Joachim Dahm / Rolfjosef Hamacher Termingeschäfte im Steuerrecht
Joachim Dahm / Rolfjosef Hamacher
Termingeschäfte i...
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Joachim Dahm / Rolfjosef Hamacher Termingeschäfte im Steuerrecht
Joachim Dahm / Rolfjosef Hamacher
Termingeschäfte im Steuerrecht Optionsgeschäfte und Futures steuerrechtlich beraten und einordnen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: RA Andreas Funk Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2153-6
Vorwort Hinter dem Begriff Termingeschäfte verbirgt sich eine Vielzahl von Finanzinstrumenten, die meist eine hohe Komplexität aufweisen. Damit geht aber auch ein hohes Maß an Unsicherheit einher, wie diese Finanzprodukte insbesondere steuerrechtlich zu behandeln sind. So waren die ertragsteuerliche Behandlung beim Anleger und die umsatzsteuerrechtliche Handhabung lange Zeit nicht eindeutig geklärt, und bis heute gibt es noch offene Fragen. Die Besteuerung von Termingeschäften gewann in jüngster Zeit an Aktualität, als der deutsche Gesetzgeber mit der Einführung der Abgeltungsteuer auch Termingeschäfte in den Bereich der steuerpflichtigen Kapitalerträge einbezog. Hier mussten klare Besteuerungsregeln geschaffen werden. Gleichzeitig bemühen sich die politischen Entscheider auf europäischer Ebene darum, einheitliche Grundsätze für die Umsatzsteuer auf Termingeschäfte zu entwickeln und festzulegen. Bei beiden Themen sind nicht nur die politischen Praktiker gefordert, dies sind auch Herausforderungen für die Steuerrechtswissenschaft. Die Autoren haben diese Anforderungen mit großem Erfolg gemeistert. Ihnen ist es mit dem vorliegenden Buch in hervorragender Weise gelungen, die Grundformen der Termingeschäfte, ihre Varianten und deren wichtigsten Kombinationen zu systematisieren und ebenso praktikable wie theoretisch konsistente Lösungen für die jeweiligen steuerrechtlichen Probleme zu entwickeln. Hierfür gilt ihnen unser besonderer Dank. Das Buch ist auf Initiative des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) entstanden. Der DDV will den Schutz der Anleger sowie die Verständlichkeit und Transparenz der Produkte verbessern. Außerdem geht es dem Verband darum, den Markt für derivative Wertpapiere zu fördern und die Akzeptanz von Zertifikaten, Aktienanleihen und Optionsscheinen in Deutschland erhöhen. Mit Blick auf die außerordentlich komplizierte Besteuerung der derivativen Wertpapiere arbeiten der DDV und seine Mitglieder interessenwahrend für all die Anleger, die diese innovativen Finanzprodukte kaufen. Mit diesem Buch möchte der DDV einen Beitrag dazu leisten, die Besteuerung von Termingeschäften auch wissenschaftlich aufzuarbeiten. Deutscher Derivate Verband
Dr. Hartmut Knüppel Geschäftsführender Vorstand
Ronny Klopfleisch Vorsitzender des Steuerausschusses
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Inhaltsübersicht Vorwort Einführung §1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer A. Historie der Besteuerung von Termingeschäften im Privatvermögen I. Rechtslage bis 31.12.1998 1. Grundsatz 2. Die Rechtsprechung des BFH zu Optionsgeschäften a) Glattstellungsgeschäfte b) Besteuerung von Stillhalterprämien II. Rechtslage bis 31.12.2008 III. Rechtslage seit 01.01.2009 B. Der Termingeschäftsbegriff des EStG I. Termingeschäft versus Kassageschäft im Zivilrecht und im Steuerrecht 1. Abgrenzung zu Kassageschäften im zivilrechtlichen Sinn 2. Keine inhaltliche Änderung durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz 3. Optionsscheine und Zertifikate, die Aktien vertreten 4. Neufassung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 5. Fazit und Versuch einer steuerrechtlichen Begriffsfassung II. Abgrenzung Zertifikate zu Indexoptionen III. Liefergeschäfte versus Termingeschäfte i.S.d. EStG IV. OTC-Geschäfte und Geschäfte an Terminbörsen 1. Optionen an der Eurex und vergleichbaren Terminbörsen 2. Futures an der Eurex und vergleichbaren Terminbörsen 3. Zivil- und steuerrechtliche Bewertung 4. OTC-Geschäfte C. Materielles Steuerrecht I. § 20 EStG/Einkünfte aus Kapitalvermögen 1. Allgemeine Grundsätze 2. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 3. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG a) Vertragsabschluss b) Ausübung/Lieferung aa) Call-Option bb) Put-Option c) Ausübung/Barausgleich d) Glattstellung e) Verfall 4. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a und b EStG a) Optionen aa) Vertragsschluss bb) Verkauf cc) Ausübung/Lieferung (1) Call-Option
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Inhaltsübersicht
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(2) Put-Option dd) Ausübung/Barausgleich ee) Glattstellung ff ) Verfall (Index)Optionsscheine aa) Inhalt der Geschäfte bb) Besteuerung Zinsbegrenzungsverträge (Caps, Floors, Collars) aa) Inhalt der Geschäfte (1) Cap (2) Floor (3) Collar bb) Besteuerung Spreads, Straddles, Strangles aa) Inhalt der Geschäfte bb) Besteuerung Capped Warrants aa) Inhalt der Geschäfte bb) Besteuerung Futures aa) Inhalt der Geschäfte bb) Zivilrechtliche Einordnung cc) Besteuerung Future-Style-Optionen aa) Inhalt der Geschäfte bb) Besteuerung Contracts for Difference („CFDs“) aa) Inhalt der Geschäfte bb) Besteuerung Swaps aa) Zinsswaps (1) Inhalt der Geschäfte (2) Zivilrechtliche Einordnung (3) Besteuerung bb) Cross-Currency-Swaps (1) Inhalt der Geschäfte (2) Zivilrechtliche Einordnung des reinen Cross-Currency-Swaps (3) Besteuerung cc) Aktienswaps (1) Inhalt der Geschäfte (2) Besteuerung dd) Credit-Default-Swaps (1) Inhalt der Geschäfte (2) Besteuerung ee) Commodity-Swaps (1) Inhalt der Geschäfte (2) Besteuerung
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Inhaltsübersicht ff )
Swaptions (1) Inhalt der Geschäfte (2) Besteuerung gg) Forward Rate Agreements (1) Inhalt der Geschäfte (2) Besteuerung hh) Sonstiges (1) Kombinationsgeschäfte (2) Abgetrennte Optionsscheine aus Optionsanleihen (3) Teilweise Beendigung von Kontrakten 5. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 6. § 20 Abs. 4a EStG a) Inhalt b) Wandelanleihen und sonstige Kapitalforderungen mit Umtauschrecht (§ 20 Abs. 4a Satz 3 EStG) 7. Währungsumrechnung II. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG III. Termingeschäfte in Investmentvermögen 1. Erträge des Investmentvermögens a) Laufende Erträge aa) Ausschüttung bb) Thesaurierung b) Erträge/Gewinne aus Veräußerungs- und Termingeschäften aa) Ausschüttung bb) Thesaurierung c) Veräußerung der Anteilscheine IV. Übergangsregelungen 1. Laufende Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG 3. Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 4. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) und b) EStG 5. Verluste aus Stillhaltergeschäften i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG-alt 6. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz Nr. 1 – 4 EStG-alt 7. Veräußerungsgewinne bei Zertifikaten 8. Bonuszahlungen bei Vollrisikozertifikaten 9. § 20 Abs. 4a Satz 6 EStG 10. Erträge aus Investmentvermögen a) Grundsatz b) Spezialfonds (§ 18 Abs. 2a InvStG) c) Geldmarktnahe Fonds D. Kapitalertragsteuer I. Grundsatz II. Zur Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs Verpflichteter/auszahlende Stelle III. Depotüberträge IV. Fifo V. Ausnahmen vom Kapitalertragsteuerabzug
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Inhaltsübersicht 1. 2. 3. 4. 5.
§2
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Steuerausländer Interbankenprivileg NV-Fälle Freistellungsbescheide Körperschaften a) Körperschaften i.S.d § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3, 6 KStG b) Körperschaften i.S.d § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KStG 6. Betriebliche Einkünfte 7. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 8. Anzeige der vom Kapitalertragsteuerabzug befreiten Sachverhalte nach § 43 Abs. 2 Satz 5 und 6 EStG VI. Steuerbescheinigungen 1. Muster I 2. Muster II 3. Muster III E. Ausblick Umsatzsteuer A. Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem I. Historie der Umsatzbesteuerung von Termingeschäften II. Gesetzliche Grundlagen 1. EG-Recht 2. Nationales Recht III. Gründe für die Steuerbefreiungen IV. Einzelne Steuerbefreiungen nach europäischem und nationalem Recht 1. Grund für die Steuerbefreiung der Kreditgewährung 2. Grund für die Steuerbefreiung des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs 3. Grund für die Steuerbefreiung des Einlagengeschäfts 4. Grund für die Steuerbefreiung der Wertpapier- und Devisengeschäfte und der Übertragung von Anteilen an Gesellschaften 5. Grund für die Steuerbefreiung der Verwaltung von Sondervermögen B. Geschäftsarten I. Optionen 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer a) Differenzgeschäft bei börsenmäßigen Optionen aa) Rückveräußerung ? bb) Die BFH-Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht cc) EG-rechtliche Implikationen b) Befreiung bei Verneinung eines Differenzgeschäftes II. Index-Optionen 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer a) Rechtsprechung des BFH b) Die Sichtweise des BVerfG c) Die Gesetzesänderung III. (Index)Optionsscheine
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Inhaltsübersicht 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer IV. Zinsbegrenzungsverträge 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer a) Übernahme von Verbindlichkeiten b) Übernahme einer Sicherheit V. Spreads, Straddles, Strangles 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer VI. Capped Warrants 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer VII. Futures 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer VIII. Future-Style-Optionen 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer IX. Contracts for Difference („CFDs“) 1. Inhalt der Geschäfte X. Swaps 1. Zinsswaps a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer 2. Cross-Currency-Swaps a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer 3. Aktienswaps a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer 4. Credit-Default-Swaps a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer 5. Commodity-Swaps a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer 6. Swaptions a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer XI. Warentermingeschäfte 1. Future-Kontrakte 2. Optionen auf Waren 3. Tätigkeit der WTB-Clearing-Bank XII. Goldwarrants 1. Anleihe mit Goldoptionsrecht a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer
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Inhaltsübersicht aa) Anleihe bb) Optionsrechte 2. Anleihe mit Gewinnrecht a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer aa) Anleihe bb) Optionsrechte (1) Ersterwerb (2) Zweiterwerb 3. Anleihe mit Wertfindungsklausel a) Inhalt der Geschäfte b) Umsatzsteuer XIII. CO 2 Emissionsrechte 1. Inhalt der Geschäfte 2. Umsatzsteuer a) Übertragung von Emissionsberechtigungen b) Derivate auf Emissionsberechtigungen c) Neue Entwicklung C. Börsentätigkeit I. Börsenorganisation im dualen System 1. Grundsätzliche Struktur 2. Rechte und Pflichten a) Träger b) Börse c) Fazit 3. Gebührenarten II. Die Börse als hoheitlicher Bereich 1. Herkömmliche Betrachtung der Beleihung 2. Rechtsprechung des EuGH a) EuGH-Urteil vom 25.07.1991, Ayuntamiento de Sevilla b) EuGH-Urteil vom 26.03.1987, Kommission gegen Niederlande c) EuGH-Urteil vom 15.05.1990, Commune die Carpanetto d) EuGH-Urteil vom 14.12.2000, Fazenda Publica e) Schlussantrag des Generalanwalts vom 07.09.2006, T-Mobile Austria f) Schlussantrag des Generalanwalts vom 07.09.2006, Hutchison 3. Zwischenergebnis III. Hilfsweise: Steuerbefreiung 1. Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen 2. Anwendung dieser Grundsätze auf die Anschlussgebühr 3. Transaktionsentgelte IV. Besondere Entgelte an Forderungs-Terminbörsen V. Sicherheitsleistungen (Margins) VI. Der zentrale Kontrahent D. Ermittlung der abziehbaren Vorsteuern, insbesondere bei Kreditinstituten I. Gesetzliche Aufteilungsregeln II. „Bankenschlüssel“: Margenmodell zur Vorsteueraufteilung 1. Grundumsätze und Margenumsätze 12
104 105 106 106 106 106 106 107 107 107 107 108 109 109 109 109 110 111 111 111 111 112 112 113 113 114 114 115 116 116 116 117 117 118 119 119 120 120 122 122 122 125 125 126 126 127 127
Inhaltsübersicht 2. Behandlung des Derivategeschäfts im Margenschlüssel E. Umsatzsteuerliche Behandlung in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten I. Frankreich 1. Finanztermingeschäfte 2. Warentermingeschäfte II. Belgien III. Italien F. Aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene Anhang A. Darstellung Ablauf Eurex-Geschäfte I. Optionen II. Futures B. DTB-Erlass Stichwortverzeichnis
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Einführung Termingeschäfte und Derivate sind – auch im Steuerrecht – keine neue Erscheinung. Dabei wird der Begriff des Derivats, wie er in anderen Bereichen des Bankrechts bereits zur Gesetzessprache geworden ist, im Steuerrecht nicht genutzt. Stattdessen wird im Ertragsteuerrecht durchgängig der Terminus „Termingeschäft“ verwandt. Dies führt dazu, dass der Begriff des Termingeschäftes im Steuerrecht und insbesondere im Bereich der Einkommensteuer, um die es im ersten Teil dieses Buches geht, eine eigenständige Bedeutung erhalten hat und nicht ohne weiteres aus Gesetz, Rechtsprechung und Schrifttum anderer Rechtsmaterien übernommen werden kann. Hierauf wird an späterer Stelle noch ausführlich einzugehen sein, denn dies ist einer der wesentlichen Schlüssel für das Verständnis des Einkommensteuergesetzes auf diesem Sektor. Wie schon gesagt, tauchen Termingeschäfte im Steuerrecht seit vielen Jahrzehnten auf, wenngleich nur punktuell. So befasste sich das frühere Kapitalverkehrsteuergesetz bereits seit den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit verschiedenen Erscheinungsformen, wie z. B. Optionen, ohne dass es eine Kodifizierung umfassender Art gegeben hätte. Die Regelungen blieben sporadisch. Zu dieser Situation mag auch beigetragen haben, dass bestimmte Termingeschäfte, wie gerade Optionen, seit Beginn der Dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts verboten waren und erst in den Siebziger Jahren wieder erlaubt wurden, so dass diesen Instrumente in Deutschland über Jahrzehnte keine große Bedeutung zukam. Dies dürfte im Wesentlichen auf zwei Gesichtspunkte zurückzuführen sein: ■ Das börsenmäßige Optionsgeschäft war im Zuge der Weltwirtschaftskrise von 1929 verboten worden und wurde erst am 01.07.1970 wieder zugelassen1. Ein börsenorganisiertes Differenzgeschäft mit einem zentralen Kontrahenten, so wie es heutzutage an jeder Termingeschäftsbörse existiert, gab es in Deutschland erst seit Gründung der Deutschen Terminbörse (DTB, heute firmierend unter Eurex) Anfang der 1990er Jahre. ■ Wichtiger für das (Wieder)Aufkommen termingeschäftlicher Erscheinungsformen war aber die Aufhebung des Währungssystems von Bretton Woods im Jahr 1973. Aufgrund des Bretton Woods-Abkommens von 1944 waren die Währungen der westlichen Staaten in Form eines festen Kurses an den Dollar gebunden. Die Relationen wurden nur in seltenen Ausnahmen angepasst. Der Fortbestand dieses Systems hätte vorausgesetzt, dass die Geldmenge in den USA stabil geblieben wäre. Dies war jedoch, bedingt durch die starken Auslandsinvestitionen der USA in den 1950er Jahren und durch die Finanzierung des Vietnam-Krieges, nicht mehr gewährleistet. Vielmehr kam es zu einer Geldmengenvermehrung, die, wie gesagt, 1973 zur Aufhebung dieses Abkommens und zur Einführung frei handelbarer Kurse führte. Volatile Preise und Mutmaßungen über diese Entwicklungen sind stets Ausgangspunkt und wirtschaftliche Rechtfertigung für Termingeschäfte, denn diese dienen dann dazu, Preisentwicklungen abzusichern oder, ganz im Gegenteil, auf künftige Entwicklungen zu spekulieren.
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Dazu Holzheimer, Die Aktiengesellschaft 1970, 297
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Einführung 5
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Nach Beseitigung dieser „Hindernisse“ entwickelte sich in den 1970er Jahren in Deutschland ein breit gefächertes Angebot an Erscheinungsformen, denen namentlich das Einkommensteuergesetz und das Umsatzsteuergesetz völlig unvorbereitet gegenüberstanden. Ursächlich hierfür dürften folgende Umstände sein: ■ Die Termingeschäfte passten steuersystematisch weder eindeutig zu den Kapitaleinkünften, noch zu den Spekulationsgeschäften oder zu den sonstigen Leistungen. Dennoch wurde vielfach versucht, sie diesen Bereichen zumindest ausschnittweise zuzuordnen, was das Regelungschaos nur noch vergrößerte. ■ Das Gleiche gilt für die Umsatzsteuer, wo sich regelmäßig die Frage stellt, ob überhaupt eine umsatzsteuerbare Leistung vorliegt, und bejahendenfalls, ob diese als Finanzdienstleistung von der Umsatzsteuer befreit ist. Es sei vorweggenommen: Auch der heutige Gesetzgeber, der bezogen auf die Besteuerung von Erträgen aus Termingeschäften verschiedene der vorstehend genannten Aspekte seit dem 01.01.2009 im Bereich der Kapitaleinkünfte verortet hat, hat sich außerstande gesehen, ein in sich geschlossenes System zu schaffen; vielmehr stehen die einzelnen Aspekte nach wie vor großenteils isoliert nebeneinander. Für den Bereich der Umsatzsteuer finden sich im Gesetz nach wie vor keinerlei Regelungen. Freilich ist das Unvermögen des Gesetzgebers zur Schaffung einer in sich geschlossenen Regelung nachvollziehbar, denn der Bereich der Termingeschäfte ist, soweit es um Finanzgeschäfte geht, ein „sperriges“ Thema. In diesem Bereich geht es nämlich um den Handel mit Geld. Das Steuerrecht knüpft an Geld normalerweise die Folge, dass dieses die Gegenleistung für eine steuerbare Aktivität ist und folglich die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung darstellt. Dass Geld auch Gegenstand des Handels selbst sein kann und die Bemessungsgrundlagen eventuell einen ganz anderen Zuschnitt haben, ist daher immer schon der Grund für Verständnisschwierigkeiten gewesen. Der Diskurs über die steuerliche Behandlung der Termingeschäfte begann in den 1980er Jahren im Bereich der Umsatzsteuer, wo die Fragestellungen bis heute thematisiert werden. Betrachtet man die jüngsten Entwürfe einer EU-Richtlinie für die umsatzsteuerliche Behandlung von Finanzgeschäften, fällt auf, dass die vorgenannte Wesensvielfalt die größte Schwierigkeit für eine einheitliche Regelung auf EU-Ebene darstellt. Es wird dabei auch deutlich, wie sehr die Rechtsauffassungen in den einzelnen Mitgliedstaaten auseinander klaffen, was eine Harmonisierung zusätzlich erschwert. National gesehen, hat es seinerzeit vier Jahre gedauert, bis es gelang, die wichtigsten Termingeschäfte in Form eines BMF-Schreibens im Bereich der Umsatzsteuer zu definieren. Dieser Erlass erging im Jahr 19892. Der Erlass und die ihm vorausgegangene Diskussion zeigten aber bereits – auch über die Umsatzsteuer hinaus – die Struktur auf, unter der man Termingeschäfte im Steuerrecht bis heute grundsätzlich einordnet. Trotz der scheinbaren Vielfalt der Gestaltungen ergibt sich doch, dass es im Wesentlichen nur drei verschiedene Grundformen von Termingeschäften gibt: ■ Option Durch die Option verpflichtet sich der Stillhalter gegen Erhalt der Optionsprämie (auch Verkaufspreis genannt), zu einem späterem Zeitpunkt auf Verlangen der anderen Partei Kontraktgegenstände (Finanzinstrumente oder Waren) zu liefern bzw. abzunehmen. Während beim Futuregeschäft das Risiko auf beiden Seiten gleich hoch ist und die Beteiligten gegen2
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Schreiben des BMF an den Bundesverband deutscher Banken v. 19.12.1989 – IV A 3 – S 7160 – 55/89, UR 1990, 63, „DTB-Erlass“.
Einführung einander spielen, ist dies beim Optionsgeschäft anders. Der Berechtigte aus dem Optionsgeschäft hat nämlich nach Zahlung der Prämie an den Stillhalter zunächst keinen weiteren Verlust zu befürchten, allenfalls büßt er die gezahlte Prämie ein. Andererseits läuft der Stillhalter ein volles Risiko, denn er muss unter Umständen zu einem späterem Zeitpunkt Kontraktgegenstände zu einem Preis liefern oder abnehmen, den er bei Abschluss des Optionsvertrages vereinbart hatte, ohne zu wissen, wie sich der Marktpreis bis dahin entwickelt. ■ Financial Future Hierbei handelt es sich um ein Geschäft, bei dem ein Vertragspartner scheinbar eine Kaufoder Verkaufsposition über Waren oder Wertpapiere mit einem künftigen Lieferziel eingeht. In Wirklichkeit ist jedoch – von Ausnahmefällen abgesehen - nicht beabsichtigt, dass es zur Ausführung kommen soll, sondern es geht nur um eine Erzielung von Differenzen. Wer im ersten Teilakt beispielsweise einen Handelsgegenstand auf Termin verkauft hatte, kauft ihn nunmehr im zweiten Schritt vor dem Fälligkeitstermin zu dem dann gültigen Preis wieder zurück. Diesen Vorgang nennt man Glattstellung. Hierdurch werden die äußerlichen Lieferansprüche gegenseitig aufgehoben, und es bleiben lediglich die beiden unterschiedlichen Kaufpreisforderungen bestehen; der Verlierer bezahlt die Differenz an den Gewinner. ■ Swap Unter einem Swap [engl. (Aus-)Tausch] versteht man eine Vereinbarung zwischen zwei Vertragspartnern, in der Zukunft Zahlungsströme („Cash-Flows“) auszutauschen. Die Vereinbarung definiert dabei, wie die Zahlungen berechnet werden und wann sie fließen. Natürlich werden diese Grundformen in vielfältigen Variationen in andere Finanzinstrumente eingebaut oder auch miteinander kombiniert. Dabei können sie auch durchaus im Rahmen komplexer Instrumente ihr Wesen ändern. Wann dies geschieht, ist eine Rechtsfrage, die nicht dadurch gelöst werden kann, dass man komplexe Finanzinstrumente in ihre vorgeblichen Einzelheiten zerlegt. Eine solche Vorgehensweise, beispielsweise bei der Bewertung von Finanzinstrumenten nach IAS 39, ist keine juristische Methode, sondern das, was man früher Tatbestandsbeurteilung nannte, d. h. die Fiktion eines in Wirklichkeit nicht existierenden Sachverhalts. Eine Befassung mit der Thematik der Termingeschäfte stößt früher oder später auf das Phänomen der „Dämonisierung“ dieser Instrumente. Hierzu trägt natürlich die gegenwärtige Finanzkrise das Ihrige bei. So ist die Besteuerung dieser Instrumente auch immer wieder ein Kampfplatz der „Ideologien“, was dem Steuerrecht, insbesondere in Bezug auf die Zielsetzung der gleichheitsmäßigen Belastung, stets abträglich ist. Ein signifikantes Beispiel hierfür ist § 15 Abs. 4 EStG der – im betrieblichen Bereich – den Verlustabzug aus Termingeschäften beschneidet. Erinnert man sich an den Werdegang dieser 1999 geschaffenen Vorschrift, wird klar, dass diese keine steuerrechtliche Grundlage hat, sondern dazu dienen sollte, einen ersten Schritt in Richtung der Behinderung von Termingeschäften zu tun. Die Problematik von Normen, die eher den Charakter von Lenkungsnormen haben, liegt auf der Hand. In Zweifelsfällen sind sie keiner Auslegung zugänglich, denn eine Vorschrift, die keinen Telos hat, kann auch nicht teleologisch ausgelegt werden. Umso wichtiger ist es, im Bereich der Besteuerung der Termingeschäfte Beiträge zur Versachlichung zu leisten. Es geht dabei auch darum, im Steuerrecht „mystisches Dunkel“ zu lichten, die Besteuerungskriterien herauszuarbeiten und damit einen Beitrag zu einer an der Ökonomie ausgerichteten Besteuerung zu leisten. 17
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Einführung 14
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Dies gilt auch und gerade in den Zeiten der Finanzmarktkrise, denn die Furcht vor den Phänomenen ist kein guter Ratgeber. Die Herausforderung, die sich im Steuerrecht stellt, ist eine andere: ■ Das System ist so einzurichten, dass es letztlich globalisierungstauglich ist. ■ Dies ist es nur, wenn es rational entwickelt wird. ■ Es muss in eine internationale Harmonisierung eingebettet werden (EU, EWR, OECD). Dieser Prozess ist aktuell bereits im Gange. In diesem Sinne soll dieses Buch ■ für den Bereich der Einkommensbesteuerung im Privatbereich (Teil I) und der Umsatzsteuer (Teil II) die maßgeblichen Parameter aufzeigen, ■ aber auch verdeutlichen, an welchen Stellen die Rechtslage von der Schaffung eines Gesamtsystems noch entfernt ist und wie die Lücken gefüllt werden können, ■ um einen Beitrag dafür zu leisten, wie aus einem Gesetzeskonglomerat ein System geformt werden kann, das die oben genannten Kriterien erfüllt.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer A.
Historie der Besteuerung von Termingeschäften im Privatvermögen
A.
Auch und gerade im Steuerrecht gilt der Grundsatz, dass die derzeitige Rechtslage nur interpretiert und verstanden werden kann, wenn man die gesetzliche Entwicklung – also die Gesetzeshistorie – verfolgt. Hierfür ist die Besteuerung der Termingeschäfte im Einkommensteuerbereich besonders signifikant.
1
I.
Rechtslage bis 31.12.1998
1.
Grundsatz
Die Ergebnisse aus Futures und Swaps waren bis zum 31.12.1998 nicht steuerbar, also einkommensteuerlich ohne Relevanz. Lediglich das Erzielen einer Optionsprämie durch den Stillhalter wurde als sonstige Leistung i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung unterworfen1. Besonderheiten galten allerdings für die Glattstellung von Optionen:
2.
Die Rechtsprechung des BFH zu Optionsgeschäften
Der Bundesfinanzhof hat sich im Urteil vom 29.06.20042 mit der Behandlung von Glattstellungsgeschäften und der Erzielung von Optionsprämien an der EUREX beschäftigt. Dabei nimmt er auch Bezug auf das Senatsurteil vom 24.06.20033, mit dem er in grundsätzlicher Weise die Glattstellung von Transaktionen an der Eurex4 als privates Veräußerungsgeschäft im Sinne von § 23 EStG behandelt hatte.
a)
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3
Glattstellungsgeschäfte
Bei der Glattstellung von Optionsgeschäften kommen zwei Konstellationen in Betracht: ■ Der Stillhalter einer Option erwirbt eine solche der gleichen Serie und löst sich durch das sodann erfolgende Verrechnungsgeschäft aus seiner Position. Übrig bleibt ein Saldo zugunsten oder zu ungunsten des Stillhalters. ■ Umgekehrt verfährt der Optionsberechtigte.
1
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Zusammenfassend zur damaligen Rechtslage vgl. Dahm/Hamacher, Neues Einkommensteuerrecht für moderne Finanzinstrumente, Sonderbeilage Nr. 3 zu WM 1994. Az.: IX R 26/03. Az.: IX R 2/02, DB 2003, 1935. bzw. an der früheren DTB.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer 5
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In der Literatur waren mehrere Theorien diskutiert worden, wie das Glattstellungsgeschäft im Privatvermögen einkommensteuerlich zu behandeln ist5. Der BFH hat sich keiner dieser Theorien angeschlossen, sondern auf höchst eigenwillige Art und Weise eine neue Inhaltsbestimmung von § 23 EStG entwickelt. Im Ergebnis wird die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt. Im Urteil vom 24.06.2003 stellt der IX. Senat in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung den Begriff der Veräußerung im Sinne von § 23 EStG mit dem zivilrechtlichen Begriff der Verfügung im Sinne der §§ 135 f. BGB gleich. Als Verfügung ist ein obligatorisches Rechtsgeschäft zu verstehen, das auf ein bestehendes Recht einwirkt, es verändert, überträgt oder aufhebt6. So gesehen sei die Glattstellung ein Einwirken auf das Eröffnungsgeschäft mit der Wirkung einer „wirtschaftlichen Erfüllung“, mit der die Werterhöhung des Wirtschaftsgutes realisiert werde. Hiermit kehrt der BFH zur Rechtsprechung des RFH zurück, der seinerzeit unabhängig vom Tatbestand des § 23 EStG eine wirtschaftliche Realisierung in den Vordergrund gestellt hatte.
b) 9
Die im Rahmen des Glattstellungsgeschäftes vom Stillhalter zu zahlenden Prämien werden seitens des BFH als abzugsfähige Werbungskosten klassifiziert. Die Behandlung dieses Aspekts war in der bisherigen Rechtsprechung offen geblieben7. Im Hinblick darauf war die Werbungskostenqualifikation in der Literatur mit der Begründung herausgearbeitet worden, dass nach der BFH-Rechtsprechung die Erzielung des Optionsentgeltes der Nutzungs-, und nicht der Vermögensebene zuzurechnen war. Hier wie dort wird die gegenläufige Prämie des Glattstellungsgeschäftes dann aber ebenfalls in der Nutzungssphäre entrichtet und hat damit einen als Werbungskosten anzusehenden saldierenden Charakter8. Dieser Sichtweise hat sich der IX. Senat – wie in der Vergangenheit auch bereits die Finanzverwaltung9 – angeschlossen. Damit ist letztlich aus Sicht des Stillhalters lediglich die Differenz aus erzielter und zum Zwecke der Glattstellung gezahlter Prämie steuerpflichtig; es tritt das gleiche Ergebnis ein, als wenn man § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG10 auf die Prämie anwenden würde.
II. 10
Besteuerung von Stillhalterprämien
Rechtslage bis 31.12.2008
Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/200211 hatte § 23 EStG eine neue Struktur erhalten. Äußerlich wird dies dadurch deutlich, dass die Überschrift der Vorschrift von „Spekulationsgeschäfte“ in „private Veräußerungsgeschäfte“ geändert wurde. Unabhängig davon ist der neu geordnete Tatbestand jedoch klarer als bisher dadurch gekennzeichnet, dass die einzelnen steuerbaren Vorgänge in tatsächliche Veräußerungsgeschäfte (Abs. 1 Nr. 1 – 3) und solche Geschäfte unterteilt wurden, die an sich keine Veräußerungsgeschäfte sind, sondern, wie es der Wortlaut der Vorschrift dann auch deutlich sagt, auf die Beendigung von Rechten gerichtete Vorgänge (Nr. 4; man könnte sie Beendigungsgeschäfte nennen). 5
vgl. Hamacher, Steuerrechtliche Fragen der Geschäfte an den DTB, WM 1990, 1441; 1991, 1661; 1995, 777; Häuselmann/ Wiesenbart, Produkte der Deutschen Terminbörse; Die Besteuerung von Optionen und Futures 1990, S. 32 f. 6 vgl. grundlegend RGZ 90, 395, 399. 7 vgl. BFH BStBl. II 1991, 300. 8 vgl. Hamacher, Steuerrechtliche Fragen der Geschäfte an den DTB, WM 1990, 1441, 1445. 9 BStBl. I 1994, 816, Tz. 15 und 2001, 986, Tz. 26. 10 In der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung. 11 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999, BGBl. I 1999, 402.
20
A.
1
Historie der Besteuerung von Termingeschäften im Privatvermögen
Die wesentlichste Änderung hatte § 23 EStG durch die Schaffung der besagten Ziffer 4 in seinem Absatz 1 erfahren. Danach sind Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt – sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt – als private Veräußerungsgeschäfte anzusehen. Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine gelten als Termingeschäfte in diesem Sinne. Gewinn oder Verlust bei solchen Termingeschäften ist der Differenzausgleich oder der durch den Wert der veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Werbungskosten (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG). Die Erzielung von Prämien unterfällt nicht § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG, sondern bleibt eine sonstige Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG12. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG stellt auf den Steuerpflichtigen ab. Dieser muss Erwerber eines Rechtes sein, aus dem der Vorteil erwächst. Der Stillhalter ist aber nicht Erwerber eines Rechtes, sondern im Gegenteil der Verpflichtete, der einseitig eine Risikoposition übernimmt. Auch wird die Prämie des Stillhalters nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt. Stillhaltergeschäfte unterliegen der Betreuung nach § 22 Nr. 3 EStG13.
III.
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14
Rechtslage seit 01.01.2009
Mit Einführung der Abgeltungsteuer wurden die vorstehend beschriebenen Besteuerungsgrundlagen in § 20 EStG zusammengeführt. Bezweckt wurde damit nicht etwa, ein einheitliches System zu schaffen, sondern lediglich die Grundlage dafür, dass die Kapitalertragsteuer an diese Vorgänge anknüpfen konnte, um die Wirkungen der Abgeltungsteuer herbeizuführen. Es ging also um die Vermeidung von Veranlagungsfällen. Diese vordergründige Zielsetzung führt, wie bereits mehrfach unterstrichen, dazu, dass bis heute kein in sich geschlossenes System existiert, was sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergeben wird. Stillhalterprämien aus Optionen sind nunmehr also Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG (obwohl es an einer Kapitalüberlassung jedweder Art fehlt). In einem Glattstellungsgeschäft gezahlte Prämien sind negative Einkünfte (da es Werbungskosten bei Kapitaleinkünften nicht mehr gibt). Termingeschäfte, die zuvor den Spekulationsgeschäften zuzuordnen waren (vgl. oben Teil I B I.4), werden nunmehr im Bereich der Veräußerungsgeschäfte nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG verortet. Allerdings ist bei diesem Transfer unversehens ein wichtiges Definitionselement verloren gegangen, was für das Verständnis dieser Geschäfte von Bedeutung ist. Während nämlich Futures und Swaps etc. im früheren Recht nur steuerbar waren, wenn zwischen Erwerb und „Beendigung“ weniger als ein Jahr lag, fällt diese zeitliche Begrenzung naturgemäß jetzt weg, da die Veräußerungsgewinnbesteuerung keine Spekulationsfrist mehr kennt. Damit ist auch das Wort „Beendigung“ entfallen. Dies hat deswegen Bedeutung, weil bisher der Verfall solcher Geschäfte durchaus als Beendigung angesehen werden konnte, sodass ein hieraus resultierender Verlust steuerlich abzugsfähig sein musste. Indem die schlichte Beendigung solcher Geschäfte nunmehr kein Tatbestandsmerkmal mehr ist, entsteht – wie unten noch aus12 BFH Urteil vom 17.04.2007, Az. IX R 40/06, BStBl. II 2007, 608. 13 BFH Urteil vom 13.02.2008, Az. IX R 68/07, BStBl. II 2008, 522 n.w.N.
21
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19
1
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer führlich zu zeigen sein wird – das Problem der Behandlung von Verfallsfällen und die Notwendigkeit einer „mehr künstlichen“ Geschäftsbeendigung in Form der rechtzeitigen Tätigung von Gegengeschäften. Beabsichtigt war diese Rechtsfolge sicherlich nicht; allerdings wirft dies auch ein Licht darauf, dass die rechtzeitige Tätigung eines Glattstellungsgeschäftes noch kurz vor dem Verfall nichts Anstößiges darstellen kann und insbesondere keinen Missbrauch darstellt.
1
B.
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22
B.
Der Termingeschäftsbegriff des EStG
I.
Termingeschäft versus Kassageschäft im Zivilrecht und im Steuerrecht
§ 20 EStG nutzt wie früher § 23 EStG den Begriff des Termingeschäfts. Dieser Begriff ist dem Zivilrecht entlehnt, kann aber, wie nachstehend gezeigt, im Steuerrecht nicht in diesem Sinne verstanden werden, da es sonst zu sinnwidrigen Ergebnissen käme. Zivilrechtlich sind Termingeschäfte nämlich von sog. Kassageschäften abzugrenzen, eine Differenzierung, die allerdings steuerrechtlich keinen Sinn macht: Hatte man zur Umschreibung des Termingeschäfts im Regierungsentwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 noch auf „Differenzgeschäfte i.S.v. § 764 BGB“ abstellen wollen14, hatte sich im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens schnell herausgestellt, dass ein Anknüpfen an diese zivilrechtliche Terminologie unzureichend war, da insbesondere unklar erschien, ob denn Differenzgeschäfte nur dann der Besteuerung unterliegen sollten, wenn sie § 764 BGB zufolge unverbindlich waren. Stattdessen besann man sich auf die Geschäftsarten, die nach dem gesetzgeberischen Willen neu von der Steuerpflicht erfasst werden sollten. Es handelte sich hierbei insbesondere um solche Geschäftstypen und Geschäftsbeendigungsarten, die von der bisherigen (bis 31.12.1998 geltenden) Fassung des § 23 EStG nicht erfasst waren. Dabei ist in Erinnerung zu rufen, dass § 23 EStG in seiner bis dahin geltenden Form nur Veräußerungsgeschäfte erfasste, mithin also keine Fälle regelte, bei denen es nicht zu Veräußerungsgeschäften kommt, weil entweder gar kein Leistungsaustausch vorliegt oder aber die Geschäfte in sonstiger Weise, aber eben nicht durch Veräußerung an einen Dritten, beendet werden. Insbesondere sind hier folgende Fälle zu nennen: ■ Ausübung von Indexoptionen (im Gegensatz zur Glattstellung solcher Optionen, die nach Auffassung der Finanzverwaltung und des BFH15 Veräußerungsgeschäfte im Sinne des bisherigen § 23 EStG darstellen sollen)16, ■ Future- und Swap-Verträge (hier erfolgt kein Leistungsaustausch, sondern die Beteiligten spielen gleichsam gegeneinander), ■ Zertifikate (eine Unterart des Spiels, bei dem, anknüpfend an eine bestimmte Entwicklung eines Index, ungewiss ist, ob Erträge gezahlt oder auch nur das eingesetzte Kapital zurückgewährt wird). 14 Vgl. BT Drucksache 14/23. 15 BFH DB 2003, 1935. 16 Zum Vorstehenden vergleiche BMF-Schreiben vom 10.11.1994, BStBl. I 1994, 816; OFD Hannover DB 1998, 1938; Schreiben des BMF vom 19.12.97, Das Wertpapier 1998, Heft 8, S. 64; zusammenfassend zur bisherigen Rechtslage: Hamacher, Steuerliche Behandlung der DTB-Geschäfte im Privatbereich, WM 1995, 777.
22
B.
1
Der Termingeschäftsbegriff des EStG
Wenn auch die zitierte Gesetzesbegründung deutlich macht, dass es gerade darum ging, die vorgenannten Geschäftstypen bzw. Beendigungstatbestände in die Besteuerung einzubeziehen, fragte sich dennoch, ob dies angesichts der klar gefassten Tatbestandsdefinition von § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG gelungen ist. Zunächst hätte es sicherlich nahe gelegen, auf die Kernmerkmale solcher Geschäfte einzugehen und diese abstrakt herauszuarbeiten. Diese bestehen darin, dass Erträge bzw. Verluste aus Geschäften erzielt werden, die keinen Leistungscharakter haben bzw. daraus, dass einseitig Risiken übernommen werden, die der Berechtigte (etwa beim Optionsgeschäft) durch Ausübung von Gestaltungsrechten realisiert. Interessanterweise wurde dieser Ansatz jedoch nicht verfolgt, sondern stattdessen der Versuch unternommen, in enger Anlehnung an vorgefundene ähnliche Begriffsbestimmungen aus anderen Rechtsgebieten das Regelungsziel in die Tat umzusetzen. Hierbei wurde allerdings offenbar nur unzureichend berücksichtigt, dass sich eine schlichte Übernahme anderweitiger Begriffsbestimmungen angesichts des dort anders gearteten Regelungsziels regelmäßig verbietet. Der jetzige Wortlaut lehnt sich auf diese Weise an die Begriffsbestimmung des Derivats, wie sie in § 1 Abs. 11 KWG bzw. § 2 Abs. 2 WpHG enthalten ist, an. Allerdings haben sich möglicherweise Fehlvorstellungen über eine Gleichsetzung von Termingeschäften und Börsentermingeschäften nach § 50 Abs. 1 BörsenG in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung eingeschlichen17. Hierdurch ergibt sich gleichsam eine Verwerfung im Tatbestand, die bewirkt, dass Geschäfte mit Differenzausgleichcharakter nur dann steuerlich erfasst werden, wenn sie von ihrer Natur her bereits Termingeschäfte sind. Die in § 23 EStG erfassten Geschäfte wären daher nur solche gewesen, die an sich schon Termingeschäfte sind, und nicht etwa Kassageschäfte.
1.
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27
Abgrenzung zu Kassageschäften im zivilrechtlichen Sinn
Der Begründung zum BörsenG18 kann entnommen werden, dass es sich bei selbständigen Optionsscheingeschäften an sich um Kassageschäfte handelt, deren wirtschaftliche Wirkungen allerdings denjenigen von Termingeschäften vergleichbar sind, so dass es unter den Zielsetzungen des BörsenG19 (insbesondere Anlegerschutz) gerechtfertigt erschien, sie den Termingeschäften – bezogen auf den Anwendungsbereich des BörsenG20 – gleichzusetzen. Es war der öffentlichrechtliche Zweck des BörsenG21, bestimmte, unterschiedliche zivilrechtliche Erscheinungsformen gleichwohl für Zwecke des Anlegerschutzes gleich zu behandeln, aber nur deswegen, weil der Schutzzweck des BörsenG22 dies gebietet, und nicht, weil es die Natur der Geschäfte ist.
17 18 19 20 21 22
23
Dazu Hamacher, Termingeschäfte im privaten Bereich nach neuem Steuerrecht, WM 2000, 1721 Vgl. BT Drucksache 11/4177, S. 18. in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung. in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung. in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung. in der bis zum 31.10.2007 geltenden Fassung.
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1
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer 29
1 30
31
Mit anderen Worten: Das Begriffspaar Termingeschäft versus Kassageschäft stellt auf die Erfüllungsweise ab. Entscheidend ist das Zeitmoment23. Ein Kassageschäft ist demnach gegeben, wenn durch Belieferung mit dem verbrieften Recht eine sofortige Erfüllung des Geschäfts eintritt24. Will man sämtliche Geschäfte erfassen, die im Ergebnis auf einen Differenzausgleich ausgerichtet sind, so ist das bloße Anknüpfen an den Begriff des Termingeschäftes mithin unzulänglich, denn dieser Begriff umfasst nur solche Geschäfte, bei denen es zu einem zeitlichen Auseinanderklaffen zwischen schuldrechtlicher Begründung des Geschäfts und seiner Erfüllung kommt. Kassageschäfte, die demgegenüber durch eine sofortige Erfüllung Zug um Zug geprägt sind, unterfallen nicht dem Begriff des zivilrechtlichen Termingeschäftes. Daraus folgt: ■ Indexoptionsscheine sind ebenfalls Kassageschäfte und lediglich in Gemäßheit des soeben erwähnten BGH-Urteils als Börsentermingeschäfte anzusehen. ■ Indexoptionsrechte sind Termingeschäfte. Zertifikate sind ebenfalls Termingeschäfte. ■ Zinsswap-Geschäfte sind Termingeschäfte. ■ Währungsswaps sind zwar auch Termingeschäfte; sie sind allerdings nicht auf einen Differenzausgleich gerichtet, da Währungsbeträge hin- und hergetauscht werden. Es wird auch kein durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmter Geldbetrag oder Vorteil erlangt, da beim Währungsswap, anders als beim Zinsswap, nicht nur ein Ausgleich gezahlt wird, sondern Hin- und Rückgeschäfte in der jeweiligen Währung bestehen. ■ Future-Geschäfte sind Termingeschäfte. ■ Zertifikate25 sind von ihrer Natur her Kassageschäfte, was sich schon aus ihrer wertpapiermäßigen Verbriefung erhellt26. ■ Wichtig erscheint insbesondere der Hinweis, dass diejenigen Erscheinungsformen, die in § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG erwähnt sind, wenn sie in Wertpapierform ausgestaltet sind, zu den Kassageschäften gehören und mithin keine Termingeschäfte darstellen.
2. 32
Keine inhaltliche Änderung durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz
Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz27 wurde im Jahr 2002 § 50 BörsG aufgehoben und in § 2 Abs. 2a WpHG der Begriff des Finanztermingeschäftes kreiert. Dieser soll sich allerdings nach dem Willen des Gesetzgebers – was die hier interessierende Abgrenzung anbetrifft – nicht von dem des Börsentermingeschäfts unterscheiden28. 23 BGH NJW 1985, 634; Kümpel a.a.O. 15.147. 24 Vgl. BGH WM 1991, 982, 983; demgegenüber ist für das Begriffspaar Börsentermingeschäft versus (Börsen-)Kassageschäft eine wertungsbezogene Betrachtungsweise entscheidend. Auch ein verbrieftes, handelsrechtlich sofort erfüllbares Belieferungsgeschäft kann danach ein Börsentermingeschäft sein, wenn seine Folgen die typischen Spekulationseffekte haben, die unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes vom Regelungsgehalt der §§ 50 ff. BörsenG (in der Fassung bis 31.10.07) sanktioniert werden sollen; Rosset, Der Begriff des Börsentermingeschäfts, WM 1999, 574 (576); aus der Rechtsprechung des BGH: BGH WM 1995, 2026; 1998, 1281; 1998, 2331; 1999, 2300; 2002, 803; DB 1998, 467. 25 Hier zahlt der Anleger einen Erwerbspreis für das Zertifikat und erhält am Laufzeitende, abhängig von der Entwicklung eines Index, mehr oder weniger als den Erwerbspreis zurück. 26 Sie mögen Börsentermingeschäfte sein, sind aber keine Termingeschäfte aus der Natur der Sache heraus. 27 Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.06.2002, BStBl. I 2002, 2010. 28 BT-Drucksache 14/8017, S. 64, 85; Kümpel a.a.O. 15.58, 15.78.
24
B.
3.
1
Der Termingeschäftsbegriff des EStG
Optionsscheine und Zertifikate, die Aktien vertreten
§ 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG enthielt allerdings einen Satz 2, der Zertifikate, die Aktien vertreten, und Optionsscheine als Termingeschäfte im Sinne des Satzes 1 fingierte. Zertifikate vertreten jedoch keine Aktien. Unter Zertifikaten wird man, gerade wenn man die Regelungen des früheren Kapitalverkehrsteuergesetzes heranzieht, nur solche Wertpapiere verstehen können, die in aller Regel Treuhandverhältnisse über Wertpapiere begründen, wie etwa die amerikanischen ADR-Zertifikate29. Der Begriff „Zertifikate, die Aktien vertreten“ entstammt § 2 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Verdeutlicht man sich das Herkommen der dortigen Vorschrift, so wird klar, dass der Versuch, Zertifikate zu erfassen, mit dieser Regelung offensichtlich missglückt ist. Die Begriffsbestimmung entstammt nämlich Art. 1 Abs. 2 der EG-Transparenzrichtlinie vom 12. Dezember 198830. Diese Richtlinie gilt freilich von ihrem Wortlaut und von ihrem Sinn und Zweck her nur für den Erwerb und die Veräußerung bedeutender Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften und kann sich daher naturgemäß nur auf solche Erscheinungsformen beziehen, die direkt oder mittelbar Beteiligungsrechte an einer Gesellschaft repräsentieren. Es liegt auf der Hand, dass Zertifikate dies nicht können. Zwar knüpfen sie an die Wertentwicklung von solchen Beteiligungen oder eines Korbs solcher Beteiligungen an. Dies ist jedoch nur der Parameter für die Bemessung einer Abschlusszahlung. In keinem Fall hat der Zertifikateinhaber irgendwelche Einwirkungsmöglichkeiten gesellschaftsrechtlicher Art auf die Geschicke der Gesellschaft selbst; es steht ihm selbstverständlich auch kein Gewinnanspruch gegenüber der Gesellschaft zu. Zertifikate vertreten mit anderen Worten keine Aktien, sondern knüpfen nur an deren Wertentwicklung an. Zertifikate sind an sich auch keine Optionsscheine im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Optionen sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Partei (der Stillhalter) einseitig ein Risiko, etwa das der künftigen Kursentwicklung, übernimmt und hierfür als Gegenleistung die Optionsprämie erhält31. An einer solch einseitigen Risikoübernahme fehlt es hier. Da es von vornherein ungewiss ist, ob der Emittent des Zertifikates mehr oder weniger als den erhaltenen Kaufpreis für das Recht zurückzuzahlen hat, ist es vielmehr so, dass beide Parteien gegeneinander spielen, so dass ein einseitiger Leistungsaustausch, wie er für ein Optionsrecht kennzeichnend ist, hier nicht gefunden werden kann. Dies sieht die Finanzverwaltung allerdings anders32. Indexoptionsscheine sind, wie gesagt, keine Termingeschäfte. Über § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG galten sie jedoch qua gesetzlicher Fiktion als solche.
4.
33 34
35
36
Neufassung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008
§ 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG – alt ist nicht in die Neufassung von § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG übernommen worden. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 b EStG sind nunmehr Veräußerungen von Finanzinstrumenten, die als Termingeschäfte ausgestaltet sind, steuerbar. 29 Vgl. dazu Hamacher, Steuerliche Behandlung von ADRs nach U.S. amerikanischem und deutschem Recht, in: Zugang zum U.S. Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, S. 227. 30 Amtsblatt der EG Nr. L 348/62. 31 Vgl. BFH BStBl. II 1991, 300; 1995, 1957 1959. 32 BMF-Schreiben vom 27.11.2001, BStBl. I 2001, 986, Tz. 5.1.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
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Fazit und Versuch einer steuerrechtlichen Begriffsfassung
Es ist zuzugeben, dass das vorstehend wiedergegebene Für und Wider an sich kein klares Bild ergibt. Der Grund liegt darin, dass man schon seinerzeit bei der Fassung von § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG Fehlvorstellungen erlegen ist. Durch die Begriffswahl des „Termingeschäfts“ hat man die Gefahr heraufbeschworen, dass Kassageschäfte nicht als solche anzusehen sind und damit bereits eine bloße Verbriefung – abgesehen von Optionsscheinen – dazu geführt hätte, dass der Besteuerung nach wie vor hätte entgangen werden können. Hier klaffen der Wille des Gesetzgebers und seine „Formulierungskunst“ sichtlich auseinander. Für das alte wie für das neue Recht hätte Vorstehendes aus Sicht des Fiskus desaströse Folgen. Allerdings dürfte nicht anzunehmen sein, dass die Gerichte eine derartig stringente Betrachtungsweise vornehmen werden. Zieht man den Willen des Gesetzgebers mit heran, so ist daher zu konstatieren, dass es im Einkommensteuergesetz ein besonderes Begriffsverständnis des Termingeschäfts gibt, das sich von den herkömmlichen Definitionen, die oben dargestellt wurden, löst: Einkommensteuerliche Termingeschäfte sind mithin bei verständiger Würdigung des nach wie vor nicht befriedigenden Wortlauts von § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG solche Geschäfte, auf die die Tatbestandsmerkmale „Erzielung eines Differenzausgleichs oder eines durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrags oder Vorteils“ zutreffen. Für eine solche Sichtweise spricht, dass § 20 EStG von jeher keine Unterscheidung zwischen verbrieften und nicht verbrieften Finanzprodukten macht. So kommt es nicht darauf an, ob Zinsen beispielsweise aus bloßen Forderungen oder aus Wertpapieren i.S.d. des deutschen Wertpapierbegriffs erzielt werden. Der Forderungsbegriff von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG war schon immer funktional und nicht zivilrechtlich differenzierend angelegt. Für diese Sichtweise spricht auch § 20 Abs. 2 Nr. 3 b EStG, wonach auch die Veräußerung eines als Termingeschäft ausgestalteten Finanzinstruments Gegenstand der Besteuerung sein kann. Der einkommensteuerliche Termingeschäftsbegriff an dieser Stelle wäre damit so zu verstehen, dass ungeachtet der Frage, ob zivilrechtlich ein Termin- oder ein Kassageschäft vorliegt, es nur auf die vorgenannten funktionalen Gesichtspunkte ankommt. Mit anderen Worten: Ist ein verbrieftes oder nicht verbrieftes Finanzinstrument durch die Tatbestandsmerkmale von § 20 Abs. 2 Nr. 3 a EStG gekennzeichnet, handelt es sich um ein steuerliches Termingeschäft. Eigentlich wäre daher der Tatbestand der Norm so zu lesen: „Der Gewinn aus Termingeschäften a) Termingeschäfte sind solche, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt;“ Es hat vorerst offen zu bleiben, ob eine derartige Interpretation mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und demjenigen vom Vorbehalt des Gesetzes vereinbar ist, da die existierende Wortlautfassung ersichtlichermaßen anders ist. Nur so können aber die vorstehend aufgezeigten Widersprüche überwunden werden.
26
B.
II.
1
Der Termingeschäftsbegriff des EStG
Abgrenzung Zertifikate zu Indexoptionen
Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Abgrenzung zwischen (Vollrisiko-) Zertifikaten und Optionen. Optionsgeschäfte sind solche, bei denen keine unbedingte Verpflichtung zur Lieferung oder zur Zahlung eines Geldbetrages besteht, sondern bei denen dies von der Ausübung eines Gestaltungsrechts (Potestativbedingung) abhängt. Zwar gibt es auch Optionen, bei denen die Ausübung dieses Rechts ab einem bestimmten Zeitpunkt bei Vorliegen bestimmter Konditionen unterstellt wird. Jedoch dürfte es sich dann nicht um eine Option, sondern um ein Festgeschäft handeln. Der Begriff „Optionen“ beschreibt eine bestimmte Art von Termingeschäften, die (ausschließlich) von § 20 Abs. 1 Nr. 11 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG erfasst werden. Demgegenüber existiert für Zertifikate keine vergleichbare Definition. Diese werden von zwei Tatbeständen des § 20 EStG erfasst: § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (Kapitalforderungen jeder Art, auch wenn die Höhe des Entgelts oder die Rückzahlung des Kapitalvermögens von einem ungewissen Ereignis abhängt) und § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG (Termingeschäfte). Letzteres ergibt sich aus der Begründung zu § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG, der im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/200233 in das EStG eingefügt wurde und der im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes inhaltsgleich in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG übernommen worden ist. In der Gesetzesbegründung heißt es wörtlich: „Darüber hinaus sollen auch Indexzertifikate … zu den Termingeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören“34. Optionen und Zertifikate unterscheiden sich dadurch, dass Optionen ein Recht beinhalten, das ausgeübt werden muss35, Zertifikate sind hingegen Festgeschäfte. Wirtschaftliche Unterschiede existieren keine. Einziges Abgrenzungsmerkmal ist mithin das Bestehen eines Gestaltungsrechts36. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen werden nachstehend anhand eines Versicherungsderivats dargestellt: Die Versicherung Appolonia emittiert am 01.03.2008 folgendes Papier: Der Zeichner erhält € 10,00. Liegt der Pegelstand des Rheins in Köln am 11.11.2008 über elf Metern, zahlt er € 15,00. Liegt er darunter, zahlt er € 0,00.
33 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999, BGBl. I 1999, 402. 34 BT-Drucks. 14/434. 35 Vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2007, 10 K 303/05, EFG 2008, 282, 283, wonach charakteristisch für eine Option ist, dass es sich um kein Festgeschäft handelt, da ein Anspruch auf Erfüllung durch Lieferung erst dann entsteht, wenn die Option ausgeübt wird; in diesem Sinne auch BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C1 – S 2252/08/10004, Rz. 10. 36 Was die Rechtsfolgen gestaltbar macht.
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1
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Zertifikat
1
Erhält 10 € Nstb., keine Option, keine Veräußerung, keine Einlösung
Erhält 10 € § 20 I Nr. 11 EStG
Zahlt 15 € Einlösung = Verlust aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
Zahlt 15 € Nstb. wg. Trennungsprinzip
Zahlt 0 € Verfall = Nstb., keine Veräußerung, keine Einlösung
Zahlt 0 € Verfall = NStb. Glattst. = Verlust
III. 48
49
50 51
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Option
Liefergeschäfte versus Termingeschäfte i.S.d. EStG
Termingeschäfte i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG sind von auf Belieferung gerichteten Geschäften abzugrenzen. Liegt ein Gestaltungsrecht nicht vor, handelt es sich um ein Festgeschäft37. Dieses Festgeschäft ist dann stets für beide Vertragsparteien ein Termingeschäft im steuerlichen Sinn, wenn es offen auf einen Differenzausgleich gerichtet ist (offenes Differenzgeschäft)38. Hiervon wird man auch bei Geschäften an der Eurex oder ähnlichen Börsen auszugehen haben, da die Bedingungen zwar die Lieferung von Basiswerten vorsehen, es dort aber angesichts der äußerst geringen Anzahl an Ausübungen und Lieferungen praktisch immer zu einem Differenzausgleich kommt. Ist das Festgeschäft allerdings auf Lieferung eines Basiswertes ausgerichtet, ist (abgesehen von den Eurex-Geschäften) Folgendes zu beachten: Ein Festgeschäft ist nur dann ein Termingeschäft im steuerlichen Sinn, wenn die Erfüllung zu einem späteren Termin erfolgt, als dem der usancengemäßen Erfüllung bei Kassageschäften, was bei in Deutschland abgewickelten Geschäften dann der Fall ist, wenn zwischen Vertragsschluss und Erfüllung mehr als zwei Tage liegen39. Ist dieses Kriterium erfüllt, kommt es auf die weitere Entwicklung an. Erfolgt, entgegen der ursprünglichen Vereinbarung, (über eine konkludente Vertragsabänderung) eine Glattstellung, liegt ein Termingeschäft vor, das nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG steuerbar ist. Wird hingegen beliefert (mit Waren, Wertpapieren, Devisen), ist kein Termingeschäft im steuerlichen Sinn gegeben, sondern es handelt sich um ein Anschaffungs-/Veräußerungsgeschäft, das ggf. der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 EStG oder nach § 23 EStG unterliegen kann40.
37 In dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 10, wird auch von „unbedingten Termingeschäften“ gesprochen. 38 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 38. 39 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1911. 40 So auch FG Baden-Württemberg v. 27.09.2007, 10 K 303/05, EFG 2008, 282, 283.
28
B.
1
Der Termingeschäftsbegriff des EStG
Werden bei Abschluss des Kontraktes sog. upfront payments geleistet, stellen diese Vorauszahlungen auf den Basiswert dar, die im Fall der Belieferung zu den Anschaffungskosten des Basiswertes gehören41. Von einem Differenzausgleich dürfte auch dann auszugehen sein, wenn zwar formal die Lieferung des Basiswertes vorgesehen, diese aber faktisch ausgeschlossen ist (etwa bei Währungen, die nicht verfügbar sind). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll ein auf einen Differenzvergleich gerichtetes Geschäft auch dann vorliegen, wenn zwei gegenläufige Geschäfte abgeschlossen werden, durch die „wirtschaftlich betrachtet“ ein Differenzausgleich erzielt wird42. Diese Auffassung ist abzulehnen. Sie entspricht im übrigen den für Kombinationsgeschäfte geltenden Grundsätzen43. Die Qualifizierung der Art des Geschäfts ist im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anhand der jeweiligen Verträge vorzunehmen. Ändern sich die Verhältnisse nachträglich, hat die Besteuerung auf Basis des tatsächlich durchgeführten Geschäfts zu erfolgen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass maßgebend für die steuerliche Qualifikation die tatsächliche Durchführung ist: Erfolgt ein Differenzausgleich, liegt ein Differenzgeschäft/Termingeschäft i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG vor; erfolgt eine Lieferung, ist – allenfalls – § 23 EStG anwendbar44.
IV.
OTC-Geschäfte und Geschäfte an Terminbörsen
1.
Optionen an der Eurex und vergleichbaren Terminbörsen
Die Terminbörsen bieten dem Anleger u. a. die Möglichkeit, Optionsgeschäfte auf Wertpapiere, Indizes und Waren (auch Strom) zu tätigen. Angeboten werden Kaufoptionen (calls) und Verkaufsoptionen (puts). Die Besonderheit gegenüber den seit jeher bekannten Formen von Optionen besteht darin, dass die Möglichkeit für den Käufer und den Verkäufer besteht, jederzeit glattstellende Gegengeschäfte auszuführen45. In dem bereits seit langem bekannten herkömmlichen Optionsgeschäft wird der Käufer Inhaber, der Verkäufer Stillhalter genannt. Die heute namentlich an der Eurex üblichen Bezeichnungen dürfen demgegenüber nicht so verstanden werden, als handle es sich um einen Rechtskauf, vielmehr wird – wie herkömmlich auch – ein Gestaltungsrecht originär eingeräumt. Die in Betracht kommenden Anlegerkreise finden sich nicht nur im unternehmerischen Bereich, sondern auch in der Privatkundschaft der Kreditinstitute und im Sektor vermögensverwaltender Institutionen. Diese Anlegerkreise haben keinen direkten Zugang zur Eurex, sondern sie bedürfen zu einer (indirekten) Teilnahme an den dort gehandelten Geschäften der „Vermittlung“ durch Börsenteilnehmer und gegebenenfalls weiterer Kreditinstitute. Zum Ablauf solcher Geschäfte sei auf den Anhang (Teil III) verwiesen. 41 42 43 44 45
Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1911. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 38. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 35. Vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 39. vgl. hierzu im einzelnen unten.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
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Bei (Financial) Futures handelt es sich um Finanzterminkontrakte, also um Vereinbarungen, wonach zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt ein abstraktes Handelsobjekt, das dem Geld- und Kapitalmarkt, Edelmetallmarkt oder Devisenmarkt zugehört und nach Menge, Qualität und Liefertermin standardisiert ist, zum festgesetzten Kurs zu „liefern bzw. abzunehmen“ ist. Zurzeit kommen in der internationalen Praxis folgende Arten von Futures vor: ■ Devisenterminkontrakte („Currency-Futures“) ■ Edelmetallterminkontrakte („Precious Metal-Futures“) ■ Zinsterminkontrakte („Interest Rate-Futures“), d. h. Kontrakte über festverzinsliche Wertpapiere und andere zinstragende Aktiva; ■ Index-Terminkontrakte („Index-Futures“), d. h. Kontrakte über ein bestimmtes Vielfaches von Indizes, insbesondere Aktienindizes („Stock Index Futures“); ■ Warenterminkontrakte ■ Strom- und Erdgasterminkontrakte („Energy-Futures“) ■ Emissionsrechteterminkontrakte („Coal-Futures“) Insoweit handelt es sich nicht um neue Geschäfte, da sie seit langem in Form der „Forwards“ bekannt sind. Neu ist lediglich, dass die „Futures“ börsenmäßig abgewickelt werden. Kontrakte über Futures werden – entgegen dem äußeren Anschein – nicht zu dem Zweck abgeschlossen, den Kontraktgegenstand am vereinbarten Termin tatsächlich zu übertragen; vielmehr soll nach der Absicht der Beteiligten eine Kursdifferenz erzielt werden. Dementsprechend werden diese Kontrakte regelmäßig nicht durch Lieferung bzw. Abnahme der – z. T. objektiv auch gar nicht lieferbaren – „Handelsobjekte“ erfüllt; vielmehr wird die durch das Grundgeschäft (äußere Form: z. B. Kauf) aufgebaute Position durch ein Gegengeschäft (äußere Form: z. B. Verkauf) glattgestellt. Je nach Kursentwicklung hat eine Vertragspartei der anderen den sich aus der Gegenposition ergebenden Differenzausgleich zu leisten. Für Future-Geschäfte ist charakteristisch, dass Vertragspartner desjenigen, der ein solches Geschäft tätigen möchte, eine (Termin-)Börse bzw. deren Clearinghouse ist. Zum Ablauf solcher Geschäfte sei auf den Anhang (Teil III) verwiesen.
3. 65
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67
Futures an der Eurex und vergleichbaren Terminbörsen
Zivil- und steuerrechtliche Bewertung
Den Beteiligten geht es nicht um Belieferung mit Wertpapieren oder anderen Aktiva, sondern darum, dass schon der organisatorische Ablauf an einer Terminbörse in aller Regel dazu führt, dass lediglich Differenzen ausgeglichen werden. Seit dem Urteil des Reichsgerichts vom 26. Februar 193546 haben die Zivilgerichte in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass Termingeschäfte, die zwar äußerlich in die Form von Kaufverträgen gekleidet sein können, ihrem materiellen Gehalt nach Spielgeschäfte darstellen, sofern der Wille der Vertragsparteien auf die Kursdifferenz gerichtet ist. Entscheidend für die Qualifizierung als verdecktes Differenzgeschäft ist das Vorliegen bestimmter Beweisanzeichen, die die Rechtsprechung der Zivilgerichte entwickelt hat.47. 46 RGZ 147, 112, 114. 47 vgl. RGRK § 764 Rdnr. 4; Staudinger § 764 Rdnr. 16 jeweils m. w. N.
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B.
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Der Termingeschäftsbegriff des EStG
Im Einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Merkmale: ■ Fehlende Beziehung eines Beteiligten zum Berufskreis der Börsenhändler Dieses Merkmal ist hier gegeben, denn voraussetzungsgemäß geht es hier um Privatkunden, die durch Einschaltung eines Börsenmitglieds Geschäfte an der Terminbörse tätigen wollen. ■ Die Verbuchung lediglich einer Differenz Dies mag ein zusätzlicher Gesichtspunkt sein; er ist jedoch, wie zuvor gesagt, eine nicht entscheidende Äußerlichkeit. ■ Ein auffallendes Missverständnis zwischen Vermögen und Börsenengagement Dies ist Tatfrage; immerhin muss gesehen werden, dass die Volumina der Basiswerte (d. h. der Aktien, über die Optionsgeschäfte abgeschlossen werden) eine beträchtliche Höhe haben. ■ Die fortgesetzte Unterlassung der effektiven Erfüllung der Geschäfte Vom Vorliegen dieses Merkmals wird man angesichts der schon beschriebenen geringen Zahl an Erfüllungen durch Ausübung auszugehen haben. Hinzu tritt, dass der Privatkunde regelmäßig gar kein Interesse an der Erfüllung haben kann. ■ Ein fehlendes sachliches Interesse an der Ware Auch dies wird man hier anzunehmen haben, wie die geringe Zahl der Ausübungen dokumentiert und der Umstand zeigt, dass es wirtschaftlich sinnvoller ist, die Geschäfte glattzustellen. Den beiden letzten Merkmalen kommt die entscheidende Bedeutung zu, da sie am ehesten die wahre Interessenlage und damit die Absicht der Beteiligten verdeutlicht. Diese Beweisanzeichen hat der BFH auch für die steuerrechtliche Qualifizierung übernommen. In zwei zur Einkommensteuer ergangenen Urteilen48 wertet er solche Geschäfte steuerrechtlich als Spiel, da auf sie entweder § 762 BGB unmittelbar oder über § 117 Abs. 2 BGB mittelbar anzuwenden ist. Maßgeblich ist das verdeckte Geschäft, also das Spiel, was für das Steuerrecht auch aus § 41 Abs. 2 AO folgt. Von besonderer Bedeutung ist die Aussage in dem zuletzt genannten Urteil, wonach man zwar einen gegenseitigen Leistungsaustausch darin erblicken könnte, dass jeder der Vertragspartner dem anderen eine Chance einräumt, im Fall einer günstigen Kursentwicklung einen Gewinn in Höhe der Kursdifferenz zu erzielen. Hierfür wird jedoch, wie der BFH bestätigt, kein Entgelt gezahlt. Der Gewinner erhält vom Verlierer die Kursdifferenz ausgezahlt, weil der Kurs einen für den Gewinner günstigen Verlauf genommen hat. Dies gilt allerdings nur für Futures und ähnliche Geschäfte (Forwards etc.), bei denen die Geschäftspartner ein gleiches Risiko laufen. Der BFH hat diese Sicht nicht auf Optionen erstreckt, auch wenn diese an einer Terminbörse gehandelt werden (vgl oben II A 2 a).
48 BStBl II 1982, 618; 1988, 248.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
4. 74
C.
75
OTC-Geschäfte
OTC-Geschäfte werden nicht an einer Terminbörse getätigt, sondern sind rein zweiseitig. Steuerrechtlich gilt jedoch dasjenige, was zuvor ausgeführt wurde49.
C.
Materielles Steuerrecht
I.
§ 20 EStG/Einkünfte aus Kapitalvermögen
Termingeschäfte werden im Rahmen des § 20 EStG von verschiedenen Tatbeständen erfasst:
1.
Allgemeine Grundsätze
76
Soweit Zertifikate, Stillhalter- und Termingeschäfte als Kapitalerträge i.S.d. § 20 EStG erfasst werden, gelten die „allgemeinen Grundsätze“ des § 32d EStG, d. h. insbesondere Anwendung des besonderen Steuersatzes, Verlustverrechnung, Berücksichtigung von Sparer-Pauschbetrag/Freistellungsauftrag, Anrechnung ausländischer Quellensteuern und Einbehalt von Kirchensteuer.
77
Vorstehendes gilt allerdings nach § 20 Abs. 8 EStG nur, soweit die Erträge im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen und nicht im Rahmen anderer Einkunftsarten zufließen. Allerdings wird auch bei Kapitaleinkünften, die unter § 20 Abs. 8 EStG fallen, ein KESt-Abzug vorgenommen, so dass § 20 EStG auch in diesem Bereich zumindest mittelbar Bedeutung erlangt.
78
Auf die Darstellung der hierzu geltenden „allgemeinen Grundsätze“ wird in diesem Werk im Interesse einer Konzentration auf die Regeln, die speziell für Termingeschäfte gelten, verzichtet.
2. 79
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81
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Von der Vorschrift erfasst werden Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art50, und zwar unabhängig von der Bezeichnung der Kapitalanlage und deren zivilrechtlicher Ausgestaltung. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Forderung verbrieft ist oder nicht. Hierunter fallen ■ fest- und variabel verzinsliche Kapitalanlagen, ■ Wertpapiere mit ungewissem Kapitalertrag, aber garantierter Rückzahlung, ■ Wertpapiere mit garantiertem Kapitalertrag, aber ungewisser Rückzahlung und ■ Wertpapiere, bei denen sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Höhe der Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängen. Das letztgenannte Merkmal ist im Rahmen des UntStRefG 2008 in das Gesetz eingefügt worden. Hierdurch wurde der Anwendungsbereich der Vorschrift wesentlich erweitert. Erfasst werden insbesondere als Zertifikate bezeichnete Schuldverschreibungen, deren volle oder teilweise Rückzahlung nicht zugesagt ist (sog. „Vollrisikozertifikate“). Hierbei handelt es sich vor allem 49 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 9. 50 Hamacher/Dahm in Korn EStG, § 20 Tz. 280 ff.
32
1
C. Materielles Steuerrecht um Papiere, bei denen die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung typischerweise von dem jeweiligen Stand eines vereinbarten Basiswerts abhängt. Übliche Basiswerte sind dabei Wertpapierindizes, einzelne Wertpapiere oder der Marktpreis von Rohstoffen. Allerdings wird die bis zum 31.12.2008 geltende Systematik der Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Interesse einer vollständigen Erfassung bestimmter „Vermögenszuwächse“ aufgegeben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass seit dem 01.01.2009 jegliche Vermögensmehrungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerbar sind. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass die Regelung ausschließlich Entgelte für die Kapitalnutzung, d. h. Entgelte auf Kapitalforderungen, betrifft. Von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht erfasst werden nach wie vor realisierte Kursgewinne; diese fallen unter den neuen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Charakteristisches Merkmal eines Kapitalertrags, der der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterfällt, bleibt auch unter der Abgeltungsteuer, dass die Vermögensmehrung Ausfluss der Nutzungsgewährung ist. Nutzungsgewährung bei Gegenständen des Kapitalvermögens bedeutet, dass der dem Kapital innestehende Nutzungswert temporär beim Gläubiger ausscheidet und auf den Schuldner übergeht51. Der temporäre Übergang wird mit der Zahlung des Entgelts vergütet52. Somit kann Einkünfte aus Kapitalvermögen nur erzielen, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt – und damit eine Kapitalforderung begründet – und wem aus dieser Nutzungsüberlassung ein Entgelt zufließt. Erforderlich ist weiter, dass das Entgelt demjenigen oder für Rechnung desjenigen gezahlt werden muss, dem das Kapital zur Nutzung überlassen wird53. Diese Abgrenzung ist von grundlegender Bedeutung, zum einen, um die Einkünfte aus Kapitalvermögen von anderen Einkünften, namentlich von der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, abzugrenzen, und zum anderen, um die – verfassungsrechtlich nicht gedeckte – Besteuerung von Vermögenszuwächsen jeder Art zu verhindern. Erträge sind Zinsen und andere geldwerte Vorteile, die als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals zur Nutzung gewährt werden, Zinsen alle laufzeitabhängigen Nutzungsvergütungen für die Kapitalüberlassung54. Nicht notwendig ist, dass die Vergütung fortlaufend gezahlt wird55. Durch die Verwendung des Begriffs „Erträge“ geht der Gesetzeswortlaut über den reinen Zinsbegriff hinaus und erfasst Vergütungen aller Art, die für die Kapitalnutzung entrichtet werden. Bezogen auf Zertifikate bedeutet dies, dass laufende Erträge aus Zertifikaten, die Kapitalforderungen verbriefen, nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerbar sind, Gewinne aus der Veräußerung, Einlösung oder Abtretung hingegen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 EStG. Diese vom Gesetz vorgegebene Einschränkung auf Kapitalforderungen hat die Finanzverwaltung aufgegeben. Denn nach Rz. 57 Satz 2 des BMF-Schreibens vom 22.12.200956 soll „bei verbrieften Ansprüchen, die börsenfähige Wertpapiere darstellen,“ auch dann ein der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegender steuerpflichtiger Kapitalertrag vorliegen, „wenn der Lieferanspruch in physischer Form gedeckt ist.“ 51 52 53 54 55 56
vgl. BFH BStBl. II 1992, 234. vgl. Schmitt in Staudinger, § 246 BGB Tz. 8. BVerfG Inf 1993, 453, 454; BFH BStBl. II 1992, 174, 175, 176. BFH BStBl. II 1988, 252; BFH/NV 1995, 377. BGH WM 1963, 378; 1979, 805; 1985, 686. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer 90
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Demzufolge geht die Finanzverwaltung offensichtlich davon aus, dass eine verbriefte Forderung stets als Kapitalforderung anzusehen sein soll, da § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG – wie zuvor ausgeführt – auch unter der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung nur dann anwendbar ist, wenn eine Kapitalforderung vorliegt. Eine Forderung ist jedoch nur dann als Kapitalforderung anzusehen, wenn sie auf Zahlung von Geld gerichtet ist. Keine Kapitalforderungen sind Forderungen auf nichtmonetäre Leistungen, wie z.B. Waren57. Eine Forderung auf Lieferung eines Rohstoffs stellt somit keine Kapitalforderung dar. Es kann insoweit weder darauf ankommen, ob die Forderung (als Inhaberschuldverschreibung) verbrieft ist, noch darauf, ob die Ware, wie bei Edelmetallen, von besonderem Wert ist.
3. 93
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Optionen sind Verträge, bei denen der Berechtigte gegen Zahlung eines Entgeltes an den Stillhalter ein Optionsrecht erhält. Das Optionsrecht kann auf zwei Arten ausgestaltet sein: ■ Der Berechtigte kann – zu einem vorab bestimmten Preis – einen Basiswert vom Stillhalter erwerben (Call-Option) oder an diesen verkaufen (Put-Option). ■ Bei einer Index-Optionen kann keine Belieferung erfolgen; vielmehr kann der Berechtigte je nach Entwicklung des Indexes eine Zahlung vom Stillhalter verlangen. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG regelt die Besteuerung des Stillhalters. Von der Vorschrift werden zum einen Stillhalterprämien erfasst, die an den aus einer Option Verpflichteten für deren Einräumung gezahlt werden (Satz 1), zum anderen Verluste des Verpflichteten, die dieser im Zusammenhang mit der Beendigung eines derartigen Geschäfts erleidet (Satz 2). Derartige Einkünfte unterlagen bis zum 31.12.2008 als sonstige Leistungen der Regelung des § 22 Nr. 3 EStG58. Stillhalterpositionen können sowohl bei Call-Optionen als auch bei Put-Optionen eingegangen werden. In Bezug auf die steuerliche Behandlung treten Unterschiede nur bei der Lieferung des Basiswertes ein. Im Einzelnen:
a) 97
Vertragsabschluss
Die Prämie, die der Stillhalter für das Eingehen des Geschäfts erzielt, unterfällt § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG.
b) 98
§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG
Ausübung/Lieferung
Eine Belieferung bei Ausübung ist nicht möglich bei Index-Optionen; diese sind stets auf einen Barausgleich gerichtet.
57 http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54746/kapitalforderung-v2.html. 58 BFH BStBl. II 1991, 300; 2004, 995; BMF-Schreiben vom 27.11.2001, BStBl. I 2001, 986.
34
1
C. Materielles Steuerrecht aa)
Call-Option
Übt der Berechtigte die Option aus und veräußert der Stillhalter den Basiswert, wird ein Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung des Basiswerts nach § 20 Abs. 2 EStG erfasst, wenn es sich um eines der dort genannten Finanzprodukte handelt59. Bei anderen Wirtschaftsgütern erfolgt allenfalls eine Erfassung im Rahmen von § 23 EStG. Put-Option Bei der Ausübung einer Put-Option erwirbt der Stillhalter den Basiswert. Dies stellt für ihn ein Anschaffungsgeschäft dar, wobei die erhaltene Prämie nach Auffassung des BMF aus Gründen des Trennungsprinzips nicht im Rahmen der Ermittlung der Anschaffungskosten des Basiswerts zu berücksichtigen sein soll60. Diese Auffassung deckt sich mit der Rechtsprechung des BFH61. Im Fachschrifttum wird zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Sichtweise nicht mit den durch die Abgeltungsteuer eingeführten Grundsätzen der Besteuerung von Kapitaleinkünften vereinbar ist, wonach Erträge und Verluste in diesem Bereich umfassend in die Besteuerung einbezogen werden62. Dieses Verständnis scheint mittlerweile auch der BFH zu haben; das BFH-Urteil vom 13.02.200863 und die zu dem Urteil ergangene Pressemitteilung64 weisen auf eine Änderung der Rechtsprechung hin in dem Sinne, dass Vermögensminderungen aus Stillhaltergeschäften ab dem 01.01.2009 generell steuerlich zu berücksichtigen sind.
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bb)
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Ausübung/Barausgleich
Übt der Berechtigte die Option aus und erfolgt die Erfüllung durch Barausgleich, soll der gezahlte Barausgleich nach Auffassung der Finanzverwaltung bei der Ermittlung der Einkünfte des Stillhalters unbeachtlich sein65. Diese Auffassung deckt sich mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH66. Allerdings wird im Fachschrifttum einhellig – und zu Recht – Kritik an dieser Rechtsauffassung geäußert und die Berücksichtung des bei Ausübung der Option vom Stillhalter gezahlten Baurausgleichs gefordert67. Zudem wird in dem BFH-Urteil vom 13.02.200868 und der zu dem Urteil ergangenen Pressemitteilung69 auf eine Änderung der Rechtsprechung hingewiesen in dem Sinne, dass Vermögensminderungen aus Stillhaltergeschäften ab dem 01.01.2009 generell steuerlich zu berücksichtigen sind.
59 60 61 62 63 64 65 66 67
BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 26. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 33. BFH Urteil vom 17.4.2007, Az. IX R 40/06 BStBl. II 2007, 608 m.w.N.; BFH Pressemitteilung 50/07 vom 13.6.2007. Delp, Die Anlegerseite der Abgeltungsteuer, DB 2008, 2381, 2384. BFH Urteil vom 13.2.2008, Az. IX R 68/07, BStBl. II 2008, 522, Tz. 1.c . vgl. BFH Pressemitteilung 37/08 vom 9.4.2008. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 34. BFH Urteil vom 17.4.2007, Az. IX R 40/06 m.w.N.; BFH Pressemitteilung 50/07 vom 13.6.2007. Delp, Die Anlegerseite der Abgeltungsteuer, DB 2008, 2381, 2385, 2386; Haisch, Die steuerliche Behandlung des Verlusts aus dem Barausgleich bei Optionen im Privatvermögen, DStZ 2008, 225, 228; Philipowski, Stillhaltergeschäfte: Bar gezahlte Ausgleichsbeträge nicht abziehbar?, DStR 2009, 353, 357. 68 BFH Urteil vom 13.2.2008, Az. IX R 68/07, Tz. 1.c . 69 vgl. BFH Pressemitteilung 37/08 vom 9.4.2008 BStBl. II 2008, 522.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
d) 106
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Wird ein Stillhaltergeschäft im Wege der Glattstellung beendet, kann der Stillhalter die erhaltene Prämie nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 EStG als negative Einkünfte geltend machen. Allerdings wirkt sich die Glattstellung nicht rückwirkend aus, sondern es ist auf den Zeitpunkt des jeweiligen Abflusses beim Stillhalter abzustellen70. Beim Glattstellungsgeschäft schließt der Stillhalter ein gegenläufiges Optionsgeschäft mit „Closing-Vermerk“ über den gleichen Basiswert ab. Er erwirbt also gegen Zahlung einer Prämie ein gleichartiges Optionsgeschäft. Kontrahenten des Glattstellungsgeschäftes sind die gleichen, die das ursprüngliche Optionsgeschäft abgeschlossen hatten71. Folge des Glattstellungsgeschäftes ist, dass sich die gegenseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen rechtlich – und nicht nur vom wirtschaftlichen Ergebnis her – aufheben. Über einen stillschweigend abgeschlossenen Verrechnungsvertrag kommt es zur Auszahlung der Differenz an denjenigen Stillhalter, der die höhere Prämie zu beanspruchen hat. Allerdings ist die Glattstellung ein Spezifikum der Eurex. An anderen Terminbörsen als der Eurex existieren vergleichbare Verfahren zur Beendigung von Optionen. Bei OTC-Geschäften erfolgt die vorzeitige Beendigung nach anderen Grundsätzen, nämlich durch die sog. „Early Termination“. Wie bei einer Glattstellung an der Eurex, wird auch bei den letztgenannten Arten von Geschäften die Beendigung des jeweiligen Kontraktes durch ein aktives Handeln angestoßen. Zudem wird ein konkretes Geschäft beendet, so dass eine genaue Zuordnung zum Eröffnungsgeschäft möglich ist. Darüber hinaus erfolgt – auch insoweit analog zu Eurex-Kontrakten – die Preisfindung durch Ermittlung des Marktwertes. Rz. 13 des BMF-Schreibens vom 22.12.200972 regelt die Folgen der Glattstellung von an der Eurex gehandelten Termingeschäften. Aus ihr lässt sich nicht ableiten, dass die Glattstellung die einzige Art ist, Optionen mit steuerlicher Wirkung zu beenden. Vor diesem Hintergrund sind bei OTC-Geschäften die „Early Termination“ und bei Geschäften an anderen internationalen Terminbörsen die in den Börsenbedingungen vorgesehene Art der vorzeitigen Beendigung einer „Glattstellung“ i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 EStG – und auch des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG – gleichzusetzen73.
e) 112
Glattstellung
Verfall
Verfällt die Option, bleibt es dabei, dass der Stillhalter die Prämie als Einkunft aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 Satz 1 EStG zu versteuern hat.
70 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 25. 71 Handelt es sich um unterschiedliche Beteiligte, heben sich die Optionsrechte nicht auf, sondern bleiben als sog. Spread nebeneinander bestehen. 72 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004. 73 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1912.
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1
C. Materielles Steuerrecht
4.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a und b EStG
Die Vorschrift wurde im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vollkommen neu konzipiert. Termingeschäfte werden qua gesetzlicher Definition zu Einkünften aus Kapitalvermögen erklärt. Sie werden in zwei Tatbeständen erfasst: ■ § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG: Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich, Barausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag erlangt. ■ § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG: Veräußerung eines als Termingeschäft ausgestalteten Finanzinstruments. Dies hat zur Folge, dass insbesondere die Veräußerung von Kauf- und Verkaufsoptionen seit dem 01.01.2009 nicht mehr von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst wird, sondern von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG. Bemessungsgrundlage bei Termingeschäften, die von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a und b EStG erfasst werden, bildet der Gewinn. Dieser ist bei Termingeschäften, die unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG fallen, der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen (§ 20 Abs. 4 Satz 5 EStG). Hierunter fallen insbes. Transaktionskosten. Bei Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG berechnet sich der Gewinn nach der Differenz zwischen Anschaffungskosten und Veräußerungspreis. Nebenkosten (insbes. Transaktionskosten) werden berücksichtigt (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG). Nachfolgend werden die wichtigsten und in der Praxis am häufigsten vorkommenden Arten von Geschäften dargestellt, die von der Neuregelung erfasst werden.
a)
114
115 116
117
118
Optionen
Bezogen auf Optionen regelt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG die Stellung des Berechtigten, die bei Call-Optionen und bei Put-Optionen eingenommen werden kann. Für die steuerliche Behandlung der beiden Varianten gelten im Wesentlichen die gleichen Grundsätze; soweit sich im Einzelfall Unterschiede ergeben, werden diese nachfolgend gesondert dargestellt. aa)
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Vertragsschluss
Bei Vertragsabschluss gezahlte Optionsprämien und Transaktionskosten sind zunächst nicht zu berücksichtigen; sie stellen keine Kapitalerträge dar74.
74 Hamacher/Dahm in Korn, EStG, § 20 Tz. 586; BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 21, 28.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer bb)
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Verkauf
Veräußert der Berechtigte die Option, unterliegt der Vorgang der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG; Bemessungsgrundlage bildet die Differenz zwischen Veräußerungserlös (abzüglich Transaktionskosten) und Anschaffungskosten der Option (= gezahlte Optionsprämie zzgl. Transaktionskosten, § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG)75. cc)
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Ausübung/Lieferung Übt der Optionsberechtigte die Option aus und erfolgt die Lieferung des Basiswertes, gilt Folgendes: (1) Call-Option Der Berechtigte erwirbt den Basiswert; es handelt sich insoweit um ein Anschaffungsgeschäft. Die an den Stillhalter gezahlten Prämien stellen Anschaffungskosten des Basiswerts dar76. Aufgrund von Kapitalmaßnahmen beim Basiswert kann es bei der Belieferung bei Eurex-Optionen dazu kommen, dass zusätzlich Barausgleichszahlungen in Höhe der Differenz zwischen der geraden Summe der lieferbaren Basiswerte und der nicht geraden, dem Zeichner zustehenden Basiswerte erfolgen. Dieser Barausgleich stellt in voller Höhe einen Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG dar, der im Zeitpunkt der Belieferung zufließt. Die Anschaffungskosten des Optionsrechtes aus dem Opening sind nicht aufzuteilen, sondern in voller Höhe den Anschaffungskosten des gelieferten Basiswertes zuzurechnen77. (2) Put-Option Bei der Ausübung dient der Optionsberechtigte den Basiswert dem Stillhalter an. Auf Seiten des Berechtigten liegt ein Veräußerungsgeschäft vor, das § 20 Abs. 2 EStG unterfällt, wenn es sich um ein dort genanntes Wirtschaftsgut handelt. Die gezahlten Optionsprämien (zzgl. Transaktionskosten) stellen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Veräußerung des Basiswerts dar. Bemessungsgrundlage für die Besteuerung bildet die Differenz zwischen Anschaffungskosten und den Einnahmen aus der Veräußerung des Basiswerts abzüglich der Aufwendungen (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG) 78. dd)
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Ausübung/Barausgleich Wird die Option ausgeübt und erfolgt die Erfüllung durch Barausgleich, wird konkludent ein Glattstellungsgeschäft abgeschlossen; es liegt ein Termingeschäft i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG vor. Bemessungsgrundlage für die Besteuerung bildet die Differenz zwischen den Anschaffungskosten der Option und dem Ertrag aus dem Differenzausgleich (§ 20 Abs. 4 Satz 5 EStG)79.
75 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 24, 31. 76 Vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 22; Delp, Die Anlegerseite der Abgeltungsteuer, DB 2008, 2381, 2385. 77 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1913. 78 Vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 29; Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1912. 79 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 23, 30; Delp, Die Anlegerseite der Abgeltungsteuer, DB 2008, 2381, 2385.
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C. Materielles Steuerrecht ee)
Glattstellung
Im Falle der Glattstellung unterliegt ein Gewinn oder Verlust der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG, da insoweit ein Termingeschäft vorliegt80. Zum Begriff der Glattstellung vgl. Teil I C I 3.d). ff)
Verfall
Der Verfall einer Option ist nach Auffassung des BMF bereits für die Rechtslage bis zum 31.12.2008 unbeachtlich; die Anschaffungskosten sind der nichtsteuerbaren Vermögensebene zuzuordnen81. Die Nichtberücksichtigung der Prämie entspricht auch der gefestigten Rechtsprechung des BFH82. Da sich dem Grunde nach bei der Besteuerung von Optionsgeschäften unter den seit dem 01.01.2009 geltenden Grundsätzen gegenüber der bisherigen Rechtslage isoliert betrachtet nichts geändert hat, erscheint das Festhalten an den bisherigen Grundsätzen konsequent. Die Vorgänge in der Eröffnungsphase einer Option dürften daher grundsätzlich keine Auswirkung auf das Ausführungsgeschäft haben. Allerdings erfolgt mit der Einführung der Abgeltungsteuer ein „Aufweichen“ der Trennung zwischen Vermögens- und Ertragsebene in Richtung einer Vermögenszuwachsbesteuerung. Da zudem Glattstellung und Verfall wirtschaftlich zum gleichen Ergebnis führen – die Glattstellung sogar zusätzliche Kosten verursacht –, hat der Deutsche Derivate Verband gemeinsam mit den anderen Verbänden der Kreditwirtschaft frühzeitig gefordert, Verluste aus dem Verfall einer Kaufoption steuerlich anzuerkennen83. Das BMF lehnt es allerdings nach wie vor ab, anzuerkennen, dass unter dem seit dem 01.01.2009 geltenden Recht ein bei Verfall einer Option beim Berechtigten eintretender Vermögensverlust als negative Einnahme steuerlich abzugsfähig ist84. Die Veröffentlichung eines Erlasses dürfte im Übrigen nicht ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen. Vielmehr dürfte eine Gesetzesänderung notwendig sein, um die erwünschte konsistente Betrachtung herbeiführen zu können. Zu der Frage, ob die Rechtsfolgen des Verfalls durch Abschluss eines Glattstellungsgeschäfts vermieden werden können oder ggf. darin ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO gesehen werden kann, wird verwiesen auf die rechtskräftigen Urteile des FG Baden-Württemberg v. 01.08.200785 und des FG des Saarlandes 17.06.200886, in denen letzteres verneint wird; in diesem Sinne auch das BFH Urteil vom 17.04.200787 sowie Delp88.
80 81 82 83 84 85 86 87 88
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BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 24, 31. BMF-Schreiben vom 27.11.2001, BStBl. I 2001, 986, Tz. 18. BFH/NV 2009, 152, Urteil vom 13.02.2008, Az. IX R 68/07, BStBl. II 2008, 522, m.w.N. in diesem Sinn auch Philipowski, Werbungskosten bei fehlgeschlagenen Termingeschäften, DStR 2007, 1615, 1616. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 27, 32. FG Baden-Württemberg EFG 2008, 54 ff. FG des Saarlands DStRE 2009, 120. BFH Urteil vom 17.4.2007, Az. IX R 23/06, BStBl. II 2007, 606, Tz. 14. Delp, Die Anlegerseite der Abgeltungsteuer, DB 2008, 2381, 2385.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
b)
(Index)Optionsscheine
aa)
Inhalt der Geschäfte
(Index)Optionsscheine sind als Teilschuldverschreibungen verbriefte und zum Börsenhandel zugelassene Optionen. bb)
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Besteuerung
Die Besteuerung von Optionsscheinen erfolgt dementsprechend nach den für Optionen geltenden Grundsätzen89. Auf die diesbezüglichen Ausführungen [vgl. a)] wird daher verwiesen90.
c)
Zinsbegrenzungsverträge (Caps, Floors, Collars)
aa)
Inhalt der Geschäfte
Bei Caps, Floors und Collars handelt es sich um bedingte Termingeschäfte in Form von Zinsbegrenzungsvereinbarungen, die als eigenständige Rechte gehandelt werden. (1) Cap Der Käufer eines Cap zahlt eine Prämie dafür, dass ihm der Verkäufer die Differenz zwischen einem vereinbarten Zinssatz und dem Marktzinsniveau vergütet, sobald das Geldmarktzinsniveau den vereinbarten Zinssatz überschreitet. Damit kann sich der Käufer des Rechts gegenüber Zinssteigerungen absichern. Seine variabel verzinslichen Verpflichtungen erhalten bei Erreichen des vereinbarten Zinssatzes, des sog. Cap-Satzes, Festzinscharakter. Durch einen solchen Vertrag wollen Kunden eines Kreditinstituts ihren Zinsaufwand für variabel verzinste Kredite, die sie i.d.R. bei dem Institut oder einem Dritten aufgenommen haben, der Höhe nach begrenzen. Motiv für den Abschluss derartiger Verträge ist, dass bei Vereinbarung eines variablen Zinssatzes zwischen Kreditnehmer und -geber der Vertrag in der Regel zu günstigeren Konditionen abgeschlossen werden kann, als bei der Aufnahme von festverzinslichen Mitteln. Auf der anderen Seite läuft der Kreditnehmer das Risiko, dass sich der variable Zins in einem Maß erhöht, der die ursprüngliche Kalkulation gefährdet. Der Kapitalmarkt hat daher das Instrument des sogenannten Zins-Cap-Vertrags (Zinsbegrenzungsvertrag) entwickelt, mit dem das Zinsänderungsrisiko nach oben begrenzt wird. > Beispiel: Ein Kreditinstitut gewährt einem Industriekunden einen Kredit in Höhe von 50. Mill. € zu einem variablen Satz (z. B. EURIBOR – plus ¾ Prozent), Laufzeit Januar 2010 bis Dezember 2012. Beträgt der EURIBORsatz im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beispielsweise 7 Prozent, so hat der Kunde ein Interesse daran, die ihn betreffenden Zinsbelastung von 7,75 Prozent (EURIBORsatz von 7 Prozent plus ¾ Prozent) abzusichern. Daher schließt er mit einem anderen Kreditinstitut einen Zinsbegrenzungsvertrag, wonach letzteres verpflichtet ist, an den Kunden halbjährlich bis Dezember 2012 jeweils den Betrag zu zahlen, um den die Zinsbelastung des Kunden 7,75 Prozent überschreitet. Der Kunde zahlt dafür an das andere Kreitinstitut zu Vertragsbeginn eine Prämie.
89 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 17. 90 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1913.
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1
C. Materielles Steuerrecht Nicht immer bezieht sich ein Zinsbegrenzungsvertrag auf eine individuelle Verbindlichkeit des Vertragsberechtigten. Vielmehr ist es häufig so, dass der Kunde eine Reihe von variabel verzinslichen Verpflichtungen hat, wobei die jeweils vereinbarten Zinssätze unterschiedlich sind.
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> Beispiel: Kredit 1: EURIBOR plus 0,5 Prozent; Kredit 2: EURIBOR plus 0,75 Prozent; Kredit 3: EURIBOR plus 1 Prozent usw.). Der Kunde wird dann u.U. das Zinsänderungsrisiko nicht in Bezug auf jede einzelne Verpflichtung absichern, vielmehr als Basis eines von ihm einzugehenden Zinsbegrenzungsvertrages einen fiktiven Betrag wählen und auch einen fiktiven Referenzzinssatz.
Auch die Laufzeiten der Zinsbegrenzungsverträge müssen mit denen der Basisgeschäfte nicht identisch sein. Es obliegt der Kalkulation des Kunden, in welchem Maße er sein wirtschaftliches Gesamt-Zinsänderungsrisiko durch einen oder verschiedene Zinsbegrenzungsverträge absichert. Kennzeichen aller Zinsbegrenzungsverträge ist also, dass der Stillhalter (das Kreditinstitut) verpflichtet ist, ein wirtschaftliches Zinsänderungsrisiko des Berechtigten zu übernehmen, ohne dass vertragliche Beziehungen des Stillhalters zum Kreditgeber des Berechtigten bestehen. Dem Zinsbegrenzungsvertrag mag dabei eine bestimmte Verbindlichkeit des Berechtigten wirtschaftlich zugrunde liegen. Dies ist jedoch nicht zwingend; es kann auch abstrakt garantiert werden, dass ein gewählter variabler Zins, bezogen auf eine ebenso gewählte Bemessungsgrundlage, eine bestimmte Grenze nicht übersteigt. Möglich ist auch, dass der Kreditgeber in Personalunion gleichzeitig Stillhalter eines Zinsbegrenzungsvertrages ist, dessen Berechtigter sein Kreditnehmer ist. (2) Floor Der Käufer eines Floor zahlt eine Prämie dafür, dass ihm der Verkäufer die Differenz zwischen einem vereinbarten Zinssatz und dem Marktzinsniveau vergütet, sobald das Geldmarktzinsniveau den vereinbarten Zinssatz unterschreitet. Ein Floor ist das Gegenstück zum Cap. Sobald das Marktzinsniveau den Floor-Satz unterschreitet, kommt auf den Verkäufer eine Zahlungsverpflichtung zu. (3) Collar Ein Collar ist die vertragliche Vereinbarung einer Obergrenze und einer Untergrenze für den Preis eines Finanzgeschäfts mit dauerhaften Zahlungsströmen. Übersteigt der Referenzwert die vertraglich festgelegte Obergrenze (Cap), zahlt der Verkäufer dem Käufer des Collars die Differenz zwischen Referenzwert und Obergrenze. Fällt der Referenzwert unter die vereinbarte Untergrenze (Floor), muss der Verkäufer des Collars dem Käufer die Differenz zum Referenzwert erstatten. bb)
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Besteuerung
Soweit Caps, Floors und Collars als Sicherungsinstrumente eingesetzt werden, sind sie – jedenfalls für Zwecke der Besteuerung nach § 20 EStG – getrennt von den Basisgeschäften zu beurteilen. Die Bildung von Bewertungseinheiten ist im Privatvermögen nicht zulässig. Erlöse/Aufwendungen aus Floors, Caps und Collars führen zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG. Nach Auffassung des BMF sollen die Instrumente Optionen bzw. eine Reihe nacheinander geschalteter Optionen darstellen und die für derartige Geschäfte geltenden Grundsätze anwendbar sein91. 91 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 40, 41.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Daraus ergibt sich, dass auch die Grundsätze für die Besteuerung von Optionen gelten. Insbesondere stellt eine von dem Berechtigten gezahlte Prämie Anschaffungskosten des Kontraktes dar, die im Zeitpunkt der ersten Zahlung des aus dem Kontrakt Verpflichteten als Aufwendung i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG in den Verlusttopf einzustellen ist. Werden – nach Ausübung der Option – Zahlungen geleistet, sind diese ebenfalls in den Verlusttopf einzustellen92. Kommt es zu keiner Ausgleichszahlung, soll die von den Berechtigten gezahlte Prämie nach den für den Verfall von Optionen geltenden Grundsätzen steuerlich nicht zu berücksichtigen sein93. Handelt es sich bei dem Stillhalter um eine Privatperson, sind dessen Ausgleichszahlungen steuerlich unbeachtlich94. Erfolgt die Vereinbarung eines Collars (= der Zinsober- und der Zinsuntergrenze) in einem Vertrag, kann dieser für Steuerzwecke als einheitliches Rechtsgeschäft angesehen werden. Wird der Collar aus zwei getrennten Geschäften „zusammengesetzt“, sind diese getrennt voneinander zu behandeln95.
d)
Spreads, Straddles, Strangles
aa)
Inhalt der Geschäfte
Bei einem Spread erfolgen zeitgleich ein Kauf und ein Verkauf von Optionen der gleichen Serie, aber mit unterschiedlichem Basispreis und/oder Verfallsdatum. Mit einem Spread sollen Preisdifferenzen zwischen identischen oder ähnlichen Kontrakten ausgeglichen werden. Bei einem Straddle werden gleichzeitig eine Kauf- und eine Verkaufsoption mit gleichem Basiswert, Basispreis und Verfalldatum erworben. Kauf- oder Verkaufsauftrag beziehen sich auf die gleiche Anzahl von Puts und Calls des gleichen Basiswertes mit den gleichen Ausübungspreisen und den gleichen Verfalldaten. Strangles unterscheiden sich von Spreads dadurch, dass eine Kauf- und eine Verkaufsoption mit gleichem Basiswert und Verfalldatum, aber unterschiedlichem Basispreis erworben wird. bb)
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Besteuerung
In allen Fällen, liegt kein einheitliches Vertragswerk vor, sondern es handelt sich um unterschiedliche Kontrakte, durch deren Kombination die gewünschten Wirkungen erzielt werden. Die einzelnen Geschäfte sind separat zu betrachten96. Es gelten die Grundsätze für die Besteuerung von Optionen97.
92 93 94 95 96 97
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BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 42. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 43. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 44. Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1916. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 35. Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1914.
1
C. Materielles Steuerrecht
e)
Capped Warrants
aa)
Inhalt der Geschäfte
Als Capped Warrants (= gekappte Optionsscheine) werden durch einen Kontrakt miteinander verbundene Optionsscheine bezeichnet, die wirtschaftlich auf die Zahlung einer Differenz zwischen einem Grundwert und dem Wert eines Indexes zu einem bestimmten Zeitpunkt gerichtet sind. Bei Capped Warrants sind eine Kauf- und eine Verkaufsoption dergestalt verbunden, dass der Käufer am Ende der Laufzeit einen festen Betrag ausgezahlt bekommt. Sie unterscheiden sich jedoch von einer Option dadurch, dass dem Zeichner nicht die für eine Option charakteristischen Rechte zustehen. Insbesondere fließt der Ertrag aus dem Capped Warrant im Zeitpunkt der Fälligkeit unabhängig davon zu, ob eine Ausübung erfolgt. bb)
f)
Futures
aa)
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Futures wird verwiesen auf die grundsätzlichen Ausführungen in Teil I B.IV.2. Zusätzlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Beim Erwerb eines Futures zahlt der Käufer an die Clearingstelle eine sog. Initial Margin als Sicherheitsleistung, die bei Beendigung des Kontraktes zurückgezahlt bzw. verrechnet wird. Während der Laufzeit des Kontraktes werden börsentäglich sog. Variation Margins berechnet, mit denen, je nach Entwicklung des Futurekurses, ein Gewinn- oder Verlustausgleich dargestellt, d. h. simuliert wird („Zahlungen“). Die Erfassung der Variation Margins erfolgt auf Konten, über die der Erwerber regelmäßig nicht verfügen kann. Der Ausgleich der Konten erfolgt bei Beendigung des Kontraktes durch Glattstellung oder Fälligkeit.
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Zivilrechtliche Einordnung
Wegen der zivilrechtlichen Einordnung von Futures wird verwiesen auf die grundsätzlichen Ausführungen in Teil IB.IV.3. cc)
155
Besteuerung
Capped Warrants sind daher als Forderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu qualifizieren; der Gewinn aus einer Veräußerung oder einer Endeinlösung unterliegt der Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG.
bb)
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Besteuerung
Erlöse/Aufwendungen aus Futures führen zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG (Endfälligkeit/Glattstellung) bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG (Veräußerung). In Bezug auf den Zufluss und die Bemessungsgrundlage ist auf den Saldo aller Zahlungen, betrachtet am Ende der Laufzeit, abzustellen. Hiernach gilt als Differenzausgleich die Summe oder die Differenz der während der Laufzeit eines Kontrakts geleisteten Zahlungen im Zeitpunkt
43
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1 1 162
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer der Fälligkeit des Kontrakts98. Bei einer vorzeitigen Veräußerung bemisst sich der Gewinn oder Verlust aus der Differenz aller während der Laufzeit des Kontrakts erhaltenen und geleisteten Zahlungen99. Soweit Futures in einer anderen Währung als Euro abgeschlossen werden, sind dementsprechend für die Ermittlung des Gewinns nicht die einzelnen Margins in Euro umzurechnen, sondern nur der Saldo am Ende der Laufzeit. Werden Future-Kontrakte – in Ausnahmefällen – durch Lieferung des Basiswertes abgeschlossen, stellen die während der Laufzeit geleisteten Zahlungen Anschaffungskosten des Basiswertes dar100. Eine Besteuerung erfolgt in diesem Fall erst im Zeitpunkt der Veräußerung des Basiswertes101.
g)
Future-Style-Optionen
aa)
Inhalt der Geschäfte
Future-Style-Optionen werden an der Eurex, aber auch an anderen weltweiten Terminbörsen gehandelt. Bei Future-Style-Optionen erfolgt der Abschluss einer Option auf einen Future. Sie unterscheiden sich von „klassischen“ Optionen dadurch, dass bei Abschluss des Kontrakts keine Zahlungen (Optionsprämie oder Stillhalterprämie) erfolgen. Vielmehr wird wie bei Futures börsentäglich ein Gewinn- oder Verlustausgleich („Variation-Margin“) vorgenommen und die endgültige Optionsprämie/Stillhalterprämie erst bei Beendigung des Kontraktes festgelegt und gezahlt. bb)
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Besteuerung
Die Besteuerung richtet sich nach den für Futures geltenden Grundsätzen mit der Besonderheit, dass die von dem Berechtigten gezahlte Optionsprämie wie auch die vom Stillhalter vereinnahmte Prämie in den Saldo einfließen, der bei Beendigung des Future-Kontraktes ausgezahlt wird und die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung bildet102.
h)
Contracts for Difference („CFDs“)
aa)
Inhalt der Geschäfte
Unter einem CFD versteht man ein Differenzgeschäft, durch das der Investor auf die Kursentwicklung eines Basiswertes wetten kann, ohne diesen zu besitzen oder liefern zu müssen. Die Basiswerte können vielfältiger Natur sein, beispielsweise Wertpapiere, Indizes, Rohstoffe oder Währungen. CFD-Kontrakte werden – wie Futures – auf Margins gehandelt, eine Belieferung ist ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass der Kunde lediglich für einen Bruchteil der eingegangenen Position Kapital zur Verfügung stellen muss. Um die Risiken des Investors zu begrenzen, werden bei Abschluss des Kontraktes Ober- und Untergrenzen vereinbart, bei deren Erreichen der Kontrakt automatisch beendet wird. 98 99 100 101 102
44
BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 36. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 36. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 36. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1914 m.w.N. Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1913.
1
C. Materielles Steuerrecht CFDs unterscheiden sich von Futures in zwei wesentlichen Punkten: ■ Sie haben kein festes Laufzeitende, sondern laufen unbegrenzt und können von beiden Parteien jederzeit „geschlossen“ werden. ■ Es erfolgt kein Börsenhandel; die Kontrakte werden over-the-counter abgeschlossen103. bb)
Besteuerung 170
Die Besteuerung von CFDs erfolgt nach den für Futures geltenden Grundsätzen104.
i)
Swaps
Swaps (genauer: Finanz-Swaps) sind Geschäfte zweier Parteien über den gegenseitigen Austausch von Geldströmen Die beiden Haupt-Erscheinungsformen sind Cross-Currency-Swaps/ Währungsswaps und Zinsswaps. Die Rahmen eines Swaps beiderseits zu leistenden Zahlungen ■ sind verschiedenartig (d. h. sie lauten entweder auf unterschiedliche Währungen oder werden betraglich – durch Verwendung einer oder mehrerer variabler Bezugsgrößen – unterschiedlich bemessen), ■ stehen zueinander im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, ■ sind gleichzeitig oder doch zeitnah zueinander zu leisten und ■ bestehen in der Regel aus mehreren Austauschvorgängen. aa) (1)
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Zinsswaps Inhalt der Geschäfte
Bei einem Zinsswap erfolgt ein Differenzausgleich in einer Währung, und die Basiswerte dienen lediglich als Berechnungsgrößen. Wesentliches Element ist, dass kein Kapitaltausch erfolgt (Beispiele: Währung €, Fest gegen Variabel; Währung SFR, Fest gegen Variabel; Währung €, CHF-LIBOR gegen JPY LIBOR). Dabei können die gegenseitigen Zahlungstermine voneinander abweichen. Beim Zinsswap tauschen die Parteien periodisch Geldbeträge in der gleichen Währung aus, wobei die Zahlungen mindestens einer Partei sich nach einer variablen Berechnungsgröße bemessen. Die Höhe der Zahlungen bemisst sich i.d.R. so, als ob Zinsen auf einen nominellen (als Berechnungsgrundlage gedachten) Kapitalbetrag berechnet würden. > Beispiel: A zahlt am 1.August der Jahre 2004 bis 2009 je 600 000 € (entspricht 6% auf einen gedachten Kapitalbetrag von 10 Mill. €) gegen Zahlung eines Betrages seitens B, jeweils am 1. Februar und 1. August der Jahre 2004 bis 2009, der dem jeweils geltenden Londoner Interbank-Zinssatz (EURIBOR) für 6-Monats-Termingelder in €, bezogen auf 10 Mill. € entspricht. In aller Regel wird in solchen Fällen vereinbart, dass anstelle der je gleichzeitig (hier am 1. Februar und am 1. August ) anfallenden beiderseitigen Zahlungen nur die Differenz zwischen ihnen geschuldet wird.
103 Vgl. Kleine/Weiler, Der deutsche CFD-Markt – Dynymischer Start einer Finanzinnovation, die bank 2008, 14; Danz/ Haisch, Contracts for Difference (CFDs), BBEV 2008, 327. 104 Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1914; Danz/Haisch, Contracts for Difference (CFDs), BBEV 2008, 327, 330.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Die Motive für den Abschluss von Zinsswaps sind unterschiedlich. Zinsswaps werden häufig zur Absicherung anderer Geschäfte (z. B. Risiken aus der Änderung von Zinssätzen oder Wechselkursen) genutzt, sind aber mit diesen nicht verbunden bzw. sind nicht an diese gekoppelt. Im Beispielsfall könnten etwa A eine variabel- und B eine festverzinsliche Verbindlichkeit von je 10 Mill. € haben, A aber – im wirtschaftlichen Ergebnis – eine Festverzinsung und B eine variable Verzinsung wünschen. Dieses Ziel kann mit Hilfe des Zinsswaps erreicht werden: A erhält von B die für die Bedienung seiner variablen Zinsverpflichtung benötigten Beträge (die er an seine Gläubiger weiterleitet) und zahlt dafür feste Beträge an B; für B gilt das Umgekehrte. Bildlich – nicht rechtlich – wird hier vielfach von einem Tausch von Zinsverbindlichkeiten gesprochen. (2) Zivilrechtliche Einordnung Zivilrechtlich handelt es sich bei einem Zinsswap-Kontrakt um einen gegenseitigen (synallagmatischen) Vertrag im Sinne der §§ 320 ff. BGB, jedoch keinen Kauf, sondern einen atypischen Vertrag, wie er nach § 311 BGB zulässig ist. Dies gilt auch, wenn Vertragsinhalt „nur“ die Zahlung von Differenzbeträgen ist. Zwar sind Swapgeschäfte, wie gesagt, grundsätzlich unabhängig von einer etwa zugrunde liegenden Geldaufnahme oder Ausleihung. Ein Swap ist sogar ohne ein solches zugrunde liegendes Geschäft möglich. Wenn ein solches existiert, ist es der jeweils anderen Swap-Vertragspartei häufig nicht bekannt. Existieren solche Gegengeschäfte, ist es denkbar, dass der Swap rechtlich – im Innenverhältnis der Vertragsparteien – als Übernahme der Zahlungspflichten der jeweils anderen Seite aus deren jeweiligem Gegengeschäft ausgestaltet wird. Es handelt sich dann um eine Erfüllungsübernahme im Sinne des § 329 BGB. Eine solche Ausgestaltung ist jedoch, zumindest in jüngerer Zeit, selten. Kümpel105 weist allerdings darauf hin, dass eine Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB typischerweise die Verpflichtung vorsieht, unmittelbar an den Gläubiger des Schuldners zu leisten. Demgegenüber erfolgt beim Swap nur eine Zahlung im Innenverhältnis. Es ist aber die Frage, ob dieser Äußerlichkeit eine entscheidende Bedeutung zukommt. Der Zweck von § 329 BGB besteht in erster Linie darin, die Erfüllungsübernahme von der Schuldübernahme nach § 415 BGB abzugrenzen. So gesehen dürfe es steuerrechtlich eher nebensächlich sein, an wen der Übernehmende die Zahlung leistet. Ausschlaggebend dürfte allein sein, dass bei der Erfüllungsübernahme Leistungsverpflichtungen nur im Innenverhältnis (Übernehmender gegenüber Schuldner) existieren106. (3) Besteuerung Zinsswaps stellen unbedingte Termingeschäfte dar und führen zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG.
105 Bank- und Kapitalmarktrecht Rn 14.309. 106 zur entsprechenden Einordnung vergleichbarer Fälle unter § 329 BGB vgl. RGZ 129, 27 (29)
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C. Materielles Steuerrecht Kennzeichnend sind die periodischen Zahlungen während der Laufzeit. Nach Auffassung des BMF soll für Steuerzwecke der jeweilige Zahlungsstrom zu betrachten sein107. Daraus ergibt sich, dass auch „upfront-payments“ im Zahlungszeitpunkt zu berücksichtigen sind108. Der Gewinn aus einer Veräußerung oder einer Endeinlösung unterliegt der Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG. Soweit bei einem Zinsswap ausnahmsweise kein Differenzausgleich, sondern die Lieferung der Währungen vereinbart ist, auf deren Basis der Zins berechnet wird, liegt ein Festgeschäft vor109, für das die Ausführungen unter B.III gelten. Insoweit handelt es sich nicht um abgeltungsteuerpflichtige Kapitalerträge, sondern ggf. tarifbesteuerte Einkünfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das gleiche gilt für während der Laufzeit ausgetauschte Zahlungen. Soweit Swaps als Sicherungsinstrumente eingesetzt werden, sind diese getrennt von den Basisgeschäften zu beurteilen. Die Bildung von Bewertungseinheiten ist – jedenfalls für Zwecke der Besteuerung nach § 20 EStG – nicht zulässig. bb) (1)
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Cross-Currency-Swaps Inhalt der Geschäfte
Durch die zunehmende Internationalisierung der Finanzierung ist das Währungsrisiko für alle international tätigen Unternehmen, einschließlich der Kreditinstitute, zu einem bedeutsamen Faktor geworden. Cross-Currency-Swaps dienen dazu, dieses Risiko auszuschalten bzw. zu begrenzen. Daneben werden Cross-Currency-Swaps häufig als synthetische Fremdwährungsdarlehen eingesetzt Bei einem Cross-Currency-Swap werden während der Laufzeit des Kontraktes Zahlungen in unterschiedlicher Währung ausgetauscht (z. B. Euro und USD). Diese unterteilen sich in laufende Zahlungen (fester oder variabler Zins auf die jeweilige Währung) und einmalige Zahlungen am Beginn und/oder Ende der Laufzeit des Kontraktes. Die Beteiligten eines Cross-Currency-Swaps haben also hinsichtlich der Laufzeit und der Volumina gleiche Kreditbedürfnisse, aber jeweils in anderer Währung. Sinn einer solchen Vereinbarung ist es, den relativen Vorteil, den jeweils eine Partei gegenüber der anderen aufgrund ihrer Stellung an einem bestimmten Finanzmarkt hat, mit der anderen Partei zu tauschen.
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> Beispiel: Bei einem typischen Cross-Currency-Swap vereinbaren die Vertragsparteien (A und B) etwa folgendes: a) Zu Beginn der Vertragslaufzeit zahlt A an B einen Geldbetrag gegen Zahlung eines Betrags in einer anderen Währung durch B an A. Beispiel: A zahlt 100 Mill. € gegen 200 Mill. Währung X am 1. Juni 2010. b) Zu Ende der Vertragslaufzeit zahlt A an B einen Betrag in der zweiten Währung gegen Zahlung eines Betrags in der ersten Währung durch B an A. Beispiel: A zahlt 200 Mill. X gegen 100 Mill. € am 1. Juni 2015.
Bei dem beschriebenen typischen Beispielsfall ist es so, dass ■ das Verhältnis der Zahlungen gemäß a) sich nach einem Devisen-Marktkurs zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses richtet (im Beispiel 2:1), ■ a) und b) zueinander spiegelbildliche Zahlungsvorgänge darstellen.
107 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 47. 108 Vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 47; Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1915. 109 FG Baden-Württemberg Urteil vom 17.9.2007, EFG 2008, 282.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Dies ist jedoch nur eine der möglichen Varianten. In anderen Fällen finden ein Anfangstausch (oben a) und ein Schlusstausch (oben b) nicht statt. Im Beispielsfall handelt es sich um einen sogenannten herkömmlichen Cross-Currency-Swap, eine Kombination eines Devisenkassageschäfts mit einem Devisentermingeschäft. Diese Form der Cross-Currency-Swaps kann zusätzlich mit einer entsprechenden Vereinbarung über den Umtausch von Zinsbeträgen verbunden werden (kombinierter Zins-Währungsswap): In Ergänzung des obigen Beispiels zahlt A an B während der Vertragslaufzeit periodisch einen Betrag in der zweiten Währung (hier: X) gegen periodische Zahlung eines Betrages in der ersten Währung (hier: €) durch B an A. Die periodisch zu zahlenden Beträge können fest (wie im vorstehenden Beispiel) oder auch variabel (d. h. bestimmbar unter Anknüpfung an eine veränderliche Bezugsgröße) sein. Die Motive für den Abschluss von Cross-Currency-Swaps können von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Im allgemeinen bezwecken sie, wie gesagt, eine Absicherung gegen WährungskursRisiken. (2) Zivilrechtliche Einordnung des reinen Cross-Currency-Swaps Ein Cross-Currency-Swap ist eine Sonderform des Devisentermingeschäfts und somit ein Kauf110, nach anderer Auffassung je nach Ausgestaltung entweder ein Kauf oder ein atypischer gegenseitiger Vertrag mit kaufvertraglichen Elementen111 . Der Cross-Currency-Swap ist kein gegenseitiges Darlehen, denn keine Partei überlässt der anderen einen Kapitalbetrag zur Nutzung bzw. erbringt die für das Darlehen charakteristische Vorleistung des Kapitalgebers. Ein Austausch von Geldbeträgen kann nicht als gegenseitige Darlehensgewährung angesehen werden, ebenso wenig, wie etwa Kauf oder Tausch gegenseitige Schenkungen sind. Eine Gelddarlehensgewährung bedeutet stets die Zuwendung der dem Geld innewohnenden Kaufkraft auf Zeit. Dies ist in den vorliegenden Fällen jedoch gerade nicht gegeben, denn man müsste sonst unterstellen, dass sich die Parteien gegenseitig die gleiche Kaufkraft im selben Moment zuwenden. Dies wäre wirtschaftlich ohne Sinn und kann folglich nicht angestrebt sein. Zugewandt werden vielmehr lediglich die Ausdrucksmittel dieser Kaufkraft in Gestalt der unterschiedlichen Währungen. Soweit eine der Parteien das wirtschaftliche Bedürfnis nach der zeitweisen Erlangung von Kaufkraft hat, deckt sie dieses im jeweiligen Außenverhältnis zu ihren Gläubigern. Dieses Verhältnis ist jedoch vom Swap-Geschäft grundsätzlich unabhängig. (3) Besteuerung Ertragsteuerrechtlich sind Cross-Currency-Swaps getrennt von den Basisgeschäften zu beurteilen. Die Bildung von Bewertungseinheiten ist für Zwecke der Besteuerung nach § 20 EStG nicht möglich. Soweit es bei einem Cross-Currency-Swap lediglich zu einem Austausch von Zahlungen in unterschiedlichen Währungen kommt, liegt ein Devisentermingeschäft vor und sind die Regelungen für Differenzgeschäfte in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht anwendbar. Für diese Art von Instrumenten gelten die Ausführungen zu Devisentermingeschäften.
110 vgl. Schönle, Bank- und Börsenrecht, 2. Aufl., § 35 VII 1c, der den – herkömmlichen – Währungsswap als doppelten Devisenkauf nach § 433 BGB qualifiziert 111 Ebenroth/Messer ZVglIRWiss 87 [1988], S.6).
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C. Materielles Steuerrecht Wird im Fall der vorzeitigen Beendigung des Kontraktes zusätzlich ein Differenzausgleich für die noch nicht abgewickelten Perioden gezahlt, bleibt es bei der steuerlichen Einordnung der bereits geleisteten Zahlungen. Der Differenzausgleich, der auf die vereinbarte Restlaufzeit berechnet wird, unterliegt der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG. cc) (1)
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Aktienswaps Inhalt der Geschäfte
Bei einem Aktienswap übernimmt der aus dem Swap Verpflichtete während der Laufzeit des Kontraktes das Kurs- und Dividendenrisiko aus einer Aktie, ohne dass ein Transfer der Aktie erfolgt. Der aus dem Swap Verpflichtete, (regelmäßig ein Kreditinstitut) erhält von dem aus dem Swap Berechtigten Dividendenausgleichszahlungen und bei Fälligkeit des Kontraktes einen Ausgleich etwaiger Wertsteigerungen des Basiswertes. Er erstattet dem aus dem Swap Berechtigten dessen Refinanzierungskosten, die sich an dem Marktwert der Aktien bei Vertragsschluss orientieren, sowie einen Ausgleich für Kursverluste des Basiswertes. (2) Besteuerung Die jeweiligen Zahlungsströme sind wie folgt zu behandeln: ■ Die Vereinnahmung der Dividendenzahlung durch den aus dem Swap Berechtigten stellt einen Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. ■ Die Dividendenausgleichszahlung des aus dem Swap Berechtigten soll bei diesem ebenso als „Aufwendungen“ i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu qualifizieren sein, ■ wie an den Verpflichteten geleistete Ausgleichszahlungen für Kurssteigerungen der Aktie. ■ „Zinszahlungen“ des aus dem Swap Verpflichteten stellen beim Berechtigten einen „Geldbetrag“ i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG dar, ■ ebenso Ausgleichszahlungen für Kursverluste des Basiswertes 112. Aktienswaps sind steuerrechtlich getrennt von den Basisgeschäften zu beurteilen. Die Bildung von Bewertungseinheiten ist für Zwecke der Besteuerung nach § 20 EStG nicht möglich. dd) (1)
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Credit-Default-Swaps Inhalt der Geschäfte
Bei einem Credit-Default-Swap übernimmt der Sicherungsgeber während einer festgelegten Laufzeit gegen Zahlung einer festgelegten Prämie („Credit Fee“) die Verpflichtung, bei Eintritt eines vereinbarten Ereignisses („Credit Event“) (Zins- oder Tilgungs-)Verpflichtungen eines oder mehrerer Kreditnehmer aus Kreditverträgen (Zins oder Kapital) zu übernehmen. Tritt der „Credit-Event“ nicht ein, verfällt einerseits der Anspruch des Sicherungsnehmers und verbleibt andererseits die Credit Fee beim Sicherungsgeber. (2) Besteuerung Erlöse/Aufwendungen aus Credit-Default-Swaps führen zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG. Die Ausführungen zum Zufluss bei Zinsswaps gelten entsprechend.113
112 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 46. 113 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1915.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Soweit Credit-Default-Swaps als Sicherungsinstrumente eingesetzt werden, sind sie getrennt von den Basisgeschäften zu beurteilen. Die Bildung von Bewertungseinheiten ist für Zwecke der Besteuerung nach § 20 EStG nicht möglich.
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ee) (1) 210
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Ein Commodity Swap ist eine Vereinbarung über den Austausch von einer Reihe fixer Warenpreiszahlungen („Fixbetrag“) gegen variable Warenpreiszahlungen („Marktpreis“), wobei es nur zu einem Barausgleich („Ausgleichsbetrag“) kommt. Der Käufer eines Commodity Swaps erwirbt den Anspruch auf Zahlung des Ausgleichsbetrags, wenn der Marktpreis über dem Fixbetrag liegt. Hingegen ist der Käufer eines Commodity Swaps verpflichtet, den Ausgleichsbetrag zu zahlen, wenn der Marktpreis unter dem Fixbetrag liegt. Der Verkäufer eines Commodity Swaps erwirbt den Anspruch auf Zahlung des Ausgleichsbetrags, wenn der Marktpreis unter dem Fixbetrag liegt. Hingegen ist der Verkäufer eines Commodity Swaps verpflichtet, den Ausgleichsbetrag zu zahlen, wenn der Marktpreis über dem Fixbetrag liegt. Beide Zahlungsströme (fix/variabel) erfolgen in der gleichen Währung und auf Basis desselben Nominalbetrags. Während die fixe Seite des Swaps den Charakter einer Benchmark hat, bezieht sich die variable Seite auf den zum jeweiligen Fixingtag an einer Börse notierten oder sonst am Warenterminmarkt publizierten Handelspreis der betreffenden Ware oder auf einen Warenpreisindex. (2) Besteuerung Auf Commodity-Swaps sind die die Ausführungen zu Zinsswaps entsprechend anwendbar. ff) (1)
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Swaptions Inhalt der Geschäfte
Hierunter versteht man eine Option auf einen Swap. Der Käufer dieser Option erhält das Recht, zu einem festgelegten Zeitpunkt in einen Swap einzutreten, der hinsichtlich seiner Laufzeit und Zinshöhe festgesetzt ist. Er hat dafür wie bei einer „normalen“ Option eine Prämie, den Optionspreis, zu zahlen. (2) Besteuerung Bis zur Ausübung der Option gelten die Grundsätze für die Besteuerung von Optionen. Mit der Ausübung der Option wandelt sich das Instrument in einen Swap, so dass die ab der Ausübung erzielten Erlöse/Aufwendungen zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG führen. Bei Ausübung der Option ist die von dem Berechtigten gezahlte Optionsprämie als Aufwendung i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG in den Verlusttopf einzustellen114. gg) (1)
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Commodity-Swaps Inhalt der Geschäfte
Forward Rate Agreements Inhalt der Geschäfte
Bei einem Forward Rate Agreement handelt es sich um einen außerbörslichen Zinsterminkontrakt, innerhalb dessen die Vertragspartner vorab für einen bestimmten Betrag einen Zinssatz für eine in der Zukunft liegende Periode und ein zugrunde liegendes – fiktives – Nominalvolumen vereinbaren. 114 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1916.
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C. Materielles Steuerrecht Die Differenz zwischen dem vereinbarten und dem am Fälligkeitstag gültigen Zinssatz wird zwischen den Partnern verrechnet. Ein Kapitaltransfer erfolgt nicht. (2) Besteuerung Erlöse/Aufwendungen aus Forward Rate Agreements führen zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG115. Es gelten die Grundsätze für Futures116. hh) (1)
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Sonstiges Kombinationsgeschäfte
Es gilt der Grundsatz, dass jeder Kontrakt als Einheit zu betrachten ist und unterschiedliche Kontrakte eigenständig zu betrachten sind. In Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob in der Abrechnung gegenüber dem Kunden eine „Position“ oder mehrere „Positionen“ abgerechnet werden. Dieser Grundsatz gilt auch bei Kombinationsgeschäften („Digitale Geschäfte“), bei denen mehrere Elemente von Termingeschäften in einem Kontrakt verbunden werden (Beispiel: Kombination aus Swap und Cap). Für die steuerliche Einordnung ist darauf abzustellen, welche Teilkomponente des Kontraktes das Geschäft prägt. (2) Abgetrennte Optionsscheine aus Optionsanleihen Abgetrennte Optionsrechte aus Optionsanleihen i.S.d. § 221 Abs. 1 AktG stellen Anwartschaften auf Aktien dar und können zu Erträgen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG führen. Von daher fallen sie nicht unter die Regelungen für Termingeschäfte in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG. Allerdings ist das BMF der Auffassung, dass Erträge aus abgetrennten Optionsscheinen nach den für Optionen geltenden Grundsätzen zu besteuern sind117. (3) Teilweise Beendigung von Kontrakten Werden Kontrakte, bei denen laufend Zahlungen ausgetauscht werden, von denen eine jede zu einem Zufluss führt (z. B. Swaps, Caps, Floors oder Collars), während der Laufzeit teilweise beendet, gilt Folgendes: ■ Der nicht aufgelöste Teil des Kontraktes wird fortgeführt, die künftigen – reduzierten – Zahlungen unterliegen der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG. ■ Die für die teilweise Auflösung des Kontraktes geleistete Ausgleichszahlung führt zu einem steuerbaren Zufluss und unterliegt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG.
5.
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§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
Die Vorschrift, die im Rahmen des UntStRefG 2008 in das Gesetz eingefügt worden ist, gilt für Gewinne aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Sie enthält einen Auffangtatbestand für die Besteuerung von Wertzuwächsen aus der Veräußerung, Abtretung oder Endeinlösung von Finanzanlagen, deren volle oder teilweise Rückzahlung zugesagt oder nicht zugesagt ist. 115 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1916. 116 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 37. 117 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 7.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Bemessungsgrundlage bildet der erzielte Gewinn, d. h. der Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung und den Anschaffungskosten (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG). Nebenkosten, die bei der Anschaffung/Veräußerung entstehen (insbes. Transaktionskosten), sind zu berücksichtigen.
6. 231
In § 20 EStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2009118 ein Absatz 4a eingefügt, der erstmals die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen bei bestimmten, besonders häufigen Kapitalmaßnahmen regelt. Die Vorschrift gilt sowohl für die materielle Besteuerung, als auch – über den Verweis in § 43a Abs. 2 Satz 2 EStG – für den Kapitalertragsteuerabzug.
a) 232
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Inhalt
Erfasst werden folgende Sachverhalte ■ Anteilstausch (§ 20 Abs. 4a Satz 1 und 2 EStG), ■ Wandel- und Umtauschanleihen (§ 20 Abs. 4a Satz 3 EStG), ■ Bezugsrechte (§ 20 Abs. 4a Satz 4 EStG) und ■ Spin-Offs (§ 20 Abs. 4a Satz 5 EStG). Satz 6 der Vorschrift erklärt daneben im Sinne der Vereinfachung den Tag der Einbuchung eines Wirtschaftsguts aus einer der vorstehend genannten Kapitalmaßnahmen für maßgeblich, soweit dieser Tag (beispielsweise für die Verbrauchsreihenfolge) entscheidend ist.
b) 234
§ 20 Abs. 4a EStG
Wandelanleihen und sonstige Kapitalforderungen mit Umtauschrecht (§ 20 Abs. 4a Satz 3 EStG)
Im Bereich der derivativen Produkte ist § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG von Bedeutung, der die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen bei sonstigen Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG regelt, bei denen bei Fälligkeit entweder Emittent oder Anleger statt der Rückzahlung des Nennbetrags die Lieferung einer bestimmte Anzahl von Wertapieren verlangen können, wie dies typischerweise bei Wandel- und Umtauschanleihen der Fall ist. § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG führt nicht zu einer Begründung neuer Veräußerungstatbestände: Aus der Formulierung „ist abweichend von Absatz 4 Satz 1 das Entgelt für den Erwerb der Forderung als Veräußerungspreis der Forderung anzusetzen“, lässt sich ableiten, dass die Regelung das Vorliegen einer Veräußerung voraussetzt. Letzteres ist bei echten Wandelanleihen (die Aktien sind solche des Emittenten der Anleihe) nicht der Fall. Die Wandlung ist hier kein Tauschvorgang, sondern eine facultas alternativa119.
118 Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 119 vgl. zum Wesen des Wandlungsvorgangs: Rusch, Die Wandelschuldverschreibung, Berlin, 1956, S. 44; RFHE 54, 128 unter Hinweis auf RFHE 25, 264.
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C. Materielles Steuerrecht Auf Grund dessen hat die Finanzverwaltung bereits vor dem 01.01.2009 die Rechtsauffassung vertreten, dass die Anschaffungskosten für die Anleihe nunmehr als Anschaffungskosten der Aktie weiter gelten und die Aktie als im Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungsrechts angeschafft gilt120. In dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009 wird nunmehr geregelt, dass § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auch auf echte Wandelanleihen anwendbar sein soll121. Gleichzeitig wird das BMF-Schreiben vom 25.10.2004 insoweit aufgehoben, als dieses Sachverhalte betrifft, die in dem neuerlichen Schreiben geregelt werden122. Die Frage der dogmatischen Unterlegung der in dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009 getroffenen Regelung dürfte eher theoretischer Natur sein, da nach beiden Auffassungen das gleiche Ergebnis (= keine Besteuerung des Wandlungsvorgangs) erzielt wird. Die für echte Wandelanleihen geltende Rechtsfolge trat bislang allerdings nicht bei den so genannten Aktien- und Umtauschanleihen ein, bei denen die Ausübung des Wandlungsrechts einen Tauschvorgang darstellt, der wie eine Veräußerung zu behandeln ist. Die steuerliche Neutralität wird bei diesen Anlageinstrumenten durch § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG nunmehr im Interesse einer einheitlichen Behandlung bewirkt123. Nach dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009 soll die Vorschrift – im Vorgriff auf eine noch zu schaffende gesetzliche Grundlage – auch auf Vollrisikozertifikate mit Andienungsrecht anwendbar sein, sofern die Andienung nach dem 31.12.2009 erfolgt und die Zertifikate vor dem 14.03.2007 angeschafft worden sind124. Diese Änderung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG ist notwendig, da nach dem aktuellen Wortlaut der Norm die Wertpapiere (Aktien) an Stelle der Rückzahlung des Nominalbetrags geliefert werden müssen und Vollrisikozertifikate mit Andienungsrecht, die durch Lieferung des Basiswertes (Aktien) getilgt werden können, über keinen Nominalbetrag verfügen. Derartige Vollrisikozertifikate können zwar – bei Eintritt bestimmter Bedingungen – durch Zahlung eines Geldbetrages getilgt werden. Bei diesem Betrag handelt es sich jedoch nicht um einen im Zeitpunkt der Emission als Rückzahlungsbetrag der Papiere festgelegten Nominalbetrag. Soweit in den Emissionsbedingungen vorgesehen ist, dass die Rückzahlung teilweise in bar und teilweise in Stücken erfolgt, sind die Anschaffungskosten entsprechend anteilig aufzuteilen125. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll in Fällen, in denen bei von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG erfassten Anlageinstrumenten nach Ausübung des Wahlrechts der Nennbetrag nicht vollständig durch die Belieferung der Wertpapiere getilgt werden kann und zusätzlich ein Barausgleich gezahlt wird, der Barausgleich als Kapitalertrag i:S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen sein126.
120 121 122 123
BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 6. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 103. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 325. Vgl. Bericht des Finanzausschusses des BT zum JStG 2009, BT-Drucks. 16/11108, S. 20, 21; Steinlein, Abgeltungsteuer und Kapitalmaßnahmen: Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2009, DStR 2009, 509, 511. 124 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 105. 125 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 107. 126 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 106.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
7. 243 244
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Es gilt der Grundsatz, dass, bezogen auf die Umrechnung von Fremdwährungen, die Steuerberechnung nicht von der Kundenabrechnung abweichen soll. Die Finanzverwaltung hat als Regel angeordnet, dass die Umrechnung von Fremdwährungen unter Verwendung des Devisenbriefkurses zu erfolgen hat127. In Fällen, in denen zur Kursermittlung der Vortageskurs herangezogen wird, soll der EZB-Referenzkurs des Vortages für die Währungsumrechnung verwendet werden. Soweit der Kunde bei einem Termingeschäft Zahlungen erhält, sind diese – entsprechend der Regelung zur Währungsumrechnung bei Gutschriften128 – mit dem Devisenbriefkurs umzurechnen. Bei Zahlungen seitens des Kunden hat die Umrechnung mit dem Devisengeldkurs zu erfolgen. Hierdurch wird erreicht, dass stets der Kurs zur Anwendung kommt, mit dem das Kreditinstitut bei Ankauf bzw. Verkauf von Devisen abrechnet, so dass Differenzen zwischen der Wertpapierabrechnung und der Steuerberechnung vermieden werden. Bei OTC-Geschäften erfolgt die Abrechnung von anderen Währungen als Euro entsprechend den Marktusancen zum EZB-Mittelkurs zwei Arbeitstage vor Valuta. Ursächlich hierfür ist, dass bei derartigen Geschäften im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Erstellung der Abrechnung der Devisenbriefkurs noch nicht bekannt ist, so dass auch bei dieser Art von Geschäften ein Auseinanderfallen von Kundenabrechnung und Steuerberechnung vermieden wird. Vorstehendes gilt entsprechend, wenn bei anderen Instrumenten und/oder Handelsplätzen abweichende Marktusancen für die Abrechnung existieren. Bei Termingeschäften, bei denen der Kontrakt auf eine fremde Währung lautet, ist der Gewinn ist in der Weise zu ermitteln, dass die Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung und die Einnahmen im Zeitpunkt der Veräußerung in Euro umzurechnen sind (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Finanzverwaltung lehnt es ab, den Veräußerungsgewinn/-verlust zunächst in der Währung zu ermitteln und den hiernach in Fremdwährung ermittelten Betrag in den Devisengeldkurs in Euro im Zeitpunkt der Veräußerung, Einlösung oder Abtretung umzurechnen129.
II. 249
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Währungsumrechnung
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
Mit der Überführung der Einkunftstatbestände „Private Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren“ (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG-alt) und „Termingeschäfte“ (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG-alt) in den neuen § 20 EStG durch das UntStRefG 2008 ist § 23 EStG von ehemals vier auf zwei Tatbestände geschrumpft. Erfasst werden unter dem seit dem 01.01.2009 geltenden Recht nur noch Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken und anderen Vermögensgegenständen als Wertpapieren und Forderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und Veräußerungsgeschäfte vor Erwerb mit anderen Vermögensgegenständen als Wertpapieren und Forderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Erfasst werden hiernach insbesondere Devisen- und Warentermingeschäfte, bei denen der Basiswert geliefert wird.
127 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 246. 128 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1916. 129 Schreiben des BMF vom 13.6.2008 an den ZKA, Az. IV C 1 – S 2000/07/0009, n.v., Tz. I.15.
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1
C. Materielles Steuerrecht
III.
Termingeschäfte in Investmentvermögen
Termingeschäfte können nicht nur im Rahmen der Direktanlage getätigt werden, sondern auch von einem Investmentvermögen. Erträge im Zusammenhang mit Investmentanteilen lassen sich in Erträge aufteilen, die das Investmentvermögen erzielt, und solche aus der Veräußerung der Anteilsscheine.
1.
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Erträge/Gewinne aus Veräußerungs- und Termingeschäften
Veräußerungsgewinne, Erträge aus Stillhaltergeschäften (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG) und Gewinne aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a und b EStG), die von einem Investmentvermögen erzielt werden, gehören zu den Erträgen i.S.d. § 1 Abs. 3 InvStG. Anders als bei den laufenden Erträgen ergeben sich bei diesen Ertragsarten, abhängig davon, ob sie ausgeschüttet oder thesauriert werden, wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Besteuerung beim Privatanleger. aa)
255
Thesaurierung
§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG gibt den sachlichen Anwendungsbereich hinsichtlich der Ertragsarten vor, die auf Ebene des Anlegers als ausschüttungsgleiche (thesaurierte) Erträge (§ 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG) zu versteuern sind. Inhaltlich ist der Anwendungsbereich der Vorschrift, soweit er laufende Erträge betrifft, dekkungsgleich mit dem für ausgeschüttete Erträge.
b)
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Ausschüttung
Werden laufende Erträge des Investmentvermögens ausgeschüttet, so sind sie steuerpflichtig (§§ 1 Abs. 3 Satz 2, 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG). bb)
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Laufende Erträge
Hierunter sind all diejenigen Erträge zu verstehen, die dem Investmentvermögen zufließen und nicht aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen des Investmentvermögens oder aus diesen gleichgestellten Erträgen resultieren. Laufende Erträge können ausgeschüttet oder thesauriert werden. Von den unter Tz. IV.A. aufgeführten Kapitalerträgen gelten nur solche aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als laufende Erträge. aa)
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Erträge des Investmentvermögens
Erträge des Investmentvermögens können als laufende Erträge, Veräußerungsgewinne und diesen gleichgestellte Erträge entstehen.
a)
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Ausschüttung
Werden Veräußerungsgewinne und Erträge aus Stillhaltergeschäften (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG) und Gewinne aus Termingeschäften (§ 20 Abs.2 Satz 1 Nr. 3 a und b EStG) von dem Investmentvermögen ausgeschüttet, sind sie steuerpflichtig (§§ 1 Abs. 3 Satz 2, 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG). 55
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer bb)
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Thesaurierung
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Der Gesetzgeber hat mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 und in der Folge dem Jahressteuergesetz 2009 an dieser Stelle tief greifende Änderungen im Rahmen des so genannten Fondsprivilegs vorgenommen.
263
Waren danach bis dato thesaurierte Erträge aus Stillhaltergeschäften, Termingeschäften und Wertpapierveräußerungsgeschäften sowohl für private als auch für betriebliche Anleger im Wesentlichen steuerfrei130, ist an diese Stelle nun eine starke Differenzierung mit unterschiedlichen Zielsetzungen getreten:
264
Das Fondsprivileg führt im neuen Recht nur noch zu einer Steuerstundung.
265
Die maßgebende Vorschrift des § 1 Abs. 3 InvStG ist schwer zu lesen und in sich widersprüchlich. Sie ist u.E. wie folgt zu verstehen: ■ Ausschüttungen aus einem Investmentvermögen sind steuerbar. ■ Steuerbare ausschüttungsgleiche (thesaurierte) Erträge sind zunächst alle Kapitalerträge, wie sie in § 20 EStG definiert sind. ■ Nicht steuerbare ausschüttungsgleiche Erträge sind als Teilmenge aus den letzteren die nachstehenden: ■ Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ■ Veräußerungsgewinne aus Aktien und anderen Anteilen nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ■ Gewinne aus Termingeschäften nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG ■ Gewinne aus der Veräußerung von Forderungen im Sinne von § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG (mit Ausnahme von Stückzinsen), wenn diese Forderungen eines der nachstehenden Kriterien aufweisen: a) Sie haben eine Emissionsrendite (dies ist eine Folge von § 3 Abs. 2 InvStG, wonach die abgegrenzten Zinsen als zugeflossen gelten). b) Das Entgelt für die Kapitalüberlassung ist in einem festen oder variablen Bruchteil des Kapitals bemessen, und es erfolgt eine Rückzahlung des Kapitals (hierunter sollen Anleihen und unverbriefte Forderungen mit festem Coupon, aber auch solche fallen, die einen variablen Coupon aufweisen, jedoch einen Bezug zum Kapital haben, wie beispielsweise Floater. c) Unklar ist, ob Genussscheine nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 Nr. 1 EStG, soweit diese an das überlassene Kapital anknüpfen, jedoch unter Vorbehalt der Gewinnerzielung stehen, von § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG erfasst werden. Nach dem Wortlaut dürften sie ebenfalls unter die Vorschrift fallen. Eine Rückzahlung des Kapitals liegt auch dann vor, wenn eine Schuldverschreibung mit einem Emissionsdisagio begeben wurde und die Kriterien des BMF-Schreibens vom 24.11.1986131 vorliegen). d) Es wird weder eine Rückzahlung des Kapitals, noch ein gesondertes Entgelt zugesagt und die Kapitalrückzahlung richtet sich nach der Wertentwicklung einer Aktie oder eines Aktienindex und diese Wertentwicklung wird in gleichem Umfang nachgebildet (hier soll eine Privilegierung für bestimmte Zertifikate erfolgen, weil es in bestimmten Ländern üblich sei, diese anstelle von Aktien zu begeben; möglicherweise sind hiermit ADR gemeint, die man allerdings nicht zu regeln brauchte, da es sich dabei um verbriefte Treuhandverhältnisse handelt)132. 130 Vgl. Sradj/Mertes, Neuregelung bei der Besteuerung von Investmentvermögen, DStR 2004, 201, 204. 131 BStBl. I 1986, 539. 132 Vgl. Hamacher in von Rosen, Zugang zum US-Kapitalmarkt, Frankfurt 1998, S. 227.
56
1
C. Materielles Steuerrecht Die Privilegierung für Zertifikate, die Aktienindizes abbilden, soll sog. Schwellenländerfonds schützen, warum auch immer diese einer herausgehobenen Behandlung bedürfen mögen. e) Es handelt sich um Aktien-, Umtausch- und Wandelanleihen, f) Gewinnobligationen und Genussrechte, die nicht zu den in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Anlageinstrumenten zählen, oder um g) Optionsanleihen, wenn diese mit den Optionsscheinen erworben werden133.
Das neue eingeschränkte Fondsprivileg ist erstmals auf Erträge anzuwenden, die dem Investmentvermögen nach dem 31.12.2008 zufließen. Der Werdegang und die verklausulierte Ausgestaltung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvStG verdeutlicht, dass es im Wesentlichen darum ging, sogenannte Zertifikate aus dem Anwendungsbereich des Fondsprivilegs auszunehmen (soweit sie über Buchstabe c der Vorschrift nicht doch wieder in dieses einbezogen werden). Dieser Versuch ist allerdings gesetzgebungstechnisch gescheitert. Zertifikate werden nämlich von zwei Tatbeständen des § 20 EStG erfasst: § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (Kapitalforderungen jeder Art, auch wenn die Höhe des Entgelts oder die Rückzahlung des Kapitalvermögens von einem ungewissen Ereignis abhängt) und § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG (Termingeschäfte). Letzteres ergibt sich aus der Begründung zu § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG, der im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 in das EStG eingefügt wurde und der im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes inhaltsgleich in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG übernommen worden ist. Dort heißt es wörtlich: „Darüber hinaus sollen auch Indexzertifikate … zu den Termingeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören“134. Mit anderen Worten hat man übersehen, dass Zertifikate Termingeschäfte waren und sind. Auslegungstechnisch bedeutet dies, dass Zertifikate über die Bezugnahme auf § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG bereits in die nicht steuerbaren ausschüttungsgleichen Erträge einfließen und es demzufolge nicht mehr darauf ankommt, ob sie (auch) §§ 1 Abs. 3 InvStG, 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG unterfallen. Sehen aber zwei Alternativen Begünstigungen vor und stehen sie nebeneinander, ohne dass (wie hier) eine von diesen die speziellere Norm ist, so tritt die Begünstigung bereits ein, wenn eine der Alternativen erfüllt ist135.
c)
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268
269
270
Veräußerung der Anteilscheine
Werden Anteilscheine an Investmentvermögen oder Aktien einer Investmentaktiengesellschaft veräußert oder zurückgenommen, sind die Vorschriften über den Anwendungszeitpunkt, diejenigen über den Zwischengewinn und insbesondere die Absätze 5 und 6 in § 8 InvStG zu beachten. Nach § 8 Abs. 5 InvStG gehören Gewinne aus der Rückgabe oder Veräußerung von Investmentanteilen, soweit sie nicht in einem Betriebsvermögen gehalten werden oder im Rahmen von „Riester-/Rürup-Renten“ anfallen, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Auch für die Veräußerungs- und Rückgabetatbestände gilt damit der Grundsatz, dass entgegen dem Transparenzprinzip stets Einkünfte aus Beteiligungen realisiert werden. 133 Buchstabe g. enthält unversehens eine dogmatische Regelung für die so genannte Zweiwirtschaftsgutstheorie. 134 BT-Drucks. 14/434. 135 Es handelt sich um eine Art Idealkonkurrenz von Normsituationen. Anders als das Strafrecht kennt das Steuerrecht aber keine generelle Regelung in diesen Fällen. Es gilt daher allgemein der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, wonach eine Steuer nur dann entsteht, wenn das Gesetz dies anordnet. Dies tut es aber nicht, wenn eine gleichrangige Norm eine Befreiung bereit hält. Man könnte auch sagen, dass es dann am Bestimmtheitsgrundsatz mangelt.
57
271
272
1 273
1
274
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Der Erlös aus der Veräußerung oder Einlösung der Anteilscheine ist hiernach zu kürzen: ■ um den bei der Veräußerung erzielten Zwischengewinn (da dieser gesondert erfasst wird) sowie ■ um die während der Besitzzeit zugerechneten thesaurierten Erträge (da diese bereits versteuert wurden) und die hierauf aus dem Investmentvermögen gezahlte Kapitalertragsteuer. Unabhängig davon, ob die Anteilsscheine zu einem Privat- oder Betriebsvermögen gehören, erfolgt nach Abs. 6 der Vorschrift ein Kapitalertragsteuerabzug. Dieser knüpft an den Gewinn nach dem soeben dargestellten Abs. 5 an. Den Steuerabzug hat grundsätzlich die inländische auszahlende Stelle durchzuführen. Nur falls die Rückgabe eines Investmentanteils an eine inländische Investmentgesellschaft direkt erfolgt, ist diese die auszahlende Stelle.
IV. 275 276
Die Vorschriften über die Abgeltungsteuer sind grundsätzlich auf alle Erträge anwendbar, die nach dem 31.12.2008 zufließen. Allerdings gelten für bestimmte Arten von Kapitalerträgen, unter anderem auch für Stillhalterund Termingeschäfte, spezielle Übergangsregelungen:
1. 277 278
280
281
Laufende Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Laufende Erträge aus Forderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, u. a. aus Zertifikaten, unterliegen der Abgeltungsteuer, wenn der Zufluss nach dem 31.12.2008 erfolgt136. Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fließen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu; auf den Zahlungszeitpunkt kommt es nicht an137.
2. 279
Übergangsregelungen
§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG
Prämien, die an den Stillhalter einer Kauf- oder Verkaufsoption gezahlt werden, werden nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG steuerpflichtig, wenn sie nach dem 31.12.2008 zufließen138. Auf das Datum des Vertragsschlusses kommt es bei Stillhaltergeschäften nicht an. Entsteht der Anspruch auf die Prämie unmittelbar mit dem Vertragsschluss, findet der Zufluss mit diesem statt. Voraussetzung ist, dass mit dem Kunden eine Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen wird. Wird hingegen – nur – entsprechend der Handelsusancen mit „Valuta 2 Tage“ abgerechnet, wird die Prämie auch erst am 2. Tag fällig. Ist dies nicht der Fall, gelten die allgemeinen Grundsätze über den Zufluss bei Geldleistungen: Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG erfolgt der Zufluss grds. in dem Zeitpunkt, in dem der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut erlangt139. Geldbeträge fließen grundsätzlich in dem Zeitpunkt zu, in dem sie bar ausgezahlt oder auf einem Konto gutgeschrieben werden140. 136 137 138 139 140
58
§ 52a Abs. 1 EStG. BMF-Schreiben vom 5.11.2002, BStBl. I 2002, 1346, TZ. 1. § 52a Abs. 9 EStG. H 20.2 EStR u.H.a. BFH BStBl. II 1992, 174. Hamacher in Korn, EStG, § 20 Tz. 26 mit weiteren Nachweisen.
1
C. Materielles Steuerrecht Wurde die Stillhalterprämie vor dem 01.01.2009 – und damit unter dem Geltungsbereich des alten Rechts – ausgezahlt und wird die Glattstellungsprämie nach dem 31.12.2008 gezahlt, unterliegt letzterer Vorgang den nach dem 31.12.2008 geltenden Grundsätzen141, d. h. die Glattstellungsprämie ist als negative Einnahme in den allgemeinen Verlusttopf einzustellen.
3.
Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
Gewinne aus der Veräußerung (inkl. Abtretung und Einlösung, § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG) sonstiger Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die keine Finanzinnovationen, d. h. keine Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, darstellen, unterliegen der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn die Forderungen nach dem 31.12.2008 erworben werden142. Erfolgt der Erwerb über die Börse, gilt als Erwerbszeitpunkt der Schlusstag, d. h. der Tag, an dem der Kaufauftrag ausgeführt wird143. Werden börsennotierte Wertpapiere im außerbörslichen Handel erworben, erfolgt der Erwerb mit dem Abschluss des obligatorischen Kaufvertrags144. Das gleiche gilt bei nicht börsennotierten Wertpapieren.
4.
284 285 286
287 288 289
Verluste aus Stillhaltergeschäften i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG-alt
Für Verluste aus Geschäften i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG, die vor dem 01.01.2009 entstanden sind, bestand ursprünglich keine § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.V.m. § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG vergleichbare Regelung. Alt-Verluste aus Stillhaltergeschäften nach dem 31.12.2008 konnten hiernach nur mit nach diesem Stichtag entstehenden Gewinnen aus dieser Einkunftsart verrechnet werden147. Durch das JStG 2009 ist ein neuer Satz 5 in § 22 Nr. 3 EStG eingefügt worden, der die Möglichkeit der Verrechnung von Alt-Verlusten aus Stillhaltergeschäften mit Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG für 5 Jahre, d. h. bis zum 31.12.2013, eröffnet148. Verfahrenstechnisch muss die Verrechnung im Veranlagungsverfahren erfolgen.
141 142 143 144 145 146 147 148
283
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) und b) EStG
Gewinne aus Termingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG werden nach neuem Recht besteuert, wenn die Rechte nach dem 31.12.2008 erworben werden145. Soweit es sich um wertpapiermäßig verbriefte Termingeschäfte handelt und der Erwerb über die Börse erfolgt, gilt als Erwerbszeitpunkt der Schlusstag146. Bei nicht börsennotierten Wertpapieren und nicht verbrieften Termingeschäften erfolgt der Erwerb mit dem Abschluss des obligatorischen Kaufvertrags.
5.
282
Schreiben des BMF vom 14.12.2007 an den ZKA, Az. IV B 8 – S 2000//07/0001, n.v., Tz. 4 h. § 52 a Abs. 10 Satz 7 EStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 1.1. Vgl. BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 1.2. § 52 a Abs. 10 Satz 3 EStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 1.1. so auch BFH Urteil vom 17.4.2007, BStBl. II 2007, 608. Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794.
59
290
291
292
1
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
6.
1 293
294
Verluste aus vor dem 01.01.2009 getätigten privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 EStG können nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG i.V.m. § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG mit nach dem 31.12.2008 entstehenden positiven Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG bis zum 31.12.2013 verrechnet werden, und zwar vorrangig zu im laufenden Veranlagungszeitraum entstandenen Verlusten aus Einkünften aus Kapitalvermögen. Auch insoweit kann die Verrechnung nur im Rahmen des Veranlagungsverfahrens erfolgen.
7. 295 296
297 298 299 300
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz Nr. 1 – 4 EStG-alt
Veräußerungsgewinne bei Zertifikaten
Wurden (Vollrisiko-)Zertifikate vor dem 15.03.2007 erworben, können sie auch nach dem 31.12.2008 unbegrenzt steuerfrei veräußert werden149. Bei einem Erwerb zwischen dem 15.03.2007 und dem 31.12.2008 konnten die Zertifikate – nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG – unter Anwendung des „alten“ Rechts steuerfrei veräußert werden, wenn die Kapitalerträge bis zum 30. Juni 2009 zufließen150. Der Zufluss erfolgt im Veräußerungszeitpunkt („Schlusstag“). Veräußerungen von nach dem 31.12.2008 erworbenen Zertifikaten unterliegen in vollem Umfang der seit dem 01.01.2009 geltenden Besteuerung nach der Abgeltungsteuer. Erfolgt der Erwerb über die Börse, gilt als Erwerbszeitpunkt der Schlusstag, d. h. der Tag, an dem der Kaufauftrag ausgeführt wird151. Werden börsennotierte Wertpapiere im außerbörslichen Handel erworben, erfolgt der Erwerb mit dem Abschluss des obligatorischen Kaufvertrags152. Das gleiche gilt bei nicht börsennotierten Wertpapieren. ! Hinweis: Wurde bei Vollrisikozertifikaten, d. h. Zertifikaten, die nicht als Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. gelten, die ab dem 15.03.2007 erworben worden sind, mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr und einer Endfälligkeit vor dem 01.07.2009, der Fälligkeitszeitpunkt über den 30.06.2009 hinausgeschoben, um entstehende Verluste steuerwirksam geltend machen zu können, soll nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO vorliegen mit der Folge, dass die Verluste nicht anerkannt werden sollen153.
149 150 151 152 153
60
§ 52 a Abs. 10 Satz 7 EStG. § 52 a Abs. 10 Satz 8 EStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 1.1. Vgl. BMF-Schreiben vom 25.10.2004, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 1.2. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 321.
1
C. Materielles Steuerrecht
8.
Bonuszahlungen bei Vollrisikozertifikaten
Bonuszahlungen, die bei Vollrisikozertifikaten, d. h. Zertifikaten, die nicht als Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. gelten, nach dem 31.12.2008 zufließen, sollen nach Auffassung der Finanzverwaltung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unabhängig vom Erwerbszeitpunkt steuerpflichtig sein154. Da die Regelung in dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009 nicht mehr enthalten ist, dürfte davon auszugehen sein, dass das BMF nicht mehr an seiner Rechtsauffassung festhält.
9.
302
§ 20 Abs. 4a Satz 6 EStG
Nach § 20 Abs. 4a Satz 6 EStG ist bei den von § 20 Abs. 4a Satz 1 – 5 EStG erfassten Sachverhalten auf den Tag der Einbuchung abzustellen, soweit dieser für Besteuerungszwecke maßgebend ist, z. B. für die Verbrauchsfolge. Die Vorschrift ist gem. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 zufließen.
10.
Erträge aus Investmentvermögen
a)
Grundsatz
Die neuen gesetzlichen Vorschriften treten zum 01.01.2009 in Kraft (§ 18 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Gewinne aus Veräußerungs- und Termingeschäften werden hinsichtlich solcher Wirtschaftsgüter bzw. Kontrakte steuerpflichtig, die nach dem 31.12.2008 erworben bzw. abgeschlossen werden (§ 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Für die Rückgabe und die Veräußerung von Investmentanteilen gilt die Neufassung für Anteile, die ab dem 01.01.2009 erworben werden (§ 18 Abs. 2 Satz 2 InvStG).
b)
301
303
304
305 306
307
Spezialfonds (§ 18 Abs. 2a InvStG)
Mit dem am 08.11.2007 verabschiedeten Gesetz zur Änderung des Investmentgesetzes haben sich die Kriterien zur Definition von Spezial-Sondervermögen geändert. Nach § 2 Abs. 3 InvG sind Spezial-Sondervermögen nur noch solche, deren Anteile auf Grund schriftlicher Vereinbarung mit der Kapitalanlagegesellschaft ausschließlich von Anlegern, die nicht natürliche Personen sind, gehalten werden. Alle übrigen Sondervermögen sind Publikums-Sondervermögen. Enthält der Anlegerkreis mithin mindestens eine natürliche Person, verliert das Sondervermögen die Eigenschaft als Spezial-Sondervermögen. Diese Definition wird für die Anwendbarkeit der in § 15 Abs. 1 InvStG genannten Sondervermögen um ein weiteres Definitionselement bereichert: Die schriftliche Vereinbarung bzw. die Satzung im Fall einer Spezial-Investmentaktiengesellschaft muss vorsehen, dass nicht mehr als 100 Anleger oder Aktionäre, die nicht natürliche 154 Schreiben des BMF vom 14.12.2007 an den ZKA, Tz. 6 b.
61
308 309
310
1 1 311
312 313
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Personen sind, die Anteile halten. Insgesamt betrachtet bedeutet dies, dass ein Spezial-Sondervermögen im Sinne von § 15 InvStG nur vorliegt, wenn maximal als 100 Anleger beteiligt sind, sie sämtlich den Charakter nicht natürlicher Personen haben und wenn dies in der Satzung oder der Vereinbarung mit der Kapitalanlagegesellschaft so vereinbart ist. Die Neufassung der Vorschriften über Spezial-Sondervermögen ist nach § 18 Abs. 2a, 10 InvStG ab dem ersten Jahr nach Inkrafttreten der Änderungen des InvStG anzuwenden (2008). Die oben erwähnte Übergangsregelung für Altanteile findet auf Spezialfonds nur eingeschränkt Anwendung: ■ Volle Anwendung der Übergangsregelung für Anteile an Spezialfonds, die bis einschließlich 09.11.2007 erworben wurden. ■ Für alle danach erworbenen Anteile gilt bereits das ab 2009 anzuwendende neue Recht, d. h. Veräußerungsgewinne werden spätestens bei einer Rückgabe oder Veräußerung der Anteilsscheine erfasst. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob es sich um einen inländischen oder ausländischen Spezialfonds handelt. Die Regelung gilt ebenfalls für solche Investmentvermögen, bei denen durch Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Vertragsbedingung die Beteiligung natürlicher Personen von der Sachkunde des Anlegers abhängt oder für die eine Mindestbeteiligungssumme von 100.000,- € oder mehr vorgeschrieben ist. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber in erster Linie die Sondervermögen treffen, die in Luxemburg nach dem FIS-Gesetz vom 13.02.2007155 errichtet wurden. Dieses Gesetz ermöglicht durch ein erleichtertes Verfahren die Gründung von Spezialfonds, deren alleiniger Eigentümer eine natürliche Person ist. Von deutscher Seite wurde zum Vorwurf gemacht, dass hier so genannte Millionärsfonds hätten entstehen sollen. Der Vorwurf ist allerdings nicht nachzuvollziehen, da derartige Fonds auch außerhalb des Rechtsrahmens des FIS-Gesetzes errichtet werden können und auch die vorstehend wiedergegebene Neufassung des deutschen Investmentgesetzes einer inländischen Errichtung solcher Fonds nicht mehr im Wege steht. Die Nichtgeltung der begünstigenden Übergangsregelung für Fonds mit Mindesteinlage und bestimmter Anlegerqualifikation ist allerdings ein direkter Versuch der Behinderung solcher Fonds. Die Vorschrift dürfte daher europarechtswidrig sein156.
c) 314
315
Geldmarktnahe Fonds
Nach § 18 Abs. 2b InvStG gilt das neue Recht schon für Anteile an geldmarktnahen Fonds, die ab dem 19.09.2008 erworben wurden. Dies sind Fonds, deren Anlagepolitik auf eine Geldmarktrendite ausgerichtet ist und bei denen Zinsen in Veräußerungs- oder Termingeschäfte umgewandelt werden. Die Anlagepolitik muss nach der Gesetzesbegründung objektiv überprüfbar sein (insbes. anhand des Verkaufsprospektes oder des Jahresberichts); ein zufälliges Ergebnis im obigen Sinne reicht also nicht. Wurden solche Anteile vor dem genannten Datum erworben, werden (durch eine fiktive Veräußerung) zudem Wertzuwächse, die nach dem 10.01.2011 erzielt werden, besteuert. Ein Abzug der Kapitalertragsteuer erfolgt erst ab dem 01.07.2009157. 155 JO A-N°13. 156 Vgl. dazu EuGH, Urteil v. 26.10.1999, C-294/97, Rs. Eurowings. 157 BMF vom 5.2.2009, AZ: IV C 1 – S 1980-1/08/10011, n. v.
62
D.
D.
Kapitalertragsteuer
I.
Grundsatz
1
Kapitalertragsteuer D.
Inländische Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 5, 7 b), 7a – 7c EStG und in- und ausländische Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 b) und 8 – 12 EStG unterliegen dem Kapitalertragsteuerabzug. Bezogen auf die unter Teil I A C.I aufgeführten Arten von Kapitalerträgen ergibt sich Folgendes: Materielle Steuerpflicht
317
Kapitalertragsteuerpflicht
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG
§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 EStG
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a EStG
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EStG
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b EStG
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EStG
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EStG
Erträge aus Investmentvermögen und aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentvermögen unterliegen dem Kapitalertragsteuerabzug nach § 7 InvStG und § 8 Abs. 6 InvStG.
II.
316
318
Zur Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs Verpflichteter/ auszahlende Stelle
Nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008158 war nach altem Recht bei Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4, 7a und 7b EStG der Schuldner der Kapitalerträge zur Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs, bei Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 – 12 EStG die auszahlende Stelle (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG) verpflichtet. Dies führte bei Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG zu folgenden Problemen: Auszahlende Stelle ist gem. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 aa EStG immer nur eine solche, „die sonstige Wirtschaftsgüter verwahrt oder verwaltet oder deren Veräußerung durchführt“. Vorstehendes ist unproblematisch, wenn Termingeschäfte als depotfähige Wertpapiere ausgestaltet sind, wie etwa börsengehandelte Optionsscheine. Ist hingegen ein Kreditinstitut Gegenpartei eines OTC-Geschäfts, verwahrt oder verwaltet es dieses Derivat nicht, da letzteres ein Tätigwerden für jemand anderen voraussetzt. Vielmehr ist das Kreditinstitut im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig, da es selbst Vertragspartner ist. Der DDV hat daher gegenüber Gesetzgeber und Finanzverwaltung nachhaltig eine Klarstellung gefordert.
158 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912.
63
319
320 321 322
323
1 324
1 325
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Durch das JStG 2009 ist § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 EStG dahingehend ergänzt worden, dass bei Termingeschäften i.S.d. §§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EStG auch das Kreditinstitut, das die Kapitalerträge auszahlt oder gutschreibt, zum KESt-Abzug verpflichtet ist, so dass für diesen Bereich eine Gesetzesgrundlage für den KESt-Abzug existiert159. Hingegen hält das BMF eine gesetzliche Regelung für den KESt-Abzug bei Stillhaltergeschäften i.S.d. §§ 20 Abs. 1 Nr. 11, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 EStG nicht für notwendig, sondern geht davon aus, dass die existierenden Vorschriften diesen Sachverhalt erfassen.
III. 326
327 328
329
330
331 332
333
334
Depotüberträge
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG gilt (= gesetzliche Fiktion) ein Depotübertrag auf einen anderen Gläubiger/Depotinhaber („Depotübertrag mit Gläubigerwechsel“) als Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter/Wertpapiere i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG. Hierdurch sollen Veräußerungsvorgänge erfasst werden, die nicht über ein Kreditinstitut abgewickelt werden. Depotüberträge ohne Gläubigerwechsel fallen nicht unter die Regelung. Unter Depotübertrag versteht man die Übertragung einzelner oder sämtlicher in einem Depot verwahrter Wertpapiere auf ein anderes Depot beim gleichen oder bei einem anderen Kreditinstitut. Eine Besteuerung nach § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG kommt bei einem Gläubigerwechsel allerdings nur dann in Betracht, wenn hierdurch ein Vorgang ausgelöst wird, der von § 20 Abs. 2 EStG erfasst wird, d. h. wenn eine „Veräußerung“ erfolgt160. Da letzteres im Rahmen eines Massenverfahrens wie dem Kapitalertragsteuereinbehalt nicht zeitnah festgestellt werden kann, hat der Gesetzgeber festgelegt, dass ein Depotübertag mit Gläubigerwechsel dann nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegt, wenn der Depotinhaber dem depotführenden Kreditinstitut mitteilt, dass es sich um eine unentgeltliche Übertragung handelt (§ 43 Abs. 1 Satz 5 EStG). Die Regelungen über Depotüberträge sind unabhängig davon anzuwenden, zu welcher Einkunftsart die Kapitalerträge materiell steuerrechtlich gehören. Bei entgeltlichen Depotüberträgen bemisst sich der Veräußerungsgewinn aus der Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungserlös zuzüglich Stückzinsen. Mit dem Depotübertrag verbundene Kosten gelten als Veräußerungskosten. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Veräußerungserlöses bildet nach § 43a Abs. 2 Satz 8 und 9 EStG der Börsenpreis zum Zeitpunkt der Übertragung, wobei § 19a Abs. 2 EStG entsprechend anwendbar ist161, d. h. es kann der niedrigste am Übertragungstag für die übertragenen Wertpapiere im regulierten Markt, im inländischen Freiverkehr sowie bei einer Börse im EWR notierte Kurs angesetzt werden. Der Zeitpunkt der Übertragung i.S.d. § 43a Abs. 2 Satz 8 EStG ist der Tag der Ausbuchung.
159 mit Wirkung ab dem 01.01.2009 eingefügt durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 160 Schreiben des BMF vom 14.12.2007 an den ZKA, Tz. 3 a. 161 Der Gesetzeswortlaut sieht lediglich die Anwendung § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG vor. Lt. Auffassung der Finanzverwaltung gelten auch die Sätze 3 ff., vgl. Schreiben des BMF vom 14.12.2007 an den ZKA, Tz. 3 b.
64
D.
1
Kapitalertragsteuer
Als Börsenkurs im Zeitpunkt der Übertragung ist der Börsenkurs am Vortag der Ausbuchung anzusetzen; ist dieser nicht bekannt, kann auf den letzten innerhalb von 30 Tagen am regulierten Markt notierten Kurs abgestellt werden (§ 43a Abs. 2 Satz 9 EStG)162. Liegt kein Börsenpreis vor, bilden 30 % der Anschaffungskosten die Bemessungsgrundlage für den Veräußerungserlös (§ 43a Abs. 2 Satz 10 EStG). Sind auch die Anschaffungskosten nicht bekannt, ist der Geschäftsvorfall dem für die Besteuerung des Kreditinstituts zuständigen Betriebsstätten-Finanzamt anzuzeigen163. Soweit das übertragende Institut die Wirtschaftsgüter (Wertpapiere und Kapitalforderungen) vor dem 01.01.1994 erworben und seitdem verwaltet oder verwahrt hat, kann es als Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuerabzug 30 % des Börsenkurses zum Zeitpunkt der Übertragung ansetzen (§ 43a Abs. 2 Satz 14 EStG). Bei nicht börsennotierten Inhaberschuldverschreibungen existiert kein Börsenkurs. Es kann auf den von dem jeweiligen Emittenten festgesetzten Wert abgestellt werden164. Bei Anteilen an Investmentvermögen tritt an die Stelle des Börsenpreises der Rücknahmepreis165. Bei einem Verkauf sind auch erhaltene Stückzinsen und Zwischengewinne zu berücksichtigen. Für deren Behandlung sollen die gleichen steuerlichen Folgen gelten wie für die Veräußerung, gleiches soll für den Steuerabzug nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 InvStG gelten166. Bei Depotüberträgen ohne Gläubigerwechsel oder bei unentgeltlichen Depotüberträgen ist die abgebende inländische auszahlende Stelle verpflichtet, der übernehmenden inländischen auszahlenden Stelle die Anschaffungsdaten mitzuteilen (§ 43a Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG). Die Clearstream Banking AG (CBF) bietet den Instituten eine technische Plattform für die Übertragung der Anschaffungsdaten bei „innerdeutschen“ Depotüberträgen an. Dieses Verfahren wird als eigenständige Dienstleistung angeboten, die unabhängig davon in Anspruch genommen werden kann, ob das jeweilige Institut (Kreditinstitut oder depotführende Kapitalanlagegesellschaft/Fondsplattform) CBF als Clearingstelle für Wertpapiertransaktionen nutzt. Das übernehmende Institut hat in diesen Fällen die von dem übertragenden Institut übermittelten Anschaffungskosten zu erfassen. Hierdurch wird sichergestellt, dass die übernommenen Wertpapiere so behandelt werden, als seien sie bei dem übernehmenden Institut angeschafft worden (was insbesondere für die Anwendung der Fifo-Regel von Bedeutung ist). Werden dem übernehmenden Kreditinstitut keine Anschaffungskosten mitgeteilt bzw. in der gesetzlich vorgegebenen Form nachgewiesen, ist als Anschaffungskosten der Börsenpreis zum Zeitpunkt der Einbuchung zu erfassen. Auch insoweit gilt § 19a Abs. 2 EStG entsprechend, d. h. der niedrigste am Übertragungstag für die übertragenen Wertpapiere im regulierten Markt notierte Kurs kann angesetzt werden (§ 43a Abs. 2 Satz 11 und 12 EStG)167.
162 § 43a Abs. 2 Satz 10 EStG wurde im Rahmen des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes vom 07.03.2009, BGBl. I 2009, 451 gefasst . 162 Schreiben des BMF vom 13.6.2008 an den ZKA, Az. IV C 1 – S 2000/07/0009, n.v., Tz. I.18. 163 Schreiben des BMF vom 14.12.2007 an den ZKA, Tz. 3 c. 165 Schreiben des BMF vom 14.12.2007 an den ZKA, Tz. 3 d. 166 Schreiben des BMF zu „Anwendungs- und Zweifelsfragen zur Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009“ vom 15.08.2008, IV C 1 – S 2000/07/0009, Tz. II.6. 167 Der Gesetzeswortlaut sieht lediglich die Anwendung § 19a Abs. 2 Satz 2 EStG vor. Lt. Auffassung der Finanzverwaltung gelten auch die Sätze 3 ff., vgl. Schreiben des BMF vom 14.12.2007 an den ZKA, Tz. 3 b.
65
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349
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Bei entgeltlichen Depotüberträgen kann das übernehmende Institut den von dem abgebenden Institut als Veräußerungspreis ermittelten Börsenkurs im Zeitpunkt der Übertragung als Anschaffungskosten übernehmen (§ 43a Abs. 2 Satz 11 EStG); die bei der Übertragung als Einnahmen aus der Veräußerung angesetzten Stückzinsen sind nach § 43a Abs. 2 Satz 8 EStG als negative Einkünfte zu berücksichtigen. Eine Übernahme der von dem abgebenden Institut gem. § 43a Abs. 2 Satz 10 EStG als Veräußerungspreis verwendeten Ersatzbemessungsgrundlage beim übernehmenden Institut als Anschaffungskosten ist ausgeschlossen. Bei Depotüberträgen ohne Gläubigerwechsel oder unentgeltlichen Depotüberträgen können auch anrechenbare Verluste (§ 43a Abs. 3 Satz 6 EStG) und anrechenbare Quellensteuern auf das übernehmende Institut übertragen werden. Wurde bei einem Depotübertrag auf Grund der Mitteilung des Gläubigers, die Übertragung erfolge unentgeltlich, vom Kapitalertragsteuerabzug abgesehen, ist die auszahlende Stelle verpflichtet, dies dem für sie zuständigen Betriebsstätten-Finanzamt anzuzeigen (43a Abs. 2 Satz 6 EStG).
IV. 350 351
352
Die Fifo-Methode ist anwendbar auf vertretbare und in Sammelverwahrung nach § 5 DepotG befindliche Wertpapiere. Da an Terminbörsen (Eurex, internationale Terminbörsen und OTC) gehandelte Termingeschäfte keine Wertpapiere darstellen und somit nicht unter das DepotG fallen, ist die Anwendung der Fifo-Methode für diese Geschäfte nicht vorgeschrieben. Mit dem Kunden kann allerdings individuell eine bestimmte Verwendungsfolge (u. a. auch die Fifo-Methode) vereinbart werden168.
V. 353 354
356
Ausnahmen vom Kapitalertragsteuerabzug
Grundsätzlich ist der Kapitalertragsteuerabzug unabhängig davon vorzunehmen, zu welcher Einkunftsart die Kapitalerträge beim Empfänger gehören. Es gibt allerdings Ausnahmen, die teilweise an den Status des Empfängers anknüpfen, zum anderen daran, welcher Einkunftsart die Kapitalerträge beim Kunden zuzurechnen sind.
1. 355
Fifo
Steuerausländer
Bei Steuerausländern kann bei Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7, sowie 8 – 12 EStG vom Kapitalertragsteuerabzug abgesehen werden. Als Steuerausländer gelten natürliche Person, die in der Bundesrepublik Deutschland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt unterhalten169, vermögensverwaltende Personengesellschaften nur dann, wenn es sich bei allen Gesellschaftern um (Steuer-)Ausländer handelt170. 168 Vgl. Dahm/Hamacher, Termingeschäfte und Abgeltungsteuer, DStR 2008, 1910, 1916, 1917. 169 Umkehrschluss aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. 170 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 305.
66
D.
1
Kapitalertragsteuer
Das gleiche gilt für Kapitalgesellschaften, die in der Bundesrepublik Deutschland weder Geschäftsleitung oder Sitz haben (dann unbeschränkte Steuerpflicht), noch eine Betriebsstätte unterhalten, zu deren Einkünften die Kapitalerträge gehören (dann beschränkte Steuerpflicht, § 2 Nr. 1 KStG), ferner Personenhandelsgesellschaften, wenn der Sitz der Gesellschaft bzw. der Ort der Geschäftsleitung im Ausland liegt und die Gesellschaft im Inland auch nicht über eine Betriebsstätte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG beschränkt steuerpflichtig ist171.
2.
357
Interbankenprivileg
Bei Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 – 12 EStG ist kein Steuerabzug vorzunehmen, wenn Gläubiger der Kapitalerträge ein inländisches Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 b EStG oder eine Kapitalanlagegesellschaft172 ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 EStG). Begünstigt werden hiernach: ■ Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG, ■ inländische Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute i.S.d. § 53 KWG, ■ Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 a KWG, ■ inländische Zweigstellen ausländischer Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. § 53 b KWG ■ die Kreditanstalt für Wiederaufbau, ■ Bausparkassen ■ Versicherungsunternehmen für Erträge aus Kapitalanlagen, die mit Einlagegeschäften bei Kreditinstituten vergleichbar sind, ■ die Deutsche Postbank AG, ■ die Deutsche Bundesbank und ■ Kapitalanlagegesellschaften.
171 BMF-Schreiben vom 5.11.2002, BStBl. II 2002, 1346 Tz. 48; Rundverfügung der OFD Frankfurt vom 7.11.1994, DStR 1995, 294, Tz. 3. 172 „oder eine Kapitalanlagegesellschaft“ eingefügt durch Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794.
67
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359
1 1
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
3. 360
361
Art und Umfang der Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug hängen bei NV-Bescheinigungen („Nichtveranlagungs-Bescheinigungen“) von der Art der Bescheinigung ab. Im Einzelnen: ■ NV-Art 01, NV-Art 08 und NV-Art 09: Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 6, 7 und 8 – 12 EStG. ■ NV-Art 02 und NV-Art 05: Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 – 12 EStG. ■ NV-Art 04: Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 EStG, allerdings nur eingeschränkt. ■ NV-Art „10“ (§ 43 Abs. 2 Satz 4 EStG173 für Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 KStG; hier existiert noch kein amtliches Formular): Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 – 12 EStG. Folgende Arten von NV-Bescheinigungen können in Kombination auftreten: NV 02 und NV 03, NV 02 und NV 04 sowie NV 02 und NV 05.
4. 362
363
Körperschaften
Eine Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug ist auch im Bereich der Körperschaften vorgesehen:
a) 365
Freistellungsbescheide
Darüber hinaus können von juristischen Personen, die Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach NV-Art 02 haben, sog. „Freistellungsbescheide“ vorgelegt werden, auf Grund derer Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 – 12 EStG vom Kapitalertragsteuerabzug befreit werden. Bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ist weder eine Verlustverrechnung, noch die Anrechnung ausländischer Quellensteuern zulässig (§ 43a Abs. 3 Satz 7 EStG).
5. 364
NV-Fälle
Körperschaften i.S.d § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3, 6 KStG
Soweit Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 – 12 EStG Körperschaften i.S.d § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3, 6 KStG zufließen, ist die Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Das gleiche gilt, wenn die o.a. Erträge von einem Investmentvermögen erzielt und an eine Körperschaft im o.a. Sinn ausgeschüttet werden (§ 8 Abs. 6 Satz 2 InvStG); bei thesaurierenden Investmentvermögen ist die von dem Investmentvermögen einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten (§ 7 Abs. 5 InvStG)174.
173 mit Wirkung ab dem 01.01.2009 eingefügt durch das JStG 2009. 174 Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794.
68
D.
1
Kapitalertragsteuer
Körperschaften i.S.d § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3, 6 KStG sind: ■ AG, KGaA, GmbH und UG (Unternehmergesellschaft i.S.d. § 5a GmbHG) als inländische Kapitalgesellschaften, ■ Ausländische Gesellschaften, d. h. nach ausländischem Recht gegründete unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften175, ■ Niederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften (insbes. Niederlassungen einer nach UK-Recht gegründeter Limited „Ltd“, vgl. im übrigen die Anlage 2 zu § 34b EStG), ■ SE als Europäische Gesellschaft i.S.d. VO (EG) Nr. 2157/2001, ■ Genossenschaften, ■ Europäische Genossenschaften i.S.d. VO (EG) Nr. 1435/2003, ■ Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit, ■ Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
b)
Körperschaften i.S.d § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KStG
Fließen Kapitalerträge, die dem Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 8 – 12 EStG unterliegen, einer unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen sonstigen juristischen Person des privaten Rechts i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG (insbesondere eingetragene/rechtsfähige Vereine, wirtschaftliche Vereine und rechtsfähige privatrechtliche Stiftungen) oder einer anderen Körperschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG (nicht rechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts) zu, ist der Kapitalertragsteuerabzug nicht vorzunehmen, wenn dem Institut der Status durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nachgewiesen wird (§ 43 Abs. 2 Satz 4 EStG, „NV-Art 10“).
6.
366
367
Betriebliche Einkünfte
Soweit die Kapitalerträge beim Gläubiger zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit (betriebliche Einkünfte) oder aus Vermietung und Verpachtung gehören, berührt dies die Kapitalertragsteuerpflicht grundsätzlich nicht (§ 43 Abs. 4 EStG). Betriebliche Einkünfte können bei natürlichen Personen, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR, inkl. Ehegatten), Partnerschaftsgesellschaften von Freiberuflern und Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG, GmbH & Co. KG, Ltd. & Co. KG) entstehen. Im Rahmen des JStG 2009 ist § 43 Abs. 2 EStG um einen Satz 3 Nr. 2 erweitert worden. Hiernach ist in Fällen, in denen Kapitalerträge im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8-12 beim Gläubiger zu Betriebseinnahmen führen, von einem Kapitalertragsteuereinbehalt abzusehen176. Das gleiche gilt, wenn die o.a. Erträge von einem Investmentvermögen erzielt und an betriebliche Anleger ausgeschüttet werden (§ 8 Abs. 6 Satz 3 InvStG); bei thesaurierenden Investmentvermögen ist die von dem Investmentvermögen einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten177. 175 Insofern ist ein Rechtstypenvergleich erforderlich. Eine – nicht abschließende – Qualifikation ausländischer Gesellschaftsformen findet sich in der Anlage 2 zu § 43b EStG über die Gesellschaften i. S. d. Mutter-Tochter-Richtlinie sowie in den Tabellen 1 und 2 des sog. Betriebsstätten-Erlasses vom 24.12.1999, letztere allerdings ohne Osteuropa. 176 Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 177 Vgl. Schreiben des BMF an den BVI „Investmentsteuergesetz; aktuelle Anwendungsfragen“ vom 05.02.2009, IV C 1 – S 1980-1/08/10011, Tz. 1.
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378
§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer Voraussetzung ist die Abgabe einer Erklärung auf amtlichem Vordruck (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Satz 4 EStG178). Der Vordruck ist dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009179 als Anlage 1 beigefügt. Die Befreiung kann hiernach beantragt werden für Kapitalerträge ■ aus den Konten und Depots unter einer Stammnummer, ■ aus einzeln aufgeführten Konten und Depots, ■ aus seit einem bestimmten Datum abgeschlossenen Options- und Termingeschäften und ■ aus sonstigen nach einem bestimmten Datum erworbenen konten- und depotmäßig erfassten und nicht erfassten Kapitalforderungen. Soweit Eurex-Geschäfte eines Kunden auf einem bestimmten Konto/Depot erfasst werden, kann dieses in der Erklärung aufgeführt werden. Werden nach Abgabe der Erklärung weitere Konten/Depots eröffnet oder Kontrakte abgeschlossen, ist es nach dem amtlichen Vordruck zulässig, diese ebenfalls freizustellen, wenn eine Bezugnahme auf die bereits abgegebene Erklärung erfolgt. Im Bereich der OTC-Geschäfte kann die Einbeziehung in die Befreiung auf zwei Arten geschehen: 1. In jedem Kontrakt erfolgt der Hinweis auf eine bereits abgegebene Erklärung. Existierende Formulare oder Vertragsmuster wären entsprechend anzupassen. 2. Zusätzlich zu dem Antrag wird mit dem Kunden vereinbart, dass der Antrag für sämtliche Arten von Termingeschäften gelten soll, die mit dem Kunden abgeschlossen werden. Zu dem Vordruck ist folgendes anzumerken: ■ Bei natürlichen Personen ist – soweit bereits bekannt – statt der Steuernummer die neue Identifikationsnummer anzugeben. ■ Es wird nicht beanstandet, wenn im Vordruck nur Depots benannt werden180. ■ Ebenso wenig wird beanstandet, wenn statt „aus den Konten und Depots mit der Stammnummer ...“ die Formulierung „aus den Konten und Depots mit der Kundennummer ...“ verwendet wird181. Die auszahlende Stelle ist gemäß § 43 Abs. 2 Sätze 5 ff. EStG verpflichtet, gesonderte Aufzeichnungen über die Fälle der Abstandnahme vom Steuereinbehalt gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG zu führen. Die Anträge müssen 10 Jahre lang aufbewahrt werden. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Erklärung zugegangen ist. Ferner sind Sachverhalte anzuzeigen, bei denen auf Grund eines entsprechenden Antrags vom KESt-Abzug Abstand genommen worden ist (§ 43 Abs. 2 Sätze 6 und 7 EStG, zu Einzelheiten vgl. nachfolgend 8).
178 179 180 181
70
Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 179. BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004, Rz. 179.
D.
7.
1
Kapitalertragsteuer
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
Termingeschäfte können auch dem Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung („VuV“, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 21 EStG) zugeordnet werden, wenn OTC-Geschäfte wie Swaps, Caps, Floors und Collars abgeschlossen werden, mit denen Risiken aus Immobilienfinanzierungen abgesichert werden. Durch Abgabe einer Erklärung auf amtlichem Vordruck kann eine Befreiung vom KESt-Abzug für Erträge aus Stillhaltergeschäften i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 und 11 EStG bewirkt werden (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Satz 4 EStG182). Der Vordruck ist dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009183 als Anlage 1 beigefügt. Die Erklärung kann abgegeben werden für Kapitalerträge aus seit einem bestimmten Datum abgeschlossenen Options- und Termingeschäften. Werden nach Abgabe der Erklärung weitere Kontrakte abgeschlossen, ist es nach dem amtlichen Vordruck zulässig, diese ebenfalls freizustellen, wenn die Bezugnahme auf die bereits abgegebene Erklärung erfolgt. Für den Bereich der OTC-Geschäfte ergibt sich daraus, dass in jedem Kontrakt der Hinweis auf eine bereits abgegebene Erklärung erfolgen muss. Zum Vordruck vergleiche im Übrigen die Ausführungen unter Teil I D V 6.
8.
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381 382
383 384
Anzeige der vom Kapitalertragsteuerabzug befreiten Sachverhalte nach § 43 Abs. 2 Satz 5 und 6 EStG
Die nach § 43 Abs. 2 Satz 5 und 6 EStG zu erstattenden Anzeigen von Sachverhalten, bei denen bei Kapitalerträgen vom KESt-Abzug Abstand genommen worden ist, die betrieblichen Anlegern zufließen, bzw. bei denen die Erträge den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen sind, müssen folgende Informationen enthalten: ■ freigestellte Kapitalerträge, ■ Konto- oder Depotbezeichnung oder sonstige Kennzeichnung des Geschäftsvorgangs, ■ Vor- und Zunahme des Gläubigers, bei Personengesellschaften Angabe der Firma und ■ Steuer-Identifikationsnummer, bei Personengesellschaften die Steuernummer. Die Übermittlung hat nach einem amtlich vorgeschriebenen Datensatz zu erfolgen. Die Formate werden sich an denjenigen orientieren, die für die Meldungen nach § 45d Abs. 1 EStG und das Sammelantragsverfahren nach § 45b EStG gelten. Einzelheiten – insbesondere die Benennung der Behörde, an die die Daten zu übermitteln sind (die Benennung des BZSt wurde aus dem ursprünglichen Entwurfstext herausgenommen), und zum Zeitpunkt der erstmaligen Abgabe der Meldungen – sollen in einem noch zu veröffentlichenden BMF-Schreiben geregelt werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird davon ausgegangen, dass die Einrichtung einer Datenbank und die Festlegung der Datenformate einen erheblichen zeitlichen Vorlauf benötigt, so dass mit der Veröffentlichung des BMF-Schreibens nicht kurzfristig gerechnet werden kann184.
182 Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 183 BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Az. IV C 1 – S 2252/08/10004. 184 Vgl. den Bericht des Finanzausschusses zum JStG 2009, BT-Drucks. S. 24.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer
VI. 387
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Steuerbescheinigungen
Nach § 45a Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Schuldner der Kapitalerträge bzw. die auszahlende Stelle verpflichtet, dem Gläubiger auf Verlangen eine Steuerbescheinigung nach amtlichem Muster auszustellen. Die „neue“ Steuerbescheinigung unterscheidet sich jedoch bezogen auf den notwendigen Inhalt wesentlich von einer Steuerbescheinigung, wie sie für vor dem 01.01.2009 zufließende Kapitalerträge auszustellen war: Anders als bisher statuiert § 45a Abs. 2 Satz 1 EStG, abgesehen von den Regelungen zum Unterschriftserfordernis und zur Behandlung einer Abstandnahme vom Steuerabzug in sinngemäßer Anwendung von § 44a Abs. 6 EStG, keine Vorgaben mehr bezüglich der Angaben, die zwingende Bestandteile einer Steuerbescheinigung sind. Jedoch wird vorgeschrieben, dass die Steuerbescheinigung „die nach § 32d erforderlichen Angaben“ zu enthalten hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll hierdurch erreicht werden, dass dem Kunden mit der Steuerbescheinigung alle Informationen geliefert werden, die er für die Durchführung des Veranlagungsverfahrens benötigt. Dies führt dazu, dass in der Steuerbescheinigung nicht nur die Sachverhalte aufzuzeigen sind, bei denen ein Kapitalertragsteuerabzug vorgenommen worden ist, sondern auch weitergehende Informationen, wie etwa zu materiell steuerpflichtigen Kapitalerträgen aus ausländischen thesaurierenden Investmentvermögen, bei denen keine Kapitalertragsteuer einbehalten wird. Mit dem BMF-Schreiben vom 24.11.2008185, das zwischenzeitlich durch das BMF-Schreiben vom 18.12.2009186 ersetzt worden ist, wurde eine umfassende Verwaltungsanweisung zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 und 3 EStG veröffentlicht, der zudem die künftig zu verwendenden Bescheinigungsmuster in ihrer endgültigen Fassung beigefügt sind. Für Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2008 zufließen, ersetzt dieses Schreiben die BMFSchreiben vom 20.02.2001187, vom 24.07.2001188 und vom 05.11.2002189. Hiernach gibt es für Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2008 zufließen, drei Arten von Steuerbescheinigungen ■ das Muster einer Steuerbescheinigung für Privatkonten und/oder –depots bzw. wahlweise einer Verlustbescheinigung i.S.d. § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG (Muster I); ■ das Muster einer Steuerbescheinigung einer leistenden Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder eines Personenunternehmens (Muster II), sowie ■ das Muster einer Steuerbescheinigung der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle für Konten und/oder Depots bei Einkünften im Sinne der §§ 13, 15, 18 und 21 EStG (Muster III).
185 186 187 188 189
72
BStBl. I 2008, 973. BMF-Schreiben vom 18.12.2009, Az. IV C 1 – S 2401/08/10001. BStBl. I 2001, 235. BStBl. I 2001, 514. BStBl. I 2002, 1338.
D.
1.
1
Kapitalertragsteuer
Muster I
Während das BMF-Schreiben vom 05.11.2002 die Wahlmöglichkeit vorsah, anstelle von Einzelsteuerbescheinigungen eine konto- bzw. depotbezogene Jahressteuerbescheinigung auszustellen, in der die zu bescheinigenden Angaben jeweils in einer Summe zusammengefasst werden190, sind im privaten Bereich künftig im Regelfall Jahresbescheinigungen für alle Konten und Depots eines Kunden zu erteilen. Nur in noch in Ausnahmefällen („Treuhand-, Nießbrauch-, Notaranderkonten oder –depots/ Konten von Wohnungseigentümergemeinschaften/Tafelgeschäfte“; gleiches dürfte für Nachlasskonten und –depots gelten) ist die Verwendung als Einzelsteuerbescheinigung zulässig191. Vorstehendes beruht auf § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG, wonach eine kundenbezogene, d. h. kontenund depotübergreifende Verlustverrechnung vorzunehmen ist. Ebenso ist die Anrechnung ausländischer Quellensteuern kundenbezogen/konto- und depotübergreifend vorzunehmen. Daraus ergibt sich, dass Einzelsteuerbescheinigungen nach dem Muster I nur in Fällen ausgestellt werden können, in denen eine konten-/depotübergreifende Verlustverrechnung nicht in Betracht kommt. Dies ist bei den in dem BMF-Schreiben vom 24.11.2004 beispielhaft aufgeführten Arten von Konten/Depots /Geschäftsvorfällen der Fall.
2.
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Muster II
Muster II darf nicht von Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen verwendet werden, sondern gelangt beispielsweise bei Dividendenzahlungen von Lebensversicherungsunternehmen, GmbHs und Aktiengesellschaften (sofern die Aktien nicht in einem Depot gehalten werden) zur Anwendung192. Das Muster ist daher für die Kreditwirtschaft nicht von Relevanz.
3.
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Muster III
Das Muster III für im betrieblichen Bereich und im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anfallende Kapitalerträge soll wahlweise als Einzelsteuerbescheinigung oder als zusammengefasste Bescheinigung für einen bestimmten Zeitraum verwendet werden können. Die Ausstellung für einen bestimmten Zeitraum ist vorgesehen, um Unternehmen mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr eine Steuerbescheinigung ausstellen zu können, die eine periodengerechte Zuordnung erlaubt. Wird diese Form gewählt, dürfen keine Einzelsteuerbescheinigungen ausgestellt werden.
190 BMF-Schreiben vom 05.11.2002, BStBl. I 2002, 1338, Tz. 33 ff. 191 BMF-Schreiben vom 18.12.2009, Az. IV C 1 – S2401/08/10001 Rz. 6. 192 BMF-Schreiben vom 18.12.2009, Az. IV C 1 – S2401/08/10001 Rz. 37; für sog. „Leerverkäufe“ wurden in dem BMFSchreiben vom 05.05.2009, BStBl. I 2009, 631, spezielle Regelungen getroffen.
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§ 1 Einkommensteuer/Abgeltungsteuer E.
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E.
Ausblick
Seit Jahresbeginn 2009 gelten die neuen Regelungen über die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, und damit auch diejenigen für Termingeschäfte. Der Gesetzgeber hat im Jahr 2008 sprichwörtlich bis zur letzten Sekunde – das Jahressteuergesetz 2009 wurde 24.12.2008 (!) im Bundesgesetzblatt verkündet – „Nacharbeiten“ am ursprünglichen Gesetzestext vorgenommen; weitere Modifizierungen wurden im Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz193 und im Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung194 folgen. Die Finanzverwaltung hat den zum Steuerabzug verpflichteten Kreditinstituten in diversen Veröffentlichungen Antworten auf Fragen gegeben, die sich im Zusammenhang mit der Einführung der Abgeltungsteuer stellen. Hierdurch wurde ein wichtiger Beitrag zur Lösung der zahlreichen, insbesondere durch die Einbeziehung der Termin- und Veräußerungsgeschäfte in das Besteuerungsverfahren sowie die durch Verlustverrechnung verursachten Unsicherheiten und Probleme geleistet. Dies ist anzuerkennen, geschah aber nicht ganz uneigennützig, da das Besteuerungsverfahren ja durch den Kapitalertragsteuerabzug abgeschlossen werden soll. Der Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen. Denn nach wie vor sind gerade im Bereich der Termingeschäfte wichtige Themen nicht bzw. nicht befriedigend gelöst. Insoweit seien beispielhaft die unbefriedigenden und einer homogenen Besteuerung widersprechenden Regelungen im Bereich der Optionen genannt. Der Deutsche Derivate Verband hat die Entwicklungen gemeinsam mit den Instituten und den übrigen Verbänden der Kreditwirtschaft aktiv begleitet und Lösungen aufgezeigt, um speziell für diesen Bereich eine den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechende, „gerechte“ Besteuerung zu erreichen, und wird diese Aktivitäten auch künftig fortsetzen.
193 Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz vom 07.03.2009, BGBl. I 2009, 451. 194 Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.07.2009, BGBl. I 2009, 1959.
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2
§ 2 Umsatzsteuer A.
Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem
I.
Historie der Umsatzbesteuerung von Termingeschäften
A.
Die Umsatzsteuer knüpft zwar an einzelne Verkehrsvorgänge an; mit Einführung des europäischen Mehrwertsteuersystems in den 1960er Jahren hat sie aber den Charakter einer Verbrauchsteuer. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes1 hat dies auch für die Auslegung des Gesetzes selbst Konsequenzen und ist nicht nur eine bloße Zielvorgabe. Wie noch an anderer Stelle zu zeigen sein wird, ist es das Bemühen der EuGH-Rechtsprechung herauszuarbeiten, wie sich der Verbrauch im Zusammenhang mit einzelnen Umsatzgeschäften manifestiert. Auf eine kurze Formel gebracht, bedeutet dies die Untersuchung daraufhin, welche Bemessungsgrundlage dem jeweiligen Verbrauch entspricht. Es läge normalerweise im Sinne eines systematischen Aufbaus, sich zunächst der Ebene der steuerbaren Bemessungsgrundlage zuzuwenden und alsdann Steuerbefreiungen zu untersuchen. Indes ist dies eine Vorgehensweise, die im hier interessierenden Bereich der derivativen Finanzdienstleistungen nicht unbedingt zum Verständnis beiträgt, denn wie nachstehend unter § 2 A III. dargelegt, hat sich der Gesetzgeber über die Jahrzehnte – und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein kumulatives Umsatzsteuer- oder Mehrwertsteuersystem handelte – nicht mit der Frage der Bemessungsgrundlage auseinandergesetzt, sondern ist ihr gleichsam durch Schaffung von Steuerbefreiungen ausgewichen. Diese merkwürdige Berührungsangst zwischen Finanzgeschäften, in Sonderheit, wenn sie Termingeschäftscharakter haben, und der Umsatzsteuer hat selbstverständlich ihre Ursachen, die man nur dann richtig einordnen kann, wenn man einige historische Eckpunkte heranzieht: Die Umsatzsteuern früheren Zuschnitts waren, wie schon gesagt, kumulativ angelegt. D. h. auf jeder Ebene des Handels mit Waren oder der Erbringung sonstiger Leistungen wurde die Umsatzsteuer fällig. Damit lag die Steuerlast um so höher, je länger die Leistungskette wurde. Die Umsatzsteuer resultiert im 19. Jahrhundert aus dem sog. Umsatzstempel, d. h. einer Steuer, die in der Tat nur auf Warenumsatz angewendet wurde und notwendigerweise an den Preis dieser Ware anknüpfte. Diesen Zusammenhang hat auch die Umsatzsteuer des Jahres 1919 nicht aufgegeben, sondern es stand eigentlich außer Frage, dass eine andere Bemessungsgrundlage als der Umsatz nicht in Betracht gezogen werden konnte. Dabei wurde Umsatz damals nicht als Residualgröße im Sinne der Mehrwertsteuer oder ähnlicher Überlegungen verstanden, sondern eben als der Preis der Ware.
1
grundlegend EuGH vom 29.2.1996, C-215/94, Mohr; vom 16.10.1997, C-258/95, Fillibeck; vom 18.12.1997, C-384/95, Landboden; speziell zu Finanzumsätzen EuGH vom 14.7.1998, C-172/96, First National Bank of Chicago; auch ständige Rechtsprechung des BFH, zuletzt Urteil vom 18.12.2008, V R 38/06, UR 2009, 525, m.w.N.
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§2 5
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Umsatzsteuer
Mit Einbeziehung der sonstigen Leistungen durch das UStG 1919 stellte sich sehr schnell heraus, dass es eine Anzahl von Leistungen gab, die in dieses System nicht passten. Dies waren die Finanzdienstleistungen einschließlich der Versicherungen. Man befreite sie von der besagten Umsatzsteuer, weil ein Anknüpfen an den jeweiligen zivilrechtlichen Preis in vielen Fällen dazu geführt hätte, dass Umsätze nicht mehr möglich gewesen wären. Andererseits existierten (und existieren zum Teil heute noch) Sondersteuern, die gerade diesen Bereich betreffen (Versicherungsteuer, Gesellschaftsteuer, Börsenumsatzsteuer, Schecksteuer, Wechselsteuer, Wertpapiersteuer). Auch hierzu sei auf Teil III. verwiesen. Was die Termingeschäfte im engeren Sinne anbetrifft, waren auch die Sondersteuern normalerweise nicht in der Lage, typische Termingeschäftsgestaltungen, wie Differenzgeschäfte oder Optionsgeschäfte zu erfassen. Diese waren beispielsweise nicht Gegenstand der Börsenumsatzsteuer, die zwar bedingte Anschaffungsgeschäfte über Wertpapiere erfasste, aber gerade keine Optionsgeschäfte oder Differenzgeschäfte (Futures)2. Dass das weitgehende Fehlen von Verkehrssteuern im Bereich der Termingeschäfte fiskalisch nicht als Besteuerungslücke empfunden wurde, lag nicht nur an der besonneneren Finanzpolitik der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, sondern insbesondere daran, dass diese Instrumente in Deutschland über Jahrzehnte keine große Rolle spielten. Wie in der Einführung ausgeführt, dürfte dies im Wesentlichen auf das im Zuge der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 ausgesprochene Verbot börsenmäßiger Optionsgeschäfte und die Aufhebung des Währungssystems von Bretton Woods im Jahr 1973 zurückzuführen sein. Nach Beseitigung dieser „Hindernisse“ setzte in den 1970er Jahren in Deutschland eine Entwicklung ein, die vielfältigste Erscheinungsformen termingeschäftlicher Art hervorbrachte. Anders als heute fanden sich in der Gesetzeswirklichkeit hingegen nur vereinzelt Bezugnahmen auf solche Geschäfte wieder. Die besagte Entwicklung traf Gesetzgeber, Verwaltung und (Steuer-)Bürger gleichermaßen unvermittelt. Dies zeigte sich vor allem in der ersten Hälfte der 1980er Jahre, als bei den Verbänden der Kreditwirtschaft die Diskussion um die steuerrechtliche Behandlung von Termingeschäften begann. Interessanterweise stand im Vordergrund die umsatzsteuerliche Behandlung, denn es war die (berechtigte) Befürchtung der seinerzeit Handelnden, dass gerade diese Steuer – wegen ihrer „verheerenden“ Bemessungsgrundlage – in der Lage gewesen wäre, den Handel mit solchen Instrumenten von vornherein zu inhibieren. Damit stellte die Frage der mehrwertsteuerlichen Behandlung zugleich eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland dar. Die Diskussion zwischen den kreditwirtschaftlichen Verbänden und den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zog sich über ca. 5 Jahre hin. Grund für diese lange Beratungszeit war einerseits die Abstraktheit der in Rede stehenden Finanzinstrumente, auf der anderen Seite die dem damaligen Verständnis gegenüber neuen Organisationsformen der Terminbörsen, an denen diese gehandelt werden sollten. Entscheidende Belebung erfuhr diese Diskussion durch die Gründung der Deutschen Terminbörse (DTB), die zu Beginn der 1990er Jahre erfolgte und deren Funktionieren eine sachgerechte Behandlung der Finanzinstrumente bei der Umsatzsteuer voraussetzte. Sicherlich war die Haltung der Finanzverwaltung auch lange Zeit durch eine gewisse Vorsicht geprägt, da man nicht übersah, welche Weiterungen Erlassregelungen nach sich ziehen würden, die eine weitgehende Steuerbefreiung attestierten. Auf diese Diskussion wird nachstehend un2
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Vgl. Laube, StPK Lieferung IX/77 Ordnungsnummer 2115, S. 13; FM Bayern Erlass vom 07.04.1970, DStZ/B 1970, 179.
A.
2
Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem
ter B) im Einzelnen noch eingegangen werden. Sie machte gleichzeitig deutlich, vor welchen Schwierigkeiten man stand, denn Verwaltungsregelungen können selbstverständlich nur innerhalb des geltenden Gesetzes erfolgen, das aber wie gesagt auf das Entstehen der Termingeschäfte nur äußerst unzulänglich vorbereitet war. Die entscheidende Regelung folgte durch ein Schreiben des BMF an die Verbände vom 19.12.19893 (im Folgenden: DTB-Erlass), das den Weg für die Errichtung der DTB frei machte und das bis heute die entscheidende Grundlage für die umsatzsteuerliche Behandlung darstellt. Gleichzeitig hatte sich im Laufe der Debatte herausgestellt, dass das deutsche Gesetz (§ 4 Nr. 8 UStG) in Teilen noch nicht an die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie von 1977 angepasst war. Es bedurfte hier der gesetzgeberischen Korrektur in § 4 Nr. 8 c, e und g UStG, damit kein Widerspruch zwischen nationalem und EG-Recht mehr bestand. Diese Regelungen erfuhren später eine Ergänzung in Bezug auf die Behandlung von Warentermingeschäften. Auch insofern wurde eine gesetzliche Änderung in § 4 Nr. 8 c UStG vorgenommen.
II.
Gesetzliche Grundlagen
1.
EG-Recht
Die maßgebliche Rechtsgrundlage des deutschen Umsatzsteuergesetzes stellt die 6. Richtlinie (EWG) Nr. 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer vom 17.05.1977 (6. EG-Richtlinie)4] dar. Diese Richtlinie enthält in Artikel 13 B Buchst. d die maßgeblichen Steuerbefreiungen für Finanzumsätze. Die Richtlinie wurde Ende 2006 durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRl)5 abgelöst, die an dieser Stelle (Art. 135) inhaltsgleich mit der 6. EG-Richtlinie ist. Es resultiert aus der geschilderten historischen Entwicklung, dass Termingeschäfte in der 6. EGRichtlinie nicht erwähnt werden. Entsprechende Instrumente waren zum Zeitpunkt der Vorarbeiten der EG- Richtlinie noch nicht bekannt bzw. nicht problematisiert worden. Insbesondere gab es, wie ausgeführt, in den 1970er Jahren noch keine expliziten Termingeschäftsbörsen in der Europäischen Gemeinschaft. An der mangelnden Erfassung der Termingeschäfte hat sich auch durch die Einführung der MwStSystRl nichts geändert, da diese den Vorgaben gemäß keine inhaltlichen Änderungen gegenüber der 6. EG-Richtlinie mit sich bringen sollte. Andererseits sind die Steuerbefreiungen vom Wortlaut her an der genannten Stelle weit genug gefasst, um eine sachgerechte Grundlage für die Behandlung dieser Geschäftsformen durch das jeweilige nationale Recht abgeben zu können. Einschlägig sind insoweit insbesondere die folgenden Befreiungen in Art. 13 B d der 6. EG-Richtlinie: ■ die Vermittlung und die Übernahme von Verbindlichkeiten und anderen Sicherheiten (Nr. 2 = Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRl), ■ die Umsätze, die sich auf Devisen beziehen (Nr. 4 = Art. 135 Abs. 1 Buchst e MwStSystRl),
3 4 5
Schreiben des BMF vom 19.12.1989, Az. IV A 3-S 7160-55/89, UR 1990, 63. – vgl. Anhang – Abl. EG 1977, Nr. L 145, S. 1. Abl. EU, Nr. L 347, S. 1.
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§2
Umsatzsteuer
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Die Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen (Nr. 5 = Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRl)6. Im Rahmen der nationalen Diskussion um die Behandlung von Termingeschäften, die zum Erlass des BMF von 1989 führten, spielte insbesondere die Frage eine große Rolle, welche Termingeschäfte überhaupt dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterfallen, d. h. steuerbar sind. Die in Deutschland hierzu entwickelte Lösung stellte vor allem Future-Geschäfte von der Mehrwertsteuer frei, weil zutreffend erkannt worden war, dass diese Geschäfte Differenzgeschäfte sind, denen kein Leistungsaustausch zugrunde liegt. Dies ist allerdings in der EU keineswegs eine gemeinsame Sichtweise; zumeist werden dort auch Future-Geschäfte als steuerbare Geschäfte erachtet, die allerdings überwiegend dann befreit sind (vgl. dazu nachstehend § 2 B VII.2). Die genannte Fragestellung spielt bei den derzeitigen Überlegungen zur Reformierung der Vorschriften über die umsatzsteuerliche Behandlung von Termingeschäften auf EU-Ebene eine wichtige Rolle. Das EG-Recht selbst gibt hierzu keine direkten Vorgaben. Allerdings zeigt die Rechtsprechung des EuGH eine gewisse Tendenz dahingehend, Geschäfte, bei denen ein Leistungsaustausch nicht erkennbar ist, als nicht steuerbar zu erachten. Dies ergibt sich aus einigen wenigen EuGH-Urteilen, bei denen sich der Gerichtshof mit der umsatzsteuerlichen Behandlung des Spiels auseinandergesetzt hat: Soweit ersichtlich, hat sich der EuGH mit der Frage der Behandlung von Spielen erstmals in dem in der Rechtssache Glawe ergangenen Urteil vom 05.05.19947 befasst. Dort ging es um Geldspielautomaten. In Rn. 12 des Urteils heißt es, dass der Betrag, der an die Spieler wieder zur Ausschüttung kommt, nicht als Gegenleistung für die Veranstaltung eines Spiels gewertet werden kann. Der EuGH begründet hier eine Margenbetrachtungsweise, wie er sie in anderem Zusammenhang später in dem Urteil First National Bank of Chicago8 wieder aufgreift. Anders als beim Future-Geschäft ist es bei dem in der Rechtssache Glawe entschiedenen Sachverhalt so, dass der Automatenaufsteller einen bestimmten Anteil der eingeworfenen Geldstücke behalten kann. Dies ist die Gegenleistung für seine Spielveranstaltung. Wenn der Restbetrag wieder zur Ausschüttung kommt und keinen Gegenleistungscharakter hat, wie der EuGH konstatiert, so bedeutet dies, dass generell Gewinne aus aleatorischen Geschäften nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zueinander stehen und ergo nicht der Mehrwertsteuer unterliegen können. In den Urteilen vom 29.05.2001, Rechtssache Freeman9, und vom 13.07.2006, Rechtssache United Utilities10, verweist der EuGH darauf, dass Spielumsätze sich „schlecht für die Anwendung der Mehrwertsteuer eignen, wie die Kommission in ihrem Vorschlag für die 6. EG-Richtlinie ausgeführt hat“11.
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zum Vorstehenden auch ausführlich Amand, International VAT Monitor 2009, 263 EuGH Urteil vom 05.05.1994, C-38/93, Glawe. EuGH Urteil vom 14.07.1998, C-172/96, First National Bank of Chicago, UR 1998, 456. EuGH Urteil vom 29.05.2001, C-86/99, Freeman. EuGH Urteil vom 13.07.2006, C-89/05, United Utilities. vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, 17
A.
2
Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem
Kennzeichnend für die vorgenannten Urteile ist, dass es praktisch immer nur um die Seite des Veranstalters von Spielumsätzen ging. Nur hier konnte sich die Frage stellen, ob und inwieweit ein steuerbarer Umsatz vorliegt. Offenbar hatte bis dato niemand ernsthaft in Frage gestellt, dass bei Spielen, die gegeneinander erfolgen, kein Leistungsaustausch vorliegt. Es bleibt aber die Erkenntnis, dass ■ sich Spielumsätze „schlecht für die Mehrwertsteuer eignen“ und ■ ausgezahlte Gewinne nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zwischen Veranstalter und Spieler stehen (Urteil Glawe). Hiernach wird man sagen können, dass derjenige einen steuerbaren Umsatz bewirkt, der ein Spiel veranstaltet, nicht jedoch derjenige, der als Spieler daran teilnimmt. Es mag auf den ersten Blick vielleicht befremden, wirtschaftliche Vorgänge als Spiel einzuordnen. Dies hat auch bei der nationalen Diskussion in den 1980er Jahren eine große Rolle gespielt, die eher emotional als sachlich geprägt war. Allerdings muss der Begriff des Spiels nicht in seinem engen semantischen Begriff verstanden werden, sondern in einem juristischen Sinne. Auch die Normen des BGB (§§ 762, 763) werden durchaus auf wirtschaftliche Vorgänge angewandt, obwohl sie vordergründig das Spiel in seinem engeren Sinne regeln. Entscheidend ist bei alledem nicht die Motivationslage, entweder durch Spielgewinne einen Spekulationserfolg erreichen oder ganz im Gegenteil einen absichernden Charakter erzielen zu wollen (Hedge-Geschäfte), sondern die Technik, in der sich diese Vorgänge vollziehen. Für die Umsatzsteuer ist allein ausschlaggebend, ob ein Leistungsaustausch feststellbar ist, nicht aber, welches Ziel die Beteiligten mit dem jeweiligen Vorgang verfolgen.
2.
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Nationales Recht
Die Diskussion im nationalen Recht folgte stringent der zuvor dargelegten Sichtweise. Beim Fehlen eines Leistungsaustausches, das insbesondere bei Future-Geschäften festzustellen ist, bestehen keine steuerbaren Umsätze. Es kommt also auch nicht darauf an, auf welches Objekt das Geschäft gerichtet ist (Finanzinstrument oder Ware), sondern nur darauf, ob mit dem Vorgang Waren oder Rechte erworben werden sollen oder nur eine Gelddifferenz angestrebt wird. Durch die schon erwähnten Gesetzesänderungen folgt das deutsche Recht in § 4 Nr. 8 UStG zudem weitgehend wortlautgleich den Befreiungsvorgaben der 6. EG-Richtlinie, nämlich für ■ die Umsätze im Geschäft mit Forderungen (Buchst. c), ■ die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren (Buchst. e) und ■ die Übernahme von Verbindlichkeiten und anderen Sicherheiten (Buchst. g). Die Tragweite dieser Steuerbefreiungen wird nur dann deutlich, wenn man die Fassungen des Gesetzes betrachtet, die noch in den 1980er Jahren galten und die durchgängig davon sprachen, dass die Umsätze „von“ Finanzinstrumenten befreit waren. Die Anpassung an das EG-Recht und die damit verbundene Ausweitung des Wortlauts, die gleichsam auch das Umfeld solcher Finanzumsätze einbezieht, ermöglichte es, Transaktionen einzubeziehen, die nicht direkt den Umsatz von Forderungen, Wertpapieren, etc. vorsehen, sondern in dem besagten Umfeld ange-
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siedelt sind. Dies gilt etwa für Optionen, die nicht das Finanzinstrument selbst auf einen neuen Rechtsträger übertragen, sondern gleichsam Vorbereitungsgeschäfte sind und den Umsatz des Finanzinstrumentes selbst noch nicht darstellen. Eine wichtige Änderung brachte auch die Gesetzesänderung zum 01.01.2002 mit sich, wodurch die Umsätze im Geschäft mit „Geld-“Forderungen dahingehend geändert wurden, dass nunmehr die Umsätze von Forderungen ganz allgemein befreit sind. Hintergrund war einerseits die Erkenntnis, dass die 6. EG-Richtlinie eine Einschränkung auf Geldforderung nicht vorsieht und andererseits die Notwendigkeit, auch Warentermingeschäfte in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung einzubeziehen. Theoretisch könnte dies bedeuten, dass nun auch Forderungen ganz allgemein befreit sind, selbst, wenn es sich um solche handelt, mit denen Waren oder Rechte eingefordert werden können. Hier bedarf es einer EG-rechtskonformen Auslegung, da Art. 135 Abs. 1 Buchst f MwStSystRl den Umsatz von Wertpapieren von der Befreiung wiederum ausschließt, wenn diese Warenpapiere sind. In einem europarechtlichen Verständnis muss dabei gesehen werden, dass der Begriff des Wertpapiers keineswegs eine solch klare Abgrenzung hat, wie er im deutschen Wertpapierrecht existiert. Das deutsche Recht macht einen klaren Unterschied zwischen unverbrieften Forderungen und Wertpapieren, der so in den Rechtsordnungen der meisten übrigen EGMitgliedstaaten nicht vorgesehen ist. Auch ist der an dieser Stelle verwandte Begriff der „Wertpapiere“ keineswegs eine korrekte Übersetzung, denn die anderen Sprachfassungen der Richtlinie verwenden hier allgemeinere Bezeichnungen (im Französischen beispielsweise „titre“). Hier existiert sicherlich ein Graubereich, doch kann das EG-Recht an dieser Stelle richtigerweise nur so verstanden werden, dass der Umsatz von Berechtigungen (ob wertpapiermäßig verbrieft oder nicht) steuerpflichtig ist, wenn diese Berechtigung gleichzeitig den Umsatz von Waren bewirkt, wie dies etwa bei den handelsrechtlichen Traditionspapieren der Fall ist. Mit anderen Worten enthält zwar § 4 Nr. 8 UStG den uneingeschränkten Gesetzesbefehl, den Umsatz von Forderungen ganz allgemein freizustellen. Damit schießt der Wortlaut der deutschen Norm allerdings über das hinaus, was nach der EG-Richtlinie intendiert ist. Eine richtlinienkonforme Auslegung kann daher nur dazu führen, dass Forderungen im Geschäft mit Finanztiteln der Befreiung unterliegen. Auch in Bezug auf Warentermingeschäfte schlägt eine solche Auslegung nicht fehl, da beispielsweise Optionsgeschäfte mit Waren oder auch mit Strom Finanzgeschäfte sind, die erst zum Warengeschäft werden, wenn die Option ausgeübt wird und ein Lieferanspruch auf die Ware entsteht. Der Umsatz der Ware selbst oder des sie verkörpernden unbedingten Rechts ist dann nach allgemeinen Grundsätzen steuerpflichtig.
III. 39
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Umsatzsteuer
Gründe für die Steuerbefreiungen
Obwohl die Steuerbefreiung der Finanzumsätze auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeht, gibt es kaum Versuche, den Grund dieser Befreiung nachvollziehbar herauszuarbeiten. Mit anderen Worten fragt sich, wo der gemeinsame Nenner der Finanzumsätze liegt und warum dieser eine Befreiung rechtfertigt bzw. erfordert. Die gängige Erklärung war in der Vergangenheit immer gewesen, dass diese Umsätze besonderen Steuern unterlagen, so dass die Befreiung im Bereich der Mehrwertsteuer eine Doppelbesteuerung verhindern wolle. Dieses Argument hat allerdings noch nie vollends getragen, denn 80
A.
2
Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem
im Bereich der Steuern auf Bankumsätze (Gesellschaftsteuer, Börsenumsatzsteuer, Wechselsteuer, Wertpapiersteuer, Schecksteuer) gab es zahlreiche Ausnahmen, und die Steuergegenstände waren mit denjenigen der Mehrwertsteuer nicht identisch. Das gleiche gilt für die Versicherungssteuer, die gerade im Bereich der Lebens-, Renten- und Krankenversicherung nicht anfällt, obwohl diese Versicherungsarten auch mehrwertsteuerbefreit sind. Das Argument der Vermeidung der Doppelbesteuerung kann, wenn überhaupt, somit nur cum grano salis verstanden werden. Auch die Rechtsprechung des EuGH ist an dieser Stelle eher minimalistisch. ■ In der Entscheidung CSC vom 13. Dezember 200112 heißt es, dass der Zweck der Befreiung in Artikel 13 B Lit. d der sechsten Richtlinie darin bestehe, praktische Schwierigkeiten bei der Besteuerung solcher Umsätze zu vermeiden und die Kreditkosten nicht zu erhöhen. ■ In der Rechtssache Velvet & Steel vom 19.04.200713 wird schon präziser darauf hingewiesen, dass es die Schwierigkeit in der „Bestimmung der Bemessungsgrundlagen“ sei, die (neben dem besagten Kostenargument) die Befreiung erfordere. ■ Die gleiche Formel taucht auch im Urteil Tiercé Ladbroke vom 14.05.200814 auf (Rn 24), findet allerdings dort eine bemerkenswerte Ergänzung: Soweit diese Schwierigkeiten nicht bestünden, gäbe es auch keinen Grund für eine Befreiung. ■ Das Urteil Swiss Re vom 22.10.200915 verweist wiederum auf Tiercé Ladbroke, so dass man von einer verfestigten Judikatur sprechen kann. Es zeigt sich, dass man in der EuGH-Rechtsprechung mehr oder weniger generalistisch an diese Fragestellung herangeht und nicht die Umsätze im Einzelnen auf ihren Befreiungsgrund untersucht, sondern im Wesentlichen das Element der Kreditgewährung herausgreift, um die Rechtfertigung der Befreiung der Finanzumsätze in ihrer Gesamtheit deutlich zu machen. Damit steht der EuGH – wie nachstehend zu zeigen sein wird – keineswegs allein, sondern hat dieser Erklärungsversuch selbst schon eine eigene lange Tradition. Dies wird auch sehr deutlich, wenn man einen mehr historischen Ansatz wählt. Quelle ist dabei die Diskussion in den 1960er-Jahren in Frankreich anlässlich der generellen Einführung der Mehrwertsteuer, die dort in weiten Teilen bereits auf das Jahr 1954 zurückgeht16. Dies ist deswegen wichtig, weil die Mehrwertsteuerbefreiung der Bankleistungen (ganz im Sinne der Vermeidung der Doppelbesteuerung) sich quasi als die Kehrseite einer damals dort existierenden speziellen Bankensteuer präsentierte17. Nach allem, was über die Entstehungsgeschichte der 6. EG-Richtlinie in diesem Punkt noch nachweisbar ist, dürfte es in der Tat zutreffen, dass der Katalog der Steuerbefreiungen in Art. 13 B Lit. d der Richtlinie aus französischer Feder stammt; der Wortlaut ist größtenteils identisch mit dem sog. Guieu-Papier18 vom September 1976.
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EuGH Urteil vom 13.12.2001, C-35/00, CSC, UR 2002, 84. EuGH Urteil vom 19.04.2007, C-455/05, Velvet & Steel, IStR 2007, 367. EuGH Urteil vom 14.05.2008, C-231/07, Tiercé Ladbroke. EuGH Urteil vom 22.10.2009, C-242/08, Swiss Re. Vgl. hierzu Amand/Lenoir, Vorsteueraufteilung durch Finanzdienstleister – Ein Beitrag aus belgischer und französischer Sicht –, UR 2007, 529. 17 Vgl. Artikel 261 CGI, Journal Officiel de la République Française (JO) vom 28.12.1967, S. 12796 ; diese Bankensteuer umfasste alle Leistungen eines Kreditinstituts als solchem, allerdings waren bestimmte Formen der Kreditgewährung durch Dekret wieder ausgenommen : Décret n° 67-455 vom 17.06.1967, JO vom 11.06.1967, S. 5828. 18 Guieu war Mitarbeiter des französischen Finanzministeriums. – n.v. –
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§2 46
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Umsatzsteuer
Dies vorausgeschickt, zeigt die Debatte in der französischen Nationalversammlung aus dem Jahr 1965, welche Gesichtspunkte den dortigen Gesetzgeber zur Schaffung der Steuerbefreiung der Finanzumsätze bewogen haben: ■ Der damalige Finanzminister Giscard d’Estaing weist namentlich darauf hin, dass diese Umsätze einerseits der Spezialsteuer unterlägen, andererseits von hoher Komplexität geprägt seien, vor allem aber normalerweise außerhalb des Produktionszyklus liegen, der zu Lieferungen oder sonstigen Leistungen führe. Mit anderen Worten ist es wohl der Gedanke, dass die Kosten eines Finanzumsatzes nicht zur Mehrwertentstehung und damit zur „Steuerwürdigkeit“ beitragen. ■ Deutlicher wird in der gleichen Debatte Louis Vallon19. Auch er weist auf die Komplexität einer Besteuerung hin und, ähnlich wie der EuGH heutzutage, auf die Notwendigkeit, eine Zinsverteuerung zu vermeiden. Wichtig ist allerdings sein im Zusammenhang mit dem Komplexitätsargument vorgebrachter Gesichtspunkt, dass weder die seinerzeitige Bankensteuer, noch die Mehrwertsteuer, um deren Einführung es ging, das erfassen würde, was die „eigentliche Vergütung der Bank“ darstelle, nämlich die Zinsmarge20. Vor allen Dingen wird in den Ausführungen Vallons deutlich, dass die Frage der Steuerbefreiung der Finanzumsätze nicht von derjenigen der Bemessungsgrundlage getrennt werden kann21. Sowohl das Argument fehlender Kohärenz im Mehrwertentstehungszyklus, als auch dasjenige der Schwierigkeit, die richtige Bemessungsgrundlage zu finden, ist heute so richtig wie in den 1960er-Jahren, aber auch genauso ungelöst. Vieles spricht dafür, dass eine Margenbetrachtung für bestimmte Finanzumsätze die richtige Angehensweise wäre, insbesondere für diejenigen Umsätze, bei denen sich die Bank selbst eindecken muss (Kreditgewährungen, Wertpapierumsätze, Sortengeschäft, Devisengeschäft etc.22). Dies ist offensichtlich auch die Sichtweise des EuGH, wie namentlich aus der Entscheidung in der Rechtsache First National Bank of Chicago vom 14.07.199823 deutlich wird. Allerdings entstünden bei einer solchen Sichtweise zahlreiche neue praktische und rechtliche Probleme, die zurzeit noch nicht gelöst sind und die letztlich nur bewältigt werden könnten, wenn man die Finanzumsätze einem speziellen Regime innerhalb der Mehrwertsteuer unterwerfen würde. Hierzu besteht ersichtlichermaßen auf absehbare Zeit kein politischer Wille, es sei denn, es würden sich die Befürworter einer neuerlichen Börsenumsatzsteuer durchsetzen. Dann nämlich wäre es aus den vorgenannten Gründen schon fast zwingend, diese in die Mehrwertsteuer als pauschalierte Margenbesteuerung zu integrieren. Analoges müsste dann auch für die Versicherungsteuer gelten.
19 Rapporteur Général de la Commission des Finances de l’Èconomie Génerale et du Plan. 20 Zur vorstehenden Debatte: Stenografischer Bericht der Assemblée Nationale, Première Séance du 23 juillet 1965, S. 2366 ff. 21 Dazu auch noch nachstehend Johannes Popitz; Amand/Lenoir, Vorsteueraufteilung durch Finanzdienstleister – Ein Beitrag aus belgischer und französischer Sicht –, UR 2007, 529.. 22 Dazu Hahne/Hamacher, Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten: das BMF-Schreiben zum „neuen Bankenschlüssel“ – Zweifelsfragen und Gestaltungsprobleme für die Besteuerung –, UR 2006, 129; Grundt/Hamacher, Le Pro-rata de déduction de TVA par les organismes financiers en Allemagne, REVUE DE DROIT FISCAL N° 15, 2007, 9. 23 EuGH Urteil vom 14.07.1998, C-172/95, First National Bank of Chicago.
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A.
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Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem
Fazit: ■ Der Ausgangspunkt für die Befreiung der Finanzumsätze und zugleich ihre Definition ist – bei aller Unschärfe im Einzelnen – der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Doppelbesteuerung. ■ Es treten ökonomische und dogmatische Aspekte hinzu: Vermeidung einer Erhöhung der Kreditzinsen und Zweifel daran, ob die Kreditzinsen die Besteuerungsgrundlage beeinflussen dürfen. Es ist aber vor allem die Schwierigkeit der Findung einer adäquaten Bemessungsgrundlage, zumindest für einige wichtige Umsatzarten aus diesem Bereich, die die Befreiung bislang erforderte. Dies wird nachstehend noch im einzelnen dargelegt.
IV.
Einzelne Steuerbefreiungen nach europäischem und nationalem Recht
1.
Grund für die Steuerbefreiung der Kreditgewährung
Es gibt nur eine unzureichend dokumentierte rechtliche Historie der einzelnen Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 8 UStG. Dies gilt allerdings gerade nicht für den Bereich der Kreditgewährung. Denn hier waren die Ziele des Gesetzgebers sowohl auf der ursprünglich nationalen Ebene als auch später in dem Bereich des europäischen Rechts stets klar: Die Befreiung der Kreditgewährung war als § 2 Nr. 2 bereits im deutschen Umsatzsteuergesetz von 1918/19 enthalten. Die Begründung24 führt hierzu aus: „Nr. 2 will das Bank- und Kreditgewerbe vor einer Überbelastung sichern. Es wird bereits durch die verschiedenen Stempelsteuern des Reichsstempelsteuergesetzes getroffen und muss daher von der Umsatzsteuer befreit bleiben“. Direkter noch bringt dies Popitz in seinem Kommentar zum Umsatzsteuergesetz von 1928 auf den Punkt 25: „Für die steuerliche Erfassung der Bankgeschäfte den Umsatz zugrunde zu legen, wäre völlig ungeeignet. Es liegt in der Natur der Bankgeschäfte, dass bei ihnen Umsatz und Ertrag in keinerlei fassbarem Verhältnis steht, also ohne Überwälzung das Geschäft die Belastung nicht tragen kann. Jede Belastung muss aber bei der Leichtigkeit mit der der Geldverkehr sich anpassen kann, zu Umstellungen führen. Die Bank- und Börsengeschäfte lassen sich daher in eine allgemeine Umsatzsteuer nicht einzwingen, ihre Belastung muss vielmehr durch besondere, der Natur des Geldverkehrs angepasste Verkehrsteuern geschehen, die im Kapitalverkehrsteuergesetz enthalten sind.
24 vgl. Reichstagsdrucksache 14/18, 1461, S. 31. 25 Popitz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Auflage, 1928, S. 519; Reichstagsdrucksache 14/18, 1461, S. 31; für die 6. EG-Richtlinie: Hutchings, Bank- und Finanzgeschäfte und die Mehrwertsteuer, Kommission der europäischen Gemeinschaften, Generaldirektion Binnenmarkt und Rechtsangleichung, Dokument Nr. XIV/D/3 vom Juni 1971, S. 55 f.; Terra/Kajus, VAT, S. 114.7 f.
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Aus diesen Erwägungen kann aber nicht eine völlige Befreiung der Bank- und Börsengeschäfte hergeleitet werden (...), vielmehr nur die Befreiung solcher Geschäfte, bei denen sich der Steuergegenstand mit dem umgesetzten Kapitalbetrag decken würde, also der Lieferungsgeschäfte über Geld, Wertpapiere usw. Dagegen steht der Bankier nicht anders wie jeder Vermittler da, wenn er Geschäfte für den anderen in dessen Namen besorgt, Geld verwahrt usw.26“ Bereits hier wird also wiederum deutlich, dass die Steuerbefreiung für bestimmte Bankumsätze auf zwei Gesichtspunkten beruht: ■ Vermeidung der Doppelbesteuerung mit speziellen Verkehrssteuern (dieser Gesichtspunkt ist angesichts des Wegfalls der Kapitalverkehrsteuer, der Börsenumsatzsteuer, der Wechselsteuer und der früheren Schecksteuer nicht mehr gegeben) und ■ mangelnde technische bzw. wirtschaftspolitische Eignung einer Umsatzbesteuerung im Geld- und Kapitalbereich. Letzterer Gesichtspunkt ist auch der, der für die europarechtliche heutige Grundlage in Artikel 13 B Buchst. d Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie ausschlaggebend war. Zwar enthält die Begründung zur 6. EG-Richtlinie für die Frage der Fundierung der Steuerbefreiungen in diesem Sektor keine erhellenden Gesichtspunkte. Bekannt ist aber, dass der gesamten Diskussion um die Behandlung der Bank- und Finanzumsätze der sogenannte Hutchings-Bericht des Jahres 1971 zugrunde lag27. Hutchings führt aus, dass die Befreiung der Kreditgeschäfte in erster Linie darauf zu beruhen habe, dass eine Erhöhung der Kreditkosten für Private vermieden werden müsse. Eine solche Erhöhung der Kreditkosten sei sowohl volkswirtschaftlich schädlich, da sie konjunkturdämpfend wirke, als auch schädlich für den Staat selbst, da eine Erhöhung der Kreditkosten über die Mehrwertsteuer die Staatsverschuldung steigen lasse. Dass dieser Grundgedanke des Hutchings-Berichtes für die gesamte folgende Diskussion prägend war, ist an anderer Stelle ausführlich dokumentiert28. Damit kann festgehalten werden, dass der Grund für die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 8 a UStG in erster Linie darin begründet liegt, die volkswirtschaftliche Schädlichkeit einer Erhöhung der Kosten für die Inanspruchnahme von Kredit zu vermeiden. So gesehen handelt es sich hierbei also um eine Steuerbefreiung im Sinne der Popitz‘schen Definition, d. h. eine Steuerbefreiung aus technischen (das heißt hier staatspolitischen und wirtschaftspolitischen) Gründen.
2. 60
Umsatzsteuer
Grund für die Steuerbefreiung des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs
Der Grund für die Steuerbefreiung des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs ist nicht dokumentiert. Die Befreiung der Bankumsätze beruht jedoch, wie schon ausgeführt, darauf ■ ■
Belastungen auszuschalten, die angesichts der Spezifität der Leistung dazu führen müssten, dass die Umsatzsteuer die Leistung überhaupt unterbindet oder dass ansonsten eine Doppelbesteuerung einträte.
26 Im gleichen Sinne: Franke, Die Geschichte der Reichs-Umsatzsteuer, 1941, S. 80. 27 Hutchings, Bank- und Finanzgeschäfte und die Mehrwertsteuer, Kommission der europäischen Gemeinschaften, Generaldirektion Binnenmarkt und Rechtsangleichung, Dokument Nr. XIV/D/3 von Juni 1971, S. 55 ff. 28 vgl. Terra/Kajus, VAT, S. 114.7 ff.
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Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem
Die Befreiung des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs wurde anders als die Kreditgewährung nicht bereits mit dem ersten reichseinheitlichen Umsatzsteuergesetz eingeführt, sondern erfolgte erst durch § 56 Abs. 1 der Umsatzsteuerdurchführungsbestimmungen von 192629. Vorangegangen war dem eine jahrelange Diskussion um die Frage, ob innerhalb der klassischen Bankdienstleistungen (heute der Anwendungsbereich von § 4 Nr. 8 UStG) Differenzierungen angebracht seien. Für die damalige Zeit war jedenfalls das Bestreben deutlich, solche Geschäfte, die als Annex zum zweifelsfrei befreiten Bereich (insbesondere Kreditgewährung und Wertpapierumsatz) gehörten, ebenfalls in die Befreiung einzubeziehen. Hinzu trat und tritt, dass sich der Zahlungsund Überweisungsverkehr damals, aber auch zum Teil noch heute, in den Formen von Scheck und Wechsel sowie anderen handelsrechtlichen Traditionspapieren vollzieht. Hier ist ein nahtloser Übergang zur Befreiung der Wertpapierumsätze zu sehen, denn es besteht in diesem Bereich in besonders krasser Weise die Gefahr, dass eine etwaige Umsatzsteuer nicht auf Transaktionsentgelte oder -margen zur Anwendung kommt, sondern auf die Scheck- und Wechselsumme selbst. Letzteres hätte zweifelsfrei dazu geführt, diese Traditionspapiere nicht mehr umlauffähig zu machen (damals gab es keinen Vorsteuerabzug!). Musste man die handelsrechtlichen Papiere also der Steuerbefreiung unterwerfen, so machte es keinen Sinn, die sich damals entwickelnden modernen Formen des Zahlungsverkehrs, die heute der Standard sind, hiervon auszugrenzen und zu besteuern. Signifikanterweise tritt an dieser Stelle auch der Gedanke der Vermeidung der Doppelbesteuerung hinzu, denn die genannten Handelspapiere unterlagen seinerzeit der Wechsel- und der Schecksteuer; beides Steuerarten, die nicht nur für diese Erscheinungsformen galten, sondern in umfassender Weise den Bereich der kaufmännischen Anweisung abdeckten. Dieser Ausgangspunkt der Steuerbefreiung ist auch im heutigen Wortlaut noch zu finden, der ausdrücklich das „Inkasso von Handelspapieren“ befreit, und zwar im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr in Buchst. d des § 4 Nr. 8 UStG. Der Sinn und Zweck der Steuerbefreiung von § 4 Nr. 8 d UStG kann daher nur darin gesehen werden, ausgehend von bestimmten Bereichen des Zahlungsverkehrs, die technisch einer Umsatzsteuer nicht zugänglich sind (Handelspapiere), den gesamten Bereich dieser Tätigkeit zu entlasten, um Abgrenzungsschwierigkeiten vorzubeugen und die Entwicklung moderner Zahlungsverkehrssysteme nicht zu behindern. Weiter ist zu beachten, dass gerade im Bereich der Wechsel ein Gebiet betreten wird, wo sich die Grenzziehungen zwischen Forderungsumsatz, Wertpapierumsatz und Kreditgewährung verwischen30. Dies wird insbesondere beim Diskont deutlich. So ist der Diskont bei der Annahme eines Wechsels durch die Bank einerseits Entgelt dafür, dass dem Wechseleinreicher gegen Indossament des Wechsels Kredit gewährt wird, andererseits hat der Diskont auch Elemente des Entgeltes für den Zahlungsverkehr, da der Wechsel gem. Art. 1 Nr. 2 WG von seinem Wesen her Zahlungsverkehrsmittel bleibt. Gleiches dürfte auch für den Scheck gelten (Art. 1 Nr. 2 ScheckG), bei dem ein Diskont zwar nicht üblich ist, jedoch auch vorkommen kann (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 KWG). Nicht nur die Wertpapiersumme selbst hat also von der Umsatzsteuer frei zu bleiben, da ihre Belastung die Umlauffähigkeit des Wertpapiers zunichte machen würde, sondern die gleiche Überlegung erstreckt sich auch auf die Teile der Wertpapiersumme, die im Wege des Diskonts 29 RGBl. I 1926, 323, 336. 30 Zur Einstufung des Wechsels als Kreditschöpfungsmittel: BFH/NV 1994, 417.
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etwa der Bank zufließen. Würde man nämlich insoweit eine Belastung vornehmen, so geschähe wiederum eine Belastung der Kreditschöpfung, die nach den oben aufgeführten grundsätzlichen Überlegungen im Rahmen der Umsatzsteuer nicht vorkommen darf. Die umsatzsteuerliche Befreiung des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs muss daher – will man nicht bestimmte Formen des Zahlungsverkehrs privilegieren und andere benachteiligen – als umfassend angelegt betrachtet werden. Wegen der oftmals gegebenen mangelnden Abgrenzbarkeit zu anderen zweifelsfrei von ihrer Natur her zu befreienden Bankleistungen, ist auch beim Zahlungs- und Überweisungsverkehr grundsätzlich eine umfassende Befreiung anzunehmen. Angesichts der fließenden Übergänge ist es in vielen Fällen nicht möglich und im Übrigen nicht sinnvoll, zwischen der Überweisungssumme und den für die Überweisung (bzw. Kreditgewährung) geschuldeten Entgelten zu unterscheiden. Beides muss vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers umsatzsteuerlich unbelastet bleiben. Folgendes tritt hinzu: Der Grund für die Steuerbefreiung des Zahlungsverkehrs muss auch darin gesehen werden, alle Schritte der Transportleistung von Buchgeld ebenso von der Umsatzsteuer auszunehmen, als würden Geldnoten oder –stücke selbst übergeben. Geld repräsentiert gewöhnlich die Gegenleistung im Umsatzsteuersystem, also die Bemessungsgrundlage, die nicht ihrerseits steuerbar sein kann; es ist der amtlich begründete Wertmesser und in diesem Zusammenhang keine Ware. Also dürfen auch die Hilfsleistungen, die diesen Geldverkehr bewirken, nicht belastet werden. Denn diese treten ja an die Stelle einer effektiven Geldübergabe. Der mehrwertsteuerliche Verbrauch liegt bereits in der Leistung selbst; eine Belastung des Gegenwertes würde so gesehen eine Doppelbesteuerung auslösen. Mithin sind alle Tätigkeiten, die dazu dienen, die besagte Transportleistung zu vollbringen, d. h. im Außenverhältnis zum Kunden den spezifischen Verbrauch „Transportleistung“ zu bewirken, solche, die nach dem Willen des Gesetzgebers umsatzsteuerlich unbelastet zu bleiben haben.
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Umsatzsteuer
Grund für die Steuerbefreiung des Einlagengeschäfts
Auch der Zweck der Steuerbefreiung des Einlagengeschäftes ist nicht näher dokumentiert. Das Einlagengeschäft stellt aber quasi das Spiegelbild der Kreditgewährung dar, denn es ist wichtiger Bestandteil des Passivgeschäftes, während die Kreditgewährung das klassische Aktivgeschäft darstellt. Die Kreditgewährung ist steuerbefreit, weil man aus währungs- und sozialpolitischen Gründen keine Zinssatzerhöhung durch eine Belastung mit Umsatzsteuer wollte31. Eine ähnliche Wirkung würde man aber erzeugen, wenn man das spiegelbildliche Geschäft hierzu, nämlich das Einlagengeschäft, der Umsatzsteuer unterwerfen würde. Denn dann wären sozusagen die Einstandskosten der Kreditinstitute für die Kreditgewährung höher, was sich zwangsläufig ebenfalls im Kreditzins niederschlagen müsste. Vom Sinn und Zweck der Steuerbefreiung her gesehen, ist es daher notwendig, dass die genannten Tätigkeiten steuerfrei bleiben, damit die genannten unerwünschten Wirkungen nicht eintreten.
31 Vgl. hierzu einerseits Popitz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Auflage, 1928, S. 519; Franke, Die Geschichte der Reichsumsatzsteuer, 1941, S. 80; Reichstagsdrucksache 14/18, 1461, S. 31; für die 6. EG-Richtlinie: Hutchings, Bank- und Finanzgeschäfte und die Mehrwertsteuer, Kommission der europäischen Gemeinschaften, Generaldirektion Binnenmarkt und Rechtsangleichung, Dokument Nr. XIV/D/3 vom Juni 1971, S. 55 f.; Terra/Kajus, VAT, S. 114.7 f.
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Die Einordnung der Termingeschäfte im Umsatzsteuersystem
Grund für die Steuerbefreiung der Wertpapier- und Devisengeschäfte und der Übertragung von Anteilen an Gesellschaften
Hier liegen die Gründe nach dem Vorgesagten auf der Hand, obwohl es auch hier keine dokumentierte Historie gibt: Bei Wertpapier- und Anteilsumsätzen ist es der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Doppelbesteuerung gegenüber der früheren Kapitalverkehrsteuer. Dies ging so weit, dass man früher annahm, der Wertpapierbegriff der USt sei mit demjenigen des KVStG identisch. Eine Ansicht, die nicht realisierte, dass dieser Begriff selbstredend nicht aus einem nationalen Gesetz herleitbar sein konnte, da er ja europarechtlich in der sechsten EG-Richtlinie vorgegeben war, also an sich nur autonomes Gemeinschaftsrecht darstellen konnte32. Wichtiger ist aber der Aspekt, das es keine taugliche Bemessungsgrundlage gegeben hätte. Würde man hier auf den Bruttoumsatz abstellen, würde das Geschäft mit Privaten, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, zum Erliegen kommen. Letzterer Gesichtspunkt ist auch der allein tragende im Bereich der Devisenumsätze. Taugliche Bemessungsgrundlage könnte hier allenfalls eine Marge, als der aus dem Umsatz erzielte Ertrag, sein33, für die aber keine ausdrückliche Rechtsgrundlage existiert.
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Grund für die Steuerbefreiung der Verwaltung von Sondervermögen
Die Finanzverwaltung hat sich zu der Frage der Unternehmereigenschaft eines Sondervermögens lange Zeit nicht ausdrücklich geäußert. In einer Verfügung der OFD Frankfurt vom 16.06.2009 findet sich die Aussage, dass aus „der Vorschrift des § 4 Nr. 8h UStG ... nicht die Unternehmereigenschaft des Sondervermögens bzw. Teilgesellschaftsvermögens abgeleitet werden“ kann34. An letzterer Stelle wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Verwaltung eines Sondervermögens als steuerbarer Leistungsaustausch anzusehen ist, wobei es dahinstehen könne, ob im Einzelfall die Miteigentums- oder Treuhandlösung verwirklicht worden ist. In der Rdvfg. der OFD Frankfurt vom 16.06.2009 findet sich die Aussage, dass der Leistungsaustausch (Verwaltungsumsatz) zwischen Kapitalanlagegesellschaft und den Anteilseignern stattfinden soll35. Der BFH hat sich nur im Urteil vom 10.12.198136 grundsätzlich zum Leistungsaustausch bei Investmentfonds geäußert. Das Urteil betrifft den Rechtszustand vor Inkrafttreten des UStG 1980, mit dem die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 h UStG eingeführt wurde. Der BFH hält demzufolge die Verwaltungstätigkeit für eine Leistung gegenüber den Anteilsinhabern, die von der Kapitalanlagegesellschaft bewirkt werde. Unbeachtlich sei die Eigentümerstellung der Anteilsinhaber 32 die Ansicht wurde erstmals durch das BMF-Schreiben vom 21.9.1990, IV A 3-S 7160-13/90, UR 1990, 364 (Asset Backed Securities) aufgegeben. 33 EuGH Urteil vom 14.07.1998, C-172/95, First National Bank of Chicago, UR 1998, 456. 34 OFD. Frankfurt/M., Rdvfg. vom 16.06.2009, Az. S 7104 A – 61 – St 110, UR 2009, 739. 35 OFD. Frankfurt/M., Rdvfg. vom 16.06.2009, Az. S 7104 A – 61 – St 110, UR 2009, 739. 36 BStBl. II 1982, 178.
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B.
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am Sondervermögen. Ausschlaggebend für den BFH ist, dass die wirtschaftlichen Folgen der Verwaltung des Sondervermögens durch die Kapitalanlagegesellschaft allein die Anteilsinhaber träfen. Die Tätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft sei daher nicht eine Verwaltung eigenen Vermögens und damit kein nicht steuerbarer Innenumsatz. Auch in dieser Entscheidung klingt an keiner Stelle die Möglichkeit an, dass Umsätze zwischen dem Sondervermögen und den Anteilsinhabern getätigt werden könnten, vielmehr folgt aus den zuvor wiedergegebenen Kernsätzen, dass mit diesen allein ein Leistungsaustausch der Kapitalanlagegesellschaft an die Anteilseigner unter Hinwegdenken des Sondervermögens möglich erscheint. Gleiches folgt auch aus dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 02.03.200537. Dort heißt es, dass die Leistungen eines Dienstleisters (einer schweizerischen Bank) gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft erbracht würden und es sich dabei im Ergebnis um Verwaltungsleistungen i. S. von § 4 Nr. 8 h UStG handle. Auch hier spielt also das Sondervermögen selbst keine Rolle.
B.
Geschäftsarten
I.
Optionen
1.
Inhalt der Geschäfte
Zum Inhalt von Optionsgeschäften wird verwiesen auf die Ausführungen in der Einführung und unter § 1 A.I.2.
2.
Umsatzsteuer
a)
Differenzgeschäft bei börsenmäßigen Optionen
Angesichts der Tatsache, dass es bei börsenmäßigen Optionen regelmäßig nicht zu einer Belieferung, sondern zu einer Differenzerzielung kommt, ist es unseres Erachtens gerechtfertigt, das gesamte Geschäft vom Abschluss der Option (erster Geschäftsteilakt) bis zur Realisierung der Differenz durch Abschluss des Glattstellungsgeschäftes als Geschäft nach Art eines verdeckten Differenzgeschäftes gemäß §§ 762, 117 Abs. 2 BGB anzusehen. Man käme dann zu der Bewertung, dass die äußerlich abgeschlossenen Optionsgeschäfte nur Scheingeschäfte sind, und dass es in Wirklichkeit ausschließlich um einen Differenzausgleich geht. Aus der Rechtsprechung des BFH ergäbe sich dann, dass umsatzsteuerbare Leistungen nicht vorliegen. Bislang hat die ertragsteuerliche Rechtsprechung allerdings bei Optionsgeschäften auf dem Standpunkt gestanden, dass die durch die Prämie abgegoltene Bindung des Verkäufers kein bloßes Scheingeschäft ist, sondern tatsächlich erbracht wird. Folglich lagen beim Stillhalter bis zum 31.12.2008 Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG vor38. Maßgebend war hierfür die Erkenntnis, dass 37 DStRE 2005, 1224. 38 seit 1.1.2009: § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG.
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2
B. Geschäftsarten zumindest steuerrechtlich von einer Trennung zwischen Options- und Erfüllungsphase eines Optionsgeschäftes auszugehen ist und Zahlungen bzw. Lieferungen beider Phasen nicht zu einer Einheit zusammengezogen werden können. Um diese Fragestellung geht es jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht. Vielmehr ist hier eine andere Prüfungsebene maßgeblich. Sicherlich ist beim herkömmlichen Optionsgeschäft eine Unterscheidung zwischen Options- und Ausübungsphase zu machen. Das Besondere an den über eine Terminbörse gehandelten Kontrakten ist jedoch, dass es zur Ausübung nur in seltenen Ausnahmefällen kommen soll. In Wirklichkeit geht es den Beteiligten vielmehr um eine Differenzerzielung aus den Optionspreisen des ursprünglichen Kontraktes (erster Geschäftsteilakt) und des Glattstellungsgeschäftes (zweiter Geschäftsteilakt). Prüfungsebene hier ist nicht das Verhältnis von Options- und Ausübungsphase einer Option, sondern der Zusammenhang zweier Optionsphasen eines wirtschaftlich einheitlichen Gesamtgeschehens, das aus zwei Teilakten besteht. Dass diese beiden Teilakte nicht wie zwei selbständige Optionen getrennt voneinander betrachtet werden können, zeigt der Umstand, dass der „Verkäufer“ des Glattstellungsgeschäfts nicht das für einen Verkäufer typische Risiko einer Kursentwicklung über bestimmte Zeit läuft. Vielmehr entsteht und erlischt seine Position nahezu gleichzeitig, getrennt nur durch die logische Sekunde des Zustandekommens des Verrechnungsvertrages. Die von ihm zu beanspruchende Prämie ist nicht mehr Ausgleich für eine einseitige Bindung, sondern eine Zahlung, die Ausfluss eines bloß technischen Vorgangs ist. Dieser erscheint zwar in der äußerlichen Form einer gegenläufigen Option, ist aber tatsächlich nur Mittel, die Option des ersten Teilaktes aufzuheben. Beim gewöhnlichen Differenzgeschäft verdecken zwei Kaufverträge das in Wirklichkeit gewollte Geschäft der Differenzherstellung. Analog dazu ist es hier so, dass die abgeschlossenen Optionsvereinbarungen ebenfalls nur eine Differenzabsicht verdecken. Nicht gegen die Annahme eines Differenzgeschäfts spricht, dass das verdeckende Geschäft im Sinne von § 117 Abs. 2 BGB im vorliegenden Falle ein Optionsgeschäft ist. Als verdeckendes Geschäft kann vielmehr jede Vertragsform in Betracht kommen. Es spricht auch nicht gegen die Annahme eines Differenzgeschäftes, dass nicht lediglich ein einmaliger Differenzausgleich erfolgt, sondern sich die Differenz aus dem Unterschied zweier Zahlungen (Optionspreis im ersten Geschäftsteilakt und Optionspreis im zweiten Geschäftsteilakt) ergibt. Dies sind Äußerlichkeiten, die mit abrechnungstechnischen Gegebenheiten zusammenhängen; solche Gegebenheiten vermögen die rechtliche Qualifikation nicht zu beeinflussen. Festzuhalten ist auch hier, dass die überwiegende Mehrzahl der Beweisanzeichen, die die Zivilgerichte entwickelt haben und die durch den BFH aufgegriffen wurden (vgl. § 1 B IV 3) für eine Differenzerzielungsabsicht der Beteiligten spricht, so dass man bei Anlegung dieser Kriterien zum Vorliegen eines verdeckten Differenzgeschäftes mit der Folge der Nichtsteuerbarkeit des erzielten Optionspreises kommt. Rückveräußerung ? Die Regelungen über Veräußerungsgeschäfte kommen, wie bei Optionsgeschäften überhaupt, nur im Verhältnis von Verkäufer und Käufer zur Anwendung (nämlich allenfalls dann, wenn der Käufer seine Berechtigung an einen Dritten weiterveräußert). Der Grund hierfür liegt darin, dass der Abschluss des glattstellenden Geschäftes nicht als Rückveräußerung einer erworbenen Option an den Verkäufer angesehen werden kann, sondern, wie dargelegt, als weiteres, gegenläufiges Geschäft. Die rechtsgeschäftlichen Erklärungen derjenigen, die Vertragspartner der Opening-Transaktion sind, sind eindeutig darauf gerichtet, ein entgegen gerichtetes, glatt-
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stellendes Geschäft zu schließen, nicht jedoch die im ersten Geschäftsteilakt erworbene Position zurück übertragen. Diesen rechtsgeschäftlichen Erklärungen folgt für das Steuerrecht auch die Rechtsprechung, wie sich aus den erwähnten BFH-Urteilen39 ergibt. Auch in diesen Fällen, in denen äußerlich Kaufverträge abgeschlossen wurden, ist der BFH nämlich nicht davon ausgegangen, dass das glattstellende Geschäft durch eine Rückveräußerung des Anspruchs aus § 433 Abs. 1 BGB an den Verkäufer vollzogen wird, sondern parallel zu den vorliegenden Fällen durch Abschluss eines weiteren entgegen gerichteten Kaufvertrages mit sich auch hier anschließendem Verrechnungsvertrag. Dieser grundsätzlichen Bewertung von Differenzgeschäften werden Auffassungen nicht gerecht, die im Glattstellungsgeschäft eine „Rückveräußerung“ der erworbenen Position des Berechtigten sehen40. Sicherlich ist es so, dass sich das gewollte Ergebnis der Differenzerzielung auch durch eine Rückveräußerung der Rechtsposition erzielen ließe. Die Willenserklärungen der Beteiligten sind jedoch eindeutig auf die Begründung einer weiteren (glattstellenden) Option gerichtet. Dies schon allein deswegen, weil an einer Terminbörse eben nur Optionen abgeschlossen werden können und nicht auch Rückveräußerungsverträge. Die Begründung einer Option an einer Terminbörse ist an sich neutral, erst durch die Kennzeichnung als Opening oder Closing- Transaktion wird die weitere Rechtsfolge (nämlich Beginn des Laufs einer Options oder im Gegenteil deren Beendigung) ausgelöst. Es ist auch nicht so, dass die Geschäftsbeendigung durch Abschluss einer gegenläufigen, glattstellenden Option gegenüber einer Rückveräußerung die unangemessenere rechtliche Gestaltung im Sinne von § 42 AO darstellen würde. Vielmehr wären beide zivilrechtlichen Gestaltungsformen in gleicher Weise zur Erreichung des wirtschaftlichen Ziels geeignet und angemessen. Bei dieser Sachlage kann es aber nur auf das von den Beteiligten Erklärte ankommen, nicht jedoch auf eine rechtliche Gestaltung, die zwar denkbar wäre, aber gerade nicht gewollt und vom Regelungssystem einer Terminbörse auch nicht vorgesehen ist. Die Unterstellung einer Rückveräußerung rückt so in die bedenkliche Nähe der so genannten „Tatbestandsbeurteilung“ früherer, überwundener Rechtswirklichkeit (§ 1 Abs. 3 Steueranpassungsgesetz). bb) Die BFH-Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht Für die Ertragsteuern hat sich der BFH insbesondere in zwei Urteilen weder der hier vertretenen Auffassung noch derjenigen von der Rückveräußerung angeschlossen. Auf diese Rechtsprechung wurde schon zu Beginn der Abhandlung hingewiesen (§ 1 B I 2). Sie ist hier nochmals aufzugreifen um zu verdeutlichen, dass von ihr keine Auswirkungen auf die Umsatzsteuer ausgehen. Wie unter § 1 A.I.2 dargestellt, hat der BFH die Glattstellung von Transaktionen an der EUREX als privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 EStG behandelt. In der Sache hat er sich allerdings nicht mit der hier vorgeschlagenen Systematisierung auseinandergesetzt, sondern vielmehr sein Ergebnis unter Rückgriff auf den Verfügungsbegriff der §§ 135 ff. BGB gefunden. Die Systematik von § 23 EStG (der Zusammenhang aus Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft) ist aber nicht diejenige Betrachtungsweise, die für die Umsatzsteuer von Bedeutung ist. Für die Umsatzsteuer geht es um die Frage, ob ein Optionsgeschäft eine sonstige Leistung darstellt, oder ob das Gesamtgeschehen als nicht steuerbares Differenzgeschäft (wie bei Futures) einzustufen ist. Sicherlich ist eine Option außerhalb des Bereichs der Termingeschäftsbörsen eine sonstige Leistung, jedoch liegt das Wesen dieser Börsen grade darin, dass sich jeder der 39 BStBI. II 1982, 618; 1988, 248. 40 so die Finanzverwaltung seit dem BMF Schreiben vom 10.11.1994, BStBl. I 1994, 816.
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B. Geschäftsarten Beteiligten - also auch der Stillhalter - jederzeit aus seiner Position befreien kann. Allein dieser Umstand zeigt, dass hier in Wirklichkeit keine einseitige Bindung wie beim gewöhnlichen Optionsgeschäft gegeben ist, denn sonst bedürfte es der Zustimmung des anderen Vertragspartners. Festzuhalten bleibt daher, dass es bis jetzt, soweit ersichtlich, keine Entscheidung der Finanzgerichte zu der hier behandelten umsatzsteuerlichen Frage gibt. Gleiches gilt für die Rechtsprechung des EuGH. cc)
EG-rechtliche Implikationen
Auch Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1777/05/EG vom 17.10.200541 führt an dieser Stelle nicht weiter. Danach ist zwar durch Verordnungsrecht (das mithin unmittelbare nationale Geltung hat) angeordnet, dass eine Option eine Dienstleistung ist, jedoch gilt dies nach dem Wortlaut nur für Optionen im Bereich des Umsatzes im Geschäft mit Wertpapieren. Außerdem geht es hier um die vorgreifliche Frage, ob denn überhaupt eine Option im genannten Sinne vorliegt oder die „Optionen“ nur Gradmesser einer Abschlusszahlung sind. Zieht man die allgemeine Rechtsprechung des EuGH zum Leistungsbegriff heran, so ergibt sich allerdings, dass eine Leistung nur dann vorliegt, wenn mit ihr ein Verbrauch/Mehrwert vermittelt wird, für den die andere Partei eine Gegenleistung bewirkt42. Dies wird man bei der nicht börsengehandelten Option so zu sehen haben, da der Stillhalter gegen Entrichtung der Prämie ein Risiko übernimmt. Anders hier: Das Risiko, ausgeübt zu werden, läuft der Stillhalter an der Terminbörse nicht wirklich, da er stets die Möglichkeit hat, ein glattstellendes Geschäft zu tätigen und seine Verpflichtung aufzugeben. Auch der wirtschaftliche Gegenkontrahent geht - zumindest für eine logische Sekunde – am Ende des Geschäfts eine Stillhalterposition ein, jedoch nur zu dem Zweck, die ursprüngliche Position technisch beenden zu können. Zieht man dieses Gesamtgeschehen heran, so geht es nicht darum, der anderen wirtschaftlichen Partei ein Risiko auf Zeit abzunehmen, sondern, wie schon gesagt, darum, die Preise von Optionen zu „spielen“. Wir sind der Auffassung, dass in dieser Vorgehensweise nicht die für einen Leistungsaustausch typische Gegenseitigkeit der Gewährung eines Verbrauchs gegen Entrichtung eines Entgelt gesehen werden kann.
b)
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Befreiung bei Verneinung eines Differenzgeschäftes
Folgt man dieser Auffassung nicht, so würden die Grundsätze über die Behandlung der herkömmlichen Form des Wertpapieroptionsgeschäfts greifen. Danach wäre der Abschluss der Geschäfte selbst zwar steuerbar, aber gemäß § 4 Nr. 8 e UStG steuerfrei. Vordergründig könnte man sagen, dass mit dieser Feststellung doch das Problem für die Marktteilnehmer erledigt sei. Die Unterschiede von Nichtsteuerbarkeit versus Steuerbefreiung zeigen sich aber namentlich im Bereich der Berechnung des Vorsteuerabzugs (dazu noch unter D.).
41 Abl. EG 2005 Nr. L288, Seite 1. 42 Grundlegend EuGH Urteil vom 29.02.1996, C-215/94, Mohr, DStR 1996, 421 und vom 18.12.1997, C-384/95, Landboden, UVR 1898, 51.
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§2
Umsatzsteuer
II.
Index-Optionen
1.
Inhalt der Geschäfte
Durch einen solchen Optionsvertrag wird dem Berechtigten das Recht eingeräumt, innerhalb einer festgesetzten Frist zu verlangen, dass ihm ein bestimmbarer Geldbetrag bei Ausübung der Option gezahlt wird. Dieser Betrag ergibt sich aus der Multiplikation einer bestimmten, im Voraus vereinbarten Geldsumme mit der Differenz eines Index zwischen dem Tag des Abschlusses und dem Tag der Ausübung. Der Stillhalter erhält bei Abschluss des Geschäfts eine Optionsprämie. Für den Berechtigten ergibt sich also erst dann ein wirtschaftlicher Erfolg durch Ausübung der Option, wenn sich der Index in der von ihm erwarteten Richtung entwickelt hat und die mit dem Steigerungsbetrag multiplizierte Geldsumme die Optionsprämie übersteigt. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte43hat den Kern des Optionsgeschäftes darin gesehen, dass der Stillhalter dem Berechtigten einen bedingten Anspruch verschafft. Streng genommen handelt es sich um eine doppelte Bedingung: ■ Im Fall der Kaufoption über Gegenstände muss der Wert des Optionsgegenstandes den zwischen den Parteien vereinbarten sogenannten Basispreis übersteigen (wirtschaftliche Bedingung) und ■ die Option muss ausgeübt werden (Potestativbedingung). Bei den hier in Rede stehenden Geschäften (Indexoptionen) ist, wie gesagt, eine effektive Belieferung nicht möglich. Vielmehr zahlt der Stillhalter lediglich eine Abstandssumme, die sich aus der Differenz zwischen vereinbartem Basispreis und Wert des Optionsgegenstandes (Gradmesser) zum Zeitpunkt der Ausübung der Option bestimmt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die durch die Rechtsprechung bestimmten Grundbedingungen für die Annahme eines Optionsgeschäftes, nämlich ■ eine für den Optionsberechtigten günstige Preisentwicklung und ■ die Ausübung der Option auch hier gegeben sind.
2.
Umsatzsteuer
a)
Rechtsprechung des BFH
Auf Grund des Umstands, dass es bei Index-Optionen also nicht zu einer Erfüllung durch Lieferung von Basiswerten kommen kann, hat der Bundesfinanzhof diese Geschäfte als Veranstaltung eines Spiels angesehen.
43 BGH UR 1980, 112, 113; RFHE 32, 318.
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2
B. Geschäftsarten Gegenstand des Spiels ist die Chance für die Berechtigten, je nach Kursentwicklung des Optionsgegenstandes eine Zahlung vom Stillhalter zu erhalten. Der Optionsgegenstand hat hier eigentlich nur die Funktion eines Gradmessers für die erwartete Abschlusszahlung. Diese Veranstaltung eines Spiels wurde für steuerbar erachtet44. In den entschiedenen Fällen kam das Gericht überdies zu einer Steuerpflicht der Geschäfte. Hieran kann jedoch heutzutage nicht mehr festgehalten werden, denn die Entscheidungen lagen sämtlich vor dem Inkrafttreten des Steuerbereinigungsgesetzes 1986, das § 4 Nr. 8 c UStG um die Optionsgeschäfte mit Geldforderungen erweiterte.
b)
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Die Sichtweise des BVerfG
Schon der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 198645 bestätigt, dass es für die Steuerbefreiungstatbestände nicht darauf ankommt, welche Rechtsform ein Geschäft hat, sondern dass vielmehr bestimmte Geschäftsbereiche (hier das Geldgeschäft) der Befreiungsnorm von § 4 Nr. 8 UStG unterliegen soll.
113
Man wird also auch vorliegend von einer Annexwirkung sprechen können, zumal auch hier die MwStSystRl vom Geschäft mit oder in bestimmten Gegenständen spricht.
114
c)
Die Gesetzesänderung
Ausweislich der Gesetzesbegründung46 zum Steuerbereinigungsgesetz 1986 ist Gegenstand des Optionsgeschäftes mit Geldforderungen (§ 4 Nr. 8 c UStG) das Recht, bestimmte Geldforderungen innerhalb einer bestimmten Frist zu einem festen Kurs geltend machen zu können. Hierdurch sollten insbesondere die Optionsgeschäfte mit Devisen in die Steuerbefreiung mit einbezogen werden. Bereits die Gesetzesbegründung beschränkt also den Gegenstand der hiernach befreiten Optionsgeschäfte nicht auf Geldforderungen in einer ausländischen Währung, sondern bezieht auch in Euro ausgedrückte Geldforderungen ein. Wenn aber sowohl der Wortlaut der Vorschrift als auch ihre Begründung inländische Geldforderungen als Gegenstand des steuerbefreiten Optionsgeschäftes nennen, so müssen auch Fälle der vorliegenden Art unter diese Befreiung fallen, denn ein anderer Anwendungsfall ist hierauf bezogen wohl kaum denkbar. Anders als im deutschen Gesetzestext, befreit Art. 13 B d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie (= Art 135 Abs. 1 d MwStSystRl) die Umsätze im Geschäft mit Forderungen. Dass diese weite Fassung bewusst gewählt worden ist, zeigt ein Vergleich mit dem Entwurf der 6. EG-Richtlinie47, der noch die Umsätze von Geldforderungen von der Besteuerung ausnehmen wollte. Wie die Endfassung zeigt, hat sich diese Formulierung offensichtlich als zu eng erwiesen. Auch der Finanzausschuss des Bundestages konzediert, dass der deutsche Gesetzestext die Richtlinie nicht voll ausgeschöpft. Nur so war eine Möglichkeit gegeben, überhaupt die Optionsgeschäfte mit Geldforderungen durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 zu befreien. 44 BFH BStBI. II 1986, 160; BFH/NV 1986, 183. 45 Die Steuerwarte 1986, 168. 46 Bericht des Finanzausschusses des Bundestages vom 10. Dezember 1985, zu Art. 14 Nr. 3d des Steuerbereinigungsgesetzes, BT-DR 10/4512, 1986. 47 BT-Drucksache 7/913, S. 11, rechte Spalte oben.
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§2
Damit wird der Sache nach der vorerwähnten Annextheorie des BVerfG Raum gegeben. Die Zielsetzung des Gesetzgebers kann daher nur so verstanden werden, dass sämtliche auf Geld gerichteten Finanzgeschäfte der Befreiung unterliegen sollen. Kennzeichen dieser Geschäfte ist, dass sie auf eine Geldzahlung bzw., im Vorfeld, auf die Entstehung einer Geldforderung gerichtet sind, soweit diese Zahlung nicht Entgelt einer Leistung (etwa Gegenleistung bei einer Lieferung) ist. Entscheidend für die Anwendbarkeit von § 4 Nr. 8 c UStG ist, dass sich das Risiko des Stillhalters auf eine Geldzahlung richtet. Zu den Umsätzen nach Buchstabe c gehören daher insbesondere diejenigen, bei denen der Leistungsgegenstand das Entstehen einer Geldforderung ist.
III.
(Index)Optionsscheine
1.
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von (Index)Optionsscheinen wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.b) (1)verwiesen.
2. 123
124
Umsatzsteuer
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Optionsscheinen erfolgt nach den für Index-Optionen geltenden Grundsätzen.
IV.
Zinsbegrenzungsverträge
1.
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Zinsabgrenzungsverträgen (Caps, Floors und Collars) wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.c)(1) verwiesen.
2. 125
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer
Unabhängig davon, ob der Zinsbegrenzungsvertrag eine konkrete Verbindlichkeit des Berechtigten betrifft oder ob der Zinsbegrenzungsvertrag nicht nur – wie stets – rechtlich, sondern auch wirtschaftlich von einer konkreten Verbindlichkeit des Berechtigten unabhängig ist, greift eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 g UStG unter den Gesichtspunkten der Übernahme einer Verbindlichkeit bzw. der einer Sicherheit in Form einer Garantie ein.
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2
B. Geschäftsarten
a)
Übernahme von Verbindlichkeiten
Es liegt eine Übernahme von Verbindlichkeiten vor, indem ein Teil der Zinsverpflichtungen seitens der Stillhalters übernommen wird. Hiergegen spricht nicht, dass die Übernahme der Verbindlichkeiten nur im Innenverhältnis der Beteiligten zueinander erfolgt, so dass keine befreiende Schulübernahme im Sinne von §§ 414 ff. BGB vorliegt, sondern unter Umständen nur eine Form der Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB48. Dem Gesetzeswortlaut – und dieser ist angesichts des Vorbehalts des Gesetzes allein maßgebend – ist keine Beschränkung auf die befreiende Schuldübernahme zu entnehmen. Eine solche Einengung wäre überdies vom Sinn der Befreiungsvorschrift nicht getragen. Dieser besteht maßgeblich darin, Verbindlichkeiten, die in der Regel Entgeltcharakter für einen zugrunde liegenden Leistungsaustausch haben und dementsprechend ihrerseits bereits Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz sind – soweit keine Steuerbefreiung eingreift -, nicht nochmals mit Umsatzsteuer zu belasten, wenn die Entgeltzahlung übernommen wird. So gesehen, macht eine Unterscheidung nach Schuldübernahmen im Innen- oder Außenverhältnis keinen Sinn. Die Umsatzsteuer stellt angesichts ihrer Tatbestandsbeschreibungen auch im Rahmen des Befreidungskatalogs von § 4 Nr. 8 UStG auf den wirtschaftlichen Gehalt der Vorgänge ab. Wirtschaftlich ist es aber unerheblich, ob das Entgelt – hier der Zins – unmittelbar an den Gläubiger gezahlt wird oder aber dem Schuldner zum Zweck der Erfüllung zur Verfügung gestellt wird.
b)
126
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Übernahme einer Sicherheit
Daneben unterfallen Zinsbegrenzungsverträge aber auch der genannten Befreiungsvorschrift unter dem Gesichtspunkt der Übernahme einer Sicherheit in Form einer Garantie. Die Übernahme einer Garantieverpflichtung ist als „ähnliche Sicherheit“ im Sinne der Vorschrift anzusehen49. Wesen einer Garantieverpflichtung ist ganz allgemein das Versprechen, für einen bestimmten Erfolg einzustehen50. Dabei soll der Garant nicht etwa den von ihm garantierten Erfolg selbst herbeiführen, sondern im Fall des Nichteintritts den wirtschaftlichen Ausfall des anderen decken51. Diese Voraussetzungen sind hier angesichts des Versprechens zur Abdeckung der Verzinsungsverpflichtung ab einer bestimmten Obergrenze gegeben. Auch in diesem Falle würde es keinen Sinn machen, auf eine Verpflichtung im Innen- oder im Außenverhältnis abzustellen52 . Nach einer Gegenauffassung53 würde die Steuerbefreiung hingegen nicht zum Zuge kommen, da der Kreditgläubiger keine vertragliche Beziehung zu dem Stillhalter des Zinsbegrenzungsvertrags unterhält. Die Gegenmeinung will den Begriff der Sicherheit und damit auch der Garantie in § 4 Nr. 8 g UStG auf die Fälle einschränken, die der Bürgschaft in dem Sinne vergleichbar sind, dass der Gläubiger auf den Verpflichteten aus der Sicherung direkt zugreifen kann.
48 49 50 51 52
zur entsprechenden Einordnung des vorliegenden Falles vgl. RGZ 129, 27, 29. FG Berlin EFG 1984, 635. BGH NJW 1960, 1567; WM 1961, 204. BGH WM 1968, 680; 1976, 977. so auch FG Baden-Württemberg UR 1985, 276; FG Düsseldorf UR 1989, 346; Rau/Dürrwächter § 4 Nr. 8 Rdnr. 236 ff., 240; für eine Zuordnung der Erfüllungsübernahme zu § 4 Nr. 8 UStG auch Philipowski, Monographie, Rdnr. 594 m. w. N.). 53 FG Berlin UR 1985, 274.
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§2
Dass diese Einschränkung nicht vorgenommen werden kann, zeigt jedenfalls eine richtlinienkonforme Auslegung. Wenn der deutsche Gesetzestext von Sicherheiten spricht, die der Bürgschaft ähnlich sind so ist dies eine nicht gerechtfertigte Einschränkung gegenüber dem zugrunde liegenden sekundären Gemeinschaftsrecht. Der deutsche Gesetzestext beruht auf Artikel 13 B d Nr. 2 der 6. EG Richtlinie (= Art 135 Abs. 1 c MwStSystRl). Dort wird ausdrücklich nur von anderen Sicherheiten und Garantien gesprochen. Wenn das sekundäre Gemeinschaftsrecht die Einschränkung einer Steuerbefreiungsnorm nicht kennt, so ist der nationale Gesetzgeber nicht berechtigt, den Tatbestand zu begrenzen. Es ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, einen Widerspruch zwischen den beiden Rechtskreise anzunehmen. Denn es ist möglich, den Begriff der ähnlichen Sicherheit durch richtlinienkonforme Interpretation mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen. Da das sekundäre Gemeinschaftsrecht in seiner Vorrangwirkung Bestandteil der innerstaatlich geltenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist54 muss der Richtlinientext zur Auslegung nationaler Rechtsvorschriften herangezogen werden55. Wenn es also nach der 6. EG-Richtlinie nicht darauf ankommt, dass die Sicherheit oder Garantie gerade der Bürgschaft ähnlich ist, so kann nicht gefordert werden, dass dem Kreditgläubiger gegen den Stillhalter ein Anspruch zusteht. Befreit sind im Sinne einer solchen Interpretation vielmehr alle Garantiezusagen, wenn sie nur das wirtschaftliche Risiko eines anderen abdecken. Ähnlichkeit zur Bürgschaft in diesem Sinne besteht also dadurch, dass ein Dreiecksverhältnis (Kreditgläubiger, Kreditschuldner, Garantiegeber) nicht in einem rechtlichen, sondern in einem wirtschaftlichen Sinne besteht. Dies entspricht auch dem Sinn der Befreiungsvorschrift, das wirtschaftliche Risiko eines anderen abzudecken. So gesehen kann es nicht darauf ankommen, ob der Garantierende auf Anfordern des Kreditgläubigers oder des Schuldners zahlt. Jedenfalls aufgrund einer richtlinienkonformen Interpretation unterfallen Zinsbegrenzungsverträge daher der Steuerbefreiung von § 4 Nr. 8 g UStG. Diese Sichtweise hat die Finanzverwaltung im DTB-Erlass bestätigt.
V.
Spreads, Straddles, Strangles
1.
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Spreads, Straddle und Strangles wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.d)(1) verwiesen.
2. 136
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Optionsscheinen erfolgt nach den für Optionen geltenden Grundsätzen.
54 vgl. BVerfG WM 1987, 146, 149. 55 so auch BFH BStBI. II 1981, 279; 1984, 499; 1985, 173; 1988, 557; 1989, 430; BVerwG NJW 1976, 494.
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2
B. Geschäftsarten
VI.
Capped Warrants
1.
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Capped Warrants wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.e)(1) verwiesen.
2.
Umsatzsteuer
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Capped Warrants erfolgt nach den für Optionen geltenden Grundsätzen.
VII.
Futures
1.
Inhalt der Geschäfte
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139
Wegen des Inhalts von Future-Geschäften wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.f)(1) verwiesen.
2.
137
Umsatzsteuer
Der Bundesfinanzhof folgt der Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. § 1 C.I.4.f)(2)) auch für das Steuerrecht. In zwei zur Einkommensteuer ergangenen Urteilen56 wertet der BFH solche Geschäfte steuerrechtlich als Spiel, auf das entweder § 762 BGB unmittelbar oder über § 117 Abs. 2 BGB mittelbar anzuwenden ist. Maßgeblich ist das verdeckte Geschäft, also das Spiel, was für das Steuerrecht auch aus § 41 Abs. 2 AO folgt. Für die Umsatzsteuer von besonderer Bedeutung ist die Ausführung in dem zuletzt genannten Urteil, wonach man zwar einen gegenseitigen Leistungsaustausch darin erblicken könnte, dass jeder der Vertragspartner dem anderen eine Chance einräumt, im Fall einer günstigen Kursentwicklung einen Gewinn in Höhe der Kursdifferenz zu erzielen. Hierfür wird jedoch, wie der BFH bestätigt, kein Entgelt gezahlt. Der Gewinner erhält vom Verlierer die Kursdifferenz ausgezahlt, weil der Kurs einen für den Gewinner günstigen Verlauf genommen hat. Diese Begründung ist ohne weiteres auf die Umsatzsteuer zu übertragen. In einer weiteren Entscheidung hat der BFH bestätigt, dass solche, zivilrechtlich als Differentgeschäft anzusehenden, Gestaltungen nicht umsatzsteuerbar sind57. In diese Richtung geht auch die Rechtsprechung des EuGH (vgl. oben A II 1). Dass es beim Abschluss von Differenzgeschäften an einem steuerbaren Leistungsaustausch fehlt, hat mit Verfügung vom 04.12.1974 bereits die OFD Hamburg festgestellt58 . Diese Verfügung ist aufgrund einer Protokollnotiz der Umsatzsteuerreferenten der Länder aus dem Jahre 197759 bundesweit anzuwenden. 56 BStBI. II 1982, 618; 1988, 248. 57 BFH BStBI II 1989, 39. 58 UR 1975, 80. 59 UR 1977, 241.
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§2
Umsatzsteuer
Vom Wortlaut her betrifft die Verfügung nur Warentermingeschäfte. Die vorstehenden Ausführungen haben jedoch verdeutlicht, dass es für die steuerrechtliche Bewertung von Differenzgeschäften nicht auf das abstrakte Handelsobjekt ankommt, da dies zur steuerrechtlich unbeachtlichen äußeren Form gehört und lediglich dazu dient, Positionen und Gegenpositionen aufzubauen, aus deren Gegenüberstellung die von einer Partei zu zahlende Differenz resultiert. Die Nichtsteuerbarkeit von Financial Futures ist aus den vorstehenden Erwägungen heraus auch von den obersten Finanzbehörden im DTB-Erlass klargestellt worden.
VIII. Future-Style-Optionen 1. 146
Wegen des Inhalts von Future-Style-Optionen wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.g)(1) verwiesen.
2. 147
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149
Inhalt der Geschäfte
Umsatzsteuer
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Future-Style-Optionen erfolgt nach den für Optionen (Index-Optionen) geltenden Grundsätzen.
IX.
Contracts for Difference („CFDs“)
1.
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von CFDs wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.g)(1) verwiesen. Die umsatzsteuerliche Qualifizierung von CFDs erfolgt nach den für Futures geltenden Grundsätzen.
X.
Swaps
1.
Zinsswaps
a)
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Zinsswap-Geschäften wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.i)(1)i) verwiesen.
98
2
B. Geschäftsarten
b)
Umsatzsteuer
Fraglich ist, ob bei Zinsswaps überhaupt steuerbare Umsätze vorliegen. Das Zivilrecht gibt hierfür keine eindeutigen Hinweise, denn letztlich münden alle dortigen Erklärungsversuche in der Aussage, dass es sich nicht um einen Tausch, sondern um ein Geschäft eigener Art handelt60. Diese Aussage mag für das Zivilrecht ausreichend sein; die Umsatzsteuer fragt jedoch nach dem wirtschaftlichen Hintergrund um bestimmen zu können, ob ein Verbrauch vorliegt. So gesehen könnte man der Auffassung sein, es handele sich in Wirklichkeit um eine Art tauschähnlichen Umsatz, bei dem die jeweils eigene Marktposition der anderen Partei zur Verfügung gestellt wird. Indes wäre diese Sichtweise unzutreffend. Typischerweise ist der Zinsswap-Partner eine Bank, während die andere Partei gerade nicht über eine Marktposition verfügt, die es ihr erlaubte, die jeweilige erstrebte Kondition (fest oder variabel) in dem gewünschten Maße unmittelbar selbst zu erreichen. Gerade weil diese Marktposition nicht bei beiden Swap-Partnern im ausgeglichenen Maße vorhanden ist, wird das Swap-Geschäft abgeschlossen. Die Bank ist mit anderen Worten nicht auf die Marktposition des Swap-Partners angewiesen, so dass die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes ausscheidet. Es liegt auch keine einseitige Verschaffung der Marktposition der Bank an den Swap-Partner vor, denn dann wäre notwendige Folge, dass der Bank stets ein Entgelt verbleiben müsste. Dies ist aber nicht so, da im Ergebnis sowohl der Zinsswap-Partner als auch die Bank gewinnen oder verlieren kann. Kennzeichen eines Leistungsaustausches ist aber, dass eine Leistung im Rahmen eines Rechtsverhältnisses erbracht wird, das einen Anspruch auf die Gegenleistung auslöst61. Da die Bank, wie gesagt, wirtschaftlich auch verlieren kann, wäre der Zinsswap-Vertrag eben gerade kein Rechtsverhältnis, das einen Anspruch auf eine Gegenleistung begründet. Vielmehr ist es so, dass jede Partei ihre eigene Marktmacht (soweit vorhanden) nutzt und im Ergebnis gewinnt oder verliert. Eher dürfte daher davon auszugehen sein, dass wie im Fall des Futures ein Differenzgeschäft vorliegt, das dem Bereich des wirtschaftlichen Spiels zuzuordnen ist und keinen Leistungsaustausch beinhaltet62. Selbst wenn man die Steuerbarkeit bejahen würde, greift die Befreiungsvorschrift von § 4 Nr. 8g UStG ein. In Betracht kommt hier zunächst die Übernahme von Verbindlichkeiten. Hiergegen spricht, wie gesagt, nicht, dass die Übernahme der Verbindlichkeiten nur im Innenverhältnis der Beteiligten zueinander erfolgt, so dass keine befreiende Schuldübernahme im Sinne von § 414 ff. BGB vorliegt, sondern eine Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB . Man wird das Zinsswap-Geschäft – gerade wenn man von konkreten Verbindlichkeiten im Außenverhältnis abstrahiert – aber auch dem Garantiegeschäft zuordnen können. Die Übernahme einer Garantieverpflichtung ist als ähnliche Sicherheit im Sinne der Vorschrift anzusehen63. Wesen einer Garantieverpflichtung ist ganz allgemein das Versprechen, für einen bestimmten Erfolg einzustehen.
60 Für alle vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004. Rn 14.313. 61 Grundlegend EuGH Urteil vom 3.3.1994, C-16/93, Tolsma. 62 Ökonomisch lassen sich Swaps wohl am ehesten mit David Ricardos (1772-1823) Theorem der Nutzung komparativer Kosten erklären; dazu grundlegend Arnold/Burg, Die Bank 1987, 194: es geht um die Optimierung der Nutzung eigener Ressourcen, nicht um eine Zurverfügungstellung von Marktmacht an den Geschäftspartner. 63 FG Berlin EFG 1984, 635.
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§2
Diese Voraussetzungen sind hier, gerade dann, wenn zu den Austauschzeitpunkten entweder der eine oder der andere Partner nur eine Differenz zu entrichten hat, gegeben. Auch in diesem Falle würde es keinen Sinn machen, auf eine Verpflichtung im Innen- oder Außenverhältnis abzustellen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Ob man das Zinsswap-Geschäft als Übernahme einer Verbindlichkeit oder einer Garantie ansieht, kann letztlich dahinstehen, da beide Gesichtspunkte einheitlich in § 4 Nr. 8g UStG geregelt sind. Stellt man hingegen die Abstraktheit der Swapzahlungen von einem jeweiligen Außenverhältnis in den Vordergrund, so handelt es sich um die Begründung abstrakter Schuldversprechen, für die im Ergebnis das gleiche gilt. Es macht keinen Unterschied, ob in bereits bestehende Verbindlichkeiten eingetreten wird oder ob solche originär begründet werden. Auch bei der Übernahme von Bürgschaften und Garantien sowie bei der kumulativen Schuldübernahme werden keine bestehenden Schuldverhältnisse durch einen Dritten abgelöst, sondern erstmals eingegangen. Die Eingehung abstrakter Schuldversprechen unterfällt daher auch § 4 Nr. 8g UStG. Abgesehen davon würde es keinen Sinn ergeben, zwar die Übertragung von Forderungen zu befreien, nicht jedoch deren Begründung. Die vorstehende Sichtweise (Steuerbefreiung) hat die Finanzverwaltung im DTB-Erlass übernommen.
2.
Cross-Currency-Swaps
a)
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Cross-Currency-Swap-Geschäften wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.i)(2)i) verwiesen.
b) 162
163
164
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer
Bei Cross-Currency-Swaps liegen nach § 4 Nr. 8 b oder c UStG steuerfreie Umsätze vor. Beim Austausch der – bargeldlos erfolgenden – Geldzahlungen handelt es sich um Umsätze von Devisen (Geldforderungen gegen Banken). Würden Barzahlungen erfolgen, so wäre dies ein Umsatz von gesetzlichen Zahlungsmitteln, der nach § 4 Nr. 8 b UStG steuerfrei wäre. Daran ändert sich nichts dadurch, dass regelmäßig mehrere Austauschzahlungen stattfinden. Die Qualifikation des Geschäfts hängt nicht davon ab, ob Leistung und Gegenleistung auf einmal oder in Teilbeträgen erfolgen. Die Finanzverwaltung hat diese Sicht im DTB-Erlass bestätigt.
100
B. Geschäftsarten
3.
Aktienswaps
a)
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Aktienswaps wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.i)(3)i) verwiesen.
b)
4.
Credit-Default-Swaps
a)
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Credit-Default-Swaps wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.i)(4)i) verwiesen.
166
167
Umsatzsteuer 168
Das zu Aktienswaps Gesagte gilt entsprechend.
5.
Commodity-Swaps
a)
Inhalt der Geschäfte
Wegen des Inhalts von Commodity-Swaps wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.i)(5)i) verwiesen.
b)
165
Umsatzsteuer
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Aktienswaps erfolgt nach den für Zinsswaps geltenden Grundsätzen. Zwar knüpfen die einzelnen Ausgleichszahlungen an Ereignisse im Bereich der jeweiligen Aktie an, doch sind diese – wie bei Zinsswaps – nur Parameter einer Zahlung und nicht etwa die Dividenden etc. selbst.
b)
2
169
Umsatzsteuer 170
Es gilt analog das zu Aktienswaps Gesagte.
6.
Swaptions
a)
Inhalt der Geschäfte 171
Wegen des Inhalts von Swaptions wird auf die Ausführungen unter § 1 C.I.4.i)(6)i) verwiesen. 101
2
§2
b) 172
2
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176
177
Umsatzsteuer
Vor Ausübung der Option gilt das zu Optionen (Optionen im Geschäft mit Forderungen) Gesagte. Mit der Ausübung der Option wandelt sich das Instrument in einen Swap, so dass sich ab der Ausübung die Besteuerung nach den Grundsätzen für Zinsswaps richtet.
XI. 174
Umsatzsteuer
Warentermingeschäfte
Wie Finanztermingeschäfte sind auch Warentermingeschäfte Verträge über die Lieferung oder Abnahme von Waren, die erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt werden. Der dann zu entrichtende Gegenwert wird entweder bereits bei Vertragsabschluss vereinbart oder bestimmt sich auf Grund der börsenmäßig festgestellten Kurse. Da das BMF-Schreiben vom 19. Dezember 198964 nur zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Finanztermingeschäften an der DTB, die heute unter EUREX firmiert, ergangen ist, war seinerzeit unklar, wie Warentermingeschäfte umsatzsteuerlich zu beurteilen sind. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Warenterminbörse für den Agrarhandel in Hannover (WTB, heutzutage RMX) hatte das Niedersächsische Finanzministerium eine Verwaltungsregelung im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium und den obersten Finanzbehörden der Länder erlassen, die die Grundsätze des vorgenannten BMF-Schreibens auf diesen Bereich überträgt65. Dementsprechend hat die Oberfinanzdirektion Hannover mit Verfügung vom 25.02.199966 für die umsatzsteuerliche Behandlung von Warentermingeschäften der WTB Grundsätze aufgestellt, die das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 10. April 200067 und aktuell die OFD Frankfurt in einer Rdvfg. vom 03.05.200768 bestätigt haben.
1.
Future-Kontrakte
178
Bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Liefer- bzw. Annahmeverpflichtung sind Future-Kontrakte als Differenzgeschäfte zu behandeln. Bei diesen Differenzgeschäften liegt kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vor69.
179
Da die weitaus meisten Future-Kontrakte vor ihrer Fälligkeit glattgestellt werden, stellt die Umsatzsteuerfreiheit den Regelfall dar. Nur ein geringer Teil führt zur tatsächlichen Erfüllung (= Belieferung) und damit zu umsatzsteuerpflichtigen Liefergeschäften i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.
64 65 66 67
BMF-Schreiben vom 19.12.1989, Az. IV A 3 – S 7160 – 55/89, UR 1990, 63. Erlass vom 17.03.1998, Az. S 7100 – 208 – 32, UR 1998, 355. S 7100 – 435 – StO 352/S 7150c – 1 – StO – 351/S 7160 – 102 – StH 532, UR 1999, 505. Az. IV D 2 – S 7160c – 1/00, UR 2000, 258, sowie gleich lautend OFD Berlin, Vfg. vom 5. Oktober 2000 (St 131 – S 7160c – 1/2000), DStR 2000, S. 2087; OFD Frankfurt 3.5.2007 S 7100A – 141 – St 11, DStR 2007, 1868 68 OFD Frankfurt/M. Rdvfg. vom 03.05.2007, Az. – S 7100 A – 141 – St 11, Umsatzsteuer-Kartei OFD Frankfurt am Main. 69 In analoger Anwendung zu Financial-Future-Kontrakten, BMF-Schreiben vom 19.12.1989, Az. IV A 3 S – 7105 – 55/89, UR 1990, 63; OFD Frankfurt/M. Rdvfg. vom 03.05.2007, Az. – S 7100 A – 141 – St 11, Umsatzsteuer-Kartei OFD Frankfurt am Main. Rn. 1.2.
102
B. Geschäftsarten
2.
2
Optionen auf Waren
Optionsgeschäfte auf Waren sind nach dem Erlass vom 25.02.1999 steuerbar70. Ein Differenzgeschäft liegt nicht vor.
180
Da der Zweck des Optionsgeschäfts in der Regel in der Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils und nur im Ausnahmefall in dem Wunsch nach einer Warenlieferung liegt, wird eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 c UStG nur in den Fällen angenommen, in denen die Optionsausübung nicht zu einer Warenlieferung führt71.
181
Auch hier käme man aber nicht zu steuerbaren Leistungen, wenn man die Grundsätze nach § 2 B I übernimmt.
182
3.
Tätigkeit der WTB-Clearing-Bank
Vertragspartner auf der einen Seite ist immer die WTB-Clearing-Bank. Sie garantiert die Erfüllung der Kontrakte (wie bei der Zwischenschaltung der EUREX als Clearingstelle bei Financial-FutureKontrakten im Bereich der Finanzinstrumente).
183
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl der auf diesem Markt getätigten Geschäfte war dies Anlass für den Gesetzgeber, eine klarstellende Änderung des § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG vorzunehmen. Im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 200172 wurde § 4 Nr. 8 c UStG mit Wirkung vom 1. Januar 2002 dahingehend geändert, dass nicht nur die Umsätze im Geschäft mit „Geldforderungen“, sondern allgemein mit „Forderungen“ von der Umsatzsteuer befreit sind. Danach lassen sich nunmehr auch die Umsätze aus den Warentermingeschäften unter diese Befreiungsvorschrift subsumieren73.
184
70 S 7100 – 435 – StO 352/S 7150c – 1 – StO – 351/S 7160 – 102 – StH 532, UR 1999, 505. 71 OFD Frankfurt/M. Rdvfg. vom 03.05.2007, Az. – S 7100 A – 141 – St 11, Umsatzsteuer-Kartei OFD Frankfurt am Main. Rn. 2.3. 72 BGBl. I 2001, S. 3794. 73 Bestätigt durch OFD Frankfurt/M. Rdvfg. vom 03.05.2007, Az. – S 7100 A – 141 – St 11, Umsatzsteuer-Kartei OFD Frankfurt am Main. Rn. 1.3 und 2.3.
103
185
186
2
2
187
§2
XII.
Goldwarrants
1.
Anleihe mit Goldoptionsrecht
a)
Inhalt der Geschäfte
Ein Emittent begibt eine festverzinsliche Anleihe zu pari. Die Festverzinsung liegt erheblich unter dem Marktzinsniveau. Der Anleihe sind Optionsscheine beigefügt, die dazu berechtigen, vom Emittenten innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einem festgelegten Basispreis eine bestimmte Menge Gold erwerben zu können. Das Gold wird entweder auf einem Metallkonto gutgeschrieben oder physisch ausgeliefert.
b) 188
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192
Umsatzsteuer
Diese Anleiheform ist der „klassischen“ Optionsanleihe im Sinne von § 221 Abs. 1 Aktiengesetz nachgebildet. Zur Beantwortung der Frage, ob und inwieweit steuerbare Leistungen vorliegen, ist es erforderlich zu bestimmen, welche Wirtschaftsgüter beim Erwerb des Anleihe durch den Zeichner in den Verkehr gebracht werden. Wie für die Frage der Einkünftezurechnung nach § 20 EStG ist auch hier entscheidend, ob mit der Entrichtung des Zeichnungspreises lediglich das Wirtschaftsgut Anleihe erworben wird, so dass Zins und Optionsrecht Entgelt für die Kapitalgewährung darstellen (Ein-WirtschaftsgutTheorie) oder ob der einheitliche Zeichnungspreis zum Erwerb von zwei Wirtschaftsgütern, nämlich einer abgezinsten Anleihe einerseits und dem Optionsrecht andererseits, hingegeben wird (Zwei-Wirtschaftsgüter-Theorie). Es ist davon auszugehen, dass die letztgenannte Betrachtungsweise am ehesten den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten bei der Emission von Anleihen mit Goldoptionsrecht gerecht wird. Diesen Standpunkt nimmt auch der weitaus überwiegende Teil des Schrifttums ein74. Die Geltung dieser Sichtweise ergibt sich heute auch aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 f InvStG. Die Zwei-Wirtschaftsgut-Theorie dürfte auch allein mit dem Wortlaut von § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB vereinbar sein, denn die Vorschrift setzt voraus, dass ein Teil des Zeichnungspreises auf die Optionsrechte entfällt. Überdies hat diese Betrachtungsweise den Vorzug, sowohl im Falle der Pari-, wie auch der Überpari-Emission zu gleichen Ergebnissen zu kommen. Danach ist auch für die Umsatzsteuer davon auszugehen, dass Anleihe und Optionsrecht schon im Stadium des Ersterwerbs getrennt zu betrachten sind und u.U. ein eigenes Rechtsschicksal haben. aa)
193
Umsatzsteuer
Anleihe
Auch im Fall einer Pari-Emission, ist daher auf dem Boden der Zwei-Wirtschaftsgüter-Theorie davon auszugehen, dass eine abgezinste Anleihe, verbunden mit einem laufenden Zins, erworben wird. 74 vgl. Holzheimer WM 1986, 1169, 1176; Koch/Vogel, Beilage 10 zu BB 1986, 15; Pöllath/Rodin DB 1986, 2094; Kropff ZGR 1987, 285 (295); Knobbe-Keuk ZGR 1987, 312 (313, 317); Großfeld, Optionsanleihe und Finanzrecht, S. 100, in Bilanzierung von Optionsanleihen im Handelsrecht, Hamburger Beiträge zum Handels-, Schiffahrt- und Wirtschaftsrecht, Band 14.
104
B. Geschäftsarten Umsatzsteuerlich betrachtet, bedeutet dies, dass dem Emittenten Kredit gewährt wird. Entgelt ist der Zins sowie der rechnerische Differenzbetrag, der sich durch Abzug des Wertes des Optionsrechts vom Zeichnungspreis ergibt75. Nach anderer Betrachtungsweise liegt keine Kreditgewährung vor, sondern ein Umsatz von Wertpapieren. In Bezug auf Erwerb und weitere Veräußerung der Anleihe greift daher entweder die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8a UStG oder diejenige nach § 4 Nr. 8 e UStG ein. bb)
2 194
195
Optionsrechte
Vom Standpunkt der Zwei-Wirtschaftsgüter-Theorie steht dem Erwerb der Optionsrechte ein Entgelt gegenüber. Fraglich ist, wie die Optionsrechte im vorliegenden Fall umsatzsteuerlich zu charakterisieren sind. Zumindest vom wirtschaftlichen Gehalt her betrachtet, auf den es zur Bestimmung der umsatzsteuerlichen Leistung allein ankommt, handelt es sich um die Einräumung einer vorteilhaften Rechtsposition, die darin besteht, vom Stillhalter (Emittent) während der Optionsfrist Gold zu einem bestimmten Preis erwerben zu können. Kehrseite dieser Rechtsposition ist die Bindung, die der Stillhalter eingeht und die durch die Optionsprämie abgegolten wird. Die Einräumung dieser Rechtsposition ist eine sonstige Leistung. Leistender ist der Emittent76. Nur der Klarstellung halber sei zur Charakterisierung der hier vorliegenden Leistung noch auf folgende Abgrenzung verwiesen: ■ Die Erwägungen der Finanzverwaltung zu den so genannten Gold-Zertifikaten77 kommen hier nicht zum Tragen, denn dort wird entscheidend darauf abgestellt, dass der Erwerbspreis für das Gold bereits entrichtet ist. Dies ist hier nicht der Fall, das gezahlte Entgelt hat hier nur den Charakter einer Prämie für die Bindung des Stillhalters (Emittenten). ■ Auch die BFH-Entscheidungen78 betreffen einen anderen Fall. Anders als dort veranstaltet der Emittent hier kein „Spiel“, denn das Gold ist nicht, wie in den Entscheidungsfällen, lediglich Gradmesser einer Abschlusszahlung. Die Rechtsposition vermittelt vielmehr die Möglichkeit, durch Abschluss eines Hauptvertrags das Gold selbst (physisch oder nicht physisch) zu erwerben. Werden die einzelnen Optionsscheine vom Zeichner weiter veräußert, so liegt ebenfalls eine sonstige Leistung vor. Sie besteht darin, dass die Rechtsposition einem anderen übertragen wird, mithin eine Art Gestaltungsrecht, gerichtet auf das Zustandekommen eines Hauptvertrags. In Betracht kommt sowohl für den Erst-, wie für den Zweiterwerb der Optionsrechte die Befreiung nach § 4 Nr. 8 e UStG (Wertpapiergeschäfte), da eine Verbriefung dieser Rechte erfolgt. In jedem Falle greift die Befreiung von § 4 Nr. 8 c UStG (Umsätze im Geschäft mit Forderungen). Bei einer Lieferung des Goldes kann die Befreiung nach § 25 c UStG zur Anwendung kommen.
75 vlg. dazu BFH HFR 1988, 175. 76 zum Vorstehenden vgl. die parallele Wertung zum Bereich von § 22 Nr. 3 EStG: BFH BStBI II 1985, 264; dem dürfte auch die zivilrechtliche Sicht entsprechen: vgl. Häuselmann DB 1987, 1745. 77 UR 1980, 144; wohl auch FG Hamburg UR 1987,142. 78 BFH NV 1986, 183; BStBl. II 1986, 160.
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196
197 198
199
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2
2 201
§2
2.
Anleihe mit Gewinnrecht
a)
Inhalt der Geschäfte
Ein Emittent begibt einen Zero-Bond bzw. eine festverzinsliche Anleihe. Diese Inhaberpapiere sind jeweils mit einem Optionsschein verbunden. Der Optionsschein verbrieft das Recht zum Erhalt einer Geldzahlung, wenn das Optionsrecht innerhalb eines bestimmten Zeitraums, der innerhalb der Laufzeit der Anleihe liegt, ausgeübt wird. Die zu zahlende Geldsumme entspricht der Differenz zwischen einem vereinbarten Basispreis und dem Marktpreis einer Unze Gold zum Zeitpunkt der Optionsausübung am Handelsplatz London.
b) 202
203
205
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Anleihe
In Bezug auf die Anleihe bedeutet dies umsatzsteuerlich, dass dem Emittenten Kredit gewährt wird. Entgelt ist der Zins bzw. im Fall des Zero-Bonds der Abschlagsbetrag als einmalige Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Kapitals. Nach anderer Betrachtungsweise liegt wiederum keine Kreditgewährung vor, sondern ein Umsatz von Wertpapieren. Hinsichtlich der Anleihe greifen daher die Steuerbefreiungen von § 4 Nr. 8 a oder e UStG ein. bb)
206
Umsatzsteuer
Die Grundkonstruktion der Anleihe ist ähnlich der einer Anleihe mit Goldoptionsrecht. Ein Unterschied besteht insoweit nur, als bei der Anleihe mit Gewinnrecht der Optionsschein zum Erwerb von Gold berechtigt und hier zum Erhalt einer Geldzahlung. Es ist daher davon auszugehen, dass die Frage der Steuerbarkeit auch nach der erwähnten Zwei-Wirtschaftsgut-Theorie zu entscheiden ist. Anleihe und Optionsrecht haben also auch hier u.U. ein getrenntes Rechtsschicksal. aa)
204
Umsatzsteuer
Optionsrechte
Wie gesagt, unterscheiden sich der vorliegende und der zuvor beschriebene Fall dadurch, dass durch die Ausübung des Optionsrechtes kein Gold erworben wird. Der Marktpreis des Goldes ist hier vielmehr nur Gradmesser einer Abschlusszahlung. Legt man die Rechtsprechung zugrunde79, so dürfte vorliegend davon auszugehen sein, dass der Emittent (Stillhalter) als Veranstalter eines – zumindest umsatzsteuerlichen – Spiels anzusehen ist. Die Einräumung dieser Chance im vorgenannten Sinne, Spielgewinne zu erzielen, erfolgt auch gegen Entgelt, wenn man davon ausgeht, dass die laufende oder einmalige Verzinsung, die der Emittent gewährt, in Bezug auf dessen Bonität das Marktzinsniveau nicht erreicht, so dass im Erwerbspreis der Anleihe rechnerisch ein Entgelt für die Gewährung des Optionsscheins enthalten ist. Die Grundsätze, die für nichtsteuerbare Differenzgeschäfte gelten, greifen vorliegend nicht ein80. Beim Differenzgeschäft werden nämlich Leistungen nicht erbracht, vielmehr wird gegeneinander „gespielt“; es werden lediglich Gewinne ein- oder ausbezahlt81.
79 BFH BStBl. II 1986, 160; BFH NV 1986, 183; Hess. FG UR 1983, 173; BGH UR 1980, 112. 80 BFH BStBl. II 1986, 160; BFH NV 1986, 183; BGH UR 1980, 112. 81 BFH BStBl. II 1986, 160; BFH NV 1986, 183.
106
B. Geschäftsarten Vorstehendes gilt für den Ersterwerb. Beim Zweiterwerb ist die Sachlage abweichend. Veräußert der Optionsberechtigte den Optionsschein, so veranstaltet er dem Erwerber gegenüber kein Spiel, vielmehr tritt er lediglich seine Rechtsposition als Berechtigter dieses Spiels ab. Er veräußert also eine bedingte Geldforderung. Fraglich ist, ob hinsichtlich des Erst- und Zweiterwerbs des Optionsscheins eine Steuerbefreiung gegeben ist. (1) Ersterwerb Prima vista dürfte die Steuerbefreiung für Umsätze mit Wertpapieren (§ 4 Nr. 8 e UStG) einschlägig sein. Anwendbar ist aber auch die Befreiung von § 4 Nr. 8 c UStG unter dem Gesichtspunkt des Optionsgeschäfts mit Forderungen. Dass die Leistung vorliegend als Veranstaltung eines Spiels qualifiziert wurde, schließt nicht aus, dass es sich dabei sachlich – im Sinne der einer autonomen Teleologie folgenden Befreiungsvorschriften – um ein Optionsgeschäft mit solchen Forderungen handelt. (2) Zweiterwerb Beim Zweiterwerb wird, wie ausgeführt, eine bedingte Geldforderung abgetreten. Dieser Vorgang unterfällt ebenfalls der Steuerbefreiung von § 4 Nr. 8 c UStG, denn es kann nicht darauf ankommen, ob die übertragene Geldforderung bedingt oder unbedingt ist. Auch ist für die Anwendung dieser Steuerbefreiung ohne Bedeutung, dass die Forderung in einem Wertpapier verbrieft ist82.
3.
Anleihe mit Wertfindungsklausel
a)
Inhalt der Geschäfte
Ein in den USA ansässiger Emittent (Goldminenbetreiber) begibt eine Wandelanleihe im engeren Sinne (§ 221 AktG). Die Anleihe wird laufend verzinst und zu pari herausgegeben. Der Erwerber der Anleihe hat gemäß den Anleihebedingungen drei Möglichkeiten: ■ Er erhält am Ende der Laufzeit den Nennbetrag der Anleihe zurück. ■ Alternativ kann er, beginnend ab einem festgelegten Zeitpunkt, ein so genanntes Austauschrecht ausüben. Er erhält dann den Gegenwert des Marktpreises einer Unze Gold zum Austauschzeitpunkt am Markt London, multipliziert mit einem bestimmten Vervielfältiger. ■ Alternativ hierzu kann er auch in Aktien der Emittentin oder deren Muttergesellschaft wandeln, wobei einerseits der Wandelpreis festgelegt ist, andererseits auch der Wechselkurs der Emission gegenüber dem USD. Den Anleihebedingungen ist zu entnehmen, dass der für das Austauschrecht maßgebliche Vervielfältiger dadurch ermittelt wird, dass man den Nennbetrag der Anleihe durch den Marktpreis einer Unze Gold zum Emissionszeitpunkt teilt. Das Austauschrecht bewirkt also, dass der erhaltbare Gegenwert für die Rückgabe der Anleihe stets in einem bestimmten Verhältnis zum Marktpreis einer Unze Gold steht.
82 Vgl. Philipowski in Rau-Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 8 Rdnr. 104.
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2 208
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2
§2
b) 215
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220
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer
Die bei der Behandlung von Anleihen mit Goldoptionsrecht und mit Gewinnrecht herangezogene Zwei-Wirtschaftsgüter-Theorie kommt bei Anleihen mit Wertfindungsklausel nicht zum Tragen. Bei Wandelanleihen handelt es sich in jedem Fall nur um ein einziges Wirtschaftsgut, da die Anleihe im Fall der Wandlung nicht weiter im Verkehr bleibt. Zivilrechtlich betrachtet, handelt es sich hier in Bezug auf das Wandel- bzw. Austauschrecht nicht um einen Fall der Wahlschuld im Sinne von §§ 262 ff. BGB, sondern um einen Fall der falcultas alternativa. Dies folgt daraus, dass eine primäre Leistung geschuldet ist (die Rückzahlung zum Nennwert) und der Berechtigte lediglich die Möglichkeit hat, eine alternative Leistung zu fordern. Bei der Wahlschuld muss sich der Gläubiger dagegen erklären, welche Leistung er fordert; ohne eine entsprechende Erklärung ist eine bestimmte Leistung zunächst nicht geschuldet (es schließt sich vielmehr das Verfahren nach § 264 Abs. 2 BGB an)83. Da das Austauschrecht in eine Geldzahlung mündet, die an den Preis des Goldes geknüpft ist, könnte man daran denken, wie bei der Anleihe mit Wertfindungsklausel von der Verschaffung einer Spielmöglichkeit auszugehen. Eine solche Betrachtungsweise würde jedoch die wirtschaftlichen Zusammenhänge negieren. Das Austauschrecht ist nicht Ausdrucksform eines selbständigen spekulativen Geschäftes, sondern hängt innerlich mit dem Rückzahlungsbetrag der Anleihe zusammen. Es bewirkt lediglich, dass der Rückzahlungsbetrag im Verhältnis zum Marktpreis des Goldes „stabil“ bleibt. Mit anderen Worten hat der Zeichner der Anleihe ursprünglich eine bestimmte Kapitalsumme hingegeben, die einer gewissen Goldparität entspricht. Diese Parität bleibt ihm während der gesamten Laufzeit der Anleihe dadurch erhalten, dass der Vervielfältiger, der auf den Unzenpreis angewandt wird, gleich bleibt. Der Zeichner hat ursprünglich das x-fache des Unzenpreises als Kapital hingegeben und erhält in jedem Falle auch das entsprechende Vielfache des Goldunzenpreises wieder zurück. Das Austauschrecht ist daher als Wertsicherungsklausel anzusehen, bzw. hat den „Charakter“ einer solchen Klausel84. Für die umsatzsteuerliche Behandlung solcher Wertsicherungsklauseln sind Entscheidungen nicht ersichtlich. Es dürfte jedoch unschwer die Rechtsprechung zu § 20 EStG übertragbar sein, denn in beiden Fällen geht es um die Frage der Einordnung des Austauschbetrages als Kapitalrückzahlung bzw. als Entgelt für die Gewährung der Nutzungsmöglichkeit. Für die Vergleichbarkeit beider Bereiche spricht auch, dass § 20 EStG der Quellentheorie nachgebildet ist und sonach ebenfalls auf der Vorstellung eines Leistungsverhältnisses beruht, wie dies Gegenstand umsatzsteuerlicher Betrachtungen ist. Unterstellt man auch für die Umsatzsteuer die Geltung des Nominalwertprinzips, wovon auszugehen sein dürfte85, so sind etwaige, aufgrund der Wertsicherungsklausel über den Nennwert hinausgehende Mehrerträge, die der Anleihegläubiger erzielt, ebenfalls Entgelte für die Nutzungsgewährung des Kapitals. Der BFH86 vergleicht sie mit aufschiebend bedingten Aufgeldern.
83 zur Einordnung des gegebenen Falles als facultas alternativa FG Münster EFG 1970, 169; BGH NJW 1962, 1568; BGHZ 81, 135, 137. 84 BGH NJW 1962, 1568; BGHZ 81, 135, 137; BFH BStBl. II 1974, 735 m.w.N. 85 Dazu BVerfG BStBl. II 1979, 308. 86 BFH BStBl. II 1974, 735 m.w.N.
108
B. Geschäftsarten Damit wird deutlich, dass das Austauschrecht nicht Gegenstand einer besonderen Leistungsbeziehung ist, vielmehr den Charakter einer gemischten Rückzahlung bzw. Entgeltsentrichtung hat. Dass die Höhe des Entgelts nicht von vornherein feststeht, sondern sich nach den Verhältnissen zum Austauschzeitpunkt richtet, steht dieser Wertung nicht entgegen87. Steuerbare Leistungen liegen bei dieser Anleiheform also nur in Form einer Kreditgewährung vor. Erfolgt eine Wandlung in Aktien, so ist dieser Vorgang entweder als Akt der Vergesellschaftung von Kapital nicht steuerbar oder als Umsatz von Wertpapieren. Aus dem Vorstehenden folgt, dass ausschließlich Leistungen vorliegen, die – soweit steuerbar – den Befreiungen von § 4 Nr. 8 a, e oder f UStG unterliegen.
2 221
222
223
XIII. CO 2 Emissionsrechte 1.
Inhalt der Geschäfte
Mit der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 200388 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates ist europaweit ein System für den Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten eingeführt worden. In Deutschland wurde diese Richtlinie mit dem Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom 8. Juli 2004 („TEHG“)89 sowie mit dem Gesetz über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zahlungsperiode 2005 bis 2007 („ZuG 2007“)90 umgesetzt. Das TEHG ist mit Wirkung vom 15. Juli 2004, und das ZuG 2007 mit Wirkung vom 31. August 2004 in Kraft getreten.
2.
Umsatzsteuer
In dem BMF-Schreiben vom 05.02..2005 hat das Bundesfinanzministerium zur umsatzsteuerlichen Beurteilung des Emissionshandelssystems für Treibhausgase Stellung genommen91:
a)
225
Übertragung von Emissionsberechtigungen
Die Übertragung einer Berechtigung i. S. des § 3 Abs. 4 TEHG ist eine sonstige Leistung i. S. des § 3 Abs. 9 UStG. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 UStG. Überträgt ein Unternehmer das Emissionsrecht an einen anderen Unternehmer ist daher der Leistungsort regelmäßig dort, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, an die die Leistung erbracht wird. Liegt der Leistungsort im Inland und ist der leistende Unternehmer hier nicht ansässig, ist der Leistungsempfänger (Unternehmer) Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 UStG.
87 88 89 90 91
224
Vgl. FG München EFG 1970, 370, eine Bestimmbarkeit reicht in jedem Falle aus, vgl. BFH BStBl. II 1981, 495. ABl. EU Nr. L 275, S. 32. BGBl. I 2004, 1578. BGBl. I 2004, 2211. BMF-Schreiben vom 05.02.2005, BStBl. I 2005, 494.
109
226
2 227
2
§2
Die Emissionsberechtigungen gelten nicht als Finanzinstrumente i. S. von § 1 Abs. 11 KWG. Damit sowohl der Eigenhandel als auch die Vermittlung solcher Kaufgeschäfte aufsichtsfrei nach dem Kreditwesengesetz. Die Übertragung von Rechten und damit auch von Berechtigungen i. S. des § 3 Abs. 4 TEHG fällt jedoch nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 UStG. Diese Umsätze sind damit steuerpflichtig und unterliegen dem allgemeinen Steuersatz von 19%.
b) 228
229
230
231
232
Umsatzsteuer
Derivate auf Emissionsberechtigungen
Bei Future-Kontrakten liegt – unabhängig davon, ob sie sich auf Wertpapiere, Waren oder auch Berechtigungen beziehen – kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vor, wenn sie auf die Erzielung einer Gelddifferenz gerichtet sind. Erst wenn es ausnahmsweise doch zu einer Lieferung des zu Grunde liegenden Basiswerts kommt, liegt eine steuerbare Leistung vor. Hier ist dann zu prüfen, ob eine Steuerbefreiungsvorschrift einschlägig ist. Wird ein Wertpapier geliefert, so ist dieser Umsatz nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG von der Umsatzsteuer befreit. Wird hingegen eine Ware geliefert, so wird der Umsatz in der Regel steuerpflichtig sein. Ungeachtet dessen ist der Future-Kontrakt selbst aber ein nicht steuerbares Differenzgeschäft. Bei Optionsgeschäften auf Terminkontrakte ist im Ergebnis das Entstehen einer Geldforderung angestrebt. Damit erfüllt das Optionsgeschäft den nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG zu befreienden Tatbestand, denn Leistungsgegenstand ist – wenngleich über den Umweg eines nachgeschalteten Termingeschäfts – eine Geldforderung. Kommt es entgegen der ursprünglichen Motivation der Beteiligten im Ergebnis doch zu einer Belieferung, so ändert dies im nach hinein nichts an dem ursprünglichen Leistungsgegenstand Optionsgeschäft. Keine anderen Grundsätze dürfen daher für die Umsätze mit Derivaten von Emissionsberechtigungen gelten, was seitens des Bundesfinanzministeriums bestätigt wurde92. Hiernach gilt Folgendes: ■ Future-Kontrakte auf Emissionsberechtigungen sind bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Liefer- bzw. Abnahmeverpflichtung als Differenzgeschäft zu behandeln; ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch liegt insoweit nicht vor. ■ Optionsgeschäfte sind steuerbar; ein Differenzgeschäft liegt nicht vor. Führt die Ausübung der Option nicht zu einer Übertragung der Zertifikate, sind die Optionsgeschäfte nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei. Derivate, die in börsengehandelten Wertpapieren verbrieft sind, sind stets als Wertpapiere zu qualifizieren. Hierzu gehören Optionsscheine und ähnliche Derivate wie beispielsweise Zertifikate. Dementsprechend hat das Bundesfinanzministerium zur einkommensteuerlichen Behandlung von Termingeschäften festgestellt, dass bei Optionsscheinen das Optionsrecht in einem Wertpapier verbrieft ist93. Gleiches muss hinsichtlich der Qualifikation des Optionsscheins und ähnlicher Derivate auch für umsatzsteuerrechtliche Zwecke gelten. Demzufolge hat das Bundesfinanzministerium Folgendes festgestellt94: Für Umsätze mit Derivaten von Berechtigungen i. S. des § 3 Abs. 4 TEHG, die in börsengehandelten Wertpapieren verbrieft sind, kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG in Betracht. Eine Belieferung mit den eigentlichen Treibhausgas-Zertifikaten ist allerdings steuerpflichtig. 92 BMF-Schreiben vom 05.02.2005, BStBl. I 2005, 494. 93 BMF-Schreiben vom 27. November 2002, BStBl. I 2001, S. 986. 94 BMF-Schreiben vom 05.02.2005, BStBl. I 2005, 494.
110
C.
c)
2
Börsentätigkeit
Neue Entwicklung
Nachdem angeblich Emissionszertifikate in großem Umfang zu Karrussellgeschäften missbraucht werden, haben einzelne EU-Mitgliedstaaten darauf mit der Einführung von Steuerbefreiungen reagiert95. Die EG-Kommission hat Anfang September 2009 einen Vorschlag vorgelegt, ein Reverse Charge Verfahren (Abzugsverfahren) einzuführen.
233
C.
Börsentätigkeit
C.
I.
Börsenorganisation im dualen System
Terminbörsen sind gewöhnlich in Form des dualen Systems errichtet. Dies bedeutet, dass Träger der Börse eine juristische Person des Privatrechts ist (i.d.R. eine AG), die Börsentätigkeit selbst jedoch öffentlich-rechtlich organisiert ist.
1.
234
235
Grundsätzliche Struktur
Auch das Börsengesetz (BörsG) unterscheidet zwischen dem Träger einer Börse und der Börse selbst. Lt. Kümpel96 ist Träger nach § 1 BörsG derjenige, der die rechtliche Marktveranstaltung wahrnimmt. Der Träger ist auch derjenige, dem die Börsenlizenz erteilt wird. Er ist damit insoweit ein beliehener Unternehmer. Beliehen ist er jedoch nur mit dem Recht und mit der Verpflichtung, Marktveranstalter zu sein, nicht mit der Befugnis, den Börsenhandel und die Börsenorganisation durchzuführen. Aus seiner rechtlichen Stellung als Marktveranstalter folgt insbesondere seine Verpflichtung, die eigentliche Börse mit den sächlichen und persönlichen Verwaltungsmitteln auszustatten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BörsG). Die Börse selbst ist der sog. faktische Marktveranstalter. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und damit Behörde. Eine derartige Kombination aus ziviler Trägerschaft und öffentlich-rechtlicher Marktveranstaltung wird Duales System genannt97. Auf den ersten Blick befremdet es, dass Träger einer Anstalt des öffentlichen Rechts eine Privatperson sein kann. Eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist stets ein Subjekt öffentlicher Verwaltung und meist (aber nicht stets) auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Eine Rechtsfähigkeit im zivilrechtlichen Sinne ist jedoch nicht denknotwendige Voraussetzung. Eine Anstalt des öffentlichen Rechts wird dadurch gekennzeichnet, dass eine bestimmte Vermögensmasse oder bestimmte Gegenstände, die der öffentlichen Verwaltung dienen, unter einem einheitlichen Dach zusammengefasst werden und die so entstehende Einheit eine besondere Verwaltungsaufgabe erhält.
95 Dazu noch unter F. 96 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.204, 205. 97 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.211.
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236 237
238 239 240
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245
§2
Umsatzsteuer
Das Kuriose an dieser Situation scheint auf Anhieb jedoch darin zu liegen, dass der Träger dieser Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des Privatrechts – nämlich eine Aktiengesellschaft – ist. Bei näherem Hinsehen ist eine derartige Konstellation dem Verwaltungsrecht jedoch seit jeher nicht unbekannt und ist auch das Tätigwerden des Trägers – in dieser Funktion – in Wirklichkeit keine private Angelegenheit, sondern, wie eingangs schon gesagt, eine öffentlich-rechtliche, weil beliehene. Eine weitere Besonderheit tritt hinzu. Die Börse selbst hat keine eigene Rechtsfähigkeit, vielmehr handelt der Träger zwangsläufig für sie. Anders gesprochen ist die Börse eine Art Sondervermögen innerhalb des Trägers. Man nennt solche Konstellationen teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts98. § 2 Abs. 1 BörsG benutzt ausdrücklich diesen Begriff. Diese teilrechtsfähige Anstalt ist keine juristische Person, aber ein Subjekt öffentlicher Verwaltung. Die Sachgesamtheit Börse wird im öffentlichen Interesse tätig und erfüllt eine staatliche Aufgabe99. Auch wenn es den Charakter der hier relevanten Fragestellungen nicht weiter erhellt, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Schlagwort von der „Public Private Partnership“ hier ein Anwendungsfeld finden soll100. Die vorstehende Sichtweise entspricht dabei auch am ehesten den verfolgten öffentlichen und privaten Zielen: ■ Das Interesse des Staates an einem funktionierenden Börsenwesen besteht in erster Linie in der Funktion der Kapitalbildung, der Beaufsichtigung der Neutralität der Preisentwicklung und der Fungibilität der Börsenhandelsgegenstände101. ■ Andererseits nutzt die private Trägerschaft der Börse, wenn es etwa darum geht, weitere Mittel am Kapitalmarkt zu beschaffen, mit deren Hilfe die Ausstattungsqualität der Börse selbst verbessert werden kann. Schon hier zeigt sich, dass dieses Ziel nur dann verfolgt werden kann, wenn dem Kapitalmarkt auch attraktive Konditionen geboten werden können. Mit anderen Worten muss eine Wertsteigerung bzw. Dividende der Beteiligungsmedien in marktgerechter Weise gewährleistet sein, da ansonsten die geschilderten Vorzüge des dualen Systems sich nicht realisieren. Dies muss auch Einfluss auf die Fragestellung haben, inwieweit die Börsengebühren einem strengen Äquivalenzprinzip zu gehorchen haben oder hier nicht eher größere Spielräume anzunehmen sind als gewöhnlicherweise bei verwaltungsrechtlichen Gebühren. Nur dann können nämlich auch zwischen Börse und Träger leistungsgerechte Entgeltvereinbarungen getroffen werden, die den Träger wiederum in die Lage versetzen, kapitalmarktgerecht „zu verzinsen“102.
2.
Rechte und Pflichten
a)
Träger
Der Träger ist, wie bereits ausgeführt, mit dem Betreiben der Börseneinrichtung beliehen. Hieraus folgt seine Berechtigung, vor allem aber auch Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Börsenfunktion. In dieser Eigenschaft ist die an sich privatrechtliche Aktiengesellschaft ebenfalls 98 99 100 101 102
112
Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2, 6. Aufl., München 2000, § 98 II b 2. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.317, 241, 251. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.236. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Tz. 17.241, 248. Die Grenzen derartiger Flexibilität können hier nicht untersucht werden.
C.
Börsentätigkeit
Teil der Staatsverwaltung, aber eben nur insoweit, als es die Funktion der Trägerschaft erfordert. Die Aufsicht über den Träger übt das zuständige Ministerium des jeweiligen Bundeslandes aus103. Wichtig ist es, im Dualen System das Verhältnis des Trägers zur Börse zu definieren. Wie schon gesagt hat der Träger zwar eine öffentlich-rechtliche Funktion, aber eben nur diejenige, die in der Betriebspflicht liegt. Hieraus folgt, dass er keinen Einfluss auf die innere Organisation der Börse nehmen darf104, denn es ist die Börse als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die die staatlichen Aufgaben, die oben geschildert worden sind, wahrnimmt. Daraus folgt auch, dass zwar der Träger ein beliehener Unternehmer ist, nicht jedoch die Börse selbst.
b)
247
Fazit
Der Träger (regelmäßig eine Aktiengesellschaft) ist ein beliehener Unternehmer. Der Grund für die Beleihung besteht ausschließlich darin, die Funktion des Trägers ausüben zu können und damit die Betriebspflicht wahrzunehmen. Die Börse ist eine teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und somit ein Subjekt öffentlicher Verwaltung mit autonomer Rechtsetzungskraft. Eine Deutung als rein privatrechtliches Geschehen ist durch die Normen des Börsengesetzes ausgeschlossen. Ein rein privates Börsenbetreiben wäre auch kein Ersatz für die staatlichen Funktionen, die einer Börse zukommen (insbesondere Garantie der Neutralität der Preisentwicklung und Fungibilität). Dies schließt nicht aus, dass es neben dem börslichen Hauptgeschehen Handelsplätze gibt, die rein privatrechtlich betrieben werden können (wie seit jeher beispielsweise der sog. Freiverkehr). 103 104 105 106 107 108
246
Börse
Die Börse selbst (im Folgenden wird auch der Begriff „Terminbörse“ verwendet) ist Teil der Staatsverwaltung (sog. mittelbare Staatsverwaltung105), hieraus folgt nachstehendes: ■ Die Börse hat ein Selbstverwaltungsrecht, in das der Träger nicht eingreifen darf und die Aufsichtsbehörde nur im Wege der Rechtsaufsicht106. ■ Aus der Teilrechtsfähigkeit der Börse folgt, dass sie auch Beteiligtenfähigkeit hat (siehe nur § 13 Abs. 6 BörsG)107, woraus sich ergibt, dass sie selbst (und nicht der Träger) im öffentlichrechtlichen Verfahren klagen und verklagt werden kann. ■ Der Börse (nicht dem Träger) steht das Recht zu, mittels Verwaltungsakt das Börsengeschehen zu strukturieren. Verwaltungsakte dürften insbesondere Zulassungen und Ausschlüsse vom Börsengeschehen sein. ■ Wie schon angedeutet, hat die Börse auch eine Gebührenhoheit, diese ergibt sich aus § 14 Abs. 2 BörsG108.
c)
2
Das Vorstehende nach Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.259 f. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Tz. 17.293, 251, 295. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.309. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.312. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Tz. 17.317, 327. Dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Tz. 17.403.
113
248
249 250
2 251
2
§2
Dieses duale System ist darauf angelegt, einerseits die öffentlich-rechtlichen Funktionen zu erfüllen und andererseits die Ausstattungsfähigkeit über den Zugang, den die Aktiengesellschaft zum Kapitalmarkt hat, zu stärken. Um diese Kapitalmarktfähigkeit tatsächlich zu erreichen, bedarf es jedoch einer gewissen Flexibilität bei der Gebührenberechnung.
3. 252
253
255
256
Gebührenarten
Folgende Gebührenarten kommen vor: ■ Anschlussgebühr: Sie wird bei dem erstmaligen Anschluss an das Börsensystem fällig und dient der Abdeckung der durch den Anschluss an das Börsensystem anfallenden Kosten. Die Anschlussgebühr ist unabhängig davon zu entrichten, ob ein Börsenumsatz getätigt wird. ■ Teilnahmegebühr: Diese Gebühr wird für die jährliche Teilnahmemöglichkeit an der Terminbörse erhoben. Gebührengläubiger ist die Börse. Die Teilnahmegebühr ist unabhängig davon zu entrichten, ob ein Börsenumsatz getätigt wird. ■ Transaktionsentgelt: Dieses ist das eigentliche Entgelt für den Kauf und den Verkauf. Bezugsgröße ist die Handelssumme; auslösendes Ereignis ist jeder Handelsabschluss. Die Art und Weise des Handels und der Zulassung zur Börse ist durch die Börsenordnung für die jeweilige Terminbörse geregelt. So benötigen die Teilnehmer am Börsenhandel an der Eurex einer Zulassung gem. Ziff. 3 BöO Eurex. Kassageschäfte an der RMX in Hannover kommen gem. § 30 BöO Hannover unmittelbar zwischen den Börsenteilnehmern zustande. Bei Termingeschäfte wird – wie etwa bei Geschäften an der Eurex (Ziff 1.4 BöO Eurex)– das Clearinghouse der Börse als Vertragspartner zwischengeschaltet.
II. 254
Umsatzsteuer
Die Börse als hoheitlicher Bereich
Fraglich ist, ob die Anschluss- und die Teilnahmegebühr überhaupt Entgelte für eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Diese Frage stellt sich deswegen, weil die Anschluss- und die Teilnahmegebühr auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 Nr. 1 BörsG erhoben werden und einen öffentlich-rechtlichen Charakter haben. Dies folgt daraus, dass die Struktur der Börse auf der Grundlage des Börsengesetzes eine öffentlich-rechtliche ist. Börsen sind danach Anstalten des öffentlichen Rechts109. Der Anstaltszweck der Börse besteht im Wesentlichen in der Ermöglichung schneller, kostengünstiger Geschäftsabschlüsse und der Feststellung neutralitätswahrender und transparenter sowie staatlich geregelter und überwachter Börsenpreise110. Aus dieser Funktion der Börse ergibt sich die Art und Weise des Nutzungsverhältnisses zum jeweiligen Börsenteilnehmer. Der Börsenteilnehmer muss sich grundsätzlich auf eine ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte verlassen können; weiterhin gibt es einen Kontrahierungszwang. Letztlich dient alles der Herstellung einer Transparenz der Börsenpreise. Das Verhältnis zwischen Börse und Börsenbenutzern kann theoretisch unterschiedlich ausgestaltet sein. Aufgrund der Vorschriften des BörsG, von dem sich sowohl die BörsO als auch weitere Gebührenordnungen ableiten, ergibt sich, dass die Bereitstellung der Börseneinrichtungen 109 Im vorliegenden Fall dürfte eine nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts vorliegen, da die Börse unselbstständiger Bestandteil des „Trägers“ als Privatrechtssubjekt ist. 110 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Rn. 17.697.
114
C.
Börsentätigkeit
einem öffentlich-rechtlichen Konzept folgt. Denn schon die einseitige Festlegung von Börsenpreisen durch die genannten Rechtsetzungen weisen daraufhin, dass hier hoheitliches Handeln anzunehmen ist und keine privatrechtliche Abmachung, die einem gegenseitigen Konsensualprinzip folgen müsste. Dieses Prinzip bestimmt auch die Zulassung selbst. Hier sind es insbesondere die Börsenorgane, die zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Börsenbetrieb berufen sind und die im Zweifel mit öffentlich-rechtlichen Eingriffsmaßnahmen dieses Geschehen aufrecht zu erhalten haben111. In der Sache sind die Träger der Terminbörsen mithin privatrechtliche Unternehmen, die mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen aufgrund des BörsG beliehen sind. Für die Frage der Steuerbarkeit der Anschluss- und Teilnahmegebühren bedeutet dies folgendes:
1.
257
Herkömmliche Betrachtung der Beleihung
Nach Abschnitt 23 Abs. 3 UStR ist eine Tätigkeit, die der Erfüllung von Hoheitsaufgaben dient, steuerbar, wenn sie nicht von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, sondern von einem Unternehmen des privaten Rechts, nämlich von einem beliehenen Unternehmer, ausgeübt wird. Diese Verwaltungsauffassung steht nicht singulär im Raum, sondern fußt auf der BFHRechtsprechung112. Ein Beliehener selbst ist keine juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern eine solche des Privatrechts, auch wenn sie auszugsweise öffentlich-rechtliche Befugnisse ausüben darf. Auch in der Literatur wird die Auffassung des BFH geteilt113. Doch dürfte die Börsentätigkeit wie oben gesagt eine unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts darstellen. Der Beliehene ist normalerweise Glied derjenigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, die ihn ermächtigt hat, hoheitliche Kompetenzen als eigene Angelegenheiten wahrzunehmen. So gesehen sind die Beliehenen nicht selbst eine staatliche Organisation, sondern ihr nur angegliedert114. Hier ist es aber anders, da die Terminbörse zwar in den staatlichen Behördenaufbau eingegliedert ist (das Wirtschaftsministerium des Landes übt die Börsenaufsicht aus), jedoch ausschließlich die Börsentätigkeit wahrnimmt. Dies ist die staatliche Tätigkeit und dient ihr nicht nur im Rahmen eines ansonsten privatrechtlichen Geschäftszwecks. Träger ist nach § 1 BörsG derjenige, der die rechtliche Marktveranstaltung wahrnimmt. Der Träger ist auch derjenige, dem die Börsenlizenz erteilt wird. Er ist damit insoweit ein beliehener Unternehmer. Beliehen ist er jedoch nur mit dem Recht und mit der Verpflichtung, Marktveranstalter zu sein, nicht mit der Befugnis, den Börsenhandel und die Börsenorganisation durchzuführen. Aus seiner rechtlichen Stellung als Marktveranstalter folgt insbesondere seine Verpflichtung, die eigentliche Börse mit den sächlichen und persönlichen Verwaltungsmitteln auszustatten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BörsG)115.
111 112 113 114 115
2
Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Köln 2004, Nr. 17.719. BFH Urteile vom 10.11.1977, BStBl. II 1978, 80; vom 18.01.1995, BStBl. II 1995, 559. Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG, Rn. 795. Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2, 6. Aufl., München 2000, § 104 I c. Das Vorstehende nach Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., 2004, Rn. 17.204, 205.
115
258
259 260
261
2
§2
2. 262
2
263
265
266
268
EuGH-Urteil vom 25.07.1991, Ayuntamiento de Sevilla
116
Dieses Urteil wird häufig zum Beleg der Verwaltungsauffassung und derjenigen des BFH herangezogen, wenn es um die Frage der Leistungserbringung durch einen Beliehenen geht. Im gegebenen Fall handelt es sich um einen privatrechtlichen Steuerpächter, der für Gemeinden öffentlich-rechtliche Abgaben einzog. In Randnummer 21 des Urteils bringt der EuGH seine Aussage dahingehend auf den Punkt, dass Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie keine Anwendung findet, wenn die Tätigkeit einer Behörde nicht unmittelbar ausgeübt wird, sondern einem unabhängigen Dritten übertragen wird. Dies mag so angehen. Im vorliegenden Fall liegen die Verhältnisse allerdings anders, da es neben der Terminbörse keine andere Behörde gibt, die einen Börsenbetrieb aufrecht erhalten würde oder auch nur Börsenteilnehmer zulassen könnte. Dass es (beim Wirtschaftsministerium) eine Börsenaufsicht gibt, ist nicht gleichwertig, denn diese nimmt nicht die unmittelbaren Verwaltungshandlungen wahr, sondern ist bestenfalls Aufsichts- und Widerspruchsbehörde. Hier ist die Terminbörse selbst behördlich tätig, und in diesem Sinne findet keine Delegation wie im vorgenannten Urteil des EuGH statt.
b) 267
Rechtsprechung des EuGH
Entscheidender als die Verwaltungsauffassung oder auch diejenige des BFH (die zudem einige Jahre zurückliegt) ist im Bereich des voll harmonisierten Rechts, zu dem die Mehrwertsteuer gehört, naturgemäß diejenige des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Auch diese hat sich mit den Verhältnissen bei Beliehenen auseinandergesetzt und eine eigene Sichtweise hoheitlichen Handelns geprägt. Dabei fußt die Rechtsprechung des EuGH naturgemäß nicht auf einem nationalen Gesetz, sondern vielmehr auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie (= Art. 13 MwStSystRl). Nach dieser Vorschrift sind Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige (d. h. Unternehmer) anzusehen, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Üben sie jedoch Tätigkeiten oder führen sie Leistungen aus, dann sind sie Steuerpflichtige, soweit eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie war mehrfach Gegenstand von EuGH-Entscheidungen, auf die nachfolgend einzugehen ist.
a) 264
Umsatzsteuer
EuGH-Urteil vom 26.03.1987, Kommission gegen Niederlande
117
Gegenstand dieses Urteils ist die Tätigkeit von niederländischen Notaren. Die Notare unterfallen nicht Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie, da sie keine spezifische Aufgabe im Rahmen der öffentlichen Gewalt wahrnehmen. Sie sind nicht in die öffentliche Verwaltung eingegliedert und verrichten ihre Tätigkeit nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts, sondern üben sie in Form einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen eines freien Berufs aus. 116 EuGH Urteil vom 25.07.1991, C-202/90, Ayuntamiento de Sevilla. 117 EuGH Urteil vom 26.03.1987, C-235/85, Kommission gegen Niederlande.
116
C.
Börsentätigkeit
Die Sachlage ist vorliegend eine andere. Die Terminbörse ist als Börse in die öffentliche Verwaltung eingegliedert, denn sie stellt den einzigen Weg dar, wie der Staat seine Ziele eines transparenten Handels verwirklichen kann. Anders als ein Notar ist die Börse auch Teil der öffentlichen Verwaltung, was sich bereits daraus ergibt, dass sie Börsenordnungen selbst erlassen kann. Dagegen kann der Notar das von ihm anzuwendende Recht nicht selbst schaffen.
c)
EuGH-Urteil vom 15.05.1990, Commune die Carpanetto
EuGH-Urteil vom 14.12.2000, Fazenda Publica
269
118
Hier ging es um bestimmte gemeindliche Tätigkeiten, wie die Veräußerung von Baugrundstükken für sozialen Wohnungsbau, Straßenbauarbeiten und die Vergabe von Grabstätten. In dieser Entscheidung bringt der EuGH die heute gültige Sichtweise zur Abgrenzung öffentlich-rechtlicher Tätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie auf den Punkt. Das Gericht untersucht dabei, ob die Tätigkeit eines Trägers öffentlicher Verwaltung dem öffentlichen oder dem privaten Recht zugehört. Es entwickelt dabei eine Art Sonderrechtstheorie, wonach es darauf ankommt, ob das jeweilige nationale Recht die Tätigkeiten dieses Subjekts öffentlicher Verwaltung aufgrund von öffentlich-rechtlichen Sondernormen ausübt. Außerdem hebt der Gerichtshof hervor, dass eine solche Tätigkeit nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privaten Institutionen führen dürfe. Legt man diese Kriterien zugrunde, so wird die Terminbörse hier aufgrund öffentlich-rechtlicher Sonderbestimmungen (Börsengesetz) tätig, die privaten Institutionen nicht zur Verfügung stehen. Dass hierdurch Wettbewerbsverzerrungen erfolgten, ist nicht ersichtlich (dazu aber noch unten e) und f)).
d)
2
270 271
272
119
Hier ging es um die Frage, ob die Vermietung von Parkplätzen eine Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie ist. Diese Entscheidung wird allgemein als Grundsatzentscheidung für die hier anstehende Fragestellung betrachtet. Der EuGH unterstreicht in diesem Judikat nochmals seine Sonderrechtstheorie und führt weiter aus, dass Tätigkeiten, die unter den gleichen rechtlichen Bedingungen auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden könnten, nicht der besagten Vorschrift unterfallen. Es gehe nicht darum, welchen Gegenstand oder welche Zielsetzung die Tätigkeit habe, sondern welche Rechtsgrundlage der Tätigkeit zugrunde liegt. Hängt die Tätigkeit mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zusammen (dies sah er allein deswegen für gegeben an, weil Parkverstöße mit Geldbuße belegt werden konnten), so handle es sich um eine Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie, die nicht steuerbar ist. Der EuGH setzt sich dann weiter mit der Frage auseinander, ob und wann solche Tätigkeiten zu größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne der Vorschrift führen können. Auch dies sei eine Frage des nationalen Rechts, denn der nationale Gesetzgeber könne festlegen, was unter dem Begriff der größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie falle.
118 EuGH Urteil vom 15.05.1990, C-4/89, Commune die Carpanetto. 119 EuGH Urteil vom 14.12.2000, C-446/98, Fazenda Publica.
117
273 274
275
2 276
2
§2
Umsatzsteuer
Es wurde schon ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Sondernormtheorie im vorliegenden Fall gegeben sind. Zwar gibt es keine Vorschrift des deutschen Rechts, die sich zur Frage der Wettbewerbsgleichheit an dieser Stelle äußert, jedoch ergibt sich die genannte Voraussetzung des EuGH aus der Sache selbst. Indem der Gesetzgeber des Börsengesetzes keinen Dualismus aus öffentlicher und privater Börsentätigkeit regelt, sondern die öffentlich-rechtliche allein im Blick hat, wird deutlich, dass es einen Wettbewerb der genannten Art gar nicht geben kann. Erst die Börse mit ihren hoheitlichen Befugnissen ist in der Lage, die Markttransparenz und die Sicherheit, die die Börsenteilnehmer aufzuweisen haben, sicherzustellen. Nur eine hoheitliche Börsentätigkeit erfüllt die Voraussetzung, dass Unternehmen, die diese Sicherheit nicht mehr bieten, von der Handelstätigkeit ausgeschlossen werden können. Anders betrachtet, ist es keine Frage der Parteiautonomie, ob ein Unternehmen als Börsenhändler zugelassen wird, sondern eine Frage der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Normen; es besteht dann eine öffentlichrechtliche Einräumungsgarantie, mithin ein Rechtsanspruch, wie er bei einem privaten Börsenbetreiber im Normalfall nie entstehen könnte.
e)
Schlussantrag des Generalanwalts vom 07.09.2006, T-Mobile Austria 120
277 278
279
280
In diesem Falle ging es um die Versteigerung von Lizenzen zur Nutzung von Telekommunikationsfrequenzen. In Randnummer 78 des Schlussantrags greift der Generalanwalt die ständige Rechtsprechung des EuGH im Sinne der Sonderrechtstheorie auf. Auch dann, wenn die öffentliche Hand eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, sei dennoch keine Steuerbarkeit gegeben, wenn die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie vorliegen. Breiteren Raum räumt der Generalanwalt der Frage der größeren Wettbewerbsverzerrungen ein. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass staatliche Stellen, auch wenn sie ihre Leistungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt erbringen, in Konkurrenz zu Leistungen privater Wettbewerber treten könnten. Es gehe also darum, Steuerneutralität zu gewährleisten. Der Generalanwalt bringt dies in den Randnummern 129 ff. des Schlussantrags auf den Punkt, indem er voraussetzt, dass nur dann Wettbewerbsverzerrungen existieren können, wenn bereits ein Markt für entsprechende Tätigkeiten besteht und bezieht sich hierbei u. a. auch auf das Urteil in der Rechtssache Taksatorring121. Dort habe der Gerichtshof festgestellt, dass die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen real sein müsse. Auch wenn aktuell kein Wettbewerber konkurrierende mehrwertsteuerpflichtige Leistungen anbietet, kann die Gefahr der Wettbewerbsverzerrungen in diesem Sinne nach Ansicht des Generalanwalts real sein. Denn eine nachteilige Ausgangslage allein sei geeignet, potentielle Wettbewerber davon abzuhalten, auf dem betreffenden Markt aktiv zu werden. Eine entsprechende reale Gefahr sei dagegen ausgeschlossen, wenn aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen kein potentieller Wettbewerber ein Konkurrenzangebot zu den staatlich ausgeübten Tätigkeiten geben kann (Randnummer 131). Dies sei danach zu bemessen, ob der Endverbraucher letztlich die identische Leistung von privaten oder öffentlichen Einrichtungen entgegennehmen könne, sodass die Wettbewerbsverzerrung darin liegen würde, dass die öffentliche Tätigkeit ohne Mehrwertsteuerbelastung geschieht. 120 Schlussantrag des Generalanwalts vom 07.09.2006, C-284/04, T-Mobile Austria. 121 EuGH Urteil vom 20.11.2003, C-8/01, Taksatorring, UR 2004, 82.
118
C.
Börsentätigkeit
Es kommt also darauf an, ob ein privater Wettbewerber sich in genau der gleichen rechtlichen Situation befindet wie der öffentlich-rechtliche Betreiber. Hiervon kann beim Betreiben einer Börse nicht gesprochen werden, denn die spezifischen Bedingungen der Börse, von denen schon mehrfach gesprochen wurde, können private Anbieter in der gleichen Form und mit der gleichen Zielsetzung, insbesondere der Handelstransparenz, gar nicht schaffen. Hierzu bedarf es vielmehr einer öffentlich-rechtlichen Hoheitsposition. So gesehen sind im Sinne der Ausführungen des Generalanwaltes potentielle Wettbewerber nicht ersichtlich. Im Urteil vom 26.06.2007122 kam es auf die Frage nach der Natur der Wettbewerbsverzerrung nicht mehr an.
f)
281
282
Schlussantrag des Generalanwalts vom 07.09.2006, Hutchison
123
Auch hier geht es um die Versteigerung von Lizenzen. In Randnummer 98 wird nochmals unterstrichen, dass es im Kern darum geht, ob die Tätigkeit im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung ausgeübt wird. Hierzu, sowie zu der weiteren Frage der Wettbewerbsverzerrung, kann auf die Ausführungen zu e) verwiesen werden. Wichtig ist hierbei nochmals, die Auseinandersetzung des Generalanwalts mit der Frage, ob auch eine wirtschaftliche Tätigkeit des Staates – die dort vorliegen mag – eine solche im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie sein kann. Dass eine derartige wirtschaftliche Tätigkeit vorliege, räumt der Generalanwalt ein (Rn. 73). Auch wenn der Staat sich in Form der Versteigerung einer Handlungsmodalität des Zivilrechts bediene, so liege dennoch eine öffentliche Sonderregelung vor, da kein Privater letztlich die Lizenz einräumen könne, sondern nur der Staat im Wege des Hoheitsaktes. Deswegen kommt es auch nicht darauf an, dass mit der hoheitlichen Tätigkeit aufgrund der Sondernormen Einnahmen erzielt werden (Rn. 113). Diese Ausführungen unterstreichen die Würdigung, die bereits zu Punkt e) vorgenommen wurde. Im Urteil vom 26.06.2007124 kam es auf die Frage nach der Natur der Wettbewerbsverzerrung nicht mehr an; es wiederholt im Kern die Ausführungen des Generalanwalts zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates.
3.
2
283 284
285
286
Zwischenergebnis
Wenn die deutsche Verwaltung und die bisherigen BFH-Urteile pauschal davon sprechen, dass ein Beliehener keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen könne, so greift dies zu kurz. Die Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH zeigt vielmehr, dass es nicht darauf ankommt, wie die hoheitlichen Tätigkeiten national geregelt sind, sondern darauf, ob eine staatliche Stelle handelt, diese sich Sondernormen bedient und keine größere Wettbewerbsverzerrung erzeugt. Dass auch ein Beliehener in der Lage sein muss, als staatliche Stelle in diesem Sinne anerkannt zu werden, zeigt schon die Formulierung „Einrichtung“ in Art. 13 MwStSystRl. Dieser Begriff ist letztlich nicht fassbar und muss es auch nicht sein, denn die maßgeblichen Kriterien sind diejenigen der Sonderrechtstheorie und der Abgrenzung gegenüber der Wettbewerbsverzerrung. 122 EuGH Urteil vom 26.06.2007, C-8/01, T-Mobile Austria. 123 Schlussantrag des Generalanwalts 07.09.2006, C-369/04, Hutchison. 124 EuGH Urteil vom 26.06.2007, C-369/04, Hutchison.
119
287
288
2
2
289
290
291
292
293
294
295
§2
Umsatzsteuer
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beliehene nicht wie ein Notar an sich eine private Tätigkeit wahrnimmt, bei dieser Gelegenheit jedoch hier und da hoheitliche Tätigkeiten ausübt, sondern wenn die Gesamttätigkeit des Privaten auf diese hoheitliche Tätigkeit gerichtet ist. Nur scheinbar fällt die Entscheidung in der Rechtssache Ayuntamento aus dieser Systematik heraus. Entscheidend war da jedoch, dass es eine originäre Steuerbehörde in Spanien gibt und diese sich quasi nur zur Verwaltungserleichterung der Steuerpächter bedient. Verwaltungsrechtlich gesprochen, sind diese also eher Hilfsperson oder Verwaltungshelfer als Behörde im eigentlichen Sinne, denn es obliegt ihnen, ähnlich wie in einem Inkassounternehmen nur die Einziehung der Steuer, nicht aber deren Festsetzung. Der eigentliche Hoheitsakt wird also von der staatlichen Behörde vorgenommen. Dies ist hier vollkommen anders. Es gibt, wie ausgeführt, keine Börsenbehörde, die sich der Börse lediglich zur Erfüllung ihrer Tätigkeiten bedient, vielmehr ist die Börse selbst die Verkörperung des staatlichen Auftrags. Ihr kommt die Setzung von Hoheitsakten zu, nicht aber derjenigen Behörde, die sie errichtet. Ausschlaggebend – und dies zeigen vor allem die beiden unter 2.e) und 2.f) erörterten Schlussanträge – sind daher die Sondernormtheorie und die Abgrenzung zu der Wettbewerbssituation auf dem privaten Bereich. Dass hier Sondernormen wahrgenommen werden, steht außer Frage. Ein privater Wettbewerber existiert nicht und kann nicht existieren, denn die Aufgaben, die eine öffentliche Börse hat, kann wegen der notwendigerweise mit ihr verbundenen Hoheitstätigkeit, die allein in der Lage ist, die angestrebte Handelstransparenz zu erzeugen, nicht existieren. Dies zeigt insbesondere folgendes Beispiel: Wollte ein privater Börsenbetreiber einen Handelsteilnehmer ausschließen, müsste er letztlich sein Ziel im Klagewege verfolgen und hätte kaum eine Möglichkeit eines unmittelbaren Handelns, bis dass der Rechtsstreit abgeschlossen ist. Ganz anders ist dies bei einer öffentlich-rechtlichen Börse, die Handelsteilnehmer qua Verwaltungsakt zunächst von der weiteren Teilnahmen ausschließen kann, auch wenn sich im Zuge eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens im Nachhinein herausstellen kann, dass der Ausschluss rechtswidrig war. Diese Systematik ist gerade kennzeichnend für das Hoheitsrecht, das den Staat und seine Gliederungen in die Lage versetzen will, zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit Ad-hoc-Maßnahmen treffen zu können. Anschluss- und Teilnahmegebühr sind als Gebühr für die Zulassung zum Börsenhandel nicht steuerbar, da die Terminbörse hier eine Hoheitstätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der 6. EGRichtlinie wahrnimmt.
III.
Hilfsweise: Steuerbefreiung
1.
Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen
Unabhängig von der Frage der Steuerbarkeit kann hilfsweise untersucht werden, ob auch die Kriterien einer Steuerbefreiung greifen. Als solche kommt hier § 4 Nr. 8 c UStG in Betracht, wonach die Umsätze im Geschäft mit Forderungen befreit sind. Der Umfang der Befreiung lässt sich nur dann bestimmen, wenn man auf die historische Entwicklung der Vorschrift zurückblickt. 120
C.
Börsentätigkeit
Ursprünglich war nur der „Umsatz von Geldforderungen“ steuerbefreit. Schon der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16.6.1986125 wies darauf hin, dass bestimmte Geschäfte deswegen von der USt befreit sind, weil sie einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit bestimmten Geschäftsgegenständen des § 4 Nr. 8 UStG haben. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte hierdurch, dass es für die Steuerbefreiungstatbestände nicht darauf ankommt, welche Rechtsform ein Geschäft hat, sondern dass vielmehr bestimmte Geschäftsbereiche (hier das Geschäft mit Forderungen) der Befreiung unterliegen sollten. Man wird hier also von einer Art Annexwirkung sprechen können. Dieser Beschluss war mit ausschlaggebend dafür, dass im Zusammenhang mit der Errichtung der DTB durch das 2. Gesetz zur Änderung des UStG, im Einklang mit der Formulierung der 6. Richtlinie (die ohnehin zwingend ist), der Gesetzeswortlaut geändert wurde, sodass seitdem die „Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen“ steuerbefreit waren. Die Einschränkung „Geld“Forderungen wurde in Zusammenhang mit der Einführung des Warenterminhandels an der Warentermin-Börse Hannover, wiederum im Einklang mit der 6. EG-Richtlinie, dahingehend geändert, dass nunmehr die „Umsätze in Geschäften mit Forderungen“ der Befreiung unterliegen. Durch die Wortfassung „im Geschäft mit“ wird verdeutlicht, dass nicht nur die Grundgeschäfte selbst (Optionsgeschäfte, Umsätze von Geldforderungen, Begründung von Geldforderungen) befreit sind, sondern eben auch die Annexumsätze, die sich hierauf beziehen, insbesondere die Börsenentgelte. Diese Zusammenhänge hat insbesondere der sog. DTB-Erlass vom 19.12.1989126 deutlich gemacht, der das Ergebnis einer mehrjährigen Verhandlung zwischen dem Bundesverband deutscher Banken und dem Bundesfinanzministerium war. Gegenstand dieser Verhandlungen war nicht nur die Frage, ob Future- und Optionsgeschäfte der Steuerbefreiung unterliegen, sondern auch die Entgelte, die an der Terminbörse für die Zulassung und Durchführung des Börsenhandels erhoben werden. Der Erlass spricht hier von den Transaktionsentgelten, tatsächlich waren aber alle Entgelte an der DTB damit gemeint, also sowohl für die einmalig erfolgende Zulassung, als auch solche für die Transaktionen selbst. Es ist zwar, soweit ersichtlich, nirgendwo geregelt, dass Börsenentgelte explizit der Umsatzsteuerbefreiung unterliegen (dies muss auch wegen der Nichtsteuerbarkeit dieser Tätigkeit an sich nicht sein), jedoch hat der DTB-Erlass unterstrichen, dass die Steuerbefreiung auch insoweit greift. Der Umstand, dass noch niemals Entgelte an einer Börse der Umsatzsteuer unterworfen wurden (und dies seit Einführung dieser Steuer im Jahre 1919!) hat also signifikanten Inhalt in besagtem Erlass gefunden. Dieser Erlass wurde, wie bereits aufgezeigt, später für den Warenterminhandel fortgeschrieben127. Signifikant sind insbesondere die Ausführungen zu Ziff. 2 b des DTB-Erlasses. Dort heißt es: „Durch den Einsatz ihrer Einrichtungen und ihrer Organisation ermöglicht die DTB die börsenmäßige Abwicklung des Optionshandels mit Wertpapieren. Für diese Geschäftstätigkeit berechnet sie ein besonderes Entgelt (Transaktionsentgelt).“ Dieses Entgelt sollte zunächst im Verwaltungswege aus sachlicher Billigkeit steuerfrei sein, bis dass der Gesetzgeber (wie danach geschehen) die Vorschrift von § 4 Nr. 8 e UStG (Umsatz von Wertpapieren) änderte. Mit der gleichen Begründung gilt dies auch für den Umsatz von Forderungen, wie der DTB-Erlass zeigte. Hieraus wird deutlich, dass mit dem Begriff des Transak125 Die Steuerwarte 86, 168. 126 UR 1990, 63. 127 UR 1989, 355
121
2 296 297
298
299
300
301 302
303
2
§2
Umsatzsteuer
tionsentgeltes keineswegs nur die unmittelbar mit den Umsätzen selbst verbundenen Entgelte gemeint waren, sondern vielmehr diejenigen, die für die Einrichtung und die Teilnahme hieran überhaupt anfallenden, also im hiesigen Sinne derjenigen der Anschluss- und Teilnahmegebühren.
2
2. 304
305
Die Steuerbefreiungen gelten natürlich in erster Linie für Gebühren oder Entgelte die anlassbzw. erfolgsbezogen sind128. Allerdings sind auch Entgelte steuerfrei, die wie die Anschlussgebühr pauschal oder als Tätigkeitsvergütung gezahlt werden. Für die Beurteilung einer Leistung kommt es nicht auf die Art des Entgelts an, sondern es muss gewährleistet sein, dass die Tätigkeit im Umsatz von (Geld-) Forderungen selbst besteht (Termingeschäfte)129. So gesehen, sind die Anschlussgebühren quasi vor die Klammer gezogene Entgelte, die je nach ihrer Natur entweder in Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen einmünden. Sie betreffen nicht lediglich die Aufrechterhaltung einer Organisation, sondern sind Eintrittsgebühren dafür, den Handel an der Börse wahrnehmen zu können. Es liegt die gleiche Situation vor, wie wenn ein Vermittler oder Eigenhändler, der seine Provision offen ausweist, eine gemischte Provision aus festen und erfolgsabhängigen Bestandteilen vereinbart. Niemand kommt auf den Gedanken, hier zu differenzieren, vielmehr kommt es lediglich wie gesagt darauf an, dass diese Entgelte in die entsprechenden Tätigkeiten einmünden und nicht solche für Leistungen anderer Art sind. Letzteres kommt jedoch nicht in Betracht, da kein Handelsteilnehmer ein Interesse daran hätte, die bloße Organisation der Börse zu finanzieren ohne selbst den (zumindest potentiellen) Willen zu haben, dort auch Handel zu treiben.
3. 306
308
309
Transaktionsentgelte
Das Handelsentgelt wird anlassbezogen in Rechnung gestellt. Es ist also erfolgsabhängig und wäre erst recht ein Entgelt für den Umsatz im Geschäft mit (Geld-) Forderungen (Termingeschäfte) bzw. für die Vermittlung solcher Umsätze (Kassageschäfte).
IV. 307
Anwendung dieser Grundsätze auf die Anschlussgebühr
Besondere Entgelte an Forderungs-Terminbörsen
Der Handel mit Forderungsanteilen in börsenmäßiger Form (wie er durch die RMX in Hannover geplant war) ist neuartig. Gegenstand des Handels ist ein Umsatz von Anteilen an Darlehensforderungen (sog. Creparts). Maximal 75 % einer (Kredit-)Forderung werden auf diese Weise handelsmäßig umgesetzt. Es handelt sich dabei um Verkäufe von Forderungsteilen à forfait, d. h. das Risiko geht insoweit auf den Käufer über. Um Forderungen überhaupt auf diese Art und Weise handelbar zu machen, bedarf die Börse einer standardisierten Datenerfassung und einer auf der Basis dieser Daten ermittelten Schuldnerausfallwahrscheinlichkeit (sog. Credit-Rating). Letztere soll zusammen mit den Ergebnissen einer Validierung der Sicherheitenbewertung durch eine Servicegesellschaft erfolgen. Die 128 BFH Urteil vom 26.01.1995, BStBl. II 1995, 427; vom 22.1.1998, UR 1998, 423, 425; vom 9.7.1998, BStBl. II19 99, 253, 255. 129 Vgl. Philipowski in Rau/Dürrwächter § 4 Nr. 8 UStG Rn. 93.
122
C.
Börsentätigkeit
RMX bedarf dieser Informationen für die Bewertung der Risiken eines möglichen Ausfalls der Schuldner der abgetretenen Forderungen. Die Käufer der Forderungen erhalten durch die Börse jährlich wiederkehrend ein neues Credit-Rating. Auf die gleiche Weise wie zuvor beschrieben soll auch unterjährig das dazugehörige Reporting sowie eine Weiterleitung der Zahlungsströme über die Handelsplattform an den Erwerber stattfinden. Weiterer Bestandteil des Transaktionsentgelts ist dort die Standardisierungsgebühr, die im Wesentlichen ein Entgelt für die Durchführung des jeweiligen Rating darstellt. Ein Rating ist angesichts der Besonderheiten dieser Börse eine Nebenleistung zum Handels- bzw. Vermittlungsvorgang selbst. Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung liegt eine Nebenleistung vor, wenn die Leistung keinen eigenen Zweck verfolgt, sondern das Mittel darstellt, die Hauptleistung zu optimieren130. Die Besonderheit der RMX als Börse besteht darin, dass sich ihre Tätigkeiten nicht auf einen einmaligen Umsatzakt beschränkt, wie dies bei allen herkömmlichen Börsen der Fall ist, sondern aus der Natur der Sache nachwirkende Verpflichtungen existieren. Anders als beim Umsatz von Waren oder Wertpapieren ist es hier nicht der Gegenstand selbst, der einmalig umgesetzt wird und sich danach in der Risikosphäre des Käufers entsprechend positiv oder negativ entwickelt. Vielmehr sind Forderungen Dauerschuldverhältnisse, deren Wert und Validität in erster Linie von der Bonität des Schuldners dauerhaft abhängt. Anders als bei standardisierten Wertpapieren, wie z. B. Inhaberschuldverschreibungen, die in großer Stückzahl als Teilschuldverschreibungen emittiert werden, wird der Preis des Börsengegenstandes hier nicht durch eine solche Kursnotierung bestimmt, die in erster Linie eine Reaktion des sich aus dem Wertpapier ergebenden Zinses im Verhältnis zum Marktzins ist. Beim Forderungshandel spielt zwar auch der Marktzins im Verhältnis zum vereinbarten Zins eine Rolle, jedoch viel stärker als bei Wertpapieren die jeweilige Bonitätssituation der höchstindividuellen Forderung. Da die Börse gem. § 45 BöO-RMX einen fortlaufenden Handel der einmal platzierten Forderungen sicherzustellen hat, kann eine Preisfindung also nicht aus einer aktuellen Betrachtung des Umsatzes gleichartiger Wertpapiere resultieren (wie dies für eine Kursnotierung typisch ist), sondern eben nur aus einer individuellen Betrachtung. Diese individuelle Betrachtung kann sich nicht anders als aus einem in regelmäßigen Abständen durchgeführten Rating ergeben. Es gehört aber zum Wesen einer Börse, Gegenstände nicht nur einmalig abzusetzen, sondern auch, wie § 45 BöO-RMX zeigt, dafür zu sorgen, dass sich der Erwerber gegebenenfalls (mit Gewinn oder Verlust) von seinem Engagement wieder trennen kann. Hierdurch unterscheidet sich der Börsenhandel mit Forderungen gerade von einem individuellen Handel zwischen zwei Parteien, wie er seit jeher möglich war und auch durchgeführt wurde, bei dem aber nicht garantiert wird, dass sich der Erwerber überhaupt wieder von seinem Engagement trennen kann. Der Börsenhandel hat den Vorzug, dem Erwerber in Aussicht zu stellen – wenngleich unter Umständen unter Inkaufnahme eines Verlustes –, sich aus seiner Position wieder befreien zu können. Erst durch diese Möglichkeit kann überhaupt ein entsprechendes Handelsvolumen aufgebaut werden, denn der Käufer einer Forderung, der damit rechnen muss, auf Gedeih oder Verderb „auf ihr sitzen zu bleiben“ wird entsprechend zögern, überhaupt einen Erwerb vornehmen zu wollen. Dieses Risiko nimmt ihm die RMX – soweit ersichtlich zum ersten Mal in der Börsengeschichte – ab. 130 EuGH Urteil vom 250.2.1999, C-349/96, CPP, Rn. 30; vom 15.05.2001, C-34/99, Primback, Rn. 45; vom 22.10.1998, C-308/96, Madgett and Baldwin; BFH Urteil vom 16.01.2003, V R 16/02, DB 2003, 921.
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§2
Umsatzsteuer
Anders gesprochen, ist Voraussetzung eines jeglichen Börsenhandels, dass die dort gehandelte Ware eine Fungibilität besitzt. Individuelle Forderungen sind normalerweise nicht fungibel und damit a priori für einen Börsenhandel nicht geeignet. Will man diese Eignung gleichwohl herbeiführen, so bedarf es zusätzlicher auf die Dauer angelegter Mechanismen, wie insbesondere des fortlaufenden Ratings, um Marktpreise ermitteln zu können. Erst das Handelsvolumen – die Tiefe des Marktes – garantiert wirtschaftlich gesehen, dass sich zu jedem Zeitpunkt wieder Käufer finden lassen, die es ermöglichen, sich aus dem einmal eingegangenen Engagement wieder zu lösen. Insoweit ist die Situation nicht unähnlich derjenigen, die an jeder Terminbörse anzutreffen ist und die sicherstellt, dass sich dort sogar der Verpflichtete aus einem Geschäft (der Stillhalter/ Verkäufer einer Option) aus seinem Engagement wieder befreien kann. Die Börse hat die Eigenart, die zivilrechtlichen Verpflichtungssituationen zu überwinden und trotz der scheinbar gegebenen Einseitigkeit der Rechtsposition ein Handelsobjekt zu kreieren. Das Rating ist mithin integraler Bestandteil des hier vorzufindenden Börsensystems in seiner Eigenart und kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Börsenhandel kollabieren würde. Das Rating ist damit eine klassische Nebenleistung zum erstmaligen Börsenumsatz (mit einer Forderung). Natürlich finden sich auch im Wertpapierhandel Rating-Situationen. Gerät die Bonitätssituation des Schuldners eines Wertpapiers ins Wanken, so führt dies zu Kursverlusten bzw. zur Aussetzung des Handels mit den Wertpapieren überhaupt (vgl. aus jüngster Vergangenheit die sog. Argentinien-Anleihen). Hier ist der Kursverlust bzw. die Aussetzung des Handels jedoch nur eine mittelbare Folge des Ratings, und keineswegs ist das Rating allein entscheidend für solche Vorgänge, denn wie sich wiederum gezeigt hat, können negative Bonitätserwartungen bei Wertpapieren durchaus durch entsprechende Maßnahmen kompensiert werden, wie etwa bei den Argentinien-Anleihen durch die Ausgabe von Fundierungsschuldverschreibungen. Demgegenüber ist das Rating bei Creparts von unmittelbarer Einwirkung auf den Preis des Gegenstandes, denn die vorbeschriebenen Mechanismen im Wertpapierhandel stehen beim Umsatz mit individuellen Forderungen nicht zur Verfügung131. Es zeigt sich also, dass die Bezeichnung als Standardisierungsentgelt vollkommen zutreffend die Situation beschreibt, denn das Rating dient, wie ausgeführt, dazu, ähnliche Situationen zu schaffen, wie sie beim standardisierten Wertpapierhandel aus der Natur der Sache heraus selbst existieren. Die Transmissionsentgelte sind Gegenleistungen dafür, dass die im Zusammenhang mit dem Kredit auftretenden Zahlungen (z. B. Zinsen, Tilgungen, Sondertilgungen) über die RMX an alle Erwerber der Darlehensforderungen zentral verteilt werden. Auch insoweit ist eine Nebenleistung anzunehmen. Dies resultiert wiederum aus der Besonderheit der hier anzutreffenden Börsensituation. Während beim Wertpapierhandel dem Wertpapier Coupons beigefügt sind, die über die jeweilige Zahlstelle beim Emittenten eingelöst werden, und es das System der wertpapiermäßigen Abwicklung über Wertpapiersammelbanken und Zahlstellen garantiert, dass dieses System funktioniert, sind beim Handel mit individuellen Forderungen solche Mechanismen nicht vorhanden. Das Wertpapier wechselt seinen Besitzer auch mit Wirkung für das Außenverhältnis zum Emittenten/Schuldner. Ganz anders ist dies hier. Aus verschiedenen zivilrechtlichen Grün-
131 Der Individualschuldner kann sich nicht durch Fundierungsvorgänge einseitig eine Schuldumschaffungsmöglichkeit besorgen.
124
C.
Börsentätigkeit
den (insbesondere wegen der mit dem Kredit verbundenen Sicherheiten) ist es so, dass das ursprüngliche Kreditinstitut, das den Kredit erstmals begeben hat, im Außenverhältnis zum Schuldner stets zivilrechtlicher Kreditgeber bleibt. Die Transmissionsleistungen haben wiederum keinen losgelösten Zweck, sondern sind eng mit der Art und Weise des beschriebenen Geschäfts verbunden, da auf andere Weise die wirtschaftlichen und rechtlichen Inhaber der (Teil-)Forderungen nicht in den Genuss von Zins und Tilgung kommen könnten. Darüber hinaus wird als Transmissionsleistung das Reporting der zugelassenen Creparts organisiert. Wiederum ist dies ein Ausdruck dessen, dass hier etwas vollkommen Neuartiges geschieht, nämlich ein Börsenhandel mit Dauerschuldverhältnissen. Die Transmissionsleistung stellt, wie die Rating-Leistung, (aus dem Blickwinkel der Terminbörse) einen notwendigen Bestandteil der Eigenart dieses Börsengeschäftes dar und ist damit ebenfalls integraler Bestandteil des Handelsvorgangs, mithin Nebenleistung im Sinne der obigen Definition des Europäischen Gerichtshofs und des BFH. Die Verhältnisse sind hier gleich zu erachten demjenigen eines ABS-Systems, wozu die Finanzverwaltung entschieden hat132, dass das sog. Servicing als Nebenleistung zum Forderungsverkauf anzusehen ist. Es greift daher die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 c UStG ein.
V.
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Sicherheitsleistungen (Margins)
Die Hinterlegung von Sicherheiten in bar erfolgt durch Übertragung auf ein Konto der Terminbörse. Diese Sicherheiten werden unter Umständen verzinst. Es handelt sich im Falle der Entgeltlichkeit um eine Leistung, die ihrer Art nach der der Bankeinlage entspricht, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG gegeben sind. Mithin greift die Steuerbefreiung von § 4 Nr. 8 d UStG ein. Sieht man hierin keine Einlage, so wäre jedenfalls eine steuerbefreite Kreditgewährung nach § 4 Nr. 8 a UStG gegeben. Bei Hinterlegung von Sicherheiten in Form von Wertpapieren werden die Wertpapiere in ein gesondertes Unterdepot des jeweiligen Mitglieds der Terminbörse als Clearingstelle verpfändet. Weder eine Eigentumsübertragung noch eine Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht findet sonach statt. Es fehlt damit an einer Leistung, da der wirtschaftliche Gehalt des Vorgangs lediglich in der Gestellung einer Sicherheit besteht. Die Hinterlegung ist damit nicht steuerbar. Dieser Sicht haben sich die obersten Finanzbehörden im DTB-Erlass angeschlossen.
VI.
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Der zentrale Kontrahent
Wie aus der als Anlage beigefügten Darstellung der Abwicklung von Eurex-Geschäften deutlich wird, handelt die Clearingstelle als zentraler Kontrahent. Dies bedeutet, dass Zivilrechtsbeziehungen nicht zwischen den Börsenbeteiligten selbst zustande kommen, sondern jeweils mit der Clearingstelle, die sozusagen in die wirtschaftliche Beziehung der Börsenteilnehmer als Zivilrechtspartner nach beiden Seiten eintritt.
132 BMF vom 3.6.2004, UR 2004, 374, Rn. 5.
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§2
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2 D.
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Umsatzsteuerlich ist ein Fall von § 3 Abs. 11 UStG bzw. Art. 28 MwStSystRL gegeben (Leistungskommission), weil der zentrale Kontrahent zwar im eigenen Namen auftritt, jedoch für Rechnung der Börsenteilnehmer, die ja das wirtschaftliche Ergebnis treffen soll. Durch die Fiktionswirkung der genannten Vorschriften liegen daher hintereinandergeschaltete Umsätze133 vor, ganz so wie nach der Zivilrechtslage.
D.
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Ermittlung der abziehbaren Vorsteuern, insbesondere bei Kreditinstituten
Für den Vorsteuerabzug gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln. Unternehmen außerhalb des Finanzsektors können bei Derivaten u.U. von der Vereinfachungsregelung in § 43 Nr. 1 UStDV Gebrauch machen, weil diese Geschäfte dort Hilfsumsätze sind: ■ Die Vorsteuern dürfen steuerfreien Derivatgeschäften nicht direkt zurechenbar sein und ■ es muss sich bei den Derivaten um Umsätze von Geldforderungen handeln, denen zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze des Unternehmens zugrunde liegen. Bei Unternehmen, deren Geschäftsgegenstand der Umsatz von Finanzprodukten ist (wie insbesondere Kreditinstituten), kommt diese Vorschrift allerdings nicht zum Tragen; hier gelten die nachstehenden Regeln:
I. 329
Umsatzsteuer
Gesetzliche Aufteilungsregeln
Umsatzsteuer auf Eingangsleistungen ist gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich als Vorsteuer abziehbar; für Banken gelten dabei dieselben Regelungen wie für alle Steuerpflichtige. Gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG ist ein Vorsteuerabzug aber insoweit grundsätzlich ausgeschlossen, als die betreffenden Eingangsleistungen für tatsächlich oder dem Grunde nach steuerfreie Ausgangsleistungen verwendet werden. Von dem Ausschluss des Vorsteuerabzugs sieht § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG eine wichtige (Rück-) Ausnahme vor: Wenn eine Leistung i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. a – g UStG an einen im Drittland ansässigen Leistungsempfänger erbracht wird, ist ein Vorsteuerabzug wiederum zulässig. Banken werden damit nur für ihr (dem Grunde nach steuerfreies) Drittlandsgeschäft und ihre steuerpflichtigen Geschäftsbereiche vollständig von der Vorsteuer entlastet; dagegen sind Vorsteuern im Zusammenhang mit steuerfreien EU-Finanzumsätzen nicht abziehbar. Für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuern schreibt das Gesetz grundsätzlich eine unmittelbare Zuordnung von Eingangsleistungen zu Ausgangsleistungen vor: Eingangsleistungen sind – wenn möglich – unmittelbar vorsteuerabzugsschädlichen (steuerfreien) oder vorsteuerabzugsunschädlichen (steuerpflichtigen oder Drittlands-) Umsätzen zuzuordnen. Ist eine solche direkte Zurechnung nicht möglich, sieht § 15 Abs. 4 UStG eine sachgerechte Schätzung der abziehbaren Vorsteueranteile vor. Dabei ist zwischen besonderen Aufteilungsschlüsseln und einem allgemeinen Vorsteuerschlüssel zu unterscheiden.
133 wenn denn im Einzelfall überhaupt steuerbare Umsätze anzunehmen sind.
126
D. Ermittlung der abziehbaren Vorsteuern, insbesondere bei Kreditinstituten
II.
„Bankenschlüssel“: Margenmodell zur Vorsteueraufteilung
Grundsätzlich obliegt es dem Unternehmer zu bestimmen, welche Schätzungsmethode er wählt, um aus den gesamten Vorsteuerbeträgen den nach wirtschaftlich angemessenen Verhältnissen abziehbaren Anteil zu ermitteln.134 Der in dem Schreiben des BMF vom 12.04.2005135 festgelegte „Neue Bankenschlüssel“ (Margenschlüssel) ist darauf gerichtet, als Standardmethode der Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten zu dienen. Die Finanzverwaltung jedenfalls ist an die Aufteilungsmethode „Margenschlüssel“ gebunden, wenn der Steuerpflichtige sich hierfür entscheidet. Das BMF eröffnet dem Steuerpflichtigen aber die Möglichkeit, abweichende Aufteilungsmethoden in Abstimmung mit dem Finanzamt fortzuführen oder neu zu konzipieren. Die im Schreiben des BMF niedergelegte Aufteilungsmethode ist vom Wesen her ein Umsatzschlüssel, da ein solcher allein die Vorgaben von Art. 17 Abs. 5 und Art. 19 der 6. EG-Richtlinie erfüllt136. Entscheidend ist danach, inwieweit Eingangsumsätze Kostenelemente der Ausgangsumsätze werden137. Dies allein entspricht dem Neutralitätsprinzip der Mehrwertsteuer, da die zu besteuernde Wertschöpfung der Saldo aus beiden Größen ist. Unternehmensinterne Abläufe und Kostenverteilungsmethoden (z. B. der „Mitarbeitereinsatz“) erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
1.
2 333
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Grundumsätze und Margenumsätze
Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für Finanzdienstleistungen entspricht vielfach nicht dem wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Tätigkeit, da das Institut häufig lediglich eine „Mittlerstellung“ am Finanzmarkt einnimmt. Deshalb hat der EuGH in der Rechtssache „First National Bank of Chicago“ entschieden, dass die Leistung im Devisengeschäft (Anund Verkauf von Devisen zu unterschiedlichen Kursen) in einer Umtauschfunktion liege; das Entgelt sei mit dem Betrag anzusetzen, über den das Kreditinstitut effektiv verfügen kann138. Folglich legt der EuGH die Summe aller „Spread“-Erträge (Unterschied zwischen dem An- und dem Verkaufspreis von Devisen) in einem bestimmten Zeitraum der Besteuerung zugrunde: „Somit ist [...] Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie dahin auszulegen [...], dass bei Devisengeschäften, bei denen für spezifische Geschäfte weder Gebühren noch Provisionen berechnet werden, der Bruttoertrag der vom Dienstleistenden während eines bestimmten Zeitraums getätigten Geschäfte die Besteuerungsgrundlage darstellt.“139 Diese Entscheidung bildet das methodische Fundament für die Margenmethode zur Vorsteueraufteilung140. Besteht der Inhalt der betreffenden Leistungen darin, die Leistungsempfänger „mit einem Finanzprodukt zu versorgen“141, sind die entsprechenden Umsätze lediglich mit dem Gewichtungsfaktor „Marge“ in die Vorsteueraufteilung gem. § 15 Abs. 4 UStG einzubeziehen. Diese Formulierung erweist sich jedoch insoweit als unglücklich, als letztlich jedes Leistungs134 Vgl. BFH, Urteil. vom 05.02.1998, BStBl. II 1998, 492 = UR 1998, 390. 135 BMF, Schr. v. 12.04.2005, UR 2005, 574. 136 Vgl. insbesondere BFH, Urteil. vom 18.11.2004, BStBl. II 2005, 503 = UR 2005, 340 m. Anm. Eggers; vgl. auch Dahm/ Hamacher, Das EG-Recht und der Vorsteuerabzug deutscher Banken, IStR 1998, 449. 137 Prägnant insoweit EuGH, Urteil. vom 08.06.2000, C-98/98, Midland Bank, EuGHE 2000, I-4177 = UR 2000, 342. 138 Vgl. EuGH, Urteil. vom 14.07.1998, C-172/96, First National Bank of Chicago, EuGHE 1998, I-4387 = UR 1998, 456, Rz. 47; Anm. Philipowski, UR 1998, 458. 139 Vgl. EuGH, Urteil. vom 14.07.1998, C-172/96, First National Bank of Chicago, EuGHE 1998, I-4387 = UR 1998, 456 -- Rz. 50; Anm. Philipowski, UR 1998, 458. 140 Vgl. auch Witzani, UR 2003, 274 (275). 141 BMF, Schreiben vom 12.04.2005, Az. IV A 5 – S 7306a – 3/05, UR 2005, 574.
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§2
angebot am Markt darauf gerichtet ist, die Kunden mit den angebotenen Leistungen „zu versorgen“. Gemeint sind nach der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „First National Bank of Chicago“ jedenfalls die Umsätze, bei denen die wirtschaftliche Funktion des Kreditinstitutes als „Finanzmarktintermediär“ im Vordergrund steht. Der systemtragende Grund für den Margenansatz liegt dabei nach zutreffender Auffassung des EuGH142 in der Anwendung des Verbrauchsteuergedankens143, nach dem zu bestimmen ist, was genau der zu besteuernde „Verbrauch“, d. h. der Vorteil für den Endverbraucher ist. Beruht die Leistung der Bank deshalb auf einer Mittlerstellung auf dem Finanzmarkt, aufgrund der Finanzdienstleistungen für die Kunden beschafft werden, ist der zu besteuernde Verbrauch die für die „Beschaffungsleistung“ gezahlte Transaktionsgebühr; dies ist die Marge. Margenumsätze sind folglich in der Regel solche Umsätze, bei denen für das Institut am Finanzmarkt eine wirtschaftliche Rückdeckung erforderlich ist, dieses z. B. die Finanzprodukte also selbst am Markt besorgen muss.
2. 339 340 341
342
Umsatzsteuer
Behandlung des Derivategeschäfts im Margenschlüssel
Nach Auffassung des BMF zählen steuerbare Derivateumsätze von Banken zu den ebenfalls im Vorsteuerschlüssel gem. § 15 Abs. 4 UStG zu berücksichtigenden Geschäften. Offenbar zählen Derivategeschäfte aber nicht zu den im Wertpapierbereich zu erfassenden Geschäftsvorfällen. Dies ist nicht sachgerecht. Vielfach bestehen zahlreiche Wechselwirkungen zwischen Derivatgeschäften und dem Handel mit Wertpapieren einschließlich komplexer produktübergreifender Handelsstrategien. Hierbei kommen häufig Derivate zum Einsatz, um Risiken zu steuern und zu verlagern oder um Gewinne aus Arbitragetransaktionen zu erzielen. Haben umsatzsteuerbare Derivate deshalb eine entsprechende Verknüpfung zum Wertpapierhandelsgeschäft des Instituts, sind die betreffenden Umsätze bei der Berechnung der Margen aus dem Handelsbereich zu erfassen. Dies ist geboten, denn würden einzelne Teile der komplexen Handelsstrategien in unterschiedliche Margen einbezogen, bestünde die Gefahr, dass Margengeschäfte nicht mit dem wirtschaftlich sachgerechten Wert erfasst werden. Aus diesem Grund kann es nicht beanstandet werden, wenn für den gesamten Handelsbereich eines Instituts, d. h. unter Einschluss aller von dem Institut gehandelten Finanzinstrumente, eine einheitliche Marge gebildet wird. Diese Handelsmarge ist separat von dem (Kunden-) Provisionsgeschäft mit Wertpapieren und Derivaten zu behandeln. Praktische Probleme ergeben sich im Bereich der Derivategeschäfte ebenfalls bei der Bestimmung des vorsteuerabzugsunschädlichen Teils der Marge. Auch hier wird das Kreditinstitut auf die Verwendung geeigneter Schätzgrundlagen angewiesen sein. In Betracht kommt insbesondere eine Berechnung auf der Grundlage des Verhältnisses der mit im Drittland ansässigen Kontraktpartnern abgeschlossenen Geschäfte zum gesamten Kontraktvolumen.
142 Vgl. EuGH, Urteil. vom. 14.07.1998, C-172/96, First National Bank of Chicago, EuGHE 1998, I-4387 = UR 1998, 456 m. Anm. Philipowski. 143 Vgl. dazu grundsätzlich EuGH, Urteil. vom 29.02.1996, Rs. C-215/94, Mohr, EuGHE 1996, I-959 = UR 1996, 119 m. Anm. Widmann; EuGH, Urteil. vom 18.12.1997, C-384/95, Landboden Agrardienste, EuGHE 1997, I-7387 = UR 1998, 102 m. Anm. Stapperfend.
128
E.
E.
Umsatzsteuerliche Behandlung in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten
E.
Die Behandlung von Derivaten in Europa zeigt ein buntes Bild. Dies ist auch nicht erstaunlich, denn bisher ist deren Behandlung nicht ausdrücklich harmonisiert. Für Derivate im Finanzbereich dürfte davon auszugehen sein, dass diese, aus den unterschiedlichsten Gründen, mehrwertsteuerlich nicht erfasst werden. Die Unterschiede bei der Betrachtung des Phänomens „Derivat“ zeigen sich aber insbesondere bei der Behandlung der Warenderivate, da diese gleichsam die Schnittstelle zur Realwirtschaft bilden. Gerade diese Nahtstelle offenbart die Vielgestaltigkeit der Überzeugungen und der Schwierigkeit der anstehenden Harmonisierung. Daher soll dieses Thema nachstehend an exemplarischen Beispielen erläutert werden. Zum Vergleich bleibt in Erinnerung zu rufen, dass nach der aktuellen Rechtslage in Deutschland alle Derivatgeschäfte, bis auf diejenigen Warenderivate, die tatsächlich zu einer Lieferung der Ware führen, umsatzsteuerlich unbelastet bleiben.
I.
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Frankreich
Die französischen Umsatzsteuervorschriften unterscheiden zwischen Finanz- und Warentermingeschäften und somit nach der Natur des Basiswertes.
1.
2
Umsatzsteuerliche Behandlung in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten
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Finanztermingeschäfte
Ist der Basiswert ein Finanzinstrument oder ein Index ergibt sich die Umsatzsteuerfreiheit aus Artikel 261 C CGI (Code Général des Impôts), der speziell die umsatzsteuerfreien Finanzprodukten aufführt. Futures, deren Basiswerte selbst Finanzinstrumente sind, sind gemäß Artikel 261 C CGI steuerbefreit, wobei je nach der Natur des Finanzinstruments Artikel 261 C 1°b, d oder e CGI greift. Die Umsatzsteuerfreiheit von Devisenswaps ergibt sich aus Artikel 261C 1°c CGI, während die Währungsswaps nach Artikel 261C 1° d und die Zinssatzswaps gemäß Artikel 261C 1° b steuerfrei sind. Bei Optionsgeschäften mit Wertpapieren basiert die Umsatzsteuerfreiheit auf Artikel 261C 1°e CGI. Indexoptionsgeschäfte sind gemäß Artikel 261 C 1°c CGI befreit.
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§2
2. 350
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Umsatzsteuer
Warentermingeschäfte
Die Umsatzsteuerfreiheit von Warentermingeschäften wird hiergegen in den allgemeinen Befreiungsvorschriften des CGI geregelt. Gemäß Artikel 261 Abs. 1 4° CGI sind Warentermingeschäfte, die auf reglementierten Märkten ausgeführt werden, steuerfrei mit Ausnahme derjenigen, die die Beendigung von Reihengeschäften auslösen144. Unter „Geschäften, die die Beendigung von Reihengeschäften auslösen“, sind die Geschäfte zu verstehen, infolge derer sich der letzte Käufer in der Reihe die Ware tatsächlich liefern läßt145. Bei einer „vente par filière“ (Reihengeschäfte) wird die gleiche Ware mehrmals sukzessiv gekauft und wiederverkauft, bis sie vom ersten Verkäufer an den letzten Käufer tatsächlich geliefert wird146. Der letzte Käufer sowie die Beteiligten, die einen Verlust erlitten haben, begleichen den Kaufpreis gegenüber dem ersten Verkäufer und die Gewinnmarge der Beteiligten, die einen Gewinn erzielt haben. Wendet man die Umsatzsteuervorschriften strikt an, schuldet jeder Verkäufer die Umsatzsteuer auf den von ihm festgesetzten Kaufpreis. Aufgrund des besonderen Charakters solcher Reihengeschäfte werden jedoch folgende Regeln angewandt: Der erste Verkäufer führt die auf den vom ihm festgesetzten Kaufpreis entfallende Umsatzsteuer nach der tatsächlichen Lieferung ab, die er dem letzten Käufer in Rechnung gestellt hat. Jeder andere Beteiligte zahlt lediglich die auf seine Gewinnmarge entfallende Umsatzsteuer, die er seinem Schuldner in Rechnung gestellt hat147. Von der Befreiung ausgeschlossen sind somit die Warentermingeshäfte, die zur tatsächlichen physischen Lieferung der Ware führen. Zur Verdeutlichung führt die frz. Finanzverwaltung in der sog. „documentation de base“ folgendes Beispiel148 auf: Auf einem reglementierten Warenterminmarkt schließt X einen Vertrag, wonach er sich verpflichtet, Y nach 3 Monaten 50 Tonnen einer bestimmten Ware zum Preis von 50.000 € zu liefern. Nach Ablauf der Frist können sich zwei Situationen ergeben: Erster Fall: Y hat vor Ablauf der Frist das Geschäft an Z weiterveräußert. In diesem Falle ist der durch die Weiterveräußerung realisierte Gewinn steuerfrei. Zweiter Fall: Y hat das Geschäft vor Ablauf der Frist nicht weiterveräußert. Hierdurch findet das Geschäft ein Ende. X liefert die Ware und stellt Y eine Rechnung aus, in der er die Umsatzsteuer ausweist. Wurden die Warentermingeschäfte auf einem nicht reglementierten Markt geschlossen, gelten die für Reihengeschäfte geltenden Regeln149. In Bezug auf Treibhausemissionszertifikate hat Frankreich kürzlich im Verwaltungswege eine Steuerbefreiung ausgesprochen150, die auch für die hierauf bezogenen Derivate gilt.
144 « les opérations à terme sur marchandises réalisées sur un marché réglementé à l’exclusion de celles qui déterminent l’arrêt de la filière ». 145 DB (documentation de base) 3 A 3181, N° 47. 146 DB 3 B 1121 N° 44. 147 DB 3 B 1121 N° 44. 148 DB 3 A 3181, N° 49. 149 DB 3 A 3181, N° 4.9 150 BOI 3 L-1-09, N° 58 vom 11.6.2009.
130
E.
II.
Umsatzsteuerliche Behandlung in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten
Belgien
Wie die Mehrwertsteuerrichtlinie auch, erwähnt das belgische Umsatzsteuergesetzbuch an keiner Stelle die Derivatprodukte. In der belgischen Finanzgesetzgebung wird der Begriff „Finanzinstrumente“ verwendet. Nach Artikel 2 des Gesetzes vom 02.08.2002 über die Aufsicht über den Finanzsektor werden beispielsweise als Finanzinstrumente jeder Wert oder Anspruch, der zu einer der folgenden Kategorien gehört, definiert,: (…) (f) Finanztermingeschäfte („futures“), einschließlich der äquivalenten Instrumente, die bar abgerechnet werden (g) Zinsterminkontrakte („forward rate agreement“) (h) Tauschgeschäfte („swaps“) in Form von Zinssatzswaps oder Devisenswaps oder swaps im Zusammenhang mit dem Tausch von Zahlungen im Zusammenhang mit Aktien oder Indizes i) Devisen- und Zinssatzoptionen sowie andere Optionen, die darauf gerichtet sind, ein unter vorstehenden a) bis h) stehendes Finanzinstrument zu kaufen oder zu verkaufen. Die Umsatzsteuerfreiheit der Finanzderivate wird in Belgien aus der Definition der Derivate als Finanzinstrumente hergeleitet und ergibt sich demzufolge aus Artikel 44 § 3 Nr.6 bis 10 des Code de la TVA. Hierbei wird nach dem zugrundeliegenden Underlying nicht unterschieden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Warenderivate nur dann einer Umsatzbesteuerung unterliegen, wenn sie tatsächlich zu einer Lieferung führen.
III.
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358
Italien
Im Gegensatz zum belgischen Umsatzsteuergesetzbuch werden Derivate in den Befreiungsvorschriften des italienischen Umsatzsteuergesetzes namentlich erwähnt. Gemäß Artikel 10 Abs. 4 IVA sind von der Umsatzsteuer befreit die Umsätze in Bezug auf Finanzinstrumente, zu denen insbesondere die Termingeschäfte über Wertpapiere und andere Finanzinstrumente sowie die diesbezüglichen Optionen gehören. Hierzu zählen die Futures, die Swaps und die Optionen151, gleich, ob sie auf Basiswerten in Form von Finanzprodukten oder von Waren beruhen. Dies ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass die Warentermingeschäfte von der Regelung nicht ausdrücklich ausgenommen sind (die Steuerbefreiung setzt nicht voraus, dass es sich bei dem jeweiligen Basiswert um ein Finanzprodukt handeln muss). Zum anderen wird die Übertragung warenvertretender Scheine (z. B. Lagerscheine), die ebenfalls in Artikel 10 Abs. 4 geregelt wird, mit der Begründung einer Besteuerung unterworfen, dass das Eigentum an der Ware hierdurch übertragen wird152. Hieraus kann entnommen werden, dass wie in Frankreich alle Derivate einschließlich der Warenderivate von der Umsatzsteuer befreit sind, soweit sie nicht zu einer physischen Lieferung führen, da diese auch zu einer Übertragung des Eigentums an der Ware führt.
151 Kommentierung zu Art, 10 Abs. 4 IVA in Risoluzione 77/1998 des italienischen Finanzministeriums. 152 Kommentierung zu Art. 10 Abs. 4 IVA.
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2
§2 F.
F.
Umsatzsteuer
Aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene
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Seit 2006 werden die europäischen Vorschriften über die Mehrwertsteuer bei Finanzdienstleistungen überarbeitet. Hierzu liegen Entwürfe von Rechtstexten vor153. Diese Rechtstexte sind seit März 2008 Gegenstand der Beratungen im Europäischen Rat.
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Generell geht es hierbei darum, die Vorschriften über die mehrwertsteuerliche Behandlung von Finanzdienstleistungen, die insbesondere von Kreditinstituten, Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften etc. erbracht werden, zu modernisieren. Weder die MwStSystRl, um deren Änderung es hier geht, noch ihre Vorgängerin, die 6. EGRichtlinie, enthalten eine Definition der sog. Derivate. Diese werden ebenfalls in den Befreiungsvorschriften nicht expressis verbis aufgeführt. Auch der Vorschlag der Kommission vom 28.11.2007 enthält keine generelle Regelung154. Erst im Änderungsvorschlag des Rates vom August 2008155 wurden auf Antrag der Mehrheit der Delegationen die derivaten Finanzinstrumente in die Befreiungsvorschrift des Art. 135 Abs. 1) Buchst. f) eingefügt und in Art. 135a Nr. 9 definiert. Nach diesem Vorschlag sollten nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f) alle Derivate von der Umsatzsteuer befreit sein, wobei bei der Lieferung von Gegenständen oder bei Dienstleistungen die Bemessungsgrundlage der Normalwert sein sollte. Diese Position hatte auch das Europäische Parlament eingenommen156. Beide Bestimmungen wurden seitdem mehrfach geändert. Im Änderungsvorschlag des Rates vom 29.09.2008157 wurde für Art. 135 Abs, 1) f) eine Formulierung gewählt, die die Gefahr in sich barg, die Warenderivate von der Befreiung auszuschließen. Darin hieß es nämlich: „Von der Steuer befreit sind ... Umsätze mit derivativen Finanzinstrumenten, mit Ausnahme von Verträgen, die zu einer Lieferung von Gegenständen oder zur Erbringung einer Dienstleistung führen können, die nicht Versicherungs- und Finanzdienstleistungen sind.“ Nach dem letzten Änderungsvorschlag des Rates158 sollen die Derivate, die zu einer Lieferung führen können, aus der Definition der Derivate ausscheiden und von der Befreiung ausgeschlossen werden. Es heißt nun in Artikel 135 Nr. 1, (gb): „Financial derivatives” means instruments in a form of contracts relating ■ to the value of securities, currencies, interest rates or fields, financial ■ indices or measures, commodities, transfers of credit risk, climatic variables, freight or inflation rates, emission allowances or other official economic statistics in which at least one of the parties is committed, on a firm or optional basis, such value provided that profits and losses are derived without any (possibility of) delivery or fulfilment of any underlying goods or services (,other than insurance or financial services,) and that the contracts are settled financially.
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153 Entwurf einer Richtlinie und einer Verordnung – COM (2007) 746 und 747. 154 es finden sich allerdings verstreute Aussagen zu spezifischen Derivaten in Zusammenhang mit anderen steuerfreien Leistungen. 155 Rat der EU, 5162/09, Fisc 2, 29.08.2008. 156 Bericht Ausschuss für Wirtschaft und Währung v. 15.9.2008, PE 402.842v01-0.0 157 Rat der EU, 13627/08, Fisc 123,vom 29.09.2008. 158 Rat der EU, 13056/09, Fisc, vom 09.09.2009.
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F. Aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene
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Diese Definition entspricht weder der tatsächlichen Rechtslage in vielen Mitgliedstaaten noch wird sie dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt der Derivate gerecht. Die Entwicklung der Formulierung zeigt, dass unter den Mitgliedstaaten zumindest eine Unsicherheit über eine Besteuerung der Warenderivate besteht. Während in der Fassung des Ratsvorschlags vom 29.08.2008 zu Art. 135 Abs. 1 f alle Derivate von der Umsatzsteuer befreit sein sollten und nur klargestellt wurde, dass im Falle einer tatsächlichen Lieferung der Normalwert, nämlich der Kaufpreis, die Bemessungsgrundlage für die Steuer darstellen sollte, wurden im Vorschlag vom 29.09.2008 durch Einfügung des Halbsatzes „mit Ausnahme der Verträge, die zu einer Lieferung von Gegenständen ... führen können“ die Warenderivate aus der Definition der Derivate gestrichen und hierdurch von der Befreiung ausgeschlossen. Ein Wegfall des Wortes „können“ würde dazu führen, dass nicht nur Finanzderivate, sondern auch Warenderivate, solange sie nicht zur tatsächlichen Lieferung führen, von der Umsatzsteuer befreit wären. Der Wegfall des Wortes wäre umso wünschenswerter, als er zu einer Regelung führen würde, die der tatsächlichen Rechtslage in vielen Mitgliedstaaten entspräche und auch dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt der Derivate gerecht werden würde. Hinter dieser vorgeschlagenen Ausgrenzung der Warenderivate steckt eine mehr diffuse Angst, es könne zu Rechtsunsicherheiten kommen, da man ja im Vorhinein nicht weiß, ob der jeweilige Kontrakt im Ergebnis beliefert wird. Die Umsatzsteuerbefreiung der Warenderivate in den Mitgliedstaaten, die diese bisher als steuerfrei behandeln, hat in diesen Staaten jedoch offenbar keine Rechtsunsicherheit mit sich gebracht, denn wie sonst könnte erklärt werden, dass beispielsweise Frankreich Finanzumsätze, solange sie nicht zu einer tatsächlichen Lieferung führen, bereits bei Einführung der Umsatzsteuer im Jahre 1966159 von der Umsatzsteuer befreite und diese Befreiung seitdem immer beibehalten hat? Das im Ratsvorschlag vom 29.09.2008160 angebrachte Argument einer mit dieser Regelung zusammenhängenden Rechtsunsicherheit überzeugt deshalb wenig. Darin heißt es: „Da der Wortlaut, der darauf hinausläuft, dass die mehrwertsteuerliche Behandlung eines Vertrags von dessen künftiger Abwicklung abhängt, unter dem Aspekt der Rechtsunsicherheit nicht zufrieden stellend ist, zielt dieser Lösungsansatz darauf ab, nicht nur sämtliche Umsätze mit Finanzderivaten, die tatsächlich zu einer Lieferung von Gegenständen oder einer Erbringung von Dienstleistungen führen, von der Steuerbefreiung auszunehmen, sondern auch diejenigen Umsätze, die lediglich zu solchen Lieferungen oder Dienstleistungen führen können.“
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Die besagte Sichtweise beinhaltet kein taugliches Abgrenzungskriterium, da alle Derivate, solange sie keine bloß indexierten Instrumente sind, beliefert werden können. So gesehen wären auch Futures steuerpflichtig (wenn sie denn überhaupt steuerbar sind). Dieses Argument überzeugt auch deshalb nicht, weil der im Voraus festgelegte Ablauf eines Vertrags des öfteren nicht eingehalten wird, was deshalb zu Korrekturen der angemeldeten Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer führt. Vielmehr ist kein Grund ersichtlich, weshalb Derivate, die zu einer Lieferung oder zur Erbringung einer Dienstleistung führen können, von der Umsatzsteuerbefreiung ausgeschlossen werden sollen, denn dies ändert nichts an ihrer Natur.
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159 Siehe décret n° 67-1164 vom 15.12.1967, JO vom 28.12.1967, Seite 12796, III zu Artikel 261 4.° 160 Rat der EU, 13627/08, fisc 123, Seite 3, Anmerkung des Vorsitzes.
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§2
Umsatzsteuer
Im Ratsvorschlag vom 20.03.2009 wird hinsichtlich der Definition der Derivate in Artikel 135a Nr. 11 [= nunmehr Art. 135 Nr. 1 (gb)] darauf hingewiesen161, dass die vorgeschlagene Definition auf Anhang I Abschnitt C der MIFID162 basiert. Umso verwunderlicher ist, dass nicht alle in diesem Abschnitt aufgeführten Finanzinstrumente in die Definition eingeflossen sind. In Anhang I Abschnitt C Nr. 5 der MIFID heißt es nämlich: „Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Termingeschäfte und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien ... bar abgerechnet werden können. Warenderivate sind ihrer Natur nach zweifellos Finanzinstrumente und gehören auch deshalb in die MIFID.“ Da es um die Befreiung der Verträge geht, deren Gegenstand Finanzinstrumente sind, wäre es aus systematischen Gründen zweckmäßig, hinsichtlich der Definition der Derivate in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auf Anhang I Abschnitt C der MIFID sogar unmittelbar zu verweisen. Da Finanz- und Warenderivate von ihrem Wesensgehalt her gleich sind, müssen sie auch gleich behandelt werden. Eine Ungleichbehandlung mag zunächst nahe liegen, weil Waren eben keine Finanzinstrumente sind. Allerdings ist hier ein Bereich gegeben, bei dem die Grenzen zwischen Waren und Finanzinstrumenten verschwimmen, indem zwar äußerlich Waren den Hintergrund eines Geschäfts darstellen, dieses jedoch von seinem Zweck und von seiner Abwicklung her ein Finanzgeschäft ist. Bei Derivaten ist es ja so, dass die jeweilige Bezugsmaterie (Underlying) im Normalfall nur der Parameter ist, auf den sich etwaige Zahlungen beziehen. Es besteht also kein Grund nach der gewählten Bezugsgröße (Underlying) zu differenzieren; auch Derivate in Waren sind also Finanzprodukte. Eine Steuerpflicht von Derivatumsätzen im Warenbereich hätte weitgehende Auswirkungen, insbesondere auf die in Europa bestehenden Warenterminbörsen (z. B. in Paris und London (Euronext), Hannover (RMX/WTB), Leipzig (Strombörse EEX), wo Handelsgegenstand Waren, Edelmetalle und Energie sind. Würde man nunmehr auf solche Kontrakte die Mehrwertsteuer erheben, so hätte dies beispielsweise für die beteiligten Landwirte desaströse Folgen, da diese normalerweise nicht zur Regelbesteuerung optiert haben, so dass die Mehrwertsteuer bei ihnen zum Kostenanteil würde. Damit schieden diese Geschäfte als Sicherungsgeschäfte gegenüber der Preisentwicklung aus. Die Folge würde sein, dass sich die an solchen Börsengeschäften Interessierten dann zwangsläufig an Börsen im Drittland wenden müssten, was heutzutage technisch keine Schwierigkeit bedeuten dürfte. Damit würde Geschäft aus der Europäischen Union vertrieben, zum Nutzen insbesondere der Börsen im Drittland. Folgerichtig befürwortet daher das Europäische Parlament eine umfassende Befreiung. In welche Richtung geht es weiter?
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Es ist eine deutliche Tendenz dahingehend zu erkennen, am grundsätzlichen System der Steuerbefreiung von Finanzdienstleistungen und Versicherungen festzuhalten. Dies entspricht auch dem Wunsch der beteiligten Wirtschaftskreise. Es wäre zunächst sicherlich besser zu realisieren, dass bestimmte Derivate gar nicht steuerbar sind. Werden die Derivate nämlich unterschiedslos lediglich befreit (von Warenderivaten möglicherweise abgesehen), so stellte sich etwa für Futures und Zinsswaps die Frage, welches denn 161 Rat der EU, 7889/09, fisc 36 vom 20.03.2009, Seite 17. 162 Richtlinie 2004/39/EG des EU-Parlaments und des Rates vom 21.04.2004, Abl.EU, L 145/41.
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F. Aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene die Bemessungsgrundlage sein sollte. Diese Frage ist nicht akademisch, denn es müsste dann etwa für den Ansatz im Vorsteuerschlüssel geklärt werden, mit welchem Wert sie dort Eingang finden sollen. Diese Derivate haben aber keine Bemessungsgrundlage, weil sie eben keinen Leistungsaustausch beinhalten. Generell gesehen, hat man im übrigen seit Wiederbeleben der Diskussion im Jahr 2006 sehr wohl erkannt, dass Steuerbefreiungen nicht nur positiv wirken, sondern in dem Sinne negativ, als sie einen Vorsteuerabzug nicht oder nur in Ansätzen zulassen. Damit wird wirtschaftlich gesehen die Mehrwertsteuer in diesem Sektor doch erhoben, allerdings auf einem indirektem Wege über die Nichtabzugsfähigkeit der Eingangsleistungen auf Seiten der Finanzdienstleister (sog. Okkulte Mehrwertsteuer). Es ist lediglich der Mehrwert, der auf der Ebene der Finanzdienstleister erzielt wird, der letztlich mehrwertsteuerfrei bleibt. Ein Ventil in dieser Situation ist die Ausdehnung des Optionsrechtes. Es soll den Mitgliedstaaten insoweit vorgegeben werden, ihren Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, ihre Umsätze freiwillig der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, um hierdurch den besagten Vorsteuerabzug zu erhalten. Wenn auch zur Gewährung des Optionsrechts eine Tendenz besteht, so ist doch die Ausgestaltung dieses Optionsrechts im Einzelnen sehr umstritten und in den Staaten, in denen es existiert, auch jeweils unterschiedlich ausgestaltet. Fraglich ist auch, wie in einer solchen Situation eine grenzüberschreitende Option funktionieren könnte. In Deutschland ist das Optionsrecht im Bereich der Finanzdienstleistungen (nicht für Versicherungen) seit jeher am liberalsten ausgeprägt, aber gleichzeitig am wenigsten genutzt. Dies hat bestimmte historische Gründe, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Wichtig für eine praktische Umsetzung des Optionsrechtes wäre es allerdings herauszufinden, wie denn die Bemessungsgrundlage der Finanzumsätze sein soll. Hier kann an das angeknüpft werden, was zu Anfang und zum Bereich des Vorsteuerabzugs bereits gesagt worden ist: Bemessungsgrundlage ist unter Umständen die Marge. Diese steht allerdings zum Zeitpunkt der Ausführung des optierten Umsatzes normalerweise nicht als Größenordnung zur Verfügung. Einen interessanten Vorschlag hat die französische Präsidentschaft zu Ende des Jahres 2008 vorgelegt. Die Mitgliedstaaten sollten das Recht erhalten, diejenigen Umsätze, für die nicht bereits nach dem Vorstehenden optiert worden ist, einer so genannten Subsidiärsteuer zu unterwerfen163. Diese Vorstellung entspricht einer typisch französischen Grundhaltung, nach Wegen zu suchen, die Finanzumsätze in das Mehrwertsteuersystem zu integrieren. Dem Grunde nach ist dies nicht ohne Folgerichtigkeit, vorausgesetzt es gelänge, eine taugliche Bemessungsgrundlage zu finden. Die Subsidiärsteuer soll auf der Basis einer Marge erhoben werden. Allerdings wurde nicht im Einzelnen ausgeführt, wie dies durchzuführen wäre. Der Gedanke der Franzosen scheint zur Zeit keine weiteren Befürworter zu finden, jedoch dürften Konstellationen vorstellbar sein, unter denen man an den Grundgedanken vielleicht wieder anzuknüpfen hätte. Im Zusammenhang mit der Bewältigung der Finanzkrise wird auf nationaler wie auf internationaler Ebene daran gedacht, zur Finanzierung der Aufwendungen eine Art Börsenumsatzsteuer, „Tobin Tax“, oder ganz allgemein eine Verkehrsteuer auf Finanzumsätze einzuführen. Dies hat der EU-Ratsgipfel am 11.12.2009 nochmals unterstrichen. Auch wenn dieser Gedanke gleichsam ein Schreckgespenst darzustellen scheint, so muss doch vor dem Hintergrund der soeben 163 Dokument des Rates 16967/ 08, Fisc vom 08.12.2008, Artikel 13.7.
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§2
Umsatzsteuer
referierten Gedankenansätze darüber reflektiert werden. Wenn denn die Einführung einer solchen Steuer politisch unumgänglich werden sollte, muss danach gestrebt werden, diese in das System der Mehrwertsteuer zu integrieren. Anders gewendet: Anstelle einer Margenbesteuerung, wie sie dem französischen Vorschlag entnommen werden könnte, wäre eher daran zu denken, die Marge zu pauschalisieren und einen besonderen Marginalsteuersatz anzuwenden. Das hätte natürlich auch zum Ergebnis, dass sämtliche Vorsteuern abzugsfähig würden. Eine Finanzmarktsteuer neben der Mehrwertsteuer zu unterhalten dürfte jedenfalls nicht sinnvoll sein, weil es dann zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung mit dieser Steuer und der okkulten Mehrwertsteuer käme. Dies läge nicht im Sinne des Erfinders der Mehrwertsteuer – Laurence Lauré –, eine allgemeine proportionale Verbrauchsteuer auf alle Lieferungen und Dienstleistungen so zu erheben, dass es nicht zu einer überproportionalen Diskriminierung einzelner Bereiche kommt.
136
Anhang
A.
Darstellung Ablauf Eurex-Geschäfte
I.
Optionen
A.
Typischerweise wendet sich ein Anleger an ein Kreditinstitut und schließt mit diesem (als Verkäufer oder Käufer) ein Optionsgeschäft ab. Um keine offenen Positionen entstehen zu lassen, muss das Kreditinstitut seinerseits kongruente Geschäfte mit einem Börsenteilnehmer oder direkt mit der Eurex Frankfurt AG abschließen. Möchte beispielsweise ein Kunde A eine Option verkaufen, so stellt sich der Geschäftsablauf an der Eurex wie folgt dar: Zu unterscheiden ist zwischen den wirtschaftlich und den rechtlich Beteiligten. Kommt zwischen den Börsenteilnehmern, den wirtschaftlich Beteiligten, eine „Einigung“ über Geschäftsgegenstand und Optionspreis (im herkömmlichen Geschäft die Stillhalterprämie) auf elektronischem Wege zustande, so tritt aus beider Sicht automatisch die Eurex Frankfurt AG (die Clearing-Stelle) als rechtlicher Vertragspartner gegenüber beiden Seiten ein, und zwar zu den Konditionen (Preis und Menge), die von den Börsenteilnehmern zuvor wirtschaftlich vereinbart wurden. Rechtlich gesehen, nimmt die Clearing-Stelle aus Sicht des Verkäufers die Funktion des Optionsberechtigen (also des Käufers), aus Sicht des wirtschaftlichen Optionsberechtigten die Funktion des Verkäufers an. Dieser erste Teilakt eines Gesamtgeschäfts ist die Opening-Transaktion. Clearingstelle Terminbörse GmbH (TB GmbH)
Optionsverkauf x
Preis y
Preis y
(Clearing-Mitglied)
(Clearing-Mitglied)
Börsenteilnehmer Verkäufer gegenüber TB GmbH = Käufer gegenüber Kunde A
Optionsverkauf x
Preis y
Kunde A Verkäufer
Optionsverkauf x
Börsenteilnehmer Konditionen (Optionsverkauf x gegen Prämie y)
Käufer gegenüber TB GmbH = Verkäufer gegenüber Kunde B
Preis y
Optionsverkauf x
Kunde B Käufer
= vertragliche Beziehungen = wirtschaftliche Beziehungen
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Anhang 4
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Der zweite Teilakt des Gesamtgeschäfts besteht darin, dass jeder der Beteiligten (Verkäufer und Käufer) bestrebt ist, sich aus seiner Verpflichtung zu lösen bzw. seine Berechtigung aufzugeben, um als Saldo beider Geschäftsteile eine positive Differenz zu erzielen. Zumindest ermöglicht der Abschluss dieses zweiten Geschäftsteilakts (Glattstellungsgeschäft, Closing-Transaktion) eine Verlustbegrenzung. Der Abschluss eines Glattstellungsgeschäfts wird jederzeit dadurch ermöglicht, dass stets Marktteilnehmer vorhanden sind, die sich verpflichtet haben, Kurse zu stellen, d. h. stets die wirtschaftliche Position als Verkäufer oder Käufer einnehmen müssen (so genanntes MarketMaker-System), wobei die Clearing-Stelle die rechtliche Abwicklung besorgt. War, wie in der vorstehenden Grafik dargestellt, im ersten Teilakt des Geschäfts seitens des Kunden A eine Verkäuferposition eingegangen worden, so vereinbart der Kunde A nunmehr mit dem Börsenteilnehmer, der aus seiner Sicht Käufer (Optionsberechtigter) ist, einen zu seiner Verpflichtung gegenläufigen Kontrakt. Er erwirbt (rechtlich: begründet) also eine Option auf einen identischen Basiswert und mit einer Laufzeit, die der von ihm geschuldeten entspricht. Hierbei gibt er an, dass es sich um das Glattstellungsgeschäft zum ersten Optionsgeschäft handelt, indem er diesen zweiten Geschäftsteilakt als „Closing-Transaktion“ kennzeichnet. Bedeutsam ist, dass es das geschilderte System ermöglicht, die Closing-Transaktion stets mit dem rechtlichen Vertragspartner zu schließen, mit dem auch die Opening-Transaktion abgeschlossen war. Die ursprüngliche Verpflichtung des Verkäufers erlischt mithin, da er nun gleichzeitig gegenüber dem gleichen Vertragspartner Berechtigter und Verpflichteter bezüglich desselben Vertragsgegenstandes (Optionsrecht) ist. Zivilrechtlich handelt es sich hierbei um einen Schuldaufhebungs- und Verrechnungsvertrag1, der durch konkludentes Handeln der beiden Vertragsparteien zustande kommt. Dieser Verrechnungsvertrag hebt die Verpflichtung des Kunden A aus dem ersten Geschäftsteilakt auf und begründet gleichzeitig die Verpflichtung des Börsenteilnehmers aus dem zweiten Geschäftsteilakt. Die Verpflichtung des Börsenteilnehmers aus diesem zweiten Geschäftsteilakt (nunmehr Verkäufer) besteht somit (rechtlich) zwar, aber nur für eine logische Sekunde. Angesichts der regelmäßig zwischenzeitlich eingetretenen Kursveränderungen entspricht der seitens des Kunden A ursprünglich vereinnahmte Optionspreis allerdings nicht mehr dem nunmehr aus dem Glattstellungsgeschäft geschuldeten. Hierdurch ergibt sich die besagte Differenz. Auch der Börsenteilnehmer seinerseits schließt wiederum gegenüber der Clearing-Stelle ein entsprechendes Glattstellungsgeschäft ab, um sich wirtschaftlich und rechtlich aus seiner ursprünglichen Verpflichtung gegenüber der Clearing-Stelle zu befreien. Dies geschieht wiederum dergestalt, dass die wirtschaftlichen Konditionen des Glattstellungsgeschäftes mit einem weiteren Börsenteilnehmer „vereinbart“ werden und die Clearing-Stelle in diese Vereinbarung in eigenem Namen eintritt. Das Glattstellungsgeschäft vollzieht sich also quasi in umgekehrter Reihenfolge wie oben in der Grafik für den ersten Geschäftsteilakt dargestellt. Dies mag zunächst verdeutlicht haben, dass es den Beteiligten um eine Differenzerzielung nicht in Bezug auf Basiswerte geht, sondern hinsichtlich der Optionspreise. Diese Umstände verdeutlichen, dass es sich um eine völlig neuartige Form des Optionsgeschäftes handelt, das mit herkömmlichen Optionsgeschäften nicht mehr vergleichbar ist:
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So Forstmoser/Pulver, WM Sonderbeilage Nr. 6/1988, S. 12; Häuselmann/Wiesenbart, Fragen zur bilanzsteuerlichen Behandlung von Geschäften an der Deutschen EUREX, DB 1990, 641, 643.
A. Darstellung Ablauf Eurex-Geschäfte ■
der Verkäufer kann sich erstmals aus seiner Verpflichtung lösen, ■ der Käufer kann seine Position realisieren, ohne wie bisher für die Option einen Erwerber suchen zu müssen. Bewirkt wird dies markt- und organisationsmäßig letztlich durch das stetige Eintreten der Clearing-Stelle, verbunden mit dem Market-Maker-System. Es ist in der Praxis festzustellen, dass die Kunden die so eingeräumten Möglichkeiten auch ausnutzen und Optionen nicht wie bisher ausüben, sondern den erstrebten wirtschaftlichen Erfolg durch den Abschluss von Glattstellungsgeschäften der geschilderten Art realisieren. Hierfür sprechen die langjährigen Erfahrungen mit der Eurex, wo es im Durchschnitt kaum in mehr als 3% aller Fälle zur Ausübung der Optionen kommt. Diese geringe Zahl der Ausübungen wird plausibel, wenn man berücksichtigt, dass die Gewinnmöglichkeiten größer und die Verlustrisiken kleiner werden, wenn anstelle einer Ausübung eine Schließung des Geschäfts durch Glattstellungsgeschäft erfolgt. Hierzu folgender Beispielfall:
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Berechtigter
Der Berechtigte kauft am 05.06. eine Kaufoption über 500 X-Basiswerte zum Basispreis von 510; er entrichtet eine Optionsprämie von 500 x 5,00 € = 2,500,- €. In diesem Falle lautet seine Order: Kauf/Opening 500 X-Basiswerte CALL Juli 510 à 5,00 € Ergebnis bei Glattstellung: Bei einem Kursanstieg auf 530 stiege der Optionspreis auf 25,50 €. Die Glattstellung würde in der Form erfolgen, dass der Berechtigte eine Option auf einen identischen Basiswert verkauft (rechtlich: begründet) und mit einer Laufzeit, die der von ihm geschuldeten entspricht. Hierbei gibt er an, dass es sich um das Glattstellungsgeschäft zum ersten Optionsgeschäft handelt, indem er diesen zweiten Geschäftsteilakt als Closing-Transaktion kennzeichnet: Verkauf/Closing 500 X-Basiswerte CALL Juli 510 à 25,50 € Die Rechnung des Berechtigen sähe wie folgt aus: - 2.500,- € gezahlter Optionspreis (aus der Opening-Transaktion) + 12.750,- € vereinnahmter Optionspreis (aus der Closing-Transaktion) 10.250,- € Gewinn Ergebnis bei Ausübung: - 2.500,- € gezahlter Optionspreis - 255.000,- € Kaufpreis für 500 X-Basiswerte + 265.00,- € Weiterverkaufserlös aus 500 X-Basiswerte 7.500,- € Gewinn Fazit: Die Glattstellung führt zu einem höheren Gewinn als die Ausübung. Dies ist dadurch zu erklären, dass der Berechtigte neben dem inneren Wert der Option zusätzlich deren Zeitwert (den eine Option stets hat) realisiert, während er bei Ausübung nur den inneren Wert erzielen würde.
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Anhang Optionsverkäufer/Stillhalter 16
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Der Optionsverkäufer verkauft am 04.06. eine Kaufoption über 500 X-Basiswerte zum Basispreis von 510; er erzielt einen Optionspreis von 500 x 5 € = 2.500,- €. In diesem Falle lautet seine Order: Verkauf/Opening 500 X-Basiswerte Call Juli 510 à 5,00 € Für den Optionsverkäufer kommt naturgemäß keine Ausübung in Betracht, sondern ausschließlich eine Glattstellung. Würde er ebenfalls am 02.07. ein glattstellendes Geschäft (durch Kauf einer Option) schließen, so würde er folgende Order geben: Kauf/Closing 500 X-Basiswerte Call Juli 510 à 25,50 € Es ergäbe sich für ihn dann folgende Rechnung: + 2.500,- € erzielter Optionspreis (aus der Closing-Transaktion) - 12.750,- € zu zahlender Optionspreis (aus der Closing-Transaktion) = 10.250,- € Verlust Fazit: Der Optionsverkäufer erzielt zwar einen Verlust, wird aber gleichwohl bestrebt sein, sich von seiner Position zu trennen, wenn er einen weiteren Kursanstieg der X-Aktie befürchtet. In diesem Falle hätte er nämlich mit einem steigenden inneren Wert des Optionspreises zu rechnen, wodurch sich sein Verlust (bei noch späterer Glattstellung) vergrößern würde. In Erwartung weiterer steigender Kurse hätte die Glattstellung zum jetzigen Zeitpunkt daher für ihn einen verlustbegrenzenden Charakter. Sinngemäß entsprechende Ergebnisse stellen sich auch bei jeder anderen Kursentwicklung ein. Dass es dennoch im genannten Rahmen zu Ausübungen kommt, hängt damit zusammen, dass Geschäfte an der Eurex seitens der Börsenteilnehmer nicht nur im Kundenauftrag durchgeführt werden, sondern auch für eigene Rechnung. In erster Linie handelt es sich in diesem Zusammenhang um market maker, also um solche Händler, die ein Interesse an einer Belieferung mit Wertpapieren haben, weil es ihnen angesichts ihrer Marktstellung (insbesondere wegen der ihnen entstehenden erheblich niedrigeren Transaktionskosten) möglich ist, diese auf anderen Märkten gewinnbringend wieder zu veräußern.
II.
Futures
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Gewählt wird das Beispiel eines Zinsfutures; die Abläufe sind aber unabhängig vom Basiswert – Kontraktgegenstand – überall gleich, auch beim Warenfuture.
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Ausgangslage: Eine Bank vereinbart am 01.02. fest mit einem Kunden, ihm am 15. März einen kurzfristigen Kredit (3 Monate über 10. Mill. US$) zum Zinssatz von 7 Prozent (+ entsprechender Marge) zur Verfügung zu stellen. Diese Position führt bei steigenden Zinsen zu einer Ertragseinbuße, bei fallenden Zinsen zu einem (neben der Marge) zusätzlichen Gewinn. Um solche Unwägbarkeiten auszuschließen, besteht die Möglichkeit der Kurssicherung (Hedging) durch den Einsatz von Zinsterminkontrakten. Im vorliegenden Beispiel werden die Kontrakte „verkauft“. Dabei wird der Sache nach zwischen den Parteien dieses Sicherungsgeschäfts eine Geldaufnahme zu einem von vornherein festgelegten Referenzzins für einen zu-
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A. Darstellung Ablauf Eurex-Geschäfte künftigen Zeitpunkt simuliert mit der Maßgabe, dass die Differenz zwischen dem Referenzzinssatz und dem tatsächlichen Marktzins anstelle einer tatsächlichen Erfüllung ausgeglichen wird. Generell bezeichnet man die Handelseinheit an den Terminbörsen als Kontrakt. Je nach Handelsgegenstand (Waren, Devisen, Edelmetall, Aktien-Indizes oder Zinsen) werden die Kontrakte unterschiedlich definiert. Im Zinsbereich, um den es hier geht, gibt es Kontrakte, die kurzmittel- und langfristig Geld- und Kapitalmarktpapieren in USD, GBP etc. entsprechen. Mit dem so genannten „Three Months Eurodollar Interest Rate Future“ steht ein Instrument zur Verfügung, mit dem der Zins für ein 90-Tage-USD-Deposit zu einem bestimmten Termin in der Zukunft von vornherein festgelegt werden kann. Dabei entspricht ein Kontrakt dem Gegenwert von 1 Mill. USD, wobei durch den „Kauf “ die Geldanlage (Festgeld) und durch den „Verkauf “ die Geldaufnahme (Kredit) zinsmäßig festgelegt wird. Es liegt keine Kapitaltransaktion vor, da bei Fälligkeit lediglich die Zinsdifferenz mit dem kontrahierten Future-Zinssatz und dem entsprechenden Marktsatz verrechnet wird. Solche Geschäfte sind nicht nur in standardisierter Form über Börsen, sondern auch außerbörslich aufgrund besonderer Vereinbarung möglich. Sie werden dann als „Forward Rate Agreement“ bezeichnet. a) Um nicht Gefahr zu laufen, dem Kunden am 15.03. einen Kredit zu 7 Prozent gewähren zu müssen, obwohl der Geldmarktzins dann möglicherweise gestiegen ist, so dass die Bank sich teurer refinanzieren müsste, schließt sie bereits am 01.02. ein Sicherungsgeschäft ab: Sie „verkauft“ zum 15.03. 10 Kontrakte à 1 Mill. USD an das Clearinghouse, d. h. sie simuliert eine Geldaufnahme beim Clearinghouse von 10 x 1 Mill. $ zum 15.03., Zinssatz 7 Prozent, Laufzeit 3 Monate. Jeder der Kontrakte über 1 Mill. USD wird abdiskontiert, d. h. der für die Laufzeit geschuldete Zins wird von vornherein von der (gedachten) Darlehensvaluta abgezogen: Die Bank würde also am 15.03. nicht 1 Mill. USD „erhalten“, sondern 1.000.000 ./. (70.000 [Zinsen pro Jahr] : 4 = 17.500) = 982.500 (Rundungsdifferenzen zur Vereinfachung außer Betracht gelassen). Technisch wird dies durch den Kurs der Kontrakte ausgedrückt: gedachte Valuta = 100 %; zerlegt in sog. Basispunkte (BP) = 10.000 BP /. Zinssatz = 7,00 %; zerlegt in BP = 700 BP Ergebnis = 93,00 %; zerlegt in BP = 9300 BP = Kontraktkurs b) Bei Fälligkeit des Kundendarlehens am 15.03. Einräumung des zugesagten kurzfristigen Kredits zum vereinbarten Zinssatz von 7 Prozent p. a. (= 175.000 US$), Refinanzierung (laufzeitkongruent) zum aktuellen Geldmarktzins von 8 Prozent (= 200.000 USD). Zwischenergebnis: Zins aus Kredit + 175.000 USD Zins aus Refinanzierung / 200.000 USD Verlust der Bank / 25.000 USD Die Steigerung des Geldmarktzinses beeinflusst den Kurs der Kontrakte, denn der Zins für diese betrüge nun auf Jahresbasis nicht mehr 70.000 USD, sondern 80.000 USD (abdiskontiert: 920.000 USD; zerlegt in BP = 100 Prozent Valuta ÷ 8 Prozent Zinssatz = 10.000 BP ÷ 800 BP = 9.200 BP) Kurs der Kontrakte am 15.03. also: 9.200 BP.
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Anhang c) Die Bank stellt am 15.03. glatt, d. h. sie neutralisiert die simulierte Geldaufnahme zu diesem Zeitpunkt durch eine ebenso simulierte Geldanlage (Ausgleichung). Sie „kauft“ also beim Clearinghouse 10 Kontrakte à 1 Mill. USD zum Kurs 9.200 am 15.03. Da „Kauf “ und „Verkauf “ nur auf die Erzielung einer Differenz gerichtet sind, hat der „Verlierer“ (hier das Clearinghouse) an den „Gewinner“ (hier die Bank) die Differenz zu entrichten: Verkauf durch die Bank Kurs 9.300 BP Kauf durch die Bank Kurs 9.200 BP Differenz zugunsten der Bank 100 BP Umrechnung der BP: 100 BP = 1,00 % der Valuta pro Kontrakt von 1 Mill. = 10.000 USD Laufzeit der Kontrakte jedoch nur ¼ Jahr, also 10.000 USD : 4 = 2.500 USD 2.500 USD x 10 Kontrakte = 25.000 USD Dieser Gewinn neutralisiert den Verlust aus b).
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B. DTB-Erlass
B.
DTB-Erlass
B.
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Anhang
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B. DTB-Erlass
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Anhang
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B. DTB-Erlass
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Stichwortverzeichnis fette Zahlen = Paragraph andere Zahlen = Randnummer
A Abgeltungsteuer 1 1 Aktienswaps 2 165 Anleihe 2 213 Anteilscheine, Veräußerung 1 271 Ausschüttung 1 261 Ausübung 1 98
B Barausgleich 1 103
Beendigungsgeschäfte 1 10 Belgien 2 356 Bemessungsgrundlagen 1 234 Beweisanzeichen 1 69 Bonuszahlungen 1 301 Börsenhändler 1 68 Börsentätigkeit 2 235
C Call-Option 1 99
Capped Warrants 1 153 Commodity-Swaps 2 169 Contracts for Difference 1 167 Credit-Default-Swaps 2 167 Cross-Currency-Swaps 2 161
DDepotüberträge 1 326
Differenzgeschäft 1 67; 2 103
E Einkommensteuer 1 1
Einkünfte, – betriebliche 1 368 – Vermietung/Verpachtung 1 379 Einlagengeschäft, Steuerbefreiung 2 72 Emissionsberechtigungen 2 226 Emissionsrechte, CO2 2 224 Erträge 1 259 Erträge aus Investmentvermögen 1 305
F Finanzmarktförderungsgesetz 1 32 Finanzterminkontrakte 1 61 Frankreich 2 345 Freistellungsbescheide 1 362 148
Future-Kontrakte 2 178 Futures, – Eurex 1 61 – Inhalt 1 157 – Zivilrecht 1 159 – Besteuerung 1 160 Future-Style-Optionen 1 164
G Gebührenarten 2 252
Geldmarktnahe Fonds 1 314 Glattstellung 1 106 Glattstellungsgeschäfte 1 4 Goldwarrants 2 187 Grundumsätze 2 335
I Indexoptionen 1 22; 2 110
Interbankenprivileg 1 358 Investmentvermögen 1 253 Italien 2 359
K Kapitalertragsteuer 1 316
Kapitalertragsteuerabzug, Ausnahmen 1 353 Kapitalforderungen 1 79 Kassageschäft 1 20, 28 Kirchensteuer 1 76 Körperschaften 1 364 Kreditgewährung 2 52
L Laufende Erträge 1 277 Liefergeschäfte 1 48 Lieferung 1 98
MMargenumsätze 2 335 O Optionen auf Waren 2 180 Optionen, – Eurex 1 58 – Vertragsschluss 1 119 – Verkauf 1 121 – Ausübung/Lieferung 1 122
Stichwortverzeichnis – Barausgleich 1 127 – Glattstellung 1 128 – Verfall 1 129 Optionsgeschäfte, Rechtsprechung 1 3 Optionsscheine 1 33, 134 OTC-Geschäfte 1 74
P Put-Option 1 100 S Sicherheitsleistungen 2 322
Spezialfonds 1 308 Spreads, Straddles, Strangles 1 149 Steuerausländer 1 355 Steuerbefreiung 2 52 – Werpapiergeschäfte 2 75 Steuerbescheinigungen 1 387 Steuersatz 1 76 Stillhalter 1 103 Stillhalterprämien 1 9 Swaps 1 171 Swaptions 2 171
T Termingeschäft, Begriff 1 20
Termingeschäfte 1 48 – Investmentvermögen 1 251 – Umsatzsteuer 2 1 Thesaurierung 1 262 Transaktionsentgelte 2 306 Trennungsprinzip 1 100
Umtauschrecht 1 234 Unternehmensteuerreformgesetz 1 37
V Veräußerungsgeschäfte 1 283
Veräußerungsgewinne 1 259 Verfall 1 112 Verluste aus Stillhaltergeschäften 1 290 Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften 1 293 Verlustverrechnung 1 76 Vermögensmehrungen 1 83 Vertragsabschluss 1 97 Vorsteuern 2 327
WWährungsumrechnung 1 243 Wandelanleihen 1 234 Warentermingeschäfte 2 174
Z Zertifikate, Abgrenzung 1 44 Zinsbegrenzungsverträge 1 136; 2 124 Zinsswaps 1 173 Zivilrecht, – Swap 1 22 – Zertifikate 1 22 – Indexoptionen 1 22
UUmsatzsteuer 2 1
– EG Recht 2 16 – Steuerbefreiungen 2 39 – Geschäftsarten 2 84
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