-244). Weniger plausibel erscheint hingegen dor Versuch. die Edelsteine aufgrund ihrer Anfangsbuchstaben zu deuten: s. dazu Wojciechowki. NTS 33 153r. ,. S. Giblin. Apocalisu 150; Roloff. Off,nbarung 206: .An die Stelle dor indirekten. kultisch vermittelten. triu eine direkte und leibhahe Gegenwan Goues. Die vollendete Heilsgemeinde wird sich darum nicht mehr nur um den On dor Gegenwan GOItes und dor Heilsvermiulung scharen. sondern sie wird selbst On dieser Gegenwan sein. Der Ansatz urchristlicher Tempelkritik. die in dor Erfahrung dor unmiuelbaren Gegenwart Gones in Jesus gründete ( ... ). wird hier konsequent zu Ende gedachl>o. 60 Vgl. dazu 11 2.4.2.
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nicht nur von Gon und seinem Lamm. denn auch die Könige der Erde bringen ihren Glanz in die Stadt hinein. Sie bereichern mit ihrer Herrlichkeit die neue. von GOlt gesandte Stadt. Die aktive Mitgestaltung am Glanz der Stadt durch Menschen macht einen Zug explizit. welcher eigentlich schon im Bild der Stadt vorausgesetzt wird: dieser Raum gehön nämlich zu den menschlichen Erfindungen. prägt das Leben der Menschen in ihrer Geschichte. Die Verwendung der Stadt als Bild der Nähe Gones zu den Menschen bringt somit eine Würdigung dieses Produktes der menschlichen Kultur zum Ausdruck. 6t In V.25 wird die Zeitdimension innerhalb von Jerusalern beschrieben. Die Nacht wird so wie Sonne und Mond überwunden; in der neuen Dimension gibt es keinen Platz mehr für die Finsternis. Am on des Lichtes. der Herrlichkeit. der Transparenz ist immer Tag. Dem Aspekt des anhaltenden Lichtes wird in V.25f eine ununterbrochene Offenheit hinzugefügt. Die Tore der Stadt werden immer offen sein. der Raum innerhalb der Stadt inuner zugänglich. Licht und Offenheit werden in V.23-26 in ihrer universalen Relevanz geschilden: Die Stadt umfasst die Nationen. die ihre Herrlichkeit und Ehre in die Stadt mitbringen. und die Könige der Erde. Dieser Ausdruck ist in der Offenbarung zweideutig. weil er sowohl als Anribut Gones62 als auch zur Bezeichnung der Verbündeten des Tieres und Babylons63 verwendet wird.
8.4.8 Ausgeschlossenes und AusserwlJhlte In V.27 wird diese Ambiguität mit der Wiederaufnahme von V.8 in aller Deutlichkeit aufgelöst: die Stadt steht allen offen. die nichts mit Unreinem. Abscheulichem und Lüge zu tun haben. deren Namen im Buch des Lammes noch geschrieben steht. 64 Die Aussage erinnen noch einmal daran. dass nicht jede Haltung mit der neuen Stadt kompatibel ist.
6' Dazu Ellul. Apoluzlyp.. 220: .Oie Stadt ist. wie wir bereits gesehen haben. cW grosse Werk des Menschen. Sie wird uns als Gipfelpunkt seiner Kuhur. seines Geistes beschrieben. sie ist seine Schöpfung. Die Stadt ist cW Symbol der menschlichen Geschichte. dem in der Stadt bleiben die aureinanderfolgenden Schichten der Geschichtsepochen und Kuhuren bewohn. GOlt nimmt also die Gesamtheit der Menschengeschichtc wieder auf und bringt sie in der absoluten Stadt zur Synthese. Das Symbol Jerusalem ist cW deutlichste nur denkbare Zeichen daIilr• .ws der Goo der Bibel den Menschen dwt:h seine Geschichte hindurch begleitet. ( ... ) Einerseits ist dies Himmlische Jerusalem die Schöpfung des absolut Neuen durch GOlt. unvergleichbar gegenüber allem. was bisher dagewesen ist. andererseits aber ist es die von GOlt gewirkte Synthese aller Geschichte. aller Lebenswirltlichkeit der Menschheit. a11 ihres Schaffens und Wirkens. a11 ihres ErIebens: die Rekapitulation.. Sehr anregend erscheint auch folgende Äusserung von Bauckham. TheololIY 161: .But the city that both includes paradise unspoiled (22:1-2) and is adomed with the beauty of paradise (21: 19) points to that harmony of nature and human cuhure to which ancient cities once aspired but which mndem eities have increasingly betrayed •. 62 S. Offb 15.3. Für die textlcritische Unsicherheit bei .evlilv s. Mellger. Commenlary 7SSf. S. auch Offb 1.5. 17.2.18; 18.3.9; 19.19. .. Dazu s. 11 6.5.
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Ausgeschlossen werden alles Unreine und die abscheulichen und lügnerischen Taten: damit werden die Handlungen der zerstörerischen Kräfte und der ihnen treuen Menschen umschrieben und aus der neuen Stadt. der reinen Braut des Lammes. hinausgeworfen. 6S 8.5 Die Stadt als On der Zuwendung Wir wenden uns dem dritten Teil (V.22.1-5) der Vision vom neuen Jerusalern. der Stadt aus dem Himmel. zu. Hauptthema dieses letzten Abschnines ist die Wirkung dieses Ones der Nähe auf die Menschen. die darin wohnen werden. 8.5. J Lebenswasser und Lebensho/z
Der Engel zeigt Johannes neue Elemente. in denen sich die Nähe Gones zu den Menschen als Zuwendung konkretisien. Nach 22.1 zeigt der Deuteengel einen fluss von Lebenswasser. Dieser Strom. der vom Thron Gones und des Lammes ausgeht. trägt selber ein typisches Merkmal der Stadt. denn er ist leuchtend wie Kristall. Mit dem Bild des Lebenswassers wird in dieser abschliessenden Perikope der ganzen Visionenreihe das Versprechen der Quelle in 7.17 und 21.6 realisien und gesteigen: Nicht eine Quelle erwartet die Bewohner der neuen Stadt. sondern ein wie Kristall leuchtender Fluss. In 22.2 wird Johannes ein Holz. ein Baurn66 in der Mine zwischen dem Fluss und der Strasse gezeigt.61 Dieser Baum bringt zweierlei Produkte hervor: einer., S. Offb 9.13.17 .
•• Ta euXov ''''~> kommt in LXX in Gen 2.9 als Bezeichnung des Baums des Lebens vor. Wir fassen diesen Ausdruck als Metonymie. nicht als Kollektiv auf. Dazu s.. Delebecque. RThom 88. 126. • 7 Es ist äusserst schwierig. V.2a wiederzugeben. Ein Vergleich zwiscben einigen Überset· zungen zeigt die Unsicherheit in der Wiedergabe: _Inmillen der Strasse und des Ausses. hier und da, war Lebensbaum ...• (Kraft. Off_nlHirung 274); «
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seils Früchte während des ganzen Jahres, andererseits Blätter zur Heilung der Nationen. Der Baum ist QueUe von Nahrung und Fürsorge. Die kranken und hungrigen Treuen werden in der Stadt passende Zuwendung finden. Das Holz des Lebens erfiillt das Versprechen an die Gemeinde in Ephesus: Dem Siegenden werde ich vom Holz des Lebens zu essen geben, das sich im Paradies Gottes befindet. Die Para1lele mit 2,1 ist aus verschiedenen Gründen aufschlussreich. Einerseils erlaubt sie eine explizite Identifikation der Stadt. die aus dem Himmel herabsteigt. mit dem Paradies Gottes. Andererseits macht das Sendschreiben nach Ephesus klar. für wen der Baum vorbereitet wurde. Obwohl der Gemeinde vorgeworfen wird, ihre erste Liebe verlassen zu haben. wird sie für ihre Ausdauer. ihre Geduld und ihr Engagement gelobt: Ich kenne deine Werke und deine Mühe und Ausharren und (ich weiss) dass du die Bösen nicht ertragen kannst und diejenigen auf die Probe gestellt hast, welche sich Apostel nennen und es nicht sind. und sie als Lügner erkannst hast. Du hast Ausdauer und hast ertragen wegen meines Namens und du bist nicht müde. (2,21) Die Treuen Gottes und des Lammes konunen in die neue Stadt aus einer gespannten Situation: Ausdauer. Ertragen. Mühe kennzeichnen das Leben der Menschen. denen die neue Stadt samt ihrem Baum versprochen wird. Wasser. Nahrung und Heilung sollen die Erfahrungen des Mangels. der Verletzung und des Todes überwinden. Diese Elemente der ZUwendung Gottes zu seinen leidenden Treuen erweitern das Bild von Jerusalern: Diese wunderbare Stadt ist nicht bloss ein künftiger Ort stillen Meditierens und Daseins. sondern ein Raum. in dem der Trost und die zarte Zuwendung Gottes zu seinen erschöpften Treuen konkret wird.
8.5.2 Transparente Unmittelbarkeit Die Zuwendung Gottes. der das Lebenswasser und den Baum mit seinen Früchten und therapeutischen Blättern in der Stadt eingerichtet hat. wird durch die dritte Wiederholung des gleichen 1bemas in V.3 bekräftigt: allem Verfluchten68 steht die Stadt nicht offen. Die neue Beziehung zwischen Gott und den sich erholenden Treuen wird nicht mehr vom ständigen, belastenden Kampf gegen die .B Dazu s. Prigenl, Apocalyp.. 346: .Le mol peUI aussi bien dbigner I'acle de la maI~ diction que san obje~ la personne ou la chose maudite. Quai qu'il en soil du sens de Zach 14.11, on accordera que dans nolre lexte, qui se ri~n: si constammenl au ~me du paradis, Ie mol doil viser Gen 3,16-22, c'esl·a-<Üre les sentences prononcUs conlre le couple ~heur el surtoUl la meslU'e d'cxclusion. le bannissement du paradis •.
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vernichtenden Kräfte gestört sein. Die Knechte Gottes werden ihm in der schönen, heilsamen Kulisse der Stadt dienen. Die Unmittelbarkeit der Beziehung wird in V.4 auf zwei verschiedene Weisen ausgedrückt. Die Bewohner der Stadt aus dem Hinunel werden das Angesicht Gottes sehen. Ein Vergleich dieser Szene mit der Vision in Offb 13,1-10 verleiht dieser Aussage einen stark polemischen Charakter: Die Anbeter Gottes und des Lanunes werden das Gesicht der Macht sehen, die sie verehren; dies steht ganz im Gegensatz zu den Anbetern des Tieres, weIche dieses von hinten her bestaunen. 69 Der Anbetung der Menschen entspricht eine Bewegung der gepriesenen Macht zu ihnen: Sie werden den Namen des Lammes auf ihren Stirnen tragen. Das Motiv des Namens kommt im ganzen Buch mehrfach mit verschiedenen Bedeutungen vor, am häufigsten in den sieben Briefen an die kleinasiatischen Gemeinden. 1o Beispielsweise wird in 3,12 den Christen in Philadephia versprochen: Der Siegende, den werde ich zur Säule im Tempel meines Gottes machen. und er wird nicht mehr hinausgehen und ich werde auf ihn den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem. das aus dem Himmel von Gott herabsteigt, und meinen neuen Namen. In 22,4 wird dieses Versprechen erfiillt: Den Treuen. die sich nun in der neuen Stadt befinden, steht der Name bereits auf der Stirn geschrieben. 11 Der Name auf der Stirn bringt bildhaft die Wechselseitigkeit der Beziehung zwischen Gott und seinem Lamm und den Menschen zum Ausdruck. Der Name bezeugt die Anerkennung der Treue, die in der Offb oft als Festhalten am Namen des Lammes umschrieben wird. 12 Das Versprechen des Namens verschärft die in der vorangehenden Aussage enthaltene Polemik. Die Bewohner der himmlischen Stadt tragen auf ihrer Stirn den Namen Gottes und leben in transparenter Nähe zu ihm. Sie dienen ihm, sehen sein Angesicht in der Stadt, die er ihnen geschickt hat, mit Lebenswasser und -nahrung und heilenden Blättern. Der Name auf den Stirnen der Bewohner erscheint daher als Zeichen von Lebendigkeit und Zuwendung. Die Namen der vernichtenden Kräfte und ihrer Bewunderer hingegen kündigen keine zarte Beziehung an, sondern Untergang und Tod. 1J Dennoch, wer sich am Handelsleben beteiligen will, bedarf des Namens des Tieres. nicht Gottes oder seines Lammes:
•• Vgl. s. II 6.3. 70 "O"o~a kommt insgesamt 38mal in der Offenbarung vor. 11 Der Vergleich zwischen Offb 22,4 und 3.12 erscheint als noch brisanter. wenn man den gesamlen Kurzbrief an Philadelphia herücksichtigt. In 3.7f steht eine offene Tür. die niemand abschliessen kann, im Vordergrund. Zur Tür und ihrer Symbolik s. 11 2.2. 12 S. Offb 2,3.13; 3,8. Zu dieser Thematik s. auch 14.1. 13 S. 11 5.2.4; 11 6.3; 11 7.2.1.
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Und (das zweite Tier) bewirkt. dass alle. die Kleinen und die Grossen. die Reichen und die Annen. die Freien und die Sklaven. ein Zeichen auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn bekommen. damit niemand kaufen oder verkaufen kann. ausser er hat das Zeichen. den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens (13.160. Die Christen. welche am Namen des Lanunes festgehalten haben. trugen das falsche Zeichen. um zum (Handels-)Leben der kleinasiatischen Städte zugelassen zu werden. Diesen Leuten wird nun der richtige Name als Zeichen einer gegenseitigen Beziehung in der wundeibar ausgestatteten Stadt versprochen. In 22.5 kehrt das Thema des Lichtes und der Herrlichkeit als letzte Zusammenfassung der Vision wieder. Die neue Dimension ist geprägt von Licht. Klarheit und von Gott eröffneter Herrlichkeit. In diesen Raum wird nun das Versprechen des Reiches abschliessend eingefUhrt: Die Treuen, die Bewohner Jerusalems, diejenigen, die auf den Bund mit dem Tier verzichtet haben, werden in alle Ewigkeit in der neuen Stadt herrschen. Damit wird das neue Lied in Offb 5,9f aufgenommen. wo das Auftreten des Lanunes gepriesen wurde. Die Vision der himmlischen Stadt wird mit der hoffnungsvollen Erinnerung an die befreiende Tätigkeit des Lanunes verbunden, die Stadt wird mit dem Reich identifIZiert. in dem Gott und das Lamm mit den Menschen herrschen werden, die auf ihrer Seite ausharren. Dieses Reich ist durch Nähe. Zuwendung, Licht und Herrlichkeit gekennzeichnet: Es ist der Ort der ungestörten. den vernichtenden Mächten unerreichbaren Lebendigkeit. Exkurs V: Altes und Neues in der Beschreibung von Jerusalem In der Beschreibung der Stadt, die der Engel Johannes zeigt, scheinen viele traditionelle Züge und berühmte alttestamentliche Passagen durch. Im Rahmen dieser Untersuchung wird es nicht möglich sein, alle Texte und Motive zu nennen, welche möglicherweise bei der Entstehung der letzten Vision des Johannes eine Rolle gespielt haben. 74 Nur wenige zentrale Linien sollen hier aufgezeichnet werden. Der Engel stellt Johannes die Stadt als Braut dar. Dieses Motiv spielt eine wichtige Rolle im Jesajabuch. Jes 49,18; 61,10 und 62.5 enthalten das Bild der Braut in Veibindung mit Jerusalem. Das jesajanische Bild der Stadt-Braut wird unmittelbar mit Ez 40 veibunden. Der Standpunkt des Sehers und seines Begleiters. von dem aus sie die herabsteigende Stadt betrachten, geht nämlich sehr wahrscheinlich auf Ez 40,2 zurück: danach wird Ezechiel von der Hand Gottes auf einen hohen Berg gebracht. auf dem eine Stadt gebaut ist. Dahinter steht die ,. Für eine detailliene Untersuchung des molivgeschichtlichen Hintergrundes von Offb 2122,5 s. Deutsch, 'lNW 78, 106-126; Du Rand. Neote.!. 22. 65-86; Fekkes, JBL 109.269287; Ders .• /saiah and Proph"ic Traditions 226-287. Steck. ZThK 86. 261-281.
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verbreitete Vorstellung des Berges als eines ünes der Verbindung zwischen Hinunel und Erde; gerade an dieser Nahtstelle, im Zentrum des Kosmos, steht die Stadt Gottes. 1S Nach Offb 21,9f ist jedoch der Berg nicht der Ort, wo die Stadt gebaut ist, sondern der angemessene Blickwinkel, aus dem Johannes die herabsteigende Stadt sehen und beschreiben kann. Das Thema der Herrlichkei/ Gottes in seiner Stadt, welche die Beschreibung der Ausstattung der Stadt eröffnet, hat ebenfalls eine lange Tradition, welche von Jesaja ausgeht'6 und bis zujUngeren Texten11 gut verfolgt werden kann. Zur Beschreibung des wunderbaren Aufbaus Jerusalems greift Johannes wiederum auf Ezechiel zurück. Aus Ez 40--48 stammen die Motive der Tore'B, der Mauer19 und des Messens 80. Listen von Edels/einen, die sich mit Offb 21,I8ff vergleichen lassen liegen in Ez 28,12-14 und Ex 28,17-30 vor. 1m ersten Text wird der König von Tyrus in seiner ehemaligen Pracht beschrieben. In Eden, dem Ganen Gottes, war er mit Edelsteinen bedeckt: Karneol, Topas und Jaspis, Chrysolith, Soham und Onyx, Saphir, Rubin und Smaragd und viel Gold. 1m zweiten Text wird die Brusttasche, die auf dem Ephod getragen wird, beschrieben. Sie besteht aus kostbarsten Stoffen, wie etwa verschiedenen Purpurstoffen und Byssus-Leinen. Die Brusttasche ist viereckig und mit Edelsteinen versehen, die in vier Reihen von je vier Stücken geordnet werden. Die Beschreibung der Grundsteine der neuen Stadt in Offb 21 scheint Elemente aus beiden Texten zu enthalten: aus Ez 28 könnte die Verbindung der Edelsteine mit dem Ganen Gones und einer Stadt stammen, während die Brusttasche möglicherweise als Vorlage für die quadratische Fonn Jerusalems und die Assoziation der Steine mit den Namen wichtiger Gestalten (in Ex die Stämme Israels, in Offb die Apostel des Lammes) diente. BI Nicht auszuschliessen ist darüber hinaus eine Verbindung zu Jes 54,12-14, wo Jerusalern, der traurigen Stadt-Frau, ein Wiederaufbau mit allerlei Edelsteinen versprochen 7> Bauckham, n.%gy J3J. ,. S. z.B. Je. 40.5; 60.1; 62.2 " S. Bar 6,12. " S. Ez 48.30-35. Die Reihenfolge der Tore nach den Windrichtungen ist in Ez 48.300 und in Oflb 21.l2f verschieden. S. Prigent, Apocalyp.. 337. Zur Verbindung der Ton: mit dcn zwölf Engeln vgl. Jes 62,6a. Dazu s. Fekkes, Isaiah anti Proph"ic Trodi/iollS 264. 79 40,5; 41,5 e 43,30-35 . • 0 Dieses 1bema kommt wiederholt in der gesamten Komposition in Ez 40--48 vor. Vgl. auch Sach 2,1. 1I Reader, JBL 100,433-457 betont, dass die Edelsteinliste in der Apokalypse mit keiner anderen übereinstimmt: .This invcstigation oftbc history oftbc uadition oftbc twelve prcciuos stones and of tbc modem 8ßCmpIS at interprcting tbcm has yieldcd a largely negative result. 1be enumeration of tbc stones in tbc Johannine Apocalypse does not comspond to any IrnOWD list of stones in late Judaism, neitbcr to. Hebrcw, nor. Grcck. nor Aramaic lisl. ( ... ) Every inter· pretation built on any such bases is problematical or futile. We must concludc that tbc secr .at not bury some abstruse sec..t in tbc stone. list which tbc rcadcr today should now tJy to u.... vel. (455).
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wird. 82 Mit der Feststellung. dass in der neuen Stadt kein Tempel vorhanden ist. distanziert sich Johannes allerdings von den Vorlagen. die ilun zur Skizzierung der Elemente der Stadt gedient haben. 8) Auch der jüdischen Literatur. die der Offenbarung zeitlich näher steht. ist die Vorstellung der eschatologischen Stadt ohne Tempel fremd.l4 In der Fortsetzung der Beschreibung Jerusalems bedient sich der Verfasser weiterhin prophetischer Texte. Die Herrlichkeit Gones und des Lammes ersetzen in der Stadt die Sonne und den Mond. Eine vergleichbare Vorstellung liegt in Jes 60.1-2.19 vor. Auch das in Offb 21.24 vorkommende Motiv stammt aus derselben Quelle: Jes 60.3 beschreibt den Zug der Völker und Könige durch das Licht des Herrn. Das Thema der Offenheit aus Jes 10.11 wird in 21.25f aufgenommen. 85 Die Ausgeschlossenen aus Jerusa1em sind nach Jes 52.1 der Unbeschninene und der Unreine. während der Zugang zum Heiligtum nach Ez 44.9 den Fremden untersagt wird. Das Motiv des flusses und des Baumes in Offb 22.1 f verleihen der Stadtvision paradiesische Züge. Dahinter stehen vermutlich Texte wie Gen 2.9-10; Sach 14.8 und Ez 47.1-12. 86 Diese auflistende Übersicht zu möglichen Inspirationsquellen aus dem Alten Testament vermag sicher nicht die motivgeschichtliche Fragestellung in bezug auf Oflb 21.1-22.5 zu erschöpfen. 87 Sie genügt jedoch. um zu zeigen. wie der Verfasser alte Motive aus der ilun vorliegenden Tradition aufnimmt und neu zusammenstellt. Angesichts dieser Fülle von Anspielungen entsteht die legitime Frage. inwiefern die neue Stadt aus dem Himmel eine Neuheit darstellt und sich inhaltlich von ihren Inspirationsquellen unterscheidet. Dazu kann man folgendes festhalten: Indem der Verfasser bekannte Elemente und Motive vorwiegend aus prophetischen Aussagen über Jerusalern neu zusammenstellt. verbindet er jüdisches Gedankengut mit der jesuanischen Botschaft. Diese Absicht wird beispielsweise durch das Zusammenfügen der Namen der zwölf Stämme und der zwölf Apostel zum Ausdruck gebracht. Meiner Meinung nach lässt sich dies an einigen Linien. welche das GrundgerOst der gesamten Vision bilden. festhalten. Zudem werden verschiedene Motive und Themen aus der alnestamentlichen Tradition zusammengeführt: Elemente aus der Rekonstruktion des historischen Jerusalern. Motive aus der Vorstellung der messianischen. künftigen Stadt. tragende Motive aus der Paradieserzählung usw. konvergieren in einer einzigen. in sich kohärenten Vision und bekommen eine vollkommene. abgerundete Gestalt. 81
Dazu vgl. noch StracklBilierbeck 1II. 85tfund Fekkes. IBL 109 274-28\.
.3 In Ez 40ff ,teht die Vision des künftigen Tempels im Vordergrund . •• Dazu Prigent. Apocalypu 342 und StrackIBillerbeck 1II 852.f. • , Einen sehr sorgfältigen Vergleich zwischen Oftb 21 und den entsprechenden Stellen aus Je, 60 findet man bei Fekkes. I,aiah and PropMtic TroditiOfU 265ff. .. S. Deutsch. ZNW 78.116-118. Dazu Vgl. 10014.18; Ps 46.5 und 36.\0. " Es wäre aufschlussreich. einen genauen Vergleich zwischen den Texten auszuftihren wxI vor allem die Entwicklung der Motive im Laufe der Jahrhunderte bis Z\U Zeit der Entstehung cbApokalypse zu verfolgen.
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Dieser Vision wird somit der Charakter von Ziel und Endpunkt einer langen Geschichte verliehen. Die erwartete neue Dimension der Nähe und Zuwendung Golles zu den Menschen wird als herabsteigend dargestellt. Sie befindet sich nicht mehr als messianische Grösse im Hinunel. sondern sie steigt auf die Erde herab; sie manifestiert sich dort. wo die leidenden Christen nun leben und leiden." Der Abstieg der Stadt und ihre Vollendung auf der Erde werden von der Abwesenheit eines Tempels verstärkt. Die Stadt aus dem Hinunel wird zu einem Ort der unmittelbaren Begegnung Gottes und seines Lammes mit den Menschen. Diese Nähe ereignet sich somit in einer Dimension. welche die Trennung zwischen Profanem und Sakralem nicht mehr kennt. Die Vision einer externen Grösse auf der Erde. in der die Beziehung Goues und Jesu Christi zu den Menschen anders gedacht wird. scheint nicht mehr in einer rein künftigen. geschichtlichen Zeit angesiedelt zu sein. AJs bereits gesehene. Johannes und seinen Adressaten gezeigte Grösse gehört Jerusalern bereits zur Vergangenheit: Die Christen kennen diese Stadt nun. denn sie wurde ihnen ausführlich beschrieben. Sie wissen. dass sie existiert. dass sie in ihr aufgenommen werden. Trotzdem bleibt dieses Bild der Stadt erwas Visionäres; sie ist nicht greifbar. sie gehört einer noch nicht realisierten Zeitdimension an. Das Wissen um die Stadt aus dem Hinunel wirkt jedoch sehr stark in der Gegenwart. Die Stärke der Stadt ist zumal in ihrer tröstenden Wirkung spürbar. Die Stadt gibt es. die Nähe Golles und des Lammes. ihre Zuwendung sind bereits erfahrbar. Die Stadt stellt die Sicherheit dar. dass Glaube. Zuversicht und Treue die gegenseitige Beziehung zwischen Menschen und GOIt kennzeichnet. Die neue Dimension aus dem Hinunel macht klar. dass das Leben stärker ist als Zerstörung. Vernichtung und Tod; dass Treue und Engagement mehr sind als Lüge. Betrug und Mord. Die Stadt schafft eine neue Klarheit; mit ihrem Glanz und ihrem Licht stellt sie Babyion und ihre perverse und zugrunderichtende Anziehungskraft in den Schallen. Somit wird der Trost zur Einladung. sich fur GOII. das Lamm und die Stadt zu engagieren. So entsteht eine Verbindung zwischen der Weil der Visionen und der Geschichte ihrer Adressaten. Die Stadt. die zu einer noch nicht greifbaren Dimension gebört. besteht bereits auf der Erde im Glauben. dass das Leben und seine Kraft den vernichtenden Mächten überlegen sind.
8.6 Zusammenfassung Die Schilderungen einer neuen Welt und der neuen Stadt aus dem Hinunel bilden einen dichten Abschluss des Visionenzyklus der Apokalypse. In den verschiedenen Teilen von Offb 21.1-22.5 werden viele Themen aus der gesamten Offen-
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Dazu England. JourTheolSAfric 79. SI.
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barung aufgenommen und vertieft. mehnnals auch variiert aufgenommen. Abschliessend sollen diese thematischen Linien hervorgehoben werden. Offb 21.1-22,5 bringt die Kategorie des Neuen zur Geltung. Die neue Stadt wird in einer neuen Welt situiert. Das Neue steht nicht im Gegensatz zum Alten. sondern zum Ersten: mit dieser Gegenüberstellung wird der Bruch zwischen der vergangenen und der neuen Dimension geschwächt. Der neue Kosmos enthält nämlich noch die zentralen Elemente des alten. denn er besteht immer noch aus einem Himmel und einer Erde. Die Abwesenheit des Meeres bezeugt jedoch die Aufhebung des Chaotischen und Zerstörerischen. In diesem Sinne stellt die neue Welt eine qualitative Verbesserung des ersten dar. Auch die AufnaJune der Stadt. des Zentrums menschlicher Kultur und Tätigkeit in die neue Welt verleiht der qualitativ neuen Dimension grosse Nähe zum Bisherigen. zur Welt. in der die Adressaten der Johannesapokalypse leben und leiden. Das Neue. von dem hier die Rede ist. stellt keine unbekannte Grösse dar. sondern einen von Ambiguität und Vemichtung befreiten Lebensraum. der als solcher auf der Erde noch nicht vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund wird das Beharren auf dem Thema des Ausschlusses deutlich. In der neuen Welt werden Zerstörung. Vernichtung und Tod nicht mehr zugelassen. Alle Situationen. Handlungen. Verhaltensweisen und Menschen. die mit Tod. Ambiguität und Leiden zu tun haben. sind aus der neuen Stadt ausgeschlossen. So führt das Beharren auf der Seite des Todes unerbittlich zum See von Feuer und Schwefel. zum endgültigen Tod hin. Auch die Folgen dieses Beharrens. Trauer. Geschrei. und Mühe. gibt es nicht mehr. Ausgeschlossen ist auch der Tempel. der die Trennung zwischen sakralem und profanem Bereich bewirkt und bestätigt; an seiner Stelle wird eine Beziehung zwischen Gott und den Menschen realisiert. welche auf Unmittelbarkeit und Transparenz beruht. Finsternis und Dunkelheit sind nicht mehr vorhanden. denn so wie das Meer sind auch der Mond und die Nacht in der neuen Welt abwesend. Die Herrlichkeit Gottes spendet das notwendige Licht. und deshalb scheint auch die Sonne nicht mehr. Die neue Stadt. die von jeder Ambiguität befreit wurde. ist für ausgewählte Menschen bestimmt: Die Stadt wird von den Siegern geerbt. von allen. deren Name im Buch des Lammes geschrieben steht. Die Stadt wird als Wohnung Gottes bei den Menschen dargestellt. mit den Königen der Erde. mit den Nationen: In Offb 21.1-22.5 wird eine universale Sicht der Einwohner der Stadt vertreten. Alle werden in die Stadt aufgenommen. sofern sie nicht Handlungen ausführen. die mit dem Leben unvereinbar sind. Am häufigsten wird die Stadt als Ort der Nähe Gones zu den Menschen dargestellt. Diese Nähe wird unter mehreren Gesichtspunkten beschrieben. Die Bewegung der Stadt vom Himmel zur Erde stellt die Nähe der göttlichen Dimension zum menschlichen Lebensraum plastisch dar. Die Stadt wird als gemeinsame Wohnung Gottes. des Lammes und der Menschen angekündigt. Die Aufhebung des Tempels ermöglicht eine Nähe. die keine Trennung kennt. die Menschen
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sehen in der Stadt Gon vOn Angesicht zu Angesicht. Schliesslich wird die neue Beziehung zwischen Gon und den Menschen mit dem Bild des Vater-Sohn-Verhältnisses ausgedrückt. Diese Metapher aus der semantischen Sphäre der Familie charakterisiert die nahe Beziehung: Es geht um die liebevolle, zarte Zuwendung eines Menschen zum eigenen Kind. In der Stadt aus dem Himmel wird die Zuwendung in einer Geste des Trostes realisiert - Gon wischt die Tränen vOn den Augen der leidenden Menschen - , oder in der Heilung mit den Blättern des Lebensbaumes. Die neue Welt und die Stadt selbst so wie das Lebenswasser und die Früchte aus dem Lebensbaum sind Ausdrücke der Sorge Gones um die Menschen: Er stellt den Menschen in der Stadt alles zur Verfügung, was Leben und Heil ermöglicht. Das Geben GoUes geschieht umsonst; es geht um die bedingungslose Sorge des Vaters für das Kind. Die Gabe Gottes, die Stadt mit ihrer Vielfalt und ihrem Reichtum, ist ausserordentlich, übersteigt jede Vorstellung. Die Stadt ist eine für ihren Mann geschmückte BraUl, sie ist ein Gebäude, das aus kostbarsten Materialien besteht. Die Ausstattung der Stadt, die Herrlichkeit Gottes und des Lammes, die Pracht vOn Völkern und Königen, die in ihr wohnen, verleihen Jerusalem einen unübertrefflichen Glanz. Diese Atmosphäre vOn Transparenz, Licht, Herrlichkeit prägt die gesamte Vision der neuen Welt mit dem neuen Jerusa1em. Die Stadt, die Johannes auf dem Berg in einer Vision erlebt, gehört als Versprechen in eine künftige Zeit. Als erzählte Vision ist sie jedoch den Adressaten der Apokalypse bereits bekannt. Die Vorstellung der Stadt aus dem Himmel wird somit zur zukünftigen Dimension, die bereits in der Gegenwart erfahren werden kann. Aus dieser zeitlichen Spannung entspringen sowohl Trost und Zuversicht als auch eine Herausforderung, weiterhin auf der Seite des liebenden GoUes standzuhalten. Jerusa1em ist ein Traum einer künftigen Stadt des Lebens, die in die Gegenwart der Christen in Kleinasien eindringt, die in ihren realen Städten begegnet. Die Vision der himmlischen Stadt verschafft Klarheit innerhalb der irdischen Städte; Jerusa1em dient als Kriterium für LebensenISCheidungen in einem städtischen, historischen Raum, der vOn einer schwierigen Mischung vOn Leben und Tod, Liebe und Vemichtung geprägt ist. Die Vision der künftigen Stadt weist eine Richtung innerhalb vOn Undurchsichtigkeit, Unklarheit, Verwirrung und Täuschung.
Ergebnis
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9 Ergebnis In diesem ersten Teil der Untersuchung standen die einzelnen Visionen als abgeschlossene Sinneinheiten. als in sich sinntragende Bilder im Zentrum. Mit einigen rückblickenden Erwägungen soll nun dieser Umgang mit den ausgewählten Visionen begründet und vertieft werden. 9.1 Herkunft und Verwendung der Motive Wie in der Offenbarung insgesamt fallen auch bei den ausgewählten Texten die zahlreichen Anlehnungen an die alttestamentlich-jüdische Tradition auf: einzelne Motive aus verschiedenen Vorlagen werden in den Visionen zusanunengestellt; ab und zu scheinen ganze aus der Tradition bekannte Szenen das Grundgerüst einer Vision gebildet zu haben.' Die allermeisten Anspielungen beziehen sich auf das Alte Testament. 2 Die prophetischen Bücher spielen diesbezüglich eine hervorragende Rolle.) Auch die Pentateuchbücher. vor allem Genesis und Exodus. werden oft einbezogen; zahlreich sind darüberhinaus die Berührungen mit einzelnen Versen aus den Psalmen. 4 Seltener sind hingegen Anspielungen auf die weisheitliche Literatur. Alttestamentliche Motive und Vorstellungen prägen die Sprache. die Imagination und die Vorstellungen der Apokalypse: sie verleihen dieser neutestamentlichen Schrift einen Charakter von Vertrautheit und Verbundenheit mit der Tradition. s
I Dieses Vorgehen lässt sich beispielhaft in Oflb 4 erkennen, wo verschiedene Motive aus den wichtigsten alttestamentlichen Gonesvisionen in einer neuen Vision zusammengefügt
werden. , Die AnlJlhl der Wiederaufnahmen aus dem AT in der Apokalypse hat Vanni in einer Synopse (Apoca/isst. Antico T,,_nto) veranschaulicht. 3 Zur Verwendung der prophetischen Tradition in der Johannesapokalypse s. Felles, ISDiah and Proph.tic TmtJjtions. Im ersten Teil des Buches (22-101) wird die Beziehung der Offenba-
rung zum gesamten Alten Testament untersucht, während im zweiten Teil die Einflüsse aus dem Jesaja-Buch im Mittelpunkt stehen. Zur Verwendung von Ezechiel s. Ruiz, Euki.1 in th. Apocalypst, und für die Beziehungen zu Danie\ s. Beale, TM Ust 01 Dani.l. • S. dazu Michaels,ln"rpr"ing 108 und die oben erwähnte Synopse von Vanni. , S. Giesen, Symbol. and mythisch. Aussag.n 216: «1ohannes benutzt in seinem Buch Bilder, die ihm und seinen Adressaten aus der ÜberliefeNng vertraut sind •. Anspielungen und Aufnahmen aus dem AT entsprechen weder dem MT noch der griechischen LXX-Übersetzung. Die Frage, ob der Verfasser selber frei aus dem Hebräischen übcrsew, aus dem Gedächtnis zilien oder eine andere Vorlage des AT vor sich haue, ist in der Forschung noch nicht eindeutig bc-
188
Ausgewählte Visionen
In der Analyse der ausgewählten Visionen wurden nur die offensichtlichen Anspielungen auf alnestamentliche Vorlagen hervorgehoben. Beim Versuch. diese Berührungen genau zu identifizieren. wird man mit folgenden methodischen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Motive werden meistens punktuell und losgelöst von ihrem ursprünglichen literarischen Kontext in die Visionen eingebaut;6 dadurch erweist sich die retrospektive Rückführung eines losen Motives zum passenden Text im AT als heikel. denn diese Motive selber haben im allgemeinen eine vielgestaltige Entwicklung innerhalb des Alten Testamentes und der jüdischen Literatur durchgemacht. Die Rekonstruktion der Herkunft bestimmter Motive versteht sich deshalb eher als ein Versuch. die möglichen Quellen aufzuzeigen. um die genannte Nähe der Visionen des Johannes zur jüdischen Tradition besser zu illustrieren. Auch die eindeutige Identifikation bestimmter Motive mit festen Inhalten ist problematisch. da Vorstellungen. Ausdrücke und Wortkonstellationen dynamisch auf die jeweiligen literarischen Kontexte. in denen sie vorkommen. einwirken. Dieses Phänomen ist auch in der Offenbarung selbst feststellbar: Einzelne Motive aus verschiedenen literarischen Umfeldem werden in eine Vision einbezogen und verbunden. um eine neue Botschaft auszudriicken. 7 Die Herkunft und die Geschichte der punktuell aufgenommenen Motive kann durchaus eine mehr oder weniger vordergründige Rolle spielen. muss aber nicht unbedingt genau das besagen. was sie in anderen literarischen Kontexten zur Sprache bringt. 8 Aus diesem Grund wurde der Untersuchung der Motive aus dem Alten Testament innerhalb dieser Arbeit keine zentrale Rolle zugewiesen: die Erwähnungen möglicher Inspirationsquellen und die verschiedenen Exkurse dienen dazu. die Nähe der Sprache der Johannesoffenbarung zum Alten Testament zu belegen und zu illustrieren. Die Sprache der Visionen erscheint als eine Collage verschiedener Materialien. Der ~Patchwork»-Charakter der Sprache der Offenbarung wird durch die Anspielungen auch auf Quellen ausserhalb des Alten Testaments verstärkt. An mehreren Stellen wurden Parallelen zu Schriften aus dem Frühjudenrum festgestellt. Der Vergleich mit diesen Vorlagen lässt jedoch zusätzlich zu den oben erwähnten anlwonel. Einen zusammenfassenden Überblick über ve""hiodene Anlwonen auf dieses Pr0blem liegl bei Mazzaferri. Tht Ge." 42-47 vor. • S. dazu McComiskey. JETS 36. 307: .One of tbe stribng fealures of the book of Revelalion is i15 adapwion of OT imagery 10 i15 Chrislocentric proclamation. We frequen~y find in ils pages imagery bauntingly familiar 10 us from tbe OT bUI differenl in form or application from i15 OT selting». 7 Dazu Halver. My/ho. IS: .Vielmehr tauchler seinen Pinsel tief in die Palene der at.lichen Botschaft und entnimmI die Farben. um ein völlig neues Bild zu enlwerfen». • Dazu PrisenI. Apocalypse 368: .En fail. ce qui rend loule conclusion aI~81oire esl la mani~rc lJts particuli~rc donl notre auteur se n!Rrc lI'AT: il reprcnd les anciennes prop~ties. mais
ne les eile jamais. En revanche illcs combine, les compl~te ct les modifie avec une souveraine liben~».
Ergebnis
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methodischen Schwierigkeiten andere Fragen entstehen: Die unsicheren Datierungen zahlreicher dieser Schriften erschweren die Gegenüberstellung. Dennoch ist die starke Parallelität vor allem in den Fonnulierungen und in gewissen Vorstellungen unbestreitbar. 9 Auf einer noch etwas anderen Ebene liegen die Bezüge auf altorientalische Mythen. Die Verwendung mythischer Darstellungen verleiht einigen der altorientalischen Motive in der Apokalypse einen zwiespältigen Charakter und lässt die Möglichkeit von Polemik gegen vergleichbare römische Mythen offen. Die Kanäle. auf welchen solche Vorstellungen in die Zeit des Johannes gelangt sind. sollten gründlich untersucht werden. Im RaJunen dieser Arbeit war es nicht möglich. die Geschichte umfassend zu untersuchen. die von den uralten Mythen her zuführten. Auch hier wurde nur auf die mögliche Herkunft einiger Motive aus altorientalischen Darstellungen hingewiesen. 10 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde die Beschäftigung mit den vielfaItigen Motiven eher auf ihre Bedeutung und Eigenart innerhalb der Vision ausgerichtet als auf die Rekonstruktion ihrer Geschichte. ohne jedoch die Beziehung einzelner Motive zur vorangehenden Tradition prinzipiell auszublenden. Die Untersuchung einiger Motive und Vorstellungen wurde nämlich nicht als möglichst vollständige Auflistung aller denkbaren Herkunftsone verstanden. sondern als Wahmehmung der Auseinandersetzung des Verfassers mit der ihm vorliegenden Tradition. Dem vielfaItigen Material aus verschiedenen Traditionen und Epochen entnahm der Seher mit grosser Freiheit einzelne Motive aus disparaten literarischen Zusanunenhängen. um eine neue. ganz an der christlichen Botschaft orientiene Komposition für die sieben Gemeinden in K1einasien zu verfassen. Die Verwendung zahlreicher vorliegender Motive benet die Apokalypse in die jüdische Tradition ein. Gleichzeitig aber werden Brüche und Unterschiede zu den Vorlagen durch die neue Zusanunenstellung und die Gestaltung des Bekannten hervorgehoben. In den Visionen der Offenbarung lässt sich in aller Deutlichkeit die Absicht erkennen. neue Bilder und Inhalte in einer damals bekannten Sprache zu fonnulieren.
• J.J. Collins, CBQ 39, 329-343 beschreibet Parallelitäten zwischen der JohannesapokaIypse und einigen jüdischen apokalyptischen Schriften. Dabei betont er die Ähnlichkeiten sowohl in der Form als auch im Inhalt der verschiedenen Offenbarungen. Für weitere Untersuchungen über die Themen und die Datierung der jüdischen apokalyptischen Schriften s. 1.1. eollins, The Jewish Apokalypses 21-49. Der Beitrag ist mit einer besonders ausführlichen Bibliographie versehen. Maueferri, The Gender 49 relativien den Einnuss der apokalyptischen Prnduktion auf die Offenbarung: dohn does not hesilate to dip into the apoca1yptic pool for ><>me of his sourees. But the fact must not be exaggerated. Apocalyptic is by no means his major resource». I 0 In diesem Zusammenhang könnte es sich lohnen, ikonographische Belege solcher mythologischen Darstellungen in der Zeit der Entstehung der Offenbarung zu untersuchen.
190
Ausgewähhe Visionen 9.2 Visionen als komplexe Sprachbilder
Die Vertrautheit der Sprache und die Verbindungen zum Alten Testament und zu den anderen elWähnten Vorlagen vennögen die spezifische Eigenart der Visionen der Offenbarung nicht zu verbergen. Die Motive aus der Johannes bekannten Tradition werden zu visionären Bildern gestaltet.
9.2. J ET60v und die Visionen Beim Versuch. eine mögliche Gliederung der Offenbarung zu beschreiben. wurde zu Beginn unserer Analyse dem Vorkonunen von E160v eine zentrale Bedeutung beigemessen: diese Wendung wurde als Kriterium gewählt. um sinnvolle Einheiten - die einzelnen Visionen - abzugrenzen. Die zunächst formal begrtlndete Wahl stand von vornherein in Verbindung mit ElWägungen inhaltlicher Art: Ausschlaggebend für die Bestimmung von E160v als Abgrenzungsmerkma1 waren die massive VelWendung dieses Verbes in der Offenbarung und seine Schlüsselrolle in der zusammenfassenden Einftlhrung zur gesamten Schrift (Offb 1.1-3)11. Die massgebende Rolle von El60v und der weiteren Begriffe. die zur Sphäre des Sehens gehören. '2 hat sich im Laufe der exemplarischen Untersuchung ausgewählter Perikopen bestätigt. Die 41 malige Wiederholung von El60v zur Einftlhrung einer neuen Szene bringt eine gewisse Regelmässigkeit in das bunte. chaotisch wirkende Visionsgeschehen. aus dem die Offenbarung besteht. Der Beginn mit der gleichen Aoristform bringt Ordnung. bildet ein Raster. an dem die Leser und Leserinnen des Werkes sich immer wieder orientieren können. Die Botschaft wird in kleine. in sich geschlossene und deshalb übersichtliche Szenen unteneilt. mit denen Johannes seinen Adressaten alles mitteilt, was er erlebt hat. Die restlose Wiedergabe des Erlebten ist somit nicht nur in ihrer Ankündigung. sondern auch in ihrer Ausftlhrung tatsächlich eng mit 16Eiv verbunden. 1l Die erste Person El60v bringt inuner wieder den Zuwendungscharakter ins Spiel. der aus der brieflichen Gestaltung des Werkes hervorgeht: Da~. was die Adressaten der Apokalypse dank der NacherzähJung des Johannes erfahren. ist genau das. was der Seher selber erlebt hat. Damit wird die Entfernung zwischen Verfasser und Adressaten ein Stllck weit übelWunden. Darüber hinaus suggerien die häufige VelWendung von Et6ov. dass das Sehen die angemessene Art der Wahrnehmung der beschriebenen Szene ist: Die dargestellten Szenarien. die Beschreibungen der Gestalten und der regen Bewegungen bieten sich als Bilder an. als sprachliche Wiedergabe visueller Wahrnehmungen. Die VelWendung von El60v knüpft selbstverständlich an die Visionen in der alttestamentlichen Prophetie und in weiteren Schilderungen aus dem frühen J u11 Dazu s. 11 1.4. Vgl. auch I 4. 12 Vgl. Delebecque. RThom 88. 160-466. I)
Dazu s. die AusfiihNngen Obe, die Bedeutung von OoG in Offb 1.2 in Anm. 25. 11 2.3.
Ergebnis
191
dentum an. l ' Der Verfasser der Johannesoffenbarung steUt sich als prophetische Gestalt dar. welche mincls der Visionen neue Inhalte offenbart werden. Diese Parallelisierung leitet zu einem bestimmten Zugang zur Bedeutung des Sehens und der Visionen in der Apokalypse an. Die Tatsache. dass der Verfasser zahlreiche Motive vor allem aus der alttestamentlichen prophetischen Tradition aufnimmt. zerlegt und neu zusammensteUt. ohne jedoch die Form grundsätzlich zu verändern 15. lässt erkennen. dass das Sehen sich nicht mehr auf ein echtes visionäres Geschehen bezieht. sondern eine literarische Fiktion ins Leben ruft. Die Wahl der Visionen als Erz.ählelemente verleiht dem Brief an die sieben Gemeinden in Kleinasien einen bestimmten Charakter: die Visionen prägen den Inhalt des Textes auf eine klare Weise und stehen in einer Wechselwirlrung zu ihm,l6 Aussehen und Leistungen der Wechselwirlrung zwischen der Vision als Form und den in Visionen ausgedrückten Inhalten können erst durch einige Präzisierungen erörtet werden. In diesem Sinne sollen nun wichtige Ergebnisse aus der Arbeit an den ausgewählten Texten in bezug auf die Vision als literarische Einheit zusammengetragen werden.
9.2.2 Ein Versuch, das Verständnis von • Vision. zu bestimmen
Alle betrachteten Textabschnitte beginnen somit mit Et60v. Diese Form signalisiert den Anfang einer Szene. in der berichtende Enählungen vorherrschen. Dieser narrative Stil wird bereits vom Aorist Et60v impliziert. der dem Leser das Enählte als abgeschlossenes Geschehen in der Vergangenheit präsentiert. Die Struktur der Vision als eines mit Et60v eingefilhrten Berichts in der Vergangenheit wird lückenlos im ganzen Briefcorpus eingesetzt.
" Beispiele und Parallelen zwischen all. und frühjüdischen Visionen liesen bei Koch, Vom lJjm apo/caJypliscMn Visionsb.richi 444f und Adela Yarbro Collins, Semeia 14, l04fvor. " Koch. ibid. seht der Entwicklung der Vision von der altesuunentlichen Prophetie bis zur Apokalyptik nach. In diesem Prozess entdeckt Koch eine Diskontinuität, die sich vor allem mit der Veränderung des Sitzes im Leben erklären lässt. Diese VeränderunS lässt sich in vier stereotypen Abweichungen erkennen: Die Visionsberichte gewinnen in der Apokalyptik meist an Wichtigkeit: die Betroffenheit des Sehers kommt zum Ausdruck: eine Engelwel! laucht auf: Deutungen werden nötig (428-429). Troll der Diskontinuität, die Koch in seiner Untersuchung einsehend charakterisien. bleibt eine Verbindung in der Grundform der Vision erhalten. Dazu vgl. z.B. Berser, FormgtSchichl. 28Off. Nach Adela Yarbro Collins, Semeia 14, 7or. sieht das Verllältnis der brieflichen Züge zu den Visionen umseke/ut aus: .To detaminc thc literary form of thc book of Revelation as • whole. one must ask what thc dominant litery form is or how all thcse smaller forms ..., integrated into • coherent whole. It has often Ileen noted !hat thc visions of thc book of Revelation are enclosed wilhin an epistolary framework, yet it wuold be an error of misplaced emphasis to say that the book of Revelation is primarily • leller in form. The epistolary form is subordinated to and in thc service of thc book's revelatory character•.
P'Oph~lisch~n
I.
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Ausgewählte Visionen
Diese minimale Bestinunung von Vision als literarischer Einheit in der Johannesoffenbarung scheint jedoch nicht allen Teilen des Corpus gleich gerecht zu werden. Bereits beim Versuch. das Werk zu gliedern. fiel die Abwesenheit von Et60v im zentralen (Offb 11-12) und abschliessenden Teil (Offb 21.9ft) auf. 17 Interessanterweise übernehmen don andere Begriffe der visuellen Wahrnehmung (Wct>9TJ bzw. 1'6EltEV) die RoUe von El6ov. An beiden Orten scheint das aktive Verb in der ersten Person Singular nicht geeignet zu sein. um das Gesehene wiederzugeben. In 11.19 und 12.1.3 werden die Szenen nicht von Johannes «gesehen ... sondern sie «erscheinen .. ihm; diese passive Formulierung hebt das unmittelbare Eingreifen Gottes stark hervor. Auch die Ereignisse nach 21.9 werden nicht mehr von Johannes direkt gesehen. sondern ihm von einem Engel gezeigt. Dem Eintreten des Engels entspricht eine Schilderung der künftigen noch nicht vollendeten Stadt: der Wechsel von Et60v zu l'6EteEV macht darauf aufmerksam. dass der Seher Zugang zu einer Dimension hat. die noch nicht realisien ist. 18 Der Wechsel des Begriffes fllr die visuelle Wahrnehmung in diesen Teilen der Apokalypse vermag die angenommene Definition von Vision nicht ausser Kraft zu setzen. Das Vorkommen von Verben aus der gleichen semantischen Sphäre unterbricht keineswegs den Charakter von Einheiten. in denen Gesehenes nacherzählt wird. Vielmehr weisen diese Veränderungen auf die wechselseitige Dynamik zwischen Form und Inhalt hin.
9.2.3 Komplexität in den Visionen Eine eindeutige Bestimmung der Vision als selbständige Form in der Apokalypse erscheint jedoch als sehr schwierig. sobald man die durch das Vorkommen von Ei60v abgegrenzten Erzählungen näher betrachtet: die Visionen erweisen sich nämlich als heterogene GrÖssen. in denen verschiedenanige Ausdrucksformen vorkommen. Bereits in der kleinen Auswahl von Visionen. die hier in Betracht gezogen wurden. liegen zahlreiche Arten von Texten vor: In OfJb 4.1-11 liegt eine relativ kompakte Vision vor. welche aus zwei deutlich unterscheidbaren Teilen besteht: einer statischen Beschreibung der Elemente und Gestalten (V.I-8a) und einer dynamischen Schilderung der Handlungen. welche die Szene beleben (V.8b--11). In diesem zweiten Teil kommen zwei kurze Hymnen vor. Offb 5.6-/0 besteht aus einer Beschreibung im Erzählstil (V.6--9a) und einem Hymnus (V.9b--1O). In OjJb 7.9-8.1 wechseln sich am Anfang Schilderungen (V.9 bzw. 11) und Aussagen in der direkten Rede (V.1O bzw. 12) ab. Ein kurzer Dialog zwischen dem Seher und einer Gestalt der Vision (V.I3-14a) filhrt eine Deutung des ersten Teiles ein (V.14b--17). Im Schlussvers (8.1) wird der Erzählstil wieder aufgenommen. OjJb 9.1-21 enthält eine homogene Erzählung 17 18
S. dazu 11 1.4. S. 2t.9 und 22.1. Dazu vgl. auch das Vorkommen von 6«~ .. in Offb 17.2.
Ergebnis
193
mit zwei parallel aufgebauten Szenen. Auch Auditionen spielen in dieser Vision eine Rolle (V.\3.l6). Offb 13.1-/0 beginnt mit einem Bericht vom Gesehenen (V.I-8), der dann von einem Weckruf (V.9) und einer direkten Aufforderung an die Adressaten unterbrochen wird. 0fJb 17.3-18 erinnert an den Aufbau von Offb 7,9-8,1. Der Schilderung des Gesehenen in zwei Visionen (V.3-5.6a) folgt ein Dialog zwischen dem Seher und einem Engel (V.6b---7) und anschliessend eine Deutung (V.8-18). Auffallend ist die direkte Aufforderung in V. 9. Zwei Visionen liegen auch in 0fJb 21.1-22.5 vor. Die zweite. längere Schilderung (21.22-22,5) enthält die oben erwähnte Form l6EleH. die den Erzähldulttus im Bericht über das Gesehene mit einem neuen Begriff der Wahrnehmung weiterführt. Die Verben aus der Sphäre des Visuellen gliedern die Vision in drei Abschnitte (V.2-8; 9-27; 22.1-5). Es fällt auf. dass der erste Abschnitt der Vision von Auditionen geprägt ist. Mit den folgenden Kategorien soll versucht werden. die Vielfalt der Formen zu systematisieren. a) Bei aUen ausgewählten Perikopen spielen Berichte. Nacherzählungen über das Gesehene oder Gehörte eine wichtige Rolle. Dabei werden Szenarien. Elemente, Gestalten, Handlungen oder Ereignisse dargestellt. Die Schilderungen werden als abgeschlossene Szenen. meistens in der Vergangenheit, wiedergegeben. 19 b) Eine besondere Art von auditiven Ereignissen stellen die Hymnen dar. Einerseits gehören sie zur gesehenen Szene, vermitteln wichtige Inhalte im Rahmen eines bestimmten Geschehens. Dieser Aspekt kommt dadurch zum Vorschein. dass Lobpreise und Doxologien von Figuren aus der Vision gesungen werden. Andererseits sind die Hymnen in direkter Rede und präsentisch wiedergegeben und unterscheiden sich deswegen deutlich vom Bericht. Die Hymnen haben performative Funktion: Sie ziehen Leser und Leserinnen mitten in die Geschichte hinein; sie laden die Adressatengerneinde ein. in die Preisworte einzustimmen. 2O
19 J.J. Collins. Semeia 14. 6 unleneih die Form der visuellen Offenbarung (visual Revelalion) in .) .Visions. w~ lhe COnlenl of lhe Revelation is seen» und b) .Epiphanies. w~ Ihe apparition of lhe mediator is dcscribed». Berger, Fonng ..chichu 280f sprichl hingegen von Benehlen von Visionen. Anders als Collins gebraucht er die Vision als ilbergoadneten Begriff. der verschiedene andere Gauungen umf....n kann (diesbezüglich sind nach ihm die Berichte über VISionen mit Wundcrberichten vergleichbar). 20 In seiner Auslegung der Apokalypse umschreibt Ugo Vanni die Rolle der AdressaIengcmeinde als .auslegendes Subjekl» (5. Apoca/is.. B-86). Die Kirche als auslegendes Subjekl befindel sich in einem lilUrgischen Dialog mil dem Tut Dazu ibid. 26. Die hymnischen Stucke sind solche im TUl vcrankenc Momenle, in denen die Gemeinde akliv rcagien. Über performative Aspckle in der Offenbarung s. auch Karrer. D~ JoIIDnn ..ojf6lbartUlg ab Sri.! Zur Struklur und Auslegung der Hymnen in Oflb s. Jöms. Das hymnisch. Evang./ium.
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Ausgewählte Visionen
Sowohl in bezug auf die Berichte vom Gesehenen als auch auf die hymnischen Stücke übernimmt Johannes zwei Funktionen: er ist Seher bzw. Hörer und gleichzeitig treuer Zeuge. zuverlässiger Nacherzähler des Erlebten. c) Einen besonderen Charakter weisen die Dialoge in Offb 7.13-14b und 17.6b--7 auf. Sie untelbrechen den Bericht und lenken die Aufmerksamkeit auf neue Aspekte des Beschriebenen. In Offb 7 signalisien der Dialog das Bedürfnis nach einer Interpretation des Gesehenen. In Offb 17 wird die Deutung in Zusammenhang mit der Frage nach der angemessenen Reaktion angesichts des Erlebten gebracht. Es ist wichtig festzuhalten. dass in beiden Kapiteln die Fragen. welche Anlass zur Deutung geben. nicht vom Seher gestellt werden. sondern von einer Gestalt aus dem visionären Bericht: Im ersten Fall von einem der vierundzwanzig Ältesten. im zweiten vom Engel. der Johannes in die Wüste gebracht hat. Obwohl Johannes die ihm gestellten (rhetorischen) Fragen nicht beantwonet. ruckt er von seiner distanzienen Position als Beobachter und Nacherzähler in eine aktive Rolle. als Gestalt im Geschehen selbst. d) Dass Gestalten. die selbst Teil der Vision sind. Johannes nach der Bedeutung des Gesehenen fragen. ist auffallend und merkwürdig. Dieser Eindruck wird interessanterweise auch von den deutenden Antworten. welche die Fragenden selber liefern. erweckt. In Offb 7.14b--17 wird die Frage nach der Herkunft und Identität der weiss Bekleideten nur teilweise beantwonet. während die Deutung in 17.8-18 selber wiederum Bilder enthält. die den vorangehenden Visionsbericht nur partiell erhellen. Die Deutungen in Offb 7 und 17 erfüllen ihre Funktion nicht so. dass sie einzelne Elemente der vorangehenden Berichte auslegen. Ihr Hauptziel scheint es vielmehr zu sein. die Leser und Leserinnen der Offenbarung auf die Notwendigkeit einer Auslegung aufmerksam zu machen. 21 e) Pointiener ausgedJiickt: Der Text forden seine Adressaten auf. selber die Rolle der Deutenden zu übernehmen. Dieser Anspruch wird in den Sätzen fassbar. die den Rahmen des Visionären sprengen und die Adressaten der Offenbarung direkt ansprechen. Kaum zufallig erscheint ein solcher Satz gerade innerhalb der Deutung in Offb 17.9: W6E ;, voil, ;, EXWV oo(av. 22 Der Deuteengel hat auf die Notwendigkeit
21 J. J. Collins und Adela Yarbro Collins (Semeia 14. 104) verwenden zur Bezeichnung von dem, was wir hier Dialog und Deutung nennen, die Bezeichnungen «discourse- und to:dialogue.,; diese Iilerarischen Fonnen werden der übergeordneten Grösse «auditionlt untergeordnet. 12 Der EnlSCheid. diesen Satz als direkte Aufforderung zu ve"lehen. beruhl auf folgenden Überlegungen. Obwohl V.17.9a keine explizilen Signale an die Leser enlhäll. hebl ein Ver· gleich mil 13.10 und 18 den Aufforderungscharakler gegenüber der Leserschaft hervor. AUe drei Sätze beginnen mit dem relativen Pronominaladverb WBE: W8E EOTlV J} uno .... ov~ Kat 1\ n(OTlS' n.ilv ayiwv (V.IO) und W6E 1\ oo+(a EOTlV. b lxwv vouv 4Jll$UUITW TOV ap\8f.lov TOU 8~p(ou (V.18). An allen drei SIelIen filhn w6< das Thema der angemessenen Reaklion gegenüber dem Gesehenen ein; die drei Aussagen belonen die Relevanz des in den Visionen Beschriebenen für die AdressaIen der Offb. die in 13.10 als .die Heiligen> explizil genannt werden. [n 13.18 wird die performative Wirkung durch die [mperativform ojJ~4>lO,iTw und dun:h
Ergebnis
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des Fragens aufmerlcsam gemacht. hat selber dann das Fragen in eine An Deutung umgewandelt. welcbe das Geheimnis des visionären Erlebnisses jedoch nicht zu entschlüsseln vennag. Die mühsame Albeit des Auslegens wird allen weitergegeben. die sich an Vernunft und Weisheit orientieren. Noch radikaler e~heint die mit der Weckformel eingeführte Aufforderung in l3.9f. denn an dieser Stelle wird unmissverständlich darauf hingewiesen. dass das bereits Gesehene Folgen im Leben der Adressaten hat. 23 Ertragen und Vertrauen werden in Zusammenhang mit den Auswirkungen des Skizzierten gebracht. Die Gemeinden in Kleinasien erfahren. dass die Visionen des Johannes mit ihrem Alltag. mit der Bedrängnis und dem unumgänglichen Leiden zu tun haben. Damit wird die Funktion des Johannes zusätzlich präzisien: Zu den Rollen als Seher und Hörer. als treucr Zeuge und als mitspielende Gestalt im Geschehen kommt nun die Aufgabe des Herausforderers gegenüber den Adressaten hinzu. Die Vielfalt der Formen in den Visionen macht den verwickelten Weg von der distanzierten Beschreibung der Erlebnisse. die Johannes sieht. bis zur Relevanz des Gesehenen im Leben der Adressaten sichtbar. Die bisherigen Erwägungen zur Heterogenität der Formen und Gattungen. die in den Visionen vorkommen. heben die hohe Komplexität dieser literarischen Fiktionen hervor. Dem häufigen Wechsel der Formen entsprechen Veränderungen der Rolle des Sehers und der ausgedrückten lnha1te. Die Wechselwirkung zwischen Form und Inhalt erweist sich als gleichzeitig verwickelt. sorgfliltig und kunstvoll.
9.2.4 Visionen als Sprachbilder Die 4lmalige Wiederholung von ~t60v und das Überwiegen von erzählenden Berichten in der Vergangenheit bringen eine gewisse Regelmässigkeit und Ordnung in das extrem vielfattige. heterogene Gebilde. das sich nur schwer analysieren lässt. In der Untersuchung der ausgewählten Texte haben wir versucht. der Komplexität gerecht zu werden. indem wir die Visionen als heterogene. komplexe, aber einheitliche Grössen aufgefasst haben. Auf eine Trennung zwischen den zahlreichen Formen wurde von vornherein verzichtet. denn ihre Vielfalt erscheint den Visionen als Grundelementen des Briefcorpus untergeordnet. Die vorkommenden Formen stehen näm1ich in direkter Verbindung zum visionären Geschehen. Sogar die Deutungen lösen das Bildhafte nicht auf. sondern bestehen selbst aus Sprachbildern. Erst die direkte Aufforderung an die Adressaten unterbricht die bildliehe Fiktion. Der Entscheid, die Visionen primär als literarische Bilder zu verstehen. impliziert keineswegs die Vernachlässigung der Vielfalt und Mehrdimensionalität die PanizipialkonslrUktion b lx"'v voUv. welche an den W..,Jauf in hervorgehohen. II S. 11 6.6.
t3,9 .nnnen,
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Ausgewählte Visionen
innerhalb der Visionen. Im Gegenteil: auf die Wichtigkeit ihrer Heterogenität sind wir gerade im Rahmen der Analyse der Visionen als flktive Sprachbilder gestossen. Die Frage nach der Bedeutung und Relevanz der Wechsel in den Formen wurde im Laufe der Untersuchung inuner zentraler: die paradoxen Verbindungen zwischen den Berichten und den seltsamen Deutungen einerseits und die Unterbrechungen durch die direkte Aufforderung andererseits machen die Eigenart der Visionen in der Apokalypse aus. Im ersten Teil dieser Untersuchung wurde auf Hinweise auf die historische Situation, in der die Offenbarung verfasst wurde, bewusst verzichtet. Dieses Vorgehen zielte darauf, zunächst die Visionen als Bilder in ihrer inneren Kohärenz und Abgeschlossenheit zu verstehen, ohne sie aufgrund der Anspielungen auf zeitgenössische Gegebenheiten zu zerlegen. Die Auslegung hat gezeigt, dass eine solche Methode zu aufschlussreichen Beobachtungen führen kann. In den Visionen der Offenbarung werden Figuren, Handlungen, Begegnungen in fiktive Szenarien gesetzt. Die Visionen sind Sprachbilder, metaphorische Reden, die sich an irrealen Gesetzmässigkeiten orientieren. Die Visionen der Offenbarung sind literarische Konstrukte, in denen über die Rolle von Gott, Jesus Christus, Satan und mit ihm verbündeten Mächten nachgedacht wird. Diese Sprachbilder zielen darauf, die Beziehung der Menschen, insbesondere der Christen, zu diesen verschiedenen Grössen zu erhellen. Jedes Bild ist mit einem besonderen Thema gekoppelt; seine Komplexität ist nicht nur von der oben erwähnten Vielfalt an Formen bedingt, sondern auch von der Vielfalt der Gestalten, Geschehnisse, Zeiten und Orte, welche im Zentrum der einzelnen Visionen stehen. Angesichts dieser Komplexität gewinnt der Entscheid, die Visionen als einheitliche, in sich sinnuagende Sprachbilder zu betrachten, eine besondere Relevanz. Zunächst erlaubt dieses Vorgehen, sehr verschiedene Perikopen als vergleichbare literarische Konstrukte, als fiktive Inszenierungen gegenüberzustellen. Zum anderen verpflichtet diese Annahme die Ausleger und Auslegerinnen der Visionen der Apokalypse, sich an Regeln und Eigenschaften von Sprachbildern, von metaphorischem Reden zu halten. 9.2.5 Sprachbilder als kohärente Einheiten einer fiktiven EnählWig
Eine erste wichtige Eigenschaft der Visionen als Sprachbilder ist in der Auslegung der ausgewählten Texte deutlich zum Vorschein gekommen: Sie können als abgeschlossene, in sich kohärente Erzählungen betrachtet werden. Jede Szene kann in ihrer fiktiven Dimension 24 verstanden werden, ohne dass auf externe In,. Zur fiktiven. uneingentlichen Dimension der Bilder der Apokalypse s. K. L. Schmidt. ThZ 3, 174-176: -Dem Leser muss es auffallen, dass es gleich im ersten Visionsbericht nicht he isst: elch hörte hinter mir eine laute Posaunenstimme., sondern elch hörte hinter mir eine laute Stimme wie eine Posaune> (1.10). Dieses <wie> (w,) zieht sich durch das ganze Buch
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fonnation rekurriert werden muss; jede analysierte Vision zielt auf eine Pointe hin, welche durch die Analyse der im Bild selbst bekanntgegebenen Elemente wahrgenommen werden kann. 25 Innerhalb der Fiktion gelten andere Zeit- und Ortsverhältnisse als in der physischen Welt; unbelebte Elemente werden zu Personen; Kräfte und sogar Städte treten in personifizierter Gestalt auf. Farben, Materialien, Geräusche bilden Kulissen, die nicht sehr viel mit der erfahrbaren Welt gemeinsam haben. In der gesamten Apokalypse wird die Fiktion mit ihren spezifischen Ausprägungen konsequent weitergefiihrt. Die vielen Entsprechungen zwischen den verschiedenen Visionen zeigen einen kohärenten Gebrauch von Gestalten und deren Charakterisierung. Einzelne Elemente des fiktiven Vokabulars treten immer gleich auf, andere hingegen werden im Laufe der Erzählung erkennbar verändert. 26 Konstante Verwendungen wie auch Entwicklungen und VerändeIUndurch. Damit scheint in der SclUlderung der Visionen und Auditionen auf das .Uneigentliche. des Geschaulen und Gehörten und auf diese Weise auf die Mangelhaftigkeit der Bildersprache aufmerksam gemachi zu sein. Dasselhe wie für die Präposition .wie. gilt rur das Adjektiv .gleich (wie). (Ö~Ol<») und das einmal vorkommende SubSlaßliv .Nachbildung' (b~o(w~a)o. Den uneingentlichen Charakter der Visionen beschreibt Schmidt mit Hilfe eines Zitates aus Volz: •... der Apokalyptiker sprichl die Sprache der Vision, des Gleichnisses; es iSI visionales Wasser. nicht gewöhnliches Wasser. ein visionaler Löwe. nicht ein flirs äussere Auge sichtbarer Löwe ( ... )0. H Die Parallele zwischen den Visionen und der Metapher isl nichl evident. Dennoch weisen die ausgewählten Texte viele Ähnlichkeilen mil den Gleichnissen als metaphorischen Reden auf. So iSI die Definilion des Gleichnisses als Ganzes, wie sie Weder in G',ichni,u J"u 69-75 formuliert, auch fIIr die Visionen der Offenharung zutreffend. Die Eigenschaft der Vision als einheilliehe, aUlonome Erzählung lässl sich nur zum Teil mil der Grundform der Metapher, abc< immer aufgrund ihrer Beschaffenheil als ausdrücklich fiktives Sprachbild erklären. Der Umgang mil den Gleichnissen als Metaphern oder mil den Visionen als abgeschlossenen Sprachbildem erweisl sich als vergleichbar. Die NOlwendigkeil einer Betrachlung des Gleichnisses als einheilliche. aulonome Erzählung winI auch von Ricoeur, St.t'ung und Funktion fkr MetaphLr, 57ff helonl. Trotz den Unterscrueden zwischen diesen Formen sind seine Erwägungen auch in hezug auf die Visionen der Offb aufschlussreich: -Die ersle methodologische Entscheidung beslehl darin, das Gleichnis als ein aUlonomes ästhetisches, eine organische Einheil darstellendes Objekl zu hehandeln. ( ... ) Ästhetisch iSI in diesem Zusammenhang synonym mit .wirklich. (inuinsicaJly) cautotelisch., ezcntripetah. dnuansitiv oder nicht-zeichenhafb (non-referential) oder .sich selbsl slÜtzend. (self-sustained). Im Falle des Gleichnisses iSI die ästhetische Dimension mit der literarischen Gattung der ~erzählenden Fiktion. als ~frei erfundener Geschichte> verbunden.. Weiten: Parallelisierungen zwischen Visionen und Gleichnissen könnlen sich auf das Vorkommen von wS" und Ö~Ol<» und des Weckrufes slülzen; dazu s. Popkes, ZNW 74, 9a-I07 und Schmidl, l1lZ 3,161-177. 2. Vanni, Apocaliss. 34--<; 1 setzl sich mil den immer wieder vorkommenden symbolischen Ausdrücken auseinander. Er gliedert diese symbolischen Konstanlen in versclUedene Gruppen: kosmische Symbolik. kosmische Veränderungen, lheriomorphe, anthropologische, chromatische und arithmetische Symbolik. Nach der Unlersuchung des symbolischen Vokabulars drr Offenbarung komml Vanni zu folgendem Schluss (Übersetzung aus dem Italienischen, S.56): .Nicht weniger als bei anderen AUloren sIelli man in der Offenbarung die Fähigkeil fesl.
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Ausgewählte Visionen
rungen können in den Sprachbildern selber erkannt werden. Die Visionen stehen somit als abgeschlossene, autonome Einheiten in einem zusammenhängenden Ganzen.
9.2.6 Sprachbilder und Mehrdimensionalität Zu den Eigentümlichkeiten der Visionen als Sprachbilder27 gehört eine prinzipielle Mehrdeutigkeit. 28 Einzelne Elemente sind gleichzeitig Träger verschiedener Bedeutungen. Diese Eigenschaft der Bildersprache wird in der Offenbarung gezielt eingesetzt und breit ausgenutzt, und gerade deswegen erweist sich die Apokalypse als eine derart verwickelte, fast unzugängliche Erzählung. Die Mehrdimensionalität der Bildersprache wird in mehreren Hinsichten entfaltet. a) lMl!rhalb der Fiktion dient diese inhärente Eigenschaft der Bildersprache zur Bildung von Parallelen und Gegensätzen unter den Gestalten und Ereignissen. Viele der Attribute der positiven Gestalten beschreiben ebenfalls die negativen Kräfte; gleiche Eigenschaften dienen zur Annäherung von Gegensätzen (z.B.: Gott und der Drache werden als Herrscher mit ihrem entsprechenden Thron dargestellt; das Lamm und das Tier aus dem Meer sind vergleichbare theriomorphe Gestalten; Babyion und Jerusalem sind beide personifizierte Städte); während Gegensätze in den Beschreibungen Zugehörigkeit ausdrücken (die leidenden Heiligen gehören zum liebenden, sich ihnen zuwendenden Gott; die reiche Frau und florierende Stadt Babyion gehört zu den vemichtenden Kräften). Innerhalb der Fiktion führt die Mehrdeutigkeit zu Paradoxien, welche schliesslich zur Klärung des Geschehens beitragen. 29
Aber es ist nicht immer so. In den meisten Fällen führt die schöpferische Anstrengung den Autor dazu. nicht bloss das Symbol mit Veliinderung der realen Bedeutung auszudrücken. sondern auch die Darstellung und die Struktur mit deutlichen Unregelmässigkeiten in der phantastischen Kontinuität zu unterbrechen». 27 Zur Unterscheidung zwischen dem Bild als visueller Grössc und dem Sprachbild s. Prigent. RHPhR 59, 375: .Les visions ne veulent pas repr~senter. Elles ne sont pas la description d'un spectacle c~leste. Elles signifient. Elles n'offrent donc pas d'abord l voir. mais l entendre et l comprendre, comme les discours propMtiques>. 28 Die Parallelisierung zwischen den Gleichnissen als Metaphern und den Visionen als Sprachbildern lässt sich nicht nur aufgrund der Notwendigkeit. beide als autonomes Ganzes zu betrachten. begründen, sondern auch aufgrund ihrer prizipiellen Mehrdeutigkeit. Dazu vgl. Weder. ZThK 90,390: .Wer die Gleichnisse von der Metapher her verstehen will. muss respektieren. dass die metaphorische Aussage eine prinzipielle M.hrdimensioMliliJl hat. Die Gleichnisrede kann keine Einheitlichkeit des Denkeos erzeugen wollen. Stall die Hörer zur Einheitlichkeit des Begreifeos zu zwingen. indem sie sie der Notwendigkeit des Begriffes unter· wirft. sammelt das Gleichnis sie in ihrer je eigenen Geprägtheit um das Bild. das es ihnen vor Augen malt und dessen Kennzeichen die Mehrdimensionalität ist>. S. auch Prigent. RHPhR 59. 375. 29 Als Beispiel dazu s. die Gestalt des stehenden und geschlachteten Lammes in Offb 5. n 3.2.1.
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b) Die Mehrdeutigkeit spielt eine Rolle auch auf der Ebene der rraditiofU!lJen Motive. In den Sprachbildern übernehmen die Motive aus verschiedenen Traditionen eine zweifache Funktion: einerseits sind sie Träger der Erinnerung an das Vorangehende. und andererseits übernehmen sie eine bestimmte Bedeutung im Bild. welche sich aus dem Zusanunenhang erschliesst. Die Bedeutungen eines Motives in der Anspielung auf die Tradition und innerhalb des Sprachbildes sind nicht gezwungenennassen identisch. denn das Motiv gehön gleichzeitig zwei verschiedenen literarischen Kontexten an. Dazu kommt die mögliche Verwendung des gleichen Motives in anderen bekannten Texten und möglicherweise im liturgischen Umfeld'·. All dies schwingt beim Vorkommen des Motives im Sprachbild möglicherweise mit. c) Eine weitere Dimension von Mehrdeutigkeit entwickelt sich aus dem unverzichtbaren. impliziten Vergleich zwischen dem. was in der Vision geschieht. und dem. was in der Geschichte vorgeht. Das Sprachbild ist ausdrückliche Fiktion: es ist das Produkt einer deutlichen Absicht. etwas frei zu erfinden. etwas in einer An zum Ausdruck zu bringen. die sich bewusst an die Gesetzmässigkeiten der metaphorischen Sprache hält. Gerade in dieser Gestalt lässt das Sprachbild einen Kontrast zur Welt entstehen. die keine Fiktion ist. An vielen Stellen in den ausgewählten Visionen scheint die Absicht durch. diesen Vergleich zu provozieren; die Dialoge. Deutungen und direkten Aufforderungen bringen die Mehrdimensionalität schliesslich ausdrücklich zur Sprache. Die Deutungen. die nur auf die Notwendigkeit des Vergleiches mit der Geschichte hinweisen. ohne jedoch das
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30 JÖms. Das hymnisch. Evang.lium 178f schliesst aus. dass die hymnischen SlÜcke der Offenbarung aus der Liturgie stammen. In seiner Untersuchung zeigt er auf üherzeugende Weise, dass die hymnischen Stücke auf den Verfasser seiher zurückgehen. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass Jchannes verschiedene Materialien aus seiner Umgebung zus Bildung dieser neuen Sirophen henützt hat. II Ricoeur, Su/lung und Funktion du M.tapher 68-70 zählt zu den Zeichen der Metaphorizität in den Gleichnissen die E.travaganz: .Don tritt der Faktor der &travaganz dazwischen und mit ihm das Element der .Seltsamkeit., das die Gleichnisse auf dem gleichen Stand wie die Verkündigungsausptüche und die Sprichwäner bringt. (68). Die E.travaganz, die sich heispielsweise in hyperbolischen Ausdrücken feststellen lässt, verleiht dem metaphorischen Prozess den Charakter der Offenheit: .Im Gegensatz dazu .öffnet> der metaphorische Prozess die Rede nach aussen, vor allem zu heiden, zus Unendlichkeit des Lehens und der Unendlichkeit der Deutung hin. (00.) Der Gegensatz zwischen Geschlossenheit und Offenheit ruft eine An Panodo. hervor, das teilweise durch diese Besonderheit gelöst wird, die ich &travaganz der Erzählung nenne. weil das Vorhandensein des Aussergewöhnlichen innerhalb des Gewöhnlichen die Struktus selbst unheständig und sogar inkonsequent macht. (69). In diesem Kontext muss der folgende Satz verstanden werden. der die Beziehung des Fiktiven zu. WirkJichkeit des Lehens umschreibt: .Wenn wir diese Dimension des Paradoxes der szenischen Funktion der Erzählung hinzuftigen, erscheint die Macht der Neuheschreibung, die an diese besonderen Anen ftIctiver Erzählung gebunden ist. in einem neuen Licht. Das Gleichnis schlägt eine Bresche in den Lauf des gewöhnlichen Lehens dank der Fiktion und des Parado.es»(70). Was hier Ricoeus in hezug auf das Gleichnis formulien. gilt auch fllr die Visionen der orfenbarung. wenn man sie als Sprachbilder hetrachtet.
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Ausgewählte Visionen
Bild auszulegen und es allegorisch in viele Elemente zu :u:rlegen32 , sind Signale, die auf die Unverzichtbalkeit der Mehrdeutigkeit hinweisen.
9.2.7 Visionen und Geschichte Die Mehrdeutigkeit der Visionen als Sprachbilder, die direkten Aufforderungen
an die Adressaten, der Verzicht auf eine eindeutige Auslegung der Bilder in den seltsamen Deutungen machen auf die Diskrepanz zwischen der Welt der Visionen und der Welt der Adressaten der Schrift aufmerksam. Sie verlangen einen Vergleich zwischen den Schilderungen der Gestalten und der Ereignisse in den Visionen und der Wirkung der gleichen Gestalten in der Geschichte. 33 Diese Aufforderung zum Deuten hat schwerwiegende Implikationen, denn sie zielt auf eine neue Interpretation der Geschichte. Die fiktiven Sprachbilder fordern ihre Leserinnen und Leser auf, ihre eigene WaIunehmung der dargestellten Gestalten und ihrer Rolle in der Geschichte neu aufzufassen. Nur auf diese Weise können die Christen in der Bedrängnis eine klare Sicht der Welt und der Geschichte gewinnen, in der sie leiden, zuversichtlich hoffen und ausharren. Bereits innerhalb der gattungskritischen Erwägungen wurde auf diese Beziehung der Visionen zur historischen Wirldichkeit hingewiesen: die brieflichen Züge, welche die Visionenabfolge umrahmen, und die Vielfalt der Formen, mit denen die Adressaten und ihr von der Bedrängnis geprägter Alltag in die Erzählung miteinbezogen sind, prägen das Verhältnis zwischen der Welt der Visionen und dem geschichtlichen Umfeld, aus dem sie stammen.
J2 Mit dieser Umschreibung wird an eine An des Umganges mit dem Sprachbild gedacht. bei der die einzelnen Züge der Erzählung nicht als Ganzes belr8Chlet werden. sondern als Verweise nach aussen: .Qanz anders dagegen verfihn die Allegorie. Sei ihr gibt es kein Element S(ubiekt). das durch K(opula) mit p(rädikal) verbunden wäre. Es gibt also kein tibergeordneleS Subjekt. mit dem die Allegorie als RanZt in eine prädika1ive Beziehung lrelen wWde. Vielmehr besteht die Allegorie aus verschiedenen Ein"'z;;,.n. von denen j
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Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde versucht, die Visionen als mehrdimensionale Sprachbilder zu erfassen. Deshalb wurden sie als abgeschlossene, autonome und sinntragende Einheiten, mit besonderer Rücksicht auf textinterne Feststellungen (und nicht primär auf zeitgeschichtliche Begebenheiten), analysiert. Dieses Vorgehen schliesst jedoch die Beziehung zur historischen Welt nicht prinzipiell aus, lässt sie aber auf eine andere Ebene rücken, zu der der Zugang methodisch sorgfaltig reflektiert werden muss. Die Betrachtung des Verhältnisses der ausgewählten Visionen zur geschichtlichen Situation, in der sie verfasst wurden, wird uns im folgenden Teil der Untersuchung beschäftigen. 9.3 Wesentliche theologische Linien Den Erwägungen über die Form der Visionen als Sprachbilder entsprechen die Ergebnisse auf inhaltlicher Ebene. Zum Schluss dieses Rückblickes auf die Analyse der ausgewählten Visionen sollen nun wesentliche inhaltliche Aussagen hervorgehoben werden. Eine Zusammenfassung der aufschlussreichsten Beobachtungen über die Gestalten, die Orte und die Zeiten soll zur Charakterisierung der zentralen Botschaft der Visionen f\lhren J4 . 9.3.1 Spiegelbilder
In den ausgewählten Texten trin je eine der Hauptgestalten der Apokalypse als zentrale Figur auf. Der Entscheid, die Visionen nach diesem Kriterium auszusuchen, beruhte auf der Absicht, trotz des exemplarischen Vorgehens einen Blick auf das gesamte Werk zu werfen. Obwohl viele Gestalten, vor allem unter jenen, die nur einmal vorkommen, nicht berücksichtigt werden konnten, glauben wir, Kernaussagen der Apokalypse aufgrund der Darstellung, Funktion und Entwicklung der ausgewählten Figuren erfasst zu haben. Die angenommenen Gruppen wurden von der Arbeit an den Texten weitgehend bestätigt: Gott, das Lamm und die Stadt Jerusalem, die aus dem Himmel herabsteigt, gehören eng zusammen, so wie Abaddon-Apollyon, der Vernichter, das Tier aus dem Meer und Babyion eine eigene Gruppe bilden. Auch die Menschen, die in den Visionen vorkommen, lassen sich zwei Gruppen zuordnen: die Heiligen sind Gott und dem Lamm treu, während andere Menschen das Tier und den Drachen anbeten und bewundern. Die Unterscheidung zwischen den Figuren, die auf der Seite Gottes stehen, und denjenigen, die zur Welt der vernichtenden Kräfte gehören, ist deutlich und scharf; im gesamten Werk wird diese scharfe Trennung durch Spiegelbilder betont. Alle vorkommenden Gestalten werden nämlich mit Parallelen und Ähnlichkeiten zu den Angehörigen gegenl4 In dieser Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Exegese der ausgewählten Visionen wird auf die Angabe der BezugSSIelIen verzichlet. In der Folge werden nur Stellen angegeben. die
nicht in den ausgewählten Texten vorkommen.
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Ausgewählte Visionen
sätzlicher Kategorien dargestellt. So fällt auf. dass die Darstellung Goltes gemeinsame Züge mit der Schilderung des Vernichters aufweist: beide Gestalten sind ausserordentlich mächtig. verfügen über einen Thron. beeinflussen das Leben auf der Erde. werden angebetet und gepriesen. Dass die Parallelen nicht zufällig sind. beweist das Vorkommen identiscber Grössen zur Kennzeichnung so gegeosätzlicher Kräfte: 9povOS". 6uvalllS". npooKUvEw kommen sowohl in bezug auf Gon als auch auf den Dracben vor. Nicht weniger eindrücklich erscheinen die Berührungspunkte zwischen den Schilderungen Goltes und des Tieres. Das Spiel mit den Symmetrien kann am Beispiel der Macht Goltes bzw. des Tieres verdeutlicht werden: der eine ist der Allmächtige. der Herr der Geschichte; das andere ist mächtig. bestimmt die Geschichte auf der Erde mit. Die Gegenüberstellung zwischen Gon als Urheber seiner ßaOlAEla. dem Vernichter als ßaOlA€Usund dem Tier als Empfanger und Inhaber einer ßaOlAEla lässt deutlich erkennen. dass diese drei Gestalten über eine ausserordentliche. durchaus vergleichbare Machtstellung verfügen. Auch das Lamm gehört zu den mächtigen Gestalten und als solches ist es GOlt. dem Drachen und dem Tier ähnlich. Die Parallelen zum Tier werden sehr stark betont: beide sind theriomorphe Gestalten. haben Hörner. sind geschlachtet und trotzdem Sieger. Ihre Macht umfasst den gleichen Bereich: Nationen. Völker. Sprachen und Stämme. Unübersehbar sind die Ähnlichkeiten zwischen Jerusalem und BabyIon: Es sind Städte mit alten. berühmten Namen. die als Frauengestalten personifiziert werden; beide verfügen über sagenhafte Kostbarkeiten wie Gold. Edelsteine und Perlen. haben weitere. besondere Namen. ziehen viele Menschen und Könige an. Auch die Heiligen. die Gon !TeU sind. und die Anbeter des Tieres sind oft nicht zu unterscheiden: beide Gruppen bestehen aus Menschen. die auf der Erde wohnen und den Wirkungen der negativen Kräfte ausgeliefert sind.
9.3.2 Paradoxe Synunetrien und Oberwindung der Gegensätze Diese Ähnlichkeiten zwischen gegensätzlichen Gestalten verblüffen und irritieren; sie verstossen gegen die Annahme. in der Offenbarung stehe der Gegensatz zwischen GOlt und dem Satan. dem Lamm und dem Tier. Jerusalem und BabyIon. den Anbetern Goltes und des Lammes und den Anbetern der vernichtenden Kräfte im Zentrum. Die Opposition scheint plötzJich durch die vielen gemeinsamen Züge geschwächt. relativiert. Aus der Auseinandersetzung mit den Texten geht hervor. dass die spiegelbildliche Darstellung gegensätzJicher Figuren eingesetzt wird. um ihre radikale Verschiedenheit und zugleich ihre Verwechselbarkeit wirksam hervorzuheben: die Gegensätze werden nämlich nicht relativiert. sondern durch die Parallelisierung bekräftigt. Dieses raffinierte Vorgehen in der Darstellung der Hauptgestalten lässt sich beispielsweise im Vergleich zwischen GOlt und dem Tier zeigen. In Offb 4.8rr wird der auf dem Thron Sitzende unter anderem als der. welcher war.
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iSI und konunen wird (0 ~v Ka\ 0 WV Kat 0 EPXOI'EVOS) gepriesen; ganz analog slehl in 17,8, dass das Tier war und nichl iSI und anwesend sein wird (~v Kat OUK eonv Kat Tlap<{OTat). Das Attribul, rnil dem Gones Allgegenwart in der Geschichle zum Ausdruck gebrachI wird, dienl nun zur Beschreibung der Wirkung des Tieres in der Geschichle. AngesichIS dieser Parallelisierung kommen jedoch die Unlerschiede in den zwei Formulierungen viel sllirker zur Gellung: Gon isl inuner anwesend, sein Einfluss auf die Geschichle isl besländig, während die Wirkung des Tieres lückenhaft erscheinl, denn es isl in der Gegenwart nichl anwesend. Ferner heben die verschiedenen Konlexle, in denen die analoge Formulierung vorltomml, die unlerschiedlichen Qua1illilen der Anwesenheil hervor: Gott hal einen kontinuierlichen Einfluss auf die Geschichle in seiner Eigenschaft als Schöpfer des Ganzen; das Tier beeinflussl die Ereignisse auf der Erde rnil Zerslörung und Vemichlung. Die Wirkung des allgegenwärtigen Gones auf die Menschen beslehl in Zuwendung und zärtlicher Fürsorge; die Wirkung des Tieres beslehl in Unlerdrückung und Tod. Der GegensalZ zwischen Gon und dem Tier wird dank der ähnlichen Darslellung nichl nur bekräftigI, sondern zugleich überwunden: Die schöpferische Tätigkeil Gones iSI der Vernichlung und Zerslörung auf jeden Fall überlegen. Die Verschärfung des paradoxen Vergleiches zwischen den gegensätzlichen Geslallen bis zur Überwindung der Opposition selbsl lässl sich an allen Hauptfiguren feslSlellen. Das Lamm, das Tier und Abbadon-Apollyon, der Drache, sind alle Tiergeslallen, welche über grosse Machl verfllgen. Die vernichlenden Kräfte setten ihre Machl ein, um Tod zu bewirken: nichl nur die Chrislen gehören zu ihren Opfern, sondern Menschen im allgemeinen, die rnil den zerslörerischen Kräflen verbündeIe Sladl Babyion und schliesslich das Tier seiher. Die Machl des Lammes slehl hingegen in Verbindung rnil Lebendigkeil. Seine Wirkung hal Menschen aus jedem Slamm und Volk, aus jeder Sprache und Nation erlösl; seine Machl ziell auf eine Dimension der Nähe, der Zuwendung, des Glanzes, des Lebens. Die Mach! des Tieres beruhl auf der vernichlenden GewalI, slehl in Verbindung rnil dem Heuschreckenheer; die Machl des Lammes SIaIruDI von einem schwachen Tier. Der Sieg des Tieres wird im ReichlUm der unlergehenden Sladl sichlbar, gründel auf dem vergossenen Blul der Heiligen; der Sieg des Lammes umfassl alle Bewohner der künftigen Sladl, gründel auf dem blutigen Opfer des Lammes. Die verschiedenen Qua1illilen von Machl und von Sieg auf der Seile des Tieres und auf der Seile des Lammes slehen in ähItlicher Beziehung wie Undurchdringlichkeil zu Transparenz, GewalI zu Zuwendung und Liebe, Tod und Vernichlung zu Lebendigkeit AngesichIS dieser Kalegorien vermag der Ausdruck «GegensalZ» nichl mehr, den Kern des Unlerschiedes zu erfassen. Transparenz, Liebe und Lebendigkeil sind eigentlich nichl rnil Undurchschaubarkeil, GewalI und Tod vergleichbar, denn sie sind ihnen überlegen. Auch die Opposition zwischen Babyion und Jerusa1em, den Chrislen und den Anbelern der vernichlenden Kräfle wird in den Visionen überwunden. Das Leben
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Ausgewählte Visionen
der leidenden Christen ist von der Zuversicht und der Treue getragen; das Leben der Anbeter wird hingegen von der Täuschung und der Verehrung von undurchschaubaren Kräften beherrscht und in die Vernichtung rnitgerissen. Jerusalem ist die Stadt der Lebendigkeit, der Ort, wo das Zusammenleben der Menschen zur Vollendung kommt. Babyion dagegen ist die Stadt, in der das Leben einiger nur dank der Vernichtung anderer konzipiert werden kann. Auch in bezug auf die Menschen und die Städte ist der qualitative Unterschied zwischen Glaubwürdigkeit und Leben einerseits und Vernichtung und endgültigem Tod andererseits massgebend. Ähnlichkeiten und Unterschiede unter den Gestalten sind tragende Stilmittel zur Bildung zuerst von Spiegelbildern, ferner von paradoxen Symmetrien und schliesslich zur Hervorhebung unterschiedlicher Qualitäten, die nicht mehr als Oppositionen aufgefasst werden können. Gon ist der einzige Weltenherrscher: Er ist der Schöpfer, alles Leben hat seinen Ursprung in der Tätigkeit Gones. Das Lamm und Jerusalern stehen auf der gleichen Seite. Die Menschen, die Golt und dem Lamm treu sind, stehen in Verbindung zum Leben, zum Glanz, zur Transparenz. Hingegen sind Herkunft, Macht und Ziel Apollyon-Abbadons, des Vernichters, des Tieres und seiner Stadt Babyion von Zerstörung, Vernichtung und Tod bestimmt. Die Menschen, die sie anbeten, sind von ihrer Erscheinung fasziniert: sie bewundern den Glanz des Undurchschaubaren, des Abgründigen, des endgültigen Todes. Exkurs VI: Eine bleibende Schwierigkeit Die Überwindung der paradoxen Symmetrien beruht in den ausgewählten Visionen auf dem Vorrang Gones als Spender von Lebendigkeit. Auf diese Weise haben wir versucht, eine theologische Grundaussage der Johannesapokalypse zu erfassen. Gon, der Schöpfer, der Allmächtige, der Weltenherrscher, der Sitzende auf dem Thron, der Tröstende, der Liebende strahlt Lebendigkeit aus. Ebenfalls zu dieser Sphäre des Lebendigen gehören das Lamm, die Stadt-Braut. Auch die leidenden Heiligen haben bereits in der Gegenwart und auf der Erde Anteil an dieser Dimension. Der Vorrang Gones gegenüber den vernichtenden Kräften in den Visionen kann auch durch andere Beobachtungen erschlossen werden. An mehreren SteIlen trin er nämlich als unbestrittener Regisseur aller Kräfte auf, die im Kosmos tätig sind. Alles hängt von Gon ab, nichts kann unabhängig von seiner Macht geschehen. So sind auch die negativen Mächte nicht ganz selbständig: sowohl der Aufstieg des Heuschreckenheeres in Offb 9 als auch das Auftreten des Tieres und des Drachens in Offb 13 und 17 unterstehen der Regie Goltes. Die Tätigkeit Gottes hinter den vernichtenden Kräften wird allerdings selten explizit erwähnt. Meistens lässt sich dieser Aspekt der Macht des Schöpfers aus den Passivforrnen erschliessen. In Offb 9 lässt das Vorkommen von E&SeT) erkennen, dass die
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Öffnung des Abgrundes, die giftige Macht der Heuschrecken und die Folter der Menschen während fünf Monaten auf Gott zurückgehen. Die gleiche Verbform in Oflb 13 besagt, dass auch die Macht und die Wirkung des Tieres auf Gott beruhen. Schliesslich bestätigt die aktive Form EOWKEV in Oflb 17,17 die Rolle Gottes als Lenker der zerstörerischen Kräfte. Bei der Exegese dieser Stellen wurde die Rolle Gottes als Element des damaligen Weltbildes erklärt. Dieser Erklärungsversuch lässt sich ein Stück weit durch die Verwendung des Passivurn divinum bestätigen: Diese Rolle Gottes ist derart selbstverständlich, dass sie stillschweigend vorausgesetzt werden kann. Dariiber hinaus driicken die passiven Formen von OtÖWl1l eher Konzession aus als aktive Teilnahme: Den zerstörerischen Kräften wurde gewährt, so zu handeln, wie sie handeln. Eine selbstständige Entfaltung der vernichtenden Kräfte in der Welt, die ganz der Kontrolle Gottes entzogen ist, stünde in einem unerträglichen Widerspruch zur Aussage, dass Gott der Herr der Geschichte durch alle Zeiten ist. Allerdings bietet der Widerspruch zwischen der Lebendigkeit Gottes und der Wirkung der zugelassenen vernichtenden Kräfte keine geringeren Probleme. Für heutige Leserinnen und Leser der Offenbarung ist diese Sicht Gottes unannehmbar, blasphernisch: sie ist auf keinen Fall vereinbar mit einer Beschreibung Gottes als Kraft der Liebe und Lebendigkeit. Diese Schwierigkeit in der theologischen Auffassung der Johannesapokalypse ist nicht lösbar; und dennoch möchte ich versuchen, die Relevanz dieses Widerspruches im Lichte der ausgewählten Texte aufzuzeigen. Das Verständnis Gottes als Lenker der Geschichte im Positiven und Negativen sollte meiner Meinung nach nur als Erklärung aposteriori verstanden werden. Angesichts der Tatsache, dass die bösen Kräfte am Werk sind, versucht man eine einheitliche Betrachtung der Welt zu erhalten, indem man alles auf einen Plan Gottes zurückfuhrt: der Aufstieg der Heuschrecken, die Tätigkeit des Vernichters und des Tieres gehören zur Gegenwart der Vision, so wie die durch sie verursachte Bedrängnis zur Gegenwart der Treuen Gottes gehört. Babyion berauscht sich mit dem vergossenen Blut der Heiligen; Gefangenschaft und Schwert erwarten die Menschen, die Gott treu bleiben. Die Rückführung aller dieser Erscheinungen von Zerstörung auf Gott hat den Vorteil, dass sie den Seher und die Adressaten der Apokalypse von der Rache des vergossenen Blutes entlastet. Vor diesem Hintergrund erscheint der angekündigte Fall Babyions in 17,I6f als zweideutig: einerseits ist diese Zerstörung der Stadt voraussehbar, denn sie vertraut auf Kräfte, die nur Vernichtung verursachen. Andererseits kann Gott als Lenker der Geschichte im Positiven und Negativen als Urheber des künftigen Falles betrachtet werden: in diesem Sinne wäre die Zerstörung der Stadt auch die angemessene Bestrafung für alle Taten, die sie begangen hat. Die Schlussvision der Stadt aus dem Himmel gibt weitere Anregungen zur Auseinandersetzung mit diesem schwerwiegenden Problem in der Darstellung Gottes: Die Stadt ist ein Ort von Klarheit und Eindeutigkeit und wird als solche in einer neuen Schöpfung angesiedelt, in welcher es das Meer, das Chaotische, den
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Ursprung der bösen Kräfte gar nicht mehr gibt. Die Veränderung der Schöpfung und der Ausschluss alles Unreinen aus der Stadt Jerusalem lässt eine Entwicklung auch in der Schilderung Gones als Schöpfer erahnen. denn der problematische Teil seiner Schöpfung erscheint in der neuen Welt gar nicht mehr. Das Bild des Feuerpfuhles und der Ausschluss von zerstörerischem Verhalten aus der Stadt bestätigt. dass in der neuen Dimension der Nähe gar keine Vennischung mehr stanfmden wird. Lebendigkeit und Tod werden in der Vision der neuen Stadt vollständig getrennt. Auch dieser Aspekt gehört zur Klarheit und Eindeutigkeit der Stadt aus dem Himmel. 9.3.3 Ein weiterer Aspekt der paradoxen Symmetrien
Die Funktion von Spiegelbildern und paradoxen Älmlichkeiten beschränkt sich nicht auf die Unterscheidungen zwischen Gon und dem Satan. dem Lamm und dem Tier. Jerusalem und BabyIon. den Bewohnern des Himmels und den Bewohnern der Erde. Die paradoxen Symmetrien tragen auch zur Mehrdeutigkeit der Visionen wesentlich bei. machen auf verschiedene Ebenen aufmerksam. und zwar gleichzeitig. Die verwickelte Schilderung der Hauptgestalten als zugleich symmetrisch. gegensätzlich und unvergleichbar kann auch als Versuch gedeutet werden. der Komplexität der Wahrnehmung solcher Figuren gerecht zu werden. So besagen die Parallelen unter den gegensätzlichen Gestalten. dass die Möglichkeit besteht. die Gegensätze !rotz des radikalen Unterschieds zu verwechseln. Und umgekehrt machen die Gegensätze darauf aufmerksam. dass die Figuren - !rotz aller Älmlichkeiten - radikal verschieden sind. Schliesslich wird das Vergleichen selbst. sei es aufgrund der gleichen oder der gegensätzlichen Züge. in Frage gestellt. Der qualitative Unterschied zwischen Lebendigkeit einerseits und Vernichtung und Tod andererseits macht die Gegensätze unvergleichbar. Die Hervorhebung der Symmetrien und Asymmetrien zwischen den Gestalten in den ausgewählten Visionen hebt wesentliche Inhalte der Johannesoffenbarung hervor. Allein vennag dieser Zugang zur Apokalypse der Komplexität des Werkes jedoch nicht gerecht zu werden. 9.3.4 Eine Reise durch verschiedene Räume
Indem man Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Gestalten in den Mittelpunkt stellt. gerät man in Gefahr. die Visionen auf statische und isolierte Szenen zu reduzieren. Die Chronologie der Erzählung, die Entwicklungen im Geschehen und die Veränderungen in den Gestalten werden dabei zu wenig berücksichtigt. Mit einem Rückblick auf die vorkommenden Räume. die in den ausgewählten Visionen eine RoUe spielen. wird nun diesen Aspekten Aufmerksamkeit geschenkt.
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Das Briefcorpus der Apokalypse. die Visionenreihe. wird als Reise in vier Etappen inszenien. Johannes. der sich anfanglich auf Patmos befindet. beginnt in 1.9-11 seine Reise mit einem ersten Dimensionenwechsel. Danach steigt er in den Hinunel (4.2). wird später von einem Engel in die Wüste und schliesslich auf einen grossen. hohen Berg gebracht. Den vier Onen. in denen Johannes die Visionen erlebt. entsprechen verschiedene Entwicklungen im Geschehen: nachdem Johannes seine geschichtliche Wirlilichkeit verlassen hat. wird er im Rahmen der ersten Vision aufgeforden. sieben Kwzbriefe zu verfassen. In diesem ersten Teil werden Lob und Tadel in bezug auf die Lebenssituation der Gemeinde ausgesprochen. Auf der inszenienen Reise löst sich Johannes erst beim Aufstieg in den Himmel in Offb 4 von der historischen Dimension ab und begibt sich in eine fiktive Welt. Im Himmel geniesst Johannes einen besonderen Blick auf die Kräfte. welche die Geschichte lenken. Gott. das Lamm. den Vernichter mit seinem filrchterlichen Heer und das Tier sieht er aus einer neuen Perspektive. Erst für die Visionen. in denen Babyion und sein Fall dargestellt werden. wird er in die Wüste gebracht. Der letzte Raumwechsel erlaubt ihm. in die Stadt. die aus dem Hinunel herabsteigt. Einsicht zu nehmen. Aus der Analyse der Visionen. die sich an den verschiedenen Dnen abspielen. geht deutlich hervor. dass die Räume mehrdeutig sind. Der Himmel ist anfanglich der On. wo Gott. der Schöpfer. thront (Offb 4). Die Darstellung des Himmels als Dimension Gottes erstreckt sich auf das ganze Werk: auch das Lamm (Offb 5) und die weiss bekleideten. schreienden Christen ( Offb 7) befinden sich im Himmel. Der Himmel erscheint jedoch nach 9.1 auch als Herkunftson des Vernichters und nach der Darstellung in Offb 12 als On des Kampfes der bösen Kräfte gegen Michael und seine Engel. Durch den Sieg Gottes im Himmel ist dieser On von jeder Ambiguität befreit und wird somit zum On von Klarheit. Aus dem Himmel. aus der Dimension Gottes. des Weltenherrschers. werden alle Ereignisse gesteuen. Es fallt auf. dass die Wechsel in die Wüste und auf den Berg mit den Visionen der Städte korrelieren. Während die in der Geschichte tätigen Kräfte im gleichen Raum wahrgenommen werden. bedürfen die Beschreibungen der Dimensionen. in denen menschliches Leben sich ereignet. besonderer Räume: Die Wüste ist einerseits ein On von Leere und Verwüstung und andererseits eine sichere Zufluchtsstätte. aus der Johannes den Fall Babyions in Sicherheit beobachten kann. Der grosse Berg ist hingegen ein geeigneter On. um Einsicht in die Stadt zu haben. weil er genug hoch ist. Aus dem Himmel beobachtet Johannes Kräfte. die in der Gegenwan tätig sind. während die letzten zwei Wechsel den Zugang zu Geschehen eröffnen. die einer künftigen Dimension angehören. Babyion und Jerusalem sind Dne. zu welchen Johannes keinen Zugang hat: sie werden ihm aus einer gewissen Entfernung gezeigt. In den verschiedenen Visionen seiner Reise beobachtet Johannes auch andere Dimensionen. die er selber nicht betritt: dazu gehören das Meer. der Abgrund sowie der Feuer- und Schwefelpfuhl. Diese drei Räume stehen in steigender In-
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tensität mit Vemichtung und Tod in Verbindung: das Meer ist sowohl Ursprung des Chaos. des Drachens und des Tieres als auch ein Bereich der Schöpfung Gottes; der Abgrund ist nur Herkunftsort der zerstörerischen Kräfte. während der Feuersee die Metapher des endgültigen Todes ist. Auch die Erde gehört zu den Orten. die Johannes sieht. ohne sie in der Fiktion der Reise zu betreten. In den ausgewählten Visionen kommt die Erde oft vor. In Offb 4 ist sie nur als Ergebnis der schöpferischen Tätigkeit Gottes mitgemeint. In Offb 5 erscheint die Erde als Ebene. auf der Menschen aus jedem Stamm. jeder Sprache. jedem Volk und jeder Nation dank der erlösenden Wirkung des Lammes herrschen werden. Die Erde als Raum. in dem Macht entfaltet wird. kommt in Offb 9 und 13 vor. allerdings in bezug auf die Wesen aus dem Abgrund und das Tier aus dem Meer. Auch BabyIon ist ein Zentrum irdischer Macht: Es herrscht über Völker. Scharen. Nationen und Sprachen und über die Könige der Erde. BabyIon ist darüberhinaus ein Ort. in dem das Blut der Heiligen vergossen wurde. Auch nach Offb 7 ist die Erde ein Ort des Leidens: Die Menge der schreienden Menschen kommt aus der grossen Bedrängnis. Auch nach der neuen Schöpfung bleibt die Erde der Ort der Vollendung der Stadt. die aus dem Himmel kommt. Der Vergleich zwischen den zahlreichen Bedeutungen der Erde hebt vor allem eines hervor: die Erde ist ein Ort der Mischung. des Gemenges zwischen verschiedenen Kräften. Auf der Erde wird der im Hinunel begonnene Kampf zwischen dem Drachen und dem Engel Gones fortgeführt. Die Erde ist der Ort der Bedrängnis. des Leidens. des Todes. und gleichzeitig sind das Versprechen der Stadt und die befreiende Wirkung des Lammes anwesend. Das Leben auf der Erde ist von starken Spannungen gekennzeichnet. Die Reise des Johannes. «des Genossen in der Bedrängnis. im Reich und im Ausharren in Jesus» (1.9) beginnt auf der Erde. Die Fiktion entfaltet sich im Himmel. wird in die Wüste verlagert und endet auf einem hohen Berg vor der herabsteigenden Braut des Lammes. Auf seiner Reise. mit der Abfolge der zahlreichen Visionen. venninelt der Seher seinen Adressaten einen neuen Blickwinkel auf die Kräfte. welche den Lauf der Geschichte bestimmen. Er venninelt eine neue Sicht der Erde. der Lebensdimension seiner Mitchristen in K1einasien. Die Spannungen. die das Leben auf der Erde charakterisieren. die Kämpfe zwischen den tätigen Kräften werden von Johannes auf seiner fiktiven Reise vom Himmel her betrachtet. aus der Dimension Gottes. aus der Sphäre der Klarheit.
9.3.5 Die Zeiten und ihre Qualitälen Die Visionen des Johannes werden in verschiedenen Orten und Zeiten situiert. Im Unterschied zu den Räumen können die zeitlichen Verschiebungen nicht nach einem geordneten Schema, etwa als Reise in vier Etappen. erfasst werden. In allen analysierten Visionen kommen Vergangenheit. Gegenwart und Zukunft vor. Die Zeitwechsel sind meistens unvennittelt und werden auf eine Weise vermischt.
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dass es schwer zu begreifen ist, wann was geschieht. Wie die verschiedenen One übernehmen auch die Zeiten mehrdeutige Funktionen. Die Vergangenheit ist die Zeit, in der die gesamte Fiktion inszeniert wird: Johannes erzählt seine Erlebnisse und Visionen als abgeschlossene Handlungen in einer unbestimmten, vergangenen Zeit: seine Reise begann am Hem:ntag. An einigen SteUen scheint jedoch durch die fiktive Vergangenheit eine historische Verankerung des Geschehens durch. Die Verben ~A9Ev und {\All$EV in Offb 5,7 sind ein Beispiel dafür: diese Vergangenheitsformen umschreiben sowohl die Bewegung des Lammes innerhalb der Vision als auch das Auftreten Jesu in der Geschichte. Auch die Prädikationen Gottes (" ~v) in Offb 4 und des Tieres (TO 911P(OV ... ~v) in Offb 17 als Kräfte, die bereits in der Vergangenheit wirkten, sprengen den Rahmen des Visionären, indem sie sich auf eine historische Zeit beziehen. Der FaU des Sterns aus dem Himmel und die damit verbundene Öffnung des Abgrundes (Offb 9) sind Elemente der Fiktion, die jedoch als Anspielung auf geschichtliche Tatsachen aufgefasst werden können: die Wirkung der zerstörerischen Kräfte ist nämlich für die grosse Bedrängnis der Christen verantwortlich. Auf diesem Hintergrund wird die Ambivalenz der Vergangenheit auch in Offb 7 fassbar: der Rückblick auf die Geschichte der Schar überschreitet die Grenzen der Fiktion. Die Gegenwart ist eine Zeit, die in Form direkter Rede zur Sprache kommt: Die Hymnen und die Dialoge, an denen sich der Seher beteiligt, werden präsentisch wiedergegeben. Auch das Auftreten der Menschenschar vor Gottes Thron wird in der Gegenwart der Erzählung situiert. Innerhalb der Fiktion erscheint die Gegenwart als die Zeit der Unmittelbarkeit: In dieser Dimension wird das Lob Gottes in Offb 4 und des Lammes in Offb 5 vergegenwärtigt. Mit dem unmittelbaren Charakter der präsentischen Formulierungen werden die Adressaten der Schrift angesprochen: Auch sie können das Lob der Himmelswesen mitsingen und werden in die Dialoge des Johannes mit den Figuren einbezogen. Diese Eigenschaft der Gegenwart in den Visionen wird von der Beobachtung bestätigt, dass die Deutungen und die direkten Aufforderungen hauptsächlich im Präsens formuliert sind. Das Verständnis der Zukunft ist nicht einheitlich. Im Rahmen der visionären Reise ist die Zukunft die Zeit, in der bevorstehende Ereignisse vorgestellt werden. Dazu gehören künftige, unvermeidbare Ereignisse wie die Wirkung des Heuschreckenheeres auf die Menschen, die Rückkehr des siebenköpfIgen Tieres an die Macht und die Vernichtung der Stadt Babyion. Zur künftigen Zeit gehören auch die ErfUllung der Versprechen an die Treuen Gottes: Das Versprechen «zu einem Reich und Priestern» (Offb 5,10) gemacht zu werden, das Versprechen der unmittelbaren Nähe zwischen Gott und den Menschen, der zärtlichen Zuwendung Gottes und des Lammes, das Versprechen, der Stadt, die aus dem Himmel herabsteigt. Ein Vergleich zwischen diesen Ereignissen, die in der Zukunft angesiedelt werden, hebt die unterschiedliche Qualität dieser Zeitebene her-
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vor. Die Zukunft der Zerstörung Babyions und die Zukunft Jerusalems stehen nicht auf der gleichen Stufe. Das erste Ereignis wird als logische Fortsetzung einer vergangenen und präsentischen Situation geschildert. Die Zukunft der Stadt. die aus dem Bund mit den vernichtenden Kräften lebt. sich hereichert und herrscht. mUndet in die Zerstörung der Stadt selbst: ihre Vernichtung ist vorprogrammiert. Auch die negative Wirkung der Mächte auf die Menschen erscheint als unausweichliche Tatsache: das Tier. das von vielen bewundert und gepriesen wird. verlangt eine Verehrung. welche nicht einmal vor seiner eigenen zerstörerischen Wirkung zu schützen vermag. Die Verehrung des Tieres impliziert Feigheit. Unglaubwürdigkeit. Abscheu. Mord. Unzucht. Zauberei. Zuwendung zu anderen Gönern. Lüge und fUhrt zur endgültigen Vernichtung. dem zweiten Tod. Die VeIWeigerung der Verehrung impliziert jedoch ebenfalls negative Folgen: Gefängnis und Tod. Eine schmerzhafte Auseinandersetzung mit der Negativität des Tieres. des Drachens. der verkehrten Stadt steht bevor. ist für alle unausweichlich. gehört zur Zukunft sowohl im Rahmen der fiktiven Erzählung als auch im Leben der Adressaten der Schrift. Die Zukunft der Stadt aus dem Himmel, der geschmückten Braut des Lammes. hat eine andere Wirkung: Sie ist die Dimension des Versprechens und der Hoffnung. Sie ist eine ttagendc Sphäre. die bereits in der Gegenwart wirkt: Die neue Qualität von Zuwendung und Nähe kann bereits in der von der Bedrängnis gekennzeichneten Gegenwart erfahren werden. Der Sieg des geschlachteten Lammes strahlt Lebendigkeit. Rellung aus. Die Dimension des Versprechens und der Hoffnung eröffnet neue Möglichkeiten in der Gegenwart. Diese Art von Zukunft ist weder unausweichlich noch eine logische Fortsetzung der Gegenwart. Die Versprechen sind Einladungen. die Stadt eine Gabe GOlles. die umsonst geschenkt wird. Als radikal neue Dimension der Lebendigkeit stellt diese eschatologische Zeit einen Bruch dar: dank der befreienden Wirkung des gleichzeitig geschlachteten und stehenden Lammes ist diese Zukunft in die Nähe geruckt. Die Stadt als Dimension des erfüllten Versprechens beschränkt sich nicht auf die Fiktion der Vision: Für die leidenden Christen stellt sie die Dimension des Reiches GOlles in seiner Relevanz fllr die Gegenwart dar. In Offb 4.1 lädt eine Stimme Johannes ein. in den Himmel zu steigen. damit er sieht. was geschehen muss. In Offb 1.1 wird die gleiche Wendung mit €v niXE! gebraucht Die Visionenreihe wird damit als Vorführung eschatologischer. unausweichlicher Ereignisse präsentiert. Diese künftige. unvermeidliche Zeit hat eine dreifache Konnotation: Sie erscheint als die Zeitdimension. in der sich die Ereignisse der Visionen entfalten. Als solche gehört sie in den Rahmen der Fiktion. Sie ist aber auch die historische Dimension. in der die Bedrängnis. die Zerstörung und das Tier ihre schwcIWiegenden Auswirkungen zeigen werden. Als solche Übersteigt die Zukunft den Rahmen der Visionen. Darüber hinaus ist die eschatologische Zeit die Sphäre der Erfilliung des Versprechens und der
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Hoffnung. Sie ist die Dimension einer Lebendigkeit. die bereits in die Gegenwart eindringt. Der Umgang der Apokalypse mit den Zeiten ist äusserst komplex. Als fiktive Erzählung wird die Reise des Johannes in der Vergangenheit angesiedelt. Gegenwart und Zukunft werden dann im Rahmen der Erzählung relative Zeiten. um Gleichzeitigkeit und Zukunft auszudrücken. Die Reise bildet aber auch den Kern eines Briefes. in dem das mitgeteilt wird. was in KUrze geschehen muss. Dies besagt. dass die Zeiten. die in den Visionen vorkommen. die Adressaten in ihrem Leben direkt betreffen: Vergangenheit. Gegenwart und Zukunft der Visionen sind ein Stück weit auch die Zeiten der Geschichte. in der sie leben. Das Verhältnis zwischen den Zeiten in der Fiktion und den Zeiten der Menschen in K1einasien ist nicht linear. sondern von einer dichten. mehrdeutigen Spannung bestimmt.
9.3.6 Täuschung und Klarheit Der Rückblick auf wesentliche Züge der Gestalten. der Orte und Zeiten. welche in den Visionen vorkommen. lässt eine interessante Spannung zwischen Parallelen und Gegensätzen. zwischen Klarheit und Gemenge des Lebens. zwischen den Zeiten der Fiktion und den Zeiten der Geschichte entstehen. Die Mehrdeutigkeit. die alle drei Elemente der Erzählung durchdringt. bringt eine absichtliche Unschärfe. trägt zur Konfusion bei. In den Visionen des Johannes werden absurde Ähnlichkeiten zwischen den in der Welt wirksamen Kräften hervorgehoben; das Geschehen umfasst alle möglichen Räume. die Zeiten werden unvermittelt vermischt. In den Visionen wird Undeutlichkeit und Undurchsichtigkeit inszenien. Paradoxerweise bringt die Reise des Johannes gleichzeitig Ordnung in diese verrückte Visionenwelt: Durch die klaren Unterscheidungen der Gestalten. durch die Verbindung der symbolischen Orte als chronologische Elappen der Reise. durch die Ausdifferenzierung der verschiedenen Qualitäten in den Zeiten ermöglicht das Werk selber eine klare Einsicht in die Welt. Johannes beginnt seine visionären Abenteuer auf der Insel Patmos. auf der Erde. Als Mensch gehön er zur Erde. zur Dimension der Vermischung der Kräfte. zum Gemenge des lebens. Er ist Bruder und Mitgenosse der Christen in den sieben Gemeinden. Als solcher kennt er die Bedrängnis und das Leiden. er kennt die Schwierigkeit. die Wirklichkeit deutlich zu erfassen. Vom irdischen Standon sieht alles gleich aus: Mächtige Kräfte haben gleiche Eigenschaften. tragen ähnliche Zeichen. Eine deutliche Wahrnehmung der Wirkung dieser Mächte ist schwierig. denn in der Bedrängnis ist die Macht des Tieres präsenter als diejenige des Schöpfers und seines Lammes. Vor dem Thron des Tieres. vor der wunderbaren Erscheinung der Frau Babyion neigen sich alle Menschen zur Bewunderung und Anbetung. Sogar Johannes erliegt der Täuschung der reichen. prächtigen Stadt. die auf dem Tier reitet.
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Ausgewählte Visionen
Mit seiner Reise durch visionäre Sphären macht Johannes den Adressaten seines Briefes die hirrunlische Klarheit zugänglich: Er liefert Kriterien zur Unterscheidung der mächtigen Kräfte; er hebt die Unvergleichbarkeit zwischen Schöpfer und Vernichter. zwischen Lebendigkeit und endgültigem Tod. zwischen der Zukunft der Bedrängnis und der Zukunft der Stadt hervor. 9.3.7 Klarheit und Trost
Im Kontext des irdischen Gemenges. der Konfusion wird die himmlische Klarheit zum Trost. Mit den Visionen zeigt der Seher. dass Gott der Schöpfer ist. dass er über eine Macht verfügt. die nicht mit detjenigen von Abbadon-Apollyon. dem Vernichter. zu verwechseln ist. Trost. Zuwendung. Heilung und Liebe kennzeichnen die Beziehung Gottes zu den Menschen. Der Sieg des Lammes wirkt erlösend. zielt auf ein Reich. in dem Gott. das Lamm und Menschen aus allen Völkern. Stämmen. Sprachen und Nationen in unmittelbarer Nähe zusammenleben werden. Die Stadt aus dem Himmel nimmt Nähe und Zuwendung vorweg. macht sie bereits in der Gegenwart fassbar. Alles was Gott. der Schöpfer. unternommen hat und bewirken wird. ist eine Gabe. die den Menschen als Einladung angeboten wird. Die Klarheit. die Johannes in seinen Visionen zum Ausdruck bringt. unterstützt die Hoffnung der leidenden Heiligen. fordert sie auf. auch in der Zeit der Undurchschaubarkeit und der Bedrängnis am Wort Gottes und am Zeugnis Jesu festzuhalten. Sie schafft einen Raum. in dem die Zuversicht der Menschen und die Glaubwürdigkeit des Versprechens in Einklang gebracht werden. 9.3.8 Sehen und Deuten Auch angesichts der himmlischen Klarheit. der kostbaren Gabe der Stadt aus dem Himmel. vermitteln die Visionen des Johannes keinen billigen Trost. Die paradoxen Symmetrien zwischen den Gestalten. die Vermischungen der Orte und Zeiten werden sogar innerhalb der Fiktion der Schwierigkeit gerecht. von der Erde aus eine deutliche Sicht der Geschichte zu erreichen. Die inszenierte Täuschung hebt die Notwendigkeit der Klärung hervor: mit der Reise in den Himmel bestätigt Johannes. dass Gott und der Vernichter. das Lamm und das Tier. Jerusalern und Babyion. die Gott treuen Menschen und die Anbeter des Tieres nicht identisch sind und dass sie mehr als blosse Gegensätze sind. Der Trost. den Johannes seinen Genossen gibt. beschränkt sich nicht auf die Aussage. dass die Dimension Gottes im Himmel tatsächlich erkennbar sei. Der Trost des Johannes konzentriert sich auf die Gegenwart der Menschen. die auf der Erde leben. Der Verfasser der Visionen verleiht seiner tröstenden Botschaft Glaubwürdigkeit. indem er den Trost mit der Relevanz des Gottesreiches und mit der Bedrängnis und dem Leiden in der Gegenwart verbindet. Dieser Trost führt nicht zu einer passiven Haltung. Die Christen sollen aktiv und engagiert an der himmlischen Klarheit festhalten. Ausgehend von der un-
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verwechselbaren Unterscheidung zwischen Lebendigkeit und endgültigem Tod sollen sie ihre Geschichte. ihre Wirklichkeit neu betrachten und bewerten: sie sollen erkennen. wo Gott am Werk ist und wo Abbadon-Apollyon: sie sollen erkennen. wo der Sieg ist. der auf Lebendigkeit hinzielt. und wo der Sieg ist. der Zerstörung und Vernichtung verursacht. Die Aufforderung. sich mit der eigenen historischen Wirklichkeit auseinanderzusetzen. wird in der Apokalypse sowohl auf der Ebene der Inhalte als auch in der Auswahl der Formen zum Ausdruck gebracht. Die merkwürdigen Deutungen und die direkten Aufforderungen laden die Adressaten der Apokalypse ein. eine klare Sicht der Wirklichkeit zu gewinnen: die paradoxen Spiegelbilder. die Vermischung von Orten und Zeiten machen die Klarheit in der Gegenwart. auf der Erde. zugänglich. Die Adressaten der Offenbarung werden aufgefordert. ihre eigene Geschichte zu deuten: Dies ist die einzige Möglichkeit. welche einen Ausweg aus der Täuschung und der Undurchschaubarkeit eröffnet. Die Visionen leiten zu einer neuen Art des Sehens angesichts der von Bedrängnis gekennzeichneten Existenz an. Leser und Leserinnen der Offenbarung sollen den Unterschied zwischen dem. was sie aus den fiktiven Visionen erfahren. und dem. was sie in der Geschichte erleben. erkennen und deuten.
m. Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund der Offenbarung
1 Von den Visionen zur Geschichte Im ersten Teil dieser Untersuchung standen Texte im Mittelpunkt. Die ausgewählten Visionen wurden als abgeschlossene. sinntragende Einheiten. als Etappen der fiktiven Reise des Johannes betrachtet und analysien. Die Visionen der Offenbarung sind komplexe. mehrdeutige Sprachbilder. Um diesen Eigenschaften der Visionen gerecht zu werden. wurde der Bezug zum historischen Kontext. in dem sie verfasst und möglicherweise gelesen wurden. zunächst ausgeblendet. Die Aufmerksamkeit galt primär der Vielfalt von Formen und Inhalten innerhalb der Visionen selber. Gerade in der Analyse der Visionen als siMtragende. abgeschlossene Bilder tauchten immer wieder Verbindungen zum geschichtlichen Horizont auf. aus dem diese Fiktionen stammen. Dieser Bezug zum Geschichtlichen wird nirgends unminelbar hergestellt. sondern im Rahmen der Fiktion suggerien. ohne dass diese dadurch zerlegt wird.' Eine erste Verbindung der Visionen zum historischen Kontext ist durch die brieflichen Züge der Offenbarung gegeben. Die Briefform lässt erkeMen. dass die Apokalypse als Botschaft für die Gemeinden in K1einasien. in Ephesus. Smyrna. Pergamon. Thyatira, Sardes. Philadelphia und Laodizea verfasst wurde. z Die fiktiven Visionen stellen den Haupneil einer Schrift dar. die sich an die Christen in ihrer Lebenssituation wendet. Die Situation der Leserschaft der Johannesoffenbarung wird in den sieben Kurzbriefen angesprochen. welche die Visionenreihe eröffnen. Obwohl in den folgenden Visionen die Adressatengemeinden nicht mehr vorkommen. werden Leser und LeseriMen immer wieder in das Gesehene miteinbezogen: auf indirekte Weise in den hymnischen Teilen. deutlich und herausfordernd in den direkten Aufforderungen und in den merkwürdigen Deutungen.) Die zu1etzt ge, Dazu s. 119.2.7. , Die sieben Gemeinden werden in Oflb 1,4.11 und in Offb 2-3 ausdrtlcklich erwähnt. J Vgl. 11 9.2.3 und 9.2.7.
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
nannten Elemente stellen einen weiteren Aspekt des Bezugs zwischen den Visionen und der Geschichte dar. Die direkten Aufforderungen und die Deutungen weisen nämlich auf die Notwendigkeit einer Auslegung der Visionen hin. ohne jedoch diese Interpretation zu liefern; sie machen darauf aufmerksam. dass das Gesehene in Verbindung zum Erlebten steht. ohne diese Beziehung genauer zu hestimmen. Die Visionen der Offenbarung vennineln eine klare Sicht der Welt und der Kräfte. die sie lenken: Die Aufforderungen und die unklaren Deutungen fordern die Adressaten der Offenbarung in ihrer Lebenssituation auf. die Klarheit aus den himmlischen Visionen aufzunehmen. um eine neue Sicht der Erde und der Kräfte. die das Lehen auf der Erde bestimmen. zu gewinnen. Die Aufforderungen und Deutungen in den Visionen heben die Relevanz der Visionen zur Deutung der Geschichte hervor. ohne eine Beschreibung der geschichtlichen Situation oder etwa eine Skizze des Lebens in den k1einasiatischen Städten mitzuliefern. Wer heute die Offenbarung liest. kennt nur die Fiktion; der historische Hintergrund muss aufgrund anderer Zeugnisse aus der damaligen Zeit rekonstruiert werden. In diesem Teil der vorliegenden Untersuchung soll dieser Aufgabe nachgegangen werden.
1.1 Spuren eines schwerwiegenden Konfliktes Obwohl die Visionen als fiktive Sprachbilder keine direkten Auskünfte über ihren historischen Hintergrund liefern. enthalten sie Elemente. die für die Rekonstruktion der geschichtlichen Lage von Bedeutung sind.
1.1.1 Die Bedrängnis In Offb 1.9-12a wird der Übergang des Johannes von der geschichtlichen Wirlilichkeit zur Welt der Visionen beschrieben. An dieser Stelle stellt sich der Verfasser als Bruder und Genosse in der Bedrängnis. im Reich und im Ausharren in Jesus vor.' Die Lebenssituation des Sehers und seiner Adressaten ist somit von zwei gegensätzlichen Erfahrungen gekennzeichnet: von der Bedrängnis (SAl'S') und dem Gonesreich (jIaatAEia). Die starke Spannung zwischen der Dimension der Bedrückung und der Dimension der geschenkten Lebendigkeit erscheint im Lichte der analysierten Visionen als Leitmotiv. Die Bedrängnis kennzeichnet nicht nur die Situation des Johannes vor seiner Reise in die Welt der Visionen. sondern prägt auch die Erfahrung der Treuen Gottes als Gestalten innerhalb der Visionen. Beispielsweise wird in Offb 7.14 das Thema der Bedrückung entfaltet: Im Rückblick auf die Herkunft der Menschenschar steht fest. dass diese Figuren aus der grossen Bedrängnis kommen. Das Leiden und die Not der Gestalten in Offb 7 wird auf verschiedene Weisen zum Ausdruck gebracht: Ihr hoffnungsvolles und doch verzweifeltes Schreien • Dazu vgl. auch. Aune. BR 26. vor allem 11-22.
Von den Visionen zur Geschichte
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beinhaltet einen weiteren Hinweis auf eine Vergangenheit. die von Bedrückung und Bedrängnis gekennzeichnet ist. 5 Dem Leiden der Treuen Gones begegnet man innerhalb der ausgewählten Visionen auch in Offb 13. Die Wirkung des Tieres auf die Christen wird in V.6 und anschliessend in V. 9f aufgenommen. Das mächtige Wesen aus dem Meer führt Krieg gegen die Heiligen und besiegt sie. Die Christen erfahren diesen Kampf in Form von Tod und Gefangenschaft. 6 Schliesslich taucht das Motiv der Bedrückung der Christen in Offb 17.6 auf: die Stadt-Frau BabyIon betrinkt sich mit dem Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu. 7 Das Blut der Heiligen. das Schwert und die Gefangenschaft. der gewonnene Krieg des Tieres gegen die Christen. das Schreien der Menschenschar. die aus der grossen Bedrängnis kommt. können als verschiedene Aspekte derselben Erfahrung betrachtet werden: Es sind Facetten der Bedrängnis. unter welcher Johannes und seine Adressaten zu leiden haben. Nach den aufgeführten Stellen erscheint diese Bedrückung als eine Art von Leiden. welche speziell die Christen trifft: Sie charakterisiert die Lebenssituation von Menschen. die sich zur zuverlässigen Beziehung zu Jesus und Gott bekennen. Die betrachteten Perikopen aus der Offenbarung des Johannes identifizieren die Situation der 9At<jJ\S'. der Bedrängnis. mit der Lebenssituation der Christen schlechthin. Nach der Darstellung des Verfassers führt die Beziehung zu Gott. zu Jesus und zur lIamA€la die Christen in eine Situation von Zerrissenheit, von Leiden und von Bedrängnis.
/./.2 Die vernichtenden Mächte Die analysierten Texte lassen nicht nur die Lage der schwerwiegenden Bedrängnis durchscheinen. sie weisen auch auf die Ursachen dieses Leidens der Christen hin. Die Situation ist von den zerstörerischen Kräften - dem Vernichter. dem Tier und den weiteren Unwesen - verursacht. In den Visionen werden diese Gestalten als negative. auf Vernichtung und Tod ausgerichtete Kräfte geschildert.' Stellen wie Offb 13.9f und 17.7ff machen deutlich. dass diese Kräfte nicht nur in der Fiktion tätig sind. sondern auch in der Welt der Adressaten. Ihre verheerende Macht trifft alle Bewohner der Erde. nicht nur die Treuen Gottes. 9 Die Totalität der Macht der zerstörerischen Kräfte wird in den Visionen mit verschiedenen Mitteln und sehr detailliert geschildert. 10 Aus den Beschreibungen des Vernichters und seines Heeres in Oflb 9 und aus der Schilderung des ersten Tieres und des Drachens in Offb 13 geht hervor. dass diese Wesen die gesamte Erde , Dazu 11 4.4.3. • Dazu s. 11 6.6. 7 Dazu 11 7.2.2. • S. Offb 9.13 und Offb 17. 9 S. z.B. Offb 9.6.18 und 17.16. 10 S. als Beispiel die Schildenmg des Tieres aus dem Meer in Offb 13.1-3a. wo typische Allribule von Macht vorkommen: Hörner. Diademe. ein Thron. Kraft (6Uva~\» und gmsse Macht (Houo(a).
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
und alle Ebenen des gesellschaftlichen Lebens beeinflussen. Der Drache und das Tier üben Macht über alle Stämme. Völker, Nationen und Sprachen ausII; die gesamte Erde steht hinter ihnen 12. In der Beschreibung des Aussehens und der Wirkung der vernichtenden Kräfte kommen häufig militärische Ausdrücke vor. 13 Die Huldigung an ihre Macht wird mit einem religiösen Wortschatz ausgedrückt.!· Nicht zu übersehen sind die ökonomischen Auswirkungen der Macht der zerstörerischen Tiere: die Stadt-Frau BabyIon hat aus der Beziehung zu ihnen einen immensen Reichtum gewonnen.!s Nach der Darstellung der Visionen sind die Mächte, die fiIr die Bedrängnis der Christen verantwortlich sind. gewaltig und allgegenwärtig.
/./.3 Babyion Die Erfahrung der Bedrängnis kennzeichnet das Leben des Johannes und seiner Mitchristen. Die gleiche Kategorie wird im Rahmen der Visionen mit den Heiligen, den Treuen Gottes assoziien und von den negativen Mächten, dem Drachen und seinen Tieren, verursacht. Schliesslich liefern die ausgewählten Visionen ein letztes aufschlussreiches Element: Der On, wo die Macht der vernichtenden Kräfte sich konkretisien. ist die Stadt BabyIon. Nach der Vision in Offb 17.3-18 ist BabyIon einerseits durch grossen Reichtum und grosse Gewalt und andererseits durch das Blut der Heiligen und der Zeugen Jesu gekennzeichnet. Sie ist zugleich ein On von Pracht und von grosser Bedrängnis: BabyIon umfasst alle Menschen, die Anbeter des Tieres wie auch die Treuen Gottes. Diese QuerleklÜre durch die ausgewählten Texte zielte darauf, die Erfahrung von Konflikt und Bedrängnis, die die gesamte Offenbarung prägt, in den Blickpunkt zu rücken. Der Vergleich zwischen den Zügen, welche auf die Zerrissenheit der Treuen Gottes hinweisen. lässt drei Dimensionen des schwerwiegenden Konfliktes unterscheiden, dem die Heiligen ausgesetzt sind. Die Bedrängnis wird als diejenige Lebenserfahrung dargestellt, in der Johannes seine fiktive Reise durch den Himmel verfasst. Auch im Rahmen der Visionen fasst die Kategorie der Bedrängnis verschiedene Formen von Leiden, Not und Gefahr zusammen, von denen die Treuen Gottes bedrückt werden. Die Bedrängnis wird in den Visionen ausserdem als Zeichen des Konflikts zwischen den Treuen Gottes und den vernichtenden Mächten präzisien: der Drache und das Tier sind die Urheber der Bedrückung. SChliesslich hebt die Vision der Stadt der Vernichtung, der Mutter aller Huren. die räumlichen Konturen des Konfliktes und der Bedrängnis S. 13.7 und 17.15. " S. 13.3b. 13 Dazu vgl. 9,7-12 und 13,4.7. " S. beispielsweise das Vorkommen von npooKuv{W und ~Xao .. ~~iw in Oflb 13.1-11. Dazu 0 6.3. " Die ökonomischen Auswirkungen der Machl der vemichlenden Kräfle werden in 13.17 deutlich beschrieben. Vgl. auch die eminente Rolle der Kaulleule und die Auflislung der angebotenlen Güler in Oflb 18. 11
Von den Visionen zur Geschichte
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hervor: Dort wo die Macht der zerstörerischen Kräfte sich entfaltet. wo Reichtum. Pracht und grosse Gewalt in konzentrierter Fonn erscheinen. leben und leiden die Treuen Gones. 1.2 Zur Rekonstruktion des historischen Hintergrundes Diese Elemente aus den Visionen erlauben keine Rekonstruktion der geschichtlichen Lage. weisen jedoch auf eine Konnotation dieser Situation hin: Sie machen klar. dass die Lebenserfahrung des Verfassers und der Adressaten der Offenbarung von einem schwerwiegenden Konflikt geprägt isl. In den Visionen der Offenbarung liegen noch weitere Elemente vor. welche auf die geschichtliche Lage anspielen. Die besondere Deutung in Offb 17.8-18 enthält eine Art EntschlUsselung der vorangehenden Visionen in 17.1-6: das Tier und die sieben Häupter. die zehn Hörner und die grosse Hure werden mit anderen Grössen identifIZiert. Dabei erfliJut der Leser der Offenbarung. dass die sieben Hörner des Tieres sieben Berge und sieben Könige sind. die zehn Hörner ebenfalls. sowie dass Babyion die grosse Stadt ist. welche die Herrschaft Uber die Könige der Erde haI. Die Deutung ist rätselhaft. sie weist darauf hin. dass es nötig ist. zu interpretieren. gibt jedoch die Aufgabe einer klaren Auslegung an die Adressaten der Schrift weiter. 16 Ob die damaligen Christen in den Ideinasiatischen Gemeinden diese Rolle der Deuter Ubernommen haben. wissen wir nichl. Wirkten die Anspielungen auf ihre geschichtliche Lage unminelbar auf sie? Waren diese Hinweise selbstverständlich? Diese Fragen bleiben offen. Ganz andere Fragen stellen sich. wenn wir trotz unserer zeitlichen Distanz von bald zwei Jahrtausenden versuchen. die von der Offenbarung ausgehende Aufforderung wahrzunehmen und die darna1ige Geschichte auszulegen. Diese Aufgabe ist gezwungenennassen mit Schwierigkeiten auf verschiedenen Ebenen gekoppell.17 Einerseits mUssen der darna1ige Zeitgeist, die darna1igen Erfahrungen von Geschichte. die verschiedenen Facenen des darna1igen Lebens und seiner institutionen rekonstruiert werden. Jede Skizze dieser vergangenen Zeit beruht auf der Analyse und Auswertung archäologischer und literarischer Quellen und ist definilionsgemäss fragmentarisch. lückenhaft. Auf der anderen Seite liegt eine noch tiefgrUndigere Schwierigkeit vor. nämlich das Problem der Rekonstruktion der Wirkung der darna1igen geschichtlichen und gesellschaftlichen Situation auf verschiedene Leute mit verschiedenen Persönlichkeiten und Weltanschauungen. In der Auslegung der Offenbarung und in der Rekonstruktion ihres historischen Hintergrundes sind die genannten Probleme gross. Man stellt nämlich fest. Zur Beschaffenheil. Rolle und Bedeulung von 17.8-18 •. U 7.4 und 119.2.3. Dazu Both.. Neoles!. 22.89: .1be henneneutical aspeet of ru.torical research deaIs with two problems: on the one hand the irreducible strangeness of the past and on the other the fact of continuily in hislory - wruch after a11 is the .tory of human beings». 16 17
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
dass die zahlreichen Auswertungen gleicher literarischer Quellen in bezug auf die Offenbarung recht unterschiedliche Schilderungen der Geschichte ergeben. Nach Leonard E. Thompson tendieren die Kommentatoren der Offenbarung dazu. sich den ausserbiblischen Quellen viel naiver als christlichen Texten zu nähern." Die Beziehung zwischen den literarischen QueUen und dem historischen Hintergrund bedarf einer sorgfältigen Reflexion und Auswertung: In diesem Vorgehen muss darüber hinaus die Beschränktheit jeder rekonstruierenden Arbeit stllndig vor Augen gehalten werden. 19 Im Bewusstsein der Schwierigkeiten. die die Fragestellung mit sich bringt. soll versucht werden. wesentliche Momente der geschichtlichen Situation. in der die Offenbarung verfasst wurde. zu beschreiben. Damit sollen die Fragen geklärt werden. welche die verschlUsseIten Anspielungen in den Visionen entstehen lassen: Woraus bestand die Bedrtlckung der Treuen Gottes? Wie manifestierten sich die negativen Kräfte in der damaligen Geschichte? Welches war der Rahmen. in dem die Christen ausharrten. zerrissen zwischen der Erwartung der bereits angebrochenen ßaOtAEla und der Bedrängnis?
, •• First of 811. however. a comment nceds to be made about the relationship betwccn earty Christian and Roman sourccs. Put simply. commcntalOß on the Boolt of Revelotion (perhaps man: gencnllly on earty Christianity) \end to approach Roman writings more naively than Christian writings •• T71e Boot 0/ R.velDlion 96. 19 lbompson. Semeia 36. 163 weisl auf diese Problematik im Rahmen einer soziologischen Auswertung der Bcdränsnis in der Offenbarung hin: .A sociology of the Apocalypsc considcrs causal connections between the litcrary and the social. but there is a1ways the nccd to malte cl... in any spccitic situation what kind of causal connection is being made. how approltimate it iso an how limitcd is the situation in which it operat....
Datierung der Offenbarung
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2 Datierung der Offenbarung Zur Rekonstruktion des historischen Hintergrundes gehön die geographische und zeitliche Situierung der Johannesoffenbarung. Diese wird in zwei Stufen vollzogen: Zuerst werden Hinweise aus der Offenbarung selber auf diese Fragestellung hin überprüft; in einer zweiten Phase werden frühchristliche Zeugnisse in den Mittelpunkt gestellt.
2.1 Hinweise aus der Offenbarung In der Selbstdarstellung in Oftb 1,9f gibt Johannes Auskunft über seinen Standon: Auf Patmos fand er sich. Die Verbform E'YEV0I111V hebt die Veränderung hervor, lässt erkennen, dass Johannes vorher nicht auf dieser Insel war.' Der Grund dieses Onswechsels nimm! das lbema der Bedrängnis wieder auf: Der Seher ist in Patmos wegen seiner Beziehung zum Won Gottes und zum Zeugnis Jesu. 2 Die Adressaten der Offenbarung leben hingegen in gut besiedelten Zentren, in sieben bedeutenden Städten K1einasiens, nämlich Ephesus, Smyma, Pergamon, Thytira, Sardes, Philadelphia und Laodizea.
2.1.1 Die sieben Häupter und die Kaiser Im Gegensatz zu den geographischen Nachweisen, die plausibel scheinen, müssen die zeitlichen Angaben innerhalb der Offenbarung einer heiklen Entschlüsselungsarbeit unterzogen werden. Eine zentrale Stelle in diesem Zusammenhang ist Offb 17,9-11. Hier werden die sieben Häupter des Tieres mit sieben Bergen, auf denen Babyion sitzt, gleichgestellt. Zugleich sind sie sieben Könige: fünf unter ihnen sind bereits gefallen, der eine ist gegenwänig, der andere wird kommen, aber nur kurz bleiben. Das Tier, das war und in der Gegenwart gar nicht da ist, aber kommen wird, ist der achte König und einer der sieben. Die IdentifIZierung der sieben Häupter mit den Bergen der Stadt Babyion und mit den Königen veranlasst dazu, Babyion als Chiffre für Rom und die Könige als Anspielung auf die Kaiser aufzufassen.) Angenommen, dass die Gegenwart in der Deutung von 17,lOf auch die Gegenwart des Verfassers miteinbezieht4, sollte ein Vergleich zwischen dem Rätsel mit den Häuptern des Tieres und der
Vgl. I 3.3. insbesonsere Anm. 37. Dazu vgl. die Ausftlhrungen I 3.3. J Dazu vgl. auch I Pell 5,13. • Über die Meludeutigkeil der Zeilen innerhalb der Visionen s. U 9.3.5. I
2
Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
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Liste der Kaiser einen Hinweis auf die Datierung der Offenbarung ergeben. Wie sich in der Folge erweisen wird, ist dieser Vergleich nicht leicht durchftlhrbar.' Die Liste der römischen Kaiser bis Ende des ersten Jahrbunden sieht wie folgt aus: AuguslUs Tiberius Caligula
(27 v.Chr.- 14 n.Chr.) (14-37)
(37-41) (41-54)
Claudius Nero Galba
(54---68) (68-69)
Otho
(69)
ViteUius (69) Vcspasian (69---79) (79-81) Titus Domitian (81-96) (~98) Nerva (98-1 I7) Trajan Wie wurden die Kaiser aber vom Verfasser der Offenbarung gezählt? Hielt er sich an die chronologische Reihenfolge aller Kaiser, samt jenen, die nur sehr kurz an der Macht waren, wie Galba, Otho und ViteUius? Mit welchem Kaiser beginnt die Zählung nach Offb 17? Diese ftlr die Dechiffrierung des Rätsels unumgänglichen Fragen werden in der Literatur sehr unterschiedlich beantwortet; von diesem Schrill hängen die verschiedenen Datierungen der Offenbarung ab.
2. J.2 Das sechste Haupt und Domitian Eine elegante Lösung des Problems hat Jarl Henning Ulrichsen gefunden. 6 Er geht davon aus, dass die sieben Häupter des Tieres nur eine Auswahl der Kaiser darstellen und als solche nicht der vollständigen Liste der Principcs entsprechen. 7 Nach ihm beginnt die Zählung der Häupter-Könige nicht etwa mit Cäsar oder Augustus, sondern erst mit Caligula, denn dies ist der erste Kaiser, der als Typus des Antichrists aufgefasst werden kann. B Die aufgeftlhnen Argumente aus den , Dazu s. Slrobel. NTS 10. 433: .Oie Versucbe. aufgrund von Apok. xvii. 9-12 über die Abfassun, der SchOf! Klarheit zu ,ewinnen. sind überaus zahlreich. Viele Ausle,er haben an diesem Te.t ihren Scharrsinn erprobt. Trotzdem ist man über plausible und Y. • In seinem Aufsatz .Oie sieben Häupter und die zehn Hörner. Zur Datierung der Offenbarung des Johannes>. StTh 39. 1-20 le" der Venasser seine Tbcse vor. Der Anikel ist auch aufpund der Darstellung der verschiedenen Positionen sehr hilfieich. 7 Ibid. S. 6. • Die Aufzählung der Kaiser in der Auslegung der Offenbarung ist sehr bunt; s. dazu die
Datierung der Offenbarung
223
Arbeiten von Brun und Strobel sind überzeugend. Brun fragt sich. «ob die Ausleger nicht. wenn sie die Zählung von AUgustus (oder Cäesar) an einfach als selbstverständlich ansehen. zu wenig bedacht haben. dass die Geschichte des Christentums (und noch mehr die Beziehung der christlichen Gemeinden zum römischen Staat) nicht schon mit der Gebun Christi. sondern erst in den dreissiger Jahren des ersten Jahrhundens ihren Anfang genommen hat? Cäsar und Augustus konnten überhaupt noch kein Verhällnis zu Christentum und Kirche haben. FUr Tiberius bestand wenigstens in den letzten Jahren seiner Regierung die abstrakte Möglicbkeil, aber es verlautet nichts davon. dass sie zur Wirldichkeit geworden wäre •. 9 Zur RoUe von Tiberius gib! Slrobel folgendens zu bedenken: «Tiberius. dessen Regierungszeitlange vor das Auftreten Christi fällt (= 14. n. Chr.). wurde selbslYerständlich in die Reihe der seit dem Messias erstandenen .antichristlichen> Kaiser nicht mit aufgenommen. EHr ausschliesslich postteleologische Aspekt fühne norwendigetweise VAr Beschränkung auf jene Kaiser. die erst noch Christus an die Macht kamen. Sie wurden dun:h Caligula eingeleitel>•. lo Die lntem:gnumskaiser Galba, 0Ih0 und Vitellius müssten nicht mitgezählt werden. weil ihre Wirlrung auf die Christen als lnteregnumskaiser nicht spürbar gewesen seL11 Das Rätsel der ersten sechs Häupter wird von Ulrichsen wie folgt gelöst: erstes Haupt: zweites Haupt: drittes Haupt: vienes Haupt: fünftes Haupt: sechstes Haupt:
Caligula Claudius Nero Vespasian Titus Domilian
Das sechste Haupt. der gegenwärtige König. ist Domitian. Nach dieser Deutung der Häupter muss die Offenbarung in die Regierungszeit dieses Kaisers datien werden.
synoptischen Skizzen der "'ßChicdenen Positionen bei U1richsen. ibid. srr Zum Problem der Aufzlhlung der Kaiser VII. auch Yarbro Collins. Crisis anti Ca/ha"is 6().....64. 9 'mW 26. 131. S. auch Ulrichsen. ibid. 9. '0 NTS 10.440. S. auch Ulrichsen. ibid. 9. " Die von U\richsen anSCfUhne ArpmenlBlion entsprichI derjeniscn von Yarbro Collins. Crisis anti Ca"'"is 64. vor: .h is impossible to say with cenainty what John bad in mind. 1be most likely hypothesis is that he helan countinl with CaJiSUla and iDcluded the followinl emperors in sequence. omittinl Galba, Otho. and Vitellius as reilninl too sbon a time to """'" trouble for the saints. lbe ana101Y of the easIc vision in 4 Ezra makes it plausible that a ~ lection could have been made of emperors who were especially ~ and hated •. S. auch Prigen~ Iopocalyps. 261. Nach U1richsen kommen die drei Interresnumskitiser doch noch in Oflb 13.1 vor: sie sind mit den anderen Kaisern seit CaJisuladurch die 10 Hörner symbolisien. S. vor allem ibid. 13-IS.
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
2.1.3 Die Rolle der Nero-LegeMe Folglich muss das siebte Haupt der Nachfolger Domitians sein, während das achte Haupt, das zugleich mit dem Tier gleichgesetzt wird, sowohl der Nachfolger des Nachfolgers als auch einer der flinf bereits gestorbenen Kaiser ist. Die gleichzeitige Zugehörigkeit des achten Hauptes (oder des Tieres) zur Vergangenheit und zur Zukunft wird von den meisten Exegeten als eine Anspielung auf die Legende um Nero aufgefasst. 12 Diese Annahme in bezug aufOffb 17,11 beeinflusst auch die Auslegung von 13,1-10: das achte Haupt, d.h. eines der sieben Häupter und das Tier, müssen dann logischerweise alle als Chiffre flir Nero betrachtet werden. ll Über den Tod von Kaiser Nero, der sich 68 von einem Sklaven umbringen liess, zirkulierten allerlei Gerüchte und Legenden. Einige behaupteten, dass der Kaiser nicht gestorben, sondern geflohen sei, und dass er bald zurückkommen werde, um wieder an die Macht zu gelangen. I' Ein Zeugnis dieser Gerüchte liegt bei Sueton vor: Nero starb im zweiunddreissigsten Altersjahr, an dem Tag. an dem er einst Oetavia halle umbringen lassen. Die Freude des Volkes über sein Ende war so gross, dass alles mit Freiheitsmützen auf dem Kopf in der ganzen Stadt herumlief. Trotzdem fehlte es auch nicht an Leuten, die noch lange Zeit sein Grab im Frühling und Sommer mit Blumen schmückten und auf der Rednenribüne bald mit dem Senatorengewand bekleidete Bilder von ihm aufstellten. bald Edikte zum Vorschein brachten, wie wenn er noch lebe und in kurzem zum grossen Schaden seiner Gegner zurückkehren werde. Ja sogar der Panherkönig Vologaesus liess anlässlich einer Gesandtschaft an den Senat zwecks Erneuerung des Bündnisvenrages ganz besonders darum billen, dass das Andenken an Nero gepflegt werde. Und als endlich, zwanzig Jahre später - ich war damals ein 12 S. u.a. Charles, R~vdation
I 333; Müller, Off~nbanurg 297ff; Roloff. Off.nbanurg 136f; R~v~lation 83. Andon:r Meinung ist Kraft. Off~nba",ng 176. Il S. Ulrichsen. ibid. 4: Der Verfasser sieht in Oflb 13 und 17 eme zweIfache Funktion des Tieres: es SicHt zugleich das römische Imperium als auch einen bestimmten Kaiser. nämlich Nero, dar. Zur Beziehung zwischen dem Tier und Nero s. auch die Rätselzahl 666 in 13.18. Es ist möglich. von dieser Zahl zu .Nero Kaiser» zu kommen. 666 entspricht dem numerischen Wen der hebräischen Transkription des lateinischen Namens::IN (= SO) + ,IR (= 200) + 1/0 (= 6) +:IN (= SO) + p/C (=100) + 0/5 (= 60) + ~ (= 200) = 666. Nach Richard Bauckham. Th~ C/inuu: 0/ Prophecy 384ff bedeutet 666 zugleich Nero Kaiser und 8qp(ov. Tier. Rechnet man den numerischen Wen der Buchstaben in der hebräischen Transkription. kommt man nämlich zu: ~/e (=400) + -Jp (= 200) + '/1 (=10) + 1/0 (=6) + iN (= SO) = 666. Diese Auslegung kommt der Formulierung in Offb 13.18 sehr nahe. denn clon wird 666 als die Zahl des TIeres und eines Menschen beschrieben. Dazu und zu anderen denkban:n Deutungen von 666 s. Yarbro eollins, Th. CombaJ 174--176. Oherweis, ZNW 77, 226-241 und Bohak, JSP 7. 119-121. 14 Zur Legende von Nero s. Yarbro Collins, Th. Combot 176-183; Petraglio. Obi,Von. 36Of; Müller, Off~nba",ng 297-300; Bauckham, Th. Clirruu: 407-431; Bodinger. RHR 206. 21--40; Prigent. RHPItR 55. 219-23S.
lohse. Offmbarung 78; Prigenl. Apoca/yp.. 203; Schüssler Fiorenza
Datierung der Offenbarung
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junger Mann - ein Mensch unbekannter Abkunft auftrat und sich als Nero ausgab, besass dieser Name bei den Parthern einen so guten Klang, dass sie ihn mit aller Macht unterstützten und nur ungern an uns ausliefenen." Eine andere Beschreibung liegt bei Laktanz vor. Der Verfasser legt den plötzlichen Tod von Nero als Strafe Gottes aus, weil der Kaiser die Diener Gottes samt Paulus und Petrus hinrichten liess. In diesem Zusammenhang wird die Legende um Nero erwähnt:
Aber er (Nero) blieb nicht ungestraft. Gon nämlich sah auf die Qual seines Volkes. Der zügellose Tyrann wurde daher von der Höhe seiner Macht hinabgestürzt und vom Gipfel hinabgestossen und war plötzlich verschwunden, so dass nicht einmal der On des Grabes des üblen Ungeheuers auf der Erde bekannt war. Daher entstand bei manchen wahnwitzigen Leuten der Glaube, dass er hinweggenommen sei und lebendig aufbewahn werde, um so, wie er ja der erste Verfolger war, auch als der letzte wiederzukehren und der Ankunft des Antichrist vorauszugehen ( ... ).'. Besondere Konturen gewann die Legende um Nero in jüdischen Kreisen. Er wurde als dämonisches Wesen dargestellt, das von den Enden der Erde gekommen sei. um Rom zu zerstören,l1 Ein Beispiel dieser Vorstellung fmdet man im vienen Buch der Sybillinischen Orakel: Aus Italien erscheint ein grosser König als Aüchtling; fliehen wird er, verschwunden. verschollen. über den Euphrat. ( ... ) WesIWärts zieht dann das neuentfachte Kriegesgetümmel. und Roms Aüchtling erhebt des Krieges gewaltige Lanze und überschreitet also mit vielen Tausend den Euphrat." Die Herrschaft von Domitian erscheint somit nach diesen Interpretationen von Offb 13 und 17 als eine Zeitspanne zwischen der Macht des gefallenen Nero und seiner baldigen Wiederkunft. I. Aufgrund der Nero-Legende kann die Liste der sieben Häupter wie folgt vervollständigt werden: erstes Haupt: zweites Haupt: drittes Haupt: viertes Haupt: filnftes Haupt:
Caligula Claudius Nero Vespasian Titus
I' Leben der Cacsarcn. Nero 57. Übenetzung von AncW !.amben.
I. Mon. 2.8. Die Übersetzung slammt aus GuyollKlein. Das !rlJh. Christ.nlum
I. 23. Dazu s.Yarbro Collins. Cone(D) 24. 475. 18 Or. Sib. 4. 119.137. Vgl. auch 5.137-154.361-385. Die deUlSChe Übersetzung stammt aus Müller. Off.nba""'g 298. " Dazu vgl. Bovon. CrSt 7. 23 I. 17
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
sechstes Haupt: Domitian siebtes Haupt: ein Kaiser, der nur kurz bleibt achtes (und eines der sieben, d.h. drittes) Haupt: Nero Angesichts dieser Entschlüsselung der sieben Häupter-Könige entsteht die Frage, ob die Tatsache, dass Nerva nur wenige Jahre regierte, als zufällige Koinzidenz angesehen werden soll.20 Wenn das siebte Haupt aber tatsächlich auf die kurze Zeit von Nerva hinweist, dann kämen als mögliche Zeit der Entstehung der Offenbarung auch die ersten Jahre unter Trajan in Frage. Die Präsensform in 11,10, b Ets" E'onv, d.h. Domitians Zeit, wäre in diesem Fall nicht mit der Zeit der Abfassung der Schrift identisch, was an und für sich durchaus denkbar wäre.
2.1.4 Die sieben Häupter und die sieben Berge Offb 11,9 enthält einen weiteren Hinweis zur Datierung der Offenbarung auf das Ende des I. Jh. Die sieben Häupter des Tieres werden mit den ~ieben Bergen identifIZiert, auf denen die Stadt-Frau Babyion sitzt. Liest man noch V.18 dazu, erscheint dann die Anspielung auf die Stadt Rom offensichtlich: Und die Frau, die du gesehen hast, ist die grosse Stadt, die die HerTschaft über die Könige der Erde hat. Der Vergleich zwischen Babyion und Rom, der in jüdischen Schriften aus jener Zeit bezeugt ist, lässt sich jedoch erst für die Zeit nach der Zerstörung des JerusaIemer Tempels nachweisen. 21
2.1.5 Auswertung Die vorgenommene Entschlüsselung der sieben Häupter setzt die Entstehungszeit der Offenbarung unter Domitians Regierungszeit an. Diese Annahme wird von den allermeisten Auslegern geteilt. 22 20 Für diese Lösung entscheidet sich Ulrichsen. ibid. S.I.5. 21 Vgl. die Untersuchung von Mireille Hadas-Lebel, JirwaJ.m
Datierung der Offenbarung
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Ulrichsens Interpretation der Häupter und der Hörner des Tieres wirkt meiner Ansicht nach an vielen Punkten konstruiert: die systematische Deutung der einzelnen Züge aus Offb 17,9-11 und 13, I als Allegorien lässt sich nicht ohne Widerspruche durchziehen. 23 Die Schwierigkeit einer allegorischen Deutung der sieben Häupter des Tieres ist im Text selber vorprogrammiert, denn das Tier, die sieben Häupter und die zehn Hörner werden tatsächlich nicht als blosse Chiffren eingesetzt: ihre unterschiedlichen Funktionen in 13,1; 17,3 und 17,9-12 lassen sich nur vereinbaren, wenn man sie als Elemente einer Gestalt in einer ftktiven Inszenierung auffasst. Die Betrachtung der Visionen des Tieres als komplexe Sprachbilder schliesst jedoch eine Anspielung auf die römischen Kaiser nicht aus. In dieser Hinsicht können die Versuche, die sieben Häupter zu entschlüsseln, ein Indiz für die Datierung liefern, das alleine jedoch nicht ganz zu überzeugen vermag. Noch andere Elemente müssen dazu in Betracht gezogen werden.
2.2 Fruhchristliche Zeugnisse Aus der alten Kirche liegen einige Zeugnisse vor, die ebenfalls auf eine Datierung der Offenbarung gegen Ende des ersten Jahrhunderts hinweisen. lrenäus, der gegen 130 in Smyrna geboren wurde, behauptet: Denn sie wurde auch nicht vor langer Zeit geschaut, sondern fast in unserem Zeitalter, am Ende der Regierungszeit des Domitian. 24 Euseb von Cäsarea (265 geboren) gibt über die Entstehungszeit der Offenbarung folgende Auskunft: Als nach der 15jährigen Regierung des Domitian Nerva die Herrschaft übernommen hane, fasste der römische Senat den Beschluss, dem Domilian seine Ehrentitel zu entziehen und die ungerecht Verbannten nach Hause zurückzurufen unter Zurückerstaltung ihres Vermögens. So berichten die Geschichtsbücher der damaligen Zeit. Nach alter christlicher Überlieferung kehrte damals der Apostel Johannes aus seiner Verbannung auf der Insel zurück und nahm wieder seinen Aufenthalt in Ephesus." Galba, 000 und Vitellius und die Rolle der Legende um Nero scheinen unentbehrlich zu sein. wie oben gezeigt wurde. Auch Berger. 1h,olosi,s"cmchu 568-571 datien die Offenbarung um 68/69. 13 Es ist z.B. U1richsen nicht gelungen. eine kohärente Entschlüsselung der zehn Hörner des Tieres in Offb 13.1 und in Offb 17.12 vorzuschlagen. 24 Adv. haer. V.30.3. Übersetzung aus Hand. AIßSl!Wlihlu Schrift,n 333. " His!. coc1es. ID.20.8.9. Die deutsche Übersetzung stammt aus der Ausgabe von Kraft. Zu dieser Stelle aus der Kin:hengeschichlC von Euseb s. Pelnlglio. Obi,von, 317; Yarbro Collins. Crisi. ond Calha"is 54-S6 und Charles. R,v,/alion [ xcii-xciii.
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
Ähnliches sagt Victorinus von Pettau in seinem Apokalypsenkommentar26 • Die Notiz ist in der Auslegung von 10,11 angegeben: Man muss, sagte er, wieder predigen, das heisst prophetisch reden. unter den Völkern, in den Sprachen und Nationen: das heisst, da ja Johannes, als er dies sah, auf der Insel Patmos war, in Ketten verurteilt von Cäsar Domitian. Diese Zeugnisse aus der alten Kirche geben kostbare Hinweise sowohl auf die Zeit als auch auf die Umstände der Entstehung der Offenbarung. Patmos wird als Verbannungsort genannt, wo Johannes bis zum Ende der Regierungszeit Domitians gefangen war. Angesichts der Selbstdarstellung in Offb 1,9 scheinen diese Angaben historisch plausibel zu sein.27 2.3 In KJeinasien am Ende des ersten Jahrhundens Sowohl die Hinweise aus Offb 17 und 13 als auch die a1tkirchlichen Zeugnisse weisen auf eine Datierung der Offenbarung gegen das Ende des I. Jh. nach Christus hin. Am wahrscheinlichsten erscheint das Ende der Regierungszeit des Domitian. Die Annahme einer etwas späteren Entstehung steht in Widerspruch zu den Aussagen von Euseb und Victorinus, würde jedoch besser zu Offb 17,9-11 passen. Die Angaben über den Ort der Entstehung sind genauer: Die verlassene Insel PaIrnos und die sieben städtischen Gemeinden in KJeinasien, in der römischen Provinz Asia, bilden den geographischen Hintergrund der Offenbarung.
2. Das Werk von Vielonnus. der 303 während der Verfolgungen durch Diokletian starb. iSI der älteste bekannte Kommentar der Apokalypse. 27 Dazu s. die Erwägungen von Yarbro Collins, Crisis and CaJharsis 55.
Domilian und der Kaiserkuh
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3 Domitian und der Kaiserkult Die Rolle und der Führungsstil von Kaiser Domitian sind in der heutigen Forschung recht urnsuinen. Eine Auseinandersetzung mit den Beschreibungen dieser Gestalt ist für das Verständnis des Lebens in den k1einasiatischen Städten gegen das Ende der ersten Jahrhunderts unumgänglich. Die Hauptzeugnisse über Damitian aus der damaligen Zeit vermineIn ein eindrückliches Bild dieses Kaisers. Ausgewählte Stellen I aus Werken von Tacitus, Plinius dem Jüngeren, Sueton und Dio Cassius Cocceianus sollen diesen Schritt unseres Versuches eröffnen, den historischen Hintergrund der Offenbarung zu beleuchten. 3.1 Römische Zeugnisse über Dornitian
3.1.1 Tacilus Tacitus, der um 56/57 geboren wurde, schildert Domitian in Agricola. 2 Dieses Werk, um 98 verfasst, ist Agricola, Tacitus Schwiegervater, gewidmet. Agricola war Konsul und Stanhalter von Britannien; seine Beziehungen zu Domitian waren gespannt. Tacitus Werk ist einerseits eine Lobschrift für Agricola und andererseits eine Anklageschrift gegen Domitian. Der Kaiser wird als grausame Gestalt geschildert. 3 Die Wirkung Domitians sei lälunend gewesen: Die besten, aktiven Menschen fielen seiner Grausamkeit zum Opfer. Jene, die nach Domitians Tod noch am Leben waren, konnten sich nach Tacitus als Überlebende bezeichnen: Kein Wunder, wenn fünfzehn Jahre hindurch - eine grosse Spanne im menschlichen Leben - viele durch schicksalhafte Unglücksfalle, gerade die Energischsten durch das Wüten des Kaisers zugrunde gegangen sind (saevitia principis interciderunt) und wir nur in geringer Zahl sozusagen nicht nur andere, sondern uns selbst überlebt haben (non modo aliorum sed etiam nostri superstites sumus). wobei millen aus unserem Leben so viele Jahre herausgenommen worden sind, in denen wir als Männer zum Greisenalter. als Greise fast
Hinweise auf weitere Quellen liegen bei Peuaglio. Obieüone 318 und bei Thompson, The 0/ Re.elalion 96rr vor. 2 Vermutlich schildene Tacilus die Gestali von Domitian vor allem auch in den Büchern S-12 seiner Historiae. die verlorengegangen sind. 3 Peuaglio. Obieüone 318: Thompson The Bool 0/ Re.elalion 98. I
Book
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
bis hin zu den Grenzen des abgeschlossenen Lebens in Schweigen gekommen sind.'
In der Erinnerung zweier Opfer von Domitian gibt Tacitus seinem Entsetzen über diesen Kaiser Ausdruck: Lasen wir doch. es sei, als von Arulenus Rusticus Paetus Thrasea, von Herennius Senecio Helvidius Priscus gerühmt wurde. dies als todeswürdiges Verbrechen angesehen worden, und nicht nur gegen die Verfasser, sondern auch gegen ihre Bücher habe man gewütet, indem man den Dreimännern den Dienst übenrug. die Denkmäler der erlauchtesten Geister auf dem Comitium und dem Forum zu verbrennen. Offenbar glaubte man. durch dieses Feuer würden die Stimme des römischen Volkes, die Freiheit des Senates und das Bewusstsein des Menschengeschlechtes ausgetilgt. wobei man obendrein noch die Lehrer der Weisheit vertrieb und jede edle Fenigkeit in die Verbannung jagte. damit nur nirgends mehr etwas Reines begegne. Wir gaben in der Tat einen schönen Beweis von Unterwürfigkeit: und wie die alte Zeit sah. was das Äusserste in der Freiheit ist, so wir, was in der Knechtschaft. wobei durch geheime Überwachung auch der Austausch im Sprechen und Hören genommen war. Auch das Gedächtnis häuen wir noch mit der Stimme verloren, wenn es so in unserer Macht stünde. zu vergessen wie zu schweigen.'
Das Bild von Domitian nach Tacitus ist negativ und han. Tacitus Auffassung über den Kaiser spitzt sich in der folgenden Äusserung zu: Es steht zur Genüge fest. dass durch diese Reden auch die Ohren Domitians getroffen wurden. während die besten der Freigelassenen aus Liebe und Treue, die Schlechtesten aus Verkleinerungssucht und Neid den Kaiser, der dem Schlechteren leicht zugänglich war (pronum deterioribus principem). aufbrachten.-
3.1.2 Plinius der Jüngere Plinius der Jüngere. 61 geboren und mit Tacitus befreundet, vermittelt eine nicht weniger düstere Darstellung von Domitian: er sei «pessimus» gewesen. 7 Die Schilderung des Kaisers im Panegyrikus. einer Lobrede auf den Kaiser Trajan. die um 100 verfasst wurde, steht den Ausführungen von Tacitus sehr nahe: Jener Schurke. der alle Guten beraubte und peinigte (ille optimi cuiusque spoliator et camifex). hat uns beide damals gemeinsam getroffen, durch das Hinmorden unserer Freunde und durch seinen Blitz, den er ganz dicht in unsere Nähe schleudene. Denn wir rühmten uns derselben Freunde. beklagten den , Agr. 3,2.3. Die Übersetzung ist von K. Büchner. 5 Agr. 2,1-4. - Agr. 41,4. 7
Paneg. 94,2.3. Dazu Petraglio, ibid. 320.
Domitian und der Kaiserlrult
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Verlust derselben Toten, und so wie wir jetzt Hoffnung und Freude teilen, so teihen wir damals Schmerz und Furcht.' Im Vergleich mit der Offenbarung beeindruckt die Skizzierung von Domitian als grausames Tier: Du hast ihn ja schon damals unter deinen Schutz genommen, als du ihn dem
Rachen eines blutgierigen Raubtieres (cum praedonis avidissimi faucibus eripuisti) entrissest.' An anderen Stellen relativien Plinius die Grausamlteit des Kaisers: dieser Führungsstil sei erst für die späteren Regierungsjahre Domitians typisch gewesen. Im gleichen Zusammenhang gibt Plinius sogar zu, seine politische Karriere dank der Unterstützung des Kaisers vor seinen gewalttlltigen Jahren aufgebaut zu haben. Einen weiteren Aspekt hebt Plinius stark hervor: Domitian habe seine politische Rolle mit religiösen, gött1ichen Zügen gekoppelt, obwohl diese ihn nach Plinius nicht vor seiner eigenen Angst und seinem Hochmut zu schützen vermochten: Und dennoch hat er in denselben Wänden und Mauem, mit denen er sein Leben zu schlitzen glaubte, nicht nur sich selber, sondern zugleich auch die List und den Hinterhalt und den Gott, der Freveltaten rächt, eingeschlossen. Die Rache stiess Wachen zur Seite und drang auf engen und versperrten Wegen ein, nicht anders als slllnden alle Tore und Schwellen einladend offen. Nichts nützte ihm da sein Gottsein, nichts jene Geheimgemächer und Schlupfwinkel der Bosheit, in die ihn Angst, Hochmut und der Hass auf die Menschen trieben. l • Den göttlichen Ansprüchen der Macht des Domitian begegnete man überall: Doch vor noch nicht langer Zeit glänzte da alles, alle Zugänge, alle Stufen, ja der ganze Platz, hier von goldenen, don von silbernen Statuen - doch die brachten mehr Schande als Glanz! Denn die Gemeinschaft mit den Statuen des blutschänderischen Princeps zog die Götterbilder in den Schmutz." Nach der Schilderung der damnatio memoriae des verstorbenen Kaisers werden die goldenen Statuen Domitians mit Freude vernichtet: Jene zahllosen Goldstatuen aber sind geslllrzt und geborsten, begleitet vom Jubel des Volkes. Welche Freude, die Köpfe mit dem hoffllnigen Gesichts• Panel. 90,S in der Übersetzun, von Wemer Kühn. , Panel. 94,3. Panel. 49,1. 11 Panel. S2,3. Dazu v,1. auch Paneg. S2,7.
I.
Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
232
ausdruck zu Boden zu schmettern. mit dem Schwen darauf loszugehen. mit Äxten zu wüten - so als ob jeder einzelne Hieb Blut fliessen und Schmerz sprühen liesse!"
3./.3 Sueton Die letzte der Kaiserbiographien von Sueton (etwa um 120 verfasst) ist Domitian gewidmet. Das POruät dieses Kaisers erinnen an jenes von Plinius. Auch in der Schilderung des Sueton bildet die Grausamkeit den Kern von Domitians Tätigkeit:
In der Ausübung seiner Herrscherfunktionen zeigte er sich eine Zeitlang sehr unbeständig. und seine Fehler und Vorzüge hoben einander auf. bis auch die Vorzüge sich in Fehler verkehnen: Soweit man vermuten kann. wurde er. abgesehen von seiner natürlichen Anlage. raubgierig aus Not und grausam aus Fureht (super ingenii nalUram inopia rapax. metu saeuus)." Parallel zu Plinius betont auch Sueton. dass dieser Führungsstil erst in den späteren Jahren von Domitian auftaucht: Aber er behielt diese Haltung voll Milde und Uneigennützigkeit nicht bei. Allerdings verfiel er bedeutend rascher in den Fehler der Grausamkeit als in den der Habsucht (et tamen aliquanto celerius ad saeuuiliam quam ad cupiditatern).'· Sueton versucht in seiner Biographie die Gründe der Grausamkeit des Kaisers zu erforschen. Eine grosse Rolle spielen der Konflikt zwischen Domitian und seinem älteren Bruder Titus und die Demütigungen. denen Titus seinen Bruder aussetzte. Die Spannungen zwischen den Brüdern verschärften sich 79. als ihr Vater. Kaiser Vespasian. starb. Auch bei der schweren Krankheit des Titus liess Domitian von seinen Gefilhten nicht ab und befahl. seinen Bruder sterbend zu verlassen. 15 Sueton behauptet. dass die Grausamkeit des Kaiser mit den Jahren inuner mehr zunahm und filhn zahlreiche Beispiele zur D1usualion dieser ungünstigen Entwicklung an. 16 Plinius und Sueton sind sich über die eminente Rolle der religiösen Aktivitäten im Reich unter Domitian einig. In diesem Zusammenhang listet Sueton als Zeichen der religiösen Politik den Bau des Jupiter-Tempel auf dem Capitolium
'7.
11 Paneg.
1J ,. " " "
S3,4.
Domitian 3.3, in der ÜberselZung von A. Lamben. Domitian 10,1. Domilian 2,1-2.6. Dazu Pelraglio. Obi~tion~ 325-328. S. Domitian S.2.
Domitian und der Kaiserkult
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die Umwandlung seiner Residenz in einen Tempelll und die Einsetzung von Priestern zur Pflege des Familienkults auf. 19 Die religiöse Arroganz Domitians gipfelt in der Forderung. in gewissen schriftlichen Gesuchen als Herr und Gou20 angesprochen zu werden: Mit gleicher Arroganz begann er ein amtliches Rundschreiben. das er im Namen seiner Steuerbeamten diktierte. mit den Wonen: .. Unser Herr und Gott befiehlt folgendes (Dominus et deus noster hoc fieri iubet)~. Daher wurde es Brauch. ihn später schriftlich und mündlich nie anders anzureden. Auf dem Kapitol liess er sich nur goldene und silberne Statuen errichten. die ein bestimmtes Gewicht haben mussten. Riesige verdeckte Durchgänge und Triumphbögen. gekrönt mit Viergespannen und Triumphalzeichen erbaute er in allen Gegenden Roms in solcher Zahl. dass man einmal an einen auf griechisch schrieb: «Genug!»21.
3./.4 Dia Cassius Cocceianus Die DarsteUung Domitians von Dio Cassius. der etwa 155 geboren wurde. ist nicht direkt erhalten. sondern nur in einer Überarbeitung durch Johannes Xifilinus aus dem 11. Jh. bekannl. 22 In der Römischen Geschichte wird Domitian als zerstörerisch. einsam. misstrauisch. rachsüchtig und grausam geschilden,2l Die religiös-politische Wirkung des Kaisers wird mit folgenden Wonen geschilden: So viele Ehren waren ihm geweiht. dass fast die ganze Weil, die unter seiner Herrschaft war. mit Bildern und Statuen aus Gold und aus Silber gefüllt werden mussle. 24
3./.5 Eine umstrinene Auswenung Die Zeugnisse aus den Werken von Tacitus. Plinius dem Jüngeren. Sueton und Cassius Dio verrnineln ein relativ einheitliches negatives Bild von Domitian. Seine Grausamkeit. die den Regierungsstil des Kaisers mit den Jahren irruner massiver kennzeichnete. zielte auf die Unterdrückung aller. welche Domitian auf irgendeine Weise hätten gefahrden können. Die Ausbreitung des religiösen Aspektes seiner Macht wird mehrmals angesprochen und mit ironischem. fast groteskem Ton beschrieben.
I' S. Domitian 1.1.
19 S. Domitian 4,10. Zu diesem 1bema vgl. Petraglio, ibid. 328.
'0 Dazu s. auch S.62. 'I Domitiao 13.4---6. 22 2)
2'
Dazu s. Cary. Dio's Roman His/ory I xi,ff. Dazu Petraglio. ibid. 329. 61.8.1. Zur Schilderung der religiösen Tätigkeit s. auch 61,14,1-2.
234
Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
Die Auswertung dieser Zeugnisse ist umstritten; ihre historische Glaubwürdigkeit wird in der Literatur recht unterschiedlich bewenel. Thompson relativien dieses düstere Ponrät von Kaiser Domitian. 25 Er betont, dass Tacitus und Sueton zu einem Kreis von befreundeten Schriftstellern um Plinius den Jüngeren gehönen. Thompson bewenet diese Zeugnisse als gar nicht zuverlässig, denn sie berichten ausschliesslich von den negativen Seiten von Domitian; darüber hinaus würden die Schilderungen seiner Persönlichkeit Informationen voraussetzen, zu denen die drei Autoren unmöglich Zugang gehabt heben könnten. 26 Die von Sueton wiedergegebene Notiz über die verlangte Anrede als «Herr und unser Gon» wird von Thompson als tendenziös bezeichnet.27 Auch die Darstellung einer besonderen Verbreitung und Gewichtung des Kaiserkultes ist nach Thompson und Collins nicht plausibel: Diese An von Verehrung hielt sich ihrer Meinung nach im Rahmen des Gewohnten. 28 Ganz anders argumentieren eine Minderheit von Forschem. 29 Nach ihrer Auswertung ist die unterdrilckende Wirkung Domitians offenkundig. Die Christen hätten unter ihm an systematischen Verfolgungen gelitten. Diese Position stützt sich vor allem auf eine Aussage von Laktanz: Einige Jahre waren vergangen, da erhob sich ein anderer, nicht minder grosser Tyrann, namens Domitian. Obwohl dieser eine verhasste Herrschaft fühne, so konnte er dennoch die längste Zeit den Untenanen auf dem Nacken sitzen und gefahrlos herrschen, bis er die ruchlose Hand wider den Herrn erhob. Nachdem er sich aber zur Verfolgung des gerechten Volkes auf Antrieb der Dämonen
H Dazu s. Thompson. Semeia 36, ISS: _In sumo the SWIdanI ponrait of Domitian as a megalomaniacal tyrant who was totaUy incompetent and destruetive to the empire does not accurately describe either Domitian or his reign. That description from post·Domitian sourees such as Pliny lhe Younger. Tacitus, Suetonius, and Dia Cassius reflects cenain tendencies tnI motivation stemming from the Roman writers themselves and their social. hislorical situation •. S. auch ders .• Th~ Book o/R~vtlation 101-109. Yarbro Collins. eri.i. Ulld CaJhar· sis, 104f. 2. _Tltis standald ponrait of Domilian is clearly not drawn by neutral observers. At every opponunity the writers defame Domitian by emphasizing his evil actions. by atlributing mali· cious motivalion to good deeds, or by omitting favorable aspeclS of bis reign. They prosent private infonnation and psychological motivations about Domitian to which they could not possi· bly have access., Th~ Book 0/ R~"~/ation I 0 I. 27 Ibid. 105. S. Yarbro CoUins, Crisis and CathaTsis 104. 28 ..:Domitian did not encourage divine titles such as dominus ~t deus nosttr. nar is there evidence that Domitian bad become a mad tyrant _king divinization. ( ... ) Thero is no indicalion, however, that Domitian modified the imperial cult by demanding greater divine honors than either his predeccssors or successors •. ibid. 101. S. auch Collins. Crisis and CaJhar· sis 104. 29 Zum Beispiel Lampe, Di~ Apokalyptiker 94: _Die Christenverfolgung Domitians steht in K1einasien vor der Tür; die Christen leben in höchster Drangsal •.
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hatte verleiten lassen, da geriet er in die Hände seiner Feinde und verfiel der gerechten Strafe. 30 Dieses Zeugnis wurde von einem Autor verfasst. der selber unter den Diokletianischen Verfolgungen zu leiden halle. Das erwähnte Werk widmete Laktanz nämlich seinem Freund Donatus, der ebenfalls Opfer von Folterungen wurde. Das zitierte Urteil über Domitian passt in eine theologische Interpretation der Geschichte und der Ereignisse, welche die Christen auf besondere Weise trafen. Die Erzählung von Laktanz kann deswegen nicht als historisch zuverlässig betrachtet werden. ll . In den aufgefUhrten Schilderungen Domitians spielt das Schicksal der Christen überhaupt keine Rolle. Tacitus. Plinius und Sueton verfolgen die Geschehenisse als römische Bürger, interpretieren sie im Lichte der Entwicklung «ihres,. Reiches. Und dennoch können auch ihre Werke nicht als objektiv gelten. Es ist anzunehmen, dass verschiedene. zum Teil persönliche Interessen sie zur scharfen Hervorhebung der negativen, grausamen Züge von Domitian bewegten. Die Verschiedenheit der Gesichtspunkte scheint stellenweise sogar in den zitierten Werken selber durch: Tacitus schreibt Agrico/a aus der Perspektive des Überlebenden: Plinius lässt erkennen, dass er anfänglich von Domitian sogar profitiert halle. Das Zeugnis von Cassius Dio ist später und indirekt überliefert, und als solches könnte es von den vorangehenden. abwertenden Bildern Domitians abhängig sein. 11 Dass die in etwas mit der Offenbarung gleichzeitigen Zeugnisse über Domitian die negative Wirkung dieses Kaisers übertreiben, ist durchaus denkbar: jede Form von Gewaltausübung und die religiösen Anspruche dieses Kaisers ausschliesslich der Subjektivität der Verfasser anzulasten, scheint mir jedoch nicht vertretbar. Unterdrückung und Verfolgung potentieller Gegner gehörten bestimmt zur Politik des Kaisers, und dass die aktiveren Leute im Staat davon getroffen wurden. leuchtet ein. Ob Domitian Christen als solche verfolgt hat. bleibt unklar; es ist jedoch auszuschliessen, dass Domitian eine allgemeine Anordnung in diese Richtung erliess. ll Wahrscheinlicher sind punktuelle Hinrichtungen. Der in Offb 2,13 erwähnte Tod des Antipas könnte einen solchen Fall darstellen.
Mon. 3.1. Dazu Petraglio. Obi<üon< 331. II Thompson. n< Book 0/ R<.
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Streißichter zum geschichtlichen Hintergrund
Besondere Aufmerksamkeit scheint vor allem Domitians Anspruch zu verdienen, den Kaiserkult um seine Familie und um seine Person zu verstärken. Für die Adressaten der Offenbarung hätte eine besondere Gewichtung dieses Kultes grosse Konflikte mit ihrem christlichen Glauben ausgelöst. Beschreibungen und archäologische Befunde aus den Städten Kleinasiens scheinen diese Hypothese zu bestätigen. Sie bezeugen, dass die Vergegenwärtigung der Person und der Macht Domitians durch verschiedene religiöse Medien stark zunahm. 3.2 Der Kaiserkult in den Städten Kleinasiens unter Domitian Das kaiserliche Zeitalter brachte den Bevölkerungen der Städte Kleinasiens eine Zeit der Rehe und der Blüte.:W Die Wirtschaft blühte auf und stabilisierte sich auf einem guten Niveau; auch die häufigen Erdbeben, die diese Region heimsuchten, vermochten die ökonomische Stärke der asiatischen Provinzen nicht zu erschüttem. JS Neben den Metropolen Ephesus, Smyma und Pergamon erreichten zahlreiche Städte Kleinasiens einen hohen Lebensstandard und eine kulturelle Blüte wie wenige andere Städte im ganzen Reich. l6 Alle sieben Städte, die in der Offenbarung vorkommen, sind von dieser günstigen Entwicklung betroffen.J7 Der Handel und der allgemeine Wohlstand wuchsen. Es wird geschätzt, dass Pergamon im 2. Jh. etwa 40'000 Bürger und l20'()()() weitere Einwohner zählte; noch grösser musste die Bevölkerung von Ephesus (um die 400'000 Menschen) sein. Das Gewerbe wuchs heran und das Handwerk war für seine hervorragende Qualität bekannt: .. Die Mäntel, die Decken, die Gewänder, die Hemden, die Dalmatiken, die Schale, die HandtUcher, die Kopfbedeckungen, die Günel, die Leintücher und allerlei Textilien aus Leinen und Wolle - vor allem aus Laodizea - liessen sich nur mit denjenigen aus Palästina, Kilikien und Ägypten vergleichen. Die Holzanen, die Essenzen, die Parfüms, die Farbstoffe und die Purpur aus Asien waren berühmt; Getreide, Öl, Wein und getrocknete Früchte sehr bekannt, so wie auch Tiere und Fische. Die Minen in Asien produzierten Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Zink, Farbstoffe, Edelsteine und Halbedelsteine. weisscn und bunten Marmor und Bausteine».lI
J4 S. RO'IOvtzeff. Social and Economic His/ory I. 253rr. " 17 n.Chr. zelSlör1c ein Enlbcben 12 Sliidle. darunlCr Smyma. Dazu •. Bolha. Neole.!. 22.90. J. Dazu •. Giuliano. u eil/tl 14. J7 S. Thompson. The 800k 0/ Revtla/ion 148r: .or lhe seven cilies or Revelauon. only Philadelphia i. not 10 be counled among lhe major ciues or Asia. ( ... ) From lhis brier review. il is clear lhat lhe ciucs menlioned in Revelauon are major ciucs in lhe province or Asia, linked wilh each Olbcr and wilh lhe !arger empire>. Vgl. auch Theobald. ThGI 78. 31. Zur Enl· wicklung urbaner Kultur in der Zeil der Pax Romana s. Wengsl. Pax Romana 57ff. JI S. Giuliano. u eint! 16; das Zital wurde aus dem Italienischen Überselzt. Diese Lisle erinnen an Ofib 18.12f.
Domitian und der Kaiserkult
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Von dieser günstigen Wirtschaftslage profitienen nicht alle im gleichen Masse: Am meisten verdienten die höheren Schichten, von deren Reichtum wiederum die für das Bestehen der Städte nötigen Geldgaben, Stiftungen und Liturgien stammten. Auch die politischen Kreise, die mit Rom verhandelten, kamen aus der Oberschicht der Städte. 39 Die Beziehungen der Provinzen zu Rom lassen sich nach dem Modell einer vor allem wirtschaftlichen - Interessengemeinschaft besclueiben: «Der römische Frieden garantien die Erhaltung der bestehenden Ordnung und damit auch der einheimischen Oberschicht den Bestand ilues Status. Auf der anderen Seite garantien er Rom die Ruhe in der Provinz oder in dem verbündeten Königreich, die die Voraussetzung dafür bildet, dass das nötige Geld und die nötigen Naturalienlieferungen als Abgaben und Steuern nach Rom fliessen».40 Die demographische, ökonomische und kulturelle Entwicklung der Provinz Asia im Laufe der zwei ersten Jahrhundene lässt sich in den archäologischen Überresten der Städte - vor allem von Ephesus und Pergamon - , iluen Momumenten und iluen Gebäuden aufspüren.· 1 Und in diesen Befunden liegt wiederum ein Zeugnis der Stellung des Kaiserkults. Eine besonders aufschlussreiche Rolle spielen hinsichtlich unserer Fragestellung die verschiedenen Aspekte der Kaiserverehrung zur Zeit Domitians.
3.2. J Tempel und Altäre, öffentliche Gebäude, Statuen und Bilder Die Adressatengemeinden der Offenbarung befanden sich in den Städten, wo der Kaiserkult am meisten gepflegt wurde: 42 ausser Philadelphia und Laodizea hatten alle in der Offenbarung genannten Städte mindestens einen kaiserlichen Altar und kaiserliche Priester, ausser Thyatira hatten alle einen kaiserlichen Tempel.43 Das ,. Thompson. Th. Book 0/ Revela/ion 154. Wengsl. Pax Romana 40. Zum Austausch zwischen Rom und den Provinzen zilien Wengst (5.47) eine Stene aus Aelius Arislides Romrede (11): .Aelius Arislides sprichl davon. dass die Länder rund ums Millelmeer die Römer ,sielS reichlich mit dem versorgen. was es in ihnen gibt. Herbeigeschafft wird aus jedem Land und aus jedem Meer. was immer die Jahreszeilen wachsen lassen und alle Länder. Flüsse und Seen sowie die Künste der Griechen und Barbaren hervorbringen. Wenn jemand das alles sehen will. so muss er enrwcder den gesamten Erdkreis bereisen. um es aur solche Weise anzuschauen. oder in diese Stadt kommen. Was nämlich bei den einzelnen Völkern wächst und hergestellt wird. ist nOlwendigerweise hier stelS vorhanden. und zwar im Überfluss, •. Diese Rede wurde 143 in Rom vor dem Kaiser Pius Antoninus gehalten. " Nicht alle sieben Städte. die in der Orrenbarung genannt werden. sind im gleichen Zustand erhalten: von Ephesus und Pergarnon gib! es noch sehr viel zu sehen. von Smyma und Sardes weniger. Von Thyalira, Philadelphia und Laodizea ist sehr wenig vorhanden. Dazu Giuliani. cittil9r. 41 Thompson. Th. Boot 0/ Revelation 160 : .The churches or the Book or Revelation wer< located geographically. organizalionally. and culturally where the imperial cult was most heavily distributed •. Thompson. Th. Book 0/ Revelation 159. 40
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
Mass an Darstellungen, welche die Präsenz des Kaisers vergegenwärtigten, war in den Städten Kleinasiens bemerkenswert." Die kaiserlichen Tempel spiegelten die komplexe Beziehung und die Wechselwirkung zwischen dem Herrscher und seinen Untertanen wider: Diese Gebäude strahlten das Geftlh1 von Sicherheit und Venrauen aus, das mit der Pax Romana erreicht wurde. Kaiserliche Tempel stellten eine seltene und wünschenswerte Ehre für die Stadt dar, denn sie wurden oft in Verbindung mit Privilegien und Benefizien erbaut.4~ Nicht nur der Tempel als Gebäude erinnerte an die Macht des Kaisers, sondern auch die Altäre, Heiligtümer und Statuen, die im Tempelbezirk standen, sowie die äusseren Verzierungen dieser Bauten. 46 Auch in Tempeln, die anderen Gottheiten geweiht waren, fand man kleine Altäre mit Bildern von verschiedenen Kaisern. 47 Deutliche Zeichen des Kaiserkultes findet man nicht nur in sakralen, sondern in aUen Bereichen der Stadt. Die Gymnasien wurden zu jener Zeit zu zentralen Orten im gesellschaftlichen Leben: In diesen Anlagen fanden auch sportliche Wettkämpfe zur Ehre der römischen Kaiser mit Opferungen und Festmählen statt." Es ist anzunehmen, dass in vielen Gymnasien besondere Räume fUr die Kaiserverehrung eingerichtet wurden. 49 Wichtig waren auch die Säulenha1len an den Hauptplätzen der Städte, an deren Seiten zahlreiche Statuen von Kaisern und ihren Familienmitgliedern standen. so Statuen und Kaiserbilder kamen auch in öffentlichen Räumen vor: man fand solche Darstellungen heispielsweise in Verwaltungsgebäuden und im Hauptquartier einer Händlergruppe.~1 Kaiserstatuen spielten auch jenseits von kultischen Angelegenheiten eine Rolle. Sie boten Zuflucht, z.B. für entflohene Sklaven, und dienten als rechtmässige Orte für die Eingabe von Petitionen und Geldstrafen. ~2 «Statuen des Kaisers übernahmen somit vielfältige religiöse und politisch-juristische Bedeutungen in den Provinzen. Sie waren dauerhafte, feste Erinnerungen - oder, besser gesagt, Darstellungen - des Kaisers und seiner Macht ... ~) Eine grosse Stadt wie Ephesus war voll von solchen Erinnerungen an den Kaiser. In dieser Stadt wurden grosse Arbeiten zuerst unter Augustus und später unter Domitian durchgeführt. Mehrere kaiserliche Tempel wurden errichtet: der .. Botha, Neote.!. 22. 91: -In lhe citie. of Asia Minor in which imperial temple. er sancluari.. have Ileen identilied it i. quite clear tha! lhey possess I remarkable imperial presence in slane» .
., Ibid. 92f. •• 11Iompson. Th~ Boot 01 R.v~lalion 162f und Botha, ibid. 94 . • 7 Botha, ibid 93 . •• Ibid. 91. •• Ibid. 92. ,. Ibid. 91. >I 11Iompson, Th~ Boot 01 R..~lalion 162. Zur Präsenz von Kaiserswuen und ·bildern im öfTentlichen Raum •. auch Price, Rinuds and Power 133fT. 'l11lompson, ibid. 163; Price, ibid. 119. 'J Thompson. ibid. 163. ZitatlUS dem Englischen übersetz!.
Domitian und der Kaiserkult
239
Roma- und Julius Cäesar-Tempel. der Augustus-Tempel. der Domitian-Tempel und der Hadrian-Tempel. Vor dem Domitian-Tempel. auf einem Sockel errichtet und daher fast von überall her sichtbar. befand sich ein Altar. In den Resten des Tempels wurden der Kopf und ein Arm einer überdimensionierten Statue von Domitian gefunden; man schätzt. dass sie etwa 7m gross war. S4 Sowohl der Altar als auch die grosse Statue waren mit militärischen Symbolen verzien. Die religiöse Funktion von kaiserlichen Statuen und Gebäuden war eng mit dem Bild des siegreichen Kriegers gekoppelt. 55 Auf die Zeit Domitians gehen die Erweiterung eines der vier Gymnasien in Ephesus und der Bau eines Teils des Theaters zurück. 56 An einer strategischen Stelle im gesellschaftlichen Leben befand sich die kaiserliche Stoa: Beim höheren Platz. gegenüber von Verwaltungsgebäuden und dem Tempel von Roma und Julius Cäsar. S7 Auch in Pergamon gab es prächtige Bauten: das Trajaneum und die sieben Gymnasien sind ein Beispiel dafür. Von den verschiedenen Tempeln von Sardes sind nur zwei erhalten geblieben: der berühmte Tempel der Artemis und eine andere Anlage. die wahrscheinlich Vespasian geweiht war. In Laodizea sind Reste eines Domitiantempels mit der Inschrift «!Ur den Sieg» gefunden worden. 58 3.2.2 Der Kaiserkult im städtischen Leben
In den Städten Kleinasiens gehöne der Kaiserkult zu den gesellschaftlichen Phänomenen. welche die Verbindung mit der Hauptstadt. dem Zentrum der Macht. zu einem wesentlichen Teil garantienen. 59 So wie die winschaftlichen Beziehungen spielte jedoch der Kaiserkult nicht nur diese Vermittlerrolle zwischen der Hauptstadt und der Peripherie; die massive Präsenz in verschiedenen Bereichen von Gebäuden und Statuen. welche auf diesen Kult hinwiesen. beweist die eminente Rolle des Phänomens im gesellschaftlichen Leben innerhalb der Stadt. Grosse Aufmerksamkeit muss in dieser Hinsicht den Festspielen zur Ehre des Kaisers geschenkt werden. Manchmal wurde der Kult des Kaisers in Anlässe für lokale Gottheiten integrien. 60 Die grössten Feste wurden jedoch ausschliesslich zur Ehre des Kaisers veranstaltet. meistens anlässlich seines Geburtstages. In gewissen Zeiten wurde der Geburtstag des Kaisers zu Beginn jedes Monats gefeien. Anfangs wurden die Kaiserfeste in den Provinzen einmal im Jahr gehalten. später öfters. Kaiserfeste wurden zum Teil auch für seine Einsetzung. für errunS. Eph.... M"""m Ca/alog"e S.134. Botha. Neotesl. 22. 94. S. auch Wengst. Pax ROmanIJ 23-32. 56 S. Giuliani. u
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
gene Siege im Krieg oder zur Ehre anderer Mitglieder seiner Familie veranstaltet. ~Da diese Feierlichkeiten mehr als einen Tag dauerten. kann man annehmen. dass mehrere Tage im Jahr diesen
3.3 Zusammenfassung Die Einblicke in die Zeit der Entstehung der Offenbarung sind fragmentarisch. sie vermögen die Komplexität jener Zeitspanne sicher nicht vollständig wiederzugeben. Dennoch zeigen sowohl die Stimmen der römischen Autoren als auch die Erwägungen über das Leben in den k1einasiatischen Städten einige aufschlussreiche Elemente hinsichtlich unserer Fragestellung hervor. Einerseits fallt das Beharren auf der Grausamkeit des Kaisers Domitian und auf seinen religiösen Ansprüchen auf; andererseits. und !rotz der widersprüchlichen Auswertungen der literarischen Dokumente. bestätigen die archäologischen Befunde zentrale Aussagen aus den verschiedenen Darstellungen der Tätigkeit Domitians. Die Schlüsselrolle des Kaiserkults im Leben der k1einasiatischen Städte ist daher unbestreitbar.
• , Thompson. The Book 0/ Revela/ion 16t. Zital aus dem Englischen Überselzt . • 2 Ibid. 163 . • 3 Botha, Neolesl. 22. 97:.11 was impossible 10 consider the gods wilhoul reference 10 the emperor. jusl as 10 be reminded of the emperor was 10 be reminded of the gods •. .. Ibid. 97. Zital aus dem Englischem übe..IZ!. S. auch Price. Rituals and Power 248: .The imperial cull. like the culls of the traditional gnds. creaIed a relalionship of power belween subjecl and ruler. 11 also enhanced the dominance of local ~liles over the populaee. of cilies over other cities. and of Greek over indigenous cullures. Thai iso lhe cull was a major pan of Ihc web of power thaI fonned the fabric of sociely. The imperial cull stabilized the religious order of lhe world. The syslem of rilual was carefully SlruClured; lhe symbolism evoked a picture of thc relationship belween the emperor and the gods. The rilual was also slrUcluring; il irnposed a definition of lhe world. The imperiat cull. a10ng wilh polilics and diplomacy. conslrUCled Ihe realily or the Roman empire».
Domitian und der Kaiserkult
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Der Kaiserlrult umfasst alle Ebenen des städtischen Lebens. prägt alle Tätigkeiten in der Stadt. Mit den zahlreichen Feiertagen und Veranstaltungen bestinunt der Kult sogar den Verlauf der Zeit. Der Kult des Kaisers betrifft die religiöse. die politische und die ökonomische Sphäre; der Zusammenhang mit kriegerischen Unternehmen des Kaisers verleiht diesem Kult zudem einen militärischen Aspekt. Die Bedeutung des Kaiserkults grilndet nicht nur in seiner zentralen Funktion fllr das Leben der Städte in Kleinasien; in der Verehrung des Kaisers laufen alle Aspekte der Verbindung der Städte in der Provinz mit dem Zentrum der Macht. der Hauptstadt Rom, zusammen.
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
4 Ergebnis Der vorliegende Versuch. Einsicht in den historischen Hintergrund der Offenbarung zu gewinnen. gründete auf zwei Arten von Informationen. Auf der einen Seite stehen die spärlichen Hinweise und die verschlüsselten Angaben aus der Apokalypse. welche auf die gespannte. von Bedrllckung gekennzeichnete Situation der Christen aufmerksam machen. Diesen Auskünften aus der Apokalypse wurden literarische Zeugnisse aus der damaligen Zeit und Erwägungen über das Leben in den Städten der Provinz Asia gegenübergestellt. Der Vergleich zwischen den unterschiedlichen QueUen fUhrt zu plausiblen Resultaten: Die zeitgenössischen Porträts des Kaisers Domitian und die Schilderung des Kaiserkultes in K1einasien erlauben uns. die Bedrängnis und die leidvollen Auseinandersetzungen. denen die Adressaten der Offenbarung ausgesetzt sind. zu präzisieren. 4.1 Konflikt der Mächte in der Geschichte In den Visionen der Apokalypse steht fest. dass die Bedrängnis der Christen von Unwesen wie dem Drachen. den Heuschrecken und den Pferden aus dem Abgrund samt ihrem König. den Tieren aus dem Meer und aus der Erde verursacht wird. Darüber hinaus weisen die Anspielungen aus den analysierten Texten. vor allem aus Offb 13 und 17. auf die Verbindung der vemichtenden Mächte. vor allem des Tieres. mit der Gestalt des Kaisers und dem römischen Machtapparat hin. Der fragmentarische Einblick in die geschichtliche Lage am Ende des ersten Jahrhunderts verleiht diesem Bezug Plausibilität. Der Kaiser und der um ihn getriebene Kult stehen im Zentrum des Lebens in der Provinz Asia. Die Ausübung der kaiserlichen Macht ist mit religiösen Gebäuden. Handlungen und Kategorien gekoppelt und verlangt von den Bewohnern des Reiches eine entsprechende Anerkennung. Die Annahme der politischen Macht des Kaisers und seiner religiösen Relevanz konnten zur damaligen Zeit gar nicht unterschieden werden. In den Augen des Verfassers der Offenbarung und möglicherweise auch in den Augen seiner Adressaten fUhrt diese Gegebenheit zu einem unvermeidlichen Konflikt mit einer anderen Macht. der Macht Gottes und des Lammes. Alle drei. der Kaiser. Gott und Jesus Christus erscheinen als Mächte. welche die Geschichte lenken und beeinflussen. AUe drei gehören zum historischen Horizont der Christen. beanspruchen eine religiöse Anbetung und treten daher in eine gefährliche. unerträgliche Konkurrenz. Der Konflikt zwischen den Anspliiehen des Kaisers auf der einen Seite und der Treue zum Gott des Lebens und
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seines Lammes auf der anderen ist angesichts sowohl der Visionen als auch der geschichtlichen Lage, in der sie entstanden sind, offenkundig.' Die Treue zwn Kaiser und zum römischen Apparat und die Treue zwn Lamm und zu Gott sind unvereinbar. Die Parallelität der Ansprilche filhrt angesichts der enormen Macht aller Kräfte, die im Spiel sind, zu einem unlösbaren Konflikt und zu einer verständlichen Konfusion. Wer ist würdig, verehrt zu werden? Wer ist der wahre Lenker der Geschichte? Welche ist die stärkere, siegreiche Macht? Angesicht der historischen Situation, in welcher der Verfasser und die Adressaten der Apokalypse leben, erscheinen diese Fragen als besonders tendenziös, lästig, auf gefahrliehe Weise zweideutig. 2 4.2 Gegensätzliche Aspekte des Lebens in der Stadt
Die GegenübersteUung der Anspielungen aus der Offenbarung mit dem historischen Kontext beleuchtet einen weiteren Aspekt der Bedrängnis der Heiligen; sie liefen einen Einblick in den On, wo der Konflikt unter den gewaltigen, mächtigen Kräften von den Menschen erlebt wird: die Stadt. Ephesus, Smyma, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea gehönen zu den wichtigsten Städten von Kleinasien. Die Ausstattung von Städten wie Ephesus und Pergamon lässt erkennen, welche Bedeutung der Kaiserkult im städtischen Leben hatte. Die florierenden Städte in Kleinasien pflegten wechselseitige Beziehungen mit Rom: Rom war die Hauptstadt, das Zentrum der Macht, dem die Städte in der Provinz untenan waren. Diese politische Abhängigkeit brachte jedoch Voneile mit sich, vor aUem ökonomischer und militärischer An. Die relative Stabilität, die mit der Pax Romama erreicht wurde, erlaubte eine sehr günstige Entwicklung des Handels. Die Adressaten der Visionen lebten gerade in diesen Städten, nahmen mit aUer Wahrscheinlichkeit am regen Leben der Stadt teil. Die Vision von Babyion als dem on, in dem sich die Macht der vernichtenden Kräfte konkretisien, richtet sich an städtische Gemeinden. Ebenso die Vision von Jerusalern, der Stadt der Zuwendung und der Lebendigkeit. Städtische Kultur und Lebensart kennzeichnen somit nicht nur die Welt der Fiktion. Städte gehören auch zwn historischen Horizont der Apokalypse: Sie sind der On, an dem der Konflikt zwischen der kaiserlichen Macht und der Macht des Lammes und Gottes ausgetragen werden muss. Die Städte sind zugleich der Sitz des Kaiserkultes und der Sitz der christlichen Gemeinden. Diese Tatsache wirft ein neues Licht auf die Visionen von Babyion und Jerusalem, denn sie erscheinen als Bilder von gegensätzlichen Dimensionen des Lebens in der wirklichen, historischen Stadt. Babyion ist Rom, die gierige, reiche
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Dazu vgl. Bovon. CrS, 7, 221-238. Vgl. Oftb 4.11: 5.2.9: 13,4.
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Streinichter zum geschichtlichen Hintergrund
Hauptstadt; sie ist ein Bild der Macht, welcher alle Könige der Welt untenan sind; sie ist auch die Göttin Roma, der beispielsweise in Ephesus ein Tempel geweiht war. Vor dem Hintergrund all dieser Verbindungen erscheint BabyIonRom als eine Dimension iMerhalb der historischen Stadt, in der die Christen die Bedrückung erleben. Auch JerusaJem, die Stadt aus dem Himmel, steht in Verbindung zu den sieben Städten der Adressaten der Apokalypse. Als Bild der Zuwendung und der Nähe Gottes zu den Menschen drückt JerusaIem eine Dimension aus, die bereits in den historischen Städten, wo sich die Christengemeinden befinden und sich mit der jesuanischen Botschaft auseinandersetzen, ansatzweise erfahren wird. 4.3 Zur historischen Gestalt der Bedrängnis In der Ambivalenz der Städte als Orte, wo sowohl die Macht des Kaisers als auch diejenige Gottes entfaltet werden, leben die Adressaten der Offenbarung. Auch dieser Zwiespalt gehört zur Bedrückung. Die Ausführungen zum historischen Kontext erlauben keine genauere Bestimmung der Bedrängnis: Die Hinweise aus Offb 1,9 und den Visionen in Offb 7; 13,1-11 und 17 werden weder bestätigt noch dementiert. Die Andeutungen auf Gefangenschaft, Krieg und Tod müssen stehenbleiben, wie sie in den ausgewählten Texten der Offenbarung vorkommen. DeMoch suggerieren die Beobachtungen über die historische Lage einige Vermutungen, mögliche Konturen der kontingenten Gestalt der Bedrängnis. Aufgrund der Verbreitung und der Wichtigkeit des Kaiserkultes, der alle Bereiche des Stadtlebens umfasste, kaM man annehmen, dass sich eine Verweigerung des Kultes auf die Integration in die damalige Gesellschaft negativ auswirkte. Da es keine zuverlässigen Zeugnisse über systematische Verfolgungen zur Zeit Domitians gibt, muss man davon ausgehen, dass die repressiven Massnahmen, denen die Christen nach der Offenbarung ausgesetzt waren, eher punktueller An waren.' Andererseits (und nicht unbedingt im Gegensatz zu dieser AMahme) kann man die Hinweise aus den Visionen auch als Metaphern des Ausschlusses aus dem Gemeinschaftsleben in der Stadt auffassen.' Dafür spricht nicht zuletzt die wichtige Stellung des Handels- und Geschäftslebens an zahlreichen Stellen in der Apokalypse, vor allem in den Kurzbriefen an die sieben Gemeinden, in der Schilderung des Falles von Babyion (Offb 18) und in der J Dazu vgl. Yarbro Collins, JBL 96, 248ff. S. auch Offb 2.13. Dazu Schrage. Die Christen und du S/QßJ 69: .Nicht nur wird in Apk 2,13 im Sendschreiben an Pergamon ein namentlich genanntes Mitglied der donigen Gemeinde als Märtyrer bezeichnet. sondern eine Stelle wie 6.9-11 setzt voraus. dass es nicht auf Spekulationen beruht. wenn der Seher ,die Hure BabyIon> (=das Imperium Romanum) ,trunken vom Blut der Mänyrer> sieht (Apk 17.6) und von denen spricht. die um des Zeugnisses rur Jesus und um des Wo"es Goues willen enthauptet worden sind (Apk 20.4) •. • Vgl. dazu 11 4.4.3.
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zweiten Vision von Oftb 13. Aus diesem Text geht unmissverständlich hervor, dass die Treue zum Tier und der Handel eng verbunden sind: Und es (das zweile Tier) bewirkt, dass alle, Kleine und Gmsse, Reiche und Arme, Freie und Sklaven sich auf ihre rechle Hand oder auf ihre Stirn ein Zeichen machen und dass keiner kaufen oder verkaufen kann, ausser wenn er das Zeichen, den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens, hat' Die Teilnahme am florierenden Markt in den k1einasiatischen Städten scheint nur aufgrund der Annahme der politisch-religiösen Macht des Kaisers möglich zu sein. 6 Eine andere Einsicht in die An des Ausschlusses aus dem öffentlichem Leben, den die Treue zu Gott als Folge imp1izien, konunt im Kurzbrief an die Gemeinde in Thyatira vor, der vorgeworfen wird, Götzenopferfleisch gegessen zu haben.' Die Gefangenschaft, vielleicht der Tod für einzelne Mitglieder der Gemeinde, der drohende Ausschluss aus dem öffentlichen Leben auf den Plätzen und Märkten der Städte sind Aspekte der Bedrängnis.· Dazu kommen weitere Konflikte, von denen wir in den sieben Briefen zu Beginn der Visionenreihe Kunde haben. Die Beziehungen zu den Juden scheinen angespannt. Stellen wie Offb 2,9 und 3,9 kann man entnehmen, dass zumindest die Christen in Smyrna und Philadelphia sich von der Synagoge bereits getrennt hatten. Die Konflikte mit den Juden, deren Glauben im römischen Reich ein besonderer Status zuerkannt wurde9 , spielen vermutlich in der Beschreibung der Bedrängnis der Heiligen auch eine bedeutende Rolle. Die Suche nach einer ausgesprochen christlichen Identität führte die Gemeinden zu einer Trennung von der Synagoge und folglich zum Verlust gewisser Privilegien, und dies trug wiederum zur Verschärfung der Konflikte im Leben einer «heidnischen» Stadt bei. Alles deutet somit darauf hin, dass die Gemeinden sich von Konflikten an verschiedenen Fronten bedrängt fühlten.
, Offb 13,16.f. • Vgl. dazu noch das Kurzsc~ihen an die Gemeinde in Laodizea. Oflb 3,14-22. Vgl. auch die eminenIe Rolle des Handels und der Handelsleule in Offb 18. 7 S. Oflb 2.20. Die Verfehlung einiger Gemeindeglieder. die das Aeisch von den heidnischen Opfern gegessen hauen. ,teht im Zusammenhang mit Bildem von Prostitution und sexueller Untreue. So wie Babyion erscheint auch !sehei als Hure. als Frau. die zu Zerstörung und Tod fühn. • Dazu vgl. Oe Silva, SocAn 53, 375-395. 9 Dazu s. Pleseia, Latomus 30, 123. Zur Situation der Juden in den Städten K1einasiens am Ende des ersten Jh. n.Ch. liegen wenige hislorische Dokumente vor. Thompson, Tht Book 0/ R..tlmion 139 fasst die Lage der Juden zu jener Zeit so zusammen: .( ... ) ou~ Jewish privilege, in the empire came about through a .series of city-Iaws of local application, which, a1thoug !hey possessed common principles. differed in detail from one city to the nexl> ( ... ). Jewish stalus outside Judaea was .ethnic nuber than national. and .!he question of whe!her Judaism was a pcrmilted religion does not seem 10 arise at alh ».
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Streiflichter zum geschichtlichen Hintergrund
Dazu fallen noch die Anspielungen auf innergerneindliche Auseinandersetzungen auf. 10 Die Bedrängnis, der Johannes auf Patmos und seine Adressaten in Kleinasien ausgeliefert sind, hat vielerlei Gesichter. Einzelne repressive Massnahmen wie Tod und Gefängnis, die Schwierigkeit, gleichzeitig den Kult des Kaisers zu verweigern und dennoch am Gemeinschaftsleben teilzunehmen, die Schwierigkeit, von der florierenden Wirtschaft der im ganzen Imperium dafiir bekannten Städte zu profitieren, die Auseinandersetzungen mit der Synagoge und schliesslich die Zerstrittenheit innerhalb der Gemeinden kennzeichnen das Leben der Christen, fiIr die die Apokalypse geschrieben wurde.
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S. Offb 2.2.6.t4-16.2~22.
IV. Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte
Diese Untersuchung ist als Versuch konzipiert worden. sich mit den Visionen der Offenbarung als Teilen eines abgeschlossenen literarischen Werkes auseinanderzusetzen. Aufgrund dieser Absicht wurden die ausgewählten Visionen primär als in sich abgeschlossene Sprachbilder betrachtet und ausgelegt. Dieses Vorgehen hat sich bewährt: Die Analyse von sieben Visionen hat gezeigt. dass die Frage nach der Bedeutung dieser dichten. bildlichen Erzählungen beantwortet werden kann. ohne auf eine Entzifferung aller einzelnen Elemente der Vision rekurrieren zu müssen. Die Visionen bergen einen Sinn in ihrer Gestalt als sinntragende Einheiten. obwohl (oder gerade weil) sie als sehr komplexe Gebilde verfasst wurden. Als mehrdimensionale Sprachbilder umfassen die Visionen der Apokalypse verschiedene Sinnhorizonte. Als abgeschlossene. siMtragende Einheiten vennitteln sie eine besondere Sicht des Kosmos. der Mächte. welche die Geschichte lenken. der Räume und Zeiten. in denen sich die Geschichte abspielt. und schliesslich der Menschen. welche die gegensätzlichen Mächte anbeten und verehren. Diese Schilderungen in den Visionen bringen die Adressaten der Offenbarung dazu. die Geschichte. in der sie leben. unter einem anderen Gesichtspunkt auszulegen. Die Sprachbilder der Offenbarung verlangen eine Auseinandersetzung mit den Mächten. die das Leben der Christen in den kleinasiatischen Gemeinden prägen. und sie suggerieren eine neue Sicht der Welt. Bereits aus der Textanalyse wurde deutlich. dass die Visionen als Fiktionen in einer dichten. wechselseitigen Beziehung mit dem historischen Kontext stehen. in dem sie verfasst und rezipiert wurden.
1 Von der Täuschung in der Geschichte zu den Visionen Die historische Situation wird in der Apokalypse vor allem durch die Kategorie der 8AlljllS'. der Bedrängnis. gekennzeichnet. Bedrückung und Leiden umfassen das Leben der Christen in ihrer Umwelt. Schwert und Gefangenschaft und sogar der Tod kommen in den Visionen als Momente der Drangsal vor. welcher die Heiligen ausgesetzt sind. Dazu kommt der Aspekt des Ausschlusses aus dem öffentlichen Leben. vor allem aus dem regen Handelsaustausch. Unter dem Begriff der Bedrängnis werden alle Konflikte subsumiert. die das Leben der
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christlichen Gemeinden in den florierenden Städten in K1einasien prägten. Die Auseinandersetzungen mit verschiedenen Richtungen in den Gemeinden und eine vermutlich schwierige Trennung von der Judengemeinde kommen zu den Spannungen hinzu. die das Leben in einer vom Kaiserkult geprägten Stadt mit sich brachte. Nicht nur die religiöse Verehrung des Kaisers und seiner Standbilder verursachte den Christen Schwierigkeiten. sondern vor allem das Eindringen der religiösen Relevanz der Kaiserverehrung in weite Bereiche des städtischen Lebens. denn das öffentliche Leben und das Gewerbe konnten nicht von den Veranstaltungen zur Ehre des Kaisers getrennt werden. Aus dem Vergleich zwischen den Visionen und den Streiflichtern zum historischen Kontext wird deutlich. dass die Macht des Kaisers in der damaligen Gesellschaft als unbeschränkt erscheinen musste. Sowohl die Person des Herrschers als auch der gesamte Machtapparal und seine Institutionen imponierten und schienen allgegenwärtig und unbesiegbar. Die Antwonen auf die Fragen nach dem wahren Herrscher der Geschichte und nach der stärksten Macht im Kosmos konnten in der damaligen historischen Situation nicht selbstverständlich sein. Die Pracht. die Stärke. die Macht und die Gewalt des römischen Apparates konnten durchaus mit deljenigen Gottes verwechselt werden. Johannes nahm diese Spannungen in seinen Brief an die sieben Gemeinden auf. Er inszenierte in den Visionen diese Stimmung von Konflikt. Bedrängnis und Ambivalenz. Mit Spiegelbildern und paradoxen Symmetrien gab er die Konfusion wieder. welche die historische Situation seiner Adressaten kennzeichnete. In dieser besonderen Situation von Bedrängnis und Konfusion nahm der Verfasser der Apokalypse vorliegende Traditionen auf. verknüpfte sie mit der christlichen Botschaft und formte dieses vielfaJtige Material zu neuen Visionen. in denen Trost. Zuwendung und Klarheit aus der göttlichen Dimension zum Ausdruck gebracht wurden. Mit seinem Brief tröstete er die Gemeinden. die Zerreisproben ausgeliefen waren. und warnte sie vor der Täuschung der vernichtenden Kräfte. welcher sie erliegen konnten.
2 Von der Klarheit der Visionen zur Geschichte Die Visionen schaffen der Eindeutigkeit des Gottes des Lebens und seines Versprechens einer Stadt von Trost. Heil und Zuwendung einen angemessenen Raum. In der Fiktion der Visionen. von seinem besonderen. himmlischen Standpunkt aus beobachtet und beschreibt Johannes Szenen. in denen Gott und der Vemichter. das Lamm. die zahlreichen Unwesen und die Tiere. die Stadt aus dem Himmel und die Stadt der Zerstörung. die Menschen. die Gott treu sind.
Schlussfolgerungen
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und die Anbeter der vernichtenden Kräfte als das erscheinen, was sie wirklich sind, und folglich deutlich unterschieden werden können. Was Johannes sieht und nacherzählt. bietet die Möglichkeit, die Geschichte anders, neu zu deuten. Geordnet in einer fiktiven Reise durch verschiedene Räume und Zeiten liefern die Visionen eine wahre Sicht der Mächte, welche die Geschichte lenken. Nur aufgrund der Klarheit aus den Visionen ist es möglich, in der Konfusion und der Bedrängnis auszuharren. gegen die Täuschung der zerstörerischen Kräfte auf der Erde siegreich zu kämpfen, dem Versprechen der Stadt der Zuwendung und des Heiles treu zu bleiben. Die Beziehung. die zwischen der Fiktion der Visionen und der historischen Lage besteht. kann zusammenfassend als wechselseitig bezeichnet werden. Einerseits erscheint die Apokalypse als Produkt einer bestimmten Zeit: Die Suche der Gemeinden nach einer christlichen Identität. ihre Verbundenheit mit der jüdischen Tradition und die Integrations- und Loyalitätskonflikte im Rahmen des römischen Reiches prägen dieses Werk auf unverkennbare Weise. Aus der Situation der Bedrängnis entsteht nun andererseits eine Schrift, die eine neue, deutliche Sicht der Welt und der Geschichte liefen und ihre Adressaten aufforden, diese himmlische Klarheit zu würdigen und ihr treu zu bleiben. Die Visionen der Johannesoffenbarung fordern Leserinnen und Leser auf, sich gerade mit der eigenen konfliktgeladenen Situation auseinanderzusetzen; sie erlauben ihnen, unter den verschiedenen Mächten !rotz allen Täuschungen und Ähnlichkeiten klar zu unterscheiden.
3 Ausharren und Deuten: zur ethischen Relevanz der Wechselwirkung Die kreisförmige Bewegung von der Geschichte zur Fiktion und wiederum von den fiktiven Visionen zur historischen Situation zurück gewinnt für die Adressaten dieser Schrift eine ganz bestimmte ethische Relevanz. Die himmlische Klarheit in den Visionen, die bildliche Darstellung der Allmacht Gottes und des Lammes. ihrer Liebe und Zuwendung. sind mit der Einladung an die Rezipienten gekoppelt, sich mit der Kontingenz des Lebens zu befassen, sie auszulegen und zu deuten. Die direkten und indirekten Aufforderungen und die verschlüsselten Deutungen in den Visionen fordern eine besondere Haltung: Der Verfasser der Offenbarung liefen den Christen in den sieben Gemeinden keine Verhaltensregeln, keine Listen von zulässigen oder wilnschenswenen Handlungen. Der Seher macht die Leserinnen und Leser seiner Schrift vielmehr darauf aufmerksam, dass Gott und sein Lamm auf der Seite der Lebendigkeit stehen, während die vernichtenden Kräfte auf den endgilltigen. «zweiten» Tod ausgerichtet sind. Er macht deutlich, dass es unmöglich ist, Handlungen zu vollziehen, die auf Tod
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und Vernichtung gründen, und troIZdem auf der Seite Gottes zu stehen. An der Klarheit aus dem Hinunel sollen sich die Menschen in den k.Ieinasiatischen Städten orientieren, in dieser Perspektive sollen sie beurteilen, welches Verhalten sich mit dem Versprechen von Jerusa1em vereinbaren lässt. Johannes leugnet nicht, dass die Treue zu und die Zuversicht auf Gott schwerwiegende Folgen implizieren. Er bestreitet nicht, dass das Leben der Christen von Bedrängnis, Leiden und Blut gekennzeichnet ist. Vielmehr lässt er die Situation der Christen insofern ausweglos erscheinen, als die zuversichtliche Beziehung zum Gon des Lebens Bedrängnis mit sich bringt, aber eine Beziehung zum Tier und den Kräften, welche seine Macht ermöglichen, unvermeidlich zu Tod und Leiden fUhren. In dieser Situation von grosser Spannung interpretiert der Verfasser der Offenbarung die unollovq, diese Art engagiener, aktiver Geduld, das Ausharren der Heiligen, mit einer hinterfragenden, deutenden Haltung gegenüber der Zweideutigkeit der Existenz in der damaligen Gesellschaft: Im Gemenge des Lebens und gegenüber der Täuschung, die von den vernichtenden Kräften inszeniert wird. ist - mit den Worten von Offb 17,9 - ..eine Vernunft gefragt. die Weisheithat".
4 Visionen und Krisenzeiten: ein Ausblick Die ethischen Anweisungen der Offenbarung, die Aufforderung. sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. der Täuschung der vernichtenden Kräfte Widerstand zu leisten. dem Gott des Lebens und seinem Lanun treu zu bleiben. können als Versuch aufgefasst werden. eine Situation der Krise und der Orientierungslosigkeit zu bewältigen. Dieses Werk. das Johannes in der besonderen Situation der Bedrängnis in Patmos am Ende der Regierungszeit Domitians verfasste, hat in den folgenden Jahrhunderten und bis zum heutigen Tag eine ausgesprochen starke Wirkung gehabt. Dies bezeugen die zahlreichen Kommentare und literarischen Aufarbcitungen der Johannesoffenbarung und die unbesuitten vielfliltigste und breiteste ikonographische Wirkungsgeschichte unter allen biblischen Büchern. Angesichts des Gewichtes der Offenbarung in der abendländischen Geschichte und der Grossanigkeit zahlreicher von ihr inspirierter Werke erscheint die Frage nach den Umständen und Gründen eines solchen Erfolgs als dringend und unumgänglich. In Anlehnung an die Fragestellung dieser Untersuchung könnte man versuchen. die Eigenschaften und die theologische Bedeutung von «Relektüren» der Apokalypse in bestimmten Momente ihrer Wirkungsgcschichte nach der Hypothese einer wechselseitigen Beziehung, diesmal jedoch zwischen den ~reilS vor-
Schlussfolgerungen
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liegenden Visionen und einer bestimmten historischen Situation von Krise und Bedrängnis, zu erfassen. Ein oberflächlicher, lückenhafter Einblick in die reiche Wirkung der Offenbarung von der Zeit ihrer Entstehung bis zum heutigen Tag scheint der Hypothese eine gewisse Berechtigung zu verleihen, dass die christlichen Gemeinden mit Vorliebe in Zeiten der Krise und der Bedrängnis zur Apokalypse griffen. Bereits der älteste bekannte Kommentar der Offenbarung durch Victorinus von Pettau entsteht zur Zeit der Diokletianischen Verfolgungen, während derer der Verfasser selber starb. Die reiche Tradition der Kopien des illustrierten Kommentars des Beatus, der um die Mine des 8. Jh. entstand, erreicht ihre Blütezeit in der Epoche der christlich-muslimischen Konfrontationen auf der iberischen Halbinsel.' Auch die geschichtlichen Umstände und die theologischen Aussagen der monumentalen Tapisserie von Angers, die wahrscheinlich 1373 von Louis d'Anjou in Auftrag gegeben wurde2, könnten noch in diesem Zusammenhang untersucht werden. Weiter könnte auf Dilrers illustrierte Ausgabe des Apokalypsentextes vom Ende des 15. Jhl , einer entscheidenden und konfliktreichen Epoche in der Kirchengeschichte hingewiesen werden. In diesem ausblickenden Schlussabschnitt wurden diese bekannten Beispiele aus der Geschichte des Offenbarungstextes zur illustration einer Arbeitshypothese erwähnt, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keinen Platz mehr finden kann. Die Entwicklungen der Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte in verschiedenen Zeiten und mit verschiedenen theologischen Interpretationen der Johannesapokalypse könnten erst nach eine präzisierenden Anpassung der GrundfragesteIlung verfolgt werden. Ausserdem wäre wegen des unumgänglichen Einbezugs von ikonographischen Auslegungen ein anderes methodisches GetiJst verlangt.
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Faszination und Gefahren Die oben entworfene Idee. die Fragestellung an ausgewählten Etappen der Wirkungsgeschichte der Apokalypse weiterzuführen. wäre nicht nur von theologisch-historischem Interesse. Die aufgestellte Hypothese könnte nämlich auch Einsichten über den heutigen Umgang mit dem letzten Buch der Bibel eröffnen. In den gut vier Jahren. die diese Albeit in Anspruch genonunen hat. hat mich die verblüffende Vielfalt an Relektüren und Neuschreibungen. an künstlerischen Darstellungen. an Auseinandersetzungen jeder Art und Richtung und schliesslich an vollkommenen Verfremdungen der Apokalypse stark beeindruckt. Seriöse und beängstigende Versuche einer Aktualisierung des alten Textes wurden in allen denkbaren Bereichen und mit sehr unterschiedlichen Medien vorgenonunen: Bücher und Essays. Comics. Filme. illustrierte Textausgaben. Darstellungszyklen... In diesem chaotischen Meer der heutigen «apokalyptischen» Produktion setzt sich die Tendenz zu einer endzeitlichen Auffassung durch. Und gegen die Identifizierung des Wortes «Apokalypse» mit dem Ende der Welt. dem Untergang der Welt oder mit wiederkehrenden Katastrophen grösseren Ausmasses scheinen die Versuche. die in eine andere Richtung weisen. gar nichts bewirken zu können. Viele verstehen «die Apokalypse» als Sammelbegriff für die gewaltige und endgültige Katastrophe. die von der modemen Techrtik eingeleitet wird. Diese Auffassung wird beispielhaft vom Physiker Bernhard Philbert ausgedrückt: «In der gesamten Erd- und Menschheitsgeschichte gab es noch nie eine Zeit. wie sie sich in den letzten Jahren bis 1960 erfüllte. Bewohnern der Erde ist die Macht zugewachsen. ihren gesamten Lebensraum zu verderben. Der Griff nach Nuklearenergie zusammen mit der Erreichung der kosmischen Geschwindigkeiten hat erstmals Bestand und Ende lilIen irdischen Lebens dem Tun und Lassen der Menschen überantwortet. ( ... ) Christus hat mit unvergleichlicher Treffsicherheit und mit allzeit verständlichen Worten das innerste Wesen der herankommenden Endzeit dargestellt. (... ) Während Christus in seinen Parousiereden das Wesen kennzeichnet. zeigt die Geheime Offenbarung den konkreten Ereignisablauf. ( ... ) Die Geheime Offenbarung enthält - wenigstens was die die Endzeit einleitenden Aktionen anbelangt - keinerlei Symbolik. Jeder Deutungsversuch ist daher von vornherein verfehlt. Sie ist vielmehr eine überaus nüchterne und kurzgefasste Erlebnisbeschreibung. Es genügt daher die einfache Gegenüberstellung der Ereignisse. die sich aus den derzeitigen Vorbereitungen
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Nachwon
im ,Ernstfalle> zwangsläufig ergeben. zu den Bildern der Geheimen Offenbarung": Neben diesen Vorstellungen. die auf die Umkehr des fonschritts- und machtsüchtigen Menschen zielen. gibt es unzählige andere Inszenierungen des Weltunterganges durch vielerlei Gründe und Kräfte: diese Horrorszenarien umfassen meiner Ansicht nach die gesamte Palette vom Ausgefallenen bis zum Paranoiden. Auch in diesen Zusammenhängen greift man gerne zur Offenbarung. Aus ihr werden einzelne Bilder und Symbole entnommen. die willkürlich mit irgendeiner Situation oder Figur identifizien werden. All diesen Versuchen ist eine Tendenz gemeinsam. nicht nur einzelne Visionen der Offenbarung zu simplen Allegorien zu vereinfachen. sondern auch die Wahrnehmung unserer verstrickten. undurchschaubaren Gegenwart. Während ich meine Zeit der Erforschung von Offenbarungstexten widmete. konnte ich von den beängstigenden Kontexten nicht absehen. in denen das Won «Apokalypse» und Zita/e davon auftauchen. Vielleicht deswegen habe ich mich auf die Beziehung zwischen Zeiten der Krise und Visionen konzentrien. Das Analysieren und Auseinanderlegen. das Sich-Vertiefen in Texte und alte Zeugnisse war nJimlich auch eine Strategie. um gegen diese unangenehmen Feststellungen und die mit ihnen verbundenen Angstgefilhle zu kämpfen. Ausserdem filhrte mich die exegetische Arbeit an den Visionen zur Überzeugung. dass eine differenziene und kritische Beschäftigung mit den Visionen der Offenbarung in der heutigen Zeit. in der Gefilhle der Orientierungslosigkeit und der Bedrohung weit verbreitet sind. zu wichtigen Entdeckungen führen kann und zu einem der Komplexität angemessenen Verständnis unserer Geschichte verhilft. Mit gegensätzlichen Gefilhlen mache ich nun hier einen Halt auf meiner Reise durch die apokalyptischen Fiktionen. Denn einerseits bin ich von den Gefahren bedrückt. die diese Schrift seit vielen Jahrhundenen mit sich bringt. Insbesondere besorgt mich die reduktive. banalisierende Betrachtung sowohl der dichten und mehrdeutigen Visionen als auch der eigenen Wirklichkeit. Diese Haltung erscheint mir wie eine chronische und lähmende Krankheit. Andererseits bleibt die grosse Faszination einer raffinienen Welt von Fiktionen. welche zu einer neuen. an Lebendigkeit und Venrauen orientienen Sicht der Welt herausforden .
• Bemhard Philben. Christlich~ ProPMtj~ und Nuiüar~n.,gj~. Zürich 1961. 112 und 168[.
Verzeichnis der Abbildungen
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Abb.2:
Rollsiegel. a1lSyrisch, im Louvre; Winler u., ibid., Abb. 489; Delo.porre L. ibid., A 925; Conlenau G., La glyptique syro-hillite. Paris 1922, Abb. 161.
Abb.3:
Abdruck eines Rollsiegels, altsyrisch, ehern. München (Original verloren); Winter u., ibid .• Abb. 490; EI-Safadi H., Die Entstehung der syrischen Glyptik und ihre Entwicklung in der Zeit von Zimrilim bis Ammitaqumma. Teil I: UF 6 (1975), 313-352. Abb 126; MoorlgalCorrens U., Altorientalische Rollsiegel in der staatlichen Münzsammlung München, Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst. 3. Folge 6 (1955), 7-27, Abb. 24.
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Stellenregister Fett gedruckte Seitenzahlen weisen auf einen längeren, meistens mit dem ausführlichen Zitat versehenen Kommentar der angegebenen Stelle hin.
AII"s T"sIam,,'"
24,17
Gen
2,9 2,9f 15,5 15,17 19,24 19,28 22,17
178 Anm.66 183 88 Anm.2 60 117 108 Anm.18 88 Anm.2
Ex
3,14 6,7 10,15 12,1-27 15,11 19,6 19,16 27,2 28,17-30 29,38-42 30,1-3 UV 23,40 26,11
66 Anm.120 168 Anm.21 107, 108 78 130 Anm.42 83 27 Anm.69, 59 115 Anm.53 78 115 Anm.53 89 168 Anm.21
Num
23,22 28,3-8
76 Anm.20 78
78
IKön
22,19
55
2Kön
9,36
157 Anm.47
Hiob 3,21 26,6 28,22 31,12
110 113 Anm.44 113 113 Anm.44
Ps
11,4 23,1 23,2 27,2 35,10 36,10 44,12f 77,19 88,12 89,7 113,5f 115,4-7 121,6 135,15-17
55 98 Anm.47 99 Anm.50, 99 Anm.51 157 Anm.47 130 Anm.42 99 Anm.51 78 59 113 Anm.44 130 Anm.42 130 Anm.42 118 99 Anm.50 118
DI
32,39 33,17
66 Anm.120 76 Anm.20
2 Sam
17,8
127
SE'
15,11 17,12 30,27
113 Anm.45 127 113 Anm.41
Slellenregisler
268 J~.
1.2-23 1,10 1,18-20 2,8.10.20 3,16-23 3,18f 6,1 1,14 8,8 10,11 12,12-14 13 21,1 23,1-11 23,16.11 25,8 29,11 35,10 36,10 40,5 40,25 43,18 46,5 49,10 49,18 52,1 53,1 54,12-14 55,1 60,1 60,1-2.19 60,3 61,10 62,2 62,5 65,16.19 65,11 65,18 Jer 1,11-13 2,13 8,3 11,19 15,2 23,14 25,15-29 38,33 50.51 51,1
149 161 Anm.18 150 Anm.21 118 150
150 55 168 168 183 182 149 Anm.20 150 149 Anm.18 149 Anm.18 99, 168, Anm.28, 169 Anm.29 81 168 Anm.28 183, Anm.86 182 Anm.16 130 Anm.42 168 Anm.28 130 Anm.42, 183 Anm.86 98, 99 181 183 14 182 169 182 Anm.16 183 182 181 182 Anm.16, Anm.18 181 168 Anm.28
165 166
93 Anm.28 99 Anm.51 110 Anm.8,3 18 l38f 161 Anm.18 150 Anm.24 168 Anm.21 149 Anm.20
150
El 1,1 1,5 1,5-11 1,10 1,13 1,22 1,26-28 1,21f 2,9 16 16,46 23 23,25.26.29 28,12-14 34 34,23 31,3f 31,21 38 40,2 40,5 41,5 43,30-35 41,1-12 48,30-35 Dall
2,28 3,1 5,4 5,19 1 1,2-1 1,1.20 1,9 8,1 8,1-14 8,15 12 12,1 Ho.
1,2 13,1f
48 65 Anm.111 62 62
59,60 61 55
54 81 149 Anm.11 161 Anm.18 149 151 Anm.41 182 18 99 Anm.50 93 Anm.28 168 115 Anm.56 181 182 Anm.19 182 Anm.19 182 Anm.19 182 182 Anm.18 50 Anm.21
83 Anm.63 118
83 Anm.63 125 126 16 Anm.20 59, 60 11 18 11 81 94
149 U7
Jo~1
1,2 1,6 2,4f 2.10 4,18
111 112 113 101 183 Anm.86
269
Stellenregister
Am
7,1-3
111
Ja" 4,8
98 Anm.47
Mi
3,3
157 Anm.47
Nah 3
149 Anm.19
Hab 1,8
127
Sach 2,1 2,1-4 2,14 4,1 4,10 14,8
182 Anm.80 76 Anm.20 168 Anm.21 93 Anm.28 60, 77 Anm.27 183
Neues Testament
MI
3,11 3,16 4,1 10,1-16 12,28 22,11-14 24,21 24,30f 26,52 27,28
25 Anm.56 48 Anm.16 26 Anm.61 173 Anm.49 25 94, Anm.35 94, Anm.31 105, Anm.5 138 145 Anm.9
1,29.36 10 12,13 16,33 19,2 2\,\5
Ap1 7,1 7,56 8,32 10,11
73 47 Anm.5 90 Anm.16 20 Anm.18 145 Anm.9 73 Anm.3 94 Anm.31 48 Anm.16 74 48 Anm.16
Mk
1,2 1,8 1,10 3,13-19 15,17 16,5
26 Anm.61 25 Anm.56 48 Anm.16 173 Anm.49 145 Anm.9 57 Anm.74
Uc
3,16 3,21 4,1 6,12-16 8,31 10,3 10,18 11,20 15,23.27.30 17,4
106 78 Anm.30 64 Anm.l04 28 Anm.75
Joh 1.11 1,14 1,16
77 98 Anm.45 78 Anm.29
25 Anm.56 48 Anm.16 26 Anm.61 173 Anm.49 107
Röm
1,1 1,6f 1,29-32 3,23f 3,25 5,9 8,9 8,20 8,35 10,7 11,17 16,13
156 Anm.45 156 Anm.45 171 Anm.42 170 Anm.32 95 Anm.39 95, Anm.39 25 168 Anm.27 19f
107 19 Anm.15 156 Anm.45
73
J Kor
1,1 1,2.24 1.23 5,7 6,9-11 9,23 1I,5f 15,54
156 Anm.45 156 Anm.45 75, Anm.16 78 171, Anm.42 19 Anm.15 112 Anm.38 168 Anm.27
270
Stellenregister
2 Kor 1.6 7.5 11.23-27 13.4
21 Anm.30 19 Anm.16 19 Anm.17 74
Gal 5.19-21 5.20f
171 119 Anm.73
Phil
1.7
19 Anm.15
H~br
9.12.19 9.13f JP~'r
1.9 5.13
?f' 1.1-2 1.1-3 1.2 1.4 1,4-8 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.9-128 1.10 1.11 1.12 1.17f 1.18 2.1 2.2 2.2f 2.3 2.7 2.8-11 2.9 2.10 2.13 2.19 2.22 3.1 3.4 3.5
64 Anm.l04 95 Anm.39
73 221 Anm.3 50 Anm.23. 169 50 36.39 24 Anm.50 60 35 95 20 Anm.24. 83 65 Anm.1I4 67 Anm.125. 169 17r. 95. 221 16r. 139.216 zzr. 37f. 49 17r zar 107 68 Anm.129 119 21 Anm.29 179 Z3 Anm.40. 108 ur. 179 74 126 75 Anm.IO 97 21 Anm.29 94 60. 68 Anm.129 57 89.134
3.5.10 3.7 3.8 3.12 3.14 3.18 3.20 3.21 4.1 4.1-11 4.2 4.2f 4.4 4.5f 4.7 4.8 4.8-11 4.10 5.2 5.5 5.6 5.6-7 5.6-10 5.8 5.8-10 5.9 5.9f 5.10 5.12 6.1 6.2 6.3f 6.4.9 6.5 6.7f 6.9 6.9-11 6.10 6.12f 6.13 6.16f 6.17 7.lf 7.1-8 7.3 7.9 7.9-12 7.9.15 7.9-8.1 7.10 7.llf 7.13f 7.13-17 7.14 7.14-17
58 Anm.78 47 47 132. 180 9Z. 116 Anm. 17 65 47 58 Anm.78 46r.49 45r.192 38 51f 55r. 112 58r 6Zr 154 651f 129 130 63.74 128 73r 7Zr.192 129 80 88.157 181 97 69.76 Anm.18 63 58 64 75 64 Anm.107 64 75 Anm.15. 114 901
96 96 106 75 94 115 88 108 157 87 129 86r. 169. 192 169. Anm.29 9Zr 194 93 20 Anm.20. 216 194
271
Slellenregisler 7,I5f 7,17 8,1 8,2-6 8,3 8,5 8,7f 8,IOf 8,13 9,1-12 9,1-21 9,6 9,7 9,13-19 9,20f 10,7 Il,If 11,2 11.3 11,6 11,7 1I,7f 11.8 11,10 11.11 11,12 11,15 11,16 11,17 11.18 11.19 12,1 12,2 12,3 12,6 12,6.14 12,8 12,9 12,10 12,IOf 12,11 12,12 12,14 12,15 12,17 13,1-3 13,1-10 13,3 13,3f 13,5-7 13,6 13,7 13,8
97r 178 100 114f 80 Anm.41 58 96 98 64, 105 10Sr 102f, 192 168 58 Anm.75, 64 114r 118. 170 147 Anm.12 131, 166, 176 166 57, 131 96 24 Anm.5l, 125 75 Anm.15 166r 109 74 49 20 Anm.24 69 69 59 59 58 90 145 131 144 124 92, 107, 127 20 Anm.24, 92 Anm.22,136 9lf 23 Anm.40, 95, 97 97, 132 Anm.49 64 99 133 124r 123r, 145, 164, 193, 224 153,155 128r lJOr 97,217 156,157 75, 133r, 155
13,9f 13,10 13,14 13,I6f 13,18 14,1 14,3ff 14,6 14,9 14,11 14,14 14,14-20 15,2 16,3f 16,5f 16,6 16,7 16,9 16,12 16,18 16,9 17,1 17,1-3 17,1-6 17,3-6 17,3-18 17,4-6 17,6 17,6f 17,7f 17,8-18 17,9 17,9-11 17,10 17,11 17,15 18,2-3 18,6f 18,7 18,7.10.15 18,9f 18,11-13 18,I2f 18,16--17 18,17-19 18,I8f 18,24 19,If 19,2 19,7f 19,8 19,10 19,IIf 19,12f 19,13
137r, 217 21 Anm.29 68 Anm.129 l80f 29 108r 82 Anm.58 52 Anm.43 99,109 66 58 96 88 96 96 96 114, Anm.52 135 115 59 146 115 38, 93 Anm.29 219 144r 142r, 193, 218 173 96,217 153, 194 217 153r, 194, 219 194, 226 221 226 224 99 147 146 52, 146 109 145 Anm.5 147 145 58 Anm.77 147r 90 75,96 95 96 171 Anm.45 57 Anm.74, 94 18 Anm.13, 24 96 126 96
272 19,20 20,1 20,6 20,10 20,12 20,13 20,14 21,1 21,1-22,5 21,2-8 21,3 21,9f 21,9-27 21,10
Slellenregis\er 68 Anm.129 107 83, 135 109 134 124,164 171 124 Anm.3, 164 16U, 193 166 97 38, 93 Anm.29 17U 38
21,12.14 22,1 22,1-5 22,2 22,4 22,6 22,6-21 22,9 22,11 22,14 22,17 22,I8f 22,20
56 61,93 Anm.29 178r 90 108 50 Anm.23 36 18 Anm.13 164 90,94, 136 172 Anm.45 31 Anm.83 67
Obrise jüdische und christliche Schriften
AscJes 6,9
48
Jub 1.29 2,2
165 59
AscMos 4,2
55
IMaU \3,51
89
2MaU 10,7
89
Testuvi 5,1 5,Iff
48 55
TestJos 19,7ff
79
Weish 10.11 11,2-8
144 Anm.4 144 Anm.4
r.:BarApk 1,6
60 Anm.85
Did 14,1
26 Anm.64
4Esr JJ 14,44f
125 56 Anm.62
dthHen 14,9 14,15 14,I8ff 39,11 f 56,5 86,1.3 88,1 89 89,32 90,9 90,IOff 91
59 48 Anm.15 SS 66 Anm.1I5 IIS Anm.56 106 106 78 98 Anm.49 76 Anm.20 76 Anm.20 165 Anm.14
IsnMasn 9,1
26 Anm.64